Sie sind auf Seite 1von 149

I.

Jahrgang

1919
1.. Jahrgang, Nummer 1 1. November-Heft 1919-

MUSIKBLÄTTER
DES ANBRUCH
SCHRIFTLEITUNG: DR. OTTO SCHNEIDER
;Pi

C/iigem e/f{er •
r; j.1
z u M G E L E I T E
Von Guido Adler, Wien
Die Gründung der "Musikblätter des Anbruch" begrüße ich sympathisch in der
Hoffnung und mit dem Wuns;he, daß ihre Absichten zum Besten unseres Musiklebens
durchgeführt werden. Fürwahr wir haben allen Grund, die Musikpflege unSerer
Stadt und ihre internationalen Beziehungen eifrigst zu betreiben. Ist doch die Ton;
kun;t das urständige künstlerische Symbol Österreichs in Vergangenheit und wohl'
auch in Zukunft. Wie auf allen Gebieten, so ist auch da Arbeit die Hauptbedingung
unserer zukünftigen Existenz. Das lehren uns die großen Meister unserer Vergangenheit.
Nicht Worte, sondern Leistungen können einzig unser Dasein sichern. Im Anfang
war die Tat - dies gilt für jetzt und immerdar. Die Leistenden müssen gestützt,
das Neue, sofern es der adäquate Ausdruck unsereres Kunstwollens ist, muß gefördert,
das Alte in bester Auswahl zu Tage geschafft werden. Was wir zu bieten haben,
kann eine Welt (die alte und die neue) auf unabsehbare Zeit erfüllen und befriedigen.
Die Kämpfe und Leiden der historischen Persönlichkeiten müssen als Mahnung für
die Rücksichtnahme auf die schaffenden Zeitgenossen gelten, im Bewußtsein, daß nie
Großes geschaffen wurde ohne Widrigkeiten und Widerstände. Im Musikbetriebe
bilden die Leidenschaften, die sich für und wider betätigen, einen gewaltigeren
Gärungsstoff als in allen anderen Kunstbetrieben. Deshalb ist die Absicht, gesunde
Bedingungen auch für das Äußere zu erringen, lebhaft zu begrüßen. Schon regen
sich in verschiedenen Kulturländern Stimmen der Versöhnung und Vermittlung.
Die zersetzenden Einflüsse und Wirkungen der welterschütternden Ereignisse der
letzten Jahre müssen Schritt für Schritt behoben, überwunden und die Verbindung
wieder hergestellt werden. Welches geistige Gebiet wäre dazu eher berufen als die
Tonkunst, die die Seelen und Gemüter auszusprechen und zu vereinen vermag!
Welcher Ort wäre besser geeignet, die internationalen Beziehungen auf dem Gebiete
der Musik wiederherzustellen, als der 'klassisch geweihte Boden Wiens mit der
historischen und zukünftigen Mission der Ausgleichung aller Entwicklungsmomente
von Nord und Süd, von Ost und West! Mit Begeisterung begrüße 'ich die Absicht
der ff Veredlung der Musikpflege in der Annahme, daß ein Einverständnis über
ff

das "Wie~f erzielt werde. Die Art, wie derzeit die breiten Massen für die vornehme

1
Musik gewonnen, an ihr herangebildet werden, berechtigt zu dem Glauben, daß
dieser Prozeß der Veredlung sich verheißungsvoll vollziehen werde. Der echte Künstler.
schafft nicht für sich, sondern in dem Bestreben, sich seinen Mitmenschen mitzuteilen
und die Wirksamkeit seiner Mitteilung auf lange zu sichern. Das erstere ermöglichen
seine Freunde und Gläubigen, für das letztere haben die Historiker zu sorgen. Den
beachtenswerten Bestrebungen, die Moderne in einheitlichen Programlllen zur Auf-
führung zu bringen, wie sie bisher in mehrfachen Versuchen zutage traten, gesellen
sich die auf wissenschaftlicher Basis stehenden Popularisierungen der historischen
Werke. Dem Rechte der Produktion steht die Pflicht der Aufnehmenden gegenüber
Aber auch der Produzierende muß wie jeder Arbeiter sich seiner Pflichten bewußt
sein und bleiben. Keine Rechte ohne Pflichten. Dies muß die Devise unserer Zeit
sein - sonst gehen wir zugrunde. Auch die herrlichsten Werke von Vergangenheit
und Gegeawart retten uns nicht vor dem Untergang, wenn wir kein Pflichtgefühl
haben, im Großen und Kleinen, im Größten und Klein.ten. Und so schließe ich
diese Einbegleitung mit dem Worte:
"Dürfen wir hoffen?1I

o 0

PHILOSOPHIE DER MUS I K


I
Metaphysischer Sinn der Musiktheorie
Von Egon Lustgarten, Wien

Die durch den vorliegenden Aufsatz eingeleitete Attike1serie wendet


sich ;icht etwa bloß an philosophisch geschulte oder am Theoretischen der
Musik besonders interessierte Leser; unsere Betrachtungen wollen vielmehr,
ohne sich etwa absichtlich auf das Niveau der "Populärphilosophie"' zu
begeben, möglichst allgemeinem Verständnis begegnen. Den Fehler, über
der wissenschaftlichen Verklausulierung den großen Zusammenhang mit
den Rhythmen des allgegenwärtigen Lebens verloren zu haben, teilt ja die
landläufige Musiktheorie auch mit derheutigentags gepflogenen europäischen
Philosophie. Soll aber letztere den eingebüßten Sinn für die der Kunst und
Religion eignende lebendige Erfassung des Wesens der Welt neu erlangen,
so muß sie wieder der Kraft unmittelbarer Wirkung im Sinne eines
Sokrates, Laotse und Meistter Eckehart f'ähig zu werden trachten.

Die Musiktheorie wird gemeinhin als eine Handwerkslehre angesehen, deren man
sich klugerweise bedient, um sich die zum Komponieren notwendigen Kenntnisse
und Geschicklichkeiten anzueignen. Sie gilt al$ ein Kompendium von Regeln, die
sich nach jahrhundertelangen tastenden Versuchen als die praktischesten erwiesen
haben, und die nun von Generation zu Generation überliefert werden. Da gibt es
.Fehler" und .Lizenzen" - ein ganzes Dickicht von Regeln, durch das man sich
schlecht und recht hindurchzuschlagen bemüht. Doch gar bald bemerkt man, daß die
mit so apodiktischer Sicherheit auftretenden Vorschriften den Gepflogenheiten der'
Praxis ganz wesentlich widersprechen. Denn eine solche "Theoriel+ ist außerstande,
aus der Fülle der musikalischen Möglichkeiten die wesentlichen herauszugreifen,
ebensowenig wie sie es vermag, auch nur mit der bloßen technischen Fortentwicklung

2
der Kunst gleichen Schritt zu halten. Sie ist das Steckenpferd aller pedantischen
Akademiker und Schulmeister; s el b s t flügellahm, hemmt sie oft nur den Schwung
der Begeisterung der Kunst jünger ; statt ihnen das Tor der Musik zu erschließen,
verriegelt sie es ihnen nUr durch eine Unzahl von Anweisungen und Verboten.
So erkennen sie bald, daß es keine Regel gibt, die nicht von den größten Meistern
der Tonkunst durchbrochen, keine Vorschrift, die nicht umgangen, kein Gesetz, das
nicht ignoriert worden wäre. Ihre Verachtung der zöpfisch'Pädagogischen Richtung
macht sie gegen alle Regeln kopfscheu, nicht nur weil diese beengend und dem
freien Fluß der Phantasie hinderlich sind,. sondern auch weil sie sie überhaupt. der
Willlcür entsprungen erachten, als bloß mechanische Festlegungen von ehemals zw
fällig aufgetretenen, dann verallgemeinerten Wendungen, weil sie aus Vorurteilen
erwachsen seien, die längst als veraltet und überholt aufgedeckt worden sind. Kurz,
es gäbe keine organische Theorie, sondern es sei ihr höchstens zu Übungszwecken
eine vorübergehende Daseinsberechtigung zuzugestehen; nach Erfüllung ihres un-
mittelbaren Zweckes habe man ~ich der wertlos Gewordenen kurzerhand zu ent-
ledigen, da die Praxis allen gelehrten Verboten, als da sind .Querstände", .Parallel-
fortschreitungen l' u. s. w., durchaus widerspreche. .
Es ist nun aber eben so falsch und unkünstlerisch, sich dieser Theorie als einer
bequemen Sammlung von probaten .Rezepten" zu bedienen, als auch das Kind mit
dem Bade auszuschütten und die Gültigkeit einer Theorie überhaupt zu verneinen,
um .ein Narr auf eigene Hand" zu sein. Ob man sich nun diesen Vorschriften und
Einschränkungen willig fügt oder sie summarisch verwirft - in beiden Fällen' begeht
man den gleichen verhängnisvollen Fehler, dieses krause Regelwerk für das eigent-
liche Wesen aller Theorie anzusehen.
Wäre die Theorie wirklich lediglich Festhaltung rein usuell gewordener Eigen-
tümlichheiten, so bliebe die (übrigens auf allen geistigen Gebieten festzustellende)
Parallelität zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Ländern ohne Überlieferung
und geistige Beeinflussung auftretender Gesetzmäßigkeiten (wie z. B. das Phänomen der
Fünftonleiter in Japan; Afrika, Polynesien und Schottland) unerklärlich. Diese
Ge.etze treten eben mit der elementaren Selbstverständlichkeit von Naturgesetzen
auf. Aber ebenso wie diesen jedermann gehorcht, ohne sich ihrer auch nur ahnend
bewußt werden zu müssen, so verhält es sich auch mit der Kunstübung, deren
waltendes Gesetz durch die alten Meister in unb.wußtem Ingenium befolgt wurde.
Eingedenk dieses Umstandes liegt die Frage' nahe, ob denn nicht ein inner..
Zwang, ein tieferer Sinn, ein geheimer Instinkt der Tatsache zugrundeliege, daß
gerade ganz bestimmte Wendungen (z. B. die Kadenz) auffallende Bevorzugung
gefunden haben. Und in der Tat ist die Entwicklung der Musik ein Wachsen und
Kristallisieren organischer Elemente. Aufgabe der Theorie wäre es gewesen, dieser
organischen Entwicklung d.. Kunst parallel zu gehen: was der Künstler aus intui-
tivem Er I eb e n neu gestaltete, das hätte sie in intuitivem V e~ s t ehe n bestätigen
müssen.
Die Alten waren von feinstem Empfinden für den Sinn d.. musikalischen Ge-
setze ..füllt, nur vermochten sie diesen Empfindungen oft keinen auch diskursiv
einwandfreien Ausdruck zu verleihen. Die allmähliche Erweiterung des Konsonanz-
begriffes und die Entwicklung der modernen Tonarten sind Musterbeispiele für die'
Unfehlbarkeit. ihres genialen Instinktes. Infolge der primitiven begrifflichen Formu-
lierung ihrer an sich völlig richtigen Erkenntnisse konnten dieselben nur durch
kongeniales Verständnis erfaßt werden. Was taten aber die Theoretiker? Statt aus
der Fülle d.. musikalischen Werke das Typische herauszuheben, haben sie lebendig

3
S;UTeUea zUr Schablone erstarren lassen, indem sie das Organische me-cha-'
nisierte ..
Aber es i:eht nicht an, die Theorie überhaupt wegen des reglementarischen Ver-
fahre"" schlechter Lehrbücher zu verwerfen. Zwar, es ist klar: wenn etwas sich
eingebürltert hat, gerät es in Gefahr, eben bürgerlich, um nicht zu sagen spieß-
bürgerlich zU 'Werden, bequemer Schematisierung zu verfaUen. Des ursprünglichen
Sinnes verl1<stig geworden, sinkt es zur seelenlos stereotypen Phrase herab. Diesem
Banalisierungsprozeß unterliegt aber alles Geistige, sobald es zum Allgemein-
besitz der "Gebildeten" geworden. So wird Gemeingut zum ~ Gemeinplatz.
Ward' nicht, auch die ursprünglich dem reinen Empfindungsausdruck dienende
Sprache zUm bloßen Verständigungsmittel herabgewürdigt? Sind nicht die ehemals
so tiefi:Iündigen religiösen Riten und Kultformen blinder Dogmatisierung verfaUen?
Ein durchgreife-ndes Reinigungswerk muß anheben, um hier wie dort den ver-
schütteten Sinn wieder ans Tageslicht zu fördern, die verlorengegangene Be d e u-
tung, der Dinge wieder aufzufinden. Eine innere Revolution löse die Formeln aus
ihrer Erstarrung, mache sie beweglich" gebe sie dem Leben wieder, erfüUe sie mit
je-nem Geiste der Wahrheit, der aUem Schöpferischen innewohnt!
Es hat; nicht an Versuchen gefehlt, das Wesen der Musik tiefer zu erfassen ~
Musiker wie Philosophen scheiterten meist bald an den Klippen des ihnen nicht
vertrauten, fremden Gebietes. Goethe schwebte einmal eine Musiklehre im
naturwissenschaftlichen Sinne vor (S. Farbenlehre 99 749f.), Schopenhauer
(n w. a. W. u. V.") und Sc hell i n g (nPhilosophie der Kunst") widmen der Musik
eingehende Betrachtungen, Moritz Hauptmann versuchte Hegelsche Terminologie
in die Musiktheorie einzuführen, Riemann hatte bedeutsame philosophische
Gedankengänge u. s. w.
SOTiel ist klar: Die Theorie der Musik darf nicht bloße Abstraktion sein und
einen von der praktischen Musikbetätigung abgesonderten Zweig der Spezialforschung
bilden, sie inuß vielmehr in aUe Gebiete des mrlsikalischen Lebens, vor aUem aber
in die praktische Ausübung der musikalischen Produktion und Reproduktion wirken.
Anderseits hat sie nicht die bleißen Regeln zu lehren, wie man die Beziehungen,
die die Kunst ausmachen, am besten anwende, sondern sie muß diese Beziehun-
gen selbst aufdecken.
Die Kunst unterliegt Ge set zen, wie aUes Denken Gesetzen unterworfen ist,
nämlich den dieses Denken selbst konstituierenden "Denk-Gesetzen", an welche es
unbedingt gebunden ist, weil sie ja seinen Be,griff ausmachen. Es sind dies die
nFormen unsere' Anschauung" Raum und Zeit, innerhalb deren sich aUe Kausa-
lität abspielt. In ~I.icher Weise handelt es sich nicht darum, der Kunst Regeln
Torzuschreiben, die sich aus der H ä u fj g k e i t ihrer Anwendung ableiten, sondern·
vielmehr, ihre ureigenen Guetze aufzufinden, deren instiuktive Befolgung
eben ihrersei" die Häufigkeit jener Bildungen bis zU einem Grad nach sich zog, der
die Verdichtung zur Regel begünstigte.
Diese Gesetze sind also der Kunst nichts weniger als aufoktroyiert, sie sind ihr
vielmehr durchaus immanent. Wer dann über die Regel hinaus, deren mechani-
sc h e Befolgung geradezu kunstfeindlich ist, bis zUm intuitiven Erschauen jener Ur-
gesetze selbst' Tordringt, deren Ableitungen und Folgerungen gedankenlos zU Regeln
klischiert wurden, der Termai: mit voller Berechtigung die Regel zu stürzen und
durch da. ewig lebendige aber den Sinnen verborgene h ö her e metaphysische Gesetz
einer erhabe-nere-n Not'We-ndigkeit zu ersetzen. Der wahre Künstler begnügt sich

4
keineswe!:" mit dem Ererbten: er schaHt die Gesetze neu, indem er sie, ZUtück-
schauend, wiederentdeckt .
• Wie .fang' ich's nach der Regel an?"
.Ihr stellt sie selbst und folgt ihr dann."
<.Meistersinger·")
Kunst ist Projektion eines überindividuell-metaphysischen Erlebnisses in die
Welt des Bewußtseins vermittels der Denkge.etze, auf denen diese Welt beruht. Der
Prozeß des Schaffens ist daher analog dem der Weltschöpfung. Die Aufgabe der
wahren Musiktheorie aber ist demzufolge der Nachweis der Weltgesetze
im musikalischen Symbol. Da aber die Gesetze der Kunst mit den Gesetzen
des Weltgeschehens identisch sind, diese hinwiederum mit den Gesetzen unseres
Denkens übereinstimmen, so müssen wir daher die mathematisch . . physikali..
sehen Naturgesetze in der Kunst bloßlegen und sie spekulativ zu
d e u t e n ver s u ehe n. Mit einer Handwerkslehre allein ist für die Kunst zu wenig
getan. Denn es gilt nicht, bloße Fertigkeiten zu vermitteln, sondern es geht um'
Erkenntnis des Wesens und Realisierung des Geistes. Die Musiktheorie soll nicht
Regeln aufstellen, sondern Weltgesetze enthüllen, nicht F orme1n sanktionieren,
sondern den lebendigen Urgrund alles F 0 r m - G e w 0 r den e n festhalten. Sie hat
ihre Aufgabe nicht darin zu sehen, die Stileigentümlichkeiten der einzelnen Epochen
und Meister festzuhalten, sie darf nicht ängstlich beflissen sein, den Extrakt des oft
Wiederkehrenden in Regeln zu gießen. Auch hat sie nicht aus dem empirisch Ge-
gebenen zu schöpfen, sondern muß hinter dieses zurückgehen und dessen letzte
Ursachen zu erforschen trachten. Sie hat mit Kant zU fragen: .Wie ist Musik
möglich?"
Wenn die Theorie über das bloß Empirische hinausgehen und bis zu den letzten
Zielen der Kunst selbst vprdringen will, so ist der einzige Weg, der sie dahinführt,
der intuitiv,,!,hilosophische. Dadurch wird sie von aller Vergangenheit und Zukunft
unabhängig gemacht, sie erhält, da sie außerzeitlichen Charakter annimmt, ein
apriorisches, also in Zeit und Ewigkeit gültiges Gepräge. Sie muß also
nicht allein alle jemals aufgestellten, Gesetz< prüfen und begründen können, sie muß
s e1 b s t sc h ö p fe ri s c h und daher unverwelklich, unsterblich sein. Denn Metaphysik
ist ledig alles Zufälligen, Nur-Individuellen, ist zeit- und raumentrückt und von der
Kausalität unabhängig, die sich ja erst von ihr, als der obersten Legislative, ableitet.
So soll die wahre Theorie das Grundwesen, die innerste Natur der Musik dar-
legen, das Bleibende im Wechsel der Erscheinungen, das Ewige, mit dessen Dasein
die Kunst selbst steht oder fallt.
Aus der Musik kann durch sie das Wesen der Welt begriffen werden. Wal
5cheHing Ton der Kunstphilosophie im allgemeinen fordert, daß si< nämlich
.Darstellung de. Universums in der Form der Kunst" sei, gilt vornehmlich auch
für die Theorie der Musik. Da nämlich letztere als reine Form die ungegenständ-
lichste und unbegrifflichste unter allen Künsten ist, so brauchen die Beziehungen,
die sie darlegt, nicht erst der Besonderheiten entkleidet zu werden, um Anwendung
zur Erkenntnis kosmischer Dinge finden zu können; sie symbolisieren diese viel-
mehr unmittelbar und absolut.
Jede bloß empirische Musiktheorie ist einseitig: jeder 'sieht -die Regeln
.anders, je nachdem welche Kunstepochen er seiner Theorie zugrundelegt, und j.
n.ach seiner Fähigkeit, die Werke auf künstlerische Gesichtspunkte hin ZU betrachten
.,der bloß nach ihrer mechanisch-technischen Faktur analytisch zu verfahren. Darum

5
bat 'diese Theorie endlichen Charakter, ist begrenzt, dem Zeitenwechsel unter-
worfen und meist veraltet, ehe sie noch recht geboren wurde. Statt einer empirischen
wollen wir eine metaphysische Theorie begründen helfen; nicht der logische,
sondern der ontologische Gehalt der Kunst ist klarzulegen. Wir wollen die
essentiellen Werte hervortreten lassen, deren unveränderliche, weil trans ..
zendentalen Ursachen folgende Gültigkeit allen Wandlungen der Mode
und des Zeitgeschmacks trotzt.
c c

MEINE MUSIKDRAMATISCHE IDEE


Von Franz Schreker, Wien
Mein.musikdramatische Idee?
Ich habe eigentlich keine. Ich schreibe planlos. Was mir einfällt, ist da. Nur -
ich komme von der Mus i k her. Meine Einfälle haben wenig "Literarisches".
Geheimnisvoll-Seelisches ringt nach musikalischem Ausdruck. Um dieses rankt sich
eine äußere Handlung, die unwillkürlich schon in ihrer Entstehung musikalische
Form und Gliederung in sich trägt. Mit der Vollendung der Dichtung steht in
großen Umrissen der musikalische Bau des Werkes vor mir. So kommt es, daß der
T <xt in den seltensten Fällen irgendwelchen Änderungen unterworfen ist .
. Was ich erstrebe?
Ich weiß es nicht genau, aber es dünkt mich, die Oper oder das Musikdrama in
einer Art Reinkultur. Eine Überbrückung des leidigen Zwiespalts, der das
Problematische der Kunstform "Oper" überhaupt ausmacht. Eine Art "Verismus",
wenn man will, indem ich versuche, die Dichtung in eine "Sphär~" zu rücken, die
die Musik braucht. Wer meine Dichtungen liest, wird zuweilen jene Klarheit ver-
missen, die, für mein'Gefühl oft allzusehr, das Wesen oder die Wirkung des "guten"
Theaterstückes begründet. Wer sich aber die Mühe nehmen will, die Dichtung in
Verbiedung mit den motivischen und thematischen musikalischen Beziehungen
auf sich wirken zu lassen, ,wird zumeist des Rätsels Lösung finden. Dies bedingt
freilich wiederholtes Hören des Werkes, oder aber ein Sich-vertiefen 'an der Hand
'eines Klavierauszuges, vielleicht aber auch eine Zeit, in der uns die Sprache der
Töne verständlich sein wird, wie die des gesprochenen Wortes. Man darf dabei nicht
an die Leitmotivtechnik Wagners denken, wenn ich auch zugebe, daß sie grund-
legend für alles musikalische Schaffen auf dem Gebiete der Oper nach Wagner war.
Gefühle - und nUr für solche erkenne ich die Berechtigung des Leitmotivs - sind
wandelbar. Jedes Liebesempfinden beruht (Stendhal) auf Kristallbildung. Welche
Kunst aber wäre befähigter, dieses geheimnisvolle Werden, dieses Sich-wandeln unter
im Unterbewußtsein schlummernden, triebhaften Einflüssen vollkommener zum
Ausdruck zu bringen als eben die Musik? Motive werden zu Themen; Themen
weiten sich zum musilcalischen Klangbau. Klänge - welch arg' mißbrauchtes, viel-
geschmähtes Wort! NUlr ein Klang - nur Klänge! Wüßten die Nörgler, welche
A.usdrucksmöglichkeiten, welch unerhörter Stimmungszauber ein Klang, ein Akkord
in sich bergen kann! Schon als Knabe liebte ich es, mir einen jener "Wagnerschen"
Akkorde am Klavier anzuschlagen und lauschte versunken seinem Verhallen. Wunder-
same Visionen wurden mir da, glühende Bilder aus musikalischen Zauberreichen.
Und eiee starke Sehnsucht! Der reine Klang, ohne jede motivische Beigabe ist, mit
Vor sich t ge b rau eh t, eines der wesentlichsten musikdramatischen Ausdrucksmittel,
ein Stimp:J.ungsbeheif ohnegleichen, der mehr und mehr auch,' von Dichtern
des Wortes (Gerhard Hauptmann, Paul Claudel u. a.) in entscheidenden Augen-
blicken des Dramas verlangt wird. Ihn übertrifft an Wirkung vielleicht nur - die
Stille. renes unheimliche Schweigen, in dem laut wird, in dem wir innerlich hören,
was weder Wort noch Ton zum Ausdruck bringen kann: das Sich-loslösen von
aUem Irdischen - das Grauen. - Der ,Weg zur VoUendung ist weit. Ein Menschen-
leben eigentlich zu kurz. Drum knüpfen wir an Vergangenes an und machen uns die
Erfahrungen der großen Meister zunutze.
Was ich letzten Endes für mein Schaffen erstrebe?
VoUe Deutlichmachung der Bel:iehungen der Musik zum Drama durch Verein-
fachung des Stils, durch Plastik des Ausdrucks in Wort und Ton, also: restlose
Verschmelzung der beiden Hauptfaktoren des musikalischen Dramas unter weit-
gehender Heranziehung des malerischen Elements. Letzteres keineswegs als bloßes
Relief für die Handlung gedacht, sondern in manchen Fällen selbstherrlich in diese
eingreifend. Ich verweise auf den Einfluß des nächtlichen Waldzaubers I. Akt .F er n er
K I a n g" auf die Entwicklung des Dramas, auf das Erglühen und Verdämmern der
Erscheinung des Schlosses im .S pi el wer k", die Enthüllung des Bildes mit der
Totenhand am Schlusse des H. Aktes der .Gezeichneten". Tanz und Pantomime
möchte ich in natürlich sich ergebenden FäUen nicht missen.
Endlich: Höchste Kunst und Feinheit in Behandlung des Orchesters; Eindämmung
seiner Gewaltherrschaft über die Singstimmen zugunsten der Verständlichkeit des
Wortes; eine Art Entmaterialisierung des Orchesters zur Beherrschung subtiler
S tim m u n gen. Nichts wirkt störender als z. B. eine Celesta, die sich mir als
solche aufdrängt, eine Klarinette oder Oboe, in unedlem Wettstreit mit der Sing-
stimme vergewaltigt, .deckt" diese unter Umständen mehr als das Wogen des
gesamten Klangkörpers. Womit ich aber keineswegs der sogenannten .dicken#
Instrumentation das Wort reden will. Ich verneine nur den aUzu deutlichen,
differenzierbaren Klang und möchte ,im Dienste der Oper nur ei n Instrument
anerkennen: das Orchester selbst.
" c

REFORlVI DES lVIUSIKUNTERRICHTES


Von Dr. Bernhard Paumgartner, Salzburg

I
Allgemeines und Elementarunterricht
Es besteht für mich kein Zweifel, daß die Kunst des Musizierens und MusikhÖreos
trotz eminenter technischer und, geistiger Leistungen mancher Schaffender und
erlesener Reproduzierender gegenwärtig auf einer tieferen Stufe ihrer ewig bewegten'
Entwicklungskurve angelangt ist. rJedenfaUs ist die Frage berechtigt, ob jemals ein
im großen Ganzen schlechter orientiertes Publikum lebte, bequemer und der niederen
Unterhaltung zugetaner als heute und ob jemals der Abstand zwischen dem großen,
bleibende Werte schaffenden Künstler und der wenigen Verstehenden um ihn zur
breiten, verständnisarmen Masse der Mithörenden und auch Urteilsbeflissenen größer
gewesen ist.
, In den musikalisch feiner ,orientierten Perioden der Vergangenheit gab es im allge-
meinen zwei Klassen Musiktreibender : die in harter Arbeit gedrillten BerufskÜDstler,

7
an ihrer Seite ein kleiner Kreis hochbefähigter und fleißiger Amateure, die
jenen technisch und geistig oft die Wage hielten, anderseits das Volk, unkundig
der Noten, Gesetze und Regeln, aber seine ganze Melodiefreudigkeit, 'Tiefe und
Inbrunst an eine kleine, einfache, naturschöne Kunstgattung, das Volkslied ver-
strömend und dieses zu höchster Kraft und Ausdrucksfähigkeit führend. 1edenfalls
blieb die kunstmäßige Übung der Musik auf kleinere Kreise (Fürstenhöfe, Klöster etc.)
beschränkt, eine Pflanze subtilster geistiger Kultur, lange Zeit im besten Sinne
.1'art pour 1'art", bis die unseHge Entwicklung des Klavieres vom stillen, klang-
schüchternen Klavichord zum' dröhnenden Allerw.eltsinstrument der Gegenwart die
Musilcpflege - im schlechten Sinne - proletarisierte und nach einseitig instrumentalen,
mechanistischen Prinzipien völlig verkehrte. Wie viele Tausende, die wahrlich nicht
berufen sind, verlockt die etwas vulgäre Bequemlichkeit des Klavierapparates, seine
wohltemperierte Bereitwilligkeit, sich mehrstimmig - "OrchesterersatzU sagt man -
in allen Tonlagen mißbrauchen zu lassen, .Musik zu studieren" und die Armee
jener ganz Unbeliebten zu vermehren, die sich berufen fühlen, als Verständige in
alle musikalischen Fragen dreinzureden, obwohl sie ohne Programmbuch stets hilflos
im Konzertsaal sitZen und alles drum gäben, zu wissen, wie ihnen das Stück gerade
gefallen hat. Zwischen Volks- und Kunstmusik der älteren Zeit hat sich im Laufe
dieser fatalen Entwicklung also ein dritter Stand eingeschoben, eine Art Kunst'
bourgoisie, zu der heute fast das ganze Publikum gehört. Wenn auch Mozart und
Beethoven am Pflichtrepertoire dieser Pfahlbürger stehen und auch die .modernen"
Konzerte und Premieren von ihnen aus Gesellschaftsrücksichten absolviert werden,
- eine Musilcgattung ist aus ihren wahren innersten Bedürfnissen in den GrOße
städten emporgewachsen, mitten zwischen Kunst und Volk, nach beiden Seiten
hin schiebend, ein Bastard schlechtester Blutmischung : Etwas Handfertigkeit von oben,
von unten etwas verwässerte Melodik, dazu falsche Sentimentalität und Duselei. So
ward die Salonmusi!< aus der Nachblüte herrlicher deutscher Romantik, die Operette
aus der Spieloper, der .Lenz" von Hildach und die Schlagermelodien der Grammophone,
Drehorgeln und Nachtcafes, jene entsetzliche Entartung musikalischer Kultur und
leichtfertigei Technilc, deren willigster Handlanger leider das Klavier, das Instrument
Mozarts, Beethovens, Chopins und Liszts, geworden ist.
Es muß gewiß einen Willen und einen Weg' geben, die heilige Musik vor dieser
allgemeinen Notzüchtigung zu retten! Mit wahrem Lebensernst und ehrlicher Arbeit
läßt 'sich vielleicht wieder eine ihrer würdige Umgebung schaffen, ein weiterer
erwählter Kreis herzlich Dürstender; es müßten die Wege gefunden werden, die aus
jener Hölle von Unaufrichtigkeit, Flachheit und Unverständnis hinausführen ins
Freie eines allgemeinen höheren Kunstwillens. Vor allem muß der Spaten an die
Wurzel des Übels gesetzt werden, an den musikalischen Unterricht.
Der Unterricht unserer Zeit stellt den Schüler von Anbeginn auf das instrumentale,
mechanistische Prinzip ein und schafft damit neben der allerdings unerläßlichen
Technilc leider auch 'jene Oberflächlichkeit, Frechheit und Gedankenlosigkeit den
Kunstwerken gegenüber, die eine der Hauptursachen der Entartung unseres
Geschmackes geworden ist.
Es wäre Sache einer tiefschürfenden Arbeit, die Auswirkungen der gewaltigen
Umwandlungen des vokalen Stils in den instrumentalen, wie er sich etwa zu Beginn
des 17. Jahrhunderts vollzog, in all ihren heute erst recht fühlbaren Folgeerscheinungen
aufzudecken. Mit der allmählichen Entwicklung der instrumentalen Technik und
des inztrumentalen Geschmackes seit dieser Zeit haben wir. völlig die süße, klare
Einstellung auf das Vokale, Unmittelbare in der Musik und damit jenen wunderbaren

8
Maßstab verloren, der uns sofort in unkörperliche Beziehungen zu den feinsten
Schwingungen des Kunstwerkes brachte. Die Ausdrucks mit tel waren zu Paleshinas
Zeiten gewiß primitiver, dafür aber Ohr und Kopf der Musiker und Hörer ungleich
empfänglicher und differenzierter; einfache, aber mit Geschmack geordnete kontra-
punktische Kombinationen oder goldklare Dreiklangsfolgen - man denke an die
Doppelchöre von Wi11aert, an Motetten von Lasso, Luca Marenzio oder Ga1lus .:.....
erzwangen damals seelische Emotionen, wie sie heute kaum mit der dynamischen
und illustrativen Kraft des großen Orchesters erreicht wer}ien können. Ein expressio-
nistisches Element, das wir eben wieder mühsam auf anderen Wegen zu suchen
beginnen, der, reine, schlackenlose Ausdruck seelischer Überfülle, dieses Lichtzeichen
der wahren Kunst aller Zeiten, ward damals keusch und ungetrübt offenbar; mehr
noch durch die ausgezeichnete Einstellung des Musikers und des Hörenden als im
Kunstwerke an sich. Unsere allzustarke Zuwendung zum instrumental Mechanistischen
- auch der Sprechgesang, der Koloraturgesang und die moderne Chorbehandlung
gehören dazu - hat uns durch Generationen jenen feinen, in uns allein wirksamen
Maßstab verloren gehen lassen. So mußten auch historische Fehlurteile entstehen,
die in unserem theoretischen Unterrichte immer wieder zum Ausdrucke kommen.
Man lese einmal in den gangbaren, als Lehrbücher verwendeten Musikgeschichten
die Urteile über die Wirkungskraft primitiver, mittelalterlicher Musik, etwa über das .
Organum Hucbalds, über Melodien der Minnesänger oder Arbeiten aus dem Zeitalter
der Mensuralisten, ja selbst der älteren Niederländer (Dufay, Binchois etc.) nach.
Das Plumpe, Ungefüge, Maßlose dieser Gebilde - unbegreiflich, daß so etwas über-
haupt als lebendige Musik wirken konnte! - wird mit Verwunderung und Breite
zum Ausdrucke gebracht, während doch die Schuld allein in der Unfähigkeit unseres
Zeitalters liegt, die rechte, abstrakte Einstellung zu finden. Müßte es sonst nicht
offenbar werden, daß beispielsweise das Hucbaldsche Organum den übermächtigen,
fast urweltlichen Formen romanischer Kunst auf musi1calischem Gebiete durchaus
entspricht; freilich von unbegleiteten oder instrumental -nur primitiv gestützten
Männerstimmen in jenen düsteren Kirchen gesungen: eine unendlich kraftvolle
Manifestation der dunklen, ringenden Gewalten des frühen Mittelalters. In unseren
Hörsälen demonstriert; natürlich eine musikalische Lächerlichkeit.
Unsere Zeit, einige Schaffende voran, drängt darnach, jene verlorenen Beziehungen
wieder zu finden. Anti1cisierende Stilisierung oder unechter Zug zur Einfacliheit
lenken natürlich auf falsche Wege. Auch die heutige, kompliziertere Gefühl.welt,
die unerhört gesteigerte Technik 'und der Reichtum an Ausdrucksmitt.ln sind
gewiß kein Hindernis, das entschwundene Ideal wiederzufinden; diese starken Hilfs-
mittel würden uns im Gegenteil vor Nachahmung des Gewesenen, also Epigonentum
oder Kitsch schützen und uns glanzvolle, ungeahnte Pfade zu Neuem, Eigen.m weisen,
wie sie in Malerei und Lyrik vielleicht schon unsicher, aber mutvol1 betreten .....rden.
In bildender Kunst und Dichtung gilt es vor allem, Schaffende und Empfangende
zu erziehen. In der Musik bedarf noch .ine dritte Gruppe der schwierigsten
Sonderunterweisung: die Reproduzierenden. Sie sind es, die in erster Linie auf die
Stufe neuer, innerer, vom Mechanistischen losgelöster Anschauung gehoben w.rden
müssen, denn in ihren Händen wird das musikslische Kunstwerk stets wied.r neu
geboren und lebt in den Schwingungen ihrer Seele und in der Intensität ihres Durch-
dringens und ihres Fleißes ein schöneres oder mißgestaltetes Leben. Die Schaffenden
werden diese Bedingungen aus sich selbst heraus erringen müssen, wenn sie wirklich
giltige Werte hervorbringen. (Fort.et%u~g folgt)
n n

9
9B e SO I1de re r reif
DIE FRAU OHNE SCHATTEN
Von Dr. Egon Wellesz, Wien

Die Dichtung
Der frühen Barockoper war die Niveauscheidung zwischen Text und Musik fremd.
Die besten Dichter ihrer Zeit vereinigten sich mit den ersten Musikern des Landes,
um eine Form des Dramas zu schaffen, in welcher man eine Erneuerung der Antike
erreicht zu haben vermeinte. Nicht die Musik, sondern die Dichtung stand im Vorder-
grund und jede Reform der Oper ging von einer Reform des Textes aus. So war
es bei G1uck, so bei Wagner. Aber nach den Epochen der Reform trat jedesmal
ein Vordrängen des Musikalischen ein, Form und Gehalt der Texte beeinträchtigend.
In unserer Zeit vollends, in der eine unüberbrückbare Kluft zwischen Dichtung
und Literatur aufgerissen ist, war das Sinken des Niveaus der Operntexte kraß und
für den feinfühlenden Musiker unerträglich. Daher suchten die Musiker, die nicht
zugleich Dichter ihrer Texte sein konnten, nach neuen Möglichkeiten, die Musik in
Relation zu einer Dichtung zu stellen. Sie wandten sich vom herkömmlichen Libretto
ab und begannen Texte zu komponieren, die für das gesprochene Wort gedacht
waren. Debussy und Dukas komponierten Dramen von Maeterlink, Strauß die
Salome von Wilde. Dabei ergab sich aber ein neuer Konflikt : Waren die reinen
Opern texte zum großen Teil banal in der Sprache, aber bühnenwirksam, so waren
die als gesprochene Dramen konzipierten Texte dichterisch von Qualität, aber
ungeeignet für die Vertonung. Nicht einmal Kürzungen und Veränderungen konnten
hier voll. Abhilfe schaffen. lYlan nahm aber alle die Mängel um den Preis dessen
hin, daß das feinere Gefühl nicht mehr durch sprachliche Banalitäten und Unsinnig-
keiten der Handlung beleidigt wurde. Erst im Zusammenwirken von Strauß und
Hofmannsthai im "Rosenkavalier" bereitete sich eine Verschmelzung von wirklicher
Dichtung mit einer Musik von Rang vor. Eine Vollendung gemeinsamen Schaffens
ist in der lIFrau ohne Schatten" erreicht.
Hofmannsthai scheint bei dieser Dichtung eine Erneuerung der Wiener Zauber-
oper vorgeschwebt zu haben, die in der "Zauberflate" auf ci;'e Höhe kam, die in
ihrer Zeit unerreicht blieb, obwohl Dichter und Musiker zu Hunderten sich an
äh.,lich gearteten Stoffen versuchten.
Nicht Äußerlichkeiten, sondern die tiefen mystischen Beziehungen, die in der
. Dichtung aus dem Wust des Gewöhnlichen hervorleuchten, hatten schon Goethe zu
einer Fortsetzung der Zauberflöte inspiriert, in noch höherem Maße aber die Konzeption
der "Helena" beeinflußt. Als Eckermann mit ihm über die Schwierigkeiten des
Stückes sprach, das sehr große Ansprüche an den Leser mache, sagte er: Aber doch
ist alles sinnlich, und wird, auf dem Theater gedacht, jedem gut in die Augen
fallen. Und mehr habe ich nicht gewollt. Wenn es nur so ist, daß die Menge der
Zuschauer Freude an der Er s ch ci nun g hat; dem Eingeweihten wird zugleich
nicht der höhere Sinn entgehen, wie es ja auch bei der Zauberflöte und anderen
Dingen der Fall ist."

10
Eine derart innere Anknüpfung an die Welt der Zauberflöte hat Hofmannsthai
in der "Frau ohne SchattenIl vollzogen. Er 1st in seinen Bühnendichtungen nicht
psychologisierender Dramatiker, sondern - wenn dieses Wort nicht mißverstanden
wird - gestaltender Theatraliker. Als Erbe alter italienisch-wienerischer Tradition
geh t er vom Barocktheater mit seiner· reichen Szene aus; er stellt nicht das Einzelne,
Zufällige, sondern das Ewig-Wiederkehrende dar; er zeigt das Spiel von der Welt,
in dem die Figuren von höherer Gewalt, von den Mächten des Lebens und des
Todes geleitet werden. Die Gestalten seiner Dramen: Claudio, Madonna Dianora~
der Kaiser und die Hexe, EHs Fröbom, die Sobeide, Ödipus, Elektra, Jedermann,
der Kaiser und die Kaiserin, Barak und die Frau, sie alle führen in eine andere
Welt hinein, wie ein Traum hinüberschwebt in einen anderen Traum.
Unmerklich soll der Übergang in jene andere Welt erfolgen:
"' .. Kaum uns selber sei's ges"tanden,
Auf welch geheimnisvolle Weise
Dem Leben wir den Traum entwanden
Und ihn mit Weingewinden leise
An unseres Gart'ens Brunnen banden 1).1/
Darum liebt es Hofmannsthai, zwischen Spiel und Zuhörer, zwischen die Welt
der Wirklichkeit und des Traumes noch .eine Zwischenwelt zu setzen wie in der
1,Ariadne u , so daß die eine Handlung in einer zweiten ruht. So führt auch der Schluß ...
gesang der Ungeborenen aus der Traumwelt sanftlösend in die Wirklichkeit zurück.
. Die. Herkunft der Märchenmotive, die in die Dichtung kunstvoll verwoben· sind,
wurde mehrfach in Besprechungen des Werkes erwähnt: es müssen die Symbole
möglichst stark in schon Bekanntem wurzeln, um nicht den Inhalt mit zu viel des
Neuen zu belasten. Ist ja diese Dichtung fast überreich gefertigt, wie das Gewebe des
Teppichs. den in der ErzäQlung dieses Stoffes ') das Mädchen im Bergsaal vor dem Kaiser
entrollt; wichtiger ist es aber, auf die Herkunft der dichterischen Motive hinzuweisen.
Die Gruppe: Kaiser und Kaiserin hat ihre Vorstufe in Hofmannthais kleinem
Drama "Der Kaiser und die Hexe" (1897). Auch hier ist der Kaiser an ein Wesen
- aber dämonischer Art - aus der anderen Welt gebunden, will sich aber von ihm
befreien und kann dies auch, wenn er die Hexe sieben Tage lang nicht berührt.
Trotz aller Versuchungen besteht er die Frist und trennt sich so von dem niedrig
Anhaftenden an seiner Seele, wie in der Oper die Kaiserin von der Amme. Hier
wie dort ist der Kaiser ein Jäger und Verliebtet. In dem Jugenddrama findet er den
Weg zu erneutem Leben aus sich selber.
Herr, der unberührten Seelen
Schönes Erbe ist ein Leben,
Eines auch ist den Verirrfen
Denen eines, Herr, gegeben,
Die dem Teufel sich entwanden
Und den Weg nach Hause fanden.
In der Oper geht die Wiedererweckung zu neuem Leben von der Kaiserin aus;
sie ist der wirkende Teil in der mystischen Einheit, welche die Ehe bildet, so wie
Barak der wirken de Teil in der anderen Ehe. Man wird dem Verständnis des Textes
näher kommen, wenn man nicht von den Einzelpersonen ausgeht, sondern von d~n
1) Vorgesetzt den kleinen Dramen.
~) Die Frau ohne Schatten. Erzählung von Hugo HofmannsthaI.

11
beiden Paaren, an deren Ehen das Walten des Geschickes gezeigt wird. Nich t leicht
Iiißt sich das für den Dichter Bedeutsame an der Darstellung des Schicksalhaften der
Ehe schöner formen, als es Gundolf im tt Goethel~ bei der Besprechung der Wahl...
verwandtschaften in einer sichtlich von Stefan George inspirierten Seite getan hat .
• In keinem anderen Prisma können sich die Strahlen des Naturgesetzes, des Schicksals,
der persönlichen Leidenschaft, der sittlichen Pflicht und der gesellschaftlichen Zustände
gleichzeitig so brechen wie in dieser Institution: denn sie hat teil als Polarität zweier
Liebender an der Natur, ~als Begegnung zweier Schicksalsträger am Schicksal, als
gesellschaftliche Institution an Kultur und Staat, sie gehört als eine Erfüllung oder
Nichterfüllung der Liebe in den Bereich der Naturtriebe, sie ist als die Regelung der
Geschlechter ein Gebiet, das die Zivilisation der Natur abgerungen hat, sie ist eine
geschlechtliche Funktion, eine soziale Einrichtung, ein sittlicher Auspruch und ein
magisches Geschehen; in ihr treffen sich Blut und Geist der einzelnen Personen,
Sitten und Forderungen der menschlichen Gesamtheit, Gesetze und Verhängniss e der
überpersönlichen Mächte!) ...
Wie die zwei Paare der Handlung aus einer schicksalhaften und triebhaften
Vereinigung zu einer höheren Einheit im Mysterium der Ehe gelangen, wie aus dem
Animalischen des sich zufällig Findens ein magischer Akt wird, das ist die Handlung
der Dichtung. Die Wandlung, das Erhöhen "aus ewigem Tode zu ewigem Leben"
geschieht bei allen Gestalten in Augenblicken, in denen sich das ganze Leben zusamm eo..
drängt und plötzliche Erleuchtung sie über sich selbst hinaushebt.
So geschieht es Claudio, da ihm der Tod erscheint:
In einer, Stunde kannst du Leben pressen,
Mehr als das ganze Leben konnte halten,
Das schattenhafte will ich ganz vergessen
Und weih mich deinen Wundern ,und Gewalten.
So sagt Miranda in .Der weiße Fächer":
.Es sind die Augenblicke, in denen, man sich und sein Schicksal als etwas
unerbittlich Zusammengehöriges empfindet".
So der Kaiser in "Der Kaiser und die Hexe", da er erkennt:
Überall ist Schicksal, alles
Fügt sich funkend ineinander
Und 'unlöslich wie die Maschen
Meines goldnen Panzerhemdes.
Bei der Kaiserin beginnt die Wandlung im zweiten Akt, als sie sich mit den
Worten "Ich, mein Gebieter, deine Dienerin !", vor Barak demütigt. Sie reift innerlich in
der Traumszene, sie wird zur Tat im dritten Akt durch die Trennung von der Amme.
Barak wächst in der Schlußszene des zweiten Aktes über sich hinaus. Aus dem
gütigen aber dumpfen Mann, der wie ein Maulesel am Abgrund hingeht "und es
ficht in nicht an die Tiefe und das Geheimnis" wird mit einem Male der erkennende
und richtende, dann in der Wandlung der verstehende und verzeihende Gatte.
Mit dem Färber Barak ist die dramatische Dichtung um eine bedeutende Figur
bereichert. Mit wenigen Strichen, ohne psychologisierende Mittel, rein gestaltet, wird
der Grundzug seines Wesens, die Güte, offenbart. So wächst er von Szene zu Szene
zum Heroen; wächst - in dem Sinne wie ihn Romain Rolland im l1Beethoven U
faßt - : Nicht zu einem, der durch Gedanken oder Macht triumphiert, sondern zu einem,
der groß ist durch sein Herz.

12
Und diese heroische Güte durchleuchtet die ganze Dichtung, wird gleichsam zum
Gesetz, durch das Kakobad, richtend wie Salome, die Welt beherrscht; erleuchtet
die Kaiserin, da sie sich von der Amme lossagt, tönt aus dem Zwiegesang Baraks und
der Frau, des Kaisers und der Kaiserin wieder, hebt die Dichtung in eine erhöhte Sphäre,
gestaltet sie zu einem Hymnus auf reines Menschentum.
c c

Die Musik
In einer Zeit, als die dramatische Komposition in schwächlicher Wagnernachfolge
oder in krassem Verismus befangen war, stellte sich Richard Strauß mit seinen
sinfonischen Dichtungen zwischen Oper und Sinfonie. Er ließ sich von den
vielen Heldenopern nicht verführen, sondern ging den Weg eines kühnen, oft
revolutionär anmutenden Musikers, der aus der dramatischen Musik mit rein
orchestralen Mitteln das darzustellen vermochte, was ihn reizte, ohne an die Szene
gebunden zu sein. Wie immer man ,steh zur Programm. . Musik stellen mag, Strauß
hat das große Verdienst, in einer Zeit, in der die deutsche Musik konservativ zu
werden drohte, ihr einen Impuls gegeben und der jüngsten Moderne die Wege
geebnet zu haben. In der "Feuersnot" hat er ein großes Talent an einen gewöhnlichen
Text verschwendet; dann aber gab er in der Musik zur "Salome" ein Bühnenwerk
von so erstaunlichem Reichtum, von solcher Kühnheit der Stimmenführung und
der Farben, daß alle Jungen sich begeistert zu ihm bekannten. In der "Elektra"
. steigerte er diese Richtung bis zur höchst möglichen Potenz; darüber hinaus konnte
nichts mehr geschaffen werden. So kam nun der "Rosenkavalier", ein Werk, in dem
zum erstenmal Hofmannsthai einen Text für Strauß dichtete. Vieles darin zeigt noch
das Tastende der neuen Arbeitsgemeinschaft; die große Arie der Ochs von Lerchenau
ist zu sehr an das einzeine Wort gebunden und lastet, die Einleitung zum dritten
Akt ist zu umfangreich geworden. Auch in der "Ariadne" ist das Schwergewicht zu
sehr auf die Zerbinetta,Rolle verlegt, während doch Ariadne und Bacchus - wie der
schöne, im Inselalmanach veröffentlichte Brief Hofmannsthais über die Gestalten
dieser Oper besagt - die Träger der Handlung sind und Zerbinetta mit ihren
Gefährten die Zwischenwelt bedeutet, die sich zwischen Publikum und Szene einschiebt.
In der "Frau ohne Schatten" ist die Musik in ungemein harmonische Relation
zur Dichtung gesetzt. Die Musik hält sich nicht an das einzelne Wort, sondern an
ganze Perioden und Szenen. Die größte Einheitlichkeit dieser Art herrscht in der
zweiten Färberhausszene beim Chor, ,,0 Tag des Glücks" und in der Szene, in der
das Lebenswasser aufrauseht. Aber lauch die übrigen Szenen zeigen - vergleicht man
den Aufbau etwa mit der "Salome« einen viel geschlosseneren Zug. Strauß hat sich
in der "Ariadne" einen Stil geschaffen, der in dieser neuen Oper in viel größeren
Dimensionen angewandt wurde. Er gestattet eine viel kantablere Führung der
Singstimmen, die über dem Orchester unvergleichlich besser hervorklingen, als in
anderen neuen Opern. Will man es Orchesterraffinement nennen, wenn Strauß, um
diesen Zweck zu erreichen, fortwährend zu Solowirkungen der Streicher greift, so
mag man es.
Es ist ein fast tragisches Schicksal der deutschen Künstler, daß die Nation an
ihnen das Ringen um den Stoff der Beherrschung der Materie vorzieht; daß der
Kunstwille der Kunstvollendung vorgezogen wird. Es ist dies eine Einstellung
zur Kunst, die den romanischen Völkern fremd ist. Andre Gide rühmt in den
kritischen Aufsätzen "Pretextes ll die tres grande clarte, die Klarheit des Rameau,

13
des Moliere, des Poussin, weil diese das Geheimnis des Kunstwerkes am sichersten
vor dem Eindringling schützt, weil diese Klarheit eine höchste Kunstform ist, durch
die allein das Ringen mit der Kunst fruchtbar gemacht wird~ Darum brauchte es so
lange, bis Debussy hier verstanden wurde, so daß man lange Zeit seine Klavierstücke
für nette, aber harmlose Musik ansah, weil die 'Glätte der Faktur mehr verbarg als
enthüllte, weil sie nicht das Ringen selbst zeigte, sondern die Frucht des Ringens.
Man mag zu Strauß innerlich stehen, wie man will; eines muß man ihm
zugestehen, daß er in seinen großen Werken stets eine inspirierte und dabei artistisch
vollendete, nie auf den Effekt bedachte Musik schre,ibt. Und vollends die Partitur der
.Frau ohne Schatten" ist mit einer solchen Klarheit und Übersichtlichkeit gearbeitet,
daß man sofort sieht, nur ein großer Künstler könne sich zu dieser Beherrschung
der Materie durchge,rungen haben. Bedenkt man, wie vieles noch in "Don Quixote"
- wo oft ähnliche solistische Wirkungen erstrebt werden, - wie vieles im "Heldenleben"
auf dem Papier steht, ohne deutlich hörbar zu werden, so ermißt man den Fortschritt
seit diesen Werken.
a a

Es ist eine eigenartige Kunst, wie Strauß es versteht, mit wenigen Takten in die
Handlung einzuführen; dies hat man zum erstenmal in der "Salome" bewundert.
Hier ist das Problem ungleich schwieriger gestellt, aber ebenso wirksam gelöst. Die
Amme sieht das Kommen des Boten, der gleich vor ihr steht und drohend seine
Fragen stellt. Und schon nach wenigen Takten geht die Musik aus der exponierenden
Bewegung in einen zarten Gesang über, in eine anmutige Kantilene von Sologeigen ..
Solocello und Celesta, in welche die Stimmen der Amme und des Boten eingelagert
sind, die von der Kaiserin sprechen. Dann wieder einige dramatische Takte und
neuerdings eine lyrische Stelle, da die Amme vom Kaiser erzählt: "Die Nacht war
nicht in zwölf Monden, daß er ihrer nicht hätte begehrt!" und neuerdings geht die
Auseinandersetzung des Boten mit der Amme in dramatischer Weise weiter.
Diese Einlagerung lyrischer Partien in das Dramatische ist ein Merkmal der
ganzen Oper und erlangt die höchste Steigerung im zweiten Akt, dessen Architektur
die Ausbildung dieses Prinzips geradezu erfordert: Färberhaus - Monolog des
Kaisers - Färberhaus - Monolog der Kaiserin - Färberhaus. In den Färberhaus-
szenen steigert sich die Handlung vom Anfang bis zum Schluß des Aktes, in den
Soloszenen des Kaisers und der Traumszene der Kaiserin wird sie gleichsam episch
in Abschnitten weitererzählt. Äuße,res und inneres Geschehen gehen unvermittelt wie
im Traum weiter. Es sind faßt keine Grenzen zwischen außen und innen. Ungemein
glücklich ist das erste Auftreten der Kaiserin mit ihrem schwebenden, unirdischen
Gesang, der nur von einer Harfe begleitet und von Sologeige und Solobratsche
umspielt wird. In diesen beschwingten Gesang klingt das Nahen des Falken mit
seiner gläsernen Klage. Auch hier ist das Instrumentalbild kühn und einfach, den
vogelhaften Ruf schildern kleine Flöte, 2 Oboen, und Es-Klarinette, darunter ziehen,
stufenweise abwärtsfallend, Akkorde von 3 Flöten. Schon in diesen einleitenden
Szenen fallt die neue Art der Deklamation auf, welche Strauß in der Oper konsequent
anwendet. Der Stimmenumfang, besonders der dramatischen Soprane, aber auch
der Altstimme, ist in der äußersten Spannunglherangezogen ; es werden aber auch,
wie in dem eben erwähnten ersten Auftreten der Kaiserin und in der Szene im
Inneren des Geistertempels thematische Koloraturen gefordert. Ferner ist die Rhythmik
des Gesanges frei und von den Taktfesseln völlig losgelöst. Beispiele hiefür bietet
z. B. der Gesang Baraks "Ich zürne dir nicht, bin freudigen Herzens"; der Gesang

14
der Frau "Denn es ist nicht von heute, daß du meine $timme hörst und faßt sie
nicht" im zweiten Akt; von großer Wirkung sind auch die Schwankungen zwischen
4/, und '/, Takt im Gesang des Kaisers "Wenn das Herz aus Kristall, zerbricht in
einem Schrei u ; rein artistisch genommen, sind sie bewunderungswürdig.
Strauß hat es verstanden, die Momente der Dichtung, die für das Verständnis
der Handlung wichtig sind, hervorzuheben und deutlich zu machen. Handelt es sich
um einzelne Worte, so unterbricht er das Orchester und läßt sie unbegleitet singen.
Gleich der erste Gesang des Kaisers bietet eine Reihe Stellen dieser Art; die
unbegleiteten Worte sind gesperrt gedruckt. "Da flog er der weißen Gazelle zwischen
die Lichter und schlug mit den Schwingen ihre süßen Au~.en! Da stürzte
sie hin und ich auf sie mit gezücktem Speer! da riß sich's inAngsten aus dem
Tierleib und in meinen Arm en rankte ein W ei b! 0, daß ich ihn wiederfände ... "
Sollen ganze Sätze hervorgehoben' werden, dann greift Strauß zu zartester
Begleitung und gibt der Singstimme eine einfache, deutliche Führung, wie im
Gesang der Wächter am Ende des ersten Aktes, oder im Gesang Baraks "Esset,
ihr Brüder, und lasset euch wohl sein!lt im zweiten Akt.
An einigen Stellen läßt er überdies die Personen sprechen; so erzählt die Frau
dem Färber hastig und hart: "Von morgen ab schlafen zwei Muhmen hier, denen
richt' ich das Lager zu meinen Füßen." Dann, als die Frau in der Schlußszene des
zweiten Aktes sich begangener Untreue beschuldigt, spricht Barak in höchster Erregung:
"Das Weib ist irre, zündet ein Feuer an, damit ich ihr Gesicht sehel lt Dazu erdröhnt
ein Tremolo (ausgeführt mit Zungenschlag) der Posaunen, ein Orchestereffekt, der
meines Wissens zum erstenmal in den 5 Orchesterstücken op. 16 von Schönberg
. angewandt ist. Am gewaltigsten ist diese melodramatische Führung in der großen
Prüfungsszene der Kaiserin im dritten Akt ausgeführt, stellt aber fast unerfüllbare
Anforderungen an die Sprech- und Darstellungskunst der Trägerin dieser Rolle.
Die Gelegenheiten, die der Dichter dem Komponisten geboten hat, Ensembles
anzubringen, sind überall aufgegriffen. Wie in der alten Arienoper gipfeln die
meisten Szenen in Duetten, Terzetten und Quartetten, ferner durchziehen das Finale
des dritten Aktes Kinderchöre. Dadurch ist eine gewisse Breite erzeugt, ja vielleicht
ein Übermaß an kantabler Musik, das durch die vielen instrumentalen Zwischen-
spiele bei den szenischen Verwandlungen noch gesteigert wird. Zu den stärksten
Stücken dieser Art gehört die erste Verwandlungsmusik; der Abstieg ins Menschenreich
und die Musik der Traumszene im Falknerhaus, deren leidenschaftlich geschwungene
Melodik in hohem Maße inspiriert ist.
• •
"Die Frau ohne Schatten" ist keine 0 p er im landläufigen Sinne; die szenischen
Schwierigkeiten, ihre Länge, die Erfordernisse ganz ungewöhnlicher Sänger, die.
zuglei~1i ausgezeichnete Schauspieler sein müssen, die Gehobenheit der Dichtung
machen sie zu einem Werk, das nicht von Bühne zu Bühne wandern kann. Sie ist
eine Festoper, wie die alten Barockopern, geeignet, den Zuhörer über seinen Menschentag
hinauszuheben, für Stunden wenigstens die Verwandlung zu schaffen, welche die
Brücke zwischen Traum und Wirklichkeit aufhebt.
o 0

15
ERINNERUNGEN AN MAHLER
Von Oskar Fded, Berlin

Die Umstände, unter denen ich Mahlers Bekanntschaft machte, waren äußerst
charakteristisch. Ich lernte ihn in Wien kennen. Es war im Jahre 1904. Schalk,
der die Erstaufführung meines "Trunkenen Liedes" in Wien im Rahmen der
Konzerte der Gesellschaft der Musikfreunde plante, hatte mich eingeladen, aus Berlin
zu den Proben zu kommen. Ich leistete Folge und im Verlaufe des ersten Gespräches
bereits erkundigte Schalk sich bei mir, ob ich Direktor Mahler schon meinen Besuch
abgestattet hätte. Ich verneinte dies, ja verwahrte mich anfangs dagegen aus einem
Gefühl künstlerischer Selbsteinschätzung und menschlichen Feingefühls, das einen
Künstler verpflichtet, sich einem andern, noch dazu vom Range Mahlers, irgendwie
aufdrängen zu wollen. Ich lehnte also rundweg ab und erachtete die Angelegenheit
damit als erledigt. Doch schon am nächsten Tage, es war die Generalprobe zum
• Trunkenen Lied", trat Schalk auf mich zu und teilte mir mit, Direktor Mahler
hätte den Wunsch geäußert, mich kennen zu lernen. Er interessiere sich sehr für
mich. Ich begab mich denn tagsdarauf in die Direktionskanzlei. Als ich nUl1 ihn selber,
den mit Unrecht gefürchteten und verschrieenen Gebieter seines Hauses so vor mir
sah, erhielt ich zunächst einen Eindruck, den ich nicht anders als wunderschön
nennen kann. Vor allem war dieser erste Eindruck ein überaus menschlich starker.
Dieser Mann, der da durch seine gestrenge und abstandgebietende Brille dennoch
mit kindlicher Neugier und jener unverfälschten Offenherzigkeit sah, die in anderen
Menschen in erster Linie nur das Menschliche abzutasten und zu ergründen bemüht
ist, diesen Mann mit seinem kindlichen und doch überaus männlichen Kopf fand
ich dem Aussehen nach geradezu schön. Sein Blick, der alles durchdrang und das
Inner~te bloßlegte, seine schöne tiefe Glockenstimme, sein Mund, der in seinem
feinen Schnitt von unerschütterlicher Energie, in seiner fast femininen Linie von
Güte und innerer Wärme sprach, und nicht zuletzt die Intensität seiner Gebärden
und seines ganzen Habitus, a11 das in seiner Gänze machte ihn unwiderstehlich.
Und ich gestehe, ich habe ihn gleich gerne gehabt. Dazu war er auch ganz besonders
nett zu mir und von einem Maß an Herzlichkeit, daß ich nicht erwartet hatte. Und
als wir erst zu sprechen begannen. Da hatten wir schon einer den andern gewonnen.
Wir sprachen wie zwei gute alte Freunde, denen nichts zuwider und abgeschmackter
ist als mit lobhudelndem Federspreizen und selbstgefälliger Courtoisie den andern
günstig für sich zu stimmen. So verlief denn auch unsere erste Unterhaltung in der
Besprechung der Pläne und künstlerischen Absichten, die ein jeder für sich vorhatte.
Nun traf es sich ganz merkwürdig, daß ich zur selben Zeit die "Heilige Elisabeth"
aufführen woHte wie Mahler. Ich war damals gerade Nachfolger von Professor
Gernsheim als Leiter des berühmten Sternsehen Gesangvereins in Berlin geworden
und war fest entschlossen, mit der jahrhundertlangen Tradition dieses mehr als
konservativen Vereines zu brechen, dessen Programm abwec.hselnd in "Paulus"
und .Elias" sich erschöpfte. Ich hatte mich auch zur Übernahme der Leitung nur
unter der Bedingung verstanden, daß mir das Recht zustünde, das Programm
gründlich zu modernisieren. Mahler plante nun gleichfaHs eine Aufführung der
"Heiligen Elisabeth H und sein Interesse für meinen Plan war umso· stärker, da er
eine szenische Aufführung im Operntheater beabsichtigte. Die Art, wie ich die
Elisabeth zu interpretieren gedachte und die ich Mahler mit der mir eigenen
Vehemenz im Vortrag und mit der seelischen Durchdringung in das Allerletzte und

16
Verklausulierteste in einem Kunstwefk auseinandersetzte, scheint seine Zustimmung
in einem solchen Maße gefunden zu haben, daß er mir ~ofort erklärte: Sie werden
meine H. Sinfonie in Berlin dirigieren. Ich werde selbst hinkommen. Sie werden
das ausgezeichnet machen. - Die Tage, die ich inzwischen mit ihm in Wien ver ...
brachte, waren wunderschön. Ich erlebte die Wiedergabe seiner Mozart-Aufführungen,
des Tristan, des Fidelio. Künstlerische Eindrücke, die ich nie vergesse und die ich
sobald nicht wieder erleben dürfte. Und dann kam er nach Berlin. Zur Uraufführung
seiner Zweiten unter meiner Leitung. Der Erfolg war beispiellos. Und Mahler
überglücklich.
Das was ich an ihm so rückhaltslos liebte und schätzte, das waren nicht so sehr
seine Vorzüge. Es waren seine Schwächen. Und diese gewannen umsomehr an
ergreifender Tragik, da sie im Menschlichen beschlossen und begründet lagen. Er
war ein Gottsucher. Mit einem unerhörten Fanatismus, mit einer beispiellosen
Hingabe, mit einer unerschütterlichen Liebe war er, stets auf der Suche im Menschen,
in einem jeden, nach dem Göttlichen. Sich selbst aber betrachtete er als göttllche,
Sendung und war ganz von ihr erfüllt. Eine durch und durch religiöse Natur im
mystischen, nicht aber im dogmatischen Sinn. Oft und oft sprach er auf gemeinsamen
Spaziergängen in Toblach mit mir davon und sein ganzes Wesen überkam plötzlich
eine irdische Entrücktheit, als sei er eben vom Himmel gekommen. Aber von Zeit zu
Zeit hatte er Augenblicke, da er diese himmlische Mission anzweifelte, und es würgte
ihn dann beständig die Angst, ob er auch tatsächlich die Erfüllung in sich trage, obwohl
er in nichts so unerschütterlich verankert war als in dem Glauben an sich selbst.
In solchen Momenten des inneren Zwiespaltes bedurfte er, um in einer irdischen
Ernüchterung nicht zu erlahmen, stets eines irdischen Stützpunktes, die Beglaubigung,
die er in seiner Einstellung auf das Göttliche in sich selber trug, von außen her als
Echo zu empfangen. Ein Diener, ein Jünger, an dem er die Wirklichkeit und Echtheit
seiner religiösen Mission erprobte. Immer tastete sein Unterbewußtsein . nach einem
solchen in seiner Nähe, an dessen innerer Erhebung und Verklärung er Bürgschaft
und Tragweite seiner religiösen Kräfte maß. Und erfolgte von meiner Seite keine
Antwort, kein Echo, wenn ich außerstande" war, ihm dahin gleichgesinnt und
gleichgestimmt zu folgen, dann erstarrte seltsam sein~ Blick, und er verkroch sich
undurchdringlich in das Gehäuse seiner überirdischen Unterkunft, ein auf Erden
betrogenes Kind, das seine göttliche Herkunft betrauerte. Solche Augenblicke waren
erschütternd für mich. Es wurde mir unsagbar weh ums Herz. Wie gern hätte ich
etwas gesagt, etwas vorgetäuscht, etwas gelogen. Und all das einzig und allein aus
Liebe für diese ungeheure Menschenbrust, aus Anerkennung für dieses kolossale
Ringen in einem Menschen. Aber es ging leider nicht. Und stumm gingen wir dann
nebeneinander hin; er vielleicht in der Erkenntnis, es war doch nicht seine Mission,
im Religiösen der Menschheit voranzuschreiten, vielmehr ihnen in seiner Kunst sich
zu offenbaren und zu erfüllen. So war er stets ein Kämpfer und ein Ringer. Einer
der größten vielleicht, die sich titanisch das Geringste abringen mußten •. Und er,
der verschrieene Despot, er bedurfte deshalb in seiner Kunst eines solchen Übermaßes
an Wärme, Anerkennung und Liebe, w"ie nur je ein einsamer, erdverschollener
Mensch. So weich im Grunde war er und so liebesbedürftig. Und kannte dennoch
nicht das belangloseste Zugeständnis, das entfernteste Einverständnis dort, wo es der
saubersten und reinsten Ausübung seines höchsten Amtes galt. Hier war er auch
übermenschlich rein. Ein Heiland seines Berufes.
Diese innerste Weltabgeschiedenheit, dazu die ungeheure Überbürdung mit Arbeit
und Geschäften der Leitung des Operntheaters ließen in ihm wenig Raum und Zeit,

17
sich intensiv mit anderen Menschen zu beschäftigen. Zudem war er auch von seiner
eigenen Produktion in einem Maße besessen, daß er sich neuer fremder Produktion
immer etwas abseits hielt. Wohl gab es nichts in der Musik, daß nicht sein Interesse
erreichte. Aber innerlich ließ er doch so ziemlich alles beiseite, was sich nicht in
den Rahmen seiner Weltanschauung fügte. So waren auch seine Äußerungen über
lebende Musiker äußerst spärlich. Schönberg war einer der wenigen, dessen lautere
Persönlichkeit, dessen enormes Können ihm kolossalen Respekt abzwang. Und mit
. dieser Anerkennung hielt er nie zurück, auch dort nicht, wo er vergebens bemüht
war, den eigensinnigen Bahnen dieses Musikers aus einem ganz anderen Holz zu
folgen. Schönberg war nichtsdestoweniger di. einzige musikalische Erscheinung, die
ihn zeitlebens in intensivstem Maße beschäftigte. Strauß schätzte er vor allem als
den faszinierenden .Dirigenten. Eine Aufführung der I,Salome l1 in München unter
der Leitung von Strauß selbst, der wir beide beiwohnten, war ein Entzücken für ihn.
Mahlers persönliche Tragik, so paradox es klingt, in einer Zeit des internationalen
Wettrüstens zur Aufführung seiner sämtlichen Sinfonien, war Wien. Dieselbe Stadt,
in der er eine so enorme Opernkultur zustande brachte. Nach zehnjähriger Herkules-
arbeit mußte er, der Nimmermüde, der kein Hindernis sah, wo er es nicht sehen
wollte, dennoch sich eingestehen, sein Bemühen war aussichtslos .. Daran ist er auch
meiner Meinung nach innerlich gestorben. Mahler ist an Wien zugrundegegangen.
Die Krankheit in Amerika tat nur noch ihr Äußerliches hinzu. Dasselbe fremde,
kunstbespöttelte Amerika, das nach seinem Abschied vom Wiener Op erntheater ihm,
dem Beschäftigungslosen, der alles eher ertrug, als ohne Beschäftigung zu sein, das
entsprechende Tätigkeitsfeld sicherte. Wie gerne wäre er in Wien geblieben, in
Berlin. Aber er bekam kein Orchester. Weder hier noch dort. In Amerika bekam er es.
Das letzte Mal sah ich ihn ein halbes Jahr vor seinem Tode. Er stand vor der
Reise nach Amerika. Und auf dem Wege dahin, zwischen Berlin und Harnburg,
war er auf Besuch bei mir in Nikolassee. Do.h fiel kein Wort über die Zukunfts-
pläne des einen oder des anderen. Er spielte bloß 1m Garten m,it meinem Kinde.

c c

MUS I KIN ;E N G L A N D I M KR lEG E


Von Frederick Delius, Englan~
,
Als der Krieg ausbrach, war ich in Frankreich und ging von dort im November 1914
nach Londo~, wo ich ein Jahr verbrachte. Darauf kehrte ich1nach Grez'sur-Loing
zurück, wo ich blieb, bis ich im September 1918 wieder nach England ging, wo
ich bis jetzt war.
Das Musikleben ist in England außerordentlich rege gewesen. Vielleicht das
einzige Erfreuliche während des Krieges war, zu konstatieren, wie wenig chauvinistisch
die Musiker. und das große Konzert-Publikum waren. Ein Versuch, alle deutsc he
Musik, inklusive Wagner, zu boykottieren, schlug gänzlich fehl. Als man an Stelle
der gewohnten Wagnerabende jeden Samstag in den Promenade-Konzerten in Queen's
Hall ein anderes Programm gesetzt hatte, blieb der Saal ganzieer, so daß die Direktion sich
genötigt sah, den nächsten Samstag wieder ein Wagnerprogramm zu geben, mit
dem Resultate, daß' der Saal ausverkauft war.
Allerdings sind die lebenden deutschen Komponisten nicht gespielt worden; ich
weiß aber, daß nächste Saison ~Strauß' Rosenkavalier in London gegeben werden soll.

18
Nur einige unserer mittelmäßigen Komponisten 'haben eine große Prop~ganda
für ganz britische Musik und britische Programme gemacht, aber das Publikum'
hat absolut nicht folgen wollen.
Serge Diaghileff, der russische Balletmeister, der eine sehr erfolgreiche Saison im
Alhambra-Theater, Landon, mit seinem Ballet hatte, hat sich durch einige sehr
dumme Zeitungsartikel gegen deutsche Musik ausgezeichnet, worin er den Engländern
vorwirft, daß sie in der Musik Igänzlich I1cmboche" seien. Darauf hat jedoch Ernest
Newman, der ausgezeichnete englische MusikschriftsteUer, ihn in einigen vorzüg..
lichen und sehr logisch sarkastischen Artikeln zurechtgewiesen. Übrigens war
Diaghileffs Vorwurf doppelt ungerechtfertigt, da man ungeheuer viel rein französische
und russische Musik gegeben hatte, sogar so viel, daß das Publikum schließlich
davon etwas übersättigt war, und es hat sich gezeigt, daß der innere Gehalt dieser
Musik nicht groß genug war, um das Publikum dauernd allein zu fesseln.
Eine große Bereicherung des englischen Musiklebens sind die Opernaufführungen
in englischer Sprache, die durch die Initiative Sir Thomas Beechams periodisch
und mit stets wachsendem Erfolge in London, Manchester, Birmingham etc. statt-
gefunden haben. Ich habe selbst einer ,sehr guten Tristan-Aufführung in London
vor ausverkauftem Hause beigewohnt.
Als Resümee meiner Beobachtungen möchte ich noch hinzufügen, daß in EngIand
weder die Musiker noch das Musikpublikum den Nationalismus und Chauvinismus
in der Musik trotz aller Presse-Hetzereien dulden will.

o 0

DIE BERLINER REGER-WOCHE


Von Max Chop, Berlin
Gleich im Beginn der diesmal besonders früh und mit besonderer Heftigkeit ein-
setzenden Berliner Musiksaison gab es eine "Reger..Woche u • Kein "Reger... Fest", wie
ausdrücklich versichert wurde. Die Differenzierung ist mir nicht ganz klar geworden.
Denn eine echte, rechte;'künstlerische Veranstaltung größeren Umfanges trägt den
Keim zur Festlichkeit eigentlich in ihrem Schoße, Schlägt sie ein, entzündet sie mit
dem Geiste ihrer Darbietungen die Herzen der Hörer, so wird sie eben zum Feste,
auch wenn die Veranstalter ,gegen dieses Epitheton Einspruch erheben. Sie sollten es
natürlich nicht tun. Denn ',eine Musikaufführung, die sich selbst zum Feste krönt,
ist immerhin eine bemerkenswerte Sache. Dabei bleibt es ganz gleichgültig, wer etwa
der Unternehmer sei, ob irgend eine Konzertdirektion, eine Musikgesellschaft, ein
einzelner Künstler oder ein Verleger. Die "Reger-Woche" war ein Verlags-Unter-
nehmen. Eine der großen Firmen, die speziell Regersche Werke herausgebracht
haben, bekannte sich offen als Veranstalterin. Und das gab nun wieder zum Nach-
denken Veranlassung. Die Frage nach dem Grunde drängte sich unwillkürlich auf
die Lippen. Und für ihre Beantwortung hat der Wissende, mitten im öffentlichen
Musikleben Stehende ein verständnisinniges Nicken bereit. Von einem nüchternen
Geschäftsmanne wird man kaum erwarten, daß er für die Hebung der musikalischen
Kultur im allgemeinen oder im besonderen Opfer bringt, ohne an sich selbst zu
denken. Und seit Regers Tode sind die Aktien des Meisters im Kurse an der
Künstlerbörse immer mehr heruntergegangen. Es ist beinahe auffallend! Die
Skeptiker, die zu Regers Lebzeiten voraussagten, daS seinem Schaffen die starke

19
Lebensfahigkeit abgehe, sollten sie Recht behalten? Man weiß, was Reger selbst für seine
Werke tat, welch große Propaganda er ihnen allwinterlich zuteil werden ließ. Aber
man weiß auch, daß der Kreis seiner Verehrer ein relativ kleiner war, daß das Gros
unserer MusikEreunde sich indifferent verhielt. Nun ist Reger kaum drei Jahre tot
und es ist so still um sein Erbe geworden, daß es den Hütern dieses Erbes bang
ums Herz wird. Durch eine größere "Aktion" sollte die Popularisierung erzwungen
werden. Wie kurzsichtig! Als ob sich auch nur ein Geschmack, eine Hinneigung
oder gar eine tiefe Liebe erzwingen ließen! Sie müssen sich von selbst einstellen.
Man kann wohl, wie bei zwei Menschenkindern, die Freunde gern gemeinsam durch
Leben wandern sähen, die Möglichkeit eingehenderer Bekanntschaft geben; die end,
gültige Entscheidung aber wird immer der freien Willensbestimmung der Beteiligten
überlassen bleiben müssen. Für die Beurteilung der allgemeinen Empfindung Reger
gegenüber fallt z. B. die Tatsache des starken Zuspruches bei den Konzerten der
"Reger,Woche" und des lebhaften Beifalls nur sehr bedingt ins Gewicht. Denn Berlin
hat seine Reger,Gemeinde, die natürlich bei dieser Gelegenheit kräftig in Aktion
trat. Es galt aber nicht, die Begeisterung der Anhängerschaft zu erproben, sondern
neue Anhänger anzuwerben. Inwieweit dies geschehen ist, läßt sich nicht sagen. Man
muß abwarten. Indessen voraufgegangene, ähnliche Versuche mit ihrem doch stark
negativen Verlauf lassen nicht zu optimistisch in die' Zukunft smauen.
Nun gab es noch eine ganze Reihe von Bedenklichkeiten, die bei dieser Verlags'
Veranstaltung in Berlin auftauchten. Nur zwei der bedeutsamsten mögen angeführt
werden: Es war selbstverständlich, daß der Arrangeur nur Reger,Werke aus eigenem
Verlage auf die Programme setzte. So ersteht die Frage: Genügte sein Bestand, um
dem anspruchsvollen Titel gemäß ein Gesamtbild vom Schaffen des Meisters zu
geben? Für die Orchesterwerke keinesfalls! Denn hier vermißte man die Hiller,
und Mozart, Variationen als Höhepunkte Regerschen Schaffens zu empfindlich. Es
fehlte überhaupt an Original,Orchesterwerken auf dem Programm; an ihre Stelle
. traten zwei Übertragungen. Weiter auch war es dem Unternehmen nicht von
Vorteil, daß man bei der Auswahl von Solisten und Dirigenten nicht streng nach
der Qualifikation für den besonderen Fall ging, sondern sich vom Starsystem be,
einflussen ließ, also Leute mit untermischte, die zu Reger in keinerlei innerer Füh...
lung stehen, sondern nur als sogenannte "Attraktionen" dem großen Publikum
gegenüber figurieren sollten.
Das erste Konzert wies das größte Aufgebot an Mitteln auf. Es kamen zwei
Orchesterwerke zur Wiedergabe: die Bearbeitung der Suite, op. 93, im alten Stil
für Violine und Klavier" die kurz zuvor Franz von Vecsey zusammen mit Maier ...
Radon im Original uns so meisterhaft dargeboten hatte, und die Bearbeitung der
Variationen über eine Beethovensche Bagatelle für zwei Klaviere, op. 86. Also beide
keine Originale in der orchestralen Fassung. Wir wissen nur, daß Reger das Or,
chester nicht sonderlich beherrschte, daß er vor allem nicht aus orchestralem Emp,
finden heraus zu gestalten, zu differenzieren und die Farben zu verteilen vermochte.
In den letzten Jahren seines Lebens hat er zwar manches hinzuge1ernt, ohne es zu
einer wirklichen Freiheit der Aktion zu bringen. Die ,wertvollere Arbeit ist die Suite.
Selbstverständlich! Sieht sie sich doch nicht angewiesen auf die Umgestaltung ge,
gebenen thematischen Materials, sondern gewährt der bildnerischen Freiheit Be,
tätigungsmögIichkeit. Ihr Largo steht aIIerdings 'stark unter "Parsifalll . . Stimmung,
aber das bewegliche Allegro ist sehr eingänglich, die Fuge - wie immer bei Reger
- als Kopfarbeit bedeutend. Die Variationen geben der technischen Strukturkunst
reiche Gelegenheit, sich' zu zeigen, sie sind virtuos gemacht, beschäftigen aber doch

20
ausschließlich den Geist des Fachmannes und enthalten kaum Gefühlswerte. Gene-
ralmusikdirektor Leo Blech dirigierte mit großer Gewissenhaftigkeit und Routine;
innere Beziehungen zu Reger fehlen ihm. Er wird das offen zugeben, ohne damit
das geringste an künstlerischer Reputation zu verlieren. Und Claire Dux, der
BeIcanto.. Star des Opernhauses, sang eine Gruppe von Liedern: "Schlichte Weisen"
als virtuose Proben ihrer Pianissimo ..Register, also ebenfalls ohne dem Geiste der
Kompositionen näherzutreten. Der einzige, der hier als überzeugter Regerianer mit
tief..innerlicher Begeisterung sein genides Können einsetzte, war A d 0 1f Bus eh.
Er spielte die Arie und Chaconne für Violine allein einfach vollendet und stilecht
aUs der Bach..Reger ... Stimmung heraus.
Das Kammerkonzert in der Singakademie brachte das Es-dur,Streichquartett,
op. 109, für das sich das Klingler-Quartett einsetzte. Der Reger anhaftende grüble-
rische Zug, das Pessimistisch'Reflexive, vielleicht auch das Suchen nach positiven,
klingenden Werten, tritt bei diesem Werke besonders in die Erscheinung und be-
einträchtigt in den drei Vordersätzen nicht unwesentlich den Genuß. Auch der
Scherzo,Humor macht seine Echtheit nicht glaubhaft. Aber das Finale, in dem
Reger sich wieder dem Fugieren überlassen kann, ist ein Meisterstücklein und von
sonniger Klangfrische. Daneben stand das leichter eingängliche Streichtrio op. 77 B.
Die Klingler,Leute spielten sachgemäß, aber ohne Impuls und überzeugendes Ein-
gehen' auf den Geist der Schöpfung, obendrein öfters unrein in der Intonation,
eine Schwäche, die auch bei anderen Darbietungen des Quartetts auffallt. Elena
Ger h a r d stand als Mittlerin Regerscher Lieder den Absichten des Meisters wesent'
lieh näher als Claire Dux. Die Pianistin Frieda Kwast'Hodapp war natürlich
als bekannte Reger,Interpretin ganz am Platze mit vier Stücken aus Opus 82
("Tagebuch") und dem Kolossalwerke Regerscher Satzkunst: Introduktion, Passa-
caglia und Fuge op. 96 für zwei, Klaviere, wobei J am es Kwast als trefflicher
Helfer seines Amtes waltete.
In der Kaiser WlIhelm,Gedächtniskirche fand dann die "Reger'Woche" ihr wür-
diges Verklingen. Die Karfreitagskantate für gemischten Chor, Soli und Orgel, zwei
geistliche Lieder für Männerchor (Bearbeitungen Hugo Wolfscher Originale) und die
große E'moll,Passacaglia und Fuge für Orgel in der klug, abgewogenen, wirkungs'
vollen Wiedergabe von Fritz Heitmann bildeten die Hauptwerke. Hier, wo es
galt, den strengen Stil als Ausgangspunkt Regerscher Kunst zu erhärten, fühlte
man deutlich jenen "Einklang, der aus dem Busen dringt und in sein Herz die
Welt zurücke schlingt •.• " Und immer wieder, wenn man sich· mit Reger eingehen'
der beschäftigt - wenn man seine positiven und negativen ,Eigenschaften gegen'
einander abwägt - wenn man gewahrt, wie selbst in der leidenschaftlichen Be'
wegtheit schließlich doch immer wieder das Reflektierte Sieger bleibt - wie diese
Kontraste auf das Ringen einer nach unmittelbarer, blutwarmer Eingebung lechzen-
den, tief musikalischen Natur hindeuten, ziehen die großen Weisheiten der "Faust ll ....
Tragödie am Geiste vorüber - vom Vorspiel auf dem Theater bis zu dem Diskurs
zwischen Faust und Wagner, zwischen Mephisto und dem Schüler. Es liegt so viel
Wahres in dem Resümee: "Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen, wenn es
euch nicht von Herzen geht.« Und auch viel Erschütterndes! Die Stellen, in denen
es bei Reger "von Herzen gehtU, sind zU zählen. Also' müßte es um's "Schaffen
von Herz zu Herzen 'l übel bestellt, die Prognose für die Zukunft des Regerschen
Erbes eine düstere sein. Wir werden abwarten, ob sich die erhoffte Fühlungnahme
weiter Kreise einstellt. Recht glaubhaft erscheint sie kaum.
o 0

21
HERBSTSPIELE I N DRESDEN
Von M. Broesike,Schoen, Dresden

I
Wagner - Graener - Schreker
In der Dresdner Landesoper finden zur Eröffnung der Saison Herbstspiele statt,
in denen man die Kundgebung eines höheren künstlerischen Willens erblicken kann.
Sie umfassen erst wie eine Art Überblick, der Traditionelles und ernste Arbeit
reicher Jahre an der Schwelle einer neuen Zeit zusammenfaßt, altklassische Werke,
denen man viel des Festspieles wünscht, und Wagner in voI1ständigem Zyklus.
Als Abschluß gelten sie dem Drange der Jugend und den neuen Intuitionen, die in
der reichsdeutschen Uraufführung der "Fr,au ohne Schatten" gipfeln sollen. Ein Pro-
gramm, das in seinen Voraussetzungen gewiß aus einer vorwärtsweisenclen Tendenz
geboren ist. Es ist wie eine Art Bilanz, die zurückblickt und klären will und doch
schon ein neues Resultat aus dem Geiste der Zeit am Vergangenen gewinnen will.
Man hat die frohe Erw~rtung fruchtbarer Offenbarungen, die die synthetische Mög'
lichkeit von Wollen und Können weckt. Der Wagnerzyklus ergab die reichsten Be'
obachtungen, die sich auf diese Hoffnung stützen. Es gibt in der Kunst etwas, was
man den modernen Gedanken nennen könnte, I der kein Prinzip, keine Parteilich...
keit, sondern eine unsichtbare Energie ist, die jedes Kunstwerk immer aufs Neue
mit seltenen und frohen Ereignissen durchströmt. Im allgemeinen die ewige Meta'
morphose des Geistes, die die Begriffe in immer neuen Spiegelungen faßt und
rundet, im Festspiel der ewige, absolute Gedanke der Kunst, zu dessen Ferne wir
empordringen wollen. Wie ihn Mahler fühlte und inbrünstig in den Alltag tragen
_wollte. Er ist es allein, der den Fluß der Dinge bedingt und bedeutet, als große
Bewußtheit den einzelnen lenkt und im Kunstwerk das Verborgene ruft, das Ge-
gebene unerschöpflich beseelt. Keiner ist wie Wagner geeignet, diesen Gedanken
näherzubringen und wachzuhalten, weil er Urbegriff ist. In ihm ruht alles, was die
Kunst unserer Zeit braucht und gegeben hat, er ist der Zentralkörper, um den die
stolze Bahn der Nachgeschaffenen kreist. Er faßt rudimentär zusammen, was die
Späteren in der Fülle der Individualitäten verbreitert und zerlegt haben. Wer
Wagner dient, dient auch dem Geiste der heutigen Kunst, und wer der Kunst der
Zeit ergeben ist, wird gesteigerte Kräfte auf den Ahnen in seltener Wechselwirkung
zurückstrahlen können. Wir haben in Dresden eine Reihe Darsteller, die durch Schule
der Jahre und ein in zähem Wollen gestähltes Können zu dieser Begrifflichkeit
durchgedrungen sind: es sind vor allem Plaschke, Vogelstrom und die Osten, Forti
und Metzger'Lattermann. Stimmlich leider oft an der Grenzscheide, entzücken
sie durch ihre Einschmelzung in die geistige Kraft des Werkes. Der Wagner,
zyklus war ein Gewinn, nicht frei von Ermattung und gleichgültigen Stellen, aber
. im einzelnen nach Klärung strebend, eine Spiegelung moderner musikdramatischer
Kultur, deren· Vorbereitung er bedeutete. - An dem Geiste Wagners gemessen,
in dem alles ruht, was wahre Kunst in Vertiefung und Zukunft braucht, fragen
wir uns, ob Graeners "Theophano ll ein Werk ist, das die Isolierung einer
Sonderaufführung erheischt. Wir sind dankbar, auch dieses Werk, das immerhin
rein musikalisch eine Zusammenfassung verkörpert, gehört 'zu haben (weil wir
nicht genug in die Kostbarkeiten des modernen Geistes eindringen können). Aber
es ist im tieferen Sinne nur absolute Musik, die den Stih nicht den (allgemeineren)

22
Geisteswert hat. Sie hat alles, was eine Musik, die sich sanft und unaufdringlich
über die Dinge schmiegt, braucht, aber nicht die große Kraft, die Beziehung zum
Drama, die das Wesentliche ist (zum Teil auch, weil dem Drama die Beziehungen
zur Musik fehlen). "Theophano ll ist letzten Endes mehr spekulativ als innerlich
empfunden. Der Impressionismus, der ~o voll starker seelischer und unterbewußter
Reize ist, zeigt hier, was er ni eh t erfüllen kann. Er findet nur seine Rechtfertigung
in der schwülen, von Überreife der Sinne schimmernden Atmosphäre' des Orients.
Ob er mehr als ein farbiges historisches Gemälde, als Staatsaktion, ein Drama, das
durch die Musik erlöst wurde, in diesem dichterischen Gewande geben könnte,.
wäre einer größeren Intuition vorbehalten. - Graener mit Schreker in die nahe
Nachbarschaft eines Festspieles zu stellen, ist eine Inkongruenz, die auch nicht durch
die lose stilistische Gehörigkeit zur impressionistischen Psychologie begründet ist.
Schreker gehört im Geistigen in eine andere Verwandtschaft und ist der Triumph
der subjektiven Fülle über die objektive Könnerschaft der Zeit. Derselbe äußere
Rahmen, in dem sich Graener in Schrauben fesselt, ist in den HGezeichneten"
zum Leben geweitet, nur eine Umkleidung, in der sich Ewiges und Typisches
offenbart. Er ist nächst Pfitzner, der nur das Esoterische, nicht das Glühende in
Wagner weiterführt, der einzige, in dem Wagner in einer seltenen und vergeistigten
Form wahrhaft wieder auflebt. Er läutert Zweck- und artistische Wirkung, die auch
stark aus romanischen (wiederum von Wagner gespeisten) Einflüssen stammen, zu
einer höheren Einheit, in der sie wieoer wahrhaft dramatisch - Wagner nennt es
das Rein-Menschliche - werden. Für diesen Stil, der noch in der Entwicklung ist,
hat man hier noch kein inneres Verhältnis gefunden. Dieselben Leute, die sich
~agnerselbstlos hingeben, suchen nur eine Anempfindung für einen feineren, aber
immer wesensverwandten Stil. Sie sind in die reizbare Steigerung, die hier das
Geistige und Musikalische erfährt, noCh nicht hineingewachsen. Man muß ihn in
seinen geheimnisvollen Beziehungen fassen, der bald in orgiastischem Taumel an..
schwillt, bald verhalten in schwerer - herbstlicher Pracht blüht. Wie wäre es sonst
möglich, daß man im III. Akt, in dessen erstem Akt der Wille nicht voll organisch
aufgegangen ist, und der des -rastlosen Stromes darstellerischer Kraft braucht, um
die Absicht zu erfüllen, in alte Gewohnheiten der großen Oper zurückfällt? Fühlt
man nicht das Erotische, das hier wie bei Wagner - man denke an "Parsifa1 4t -

als düsteres Symbol über der Tragödie schwebt? Man sieht, wie notwendig die
Vorschulung durch Wagner für diese Aufgaben ist. Die beste Stütze, wie er sie braucht,
hatte der Gedanke Schrekers in der Kapelle, die, zu herrlicher Quelle der Kraft und
des Verstehens geeint, beredsam aus Klang und Musik das Drama gebiert, und in
Frau von der Osten, die eine seltene Eignung für die Zwiespältigkeiten und ge-
steigerte Menschlichkeit der Schrekerschen Frau besitzt. Aber die Höhe der Erst-
aufführung war nicht erreicht, und man sieht, wie rasch der Maßstab für diese in...
dividuelle Kunst schwindet, wenn er anempfunden und vernachlässigt ist. Man hat
hier für das Neue oft nur die Kühle des Interesses, nicht die regsame Kraft des
Mitempfindens. Wir wünschen Schreker, daß man ihn. der in der Farbe und Fülle
seines Wesens. der Dramatiker des modernen Festspieles sein kann, öfter festlich
aufführt. Er will gezogen und erfühlt, nielat bestaunt und bloß sensationell emp-
funden werden. Wir werden über die Forderungen und Folgerungen, die sich aus
der Pflege der modernen Kunst und ihres höheren .Gedankens an unserer Bühne,
ergeben, noch mehr zu sagen haben, \yenn sie mit Strauß abgeschlossen sind.
a a

23
G loss f l 1 - ~;I
KRITIK DER KRITIK das Allgemeine. Der Künstler wird überwiegend
seine Subjektivität zur Grundlage der Be ..
Nach Zolas bekanntem Ausspruch ist das urteilup.g machen, der Kritiker von mehr wissen ..
Kunstwerk Natur, gesehen durch ein Tempera.. schaftlichen Voraussetzungen seinen Ausgangs.-
ment. Resultat: naturalistisches Kunstwerk. Ich punkt nehmen. Dafür aber wird der Künstler
.setze: fort: Kritik ist Kunst, gesehen durch ein tiefer eindringen in die geheimnisvolle Werk..
Temperament. Resultat: künstlerische Kritik. statt des Schaffens, als es dem Kritiker vergönnt
Eine Geschichte der Kritik, die noch zu ist: er wird für den Künstler anregender wirken,
-schreiben wäre, würde für alle Künste einen mehr unmittelbaren Einfluß auf die Produktion
auffallend späten Beginn ihrer Wirksamkeit äußern können •••".
konstatieren. Eine gewisse Entwicklung, eine Man vergißt, daß der Fall Hansliek (Ver..
-erreichte Höhe der Kunst ist Vorbedingung für sagen des Berufskritikers aus künstlerischem
Besinnung und Rückblick. Erst im 18. Jahr .. Defekt) sich mehr als einmal bei komponierenden
hundert ist von Anfangen der Musikkritik die Kritikern (Versagen infolge Überwiegens der
Rede, bezeichnenderweise erst nach den kunst.. 'produktiven Begabung) "wiederholt hat (siehe
kritischen Bestrebungen Leasings, Winckel.. bei Schumann, H. Wolf, Wagner), Fiir den
manns, Goethes, die den anderen Künsten galten. produktiven Musiker gilt immer noch Goethes
Drei Stadien lassen sich bei flüchtigem "Bilde Künstler, rede nichtu • Der ideale. Kritiker
Uberblick unterscheiden. Die reine, objektive aber müßte vielleicht ein Künstler sein mit
Analyse (Typus Merker). Das Kunstwerk seziert unzureichender, aber doch vorhandener pro..
auf Fehler gegen feste Regeln. Objektiv nach.. duktiver Begabung, zugleich mit der Erkenntnis
weisbar Lob wie Tadel. - Die psychologische, für die Grenzen seines Talents und der Fähig..
-subjektive Analyse (Typus Schumann). Auf.. keit, das hier Unzulängliche in anderer künst..
fassung und Mitteilung von Stimmungen poeti.. lerischer Tätigkeit "abzureagieren". In einer
'Scher, darum oft literarischer Natur, ohne feste Form, in der das Dionysische des Schaffenden
Grundlage, mit Vernachlässigung technischer, durch das Apollinische des Wissenden sinnvoll
'objektiver Behelf~. gemäßigt erscheine. (Ein herrliches Beispiel:
Endlich das neuzeitliche Ideal: künstlerische E. T. A. Hoffmann, größer als Musiker in se'inen
Synthese, nach objektiver und psychologischer Beethovenkritiken als in seiner "Undine l l ; ein
Analyse,·Subjektivität auf objektiver Basis. Hier anderes, wenn auch nicht aus unserem Fache:
wird nichts übersehen. Weder die Technik, noch Goethe, der zum Maler bestimmt zu sein meinte,
der Stimmungsgehalt des Kunstwerkes, doch dessen produktive Begabung hier aber nur zum
aus diesen Elementen ist ein neues Kunstwerk, idealen Kunstkritiker langte.) Und derselbe,
'das kritische, zu schaffen (Typus: vielleicht da er wieder einmal von dieser erst in seinem
Bekkers Beethoven oder Spechts Mahler). Die 40. Lebensjahre schwer errungenen Erkenntnis
Vorbedingungen für den Kritiker sind demnach: spricht, fügt hinzu: "Wer mit unzulänglichem
Beherrschung der Technik, des Handwerkes Talent sich "in der Musik bemüht, wird freilich
seines Faches, mindestens eines Instrumentes, nie ein Meister werden, aber er wird dabei
unbedingt der ganzen Theorie samt Geschichte lernen, dasjenige zu erkennen und zu schätzen,
und Ästhetik, und Fähigkeit zu künstlerisch.. was der Meister gedacht hat,'l Das ist auch wahr 1
-synthetischer, auch sprachlich eigentümlicher Der ideale Kritiker ist aber nur möglich
Reproduktion. unter entsprechenden Vorbedingungen für seine
Somit wäre der federgewandte Komponist Tätigkeit. Zunächst ist die Unterscheidung am
der ideale Musikkritiker? Nein. Der gescheite Kritisierten zu machen. Kritik über den re..
Brendel, Schumanns Nachfolger in der ,,~euen produzierenden Künstler gilt dem Künstler,
Zeitschrift für Musik u, sagt darüber schon vor Kritik über den Produzierenden gilt - dem
50 Jahren· das richtige: "Der höher begabte Publikum. Der produktive Künstler hat nach
Künstler ist bei fest ausgeprägter Individualität Kritik nichts zu fragen, kann auch, ist er echt,
einseitiger, er besitzt schroff hervortretende gar nicht von ihr beeinflußt werden. Hier erziehe
Sympathien und Antipathien; dem Kritiker - der Kritiker das Publikum, warne es vor ver..
wenn er wirklich seiner Aufgabe entspricht - führerischem Schund, leite es zu jederzeit
bleibt die ruhigere, objektiver gehaltene Ab .. unverstandenen Werken der Zukunft. AUe
wägung, die ZurückfUhrung des Besonderen auf bleibende Musik war einmal Zukunftsmusik.

24
Wohl aber bedarf der reproduzierende Künstler Aber im Ernst gesprochen. Der Kritiker ist
sehr oft kritischer Weisung. Spricht doch schorf Richter, soll es sein. Kein Nachrichter, lieber
Goethe so wahr von "den neuesten Virtuosen, ein Aufrichter, der nicht Recht, sondern richtig
die nicht sowohl solche Stücke zu ihrem Vor .. spricht und Richtung gibt. '
trag wählen, woran die Zuhörer einen musi.. Auch frei muß er sein und unabhingig, wie
kaUschen Genuß haben, als vielmehr solche, ein Hiiter des Gesetzes, der er freilich nicht
worin der Spielende seine erlangte Fertigkeit sein darf, und vor allem - unbedingt un..
könne bewundern lassen. Überall ist es das befangen. Nicht interessiert-an Verleger, Theater..
Individuum, daß sich herrlich zeigen will und oder Akademiedirelctor, Konzertunternehmer, .
nirgends trifft man auf ein redliches Streben, Klavierfabrikant, Dirigent, Künstler, Schüler.
das dem Ganzen und der Sache zu Liebe sein' Alle diese Beziehungen gab es, aus allen diesen
eigenes Selbst zurücksetzteIl. Als hätte der Alte erwuchsen Mißbräuche, können neue entstehen.
von Weimar schon die Institution der "Konzert.. Keinem sei verwehrt, für den Freund, für ihn
direktoren U geahnt, die als rücksichtslose erst recht, öffentlich einzustehen, sofern die
"Konzertdiktatoren U auch dem Virtuosen, der Freundschaft auch öffentlich bekannt wird.
anders möchte, sein stereotypes Programm auf.. Jedem verboten, eigene Interessen im Talar des
oktroyiren. Auch hier Individuen statt der Sache! Kunstrichters zu vertreten, auch wenn seine
Unmöglich ist die ideale Kritik aber auch autosuggestive Fähigkeit so groß wäre, daß er
im heutigen Pressegetriebe. Der Zwang, nach Lob und Tadel im "guten Glauben'; verteile.
verkrachten Generalproben und einmaligem Der Kritiker soll seine Sachkenntnis durch
Hören zu schreiben, das Nachtreferat, die lächer.. Studienausweis belegen können, n.icht aber ein
liehe Unsitte, über gesellschaftliche Konzert.. verantwortungsvolles Amt übernehmen, weil
ereignisse, wobei 'IMusik nur störend empfunden" gerade eine "Rubrik" seiner Zeitung freige ..
wird, immer wieder zu berichten, verdirbt die worden ist. (Auch das ist vorgekommen I) Er
kritische Leistung. Wer wäre auch imstande, hafte auch für seine Vertreter! Junge Naseweise,
nach jedem Griinfeldkonzert, nach dem hundert..- denen Frechheit Ersatz für Fachwissen bot,
sten Anhören der Forellenparaphrase immer schossen, von dem breiten Rücken großer Herren
wieder einen I,moment musical!< zu empfinden gedeckt, ihre giftigen Pfeilehen ab, wohl bedacht
und bei jedem Kurztriller in Obligate Be.. auf Karriere und eigenen Vorteil. Viel ä.rger als
geisterungs .. Trance zu verfallen? Soll die Kritik durch den Fall Hansliek, der mit Ernst und
Kunst sein, so läßt sie sich genau so wenig Kenntnis seine vielIeicht nicht einmal ganz ver..
kommandieren, wie die Poesie. Sie wird bei fehlte Meinung vertrat, bleibt die Wiener Kritik
Werken, welchen kein Eintagsdasein gebührt, durch jenen Operettenmacher kompromitiert,
auch dann nicht zu spät kommen, wenn sie der als Musikreferent eines großen Blattes die
nicht mit dem nächsten Morgenkaffee serviert schä.bige Kampagne gegen Mahler beginnen und
wird. Für alles Abgewerkelte und Gesellschaft.. führen durfte, deren Ende seine Flucht aus
liehe genügt der Gerichtssaalreporter I Wien war.
Immer ist Wien ein Kapitel für sich. Auch Daß wir dem skizzierten Idealgegenstand
auf unserer Kritik lastet die Tradition einer im der Musikkritik näher kommen, dafür soll von
letzten Grunde kulturfeindlichen Stadt, die im Fall zu Fall die Kritik der Kritik sorgen. Un..
ewigen Kampfe zwischen Kunst und Bequem.. lautere Bestrebungen werden fürderhin damit
lichkeit allzeit das Trägheitsprinzip als ihr zu rechnen haben, daß ihnen der Anbruch ...:...
oberstes Naturgesetz reklamiert hat. Die Wiener Abbruch tut.
Dr. R. St. Hoffmann
Kritik ist iiberdies erblich belastet mit"Hanslick" ..
Witz und "Speidelu .. Schärfe, gleichzeitig be.. o 0
schwert von der Angst vor einer neuen Beck..
messerblamage und der Furcht, sich durch zu
warmes Lob vor der ganzen Welt zu exponieren. FRA G M E N T E
Man kann nie wissenl Bescheiden loben, wo
man Stärke spürt, ruhig verreißen, wo nichts Welchen Begriff immer man sich vom
zu fürchten ist. Dazu die spezifische Wiener innersten Wesen der Welt machen mag, ob man
Unsitte des x..spaltigen "Feuilletons"', eines :pro.. in ihm ein Rationales sieht (wie Pythagoras -
krustesbettes, in dem auch kleine Anlässe mit die Zahl, PlatGn - die Idee) oder ein Irrationales
entsprechend magerem Einfall auf Großblatt.. (wie Heraklit - das unaufhörliche Werden, und·.
format gedehnt werden müssen. Nicht umsonst Schopenhauer - den Willen), immer offenbart
leben wir in einer Weltgegend, in der das Leben sich dieses Wesen am unmittelbarsten in der
lediglich einen Komplex von "Beziehungen" und Musik.
"Gefälligkeiten" darstellt. Auch der Kritiker ist Ihren tiefsten und schönsten Ausdruck findet
ein Richter, bei dem man sich's richten kann. diese Erkenntnis in Schopenhauers Worten:

25
"Die l\(usik überhaupt ist die Melodie, zu der Drei Melodien, in denen sich das ganze'
die Welt der Text ist.'~ Leiden der Welt aufs Tiefste und Eindring..
• lichste ausspricht:
Das "Agnus Dei" aus Bachs Hoher Messe,
Was die Musik unter allen Künsten zuhöchst
die "Traurige Weisel< im Tristan und das
stellt, das Fehlen alles Stofflichen und Gegen ..
Motiv der Oboe im vierten Satze von Mahlers
ständlichen, birgt zugleich die größte Gefahr:
dritter Sinfonie. H ugo Kauder
die des leeren Formalismus, der darum auch in
keiner anderen Kunst so abstoßend wirkt, ja
a a
geradezu als unethisch erscheint.'
,. .
Die allgemein verbreitete Metnung, daß das
NEUE DAVIDSBÜNDLER
Genie durch gerechtere Würdigung seitens der
"Gewiß,t, erwiderte auf F I 0 res t an s letzte
Nachwelt für den Unverstand und die Unge..
Worte zurüc1rkommend der Professor, "Sie
rechtigkeit der Mitwelt entschädigt werde, beruht
haben Recht, ich glaube, wir werden einander
auf einem Irrtum. Des Künstlers Geltung bei
kaum je verstehn. - Aber nun das Eine und
der Nachwelt ist bloß quan tita tiv größer als
darin werden Sie doch wohl. meiner Meinung
die bei seinen Zeitgenossen, indem im Laufe
sein. Od'er halten Sie am Ende auch das für
der Zeit manches von den äußeren Formen
einen gesunden oder auf die Dauer" auch nur
seines Wirkens ins Allgemeinbewußtsein über ..,
m6glichen Zustand der Kunst, daß sich nunmehr,
gegangen ist. Das "Verständnis" der Allgemein..
wie es heute bereits der Fall ist, so ziemlich
heit erstreckt sich also gerade nur auf das
jedermann einfach hinsetzen und zu kompo..
Äußere, zeitlich Bedingte, Vergängliche im
nieren beginnen kann? Jede Kenntnis der Ge ..
Kunstwerk, während es, so wie zu Lebzeiten
setze der Stimmführung, Form, ja auch nur
des Künstlers, auch nach seinem Tode immer
der simpelsten Harmonik ist so gut wie über ..
nur wenige einzelne sind, die ihn wahrhaft
flüssig geworden, ein bißehen sogenannter
versteb,en, denen sich durch das Werk des
Sdmmung genügt, und während sich ,bisher
Sch6pfers innerstes Sein und ~Wesen mitteilt.
kaum das Genie, ,geschweige denn ein minder
Und daß es diese einzelnen immer gibt und
begnadeter Sterblicher ohne den Ernst eines
geben wird, wenn längst die letzten Spuren'
auf tiefgründigstem StUdium beruhenden
seines Erdendaseins verweht sind, das all ein
K6nnens an das Schaffen gewagt hätte, will
ist Unsterblichkeit.
nun jeder Dilettant .•. tt
• "Halten Sie ein'\ unterbrach ihn aber FIo ..
Der PhiIi.ster, der in der Kunst nur ein restan nun entsetzt, "um Gotteswillen , halten
Genußmittel erblickt, das ihm "erbärmliches Sie ein. Also der idealste Zustand, der denkbar
Behagen" zu bereiten hat, der auch dem Er .. wäre, nämlich daß für das Produzieren absolut
habensten gegenüber in seiner Stumpfheit und keine "Kenntnisse", nicht das geringste, was
Trägheit verharrt, verdient darob eher Mitleid erst "gelernt" werden müßte, sondern nur die
als Zorn oder Verachtung r ist doch seine Schuld Kraft und Fülle der inneren kUnstlerischen
zugleich seine Strafe, indem er ausgeschlossen Intuition notwendig und maßgebend wären, ihn
bleibt von jenem h6chsten Glück, das im wahren bezeichnen Sie als ungesund,-für die Kunst un..
Miterleben des Kunstwerkes liegt. Schließlich möglich und meinen, daß ich wenigstens hier
empfängt ja ein jeder von der Kunst nur das, unbedingt Ihrer Meinung sein müßte? Doch
was er verdient. überlegen wir die Sache einmal durch. Ange ..
• nommen also: ein Dilettant wolle "kompo ..
nieren". Gesetzt nun, Sie hätten recht, und es
'Notenschrift: ,"Zum Raum wird hier die Zeit."
genügte heute wirklich der Entschluß auch schon
• zur Tat, während früher zur Ausführung eines
In unserer Notenschrift verhalten sich die solchen Verbrechens erst der Umweg eines mehr..
Vertikalabstände der Notenk6pfe gleich den jährigen Kontrapunkt.. Studiums notwendig war.
~ogarithmen der Schwingungszahlen der ent.. Sollte das denn wirklich ein ernstlich in Betracht
sprechenden Töne. Sollte sich daraus nicht viel- kommender Unterschied sein? Und wenn, Hillt
leicht eine mathematische Beziehung zwischen dann der Vergleich nicht sehr zu meinen Gunsten
Raum und Zeit ableiten lassen? aus? Bedenken Sie dO,ch: Me i n Dilettant hat,
Es wäre sinnvoll, wenn diese Beziehung einmal als solcher erkannt und empfunden,
sich durch eine "transzendente. Gleichung" seine Existenzmöglichkeit auch schon ~o gut
ausdrücken ließe. wie verloren. Im Augenblick, da jene Ihnen so
peinliche Stimmung die Kraft ihrer Wirkung

26
verliert, ist die -Sache für den Resrer, aber aucl) faßte, auf scheinbar unwegsamsten FeIszacken
für ihn selbst ein fUr allemal zu Ende. Ihr kaum entdeckter Klangverbindungen, wie auf
Dilettant dagegen will gar nicht ahnen, daß der einem Parkett glattester Sextakkorde dahintanzt,
letzte Sinn aller Kunst einzig und allein jene oder mit drei Instrumenten einen raffiniert
innere Wirkung von Mensch zu Mensch sein orchestralen, kunstvoll polyphonen Lärm erster
kann. Im Besitze seines "Kesnnens", also der Ordnung erzeugt, dem nur das eine f~hIt, das
künstlerischen Mittd, über die kaum der Tausend.. auch Ihren eigenen vor zwanzig Jahren preis..
ste verfügt, erzwingt er sich Gehesr für die Ver.. gekrönten Werken allesamt abging, nämlich
kündigung auch einer seifenblasigen Hohlheit, das geringste Maß, auch nur ein einziger, kleiner
die meinen Dilettanten von vornherein der Blutstropfen wirklicher Musik. Drum
jämmerlichsten Verachtung preisgeben würde. sehen Sie sich vor, mein Herr, schon gelangen
Ungesunder Zustand? Kann es einen entsetz.. die alle zu Ansehn, Einfluß und Namen, noch·
licheren geben, als daß ein ~jemand sich durch wenig Jahre und Sie bekommen Ihren Abschied
Schulsitzerei plötzlich zum Berufszauberer (denn und jene rücken an Ihre Stelle vor, diese
was anderes wäre der echte Künstler), zum Dilettanten, die aber gera.de in Ihrem Sinn
amtlich geeichten Schöpfer verwandelt glauben keine sind, und die nür Sie dafür halten, weil
darf? Und gäbe es denn gegen den Dilettantismus Ihre Ohren eingetrocknet und Sie selbst noch
auch nur etwas annähernd gleich WirkungSJO ein viel größerer ••• "
volles als die Möglichkeit seines ungestörtesten Hier gewahrte Florestan, plötzlich aufschau..
durch keinerlei äußere Schranken behinderten end, daß sein Begleiter 1ä.ngst von ihm Ver..
Sich..ausleben.. dUrfens? Erst wenn hunderte, scbwunden war, und über die ihm jetzt erst zu
tausende, ja alle existierenden unzählbaren Bewußtsein kommende maßloßeHeftigkeitseiner
Dilettanten ohne das geringste technische Hin.. eigenen Worte erschreckend, überdachte er doch
dernis, das sie heute noch im Zaun hält, frei wieder lächelnd, wie weit jener sie wohl
gegen die gequälte Menschheit losgelassen mitangehört habe.
würden, könnte der Dilettantismus überhaupt, Rudolf RUi
wenn je, sein Ende finden. Leider freilich sind c c
wir gerade heute von diesem Punkt weiter als
je entfernt, und das ist so nebenbei ein kleines.
sachliches, aber neben der Schwere Ihrer prin.. DAS WIENER
zipiellen Irrungen allerdings kaum mehr in
Betracht kommendes Versehen Ihrer Ausfüh.. S INFONIE,ORCHESTER
rungen. Denn noch ist - und in der neuen
Schreibweise erst recht - ein Sich..verständlich.. Das Wiener Sinfonie..Orchester (so nennt
machen ohne vollkommene Beherrschung des sich jetzt das vom" Wiener Konzertverein" und
technischen Apparates. nicht möglich, )noch dem Verein "Wiener Tonkünstler..Orchesterl"
bildet außer der zur Selbstverständlichkeit ge.. gemeinsam erhaltene OrChester) befand sich
wordenen Kenntnis der alten Ausdrucksformen wieder einmal in einer Krisis, die nicht n,ur den
eine Fülle neuen harmonischen, kontrapunkt.. Fortbestand des Orchesters gefährdet erscheinen
lichen, formalen und klangUchen Wissens.. ließ, sondern eine schwere Bedrohung des
materials, ein bisher kaum geahntes minutiö .. gesamten WienerMusiklebens bedeutet hätte. Mit
sestes Abwägen aller Maße, Farben und Schattie.. dem einzigen Konzertorchester, das Wien besit%:t
rungen die unbedingte Voraussetzung jedes (denn die Konzerttätigkeit des· Opernorchesters
Schaffensversuches und ich würde Ihnen nur kann naturgemäß nur eine eng begrenzte sein,
der Probe halber raten, einmal eine einzige außerdem sind die philharmonischen Konzerte
kleine Seite der Art niederschreiben zu wollen, nur einem verhältnismäßig kleinen Teil des
von der Sie meinen, daß es nun jedem Dilettanten musikIiebenden Publikums zugänglich), steht
ein Leichtes sein müßte sich ihrer zu bedienen. und fällt seine13edeutung als Musikstadtj nur der
Wir alle wUrden staunen, was da herauskäme. Bestand dieses Orchesters ermöglicht es, sin..
Diesbezüglich ist also Ihre Sorge leider un.. fonische Musik allen Schichten der Bevölkerung
begründet. Was aber weit schlimmer ist - denn (einschließlich der Arbeiterschaft -und der
wie sprach doch ein berühmter Mann vo.n stUdierenden Jugend) zugänglich zu machen,
Ihnen: ••• "Sie, Herr· Pro~essor;' sagte er, ermöglicht es, auswärtige Komponisten, Diri..
"seien zwar nicht unsterblich, aber Sie stürben genten und Virtuosen kennen zu lernen und so
nie aus·t - schon schießen sie allenthalben in lebendigem Kontakt mit den künstlerischen
empor, diese gewiegten "Könner..... diese Meister Bestrebungen des Auslandes zu bleiben. In dem
und Habitues einer neuesten Mode, jene Jugend, Augenblicke, da dies einmal aufhörte; wäre
die mit einer Sicherheit, die man bewundern Wien nicht nur aus dem deutschen Musikleben
müßte, wenn einen nicht das Grauen davor gänzlich ausgeschaltet, sondern auch der größte

27
und beste Teil seines eigenen Mu~ildebens wäre Dieses Geschäftliche und Betriebsmäßige aus ..
mit e~nem Schlage lahmge1egt. zusehalten, wäre nur auf einem Wege möglich:
Die Tatsache, daß eine der wichtigsten und wenn nämlich alle künstlerischen In..
umrängiichsten künstlerischen Institutionen un.. stitutionen-glefch den Gotteshäusern
aerer Stadt infolge lediglich ge.schäftlicher und Schulen - aus Staats.. oder Ge..
Schwierigkeiten in ihrem Bestande gef'ährdet meindemitteln erhalten würden.
wart fordert ~u einer kritischen Betrachtung Nun kann aber der Staat nur dann, ein
unserer öffentlichen Musikbflege heraus. Interesse an der öffentlichen Kunstpflege haben,
Vor allem ist zu fragen: Welche Bedeutung wenn tatsächlich die Gewähr gegeben ist für
hat die Kunst für das geistige Leben der Gegen.. eine wahrhaft erziehliche Wirkung der Kunst.
wart und wie müßte eine öffentliche Kunstpflege Und dies kann nur dann der Fall sein, wenn
beschaffen sein, um dieser Bedeutung gerecht 'von seiten der Aufnehmenden die richtige
zu werden I Einstellung aufs Kunstwerk stattfindet. Damit
nie Aufgabe der Kunst ist vor allem eine aber ist's beim heutigen Publikum gar schlimm
ethische: den Menschen hinauszuheben über bestellt. Den einen ist die Kunst lediglich eine
die Nichtigkeit, Zufälligkeit und Begrenztheit Quelle flüchtigen Genusses, rein sinnlichen
des individuellen Daseins und ihm ein höheres, Behagens; auf sie wirkt, nach einem schönen
ewiges Sein ahnen zu lassen; ihm zugleich die Worte Johannes Scherrs ffein erhabener Gedanke
beglückende Erkenntnis zu vermitteln, daß nur wie Sternenlicht auf eine Eisfläche ; es
dieses höhere Sein nicht außerhalb dieser Welt schmilzt und bewegt sie nicht... Andere wieder,
liege, sondern vielmehr in der Tiefe seiner vornehmlich die "Gebildeten", können künst..
eigenen Seele; ihn seiner Gottessohn .. lerischen Leistungen nicht anders als kritisch
schaft innewerden zu lassen. gegenübertreten; finden sie am Kunstwerte
Somit hat die Kunst die gleiche Mission wie nichts auszusetzen (sers, weil es bereits vom
Rel~gion und Philosophie, wie überhaupt jede allgemeinen Autoritätsglauben sanktioniert ist
Form menschlicher Geistigkeit; aber Religion oder weil es ihrem individuellen Geschmack
und Philosophie haben längst aufgehört, Ieben,dig I entspricht), wird dessen Wiedergabe kritisiert,
fortwirkende schöpferische Kräfte zu sein: erstere das Lob dieser Leute ist nicht minder herab ..
ist zur Kirche erstarrt, -letztere hat die Maske setzend als ihr Tadel, indem sie sich dem
wissenschaftlicher Gelehrsamkeit vorgebunden; Künstler in jedem Falle überlegen dünken,
und die heutige Wissenschaft hat sich ,fast mögen sie ihm nun eine schlechte oder ei:ne
gänzlich dem Empirismus' und Historizismus gute Zensur erteilen.
verschrieben und solcherart allen Zusammen.. Nur die wenigsten sind der allein richtigen
hang mit den ewigen Dingen verloren. So ist Einstellung :fähig, nämlich des innigen Sich..
denn in unserer Zeit vor allem die Kunst zur versenkens ins Kunstwert bis zum Einswerden
Erfiillung jener Aufgabe berufen. mit demselben. Dies ist wahre Andacht und
FUr eine lebendige Wirkung der Kunst im zugleich höchster ,und reinster Genuß; nur wenn
Sinne dieser ihrer Mission die Voraussetzungen es so empfangen wird t kann das Kunstwerk
zu schaffen, ist die erste Aufgabe einer öffent- seinem wahren Sinne gemäß wirken. Man glaube
lichen Kunstpflege. Denn wir müssen uns dar.. aber nicht, daß diese Art des Kunst.>Aufnehmens
über klar sein, daß diese Voraussetzungen besonderes ffKunstverständnis u erfordern; im
heuUgentags noch gar' nicht vorhanden sind. Gegenteil: alles bloße Verstandesauffassen ist
Sie 'fehlen sowohl bei jenen, die die Kunst der diesem wahren Kunstgenusse nur ein Hindernis;
Allgemeinheit vermitteln, als auch bei den sie eines allein ist nott um dazu zu gelangen: daß
Aufnehmenden. Nur in ganz vereinzelten FäHen man alles eigene Wollen und Denken
kann der schaffende KilnstIer selbst auch der gänzlich ausschalte und sich ganz dem
Interpret seines Werkes sein; in der Regel.steht Kunstwerke hingebe. (So definiert Schopenhauer
zwischen ihm und der Öffentlichkeit eine ganze den Kunstgenuß als ffwillenlose Betra.ch..
Kette von Institutionen und Menschen, als da tun~; in der Forderung nach Aufgeben allea
sind: Konzert- und Theaterdirektionen, KapelI.. Eigenwillens gipfeln die Lehren aller itystiker
meister, Sänger und Instrumentalisten, Agenten von Laotse bis auf Jakob Böhme.
und Verleger u. a. m.; alle diese leben von der Keine Kunst ist nun solch unmittelbarer
Ausübung der Kunst, müssen also, sie mögen Wirkung :fähig wie die Musik; frei von allem
sonst von den besten und reinsten Absichten Stofflichen und Gegenständlichen erscheint sie
beseelt sein, auf ihre eigenen (sowohl künst.. als re~ne Bewegung; als solche kann sie
-Ierischen als materiellen) Interessen bedacht - leichter denn jede andere Kunstgattung -
sein. Daher kommt nun alles Geschäft.s.. und die Seele mitschwingen machen, sie in jenen
Betriebsmäßige, das in uns.erem heutigen Kunst.. Zustand versetzen" in welchem sie die Kunst
leben einen so großen Raum einnimmt. ihrem wahren Wesen nach vernimmt: nicht

28
als angenehmen Sinnenrausch, nicht als fesseln .. wie einfach in der gewollt primitiTeo Melodik; I

du Verstandesspie1~ sondern als ndas unaus .. verlangt von dem Klavierspider keine unüber..
sprechliche Wort Gottes.tt windlichen technischen Aufgaben, wohl aber
Nicht das Interesse am Technischen, Ver.. Schulung im modernen Hören und ungewöhn..
standesmäßigen der Kunst, sondern vielmehr lich feine Vortragskunst. Der Barcaroien..
den i n n eren S i n n, die Au fn ahm efähig k ei t charakter der Komposition gibt ihr trotz der
zu wecken und auszubilden, muß also das Ziel unvermittelten Übergänge von Tonart zu Ton..
einer künstlerischen Erziehung des Publikums art doch anmutige Farben einer schwärmeri..
sein. schen Romantik. - Drei Etüden in A..Moll,
Vielleicht gibt es gerade heute manche neuen Fis ..Dur und H ..Dur sind Werke, die nur von
Aufgaben für solche Erziehungstätigkeit: indem ausgezeichnet gebildeten Pianisten gemeistert
fnfolge des sozial.en Umschwunges vielen der werden können. Sie sind ungemein kompliziert,
Weg zu den geistigen und künstlerischen Werten typisch aus der Schule Ravels hervorgegangen
eröffnet wurde, die bisher davon ausgeschlossen und darum vollgiltige Repräsentanten der augen..
waren. So hat unser Sinfonie.-Orchester eine bHcklichen französischen Kompositionsart. Alle
größere Anzahl von Konzerten für die Arbeiter.. . drei weisen die gleichen Vorzüge und den
schaft in Aussicht genommen. Damit wird gleichen Nachteil auf: brillanten "Anfang, geist..
unserem Musikleben ein noch unverdorbenes reiche DurchfUhrung und erlahmenden Schluß.
Publikum zugeführt, das vielleicht für die Die besprochenen Kompositionen von
tiefere Wirkung der Kunst empfänglicher ist Stierlin Vallon sollten in die Programme nicht
als die Mehrzahl der Abonnenten unserer verzopfter Pianisten aufgenommen und v<?n
Sinfoniekonzerte. Nun würde man diesen - dort in die Meisterklassen unserer fortschritt ..
einstweilen noch unverbildeten Menschen einen lichen Musikschulen übernommen werden. Oder
schlechten Dienst erweisen, wollte man ihnen auch umgekehrt.
durch nProgrammbücheru, "Einführungen" und
dergleichen das Verständnis der aufgeführten FERRUCIO BUSONI: ZWEI GOETHE-
Werke vermitteln. Man wUrde sie, ohne ihnen LIEDER. Verlag Breitkopf und Haertel•.
dadurch den tieferen, eigentlichen Sinn der Busoni als Komponist zweier Gedichte von
Kunst zu erschließen, nur anstatt zu reinem Goethe - das muß alle musikalischen Kreise
Genießen zu prüfendem und vergleichendem interessieren. Das "Lied des Unmuts ,
U

Hören und kritischem Urteilen anleiten, anstatt deutlich den Unmut eines Cholerikers unter..
zu dankbarer Empfänglichkeit zu anmaßender streichend und auf die Pointe "wo man nichtu
.Halbgebildetheit erziehen und damit hätten wir zu sondern wußte Mäusedreck von Koriandern
dann wieder das alte fibel. zugespitzt. In der Singstimme eine merkwürdige
Die erste und wichtigste Voraussetzung für Mischung von Rezitativ und Me1odi.e, in. der
eine Regeneration unseres Kunstlebens ist die, etwas eigensinnigen Klavierbegleitung outrierte
daß vor allem der Künstler, der schaffende wie Einfachheit, satztechnisch wie auch harmonisch.
der reproduzierende, sich seiner ethischen Mis.- Das .Ganze ein gesitteter Wutausbruch, das
sion bewußt s~i; daß die Schöpfung oder die nicht erlebte ndie am wenigsten verwinden,
Wiedergabe· eines Kunstwerkes mehr sei als wenn die andern was gegolten:''' - Das "Lied
eine bloß ästhetisch zu bewertende Leistung: des J4ephistopheles" ein Grenzfall ffi:r
eine Stufe auf dem un.endlichen Wege die immer noch akademisch gebliebene Frage
der Höheren twi ckl ung der Menschhe it. "Was ist komponierbar?" - gewiß ein hoch;"
willkommener Beitrag zur -bezreru:ten musika..
Hugo Kauder lischen Literatur über die gleiche Dichtung, im
c c Rhythmus aber ein kfum gelungenes Wagnis:
die klingenc;1e Illustration der Beweglichkeit
_lnes. zu königli.chen Ehren gekommenen Flohes
und eines durch die von ihm hervorgerufene.n
BESPRECHUNGEN Juckexzel5Be rgepeinigten Hofstaates. Ein guter
H. STIERLIN VALLON: PRELUDES UND Sänger, der auch Dichter und Schauspieler ist,
wird das seltsame, Lied seinen Zuhörern zu
BTUDES. Foetisch Freres, Lausanne.
Eine bemerkenswerte Bereicherung der :zeit- Dank vortra.gen.
gen8ssischen Klavierliteratur. Die ganz eigen.. FERRUCIO. BUSONI: NEUE KLAVIER_
tümlichen Kompositionen, die nicht jedem MUSIK. Edition Breitkopf.
Musiker ohneweiters zusagen werden, fesseln nSona tina breyia", durch die Widmung
um 80 mehr, je intensiver sich der um ihren "In signo Joannh Sebastiani ·Ilagni"
Wert Werbende mit ihnen beschäftigt. - Ein stigmatiBiert, a18 freie Nachdichtung der kleinen
Prelude in F ..Moll, ebenso kühn in der Harmonik Phantasie und Fuge in D..moll Ton J. S. Bach

29
auch stilistisch festgelegt. Dabei reich an Tag der frohen Wiederkehr und ich bleibe ewig
schöpferischen. Einfällen; festgefügt im impo.. Dein, du süße Nelly Gray •• ,u Die Melodie,
santen Bau, der zur Bezeichnung Sonatina brevis weder nach einer bestimmten Dur.. oder Moll..
in einigem Widerspruch steht, und ein Gewinn tonart klassifizierbar, aber auch nicht atonal
für die moderne Klavierllteratur. - Sechs zu nennen, sondern eben ursprüngli~h fremd ..
Klavierübungen und Präludien (der ländisch, erhält von Delius auch die richtige
Klaviel'übung erster Teil) und "drei Klavier.. fremdUlndische harmonische Auslegung. Die
übungen und Präll1dien (der Klavier .. Variationenform ist ziemlich deutlich im alten
übung zweiter Teil). Studienwerke für Lernende Sinne gewahrt. Das Orchester, demEs..Klarinette,
und Lehrende, für angehende und vollgllltige Englischhorn, hohe Trompeten .. und dröhnende
Virtuosen, Beide Teile der Klavierübung sind Posaunenparte das Gepräge geben, ist von einer
nach einem wahrhaft genialen Plan angelegt: schwermütig glänzenden Pracht, die das ~ewollte,
nach mehr technischen und nur der Geläufigkeit exotische Kolorit ausgezeichnet zur Geltung
dienenden Studien folgen regelmäßig Zweck.. bringt. Freilich, hier sind Natur und Kunst in
kompositionen nach Vorbildern wie Beethoven, seltsamer Weise gemischt. Und der Zauber der
Liszt, Web'er, Chopin, Busoni, Hensdt, Offen.. Prärien vermählt sich den Methoden eines
bach, Rubinstein, Schubert-Liszt, Bach, Gounod Berlioz und Richard Strauß, wodurch man
und Alkan, brillante Arbeiten für das Klavier, manchmal etwas zu sehr Schule riec~t, und
die häufig aus dem getreuen Kopieren des das stört vielleicht ein wenig die Reinheit des
Originals allmählich zu überraschend groß .. Eindrucks.
artigen Weiterunge:n ausgebaut werden. Diese Da wir aber Aussicht haben, daß uns dieser
Werke, welche viel zu bucheiden mit dem Eindruck, wie wir hören, durch eine Aufführung
eigentlich nichtssagenden Wort "KlavierUbun~ noch in der kommenden Saison lebendig ver..
- und was nennt sich nicht alles "KlavierübungU mittelt werde, möchten wir ihn lieber in Ruhe
- bezeichnet sind, bringen dem, der sie studiert~ erwarten, und vorläufig nur diese wenigen An..
nicht n~r erstrebenswerte Vervollkommnung deutungen als Einführung geboten haben.
seiner Fingerfertigkeit, sondern auch eine außer.. Rudolf RHi
ordentlich überzeugende Fortbildung in den
aus dem Geist der Moderne entwickelten Ge.- PAUL BEKKER: FRANZ SCHREKER,
setzen der Harmonie und den willkommenen STUDIE ZUR KRITIK DER 1II0DERNEN OPER.
Anlaß zu anregendem und jeder Mech:misierung Schuater und Loeffler, Berlin.
feindlichem musikalischem Denken. Bekker, einer der geistigsten und frucht-
barsten unter Deutschlands Kritikern, setzt hier
Robert Konta Untersuchungen fort, die: in seinem "Musikdrama
FREDERICK DELIUS: APPALACHIA, Va_ der GegenwartU vor ze'hn Jahren verheißungs.-
riationen über ein altes Sklavenlied mit Schluß .. voll begonnen ·wurden. Hier wird gezeigt, wie
chor für großes Orchester. (Universal ..Edition, Wagners musikalisches Alexan!ierreich nach
Wien_Leipzig.) lleinem Tode zerfiel, in kleine selbständige
Frederick D.elius ist wohl kein Heros, aber Provinzep, die verschiedenes Schicksal fanden:
sicherlich weit mehr, als ein Durchschnitts .. Die:·.spe:zifische Wagner..Epigonenoper, rettungg..
komponist. Seine Melodik hat Eigenart, seine los verknüpft mit teutonischer Heldensage, der~
Werke atmen den Ernst und die Echtheit eines, wie in Wirklichkeit, die jüngere, liebliche
der schreiben muß, und er hat auch die Kraft Schwester, das deutsche: Märchen folgt, um noch
der Gestaltung. Was ihn von den ganz Großen später unter philosophisch..mystischem Klima
trennt, dürfte nur die mangelnde höchste Inten .. der Moderne zum symbolischen Märchen zu
s itit in an den besagten Dingen sein. Delius werden, dessen Entwicklungsstufen "Rose vom
hat Jahre seines Lebens im~ wie ich glaube, LiebesgartenU, "Spielwerk und die Prinzessinu
freiwillig auf sich genommenen Exil der und "Frau ohne !SchattenU heißen. Dann das
tropischen Steppen und Urwälder.Nordamerikas Festspielmysterium, das zum "Palestrinau wird.
verbracht. Die exotische Pracht dieser Land .. Das TheatraIische, das über ]ungitaliens Verismo
striche, die Volkslieder der dort einheimischen uns d' Alb er ts bühn,enerfolgreiche "Theater..
angesiedelten Naturvölker sind der Born, aus opernIl gebracht hat, und das literarisch..philo.-
dem seine Musik quillt. Auch das vorliegende sophische der Dichtung, das, allein, von ~agners
Werk. Appalachia ist der alte indianische Name Prinzipien, beibehalten, zur Musizieroper Richard
fUr Nordamerika. Die zugrundeliegende Weise Straußens, mit einem Texte von literarischem
ist ein Abschiedsgesang eines Negersklaven an Rang, aber, weit entfernt von Wagners, Kunst-
seine Geliebte, der weit fort muß auf dem großen werk der Zukunft, vielmehr an die Oper der
Mississipistrom und die Verlassene bittet, nicht Vergangenheit anschließt. Schrekers singuläre
allzu traurig zu sein, "denn kommen wird der Erscheinung wird erkannt und gewürdigt ala

30
der erste Fall seit Wagner, der die Geburt der eingeschätzt: So schrieb ich damals von seinen
Oper ,aus dem Geiste der Musik, die Entstehung zwei charakteristischen Seiten: seiner phanta..
der .Tragödie aus musikdramatischer UrqueUe stischen freien Sinnlichkeit, Freude an Farbe
erfolgen läßt. LiebevoU..grlindliche Analyse des und Licht, an Pracht und -festIicheIll Prunk,
Stoffgebietes, der Charaktere, der Entwicklung, einer gesteigerten, aber gesunden Erotik, die
des musikalischen Ausdruckes, der Eingebung von Begierde zu Genuß taumeIt<t und von "dem
wie der Mittel, ist ein nachahmenswertes Muster grübelnden Zug zu Rätse1spie1 und dunklen
positiver kritischer Arbeit, wenn ich auch im Symbolen, zu geheimen Beziehungen zwischen
Detail mit manchem Ergebnis nicht ganz über .. Mensch und Ding, zwischen Wunsch und
einstimme. So zum Beispiel mit der Behauptung, Geschehen • ••<t Meinen Glauben an Schreker
Schrekers Harmonik sei, ähnlich Mahler, -das habe ich auch nach dem mißtönigen Zeitungs ..
Resultat sich verflechtender musikalischer chor, der das Finale zur mißglückten Wiener
Linien. Phosphoreszierende Klangfarben, wi~ Aufführung von "Prinzessin und Spieiwerk<t
etwa zu Beginn des Vorspiels der "Gezeichneten<t sang, nicht verloren und gerne unterschreibe
können auf diesem Wege nicht gewonnen werden, ich darum Bekkers Schlußwort, das in ihm "den
sind vielmehr im Hinblick auf Klangwirkung zukunftsvollen Erneuerer eines musikdrama..
gemischt, ohne daß selbständige, motorische tischen Stils sieht, in dem das alte Kulturgut
Stimmen sich darin nachweisen ließen. Also der Oper mit dem neuen des Wagnerschen Wort..
eine so und gerade so gewollte, gewiß keine Tondramas verschmolzen wird.<t
ZUfallsharmonik•. Aber das ist nichts Ent.. R. S. Hoffmann
scheidendes. Zum Wesentlichen habe ich in
[] []
ähnlicher Weise vor acht Jahren Schreker richtig

NEU E NOT E N Foetisch freres, Lausanne


H. Stierlin VaUon: Prelude pour le piano.
Wilhelm Hansen Musikverlag, Kopenhagen Trois etudes
JOhann Halvorsen : Suite ancienne Universal Edition, Wien-Leipzig
Langard: Sf"arernes Musik Franz Schreker: Die Gez~ichnetent Oper in
Järnefe1t: Suite. 3 Akten
Carl Nie1sen: Violinkonzert für Violine und Der Schatzgräber, Oper in
Orchester einem Vorspiel, 4 Akten
- und einem Nachspiel
Ign. Friedman: op. 77, 1 und 2, Barcarole,
Valse tendre Bela. Bart6k: Rumänische Volkstänze aus
Palmgren: op. 66 1. Vahle finlandaise, Ungarn
2. Deux impromptus Allegro barbaro
MeIartin: op. 75 Quatre Morceaux, Suite op. 14
op. 85 Preludier 2. Streichquartett op. 17
Ludomir R6zycki: op. 39, Neun Skizzen [] []
Torsten Petre: op. 54 Menuet
op. 59 Pa lediga stunder
Rechnitzer..Möller: op. 15, Klolverstykker
NEU E B Ü eHE R
Durchaus Klaviernoten Paul Bekker: Franz Schreker (Schuster
Adolph Fiirstner Musikverlag, Berlin und Loeffler Verlag)
Richard Strauß: Die Frau ohne Schatten, Guido Bagie r: Eine Alpensinfonie von
Oper in 3 Akten R. Strauß Oatho Verlag Berlin)
Sechs neue Lieder, op. 68 FeIix Glinther: Fellx. von Weingartner
(Brentano) Oatho Verlag BerUn)
Fünfkleine Lieder, op. 69 [] []

(Arnim, Heine)
Schluß des t:edaktionellen Teiles.

Dieser Nummer liegt das soeben erschienene Auswahlverzeichnis


klassischer und instruktiver Klavier- und Violinmusik der
Universal-Edition A.-G. bei
Verantwortlicher SchriftleIter: Dr.Otto Schneider. Wien, I. Karlsplatz 6. Herausgegeben von der Universal~
Edition A... G. - Druck von Otto Maa.l1' SOhne Ges. m. b, H' I Wien, I. WaUflachrasse 10. . ...' ..

'31
KONZERTE DES
ANBRUCH·WIEN
11. Orchester-Konzert
am Freitag. den 14, November 1919. abends.
im gro~en Konzerthaus-Saal in Wien

GUSTAVMAHLER
V. SINFONIE
ORCHESTERLlEDER :
Reveille / Der Smildwame NadJllied / Um Milternamt / Ade
Dirigent: PAUL PELLA
Konzertsänger: PAUL L1BAN

Karten von K 21'- bis K 4'- an der Konzerthauskassa

I. Kammermusikabend
am Freitag. den 28, November 1919. abends.
im mitlleren Konzerthaus-Saal in Wien

.Das Waldbauer -Quartett


PROGRAMM:
Zoftan Kodaly: 2, Streimquarfelt (Erstaufführung in Wien)
Igor Strawinsky: Pribaoutki '" (Erstaufführung in Wien)
Wilhelra Grosz: Streimquartelt , , , , , '.' (Uraufführung)

Karten von K 21'- bis K 4'- an der Konzerthauskassa

32
Violinen,
Violen, (elli
bewäilren sich seit Jahren
vorzüelich. Prospekte und
Probesendung koste~los.

Das Tonveredlungsvc:o:rfahren wird auch bei alten,


mit Tonfehlern behafteten Instrumenten mit
nachweisbarem Erfolge angewendet.
Wiener Meister-, Orchester-, Schüler-, Streich-
instrumente, Gitarren, Lauten, Mandolinen ete.
- Bogen - quintenreine Saiten (Marke Elite,
Weichholde ete.) 'sowie sämtliche Utensilien in
reicher Auswahl! Einkauf - Umtausch von alten
Instrumenten. Reparaturen werden zur solidesten
Ausführungübernommen.Zahlungserleichterungen GESPIELT VON
LlSZT / BDLOW
ARTBUR . LIOII
Musikinstrumentenhandlung und Leihanstalt
RUBINSTEIN
BRAHMS UND
ALLEN LEBEN-
Wien, I. DEN MEISTERN
Kolowratring 10
Telephon 6227. MUSIKVEREINSGEBÄUDE
WIEN. I. BEl .• CANOVAGASSE NUMMER 4

.
KONZERTBORO Verein für rhythmische Gymnastik
DER GESELLSCHAFT DER (1rtethodeJacquesDalcroze)inWien
MUSIKFREUNDE IN WIEN Beginn der Kurse
I. BEZIRK, KARLSPLATZ 6 für rhythmische Gymnastik, Oehörsbildung und
ImprovisatIon nach der Methode
Jacques Dalcroze .
für Kinder, Mädchen, Knaben, 'Damen u. Herren
Ende Oktober
IV., Waltergasse Nr. 16.
Anmeldungen
werden entgegengenommen
und
AuskUnfte
werden erteilt
tetephonisch von 8-10 Uhr vormittags unter
Nr, 9387.
VERMITILUNG UND DURCH- briefliCh unter Adresse: Regierungsrat Prof.
jas. S t u r m, V" Bacherplatz 2.
FDHRUNG VON KONZERTEN mündlich im Vereinssekretariat, I., Oiselastraße 12
UND SONSTIGER EINSCHUI.- (Musikvereinsgebäude), Montag Mittwoch und
Donnerstag von 11212-1 Uhr mittags.
GIG ER VERANSTALTUNGEN
Lehrkräfte: Professor Eduard Fa v r e und
F. WIEN, PROVINZ, AUSLAND Fräulein Marie R 0 san e 11 i.

33
Klavier- Etablissement
JOSEF SAPHIR Konzertdirektion Gutmann
(Inhaber Hugo Knepler)
Wien, I. Schellinggasse 3

·~~!i~~· Veranstaltungen von Konzerten und


Vorträgen Im In- und Auslande. Zu-
Wien, 11. Praterstr. 34 ::: sammenstellung von Tourneen :::

t.uIlJUIIIIIIIIIlIlIllIlIlIllIlIllIlIlIlIlIllIllIllIlIllIlIl1UIIIlIlI1l1l1l11l11l1l1l11l1l1l\:
§ ä
KONZERT ,DIREKTION = INTERNATIONALE ~
GEORGKUGEL _ KONZERTDIREKTION g
WIEN, VII. FASSZIEHERGASSE NR. 7

IKA"
ein, .khJ,\I, Plugschrlft für Mn

Wi~n~r mU$iltf~$t~
WI,~oraufb.u! -
_ WIEN· I· WEIHBURGGASSE 9 ~ "
TELEPHON NR. 8695 ~
von UnlvtrSltät.-Profes.o. 6.100 O~I .. = =
Preis 80 HeUer U. E. Nr. 5883 Preis 80 Heller
Zu beziehen durch Jede Buch- und Musikalien-Handlun2' - SPRECHSTUNDE 12 BIS 1 UHR g
Unlv .... I-eOm.n 0.-6., WI,n-fieipzlg = E
O"lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllilr.

Kataloge 1. Klavier, Harmonium,


Violine, Cello, Kammermusik,
Zither, Gitarre, Laute, Lieder fUr
eine Singstimme, Duette, Ter-
zette, Chöre, Salonorchester

kostenlos

Musikalienhandlung und Antiquariat

Otto Maass, Wien


VI. Mariahilferstraße 91, Telephon 6264

34
••
WIENER ERSTAUIFFUHRUNG:
I. Dezember am Operntheater

FRA SCHREKER
Die Gezeichneten
Oper in drei Akten

U. E. Nr. Mark U. E. Ir. Mark


5690 Klavierauszug mit Text •• . 20'- 5884 Vorspiel, Klavier 2 händlg . 3',-
5691 Textbuch • • . • . • 1'20 5389 Dasselbe, Klavier 4 händig . 6'-
5364 Dasselbe, Studienpartitur . .4'-
5762 Thematische Analyse . 1'- 5365 Dasselbe, Orohesterpartltur .30'-

PAUL BEKKER urteilt in seinem jüngsten Buche über Franz Schreker:


"Dle erste Begabung seit Wagner, die ihm der Art nach verwandt
Ist, und das gleiche Phänomen."

. Bisher erzielte Schrekers Oper "Die Gezeichneten" an fünf Bühnen insgesamt

~ 66 Aufführungen
und zwar:

20 Aufführungen: Frankfurt (0 per n hau s)


19 Aufführungen: lIlürnberg (Stadtthea t e r)
11 Aufführungen: l'1li ü n.c h e n (Nationaltheater)
9 Aufführungen: D r., s den (Landestheater )
7 Aufführungen: B res I a 111 (Stadttheater)

Bevorstehende Aufführungen:
Wien, Derlin,
. Köln, Kasgel, Mannheim,
Braunschweig, Magdeburg, Wiesbaden, Kiel, Halle
Zu beziehen durch jede Buch- und Muaikalienhandlung

Teuerungszuschlag 50 Prozent
II111111UIIIIIUIIIlIIIII/UIIIUIIIUll111UIIlUlllllllllllllllrllllllUIIIIJIlllIIUIlUIlllIJII1JIIIUUIIIIIIIIUIIIIUllllllllllfllIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII

UNIVERSAL-EDITION A.-G., WIEN-LEIPZIG

35
ORCHESTER.., CHOR... UND BÜHNENWERKE

VIT. NovAK
A. SINFONISCHE WERKE
IN DER TATRA, op. 26
Sinfonische Dichtung für gro,ßes Orchester
U. E. Nr. 2876 Partitur . . . • . . Mk. 20'- U. E. Nr. 2818 Klayier, vierhändig Mk. 3'-

SERENADE, op. 36
Für kleines Orchester
U. E. Nr. 3997 Partitur . . . . . . . Mk. 12'- U. E. Nr. 3994 Klavier, vierhändig Mk. 4'-

TOMAN UND DIE WALD FEE, op. 40 ••••••••


Sinfonische Dichtung für großes Orchester
U. E. Nr. 6363 Partitur . • . . . • Mk. 40'- U. E. Nr. 5818 Klavier, vierhändig Mk. 5'-

LADY GODIVA, op. 41


Ouvertüre für großes Orchester
U.:E. Nr. 6365 Partitur . . . . , ............... . . . . . • . Mk.20·-

PAN, op. 43
Tondichtung in 5 Sätzen für großes Orchester
U. E. Nr. 5888 Partitur . . (nur in Abschrift) U. E. Nr. 3355 Klavier, zweihändig Mk. 5'-

B. CHORWERKE
DER STURM, op. 42
Sinfonische Dichtung'nach der Meeresphantasie Ton Svat.'Cech, für gr. Orchester, Soli u. Chor
U. E. Nr.J:3632 Partitur. . . . . . . . . . . . . ! . . . . . . . . , , . . . . . . Mk. 50'-
U. E. Nr. 3357 Klavierauszug mit Text, deutsch, tschechisch . . . . . . . . . . . Mk. 10'-

DIE TOTENBRAUT, op. 48


Ballade für 2 Soli, gemischten Chor und großes Orchester
U. E. Nr.~5293 Klavierauszug mit Text, tschechisch . . . . . . . . . . . . . . . Mk. 7'SO

C. BÜHNENWERKE
DER BURGKOBOLD, op. 49
Komische Oper in 1 Aufzug. Text von Lad. Stroupeznicky. Deutsche Übersetzung von Maz Brod
U. E. Nr. 5393 Klavierauszug mit Text, tschechisch . . . • . . . . • ., . . . . . Mk. 8'-
u. E. Nr. 5812 Textbuch, deutsch, . . . . . . . . . . . . . . . ' . . . . . . . . . Mk. -'50
KARLSTEIN, op. 50
Oper in 3 Akten nach dem Lustspiel von ]ar. Vrchlicky, zusammengestellt von Ottokar Fischer
U. E. Nr. 5816 Klavierauszug mit Text, tschechisch . . . . . . . . . . '. . . . . . Mk. 12'-
TEUERUNGSZUSCHLAG 50 PROZENT

ZU BEZIEHEN DURCH JEDE BUCH, UND MUSIKALIENHANDLUNG

Universal"Edition A .... G., Wien"Leipzig

36
Allegro barbaro.
'\uffUllMll~n'("ht votiJehallcu.
Oroils J;'.rku/inn m~ Bel. B.rtok.
Tempo.giuRtO. <J",96-84.)
.
,

Piano.

A - - , - - -
l~;!n. r .1 H'r • r
I~ , ~J'
- ~
1"" 11' •
~~
- - • .. - - - =-=

Copyright 1919 by Univf"r!.al_F.Aition.


NfItf'T1bfojla~.. 1.. . . MU!-;;!<h!iitt"!'" do-,.;
AnbTll<'h" Kn:!.et<; NoW'm~It t91Y.
;\1. A. I.
2

# #
sff

sff

If
11

ff
4

- pppp p
-
7

J ! -',7 J~'
, ] -, -, ~lt7 L ~

!~
r, r ....
iJ;l ",,' • • :J.jll>J'"
i
I,,
,

M. A. 1.
poco $Osten. a tempo po<:o

J.

g..lempo
sosten. . , ,J ,
1. ). ~b' ~,J ,J ~ )J
:
,

M.A. t.
POCO a pucv _

.~~~~J~
1du., - 1- - - I - - I - - -I -
.ff
·
.'.
,
,

~ i ." ii .'; ii 1 J#f

··
• h.· . .... , 1.' . . b' . ~

"L""" Li"'"
-
I ·· -
-
• • , !,i ~

··
. . ~ ; . ,- ~

··
'\. r- I . . . . . . .
~;
.~~
~ ~~ 7 7 ~~ ~q ~7 ~ ;~ .~
. . .
a;,.,
. . .

... .. . .. . . ~.
~' '7 ~ '7
,

p
I#.~
h ~ . ,I'l!
,~~

-
b.~
- M_A. L
L..
- ~~

,
I
I
7
1111)/10

rit. ~ _ accel. _

_ al _

7
a poco cresc.

7
-V

M.A.l.
"
~ "~'; " ~ ~ -~-
(" • nFI~ bl ~~. ~ Ul"!-'J
~ p ."", E
~il~ i ~ ~ E
F
.4 ~ ~~'~E~ (.!:~

"",<n.
~~ ,
.,. {A ~ {! jE~ g ~

"
wo;
~~r iJ \~
- - - ~- - - - -
.~ ~.
- .. ~{!~

.. 1 . f
{; --,

M.A.1. . u,,:;a Pd.


1.. Jahrgang, Nummer 2 J3. November-Heft 1919

·MUSIKBLÄTTER
DES ANBRUCH
SCHRIFTLEITUNG: DR. OTTO SCHNEIDER
91+&&&&·'W

CI 11g f m f ; 11 f r er;; 1
ZUM PROBLEM DER MUSIKALISCHEN FORM
Von Hugo Kauder, Wien
I
Eine musikalische Komposition ist, so wenig hoch es auch klingt,
weiter nichts als eine "ZusammensetzungU von lauter Gegenwarten, greif..
baren Einheiten, die eine an sich wesenlose Form füllen .•.•
Hans Pfitzner, Zur Grundfrage der Operndichtung
Die Formen der Musik sind Formen der ewigen Dinge, inwiefern sie
von der realen Seite betrachtet werden.
Schelling, Philosophie der Kunst

Zwei miteinander im schärfsten Widerspruch stehende Aussagen über die


musikalische Form sind der vorliegenden Betrachtung vorangestellt: die erste von
dem größten schaffenden Musiker u'n serer Tage herrührend, die zweite von dem
genialsten deutschen Denker, dem tiefere Einblicke in das innerste Wesen der Kunst
gewährt waren als je einem Philosophen vor oder nach ihm. Pfitzner erklärt die
Form für w e se nl 0 S, a k z i den te 11; der "Einfallu ist ihm die "greifbare Einheie',
die das eigentliche Wesen des Kunstwerkes ausmacht, die Form ist gleichsam nur
dessen sterbliche Hülle, daher in unaufhörlichem Wechsel begriffen ("die Geschichte
der Musikformen ist die chronische Verlegenheit, musikalisches Einfallsmaterial
unterzubringenU). Schelling dagegen erblickt in den Formen der Kunst die von ,
allem Vergänglichen, Zufalligen befreiten Ur b i 1der der wirklichen Dinge, die
ewigen Wesenheiten, die Platon Ideen nannte.
Um zur Lösung dieses Widerspruches zu gelangen, ist es vor allem notwendig,
den Begriff "Form u klarzustellen (es ist auf den ersten Blick zu erkennen, daß das
Wort "Form /l bei Pfitzner etwas ganz anderes bedeutet als bei Schelling). Hiezu
diene uns eine Betrachtung jenes Aktes, in welchem sich das Wer den der F 0 r m
vollzieht, des künstlerischen Schöpfungsaktes.
Jedes Kunstwerk hat seinen Ursprung in einem Vorgange, innerhalb der Seele
seines Schöpfers, einem Vorgange, den wir nicht näher zu erklären imstande sind,

37
wir mögen ihn nün l1Er1ebnis~l, "Inspuatlon iJ , ,,Intuitiort /4 benefinen; von dem wir
allenfalls noch aussagen können, daß er sich unserem Bewußtsein als eine Art
Bewegungs... (SchwingungS-') Zustand der Seele kundgibt, als ein Zustand, in welchem
die innere Lebenstätigkeit zu h ö eh s te r In te n si t ä t gesteigert ist. Wer je dieses
Erlebnis erfahren hat, weiß sich in solchen Augenblicken höchster Gnade teilhaftig:
nun erst befindet er sich in seinem wahren, eigentlichen Sein, nun erst ist er
ganz bei sich selbst.
Alle übrige Zeit seines Lebens fühlt er sich erniedrigt, verstoßen aus jenem
Reiche der Gnade, das seiner Seele wahre Heimat ist; zutiefst leidet er unter der
Schwachheit der menschlichen Natur, die es ihm unmöglich macht, dauernd in
'jenen Regionen zu verweilen; er erkennt diese Schwachheit als Sc h u 1d, als die
Erbsünd~ -
Und so ringt und strebt er denn mit aller Kraft darnach, sich von dem - an
sich ungreifbaren - Erlebnis ein Bild zu schaffen, das ihm ein dauerndes Unterpfand
sei seines Anteils an jenem höheren Sein, ein Wegwe1ser nach seiner geistigen Heimat.
Seelenschwingungen setzen sich um in äußeres Geschehen; Übersinnliches wird
sinnlich wahrnehmbar; ein Unendliches erscheint ins Endliche eingebildet. ("Und
das Wort ward Fleisch".) Aber darum ist es doch nicht schlechthin ein Ding der
Wirklichkeit; der Abglanz der Welt, der es entstammt, bleibt ihm aufgeprägt, es
ist zur Form geworden. I .

Solcherart zeigt sich uns der Akt des künstlerischen Schaffens als ein A b b i I d
des 'VIel t pro z e s ses: gleich dem Kunstwerke ist ja auch die ganze wahrnehmbare
Welt Erscheinung eines Unendlichen in endlicher Gestalt. Aber nur dem schöpferisch
Begnadeten wird die endliche Gestalt zur F 0 r m, indem er in den Dingen der
. Wirklichkeit ihr~ ewige Wesenheit wahrnimmt; ihm ist die Sinnenwelt nicht der
Schleier der Maya, der seinem Blicke die Wahl'heit verhüllt, vielmehr offenbart sie
ihm im Gleichnis ihren tiefsten Sinn; er schaut das Universum "in Gott als
absQlutes Kunstwerk und in ewiger Schönheit gebildet." (Schel1ing, Philosophie
der Kunst.)
II
Unter ' allen Künsten ist es die Musik, die uns am unmittelbarsten das
Wesen der Welt offenbart; denn während in der Raumkunst -di( Einbildung des
Unendlichen ins Endliche als vo 11 zog en eTa tsache erscheint, läßt die Musik
un's am Schöpfungs akte teilnehmen, indem sie das Geschehen als sol ehe s, d. h. als
zeitliche Sukzession, darstellt.
Den beiden .Formen, in denen .die Welt uns zum Bewußtsein kommt, Z e i t
und Raum (~ Sukzess io n und Koexistenz), entsprechen die beiden Grund ..
f 0 r me n der Mus i k: Rh y t h mus und Ha r mon i e. Rhythmus ist also gesetzmäßige,
alles Zuf<illigen entkleidete, f 0 r m ge wo r den e Sukzession, ebenso ist Harmonie
die formgewordene Koexistenz,,,demnach die Musik nichts anderes, als der ver . .
nommene ~ythmus und die Harmonie des Universums selbst. U
Im folgenden sollen nun die heiden Grundformen der Musik, in ihrer Eigenschaft
als Sinnbilder des We1tprozesses, näher untersucht werden; vorher aber eine kurze
Betrachtung des WeItprozesses selbst. ,
Im Wesen der Welt liegen zwei gegensätzliche Prinzipien beschlossen: ein e w i g
ruhendes U r ... Sein und ein schöp fe ,r isches Prinzip, das wir uns als unend...
liehe absolute Bewegung denIren müssen. ,

38
Es ist also dieses Wesen ein D r e i ... Ein i g e s, indem es sowohl jedes der beiden
Urprinzipien für sich, als auch deren Einheit oder Identität ist.
Im Weltprozeß erscheint nun diese dem menschlichen Verstaride absolut unfaßbare
Dreieinigkeit .z e i tl ich aus ein an der gel e g t: die ursprünglich ineinsgebiIdeten
Gegensätze komm en nun als Ge gensä tze zur Ersehe in ungj die beiden
Prinzipien haben sich entzweit i von dem ruhenden Urwesen hat sich das schöpferische
Prinzip abgesondert und in der sichtbaren Weit ver wir k 1ich t; aus dem Sei n
ist das Wer den hervorgegangen; , und das Gewordene ver geh t wieder, d. h. es
kehrt zu seinem Ursprunge zurück.
Diesen urewigen Kreislauf von Entstehen, Werden und Vergehen, dessen Symbol
die uralt...heilige Dreizahl ist, finden wir in allem musikalischen Geschehen abgebildet.
Im folgenden soll dies an den musikalischen Grundformen gezeigt werden, und zwar
zunächst ,an der Urform des rhy thm ischen Geschehens.
Das ursprüngliche Wesen, in welchem die Gegensätze noch unentzweit beschlossen
sind, sei symbolisiert ,durch den gleichförmig ausgehaltenen Ton:

Dieser Ton erscheint uns als noch rh y t h mus los; doch liegt in ihm bereits,
der M ö g 1i eh k ei t na eh, aller Rhythmus beschlossen. Damit dieser aber in die
Erscheinung trete, Wir k.l ich ke i t werde, muß eine Entzweiung .erfolgen, indem
,sich von dem Ganzen ein Teil loslöst, etwa so:

J -J
Die ursprüngliche Einheit hat sich somit in zwei Teile gespalten, deren erster
in Ruhe verbleibt ("schwerer TaktteiI H
während der zweite als Antrieb zur Weiter . .
),

bewegung wirkt ("Auftakt ) . Damit ist das Gleichgewicht gestört; es kann nur
U

dadurch. wieder hergestellt werden, daß dem Bewegungsimpulse sein Genügen wird j
es muß sich auswirken, um wieder zur Ruhe gelangen zu können.
Dies geschieht, indem der Auftakt in eine neUe rhythmische Einheit ausmündet,
in welchem die Bewegung zur Ruhe gelangt.

, Somit ist das Gleichgewicht wieder hergestellt, das Entzweite geeint, der Kreis
geschlossen. Die wieder erreichte Einheit ist nun aber nicht die gleiche wie die
ursprüngliche, sondern, da ein voller Kreislauf zwischen heiden liegt, von h ö her e r
o r d nun g als diese; so daß daher der ganze erste Takt als Auftakt zum zweiten
• I

ersche1nt.
Wenn wir den einzelnen Taktteil als Einheit ansehen, erhalten wir nun da~'"
selbe Verhältnis in immer fortschreitender Verkleinerung:

r-J___ ~ J . ( ~
. . . . . . J___ r CI n

J
/'J /"- /-. . .
J J J J J JI
. . . /, CI

<>
H
~
~ /\ /\ ~ /\ /\
J J J-:l J J~ ~ I CI 11
U.B.f 39
Umgekehrt können wir den ganzen Takt ais bloßes rhythmisches EinzelgHed
annehmen und erhalten dann dasselbe "Verhältnis 1n fortschreitender Vergrößerung:

J J o ~
.0 0 I 101 n
10 tqt l~~
u ..<?.f.
So setzt sich das rhythmische Geschehen, gleich allem Weltgeschehen, nach zwei
Richtungen unbegrenzt fort: in absteigender Richtung als unendliche Teilung und
Vervielfältigung und in aufsteigender, als immer weitere Ausbreitung bis zur unend . .
lichen Fülle - und wird solcherart zum Sinnbild von Mikrokosmos und Makrokosmos.
Alles musikalische Geschehen ist, als Sukzession, not wen d i g rh y t h m i s ehe s
Geschehen; um nun die Harmonie, welche als ihrem Wesen nach Koexistenz
ist, in unsere Betrachtung einbeziehen zu können, müssen wir sie der z e i t li c h e n
S u k z es s ion un t er 0 r dn en; dies geschieht dadurch, daß wir alle innerhalb eines
musikalischen Zusammenhanges möglichen harmonischen Bildungen auf eine
bestimm te Grundharmonie (T onika) beziehen j diese Beziehung nennen wir Ton a 1i t ä t.
Dieser Grundakkord stellt somit die ursprüngliche Einheit dar; folgt ihm ein
anderer Akkord, so ist damit die Entzweiung eingetreten: jede Harmonie, die nicht
Tonika ist, wil'lkt als Antrieb zu einer Bewegung, deren Ziel wieder die Tonika ist
(diese treibende Kraft ist es, weIche in der Musiktheorie den Namen D iss 0 n a nz
führt). Die Tonika erscheint somit als "AufIösung der Dissonanz, Wiederherstellung
ll

des 'Gleichgewichtes, Wiedererreichung des Ruhezustandes.

'J j 'f liD


Eine besondere Betrachtung erfordert die K ade n z, indem bei dieser zwei Phasen
der Entzweiung zu unterscheiden sind:

Sie gleicht der Pendelbewegung : das aus seiner Ruhelage gebrachte Pendel schwingt
über diese hinaus nach der entgegengesetzten Seite, ehe es wieder in sie zurückkehrt.
ft:i Damit ist also als Grundprinzip der harmonischen Folge die Dreiheit alles Welt . .
geschehens nachgewiesen; und so gewinnt die Kadenz (die gemeinhin al~ bloße
Formel betrachtet und gebraucht wird) die Bedeutung eines tiefen Ursymbols. In
dieser Bedeutung erscheint sie z. 'B. in den Werken eines ] 0 ha n n S e b ast i a n
Bach: der für ihn geradezu typische Beginn mit der Kadenz (meist über einem
Orgelpunkte, wie z. B. in den Präludien C . . dur, C . . moll, Es... moll im 1. Teile des
Wohltemperierten Klaviers) hat schlechthin den Sinn einer Anrufung der heiligen
Dreifaltigkeit:
I m N am end e s Va t e r s, des S 0 h n e s und cl e s he i 1i gen Gei s te s !
So erhebt sich die Musik, weit hinaus über elen bloßen subjektiven Empfindungs . .
ausdruck, zu überindividueller zu k 0 S m i s ehe r Bedeutung; sie erscheint als die
I

40
Sprache des Weltgeistes selbst, "die geheimnisvolle, in Tönen ausgesprochene
Sanskrita der NaturII; ihre Grundformen, Rhythmus und Harmonie, sind die Formen
des Weltgeschehens überhaupt und als solche "Formen der ewigen DingelI.

BI
Der in den beiden vorhergehenden Abschnitten abgeleitete Formbegriff unter...
scheidet sich wesentlich VOll dem, was die gegenwärtig in Geltung stehende Theorie
der Musik unter Form versteht; denn was man heute Theorie nennt, ist nicht viel
mehr als eine Anleitung zur praktischen Ausübung der Kunst, die auf einer lediglich
empirischen Kenntnis von deren äußeren Erscheinungsformen beruht. Dieser
empirischen Theorie zufolge ist die 'P orm ein totes Schema, eine leere Hülle und
Hülse, die erst mit musikalischer Substanz erfüllt werden muß, um Leben zu gewinnen.
Wir wollen diesen Begriff der Form als die empirische oder technische
Form bezeichnen, und ihm den Begriff der reinen Form (der eigentlichen
Kunstform) entgegensetzen; lediglich die technische Form ist es, auf welche sich der
eingangs angeführte Pfitznersche Satz bezieht, und allein für diese hat er Gültigkeit.
Haben Wlr einmal die reine Form als ewig lebendige, von schöpferischen Kräften
erfüllte Wesenheit erkannt, so dürfen wir darum die empirische Form nicht ohne. .
weiters als deren Abfall und bloßes Residuum abtun; vielmehr ist es unsere Aufgabe,
zu untersuchen, ob nicht auch in ihr noch jene lebendigen Kräfte fortwirken; ob
nicht unter der starren Hülle verborgen ein letzter Funke jenes schöpferischen Seins
schlummert. Denn wodurch anders konn te ein Form zum Schematismus, zur Formel
werden, als vermöge eines ihr innewohnenden a11 g e me in g ü I t i gen Prinz ips?
Dieses allen technischen Formen der Musik gemeinsame Prinzip ist nun nichts
anderes als jene Dreiheit, die wir als die Urform alles musikalischen Geschehens
erkannt haben: indem jedem Tonstücke als ursprüngliche Einheiten ein bestimmtes
Thema und eine bestimmte Tonart zugrundeliegen, die im Verlaufe des Stückes
_aufgegeben werden, um am Schlusse wiederzukehren.
Der technischen Formen gibt es eine ganz geringe Anzahl (da sie ja Schemata
sind, d. h. aus der Fülle der Möglichkeiten das Allgemeine herausgreifen); der
reinen Kunstformen dagegen so v i e 1 ,a 1ses Ku n s t wer k e gib t, denn jedes Kunsv
werk ist, als Gestaltung eines einmaligen, individuellen Erlebnisses, ein Einzelfall.
Daher muß der Künstler, mag er auch die volle Herrschaft über alles Technische
besitzen, diese bei jedem einzelnen Werke von neUem erringen, indem jedes
schöpferische Erlebnis seine ihm allein eigene, von Anbeginn her be...
s tim m t e F 0 r m hat. Doch wird ihm darum die von außen her gegebene technische
Form nicht zur hemmenden Fesse!, sofern er imstande ist, das in ihr verborgen
schlummernde schöpferische Urprinzip zu erwecken und damit den toten Schematismus
in einen lebendigen Organismus zu wandeln; sofern er es vermag, der äußeren
Form seine eigene Seelenform einzubilden.
Diese Ineinsbildung von Persönlichem und Allgemeinem ergibt erst das wahre Kunst...
werk, das gleicherweise. im höchsten Grade individuell und universell ist; höchste
Einzigartigkeit besitzt und doch allgemeingültig und unmittelbar verständlich ist;
das Ich des Künstlers in höchster Konzentration enthält und gleichzeitig das ganze
Universum l,unspannt.
o [J

41
VOM GEIST DER CHINESISCHEN MUSIK
Von Egon Wellesz, Wien
Von den Künsten des Orients ist dem Europäer' nur die Musik unzugänglich.
Er ist - irregeführt von den meist unsachlichen Urteilen der Reisenden - gewohnt,
in ihr eine tiefere Stufe der Vollendung zu sehen, als in der abendländischen.
Es trennt ihn ferner eine Kluft der Ausdrucksgebung von der orientalischen Musik.
Der Orientale drückt sich musikalisch in ein e r Dimension aus; er legt alles,
Rhythmus wie Melodie, in ein e Stimme, die _dadurch eine Hochspannung an
Intensität erhält, deren unsere Musik nicht mehr Hihig ist, seitdem durch die Mehr...
stimmigkeh die Möglichkeit gegeben wurde; die eigentliche Hauptstimme durch
Nebenstimmen harmonisch und kontrapunktisch in ihrem Wesen und ihrer Wirk..
samkeit zu steigern.
Nur im Sinne dieses Kontrastes darf man kurz von einer "orientalischen" Musik
im Gegensatz zu der viel einheitlicheren abendländischen sprechen. Denn vor allem
müßte man die Musik des vorderen Orients von der des zentralen und fernen
trennen; jede in sich wiederum in ~ie verschiedensten Gruppen zerfallend, mit
deutlich ausgeprägten Eigenheiten. ' Will man sich musikalisch in diese unbekannte
Welt von Tönen eingewöhnen, dann ist der Weg vom geographisch Näheren zum -
Ferneren vorzuziehen; es käme die Musik des fernen Ostens zuletzt. Hier soll aber
an einigen Sätzen aus dem "Li .. Ki l\ dem Buch der Zeremonien~ gezeigt
werden, welches innerliche Verhältnis die Chinesen zur Musik haben; wie nur unser,
an europäische Begriffe allzusehr gewohntes Sentiment ein Hindernis bildet, ihre
Musik richtig einzuschätzen und ihren hohen künstlerischen Wert zu bewundern,
der kaum geringer ist, als der der chinesischen Malerei.
1
Alle Töne entstehen-Jm Herzen der Menschen.
Das Herz der Menschen wird erregt. Dies wirken die Dinge der Außenwelt.
Es wird d.urch die Dinge berührt und erregt.
Die Erregungen werden zu Tönen. Diese verbinden sich untereinander.
So entsteht ei~e Tonfolge.
Die kunstvolle Verbindung verschiedener Töme nennt man Melodie.
Fügt man die Töne zusammen, um sie mit Instrumenten zu spielen,
Und nimmt man Schild und Axt für den kriegerischen Tanz,
Pfauenfeder und Banner für den feierlichen Tanz,
So nennt man dies Musik.
2
Aus den Tönen entsteht Musik.
Ihr Ursprung ist im Herzen der Menschen,
das von den Dingen der Außenwelt erregt ist•
... Das "Buch der Zeremonienu gehört zu den heiligen Büchern der Chinesen, deren Schrift..
zeichen gezählt sind. Es wurde im 2. Jahrhundert vor Christi Geburt aus einer Reihe einzelner
Schriften, zu denen das J 0 .. K i, das Buch von der Musik, gehört, zusammengestellt. Die hier
mitgeteilten Sprüche haben also ein Alter von mehr als 2000 Jahren.
Die Übersetzung der Sprüche habe ich nach den lateinischen und französischen Versionen
des Textes angefertigt.

42
Ist ihr Hetz traurig, dann sind die Töne schwach und verlöschen' bald.
Ist ihr Herz freudig, dann sind die Töne leicht und klingend.
Fühlt ihr Herz Leidenschaft, dann quellen die Töne hervor,
aber vergehen bald.
Fühlt ihr Herz Zorn, dann sind die Töne heftig und rauh.
Ist ihr Herz 'von Hochachtung erfüllt, dann sind die Töne
frei und einfach.
Ist ihr Herz von Liebe erfüllt, dann sind die Töne zart und weich.
Diese sechs Arten des Gefühls sind dem Herzen nicht angeboren.
Sie entstehen dort erst durch das Wirken der Dinge der Außenwelt.
Deshalb achteten die Herrscher der Vorzeit auf alles,
was die Herzen der Menschen zu erregen vermochte.

3
Sie setzten die Bräuche ein, um ihren Willen zu leiten:
Die Musik, um die Stimmen zu verbinden,
Die Gesetze, um ihre Taten zu einen,
Die ,Strafen, um ihre Zuchtlosigkeit zu hemmen.
Die Bräuche, die Musik, die Strafen und die Gesetze,
Sie alle haben nur einen Sinn:
Die Herzen zu einen und Ordnung zu schaffen.

Alle Melodien haben ihren Ursprung im Herzen der Menschen.


Die Gefühle entstehen im Herzen und, werden durch die Töne offenbar.
Eine Reihe kunstvoll verbundener Töne nennt man Melodie.
Die Melodien einer friedsamen Zeit atmen Ruhe und Freude, -
da der Staat wohl geordnet ist.
In Zeiten der Verwirrung sind die Melodien voll Unzufriedenheit und Zorn,
da die Herrschaft ungerecht ist.
Die Melodien eines dem Untergang geweihten Reiches sind voll Angst und Trauer,
da das Volk in höchster Not ist.
Musik und Herrschaft finden sich in den tiefsten Wurzeln.

5
Man darf sich keinen Augenblick von den Bräuchen und der Musik trennen •
.Wenn ein Mensch so tief in die Musik eingedrungen ist,
daß sie auf sein Herz Einfluß gewinnt,
dann wird es ruhig, gerade, liebend und aufrichtig. :
Wenn das Herz ruhig, gerade, liebend und aufrichtig geworden ist,
wird er froh.
'Ist er froh, so wird er beständig in der Tugend.
Beständig in der Tugend, wird er dem Himmel ähnlich.
Dem Himmel ähnlich, wird er den Göttern gleich.
Wie ' der Himmel flößt er Glauben ein, ohne reden zu müssen.

43
Wie die Götter flößt er Furcht ein, ohne zürnen zu müssen.
So ist der beschaffen, der so tief in die Musik eingedrungen ist,
daß sie auf sein Herz Einfluß hat.
6
Bei der Geburt ist der Mensch in einem Zustand der Ruhe.
Diese Anlage ist ihm vom Himmel verliehen.
Wenn er durch die Außenwelt erregt wird, gerät er in Bewegung.
Es äußern sich die seiner Natur gemäßen Wünsche.
Er lernt die Dinge der Außenwelt kennen,
wie sie auf ihn einwirken,
und es formt sich bei ihm Zuneigung und Abneigung.
Kann er diese Gefühle nicht meistern und verliert er sich an die Welt,
dann wird er nie mehr zu sich selbst zurückfinden.
Ihm entschwinden die guten Gaben, die ihm der Himmel verliehen hat.
Unzählig sind die Dinge, die auf den Menschen einwirken.
Kann er ihrer nicht Herr werden, so beherrschen sie ihn.
Das bedeutet den Verlust des himmlischen Gutes
und die Hingabe an die Leidenschaften dieser Wert.
Sein Herz wird unvernünftig, ungerecht, trügerisch und falsch.
Sein Wandel wird zuchtlos und ohne Ordnung.
Und dann geschieht es:
Die Starken bedrücken die Schwachen.
Die Mehrheit ist grausam gegen die Minderheit,
Die Schlauen betrügen die Dummen,
Die Kühnen sind hart gegen die Zagen,
Die Kranken sind ohne Pflege;
Greise und Kinder, Waisen und Verlassene wissen nicht,
wohin sich wenden.
Das ist der Zustand der großen Wirrnis.
Dahin kommt u. '
7
Darum wirkten die Herrscher der Vorzeit durch ihre Gebote über Bräuche und
Musik auf Mäßigung hin.
Die Bräuche regeln die Herzen des Volkes.
Die Musik ordnet den Einklang ihrer Stimmen. ,
Die Gesetz~ regeln die Erfüllung . der Bräuche und die Aufführung der Musik.
Die Strafen schützen sie.
Wenn Bräuche, Musik, Gesetze und Strafen überall gelten,
ohne bekämpft zu werden,
Dann ist die Herrschaft vollkommen.

8
Die Musik verbindet, die Bräuche trennen.
Durch die 'Verbindung entsteht Freundschaft,
Durch die Trennung entsteht Achtung. I

44
Wenn die Musik zu große Bedeutung erlangt,
gibt es Nachlässigkeit.
Wenn die Bräuche zu sehr herrschen,
entsteht Entfremdung.
Die Gefühle zu einen, 'die Umgangsformen zu veredeln:
Das ist der Sinn der Musik und der Bräuche.
9
Nur der Weise ist fihig, die Musik ganz zu verstehen.
Er beurteilt die Melodien durch dje
, Töne.
Durch das Erfassen der Töne versteht er die Melodien.
Durch das Erfassen der Melodien versteht er die Musik.
Durch das Erfassen der Musik versteht er die Herrschaft.
Und weiß alles, was eine rechte Herrschaft fordert.
Von den Melodien kann maI). nicht mit einem Manne reden,
der nicht die Töne versteht.
Von der Musik kann man nicht mit einem Manne reden,
der nicht die Melodien versteht.
Wer die Musik versteht, erfaßt auch die feinsten Fragen,
welche die Bräuche betreffen.
Wenn die Kenntnis der Bräuche und der Musik Vollendung erlangen,
. Dann kann man sagen, daß man Tugend besitzt.
Denn das Wort Tugend bedeutet: Besitz der vollkommenen Richtigkeit.
10
Die Musik kommt aus dem Innern, die Bräuche sind von außen eingesetzt.
Da die Musik aus dem Innern kommt, bringt sie Ruhe.
Da die Bräuche von außen eingesetzt sind, erzeugen sie Lebensart.
Die wahrhaft große Musik ist stets einfach.
Die wahrhaft großen Bräuche sind stets maßvoll.
11
Die Musik wirkt auf das Innere des Menschen.
Und die Bräuche auf das Äußere.
Die Bräuche zielen darauf hin, sich in den rechten Grenzen zu halten.
Die Musik zielt darauf hin, das Herz mit edlen Gefühlen zu erfüllen.
Die Bräuche halten ihn in den rechten Grenzen, und treiben ihn gleichzeitig zur Ta.t an.
Diese Kraft macht die Schönheit der Bräuche aus.
Die Musik erfüllt das Herz mit edlen Gefühlen und mildert gleichzeitig die Leidenschaften.
Diese Kraft macht die Schönheit der Musik aus.
Wenn die Bräuche mäßigten, ohne anzufeuern, wären sie bald verschwunden.
Wenn die Musik entflammte, ohne zu mildern, wären sie ausschweifend.
So schenken sich die Bräuche den Schenkenden selbst zurück.
So dient die Musik, die Leidenschaften zu mildern.
Die Erkenntlichkeit durch die Bräuche erzeugt Freude.
Die Milderung durch die Musik erzeugt Ruhe.
Nur einen Zweck hat dies zwiefache Wirken der Musik und der Bräuche:
Die Vollendung.
c []

45
REFORM DES lVIUSIKUNTERRICHT -E S
Von Dr. B ernhard P aumgartner, Salzburg
(Fortsetzung)
Wenn also ein Ruf zu einer Neugestaltung des musikalischen Unterrichtes
ergehen soll, so zielt er in erster Linie nicht auf eine wesentliche Änderung der
mühsam errungenen, Technik schaffenden Mittel unserer Zeit. Im Gegent~il, ein
Zuviel an Technik ist nicht möglich und wenn dies heute von manchen Komponisten
und Virtuosen behauptet wird, so ist dies ein laienhafter Trugschluß. In dem ganzen
Vollgefühl der technischen und geistigen Errungenschaften unserer Zeit als beglückte
Erben unserer großen Meister von Palestrina bis auf den heutigen Tag sollen wir
jene ursprüngliche abstrakte Einstellung zum Kunstwerke, jenen verloren gegangenen
' Maßs~ab in unserem Inneren wieder finden lernen, der selbst die weniger Berufenen
befähigt, die Musik ohne das mechanistisch instrumentale Medium zu erkennen
und ZU durchleben.
Gelingt es also, unseren seelischen Apparat und dessen unmittelbares, sehr feines
und schwebend differenziertes Ausdrucksorgant unseren Körper gleichsam als Membrane,
in Stimme, Fühlen und Bewegung dem Kunstwerke in möglichst vollkommener
Weise dienstbar zu machen, ehe wir daran gehen, die Instrumente zu Hilfe zu
nehmen, dann haben wir 'sicher einen Weg gefunden, den wir nicht mehr verlieren
können, sollten die Ausdrucksmittel noch so kompliziert werden: die richtige,
unmit~elbare Einstellung zur Musik ist gegeben.
Der heutige Musikunterricht befolgt genau die gegenteilige Praxis: Er beginnt
mit dem Instrumente, läßt also von allem Anfange an das mechanistische Prinzip
wirken und verläßt es nicht 'wieder, so daß es nur wenigen Auserlesenen gelingt, sich
späterhin wieder zum "vokalen" Erfassen durchzuringen. Der Anfangsunterricht in
Klavier, Violine oder anderen Instrumenten ist, von seltenen Ausnahmen abgesehen,
kein Unterricht in Tönen, sondern in Noten: Im Anfang war der Fingersatz! Daher
kommt es, daß die Kinder überraschend leicht "abspielen" lernen, ohne auch nur eine
leise Ahnung von den Beziehungen der Töne untereinander ,und ihren Forderungen,
der eigentlichen Musik zu haben; Tonarten kennen sie kaum - das Wort "Art"
bedeutet ja immer wirkenden Charakter - wohl1 aber Ton lei te r n, die wieder nur
eine rein mechanische Funktion darstellen. Es ist, als· quälten wir die Kinder mit
dem gedankenlosen Hersagen der längsten Gedichte, ohne auch nur einmal zu fragen,
was sie sich dabei vorstellen. Beim Singunterricht in den Volksschulen lernen die
Kleinen die Melodien ihrer, leider so brav pädagogischen und daher so unkindliche~
Kinderlieder meist lediglich nach der Violine des Lehrers auswendig und sehen dabei
in'4die Noten ihres Liederbuches, die sie ja gar nicht kennen.
So gibt es Inkonsequenzen und Fehler auf allen Gebieten des musikalischen
Elementarunterrichtes und viele Hochbegabte werden dadurch schon im frühen Kindes...
alter verdorben und für jene oberflächliche Art des Musikbetriebes erzogen, die unsere
Zeit charakterisiert.
Es darf indes nicht geleugnet werden, daß eine Menge ausgezeichne ter und fein
durchdachter Reformansätze für den musikalischen Anfangs unterricht schon da sind.
Es wäre also Sache der berufenen Lehrer und Anstalten, die guten Ideen und Methoden
zu erkennen, zusammenzufassen und in Form von sorgfaltig zusammengestellten
Elementar kursen unseren Kindern zugänglich zu machen. Merkwürdigerweise interessiert

46
die meisten unserer Konservatorien der Elementarunterricht sehr wenig. Viele nehmen
Schüler überhaupt erst auf, wenn sie einen gewissen Grad technischen Könnens
erreicht haben, ohne zu bedenken, wie viele Talente von schlechten Privatlehrern an
der Wurzel verdorben werden; nur verschwindend wenige Institute interessieren sich
für eine Vorbildung der Kinder, bevor diese ein Instrument in die Hand nehmen.
Und gerade diese ist ja die allerwichtigste und kann so universell und anregend für
das Kind eingerichtet werden, daß es in der Musik schon wahrhaft lebt, bevor es 'zur
Befriedigung der ungeduldigen Eltern den "fröhlichen Landmann" von Schumann
auf dem Klaviere mißhandeln kann.
Von höchster Bedeutung für unsere Kinder halte ich einen gut geregelten Si n g...
u nt er r ich t in Verbindung mit theoretischer Unterweisung in den Grundbegriffen der
allgemeinen Musiklehre, noch ehe der instrumentale Unterricht an die Reihe kommt.
Hier wird es sich erweisen, ob das Kind über haupt Fäh igkeiten zur weiteren musikalischen
Ausbildung besitzt oder ob es besondere Anlagen zu dieser oder jener Art der Musik. .
übung in sich trägt. Kinder, die einfache Melodien nicht ohne jede instrumentale
Hilfe vom Blatt singen können oder gar eine vorgespielte Tonreihe nicht nachzu...
singen imstande sind, sollen übethaupt die Musik beiseite lassen. Der neue Zug in
unserer obersten Unterrichtsverwaltung läßt uns gewiß auch auf eine gründliche Um...
gestaltung des Singunterrichtes in den Volksschulen hoffen.
Die sogenannte "Battke...Methode l l ist zweifellos ein ganz ausgezeichneter und er...
probt er Weg, jene notwendige vokale, "av~stau ...Einstellung zur Musik dem Kinde mühe . .
los zu eigen zu machen. Allerdings muß auch hier die verständige Hand des Lehrers
nachhelfen und manches Neue, l?igene schaffen; die Liederbeispiele der Battkeschen
Kindersingschule sind musikalisch und textlich schwach. Hier wäre das echte und
wundervolle Volks gut , an Kinderliedern heranzuziehen, das noch immer so schwer in
die Schulgesangsbücher Eingang findet. Die Volksliedersammlungen von Erk . .Böhme,
Ditfurth wie unserer heimischen Lieder enthalten eine Überfülle des herrlichsten
Materials, formschöne, aus dem wahrsten Kindergemüt quellende Gebilde, die man
noch durch Beigabe einiger kleinerer Kompositionen ' unserer großen Meister krönen
könnte. Aber der persönliche Herausgeberehrgeiz trockener Pädagogen, möglichst viel
Lieder eigener Mache unterzubringen, muß da ein für allemal bei Seite treten.
Auch die Methode Dalcroze erscheint mir, das Gesangliche ergänzend, von ganz
besonderem Werte für die musikalische Elementarkultur der Kinder zu sein. Nicht
nur, daß sie - ein zweites notwendiges Erfordernis ' - den Körper der Musik, dem
Rhythmus dienstbar macht und so das vorwiegend Melodische des Singunterrichtes
aufs Glücklichste fördert, offenbart '. sie, konsequent und gewissenhaft vorgetragen,
eine Überfülle feinster musikpädagogischer Züge, die weit über das bloß Musikali. .
sche ins allgemein Menschliche und Künstlerische hinausweisen und daher oft eine
überraschend günstige Entwicklung der allgemeinen Anlagen des Kindes zur Folge
haben. Von ihrem hygienischen Nutzen gar nicht zu reden. Freilich ist es auch hier
Sache des Lehrers, dafür zu sorgen, daß ihre Anwendung nicht in bloße Tanzerei
und Gefallsucht ausarte. ,
Wenn auch nicht unmittelbar musikalisch. hat der Besuch eines Kindersprech . .
kurses, der selbstverständlich nach den neuesten Methoden (Sievers, Hey etc.) gehalten
werden muß, die günstigsten Folgen für das Musik studierende Kind. Atmen, Organ ...
bildung, Klangsinn, alles dies sind Faktoren, die in der Musik unmittelbar wirksam

47
werden, ganz abgesehen davon, daß gutes Sprechen 'dem späteren Sänger Studium
und Beruf außerordentlich erleichtert.
Nach zwei Jahren gründlicher Vorbereitung auf diesen Gebieten, die im relativ
frühen Alter begonnen werden kann, wird das Kind mit ganz anderer, wunderbar
musikalischer Einstellung an das Instrument herantreten, die Übungen und Vortrags..
stücklein, die es nun zu bewältigen hat, wird es- schon lesend erfassen und aUs sich
heraus dem Instrumente mitteilen, nicht daß es umgekehrt durch das Instrument
erst erfahrt, was da in den Noten steht. Welche Vorteile diese Einstellung schon
dem Kinde- bringt, ist kaum abzumessen. Es musiziert wirklich, statt zu handwerken,
es merkt Fehler aus eigener Überlegung und gestaltet schon in frühester Jugend,
was ja das Prinzipielle aller Kunstübung bedeutet. Hand in Hand mit dem ersten
instrumentalen Unterrichte gehe eine durchaus nicht trockene Fortunterweisung im
Theoretischen, gerade so viel, um die inneren Forderungen jener einfachen künst..
lerischen Gebilde zu offenbaren, die das Kind gerade zu lernen hat. Vor allem ein
wenig, aber mit großer Liebe von den Gesetzen der Melodiebildung, von primitivster
Formenlehre, also lange be vor dem Kinde die konstruktive Harmonielehre versetzt
wird, die schon viel komplizierteres Denken erfordert. Aber doch immerhin schon
einiges aus der Akkordlehre : Dur.. und Mollakkorde, deren Umkehrungen, namentlich
das klanglich Reizvolle und Persönliche daran, und die wunderbaren Beziehungen der
Stufen zueinander, Vorstudien zur Kadenz, erst gesungen ~nd begriffen, dann erst
auf dem Instrumente.
Ich habe, um diese Ideen auch praktisch zur Tat werden zu lassen, mit beson . .
derem Verständnisse des Kuratoriums der Anstalt für meine Vorschläge, die teilweise
am Konservatorium nMozarteum" in Salzburg schon bestehenden Elementar..
kurse für Kinder nunmehr zu einer "V 0 r s eh u 1 e" zusammengefaßt, die den
Anfängern eine möglichst gründliche und universelle praktische und theoretische
Ausbildung mit besonderer Rücksicht auf jene unmittelbar musikalische Einstellung
gewährleisten soll. Ein oder zwei Jahre kann das Kind je nach seiner Fähigkeit den
Unterricht lediglich in Chorgesang (verbunden mit allgemeiner Musiklehre), Rhyth..
mischer Gymnastik nach der Methode Dalcroze und Sprechkurs genießen und sodann
in die instrumentale Vorschule eintreten, die in Klavier und Violine zwei Jahre,
in Violoncell ein Jahr dauert, wobei die anderen Fächer selbstverständlich weiter..
belegt werden kön~en. Chorgesang und Musiklehre sind dabei obligatorisch, die
anderen Fächer stehen im Belieben der Eltern; ihr Besuch ist natürlich dringend
zu empfehlen. Erst nach Absolvierung dieser Vorschule kann das Kind nach einer
praktischen und theoretischen Übertrittsprüfung, die seine Fähigkeiten klar erweisen
muß, den eigentlichen Konservatoriumsunterricht in der Vorbildung beginnen. Der
inneren Ausgestaltung der "Vorschule" sollen alle praktischen Erfahrungen allmäh..
lieh zu bleibendem Nutzen werden. (Fortsetzung folgt)

48
9Besonderer reif
I

F R E DER I C K D E L_ I u s
Von J0 s ep h M a r x.
Fast wäre man versucht, De1ius den Jacobsen der Musik zu nennen j das starke
Naturgefühl, der sam~tene Klang der Sprache des großen dänischen Dil;:hters verleiten
zu Vergleichen. Und doch stehen beide Künstler entwicklungsgeschichtlich anders.
]acobse!l war ein Anfang (mit den ersten Worten seiner Novelle "Mogens U beginnt
die neue deutsche Literatur - wie Georg Brandes meinte), der Stil eines Delius
indeß erscheint als Ergebnis verschiedener Richtungen, deren eine wohl nach Bayreuth,
eine nach Paris, und eine dritte gar nach Neu . . England weist; damit sind im besten
Fall örtliche Beziehungen, historiscke Zusammenhänge gegeben. Die Wertung in al1
dem, was wir vom wirklichen Künster verlangen, gibt den Ausschlag: daß er ein
Eigener sei, uns eine neue (seine) Welt verkünde, daß seine Sprache fremden,
bedeutsamen Klang habe im gewaltigen Reich der Musik ..• Und so können wir
sagen: Frederick Delius ist ein Eigener, aus seinen Werken spricht ein echter Künstler
in eigenartiger Weise von Erlebnissen ·und Naturstimmungen ; Amerikas Tropenwelt,
die Unendlichkeit der Llanos, Norwegens klare Landschaft, Englands verträumte
Gärten, Paris, und] über allem liegt der Zauber einer feinen vornehmen Persönlichkeit.
Er ist vor allem nicht straußisch, obwohl gerade seine Orchesterbehandlung geist...
reich und höchst modern zu nennen ist; eher wäre man versucht, ihn neben Debussy
zu stellen, als dessen Pendant in England er seinerzeit galt. Immerhin liegt die
romanische Leichtigkeit - limpidezza -, im leichten Dahingleiten subtile harmonische
Wirkungen zu erzielen, seinem Naturell weniger, als man bei der Gesuchtheit seiner
oft etlesenen Harmonik meinen sollte. Etwas wie Erdenschwere haftet seiner Art an,
ihm fehlt die Beschwingtheit des Romanen, alles Formal~ in feine harmonische
·Parfüms zu versprühen und an Stelle seelischer Konflikte Klangfarbenphänomene zu
_setzen. Am wenigsten ist Delius Pathetiker, eher liegt ihm noch eine gewisse Tanz...
freudigkeit, wobei ihn übrigens der aparte Reiz exotischer Melodien und Rhythmen
mehr fesselt als das Bewegungsmoment des Tanzes ~n sich. Am schönsten und
persönlichsten erscheint mir seine Musik in den Andantino .. und Allegretto ... Natur..
stimmungen, wo er als üppiger Genießer im tropischen Garten seiner Harmonik
fremdartig schillernde, schwer duftende Blüten sammelt. Nicht zu vergessen seine
Vorliebe für seltsam traumhafte StiQ1.mungen, ~nn er z. B. das ferne, geheim'nis...
I

volle Rauschen der Stadt ("Paris l ' The song of a great city) oder das weiche Murmeln
des Wassers ("Sommernacht am FlusseIl) schildert. Da berührt er sich in Stil und
Vorwurf direkt mit Debussy, wenn dieser etwa die fernen Berge von Anacapri
(Preludes I. 5) oder die "Düfte der Nacht" , ("Iberiall II) musikalisch wiederzugeben
versucht. Was die Musik von Delius so anziehend für den modern empfindenden
Menschen macht: Eine süße Melancholie, die über diesen naturgenießendet;l
Schilderungen liegt - unwillkürlich muß ich in diesem Zusammenhang an
Godowskys durchgeistigte Bearbeitung von Rameaus A ...moll Menuett denken, wo
auch al1 die süße Morbidezza des Rokoko anklingt.

49
Schon seine frühen Lieder (teilweise nach Texten von]acobsen) zeigen ausgesprochene
Eigenart und lassen die Wurzeln seines Schaffens erkennen. Das harqlonische Stimmungs...
moment wird maßgebend, kurze exotische Melismen deuten auf dem Umweg Mac
Dowell ("Amerikanische Idyllen auf Grieg; man bedauert, daß Delius nicht auch
lO
)

Klavier... und Kammermusik schreibt. Bei seiner Anlage für fülligen Klang und
geistreiches Detail wäre er einer der populärsten Autoren geworden. Selbst seine
Orcheste~werke klingen vortrefflich am Klavier, so daß man ähnlich wie bei Liszt
oder Debussy an pianistische Einflüsse ,auf deri symphonischen Stil glauben möchte
(im Gegensatz etwa zu dem absoluten Orchestermenschen Berlioz). Sein in kla vieristischer
, Beziehung etwas problematisch geratenes Klavierkonzert widerspricht dieser Ansicht
nur scheinbar, denn gerade das 'Bestreben, ungewöhnliche Kombinationen zu schaffe~,
hat hier stellenweise zu unpianistischen Resultaten geführt. Trotz seiner unzweifel...
haften Anlage zum Miniaturisten - ich erinnere nur an die beiden auch in der
KlavietÜbertragung reizvollen Skizzen ,,,Erster Kuckucksruf im Frühling" und "Sommer...
nacht am Flusse u - hat er mit Ausnahme der Lieder und einiger Chöre niemals auf
das Orchester und sonst selbst ungern auf den Chor verzichtet; bekanntlich zieht er auch
in symphonischen Dichtungen wie in "Appalachia" und in seiner Alpensymphonie
." The song of the high hills" schließlich .den Chor heran. In Klavierpoesien ' scheint
Cyril Skott die Wege von Delius gehen zu wollen, jedoch besitzt jener nicht dessen
Innerlichkeit und natür liehe Ei'genart, sondern schreibt häufig gesucht und erklügelt bizarr.
Delius gehört nicht zu den Autoren, die einen in jedem Werk durch ein neues
Gesicht überraschen, es ist jedesmal dieselbe 'Harmonik, dieselbe eng mensurierte
Melodik geblieben, ja sogar im Tempo könnte man Konstanten ,nachweisen (auch
darin berührt er sich mit Grieg und Mac Dowell); so treu bleibt er sich und seiner
Art, daß man manchmal fast den Eindruck einer allerdings fesselnden Manieriertheit
bekommt. Drei Hauptprobleme enthält sein Schaffen: Die Darstellung farbiger
Naturstimmungen in üppig...reichen Farben ("In a summer garden"), Tanzszenen v<;>l1
von exotischem Reiz wie der Lebenstanz, "a dance Rhapsodie", endlich traumhafte
Stimmungen von einer Unwahrscheinlichkeit, die sich bis zur Unheimlichkeit steigern ,
kann. Trotz der -tänzerischen Belebtheit mancher Episoden merkt man, wie De1ius
am meisten das ruhig dahinfließende Andantino liebt, das er mit den bunten
,Farben seiner Harmonik durchwirkt; die eine Weiterbildung der Tristan... und
Grieg... Harm.onik ist. Auch in der Melodik bevorzugt er eine Grieg ähnliche, auf
Wiederholung kurzer charakteristischer Teilmotive beruhende Art, während er in
seiner Tanzrhythmik oft ganz exotischen Prinzipien folgt und Anregungen von
Naturvölkern be,zieht. In d~r Art ,der Schilderung sind ihm Wagner (Naturszenen,
Siegfried...ldyll), ferner Grieg und ~ac Dowell in ihren Stimmungsbildern Anreger
gewesen.
,Obwohl Delius einige bedeutende Chorwerke geschaffen hat, ich meine z. B. jenes
ZUerst bekannt gewordene "Im Meerestreiben", ein in seiner naturalistischen Ver...
träumtheit für ihn so recht bezeichnendes Werk, die "Messe des Lebensi. (Fr. Nietzsche),
die ,,:Arabeske" Oacobsen), heide voll entzü~kender Naturstimmungen, ferner die
"Sonnenuntergangs. .Lieder u (Brnest Dowson) eine ganz i~ zarte Dämmertöne getauchte,
höchst stimmungsvolle Schöpfung, - so liegt die Hauptbedeutung dieses Künstlers
meines Erachtens in seinen symphonischen Werken. Gleich in einer der ersten,
"Appalachia", findet er neue Farben beim Schildern amerikanischer Landschaft und
vollendet in ähnlicher Weise Mac Dowells künstlerisches Erbe, wie etwa Debussy

50
Moussorgskys impressionistische Bestrebungen orchestral verwirklichte;. Der Chorsat: _
von DeHus, so wohlklingend und eigenartig er ist, scheint doch mehr das Ergebnis
orchestraler als rein chorischer Gruppierung. Wenn er in seinen Orchesterstücken,
wie z. B. in ttAppalachia~ oder dem "Sang 'auf die hohen BergeJ' schließlich auch
den Chor heranzieht, so tut er dies mehr aus kl~nglichen als etwa aus gegenständ.-
lichen Gründen; ganze Episoden hindurch singt der Chor langgezogene Vokale oder
Silben, ähnlich wie z. B. Debussy in seiner letzten "N octurne" für Orchester
("Sir'enes") rufende Frauenstimmen koloristisch verwendet.
Wie es Meister gibt, in deren Werken die Vergangenheit, das ganze Werden
unserer Musik lebt und webt, wie man z. B. bei manchen Werken von Brahms
unwiIIkürlich an die Epoche der Ho~hblüte des vokalen Stils, aber auch an Bach,
Beethoven, Schumann denken muß, nicht ; etwa deshalb, weil er in "historischer
Perspektive'l komponierte, sondern weil noch die Kultur jener Großen in ihm
lebendig war, - so gibt es in der Tonkunst auch sozusagen Spezialisten, die von
einem Meister, oft nur von einem Punkt seiner Entwicklung ausgehend schaffen
'und Neues hervorbringen; es braucht manchmal nur ein stilistisches Prinzip zu sein,
woran der andere anknüpft. Bei De1ius ist es das "Sich..in...die...Natur--versenken",
,die unerhört geniale Naturschilderung im "Siegfried..Idyll l' oder in den herbstlichen
Nornen... 'und Rheintöchter ...Szenen, aber auch Griegs Nachdichtung norwegischer
Landschaft, Mac Dowells musika1ische Urwaldstimmung gewesen, was ihn anregte
und seinen eigenen' Ton finden ließ. Die Sicherheit des persönlichen Ausdrucks ist
schon in seinen ersten Werken erstaunlich, zu einer Zeit, wo der größte Teil der
Musikwelt in einer geistlosen (weil äußerHchen) Nachahmung Wagnerscher Ton...
bilder befangen war. Die großen Bahnbrecher Reger und Strauß, im Ausland Debussy,
Scriabine und noch einige haben sich von solchen Einflüssen ferngehalten und am
Werden unseres modernen Stils mitgeschaffen, indem sie Wagners Ideen in seinem
Geist jweiter entwickelten und symphonisch auswerteten. Einer dieser Mitarbeiter
war Delius, der trotz mancher Anregung gleich anfangs in eigenem Ton schuf,
unserer Zeit ein höchst nachahmenswertes Beispiel, wo man bei -Erstaufführungen
gewöhnlich schon nach drei Takten die "Strauß ... oder Debussy...Weis'u einwandfrei
feststellen kann; uroso böser, als diese Stile, so wertvoll sie an sich sein mögen,
fast schon historisch geworden sind. Das Verdienst von DeHus also, liegt darin, daß er
in selbständiger Weise am Werden der Moderne mitgeschaffen hat.
Die -zarten Mischfarben und holden Unbestimmtheiten in der Harmonik der
zeitgenössischen Musik, wir finden sie schon in den geheimnisvoll wirkenden
kirchentonalen Wendungen Palestrinas ebenso vorbereitet wie in Chopms auf ver...
schwimmender Pedalisierung beruhendem Klavierspiel, 'und sie werden immer mehr
die Sehnsucht jener romantischen Mystiker, die aus der allzugroßen Deutlichkeit des
realen Lebens in das geheimnisvolle Halbdunkel einer sensiblen Nervenkunst
flüchten wollen; so ist wohl die Vorliebe für jenes "AhnenlassenH , für verschwim...
mende Töne der Dämmerung, raunende Unbestimmtheiten zu' erklären. Debussy
vor allem, aber auch Delius waren da bahnbrechend; ich brauche' nur an sein
Orchesterstück "Paris" zu erinnern, wo das ferne Rauschen symbolisch für das große
Geschehen in der Stadt wird, wo alles, das Schöne, Häßliche, Süße, Verworfene
zusammen... und ineinanderklingt zu einem vibrierenden Ton der Sehnsucht, an
dem , sich der moderne Nervenmensch berauscht. Ich brauche bloß an die lieblichen
Naturstimmungen im nSommergartenl1 (In a summer garden) oder an die Orchester . .

51
skizze "Beim ersten Kuckucksruf im Frühling'· zu erinnern; ein altes norwegisch es
Volkslied "Im Olatal, im Olasee(4 klingt leise an, es ist also ein nordischer Frühling,
der geschildert wird. Aber in welch traumhafte Sphäre ist alles gerückt, der Kuckucks . .
ruf, alles klingt verschleiert und wehmütig, wie die Erinnerung an ferne, glücklich
schöne Frühlingstage. Solche dair obscur . . Stimmungen hält Delius in feinkultivierter
Weise fest, und darin scheint mir eine der wertvollsten Seiten seines Schaffens zu
liegen. Die Orchesterbehandlung ist auf der Höhe der Zeit; besonders eigenartige
Holzbläsermischungen in zarter Polyphonie unter Verwendung neuer Instrumente
(z. B. der Baß . . Oboe in der 11 TanzrhapsodielI) scheinen für seinen Orchesterstil
charakteristisch.
Es war naheliegend, daß ein Künstler, dessen Begabung im Schildern und geist...
vollen Untermalen am stärksten ist, bald an die Opernkomposition dachte. Die
erste, "Romeo und Julia auf dem Dorfe" (nach der Novelle von Gottfried Keller),
verdankt wohl dem Idyllischen des Vorwurfes ihr Entstehen; es wurde übrigens ein
echter Delius daraus, wenn auch keine Oper im landläufigen Sinne des Wortes.
Denn gerade das, was sich vortrefflich zu 'epischer Darstellung eignet, verliert bei
einer Übertragung ins Szenische oft an Zug und Wirkung, und die vornehm zurück . .
haltende Art eines Delius scheint nicht geeignet, solche Mängel des Textes durch
die gro~e melodische Operngeste und übertriebenes Pathos auszugleichen. Auf jeden
Fall ist diese Oper ein ungemein"poetisches We'rk, und Momente wie die Traum . .
szene im IV. Bild gehören, was Stimmungskunst betrifft, zum Bedeutenden der
modernen Opernliteratur. Seine Musik zum" Volksrat" von Gunnar Heiberg, neben
Ibsen wohl dem größten Dramatiker Norwegens, ergab innige Zusammenhänge mit
nordischer Kunst und Weise. Mit der kürzlich in Frankfurt a. M. erfolgreich auf. .
geführten dramatischen Schöpfung "Fennimore und Gerda u ist Delius zu seinem
Lieblingsdichter Jacobsen zurückgekehrt. "Zwei Episoden aus dem Leben Niels
Lyhnes" betitelt sich das Werk, das elf kurze Bilder aus der wundervollen Dichtung
}acobsens bringt, aneinandergereiht wie etwa die Szenen in Debussys "Pelleas und
Melisande 44 , ohne indeß so dramatisch verkettet zu sein wie bei Maeterlinck. Wir
müssen die Wahl des Textes als besonders glücklich bezeichnen, insofern zwei
wesensverwandte Künstler gegenseitig zu erhöhter Wirkung kommen. Der Theater . .
besucher bringt 'schon etwas Jacobsen. .Stimmung mit (hat doch, jeder Gebildete den
Roman mindestens dreimal, doch jedesmal als Erlebnis gelesen), und endlich gab
die WahI des Stoffes dem Komponisten Gelegenheit, sich ,als der große Stimmungs...
künstler zu zeigen, der er ist. Eine normale Theatermusik zu schreiben, wäre Delius,
dieser feine und vornelune Musiker, kaum imstande gewesen; starkes Pathos sowie
die langatmige, manchmal leider auch etwas banale Opernmelodie ist seinem
Naturell fremd. Aber zu welch tief poetischer Wirkung steigert sich seine geistvolIe
Untermalung der Bilder aus ~ie1s Lyhne! Gleich die Fjordszene mit den feinen
Schifferliedern ist ein Meisterstück musikalischer ,Stimmungsmalerei, ebenso bedeutend
die Liebesszene im herbstlichen Wald, die Schilderung des verschneiten Fjords
(weiße Musik), das Visionär...Schauerliche des Totenmarsches, unter dessen Klängen
Erik gebracht wird, an dessen Bahre Fennimore zusammenstürzt. Da ist entschieden
etwas von der Dämonie Jacobsens in der Musik, der bei der Schilderung grausiger
Begebenheiten den unwahrscheinlichen, fast traumhaften Eindruck, den solche Er . .
lebnisse selbst auf den normalen wachen Menschen machen (man denke nur an die
unerhörte Schilderung des Brandes in "Mogens:<), in vollendeter Weise wiedergibt.

52
Dann das vorletzte idyllische Bild "Wieder in der Heimat 14 mit pastoralen Klängen
und Erntechor ; vielleicht wäre es der schönste Schluß gewesen. Endlich das letzte
mit dem entzückenden Reigen der jungen Mädchen r deren eine Niels noch , rasch
heimführt, ergibt einen guten Opernschluß, läßt aber jene Gerda in Anbetracht der
früheren Bilder, die von Fennimore handeln, etwas benachteiligt erscheinen. Im
Roman lebt sie noch ihr Leben, im Werk von Delius gewinnt sie fast den Anschein
einer allerdings recht liebenswürdigen Dea ex machina, die rasch alles zum Guten
wendet. Man fängt an, nachdenklich zu werden, und fragt sich: "Sollten schöne
Mädchenaugen wirklich von aller Problematik erlösen? Immerhin, wenn selbst Niets
Lyhne ..•. •Il Vielleicht ist dieser Schluß gerade deshalb etwas unmotiviert, weil er
ein guter Theaterschluß ist. Dies letzte hat der Erfolg bewiesen.
Wir sind am Ende unserer Ausführungen; in ein Violinkonzert, das während
des Krieges in London seine Uraufführung erlebte, konnten wir leider keinen Blick'
tun. Wir vermuten trotzdem mit einiger Sicherheit, daß es das Gesamtbild des
Künstlers Ddius, wie es vor unserem geistigen Auge steht, nicht wesentlich ver..
ändert 'h ätte. Er ist ein reifer Künstler, der den eigenen Ton gefunden hat und in
seiner Welt lebt und schafft. Die musikalische Moderne schätzt ihn nicht nur als
phantasievollen Könner, sie verehrt in ihm einen Meister des schönen Klanges
und tief gefühlsmäßigen Ausdruckes, dessen Schöpfungen bleibende Bedeutung
gewonnen haben.
o a

TSCHECHISCHE MUSIK
I

Novak und Suk


Von EmU Chv.i.1a, Prag
Es soll da nicht die moderne Musik im weiteren Sinne des Wortes in Betracht
gezogen werden, nämlich jene musikalische Schaffensperiode, we~che die vorgängige
klassische beerbt und im Zeichen der "blauen ,Blume J ' der Romantik jene Neurichtung
in der Kunst eingeschlagen und ZUr Herrschaft gebracht hat, die, analog den Bestrebungen
und Erfolgen Mendelssohns, Schumanns und Wagners in Deutschland, in Böhmen
durch die Tätigkeit eines Smetana, Dvorcik und Fibich befruchtet ward und die
nationale Bewegung im Kunstschaffen begünstigte. Gemeint ist vielmehr die neueste,
den Romantismus, aus dem sie hervorgegangen ist, bekämpfende, gegen Hergebrachtes
revoltierende Kunstrichtung, welche impressionistisch geartet, ein neues Sichäußern
über Erlebtes und Erträumtes anstrebt ' und bewirkt. Wer ihre ersten Regungen
beobachtete, Zeit und Ort ihrer Entstehung wahrnahm und die Einflüsse verfolgte,
die sie äußerte, kann sich nicht verhehlen, daß Frankreich ihr Ausgangspunkt war
(man vergegenwärtige sich die Linie Cesar Franck - Debussy), und daß Deutschland
in Rieh. Strauß und Max Reger davon eine eigene Abart pflegte. Unverkennbar ist
der von den bezeichneten Zentren ausstrahlende Einfluß auf die tschechische Modeme;
indes darf man sich nicht der Wahrnehmung verschließen, daß der Impressionismus
als unabweisliches Zeitbediirfnis auch unbeeinflußt allenthalben in die Halme schoß,

53
lokal individuelle Stärkungen erfuhr und in der Fürwahl der Mittel zur Erreich ung
du allgemein angestrebten Ausdrucksverschärfung aus unterschiedlichsten Richtung en
den Weg einschlug, der zum gemeinschaftlichen Ziele führte +. Dem nationalen
Einschlag, der seit Smetana die tschechische T onlrunst beherrscht, wich der tschechische
,Modernismus selbstredend nicht ' aus; doch erfährt derselbe darin natürlich die zweck...
dienliche Ausdrucksumformung. Daraus und aus der Tatsach~, daß sich in Böhmen
reifende und ausgereifte künstlerische Individualitäten in den Dienst des Im...
pressionismus gestellt haben, erklärt sich, daß derselbe in der tschechischen Musik
eine gewisse Eigenart ' des Sichäußerns behauptet. Die Abneigung der Führer der
modernistischen Bewegung gegen Ausartungen des Ausdrucks und grundsätzliche
Negation der natürlichen Stim~führung und logischen Entwicklung des Satzes wirkt
anregend und bestimmend auch auf die Produktion des Nachwuchses, der der neuen
Richtung kräftig anhängt, aber hitzköpfige Extravaganzen vermeidet.
Wenn von der Führung in der tonkünstlerischen tschechischen Moderne die
Rede ist, so drängen sich der Erwägung hierüber von selbst die Namen zweier
Komponisten auf, welche sich als die ersten zum Glauben des Impressionismus
bekannten und in der Betätigung und sieghaften Verteidigung dieses Glaubens die
ersten geblieben sind: Vitezslav Novak und Josef Suk.
Beide sind aus dem Prager Musikkonservatorium hervorgegangen und haben in der
Komposition den Unterricht Meister Anton Dvofaks genossen, weIcher im Grunde, den
wohl nicht ausschließlich bestimmend wirkenden, aber vorherrschenden konservativen
Neigungen des Lehrers und seiner Scheu vor revolutionären Neuerungen entsprechend,
dem von auswärts herüberkling~nden und junge Gemüter in Aufruhr bringenden
impressionistischen Neuton nicht nur nicht gewogen war, sondern direkt feindlich
gegenüberstand. Man kann sith leicht vorstellen, daß vor drei Dezennien ,eine in
festen und sorgsam gehüteten Traditionen zu Ansehen gelangte Musikschule ' einer
~euerung, welche altbewährte Satzungen über den Haufen warf und 1m Verfolge
der angestrebten Freiheit der Tonbewegung und Ausdrucksverschärfung neue Pfade
suchte t+D.d wandelte, nicht die Stange hielt. Es ist darum nicht Wunder zu nehmen,
daß in der Jugend bei beiden Tonsetzern der Einfluß der fachlichen Erziehung sich
dahin geltend machte, daß nicht nur ihre Schularbeiten, sondern auch die in die
ÖffentliChkeit gedrungenen Erstlingswerke, ja auch die folgende Übergangsperiode
,des Schaffens den Einfluß Dvo:raks selbst dann noch erkennen lass en, als aus den
Kompositionen' die persönliche Note herauszuklingen beginnt und die Neigung zum
In:ipressionis~us bereits klar zutage tritt. ,
Da Novak und Suk klar ausgesprochene Individualitäten sind, wovon jede,im
Zuge ihrer Verselbständigung ihre Eigenart des Denkens, Empfindens und Sichäußerns
gefunden hat und der Werdegang beider Künstler auch sonst - ausgenommen das
Ideal - ' wenig Gemeinschaftliches hat, kann eine kumul,ative Behandlung ihrer
Wirksamkeit, in der tschechischen Moderne nicht Platz greifen. Wenn ich nun für
die weitere Besprechung ihrer Tätigkeit und der erlangten Erfolge Novak den Vorzug
gebe, so soll damit die Bedeutung Suks keineswegs an zweite Stelle gerückt werden.
+ Als 'i nteressa.nter Beleg für diese Behauptung mag hier die Tatsache flrwähnt' werden, daß
mich vor einem Dezennium der russische Impressionist Re b i k 0 v versicherte, er habe in seinen
Werken die große Tonalität (Ganztonskala mit allen sich daraus ergebenden harmonischen und
modulatorischen Konsequenzen) zur Anwendung gebracht, ohne eine Ahnung zu haben, daß
DebuBsy in Paris das Gleiche tue.

54
Ich bekenne, daß in der Beurteilung ihrer Leistungen, die ich seit Anbeginn verfolge
und kritisch zu beleuchten "habe t für mich seit längerem unter dem unmittelbaren
Eindrucke der aufgetauchten Neuheiten jeweils die letztaufgeführte die Oberhand
gewinnt; auf Grund dieser Erfahrung vermeide ich alles Grübeln darüber, wer von
heiden der Bedeutendere sei. Ein Glück für die tschechische Moderne, daß sich heide
unverdrossen in ihrer Führung behaupten.
Vi te z sI a v No va k, 'vier Jahre älter als Suk und schon darum vorrangsberechtigt, .
ist am 5. Dezember 1870 in Kamenitz a. L. (bei Neubaus in Böhmen) geboren.
Sein frühzeitig rege gewordener Hang zur Musik stärkte sich in den ]ünglin,g's;ahren
dermaßen, daß Novak die akademischen Studien unterbrach, um sich zur Gänze der
Tonkunst zu widmen. Mit den Anfängen seines Schaffens machte ich mich im
Jahre 1893 bekannt. Es waren IKlaviervariationen auf ein Thema von
Schumann und ein Klav iertrio (G--moll), das nochmals als Op. 1 einen Preis
der Böhmischen Akademie errang. Von eruptivem Neuerungsdrange ist in diesen
formell geglätteten, guten Mustern nachstrebenden Werken begreiflicher Weise nOG:h
keine Spur zu finden. Die Schulaufsicht und Dvofak. Nähe machen sich darin kenntlich,
gleichwohl zucken aber auch Geistesblitze auf, die Aufmerksamkeit erregen, die ein
spontanes Talent vorläufig mehr ahnen lassen, als überzeugend nachweisen. 1m
Urteil darüber vermochte ich nicht die Bemerkung zu unterdrücken, der junge Novak
berechtige zu großen Hoffnungen. Das Publikum schien der gleichen Meinung zu
sein und begann sich um die Erscheinung des neuen Künstlers zu interessieren.
Zwei Jahre ' später brachte der Böhmische Kammermusikverein in Prag ein Kla vier...
quartett von Novak. (C--mol1, es ist später, teilweise umgearbeitet als Op. 7 bei
Simrock in Berlin im Druck erschienen). In seiner vorherrschenden Gesangsseligkeit
dokumentiert sich der Dvoraksche :ßinfluß. Es fehlen nicht Anzeichen des Bestrebens
nach Verselbständigung des Ausdrucks, aber die Schuldisziplin überwacht und
moderiert sie.
n .ie schöpferische Tätigkeit Nov.ak's auf dem Gebiete der Kammermusik weiter
verfolgend, treffen wir im Jahre 1898 mit dem ebenfalls prämiierten K 1 a vi er ... ·
q uin te t t in A . . moll (Op.12) zusammen, in welchem zum ersten Male die für eine
mehrjährige Phase im Werdegang des Künstlers auf die Invention bestimmend
wirkende Neigung zum slowakischen Volkston offen und mit einer gewissen freudigen
Genugtuung einbekannt wird. Die verträumte slowakische Volkslyrik mit ihren
melancholischen Molltönen, den getragenen und wild aufwirbelnden Jauchzern, der
freudigen Tanzweise hat schon in den Anfangen des musikalischen Aufschw-ungs
anziehend gewirkt auf die böhmischen ' Tonsetzer. Die nMährischen Duette" Ant. ·
Dvora,k's sind ein überzeugender Beweis hiefür. Novak, ein leidenschaftlicher Verehrer
des slowakischen Hochlandes, hat diese vielleicht durch Dvofaks Beispiel angefachte
Neigung im traulichen Verkehr mit Land und Leuten so vertieft, daß sie an sein
Denken und Fühlen durchdrang und demgemäß auch seiner Musik Linie und Farbe
gab. Das Quintett, das in seinem mittleren Satze geistvoll ein altböhmisches Lied... '
thema (aus dem 15. Jahrhundert) variiert, läßt in seinen Ecksätzen der Vorliebe für
slowakische Volkstöne frei die Zügel schießen. Noch freimütiger und wärmer wird
diese Vorliebe in dem zwei Jahre später in die Öffentlichkeit gedrungenen S t re ich . .
quartett in G ...dur. Seine in wohhespektierte und pietätvoll akzeptierte Formen
gegossene Stimmungsmusik, die ohne Programm seelische Erlebnisse und gewonnene
Eindrücke zu vertonen scheint und ohne Bruch mit alten Satzu~gen neue Ausdrucks . .

55
möglichkeiten sucht, verrät dem Empfänglichen die' ersten Erkennungszeichen des
aufkeimenden Impressionismus. Auf mich übten dieselben eine große Anziehungs..-
kraft aus; Freund Dvorak wittert Neuerungssucht dahinter und stöß~ sich daran.
Wenn wir nun, um ein Lieblingsgebiet der Kunsttätigkeit Novaks vollends zu
, absolvieren, die weiteren kammer musikalischen Wahrzeichen derselben in Betracht
ziehen, so gelangen wir zunächst vor ein besonders charakteristisches Klavierwerk,
die im Jahre 1905, im Druck (E. M. U.) erschienene "S 0 n at a er 0 i ca" (Op.24).
Ihr slowakischer Einschlag trifft uns natürlich nicht unvorbereitet. Er ist hier vielmehr
nur eine Konsequenz' des Vorgängigen und ein neuer Beweis dafür, daß der Slowakismus
. Novaks keine flüchtige Neigung, geschweige denn eine Marotte sei, .sondern dem
Komponisten wirklich ins Blut übergegangen ist. Auch der kräftige Aufschwung, der
die Invention des echt klaviermäßigen, ausnehmend klangfrischen Werkes durchdringt
und- sem,e Ausdrucksweise beflügelt, ist mehr Erfüllung gehegter Erwartungen als
unverhoffte Überraschung. Der sich seiner Aufgabe und seiner Ziele bewußt gewordene
Impressionismus 4es Komponisten wird hier bereits zu einer streitbaren Macht,
welche der kühnen Idee zum Siege verhilft. .
Es folgen (1906) zwei weitere Kammerstücke : das K I a vi e r tri 0 in Ball ade n . .
f 0 r m (Op. 27) und das zwei t e S tr e ich quarte tt (D . . dur, Op. 35). In beiden
Werken widerspiegelt sich das Seelenleben des Künstlers, die inneren Kämpfe,
nach dere,n Austoben eine scbmerzlich. .resignierte Stimmung Platz greift. Also,
Impressionismus in seinem innersten Wesen, das Neudurchleben empfangener
Eindrücke in T öhen, ein Widerhall der Leidenschaften, welche in der Seele toben
und das versöhnende Licht des Ideals, dem alle Äußerung zustrebt. Die hergebrachte
Form ist verlassen, der ideelle Inhalt bestimmt die Form und den Ausdruck. Das
Trio ist einsätzig, wählt einen warmfühligen, erzählenden Ton, de~ die Empfindung
aus allen Poren schießt, das Quartett zweisätzig, mit einem breit ausgelagerten, fugierten
"Largo misteriosoll, dessen inventioneller Freizügigkeit und spontaner Ausdrucks...
schärfe die fürgewählte, mit großer kontrapunktischer Kunst ausgestattete imitatorische
, Form keinerlei Beschränkung auferlegt. Die Rücksichtnahme auf Gewöhllungen und
Gefalligkeitsansprüche des Durchschnittsmenschen in der Zuhörerschaft, die Geneigt...
heit, sich leicht' faßbar zu machen und dem Publikum das Hören und Genießen zu
erIeichtern, ist zur Gänze verschwunden. Die Moderne verlangt, wie jede vorgängige
Kunst, ein liebevolles Entgegenkommen, Vertrauen in ihre Kunstabsicht und Eingehen
auf ihre Ausdruckseigentümlichkeit - alles Ansprüche, die sich von selbst verstehen,
zu deren Erfüllung aber die große Menge wenig Geneigtheit zeigt. Daher der lang...
wierige Kampf für den Neuton und gegen denselben, den auch die tschechischen
Modernisten durchzumachen haben.
Wenn ich bei dem kammermusikalischen Schaffen Novaks länger verweilt habe,
als einem generell orientierenden Situationsartikel zusteht, so geschah es darum,
weil in diesem Schaffen der Übergang des Romantikers zur Moderne, der nicht
t:msturzartig erfolgte, sondern sich allmählich vollzog, sich besonders an~chau1ich
kennzeichnet, und weil darin das zweite wesentliche Charakteristikon im VII erde...
prozesse des Künstlers, die slowakische Durchgangsphase, ihren Höhepunkt erreicht
und überschreitet. Auch das Bestreben nach Verselbständigung des Ausdruckes und
Erzielung einer eigenen, auf sich selbst gestellten Tonsprache, verdeutlicht sich da
am kräftigsten. Nicht minder bezeichnend hiefür ist die parallel damit sich fort . .
bewegende Kunsttätigkeit des Komponisten auf den ihm besonders zusagenden

56
Gebieten des Li e de s, des ch ara k te r is ti s che n Kla vi ers tü cke s und der
programmatischen Or ehe s tr alko mpo si ti on, in deren jüngsten Trieben das
Individuelle des Denkens, Empfindens und Sichäußerns noch deutlicher hervorsticht.
Gleichwohl wird da - nachdem d,ie Grundzüge für die Charakterzeichnung bereits
gegeben worden sind - die Möglichkeit geboten, sich kürzer zu fassen und nur auf die
für Kunstrichtung und Ausdruckseigenart besonders bezeichnenden Werke hinzuweisen.
In der Lyrik, der sich die singende Seele des Künstlers mit ganzer Inbrunst
hingibt, bekennen sich die Anfänge, die Zyklen I1Pohidka srdce u (Märchen des Herzens)
Op. 4 und 8, dann "Ciganske melodie u (Zigeunerweisen) Op. 14, zum Dvofakschen Ein...
flusse, die nächstfolgenden sind der Ausfluß der aufgekeimten und rasch in die Halme
schießenden Neigung zum slowakischen Volksliede, der Zyklus "Melancholie u (Op. 25)
verrät die Einkehr bei sich selbst, "Udo!i noveho kralovstvi 'l (Das Tal d~s neuen
Königreiches) Op. 31, verkündet in seiner Stimmungslyrik den Sieg des Impressionismus
und die Zyklen "Notturnau (Op. 35) und "Eroticon 44 (Op.46) bezeichnen die
Ausreife der Individualität, die Vollherrschaft der Ausdruckseigcnart. Das neueste
Opus der Kinderlieder, ,,]aro U (Der Frühling), ist eine halb sonnige, halb kapriziöse,
in der Vertonung des Wortes packend charakteristische Ausästung der lyrischen
Baumkrone im Schaffen Novaks.
Das Kl a v i er ist dem geborenen Pianisten in der Komposition selbstredend
das nächst1~egende, vertrauteste Ausdrucksmittel. Novak widmet ihm seine ersten
KOIDpositionsversuche, darunter auch ein K la v i er k 0 nz er t, das erst 20 Jahre nach
seiner Entstehung (1915) in die Öffentlichkeit gedrungen ist. Mit dem tonangebend
werdenden slowakischen Einschlag wird das Klavier mit zwei walachischen
T änz en (Op'. 34) und der in nachträglicher orchestraler Einkleidung besonders populär
gewordenen SI 0 W ak i8 ch en Suite (Op. 32) bedacht, welche mit der bereits erwähnten
So n a t a er 0 i c a die Neigung ZUlll' Impressionismus nähren, der bald darauf in den
Zyklen "Pisne zimnich nod ll (Winternachtslieder) und "P anU (später orchestriert)
zur Vorherrschaft gelangt. tjPan u ist gewissermaßen das impressionistische Lebens ...
bild des Künstlers, die vertonte Erinnerung an beseligende Träume und verzehrende
Seelenkämpfe und neuerliches Durchleben derselben. 'Es überrascht, wie Novak darin
die AusdrucksmögHchkeiten des Klaviers verwertet und wie beredt das Instrument
den Kunstabsichten des Komponisten dient.
In analoger Weise, wie im Klavierstücke, vollzog sich bei Novak in der 0 reh es tral...
kom pOS i ti 0 n die Wandlung in der Kunstanschauung und die Betätigung derselben.
Die viersätzige S er e na d e für kleines Orchester aus deIn Jahre 1896 (Uraufführung
in' einem Konzerte der Ethnographischen Ausstellung in Prag) Heß die erforderliche
Farbenlebendigkeit vermissen und legte die Vermutung nahe, daß der Klangfarhensinn
des Komponisten hinter den Vorzügen seiner Invention und Gestaltung zurückbleibe.
Selbst das nachfolgende Erfindungs,Kraftstück mit gefangennehmender Stimmungs. .
musik, das symphonische Tonbild h V Tatrach/t (In der Tatra) - es ist 1902 ent...
standen, eine gefiihlsinnige Offenbarung der Neigung des Komponisten zum
Slowakismus - entging in seiner ursprünglichen Instrumentation nicht der Ausstellung
der Grau...in... Grau.. .Malerei, ist aber nach vor gängigen Orchestralretuschen eines der
meistbegehrten und meistgespielten Werke des Künstlers geworden. Der das Tatra...
gemälde inventionell beherrschende Slqwakismus ist in den folgenden symphonischen
Dichtungen ,,0 v'e ene touze" (Von ewiger Sehnsucht) 1905 und" T oman a I esni
pa nnau (Toman und die Waldfee) 1908, welche programmatisch der unstillbaren

57
Sehnsucht die wilde Leidenschaft gegenüberstellt, be,reits überwunden. Die wachsende
Verselbständigung des Ausdrucks und das Bedürfnis des freimütigen impressionistischen
Sichäußerns wirken bestimmend auf den ' ideellen Gehalt und die Tonsprache dieser
heiden symphonischen Dichtungen, wovon die zweite eine echt modernistische
Kühnheit in der Ausdrucksverschärfung bekundet und alle Rücksicht auf leichte
Faßbarkeit außer acht lassend, die Anstrengung des Hörens mit Verständnis wesentlich
steigert. Sie debütiert mit genialen Zügen, bringt aber, durchaus in N~uklang
getaucht, eine Musik der Zukunft, die sich erst einleben muß.
Was jetzt im Schaffen Novaks folgt, ist nach vorgängigem Läuterungsprozesse
und rückhaltlosem Einbekenntnis des modernistischen Glaubens durchaus individuell
geartet, zugeständnislos und unbeugsam in der Verteidigung künstlerischer Grundsätze.
Kühner werden die Entwürfe, höher die Ziele, ,kräftiger ist das Ausholen und die
Betätigung der SchaJfenskraft. Wir stehen vor ' zwei Kantaten breiter Anlage, der
Meere spha"n t asie "B 0 ufe ll (Der Sturm) aus dem Jahre 1909 und der B allad e
"Svatebni kosi leU (Die Geisterbraut) nach Erben aus dem Jahre 1913. So sehr
persönliche Zuneigung ,und unbestreitbare künstlerische Bedeutung dazu drängt,
heide Werke auch an dieser Stelle eingehender zu besprechen, muß da7lon im Rahmen
des gegenstä"ndlichen Orientierungsartikels Abstand genommen werden. Nur im
allgemeinen sei bemerkt. daß in "Boufe l4 (Gedici}t von Sv. Cech) die Schilderungen
des Meeressturmes und, der leidenschaftlich tiberschäumenden Orgien an Bord des
dem Untergange geweihten Schiffes eine keinen Vorbildern angenäherte, originelle
\ und packende Ausdrucksmacht äußern unO. ein wirkungssicheres Pendant bilden zu
dem innigen Herzenston der Stoßgebete gläubiger ,Seelen, die Rettung erflehen. Die
Ballade von der Geisterbraut, die vor Novak Meister Ant. Dvorak im Stil eines
weltlichen Oratoriums komponierte und damit dem langgehegten Wunsche des
Schülers, das Gedicht zu vertonen, das gefährliche Präzedens des ' Lehrers vorgesetzt
hat, behan4e1t der Modernist aus anderen Gesichtspunkten, zu denen ihn ' die Über ...
zeugung von der Notwendigkeit des Textdurchkomponierens in 'e inem Zuge und des
" impressionistischen Durchlebens der Schrecknisse des Geisterspuks führen. Nicht
deskriptive, sondern reine Empfindungsmusik ist hier das Ziel, dem alle Äußerung
zustrebt.
Werden Kunstäußerungen N ovaks von allem Anfange an aufmerksam gefolgt ist,
wird unschwer wahrgenommen haben, daß inmitten ihrer lyrischen Befruchtung und
poetischen Verträumtheit die Reaktion auf dram'atische Impulse des vertonten Wortes
oder dichterischen Programms eine sehr lebendige war, und daß insbesondere in den
beiden Kantaten der Komponist gierig danach haschte; 'U m so mehr Il} uBte es verwundern
und schier unbegreiflich erscheinen, daß dieser Künstler selbst im gereiften Mannes . .
alter die dramatische Musik im eigentlichsten Sinne des Wortes, die Oper, für
die die Aufführungs... bezw. , Pflegegelegenheit im tschechischen Nationaltheater sich
so günstig, stellte, nicht in den Kreis seiner Kunstprojekte und Kunsttaten einbezog,
sie vielmehr beharrlich mied und jede freundschaftliche Anspielung darauf mit
Achselzucken abwies oder mit dem "Hinweise darauf beantwortete, er habe bisnun
keinen ihm zusagenden Text gefunden. Nach Ausbruch des Weltkrieges, welcher das
Prager Theaterleben nicht nur nicht unterband, sondern im Gegenteil nach vorüber...
gehender anfänglicher Stockung in ungeahnten Schwung brachte, tat wider Erwarten
Novak seinen ersten Opernversuch und ließ (im Oktober 1915) das einaktige
musikalische Lustspiel"Z vik 0 v sky rar as ek 41 (Der Burgkobold) im Nationaltheater

58
zur Uraufführung gelangen. Die Überraschung, die sich .mit dieser Neuheit
verquickte, lag nicht so sehr in der Tatsache, daß der dramatische Spätversuch
Novaks konzeptionell ein Treffer, war, auf den ersten Wurf ausnehmend gelangt
sondern darin, daß der Komponist des "Sturms'l und der grausen nächtlichen
Wanderung der "Geisterbrauel , der auch im Vorgängigen nicht zur Heiterkeit neigte,
unerwarteterweise in einem archaisierenden Lustspiel mit drastisch komischen
Situationen die Befriedigung seines dichterischen Anspruchs fand. Dem Künstler, in
dessen Leben und Schaffen bis dahin natürliche Heiterkeit und 'ungeheuchelte Lachlust
keinen Eingang fanden und auch kein Bedürfnis schienen, ward mit einem Male Komik '
das treibende und bestimmende Element der Kunstäußerung. Und man kam nicht'
aus der Verwunderung darüber heraus, wie kräftig, gelegentlich auch derb und dabei
doch mit gewinnender Leichtigkeit in 'der ersten Oper Novaks der Lustspielton
ansprach, wie treffsicher der Komponist auf seiner Palette die heiteren Klangfarben
mischte, wie zutreffend er jede der handelnden Personen charakterisierte und in der
durchkomponierten Szene neben dem Empfindungseinschlag auch die drastische
Komik zu för.dern verstand. Den Text zur Oper "Zvikovsky rarasek" gab das gleich ..
I.1amige einaktige Lustspiel von Lad. Stroupeznicky, dessen Prosa Novak Wort für
Wort vertonte. Wenn auch die moderne Opernkomposition für das Libretto den
gereimten Vers, überhaupt die gebundene Sprache ni~ht meqr als unentbehrlich
erachtet, so ,is(doch die Vertonung eines Theaterstückes in Prosa, zumal ohne jegliche
Worteliminierung ein Wagnis und zumeist unpraktisch darin, daß es mit den der
Komposition willkommenen auch solche Dialogstücke mit in den Kauf nimmt, für
welche die Musik die passenden Töne schwer oder gar nicht findet. Novak mag dies
an sich selbst erfahren haben und komponierte seine zweite Oper "Karlstein", per
das populäre Lustspiel nEine Nacht auf Kar1stein" von Jar. Vrchlicky zugrunde,
gelegt ist, auf einen . von Ot. Fischer passend zurechtgestellten, die . Vertonung
fördernden Text, der die Handlung entsprechend verdichtet und unmusikalische
Elemente vom Dialoge fernhält. Der_Umstand, daß diese zweite Oper Novaks, welche
im November 1916 ihre Premiere erlebte, in der Skizze fertig vorlag, ehe noch ·die
erste aufführungsreif war, beweist,. daß Novak in der Opernkomposition, die er
früher beharrlich gemieden· hatte, Befriedigung gefunden und eine willkommen e
r

Erweiterung seines Schaffensgebietes gewonnen habe. Daß er sich hier abermals der
komischen Oper zuwandte, findet darin seine ErkIarung, daß ihm das Milieu des
musikalischen Lustspiels schon einmal bestens zugesagt hatte, daher auch jetzt will..
kommen war. Man hört es der Komposition an, daß er sich darin glücklich fühlt,
daß 'ihm seine .Invention ' mit vollen Händen reicht, was der Empfindungsausdruck
verlangt, daß ihn die Betätigung seiner modernistischen Kunstanschauung und das offene
Einbekenntnis der Anhänglichkeit ~m fortschrittlichen dramatischen Kompositions..-
stil immer Befriedigung schafft. Dem Hörer macht Novak das' Genießen seiner Oper
nicht eben leicht - die Au~drucksvereinfachung ist je weiter, je weniger seine
Eigenheit - aber seinem künstlerischen Wollen und Können tut er genüge. "Kar1stein
schrieb ich zu meiner eigenen Erbauung" bekannte N ovak in einem fachliche.
Aufsatze, in welchem er den Werdegang und die Kunstabsichten der Oper erläuterte.
\

Noch nicht 50 Jahre. alt, durchdrungen von Eigenart und auf der Höhe seines
. Schaffens, blickt Novak auf eine reiche, ersprießliche Kunsttätigkeit zurück und läßt
auch für die Zukunft noch eine Reihe bemerkenswerter Kunsttaten erhoffen. Als
Leiter der Kompos.it,ionsschule am Prager Musikkonservatorium entfaltet er se# '

59
Jahren eine reiche Lehrtätigkeit und wirkt durch sein Beispiel anregend auf angehende
Tonsetzer, welche der Moderne zuneigen. Solchermaßen ist er das Haupt der Neuschule,
in ' welcher das freiheitliche Schaffen die Kenntnis der musikalischen Disziplinen
'Voraussetzt. Er ist der Freund und Förderer jeder ernsten Kunstbestrebung, aber
der erklärte Gegner jener PseudoliberaIität im Tonsatze, welche sich die Negation
.ller Regeln zum Grundsatze macht und den Eigendünkel des ungebundenen
musikalischen Selbstbestimmungsrechtes predigt. (Fortsetzung folgt)

o 0

FE'NNIMORE UND GERDA IN FRANKFURT


Zur Uraufführung im Frankfurter Opernhaus am 21. Oktober 1919
Von Paul Bekker, Frankfurt
Des Deutsch...Engländers F rederick D e 1i u s Name ist in Deutschland vorzugs. .
weise bekannt geworden durch eine Reihe Orchesterstücke und das große Chorwerk
nMesse del) Lebens u • In a11 diesen Werken zeigt sich Delius als musikalischer
Lyriker von besonderem Charakter der Rasse und des Temperaments; eine eigen ...
tümliche Mischung von scheu zurückhaltender Zartheit und männlicher Energie der
I
l Empfindung, von Raffinement und Primitivität' der Technik, von innerlicher,
gefühlsmäßiger Beseeltheit der Tonsprache und äußerer Kargheit und Sprödigkeit
des Ausdrucks, Es ist eine jener seltenen Naturen, die ihr Talent nicht in Wechsd...
münze ausgeben, sondern in schlichter Goldprägung, und mehr darauf auszugehen
scheinen, Gefühle zu verschließen als zu offenbaren. Das sinnliche Aufreizende,
Erotische, Enthüllende der Musik verbirgt sich bei ihm unter der zarten Andeutung,
die Gefühlsahnung tritt an die Stelle der leidenschaftlichen Geste. Die starke
Bewegung verflüchtigt sich in einen feinen Reflex, Musik ist nicht mehr Sprache
des Blutes und der Sinne, sondern ein duftiger, klanglicher Widerschein seelischer
Erlebnisse.
Es könnte widersinnig scheinen, daß ein solcher innerlich schauender Künstler
sich der musikalischen S zen e , zuwendet, es ist auch widersinnig, sobald man diese
musikalische Szene nur auf die Möglichkeiten der Oper hin ansieht. Der äußere
Erfolg freilich wird immer wieder der Oper zufallen, und es ist zuzogeben, daß die
elementaren Wirkungsbedingungen der musikalischen Szene auf die Oper hindrängen.
Aber soll deswegen die Bühne dem ganz verschlossen bleiben, der gar nicht auf den
turbulenten Erfo1g und den Effekt hinzielt? Kann die Bühne nicht auch neben der
großen Oper das feine musikalische Ka mm e rsp i el, das lyrische Bild gelten lassen?
Es gibt Stimmungen, die an Farbe und sinnlichem Ausdruckswert zu stark sind,
um sich ganz in das rein gefühlsmäßige Lied, das abstrakte symphonische oder
chorische Gebilde auflösen zu lassen, und die doch wiederum nicht Gegenständlichkeit
genug haben, um ein opernmäßig plastisches Geschehnis auszugeben. Solche
Stimmungen überkommen den Musiker, der eine Erzählung vor sich ablaufen läßt.
Da gibt es lange Strecken, Reflexionen, Auseinandersetzungen, die seiner -Phantasie
Richts BefIuchtendes bieten. Dann aber hebt sich plötzlich ein Bild heraus und noch
ein zweites, ein drittes: irgendein stiller Landschaftszauber, von schweren Schicksals. .
8ti mmungen durchweht, oder die klangumfIossene Erscheinung eines Menschen,

60
dessen Seele der Dichter in diesem einen Augenblick stark tönen -läßt, oder das
Gegenüber zweier, zwischen denen gerade jetzt geheimnisvolle Klänge schweben. Der
Dichter kann sie nUr ahnen lassen, der Musiker aber hört sie, und er will sie ver...
nehmbar ' machen. Soll er sie in sich verschließen, sie ersticken, nur weil sie nicht
innerhalb eines schulgerechten Dramas, einer Oper stehen? Er greift die Bilder, die
Szenen auf, sie reihen sich aneinander, gewisse äußere Bindungen sind da, sie geben
zwar keine Geschlossenheit, aber einen losen Zusammenhang der Begebenheiten und
wo dieser fehlt, muß eben c;He Phantasie des Hörers nachhelfen. Denn daß der Hörer
weiß, um was es sich handelt, daß er in dem szenischen Ablauf nur eine Art Nach...
erzählung, traumhaftes Wiedererleben von etwas längst Bekanntem, nah Vertrautem
sieht - das allerdings ist Voraussetzung. Insofern ist diese Art musikalischer Bühnen ...
kunst nicht für die Masse, nur für 'einen kleinen Kreis Verstehender berechnet.
Von Delius sind in Deutschland bis jetzt zwei Werke dieser Art bekannt geworden.
"Romeo und Julia auf dem Dorfe" und "Fennimore und Gerda lt • Das erstgenannte
kam vor zwölf Jahren, 1907, an der Berliner Komischen Oper zur Uraufführung,
und harrt seitdem noch der musikalischen Rehabiliderung. "Fennimore und Gerda"
wurde eben im Frankfurter Opernhaus zum erstenmal aufgeführt. Das künstlerische
Prinzip in der Gestaltung heider Werke ist das gleiche. In beiden Fällen werden
aus einer Erzählung - dort von Gottfried Keller, hier von Jacobsen - einzelne
Bilder herausgeschnitten und ohne äußerlich handlungsmäßige Bindung aneinander ...
gereiht. In " Fennimore ' l geht Delius in dieser Beziehung noch rigoroser vor als in
"Romeo und Julialt. Hier ist wenigstens noch der Verlauf der Novellenhandlung
dem Umriß nach angedeutet, es gibt dementsprechend eine gewisse dramatische
Steigerung, die in dem mit visionärer Kraft dargestellten Traum Salis und Vrenchens
einen Höhepunkt von erschütternder Ausdrucksgewalt erreicht. "Fennimore lf ist
dagegen ganz episodisch gehalten. Aus der weitgesponnenen Niels Lyhne...Erzählung
werden zwei schicksalhafte Frauenerlebnisse herausgegriffen und flüchtig skizziert,
nicht einmal dem äußerell Geschehen nach vollständig wiedergegeben, denn bei
Gerda fehlt der tragische Schluß, die innere Abkehr von Niets. Es ha.ndelt sich
lediglich darum, eine Reihe Szenen voll innerlich stark bewegter, äußerlich verhaltener
Stimmungen zu schaffen und aus ihrer Folge eine durchaus untheatralische Dramatik
des Gefühls zu gewinnen.
Man muß die in sich versponnene, allem Lauten, Grellen, Allzudeutlichen abholde
Musikerpersönlichkeit eines Delius recht erkennen, um zu begreifen, daß ein Mensch
dieser Art nicht anders gestalten will und nicht anders kann. Die Naturalismen der .
musikalischen ' Motivsprache, die Dramatik der psychologischen Analyse sind für ihn
gegenstandslos, lediglich das Gefühlerlebnis als solches regt ihn zur Gestaltung an,
we~kt in ihm Klänge von zartester l'ransparenz. Wenn man den "Fennimoreu ...Text
für sich liest, ist man verblüfft über die primitive Unbekümmertheit, mit der die
Episoden ausgewählt und aneinandergesetzt sind, ist man erstaunt über die Naivität
der gelegentlich geradezu grotesk nüchternen sprachlichen Diktion. Ganz anders, wenn
man das Ganze hört und gleich dem Schaffenden selbst aus dem Mittelpunkt des
musikalischen Fühlens auffaßt. Da verschwinden all die Ungereimtheiten des äußeren
Geschehens, die Plattheiten der Sprache. Das scheinbar Zusammenhanglose, willkürlich
Ungeordnete schließt sich zusammen zu einem neuen, feinen, innerlich belebten
Organismus, den ästhetische Gesetze eigener Art regieren. In dieser Einheitlichkeit
der Wirkung bedeutet "Fennimore" einen Fortschritt über "Romeo und Julia" hinaus.

61
Vielleicht daß diesem Werk bei guter Wiedergabe eine stärkere Theaterwirkung
zuteil werden könnte, denn es ist bei aller Selbständigkeit der Haltung doch stark
mit V erga~genheits..Reminiszenzen durchsetzt. "Fennimore" hat die festere Geschlossen..
heit des Stils, und es zeigt dementsprechend den Musiker Deliu.s als geistig und
technisch ganz ausgereifte Persönlichkeit.
Delius ist Lyriker~ Ihn reizt nicht die individuelIe Kontur der Erscheinungen,
ihm ist a ueh im Grunde das Subjektive der Gefühlsvorgänge in den Einzelerscheinungen
ghiichgültig. Ihn fesselt ' die Atmosphäre zwischen den Menschen, dieses Ungreifbare
und doch Bestimmende, Entscheidende, das die ' Schicksale formt. Er ist dabei von
einer fast asketischen Sparsamkeit der Ausdrucksmitte1, in der Behandlung der
Sprache wie des Klanges. Es fehlen alle Um'schreibungen, alle Redensarten, alle
mehr oder weniger konventionellen Phrasen. Ein einziges Wort, ein einziger Ton,
eine kurze melodische Floskel genügt - und er trifft stets das Wesenhafte der
Dinge. Seine musikalische Technik zeigt dabei oft die nämliche Primitivität, wie" die
sprachliche. Mit der Unbekümmertheit des traditionslosen, nur durch eine starke
innere Führung geleiteten Autodidakten geht er auf kürzestem Wege seinem Ziele
zu, setzt sorglos Farben auf.. und nebeneinander, die vielleicht der Vermittlung
bedürfen könnten, reiht Themen und Melodien, wie es ihm gerade der Sinn zu
gebieten scheint - ohne das Kunstvolle der formenden Arbeit hervorzuheben oder
auch nur anzustreben. Es ist eine durchaus absichtslose Art des Musizierens, ohne
Hervorkehren irgendwe1cher Prinzipien, ohne spekulativ ästhetisierendes Programm.
Das unterscheidet Delius von Debussy, mit dem er äußerlich manches gemein hat:
das biIdmäßige Abrollen der Handlung, das Atmosphärische des Musikempfindens,
auch manche technisch.. artistische Einzelheit harmonischer und orchestraler Art. Aber
diese Übereinstimmungen sind mehr zufälliger 'oder doch sekundärer Art, als
grundlegend. Das bewußt Prinzipienhafte, der starke formalistisch gerichtete Kunst-
yerstand Debussys fehlt Delius. Er ist eine durchaus naive, ursprüngliche Natur
und trägt in sich weit mehr Elemente ' der germanischen als der romanischen Kultur.
Seine Art der musikalischen Gestaltung ist erheblich gegenständlicher als die
, Debussys, seine Melodik namentlich überrascht durch die außerordentliche Sensibilität
und stille Anmut der Linie, unter der sich verhaltene Inn;gkeit und Wärme gleichsam
schamhaft verbirgt, die aber auch plötzlich zu leidenschaftlicher Kraft emporschnellen
kann. Als Harmoniker ist Delius völlig Naturbursche, er legt die Klänge rein
stimmungsmäßig auf.. und nebeneinander, und obschon das tonale Empfinden in
einzelnen Augenblicken, namentlich bei Steigerungen und Abschlüssep unverkennbar
durchbricht, bleibt es im allgemeinen doch im Unterbewußtsein, und die harmonische
Mischfarbe gibt eine gewisse schwebende, wirklichkeitsferne Stimmung. Am schwächsten
ist es bei Delius, wie bei allen Künstlern dieser Art, um die Rhythmik bestellt, hier
fehlen di e festen, plastischen Umrisse und die Monotonie sowohl in der deklamatorischen
Behandlung der Singstimmen wie in der Gestaltung des orchestralen Parts ' wird zur
Tugend aus Not.
Im ganzen: ein Pastell von zartestem Duft der Farben und Klänge, ein Seelen..
Landschaftsbild, geschaut mit den Augen eines Künstlers, der als Artist sicher den
heute maßgebenden Männern nicht annähernd gleichkommt, in der Reinheit, Klarheit
und von Ehrgeiz jeglicher Art unbeirrten, schmucklosen Wahrhaftigkeit seines Wesens
aber zu den erfreuendsten Erscheinungen unserer Tage zählt und Zukunftsbotschaft
bringt.

62
Die Aufführung . am Frankfurter Opernhaus versuchte der Besonderheit dieses
Stils so gut wie möglich gerecht zu werden, ohne doch Ton und Charakter des
Werkes ganz treffen ·zu können. Gustav Brecher, dem wohl vor allem die Tatsache
der Aufnahme des Stückes zu danken ist, war mit Eifer und feinem Spürsinn
namentlich um freie Ausgestaltung des orchestralen Teils bemüht -'vielleicht etwas
zu, bewußt, als daß die absichtslos fließende Art des Vortrages sich einstellen konnte,
die Voraussetzung ist für ein stimmungsvolles Ausschwingen dieser leise quellenden
Musik. Auch bei den Solisten war der gute Wille stärker als die Tat. Robert Vi Scheidt
gab der Partie des Niets Lyhne die .kräftigen Töne seines klangvollen Organs; der
seelischen Konstitution dieses Charakters steht er ebenso fern wie Emma Holl der
Fennimore, namentlich in den ersten Bildern. In den späteren, dramatisch bewegteren
Szenen steigerte "sich auch die gesangliche Leistung. Am besten bewährte sich Erik
Wirl dank seiner musikalischen Zuverlässigkeit und darstellerischen Gewandtheit
als Erik. Auch Elisabeth Kandt gestaltete die kleinere Partie der Gerda anmutig und
sicher. Als Vertreter der Nebenrollen sind zu nennen" die Herren Brinkmann~
Schneider, Schramm, Gareis und Meurs, die Damen Schwarz, Uersfeld, Franz und
Schadow. Für stimmungshaItige, geschmackvolle Bühnenbilder hatte Walter Brügmann
Sorge getragen, dessen Spielleitung dem unkonventionellen Charakter dieses Werkes
am ehesten gerecht wurde. Das Publikum war anfangs erstaunt zurückhaltend, schien
sich aber im Verlauf des Abends mehr und mehr in die fremdartige Sphäre des
Werkes einzufühlen und beda'chte am Schluß sämtliche Mitwirkende und den
Komponisten mit lebhaftem Beifall.

63
G loss f'f1-- reil "

MUSIKFESTE des Chorgesangs nach lang dauernder Ver..


nachläBsigung direkt auf das erst~rkende Bewußt..
"Sind Musikfeste zeitgemäß?1I So stellt August sein der Volksseele zurückzuführen und die
Spanuth kürzlich aus Anlaß der Berliner Reger... Tendenz zu Vereinsbildungen in größerem
Woche die Frage, um sie für Deutschland Maßstabe, welche sich auf musikalischem Gebiete
kräftig zu bejahen, da man sich und anderen seit den Freiheitskriegen "'undgibt, mit den
beweisen müsse, daß man beim Zusammenbruch keimenden deutschen Einheitsbestrebungen in
des Reiches doch die geistigen Reichtümer Konnex zu bringen, ausdrücklich ab. Kurz und
gerettet habe, speziell die Suprematie der deut.. gut: nicht in den we1terschü~ternden Kou ..
sehen Musik. Das ist so einleuchtend, wie nur vulsionen der Völkerseele seit 1789, sondern
möglich. Aber weiter führt vielleicht die geänderte nur in den Kunstschöpfungen Händels und in
Fragestellung: .,W'a n n sind Musikfeste zeit... dem erwachenden Interesse für alte Musik
gemäß?" seien die Wurzeln für den Aufschwung des
deutschen Chorgesangs zu suchen, und die
Musikfeste sind englischen Ursprungs, Vereine und Musikfeste seien ndirekt ins Leben
nicht vor dem 18. Jahrhundert entstanden. In getreten, um Aufführungen der großen Chor..
der Mitte des Jahrhunderts wandelten sie sich werke Händels und der an ihn anknüpfenden
zu ausschließlich Händel geweihten Festlich .. Meister möglich zu machen". Anders urteilt
keiten (Händel..commemoration). Was Händel eine moderne materialistische Musikgeschichts ..
für England, war Haydn für Wien. Die seit auffassung, die die soziologischen Bedingungen,
1772 regelmäßig wiederkehrenden Aufführungen die gesellschaftliche Umform ung, das Verdrängen
der Tonkünstlersozietät (gewöhnlich zweimal des Adels durch den aufstrebenden "dritten"
im Jahre), übrigens n ach den seit 1725 bes tehen den Stand für das Primäre hält. Die Musik mußte
Pariser "Concerts spirituels" die erste deutsche nunmehr z'u Massen sprechen, sagt B e k k er,
Konzertunternehmung von Fachmusikern, dere:n neue Lebenswerte in sich aufnehmen, in ganz
Produktionen jedermann gegen Entgelt ohne... anderem Umfange als bisher bildend und er..
weiters zugänglich waren, brachten neben "ge... zieherisch wirken. Speziell Beethovens Sin..
mischten Konzerten" hauptsächlich Oratorien, fonien sind der Ausdruck dieses künstlerischen
und von der Jahrhundertwende an fast aus.. Erweiterungsdranges, sie verlangen nach dem
schließlich "die Schöpfung" und die "Jahres.. größeren Forum, nach einem der Klangkraft
zeiten". Zu Weihnachten die "SchöpfungU , zu der neunten Sinfonie entsprechenden Aus..
Ostern die "Jahreszeiten" und die einzige Ab .. führungsrahmen : diese Erkenntnis drängte zur
wechslung war, wie Hansliek in der "Geschichte Veranstaltung von Musikfesten, die dann'jauch U
des Konzertwesens" bemerkt, wenn einmal die Gelegenheit boten, 'die Form des Händelschen
"Schöpfung" zu Ostern und die "Jahreszeiten" Oratoriums in Deutschland einzubürgern. Man
zu Weihnachten kamen. sieht den Unterschied. Aber im Rechte dUrfte
Deutschland folgte, und auch hier waren ;Riemann sein. Ist der Apparat, den das Oratorium
Händel und Haydn die regierenden Planeten. mit seinen hunderten von Mitwirkenden er..
Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung fordert, ist seine Klangkraft und sein Verlangen
schossen allerorten die Singvereine aus dem nach dem erweiterten "Ausführungsrahmen"
Boden: die Berliner Singakademie (1790) wurde der Sinfonie unterlegen? Und ergibt nicht, wie
das Muster für analoge Gründungen in Leipzig gesagt, die reine Historie die Tatsache, daß
(1800), Dresden (1807), Stettin (1800), Münster Musikfeste lange vor dieser sozialen und künst..
(1804), Wien (Gesellschaft der Musikfreunde lerischen Umwälzung in dem friedlichen eng..
1814) und in vielen anderen Städten Deutschlands !ischen Klima vortrefflich gediehen waren? DAß
und auch der Schweiz (Schweizeris-c he Musik.. das Bedürfnis, sie nachzuahmen, in Deutschland
gesellschaft seit 1808), alle ungefahr in den ersten durch die politischen und- gesellschaftlichen
zwei Dezennien__des 19. Jahrhunderts. Dies die Zustände gefördert. ja, die Erfüllung in diesem
Tatsachen, nun die Deutung. R i e man n lehnt Umfange · erst ermöglicht wurde, ist die ver..
den "bestechenden Gedanken", das Aufblühen söhnliche Mitte.

64
Waren die zahllosen Dilettantenorganisa.- der Veranstalter gestört zu haben scheint. Ahn ..
Honen, Männergesangvereine, Konzertgesdl.. lieh zu beurteilen der Gedanke, die drei 8ater..
schaften erst einmal da, so vermehrten sie, wie reichischen "NeuntenU Beethovens, Bruckners
jeder technische Fortschritt, den Bedarf, hier und Mahlers zu verzopfen, die überdies boshaft
nach Musikaufführungen für viele, nach Musik genug sind, alle aus D..moll zu gehen.
für die vielen Aufführungen. Es folgt eine Ära Ein Beispiel der zweiten Art gab jahrdang
der Musikfeste in Deutschland, von dem die die ttNeunteU im Nicolai..Konzert, ein wahres
"niederrheinischenu seit 1817. , und' die "Ton.. Fest. Heute ist die ttNeunteU ein Kassastück
künstlerversammlungen des Allgemeinen d,eut.. geworden, das jedes ] aht zehn.. bis zwölfmal
sehen Musikvereins seit 1859 noch heute von
jj
gegeben wird. Mit der Festlichkeit ist es gründlich
größter Bedeutung sind. vorbei!
Der Wert der zuletzt genannten Kampf.. Eine ganz neue Nuance von Musikfesten
organisation, deren Zweck die Aufführung von haben wir "rührigen41 Verlegern und Konzert..
neuen (auch ung.edruckten) Kompositionen neben unternehmern zu danken. Nun, die Ve1'1eger
wenig bekannten älteren auf alljährlich wieder... fördern wenigstens nebenbei auch den Kom..
holten Festen (Tonkünstlerversammlungen) war, ponisten, obwohl es ein Mißbrauch wäre, die
ist allmählich immer geringer geworden. Neue aus drei (I) Konzerten bestehende Berliner
Werke haben heute dank der gewaltigen Aus... Reger.." Wocheu , die von Reger nur kennt, was
dehnung des Konzertwesens auch in kleineren bei Bote und Bock erschienen ist, als ein Fest
Orten günstigere Aussicht, gehört zu werden, zu bezeichnen. Wen aber fördern Unternehmer,
wozu noch ein gewiß er, Deutschland mit Aus.. die den gemieteten Saal im Abonnement gleich
nahme 'von Wien eigentümlicher Lokalpatrio .. für drei oder fünf Abende voraus und - versteht
tismus, wie der'Eifer der großen Verleger nicht sic.h - zu festlichen Preisen ausverkaufen woUen, '
wenig beiträgt. Dazu kam, daß seit Jahren ein und darum die in nichts von der alltäglichen
enge verbundener Kreis auch die Kunstpolitik unterschiedene Aufführung einiger Beetho~en ..
des deutschen Musikvereins strenge beherrscht, oder Brahms.. Sinfonien kühn genug sind als
so daß die Programme seiner Feste ein immer Musikfest falsch zu melden?
abwechslungsärmeres Bild boten, immer weniger Wann ist ein Musikfest zeitgemäß? Dann,
zeitgemäß wurden. Soviel über die regelmäßig wenn ein Werk durch seine Größe, durch seine
wiederkehrenden Musikfeste. Ihre Bedeutung schwere Ausführbarkeit, durch seine Ansprüche
ist gesunken, das rein gesellschaftliche Moment an die besondere, dem Alltag entfernte Stimmung
Totwiegend geworden. Persönliche Beziehungen I
des Hörers verlangt, aus gleichförmig rinnendem
zu erneuern, frohe Geselligkeit zu pflegen, Stadt Konzertbetrieb emporgehQben zu werden. Dann,
und Menschen kennen zu lernen, mit fremden wenn auch Wille und Möglichkeit vorhanden
Kunstmitteln und anders geartetem PUblHfum, ist, es in ganz ungewöhnlicher Weise aufzuführen.
ist angenehm und nützlich, wertvoller aber nach sauren Wochen intensiven Studiums, mit
bleibt die Aufgabe, die "Musik in allen ihren erstklassigen, auch nicht jederzeit verfügbaren
Zweigen emporzubringen"', wie das Gründungs.. Kräften, mit der stärksten Besetzung von Chor
statut unserer Gesellschaft der Musikfreunde und Orchester. (Man vergleiche die erste Auf..
versprochen hat. Andere Musikfeste sind an führung der "AchtenU Mahlers mit denen, die
bestimmte Daten gebunden: Gedenktage pietät.. jetzt Jahr für Jahr und immer weniger festlich
vollen Erinnerns, die großen Menschen oder folgen I) Dann, wenn es gilt, Festtage zu begehen.
großen Ereignissen gelten, andere wieder werden die allerdings nur musikalischen, nicht a..musi..
notgedrungen zu Festen, wegen ihres durch die kalischen oder gar unmusikalischen Bedürf..
Größe der Mittel, die notwendige Dauer der nissen genügen müssen, vielleicht auch dann t
Vorbereitung erzwungenen Seltenheitswertes. wenn Propaganda not tut fiir Neucs, Unbe..
Die Haydn..Zentenarfeier, der hundertste kanntes, Unverstandenes (obwohl ich hier
Gründungstag der Gesellschaft der Musikfreunde weniges ab~r oftUfür die bessere Werbearbeit
waren Wiener Feste der ersten Art. Sie waren hielte). Nur unter solchen Voraussetzungen sind
gewiß zeitgemäß. Nicht aber ihre Programme, Musikfeste zeitgemäß. Zeitgemäß ist ja gewiß
die außermusikalisch konzipiert, darum un... auch das Geschäft der allzeit Geschäftigen.
musikalisch wirken mußten. Eine außermusi.. Nur ein Musikfest wird es nie.
kalisehe Idee war es zum Beispiel, die erste und
letzte der Haydn...Sinfonien zusammenzubinden, Dr. R. St. Hoffmann
die unmusikalische Folge, daß durch zwei [] []
Stunden in D..dur musiziert wurde, was keinen

65
MUS I K dividuellen Eigenart tätig, sollten nunmehr
LÄRMENDE auch im normalen Orchestersatz ihren persön ..
"Ruhm ist ' . . . der Inbegriff aller Miß .. lichen Charakter bewahrheiten. Weil die Bläser,
verständnisse, die sich um einen neuen Namen des neuen Stils unkundig, ihr Instrument anfangs
sammeln." (R. M. Rilke.) Die Richtigkeit dieses in der Art behandelten, wie es der Instru ..
Satzes gilt allerorten in Lob wie Tadel, in.. mentation Bach .. Händels entsprach, wurde
sonderheit auch auf dem Gebiete des musika .. Mozart der ungerechtfertigte Vorwurf der Über...
tischen Schaffens. Neben der Anschuldigung ladung des Orchesters gemacht.
harmonischer Überladenheit kehrt hier stets Konnten Mozart und Haydn viel zur
der Vorwurf akustischer Hypertrophie wieder. individuellen Befreiung der Holzblasinstrumente
Zu dissonant - zu lärmend: so tönt der Chorus beitragen, so waren ihnen anderseits in der
der Zeitgenossen als Dank für die Gaben der Verwendung des Blechs enge Schranken gesetzt,
Meister. Mozarts Musik galt seinerzeit (so da Hörner und Trompeten auf die bloßen
unglaublich dies heute erscheint) als über.. N a t u r tön e angewiesen und somit von eigen t..
instrumentiert; Richard W ag n e r wurde b e.. lieh melodischer Stimmführung ausgeschlossen
schuldigt, durch sein Orchester die Sänger so waren. So wurden die letzteren mitsamt den
sehr zu decken, daß deren Anstrengungen, gehört Pauken vorwiegend zur rhythmischen Ver..
.zu werden, Stimme und Gesundheit schädige; steifungund besonders als Lärm inst r um e nt e
gegen Mahlers Sinfonien wurde (neben dem im 0 r ch este r .. Tutti gebraucht. Derartige
Vorwurf der Trivialität) das Argument aus .. Stellen sind nun allerdings wirklich lärmend,
gespielt, daß sie an einer Diskrepanz zwischen aber nicht wegen der absoluten Tonstärke
Inhalt und dem Aufwand an orchestralen sondern in Anbetracht der vernachlässigten
Ausdrucksmitteln leiden. In allen diesen Fällen klanglichen Abtönung. Hiezu gehört das Hervor..
vermochten die Intentionen der Meister sich stechen der Naturtöne von Horn und Trompete
gegen den anf'anglichen Widerstand des Publi.. aus dem ' übrigen Ensemble und das Decken
kums schließlich durchzusetzen. Welche Um.. der Bässe durch die einen anderen Ton der
stände sind nun für den allmählichen Umschwung Harmonie angebenden Pauken. In dieser Be..
der öffentlichen Meinung maßgebend geworden? ziehung sind die mit dem Vorwurf der Orchester..
Keineswegs hat einfach eine Gewöhnung des überladung belegten modernen Sinfoniker
menschlichen Gehörorgans an die an dasselbe weitaus empfindlicher als es die Klassiker
gestellten gesteigerten Anforderungen stattgefun.. waren, denn von den letzteren wurden die Tutti
den. Die menschlichen Sinne bleiben, was ihre in der Regel bloß als lärmende Intermezzi
. rezeptive Kraft anbelangt, durchschnittlich die aufgefaßt. Demgemäß waren daselbst die
gleichen und es dürfte - man befrage unsere Stimmen viel weniger differenziert als bei den
Psychophysiker - in Jahrhunderten keine merk.. ' z>y"ar zart instrumentierten aber kontrapunktisch
liche Verschiebung der Reizschwelle des Bewußt.. viel komplizierter gesetzten Solostellen, welche,
seins erfolgen. Die vermeintliche Anpassung als hauptsächlich am melodischen Ausdruck
scheint mir vielmehr in einer Akkomodation beteiligt, das eigentliche Interesse des Hörers:
der technisch..stilistischen Spielweise der In .. in Anspruch nahmen, während die belangloseren
strumentalisten an die neuen Anforderungen Tuttistellen mit ihren Kadenzen, Figurationen
zu liegen. Nicht eine Veränderung des Gehörs, und Läufen den ersteren lediglich als Folie zu
sondern eine Läuterung des Geschmacks. dienen hatten.
In der frühklassischen Zeit setzte sich das Die von Beethoven angebahnte Ein ..
Orchester entsprechend dem herrschenden poly.. gliederung des Blechs in den Chor der Melodie..
phonen Stil aus lauter gleichberechtigten In.. instrumente wurde von Wagner (nach dem
strumenten zusammen. Flöten, Oboen und Durchdringen der Ven tilinstrumente) zu Ende
Fagotte waren damals c ho r i s eh besetzt und gebracht. Doch gerade die Überführung der
beteiligten sich in ebenderselben Weise wie die starren Lärminstrumente zu den dem gesamten
Streicher am Bau des Stimmengewebes, ohne - Klangkomplex fein angepaßten Harmonie.. und
spezielle Berücksichtigung der Differenzierung Me10dieträgern hat ihm das Odium lärmenden
ihrer Klangfarben. Als Mozarts feiner Klangsinn Musikmachens aufgeladen. Demgegenüber ist
sich der Farben der Holzblasinstrumente im zu sagen, daß wirklich lärmend nur eine zu
klangmalerischen Sinne zu bedienen begann, dick instrumentierte Musik ist; deren Partitur
sahen sich die Instrumentalisten vor eine im Mißverhältnis zum Klavierauszug steht, wie
gä.nzlich neue Aufgabe gestellt. Sie, bis dahin dies bei Don i z e t t i, Au be rund andern"Opern..
nur im obligaten Concertino in ihrer in .. werken vorkommt, wo oft unmotiviert das

66
ganze Blech einfallt, ganz zu schweigen vom den Sinn dieser Neuerungen verstehen gelernt,
rohen Getöse der Tschinellen am unangebrachten dem herabsetzenden eingangs erwähnten
Orte. Mahler dagegen hat, indem er dem Schlagwort siegreich begegnen. Wenn Rh Yt h ...
Schlagwerk den vielseitigsten Ausdruck zu mus und Me i 0 s die leitenden Momente bleiben,
entlocken wußte, auch diese Instrumente im wird sich niemals die Dynamik störend bemerk...
eigentlichen Sinne zu Tonwerkzeugen gemacht. bar machen. Egon Lustgarten
Im Gegensatz zum alten Lärmtutti, das sich
oft aus bloßen musikalischen Übergangsfloskeln o 0
zusammensetzt, entspringen die wilden Or..
chesterausbrUche Mahlers einem hochgesteiger..
ten Ausdruckswillen. In ihr<:r polyphonen Zu ... NEUE DAVIDSBÜNDLER
sammenballung sind sie ein subjektives Be...
kenntnis ekstatischen Jubels oder schmerzlichen Er, der sonst so gerne schweigt und so
A~fbä.umens ob der tragischen Verkettungen gerne zuhört, wenn ich schweige, Freund Rara,
des Seins. dessen weltferner Grüblersirtn sich sonst ge ...
Man hat auf die maßvolle Instrumentation ±1issentlichst von allem, was für aktuell, politisch
eines Johannes Brahms hingewiesen, dessen oder auch nur persönlich gehalten werden
sinfonische Gedanken sich gleichsam kalorisch könnte, fernhält, diesmal zu meinem Staunen
zu begrenzen wußten. Doch halte man sich jene ist gerade er es, der nicht locker läßt, immer
seltsame Verschiebung zweier Stilprinzipien wieder zu der einen Frage zurückkehrend:
bei Brahms vor Augen: seine Sinfonien sind "Was m einst Du zu den neu en Di rek ...
(nach einem Worte Paul Bekkers) "monu ... toren uns erer 0pern thea ter?ll •.• Mich
mentalisi~rte Kammermusi_ k u , während seine anfangs erschreckt wehrend, bin ich plötzlich,
Klaviersonaten von Schumann treffend als eh' ich's denke, bereits mitten in der Antwort
"verschleierte Sinfonienl l charakterisiert worden drin . . .
sind. Wollte man etwa den ersten Satz der ' "••. Also Felix Weingartner, nun 'er
C-Dur-Sonate (0 p.l) instrumen tieren, so b ed ürfte hatte ja von jeher eine ganz gewaltige Gemeinde
man zum vollwichtigen dynamischen Ausdruck _ begeistertster Anhänger unter uns und überdies
des großen Mahlerschen Orchesters mit eine nicht minder große Schar solcher, die -
schwerstem Blech und vielem Schlagwerk. Auch es nicht sind. Ich will offen gestehen, ich selbst
wird gewöhnlich übersehen, daß die Verwendung gehörte immer eher zu diesen letzteren. Ich
eines großen Orchesters weniger der Provo ... erinnere mich da einer kleinen Probe aus seiner
zierung dynamischer Exzesse als vielmehr der reichen literarischen Tätigkeit •.• so schreibt
Erzielung far bige r Ko n traste dient.~erade er einmal vom nguten, kindlichen Anton Bruck ...
Wagner, Berlioz und Mahler, die Meister ner, der eine »Neunte< Symphonie >auch< in
großer Tonmassen, verfügen auch über ganz D..moll schrieb und deren letzten Satz >auch<
besonders zarte Klangfarben. Ihrem geweiteten mit einem Chor versehen wollte, woran ihn aber
seelischen Ausdrucksbedürfnis entspricht eben der »liebe Gott<, dem er das Werk gewidmet
auch eine große dynamische Amplitude. hatte, in weiser Vorsicht durch rechtzeitige
Eine Vermehrung der Instrumente trägt Abberufung in die himmlischen Regionen ge...
nicht durchaus zu bloßer Schallverstärkung hindert hatu •
sondern auch vornehmlich zur Klangver ... Dann wüßt' ich ein zweites - wie sag' ich's
e dei u n g bei. Richard S t r a uß weist (in Berlloz... schnell- eigenartiges Kapitel aus seinem Leben:
Strauß' Instrumentationslehre) darauf hin, daß es heißt Gustav Mahler. Denn, mag mir Gott
reichbesetztes Blech eher weich klingt. helfen, wie sich ein Musiker demgegenüber
Niemals darf also die bloße Tonmasse verhält, kann ich beim besten Willen nicht
ausschlaggebend sein für die Qualifikation nlä.r... mehr als persönliche Geschmacksfrage emp ..
mende Musik l4, niemals auch handelt es sich finden. Davon abgesehen, daß auch noch über
darum, um jeden Preis maß Y 0 11, sondern die Programme der philharmonischen Konzerte
immer nur darum,stilyoll zu sein. Lä rmend einige Worte zu sagen wären t ferner - aber
ist nur das Inadäquate 'yon Dynamik nein. Nichts mehr davon. Jeut hat Weingartner,
und Aus d ru c k. Mozarts neuartige Verwendung der berühmte Dirigent, der gefeierte Star, der
der Holzbläser, Wagners Befreiung des Mann der Festspiele und Sensationen ·auf einmal
BI e c h 8, Mahlers Heranziehen der S chi a g... die Volksoper, das kleine, stiUe Musiktheater
ins t rum e nt e zu integrierenden Bestandteilen übernommen und, seht, das hat mich plötZlich
des Ausdruckskörpers konnten darum, als man vollends mit ihm versöhnt.

67
[.

=
.~

I Q I.
• ..,Q.

_ ,..,

I r. . l.A.' \)n~ f- 0(.


::p:==:: =

-. . rI- , ~- , I '. ~ - - ,) h D -I 0

~ ""-,,, . .~. • f ~ .. -~

.. 0 .. 0

. ';..

J tJ ...,...-.' ........ 1#'

Eine Partitur... Seite aus Delius: "F ennimore und Gerda U

68
Freilich höre ich hier schon allerlei böse "oder damit beschweren würde", fuhr jener
Stimmen flüstern: Glauben Sie denn im Ernst, aber unbeirrt und eifrig fort, .,daß unsere Herren
daß Herr Weingartner gewillt ist, sich in Philharmoniker bei den Proben auch stets
Wahrheit und von Herzen der Volksoper zu persönlich erscheinen, statt. wie das so gerne ,
widmen? Jetzt, da wir Mittelmä.chte noch gleich.. üblich ist, Ersatzmänner zu schicken, ferner
sam eingesperrt sind. mag es ihm ja allerdings bei Sängern und selbst sehr berühmten Sängerin..
passen, zusammen mit seiner singenden Frau nen darauf zu sehen, daß .• ."
Gemahlin eine immerhin ganz nette Gage zu "Bitte·l , winkte ich jedoch jetzt ganz ent..
beziehen, dabei einige ihm konvenierende fremde, schieden ab, "was Du sagen willst, ist ja alles
vor allem natUrlich aber manche an andern recht schön, Du argumentierst sogar rein sachlich
Bühnen weniger gespielte eigene Werke heraus.. betrachtet vollkommen richtig. Aber - ich
zubringen. Warten Sie aber nur auf den ersten habe eine Kleinigkeit dagegen. Richard Strauß
Moment; da die internationalen Beziehungen nämlich - ist ein Genie. Und ein solches hat
wieder funktionieren, Paris, Landon, Amerika in meinen Augen von vornherein und auf jeden
offen stehen, und Sie werden staunen, wie rasch .•. Fall ohne die geringste Widerlegungsmöglichkeit
Genug, ich will von alledem nichts hören. Und Recht. Dabei will ich bemerken, daß mir, wie
solange er selbst mich nicht betrUblich eines vielen jüngeren Musikern - worUber übrigeM
andern belehrt, will ich fest und ehrlich an ihn auch noch einmal zu reden sein wird - die
glauben. Glauben an die Aufrichtigkeit der Welt Strauß' allgemach fremd zu werden beginnt,
Künstlerschaft, die in diesem prächtigen Diri .. (nach dieser letzten ,.Frau ohne Schattene erst
genten stecken muß. Und ich denke. ein Mann recht - nicht nur durch den Leib ihrer HeIdin,
von seinem Ruf ' hätte es schließlich noch auch durch diese Musik rinnt das Licht wie
erreichen können, auch 'an einer ersten Bühne durch Glas) ich halte den Weg, den er die
so mancher deutschen Kapitale unterzukommen. Tonkunst gefUhrt hat, keineswegs für den zu
Daß er es dennoch gerne auf sich genommen ersehnenden - aber immerhin, er hat geführt,
hat, hier gleichsam eine .zweite Rolle .zu spielen er hat geleuchtet. Die Musiker halten keine
und auf kleinere Mittel beschrä.nkt alle künftige Disziplin, die Chöre und Sänger keine Proben?
Erfolgsmöglichkeit von seiner ~igenen künst.. Nun zum Kuckuck, dann sollen sie es eben tun,
lerischen, aufreibenden Tätigkeit abhängig zu Kapellmeister und Korrepetitoren es ihnen
machen - diese scheinbare Erniedri .. beibringen. und alle zusammen glücklich und
gung hat ihn in meinen Augen ganz geehrt sein, wenn eines Abends Strauß ans
ungeheuer erhöht und .. .ll Pult tritt, um sie zu führen. Er allein, er ganz
"Somit weiß ich auch schon u , fuhr der Freund allein ist es, der niemals verpflichtet sein kann,
hier da.zwischen, .,wie Du .zu Strauß stehst. seine Pflicht zu tun, und wenn die andern alle
Denn bei diesem ist es ja leider sicher, daß er sie nur bis .zum Äußersten erfüllen, dann,
seinen Kopf kaum sehr mit der Sorge über meine ich, genUgt es, daß er kommt und
die Wiedereinstudierung verschlampter Meister.. un ter ihne n atmet, um ihnen, unsrer Oper
ainger..Ensembles und ähnlichen Details, die aber und uns allen mehr zu bieten, als ein Dutzend
erste Vorbedingung . . .u j vollkommenster Direktoren." Rudol! RUi
"Bm, ja", unterbrach ich ihn .zögernd und
o 0
erstaunt über die neue Wendung, "immerhin .. /'

NEU E NOT E N Johannes Clemens: Ständchen (Lieder)


Hermann Scherehen : Le Tsigane dans la lune
]atho Musikver lag, Berlin Mal: Schillings: op. 33 Die Perle (fUr eine
Erich Anders: op. 1 Zwei Liebeslieder Männer.. undeine Frauen..
op. 4 Neun Frauenchöre stimme mit großem. Or..
op.5 Zwei Lieder(lmperatori) chester)
op. 9 Drei ernste Gesänge op. 34 Vier Zweigesänge
op. 10 Drei Lieder (Storm) Erwin Schulhoft: op.10 Klaviervariationen
op. 16 Vene:da, Oper in 1 Akt op. 13 Neun kleine Reigen
op. 31 Lyrische Suite (großes op. 21 Fünf Grotesken
Orchester) C 0

Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Otto Schneider, Wien, I. KarlsplaU 6. - Herausgegeben von der Universal ..
Edition A •• G. - Druck von Otto MaafP Söhne Ges. m. b, H., Wien.!. Wallflschgasse 10.

69
PREISAUSSCHREIBEN
für Klavier-Kompositionen
11111 11 U111 U1111 UlIJ 1111111111111111111 11111 1111111111111 11111111 IIJ 111 IIJ 1111 U1111111 1111111 U111111111111111 1111 1I11l1l1J JI ru 1111 mlJ 11111 [11 m1111

Die Musikbläffer des Anbruch eröffnen ein P re isa u s s ehr e i ben für

Klavierstücke (Sonaten u. dgL)


für Klavier zu zwei Händen
Dieser ,Wettbewerb ist der jungen Generation vorbehalten, ohne Rück·
sicht auf deren nationale Zugehörigkeit.
Der Umfang der Komposition darf 24 DrucK.seilen, die Aufführungs-
dauer 15 Minuten nicht übersteigen.
Die Kompositionen dürfen noch nicht veröffentlicht und nicht unleserlidl
geschrieben sein. Da die Schriftleitung jede Haftung für das Manuskript ab-
lehnt, ist die Verwahrung einer Kopie dem Komponisten dringend empfohlen.
Die Manuskripte sind bis zum 1. März 1920 an die Schriftleitung der
Musikblätfer des Anbrum, Wien, I. Karlsplatz 6, einzusenden.
Die Manuskripte dürfen den Namen des Komponisten nimt enthalten,
sondern sind blo~ mit einem Motto zu bezeichnen. Namen und Adresse des
Komponisten sind in einem verschlossenen Kuvert, das als Aufsmrift das
Motto frägt, dem Manuskripte beizusmlie~en.
Das Preisrichferamf haben die Herren Josef Marx, Moriz RosenthaI,
Paul Weingarten und Kar! WeigI übernommen.
Als Preise sind ausgesetzt:
1. Preis .................. K 800'-
2. Preis .................. K 500'-
3. Preis .. .. .. .. .. .. .. .. .. K 200'-
Von den eingereichten Kompositionen. gleidlZeitig höchstens drei,
wird im gegebenen Fall nur eine desselben Komponisten prämiiert.
Das Ergebnis der Jury wird mit 1. Juni 1920 bekannlgegeben.
, Die Musikbläfter des Anbruch bringen die prämiierten Kompositionen
im Herbst 1920 in einem nur für diesen Zweck bestimmten Abend zur Ur-
aufführung. Es steht ihnen das Recht zu, diese Kompositionen als Noten·
beilage abzudrucken.
Die UniversaJ~Edilion A.-G. behält sich das Recht vor, sowohl die
prämiierten wie auch die übrigen eingereichten Kompositionen gegen eine
Verlagsfanlieme von 15 % des Ladenpreises für ihren Ve'r lag zu erwerben.

70
,Interessante neue Klaviermusik·
ALOIS HABA' JOSEF ROSENSTOCK
Sonate op.. 3 D-moll Sonate op. 3 E-moll
für Klavier. zweihändig für Klavier, zweihändig
U, E, Nr, 5543 Preis Mark 3'- U. E. Nr. 5542 Preis Mark 3'-
H6bas Sonate Isl die Arbell eines hodJbegab!en Jung""n Ism(!mt- Rosens!O<ks Son<111.' Ist ein Werk modemsler Prligung, das von
smen Komponisten, dte anlä~lidJ Ihrer llraulluhrung Im Wiener Pro!. lalcwiez und dem Komponisten bereHs wlederholl mit
Tonkunsllerverelne eInen geradezu sensationellen Erfolg erZielte stärkstem BeilllH gesplell wurde

JULIUS BITINER HANS GAl


Österreidlisdle Tänze Serbisdle Weisen
U. E. Nr. 5909 Klavier. zweihändig Preis Mark 3'- U. E. Nr. 5980 Klavier, vierhändig Preis Mark 4'-
U. E. Nr. 5907 Klavier, vierhändig Preis Mark 4'-
Hans G6! hai hier eine Reihe der sdlömten s:erblsdlen Volks~
lebenslust und lebensfreude flutet durdl diese Tanutiicke, melodien, die er während seines Kriegsdienstes In Serbien kennen
denen der Komponist einen BI ütenkrllnz der relzvo listen Melodien lernte, durm eine prärnllge Bearbellung dem modernen Mu~lk.
verBehen hat empfInden zugäng!ldl gemamt

Teuerungszuschlag 50% Zu beziehen durm jede Buch- und Musikalienhandlung Teuerungszuschlag 50%

Universal·Edition A.-G. Wien-Leipzig J

I I ~' .... . " ' . . ~ (> •• " •• • ., . ". I " I ~ j..... . ~,'. . . \ .
~ I _ .; I

Konzerte des Anbruch· Wien=


I. Kammermusikabend
am Freitag,! den 28. November 1919, abends,
im mittleren Konzerthaus-Saal in Wien

Das Wa Idbauer· Quarteft


PROGRAMM:
Zollan Kodllly: 2. Sfreidlquartett (Erstaufführung in Wien)
Igor Strawinsky: Pribaoutki . . . (Erstaufführung in Wien)
Wilhelm Grosz.: Streichquartett . . • . . . . (Uraufführung)

Karfen von K 21"- bis K 4'- an der Konzerfhauskassa

• I • • • • • • • • • r ~... • •• t I I •• J ~ • • . , •

71
Die hervorragendsten Werke von
frederick Delius
111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111 milu [IJ 1111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111 111111111111111111111111111111111111

U.E.Nr. Mark U. E. Nr. Mark

Bühnenwerke Chor- und Orchesterwerke


Fennimore und Oerda Eine ~esse des Lebens
Zwei Episoden aus dem Leben NieJs Lyhne's nach Für Soli, Chor und großes Orchester
}. P. Jacobsen (Text aus Nietzsches IlZarathustra 4l )
6305 Klavierauszug mit Text, . . . Mk, 8'-
6306, Textbuch . . . . . , • . . ' , Mk, -'60 3904/05 Partitur I/lI, zusammen . . Mk. 100'-
3908 Klavierauszug m. Text, deutsch,
englisch , . . . . • . . . . Mk. 10'-
Romeo und Julia auf dem Dorfe 3913 Thematische Analyse (Haym) ,Mk. -'40
Musikdrama in 6 Bildern (3 Akte) nach
Oottfried Keller
3912 Klavierauszug mit Text, deutsch,
Im Meerestreiben
englisch . . . . • . , . . • . Mlc, 16'- Sinfonische Dichtung für Bariton~Solo, ge~
mischten Chor und groBes Orchester
(Text von Walt Whitman)
Chöre a cappella 3893 Partitur . . . . . . , • . . . Mk. 25'-
3896 Klavierauszug mit Text, deutsch,
Midsummer Song englisch . . , " . . . . . . • Mk. 5'-
Für gemischten Chor
3909 Partitur . ' .' . . . . . . • . Mlc. -'40 Appalachia
On Craigh Ddu Variationen über ein altes Sklaven lied mit SchluB-
, chor für großes Orchester
für gemischten Chor
3910 Partitur . • • . • . . . .• . Mk. -'30 3897 Partitur . • . • . . . . . . . Mk. 40'-
3900 Klavierauszug mit Text, deutsch,
Wanderer's Song englisch . • . . . . . .. . . • Mk, 5'-
für MännerchoT
3911 Partitur • . . • • . . . . . Mk. -'30
Eine Arabeske
für Bariton-Solo, gemischten Chor und groBes
Orchester. Text von J. P. ]acobsen
Fünf Lieder 5358 Partitur, , . . . . . , . . . Mk. 10'-
5295 Klavierauszug mit Text, deutsch,
für eine Singstimme und Klavjer englisch • . . . . . . . . . • Mk, 3'-
3892 deutsch, englisch, hoch • . . . Mk. 3'-
1. Das Veilchen (Holstein), 2. Im Garten des Klavierkonzert C-moll
Serails (Jacobsen). 3. Seidenschuhe Uacobsen). 3901 Partitur .' • . . . . , . , • • Mk. 25'-
4. ·HerDst (Jacobsen). 5. IrmeUn (Jacobsen) 3903 Zwei Klaviere zu vier Händen Mk. 5'-
50 Prozent Teuerungszuschlag
Die Partituren zu den Orchester- und Chorwerken werden nur gegen Revers
abgegeben. - Zu beziehen durch jede Buch- und Musikalienhandlung

Universal-Edition A-G., Wien-Leipzig


72
~ustaD ffiahlers Werke
in der Uniuersal=Edition
11111111111111111111 11111 tI tI rt IIIU 1111111 11111111111111111 1111111111111111111111111111 11111111111111111111111111111 11111111111111 11111111111111111111111111111111 1111111111 1111111

Sinfonien und l70kalwerke mit Orchester


Sinfonie I O=dur fiir großes Ormesler Sinfonie VI Hlifmoll für gro~es Orchester
U. e. nr. mark U.e:.nL ma~
2931 Partitur . . • . • 40'- 2715 Klauierauzug 4 ms (Zemlinsky) 12'-
947 KlaIJlerauszug4 ms(B.Walfer) 7'50 277.\ Kleine Partllur . . . . . , 6'-
9O\{) tasc:henpartltur (16°) . " 6'-
Sfnfl,'mfe VII ffir gro8es Orchester
Sinfonie n e=moll hlr großes Orchester~
B(t~ und Sopransolo und gemischten
U. E. nr. mark
U. e:. fir. ehor mark 29M· Klavierauszug 4 ms (easella) 12'-
2985 Kleine Partitur . . . . . . 0'-
2933 Parlltur . . . . . . . . • 50'-
9lJ.9 Klal)lerauszug~ ms (B.Walter) 7'50 Slnf.onie VIII ifir 8 Soli. Knabonmor.
2931 Zwei KIaplcre 0\ ms (H. Beim) 2 gemischte eh~re und grobes
(zur BufHlhrung sind zv;el
e:xemplare erforderlich). " 6'-
u. e:. flr. Ormester mark
3638 Zwei KIQ\Jlere 8 ms (Bocklet) 12'- 2772 Partitur . . . . . . . . • 100'-
948 tasdtenpartlfur (16 0) . •• 6'- 2660 Klaulerauszug m. text (Wöss) 12'-
2938 afb BItsolo : ~ Urlidlt . . h. f. . a 1'- 3390 Klauierauszug zu 4 Hdnden, 12'-
5782 themotlsdte Bnalyse (Specht) - "30 3000 Kleine Parfllur . • . , . • 10'-
3399 t'hem. Bnalyse (R. Specht), -'50
Sinfonie III D=moll fLir grc~es Or:
chester, BUsolo, rrauen: und Sinfonie IX ffir grolJes Orchester
U. e:. nr. Knabenchcr mark U. €. fir. mark
2939 Partuur . . . . . • • • • 50'- 3395 Partitur . . . • • . . • . 50'-
951 Kloulerauszug lJ. ms (Wöss). 7'50 3391 KlalJierauszug 4 ms (W~ss). U'-
950 tasmenpartitur (160) , •• 8' ·- 3398 Kleine Partitur . • • • •• 6'-
29.\3 Hlfsolo: ~ 0 mensch! Gib adlt! ~
(5, [!leder). . . . . . •• 1'20 Das l1ied Don der Erde. Sinfonie fnr
3602 Glockenchor 2 ms (Wöss).. 1'50 t t'enor= und 1 alt~ oder Bariton.
3703 menuett 2 ms (i=r!edman) . 2'- stimme und Orchester
36~9 alb J' e:s sungen drei e:ngel ~
U. E. nr. . mark
(rrauenchor) ßes. u. Klau.IU. CI 1'- 3392 Partitur . . . . . . . . • ~O'-
5783 thematische analyse (Spedtt) -130 3391 Klaplerauszug m. t'exf (W<iss) 1-50
3631 Studienpartitur . . . . . . 6'-
Sinfonie IV C5::dur fi\r grOBes Orchester 339~ t'hematlsche Rnaltjse (Wöss). -,~o
U. e:. nr. . und Sopran solo mark
Das klagende [sied, fiir Sopran~,
290\'- Pa.rtitur . . .. . . . • • • 40'- Hrt., renorsQJo, gemIschten eftor und
953 Klouierauszug 4 ms (Wöss). 1'50
. 952 taschenpartItur (16 6) . •• 6'- U. e:. nr. Orchester mark
2946 SopronsolQ: J' Wir ~enle5en 2969 Partitur . . . , . , n·-
die himmlischen rreuden~ 169-'" Kloulerouszug m. text (Wöss) 6'-
(5. [!leder) . . . . • • . ' 1'80 5390 Kleine Parlltur . . . . .• 6'-

I3roije Orch~sterpartituren zum Privatgebrauch gegen Revers


Orchester- u. ehormateriale noch Vereinbarung mit dem Verlage
Zu bezlelten durch jede Buch- und musikalienhandlung
••
•• Teuerungs%uschlag 50 Prozent · ••••

73
~1II1111111111111111111111111111111111111:1II11111111111111111111:"IIIIIIIIIIIIII:I:~:I:::I:I~~1:1::::I:::I:::I::I:~::~"IIIIII~
Violine, Cello, Kammermusik,
= Zith~r, Gitarre, Laute, Lieder für
=
__ eine Singstimme, Duette. Ter ..
zette, Chöre, Salonorchester

kostenlos

.'
Musikalienhandlung ' und Antiquariat

~ Otto Maass, Wien


_ VI. Mariahilferstraße 91, Telephon 6264
\iilill
== 11 111 11 1111111111111111111111111111111111111111 111111111
' ==
11 1IIIlIIIIUI IIlIIllIIlI 111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111 tllllllllllllllllllllllllllllllll~ ,

, mlllllll 1111111111111111 111111111111111111111111111111111111 11111111111111111111111111111111 1111 11111 1I11l1l1ll1l1l1l11i111 IlIlHtllllfllllll1ll111111 111 IIII11I11U 1I11111111111111111~

=
-
-
WHLDHEIM=EBERLE
WIEN, VII. SEIDENGflSSE 3-9
ft.=6.--- .
- --
=
-
-==
GEGRUNDET
1856
.
._ .
'
·
-
.

==
-
GEGRüNDET
1856
' -
-
_

empfiehlt sich den Herren Musikvedegetn und Komponisten als N t


=
0 endruck -=
=
=
- leistungsfähigstes Institut in östetreirn zUt" flusfüht"ung allet" fitten
(Notenstich, flutographie, Buchdruru, Buchbinder ete. etc.) flUeinige flusführung unserer
N t·
=
-
= alt ge m ein
eingefübtten 0 enpaple-re, verseben t:n it der vor mehr als 25 Jahren ge·
schützten Marke. Großes Lager von Notenpapier
für Piano, Gesang und Piano, Zitoet, Kammermusik. Otrnestett und zwar in Pattituten
für Orcbester, Militärmusik, Opern und Operetten (sämtl. mit Instrumentenbezeichnung),
;;;;;;
=
--

-
=
für brchester und Bläserstimmen, Militärmarsch-Bücher, Schulnotenhefte, Skizzenbücher,.
Luxus·Notenpapier fi}r Widmungsexemplare =
=
- -
Kopierbares Notenpapier
===
-==
==
Huf jeder Kopierpresse können von demselben einige Rbzüge des Notenmanusktiptes,
welches mit gewöhnlicher Kopiertinte geschrieben ist, sofort hergestellt werden
BEKflNNT GEDIEGENE' fiUSFÜHRUNGEN. MUSTER, PREISVERZEICHNISSE
I
=
==
==
-==
-_ WIE KRLKULRTIONEN STEHEN JEDERZEIT, KOSTENLOS ZUR VERFUGUNG
-
mlllllllllllill 111111111111111111111111111111 11111111 111111 1111111111111 111111 111111 111 11111111111 111II1II111II111II11111II11111illlllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll~
74
·KONZERTßDRO KONZERT .. DIREKTION ·
DER GESELLSCHAFT DER Robert Kollitsch
MUSIKFREUNDE IN WIEN
I. BEZIRK, KARLSPLATZ 6
VERMITTLUNG U. DURCHFUHRUNG
VON KONZERTEN UND SONSTIGER
EINSCHLÄGIGER VERANSf ALTUNGEN Unz a. d. Donau· Landstraße 30
FOR WIEN, PROVINZ U. ' AUSLAND Telegramme: Konzerl Kollilsch Fernruf 389

'Klavier- Etablissement Soeb en ersmi en in v i e r f e r verbess erl er Aufl ag€:


RICHARD BATKA
JOSEF SAPHIR VORSCHULE DES MODERNEN

·~!~ii~~t-·
LAUTEN· UND GITARRESPIELES
neu revidiert von Dr. Josef Zufh
u. E. Nr. 3328 Pr",ls Hk. 1"50 und 50 Prozent Teuerungszusdll<'!g
Bei der steigenden Bel!ebthell. der slm l<'!uten- und Gil<,!rre·
spiel heute erfreut, wird die vorliegende Neu<'!usgabe der
bereits be~tens eingeführten l<'!uknsömle homwillkommen sein
Wien, 11. Praterstr. 34. UN IVERSAL - EDITION A.- G., -WIEN - LEI PZI G

Von Tongers Musik~Bücherei Violinen,


Band 12/14 (Dreiband) Violen, Celli
erschien soeben bewähren si ch ~ seit Jahren
vorzüglich. Prospekte und
Probesendung kostenlos.
ERLAUTERUNGEN
Das Tonveredlungsverfahren wird auch bei alten,
UND EINFOHRUNG mit Tonfehlern behafteten Instrumenten mit
nachweisbarem Erfolge angewendet.
IN
Wiener Meister-, Orchester-, Schüler-, Streich-

BEETHOVENS instrumente, Gitarren, Lauten, Mandolinen etc.


- Bogen - quintenreine Saiten (Marke Elite,
Weichholde etc.) sowie sämtliche Utensilien'" in
KLAVIER .. SONATENi reicher Auswahl! Einkauf - Umtausch von alten
Instrumenten. Reparaturen werden zur solidesten
Ausfü hru ng übernommen. Zahl ungserleichterungen
von Dr. Fritz Volbach
ARTHUR LIDn Musikinstrumen ten-
Ein Budl "für Jedermann'" Für Jeden, der in das handlung und Leihanstalt
hehre KunslwerkiBeelhovens eindringen I will und
d"bei einen Freund und Berafer braudll. ein
ebenso gründlidler wie liebevoller Erklärer. Wien, I.
Preis Mark 6"- Kolowratring 10
.,~ MtOn&rl~tt . Telephon 6227.
Verlag von P. ). Tonger. Köln a. Rh. ~~t'~OhlllS"O'ttf~

75
ORCHESTER~, CHOR, UND BÜHNENWERKE

VIT. NovAK A. SINFONISCHE WERKE


IN DER TATRAt op. 26 .
Sinfonische Dichtung für großes Orchester
U. E. Nr. 2876 Partitur . . . , . . Mk. 20'- U. E. Nr. 2818 Kla.vier, vierhändig Mk. 3'-

SERENADE, op. 36
Für kleines Orchester
U. E. Nr. 3997 Partitur . . , . . . Mk. 12'- U. E. Nt. 3994 Klavier, vierhändig Mk. 4'-

TOMAN UND DIE WALDFEEt op. 40


Sinfonische Dichtung für großes Orchester
U. E. Nr. 6363 Partitur, . . . , , Mk. 40'- U. E. Nr. 5818 Klavier, vierhändig Mk. 5'-

LADY GODIVA, op. 41


Ouvertüre für großes Orchester
U. E. Nt. 6365 Par.titur , . , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . , Mk.20·-

PAN, op. 43
Tondichtung in 5 Sätzen für großes Orchester
U. E. Nt. 58,88 Partitur . . (nur in Abschrift) U. E. Nr. 3355 Klavier, zweihändig Mk. 5'-

B. CHORWERKE
. " DER STURM, op. 42
Sinfonische Dichtung nach der Meeresphantasie von Svat. Cech, für gr. Orchester, Soli u. Chor
U. E. Nr. 3632 Partitur. , . . . . . . . . . . , . , . . . . . . . . Mk. 50'-
U. E. Nr. 3357 Klavierauszug mit Tezt, deutsch, tschechisch . . . • Mk, 10'-

, DIE TOTENBRAUT, ap. 48


"Ballade für 2 Soli; gemischten Chor und großes Orchester
U. E. Nr. 5293 Klavierauszug mit Text, tschechisch . . , , . , . . . . . . , Mk. 7'50

c. BÜHNENWERKE
DER BURGKOBOLD, op. 4~
Komische Oper in 1 AUfzug. Text von Lad. Stroupeznicky. Deutsche Übersetzung 'von Maz Brod
U. E. Nr. 5393 Klavierauszug mit Text, tschechisch . . . . . ", , . . . . . . " . . Mk. 8'-
U. E. Nr. 5812 Textbuch, deutsch. . . . . . . . . , . . . . . . . . . . . . . . . Mk. -'50

, KARLSTEIN, ap. 50
Oper in 3 Akten nach dem Lustspiel von Jar. Vrchlicky, zusammengestellt von Ottokar Fischer
U. E. Nr. 5816 Klavierauszug mit Text, tschechisch, , , . , . . . . . . . , . , . Mk. 12'-
T:EUERUNGSZUSCHLAG 50 PROZENT

ZU BEZIEHEN DURCH JEDE BUCH .. UND MUSIKALIEN HANDLUNG

Universal~Edition A.~G., Wien~Leipzig

76
• • • • • I. • •••• • " I . "• . ' • •~. .~ • ,'.".. :.

KONZERTE DES
ANBRUCH ·WIEN ·
.: ~. •• • ~ • • ~ r . ' . 11 .' ~ _ 'L, • , • I

II.Orchester-Ko,nzert
Freitag den 12. Dezember 1919, abends,
J

im großen K0 n zer t'h aus .. S aal in Wien

GUSTAV MAHLER i

FONFTE SINFONIE
o rrn e s te r Ii e der: Reveille I Der Srnild-
warne Naditlied / Um Mitternacht / Ade

, Dirigent: OS'KAR FRIED


Konzerlsänger: PAUL LlBAN

Karfen von Kronen 21'- bis Kronen 4"- an der Konzerthauskassa

. 4 + • ~ .. L ' . 4" I , j " ·~r " •• • . .... ••••• - _ " ••~ ~ ~: . ~ ~ •• ~ ~

77
. . ' . ' '. '. . " : . . . . '" .. . .~.

MUSIKBLATTER
DESANBRUCH
HALBMONATSSCHRIFT FDR MODERNE MUSIK
SCHRIFTLEITUNG: DR. OTTO SCHNEIDER
• .. . ' '.' ." • .~ • '~.' ~. .'-" ' ; , .. ~:• • ~ " w •• 0; •• ~.\.t~~.:::.,.~' ...-.. ':'t.:'" ..,.. '

INHALT DER BISHER ERSCHIENENEN HEFTE:


NUMMER 1 I

Guido Adler ... ... ... ... ... ... ... '... ... '" .. ' ... ... ... ... ... Zum Geleile
Egon lustgarlen ............................ ,. Philosophie der Musik
Franz Sdireker ........................... Meine musikdramalisme Idee
Bernl1. Paumgartner .................... , Reform des Musikunlerrimles
Egon Wellesz ............... Die Frau ohne Smallen von R. Strau~
Oskar Fried .................................... Erinnerungen an Mahler
Frederi<k Delius ........................ ' Musik in Englönd im Kriege
Max Chop .................................... Die Berliner Regerwodie
Max Broesi<ke-Sdl6en ........................ Herbstspiele in Dresden
Glas sen: Krilik der Kritik von Dr. R. SI. Holfmann; Fragmenle von
Hugo Kauder; Neue Davidsbündler von R. Reli; Das Wiener Sinfonie-
Orchester von Hugo Kauder J Bespredlungen J Noten und Bümer
Not e n bei lag e: Allegro barbaro von Bel CI Bar 1 6 k

NUMMER 2
Hugo Kauder ... ... ... ... ...... Zum Problem der musikalismen Form
Ego" Wellesz ........................ Vom Geist der diinesismen Musik
Bernh. Paumgartner ...... Reform des Musikunterrichtes (Fortsetzung)
Josepn Marx ............... ... ... ... ... ... ..• ... ...... Frederick DelJus
Emil Chvola ....................................... Tschechisdie Musik 1
Paul Bekker ... ... ... ... ... ... ... ... Fennimore und Gerda in Frankfurt
G los sen: Musikfesfe von Dr. R. SI. Hof(mann: lärmende Musik von
Egon lustgarten; Neue Dövidsbündler von R. Reli, Faksimile einer
Parfifur·Seife aus Delius: "Fennimore und Gerda" I Neue Noten
Nolenbeilage: lied der Fenni more (J us Deli us: .. Fenn imore und Gerda·

78
1

Lied der Fennimore


aus "Fennimore und Gerda~'
.' Zwei Episoden <UIS dem Leben Niels LJbnes in elf Bildern
nach deJtl Roman vonJ. P. Jacobsen.
AuffÜhrungsrecht yorbebalten .
. Dr(JitJi dexirution rrsems.
Frederick Delius.
~ Sehr ruhig.
Gesang.

-
Jung"
p Jdolce
'- - 1-"'"

---------
..
w-'"
e. Svan~ hlw ~ im Schloß ~l ~ lein "
lUlG. starrt' in die blau - ~
~ (H~rfe) I I

~
'.. ,.. ..'. '.
+-- _-11"'
j j I I

Copyright 1919 by Universal-Edition.


Notenbeilage zu ,,Mw;ikblätter des Anbruch:' Zweites Novemberheft 1919.
M.A.2.
2

.
~ ~ I. L
-
. 1

r
--- t

r
Fer - ne, hin - ter Der - gen und lIle.e.r ~. das GIÜCLWOhl 8ein. zu
,-- .J ..,

Ii I I~l

;4i.1 ,. Ifo"
.. 111 f !".
-
,
.-
l = V. J I~
~
~
1fj tbii"' :~
I .
.,d.

'ft'"' '"

fI I
.,
:-.1
su - ehen ging ich es ger - na! Ich

.." !J J::=JJ> .~ 1 J _I I

• "1 I r L 1-'
b. L ~ I r I .~J1J
.
I
r-- ' ,,~
1-'

I
3
,
"
t , r r , r
bin ein • ge - fan ,- gen Vö - ge - lein, auf der

J
. ---::
~ -
I . ,t..
-
.. P 1'-... -, ~ i I ''r-/I
~~ .1. L.v-~ 1'- I
" ' ...... - • , .. .... I

M.A.2.
'1 I "'r--"

' .'

• E - oe - ne l&uch - tet die Son - - ne !


r
Ach feh
'1 !
-
,...-:::;;..
~ I I ~ .. "-- ~
... v- ,,- -_.
~
I ! I

..
.....I
~

--~~~~
~
l . .bM. J .J .; J
-
~~~ .... ........-~ - -
- -~
"- ,
I

1 •

wo-llt', ach ich \\-'011 - te wohl drau _. ßen sein ~ ~s Le - bens Lust kd
I ~ ! j--:-------.... L. !.~J ~I
I I --- _7 I

J. ); 1.~~l.hJ.

..l1 Schneller. Langsamer.


,.

tJ r I

WOll - ":.
e~
~ . ~. <Harfe) PI ' .~.

i>' ~ n~ jvq:: ·· ! ~: Ii(!~ r# F - qr


I
mp
~'r
ff
J~.J ' bfl I J- I
:
I '<J ...· • • . t;t r .:r
~

M. A. 2.
4

1\ f
Schneller
, . :a __ .. ~::.:-~"~ . .-1

---±- . ~
.. J .
-:
Die Strö - me, sie flie - ßen ins wd - te Meer, e~

~
(Harfe) I
- ~

- --
- ---~. "
----=
,.:--. ._- ~

:e 'u

T~ i v~
_V; energt'sr;h
!

~. . t~ "l<J\
-~ ..
-
- .,- ~. -T- '

- -
~-- ---p . !
1*

Viellangsamer. p Langsam.

zieht Md lockt mich von hin - nen, ~ Träu ~ men lmd Seh - nen, es

P 1- ;
~11

eJ <Jäucht mich so leer ~d Mon - de und duh - re ver -- rin - nen.


I I

"".
~
= p:~ pp
• ~ 1 _ r.:-.. ,
..

.-
t I I "I -'I~

M.A.2..
i . .Tahrgang, Numm6r :3 - 4

MUSIKBLÄTTER
DES ANBRUCH
SCHRIFTLEITUNG: DR. OTTO SCHNEIDER
"'Ii 'RAMe *WMMe. . . . 'riim#44 :;4'"'\&

CI //g p, m t' /

,fT er
DAS TONALl TÄT SPR I N Z I P
Von Hermann Scher ehen, Berlin
Unsere Epoche ist die der Überreife des Tonalitätsprinzips : die schöpferischen
Faktoren, welche durch dessen Formulierung zur Wirkung gelangten, haben eine
Reihe bewundernswerter ~chematischer Möglichkeiten ergeben und derartige Resultate
hervorgerufen, daß wir nur schwer diesem Kunstprinzip gegenüber die richtige Distanz
innehalten, um gerecht einzuschätzen, was - die Kunst hemmend wie vorwärts. .
führend - daraus erwachsen ist. Zunächst müssen wir uns ins Gedächtnis rufen,
daß erst nach Annahme der gleichschwebenden Temperatur und der anschließenden
Zentralisierung des Tonsystems jener einzigartige Entwicklungsgang begann, den die
Musik im- Laufe von kaum 250 Jahren zurückgelegt hat. Allein in der Malkunst
finden wir etwas entfernt Ähnliches: wie das Tonalitätsprinzip erst dem Harmoni . .
schen die zusammenfassende Kraft verlieh, alle Erscheinungen auf einige Ausgangs. .
punkte zu beziehen, kam mit der"Tiefe« jene Kraft in das Bild, welche nach
Beherrschen der Perspektive die Malkunst befcihigte, den ganzen Reichtum der
geschauten Erscheinungen zu umfassen. So daß Beherrschen der Perspektive ' wie
Formulierung des Tonalitätsprinzips zu jenen Wendepunkten wurden, von denen
aus die beiden eigentli41 modernen Künste ihre reiche Entwicklung aufnahmen.
Anders verhält es sich mit Dichtkunst, Architektur und Plastik: ' für diese drei
Künste hat das klassische A1tertu~ selbst die Schemata entwickelt und den Künstlern
volles Gestalten ermöglicht: hier ist alles Spätere nur Variieren des von den
Griechen Eröffneten, ohne Neuschöpfen aus ungenutzt gebliebenen inneren Kräften
des Materials heraus.
Vielleicht hat 'nun gerade diese atemlos schnelle Entwicklung der neueren Musik
mit dazu beigetragen, daß uns Erben Beethovens oft das Gefühl eines Stagnierens
überfällt gegenüber .den Schemata, die den Werken der klassischen Meister zugrunde
liegen. Als wenn wir nUr schwer den Übergang finden von der in ihnen gipfelnden
Vorwärtsbewegung zu dem Ausladen in die Breite, das nach Ausprägung des
Symphonie... und Liedsc:hemas u.'s. w. eintrat und dessen vornehmstes Resultat ein
immer lebensvolleres Durchbilden der eröffneten Schemata hätte sein müssen.

79
Statt dessen sprechen wir davon, daß das organische Leben der Symphonie mit
Beethoven seine Höhe' erreicht habe, daß nach diesem Meister Erstarren auf jede
lebensvolle Kraft übergehe, die sich von neuem mit dem Symphonieschema aus...
efnandersetze, so daß Beethovens Tat oft nur als Krönen und zugleich Abschließen
erscheint, nicht aber auch als Eröffnen zu wechseIreicher Betätigung schöpferischer
Kräfte.
Welchen Ausweg hat nun die Dichtkunst gefunden, in der seit z'Yei Jahdausenden
die Grundmöglichkeiten künstlerischer Äußerung~n fixiert sind? Ihre Fixierungen
sind immer als ein elementar Gesetzmäßiges erschienen, und ein Problem - analog
dem Vorgange in der Musik - ist hier nie gereift. Dies folgt mit -voller Klarheit
aus der Natur der Dinge, da in Dichtung, Plastik und Architektur alle Möglichkeiten
erschöpft wurden, die das Material dieser Künste in sich birgt. So konnte Sache
des DiChters nur -sein" dieselben ÄUßerungsmöglichkeiten neu zu beleben, welcher
Prozeß denn auch in den verschiedenen Richtungsnamen seinen Ausdruck fand. Wir
kennen ein klassisches, shakespearisches, naturalistisches, symbolisches Drama; niemand
aber ist je: 'auf die Idee gekommen, eine völlig neue Form zu fordern, da zu offen...
sichtlich ist, daß das Material der Dichtung a11 seine Grundmöglichkeiten erschlossen hat.
Das trifft aber nicht für die Musik zu: eben derselbe Vorgang, der die Tonalität
möglich werden ließ, und der als Voraussetzung des ungeheuren Entwicklungslaufes
der Musik nicht wegzudenken ist, bedeutet zu gleicher Zeit ein Umgestalten ihres
Materials, ein Gruppieren, das von der Natur gegebene Eigenschaften des Tonreiches
ableugnet. Diese Operation, "die wir unter dem Namen Temperierung verstehen, gab
uns alIe schematischen Möglichkeiten der tonalen Musik an die Hand, während wir
anderseits durch eben diese Beschränkung einen Teil der den Tönen innewohnenden
Kräfte ungenützt ließen. Hier liegt der eigentliche Grund zu jener tiefen Spaltung, ,
die unser Musikleben durchzieht: der Spaltung in Künstler, die fest auf dem Boden
der Tonalität"stehen und innerhalb derselben nach reicher Erweiterung streben, und
in 'solche, für die jenes Gruppieren des Tonmaterials zu sehr den Forderungen
widerspricht, die in ihnen nach Ausdruck verlangen, und denen Aufgeben der
Tonalität als einziger Ausweg bleibt. '
" Lenken wir den Blick auf das Tonalitätsprinzip, um seine ganze Bedeutung zu
erfassen: an ihm - dessen Formulierung und entscheidendes 'Auftreten historisch
sichtbar sind - können wir die Lösung eines Grundproblems des Menschengeistes
verfolgen. Es handelt sich um folgendes: wie ist es möglich, die Überfülle der
Erscheinungen, die das Leben in sich birgt,~ zu bewältigen, und Gesetzmäßigkeit und
uns zugängliche Ordnung darin zu finden! Nehmen wir zur Veranschaulichung den
Vorgang, den noch jede Weltanschauung wiederholt hat. Während die unfaßbare
Fülle , der Lebensformen wie unentwirrbar vor uns liegt, und t was wir eben gut
nennen wollten, im nächsten Augenblick als schlecht erscheint, verlangt unser Geist
feste Grundlagen, die ihm ermöglichen, klar zu werten. Wir folgen einem inneren
Triebe, ohne dessen "Befriedigung menschliches Leben undenkbar ist, wenn wir uns
in einer Weltanschauung scharf begrenzen und wie in einem Ausschnitt auf das Leben
sehen, daß eben nur die Gesetzmäßigkeit unseres Geistes sich an allen Lebens...
erscheinungen bestätigt. Dabei vergessen wir dann ganz, daß "unsere" Wahrheit, die
Notwendigkeit "unserer" Begriffsbestimmungen i]:u:en Wert nur inn,erhalb der frei
angenomnienen Beschränkung hat, daß daneben in einem anderen Mensche~ völlig
entgegengesetzte Wirkungen ihren ebenso notwendigen Ausdruck finden können. Also:

80 "
Um die Überfülle des Lebens zu bewältigen, um leben zu können, ist Vermenschlichung
notwendig, Anpassung der Erscheinungen an unseren Geist. Nur so kann, seine
Gesetzmäßigkeit sich in ihnen finden, nur so das Leben "verständlich" sein.
Jahrhunderte hindurch blieb die Musik ein hilfloses Stammeln, ein erfolgloses
Suchen nach innerer Gesetzmäßigkeit. Die natürlichen Erscheinungen des T onreiches
wurden als solche hingenommen, ohne daß man außer der äußerlichen Systematisi~rung
in den Kirchentonarten eine Gesetzmäßigkeit des Materials fand. Im Gegenteil: es
wurde immer klarer, daß gerade der Reichtum dieses Materials in seinen Erscheinungen
fortwährend Widersprüche hervorrief. Man kam zu keinen schematischen Formulie. .
rungen und folgte lange Zeit blind den Schemata der Sprache. Die Abhängigkeit
ging so weit, daß z. B. in der Neumenmusik der Rhythmus in absoluter
Abhängigkeit vom Worte blieb und dieselbe jeder metrischen Zeichen entbehrte.
Als nach jahrhundertelanger Praxis und immer schärferem Eindringen in das
Wesen der Töne das Hemmende dieses .4ustandes unerträglich wurde (inzwischen
war das architektonische Elementarmittel der Musik, die Imitation, in- Kontra. .
punkt und Kanon fast bis zum Selbstzweck erhoben worden), gelang endlich
jener Prozeß, zu dem die bedeutendsten Köpfe immer hingedrängt-hatten: Werk. .
meister steHte seine" Temperierte Stimmung" auf, in dem er zwölf mögliche
'Grundtöne festsetzte, deren Statuierung eben" Temperierun,g'l der natürlichen Klang. .
verhältnisse bedeutete, und ' ermöglichte so Rameaus geniale Formulierung, daß aUe
Zusammenklänge der Musik auf zwei Grundtypen, den Dur.... und Mollakkord,
zurückzuführen seien. Damit waren mit einem Male rein musikalische Schemata
möglich geworden, alle gestaltenden Momente in die Musik selbst verlegt und die
innerlichen Schwerpunkte gegeben, die die weiteren Gebilde nur als abweichende
Formen erscheinen ließen. '
Jetzt hatte die Musik ihre eigentlichen Kräfte entdeckt, jetzt löste sie skh vom
Worte; ihr e Schemata lagen vor ihr, und ihren Gesetzen konnte sie folgen. ,D as
war aber nur durch das Tonalitätsprinzip möglich geworden, das selbst wiederum
auf der Temperierung beruhte; so mußte die Hochblüte des Tonalitätsprinzips zu. .
gleich zur Krisis werden. Während die tonale Musik auf dem Harmonischen nißt
und ihre große' monophone Entwicklungsepoche - in der sie ihre Schemata aus. .
bildete - als horizontale Darlegung der Harmonie. . Intervalle zu verstehen ist (wir
können verfolgen, wie der Septimenschritt, die verminderten Intervalle, die None u. s. w.
Melodiebestandteile wurden, parallel mit dem Seßhaftwerden der entsprechenden
Akkorde im Harmoni-enetz), sehen wir die modernen Künstler mehr und mehr
da anknüpfen, wo nach Bach ein Stillstand eintrat, und der Begriff des Harmoni. .
sehen als Vertikalresultat gleichzpitig selbständiger Stimmen verstanden -wurde • .. ,
Mit diesem Wieder. . in. . den. . Vordergrund . . treten des Kontrapunktischen wird von
Neuem zu Problemen, was durch die Tonalität ausgeschaltet worden war,:
Denn sowie das Harmonische aufhört, Grundlage und Ausgangspunkt zu sein
und zum Vertikalresultat horizontaler Stimmbewegung wird, beginnen " eine.. Un...
menge feiner Differenzierungen, die durch keine Enharmonik hinwegzusclunelzen
sind. Jetzt fordert die Logik der Einzelstimme Unterscheidungen, die· den .R ahmen
derTonalität durchbrechen, und so stehen wir vor der neuen Frage: müssen wir nicht
mit der Tonalität alles aufgeben, was nur durch sie möglich ,w urde? Müssen wir
nicht in ein Chaos zurückfallen ähnlich dem durch sie überwundenen, und soll
quälerisc~ erfolgloses Suchen ein zweites Mal Epochen ' der Musik - kennzeichnen?

81
Dazu kommt, daß der aus innerer Notwendigkeit mit den Beschränkungen des
Tonalitätsprinzips kontrastierende Künstler bald für alle Zusammenklänge Existenz...·
recht fordern muß, deren Logik ihm Erlebnis ist. Daß durch diese Erweiterung die
Begriffe der Tonalitätsdissonanz und ..Konsonanz ihren einschränkend ~rdnenden
Sinn verlieren, und so die unbegrenzte Fülle der natürlichen Ersdteinungen von
neuem vor den Musiker tritt und Bewältigung verlangt.
Wir müssen klar sehen, daß dies die Folge wird, wenn sich die Forderung
immer elementarer einstellt, die Ketten der Tonalität abzuwerfen: das hieße dann
Aufgeben der Temperierung und aller Schemata, die den Wunderbau der modernen
' Musik ermöglicht.e n; denn wenn die zentralisierende Kraft der T on3:lität nicht mehr
vorhanden ist, kann selbst das wiederkehrende Analogon als elementarstes Bau. . .
mittel nicht mehr funktionieren, und muß sein Leben wiederum nur in den von
jeder Einschränkung unabhängigen Imitationsformen fristen.
c c

KONSONANZ UND DISSONANZ


Von Rudolf Reti, Wien
Eine Termi;nologie, die nie richtig war, heute aber fast schädlich wirkt. Indem sie
eine scheinbare Klarheit schafft, lullt sie den V erst~nd ein und macht das Ohr des
angehenden Musikjüngers gerade dort träge, wo scharf hinzuhorchen er sich just
heute alle Mühe geben müßte.
Als "Konsonanzen" galten bisher vor allem die ersten Obertöne, also die Oktave,
Quint und (große) Terz und deren Umkehrungen, Quart und (kleine) Sext. Die
letzteren wirken freilich nur bedingungsweise, nämlich eben als Umkehrungen,
konsonierend, die Quart im Dreiklang oder Sextakkord, die Sext gewöhnlich im
Sextakkord, wogegen die Quart im Quartsextakkord meist als eigentliche Quart,
das hieße als Dis s 0 na n z und Vorhalt vor der Terz gebraucht wird, ähnlich die
Sext zuweilen im Sex~akkord als Vorhalt vor der Quint, in die sie sich dann auch
auflösen. (Die Auflösung einer Konsonanz hätte wohl keinen Sinn.) .Außer den eben
angeführten Intervallen empfinden wir aber auch noch die kleine oder Mollterz als
d.urchaus konsonierend. (Wie diese .scheinbare Anomalie zu erklären ist, bleibe hier
unerörtert. Riemann hat sie mit der Theorie der sogenannten Untertöne zu erklären
versucht, worin ich ihm aber nicht beipflichten kann.) Die bisherige Klassifizierung
also zusarnmengefaßt: Konsonanzen sind · die drei ersten Obertöne, Oktave, Quint
und Terz mit ihren Umkehrungen, Quart und Sext, die Terz .(und daher auch die
Sext) überdies in ihrer doppelten Gestalt, als Dur.. und Mollterz. Woraus sich, da
auch in der . Mehrstimmigkeit alle Intervalle als auf den tiefsten, entweder wirklich
vorhandenen oder theoretisch supponierten Ton, den Grundton, bezogen empfunden
werden, im Wesen nur ein konsonierender Akkord etgibt, nämlich der Dreiklang
(Dur oder Moll), die Zusammenfassung von Quint und Terz, respektive seine
Umkehrungen Sext. . . und Quartsextakkord. Die~e letzteren freilich, ganz wie bei der
Zweistimmigkeit, nur dann, wenn sie eben als Dreiklangsumkehrungen gebraucht
werden; was übrigens speziell beim Quartsextakkord in der Regel nicht und meist
nur im Durchgang der Fall ist, während er seiner häufigsten Anwendung nach, in
der Schlußkadenz, als Dissonanz, nämlich als Doppe1vorhalt vor der fünften Stufe,

82
I
in die er sich auflöst, erscheint. Alle andern Akkorde, also schon die normalen
Sept... und Nonakkor~e samt allen ihren Umkehrungen, dann die verminderten,
übermäßigen, alterierten, schließlich selbstverständlich alle "freienlt Akkorde der
modernen Musik werden samt und sonders in den einen Topf der Dissonanzen geworfen.
Was tut also die bisherige Terminologie? Sie stellt einen, wie ich zugebe, nicht
gerade willkürlich gewählten, aber völlig unangebrachten, die Tatsachen verwirrenden
Grenzschnitt her, der in selbstherrlicher Art die Engeln auf der einen Seite von den
gleichmäßig finsteren Teufeln auf der anderen scheidet. Nach ihr gäbe es, und das
vor allem empfinde ich heute als nicht ungefihrlichen Mangel, keinen Wertunterschied
zwischen den vielen als Dissonanz erklärten Klängen. Ein Dominantseptakkord und
ein schwerer Akkord aus der Salome, sie beide gehörten in ein und dasselbe Register.
In Wahrheit gibt es an Intervallen, die den Namen der Konsonanz schlechtweg im
theoretisch idealsten Sinne verdienen würden, nur ein einziges, nämlich die Prim.
Natürlich wirken dann ausnehmend konsonierend noch die Oktave, Quint und. die
beiden Terzen. Nun käme als nächster Oberton die Sept an die Reihe, und jetzt
allerdings macht sich ein Phänomen geltend, demzufolge jener Grenzschnitt immerhin
nicht willkürlich gewählt erscheint. Im Stil der klassischen Musik nämlich waren
die bisherigen Intervalle die einzigen, die Schlußfähigkeit hatten, mit denen man ein
Stück beenden konnte. (Ursprünglich auch Anfangsfähigkeit, was sich aber bald
gab, so beginnt ja bereits Beethovens I. Symphonie mit einem Septakkord.) Es wäre
daher vielleicht auchh~utenichtunangebracht, die besonders starke Konsonanzwirkung
dieser Intervalle in der Terminologie, etwa durch die Bezeichnung "vollkommen
konsonierend lt zum Ausdruck zu bringen, da ja das, was aus alter Zeit in Büchern
fortgeschleppt, bisher als vollkommene und unvollkommene Konsonanz noch gesondert
zu werden pflegt, vom Ohre ohnehin als Unterschied heute kaum empfunden wird
und daher besser wegfallen würde. Jene SchlußfihigkeIt ist aber auch der einzig
nachwirkende Rest, der - und zwar nicht bloß heute, sondern bireits in der spät...
klassischen Epoche (Chopin, Wagner, Liszt, Wolf) - die Quint und Terz von den
ihr folgenden Intervallen der Sept und None scheidet. AU; anderen für diese letzteren
in früherer Zeit noch geltenden Behinderungsvorschriften, wie Vorbereitung und
Auflösung - und sie verliehen jenen Intervallen erst den eigentlichen Dissonanz . .
charakter - kominen allmählich in Wegfall, der Septakkord samt seinen Umkehrungen,
schließlich aber sogar der Nonakkord wurden immer mehr die normale Form der
Darstellung der Harmonien, der "StufenlI. Eine Entwicklung, die sich in neuerer
Zeit immer kräftiger fortsetzt.
Endfolgerung: konsonierend und dissonierend sind Au.sdrücke, die
in richtiger Anwendung nur zur Bezeichnung einer graduelh:n
Abstufung gebraucht werden dürften, wie etwa für das gegenständliche
Gebiet Worte wie klein, ,groß, viel, wenig, herb, mild. Und ebenso ridikül, es dort
zu sagen, wäre eins, zwei, drei is;t wenig, von vier ab aber ist alles viel, ebenso
unsinnig ist es, gerade von der Sept ab alle Erscheinungen unter den einen Sammel...
. begriff der Dissonanz zu subsumieren. Richtig muß es daher nicht heißen: die Sept
i8 t Dis so nanz, so nd ern: sie is t dis so niere nder als Quin t un d T er z, ko n ...
~onierender als None. Und die Worte Konsonanz und Dissonanz selbst könnten
folgerichtig nur als Gradmesser einer irgendeinem Klange innewohnenden besonderen
Substanz angewendet werden, ähnlich wie etwa die Worte Herbheit und Milde.
[J 0

83
F R A , G 1\1 E N T
Von Dr. Fritz Stiedry, Berlin
Unsere' Opernbühne krankt an Dürre nicht nur der Produktion, sondern au~
der Reproduktion. Mit dem einen muß man sich abfinden. Das zweite bleibt ver ..
wunderlich. Pausen der Schöpferkraft werden sonst ausgefüllt durch Bewußtsein
und Freude des Besitzes. Davon merkt man nichts. Festgestellt sei, nicht selten,
Talent und guter Wille, zugestanden, hie und da Gelingen einer Improvisation.
Allgemeine Steuerlosigkeit und Vergeudung im Experiment sind Tatsachen. Es
fehlt an gestaltender Umfassung, sei es durch lebendiges Beispiel, sei es durch
systematisch vorgetragene Gedanken, das ist grundlegende Dramaturgie der Opern..
aufführung. Das Buch (nicht von mir zu schreiben) muß fußen auf dem Boden
einer bisher noch nicht oder unzureichend geleisteten metaphysisch..ästhetischen
Untersuchung über das Wesen der Musik, der Opernmusik im besonderen.-
Hiezu, wahllos zerstreute Bemerkungen.
c
Auseinand~rsetzung mit Wagner und Nietzsche. Wagners Grundsätze als An..
regvngen werten: "Gesamt..KunstwerkU (mit Respekt) ablehnen; zeigen, inwiefern
diese Ide~n erstens mißverständlich fundiert, zweitens ~inzig auf das eigene Werk
(mit Maß) anwendbar erscheinen. Hinweis auf weniger berühmte Schriften (Goethe.-
Stiftung, über Musiksc~ule, Schauspieler und Sänger. • • ete. Schöner Gedanke _des
"Originaltheaters u • Höchst beherzigenswerte Worte in allen pädagogischen Fragen.
Nicht einer seiner Ratschläge b.efolgt, die wenigsten seiner Anregungen haben
gefruchtet. Jämmerlicher Stand der heutigen Opernbühne ; als hätte der geniale
Schriftsteller nie gelebt und gesprochen. - - Auch bei Nie tz s ehe, nach geziemender
Verbeugung vor dem revolutionierenden Erstlingswerk, Hervorheben der wenig
bekannten Skizzen, Entwürfe, Erweiterungen der drei Nachlaßbände zum selben Stoffe.
Hier muß der Autor unmittelbar anschließen. Genialste Intuition. Wagner der-erste
Erzieher des musikalischen Darstellers, Nietzsehe Vollender seiner Ausbildung.
e
Die drei Arten der Opernmusik ; vom Darsteller sehr bewußt zu trennen, Musik
als Nachahmung (oder Dekoration); als Assoziation; als Kosmos. - Zwischen den
drei Arten feinste Übergänge, die vor Probleme stellen, am merkwürdigsten von
der dritten zur ersten Art: wahrscheinlich die Stellung des Tanzes. - Der erste
und zweite Fall an sich klar. Doch muß man sich hüten, den Streit von ehedem, die
abgewaschene Ästhetik von anno dazumal über Programm..Musik aufzuwärmen: unsere
Unterscheidung hat nichts damit zu tun. Es handelt sich um Opern.., das ist um
darzustellende Musik, um Wechselbeziehung zwischen Bewegung~ Gebärde etc. einer..
seits, Rhythmus, Melodie,. Dynamik, Harmonie etc. anderseits. Desgleichen die kosmisch
genannte Musik, keineswegs identisch mit der sogenannten absoluten Musik. , Die
Begriffe, nach verschiedenen Kategorien gebildet, kreuzen sich. ~ Im übrigen über
diese Gedankengänge ein ganzes Buch möglich.
e
Es erhebt sich die Frage: Ist Musik, die weder nachahmt (rhythmisch, akustisch),
noch durch Assoziation verdeutlicht, darstellbar? Man hat es versucht - Hellerau,
diese Versuche sind nützlich, löblich, empfehlenswert, doch kirnen über Tanz und

84
Reigen nicht hinaus. Der Mimus dagegen ist - dies hat Nietzsche unwiderleglich
dargetan - nicht ursprungs.- oder wesensverschieden von Tanz und seiner Dionysik.
Daher die zweite Frage ins Zentrum der Untersuchung führend! Sind Gestalten,
.Menschen und ihre Schicksale mit den letztgenannten Mitteln darstellbar? Ist der
Mimus mit dem Geist der Musik zu :vereinen? Der Mimus, aus dem Tanze
gewachsen, ihm entwachsen, scheint er nIcht einzig der Tragödie bestimmt?
(Nietzsche.) So da~ Problem. Sehr kluge Männer sehen keinen Weg, .nennen die Oper
(logisch) ein ·unmögliches Kunstwerk, in sich widerspruchsvoll (Bie). Haben sie Recht?
Oder gibt es zweierlei Formen der Gebärde! den schauspiele~ischen Mimus und •••• ?
. [J

Schopenhauer sieht - bekanntlich - in der Musik die höchste der Platonischen


Ideen, zunächstkommend dem: hinterweltlichen Aussieh der Dinge. Dieses Axiom
vorausgesetzt, ""\Vas kann rätselhafter sein, als Melodie? Was problematischer, als ihre
Darstellung? Melodie, nicht etwa traurig oder heiter, melancholisch oder leidenschaft...
lieh, sondern im Munde eines Grafen oder Gottes, eines Kammermädchens, einer
Walküre, handlungbestimmend, schicksalgebend ; die höchste Stufe der Objektivation
des Wil1ens erniedrigt in den Pfuhl der Erscheinungen! Dies freilich eine ."Unmög...
lichkeit ll , hinkende Schiefheit. Deshalb Schauspielertum, Schauspielregie, Schauspiel...
dekoration auf der Opernbühne, wie jede Art naturalistischen "Lebens", bösartiges
Mißverständnis. - Die Lösung heißt: Darstellung des Rät se Is dur c h.da s Rät s e 1-
das Rätsel der Unwirklichkeit, wenn man will, Unwahrheit, der Vieldeutigkeit (für
den Kundigen: des intellegiblen Charakters).
D
Die. Musik: Mittel der Berauschung (das Narkotikon); ihm ist jede;rmann, ohne
Ausnahme untertan; sie hat zwiefache FUnktion: erstens Mit tel, zweitens Z i el
der wissenden Trunkenheit. Die Konsequenz dieser Formulierung: Mus i·k al i s ehe
Rezeptivität erscheint ausgewählt und bleibt angeboren, doch Fähigkeit der Be...
rauschung durch Musik ist jedem Menschen gegeben, steckt in jedes Menschen
Nerv, '· k ann demnach Gegenstand der Ste~gerung und psychischen wie physiologi...
sehen Ausbildung sein. Der · Autor fordere dezidiert: Regelrechte Erzieh ung ' zur
dionysischen Ekstase. Im hellsichtigen Dasein fallen Schleier von Rätseln und in er...
höhter Atmosphäre vollzieht sich die mystische Einswerdung des Trias Mensch
(Welt), Schicksal (Wille), Musik (Kunst, platonische Idee) . ' .' • Der Banause lächelt.
e
Musik als Mittel und Ziel - eine wenig beachtete, folgenschwere Unterscheidung;
Nietzsche deutet, nicht sonderlich präzise, auf sie von ferne hin (Nachlaß; Beispiel
. Schopenhauer: Norma von Bellini). Als Mittel des Rausches genügt durchaus
primitive, schlechte Nichtmehr...Musik; sie hat mit Kunst nichts zu tun. Merkwürdig
aber, daß sie zu sich selbst hinführen, daß also Unkunst Brücke zur Kunst bilden
ka~n - unbeschadet der umgekehrten Möglichkeit, das Z i e I als ~ i t tel zu
gebrauchen; bei musikalischen Temperamenten von unfehlbarer Wirkung. Die
Folgen dieser Gedanken auf die "Praxis u liegen am Tage. Doch die Konsequenzen
der Zweiteilung reichen tiefer. Man gelangt zum Beispiel, zur sonderbaren Antithese:
Musik als Sünde, Musik als das Heilige~ Fäden von einem zum anderen. Gefahr der
Verwechselung (Tolstoi ist ihr nicht entgangen, aber hat den Unterschied wohl gefühlt;
siehe ferner Baudelaire). Selbst hier Synthese möglich und nie ohne Beziehung zur'Ver ..
wirklichung auf der Bühne. Auch darüber . ein Buch möglich... Der Banause lächelt.
D
85
Dem Lächler als Lehre: Dionysik muß nicht Tollheit, Ekstase nicht Taumel
zeugen. Einziges Ziel: außer sich und der Welt sein. Hinaustritt in das Jenseits
kann über und unter die Schwelle der Erkenntnisfähigkeit erfolgen, in stärkste
Helle wie in tiefste Finsternis des Bewußtseins. Übrigens hat gewohnheitsmäßige
Erzeugung ekstatischer Gegenstände ihr Vor... und Gegenbild im alten Indien, wo
bekannte Rezepte über Weltabkehr und Eingehen ins Nirwana seit Jahrtausenden ver...
ordnet und befolgt werden. - Ekstase heißt demnach Wissen vom Jenseits. Der
Weg ist vielfältig und keineswegs- auf Musik (oder andere Narkotika) beschränkt.
Wege sind der Eros, der Heilige, das Genie u. s. f.•.. Auch die Erörterung dieser
Begriffe führt nicht in Wolkenkuckucksheime, vielmehr zu durchaus realen Möglich...
keiten; gerade hier sind die eigenartigsten Verwandlungen denkbar (durch das
Band der Musik): komplizierte Gedankenfolgen.
o
Zur Beruhigung (des Lächlers): Mit dem Narkotismus ist nur der physische
Grund gelegt. Letzte körperliche und mimische Ausbildung bleibt selbstverständ...
liehe Forderung. Leisten hiezu' auch Dalkrozes Ideen und Methoden als Mittel der
Vorbereitung schätzenswerte Dienste, das Zentrum der Erz.iehung liegt wo anders
als gebräuchlich: im Felde der objektiven Welt und die Unerschöpflichkeit ihres
' stu mmen Ausdrucks. Man studiere, wie der Berggipfel in den Himmel wächst,
. das welke Blatt fallt, die Fahne flattert; Wolken im Sturm, Schweben der Vögel,
Linien der Tier ...Affekte (Bäumen des Pferdes, den gezüchtigten Hund) etc.••. 'Die
Mühe dieses Studiums wird schönste Früchte tragen, nicht nur im gewonnenen
Reichtum an Symbolen vo innerster Natürlichkeit, sondern auch durch den Besitz
einer wurzelliaften Technik, die alles Stilistisehe hinter sich läßt. Überhaupt:
Negation jeglichen "Stils": Forderung der Stillosigkeit in höherem Sinne. Auch
Vorschläge zur Errichtung und Einrilhtung von Darstellungsschulen.
o
Kapitel über Abstumpfung. Wir leben leider in ihrem Zeitalter. . Nichts beweist
mehr den physiologischen Narkotismus der Musik als ihre Versklavung diesem
Phänomen gegenüber. - Hier die Gefahr, der Einwand. - Man muß alles daran
setzen, von vorne anzufangen, gleichsam mit kleinen Dosen. - Die Dosierung das
Amt des Kapellmeisters. - Nebenbei: AbstumpfuIjlg unfehlbares Zeichen der Dekadenz,
ihr Grad geradezu Maß der Kultur.
CI
Zur Verdeutlichung: Der Schauspieler Skulptor der eigenen Seele; sein Mit~us
des Menschen. Er gibt die Welt als Menschenschicksal, der Sänger das Menschen...
schicksal als Welt. Die beiden Erscheinungen ' haben nichts ge~ein, sondern seine
Gegensätze. Sonderbar, daß der Dramatisierung der Oper (Wagner) in den letzten
Jahrzehnten nun die Umkehrung folgt, der Expressionismus, die Veroperung des
Dramas. Eines so mißverständlich wie das andere - doch symptomatisch für den
"gout de l'infini ll (Baudelaire), für Rätselbewußtsein, Religionssucht•.•••
o
Ich kannte einen einzigen, der das skizzierte Ideal erfüllte. Es ziemt zu nennen:
Kar! Perron, ein Künstler von prophetischer Hellsichtigkeit der Gebärde, war der Mittler
unvergeßlicher Erlebnisse. T öiichte We1t, die sich des seltenen Mannes, der einsam
im Frankenwalde der Gartenzucht lebt, nicht als verbindlichen Lehrers versichert.
CI CI

86
REFORM DES lVIUSIKUNTERRICHTES
Von Dr. Bernhard P aumgartner, Salzburg

II

Ausbildungsunterricht
(F ortsetzung)
Ist durch einen universellen, auf vokaler Einstellung beruhenden Elementar...
unterricht einmal eine feste Grundlage geschaffen, so wird die höhere technische
und geistige Ausbildung Lehrern und Schülern weit weniger Schwierigkeiten be...
reiten. Der Ausbildungsunterricht führe den Schüler nicht nur in dem engen
Wirkungskreise seines Instrumentes zur Reife, sondern bringe ihn in eine wahre,
vertiefte Bezie4ung zu seiner Kunst und über sie hinweg zu den anderen Künsten,
deren innerer 'Kern ja doch derselbe ist; er erziehe freie, weitblickende, universelle
Künstler und Menschen. Nur dann kann der bedauerlicherweise noch recht all...
gemeine Bildungstiefstand unter den Berufsmusikern wirksam auf eine höhere
Ebene ' gebracht werden, nur so kann jenes entsetzliche Handwerkertum unter so
vielen, das die Kunstausübung zu einer rein manuellen Arbeit degradiert, wenigstens
auf die aHerniederste Musikantengruppe beschränkt werden. Tausende können
wirkliche Erhebung und Befriedigung aus ihrem Berufe schöpfen, auch wenn sie
ihm in dienender Stellung angehören; jeder Orchestermusiker würde sich ohne
Aufhören von selbst als Teil des großen Kunstvollbringens fühlen, nicht bloß unter
der augenblicklichen Suggestion 'rines bedeutenden Dirigenten, die mit dem letzten
Schlag des T acktstockes ihr Ende erreicht hat. ,
Unsere Konservatorien sind zur Vermittlung allgemeiner, über das rein musikali...
sche hinausreichender Bildungsmittel leider recht lückenhaft eingerichtet: anspruchs ...
vollere Schüler sind gezwungen, nebenbei eine Mittel... oder Hochschule zu besuchen,
um sich jene Werte zu verschaffen, die man einmal" im Lebenskreise der Gesell.. -
schaft, noch mehr der geistigen Künstlerschaft braucht. Wie viel Zeit, Mühe und
Arbeit geht dabei verloren, wieviel unnötige Dinge muß der zukünftige Berufs...
musiker in den Mittelschulen mit heißem Fleiße und Überwindung verdauen, die
wirklich wertlos für sein späteres Leben sind. Anderseits ,weist der Lehrplan dieser
Lehranstalten fühlbare Lücken, namentlich für den Bildungsga11-g künstlerisch und
menschlich zu orientierender Menschen auf: zu wenig oder parteiliche Literatur ...
geschichte, "von Kunstgeschichte kau~ eine Spur, ebensowenig Kulturgeschichte oder
Bürgerkunde u. s. w. Der Widerstand, den so viele Mittelschullehrer selbständigen
geistigen, namentlich künstlerischen Bestrebungen einzelner Schüler entgegensetzen,
ist außerdem ein schweres Hemmnis für die Entwicklung der jungen Leute, der
für sie in späteren Jahren besonders fühlbar wird. Die Eltern stehen bei diesem
Widerstreit "meist auf Seite der "praktischen" Schule und schaffen so schwere Kan...
flikte zum Schaden ihrer Kinder. Daß diese "was Ordentliches lernen sollen" - wie
es immer heißt - ist natürlich ganz berechtigt, aper dies sollte eben in den
größeren Konservatorien, selbst, namentlich in den musikpädagogischen Staats...
anstalten gelehrt werden, die verpflichtet wären, ihre Berufsschüler mit allen jenen Kennt...
nissen allgemeiner Bildung auszustatten, die auch die Mittelschulen vermitteln. Natürlich
mit entsprechender, dem eigentlichen Berufsstudium streng angepaßter Auswahl, mit

.87
Auslassung jedes unnötigen Ballastes und besonderer Berücksichtigung aller kultur...
ellen, geistigen und künstleri~chen F.ächer. Auf diese Weise wäre eine bedeutende
Vereinfachung und Verbesserung der Bildungsarbeit erreicht und viel Zeit gewonnen,
die sich künstlerisch und technisch aufs: beste verwerten ließe.
Von leistungsfähiger privater oder besser staadicher Seite, namentlich in unserem
armen Lande, das immerhin Unerschöpfliches an künstlerischem Exporte zu leisten
imstande ist, sollte auch einer weiteren wichtigen Frage nähergetreten werden: der
Errichtung moderner, musikalischer Internate. Die uralte, zunftmäßige Organisation,
Zusammenleben von Meistern und Schülern, wie sie in den deutschen Stadt...
pfeifereien, in den venezianischen Ospedalettis, in den alten Konservatorien, bei
den Sängerknaben und den alten Musikschulen der Klöster und Stifte bestand,. hat
zweifellos ihre eminent praktischen Seiten: außerbrdent~iche Vertiefung in das
Technische und Betriebsmäßige des Faches, Hebung des Standesbewußtseins und der
Kollegialitätt gegenseitige Hilfe und Unterstützung auch für spätere Zeiten. Solche
Internate dürften nur die Aller begabtesten, womöglich ohne. Entgelt, aufnehmen und
sollten mit allen neuzeitlichen pädagogischen Hilfsmitteln ausgestattet sein, freie
, Künstler und freie Menschen zu erziehen, wirkliche Meister ihres Faches im guten alten
Sinne. Nebenbei: so viel freie Luft als nur möglich, Wanderungen, Spiel und
Sport, Sonne, Erziehung zur freudigen Arbeit mit offenem Auge, Lust an Licht
und Leben, weitestgehende Individualisierung und vernunftgemäße Pflichtein teilung,
Vermeidung jeder geistigen Uniformierung, Freundschaft und wirkliches Zusammen...
leben zwischen Lehrern und Schülern. So könnte vielleicht Außerordentliches er...
reicht werden.
Das rein Technische und spezifisch Musikalische des Ausbildungsunterrichtes
bedürfte mindestens einer ebenso gründlichen Reform und Ausgestaltung wie der
Elementarunterricht. Auch den schon reiferen Schüler beherrscht heute allzusehr
das rein Mechanistische auf Kosten der vokalen, geistigen Einstellung zum Kunst...
werke. Gut neunzig Prozent der Klavierschüler ·spielen etwa Beethovens Sonaten
rein nach den äußerlichen Vortragszeichen, einmal schnell, einmal langsam, stark
oder schwach, genau nach Anweisung, ohne auch nur eine leise Ahnung von den
wunderbaren psychologischen und künstlerischen Bedingungen einer Sonate, dem
tiefen Sinn der Themenkontrastierung, Durchführung, Reprisen und Codas etc.
zu haben" Mit ein wenig Formenlehre und der Aufzählung von Hauptthema,. Seiten . .
thema, Repetitition und anderen Selbstverständlichkeiten ist es natürlich noch lange
nicht getan. Wie wenigen .u nserer Lehrer ist es jedoch gegönnt, dem Schüler
tiefere Einblicke in den Wunderbau der Sonatenschöpfungen eines Mozart, Beet...
hoven oder Brahms zu eröffnen, woran der junge. Adept nicht nur praktische
Harmonie... und Formenlehre studieren, sondern ein wahres Evangelium finden soll,
das ihm durch alle Zweifel und Irrwege des künstlerischen Lebens leite . . Aber die
meisten Pädagogen reden daran herum oder vorbei, und wo die Begriffe fehlen, da
stellt sich in der Musik unfehlbar das "Programm" ein, jene abscheuliche Notbrücke,
die, hochstapelnd, statt in die Werkstätte der Genies zu führen, in der kleinbürger...
lichen Rumpelkammer der Geistessphäre dessen ihr Ende hat, der sie sich für den
"praktischen Gebrauch" zurecht zimmerte. Nie ist ärgerer Mißbrauch mit den
Meisterwerken unserer Klassiker getrieben worden, als in jenem allbekannten und
benützten "Führer durch den Konzertsaal 44 , pem Vademecum der Rezensenten und
derer, die über ,Musik reden wollen; und die flammenden Worte die unser·

88
hervorragender österreichischer Theoretiker Dr. Heinrich Schenker immer wieder
gegen ' jenes verfängliche "Hermeneutentum findet, muß ich Punkt. für Punkt unter"
ll

schreiben. Wer die außerordentlich tiefschürfenden Werke dieses noch immer zu


wenig gewürdigten M<!nnes, seine "Musikalischen Theorien und Phantasien", seine
wundervollen, wenn auch stark polemischen Erläuterungen zu' Beethovens "Neunter"
und den letzten Klaviersonaten und zu Bachs "Chromatischer Phantasie U wirklich
studiert hat, der wird verstehen, wie ich mir ein ideales, ganz spezifisch aufs
Musikalische gestellte Eindringen in die Kunstwelt unserer Meister, wie es jeder
Lehrer seinen Schülern bieten soHte, ungefähr vorstelle.
Hier komme ich dazu, den Finger auf eine andere Wunde zu legen: die Studien..
ausgaben unserer Klassiker. Wie wenig Liebevolles, Brauchbares, Originaltreues ist
da darunter, um wie viel mehr/ der schreiende persönliche Ehrgeiz der einzelnen
Herausgeber, die Meister angeblich zu verbessern, neue Nuancen, Tempi, Ritardandi
und Fingersätze zu erfinden und den ahnungslose.il Leser zu überzeugen, daß Bach
oder Beethoven nur in dieser oder jener Auffassung zu spielen sei, während für
Bach und Beethoven doch nur eine einzige Auffassung möglich ist, eben die Bachs
und Beethovens. Kommt solch ein tyrannischer Herausgeber an eine prominente
Stellung in einer Musikschule, so müssen sich naturgemäß ganze Schülergenerationen
seine "Ausgaben und Auffassungen" zu eigen machen und dafür büßen. Gute,
.wirklich moderne, der praktischen Er~ahrung entsprungene Arbeiten kommen dann
umso weniger zu Worte, je mehr sich Klüngel, Selbstgefalligkeit und Stuben..
gelahrtheit breit machen.
Überhaupt der Weihrauch! Die ängstliche Behütung und Selbstabsperrung der
Person des "Meisters" von seinen Schülern, allzuoft nur der Deckmantel f11r allerlei .
Unsicherheit, die unsere findige Jugend ja 40ch häufig durchschaut und dann ver ..
schlossen, zweifelnd und unsicher wird. Wie nötig ist ~ie Erkenntnis, daß auch
der Lehrer von den Schülern lernen und empfangen kanq, und daß nur offene und
verschwenderische Mitteilung der Persönlichkeit, falls diese etwas bedeutet, die
fruchtbringende Resonanz in den Herzen der Horchenden auslöst.
Der Lehrer lasse den Schüler an seinem Wirken und Schaffen teilhaben, er
quäle ihn nur nicht mit rein persönlichen Angelegnhei.ten. An den Konservatorien
. ist reichlich Gelegenheit zu praktischer Berufstätigkeit im Zusammenwirken mit
dem Lehrer gegeben. Wie in den Lehrerbildungsanstalten die Übungsschulen, wo
die jungen Lehramtskandidaten unterrichten, zu den besten und sorgsamsten Er..
ziehungsstätten für die Kinder zählen, so muß die Ubungsschule in den Konserva..
torien, die einen Ausbildungskurs für Musiklehrer besitzen, die vorbildliche Ein..
richtung des Institutes werden.
Hier kann noch vieles durch verständige Unterweisung und Führung gutgemacht
werden, was verderblich für späterhin geworden wäre, wenn der junge Lehrer auf
sich selbst angewiesen ist. Teilnahme an allen Chor.., Kammermusik.. und Orchester..
übungen und an den Proben und Aufführungen der Opernschule - nicht blas auf
dem Papiere - ist unerläßlich, schon der Universalität ' und Erfahrung in ·den
Grenzgebieten seines Berufes wegen, die ein guter Lehrer unbedingt besitzen muß.
Daß der Lehrplän eines Lehrerbildungskurses natürlich mit besonderer Sorgfalt
ausgearbeitet sein muß, halte ich wohl für selbstverständlich. Hier muß ein weises
Verhältnis zwischen dem notwendigen Maß an Theorie und der so wichtigen
praktischen Vorbildung gefunden werden, auch darf das rein Technische im Haupt..

89
fache keinesfalIs zurückgestellt bleiben. Zum Reifezeugnis genüge nicht allein die
sogenannte "Probelektion" bei der Schlußprüfung : einjährige erfolgreiche Betätigung
in der 'Übungsschule nach längerem Hospitieren, auch auf elementartheoretischen
Gebiete mit besonderer Pflege der "vokalen" musikalischen Einstellung ist wohl
der mindeste praktische Befähigungsnachweis,
Die so beliebte und mit fast frivoler Leichtigkeit abzulegende "Staatsprüfung in
Musik~~ gehört zu den schädlichsten Einrichtungen unserer offiziellen Kunstbeauf. .
sichtigung. Die Anforderungen an die Kandidaten, die sich nach dieser Prüfung als
"staatlich geprüfte und autorisierte Musiklehrer~~ betrachten dürfen, sind lächerlich
gering: Im Hauptfache kaum die Anforderung der ersten Ausbildungsklassen irgend...
eines höheren ~onservatoriums, erstaunlich wenig Harmonielehre, ein bißchen Musik...
. geschichte, eventuell i"allgemeine Bildung", etwas "theoretische Pädagogik", das ist
alles. Welcher der Prüfungskommissäre, die das Zeugnis mit ihrer Unterschrift
bekräftigen, konnte sich die Überzeugung verschaffen, daß solch ein ohnehin mangel...
haft vorgebildeter Kandidat irgendeine Befihigung zur praktischen Unterrichts. .
erteilung besitzt? Wieviel Unheil kann dagegen der also Graduierte noch anrichten!
Der Ruf nach einer durchgreifenden Reform der musikalischen Staatsprüfungen ist
daher, namentlich in den berufenen pädagogischen Kreisen, ein sehr dringender
geworden; es bliebe nur zu hoffen, daß unsere Unterrichtsverw:aItung sich dieser
brennenden Frage möglichst bald annehmen möge. Sollte die Einführung der "Ein . .
heitsschule" und der "Begabtenschulen" zur Tat werden, in welcher, wie ich höre,
dem Musikunterricht ein breiterer Raum eingeräumt werden soll, dann ist das
Problem der Heranziehung erlesener Musiklebrer auch für den Staat selbst ein ganz
.aktuelles geworden und in seine persönliche Interessensphäre gerückt. Die Aus. .
bildung von Musiklehrern in eigenen Seminaren, wo man den Studiengang und die
Eignung der Zöglinge durch Jahre genau beobachten kann, wie sie an der Wiener
Staatsakademie und am Salzburger Konservatorium "Mozarteum U eingerichtet sind,
ist jedenfalls bedeutend wertvoller als das Staatsprüfungssystem, wodurch das StudilJ1ll
völlig den privaten Entscheidungen des Schülers überlassen bleibt, sein Lehrgang
daher nicht überwacht werden kann, und eine zufällige Prüfung ein unverläßliches
Urteil spricht. .
Die Frage des m u si k th e 0 r eti s ch en U n te rr i ch tes erscheint mir gleichfalls
ein wichtiges Problem, dessen endgültige Lösung noch mancher gründlicher Vor. .
arbeiten bedürfte. Die überall gepflegte Methode des ge tr enn ten Unterrichtes in
Harmonielehre und Kontrapunkt, namentlich hei Schülern, welche nicht mit den
Anfangsgründen der Harmonielehre allein ihr Auslangen finden müssen, erscheint
mir umständlich und zu divergenten Zielen führend, die doch nur ein Ziel sein sollen.
Gute (kontrapunktisch richtige) Stimmführung erfordert auch die Harmonielehre
und ein kontrapunktischer Satz muß auch akkordisch richtig gedacht sein. Viele
Gesetze der Harmonielehre, beispielsweise die Lehre von der Umkehrung der
Akkorde, die Behandlung der sogenannten "harmoniefremden Töne", gewisse, vom
Melodischen abhängige, auf motivischer Verarbeitung beruhende Modulationen etc.
fußen auf kontrapunktischer Grundlage. Nur dann wird das Gefühl für die Auf. .
lösung dissonanter Akkorde (Gesetz der B ewe gun g durch die Dissonanz) und
für Akkordverbindungen ein richtiges und sicheres werden, wenn die Gesetze und
psychologischen Forderungen der Stimmenfortschreitung erkannt und durchdacht
sind. Es fehlt uns eben an dem richtigen Lehrbuch, das heide Disziplinen, deren

90
Trennung auch historisch kaum zu rechtfertigen ist, methodisch wieder zusammen..
faßt; etwa mit dem einfachen zweistimmigen Satze beginnend, beim dreistimmigen
Sa~ze die Lehre vom Dreiklang mitbehandelt, dessen Umkehrungsgesetze zugleich
mit der kontrapunktischen Umkehrung gelehrt werden m~ßten. In ähnlicher Weise
wäre das ganze System gleichmäßig und sparsam auszubauen. Der praktischen
Harmonielehre, Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse auf dem Instrument
(Klavier, Orgel, Streichquartett) namentlich auch im vokalen Zusammenklange,
der ganz andere Voraussetzungen als die willfährige instrumentale Maschine hat.
wäre besonderes Augenmerk zu widmen, namentlich in den Konservatorien, wo
Instrumentalisten und Schülerchor ständig zur Verfügung stehen. Für Ausbildungs..
schüler empfiehlt sich dringend, eingehendes, methodisches Studium der Formenlehre
und praktische Vorträge und Übungen in der Literatur ihres Instrumentes. In den
Vorträgen über Musikgeschichte sind mit Vermeidung jedes trockenen Zahlen..
ballastes die großen Beziehungen zu den gleichzeitigen kulturhistorischen Ent..
wicklungsphasen und zur Literatur.. und Kunstgeschichte nicht außer acht zu lassen.
Die "musizierenden Engel ll von Memling oder die frühlingsschöne Musikergruppe
aus de:rp. "Triumph" des Todes'· von Orcagna geben uns hellere Einblicke in die
Musikpflege früherer Zeiten als tausend Worte; die Kunst Palestrinas, Mozarts,
Beethovens, Wagners, kurz, aller Meister, hat ihre Wurzeln und Erscheinungsformen
in kulturellen, sozialen und politischen Tatsachen. Es ist erstaunlich, wie . leicht
die Schüler die schwierigsten z·eitlichen und historischen Zusammenhänge in der
Musikgeschichte erfassen und mühelos behalten, wenn sie diese mit starken bild..
haften Vorstellungen verbinden lernen. Also Anschauungsunterricht, Kostümbilder,
alte Notenschriften und Instrumente, zeitgenössische Bildwerke - nur keine
Phantasiegemälde und Al1egorien~ musikalische Skizzenbücher (Notehohm,
Beethoveniana! I). Praktische AuffÜhrung der Tonwerke in möglichster Original..
besetzung durch Lehrer und Schüler, Schülerchor und Schülerorchester, Besuch von
Instrumentensammlungen, Museen und Archiven etc.
Für Instrumentalisten, Kapellmeisterschüler, Gesangs.. und Opernschüler, die
einmal genügend weit vorgeschritten sind, ist die praktische berufsmäßige Tätigkeit
ein besonders wichtiges Erfordernis und jede größere Musikschule, die diesem Petit
nicht in vollem Maße nachkommen kann oder will, ist apriori als mangelhaft
zu bezeichnen. Schon den kleinen Schülern sei Gelegenheit gegeben, in Vorspiel
oder Übungsabenden, ganz intern, vor Lehrern und Schülern, Kollegen und Eltern
öfters ihr Können zu zeigen. Wenn diese Veranstaltungen klug geleitet werden,
kann Eigendünkel und Selbstgefalligkeit nicht aufkommen; wenn die guten Seiten
des Ergeizes und der Konkurrenz zur Geltung kommen, ist das nur ein Vorteil,
Eltern und Lehrer überzeugen sich von den Leistungen der Schule und die Kinder
lernen das Vorspielen vor einem ~ndern Kreise als dem kritiklos bewundernder
Verwandten für selbstverständlich empfinden, gewöhnen sich an das Podium leicht
und ohne das störende Lampenfieber, das sich erfahrungsgemäß erst im späteren
Alter einzustellen pflegt, wenn die Scheu vor dem Publikum eben nicht schon als
Kind tberwunden wurde, das an solche Nervositäten gar nicht zu ~denken pflegt.
Regelmäßige Vortragsabende und Konzerte für die reiferen Schüler - keine
Protektion und Starvorführungeo, sondern gleichmäßige Auswahl der Vortragenden! -
mit guten Programmen, die mitunter auch für Ausführende und Hörer von
pädagogischem und historischem Nutzen sein können (Komponisten .. und Stilabende),

91
hat jede Musikschule unter Verantwortung ihres Leiters zu halten. Die
Zusammenstellung der Vortragsordnungen in den Jahresberichten mancher solcher
Lehranstalten läßt manchmal allerdings erschauern und einen bedeutsamen Schluß
ziehen, was dort alles noch im Laufe des stilleren Unterrichtens geschehen mag.
Mit aUer Strenge ist von der Direktion unnachsichtlich auf den regelmäßigen Besuch
des Schülerorchesters und des Schülerchors zu sehen. Die Fachlehrer setzen diesen
so wichtigen Nebenfachern, die so Außerordentliches zur Stärkung des Musikgefühles
und der Routine beitragen, oft Gleichgültigkeit, manchmal sogar Widerstand ent...
gegen. Das Schülerorchester diene nicht ZU Parade...Aufführungen. Hier mögen die
reiferen Instrumentalisten zum erstenmal ihre Konzerte mit Orchesterbegfeitung,
die Opernschüler ihre Arien und Ensembles studieren, von den Kapellmeister...
schülern geleitet, die der Lehrerdirigent zwar ununterbrochen überwachen und
anleiten, aber niemals aus persönlichem Ehrgeiz verdrängen soll; womöglich auch
bei öffentlichen Aufführungen nicht. Der Schülerchor diene im Gegensatz zu den
zahllosen Liebhabervereinigungen, die nur "auf Programm 4/ studieren, in erster
Linie dazu, met ho dis che n Chorgesang (Ansatz, Aussprache, Vokalisation, Sol . .
feggien etc., wie im Sologesang) zu pflegen und die wertvolle A ... capeUa . .Literatur
aller Zelten zu kultivieren. Die schon in der Elementarstufe geübte "vokale Ein...
stellung", -das selbstverständliche Erfassen des schönen Chorgesanges käme in einem
solchen Schülerchor zu besonders prägnanter Auswirkung. Franz WülIner hat in
diesem Fache schon vor vielen Jahren Vorbildliches geleistet und seine "Münchner
Chorschule" bleibt ein unübertroffenes Buch, gleich mustergültig durch die Sorgfalt
der stofflichen Behandlung und durch künstlerische Auswahl. Der dritte Band ist
ein Kompendium erlesener Literatur.
Wo ein größeres Konservatorium einem Konzertinstitute angegliedert ist, wie die~
in der alten "Gesellschaft der Musikfreunde" in Wien der Fall war und am Salz. .
burger "Mozarteum" besteht, kann dies bei entsprechender Einrichtung ein wahrer
Segen für alle Schüler werden, die sieh an den Proben und Aufführungen der reifen
Künstler, nach Umständen selbst im Chor oder Orchester tätig, weiterbilden können
und so schon in jungen Jahren in konkrete Beziehungen zum großen Kunstwerke
treten, was ihnen ernste Liebe zur Musik, Ansporn und Verantwortliehkeitsgefühl
gibt. Auch könnte eine mögliche Verbindung mit dem Theater, namentlich in
kleineren Städten, wo durch Zusammenlegung aller Kräfte bei größter Ökonomie der
Mittel die möglichste, künstlerische Höhe erreicht werden muß, von denkbar größtem
Nutzen für beide Institute, Theater und Schule werden, vorausgesetzt, daß diese eine
gewisse Höhe erreicht hat und über eine größere Opernschule, Opernchorschule, Kapell...
meisterschule oder Schauspielschule verfügt. Reife Schüler, die ohnehin vor dem Enga..
gement stehen, könnten auf der "großen Bühne" in einem Ensemble erfahrener·Künstler
die so notwendige Bühnenroutine erwerben, die Kapellmeisterschüler könnten viel...
fältige praktische Verwendung finden und der Schülerchor würde wie die jungen
Leute- der Schauspielschule als Verstärkung des Theaterchors oder Komparserie gute
Dienste leisten und dabei wenigstens ordentlich Gehen oder Stehen auf den Brettern
lernen, was bekanntlich eine recht schwierige Saahe ist. Den Schülern wäre die nütz...
liehe Gelegenheit gegeben, bei Proben anwesend zu sein; durch einheitliches
Zusammenwirken der leitenden Faktoren des Theaters und der Schule, die auf alle
Fälle sorgfältigeres Studium gewährleistet als die Bühne, ließe sich auch an kleineren
Orten eine starke künstlerische Tradition schaffen, die der Provinz empfindlich fehlt.

92
Das aber auch in den Hauptstädten ähnliche PI~ne erwogen werden, zeigt das Beispiel
Münchens, wo dem Vernehmen nach Bruno Walter die Verbindung einer eigenen
Opernklasse der Akademie mit dem Opernhaus durchführen will; Max Reinhardt
hat in Berlin Schule und Bühne mustergültig verbunden.
An Orten mit starker kirchlicher Tradition darf auch die Vereinigung von
Musikschule und Kirche nicht fehlen, namentlich dort, wo an der Schule ein kirchen. .
musikalischer Ausbildungskurs systemisiert ist.
Dem eigentlichen Konservatoriumsbetrieb, ich verstehe darunter die möglichst
universelle Ausbildu~g der Schüler mit allen Nebenfächern und Studienbehelfen,
werden sich in Musikschulen, die nicht mit ausreichender staatlicher oder privater
Geldhilfe rechnen können; erhebliche Schwierigkeiten, namentlich finanzieller Art,
entgegenstellen, die wiederum auf das künstlerische Niveau der Schule drückend
einwirken. Die Erhaltungskosten für einen wirklich qua1ifizi~rten Lehrkörper sind
sehr bedeutende und die Anstalt bleibt angewiesen, in der Auswahl des Schüler..
materials nicht allzu rigoros zu sein, Berufsmusiker und Dilettanten unterschiedslos
aufzunehmen. Trotzdem soll in den einzelnen Klassen das Höchstmögliche err~icht
werden. Die Einrichtung eigener "Dilettantenklassen u, wie sie in einigen Konservatorien
(Zürich) bestehen, halte ich für verfehlt; es liegt kein Grund vor, in der Art des
Unterrichtens zwischen Berufsmusikern und Liebhabern zu unterscheiden. Die Aus..
lese der Schüler muß sich lediglich nach ihrer Begabung und der Intensität ihres
Fleißes richten, wobei immer die Wahrscheinlichkeit besteht, daß diejenigen, die
einmal mit der Musik ihr Brot' erwerben wollen, den größeren Prozentsatz der
guten Auswahl darstellen. Doch ändern viele Schüler in spätere,n Jahren ihre Berufs..
wahl. Die Einrichtung der Konservatorien kann auf diesen Umstand in der Weise
Rücksicht nehmen, daß für die Absolvierung der einzelnen Stufen (Unterstufe, Ober..
stufe, Vorbildung u. dgl.) eine normale Studienzeit von zwei, drei oder mehr Jahren
vorgeschrieben ist, für den Übertritt in die nächst höhere Stufe aber eine genaue,
umfassende Prüfung verlangt wird. Nicht vollkommen entsprechende Schüler werden
zunächst noch in der unteren Stufe weiterbehalten, so daß in den höheren Stufen
schon eine gewisse Auslese besteht. Die höchste Stufe stelle für die mittelmäßigen
Schüler eine mehrjährige- Fortbildungsklasse dar, in der der Lehrstoff der Begabung
entsprechend zu Ende gebracht werden kann. Diese Schüler erhalten nur ein Abgangs..
zeugnis, kein Reifezeugnis. Dieses dürften nUr ' die Schüler einer besonderen Aus. .
bildungsklasse erwerben, in welche der Übertritt etwa aus dem zweiten Jahrgang der
Fortbildungsklasse nach ' strengerer Prüfung erfolgen kann, jedoch nur bei ent. .
sprechendem Fleiße und besonderer Begabung. In solchen Klassen, in die natürlich
auch die Schüler mit spezieller Fachbildung (Lehrerbildungskandidaten, Kap eIl. .
meisterschüler, Opernschüler, Chorleiter, Kompositionsschüler etc.) gehören, könnte
bei entsprechender Einrichtung des Lehrplanes auch in kleineren Anstalten Vor..
zügliches geleistet werden; ein Reifezeugnis würde dann wirkliche Empfehlung
bedeuten, nicht bloß ein allzu optimistisches Blatt Papier sein. Unter allen Umständen
muß der Schüler seine praktische Verwendbarkeit öfters erwiesen haben und die
Reifeprüfung, über die ein eigenes Kapitel zu kurz würde, muß auf diese Seite der
Begabung und Fertigkeit des Kandidaten In erster Linie Rücksicht nehmen.
[J 0

93
q- . //
?iJe S 0 f1 der e r J t' I I

T S C H E CHISCHE I
MUS I K
II
Von Emil eh vala, Prag
J osef Suk, der zweite Führer der tschechischen Moderne in der Musik, ist am
4.Jänner 1874 in Krecovic bei Neweklan geboren. Er ist als Geiger (Sekundarius des
renommierten Böhmischen Streichquartetts) aus dem Prager Konservatorium hervor...
gegangen und war in der Kompositionsschule daselbst Schüler Ant. Dvora.ks, der
frühzeitig sein Talent entdeckte und zur strengen Kunstausübung verhielt. Schon
anfangs der neunziger Jahre machte mich sein Lehrer Dvorak auf ihn aufmerksam
und verhehlte nicht die Besorgnis, die ihm der ungestüme Neuheitsdrang des Jünglings
einflößte. Es lag eine gewisse pädagogische Absichtlichkeit darin, daß er die Kompo . .
sitionsversuche Suks ausnehmend streng beurteilte. Vielleicht war dabei der Grundsatz
maßgebend, daß das Talent verpflichte, oder der Wahlspruch Schumanns, man solle ,
gegen Talente nicht höflich sein - sicher ist, daß Dvorak seinem Lieblingsschüler
gegenüber mit dem Lobe sehr zurückhaltend war. Um so größer war die Anhänglichkeit
des Schülers an den Lehrer. Suk verehrte ihn nicht nur, er liebte ihn auch, pries
seine Werke und studierte sie zur Darnachachtung. Das erste, was man von dem
jungen Suk zu hören bekam, war das im Mai 1891 auf einem Schülerabend des
Konservatoriums zur Aufführung gelangte Kl a v ie r quarte tt in A ... m 0 11, welches
ein Jahr später unter Patronanz der Böhmischen Akademie als Op. 1 bei
Fr. A. Urbanek im Druck erschien und allgemein durch seine Formfertigkeit und
Ausdruckgewandtheit überraschte. Dabei mutete es inventionell so frisch an, daß man
seinen Schöpfer rasch liebgewann und geneigt war, ihn für höhere Ziele in der
böhmischen Musik in Vormerk zu nehmen. Zwei Jahre später ~olgte das K 1a v i er . .
q uin te tt in G ... m 011 (Op.8), bei dem Ausdrucksglätte, Formsicherheit und Satz'"
logik schon als etwas Bekanntes wiederbegrüßt und ein wesentliches Merkzeichen
der Begabung, der packende Schwung der Kunstäußerung, empfehlend in Erscheinung
trat. Man ward inne, daß in Suk ein ' musikalischer Feuergeist sich zum Worte
melde. Natürlich ist der DvoH.ksche Einfluß in beiden Werken augenscheinlich,
sozusagen handgreiflich, wenn auch bisweilen darin Funken aufleuchten, welche die
Sehnsucht nach dem Einhergehen auf der eigenen Spur künden.
So sehr es den jungen Künstler zur Kammermusik drängte, der er auch als
ausübender Musiker anhing. und so stark er sich zur Lyrik hingezogen fühlte, nach
welcher die singende Seele des schwärmerischen Gefühlsmenschen verlangte, die
N ei gun g zur Or ch e s tr al mus ik, welche in der Folge oberhand gewinnen und
die Vertraute des Innenlebens des Künstlers werden sollte, kam frühzeitig zum
Durchbruch. Schon in den Schulversuchen, wovon eine dramatische Ouverture
aus den Jahren 1891/92 weiter bekannt wurde und später im Klavierauszuge im
Druck (Ed. M. U., Prag) erschien, wurde es deutlich, daß das Orchester als künst...
lerisches Ausdrucksmittel Suk besonders zusage, seinen Klanisinn erfinderisch mache

94
und die Gabe der anreizenden Farbengebung in hervorstechender Weise herausfordere.
Die Streichserenade in Es... dur (Op. 6, 1896 bei Simrock in Berlin im Druck
erschienen), ebenfalls eine ' Schülerarbeit Suks, dokumentiert neben der blühenden
Erfindung begreiflicherweise mehr die Gewandtheit im vierstimmigen Satze, als das
koloristische Talent, das erst in der Sc hau s pie I mus i k zu Zeyers "Radus a
Mahulena u (1898) und "Pod jabloni41 (Unter dem Apfelbaum, 1901) und hauptsächlich
in der e'rsten Symphonie (E .. dur, Op.14, aus dem Jahre 1899) sehr entschieden
und wirkungskräftig sich äußerte. Während die Symphonie sich rückhaltlos zur
absoluten Musik bekannte, die traditionelle Form voll respektierte und mit fühlbarem
Vergnügen im Vollbesitze der Kunst der Polyphonie schwelgte, den imitatorischen
Satz -bevorzugend, läßt die Schauspielmusik, von der phantastischen Poesie des großen
Schwärmers berauscht, impressionistische Anwandlungen fühlen, welche aber in der
Ausdrucksweise vorläufig noch keine Einkehr bei der Moderne beinhalten. Das
Beispiel des Lehrers, mit dem den Künstler später auch verwandtschaftliche Bande
vereinigten (er führte dessen Tochter Ottilie heim), wirkte nachhaltig und schlug
freiheitliche Gelüste nieder, denen Meister Dvorak nicht geneigt war. Indeß darf der
Einfluß Dvoraks auf das Schaffen Suks nicht überschätzt und hauptsächlich nicht
dahin gedeutet werden, daß ihm auch die Invention des Schülers untertan war. Die
Spontaneität des Talentes war wohl lenkbar, aber nicht zerstörbar.. Auch war Dvo:f<ik
viel zu überzeugt von dieser Spontaneität und entgegen der vorgeschützten Kühle
viel zu verliebt in dieselbe, als daß er einen Druck darauf hätte üben wollen.
Der Impressionist in Suk regte sich frühzeitig in dessen K I a vi er s t ü c k e n. Der
Träumer und Stimmungsmensch in ihm, wohl auch der Bekenner des überschä,umenden
Gefühles, verkehrte intim mit seinem Instrumente, das ohne Herankehrung des
virtuosen Klaviersatzes seine Poesien verständnisinnig und unter eigenartiger Akzen..
tuierung des Gefühlstones verdolmetschte. Besonde1"s packend war ihr Gesang in
vollem Brustton, wie ihn beispielsweise das L i e b es I i e d aus Op. 7 vernehmen
läßt. Dabei wird der Ausdruck von Werk zu Werk kühner in Harmonik und
Modulation, persönlicher, die Äußerung treulicher und inniger. Die Sti mmungs ..
bi 1der Op. 10, der Zyklus "Jaro u (Der Frühling), der suggestiv wirkende Zyklus
,,0 matince 4' (Vom Mütterchen), Op. 28, und die 1909 bei Breitkopf & Härtel
erschienenen Klavierstücke Op.30 "Zivotem asnemu (Durch Leben und Traum) -~ alles
bewegt sich in aufsteigender Linie und fortschrittlicher Richtung, die Verschärfung
,des Ausdruckes anstrebend und individuell sich abklärend. Dabei widerspiegelt sich
in diesen schlichten Tonpoesien das Bild eines erst Glück ausstrahlenden, dann
von Schicksalsschlägen wild umtosten Künsterlebens. Für die Seelenkämpfe,
Momente der Verzweiflung und Äußerungen schmerzlicher Resignation gibt' es nur
mehr Neutöne, die den Bruch mit alten Satzungen der Romantik verkünden, und
mit dem Sicheinspinnen in die ' Erinnerung an Durchlebtes und Durchempfundenes
auch die Eigenart des Sichäußerns finden. Die Klaviermusik Suks hat hier nur, obenhin
erwähnt werden können; sie ist, wiewohl charakteristisch für sein intimes Musizieren
und empfindsame" Sichauslehen in Tönen, nicht der wesentlichste Bestandteil seines
Kunstschaffens.
Wenn wir nun von der Klaviermusik Suks zu dessen Kammermusik zurück...
kehren, um ihre Fährte, die wir beim Quintett Op. 8 verlassen haben, weiter zu
verfolgen, so begegnen , wir nach langer Wanderung im Jahre 1911 dem zweiten
S t r ei c h qua r t e t t (Op. 31) des Komponisten. Nach langjähriger Pflege des poetischen

95
Programms in der Komposition kennzeichnet es die neuerliche Einkehr bei der
absoluten Musik; freilich nur eine vorübergehende, deI).n die Wandlung, die sich
inzwischen im Leben, und dementsprechend auch im Dichten und Trachten des
Künstlers vollzogen hatte, bewirkte eine bleibende, schier unlösbare Verbindung
mit der Programm...Musik, die fortan tonangebend blieb, die musikalische Äußerung
in den Dienst der poetischen Idee stellte. Das Ringen nach Verselbständigung des
Ausdrucks hat auch da kräftige Erfolge aufzuweisen; ein Neuklang eigener Erfindung
beherrscht den Satz. Der in dem einsätzigen Werke auffällige Bruch mit der
traditionellen Form ist mehr oder weniger nur ein äußerlicher i man findet im zweiten
Streichquartett die kontrastierenden Sätze der zyklischen Sonatenform ineinander
verwachsen. Eher der aufrichtige Freidenker als der erklärte Revolutionär ist da an
der Arbeit, welche gedanklich und im Ausdrucke zu dem Eigenartigsten gehört, was die
..
moderne Kammermusik...Literatur aufzuweisen hat. Ein kammermusikalischer Stoß . .
seufzer aus dem geängstigten Herzen ist die im Spätherbst 1914 zur Erstaufführung
gelangte "Me di ta tion auf den S ankt Wenzels . . ChoralU (für Streichquartett).
Der Kriegsausbruch hat ihn gezeitigt, die Vaterlandsliebe des böhmischen,Künstlers
beflügelt. Nach außen hin ist es eine imponierende Manifestation der klanglich
durchgeistigten Kunst des originellen und kühn sich aufbauenden vierstimmigenSatzes.
Eigentümlich ist bei Suk, dem Dichter der singenden Seele, dem Liebling der
,großblütigen Lyrik, die seltene Einkehr beim Li e de, dem Sololiede sowohl, wie
dem mehrstimmigen. Sein ist das Lied ohne Worte, der vertonte Gedanke, dem
seine Instrumentalmusik beredten Ausdruck verleiht. Nur selten und nur in volks...
tümlichem Ton regt ihn das Gedicht zur Liedkomposition an, und zwar zumeist
zur mehrstimmigen, instrumentalbegleiteten. Die ge mi sc h te n eh öre (Op. 19),
die den virtuosen, böhmischen Gesangsverbindungen gewidmeten M ä n n er c hör e
(Op.32. aus dem Jahre 1912), die im Rahmen der Schauspielmusik entstandenen
Gesänge und vereinzelt im dominierenden instrumentalen Schaffen verstreute,
anspruchslose J.,ieder, zeigen den Sinn für charakteristische Vertonung des Wortes
hoch entwickelt, aber weisen auf nur ausnahmsweise Betätigung desselben hin.
_Auf dem Gebiete der 0 reh e s t ra 1 mus i k, dem ureigensten, best... und reichst...
bestellten der Begabung Suks, kulminiert das absolut . . musika1ische Schaffen des
Künstlers in der schon erwähnten ersten Symphonie (E.. dur, Op. 14, aus dem
Jahre 1899), in welcher auch der Dvoraksche Einfluß am deutlichsten sich ausspricht,
ohne Einschränkung einbekannt wird, wiewohl auch individuelle Züge durchleuchten t
und ein eigenartiger Instrumentalglanz darauf hinweist, daß die eigene Findigkeit
den äußeren Abhängigkeiten G~enzen setze. Die absolut. . musikalische Linie in der
Komposition· Suks setzen dann weiters noch zwei Werke fort, die mehr. eine
kapriziöse Abbiegung von der bisher beobachteten Richtung, als das Festhalten an
- vererbten und anerzogenen Glaubenssatzungen bedeuten: die P h an ta sie in G .. m 011
für Vi 0 line un d 0 rch e ster, Op. 24, und das p h an ta s tische S ch er z 0, Op.25,
beide aus dem Jahre 1903. Die Invention darin ist überschäumend mit einer deutlichen
Neigung zur Prachtliebe (jedoch beileibe nicht zum billigen Effekt, den Suk meidet,
. ja direkt verabscheut), und die Findigkeit des geborenen Koloristen schwelgt in
genialistischen Anwandlungen und schafft bestechenden Klangreiz. Die Phantasie ist
dem Busenfreunde des Komponisten, dem Primarius des böhmischen Streichquartetts,
K. Hoffmann, zugeeignet, der sie im Jänner 1904 mit Vollerfolg aus der Taufe hob,
ohne sofort in der Interpretation Folgschaft zu finden. Erst in neuester Zeit finden

96 I
sich unter den Geigenvirtuosen Forderet des technisch ziemlich schwierigen, leiden...
. schaftlich aufgestachelten, aber für temperierten Vortrag sicher auch dankbaren Stückes.
In unmittelbarer Nähe dieser heiden absolut.. musikalischen Kraftstücke entstand
die erste symphonische Dichtung Suks, "Praga~l, (Op. 26, Uraufführung
in Prag im März 1905), in welcher der Komponist, fern von der Heimat. (auf einer
Kunstreise des Böhmischen Quartetts) seiner Sehnsucht nach der Moldaustadt Ausdruck
gab, und gleichzeitig auf die zuvor nur sporadisch auftretende und nicht bestimmend
einwirkende Neigung zum Impressionismus offen einbekannte. Seine Liebe zu Prag
erfand ein poetisches Programm, welches dem Idealismus seines Erfinders ent...
sprechend, der ruhmreichen Vergangenheit der böhmischen Metropole in Freud' und
Leid huldigt, und im Anschlusse an die Verheißung Libuses ihm künftige Größe
kündet. Keine realistische Tonmalerei im dekadentistischen Sinne, sondern ein
enthusiastischer Gruß des begeisterten Tonpoeten, mächtig aufstrebend, hymnisch
austönend. Man fühlt, daß es nach diesem impressionistischen Glaubensbekenntnisse
bei Suk im symphonischen Schaffen keine Rückkehr zur absoluten Musik gibt.
Zwar ist das nächste Werk "A s r a e 1/4 (Op- 27, aus dem Jahre 1906) wieder eine
Symphonie, aber ihre Stimmungsmusik und ihr unausgesprochenes, aber deutlich
fühlbar~s, poetisches Programm läßt über seine Kunstabsichten und Ausdruckszwecke
keinen Zweifel übrig. Erschütternde Schicksalsschläge trafen den Künstler: am 1. Mai
1904 verlor er seinen väterlichen Freund Dvofak und am 5. Juli 1905 starb seine
treue Lebensgefährtin Ottilie. Der Tod riß grausam zwei teure Wesen von seiner
Seite und begrub mit ihnen sein Lebensglück und für lange auch seine Schaffens ...
freudigkeit. Eine ungemein sensitive Natur und gewöhnt, sein Innenleben in Tönen
auszudenken und ausklingen zu lassen; betet Suk in 'seinem "Asrae1 41 unter Tränen
und Schmerzensrufen in seiner Art ein Requiem für die V erblichenen, ihr Andenken
lieblich umschmeichelnd ,und ihren Verlust untröstlich beklagend. Überall fühlt man
die Nähe des Todesengels, die Trauerklage ist mit dem Herzblut des Komponisten
geschrieben, das man darin rauchen und sich röten sieht! ! ußerungen von erschütternder
Ausdrucksintensität lösen einander ab, Herzenstöne, welche den Hörer die Ereignisse
miterleben und die Eindrücke mitempfinden lassen, werden hörbar. Das Werk, das
ursprünglich als Panichyde für den verstorbenen Meister gedacht war, und mit eine
Apotheose seiner Kunst schließen sollte, erfuhr nach dem zweiten Todesfalle eine
Dispositionsänderung : der Finalsatz bringt im Adagio (As... dur) einen Liebesgesang
von ergreifender Inbrunst, dann. folgt die erschütternde Katastrophe und ein ver'"
söhnender SchI uB: der Tod ist der friedliche Ausgleich mit dem Leben und bringt Erlösung!
Drei volle Jahre währte es, ehe Suk den S!':hmerz verwand und, in der Arbeit
Trost suchend, seine Kunst wiederfand, und zwar als ein geschlossenes Ganzes, zur
Gänze impressionistisch umgestimmt, durchaus in Eigenart aufgehend. In seinem
Modernismus war Suk nie extrem veranlagt, nie mit Absicht revolutionär, umsturz"
gierig. Aber von seinem Hörer verlangte er immer, daß er ihn so nehme, wie er
sich gebe. Und jetzt, wo er ganz auf eigenen Füßen stand und mit der künstlerischen
Ausreife auch die volle Eigenart .des selbständigen Sichäußerns erreicht hatte, mehr
denn je, schrieb er doch fortan nur Selbsterlebtes und Selbstempfundenes, mit dem
sich nicht rechten ließ, das kein Verzeichnen duldete und keinen ' Abstrich erfuhr,
demgemäß auch mit keiner Note konventionellartig in Erscheinung treten konnte·
Seine beiden symphonischen Reifewerke, das Tonbild "Pohidka leta U (Sommer...
märchen), Op.29, aus dem Jahre 1909, und Zraniu (Das Reifen), erstaufgeführt in

97
Prag am 30. Oktober 1918, verlangen, ähnlich wie die Reifewer,ke Novaks, zuge...
ständnislos volle Hingabe des Hörers an das Gebotene! Freilich müssen sie sich,
hier wie dort, unter Umständen damit zufrieden geben, daß der unorientierte, un...
vorbereitet vor eine gänzliche Neuheit gestellte Hörer nur instinktiv: die Größe der
Kunstäußerung empfindet, die ihm in ihrer stimmlichen Komplikation, Kühnheit
des thematischen Aufbaues und klanglichen Verwegenheit nicht sofort klar sein
und einleuchten kann. Die vier Sätze des Sommermärchens beinhalten Programm...
Musik, deren dichterischer Vorwurf (y, Leb ens . . und Trostesstimmen''', nSommermittagU,
"Blinde Musikanten" und n Trugbilder der NachtU) Beziehungen unterhält zum
seelischen Genesungsprozeß des zum Leben und Schaffen wiederkehrenden Künstlers.
Die Stimmungsbilder des Werkes wirken suggestiv, sind von faszinierender/Eigenart
des Ausdruckes, bringen neue, vom vorherrschenden Zeitton vielleicht unbewußt,
sicher aber unabsichtlich sich abwendende Musik von fast dämonischer Leuchtkraft
der Klangfarbe'n. Der künstlerische Läuterungsprozeß ist vollzogen, eine neue Ton...
welt hat sich dem Künstler erschlossen. '
Im Zentrum des neuen Tonreiches, in welchem Suk allein herrscht, sein Subjek..
tivismus die gesetzgebende Gewalt darsteIlt, und seine-Tonsprache die alleinberechtigte
ist, ist sein impressionistisches Hauptwerk, das symphonische TonbiId "Das Reifen u
entstanden. Ein richtiges Reifewerk, in weIchem die Lebensrechnung des Künstlers
ohne Rest aufgeht, das Vollbild eines bewegten KünstIerlebens, in welchem die
Sturzwelle des Empfindungslebens von den übermütigen Jugendstreichen aufgepeitscht,
aus glückbeschienener Höhe am Schicksalsriff zerschellend jäh taleinwärts stürzt, um
dann in friedlichen Wellen sanft auszukräuse1n. Die unverhohlene Dreiteiligkeit des
einsätzigen Werkes, welches dem Problem des harten Leben.skampfes im Hauptteil
und dessen versöhnliche Auslichtung bei der Rückkehr im Mittelteil (einer Art
, freizügigen Durchführungssatzes) des Lebens ToIlen, Berauschen, Sehnen und Ver ..
zücken entgegensetzt, bedeutet mehr die Emanzipation von der Form, als den Versuch
einer Wiederannäherung an dieselbe. Das Ganze segelt unter polyphoner Flagge
eigener Linie und Farbe und widmet dem Andenken der eigenen Anhänglichkeit
an den imitatorischen Satz eine breit angelegte Fuge auf das Leitthema der freudigen
Lebensbejahung. Ein mächtiger Tonstrom, in welchem die QueIlen der Erlebnisse
und Erfahrungen des Empfindens und Erfindens, des W oIIens und Könnens zusammen...
fließen, ein Kraftstück, wie es nur ein zum Meister gereifter Künstler zu bieten
vermag. Es schließt auf der Höhe des VerInögens die Epoche der Entfaltung ab und
moge der Ausgangspunkt zu neuen Kunsttaten im Zeichen des Neuklangs werden!

III
Jüngste tschechische Musik
Von Vitezslav N ovak, Prag
Unter alIen tschechischen Komponisten ist Smetana der einzige, weIcher gegen..
wärtig bei uns aIlgemein anerkannt und geschätzt wird. Wenn wir heute seiner
klaren, vom Herzen zu Herzen gehenden Musik. zuhören, können wir wahrlich nicht
begreifen, wie man ihrem Schöpfer Wagnerianismus und Mangel, an Volkstümlich...
keit vorwerfen konnte. Ja, heutzutage ist der Smetana ..KuItus so hoch gestiegen,
daß er die Bedeutung von Smetanas Zeitgenossen und unmittelbaren Nachfolgern

98
herabsetzt, und die jüngere Generation wird jetzt oft :von Smetanas Lobrednern mit
denselben Vorwürfen traktiert, nur daß der Name Wagner durch Strauß oder Debussy
ersetzt wird. Eine den jetzigen Leitern unseres Nationaltheaters nahestehende Per$ön..
lichkeit soll sich über die moderne tschechische Musik geäußert haben, daß sie in
Böhmen mehr Schaden angerichtet habe als die Preußen im Jahre 1866. Glücklicher..
weise teilen gar viele Theaterbesucher diese Meinung nicht, und unser Konzertpublikum,
dank dem regen und planvollen Musikleben in Prag, nimmt die Werke der zeit..
genössischen Künstler mit Interesse, manchmal sogar mit Begeisterung auf.
Wenn ich über junge und jüngste tschechische Musik schreibe, kann ich nicht
anders anfangen als mit dem Werke eines Künstlers, der zwar nicht mehr jung
genannt werden kann, dessen künstlerische Laufbahn jedoch immer ohne Wanken
vorw ärts drängt. Es handelt sich UJ;n Jas. S u k und dessen letzte Tondichtung "D a s
Re i fe n lt • Dieses Werk entstand zwar schon vor dem Ausbruch des Weltkrieges, aber
seine Instrumentation ging langsam vor sich infolge der Depression, welche den
Komponisten, wie so viele andere, bedrückte, und es kam erst in der vorigen Saison
zur Erstaufführung. Es bedeutet den Abschluß' und Gipfelpunkt der vorangehenden
Schöpfungen, der Symphonien "A sr a el U und toS 0 m m -e r m ä r c he n". Das erst..
genannte Werk war inspiriert durch den Tod Ant. Dvora.ks und seiner Tochter
Ottilie, Suks Gattin. Das nächstfolgende Werk, voll schmerzlicher Erinnerungen
und drückender Träume, sucht und findet Trost in der Natur. Im letzten Werke
endlich zeigt sich volle männliche Ruhe und Überlegenheit. Großer Schwung,
wunderbare und kühne Technik und bezaubernder Klang zeichnen es aus. Suks
Klangsinn ist überhaupt Klasse für sich.
Von den Künstlern, welche ich nun anführen will, dürfte in Wien Otakar
Os tr c il ('" 1879) wenigstens dem Namen nach bekannt sein. Nicht so sein Schaffen t
da fast alles noch ungedruckt ist. Es besteht vorzugsweise aus Opern und Orchester..
werken. Als LiebIingsschüler Fibichs folgte er anfangs seinem Meister, namentlich
in der Oper "Vlastas Tod", in der A .. dur.. Symphonie und einem Streichquartett.
Dann erweiterte sich sein- Gesichtskreis, und er gewinnt nach und nach an Selbständig..
keit, so im humoristischen Melodram ~ "Vom toten Sch uster und der
T ä nz er i n U , in den Opern "K u n al as Au gen", "D i e K nos pe", in den Orchester..
werken "Impromptu" und "Suite". Während mir das Impromptu überladen
scheint, halte ich seine Suite für ein reifes und reizendes Werk und möchte sie allen
Musikern bestens empfehlen. In dieser Saison sollen von ihm die Oper "Legende
von Erin" und ein Chorwerk "Legende von der heiligen Zita" zur Urauf..
führung gelangen. Ostrcil ist auch ein tüchtiger Dirigent als Opernchef des Wein..
berger Theaters und noch mehr als Leiter eines Amateur.. Orchesters. Zu seinen
Lieblingsautoren zählen Berlioz und Mahler, und es ist interessant, seiner geistigen
Verwandtschaft mit dem letztgenannten nachzugehen.
An Reger erinnert Rud. Karel (* 1881) sowohl durch seine robuste Gestalt, als
auch durch seine reiche und rasche Schöpferkraft, namentlich in den Formen der
absoluten Instrumentaltechnik. Eigenartige Gedanken strömen ihm zu in Hülle und
Füne, und ihre Bearbeitung nimmt ihn so gefangen, daß der Zuhörer mitunter seine
Not hat, immer neuen und neuen Kombinationen zu folgen. Vor einigen· Jahren
hörte ich seine Orchesterphantasie "Ideale"t welche unter anderem zwei Adagios und
zwei scherzoartige Sätze enthielt - alles ohne Unterbrechung! Der Krieg ereilte ihn
in Rußland, wo er seine Sommerferien zubrachte, und seit der Zeit kommen nur

99
spärliche Nachrichten von ihm; aber er lebt und schafft weiter auf diesem höchst
gefährlichen Boden. Bei Simrock erschienen u. a. eine kräftige Violinsohate und vier
Tanzstimmungen (Klavier vierhändig), welche zeigen, wie sich dieser Dvorak. . Schüler
von -seinem Meister zu befreien wußte.
Eine merkwürdige Erscheinung in unserer Musikwelt ist gewiß Ladislav
Vycpalek (* 1882). Welch ein Kontrast zwischen seinem bescheidenen, schüchternen
persönlichen Auftreten und dem Mut in seinen künstlerischen Äußerungen! Außer
einem Melodram und einem Streichquartett, welche er als mein Privatschüler schrieb,
ausschließlich Lieder... und Chorkomponist. Mit Vorliebe greift er nach gehaltvollen
Gedichten - solche von Mombert oder Dehme! übersetzt er selbst und vertont sie
in einer Weise, als ob er Zyklopenmauern errichten wollte. Seine Stimmführung
ist höchst kühn, aber man findet nichts Zufälliges, nichts, was nicht durch eine felsenfeste
Logik geregelt wäre. Und dabei wie tief empfunden und innerlich belebt ist alles,
wie überzeugend der Ausdruck! Ich glaube, daß diese Kundgebungen manchen
fremden Musiker, auch ohne Kenntnis der Texte, welche allerdings erst das richtige
Verständnis erschließen, sehr interessieren würden.
Einen wahren Gegensatz zu dem schroffen und philosophischen Vycpalek bildet
sein Freund Jaroslav K fiCk a (* 1882). Sein Werk erzählt nichts von heißem Ringen,
es will vielmehr anmutig unterhalten. Daher Kfickas Vorliebe für kleinere Formen,
wo er z. B. in seinen "F a belnil sehr humorvoll erscheint. Diese Gabe offenbart er
auch in seiner Oper "Hippolyta Zuweilen jedoch wird er ernst und in sich
4l

gekehrt. In solchen Augenblicken sind wohl die intimen und stimmungsvollen Lieder . .
zyklen "Nordische Nächte U , "Von der Liebe und dem ,Todetl, "Lieder
der Tr e n nun g41 entstanden. Einmal, soviel mir bekannt, unternahm er einen Flug
nach den symphonischen Regionen und verbrannte sich auch da die Flügel nicht.
Das Ergebnis ist die Ouvertüre "D er bl aue Vo g eIl> (nach Maeterlink), welche bei
Simrock erschienen 'ist.
, Dieser Gruppe der älteren wäre wohl noch Ot. Zieh anzugliedern, der anfangs
von Smetana beeinflußt (Chorballaden, Lieder), in seinen letzten Arbeiten ziemlich
gewaltsam zu modernisieren sich anstellt; _}an K un c, welcher sich besonders durch
rassig. . kräftige Männerehöre günstig eingeführt hat, und Ot. 5 i n (eine Symphonie
und kleinere Stücke). Von den jüngeren sioCl zweifellos Vac1av Stepan (* 1889)
und K. B. J irak (* 1891) am vielseitigsten. Vac1av Stepan, schon von Kindheit , an
ernst und sinnend, mit seiner Vorliebe für komplizierte" zuweilen raffinierte Musik
steht derzeit Jos. Suk am nächsten, welchen er auch als bemerkenswerter Pianist am
besten interpretiert. Bisher bevorzugte er Kammermusik - ein Klaviertrio, ein
Klavierquintett und ,ein Streichsextett zeugen von seinem großen Können. Außerdem
haben wir von ihm farbenreiche Klavier . . und Vokalmusik. }iraks unaufgeführte
Oper "Apollonius 11 ist mir zwar ebenso unbekannt wie seine Theatermusik zu
Shakespeares "Was ihr wollt U - ich hörte von ihm jedoch eine Symphonie, zwei
Kammermusikwerke und Lieder, welche mir sehr gefielen. Seine Erfindung ist
üppig, die Beherrschung der Mittel sicher und zielbewußt - alles zeugt von frisch
pulsierendem Innenleben.
Von den jungen Mährern scheint der reichbegabte Vilem Pet r zel k aSt epan
geistig verwandt zu sein. Ausgesprochen modern, aber eine andere Richtung
verfolgend, ist auch Boleslav Vo m ci c k a, dessen Klavierstücke wohl dem kühnsten
angehören, was bei uns geschrieben wurde. Unwillkürlich drängt sich der Name

100
Schönhergs auf - und doch trifft der Vergleich nicht ganz zu. Die Ähnlichkeit
ist mehr äußerlich: auch in diesem Zyklus erscheint ein schönes Fugato und in
anderen Kompositionen Vomackas, z. B. seiner Violinsonate, findet man trotz aller
Koloristik ganz deutliche Konturen und wohlgefügte Konstruktion. Auffallend schön
ist der Klang seiner Chorkompositionen.
Viel Verwandtschaft mit Vomacka in der Farbengebung und kühner Stimmführung
wies Jaroslav N ovotny auf, dessen Entwicklung durch den Krieg gewaltsam unter...
brochen wurde. Von einer bolschewikischen Kugel tödlich getroffen, ruht er im fernen
Uralgebirge~ Leider ist es nicht der einzige Verlust, welchen unsere Musik erlitten
hat. Auf dem Schlachtfelde blieben noch zwei junge, sehr begabte Mährer: Bohumil
Kyselka und Hugo Mrazek, welche neben ihren Universitätsstudien bei mir fleißig
Komposition pflegten. Und daheim verließ uns Jaroslav J er e mi as (1889-1919),
gleichfalls ein entschiedenes Talent, dem es nicht beschieden war, die Erstaufführung
seiner Oper "Der alte König " und des Oratoriums "Jan Hus" zu erleben. Sein
jüngerer Bruder Otakar (* 1892), nicht minder begabt und sehr produktiv (zwei
Symphonien, mehrere Kammermusikwerke u. a.), scheint in der letzten Zeit den Weg
zu - Smetana zu suchen. Und ich denke, daß er im Bestreben nach Vereinfachung
der Kompositionstechnik und der damit verbundenen Klarheit und Unmittelbarkeit
gerade, unter den Jüngsten Anhänger findet. Wenigstens das, was ich während der
verflossenen Konzertsaison von M art i n Ö, KaI i k, Ai m gehört habe, bekräftigt
mich in meiner Anschauung.
Zum Schluß nenne ich noch einen Reger. . Schüler, Jar. Kvapil, einen Schreker...
S chüter : Alois Hab a; einige meiner Schüler: Vincenc Mai x ne r, Ota Z it e k,
Antonin Pokorny, Felix Zrn 0, Vladimir Polivka und Jaroslav Tom asek
(dieser dürfte seinem alten Namensvetter recht gefährlich werden); und zwei jüngste
Mitglieder unserer Musikergemeinde: . Jaromir Weinberger und Bohumil
N em e ce k. Von den letztgenannten ist Weinberger sehr geschickt, was eben, wie
paradox es auch klingen mag, seiner Entwicklung im Wege steht. Von Nemecek
ha~e ich soviel Schönes berichten gehört, daß wir auf die Proben seiner Kunst mit
Recht gespannt sein dürfen.
Gewiß eine hübsche Namenreihe und wohl noch unvollständig. Mögen diese
Zeilen für' eine im Auslande noch gänzlich unbekannte Musikergeneration Interesse
erwecken. Leider stellt sich der näheren Bekanntschaft mit den Werken dieser Künstler
kein geringes Hindernis entgegen: die meisten sind noch im Manuskript. In Prag
edierte in erster Reihe die "Umelecka Beseda" vorzugsweise Vokalmusik (Ostrcil,
Vycpalek, Vomacka, Novotny u. a.), außerdem erschien etwas bei Simrock und in
der Universal. . Edition (Haba, Kare1, Kficka, Stepan, Weinberger). Hoffentlich
entsteht jetzt infolge gänzlich geänderter politischer Verhältnisse ein regerer
Verkehr mit dem Auslande zugunsten unserer Kunst, was diese auch mit vollem
Rechte verdient.

C 0

101
M u s I K F o L K L o R E
Von Bela B art6k, Budapest
Die vergleichende Musikfolklore - einer der jüngsten Zweige der Musikwissen...
schaft einerseits, der FoUdare anderseits - hatte kaum die allerersten Schritte ihres
Weges zurückgelegt, als ihrer intensiveren Entwicklung der Ausbruch des Welt . .
krieges hemmend in den Weg trat.
Da nun die Hindernisse doch wohl allmählich schwinden werden und der inter...
nationale Verkehr nahe der Wiedereröffnung ist, scheint es zeitgemäß zu sein, sich
darüber klar zu werden, auf weIche Art und Weise diese Wissenschaft am besten
gedeihen kann.
Bisher war die Leitung der zum Bereiche der Musikfolklore gehörenden Arbeiten
in den Händen einzelner öffentlicher Institute, oder sie wurden gar von Fach. .
männern ganz auf eigene Faust fortgesetzt. Da die wohl jedem höchst wünschens . .
werte Einheitlichkeit des Verfahrens und der Ziele auf diese Weise nicht erreicht
werden kann, scheint der erste erforderliche Schritt einerseits das Heranziehen der
Privatforscher an die betreffenden Institutezusein, anderseits aber ein Internationali...
sieren der Arbeiten durch Übereinkommen der einzelnen Institute betreffs Ziel, Art
und Weise der forschenden Arbeit. Als Ausgangspunkte der mit der Musikfolklore
verbundenen Arbeiten sind die Volkslieder. . Sammlungen des XIX. Jahrhunderts an. .
zusehen, deren Zustandekommen meistente~ls patriotisch. . chauvinistischen Gefühlen
zuzuschreiben ist. Dieser Umstand erklärt die merkwürdige Tatsache, daß auf
diesem Gebiete gerade die der politischen Selbständigkeit beraubten, unterdrückten
Völker Osteuropas relativ Höheres leisteten, als die freien Völker Westeuropas.
Es genüge der Hinweis auf die ini Druck erschienenen Sammlungen der Polen
(Kohlberg), Tschechen (Erben, Susil, Bartos), Slowaken (Slovenske spevy), Jugo ...
slawen (Kuha<:), Ukrainer (Filaret Kolessa) und der Finnen (I1mari Krohn). Die
letzten zwei ausgenommen bieten diese Arbeiten jedoch in musikaiischer Hinsicht
wenig Befriedigendes i die Melodien meistenteils durch Dilettanten aufgezeichnet,
das systematische Ordnen des Materials (ebenso wie in den Völkslieder... Sammlungen
Westeuropas) fast ausschließlich nach den Texten bewerkstelligt. Die Sammlung
der Finnen bedeutet einen großen Fortschritt i das Material wurde mittels eines ge...
wissen, von Ilmari Krahn zuerst angewandten Systems vom musikalischen Stand. .
punkte aus geordnet.
Doch der wichtigste Schritt zu der Musikfolklore war die Einführung des Phono ...
graphen als unersetzbares Hilfswerkzeug des Sammlers. Eine jede Transkription
sogar europäischer Melodien ist vom Folkloristen. . Standpunkte aus u'nvollkommen,
da nicht nur unsere Notenschrift, sondern auch die zur Ergänzung neu erfundenen
diakritischen Zeichen die Art des Vortrages (Gleiten des Tones, Übergangsrhythmen,
Rubato . . Vortrag) unmöglich getreu veranschaulichen können. Davon zu schweigen
daß es Melodiearten gibt, die ~ wie z. B. die Dumy der Ukrainer - in derart im. .
provisierender Manier vorgetragen werden, daß bei jeder Wiederholung selbst die
Umrisse der Melodie nicht ein und dieselben bleiben. In diesen Fällen wieder gibt
eine Transkription ohne Phonograph in jedem Falle nur eine approximative, eigent...
lich niemals existierende Form der Melodie. Diesel' Fortschritt tritt, abgesehen von
einzelnen Veröffentlichungen kleineren Umfanges, in denen der Ukrainer zutage,

102
die mit Zuhilfenahme des Phonographen durch von Fachmännern systematisch ge. .
sammeltes Melodien . .Material wissenschaftlich geordnet herausgegeben haben.
In Ungarn kündigte sich seit anderthalb Jahrzehnten ein ähnliches Bestreben ' an, ,
mit dem Unterschied, daß es sich von dem exklusiv. . nationalen Standpunkte lossagte
und das ver gl ei c he nd e Studium des Melodien . . Materials sämtlicher ungar. .
ländischen und angrenzenden Völker zunl Ziele sich setzte. Trotz der ungünstigen Ver. .
hältnisse wurden etwa 10.000 ungarische, slowakische und rumänische, weit weniger
ukrainische (ruthenische), serbische, bulgarische und Zigeuner. . Melodien teilweise
phonographiert, teilweise -- besonder~ die einfacheren - nach dem Gehör notiert,
das gewonnene Material jeder einzelnen Nationalität für sich geordnet, miteinander
verglichen und somit auf die ver gl e ich end e Musikfolklore übergegangen. Die
Resultase ' dieser Arbeiten konnten - abgesehen von einigen kürzeren Aufsätzen -
bis jetzt im Drucke nicht erscheinen.
Institute, die zurzeit zur Aufbewahrung und Behandlung einer größeren Zahl
Phonogramme oder Grammophonplatten folkloristischen Inhaltes eingerichtet sind,
sind unseres Wissens folgende:
1. Das musik. . psychologische Institut der Universität zu Berlin unter Leitung
E . v. Hornbostels. Es umfaßt eine größere Zahl Phonogramme namentlich exotischer
Länder, die vor allem durch Kupfernegative vervielfält;gt, dann in Notenschrift um. .
gesetzt werden. Die Schwingungen der Tonleiterstufen der einzelnen · Melodien
werden durch einen entsprechenden Apparat festgestellt. Ob ein weiteres Behandeln
des Materials (Ordnen nach verschiedenen Standpunkten etc.) besteht oder nicht, ist
uns nicht bekannt.
2. Das Phonogramm . . Archiv zu Wien.
3. Die Ethnographische Abteilung des ungarischen Nationalmuseums zu Buda...
pest, in welcher sich 2157 Phonogramme (1132 mit ungarischen, 794 mit rumänischen,
161 mit slowakischen, 38 mit ruthenischen, 12 mit jugoslawischen, 3 mit bulgarischen,
11 mit tscheremissisch~n Aufnahmen) befinden. Ein Teil der Phonogramme, 754
an der Zahl, wurde von Nichtmusikern eingeliefert. Die Originalaufnahmen werden
leider nicht reproduziert, sind also einer ständigen, sich bis zur Unbrauchbarkeit
der Aufnahmen steigernder Abnützung ausgesetzt.
Außerdem sind derzeit in Budapest über 1000 Phonogramme in Privatbesitz.
Die Resultate der oben erwähnten vergleichenden musikfolkloristischen Studien
sind ebenfalls in Privathänden.
Die ersten erforderlichen Schritte; wären nun: 1. daß die genannten und eventuell
noch außerdem existierenden Institute mit ähnlicher Einrichtung miteinander in
Fühlung treten, sich zu einem Arbeitsplan einigen sollen und ständig in Kontakt
bleiben; 2. es sollte ihrerseits an ethnographische oder ähnliche Museen anderer
Länder mit einem gemeinsamen Aufruf herangetreten werden, um letztere zu ·be . .
wegen, sich ihrer Arbeit durch Schaffung einer Phonogramm. . Sammlung beizu...
gesellen; 3. die Privatbesitzer, respektive Sammler von Phonogrammen sollten auf. .
gefordert werden, die Walzen in das eine oder das andere der betreffenden Institute
einzusenden oder dort zu deponieren und ihre Arbeit zur Bereicherung dieser öffent. .
lichen Sammlungen fortzusetzen.
Ein idealer Einrichtungs . . und Arbeitsplan wäre unseres Ermessens etwa folgender
Das gemeinsame Ziel wäre: die Erforschung der durch mündliche Tradition
fortgepflanzten Musik (einschließlich Volksgebräuche, die mit Musik verbunden

103
sind) sämtlicher Völker. ,H iebei sei bemerkt, daß in Europa wohl nur Volksmusik
im engsten Sinne des Wortes (d. h. Bauernmusik), in exotischen Ländern dagegen
auch städtische Kunstmusik, die ja dort ebenfalls nur auf diese Weise von Gene...
ration zu Generation vererbt wird, in Betracht kommen kann. Die Arbeit des
Sammelns sollte ' ausschließlich durc.h Fa<!hmänner, und zwar an der Heimat...
s tell e der Melodien durch systematisches Erforschen des Materials durchgeführt
werden. (Ein "Gelegenheits~~ . . Samme1n bei zufälligem Eintreffen fremder Volkssänger
sollte nur ganz ausnahmsweise vorgenommen werden.) Höchst wünschenswert wäre
hiebei das ständige Mitarbeiten eines Musikfolkloristen und eines Sprachforschers.
Der Musiker muß zwar unbedingt einige Kenntnis der Sprache des zu erforschenden
Gebietes mitbringen, sonst könnte er gewisse Beziehungen zwischen Wort und
Musik nicht ergründen; doch zu einer tadellosen phonetischen Niederschrift des
Textes selbst in der Muttersprache ist eine linguistische Schulung nötig, die bei
einem Musiker kaum je anzutreffen sein wird. Falls jedoch auf einen der zwei
Mitarbeiter verzichtet werden müßte, soll dies jedenfalls der Sprachforscher sein.
Denn das von einem Nichtmusiker mittels Phonographen gesammelte Material ist
in jedem Falle höchst mangelhaft. Bei den meisten exotischen Völkern, wie z. B.
bei den Arabern, ist die äußerst charakteristische, verschiedene Begleitung der Melodie
auf Schlaginstrumenten ein höchst wichtiger Bestandteil ihrer Musik; die Art und
Weise des Anschlages, ferner der Wechsel der Schläge zwischen beiden Händen ist
aus dem Phonogramm unerkennbar: der manchmal ziemlich komplizierte Rhyth...
mus muß an Ort und Stelle notiert werden. Es kommt häufig vor, daß der Sänger
die Melodie aus verschiedenen Gründen fehlerhaft, verstümm'(dt, vom üblichen
Tempo abweichend dem Phonographen vorsingt u. s. ~. u. s. w.; all dieses kann
nur durch an Ort und Stelle vorgenommene Aufzeichnungen berichtigt werden;
abgesehen davon, daß ein systematisches, womöglich gründliches Erforschen des
Materials nur auf Grund der Ergebnisse der vorangegangenen Forschung ins Werk
gesetzt, respektive fortgesetzt werden kann, wie z. B. das Auffinden von ergänzen...
den Varianten, das genauere Feststellen gewisser Schablonen im Vortrage u. s. w.
Diese Leistung kann nur von einem Musiker erhofft werden. Die Fehler der pho ...
netischen 'Niederschrift der Texte können dagegen bis zu einer gewissen Grenze mit
Hilfe guter Phonogramme durch einen Sprachforscher auch nachträglich berichtigt
werden.
Zur Ausrüstung eines Phonogrammarchivs oder ähnlicher Institute wären einst
weilen folgende Instrumente vorzuschlagen:
Ein Edison... Standard...Apparat und ein Pathefon, beides sowohl zur Aufnahme
als auch Reproduktion; eventuell ein Kinematograph zur Aufnahme der Tänze oder
wenigstens ein Photograph. . Apparat zur Aufnahme der Sänger, der Instrumente
u. s. w.
Es steht wohl außer Zweifel, daß eine Sprechmaschine mit Platten (Grammo...
phon, Pathefon etc.) bedeutend bessere Aufnahmen liefert als eine mit Walzen
(Phonograph, Graphophon etc.). Es scheint, daß unter den ersteren der Vorzug
dem Pathefon zu geben wäre. Dieses besitzt nämlich - abweichend von den
Grammophon. . Apparaten - einen "Reproducer" mit Steinnadel zum sofortigen
Abspielen der Wachsplatte. Der unvergleichliche Vorzug dieser Eigenschaft bedarf
wohl keiner eingehenderen Erklärung. Die Anwendung auch eines Phonographen
wäre nicht aufzugeben, da man oft gezwungen ist, an solchen Orten (z. B. in ent. .

104
legenen Bergdörfern, in winzigen Bauernhütten fast ohne jede Möbeleinrichtung) ZU
sammeln, wo man infolge rVIangels an geeigneten Wagen und Raum zur Aufstellung
des etwa 100 kg schweren Apparates nur mit einem Phonographen arbeiten kann.
Da jedoch die Phonogramme auf mechanischem Wege auf Pathefon..Platten über..
tragen werden können - ein weiterer Vorzug des Pathefon ' - bildet dieser 'Um'"
stand kein besonderes Hindernis für die Einheitlichkeit der Einrichtung.
Es wäre nun folgendes Verfahren zu verfolgen:
1. Die bereits eingelaufenen Phonogramme auf Pathefon..Metallnegativplatten
zu übertragen.
2. Nach jeder Forschungsreise die Metallnegativplatten nach den Original...
aufnahmen (sowohl Platten als Walzen) sofort herzustellen.
3. Die Umsetzung in Notenschrift bereits nach den Kopien vorzunehmen.
4. Sämtliche miteinander in Kontakt stehenden Institute sollten ein Tausch. .
system adoptieren: die jährliche Bereicherung ihres Materials sollte in Kopien so ...
wohl der Aufnahmen als auch ihrer Transkription gegenseitig .ausgetauscht werden.
5. Die Transkription der auf diese Art - sowohl durch Tausch als auch durch
eigene Sammlung erworbenen - jeder einzelnen Melodie soll in jedem der Phono . .
gramm...Archive in vier Exemplaren vorhanden sein. Ein Exemplar soll der Katalogs..
nummer gemäß eingereiht, das zweite der Melodie gemäß nach gewissen wissen...
schaftlichen ,Systemen, das dritte hinsichtlich der Texte, das vierte hinsichtlich des
geographischen Ursprunges geordnet werden.
Zur Erlangung eines einheitlichen N otieJ;ungs... und Gruppierungs . . Systems wären
wohl längere gemeinsame Erwägungen seitens der Leiter der betreffenden Institute
nötig. (Betreffs ersteren vgl.: Otto Abraham und E. v. Hornbostel, Vorschläge für die
Transkription exotischer Melodien; Sammelbände der Internationalen MusikgeseU. .
schaft, XI, 1.)
Ein weiteres Arbeitsfeld wäre das systematische Ordnen des bereits in Druck
erschienenen Materials. Die Art und Weise der Inangriffnahme dieser ungeheuren
Arbeit ist selbstverständlich wohl zu erwägen j ihre Ausführung ist jedoch unerläß ..
lieh, da ja auch ältere, vom wissenschaftlichen Standpunkte aus zwar auch anfecht. .
bares Material enthaltende Sammlungen vieles der vergleichenden Musikfolklore
Brauchbare teil weise Unersetzbare enthalten.
Infolge der aI1gemeinen wirtschaftlichen Krise ist kaum zu erwarten, daß den
oben vorgelegten idealen Ansprüche:q. in absehbarer Zeit vollkommen Rechnung ge . .
tragen werden kann. Im besten Falle ist einstweilen das Akzeptieren bescheidener
Vorschläge zu erhoffen: z. B. eine Beschränkung auf die ausschließliche Verwendung
des Phonographen.
Im Jahre 1914 war der Ladenpreis einer Edison.. Blankwalze 1'50 Frcs.; die Reise ..
kosten betrugen in Osteuropa durchschnittlich 3 Frcs. pro Walze. Die Herstellung
einer Kupfernegativwalze bedurfte etwa 4'50 Frcs.; die nach dem Negativ gegossene
Kopie zirka 1 Frc. Somit beliefen sich die Rohkosten einer Walze auf 10 Frcs. Da
nun eine Arbeitskraft jährlich etwa 600 Walzen samt ihren Transkriptionen liefern
kann und man zum Lebensunterhalt einer Person jährlich ' etwa 4200 Frcs. berechnen
kann, wären die auf eine Walze entfallenden Gesamtkosten auf 17 Frcs. zu schätzen.
Im äußersten Fall könnte sogar die sofortige HerstellunR der Negative und Kopien
einstweilen ausgeschaltet werden. Im Falle ein einziges Institut die jährlichen Be...
schaffungskosten der 600 Walzen - 10.200 Frcs., oder ohne NegativhersteUung

105
6950 Frcs. - nicht erschwingen kann, wäre bei der obengeechilderten gemeinsamen
Aktion ,mehrerer Institute das Problem auch derart , zu lösen, daß die Beschaffung
dieses jährlichen Materials durch mehrere Institute, je nach deren Leistungsfähigkeit
verteilt, ermöglicht wird. Die Wahl der Sammlungsstätten würde sich einerseits
nach der Sprachenbereitschaft der angestellten Fachmusiker richten, anderseits nach
der Erwägung dessen, an welchen Stätten die autochthone Musikkultur durch
fremden Einfluß am meisten gefährdet ist.
Dieses ist jedenfalls der allerbescheidenste Rahmen zur Ermöglichung eines nur
einigermaßen befriedigenden W dterar beitens. Sie gewährt ei gen tlich die Verfolgung
nur eines (allerdings des wichtigsten) der oben geschilderten Ziele: das eifrige Sammeln
des Materials. Eben dieses dürfte nach der Hemmung der letzten Jahre keinen weiteren
Aufschub erleiden. Die selteneren Instrumente sterben aus; es schwinden von Jahr
zu Jahr gewisse Eigentümlichkeiten jedes Volksgesanges ; die alten Stilarten werden
durch neue, in Entstehung begriffene, verdrängt. Es sei hier namentlich darauf hin . .
gewiesen, daß die Völker Osteuropas höchst wertvolles, größtenteils unerforschtes
Material bergen, dessen altertümlicher Charakter infolge des Eindringens westeuro'"
päischer Kultur einer Alteration besonders ausgesetzt ist. Jedes Jahr Säumnis be. .
deutet einen unersetzbaren Verlust an Kulturwerten.
Die erforschten Stilarten einer mehr oder minder exotischen Volksmusik scheinen
ein unvergleichlich höheres Interesse bei schaffenden Musikern zu erwecken, als z. B.
ethnographische Sammlungen bei bildenden Künstlern oder Volkstexte bei Schrift. .
steUern. So daß es sich hier nicht nur um die Erreichung rein w iss e n s eh a f t . .
Ii eher Ergebnisse handelt, sondern auch um solche, die auf schaffende Musiker
anregend wirken.
Wir wären sehr dankbar, wenn unsere Vorschläge in maßgebenden Kreisen einen
Widerhall fänden, und bitten die Fachmusiker um eventuelle Gegenvorschläge.
[J [J

DIE WIENER v 0 L K S 0 PER


Von Dr. R. St. Hoffmann, Wien
Ein Erinnerungsbild in lebhaften Farben: Eröffnungsvorstellung der neuent..
standenen Volksoper : Freischütz. Zemlinsky gibt das Zeichen. Einsatz der Hörner,
dieser Einhörner im deutschen Märchenwald Webers. Das Horn - gickst. Omen,
das wahr wurde. Dieses Gicksen blieb, bald kaum, bald peinlich laut hörbar, dem
Getriebe der Volksoper treu.
,Tücke des Qbjekts. Mag sein. Aber_immer nur wirksam am tauglichen Subjekt.
Der bessere, will sagen der besser bezahlte Hornist, kommt 30 Minuten früher ins
Haus und riskiert die Tücke des Objekts, diesmal Temperaturunterschied für sein
Blechinstrumen t, nicht.
Der besser bezahlte Hornist hat der Volksoper bis heute gefehlt. Es war gewiß
nicht leicht. Das Haus am Währingergürtel war nicht als Opernhaus gebaut. War
überall zu klein. Im Zuschauerraum (es bleibt ein Rätsel, wie man die zahlreiche
Claque unterbringt), im Orchesterraum (wo die Streicher von den Tuben des Wagner..
Orchesters ausgelöscht werden) und vollends auf der Miniaturbühne. Ja aber ...

106
Warum kassiert man nicht eine Reihe Orchestersitze und macht sie wirklich zu
Orchestersitzen und teilt den Entgang von 20 Sitzen auf 1000 auf? Weil man das
I
Orchester ehen nicht vergrößern will. (Siehe den obengenannten Hornisten!) Warum
prunkt man auf der Szene mit "plastischen" Dekorationen, mit "praktikablen 4'
Versatzstücken, deren Umbau die katastrophalen Volksopernpausen bedingt, mit ihren
unglaublichen Konsequenzen für die gewiß daran unschuldige Musik nicht eigens nach
diesem Zeitaufwand komponierter Zwischenaktstücke. Ein neuer Inszeniel'ungsstil
hätte aus der Not eine Tugend gemacht, statt, der törichten Mode zuliebe, englische
Naturparks in einem Hausgarten imitieren zu wollen. Miniatur...Bayreuth furs Volk.
Und doch habe ich's schließlich im letzten Winter erlebt, daß auch diese Liliput...
bühne noch viel zu geräumig wurde für König Heinrichs Heerbann, der volle zwölf
Mann hoch gegen die Ungarn ausrückte! (Die anderen waren, denke ich, enthoben.)
Herr Rainer Simons hat uns zahllose Male bewiesen, daß trotz zugegeben
glänzenden Besuches die Volksoper niemals einen Gewinn abgeworfen habe. Hiezu
zwei Bemerkungen: Unbekannt blieb, wie groß die jährliche Gage war, die der
Direktor und Regisseur Simons von dem Pächter Simons - übrigens mit vollem
Recht - erhalten hat. Und zweitens: Ausgaben für Neuanschaffungen sind Ausgaben,
bis sie eines Tages doch zu - Einnahmen werden. Dieser Tag kam, als Herrn Simons
der "Fundus u von seinem Nachfolger abgelöst werden mußte. Aber bekanntlich gibt es
bei uns nur menschenfreundliche Geschäftsleute, die aus Liebe zur Sache " draufzahlen u.
Die Volksoper baute ihr Repertoire auf, den typischen deutschen Opernspielplan :
Weber, Lortzing, Marschner, Mozart. Goethe, d~r, weiß Gott, immer das Rechte
findet, sagt zu Eckermann : "Unsere Zeit ist nun an wahrhaft guten Stücken so
reich, daß einem Kenner nichts leichter ist, als ein gutes Repertoire zu bilden.
Allein es ist nichts schwieriger, als es zu ha1ten.'~ ·Das ist es, es war wohl auch auf
die Dauer nicht zu halten, so lange Wagner nicht frei war. Man brauchte Kassastücke,
suchte sie in miserabeIn Operetten, die unter der Bezeichnung "komische Oper 41 zur
Unkenntlichkeit maskiert zu sein vermeinten. Aus meiner Erinnerung beschwöre
ich voll Grauen: "Das Tal der Liebe u von Oskar Straus oder "Napoleon und die
Frauen u von Reinhart, ihr wißt wohl - dem "Süßen Mädelu ...Reinhart, dem Wieder. .
erwecker der Wiener Fünfhundert...Aufführ ungs... Serien, dem Musikkritiker, der im
Wiener Journal die erbärmliche Preßhetze gegen Mahler so erfolgreich inszenierte.
Zur Ehre des Publikums sei gesagt, daß es auf diese Köder nicht anbiß. Nicht, daß
ihm schlechte Operetten nicht behagen könnten. Aber wenn es schlechte Operetten
sucht, so weiß es sie sehr wohl in den Karezag. . Bühnen oder im Bürger...Theater zu finden.
Unter den Linden - in der Volksoper kennt man die lockere Gesellschaft nicht.
Hier will man künstlerische Kost. Was man eben so unter Kunst versteht. Nicht
"Ariane und Blaubartl' von Ducas, eine von Simons' dankenswertesten Taten, nicht
"Kleider machen Leute U .von Zemlinsky, nicht "Feuersnot U oder "Salome", wohl aber
"Toska'l und "Quo vadis" und "Kuhreigen" und später" Tote Augen" füllten Haus und
Kassa. Erfreulicher, daß es dann und daneben auch Richard Wagner zuwege brachte ·!
Simons war ein zweiter Angelo Neumann in seiner guten Witterung für Sänger'"
begab1:1ngen. Unnötig, die viden und heute überall bekannten Namen seiner "Ent...
deckungen U aufzuzählen. Nur, daß er sie über ihre Anfänge hinaus nicht zU halten
vermochte und daher im steten Wechsel der Kräfte zu keinem festen Ensemble
gelangte. Ähnlich, hier ganz ohne seine Schuld, die Verhältnisse des Orchesters, das
in jedem Sommer in zahllose Kur ... und Salonkapellen zersplitterte und jeden Herbst

107
neu zu schaffen war. Eine unlösbare Aufgabe für die tüchtigen Dirigenten, an denen
auch nach ZemIinsky kein Mangel war.
Bedenklich waren andere Methoden. Das Engagement zahlloser junger Anfänger
zu schmählichsten Spielhonorareo, die auch umsonst zu haben sind in ihr~r Hoffnung,
dem Leidensweg der Provinz zu entgehen und sofort in Wien mit einer großen
Rolle ihr Glück zu machen. Daß diese Rolle nie kam, und die Tätigkeit im Chor nicht
zum Ruhme führt, war die Enttäuschung dieser allzu Leichtgläubigen. "Beziehungenll
zu einzelnen Kritikern, die bald als bezahlte Verfasser von Operneinführungen, bald
als Autoren jederzeit bereitwillig aufgenommener Werke, bald in dramaturgischer
Funktion erschienen, haben Verhältnisse geschaffen, die der Unabhängige als
inkompatibel bezeichnet. Allerdings nur dieser •..
In den letzten zwei Jahren, da Raou! Mader Direktor war, ist es rapid bergab
gegangen. "Der Tell" (bitte: "d er" Tell) von Reiter und Millenkovic, "Der weiße
Adler", Musik von Mader nach Motiven von Chopin (!), "Abbe Innozent'l, "Eroica"
und ähnliche sind Stationen dieses immer tiefer hinunter führenden Leidensweges.
Was war aus dem Idealprogramm einer Volksoper : gute Musik, billige Aufführung,
billige Preise geworden? Schlechte Musik, billige Aufführung, gute Preise! Mahler
stellte an seine Künstler dieselben Anforderungen wie <\n sich selbst. Auch Mader
verlangte von allen nicht mehrJals von sich. Was aber verlangte er von sich? Nichts!
Eine gut _erfundene Bosheit, charakterisiert den Dirigenten, den die Musiker auf..
merks am machen, er solle aufhören zu taktieren, da die Oper zu Ende sei. Ähnlich
war es ,mit seiner direktorialen Herrlichkeit. Sie war aus, ehe er es merkte~ Sie
ruhe in Frieden, wie er, als sie noch bestand, in Frieden geruht hat! - Was nun?
Es ist heute kaum mehr berechtigt, der Fehler zu gedenken, die Weingartner
am Opernring begangen hat. Sein erstes Beginnen in Währing zeigt soviel
sympathische Frische und :: guten~,Willent daß die Vergangenheit gerne vergessen
werden soll, wenn die Zukunft hält, was die Gegenwart verheißt. In zwei Monaten
angestrengtester Arbeit hat er mit dem alten Ensemble, das er nicht verändern
durfte; dem bloß Frau We i n gar t n er als wertvolle Kraft zuwuchs,' mit einem
Chor und einem Orchester, dieJuoch weitere Verstärkung vertrügen, ganz Ungiaub ..
liches geleistet. Eine Reihe von szenisch und musikalisch überaus geglückten Neu..
studierungen, wie "Holländer", "Meistersinger", "Wilhelm Tell", "Faust", "Aida"
zeigen das richtige Bestehen, den Spielplan auf breiter Grundlage aufzubauen.
Kein Volksopern.. SpieIplan wie man ihn vor zwanzig Jahren im wesentlichen
auf die ,deutsche romantische und Spieloper beschränkt wissen wollte. Keine
Volksoper, sondern die ganze Oper fürs Volk. Das Publikum, das zu Wagner
erzogen wurde, ist weiter zu bilden zur modernen, zur modernsten Produktion.
Die Konkurrenz der staatlichen Oper besteht nicht mehr. Das Haus am Opernring
ist exklusiver geworden denn je. Plätze sind nur mehr im Schleichhandel zu haben,
zu Schleichhändlerpreisen, für Schleichhändler. Die übergroße Mehrheit der Musik..
freunde ist heute auf die Volks oper angewiesen, die bei aller durch die Verhält..
nisse erzwungener "Regulierung" der Preise - (Preise werden bei uns bekanntlich
nur nach oben reguliert!) - immer noch erschwinglicher sein wird. Also kein
beschränkter, vielmehr ein umfassender Spielplan in musikalisch anständiger Aus..
führung endlich ohne gicksende Hörner, dabei ohne ,unnötigen szenischen "Pflanz"!
Dies sclieint auch Weingartners so überaus hoffnungsvoll begonnene Arbeit zu wollen,
Nicht leicht wird die Auswahl an Neuheiten zu treffen sein: Dabei brauchte

108
Weingartner bessere Berater als ihm für die philharmonischen Konzerte zUr
Verfügung stehen. Keinesfalls dürfte die Sorge erwachsen, daß andere als rein
künstlerische Gründe dabei mitspielen. Es darf nicht der Anschein erweckt werden,
als solle durch ungeeignete Auswahl die moderne Produktion als solche diskreditiert
werden, woraus ein Zustand programmatischer Gleichförmigkeit und Gleichgültigkeit
resultiert, wie er den philharmonischen Konzerten seit Jahren ein trübseliges Gepräge
gibt. Und eine Bitte: Keine Konzessionen für das allzu leichtfüßige Genre, das in
eleganter Vermummung gerade die Volksopernhäuser aufzusuchen liebt, deren
Leitwort heiße: "Die Oper rette! Nicht: Operette!" Und noch eine Bitte. Regelmäßige
Jugendvorstellungen zu ermäßigten Preisen, wie sie Burg... und Volkstheater bieten,
an Samstagen, an Sonntagnachmittagen - (an denen im Opernhaus nur mit
Trikots und Flitterröckchen . musiziert wird!) - in denen der Jugend und dem
noch unbelehrten Volk in lückenlpser Serie die klassische Oper vorgeführt wird.
Wer Kinder hat, der weiß, daß es heute in Wien unmöglich ist, sie mit unseren
Meisterwerken, mit denen der Grund zu ihrer musikalischen Bildung zu legen wäre,
an Tagen, an denen der Schulbetrieb es gestattet, und zu erreichbaren Preisen
bekannt zU machen, auch dafür fanden sich bereits einige dankbar begrüßte Möglich...
keiten im Spielplan der letzten Zeit, wie ich nach einer sehr hübschen Nachmittags ...
aufführung von "Czar und Zimmermann" bestätigen kann. Somit läßt Weingartners
bisheriges Tun mit Recht erhoffen, daß die Volksoper einer neuen, schönen Zukunft
entgegengeht, bereit, die edelste Aufgabe zu erfüllen, die einer wahren Volksoper
gestellt ist: dem Volke zu behagen, und denen, die das Volk von morgen sind.
[J C

DER KRITIKER AUF DEM PARKETT SESSEL


Von Paul Marsop, München
Wenn ich, sei es an meinem Wohnort, .!tei es anderswo, mit Kollegen von der
Schauspiel... und der Opernkritik über diese und jene Vorstellung Gedanken aus...
tauschte, undeutliche Aussprache, arge Unstimmigkeiten in der Anlage und Aus ...
gestaltung des szenischen Bildes, zu starkes Hervortreten des Orchesters den Sängern
gegenüber rügte, gab es oft Erstaunen, Verwunderung, wenn nicht gar lebhaften
Widerspruch. Ich wäre wohl allzustreng in meinen Forderungen: man hätte die von mir
hervorgehobenen Mißstände und Verfehlungen überhaupt nicht oder nur obenhin
empfunden. Dementsprechend fand sich in unseren Berichten und schriftlichen
Erörterungen nicht wenig Gegensätzliches. Fachgenossen, die ich als ebenso kenntnis ...
reiche wie wahrheitsliebende Männer von gereiftem Urteil schätze, lobten nicht
selten, wenn ich mich, nach Pflicht und Gewissen, ablehnend verhalten m uBte.
Seelenvergnügt stützten sich natürlich die Theaterleiter auf die mit Komplimenten
gespickten Referate; wie bequem war es doch, nichts. ändern, nichts verbessern zu
brauchen! Unsereiner jedoch wurde mit seinen Einwänden widerwillig angehört und
kam jeweils, unter freundlicher Beihilfe in ihrer Eitelkeit gekränkter Mimen, Spiel...
leiter, Dekorationsmaler, die den unbequemen Warner und Tadler am liebsten auf
offenem Markte verbrannt hätten, in den Ruf des parteiischen Nörglers.
Weshalb die Verschiedenheiten der Auffassung?
Die werten Herren Kollegen hatten und haben die bestverfügbaren Plätze des
Zuschauerraumes inne. Zumeist in der Mitte einer der ersten Parkettreihen. Sie

109
saßen und sitzen ungefähr dort, wo Direktor, Regisseur, Maschinenmeister während
der Proben Posto fassen, um das Bühnenbild zu stellen, zu überwachen, zu verändern.
Somit bietet sich ihnen das Höchste der relativen Harmonie, zu der sich dick und
derb überschmierte Leinwandflächen mit plastischen Stücken und sich frei bewegenden
Darstellern unter abtönenden Beleuchtungsvorkehrungen vereinigen lassen. Sie sehen,
auch bei offenem Orchester, nichts oder so gut wie nichts vom Kapellmeister, von
den Instrumentalisten, von ihrer bürgerlichen, mit der der Schauspieler empfindlich
kontrastierenden Tracht und ihren illusionsstörenden Bewegungen; der Anblick der
Pult1ampen und der grellweiß herausstechenden Notenblätter bleibt ihnen erspart.
Sie sind der Bühne so nahe, daß sie auch dem lispelnden, schlecht vokalisierenden,
die Silben zerkauenden Sprecher das Wort vom Munde abfangen; sie haben, aus
gleichem Grunde, sofern nicht ein besonders grobschlächtiger oder unbeholfener
Dirigent den Taktstock schwingt, seltener den Eindruck, daß der yesangsolist von
der Wucht der Streichermasse, von Trompeten und Posaunen übertönt werde.
Ab und zu gelang es mir einmal, nachdem ich auf einen Konfrater eine halbe
Stunde lang mit aller Energie eingesprochen hatte, ihn zu bewegen, sich doch
wenigstens ein paar Szenen von einem Seitenplatz aus anzuschauen oder für die
Dauer -eines Aufzuges mit mir zum zweiten, dritten, vierten Rang hinaufzusteigen.
Da übersprudelte alsbald sein Mund von heftigen Scheitreden. '1Himme1mohren . .
element! Was ist das heute für eine hundsverfluchte Sauwirtschaft! Die L ....
haben ja seit drei Monaten nicht geprobt! Nichts, rein gar nichts geht zusammen!
Die Kulissen stehen windschief! Immer die Schlamperei mit dem Rampenlicht ~
jedes einzelne Brett des Fußbodens grenzt sich scharf vierkantig ab! Warum geht
das semmelblonde Schaf, die EIsa, nicht zwei Schritte vor? Ich sehe nur d,ie Ortrud
grimassieren. Was für -eine Disziplinlosigkeit im Orchester! Die Kerls gebärden sich
wie die Wilden - nicht zwei haben den gleichen Bogenstrich ! In der Partitur sind
für den ganzen Verlauf der Szene nur Piano und Mezzoforte vorgeschrieben: was
soll der Höllenspektakel? Das höre der Teufe! mit an! Schnell, schnell - machen
wir, daß wir weiter kommen!U "Sie tun den Herrschaften auf und vor der Szene
bitter Unrecht, Liebster! Die sind heute nicht besser und nicht schlechter als sonst
auch; sie haben so viel, bezüglich so wenig l Zeit an die Vorbereitung gewendet als
sie das gemeiniglich tun. Bemühen wir uns drei Meter nach rechts zu: wir werden
· die mondscheinu mflossene Brabanterin gleich wieder auf ihrem Balkon gewahren.
Suchen Sie Ihren molligen Stammplatz auf: die nackten, mit dem dahinter aus . .
gebreiteten Teppich schlechter~ings unverträglichen Bohlen des Proszeniums werden
Ihr 'Auge kaUm mehr beleidigen. Ich wette auch, Sie stellen dann mit Genugtuung
fest, daß unsere vortrefflichen Oboisten die Vortragsbezeichnungen diesen Abend mit
gleicher Gewissenhaftigkeit beachten wie bei früheren Lohengrin...Aufführungen. ~
Jäh reißt sich der aufgeregte Mann von mir los. Nach dem letzten Akt begegnen
wir uns am Ausgang. "Verehrter Freund, ich glaube, eine leichte Unpäßlichkeit
reizte vorhin meine Nerven. Die ungewohnte Hitze auf der Galerie ..• Die Vor ...
stellung war wirklich recht , ordentlich/~ "Sie wollen mir also nicht die Liebe tun,
übermorgen der Wiedergabe des 11Egm,ont~ im dritten Rang anzuwohnen?" "Ja,
wissen Sie, der Mensch ist halt ein Gewohnheitsgeschöpf. Unten hänge ich seit
Jahren meinen Mantel an den Garderobepflock zunächst der Tür. Verspäte ich mich,
so ,werde ich vom Diener, der mich kennt, auch gegen das Hausgesetz mitten im
Akt eingelassen. In der nächsten Pause erzählen mir die umsitzenden Kollegen,

110
was sich an irgendwie Bemerkenswertem in meiner Abwesenheit ereignete. Zudem
gastiert Amanda Zuckerbrot auf Anstellung als Klärchen. Sie kennen mich ja:
ich bin der letzte, der von den Meinungen anderer beeinflußt wird. Aber man will
doch mit den Kollegen Fühlung nehmen, ehe man schreibt. Dazu die langweilige
Stiegenhupferei - weshalb sich unnütz plagen?" "Alles sehr schön! Doch, erinnere
ich mich recht, sind Sie Sozialdemokrat. Um Sie herum, im Parkett, haben sich
die Schieber, die Kommerzienräte, die reichgewordenen Wucherer angesiedelt. Die
Träger der Bildung, der Kultur sirtd zufolge der schon vor dem Kriege eingetretenen
übermäßigen Erhöhung der Kartenpreise in die oberen Regionen abgewandert. Nicht
wahr, Sie setzen doch Ihren Stolz darein, für cl.as Volk, für die Allgemeinheit zu
wirken! Wie vermögen Sie das, wenn Sie die dramatische Darbietung lediglich von
einem der zwei ... bis dreihundert, allein den _Meistbegüterten und - der -Kritik zu. .
gänglichen Vorzugsplätze aus verfolgen, wenn Sie sich nicht darum kümmern, mit
welchen Verzerrungen und jämmerlichen Fetzen sich die Inhaber der and~ren tausend,
zwölfhundert Sitze oft genug zu begnügen haben ?Jl Pause. Achselzucken. Verlegenes
Räuspern. Endlich die mir giftigen Tones zugezischte Entgegnung: "Damit die
Vertreter der Bourgeoisblätter sich hohnlächelnd ins Ohr tuscheln, sie hätten den
Proletarier aus dem bequemen Gestühl herausgegrault ? Auf den Leim krieche
ich nicht!"
o heilige Logik!
o
I!=h klage den deutschen Theaterkritiker an. Am sammetüberzogenen
Parkettsessel klebend, sorgte ,er sich kaum je um die Zuhörerschaft als Ga n z es.
Er fragte sich nicht, was die mehr seitlich Sitzenden, was die Insassen des rückwärtigen
Parterres, denen der über ihren Köpfen schwerwuchtende erste Balkon den oberen
T eil der Bühnenöffnung abzwackt, wals die im höchsten und zweithöchsten Rang
untergebrachten Zuschauer mit den von ihnen erhaschten Bruchstücken der Aufführung
anfangen können,_ob sie sich somit nicht, statt an eine einheitlich fortströmende '
Handlung und ihre zusammengefaßte Darstellung, an Einzelheiten halten m ü s s en :
an eine heraus geschmetterte Kraftphrase, einen schneidig "hingelegten 14 hohen Ton,
einen aufdringlichen Massengruppenschlager im Vordergrunde. Kaum je zerbrach er
sich darüber den Kopf, ob der vom "Hause" gespendete Beifall und ebenso eine
lärmende Ablehnung als AusdruckeinesKollektivwiIlens zu gelten hatten. Verständnislos
steht er also zumeist der Frage gegenüber, ob oder inwieweit die Hauptaufgabe des
Theaters, als Volksbildungsanstalt zu dienen, unter Verwendung der Zuschauersäle
von hergebrachter Grundform zu lösen ist. Als beatus possidens " beging er den
schweren Fehler, sich beinahe ausschließlich auf die szenischen Vorgänge und die '
Leistungen der Ausführenden einzustellen, in Vernachlässigung der wesentlichen
beruflichen Pflicht, die Interessen der Ge sam th e i t der Z uh öre r wahrzunehmen,
ihre Natur, ihre Wünsche und seelischen Bedürfnisse zu ergründen, das Verhältnis,
in das sie zu den verschiedenen' Gattungen des Dramas, den unabänderlichen
Begebenheiten und den wechselnden Tagesleistungen des Theaters tritt, ständig mit
angespannter Aufmerksamkeit zu beobachten. Alles in allem war er Luxuskritiker
- im besseren Falle Dozent der Bühnenästhetik, im schlechteren Registriermaschine,
im schlimmsten flotter, witzelnder, dem halbgebildeten Lesephilister eine leicht
prickelnde Morgen. . und Nachmittags. .Unterhaltung verschaffender Feuilletonist. Würde
er, an statt in gewohnter Bahn lässig weiterzutrotten, sein Amt als Mandatar und

111
HeIfer des Volkes verwaltet haben, so sähen wir bereits jetzt die Dem 0 kr a t i sie run g
des T he a t e r s bis auf einen ansehnlichen Grad verwirklicht. Das 'h eißt: schon
heute hätten wir auf deutschem Boden schier allerorten Zuschauersäle, die, auch dem
Unbemittelten offenstehend und in der Form des Amphitheater...Ausschnitts gehalten,
es jedem Gast ermöglichten, das Schauspiel in seiner Gänze aufzunehmen, die sich,
im Gegensatz zu den auf die welsche Konzertoper zugeschnittenen Rang. . und
Logenhäusern, der germanischen Natur der Schöpfungen Schillers und Shakespeares,
Webers und Wagners anpaßten, die den Besuchern bei Feuersgefahr und dem
Ausbruch einer Panik ungleich größere Sicherheit gewährten als die Opernkästen
mit ihren vielfach gebrochenen Treppen. Und erheblich rascher wären wir
vorangekommen mit der Lösung schwieriger Sond,erprobleme künstlerischer un
zugleich technischer Art: stilisierend vereinfachte, doch nicht nüchterne dekorativ
Behandlung des Schauplatzes, sinnvolle Konstruktion des verdeckten Orchesters mit
verstellba'r en T dIpodien, hemmnisfreie, beliebig zu regelnde Ausleuchtung der
Spielfläche. Schließlich hätte bereits so mancher Dichter und Komponist, der
gegenwärtig noch der Versuchung unterliegt, sich mit billigen Operneffekten Beifall
und Gunst des gönnerhaft thronenden Logenbesitzers zu erschmeicheln, vor einem
in einheitlich geschlossenem Linienzuge gebauten, mit der Bühne restlos zusammen . .
gestimmten Zuschauerraum den heilsamen z:wang empfunden, idealwärts zu steuern.
Sicherlich zur Freude der Kritik, in Erleichterung ihrer Arbeit,
Der Reformierung der deutschen Schule hat eine beträchtliche Änderung der
Erziehung zum Lehrer, der Demokratisierung des Theaters die Demokratisierung
des Kritikers voranzugehen. Nicht in dem Sinne, daß er sich auf etwe1ches radikale
politische Programm einzuschwören hätte, sondern in dem, daß er sich für den
Vollbereich der Bühne zum echten und rechten Anwalt der V 01 k s ge sam t he i t
wandelte.
o [J

· M A H L E R .. F E S T I N HOLLAND
Von Dr. Ernst Rudolf Mengelberg, Amsterdam
Schon seit langem planen wir hier ein Mahler...Fest. Die vieljährig, systematische
Pflege Mahlerscher Kunst unter der unermüdlichen 'und beseelenden Ägide Willem
Mengelbergs hatte in vieler Herzen den Wunsch wachgerufen, dem größten
Symphoniker unserer Zeit ein Fest zu weihen, an dem alle seine Werke in
zyklischer Folge zu Gehör gebracht würden. Während des Krieges fehlte aber das
rechte Animo zu dieser gewaltigen Unternehmung. Wenngleich der Friede uns den
Frieden nicht gebracht hat, so ist ein solches Fest unter den heutigen Umständen
doch eher möglich, als unter dem Drucke kriegerischer Ereignisse, autokratischen
Zwanges, persönlicher 'Unfreiheit und unter der Suggestion chauvinistischer Hetzen.
Abgesehen aber von den re 1at i v günstigen Zeit... und den se h r gün stigen
Lokalverhältnissen bietet sich jetzt aber ein willkommener äußerer Anlaß zu dem
Fest, das ist das 25 jährige Jub~läum von Willem Mengelberg als künst lerischer
Leiter des Concertgebouw. Bei einem solchen Jubiläum ausschließlich Werke ein e s
Meisters in Festaufführungen zu Gehör zu bringen, könnte einseitig erscheinen. Aber wer
auch nur einigermaßen mit 4en hiesigen Verhältnissen vertraut ist, muß sich sagen,
daß von Einseitigkeit in diesem Falle nicht gesprochen werden kann. Denn es gibt

112
wohl kaum ein Konzertinstitut, das vielseitiger in seiner Musikpflege ist als gerade
das Amsterdamer Concertgebouw.
Hier kommen allwinterlich Werke aller Epochen, aller Stilarten, aller Nationen
zur Aufführung.
In den 50 Abonnementskonzerten der Wintersaison 1918/19 beispielsweise wurden
- um nur einige' Namen und Zahlen anzuführen - von Bach 8 Werke, von
Mozart 10, von Beethoven 17, von Berlioz 5, von Brahms 7, von Cesar Franck 4,
von Strauß 5, von Mahler 7 (4 davon wiederholt), von Debussy 6 Werke aufgeführt;
außerdem noch zahlreiche klassische und moderne Werke von deutschen, öster. .
reichischen, slawischen, französischen, italienischen, englischen Komponisten.
Diese Saison bringt unter Willem Mengelbergs Leitung einen historischen Zyklus
mit Werken aus vier Jahrhunderten, vom Anfang des 17. Jahrhunderts bis zu den
Jüngsten (Scriabine, Schönberg, Schreker, Korngold, Ravel etc.). Der Zyklus umfaßt
27 Konzerte und wird beschlossen durch drei moderne holländische Abende. Da..-
neben werden wir im Rahmen der Abonnementskonzerte Gastdirigenten aus fast
allen Kulturländern hören, die meistens neue Kompositionen introduzieren. Aus
England kommt Elgar, aus .Frankreich Pierne, aus Belgien Fran~ois Rasse, aus
Italien Toscanini und Casella, aus Deutschland Muck und Nikisch, aus Skandinavien
Carl N ieIsen.
Bei dieser Universalität im ganzen kann liebevolle Einseitigkeit im einzelnen
nur fördern~ sein. Eine solche haben hier von neueren Meistern die größten erfahren:
vor allem Richard Strauß, Claude Debussy und Gustav Mahler. In der Pflege
Straußseher l\IIusik war das Concertgebouw unter Mengelberg schon vor 20 Jahren
führend, was Strauß .s elbst mit der Widmung seines "Heldenleben~~ dankbar aner. .
kannte. Nach Strauß ist allmählich auch Debussy hier ganz eingebürgert, auCh seine
Werke sind fast aUe Repertoirestücke des Orchesters, und sein Stil dem Publikum
durchaus vertraut.
Unaufhörlich wachsend, immer weitere Kreise in seinen Bann zwingend ist}m
Laufe der Jahre Gustav lVlahler wahrhaft der Schutzgeist des Concertgebouw geworden.
Neben der alljährlich wiederkehrenden Matthäuspassion bilden die Aufführungen der
großen Symphonien von Mahler die eigentlichen Festtage im Arn,sterdamer Musikleben.
W urzeIt Mahler durch Geburt und Tradition im österreichischen Wien, Amsterdam
U
und HolIand sind durch Schulung und Erziehung zu seiner "zweiten Heimat
geworden. Das hat Mahler selbst schon zu Lebzeiten empfunden, wie aus vielen
mündlichen und schriftlichen Äußerungen hervorgeht. Aber konnte er ahnen, daß
der große Sieg so dicht vor den Toren stand? Daß kaum zehn Jahre nach seinem
frühen Tode sein Name - auch Ivon Zweiflern und Reaktionären - neben den
größten aUer Zehen genannt würde? Daß der Name Gustav Mahler Tausenden
ein Bekenntnis, seine Musik "Tausenden innigstes Bedürfnis sein würde.
Diesen Sieg hat Willem Mengelberg ihm erzwungen und errungen. Als Mengelberg
jugendlich begeistert auf einem Diner nach der Aufführung der Dritten ,Symph01:iie
im Jahre 1903 Mahler als den "Beethoven unserer Zeit u feierte, erweckte sein Aus..
spruch allgemeinen Spott, Hohn, ja Entrüstung. Heute ist man sich der prinzipiellen
Richtigkeit dieses Maßstabes bewußt.
Mahler war während der Jahre 1903-1909 im 'ganzen viermal in Amsterdam
und introduzierte bei seinem ersten Besuch die erste und dritte Symphonie, bei
seinem zweiten Besuch (1904) die Zweite und Vierte - letztere wurde in elnem

113
Konzerte zweimal hintereinander gespielt! - 1906 die Fünfte, die Kindertotenlieder
und "Das klagende Lied", 1909 endlich die Siebente. Mengelberg leitete die zahl...
reichen Vorproben und Wiederholungen der Aufführungen.
Wie hochbefriedigt und dankbar Mahler schon nach den ersten Konzerten in
Amsterdam war, kommt in vielen seiner Briefe zum Ausdruck, vor allem in einem
Schreiben an Willem Mengelberg vom H~rbst; 1904 nach der Aufführung der Zweiten
und Vierten:
"Mein lieber Freund!
Nachdem ich nun in meiner Heimath angekommen, und ein wenig von den
Strapatzen meiner Reise erholt, richten sich meine Gedanken auf die so wundervoll
verlebten Tage in Amsterdam. - Was ich nach dieser Richtung Ihnen zu danken
habe, Ihrer jugendfrischen und thatkräftigen Initiative, Ihrer congenialen Interpretations. .
kunst und durchdringendem Verständnis meiner Werke - dies gehört zu jenen
Dingen, von denen wir uns gelegentlich eines freundschaftlichen Symposions gesagt
haben, daß man sie tief empfinden, aber für sie nicht danken kann.
Und so drücke ich Ihnen im Geiste Ihre Freundeshand, und bitte Sie, mir auch
fernerhin alle diese Gesinnungen
c
zu bewahren, die mir um so viel mehr werth,
als sie selten, um so bewundernswürdiger sind, als nur aus ihnen jene lebendige
Kunst erwächst, als deren begeisterten .Adepten ich Sie erkannt habe.
Der Zweck meines heutigen Briefes ist hauptsächlich, Sie zu bitten, bei Ihrem
wundervollen Chor, bei Ihrem prachtvollen Orchester der Dolmetsch meiner dank. .
baren Empfindungen zu sein. '
Was diese beiden Corporationen, in jenen Tagen geleistet, kann nur ich beurteilen
und - Sie. Dieser einzige Elan, dieser tiefe Ernst waren es allein, denen ich eine
geradezu mustergiltige Aufführung des allerschwierigsten Werkes verdanke, und .ich
bitte allen Betheiligten zu sagen, das ich ihren mich rührenden Eifer und ihren
befeuernden Schwung nie vergessen werde. U
Das sind Mahlers Eindrücke von der Amsterdamer Erstaufführung der Zweiten.
Wie ist seitdem nicht gearbeitet worden I In zahllosen Pro ben, in vielen, vielen
Aufführungen! Mahlers subtiler Orchesterstil ist die eigen diche Schule des Concert . .
geoouw. . Orchesters geworden. Hier ist das erreicht, was für die deutschen Orchester
und ihre Leiter gew,altige Zukunftsaufgaben sind: die Individualisierung des Spiels.
Das Orchester hat nicht als Masse zu spielen, sondern als eine vielgestaltige Gruppe
von Einzelindividuen. Grundlage einer solchen Schule ist äußerste Beherrschung
jedes einzelnen bei größter Leidenschaft und Intensität der Empfindung. Nur auf
diesem Wege liegt die Möglichkeit eines allgemeinen Verständnisses Mahlerscher Musik
und einer gedeihlichen Weiterentwicklung symphonischer Kunst überhaupt. Mahler
ist geistig wie technisch ein großer Erzieher. Wie für den Pianisten Bach die
Grundlage des Studiums ist, so muß für ein modernes O,rchester Mahler das
Alpha und Omega der Schulung werden. Dies in der Praxis deutlich gemacht zu
haben, ist das unvergängliche Verdienst Willem Mengelbergs.
Ohne die technischen Vorbedingungen muß die Pflege. Mahlerscher MusikStück . .
werk bleiben. Auf ihr als Grundlage ist es Willem Mengelberg gelungen, kraft
seiner synthetischen Begabung und seiner unermeßlichen Liebe für den großen
Menschen und Meister, in Holland einen wahren Mahlerkult ins Leben zu rufen,
und Amsterdam gleichsam zu Mahlers Bayreuth zu machen.
D Cl

114
ssetr-
MUSIK UND WELTIDEE richtig ist). Vielmehr soll sich aus den hier
angeführten Sätzen zweierlei ergeben: erstens
Mit dem Beginne des 19. Jahrhunderts der Zusammenhang der Musik mit der gesamten
vollzieht sich im deutschen Geistesleben eine ,Kultur und Weltanschauung, zweitens ihre
bedeutsame Wendung: der Übergang von der Bedeutung für das geistige Leben einzelner
Klassik zur Romantik. Wurzelt alle klassische großer Menschen. Hugo Kauder
Kunst und Denkweise in einer p las t i s ehe n D
Weltanschauung, so ist dagegen die der Romantik
entsprechende Weltanschauung als mus i k a .. Musik! - mit geheimnisvollem Schauder,
lische 2;U bezeichnen - Plastik und Musik in ja mit Grausen nenne ich dich! - Dich! in
ihrem weitesten ' Sinne verstanden: als Gleich.. Tönen ausgesprochene Sanskrita der Natur!
nisse der heiden Gegenwelten des apollinischen (E. T. A. Hoffmann, Kreisleriana)
und dionysischen.
D
Demgemäß wird mit der Heraufkunft der
Romantik di~ Musik zur obersten aller Künste; Die musikalischen Verhältnisse scheinen
hatte sie sich in den vorangegangenen Jahr.. mir recht eigentlich die Grundverhältnisse der
hunderten zum Range einer selbstherrlichen Natur zu sein.
Kunst entwickelt und als solche in Bach und (Novalis, Fragmente)
Mozart zwei höchste Gipfel erreicht, so erscheint D
sie nunmehr als unmittelbarer Ausdruck der
gesamten Geistigkeit des Zeitalters. Wir können jetzt erst die höchste Bedeutung
von Rhythmus, Harmonie und Melodie festsetzen.
Besonderes Kennzeichen der Romantik ist Sie sind die ersten und reinsten Formen der
das Streben nach gegenseitiger Durchdringung Bewegung im Universum und, real angeschaut;
von Religion, Kunst und Philosophie, aus der die Art der materiellen Dinge, den Ideen gleich
Erkenntnis, daß nicht nur alle Kunst, sondern zu sein. Auf den Flügeln der Harmonie und
überhaupt alles ' geistige Tun von Einem Ur .. des Rhythmus schweben die Weltkörper; was
sprunge her stamme und , nach Einem Ziele hin man ~ntripetal ... und Zentrifugalkraft genannt
gerichtet sei. hat, ist nichts anderes als - dieses Rhythmus,
Es scheint, als wäre unsere Generation jenes Harmonie. Von denselben Flügeln erhoben,
dazu berufen, das geistige Erbe der Romantik, - schwebt die Musik im Raum, um aus dem
das an zwei Menschenalter lang verschüttet war, durchsichtigen Leib des Lauts und Tons ein
anzutreten; denn auch im geistigen Leben der hörbares Universum zu bilden.
Gegenwart herrscht jene Tendenz nach einer (Schelling, Philosophie der I<unst, ~ 83)
Synthese von Kunst und Weltanschauung.
D
Diesem Streben zu dienen, ist auch Zweck
und Absicht der hier folgenden Zusammen.. Die Musik überhaupt ist die Melodie, zu
stellung von Gedanken und Aussprüchen über der die Welt der Text ist.
Musik. Es soll hier also keineswegs eine der (Schopenhauer, Parerga lI., ~ 219)
beliebten "BlUtenlesen'J gegeben werden, ebenso... (3
wenig besteht die Absicht, bestimmte Meinungen
und Anschauungen durch Berufung auf "Autori.. Keine Kunst wirkt auf den Menschen so
täten" zu bestätigen und zu erhärten (im unmittelbar, so tief ein, als die Musik, eben
Gegenteil sollen wo nurimmermöglich entgegen .. weil keine uns das wahre Wesen der Welt so
gesetzte Ansichten nebeneinandergestcllt werden. tief und unmittelbar erkennen läßt, als diese.
nicht um die eine gegen die andere auszuspielen, Das Anhören einer großen, vollstimmigen und
sondern um einen und denselben Gegenstand schönen Musik ist gleichsam ein Bad des Geistes:
von verschiedenen Seiten zu betrachten - es es spühlt alles Unreine, alles Kleinliche, alles
wird sich hiebei meist herausstellen, daß jede Schlechte weg, stimmt Jeden hinauf auf die
Betrachtungsweise von ihrem Standpunkte aus höchste geistige Stufe, die seine Natur zuläßt:

115
und während des Anhörens einer großen Musik Habt ihr dies eigentümliche Wesen auch
fühlt Jeder deutlich, .w as er im Ganzen werth wohl nur geahnt, ihr ~rmen Instrumental. .
ist, oder vielmehr, was er werth seyn könnte. komponisten, die ihr euch mühsam abquältet,
(Schopenhauer, N~ue Paralipomena, S. 398) bestimmte Empfindungen, ja sogar Begeben..
heiten darzustellen? - Wie konnte es euch
[J
denn nur einfallen, die der Plastik geradezu
Keine Kunst, glaube ich, geht so ganz und entgegengesetzte Kunst plastisch zu behandeln?
gar aus der inneren Vergeistigung des Menschen Eure Sonnenaufgänge, eure Gewitter, eure
hervor, keine Kunst bedarf nur einzig rein BataiUes des trois Empereurs u. s. w. waren
geistiger ätherischer Mittel, als die Musik. Die wohl gewiß gar lächerliche Verirrungen und
Ahnung des Höchsten und Heiligsten, der geistigen sind wohlverdienterweise mit gänzlichem Ver...
Macht, die den Lebensfunken in der ganzen gessen bestraft. .
Natur entzündet, spricht sich hörbar aus im (E. T. A. Hoffmann, Kreisleriana)
Ton und so wird Musik, Gesang der Ausdruck [J
der höchsten Fülle des Daseins ,
- Schöpfer ..
Was überhaupt die schwierige Frage, wie
lob! •••
weit die Instrumentalmusik in Darstellung von
••• Eben dieses ihres eigentümlichen Wesens Gedanken und Begebenheiten gehen dürfe,
halber konnte die Musik nicht das Eigentum anlangt, so sehen hier viele zu ängstlich. Man
der antiken Welt sein, wo alles auf sinnliche irrt sich gewiß, wenn man glaubt, die Kom..
Verleiblichung ausging, sondern mußte dem
ponisten legten sich Feder und Papier in der
modernen Zeitalter angehören. Die beiden ein .. elenden Absicht zurecht, dies oder jenes aus . .
ander entgegengesetzten Pole des Heidentums
zudrücken, zu schildern, zu malen. Doch schlage
und des Christentums sind in der Kunst die man zufällige Einflüsse und Eindrücke von
Plastik und die Musik. Das Christentum ver ...
Außen nicht zu gering an. Unbewußt neben
nichtete jene und schuf diese sowie die ihr
der musikalischen Phantasie 'wirkt oft eine
zunächst stehende Malerei.
Idee fort, neben dem Ohr das Auge, und dieses,
(E. T. A. Hoffmann, Die Serapionsbrüder, Il)
das immer thätige Organ, hält dann mitten unter
[J den Klängen und Tönen gewisse Umrisse fest,
die sich mit der vorrückenden Musik zu deutli~hen
Die Mus i k ist die wahre allgemeineSprache, Gestalten verdichten und ausbilden können. Je
die man überall versteht ••• Jedoch redet sie mehr nun der Musik verwandte Elemente die
. nicht von Dingen, sondern von lauter Wohl mit den Tönen erzeugten Gedanken oder Gebilde
und Wehe, als welche die alleinigen Realitäten in sich tragen, von je poetischerem oder plasti ...
für den Willen sind: darum spricht sie so scherern Ausdrucke die Komposition sein, -
sehr zum Herzen, während sie dem Kopfe und je phantastischer oder schärfer der Musiker
unmittelbar nichts zu sagen hat und es ein überhaupt auffaßt, um so mehr sein Werk
Mißbrauch ist, wenn man ihr dies zumutet, erheben oder ergreifen wird. Warum könnte
wie in aller mal end e n Musik ges chieht, welche nich t einen Beethoven inmitten seiner Phantasien
daher, ein für allemal, verwerflich ist; wenn der Gedanke an Unsterblichkeit überfallen 7
gleich Haydn und Beethoven sich zu ihr verirrt Warum nicht das Andenken eines großen
haben: Mozart und Rossini haben es, meines gefallenen Helden ihn zu einem Werke be...
Wissens, nie gethan. Denn ein Anderes ist geistern? Warum nicht einen andern die Er..
Ausdruck der Leidenschaften, ein Anderes Male... innerung an eine selig verlebte Zeit? ••• Italien,
rei der Dinge. die Alpen, das Bild des Meeres, eine Frühlings. .
(Schopenhauel', Parerga 11., ~ 218) dämmerung, - hätte uns die Musik noch nichts
o von allem diesem erzählt? Ja selbst kleinere,
speziellere Bilder können der Musik einen so
Sie (die Musik) ist die romantischeste aller reizend festen Charakter verleihen, daß man
Künste, beinahe möchte man sagen, allein echt überrascht wird, wie sie 'solche Züge aus..
romantisch, denn nur das Unendliche ist ihr zudrücken vermag ••• Die Hauptsache bleibt,
Vorwurf ••• Die Musik schließt dem Menschen ob die Musik ohne Text und Erläuterung an
e.in unbekanntes Reich auf, eine Welt, die nichts sich etwas ist~ und vorzüglich, ob ihr Geist
gemein hat mit der äußeren Sinnenwelt, die innewohnt.
ihn umgibt, und in der er alle bestimmten (Schumann,Gesammelte Schriften,!. [Symphonie
Gefühle zurückläßt, um sich einer unbestimmten Ton H. Berlioz])
Sehnsucht hinzugeben. o

116
Wir erleben es immer wieder, wie eine auch für ein neues Klavierkonzert des sehr be.-
Beethovensche Symphonie die einzelnen Zuhörer gabten Kar! Senn, der aus den Veranstaltungen
.zu einer Bilderrede nötigt, sei es auch, daß I1Tiroler Kunst in Wien·4, als der bedeutendste
eine Zusammenstellung der verschiedenen, durch der jüngeren Alpensöhne hervortrat. Sie nehmen
ein Tonstück erzeugten Bilderwelten sich recht auch T h u i 11 e für sich in Anspruch. der sonst
phantastisch bunt. ja widersprechend aus ... - und das mit Recht - dem Münchener Kreis
nimmt ••• Ja selbst wenn der Tondichter in zugezählt wird. Der Geburtsort kann Brahms
Bildern über eure Komposition geredet hat, und Beethoven nicht von Wien lösen oder
etwa wenn er eine Symphonie als pastorale und Weingartner nach Südslawien und Schreker
.einen Satz als "Szene ~m BachlI, einen anderen nach Monaco verweisen. Was man von Thuille
als "lustiges Zusammensein der Landleute4' hörte, ein sinfonischer Festmarsch, eine roman..
bezeichnet. so sind das nur gleichnisartige, aus tische Ouvertüre, das bekannte Klavierquintett
der Musik geborne Vorstellungen - und nicht und Lieder, brachte keinen neuen Zug zu seinem
etwa die nachgeahmten Gegenstände der Musik Bild, das im "LobetanzU am reinsten erhalten
- Vorstellungen, die über den dionysischen ist. Man verbeugte sich respektvoll vor dem
Inhalt der Musik uns nach keiner Seite hin alten Pern bauer, nicht ohne stillen Neid einer
belehren können, ja die keinen ausschließlichen Zeit gedenkend, da der Großvater der Groß..
Wert neben andern Bildern haben. mutter solche Albumblätter, Serenaden und
(Nietzsche, Die Geburt der Tragödie aus dem Lieder widmen konnte, begrüßte in Galler,
Geiste der Musik, 6.) Sche nni ch und Karl Pem bauer beachtens..
o 0 werte neue M"<inner und behielt als stärksten
Eindruck die Erinnerung än Senns, schon ein..
mal vom philharmonischen Chor unter Schreker
MUSIKINWIEN aufgeführte "Ode an das Feuer U für Chor und
Den bedeutsamsten Auftakt zum Konzert... Orchester. Das Klavierkonzert, ein freies, me..
lodisches Schwelgen, ohne Kraft, wenig dank..
winter gaben Mahlers "Neunte" und "Sech..
s t eU~ b eide unter F r i e d s Meisterstab in flecken .. bar für das von Sm e t e r 1i n g klug beherrschte
10 ser Reinheit erstr ahlend. Die "N eunte/(, wieder.. Instrument, steht hinter der charakteristisch ··
holt nach der Aufführung im Frühsommer, freilich etwas pointilistisch gemalten Ode zu..
die "SechsteU zum erstenmal seit ihrer Urauf.. rück, deren Mahlerisch hoch aufstrebende
Schlußsteigerung vom jungen Dirigenten R 0 sen ..
führungl Ein Verdienst des "Anbruchu , sich
gerade dieser Vernachlässigten anzunehmen, s t 0 c k zur glänzenden Apotheose emporgeführt
ein weiteres, uns immer fester mit dem Dirigier... wurde. Eine wahre Feuerprobe für den viel...
genie Frieds zu verbinden. Seitdem folgte seitig begabten Schreker... Schiiler.
noch die "DritteU, von Furtwängler mit Neue Orchestermusik, noch dazu aus Wien,
all der überlegenen Klarheit und dem vir.. bringen heuer sogar die Philharmoniker. Ob
tuosen Brio gestaltet, die ihm eigen sind, an die Auslese wirklich das Beste von dem ist,
Weingartner erinnern und den ersten Teil 'mit was noch in Pulten schlummert und der Er..
flutendem Leben erfüllten. Freilich auch mit weckung zum Leben harrt, kann ich nicht
der bei Mahler ganz besonders unberechtigten wissen. Die ersten zwei Novitäten sind es nicht
Scheu vor Überschwang des Gefühles, die das ganz. "Lio Hans"', Ballade für Bariton und
schönste Adagio, das seit Beethoven geschrieben Orchester, hat man schon bei Nedbal hören
wurde, zu einer etwas kühlen und gar zu ge ... können. Die neue glanzvolle Aufführung kam
schwitlden Angelegenheit machten. Um so fas .. besonders den instrumentalen Vorzügen des
zinierender mußte er in einem frUheren Konzert Werkes zustatten, das mit bewährten Mitteln
mit Strauß' I1Domestica" wirken, deren Geist einen unbedeutenden Text effektvoll illustriert.
und Laune den denkbar größten Kontrast zu Manchmal vielleicht nur effektvoll, wie in der
einem vorher gespielten Klavierkonzert Nr. 2 immer wieder durch das volle Werk der Solo..
von Ra c hm a ni n 0 ff bilden. Für uns neu, von' Orgel verzögerten Schluß kadenz. Über die Be..
Frau Schapira, die uns lange gemieden. mit deutung der Komponistin wird eine demnächst
ihrem hinreißend federnden Rhythmus gespielt, aufzuführende Oper weiteres zu sagen wissen.
enthüllt es 'e inen mondänen Tschaikowsky. Auch die zweite Novität "Phantasie für Orchester
Französisches Parfüm wird aufdringlicher. als und Orgel" von. S t öhr ist in zwei Sätzen schon
vornehm, verwendet. asiatische Steppenwildheit zu hören gewesen. Das Bedürfnis nach Ab..
präsentiert sich gesittet im Zirkusrund. Die wechslung hat wohl den Komponisten bestimmt,
Form ist mehr Phantasie als Konzert. Das gilt die zwei ins Riesige dime,nsionierten, gleichmäßig

117
dunkel gefärbten Stücke durch eine Art Scherz 0 beginnend, daß dem Hörer einer einzigen Auf..
in Dur zu scheiden, wodurch freilich das Ganze führung der Zusammenhang entgleitet. Und
noch massiger geraten ist. Ein außerordentlich dann: welcher Kontrast. Desselben Autors Ge..
fundiertes Können, kluge Beherrschung aller sänge nach "Pierrot Lunaireu , demselben. mit
formalen und thematischen, weit weniger der dem Schönbergs große Wandlung beg<l-nn, den
orchestralen Möglichkeiten hat sich hier im man nach dem Quintett von Prohaska ähnlich
Maße vergriffen. Hier ist Größe mehr gewollt gestaltet wähnte. Statt dessen forziertes Sich..
als erreicht, Phantasie mehr gezwungen als selbst..bewcisen..woUen, daß französische Leich ..
gern zu Diensten. Was aber entsteht, wenn sie tigkeit, harmonisch~unbedenk1iche. thematisch
sich nicht zwingen läßt, bewies ein Kom .. leicht geschürzte Kabarettgrupe, auch dem Sänger
positionsabendJan Kubelik mit nicht weniger des Hiob gelingen müsse. Eine Uraufführung im
als drei neuen eigenen Violinkonzerten. Man ersten Kammetmusikabend des "Anbruch", der
kennt seine Geigerart. Ein Zauberkünstler, der in dankenswerter Weise diesmal das famose
mit dämonisch ...starrem Blick versichert, daß es "Waldbauer ll ... (früher ungarische) Quartett in
nur Geschwindigkeit und durchaus keine Hexerei den Dienst seines eifrigen Vorkampfes für
sei. FUr seine unheimlich reibungslos laufende neuere Musik gestellt hat. Streichquartett op.4
Technik schuf er sich neue, unerhörte Aufgaben. von Wilhelm Gr6sz dürfte älteren Datums
Auch diese beherrscht er, Mehr ist über sie nicht sein als die hübscheVioHnsonate vom vorigen
zu sagen. Jahr. Es ist darin sehr viel, beinahe zu viel
Melodieseligkeit, Freude am schönen Quartett..
Neue Kammermusik. Das Fe ist qua r t e tt,
klang, und die reizende Grazie des Intermezzos
eine erstrangige Vereinigung, die sich vor
scheint mir auf Gr6sz' eigentliche Begabung
moderner Musik nicht fürchtet, brachte ein
hinzuweisen: das Anmutige, Witzige, Fein...
Streichquartett in fünf Sätzen von Wellesz,
Unterhaltende. Mit einem Wort: die komische
Vier Stimmen, die: ein charaktervolles Eigen..
Oper. - Schließlich noch ein paar Worte über
leben, oft freilich gegeneinander, führen. Daß
moderne Lieder. Nicht über die als "moderner
es sich nicht nur um harmonische Durchgangs ..
Abend'" angekündigten des vortrefflichen Pia..
• härten, die thematisch erzwungen werden,
nisten FeHx Rosental, die schon bei der letzten
handelt, beweist die Konsequenz. mit der der
Mode nicht mehr modern waren; wohl aber
Komponist in seinen bisherigen Arbeiten diese
über die im "Anbruch~" ... Abend von SteIla Ei g ...
Art ungewöhnlich und schnell wechselnder
ne r entzückend gesungenen, in ihrer Mischung
Harmonik, deren sanftere und angenehmere
von getreu kopierter Naivität und raffinierter
Vorstufe wir bei den jüngeren Franzosen
Charakterisierungskunst sehr eigentümlichen
kennen gelernt haben,_bevorzugt, daß sie viel...
Kinderstubenlieder Mussorgskis, über exo..
leicht nicht völlig Fleisch von seinem Fleische ~
tische Volkslieder, von Kamilla P al ffy ge..
ist, beweisen einige Partien, die beinah "nor..
sammelt und gesungen, von Lisa M. M a y er
malu klingen. und einen in diesem Zu::!ammen..
bearbeitet und begleitet, über deren Provenienz
hang merkwürdig unbeschwerten Ton haben.
in dieser Melodieform aus Ceylon und Arabien
In einem Kompositionsabend neben Karl
sich nichts sagen läßt, die aber in japanischen
Weigls meisterlich reifem, form .. und klang..
Teehäusern nicht unbedingt nur Madame Butter ..
/ schönem Streichquartett in A...Dur, und seinem
fly zeigen müßten, endlich über Manuskripte
nicht nur "PhantasusU genannten, sondern auch
von Karl Wiener und H. L. Heller, die eine
phantastisch .. reichen, phantasiebeschwingten
unserer innerlichsten und ernstesten Lieder ..
Liederzyklus, als Uraufführung ein Streich ..
sängerinnen, Frau Weigl .. Pazeller, vor ..
quintett mit Kontrabaß von Pro h a.s k a. Dieser
geführt hat. Wiener ist ein interessanter, ins
sehr ernst zu nehmende, an schwermütigen
Detail verliebter Stimmungsschilderer, der das
Stimmungen am besten inspirierte, in der
melodische Element freilich dabei zu kurz
guten Tradition eines gediegenen Könnens ge.. kommen läßt. Heller macht den Eindruck eines
reilte Künstler hat in seinen letzten Werken Theatertemperaments, das frisch und sicher
eine neue Emp-fangl,ichkeit für modernst... har.. seine ' Grundstimmung erfaßt und der Stimme
manische Probleme enthüllt. Eine neue Leiden...
allch wirklich was zu singen gibt. - Resume:
schaft wirft vieles über den Haufen, zumal Es findet sich immer wieder Neues, Beachtens..
alles, was an eine frühere gemahnt. Er kann wertes, Anregendes, auch wo man nicht ganz
sich nicht genugtun in schmerzlich..wühlenden mitkann. Man muß es nur suchen. Sogar bei
Harmonien. So wächst das Quintett zur Über..
uns. Dr. R. St. Hoffmalln
länge einer vollen Stunde aus, immer wid.cr
Abschlüsse versprechend, immer wieder neu D D

118
MEINE HERREN gut kenne ich alle Unberufenen, die trotzdem
in jeder Generalprobe zu finden sind. Und sind
OPERNDIREKTOREN sie wirklich weniger berufen, das neue Werk
Einem Hoftheaterintendanten hätte ich zu hören, als die Gattin eines Sängers oder die
diesen Brief gewiß nicht geschrieben. Weil er Tochter eines'in Ewigkeit liq ui di erenden Hofr a ts?
ohnedies nichts genützt hätte. Sie sehen, ich habe Ich kenne in Wien bedeutende Musiker, die schon
Vertrauen. Aber Vertrauen verpflichtet! - Ich die Zeit nicht haben, sich um eine Galeriekarte
habe ferner Kinder. Sie sind - selbstverständ.. anzustellen, und das Geld nicht, das öfters zu
lieh! - musikalisch. Leider! Wären sie es nicht, tun, die seit 20 Jahren so oft in der Oper waren,
so gingen sie ruhig in die Schülervorstellungen wie ich beim Derby. Also keinmal. Lehrer an
des Burgtheaters oder Volkstheaters. Aber so Musikschulen, die das bischen neuer Opern ..
wollen sie nicht bloß Grillparzer und Schiller, produktion, das die Zollschranke Wiener Gemüt..
sie sind töricht genug, auch Mozart, Weber und lichkeit über die Grenze läßt, nie gehört haben.
Lortzing haben zu wollen. Sogar noch einige Ist es recht, solchen Musikern, wenn sie darum
mehr, die ich gar nicht zu nennen wage. Sie bitten, den Besuch der Generalproben zu ver ..
sagen - es sind halt Kinder, halten zu Gnaden wehren? Aber es ist geschehen! Justamentl -
- daß sie klassische Stücke auch beim Lesen Nun sagen Sie selbst - kann man zwei neuen
im Kinderzimmer recht gut verstehen, daß es Direktoren gegenüber bescheidener sein? Zeigen
ihnen aber mit gelesenen oder aus Klavicraus .. Sie mit diesem kleinen Entgegenkommen, das
ziigen reproduzierten Noten viel weniger gelingt, ich Ihnen zumute, daß auch Operndirektoren
sich ein Bild von unseren klassischen und nicht mehr Hofbeamte sein mUssen, zeigen Sie
romantischen Schätzen zu machen, die sie nur die nötige Einsicht für die einfache Tatsache,
als Namen kennen sollen. Warum führt sie also daß unser musikalischer Nachwuchs unsere
der Vater nicht in die Oper - das Opernhaus musikalische Zukunft bedeutet. Und für die Zu..
am Ring, das sie auch nur als Namen kennen? kunft hat mehr denn je eine Gegenwart zu sorgen,
Der Vater - hat der es viel besser? Er geht in die, so wie sie ist, keine Existenzberechtigung hat.
die Oper zu allen - Gott sei's geklagt - seit Dr. R. S. Hoffmann
12 Jahren zu allen Novitäten, sogar zu Neu..
IJ [J
studie rungen und besonders exotischen Gästen.
Aber er kennt die Afrikanerin nicht und hat
Carmen seit 15 Jahren" nicht gehört. Meine MUSIK IM SPIEGEL DER ZEIT
Herren Direktoren, ich rede heute nicht von
dem Vater, ich rede nur von den Kindern .:.-. Ohne strenge Bindung sollen in einzelnen
für die Kinder. Lasset sie an Sonntag"Nach.. Heften dieser Zeitschrift Abschnitte aus Schriften
mittagen zu euch kommen mit ermäßigten über Musik, Briefe von Musikern, Berichte von
Karten, die in Schulen verteilt werden, nicht Zeitgenossen über Musiker und Musik veröffent..
beim Schleichhändler! Wie viele Sonntage ver.. licht werden, die geeignet sind, die Erkenntnis·
gehen ohne Nachmittagsvorstellung. Kein an .. vom Wesen der Musik zu steigern. Nicht um
deresWiener Theater könnte sich diesen Luxus der ein Anhäufen historischen Wissens handelt es
defizitreichen Oper leisten. Hier ist doch bares sich, sondern um ein klares Erfassen dea Weges,
Geld zu holen! Und - unter uns - hat die Oper den die Musik von heute geht, durch ' Zeugen
den Kindern an den Matineen wirklich nichts großer Ver gangenhei ten"
anderes zu bieten als Ballethabituepreise? Es Einzeln betrachtet, werden diese Dokumente,
geht um den musikalischen Nachwuchs, meine die sich keineswegs auf Unbekanntes beschränken
Herren! wollen, Gestalten und Ereignisse in eine Beleuch ..
Und dieser Nachwuchs, soweit er älter ist tung zu rücken suchen, die möglichst viel von
, und die Musikschulen bevölkert, ließe sich für ihnen erhellt. Wenn man sie aber später viel..
den nicht auch ein bischen was tun? Der soll leicht zusammenfassen wird, dann muß in ihnen
doch auch Novitäten hören. Er soll sie wirklich das Individuum und das singuläre Geschehen
als Neuheit hören, unverdorben durch fremdes verblassen und als Inhalt dieser Blätter allein
Urteil, durch Erfolg und Mißerfolg. Könnten Sie, die Musik als wirkende Kraft erkennbar sein.
meine Herren Direktoren, ihnen nicht während Mit einem Briefe Mozarts an seinen Vater
der Generalprobe die Galerien öffnen? Wohl soll der Anfang gemacht werden, der in einem
kenne ich aUe drakonischen Gesetze, die den entscheidenden und schicksalsbestimmenden
Unberufenen vom Besuch dieser eleusinischen Augenblicke geschrieben wurde. Mozart war mit
Mysterien feierlich ausschließen. Aber ebenso dem Erzbischof von S~lzburg, in dessen Diensten

119
er stand, 1781 nach Wien gekommen und hatte von der Welt würde. Ganz Wien weißt daß ich
hier von ihm die unerträglichste Behandlung vom Erzbischof weg bin - weiß warum! -
erfahren, so daß er seine Entlassung verlangte. Weiß, daß es wegen gekränkter Ehre, und zwar
Diesen Schritt teilte er seinem Vater mit, der zum drittenmal gekränkter Ehre geschah, und
eine vermittelnde Stellung einzunehmen ver.. ich sollte wieder öffentlich das Gegenteil be..
suchte; darauf schrieb Mozart folgenden Brief, weisen? Soll mich zum Hundsfott und den Erz..
- aus dem nur eine unwichtigere Stelle aus.. bischof zu einem braven Fürsten machen? Das
gelassen wurde - der bei allen Beteuerungen erste kann kein Mensch und ich am allerwenigsten,
der Kindesliebe doch die innere Loslösung und das andere kann nur Gott, wenn er ihn
Mozarts von seinem Vater, das Hinauswachsen erleuchten will.
eines Genies über irdische Gebundenheit zeigt. Ich habe Ihnen also noch keine Liebe ge ..
Dieser Brief findet sich wohl in allen Mozart.. zeigt? Muß sie also erst jetzt zeigen? Können
biographien abgedruckt oder verwendet. Über Sie das wohl sagen? Ich wollte Ihnen von
das Tatsächliche hinausgehend, ist el' aber wohl meinem Vergnügen nichts aufopfern? Was
eines der erschütterndsten Zeugnisse der wahr.. habe ich denn für ein Vergnügen hier? Daß
haften Vereinsamung großer Naturen und des ich mit Muhe und Sorge auf meinen Geldbeutel
Dornenweges, den selbst eine nach außen denke I Mir scheint, Sie glauben, ich schwimme
glänzende Künstlerlaufbahn bedeutet. in Vergnugen und Unterhaltungen. 0, wie
Egon Wellesz betrugen Sie sich nicht 1 •••
Vienne ce 19 de may 1781 Ihnen zu Gefallen, mein bester Vater,
wollte ich mein Gluck, meine Gesundheit und
Mon tres eher Pere! mein Leben aufopfern, aber meine Ehre, die
Ich weiß auch nicht, was ich zuerst schreibe, ist mir und die muß Ihnen über Alles sein.
mein liebster Vater 1 denn ich kann mich von Lassen Sie dieses den Grafen Arco lesen und
meinem Erstaunen noch nicht erhohlen, und ganz Salzburg.
werde es nie können, wenn Sie so zu denken und Nach dieser Beleidigung, nach dieser drei..
so zu schreiben fortfahren. Ich muß Ihnen ge.. fachen Beleidigung, dürfte mir der Erzbischof
stehen, daß ich aus keinem einzigen Zuge Ihres in eigener Person 1200 fl. antragen und ich
Briefes meinen Vater erkenne! Wohl einen nähme sie ' nicht - ich bin kein Bursche
Vater, aber nicht den besten, liebvollsten, den und kein Bub - und wenn Sie nicht wären,
für seine eigene und für die Ehre seiner Kinder so hätte ich nicht das drittemal erwartet, daß
besorgten Vater - mit einem. ~ort, nicht er mir hätte sagen können, scher> er sich
meinen Vater; doch, das war alles nur ein wei ter, ohne es für bekannt anzunehmen;
Traum. Sie sind nun erwacht und haben gar was sage ich: erwartet. Ich, ich hätte es gesagt,
keine Antwort von mir auf Ihre Punkte nöthig- und; nicht er! Mich wundert nur, daß der Erz..
um mehr als überzeugt zu sein, daß ich nun bischof so unbesonnen hat handeln können!
me h r a 1s ] e m a 1s von meinem Entschluss Er soll also sehen, wie er sich betrogen hat.
gar nicht abstehen kann. Doch muß ich, weil Fürst Breiner und Graf Arco brauchen den
meine Ehre und , mein Charakter bei e,inigen Erzbischof, aber ich nicht. Und wenn es auf
Stellen am empfindlichsten angegriffen ist, das Äußerste ankommt, daß er alle Pflichten
etwe1che Punkte beantworten. Sie können es eines Fürsten, eines geistlichen Fürsten ver gißt,
niemals gut heißen, daß ich in Wien quittiert so kommen Sie zu mir nach Wien. 400 fl.
habe. Ich glaube, daß, wenn man schon Lust haben Sie überall, was glauben Sie, was er
dazu hat (obwohl ich es dermalen nicht hatte, sich hier beim Kaiser, der ihn . ohnehin haßt,
denn sonst würde ich es das erste Mal getan für Schande machen würde, wenn er das tätel •••
haben), so würde es an dem Orte am vernünf.. Liebster, bester Vater, begehren Sie von mir
tigsten sein, wo man gut steht und die schönsten was Sie wollen, nur das nicht, sonst Alles; ,
Aussichten von der Welt hat. Daß Sie es im
nur der Gedanke macht mich schon vor Wut
Gesichte des Erzbischofs nicht gut heißen können, zittern. Adieu, ich küsse Ihnen 1000 mal die
ist möglich, aber mir können Sie es nicht anders Hände und m 'e ine Schwester umarme ich von
als gut heißen; ich kann meine Ehre durch Herzen und bin ewig dero
nichts anderes , retten, als daß ich von meinem
Entschlusse abstehe? Wie können Sie doch so gehorsamst Sohn
einen Wicterspruch fassen. Sie dachten nicht, Wolfgang Amade Mozart
als sie dieses schrieben, daß ich - durch einen [J C
solchen Zurückschritt der niedertrllchtigste Kerl

120
NEUE DAVIDSBÜNDLER vorgänge beinahe bis auf ihre konfessionelle
Nacktheit entkleidend!~
Es kommt niemals auf die Geste, die Gebärde Ich frage mich vergeblich, warum Mahler ein
an, die eine Kunst zeigt, sondern immer nur auf unerlöstes Genie sein soll. Es war mir vielmehr
ihren Blutgehalt. angenehm zu denken, daß er von Wiener kriti ..
Je mehr ich zu Jahren komme, umso klarer, sehen Entkleidungsversuchen für immer erlöst
sicherer erkenne ich die Wahrheit dieses Wortes. sei. Oder geht er heute noch als Geist um, den
Im schweren Ernst unserer deutschen Kunst Schlaf derer zu stören, die ihn auf dem Gewissen
(sei es nun die Musik, Literatur oder Malerei) haben und nichts so fürchten, als die Wiederkehr
aufgewachsen, konnte ich zum Beispiel ehemals, seines Geistes? Ich nehme also zur Kenntnis.
wie so viele meiner damaligen Altersgenossen daß nunmehr auch Dirigenten See1envorgänge-
kein rechtes Verständnis für den, wie ich heute zum Glück nur "beinahe" - entkleiden. Aber
weiß, zu den ganz Großen gehörenden Ver d i was ist's mit der konfessionellen Nacktheit?
aufbringen. Wenn ich die volle Wahrheit ein.. Ist Nacktheit an sich etwas Konfessionelles,
gestehen soll, ich hielt ihn in manchen seiner oder wird hier für nackte Seelen ein konfessio ...
Werke eigentlich mehr für einen besseren ne11er Unterschied angedeutet? Ist speziell der
Operettenkomponisten. Überhaupt, wo nicht von fahrende Gesell nur die täuschend gelungene
vornherein von Gott, Ewigkeit und tiefstem Maske. hinter der sich der nackte Hande1sjud
Weltgeschehen die Rede war, glitt ich vielfach verbirgt? Oder will dieselbe kritische Feder,
erhaben, als über oberflächlichen Tand, hinweg. die erst kürzlich das grand decollete einer
Heute suche ich noch immer überall nur Gott Pianistin so sachgemäß beurteilt hat, mehr auf
und Ewigkeit, wo aber von ihnen offen ge ... ein neues Feld kritischer Tätigkeit hinweisen,
sprochen wird, bin ich eher fast mißtrauisch nämlich das der musikalischen Nackt-Unkultur?
geworden. Und wenn man mich jetzt nach dem
R.S.H.
größten lebenden Komponisten fragen wollte, so [] Cl
würde ich (vom Schöpfer der "Gurrelieder", als
einer für mich noch nicht ganz geklärten
Erscheinung vorläufig abgesehen) wohl - B E S P R E C H U N G"
P u c c i n i nennen. Und könnte das umsa
WILHELM GROSZ: FÜNF GEDICHTE AUS
leichter tun, als ich mich von seinem Wesen DEM ...]APANISCHEN FRÜHLING"~ von Hans
selbst völlig frei fühle.
Bethge für eine Singstimme mit Klavierbe ...
[] gleitung. (U~iversal..Edition, Wien.)
Ich glaube gerne, daß nur ein subtiles
Künstlerische Produktivität oline innere
Gemüt in diese überfeinen. ganz auf den
Begeisterung, die einen unwehrbar zum Schaffen seelischen Ausdruck gestellten fünf Lieder richtige
zwingt, ist in jedem Fall wertlos. Gar aber Einfühlung finden wird und daß den gröberen
Mus i k zu machen - bedenkt doch, was es
Seelen nur die eminente Beherrschung der
heißt, daß ein Mensch sich hinstellt und zu
technischen Mittel. die Kunst des Gesangs... und
singen, zu tanzen beginnt - ohne in Verzückung,
Klaviersatzes, die Klangschönheit und starke
in einem wahrhaft hypnotischen Trancezustand
Melodienfreudigkeit auffallen dürfte, Eigenschaf...
zu sein (also Musik als nur "tönend bewegte
ten des Werkes, die selbst Gehässigkeit nicht
Form", sei diese Form noch so plausibel und
hin,,:,"egleugnen kann. Ich freue mich/ über eine
organisch gegliedert): das ist widersinnig, ver..
wundervolle Synthese von Jugend und Reife,
rückt und übe r die sei n e S ü n d e. Temperament und Linie, starke Originalität und
Rudolf Reti Neuheit in Form und Inhalt bei sicherem
[] [] Gefühl für Schönheit und Klang, die ich in
Grosz zu erkennen glaube, ich freue mich für
KRITIK DER KRITIK Wien, daß es in ihm eine starke und ausgeprägte
Begabung mehr zu den vielen anderen jungen
Ich lese über die letzte Aufführung der ersten Meistern besitzt, deren Wirken schon jetzt der
Mahler ... Symphonie durch Walter in einem Stadt ein fühlbar eigenes Kolorit gibt. Die
Wiener Montagsblatt folgendes: Lieder streben nach der Tiefe und Augenblicke
...Es ist bewunderungswürdig. wie dieser darin sind wahrhaftig im Grunde des Herzens
hervorragende Dirigent in die letzten Tiefen und verankert, sei es in wehmütiger Melancholie
Untiefen dieses unerlösten musikalischen Genies oder in der ungebändigten Kraft frühlings ..
einzudringen weiß, die komplizierten Seelen... trunkenen Aufjube1ns. Ein leiser exotischer Ton,

121
kaum auffaUend, schwebt darüber wie der kleinen Zyklus angewendet, den ich nicht gerne
farbenzarte Hauch japanischer Aquarelle, überall zerstückelt in ~,dankbare" Konzertprogramme
kluge Mäßigung, Klangzauber und Schönheit eingereiht sehen möchte. Der Maler Felix A.
der Linie, überlegtes, aber see1enwarmes kUnst.. Ha r t a hat dem Werke ein ungemein eigen ..
lerisches Genießen, voll von Jugend und Zukunft. artiges, schönes Titelblatt beigegeben.
. Die technischen Schwierigkeiten sind für Sä.nger Dr. B. Pa umgartne r
und Klavierspieler bedeutend; umso mehr Liebe
und Fleiß sei drum für den schön gerundeten Cl [J

N E u E N o T E N

Verlag Tischer & ]agenberg, Cöln a. Rh. Universal Edftion. Wien-Leipzig


A. von Othegraven: op. 50, Oratorium "Marien.. , Vitezslav Novak: Die Totenbraut, op. 48,
lehen", Text nach alten deutschen Liedern Ballade (2 Soli, gemischter Chor und
für Sopran.. und Baritonsolo, gemischten großes Orchester)
Chor, Orchester und Orgel Pan, op. 43, Tondichtung (großes Orchester)
Hermann Unger: op. 24, "Hymnus an das Toman und die Waldfee (großes Orchester)
Leben", Text von E. Verhaeren, für Bariton.. loser Suk: Ein Sommermärchen op. 29
solo, Chor und Orchester (großes Orchester)
Rudolf Bergh: op. 38, "Geister der Wind.. Vac1av Stepan: Böhm. Volkslieder op. 10
stille", Text von Isolde Kurz, für Alt.. und (Gesang und Klavier)
Tenorsolo, Chor und Orchester Karol Szymanowski: Masken op. 34 Klavier
zweihändig
Orchestermusik: Sonate III op. 36 Klavier zweihändig
Hermann Unger: ,,]ahreszeitenU , viersätzig
Frederick Delius! Appalachia, Variationen
Hermann Unger: Levantinisches Rondo für über ein altes Sklavenlied für großes
mittleres Orchester Orchester mit Schluß chor
Hermann Unger: Symphonie n. moll, op. 27 Walter Bra unfels : Phantastische Erschei..
nungen eines Themas von Berlioz (großes
]uIius Weismann: op. 56, Drei Phantaslen für
Orchester)
großes Orchester
Richard Mandl! Drei pittoreske Stücke (großes
F. Max Anton: ap. 16, Drei Orchesterstücke:
Orchester)
Präludium, Scherzo, Elegie
Josef Marx! Vier Lieder von Wildgans
Kammermusik Wilhelm Grosz: _ Fünf Gedichte aus dem
E. Straesser: op. 32, Violinsanate japanischen Frühling (Gesang u. Klavier)
E. Straesser: op. 33, Klaviertrio D .. dur Felix Petyrek: Zwei Lieder
1. Spät (für Gesang, Violine und Klavier)
Ad. Henn, Musikverlag, Genf
11. Der Wind (Gesang, Klavier, Violine,
Igor Strawinsky: Pribaoutki (Chansons Viola und Klarinette)
plaisantes)
Egon WeIIesz: Geistliches Lied (für Gesang,
Renard (Histoire burlesque) Violine, Bratsche und Klavier)
leaD Duperier: Trois sonnets Idyllen op. 21 (Klavier)

C Cl

Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Alfred Kalmus, Wien. I. Karlsplatz 6. - Herausgegeben von der Universal~
Edition A.~G. - Druck Von Qtto MaalF Sohne Ges. m. b. H .. Wien, I. Wallfischgasse 10.

122
PREISAUSSCHREIBEN
für Klavier-Kompositionen
1111111111111111111111111111111111111111 UJ 11111 [l11I1I11II1I1I1I11I1I1I1ll1I11J 1I1111111111111111l1ll1l1l11l1l1l1ll1l1llUUI m11111 m11 mIIIIJ 111111111

Die Musikbläfler des Anbruch eröffnen ein P re isa u s s ehr ei ben für

Klavierstücke (Sonaten u. dgl.)


für Klavier zu zwei Händen
Dieser Wetfbewerb ist der jungen Generation vorbehalten, ohne Rück·
sicht auf deren nationale Zugehörigkeit.
Der Umfang der Komposition darf 24 Druckseiten. die Aufführungs-
dauer 15 Minuten nicht übersteigen.
Die Kompositionen dürfen nodl nimt veröffentlicht und nicht unleserlich
geschrieben sein. Da die Schriflleifung jede Haftung für das Manuskript ab-
lehnt, ist die Verwahrung einer Kopie dem Komponisten dringend empfohlen.
Die Manuskripte sind bis zum 1. März 1920 an die Schriftleitung der
Musikblätter des Anbrurn, Wien, L Karlsplatz 6, einzusenden.
Die Manuskripte dürfen den Namen des Komponisten ni rnt enthalten,
sondern sind blo~ mit einem Motto zu bezeirnnen. Namen und Adresse des
Komponisten sind in einem verschlossenen Kuvert, das als Aufsmrift das
Motto trägt. dem Manuskripte beizuschlie~en.
Das Preisrimfera mt haben die Herren Josef M ar x, M oriz R 0 se n-
thai, Paul Weingarten und Kar! Wergl übernommen.
Als Preise sind ausgesetzt:
1. Preis .................. K 800'-
2. Preis .......... -........ K 500"-
3. Preis .................. K 200'-
Von den eingereirnfen Kompositionen, gleichzeitig höchstens drei,
wird im gegebenen Fall nur eine desselben Komponisten prämiiert.
Das Ergebnis der Jury wird mit 1. Juni 1920 bekanntgegeben.
Die Musikblälter des Anbruch bringen die prämiierten Kompositionen
im Herbst 1920 in einem nur für diesen Zweck bestimmten Abend zur Ur-
aufführung. Es steht ihnen das Recht zu, diese Kompositionen als Noten·
beilage abzudrucken.
Die Universal-Edition A.·G. behält sich das Recht vor, sowohl die
prämiierten wie auch die übrigen eingereichten Kompositionen gegen eine
Verlagstantieme von 15% des Ladenpreises für ihren Verlag zu erwerben.

123
CONCERTGEBOUW - AMSTERDAM i

MAI 1920
-' - ~-I

MAHLER-FEST
Sämtliche Werke Gusfav Mahlers
in einem Zyklus von 9 Konzerten
unter Leitung von W. Mengelberg
und unter Mitwirkung berühmter
Solisten des Concertgebouw-Or-
J

chesters und JJToonkunsf"-Chores

1. KONZERT ...... 6. MAI '1920 s. KONZERT ...... 14. MAI 1920


Das klagende lied, lieder Sechste Sinfonie, Kinder-
eines fahrenden Gesellen, :::, toten lieder :::
::: Erste Sinfonie ... 6. KONZERT ..... 15.' MAI 1920
lieder, Siebente Sinfonie
2. KONZERT ..... " 8" MAI 1920
::: Zweite Sinfonie ::: 7. KONZERT ..... 17. MAI 1920
Das lied von der ,Erde
3. KONZERT ..... 10.. MAI 1920 KONZERT" .... 19.. MAI
...
... Dritte Sinfonie ...... 8.
::: Neunte Sinfonie :::
1920

4. KONZERT ...... 12. MAI 1920 9. KONZERT " .... ,,22. MAI 1920
Vierte und fünfte Sinfonie ::: Achte Sinfonie .
....-

124
Ein hervorragender Wiener Meister

FRANZ SCHMIDT
11111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111IIIIIIIIlIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIllIIIIIIIIIIIIIIIIIIIllIIIllIIllIIIIIIIUIIIl

Sinfonie Nr. 1 E-dur


U. E. Nr. 3881 Orchesferparfilur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mark 25'-
U. E. Nr. 3883 Klavierauszug zu vier Händen . . . . . . . . . . . . . Mark 6'-
Franz Schmidts Sinfonie E·dur gelangte bisher wiederholt mit durmschlagendem Erfolge
zur Aufführung, u. a. in Kopenhagen: Königliche Kapelle , (Georg Hoeberg);
Magdeburg: Sinfoniekonzerl des Stadttheaters (Dr. Waller Rabl); Wien: Konzert·
verein (ferdinand löwe). Wiener Philharmoniker (franz Schalk). Uber die kürz11m stalI-
gefundene Magdeburger Aufführung schreibt die Magdeburger Zeitung: "Der anscheinend
auf keine Richtung eingeschworene Komponist überschüttet um ganz ungenierf mit den
schönsten Melodien, bis zur Baßfuba hiMb mUß sim alles zu singen bequemen. Das
klingt so alt und dorn so neu in dieser schönen ParliIur. man merkl, hier redet ein
Aufrechter, ein EdlerJ dem das musikalische Deutsm der Klassiker
Muttersprache, Herzenssache ist."

Sinfonie Nr. 2 Es-dur


U. E. Nr. 5391 Or<hesterparlitur . , . • . . , . . Mark 50'-
U. E. Nr. 5552 Klavierauszug zu vier Händen . , . Mark 10'-
Die bedeutendsten Ormestervereinigungen haben diese preisgekrönte Sinfonie berells
zur Aufführung gebradlt, darunter: Wien: Philharmoniker (Felix Weingartner), Gesell-
schaft der Musikfreunde (Franz Schalk), Konzertverein (Ferd. Löwe), Tonkünstlerorches!er
(Oskar Nedbal) j Berlin: Philh. Or<hesler (Herrn. Henze); Hamburg: Philharm, Ge-
sellschaft (Siegm. Hausegger); Aachen: Städt. Orchester (Frilz Busch): Essen = Ton-
künsHerfesf (Hermann Abendrolh); Graz: Opernormester (Oskar Posa); Haag:
Residenzorchester (Van Zuylen v. Nijevelt); ferner Budapest, Los Angeles u. a. m.
Jede Aufführung erzielte bisher einen jubelnden Erfolg.

Notre Dame Zwischenspiel und Karnevalsmusik


U, E. Nr. 5480 Ormesterparlllur . . . . . . . . , . , . . . . . . . . Mark 20'-
U. E. Nr. 5482 Klavierauszug zu zwei Händen, . . . . . . . . . . " . Mark 3'-
Zwischenspiel und Karnevc.lsmusik enlhalien das Wirkungsvollste aus der bekannfen
Oper Franz Schmidts und beweist jeder Takt derselben eine bis zum Hömslpunkle
gesleigerle Künstlerschaft und eine Virtuosität der Temnik. die nur dem Sinloniker
von Beruf zu eigen sein kann. Erfolgreiche Aufführungen haben bisher in Wien.
Budapesl. Slraßburg. Nürnberg. Pre~burg u. a. m. st<!ltfgefunden.

Verlegerzusdll<':Jg 50 Prozent. - Ordleslersfimmen nam Vereinbarung. - Zu beziehen durch jede


Buch· und Musikalienhandlung

Universal- Edition A.-G. Wien - Leipzig J

. ", r' .... ~ r • "'~ .: ~ . : O'i ' . : ,., .... '

125
Anfon Bruckner
IW 11 111 11 111 11 IIIIIIß 1111 111 111 111 11 1111 111111 11111111111111111111111 111 ~1II1111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111

A. INSTRUMENTAL-WERKE
U" E" Nr" Preis Mark U. E. Nr. Preis Mark
Klavier zu zwei Händen Zwei Klaviere zu vier Händen
426 Sinfonie I C-moll " . . . .' 4'50 5144 Sinfonie IV Es-dur. . . . .. 8'-
787 Sinfonie 11 C-moll . " . . ." 4"50 2890 Sinfonie VII E-dur . . . . . . 10"-
2986 Sinfonie 111 D-moll " " " . "" 6"- 5347 Sinfonie VIII emoll . " . .. 8'-
2883 Sinfonie IV Es-dur rom. "" 6"-
427 Sinfonie V B-dur . " " . ". 4"50 Zwei Klaviere zu amt Händen
428 Sinfonie VI A-dur . " . " ." 4"50 944 Sinfonie V B-dur" . . . . . . 12'-
2889 Sinfonie VII E-dur. " " " "" 6"-
2493 Sinfonie VIII C-moll" " " ." 6'- Kammermusik
843 Sinfonie IX D-moll " . " "" 4'50
2893 Smerzo aus der IX, Sinfonie 3'- Streichquintett F-dur
2987 ~infonie IX u" Te Deum zus. 6'- 2924 Partitur (8 °) " " " " " . . . ." 3'-
5257 Andante aus der nachge- 2925 Stimmen " . " " " " " . . . " . 10"-
lassenen Sinfonie F-moll ." 1"50
3601 Benedictus aus der F-moll- I n te r mez z o. Ein nachge-
Messe (W öss) . " .. , " " " 1"50 lassener StreichquinteHsatz
2917 Erinnerung, Klaviersfück "" 1"50 2922 Partitur (16°) . " . " " " " "" 1'-
2923 Stimmen" . . . . " " " " " "" 2"-
Klavier zu vier Händen
420 Sinfonie I C-moll " . " " ." 6"- Tasmenpartituren
421 Sinfonie 11 C-moll ... " ." 6"- 3593/94 Sinfonie 1/11 " " " " "" a 4"-
422 Sinfonie 111 D-moll """"" 6"- 3595/96 Sinfonie 1I1/IV """" a 5"35
. 2882 Sinfonie IV Es-dur rom" . . 12"- 3597/98 Sinfonie V/VI" " " ." a 4"-
424 Sinfonie V B-dur " . " " "" 6"- 3599 Sinfonie VII """""".". 5"34
425 Sinfonie VI A-dur " " " " .. 6'- 2495 Sinfonie VIII (-moll " " " "' 4"-
2888 Sinfonie VII E-dur" " " " " " 12"- 931 Sinfonie IX D-moll """ ." 4"-
2494 Sinfonie VIII C-moll " " " "" 7"50 2990 Sinfonie IX und Te Deum zu-
844 Sinfonie IX D-moll " " " "" 6"- sammen " " " " . " " " . . .. 5'-
2988 Sinfonie IX u. Te Deum zus. 7"50 2989 Te Deum allein (vgl.Bruckners
277 3 Te Deum allein (vgl. Bruckners Chorwerke)
Chorwerke) 5259 Andante aus der nachge-
5258 Andante aus' der "nachge- lassenen Sinfonie F-moll ". 2"-
lassenen Sinfonie F-moll" "" 2"- 2925 2923 Sfreimquinfetf, Inter-
1

2926 Streimquinteft F-dur. . " . " 10"- mezzo vgl. oben


Teuerungszuschlag 50 Prozent
Zu beziehen durch jede Bum- und Musikalienhandlung

Universal-Edition A.-G. Wien-Leipzig J

126
Anton' Bruckner
III1I11UIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111111

B. GROI3ERE CHORWERKE
U. E. Nr. Preis Mk. U. E. Nr. Preis Mk.
Messe 11 E-moll Te Deum
für aentsfimmigen Chor u. Blasinstrumente für Chor, Soli u. Orchester, Orgel ad lib.
2894 Partitur .. .. .. .. .. .. .. .. .. 12'- 429 Klavierauszug mit Text, lat. 3'-
2895 Bläserstimmen (naen Verein- 2773 Klavierauszug vierhändig.. 3'-
barung) 2989 Tasenenparfitur (16°) .. .... 2'-
2896 Chorsfimmen .......... a 1'20
Sinfonie IX und Te Deum zusam-
2915 NEU I Bearbeitung für Chor
men (vgl. Insfrumenfalwerke)
und Orgel (Goller) .. .. .... 6'-
GrolJe Messe 111 f·moll JJH elgoland rr
für gemisenten Chor und Orenester
für Männermor und gro~es Orenester
2898 Parfifur .................. 40'-
2899 Orenesterstimmen (naen Ver- 2902 Parfifur .. .. ._ .. .. .. .. .. .. 12'-
einbarung) 2903 Orenesfersfimmen (naen Ver-
2899 a Orgelstimme .. .. .. .. .... 3'- einbarung)
2900 ajd Chorstimmen .. .. .. .. a 1'80 2904 Chorstimmen ... ....... a -'60
2901 Klavierauszug mit Text, lat. 12'- 2905 Klavierauszug mit Text d... 3'50
3601 Daraus einzeln: Benedictus
für Klavier zweihändig .... I-50 uDas hohe Lied rr
150.. Psalm Männerenor mit Tenorsolo u. Orenester-
für gemisenten Chor, Soli und Orenester oder Klavierbegleifung
2906 Partitur ..........._ ...... 10'- 2910 Partitur (mit unterlegtem
2907 Ormesfersfimmen (naen Ver- Text) .... "" "" ". .. .. .. .... 2"50
einbarung) 2911 Orrnesterstimmen (nam Ver-
2908 Chorsfimmen .......... a -'50 einbarung)
2909 Klavierauszug mit Text d... 4'- 29] 2 Solo· und Chorslimmen .. a -'25
Teuerungszuschlag 50 Prozent

Zu beziehen durch jede Bum- und Musikalienhandlung

Universal-Edition A.-G .• Wien-Leipzig


127
vtT. NovAK A. SINFONISCHE WERKE

IN DER TAT RA, op. 26
Sinfonische Dichtung für großes Orchester
U. E. Nr. 2876 Partitur . . . . . • Mk. 20'-: U. E. Nt. 2818 Klavier, vierhindig Mit. 3'-

SERENADE, op. 36
Für kleinea Orchester
U. E. Nr.3997 ,Partitur .. . . . . . Mk. 12'- U. E. Nr. 3994 Klavier, vierhlndig Mk. " -

TOMAN UND DIE WALDFEE, op. 40


Sinfonische Dichtung für großes Orchester
U. E. Nt. 6363 Partitur. . . . . Mk. 40'- U. E. Nr. 5818 Klavier, :vierhändil. Jrlk. 5'-

LADY GODIVA, ap. 41


Ouvertüre für großes Orchester
U. E. Nr. 6365 Partitur . ................ . . . . Mk. 20'- .
U. E. Nr. 6367 Klavier, vierhändii, in Vorbereitung
. .
.. PAN,op. 43
Tondichtung in 5 Sätzen für großes Orchester
U. E. Nr. 5888 Partitur. . (nur in Abschrift) U. E. Nt. 3355 Klavier, zweihändig Mk. 5'-

B~ CHORWERKE.
. . ' , DER STURM, op. 42 '.' . '. . .
Sinfonische Dichtung nach der Meeresphantasie von Svat. Cech, für gr. Orchester, Soli u. Chor
U. E. Nt. 3632 Partitur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . Mk. 50'-
U. E. Nr. 3357 Klavierauszug mit Text, deutsch, tschechisch . . . • . . . . . . • l.Ik. 10'-

DIE TOTENBRAUT, op. 48


Ballade für 2 Soli, gemischten Cbor und il'oßes Orchester
U. E. Nr. 5293 Klavierauszug mit Text tschechisch . . ~ . . . . . • . . . . . • Mk. 7'SO

c. BÜHNENWERKE
, DER BURGKOBOLD, op. 4~ .
Komische Oper in 1 Aufzug. Text von Lad. Stroupeznicky. Deutsche Übersetzung von Maz. Brod
U. E. Nr. 5393 Klavierauszug mit Text, tschechisch . . . . . Mk. 8'-
U. B. Nr. 5812 Te:z:tbuch~ deutsch . . . . . . . . . . . l!4k. -'50
.' KARLSTEIN, op. 50 ' . '
Opu in 3 Akten nach dem Luatspiel von Jar. VrchIicky, zusammengesteIlt von Ottokar Fischer
U. E. Nr. 5816 Klavierauszug mit Text, tschechisch. ~ . . . . . . . . . . . . . . . Mk. 12'-
TEUERUNGSZUSCHLAG 50 PR.OZENT

ZU BEZIEHEN DURCH JEDE BUCH" UND MUSIKALIENHANDLUNG


. '

Universal, Edition A., G., Wien, Leipzig


128 '
..
: ~~ '

t ERFOLGREICHE KOMISCHE OPERN


,
HANSGAL:·
-Der Arzt der Sobe"ide
Komische Oper in einem Vorspiel und zwei Akten. - Dirnfung von Frifz ZoreJ
U. E. Nr. 6250 Klavierauszug mit Text Mk.15·- U. E. Nr. 6251 Texfbum • . • • . . Mk. 1'-
Gois .Arzt der Sobe"iden- gelangte am 2. November 1919 am Breslauer Sladlll1eafer mit gro~em ErM
fo I ge zur Auffül1runc;l. Der Komponist konnte am Sdtlusse 'für mehr als ein Dutzend Hervorrufe-da nken

HERMANN NOETZEL:
MEISTER GUIDO
Kom isrn e 0 pe r i n d r e i A k f e n. - Dirn tun 9 vom Kom p 0 n i s f e n
U. E. Nr. 6260 Klavierauszug mit Text Mk. 20'- U. E. Nr. 6261 Textbuch . . • • . . Mk. 1'-
DurdlSchJ. Erfolg des Karlsruher Hoftheaters I Bevorstehende Aufführungen Münc:hen (Nationaltheater),
Kassel (Staat!. Sc:hauspiele). Bremen (Sladfiheater)

R U D 0 L F .SIE GEL:
HERR DANDOLO
Komisme Oper in drei Akten nach einer italienischen Komödie
U. E. Nr. 6295 Klavierauszug mft Text Mk. 12'- U. E. Nr. 6296 Textbuc:h . . . . . Mk. 1.-
Bisher glänzen de Auffü hru ngen j n Esse n (Tonkünsllerfesi), Slulfgarl (la nd estheater). München (Natio nal-
theater), Mannheim (NafionaltheClter). - Zur Aufführung angenommen für Weimar (landestheater)

FELIX WEINGARTNER:
DAME KOBOLD
Komisme Oper in drei Akten nam Calderon
U. E. Nr. 5695 Klavierauszug mit Text Mk.- 15'- U. E. Nr. 5696 Textbuch. . Mk.-·SO
U. E. Nr. 5824 Ouverfüre, Klav. 2 hdg. Mk. 2'50 U. E. Nr. 5698 Walzer, Klav. 2 hdg .. Mk. 2'-
U. E. Nr. 5692 Kavatine, Gesang und Klavier. . . • . . . . . • . • . . . . • • • Mk. 1'-
Diese geistvolle, melodisch reizende Schöpfung Weingarfllers ist bisher im zahireimeri Bühnen
mit stärkstem Beifalle gegeben worden. Aufführungen derselben haben bisher u.;,. in Darm M
stadt, leipzig, München, K;,rlsruhe. Stullgart, Charlotlenburg, Chemllilz, Graz st~lIgefunden

Verlegerzusd-.1;,g 50 Prozent - Zu beziehen durch jede B u chM und Mus i k;, li e n h ;, n d I u n g

UNIVERSAL- EDITION A.-G .• LEIPZIG-WIEN

129
KARL WEIGL
Ormestermusik Lieder und Gesänge
Sinfonie Nr, 1. E,dur, op, 5
U. E. Nr. Ma~k u. E. Nr. Sjeben Gesänge. op, 1· MQI'k .
3374 Ordteslerparfilur (Nur gegen Rev'ers) 40'- 3568 Für eine liefe Männerstimme und Klavier 3' -
Onhesterstimmen nach Vereinbarung . 1. Aus dem Buche Hiob. 2. Der Ein,
samste (Nielzsme). 3. Der Tag klin~t
ab 4. Fragen (HeinE~J.
Kammermusik (Nietzsche).
. 5. Wanderers Naddlied (Goethe). 6. Ein
Gleidmis (GoetlleJ. 1. Sdlmled Schmerz
Streirnquarlelt. A-dur. op, 4 . (Bierbaum) ,
2929 Parlilur. Taschenformat . . .. , . . . )'-
2930 Stimmen . . . . . . . . . . . . 6'- Fünf lieder. op. 3
. Mif dern Beelhoven preis der Gesellschaft 2976 Für eine hohe Männerstimme und Klavier 2'-
der Musikfreunde in Wien ausgezeichnet J. Pfingsflied (Denmel). 2. Fraue. du süpe
(FinckIlJ. 3. Bauer. I(J~' die Rosen steh"
(Wunderhorn). 4. Herbslgefühl (Goethe).
Chöre a cappella Mein Herz (Lenau) .
~

Drei Gedidlfe von Lenau. op.6


3587 Für achlslimm, gern. Chor a capp. ParI. 1'50
l. Abend. 2. Frühlings Tod, 3. Primula
Klaviermusik
veris Bilder und Geschichten, Opa 2
Vier Gedichte, op. 7 2796 Sems Klavierslücke, zweihändig . . . 2'50
3588 Für vierslimm. gern. Chor capp. ParI. 1'50
CI 1. Es war ein mal. 2. Snewillchen. 3. Siorm.
. I. Komm, sü~er Tod. 2. Campo santo SIOM, Steiner. 4. SmlaJ, Kindlein, sm/af.
dl Staglieno (Nietzschel. 3. .Glaube 5. Dornrösdlens Grab. 6. Im Monden-
(lienhard). 4, Morgen (Keller) . sdlein • .

Teuerungszuschlag 50% Zu beziehen durch jede Buch- und Musi~lienhandJung Teuerungszusdllag 500(0

Universal-Edition A.-G. J Wien-Leipzig

Erfolgreiche neue Ouvertüren


FELIX WEINGARTNER FRANZ SCHREKER .
Ouvertüre zu Shakespeares Vorspiel zur Oper
l.JDer Sturm" op~ · 65 J.JDie Gezeidlneten"
U. E. Nr. 6176 Klavier. zweihändig Preis Mark 4'- U. E. Nr. 5884 Klavier. zweihändig Preis Mark ).-
U. E. Nr. 6175 Orcneslerparlitur . , Preis Mark 20'- U. E. Nr. 5389 Klavier, vierhändig Preis Mark 6·-
U. E. Nr. 5364 Studienparfitur ." Preis Mark 4'-
~&~~~&&&&&&.S&&&&&&&&&& U. E. Nr. 5365 Or<hes1erpartitur, . Preis Mark 30'-
Bisher g Iä n zen d e Aufführungen in Berl in und Sensationeller Erfolg anläfilich der Aufführungen in
Darmsfadf .Wien. Berlin, Dresden .

Teuerungszuschlc1g 50% Zu bez;ehen durch iede Budl~ und Musikalienhandlung TeuerungszuWilag 50%

Un iversa 1- Ed ition A.-G. J Wien -Le i pzig

130
••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
•• • •
••
t. ; Die·monumentalen I
•• ••

! ~horwerke unserer Zeit I


••

••
••
•• •
!• Frederick Delius: Eine messe des hebeRs =
•= u. e:. nr. mark u. e. Or. mark
:• 3908 KloDferauszug mit text 10'- 3913 thematlscl1e ' Bnahlse
•••
••
••• Friedrich Klose: Der 'Sonne ~elst
••• U. E. Ur. mark U. e.
nr, mark

••
•• 6113 Klaulerauszug mit text . , ' . . . 10'- 61U teltbuch . , . , -'50 •••
• U. E. nr. 6139 tftemaf1scfler rührer mark ,;-'SO ••
•• ••
•• •
•• •••
•••
• 6UStOD mahl er: VIII. Sinfonie •• •
•= U. E. nr. mark U. E. fiT, mark
I 2660 KlalJierouszug mit text 12'- 3000 Sfudfenpartifur . 10'-
3390 Kla\Jlerouszug, uierhdndlg 12'- 3399 thematisdte Hnalyse -'SO

~. n. DOn Reznicek: In memorlam


•• U. E. nr. mark U. e. ßr. mark •
•• 5640 Klaulerauszug mit text 12'- 5639 textbuch -'15 e
••• • ••
••• •
•• . Brnold ScflönlJerg: eurreiieder •••
•• ••
••• u. e:. Ur. mark äE.~ m~ •••
• 3696 Klaulerouszug mit text . 15'- Einzelausgaben für 1 Singstimme und Klauler: ••
••• 3697 Studfenpartitur (gr, ",0) 5330 lIied \\laldemars J' SO tanzen., , t . 1'20
••

••• 3695 tObrer, gro~e ausgabe 5331 [sIed der 'Co"IJe • . . . , . • • . 1·~O •••
•• 5215 rllilrer, kleine ausgabe 5332 [.lied WaldemQrs~Du wunderlldte t"o17e- 1'20 •
••• 1'- 5333 [sied der Wald taube . . . . . . . 2'50 •••

•• •••
teuerungszusmlag 50 Prozent •
•••
Zu beziehen durdt jede Ruda. und musikolienhoodlung •••

•••
:• Universal- Editicn B.· 3., Wien· fieipzig !•
: . . . . ..... .

••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
" :

131
- - - - : - - - -- - - ......

.KONZERTBDRO KONZERT -DIREKTION


DER GESELLSCHAFT DER ' .
MUSIKFREUNDE IN WIEN
Robert Kollitsrn
I. BEZIRK. KARLSPLA TZ 6
VERMITTLUNG U. DURCHFtlHRUNG .
VON KONZERTEN UND SONSTIGER
EINSCHLÄGIGER VERANSfAllUNGEN linz a. d. Donau . Landstra~e 30
FOR WIEN, PROVINZ U. AUSLAND
Telegramme: Konzerf Kollilsm Fernruf 389

Klavier- Etablissement
CARLRICHTER
JOSEF SAPHIR WIEN. IX. WÄHRINGERSTRAI3E 18
1IIIIIIlUlllUUlIIlIIIIIIIIIIIIIIIIUIIIIlIIIIIIIIlllIIllUlIIIIIIIUUIlIIII1I111

MUSIKINSTRUMENTEN-
. U. SAITENERZEUGUNG .
1IIIIIIIIilllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllillUl11111111111IIIunllili .

MUSIKINSTRUMENTEN-lEJHANSTAlT. GROpES
Wien, 11. Praterstr. 34 LAGER IN LAUTEN,GITARREN, MANDOLINEN ETe.

- 1IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIHIIIIIIlIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIllWIIIIIIIIIIIIII11111IIIl1lWIIIUUUlIIlllUIIUUWWII
(IjJ .
111I11 IIlWm_IIIIIIW
-
~ . . ' Kataloge f. Klavier, Harmonium, ~
-= Violine, Cello, Kammermusik, -=
== Zither,Gitarre, Laute, Liederfür . ~
== eine Singstimme, Duette, Ter- . § 4
§ zette, Chöre, Salonorchester §
- -
~
-
- kostenlos ~
--= ~
-
==.
- --
--==
-
= =
.=
=
= =
=
.~= Musikalien,h andlung und Antiquariat ' §=
= =
; .Otto Maass, Wien . ~
.~ VI. Mariahilferstraße 91, Telephon 6264 ;
= ' . ' '.- , -
illlllllllllllllllllllllllllllllllllllllll1111111111111111111111111 1111111111111111111111 11111111111111111111111111111IIlIlIfllI 11111111111111 1111 11111111111111 1I11111111111111l1111i

132
• • ,. ~ , ,'" ~ . , ~. I ..'

,:",:::'<:;,~~
. ,·t, ~
Anfrubf UJlgsrecht 'Vortw.hal&e9i. . ';'~

Dmitll d~r.1IlKm re6ent,. ,~

Karol Szymanowski, Op.1, Nr. 3'. , _;:~


~---:-~-=~:-;----::--=-- ...''"
, .~

Piano. -- ' j
~

(-~~~~~~~. _:
r F

---......... ,. ----

i. _.. '. ~ _ .----'-----_. ---


z
Vlor. (qtoQSI IJampana) v
\ .
".

.' 2
Karol Szymanowsky, Op.l, Nr. 5'.

--
Allegro molto - impetuoso.

,~~

r;t. e cresc .
~
,
.• .-. >j fta ~~ t 1( . • . . •

-
-
tJ

.
.......
-
r • I'

~
....... ..
- .ff
.

-- ..,
.;i I#~ ft~
#
:!
i
~.~
s ······ ··· ····· ········ ·, ··· · ··· ···· ·· ········ ······

.
~ --.0 ~ I ~ ! ... .......-t""1 ~ .----:- b• - -
tJ
11
, ·. . . . v •
...-
'V .. I"
~ ~~
äll . --
• • L::

.~ ~
..
M.A. 3.
·. .. ~~

' -'

,. '
,

\., ~====r===-­
i'~~~~~~~
, ,

~ ~ - ,~ --=-
~
=- ~ l~~~ ~ ' .,.
I ,.

@J J . 1
l...
c

[LIo
p
~ 1 -J
,
! ~~ ..-:::::::::; 'I J ..J
I
i -J i
•.·A.3.
1 _..

M.A.>J.

Das könnte Ihnen auch gefallen