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Adolf Primmer

Texte zur Handlungsgliederung in Nea und Palliata


Untersuchungen zur
antiken Literatur und Geschichte

Herausgegeben von
Heinz-Günther Nesselrath, Peter Scholz
und Otto Zwierlein

Band 118

De Gruyter
Texte zur Handlungsgliederung
in Nea und Palliata

von
Adolf Primmer

Herausgegeben von
Matthias J. Pernerstorfer und Alfred Dunshirn
in Zusammenarbeit mit Christine Ratkowitsch

De Gruyter
ISBN 978-3-11-037097-3
e-ISBN (PDF) 978-3-11-040224-7
e-ISBN (EPUB) 978-3-11-040236-0
ISSN 1862-1112

Library of Congress Cataloging-in-Publication Data


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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
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über http://dnb.dnb.de abrufbar.

쑔 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/München/Boston


Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen

앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier
Printed in Germany
www.degruyter.com
Inhalt

Vorwort V
VII

I. Prolog und Exposition 1


Zwei Terenz-Prologe [1965] 3
Zum Prolog des Heautontimorumenos [1964] 11
Die homo-sum-Szene im Heautontimorumenos [1966] 27
Zur Lektüre von Terenz’ Eunuchus [1979] 31
Karion in den Epitrepontes [1986] 49

II. Handlungsgliederung 69
Handlungsgliederung in Nea und Palliata:
Dis exapaton und Bacchides [1984] 71
Die Handlung der Menaechmi (I) [1987] 167
Die Handlung der Menaechmi (II) [1988] 185
Rezension: Ekkehard Stärk, Die Menaechmi des Plautus
und kein griechisches Original [1990] 213
Menanders ‚Geiziger‘ [1984] 217
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus [1992] 225
Rezension: Eckard Lefèvre: Plautus’ Aulularia [2004] 285
Akte und Spannung: Zur hellenistischen Theorie der
Komödienstruktur bei Aelius Donatus [2008] 295

III. Nicht im Druck erschienene Materialien 329


Der Rudens bei Plautus und Diphilos [Vortrag 2003] 331
Strukturpläne zu Terenz-Komödien 349

Register 359
Personenregister 361
Stellenregister 365

Biographie em. o. Univ.-Prof. Dr. Adolf Primmer 381


Schriftenverzeichnis Adolf Primmers 383
Vorwort

Adolf Primmers Texte zur Handlungsgliederung in Nea und Palliata stellen die
Publikationen des am 9. Juli 2011 achtzigjährig verstorbenen Wiener Klas-
sischen Philologen auf dem Gebiet der Komödienforschung gesammelt
zur Diskussion. Durch die Zusammenschau sämtlicher, weitgehend in
chronologischer Reihenfolge angeordneter Publikationen zu diesem The-
ma wird Primmers Suche nach Aufbauprinzipien der griechischen wie der
römischen Komödie nachvollziehbar, die als Grundlage für seine unita-
risch-analytische Forschung dienen sollte – unitarisch, weil er die dramati-
schen Werke von Plautus und Terenz liebte und ihre Kunst beschreiben
wollte, analytisch, weil er ein begeistert Suchender nach den griechischen
Originalen gewesen ist, sich dessen bewusst, bereits die richtige Spur ge-
funden zu haben, der zu folgen sich lohnen würde. In seinen Texten wird
das Bemühen deutlich, in steter Auseinandersetzung mit Vorläufern wie
Zeitgenossen unter den analytisch orientierten Philologen den eigenen
Ansatz immer klarer zu formulieren – was ihm nicht zuletzt in seinen
Rezensionen besonders gut gelingt.
Frühe, Terenz gewidmete Aufsätze, die sich inhaltlich mit Prolog und
Exposition beschäftigen, eröffnen den Band. In der Folgezeit setzte sich
Primmer mit drei Stücken des Plautus – Bacchides, Menaechmi und Aulularia –
unter dem Aspekt der ‚Handlungsgliederung‘ intensiv auseinander, bevor er
auf poetologischem Terrain seine Thesen bestätigt fand. Diese Aufsätze und
Rezensionen werden ergänzt durch bislang nicht gedruckte Materialien: Ein
Referat zum plautinischen Rudens und seiner griechischen Vorlage aus der
Feder des Diphilos sowie vier Strukturpläne von Terenz-Komödien – Andria,
Eunuchus, Heautontimorumenos und Hecyra. Die hier gebotenen Texte sollen die
breiten Grundlagen der Primmer’schen Untersuchungsergebnisse veranschau-
lichen. Sie mögen Ausgangspunkt für weitere Forschungen werden.
***
Am Beginn des ersten Abschnitts zu „Prolog und Exposition“ stehen
Texte zu Terenzens Prologen der Andria und des Heautontimorumenos (1964
und 1965),1 in welchen Primmer sprachliche Beobachtung für das Ver-
ständnis des Argumentationszusammenhanges fruchtbar macht, die Prolo-
ge vor dem Hintergrund der Tradition lateinischer Rhetorik deutet und aus

1 Adolf Primmer: „Zwei Terenz-Prologe“, in: Jahresbericht des Bundesgymnasiums und


-realgymnasiums in Krems am Schlusse des Schuljahres 1964/65. Erstattet von der Di-
rektion. Krems 1965, S. 5 –10 [3–10]. – Ders.: „Zum Prolog des Heautontimorume-
nos“, in: Wiener Studien 77 (1964), S. 61–75 [11–25].
VIII
VI Vorwort

dem selbstbewussten Auftreten in Haut. v. 7ff. ein Indiz für die Änderung
der Chronologie der Terenz-Komödien gewinnt, entsprechend der Rei-
hung in den Didaskalien, doch abweichend von den dort gegebenen Datie-
rungen nach Magistraten: Andria, Eunuchus, Heautontimorumenos… (S. 7). In
den Ausführungen zur ersten Szene des Heautontimorumenos (1966),2 der
,homo-sum-Szene‘, zeigen sich erstmals sein Bewusstsein der Bedeutung
schauspielerischer Möglichkeiten für die Interpretation einer dramatischen
Szene3 sowie ein feines Gespür für die Figurenführung.
Als Primmer 13 Jahre später erneut eine Studie zu Terenz publiziert,
haben sich sowohl die Forschungslandschaft als auch seine eigenen Inte-
ressen deutlich geändert. In der ersten Hälfte der 1970er Jahre konsolidiert
sich die Forschung nach den großen Menander-Funden zum Dyskolos
(1959) und zur Samia (1969). Ausdruck findet das in Francis H. Sandbachs
Menander-Edition (1972),4 dem dazugehörigen Kommentar von Arnold
W. Gomme und Francis H. Sandbach (1973),5 in Konrad Gaisers großem
Forschungsbericht „Zur Eigenart der römischen Komödie: Plautus und
Terenz gegenüber ihren griechischen Vorbildern“ (1972) 6 sowie dem von
Eckard Lefèvre herausgegebenen Sammelband zur römischen Komödie
(1973).7 Für den Großteil der Philologen (vor allem im englischsprachigen
Raum) verliert damit die Originalitätsforschung an Bedeutung, weil das
Notwendige gesagt zu sein scheint. Gleichzeitig wird in diesem Bereich ein
neues Kapitel aufgeschlagen: Lefèvre, der in den folgenden Jahrzehnten mit
seinem Freiburger Sonderforschungsbereich Übergänge und Spannungsfelder
zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit dieses Feld dominieren wird, zeigt in
ersten Publikationen neue analytische Wege auf, einen möglichst hohen
Grad von Eigenständigkeit der römischen Dichter Plautus und Terenz
gegenüber ihren griechischen Vorbildern nachzuweisen – die Existenz von
konkreten Vorlagen wird von ihm mehrfach grundsätzlich bestritten.

2 Adolf Primmer: „Die homo-sum-Szene im Heautontimorumenos“, in: Wiener Studien


79 (1966), S. 293 –298 [27–30].
3 Siehe dazu auch S. 190 und S. 206f. Auffällig ist, dass Primmer das Maskenspiel
der Nea bzw. die Frage, ob die Palliaten überhaupt mit Masken gespielt worden
sind, nicht thematisiert.
4 Menandri reliquiae selectae, iteratis curis nova appendice auctas recensuit Francis H.
Sandbach. Oxford 1972 (2. Auflage 1990).
5 Arnold W. Gomme und Francis H. Sandbach: Menander. A Commentary. Oxford
1973.
6 Konrad Gaiser: „Zur Eigenart der römischen Komödie. Plautus und Terenz
gegenüber ihren griechischen Vorbildern“, in: Aufstieg und Niedergang der römischen
Welt. Band I, 2: Von den Anfängen Roms bis zum Ausgang der Republik, hg. von Hil-
degard Temporini. München 1972, S. 1027–1113.
7 Die römische Komödie. Plautus und Terenz, hg. von Eckard Lefèvre. Darmstadt 1973
(Wege der Forschung 236).
Vorwort IX

Wenn Primmer nun in seiner Studie zum Eunuchus des Terenz (1979)8
das „zugleich unitarische und analytische Forschungsstadium“ anspricht,
„in dem wir uns noch heute befinden und in dem es hauptsächlich um die
ständige Verfeinerung der Interpretationsmethoden und -kriterien geht“
(S. 30), so ist damit vor allem sein eigener Zugang definiert: Es geht ihm –
auch wo er unitarisch und analytisch zugleich einzelne Komödien unter-
sucht – stets auch um Fragen der Untersuchungsmethodik. Im Eunuchus-
Aufsatz möchte er zu einem besseren Verständnis der Komödie beitragen
und zwar durch „die exakte sprachliche Interpretation einiger Verse, auf
die sich die Analytiker zu Unrecht berufen hatten, durch den Nachweis,
daß die in Frage stehenden Aussagen und Motive in der Struktur und
Handlungsökonomie des Stückes ihren guten Platz haben, und durch
Vermeidung der übertriebenen, einer Komödie nicht angemessenen An-
wendung des ‚Widerspruchs‘-Kriteriums“ (S. 31). Damit ist das Arbeits-
programm für alle weiteren Arbeiten Primmers definiert.
Zu Terenz ist der Eunuchus-Aufsatz seine letzte Publikation. Die auf
S. 349–357 abgedruckten, wohl in den 1990er Jahren entstandenen Struk-
turpläne zu Terenzens Andria, Eunuchus, Heautontimorumenos und Hecyra
zeigen jedoch, dass Primmers Auseinandersetzung mit diesem Autor nie
aufgehört hat. Die Beschäftigung mit Fragen der ,Handlungsgliederung‘,
die Primmer in den folgenden Jahren anhand von Plautus-Komödien erör-
tert, kündigt sich in diesem Text bereits an.
„Karion in den Epitrepontes“ (1986) 9 ist die einzige Publikation, in der
sich Primmer ausschließlich Menander widmet. Doch fällt der Text nur
scheinbar aus dem Rahmen, denn auch darin spielen – wie im Buch zu Dis
exapaton und Bacchides (1984)10 – die Rekonstruktion des verlorenen An-
fangs der Komödie sowie die Zuordnung, Interpretation und Einordnung
von verstreut überlieferten Zitaten im Expositionsteil eine zentrale Rolle.

***
Im zweiten Abschnitt sind Texte versammelt, in denen es Primmer in
erster Linie um die ,Handlungsgliederung‘ in Nea und Palliata im engeren
Sinne geht. Mit dieser setzte er sich seit den späten 1970er Jahren ausei-
nander, wie metrische Analysen, Strukturpläne und zahlreiche Notizen aus

8 Adolf Primmer: „Zur Lektüre von Terenz’ Eunuchus“, in: Peter Neukam (Hg.):
Verpflichtung der Antike. München 1979 (Dialog Schule-Wissenschaft. Klassische
Sprachen und Literatur 12), S. 93–116 [31–48].
9 Adolf Primmer: „Karion in den Epitrepontes“, in: Wiener Studien Neue Folge 20
(1986), S. 123–141 [49–67].
10 Adolf Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata. Dis Exapaton und Bacchides.
Wien 1984 (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften,
Philosophisch-Historische Klasse 441) [71–166].
X
VIII Vorwort

dieser Zeit zeigen, die als Basis für sein Buch zu Dis exapaton und Bacchides
dienten. Primmer hatte Beobachtungen zu Akt- und Handlungsgliederung
sowie zur metrischen Großgliederung in der Palliata gemacht und begann,
daraus Prinzipien abzuleiten und Methoden für die Analyse zu entwickeln,
denn: „Gesetzt den Fall, es könnte uns gelingen, analog zu den Baugeset-
zen der Fuge oder des Sonatensatzes die der Komödie Menanders zu for-
mulieren und dazu noch den Nachweis zu führen, daß auch die Dichter
der römischen fabula palliata bestimmte positive Kompositionsregeln
befolgten“, so müsste das „der Erforschung der hellenistischen und der
römischen Komödie neue fruchtbare Möglichkeiten bieten“ (S. 71). Prim-
mer war auf der Suche nach Kriterien, die ein sicheres Zugreifen bei der
Analyse ermöglichten. Obwohl er überzeugt war, auf dem richtigen Weg
zu sein, blieb er in seinen Formulierungen vorsichtig, wissend, dass erst
eine Analyse des gesamten erhaltenen Materials seine Diagnose auf ein
sicheres Fundament stellen könnte.
Primmers Beobachtungen zur metrischen Großgliederung verdienen
unter diesem Gesichtspunkt erneut Beachtung: Er spricht zwar von der
„Regelform eines Singspielactus“, die „aus der Abfolge Sprechteil (diver-
bia, jambische Senare) – Gesangsteil (mutatis modis cantica) – Rezitativteil
(trochäische Septenare)“ besteht und, so an anderer Stelle, in der Regel der
Handlungsführung korrespondiert; er übergeht jedoch nicht, dass diese
Regelform „natürlich (für unsere Beweiszwecke: leider) auch verkürzt oder
erweitert werden kann“ (S. 80). Die metrischen Analysen, die Primmer zu
den Menaechmi, dem Dyskolos und dem Eunuchus bietet, weisen nun auch
entsprechende Abweichungen auf, was Ludwig Braun und Eckard Lefèvre
in ihren Rezensionen11 zum Anlass genommen haben, die Tauglichkeit der
metrischen Großgliederung als Analysekriterium grundsätzlich in Frage zu
stellen. Die Kritik verfehlt allerdings ihr Ziel und tut dem Autor unrecht,
der seine Beobachtung keineswegs zu einem automatisch anwendbaren
Gesetz erhoben hat.12 Ein „festes Baugesetz“ ist die metrische Großgliede-
rung wohl nicht, aber Primmers Diagnose einer auffällig häufigen, nicht als
Zufälligkeit zu erklärenden Wiederkehr bestimmter metrischer Formen,
die wiederum oft mit inhaltlichen Wendepunkten korrespondiert, ist damit
keineswegs obsolet: diese Koinzidenz harrt weiterhin einer Erklärung.

11 Ludwig Braun in Anzeiger für die Altertumswissenschaft 41 (1988), Sp. 161–163. –


Eckard Lefèvre in Gnomon 57 (1985), S. 693 –698. Die Rezensionen von J. Chris-
topher B. Lowe (The Classical Review 35/2 [1985], S. 396–397), Douglas N. Lacey
(The Classical Journal 81/3 [1986], S. 263–264) und François Jouan (Latomus 51
[1992], S. 186–188) fielen deutlich positiver aus.
12 Auch wenn es Primmer um zuverlässige Analysekriterien geht, so wendet er
selbst etablierte Maßstäbe wie das sogenannte ‚Webster-Kriterium‘ nicht mecha-
nisch an, siehe S. 75f., 96–99, 237, 239; zur Einschränkung S. 97.
Vorwort XI
IX

Primmer selbst hat sich zu diesem Thema in der Folge publizistisch nicht
mehr ausführlich geäußert.13
Mit einer – nicht zuletzt durch Lefèvres Rezension angeregten – Un-
tersuchung zur Handlung der Menaechmi führt Primmer seine analytischen
und methodisch-reflexiven Arbeiten fort. Die Studie gliedert sich in zwei
Teile, einen inhaltsanalytischen (I, 1987)14 und einen strukturanalytischen
(II, 1988);15 den Vergleich des rekonstruierten griechischen ‚Originals‘ mit
der lateinischen Bearbeitung hat Primmer leider nicht mehr vorgenommen
(dasselbe gilt auch für die Aulularia). Bei der Untersuchung des Einsatzes
der Requisiten palla und spinter kann Primmer durch sein Verständnis für
szenische Abläufe eine sichere Basis für weitere Interpretation schaffen. In
dieser Studie spiegelt sich zudem das Bemühen wider, die Argumentation
leichter nachvollziehbar zu machen und die eigene Position noch klarer zu
definieren.16
An Ekkehard Stärks Die Menaechmi des Plautus und kein griechisches Ori-
ginal 17 bezeichnet Primmer in seiner Rezension (1990)18 die Substituierung
des „fehlende[n] Anschauungsmaterial[s] zu Mimos, Atellane und dgl. aus
der commedia dell’arte“ (S. 213) als bedeutende Neuerung in der Originali-
tätsforschung. Forschungsgeschichtlich interessant ist nicht zuletzt seine
Lektüreempfehlung für dieses Buch: Der Leser „muß erstens den non-
sequitur-Argumenten ausweichen, die Plautus’ vollständige Originalität
behaupten (zu diesen gehört u. a. der Schluß vom plautinischen Präsenta-
tionsstil eines Motivs auf dessen plautinische Herkunft). Und zweitens
muß er Stärks analytische Urteile, die sich auf ein (vermeintlich) stilistisch
einheitliches Stück beziehen, daraufhin kontrollieren, ob und wie sie auf
das zwitterhafte Gebilde unseres Menaechmi-Textes zutreffen, in welchem
vor den Versen 738–745 das griechische Experiment mit Komödie und
Mimos dominiert, nach diesen die plautinische Farce.“ (S. 212). Diese
Empfehlung lässt sich ohne weiters auf zahlreiche andere Bände übertra-
gen, die in der Reihe ScriptOralia, dem Publikationsorgan des Freiburger
Sonderforschungsbereichs, erschienen sind.

13 Dasselbe gilt für die Frage der Spielpausen in der Palliata, für welche Primmer
den Einsatz eines Flötenspielers vorgeschlagen hat (S. 121–123), was von den
Rezensenten kritisiert worden ist, ohne überzeugende Alternativen vorzuschlagen.
14 Adolf Primmer: „Die Handlung der Menaechmi (I)“, in: Wiener Studien 100 (1987),
S. 97–115 [167–184].
15 Adolf Primmer: „Die Handlung der Menaechmi (II)“, in: Wiener Studien 101 (1988),
S. 193–222 [185–212].
16 Vgl. S. 193–197 die Reformulierung der Definition der Handlungsgliederung in
der Nea und Palliata aus dem Buch zu Dis exapaton und Bacchides (siehe S. 74–84).
17 Ekkehard Stärk: Die Menaechmi des Plautus und kein griechisches Original. Tübingen
1989 (ScriptOralia 11).
18 Adolf Primmer in Wiener Studien 103 (1990), S. 271–273 [213–216].
XII
X Vorwort

Die Analyse der plautinischen Aulularia war Primmer ein besonderes


Anliegen. Die Publikationen dazu ergänzen einander vortrefflich. Im ers-
ten kurzen Text (1984)19 für ein theaterhistorisch und nicht speziell philo-
logisch orientiertes Publikum gibt er einen konzisen Überblick über seine
Rekonstruktion von Menanders Geizigem (die Zuschreibung der Autor-
schaft an Menander galt für Primmer nicht zuletzt aufgrund der Nähe zum
Dyskolos als gesichert). In seiner großen Untersuchung (1992)20 führt er
hauptsächlich strukturanalytische Argumente ins Treffen, macht scharf-
sinnige sprachliche Beobachtungen und klärt Fragen wie jene nach An-
ordnung der Bühnenhäuser oder der Prologgottheit des Originals – es
handelte sich um Tyche – mit schlagenden Argumenten.21
Von den drei im Anschluss daran gedruckten, undatierten Struktur-
plänen ermöglichen jene zu Dyskolos und Geizigem (S. 282 – 283) einen
Vergleich mit den zum Druck freigegebenen Darstellungen (auf S. 272 –
278) – dieser Transformationsprozess ist bei der Lektüre der Strukturpläne
zu den Terenz-Komödien auf S. 365–373 zu berücksichtigen. Der Struk-
turplan zur plautinischen Aulularia (S. 284) zeigt, in welche Richtung
Primmers Überlegungen zu diesem Stück sich weiter entwickelt haben.
Primmers jahrelang regelmäßig betriebene Publikationstätigkeit zur
Handlungsgliederung in Nea und Palliata war nach einem Herzinfarkt im
Jahre 1993 weitgehend zum Erliegen gekommen, und erst Jahre danach
konnte er sich wieder intensiv seiner Forschung widmen. Ab dem Ende
der 1990er Jahre hielt er – in erster Linie am Wiener Institut für Klassische
Philologie, Mittel- und Neulatein – Lehrveranstaltungen und Vorträge zu
seinem Lieblingsthema. Publizistisch meldete sich Primmer dann 2004 mit
seiner Rezension von Eckard Lefèvres Aulularia-Buch 22 erneut zu Wort.23
Er reagiert auf dessen vermeintlichen Nachweis von Plautus’ weitgehender
Unabhängigkeit von griechischen Vorbildern mit einer doppelten Strate-
gie: er unterzieht Lefèvres Ansatz einer Methodenkritik und ergänzt seine
eigene Beweisführung um inhaltsanalytische Argumente, die, wie er selbst
sagt, in seiner eigenen früheren Forschung zu kurz gekommen waren. Das
Ergebnis ist meines Erachtens überzeugend.24

19 Adolf Primmer: „Menanders ‚Geiziger‘“, in: Maske und Kothurn 30 (1984), S. 1–7
[217–224].
20 Adolf Primmer: „Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus“, in: Wiener Studien 105
(1992), S. 69–127 [225–281].
21 Zur Deutung von resecrare siehe S. 231–234. Interpretationen, in denen Primmers
durch die Mitarbeit am Thesaurus Lingue Latinae erworbene exzellente Sprach-
kenntnis spürbar ist, finden sich von den frühen Aufsätzen zu Terenz an.
22 Eckard Lefèvre: Plautus’ Aulularia. Tübingen 2001 (ScriptOralia 122).
23 Adolf Primmer in Gnomon 76 (2004), S. 27– 34 [284–294].
24 Anhand von Lefèvres Aulularia-Buch lässt sich die Schwierigkeit gut illustrieren,
Primmers Forschungen angemessen zu rezipieren. In der Einleitung (S. 16–17)
zitiert Lefèvre Passagen aus Primmers Studie, die dem eigenen Forschungsansatz
Vorwort XIII
XI

In der Rezension sind auch Enttäuschung und Ärger zu spüren, dass


er mit seinen Einzelstudien die Fachwelt nicht in dem Maße überzeugen
konnte, wie er sich erwartet hatte.25 Als Reaktion darauf war nun ein Buch,
in dem das gesamte erhaltene Material nach inhalts- und strukturanalyti-
schen Kriterien umfassend aufgearbeitet sein würde, das – leider nicht
mehr realisierte – große Ziel.
Immerhin gelang es Primmer in seinem letzten, 2008 publizierten
Text „Akte und Spannung. Zur hellenistischen Theorie der Komödien-
struktur bei Aelius Donatus“,26 das von ihm zuvor in der Komödienana-
lyse fruchtbar eingesetzte Handlungsschema bis auf die Poetik des Peri-
patos, womöglich Theophrast, zurückzuführen.
Für die Frage der Verallgemeinerbarkeit „der Interferenz zwischen
der fünfteiligen primär formalen Oberflächenstruktur der Akte und der
dreiteiligen primär inhaltlich bestimmten Tiefenstruktur der Phasen der
Fabel“ (S. 74) hat diese Beobachtung entscheidende Konsequenzen, denn
offenbar war die Akt- und Handlungsstruktur im Sinne Primmers, bereits
als Menanders Karriere begann, in der Komödie so üblich, dass sie für
Poetologen als Quintessenz der Dramaturgie dieser Gattung gelten konn-
te. Aus der Kombination von poetologischer Diagnose und Komödien-
analyse resultiert, dass die Produktion der Nea in Athen tatsächlich auf
diesem Handlungsschema basiert haben dürfte. Wie weit die Anwendbar-
keit dieses Prinzips für die Analyse auszuweiten ist, steht zur Diskussion –
in seiner genannten Rezension von Ekkehard Stärks Buch zu den plautini-
schen Menaechmi erwägt Primmer die Möglichkeit einen verschollenen
„nachmenandrischen Nea-Autor […], der mit einer Kreuzung zwischen
Komödie und Mimos experimentierte“ (S. 212).
***
Die vorliegenden Texte zur Handlungsgliederung in Nea und Palliata von
Adolf Primmer präsentieren das Ergebnis eines Projektes am Don Juan

entsprechen. In der Folge beruft er sich stets dort auf ihn, wo Primmer Anstöße
im Plautus-Text diagnostiziert. So entsteht der falsche Eindruck, dass Primmers
Untersuchungen auf ähnlichem Wege zu ähnlichen Ergebnissen kommen (und es
nach der Lektüre von Lefèvres Buch nicht notwendig sei, auch noch Primmers
Studien in die Hand zu nehmen). Damit wird Primmers Deutung klarerweise so
gut wie ins Gegenteil verkehrt.
25 Siehe jedoch das positive Urteil in Walter Stockert: „Sull’originalità di Plauto.
Metafore e similitudini nell’Aulularia“, in: Lectiones Plautinae Sarsinatae 3 (2002),
S. 15–30 (hier: S. 16f.), die auch in Plautus: Aulularia, edited by Keith MacLennan
and Walter Stockert. Oxford 2014 Niederschlag finden wird.
26 Adolf Primmer: „Akte und Spannung: Zur hellenistischen Theorie der Komö-
dienstruktur bei Aelius Donatus“, in: Acta Ant. Hung. 48 (2008), S. 405–432
[295–328]; DOI: 10.1556/AAnt.48.2008.3–4.8.
XIV Vorwort

Archiv Wien, einem privaten, vor allem der Opern- und Theatergeschichte
des 17. und 18. Jahrhunderts gewidmeten Forschungsinstitut, dessen
Gründer, Hans Ernst Weidinger, und Direktor, Matthias J. Pernerstorfer,
sich dem Wiener Institut für Klassische Philologie, Mittel- und Neulatein
verbunden fühlen.
Christine Ratkowitsch, die bereits 1984 an der Arbeit am Bacchides-
Buch beteiligt war und in der Folge zahlreiche Manuskripte Primmers
redigierte, steuerte das Schriftenverzeichnis und eine Biographie bei. Zu-
dem sichtete sie Primmers Nachlass und leitete das für das Publikations-
vorhaben relevante, von den Töchtern des Philologen, Maria, Dorothea
und Susanna, freundlicherweise zur Verfügung gestellte Material den Her-
ausgebern weiter. Den Unterlagen von Gottfried Eugen Kreuz zu Prim-
mers Wiener Terenz-Seminar im Wintersemester 1997/1998 konnten die
Strukturpläne zur Andria und zum Eunuchus entnommen werden. Paul
Raimund Lorenz ermittelte in seiner Vereinsdokumentation Einladungen
und Handouts zu Primmers Referaten im Rahmen der Vorträge des Eranos
Vindobonensis (1998, 2003 und 2005), wodurch es möglich wurde, zusätz-
lich zu dem von mir selbst aufgenommenen Vortrag zum Rudens (2003)
den dazugehörigen Strukturplan in den Band aufzunehmen. Die grafische
Umsetzung dieser handschriftlichen Skizzen übernahm Gabriel Fischer.
Die gedruckt vorliegenden Texte wurden von meinen Kolleginnen am
Don Juan Archiv Wien bearbeitet: Jennifer Plank digitalisierte sie und
wandelte sie in Word-Dokumente um, Silvia Freudenthaler bereitete sie
für die weitere Arbeit vor.
Die redaktionelle Arbeit oblag den Herausgebern. Sie umfasste bei
den publizierten Texten die Kursivierung der eingerückten lateinischen
Passagen sowie die Vereinheitlichung der Zitierregeln, wodurch zahlreiche
ursprünglich im Fließtext gesetzte bibliographische Angaben in Fußnoten
umgewandelt wurden. Das wiederum erhöhte die Zahl der Fußnoten teil-
weise deutlich, weshalb sämtliche Verweise auf Fußnoten zu aktualisieren
waren. Wo Primmer auf eigene, im vorliegenden Band abgedruckte Texte
verweist, wurde die entsprechende Seitenangabe in eckigen Klammern
ergänzt. Durch Referenzseitenzahlen am äußeren Seitenrand ist es zudem
möglich, Primmer-Zitate in der Forschungsliteratur bequem aufzufinden.
Seitenumbrüche sind, sofern es sich nicht um einen neuen Absatz handelt,
mit || markiert. Inhaltliche Eingriffe wurden nicht vorgenommen, Druck-
fehler stillschweigend behoben.
Der 2003 ohne vorgeschriebenes Manuskript gehaltene Vortrag zum
plautinischen Rudens und dessen Original stellte größere Anforderungen an
die Herausgeber. Würde es Primmers Intentionen entsprechen, dass der
Text in der vorliegenden Form publiziert wird? Für ihn selbst wäre es
wohl noch ein langer Weg gewesen, um die Sachverhalte so komplex und
klar wie möglich darzustellen und damit den eigenen Ansprüchen zu genü-
gen. Doch immerhin präsentierte Primmer mit seinem Vortrag zentrale
Vorwort XV
Vorwort XIII

Punkte seiner Rudens-Analyse, von deren Richtigkeit er überzeugt gewesen


ist, einem größeren
ist, einem größeren Fachpublikum,
Fachpublikum, und und er er skizzierte
skizzierte auf
auf dem
dem Strukturplan
Strukturplan
das Verhältnis von
das Verhältnis von Rudens
Rudens und
und Original
Original im im Ganzen.
Ganzen.
Nach
Nach der Lektüre der
der Lektüre der Studien
Studien zu zu Dis
Dis exapaton, Menaechmi und
exapaton, Menaechmi Aulularia
und Aulularia
erscheint
erscheint –– vor vor allem
allem mit
mit Blick
Blick auf
auf diedie überzeugende
überzeugende Interpretation
Interpretation der
der
Traumerzählung
Traumerzählung im im Rudens
Rudens –– dasdas Experiment
Experiment durchaus lohnend, auf
durchaus lohnend, auf
Primmer’schen
Primmer’schen Bahnen Bahnen die die Rudens-Analyse
Rudens-Analyse zu zu einem
einem Ende
Ende zu zu bringen.
bringen.
Dies
Dies würde spannend sein,
würde spannend sein, doch
doch ein
ein sehr
sehr heikles Unterfangen, da
heikles Unterfangen, da Primmer
Primmer
die seiner Interpretation zugrunde liegenden Argumente
die seiner Interpretation zugrunde liegenden Argumente im Rahmen des im Rahmen des Vor-
Vor-
trags nicht immer mitteilt. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, im
trags nicht immer mitteilt. 27
27 Deshalb haben wir uns dafür entschieden, im
Rahmen
Rahmen des des vorliegenden
vorliegenden Bandes
Bandes nurnur eineeine behutsame
behutsame redaktionelle
redaktionelle Bear-
Bear-
beitung
beitung im im Sinne
Sinne der
der Transferierung
Transferierung des des gesprochenen
gesprochenen in in einen
einen geschrie-
geschrie-
benen Text vorzunehmen und dabei den Vortragscharakter
benen Text vorzunehmen und dabei den Vortragscharakter zu erhalten. zu erhalten.
Primmer fertigte Strukturpläne
Primmer fertigte Strukturpläne bereits
bereits zuzu Beginn seiner Auseinander-
Beginn seiner Auseinander-
setzung
setzung mit mit der
der Strukturanalyse
Strukturanalyse von von Nea Nea und
und Palliata
Palliata an.
an. Im
Im Nachlass
Nachlass
finden sich unterschiedliche
finden sich unterschiedliche Formen,
Formen, die die eine
eine Entwicklung
Entwicklung hin hin zu
zu mehr
mehr
Klarheit
Klarheit undund Kompaktheit
Kompaktheit aufweisen.
aufweisen. Transkribiert aufgenommen wurden
Transkribiert aufgenommen wurden
ausschließlich solche Strukturpläne,
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also zum Verteilen
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Terenz-Stücke handelt –– Andria,
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Der ursprüngliche Plan,
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zu veröffentlichen,
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Erkenntnisse besser gefördert
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der Originalitätsforschung zu hoffen, welche
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weitgehend
Kolleginnen verloren gegangen
und Kollegen ist: Außerhalb
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gegangen ist: Außerhalb
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dieser deutschsprachigen Raum hat imneben Primmer nur Otto
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eigenständigen methodischen
mer nur Otto Zwierlein Ansatz entwickelt
einen eigenständigen und auf Ansatz
methodischen einer breiten
entwi-
Materialgrundlage
ckelt und auf einerentfaltet. 28
breiten Materialgrundlage entfaltet.28

27 In die Diskussion um Primmers Verständnis des Rudens


Rudens im Ganzen brachte Wal-
ter Stockert wertvolle Beobachtungen und weiterführende Fragestellungen ein.
28 Otto Zwierlein: Zur Kritik und Exegese des Plautus I. Poenulus und Curculio. Stutt-
gart 1990. – Ders.: Zur
Zur Kritik
Kritik und
und Exegese
Exegese des
des Plautus II. Miles
Plautus II. Miles Gloriosus.
Gloriosus. Stuttgart
1991. – Ders.: Zur Kritik und Exegese des Plautus III. Pseudolus. Stuttgart 1991. –
Ders.: Zur Kritik und
Zur Kritik und Exegese
Exegese des
des Plautus IV. Bacchides.
Plautus IV. Bacchides. Stuttgart 1992. – Zusätzlich
sei verwiesen auf Marcus Deufert: Textgeschichte und Rezeption der plautinischen Ko-
das Verhältnis von Rudens und Original im Ganzen.
Nach der Lektüre der Studien zu Dis exapaton, Menaechmi und Aulularia
erscheint – vor allem mit Blick auf die überzeugende Interpretation der
Traumerzählung
XVI
XIV im Rudens – das Experiment durchaus lohnend, auf
Vorwort
Primmer’schen Bahnen die Rudens-Analyse zu einem Ende zu bringen.
Dies würde spannend sein, doch ein sehr heikles Unterfangen, da Primmer
die seiner Interpretation
Die Reihe zugrunde liegenden
der Untersuchungen Argumente
zur antiken Literaturim
undRahmen desbietet
Geschichte Vor-
trags nicht immer mitteilt. 27 Deshalb haben wir uns dafür entschieden, im
Raum für Publikationen zur Originalitätsforschung abseits des Freiburger
Rahmen des vorliegenden 29
Sonderforschungsbereichs, Bandes
und nur eine behutsame
deshalb bin ich denredaktionelle Bear-
Herausgebern
beitung im Sinne der Transferierung des gesprochenen in einen
Heinz-Günther Nesselrath, Peter Scholz und Otto Zwierlein sehr zu Dank geschrie-
benen Text vorzunehmen
verpflichtet, dass sie einerund dabei dender
Aufnahme Vortragscharakter zu erhalten. in
Texte zur Handlungsgliederung
Nea und Palliata von Adolf Primmer in diese Reihe zugestimmtAuseinander-
Primmer fertigte Strukturpläne bereits zu Beginn seiner haben.
setzung mit der Strukturanalyse von Nea und Palliata an. Im Nachlass
finden sich unterschiedliche Formen, die eine Entwicklung hin zu mehr
Klarheit und Kompaktheit aufweisen. Transkribiert aufgenommen wurden
Matthias J. Pernerstorfer
ausschließlich solche Strukturpläne, die auch in kopierter Form vorliegen,
Wien, 18. Oktober 2014
2013
also zum Verteilen bei Vorträgen und Lehrveranstaltungen gedacht waren
und in diesem Sinne bereits publiziert worden sind. Da es sich um vier
Terenz-Stücke handelt – Andria, Eunuchus, Heautontimorumenos und Hecyra –
schließt sich mit diesen Strukturplänen der Bogen und wir kommen wieder
zu Terenz zurück, mit dem Primmers Arbeit an der antiken Komödie
begonnen hat.
***
Der ursprüngliche Plan, dieses Buch in der Reihe Summa Summarum des
Don Juan Archivs zu veröffentlichen, wurde zugunsten einer Publikation
in den Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte aufgegeben, da so
das Zielpublikum von Primmers Forschungen eher erreicht werden kann
und die Rezeption seiner konkret-analytischen wie methodisch-reflexiven
Erkenntnisse besser gefördert wird. Letzteres bleibt auch im Dienste jener
Vielfalt in der Originalitätsforschung zu hoffen, welche aufgrund der Flut
von Publikationen Eckard Lefèvres und seiner Kolleginnen und Kollegen
weitgehend verloren gegangen ist: Außerhalb dieser Forschungsrichtung
hat im deutschsprachigen Raum neben Primmer nur Otto Zwierlein einen
eigenständigen methodischen Ansatz entwickelt und auf einer breiten
Materialgrundlage entfaltet.28

27 In die Diskussion um Primmers Verständnis des Rudens im Ganzen brachte Wal-


ter Stockert wertvolle Beobachtungen und weiterführende Fragestellungen ein.
28 Otto Zwierlein: Zur Kritik und Exegese des Plautus I. Poenulus und Curculio. Stutt-
gart 1990. – Ders.: Zur Kritik und Exegese des Plautus II. Miles Gloriosus. Stuttgart
1991. – Ders.: Zur Kritik und Exegese des Plautus III. Pseudolus. Stuttgart 1991. –
Ders.: Zur Kritik und Exegese des Plautus IV. Bacchides. Stuttgart 1992. – Zusätzlich
sei verwiesen auf Marcus Deufert: Textgeschichte und Rezeption der plautinischen Ko-
mödien im Altertum. Berlin, New York 2002 (Untersuchungen zur antiken Litera-
tur und Geschichte 62).
29 Andrea Antonsen-Resch: Von Gnathon zu Saturio. Die Parasitenfigur und das Verhält-
nis der römischen Komödie zur griechischen. Berlin, New York 2005 (Untersuchungen
zur antiken Literatur und Geschichte 74). – Matthias J. Pernerstorfer: Menanders
Kolax. Ein Beitrag zu Rekonstruktion und Interpretation der Komödie. Mit Edition und
Übersetzung der Fragmente und Testimonien sowie einem dramaturgischen Kommentar.
Berlin, New York 2009 (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte 99).
I. Prolog und Exposition
Zwei Terenz-Prologe* 55

Epos und Drama der Griechen waren die Vorlagen für die ersten Werke,
die das Lateinische zu einer Literatursprache gemacht haben. Mit freien
Übersetzungen begann es; dann trat neben die Übertragung die Bearbei-
tung, und bald wagte man, mit so geübter Kraft, den Schritt in die Freiheit
selbständigen Schaffens. Schon Cn. Naevius, welcher dem Archegeten
Livius Andronicus am nächsten steht, begründete die nationalrömische
Tragödie und wählte zum Stoff eines Epos den Ersten Punischen Krieg.
Weder von Naevius noch vom größten und einflußreichsten Neuerer der
folgenden Generation, von Quintus Ennius, sind mehr als einzelne zusam-
menhanglose Fragmente erhalten. Was wir von der älteren römischen
Literatur vollständig lesen können, sind allein die Komödien des Plautus,
der Ennius’ Zeitgenosse war, und des – abermals ein Menschenalter jünge-
ren – Terenz. Diese Stücke gehören allerdings in die Kategorie der Bearbei-
tungen. Erst geduldiger und behutsamer philologischer Forschung gelang
es, das „Plautinische im Plautus“1 zu finden. Für Terenz ist die analoge
Arbeit noch nicht zu Ende geführt.2
Jene Prologe, die Terenz vor der Aufführung seiner Stücke sprechen
ließ, verdienen die besondere Aufmerksamkeit dessen, der sich ein Bild
von der originalen, von griechischen Mustern nicht direkt abhängigen
Schaffensweise der älteren römischen Dichter machen will. Sie sind „die
ersten selbständigen lateinischen Gedichte in eigener Sache“. 3 Wenn eine
Plautuskomödie mit einem Prolog beginnt, gehört dieser vor allem zum
Stück, nicht zu einer bestimmten Aufführung; er macht dem Zuschauer
die verwickelten Voraussetzungen der Handlung deutlich und entlastet die
Exposition. Bei Terenz genügt das Spiel sich selbst; der Prolog ist für
andere Inhalte frei geworden (die nicht der eigentliche Gegenstand unserer
Betrachtung sein sollen), und er kann eine geschlossene künstlerische
F o r m bilden. Die Prologe des Terenz repräsentieren also Formen der

* Zuerst erschienen in Jahresbericht des Bundesgymnasiums und -realgymnasiums in Krems


am Schlusse des Schuljahres 1964/65. Erstattet von der Direktion. Krems 1965, S. 5–10.
1 Dies der Titel von Eduard Fraenkels bekanntem Buch (Berlin 1922), jetzt erwei-
tert als Elementi Plautini in Plauto. Firenze 1960.
2 Siehe z. B. Heinz Haffter: „Terenz und seine künstlerische Eigenart“, in: Museum
Helveticum 10 (1953), S. 1–20 und S. 73–102. Literaturbericht über Terenz, auch
über Fragen, auf die wir später zu sprechen kommen, von Heinrich Marti, in:
Lustrum 6 (1961) und 8 (1963) (hier S. 20f. zur Chronologie).
3 Karl Büchner: Römische Literaturgeschichte. Ihre Grundzüge in interpretierender Darstel-
lung. Stuttgart 1957, S. 109.
4 I. Prolog und Exposition

künstlerischen Darstellung, welche in Rom zwischen 166 und 160 v. Chr.


zur Verfügung standen. Darin liegt der allgemeine Gewinn, den wir aus
ihrer Betrachtung ziehen. Ob wir auch für Terenz selbst etwas dazulernen,
wird sich zeigen.
Es ist das Verdienst von Friedrich Leo, überzeugend das Hauptkenn-
zeichen der terenzianischen Prologform nachgewiesen zu haben: den gro-
ßen Einfluß der Rhetorik.4 Leo sagt geradezu, diese Prologe seien „sorgfäl-
tig nach der rhetorischen Lehre ausgearbeitete kleine Prozeßreden“.5 Wir
66 wollen an dem älte-||sten, dem zur Andria, aus dem Jahre 166, kurz die
Charakteristika dieser Form betrachten. Das auffälligste unter ihnen ist die
Durchführung einer konsequent festgehaltenen Disposition. Jedes rhetori-
sche Handbuch liefert uns das typische Aufbauschema; wir wählen will-
kürlich Ciceros partitiones oratoriae, den kurzen Abriß, den der berühmte
Redner für seinen Sohn zusammengestellt hat. In § 27 heißt es dort, eine
Rede – gedacht ist vor allem an die Gerichtsrede – bestehe aus vier Teilen:
principium (Einleitung), narratio (Darlegung der Fakten, über die das Audito-
rium urteilen soll), confirmatio (Beweisführung), schließlich peroratio (Schluß-
teil). Dann folgen Einzelvorschriften für jede dieser partes orationis, die wir
bei Terenz oft bis ins Detail festgehalten finden.

Principium (v. 1–7): Als Terenz zu schreiben begann, wollte er nichts als
eine Komödie verfassen, die dem Publikum gefallen würde. Nun aber
zwingt man ihn, einen Prolog zu schreiben, der nichts mit dem Stück
zu tun hat, sondern ihn gegen die Verleumdungen eines böswilligen
älteren Rivalen verteidigen soll.

Terenz will also (a) selber nur Gutes, und zwar (b) dem Publikum zuliebe
und (c) einem malevolus zum Trotz. Man vergleiche Cic. part. 28: Ein
Zweck der Einleitung ist, ut amice … audiamur; das Proömium verweilt da-
rum in personis nostris, disceptatorum, adversariorum; e quibus initia benevolentiae
conciliandae comparantur (a) aut meritis nostris aut … aliquo genere virtutis et ma-
xime liberalitatis officii iustitiae fidei (c) contrariisque rebus in adversarium conferen-
dis (b) et cum eis qui disceptant aliqua coniunctionis aut causa aut spe significanda.

Narratio (v. 8–16): Der Vorwurf ist folgender: Der griechische Dichter
Menander hatte zwei Komödien fast gleichen Inhalts verfaßt – wer
eine kennt, kennt beide –, die Andria und die Perinthia. Was von die-
ser in jene paßte, hat Terenz in seine Andria übernommen. Das gibt

4 Friedrich Leo: Analecta Plautina. Bd. 2. Göttingen 1898, S. 14ff., jetzt auch in:
Ders.: Kleine Schriften. Bd. 1: Zur römischen Literatur des Zeitalters der Republik, hg.
und eingeleitet von Eduard Fraenkel. Roma 1960, S. 117ff.
5 Friedrich Leo: Geschichte der römischen Literatur. Bd. 1: Die archaische Literatur. Berlin
1913, S. 303.
Zwei Terenz-Prologe 5

er offen zu – und das wirft man ihm nun vor! Aus d i e s e m Anlaß 6
setzt man das Prinzip auseinander, die griechischen Vorlagen dürften
nicht verhunzt7 werden!

Alle Momente, die in der Sache für ihn günstig sind, z. B. die Ähnlichkeit
der Stücke, sind sorgfältig hervorgehoben (a), und er bekennt sich zu dem,
was er getan hat (b). – Cicero: Die narratio ist nach § 31 nicht völlig objek-
tive Darlegung, nicht bloß rerum explicatio, sondern auch quaedam quasi sedes
et fundamentum constituendae fidei (a). Daher muß sie probabilis sein, was man
u. a. erreicht (§ 32), si probitas narrantis significabitur, … si orationis veritas (b).

Confirmatio (v. 17–23): Solche Kenner sind doch nur Kleinigkeitskrämer!


Mit Terenz sind dann auch Naevius, Plautus und Ennius angeklagt –
er ist in guter Gesellschaft. Die Kritiker sollen still sein, sonst wird
man ihnen ihre Fehler vorrechnen!

Der Verteidigung folgt der (hier nur angedrohte) Gegenangriff, ähnlich


wie Cic. part. 33 sagt, der dritte Teil der Rede werde in confirmationem et in
reprehensionem unterteilt.

Peroratio (v. 24–28): Das Publikum soll über das Erstlingswerk unvorein-
genommen urteilen.

Im Text heißt es: adeste aequo animo et rem cognoscite. Die Zuschauer sollen 77
die aequitas, den Gerechtigkeitssinn des Richters, haben, und sie sollen auf
Grund einer genauen Untersuchung urteilen (cognitio ist der Terminus
technicus für das außerordentliche Gerichtsverfahren): an solchen Vorstel-
lungen zeigt sich besonders deutlich, daß das Ganze als Rede konzipiert ist.
Wir wollen nicht weiter verfolgen, wie alle übrigen Prologe dieselben
Elemente verwenden. Eine Ausnahme bildet der erste zur Hecyra, welcher
nur acht Verse lang ist, und in gewissem Sinne der zum Heautontimorume-
nos, dem wir uns im folgenden zuwenden. Unberücksichtigt lassen wir die
durch und durch rhetorische Diktion, auf die ebenfalls Leo verwiesen hat.
Zwar finden sich im Prolog dieses Stückes die typischen Wortfiguren, die
Terenz in den Stücken selbst zu meiden pflegt (z. B. die Antithesen v. 1/2
seni – adulescentium, v. 6 duplex – simplici, v. 11 oratorem – prologum, v. 17f.
multas – paucas, immer an exponierter Versstelle), was also dafür spricht,
daß der Dichter eine Rede schreiben wollte. Sie hat kein einheitliches Thema:

6 id isti vituperant factum atque in eo disputant eqs.: in eo nimmt im Tone der gekränkten
Unschuld id wieder auf.
7 Der starke Ausdruck (lat. contaminare) wird von Terenz Haut. v. 17 wiederholt,
vgl. weiter unten.
6 I. Prolog und Exposition

Titelankündigung, Fragen der literarischen Technik, Kritik an Rivalen und


Einführung ins Spiel stehen nebeneinander. Das macht die Disposition der
Rede problematisch. Sie ist nämlich scheinbar so formlos, daß die For-
schung mehrmals gezweifelt hat, ob wir wirklich e i n e n Prolog vor uns
haben.8 Der Sprecher beginnt zwar mit einer regelrechten partitio (v. 1–3):

ne quoi sit vostrum mirum, quor partis seni


poeta dederit quae sunt adulescentium,
id primum dicam, deinde quod veni eloquar.

Er scheint sich nicht recht an diese Einteilung zu halten. Kehrt Terenz


etwa zur lockeren Prologform des Plautus zurück? Dort wird manchmal
mit disponierenden Hinweisen förmlich gespielt. Im Amphitruo kündigt der
Prolog zweimal an quamobrem venerim dicam. 9 In der Asinaria verbraucht er
fast vier Verse (v. 5f., 9f.) für die Disposition von sechs weiteren. Ein
Unterschied zu solchen Fällen ist nicht zu übersehen: Bei Terenz steht die
partitio gleich am Anfang, sodaß sich der Eindruck wohlgegliederter Rede
zunächst auf jeden Fall einstellt. L. Ambivius Turpio – der Leiter der Schau-
spieltruppe persönlich, nicht wie sonst eines ihrer jüngeren Mitglieder,
spricht den Prolog – wird zuerst, in einem einleitenden Teil, diese Abwei-
chung vom Usus begründen und dann erst die eigentliche „Rede halten,
die er zu halten kam“. Mit einigen Erweiterungen hält er sich an dieses
Schema. Er kommt also zur E i n l e i t u n g (v. 4–6):

ex integra Graeca integram comoediam


hodie sum acturus Heauton timorumenon,
duplex quae ex argumento facta est simplici.

„Ich werde heute ein noch nicht gespieltes Stück, nach einem noch nicht
übersetzten griechischen, zur Aufführung bringen, … ein Doppelstück auf
Grund eines Inhalts, der einfach ist.“ Wenn das argumentum des Heauton-
timorumenos simplex ist, so beruht er offenbar nicht wie die Andria auf meh-
88 re-||ren griechischen Vorlagen.10 Ex integra … integram unterstreicht diese

8 Das Problem der Einheit dieses Prologs ist in Adolf Primmer: „Zum Prolog des
Heautontimorumenos“, in: Wiener Studien 77 (1964), S. 61–75 [11–25] behandelt;
dort findet man Literatur und nähere Diskussion der Interpretationsfragen.
9 Ähnlich v. 17f. und v. 50; erst v. 64ff. spricht es aus.
10 Vgl. oben bei Anm. 7. – Warum heißt die einheitliche Komödie trotzdem „Doppel-
stück“? Entweder, weil die Personen und Szenen des Spiels vielfach paarweise auf-
einander bezogen sind – was allerdings der Besucher der Uraufführung noch nicht
wissen konnte – oder weil Terenz ironisch gegen seine Kritiker polemisiert, welche
die Andria ein Doppelstück genannt haben mögen: mein neues „Doppelstück“ ist
nicht aus mehreren griechischen Vorlagen zusammengestellt, sondern einfach.
Zwei Terenz-Prologe 7

Aussage noch. Natürlich müssen die drei Verse außerdem im entspre-


chenden eindringlichen Ton vorgetragen werden, damit der Zuschauer
sich den Hauptgedanken einprägt; denn v. 16ff. wird wieder auf ihn Bezug
nehmen. Vorerst folgt ein E i n s c h u b (v. 7–10):

novam esse ostendi et quae esset; nunc qui scripserit


et quoia Graeca sit, ni partem maxumam
existumarem scire vostrum, id dicerem:
nunc quam ob rem has partis didicerim paucis dabo.

Ton und Inhalt ändern sich. Der Sprecher gibt sich, als falle ihm eben ein,
daß ein Prologus – ähnlich wie unser Programmzettel – über das Stück
informieren muß. „Daß das Stück heute uraufgeführt wird und wie es
heißt, sagte ich schon. Verfasser und Dichter des griechischen Originals –
würde ich jetzt nennen,11 wenn ich nicht annehmen dürfte, daß die meis-
ten schon Bescheid wissen. So12 will ich kurz erklären, warum ich selber
den Prologus mache.“ Turpio lenkt also auf das Thema der E i n l e i t u n g
zurück (v. 11–15):

oratorem esse voluit me, non prologum:


vostrum iudicium fecit, me actorem dedit.
sed hic actor tantum poterit a facundia,
quantum ille potuit cogitare commode
qui orationem hanc scripsit quam dicturus sum.

Wie im 2. Hecyra-Prolog (orator ad vos venio ornatu prologi) will Turpio auch
hier Redner sein; das Publikum ist der Gerichtshof, er der Sprecher (actor,
eigentlich: der Anwalt). Ein Sprecher (actor heißt auch der Schauspieler) wie er13
kann nur den Text aufsagen, den ein anderer für ihn geschrieben hat. –
Wenn sich Turpio als Redner vorstellt und im gleichen Atemzug daran
erinnert, daß dies nur eine Fiktion ist, wird damit zweierlei erreicht: die
einheitliche Durchformung des Prologs und der Vorzug, daß der folgende
1. Punkt des e r s t e n H a u p t t e i l s der eigentlichen Rede nicht im Namen
des Schauspielers, sondern des Dichters gesprochen wird (v. 16–21):

Also was die Kritik angeht, daß Terenz die griechischen Stücke
verhunzt: er hat es getan und er wird es wieder tun, nach gutem
Vorbild.

11 Der Irrealis kommt überraschend; zu erwarten war etwa „quoia Graeca sit accipite“.
12 Das zweite nunc ist nach dem vorausgegangenen Irrealis adversativ: „statt dessen“.
13 Wie „hic homo“ für „ich“ stehen kann, ähnlich hier „hic actor“. – Mit „Spre-
cher“ versuche ich das unübersetzbare Wortspiel wenigstens anzudeuten.
8 I. Prolog und Exposition

Wir sehen, warum in den Versen 4–6 vom „Doppelstück“ die Rede war:
weil der Gedanke vorschwebte: Heute spielen wir ein einheitliches Stück
(v. 4–6), und ich muß erklären lassen (v. 11–15), daß dies kein prinzipieller
Verzicht auf Verarbeitung mehrerer Vorlagen ist (v. 16–21). Zur Sache
vergleiche man die narratio des Andria-Prologs.
Es folgt Punkt 2 (v. 22–26):

Dann wirft man ihm vor, er ließe sich beim Dichten helfen – das
soll euer Urteil entscheiden.

Arbitrium vostrum, vostra existumatio valebit (v. 25f.) führt wieder auf die
Vorstellung von der Gerichtsrede zurück: In v. 12 hieß es vostrum iudicium
fecit. – Es folgt ein T r u g s c h l u ß (v. 26–29):

Und ich bitte euch, urteilt gerecht über jemand, der neue Stücke
für euch schreibt …

99 Das scheint ein Schlußappell an die aequitas der Richter zu sein wie Andria,
v. 24ff. In Wahrheit trennt Terenz durch diesen Trugschluß die literari-
schen Themen von dem Teil seiner Rede, der sich direkt auf die Auffüh-
rung beziehen wird. Die formalen Mittel sind überlegt eingesetzt, um das
Ganze zu gliedern. Die Verknüpfung leistet ein Ü b e r g a n g, der (wieder
überraschend und im Geiste des Komödienstils, wie oben in v. 7ff.) ein-
fach den letzten Satz weiterführt (v. 30–34):

… die keine Fehler haben – denn für die unfähigen Rivalen des
Terenz bitte ich nicht. Die sollen auch nicht von Kritik ver-
schont bleiben, wenn man ihn weiter verleumdet.

Darauf folgt der z w e i t e H a u p t t e i l der Rede (v. 35ff.):

adeste aequo animo, date potestatem mihi,


statariam agere ut liceat per silentium eqs.

Man beachte die Technik der Verknüpfung: die Bitte um aequitas wird
wiederholt, in scheinbar ungezwungener Assoziation, und Turpio der actor-
Anwalt spricht wieder ausdrücklich für sich selbst (mihi ):

Schenkt mir Gehör und laßt mich eine Komödie spielen, die we-
nig äußere Handlung hat. Ich bin ein alter Mann und kann nicht
mehr anstrengende Rollen mit viel Aktion übernehmen. Aber ob
ich ein guter Schauspieler bin, das könnt ihr beim heutigen Stück
sehen.
Zwei Terenz-Prologe 9

Damit ist unsere Analyse beendet. Sie mußte den Prolog in Teile auflösen,
kann also gerade seine Einheit, die sie nachweisen will, nicht repräsentieren.
Man darf jedoch nicht vergessen, daß er von einem der ersten und sicher
vom literarisch verständnisreichsten Schauspieler seiner Zeit gesprochen
wurde.14 Wie ihm Terenz den Vortrag durch den Wechsel der verschiedenen
Stilmittel leicht gemacht hat, haben wir eben verfolgt. Darin lag überhaupt
die Stärke des Dichters: Nach Varros bekanntem Urteil verdient er die Pal-
me in ethesin, in der Darstellung der Charaktere. Dazu gehört, daß er über die
jeweils adäquaten Formen des Ausdrucks verfügt.15 So hat er eine „Rede“
geschrieben, welche die richtige Mitte hält zwischen der formloseren Fabulier-
lust des Plautus und dem schulmäßigen Redeschema des Andria-Prologs.
Die Frage liegt nahe, ob Terenz sich von der Schulregel zu freier Be-
wältigung der Form hin entwickelt hat; denn die Andria ist seine älteste
Komödie. In seiner jüngsten, den Adelphoe, hat der Prolog fast dieselbe
Form. So wird es geraten sein, die Ursache des formalen Unterschieds im
verschiedenen Inhalt zu suchen. Zuversichtlicher würde ich einen Schluß
über die relative Chronologie der Komödien ziehen. Die vorwiegend an-
genommene Reihenfolge der Stücke, der ich eben folgte, lautet: Andria
(166) – Hecyra (165) – Heautontimorumenos (163) – Eunuchus und Phormio
(161) – Adelphoe (160). Nun konnte die Hecyra bei der ersten und auch bei
einer zweiten Aufführung nicht zu Ende gespielt werden; erst 160 scheint
sie erfolgreich gewesen zu sein. Ist es da denkbar, daß Terenz zwei Jahre
nach dem Durchfall seines Stückes – ohne Grund zum Optimismus – so
selbstbewußt vor das Publikum tritt, wie er es im Heautontimorumenos-Prolog
tut? In den Versen 7ff. setzt er voraus, man kenne ihn genau, v. 16ff. er-
klärt er entschieden, er werde wie früher Stücke „verhunzen“. Und v. 35ff.
zeigt, daß es offenbar ein gewagtes Experiment war, eine comoedia stataria
aufzuführen. Dies konnte umso bedenklicher sein, wenn || das Publikum 10
10
vom Dichter ein turbulentes Lustspiel erwartete, wie der Eunuchus eines ist.
Wir wissen aus Suetons Terenz-Vita, daß gerade dieses Stück außeror-
dentlich gefiel. Die Didaskalien, auf denen die oben gegebene Reihung
beruht, nennen trotz umgekehrter Datierung nach Magistraten den Eunu-
chus sein zweites und den Heautontimorumenos sein drittes Werk. Ich denke,
das alles spricht sehr dafür, in diesem einen Punkt die rezipierte Reihe zu
ändern. Endgültig klären läßt sich das Problem allerdings nur in einer
Gesamtbetrachtung der Didaskalien. Wir müssen es daher, obwohl unsere
Erklärung des Heautontimorumenos-Prologs sehr für die Änderung spricht,
auf sich beruhen lassen.

14 Diesem Verständnis verdanken bekanntlich die Dichter Caecilius und Terenz den
schließlichen Erfolg, wie der 2. Hecyra-Prolog zeigt.
15 Wir erinnern uns etwa an den Ton der gekränkten Unschuld Andr. v. 15f. In
dieser Hinsicht gibt es bei Terenz noch viel zu beobachten.
10 I. Prolog und Exposition

Eines hoffen wir, gewonnen zu haben: einen lebendigen Eindruck, welch


differenzierte Formen selbständiger, von Vorlagen unabhängiger literarischer
Darstellung bereits in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts vor
Christus in Rom gemeistert wurden.
Zum Prolog des Heautontimorumenos* 61
61

Schon Eugraphius stellt in seinem Kommentar zum Heautontimorumenos


fest (zu v. 11, S. 154, 2ff. Wessner), daß die beiden Themen, welche Te-
renz in den ersten Versen des Prologs ankündigt:

nequoi sit vostrum mirum, quor partis seni


poeta dederit, quae sunt adulescentium,
id primum dicam, deinde quod veni eloquar

in der Reihenfolge dieser Ankündigung von v. 11 bzw. v. 16 an behandelt


werden. Ob und wie sich dann die Verse 4–9 (10) in den Ablauf der Ge-
danken fügen, diese Frage ist in den letzten hundert Jahren oft traktiert
worden,1 mit vielfach voneinander abweichenden und nie ganz befriedi-
genden Resultaten. Aber mag sie auch nicht leicht zu lösen sein, richtig
gestellt ist sie; man darf sie nicht gewaltsam aus der Welt schaffen, indem
man in v. 3 primum mit deinde vertauscht und quod veni eloquar auf die all-
gemeine Aufgabe des Prologus, in das neue Stück einzuführen, bezieht,
welche durch v. 4–9 erfüllt würde.2 Denn quor partis seni poeta dederit wird
ebenso deutlich durch quamobrem has partis didicerim (v. 10) wieder aufge-
nommen wie quod veni eloquar 3 durch orationem … quam dicturus sum (v. 15).

* Zuerst erschienen in Wiener Studien 77 (1964), S. 61–75.


1 Karl Dziatzkos Dissertation De prologis Plautinis et Terentianis quaestiones selectae
(Universität Bonn) stammt aus dem Jahre 1863. Über ihn sowie die ältere Litera-
tur überhaupt informiert am besten Philippe Fabia: Les prologues de Térence. Paris
1888, bes. S. 15ff. Wie es nach Friedrich Leos Behandlung des Prologs in den
Analecta Plautina (Bd. 2. Göttingen 1898, S. 20ff. = Ders.: Kleine Schriften. Bd. 1:
Zur römischen Literatur des Zeitalters der Republik, hg. und eingeleitet von Eduard
Fraenkel. Roma 1960, S. 123ff.) weiterging, zeigt Robert Kauers Bericht über die
Terenzliteratur 1898–1908, Bursians Jahresbericht 143 (1909), S. 232ff. Reiche Lite-
raturangaben, auch zu Detailfragen, die hier nur flüchtig oder gar nicht berührt
werden, bei Brunella Castiglioni: „Il prologo dell’Heautontimorumenos e la comme-
dia «duplex»“, in: Athenaeum 35 (1957), S. 257–305. – Die kommentierte Ausgabe
von Floyd G. Ballentine (Boston, New York 1910) war in deutschen und öster-
reichischen Bibliotheken nicht aufzutreiben.
2 So z. B. Fabia: Les prologues de Térence (Anm. 1), S. 22.
3 Der Hinweis, daß zu quod veni der Begriff „eloqui“ dazu gedacht werden muß wie
etwa credere zu quae est aequom in v. 156, sollte eigentlich überflüssig sein. – Roy C.
Flickinger: „A study of Terenceʼs prologues“, in: Philological Quarterly 6 (1927),
S. 248 will übrigens mit Bentley die Worte deinde quod veni eloquar auf den Text der
Komödie selbst, nicht des Prologs beziehen.
12 I. Prolog und Exposition
12 I. Prolog und Exposition

62
62 Eugraphius behält also gegenüber || dieser Gewaltlösung – an die man
62 Eugraphius
übrigens auch behält
schonalsofrühgegenüber
gedacht hat: || dieser
Schol. Gewaltlösung
Ter. Bemb. ad –1. an die jeden
– auf man
übrigens
Fall Recht. auch schon früh gedacht hat: Schol. Ter. Bemb. ad 1. – auf jeden
Fall Recht.
Die Interpretation und Rechtfertigung von v. 4–9 (10) wird auch ei-
Die Interpretation
nen guten und Rechtfertigung
Teil des vorliegenden von v. 4–9 wenn
Aufsatzes ausmachen, (10) wird auchnur
sie auch ei-
nen
einesguten Teil des vorliegenden
von mehreren Problemen ist, Aufsatzes
die der ausmachen,
Prolog stellt.wenn Wie siesie auch nur
möglich
eines
ist, hatvonim mehreren Problemen
Grundsätzlichen F. Leoist, in
dieden
derAnalecta
Prolog stellt.
Plautina Wiegezeigt.
sie möglich
Inso-
ist,
weithat imihm,
folgt Grundsätzlichen
nach einigen F. Leo inauch
anderen, den B.Analecta Plautina
Castiglioni, vongezeigt.
der dieInso-
letz-
weit folgt zum
te Arbeit ihm, Prolog
nach einigen anderen, auch B. stammt,
des Heautontimorumenos Castiglioni,
die von der die inso-
ich kenne; letz-
te Arbeit
weit wird zum Prolog desauch
im folgenden Heautontimorumenos
nichts Neues geboten.stammt,Nur die läßt
ich kenne; inso-
sich, glaube
weit
ich, aufwirddemselben
im folgenden Weg auch
nochnichts
ein StückNeues geboten.
weiter kommen. Nur Und läßt sich,
zwar glaube
gilt es
ich, auf demselben
einerseits, Einzelheiten Wegder noch ein Stück weiter
Interpretation kommen. oder
sicherzustellen Und zu zwar gilt es
korrigie-
einerseits,
ren; dadurch Einzelheiten
und darüber derhinaus
Interpretation sicherzustellen
wird es aber auch möglich odersein,
zu korrigie-
eine im
ren;
Grunde dadurch
bloß und darüber
negative hinaus wird
apologetische es aber auch
Betrachtung desmöglich
Prologaufbaussein, einedurchim
Grunde bloß negative apologetische Betrachtung des
die nähere Bestimmung und stilistische Einordnung der Darbietungsform Prologaufbaus durch
die nähere Bestimmung und stilistische Einordnung der Darbietungsform
zu ergänzen.
zu ergänzen.
Gerade dies scheint mir die eigentliche Aufgabe, welche noch zu leis-
Gerade
ten ist; weil mandies an
scheint
Leos mir die eigentliche
Erklärung Aufgabe,
das vermißte, welche
hat er zum Teilnochnicht
zu leis-
die
ten ist; weilgefunden,
Nachfolge man an Leos die Erklärung
er an sich das vermißte,
verdiente. 4 In hat
dererTat zum ist Teil nicht
es eine die
recht
Nachfolge gefunden, die er wenn
verlegene Entschuldigung, an sichman verdiente. 4 InTerenz
feststellt, der Tathabe ist esimeine recht
Prolog-
verlegene
schreiben noch Entschuldigung,
keine Übung wenn manerfeststellt,
gehabt, habe keinenTerenz habe imPlatz
passenden Prolog-
ge-
schreiben
funden, wonoch keine
er den Übung
Titel gehabt, hätte
des Stückes er habe keinenkönnen
einfügen passenden oderPlatz ge-
derglei-
funden,
chen mehr. wo5 erSoden Titel sich
erhoben des Stückes
immer wieder hätte einfügen
Stimmen können
des Zweifels oder undderglei-
der
chen
Kritik:mehr.
neben 5 So erhoben
einem sich von
Aufsatz immer wieder 6Stimmen
L. Gestri, des Zweifels
in dem (nicht und der
zum erstenmal)
Kritik:
das nebenMittel
radikale einemder Aufsatz von L. Gestri,
Dekomposition 6 in dem wird,
angewendet (nichtsei zum erstenmal)
z. B. auf Äu-
das radikale
ßerungen von Mittel der Dekomposition
Marouzeau angewendet
und Prete verwiesen, wird,in sei
jeweils z. B.Ausgaben
ihren auf Äu-
ßerungen
zur Stelle. von Marouzeau und Prete verwiesen, jeweils in ihren Ausgaben
zur Stelle.
Aber auch im Einzelnen lassen sich Leos Argumente wesentlich ver-
Aber
stärken. Vorauch imhat
allem Einzelnen lassen sichbereits
er der Gegenseite Leos zuArgumente wesentlich
viel eingeräumt, wenn ver-
er
stärken.
zu v. 10 Vor allem„(Terentius)
schreibt: hat er der Gegenseite
ipse … indicatbereitsnon
zu statim
viel eingeräumt, wenn er
(nämlich gleich in
zu
v. 4)v. ab
10 ipsa
schreibt: „(Terentius)
re se incepisse sed ipse … praemisisse“.
aliquid indicat non statim
7 Dies(nämlich
scheint zwar gleichvonin
63
63 v. 4) ab ipsa bis
Eugraphius re seCastiglioni
incepisse seddie aliquid
allgemeine || Ansicht
praemisisse“. 7 Dies scheint
zu sein. 8 Wir zwar von
werden
63 Eugraphius bis Castiglioni die allgemeine || Ansicht zu sein.8 Wir werden
4 Zustimmend z. B. Eduard Fraenkel: „Zum Prolog des terenzischen Eunuchus“,
4 Zustimmend
in: z. B. Eduard
Sokrates 6 (1918), S. 302. Fraenkel: „Zum Prolog des terenzischen Eunuchus“,
5 in:
Leo:Sokrates
Analecta6 (1918),
PlautinaS.(Anm.
302. 1), S. 21.
56 Leo: Analecta„IlPlautina
Leo Gestri: (Anm. 1),diS.Terenzio“,
primo prologo 21. in: Annali della Scuola Normale Superio-
6 Leo
re di Gestri:
Pisa 19 „Il primo
(1950), S. prologo di Terenzio“,
1–12. Gestri in:a)Annali
beruft sich della
auf die Scuola Normale Superio-
„eingeschobenen“ Verse
re di Pisa
4–10, b) 19 (1950),
darauf, daßS.die
1–12. Gestri
v. 11ff. beruft sichVerteidigungsrede
angekündigte a) auf die „eingeschobenen“
Turpios erstVerse
v. 35
4–10, b) während
beginne, darauf, daß die v.Aussagen
v. 16ff. 11ff. angekündigte Verteidigungsrede
des Dichters selbst seien. SoTurpios
gewinnterst
er v. 35
zwei
beginne, die
Prologe, während
jeweilsv.in16ff.
ganzAussagen
anderem Tondes Dichters
gehalten selbst seien.
seien, v. 4–9 Soundgewinnt
16–34 er
alszwei
den
Prologe,
zum diev.jeweils
Haut., in ganzund
1–3, 11–15 anderem Ton
35ff. als dengehalten seien,
zur ersten v. 4–9 und
Aufführung der16–34
Hecyra.als den
7 zum
Leo: Haut.,
Analectav. Plautina
1–3, 11–15 und1),
(Anm. 35ff. als den zur ersten Aufführung der Hecyra.
S. 21.
78 Leo: Analecta
Eugraph. Ter.Plautina
Haut. 10,(Anm. 1),30.
p. 154, S. 21.
Castiglioni: „Il prologo dell’Heautontimorumenos
8 Eugraph. Ter. Haut.
e la commedia 10, p.(Anm.
«duplex»“ 154, 30.
1),Castiglioni: „Il prologo
S. 285: „Terenzio dell’Heautontimorumenos
si permise di spezzare bru-
e la commedia «duplex»“ (Anm. 1), S. 285: „Terenzio si permise di spezzare bru-
ist, hat im Grundsätzlichen F. Leo in den gezeigt. Inso-
weit folgt ihm, nach einigen anderen, auch B. Castiglioni, von der die letz-
te Arbeit zum Prolog des Heautontimorumenos stammt, die ich kenne; inso-
weit wird im folgenden auch nichts Neues geboten. Nur läßt sich, glaube
ich, auf demselben Weg Zum noch
PrologeindesStück weiter kommen. Und zwar gilt 13
Heautontimorumenos es
einerseits, Einzelheiten der Interpretation sicherzustellen oder zu korrigie-
ren; dadurch und darüber hinaus wird es aber auch möglich sein, eine im
Grunde
jedoch sehen, bloß negative
daß Terenz apologetische Betrachtung
in dem besagten Vers nurdes Prologaufbaus
ein interponere,durch kein
die nähere Bestimmung
praemittere zugibt. und stilistische Einordnung der Darbietungsform
zu ergänzen.
Doch lesen wir zunächst einmal nach der Partitio weiter. Da kommen
Gerade
wir gleich insdies scheint Die
Gedränge. mir Verse
die eigentliche Aufgabe,voller
4 und 6 stecken welche noch zu leis-
Schwierigkeiten,
ten
undist; ichweil man an
betone im Leos
voraus,Erklärung
daß ichdasinvermißte,
manchemhatnicht er zummehrTeilals
nicht die
Wahr-
Nachfolge
scheinlichkeit gefunden, die er anhalte.
für erreichbar Fürs erste4 –Inwir
sich verdiente. der bemühen
Tat ist es uns
eine jarecht
zu-
verlegene
nächst nurEntschuldigung,
um die rechtfertigende wenn man feststellt,des
Erkenntnis Terenz habe imAufbaus,
gedanklichen Prolog-
schreiben
nicht um die noch keine Charakterisierung
positive Übung gehabt, er der habeDarbietungsform
keinen passenden Platz ge-
– genügt es
funden,
aber, wenn wo man
er den in Titel
irgenddes Stückes
einem Teil hätte einfügen
des Satzes können
erfährt, daß oder derglei-
der Heauton-
chen mehr.5nicht
timorumenos So erhoben sich immer
kontaminiert wieder
ist. Ich könnte Stimmen des Zweifelsformulie-
noch allgemeiner und der
Kritik:
ren: es neben einem Aufsatz
muß irgendwie, von L.oder
verneinend Gestri, 6 in demvon
bejahend, (nicht zum erstenmal)
Kontamination die
das
Rederadikale
sein. DennMitteldader(mit Dekomposition
Leo) die Einheit angewendet
des Prologswird,schon
sei z. gerettet
B. auf Äu-ist,
ßerungen
wenn zwischen von Marouzeau
v. 4ff. undund v. Prete
16ff., verwiesen,
wo Terenzjeweils in ihren
von dieser Ausgaben
umstrittenen
zur Stelle.spricht, eine wie immer geartete Verbindung besteht, genügt es
Technik
schon, Aber auchsieimhier
wenn Einzelnen
überhaupt lassen sich Leos
genannt Argumente
ist. Aber ich haltewesentlich ver-
das Fehlen
stärken.
entsprechenderVor allem hat er der
Eingriffe insGegenseite
Original für bereits
sicher,zuworauf
viel eingeräumt, wenn er
näher einzugehen
zu
hierv.nicht
10 schreibt:
der Ort„(Terentius)
ist;9 zudem gibtipse es…sprachliche
indicat nonBedenken,
statim (nämlich gleich
wie sich untenin
v. 4) ab
zeigen wird. ipsa re se incepisse sed aliquid praemisisse“.7 Dies scheint zwar von
63 Eugraphius
Zu den bis Castiglioni die
Schlagwörtern, denen die ||Gegner
mitallgemeine sein.8 Wir
AnsichtdeszuTerenz werden
die Debatte
um die „Kontamination“ bestritten, gehören mit ziemlicher Sicherheit
4duplex Zustimmend
und simplici z. B.vonEduard
v. 6. Fraenkel:
Denn m„Zum u l t a sProlog des terenzischen
contaminasse Graecas, Eunuchus“,
dum facit
p a u cin:a sSokrates
Latinas6 (1918),
(v. 17f.)S. 302.
belegt eindeutig die Verbindung des literarischen
5contaminare
Leo: AnalectamitPlautina (Anm. 1), Damit
Zahlbegriffen. S. 21. soll nicht behauptet sein, contami-
6nare Leo Gestri: „Il primo
könnte in dieser frühen Zeitprologo di Terenzio“, in: Annalikombinieren“
„vermischen, della Scuola Normale Superio-
heißen. 10
re di Pisa 19 (1950), S. 1–12. Gestri beruft sich a) auf
Aber der Sache nach war eben die spezielle Art, wie Terenz seine Vorlagen die „eingeschobenen“ Verse
4–10, b) darauf, daß die v. 11ff. angekündigte Verteidigungsrede Turpios erst v. 35
„verhunzte“, ein Kontaminieren im heutigen Sinn, so daß jeweils (mindes-
beginne, während v. 16ff. Aussagen des Dichters selbst seien. So gewinnt er zwei
tens) zwei griechische Originale dran glauben mußten und das lateinische
Prologe, die jeweils in ganz anderem Ton gehalten 11 seien, v. 4–9 und 16–34 als den
Stückzum nicht simplex, sondern duplex wurde bzw. kein argumentum
Haut., v. 1–3, 11–15 und 35ff. als den zur ersten Aufführung der Hecyra.
7simplex, sondernPlautina
Leo: Analecta ein argumentum
(Anm. 1), S. 21.duplex hatte. Wir müssen allerdings,
8 Eugraph. Ter. Haut. 10, p. 154, 30. Castiglioni: „Il prologo dell’Heautontimorumenos
e la commedia «duplex»“ (Anm. 1), S. 285: „Terenzio si permise di spezzare bru-
scamente dopo il v. 3 il filo del discorso.“
9 Kontamination nahm, gerade auf Grund des Prologes, Franz Skutsch an („Der
Prolog zum Hautontimorumenos“, in: Philologus 59 [1900], S. 1–8 = Ders.: Kleine
Schriften, hg. von Wilhelm Kroll. Leipzig, Berlin 1914, S. 123–130). Das Für und
Wider ist diskutiert bei Ettore Paratore: Storia del Teatro Latino. Milano 1957,
S. 208f., Anm. 30 (mit Literatur).
10 Zum Sinn von c.: William Beare: „contaminatio“, in: Classical Review 73 (1959),
S. 7–11. Unmöglich ist Karl Büchners „das lateinische Stück beflecken“, aus
Andr. v. 16 gewonnen, aber an Haut. v. 17 multas contaminasse Graecas nicht nach-
geprüft (Publius Terentius Afer: Die Komödien. Deutsche Gesamtausgabe, neu über-
tragen von Viktor von Marnitz. Mit einer Einführung von Karl Büchner. Stutt-
gart 1960 [Kröners Taschenausgaben 310], S. XVI).
11 Mit anderen Worten: duplex heißt (was contaminatus nicht heißen konnte) „kon-
taminiert“.
14 I. Prolog und Exposition

64
64 wenn wir diese an sich ungezwungene Deutung der || beiden Wörter auf-
recht erhalten wollen, erst noch zeigen, wie dann mit v. 6 duplex quae ex
argumento facto est simplici zu Rande zu kommen ist, dem dunkelsten und
umstrittensten des ganzen Prologs.
Mit ihm vor allem befaßt sich der oben erwähnte Aufsatz von Castig-
lioni, die zwar für ihre Deutung kaum Parteigänger finden dürfte,12 jedoch
in der Kritik früherer Interpretationen zum großen Teil Zustimmung ver-
dient. Das läßt sich, um von allen sachlichen Schwierigkeiten des Verses
einmal abzusehen, durch rein sprachliche Argumente zeigen, die uns zu-
gleich helfen sollen, das Rätsel soweit als möglich zu lösen. Zunächst kann
argumentum kaum etwas anderes bezeichnen als den Inhalt des lateini-
schen Stückes, nicht des griechischen. Denn quae bezieht sich auf comoediam
(Latinam),13 und argumentum hat wohl kaum schon die später geläufige
Bedeutung von materia. Plautus und Terenz sprechen sonst nur vom ar-
gumentum eines f e r t i g vorliegenden Stückes. Wäre es anders, dann wüß-
te ich nicht zu erklären, wie man in Rom darauf verfallen konnte,
ὑπόόθεσις durch argumentum wiederzugeben. Man lernte den Terminus
aller Wahrscheinlichkeit nach mit den Dramen kennen, die man übersetz-
te,14 als „Inhaltsangabe“ bzw. „Inhalt“, „Stoff“. Beides kann argumentum
nach Bedeutung und Funktion seiner Bildungselemente sehr gut wiederge-
ben, id quod illustrat exponit und id quod exponitur, nicht aber id quod
formatur exornatur perpolitur. Dies halte ich für sekundär, wahrscheinlich
nicht ohne den Einfluß der rhetorischen Terminologie entstanden, in wel-
cher ὑπόόθεσις als res tractanda, Thema ja geläufig war. Das ältere Latein
bietet nun tatsächlich einen ganz eindeutigen Beleg für argumentum im
Sinne von Inhaltsangabe (wenn man will, im noch spezielleren von „cha-
rakterisierende Ankündigung des Komödieninhaltes im Prolog“): Plaut.

12 Sie will duplici statt simplici verteidigen. Aber gegen die Regel, daß muta cum
liquida in den Sprechversen der Komödie keine Positionslänge bildet, hilft weder
ein einzelnes (nicht zu verifizierendes) Gegenbeispiel eines alten Metrikers noch
der Hinweis auf die andersartige Praxis der hexametrischen Dichtung.
13 Nicht unmöglich, aber doch nur zur Not denkbar wäre es, als Beziehungswort
von quae nicht (Latinam) comoediam, sondern Heautontimorumenon anzusehen, etwa
unter Verweis auf Eun. v. 19f. nunc acturi sumus Menandri Eunuchum, so daß ganz
neutral „das (sowohl griech. wie lat.) Stück“ Subjekt des Relativsatzes würde.
Dann hätte entweder Eugraphius ad. 1. recht: ut simplex argumentum sit duplex, dum et
Latina eadem et Graeca est, wobei allerdings argumentum und comoedia durcheinan-
dergebracht wären; und was herauskommt, wäre eine Banalität (vgl. Castiglioni: „Il
prologo dell’Heautontimorumenos e la commedia «duplex»“ [Anm. 1], S. 267). Oder
man interpretiert duplex als „verwickelt“ o. ä., worüber weiter im Text.
14 Nur Enn. sat. 57 hoc erit tibi argumentum semper in promptum situm, ne quid exspectes
amicos eqs. als abschließende Sentenz zu einer Fabel fällt etwas aus diesem Rah-
men, wenn die Stelle überhaupt hierher gehört.
Zum Prolog des Heautontimorumenos 15

Asin. v. 8 quod ad || argumentum attinet, sane breve est, mit Bezug auf v. 13f. 65
65
inest lepos ludusque in hac comoedia; ridicula res est. Mehrmals kann man zwi-
schen „Inhalt“ und „Inhaltsangabe“ schwanken (z. B. Plaut. Amph. v. 51,
96. – Rud. v. 31 ist, wie öfters, mehr an die Vorgeschichte als an den ei-
gentlichen Inhalt des Dramas gedacht). Am häufigsten heißt argumentum
einfach Inhalt (z. B. Plaut. Men. v. 11, Ter. Andr. v. 11). Nirgends aber ließe
sich materia substituieren, noch weniger exemplar, auch nicht comoedia;
das werden wir also auch an unserer Stelle nach Tunlichkeit vermeiden.15
Dann kann hier keine Kontamination zugegeben sein. Ferner kann ex nicht
zu Thes. l. L. V 2 p. 1099, 22ff. („de materia, ex qua aliquid fit“; hierher
gehört Vers 4 ex integra Graeca) oder zu p. 1100, 23 („de commutatione“)
gestellt werden, sondern muß nach p. 1104, 13ff. („de causa efficiente et
movente“) gehören. In diesem Sinne heißt es z. B. Euanth. de com. 3, 9:
quod locupletiora argumenta ex duplicibus negotiis delegerit ad scribendum.
Es geschieht also wie es scheint ganz zu Recht, wenn man sich be-
müht, am Heautontimorumenos des Terenz eine Eigenschaft zu entdecken,
die, obwohl das Stück ein einfaches, einheitliches Sujet haben soll, und
gerade auf der Grundlage dieses Sujets, die Bezeichnung duplex verdien-
te.16 Man dachte etwa an die Zweitägigkeit des Handlungsablaufes, die
vielleicht erst Terenz in den Heautontimorumenos hinein brachte. Aber wie
sollte das – bei der ersten Aufführung, für die der Prolog doch geschrie-
ben ist! – jemand verstehen können, der das Stück nicht schon kannte?
Die annehmbarste und auch von den meisten angenommene Interpretati-
on beruft sich auf die verwickelte Intrige bzw. das paarweise Vorhanden-
sein von Personen, Motiven und Szenen des Dramas. Ihr schließen sich
z. B. G. E. Duckworth und G. W. Beare an,17 auch der Thes. l. L. (V 1
p. 2262, 19). Der Haupteinwand, den man dagegen zu erheben pflegt, lautet,
simplici stünde dann für uno. Er wiegt nicht schwer, und noch dazu geht
man dabei von der eben abgelehnten Voraussetzung aus, argumento be-
zeichne das Vorbild. Weiter könnte man noch fragen, ob es sich empfiehlt,
mit duplex = „kompliziert“ oder „nach der duality-method entworfen“18
eine Bedeutung anzu-||nehmen, für die es sonst keinen Beleg gibt (am 66

15 Sicher liegt die neue Bedeutung bei Cicero vor, siehe Thes. l. L. II p. 549, 52ff.
und 78ff.
16 Vgl. Friedrich Leo: Geschichte der römischen Literatur. Bd. 1: Die archaische Literatur.
Berlin 1913, S. 241, Anm. 4: „(Vers 6) besagt nicht ‚Griechisch wars einfach, la-
teinisch ists kontaminiert‘ … kann nur von einem s c h e i n b a r (Sperrung von
mir) nicht einheitlichen, in der Tat einheitlichen Stück gesagt werden.“ – Ebd.
Anm. 1 faßt Leo duplex comoedia als „Zweitagstück“.
17 George E. Duckworth: The nature of Roman Comedy. A Study in Popular Entertain-
ment. Princeton 1952, S. 189 bzw. William Beare: The Roman Stage. A Short History
of Latin Drama in the Time of the Republic. London 1950, S. 95.
18 Dazu siehe Duckworth: The nature of Roman Comedy (Anm. 17), S. 184ff.
16 I. Prolog und Exposition

nächsten kommt noch die vorhin zitierte Euanthiusstelle, aber da ist eben
nicht die K o m ö d i e duplex). Auch dieser Einwand hat nicht viel Kraft,
man kann dagegen halten, daß contaminare im speziellen literarischen Sinn
bei Terenz nur einmal mehr vorliegt. Und für dieses Wort gibt René
Waltz19 ganz richtig die Ursache an, warum man es lange mißverstanden
hat: „on a cru qu’il (Terenz) employait gravement un terme de la langue
littéraire de son époque, alors qu’ avec une fouge toute juvénile il ripostait
à la perfidie de ses adversaires par une sorte de bravade ironique.“ Ebenso
wie den Vorwurf der contaminatio hat Terenz (Andr. v. 20f.) den der
neglegentia bereitwillig auf sich genommen. Analog könnte man nun auch
duplex für ein Prädikat halten, mit dem die Arbeitsweise des Terenz ver-
ächtlich gemacht werden sollte; er hätte den Ausdruck dann kampflustig
aufgegriffen und ins Positive gewendet.
Die sachliche Beziehung von v. 4ff. auf v. 16ff. wäre bei dieser Inter-
pretation durchaus gegeben, und wir könnten uns für die Gesamtbetrach-
tung des Prologs mit ihr zufrieden geben. Aber ich möchte doch noch eine
andere, wie ich glaube viel einfachere Möglichkeit zur Debatte stellen,
welche die oben gegebene Erklärung von duplex = kontaminiert beibehält,
zugleich die genaue antithetische Entsprechung von duplex und simplici
bewahrt20 und das Verbum voll zur Wirkung kommen läßt: ich meine, wir
müssen duplex facta est ironisch verstehen. Die Worte bedeuten weiter
nichts als „simplex est“ und sind genau mit der bravade ironique gespro-
chen, die Waltz bei contaminare betont hat, nur daß dort einem negativ
gefärbten Ausdruck positiver Sinngehalt zugelegt wird, hier aber einfach
das Gegenteil von dem gemeint ist, was das Wort bezeichnet: das neue
Stück ist „kontaminiert“ – wie seine Gegner dem Dichter vorzuwerfen
pflegten, ihm jedenfalls anläßlich der Andria vorgeworfen haben –, weil der
Inhalt einheitlich ist.
Mir erscheint diese Lösung des Problems von v. 6 tatsächlich als die
einfachste. Daß sie soweit ich weiß nicht längst vorgeschlagen wurde, wird
den nicht befremden, der an anderen Stellen beobachtet, wie schwer man
sich manchmal bereit findet, in einer Komödie eine ironische Formulie-
rung als solche anzuerkennen. Man sehe etwa die kleine Soloszene des
leno im 2. Akt der Adelphoe (v. 196ff.). Sannio hat eben einen Haufen Prü-
67
67 gel einstecken müssen, ein Mädchen wurde ihm geraubt, || und zu guter
Letzt soll er sich bereit erklären, den Raub zu legalisieren, indem er das
Mädchen dem Übeltäter verkauft! Er denkt natürlich nicht daran; und
zusätzlich expliziert er sich und dem Publikum, daß seine Sache, selbst
wenn er Entgegenkommen zeigte, um nichts besser stünde. „Jetzt, wo man
mir so mitgespielt hat, bin ich dazu nicht zu haben. Und gesetzt den Fall,
ich verkaufe sie, gibts natürlich keine Barzahlung. Und wollte ich mich

19 René Waltz: „Contaminare chez Térence“, in: Revue des études latines 16 (1938), S. 273.
20 Was auch durch die Stellung im Vers nahegelegt wird; siehe übrigens Anm. 33.
Zum Prolog des Heautontimorumenos 17

selbst damit abfinden, ändert das nichts: denn er zahlt ja überhaupt nicht.“
Was ist logisch geschlossener als dieses Räsonnement, in dem sich der
Kuppler seine mißliche Situation vergegenwärtigt? Aber es gibt Interpreta-
tionen, die diese durchsichtige Form zerstören, und bloß deswegen, weil
die erste Konzession, die Sannio in Erwägung zieht, so begründet ist
(v. 201f.):

verum enim quando bene promeruit, fiat: suom ius postulat.


age iam cupio, si modo argentum reddat.

Das kann nach den vorausgegangenen Versen, wo er alles Unrecht auf-


zählt, das ihm widerfahren ist, nicht anders als ironisch gemeint sein. So
erklärt es z. B. auch die kommentierte Ausgabe von Arthur Sloman (P.
Terenti Adelphi. 2. Aufl. Oxford 1893). Aber nach Marouzeau besteht die
Komik der Szene gerade in dem ständigen Sichandersbesinnen des armen
Teufels, und bei Dziatzko–Kauer erfährt man gar die tiefere psychologi-
sche Erklärung seiner merkwürdigen plötzlichen Konzilianz: die Grobheit
und Frechheit seines Gegners haben eine Art Galgenhumor in ihm er-
zeugt, der zwei Verse später in Nachgiebigkeit umschlägt. Wenn man so
Sannio ständig neue Entschlüsse fassen statt die Möglichkeiten der Situati-
on erwägen läßt (v. 208 spricht er selbst von rationes putare), so macht
man aus dem beweglichen Kopf einen Tölpel und zerstört den Reiz der
folgenden Szene, wo der listige Sklave gerade das stets wache Mißtrauen
des leno zu einem gloriosen Coup ausnützt. Also auch hier: „on a cru qu’il
employait gravement un terme …“
Aber zurück zu unserem Prolog. Für unsere Zwecke können wir ja
die Wahl zwischen den zwei besprochenen Interpretationen von duplex
offenlassen. Auch ob integer in v. 4 „unkontaminiert“ heißt, ist uns nicht
so bedeutsam. Ich würde die Frage übrigens mit Nein beantworten; über
Skutschs Feststellungen wird nicht viel hinauszukommen sein.21 Wir haben
v. 7 als Anhaltspunkt, novam esse ostendi muß in v. 4 seine Grundlage fin-
den. Man wird sich ungern entschließen, integer nicht beide Male gleich zu
verstehen.22 Das würde die Deutung || „ganz, unversehrt, unkontaminiert“ 68
68
ausschließen, da von hier keine Brücke zu novam führt.23 So wird man doch
verstehen müssen „noch nicht übersetzt“ bzw. „noch nicht aufgeführt“.

21 Skutsch: „Der Prolog zum Hautontimorumenos“ (Anm. 9), S. 3f.


22 Anders z. B. Johann Baptist Hofmann: „contaminare“, in: Indogermanische Forschun-
gen 53 (1935), S. 188, Anm. 5.
23 Trotz Castiglioni: „Il prologo dell’Heautontimorumenos e la commedia «duplex»“
(Anm. 1), S. 285f.; selbst wenn Terenz in v. 4 „significa che nè egli stesso nè altri
prima di lui l’ha privata (nämlich die Menanderkomödie) di alcuna sua parte“, so
könnte sie doch schon vollständig übersetzt, also nicht neu sein.
18 I. Prolog und Exposition

Möglich, daß der Gleichklang ex integra integram im Hörer noch nachwir-


ken soll, wenn er zwei Verse später erfährt, das Original sei ganz treu wie-
dergegeben.24 Aber bei aller Unsicherheit in den Versen 4 und 6 können
wir doch über ihre Stellung im Ganzen zusammenfassend urteilen.
Der unbefangene Hörer, dessen Standpunkt wir ja einnehmen müs-
sen, wenn wir Terenz gerecht werden wollen, wird sie zunächst gelten
lassen. Zwar kommt in ihnen der angekündigte erste Hauptpunkt der Pro-
logrede noch nicht zur Sprache. Aber ihre sorgfältige rhetorische Stilisie-
rung, die auch die Form des Verses gut ausnützt, deutet doch an, daß sie
wichtigen Inhalt tragen. So wird der Hörer versuchen, sie mit dem Fol-
genden zu verbinden. Da dies möglich ist, läßt sich mit Leo die überliefer-
te Form des Prologs verteidigen. Allerdings, wenn der erste Teil des Pro-
logs nur in dieser Sachbeziehung seine Einheit fände, müßten wir sagen: er
läßt sich schlecht und recht verteidigen. Man dürfte dabei über die Fähig-
keiten des Terenz doch etwas despektierlich denken, wenn sein Pro-
logsprecher sich bereits 6 Verse nach der partitio wieder zur Ordnung
rufen müßte, weil auf sie unmittelbar eine Digression gefolgt wäre.
Aber in Wahrheit ist auch formal nichts ungewöhnlich oder schlecht.
Denn v. 10 enthält, wie schon angedeutet, keineswegs das Eingeständnis,
daß mit v. 4 eine Parenthese eingesetzt hätte, obwohl man gewöhnlich
glaubt, ihm das entnehmen zu können. Das Wort, auf das es ankommt, ist
nunc. Es hat hier nicht bloß, wie sonst meistens, die Funktion, einen neuen
Abschnitt der Erörterung einzuleiten, sondern schafft auch eine Verbin-
dung zum Vorausgegangenen. Einige Beispiele: Plaut. Bacch. v. 412 absque
te esset, ego illum haberem rectum ad ingenium bonum: nunc propter te tuamque
prauos factus est fiduciam Pistoclerus, Pseud. v. 7, Cic. Tusc. 3, 2.25 Hier ist der
69
69 temporale Sinn von nunc sehr verblaßt, in der Hauptsache || wird der Ge-
gensatz einer gedachten und realen Situation angezeigt, wie durch νῦν  δέέ.
„invece“ übersetzt an unserer Stelle A. Ronconi;26 er ist soviel ich weiß der
einzige, der das Richtige bietet. Leo fühlt wohl, daß es gut wäre, v. 7ff. und
v. 10 enger miteinander zu verbinden; er interpungiert zutreffend:

24 Vielleicht hat Terenz auch guten Grund zu betonen, daß er das Stück als erster
übersetzt, dann nämlich, wenn der Eunuchus, der dem Dichter den Vorwurf des
Plagiats einbrachte, älter sein sollte (so Fabia: Les prologues de Térence [Anm. 1],
S. 33ff. u. v. a.; zur Frage der Chronologie zuletzt Harold B. Mattingly: „The
Chronology of Terence“, in: Rivista di cultura classica e medioevale 5 [1963], S. 28ff.,
43ff.). Sehr stark sind die Gründe jedenfalls nicht, die dafür sprechen. Das
Selbstvertrauen, das Terenz im Heautontimorumenos an den Tag legt, wäre aller-
dings so am einfachsten erklärt (anders Flickinger: „A study of Terenceʼs pro-
logues“ [Anm. 3]).
25 Weiteres bei Ferdinand Hand: Tursellinus. Bd. 4. Leipzig 1845, S. 340f.
26 Terenzio: Le commedie, Einführung und Übers. von Alessandro Ronconi. Florenz
1960.
Zum Prolog des Heautontimorumenos 19

novam esse ostendi et quae esset; nunc qui scripserit


et quoia Graeca sit ni partem maxumam
existumarem scire vostrum, id dicerem:
nunc quam ob rem has partis didicerim paucis dabo.

Aber den letzten Schritt hat er nicht getan. S. 23 bringt er als Beispiele
dafür, daß doppelt gesetztes nunc beiläufig, nebenher zwei Sätze verbin-
det, Plaut. Asin. v. 6, 9, Men. v. 5, 14, Amph. v. 50, 64. Aber an keiner die-
ser Stellen enthält der erste Satz, worauf es ankäme, einen Irrealis; Leo
hätte besser Asin. v. 188f. heranziehen sollen:

Si ecastor nunc habeas quod des, alia verba praehibeas:


nunc quia nihil habes eqs.

Damit ist klar, daß v. 7–9 und v. 10 nicht nur beiläufig aufeinander bezo-
gen sind, daß die Parenthese eben die v. 7–10, und nur sie, umfaßt, und vor
allem, was wir als Hauptgewinn buchen, daß v. 4 – 6 auf der selben Ebene
der Erörterung liegt wie v. 11ff. Es gibt also durchaus keinen Widerstreit
zwischen formalem Aufbau und Gedankenablauf: v. 4 – 6 gehören nicht
nur, durch das Thema der Kontamination, zu v. 16ff., sondern als allgemei-
ne einleitende Bemerkung auch schon zur Erfüllung des ersten Programm-
punktes der Rede; wenn wir den Sachverhalt in der Sprache der Rhetorik
beschreiben wollen, als eine Art narratio oder constitutio causae. Aller-
dings ist das Kompositionsprinzip, nach dem Terenz v. 4 – 6 an die Spitze
der Erörterung gestellt hat, so natürlich, daß man es nicht auf den Bereich
der Rhetorik einschränken darf. Jeder Erzähler beginnt gern ab ovo.27
Welche Funktion haben nun im Gesamtablauf der Prologrede die
v. 7–10? Offenbar hat gegenüber den sinnbeladenen v. 4 – 6, die die volle
Aufmerksamkeit der Hörer verlangten, der Ton gewechselt. Die || rekapi- 70
70
tulierende, dabei anders nuancierende Aufnahme des integer durch novus
schafft Entspannung; wir befinden uns auf der Ebene der usuellen An-
kündigungen, die ein Prologus normalerweise absolvierte. Darum wird
auch quae esset nicht qualitativ zu verstehen und auf v. 6 zu beziehen sein,
sondern auf die Titelangabe in v. 5. Allerdings gibt Terenz doch kein ge-
wöhnliches argumentum: er läßt sein Vertrauen auf das Interesse und die
Gunst des Publikums durchblicken, dem er Verfasser und Vorbild des

27 Hier also etwa so: „Wir spielen heute ein neues Stück, das der Kritik kaum An-
griffsflächen bieten dürfte. Und da wollte der Dichter, ich solle in seinem Namen
erklären“ usw. – Dasselbe Stellungsschema auf engstem Raum: Eun. v. 25f. heißt
es nicht „parasiti personam e Colace Naevi ablatam esse“, sondern Colacem esse
Naevi et Plauti veterem fabulam; parasiti personam inde ablatam, Haut. v. 96f. est e Co-
rintho hic advena anus paupercula; eius filiam ille amare coepit perdite. Aus anderer Hö-
henlage des Stils: Verg. Aen. 1, v. 8ff. (erst v. 23 wird die Frage beantwortet).
20 I. Prolog und Exposition

Stückes nicht mehr zu nennen braucht. Jedenfalls bildet das Zwischen-


stück einen Ruhepunkt zwischen den Teilen des Prologs, auf die es Terenz
vor allem ankommt, und hebt diese in ihrer Andersartigkeit hervor. Wir
werden später noch eine Partie mit ähnlicher Funktion finden (v. 30–34);
in etwa vergleichbar ist auch Andr. v. 22–24.
Vers 10 schloß die Parenthese ab und kündigte zugleich die Rückkehr
zur eigentlichen Erörterung an: im folgenden wird Turpio darlegen, warum
er persönlich als Prologus auftritt, nicht wie sonst ein junger Schauspieler
seiner Truppe. Der Grund: er ist eigentlich gar kein prologus, sondern ora-
tor, was im nächsten Vers noch präzisiert wird: me actorem dedit. 28 Terenz
bewegt sich in seinen Prologen auch sonst in der Sphäre des Gerichts. Ad.
v. 4 sollen die Zuschauer Richter sein; von rem cognoscere und iudicare
(über furtum) ist Andr. v. 24 und Eun. v. 29 die Rede; den 2. Prolog zur
Hecyra spricht Turpio ebenfalls als orator. Aber nirgends sonst ist dieses
Bild zu solcher Entfaltung gebracht. Denn der orator des Hecyra-Prologs ist
kaum ein Advokat, überhaupt keine profilierte Figur. Man weiß nicht recht,
ob man sich ihn eher als Bittgesandten oder als patronus vorstellen soll. Und
doch ist dort das Thema einheitlich: er möchte erreichen, daß nach zwei
Mißerfolgen endlich eine Aufführung der Komödie zu Ende gespielt werden
kann. Hier dagegen herrscht Themenvielfalt. Zum Teil geht es um ein ähnli-
ches Anliegen; Turpio wird es v. 35ff. zur Sprache bringen. Aber daneben
möchte Terenz noch allgemeinere Erklärungen abgeben, sich zur Frage der
Kontamination äußern (v. 16ff.), zu dem Gerücht Stellung nehmen, er sei ja
eigentlich gar nicht der Autor seiner Stücke (v. 22ff.), und Polemik gegen
literarische Gegner will er auch unterbringen (v. 28ff.). Auseinandersetzun-
gen mit Luscius Lanuvinus und Erörterungen über das Stück, das aufgeführt
werden soll, bilden auch den Inhalt der Prologe zu Eunuchus und Phormio; in
jenem sind sie als ἀντικατηγορίία und defensio aufeinander bezogen, in
diesem stehen sie unverbunden nebeneinander. Auch in den Adelphen ||
71
71 werden zwei Themen zur Sprache gebracht, die aber nicht so disparat
zueinander stehen wie im Heautontimorumenos und leichter unter einem
Motto zu vereinigen sind: „Urteilt ihr, was stimmt“ (zudem ist der zweite
Vorwurf dem ersten in der Form der praeteritio untergeordnet). Sehen wir
nun zu, mit welchen Mitteln Terenz im Heautontimorumenos die verschiede-
nen Elemente zur Einheit bindet. Er trennt zunächst das Anliegen, das die
Vorstellung unmittelbar betrifft, von den übrigen Dingen und setzt es an
die Stelle, wo es am besten zur Geltung kommt und wirksam zum Spiel
hinüberleitet, an den Schluß (v. 35ff.). Hierzu paßt natürlich auch die Mas-
ke des orator gut, der sowohl seine Sachkenntnis wie sein persönliches

28 Vgl. Walter Neuhauser: Patronus und Orator. Eine Geschichte der Begriffe von ihren
Anfängen bis in die augusteische Zeit. Innsbruck 1958 (Commentationes Aenipon-
tanae 14). Zu Terenz, z. T. etwas ungenau, S. 133–135.
Zum Prolog des Heautontimorumenos 21

Gewicht in den Dienst des Klienten stellen soll. Schwieriger mußte es dort
werden, das Bild durchzuhalten, wo Terenz nicht einen anderen für sich
sprechen lassen, sondern selbst und in seinem eigenen Namen replizieren
wollte. Ermöglicht wird das durch die Verse 13–15.
Hier ist noch ein Detail zu klären, von dem die Einsicht in die Funk-
tion des Satzes abhängt. Wie ist hic actor wiederzugeben? Da in den neue-
ren Ausgaben auch über die Gestaltung des Textes noch nicht Einigkeit
erzielt ist, schreibe ich die Verse aus:

12 me actorem dedit.
sed hic actor tantum poterit a facundia
quantum ille potuit cogitare commode
15 qui orationem hanc scripsit quam dicturus sum.

Das ist die Textform, auf welche die recensio führt; ich habe sie mit der
Interpunktion von Marouzeau gegeben. Wenn man nun die Worte hic actor
als anaphorische Wiederaufnahme von me actorem betrachtet, was allgemein
geschieht, so ergibt sich kein recht befriedigender Sinn. Denn entweder
übersetzt man „besagter Advokat kann durch seine Beredsamkeit n i c h t
m e h r erreichen, als der Verfasser der Rede imstande war passend auszu-
denken“ (so etwa Marouzeau). Damit würde Turpio die Fähigkeit seines
Dichters Terenz in Zweifel ziehen; und was wäre das für ein Anwalt, der
sich seine Rede schreiben läßt? Oder man versteht tantum als „nicht weni-
ger“; dann muß man, soll Turpio nicht den Eindruck eines Großsprechers
erwecken, mit Prete Bentleys si statt sed in den Text nehmen (mit Komma
nach dedit) oder mit Kauer–Lindsay aus v. 13–15 einen Fragesatz machen.
Nur befriedigt das Ergebnis auch dann nicht. Der bescheidene Zweifel an
seinen Fähigkeiten, der den Anwalt vor der Größe und Schwierigkeit der
übernommenen Aufgabe ergreift, mag Cicero ein recht wirkungsvolles
exordium (für eine richtige Rede, || nicht für 35 weitere Verse!) abgeben, 72
72
im Munde des alten Schauspielers klingt die Wendung doch etwas merk-
würdig. Sollte er sich nicht zutrauen, seinen Text richtig herzusagen? Und
sollte Terenz sich selber als ἐνθυµμηθῆναι  κράάτιστος  γενόόµμενος präsentiert
haben? Aber alle diese Einwände vermeidet, wer den Text, so wie er oben
ausgeschrieben ist, folgendermaßen versteht: „Mich hat der Dichter als sei-
nen actor (Sachwalter) bestellt. Aber ein actor wie ich (der ich actor bin im
Sinne von ‚Schauspielunternehmer‘, nicht von ‚Sachwalter‘) kann natürlich
durch seine ganze Beredsamkeit nicht mehr ausrichten als an wirksamer
Argumentation schon in dem Text steckt, den ein anderer für mich ge-
schrieben hat.“ Ich möchte also hic nicht anaphorisch fassen, sondern rein
ich-deiktisch,29 so daß das Pronomen auf den Doppelsinn von actor hinweist.

29 Die Stelle würde also im Thes. l. L. s. v. von p. 2703, 78 um 20 Zeilen nach oben rücken.
22 I. Prolog und Exposition

So hat Terenz seinen Zweck erreicht. Es ist klar, daß Turpio nicht
seine Meinung vertritt, sondern die Ansicht des Dichters bekannt geben
wird, und trotzdem kann er die Rolle des actor weiterspielen.
Vers 16 beginnt der zweite Teil, das heißt der eigentliche Hauptteil
der Prologrede. Wir können uns hier etwas kürzer fassen, über den we-
sentlichen Zusammenhang bleibt kein Zweifel, obwohl nicht alle Einzel-
heiten klar sind. Es wird nur wichtig sein, zu beobachten, wie Terenz die
oben aufgezählten Themen miteinander verknüpft, welcher Mittel er sich
dabei bedient. Auf keinen Fall beginnt er mit einer praeteritio.30 Denn
offenbar bestand kein aktueller Anlaß, die Technik der Kontamination zu
verteidigen. Rumores distulerunt malevoli (v. 16) ist um einiges unbestimmter
als malevolus vetus poeta dictitat (v. 22). Trotzdem will Terenz klargestellt
haben, daß es kein Eingeständnis früheren Irrens ist, wenn er auf einmal
doch ein unkontaminiertes Stück schreibt. Er hat kontaminiert, und er
wird es wieder tun. In solchem Ton äußert man das, was einem wirklich
am Herzen liegt oder worin man sich völlig sicher fühlt, und das erwähnt
man nicht so nebenbei. Auch ist nam als einleitendes Wort einer argumen-
tatio nichts weniger als auffällig: man sehe etwa, wie Cicero die Erzählung
Andr. v. 49ff. analysiert.31
tum (v. 22) fügt einen anderen Vorwurf an, der konkreter wirkt: der
73
73 aus anderen Prologen bekannte malevolus vetus poeta ist es, der || Terenz
verdächtigt, gar nicht selbst der Autor seiner Komödien zu sein. Die Ent-
gegnung ist knapp, nicht schwach:32 „Da überlasse ich euch das Urteil“
(v. 25f.). Wie hätte er sich anders verteidigen sollen? Die Worte arbitrium
und existumatio führen zugleich den Zuschauer wieder vom actor–
Schauspieler zur Vorstellung des actor–Prozeßbeistandes zurück. Der
Kreis scheint geschlossen, qua re (v. 26ff.) scheint alles endgültig zusam-
menzufassen: die Bitte um gerechte und wohlwollende Haltung des Publi-
kums markiert auch sonst nicht selten den Schluß des Prologs (z. B. Andr.
v. 24, Ad. v. 24). Aber Turpio ist mitnichten schon am Ende seiner Rede.
Die Elemente, aus denen gewöhnlich eine regelrechte Kadenz aufgebaut
wird, formieren sich nur zu einem Trugschluß. Beachtlich, wie in v. 30 das
nachklappende sine vitiis den Prolog weiterführt: Wortstellung und Gege-
benheiten des Versmaßes sind gleicherweise ausgenützt.33

30 Wie Büchner in Publius Terentius Afer: Die Komödien (Anm. 10), S. XVII meint.
31 de inv. 1, 33 (Terentius) quemadmodum in partitione proposuit, ita narrat; primum nati
vitam: nam is postquam excessit ex ephebis … – Johann Baptist Hofmann und Manu
Leumann: Lateinische Grammatik. 5. Aufl. München 1928, S. 678.
32 Anders z. B. Franz Stössl, in: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissen-
schaft. Bd. 23, Sp. 2412, 36: Kein klares Nein auf diesen Vorwurf; bloß Bitte um
Geneigtheit des Publikums.
33 Man möchte fast von Enjambement sprechen. – Daß dabei nichts in den Text
hineingeheimnist ist und daß man – jedenfalls in den Prologen – von Verskunst
Zum Prolog des Heautontimorumenos 23

Die Kritik, welche Terenz an einem ille übt – ob er auf seinen Haupt-
gegner Luscius Lanuvinus zielt, ist weniger sicher als allgemein angenom-
men 34 – bildet ein Zwischenstück, das ähnlich wie v. 7–10 zwei gewichti-
gere Partien trennt und den Neueinsatz von v. 35 ermöglicht. Es wächst
ungezwungen aus dem nachgetragenen sine vitiis heraus, das ja eine Be-
gründung erforderte. Büchner erinnert für die beiläufige Art der Anknüp-
fung treffend an die sermones des Horaz.35
adeste aequo animo (v. 35) greift auf v. 28 facite aequi sitis zurück, führt
den Hörer also wieder von der Nebensache zum Hauptthema. Nun tritt
endlich (mihi!) die Person des Sprechers voll in den Vordergrund. Der
actor-Schauspieler ist zum actor-Sachwalter geworden, der die Interessen
des Klienten mit seinen eigenen identifiziert. Ihm zuliebe sollen die Leute
das eigentliche aktuelle Anliegen erfüllen, die comoedia stataria mit der
pura oratio36 nicht zu stören: er ist schon ein alter Mann || und den physi- 74
74
schen Anforderungen einer Rolle, die viel Aktion verlangt, nicht mehr
gewachsen. Die Zuschauer werden für ihr Wohlwollen belohnt werden.37
Der Hauptteil des Prologs ist also im wesentlichen zweigeteilt: ein Zwi-
schenstück (v. 30–34) trennt Terenz’ Antworten an seine Kritiker und
Gegner von Turpios Versuch, dem Stück verständnisvolle Aufnahme zu
sichern. Wie ungezwungen sich eines aus dem andern ergibt und mit wel-
chen Mitteln dabei die einzelnen Abschnitte doch als solche markiert wer-
den, haben wir eben verfolgt. Die für die Komödienprologe typische Form
des Schlußappells an das Publikum beendete den polemisch-kritischen
Teil; geschickte Nachbildung der assoziativ anreihenden Gesprächsfüh-

des Terenz, nicht nur von seiner Verstechnik sprechen kann, lehrt etwa ein Blick
auf Eun. v. 30ff.: Am Anfang der rechtfertigenden Darlegung nehmen die Worte
Colax Menandri est genau an der gleichen Versstelle das gegnerische Colacem esse
Naevi auf (v. 25), ähnlich korrespondieren v. 33 und v. 34 ex Graeca und Latinas.
Außerdem ist im Übergreifen über die Versgrenze v. 32ff. die genaue Parallele zu
Haut. v. 29f.: eas se non negat personas transtulisse in Eunuchum suam/ex Graeca.
34 Vielleicht ein jüngerer Rivale, den Terenz eher insanus nennen mag als den alten
Luscius?
35 Büchner: Publius Terentius Afer: Die Komödien (Anm. 10), S. XVIII.
36 Caesars puri sermonis amator ist hievon fernzuhalten.
37 Der Schluß scheint zu besagen: „Wenn ihr mir, d e r i c h s t e t s e u c h d i e n e n
w o l l t e, dies jetzt lohnt, wird das für jüngere Schauspieler ein Ansporn sein, sich
um eure Gunst zu bemühen, statt nur auf ihren (finanziellen) Vorteil bedacht zu
sein.“ Hat vielleicht v. 50 den oben durch Sperrdruck hervorgehobenen Gedanken
zum Inhalt, gemeinsam mit einigen vor ihm in A ausgefallenen, in Σ durch Hec.
v. 49f. ersetzten? Vgl. Marouzeau zur Stelle. Oder hat Terenz sich doch selbst wie-
derholt (Alfred Klotz: „Randbemerkungen“, in: Wiener Studien 35 [1913], S. 235f.)?
Auf jeden Fall muß Turpio seinen Anspruch auf die Gunst des Publikums begrün-
det haben. – Franceso Arnaldi: Da Plauto a Terenzio. Bd. 2. Napoli 1947, S. 121 will
unter den adulescentuli junge Autoren verstehen.
24 I. Prolog und Exposition

rung38 überspielte den scheinbaren Schluß; einfache Wiederaufnahme


eines vorher geäußerten Gedankens eröffnete den Schlußteil. Alles Mittel
der Gliederung, die einem Komödienprolog gemäß sind, der gleichsam
unter dem Gesetz der locker gefügten Form steht.
Leo hat den Versuch gemacht, die Teile des Prologs mit den entspre-
chenden Termini der Rhetorik zu benennen:39 v. 16–34 sei defensio cum
accusatione adversarii, dann folge die peroratio. Solche Etikettierung ver-
fehlt aber das Eigentliche. Die beiden Teile stehen doch gleichwertig und
mit eigenem Inhalt nebeneinander, während eine peroratio sinngemäß den
Zwecken der oratio als deren Schlußteil dienen müßte. Leo muß darum
überlegen, ob deinde quod veni eloquar auf v. 16–34 oder auf v. 35ff. geht: in
Wahrheit eben auf beides in gleicher Weise. Auch die Funktion des Trug-
schlusses v. 26–30 kommt bei dieser Interpretation nicht zur Geltung.
Dabei ruft gerade dieser den Eindruck des nicht geradlinigen Gedankenab-
laufs hervor und zeigt so am besten, daß die Darbietungsform des Prologs
75
75 nicht allein den Gesetzen der Rhetorik || folgt, sondern im stärkeren Aus-
maß denen, die für längere zusammenhängende Darstellung im sermo
cottidianus gelten.40
Ich möchte diese Darbietungsform die komödiantische nennen. Wir
finden sie in den plautinischen Prologen typisch ausgeprägt. Plautus ist
ständig bereit, vom Thema abzuschweifen, irgendeinen Nebengedanken zu
verfolgen oder sich auf die Reaktion des Publikums einzustellen. Das ist
bei Terenz natürlich anders. Für ihn existiert bereits die Forderung nach
einheitlich durchgebildeter Komposition. Und für den Prolog der Andria
z. B. trifft genau zu, was Leo über die terenzianischen Prologe im allge-
meinen schreibt: sie seien „sorgfältig nach der rhetorischen Lehre ausgear-
beitete kleine Prozeßreden“.41 Aber im einzelnen muß man doch differen-
zieren, wie wir am Hauptteil unseres Prologs eben sahen, und wie es nicht
anders am Einleitungsteil gezeigt werden kann. Auch dort finden wir
„Komödiantisches“. So wird z. B. die Vorstellung vom prologus als orator,
in v. 11f. eben eingeführt, durch die Verse 13–15 gleich wieder als Illusion
enthüllt. So unterbrechen die Verse 7–10 die Erörterung, um scheinbar,

38 Eine Technik, die auch im ersten Teil des Eunuchusprologs virtuos gehandhabt
wird, wo dementsprechend Marouzeau gegen Kauer–Lindsay (bzw. Fraenkel:
„Zum Prolog des terenzischen Eunuchus“ [Anm. 4]) richtig interpungiert.
39 Leo: Analecta Plautina (Anm. 1), S. 24.
40 Heinz Haffter: Untersuchungen zur altlateinischen Dichtersprache. Berlin 1934 (Proble-
mata 10) zieht S. 90ff. für eine sprachlich-stilistische Erscheinung (die Verwen-
dung von Abstrakta als Subjekt) eine Verbindungslinie von Plautusmonologen zu
Terenzprologen. Der Vergleich wäre wohl überhaupt fruchtbar.
41 Leo: Geschichte der römischen Literatur (Anm. 16), S. 303; ebd. S. 38 „Reden im Stil
der neuesten Rhetorik“. Analyse des Andriaprologs: Ders.: Analecta Plautina
(Anm. 1), S. 15f.
Zum Prolog des Heautontimorumenos 25

aber eben nur scheinbar, Informationen zu bieten, die man im Prolog zu


erwarten pflegt. Und schließlich ist, wie bereits oben erwähnt, die ganze
Gedankenführung des Einleitungsteils nicht sehr „rhetorisch“. Sicherlich
prägt ein fester Formwille das Ganze. Die Ankündigung der ersten Verse
wird genau erfüllt. Aber doch nicht in steifer Exaktheit: hier bemüht sich
nicht ein Komödiendichter, eine richtige Rede zu schreiben, sondern hier
schreibt einer, der die Regeln der Rhetorik kennt, einen lebendigen
Komödienprolog.
Die homo-sum-Szene im Heautontimorumenos*

Das dramatische Kunstwerk gewinnt sein volles Leben erst in der Auffüh-
rung auf der Bühne, übt seine Wirkung also nicht nur durch das Wort des
Dichters. Die Sprache des Dramatikers kann natürlich in so hohem Grade
der wichtigste Ausdrucksträger sein, daß alles andere daneben nur als Bei-
werk erscheint, aber sie kann der Szene und vor allem dem Schauspieler
auch mehr anvertrauen, als man oft erwartet oder annimmt. Gerade das,
meinen wir, || könnte der Fall des Terenz sein. Wie oft ist seine sprachliche 294
294
Gestaltungskraft an der eines Menander oder Plautus gemessen worden –
nicht zu seinen Gunsten –, und wie oft glaubte man damit auch schon
seiner künstlerischen Potenz im Ganzen das Urteil gesprochen zu haben!
Ob zu Recht, wäre erst noch zu fragen. Zum Beispiel beweist die Feststel-
lung wenig, daß Terenz Anapher und Antithese häufiger und mechani-
scher anwendet als Menander: die Mehrdeutigkeit solcher abgegriffener
Figuren konnte vom Schauspieler ebenso wieder zur Eindeutigkeit ge-
macht werden wie die der Aposiopesen und Interjektionen, zu denen Te-
renz offenbar bewußt öfter greift als Plautus.1
Aber noch vor jedem Gesamturteil verlangt die schlichte Erklärung
des Textes vom Interpreten, sich gleichsam wie ein Schauspieler von der
Gesamtauffassung einer Rolle oder Szene her die Einzelheiten klar zu
machen, damit das Textverständnis gesichert, ja bisher unbeachtete Fein-
heiten der sprachlich-formalen Gestaltung erkannt werden. Wir machen
die Probe aufs Exempel am Einleitungsteil der ersten Szene des Heauton-
timorumenos, einer Partie, in welcher der Fluß des Spieles zweimal zu sto-
cken scheint: zuerst, weil uns meist der berühmte homo-sum-Satz über
Gebühr gefangennimmt,2 und dann bedarf v. 82 noch genauerer Interpre-
tation. Beide Male gilt es, das Verhalten des Chremes richtig einzuschät-
zen. Wir werden es am besten von der Reaktion des Selbstquälers Mene-
demus her beurteilen, der zunächst betont zurückhaltend ist:

75 ME. Chreme, tantumne ab re tuast oti tibi,


aliena ut cures ea quae nil ad te attinent?
CHR. homo sum: humani nil a me alienum puto.

* Zuerst erschienen in Wiener Studien 79 (1966), S. 293 –298.


1 Zu Anapher und Antithese: Juliane Straus: Terenz und Menander. Beitrag zu einer Stil-
vergleichung. Zürich 1955 (wichtig die Rezension von Gordon Williams, in: Classical
Review 71 [1957], S. 120). – Aposiopese, Interjektion: Heinz Haffter: Untersuchungen
zur altlateinischen Dichtersprache. Berlin 1934 (Problemata 10), S. 137ff.
2 Literatur über Haut. v. 77: Heinrich Marti, in: Lustrum 8 (1963), S. 91ff.
28 I. Prolog und Exposition

vel me monere hoc vel percontari puta:


rectumst, ego ut faciam; non est, te ut deterream.
80 ME. mihi sic est usus; tibi ut opus factost face.
CHR. an quoiquamst usus homini se ut cruciet? ME. mihi.

Die reservierte Haltung des Me. in diesen Versen ist verständlich. Zwar ist
295
295 ihm Chr. nicht ganz unbekannt (v. 53 notitia, v. 75 redet || er ihn mit Na-
men an), und er mag keinen schlechten Eindruck von ihm haben. Aber die
humanitas des Chr. bewegt sich in ihrer Übertriebenheit doch in verdäch-
tiger Nähe zur curiositas, und auch zum Besserwisser neigt er. Ebenso wie
er später ständig geneigt ist, Moral zu predigen und sich als Zensor zu
gerieren (v. 118, 151, 195, 200 usw.), so ist es jetzt seine Absicht (v. 58), ut
te audacter moneam et familiariter. Und er kann es sich nicht versagen, seine
Einsicht rhetorisch wirkungsvoll kundzutun (v. 73): quod in opere faciundo
operae consumis tuae, si sumas in illis (sc. servis) exercendis, plus agas. Das klingt
um so auffälliger, als Terenz die lumina oratoria zwar in den Prologen gern
glänzen läßt, sie im Spiel selbst aber viel seltener setzt.3 Wie man nun über
die curiosi denken mochte, zeigt Gelasimus im Stichus, der fast dieselben
Worte wie Me. gebraucht (v. 199f.): alienas res qui curant studio maxumo, qui-
bus nullast res quam procurent sua, und der kurz und bündig urteilt (v. 208):
curiosus nemost quin sit malevolus.4 Wichtig ist uns aber vor allem, daß Me. in
den Versen 75–81 seine ablehnende Haltung zwar abschwächt, aber durchaus
nicht aufgibt. Das ist schon im Formalen sichtbar: die Antithese res tua –
res aliena ist v. 75f. in zwei Versen entwickelt, v. 80 in einem festgehalten
und v. 81 nur mehr zur Hälfte und in einem Wort behauptet: mihi.
Der homo-sum-Satz konnte also trotz des Zaubers, den er später als
geflügeltes Wort gewann, Me. nicht umstimmen. In seinem Zusammen-
hang ist er ja eher geeignet, den Verdacht auf περιεργίία zu verstärken:
denn Chr. äußert ihn in einem Moment, wo er noch glauben muß, es gehe
nur um Prinzipien der Betriebsrationalisierung. Er vertraut auch selber gar
nicht der Wirkung seiner Maxime, beeilt er sich doch, sein ut moneam zu
einem vel monere vel percontari 5 abzuschwächen. (Er wird später, wenn seine

3 Friedrich Leo: Analecta Plautina. Bd. 2. Göttingen 1898, S. 14 = Ders.: Kleine


Schriften. Bd. 1: Zur römischen Literatur des Zeitalters der Republik, hg. und eingeleitet
von Eduard Fraenkel. Roma 1960, S. 135, modifiziert von Günther Jachmann, in:
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, s. v. „Terenz“, Sp. 645f.
4 Herangezogen von Hans Joachim Mette: „Die περιεργίία bei Menander“, in:
Gymnasium 69 (1962), S. 399.
5 v. 78f. ist von Johann Baptist Hofmann: Lateinische Umgangssprache. Heidelberg
1926, S. 123 falsch als Chiasmus analysiert, in dem monere und deterream die
Haupttonstellen einnehmen. Chr. betont erst percontari, kommt allerdings bald auf
sein deterrere zurück.
Die homo-sum-Szene im Heautontimorumenos 29

echte humanitas zum Vorschein kommt, seine Absicht ein drittesmal und
wieder anders ankünden: in v. 86 ist nur mehr von iuvare die Rede.)
Menedemus hat, wir wiederholen es, sein Widerstreben noch nicht
völlig aufgegeben. Ist auch das mihi schon voll verhaltenen || Schmerzes 296
296
(wie die Antwort des Chr. zeigt), freien Lauf läßt er seinen Gefühlen erst
zwei Verse weiter:

83 ME. eheu!
CHR. ne lacruma atque istuc quidquid est fac me ut sciam:
85 ne retice, ne verere; crede inquam mihi,
aut consolando aut consilio aut re iuvero.
ME. scire hoc vis? CHR. hac quidem causa qua dixi tibi.
ME. dicetur.

Sehr fein ist auch in diesen Versen schon im Formalen der Wandel der
inneren Situation angedeutet. In v. 81 (mihi ) und v. 83 (eheu) reagiert Me.
noch passiv auf das Drängen des Anderen, jeweils in einem Wort am
Versschluß; in v. 87 und v. 88 übernimmt er gleichsam die Führung, seine
Äußerung steht jeweils am Versanfang – wenn ihn auch der bald wieder
aktive Chr. nach seinem dicetur sofort wieder unterbrechen wird: at istos
rastros interea tamen adpone.
Das kleine Stück Drama, das uns in diesen paar Versen der „fabula
stataria“ (v. 36) vorgeführt wird, hat seine Peripetie offenbar zwischen mihi
und eheu. Me. erst zurückhaltend, dann offen und voll Vertrauen – hier muß
also auch Chr., der scheinbare περίίεργος, sich als wahrer φιλάάνθρωπος
erwiesen haben. Die fraglichen Verse 82f. waren oben nicht ausgeschrieben:

CHR. siquid laborist, nollem; sed quid istuc malist?


quaeso, quid de te tantum meruisti?

Hier ist gerade das Verständnis des entscheidenden siquid … nollem noch
nicht gesichert. Marouzeau gibt in seiner Übersetzung zweifelnd „Si tu as
quelque peine, j’en suis aux regrets“, und erwähnt in einer Note die andere
Deutung „Si c’est une question de travail à effectuer …“.6 Diese zweite
Möglichkeit scheidet nach unserer Beobachtung des ganzen seelischen
Ablaufs sofort aus: Bedauern, daß Me. mit Arbeit überlastet ist, hat an der
Stelle keinen Platz, wo Chr. schon weiß, wie sehr er persönlich betroffen
sein muß. (Man vergleiche die noch ahnungslose Frage von v. 81, an …,
mit der Behutsamkeit von v. 83: quaeso …)

6 Überliefert ist nämlich laboris est (labori est hat nur E1). Aber vgl. Friedrich Leo:
Plautinische Forschungen. Zur Kritik und Geschichte der Komödie. Berlin 1895, S. 260,
besonders den Hinweis auf Ad. v. 929.
30 I. Prolog und Exposition

Bliebe also die andere Auffassung der Stelle, die sich schon besser in
297
297 den Zusammenhang fügt. Nach ihr würde Chr. sein || Bedauern ausspre-
chen, unwissentlich an eine Wunde gerührt zu haben. Aber warum ent-
schuldigt er sich in so verhüllten Worten: ‚Wenn (dir) etwas Schmerz be-
reitet, tut es mir leid‘? Denn ganz von selbst versteht sich nollem in diesem
Sinne nicht. Wagner7 vergleicht nollem factum (Ad. v. 165). Aber eben eine
Perfektform fehlt hier: denn klar – und noch mehr: stilistisch wirksamer –
wäre eine Entschuldigung, in der Chr. sein früheres Fehlverhalten offen
einbekennt, es nicht nur andeutet. Zum Vergleich: Cic. Att. 13, 20, 4
δεδῆχθαι te nollem; an anderen Stellen ist das bedauerte in der Vergangen-
heit liegende Faktum ebenso deutlich angesprochen, etwa off. 1, 35 Numan-
tiam … sustulerunt, nollem Corinthum. So wirkt nollem an unserer Stelle eher
als ein Ausdruck des Bedauerns über eine objektiv vorgegebene, nicht per-
sönlich verschuldete Tatsache.8 Eine so gewundene Entschuldigung sollte
das Vertrauen des Me. erwecken können?
Aber wäre dieser Anstoß auch gering: das Bessere ist der Feind des
Guten. Und im Vergleich mit der folgenden Interpretation scheint mir
jede Entschuldigung zu wenig zu sein. Wenn wir nämlich künstlerische
Ökonomie in der Führung der inneren Handlung von Menander/Terenz
erwarten dürfen, so hat auf Me. eine Änderung im Verhalten des Chr.
Eindruck gemacht, die den direkten Gegensatz zu seiner anfänglichen
curiositas darstellt und diese wirklich aufhebt, nicht nur durch eine Ent-
schuldigung abschwächt: er ist jetzt wahrhaft taktvoll und sogar bereit, sich
zurückzuziehen. Deswegen auch seine andeutende Redeweise, die nicht
nur das tibi neben labori est verschweigt: „Wenn (dir) etwas Schmerz berei-
tet (sc. in unserem Gespräch), dann möchte ich nicht –“: weiter in dich
dringen, ergänzen wir die Aposiopese (gerade hier ist die auch sonst bei
Terenz beliebte Figur am Platze). Wenn Chr. dann, wohl auf eine entspre-
chende Geste des Me. hin, doch weiterfragt, beginnt er immerhin mit sed.
So erhält die ganze Szene, wenn wir auf den scheinbaren Höhepunkt
des homo-sum-Satzes verzichten, ihren wahren Reiz eben durch den Kon-
trast dieses etwas überschwänglichen Bekenntnisses zur humanitas, das auf
den Gesprächspartner keinen besonderen Eindruck macht, zu v. 82: jetzt,
wo Chremes sich in einer Regung echten Taktgefühles als vere humanus
298
298 erweist, erschließt || sich ihm das Herz des Menedemus – und die stille
Lehre, die in solcher Handlungsführung liegt, ist menschlich und menand-
risch genug.

7 P. Terenti Hauton Timorumenos, erklärt von Wilhelm Wagner. Berlin 1872.


8 Deutlich objektiv Cic. Phil. 2, 75 omnibus adfuit his pugnis Dolabella; … si de meo
iudicio quaeris, nollem.
Zur Lektüre von Terenz’ Eunuchus* 93
93

Die Absicht der folgenden Ausführungen ist, durch die Interpretation


wichtiger Szenen des Eunuchus zu einem besseren Gesamtverständnis des
Stückes beizutragen und so das Bild, das wir uns vom Dichter Terenz
machen, um einige Züge zu bereichern. Zugleich sollen am Exempel des
Eunuchus einige aktuelle Probleme der Terenzforschung erörtert werden.
Der Eunuchus scheint für ein solches allgemeineres Vorhaben besonders
geeignet: denn mutatis mutandis ist ihm der Erfolg der Uraufführung –
das ganze Stück mußte da capo gespielt werden – auch bei den Philologen
des 20. Jahrhunderts treu geblieben. Speziell die deutsche Terenzforschung
hat ihre Positionen immer wieder gerade an diesem Stück durchdiskutiert;
und neuerdings geht man in Bayern daran, wie die Schulausgabe mit Leh-
rerheft von W. Flurl beweist,1 den Eunuchus in den Lektürekanon der
Gymnasien aufzunehmen.
Wenn ich nun einleitend in etwas vereinfachender Schematisierung
Haupttendenzen oder mögliche Haltungen der neueren Terenzforschung
dem Autor gegenüber zu skizzieren versuche, dann geschieht das aufgrund
der schlichten Voraussetzung, daß der Wissenschafts- und der Schulbe-
trieb vor allem eines gemeinsam haben oder haben sollten: wir müssen, da
wir dieselben Texte interpretieren und auswerten, dasselbe Interesse an der
Richtigkeit unserer Interpretations- und Bewertungsmaßstäbe haben. Wer
sich bei der wissenschaftlichen Analyse einer Terenzkomödie von einem
falschen Bild, das er sich vom Autor machte, bestimmen läßt, riskiert Irr-
tümer und Mißerfolge nicht anders als ein Lehrer, der ihn mit inadäquaten
Lernzielen verknüpft. Die richtigen Urteilskriterien zu gewinnen, ist nun
bei Terenz wie bei allen jenen Autoren nicht leicht, in deren literarischer
Produktion die Umsetzung oder Nachbildung maßgeblicher Vorbilder eine
entscheidende Rolle spielt. Da haben gewöhnlich in einer ersten || For- 94
94
schungsphase die einseitigen Analytiker das Wort. Sie beginnen – wie nur
recht und billig – damit, die Abweichungen des Imitators vom Original zu
erfassen, geraten dabei allerdings leicht in die Gefahr, das spätere Werk für
nichts weiter als eine unvollkommene oder unbedeutende Variation oder
Kontrafaktur des früheren zu halten. So erging es, und da auch bei Philo-
logen die Ontogenese bisweilen die Phylogenese wiederholt, kann man
sagen: so ergeht es manchmal noch immer Vergil gegenüber Homer, Ovid

* Zuerst erschienen in Peter Neukam (Hg.): Verpflichtung der Antike. München 1979
(Dialog Schule-Wissenschaft. Klassische Sprachen und Literatur 12), S. 93–116.
1 Terenz: Eunuchus, bearbeitet von Wolfgang Flurl (mit Lehrerheft). Bamberg 1975
(ratio 1).
32 I. Prolog und Exposition

oder Lukan gegenüber Vergil usw. Im Falle des Terenz war diese Gefahr
um so größer, als man ja die verlorenen Komödien Menanders erst aus
den tatsächlichen oder vermeintlichen Fehlern und Widersprüchen des
römischen Bearbeiters rekonstruieren mußte und dabei z. T. noch mit
Kontamination zu rechnen hatte. Für den Eunuchus bezeugt bekanntlich
Terenz selbst im Prolog die kontaminierende Einarbeitung von Parasit
und miles gloriosus aus Menanders Kolax; so ist es kein Wunder, daß sich
die Etappen der Forschung hier gerade am Teilproblem der Kontaminati-
on besonders deutlich ausgeprägt haben.
Die Vertreter jener älteren analytischen Richtung – zu nennen sind
mit Arbeiten zum Eunuchus vor allem G. Jachmann und U. Knoche2 –
waren wie schon angedeutet mit dem Feststellen von Inkonsequenzen und
Widersprüchen im Terenz recht rasch bei der Hand: so wurde ihm ange-
kreidet, daß im Eunuchus (IV 5) der junge Chremes, wiewohl er ein hin-
terszenisch stattfindendes Gelage erst nach der Hetäre Thais verließ, be-
reits vor ihr wieder weinbeschwingt auf die Bühne kommt. Wen das stört,
dem fehlt das Augenmaß dafür, was in einer Komödie ganz ungezwungen
möglich ist; ich nehme an, der Regisseur einer Aufführung würde ihn ein-
fach leicht dionysisch laufend auftreten lassen. (Um so lustiger, wenn er
dann, als er gefragt wird, ob Thais auch schon vom Gelage fort ist, mit
großer Geste antwortet iam dudum, aetatem [v. 734], und wenn er wiederum,
als Thais ein paar Verse danach ebenfalls auftritt, sie mit den Worten be-
grüßt Thais, ego iamdudum hic adsum.) Die Analytiker gingen nun gewiß
einerseits zu weit, wenn sie auf der Grundlage eines solchen ‚Widerspru-
ches‘ dem Terenz tiefe, die Struktur des Originals über einen ganzen Akt
95
95 hin zerstörende || Eingriffe zuschrieben, und es ist verständlich, daß sie
zunächst eine ebenso heftige unitarische Reaktion hervorriefen. 3 Doch
andererseits haben sie dadurch als klärende Anreger für das zweite zu-
gleich unitarische und analytische Forschungsstadium gewirkt, in dem wir
uns noch heute befinden und in dem es hauptsächlich um die ständige
Verfeinerung der Interpretationsmethoden und -kriterien geht. Es ist heu-
te unbestritten, daß wir unitarisch vorgehen müssen, d. h., daß alle Mög-
lichkeiten der genusadäquaten werkimmanenten Interpretation auszu-
schöpfen sind, damit wir die Werke des Terenz nicht unterschätzen. Und
ebenso unbestritten ist, daß wir das Terenzische im Terenz nicht nur
durch den analytisch durchzuführenden Vergleich mit seinen Vorbildern
erkennen können, aber auch nicht ohne ihn, zumal das Vergleichsmaterial
durch die neuen Menanderfunde seit 1959 erfreulich angewachsen ist. So

2 Günther Jachmann: „Der Eunuchus des Terenz“, in: Nachrichten von der Gesellschaft
der Wissenschaften zu Göttingen 1921, S. 69–88. – Ulrich Knoche: „Über einige Sze-
nen des Eunuchus“, in: Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen
1936, S. 145–184 und 1939, S. 31–87.
3 Erich Reitzenstein: Terenz als Dichter. Leipzig 1940.
Zur Lektüre von Terenz’ Eunuchus 33

ist es kein Zufall, daß der instruktive, auch als selbständige synthetische
Leistung anzusprechende Forschungsbericht von Konrad Gaiser (1972)
den Titel trägt: „Zur Eigenart der römischen Komödie: Plautus und Te-
renz gegenüber ihren griechischen Vorbildern“.4
En passant sei gleich auf andere wichtige Gesamtdarstellungen ver-
wiesen: Haffters Terenz und seine künstlerische Eigenart,5 Ludwigs „Die Ori-
ginalität des Terenz und seine griechischen Vorbilder“ 6 und Büchners Das
Theater des Terenz.7 Von W. Ludwig stammt auch die einflußreichste Spe-
zialuntersuchung der neueren Richtung zum Eunuchus: „Von Terenz zu
Menander“.8 Ludwig sichert in ihr endgültig die Widerlegung der allzu weit
gehenden Kontaminationsvermutungen früherer Arbeiten. Das Resultat:
Terenz hat sich im wesentlichen an das Handlungsschema des menandri-
schen Eunuchos gehalten und nur die Szenen mit dem Parasiten Gnatho
und dem miles gloriosus Thraso stärker umgestaltet. Gewonnen wird die-
ses in Einzelheiten noch offene und im Hinblick auf die Gesamtinterpreta-
tion ergänzungsbedürftige, aber in den Grundzügen sichere Resultat durch
die exakte sprachliche Interpretation einiger Verse, auf die sich die Analy-
tiker zu Unrecht berufen hatten, durch den Nachweis, daß die in Frage
stehenden Aussagen und Motive in der Struktur und Handlungsökonomie
des Stückes ihren guten Platz haben, und || durch Vermeidung der über- 96
96
triebenen, einer Komödie nicht angemessenen Anwendung des ‚Wider-
spruchs‘-Kriteriums. Wie das Instrumentarium der Interpretation, des
Vergleichens und Analysierens in den Bereichen von Stil und Metrik sowie
Szenengestaltung und Handlungsaufbau ständig weiter verfeinert wurde
und werden kann, das soll nun in der Arbeit am Text sichtbar werden.

4 Konrad Gaiser: „Zur Eigenart der römischen Komödie. Plautus und Terenz
gegenüber ihren griechischen Vorbildern“, in: Aufstieg und Niedergang der römischen
Welt. Band I, 2: Von den Anfängen Roms bis zum Ausgang der Republik, hg. von Hil-
degard Temporini. München 1972, S. 1027–1113.
5 Heinz Haffter: Terenz und seine künstlerische Eigenart. Darmstadt 1967 (ursprünglich
in: Museum Helveticum 10 [1953], S. 1–20 und 73–102).
6 Walther Ludwig: „Die Originalität des Terenz und seine griechischen Vorbilder“,
in: Die römische Komödie. Plautus und Terenz, hg. von Eckard Lefèvre. Darmstadt
1973 (Wege der Forschung 236), S. 424–441 (ursprünglich in: Greek, Roman, and
Byzantine Studies 9 [1968], S. 169–182).
7 Karl Büchner: Das Theater des Terenz. Heidelberg 1974.
8 Walther Ludwig: „Von Terenz zu Menander“, in: Philologus 103 (1959), S. 1–38
(mit einem „Nachtrag 1971“ wiederabgedruckt in: Die römische Komödie. Plautus und
Terenz, hg. von Eckard Lefèvre. Darmstadt 1973 [Wege der Forschung 236],
S. 354–408).
34 I. Prolog und Exposition

I
Gleich in den ersten Versen der Komödie führt uns eine textkritische
Frage mitten in Probleme des Sprachlichen hinein. Zu Beginn des Spiels
sehen wir auf der Bühne, die auf der einen Seite das Elternhaus des Brü-
derpaares Phaedria und Chaerea, auf der anderen das Haus der Hetäre
Thais zeigt, den verliebten Phaedria sozusagen im Spannungsfeld zwischen
den beiden Türen: ‚Was soll ich also tun? Nicht hinübergehn, nicht einmal
jetzt, wo sie mich selbst ruft? … Sie hat mich ausgesperrt, sie ruft mich
wieder – da soll ich wieder hingehn? Nein, und wenn sie noch so flehent-
lich bittet!‘
Die Frage ist nun, welchem Sprecher der Passus v. 50–56 zuzuweisen
ist: ‚Ja, wenn du’s wirklich fertigbringst, ist’s so am besten. Aber …‘ Ant-
wortet ab v. 50 bereits der Sklave Parmeno seinem jungen Herrn, oder
redet sich der beleidigte Verliebte auf einmal selber an und beginnt
Parmeno erst v. 57: ‚Herr, ein vernunftwidriges Phänomen läßt sich nicht
mit Vernunft bewältigen‘? Die ältere und bessere Überlieferung führt auf
die zuletzt genannte Möglichkeit, für die sich auch Marouzeau in seiner
Ausgabe9 entschied, aber einem Teil der Handschriften und allen anderen
Herausgebern schien der Übergang von Phaedrias Ichaussage (bis v. 49)
zum Du der Selbstanrede in v. 50 doch allzu plötzlich. Die Frage wurde
1973 zugunsten von Marouzeau entschieden, in einem Aufsatz von B.
Bader,10 und zwar hauptsächlich mit dem Hinweis auf das neue Menander-
fragment aus dem Δὶς  ἐξαπατῶν, das uns im übrigen erstmals einen direk-
ten Vergleich Menanders mit den plautinischen Bacchides erlaubt. In diesem
97
97 Fragment wechselt ein in Liebe und Freundschaft enttäuschter || junger
Mann ebenso plötzlich in seiner Monologrede vom Ich zum Du. Hier
kommt also der Vergleich mit Menander dem Terenztext zu Hilfe. Aber es
lohnt sich zu überlegen, warum Marouzeaus Auffassung nicht schon vor
dem Menanderfund durchgedrungen ist. Die geänderte Sprecherverteilung
hat nämlich beträchtliche Folgen (auf die übrigens Bader nicht weiter ein-
gegangen ist). Würde Parmeno bereits ab v. 50 sprechen, dann hätte Phae-
dria in insgesamt 4 Versen sowohl seine zwiespältige Situation dargestellt
wie sich zu einem Entschluß durchgerungen, und Parmeno würde darauf,
da er den Entschluß für undurchführbar hielte, warnend und vor allem
mitfühlend reagieren. Im anderen Fall ist der Dialog besser ausgewogen,
wir erleben Phaedria in längerem ratlosen Schwanken (bis v. 56 ‚drum
mußt du beizeiten noch und noch bedenken …‘), und Parmeno reagiert
auf seine vergeblichen Versuche, zu einem klaren Entschluß zu kommen,
eher belustigt als mitfühlend. Das paßt viel besser zu seiner ganzen Art,
wie wir in II 3 noch sehen werden.

9 Jules Marouzeau (Hg.): Térence. Bd. 1: Andrienne – Eunuque. Paris 1947.


10 Bernd Bader: „Terenz, Eunuchus 46–57“, in: Rheinisches Museum 116 (1973), S. 54–59.
Zur Lektüre von Terenz’ Eunuchus 35

Hier soll zunächst ein anderer Grund zur Sprache kommen, warum
die Philologie erst den Δὶς   ἐξαπατῶν brauchte, um an unserer Stelle die
richtige Sprecherverteilung zu akzeptieren: weil dem Terenz im Sprach-
lichen neben dem Vergleich mit Menander noch ein anderer Vergleich, der
mit Plautus, lange geschadet hat. Seit dem Altertum ist der Stil des Terenz
als ‚rein, aber dünn‘ abgestempelt, als undifferenziert und rhetorisch
schematisiert. Dieses Urteil galt noch im Jahre 1955 (ich zitiere aus J.
Straus zu unserer Stelle): „Man sollte denken, daß man in sieben Versen
herausfinden könnte, wer redet: ein verdrehter junger Verliebter oder ein
erkalteter … alter Mann: es läßt sich nicht eindeutig feststellen.“11 Daß es
aber – wenn ich so sagen darf – nicht nur sprachliche Orchestereffekte
gibt – wie bei Plautus –, sondern auch kammermusikalische, und zwar mit
entsprechender Differenzierung und Nuancierung – wie bei Menander –,
das beginnen erst neuere Untersuchungen wie die von Flury, Denzler und
Arnott deutlicher herauszuarbeiten.12 Zum Beleg des Wandels in den An-
schauungen ein Zitat aus Gaiser: „Nicht ganz richtig ist indessen, wie sich
immer deutlicher herausstellt, die Ansicht, daß alle terenzischen Personen
das gleiche Stilniveau ein-||halten.“13 Auch an unserer Stelle müssen wir 98
98
also lernen, darauf hinzuhorchen, wie bereits Phaedrias Sprechweise ver-
rät, daß er keines festen Entschlusses fähig ist.
Sein quid igitur faciam leitet mitnichten ein ausgewogenes Resümee der
Möglichkeiten ein, die er vor sich sieht und zwischen denen er sich ruhig
entscheiden könnte; wer die Stelle so auffaßt, ignoriert die unmittelbar
folgende Doppelung der Negationen in non eam, ne nunc quidem. Wir kön-
nen mit Thierfelders Übersetzung14 die Probe aufs Exempel machen:

Was tu ich also? Geh ich hin zu ihr,


Da sie mich darum bittet? Oder richt ich
Mich lieber nach dem Satz, man solle sich
Hetärenfrechheit nicht gefallen lassen?

Der Phädria Thierfelders steht frei vor einer rational zu treffenden Wahl,
den des Terenz zieht sein ganzes Herz zu Thais hinüber: ‚Soll ich nicht
gehen, nicht einmal jetzt?‘ Das ist ein Aufschrei der Ratlosigkeit; und
schon zur bloßen Formulierung der anderen Alternative muß er einen viel

11 Juliane Straus: Terenz und Menander. Beitrag zu einer Stilvergleichung. Zürich 1955,
S. 58.
12 Peter Flury: Liebe und Liebessprache bei Menander, Plautus und Terenz. Heidelberg
1968. – Bruno Denzler: Der Monolog bei Terenz. Zürich 1968. – W. Geoffrey Ar-
nott: „Phormio Parasitus. A study in dramatic methods of characterization“, in:
Greece and Rome 17 (1970), S. 32–57.
13 Gaiser: „Zur Eigenart der römischen Komödie“ (Anm. 4), S. 1046.
14 Terenz: Der Eunuch. Übers. von Andreas Thierfelder. Stuttgart 1961.
36 I. Prolog und Exposition

längeren Anlauf nehmen. Trotz der Neigung zu formalen Parallelismen,


die man dem Terenz vorrückt, entspricht dem non eam nicht einfach ein an
non perpetiar, sondern es geht viel umständlicher. Er muß erst se comparare,
sich rüsten, sich geistig darauf einstellen, und zwar ita (das non perpeti
braucht noch eine Vorbereitung), und statt an sagt er an potius; und im
Vers 48 malt die wachsende Silbenzahl der Wörter köstlich ab, wie er sich
in die steigende Erbitterung hineinredet: non perpeti meretricum contumelias,
wieder ganz im Gegensatz zum folgenden Vers, in den eine Fülle von
kurzen Aussagen hineingepreßt ist: exclusit, revocat – redeam? non si me obse-
cret! Dieser Kontrast ist einerseits metrisch sehr elegant, was das spieleri-
sche, komödienhafte Moment verstärkt, aber auch sehr bezeichnend für
die innere Verfassung des Sprechers: hier ist gewiß kein haltbarer Ent-
schluß erreicht, den Parmeno vom nächsten Vers an bekämpfen müßte,
sondern nur das Pendel der Leidenschaften vom Extrem der Liebe zu dem
des gekränkten Zornes ausgeschlagen. Die folgenden Erwägungen (v. 50–
99
99 56) wirken auch im Munde Phaedrias viel || lebensvoller und komischer,
als wenn Parmeno spräche: der Anfang siquidem hercle possis enthält bereits
keimhaft das fast catullische et taedet et amore ardeo von v. 72, und der
Schluß seiner ganzen Überlegungen: daß er weiter überlegen muß (nämlich
ob er nicht lieber doch sofort zu Thais gehen soll), ist kläglich-komisch
genug. Aus der Satzform der dazwischenliegenden langen Periode v. 51–55
wollten Ludwig und Flury schließen, daß in ihr Parmenos distanzierte
Ironie oder ruhige Reflexion zum Ausdruck komme. Aber abgesehen da-
von, daß sich doch auch Phaedria selbst in bitterer Ironie gegen sich selber
wenden könnte, hat Denzler15 nachgewiesen, daß asyndetische Reihen
z. B. von Verba oder kurzen Aussagesätzen bei Terenz gerade den patheti-
schen Monolog kennzeichnen. Die Antiklimax vom ubi pati non poteris,
quom nemo expetet, infecta pace der Protasis zum actumst, ilicet, peristi der
Apodosis paßt zu enttäuschter Liebe gewiß nicht schlechter als zu ironi-
scher Distanz.
Wen eine solche Abwägung von Ausdrucksnuancen nicht überzeugt,
der müßte doch glaube ich eine weitere stilistische Beobachtung als ent-
scheidend anerkennen. Parmeno macht sich nämlich im folgenden, mit
v. 57 beginnend, einen Spaß daraus, seinen ebenso verliebten wie beleidig-
ten Herrn zuerst ad absurdum zu führen und dann noch zu parodieren. Er
unterbricht ihn genau beim Stichwort cogita, weil ihm Denken in Liebes-
dingen absurd vorkommt, und nimmt es gleich in v. 57f. mit zweimaligem
consilium auf, variiert dann die Bezeichnung dieses ‚Denkens am falschen
Platz‘ in v. 61f. mit incerta certa facere und überbietet sie in v. 62f. mit dem
paradoxen ratione insanire. Seine Antwort könnte hier zu Ende sein; man
vergleiche zur Abschlußwirkung der Wortspielereien von v. 61–63 etwa

15 Denzler: Der Monolog bei Terenz (Anm. 12), S. 75ff.


Zur Lektüre von Terenz’ Eunuchus 37

den triumphalen Abschluß der Eingangsrede des Chremes im Heautontimo-


rumenos (v. 73f.):

quod in opere faciundo operae consumis tuae,


si sumas in illis exercendis, plus agas.

Aber Parmeno kann es damit nicht genug sein lassen, ab v. 64 muß er


seine Überlegenheit noch in einer Parodie von Phaedrias Monolog auskos-
ten. Wieder beginnt er mit cogita (v. 64 iratus cogitas), imitiert dann in || 100
100
v. 65 egon illam, quae illum usw. Phaedrias abgehacktes exclusit revocat – rede-
am, schwenkt in v. 67 mit mehercle wie Phaedria in v. 50 mit hercle von ver-
meintlicher Stärke des Entschlusses zur Schwäche um und schließt in
v. 69f. mit doppelt gesetztem ultro ab, einmal auf sie bezogen, einmal auf
ihn (te ultro accusabit, et dabis ultro supplicium): genauso war ultro auch bei
Phaedria zweimal aufgetaucht, in v. 47f. ne nunc quidem quom accersor ultro
und v. 53 ultro ad eam venies.
Wieviel an lebendiger Komödienwirkung von solchen sprachlichen
und formal-metrischen Feinheiten ausgeht, sollte selbst einer Übersetzung
noch abzuhören sein, die sich bemüht, derlei Dinge schlecht und recht zu
bewahren:

PH.
PH. Was soll ich also tun? Nicht hingehn, auch nicht jetzt,
wo sie mich ihrerseits drum bittet? Oder soll ich lieber
– grundsätzlich – Dirnenfrechheit nicht mehr dulden?
Sie sperrt mich aus, sie lädt mich ein – da soll ich hingehn?
Niemals, und wenn sie mich auf Knien bittet.
50 – Bei Gott, wenn du das kannst, sehr gut, sehr tapfer;
doch fängst du’s an und hältst nicht wacker durch
und gehst dann hilflos, ungebeten, noch bevor ein Frieden
ratifiziert ist, deinerseits zu ihr
und läßt sie merken, daß du liebst und hilflos leidest:
dann ist es aus, du bist verurteilt, bist verloren,
55 zum Spielball wirst du für die Siegerin.
Du mußt beizeiten noch und noch bedenken …
PA. Herr, eine Sache, der vernünftiges Planen wesensfremd ist,
die kannst du doch mit Planung nicht beherrschen.
Zur Liebe gehören Übel wie Beleidigung,
60 Verdächtigungen, Feindschaft, Waffenstillstand,
Krieg, manchmal Frieden – niemals Sicherheit;
wer da sich mit Methode sichern will,
treibt sich nur in den Wahnsinn mit Methode. 101
101
Und wenn du jetzt voll Zorn bei dir ‚bedenkst‘:
65 ‚Ich sie – die ihn – die mich – die nie –! Na warte!
Eher sterben! Sie soll sehn, mit wem sie es zu tun hat!‘
38 I. Prolog und Exposition

– bei Gott, mit einem einzigen falschen Tränchen,


das sie mit Ach und Krach sich aus den Augen preßt,
wird sie die Flammenworte löschen, gegen dich
Anklage ‚ihrerseits‘ erheben, und du ‚deinerseits‘,
70 du wirst dich ihrem Urteil beugen.
PH. Schmach und Schande!
Jetzt seh’ ich, wie verderbt sie ist, und ich wie arm.
Ich ertrag’ es nicht und lieb’ sie glühend, und bewußt, mit
offenen Augen,
bei lebendigem Leib geh’ ich zugrunde, und bin völlig ratlos.
PA. Da gibt’s nur einen Rat: versuch, aus dieser Knechtschaft
so billig es nur geht herauszukommen,
75 und geht’s nicht billig, dann wie’s eben geht,
und seufz’ dich nicht zugrund –
PH. So meinst du?
PA. Ja, wenn du
vernünftig bist –, und mach nicht selbst die Leiden
der Liebe mehr, und die sie hat, ertrag mit Haltung.
Schau, da kommt sie persönlich, unsres Grund und Bodens
80 Unwetterkatastrophe; sie reißt nämlich,
was unsre Ernte werden sollte, mit sich fort.

Daß zur Wirkung des Dialogs in dieser Szene z. B. auch die Metaphern
Beträchtliches beitragen, muß ich wohl nicht eigens ausführen. Ich hoffe,
daß die oben gegebenen Hinweise ausreichen, um zu zeigen, wie aufmerk-
sam man auf die sprachliche und metrische Gestaltungskunst des Terenz
horchen muß, um die Szene als lebendige Komödienszene mitzuerleben.
Meine letzte Bemerkung zum Bereich ‚Sprache und Metrik‘ ist eine Frage
102
102 an die Schulpraktiker: wieviel von dem, was wir || an unserem Text beob-
achtet haben, nach ihrer Meinung oder Erfahrung sich bereits in der An-
fangslektüre weiter vermitteln läßt.

II
Wir gehen zur Szene I 2 über, die mit dem Auftritt der Hetäre Thais ja
unmittelbar an Parmenos Rätselwitz von der fundi calamitas anschließt. Hier
stoßen wir auf ein in jüngster Zeit besonders eingehend behandeltes Pro-
blem der Handlungsführung, nämlich auf die Frage nach der Expositions-
technik des Terenz. Hatte das Original einen Prolog (womöglich einen Göt-
terprolog), der die Zuschauer mit überlegenem Wissen ausstattete? Und
wenn ja, wie hat Terenz geändert und zu welchem Zweck und mit wel-
chem Erfolg? Die Fragen greifen tief, die Antworten der jüngsten Arbeiten
sind disparat wie eh und je. Aber sehen wir uns einmal die Szene an, wie sie
vor uns liegt; wie immer Terenz eingegriffen haben mag, Expositionsaufga-
ben hatte sie jedenfalls schon bei Menander zu erfüllen. Phaedria und die
Zur Lektüre von Terenz’ Eunuchus 39

Zuschauer mit ihm erfahren von Thais den Grund ihres vorausgegangenen
Verhaltens: einer ihrer früheren Verehrer, der miles gloriosus Thraso, ist in
Athen aufgetaucht und hat die vermeintliche Sklavin Pamphila mitge-
bracht, die er Thais schenken will, wenn sie ihm – und nicht Phaedria –
ihre Gunst gewährt. Nun ist Pamphila eine von Seeräubern geraubte civis
Attica, die seinerzeit auf Rhodos mit Thais wie die eigene Schwester aufge-
wachsen war; und Thais will die Verwandten Pamphilas in Athen wieder-
finden, u. a. auch um das Patronat der dankbaren Familie für sich zu ge-
winnen. Weil sie also Phaedria bitten muß, dem Thraso wenigstens auf ein
paar Tage das Feld zu räumen, erzählt sie ihm diese Tatsachen in einem
höchst wirkungsvollen Gespräch, das wir als solches erst interpretierend
überblicken müssen, bevor wir uns der modernen Diskussion zuwenden.
Wichtig für Wirkung und Beurteilung der Szene ist zunächst die
Konstellation der Personen. Thais meint es mit Phaedria ehrlich, wie wir
bereits aus ihren Auftrittsworten erfahren (v. 81 miseram me, vereor ne illud
gravius Phaedria tulerit …) und wie sie im Abschlußmonolog nochmals
betont (v. 197ff. me miseram, || forsan hic mihi parvam habeat fidem … hoc certo 103
103
scio neque me finxisse falsi quicquam usw.). Wiewohl sie also eine bona mere-
trix ist, hat sie doch gegen die beiden anderen keinen leichten Stand. Für
Parmeno ist und bleibt sie die habsüchtige Hetäre – ihr Pech, daß sie in
dem einleitenden Dreiergespräch v. 86–98 es zunächst nur mit Schmei-
cheln und Bitten versuchen kann, Phaedria wieder zu versöhnen, was ihr
natürlich nur als Hetärenkunst ausgelegt wird (bis hin zu Parmenos schnö-
dem credo, ut fit, misera prae amore exclusti nunc foras – ‚Ja, wie’s eben oft
passiert, hast du ihn aus Liebesnot vor die Tür gesperrt.‘). Und so glossiert
er dann auch ihre ganze Erzählung, die mit der abschließenden Bitte an
Phaedria von v. 107 bis v. 152 reicht, mit ungläubigen Zwischenbemer-
kungen, die von seiner einleitenden Drohung ausgehen, alles, was er für
gelogen hält, Thraso zu verraten (v. 106 proin tu, taceri si vis, vera dicito).
Macht es ihr also schon der spöttelnde Parmeno nicht einfach (als sie z. B.
in v. 107 merken läßt, daß ihre Mutter auch eine Hetäre war, sagt er gön-
nerhaft: potest taceri hoc), so hat sie es mit Phaedria noch schwerer, der sich
die längste Zeit tief gekränkt und erzürnt in Schweigen hüllt, wie immer
wieder betont wird: v. 88, noch vor ihrer Erzählung, quid taces; v. 100 auf
ihre Bitte, sie anzuhören, das kurze, unpersönliche fiat; zum Schluß v. 152,
nil respondes? Selbst als er sich durch die Beteuerung ihrer ehrlichen und
vertrauensvollen Liebe in v. 127f. doch einmal zu einer Antwort hinreißen
läßt, hält er Distanz und schiebt Parmeno vor (v. 129): ne hoc quidem tacebit
Parmeno, worauf dieser prompt die Gelegenheit nutzen muß, auch über ihn
ironisch zu spötteln: oh dubiumne id est? ‚Ja du wirst doch nicht an ihrer
Liebe zweifeln?‘ (Diese feine Stelle ist richtig verstanden worden von
Thierfelder, verschiedene Mißverständnisse finden sich von Ludwig16 bis

16 Ludwig: „Von Terenz zu Menander“ (Anm. 8), Anm. 88.


40 I. Prolog und Exposition

Büchner17 – Parmeno selbst sage ne hoc quidem tacebit Parmeno – und in den
Kommentaren von Fabia18 und Flurl – dubiumne id est bedeute ‚Zweifelst
du an meinem Unglauben?‘) Jedenfalls muß Thais bis v. 152 gleichsam
gegen die Wand reden.
Mit dieser Konstellation der Figuren des Spiels hängt unmittelbar zu-
sammen ein zweites wichtiges Moment, die Hauptgliederung der Szene.
104
104 Phaedria war in || ihrem ersten Hauptteil bis v. 152 der Schweigsame, und
der Umschwung zu Thais’ Gunsten im zweiten Hauptteil bahnt sich an, als
er endlich wieder zu reden beginnt. Natürlich fängt er mit Vorwürfen an:
v. 152f. pessuma, egon quicquam cum istis factis tibi respondeam?, bis v. 167ff.:
‚Habe ich nicht erst gestern, obwohl so von dir gekränkt, einen Eunuchen
gekauft, den ich dir schenken wollte?‘ Angesichts dieser Großmut – und
vielleicht auch ein bißchen mit der Aussicht auf das großzügige Geschenk
– erklärt sie sich bereit, um Phaedrias willen auf den Plan mit ihrer Zieh-
schwester zu verzichten: v. 171 quid istic, Phaedria? ‚Was kann ich da noch
sagen oder tun, als mich deinen Wünschen zu fügen?‘ Dieses quid istic, das
ich im Hinblick auf eine spätere Entsprechung im Gedächtnis zu behalten
bitte, artikuliert übrigens nicht ihre Verwunderung, wie Steidle meint,19
sondern drückt aus, daß sie durch Phaedrias Worte entwaffnet ist und ihm,
wenn auch ungern, nachgibt. Das entwaffnet natürlich im weiteren wieder
ihn, was hier wiederum Parmenos Kommentar provoziert (v. 178): labascit
victus uno verbo quam cito! ‚Von einem Wort besiegt‘ variiert natürlich seine
Vorhersage aus v. 67 von der una falsa lacrimula, und so hält er sich weiter-
hin für einen gewiegten Hetärenkenner, während der Zuschauer doch
schon weiß, daß Thais nicht lügt.
Wir können hier abbrechen und uns dem Problem der Exposition
zuwenden. Ansatzpunkt der Kritik war für alle, die ändernde Eingriffe des
Terenz in die Szene I 2 annahmen, das Faktum, daß Thais von Pamphilas
civitas Attica in Parmenos Gegenwart spricht (v. 109ff.): TH. puellam … ex
Attica hinc abreptam. PH. civemne? TH. arbitror; certum non scimus. Das könne
bei Menander nicht so gestanden sein, sagt man; denn sobald Parmeno
hier in I 2 erfahre, daß Pamphila auch nur möglicherweise ein Bürgermäd-
chen sei, dürfte er später in der Szene II 3 Phaedrias jüngerem Bruder
Chaerea nicht mehr raten, sich als Eunuch verkleidet ins Haus der Thais
bringen zu lassen, um dort Pamphila Gewalt anzutun. Nach Lefèvre
kommt Parmeno bei Terenz zu diesem störenden Vorauswissen, weil In-
formationen, die einem menandrischen Götterprolog entstammen, erst
von Terenz Thais in den Mund gelegt wurden. Büchner anerkennt die
105
105 Tatsache des störenden Vorauswissens, schließt aber || nicht auf einen

17 Büchner: Das Theater des Terenz (Anm. 7), S. 236 und 238.
18 P. Terentius Afer: Eunuchus, mit Einleitung und Kommentar hg. von Philippe
Fabia. Paris 1895.
19 Wolf Steidle: „Menander bei Terenz“, in: Rheinisches Museum 106 (1973), S. 330.
Zur Lektüre von Terenz’ Eunuchus 41

gestrichenen und ungeschickt ersetzten Götterprolog, sondern will bewei-


sen, daß es erst Terenz war, der Parmeno in I 2 weiter auf der Bühne be-
ließ. Die Argumente, mit denen er beweisen will, daß Parmeno in I 2 auch
sonst stört, beruhen allerdings auf viel zu subjektiven Geschmackskrite-
rien, und vor allem fällt Büchner seine Urteile, ohne, wie oben geschehen,
die Personenkonstellation und den szenischen Ablauf zu analysieren.
Wenn Büchner postuliert, auf die Entschuldigung der Thais in v. 95–97,
daß sie leider nicht anders könne als Phaedria abzuweisen, müsse man eine
Antwort des Gekränkten selbst erwarten, so übersieht er einfach die struk-
turelle Bedeutung von Phaedrias Schweigen. Und von Parmenos Antwort
in v. 98, die Büchner für einen dummen Witz in plautinischem Stil erklärt,
sagt er gleich im nächsten Satz: ‚Wieviel besser wäre es, wenn diese Worte
nicht Parmeno, der sonst kein einziges Wort von solch leidenschaftlicher
Eindringlichkeit spricht, sondern Phaedria spräche.‘ Auch mit Parmenos
Zwischenbemerkungen während der Erzählung der Thais ist Büchner
nicht einverstanden: sie seien wohl witzig, könnten aber ohne Schaden aus
Thais’ Rede herausgelöst werden – doch wo bleibt wiederum die Szenen-
gliederung, das Schweigen Phaedrias, und vor allem der oben diskutierte
glänzende Vers 129?
Büchners Versuch, um Parmenos Kenntnis von der civitas Attica des
Mädchens herumzukommen, ist also gescheitert. Aber auch Lefèvre mit
seiner Theorie vom Götterprolog20 hat im wesentlichen genauso wenig
recht. Wie nämlich Wolf Steidle nachgewiesen hat, ist die Grundlage von
Lefèvres ganzer Argumentation brüchig: Parmenos Vorauswissen stört in
der Szene II 3 in Wirklichkeit nicht (wir kommen darauf noch zurück).
Um scheinbar die Verwirrung vollständig zu machen, müssen wir aller-
dings gleich noch feststellen, daß auch Steidle seinerseits unrecht hat,
wenn er aus seiner eben erwähnten richtigen Erkenntnis den Schluß zieht,
daß der Eunuchus sowohl bei Terenz wie bei Menander überhaupt ohne
Prolog war. Denn Menanders Eunuchos brauchte zwar sicher keinen Göt-
terprolog, da die wesentlichen Fakten der Vorgeschichte ja der Thais be-
kannt waren, die sie selbst mitteilen konnte. Die Möglichkeit, daß eben
deshalb gerade sie nach I 2 als Prologsprecherin fungierte (übrigens eine
von Gratwick || in seiner Rezension Lefèvres21 bereits erwähnte Möglich- 106
106
keit), können wir nun mit verfeinertem kritischen Instrumentarium auch
beweisen. Erstens: Wenn Thais bei Terenz bereits in v. 109f. Pamphilas
athenisches Bürgerrecht erwähnt, was sie bei Menander erst später im
Prolog getan haben wird, so stört das zwar nicht im Hinblick auf II 3, aber
innerhalb der Szene I 2 selbst: wir sahen ja, wie wirksam der Szenenteil

20 Eckard Lefèvre: Die Expositionstechnik in den Komödien des Terenz. Darmstadt 1969.
21 Adrian S. Gratwick: „Disiecti Membra Terenti. Eckard Lefèvre: Die Expositions-
technik in den Komödien des Terenz“, in: Classical Review 22 (1972), S. 29–32.
42 I. Prolog und Exposition

v. 100–152 durch das Schweigen des Phaedria wird, und doch bricht er es
gleich in v. 110 mit der Frage civemne (wie übrigens dann nochmals in
v. 143 ebenfalls mit Bezug auf Pamphila). Diese Inkonzinnität stört also
den originalen Ablauf der Szene. Zu einem zweiten Beweis hat Denzler in
seiner Untersuchung der Monologe Vorarbeit geleistet, indem er rein for-
mal verschiedene Monologtypen unterschied (Auftritts-, Zutritts-, Ab-
gangsmonolog) und innerhalb der Zutrittsmonologe wieder einen Unter-
schied zwischen belauschten und unbelauschten machte. Wir brauchen nur
noch zusätzlich die Beobachtung zu machen, daß der Auftritt des be-
lauschten Monologsprechers wie nur natürlich von einer auf der Bühne
befindlichen Person im vorhinein bemerkt und angekündigt zu werden
pflegt, während der Sprecher eines unbelauschten Zutrittsmonologs eben-
so natürlicherweise unbemerkt auftritt. Zu Beginn von I 2 liegt aber eine
hybride Typenkreuzung vor: der Auftritt der Thais war von Parmeno im
voraus bemerkt und angekündigt worden, und doch nehmen weder
Parmeno noch Phaedria von ihrem kleinen Zutrittsmonolog Notiz, aus
welchem ja die Ehrlichkeit ihrer Zuneigung bereits hervorgehen würde;
weder Sklave noch Herr reagieren darauf. Ihre Auftrittsworte bei Menan-
der können also nicht den gleichen Inhalt gehabt haben. Einfachste Erklä-
rung dafür: Terenz arbeitet Prologmaterial ein.
Die Argumente, die für die Ersetzung des Prologs bei Terenz spre-
chen, mögen geringfügig oder zu subtil erscheinen. Aber viel mehr als
solche leichte Änderungen im Duktus des szenischen Ablaufs dürfen wir
wie ich meine bei Terenz auch gar nicht erwarten. Sich bei gröberen In-
konsequenzen ertappen zu lassen, dazu ist er gewöhnlich viel zu geschickt,
und wir sind darum bei der Analyse eben auf solche Strukturbeobachtun-
gen angewiesen. Man darf aber auch nicht meinen, daß die Folgen einer
107
107 solchen Akzentverschiebung oder Gewichtsver-||lagerung im Handlungs-
ablauf ganz unbeträchtlich sind. W. Görler hat vor kurzem darauf hinge-
wiesen,22 daß der Zuschauer eines Bühnenspiels mit dessen verschiedenen
Personen mitempfindet und mitlebt je nach dem Grad seines Vorwissens;
die Wirkung des Spiels wird von der Handlungsführung wesentlich mitbe-
einflußt. Vergegenwärtigen wir uns zur Kontrolle kurz den rekonstruierten
Komödienbeginn Menanders: In I 1 klagt ein enttäuschter Verliebter über
die Launen seiner Hetäre, in I 2 glaubt der Zuschauer – denn daß Thais
eine bona meretrix ist, weiß er ja noch nicht – ein Exempel ihrer Hetären-
künste mitzuerleben und gibt dem skeptischen Parmeno recht; erst durch
die darauffolgende Prologrede der Thais erfährt er, wie falsch Parmeno sie
beurteilt hat, und er wird dann im weiteren Spielverlauf mit ihrem Plan

22 Woldemar Görler: „Undramatische Elemente in der griechisch-römischen Ko-


mödie. Überlegungen zum Erzählerstandpunkt im Drama“, in: Poetica 6 (1974),
S. 259–284.
Zur Lektüre von Terenz’ Eunuchus 43

sympathisieren, vor dessen möglichen Störungen durch den unbeherrsch-


ten Phaedria oder den skeptischen Parmeno mitbangen und jedenfalls sie
für die Hauptperson des Spiels halten. Bei Terenz ist das anders geworden,
wie allein schon dadurch bewiesen wird, daß erst Ludwigs Analyse die
zentrale Rolle der Thais in der Struktur des Stücks gesichert hat. Im latei-
nischen Eunuchus wird der Zuschauer nach dem Zwiegespräch über die
launische Hetäre in I 1 sofort zu Beginn von I 2 über das wahre Wesen der
Thais informiert, er weiß also die ganze Szene hindurch, daß Parmeno sie
falsch beurteilt. Das hat zur Folge, daß der Zuschauer zwischen seiner
Sympathie für Thais und der Belustigung über Parmenos unberechtigte
Späße hin und her schwanken muß, – eine Stimmung, die auch in den
zweiten Szenenteil, in das Zwiegespräch Thais – Phaedria, hinüberwirken
wird. Thais wird darum bei Terenz am Ende des Expositionsteils nicht in
demselben Maß wie bei Menander die Zentralgestalt sein. Analog kann
man auch Parmeno vorläufig nicht mehr in demselben Maß als ihren Ge-
genspieler in der Gesamthandlung des Stücks sehen; er wird mehr zur
lustigen Figur, deren Treiben man von Einzelszene zu Einzelszene belä-
chelt.
Die leichte und maßvolle Verstärkung der Einzelwirkung vor der Ge-
samtökonomie des künstlerischen Gebildes kommt übrigens der Aufnah-
mefähigkeit des einfachen Zuschauers oder Lesers entgegen: insofern
macht sie Terenz zu einem idealen Schulautor. Ich würde nur || davor 108
108
warnen, daß sich auch der Lehrer den Blick auf den Zusammenhang des
szenischen Ablaufs erspart, wozu Flurls Lehrerheft bisweilen zu verleiten
scheint. Ein simples Beispiel: Zu I 1 heißt es dort: „Die Szene zeigt einen
liebeskranken, unentschlossenen Jüngling und einen geistig überlegenen
Sklaven“. Das ist richtig, wenn man nur auf die Szene selbst blickt, aber
bereits I 2 erweist, wie Parmeno mit seiner rationalistischen Illusionslosig-
keit auf dem Holzweg ist. Auch die vielfach beliebte psychologisierende
Aufbereitung der Lektüre sollte szenische Strukturen nicht ignorieren. Flurl
empfiehlt etwa, die Szene I 2 als Lehrstück über die „Besänftigung eines
Zornigen“ auszuwerten. Doch gelingt es Thais eben gerade nicht, Phaedria
durch Schmeichelei umzustimmen (wie Flurl meint), sondern erst durch
ihre Nachgiebigkeit, die (wieder gegen Flurl) echt und nicht gespielt ist.
Noch eine Nachbemerkung zum Thema der prologlosen Exposition
bei Terenz: Wir sahen eben am Eunuchus, daß Terenz einen Teil des Expo-
sitionsmaterials, nämlich die Information über die wahre Haltung der
Thais, früher als Menander dem Publikum zur Kenntnis gebracht hat; im
Phormio und in den Adelphen ist es mit wichtigen Fakten gerade umgekehrt.
Ich würde mich darum davor hüten, eine allgemeine Aussage darüber zu
riskieren, welche gleichbleibenden künstlerischen Wirkungen er mit der
Streichung der Prologe erzielen wollte. Festzustehen scheint nur, daß er
die traditionelle Prologform als undramatisch mied.
44 I. Prolog und Exposition

III
Wir springen zur Szene II 3, die uns mit Kompositionsproblemen in noch
größerem Rahmen konfrontiert, welche in der bisherigen Forschung recht
stiefmütterlich behandelt wurden. Die Szene muß bei Menander in der
Mitte des 2. Aktes gestanden sein, wie sich unschwer nachweisen läßt.
Wenn nämlich die Prologrede der Thais bei Menander erst nach I 1 und I
2 kam, muß zu seinem ersten Akt auch noch die folgende Dialogszene
gehört haben, in der wieder Phaedria und Parmeno auftreten, Phaedria mit
Wanderstab und Wanderhut, fest entschlossen, die nächsten zwei Tage auf
109
109 dem Lande zu verbrin-||gen, um Thais für ihre Intrige freies Feld zu lassen.
Parmeno bezweifelt sehr zu Recht die Haltbarkeit dieses heroischen Ent-
schlusses, nimmt den Befehl, den am Vortag gekauften Eunuchen als Ge-
schenk zu Thais hinüberzubringen, nur ungern entgegen, um so lieber
allerdings den Auftrag, den Rivalen Thraso möglichst von ihr fernzuhal-
ten. Das ergibt einen Aktschluß, der die Spannung wirksam in der Schwe-
be hält: wie werden der unbeherrschte Verliebte und sein nicht sehr wohl-
gesonnener Sklave dem Plan der Thais in die Quere kommen? Den pas-
sendsten Platz für die nächste entsprechende Spannungspause finden wir
dann nicht bereits nach II 3, sondern erst nach III 2 oder III 3 (so bereits
A. Klotz;23 ungenügend Ludwig 24 und Büchner in ihren Analysen). Der
zweite Menanderakt beginnt mit der Szene, in welcher Pamphila ins Haus
der Thais gebracht wird (bei Terenz II 2). In einer Mittelszene (eben II 3)
tritt Chaerea auf, der Pamphila auf der Straße sah und sich Knall und Fall
in sie verliebte; in seinem Gespräch mit Parmeno wird der Verkleidungs-
plan gefaßt. In der abschließenden Szenenfolge des 2. Akts verläßt dann
Thais ihr Haus, um sich zu Thrasos hinterszenisch stattfindendem Gelage
zu begeben, und trifft auf der Bühne mit Parmeno zusammen, der eben
den vermeintlichen Eunuchen zu ihr hinüberführt; vielleicht kommt dann
am Schluß dieses Aktes auch noch Chremes, in dem Thais Pamphilas Bru-
der zu finden hofft, und wird von einer Sklavin auch noch zum Gelage
geleitet. Eine spannungsvollere Spielpause läßt sich kaum denken: Wird
die Hoffnung der Thais in Erfüllung gehen, und was wird gleichzeitig in
ihrem Haus mit Chaerea und Pamphila geschehen? Beide Handlungssträn-
ge der Komödie, die Thrasohandlung und die Eunuchenhandlung, sind
aufs kunstvollste parallel geführt, miteinander verknüpft und in der
Schwebe gehalten. Der dritte Akt wird dann hauptsächlich der Eunuchen-
handlung gehören: Chaerea jubelt über die Erfüllung seiner Liebe, Phaed-
ria kommt zurück und muß entdecken, was der vermeintliche Eunuch im
Haus der Thais angerichtet hat (in einer Zwischenszene berichtet die vom
Gelage zurückkommende Sklavin, daß Thraso dort mit Thais in Streit

23 Alfred Klotz: „Der Eunuchus des Terenz und seine Vorlagen“, in: Würzburger
Jahrbücher 1 (1946), S. 1–28.
24 Ludwig: „Von Terenz zu Menander“ (Anm. 8), Anm. 110.
Zur Lektüre von Terenz’ Eunuchus 45

geraten ist: so ist ihre Intrige auch über die nächste Pause hinweg doppelt
bedroht). Der 4. Akt konfrontiert dann die beiden auf der Bühne; Resultat:
|| Thraso muß Pamphila vorläufig dalassen. Wie bei Menander üblich, 110
110
kommt es im 4. Akt auch noch zur Hauptlösung: Thais baut dem jungen
Chaerea die goldene Brücke zur Hochzeit mit der als Bürgerin erkannten
Pamphila. Wie ebenso üblich, wird der 5. Akt von burlesken Szenen ausge-
füllt, deren Opfer die beiden Gegenspieler der Thais sind, Parmeno und
Thraso.
Wie ausgewogen die Handlungsstruktur dieser Komödie ist, sieht
man, wie ich hoffe, selbst an dieser flüchtigen Skizze, die ich bei anderer
Gelegenheit genauer ausführen möchte. Aber was hat nun eigentlich Te-
renz aus dem kunstvollen Gebilde Menanders gemacht? Hat er es, indem
er durch andere Personenführung die Handlungspausen nach dem ersten,
dritten und vierten Menanderakt beseitigte, schlicht und einfach zerstört?
Sobald wir – wie eben geschehen – den menandrischen Eunuchos rekon-
struiert haben, taucht unausweichlich die weitere Frage auf, ob Terenz das
Gewebe des Originals bloß aufgelöst oder die Fäden zu einem neuen Ge-
webe versponnen hat. Ich möchte die These vertreten, daß er keineswegs
willkürlich drauflos änderte, bloß um seinem römischen Publikum mög-
lichst wenig Handlungspausen zuzumuten, sondern daß er das Spannungs-
gefüge des menandrischen 5-Akt-Schemas bewußt durch ein anderes Prin-
zip der Handlungsgliederung ersetzte. Er wollte, wie ich meine, bestimmte
größere Teilkomplexe der Gesamthandlung als deren relativ abgeschlosse-
ne Teileinheiten hervortreten lassen. Es kam ihm nicht (oder nicht nur)
auf die effektvolle Einzelszene an, sondern auf den in seiner Wirkung
unmittelbar überschaubaren größeren Handlungsablauf.
Um diese These wenigstens andeutungsweise zu begründen, betrach-
ten wir den Schlußteil der Szene II 3, wobei wir zu einem guten Teil an
Steidles Interpretation 25 anknüpfen können. Stärker zu betonen und näher
auszuführen ist nur, daß sich Parmeno in erstaunlich paralleler Situation zu
I 1 und I 2 befindet. Das war schon zu Szenenbeginn betont worden, wo
Parmeno abermals auf den Monolog eines Verliebten reagiert (v. 292ff.),
und wieder in ähnlicher Weise:

CH. Das ist mein Tod!


Das Mädchen weg – und ich bin auch weg –
ich hab’ sie aus dem Blick verlor’n.
Wo such, wo forsch ich, wen befrag ich, 111
111
und welcher Straße geh ich nach?
Ich weiß nicht – bleibt nur ein Trost: nirgends
bleibt solche Schönheit unbemerkt.
Ah die Figur! Von jetzt an schlag ich

25 Steidle: „Menander bei Terenz“ (Anm. 19), S. 331, 336ff.


46 I. Prolog und Exposition

mir alle Weiber aus dem Sinn.


Mir reicht’s mit den Alltagsfiguren!
PA. Jetzt schau dir doch den zweiten an!
Der redet auch schon was von Liebe!
Der arme Vater tut mir leid.

Parmeno ist der alte Skeptiker und Spötter geblieben. Drum begleitet er
auch zunächst die Begeisterungsausbrüche des jungen Burschen mit ironi-
scher Zustimmung (z. B. in v. 317ff.). Allerdings ist Chaerea nicht so zag-
haft und unentschlossen wie sein älterer Bruder (v. 319f.):

Die mußt du mir verschaffen – wie, ist einerlei:


geraubt, geborgt, gestohlen – haben muß ich sie!

‚dum potiar modo‘: da läßt sich schon ahnen, daß Parmeno wieder einmal im
Irrtum ist, wenn er die Macht der Liebe unterschätzt. Chaerea wiederholt
das für ihn charakteristische potiar nochmals in v. 362, wo die Szene sich
scheinbar ihrem Schluß nähert:

CH. Ich bitt dich herzlich, Parmeno: hilf mir, daß ich sie haben kann!
PA. Bestimmt, ich tu’s, ich werde mich bemühen und dir helfen.
Das wär’s wohl. –
CH. Wohin gehst du jetzt? –
PA. Nach Haus, die Sklaven holen,
und sie, so wie dein Bruder es befahl, zu Thais bringen.

Parmenos Hilfezusage war, wie man sieht, recht lässig und unernst gege-
ben, er wollte den Burschen nur abwimmeln und denkt in Wahrheit nicht
daran, ihm gleich beizustehen. Doch da hält ihn Chaerea mit seiner Selig-
preisung des Eunuchen noch einmal auf:

CH. So ein Glückspilz, der Eunuch da,


112
112 wird in dieses Haus gebracht!
PA. Und? –
CH. Du fragst noch? Mit der schönsten
Sklavin stets im selben Haus,
wird er sie sehen, mit ihr plaudern,
wird mit ihr beisammen sein,
wird bisweilen mit ihr essen,
manchmal schlafen neben ihr.

Da kann Parmeno nicht widerstehen; er muß die Chance nützen, wieder


einmal einen Verliebten auch noch zu parodieren, und so parodiert er sich
selbst in eine brenzlige Situation hinein:
Zur Lektüre von Terenz’ Eunuchus 47

PA. Und wenn jetzt du der Glückspilz würdest?


CH. Parmeno, wie meinst du das?
So sag doch!
PA. Nähmest dir sein Kleid …
CH. Sein Kleid …? Und wie gehts weiter dann?
PA. Ich brächte dich hin …
CH. Ja, ich höre.
PA. gäb dich für ihn aus …
CH. Ich verstehe!
PA. und du erlebtest alle Freuden,
die du dem andern nachgesagt:
beisammensein und mit ihr essen,
berühren, tändeln, bei ihr schlafen.
Dem ganzen Weiberhaushalt drüben
bist du ja gänzlich unbekannt;
zudem so jung und so gewachsen,
daß man dir den Eunuchen glaubt.

An diesem Passus sind mehrere Dinge wichtig. Erstens entwickelt


Parmeno gar nicht im Ernst einen Plan, wie Chaerea sich des Mädchens
bemächtigen könnte, – so daß er in I 2 ohne weiteres gehört haben kann,
daß Pamphila vielleicht attisches Bürgerrecht hat. (Dies hat Steidle richtig
betont.) Zweitens bewährt sich nochmals unsere frühere Interpretation der
richtigen Sprecherverteilung in I 1: wie dort will Parmeno auch hier einen
Verliebten parodieren, nur daß er sich diesmal damit die eigene Grube
gräbt; denn als er im folgenden sich gegen die sofortige Ausführung des
sogenannten ‚Planes‘ sträubt (v. 378 iocabar equidem), da || wird er mit Bra- 113
113
chialgewalt dazu gezwungen (v. 379 quo trudis? perculeris iam tu me). Und
drittens präludiert dieser Rückbezug von II 3 auf I 1 nur einem anderen
auf I 2, der ihn nach der körperlichen Bedrohung auch noch geistig wehr-
los macht. Er wird nämlich gleich nochmals in der eigenen Schlinge gefan-
gen: Als er zu warnen versucht (v. 382) flagitium facimus!, da packt ihn
Chaerea bei seiner vermeintlichen Einsicht ins trugvolle Wesen der Hetä-
ren: v. 382 an id flagitiumst, si in domum meretriciam deducar usw. So bleibt
Parmeno in v. 388 nur die Kapitulation: quid istic? ‚Ja, darauf läßt sich
nichts sagen.‘ Mit denselben Worten war Thais Phaedria gegenüber und
daraufhin er ihr gegenüber weich geworden; und hatte Parmeno damals
gespottet labascit victus uno verbo quam cito!, so geht es jetzt ihm nicht an-
ders. Er muß mit einem bangen di vortant bene! (v. 390) abtreten.
Die auffällige Responsion der Parmenoszenen war natürlich schon bei
Menander angelegt; und bevor wir den Text von dessen Eunuchos wieder-
finden, werden wir gewiß nicht beweisen können, daß das wörtliche Echo
des quid istic erst von Terenz stammt. Aber auf anderem Wege läßt sich
wie ich glaube doch beweisen, daß Terenz sich dieser Responsion wohl
48 I. Prolog und Exposition

bewußt war und daß er in ihr ein Mittel zur szenischen Großgliederung
sah. Terenz verfügt nämlich auch über ein rein metrisch-formales Mittel
zur Artikulierung größerer Szenenblöcke, mit dem die beobachteten
sprachlichen und szenischen Responsionen sich gut ergänzen. Er läßt, wie
ich hier nicht ausführlich beweisen kann, längere Senarpartien mit Groß-
abschnitten in Langversen abwechseln (auf den metrischen Wechsel in-
nerhalb der Langverse oder cantica, der schon mehrfach Gegenstand von
Untersuchungen war, kommt es für diese Hauptgliederung nicht weiter
an). Nun glaube ich nachweisen zu können, daß die Haupteinheit der me-
trischen Großkomposition im Regelfall ein Paar aus Senarteil und Lang-
versteil darstellt, und daß durch diese Gliederung sinnvoll zusammenhän-
gende größere Handlungsabläufe artikuliert und voneinander abgesetzt
werden.
Nun trifft die metrische Gliederung im Eunuchus auffällig mit szeni-
schen Responsionen zusammen. Parmeno beherrscht und umrahmt als
Gegenspieler der Thais die erste Haupteinheit, die präzise von I 1 bis II 3
114
114 || reicht. Die zweite Haupteinheit (III 1 – IV 7) beginnt und endet ebenfalls
mit den Szenen eines Gegenspielers: diesmal ist es der Soldat Thraso, und
wir dürfen nicht vergessen, daß Terenz gerade seine Szenen durch Kon-
tamination mit dem Kolax ausgestaltet hat. Er hat also gerade an den
Randstellen der zweiten Haupteinheit selbständig eingegriffen. So werden
wir uns auch nicht wundern, wenn wir in der dritten und letzten Haupt-
einheit sehen, daß Terenz auch da wieder durch einen kontaminierenden
Eingriff die Parallelführung der Gegenspieler Parmeno und Thraso herge-
stellt oder verstärkt hat: dem Parmeno war schon in Menanders burleskem
Schlußakt recht übel mitgespielt worden, und Thraso wird bei Terenz
zusätzlich das Opfer einer societas leonina: denn Phaedria ist zum Schein
bereit, Thais mit ihm zu teilen, aber er wird dabei nur draufzahlen.
Ich muß mir versagen, auf die inhaltlichen Implikationen dieser Än-
derung einzugehen, womit ich allerdings keiner modischen Überschätzung
bloß struktureller Interpretation das Wort reden möchte. Trotzdem wird
glaube ich unser Terenzbild reicher und voller, wenn uns mit Beobachtun-
gen wie den hier vorgetragenen der Nachweis gelingt, daß Terenz im Eu-
nuchus und auch sonst seine Komödien in größeren Handlungskomplexen
durchkomponiert hat. Ich hoffe, daß auch der Gymnasiallehrer daraus
Anregungen für seine Arbeit mit dem Text gewinnen kann.
Karion in den Epitrepontes* 123
123

Unsere Kenntnis der Komödien Menanders kann auf zweifache Weise ge-
mehrt und vertieft werden, durch neue Textfunde und durch verbesserte
Interpretation des vorhandenen Materials. Für beide Möglichkeiten stellen
die Epitrepontes ein gutes Beispiel dar, von denen wir uns ja, obwohl etwa
ein Drittel des Textes verloren ist, in großen Zügen doch schon seit der
Publikation des Cairensis eine Gesamtvorstellung bilden konnten.1 Nun
brachte erst jüngst der 50. Band der Oxyrhynchos Papyri 2 Reste von 2 mal 24
Zeilen, die in die Auseinandersetzung Smikrines – Pamphile im vierten Akt
gehören (nach v. 758 Sandbach = 531 Koerte, fr. 7 einschließend, aber vor
fr. 8 aus Pamphiles anschließendem Monolog). Was der Neufund bei richti-
ger Einordnung3 und Auswertung an Erkenntniszuwachs bringt, soll jedoch
hier nicht unser Thema sein.4 Vielmehr soll das Folgende zur besseren

* Zuerst abgedruckt in Wiener Studien Neue Folge 20 (1986), S. 123 –141.


1 Die Hauptarbeit aus dieser älteren Forschungsphase ist natürlich: Menander: Das
Schiedsgericht, erklärt von Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff. Berlin 1925.
2 1983, P.Oxy. 3532/33 (Eric G. Turner); dazu Wolfgang Luppe, in: Classical Review
35 (1985), S. 365f.
3 P.Oxy. 3532, fr. 3 geht m. E. (gegen Turner: „P.Oxy. L 3532“ [Anm. 2], S. 38)
dem fr. 1 voraus, weil Smikrines, der v. 719f. drei Punkte seiner Rede angekün-
digt hatte, von denen die ersten beiden die heillose Situation des Charisios bzw.
der Pamphile ausmalen, und der v. 751f. deutlich gliedernd von Punkt 1 auf 2
übergeht, ebenso deutlich in P.Oxy. 3532, fr. 3, 10f. die Rede zu beschließen
scheint, deren drittes Hauptargument wegen der vorausgegangenen Zeilen (=
Epitr. fr. 7) etwa gelautet haben muß: ,Und selbst wenn ihr beide die unmögliche
Situation ertragen könntet – die Hetäre wird keinen Frieden geben.‘ Z. 10f. wird
daher etwa so zu ergänzen sein: ἀπολεῖ   σε   το]ίίνυν·∙   ταῦτάά   σοι   τὴν   Πυθ[ίίαν   /  
προθεσπίίσαι]   νοµμίίζ᾿   ἀκριβῶς   ἐσόόµμενα (10in suppl. Primmer, 10fin Turner, 11
Luppe). In Z. 12ff. und P.Oxy. 3532, fr. 1 (mindestens bis Z. 19) haben wir dann
Teile von Pamphiles Antwort, die ihre Rede gewiß anders gliedert (weshalb man
aus deren Details weder auf Smikrinesʼ Rede noch auf die richtige Abfolge der
Fragmente zurückschließen kann). – Wenn in den Buchstabenresten von P.Oxy.
3532, fr. 2, 3–5 Spuren der Verse 853–855 erkannt werden könnten (κλαυ-­‐‑
µμ]υρ[ίίζεται,  ]κακ[όόν,  ἐ]λε[ήήσειε), wäre das zu schön.
4 Nur auf zwei Punkte sei kurz hingewiesen. 1. Da den Zuschauern in der ersten
Hälfte des vierten Akts die Bedrängnis, in der sich Pamphile und Charisios be-
finden, eindringlich vor Augen geführt wird, scheitert schon an dem einen
Exempel der Epitrepontes die These von Alain Blanchard (Essai sur la composition
des comédies de Ménandre. Paris 1983), der Handlungseinschnitt zwischen Kompli-
kations- und Lösungsphase liege bei Menander stets in der Pause vor dem vierten
50 I. Prolog und Exposition

Interpretation des bekannten Textbestandes beitragen, gehört also in jenes


zweite Arbeitsgebiet, wo zuletzt vor allem durch den Kommentar von
Arnold W. Gomme und Francis H. Sandbach – Menander. A Commentary.
124
124 Oxford || 1973 – und durch W. Geoffrey Arnotts Ausgabe und Überset-
zung – Menander. Cambridge, Mass., London 1979 (Loeb Classical Library
132) – wichtige Leistungen erbracht bzw. zusammenfassend präsentiert
wurden. Hervorheben möchte ich, wegen der Auswirkungen auf die Ge-
samtstruktur, die Degradierung von Chairestratosʼ Freund Simias zum
Gehilfen des Kochs Karion: dadurch kann am Schluß des ersten Akts an
Simiasʼ Stelle Habrotonon treten (die die Zuschauer auf diese Weise früh
genug kennenlernen), und am Beginn des fünften kann Chairestratos in
seiner Unkenntnis der inzwischen erfolgten Lösung einen Monolog von
angemessen komischer Wirkung halten, in dem er sich (überflüssigerweise)
vornimmt, seine Leidenschaft für Habrotonon dem Freund zuliebe zu
beherrschen.5
Uns sollen im Folgenden die Auftritte des Kochs beschäftigen, die
beide nur bruchstückhaft erhalten sind. In die Eingangsszene des Stücks –
Expositionsgespräch zwischen Karion und Charisiosʼ Sklaven Onesimos –
gehören sicher die Fragmente 1, 2a und b, 3 und 5 (insgesamt etwa 8 Ver-
se); die Szene aus dem dritten Akt – Smikrines erfährt von Karion, daß
Habrotonon sich während des Gelages als Mutter eines Sohnes des Chari-
sios entpuppt habe – umfaßt die mit Ausnahme von v. 610–612 heillos
verstümmelten Verse 603–631 Sandbach (427–460 Koerte).6 Dazu kommt
eine Erwähnung des allzu langsam arbeitenden Kochs im zweiten Akt
(v. 382ff.). Das ist alles; und doch läßt sich ein einigermaßen lebendiger
Eindruck auch von dieser Nebenfigur und ihrer Funktion im Spiel gewin-
nen, wenn wir neben der genauen Ausnutzung aller Möglichkeiten der

Akt. 2. Wenn die in Anm. 3 vertretene Reihung der neuen Fragmente stimmt,
zeigt Smikrinesʼ Rede, daß Menander ihn nicht einseitig als Geizhals präsentieren
will; denn er spricht dann zwar zuerst von Charisiosʼ aufwendiger Lebensfüh-
rung, zuletzt aber doch als besorgter Vater von dem bitteren Schicksal, das er für
seine Tochter befürchtet.
5 Arnold W. Gomme und Francis H. Sandbach: Menander. A Commentary. Oxford
1973, S. 354 machen zu Recht darauf aufmerksam, daß Chairestratos während
des vierten Akts (wo Charisios in seinem Haus ungestört an der Tür lauschen
und verzweifelt monologisieren soll) am besten außer Haus ist: also hält er am
dritten Aktschluß einen kleinen Monolog, in dem er erklärt, er werde Habroto-
non von jetzt an aus dem Weg gehen, sich also auf einen einsamen Spaziergang
begeben (Arnott [Hg.]: Menander. Cambridge, Mass., London 1979 [Loeb Classi-
cal Library 132], S. 475 schickt ihn einfach „on some errand in the city“, läßt ihn
dann aber – S. 502 – irrtümlich wieder aus seinem Haus auftreten).
6 Ich zitiere im folgenden stets nach Sandbachs Oxfordtext (Menandri reliquiae
selectae, hg. von Francis H. Sandbach. Oxford 1972).
Karion in den Epitrepontes 51

Einzelinterpretation unserer Quellen immer auch auf Menanders Drama-


turgie achten, auf seine Technik der Handlungs- und Figurenführung. Und
da er alles kunstvoll verknüpft, wird uns auch sein Koch fast durch das
ganze Drama führen.
*** 125
125
Der gegenwärtige Kenntnisstand über die Eingangsszene wird noch immer
mitbestimmt von zwei (in den eben genannten Bereichen liegenden)
Schwächen, mit denen ihre Behandlung bei Wilamowitz behaftet ist.
Wilamowitz hatte zum einen noch unzureichende Vorstellungen von der
Technik des reifen Menander in der Entwicklung eines Expositionsge-
sprächs: nach ihm fragt einfach zuerst der Koch den Sklaven über das
Zerwürfnis zwischen Charisios und Pamphile aus – und Onesimos erzählt;
danach befragt, dramaturgisch unverbunden, der Sklave den Koch über
dessen Künste – und Karion prahlt.7 Zum andern hätte sich aus den An-
spielungen des Themistios auf die Szene mehr – und Richtigeres – gewin-
nen lassen. In beiden genannten Punkten sind zwar in den Sechzigerjahren
Fortschritte erzielt worden, von Schadewaldt8 und Masaracchia9. Doch
haben Gomme–Sandbach und Arnott diese Anregungen nicht weiterver-
folgt. Wir beginnen also am besten nochmals bei Wilamowitz, und da
wieder bei seiner Interpretation von Themistios, or. 21, 262cd, weil der
Redner des vierten Jahrhunderts sich über die Rolle des Kochs insgesamt
äußert.10
Um die folgende Erörterung übersichtlicher zu machen, setze ich ihr
den für uns wichtigen Teil der Rede voraus, in der m. E. richtigen Text-
gestalt und in Kleinabschnitte gegliedert.

7 Wilamowitz: Das Schiedsgericht (Anm. 1), S. 48: „Fr. 2 beweist, daß auch Onesimos
etwas gefragt hat, wohl über das, was der Koch mitbrachte oder liefern wollte“,
und S. 50: „Wir lernen (sc. aus Themistios) …, daß der Koch … mit den ἡδύύσ-­‐‑
µματα renommiert hat, die er bei dem Frühstück vorsetzen wird; das geschah im
zweiten Teil der Szene so ausgiebig, daß Onesimos einschreiten mußte.“
8 In Schadewaldts Bearbeitung (Das Schiedsgericht. Eine Komödie von Menander, für die
Bühne übersetzt und ergänzt von Wolfgang Schadewaldt. Frankfurt am Main 1962
[Exempla Classica 72]) sind Karions Fragen über Charisios und seine Auslassun-
gen über die Kochkunst dramaturgisch sinnvoll verknüpft, entsprechend dem im
Nachwort (S. 152) formulierten Programm: „Auch die innere Ausgestaltung dieser
zu ergänzenden Szenen wurde nicht willkürlich vorgenommen. Vielmehr wurden
alle etwa erhaltenen Spuren sorgfältig berücksichtigt …“ (der Anspruch ist zurecht
erhoben etwa bezüglich fr. 1, vgl. unten bei Anm. 30).
9 Agostino Masaracchia: „Note agli Ἐπιτρέέποντες di Menandro“, in: Helikon 8 (1968),
S. 364–369 bemüht sich um bessere Auswertung des relevanten Themistios-
Passus.
10 Zur Figur des Kochs in der Komödie zuletzt J. Christopher B. Lowe: „Cooks in
Plautus“, in: Classical Antiquity 4 (1985), S. 71–102.
52 I. Prolog und Exposition

(1) …   ἐγὼ   δὲ   ἐβουλόόµμην   περιτετράάφθαι   µμοι   τὰς   πήήρας,   ἵνα   τὰ  


ἑαυτοῦa   µμόόνον   ὁρῴην   (κακάά),   τὰ   τῶν   ἄλλων   δὲ   µμὴ   δυναίίµμην.  
‚οὐκ   ἔστι   γάάρ‘   φασιb   ‚γλυκερώώτερον   ἢ   πάάντ᾿   εἰδέέναι‘,   καὶ   ἐγώώ  
φηµμι  τἀγαθάά.
(2) οἷα   δὲ   λέέγει   ὁ   µμάάγειρος   ὁ   κωµμῳδικόός,   οὐδ᾿   ἐκεῖνα   πάάνυ  
ἐλυσιτέέλει   πυνθανοµμέένῳ c   ἀλλ᾿   ἐπέέτριβε   τοὺς   δαιτυµμόόνας  
ἐξαλλάάττων  τὰ  ἡδύύσµματα.
126
126 (3)
(3) ἀλλ᾿   οὐκ   ἐνταῦθα   Καρίίωνος   τὸ   κακὸν   τὸ   µμέέγα,   ὅτι   µμοχθηρὰ   ἡ  
τέέχνη   αὐτοῦ   καὶ   ἀλλόόκοτος,   ἀλλ᾿   ὅτι   πονηρὸν   ἀνθρώώπιον   ἦν  
καὶ   οὐκd   ἐπὶ   τῷ   ἔργῳ   εἰς   τὰς   οἰκίίας   παρερχόόµμενον,   ἀλλ᾿   ἵνα  
λαλήήσῃ   καὶ   ψιθυρίίσῃ   καὶ   διαβάάλῃ   καὶ   ἐξενέέγκῃ   οὐχ   οἷαe  
µμάάγειρον  εἰκὸς  µμαστιγίίανf  ἐν  τῇ  σπυρίίδι,  ἀλλὰ  καὶ  τὰ  ἀπόόρρητα  
τῆς  οἰκίίας,  οὐδ᾿  ὅσα  ἀκήήκοε  µμόόνον,  ἀλλὰ  πολλὴ  ἡ  προσθήήκη  καὶ  
ἡ   τῶν   κακῶν   ἐποικοδόόµμησις·∙   ὃς   δικαίίως   ἐκρέέµματο,   ἂν   οὕτω  
τύύχῃ,  διὰ  τὴν  χρηστὴν  φιλοµμάάθειανf.
(4) ἀλλ᾿,  ὦ  µμοχθηρὲ  καὶ  ἀπόόπληκτε  Καρίίων,  ἀκήήκοας  ὅτι  …  

a ἐµμαυτοῦ Dindorf, edd. (sed v. Kühner-Gerth I 571sq.) b φησίί dubitan-


ter Wil., in textum recepit Oppermann11 c ‹τῷ›  πυνθ. Wil., edd. d οὐκ
add. Dindorf e οἷα Wil.: ὅσα f ἐν  τῇ  …  ἐποικοδόόµμησις trad. post φιλο-­‐‑
µμάάθειαν, transp. Opp. (ἐν  τῇ  σπυρίίδι iam Wil.; v. infra n. 23)

Der kritische Passus, von dem die richtige Auswertung des ganzen Textes
für die Epitrepontes abhängt, ist der Beginn von Teilabschnitt (2). ,Dinge
aber, wie sie der Koch in der Komödie äußert, auch die brachten dem Fra-
genden nicht viel Nutzen‘: worin bestanden hier eigentlich die Äußerungen
des Kochs, und wer ist der πυνθανόόµμενος? Wilamowitz gewinnt seine
Antwort auf diese beiden Fragen offenbar, indem er über Epitr. fr. 2b
(οὐδέέν  ἐστι  γὰρ  γλυκύύτερον  ἢ  πάάντ᾿  εἰδέέναι) auf fr. 2a zurückgreift (φιλῶ  
σ᾿,  Ὀνήήσιµμε·∙  καὶ  σὺ  περίίεργος  εἶ ). Da fr. 2a – dessen Sprecher sicher Kari-
on ist – und fr. 2b bei Elias (Comment. in Aristot. 18, 1, 27) mit ὥς   φησι  
Μέένανδρος bzw. καὶ   πάάλιν eingeleitet sind, also nicht unmittelbar zu-
sammenhängen, und da bei Themistios in (1) auf fr. 2b angespielt wird,
wozu οὐδ᾿   ἐκεῖνα in (2) – also wieder etwas, was der Koch sagt – einen
Gegensatz zu signalisieren scheint,12 kommt Wilamowitz zu folgender
Lösung: Der Sprecher von fr. 2b ist Onesimos;13 die Äußerungen des

11 Siemer Oppermann: Themistios. 20. und 21. Rede, Überlieferung, Text und Übersetzung.
Dissertation, Universität Göttingen 1962.
12 Anders Masaracchia: „Note agli Ἐπιτρέέποντες di Menandro“ (Anm. 9), S. 365:
fr. 2b und ἐκεῖνα identisch, οὐδέέ beziehe sich auf Themistiosʼ Zwischenbemer-
kung καὶ  ἐγώώ  φηµμι  τἀγαθάά. Das wäre sprachlich möglich, aber ἐκεῖνα muß sach-
lich mehr umfassen (siehe weiter im Text).
13 Siehe Wilamowitzʼ Übersetzung (Das Schiedsgericht [Anm. 1], S. 175).
Karion in den Epitrepontes 53

Kochs von Themistios (2) bestehen dann in seinen Prahlereien mit den
ἡδύύσµματα, und der ,Frager‘ war wieder Onesimos. Der braucht allerdings,
um sich im griechischen Text deutlich vom Koch zu unterscheiden, den
bestimmten Artikel; darum, und weil das artikellose Partizip überhaupt
auffällig wäre, schreibt Wilamowitz ‹τῷ›  πυνθανοµμέένῳ (die Konjektur ist
von allen Späteren übernommen).
Im selben Argumentationsrahmen wie Wilamowitz – Berücksichtigung 127
bloß von fr. 2 und Themistios (1) und (2) – hält sich grundsätzlich || auch 127
noch Arnott. Dabei teilt er zwar fr. 2b zögernd dem Koch zu,14 bleibt aber
dabei, daß Karions Äußerung in (2) seine Prahlereien mit den Saucen zum
Inhalt hat. Das zeigt seine Übersetzung von (2), S. 393: „The words of this
comic cook did not benefit the enquirer at all, but he irritated the guests
by using recherché language to describe his sauces.“
Von den Schwierigkeiten, in die man mit dieser Auffassung geraten
muß, hat Arnott wenigstens eine bemerkt: der ,enquirer‘ kann dann nicht
Onesimos sein, der ja kein Gast ist; Themistios müßte also statt auf die
Eingangsszene auf eine andere, verlorene Szene anspielen, in welcher Ka-
rion vor den Gästen renommiert. Aber für eine solche Szene ist in den
Epitrepontes nirgends Platz (Karion verschwindet ja nach v. 631 ἀπίίωµμεν  
endgültig von der Bühne). So hilft sich Arnott mit der Vermutung, The-
mistios habe vielleicht ungenau referiert.
Die Wahrheit ist, daß Wilamowitz und Arnott Themistios ungenau in-
terpretiert, will sagen seinen weiteren Argumentationszusammenhang
nicht beachtet haben. Arnott schweigt dazu vollständig, Wilamowitz er-
wähnt wenigstens, daß Themistios schon vor unserem Passus gegen den
Typus des περίίεργος und πολυπράάγµμων wettert und daß er – worauf er
eigentlich hinauswollte – ab (4) einen persönlichen Gegner aufs Korn
nimmt, den er als verleumderisch übertreibenden Karion apostrophiert;
den Übergang von 262a auf unseren Teilabschnitt (1) findet Wilamowitz
aber doch recht sprunghaft.15 Doch Themistios hat den Schlußangriff auf
seinen ,Karion‘ in sorgsamem Übergang vorbereitet. Einleitend tut er so,
als käme er fast zufällig auf den Typus des Verleumders zu sprechen, der
sich in neugieriger Betriebsamkeit in fremde Angelegenheiten mischt (262a
κακηγόόρους   …   ἢ   περιέέργους   καὶ   πολυπράάγµμονας16). Auf diesen Typus
brachte ihn, wie er vorgibt, eine beiläufige Erwähnung des homerischen

14 Der Gegensatz, den οὐδέέ verlangt, kann ja einfach in der inhaltlichen Verschie-
denheit von fr. 2b und den ἐκεῖνα bestehen, bei gleichem Sprecher.
15 Wilamowitz: Das Schiedsgericht (Anm. 1), S. 49: „Offenbar schwebt ihm (sc. in 262a)
schon Fr. 2 vor. Ziemlich unvermittelt geht es dann weiter: οὔκ  ἐστι  γάάρ …“
16 Oppermann: Themistios. 20. und 21. Rede (Anm. 11) hätte sein Kap. XXIII also
besser schon mit diesen das neue Thema einleitenden Stichworten beginnen sol-
len, nicht erst mit der äsopischen Fabel.
54 I. Prolog und Exposition

Thersites,17 dem allerdings nachher auch der Schlußsatz seiner Rede gelten
wird. Dem Typ des verleumderischen Klatschsüchtigen stellt er nun zu-
nächst als positives Gegenbild den von solchen Lastern freien Philoso-
phen gegenüber, wie ihn Platon Theait. 173d schildert („ob jemand unedel
geboren ist in der Stadt …, bleibt ihm verborgen“). Darauf distanziert er
128
128 sich mittels eines anderen literarischen Exempels von der || allgemeinen
Klatsch- und Kritiksucht: nach der äsopischen Fabel von den zwei Säcken
haben die Menschen immer nur die Fehler der anderen vor Augen – aber
er selber, sagt Themistios in (1), möchte nur die eigenen sehen; fremde
Fehler will er gar nicht sehen können. Und er läßt ,die Menschen‘18 gleich
nochmals, gleichsam zur Verteidigung ihrer böswilligen Neugier, zu Wort
kommen mit einer leichten Abwandlung von fr. 2b und distanziert sich
abermals von ihnen: „Nichts ist ja schöner, sagen sie, als wenn man alles
weiß – und ich sage: alles Gute.“
Fr. 2b fügt sich, wie man sieht, ganz ungezwungen und keineswegs
sprunghaft in den Duktus der Gedanken; und Themistios benützt es auch
gleich wieder dazu, ein weiteres Negativexempel des bekämpften Typus
einzuführen: in (2) und (3) wird Karion zum neuen abschreckenden Bei-
spiel. Und von Karion braucht sich Themistios gar nicht mehr in persönli-
cher Stellungnahme zu distanzieren; die Abschreckungswirkung liegt
diesmal schon darin, daß sich der Koch in der Komödienhandlung bla-
miert und decouvriert. Wenn es zu Beginn von (3) heißt, daß die τέέχνη
Karions µμοχθηρὰ   …   καὶ   ἀλλόόκοτος war, so wird das ἐξαλλάάττειν   der
ἡδύύσµματα am Ende von (2) eben nicht im bloß verbalen ,using recherché
language to describe his sauces‘ bestanden haben, sondern er hat sie reali-
ter verpatzt.19
Nun ist zwar Karions ,seltsame‘ Kochkunst, die den Gästen auf die
Nerven geht, nach (3) im Vergleich zu seinen verleumderischen Übertrei-
bungen das kleinere Übel; trotzdem ist seine Blamage dann umso lehrrei-
cher, wenn auch schon sein Versagen als Koch auf seiner περιεργίία   beruh-
te. Dazu hat Masaracchia schon das Nötige gesagt:20 Karion muß seine
Neugier, die ihn nach den Familiengeheimnissen des Charisios fragen ließ,
großspurig begründet haben mit der Behauptung, seine Kochkunst sei eine
Art von Psychotherapie à la Gorgias,21 er müsse, um richtig kochen zu kön-
nen, Charisiosʼ Stimmung genau kennen, und nur so könne er auch mit

17 262a ἐν   καιρῷ   ὁ   Θερσίίτης   αὐτόόµματόός  πόόθεν   εἰσερρύύη   τῷ   λόόγῳ   καὶ   ἔδωκεν   αὐτῷ  
ἀψοφητὶ  µμεταβῆναι  εἰς  ἕτερον  τύύπον.
18 Darum ist das überlieferte φασίί besser als Wilamowitzʼ φησίί.
19 So fassen auch Masaracchia: „Note agli Ἐπιτρέέποντες di Menandro“ (Anm. 9),
S. 365 und Gomme und Sandbach: Menander (Anm. 5) zu fr. 5 die Stelle auf.
20 Masaracchia: „Note agli Ἐπιτρέέποντες  di Menandro“ (Anm. 9), S. 366f.
21 Vgl. Plat. Gorg. 464d – 465d. – Parallelmaterial aus der Komödie: Masaracchia:
„Note agli Ἐπιτρέέποντες  di Menandro“ (Anm. 9), S. 367.
Karion in den Epitrepontes 55

seinen Gerichten Ehre einlegen. Diese prinzipielle Rechtfertigung seiner


Neugier meint also Themistios mit οἷα   δὲ   λέέγει   ὁ   µμάάγειρος   κτλ., und der
πυνθανόόµμενος, dem sein Fragen nichts nützt, ist Karion selbst, weil er sich
dann doch nur blamiert.
Ob man, um das zu verdeutlichen, schreiben soll οὐδ᾿   ἐκεῖνα   πάάνυ  
ἐλυσιτέέλει   ‹αὐτῷ›   πυνθανοµμέένῳ, ist mir alles andere als sicher. An sich
möchte man ja im Referat des Themistios den Aorist ἐλυσιτέέλησε erwar-
ten; das Imperfekt hat er vielleicht gesetzt, um eine Anspielung an || Me- 129
129
nander deutlicher zu bewahren, dessen Karion pompös erklärt haben mag,
daß Wissensdurst (φιλοµμάάθεια) und Wissen über den Seelenzustand der
Gäste λυσιτελεῖ   πυνθανοµμέένῳ   /   χρηστῷ   µμαγείίρῳ – womit übrigens zu-
gleich das Fehlen des Artikels erklärt wäre. χρηστῷ habe ich übrigens
zugesetzt, weil ich (über Masaracchia22 hinausgehend) mit mehreren sol-
chen Anspielungen auf Menander rechne, von denen eine auch in διὰ  τὴν  
χρηστὴν  φιλοµμάάθειαν stecken wird.23
Auf die Frage, in welcher späteren Szene die Zuschauer von Karions
Mißerfolg beim Ändern oder Auswechseln der Gewürze oder Saucen er-
fahren, kommen wir noch zurück (bei Anm. 66); vorläufig nur soviel: One-
simos kann ja Karion schon in der Eingangsszene das merkwürdig unent-
schlossene Verhalten des Charisios geschildert haben, der zwar derzeit die
Hetäre Habrotonon bei sich hat, aber doch noch an seiner Frau zu hängen
scheint; und Karion kann darauf ankündigen, da werde er sich eben nach
dem καιρόός richten, und nötigenfalls müsse helfen die ἐξαλλαγὴ   ταχεῖα  
τῶν   ἡδυσµμάάτων. Haben die Zuschauer dergleichen im ersten Akt gehört,
werden sie gewiß schmunzeln, wenn Onesimos v. 382 mit folgenden Wor-
ten aus dem Haus kommt: „Einen langsameren Koch hat die Welt noch
nicht gesehen! Um die Zeit waren sie gestern schon lang beim Trinken.“
Die weitere Interpretation des Themistiosabschnitts (3) können wir
auf später verschieben; wir sind nunmehr so weit, den Ablauf der Ein-
gangsszene im Einzelnen zu rekonstruieren. Grundsätzlich dürfen wir ja,
wie schon oben angedeutet, erwarten, daß Onesimosʼ exponierender Be-
richt und Karions Auslassungen über seine Kochkunst nicht beziehungslos
nebeneinander standen, sondern in dramatischer Spannung miteinander
verschränkt waren. Die (auch von Schadewaldt genützte) einfachste Mög-
lichkeit, das zu erreichen, besteht darin, Onesimos sich anfangs gegen das

22 Masaracchia: „Note agli Ἐπιτρέέποντες  di Menandro“ (Anm. 9), S. 365 zu fr. 5.
23 Der ironiereiche Schluß leitet gut auf (4) über; deshalb folge ich auch Opper-
manns größerer Textumstellung, für die noch drei weitere Gründe sprechen: οὐχ  
οἷα  … und ἀλλὰ  καὶ  … rücken näher aneinander (wie sonst zweimal in der Stelle);
Themistios hält die φιλοµμάάθεια selbst für ein Übel, wird sie also nicht bloß als
Metapher für den Diebstahl bestraft wissen wollen; und daß ὅς an µμαστιγίίαν gut
anschließt, aber nach πολλὴ   ἐποικοδόόµμησις in der Luft zu hängen scheint, mag
für die Entstehung des Fehlers mitverantwortlich sein.
56 I. Prolog und Exposition

Ausplaudern der Familiengeheimnisse sträuben zu lassen, sodaß Karion


ihn durch den Vortrag seiner psychotherapeutischen Kochtheorie erst zum
Sprechen bringen muß. Und bei genauem Zusehen läßt sich auch bewei-
sen, daß Menander tatsächlich so vorgegangen ist.
Der Beweis dafür, daß Karion nicht als bloßer Stichwortbringer für
130
130 den bereitwillig plaudernden Onesimos fungiert, liegt in der witzigen || Dis-
proportion zwischen Frage und Antwort in fr. 1:24 „Hat nicht dein junger
Herr – so sag doch schon, Onesimos! – (πρὸς  θεῶν verrät Karions unge-
duldige Neugier, wie in den vergleichbaren Eingangsworten des Dis
exapaton πρὸς   τῶν   θεῶν,   µμειράάκιον   …, wo Bacchis A die Geduld mit
Moschos/Pistoclerus verliert25), derʼs jetzt mit der Habrotonon hält, der
Harfenspielerin (νῦν bereitet das Publikum auf die folgende Überraschung
vor), geheiratet erst ganz vor kurzem (ἔναγχος in betonter Endstellung
und sachlich übertrieben, da die Hochzeit laut v. 1116f. immerhin fünf
Monate zurückliegt)?“ Wer so fragt, erwartet als Antwort mehr als ein
bloßes Ja, er will die erstaunliche Situation erklärt haben. Und was antwor-
tet Onesimos? „Ja, gewiß!“ Der kräftigen Affirmation des πάάνυ   µμὲν   οὖν
muß man entnehmen, daß Onesimos so tut, als wäre der erklärungsbedürfti-
ge Sachverhalt das Selbstverständlichste von der Welt. Und der Witz, der
im Tonfall dieser Antwort liegt, ginge verloren, würde Onesimos gleich
irgendwelche Enthüllungen anschließen. So wird man vermuten dürfen,
daß er, wenn er überhaupt weitersprach, höchstens hinzusetzte: „Drum
tafelt er ja auch nicht hier in seinem Haus, sondern dort nebenan, bei sei-
nem Freund Chairestratos.“
Übrigens zitiert auch der anonyme Aristoteleskommentator, der uns
fr. 1 erhalten hat (C. A. G. IV 5, XXII), die Verse um der pointierten Ant-
wort willen. Er spricht vom Unterschied zwischen ἐρωτηµματικὸς und
πυσµματικὸς   λόόγος,26 also etwa zwischen Bestätigungsfrage und Ergän-
zungsfrage:27 die Bestätigungsfrage kann rasch und knapp beantwortet
werden, mit einem bündigen Ja oder Nein, ja mit bloßem Nicken, die Er-
gänzungsfrage erfordert eine längere Antwort. Nun illustriert der Anony-
mus seine Unterscheidung mittels zweier literarischer Beispiele, die er

24 Οὐχ  ὁ  τρόόφιµμόός  σου,  πρὸς  θεῶν,  Ὀνήήσιµμε,


ὁ  νῦν  ἔχων  τὴν  Ἁβρόότονον  τὴν  ψάάλτριαν  
ἔγηµμ᾿  ἔναγχος;  –  Πάάνυ  µμὲν  οὖν.  
25 Dazu Adolf Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata. Dis Exapaton und
Bacchides. Wien 1984 (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wis-
senschaften, Philosophisch-Historische Klasse 441), S. 27f. [93–94].
26 Sandbach schreibt den Rahmentext unverständlich kurz aus (er hätte zu τῷ   µμὲν
ἐρωτηµματικῷ wenigstens λόόγῳ ergänzen sollen).
27 Diese Termini sind verwendet z. B. bei Johann Baptist Hofmann und Anton Szan-
tyr: Lateinische Syntax und Stilistik. Mit dem allgemeinen Teil der lateinischen Grammatik.
München 1965 (Handbuch der Altertumswissenschaft, Abteilung 2; 2, 2), S. 456.
Karion in den Epitrepontes 57

recht witzig wählt. Für die Ergänzungsfrage zitiert er Od. 7, 238, τίίς  πόόθεν
εἶς   ἀνδρῶν, und Odysseus braucht allein zur Beantwortung von πόόθεν  
immerhin die ganzen Apologoi, von Ἰλιόόθεν  µμε  φέέρων an – wahrhaft eine
lange Antwort auf eine kurze Frage. Der Anonymus hat dieses Mißver-
hältnis noch dazu selbst unterstrichen, indem er eine frühere Frage des
Alkinoos zitiert (im Homertext geht ja der langen Erzählung des Odysseus
unmittelbar voraus auch eine angemessen lange Frage: 8, 548– ||586. Wir 131
131
werden ihm also auch im Fall der Bestätigungsfrage zutrauen, daß er unter
den unzähligen möglichen Beispielen für eine solche das Menanderfrag-
ment gerade deshalb gewählt hat, weil es besonders hübsch zeigt, wie über-
raschend kurz man auf eine relativ komplizierte Frage antworten kann.
Zudem hatte er natürlich die Anfangsverse eines Werkes besonders
leicht parat; denn daß die Epitrepontes mit fr. 1 begannen, nehme ich mit
den meisten Forschern zuversichtlich an. Gomme und Sandbach übertrei-
ben den methodischen Zweifel;28 die Verse eignen sich, da sie sofort einen
Spannungszustand zwischen den Sprechern herstellen,29 bestens für den
Beginn eines dramatischen Spiels. Wie man dem einzigen denkbaren Ein-
wand (daß nämlich Menander der Aufnahmefähigkeit der Zuschauer doch
zuviel zumute, wenn sie zugleich auf die exponierenden Informationen der
Frage und auf die Implikationen des Tonfalls achten sollen, in welchem
die Antwort erfolgt) begegnen kann, hat Schadewaldt schön gezeigt: das-
selbe Spiel von Frage und Antwort konnte sich mehrmals wiederholen.30
Auf diese erste Teileinheit des Eingangsdialogs, in welcher Onesimos
auf die Fragen des Kochs nur zögernd und zurückhaltend reagiert, muß als
zweite klärlich Karions Rechtfertigung seiner Neugier folgen, 31 also seine
prahlerische Selbstvorstellung als Psychotherapeut. Da er dazu nun offen-
bar durch keine neugierige Frage des Onesimos angeregt werden muß,
wäre fr. 2a an dieser Stelle funktionslos; hingegen gehört fr. 5 hierher:
ἐπέέπασα   ἐπὶ   τὸ   τάάριχος   ἅλας,   ἐὰν   οὕτω   τύύχῃ. Für dieses Fragment hat
Arnott eine neue Interpretation vorgeschlagen: er will „ich habe auf den

28 Gomme und Sandbach: Menander (Anm. 5), S. 291: „But clearly some other vers-
es may have preceded“.
29 Vgl. dieselbe Wirkung außer im Dis exapaton im Hautontimorumenos: Quamquam haec
inter nos nuper notitia admodum est eqs. – Noch weiter als Gomme und Sandbach
geht übrigens Thomas B. L. Webster: An Introduction to Menander. Manchester
1974, S. 137, Anm. 27: er hält einen Götterprolog vor der Dialogszene für mög-
lich – wozu aber dann überhaupt noch die Fragen Karions, wenn der Gott schon
das Wesentliche exponiert hätte?
30 In Schadewaldts Bearbeitung geht es von v. 4–19 so weiter; ab v. 20 bringt er
dann fr. 2a, zu Unrecht, wie wir sehen werden.
31 Wieder kann man vergleichen, wie Chremes in Haut. v. 81ff. das anfängliche
Mißtrauen des Menedemus überwinden muß, bevor dieser ab v. 93 mit der Er-
zählung der Vorgeschichte beginnt.
58 I. Prolog und Exposition

Salzfisch noch Salz gestreut“ metaphorisch auffassen, im Sinn unseres ,Öl


ins Feuer gießen‘. Das könne Onesimos sagen, mit Beziehung auf die Wir-
kung, die seine Nachricht, daß Pamphile ein Kind ausgesetzt hat, auf den
von einer Reise heimkehrenden Charisios machte; und es entspräche der
feinen Ironie Menanders, dem Sklaven gerade im Gespräch mit dem Koch
eine Küchenmetapher in den Mund zu legen. Der Einfall ist hübsch, aber
132
132 falsch, weil er in zweifacher Weise an ἐὰν   οὕτω || τύύχῃ scheitert. Die
Wendung muß erstens iterativen Sinn haben 32 (,jedesmal, wenn sichʼs so
ergab, habe ich den Salzfisch noch gesalzen‘), und zweitens hat Masarac-
chia gesehen, daß Themistios sie aufgreift33 und gegen Karion wendet, was
natürlich nur dann Effekt macht, wenn Karion selbst sie gebraucht hatte,
fr. 5 gehört also in einen Zusammenhang wie ,Je nachdem, ob einer zu
hitzig oder zu lau ist, pflege ich ihm dämpfende Speisen zu servieren oder
den Salzfisch nochmals zu salzen.‘ Karion muß dabei über die ,Patienten‘
seiner Therapie gewitzelt haben:34 nach Athenaios 14, 659b sind die Köche
meist σκωπτικοίί  τινες, „wie bei Menander in den Epitrepontes.“
Folgt als dritte Teileinheit die Erzählung des Onesimos. Es ist nicht
mit Sicherheit zu bestimmen, wieweit er den Koch in die Familiengeheim-
nisse einweiht, und die Meinungen sind geteilt. Wilamowitz,35 leider ohne
Gründe zu nennen: „Onesimos … konnte angeben, daß die Sklavin Habro-
tonon für teures Geld gemietet war, aber schon das nicht, daß Charisios an
ihr den Spaß verloren hatte, und ganz gewiß nichts davon, daß Pamphile
ein Kind geboren und ausgesetzt hatte.“ Gerade das letzte halten hinwie-
derum Gomme und Sandbach36 für durchaus möglich, Arnott37 für si-
cher.38 Meines Erachtens haben wir tatsächlich einige Hinweise dafür, daß
Onesimos die Vorgeschichte bis zur Kindesaussetzung doch relativ ausführ-
lich erzählte. Erstens dürfen wir von Menander erwarten, daß er die Neben-
sache, die Prahlereien des Kochs, relativ knapp hielt, aber die Hauptsache,

32 So Masaracchia: „Note agli Ἐπιτρέέποντες di Menandro“ (Anm. 9), S. 367 und


Gomme und Sandbach: Menander (Anm. 5) ad 1.
33 Am Schluß von (3): ,Der Kerl sollte von Rechts wegen (zur Prügelstrafe) aufgehängt
werden, sobald sichʼs so ergibt, wegen seiner sauberen Wißbegierde.‘ – Masarac-
chia: „Note agli Ἐπιτρέέποντες di Menandro“ (Anm. 9), S. 367 plädiert übrigens dafür,
auch fr. 6 in diesen Zusammenhang einzuordnen; das ist möglich, aber unsicher.
34 Siehe Gomme und Sandbach: Menander (Anm. 5) zu fr. 5; vgl. auch Schadewaldt
v. 118–130, nach Anaxippos, Kock III, fr. 1, 28ff.
35 Wilamowitz: Das Schiedsgericht (Anm. 1), S. 47.
36 Gomme und Sandbach: Menander (Anm. 5), S. 291f.
37 Arnott: Menander (Anm. 5), S. 387.
38 Wie Arnott auch Webster: An Introduction to Menander (Anm. 29), S. 137. – Schade-
waldt schließt sich Wilamowitz in der Form an, daß er Onesimos diesen Teil der
Vorgeschichte erst nach dem Abgang des Kochs ins Haus in einem Monolog er-
zählen läßt.
Karion in den Epitrepontes 59

Onesimosʼ exponierenden Bericht, auch quantitativ hervortreten ließ: 39


dazu brauchte er aber auch entsprechenden Stoff. Und zweitens haben wir
noch einen passenden Platz für fr. 2a zu finden: „Du bist mir sympathisch,
Onesimos: du bist ja auch neugierig!“ Die passendste Gelegenheit für diese
Äußerung liefert Onesimos dem Koch gewiß, indem er berichtet, wie er
die Geburt und Aussetzung des Kindes ausgespäht hat.40
Die eben gegebene Übersetzung von fr. 2a müssen wir allerdings 133
133
noch als die einzig vertretbare erweisen. Schadewaldt (v. 20ff.) bringt fr. 2a
und fr. 2b als Karions Bitte noch in Teileinheit zwei unter: „Ich bitte dich,
Onesimos, du steckst doch auch die Nase gern in fremde Sachen! Nun
sagʼ schon, wie das war! Es ist doch nichts so süß, wie alles wissen.“ Das
ist verführerisch und scheint einleuchtend, weil ,Ich bitte dich‘ für φιλῶ  σε
scheinbar durch Liddell und Scott (φιλέέω I 7 ,in making a request‘) ge-
stützt wird. Doch überprüft man die Belege, zeigt sich, daß φιλῶ   σε erst
bei Arrian, Epict. 1, 19, 20 als Bitte fungiert (vielleicht unter dem Einfluß
von amabo te); in den früheren Belegen (Aristoph. av. v. 1010; Herod. 1, 66)
geht es um einen Rat, den der Sprecher geben will und den er mit ,ich
meine es doch gut mit dir‘ unterstützt.41 Karion gibt aber Onesimos gewiß
keinen Rat; an diesen würde sich weder καὶ   σὺ   περίίεργος   εἶ sinnvoll als
Bekräftigung anschließen (man vergleiche dagegen die Fortsetzung bei
Herodas: πείίσθητίί   µμευ·∙   φιλέέω   σε,   ναὶ   µμὰ   τὰς   Μοίίρας), noch hätte der
Aristoteleskommentar Elias (C. A. G. XVIII 1, 27) einen solchen Rat als
Beleg für das allen Menschen gleichsam angeborene χαίίρειν   ἐν   τῇ  
περιεργίίᾳ zitiert (sondern bloß καὶ  σὺ  περίίεργος  εἶ), während „du bist mir
sympathisch, weil du ebenso neugierig bist wie ich“ dazu bestens taugt.
Die Eliasstelle ist übrigens von den Menandereditoren (mit der einzigen
Ausnahme von Edmonds) wieder ganz nachlässig ausgeschrieben (es fehlt
das Objekt zu δηλοῖ, bei Sandbach auch noch εἶναι nach ἡµμᾶς). Elias will
sagen: ,Daß der menschlichen Seele eine δύύναµμις   γνωστικήή innewohnt,
das wird bewiesen durch τὸ  ἐκ  παίίδων  φιλοµμύύθους  ἡµμᾶς  εἶναι  καὶ  χαίίρειν  
ἐν   τῇ   περιεργίίᾳ‘ und diese angeborene Neugier wiederum belegen die
Menanderzitate 2a und b. Als Beleg in diesem Sinn wäre fr. 2a übrigens
auch unbrauchbar, würden wir es mit de Falco42 auf zwei Sprecher vertei-

39 Bei Schadewaldt bleiben für Onesimos nicht mehr als 11 Verse (v. 139–149),
während Karion sich von v. 20 bis v. 138 austoben konnte!
40 So schon Dario del Corno: Menandro. Le Commedie. Bd. 1. Milano 1966, S. 170,
Anm. 9.
41 In diesem Sinn auch Walter Headlam und Alfred D. Knox (Hg.): Herodas. The
Mimes and Fragments. Cambridge 1922 zu Herod. 1, 66 (mit weiteren Parallelen).
42 Vittorio de Falco: Menandri Epitrepontes. Napoli 1961. Für Gomme und Sandbach
ist de Falcos Vorschlag „not out of the question.“
60 I. Prolog und Exposition

len (,,Du bist mir sympathisch, Onesimos. – Und du bist neugierig!“43),


denn Onesimos würde sich dann ja gegen die Neugier wenden.
Die wahrscheinlichste Annahme bleibt also, daß in der größten und
wichtigsten Teileinheit drei der Eingangsszene Onesimos zunächst die Vor-
134
134 geschichte des Spiels bis zu seiner Entdeckung der Kindesaussetzung || in
zusammenhängender Rede und relativ breit erzählt hat, daß darauf – auch
mit Gliederungsfunktion44 – ein Zwischendialog folgte, der mit fr. 2a be-
gann, worauf der zweite Teil des Onesimosberichts die gegenwärtige Lage,
wie sie sich nach der Heimkehr des Charisios ergeben hat, erklärt.
Natürlich wüßten wir zu gern, wieviel der Sklave im zweiten Teil seiner
Erzählung über den Seelenzustand seines Herrn verrät (oder überhaupt
weiß). Aber da tappen wir im Dunkeln, weil uns die Ungunst der Überlie-
ferung gerade bezüglich der Haltung des Charisios zu schaffen macht. Im
erhaltenen Text hören wir ihn selber erst im vierten Akt sprechen
(v. 908ff.); da beschuldigt er sich, über das Unglück, das Pamphile getrof-
fen hatte, in falscher Selbstgerechtigkeit geurteilt zu haben. Im dritten Akt
bezeugt Habrotonon (v. 432ff.), daß er nichts mehr von ihr wissen will: sie
darf jetzt „nicht einmal bei Tisch neben ihm sitzen“ und erfüllt „schon
den dritten Tag“ die rituelle Keuschheitsvorschrift. Ob es davor einen
vierten Tag gegeben hatte, wissen wir nicht; jetzt wagen es jedenfalls schon
andere Gäste, sie zu belästigen (v. 430f.), und Chairestratos, der auch ein
Auge auf sie geworfen hat, will sich zukünftig nur deswegen von ihr fern-
halten (v. 982ff.), weil er nach ihrer Intrige mit Kind und Ring den Ein-
druck hat, Charisios werde sie nunmehr als die Mutter seines Sohnes aner-
kennen.
Daß Charisios sich schon seit Tagen von Habrotonon fernhält (wenn
er sich ihr überhaupt genähert hatte), ist seinen Freunden also bekannt; so
kann es auch Onesimos wissen und weitererzählen; aber was weiß und sagt
er über das Verhältnis Charisios – Pamphile? Hier könnten wir nur weiter
kombinieren, wenn wir wüßten, was die Prologgottheit in der zweiten
Szene des ersten Akts darüber berichtet oder was Charisios selbst in der
darauffolgenden dritten den Zuschauern mitgeteilt haben mag.45 Denn

43 Zum Beweisziel des Elias passen würde nur ,Du bist mir sympathisch, Onesimos.
– Ja bist denn du auch neugierig?‘ Da aber Onesimos Karions Neugier schon seit
fr. 1 kennt, müßte er den Überraschten bloß spielen; und das wäre doch eine all-
zu komplizierte Annahme, überdies müßte dann fr. 2a – was ich ja eigentlich be-
weisen will – erst recht wieder an eine Stelle gesetzt werden, wo Onesimos be-
reits von seiner eigenen Neugier erzählt hat.
44 Man vergleiche wieder den Heautontimorumenos: Menedemus erzählt (v. 96–117)
die Vorgeschichte bis zum entscheidenden Faktum der Auswanderung seines
Sohnes – Zwischendialog (v. 118–120) – zweiter Berichtsteil, der die gegenwärti-
ge selbstquälerische Haltung des Menedemus erklärt (v. 121–150).
45 Schließlich mag auch Onesimos selbst in der verlorenen Anfangsszene des zweiten
Akts nochmals über Charisios monologisiert haben (vgl. auch den Anfang von Akt 3).
Karion in den Epitrepontes 61

einen Auftritt des Charisios hat es – gegen die communis opinio, die nach
dem Prolog gleich Chairestratos und Smikrines auftreten läßt – höchst-
wahrscheinlich gegeben. Ich erschließe ihn aus der bei Menander sonst
regelmäßig zu beobachtenden Technik, im ersten Akt nach dem – von den
Zuschauern aus gesehen – ersten Interessenschwerpunkt des exponieren-
den Eingangs46 und vor den abschließenden Szenen mit || neuauftretenden 135
135
Figuren des Spiels47 einen zentralen Schwerpunkt zu bilden, der gewiß
nicht nur aus einem Monolog der Nebenfigur Chairestratos bestehen
kann.48 Charisios muß also seine Abneigung gegen Habrotonon, vor allem
aber seinen verwundeten Stolz und seine noch immer bestehende Zunei-
gung zu Pamphile (eventuell durch die Absicht, ihr durch sein scheinbares
Lotterleben die Rückkehr ins Vaterhaus ohne Gesichtsverlust zu ermögli-
chen) den Zuschauern vor Augen geführt haben, natürlich in einer Weise,
die ihnen über die Äußerungen des Onesimos und der Prologgottheit
hinaus neuen, d. h. tieferen oder ironisch wirkenden Einblick in seine
Motive und Pläne gewährte.49
Nur in Form der Hypothese (welcher aber immerhin ein nicht unbe-
trächtlicher Wahrscheinlichkeitsgrad zukommt, weil sich alle Daten, über
die wir verfügen, so am besten in einen dramatisch stimmigen Ablauf
einordnen lassen) können wir demnach den Gesprächsverlauf in der Ein-
gangsszene von fr. 2a an rekonstruieren. Karion wird nicht ohne spötti-
schen Unterton feststellen, daß auch Onesimos neugierig sei (fr. 2a); One-
simos wird sich leicht gekränkt dagegen verwahren, weil er immerhin das
Interesse seines Herrn vertreten habe; darauf Karion: „Du brauchst dich
nicht zu rechtfertigen; nichts ist ja schöner, als wenn man alles weiß“
(fr. 2b). Das Zwischenspiel mag die Mitteilsamkeit des Onesimos doch
etwas gedämpft haben, sodaß er im zweiten Teil seiner Erzählung (nicht
ohne leichte Bosheit) sich knapper faßt und die Wirkung, die der Bericht
über seine Entdeckung auf Charisios machte, als schwer deutbar hinstellt:
Charisios habe zwar sein Haus verlassen, aber man könne jetzt doch nicht

46 Erste Szene(n) und Prolog, bzw. Prolog und erste Szene(n).


47 Aspis: der Koch; Dyskolos: Knemons Tochter und der Nachbarsklave; Perikeiro-
mene: der Nachbarsklave; Samia: Demea und Nikeratos. In den Epitrepontes also:
Smikrines.
48 Man vergleiche nochmals: Aspis: der geizige Smikrines und der treue Daos; Dys-
kolos: Knemon als Gegenspieler des Sostratos; Perikeiromene: Sosias, Doris und die
ins Nachbarhaus übersiedelnde Glykera; Samia: Parmenon, Moschion und Chry-
sis nach der Nachricht von Demeasʼ Heimkehr.
49 Der erste Akt muß also länger gewesen sein als Gommes Verszählung vermuten
läßt; seine Rekonstruktion des Cairensis (in Gomme und Sandbach: Menander
[Anm. 5], S. 43f.) wird dadurch nur insofern berührt, als der den Epitrepontes vo-
rausgehende Heros von p. 29 bis 58 oder 59 reichen muß, weil diese nicht erst
p. 61 beginnen können.
62 I. Prolog und Exposition

recht sagen, welche ,Behandlung‘ durch den Koch ihm am meisten er-
wünscht sein werde. Aber Karion läßt sich nicht so leicht einschüchtern:
dann wird er eben selbst die Situation im Haus beobachten und die Saucen
dem καιρόός anpassen müssen! Zu guter Letzt, als er sich auch noch über
solche Möglichkeiten des plötzlichen Einstellens auf geänderte Umstände
prahlerisch verbreiten will, muß ihn Onesimos zum Schweigen bringen
und ins Haus treiben: „Du redest und redest nur, wie du ihn kurieren willst
136
136 || – (fr. 3:) was kochst du nicht das Mittagessen? Er sitzt schon längst am
Tisch, für nichts und wieder nichts!“
Unsere Annahme, daß Onesimos etwas gekränkt und gereizt ist, be-
ruht neben dem oben schon zitierten Zeugnis des Athenaios über Karions
Neigung zum Spötteln auch darauf, daß fr. 3 (…  ὁ  δ᾿  ἀλύύει  πάάλαι  κατακείί-­‐‑
µμενος) von Photios als Beleg für ἀλύύειν im Sinn von µμηδὲν   πράάττειν
zitiert wird. Verdenius 50 und Arnott51 wenden sich zwar gegen ἀλύύειν als
,to achieve nothing‘, es passe im Kontext besser ,er ärgert sich vor Unge-
duld‘. Aber wenn der Kontext, auf den Onesimos gereizt reagiert, in den
prahlerischen Ankündigungen Karions besteht, was er Charisios Gutes tun
werde, dann kann nach den anderen zuvor besprochenen und als vertrau-
enswürdig befundenen Überlieferungszeugen auch noch Photios Recht
behalten.52
***
Karions Neugier, Spottsucht und Ruhmredigkeit hat der Eingangsszene
dramatisches Leben verliehen, indem sie Onesimosʼ Widerstand heraus-
forderte. In seinem Auftritt im dritten Akt kommen dieselben Eigenschaf-
ten gesteigert ins Spiel: der σκωπτικόός und περίίεργος wird zum
κακήήγορος, und seine Eitelkeit erleidet eine empfindliche Niederlage.
Doch bevor wir im einzelnen verfolgen, wie dieser von Themistios (3)
bezeugte, doch schon aufgrund von Menanders bekannter ökonomischer
Ausnützung der Charaktere für die Handlung zu erwartende Inhalt der
Szene in die kümmerlichen Reste ihrer Verse einzupassen ist, einige Zwi-
schenbemerkungen zum Zeitablauf.
Gomme und Sandbach53 plädieren dafür, daß die Handlung des drit-
ten Akts erst am Morgen des nächsten Tages spielt. Das wäre grundsätz-
lich nicht auszuschließen (wie u. a. der Heautontimorumenos zeigt), kann aber
für die Epitrepontes auch gerade im Zusammenhang mit den Karion-Szenen

50 Willem J. Verdenius: „Notes on Menanderʼs Epitrepontes“, in: Mnemosyne 27


(1974), S. 17–43, hier: S. 18.
51 Arnott: Menander (Anm. 5), S. 393.
52 Auch in v. 382 („Einen langsameren Koch hat die Welt noch nicht gesehen!“)
mag neben Ungeduld auch Gereiztheit hörbar werden.
53 Gomme und Sandbach: Menander (Anm. 5), S. 325f.
Karion in den Epitrepontes 63

widerlegt werden. So bereits Arnott,54 dessen Gegenargumente wir aller-


dings verstärken müssen, da soeben Hunter55 die Frage noch immer als
offen ansieht. Gomme und Sandbach verweisen erstens auf Onesimosʼ
Absicht im zweiten Akt (v. 412ff.), Charisios den Ring ,morgen‘ zu zeigen;
und am Anfang des dritten Akts (v. 419ff.) sage er ausdrücklich, er habe
schon mehrmals dazu einen Anlauf genommen. Darin liegt nicht deswe-
gen kein Beweis für eine Zwischennacht, weil ,morgen‘ || auf der komi- 137
137
schen Bühne niemals käme,56 sondern weil Onesimos bloß gesagt hatte:
,Es ergibt sich vielleicht heute keine rechte Gelegenheit dazu, sondern erst
morgen.‘ Nichts hindert ihn also, es doch noch ,heute‘ zu versuchen.
Zweitens: Syros will bis ,morgen‘ im Haus des Chairestratos bleiben
(v. 378f., 414f.), erst in der Früh wieder an seine Köhlerarbeit gehen.
Wenn er also im dritten Akt erklärt, er müsse irgendwohin gehen (v. 445),
und zwar in die Stadt (v. 462), so dürfen wir diese seine neue Absicht nicht
ohne weiteres mit der zuvor geäußerten identifizieren (soweit mit Arnott).
Was aber, wenn er seinen Plan inzwischen geändert hätte, also jetzt statt
aufs Land in die Stadt gehen wollte? Die Antwort auf diesen denkbaren
Einwand lautet, daß Menander nichts getan hat, um den Zuschauern eine
solche Planänderung zu suggerieren, aber manches, um ihnen begreiflich
zu machen, warum er plötzlich zwischendurch in die Stadt will: nämlich
um sich Rechtsbelehrung zu holen. Syros legt von allem Anfang an ein
nicht gewöhnliches Interesse für Fragen des Rechts und für die Möglich-
keiten juristischer Argumentation an den Tag: man beachte die salbungs-
volle Tirade, mit der er Smikrines überredet, den Schiedsrichter zu machen
(v. 232ff.); wie er dann, im juristischen Teil seiner Rede (v. 303–319), nicht
einfach sagt ,ich habe die Erkennungszeichen des Kindes nicht schon
früher verlangt, weil ich erst jetzt von ihnen hörte‘ (v. 313–315, vgl.
v. 306);57 als er dann erfährt, daß der Ring Charisios gehört (v. 393),
kommt ihm auch nicht der Gedanke ,Da haben wir vielleicht den Vater
entdeckt‘, sondern ,Ich muß das Eigentum des Waisenkindes retten‘
(v. 397) und ,ich werde mit aller Welt prozessieren‘ (v. 402); zuletzt lautet
sein Schlußwort am Ende des zweiten Akts: πάάντων   δ᾿   ἀµμελήήσανθ᾿,   ὡς  
ἔοικε,   δεῖ   δίίκας   µμελετᾶν·∙   διὰ   τουτὶ   πάάντα   νυνὶ   σῴζεται. So vorbereitet
und eingestimmt, wird sich kein Zuschauer darüber wundern, wenn Syros
bei seinem Auftritt im dritten Akt (v. 442ff.) voller Mißtrauen gegen One-
simos doch gleich noch am selben Tag die Sache entschieden sehen will;

54 W. Geoffrey Arnott: „Four Notes on Menanderʼs Epitrepontes“, in: Zeitschrift für


Papyrologie und Epigraphik 24 (1977), S. 17f.
55 Richard L. Hunter: The New Comedy of Greece and Rome. Cambridge 1985, S. 159,
Anm. 30.
56 Mit Arnott: Menander (Anm. 5), S. 17, Anm. 2.
57 Das hat ihm prompt den unverdienten Ruf der Habgier eingetragen, z. B. bei
Ernst Honigmann: The Lost End of Menanderʼs Epitrepontes. Bruxelles 1950, S. 17ff.
64 I. Prolog und Exposition

wenn er, als ihm Onesimos erklärt, daß der Ring bei einer Vergewaltigung
verloren ging, wieder nur fürchtet, der andere wolle bloß auf eine Gewinn-
teilung hinaus (v. 458ff.); und wenn er schließlich mit seiner Gegendrohung
herausrückt (v. 462f.): „Ich werde, wenn ich meinen Weg erledigt habe,
wieder kommen – jetzt gehʼ ich nämlich in die Stadt, und dann werdʼ ich
138
138 wissen,58 was in der Sache zu tun || ist!“ Dieses Wissen wird er eben von
einer Rechtsberatung in der Stadt mitbringen.
Damit ist übrigens nicht nur erklärt, warum Syros, der vorher nichts
dergleichen im Sinn hatte, jetzt plötzlich in die Stadt gehen will; zugleich
ergibt sich die Notwendigkeit, ihn von dort am Schluß des fünften Akts
auch wiederkehren zu lassen. Gegen Gomme und Sandbach,59 die nur
mehr mit Charisios rechnen, und Arnott,60 der außerdem noch an Habro-
tonon und Chairestratos denkt (die beiden passen eher in die erste Akt-
hälfte bis v. 1061), behält also Wilamowitz61 recht, zumal Smikrines und
Onesimos mit Syros, der endlich den Ring zurückhaben will, eine hübsche
Variation der Schiedsgerichtsszene aufführen können. So hat Menander
die Gerichtssüchtigkeit des Syros ebenso ökonomisch ausgenützt wie die
περιεργίία Karions.
Drittens beweist Arnott62 die Eintägigkeit der Handlung mit dem
Zeitablauf des ἄριστον: Karion, im ersten Akt dafür gemietet, ist im zwei-
ten Akt noch nicht mit dem Kochen fertig (v. 382ff.); das Mahl kann also
in der Aktpause stattfinden, und beim anschließenden Gelage können die
Gäste schon so animiert sein, daß sie Habrotonon zu belästigen beginnen
(v. 430f.).63 Dazu Hunter: „The background party which is going on is …
not helpful …, as it is clear that it has been going on for a few days (cf.
vv. 136–7, 440–1).“ Der Einwand ist völlig substanzlos, weil Karion sicher
erst für diesen Tag gemietet wurde – warum sonst in der Eingangsszene
seine neugierigen Fragen? – und weil die dramatische Ökonomie erfordert,
daß er sich im dritten Akt mit eben diesen Speisen blamiert, die er im
ersten Akt großspurig angekündigt hatte.

58 Arnott: Menander (Anm. 5) scheint mit „I’ve got to learn the next move in the
game“ die Implikationen von τίί   δεῖ   ποιεῖν erfaßt zu haben (in: „Four Notes on
Menanderʼs Epitrepontes“ [Anm. 54], S. 18 ließ er εἰσόόµμενος noch allein von ἥξω  
abhängen statt auch von ἔρχοµμαι: „heʼll hurry back to find out what has happen-
ed“).
59 Gomme und Sandbach: Menander (Anm. 5), S. 383.
60 Arnott: Menander (Anm. 5), S. 521.
61 Wilamowitz: Das Schiedsgericht (Anm. 1), S. 76 und S. 215.
62 Arnott: „Four Notes on Menanderʼs Epitrepontes“ (Anm. 54), S. 18.
63 Allerdings: müssen sie dazu wirklich unter der Wirkung des Weins stehen, genügt
es nicht, daß Habrotonon während des Essens nicht mehr neben Charisios liegt
(v. 434)? Karion wird jedenfalls mehr beleidigt sein, wenn die Gäste schon sein
Essen und nicht erst den Wein im Stich lassen.
Karion in den Epitrepontes 65

***
Die Lückenhaftigkeit der Szene v. 603 (oder 609?) bis 631 gibt uns manche
Probleme aufzulösen. Wir beginnen, weil wir so gleich angeregt werden,
auf den Gesamtverlauf der Szene zu achten, am besten mit der Frage, ob
Smikrines und Karion überhaupt miteinander sprechen oder ob Smikrines
die monologischen Äußerungen Karions nur kommentiert. Gomme und
Sandbach64 sehen keine Möglichkeit, die Frage zu entscheiden, aber unser
Themistios hilft uns weiter, Abschnitt (3): ,Karion schwatzt || und tuschelt 139
139
und verleumdet und trägt die Familiengeheimnisse aus dem Haus, und
nicht nur so, wie er sie gehört hat, sondern er setzt viel hinzu und baut die
schlechten Nachrichten aus.‘ Was er drinnen erlebt hat, war zweierlei:
Habrotonon war mit Säugling und Ring vor Charisios getreten und hatte
ihm erfolgreich weisgemacht, er sei der Vater ihres Kindes; und die Tisch-
runde hatte sich daraufhin aufzulösen begonnen und kein Interesse mehr
für Karions psychotherapeutische Kochkünste gezeigt. Der eitle Koch ist
natürlich besonders von der Mißachtung seiner Kunst zutiefst getroffen
(v. 610f. ὢ   τρισάάθλιος   ἐγὼ   κατὰ   πολλάά), wird also vor allem darüber
bittere Klage führen und hätte an sich nicht unbedingt Anlaß, den hin-
terszenischen Auftritt Habrotonons verleumderisch zu übertreiben. Aber
selbst wenn er das tun will, weil er ihr die Hauptschuld am Abbruch des
Gelages zuschreibt, Verleumdung braucht jedenfalls einen Adressaten.
Also spricht Karion nach seinem monologischen Verzweiflungsausbruch
am besten doch direkt mit Smikrines; und zwar wird dieser mit einer Frage
an ihn herangetreten sein, zu der er durch eine vorausgegangene alarmie-
rende Äußerung Karions veranlaßt wurde.
In diesem Sinn müssen wir also die Szene zu ergänzen versuchen; und
soweit den überlieferten Resten etwas zu entnehmen ist, lassen sie sich
auch recht gut in dieses Bild einfügen. Die Verse 603–609a65 konnten
etwa besagen: ,So eine Schande! Ich habe doch schon bei vielen Leuten
mit meiner Würzkunst Erfolg gehabt (v. 603f. πολλῶν   ἐγὼ   [χάάριν   ἐξ  
ἐµμῶν   ἡδυσµμάάτ]ων   ἐκτησάάµμην).66 Diese Psaltria mit ihrem Kind ist die
einzige, die mir (v. 606 µμοι   µμόόνη) eine solche Blamage beschert. Was eßt

64 Gomme und Sandbach: Menander (Anm. 5), S. 347, vgl. auch Arnott: Menander
(Anm. 5), S. 465: „Karion appears to be so excited by what he has lately wit-
nessed in Chairestratosʼ house that at least until line 623 – and perhaps even af-
ter that – he fails to notice the presence of Smicrines“ usw.
65 De Falco und del Corno lassen Karion erst v. 609 auftreten, aber Smikrines kann
nicht nach einem einzigen entrüsteten Ausruf wie „Kein anderer hat sich so um
euch gesorgt!“ feststellen „Bei ihrem Mittagessen tut sich ja allerlei!“ Ποικίίλον
setzt die Erwähnung von mehr Details voraus.
66 Meine Ergänzung beantwortet zugleich die oben S. 129 aufgeworfene Frage, woher
die Zuschauer (und Themistios) von Karions Blamage mit den Saucen wissen.
66 I. Prolog und Exposition

ihr denn nicht weiter? So exquisit wird euch kein anderer mehr kochen
(v. 609 οὐδεὶς  …  ἕτερος  ὑµμῖν)!‘ In diesem Ton jammert Karion weiter bis
v. 614, er beschwert sich über das Verhalten der Gäste (auf v. 611f. kom-
men wir zurück) und wünscht sie zuletzt zur Hölle: alles kein Anlaß für
Smikrines, jetzt schon eine Frage zu stellen, also wird er v. 615 (f. ?) aber-
mals a parte sprechen.
Nun muß Karion endlich von der Hauptsache reden, und der Inhalt
seines Berichts läßt sich leicht erraten, wenn man an die Bedürfnisse der
Zuschauer denkt. Sie haben erstens ein Recht zu erfahren, wie Charisios
auf die Ringintrige reagiert hat (das wird zugleich Smikrines aktivieren),
140 und sie müssen zweitens die übertriebenen Lügen Karions als solche || er-
kennen können. Die zweite Bedingung ist nur zu erfüllen, wenn er (auch)
über Habrotonon lügt: deren wahre Absichten kennt das Publikum ja,
während eine übertriebene Reaktion des Charisios nach dem Schock, den
er erfuhr, immerhin im Bereich des Möglichen läge.
Tatsächlich sind die geforderten Inhalte im Rahmen von v. 616 (617
?) bis v. 629 unterzubringen. Bis v. 620 kann Karion die erste Information
liefern: ,Charisios hat das Kind anerkannt‘ (natürlich wieder in eine Be-
schwerde wie ,und bloß deswegen laßt ihr das Mahl im Stich?‘ verpackt).
Darauf spricht Smikrines in v. 621 den Koch an: Χα[ρισίίῳ   παῖς   γέέγονεν  
ἐκ   τῆς   ψαλ]τρίίας; (Sandbachs Ergänzung hat alle Wahrscheinlichkeit für
sich.) Karion: ,Ja, eben jetzt (v. 622 νῦ[ν   ἄρτι]) hat erʼs vor allen Gästen
zugegeben‘. Noch ein paar Zeilen lebhaften Dialogs, dann ab v. 625 der
Übergang zur Verleumdung der Habrotonon: ,Die Frau wird er fortschi-
cken (ἀποπέέ]µμπειν), damit ihm das Geld für eine andere reicht (ἵνα  …  τὰ  
χρήήµματα). Und das Mädel tut jetzt so groß, wie (ἡλίίκη) noch keine Hetäre
war. Ich will, sagt sie, die Herrin deines Hauses sein (βούύλοµμαι   εἶν[αι   …  
δ]έέσποιν᾿  οἰκίίας)!‘
Eine Auseinandersetzung mit den Rekonstruktionen der Szene bei
Schadewaldt oder Arnott wäre umständlich und im zweiten Fall auch nicht
sehr ertragreich, jedenfalls was das Ergebnis betrifft; denn in diesem
stimme ich mit Arnott in den Grundlinien überein. Gewonnen sein sollte,
so hoffe ich, neben einigen neuen Vorschlägen im Detail vor allem ein
besserer Einblick in den Gesamtablauf der Szene und damit eine festere
Absicherung des Gesamtresultats.
Noch ist Karions Abgang zu besprechen. Wilamowitz hatte in v. 630
ergänzt ὦ   Ἡρ[άάκλεις,   Χαιρέέστρατος   καὶ]   Σιµμίίας, aber Simias gehört, wie
schon eingangs erwähnt, nicht zum Kreis der Freunde, ist vielmehr als der
Gehilfe des Kochs anzusehen. Darum hat Sandbach vorgeschlagen ὦ  
Ἡρ[άάκλεις,   οἷον   τὸ   κακόόν·∙   ποῦ]   Σιµμίίας, dann käme Karion am Schluß
nochmals auf sein Klagemotiv zurück – hübsch als Abrundung, aber ohne
den raschen Abgang zu motivieren. Da war Wilamowitz schon auf der
richtigen Spur: der Koch will den Gästen nicht mehr begegnen (nicht weil
Karion in den Epitrepontes 67

er sie fürchten würde, sondern weil er beleidigt ist). Der Umstand, daß ihr
Auftreten später dazu dient, ihn zu verjagen, widerlegt übrigens del
Cornos Vermutung, daß die ersten Gäste schon aus dem Haus kommen,
während Karion sagt: ,Jetzt sind sie also dabei, die Gesellschaft irgendwie
aufzulösen und fortzugehen‘ (v. 611f.). Aber dieser frühere Passus kann
uns zu einer besseren Ergänzung in v. 630 anregen: ὦ  Ἡρ[άάκλεις,  ἥκουσι·∙  
ποῦ   ᾿στιν]   Σιµμίίας; „Du lieber Gott, da kommen sie!“ – nämlich Chaire-
stratos und einige stumme Figuren (Smikrines wird sie dann in v. 645 und
v. 660 als ὑµμεῖς anreden).
Zum Abschluß sei noch kurz verfolgt, wie Menander die eben disku- 141
tierte Szene im Fortgang des Spiels weiter ausnützt. Der Koch selbst ver-
schwindet ja, aber er hinterläßt ein wirksames und brauchbares Motiv, den
falschen Verdacht gegen Habrotonon. Und prompt wird dieses Motiv
gleich anschließend von Chairestratos aufgegriffen (v. 631ff.). Daß dieser
in v. 633f. von Habrotonons Hochmut spricht, nicht von dem des Chari-
sios, hat Arnott67 erkannt. Abgesehen davon, daß nichts für die ältere
Annahme spricht,68 positiv fallen für die neue drei Umstände ins Gewicht.
Erstens: Wenn zuerst der unbeteiligte Koch und dann der persönlich
betroffene Chairestratos das Thema ausführen, so hat diese Amplifikations-
technik im nächsten Akt ihre Analogie, wo erst der Sklave Onesimos und
dann Charisios selbst dessen Betroffenheit und Gewissensbisse vorführen.
Zweitens: Auf der Fehlmeinung des Chairestratos über Habrotonon
beruht der Anfang des fünften Akts, Menander muß sie also im dritten
gebührend exponiert haben; dazu ist aber nur hier und in den wenigen
verlorenen Schlußversen des Akts Gelegenheit69 – also wird er beide Gele-
genheiten genützt haben.
Drittens und letztens ist nicht zu übersehen, daß die Fehlinformationen
über Habrotonon auch auf Smikrines weiterwirken sollen. Wie sie weiterge-
wirkt haben, zeigt der vierte Akt: wenn meine Vermutung über die Anord-
nung der neugefundenen Fragmente stimmt,70 dann ist das dritte und letzte
Hauptargument in Smikrinesʼ großer Rede die Gefährlichkeit der Hetäre.

67 Arnott: Menander (Anm. 5), S. 469.


68 Charisios wäre aus zwei Gründen die schlechtere Wahl: Kritik des Freundes an
ihm wäre für die weitere dramatische Handlung funktionslos (es kommt ja weder
zur Auseinandersetzung noch zur Versöhnung zwischen ihnen zum Thema
,Hochmut‘); und exponieren konnte er seinen Hochmut auch selber, in dem
oben S. 134f. postulierten Auftritt des ersten Akts.
69 Noch dazu ist in den maximal 10 Versen Einiges unterzubringen: der Abschied
von den mit ihm aufgetretenen Gästen, die wohl auf die Stadtseite abgehen, wäh-
rend er die Einsamkeit wählen wird (vgl. Anm. 5); in diesen Abschiedsworten ei-
ne Anspielung auf die µμοχθηρὰ  καὶ  ἀλλόόκοτος  τέέχνη des Kochs (vgl. Themistios
2f.); und Äußerungen über Charisios, Smikrines und Habrotonon.
70 Siehe Anm. 3.
II. Handlungsgliederung
Handlungsgliederung in Nea und Palliata:
Dis exapaton und Bacchides*

Inhaltsverzeichnis 33
Vorbemerkung .................................................................................................. 72

Einleitung ........................................................................................................... 73

1. Strukturfragen ............................................................................................. 75
1.1 Menander: Interferenz Akt/Fabel .................................................... 76
1.1.1 Akte, Webster-Kriterium .......................................................... 76
1.1.2 Protasis, Epitasis, Katastrophé ............................................... 78
1.1.3 Binnenstruktur der Akte ........................................................... 80
1.2 Palliata: Fabelteil = Actus .................................................................. 82
1.2.1 Metrische Großgliederung ....................................................... 82
1.2.2 Actuspausen ............................................................................... 84
1.2.3 Inhaltsgliederung ...................................................................... 86

2. Dis exapaton .................................................................................................. 86


2.1 Datierung ............................................................................................. 86
2.2 Bühnenhäuser...................................................................................... 89
2.3 Der erste Akt ....................................................................................... 92
2.4 Die (fünf) Aktgrenzen .................................................................. 99998
2.5 Die fünf Akte nach den Strukturkriterien ..................................... 102
2.6 Die Akte im einzelnen...................................................................... 105
2.6.1 Zweiter Akt .............................................................................. 105
2.6.2 Dritter Akt ................................................................................ 109
2.6.3 Vierter Akt (1) .......................................................................... 112

3. Bacchides ...................................................................................................... 117


3.1 Actus und Actuspausen ................................................................... 117
3.1.1 Pausen in III 4 – IV 1 .............................................................. 117
3.1.2 Die anderen Actus ................................................................... 120

* Zuerst erschienen als Handlungsgliederung in Nea und Palliata. Dis Exapaton und
Bacchides. Wien 1984 (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wis-
senschaften, Philosophisch-Historische Klasse 441).
72 II. Handlungsgliederung

3.2 Die Briefe 128


3.3 Dis exapaton, vierter Akt (2) 133
3.3.1 Epitasisteil bis 670 133
3.3.2 Mittelteil 134
3.3.3 Katastrophéteil ab IV 5 137
3.4 Bacchides, dritter Actus 142
3.5 Bacchides, vierter Actus und Dis exapaton, fünfter Akt 146
3.5.1 Bacch. IV 9 146
3.5.2 Dis ex. ε 150
3.5.3 Bacch. V 2 153
4. Fazit und Folgerungen 155
5. Literaturverzeichnis 163

5 Vorbemerkung
Das Manuskript der Untersuchung war abgeschlossen im Oktober 1983;
die Sekundärliteratur, die mir erst danach zugänglich wurde, habe ich bei
der Korrektur nicht mehr eingearbeitet, weil ich mich durch sie zu keiner
Änderung meiner Darlegungen veranlaßt sah, auch nicht durch Alain
Blanchard: Essai sur la composition des comédies de Menandre. Paris 1983 (zu
den Bacchides: S. 278–293).
Für die Anteilnahme und Hilfe, die das Zustandekommen der Schrift
und ihre Publikation begleitet haben, möchte ich wenigstens teilweise
öffentlich danken: Konrad Gaiser, Erich Woytek und besonders Walther
Kraus für das wissenschaftlich-freundschaftliche Interesse, das sie meiner
Arbeit bekundet und bewiesen haben, Dr. Christine Ratkowitsch für ihre
Mitarbeit vom Typoskript bis zur Korrektur. Schließlich danke ich der
Institution, die die rasche Drucklegung ermöglichte: der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften.
Wien, im März 1984
Adolf Primmer
Dis exapaton und Bacchides 73

Einleitung 77
Gesetzt den Fall, es könnte uns gelingen, analog zu den Baugesetzen der
Fuge oder des Sonatensatzes die der Komödie Menanders zu formulieren
und dazu noch den Nachweis zu führen, daß auch die Dichter der römi-
schen fabula palliata bestimmte positive Kompositionsregeln befolgten,
die ihre Stücke zu in sich gegliederten operetten- oder musicalähnlichen
Gebilden eigener Art machten (,Posse mit Gesang‘) – die Kenntnis solcher
Gesamtformen und die auf dieser Kenntnis beruhende vergleichende
Formanalyse von Nea und Palliata vom jeweils genosspezifischen Gesamt-
gebilde her müßte der Erforschung der hellenistischen und der römischen
Komödie neue fruchtbare Möglichkeiten bieten. Die klassische Philologie,
die das antike Lustspiel der literaturwissenschaftlichen Forschung und dem
allgemeinen Kulturbewußtsein zugänglich machen und erschließen will,
sieht sich ja nicht nur vor die Aufgabe gestellt, einen vorhandenen Fundus
von Nea- und Palliatakomödien literarhistorisch und ästhetisch zu erklären
und zu würdigen; ihre wissenschaftliche Arbeit ist wesentlich und unaus-
weichlich mitbestimmt von den Gegebenheiten der Überlieferung. Von
den Palliatendichtern Plautus und Terenz sind uns 26 Komödien erhalten,
die wir besser verstehen würden, könnten wir sie mit den griechischen
Originalen vergleichen, deren Bearbeitungen sie sind;1 und aus der Nea
kennen wir derzeit aufgrund von Papyrusfunden vollständig ein einziges
Stück Menanders – den Dyskolos, seit dem Jahr 1959 – und annähernd
vollständig seine Epitrepontes, seit 1907, sowie die Samia, seit 1969 (vier
weitere Stücke, Aspis, Misumenos, Perikeiromene und Sikyonios, überblicken
wir in größeren Bruchstücken).
Das bedeutet, da Plautus und Terenz je vier Komödien Menanders
bearbeitet haben,2 daß sich unsere Kenntnis der Produktion dieses || be- 88
deutendsten Vertreters der Nea quantitativ annähernd verdoppelt, wenn es

1 Die Palliatenforschung war nach einer langen quellenanalytischen Phase, für


welche Namen wie F. Leo und G. Jachmann stehen können, zwischenzeitlich auf
die rein deskriptive Erfassung der innerrömischen Gegebenheiten eingeschwenkt
(vertreten etwa durch George E. Duckworth: The Nature of Roman Comedy. A Study
in Popular Entertainment. Princeton 1952 und Heinrich Marti: Untersuchungen zur
dramatischen Technik bei Plautus und Terenz. Winterthur 1959). Die Rückkehr zur
Analyse bezeugt schon in seinem Titel der Forschungsüberblick von Konrad
Gaiser: „Zur Eigenart der römischen Komödie. Plautus und Terenz gegenüber
ihren griechischen Vorbildern“, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Band
I, 2: Von den Anfängen Roms bis zum Ausgang der Republik, hg. von Hildegard Tem-
porini. München 1972, S. 1027–1113.
2 Zwei plautinische Bearbeitungen geben allerdings für Menander wenig her, die
Cistellaria (= Menander, Synaristosai ), weil sie nur fragmentarisch erhalten ist, und
der Stichus (= Adelphoi A ), weil Plautus zu stark verkürzt hat.
74 II. Handlungsgliederung

uns gelingt, aus den römischen Bearbeitungen die Originale zu rekonstru-


ieren; ferner, daß uns von allen übrigen Dichtern der Nea derzeit insge-
samt 18 Stücke nur auf dem Weg solcher Rekonstruktion zugänglich wer-
den. Anderseits wird erst, wenn wir diesen Umweg über die Originale
gehen, deutlich sichtbar werden, wie überlegt Plautus nicht nur im einzel-
nen, sondern auch im Gesamtaufbau seine Stücke umarbeitet und wie
variabel und innerhalb der römischen Tradition experimentierfreudig Te-
renz mit seinen Vorlagen umgeht.
Wenn ich vom Potentialis der halben Utopie inzwischen schon in den
Realis der verifizierbaren Hypothese gefallen bin, so hat das seinen Grund
darin, daß mir längere Beschäftigung mit dem angedeuteten Fragenkreis
die Hoffnung nicht utopisch erscheinen läßt, auf der einen Seite – der
griechischen – über Arbeiten wie die von Webster oder Holzberg hinaus-
zukommen, und anderseits glaube ich auch, entgegen der derzeitigen
communis opinio3 nachweisen zu können, daß Plautus und Terenz die
Handlung ihrer Stücke nicht einfach möglichst pausenlos abrollen ließen,
sondern sie in inhaltlich und formal geschlossene Akte gliederten.
Nun wäre unser Ideal der literaturwissenschaftlichen Beweisführung
natürlich die vollständige Induktion; ich sollte also z. B. die Regeln der
Akt- und Fabelgliederung Menanders an seinen sämtlichen im Original
erhaltenen und aus den Bearbeitungen rekonstruierbaren Stücken als all-
gemeingültig nachweisen. Doch muß ich eingestehen, daß ich in der prak-
tischen Arbeit vom theoretischen Vollständigkeitsideal annähernd soweit
entfernt bin wie von der reinen Utopie; 4 ich verfüge über soviele Vorarbei-
ten, daß ich das, was ich im folgenden als Specimen der Gesamtanalyse,
die mir vorschwebt, zur Debatte stelle, m. E. mit berechtigter Hoffnung
als repräsentativ für die Methoden und Möglichkeiten dieser Strukturana-
lyse bezeichnen darf.
Der Leser, der die Möglichkeit vermißt, den erhobenen Anspruch am
vollständig dargebotenen Material zu überprüfen, wird gebeten, sich einer
anderen Kontrollmöglichkeit zu bedienen. Wären nämlich die im folgen-
den Abschnitt 1 der vorliegenden Arbeit vorgestellten Strukturregeln und
99 Analysemethoden für Nea und Palliata willkürlich oder dem || Gegenstand
nicht angemessen, dann müßte die konkrete Analyse einer Komödie in
Abschnitt 2 und 3 beim Ausschreiten des hermeneutischen Zirkels zwischen
Gesamtstruktur und Einzelinterpretation zu Fall kommen. Das Exempel,

3 Siehe z. B. Duckworth: The Nature of Roman Comedy, S. 98ff. – Jean Andrieu: Le dia-
logue antique. Structure et présentation. Paris 1954, S. 35ff. – Gaiser: „Zur Eigenart der
römischen Komödie“, S. 1038ff. – Cesare Questa: T. Maccius Plautus, Bacchides.
Firenze 1975, S. 26ff.
4 Abgesehen davon, daß die Rekonstruktion der nur in Bearbeitung erhaltenen
Stücke, wie schon angedeutet, die Kenntnis der Akt- und Fabelgliederung Menan-
ders schon voraussetzt.
Dis exapaton und Bacchides 75

an dem die Analyse durchgeführt wird, die Umformung von Menanders


Dis exapaton in die Bacchides des Plautus, bietet ja nicht nur die bislang
einzige Möglichkeit, Originaltext und Bearbeitung wenigstens bruchstück-
haft zu vergleichen (bekanntlich hat Handley 1968 Fragmente des Dis
exapaton publiziert). Der Menanderfund hat seither auch das Interesse der
Forschung an den Bacchides neu belebt; und das Bild, das wir durch unsere
Betrachtungsweise gewinnen, muß sich im Vergleich und in der Auseinan-
dersetzung mit den Resultaten dieser Forschung als richtig oder falsch
erweisen.
Die neueren Arbeiten behandeln teils besonders problematische Ab-
schnitte des Stücks, etwa den fragmentarisch erhaltenen ersten Akt,5 die
Szenen in der Mitte des Stücks, die wir jetzt mit Menander vergleichen
können,6 die Chrysalus-Intrigen der zweiten Stückhälfte.7 Auch um die
Erklärung des Ganzen hat man sich bemüht, und zwar sowohl um die
Rekonstruktion des Dis exapaton 8 wie um die fortlaufende Interpretation
der plautinischen Umarbeitung.9 Aber keine der mir bekannten Arbeiten
setzt mit Entschiedenheit bei der Analyse der dramatischen Gesamtstruk-
tur von Dis exapaton und Bacchides an. Um diese vorzubereiten, skizziere
ich im ersten Abschnitt der Arbeit meine vorläufigen Ergebnisse zu den
Strukturfragen und die Analysemöglichkeiten, die sich aus ihnen ergeben.

1. Strukturfragen
Auszugehen ist, wie ich glaube, von der Tatsache, daß die Handlungsglie-
derung im Lustspiel der griechischen Nea und im Singspiel der römischen
Palliata in der Regel auf grundlegend andere Weise erfolgt. Die wesentli-
chen Unterschiede sind m. E. die folgenden:

5 Bernd Bader: „Der verlorene Anfang der plautinischen ,Bacchides‘“, in: Rheini-
sches Museum 113 (1970), S. 304–323. – Konrad Gaiser: „Die plautinischen
,Bacchides‘ und Menanders ,Dis exapaton‘“, in: Philologus 114 (1970), S. 51–87.
6 Z. B. Viktor Pöschl: Die neuen Menanderpapyri und die Originalität des Plautus. Heidel-
berg 1973 (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phi-
losophisch-Historische Klasse 1973/4). – David Bain: „Plautus vortit barbare.
Plautus, Bacchides 526–61 and Menander, Dis exapaton 102–12“, in: Creative Imita-
tion and Latin Literature, hg. von David West und Tony Woodman. Cambridge
1979, S. 17–34.
7 Eckard Lefèvre: „Plautus-Studien II. Die Brief-Intrige in Menanders Dis exapaton
und ihre Verdoppelung in den Bacchides“, in: Hermes 106 (1978), S. 518–538.
8 Z. B. Gaiser: „Die plautinischen ,Bacchides‘ und Menanders ,Dis exapaton‘“. –
Thomas B. L. Webster: An Introduction to Menander. Manchester 1974.
9 Der Kommentar von Dario del Corno: Plauto, Bacchides. Torino 1973, die Einlei-
tung zu Questa: Bacchides; siehe auch Hans-Peter Schönbeck: Beiträge zur Interpreta-
tion der plautinischen Bacchides. Düsseldorf 1981.
76 II. Handlungsgliederung

1.1. In der KOMÖDIE MENANDERS herrscht regelmäßig ein Spannungs-


verhältnis zwischen der formalen Fünf-Akt-Gliederung und einer dreiteili-
gen Inhaltsgliederung der Fabel. Und zwar reicht der erste Fabelteil mit
dem Handlungsanlauf, die Protasis, bis knapp vor das Ende des zweiten
10
10 Aktes; der zweite, die Epitasis, die gegenüber der || Protasis die Handlung
dramatisch steigert und zum Höhepunkt der Verwirrungen und Verwick-
lungen führt, reicht von der (den) Schlußszene(n) des zweiten Akts bis
mindestens zur Mitte des vierten; der Schlußteil des vierten Akts und der
fünfte Akt bringen dann die Lösung, die Katastrophé.10
Ich nehme also an, daß wir in der Nea-Analyse nicht nach je einer
einheitlichen dramaturgischen Funktion jedes Akts fragen dürfen (wie zu-
letzt Alain Blanchard11). Die dramatische Wirkung einer Menanderauffüh-
rung beruht, soweit sie von der Ökonomie der Handlung abhängt, viel-
mehr auf der Interferenz zwischen der fünfteiligen primär formalen Ober-
flächenstruktur der Akte und der dreiteiligen primär inhaltlich bestimmten
Tiefenstruktur der Phasen der Fabel: im einzelnen Akt wird das Interesse
des Zuschauers auf den Fortschritt von der einen zur anderen Handlungs-
phase gelenkt, und der Aktschluß erzeugt Spannung dadurch, daß er das
Spiel mitten in einer Handlungsphase unterbricht, so daß sich der Zu-
schauer während des Chorintermezzos fragt, wie es weitergehen wird.12

1.1.1. Das formale Gliederungssystem der durch χοροῦ getrennten fünf


Akte war kurz vor den neuen Menanderfunden noch in seiner Existenz
und Allgemeingültigkeit bezweifelt worden;13 jetzt ist die Fünfzahl der Ak-
te für Dyskolos, Samia und Misumenos dokumentarisch belegt14 und in der
Behandlung anderer Stücke immer wieder als beste Möglichkeit bewährt. 15

10 Zu den möglicherweise von Theophrast stammenden Termini πρόότασις, ἐπίίτασις


und καταστροφήή siehe Alain Blanchard: „Recherches sur la composition des
comédies de Menandre“, in: Revue des études grecques 83 (1970), S. 42f.
11 Blanchard: „Recherches sur la composition des comédies de Menandre“; vgl.
auch Manfred Pfister: Das Drama. Theorie und Analyse. München 1977, S. 320f. zu
Gustav Freytags Dramentheorie.
12 Eric W. Handley: „The Conventions of the Comic Stage and their Exploitation
by Menander“, in: Entretiens de la Fondation Hardt 16 (1970), S. 13 spricht von
„compromise between break and continuity by introducing a diversity of action
near the break“. Vgl. auch W. Geoffrey Arnott: Menander, Plautus, Terence. Oxford
1975, S. 22.
13 Z. B. von Andrieu: Le dialogue antique. Structure et présentation, S. 58.
14 Teils durch die Papyri, teils in Zusammenhang mit den Aktzahlen auf den Myti-
lene-Mosaiken; siehe Lilly Kahil, Sérafim Charitonidis und René Ginouvès: Les
mosaiques de la maison du Ménandre à Mytilène. Bern 1970 (Beihefte zur Halbjahres-
schrift Antike Kunst 6).
15 Ich verweise auf Hans Joachim Mette: „Der heutige Menander (insbesondere für
die Jahre 1955–1965)“, in: Lustrum 10 (1965), S. 36ff. – Arnold W. Gomme und
Dis exapaton und Bacchides 77

Wenn nun, wie oben implizit behauptet, die Komödienhandlung bei


jedem Aktschluß an einem bestimmten charakteristischen Punkt ihres
Aufbaus angelangt sein muß, dann erlaubt uns die Festlegung der vier
χοροῦ-Stellen einer Nea in ihrer römischen Umarbeitung Rückschlüsse auf
die Handlungsführung des Originals. Darum ist es alles andere als eine
müßige Fleißaufgabe (auch wenn die Palliatenanalytiker bislang zumeist
erst anhangs- und fußnotenweise von der Aktgliederung reden), || sondern 11
11
ein methodisch grundlegender erster Analyseschritt, die vier Aktpausen
des Originals zu rekonstruieren. Daß es zur Erfüllung dieser Aufgabe nicht
genügen kann, bloß die Stellen zu sammeln, an denen in einer Palliata die
Bühne leer wird, hat bereits Friedrich Ritschl ausgesprochen.16 Bloße
Leerbühnenbeobachtung führt aus zwei Gründen nicht zum gewünschten
Ziel: weil die Bühne auch innerhalb eines Nea-Akts leer werden kann, und
weil Plautus und Terenz die Aktpausen eines Originals oft überbrückend
beseitigt haben.
Wir brauchen also Kriterien, um z. B. unter den 10 Leerbühnenstellen
des plautinischen Rudens (nach einem Stück des Diphilos) die relevanten
herauszufinden oder die zwei Leerbühnenstellen der Mostellaria (nach Phi-
lemons Phasma) zu insgesamt vier Aktpausen zu ergänzen. Das wichtigste
dieser Kriterien, das ich nach dem Forscher, der es am konsequentesten
angewendet hat, das Webster-Kriterium nenne,17 beruht auf Menanders
Behandlung des Verhältnisses zwischen Spielzeit und gespielter Zeit. Me-
nander berücksichtigt nämlich den Unterschied im Zeitaufwand zwischen
kürzeren bühnennahen und längeren bühnenfernen hinter- oder außersze-
nischen Aktionen. Er erlaubt sich während relativ kurzer realer Spielzeit
auf der Bühne Zeitraffung, d. h. Verkürzung der fiktiven gespielten Zeit,
nur für solche hinterszenische Aktionen, die in der unmittelbaren Umge-
bung der Bühne stattfinden. So genügt etwa im dritten Akt der Samia dem
Demeas die Zeit, während der Koch auf der Bühne die sechs Verse 360b–
366a spricht, um sein Haus zu betreten, dort Chrysis ihre ganzen Habse-
ligkeiten packen zu lassen (vgl. v. 381), ihr zu befehlen, mit dem Säugling
sein Haus zu verlassen, ihr noch eine alte Dienerin mitzugeben (vgl.
v. 372f.) und schon wieder die Haustür von innen zu öffnen. Nicht gestat-
tet wäre hingegen eine Zeitraffung, die das πιθανόόν   z. B. dadurch allzu-

Francis H. Sandbach: Menander. A Commentary. Oxford 1973, S. 19. – Webster: An


Introduction to Menander, S. 111ff.
16 Friedrich Ritschl: „Die ursprüngliche Gestalt der Plautinischen Bacchides“, in:
Rheinisches Museum 4 (1846), S. 354f.
17 Thomas B. L. Webster: Studies in Menander. Manchester 1950 (2. Aufl. ebd. 1960)
passim, anerkannt von Albin Lesky: „Thomas B. L. Webster: Studies in Menander.
Manchester 1950“, in: Anzeiger für die Altertumswissenschaft 8 (1955), S. 71, ignoriert
von Andrieu: Le dialogue antique. Structure et présentation, S. 60f. Siehe auch Webster:
An Introduction to Menander, S. 72f.
78 II. Handlungsgliederung

sehr strapazierte, daß während des kurzen Zwischenmonologs einer Figur


eine andere zu Hafen oder Agora ginge und von dort auch schon wieder
zurückkäme. Bühnenferne Aktionen werden in der Regel18 in die Aktpau-
12
12 sen verlegt: wer knapp vor einem Aktschluß zu Hafen oder || Agora abging,
kann deswegen gleich am Beginn des nächsten Akts wieder auf der Bühne
sein, weil während des Chorliedes unbegrenzt lange Zeit verstreicht.19
Da nun derlei an einer Leerbühnenstelle mitten im Akt nicht möglich
wäre (weil da der Abgang der einen und der Auftritt der anderen Figur
ohne Zwischenzeit erfolgen) und da anderseits bei Menander während des
Chorintermezzos immer eine bestimmte Zwischenzeit verstreicht, wenn
diese auch natürlich nicht immer durch einen Forum- oder Hafengang aus-
gefüllt wird,20 erlaubt uns die Beobachtung der Figurenführung im Hin-
blick auf den Zeitablauf zumeist immerhin die Festlegung einiger χοροῦ-
Stellen. Teils können wir also Leerbühne im Akt und am Aktschluß unter-
scheiden je nachdem, ob während der Leerbühne Zwischenzeit verstreicht
oder nicht; teils (wenn die Römer eine Aktfuge verkürzend oder verän-
dernd überbrückt haben, d. h. wenn in der Palliata eine bühnenferne Akti-
on während relativ kurzer Spielzeit auf der Bühne vollendet ist) können
wir die Notwendigkeit der Zwischenzeit, d. h. einen Aktschluß, mittels des
Webster-Kriteriums nachweisen. Und die dann noch immer fehlenden
Aktpausen werden wir am ehesten finden, indem wir mit ins Kalkül ziehen,
wieweit die Handlung jeweils innerhalb des Protasis-Epitasis-Katastrophé-
Schemas fortgeschritten ist.

1.1.2. Das inhaltliche Gliederungssystem der drei Fabelteile ist in Ansätzen


schon bekannt; wir brauchen diese fast nur mehr zum Gesamtbild zu-
sammenzufügen. Daß sich das Happyend bei Menander nicht erst im fünf-
ten, sondern schon im vierten Akt abzuzeichnen beginnt, mit anderen
Worten, daß der Übergang von der Epitasis-Phase zur Katastrophé-Phase
regelmäßig im vierten Akt erfolgt, ist bereits Gemeingut der Forschung.21

18 Die Einschränkung (welche Webster nicht kennt, der während eines Forum- und
Hafenganges immer Aktpause annimmt) erfolgt in der Erwägung, daß das
πιθανόόν ja auch gewahrt bleibt, wenn während der bühnenfernen Aktion inner-
halb eines Aktes auf der Bühne mehrere Szenen gespielt werden, die relativ lange
Zeit in Anspruch nehmen (vgl. Handley: „The Conventions of the Comic Stage
and their Exploitation by Menander“, S. 225). Einem Beispiel dafür werden wir
im vierten Akt des Dis exapaton begegnen (vgl. Anm. 82).
19 Ich danke Konrad Gaiser für seine briefliche Kritik an einer früheren Fassung
dieses Absatzes.
20 Aber da können immer noch andere Hinweise auf die verstrichene Zwischenzeit
weiterhelfen (vgl. in 1.2.1 zu den Menaechmi).
21 Siehe z. B. Webster: An Introduction to Menander, S. 71 oder Arnott: Menander,
Plautus, Terence, S. 22. – Wenn Gomme und Sandbach: Menander. A Commentary,
Dis exapaton und Bacchides 79

Bleibt die Festlegung der Grenze zwischen Protasis und Epitasis, und
dafür hat Holzberg 1974 schon Vorarbeit geleistet, insofern er die ersten
beiden Akte als zusammenge-||hörige Anlaufphase der Handlung erwies. 13
13
Was Holzberg gegenüber noch zu betonen ist, ist die Tatsache, daß der
Schluß des zweiten Akts bereits zur Epitasis zu gehören pflegt. Ich stütze
diese meine These durch den Hinweis auf die entsprechenden Szenen in
den drei Komödien Menanders, die wir (annähernd) vollständig im Origi-
nal überblicken.
Im Dyskolos greift der Prologgott Pan zweimal in die Handlung ein: er
setzt sowohl die Protasis- wie die Epitasishandlung in Gang. Laut den
Versen 39–44 hat er dafür gesorgt, daß sich der junge Städter Sostratos in
die Tochter des Griesgrams Knemon verliebt, und die Protasis führt uns
vor, was Sostratos unternehmen will, um seine Werbung bei dem unzu-
gänglichen Vater anzubringen: heroisch macht er sich, mit schwerem Ar-
beitsgerät bepackt, in der Schlußszene der Protasis zur ungewohnten Feld-
arbeit auf den Weg (bis v. 392). Und ab v. 393, in der letzten Szene des
zweiten Akts, erfahren wir, wie Pan die Epitasis vorbereitet hat. Da treten
Koch und Sklave als Vortrupp einer Opfergesellschaft auf, die von Pan
herbeigeschafft wurde: wie wir aus dem Gespräch der beiden erfahren, hat
er der Mutter des Sostratos einen Traum eingegeben, der sie zu einem
Opfer an ihn veranlaßt. Eben das Auftauchen der Opfergesellschaft verei-
telt aber Sostratos’ Protasisplan, indem es Knemon daran hindert, seiner-
seits auch aufs Feld zu gehen, wo Sostratos sich ihm nähern wollte. So
kommt es zum dramatischen Höhepunkt der Epitasis: während Knemon
sein Haus hütet, fällt er in den Brunnen, aus dem ihn Sostratos mit her-
ausziehen wird.
In Epitrepontes und Samia ist die Epitasis als eigene Handlungsphase
ebenfalls deutlich eingegrenzt. Beide Male scheint im zweiten Akt, also am
Schluß der Protasis, eine baldige Lösung des dramatischen Knotens mög-
lich: in den Epitrepontes könnte, als Ergebnis der Schiedsgerichtsszene, das
Kind des Charisios mitsamt dessen Ring als Erkennungszeichen ohne
weitere Komplikationen dem Vater übergeben werden; und in der Samia
einigen sich Vater Demeas und Sohn Moschion ebenfalls schon im zwei-
ten Akt über dessen Hochzeit. Beide Male bereitet sich grad am Schluß
des zweiten Akts, zu Beginn der Epitasis, eine Komplikation vor: Onesi-
mos’ Bedenken, Charisios seinen Ring zu zeigen, führen zu Habrotonons

S. 20 Misumenos und Sikyonios als Beispiele für eine doch erst im fünften Akt er-
folgende Lösung nennen, so ist das – falls Gomme – Sandbach vom Beginn der
Katastrophé-Phase reden wollen – im Fall des Misumenos ein argumentum ex
silentio, weil der vierte Aktschluß nicht erhalten ist, und im Fall des Sikyonios
nachweisbar falsch (die Verse 309f. dokumentieren eine Anagnorisis, welche zwei
bisherige Gegner als Brüder enthüllt).
80 II. Handlungsgliederung

Ringintrige; und die Eile, mit der Demeas ins Haus stürzt, hat seinen Ver-
dacht zur Folge, Moschion habe ein Verhältnis mit der Hetäre des Vaters.
In beiden Fällen klären sich Verwirrung und Mißverständnis, die in der
ersten Hälfte des vierten Akts zu fast tragischen Konsequenzen zu führen
drohen, in der zweiten Akthälfte.
14
14 Über die Möglichkeiten, die Phasengliederung der Komödienhand-
lung in Protasis, Epitasis und Katastrophé bei der rekonstruierenden
Strukturanalyse von Palliaten als Handlungsphasenkriterium zu verwen-
den, brauche ich wohl nicht viele Worte zu verlieren. Nur ein Beispiel: Die
Handlung der Mostellaria des Plautus entwickelt sich in drei deutlich von-
einander abgesetzten Phasen. Zuerst wird der leichtsinnige junge Philola-
ches exponiert, der, während sein Vater auf Reisen ist, mit seinem Freun-
des- und Freundinnenkreis zecht und dessen Sklave Tranio sich, als die
Heimkehr des Vaters angekündigt wird, erbötig macht, ihn fürs erste her-
auszulügen (Protasis). Dann erfolgt die Konfrontation zwischen dem Va-
ter und Tranio, den nach einem bewährten Possenschema die erste Lüge
in immer weitere und kompliziertere Lügen und Schwindelsituationen
verstrickt (Epitasis). Zuletzt platzt die Seifenblase, und Vater und Sohn,
mit der Wahrheit konfrontiert, müssen den Weg zur Versöhnung finden
(Katastrophé). Sollen wir in diesem Handlungsaufbau nicht einen Hinweis
darauf sehen, daß auch Philemon mit der menandrischen Technik der
Interferenz zwischen Akt- und Fabelstruktur gearbeitet hat? Und sollen
wir nicht annehmen, daß der Vater im zweiten Akt heimkommt und daß
das Lügengebäude im vierten Akt einstürzt?

1.1.3. Die Binnenstruktur der einzelnen Akte kennen wir nach dem bisher
Erörterten nur zum Teil, d. h. wir wissen einiges über die innere Spannung
und den Handlungsfortschritt in den Akten zwei und vier. Gerade die
beiden eben genannten Aspekte, der der Spannung und der des dramati-
schen Fortschritts, lassen sich aber wie ich glaube fruchtbar verallgemei-
nern und auch auf die übrigen Akte beziehen.22
Jedenfalls muß zunächst – als Folge der besprochenen interferieren-
den Gliederungstechnik – zumindest jeder zweite und vierte Akt mehr als
einen Handlungsschwerpunkt haben, oder besser – vom Zuschauer her
gesehen – mehr als einen Schwerpunkt des Interesses. So wird sich etwa
im zweiten Akt der Epitrepontes das Interesse des Zuschauers zuerst kurz
auf die Informationen konzentrieren, die Onesimos und Smikrines (?) über
das Verhalten der Hauptpersonen (Charisios und Pamphile) bringen; dann
fordert die große Schiedsgerichtsszene die Aufmerksamkeit des Publi-
kums, wo ja Großvater Smikrines ahnungslos über das Schicksal seines

22 Zur Funktion der einzelnen Akte im Rahmen der Gesamthandlung vgl. auch
Webster: An Introduction to Menander, S. 71ff. (ich mache im folgenden auf Über-
einstimmungen und Divergenzen nicht eigens aufmerksam).
Dis exapaton und Bacchides 81

Enkels und das Eheglück seiner Tochter || entscheidet; schließlich geht es 15


15
in der Schlußszene mit Onesimos um den Ring, durch den Charisios als
Vater des Kindes identifiziert werden kann. Oder man denke an den vier-
ten Akt der Samia, in dessen erster Hälfte (v. 421–520) alles darauf hinaus-
läuft, daß am Gipfelpunkt aller Verwirrungen Moschion in den Augen
beider Väter als scham- und gewissenlos erscheint, während nach der end-
lich erfolgten Aufklärung des Demeas (v. 520–532) in v. 532–615 Nike-
ratos als erstes Opfer der komischen Katastrophé herhalten muß.
Natürlich wird Ähnliches auch für den Bau eines ersten oder dritten
Aktes gelten. Auch hier muß es mehr als einen Handlungs- und Interes-
senschwerpunkt geben, besteht doch in solchen Schwerpunktverlagerun-
gen der auch innerhalb des einzelnen Akts geforderte Handlungsfort-
schritt. Darum folgt etwa im ersten Akt der Aspis auf die einleitenden
Expositionsszenen (die im übrigen bereits ihrerseits dem Zuschauer einen
beträchtlichen Informationsfortschritt von der einleitenden Nachricht, daß
Kleostratos in der Schlacht gefallen sei, zur Ankündigung der Prologgöttin
Tyche bringen, der geizige Smikrines werde vergeblich auf die Erbschaft
des fälschlich Totgeglaubten spekulieren) eine weitere längere Szenenfolge
(v. 149–249), in der Smikrines sich daran macht, seinen Plan in die Tat
umzusetzen, und Kleostratos’ treuer Sklave Daos sich als redlicher Gegner
eigennützigen Verhaltens erweist. Und der dritte Akt der Samia hat auch
seine deutlich ausgeprägten Handlungsphasen oder Interessenschwerpunkte:
zuerst (v. 206–279) berichtet Demeas, wie er durch (trügerischen) Augen-
schein dazukam, schlimmen Verdacht gegen seinen Adoptivsohn zu fas-
sen, und sträubt sich dagegen; dann (v. 280–324) bestärkt ihn Parmenons
Verhalten in seinem Verdacht; schließlich (v. 325–420) wendet er seinen
Zorn gegen die vermeintlich noch viel mehr Schuld tragende Chrysis.
Eine Typologie der möglichen Binnengliederungsformen der einzel-
nen Akte wird sich vielleicht einmal aufstellen lassen, wenn man mehr
sicheres Material zur Verfügung hat. Für unsere Zwecke – wir wollen ja
solche Strukturbeobachtungen bei der analytischen Überprüfung römi-
scher Überarbeitungen verwenden – muß das Besprochene genügen. Wir
dürfen von einem Nea-Akt erwarten, daß er dem Publikum weder zu we-
nige noch zu viele Interessenschwerpunkte bietet. Wo ein rekonstruierter
‚Akt‘ zu viel Hin und Her bringt – etwa mehr als zweimaligen Schwer-
punktwechsel in einem Protasisakt (im Lauf der Epitasis wird es wohl
lebhafter zugehen) –, dort werden wir vermuten, daß wir in Wahrheit zwei
zusammengezogene Akte eines Originals vor uns haben, und wo es in
einem ‚Akt‘ überhaupt keine Interessenverlage-||rung, also keine Spannung 16
16
und keinen dem Fabelteil, in dem wir uns befinden, adäquaten dramati-
schen Fortschritt gibt (denn natürlich ist von der Epitasis mehr Dynamik
zu fordern als von der Protasis) oder wo Spannung und Handlungsaufbau
dadurch gestört wird, daß von zwei Handlungssträngen nur einer, und
82 II. Handlungsgliederung

womöglich der unwichtigere, einen ‚Akt‘ beherrscht, dort werden wir die
Diagnose stellen, daß der römische Bearbeiter verkürzt hat.

1.2. Im RÖMISCHEN SINGSPIEL verschwindet die Spannung zwischen


formaler und inhaltlicher Handlungssegmentierung, zwischen den fünf
Akten und den drei Fabelteilen, da Plautus und Terenz bekanntlich die
Fünfaktstruktur in der Regel nicht beibehalten. Die Neutralisierung oder
Beseitigung der χοροῦ-Pausen hat nach der communis opinio der Forscher
ihre Ursache darin, daß die Palliatendichter es auf continuous action abge-
sehen haben, auf ein möglichst pausenlos abrollendes Spiel.23 Das würde,
hätte die communis opinio Recht, bedeuten, daß die Palliata überhaupt
keine formale Binnengliederung der Handlung kennt. Ich halte diese (im
Grund bloß negative) Ansicht für falsch, zumindest für nicht allgemein
gültig, und setze ihr die positive These entgegen, daß Plautus und Terenz
ihre Stücke in der Regel formal und inhaltlich so strukturieren, daß ein
formal durch metrische Großgliederung ausgezeichneter und durch Akt-
pause (Zwischenspiel des Auleten) abgesetzter Akt zugleich einen inhalt-
lich relativ selbständigen Fabelteil darstellt. Diese Akte der Palliata, deren
Anzahl nach dem Gesagten nicht fix ist, sondern von der Zahl der Fabel-
teile abhängt, die der Palliatendichter präsentieren will, nenne ich von nun
an, um Verwechslungen mit den Akten der Nea auszuschalten, Actus.
Der Beweis für die Existenz der Actusgliederung kann nur durch
kombinierte Beobachtung von drei Seiten her geführt werden (einzeln
wären die Phänomene mehrdeutig oder nicht ausreichend zu sichern):
metrische Großgliederung, Pausenbehandlung und (vom Original biswei-
len abweichende) Ponderierung der Handlung müssen zusammentreffen
oder einander wenigstens teilweise ergänzen.

1.2.1. Zur metrisch-musikalischen Großgliederung.


Die Regelform eines Singspielactus, die natürlich (für unsere Beweiszwecke:
leider) auch verkürzt oder erweitert werden kann, besteht aus der Abfolge
Sprechteil (diverbia, jambische Senare) – Gesangsteil (mutatis modis canti-
ca) – Rezitativteil (trochäische Septenare). Erkennbar ist sie am leichtesten
17
17 an den Menaechmi, wo Plautus die || Akte des Originals beibehalten hat24
(ich numeriere die Akte mit α, β, γ …, die Actus mit a, b, c …, um die
eingebürgerte nicht originale Akt- und Szenenbezeichnung, mit I 1, I 2
usw., zum Zitieren beibehalten zu können):

23 Vgl. S. 8, Anm. 3.
24 Aktgrenze α/β ist zu sichern durch das Webster-Kriterium (der Koch geht ein-
kaufen). Zwischen δ und ε holt der Schwiegervater den Arzt, zwischen β und γ
hat Menaechmus II gespeist. Da bei v. 558/559 keine Zwischenzeit gebraucht
wird, bleibt für γ/δ nur die Leerbühne bei v. 700/701.
Dis exapaton und Bacchides 83

α = a, Prolog–I 4: sen. 1–109, cant. 110–134, sept. 135–225.


β = b, II 1–3: sen. 226–350, cant. 351–368, sept. 369–445.
γ = c, III 1–IV 3: + sept. 446–465,
sen. 466–570, cant. 571–603, sept. 604–700.
δ = d, V 1–3m: sen. 701–752, cant. 753–774, sept. 775–871,
+ sen. 872–881.
ε = e, V 3m –9: sen. 882–898,
+ sept. 899–965, cant. 966–1007(?), sept.1008(?)–1162.

Fünfmal also, und zwar genau übereinstimmend mit den fünf Akten, die
Abfolge Senare – Canticum – Septenare, nur in den Actus c bis e, wie der
Kursivdruck zeigt, leicht erweitert dadurch, daß Plautus die Sprech- und
Rezitativverse nebeneinanderstellt.
Die metrisch-musikalische Abfolge für schematisch und zufällig zu
halten, verbietet sich aus zwei Gründen. Erstens, weil Plautus die Aktpau-
se δ/ε (v. 881/882) bewußt beibehalten hat. Wäre er nämlich auf conti-
nuous action aus gewesen, dann hätte er kaum nach bloß fünf Zwischen-
versen des Menaechmus II den Senex, der doch v. 875 abgegangen war,
um möglichst rasch einen Arzt zu holen, bei seinem Wiederauftreten in
v. 882 eigens betonen lassen, wie lange er habe warten müssen, bis der
Arzt endlich von seinen Krankenbesuchen heimkam.25 Den Hinweis auf
die Länge der verstrichenen Zwischenzeit hätte Plautus doch einfach strei-
chen können. Und zweitens läßt sich auch der Grund, warum er in den
Menaechmi die Aktgliederung des Originals entgegen seiner sonstigen Pra-
xis beibehalten hat, angeben: er liegt in der besonderen Fabelstruktur des
Originals. Vom Inhalt her gesehen besteht nämlich die ganze Protasis des
Stücks bloß aus dem Prolog – die Zwillingsbrüder kennen sich nicht – und
die ganze Katastrophé nur aus || der Schlußszene – sie erkennen sich. Alles, 18
18
was dazwischenliegt, also eigentlich das ganze Stück von I 1 bis V 8, ändert
die Grundsituation überhaupt nicht, es gibt keine von ihr wegführende
Handlungsentwicklung, sondern es schnurrt bloß das Räderwerk der ge-
schickt ineinandergreifenden Situationskomik ab (wir sind von Menanders
dramaturgischer Meisterschaft weit entfernt). Weil es also genau betrachtet
gar keine Fabelteile in dem Stück gibt, darum hat sich Plautus in diesem
Sonderfall genau an die Aktteilung der Vorlage gehalten, und zwar ebenso
in der Pausengliederung wie im Einsatz seiner metrischen Großform, die
die Pausengliederung begleitet und unterstreicht.

25 Vgl. unten die Zeitbehandlung bei Bacch. v. 108/109. – Daß Plautus in v. 882ff.
dem Original folgt, hat übrigens mit anderen Argumenten Erich Woytek: „Zur
Herkunft der Arztszene in den Menaechmi des Plautus“, in: Wiener Studien 16
(1982), S. 165ff. erwiesen.
84 II. Handlungsgliederung

Als Beispiele für die Möglichkeit, daß die Palliatendichter eine vom
Inhalt her regulär dreigeteilte Fabel auch metrisch entsprechend gliedern,
nenne ich kurz Aulularia und Eunuchus. In der Aulularia ergeben sich26
drei Actus, a = v. 1–279 (Euclios Angst um den Topf in seinem Haus), b =
v. 280–586 (Euclio muß den Topf auf die Bühne bringen) und c = v. 587–
fin (der Topf geht verloren und taucht wieder auf):

a, Prolog–II 3: sen. 1–119, cant. 120–160, sept. 161–279,


b, II 4–III 6: sen. 280–405, cant. 406–446, sept. 447–474,
+ sen. 475–586.
c, IV 1–fin.: + sept. 587–660,
sen. 661–712, cant. 713–730, sept. 731–823,27
+ varia 824–fin.

Im Eunuchus 28 reicht Menanders Protasis bis v. 390 (II 3, Planung der


,Eunuchen‘-Intrige), und nach der Epitasis (mit der Ausführung der Intri-
ge) beginnt die Katastrophé in v. 817 mit der Aussöhnung zwischen dem
,Eunuchen‘ und Thais, seiner Hauptgegenspielerin. Jeder Fabelteil ist mit
einem Actus des Terenz identisch, wie jeweils die Eröffnung mit einer
längeren Senarpartie beweist: v. 1–206, 391–538, 817–942.

1.2.2. Zur Pausenbehandlung. Die Verfechter der Ansicht, in der Palliata


gebe es keine Actusgliederung, müssen konsequenterweise die Existenz
von Actuspausen negieren und alle Stellen, an denen die Bühne leer wird,
für funktionell gleichwertig mit Leerbühne mitten in einem Menanderakt
19
19 erklären. Dabei macht zunächst Pseud. v. 573a || Schwierigkeiten, tibicen vos
interibi hic delectaverit; denn dieser Vers eröffnet immerhin die Möglichkeit,
Plautus könnte, analog zum Chorintermezzo Menanders, den Auleten
nicht nur an dieser einen Stelle für die Zwischenaktsmusik herangezogen
haben. Dagegen pflegt man einzuwenden,29 der Pseudolus sei ein Sonderfall,
Plautus habe dem Schauspieler, der die Titelrolle verkörpert, eine Pause
gönnen müssen; er stünde sonst bis v. 766 ununterbrochen auf der Bühne.

26 Abweichend von Menander; die genaue Begründung bleibt einer später zu veröf-
fentlichenden Analyse vorbehalten (vgl. vorläufig Adolf Primmer: „Menanders
‚Geiziger‘ “, in: Maske und Kothurn 1/2 [1984], S. 1–7 [217–224]).
27 Die Verse 803–807 sind jambische Septenare.
28 Vgl. dazu vorläufig Adolf Primmer: „Zur Lektüre von Terenz’ Eunuchus“, in:
Verpflichtung der Antike, hg. von Peter Neukam. München 1979, S. 113f. [47f.].
29 William Beare: The Roman Stage. A Short History of Latin Drama in the Time of the
Republic. 3. Aufl. London 1964, S. 212f. (etwas vorsichtiger zuletzt Erich Woytek:
T. Maccius Plautus, Persa. Einleitung, Text, Kommentar. Wien 1982 [Sitzungsberichte
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische
Klasse 385], S. 39f.).
Dis exapaton und Bacchides 85

Aber so einfach liegt die Sache nicht. Denn wäre Plautus bloß von der Rück-
sicht auf den Schauspieler geleitet, dann hätte er Pseudolus eher schon
nach v. 393 verschnaufen lassen. Statt dessen setzt er die Pause an struktu-
rell bedeutsamer Stelle, am Ende der Protasis, nach der Wette des Sklaven
mit seinem alten Herrn.30 Das spricht doch sehr dafür, daß Plautus nicht
nur aufführungstechnische Gesichtspunkte berücksichtigte, sondern mit
dem Flötenintermezzo auch einen Actusschluß signalisieren wollte.
Außerdem steht Pseud. v. 573a/574 als Actuspause in der Palliata gar
nicht allein, selbst wenn man (unerlaubterweise) von Bacch. v. 108/109 (dazu
unten, in 3.1.2) und Men. v. 881/882 (dazu oben, 1.2.1) absieht. Notfalls
könnte man ja zu diesen zwei Stellen einwenden, Plautus habe da jeweils
die griechische Aktpause aus bloßer Gedankenlosigkeit beibehalten – wie-
wohl er etwa bei Bacch. v. 525 ganz anders vorgegangen ist. Aber Terenz
liefert uns jedenfalls mit Phorm. v. 893/894 ein Exempel, an welchem
kaum herumzudeuteln ist.31 Man hat die Stelle merkwürdigerweise bisher
übersehen, aber es kann m. E. weder bezweifelt werden, daß die Bühne
nach Phorm. v. 893 leer wird (Phormio geht sicher nach rechts ab, gemäß
seiner Ankündigung in v. 891: hinc concedam in angiportum32 hoc proxumum),
noch daß Terenz sie absichtlich leer werden läßt, um mitten im griechi-
schen fünften Akt seine Actuspause || neu einzuführen33 (sein Actus c34 20
20

30 Actus a reicht also bis v. 573a; folgt Actus b, v. 574–1051, in welchem Pseudolus
mittels der Harpax-Intrige seine Wette gewinnt, und Actus c mit der Wette Ballios.
(Anzumerken ist allerdings, daß die metrische Gliederung hier die Actusgliede-
rung nicht unterstützt.)
31 Hier muß ich mich leider, wie zuvor schon mehrmals bei anderen Stücken, im
Vorgriff auf meine Analyse des Phormio berufen; aber die methodische Schwäche
der bisherigen Debatte um die Anerkennung von Actuspausen lag ja gerade da-
rin, daß man zu fragen vergaß, ob diese Pausen ein Stück sinnvoll gliedern, und
so muß ich doch auf solche Strukturfragen hinweisen.
32 Zum angiportum vgl. Beare: The Roman Stage, S. 262f.
33 Die oben unter 1.1 erwähnten Kriterien erlauben den Nachweis, daß in Apollo-
dors Epidikazomenos der zweite Akt vor (Phormio) v. 179 beginnt, der dritte bei
v. 315, der vierte bei v. 567 und der fünfte bereits bei v. 766. Diese Aktgliede-
rung allein ist schon geeignet, die Apollodor-Rekonstruktion von Eckard Lefèv-
re: Der Phormio des Terenz und der Epidikazomenos des Apollodor von Karystos. Mün-
chen 1978 (Zetemata 74) zu widerlegen. Zudem hat Lefèvre S. 8f. die Verse 407–
410, ,die zentrale Stelle‘, falsch ausgewertet; seine Argumentation würde voraus-
setzen, daß Demipho Phanium als arme Verwandte anerkennt, aber der will sie
bloß loswerden durch eine Zahlung in der Höhe der Mitgift, auf die sie Anspruch
gehabt hätte, wenn sie verwandt wären. Da er also die Verwandtschaft nicht kon-
zediert, existieren für ihn auch die von Lefèvre aufgeworfenen juristischen Prob-
leme nicht. (Ausführlicher dazu in meiner geplanten Phormio-Analyse.)
34 Actus a: v. 35–314, Actus b: v. 315–566. Actus b beginnt mit dem ersten Auftritt
Phormios, Actus c mit dem des Hauptopfers Chremes. – Zur Figurenführung am
86 II. Handlungsgliederung

reicht von v. 567 bis v. 893, mit Senaren von v. 567–712, Canticumversen
von v. 713–840 und Septenaren von v. 841–883 mit anschließender Se-
narerweiterung von v. 884–893).
Natürlich kann ich Hinweise wie den eben erfolgten nicht als ein für
allemal die Streitfrage entscheidende Beweise reklamieren, weil ich meine
Actusanalysen hier nicht ausführlich begründen konnte. Aber sie sollten
doch ausreichen, neben der These der continuous action auch die der
Actusgliederung mit Flötenintermezzi zumindest als diskussionswürdig zu
erweisen. Die Interpretation der Bacchides in Abschnitt 3 wird uns, wie ich
hoffe, in dieser Frage weiterbringen.

1.2.3. Über die inhaltliche Gliederung einer fabula palliata (im gedachten
Gegensatz zur metrisch-musikalischen Gliederung) abstrakt zu theoretisie-
ren, wäre müßig, hier hat die Analyse des Einzelfalls das erste Wort.35
Besonders instruktiv ist natürlich der Strukturvergleich zwischen Original
und Nachdichtung; darum besteht auch für die richtige Würdigung des
Gestaltungswillens, mit dem Plautus und Terenz die Struktur ihrer Vorla-
gen neu ponderiert haben, die erste Aufgabe immer in dem Versuch, die
Aktgliederung des Originals zu rekonstruieren. Hat der römische Dichter
umgearbeitet, dann sind in einem zweiten Arbeitsgang seine Änderungen
natürlich nicht mit der Fragestellung ,Wo ist er abgewichen, was hat er also
schlechter gemacht?‘ zu beurteilen; die richtige Frage lautet: Aus welchen
positiven Gründen hat er geändert, und zwar nicht nur in Inhalt und Stil,
sondern in Aufbau und Handlungsgliederung?

21
21 2. Dis exapaton
Wir wenden uns also nach der etwas abstrakten Methodenerörterung der
konkreten Analyse zu, d. h., wie schon einleitend angekündigt, der Aufga-
be, den Dis exapaton Menanders aus den Bacchides dem Inhalt und vor al-
lem der Handlungsgliederung nach zu rekonstruieren.

2.1. Von dem zuvor aufgestellten Arbeitsprogramm scheinbar abweichend


behandle ich vor der Aktgliederung zunächst die Datierung des Dis
exapaton. Das Webstersche Kriterium der Figurenführung wird uns näm-
lich (unten in 2.4) fünf, nicht bloß vier mögliche Aktpausen liefern. Wir
werden also jedenfalls zur kritischen Ergänzung des Webster-Kriteriums
unsere Kenntnis von Menanders Technik der Akt- und Fabelgliederung
brauchen. Nun sind aber unsere Vorstellungen von Menanders Hand-
lungsführung nicht völlig unabhängig davon, ob wir mit der Technik des

Schluß von Actus c wäre, auch mit ähnlicher metrischer Gestaltung, Most. v. 430
zu vergleichen (siehe auch unten bei Anm. 142).
35 Ich habe vorbereitend gearbeitet vor allem mit Aulularia, Menaechmi, Mercator,
Mostellaria, Persa, Heautontimorumenos, Eunuchus und Phormio.
Dis exapaton und Bacchides 87

reifen Menander rechnen dürfen; dem Topos von der möglichen Sprung-
haftigkeit der Entwicklung eines Künstlers zum Trotz werden wir doch
gut daran tun, den auf etwa 301 datierbaren Dis exapaton in der Technik
der Handlungsführung nicht gerade mit dem Dyskolos (317) und der Aspis
zu vergleichen.
Derzeit herrscht über das Uraufführungsjahr Uneinigkeit oder resig-
nierter Zweifel: Webster setzt das Stück zwischen 321 und 319 an,36 Ques-
ta spätestens auf 307,37 Gaiser zwischen 307 und 302,38 W. Geoffrey Ar-
nott hält alle Indizien für unsicher.39 Aber richtig ausgewertet machen
doch einige Hinweise im Plautustext das Jahr 301 (oder 300) recht wahr-
scheinlich.40
Da ist erstens die etwa zweijährige Abwesenheit des Mnesilochus41 von
Athen (Bacch. v. 170 und v. 388) im Verlauf der Vorgeschichte. Plautus
bringt zu dieser Vorgeschichte leider nicht ganz klare Angaben, zumal da
sein Prolog nicht erhalten ist. Feststeht, daß Mnesilochus auf seiner Reise
nach Ephesos, wo er für seinen Vater eine große Geldsumme abholen
sollte, zunächst in Samos Station machte, wo er und Bacchis S sich ineinan-
der verliebten.42 Da er erst in Ephesos zu Geld kommt, hat der Söldnerof-
fizier Cleomachus unterdessen in Samos Gelegenheit, || sie auf ein Jahr zu 22
mieten.43 Als dieser sie nun mit sich nach Athen nehmen will, benachrich-
tigt sie wohl davon den inzwischen in Ephesos befindlichen Mnesilochus,
denn dieser schickt laut v. 389 seinem Athener Freund Pistoclerus aus
Ephesos einen Brief mit der Bitte, sie in Athen für ihn ausfindig zu ma-
chen. Unklar scheint, wie lang sie eigentlich bei Beginn des Spiels schon
mit dem Söldner zusammen war. Einerseits spricht dessen Rückforderung
der beträchtlichen Mietsumme44 für einen kurzen Zeitraum, anderseits

36 Webster: An Introduction to Menander, S. 130.


37 Questa: Bacchides, S. 10.
38 Gaiser: „Die plautinischen ,Bacchides‘ und Menanders ,Dis exapaton‘ “, S. 81ff.
39 W. Geoffrey Arnott (Hg.): Menander. Cambridge, Mass., London 1979, S. 144.
40 Von den im folgenden diskutierten Indizien sind die ersten zwei in der neueren
Datierungsdebatte nicht angemessen berücksichtigt worden.
41 Der bequemen Übersichtlichkeit willen bleibe ich auch in jenen Fällen bei den
plautinischen Namen, wo wir inzwischen den menandrischen Namen einer Figur
kennen.
42 Sie stammt nach v. 200 und v. 472 aus Samos, und laut v. 574 ist sie auch aus
Samos nach Athen gekommen.
43 So rekonstruiert die Vorgeschichte auch Schönbeck: Beiträge zur Interpretation der
plautinischen Bacchides, S. 5f.; ähnlich Gaiser: „Die plautinischen ,Bacchides‘ und
Menanders ,Dis exapaton‘“, S. 69.
44 Er verlangt (v. 590 u. ö.), ut ducentos Philippos reddat aureos. Der Söldner rechnet
natürlich in den ihm geläufigen goldenen Philipps-Stateren, denen damals ein
Gegenwert von je 20 athenischen Silberdrachmen entsprach. Die Summe von
200 Stateren = 40 Minen liegt (für die freie Hetäre) wohl angemessen über den 20
88 II. Handlungsgliederung

redet Bacchis A in v. 43ff. von der Gefahr, der Söldner könne ihre
Schwester nach Ablauf des Jahres als ancilla behalten, statt sie wieder
heimzubringen. Das Wahrscheinlichste ist wohl, daß sie das für eine noch
fernerliegende Zukunft fürchtet, daß der Söldner sie also doch erst vor
kurzem gemietet hat.
Nun ist es auffällig, daß im Verlauf des Spiels Nicobulus, der Vater
des Mnesilochus, wohl einmal Verwunderung und Besorgnis über die
lange zweijährige Abwesenheit seines Sohnes äußert,45 daß aber nie er-
wähnt wird, wie dieser sich rechtfertigt. Plautus wird – das ist wohl die
nächstliegende Erklärung – die entsprechenden Angaben gestrichen ha-
ben, weil sie nur für Menanders Zeitgenossen ohne weiteres verständlich
waren. Denn die plausible Ausrede, für die Menander gesorgt haben wird,
hängt wohl am ehesten mit politisch-militärischen Zeitumständen zusam-
men, die eine rasche Weiterfahrt von Samos nach Ephesos erschweren
konnten (Mnesilochus hat ja wie erwähnt schon auf der Hinreise nach
Ephesos in Samos Station gemacht). Nun hat Ephesos im Lauf des Jahres
302, als sich eine Koalition gegen Antigonos Monophthalmos bildete,
zweimal den Besitzer gewechselt: zuerst erzwingt Prepelaos, der Feldherr
des Lysimachos, die Öffnung der Tore, dann kommt Antigonos’ Sohn
Demetrios Poliorketes, der eben im Zusammenhang mit diesen Operatio-
nen von Athen nach Kleinasien gehen mußte, und gewinnt Ephesos zu-
23
23 rück. Mnesilochus mag also im Sommer || 303 bis Samos gekommen sein,
sich dort bei Bacchis S verlegen haben und dann 302 durch die Kriegser-
eignisse in Ephesos festgehalten worden sein, was die inzwischen mittellos
gewordene Bacchis zwang, Geld und Gunst des Söldners anzunehmen.
Es wird schwerlich ein Zufall sein, daß auch ein zweites Indiz auf die-
selbe Zeit weist, sobald wir wieder davon ausgehen, daß Menander die
Figuren seines Spiels so durch die griechische Welt führt, daß sein Publi-
kum sich die Gründe für ihr Kommen und Gehen aus den Zeitumständen
supplieren kann.46 Cleomachus konnte gerade auch 302 oder 301 guten
Grund haben, von Samos über Athen nach Elateia in Phokis zu gehen
(v. 591): Als nämlich Demetrios Poliorketes 302 Griechenland verläßt, ver-
sucht Kassandros, sich im Machtvakuum der ‚freien‘ Griechenstädte fest-

Minen Jahresmiete einer Sklavin in Asin. v. 230. Allerdings hat Cleomachus laut
v. 1097 nicht die gesamte Jahresmiete zurückverlangt – so wird es also wenigs-
tens ein beträchtlicher Teil davon sein (zu den Hetärenpreisen bei Menander vgl.
Gomme und Sandbach: Menander. A Commentary, S. 298 zu Epitr. v. 136).
45 v. 235ff., dazu Schönbeck: Beiträge zur Interpretation der plautinischen Bacchides, S. 35f.
46 Es genügt meine ich nicht, sich etwa mit Friedrich Hueffner: De Plauti comoedia-
rum exemplis Atticis quaestiones maxime chronologicae. Göttingen 1894, S. 38 zu fragen,
wann die Spielfiguren die Möglichkeit hatten, dort- und dorthin zu reisen, son-
dern: unter welchen Umständen das Publikum ihre Bewegungen begründet und
verständlich fand.
Dis exapaton und Bacchides 89

zusetzen; wir wissen, daß die Athener 301 ein Hilfskorps zum Entsatz des
belagerten Elateia geschickt haben. In einer Theateraufführung des Jahres
301 (oder 300) wird also das Athener Publikum die Absicht des Söldners,
nach Elateia zu gehen, ohne weitere Erklärungen verständlich finden.
Schließlich paßt auch eine dritte Anspielung am ehesten in die Zeit
nach dem Abgang des Demetrios aus Athen: v. 900f. sagt Chrysalus, Bac-
chis S sei den Parthenon besichtigen gegangen, der jetzt ‚offen‘ sei. 47 Gai-
ser will das zwar auf die Zeit davor beziehen, wo Demetrios u. a. mit He-
tären im Parthenon hauste, aber da war der Tempel, in dem er sein Unwe-
sen trieb, sicher nicht für alle durchreisenden Hetären zur Besichtigung
freigegeben.48
Natürlich reicht keines der drei erörterten Indizien für sich als voll-
gültiger Datierungsbeweis aus, aber ihre Konvergenz macht 301 (oder 300)
als Jahr der Uraufführung des Dis exapaton doch sehr wahrscheinlich. Dem-
entsprechend werden wir z. B. schon bei der Rekonstruktion des fragmen-
tarisch überlieferten ersten Akts mit der reifen Expositionstechnik Menan-
ders rechnen und im Blick aufs Ganze Questas Urteil49 ablehnen, daß der
Menander des Dis exapaton „un autore ancora alla ricerca di se stesso“ war;
wenn die Bacchides den || Eindruck der Unreife erwecken, wird das eher auf 24
24
die simplifizierende Umarbeitung durch Plautus zurückzuführen sein.

2.2. Das Bühnenbild. Die Rekonstruktion der Aktgliederung des Originals,


die wir vorhaben, muß ausgehen von der Beobachtung von Figurenfüh-
rung und Zeitbehandlung der lateinischen Bearbeitung – und da können
natürlich Verkürzungen und Veränderungen eingetreten sein, die wir aller-
dings erst nachweisen müßten, indem wir auf Unstimmigkeiten vor allem
in der Figurenführung hinweisen. Darum empfiehlt es sich, daß wir uns zu
Beginn der Analyse einen Überblick über die Zuordnung der Figuren zum
Bühnenraum und seinen Häusern verschaffen. Zu Beginn des Spiels ist
jedenfalls Mnesilochus mit seinem Sklaven Chrysalus noch nicht von
Ephesos heimgekehrt; sein Vater Nicobulus befindet sich in seinem Haus,
einem der beiden Bühnenhäuser, aus dem er in II 3 zu seinem ersten Auf-
tritt kommen wird. Bacchis A wohnt im zweiten Bühnenhaus, das sie am
Ende von I 1, dem ersten erhaltenen Szenenschluß des Stücks, gemeinsam
mit ihrer Schwester Bacchis S betritt. Zu den übrigen Figuren später, ihre
Ausgangspositionen zu Spielbeginn zeigen sich (mit Ausnahme des Lydus)
im Verlauf des ersten Akts; jedenfalls wohnt Philoxenus mit Pistoclerus
und Lydus außerhalb der Bühne, desgleichen Cleomachus.

47 in arcem abiit aedem visere Minervae; nunc apertast.


48 Gaiser: „Die plautinischen ,Bacchides‘ und Menanders ,Dis exapaton‘“, S. 81. Aus
v. 911f. (von Gaiser S. 81f. diskutiert) läßt sich kein Datierungsindiz gewinnen.
49 Questa: Bacchides, S. 12.
90 II. Handlungsgliederung

Was die Zuordnung der Bühnenhäuser betrifft, hat W. Ludwig, der


den Fragen der Spielführung sonst das gebührende Augenmerk zuwen-
det,50 sich zu den Bacchides nur unbestimmt geäußert.51 Aber einige Be-
obachtungen erlauben uns doch, das Bacchishaus links und das Nicobu-
lushaus rechts vom Zuschauer anzunehmen. Dafür sprechen vor allem
solche Szenen, in denen ein Auftritt oder Abgang die ganze Bühnenbreite
zwischen einem Haus und dem gegenüberliegenden Seitenausgang der
Bühne zwingend beansprucht:

a) Auftritt Pistoclerus – Lydus in I 2.


Nach der z. B. von Duckworth52 besprochenen Konvention, daß es links
25
25 zum Hafen geht und rechts zum Forum, kommen die || beiden von rechts
auf die Bühne: Pistoclerus bringt ja die Einkäufe fürs Gelage vom Markt,
und der besorgte Lydus versucht ihn und seine pompa (v. 114) zunächst
einmal aufzuhalten (v. 109–112):

Iam dudum, Pistoclere, tacitus te sequor,


exspectans quas tu res hoc ornatu geras.
namque ita me di ament, ut Lycurgus mihi quidem
videtur posse hic ad nequitiam adducier.

Daß Lydus sich an dieser Stelle kurz unterbricht und erst weiterredet, als er
sieht, daß sein junger Herr sich nicht beirren läßt, zeigen seine folgenden
Worte (v. 113f.):

quo nunc capessis ted hinc adversa via


cum tanta pompa?

Nur wenn er zwischendurch pausierte, schlagen sich hic in v. 112 (= hier in


Athen) und hinc in v. 113 (= von der Stelle, wo Pistoclerus eben kurz Halt
gemacht hatte) nicht. Außerdem geht Pistoclerus adversa via weiter, ,auf der

50 Walther Ludwig (Hg.): Antike Komödien, Plautus/Terenz. Mit einem Nachwort und
Anmerkungen. München 1966, S. 1447: „Um dem Leser eine Anschauung von
den Vorgängen auf der Bühne zu ermöglichen, wurden – grundsätzlich neu –
reichliche Regiebemerkungen eingeführt.“
51 „Im Hintergrund die Häuser des Nicobulus und der Bacchis A“; vgl. dagegen
etwa zu den Menaechmi: „Im Hintergrund der Bühne steht links das Haus des
Menaechmus E, rechts das der Erotium.“ – Gleich unbestimmt wie Ludwig z. B.
auch Gaiser: „Die plautinischen ,Bacchides‘ und Menanders ,Dis exapaton‘ “,
S. 53. – del Corno: Plauto, Bacchides, S. 16. – Arnott: Menander (1979), S. 148. –
merkwürdigerweise auch James Tatum: Plautus: The Darker Comedies. Übers. mit
Einleitung und Anmerkungen. Baltimore, London 1983, S. 21, dessen Überset-
zung doch für eine Aufführung geschrieben wurde.
52 Duckworth: The Nature of Roman Comedy, S. 85ff.
Dis exapaton und Bacchides 91

Straße, die vor ihm liegt‘, d. h. schnurstracks in der bisherigen Richtung53


zum Haus der Bacchis. Dieses muß also, damit die pompa effektvoll über
die Bühne marschieren kann, links liegen.

b) Auftritt Lydus – Philoxenus in III 3.


Lydus bringt Philoxenus aus dessen Haus in der Stadt, also von rechts, auf
die Bühne. Die Aktion von v. 406 (sequere. :: quo sequar? quo ducis nunc me?),
die abermals zum Haus der Bacchis führt, ist gewiß einleuchtender und
wirkungsvoller, wenn sie geradewegs quer über die Bühne geht, als wenn
Lydus erst in die Bühnenmitte vorläuft und dann mit dem zögernd nach-
kommenden Philoxenus doch wieder zum rechten Bühnenhaus umkehren
muß.54

c) Abgang Lydus – Philoxenus in III 3 und folgender Auftritt des Nicobu- 26


26
lus lt. Dis ex. v. 11–30.
Der Schluß des Dreiergesprächs in III 3 muß sich eher auf der linken
Bühnenseite abspielen, weil Philoxenus und Lydus für ihren Abgang zur
Stadt, der ihren Auftritt spiegelverkehrt wiederholt, wieder viel Spielraum
brauchen. Zunächst folgt nämlich Lydus dem abgehenden Philoxenus
nach dessen Schlußbitte an Mnesilochus:

495 PHIL. serva tibi sodalem et mihi filium. MNES. factum volo.
499 PHIL. in te ergo hoc onus omne impono. Lyde, sequere hac me.
LYD. sequor. 55

53 Nicht also ,in der verkehrten Richtung‘ oder ,in der Gegenrichtung zu seinem
Vaterhaus‘ (so interpretieren del Corno: Plauto, Bacchides ad 1. und Schönbeck:
Beiträge zur Interpretation der plautinischen Bacchides, S. 14, Anm. 16); die Bedeutung
‚entgegengesetzt‘ liegt bei Ortsangaben nicht in dem Wort, cf. Thes. l. Lat. I 867,
3sqq. Oder meint Lydus ,mir entgegen‘?
54 Ich unterlasse es, im Text auf weniger schlüssige Personenbewegungen hinzuwei-
sen. Zwar kann etwa Chrysalus in II 1 gut, links vom Hafen kommend, nach rechts
zum Nicobulushaus gehen oder Lydus in III 1 entsetzt links aus dem Bacchis-
haus stürzen und zur Stadt laufen. Aber da in diesen Szenen sich jeweils nur ein
Schauspieler auf der Bühne bewegt, sind sie doch auf die Weise spielbar, daß er
sich einfach zur Bühnenmitte begibt, dort den Großteil seines Textes spricht und
dann sich umwendend abgeht. Diese Möglichkeit hat bei seinen Überlegungen
zur Schauspielerführung zu wenig bedacht Vincent J. Rosivach: „Plautine Stage
Settings“, in: Transaction of the American Philological Association 101 (1970), S. 445ff.
55 Ich halte mich an die von Eric W. Handley: Menander and Plautus. A Study in Compa-
rison. London 1968 nach dem griechischen Original verteidigte Versfolge von P;
der Einwand von Gregor Maurach: „Hans-Peter Schönbeck: Beiträge zur Interpretati-
on der plautinischen Bacchides. Düsseldorf 1981“, in: Gnomon 55 (1983), S. 15, Anm. 9,
auf Lydus’ sequor könne nicht unvermittelt, ohne ein einleitendes sed o. ä., melius
eqs. folgen, wird durch das im Text angenommene Bühnenspiel gegenstandslos.
92 II. Handlungsgliederung

Aber nachdem Lydus ein Stück mit seinem Herrn mitgegangen war, bleibt
er doch nochmals, bereits in einiger Entfernung von Mnesilochus, stehen
mit den Worten (v. 496): melius multo, me quoque una si cum illoc 56 relinqueres.
Und als Philoxenus den Vorschlag mit einem kurzen adfatim est ablehnt,
ruft er abgehend noch seine letzten Ratschläge zu Mnesilochus zurück.
Mnesilochus apostrophiert dann in erregtem Monolog die vermeint-
lich treulose Geliebte: und dabei wird er doch, auf der linken Bühnenseite
verblieben, vor dem Bacchishaus stehen oder, wenn er den beiden anderen
inzwischen bis zur Bühnenmitte nachgegangen war, sich wieder dem links
befindlichen Bacchishaus zuwenden. Als er sich nämlich dann entschließt,
seinen Vater auf der Agora aufzusuchen (v. 29f. ἀλλ᾿   ἤδη   µμε   δεῖ   ἐλθεῖν  
ἐπ᾿   ἐκεῖνον), muß er sich nach rechts umwenden; so sieht er ihn auch
gleich kommen: ἀλλ᾿  ὁρῶ  γὰρ  τουτονίί.
Zu diesen Szenen kommt, mit vielleicht noch mehr Beweiskraft, der
Beginn von II 3, die Begegnung Nicobulus – Chrysalus. Wäre nämlich das
Haus der Bacchis auf der rechten, das des Nicobulus auf der linken Seite,
kämen die Schauspieler in arge Schwierigkeiten. Da kurz vor Nicobulus’
Auftritt Chrysalus mit dem zu Bacchis abgehenden Pistoclerus gesprochen
hatte (bis v. 228), würde er von rechts her beobachten, wie Nicobulus aus
seinem Haus tritt, um zum Hafen zu gehen, d. h. vom linken Bühnenhaus
27
27 zum linken Seitenausgang; und obwohl er ihn an-||reden will, ließe er den
Abgehenden in aller Ruhe die vier Verse 235–238 sprechen, würde selbst
(ihm nachlaufend?) in aller Ruhe vier weitere Verse deklamieren und ihn
erst dann begrüßen. Wenn hingegen die Bewegungen der beiden aufeinan-
der zulaufen, wenn also Chrysalus links beim Bacchishaus den von rechts
über die Bühne Kommenden erwartet, ist alles in Ordnung.
Eine Gegeninstanz gegen die hier vertretene Zuweisung der Bühnen-
häuser ist nicht zu sehen; so werden wir gut daran tun, auch den Aufent-
haltsort des Cleomachus rechts auf der Stadtseite anzunehmen, damit er
selbst in IV 8 und zuvor im ersten Akt auch Bacchis S und der puer Cleo-
machi den nötigen Spielraum für ihre Auftritte gewinnen.

2.3. Der erste Akt.


Zur Ergänzung unserer Erwägungen über die Figurenführung und zur
letzten Vorbereitung unserer Aktanalyse ist es an der Zeit, nunmehr die
Fragmente des ersten Akts zu diskutieren.57

56 Handley wendet gegen cum illoc ein, Lydus müsse auf den jungen Mann ,hier auf
der Bühne‘ (cum hoc) deuten, nicht auf den ‚dort im Haus‘; aber Lydus spricht be-
reits ‚hier‘ auf der rechten Bühnenseite über ,den dort‘ auf der linken.
57 Die wichtigsten neueren Arbeiten dazu: Bader: „Der verlorene Anfang der plau-
tinischen ,Bacchides‘ “. – Gaiser: „Die plautinischen ,Bacchides‘ und Menanders
,Dis exapaton‘ “, S. 65–68.
Dis exapaton und Bacchides 93

Die erste Szene der Komödie muß damit begonnen haben, daß von
der Stadtseite her (wo sie eben von der überraschenden Ankunft ihrer
Zwillingsschwester erfahren haben mag) Bacchis A auftritt, gefolgt von
dem ihr zögernd nachkommenden Pistoclerus. Seit 1970 kennen wir näm-
lich die Anfangsworte des Dis exapaton:58 πρὸς   τῶν   θεῶν,   µμειράάκιον. Sie
müssen gesprochen sein von Bacchis A, weil diese im ursprünglichen Sys-
tem der Sprechersiglen,59 das die auftretenden Personen der Reihe nach
mit griechischen Majuskeln bezeichnete, bei Plautus durch A repräsentiert
war.60 Und der angesprochene junge Mann kann kaum jemand anderer als
Pistoclerus sein.61
Wie bisher nicht erkannt wurde, dürfte uns ein Teil des lebhaften Ein-
leitungsdialogs, vielleicht sogar der Einleitungsanrede von Bacchis A, in
fr. 19 Leo (16 Goetz) erhalten sein:

sin lenocinium forte collibitum est tibi,


videas mercedis quid tibi est aecum dari,
ne istac aetate me sectere gratiis.

Das Fragment paßt schon vom Metrum her in den Anfangsteil des ersten 28
28
Actus,62 und gegen die allgemein, wenn auch mit Bedenken, rezipierte
Vermutung, Bacchis S sage diese Verse zum puer des Cleomachus, sträubt
sich der Wortlaut. Zwar muß auch hier eine Hetäre sprechen (also Bacchis
A oder S), aber angesprochen muß ein junger Mann sein: nur Pistoclerus
gegenüber wird sie von sectari reden, von lenocinium spötteln und mit istac
aetate spielen, und zum Sklaven des Cleomachus paßt jedenfalls der Witz
mit gratiis nicht. Ferner signalisiert sin, daß sie vorher eine Alternative zum
lenocinium genannt haben muß.63 Ich halte dementsprechend bei Menander

58 Publiziert von Bernard Boyaval, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 6
(1970), S. 5–7.
59 Vgl. dazu außer Gaiser und Bader auch Klaus Ulrich Wahl: Sprecherbezeichnungen
mit griechischen Buchstaben in den Handschriften des Plautus und Terenz. Dissertation,
Universität Tübingen 1974.
60 Pistoclerus: Γ, Bacchis S: E; vgl. Wahl: Sprecherbezeichnungen, S. 24–26.
61 Seine Sigle Γ, d. h. die Tatsache, daß er bei Plautus erst als Dritter spricht, erklärt
Gaiser gut durch die Vermutung, daß Plautus der Bacchis A eine Magd als Be-
gleiterin mitgab.
62 Bader und Gaiser gehen zu Recht von der Erwartung aus, daß Senare–Canticum–
Septenare aufeinander folgten (vgl. dazu unten S. 99). Die drei plautinischen Stü-
cke, die mit einem Canticum beginnen (im vierten, dem Epidicus, ist einfach der
Prolog verloren), sind mit den Bacchides nicht vergleichbar: überall, in Cistellaria,
Persa und Stichus, singen zu Beginn zwei gleichgestellte Personen (Hetären, Skla-
ven, Ehefrauen).
63 Gaiser: „Die plautinischen ,Bacchides‘ und Menanders ,Dis exapaton‘“, S. 68 muß,
um im Munde der Bacchis S eine Alternative zu ermöglichen, das von mir ge-
94 II. Handlungsgliederung

folgenden Stückanfang für wahrscheinlich: Bacchis A spricht Pistoclerus,


der ihr folgte (sectari!), weil er aufgrund der Beschreibung, die ihm Mnesi-
lochus von Bacchis S brieflich geliefert hat, die Gesuchte vor sich zu ha-
ben glaubt, gereizt an: ,Bei den Göttern, junger Mann, (was läufst du mir
die ganze Zeit nach und starrst mich an? Wenn ich dir gefalle, dann wage
mich endlich anzureden; ich bin ja bereit, natürlich wenn du entsprechend
zum Symposion beisteuerst, dich einzuladen.) Solltest du aber etwa Inte-
resse am Kupplergewerbe haben, dann überleg dir, welchen Lohn du für
angemessen hältst, daß du nicht, jung wie du bist, die ganze Zeit gratis
meinen Begleiter machst.‘64
Die Einordnung der weiteren Fragmente in eine mögliche Erste-Akt-
Handlung versuchen wir zweckmäßigerweise aufgrund eines Vergleichs
mit dem Eingang des Eunuchos, wo wir ja dem Spannungsverhältnis zwi-
schen Hetäre und jungem Mann wiederbegegnen. Der Eunuchos beginnt
29
29 mit dem Auftritt des von Thais tief enttäuschten || Phaedria; seine ratlosen
Racheerwägungen glossiert spöttisch sein Sklave Parmeno: ein einziges
Wort der Thais werde ihn sofort wieder erweichen. Sie kommt, und
Parmenos Voraussage geht prompt in Erfüllung. Die dramatische Qualität
dieses Eingangs, die wir ähnlich auch für den Dis exapaton erwarten dür-
fen, besteht nicht nur darin, daß die Szenenfolge vor dem Prolog in sich
wirksam ist und die Aufmerksamkeit des Publikums von allem Anfang an
fesselt. Ebenso wichtig ist m. E. eine zweite Errungenschaft Menanders,
die im Ausnützen des Spannungsverhältnisses zwischen den Eingangssze-
nen und dem folgenden von Thais gesprochenen Prolog besteht.65 In den
Dialogszenen erfährt das Publikum nämlich noch nicht, wer eigentlich die
Lage richtig beurteilt, der in seiner Verliebtheit am Ende doch wieder
vertrauensselige Phaedria oder der illusionslos mißtrauische Parmeno. Erst
nach dem Abgang der beiden, im Prolog der Thais, stellt sich heraus, daß
sie es doch ehrlich mit ihm meinte und welche für die folgende Haupt-
handlung wichtigen Gegebenheiten sie zwangen, ihn am Vorabend nicht
einzulassen. So erzielt Menander nicht zum wenigsten dadurch dramati-
sche Wirkung, daß sich in den Augen des Publikums durch den Informa-
tionsfortschritt von den Dialogszenen zum Prolog die Konstellation zwi-

sperrte Wort in den Text interpolieren: ,(Höre auf, mir den Soldaten zu empfeh-
len!) Wenn aber das Kupplergewerbe dir w i r k l i c h gefällt, dann sieh nur zu …‘
64 Bei Plautus (siehe Anm. 61) wird sich nach dieser unfreundlichen Anrede der
Bacchis A auch noch ihre Magd über den schüchternen Verehrer belustigt haben,
bevor er selbst zu Wort kam. Ob die Magd auch schon bei Menander vorkam, ist
schwer zu sagen. Wenn ja, hat sie ein Analogon in dem Parasiten des Dyskolos,
der auch nur im ersten Akt erscheint. Aber arbeitet Menander noch im Jahr 301
mit solchen Füllfiguren?
65 Vgl. zu Menander/Eunuchos und Terenz/Eunuchus in dieser Szenenfolge Primmer:
„Zur Lektüre von Terenz’ Eunuchus“, S. 96ff. [33ff.], v. a. S. 106f. [41–43].
Dis exapaton und Bacchides 95

schen den Spielfiguren ändert.66 Und zum dritten wird im Eunuchos eine
scheinbar nebensächliche Gegebenheit des Eingangs erst im späteren
Spielverlauf sehr bedeutsam: das Fehlurteil des Parmeno über Thais führt
am Ende der Protasis, in II 3, dazu, daß er Phaedrias Bruder Antipho nicht
davon abbringen kann, den eigentlich nur scherzhaft gemeinten Plan,
Antipho solle sich in einen Eunuchen verkleiden, gegen seine zu spät er-
wachenden Bedenken doch in die Tat umzusetzen: betrügerischen Hetären
gegenüber darf man sich doch alles erlauben!
Fordern wir nun auch von einer (z. T. selbstverständlich hypotheti-
schen) Rekonstruktion des ganzen Dis-Exapaton-Eingangs dieselben dra-
matischen Qualitäten und dramaturgischen Prozeduren, dann ergibt sich
erstens die unmittelbare Wirksamkeit des Einleitungsdialogs aus der Span-
nung zwischen der gereizten Bacchis A und dem schüchternen, noch nicht
zur ersten Liebe erwachten Pistoclerus, zweitens ein zur Konstellationsän-
derung führender Informationsfortschritt dann, wenn || Pistoclerus im 30
30
Dialog noch keine Gelegenheit findet zu erklären, daß er Bacchis A nicht
aus eigenem Interesse gefolgt ist, sondern wenn er erst im Prolog dem
Publikum enthüllt, daß Mnesilochus und Bacchis S das Hauptpaar der
Komödienhandlung sein werden, und drittens das spätere Wirksamwerden
eines im Eingang exponierten Faktums dann, wenn die Zwillingsähnlich-
keit des Schwesternpaars beim Quiproquo des dritten Akts eine Rolle
spielt.67
Mit einigem Vorbehalt, aber auch mit einiger Zuversicht können wir
demnach die Fragmente des ersten Akts in folgender Weise anordnen 68
und ergänzen: Der zur Rede gestellte Pistoclerus sagt in seiner Verlegen-
heit, er habe herausbekommen wollen, ob sie wirklich die ihm von einem
Freund brieflich beschriebene Bacchis aus Samos sei. Sie bejaht, in der
Annahme, sein Interesse gelte ihr (vielleicht hält sie, und mit ihr das Publi-
kum, das Briefmotiv für eine Variation des bekannten ,Fräulein, woher
kennen wir uns bloß?‘). Er fragt weiter, wann sie in Athen angekommen
sei, und auf ihre Antwort, sie sei schon längere Zeit hier, erwidert er, dann
sei sie doch nicht die Richtige, obwohl sie der Beschreibung völlig ent-

66 Zu der wichtigen Technik des Ausnützens der Informationsdifferenz zwischen


Publikum und Figuren des Spiels vgl. Pfister: Das Drama. Theorie und Analyse,
S. 79ff.
67 Das hat schon Otto Ribbeck: „Die verlorengegangenen Scenen der Plautinischen
Bacchides“, in: Rheinisches Museum 42 (1887), S. 116, Anm. 3 reklamiert: „Wozu die-
se Ähnlichkeit der Schwestern erfunden ist, erhellt aus dem Gang des [plautini-
schen] Stückes durchaus nicht: die Mittheilung des Lydus an Mnesilochus (470ff.)
und dessen Irrthum hat ja mit jener Voraussetzung nichts zu thun. Im Original
muß sie zu Verwechselungen und Verwickelungen ausgebeutet sein.“
68 In der Reihenfolge weiche ich teilweise von Gaiser ab; das Wichtigste wird be-
gründet.
96 II. Handlungsgliederung

spreche. Leicht pikiert erklärt sie, vielleicht meine er ihre Zwillingsschwes-


ter, gleichen Namens – fr. 6 (3) – und ihr ähnlich wie ein Ei dem anderen:
fr. 5 (8).69 Dann läßt sie ihn stehen mit der Bemerkung, er könne ja wie-
derkommen, wenn er mit sich ins Reine gekommen sei, in welche der
beiden er sich nun eigentlich verlieben wolle; denn sie erwarte den Besuch
ihrer Schwester noch heute.
Folgt unmittelbar anschließend der Prolog, gesprochen von Pistocle-
rus. Er beginnt damit, daß er seine Suche nach Bacchis S mit den Irrfahr-
ten des Odysseus vergleicht – fr. 15 (1) –, berichtet dann vom Brief des
Mnesilochus, der die Vorgeschichte bietet und die treue Freundschaft der
beiden betont (zum Freundschaftsmotiv vgl. 2.6.2), und geht ab mit der
Ankündigung, er werde die Ankunft der Bacchis S in der Nähe abwarten.
Am besten zieht er sich nach links zurück, dann jedenfalls, wenn erst
31
31 Plautus die Hausputzszene eingefügt haben || sollte,70 weil dann der Sklave
des Cleomachus Bacchis S gleich von rechts her auftretend bringt.
Bei Plautus beginnt mit dem Auftritt des puer Cleomachi nach dem
Senarteil der Canticumteil des ersten Actus: fr. 1 (4) und 2 (5). Er belehrt
Bacchis S über ihre Vertragspflichten – fr. 10 (17), angemessen wieder für
kurze Zeit in der ‚Prosa‘ der Senare. Bacchis S wird bei Menander, der
Figurenpaare nach ihrem Charakter zu differenzieren liebt,71 im Unter-
schied zur richtigen Hetäre Bacchis A wohl als ein in Mnesilochus ehrlich
verliebtes Mädchen gezeichnet sein;72 Plautus hingegen kann nicht an der
Gelegenheit vorbeigehen, sie auf die Mahnung des Sklaven nec cum quiquam
limares caput mit einem Wortwitz über die limaces viri (,die reiberischen
Männer‘) antworten zu lassen.73

69 Gaiser: „Die plautinischen ,Bacchides‘ und Menanders ,Dis exapaton‘ “, S. 67,


Anm. 42 bemerkt zu Recht, daß fr. 5 auch eine Äußerung des Pistoclerus sein
könne, der über die Zwillingsähnlichkeit der Schwestern staunt.
70 In die Hausputzszene (nach Stichus v. 347ff.?) gehören die fr. 3 (6) und 4 (7); das
Bedenken, impurissimum passe als grobes Schimpfwort nicht in den Mund einer
Frau (so zuletzt Bader: „Der verlorene Anfang der plautinischen ,Bacchides‘ “,
S. 311), erledigt sich wohl, wenn wir es der wiederauftretenden Magd zuschreiben.
71 Im Dis exapaton selbst sind so kontrastiert der bereits verliebte Mnesilochus und
der schüchterne Pistoclerus, der strenge Nicobulus und der konziliante Philoxe-
nus, der biedere paedagogus Lydus und der intrigenfreudige Chrysalus.
72 Pistoclerus, der ja im zweiten Akt im Bacchishaus nicht mit Bacchis S gespro-
chen haben kann – laut v. 105 sitzt sie ja im Bad –, muß ihre verliebten Äuße-
rungen, von denen er in II 2 (v. 206ff.) dem Chrysalus berichtet, im ersten Akt
gehört haben (was übrigens dafür spricht, daß Tatum: Plautus: The Darker Comedies
die Bacchis von Actus a wohl etwas zu geldgierig zeigt).
73 Fr. 11 (18). Anders als Gaiser: „Die plautinischen ,Bacchides‘ und Menanders
,Dis exapaton‘ “, S. 67f. behält del Corno: Plauto, Bacchides ad 1. die Beziehung
zwischen limares und limaces bei.
Dis exapaton und Bacchides 97

Der Sklave geht (rechts ab, zu Cleomachus), als es zum Wiedersehen


der beiden Schwestern kommt (einen Teil dieser Szene muß Pistoclerus als
Lauscher verfolgen, und da es sonst zu einer Verletzung der Dreisprecher-
regel käme, wird der Sklave bald abgegangen sein). Bacchis S berichtet
über den Söldner, von dem sie frei werden will, mit deutlicher Antipathie:
fr. 7 (9) und 8 (10).74 Dagegen schwärmt sie von Mnesilochus – fr. 12 (13) –,
was Bacchis A, die sich wohl nach bekannten Mustern eine ehrlich verlieb-
te Hetäre nicht recht vorstellen kann, verwundert fragen läßt: Cupidon
tecum saevit anne Amor? 75 Übrigens ist || Bacchis A vielleicht (trotz des Se- 32
32
nars) auch die Sprecherin von fr. 18 (20) nam credo cuivis excantare cor potes,
im gleichen Zusammenhang: ,‹Was kaprizierst du dich denn auf den ei-
nen,› du kannst doch alle bezaubern!‘
Irgendwann im Verlauf dieses Zwiegesprächs begann Pistoclerus mit
a-parte-Bemerkungen die Äußerungen der beiden Schwestern zu glossie-
ren; seine Feststellung, ‹Ah, das ist die,› quae sodalem atque me exercitos habet
– fr. 17 (12) – würde jedenfalls metrisch in die Nähe von fr. 12 (13) pas-
sen. Das eigentliche Dreiergespräch beginnt wie es scheint mit dem Sep-
tenarteil. Die Schwestern brauchen gegen Cleomachus seine Hilfe, und
ihrer Charakterdifferenzierung entsprechend vereinbaren sie in einer a-
parte-Beratung (hier setzt der in der direkten Überlieferung erhaltene Text
ein), Bacchis A solle ihn becircen. Das gelingt ihr auch nach längerem Hin
und Her, Pistoclerus fängt Feuer und erklärt sich bereit, fürs Gelage ein-
kaufen zu gehen; am Aktschluß gehen die Bacchides ins Haus.
Unsere Rekonstruktion des ersten Menanderakts mag in Einzelheiten
unsicher sein, aufs Ganze gesehen verdient sie wie ich meine doch Ver-
trauen. Überblicken wir die Handlungsführung nochmals, so erkennen wir
vor allem die Technik des reifen Menander, Interessenschwerpunkte zu
bilden. Bis zum Binnenprolog einschließlich reicht ein Expositionsteil, der
das Publikum sowohl mit dem Paar Pistoclerus – Bacchis A bekannt macht
als auch das Hauptpaar Mnesilochus – Bacchis S ankündigt. Mit dem Auf-
tritt von Bacchis S setzt dann die Haupthandlung ein: die Geldforderung
des Gegenspielers Cleomachus wird in ihr ein Hauptmotiv und -movens
sein. Am Schluß rücken nochmals der schüchterne Pistoclerus und Bacchis A
ins Zentrum des Interesses, also die Personen der Nebenhandlung.

74 fr. 7 paßt wegen dieser Antipathie besser zu Bacchis S als (mit Gaiser: „Die
plautinischen ,Bacchides‘ und Menanders ,Dis exapaton‘ “, S. 67) zu Pistoclerus;
Ähnliches gilt für fr. 8, wo die lt. Rivista di Filologia e Istruzione Classica 105 (1977),
S. 392 neu gesicherte Zwischenfrage cuiatem esse aiebant (v. 11) wohl von Bacchis
A stammt, jedenfalls nicht (mit Gaiser: „Die plautinischen ,Bacchides‘ und Me-
nanders ,Dis exapaton‘ “, S. 68) vom puer stammen kann.
75 fr. 14 (19), von Gaiser eher unwahrscheinlich auch dem puer Cleomachi zugeor-
det.
98 II. Handlungsgliederung

2.4. Die Bestimmung der Aktgrenzen des Dis exapaton aus den Bacchides
werden wir, wie in 1.1.1 angekündigt, zunächst mit Hilfe des Webster-
Kriteriums versuchen. Vollständigkeitshalber ist in der folgenden Aufstel-
lung auch die Pause nach dem 1. Akt miteinbezogen; wiewohl sie schon
durch den Texthinweis in v. 107, der die bei Menander übliche Ankündi-
gung des ersten Chorauftritts widerspiegelt, gesichert wäre, ist es doch von
methodischem Interesse zu verfolgen, wie weit wir mit dem Webster-
Kriterium kommen. – Die Pausen werden in der Übersicht vorerst ganz
unverbindlich durchnumeriert.
PAUSE 1 ergibt sich mit völliger Sicherheit zwischen v. 108 und v. 109:
Pistoclerus wollte laut v. 96ff. zum Markt Essen kaufen gehen, er verließ
v. 100 den Bühnenraum. Die Bühne wird, da nach v. 100 die beiden Bac-
33
33 chi-||des noch ein kurzes Zwischengespräch führen, erst nach v. 108 leer.
Unmittelbar danach, in v. 109, kommt Pistoclerus von seinem Einkauf zu-
rück, von einer ,pompa‘ (v. 114, Sklaven mit den opsonia, vielleicht auch ein
Koch) begleitet. Er kann bei Menander unmöglich während der 8 Zwischen-
verse zur Agora und wieder zurück zum Bühnenhaus gekommen sein.
PAUSE 2 liegt möglicherweise an einer der beiden Leerbühnenstellen
nach v. 367 oder v. 384, und zwar eher nach v. 384.76 Der Hauptbeweis
dafür ergibt sich daraus, daß Chrysalus, welcher v. 347f. den Vater Nico-
bulus zum Forum geschickt hat, wo er angeblich seinen Sohn Mnesilochus
treffen kann, laut v. 366f. selber nach der Hafenseite abgeht, wo sich Mne-
silochus in Wahrheit aufhält. Nun kommt Mnesilochus, laut v. 390ff. in-
zwischen von Chrysalus über die Auffindung seiner Bacchis und die ge-
glückte Intrige informiert, v. 385 auf die Bühne. Wir dürfen annehmen, daß
sich die beiden inzwischen (d. h. zwischen v. 367 und v. 384) im Hafen ge-
troffen haben, was nur während einer Aktpause möglich ist; allerdings kann
nicht ganz ausgeschlossen werden, daß Plautus einen Hinweis Menanders
weggekürzt hat, aus dem sich (vgl. Samia v. 59–61) ergäbe, daß Mnesilochus
schon selbst inzwischen in die Nähe der Bühne gekommen war.
Die Nebenfrage, ob wir den Auftritt des Lydus (v. 368–384) eher vor
oder hinter die Aktpause legen sollen, läßt sich folgendermaßen entschei-
den: Lydus geht mit der deklarierten Absicht ab (v. 383f.), seinen Zögling
Pistoclerus bei dessen Vater Philoxenus zu verklagen, und kommt v. 405
tatsächlich mit diesem zurück. Das deutet doch darauf hin, daß nach sei-
nem Abgang, also zwischen v. 384 und v. 385, eine Aktpause ihm die Zwi-

76 Zur Erinnerung kurz die Szenenfolge von v. 109–384: In I 2 (v. 109–169) zwingt
Pistoclerus seinen alten Pädagogen Lydus, ihn zum Gelage bei Bacchis A zu be-
gleiten. In II 1f. (v. 170–234) informiert Pistoclerus, nochmals aus dem Bacchis-
haus heraustretend, den von Ephesus heimgekehrten Chrysalus über die Situati-
on; Chrysalus luchst in II 3 (v. 235–367) durch seine Lügenerzählung Vater
Nicobulus das benötigte Geld ab. Nach beider Abgang stürzt in III 1 (v. 368–
384) Lydus entrüstet aus dem Bacchishaus.
Dis exapaton und Bacchides 99

schenzeit zu seiner außerszenischen Aktion bot. Allerdings: das Haus des


Philoxenus könnte in unmittelbarer Nachbarschaft neben der Bühne an-
zunehmen sein (dann würde III 2, v. 385–404, die Zwischenzeit angemes-
sen überbrücken).
Mit PAUSE 3 ist die Sache einigermaßen kompliziert. Aus dem Bacchides-
Text läßt sich nämlich nicht mehr herauslesen, als daß Plau-||tus vor v. 525 34
34
irgendwie gekürzt haben muß.77 Es geht um die Bewegungen des Nicobu-
lus, der doch v. 348 zum Forum gegangen war, um dort Mnesilochus zu
treffen. Nun ist er von dort bis v. 525 nicht zurückgekommen, und trotz-
dem trifft ihn Mnesilochus daheim an (wie sich aus v. 530–533 klar ergibt).
Plautus muß also entweder in v. 348 den Forumgang des Nicobulus zuge-
fügt oder vor v. 525 seine Rückkehr gestrichen haben. Daß nur die letzt-
genannte Möglichkeit zutrifft, erweist die Ökonomie der Komödie: die
ganze Folgehandlung gewinnt ja ihre dramatische Spannung daraus, daß
Chrysalus dem nunmehr gewarnten alten Herrn das Geld, das ihm Mnesi-
lochus ausgefolgt hat, nochmals abnehmen muß. Der Widerruf von Chry-
salus’ Lügengeschichte durch Mnesilochus ist also so bedeutsam, daß er
am besten doch auf und nicht hinter der Bühne erfolgt; und das läßt sich
ungezwungen bewerkstelligen, wenn der vermeintlich betrogene Liebhaber
Mnesilochus und sein vom Forum zurückkehrender Vater vor v. 525 auf
der Bühne zusammentreffen.
Ich bemerke en passant, daß sich Nicobulus’ Forumgang zwischen
v. 348 und v. 525 nicht dazu ausnützen läßt, die Pause 2 zwingend abzusi-
chern; das ginge nur bei allzu mechanischer Anwendung des Webster-
Kriteriums. Denn mehr als 170 Verse müßten auch innerhalb eines Aktes
genügen, ihn hin- und zurückkommen zu lassen; die Ansprüche des Publi-
kums an die Zeitwahrscheinlichkeit wären gewiß überschätzt, wollten wir
zusätzlich darauf insistieren, daß er wohl längere Zeit vergeblich seinen
Sohn erwartet oder gesucht haben müsse.
Aber auch für die Pause 3 läßt sich aus dem lateinischen Text allein
nichts Konkretes gewinnen, solang wir uns auf die Beobachtung der Figu-
renführung und das Webster-Kriterium beschränken. Denn nach v. 525 ist,
was Nicobulus angeht, bei Plautus oberflächlich78 wieder alles in Ordnung:
Chrysalus erwartet laut v. 768f. seinen Auftritt aus dem Haus, von wo er
auch v. 770 prompt auf die Bühne kommt. Wir müßten also, hätten wir bloß
die Bacchides, auch die Strukturkriterien von 1.1.2 und 1.1.3 mit heranziehen.

77 Die Szenen von v. 385–525: III 2 (v. 385–404) bringt den ersten Auftritt des
Mnesilochus, der in III 3 (v. 405–499) von Lydus und Philoxenus die falsche In-
formation bekommt, seine Bacchis halte es jetzt mit seinem Freund Pistoclerus.
Wieder allein, entschließt er sich in III 4 (v. 500–525), zu seinem Vater ins Haus
zu gehen und die Lügengeschichte zu widerrufen.
78 Vgl. aber unten zu Pause 4.
100 II. Handlungsgliederung

Glücklicherweise kommt uns aber der Dis-exapaton-Papyrus zu Hilfe,


der uns nicht nur bestätigt, daß bei Menander wirklich der Widerruf der
35
35 Lügengeschichte vor den Augen der Zuschauer erfolgte. || Sostratos/
Mnesilochus und sein Vater gehen auch nach Dis ex. v. 63 = Bacch. v. 525
gemeinsam von der Bühne ab, 79 die für ein Chorintermezzo frei wird, und
treten dann gemeinsam wieder auf. Der Originaltext sichert also die Pause
3 in unbezweifelbarer Weise.
PAUSE 4 ist dagegen wiederum nur möglich, nicht sicher. Ihr Ansatz
hängt abermals mit Nicobulus zusammen. Am Ende der griechischen
Aktbeginnszene, die Plautus zwischen III 4 und III 5 gestrichen hat, geht
nämlich Nicobulus abermals zur Agora (Dis ex. v. 89 = Bacch. vor v. 526),80
so daß sein Wiederauftritt bei Bacch. v. 770 im Original nicht aus dem
Haus, sondern vom Markt her erfolgen mußte (tatsächlich wirkt die Figu-
renführung ungezwungener, wenn Chrysalus, der doch Nicobulus seinen
Intrigenbrief möglichst bald übergeben will, vor dessen Haus seine Heim-
kehr abwarten muß, als wenn er – wie bei Plautus – trotz seiner Eile nicht
zu ihm ins Haus geht.81 Der neuerliche Forumgang des Nicobulus kann
uns also – nach dem Webster-Kriterium – dazu veranlassen, vor v. 770
eine Aktpause anzusetzen, aber die Sache ist doch aus zwei Gründen unsi-
cher: erstens, weil Nicobulus zwischen v. 526 und v. 770 genügend Zeit
hatte, um seinen Forumgang auch innerhalb eines Aktes zu vollenden, und
zweitens, weil es bei der eben erwähnten Eile des Chrysalus recht unwahr-
scheinlich wäre, wenn er, statt den Brief gleich an den Mann bringen zu
wollen, mit den jungen Männern wieder ins Bacchishaus abginge.82

79 Sie entfernen sich höchstwahrscheinlich nach der Hafenseite, wo Sostratos das


aus Ephesos heimgebrachte Geld deponiert haben wird: denn dreimal, in Dis ex.
v. 59, 60 und 61, fällt der Ausdruck ἀκολουθεῖν.
80 In Bacch. v. 526–769 kann Plautus wieder die originale Szenenfolge annähernd
beibehalten haben: III 5f. (v. 526–572), das klärende Gespräch zwischen Mnesi-
lochus und Pistoclerus; IV 1f. (v. 573–611), der Parasit des Cleomachus über-
bringt dessen Forderung, das Mietgeld für Bacchis S noch heute zurückzuzahlen;
IV 3–5 (v. 612–769), dem bestürzten Mnesilochus kommt Chrysalus mit dem
Plan zur ersten Briefintrige zu Hilfe.
81 Zudem bleibt bei Plautus unklar, woher Chrysalus überhaupt weiß, daß der Alte
daheim ist.
82 Webster selbst (An Introduction to Menander, S. 132) setzt die Aktpause bei v. 769/
770 als ganz sicher an und schreibt, da in seiner Rekonstruktion hier bereits der
5. Akt beginnen muß, die folgenden Szenen recht gewaltsam um. So läßt er z. B.
statt Nicobulus dann Chrysalus mit Cleomachus zum Forum gehen (siehe unten,
zu Pause 5); aber was ihn dazu veranlaßt hat, ist nichts als die unberechtigte Ver-
absolutierung seines Kriteriums. Webster will nämlich auch jemanden, der relativ
früh in einem Akt zum Hafen oder Markt geht, nicht im selben Akt wieder auf-
treten lassen. Methodisch richtig muß es doch sein, mit dem Minimum plautini-
scher Änderungen zu rechnen, vor allem, sie nicht aufgrund unserer Hypothesen
Dis exapaton und Bacchides 101

Immerhin scheint noch ein weiteres Argument für Pause 4 zu spre- 36


36
chen, das sich aus den folgenden Szenen ergibt. 83 Als nämlich Cleomachus
v. 842 auftritt, ist er offenbar inzwischen außerszenisch von seinem Parasi-
ten, der v. 605 abgegangen war, über die Lage voll informiert worden.
Aber das Argument ist abermals recht wackelig, sowohl im Hinblick auf
die lange Zwischenzeit als auch, weil Cleomachus ebenfalls in Bühnennähe
Quartier genommen haben kann.84
PAUSE 5 liegt mit Sicherheit zwischen v. 1075 (oder v. 924) und
v. 1076; die in der Klammer genannte Alternative gilt für den Fall, daß die
Szene IV 9 (v. 925–1075), mit der zweiten Briefintrige, erst von Plautus
eingefügt wurde, so daß wir für die Originalfassung gleich von IV 8 (bis
v. 924) auf IV 10 (ab v. 1076) springen müssen.85 Auszugehen ist vorerst
jedenfalls davon, daß auch im Original Cleomachus und Nicobulus knapp
vor dem Ende von IV 8 vereinbart hatten, die Übergabe des versproche-
nen Intrigengeldes auf dem Forum durchzuführen (vgl. v. 902f., 1060),
wohin also Nicobulus entweder (mit geänderten Abgangsversen) nach
v. 924 oder nach v. 1066 abgeht und von wo er, nachdem er bezahlt hat
und von Cleomachus anschließend über den wahren Sachverhalt aufge-
klärt worden ist (vgl. v. 1090, 1095–1098), am Beginn von V 1 (v. 1087)
erbittert zurückkommt. Der Beginn des fünften Akts wird also durch das
Webster-Kriterium eindeutig auf v. 1076 festgelegt.
Wenn wir nun das Fazit aus unserer Durchmusterung der Personen-
führung (unter dem Gesichtspunkt des Webster-Kriteriums) ziehen, so
sieht es wohl auf den ersten Blick unbefriedigend aus. Denn da wir insge-
samt fünf mögliche Aktpausen zusammengebracht haben, scheinen wir
mit sechs statt fünf Menanderakten dazustehen. In Wahrheit stiftet unser
Resultat aber doch mehr Klarheit als Verwirrung. Denn drei von den vier
Aktpausen stehen immerhin fest, vor v. 109, v. 526 und v. 1076, und wir
können die offengebliebenen Fragen präzis formulieren. Es geht nur mehr
um die Entscheidung, ob wir neben den genannten drei Pausen die vierte
vor v. 385 oder v. 770 ansetzen sollen. Von den beiden ‚möglichen‘ Pau-
sen (oben Nr. 2 und 4) muß also eine verschwinden, und || welche zu eli- 37
minieren ist, müssen uns die unter 1.1.2 und 1.1.3 genannten Strukturkrite-
rien zeigen.

zu postulieren, sondern aufgrund von Schwierigkeiten, mit denen uns der Text
selbst konfrontiert.
83 An IV 6f. (v. 770–841), mit den zunächst mißtrauischen Reaktionen des Nicobu-
lus auf den ersten Brief, schließt ja IV 8 (v. 842–924) unmittelbar an, der Auftritt
des Cleomachus, von dem sich Nicobulus so einschüchtern läßt, daß er zahlt.
84 Vgl. oben bei Pause 2 zu Philoxenus.
85 Die Szenenfolge nach der erfolgreichen zweiten Briefintrige, ab IV 10, beginnt
mit den Auftritten des Philoxenus, der nach seinem Sohn sehen will, und des in-
zwischen von Cleomachus aufgeklärten Nicobulus.
102 II. Handlungsgliederung

2.5. Die menandrische Dreigliederung der Fabel und die Besonderheiten


der Struktur, die jeder Akt aufweisen soll, werden sich – so dürfen wir
probeweise erwarten – bei Wahl der richtigen Alternative zwangloser und
klarer ergeben als bei falscher Wahl. Stellen wir die Möglichkeiten noch-
mals zusammen (ich benenne sie nach Gelehrten, die sie vertreten haben):

  α   β   γ    δ    ε  
Questa86 bis 108 109–525 526–769 770–1075 1076–1211
Lowe87 bis 108 109–384 385–525 526–1075 1076–1211

Der erste Akt, der beiden Rekonstruktionen gemeinsam ist, bereitet das
Publikum auf eine zweisträngige Handlung vor, eine Nebenhandlung um
Pistoclerus und Bacchis A und eine Haupthandlung um Mnesilochus und
Bacchis S (daß diese die Haupthandlung werden muß, dürfen wir ebenso
daraus folgern, daß der – noch dazu titelgebende – Intrigensklave dem
Mnesilochus zugeordnet ist, wie daß eben dessen Vater der Hauptgegen-
spieler sein wird). Nun reicht bei Questas Aktteilung die Protasis in β bis
zum falschen Verdacht des Mnesilochus gegen Pistoclerus, denn die Kom-
plizierung der dramatischen Situation in der Epitasis geht ja regelmäßig
von der Schlußszene des zweiten Akts aus, d. h. in diesem Fall von Mnesi-
lochus’ Widerruf der Chrysalus-Lügenerzählung und von der Geldüberga-
be an Nicobulus. Dementsprechend geht es im Protasis-Teil des zweiten
Aktes gar zu oft zwischen Neben- und Haupthandlung hin und her: zuerst
wird Lydus als Gegenspieler der Nebenhandlung eingeführt (I 2), dann
gelingt es dem Intrigensklaven der Haupthandlung, seinem jungen Herrn
das nötige Geld zu sichern (II 1–3), dann droht Lydus, den ,zweiten Lieb-
haber‘ Pistoclerus bei Vater Philoxenus zu verklagen (III 1), dann vereini-
gen sich die beiden Handlungsstränge (und zwar schon in der Protasis,
nicht, im Interesse eines steigernden Handlungsaufbaus, erst in Epitasis
38
38 oder || Katastrophé), indem Mnesilochus durch Lydus und Philoxenus von
der vermeintlichen Treulosigkeit seines Freundes erfährt (III 2–3).
Dieser Überfülle an Handlung in der Protasis – es gibt keinen ande-
ren so handlungsreichen zweiten Akt bei Menander – steht ein Manko an
dramatischer Steigerung in der Epitasis gegenüber. Da deren Movens am
Ende von β die Geldrückgabe war, wird nämlich die Wiederbeschaffung

86 Zuletzt in Questa: Bacchides, S. 24f.


87 J. Christopher B. Lowe: „Menander (Entretiens de la Fondation Hardt 16 [1970])“,
in: Classical Review 23 (1973), S. 24 (nach Handley: „The Conventions of the
Comic Stage and their Exploitation by Menander“, S. 227): „Questa is surely
wrong to suppose an act-division corresponding to 760 or 769, whereas one is
needed at 384 to cover a lapse of dramatic time (wie man diesem Argument ent-
gehen könnte, ist oben zu Pause 2 besprochen). The long act was the third (ge-
meint ist offenbar: the fourth), further expanded by Plautus (= Bacch. 526–1075).“
Dis exapaton und Bacchides 103

des Geldes zum einzigen Thema des dritten und vierten Akts. Nach der
Versöhnung der Freunde (III 5–6) erfolgt gleich im dritten Akt die letzte
Zuspitzung der dramatischen Situation, indem der Parasit des Cleomachus
dessen Forderung nach sofortiger Zahlung überbringt (IV 1–2), und den
Rest des Aktes füllen Klage des Mnesilochus (IV 3) und Vorbereitung der
neuen Intrige durch Chrysalus (IV 4–5). Die erste Hälfte des vierten Aktes,
die doch die letzte Verschärfung der Lage vor der Katastrophé bringen soll-
te, enthält statt dessen bereits die erfolgreiche Durchführung von Chrysalus’
erster Briefintrige (IV 6–8), womit das Hauptproblem der Haupthandlung
erledigt ist,88 und die zweite Akthälfte verdoppelt den Erfolg behaglich
durch die zweite Briefintrige (IV 9). Wenn irgendwo, dann sollte deren Platz
aber nach Menanders Technik des Bauens erst im fünften Akt sein.
Ganz anders entwickelt sich die Komödie bei der Loweschen Akttei-
lung. Reicht nämlich der zweite Akt nur bis v. 384, so erhält nach der einlei-
tenden Lydusszene (I 2) die Lügenerzählung des Chrysalus (II 3) beträcht-
liches Eigengewicht als abschließender Höhepunkt der Protasis. Wie sehr
dies Menanders Formwillen entspricht, zeigt schon ein schematisch durch-
geführter Vergleich mit dem zweiten Akt der Epitrepontes. In beiden Komö-
dien bekommt das Publikum gerade noch zum Abschluß der Protasis die
titelgebende Szene vorgeführt – was nebenbei bemerkt zur Folge hat, daß
Chrysalus’ Lügenerzählung und nicht erst seine erste Briefintrige als die erste
der zwei im Titel angekündigten Intrigen zu verstehen ist –, in beiden sieht
das Publikum noch nicht, welche Rolle eine bereits eingeführte Nebenfigur
(hier Lydus, dort Habrotonon) in der Epitasis-Haupthandlung spielen wird,
in beiden muß das Publikum am Ende der Protasis den Eindruck haben, daß
einem Happyend, wenn nicht neue Komplikationen auftauchen, kaum mehr
etwas im Wege steht: denn in den Epitrepontes besteht ja das || Resultat der 39
39
Protasis darin, daß dem Haupthelden Charisios sein Sohn, den ihm seine
Frau geboren hat und den er nur fälschlich für das Kind eines anderen hält,
mitsamt dem Beweis seiner Vaterschaft ins Haus gebracht wird, und auch
im Dis exapaton würde bereits die erfolgreiche erste Intrige alle Schwierigkei-
ten aus der Welt schaffen. Aber da setzt eben in beiden Komödien in der
letzten Szene des zweiten Akts die Vorbereitung der Epitasis-Komplika-
tionen ein: Charisios’ Sklave Onesimos zögert, ihm den Vaterschaftsbeweis
gleich zu übergeben, und so wird sich im dritten Akt Habrotonon mit einer
gutgemeinten, aber alles verwirrenden Intrige ins Spiel mischen; und Lydus
entschließt sich, Philoxenus zu alarmieren (III 1), und sein Irrtum, Bacchis
A mit Bacchis S gleichzusetzen, wird dann im dritten Akt zur Grundlage

88 Mit Questas Aktgliederung ist die von Lefèvre: „Plautus-Studien II“, S. 532 ver-
wandt. Seine einzige wesentliche Abweichung von Questa besteht darin, daß er
von dessen viertem Akt v. 925–1075 (die zweite Briefintrige) streicht. Somit gilt
meine Kritik an Questa bis zu dem hier erreichten Punkt auch für Lefèvre (denn
IV 6f. allein wird niemand als erste Hälfte eines 4. Akts gelten lassen).
104 II. Handlungsgliederung

von Mnesilochus’ Entschluß, durch sein Geständnis den Erfolg von Chry-
salus’ erster Intrige zu annullieren. So werden die beiden Handlungsstränge
des Dis exapaton erst im dritten Akt (in III 3) wirkungsvoll miteinander ver-
knüpft, und der vierte Akt kann innerhalb der Epitasis nochmals eine dra-
matisch wirksame Steigerung bringen: kaum ist das Mißverständnis zwischen
den Freunden beseitigt, folgt (in IV 2) die Aktualisierung der Geldforderung
und damit die Notwendigkeit zur (ersten) Briefintrige: da aber diese in IV 8
gelingt, schließt der vierte Akt wie es sich gehört mit der Katastrophé.89
Ich hoffe, daß die Gegenüberstellung der zwei Aufbauanalysen für sich
selbst spricht, weil eben Detailfragen der Komposition (wie die Frage nach
den Aktschlüssen) sich immer von der Überprüfung der Gesamtkompo-
sition her lösen lassen sollten. Und nicht um einer nutzlosen Freude am
Polemisieren zu frönen, sondern um nochmals zu betonen, daß unsere
gesamte Palliatenanalyse nicht bei der Diskussion von Detailfragen stehen
bleiben darf, gehe ich noch auf die von K. Gaiser vorgeschlagene Aktglie-
derung des Dis exapaton ein.90 Gaiser weicht von Questas Lösung ab, in-
dem er den dritten Akt von v. 526 bis v. 924 reichen läßt und den vierten
von v. 925 bis v. 1075. Auf diese Weise gerät die Katastrophé (IV 8) schon
in den dritten Akt – wogegen Gaiser von seinem Standpunkt aus allerdings
einwenden könnte, daß für ihn die erste Briefintrige die erste Intrige über-
haupt darstellt. Aber selbst dies eingeräumt: was soll die Szene IV 9 allein
40
40 für ein vierter Menanderakt || sein? Wer diese Gleichsetzung vollzieht, wäre
m. E. doch zugleich verpflichtet, die Frage zu erörtern, welche erste Hälfte
dieses Aktes Plautus weggekürzt hat und wo in seinem Text sich Anhalts-
punkte für so eine Kürzungsannahme finden.
Ich werde solche Fragen wie die, deren Beantwortung durch einen Mit-
forscher ich eben reklamierte, natürlich anschließend selber behandeln müs-
sen. Denn noch ist in ‚meinem‘ Dis exapaton der dritte Akt zu kurz, der
vierte viel zu lang, der fünfte wieder zu dürftig. Der Nachweis, daß die oben
vertretene Dis-exapaton-Rekonstruktion doch die richtige ist, wird also erst
dann voll gelungen sein, wenn auch die in den nächsten Unterabschnitten
zu leistende Interpretation kritischer Passagen und Szenenfolgen Beweise
für die umformende Tätigkeit des Plautus ans Licht bringt. Wie schon
einleitend einbekannt, ist eben die Diagnose, die von der Gesamtanalyse
her gewonnen wurde, noch von der Einzelinterpretation her zu bestätigen.

89 Daß die Annahme des Aktschlusses nach IV 8 nicht willkürlich ist, wird sich
unten in 2.6.3 und 3.2f. bestätigen.
90 Gaiser: „Die plautinischen ,Bacchides‘ und Menanders ,Dis exapaton‘“, S. 61–64.
– Mettes Rekonstruktion („Zweiter Nachtrag zu: Der heutige Menander, insbes.
1955–1965 [1968]“, in: Lustrum 13 [1968], S. 542ff.) können wir schon deswegen
ignorieren, weil sein fünfter Akt (v. 925–fin.) an dem grundlegenden Fehler labo-
riert, Menanders δ/ε-Schluß in seiner Mitte zu haben.
Dis exapaton und Bacchides 105

Zuvor aber sei hier zum Abschluß noch ein Vorverweis darauf gestattet,
wie raffiniert schon Menanders Titel die Gesamtstruktur seiner Komödie
andeutet: die Protasis endet mit dem erfolgreichen ersten Betrug, die Epi-
tasis hebt den Erfolg der ersten Intrige völlig auf, die Katastrophé beginnt
mit dem erfolgreichen zweiten Betrug.

2.6. Die strukturanalytische Gesamtbetrachtung werden wir nun wie ange-


kündigt noch von einer anderen Seite her ergänzen und absichern: indem
wir aktweise oder wo nötig Szene für Szene kontrollieren, ob sich die auf-
tretenden Einzelprobleme durch die Interpretation der Szenen oder ihres
näheren Kontexts so lösen lassen, daß sich ein kontinuierlich ablaufendes
und dem Stilwillen Menanders entsprechendes Spiel ergibt. Die Untertei-
lung dieses Abschnitts ergibt sich zwanglos aus der Aktgliederung.

2.6.1. Zum zweiten Akt (I 2 bis III 1). Hier herrscht in der neueren For-
schung gleich über die Einleitungsszene Uneinigkeit: Webster will die
Schlußszene zu ihr nach vorn ziehen.91 Es geht um Lydus, den alten Päda-
gogen des Pistoclerus, der die Dialogszene I 2 gemeinsam mit seinem
Zögling bestreitet. Websters Bedenken gegen die plautinische Figurenfüh-
rung in I 2 und zusätzlich seine Vermutungen darüber, daß Lydus schon in
α aufgetreten sei (ich habe sie oben in 2.3 stillschweigend übergangen),
erweisen sich aber als unbegründet, wenn man alle Lydusszenen auf ihre
Funktion hin betrachtet. Was Webster dazu veranlaßte, I 2 (Pistoclerus läßt
sich durch Lydus nicht vom Gelage mit Bacchis A abbringen) und III 1
(Lydus voller Entrüstung ab zu Philoxenus) zu einer einzigen Anfangssze-
ne von β zusammen-||zuziehen, war wohl Rücksicht auf das πιθανόόν, d. h. 41
41
die Erwägung, daß es in der plautinischen Szenenfolge doch etwas merk-
würdig sei, wenn Pistoclerus seinen Pädagogen zuerst nur mit Mühe ins
Bacchishaus hineinbringt,92 dann aber wieder auf die Bühne kommt, und
zwar zum einen bloß nach dem kurzen Auftrittsmonolog des Chrysalus
(v. 170–177), zum anderen allein, ohne den gerade noch so renitenten Lydus.
Beide Anstöße würden mit Websters Eingriff verschwinden. Aber
glücklicherweise befinden wir uns nicht in der Lage, aus dem Kleinkontext
allein entscheiden zu müssen – wie sonst oft in der Palliatenanalyse –, ob
die geringfügigen Verstöße gegen die äußere Wahrscheinlichkeit ausrei-
chen, einen Eingriff des Bearbeiters nachzuweisen. 93 Die länger dauernde

91 Webster: An Introduction to Menander, S. 130.


92 Schon v. 137 sagt Pistoclerus tace atque sequere, Lyde, me, aber v. 169 muß er den
Befehl nochmals wiederholen: sequere hac me ac tace.
93 Ein Beispiel für die grundsätzliche Unsicherheit, die dem Argumentieren mit klei-
nen Anstößen anhaftet: In den Epitrepontes kämpft Syros am Höhepunkt der Pro-
tasis, in der Schiedsgerichtsszene, um die Erkennungszeichen des Knäbleins
(v. 303ff.); es wäre also nur konsequent, daß er, wenn er v. 393 erfährt, daß Cha-
106 II. Handlungsgliederung

Anwesenheit des Lydus beim Gelage ist nämlich dramaturgisch notwendig


und sowohl in α sorgfältig vorbereitet wie auch in γ wirksam ausgenützt.
Seine Rolle im Stück kulminiert ja darin, daß er in III 3 Mnesilochus den
folgenschweren Verdacht gegen Pistoclerus als wohlbegründet erscheinen
läßt. Komik und Wirksamkeit der ganzen Szene III 3 beruhen nun aber
nicht nur auf der positiven Voraussetzung seiner Zeugenschaft beim Gela-
ge in β, sondern auch auf einer doppelten negativen Voraussetzung: er
darf weder eine Ahnung davon haben, daß zwei Bacchides im Spiel sind,
noch durfte er erfahren, daß Pistoclerus eine von ihnen im Auftrag des
Mnesilochus suchte. In seinen Augen besteht die ganze Katastrophe darin,
daß sein Zögling in die Fänge einer kostspieligen Hetäre geraten ist. Da-
rum erhebt er nie den Vorwurf des Freundschaftsbruchs. Er versucht
vielmehr, Philoxenus gleich zu Beginn der Szene III 3 mit der Hiobs-
botschaft zu alarmieren, die Hetäre habe sein Vermögen ruiniert94 und
42
42 seinen Sohn verdorben. || Ahnungslos – und zwar beiden jungen Männern
gegenüber ahnungslos – lobt er dann (v. 458f.) den wackeren Mnesilochus
und seine Tüchtigkeit in Finanzdingen, und wenn er v. 468 ausruft periit tibi
sodalis, meint er damit wieder nur, daß Pistoclerus meretricem indigne deperit
(v. 470). Nun glaubt Mnesilochus,95 nachdem er sich noch vergewissert hat
(v. 472f.), daß Lydus die Bacchis meint, die hier wohnt und aus Samos
stammt,96 alles aufklären zu können (v. 473ff.): ,Er führt doch nur den Auf-
trag eines Freundes aus, er selbst ist gar nicht verliebt!‘ So kommt es zum
Höhepunkt der Szene: Lydus, der nicht weiß, daß Mnesilochus mit dem
ungenannten Freund sich selbst meinte, beginnt diesem, der seinerseits von
der Existenz der Bacchis A nichts weiß, zu schildern, was er beim Gelage in
β mitansehen mußte, welche Liebesspiele Pistoclerus da mit Bacchis trieb.

risios der Eigentümer des beigegebenen Ringes ist, freudig feststellte, nun sei der
Vater des Findlings gefunden. Doch darf er diesen Gedanken nicht aussprechen
oder gar weiter verfolgen, weil es sonst nicht zu den Verwicklungen der Epitasis
käme. Hätten wir nun die Epitrepontes nur in einer lateinischen Bearbeitung, dann
hätte der Anstoß wohl schon zu ‚analytischen‘ Schlußfolgerungen geführt. – Zu
solchen Inkonzinnitäten in der Nea vgl. jetzt W. Geoffrey Arnott: „Calidorus’
Surprise. A Scene of Plautus’ Pseudolus, with an Appendix on Ballio’s Birthday“,
in: Wiener Studien 16 (1982), S. 131–148.
94 v. 406f., zu tuum vgl. Maurach: „Hans-Peter Schönbeck: Beiträge zur Interpretation
der plautinischen Bacchides“, S. 14, Anm. 2; die maßlose Übertreibung kann sich nur
auf den Einkauf zwischen α/β beziehen.
95 Nur der plautinische Mnesilochus (denn bei Menander zweifelt er ja schon an der
Treue des Freundes, vgl. 2.6.2). Die Plautusszene ist also hier, was den plötzli-
chen Umschwung betrifft, theatralisch effektvoller.
96 In Unde eam esse aiunt? :: Ex Samo läßt aiunt scheinbar zufällig offen, woher Lydus
das weiß.
Dis exapaton und Bacchides 107

Die beiden oben genannten Voraussetzungen bezüglich der Unwissen-


heit des Lydus sind nun schon vom ersten Aktschluß an sorgfältig vorberei-
tet. Erstens: Lydus ist (gegen Websters Vermutung) in der Szene mit den
beiden Schwestern (I 1) sicher nicht aufgetreten; sonst könnte er in III 3
nicht so überzeugt behaupten, Pistoclerus treibe es mit ,der Bacchis‘. Zwei-
tens: Der scheinbar nebensächliche Zug, daß Bacchis A ihrer Schwester in
v. 105 ein Bad anbietet, dient demselben Zweck; Lydus darf die beiden auch
im Haus nicht nebeneinander sehen, darum expediert Menander Bacchis S
für die Dauer des zweiten (und eines Teils des dritten) Akts in die Badewan-
ne. Ich bin im übrigen überzeugt, daß der Dichter in v. 108 den Hinweis von
v. 105 wiederholt hat. Überliefert ist der letzte Vers von α in der Fassung:

sequere hac igitur me intro in lectum, ut sedes lassitudinem.

Hier muß in lectum falsch sein, wie Hermann Tränkle zu Recht moniert
hat:97 man pflegt auf einem Speisesofa nicht zu baden, wohl aber die lassi-
tudo aus seinem Körper durch ein Bad zu vertreiben (vgl. Merc. v. 127;
Truc. v. 328). Tränkles Konjektur in tectum scheitert allerdings aus stilisti-
schen Gründen, das Wort ist entweder zu konkret oder als Metonymie zu
pathetisch. Die Bitte der schiffbrüchigen Mädchen, die ein ‚Dach über dem
Kopf‘ brauchen, ist der Situation angemessen in Rud. v. 276 tibi amplectimur
genua … ut tuo recipias tecto (da ist also der sonst bei Plautus allein belegte
konkrete Wortsinn erhalten), und das Gleiche || gilt für den Kumpan des 43
43
Kupplers Labrax (der bei Tränkle S. 118 zur Rechtfertigung des angeblich
poetisch gehobenen Gebrauchs von tectum als ,der greise Charmides‘ ein-
geführt wird) in v. 574: recipe me in tectum, da mihi vestimenti aliquid aridi.
Aber im Munde von Bacchis A wäre ein ,Folge mir unter mein Dach‘ fast
nur mehr metonymisch, also zu prätentiös, besonders neben hac und intro.
Da wir aber im Zusammenhang einen wiederholten Hinweis auf das Bad
der Bacchis S gut brauchen können, waren (vom Sinn her) die Vorschläge
in pyelum bzw. lotum schon auf der richtigen Spur. Ich denke, wir können
neben Stich. v. 568, wo Lambin für überliefertes pilum das Hapax pyelum
konjiziert hat, hier statt lectum das Hapax lutrum riskieren.98
Im übrigen setzen auch Einzelheiten des Dialogs in I 2, in der ersten
Szene von β, die Unwissenheit des Lydus über Vorgeschichte und Ereig-
nisse in α voraus. Sonst dürfte er in v. 113f. nicht fragen, wohin Pistoclerus
mit den Einkäufen gehen will, und dürfte sich in v. 143ff. nicht wundern,
daß er sichs bei einer Freundin wohl sein lassen will.

97 Hermann Tränkle: „Zu zwei umstrittenen Stellen der plautinischen Bacchides“, in:
Museum Helveticum 32 (1975), S. 116ff.
98 πύύελος scheint in der Nea nicht belegt, wohl aber finden wir λουτρόόν bei Menan-
der. – Walther Kraus hält (das von mir ebenfalls erwogene) … intro, in lutro ut sedes
… für besser.
108 II. Handlungsgliederung

Ein einziger Passus in allen Lydusszenen verstößt gegen die sonst


sorgsam festgehaltene Absicht Menanders, Lydus uninformiert zu lassen
(v. 371f.), und da muß es sich um plautinische Sorglosigkeit handeln:

Bacchides non Bacchides, sed Bacchae sunt acerrumae.


apage istas a me sorores, quae hominum sorbent sanguinem.

Nur im Wortspiel Bacchides/Bacchae tauchen die sorores unerlaubterweise im


Plural auf; die Inkonsequenz scheint übrigens bisher niemandem aufgefal-
len zu sein.99
Nochmals: von der einzigen kleinen Ungenauigkeit eines plautinischen
Wortspiels abgesehen ist das πιθανόόν in allen Lydusszenen bestens gewahrt.
Dasselbe gilt aber auch für die Szenenfolge mit Chrysalus (II 1–3), der eben-
falls nichts von der Existenz der schon vor Jahren nach Athen übersiedelten
Bacchis A erfährt. Die einzige Gelegenheit, bei der Pistoclerus in II 2 von ihr
erzählen könnte, geht ungenützt vorüber (v. 199f. eho, an invenisti Bacchidem? ::
Samiam quidem). Und in sich hängen die Szenen II 1–3 so gut und problem-
44
44 los zusammen, daß man || keinen Grund hat, einen Eingriff des Plautus in
sie anzunehmen.100 So werden wir auch ihre Verbindung mit den sie um-
rahmenden Lydusszenen (gegen Webster) als menandrisch akzeptieren,101
zumal sie dem währenddessen im Bacchishaus befindlichen Lydus ja Zeit
und Gelegenheit geben, den Verlauf des Gelages zu verfolgen, bei welchem
Pistoclerus wohl erst allmählich immer feuriger und zudringlicher wird.
Über die sorgsame Wahrung aller Wahrscheinlichkeitsvoraussetzungen
in der Handlungsführung hinaus zeichnet sich der (von I 2 bis III 1 reichen-
de) zweite Menanderakt in der bei Plautus vorliegenden Gestalt aber auch
durch jene künstlerischen Qualitäten aus, die für Menander als hellenisti-
schen Dichter charakteristisch sind. Arnott rühmt ihm in dieser Hinsicht

99 Was die Erklärung von me continuo contuli protinam in pedes angeht, kann Lydus
doch erst unmittelbar nachdem er einige flagitia des Pistoclerus miterlebte, die
Flucht ergriffen haben, nicht schon beim Anblick des Hauses. So wird Leo (Ap-
parat zu v. 373) Recht behalten (gegen Schönbeck: Beiträge zur Interpretation der
plautinischen Bacchides, S. 68f.).
100 Nur am Rand sei bemerkt, daß die große Lügenerzählung des Chrysalus in II 3 so
gut aufgebaut und durchgeführt ist, daß sich in ihr so gut wie keine müßigen
plautinischen Zusätze finden; zudem hat der Papyrusfund Details der Lügener-
zählung als menandrisch bestätigt (siehe Dis ex. v. 55f. neben Bacch. v. 306ff.).
101 Für den Auftritt des Pistoclerus in II 2 gilt also einfach die zweite Hälfte der Regel,
die Arnott: Menander, Plautus, Terence, S. 21 so formuliert: „Entries are either con-
vincingly motivated or quietly left unexplained.“ Wenn die Zuschauer hören, wie
Pistoclerus in v. 178–180 ins Haus zurücksprechend der Bacchis A versichert, er sei
so in sie verliebt, daß sie an seiner Rückkehr ins Haus nicht zweifeln müsse, so
werden sie weiter nicht nach dem Warum oder Wieso seines Auftretens fragen.
Dis exapaton und Bacchides 109

u. a. die Fähigkeit nach, einer einzelnen Passage die verschiedensten Ver-


knüpfungsmöglichkeiten abzugewinnen, oder die Vorliebe dafür, die man-
nigfaltigsten Wiederholungs- und Spiegelungsphänomene zu kreieren.102
Nehmen wir gleich nochmals die Szene I 2, das akteinleitende Streitgespräch
zwischen Pistoclerus und Lydus (die Lügenerzählung von II 3 wird sich
besser einordnen lassen erst dann, wenn wir das Gegenstück in δ genauer
kennen). Es knüpft steigernd an den Schluß von α an, denn wurde dort
Pistoclerus zur ersten Liebesleidenschaft erweckt, so emanzipiert er sich
hier von seinem Pädagogen (v. 137ff.): zwei Aspekte seines Erwachsen-
werdens, dargestellt als Ursache und Folge. Lydus wiederum versucht in
I 2, da es mit seiner Autorität über den Zögling aus und vorbei ist, sich auf
die Autorität des Vaters zu berufen: v. 161f. ecquid in mentem est tibi patrem
tibi esse? v. 167 istaec flagitia me celavisti et patrem. Und was hier nur Vorwurf
ist, wird in der Schlußszene des Akts zum Entschluß (z. T. mit Wiederkehr
derselben Ausdrücke): v. 375f. ut celem patrem, Pistoclere, tua flagitia …?
v. 383 de me hanc culpam demolibor iam et seni faciam palam. So erhalten An-
fang und Schluß von β auch in einer Art || Ringkomposition durch formale 45
45
Abrundung einen gewissen Anschein inhaltlicher Geschlossenheit.103

2.6.2. Im dritten Akt (III 2 – III 4, mit Dis. ex. bis v. 63) wendet Menander
dann dieselbe Ringkompositionstechnik an. Denn zu Aktbeginn monolo-
gisiert Mnesilochus u. a. über seine Dankbarkeitsverpflichtung gegenüber
Chrysalus (v. 392–402), eine Betrachtung, der er am Aktschluß die Tat
folgen läßt, indem er beim Vater Straflosigkeit für den Sklaven erwirkt (der
trotzdem bestehende Groll des Nicobulus wird dann in δ handlungswirk-
sam). Im ersten Teil seines Monologs (v. 385ff.) spricht Mnesilochus seine
Anschauung über die Freundschaft aus – ein Freund kommt gleich nach
den Göttern; und ich glaube nachweisen zu können, daß das Freund-
schaftsmotiv ebenfalls noch in γ seine Rolle spielte, eine größere jeden-
falls, als jetzt in Bacch. v. 500f. oder Dis ex. v. 18f. noch erkennbar ist.
Im dritten Akt muß Plautus nämlich eine Szene des Originals gestri-
chen haben. Das läßt sich zwar aus dem Plautustext v. 385–525 (III 2–4)
nicht unmittelbar erweisen; die Szenen hängen auch nach der Verkürzung
gut und widerspruchsfrei zusammen.104 Auch eine Umfangsberechnung
von γ führt zu keinem klaren analytischen Ergebnis. Addieren wir nämlich

102 Arnott: Menander, Plautus, Terence, S. 19ff.


103 Ähnlich begann und endete α mit Pistoclerus–Bacchis A-Szenen. In β ergibt sich
übrigens auf diese Weise auch eine klare Verlagerung des Interessenschwer-
punkts: I 2 Nebenhandlung, III 1–3 Haupthandlung, III 4 Nebenhandlung.
104 Mnesilochus’ Monolog III 2 ist eben im Text als menandrisch erwiesen; III 3, sein
Gespräch mit Lydus und Philoxenus, haben wir zuvor besprochen; und von III 3
fin. bis nach III 4 beweist das Original, daß Plautus die Grundzüge der Handlung
bewahrt.
110 II. Handlungsgliederung

zu den 109 Versen von v. 385–493, die nur in der Bearbeitung erhalten
sind, die 53 griechischen von Dis ex. v. 11–63, so entspricht die Summe
von 162 gut den möglicherweise 164 des Originalakts.105 Aber wie oben in
2.3 schon angedeutet,106 zwingt uns Menanders Wille zur ökonomischen
Auswertung der in die Handlung eingeführten Motive, eine Szene zu pos-
46
46 tulieren, in der die Bacchides aufgrund ihrer Zwillings-||ähnlichkeit ver-
wechselt werden. Das könnte zur Not wohl auch erst in ε geschehen
(Plautus hat ja den Schlußakt stark verkürzt), aber das dramaturgisch ef-
fektvollste Opfer der Verwechslung ist gewiß Mnesilochus; und es ist auch
die natürlichste und effektvollste Entwicklung der Handlung, wenn er in
γ unmittelbar nach seinem Einleitungsmonolog, noch vor dem Auftritt
von Lydus und Philoxenus, seine Geliebte wiedersehen will, die Tür des
Bacchishauses öffnet und vermeintlich mit eigenen Augen sehen muß, wie
sein Freund, den er eben noch gerühmt hat, seine Bacchis, die jener noch
dazu gerade als seine einziggeliebte Bacchis anreden wird, in den Armen
hält. Die Täuschung durch den Augenschein, der der Hauptheld verfällt,
bringt gegenüber der Täuschung der Nebenfigur Lydus durch lückenhaf-
te Information die angemessene Steigerung. Ins Gewicht fallen sollte zu-
gunsten meiner Annahme auch, daß die solchermaßen supplierte Szene
später in δ geschickt variiert wird: am Ende von IV 7 wird Nicobulus
durch denselben Türspalt Mnesilochus in derselben kompromittierenden
Lage erblicken.
Spricht so von verschiedenen Charakteristika menandrischer Ver-
knüpfungstechnik her schon alles für die neu postulierte Szene, so erhalten
wir m. E. den endgültig entscheidenden Beweis ihrer Existenz und dazu
gleich auch Hinweise über ihre Verbindung zum Folgetext, wenn wir die
Gesamtstruktur von γ mit ins Kalkül ziehen und zu diesem Zweck noch
Samia γ mit heranziehen. Auch der Demeas der Samia glaubt sich auf-
grund eigener Wahrnehmung betrogen: er hat im Hause gehört, wie der
Säugling, den er für ein Kind seiner Chrysis hält, als Kind seines Adoptiv-
sohnes bezeichnet wird (zu Recht, nur daß die Mutter in Wahrheit die
Nachbarstochter ist), und dazu hat er noch gesehen, wie Chrysis dem

105 Die Zahl 164 kann sich ergeben, wenn statt ṬΞΔ (= 364) am Rand von Dis ex.
v. 63 ΡΞΔ zu lesen sein sollte (darauf hat mich Georg Danek in einem Bacchides-
Seminar aufmerksam gemacht). Sie entspräche der Länge von Dyskolos δ.
106 S. 30, Anm. 67. Ein Analogon habe ich übrigens in der Aulularia gefunden. So
wie hier die fr. 5 (8) und 6 (3) auf die von Plautus gestrichene γ-Szene hinweisen,
so erlaubt uns Aul. v. 683f. nunc te obsecro resecroque, mater, quod dudum obsecraveram
(,Jetzt beschwöre ich dich, Mutter, und löse dich von der sakralen Verpflichtung,
die ich dir zuvor auferlegt hatte‘; zur Bedeutung von resecro vgl. Woytek: Plautus,
Persa zu Persa v. 48), für den ersten Akt des Originals eine Szene zu fordern, in
der Lyconides sich von seiner Mutter Schweigen über sein Liebesverhältnis ver-
sprechen ließ. (Ich werde dies in meiner Aulularia-Analyse näher ausführen.)
Dis exapaton und Bacchides 111

Säugling ihre Brust reicht (ihr ist, was der wie Mnesilochus eben von einer
Reise heimgekehrte Demeas nicht weiß, ein eigenes Kind knapp nach der
Geburt gestorben). Damit befindet er sich in derselben Situation wie Mne-
silochus: seinem Irrtum über die Mutterschaft entspricht dessen Irrtum
über die Identität der Bacchis, und dessen doppelter Enttäuschung über
die Treulosigkeit von Freund und Freundin die über Adoptivsohn und
Lebensgefährtin. Nun können wir den Analogieschluß auf die erste Reak-
tion des Mnesilochus ziehen: Demeas will seinem Sohn die Illoyalität nicht
zutrauen, er möchte am || liebsten nicht glauben, was er selbst gehört und 47
47
gesehen hat, und ist völlig ratlos. Ebenso wird Mnesilochus nach seiner
Entdeckung in einem kurzen Monolog reagieren: sein Freund sollte ihn
verraten haben? In dieser Lage kommt dem Demeas sein Sklave Parmenon
wie gerufen, der, weil er auf Demeas’ Reise nicht mit war, die Wahrheit
kennen muß (Sam. v. 280): ἀλλ᾿   εἰς   καλὸν   γὰρ   τουτονὶ   προσιόόνθ᾿   ὁρῶ.
Wir können mit Bacch. v. 403f. vergleichen: sed eccos video incedere patrem
sodalis et magistrum. hinc auscultabo quam rem agant – nur daß bei Plautus der
Entschluß, die beiden zu belauschen, auf der bloßen Neugier des Mnesilo-
chus beruht, im Dis exapaton wird er – mit viel mehr Spannung in der Sze-
ne – darauf lauern, ob das Gespräch der beiden seinen Verdacht entkräftet
oder bestätigt. Demeas muß, da Parmenon mit einem Koch kommt, erst
noch eine kurze Wechselrede der beiden abwarten (Sam. v. 283–295),
bevor er den Sklaven ins Verhör nehmen und ihn zu der Aussage zwingen
kann (v. 320), sein Sohn sei wirklich der Vater des Säuglings. In der Paral-
lelszene geht es Mnesilochus um einiges schlechter: er muß sich nach den
ersten Worten des Lydus, die seinen Verdacht noch nähren (v. 406f.), eine
lange Debatte über Erziehungsgrundsätze anhören (v. 407–450; Plautus
muß, da sein Mnesilochus ja noch gutgläubig ist und in Zwischenbemer-
kungen Pistoclerus gegen Lydus verteidigt – wie wir oben sahen, sogar
noch im eigentlichen Dreiergespräch bis v. 476 –, beträchtlich geändert
haben); erst als er ins Gespräch mit eintritt, erfährt er die scheinbar un-
ausweichliche Bestätigung seiner Befürchtungen. Lydus wie Parmenon
stürzen also einen Zweifelnden in die Not der Scheingewißheit, indem sie
beide eine Halbwahrheit vertreten.
Auch der jeweilige Schlußteil des Akts weist in Samia und Dis exapaton
dieselbe Handlungsentwicklung auf. Demeas fährt in seinem Zorn erst
noch auf den flüchtenden Parmenon los (Sam. v. 321–325) – Mnesilochus
muß erst noch die beiden Gesprächspartner loswerden (Dis ex. bis v. 17);
folgt ein Monolog des Demeas, in welchem er Chrysis die ganze Schuld
zuschiebt und sich entschließt, sie zu verstoßen – ebenso Monolog des
Mnesilochus, der hinter allem die Geldgier der Bacchis vermutet und sich
entschließt, das ganze Geld dem Vater zu übergeben; in beiden Dramen
schließlich die Ausführung des Entschlusses (Einzelheiten können wir hier
nicht vergleichen, da der Dis exapaton gegen das Aktende hin recht lücken-
112 II. Handlungsgliederung

haft ist; außerdem muß die verstoßene Chrysis noch ins Nachbarhaus
gebracht werden, wozu es im Dis exapaton kein Analogon geben kann).
Überblicken wir nun nach dem Vergleich von Szene zu Szene die
48
48 Aktstruktur im Großen, so genügt die Samia offensichtlich unserer || Er-
wartung, daß klar erkennbare Verlagerungen des dramatischen Interessen-
schwerpunkts vorhanden sein müssen. Erster Hauptteil des Akts: Demeas
über seine Entdeckung ratlos; Zwischenteil: Bestätigung des Verdachts
durch Parmenon; zweiter Hauptteil: Demeas zieht seine Konsequenzen. In
dem von uns vervollständigten Dis-exapaton-Akt sind wohl die Gewichte
etwas anders verteilt, aber die Klarheit des dramatischen Aufbaus hat die
gleiche Qualität: Ein nicht besonders umfangreicher erster Hauptteil
(Mnesilochus muß ja auch nicht in langer Rede berichten, was er im Zwi-
schenakt im Haus erlebte) endet mit Mnesilochus’ Ratlosigkeit über seine
Entdeckung, weil er den menschlichen Wert seiner Freundschaft nicht un-
bedacht aufgeben will; ein vergleichsweise umfangreicher Mittelteil enthält
wohl manches Episodische, da die Nebenfiguren Lydus und Philoxenus
sich in ihre Debatte verwickeln, aber ihr ganzes Gespräch ist doch beglei-
tet von der quälenden Ungewißheit des Mnesilochus, die schließlich durch
falsche Scheingewißheit abgelöst wird; ein abermals relativ knapper Schluß-
teil zeigt die folgenreiche Konsequenz, die Mnesilochus daraus zieht.
Und nun bitte ich den Leser, die Gegenprobe zu machen und die
plautinische Fassung von Dis exapaton γ (natürlich mit dem originalen
Schluß, aber ohne die supplierte Szene, d. h. ohne daß Mnesilochus schon
zu Beginn von III 3 an Pistoclerus zweifelt) mit ähnlichem Anspruch auf
klare Gliederung und Interessenverlagerung zu analysieren. Ich kann nur
gestehen, daß mir der einleitende Monolog des Pistoclerus als eigener
Interessenschwerpunkt unmöglich erscheint, so daß er zum bloßen Vor-
spann der ihrerseits zunächst ziellos episodischen Erziehungsdebatte wird,
die erst am Ende in Beziehung zur eigentlichen Handlung der Komödie
tritt: insgesamt eine geschickt auf einen abschließenden Höhepunkt zu-
steuernde Szenenfolge, aber eben nur eine, weil ihr die menandrische Dra-
maturgie der Schwerpunktbildung und -verlagerung fehlt.107
2.6.3. Im vierten Akt erwarten uns die meisten Interpretations- und Rekon-
struktionsprobleme, da er sicher von Plautus erweiternd überarbeitet ist. Ich
stelle, um den Überblick zu erleichtern, jene Hauptbeweise für die Überar-
beitungsthese, welche sich (über Anstöße in den einzelnen Szenen hinaus)
aus dem größeren Zusammenhang des Stücks ergeben, an die Spitze:

49
49 a) Der Umfang des Akts.
Er umfaßt (siehe oben 2.5) Dis ex. v. 64–112 und Bacch. III 5 bis IV 8 oder
IV 9 (v. 526 bis v. 924 oder v. 1075) und ist damit für einen Menanderakt,

107 Zur positiven Würdigung der plautinischen Umarbeitung siehe unten in 3.4.
Dis exapaton und Bacchides 113

der soweit wir wissen die Zahl von 280 Versen nicht überschreitet, 108
schon in der kürzeren Variante ohne die zweite Briefintrige von IV 9 über-
lang, um so mehr natürlich in der längeren Variante. Im ersteren Fall
kommen zu den 49 Versen des Originaltexts, da dessen letztem Vers Bacch.
561a entspricht, die 363 lateinischen Verse 562–924, was also insgesamt
einen Akt mit 412 Versen ergäbe; mit IV 9 kämen wir gar auf die phantas-
tische Zahl von 563 Versen.

b) Die Aktstruktur.
Wie allgemein anerkannt, erfolgt bei Menander im Verlauf des vierten
Akts, und zwar frühestens in Aktmitte, der Übergang vom Epitasis- zum
Katastrophéteil der Handlung.109 In den Bacchides wird die Wendung un-
mittelbar vorbereitet ab v. 671 (Beginn eines Dialogteils von IV 4, Mnesi-
lochus – Chrysalus) und vollzogen ab v. 701. Auf die Aktmitte bei v. 700
können nicht nur rein formal und quantitativ keine 375 Verse mehr folgen;
auch vom Inhalt her betrachtet kann es in der zweiten Hälfte von δ nur
mehr eine Intrige geben, nicht deren zwei.
Eine Reihe von Forschern würde hier zwar einwenden, daß die bei-
den Briefintrigen ohnehin als im Grund einheitliche Trughandlung aufzu-
fassen seien.110 Der Einwand verfängt aber nicht: in der plautinischen
Gestalt hat die zweite Akthälfte auch dann, wenn man nur eine Intrige
zählen will, nach der Vorbereitungsphase, in der Chrysalus den Brief dik-
tiert, noch zwei weitere breit ausgeführte Interessenschwerpunkte, und das
ist für den Katastrophé-Teil eines vierten Akts zuviel. Dazu kommt, was
Lefèvre treffend gegen die dramatische Qualität und Dynamik der zweiten
Briefintrige vorbringt: „Die zweite Brief-Intrige ist eine einfache Motiv-
Doppelung und daher weitgehend ohne Spannung. Sie bedeutet nicht eine
qualitative, sondern eine quantitative Steigerung.“111 Und: „Es entspricht
den Gepflogenheiten der || Komödie lediglich, daß ein Kuppler oder ein 50
50
Nebenbuhler … ausbezahlt oder sonst eine Schuld beglichen werden muß.
Schon der Umstand, daß es sich bei der zweiten Brief-Intrige um ein bloßes

108 Siehe etwa Questa: Bacchides, S. 19, Anm. 16.


109 Siehe etwa Webster: An Introduction to Menander, S. 77ff.
110 Z. B. Willy Theiler: „Zum Gefüge einiger plautinischer Komödien“, in: Hermes 73
(1938), S. 269–296. – Doxographie der ganzen Debatte um die Briefintrigen zu-
letzt bei Gaiser: „Die plautinischen ,Bacchides‘ und Menanders ,Dis exapaton‘“,
S. 78f. und Lefèvre: „Plautus-Studien II“, S. 520f.
111 Lefèvre: „Plautus-Studien II“, S. 521. Wenn Lefèvre diese Kritik noch mit dem
Argument zu stützen versucht „Für die Aufteilung, daß die 400 Philippi nicht auf
einmal erpreßt werden, spricht keinerlei sachliche Notwendigkeit“, so mag das
wohl im Planungsstadium der Intrigen (v. 706ff.) stimmen; allerdings nennt Cle-
omachus später (v. 868) ausdrücklich die Höhe der von ihm geforderten Summe:
200 Philippi.
114 II. Handlungsgliederung

,Vergnügungsgeld‘ handelt, läßt den dritten Betrug angehängt, aufge-


pfropft erscheinen.“ Wir können die Überzeugungskraft dieser Argumente,
die Lefèvre ohne Rücksicht auf die Aktstruktur vorbringt, beträchtlich
verstärken durch den Hinweis, daß das von ihm festgestellte Absinken der
dramatischen Spannung, die bloß variierende Wiederholung eines schon
ausgenützten Motivs bei Menander wohl im Ausklang des Spiels, also im
fünften Akt möglich wäre (wie ja auch Plautus damit teilweise seinen
Schluß-Actus bestreitet, siehe unten 3.5), daß aber am Schluß eines vierten
Menanderakts noch komprimierte und die Hauptmotive steigernde Hand-
lungsführung am Platz ist.

c) Die Dramaturgie des Gesamtstücks.


Der Dis exapaton muß, wie schon sein Titel ankündigt, zwei Intrigen auf-
weisen und nicht mehr. Die Bedingung ist nach der Meinung mehrerer
Forscher112 dadurch zu erfüllen, daß man die beiden Briefintrigen einzeln
zählt, aber dafür die Lügengeschichte aus β nicht mitrechnet, weil sie ja
nicht zum Erfolg geführt habe. In diesem Sinn hat besonders das Argu-
ment von Gordon Williams Eindruck gemacht, der Lügengeschichte des
Chrysalus komme nur der Augenblickserfolg des ἀπατᾶν zu, aber nicht
das endgültige ἐξαπατᾶν.113 Doch so darf vielleicht ein Strafverteidiger
argumentieren, aber sicher nicht ein Drameninterpret. Der hat, wenn er
unter den drei Intrigen der Bacchides die zwei des Dis exapaton herausfinden
will, zu fragen, zwischen welchen von ihnen die dramatische Spannung so
groß ist, daß sie die Gesamtstruktur einer Komödie beherrscht, die der
Dichter nach eben diesen Intrigen benannt hat, besser noch: nach dem
Doppel-Intriganten. Es geht also um die Heldentaten des Chrysalus, und
da ist nicht der geringste Zweifel daran statthaft, daß seine erste Groß-
leistung seine Lügenerzählung war. Sie ist strukturell betont, weil sie die
Protasis abschließt. Ihr Erfolg wird während der Epitasis immer wieder
anerkannt: Mnesilochus ist Chrysalus dankbar in III 2 (v. 392ff.), erbittet
darum Straffreiheit für ihn beim Vater (v. 521ff., 532f., 690f.); er bedauert,
Chrysalus’ Erfolg zunichte gemacht zu haben (v. 624). Chrysalus selbst tut
sich auf seine Leistung viel zugute (v. 640ff.) und tadelt Mnesilochus’
Geldrückgabe (v. 681ff.). Das erfolgreiche ἐξαπατᾶν kann ihm also kei-
neswegs streitig gemacht werden, bloß weil im Verlauf der Epitasis ein
51
51 anderer es aufhebt. Die Geldrückgabe und das Geständnis des || Mnesilo-
chus in der Epitasis sind vielmehr gerade die Voraussetzung für die noch
größere zweite Betrugsleistung des Chrysalus in der Katastrophé.114 Unse-

112 Zuletzt Gaiser: „Die plautinischen ,Bacchides‘ und Menanders ,Dis exapaton‘ “,
S. 78f. und Questa: Bacchides, S. 53.
113 Gordon Williams: „Some Problems in the Construction of Plautus’ Pseudolus“, in:
Hermes 84 (1956), S. 454f.
114 Zu Recht stellt also Lefèvre: „Plautus-Studien II“, S. 521 fest, „daß die Spannung
Dis exapaton und Bacchides 115

re ganze Beweisführung von der Struktur her wird lebendige Anschauung,


wenn wir den Dialogteil von IV 4 im einzelnen durchgehen, in dem sich
der Übergang von der Epitasis zur Katastrophé vollzieht, wo also die Rat-
losigkeit und Niedergeschlagenheit der Dialogpartner Mnesilochus und
Chrysalus in Optimismus und Entschlossenheit zum Handeln umschlägt.
Mnesilochus hat zuvor berichtet, daß er Nicobulus das ganze Geld
übergeben hat, und seinen Bericht leitmotivisch begleitet mit der verzwei-
felten Feststellung Chrysale, occidi (v. 671), occidi (v. 679), perii (v. 680). Der
Sklave stimmt zu (v. 681): occisi sumus. Er fürchtet, daß es nach dem Wi-
derruf seiner Lügenerzählung jetzt ihm an den Kragen gehen wird. Doch
Mnesilochus beruhigt ihn: Nicobulus hat ihm Straffreiheit zugesichert (bis
v. 691a); und gleichsam im selben Atemzug (ab v. 691b) stellt er das An-
sinnen an Chrysalus, ut ad senem etiam alteram facias viam.
Alteram viam – das Stichwort ist unüberhörbar: jetzt soll Chrysalus,
dem gewarnten Vater gegenüber, zum δὶς ἐξαπατῶν werden, unter erschwer-
ten Umständen eine zweite Intrige erfolgreich durchführen. Begreiflich,
daß seine erste Reaktion lautet vix videtur fieri posse. Aber nun greift in dis-
kreter Weise der Komödienzufall ein. Als nämlich Chrysalus die Unmög-
lichkeit, Nicobulus nochmals hinters Licht zu führen, mit der überspitzten
Formulierung unterstreicht (v. 697) quem si orem ut mihi nil credat, id non
ausit credere, da muß ihm Mnesilochus zwar Recht geben: in Wahrheit sei es
noch schlimmer, denn Nicobulus habe gesagt (v. 699f.) si tu illum solem sibi
solem esse diceres, se illum lunam credere esse et noctem qui nunc est dies (also nicht
nur absolute Skepsis, sondern absolute Entschlossenheit, auch das absur-
deste Gegenteil einer Äußerung des Chrysalus für wahr zu halten). Aber
gerade in der scheinbar allerschlimmsten Erschwernis seiner Aufgabe
entdeckt Chrysalus in plötzlicher Erleuchtung seine neue Chance; obwohl
er seinen Einfall nicht direkt ausspricht, muß ihm auf einmal die Möglich-
keit klargeworden sein, den übermißtrauischen Nicobulus dadurch zu
belügen, daß er || ihm die Wahrheit sagt. Denn im unmittelbaren Anschluß 52
52
an das grad wiedergegebene Wort des Nicobulus sagt Chrysalus plötzlich
(v. 701): Emungam hercle hominem probe hodie, ne id nequiquam dixerit. Daß der
Entschluß des Chrysalus, es noch einmal gegen Nicobulus zu wagen, auf
dessen maßlosem Mißtrauen basiert, hat Menander wie es scheint hier in
v. 699f. nicht besonders auffällig betont; die Lebendigkeit der Gesprächs-
entwicklung führt wie von selbst aus der Ratlosigkeit zum Grundgedanken

des ganzen Stücks darauf beruht, ob es Chrysalus … gelingen werde, Nicobulus, der
nunmehr auf das eindringlichste gewarnt ist, um eben dieselbe Summe ein zwei-
tes Mal zu betrügen“. Und vergeblich die Abschwächung in Gaisers („Die plauti-
nischen ,Bacchides‘ und Menanders ,Dis exapaton‘ “, S. 79) Eingeständnis, „daß
die dramatische Spannung … e i n e Z e i t l a n g in der Frage liegt, ob es dem Skla-
ven … gelingen wird, den Alten … nochmals zu überlisten“ (Sperrungen von mir).
116 II. Handlungsgliederung

der neuen Intrige. Aber der Dis-exapaton-Papyrus belehrt uns darüber, wie
sorgfältig Menander die entscheidende Mittelszene von δ schon in der
Anfangsszene vorbereitet hat. Handley115 berichtet nämlich, daß sich in
den unpublizierten verstümmelten Versen zwischen Dis ex. v. 64 und v. 89
folgende Äußerung des Nicobulus erkennen läßt: „Wenn Syros (= Chry-
salus) jetzt bei mir stünde und sagte, die Sonne dort oben scheine gerade,
würde ich glauben, es sei dunkel und die Nacht sei angebrochen.“ Eben
diese Äußerung seines Vaters gibt Mnesilochus in v. 699f. wieder, eingelei-
tet in v. 698f. durch si audias quae dicta dixit me adversum tibi. :: quid dixit? So
sehen wir nachträglich, daß die Wiederholungen eines Allerweltswortes in
v. 698–701 doch nicht funktionslos sind: quae dicta dixit; quid dixit; ne id
nequiquam dixerit. ‚Das soll er nicht umsonst gesagt haben!‘
,Lügen mittels Wahrheit‘ muß also das strategische Grundkonzept der
zweiten Intrige sein, in wirksamer Steigerung gegenüber den direkten Lü-
gen der ersten. Plautus hat es, wie wir später noch sehen werden, im Zuge
seiner Umarbeitung etwas verwässert oder verdunkelt; und so können wir
gerade dann, wenn wir die Szenenfolge nach v. 701 (bis v. 1075) auf
Durchbrechungen des ‚Lügen mittels Wahrheit‘-Prinzips hin beobachten,
am besten erkennen, wie er in den Menandertext eingegriffen hat. Für die
Rekonstruktion von Menanders zweiter Akthälfte steht uns also ein bis-
lang unterschätztes Analysekriterium zur Verfügung,116 das in die Katego-
rie des typisch menandrischen Spiels mit Wahrheit und Schein gehört.117
Für den ganzen Akt haben wir ein weiteres, nicht minder wirksames
Kriterium: alle Passagen, die nicht eine, sondern zwei bevorstehende Intri-
53
53 gen des Chrysalus ankündigen, und überhaupt alle, die den großen || Intri-
genhelden Chrysalus allzusehr herausstreichen, werden auf die plautinische
Umarbeitungstendenz zurückgehen.
Liefe unser Arbeitsprogramm nur auf das eine Ziel hinaus, Menanders
Dis exapaton wiederzugewinnen, dann könnten wir nunmehr, im Besitz der
eben genannten Kriterien, den vierten Akt Szene für Szene zu analysieren
beginnen. Da aber unser zweites deklariertes Ziel darin besteht, den Bear-
beiter Plautus nicht schlechter zu machen als er ist, sondern auch die posi-
tiven Gestaltungstendenzen, die seine Umarbeitung steuerten, herauszu-
arbeiten, müssen wir die bloße Menanderrekonstruktion hier zunächst
unterbrechen. (Fortsetzung unten 3.3 und 3.5.2.)

115 Handley: Menander and Plautus, S. 15.


116 Lefèvre: „Plautus-Studien II“ bemerkt zwar einmal en passant (S. 524): „Eine
besondere Pointe lag darin, daß Chrysalus und Mnesilochus durchaus die Wahr-
heit sagten“, nützt aber bei seiner eigenen Menanderrekonstruktion die analyti-
schen Möglichkeiten dieser Beobachtung nicht aus.
117 Man denke etwa an Andria und Heautontimorumenos.
Dis exapaton und Bacchides 117

3. Bacchides
3.1. Actus und Actuspausen.
Bei der analytischen Überprüfung des vierten Menanderaktes, will sagen
der Szenenfolge von III 5 bis IV 9, werden wir unausweichlich mit der
Frage konfrontiert, wie es denn nun wirklich mit der Technik der plautini-
schen Actusgliederung steht. Denn einerseits erhalten wir gleich am Akt-
beginn (in III 5f.) ein Musterbeispiel dafür, wie Plautus eine griechische
Aktpause eliminiert, und gleich darauf, wie er (zwischen III 6 und IV 1)
selber eine Leerbühnenstelle neu einführt. Anderseits erwartet uns am
Aktschluß die Frage, ob und wie Plautus dort die umgeformte Handlung
gegliedert hat.

3.1.1. Akt- und Actuspause in III 4 – IV 1.


Der Dis-exapaton-Papyrus belegt uns die Existenz der γ/δ-Pause zwischen
III 4 und III 5 und erlaubt uns darüber hinaus auch, die Vorgangsweise
des umarbeitenden Römers genau zu beobachten. Ich stelle die Daten der
Figurenführung von III 4 bis III 6 zu Vergleichszwecken kurz zusammen
(die auftretenden Gesprächsfiguren, die ich der Kürze halber einfach ‚Sze-
nen‘ nenne, numeriere ich mit arabischen Ziffern durch): Bei Menander
treffen, nachdem Mnesilochus im Monolog der SZENE 1, Dis ex. v. 18–
30a, den Entschluß gefaßt hat, dem Vater reinen Wein einzuschenken,
Vater und Sohn zusammen: SZENE 2, Dialog, Dis ex. v. 30b–63. (Nicobu-
lus tritt übrigens, vgl. Bacch. v. 347f., vom Forum her auf.) Am Ende dieser
Szene gehen sie zum Hafen, um das Geld zu holen.118 Nach der Aktpause
kommen sie in SZENE 3 (Dialog, Dis ex. v. 64–90) beide mit dem || Geld 54
54
wieder. Daß sie das Geld mithaben, werden wir annehmen, weil wir auf
diese Weise gleich auch eine Begründung für den folgenden Forumgang
des Nicobulus gewinnen:119 er wird es dort (um es weiteren Intrigen des
Chrysalus zu entziehen) deponieren (dazu paßt übrigens, daß Nicobulus
und Cleomachus sich später zur Auszahlung auf dem Forum treffen, vgl.
Bacch. v. 902 und v. 1060). Nach dem Abgang des Vaters bleibt Mnesilo-
chus zur SZENE 4, Monolog, Dis ex. v. 91–102a, auf der Bühne (Thema:
die Schuld der Bacchis). Schließlich kommt Pistoclerus dazu: SZENE 5,
Zutrittsmonolog, Dis ex. v. 102b–103a, und SZENE 6, Dialog, Dis ex.
v. 103bff.
Plautus hat die beiden Dialoge mit dem Vater in Szene 2 und 3 gestri-
chen, in denen Mnesilochus u. a. Chrysalus in Schutz nahm, und mit ihnen
die Aktpause. Zum inhaltlichen Ersatz verlängert er zunächst den der

118 Vgl. S. 35, Anm. 79.


119 Soweit ich sehe, hat man bisher eine solche Begründung nicht gefunden (Arnott:
Menander [1979], S. 161 spricht von „some unexplained business … which he
himself had to attend to in the city centre“).
118 II. Handlungsgliederung

Szene 1 entsprechenden Monolog des Mnesilochus (der bei ihm bis Bacch.
v. 520 reicht) um die weiteren Verse bis v. 525. In den Ersatzversen kün-
digt Mnesilochus an, er werde ein gutes Wort für Chrysalus einlegen. Mit
v. 525 geht er, abweichend von Menander, mit den Sklaven, die das Geld
tragen, ins Nicobulushaus.120 Wichtig ist nun, daß Plautus außerdem die
Menanderszenen 4 und 5 in der Reihenfolge umgestellt hat. Denn in dem
mit Bacch. v. 526 einsetzenden Rezitationsteil kommt zunächst Pistoclerus
auf die Bühne (≈ Szene 5), zu einem vier Verse umfassenden Monolog,
dem im folgenden (v. 530–533) ein umfangsgleicher Zutrittsmonolog des
Mnesilochus respondiert (≈ Szene 4), und erst nach den zwei Versen des
typisch plautinischen kleinen Begegnungsduetts (v. 534f.121) entwickelt
sich ab v. 536 der Dialog von Menanders Szene 6.
Aufschlußreich an dieser Umgestaltung ist nicht nur, wie geschickt
Plautus die menandrische Szenenfolge in die typische Singspielfolge Dop-
pelmonolog – Begegnungsduett – Dialog122 verwandelt und dabei Inhalts-
55
55 elemente der gestrichenen Handlung eingebaut hat. 123 Bedeut-||samer ist,
daß wir damit den ersten urkundlichen Beleg dafür in der Hand haben, wie
Plautus mit Mitteln, die durchaus der griechischen Technik entsprechen,
einen griechischen Aktschluß zu beseitigen versteht. Er läßt zwar den
vorher zum Forum abgegangenen Nicobulus plötzlich zu Hause sein
(konnte er ihn doch nicht gut, wie es sonst seine Art ist, 124 in v. 348 erklä-
ren lassen, er werde später durch die Hintertür oder das angiportum heim-
kommen: Nicobulus denkt ja in II 3 über die erhoffte Begegnung mit dem
Sohn nicht hinaus). Aber wenn Plautus die Menanderszenen 4 und 5 ver-
tauscht, d. h. wenn er nach dem Abgang des Mnesilochus ins Nicobulus-
haus zunächst Pistoclerus zu einem kurzen Monolog aus dem der Bacchis
treten läßt, nach welchem Mnesilochus wiederkommt und berichtet, er
habe inzwischen im Haus das Geld dem Vater übergeben und Verzeihung
für Chrysalus erwirkt, so entspricht diese Handlungs- und Figurenführung
völlig der oben in 1.1.1 besprochenen griechischen Konvention, die hinter-
szenisch ablaufende gespielte Zeit gegenüber der Spielzeit auf der Bühne zu
raffen. Pistoclerus hat seinen Monolog deswegen schon jetzt zu sprechen,
weil Mnesilochus dadurch die Zeit für die aufgezählten hinterszenischen

120 Daß die Geldübergabe bei Plautus im Haus erfolgt und nicht, wie N. K. Krasavina
lt. Année philologique 52 (1981), Nr. 3497 vermutet, auf dem Forum, ergibt sich sicher
aus Bacch. v. 768f. und 1050ff.
121 Zur Textgestaltung siehe Wahl: Sprecherbezeichnungen, S. 25 und 153f.
122 Vgl. etwa die Folge in IV 10f. (Canticum): Monolog des Philoxenus v. 1076–
1086, Parallelmonolog des Nicobulus v. 1087–1103, Begegnungsverse v. 1104f.,
Dialog ab v. 1106.
123 v. 530 reddidi patri omne aurum ; v. 532f. sed veniam mihi quam gravate pater dedit de
Chrysalo; verum postremo impetravi, ut ne quid ei suscenseat.
124 Siehe z. B. Woytek: Plautus, Persa zu Persa v. 448.
Dis exapaton und Bacchides 119

Aktionen gewinnt. Darum kann (gegen Ritschl, der gerade wegen dieser Zeit-
differenz Aktschluß bei Plautus nach v. 525 forderte, weil er die Menander-
technik der Zeitraffung noch nicht kennen konnte125) Plautus bei v. 525/
526 nur den pausenlos glatten Ablauf der Handlung intendiert haben.
Allerdings geht Questa entschieden zu weit, wenn er zur besproche-
nen Szenenfolge bemerkt: „Migliore riprova del δρᾶµμα continuum quale
caratteristica strutturale della palliata non si poteva avere: il problema deve
ritenersi risolto una volta per sempre.“126 Was die plautinischen Eingriffe
in III 4–6 beweisen, ist nicht mehr, als daß Plautus, wenn er wollte, recht
gut imstande war, einen griechischen Aktschluß zu überbrücken, nicht
aber, daß er prinzipiell für continuous action und gegen Actusgliederung
war. Denn gleich zwischen III 6 und IV 1 hat er – gegen Menander – einen
neuen Actusschluß eingeführt, wie m. E. die folgenden Beobachtungen und
Erwägungen beweisen:
a) Es ist von vornherein unwahrscheinlich, daß Menander etwa 60
Verse nach einem Aktschluß ohne Not die Bühne schon wieder leer wer-
den ließ, und Pistoclerus konnte mit dem Überbringer der Cleomachus-
Forderung ja ohne weiteres zusammentreffen, ohne zwischendurch das
Bacchishaus zu betreten, zumal er beim Wiedersehen zwischen Mnesilo-
chus und Bacchis S nicht gebraucht wird.
b) Vers 572, der seine Abgangsbegründung enthält, stört den Duktus 56
56
des Spiels empfindlich. Mnesilochus nimmt vorher die Eröffnung, daß es
zwei Bacchides gibt, ganz ungläubig auf (v. 569). Da wird Pistoclerus ener-
gisch (v. 570f.): „Wenn du mir weiter so wenig vertraust, trag ich dich
huckepack ins Haus.“ Darauf Mnesilochus: „Nein, ich geh schon, bleib!“
Nichts wäre natürlicher, als daß er mit diesen Worten zu seiner Bacchis S
hineineilte und daß Pistoclerus, wenn überhaupt, dann langsamer nach-
folgte. Statt dessen kehrt v. 572 die Reihenfolge um: PI. non maneo, neque tu
me habebis falso suspectum. MN. sequor.
Es ist weder einzusehen, warum Pistoclerus mit hineingehen muß, um
nicht weiter verdächtigt zu werden, noch warum Mnesilochus, der doch
eben vom Zweifler zum freudig Hoffenden wurde, auf einmal wieder die
Nachhut bildet.127 Die einfachste Erklärung: Plautus wollte die Bühne für

125 Ritschl: „Die ursprüngliche Gestalt der Plautinischen Bacchides“, S. 360.


126 Questa: Bacchides, S. 27.
127 Tatum: Plautus: The Darker Comedies, S. 48 hat die Schwierigkeit bemerkt und, wie
Text und Regiebemerkungen zeigen, nach einer Lösung gesucht: „Pist.: If you
continue to insult me, I’ll throw you over my shoulder and carry you inside
(starts to advance). Mnes. (backing away): I’ll go, I’ll go! Just wait. Pist.: I won’t
wait, and I won’t have you accusing me without proof. (Bis hierher müßte er erst
auf den zurückweichenden Mnesilochus zugehen, dann sich plötzlich zum Haus
wenden.) Mnes.: I’m coming, I’m coming. (So wird aus dem einfachen sequor eine
Versicherung seiner Eile.)“
120 II. Handlungsgliederung

den Actusschluß freibekommen. (Dieses Umdirigieren einer Figur in den


Schlußversen einer Szene werden wir in v. 923f. wieder antreffen.)
c) Die Szene IV 1 macht den Eindruck, daß Plautus sie aus einer kur-
zen Zutrittsbemerkung des Parasiten zu Pistoclerus zerdehnt hat; er wird
sie als eigene Einleitungsszene seines neuen Actus ausgestaltet haben.
Plautinisch sind jedenfalls die Attribute nequam und improbus in v. 573, die
dem Cleomachus Menanders Unrecht tun. Der Söldner ist ja nur zum Teil
der traditionelle Typ des übertreibenden Polterers (in IV 8, und da spricht
er in berechtigtem Zorn). Sonst benimmt er sich Bacchis S gegenüber eher
maßvoll, ja verständnisvoll: er gestattet ihr den Besuch bei der Schwester
und ist bereit, sie ihrem Mnesilochus zu überlassen, wenn er nur sein in-
vestiertes Geld zurückbekommt. Unmenandrisch überflüssige Breite
kennzeichnet dann die Verse 575f., deren Inhalt ohnedies in v. 589–591
wiederkehrt. Plautinisch wirkt schließlich vor allem das Spiel mit dem
Klopfen an die Haustür in v. 578ff.; der Sklave des Cleomachus, den wir
aus dem ersten Akt kennen, tritt hier nur auf, um sich schelten und beisei-
te schieben zu lassen.
Ich bemerke nebenbei, daß zum Beiseiteschieben (v. 579 recede hinc di-
57
57 erecte, v. 581 fores pultare nescis) das Fragment 110 K.-Th. keinesfalls || paßt:
ἐµμοὶ   παράάστα kann nur heißen „Stell dich neben mich her“ und nicht
„Geh weg, mach mir Platz“. Zwar wird fr. 110 zumeist128 auf IV 1 bezo-
gen, einen Zusammenhang mit V 1 (v. 1117 quid dubitamus pultare atque huc
evocare ambos foras?) hält man höchstens für möglich. Aber in Wahrheit
paßt ἐµμοὶ  παράάστα nur in die spätere Situation, wo beide Väter ihre Söhne
retten wollen und einer den anderen auffordern mag, zu gemeinsamer
Aktion neben ihn hinzutreten.129 fr. 110 kann also nicht dazu verwendet
werden, den puer in IV 1 als menandrisch zu erweisen.

3.1.2. Die Actus der Bacchides.


Unsere Diagnose, daß Plautus zwischen III 5 und IV 1 in Figurenführung
und Szenenfolge des Dis exapaton ändernd eingegriffen hat, um einerseits
eine Aktpause zu beseitigen, anderseits eine Actuspause zu schaffen, wird
zudem vom Zusammenwirken der oben in 1.2 genannten Kriterien der
Actusgliederung bestätigt (wie sie umgekehrt deren Funktionieren exem-
plifiziert).
a) Zum ersten führt die metrische Großgliederung auf insgesamt vier
Actus, von denen einer nach III 6 endet:

Actus a, bis I 1 sen. ‹…› cant. ‹…› sept. bis 108


Actus b, I 2–III 6 sen. 109–367 – sept. 368–572*
(* sen. 500–525)

128 Cf. Questa: Bacchides, ad v. 581.


129 Vgl. die nähere Besprechung unten in 3.5.2.
Dis exapaton und Bacchides 121

Actus c, IV 1–IV 8 sen. 573–611 cant. 612–669 sept. 670–760


+sen. 761–924 130
Actus d, IV 9–V 2 + cant. 925–996
sen. 997–1075 cant. 1076–1206 sept. 1207–1211

Das Schema ist wohl nicht ganz so regelmäßig wie in den Menaechmi, aber
in den Grundzügen durchaus erkennbar: nur bei c/d haben wir nicht den
regulären Übergang von Septenaren zu Senaren.
b) Zum zweiten ist nicht nur die Actuspause b/c aus der Interpretati-
on des Textes nachweisbar, sondern auch die anderen. Um den Beweis für
a/b (nach v. 108) zu führen, brauchen wir den richtigen Text der Verse
105–108, wie ihn im wesentlichen Tränkle vertreten hat131 (zu lutrum in
v. 108 siehe oben 2.6.1):

105 Ba A. eamus hinc intro, ut laves.


107 simul huic nesciocui, turbare qui huc it, decedamus hinc.
106a nam uti navi vecta es, credo timida es. Ba S. aliquantum, soror.
108 Ba A. sequere hac igitur me intro in lutrum, ut sedes lassitudinem.

Die (auch von Lindsay132 gewählte) Reihenfolge der Verse 107/106a recht- 58
58
fertigt Tränkle mit dem Hinweis, daß unmittelbar vor „Denn von der See-
reise her bist du wohl etwas nervös“ nicht die Einladung zum Bad stehen
kann, sondern nur „Gehen wir dem, der da Krach schlagen will, aus dem
Weg“. Absolutes turbare in der Bedeutung ‚Krach schlagen, einen Wirbel
machen‘ ist bei Plautus durchaus möglich133 (Men. v. 486 kündigt der Para-
sit, der sich durch Menaechmus II um eine cena betrogen glaubt, an adibo
ad hominem, nam turbare gestio, und macht ihm dann die heftigsten Vorwür-
fe); so wird man der Lesart von B2CD folgen und nicht Lindsays simul huic
‹nos› nesciocui turbae quae huc it decedamus hinc (Lindsay muß zudem nicht nur
die Fassung von B1 turbe equi zu turbae quae ändern, sondern metri causa auch
noch nos einfügen). Es gibt also in der Actuspause keine turba, d. h. keinen
menandrischen Chor, auch keine gedankenlose overliteral translation;134
sondern Plautus kündigt den Auleten an, dessen Spiel die Actuspause sig-
nalisiert und ausfüllt (wie nach Pseud. v. 573a und wie m. E. auch sonst

130 Die Senarerweiterung am Actusschluß gleicht die Kürze der anfänglichen Senar-
partie wieder aus.
131 Tränkle: „Zu zwei umstrittenen Stellen der plautinischen Bacchides“, S. 115–118.
132 In der Ausgabe; anders in seinem Literaturbericht (Wallace M. Lindsay: „Jahres-
bericht über Plautus 1907–1911“, in: Bursian 42/2 [1914], S. 1–58).
133 Gegen Otto Skutsch: „The Bacchides of Plautus (Cesare Questa)“, in: Classical
Review 81 (1967), S. 40, Anm. 1.
134 Wie W. Geoffrey Arnott: „T. Maccius Plautus: Bacchides, hg. von Cesare Questa.
Firenze 1965“, in: Gnomon 39 (1967), S. 137 meint.
122 II. Handlungsgliederung

immer ohne eine solche Ankündigung). Wenn also Donat (Andr. praef. 2, 3
p. 38sq. W.) bezeugt, daß die Bühne manchmal ganz leer wird, ita ut in ea
chorus – bei den Griechen – vel tibicen – bei den Römern – obaudiri possint;
quod cum viderimus, ibi actum esse finitum debemus agnoscere, so ist dieses Zeug-
nis nicht so ohne weiteres zu eskamotieren. Questa, als überzeugter Ver-
fechter der „indifferenza del comico latino alla struttura κατὰ   µμέέρη in se
stessa“135, versucht wohl,136 die Beweise, die für die Actusgliederung spre-
chen, zu entkräften, aber seine Argumentation ist, wie wir jetzt sehen kön-
nen, nicht stringent. Er wendet erstens ein, in der Palliata könne es schon
deswegen keine regelmäßige Actusteilung geben, weil weder die antiken
noch die modernen Philologen mit einer Fünfteilung zu Rande gekommen
seien. Richtig, insofern es um die Fünfzahl geht, irrelevant, wenn die Ac-
tuszahl in der Palliata variiert. Zweitens pocht er darauf, daß nach keinem
anderen ersten Actus das Flötenintermezzo angekündigt wird. Das kann
jedoch so selbstverständlicher römischer Bühnenbrauch sein, daß das
Argument nur eines ex silentio ist. Schließlich setzt er 137 den nescioquis,
turbare qui huc it von Bacch. v. 107 mit dem vom Forum zurückkommenden
59
59 Pistoclerus gleich. Das wäre wohl von der || plautinischen Zeitraffungs-
technik her nicht ganz auszuschließen (immerhin kommt in Actus d auch
Nicobulus nach den 11 Zwischenversen 1076 –1086 vom Forum zurück),
doch der Text selbst sperrt sich gegen Questas Auslegung. Würde Bacchis A
wirklich Pistoclerus meinen, wäre er für sie kein nescioquis, und es ist auch
nicht einzusehen, wie sie zu dem Eindruck kommen sollte, daß er mit der
Absicht des turbare kommt. Passen würden turbare und nescioquis auf Lydus;
aber von dem kann sie wieder nicht sagen, daß er huc it (er tritt ja dem auf
der anderen Bühnenseite auftauchenden Pistoclerus in den Weg, vgl. oben
S. 25). Und meinte sie die ganze Personengruppe, die sie noch in weiterer
Entfernung sähe, dann wäre wieder der Singular nicht am Platz. Deutet sie
hingegen auf den Auleten, der sich eben zur Bühnenmitte begibt und zum
Blasen anschickt, ist alles ganz ungezwungen in Ordnung. Und überhaupt
hat Plautus den Originalhinweis auf den Chor unkomplizierter ins Römi-
sche transformiert, wenn er schlicht den Auleten an dessen Stelle setzt, als
wenn er, sozusagen um eine Ecke mehr herum, eine Gestalt des Spieles
zum Pausenfüller macht.
Was die Actuspause c/d (v. 924/925) betrifft, müssen wir, bevor wir
aus dem Text nachweisen, daß sie existiert, überhaupt erst die Möglichkeit
einer Spielpause an dieser Stelle erörtern. Es ist nämlich nicht sicher, daß
die Bühne nach v. 924 völlig leer wird.138 Nicobulus beabsichtigt nach den

135 Questa: Bacchides, S. 27.


136 Questa: Bacchides, S. 29.
137 Questa: Bacchides, S. 31f.
138 Das Problem ist mustergültig erörtert von Georgine Burckhardt: Die Akteinteilung
in der neuen griechischen und in der römischen Komödie. Dissertation, Universität Basel
Dis exapaton und Bacchides 123

letzten Worten seines vorausgehenden Monologs (v. 923f.), den ersten


Brief seines Sohnes, den er in der Hand hält, nochmals genau durchzule-
sen, bevor er sich zu weiteren Aktionen entschließt; und er kann das an
sich ebensogut tun, indem er sich in sein Haus zurückzieht, wie auf der
Bühne. Leider läßt uns darüber auch der Folgetext im unklaren. Mit v. 925
kommt Chrysalus zu seinem großen Troiacanticum aus dem Bacchishaus;
und Nicobulus darf es auf keinen Fall hören, weil Chrysalus darin den
nächsten Anschlag gegen ihn ankündigt: demnach werden wir ihn ins Haus
verweisen. Dafür spricht auch v. 932, wo Chrysalus eine ironische Klage
über Troias Fall anstimmt, prius quam huc senex venit. Aber im letzten Vers
seiner Monodie (v. 978) sagt er auf einmal: Priamum (sc. Nicobulum) ad-
stantem eccum ante portam video; und Nicobulus muß auch das Canticumende
gehört haben, weil er in den folgenden Dialog mit den Worten eintritt
(v. 979) quoianam vox prope me || sonat? 139 Ist also Nicobulus doch die ganze 60
60
Zeit unbemerkt und in die Lektüre des Briefs vertieft vor seinem Haus
gestanden?140
Nun halte ich es zwar für die einfachste Lösung dieses Nebenprob-
lems der Figurenführung, wenn wir Nicobulus unangekündigt nicht lang
vor Chrysalus’ letztem Vers (noch immer lesend) wieder aus dem Haus
kommen lassen, möchte aber doch darauf hinweisen, daß ein Actusschluß,
will sagen ein Intermezzo des Auleten, zwischen v. 924 und v. 925 auch
dann möglich ist, wenn Nicobulus den Spielraum der Bühne nicht ganz
verläßt, sondern sich vor dem Flötenspieler bloß irgendwie an den Rand
der Spielfläche zurückzieht. Das beweist ein Actusschluß der Mostellaria.
Die drei Fabelteile der Mostellaria (Protasis bis zur Vorbereitung der Ge-
genmaßnahmen gegen die erwartete Heimkehr des Vaters Theopropides,
Epitasis mit den Lügengeschichten des Intrigensklaven Tranio, vom ersten
Auftritt des Theopropides an, Katastrophébeginn mit dem Auftritt der

1927, S. 14f. Die Erwägungen von Theiler: „Zum Gefüge einiger plautinischer
Komödien“, S. 271f. und Questa: Bacchides, S. 49ff. konzentrieren sich zu sehr auf
die analytische Herstellung des Originals, und noch dazu auf der Basis der Aner-
kennung beider Briefintrigen.
139 Theiler: „Zum Gefüge einiger plautinischer Komödien“, S. 271f. schließt aus
dem sonstigen plautinischen Gebrauch solcher Wendungen, daß ihr Sprecher,
hier also Nicobulus, sich durch die Äußerung eines anderen im eigenen Sprechen
unterbrochen sehen muß, d. h. daß im Original v. 979 bald nach v. 924 kam.
Aber die unterbrochene bzw. gestörte Tätigkeit Nicobulus’ könnte auch die des
Lesens sein – und dann war er besser doch die ganze Zeit auf der Bühne.
140 Dafür tritt Henry D. Jocelyn: „Chrysalus and the Fall of Troy (Plautus, Bacchides
925–978)“, in: Harvard Studies in Classical Philology 73 (1969), S. 145f. ein, der zu-
dem, um oberflächliche Widerspruchsfreiheit des Textes zu erzielen, v. 932 als
nachplautinisch streichen will. Diskussion der Figurenführung auch bei Questa:
Bacchides, S. 49ff.
124 II. Handlungsgliederung

Sklaven, die ihm den wahren Sachverhalt mitteilen; vgl. im übrigen oben
am Ende von 1.1.2) werden in den Actus a und b von der üblichen metri-
schen Großgliederung begleitet (die kleine Senarerweiterung am Ende von
a stört kaum, noch weniger natürlich, daß der letzte Actus wieder einmal
freier gestaltet ist):

Actus a, I 1–II 1 sen. 1–83 cant. 84–247 sept. 248–407*


(* cant. 313–347)
+ sen. 409–430
Actus b, II 2–III 2 sen. 431–689 cant. 690–803* sept. 804–857
(* sen. 747–782)
Actus c, IV 1–V 2 cant. 858–903
sept. 904–992
sen. 993–1040 – sept. 1041–1181

Die zweimalige Übereinstimmung des Grundgerüsts Senare – Canticaverse –


61
61 Septenare mit Hauptphasen der Handlung spricht hier doch || sehr für den
Ansatz der Actuspause v. 430/431, obwohl da (wie möglicherweise nach
Bacch. v. 924) eine Figur des Spiels in Ruhestellung am Rand der Bühne
verbleibt. Tranio erklärt nämlich v. 429f.:

concedam a foribus huc, hinc speculabor procul,


unde advenienti sarcinam imponam seni.

Wenn Georgine Burckhardt den folgenden Auftritt des Theopropides


(v. 431ff.) in unmittelbarem, pausenlosem Anschluß für notwendig hält –
„denn an ein längeres Herumstehen des Tranio auf der Bühne, ohne daß
etwas geschieht, kann doch eigentlich nicht gedacht werden“ 141 –, so ‚ge-
schieht‘ eben in der Zwischenzeit das Intermezzo des Flötenspielers.142

141 Burckhardt: Die Akteinteilung in der neuen griechischen und in der römischen Komödie,
S. 22.
142 Burckhardts Verweis auf Truc. v. 481/482 (wo Phronesium am Szenenschluß sagt
nunc miles adveniat velim, worauf dieser seinen Auftrittsmonolog absolviert) ist in-
sofern treffend, als in Most. v. 430 wie Truc. v. 481 nicht schon das Fehlen eines
atque eccum adest die anschließende Pause beweist; aber im Truc. schloß eben der
Actus a knapp davor mit v. 447 (sen. v. 1–94; cant. v. 95–255; sept. v. 256–321;
sen. v. 322–447); Actus b beginnt mit cant. v. 448–464 und sept. v. 465ff. Inhalt-
lich dominiert in Actus a der Liebhaber Diniarchus, an den Phronesium ab v. 448
keinen weiteren Gedanken verschwendet. Das ist in Most. v. 409–430 ganz an-
ders, da stellt der kleine Zwischenauftritt des puer Sphaerio die Verbindung mit
dem zu Ende gehenden Actus sicher (v. 419–426, vgl. v. 404f.). Vergleiche im
übrigen auch Anm. 34.
Dis exapaton und Bacchides 125

Daß im plautinischen Singspiel grundsätzlich die Möglichkeit besteht,


auch bei nicht völlig leerer Bühne einen Actus zu schließen, muß im übri-
gen zusammenhängen mit dem besonderen Charakter oder der besonde-
ren Funktion, die die Pausen in der Palliata haben. Spielpausen kann es ja
in den verschiedensten Abstufungen geben; das Publikum wird nicht im-
mer und überall im gleichen Maß und Grad aus der Illusion des Spiels
entlassen. In unseren Theatern kann es schon einen großen Unterschied
machen, ob die Zuschauer Gelegenheit bekommen, in einer Pause ins
Foyer und zum Buffet zu gehen, oder ob sie bei verdunkeltem Zuschauer-
raum, vielleicht auch mit Zwischenmusik, auf ihren Plätzen festgehalten
werden; aber jedenfalls können nach jeder Spielunterbrechung die größten
Veränderungen in Bühnenbild, Position der Figuren und Zeitablauf einge-
treten sein. Das Chorintermezzo der Nea hält die Aufmerksamkeit der
Zuschauer am Spielraum der Bühne fest; darum darf sich die Konstellation
der Figuren zur Bühne unterdessen nicht ändern, nur handlungserfüllte
Zwischenzeit kann und soll während des Chorliedes verstreichen. Die
Pause in der Palliata ist unter allen die schwächste: sie hält wohl im Prinzip
an der erwähnten räumlichen || Beschränkung in der Figurenführung fest, 62
62
lockert aber die Zeitregel in dem Sinn, daß hinsichtlich der Zwischenzeit
alles möglich wird, vom Forumgang des Pistoclerus während des Flötenin-
termezzos in Bacch. a/b bis zur Nichtexistenz einer außerszenischen Zwi-
schenhandlung in Bacch. b/c. Und in diesem eingeschränkten Sinn behal-
ten auch die Verfechter der continuous action Recht: die Handlung kann
in der Palliata oft ohne Zwischenzeit weiterlaufen, ja deren Dichter wer-
den (ohne prinzipiellen Systemzwang) die Illusion des möglichst kontinu-
ierlich ablaufenden Spiels fördern.143 Die Folge davon ist, daß das Flöten-
intermezzo, dem die notwendige Beziehung zur gespielten Zeit fehlt, nur
mehr die Funktion der Handlungssegmentierung nach inhaltlich geschlos-
senen Teilen zu erfüllen hat. Für die sinnvolle Verwendung der Actuspau-
se genügt es also, wenn am Actusende ein Handlungsteil in eine gewisse
Ruhelage kommt – und das kann der Flötenspieler dem Publikum auch
signalisieren, während ein Schauspieler untätig, z. B. wartend oder lesend,
auf der Bühne verbleibt.
Das Eintreten dieser Ruhelage ist es nun aber gerade auch, was mich
veranlaßt, die c/d-Pause in den Bacchides nicht nur für möglich, sondern
für von Plautus tatsächlich intendiert zu halten. Daß mit IV 8 die erste
Briefintrige erfolgreich zu Ende geht, ohne daß irgendwelche Andeutun-
gen am Szenenabschluß auf die folgende zweite Briefintrige vorausweisen,

143 Aus den bekannten, bereits von Donat formulierten, aber unzulässig zur Grundlage
einer allgemeinen Regel gemachten Rücksichten (Don. Ad. praef. 1, 4 p. 4 W.): me-
tuentes scilicet, ne quis fastidiosus, finito actu velut admonitus abeundi, reliquae comoediae fiat
contemptor et surgat.
126 II. Handlungsgliederung

ist dabei nur die eine Seite der Sache.144 Viel auffälliger, also für die Pause
viel beweiskräftiger, ist die Gesamtfunktion des Troiacanticums von IV 9.
Man pflegt es als Triumphlied des Chrysalus zu bezeichnen und zu bekrit-
teln, daß er es zu früh anstimmt, schon nach der zweiten und nicht erst
nach der letzten Intrige.145 Aber bei genauerem Zusehen ergibt sich, daß es
den Triumph nicht feiert, sondern erst ankündigt. Genaugenommen steht
es also nicht nach der zweiten, sondern vor der dritten Intrige. Chrysalus
hat die Eroberung seines Troia noch vor sich (v. 929 erum expugnabo meum,
auch v. 933f. o Priame periisti senex, qui misere male mulcabere quadringentis
Philippis aureis), sein troianisches Pferd – der zweite Brief – muß erst nach
63
63 Troia ge-||bracht werden (v. 943 non in arcem, verum in arcam faciet impetum).
Seine bereits vollbrachten Großtaten erwähnt Chrysalus nur im Zusam-
menhang mit der noch bevorstehenden Aufgabe, zuerst nebenbei, zur
Begründung dafür, daß die milites im Pferd, d. h. die Buchstaben des Brie-
fes, armati atque animati probe sind (v. 942): ita146 res successit mi usque adhuc,
dann, über den Zwischenvergleich mit dem schlauen Odysseus, in aller
Breite, als er von Troias tria fata spricht. Aber auch da liegt die Betonung
auf dem noch zu Leistenden: nach der Lügenerzählung von β duo restabant
fata … nec magis id ceperam oppidum (v. 959), und nach der Spoliierung des
Troilos – ist gleich nach der Erschleichung der ersten 200 Philippstaler147
– alteris etiam ducentis usus est, qui dispensentur Ilio capto, ut sit mulsum qui
triumphent milites (v. 971f.). Es kann also kein Zweifel sein: Plautus hat das
Troiacanticum auf keinen Fall als Abschluß der vorausgegangenen ersten
Briefintrige geschrieben, er hat es aber auch nicht (oder doch: nicht nur)
eingefügt, um Chrysalus prahlen zu lassen, sondern vor allem, um den
neuen Actus zu exponieren.
c) Zum Abschluß dieses Teilabschnitts bleibt noch festzustellen, daß die
Actusteilung, die wir nach den zwei Kriterien der metrischen Gliederung

144 Zu den plautinischen Eingriffen in die Figurenführung am Ende von IV 8 vgl.


unten S. 78f.
145 Z. B. del Corno: Plauto, Bacchides, S. 153: „canto di trionfo: il vecchio è espugna-
to“. – Lefèvre: „Plautus-Studien II“, S. 522 u. ö.
146 Begründend ,So erfolgreich war mein Unternehmen bisher‘, nicht (mit Gaiser:
„Die plautinischen ,Bacchides‘ und Menanders ,Dis exapaton‘“, S. 74) folgernd
,So ist mir die Sache bisher gut vonstatten gegangen‘.
147 In der von Gaiser: „Die plautinischen ,Bacchides‘ und Menanders ,Dis exapa-
ton‘“, S. 73f. zur Gänze getilgten Partie v. 962–977 ist außer v. 962 –965 jeden-
falls v. 967 dein pugnam conserui seni unmöglich, weil in Wahrheit zeitgleich mit cum
… milite … conflixi (ungenau Questa: Bacchides, S. 66: „poi (poste) abbiamo l’arrivo
inopinato del … miles … e successivamente (dein) a questo evento la scena di
Crisalo con il vecchio e il soldato“). Aber v. 969–972 sähe man doch gern erhal-
ten. – Gaisers Gesamterklärung des Troiacanticums muß übrigens schon deswe-
gen unrichtig sein, weil sie die zweite Briefintrige als menandrisch voraussetzt.
Dis exapaton und Bacchides 127

und der Pausenbehandlung als plautinisch erkannten, sich auch vom dritten
Kriterium der Inhaltsgliederung her bewährt. Plautus muß die Handlung
des Dis exapaton etwa folgendermaßen analysiert bzw. umgeformt haben,
um relativ selbständige Handlungsteile zu erhalten:
Actus a konnte mit Dis exapaton α gleichbleiben, weil das Paar Pisto-
clerus–Bacchis A, das zu Beginn in Opposition zueinander steht, sich am
Ende des Actus findet, womit ein gewisser Teilabschluß erreicht ist.
Actus b bringt zuerst Hilfe für das Hauptpaar Mnesilochus – Bacchis S,
durch den Erfolg von Chrysalus’ Lügengeschichte, || dann die äußere und 64
64
innere Gefährdung dieser Liebe: Mnesilochus gibt das Geld zurück, immer-
hin erweist sich sein Zweifel an Bacchis’ Treue als unbegründet.
Actus c rückt den Meisterintriganten Chrysalus in den Mittelpunkt, der
in der ersten Briefintrige den mißtrauischen Nicobulus nochmals drankriegt
und die letzte Gefahr für Mnesilochus und Bacchis S aus der Welt schafft.
In Actus d erringen Chrysalus in der zweiten Briefintrige und Bacchis
A durch ihre Verführungskünste den endgültigen Sieg über Nicobulus.
Insgesamt ergibt sich auf diese Weise eine possenartige Komödie, de-
ren erste beiden Actus vornehmlich von den zwei Liebespaaren beherrscht
sind, während in der zweiten Stückhälfte der Intrigensklave dominiert.
Ausgerüstet mit der Kenntnis sowohl der menandrischen wie der
plautinischen Handlungsgliederung können wir uns nunmehr die vorläufi-
gen Resultate über die Struktur von Original und Bearbeitung nochmals
im Überblick vergegenwärtigen.

Dis ex.: α β γ δ ε
108/9 384/5 525/6 924/5 1075/6 1211
‹ ›
….
108/9 572/3 924/5 1211
Bacchides: a b c d

Ein Blick auf das Schema zeigt sogleich, daß die Eingriffe des Bearbeiters
alles andere als unbeträchtlich sind. Er hat zunächst seinen Actus b aus
Akt β (unverändert), γ (gekürzt) und δ (die Anfangsszenen) zusammenge-
zogen, so zwar, daß einerseits die Lügengeschichte (in Senaren), anderseits
die Teilhandlung um Mnesilochus’ Zweifel (hauptsächlich in Septenaren)
deutlich abgesetzte Teilsequenzen des plautinischen Actus bilden. Nicht
minder schwer wiegen die Umformungen von δ und ε. Denn Plautus hat
nicht nur den δ-Beginn zu b geschlagen, um die Liebesgeschichte abzu-
runden; im folgenden laufen δ und c wohl || parallel, aber mit Änderungen, 65
65
die in den Bacchides die Einfügung von v. 925–1075 ermöglichen; schließ-
lich ist ε so verkürzt, daß die Einfügung und ε gemeinsam d ergeben. In
128 II. Handlungsgliederung

diesem Rahmen kehren wir im folgenden zur ergänzenden und die bisheri-
gen Ergebnisse kontrollierenden Analyse des Textes zurück.

3.2. Die verdoppelte BRIEFINTRIGE bzw. die Frage, welche von den bei-
den Intrigen die menandrische ist, stellt natürlich das analytische Haupt-
problem dar. Sieht man nur auf das jeweilige Ziel der Teilhandlung, ist die
Antwort klar: bei Menander muß am Ende die Gewinnung jener 200 Phi-
lippi stehen, die als ,Intrigengeld‘ dem Cleomachus zu zahlen sind, nicht
die des ,Vergnügungsgeldes‘ (vgl. oben 2.6.3). Auf dieses Ziel führt nun
die Szenenfolge IV 5–8 in ihrem Aufbau so klar hin, daß man sich gegen
IV 9 entscheiden wird. Man sehe nur, wie gut der Einsatz der Figuren des
Spiels sich entwickelt (mit ständiger Zunahme des Spielpersonals):
IV 5 – Kurzer einleitender Monolog des Chrysalus, der Nicobulus
erwartet;
IV 6f. – Nicobulus kommt, von tiefstem Mißtrauen erfüllt, wird aber
im Verlauf der Szenen darin doch schwankend;
IV 8 – Cleomachus tritt zu den beiden hinzu; er gibt Chrysalus Gele-
genheit, seine Drohungen gegen Mnesilochus der Intrige nutzbar zu ma-
chen, und dem Dichter, die Zahlungsbereitschaft des Nicobulus am Akt-
schluß den Zuschauern ad oculos vorzuführen.
Schon der Umstand, daß in IV 9 Cleomachus am Ende nicht mit von
der Partie ist, reicht also aus, die Handlungsführung von IV 9 als un-
menandrisch zu qualifizieren. Nur ist das Problem damit noch nicht zur
Gänze erledigt, woran Lefèvre sehr verdienstvoll erinnert hat.148 Wenn
nämlich Situation und Handlungsführung in IV 5–8 menandrisch, in IV 9
unmenandrisch sind, muß dasselbe Urteil noch keineswegs für die beiden
Briefe gelten. Vielmehr gibt es, was die Briefe betrifft, noch immer drei
Möglichkeiten. In die originale Situation der Szenen IV 5–8 kann gehören
a) der erste Brief,149 den Chrysalus in IV 4 diktiert (v. 731ff.) und in
IV 6 Nicobulus übergibt (v. 787ff.). Das ist implizit die These von Eduard
Fraenkel,150 der ja den zweiten Brief als von Plautus durch Kontamination
eingefügt erklärte.
66
66 b) der zweite Brief (IV 9, v. 997ff.),151 den Plautus mit entsprechen-
den Änderungen in seine dritte Intrige versetzte, während er den ersten
Brief für die zweite Intrige schlecht und recht selbst erfand. Diese These

148 Lefèvre: „Plautus-Studien II“, S. 522f.


149 Briefinhalt: Warnung vor Chrysalus und Bitte, ihn trotz neuerlich geplanter
Intrige nicht zu bestrafen.
150 Eduard Fraenkel: De media et nova comoedia quaestiones selectae. Göttingen 1912.
151 Briefinhalt: Mnesilochus bittet um 200 Philippi, die er der Frau des Cleomachus
eidlich versprochen habe. Da Chrysalus nicht lügen will, ist der Brief in dieser
Fassung sicher unmenandrisch; aber Plautus kann ihn ja überarbeitet haben.
Dis exapaton und Bacchides 129

hat, nach Andeutungen von Karl Büchner152 und Webster,153 Lefèvre aus-
führlich und mit Entschiedenheit vertreten.
c) eine Kombination aus beiden Briefen. Diese Möglichkeit wurde,
soweit ich sehe, bis jetzt nicht diskutiert.
Mustern wir also die beiden Briefe und ihren Textzusammenhang auf
diese Möglichkeiten hin durch. Gegen Brief 1 wendet Lefèvre ein,154 er
habe keine dramaturgische, sondern nur eine psychologische Funktion: in
typisch plautinischer Manier wolle der siegesgewisse Intrigensklave seinen
Gegenspieler gegen sich aufbringen, um sich seine Aufgabe prahlerisch
noch zu erschweren (wie Pseudolus in I 5). Diese Wirkung hat der Brief
im plautinischen Zusammenhang tatsächlich; allerdings sahen wir oben in
2.6.3, daß der ganze Intrigenplan auch des menandrischen Chrysalus da-
rauf beruht, daß Nicobulus von tiefstem Mißtrauen gegen ihn erfüllt ist.
Durch Wahrheit lügen kann er nur, wenn Nicobulus die Haltung, die er in
Dis ex. v. 64ff. einnahm, noch immer beibehält; und eben um sich dessen
völlig zu versichern, kann Chrysalus ihm brieflich mitteilen lassen, er –
Chrysalus – tadle die Rückgabe des Geldes und wolle es Nicobulus ein
zweites Mal abnehmen (v. 735ff., 803ff.).
Brief 1 ist also insoweit nicht als dramaturgisch funktionslos zu erwei-
sen (was gegen oder zumindest nicht für These b spricht,155 aber noch
nicht zwischen a und c entscheidet). Anderseits reicht der Inhalt von Brief 1
doch nicht aus, den Gang der Handlung in IV 7 lückenlos zu motivieren.156
Sie entwickelt sich zwar in guter und verständlicher || Steigerung. Die erste 67
67
Runde des geistigen Wettkampfs mit Nicobulus nach dessen Lektüre des
Briefes – über die zwei Runden des Vorgeplänkels siehe unten in 3.3.3 –
bestreitet Chrysalus damit, daß er auf die völlig selbstsicher, ja höhnisch
triumphierend vorgebrachten Vorwürfe des Alten, Chrysalus rate seinem
Sohn also zu einem Lotterleben (v. 812f., vgl. v. 743 im Brieftext), ganz
überraschend mit nicht weniger Hohn und Selbstsicherheit erwidert: O
stulte stulte, nescis nunc venire te – was wir schon deswegen für menandrisch

152 Karl Büchner: Römische Literaturgeschichte. Ihre Grundzüge in interpretierender Darstel-


lung. Stuttgart 1957, S. 96. Wenn ich Büchner recht verstehe: „Das Briefmotiv hat
Plautus dann für seinen dritten Betrug in seiner Weise b e n u t z t, beim zweiten
es auf seine Weise u m g e s t a l t e t“ (Sperrungen von mir).
153 Webster: An Introduction to Menander, S. 132.
154 Lefèvre: „Plautus-Studien II“, S. 522f. (nach Büchner: Römische Literaturgeschichte,
S. 95).
155 Immerhin ist die Funktionslosigkeit Lefèvres einziges Argument gegen Brief eins.
156 Auf das Fesselungsmotiv gehe ich hier nicht ein, weil es für den Handlungszu-
sammenhang irrelevant ist; Lefèvre: „Plautus-Studien II“, S. 530f. hat Recht,
wenn er viel Plautinisches in IV 7 findet, geht aber zu weit; er stützt seine Kritik
zu Unrecht gerade auf die leicht auslösbaren Einzelzüge, statt den eigentlichen
Handlungsfortschritt zu verfolgen.
130 II. Handlungsgliederung

erklären würden, weil Chrysalus damit die Wahrheit sagt, und das nicht
nur, weil es ihm Spaß macht, sondern auch zu einem Lügenzweck:157 um
Nicobulus durch seine selbstsichere Offenheit zu verwirren und dem Brief
des Sohnes gegenüber unsicher zu machen. Und als beste Bestätigung
dieser Interpretation folgt noch Chrysalus/Menanders berühmtes quem di
diligunt, adulescens moritur. Allzu bedenkenlos kann man also doch nicht IV 7
für im wesentlichen plautinisch erklären.
Die zweite Runde beginnt v. 824 mit Nicobulus’ numquam auferes hinc
aurum. Chrysalus kontert wieder mit provokantem Widerspruch: atqui iam
dabis,158 bleibt aber dabei nicht stehen, sondern bringt ein neues Element
ins Spiel (v. 826f.): cum illum rescisces … quanto in periclo et quanta in permicie
siet. Die Formulierung ,Bald wirst du zahlen, wenn du erfährst, in welcher
Gefahr dein Sohn ist‘ kommt der direkten Lüge – die Chrysalus ja vermei-
den will – schon so nahe, daß man sie für plautinisch halten wird; die Sa-
che würde etwas besser mit der Annahme, ‚wenn du erfährst‘ gehe auf ein
,wenn du den Eindruck gewinnst‘ bei Menander zurück.159 Dann ist die
Aussage wieder objektiv richtig. Aber sei dem wie immer, im Textzusam-
menhang bringt das Stichwort ,Sohn in Gefahr‘ jedenfalls die nötige Stei-
gerung.
Es soll nämlich offensichtlich die dritte Runde vorbereiten, in der
Nicobulus erschrocken fragt (v. 830) quo in periclo est meus Mnesilochus filius?
Und jetzt bringt Chrysalus seinen großen Coup an: er läßt den Alten durch
68
68 den Türspalt ins Bacchishaus spähen und flößt ihm den || Verdacht ein, die
Frau, mit der er seinen Sohn beisammen sieht, könnte vielleicht keine
Hetäre sein (zweckmäßigerweise tritt dann gleich Cleomachus auf, den
Nicobulus für den Gatten der Bacchis hält). Das Thyroskopie-Motiv ist,
wie in 2.6.2 schon angedeutet, eine typisch menandrische Variation der
analogen Szene aus γ; Chrysalus hatte den Plan dazu schon in IV 4 gefaßt
(v. 716–725), durch Mnesilochus’ Kurzbericht über seine Verwechslung
der Bacchides angeregt.160
Im Grunde werden die drei Durchgänge des Gesprächs auf Menan-
ders originale Konzeption der Szene zurückgehen; die Menanderspuren
der ersten und dritten ‚Runde‘ sprechen deutlich dafür. Und doch muß

157 Mit der Zweideutigkeit der Wahrheit spielt Menander ähnlich in Andria v. 507ff.
158 Die Fortsetzung (v. 825) atque orabis me quidem ultro ut auferam kündigt, wie Theiler:
„Zum Gefüge einiger plautinischer Komödien“, S. 269f. gesehen hat, IV 9 an
(v. 1059ff.), muß also von Plautus stammen.
159 Unter Ausnützung des unten gewonnenen Resultats, daß hier Brief 2 eine Rolle
spielen muß, könnte man an dieser Stelle auch eine Äußerung des Chrysalus pos-
tulieren, die Nicobulus zum Weiterlesen anregt (z. B. ,Aber du weißt ja nicht, in
welcher Lage er ist‘).
160 Plautus mußte in IV 4 diesen Kurzbericht unterschlagen, weil er die Szene in γ
gestrichen hatte.
Dis exapaton und Bacchides 131

auch Plautus kräftig eingegriffen haben. Zum einen, weil Chrysalus mehr-
mals gegen sein Intrigenprogramm ,Lügen durch Wahrheit‘ verstößt. Er
tut das nicht nur, wie oben schon erwähnt, in der zweiten Runde (v. 826
rescisces), gravierender ist, daß er auch das mit der Thyroskopie angesteuer-
te Ziel nur durch Lügen erreicht: als Nicobulus zu verstehen gibt, daß er
die Frau in den Armen des Mnesilochus für nichts anderes als eine Hetäre
hält, antwortet Chrysalus (v. 840): frustra es. Hier würde auch die Vermu-
tung, Plautus habe wieder nur einen unverfänglicheren Ausdruck Menan-
ders durch einen zu deutlichen ersetzt, nicht mehr weiterhelfen. Denn zum
anderen stimmt es – trotz der oben beobachteten Steigerung in den Ge-
sprächsdurchgängen – im dritten Durchgang nicht mit Handlungsführung
und -motivation. Denn die Ankündigung einer völlig unbestimmten Ge-
fahr (Runde zwei, v. 827) kann nicht ausreichen, Nicobulus’ starke Reakti-
on in dem Augenblick zu erklären, in dem er seinen Sohn erkennt (v. 836):

CHRYS. Qui sunt in lecto illo altero? NIC. Interii miser.

Er wiederholt denselben Ausruf in v. 853, als er Mnesilochus für einen


von der Rache des Gatten bedrohten Ehebrecher halten muß: Oppido inte-
rii miser. So wird er auch v. 836 an eine Gefahr für das Leben des Sohnes
denken, nicht etwa bloß über seinen lockeren Lebenswandel entrüstet oder
betroffen sein.
Nicobulus muß demnach schon, bevor er das Liebespaar erblickt, ei-
ne Information erhalten haben, die ihn einerseits im Zusammenhang mit
der Liebesaffäre für Mnesilochus’ Leben fürchten läßt, anderseits so zwei-
deutig formuliert ist, daß Chrysalus’ Wahrheitsprinzip gewahrt bleibt. Und
nun sehe man den Anfang des zweiten Briefes (v. 997f.):

Pater, ducentos Philippos quaeso Chrysalo 69


69
da, si esse salvom vis me aut vitalem tibi.

Dieser Briefanfang161 erfüllt (mit nachfolgender Erwähnung der Liebes-


affäre) die Bedingungen, die wir eben aufgestellt haben, so gut, daß wir der
These c zuneigen werden (These a haben wir ja eben widerlegt: der erste
Brief reicht zur Vorbereitung des dritten Gesprächsdurchgangs in IV 7
allein nicht aus). Nicobulus hat dann den ersten Briefteil (bei Plautus:
Brief 1), der sich auf Chrysalus bezieht, vor dem ersten Durchgang gele-
sen, und der zweite Briefteil (die Vorlage des von Plautus abgeänderten
Briefs 2), mit dem zweideutigen Geständnis von Mnesilochus’ Liebesnö-
ten, stand ursprünglich (mit) an der Stelle des zweiten Durchgangs in IV 7.

161 Zum plautinischen Anteil an der Formulierung dieser beiden Verse siehe unten
S. 86f.
132 II. Handlungsgliederung

Unsere Annahme findet übrigens am Ende von IV 8 eine überra-


schende Bestätigung. Dort will sich Nicobulus die dem Cleomachus ver-
sprochene Zahlung plötzlich nochmals überlegen (v. 920ff.; warum min-
destens die Verse 923f. von Plautus stammen müssen, darüber unten) und
jedenfalls vorher mit Mnesilochus reden oder doch wenigstens dessen
Brief nochmals durchlesen. Über die Lage, in der sich sein Sohn befindet,
würde er aber aus Brief 1 nichts erfahren, da dieser ja nur von Chrysalus’
Betrugsabsicht handelt. Mit anderen Worten: Plautus hat zwar in seiner
Bearbeitung die zweite Hälfte des Originalbriefs, wo Mnesilochus von sei-
ner Liebesaffäre sprach, nach IV 9 transferiert; trotzdem setzt er irrtüm-
lich den Inhalt der zweiten Briefhälfte schon in den Schlußversen von
IV 8 voraus.
Wie IV 7 bei Menander nach Nicobulus’ interii miser (v. 836) weiter-
ging, können wir nur vermuten. In der Plautusfassung ist ja der Übergang
auf IV 8 nicht gerade unmöglich, aber auch nicht gerade exzellent: Cleo-
machus kommt gar zu gelegen im rechten Augenblick, und man wird Me-
nander zutrauen, daß er die Handlung nicht im Possenstil ganz geradlinig
zum nächsten Rundengewinn des Chrysalus weiterführte, sondern ihn
durch die plötzliche Ankunft des Soldaten zwischendurch etwas ins Ge-
dränge kommen ließ (man vergleiche die Handlungsführung um den Auf-
tritt des Chremes in Andria IV 4). Bald auftreten mußte Cleomachus sicher
auch bei Menander, damit sich das Publikum nicht zu wundern begann,
warum Nicobulus den Sohn nicht einfach aus dem Bacchishaus heraushol-
te. Denkbar – aber natürlich nur denkbar – ist, daß die Plautusversion vom
70
70 Original aus dem Grund abweicht, || weil dem Römer nach interii miser das
gestrichene Motiv ,Mnesilochus in Lebensgefahr‘ fehlte und er es mög-
lichst rasch nachbringen wollte. Bei Menander hingegen mag es wirklich
die erste Regung des Vaters gewesen sein, den Sohn herauszuholen, wo-
rauf Chrysalus – Lüge durch Wahrheit – ihn zurückhielt: ,Wenn du dem
Chrysalus traust, fürchtest du nicht für ihn. Oder glaubst du etwa gar, sie
ist keine Hetäre?‘ (Daran konnte v. 840b anschließen.) Aber in solchen
Einzelheiten warten wir am besten auf den nächsten Papyrus.
Die Szene IV 8 ist in sich ohne große Schwierigkeiten (Plautus hat
wahrscheinlich – siehe 3.3.3 – das Detail mit der Fessellösung eingefügt
und das Zahlungsversprechen sowie die Ausschaltung des Cleomachus
erweitert). Ein gut menandrischer Aktschluß ist jedenfalls der Abgang von
Cleomachus und Nicobulus zur Agora, wo die Zahlung erfolgen soll. Wie-
der einmal werden auf diese Weise Eingangs- und Schlußszene eines Aktes
miteinander verbunden: zuerst bringt Nicobulus, wie wir oben in 3.1.1
(S. 54) vermuteten, das Geld vermeintlich vor Chrysalus in Sicherheit, und
jetzt wird es ihm doch abgenommen.
Dis exapaton und Bacchides 133

3.3. Dis exapaton, 4. Akt.


Da nunmehr die zweifache Grundentscheidung über das Verhältnis zwi-
schen IV 5–8 und IV 9 gefallen ist (in der Handlungsführung menandrisch
IV 5–8, nicht IV 9, originaler Brieftext eine Kombination aus Plautus’
erstem und zweitem Brief), können wir an dieser Stelle den vierten Menan-
derakt von Anfang weg nochmals kontrollierend überblicken. Dabei wer-
den positive Würdigung, d. h. Nachweise des guten menandrischen Zu-
sammenhangs, und kritische Analyse, d. h. Ausscheidung plautinischer
Zusätze, Hand in Hand gehen müssen. Ich erinnere nochmals daran, daß
wir für die zweitgenannte Aufgabe bereits in 2.6.3 Kriterien gewonnen
haben, die das vertraute Instrumentarium der Analyse, wie es vor allem
von Eduard Fraenkel: Plautinisches im Plautus. Berlin 1922 bereitgestellt
wurde, wirksam ergänzen: dem Überarbeitungs- und Erweiterungsverdacht
unterliegen Partien, die nicht zum Intrigenprinzip ,Lüge durch Wahrheit‘
passen und/oder die Leistung des Intriganten Chrysalus stil- und inhalts-
widrig herausstreichen und steigern (vor allem in Richtung dritte Intrige).
Zuletzt haben wir noch ein quantitatives Kriterium: stimmt unsere Analy-
se, dann sollte der so gewonnene Menanderakt nicht mehr als 280 Verse
lang sein;162 darum werden wir versuchen, jeweils auch den Umfang der
Menanderszenen annähernd zu berechnen.

3.3.1. Der Epitasisteil bis v. 670. 71


71
Die Szenenfolge vor dem Mittelstück, in welchem die Intrige geplant, und
dem Schlußteil des Akts, in dem sie durchgeführt wird, dürfen wir wohl als
den ersten Interessenschwerpunkt auffassen, dessen Funktion in der letz-
ten Epitasissteigerung besteht. Wir überblicken nochmals kurz die Szenen
im einzelnen:
Szene 1, Dis ex. v. 64–90: Nicobulus und Mnesilochus kommen vom
Hafen mit dem Geld; Gespräch über den Lügner Chrysalus (als Vorberei-
tung auf v. 698ff.); Nicobulus mit dem Geld ab zur Agora (korrespondie-
rend mit dem Aktschluß).
Szene 2 und 3, Dis ex. v. 91–112, anschließend Bacch. v. 562–572:
Monolog des über Bacchis S enttäuschten Mnesilochus, dann Aufklärung im
Dialog mit Pistoclerus; Mnesilochus zum Wiedersehen mit Bacchis ins Haus.
Szene 4, Bacch. IV 1f. (v. 573–611): Während Mnesilochus seine Bac-
chis begrüßt (man beachte die ungezwungen zweckmäßige Figurenfüh-
rung), lehnt der auf der Bühne verbliebene Pistoclerus dem Parasiten des
Cleomachus dessen Alternativforderung, noch heute 200 Philippi zu zah-
len oder Bacchis S zurückzuschicken, ab. Der Parasit geht ab mit der Dro-
hung, Cleomachus werde selbst kommen.

162 280 Verse hat Epitr. γ, der längste uns bekannte Menanderakt; vgl. Questa: Bacchi-
des, S. 19 Anm. 16.
134 II. Handlungsgliederung

Szene 5 und 6 (Anfang), Bacch. IV 3 und IV 4 Anfang (v. 612–670):


Zu Pistoclerus kommt erst Mnesilochus, mit Selbstvorwürfen über sein
Mißtrauen; kaum hat er von Cleomachus’ Forderung gehört, erscheint
siegesfroh und ahnungslos Chrysalus.
Bis zur Szene 3 einschließlich haben wir (fast vollständig) den Text
und damit auch die Verszahlen des Originals (insgesamt 60 Verse); aber
dann setzen auch schon die plautinischen Erweiterungen ein. Plautus hat
in IV 1f. den puer mit der Klopfszene hinzugefügt (siehe 3.1.1) und läßt in
IV 2 Pistoclerus mit dem Parasiten ein plautinisches Schimpfduell durch-
führen, durch dessen Theaterdonner man noch hier und da (etwa in v. 599
und v. 604f.) die diplomatisch-desinteressierte Art des menandrischen
Parasiten durchzuhören glaubt.163 Übrigens wird Plautus den Text nicht
nur beträchtlich zerdehnt, sondern einmal auch etwas gekürzt haben. Da
nämlich in IV 8 Cleomachus bei seinem Auftritt über die Heimkehr des
72
72 Mnesilochus schon Bescheid weiß, wird || Pistoclerus in IV 2 gesagt haben,
daß er als dessen Stellvertreter spreche oder daß Bacchis nicht kommen
werde, weil jetzt Mnesilochus bei ihr sei.
Die Auftritte des Pistoclerus und Chrysalus in Szene 5 und 6 hat Plautus
je mit einem Canticum ausgestattet, was natürlich beträchtliche Umfangs-
erweiterungen bringt.164 Insgesamt werden wir von den knapp 100 Versen
der Szenenfolge 4–6 leicht 40 streichen können; damit hätte der vierte
Menanderakt vor dem Mitteldialog Mnesilochus – Chrysalus etwa 120 Verse.

3.3.2. Im Mittelteil des Akts (IV 4, v. 671–760) sind Chrysalus und Mnesi-
lochus die Hauptakteure (Pistoclerus hat nur Neben- und Hilfsfunktion).
Der wichtige Szenenteil, in welchem die beiden sich zur (ersten) Briefintri-
ge entschließen, ist oben in 2.6.3 besprochen; er wird das Original recht
gut wiedergeben. Aber bald darauf, in den Versen 703–713, wird jenes
Kürzungskriterium wirksam, nach welchem alle vorbereitenden Hinweise
auf Plautus’ zweite Briefintrige und die mit ihr zusammenhängenden Prah-
lereien des Chrysalus zu streichen sind. Da tönen gleich v. 703f. gar gewal-
tig: Chrysalus will den beiden jungen Leuten jede gewünschte Summe
‚geben‘, schließlich ist er der ,Goldbursche‘. v. 705 fragt er gönnerhaft, was
für ein lächerliches Sümmchen (quantillum) Mnesilochus brauche. Und die-
ser, der grad zuvor noch um das ,Intrigengeld‘ gezittert hat, will jetzt auf
einmal auch schon ein Vergnügungsgeld. ,Schön eins nach dem andern‘,

163 Lefèvre: „Plautus-Studien II“, S. 524f. schließt nicht vom Status der Gesprächs-
teilnehmer auf plautinische Vergröberung des Tons, sondern umgekehrt – und
unwahrscheinlich – vom groben Ton des Pistoclerus darauf, daß im Original
Chrysalus sprach. Trotz seiner konservativen Grundhaltung richtig zum plautini-
schen Charakter von IV 1–3 Questa: Bacchides, S. 41f.
164 Zur Chrysalusmonodie v. 640–670 siehe Fraenkel: De media et nova comoedia quaes-
tiones selectae, S. 242ff. und Questa: Bacchides, S. 43ff.
Dis exapaton und Bacchides 135

antwortet Chrysalus und setzt den Grundsatz anschließend in echt plauti-


nische Militärmetaphorik um.165 Und großsprecherisch wie die Einlage
begann, endet sie (v. 712): geritote amicis vostris aurum corbibus – wobei
Plautus mit dem Plural amicis den Fehler von v. 371f. wiederholt (vgl.
oben, S. 43f.), weil Chrysalus erst in v. 718ff. von der Existenz zweier
Bacchides erfahren wird. Mehr Beweise für die unmenandrische Herkunft
von v. 703–713 kann man füglich nicht erwarten.
Von einem Zwischendialog Chrysalus – Mnesilochus, während dessen
Pistoclerus das Schreibgerät holt, einbegleitet (v. 716–725), folgt die Sze-
ne, in der Chrysalus den (einen) Brief diktiert. Der Zwischendialog ist
dramaturgisch geschickt ausgenützt, um Chrysalus mit nötigen Informati-
onen auszustatten;166 wir werden also nicht hyperkritisch || das Heraus- 73
73
bringen des Schreibgeräts (und damit gleich auch den Brief) Menander
absprechen, etwa mit dem Argument, gebraucht werde der Brief ohnehin
nur als Uriasbrief (und dieses Motiv stamme von Plautus).
Aber wie lautete nun eigentlich der Brief bei Menander? Beginnen muß-
te er mit der Erwähnung des Chrysalus (vgl. v. 803f.), aber auf ,Chrysalus
wirft mir vor, ich hätte dir das Geld nicht übergeben sollen‘ (v. 735f.) kann
im Grund sofort, auch ohne ,dann könnte ich jetzt pergraecari‘ (vgl. v. 743
und 812f.), folgen, was bei Plautus im zweiten Brief steht: ,Ich bitte dich um
200 Philippi, sonst ist es um mich geschehen‘ (vgl. v. 997f.). Damit will ich
sagen, daß wir nicht genau wissen können, wieviel vom Text des ersten Plau-
tusbriefes wirklich schon bei Menander stand. Natürlich macht die Warnung
vor der geplanten neuen Intrige guten Effekt (v. 739f.), aber v. 742f. klingt
schon sehr ruhmredig: ,Chrysalus verspricht mir Geld zu verschaffen, das
ich verhuren könne.‘ Auch wenn Nicobulus v. 746f. an seine Zusage erin-
nert wird, dem Chrysalus die Lügenerzählung nicht nachzutragen, ist das ein
hübscher Zug; aber die anschließende Aufforderung verum apud te vinctum
adservato domi muß rein plautinische Übertreibung sein. Denn erstens dient
sie nicht mehr dem (oben S. 66 akzeptierten) Zweck, das Mißtrauen des
Alten zu steigern, sondern nur mehr der Glorifizierung des Intrigensklaven,
der sich’s absichtlich schwerer macht.167 Und zweitens ergeben sich dann in
der Fesselungsszene selbst Bedenken gegen die menandrische Herkunft von
v. 792 – 800. Diese Verse stören nämlich, wie wir anschließend in 3.3.3 sehen
werden, den Duktus der Szene; dazu kommt, daß ihre Anreicherung mit
metaphorischen Redewendungen sehr nach Plautus klingt.168

165 Vgl. Fraenkel: Plautinisches in Plautus, S. 63.


166 Hier muß Chrysalus von der Verwechslung der Zwillingsschwestern hören, was
Plautus mit der entsprechenden Szene in γ gestrichen hat.
167 Vgl. Lefèvre: „Plautus-Studien II“, S. 530.
168 Questa: Bacchides, S. 46 macht auf „certi modi di dire proverbiali“ in v. 792f. und
797 aufmerksam.
136 II. Handlungsgliederung

Was wir von vornherein vermuten müßten – nämlich daß Plautus den
Originalbrief nicht nur zerteilt, sondern die Teile dann, um sie zu ganzen
Briefen zu machen, erweitert hat –, das läßt sich also für einzelne Vers-
gruppen im ersten Brief teils beweisen, teils wahrscheinlich machen. Und
für den zweiten Brief gilt das in noch höherem Maß, weil Plautus dort
gegen das Prinzip ,Lügen mittels Wahrheit‘ direkt verstößt. Statt Mnesi-
lochus etwa schreiben zu lassen ,Mit mir ist es aus, wenn ich nicht 200
Philippi für die Bacchis des Cleomachus bekomme‘, muß Plautus in IV 9
74
74 einen falschen Grund einführen, der Nicobulus zum || Zahlen der zweiten
Summe veranlaßt und seinen Irrtum über das Verhältnis zwischen Bacchis
und Cleomachus aus IV 8 schon voraussetzt: siehe etwa v. 1009f. (besonders
cum peregrini cubui uxore militis) oder v. 1028–1033 (das fingierte eidliche
Zahlungsversprechen). Auch v. 1019–1022 (Chrysalus habe Mnesilochus
ins Gewissen geredet) ist unwahr.
Für unsere Umfangsberechnung des Originals ergibt sich daraus, daß
die Szene IV 4 jedenfalls nicht länger werden muß, wenn wir an die Stelle
der zerdehnten ersten Briefhälfte die echten Teile der beiden plautinischen
Briefe setzen. Ja die Szene, in der der Brief diktiert wird, sollte sogar kür-
zer werden, weil auch der den Brieftext umgebende Dialog Plautinisches
enthält. Da ist das Spiel mit dem lateinischen Briefanfang (v. 731f., salutem
– morbum mortem), und da ist vor allem wieder Chrysalus als Imperator
(v. 726f., 733, 759). Seine Rolle als militärischer Befehlshaber und als In-
trigenheld ist übrigens am Szenenschluß (v. 753ff.) und, nach dem Abgang
der jungen Männer, in seinem Monolog IV 5169 so ausgespielt, daß man
sich fragen muß, ob IV 4 bei Menander nicht dadurch ein abruptes Ende
fand, daß höchst überraschend (überraschend auch, weil er innerhalb des
Akts von der Agora zurückkommt) Nicobulus auftrat und die Jünglinge
zur überstürzten Flucht ins Bacchishaus zwang. Temporeiches Spiel ist am
Beginn der Katastrophé jedenfalls geboten; wenn Webster Chrysalus gar
mit den Jünglingen ins Haus gehen lassen will, um einen Aktschluß an
dieser Stelle zu ermöglichen,170 so müßte das schon der Umstand wider-
legen, daß angesichts des drohenden Cleomachusauftritts keine Zeit dafür
bleibt.
Von den 90 Versen 671–760 (IV 4) können wir jedenfalls v. 703–713
sicher abbuchen, danach werden weitere 10 bis 20 auf das Konto des
Plautus gehen. Ziehen wir als gut möglichen Durchschnitt insgesamt 25
Verse ab, dann verbleiben für Menander 65, vom Aktbeginn bis zum Ende
von IV 4 also etwa 185 Verse.

169 Die Verdachtsgründe gegen den Monolog erörtern Questa: Bacchides, S. 22f. und
Lefèvre: „Plautus-Studien II“, S. 530.
170 Webster: An Introduction to Menander, S. 132.
Dis exapaton und Bacchides 137

3.3.3. Der Schlußteil von δ, IV 5–8, muß bei Menander den Sieg von
Chrysalus’ strategischem Prinzip bringen; darum wird an der Stelle des
Plautusmonologs IV 5 eine entsprechende einleitende Zwischenbemer-
kung seines Chrysalus an dieses erinnern, etwa ,Nun muß sich die Waffe
der Wahrheit bewähren‘.
Von IV 6 an ist das Menandrische vom Plautinischen schwer zu
scheiden, weil alles auf den feinen Unterschied zwischen durchaus psycho-
logisch motivierter theaterwirksamer Handlungsführung und || derselben 75
75
Spielführung mit zusätzlichen intellektuell-parodistischen Pointen hinaus-
läuft. Aufbau und Entwicklung des Dialogs in IV 6f. sind an sich klar und
beiden Fassungen gemeinsam: vor den drei Gesprächsdurchgängen von
IV 7,171 deren Gegenstand der Briefinhalt darstellt, wehrt Chrysalus in IV
6 in einer Art Vorgeplänkel die ersten Vorwürfe und Fragen des erregten
Alten ab (Verdacht besteht nur gegen das Zwischenstück v. 792–800 mit
dem Fesselungsmotiv, siehe oben S. 73).
Nun zieht sich durch die ganze Dialogszene (d. h. durch IV 6 und IV 7)
ein bestimmter Spieltypus172 durch: ein mit Mißtrauen Beäugter und unter
schwerem Lügenverdacht Stehender verteidigt sich, indem er die Pose des
zu Unrecht Gekränkten einnimmt und die Verantwortung implizit auf
einen anderen weiterschiebt: ,Du traust mir nicht? Gut, ich werde nichts
mehr sagen; du wirst schon noch sehen, wem du trauen kannst!‘ Chrysalus
beginnt schon so (v. 783ff.):

Men criminatust? optimest: ego sum malus,


ego sum sacer, scelestus. specta rem modo,
ego verbum faciam nullum …
… Nosces tu illum actutum qualis sit.

Und als die Täuschung gelungen ist, d. h. in dem Augenblick, wo


Nicobulus seinen Sohn als Ehebrecher in Gefahr glaubt (IV 8, v. 854,
856), wiederholt Chrysalus seine erste Äußerung zum Abschluß nochmals
ausdrücklich:

Quid nunc? scelestus tibi videtur Chrysalus?


dixin tibi ego illum inventurum te qualis sit?

Die Verantwortung schiebt er auch zwischendurch auf Mnesilochus ab:


v. 791 scio me esse servum, und die Beweislast für das, was er sagen will, müs-
sen Mnesilochus’ Brief und Nicobulus’ eigene Wahrnehmungen tragen

171 Vgl. dazu oben unter 3.2.


172 Diesen Begriff übernehme ich von Maurach: „Hans-Peter Schönbeck: Beiträge zur
Interpretation der plautinischen Bacchides“, S. 17.
138 II. Handlungsgliederung

(v. 787–889 und v. 801f. der Brief; v. 831–836 Anblick des Mnesilochus
beim Convivium, v. 847–849 die Drohung des Cleomachus), denn er
selbst sagt nichts mehr (v. 789 nescio, v. 801 quid me rogas, v. 841 ex me
quidem hodie numquam fies certior).
Der von IV 6–8 durchgehaltene Spieltypus dient Chrysalus’ Intri-
genstrategie in bester Weise: er selbst sagt keine Unwahrheit, ja indem er
auf Mnesilochus’ Absichten verweist, sogar die Wahrheit. Und da auch
dessen Brief die (nur einem Mißverständnis offene) Wahrheit enthält, sind
am Ende beide außer Obligo; den Verdacht, Bacchis sei die Ehefrau des
76
76 Cleomachus, faßt ja Nicobulus, bei aller Hilfestellung || durch Chrysalus
und Cleomachus, im Grunde selbst. Der Spieltypus liegt also sicher der
Handlungsführung auch schon Menanders zugrunde, könnte aber, inso-
weit es nur um die Pose des vermeintlich zu Unrecht Verdächtigten geht,
in jedem beliebigen analogen Handlungszusammenhang eingesetzt wer-
den. Speziell zur Handlung des Dis exapaton gehört nur der Zug, daß der
Verdächtigte jede direkte Lüge vermeiden soll.
Die komödien- oder possenhaften Elemente des Spieltypus, die inso-
weit auch Plautus beibehalten konnte, erfahren nun bei Menander eine
Verfeinerung und Vertiefung in ganz bestimmter Hinsicht. Der athenische
Dichter unterhält sein Publikum zusätzlich noch damit, daß er leicht paro-
distisch an das Vokabular und die Maximen einer erkenntnistheoretischen
Debatte erinnert. Das begann schon in der Lügenerzählung von II 3. Dort
soll Nicobulus über den genauen Betrag der Geldsumme im unklaren
bleiben, die Mnesilochus von Ephesos heimgebracht hat, und genau in
dem Augenblick, als Chrysalus im Begriff ist, dieses sein Intrigenziel zu
erreichen, leistet er sich den Luxus, ‚philosophisch‘ zu sprechen. Eine
ganze Reihe von Beteuerungen seines Nichtwissens (v. 316 quantum at-
tulerit nescio, v. 319f. ego nescio quantillum attulerit, v. 321 non edepol scio, v. 323
verum nescio) schließt er v. 324 mit dem berühmten Diktum des Sokrates
ab: nil scio nisi nescio.
Ich kann es für keinen Zufall halten, wenn auch das Vorgeplänkel
von IV 6, sobald man v. 792–800 als plautinisch streicht, im Jargon der
Erkenntnistheoretiker abschließt. Da fragt Nicobulus, als Chrysalus ihm
den Brief des Mnesilochus überreicht (v. 789): ubi ipse est? Die direkte
Frage ist von komischer Wirkung schon insofern, als Chrysalus ja durch
sie in Verlegenheit gerät, weil er nicht mit einer direkten Lüge antworten
will. Er windet sich aber nicht nur dadurch heraus, daß er im Ton des die
Verantwortung auf Mnesilochus Abschiebenden antwortet (v. 789ff.) nescio
(was der Schauspieler natürlich so sprechen muß, daß man versteht: ,Ich
wüßte es wohl, darf es aber nicht sagen‘); nil iam me oportet scire; oblitus sum
omnia; scio me esse servom. Vielmehr schließt er das Geplänkel damit ab, daß
er in vertracktem Skeptizismus die Maxime des Sokrates noch überbietet
(v. 791): nescio etiam id quod scio – wodurch nebenbei bemerkt auch die
Dis exapaton und Bacchides 139

folgenden Verweise auf die eigene Wahrnehmung des Nicobulus als


einzig sichere Erkenntnisquelle philosophischen ‚Tiefgang‘ gewinnen. 173
Wir kennen den Ton, auf den Menander die Komik von IV 6f. ge- 77
77
stellt hat, nunmehr so gut, daß wir die plautinischen Zusätze ausscheiden
können. Fallen muß mit Sicherheit der Passus v. 792–800, weil das Spiel
mit dem Fesselungsmotiv statt der ‚philosophischen‘ Überlegenheit des
Intrigensklaven einfach seine Intrigantenfähigkeit herausstreicht und den
Zusammenhang zwischen nescio etiam id quod scio (v. 791) und quid me rogas
(v. 801) unterbricht: die Frage würde im plautinischen Kontext ihre er-
kenntnistheoretischen Implikationen verlieren.174 Dem dringenden Ver-
dacht der Erweiterung unterliegt dann die Versgruppe 806–811 mit dem
Fesselungsmotiv: Plautus wird den ihm entgegenkommenden Spieltypus
,Was? Ich soll’s gewesen sein?‘ ausgewalzt haben.175 Vergröbert wird auch
v. 816ff. sein. Es paßt bestens zur philosophischen ἐποχήή des menandri-
schen Chrysalus, wenn er sich, eigene Stellungnahme meidend, auf die
Sprichwortweisheit zurückzieht: ,Wen die Götter lieben …‘, aber v. 818–
821 sind allzu direkte Explikation, und mit diesen Versen fällt auch die
Antwort des Nicobulus v. 822f., die zudem wieder das Fesselungsmotiv
aufgreift. Auch die Ankündigung der Pointe der 2. Intrige (v. 825 orabis me
quidem ultro ut auferam, vgl. S. 88) muß selbstverständlich fallen; und daß
v. 828 eine nachplautinische Einfügung ist, hat Willy Theiler erwiesen.176
Berücksichtigt man zu dem allen, daß auch IV 5, der Einleitungsmono-
log, sowohl aus den oben erörterten Gründen der Komposition als auch im
Hinblick auf die plautinische Einzel-Ausformung177 zu streichen sein wird, so
ergibt sich für unsere Umfangsberechnung, daß von den Plautusversen 761–
841 der Szenen IV 5–7 gering gerechnet 25 Verse abzuziehen sind. Bleiben für
Menander maximal 55 Verse, vom Aktbeginn bis v. 841 also insgesamt etwa
240 Verse. Wollen wir einen Gesamtumfang von 280 Versen für Dis exapaton
δ nicht überschreiten, dann sollten demnach in Bacch. IV 8 von 83 Versen
(v. 842–924) nur mehr etwa 40 aus dem Original stammen.
Um IV 8 zu analysieren, müssen wir das Ziel der Szene kennen, d. h.
die Situation, die Menander am Aktschluß braucht. Wir gehen am besten
von der plautinischen Figurenführung aus und überlegen, was bei Menan-
der anders sein mochte. Plautus will seine zweite Briefintrige damit krö-
nen, daß Nicobulus beide Intrigensummen aus seinem Haus holt und die

173 Einen weiteren Beleg für Chrysalus’ Philosophensprache liefert fr. 109 K.-Th.,
siehe unten S. 89. Vgl. im übrigen, auf Nicobulus bezogen, auch v. 814: o stulte,
stulte, nescis nunc venire te.
174 Vgl. übrigens oben S. 73 mit Anm. 168.
175 Zum Bellerophon-Vergleich siehe Fraenkel: Plautinisches in Plautus, S. 27.
176 Theiler: „Zum Gefüge einiger plautinischer Komödien“, S. 269.
177 Dazu vgl. Questa: Bacchides, S. 22f.
140 II. Handlungsgliederung

78
78 eine, das Vergnügungsgeld, vor den Augen des Publikums || Chrysalus
übergibt, während er das eigentliche Intrigengeld zu Cleomachus aufs
Forum bringt. Am Beginn von Actus d darf dementsprechend einerseits
Nicobulus noch nicht zum Forum gegangen sein, muß er anderseits das
Geld noch im Haus haben. Für Menander gilt in beiderlei Hinsicht das
Gegenteil. Da sein ε-Anfang (v. 1076) auf den δ -Schluß bei v. 924 folgt,
wird Nicobulus in der Aktpause auf der Agora bezahlt haben, und die
Zahlung auf der Agora hat wieder zur Voraussetzung, daß nach unserer
Vermutung Nicobulus am Anfang von δ das Geld dorthin brachte, um es als
Depositum vor Chrysalus in Sicherheit zu bringen. Andernfalls, d. h. wenn
er das Geld im Haus hätte, könnte er ja Cleomachus noch am δ -Schluß, in
IV 8, auszahlen.
Überprüfen wir nun im einzelnen, wie die plautinische Figurenfüh-
rung am Ende von IV 8 zu diesen Annahmen und Voraussetzungen paßt.
Bei Plautus verläßt zunächst Cleomachus den Bühnenraum (Abgang 1,
nach v. 904, vgl. v. 902 abeo ad forum igitur), als nächster dann Chrysalus
(Abgang 2, nach v. 912, ins Bacchishaus, unter dem Vorwand, Mnesilo-
chus die Leviten lesen zu wollen; damit verhindert er übrigens geschickt,
daß Nicobulus das noch selbst vor seinem Forumgang besorgen will),
schließlich als letzter Nicobulus (Abgang 3, nach v. 924, ins Haus oder in
Hausnähe, vgl. oben S. 59f.). Hier ist der Versuch lehrreich, die Figuren-
konstellation, die am δ -Schluß gebraucht wird, durch eine Radikallösung
zu erreichen. Man könnte nämlich, um IV 8 möglichst kurz zu halten, die
drei sozusagen ratenweise erfolgenden Abgänge zu vereinfachen suchen,
indem man Cleomachus und Nicobulus an der Stelle von Abgang 1 gleich
gemeinsam zur Agora expediert. Aber das würde zu einer Unwahrschein-
lichkeit führen. Nicobulus darf ja über seinen Irrtum bezüglich des Zah-
lungsgrundes erst nach erfolgter Zahlung aufgeklärt werden, und das geht
viel zwangloser, wenn sich die beiden erst auf der Agora wiederbegegnen,
nicht schon auf dem Hinweg miteinander sprechen können. Wir werden
also schon aus diesem Grund die plautinische Reihenfolge der Abgänge
doch auch für menandrisch halten. Dazu kommt weiter, daß der Plautus-
text bis v. 920a nicht gegen die Absicht des Nicobulus spricht, Cleoma-
chus nachzufolgen: nunc quasi ducentis Philippis emi filium, quos dare promisi
militi. Erst dann setzt eine merkwürdige Reihe von Richtungsänderungen
ein,178 die sehr dafür spricht, daß Plautus erst ab v. 920b von der Perso-
nenführung Menanders abweicht, um Nicobulus’ weiteres Verbleiben im
Bühnenbereich zu motivieren. v. 920f. will Nicobulus sein Versprechen
79
79 auf einmal || doch nicht ohne weiteres einlösen: quos non dabo temere etiam
prius quam filium convenero. Grund dafür ist sein noch immer waches Miß-
trauen gegen Chrysalus (v. 922): numquam edepol quicquam temere credam

178 Vgl. oben S. 56 zu v. 572.


Dis exapaton und Bacchides 141

Chrysalo.179 Und dann überlegt er sich’s noch einmal anders (v. 923): verum
lubet etiam mi has perlegere denuo. Statt mit dem Sohn zu reden, will er zu
guter Letzt dessen Brief noch einmal (etiam) durchlesen.180 Am Schluß von
IV 8 ist demnach das Hin und Her von v. 920b an plautinisch.
Für die Analyse der vorausgegangenen Partien von IV 8 ist dann eine
Gegebenheit des Schlusses bedeutsam. Wenn Menander ein verfrühtes Zu-
sammentreffen von Nicobulus mit Cleomachus sorgsam vermieden hat, da-
mit der Letztgenannte nichts verrät, dann kann keine Rede davon sein, daß
er vorher mit Chrysalus gemeinsame Sache gemacht hätte; vielmehr muß
sein Auftritt diesem die Situation nicht einfach leichter gemacht haben,
auch wenn er v. 844 sagt: per tempus hic venit miles mihi. Das bezieht sich nur
darauf, daß das belauschte Selbstgespräch des Cleomachus im ersten Szenen-
teil Nicobulus in seiner Angst um den Sohn bestärkt, ein Erfolg, den zwei
Motivwiederholungen, die wir schon beobachteten, mit Abschlußwirkung
bestätigen: Nicobulus’ oppido interii miser in v. 853 (vgl. v. 836) und Chrysalus’
quid nunc? scelestus tibi videtur Chrysalus? dixin tibi ego illum inventurum te qualis
sit? in v. 854, 856 (vgl. v. 783ff.). Jedenfalls sollte die dramatische Span-
nung der Szene gewahrt bleiben, indem auf diesen Teilsieg des Chrysalus
über Nicobulus bald seine Verhandlung mit Cleomachus folgt.
Das geschieht allerdings bei Plautus erst v. 872, was unseren Verdacht
gegen die Zwischenpartie erregen muß. Und prompt begegnen wir nach
dem Teilabschluß von v. 856 zunächst wieder typisch Plautinischem:
v. 855 und v. 857b–864 bringen teils die Fessellösung, teils die müßige
Wiederholung von Drohungen des Cleomachus (mit v. 859f. vergleiche
man v. 847–849; v. 864f. ist schwächlich, da nur gegen Bacchis, nicht ge-
gen Mnesilochus gerichtet). Auch v. 865–867 sind vielleicht unmenand-
risch. Wenn Chrysalus hier plötzlich den positiven Hinweis gibt pacisci cum
illo paulula pecunia potes, so widerspricht das seiner früheren Strategie, ||
nichts von sich aus zu äußern, und es wäre sicher ganz tadellos, wenn erst 80
80
Cleomachus’ nunc nisi ducenti Philippi redduntur mihi (v. 868) das neue Stich-
wort lieferte. Aber vielleicht reagiert Chrysalus mit v. 865 doch schon auf
Nicobulus’ auffordernde Frage (v. 857) quid nunc ego faciam?
Auf jeden Fall ist auch die Verhandlung Chrysalus – Cleomachus er-
weitert. Da die beiden wie gesagt bei Menander nicht kollaborieren, kann
sein Chrysalus auch nicht mit dem Soldaten vereinbaren, er werde sich,
wenn er nur zu seinem Geld komme, dafür kräftig ausschimpfen lassen.

179 Entschluß (v. 920f.) und Begründung (v. 922) gehören zusammen, daher ist Leos und
del Cornos Semikolon nach v. 922 unangebracht. Besser Doppelpunkt nach v. 921
vor dem kausalen Asyndeton, wie gleich danach in v. 923f., und Punkt nach v. 922.
180 Wenn man also verum lubet perlegere als Gegensatz zu filium convenero auffaßt, ist der
Plautustext in sich akzeptabel (gegen die Kritik von Fraenkel: De media et nova
comoedia quaestiones selectae, S. 61, Anm. 2, der Inhalt des Briefes könne Nicobulus
keine Entscheidungshilfe bringen, siehe oben S. 69).
142 II. Handlungsgliederung

Das entsprechende plautinische ‚Salz‘: v. 875f., 884–889181 und 902f. Auch


im Spiel mit der Sponsionsformel (v. 880–883) muß Römisches stecken.
Cleomachus’ abschließende Fragen nach dem Verbleib von Mnesilochus
und Bacchis S hinwiederum leiten so geschickt zu seinem Abgang über,
daß wir sie auch dann für Menander reklamieren würden, wenn sie nicht
z. T. schon durch die Anspielung auf athenische Verhältnisse im Urauf-
führungsjahr (siehe oben S. 23) geschützt wären. Die lange Götterreihe des
Meineides (v. 892–895) allerdings wird, wie vielleicht das Meineidmotiv
überhaupt, wieder von Plautus stammen.
Wir sind am Ende unserer etwas mühsamen und detailreichen Durch-
musterung des Textes von δ. Ihren wahren Gewinn kann leider der analy-
sierende Philologe nicht anschaulich vorführen; es müßte sich lohnen,
unseren rekonstruierten Menander einmal in einer guten ,Übersetzung‘
nachzudichten und seine Bühnenwirksamkeit zu erproben. Ich bin über-
zeugt, daß die Szenenfolge IV 5–8, mit ihrer ‚philosophischen‘ Kontrast-
responsion zur einfachen Lügenintrige des zweiten Akts, sich als würdiger
Abschluß eines vierten Menanderakts bewähren würde.
Wir verfolgen hier unser wesentlich bescheideneres Ziel zu beweisen,
daß ‚unser‘ vierter Akt nicht zu lang wird. Der letzte Zwischenstand unse-
rer Rechnung ergab, daß über 40 Verse in IV 8 plautinisch sein müssen,
wenn wir für Dis exapaton δ nicht über 280 Verse kommen wollen. Nun,
dieses Ziel erreichen wir offenbar nicht: wir haben gestrichen v. 855,
857b–864, 865–867 (?), 875bf., Teile von v. 880–883, 884 (?)–889, 902f.,
920b–924, das sind etwa 20 bis 25 Verse. Wir kommen also für den gan-
zen Akt doch auf annähernd 300 Verse. Haben wir also überhaupt falsch
rekonstruiert? Oder einige plautinische Einfügungen nicht erkannt? Oder
ist es alles andere als auffällig, wenn aus 280 Versen eines Originals in
einer Übersetzung 300 werden? Ich gestehe, daß ich mich bei der letztge-
nannten Möglichkeit beruhige.

81
81 3.4. Bacchides, dritter Actus.
Die Fragestellung im vorigen Abschnitt – Rekonstruktion von Dis exapaton
δ – brachte es mit sich, daß wir die Eingriffe des römischen Bearbeiters
kritisch-analytisch, d. h. eher negativ betrachteten. Nun sind wir verpflich-
tet, die Perspektive zu wechseln und zu sehen, was Plautus positiv aus dem
Menandertext gemacht hat.182

181 v. 886–889 eliminiert auch Questa: Bacchides, S. 46 als römisch.


182 Ausgezeichnet in der Würdigung des plautinischen Gefüges Theiler: „Zum Gefü-
ge einiger plautinischer Komödien“, überholt nur in der Tendenz, aus dessen
Konsistenz und Kohärenz auf menandrische Herkunft der beiden Briefintrigen
zu schließen, weil man Plautus das Durchziehen einer größeren Handlungslinie
nicht zutrauen könne.
Dis exapaton und Bacchides 143

Daß wir seine Fähigkeiten nicht unterschätzen dürfen, sollten wir


schon aus Actus b wissen. Dort wird man zwar, was die direkt mit dem
Original vergleichbaren Partien angeht, mit den Kategorien von Eduard
Fraenkel (Plautinisches in Plautus) auskommen.183 Aber allen Respekt ver-
dient es, wie Plautus die Folgen seiner Streichung der menandrischen Thy-
roskopieszene bewältigt und ausgenützt hat. Gewiß, er hat die Szene zum
Teil sicher deswegen übergangen, weil die Darstellung der psychologischen
Situation des Mnesilochus für seine Bühne zu fein und kompliziert gewe-
sen wäre: den jungen Mann, der eben seine Geliebte in den Armen seines
Freundes gesehen hat und sich trotzdem innerlich sträubt, den Verrat des
Freundes für wahr zu halten, will er seinem Publikum nicht zumuten. Aber
wir dürfen nicht vergessen, daß er in III 3 (vgl. zu dieser Szene oben
S. 41f. und 47) aus den geänderten Voraussetzungen der Szene das Best-
mögliche gemacht hat. Der menandrische Jüngling befürchtet ja schon vor
dem Gespräch mit Lydus das Schlimmste, der plautinische Mnesilochus
hingegen ist ahnungslos und hält Geliebte und Freund für treu. Im Sinne
dieser Voraussetzungen hat nun Plautus in der ganzen Szene III 3 die
Äußerungen des Mnesilochus nicht nur widerspruchsfrei, sondern effekt-
voll umgeschrieben. Schon in den Zwischenbemerkungen, die er als Lau-
scher zum Gespräch zwischen Philoxenus und Lydus macht, reagiert er
angemessen in steigender Betroffenheit auf die Anschuldigungen gegen
seinen Freund (v. 414f., 435f.) oder verteidigt ihn ironisch (v. 449f.) ohne
die sogenannten ,plautinischen‘ Späße. Und als er dann ins Gespräch mit
eingetreten ist, führt Plautus ab v. 467, vor allem aber in v. 472ff. den
Dialog höchst wirksam so, daß die Verteidigung des Freundes zu Anklage
und Enttäuschung umschlägt. Wir haben hier also einen Plautus vor uns,
der eine Szene nicht zerdehnt oder durch Witzeleien stört, sondern sie
zielsicher auf einen Höhepunkt hin gestaltet.
Auch im dritten Actus ist die wichtigste Erkenntnis, die wir über seine 82
82
Arbeitsweise und seine Ziele gewinnen, die, daß er nicht einfach nach Lust
und Laune Possenspäße eingeflickt hat, sondern daß er sein Stück überlegt
komponiert und strukturiert. Das beweist eindrücklich und unwiderlegbar
bereits die in 3.1.1 erwiesene Neueinführung der Actuspause b/c bei
v. 572/573. Die vorausgehenden Septenare bringen insofern den Abschluß
einer Teilhandlung, als sie zur Wiedervereinigung des Hauptpaares Mnesi-
lochus – Bacchis S führen. Und es ist kein anderer Grund denkbar, aus
dem Plautus den neuen Actus grad an dieser Stelle beginnen ließ, als sein
Bestreben, die neue Teilhandlung um die Gewinnung des Intrigengeldes in
sich abgeschlossen zu präsentieren und eben mit der Aktualisierung von
Cleomachus’ Geldforderung einzuleiten.

183 Vgl. dazu etwa Bain: „Plautus vortit barbare“.


144 II. Handlungsgliederung

Natürlich gewinnt dadurch die Intrige in den Bacchides relativ größeres


Eigenleben als im Dis exapaton, was Plautus sehr willkommen ist, weil er
auf diese Weise den Intrigensklaven Chrysalus mehr herausstreichen und
so den Charakter des Lustspiels dem der Posse annähern kann. Aber wir
dürfen nicht übersehen, daß er diese Wirkung nicht bloß erzielt, indem er
den Menandertext mit dem Flitter plautinischer Diktion überzieht, son-
dern indem er die Handlungsgliederung Menanders umgliedert. Der
Plautus der Bacchides setzt die verschiedensten dichterischen Mittel, die
ihm zur Verfügung stehen, in überlegtem Zusammenspiel zu einem ein-
heitlichen Zweck ein.
Sein Stück wird also nicht künstlerisch uneinheitlich, wenn der Parasit
in IV 1 aus dem Cleomachus Menanders einen homo nequam atque improbus
macht oder wenn er den zaghaft klopfenden Sklaven polternd beiseite
schiebt und so in IV 2 in ein polterndes Wortgefecht mit Pistoclerus gerät:
die Partei des Cleomachus präsentiert sich von allem Anfang an als die in
der Possenhandlung relativ unterlegene (auch wenn Cleomachus am Actus-
schluß gar nicht unterliegt, sondern sein Geld bekommt, soll das Plautus-
publikum doch diesen Eindruck haben).
Mit IV 2 ist die ‚Exposition‘ des Actus beendet, in IV 3 und IV 4
(Anfang) bekommen die Hauptpersonen des Mittelteils ihre Auftrittslieder:
dementsprechend nach IV 2 Wechsel von Senaren zu Canticum. Der
Übergang zu den Septenaren (v. 671ff.) ist begründet mit dem inhaltlichen
Übergang zur Planung der ersten Briefintrige. Hier ist Plautus übrigens so
umsichtig, gleich bei der allerersten Gelegenheit auch seine zweite Briefin-
trige vorzubereiten, die die erste Hälfte seines Actus d bilden wird
(v. 703ff.). Er führt den Hinweis stilgerecht ein, indem er die Forderung
83
83 nach dem Vergnügungsgeld aus Chrysalus’ Ruhmredigkeit || erwachsen läßt
(v. 703 quantum lubet me poscitote aurum: ego dabo), und kennzeichnet ihn zu-
gleich sehr geschickt als vorläufig, indem er den Geldwunsch Mnesilochus
in den Mund legt, worauf Chrysalus mahnt: ,Schön eins nach dem andern!‘
Natürlich wirft sich der Intrigensklave, sobald er solche strategische Ma-
ximen von sich gibt, in Feldherrnpose: v. 709ff. beginnen die Militärmeta-
phern, die über das Troiacanticum bis zum Triumph nach der zweiten
Briefintrige reichen (v. 1074).
Der Imperator diktiert als seine erste Aktion den Brief 1, im entspre-
chend selbstbewußten Ton (v. 742 pollicetur se daturum aurum mihi, quod dem
scortis quodque in lustris comedim congraecem – wieder ein versteckter Vorver-
weis auf das Vergnügungsgeld). Und die neue plautinische Pointe, die
Aufforderung, Chrysalus zu fesseln, ist abermals sehr gut in den Text ein-
gearbeitet: Plautus kombiniert sie mit der Bitte des Mnesilochus, Chrysalus
wie versprochen nicht ausprügeln zu lassen, und sie steht effektvoll am
Briefschluß. Die Septenarszene endet dann damit, daß der Feldherr Chry-
salus seinen Soldaten ihre Posten in biclinio anweist, die sie nicht verlassen
dürfen; und auf die Schlachtvorbereitung folgt in IV 5–8 die Ausführung
Dis exapaton und Bacchides 145

des insanum magnum negotium, bis zum Actusschluß in Senaren – nach dem
Rezitativteil wird es sozusagen ernst.
Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß Plautus bis hierher den
Spielfluß (natürlich in dem der ,Posse mit Gesang‘ angemessenen Tempo)
durch seine Änderungen und Erweiterungen nicht unterbrochen hat – und
es wird im folgenden nicht anders sein. Er arbeitet nämlich in IV 6ff. so
um und fügt seine Zusätze an solchen Stellen ein, daß er auch auf die Bin-
nengliederung der Menanderszenen sorgsam Rücksicht nimmt und den
unmittelbaren Zusammenhang der Intrigenhandlung nicht wesentlich stört
(wir haben seine Einfügungen oben in 3.3.3 auch vor allem an der Unter-
brechung des intellektuellen Spiels mit der Wahrheitsbedingung und der
Philosophensprache erkannt). Gleich in IV 6 schiebt Plautus die Fesselung
des Chrysalus dort ein, wo bei Menander eine kleine Kompositionsfuge
lag, zwischen dem Vorgeplänkel (bis v. 791) und den drei Gesprächs-
durchgängen, während Nicobulus den Brief liest (ab v. 801). Das Fesse-
lungsmotiv kehrt flüchtig wieder zwischen der ersten und zweiten Ge-
sprächsrunde (v. 822f.).184 Schließlich wird Chrysalus auch an einer Kom-
positionsfuge wieder entfesselt, am || Ende von Cleomachus’ belauschtem 84
84
Monolog und vor dem Auftrag des Nicobulus, Chrysalus solle mit ihm
verhandeln: die eingeschobene Partie wirkt da im Possenzusammenhang
als Retardation, nicht als Handlungsunterbrechung.
Zusammenfassend dürfen wir feststellen, daß der Bearbeiter Plautus
in Kompositionsfragen mit bemerkenswerter Behutsamkeit vorgegangen
ist. Und nur der Vollständigkeit halber erwähne ich, daß auch seine Ab-
weichungen von der menandrischen Handlungsmotivation auf der Ebene
seiner eher possenhaften Palliata durchaus stilgerecht wirken. Wenn er im
Übergang IV 7/8 (siehe dazu oben S. 69f.) das Spiel mit dem Prinzip
,Lügen mittels Wahrheit‘ und das Erscheinen des Cleomachus, woraus sich
bei Menander wohl kleine Peripetien in der Handlung ergaben, die Chry-
salus in Verlegenheit zeigten, durch die lineare Handlungssteigerung er-
setzt, in der Nicobulus in ständig wachsende Angst gerät, und wenn er am
Actusschluß Nicobulus über seine nächsten Absichten unentschlossen
zeigt, so sind Angst und Verlegenheit des Intrigenopfers in den Augen des
Plautuspublikums nur die Bestätigung für die Überlegenheit des Intrigen-
helden.

184 Eine neuerliche Ankündigung der zweiten Briefintrige (v. 825 atque orabis me
quidem ultro ut auferam, vgl. v. 1059–1066) ist zwischendurch ganz unauffällig an
das originale atqui iam dabis (v. 824) angeschlossen.
146 II. Handlungsgliederung

3.5. Bacchides, vierter Actus, und Dis exapaton ε.


Plautus muß in seinem Actus d die Gesamtstimmung und -tendenz von
Menanders Akt ε gründlich verändert haben: in jedem der beiden Hand-
lungsteile, sowohl in der zweiten Briefintrige wie in der abschließenden
Verführung der beiden Alten durch die Bacchides, ist Nicobulus das
hauptsächliche Opfer, und zwar ein Opfer, dem keine Sympathie und kein
Mitleid zuteil wird. Daß dies bei Menander anders gewesen sein muß,
dürfen wir zuversichtlich behaupten, auch wenn im Dis-exapaton-Papyrus
leider gerade die zwei Auftritte des Nicobulus, die Plautus gestrichen hat,
so schlecht überliefert sind, daß wir ihnen über seine Haltung dem Sohn
gegenüber nichts entnehmen können. Aber daß er für ihn im Grund nur
das Beste will, hat er immerhin in δ durch die Tat bewiesen; und einen
versöhnlichen Ausgang des komischen Spiels dürfen wir auf jeden Fall
postulieren. So werden wir bei der Besprechung von Dis exapaton ε fragen
müssen, wieviel an der ganzen Verführungsszene der Alten durch die
Zwillingsschwestern eigentlich menandrisch ist; aber zuvor gilt es, die im
wesentlichen rein plautinische zweite Briefintrige näher zu betrachten.

3.5.1. Bacchides IV 9, der erste Teil des Actus d, läßt sich zwanglos in die
folgenden fünf Teilabschnitte gliedern:

a) v. 925–978 das exponierende Troiacanticum des Chrysalus;


b) v. 979–996 Dialogduett Chrysalus – Nicobulus vor der Brieflektüre;
85
85 c) v. 997–1035 der Brief wird gelesen und glossiert;
d) v. 1036–1052 Nicobulus entscheidet sich zu zahlen;
e) v. 1053–1075 Geldübergabe und Nachwort des Chrysalus.

Es ist schon aller Beachtung wert, daß Plautus, dem man gemeinhin nur
die Fähigkeit des Einflickens kleiner Passagen in seine Vorlagen zutraut,
diese Szenenfolge nicht nur im vorausgegangenen Actus c sorgsam vorbe-
reitet (ich erinnere nochmals an v. 707ff., 742f. und v. 825, 829), sondern
in so klarem Aufbau selbständig durchgeführt hat. Bereits die Entschei-
dung, sie durch das Troiacanticum zu exponieren (siehe dazu S. 62f.), ist
des Plautus eigene Entscheidung, und zwar nicht nur in dem Sinn, daß er
einen kleinen Trimetermonolog des menandrischen Chrysalus zu einem
Canticum ausgedehnt hätte. Denn ein solcher Monolog hatte im Original
höchstwahrscheinlich gar keinen Platz.185 Das ergibt sich zum einen aus
der Interpretation des vierten Aktschlusses (vgl. oben S. 78f.): wenn die
Reihenfolge der Abgänge in IV 8 (Nicobulus als letzter nach Cleomachus
und Chrysalus) menandrisch ist, kann Chrysalus dort nicht monologisiert
haben. Und zum anderen wird sich unten in 3.5.2 zeigen lassen, daß
Menanders fünfter Akt mit ziemlicher Sicherheit mit einer Szenenfolge

185 Anders z. B. Lefèvre: „Plautus-Studien II“, S. 532.


Dis exapaton und Bacchides 147

begann, in der hintereinander Philoxenus, Nicobulus und Chrysalus auf die


Bühne kamen, der letztgenannte von den beiden anderen aus dem Bac-
chishaus herausgeklopft, so daß ihm auch dort keine Gelegenheit für einen
Troiamonolog bleibt.
Wie immer die intrikaten Textprobleme des Troiacanticums im ein-
zelnen zu lösen sein mögen,186 klar ist seine Funktion, die bevorstehende
Eroberung und Ausplünderung Troias, das heißt den endgültigen, mitleid-
los und mit der Überheblichkeit des mit allen Wassern gewaschenen Intri-
gensklaven durchgeführten Betrug an Nicobulus anzukündigen und vor-
zubereiten. Inhaltlich vertritt das Canticum also die Planungsphase der
neuen Teilhandlung, es nennt Mittel (den Brief) und Ziel der Intrige (den
Triumph über Nicobulus). Dieses Ziel liegt für Chrysalus auf einer höhe-
ren Ebene als das der ersten Briefintrige: jene diente der Notwendigkeit,
die neue Intrige soll ihm einen Sieg um des Sieges willen bringen. Im For-
mal-Stilistischen läßt ihn Plautus daher von der Imperator-Metaphorik
zum Vergleich mit dem Mythos hinaufsteigen.
Auch der Dialog des Abschnitts (b) führt natürlich auf das neue Ziel 86
86
zu und ist daher von ihm her zu interpretieren. Schon die erste Intrige
enthielt ein Element des l’art pour l’art, bei Menander durch den strategi-
schen Grundsatz des Lügens durch Wahrheit, bei Plautus vor allem durch
das Fesselungsmotiv. Jetzt hat sich Chrysalus eine neue schwer zu erfül-
lende Bedingung gesetzt; wir kennen sie schon aus IV 7 (v. 825 und
v. 829), wo Chrysalus dem Nicobulus prophezeit hatte: orabis me quidem
ultro ut auferam (sc. aurum), und ego adeo numquam accipiam, und der Ankün-
digung wird in den folgenden Abschnitten die Ausführung entsprechen
(vgl. vor allem v. 1003, 1061–1065). Chrysalus will den Alten also derart
drankriegen, daß dieser ihm das Geld von sich aus aufdrängt, obwohl er
sich weigert, es anzunehmen, ja daß er ihn drum bittet. Man sieht leicht,
wie die Phantasie des Plautus vom ,Lügen durch Wahrheit‘ Menanders
angeregt wurde: diesmal versagt sich Chrysalus zwar nicht das Lügen, aber
doch das direkte Überreden, und zwar bis zum scheinbaren Sich-sträuben.
Erinnern wir uns aus IV 7 an dieses neue Spielprinzip, dann verstehen
wir die Dialogführung im Abschnitt (b) besser. Der Szenenteil ist wieder in
einfacher und zweckmäßiger Steigerung aufgebaut. Zuerst (v. 979–986)
übergibt Chrysalus, indem er an die Fiktion von v. 907–912 anknüpft,
Mnesilochus ins Gewissen reden zu wollen, den neuen Brief: weinend und
wortlos habe Mnesilochus die Strafpredigt angehört und einen Antwort-
brief geschrieben. Zugleich heuchelt Chrysalus (v. 985 metuo, ne idem cantent

186 Vgl. zuletzt Jocelyn: „Chrysalus and the Fall of Troy“, Gaiser: „Die plautinischen
,Bacchides‘ und Menanders ,Dis exapaton‘“, S. 72ff., Questa: Bacchides, S. 46ff.
und Lefèvre: „Plautus-Studien II“, S. 525ff. Im übrigen müßten die genannten
Arbeiten von der Expositionsfunktion des Canticums in Actus d her auf ihre Inter-
pretationsvoraussetzungen hin überprüft werden.
148 II. Handlungsgliederung

– sc. tabulae – quod priores) schon hier geschickt Distanz zu Mnesilochus.


Und dann läßt er sich im zweiten Dialogteil (ab v. 988) förmlich zwingen,
den Briefinhalt zur Kenntnis zu nehmen.187 Sein iustum est ut tuos tibi servos
tuo arbitratu serviat (v. 994) am Schluß des Vorgeplänkels signalisiert schon
hier, wie er sich später auch in der Hauptsache zum Gehorchen zwingen
lassen wird.
Den Anfang des Briefes (v. 997f. Pater, ducentos Philippos quaeso Chrysa-
lo da, si esse salvom vis me aut vitalem tibi) haben wir, was den Kondizional-
satz betrifft, oben S. 69 als menandrisch erkannt. Jetzt sehen wir deutlich,
daß der Hauptsatz in dieser Form von Plautus für die zweite Briefintrige
87
87 formuliert sein muß. Daß das Geld ausgerechnet || dem Chrysalus überge-
ben werden soll, wäre ja für Menanders Intrige eine höchst überflüssige
Zusatzbedingung; hier ist sie wesentlich. Und Chrysalus praktiziert auch
gleich seine Strategie des scheinbaren Widerstrebens:

999 CHRYS. tibi dico. NIC. quid est?


1001 CHRYS. non dabis, si sapies; verum si das maxume,
ne ille alium gerulum quaerat, si sapiet, sibi:
nam ego non laturus sum, si iubeas maxume.

Das fügt sich so gut zusammen, daß m. E. schon diese Kohärenz des
Spielablaufs zur Genüge erweist, daß ich v. 1000 zu Recht tilge.188 So
kommt auch v. 1006 zur gebührenden Wirkung, indem Chrysalus auch

187 Zum Teil bestreitet Plautus den Dialog also mit Variationen und überbietenden
Kontrafakturen zu IV 6 –8: Chrysalus lügt jetzt ungehemmt und steigert das
Nichtwissen von δ zum Nichtwissenwollen (v. 989 ut scias quae hic scripta sient :: nil
moror neque scire volo). Auch wenn Chrysalus in IV 9 immer wieder auf diese Weise
lügt, daß er das Gegenteil von dem sagt, was er in Wahrheit will, ist das eine Va-
riation des Intrigenprinzips von Menanders δ.
188 Andere Gründe kommen dazu: tibi dico in v. 999 kann nicht, wie del Corno:
Plauto, Bacchides, ad 1. will, Nicobulus’ vorausgehendes malum quidem hercle magnum
fortsetzen, weil es nie für tibi indico oder praedico steht. Die Wendung fordert stets
(siehe Thes. l. Lat. V 1, 969, 29sqq.) Aufmerksamkeit für etwas Folgendes; das
kann aber kaum eine Frage sein (wie v. 1000 non prius salutem scripsit?), sondern
viel besser eben der Ratschlag von v. 1001 (non dabis). Außerdem würde v. 1001
an v. 1000 sehr schlecht anschließen. – Für Theiler: „Zum Gefüge einiger plauti-
nischer Komödien“, S. 271, Anm. 4 ist das eigentlich Störende in dem Passus ge-
rade das, was für Plautus die Hauptsache ist: er erklärt Chrysalo da (v. 997f.) als
überflüssige Vorwegnahme von da mihi v. 1026, und will auf jeden Fall v. 1001–
1004 als unerträgliche Dubletten zu v. 1027 und v. 1061 streichen. Grund dieses
merkwürdigen Urteils: Theiler achtet nicht auf das für die neue Intrige Charakte-
ristische, sondern will beide Intrigen zusammen als eine fortlaufende Gesamt-
intrige erweisen.
Dis exapaton und Bacchides 149

nach der Aufforderung, den Brief weiter anzuhören, beharrt: inde a princi-
pio iam impudens epistula est.189
Die weiteren Einzelheiten des Briefes und der Zwischenbemerkungen
des Chrysalus bedürfen keiner Interpretation; daß Plautus den Menander-
brief in v. 1009 geändert, in v. 1019ff. ergänzt hat, ist selbstverständlich.
Ich mache nur noch auf seine Erfindung des Eides aufmerksam (v. 1028–
1032), den er am Briefschluß einfügen muß, weil ja Nicobulus einen star-
ken Grund braucht, um gegen Chrysalus’ bisherigen Widerspruch doch
ans Zahlen zu denken.
In Abschnitt (d) muß Chrysalus, um die Wirkung des Briefes nicht zu
gefährden, sich auf die Position scheinbarer Neutralität zurückziehen. Er
verpackt also seinen Rat zu zahlen (v. 1039f. si ego in istoc sim loco, dem potius
aurum quam illum corrumpi sinam) zwischen die entsprechenden Versiche-
rungen: vorher (v. 1036f.) nihil ego tibi hodie consili || quicquam dabo eqs., 88
88
nachher (v. 1043) ego neque te iubeo neque veto neque suadeo. Nur als Nicobu-
lus sagt miseret me illius (v. 1044), mimt er Verständnis: tuos est, non mirum
facis. So kann er in Abschnitt (e) – nachdem er, während Nicobulus das
Geld aus dem Haus holt, nochmals seinen Troiavergleich angebracht hat –
die selbstgestellte Bedingung zu guter Letzt nochmals erfüllen, ohne den
Erfolg zu gefährden (v. 1061ff.): non equidem accipiam eqs. Und Nicobulus
muß tatsächlich noch drum bitten (v. 1063 at quaeso).
Ein letzter Hinweis, wie gut Plautus die Szenenfolge komponiert hat:
Chrysalus, der zu Beginn des Actus, im Troiacanticum, seinen Triumph
angekündigt hat, erspart sich am Schluß von IV 9 diesen Triumph mit ei-
ner aktuellen Anspielung (v. 1072ff.) und ermöglicht so den ruhigen Aus-
klang der Senarpartie des Actus, damit der folgende Canticum-Auftritt von
Philoxenus und Nicobulus mit ungebrochener Wirkung neu einsetzen kann.
Insgesamt werden wir gut daran tun, im Gedächtnis zu behalten, was
wir an IV 9 beobachten konnten: Plautus ist imstande, zwar von Gege-
benheiten der Menandervorlage angeregt und sie variierend und überbie-
tend, aber was die Gestaltung des Handlungsablaufs betrifft im Grunde
doch selbständig, ein Stück Handlung in klarer Gliederung und theater-
wirksamer gradliniger Steigerung zu entwickeln. Daß IV 9 aus einem ande-
ren Stück dazu ,kontaminiert‘ sein könne, wird ja niemand mehr behaup-
ten, angesichts der nachgewiesenen Dis-exapaton-Anregungen, die Plautus
weiterspinnt. Und sollte jemand aufgrund überkommener Vorurteile gegen
Plautus’ Gestaltungskraft partout den Spieß umdrehen und behaupten
wollen, IV 9 müsse allein schon deswegen aus Menanders Dis exapaton
stammen, weil der Handlungsablauf für Plautus zu gut sei, dann müßte der

189 Sonst wäre man versucht, die impudentia des Briefes in der fehlenden Grußanrede
zu sehen (und v. 1000 und v. 1006 durch Versumstellung einander näher zu rü-
cken), nicht in der neuerlichen Bitte um Geld.
150 II. Handlungsgliederung

Verfechter dieser Hypothese den zum Scheitern verurteilten Versuch un-


ternehmen, die Szene im fünften Menanderakt unterzubringen. Aber das
führe ich nicht weiter aus. Plautus wird uns ja auch in V 2 nochmals in
ähnlicher Weise positiv überraschen.

3.5.2. Aus Menanders fünftem Akt sind uns glücklicherweise zwei Zitate
erhalten, die uns gerade noch erlauben, den Aktbeginn mit ziemlicher
Sicherheit zu erkennen. Zwar ist die Zugehörigkeit beider Fragmente zu
Dis exapaton ε bisher umstritten, aber zu Unrecht, wie die Interpretation
zeigen soll.

fr. 110 K.-Th. (3 Sandbach):


ἐµμοὶ  παράάστα·∙  τὴν  θύύραν  κόόψας  ἐγὼ  
καλῶ  τιν᾿  αὐτῶν.  

89
89 ,Du stell dich neben mich, und ich werde anklopfen und jemand aus ihrem
Haus herausrufen.‘ Zwei Personen müssen also im Spiel sein, die von den
Leuten im Haus etwas wollen, aber nur die eine ist willens oder imstande
anzuklopfen. Daß die beiden nicht der Parasit und der Sklave des Cleoma-
chus aus der Szene IV 1 (v. 573ff.) sein können, ist oben schon gezeigt
(S. 56f.): ἐµμοὶ   παράάστα kann nur einer sagen, der zu gemeinsamem Han-
deln auffordert, nicht einer, der den anderen wegschieben will. Um so
besser passen Wortlaut und Inhalt des Fragments zu V 1, wo der energi-
sche Nicobulus den milderen Philoxenus zum gemeinsamen Vorgehen
gegen (die Bacchides und) ihre Söhne animiert (v. 1117): quid dubitamus
pultare atque huc evocare ambos foras? Wer in Wahrheit herauskommt, ist dann
allerdings Chrysalus:

fr. 109 K.-Th. (2 Sandbach):


  βουληφόόρως  
τὴν  ἡµμετέέραν  δὴ,  Δηµμέέα,  προκατέέλαβες  
ὅρασιν.  

,Mit der Weisheit eines Ratsherrn hast du da, Demeas, meine optische
Sinneswahrnehmung vorweggenommen.‘ Gomme–Sandbach und Arnott
schließen aus der affektierten Redeweise der Verse (βουληφόόρως, ὅρασιν,
dazu kommt der Pluralis modestiae ἡµμετέέραν) zu Recht, daß der Sprecher
dieser Verse ein Intrigensklave sein wird, der sich über sein Opfer lustig
macht.190 Aber der Intrigant aus welchem Stück? Überliefert ist das Frag-
ment bei Fulg. myth. 3, 1 zwar zum Dis exapaton, aber Webster und Gaiser191

190 Man vergleiche den ‚Philosophen‘ Onesimos in Epitr. ε.


191 Webster: Studies in Menander, S. 86. – Konrad Gaiser: „Einige Menander-Frag-
mente in Verbindung mit Plautus und Terenz“, in: Wiener Studien 79 (1966),
Dis exapaton und Bacchides 151

meinen, es passe bestens zu Ter. Ad. v. 385ff., wo Syrus den alten Demea
ironisiert: o Demea, istuc est sapere, non quod ante pedes modost videre, sed etiam
illa quae futura sunt prospicere. Die Nähe im Wortlaut ist vorerst zuzugeben,
aber die vorausgesetzte Situation ist dort doch eine ganz andere. Der Ter-
minus ὅρασις – sicher kein Allerweltswort – wird nämlich in den erkennt-
nistheoretischen Debatten der Philosophenschulen wohl auch schon in
der Zeit um 300 v. Chr. vor allem gebraucht, wenn es um die Zuverlässig-
keit der Sinneswahrnehmung geht (zur Illustration sollte ein Blick in den
Stoiker- oder Sextus Empiricus-Index genügen), und auch in unserem
Fragment wird ja das Denken dem Wahrnehmen gegenübergestellt.
Demeas hat βουληφόόρως etwas erkannt, was der Sprecher erst später
durch Augenschein erfahren hat. Das träfe aber auf Demea und Syrus in
den Adelphen nicht zu, die von der Zukunftsmöglichkeit reden, daß Aes-
chinus Söldner werden könnte. || Demea sagt v. 384f.: videre videor iam diem 90
90
illum, quom hinc egens profugiet aliquo militatum, und das kann Syrus nicht in
der Gegenwart durch Augenschein verifiziert haben. Überdies erweist sich
auch der Wortlaut der vermeintlichen Terenzübersetzung unseres Frag-
ments bei näherem Zusehen als ganz präzis auf die Adelphen-Situation
bezogen: Demea sieht weder quod ante pedes est, nämlich daß in Wirklichkeit
(laut v. 274f.) sein Ctesipho paene e patria hatte gehen wollen, noch sieht er
voraus quae futura sunt, nämlich daß Aeschinus statt zu emigrieren in Athen
heiraten wird. Soviel zur Widerlegung der Zuweisung an die Adelphen;192
positiv fällt für den Dis exapaton ins Gewicht, daß unser Fragment aus dem
fünften Akt bestens die erkenntnistheoretischen Tiraden des Chrysalus aus
dem zweiten und vierten Akt fortsetzt.
Spricht also auch hier Chrysalus zu Nicobulus (dessen Originalnamen
Demeas wir übrigens bei der Gelegenheit erfahren), dann fügen sich seine
Worte bestens in die Situation knapp nach Aktbeginn: Nicobulus, inzwi-
schen von Cleomachus aufgeklärt, klopft Chrysalus aus dem Bacchishaus
heraus und sagt beispielsweise höhnisch zu ihm: ,Na, wie steht’s mit dem
Besserungswillen meines Sohnes und dem Erfolg deiner Sittenpredigt? Ich
war, seit du hineingegangen bist, überzeugt, er treibt es nach wie vor mit
der Bacchis.‘ Und darauf paßt das Fragment als Antwort sehr gut.

S. 194f. – Ders.: „Die plautinischen ,Bacchides‘ und Menanders ,Dis exapaton‘“,


S. 69f.
192 Übrigens hat auch Gaisers Annahme, Fulgentius habe ein Dis exapaton-Zitat zum
Stichwort „Bellerophon“ (vgl. Bacch. v. 810) mit der Stelle aus den Adelphen durch-
einandergebracht, keine Grundlage im Fulgentiustext. Dort wird nämlich Bellero-
phon als βουληφορῶν etymologisiert, und weil Homer Il. 6, v. 162 ihn nur ἀγαθὰ  
φρονέέοντα  δαίίφρονα nennt, belegt Fulgentius mit anderen Zitaten (eins aus Ho-
mer, das andere aus dem Dis exapaton), daß das Wort βουληφόόρος im Griechischen
existiert. (Auch Arnott: Menander [1979] hat Fulgentius irreführend ausgeschrie-
ben, indem er vor nam et Menander similiter … ait ausließ sicut Homerus ait.)
152 II. Handlungsgliederung

Daß wir berechtigt waren, die beiden Fragmente gerade dem Beginn
des Akts zuzuordnen, müssen wir übrigens erst noch beweisen. Wir sind
zwar schon in 2.4, bei der vorläufigen Festlegung der Actusgrenzen, davon
ausgegangen, daß Nicobulus bald nach Aktbeginn wieder vom Forum
zurückkommt, müssen uns aber gegen Ende unserer Analyse einem mögli-
chen Einwand stellen, der erst jetzt in aller Schärfe formulierbar wird. Er
lautet: Da nunmehr erwiesen ist, daß Akt δ mit dem Erfolg der (ersten)
Briefintrige und Nicobulus’ Forumgang abschloß, da also die zweite Brief-
intrige, für die ja Nicobulus daheim sein muß, sicher von Plautus stammt,
bleibt für Akt ε mit Sicherheit nur die Szenenfolge IV 10 – V 2 mit der
91
91 Verführung der beiden Alten. Diese genügt aber || keineswegs als Inhalt
eines fünften Menanderakts. Also ist fürs erste die Möglichkeit nicht aus-
zuschließen, IV 10ff. könnte erst die zweite Hälfte des Akts eröffnen,
während Plautus dessen ersten Hälfte gestrichen hätte.
Überlegen wir also einmal – ohne Rücksicht auf die uns aus Plautus
und den Fragmenten bekannten Inhaltselemente –, was wir nach unserer
Kenntnis der Menanderdramaturgie für den Schlußakt des Dis exapaton
erwarten dürfen. Das ist erstens ein Abschluß der Nebenhandlung um den
Personenkreis Philoxenus, Pistoclerus, Bacchis A (man vergleiche Gorgias
im Dyskolos, Chairestratos und Habrotonon in den Epitrepontes). Zweitens
der Abschluß der Haupthandlung mit zwei möglichen Handlungsschwer-
punkten: letzte Auseinandersetzung Chrysalus – Nicobulus, Versöhnung
zwischen Vater und Sohn. Nehmen wir nun probeweise an, daß Menander
mit der Nebenhandlung begann (in den anderen Fällen würde ja Nicobulus
jedenfalls bald auf der Bühne gebraucht), so ist es unerfindlich, warum
nicht die einfachste Lösung auch die richtige sein sollte, daß nämlich wie
bei Plautus auch bei Menander ein Auftritt des Philoxenus (IV 10 entspre-
chend) den Akt eröffnete. Käme nun anders als bei Plautus Nicobulus
nicht bald nach, so müßte wohl Philoxenus inzwischen über die Situation
Aufklärung erfahren. Dann wäre aber kein Platz mehr für das fr. 110, in
dem die beiden Väter doch erst mit den Personen im Bacchishaus Kontakt
aufnehmen wollen.
Die wahrscheinlichste Handlungsentwicklung in ε nimmt also doch
ihren Ausgang von den Auftritten IV 10 (Philoxenus) und V 1 (zu ihm
Nicobulus). Es folgt – siehe fr. 109 – die Auseinandersetzung mit Chry-
salus, der frisch und fröhlich alles zugibt, natürlich darauf pochend, daß
Nicobulus formalrechtlich sich überhaupt nicht beschweren darf, weil ihn
niemand belogen hat (,mir wolltest du ja nicht glauben‘). Plautus mußte
auf die Szene schon deswegen verzichten, weil er ja das Intrigenprinzip
,Lügen durch Wahrheit‘ nicht beibehalten hatte. Dann mag – um Platz für
Philoxenus und die Nebenhandlung zu schaffen – Nicobulus wutent-
brannt mit der Erklärung in sein Haus stürzen, sein Sohn brauche über-
haupt nicht mehr heimzukommen. Philoxenus würde sich gut dazu eignen,
in seiner verständnisvollen Art den jungen Leuten etwas ins Gewissen zu
Dis exapaton und Bacchides 153

reden. Den Schlußteil des Stücks müßte dann die Versöhnung bilden,
vielleicht sogar herbeigeführt durch die verführerische Bacchis A.
Der Handlungsverlauf, den ich da skizziert habe, ist natürlich hypothe-
tisch. Aber ich habe ihn nicht aus reiner Lust am Fabulieren ent-||wickelt, 92
92
sondern damit klar wird, daß wir in der Beurteilung der Verführungsszene
V 2 völlig frei sind und mit allen Möglichkeiten zu rechnen haben: mit
Plautus’ (teilweisem) Anschluß an Menander, aber auch mit seiner eigen-
ständigen Gestaltung der Szene, ähnlich wie in IV 9.193

3.5.3. Ein Vergleich der Verführungsszene (V 2) mit der zweiten Briefin-


trige (IV 9) lohnt die Mühe: wir werden ein und derselben plautinischen
Weise der Gestaltung begegnen. Ich beginne wieder mit einem Überblick
über die Gliederung:

(a) 1120–1148 Einleitung:


bis 1140 das ‚Schafduett‘ (Bakcheen);
bis 1148 die Väter fordern ihre Söhne und Chrysalus (Septenare).
(b) 1149–1206 die eigentliche Verführungsszene (Anapäste):
bis 1165 getrennte Beratung der Schwestern und der Väter;
bis 1180 Philoxenus einigt sich mit Bacchis S;
bis 1190 Einladung und Geldangebot an Nicobulus;
bis 1206 Nicobulus erliegt dem Argument ,dum vivas tibi bene facias‘.
(c) 1207–1211 Schlußwort des Grex (Septenare).

Hier ist gleich die Technik der Exposition dieselbe: dem Troiacanticum
entspricht das ,Schafduett‘; Plautus stimmt das Publikum abermals mit
breit entfalteter Metaphorik auf den neuen Handlungsabschnitt ein. Auch
das Ziel ist gleich wieder angegeben: während in der Ausgangssituation die
Väter ihre Söhne aus dem Bacchishaus herausholen wollen (schon v. 1117,
hier v. 1145ff.), wollen die Bacchides sie selbst hineinschaffen (v. 1133
cogantur … intro; prompt wird die Erreichung des Ziels auch am Schluß in
v. 1206 nochmals betont: lepide ipsi hi sunt capti, suis qui filiis fecere insidias).
Und der nächste Unterabschnitt, die Beratung der Schwestern in
v. 1149ff., bringt auch wieder das ‚Intrigenprinzip‘ zur Sprache: die Väter
sollen nicht etwa versöhnt, sondern als hilflose Opfer der Hetärenkünste
bloßgestellt werden. Die Parallelberatung der Alten mit Philoxenus’ Ge-
ständnis sichert übrigens, daß für das Weitere Nicobulus als das Haupt-
opfer isoliert wird.

193 Man vergleiche dazu und zum folgenden Abschnitt Lefèvre: „Plautus-Studien II“,
S. 532f., der die Verführungsszene ebenfalls (z. T. mit denselben Argumenten) für
plautinisch erklärt.
154 II. Handlungsgliederung

Wir sehen also dieselben Gestaltungskräfte am Werke wie in IV 9:


Plautus bewährt nochmals seine Fähigkeit, ein dramatisches Ziel in gradli-
niger Steigerung anzusteuern. Und fragen wir nach den einzelnen Elemen-
93
93 ten, die ins Spiel kommen, welche von ihnen menandrisch sein || müssen
oder können, welche Plautus selbst beigesteuert haben kann oder muß, so
neigt sich die Waagschale beträchtlich auf der Seite des Römers. Er wird
wie in IV 9 menandrische Ansätze ausgenützt und überbietend und über-
zeichnend zu einem Ganzen gefügt haben, das im Grunde ihm gehört.
Menandrisch müßte das Ziel der Versöhnung gewesen sein, er verwandelt
die Einladung zum Schlußgelage in Verführung und Bloßstellung der Al-
ten (siehe das bittere Schlußwort, das denselben Sarkasmus des späten
Plautus zeigt wie der Truculentus im ganzen). Menandrisch war die Bera-
tung der Bacchides im ersten Akt (v. 35ff.) mit dem Plan, Bacchis A solle
den jungen Pistoclerus becircen; in der Beratung am Stückschluß bei
Plautus, zu der ihn formal wohl die des ersten Akts angeregt hat, erklärt
sich auch Bacchis S, die doch jetzt mit ihrem geliebten Mnesilochus ver-
eint ist, bereit, dem Philoxenus ihre Gunst zu verheißen. Menandrisch war
das konziliante Wesen des Philoxenus, Plautus macht aus ihm den komi-
schen Alten, der noch bevor er den Verführungskünsten einer meretrix
ausgesetzt ist, schon bei ihrem bloßen Anblick schwach wird.
Die drei Phasen des Kampfes gegen Nicobulus’ Zorn und Standhaf-
tigkeit (v. 1166ff., 1181ff., 1191ff.) zeigen uns die respektablen Möglich-
keiten der plautinischen Dramaturgie. Plautus ist gewillt, den Handlungs-
ablauf zu gliedern. Daß die Gliederung von ihm stammt, beweist die Her-
kunft der drei Hauptmotive, die die Position des Nicobulus erschüttern.
Da ist zuerst die Einigung des Philoxenus mit Bacchis S. Sie kann nicht
von Menander stammen, denn so geschickt Plautus die beiden in den Ab-
lauf eingebunden hat, bei Menander gibt es kein Vierergespräch. Dann das
Angebot der Bacchis A, zweihundert Philippi zurückzugeben: das muß das
plautinische Vergnügungsgeld sein, denn bei Menander hatte Nicobulus ja
nur das Intrigengeld herausgerückt, das sich jetzt in den Händen des Cleo-
machus befindet. Schließlich das Argument der Bacchis, er solle sichs doch
vor seinem bald bevorstehenden Tod noch wohl sein lassen: das ist, wie
übrigens auch in seiner Antwort v. 1204, die Söhne warteten im Haus nicht
auf die Väter, sondern auf deren Tod, der Sarkasmus des alten Plautus.
Und Plautus versteht es auch, zumindest die Illusion einer Verände-
rung in Nicobulus’ innerer Haltung hervorzurufen; ebenso steigert sich die
Intensität von Bacchis’ Annäherungsversuchen von Phase zu Phase, von
der Bitte über die Einladung zur Verheißung. In der ersten Phase tut sie
zunächst so, als wollte sie das Gespräch abbrechen (v. 1166 sequere hac, zur
Schwester gesagt); und als er darauf unter Gewaltandrohung die ‚Rückgabe‘
94
94 der Söhne und des Sklaven verlangt, bittet sie || ihn nur, seine Bestrafungs-
absicht aufzugeben. Erst als er sich mit seinem quamquam tu bella es
(v. 1171) die erste Blöße gibt, wird sie zur blandiloqua. Er spürt die Gefahr
Dis exapaton und Bacchides 155

(metuo v. 1174) und antwortet wieder schroff (scelus v. 1176). Nach dem
Verlust seines Bundesgenossen eröffnet sie die zweite Phase, indem sie ihn
zum Symposion einlädt (v. 1181); auf seine Replik ,Ja, auf meine Kosten!‘
bietet sie die Rückzahlung des Vergnügungsgeldes an, und obwohl ihm
noch immer die Rache ,lieber ist‘ (v. 1187 malo illos ulcisci ambo), behält
Philoxenus das letzte Wort (v. 1190): potandumst. Da eröffnet Nicobulus
die dritte Phase mit dem schon der Kapitulation nahekommenden Ein-
wand (v. 1192) egon, cum haec cum illo accubet, inspectem? Darauf weiß eine
plautinische meretrix natürlich eine Antwort, und so erliegt er, nachdem
sich sein Groll gegen Sohn und Sklaven in das Bedenken verkehrt hat, sie
würden ihn, wenn er mit Bacchis hineingeht, ihrerseits in der Hand haben
(v. 1196f. quid metuis? :: ne obnoxius filio sim et servo), zuletzt ihren Verhei-
ßungen und ihrem carpe-diem-Argument.
Unser Gesamtergebnis zu Actus d mag angesichts der traditionellen
Plautuskritik erstaunlich sein, aber ich hoffe doch, daß Interpretation und
Argumentation der Überprüfung standhalten: der Schlußactus der Bacchides
ist in seiner Gesamtanlage eine rein plautinische Schöpfung.194

4. Fazit und Folgerungen


Beim Versuch, zum Abschluß der vorliegenden Arbeit ihre Ergebnisse
zusammenfassend auszuwerten, möchte ich auf bestimmte Detailresultate
nur in Form der Praeteritio hinweisen: etwa auf die Datierung des Dis
exapaton, die Festlegung der Bühnenhäuser, die Einordnung von Bacch.
fr. 19 (16), den Textvorschlag zu Bacch. v. 108. Viel wichtiger ist mir, ob
meine Bilanz zu den Hauptthesen und der Methode der Untersuchung von
den Buchprüfern akzeptiert wird. Ich wollte ja zeigen, daß es sich lohnt,
die allgemeine Frage nach den Aufbauprinzipien der Handlung in Nea und
Palliata einerseits, die entsprechende strukturanalytische Interpretation
von Dis exapaton und Bacchides anderseits in wechselseitiger Bezogenheit
miteinander zu verbinden.
Der Dis exapaton ist, wie ich hoffe, dadurch, daß ich zum einen seine
Rekonstruktion von der Bestimmung der originalen Aktteilung her || anging 95
95
und zum andern berücksichtigte, welche Änderungen Plautus im Interesse
seines ganz anderen Bauwillens eingeführt haben mochte, in seiner ur-
sprünglichen Gestalt deutlicher erkennbar geworden. Ich gebe, um die
Übersicht zu erleichtern, S. 96 ein Akt- und Szenenschema (mit den wich-
tigsten Angaben zur Figurenführung) bei und verweise speziell auf die
Einfügung der Thyroskopie in γ 1. Die so rekonstruierte Handlungsgliede-
rung liefert zwanglos (wie die Einzelinterpretation hoffentlich bestätigte)

194 Daß dadurch die Schwestern Bacchis sowohl den Aktschluß von a wie von d
beherrschen, rechtfertigt übrigens auch den neuen Titel ,Bacchides‘.
156 II. Handlungsgliederung

96
96 Dis exapaton
Haus A: Haus B: Stadt: Stadt:
Bacchis A Nicobulus Philoxenus Cleomachus
(Bacchis S) Mnesilochus Pistoclerus (Bacchis S)
Chrysalus Lydus Parasit, puer

α 1‹ › Bacchis A, Pist. ‹Ist sie die Bacchis aus Samos? (Ba A ins
Haus)
2‹ › Pist. (Prolog) Er sucht Bacchis S als Freund des Mnes. (ab
in Wartestellung)
3‹ › puer Cl., Bacchis S Ihre Verpflichtungen gegen Cleom. (puer
ab).
4‹ › Ba S, Ba A Begrüßung der Zwillingsschwestern;›
5 B. 35 Ba S, Ba A, Pist. Pist. als Liebhaber und Helfer (Pist. zur
Agora)
β 1 B. 109 Pist., Lydus Pist. emanzipiert sich (beide zu Ba A).
2 B. 170 Chrysalus Chrys. kommt aus Ephesos,
3 B. 178 Chrys., Pist. erfährt, daß Ba S hier ist (Pist. zu Ba A),
4 B. 229 Chrys. erwartet Nicobulus;
5 B. 235 Chrys., Nic. Lügengeschichte (Nic. zur Agora, Chrys.
zum Hafen)
6 B. 368 Lydus von Ba A, holt Philox. (zur Stadt).
γ 1 B. 385 Mnesilochus Mnes. vom Hafen, will zu Ba S, ‹verwech-
selt die Zwillinge,›
2 B. 405 Mnes., Lyd., Philox. hört von Untreue (Lyd., Philox. zur Stadt);
3 B. 500 Mnes. Entschluß zur Geldrückgabe,
4 D. e. 30 Mnes., Nicobulos Aufklärung des Vaters (beide zum Hafen).
δ 1 D. e. 64 Mnes., Nicobulos Nic. bringt Geld zur Agora.
2 D. e. 91 Mnes. Mnes. enttäuscht
3 D. e. 102 Mnes., Pist. und aufgeklärt (Mnes. zu Ba S).
4 B. 583 Pist., Parasit Pist. lehnt Cleom.’ Forderung ab,
5 B. 612 Pist., Mnes. berichtet Mnesilochus
6 B. 640 Pist., Mnes., Chrys. und Chrys.; Plan zur Briefintrige (Mnes. und
Pist. zu Ba).
7 B. 761 Chrys., Nic. Chrys. verunsichert Nic.;
8 B. 842 Chrys., Nic., Cleom. Zahlungsversprechen an Cleom. (Cleom.
und Nic. zur Agora, Chrys. zu Ba).
ε 1 B. 1076 Philoxenus Philox. sucht Pist.,
2 B. 1087 Philox., Nic. Nic. kommt, nach Zahlung aufgeklärt.
3‹ › Philox., Nic., Chrys. ‹Chrys. hänselt die Väter›
‹………› ‹………›
Dis exapaton und Bacchides 157

ein anschauliches Exempel für die Interferenz zwischen Akt- und Fabel-
gliederung in der Komödie Menanders. Denn die inhaltliche Dreigliede-
rung in Protasis (bis zur Szene β 5), Epitasis (bis δ 6) und Katastrophé
expliziert ja im Grunde einfach den Titel des Stücks: die Protasis reicht bis
zum Erfolg der ersten Intrige, die Epitasis annulliert diesen Erfolg, die
Katastrophé überbietet ihn in der zweiten Intrige.
Nun lassen sich nach diesem Dreiphasenschema außer dem Dis exapa-
ton nicht nur Dyskolos, Epitrepontes und Samia gliedern (vgl. S. 13), sondern
auch Andria,195 Aspis,196 Aulularia 197 und Eunuchus (siehe S. 18); und selbst in
den komplizierten Spätwerken Adelphoe 198 und Heautontimorumenos199 fügt
sich wenigstens eine der gleichberechtigten Doppelhandlungen dem Dreier-
schema. Ist aber die Fabelgliederung in allen uns kenntlichen Menander-
stücken zu beobachten, so liegt doch die Folgerung nahe, daß wir die je-
weils gleich gegliederte Fabel auch auf gleiche Weise ins Fünfaktschema
einpassen dürfen. Mit anderen Worten: das Arbeitsprogramm, alle von
Plautus || und Terenz bearbeiteten Menanderkomödien dadurch zu rekon- 97
97
struieren, daß wir das ursprüngliche Interferenzschema wiederherstellen,
basiert auf recht sicherem Grund. (Jedenfalls auf festerem, als wenn wir z. B.
mit Wolf Steidle oder Eckard Lefèvre200 daran gingen, die Szenenfolge

195 Protasis bis zum Plan des Davus, Pamphilus solle der von Simo fingierten Hoch-
zeit zustimmen; Epitasis: aus der Scheinhochzeit droht Ernst zu werden; Kata-
strophébeginn: Davus verhindert diese Hochzeit.
196 Protasis bis zum Plan des Intrigensklaven Daos, den Geizhals Smikrines durch
den fingierten Tod seines Bruders Chairestratos zu düpieren; Epitasis: Durchfüh-
rung dieses Planes; Katastrophé: die Heimkehr des Kleostratos macht die Intrige
unnötig.
197 Protasis: die Hochzeit zwischen Lyconides und Euclios Tochter wird bedroht
durch sein Schweigen und die Werbung des Megadorus; Epitasis: die Komplika-
tionen steigern sich (Geburt des Kindes, Megadorus’ Hochzeitsvorbereitungen);
Katastrophébeginn: Lyconides’ Geständnis. – Vgl. oben Anm. 26.
198 Protasis: Aeschinus gerät Micio gegenüber in den Verdacht, sich eine Hetäre
halten zu wollen; Epitasis: die Angehörigen seiner Pamphila verdächtigen ihn
ebenfalls; Katastrophébeginn: klärendes Gespräch Micio – Aeschinus.
199 Protasis bis zum Plan des Syrus, Clitiphos anspruchsvolle Hetäre als angebliche
Freundin seines Freundes auszugeben; Epitasis: verschiedene Schwierigkeiten,
Vater Chremes gegenüber die Fiktion aufrechtzuerhalten; Katastrophébeginn:
Chremes zahlt für sie.
200 Wolf Steidle: „Zur Komposition von Plautus’ Menaechmi“, in: Rheinisches Museum
114 (1971), S. 247–261. – Lefèvre: Der Phormio des Terenz und der Epidikazomenos
des Apollodor von Karystos. Beide angeregt durch Arbeiten von Walther Ludwig:
„Von Terenz zu Menander“, in: Philologus 103 (1959), S. 1–38 (mit einem „Nach-
trag 1971“ wiederabgedruckt in: Die römische Komödie. Plautus und Terenz, hg. von
Eckard Lefèvre. Darmstadt 1973 [Wege der Forschung 236], S. 354–408). –
Ders.: „Aulularia-Probleme“, in: Philologus 105 (1961), S. 44–71 und S. 247–262.
158 II. Handlungsgliederung

eines Originals durch Herstellen irgendwelcher Symmetrien und Respon-


sionen zu rekonstruieren; denn solche Phänomene treten zwar bei Menan-
der immer wieder auf,201 sind aber für das Gesamtgefüge des dramatischen
Handlungsablaufs, der von einer Ausgangs- zu einer Zielsituation führt,
sekundär und fakultativ.)
Wir können aber noch weiterplanen und weiterfragen. Wenn nämlich
schon der junge Menander der Dyskolos- und Aspis-Zeit das voll ausgebil-
dete Interferenzschema anwendet und wenn Philemons Phasma (siehe
S. 14) und der Epidikazomenos des Apollodor von Karystos (nach meiner
unpublizierten Analyse des Phormio) dieselbe Technik der Handlungsstruk-
turierung und -segmentierung zeigen, dann stellt sich doch die Aufgabe,
alle Palliaten auf sie hin zu untersuchen, in der Hoffnung, daß wir ihre
Existenz vor, neben und nach Menander nachweisen oder, wo uns das
nicht möglich ist, den Vergleich anderer Kompositionsweisen mit ihr für
eine differenzierende Betrachtung der Dichter der Nea fruchtbar machen
können (vgl. S. 17f. zu den Menaechmi).
Für Plautus und Terenz wiederum können wir, wie ich hoffe, aus dem
Exempel der Bacchides einiges lernen. Um mit der folgenreichsten Be-
obachtung zu beginnen: Da Plautus (nach 3.1.1) zwar Menanders Aktpau-
se γ/δ überbrückt, aber in ihrer nächsten Nähe seine eigene Actuspause
b/c neu eingeführt hat (und zwar sowohl zwischen actusbeschließenden
Septenaren und actuseinleitenden Senaren als auch zwischen dem Ab-
schluß der Teilhandlung um das Mißtrauen des Mnesilochus gegen Pisto-
clerus und Bacchis S und dem Beginn der Teilhandlung um die aktualisier-
te Bedrohung des Liebespaares durch Cleomachus), verfügen wir nunmehr
zusätzlich zu den in 1.2.2 angeführten Belegen über einen nicht zu ignorie-
renden Beweis für den Willen des Plautus, seine Komödien, wenn schon
nicht regelmäßig, so doch in Einzelfällen durch Spielpausen zu gliedern.
98
98 Aber in welcher Weise pflegt er das zu tun, und wie zuverlässig ist
unsere Gliederung der Bacchides in vier Actus? Es könnte ja jemand von
einem Extrem ins andere fallen und zur folgenden Auffassung kommen:
Die These vom pausenlosen Durchspielen in der Palliata sei zwar ange-
sichts Bacch. v. 108/109 und v. 572/573 nicht mehr zu halten, aber Plautus
habe vielleicht sein Stück in mehr als bloß vier gleichberechtigte Teilein-
heiten der Handlung gegliedert. Denn Untereinheiten innerhalb der Actus
gibt es tatsächlich, ja der Bauwille des Dichters hat sogar, wie wir bei der
Interpretation etwa von IV 7, IV 8, IV 9 und V 2 sahen, noch innerhalb

201 Vgl. unsere Beobachtungen S. 44f. mit Anm. 103 zu den aktumrahmenden Szenen
von α bis γ, S. 70 zu δ. In den Bacchides sucht nach einem alles bestimmenden
Symmetrieprinzip John R. Clark: On the Dramatic Structure of Plautine Comedy. Mi-
chigan 1974, aber vgl. unten das Handlungssequenzschema, das auch bei Plautus
für linearen Fortschritt spricht.
Dis exapaton und Bacchides 159

der einzelnen Szene Unterabschnitte markiert und dies nicht nur, wo er


Menander folgt, sondern auch, wo er frei gestaltet. Stellen wir also noch-
mals die Szenenblöcke oder Handlungssequenzen, die sich innerhalb der
einzelnen Actus ergeben können, zusammen:

Actus a: Sequenz 1 (ergänzt), sen.: Exposition.


Dialog Pist., Bacchis A, ancilla und Prolog:
Pist. erfährt vom Kommen der Bacchis S.
Sequenz 2 (bis v. 108), cant., sept.: Handlungsanlauf.
Hausputzszene, Ankunft der Bacchis S (mit puer) und Ge-
winnung des Pist.
Actus b: Sequenz 1 (v. 109–367), sen.: Erste Intrige.
Lydus – Pist.; Ankunft des Chrys.; er wird von Pist. infor-
miert und betrügt Nic. durch die Lügenerzählung.
Sequenz 2 (v. 368–572), sept.: Der Verdacht.
Lydus holt Philox.; die beiden klären Mnes. falsch auf; er gibt
das Geld zurück und wird versöhnt.
Actus c: Sequenz 1 (v. 573–769), sen., cant., sept., sen.: Der neue Plan.
Der Parasit überbringt Cleom.’ Forderung, von der Pist.,
Mnes. und Chrys. erfahren. Chrys. diktiert den ersten Brief.
Sequenz 2 (v. 770–924), sen.: Die erste Briefintrige.
Chrys. (durch den Brief) und Cleom. schüchtern Nic. so ein,
daß er Zahlung verspricht.
Actus d: Sequenz 1 (v. 925–1075), cant., sen.: Die zweite Briefintrige.
Nic. läßt sich dazu bringen, Chrys. 200 Philippi aufzudrän-
gen, und bringt andere 200 zum Forum.
Sequenz 2 (v. 1076–1211), cant., sept.: Verführung der Väter.
Als Philox. und Nic. ihre Söhne retten wollen, werden sie
von den Bacchides selbst ins Haus gelockt.

Es ist keine Frage, daß Plautus – die Richtigkeit der Actusteilung einmal 99
99
vorausgesetzt – jeden Actus in zwei klar erkennbare Teilhandlungssequen-
zen gegliedert hat, und zwar nicht nur als inhaltliche, sondern auch als
formal-metrische Teileinheiten. Mit der einzigen Ausnahme von
v. 769/770 wechselt das Metrum stets von einer Sequenz zur anderen
(aber die neun Senare wiegen nicht schwer). Doch nicht nur das: mit der-
selben einzigen Ausnahme wird auch die Bühne zwischen den Sequenzen
leer (und da begibt sich Chrysalus in eine gewisse Wartestellung – v. 768f.
adambulabo ad ostium, ut, quando exeat, extemplo advenienti ei tabellas dem in
manum –, vgl. oben S. 59ff. zu v. 924/925). Warum sollte man also statt
der drei Flötenintermezzi zwischen den Actus nicht deren sieben zwischen
den Sequenzen annehmen?
Ich muß zugeben, daß ich auf diese Frage keine absolut sichere Ant-
wort geben kann, weil das – wenn überhaupt – erst aufgrund der Kenntnis
160 II. Handlungsgliederung

des gesamten Plautusmaterials möglich sein wird, d. h. erst, wenn alle seine
Komödien nach der hier an den Bacchides durchexerzierten Methode der
Strukturanalyse interpretiert sind. Aber ich glaube doch, die vier Actus mit
großer Wahrscheinlichkeit angenommen zu haben, zum Teil, weil soweit
ich sehe der regelmäßige Abschluß aller Teilhandlungsblöcke mit Leer-
bühne bei Plautus die Ausnahme und nicht die Regel wäre, zum Teil im
Hinblick auf die oben in 1.2.1 bereits verwendeten Parallelen, zum Teil
schließlich deswegen, weil nicht nur dieses Parallelmaterial dafür spricht,
daß die eigentliche Grundeinheit der metrischen Großkomposition für
Plautus doch die Abfolge sen. – cant. – sept. ist, während von den acht
Bacchides-Sequenzen vier nur aus sen. oder sept. bestehen würden. Um die
eben genannte Abfolge als regulär zu erweisen, stelle ich noch eine Liste
aller ersten Plautus-Actus zusammen, die das Grundschema in irgendeiner
Form bewahren. (Dabei signalisiere ich Leerbühne durch //, ohne aller-
dings die Fälle zu kennzeichnen, wo die Bühne bereits innerhalb des ersten
Senarteils, etwa zwischen Prolog und erster Szene, frei wird):202

a) regulär:
Asin.: sen. bis v. 126// cant. v. 127–137 sept. v. 138–248//
Aul.: sen. bis v. 119// cant. v. 120–160 sept. v. 161–279//
Men.: sen. bis v. 109 cant. v. 110–134 sept. v. 135–225//
Merc.: sen. bis v. 110 cant. v. 111–140 sept. v. 141–224//

100
100 b) regulär mit Binnenerweiterung
Amph.: sen. bis v. 152 cant. v. 153–262* sept. v. 263–550*//
(*ia8 v. 153–158 (* sen. v. 462–498)
v. 180–218
v. 248–262
Capt.: sen. bis v. 194// cant. v. 195–239 sept. v. 240–460*//
(* sen. v. 361–384)
Curc.: sen. bis v. 95 cant. v. 96–157 sept. v. 158–370*//
(* sen. // v. 216–279)

c) regulär mit Schlußerweiterung in sen.:


Poen.: sen. bis v. 209 cant. v. 210–260 sept. v. 261–409
+ sen. v. 410–448//
Pseud.: sen. bis v. 132 cant. v. 133–264 sept. v. 265–393
+ sen. v. 394–573a//
Trin.: sen. bis v. 222// cant. v. 223–300 sept. v. 301–391
+ sen. v. 392–601//

202 Das beträfe Asinaria, Captivi, Casina, Miles gloriosus, Trinummus und Truculentus.
Dis exapaton und Bacchides 161

d) regulär mit Binnenerweiterung und Schlußerweiterung in sen.:


Cas.: sen. bis v. 143// cant. v. 144–251 sept. v. 252–423*
+ sen. v. 424–514//
(* sen. v. 309–352)
Truc.: sen. bis v. 94 cant. v. 95–255* sept. v. 256–321
(* ia 7 v. 130–208) + sen. v. 322–447//

e) regulär mit Binnenerweiterung und größerer Schlußerweiterung:


Most.: sen. v. bis 83 cant. v. 84–156 sept. v. 248–312
ia7 v. 157–247 + cant. v. 313–347
+ sept. v. 348–408
+ sen. v. 409–430(//)
Rud.: sen. bis v. 184 cant. v. 185–289 sept. v. 414–441
ia 7 v. 290–413 + sen. v. 442–558
+ sept. v. 559–592//

Die Liste enthält 14 von den 20 Stücken; ihr wären wohl noch hinzuzufü-
gen Bacchides, unter b (vgl. oben 2.3), und Epidicus, unter a, wenn vor cant.
(v. 1–98) und sept. (v. 99–163) ein Senarprolog verloren ist (im Miles fehlt
der Canticumteil, bei sonstiger Erweiterung, und Cistellaria, Persa und Sti-
chus beginnen mit Cantica). Die Stücke der Liste belegen die Existenz des
Grundschemas mit aller Deutlichkeit,203 || ebenso die Neigung des Plautus, 101
101
die metrischen Teileinheiten groß zu halten und nicht nur aus sen. oder
sept. bestehen zu lassen. So werden wir, auch wenn der experimentier-
freudige Terenz dann zweimal, in Andria und Heautontimorumenos, den
Auleten schon nach dem einleitenden Expositionsteil in Senaren auftreten
läßt, doch jeweils zwei Bacchides-Sequenzen zu einem Actus zusammenzie-
hen, zumal wir (siehe S. 63f.) auf diese Weise auch wieder geschlossene
Teileinheiten der Handlung erhalten.
Diese doch recht wahrscheinliche Annahme voraussetzend erörtere
ich noch kurz, welche Lehren wir aus den vieraktigen Bacchides für weitere
Actusanalysen ziehen können. Die erste ist negativ oder besser gesagt
prohibitiv: wir dürfen nicht unter Berufung auf die Technik der Griechen,
die während ihrer Aktpausen immer Zwischenzeit verstreichen lassen,
römische Actuspausen nachweisen wollen. Der Nicobulus der Bacchides
geht innerhalb von Actus d nach v. 1066 zum Forum und ist v. 1087

203 Überdies zeigt die Liste, wie schlecht beraten Andreas Spengel: Die Akteintheilung
der Komödien des Plautus. München 1877 (Programm des Königlichen Maximilians-
Gymnasiums in München für das Schuljahr 1876–1877) war, bei dem einzigen
mir als Vorläufer bekannten Versuch, plautinische Actus von der metrischen
Großkomposition her zu bestimmen, ausgerechnet von der umfangreichsten Er-
weiterungsform auszugehen und sen. – sept. – cant. – sept. – sen. als Grundform
anzusetzen.
162 II. Handlungsgliederung

schon wieder auf der Bühne; für einen Nikobulos wäre das unmöglich (der
Demeas/Nicobulus des Dis exapaton hat innerhalb von Akt δ zwischen
Dis. ex. v. 90 und Bacch. v. 770 jedenfalls gute 150 Verse Zeit dazu). Ich
vergesse nicht, daß ich S. 17 selbst mit einem ähnlichen Argument für
Actuspause bei Men. v. 881/882 plädiert habe; aber eines ist es, wie in
Bacch. d einen unvermeidlichen Widerspruch zwischen Spielzeit und ge-
spielter Zeit hinzunehmen, ein anderes, die betreffende Figur des Spiels im
Text noch eigens auf den Widerspruch aufmerksam machen zu lassen. Die
Zeitregel für Plautus wird meines Erachtens am besten so zu formulieren
sein: er hat keine Bedenken, wenn nötig gegen das πιθανόόν zu verstoßen,
aber eben nur wenn nötig, und dann möglichst unauffällig. Aber mit einer
solchen Zeitregel ist natürlich kein Staat zu machen, d. h. nur in seltenen
Fällen (wie eben Men. v. 881f. einer ist) ein Beweis für das Vorliegen einer
Actuspause zu führen.
Stimmt die Zeitregel in dieser Form (weitere Belege wären er-
wünscht), dann sind also alle Erörterungen über römische Actusgliede-
rung, die sich auf die griechische Praxis stützen, für die Palliatenanalyse
obsolet, von Friedrich Ritschl204 bis Andrée Freté205 und darüber hinaus.
Wir müssen von vorne beginnen und unter den Stellen, an denen die Büh-
ne leer bzw. aktionsfrei wird (aktionsfrei im Sinne von Bacch. v. 924 oder
Most. v. 430, vgl. S. 60f.), die Actuspausen herausfinden entweder mit dem
102
102 Nachweis unbedingt nötiger Spielpause – wo also || Spielzeit, nicht nur
gespielte Zeit für die Pause gebraucht wird206 – oder mit einer Kombinati-
on der Kriterien der metrischen und der Handlungsgliederung. Aber
nochmals: weitere Belege, d. h. weitere Komödienanalysen und -inter-
pretationen nach der hier vorgestellten Methode, wären erwünscht.
Wir drohen zu guter Letzt – zumindest dem Anschein nach – noch-
mals ins Gestrüpp der speziellen Methodenfragen und Einzelbeobachtun-
gen zu geraten. Aber wenn wir auch jede Analyse jeder Palliata so begin-
nen müssen, so will diese Analyse doch auf ein Gesamtbild hinaus. Wenn
wir beispielsweise die Feststellung treffen: „Die Lydusszene Bacch. III 1
schließt bei Menander formal gesehen den Akt β ab, mit dessen Eingangs-
szene I 2 korrespondierend, während sie inhaltlich gesehen die Epitasis-
phase einleitet; bei Plautus fungiert sie – da mit ihr nach den Senaren der
Handlungssequenz I 2 bis II 3 ein Septenarteil beginnt, der bis III 6 reicht
– als Einleitung zur zweiten Teilsequenz seines Actus b“, wenn wir also
derlei feststellen, so beruht eine solche Aussage einerseits eben auf der

204 Friedrich Ritschl: „Die ursprüngliche Gestalt der Plautinischen Bacchides“,


S. 354ff.
205 Andrée Freté: „Essai sur la structure dramatique des comédies de Plaute“, in:
Revue des études latines 7 (1929), S. 282–294.
206 Siehe etwa Burckhardt: Die Akteinteilung in der neuen griechischen und in der römischen
Komödie, S. 38–40.
Dis exapaton und Bacchides 163

geduldigen Anwendung unserer Analysekriterien, aber sie verweist, über


alle Detailbeobachtung hinaus, doch bereits auf die Gesamttendenz der
umformenden und neuschaffenden Bearbeitertätigkeit des Plautus, die im
Fall der Bacchides sogar darin kulminiert, daß er den ganzen Schlußactus
mit seiner sarkastischen Schlußmoral selbständig schreibt. Gelingt es der
klassischen Philologie, die Interferenzstruktur der Nea und die Inhalt und
Form parallelführende Actusstruktur der Palliata an einem Großteil der
erhaltenen Texte nachzuweisen, dann stellt sie damit der Literaturge-
schichte und der allgemeinen Literaturwissenschaft ein Material zur Verfü-
gung, an welchem Entwicklung und Gestaltungsmöglichkeiten des europä-
ischen Lustspiels (z. B. was die Tradition der Sequenzbildung angeht)207
besser und genauer als bisher studiert werden können. Und ist die Hoff-
nung vermessen, daß ein Menander oder Plautus oder Terenz, dessen
Kompositionsprinzipien man kennt und beachtet, auch leichter den Weg
aus dem Wortbereich der Wissenschaft ins Leben der Bühne finden wird?

5. Literaturverzeichnis 103
103
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207 Zum Stand der Forschung vgl. Pfister: Das Drama. Theorie und Analyse, S. 265ff.
164 II. Handlungsgliederung

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(Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften,
Philosophisch-Historische Klasse 385).
Die Handlung der Menaechmi (I)* 97
97

Wenn Fachleute der Literaturkritik und -ästhetik milde über biedere


Plautusphilologen spötteln, die noch immer „die beliebte Frage … nach
dem ,Plautinischen in Plautus‘ “ traktieren, „diese fachernährende Crux“,1
so werden sie gewiß auch bei manchen klassischen Philologen Zustim-
mung finden. Sowohl die Resultate wie die Kriterien und Methoden der
quellenanalytischen Forschungsrichtung scheinen unsicher und umstritten
wie eh und je – kein Wunder, wenn dann auch bei den eigentlichen Fach-
vertretern resignierte Töne laut werden wie „tired horses like contaminatio
are still being flocked around the scholarly track, Quellenforschung proceeds
without Quellen, and the Plautine corpus continues to be dissected to separa-
te the Greek and Roman elements“.2
So ganz ohne Quellen steht die Forschung aber doch nicht da. Ge-
wiß, es mag oft im konkreten Einzelfall schwierig sein festzustellen, ob
diese oder jene Unstimmigkeit im Plautustext als solche anzuerkennen ist,
und deren Auswertung für das Verhältnis zwischen rekonstruiertem Origi-
nal und Bearbeitung scheint erst recht wieder eine Glaubensfrage zu sein,
die nur durch das Auftauchen des Originaltextes sicher zu entscheiden
wäre. Aber man kann die prinzipielle Skepsis auch zu weit treiben; und
auch der indirekte Vergleich zwischen Palliata- und Neatexten kann zu
sicheren Ergebnissen führen. Das hat zunächst E. Fraenkel bewiesen:
wiewohl ihm für seine stilvergleichenden Untersuchungen noch keine
vollständige griechische Komödie zur Verfügung stand, ist sein Buch Plau-
tinisches im Plautus auch nach den neuen Menanderfunden ein Standardwerk
geblieben. Und eben diese Neufunde haben die Forschungslage seither
noch entscheidend verbessert. Denn seit wir den Gesamtaufbau einiger
Menanderstücke überblicken, uns also bestimmte Vorstellungen über die
Handlungsgliederungstechnik der Nea machen können, seither haben wir
m. E. die Möglichkeit, aus dem Grad, in dem in einer fabula palliata || grie- 98
98
chische Konstruktionsregeln eingehalten oder durchbrochen sind, auch
Hinweise auf Grad, Art und Ort bearbeitender Eingriffe zu gewinnen.3 Es

* Zuerst erschienen in Wiener Studien 100 (1987), S. 97–115.


1 Hans Robert Jauß: Ästhetische Erfahrung und literarische Hermeneutik. 2. Aufl. Frank-
furt am Main 1984, S. 536.
2 Erich Segal: „Scholarship on Plautus 1965–1976“, in: Classical World 74 (1981),
S. 353.
3 Ich habe eine solche ,Strukturanalyse‘ (wie ich sie a parte potiori nenne, obwohl
natürlich auch die traditionelle ,Inhaltsanalyse‘ auf Unstimmigkeiten im Gesamt-
zusammenhang der Handlung achtet, nur eben nicht unter dem Hauptaspekt der
168 II. Handlungsgliederung

muß also nicht unbedingt bei der allgemeinen Klage bleiben: „Noch im-
mer stehen sich die Vertreter einer weitgehenden Abhängigkeit und die
Verfechter einer weitreichenden Selbständigkeit der römischen Komiker,
zuweilen unversöhnlich, gegenüber“.4 Wir besitzen Handhaben, uns von
Fall zu Fall interpretierend und argumentierend zu entscheiden.
Das soll im folgenden für die Menaechmi versucht werden. Nach der
communis opinio hat Plautus deren Originalhandlung im wesentlichen
unverändert beibehalten;5 dagegen trat vor kurzem W. Steidle mit der
These auf, die Figur des Arztes in den Szenen V 3ff. sei durch Kontamina-
tion eingefügt;6 und jüngst behauptet E. Lefèvre sogar, daß „die Struktur
der Menaechmi von A bis Z von Plautus ist“.7 Ich werde im folgenden noch
eine andere analytische These zur Debatte stellen, daß nämlich Plautus in
V 1 einen wichtigen Szenenteil des Originals (wenn nicht mehr) gestrichen
hat, und ich fände es begreiflich, wenn ein Leser trotz der Ankündigung
einer neuen Variation von ,Strukturanalyse‘ jetzt den Wunsch verspürte,
doch lieber Literaturwissenschaft als Philologie vorgesetzt zu bekommen.
Aber es gibt in diesen Bereichen wohl genausowenig einen Königsweg wie
in der Mathematik, und einige neuere literarkritische Arbeiten zu den Men-
99
99 aechmi,8 die die Leistung des Plautus eher im || Vergleich mit Shakespeares
Comedy of Errors zu würdigen versuchen als mit einer erst zu rekonstru-
ierenden Vorlage, gewinnen zwar auf der einen Seite interessante Perspek-
tiven, verzichten aber auf der anderen – der griechisch-römischen – auf

Handlungsgliederung und Handlungsteile) vorgestellt am Beispiel der Bacchides:


Adolf Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata. Dis Exapaton und Bacchides.
Wien 1984 (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften,
Philosophisch-Historische Klasse 441) [71–166].
4 Eckard Lefèvre, in: Gnomon 57 (1985), S. 693, in der Rezension meiner in Anm. 3
genannten Untersuchung.
5 So z. B. Peter E. Sonnenburg: „T. Maccius Plautus“, in: Paulys Realencyclopädie der
classischen Altertumswissenschaft 14, 1 (1928), Sp. 107: „Der geschlossene und sym-
metrische Aufbau der Handlung … läßt recht engen Anschluß an das griechische
Vorbild vermuten“. – Elaine Fantham: „Act IV of the Menaechmi. Plautus and his
Original“, in: Classical Philology 63 (1968), S. 175: „Plautus seems to have kept the
structure and proportions of the play without distortion. No Plautine scholar has
had reason to suggest that the Menaechmi contains any modification of the Greek
plot“. – Ich selbst habe (siehe Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata
[Anm. 3], S. 17f. [82f.]) die communis opinio vertreten, erst Lefèvres Wider-
spruch hat mich zu genauerer Prüfung des Problems angeregt.
6 Wolf Steidle: „Zur Komposition von Plautusʼ Menaechmi“, in: Rheinisches Museum
114 (1971), S. 247–261.
7 Lefèvre: „Primmer: Handlungsgliederung“ (Anm. 4), S. 696.
8 Erich Segal: „The Menaechmi. Roman Comedy of Errors“, in: Yale Classical Studies
21 (1969), S. 77–93. – Eleanor W. Leach: „Meam quom formam noscito. Language
and Characterization in the Menaechmi“, in: Arethusa 2 (1969), S. 30–45.
Die Handlung der Menaechmi I 169

analoge Erkenntnismöglichkeiten und eine gesicherte Basis für die Weiter-


arbeit. Denn Plautus dürfte das Original gekürzt haben, um der griechi-
schen Handlung in ihrem letzten Drittel einen anderen, plautinischen Cha-
rakter zu verleihen.
Ich möchte nun meine These vorerst9 ganz im Stil der ,Inhaltsanalyse‘
zu beweisen versuchen, teils um zu exemplifizieren, wie diese und meine
,Strukturanalyse‘ einander bedingen und ergänzen, teils natürlich auch in
der Hoffnung, daß die Konvergenz der auf zwei Wegen gewonnenen Re-
sultate das Zutrauen zu meiner Art der Palliatenanalyse stärkt.
Von der mehr als zweifelhaften Kontaminationsbehauptung zur Sze-
ne V 3 abgesehen,10 gelten die Menaechmi wie erwähnt meist als quellenana-
lytisch unergiebig. Will ich mich mit Vorgängern auseinandersetzen, so
formuliere ich mein Beweisziel am besten im variierenden Anschluß an
eine Debatte, die vor gut 100 Jahren stattfand: ich will nachweisen oder
doch wahrscheinlich machen, daß einige Unstimmigkeiten, die es im Zu-
sammenhang mit dem Goldreif gibt, der von der Frau des in Epidamnus
beheimateten Zwillingsbruders (= Menaechmus E) über diesen zu dessen
Hetäre Erotium und dann zum Syrakusaner Menaechmus S gelangt, nicht
mit Langen (1886)11 als im Endeffekt für die Quellenanalyse wertlos ab-
qualifiziert werden sollten, daß sie aber auch nicht mit Sonnenburg
(1882)12 aus der Welt zu schaffen sind, indem man alle || Erwähnungen des 100
100
spinter im Text streicht, sondern daß wir die Originalfassung am besten

9 Der zweite Teil der Arbeit, zur ,Strukturanalyse‘, soll im nächsten Band dieser
Zeitschrift erscheinen.
10 Gegen Steidle (siehe Anm. 6) wenden sich Erich Woytek: „Zur Herkunft der
Arztszene in den Menaechmi des Plautus“, in: Wiener Studien 95 (1982), S. 165–182
(mit treffender Kritik an Steidles Analysekriterien) und Henry D. Jocelyn: „Anti-
Greek Elements in Plautusʼ Menaechmi“, in: Papers of the Liverpool Latin Seminar 4
(1983), S. 1–25 (mit dem Nachweis, daß die Arztkritik in V 3ff. nicht erst in Rom
aktuell wurde).
11 Peter Langen: Plautinische Studien. Berlin 1886; zu den Menaechmi: S. 148–158.
Wichtig die grundsätzliche Bemerkung (S. 90): „Welche von diesen Mängeln (sc.
von den „Widersprüchen, Inkonsequenzen und psychologischen Unwahrschein-
lichkeiten, welche sich zahlreich und in allen Dramen ohne Ausnahme bei
Plautus finden“ – S. 89) den griechischen Vorlagen angehörten und welche durch
die selbständige Tätigkeit des römischen Dichters in die Komödien hineingetra-
gen sind, läßt sich oft gar nicht entscheiden.“
12 Peter E. Sonnenburg (mit dem späteren Verfasser des RE-Artikels „Maccius“
identisch): De Menaechmis Plautina retractata libellus. Dissertation, Universität Bonn
1882; zum spinter S. 17f. – Da Sonnenburg, wie schon sein Titel signalisiert, da-
mals noch zwischen dem ,guten‘ Übersetzer Plautus und ,schlechten‘ späteren In-
terpolatoren unterscheiden wollte, müssen wir uns seine Argumente auf das Ver-
hältnis ,guter‘ Originalautor – ,schlechter‘ Plautus parallelverschieben.
170 II. Handlungsgliederung

wohl auf den Spuren von Ribbeck (1882)13 gewinnen, indem wir in der
Szene V 1 mit Kürzungen durch Plautus rechnen.
Unsere These kann wie jede, die von den inneren Unstimmigkeiten
eines Stückes ausgeht, auf zwei Arten gestützt (oder angegriffen) werden:
indem man die Anstößigkeit eines getadelten Faktums mittels angemesse-
ner Kriterien erweist (oder in Frage stellt); und indem man darauf sieht,
daß (und ob) rekonstruierende Hypothesen ein plausibles Bild vom Ver-
hältnis zwischen Original und Bearbeitung zeichnen (plausibel sowohl im
möglichst sparsamen Verändern des gegebenen Textes als auch im richti-
gen Abschätzen der literarhistorischen Möglichkeiten von Autor und Be-
arbeiter). ,Angemessen‘ und ,plausibel‘: da wir uns unvermeidlich auf ei-
nem Feld bewegen, wo es Subjektivitäts- und Wahrscheinlichkeitsgrade
abzuwägen gilt, sollten wir uns bemühen, die zwei Argumentationsberei-
che der Unstimmigkeitsdiagnose und -therapie so gut es geht getrennt zu
halten. Sonst kommt es wie in der alten Debatte: ein Hypothesenfreudiger
,begründet‘ statt der Diagnose gleich seine Therapie,14 ein anderer miß-
traut darauf nicht nur dem falschen Heilungsvorschlag, sondern auch der
doch halbwegs richtigen Diagnose,15 und dann findet ein dritter,16 am
wissenschaftlichsten sei der Rückzug ins Schneckenhaus des prinzipiellen
Zweifels – womit wir wieder einmal bei der eingangs bedauerten Resigna-
tion angelangt wären.

13 Otto Ribbeck: „Bemerkungen zu den Menaechmi des Plautus“, in: Rheinisches Museum
37 (1882), S. 531–547, bes. S. 539 und 544. Allerdings ergänzt Ribbeck zu wenig,
an der falschen Stelle und mit falscher ,psychologischer‘ Begründung (siehe
Anm. 15 und 22).
14 Sonnenburg: De Menaechmis Plautina retractata libellus (Anm. 12) stellt z. B. zu
v. 739 (wo die Matrone plötzlich auf den spinter-Diebstahl anspielt, von dem sie
bisher keine Ahnung hatte) richtig fest: „hic … locus cum ratione fabulae …
pugnat“. Nur führt er nicht aus, warum dieser Webfehler wirklich so anstößig ist,
daß er einer analytischen Remedur bedarf, sondern sucht gleich seine Lösung (die
Tilgung der ,interpolierten‘ Passage) zu empfehlen.
15 Ribbeck: „Bemerkungen zu den Menaechmi des Plautus“ (Anm. 13), S. 544 löst die
Schwierigkeit von v. 739 scheinbar viel weniger gewaltsam: die Matrone habe in
V 1 das spinter gleich zu Szenenbeginn in Menaechmus Sʼ Hand erblickt, und
wenn eine entsprechende Bemerkung im Text nach v. 706 ausgefallen sei, dann
verschwinde mit der Ausfüllung der Lücke gleich auch der unverständliche
Sprung von ihrer Zufriedenheit in v. 705 zum Wutausbruch in v. 708. Nur ist sie
eben der Typ der larmoyanten Keiferin, und überdies hatte Sonnenburg Ribbecks
Lösung (was den Ort der heilenden Ergänzung betrifft) implizit schon im vorn-
hinein widerlegt: ,,an putas illam, si in manibus eius aurum dudum sibi surreptum
conspexisset, nihil amplius viro exprobraturam fuisse …?“
16 Ich meine in diesem Exempel natürlich Langen: Plautinische Studien (Anm. 11), der
aber S. 152f. Sonnenburgs Anstoß gar nicht mehr zur Kenntnis nimmt und nur
Ribbecks ,psychologische‘ Schwierigkeit registriert.
Die Handlung der Menaechmi I 171

Der Allerweltseinwand gegen die Palliatenanalyse (,Jedem griechischen 101


101
Dichter kann auch einmal ein Fehler unterlaufen‘) ist natürlich in dieser
allgemeinen Fassung nicht zu widerlegen; aber eine Unstimmigkeit kann
doch dann mit beträchtlicher Wahrscheinlichkeit als dem Original fremd
gelten, wenn sie von wesentlichen Stileigenheiten des betreffenden Textes in
auffälliger Weise abweicht. Nun ist für die Menaechmi vor allem charakteris-
tisch, daß dem recht simplen Inhalt ihrer Zufalls- und Verwechslungshand-
lung eine recht raffinierte technisch-konstruktive Leistung des Autors ge-
genübersteht;17 das Reizvolle ist gerade das artistische Spiel mit der Einfach-
heit des Schwanks.18 Wenn z. B. der Autor gleich eine ganze Reihe von
Requisiten einsetzt, um dem Publikum bestimmte Gegebenheiten des Spiels
optisch zu verdeutlichen, so wirkt das schwankhaft, aber wie raffiniert und
ökonomisch beutet er seine Requisiten auch im Spiel- und Handlungsablauf
aus! Das Paradestück ist natürlich die palla, das Frauengewand, das Men-
aechmus E zu Spielbeginn seiner Frau entführt, mit dem er gleich in seinem
ersten Auftritt (I 2) als einem Symbol seiner ,heldenhaften‘ Flucht aus dem
Eheleben posiert19 und das später förmlich als Kennmarke seinen Bruder
begleiten wird. Die palla ist aber nicht nur optisches Signal, sie ist sogar am
Zustandekommen dreier wichtiger Handlungsabschnitte mitbeteiligt. In der
Exposition der Matrone entwendet und Erotium geschenkt, erwirbt sie, da
Menaechmus E vor dem geplanten Gelage noch zum Forum gehen muß,
inzwischen dem Menaechmus S die Gunst der Hetäre (I 1 – II 3). Dann
beginnt sie Komplikationen zu stiften: Menaechmus S, der sie nach genos-
senen Tisch- und Bettfreuden als weitere Beute behalten will, statt sie wie ||
versprochen zum Goldsticker zu tragen, darf sich zwar noch als Glückspilz 102
102
fühlen, aber der heimkehrende Menaechmus E gerät (wegen des Diebstahls)

17 Vgl. etwa das Urteil von Steidle: „Zur Komposition von Plautusʼ Menaechmi“
(Anm. 6), S. 250: „… scheint das biotische Element sowie Reflexion und Morali-
sieren dem Stück überhaupt fremd zu sein. Seine Stärke beruht also wirklich ganz
auf dem Durchspielen der Verwechslungen, in diesem Betracht aber hat es eine,
fast möchte man sagen, raffinierte Gestaltung.“ Ich würde nur – wie oben im
Text – stärker betonen, daß es dem Autor gerade auf die Spannung zwischen
dem simplen Grundschema und der perfekten Konstruktionstechnik ankam.
18 Es ist gewiß kein Zufall, daß Wolf-Hartmut Friedrich, der doch in seinem Euripi-
des und Diphilos (München 1953 [Zetemata 5]) die Existenz von inneren Bruchli-
nien auch in den griechischen Dramen thematisiert, weshalb er von Analysegeg-
nern gern als Kronzeuge zitiert wird, vor einer banalen Verallgemeinerung seiner
Ergebnisse gerade anhand der Menaechmi warnt (S. 153): „Dem Rudens mit seiner
reichbewegten Handlung müssen wir von vornherein … mehr Zugeständnisse
machen als einem einfachen Schwank, wie er etwa den Menaechmi zugrunde liegt.
Die Aussichten der Plautus-Analyse sind je nach Vorbild ganz verschieden.“
19 v. 143ff. – Sein Parasit Peniculus muß nach der bildhaften Präsentation sogar
noch dran riechen (v. 170): quod olet? responde :: furtum, scortum, prandium.
172 II. Handlungsgliederung

bei seiner Frau und (wegen der vermeintlichen Veruntreuung) bei Erotium
in Mißkredit (III 1 – IV 3). Schließlich bringt die gutgläubige Behauptung
des Menaechmus S, die palla sei Eigentum der Hetäre, auch ihn bei der Ma-
trone und deren Vater in die Klemme, und als er ihnen durch einen vorge-
täuschten Wahnsinnsanfall entkommt, wird prompt wieder Menaechmus E
an seiner Stelle für verrückt gehalten (V 1–7). Gewiß, kein zweites Requisit
kann in solchem Maß in der Handlung präsent sein, aber noch Menaech-
mus S’ Geldbeutel und Kranz sind sowohl visuell effektvoll eingesetzt wie
handlungsökonomisch gut genützt. Das marsuppium illustriert zuerst sehr
schön die Haltung, die Menaechmus S jeweils zu den Verlockungen der
Stadt Epidamnus einnimmt: in II 1, v. 265ff., muß ihm sein Diener Mes-
senio (da er als amator mulierum besonders gefährdet sei) das Geld vor-
sichtshalber aushändigen, und in II 3, v. 384ff., gibt er es ihm zurück, um
die Uneigennützigkeit von Erotiums Liebe zu erproben. Danach taucht
das Motiv ,Messenio und der Geldbeutel‘ noch zweimal in der Handlung
auf, in V 1, v. 701ff., wo Menaechmus S’ Auftrittsbemerkung, der Diener
sei wohl mit dem Reisegeld in einem Bordell verschwunden, den Zuschau-
ern klarmacht, warum er gegen seine ursprüngliche Absicht, diesen locis
lenoniis künftig fernzubleiben (v. 553), doch wieder mitsamt der palla auf
der Bühne erscheint (Messenio soll ihn lt. v. 437 ja hier abholen), und in V
7, v. 1035ff., wo in einem der letzten Verwechslungsscherze Messenio dem
Menaechmus E verspricht, er werde ihm gleich die Reisekasse holen (worauf
dieser in der Bereitschaft, einen unverhofften Vorteil wahrzunehmen, sich
als echter Zwilling erweist). Was den Kranz betrifft, so wirkt er auch so-
gleich durch die bloße Erscheinung: sein Anblick überzeugt den Parasiten
Peniculus sofort, daß sein vermeintlicher Gönner ihn confecto prandio vinoque
expoto betrogen hat,20 und weckt seine Rachegelüste. Der Kranz bekommt
aber ebenfalls noch seinen eigenen Handlungsanteil: im Übergang von III 3
zu IV 1f. wirft Menaechmus S, der sich mit seiner Beute nach links, Rich-
tung Hafen, absetzen will, den Kranz nach rechts, zur Stadtseite, und lockt
damit seine Verfolger, die Matrone und den Parasiten, auf eine falsche Spur
(natürlich kommt in diesem Augenblick Menaechmus E von rechts).
103
103 Nun also zum spinter. Für dieses kann man gelten lassen, daß es in der
Szene III 3, wo Erotiums Magd es Menaechmus S übergibt, den Punkt der
Handlung mitverdeutlicht oder -ermöglicht, in dem er sich vor dem Ende
seiner Glückssträhne noch einmal als Götterliebling fühlen darf (v. 551 di
me quidem omnes – neben Merkur auch Venus und Bacchus – adiuvant augent
amant).21 Aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Szene

20 v. 463ff.; später (v. 562ff. und 629) erfährt man noch zusätzlich, daß Menaech-
mus S auch betrunken war (der kaum beachtete Zug wird unten für die richtige
Einschätzung seiner Begriffsstützigkeit wichtig).
21 Ähnlich Steidle: „Zur Komposition von Plautusʼ Menaechmi“ (Anm. 6), S. 251:
„Erst die Übergabe des Armreifs schafft … nach der Auseinandersetzung mit
Die Handlung der Menaechmi I 173

das spinter (so wie Szene I 2 die palla) auch für kommende größere Aufga-
ben exponieren soll; jedenfalls erwarten wir von dem ökonomisch arbei-
tenden Autor ohnedies, daß es auch noch an anderer Stelle wie Kleid,
Geldbeutel und sogar Kranz mitspielt. Was wir statt dessen finden, sind
bloß einige nebensächliche Erwähnungen des Armreifs, die man alle ohne
Schaden für den Zusammenhang streichen könnte, weil jedesmal auch die
palla allein dasselbe leisten würde.22 So sagt Erotium in v. 681ff. zu Men-
aechmus E: tibi dedi equidem illam (pallam) … et illud spinter, und er fragt
ebenso zurück: mihi tu ut dederis pallam et spinter? (Aber bis v. 680 und ab
v. 684 geht der Dialog nur um die palla.) Ähnlich nennt die Matrone in
v. 739 pallam atque aurum (vorher in v. 705 und v. 730 nur die palla). Ich er-
spare mir, die weiteren Doppelnennungen in v. 803ff., v. 1061 und v. 1142
auszuschreiben; daß der Goldreif nur in III 3 eine Rolle spielt, also schlech-
ter ausgenützt ist als die anderen Requisiten, sollte klar geworden sein.
Wir dürfen also irgendeinen ändernden Eingriff des Plautus wenigs-
tens vermutungsweise ins Auge fassen, mag er nun (nach Sonnenburg) alle
spinter-Stellen erst eingefügt oder eine spinter-Szene bei V 1 gestrichen haben
(wo der einzige mögliche Handlungsansatz für das Requisit zu finden ist).23

dem Parasiten die Voraussetzung für den … triumphierenden Abgang von Men-
aechmus II; am Abschluß dieses Handlungsteiles wird so dessen Ergebnis dem
Zuschauer noch einmal unmittelbar deutlich.“
22 In der Diagnose richtig also Sonnenburg: De Menaechmis Plautina retractata libellus
(Anm. 12), S. 17f.: „ad totum fabulae argumentum spinter adeo nihil conferre, ut
cur omnino commemoretur non intellegamus, quis est qui neget?“ Wenn man auf
die Gesamthandlung sieht, könnte also auch III 3 gestrichen werden (jedenfalls
in dem uns vorliegenden Text); auch Ribbecks Würdigung („Bemerkungen zu
den Menaechmi des Plautus“ [Anm. 13], S. 539) übertreibt, wenn nach ihr die Sze-
ne nicht nur „allerliebst“, sondern auch „sehr wesentlich“ sein soll. Ribbeck
nennt sie „ein echt weibliches Postscriptum zu dem zärtlichen tête-à-tête und
dem Toilettenauftrag (sc. wegen der palla), gleich charakteristisch für die begehr-
liche Hetäre wie für ihr Mädchen, und auch sehr geeignet, das bisherige Verhält-
nis zwischen den beiden Eheleuten in helleres Licht zu stellen.“ Bestens, aber für
die Handlung wesentlich? (siehe auch bei Anm. 41).
23 Ich lasse die Entscheidung noch offen und bemerke nur, daß Sonnenburgs weite-
re Argumente gegen die Echtheit von III 3 nicht stichhaltig sind. Das eine wäre
die angebliche Unwahrscheinlichkeit, daß Erotiums Magd erst beträchtliche Zeit
(in v. 524) nach Menaechmus S (in v. 466) mit dem spinter auf die Bühne kommt.
Aber sie konnte ja den Auftrag haben, ihm zum Goldsticker nachzugehen; daß er
noch immer vor dem Haus steht, muß sie bei seiner Trunkenheit nicht verwun-
dern; und überhaupt geht der sonst sorgfältige Menaechmendichter mit der
Zeitwahrscheinlichkeit so großzügig um, daß bei richtiger Regie alles gerade noch
klappen kann. (So läßt Erotium in v. 218 ihren Koch Cylindrus aus dem Haus ru-
fen und übergibt ihm in v. 219 auch schon Einkaufskorb und Geld – hatte sie al-
so bei ihrem Auftritt in v. 180 selber einkaufen gehen wollen und der Koch woll-
174 II. Handlungsgliederung

104
104 Zwei weitere relevante Unstimmigkeiten haben mit dem Wissen oder
Nichtwissen der Figuren des Spiels zu tun, und natürlich muß auf diesem
Gebiet auch nicht jede Inkonsequenz in jeder Komödie analytisch von
Bedeutung sein; wieder geht es um Brüche im individuellen Werkstil.
Nicht daß die Matrone in v. 739 gegen ihren bisherigen Wissensstand sich
auf einmal über den spinter-Diebstahl beschwert, ist also bedeutsam, son-
dern daß dies in einem Stück geschieht, dessen Autor ansonsten in einem
scheinbar einfachen Schwank besondere artistische Gewandtheit im Um-
gang mit den Informationen zeigen will, über die die Figuren jeweils ver-
fügen, ja der seine Jongleurkunst manchmal noch herausstreicht, indem er
einen Ball scheinbar fallen läßt und erst im letzten Augenblick wieder
fängt. Wir verfolgen das am besten nicht nur am Wissen um das spinter,
sondern vor allem auch an den Reaktionen des Menaechmus S auf die
Informationen, die er über den Bruder und dessen Lebensumstände erhält.
(Dabei werden wir übrigens auf eine dritte und letzte Schwäche der Szene
V 1 stoßen, die dann auch gegen die Streichung und für die Ausweitung
des spinter-Motivs im Original spricht.)
Bei Menaechmus S liegt klärlich die größte Herausforderung für den
mit unwahrscheinlichen und doch gerade noch akzeptablen Situationen jon-
glierenden Autor. Menaechmus S sucht seit Jahren nach irgendeiner Spur
seines Bruders, er sollte also auf jedes Indiz förmlich lauern und darum
auch relativ bald die richtige Erklärung dafür finden, daß er mit dem Na-
men des Bruders angesprochen24 und von einer ganzen Personengruppe als
Menaechmus ,erkannt‘ wird. Für die erste Verwechslungsszene (II 1) findet
sich zwar bald eine dem Schwankstil gemäße Begründung seiner Blindheit:
er hält seinen Gesprächspartner, den Koch Cylindrus, für verrückt (wie
dieser ihn), und diese simple ,Erklärung‘ läßt man ihm für den Augenblick
der ersten Verblüffung wohl durchgehen. Aber der Autor, der sich mit
105
105 dem schwankhaften Verrücktheitsmotiv nicht begnügen wird, || verläßt
sich, um es zu konterkarieren, nicht darauf, daß es mit jeder Wiederkehr
sozusagen automatisch an Plausibilität verlieren würde (weil die Verblüf-
fung für Menaechmus S immer geringer, sein Wissensstand aber immer
größer und gefestigter werden muß).25 Er hat vielmehr – wie Sophokles

te jetzt gerade nachkommen? Oder: Nachdem Cylindrus v. 332 zum Kochen ins
Haus gegangen war, versichert Erotium, die nach Zwischendialog Messenio –
Menaechmus S schon v. 351 auftritt, in v. 364ff., man könne zu Tisch gehen –
aber vielleicht übertreibt die Hetäre?) – Zum zweiten Argument (des unmögli-
chen Wissens der Matrone) gleich im Text.
24 Er selbst heißt ja eigentlich Sosicles (siehe v. 40ff. und v. 1123ff.).
25 Ein hübscher Beleg dafür, daß der Autor nicht bloß für sich so kalkuliert, son-
dern mit einem das πιθανόόν auch in diesem Betracht sorgsam kontrollierenden
Publikum rechnet, ist ein Spielzug mit dem Parasiten. Menaechmus S hört zuerst
durch Cylindrus, dann durch Erotium (v. 286, 391), daß er einen Parasiten namens
Die Handlung der Menaechmi I 175

seinen König Ödipus durch Teiresias – seinen Menaechmus S durch Cy-


lindrus gleich von Anfang an reichlich mit Wissen ausgestattet,26 mit der
Folge, daß dieses Wissen nicht durch den Verrücktheitsverdacht allein
neutralisiert werden kann.27 In der Cylindrusszene tritt an dessen Seite das
Mißtrauen gegen die raffinierten Bauernfängertricks der Epidamnier (Mes-
senio hat seinem Herrn schon vorher entsprechende Bedenken eingeflößt,
v. 258ff., dann eine erinnernde Zwischenbemerkung im Gespräch mit
Cylindrus angebracht, v. 283, und nach dessen Abgang das Namensrätsel
damit erklärt, daß die raffinierten Hetären die Namen der Neuankömmlin-
ge schon im Hafen eruieren lassen, v. 338ff.). Folgt als zweites die Begeg-
nung mit Erotium (II 3). Hier übernimmt die Stützfunktion anstelle des
Mißtrauensmotivs das der Liebesprobe28 (der einem Abenteuer nicht ab-
geneigte Menaechmus S will laut v. 386 sehen, ob ihr an ihm oder seinem
Geldbeutel mehr gelegen ist). Das neue Motiv dient übrigens nicht nur der
Variation, sondern nimmt auch wieder dem zwar weiter geäußerten Ver-
dacht, sie sei „verrückt oder betrunken“ (v. 373) oder „träume im Stehen
wie ein Gaul“ (v. 395), seine Funktion, Menaechmus’ Gutgläubigkeit
plausibel zu machen, zum Teil ab: er widerspricht ja ihren Behauptungen
nicht mehr einfach, um der Wahrheit die Ehre zu geben, sondern weil er
herausbekommen will, ob sie ihm trotz seines Sträubens weiter Avancen
machen wird. Und da auch sie weniger am Inhalt seiner Behauptungen
interessiert ist als an seiner Gunst (soll er ihr doch die eben || geschenkte 106
106
palla auch noch kostspielig umarbeiten lassen), widerspricht sie ihm zwar,
z. B. indem sie ihm sogar (in v. 407ff.) Namen, Vatersnamen, Herkunft
aus Syrakus und die Herrscherliste der Stadt von Agathokles bis Hieron
vorhält. Aber selbst dieser objektiv kritische Augenblick29 ist subjektiv gar
nicht so kritisch, da sie ihm, wie der Kontext von ihrem non ego te novi …?

Peniculus haben soll. Als der ihm dann in III 2 leibhaftig begegnet, fragt er ihn
v. 498 nach seinem Namen. Da will es genossen werden, daß die ganze Ahnungs-
losigkeitskonstruktion zusammenbräche, wenn Peniculus nicht erwiderte: etiam
derides quasi nomen non noveris!
26 Cylindrus identifiziert ihn in II 2, auch namentlich, als den Menaechmus, der im
Nachbarhaus wohnt und mit seinem Parasiten Peniculus heute bei seiner Hetäre
Erotium tafeln will (fehlen also nur Matrone und palla-Motiv, damit Erotium in
II 3 auch noch etwas, natürlich steigernd, nachliefern kann).
27 Warum sollte gerade ein Verrückter Menaechmus Sʼ Namen kennen? Vers 297
macht eigens auf das Problem aufmerksam: pro sano loqueris cum me appellas nomine.
28 Soweit ich die Sekundärliteratur überblicke, ist weder die Funktion des Motivs
noch (damit zusammenhängend) das Spiel mit den erotischen Zwischentönen in
v. 405–415 bemerkt oder gewürdigt worden.
29 Messenio muß seine frühere Theorie, die Hetären besorgten sich ihre Informati-
onen im Hafen, an dieser Stelle noch überbieten: „Allmächtiger, dieses Weib
kommt doch nicht aus Syrakus, da sie dich so gut kennt!?“
176 II. Handlungsgliederung

bis zu seinem pernegari non potest beweist, in verlockendem und schäkern-


dem Ton widerspricht, der (beiderseits) wohl auch von den passenden
Gesten begleitet war.30 Jedenfalls entschließt er sich unmittelbar danach,
ihre Einladung anzunehmen.
Besonders witzig ist, daß man nachträglich noch von ihm erfährt, daß
ihm an ihren Beteuerungen deren Dummheit sehr attraktiv erschien (weil
man diese ausbeuten kann).31 Im Grund ist er sich also im klaren, daß sie ihn
mit jemand verwechselt.32 Weiß er das aber, dann wäre die nächste Frage
doch, mit wem. Zumindest in der dritten Begegnung, der mit Peniculus
(III 2), müßte ihm also endlich ein Licht aufgehen. Den Parasiten braucht er
nicht als Vertreter des betrügerischen Hetärenhaushalts zu verdächtigen, der
bestätigt ihm vielmehr – schon zum vierten Mal, davon dreimal in annä-
hernd demselben Wortlaut33 –, daß er seiner Frau eine palla gestohlen habe.
Da reicht kein Mißtrauen und keine Aussicht auf ein (auch finanziell) billiges
Abenteuer mehr aus, ihn am Denken zu hindern. Da tritt das dritte und
stärkste Stützmotiv in Aktion, das ihm nochmals zu sagen erlaubt ,,Bei dir
stimmt’s nicht im Kopf“ (v. 506): seine Trunkenheit.34 Das auf den ersten
Blick grobe Mittel, das Aussetzen seiner Denkfähigkeit zu begründen, ist
doch sehr fein ausgenützt: Menaechmus S wird von dem zornig-
107
107 enttäuschten Parasiten mit Vorwür-||fen förmlich überfallen (v. 487ff.), rea-
giert aber nicht unbeherrscht, sondern mit der Würde, um die sich gerade
ein Betrunkener bemüht (v. 494 adulescens, quaeso, quid tibi mecum est rei eqs.),
und mit derselben Gelassenheit (die den Unsinn erst richtig zur Geltung
bringt) teilt er ihm dann mit non tibi sanum est, adulescens, sinciput, intellego.35
Keiner, der dieses Spiel mit dem Informationsstand der Figuren ein-
mal durch ein paar Szenen verfolgt und genossen hat, wird sich wundern,

30 In dem Dialogstück v. 405–415 sind die zwei Fragen, ob er zugibt, Menaechmus


zu sein, und ob er ihrer verführerischen Einladung endlich nachgibt, unentwirr-
bar ineinander verflochten. Darum wird sie nach dem direkt-eindeutigen i hac
mecum semul (v. 405) gewiß auch non ego te novi eqs. (ab v. 407) im Ton der zwei-
deutig lockenden Hetäre sprechen. Und ebenso spielt dann sein ,,Ich kann nicht
länger Nein sagen!“ mit den beiden möglichen Bedeutungen von pernegare: eine
Behauptung bestreiten (also seine Identität), und jemandem etwas abschlagen (al-
so ihre Einladung). Erst Messenios anschließendes ne feceris legt Menaechmusʼ
witzig doppeldeutige Antwort einseitig fest.
31 v. 440f.: mulier haec stulta atque inscita est; quantum perspexi modo, est hic praeda nobis.
Vgl. auch v. 481f., in der nächsten Anm. zitiert.
32 Siehe z. B. v. 406: alium hominem, non me quaeritas, oder seinen Rückblick auf die
Szene in v. 481ff.: quoniam sentio (eam) errare, extemplo, quasi res cum ea esset mihi, coepi
adsentari.
33 v. 392f., 426–429, 480f., jetzt v. 507f.
34 Belegstellen für seine Trunkenheit in Anm. 20.
35 Erst als er sich gleich danach als Kinäde verdächtigt glaubt, reagiert er – mit dem
typisch jähen Stimmungsumschwung des Betrunkenen – beleidigt.
Die Handlung der Menaechmi I 177

daß der Autor eines solchen Spiels auch im Kleinen ganz exakt arbeitet.
Dafür auch noch gleich ein Beispiel aus III 2: Da darf der Parasit Men-
aechmus S einmal nicht verstehen, während er ihn belauscht. (Menaech-
mus S in v. 479ff.:) „Dieses Kleid, sagte sie, hätte ich ihr gegeben, und ich
hätte es meiner Frau gestohlen. Sobald ich merkte, wie sie sich irrte, da
begann ich ihr sogleich zuzustimmen, als hätte ich tatsächlich was mit ihr.“
Würde Peniculus das hören, dann wüßte er, daß Menaechmus S nicht
Menaechmus E sein kann. Der Autor hat schon v. 477 vorgebaut (Pen.):
„Ich kann nicht genau hören, was er sagt.“
Wir dürfen angesichts dieser durchgehenden Eigenheit des Stücks zu-
versichtlich behaupten, daß das plötzliche unerklärte Wissen der Matrone
vom spinter analytisch anstößig ist. Bei dem Trost, den uns Marti36 im Lan-
gen-Stil anbietet, werden wir uns jedenfalls nicht beruhigen. Marti vergleicht
die zwei Geschenke, die Erotium in den Menaechmi bekommt, mit den zwei
Geschenken an die Hetäre Thais im Eunuchus 37 und meint, auch in den
Menaechmi werde „bald das eine Geschenk, bald beide, in freiem Wechsel
erwähnt“. Wie wenig da, sieht man einmal von der Problemszene V 1 ab,
von freiem Wechsel die Rede sein kann, zeigt sich, sobald man wieder die
Informationsvergabe an die in Frage kommenden Figuren verfolgt.
Der Parasit Peniculus, der einzige Informant der Matrone, hört vom
spinter nichts. Das ist zweifach auffällig. Zum einen hätte der Dichter, wie
er ihn am Beginn von III 2 etwas nicht verstehen läßt, ihn noch am Anfang
von III 3 die ersten Verse von Erotiums Magd belauschen lassen können
(bis v. 527 iubeasque spinter novom reconcinnarier). Und zum andern versichert
Peniculus dann in IV 2 sogar einmal ausdrücklich, er habe alles || verraten, 108
108
was er wußte (v. 637 omnia hercle uxori dixi).38 Infolgedessen wirft in IV 2
auch die Matrone ihrem Gatten nur den palla-Diebstahl vor.
In IV 3 wird Menaechmus E mit Erotium konfrontiert. Und so leicht
man da das spinter (als handlungsirrelevant) streichen könnte, so unge-
zwungen paßt die Weise, wie es genannt wird, in den Kontext. Menaech-

36 Heinrich Marti: Untersuchungen zur dramatischen Technik bei Plautus und Terenz. Dis-
sertation, Universität Zürich 1959, S. 88, Anm. 18 (zu Langen: oben Anm. 11).
37 Dort ist z. T. nur von dem für die Handlung wichtigen Eunuchen die Rede, z. T.
auch von einer äthiopischen Sklavin, die wohl erst Terenz aus Effektgründen
hinzugefügt hat.
38 Weil das Argument an dieser Stelle einen doppelten Vorgriff bedeutet (sowohl
von der analytischen Diagnose auf die Therapie wie von der Inhaltsanalyse auf
den strukturanalytischen Nachweis, daß zwischen III 3 und IV 1 im Original kei-
ne Aktgrenze lag), weise ich nur in der Anm. darauf hin, daß Peniculusʼ Aus-
schluß von der spinter-Information auch durch die Szenenführung sichtbar betont
ist: der Denunziant geht in III 2 zur Matrone, dann erhält in III 3 das spinter sei-
nen Expositionsauftritt, und unmittelbar nach dessen Ende kommt der Verräter
mit ihr aus dem Haus.
178 II. Handlungsgliederung

mus E hat zuvor nur die palla zurückverlangt, nur die wollte ja seine Frau
wieder sehen. Nun Erotium, zunächst verblüfft auf seine Bitte reagierend
(v. 681): tibi dedi equidem illam, ad phrygionem ut ferres, paullo prius, „die hab’
ich doch dir gegeben …“; dann fügt sie, um ihm mit einem weiteren Hin-
weis auf die Spur zu helfen oder jede Verneinung abzuschneiden, noch
hinzu: et illud spinter, ut ad aurificem ferres, ut fieret novom. 39 Er streitet natürlich
beides ab, bleibt aber im folgenden wieder bei dem ihn interessierenden
Thema der palla. Dasselbe Spiel wiederholt sich übrigens später in v. 1049
mit v. 1061 und in v. 1138ff.: Immer hat Menaechmus E guten Anlaß, die
palla zu nennen, und ganz ungezwungen wird er auch an das spinter erin-
nert (von Erotium bzw. seinem Bruder, der natürlich Bescheid weiß).
Wir können also – da das spinter außer in V 1 nirgends „in freier
Wahl“ genannt ist, sondern der Wissens- und Interessensstand der Figuren
sonst immer berücksichtigt bleibt – unsere frühere analytische Diagnose
mit größerer Bestimmtheit wiederholen: der Goldreif ist in unserem Men-
aechmen-Text in der Szene V 1 gegen den sonst zu beobachtenden Werkstil
eingesetzt; er gehört also mit ziemlicher Sicherheit entweder als plautini-
scher Zusatz eliminiert, wenn wir die originale Fassung wiederherstellen
wollen, oder in etwas anderer Funktion eingesetzt (indem er irgendwie
mitspielt und die Matrone in der Szene selbst von ihm erfährt).
Hier sei vorausgreifend gleich bemerkt, daß die erstgenannte der bei-
den Therapiehypothesen, der variierte Sonnenburg, auf einem literarhisto-
109
109 risch durchaus akzeptablen Plautusbild basieren würde: Plautus || hätte sich,
als er in III 3 das Motiv von der erbetenen spinter-Umarbeitung einfügte,
von den entsprechenden palla-Versen in II 3 anregen lassen (v. 425ff.),
etwa so, wie er auch in den Bacchides die ganze zweite Briefintrige aus der
einen des Originals entwickelt hat.40 Im plautinischen Sinn lustig genug
wäre die Szene, die in den Versuch von Menaechmus S und der Magd
ausläuft, jeweils den anderen auszubeuten (v. 541–574).41 Und bei den
weiteren spinter-Erwähnungen hätte Plautus eben einmal geschlafen – mit
dem „Werkstil“ seiner Einfügungen wäre nicht so leicht zu rechten.

39 Unbegründet also Sonnenburgs Verdächtigung der Verse (De Menaechmis Plautina


retractata libellus [Anm. 12], S. 24): „quod … ad phrygionem ut ferres prorsus similiter
dicitur atque … ut ad aurificem ferres, minus exercitatum prodit poetam.“
40 Darüber zuletzt in meiner Handlungsgliederung (Anm. 3), mit Zustimmung der
Rezensenten Lefèvre (Anm. 4) – der diese These in ähnlicher Form schon vorher
vertreten hatte –, J. Christopher B. Lowe (in: Classical Review 35 [1985], S. 396f.)
und Douglas N. Lacey (in: Classical Journal 81 [1986], S. 262f.).
41 Ribbecks Würdigung der Szene (siehe Anm. 22), die genau besehen nur ihrer
literarischen Qualität als in sich ruhendes Gebilde gilt (denn warum sollte man
Plautus nicht zutrauen, aus im Kontext vorgegebenen Elementen eine gute Szene
zu bauen?), hilft also in der Analysefrage nicht weiter.
Die Handlung der Menaechmi I 179

Trotzdem muß der andere Therapievorschlag die Konkurrenz der


Hypothesen gewinnen, vor allem, weil nur er gewährleistet, daß das Spiel
um die Glaubwürdigkeit von Menaechmus S’ Nichtbegreifen der Lage, das
wir oben beobachtet haben, in angemessener Form, ohne Stilbruch und
Widersprüche, weiterläuft. Wir erinnern uns: in den drei Verwechslungs-
szenen, an denen Menaechmus S bisher beteiligt war (mit Cylindrus, Ero-
tium und Peniculus – in dem Gespräch mit der Magd ist ja nicht seine
Identität das Thema), scheint die anfänglich verwendete ,Erklärung‘ im
Schwankstil (daß die anderen verrückt seien) einigermaßen erschöpfend
durchgespielt, und was die stützenden Zusatzbegründungen für das Nicht-
funktionieren seines Denkvermögens betrifft, ist nach Mißtrauen, eroti-
scher Präokkupation und Trunkenheit auch keine Steigerung mehr zu
erwarten. Dazu kommt, daß er bereits in der Begegnung mit Erotium bei
der Einsicht angelangt war, daß er mit jemandem verwechselt wird. Nun
trifft er also in V 1 mit der Frau seines Bruders zusammen: da sollte ihm,
nachdem der Weinnebel sich verzogen hat, doch der langerwartete Schritt
zur Lösung gelingen. Sehen wir also zu, wie der Autor in V 1 mit diesen
Gegebenheiten und Voraussetzungen umgeht.
Der erste Szenenteil wirkt (nachdem in IV Menaechmus E die zentra-
le Gestalt gewesen war) wie eine rekapitulierende und anknüpfende Zu-
sammenfassung. Menaechmus S und die Matrone sprechen in den Einlei-
tungsversen jeder für sich, mit zum Teil wieder schwankartiger Wirkung
(sowohl er mit seinen Vermutungen über Messenio – v. 703 immersit aliquo
sese credo in ganeum, v. 706 demiror ubi nunc ambulet Messenio – als auch sie mit
ihrer plötzlichen Aggressivität – v. 705 salva || sum, pallam refert, v. 708 non 110
110
te pudet prodire in conspectum meum eqs. – verhalten sich lustig inkonsequent);
zum Teil zielt das getrennte Sprechen, in der uns vertrauten Stilmischung,
auch wieder auf das Jongleurspiel mit der Enthüllungsgefahr. Indem näm-
lich Menaechmus S, in sein Selbstgespräch über Messenio versunken, zur
Hafenseite blickt, wo er den Diener vermutet, entgeht ihm, daß die Ma-
trone aus dem Haus seines Bruders auftritt, das ihm schon Cylindrus
(v. 307) als das seine vorgestellt hatte.42 So muß er sie nicht gleich identifi-
zieren und kann auf die unfreundliche Anrede einer völlig Unbekannten
(wie schon gehabt) mit Verblüffung und Wahnsinnsverdächtigung reagie-
ren;43 und um die Situation noch etwas länger in Schwebe zu halten, er-

42 Übrigens läßt sich auch der Abgang des Peniculus zur Matrone (v. 521) so spie-
len, daß Menaechmus S dessen Ziel, das Haus des Bruders, einfach ignoriert: er
kann sich von ihm mit non tu abis quo dignus es (v. 516) verachtungsvoll abwenden.
43 Zu v. 710, quae te res agitat, mulier, zitiert P. Th. Jones (T. Macci Plauti Menaechmi,
hg. mit Einleitung und Anmerkungen von P. Thoresby Jones. Oxford 1918) Aul.
v. 642, laruae hunc agitant, und Verg. Aen. 4, v. 471, scaenis agitatus Orestes. Folgt
v. 714ff. der Vergleich der Matrone mit der Hündin Hecuba: höher als bis in die
Mythologie gehtʼs nicht mehr, darum nur noch v. 738 sanan es als Nachklang.
180 II. Handlungsgliederung

hebt sie bis v. 728 auch keine konkrete Beschuldigung, sondern deutet nur
auf istaec flagitia (v. 719, 721) und tuos mores (v. 726).
Jetzt aber gabelt sich der Weg. Nach unserem Plautustext trifft ab
v. 729 unseren Menaechmus ein Schlag nach dem anderen. Zum fünften
Mal wird er des palla-Diebstahls bezichtigt, jetzt noch dazu von der Eigne-
rin – seine Erklärung, eine andere habe ihm das Kleid zum Umarbeiten
gegeben, bringt sie so in Rage, daß sie nach ihrem Vater schickt, d. h. mit
der Scheidung droht (v. 736f.) – seine neuerliche Abwehr sanan es? beant-
wortet sie mit verdoppeltem Vorwurf (v. 739 pallam atque aurum meum eqs.)
– zu guter Letzt erscheint der Vater –: und Menaechmus kapiert nichts.
Hier ist das intellektuelle Spiel mit der Erwartung des Publikums (Wird er
endlich begreifen? Und wenn nicht, warum nicht?) offenbar aufgegeben,
hier regiert einfach das rasche Slapstick-Tempo, das weder Menaechmus
noch die Zuschauer zur Besinnung kommen lassen will, aus dem Liebäu-
geln mit der Farce ist die reine Farce geworden. Hier fassen wir denselben
Gestaltungswillen, auf den sich die Schlußszene zurückführen läßt (V 9), in
der die Zwillinge einander endlich gegenüberstehen. Denn noch dort pro-
testiert Menaechmus S gegen die Wahrheit, die er sucht (ich greife v. 1078f.
heraus): tu es Menaechmus? Menaechmus E: me esse dico, Moscho prognatum
111
111 patre.44 Menaechmus S: tu meo patre es prognatus? Das ist der || Gipfel des
Mißverstehens, bis zu dem das reine Schwankmotiv der Verblüffung ge-
steigert werden konnte; aber so gut diese eine Linie hier zu Ende geführt
ist, dem Gesamtstil der Verwechslungsszenen bis zum Anfang von V 1
und dann wieder der Szenen V 2 (ab v. 828) und V 3 entspricht sie nicht.
In v. 828ff. legt Menaechmus S, von der Matrone und deren Vater be-
drängt, weil nun selber des Wahnsinns verdächtigt, doch beachtliche Pfif-
figkeit an den Tag: sofort greift er nach der Chance, die beiden gerade mit
der gespielten Aggressivität des scheinbar Wahnsinnigen loszuwerden.
Und dann begreift der zu so schneller Reaktion Fähige in V 9 genau so
wenig wie sein Bruder, nämlich nichts, bis der Sklave Messenio (ab
v. 1081) den Knoten auflöst. Diese wahrhaft plautinische Konstellation
von dummem Herrn und klugem Diener ist dem Publikum gewiß nur
zuzumuten, wenn der ganze Schluß presto gespielt wird.
Ich denke, die angeführten zwei Gründe – betont schwankhafte
Tempokomik in V 1 und V 9 gegen den sonstigen Werkstil, und Wider-
spruch zwischen Menaechmus S’ Begriffsstützigkeit in diesen Szenen und
seinem Verhalten in V 2f. – machen die Diagnose so gut wie sicher, daß
auch diese Inkonsequenz in V 1 quellenanalytisch auszuwerten ist.

44 Überaus witzig, daß dem Menaechmus S jetzt der Bruder mit denselben Worten
seine eigene Identität bestreitet, mit denen ihn Erotium in II 3 überreden wollte,
die Identität des Bruders als die seine zu akzeptieren (v. 407): non ego te novi Men-
aechmum, Moscho prognatum patre?
Die Handlung der Menaechmi I 181

Welchen anderen Weg kann nun die Handlung ab v. 729 im Original


genommen haben? Ich sehe nur eine Möglichkeit, alle beobachteten Stö-
rungen auf einen einzigen plautinischen Eingriff zurückzuführen.45 Meine
These: Im Original ergab sich etwa an der Stelle von v. 73946 eine längere
Debatte über den Armreif. Sie konnte eingeleitet sein dadurch, daß die
Matrone das spinter in der Hand des Menaechmus S erblickte,47 oder ef-
fektvoller dadurch, daß er auf ihren Vorwurf, seiner Freundin ihr Kleid
gebracht zu haben, ironisch repliziert: „Gleich wirst du auch noch behaup-
ten, dieses Armband gehört dir!“ und daß sie es daraufhin identifiziert.
Damit ist erstens zwanglos erklärt, wie sie von dem spinter erfährt; zweitens
gewinnt das Requisit damit zwangsläufig seinen Anteil an der Handlung,
weil das nicht ohne längere Debatte abgehen kann; und drittens erhält
Menaechmus S in dem Wortwechsel endlich die Möglichkeit, seinen Ver-
stand so zu benutzen, wie er es anschließend in V 2 || zustandebringt, in- 112
112
dem er endlich entdeckt, daß er ins Liebes- und Eheleben des gesuchten
Bruders hineingeplatzt ist, und indem er sich rasch entschließt, wie er sich
angesichts dieser Entdeckung weiter verhalten soll (natürlich muß er zu
einem Entschluß kommen, der die Komödie nicht abrupt beendet). Wie
das im einzelnen ausgeführt war, darüber können wir selbstverständlich
nur Vermutungen anstellen. Eine Möglichkeit, die ich z. T. im Hinblick
darauf vorschlage, weil ich eine Parallele zu einem später auch noch vorzu-
schlagenden Monolog gewinnen möchte, ist die: Menaechmus wird ganz
drastisch aufgeklärt, indem die über sein Leugnen ergrimmte Matrone
zurückfragt, ob er etwa auch abstreiten wolle, daß sein eigener Name in
den Armreif eingraviert sei, und nach diesen Worten ihn empört auf der
Bühne allein läßt. So erhält er Gelegenheit, in einem Monolog die Wahr-
heit zu entdecken und, da er auch schon den Alten kommen sieht, rasch
noch den Plan auszuknobeln, daß er spaßhalber fürs erste weiter den Bru-
der mimen will, um dessen Lebensumstände noch genauer kennenzulernen.
Natürlich vergesse ich nicht, daß diese Skizze in den Einzelstrichen
unsicher ist, aber ihre Umrisse liegen m. E. doch mit hoher Wahrschein-
lichkeit fest. Daß Plautus geändert haben muß, ist sicher (und wird even-
tuellen Zweiflern noch ,strukturanalytisch‘ bewiesen werden); und auf die

45 Daß es mit der Tilgung der spinter-Stellen nicht geht, ist gewiß nur mehr eine
Anmerkung wert: am Possenstil von V 1 ändert sich nichts, wenn wir atque aurum
in v. 739 streichen. – Eine Folge der banalen Feststellung ist immerhin, daß, so-
bald wir hier nicht streichen, auch III 3 zum Original gehören muß.
46 Setzen wir die von Plautus getilgte Szene hier ein, dann gewinnt der Schwieger-
vater auch etwas längere Zwischenzeit für seinen Anmarsch (in unserem Plautus-
text wird er nach v. 737 von seinem außerszenischen Haus geholt und ist v. 746
für die Figuren auf der Bühne schon sichtbar). Vgl. allerdings zur Zeitbehand-
lung des Autors die Anm. 23.
47 So Ribbeck: „Bemerkungen zu den Menaechmi des Plautus“ (Anm. 13), S. 544.
182 II. Handlungsgliederung

Frage, wie das Original von den besprochenen Unstimmigkeiten zu befrei-


en ist, sehe ich keine andere diskutable Antwort. Man könnte gegen meine
These einzuwenden versuchen, sie sei doch viel zu aufwendig, müsse sie
doch von V 1 an (also für ein ganzes Drittel des Stücks) fortlaufend plau-
tinische Änderungen postulieren, wenn Plautus wirklich seinen Menaech-
mus S sowohl bis V 3 (wo er unter Wahnsinnsverdacht steht) wie dann in
V 8f. (wo die Brüder einander begegnen) vom quasi Regie führenden akti-
ven Gestalter seiner Rolle zum Opfer des Regie führenden Zufalls umge-
schrieben hätte. Nun ergibt sich bei meinem Lösungsvorschlag tatsächlich,
daß Plautus einen qualitativ so beträchtlichen Eingriff ins Original ge-
macht hat, den intrigierenden Menaechmus S zum verfolgten umzuschrei-
ben; ich bestreite aber, daß dazu quantitativ so viele Änderungen nötig
waren. Man überlege kurz (oder überprüfe noch besser durch Lektüre des
Textes): der ganze Unterschied zwischen den beiden Versionen besteht
sowohl in V 2, in der Konfrontation mit der Matrone und dem Alten, wie
zu Beginn von V 8f., beim Zusammentreffen mit Diener und Bruder, bloß
darin, daß Menaechmus S bei Plautus wirklich zornig oder ablehnend oder
ahnungslos ist, während er im Original den Zornigen oder Ablehnenden
oder Ahnungslosen nur spielt. So bleiben in V 2 trotz geänderter Voraus-
setzungen die Folgen für Menaechmus S gleich: er wird für verrückt gehal-
113
113 ten und mimt, um der Zwangsjacke zu || entgehen, seinerseits den Ver-
rückten.48 In V 9 muß er sich dann allerdings, nach anfänglicher Verstel-
lung als Ahnungsloser, doch einmal als der eigentlich Wissende präsentie-
ren. Das bedeutet, daß Plautus in relativ freier und selbständiger Gestal-
tung erst den Schluß, von etwa v. 1070 oder v. 1080 an, schreiben mußte;
viel weniger Aufwand war in V 1–3 und in V 8/9 (Anfang) nötig. Neben
dem Ersatzdialog, der in V 1 die gestrichene(n) spinter-Szene(n) überbrückt
(ca. v. 740–752), bedurfte es etwa folgender Eingriffe: in V 3 muß die zwei
Verse 879–881 jetzt ein ängstlich flüchtender Menaechmus sprechen, ins
Original paßte besser eine Äußerung der Belustigung und des Willens,
weitere Abenteuer auf den Spuren des Bruders zu suchen; und zu Beginn
der Schlußszenen mußte Plautus wohl einige a-parte-Bemerkungen des
Menaechmus S tilgen, die dem Publikum das wahre Verhältnis zwischen
den Figuren im Bewußtsein hielten.
Ich will nicht verschweigen, daß ich, ohne vollgültige Beweise anbie-
ten zu können, noch mit weiteren plautinischen Änderungen im Gefolge
der eben diskutierten rechne. Das ist jedenfalls zunächst einmal denkbar.
Wenn nämlich im Original Menaechmus S gegen Ende zum spielgestalten-

48 Die Komik der Szene V 2 ist im Original um die Pointe reicher, daß Menaechmus
S sich mutwillig selbst in die Zwangslage manövriert: die Matrone will er ja mit
seinem gespielten Wahnsinn nur loswerden, weil sie ihm auf die Nerven geht,
aber er bringt dabei den Vater auf die Idee, Sklaven zu holen, qui hunc tollant et
domi devinciant (vgl. v. 827–832 mit v. 842–847).
Die Handlung der Menaechmi I 183

den Intriganten wurde, so paßt es umgekehrt dazu, wenn Menaechmus E


deutlicher als sein Opfer hervortrat. Das konnte er am besten in einem
Monolog, mit dem er nicht wie bei Plautus erst in V 5, nach dem Alten
und dem Arzt, sondern schon vor den beiden, also vor v. 882, wieder die
Bühne betrat. Möglicher Inhalt des Monologs: „Auf dem Forum traf ich
einen Freund, dem ich mein Leid klagte: Frau und Freundin hätten mich
ausgesperrt, beide wegen einer palla, und so sei ich nicht einmal zu einem
Essen gekommen. Darauf der Freund: ‚Geschieht dir ganz recht! Als ich
dich vor kurzem traf, hast du mir ja selbst erzählt – das Kleid in der Hand
–, daß du Frau und Freundin drum betrogen hast.‘ Ich beteuerte, ich hätte
das Kleid nicht, darauf wieder er: Dann könne ich also nicht sein Freund
Menaechmus sein, ich sähe nur so aus, und den Doppelgänger werde auch
er nicht zum Essen einladen. Mir bleibt nur die Straße vor meinem Haus
als Lagerstatt.“ Wenn ein solcher Monolog im Original stand, dann mußte
ihn Plautus tilgen, weil er ja den intrigierenden Menaechmus S voraussetzt.
Dafür, daß ein solcher Monolog für das Original nicht nur denkbar,
sondern wünschenswert wäre, spricht nun immerhin, daß mit seiner || Er- 114
114
gänzung folgende drei Unebenheiten aus dem plautinischen Text ver-
schwänden: Erstens. Menaechmus E war in v. 700 (als exclusissimus) abge-
gangen, um sich mit Freunden über die Lage zu beraten. Eine solche Ab-
gangsbegründung pflegt beim Wiederauftreten einer Figur wieder aufge-
griffen zu werden; aber er sagt in v. 899ff. kein Wort über irgendeinen Rat
irgendeines Freundes. Zweitens. Als der Alte v. 875 den Arzt holen gegan-
gen war, hatte er vermeintlich Menaechmus S nach dem Wahnsinnsanfall
in tiefer Bewußtlosigkeit zurückgelassen. Nun kommt er (v. 882, nach
Aktschluß) wieder, in großer Eile dem Arzt, den er lange nicht erreicht
hatte, vorauslaufend – und das Publikum49 erwartet wohl, daß er sich’s aus
Besorgnis um den Schwiegersohn so eilig macht. Also müßte er sich über
dessen Verschwinden besorgt zeigen oder über sein späteres Erscheinen
dann eine verwunderte Bemerkung machen. Die Unebenheit der plautini-
schen Fassung ist verschwunden, wenn der Stellungswechsel der Men-
aechmi schon vor v. 882 erfolgt. Drittens. In dem kleinen Monolog, den
Menaechmus E nach seiner Befreiung durch Messenio hält, wundert er
sich, daß „die einen sagen, daß ich nicht der bin, der ich bin, und sperren
mich aus“50 – aber ausgesperrt haben ihn bisher, wenn wir nicht den

49 Steidle: „Zur Komposition von Plautusʼ Menaechmi“ (Anm. 6), der S. 258 den An-
stoß bespricht, formuliert ihn nur von den Figuren aus (warum sind der Alte und
der Arzt nicht verwundert?) und handelt sich damit Woyteks Protest ein („Zur
Herkunft der Arztszene in den Menaechmi des Plautus“ [Anm. 10], S. 177): der ana-
lysierende Kritiker dürfte seinen Horizont nicht einfach mit dem der Figuren
gleichsetzen. Richtig, aber es kommt auch auf den Horizont des Publikums an.
50 v. 1040. – Zur richtigen Textgestaltung des Passus vgl. Woytek: „Zur Herkunft
der Arztszene in den Menaechmi des Plautus“ (Anm. 10), S. 174f.
184 II. Handlungsgliederung

Freund mit ins Spiel bringen, nur Frau und Hetäre, allerdings ohne ihm
seine Identität zu bestreiten.
Aber sei dem wie immer: selbst wenn Plautus nicht nur in V 1–3 und
V 8f., sondern auch in V 3f. eingegriffen hat wie eben vorgeschlagen, hat
sich seine Bearbeitertätigkeit wohl quantitativ etwas ausgebreitet, nicht aber
qualitativ intensiviert. Alle diese Änderungen haben ja ein und dieselbe Wur-
zel: Menaechmus S soll nach Plautus’ Willen auch im letzten Werkdrittel
die Schwankfigur bleiben, an der er auch vorher hauptsächlich interessiert
war, ja der Schwankcharakter des Spiels soll sich steigern. Menaechmus S
soll reines Opfer des Zufalls sein, durch immer neue Überraschungen
immer mehr verwirrt, bis zuletzt sein Sklave der Klügere ist. Im Grunde
geht es Plautus also um ein simplex et unum in seinem Stil.
Die quellenanalytische Betrachtung einer Plautuskomödie muß, wie man
sieht, nicht bei einem Plautus enden, der nur an Einzelheiten herumbastelt,
also hier und da etwas zerdehnend oder vergröbernd eingeflickt oder beden-
115
99 kenlos ein Stück des Originals weggeschnitten hätte, || ohne daß ihm selbst
ein Gesamtkonzept seiner Bearbeitung vorgeschwebt wäre. Ich verweise,
um eine Parallele zu nennen, nochmals auf meine Analyse der Bacchides,51
wo Plautus, wie ich glaube,52 die Informationsvergabe an den Hauptlieb-
haber Mnesilochus gegenüber dem dritten Akt des Originals verändert hat,
um einen kammerspielartigen Handlungsteil in eine possenhafte und thea-
tralisch effektvolle Szenenfolge zu verwandeln, und wo er, wie jetzt wohl
allgemein anerkannt, den ganzen Schlußteil neu geschrieben hat, um den
Intrigensklaven als triumphal überlegenen Beherrscher des Spiels heraus-
zustellen. Und erst wenn Ergebnisse dieser Art besser abgesichert sind,
d. h. wenn man Bearbeitungstechnik und Stilwillen des Plautus im Gestal-
ten ganzer Handlungen aus der Analyse von mehr Stücken kennt, werden
auch die Literaturkritiker leichter vergleichen und werten können.53

51 Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata [71–166]. – Auch an der Aulularia


läßt sich derselbe Stilwille des Plautus erweisen; vgl. dazu vorläufig Adolf Prim-
mer: „Menanders ‚Geiziger‘ “, in: Maske und Kothurn 30 (1984), S. 1–7 [217–224].
52 Die zweifelnden Rezensenten (siehe Anm. 40) haben m. E. die Valenz der neuen
strukturanalytischen Argumente unterschätzt.
53 Die bei Anm. 8 angedeuteten Fragen behandeln wir besser im geplanten zweiten
Teil dieser Arbeit (siehe Anm. 9) im Zusammenhang mit dem Versuch, die Men-
aechmi auch in strukturanalytischen Kategorien zu beschreiben. Die Richtung, in
der wir m. E. eine angemessene Würdigung des Plautus zu suchen haben, ist im
Text ohnedies schon angedeutet: Beobachtung der bewußten Umstilisierung ei-
ner Komödie mit Possenelementen zu einer Posse mit Komödienelementen, in
welcher der Zufall den Intriganten macht (das unterschiedliche Verhältnis, in
dem im Original, bei Plautus, Shakespeare und Regnard Zufalls- und Intrigen-
elemente auftreten, wird von Interesse sein); in diesem Rahmen dann die Frage,
inwieweit Plautus schon Shakespeares Darstellung der menschlichen Orientie-
rungs- und Identitätsgefährdung vorbereitet oder vorwegnimmt.
Die Handlung der Menaechmi (II)* 193
193

Es war Methode und Ziel unserer ,Inhaltsanalyse‘ der Menaechmi,1 den


leider nicht möglichen direkten Vergleich zwischen dem plautinischen
Spiel und seinem griechischen Vorbild durch eine quellenanalytische Be-
trachtung zu ersetzen, die dem denkbaren Einwand, unsere Resultate be-
ruhten auf willkürlich vorausgesetzten Geschmacksurteilen, dadurch zu
begegnen sucht, daß der Schluß auf bestimmte Eingriffe des Bearbeiters
nur aus auffälligen Abweichungen vom sonst durchgehaltenen Werkstil
des Originals gezogen wird. So halten wir unsere wichtigste und folgen-
reichste These – daß nämlich Plautus die Szene V 1 kürzend verändert hat
– deswegen für bestens abgesichert, weil in ihr drei derartige Anstöße
zusammentreffen: die dramaturgisch ausnehmend dürftige Verwendung
eines Requisits (des spinter), die völlig unbegründete Änderung im Infor-
mationsstand einer Figur (der Frau von Menaechmus E) und die Inkonse-
quenz in der Charakterzeichnung von Menaechmus S. Natürlich kann die
nun folgende ,Strukturanalyse‘ im Grund ebenfalls nur ein quellenanalyti-
sches Ausweichmanöver in einen indirekten Vergleich sein, doch wird uns
diesmal nicht bloß die Beobachtung von Elementen des individuellen
Werkstils die verlorene Quelle ersetzen; die griechische Vergleichsfolie, die
wir über den Plautustext legen werden, besteht diesmal vor allem in dem,
was wir in den letzten Jahrzehnten ganz allgemein über die Techniken der
Handlungsführung und Handlungsgliederung in der Nea lernen konnten.
Das sind, da uns die neuen Menanderfunde bekanntlich erstmals vollstän-
dige, im Ganzen überblickbare Komödien gebracht haben, insbesondere
die Aufbauregeln für die Gesamtstruktur einer hellenistischen Komödie;
und der ständige Blick aufs Ganze, den die analytische Arbeit mit diesen
Regeln gestattet und fordert, wird wie ich hoffe unseren Rekonstruktionen
den Charakter und Sicherheitsgrad || verleihen, der über die analytische 194
194
Detailkritik hinaus einer synthetischen Betrachtungsweise eigen ist.
Zur Begründung unseres Vorgehens noch zwei Vorbemerkungen, ei-
ne allgemeine und eine spezielle. Erstens: Wenn wir mit allgemein – sozu-
sagen von Menander bis Demophilos – gültigen Strukturregeln der Nea
operieren wollen, dann dürfen so anspruchsvolle Begriffe wie ,innere Form‘
oder ,Multifunktionalität jeder Szene für Charakterzeichnung, Handlungs-
entwicklung und Gesamtthematik der Komödie‘ zumindest vorläufig nicht

* Zuerst erschienen in Wiener Studien 101 (1988), S. 193–222.


1 Diese ist durchgeführt im Teil I der Untersuchung, in: Wiener Studien 100 (1987),
S. 97–115 [167–184]. Zu den Termini ,Inhaltsanalyse‘ und ,Strukturanalyseʻ siehe
dort Anm. 3.
186 II. Handlungsgliederung

zu unserem analytischen Sezierbesteck gehören. Statt dessen muß es fürs


erste um einfache Merkmale der äußeren Handlung gehen, um das Fünf-
aktschema2 und die den usuellen, nicht überzogenen Wahrscheinlichkeits-
regeln entsprechende Führung der Figuren in Bühnenraum und Bühnen-
zeit; danach um (wieder relativ einfache) Fragen des Verhältnisses kleine-
rer Szenensequenzen oder aktübergreifender Fabelteile zu diesem Fünfakt-
schema. Sollte jemand finden, so zu fragen werde Menanders Niveau nicht
gerecht – nun, den bitte ich zu bedenken, daß unsere aus Komödien des
Meisters gewonnenen simplen Strukturregeln wohl auch für den Meister
selbst gelten, nicht nur für Demophilos, und daß uns gerade diese, weil wir
ihre Einhaltung oder Verletzung in einer Palliata mit größerer Sicherheit
überprüfen können als die einer a priori und vielleicht subjektiv geforderten
künstlerischen Qualität, bei jeder noch so feinsinnigen oder hypothesen-
freudigen Rekonstruktionsanalyse als Hilfsmittel oder Prüfstein unent-
behrlich sind.
Zweitens, speziell zu den Menaechmi. Hier hat Plautus, wie wir sehen
werden, zwar die originale Großgliederung der Fabel verändert,3 aber das
Fünfaktschema ganz und die Szenensequenzen zum größten Teil beibehal-
ten. Darum eignen sich gerade seine Menaechmi dazu, die Leistungsfähigkeit
und Tragweite der betont formalen Strukturanalyse zu erproben. So werde
ich, komplementär zu Teil I, hier möglichst wenig auf die inhaltlichen Un-
195
195 stimmigkeiten rekurrieren (jedenfalls nie von ihnen ausge-||hen); da man sie
aber selbstverständlich nicht ganz aus dem Spiel lassen kann, sei vorweg
betont, daß auch das Zusammentreffen von Inhalts- und Formkriterien
seinen Beweiswert hat: Wenn wir formale Schwächen – und noch dazu von
verschiedener Art, in Figurenführung, Sequenzbildung und Fabelgliederung
– genau an jenen Stellen antreffen, wo sich auch inhaltliche Anstöße fanden,
so sollte das die Glaubwürdigkeit der früheren Resultate nicht gerade min-
dern, aber natürlich auch die Brauchbarkeit der Strukturanalyse bestätigen.

2 Mit der Analyse des Fünfaktschemas beginnt (nach manchen anderen, unter
denen v. a. T. B. L. Webster zu nennen wäre) auch Alain Blanchard: Essai sur la
composition des comédies de Ménandre. Paris 1983; siehe sein Chap. I („La division en
cinq actes“) und besonders die Plautus- und Terenzanalysen; vgl. ferner: Adolf
Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata. Dis Exapaton und Bacchides. Wien
1984 (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Phi-
losophisch-Historische Klasse 441) [71–166]. Blanchard und ich hantieren auch
beide mit dem Dreiphasenschema der Fabel (s. u.), allerdings in anderer Weise;
daß wir uns aber doch im Konkreten weitgehend einigen können, zeigt jetzt seine
Reaktion auf meine Abhandlung: „Lʼacte III de la ‹double tromperie› de Ménand-
re“, in: Revue des études grecques 100 (1987), S. 462–470.
3 In der Anerkennung dieser Änderung wird das Folgende von meiner allzu flüch-
tigen Diagnose in Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata (Anm. 2),
S. 17f. [82f.] abweichen.
Die Handlung der Menaechmi II 187

Wir beginnen also mit dem Fünfaktschema. Unter der (noch zu über-
prüfenden) Voraussetzung, daß Plautus in den relevanten Passagen das
Original wiedergibt, lassen sich dessen vier Aktpausen an vier der sechs
plautinischen Leerbühnenstellen orten. Nach griechischer Technik der
Pausenzeitbehandlung – die Zuschauer müssen erfahren, welche länger-
dauernde außerszenische Aktion die Zwischenzeit ausfüllt 4 – ist nämlich
eine Aktpause nach v. 225, v. 445 und v. 881 nötig, nach v. 558 und v. 700
möglich, während v. 1049/1050 aus der Konkurrenz ausscheiden muß.5
Mit anderen Worten: die Aktgrenzen α/β, β/γ und δ/ε6 stehen unter der
genannten Voraussetzung fest, nur für γ/δ ist noch zwischen v. 558/559
und v. 700/701 zu wählen. Hier die Belege im einzelnen, mit einer ersten
Kontrolle, ob die so angesetzten Pausen Akte von angemessener Länge
trennen und ob die Pausenbegründung jeweils entweder aus Nea-Beispielen
geläufig ist oder sich aus der Handlung des Stücks zwangsläufig zu ergeben
scheint:
1. Die Leerbühne und Zwischenzeit, die sich durch den Einkaufsgang
des Koches Cylindrus zum Markt ergibt, wäre von der Handlung her nicht
notwendig; als künftiger Gesprächspartner für den in II 1 auftretenden
Menaechmus S hätte z. B. auch ein Sklave aus Erotiums Haushalt dienen
können, den sie mit dem Auftrag auf der Straße postiert, die eventuelle Ent-
deckung des palla-Diebstahls im Nachbarhaus auszuspionieren. Da sich
aber die nächste Leerbühne erst v. 445 ergibt, also für einen normalen Akt-
umfang viel zu spät, ist die α/β-Pause nach v. 225, die uns eben der || Fo- 196
196
rumgang des Cylindrus signalisiert (v. 273 kommt er dann mit den Worten
bene opsonavi zurück), gerade an der tradierten Stelle willkommen. Und als
Pausenfüller ist ja der Einkaufsgang bei Menander ganz geläufig, man sehe
neben Bacch. v. 108/109 oder Aul. v. 279/280 besonders Samia β/γ: dort
würde offenbar Demeas’ Monolog am Aktbeginn (v. 206–282) allein ge-
nausowenig als Zeitbrücke für Parmenons Einkaufsgang reichen wie hier
der Auftrittsdialog von Menaechmus S und Messenio in II 1 (v. 226–272).

4 Zu diesem ,Webster-Kriteriumʻ siehe Primmer: Handlungsgliederung in Nea und


Palliata (Anm. 2), S. 11f. [77f.] mit Anm. 12 [18].
5 Da ist Messenio zwar erst knapp davor (v. 1038) Richtung Hafen abgegangen,
um aus einer taberna deversoria (v. 1053, vgl. v. 436) Reisekoffer und Geldbeutel zu
holen, und kommt schon wieder v. 1050 auf die Bühne. Aber er hat seinen Ha-
fengang (der die Pausenzeit ausgefüllt hätte) nicht vollendet: bereits unterwegs ist
ihm nämlich Menaechmus S begegnet, dem er als eben (modo, v. 1051) geschehen
vorhält, was er gerade zuvor mit Menaechmus E erlebte, und den er, als dieser
nicht von seiner Freilassung durch den Zwillingsbruder hören will, beschuldigt
(v. 1056f.): tu quantum potest praecucurristi obviam (man beachte: „vorausgelaufen
und in den Weg getreten“), ut quae fecisti infitias eas.
6 Ich numeriere die Akte des Originals mit griechischen Buchstaben.
188 II. Handlungsgliederung

2. Die β/γ-Pause von v. 445/446 will Steidle7 nach v. 558 transferie-


ren. Das würde aber einmal schon der griechischen Technik auffällig zu-
widerlaufen. Man braucht sich doch nur zu vergegenwärtigen, wie Vorbe-
reitung und Ablauf eines Gelages in Dyskolos oder Epitrepontes sozusagen
den Uhrzeiger des Handlungsfortschritts spielen – im Dyskolos, indem z. B.
jeweils vor dem Aktschluß in β das Opfertier gebracht wird (v. 393–401),
in γ die Teilnehmer zum ἄριστον kommen (v. 607–614), in δ von dessen
Resten gesprochen wird (v. 779f.); in den Epitrepontes, indem der Koch am
Beginn von α kommt, in β noch beim Kochen ist (v. 382f.), in γ   mit den
Produkten seiner Kunst die Gäste vertreibt (v. 603ff.) –: und man sieht,
daß die Zuschauer auch in den Menaechmi die Zwischenzeit bei v. 445/446
gleichsam nach Gewohnheitsrecht fordern werden. Menaechmus S kann ja
gewiß nicht binnen 21 Zwischenversen (v. 442–462) mit der Hetäre so-
wohl gespeist wie auch die Freuden des anschließenden Symposiums aus-
giebig genossen haben.8 Zudem ist die Pause handlungsnotwendig: beru-
hen doch alle weiteren Verwicklungen auf der Enttäuschung des Parasiten,
um das Essen betrogen worden zu sein.
3. Die Konkurrenz um die γ/δ-Pause geht nach den Kriterien der
notwendigen Leerbühne und der erfüllten Pausenzeit unentschieden aus.
Einerseits muß die Bühne sowohl nach v. 558 wie nach v. 700 für einen ||
197
197 Stellungswechsel der beiden Zwillinge leer werden (in v. 558 endet eine
Menaechmus-S-Sequenz, dann beginnt mit IV 1 eine Menaechmus-E-
Sequenz, abgelöst ab v. 701 wieder vom anderen Bruder). Anderseits gilt
für beide Konkurrenzstellen, daß an ihnen Zeit für außerszenische Aktivi-
tät beansprucht werden kann, aber nicht muß.9 Denn die Zwischenzeit für

7 Wolf Steidle: „Zur Komposition von Plautusʼ Menaechmi“, in: Rheinisches Museum
114 (1971), S. 247–261, ist der einzige unter den Neueren, der bewußt zur grie-
chischen Aktteilung Stellung nimmt (andere haben v. a. Plautus im Auge oder
unterscheiden nicht). Steidles Hauptargument (S. 251, Anm. 16), daß bei seiner
Aktteilung (nach v. 225, 558, 700 und 881) am β- und δ-Schluß eine Menaech-
mus S-Handlung zu Ende geht wie in α und γ eine Menaechmus E-Handlung,
setzt das Streben nach (relativ mechanischer, nicht dramaturgisch relevanter) Se-
quenzenbildung voraus, das er erst beweisen müßte, und scheitert schlicht an den
Zeitschwierigkeiten.
8 v. 476 sagt er selbst: prandi, potavi, scortum accubui (ähnlich v. 1142); und der in
solchen Dingen natürlich besonders scharfsichtige Parasit hatte gleich in v. 463f.
aus dem Brauch, sich erst nach dem Essen zu bekränzen, den richtigen Schluß
gezogen: Menaechmus cum corona exit foras – sublatum est convivium (vgl. auch v. 469f.,
confecto prandio vinoque expoto). Später wird Peniculus übrigens noch zweimal
(v. 563, 629) betonen, Menaechmus sei cum corona ebrius aufgetreten (vgl. Teil I,
S. 102, Anm. 20).
9 Hier muß ich Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata (Anm. 2), S. 17 [82],
Anm. 18 [24] korrigieren, wonach die Zwischenzeit nur bei v. 558 nicht notwen-
dig wäre.
Die Handlung der Menaechmi II 189

den v. 559 vom Forum kommenden Menaechmus S kann, da er schon am


α-Ende dorthin abgegangen war, längst in den zwei dazwischenliegenden
Aktschlüssen stecken, aber auch Menaechmus S, der v. 701 von der ver-
geblichen Suche nach Messenio aus dem Hafen zurückkehrt, kann für
diese Suche die mögliche Zeitfuge nach v. 558 verwendet haben. So wüßte
ich gern, worauf Steidle seine Behauptung gründet, daß nach v. 700 „si-
cher Aktschluß vorliegt“.10 Das Kriterium der angemessenen und ausge-
wogenen Aktlänge, nach welchem ich mich mangels besserer Argumente
vorläufig für v. 700 entscheide,11 kann er jedenfalls nicht im Auge haben;
da er nämlich β erst bei v. 558 enden läßt, haben sein zweiter und dritter
Akt 333 und 142 Verse – nicht gerade ein besonders harmonisches Ver-
hältnis. Für mich stellt sich, da v. 225, 445 und 881 als Aktschlußverszah-
len fix sind und nur zwischen v. 558 und v. 700 zu wählen ist, die Zahlen-
reihe 2 2 5 – 2 0 0 – 1 1 3 – 323 für die Anzahl der Verse für α bis δ als wesent-
lich weniger akzeptabel heraus als die Reihe 2 2 5 – 2 0 0 – 2 5 5 – 181 (ε hat in
jedem Fall 281 Verse).12
4. Die Zeitbegründung für die δ/ε-Pause entspricht ebenfalls ganz
dem griechischen Usus. Daß eine Figur, die vor dem Aktschluß abgegan-
gen war, gleich bei ihrem Wiederauftritt am Beginn des Folgeaktes mitteilt,
was sie inzwischen getan oder erlebt hat, dieses simple Schema kennen wir
z. B. aus Epitrepontes β/γ (Onesimos mit dem Ring) oder Samia β/γ
(Demeas mit der Entdeckung der Vaterschaft). Hier also, wenn wir uns
wie ausgemacht an den Plautustext halten, der Senex, der in der Aktpause
auf den Arzt gewartet hat (vgl. v. 875 mit v. 882ff.).
Nur um lästige Querverweise zu sparen, mache ich en passant gleich
hier darauf aufmerksam, daß zumindest die Notwendigkeit der Leerbühne
nach v. 881 auch dann gegeben wäre, wenn mit Steidle die Arztszene als ||
interpoliert zu streichen wäre oder nach·meiner Vermutung in Teil I Men- 198
198
aechmus E nach der Aktpause als erster wiederkäme:13 denn die Brüder
müssen ja unbedingt wieder Platz tauschen. Aber sei dem wie immer, un-

10 Steidles (siehe Anm. 7) Argument wird doch nicht in dem Hinweis bestehen, daß
in v. 700 wie in v. 225 ein Menaechmus E-Handlungsteil zu Ende geht? Da hät-
ten wir jetzt in v. 445 ein Gegenbeispiel.
11 Es wir unten S. 212f. durch das Sequenzkriterium bestätigt werden.
12 Selbstverständlich sind alle diese Zahlen nur als Annäherungswerte zu betrach-
ten. Verschiedene Unsicherheitsfaktoren ergeben sich daraus, daß der Prolog lü-
ckenhaft überliefert und durch nachplautinische Geschwätzigkeit zerdehnt ist,
daß die Cantica den Originaltext auswalzen usw. usw.
13 Steidle: „Zur Komposition von Plautusʼ Menaechmi“ (Anm. 7), S. 253ff.; Teil I,
S. 113f. Im letztgenannten Fall würde übrigens bloß ähnlich wie in α/β vor dem
eigentlichen Repräsentanten der Zwischenhandlung (dort Cylindrus, hier der
Senex) bereits eine andere Figur auftreten, ohne daß dies an dem Zeitargument
irgendetwas ändern könnte.
190 II. Handlungsgliederung

sere erste Zwischenbilanz kann jedenfalls lauten: Der erste Durchgang


unserer ,synthetischen Analyse‘, die Musterung der möglichen Spuren des
Fünfaktschemas, ergibt, daß wir eher mit seiner Beibehaltung als seiner
Überarbeitung durch Plautus rechnen dürfen. Dies gilt, wie ich ausdrück-
lich betonen möchte, wiewohl man die einzelne Pausenstelle oder das
einzelne Kriterium anzweifeln kann. So ist etwa die Vermutung, wenn der
Senex in v. 882ff. die lange Wartezeit betone, könne „es sich einfach um
eine plautinische Übertreibung handeln“ 14 statt um einen Reflex griechi-
scher Aktpausentechnik, für sich genommen gewiß möglich. Aber ich
werde sie solange für höchst unwahrscheinlich halten, bis man mir ein
plausibleres Fünfaktschema als das oben besprochene vorführt. Denn es
wäre mir einfach ein Zufall zu viel, wenn Plautus durch willkürliche Ein-
griffe ausgerechnet jene griechische Aktstruktur generiert hätte, die er
doch zu ignorieren oder umzubauen pflegt.
Außerdem verfügen wir ja – wir kommen zum zweiten Durchgang –
gleich über einen wie ich meine recht wirksamen Kontrollmechanismus,
über die Möglichkeit einer Gegenprobe sozusagen, die sich im Prinzip
ebenfalls auf rein technische Details der äußeren Handlung stützt. Wir
prüfen nämlich insgesamt, für die ganze Komödie, wie plausibel die Auf-
tritte und Abgänge der Figuren durchgeführt und begründet sind, und ob
sie sich im Rahmen angemessener Zeitwahrscheinlichkeit halten.15 Das
Dis-Exapaton-Fragment hat uns ja dokumentarisch gezeigt, wie durch ei-
nen verkürzenden Eingriff des Plautus die Figurenführung durcheinander-
geraten kann,16 auch welche Chancen die Philologen ohne das Fragment
gehabt hätten, richtig zu analysieren; da sollten wir nicht erkennen können,
199
199 ob und in welchem Ausmaß Plautus das filigrane Spiel || der Menaichmoi,
das Jonglieren mit dem mehrfachen Positionswechsel der Zwillingsbrüder
und dem Besitzerwechsel bei palla und spinter verwirrt?
Nun, es gibt soweit ich sehe tatsächlich zwei Stellen im Spiel, wo
noch dazu jeweils zwei solcher Zeitschwierigkeiten oder Unebenheiten der
Figurenführung zusammentreffen. Zu der einen von ihnen, V 1f. (in δ),
hat Lefèvre richtig getadelt, daß da „in kurzer Bühnenzeit (zwischen 738
und 746) der senex herbeigeholt (wird), aus dessen Worten 753ff. hervor-

14 Eckard Lefèvre: „Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata (Anm. 2)“, in:
Gnomon 57 (1985), S. 693–698; das Zitat im Text: S. 696, Anm. 6. – Nebenbei:
Wenn Lefèvre meint, nach dem bloßen Zeitkriterium müßte auch zwischen v. 738
und v. 746 Aktschluß angenommen werden, so geht es, wie unser praktisches
Vorgehen im Text wohl zeigt, eben nicht ums bloße Zeitkriterium; bereits die
Musterung der Handlungsführung legt nahe, im Umkreis der Verse 738ff. keine
Leerbühne zu erwarten, da Menaechmus S vorher und nachher gebraucht wird.
15 Die Kontrolle der Sequenzbildung im Akt wird sich unten als weiteres Kriterium
der Originalnähe oder -ferne bewähren.
16 Vgl. etwa Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata (Anm. 2), S. 33f. [98f.].
Die Handlung der Menaechmi II 191

geht, daß viel Zeit außerhalb der Bühne vergangen ist.“ Sollten wir also
etwa auch hier einen versteckten Aktschluß postulieren? Das reine Zeitkri-
terium würde dazu raten, aber Leerbühne wird sicher nicht gebraucht
(ganz im Gegenteil, Menaechmus S muß doch mit dem Senex zusammen-
treffen, also dableiben). Haben wir dann etwa ein Indiz gefunden, daß
unsere Analyse auf die Menaechmi doch nicht anwendbar und daß „die
Struktur der Menaechmi von A bis Z von Plautus ist“? Dieses Urteil Lefèv-
res17 scheint mir doch etwas voreilig, jedenfalls ohne Differenzierung des
Begriffes Struktur. Ich gestehe gern und dankbar, daß erst seine Kritik an
meinem früheren Urteil18 mich zu dessen Korrektur und zu einer genaue-
ren Analyse der Menaechmi angeregt hat. Ich glaube jetzt zeigen zu können,
daß wir beide übers Ziel geschossen haben: ich hätte nicht vom erhalten
gebliebenen Fünfaktschema auf die erhaltene Fabelgliederung schließen
dürfen, und Lefèvre nicht von der geänderten Fabelgliederung auf die
geänderte Aktstruktur. Ich wende mich also nicht deswegen gegen die
radikale Überarbeitungsthese, weil ich prinzipieller „Vertreter einer weit-
gehenden Abhängigkeit … der römischen Komiker“ wäre. Ich meine nur,
wir sollten unsere konkreten Beweis- und Analysemittel geduldig auszu-
schöpfen lernen – vielleicht läßt uns auch die scheinbar kleinkarierte Be-
obachtung von Aktschlüssen einen aufschlußreichen Blick in das Schaffen
des Plautus tun.
Also geduldig zurück zum Zeitproblem von V 1f. und zur ,Gegen-
probe‘, ob die Schwierigkeit nicht (a) in der Komödie singulär und punk-
tuell eingrenzbar und (b) durch einen leichten rekonstruierenden Eingriff,
der sich aus anderen Gründen empfiehlt, behebbar ist. Beides ist nun in der
Tat der Fall. Denn zum einen (a) gibt es in den ganzen Menaechmi keinen
vergleichbaren Zeitverstoß, nur zwei Scheinparallelen. Wenn Erotium in β
schon in v. 364ff. zum fertigen Essen bittet, obwohl Cylindrus sich erst in
v. 332 zum Herd begeben hatte, so paßt ihre Übertreibung bestens || zu 200
200
dem sonstigen aufschneiderischen Umgangston dieser Halbwelt.19 Und
wenn in ε der Senex, der v. 956 (gegen Ende von V 5) heimgegangen war,
um die vier Sklaven zu holen, die den angeblich verrückten Menaechmus E
zum Arzt schleppen sollen, bereits wieder v. 990 (am Anfang von V 7) mit
ihnen ankommt, so deckt zwar nicht die geringfügig höhere Zahl der Zwi-
schenverse an sich schon einen größeren Zeitraum als in V 1;20 trotzdem

17 Die Zitate im Text stammen aus Lefèvre: „Primmer: Handlungsgliederung in Nea und
Palliata“ (Anm. 14), S. 696, bei und in Anm. 6 (das nächstfolgende Zitat: S. 693).
18 Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata (Anm. 2), S. 17f. [82f.].
19 Man soll den Willen des Autors nicht unterschätzen, innerhalb der völlig stan-
dardisierten Typen (zänkische Ehefrau, habgierige Hetäre, freiheitssüchtiger Feig-
ling …) doch scharf zu ,charakterisierenʻ.
20 Zumal man berücksichtigen muß, daß Plautus in Messenios Canticum den Text
gewiß stark gedehnt hat.
192 II. Handlungsgliederung

muß die Zwischenzeit in ε den Zuschauern viel länger erscheinen. Denn in


δ streiten Menaechmus S und die Matrone in v. 738–745 einfach im glei-
chen Sinn und Stil weiter wie zuvor.21 Was tut sich dagegen alles in ε! Da
sinniert in dem kleinen Zwischenmonolog zunächst Menaechmus E, von
der unmittelbar drohenden Gefahr nichts ahnend, über das, was er eben
erlebt hat, und wo er wohl heute übernachten wird; als er sich endlich vor
seiner eigenen Haustür in Warteposition begeben hat, da kommt von
links22 – nein, noch nicht der Senex, sondern Messenio und baut sich, mit
seiner Pflichterfüllung sehr zufrieden (weil er ja seinen Herrn noch immer
bei der Hetäre vermutet und nicht ahnt, daß dieser schon vergeblich nach
ihm gesucht hat), vor der anderen Haustür auf.23 Das müßte als Zeitfüller
für den Senex an sich schon genügen, dazu kommt aber noch, daß die
ganze Passage in einem nicht ganz realistischen, fast choreographischen
Stil gespielt wird: Vor jeder Haustür eine Figur in einer bestimmten Pose
(des Wartens oder Anklopfenwollens) erstarrt; dann huscht der Senex,
halb aggressiv halb feig,24 über die Bühne, von vier Riesenkerlen gefolgt,
die Menaechmus E zuerst in die falsche Richtung (nämlich auf Messenio
zu) vor sich herjagen, ihn dann schultern und nach rechts abzutransportieren
beginnen, und zwar Beine voran, damit Messenio den Gestikulierenden
201
201 und um Hilfe Schreienden als seinen vermeintli-||chen Herrn identifizieren
kann –: man muß wirklich nur einmal die Grundbedingung jeder Komödi-
eninterpretation erfüllen (was den Menaechmi leider noch nicht ausreichend
widerfahren ist), nämlich den Text als gespielten Text nachzuvollziehen,
und man wird an den Mimus-Stil dieser Szene – wir sind schließlich im
fünften Akt! – keine übertriebenen Plausibilitätsforderungen mehr stellen.
In der ersten Hälfte des vierten Akts sind natürlich Stimmung und Charak-
ter des Spiels noch ganz anders, da bleibt der singuläre Zeitverstoß. 25

21 v. 738 ihr Schlagwort flagitia (vgl. v. 719, 721, 738), v. 745 sein Mythenvergleich
(Porthaon) wie v. 716ff. (Hecuba), usw. – Auch wenn wir wie recht und billig
(anders Thomas B. L. Webster: Studies in Later Greek Comedy. Manchester 1953,
S. 70) den Senex gleich in Bühnennähe wohnen lassen, reicht diese magere Zwi-
schenhandlung nicht zur Überbrückung aus.
22 Ich stimme der Bühnenbild-Lösung (wenn auch nicht der ganzen Argumenta-
tion) von Vincent J. Rosivach zu, in: „Plautine Stage Settings“, in: Transaction of
the American Philological Association 101 (1970), S. 445–461 (zu den Menaechmi:
S. 454ff.)
23 Die Bühnenhäuser (links vom Zuschauer, auf der Hafenseite, Erotium; rechts,
auf der Stadtseite, der Bürger) wieder nach Rosivach (für diese Anordnung
spricht, auch schon die traditionelle ,Symbolikʻ; der Nichtstädter, der Arme, die
Hetäre wohnt z. B. auch schon in Dyskolos, Aulularia oder Bacchides links).
24 Man sehe nur v. 995f.: iam sublimem raptum oportuit! ego ibo ad medicum …
25 In Teil I, S. 111, Anm. 46, ist der Schlußsatz, der das Problem verharmlost, zu
streichen.
Die Handlung der Menaechmi II 193

Aber er ist immerhin singulär, und zum andern (b) liefert die unmoti-
vierte und unausgenützte Nennung des aurum in v. 739 (= spinter in v. 807)
sowohl die erwünschte Bestätigung unserer Diagnose, daß der Fehler ge-
rade in den zu kurzen und inhaltsleeren Zwischenversen 738–745 steckt,
als auch den entscheidenden Therapiehinweis: In dem Zwischendialog, der
im Original länger und inhaltsreicher war, müssen Menaechmus S und die
Matrone ausführlich über das spinter debattiert haben. Das heißt im Min-
destfall: sie wird auf den Goldreif aufmerksam, er streitet ähnlich wie ge-
rade vorher bei der palla einfach alles ab, ohne jetzt endlich die Entde-
ckung des gesuchten Bruders wenigstens zu vermuten.26 Denkbar ist aber
auch der Maximalfall, den wir hier ohne Vorgriff auf die Argumentation
aus der Fabeldreiteilung nicht so überzeugend begründen können wie in
der Inhaltsanalyse von Teil I. Immerhin, eines kommt auch hier dazu: mit
dem wissenden oder doch ahnenden Menaechmus wird die Figurenfüh-
rung in einer Einzelheit besser. Ahnte er am Ende von V 1 nichts, so wür-
de er während des ganzen Dialogs Senex-Matrone passiv und unmotiviert
danebenstehen (bei Plautus sind das, wenn auch mit Canticumerweiterung,
die Verse 753–808); im anderen Fall hat er guten Grund, nicht zu fliehen
(so wie v. 557f.), sondern die Ohren zu spitzen. (Sein grundloses Bleiben
ist übrigens der zweite oben angekündigte Figurenführungsmangel im
plautinischen Text von V 1f.)
Die einzige Szenenfolge mit fehlerhafter Figurenführung, die uns noch
stärkere Eingriffe des Römers suggerieren könnte, findet sich in der ersten
Sequenz von ε, also bei den Auftritten von Senex, Arzt und Menaechmus
E. Auch hier ist sozusagen kleinräumig Abhilfe zu schaffen, und ich habe
einen entsprechenden Rekonstruktionsvorschlag schon in || Teil I (S. 113f.) 202
vorgebracht, allerdings in andeutender Zurückhaltung, weil die genaue
Beweisführung erst in unserem Zusammenhang möglich ist. Vor dem
Hintergrund der sonst präzise aufeinander bezogenen Motivationen der
Figurenbewegungen sollte ganz deutlich werden, daß die Anstöße nach
einer Remedur verlangen. Es geht fürs erste um den Auftritt von Men-
aechmus E in V 5, wo dieser die Stelle des vermeintlich verrückten Men-
aechmus S übernimmt. Da hält er – Senex und Arzt sind schon auf der
Bühne – einen Zutrittsmonolog (v. 899–908), in welchem er sich über den
Verrat von Parasit und Hetäre ausläßt, aber kein Wort darüber verliert, wie
es ihm mit seinen Freunden ergangen ist, bei denen er doch gemäß seiner
Abgangsbegründung in v. 700 Rat einholen wollte. Der Autor des Originals

26 In Teil I, S. 112 habe ich als Inhalt der Ergänzung vorgeschlagen, daß Menaech-
mus S noch vor der Ankunft des Senex alles mit Sicherheit durchschaut und sich
rasch entschließt, spaßhalber weiter den Bruder zu mimen. Jetzt sehe ich, daß wir
ihm (auch und gerade für den im Text sogenannten ,Maximalfallʻ) volle Einsicht
besser erst bei seinem Abgangsmonolog in V 3a zuschreiben.
194 II. Handlungsgliederung

muß auf die Freunde zurückgekommen sein, schon weil das seinem Usus
entspricht. Man vergleiche bloß, wie bei jedem anderen Auftritt nach län-
gerer Abwesenheit das Abgangsmotiv rekapituliert wird: das opsonium bei
Cylindrus (v. 220 und v. 273), der Aufschub des prandium durch den Forum-
gang (v. 213f.) bei Peniculus (v. 446ff.) und Menaechmus E (v. 595ff.), die
Suche nach Messenio bei Menaechmus S (v. 557 und v. 701), zuletzt der
Arzt beim Senex (v. 875 und v. 882). Neben das formale Argument, das
die Beseitigung des Stilbruchs verlangt, tritt (wie zuvor bei v. 738ff.) ein
inhaltliches, das auch die Richtung zur Lösung weist. Eine Äußerung, die
Menaechmus E später tut („Die einen behaupten, ich sei nicht der, der ich
bin,27 und sperren mich aus“, v. 1040), kann sich nicht bloß auf seine Frau
und seine Hetäre beziehen, denn die haben ihn zwar beide ausgesperrt,
doch ohne ihm seine Identität zu bestreiten. Zur Gruppe derer, die ihn
kennen, aber verleugnen, muß also mindestens ein Freund gehören, dem er
außerszenisch (wohl auf der Agora) begegnet war; und über sein Gespräch
mit diesem, worin der Freund ihm seine Identität bestritt, muß Menaechmus
E vor v. 1040, also eben bei seinem Wiederauftritt in V, den Zuschauern
berichtet haben. Nun gibt es ferner einen einzigen denkbaren Grund, daß
der Freund ihm sagt, er sei gar nicht er: wenn der Freund inzwischen Men-
aechmus S begegnet war, der sich als sein Zwillingsbruder ausgegeben hatte.
Das ist ja nach unserer Einführung des wissenden Menaechmus S in den
vierten Akt möglich; und wenn Plautus ihn dort eliminierte, mußte er ihn
wohl auch aus dem Bericht des Bruders im fünften Akt entfernen.
Soweit stehen wir denke ich auf sicherem Grund; in den Bereich des
Hypothetischen geraten wir erst, wenn wir uns auch noch den genaueren ||
203
203 Gang des Gesprächs zwischen den Freunden ausmalen.28 So einleuchtend
aber unsere Rekonstruktion sein mag, wir haben uns damit doch eine neue
kleine Inkonvenienz eingehandelt. Der notgedrungen längere Monolog, in
welchem Menaechmus E den Zuschauern sein Gespräch mit dem Freund
vorspielt, dürfte den Zeitrahmen der Lauscherszene mit Senex und Arzt
über Gebühr beanspruchen. Doch da kommt uns überraschend eine wei-
tere Unebenheit der Figurenführung zu Hilfe, deren Beseitigung wir leicht
und ungezwungen mit der unseres kleinen Zeitproblems verbinden können.
Ich meine das auffällige Schweigen des Senex dazu, daß Menaechmus E,

27 Das ist gesagt im Kontrast zu Messenio, der soeben, indem er ihn in v. 1001–
1038 für seinen Herrn hielt, behauptet hatte, er (Menaechmus) sei einer, der er
nicht ist. Vgl. übrigens Teil I, S. 114 mit Anm. 50.
28 Eine Maximallösung habe ich Teil I, S. 113 vorgestellt (Menaechmus S hatte sich
den Spaß gemacht, dem Freund in der Maske des Bruders von dessen Diebereien
zu erzählen). Eine denkbare Minimallösung wäre etwa: Der Freund hatte Men-
aechmus S (als E) auf der Straße getroffen und von diesem gehört, er sei gerade
auf dem Weg ins Hafenviertel; jetzt fragt er Menaechmus E verblüfft, was er
plötzlich auf der Agora wolle usw.
Die Handlung der Menaechmi II 195

den er bei seinem Kommen in v. 882 doch bewußtlos auf der Bühne vor-
zufinden erwarten muß, gar nicht da ist, sondern erst v. 898 auftaucht, und
noch dazu von der Forumseite her, d. h. sozusagen im Rücken der beiden
anderen. Die Zuschauer, vor deren Augen bisher jeder Stellungswechsel
der Brüder glatt und unauffällig erfolgt war, dürften sich wohl wenigstens
eine Pseudo-Rechtfertigung dieser Figurenführung erwarten, und sei es
bloß in Gestalt einer verwunderten Bemerkung des Senex. Noch publi-
kumswirksamer und noch einfacher, weil damit ein Schlag gleich zwei
Fliegen trifft, erscheint mir die folgende Rekonstruktion: Menaechmus E
tritt schon vor Senex und Arzt auf; da hat er genügend Zeit für seinen
Bericht über die merkwürdige Debatte mit dem Freund, und wenn er sich
nach dessen Ende resigniert und abwartend vor seiner Haustür postiert, ist
damit auch für den Senex der Positionstausch der Zwillinge in Ordnung.
Wir drohen uns in Detailargumentation zu verlieren – nicht ohne
Grund, da es immer mit der prinzipiellen Skepsis der Analysegegner zu
rechnen gilt. Aber wichtiger ist doch unser Hauptbeweisziel, der Nach-
weis, daß unsere ,Gegenprobe‘, d. h. die Überprüfung der Figurenführung
durch Bühnenraum und -zeit, keine so irreparablen Anstöße ans Licht
bringt, daß wir das Fünfaktschema in Zweifel ziehen müßten. Im Gegen-
teil, es hat seine erste Feuerprobe bestanden. Denn beide Ergänzungen,
die wir für das Original reklamieren, sowohl die Einfügung einer Dialog-
szene im vierten wie die eines Monologs im fünften Akt, tasten die im
ersten Durchgang gefundene Aktstruktur nicht im mindesten an.
Daß die Aktstruktur für unsere weiteren Analysen doch schon mit ||
ziemlicher Sicherheit feststeht, erleichtert uns die Weiterarbeit aus zwei 204
204
Gründen. In der Sache selbst, da es ja um die Binnengliederung der Akte
bzw. um das Verhältnis der Fabelgliederung zur Aktgliederung gehen soll.
Und im Hinblick auf die Forschungslage, denn die eben genannten weite-
ren ,Vergleichsfolien‘, die ich 1984 zur Debatte gestellt habe, sind noch
nicht so allgemein akzeptiert wie Fünfaktschema und Raum- und Zeitplau-
sibilität. Ich bin zwar überzeugt, daß man gut und nützlich auch umge-
kehrt argumentieren kann, also z. B. von der Beobachtung der Sequenzen
eines Akts auf dessen Vollständigkeit oder richtige Eingrenzung in der
Gesamthandlung;29 zuvor muß man aber offenbar erst erreichen, daß die
Sequenzbildung überhaupt als existent und erkennbar akzeptiert wird. Die
Rezensenten meiner ,Handlungsgliederung‘ haben sie jedenfalls nicht zur
Kenntnis genommen und sich hauptsächlich mit meiner These über die
Fabelgliederung auseinandergesetzt. Aber auch diese, also die Annahme,
daß die Fabel einer hellenistischen Komödie im Regelfall sich im Drei-
schritt einer Anlauf-, Verwirrungs- und Lösungsphase entwickelt, fand

29 Zu den Beispielen, die die Menaechmi liefern werden, nehme man etwa aus Prim-
mer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata (Anm. 2) die zu Dis ex. γ und Bacch.
IV 9 hinzu, vgl. S. 39f. und S. 49.
196 II. Handlungsgliederung

keineswegs ungeteilte Zustimmung. Darum ein paar einleitende Bemer-


kungen, zur Ergänzung dessen, was ich 1984 zum Teil wohl mißverständ-
lich oder unausgegoren dargelegt habe. Ich behauptete also, daß sich in
einem bestimmten Spannungsverhältnis zum Aktschema wenn schon nicht
für alle Nea-Komödien, so doch in allen Menanderstücken, die wir ken-
nen, ein Großgliederungsschema finden läßt, und zwar, wie ich jetzt expli-
zit betone, unter der ganz wesentlichen Voraussetzung, daß man den Be-
griff der Handlung, deren Phasen ja die Fabel ausmachen, möglichst hand-
fest, will sagen aristotelisch, versteht. Komische Handlung soll – zumin-
dest in unserem quellenanalytischen Kontext – einfach darin bestehen, daß
ein Konflikt oder Interessengegensatz 30 zwischen den Hauptfiguren des
Spiels sich in deren Aktionen vor den Zuschauern konstituiert, steigernd
verschärft und schließlich löst. Definieren wir so, dann zeigt sich jedenfalls
bei Menander regelmäßig, daß die Wendepunkte vom Handlungsanlauf
(der Protasis) zur Hauptverwirrungsphase (der Epitasis) und dann weiter
zur Lösungsphase (der Katastrophé) etwa gegen Ende des zweiten Akts
und um die Mitte des vierten Akts liegen. Die Möglichkeit, Wendepunkte
der Handlung so genau anzugeben, wurde prinzipiell angezweifelt von ||
205
205 Lowe,31 sowohl was den Ort der Einschnitte wie was die Dreizahl der
Phasen betrifft. Aber geben nicht die folgenden Handlungsschemata das
Grundgerüst der Fabel der drei Menanderkomödien, die wir vollständig
überblicken können, richtig wieder?
Dyskolos: (A) Da der junge Städter Sostratos, der um die Tochter des
menschenscheuen Bauern Knemon werben will, auf keine andere Weise
mit dem Vater Kontakt aufnehmen kann, will er es durch Mittun bei der
Bauernarbeit auf Knemons Nachbarfeld versuchen. – (B) Aber er plagt sich
umsonst, da Knemon eben durch seine Menschenfeindlichkeit im Haus
festgehalten wird, wo er – Non plus ultra der Isolierung! – gar noch in den
Brunnen fällt. – (C) Die Hilfe, die Knemon bei der Rettungsaktion erfährt,
macht ihn so weit zugänglich, daß er der Hochzeit nichts in den Weg legt.
Samia: (A) Moschion läßt es seinem Adoptivvater Demeas gegenüber
an Vertrauen und Offenheit fehlen: er gibt sein eigenes Kind mit der
Nachbarstochter Plangon als das von Demeas Lebensgefährtin Chrysis aus
und versäumt selbst dann, als Demeas ihm nichtsahnend die Hochzeit mit
Plangon vorschlägt, die Gelegenheit zum Geständnis. – (B) Demeas ent-
deckt Moschions Vaterschaft (aber nicht Plangons Mutterschaft), und so

30 ,Konfliktʻ alleine wäre zu eng, denn in einer Handlung, deren Hauptakteure


einander lange gar nicht begegnen wie eben in den Menaechmi, gibt es vorerst nur
unbewußte Gegensätze.
31 J. Christopher B. Lowe: „Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata“, in:
Classical Review 35 (1985), S. 396f. – Vorsichtig zurückhaltend zur Erfaßbarkeit
einer präzisen Fabelstruktur auch Richard L. Hunter: The New Comedy of Greece and
Rome. Cambridge 1985, S. 37.
Die Handlung der Menaechmi II 197

gerät Moschion in den argen Verdacht, Nebenbuhler seines Vaters bei


Chrysis zu sein. – (C) Moschions Geständnis, zu dem er sich endlich ge-
zwungen sieht, öffnet den Weg zum Happy End.
Epitrepontes: (A) Charisios, der seine Ehe mit Pamphile in Frage stellt,
weil sie vermeintlich ein außereheliches Kind geboren hat, bekommt den
von ihr ausgesetzten Säugling mitsamt den Beweisen seiner eigenen Vater-
schaft ins Haus. – (B) Durch die Intrige der Hetäre Habrotonon, die sich
als Mutter des Säuglings ausgibt, gerät Charisios seinerseits in den Ver-
dacht der außerehelichen Vaterschaft, und sein Schwiegervater drängt
Pamphile zur Scheidung. – (C) Habrotonon entdeckt Pamphiles Mutter-
schaft, und die Ehe ist gerettet.
Niemand wird, glaube ich, bestreiten, daß diese drei anatomischen
Skizzen32 das Handlungsskelett (wenn auch nicht Fleisch und Blut) der
drei Komödien richtig nachzeichnen. Ebenso unbestreitbar ist m. E., daß
der Abschnitt (B) jeweils den Höhepunkt an Verwirrungen und Verwick-
lungen enthält und daß der Übergang zu (C), d. h. zur Lösung, jeweils im
vierten Akt erfolgt (ich bitte den Leser, das nachzuprüfen). Lediglich über
|| die Protasis, also grob gesprochen über die ersten beiden Akte, ließe sich 206
206
diskutieren, ob es zweckmäßig ist, ,Exposition‘ und ,erregendes Moment‘
als eine Phase der Handlung zusammenzufassen. Ich bin gern bereit, die
Frage der Benennung für sekundär zu erklären; viel wichtiger ist es, wenn
die Tatsache akzeptiert wird, daß die eindeutig als solche erkennbare
Hauptverwirrungsphase der Gesamthandlung knapp vor dem Ende von β
(wenn man die Andeutungen des Aktschlusses, die auf die kommende
Epitasis hinweisen, bereits zu dieser rechnet wie ich) oder jedenfalls mit
der β/γ-Pause beginnt.33 Damit sind nämlich analytisch auswertbare Fix-
punkte der Handlungsentwicklung gewonnen; insbesondere aufgrund der
Erkennbarkeit der Epitasis, ihres Anfangs und Endes, halte ich also Lowes
Urteil für falsch: „The schema seems too elastic to be useful (almost ‘be-
ginning’, ‘middle’, ‘end’).“
Nur am Rande sei erwähnt, daß unsere Definition der Handlung auch
geeignet ist, weniger brauchbare Begriffsbestimmungen oder Analysekrite-
rien auszuschließen. Was ist etwa mit Blanchards allzu logisch-abstrakt
gefaßtem Begriff der Katastrophé gewonnen, welcher bereits solche Vo-
raussetzungen der Wendung zum Guten miterfaßt, deren sich das Publi-
kum nicht einmal nachträglich bewußt wird? Die Zuschauer, die die
Epitrepontes sehen, werden sich doch nie sagen: „Hätte Pamphile nicht
schon in der γ/δ-Pause die von ihrem Vater vorgeschlagene Scheidung
abgelehnt, dann wäre sie mit ihm weggegangen und Habrotonon hätte sie

32 Weitere Beispiele Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata (Anm. 2), S. 95


[157].
33 Zu demselben Resultat kam Blanchard: Essai sur la composition des comédies de Mé-
nandre (Anm. 2).
198 II. Handlungsgliederung

nie als die Mutter des Säuglings erkannt.“34 Denn sie erleben diese Weige-
rung, den Mann zu verlassen, ja erst in δ vor ihren Augen, und da nur als
schmerzliche Erprobung von Pamphiles Treue, nicht als Wendung zum
Positiven, und diese erleben sie wiederum erst in dem wahrhaft rührenden
Gespräch Pamphile-Habrotonon. Oder was kann, verglichen mit der prä-
zise fixierten Struktur des Dreiphasenschemas, die mögliche analytische
Leistung einer ,inneren Form‘ sein, deren Wesen in Szenenspiegelungen
und in der Responsion von Handlungsteilen bestehen soll, wo doch diese
Phänomene per definitionem zur Aktgliederung in keiner erkennbaren
Beziehung stünden, in jedem Stück neu und atypisch anders aufträten,
gegenüber dem Interesse des Dichters, die Handlungsneugier des Publi-
kums wach zu halten, auf jeden Fall die Nebenrolle spielen würden und
noch dazu (wie etwa im Fall der Aulularia) auch erst vom römischen Bear-
beiter stammen können?35
207
207 Was die möglichen Regeln oder Grundsätze für die Sequenzbildung
im ersten Akt betrifft, so werden wir abermals gut daran tun, vom ein-
fachsten dramaturgischen Zweck solcher Schwerpunktbildungen auszuge-
hen: das Publikum soll durch eine inhalts- und abwechslungsreiche Hand-
lung gefesselt werden, und das ist auf allen Niveaus der Komödiendrama-
turgie im Minimalfall dann gewährleistet, wenn ein Handlungsschwerpunkt
(meist eine Szenenfolge, in der das Publikumsinteresse auf eine Hauptfigur
gelenkt wurde) durch wenigstens einen weiteren Handlungsschwerpunkt
abgelöst wird. Damit man sieht, was gemeint ist, als Exempel eine Skizze
meiner Sequenzanalyse der ersten Dyskolos-Akte. Akt α: (a) v. 1–80. Prolog
und erste Szene stellen das Handlungsziel und die beiden Gegenspieler
vor. (b) v. 81–178. Die Handlung beginnt: Knemon lehnt, auch in der
direkten Konfrontation, alle Kontakte ab. (c) v. 179–232. Sostratos wird
im Gespräch mit dem Mädchen von Daos, dem Sklaven ihres Stiefbruders,
mißtrauisch beobachtet. – Akt β: (a) v. 233–319. Sostratos gewinnt das
Vertrauen des Stiefbruders Gorgias. (b) v. 320–392. Sie entwickeln den
Plan, Knemon bei der Feldarbeit zu treffen. (c) v. 393–426. Pan, der
Schutzgott des Mädchens, führt eine Opfergesellschaft (Sostratos’ Familie)
zu seinem Heiligtum. – Akt γ: (a) v. 427–521. Knemon wird durch die

34 So räsonniert Blanchard: Essai sur la composition des comédies de Ménandre (Anm. 2),
S. 344f.
35 Ich beziehe mich auf Walther Ludwig: „Aulularia-Probleme“, in: Philologus 105
(1961), S. 44–71, 247–262. Die Arbeit ist inhaltsanalytisch grundlegend, struktur-
analytisch (wie bei der damaligen Quellenlage unvermeidlich) mangelhaft: Der Aktauf-
bau ist ignoriert zugunsten der ,inneren Formʻ, in deren Zentrum (siehe S. 67)
die Szenenfolge IV 1–6 stehen soll, die sich jetzt als im wesentlichen plautinisch
erweisen läßt (dazu vorläufig Adolf Primmer: „Menanders ‚Geiziger‘ “, in: Maske
und Kothurn 30 [1984], S. 5 [221f.]). – Ludwigs Methode der ,inneren Formʻ hat
u. a. Steidle: „Zur Komposition von Plautusʼ Menaechmi“ (Anm. 7) übernommen.
Die Handlung der Menaechmi II 199

Opfergesellschaft im Haus festgehalten und belästigt. (b) v. 522–573.


Sostratos, der von der Feldarbeit erschöpft seine Familie beim Fest vor-
findet, will auch Gorgias dazu holen. (c) v. 574–619. Knemon wird in den
Brunnen steigen müssen, und Sostratos bringt den künftigen Retter Gorgi-
as. (Da ich hier abbreche, habe ich die Weiterführungsfunktion der letzten
Sequenz in der Formulierung überbetont.)
Ich hoffe, daß das einfache Prinzip der Verlagerung des Zuschauerin-
teresses von einem Handlungsschwerpunkt zum anderen deutlich wird:
Meist lösen einander eine Knemonsequenz und eine Sostratossequenz ab;
bleibt dieselbe Hauptfigur im Zentrum wie in den ersten beiden Sequen-
zen von β, so ändert sich deren Position oder Funktion in der Handlung
(Sostratos in der Defensive gegen Gorgias’ Mißtrauen, von seinem Haupt-
ziel abgelenkt – Sostratos plant mit dem neuen Helfer eine Aktion, die
zum Ziel führt); schließlich gibt es Sequenzen, die unmittelbar im || Dienst 208
208
von Fabelaufbau und -entwicklung stehen, wie die Expositionssequenz 36
oder die Übergangssequenz zur Epitasis am Ende von β, wo der Prolog-
gott zum zweitenmal in die Handlung eingreift.
Wir wollen theoretische Erörterungen zur Frage der Sequenzbildung 37
nun aber beiseite lassen und uns wieder der konkreten analytischen Arbeit
am Text zuwenden. Um Wiederholungen zu vermeiden, gehen wir die
Menaechmi nicht systematisch nach den Gesichtspunkten Sequenzbildung
und Fabelgliederung getrennt durch, sondern nach Bedarf zwischen den
beiden Kriterien der Analyse wechselnd. Und wir nehmen uns am besten
zuerst die Epitasis vor, denn da werden wir gleich mit dem ganzen Spek-
trum der Menaechmi-Probleme konfrontiert: Wo beginnt und endet die
Epitasis – mit anderen Worten, hat das Stück überhaupt eine Dreigliede-
rung der Fabel und hat Plautus sie beibehalten? Und wie steht es nun end-
gültig mit der Abgrenzung zwischen drittem und viertem Akt?
Die Epitasis soll per definitionem dort beginnen, wo die Gesamt-
handlung der Menaichmoi die entscheidende Wendung von einem Anlauf-
oder Planungsstadium zu den Hauptverwirrungen des Stückes nimmt.
Also ein kurzer Blick zurück auf den Anlauf der Handlung:38 Der Prolog

36 Apropos: Auch den Begriff Exposition sollte man strikt auf die Handlungsent-
wicklung im Spiel beziehen, weniger auf dessen ,logischeʻ Voraussetzungen (an-
ders geht vor Niklas Holzberg: Menander. Untersuchungen zur dramatischen Technik.
Nürnberg 1974). Wenn sich erst im letzten Akt herausstellt, wer der Mörder der
Leiche war, deren Auffindung im ersten Akt die Handlung in Gang setzte, dann
trägt der fünfte Akt nicht Exposition nach.
37 Vgl. dazu Manfred Pfister: Das Drama. Theorie und Analyse. München 1977,
S. 307ff., als Beleg, wie offen da die Begriffsbildung ist und wie das Sammeln
praktischer Erfahrungen am Material Vorrang hat.
38 Hier bewährt sich wieder unsere simple Auffassung von ,Handlungʻ. Wir brauchen
nicht lang zu überlegen, ob in einem vom Zufall gesteuerten Spiel in einem höhe-
200 II. Handlungsgliederung

hat uns auf eine Zwillingshandlung vorbereitet; am Schluß von α hörten


wir vom Tagesprogramm des Menaechmus E, mit dem projektierten Höhe-
punkt des Gelages mit Erotium; am Beginn von β bekräftigte Menaech-
mus S seinen Willen, in der Suche nach dem Bruder nicht zu erlahmen, –
auch wenn er dann die erste Gelegenheit zu dessen Entdeckung ungenützt
ließ. Bis hierher also ein Stück mit zwei Hauptakteuren, deren verschiede-
ne Interessen und Pläne sich nicht überschnitten, höchstens in der Begeg-
nung Cylindrus – Menaechmus S erstmals leicht berührten. Nun kommt in
209
209 der Schlußsequenz von   β, im Gespräch || zwischen Menaechmus S und
Erotium, der Moment, wo der eine dem anderen recht ordentlich ins Ge-
hege kommt. Wir können diesen Moment, also die Wendung zur Epitasis,
auf den Vers genau angeben. Noch in v. 406 hatte Menaechmus S Eroti-
ums Einladung in ihr Haus mit der Versicherung abgelehnt, sie müsse
einen anderen meinen; so hatte er weder dem Bruder das Fest verdorben
noch seine Entdeckerchance vorläufig aufgegeben. Aber jetzt geht es
Schlag auf Schlag. Erotium bietet ihm die handgreiflichste Möglichkeit, der
Wahrheit auf die Spur zu kommen („Ich kenne dich doch, Menaechmus,
Sohn des Moschus, aus Syrakus“). Aber gleich im Weiterreden demons-
triert sie ihre Dummheit, indem sie die phantastische syrakusanische Herr-
scherfolge Agathokles – Phintias (in Wahrheit ein Tyrann von Akragas) –
Liparo (wohl nach den Liparischen Inseln erfunden) – Hieron aufzählt.
Und genau damit verführt sie ihn: bei einer so naiven Person kann man ein
kleines Abenteuer riskieren! So antwortet er auf die falsche Herrscherliste
ganz entzückt haud falsa, mulier, praedicas.39 Man muß sich das gespielt vor-
stellen: die Hetäre, die ihre Informationen, die doch sachlichen Gehalt
haben sollten, mit schmeichlerischem und verführerischem Tonfall und
Körperspiel an den Mann bringt; Menaechmus S, dessen Gestik von der

ren Sinne überhaupt von Handlung, Handlungsträger usw. gesprochen werden


kann: vor den Augen der Zuschauer läuft auf jeden Fall eine kohärente Szenen-
folge, also eine Handlung ab.
39 Vers 412. Ich hatte in Teil I, S. 106 bei Anm. 31 übersehen, daß Menaechmus S
bereits hier entsprechend auf ihren Unsinn reagiert und nicht erst an den späte-
ren a. O. genannten Stellen. – Übrigens: Wenn Plautus nicht gegenüber der wah-
ren Tendenz dieser heuchlerischen Zustimmung genauso unempfindlich war wie
seine Ausleger (in Kommentaren zur Stelle wie Datierungen, wozu zuletzt Henry
D. Jocelyn: „Anti-Greek Elements in Plautusʼ Menaechmi“, in: Papers of the Liver-
pool Latin Seminar 4 [1983], S. 3f. und S. 12ff.), dann hat er Hiero als letzten des-
halb genannt, weil jedermann in Rom wußte, daß dieser schon einige Zeit tot war
(wir würden im analogen Fall die Naive auch eine Reihe wie ,Napoleon, Mussoli-
ni, Montmartin und jetzt de Gaulleʻ bilden lassen). So ergibt Hieros Todesjahr
215/214 keinen Terminus ante, sondern post quem, der das Datum der plautini-
schen Erstaufführung innerhalb von Jocelyns „any time during the half century
before 184“ (S. 16) eher auf die Jahre nach 200 einengt.
Die Handlung der Menaechmi II 201

Verblüffung über die Nennung seines Namens zur befriedigten Überlegen-


heit wechselt (er mag dem Sklaven deuten, daß sie offenbar im Kopf nicht
recht beisammen ist); und Messenio, der sich über die Raffiniertheit, mit
der sie Menaechmus’ Stammbaum ausgeforscht hat, nicht genug wundern
und entsetzen kann. So fällt der entscheidende Satz, mit dem Menaechmus
S die folgende Verwirrungsphase der Handlung einleitet, wirklich an einem
Spielhöhepunkt: hercle, opinor, pernegari non potest (v. 414). Es ist nicht ein-
fach ein Glied in der Ursachenkette wie jedes andere, nicht einfach der
Eintritt einer condicio sine qua non für das Weiterlaufen des Handlungs-
mechanismus (etwa wie am Ende von α der Forumgang des einen Bruders
Raum für || den anderen schaffen mußte); denn auch die möglichen Kon- 210
210
sequenzen kündigen sich gleich anschließend, noch vor dem Aktende, in
auffälliger Massierung an. Menaechmus entschließt sich, Erotium künftig
in ihrem Irrtum zu bestärken, denn er hofft sie wenigstens fürs hospitium
auszunützen (v. 417f.)40 – Erfolgsmeldung darüber später: prandi potavi
scortum accubui (v. 475, wie veni vidi vici), und er setzt dieselbe Taktik auch in III 3
gegen Erotiums Magd ein. Er lehnt die eventuelle Teilnahme des Parasiten am
Gelage ab (v. 422ff.) – Peniculus wird in γ zum enttäuschten Verräter und
als solcher zum Motor der weiteren Handlung. Er verspricht, nach dem Sym-
posium die palla zum Umarbeiten mitzunehmen (v. 425–430) – und die palla
begleitet dann, sozusagen als Katalysator, die weiteren Verwicklungen. Zu
beachten ist übrigens, daß die Vorverweise auf Parasit und palla hier noch
nicht handlungsnotwendig waren, also vom Dichter bewußt gegeben sind:
er wollte eben den Übergang zur Epitasis mit allen Mitteln herausstreichen.
Zu guter Letzt illustrieren übrigens selbst die Figurenbewegungen am Akt-
ende nochmals die Richtungsänderung der Gesamthandlung. Herr und
Sklave waren zum Aktbeginn von der Hafenseite her einmarschiert, of-
fenbar um quer über die Bühne aufs Forum zu gelangen, wo man sich am
besten über den Vermißten erkundigen könnte. Das Zusammentreffen
mit dem Koch hatte das Vorhaben zwar verzögert, aber noch nicht endgül-
tig gestoppt: Messenio behielt die ganze Zeit den Koffer, den er trug, in der
Hand; er setzte ihn erst ab, als Menaechmus S sich weigerte, der Hetäre von
vornherein aus dem Weg zu gehen (v. 349). Und jetzt am Aktschluß geht er
gar ins Haus der Erotium, und den Sklaven schickt er sogar zurück (zum Mit-
tagessen in einer Hafentaverne) – mit dem Suchgang zum Forum scheint
zugleich das ganze Suchunternehmen des Protasisplanes abgebrochen.
Wie geht’s nun in der Epitasis weiter, wie sind nach den Erfordernissen
der Sequenzbildung die drei Szenenfolgen III 1–3 (v. 446–558), IV 1–3

40 Seine Maxime von v. 417f., adsentabor quidquid dicet mulieri, si possum hospitium nan-
cisci, formuliert er auch v. 418ff. nochmals in selbstzufriedenem Rückblick: quoni-
am sentio (eam) errare, extemplo, quasi res cum ea esset mihi, coepi adsentari: mulier quidquid
dixerat, idem ego dicebam …: minore nusquam bene fui dispendio.
202 II. Handlungsgliederung

(v. 559–700) und V 1–3a (v. 701–881) auf die Akte γ und δ zu verteilen?
Sieht man auf den Wechsel der Hauptfiguren, so ist gleich zu Beginn die
Feststellung unabweisbar, daß III 1–3 alleine nicht ausreicht, den zentralen
Akt der Epitasis zu füllen. Von den Protagonisten des Spiels steht ja nur
Menaechmus S im Rampenlicht; sein Rencontre mit Peniculus und sein
211
211 Gespräch mit Erotiums Magd, wo die beiden einander zu übervortei-||len
suchen, sind zwar witzig genug (zumal er in seiner Weinseligkeit wieder
einmal die Gelegenheit versäumt, den Bruder zu finden), aber das ließe
sich etwa auch der Reihe von Zusammenstößen nachsagen, die in Dyskolos
γ der ,belagerte‘ Knemon erleidet – und in Dyskolos γ folgen auf diese
Knemonsequenz immerhin noch zwei andere, erst eine mit Sostratos,
dann eine auf den Verwirrungshöhepunkt in δ vorausweisende. Was also
das eingesetzte Personal betrifft, entspricht die Szenenfolge von Menaechmi
III nur der ersten Sequenz von Dyskolos γ. Diese Diagnose bleibt unange-
tastet (wiewohl sie im einzelnen etwas zu differenzieren sein wird), wenn
wir nun das andere Wesensmerkmal einer Sequenz ins Auge fassen, ihre
einheitliche dramaturgische Funktion. Da ist jedenfalls die Funktion von
III 1 und 2 klar: es geht um die Folgen, die das prandium des Menaechmus S
für beide Brüder, nicht nur für ihn selber, haben wird. Denn Peniculus, für
den ja (wie wir aus seinem Monolog in I 1 schon wissen) als Band und
Fessel der Loyalität nur das Essen fungiert, ist jetzt ums Essen betrogen
und fühlt sich zur Rache verpflichtet. So verflechten sich, wiewohl in III
nur der eine Bruder auf der Bühne steht, in der Verwirrungsphase die
,Pläne‘ beider. So weit so gut – aber wie ist III 3 (Menaechmus S und die
Magd) in die Gesamthandlung einzuordnen?41 Nimmt man den
Plautustext so wie er dasteht und mit seiner unmittelbar possenhaften
Theaterwirkung, dann scheint seine Funktion merkwürdig rückwärtsge-
wandt nur den Sieg des mutigen Schlaumeiers über die Hetäre zu feiern.
Aber läßt sich der Text nicht auch anders spielen?42 Vielleicht stolpert der
Betrunkene in Wahrheit nur weiter in die Gefahr hinein – schließlich hatte
doch der treuherzige Messenio wohlmeinend vor der verruchten Stadt
gewarnt!43 Ich glaube, es täte der dramatischen Wirkung der Szene im
Kontext durchaus gut, wenn das Publikum nicht nur den erfolgreichen
Menaechmus S vor sich sähe, sondern das Gefühl vermittelt bekäme, daß
hier ein Ahnungsloser blind weitertappt. So würde die Szene den Verweis-
charakter auf die Folgehandlung haben, den sie an ihrer Stelle, noch im
Vorbereitungsteil der Epitasis, gut brauchen könnte – und den sie, um
zuletzt auf ein Inhaltselement der Analyse zurückzugreifen, ja schon als

41 Zur Analyse dieser Szene vgl. schon Teil I, bes. S. 103 und S. 111f.
42 Hier begegnen wir zum ersten Mal der besonderen Ergänzungsbedürftigkeit
dieses Textes durch das Mimetische; siehe unten S. 218ff.
43 Zur wirkungsvolleren Warnung, durch den Prologus, siehe unten S. 220f.
Die Handlung der Menaechmi II 203

Vorbereitungsszene für die spinter-Szene im Übergang zur Katastrophé


haben muß.
Die nächste Sequenz, IV l–3, muß nach dem bisher Gesagten auf je-
den Fall noch zu γ gezogen werden, und sie eignet sich auch im || drama- 212
212
turgischen Zusammenhang bestens dazu, da sie zu der vorausgehenden
Sequenz deutlich komplementär ist. Sie führt wohl deren Handlungs-
ansätze ziemlich geradlinig, also ohne betonte Verlagerung des Interessen-
schwerpunkts, weiter, wenn man nur auf den Inhalt sieht (Peniculus ver-
wirklicht seine Rachedrohung), aber immerhin stellt die neue Sequenz den
anderen Hauptdarsteller in den Vordergrund, und wenn’s dem einen zuvor
eher gut zu gehen schien, so geht’s dem anderen offensichtlich schlecht:
Menaechmus E wird von seiner Frau zu Recht des Diebstahls der palla
bezichtigt und von seiner Hetäre zu Unrecht ihrer Veruntreuung, und
beide verweisen ihn ihres Hauses.
Innerhalb der Sequenz läuft, wie eben angedeutet, die Handlung ohne
Richtungsänderung durch; und mit dieser Feststellung haben wir auch in
der Sprache der Sequenzanalyse Steidles These widerlegt, IV 1–3 sei mit
dem dritten Akt identisch. Ich betone das in der Hoffnung, das Vertrauen
in die Zuverlässigkeit der Argumentationsweise werde mit der Zahl von
auch anderswie abgesicherten Exempeln wachsen. Das nächste Exempel
folgt gleich: für V 1–3a vermeldet uns die Sequenzanalyse die ebenfalls
schon auf anderen Wegen nachgewiesene Ergänzungsbedürftigkeit. Denn
V 1–3a ist, von geringfügigen Modifikationen abgesehen, genauso struktu-
riert wie IV 1–3. Die eine Hauptperson ist diesmal Menaechmus S, eben-
falls als Opfer; und wie zuvor Peniculus der Matrone, so assistiert hier die
Matrone dem Senex beim Angriff; wieder flüchtet der Bedrohte auch am
Ende. Also kommen wir auch zu demselben Urteil: die geradlinige Hand-
lung mit der einen Hauptfigur füllt keinen ganzen Akt aus; und da ande-
rerseits nur diese Sequenz für δ zur Verfügung steht, müssen wir den
Plautustext hier mit mehr Handlung ausstatten.
Der Einwand, wir hätten noch nicht geprüft, ob sich δ   nicht aus dem
Folgetext (ab V 3b) komplettieren ließe, ist leicht erledigt. So wie der
Hauptheld Menaechmus S wenigstens einmal im vierten Akt ordentlich ins
Gedränge kommen muß, so am besten zur Abwechslung wieder der zweite
im fünften Akt. Usuell gibt es ja in ε mindestens eine Sequenz, in der eine
Hauptfigur nochmals Opfer einer kleinen Komödie in der Komödie wird
(Knemon, Moschion, Smikrines …), und eine andere, die die endgültige
versöhnliche Lösung aller Interessengegensätze vorführt: in den Menaich-
moi also V 3b–7, Menaechmus E unter Wahnsinnsverdacht und erst im
letzten Augenblick vor der Zwangsjacke gerettet, und V 8f., die Begeg-
nung der Zwillingsbrüder. Das Urteil zu V l–3a bleibt also bestehen:
Plautus muß als Bearbeiter aus Menaichmoi δ eine Sequenz eliminiert haben.
Auch die Frage, was und wie er gestrichen hat, kann uns eine Struk- 213
213
turbeobachtung zu beantworten helfen, diesmal wieder die Mitberücksich-
204 II. Handlungsgliederung

tigung des Dreiphasenschemas der Fabel. Von einem Autor, der am Ende
von β die Strukturregel für den Epitasisbeginn eingehalten hat, dürfen wir
dasselbe in δ erwarten, an der Wende von Epitasis- zu Katastrophéphase.
Nun steht uns von den Hauptakteuren in δ   nur Menaechmus S zur Verfü-
gung (sein Bruder muß ja den γ-Schluß und den ε-Anfang bestreiten). So
rechnen wir also mit einer ersten Sequenz, in der Menaechmus S als Ob-
jekt, und mit einer zweiten, in der er eher schon als Subjekt der Komödi-
enhandlung agiert. Das kann nur heißen: er muß etwa in der Aktmitte vom
Unwissenden zum Wissenden oder die Wahrheit zumindest Ahnenden
geworden sein. Ich will hier die schon erörterten spinter- und Figurenfüh-
rungsargumente nicht wiederholen; nur soviel: Die akteinleitende Streit-
szene Menaechmus S-Matrone eignet sich strukturell am besten zur Ver-
selbständigung zu einer Sequenz, und die spinter-Szene aus   γ kann die
Fortsetzung in δ gebrauchen. Was dann die Konfrontation mit dem Senex
betrifft, die bei Plautus ernsthaft erfolgt, beim Originalautor aber schon
ein Element des Übermütig-Spielerischen enthalten haben müßte: Spuren
von ebendiesem Element sind bei genauem Zusehen aufzufinden. Eine
von ihnen hat mich zuvor von einer Modifikation sprechen lassen, die
man bei der Aussage anbringen könne (wenn auch nicht müsse), die Se-
quenz laufe dramaturgisch geradlinig durch. Es ist ja doch eine kleine
Zickzacklinie in der Handlung, wenn der Senex, den die Matrone zu ihrer
Unterstützung holte, sich zwischendurch (in v. 784 –797) einmal überra-
schend auf Menaechmus’ Seite stellt. Und die Tragödienparodie des ge-
spielten Wahnsinnsausbruchs, mit der sich Menaechmus S selbst in die
Gefahr, als Verrückter die Zwangsjacke verpaßt zu bekommen, hineinma-
növriert, nun, diese Parodie paßt schon als solche besser in die unbe-
schwert-heitere Lösungsphase.
Wir verzichten darauf, die Struktur des fünften Akts nochmals näher
durchzumustern (die vom Inhalt her nötigsten Korrekturen am Plautustext
sind in Teil I, S. 111ff. besprochen) und halten nur nochmals die Haupt-
änderung fest, die Plautus an der Fabelstruktur angebracht hat: In den
lateinischen Menaechmi läuft das Verwirrspiel bis in den fünften Akt hinein,
ja bis vor die Schlußszene.
Das nunmehr so vielfach abgesicherte Resultat, daß Plautus im letzten
Fabelteil die Rolle des Zufalls wesentlich verstärkt hat, provoziert nun,
nachdem wir die Akte δ – ε der Menaichmoi kennen, die komplementäre
214
214 Frage: Und in der Protasis? Hat Plautus vielleicht auch in den || Akten α
und β eine im Original besser hervortretende Handlungsgliederung ver-
wischt und durch die bloß additive Aneinanderreihung wirksamer Possen-
szenen ersetzt? Hat er zu diesem Zweck womöglich Szenen umgestellt?
Ich wollte nach dem ursprünglichen Plan dieser Arbeit derartige Fragen,
die uns zur Betrachtung seines positiven Kunstwollens weiterführen wür-
den, hier gleich auch mit dem Blick auf ihn ausführlicher behandeln (dazu
würden natürlich auch die Fragen zur plautinischen Aktstruktur gehören –
Die Handlung der Menaechmi II 205

denn es muß ja einen Grund haben, wenn Plautus nirgends so deutlich wie
in den Menaechmi durch ziemlich regelmäßige Wiederholung eines metri-
schen Schemas die beibehaltene griechische Aktgliederung unterstreicht).
Nun fällt aber schon die Behandlung der Nea-Struktur so ausführlich aus,
daß ich mir hier doch Zeit- und Raumgrenzen setze. Ich begnüge mich
also, zum Abschluß die Argumente für meine These zu skizzieren, daß die
griechische Protasis im wesentlichen dieselbe Gestalt hatte wie unser
Plautustext, daß aber der Autor der Menaichmoi mit bisher nicht gewürdig-
ten Mitteln dafür sorgte, daß sich vor den Augen der Zuschauer die Klein-
etappen der Handlung, will sagen die Sequenzen, einigermaßen deutlich
konturieren.
Auf den ersten Blick scheinen zwar die Sequenzen weder in α noch in
β jenen Ansprüchen zu genügen, die wir vom Dyskolos oder von Menaichmoi
γ bis ε herstellen würden. Menaechmus E flüchtet vor der Herrschsucht
und Eifersucht seiner Frau (I 1–2) und geht mit seinem Kumpan zu seiner
Hetäre (I 3); Menaechmus S deutet die Indizien, die auf seinen Bruder
weisen, im Gespräch mit Cylindrus nicht richtig (II 1–2) und ebensowenig
mit Erotium (II 3): Die beiden Protasisakte lassen sich gewiß so inszenie-
ren und aufführen, daß dies der Haupteindruck ist, den das Publikum von
ihrem Inhalt bekommt. Dann ist das zweimal eine linear fortschreitende
Handlung, ohne Schwerpunktverlagerung von Sequenz zu Sequenz; und
der erste Akt verstößt noch zusätzlich gegen einen sinnvollen menandri-
schen Usus,44 da die Zuschauer dadurch, daß sie hier nur den passiven,
aber noch nicht den aktiven Helden zu Gesicht bekommen, geradezu in
die Irre geführt werden. (Soll das vielleicht Teil der gleich unten zu be-
sprechenden Überraschungstaktik sein?)
Trotzdem würde ich davor warnen, die Szenenfolge einfach einem sim-
plifizierenden Plautus aufs Konto zu setzen. Denn einerseits hat, wie wir
schon in Teil I sahen, das im letzten doch raffinierte Spiel mit den || sim- 215
215
plen Situationen für den Originalautor45 seinen eigenen Reiz. Andererseits
hat das Zufallsspiel, das wir in dem plautinischen Text vor uns haben,46

44 Dazu Adolf Primmer: „Karion in den Epitrepontes“, in: Wiener Studien 99 (1986),
S. 135 [61] mit Anm. 42 [48].
45 Wohl auch für sein komödientechnisch schon sehr versiertes, sachverständiges
Publikum: das Spiel mit den voll beherrschten Konventionen sieht doch schon
eher nach ,silbernem Zeitalterʻ aus, und auch Agathokles (auf dessen Regierungs-
zeit Jocelyn: „Anti-Greek Elements in Plautusʼ Menaechmi“ [Anm. 39], S. 4 setzt)
muß ja, soll der Witz des Anachronismus wirken, schon tot sein.
46 ,Zufallʻ ist das wichtigste Stichwort in der Kritik; um einen für fast alle zu zitie-
ren (Walther Ludwig, im Nachwort zu: Antike Komödien. Plautus/Terenz, hg. von
Walther Ludwig. München 1966): „Ohne Intrige und psychologisch simpel, ist es
eine Komödie der Irrungen, die der Zufall rasch und abwechslungsreich in Be-
wegung hält.“
206 II. Handlungsgliederung

einen sehr passenden nichtplautinischen Mitautor: den Zufall, nämlich


jenen, durch den am Schluß des Prologs mehrere Verse ausgefallen sind.47
Die Lücke wird zwar allgemein als unwesentlich ignoriert, sie kann aber
wichtige strukturverdeutlichende Hinweise für das Publikum enthalten
haben. Ich deute den Inhalt der Ergänzungen, deren Notwendigkeit mir
teils mit Sicherheit, teils mit angemessener Wahrscheinlichkeit begründbar
erscheint, gleich an, indem ich von v. 68 an paraphrasiere (davor hat der
Prologus die Vorgeschichte erzählt): „In dem Haus dort (der Prologsprecher
steht, da er mit illic auf das ihm fernere Bühnenhaus zeigt, mehr auf der
Hafenseite, vor dem Haus Erotiums) wohnt Menaechmus E. Menaechmus S
wird ihn heute suchen kommen. Denn für die Dauer des Spiels ist der Ort
hier Epidamnus, so wie ja auch die Bewohnerschaft der Bühnenhäuser
von Stück zu Stück wechselt. Hier (hic, er zeigt auf Erotiums Haus) wohnt
z. B. auch bald ein Kuppler oder ein junger Verliebter, ein Patron oder
sein Parasit … (Und nun die zu ergänzenden Inhalte:) … (a) Heute wohnt
in dem Haus eine Frau – ich sage nichts weiter über sie, ihr werdet sie ja
selber sehen. (b) Paßt jedenfalls gut auf, welcher der Brüder welches Haus
betreten wird, und vor allem, wer von ihnen ein unheilbringendes Kleid
oder Verwirrung stiftenden Schmuck mit sich tragen wird. Und viel Spaß!“
Damit geht der Prologus links ab, und von recht, von der Stadtseite, tritt
Peniculus auf.
Die Ergänzungen (a) und (b) enthalten je ein Element, das im Prolog
nicht fehlen darf, womit zunächst einmal die Existenz einer mehr als einen
Vers umfassenden Lücke bewiesen wäre: Daß in irgendeiner Weise von
den Bewohnern auch des linken Bühnenhauses gesprochen wird, erfordert
der unmittelbare Kontext. Und auch irgendeine Abschlußwendung des ||
216
216 Prologs muß ausgefallen sein, ein Kompliment an das Publikum oder eine
Bitte um Aufmerksamkeit oder ein Hinweis auf den eben auftretenden
Peniculus. Komplizierter wird es schon mit dem Nachweis, daß in (a) nur
in geheimnisvoll andeutender Weise von Erotium gesprochen wurde. Für
die Alternative, also die direkte Mitteilung, daß im Nachbarhaus Men-
aechmus E’s Freundin wohnt, könnte sprechen, daß das Publikum dann
ab v. 124 die Lügen und Anspielungen des Menaechmus E mitkontrollie-
ren kann. Dort verrät er nämlich lange Zeit weder seinem Parasiten noch
dem Publikum, wo er sich eigentlich heute einen guten Tag machen will. 48

47 Leos Formulierungen im Apparat („finis prologi periit. uno versu auctior fuit A“)
gibt zu verstehen, daß er über den einen Vers des Ambrosianus hinaus mit einer
größeren Lücke rechnete; tatsächlich fehlt mindestens eine Schlußwendung ans
Publikum; man vergleiche alle plautinischen Prologe.
48 v. 124 sagt er hodie ducam scortum ad cenam atque aliquo condicam foras, also sinngemäß
etwa „Heute werdʼ ich mit einer Hetäre irgendwohin zum Essen ausgehen“ (zur
Rechtfertigung des überlieferten Textes siehe Leo, App.). Ähnliche Anspielungen
ohne Ortsangabe folgen noch v. 133 und 152.
Die Handlung der Menaechmi II 207

Diese Lösung hätte allerdings auch ihre Nachteile, und die wiegen m. E.
schwerer. Wenn nämlich das Publikum von allem Anfang an Bescheid
weiß, dann wirkt vom Auftritt des Menaechmus E an bis zum Aktschluß
tatsächlich alles als eine einzige, nur eine Handlungslinie verfolgende Se-
quenz (er geht von seiner Frau zu seiner Hetäre hinüber). Diese Primitiv-
dramaturgie werden wir dem raffinierten Konstrukteur zwar als Substruk-
tur, aber nicht als eigentlich intendierte Struktur der Protasis zutrauen. Zu
ihm paßt schon eher das Bemühen, durch den Überraschungseffekt we-
nigstens die Illusion einer Richtungsänderung in der Handlung hervorzu-
rufen: „Ach, seine Freundin wohnt hier? Na, das wird ein schönes Durch-
einander geben!“
Noch spürbarer und wirkungsvoller wird die Wendung oder Schwer-
punktverlagerung natürlich dann, wenn im entscheidenden Augenblick der
Zuschauer auch noch eine Erinnerung an Informationen oder Reizworte
aktivieren kann, die ihm der Prolog geliefert hatte. Und diese Möglichkeit
zur Steigerung der dramatischen Qualität in den einzelnen Sequenzen ist
soweit ich sehe der einzige, aber ausreichende Wahrscheinlichkeitsbeweis,
der sich dafür finden läßt, daß in (b) der Prologus auch solche Andeutungen
machte, die das Publikum später nicht nur an den einen Bruder, der gerade
auf der Bühne steht, denken lassen, – sodaß z. B. beim Auftritt der Hetäre
I 3 Menaechmus S wenigstens virtuell mit anwesend ist: „Ach, die anonyme
Bewohnerin des Nachbarhauses ist also die femme fatale, die wohl die
Brüder durcheinanderwirbeln wird – und da bekommt sie auch schon das
fatale Kleid!“49 (mehr als solche || Ahnungen, d. h. einen größeren Informa- 217
217
tionsvorsprung im Detail, dürfen die Zuschauer auch gar nicht vor den Fi-
guren des Spiels haben, sonst wäre ja wiederum der Sequenzfolge im grö-
ßeren Zusammenhang die Spannung genommen.) Sehen wir also, ob sich
dramaturgisch wichtige Passagen gut in diesem Andeutungsstil spielen
lassen.
In α ist die wichtigste dieser Szenen natürlich der Übergang von I 2
zu I 3, zu Erotiums erstem Auftritt. Die Wirkung, die sie in den Augen der
Zuschauer auf ihren Galan macht (der ja mit seinem Parasiten schon auf
der Bühne steht), hängt u. a. mit dem Eindruck zusammen, den er vorher
erweckt hat; und der ist wohl schon nicht mehr ganz positiv. Das Publi-
kum mag anfangs mit ihm sympathisiert haben, als er seine Frau in ihre
Schranken wies, aber sein übertrieben herzliches Einvernehmen mit dem
windigen Peniculus (o mea commoditas …, v. 137) und vor allem die erste
,Enthüllung‘ des Stücks, daß er die unheilbringende palla an seinem Leib
trägt, lassen ihn unterdessen wohl etwas ambivalent erscheinen. Umso

49 In irgendeinem Sinn mußte die palla im Prolog genannt sein, und sei es nur zu
dem Zweck, die Zuschauer darauf vorzubereiten, daß sie von γ an Menaechmus S
immer durch sie identifizieren können (vgl. ähnliche Erläuterungen in Amphitruo
und Miles gloriosus).
208 II. Handlungsgliederung

mehr wird man Erotium als dominierende Erscheinung, als femme fatale
empfinden können (was sich allerdings in β als übertrieben herausstellt,
aber auch auf diese Enthüllung hat es der Autor wohl angelegt). Nun also
ein kurzer Blick auf ihren Auftritt. Da werde ich, da es so viele anders
interpretierbare Elemente im Text gibt, den Verdacht nicht los, daß
Plautus den Ton in den Äußerungen des Menaechmus E einigermaßen
aufs Possenniveau herabgestimmt hat;50 ich hebe darum einfach die Ein-
zelheiten heraus, die dem Original adäquat sind. Zuerst wird Raum für
ihren Auftritt geschaffen, wird die entsprechend erwartungsvolle Stim-
mung erzeugt. Als nämlich der Parasit v. 176 fragt, ob er an ihre Tür klop-
fen soll, antwortet Menaechmus zuerst mit Ja, besinnt sich aber nochmals.
Offenbar muß er sich erst sammeln und auf den feierlichen Augenblick
ihrer Epiphanie (man beachte den folgenden Sonnenvergleich!) einstim-
men.51 Peniculus macht zwar einen Zwischenwitz, aber Menaechmus
bleibt weiter ganz ergriffen: „Klopfe sanft!“, „Wart’, wart’ um Himmels
willen! Da kommt sie selbst. Sieh nur! Die Sonne – wie verfinstert ist sie
vor dieses Leibes Strahlenglanz!“ Nach solchem Ausbruch sollte er wohl,
bis sie ihren Mund auftut, bescheiden im Hintergrund bleiben, während sie
218
218 ihren großen ersten Auftritt zelebriert, || vielleicht ihn zunächst ignorie-
rend und stolz ihre Primadonnenmacht über den ganzen Theaterraum
genießend – wenn sie sich danach betörend und berechnend zu ihm herab-
läßt (anime mi, Menaechme, salve), dann wird sich das Publikum auch der
fatalen Gefahr erinnern, die der Prologus für den anderen Bruder ange-
deutet hat, zumal sie überdies auf sein Kompliment „Sowie ich dich sehe,
halt’ ich meine Frau nicht mehr aus“ sofort mit einer Anspielung auf die
palla antwortet: „Aber vorläufig mußt du sogar was von ihr anziehen!“
Übrigens hat Plautus leider eine verbale und szenische Responsion ver-
dunkelt, die in II 3, also an der analogen Stelle des zweiten Akts, das Ge-
genstück zu unserem Passus bildet; denkt man sich dort die Zerdehnung,
die der Canticumstil bedingt, aus dem Text fort, dann bleibt, nach einer
knappen Zutrittsbemerkung Erotiums (diesmal ist Menaechmus S schon
auf der Bühne), als ihre erste Anrede: „animule mi (!), komm doch endlich
herein zum Symposion!“ Sie wird die Worte im gleichen selbstbewußt-
verführerischen Ton äußern wie im ersten Akt, nur entpuppt sich ihr
Glanz diesmal jäh als Talmiglanz, denn die Antwort lautet: Quicum haec
mulier loquitur?
Eine Zwischenbemerkung: Ich bitte, meine wiederholten Hinweise
darauf, daß die Wirkung eines Textteils von dem Ton und Stil abhängt, in

50 So stellt er v. 188 Erotium in geckenhafter Selbstgewißheit vor die scheinbare


Wahl, mit wem sie heute Nacht verbringen will, und fährt, da dies ja nur ein
,Witzʻ war, gleich bruchlos fort: ut ego uxorem, mea voluptas, ubi te aspicio, odi male!
51 Die Kommentare schweigen zu der Frage, welchen Sinn sein vel mane etiam
(v. 177) haben soll.
Die Handlung der Menaechmi II 209

dem er gespielt wird, im Fall der Menaechmi nicht als Freibrief, den sich der
Interpret ausstellen will, zu verdächtigen. Wer näher mit dem Text dieser
Komödie arbeitet, wird immer wieder die Erfahrung machen, daß der
Autor wirklich in unüblichem Maß neben dem Wort der Schauspielkunst
vertraut hat. Er muß in jeder Hinsicht, auch in der des Dialogschreibens,
ein außergewöhnlich erfahrener Theaterpraktiker gewesen sein.
In der ersten Sequenz von β läßt sich immerhin deren Hauptfunktion
schon aus dem Text allein ablesen, wenn auch seine mimische Realisierung
die Absicht des Autors noch beträchtlich verdeutlichen kann. Natürlich
kommt es darauf an, die Schwerpunktverlagerung zur zweiten Sequenz
dem Publikum bewußt zu machen, welche bekanntlich (wir haben ja den
Übergang zur Epitasis schon untersucht) den bewußten Entschluß von
Menaechmus S bringt, sich ins Hetärenhaus und damit ins Risiko der kom-
menden Verwicklungen zu·begeben.52 Soweit ich sehe, hat sich der Autor
diesmal auf den Kontrast verlassen, den zu diesem bewußten Entschluß
zum ungewissen Abenteuer das unbewußte Verfehlen des selbstgesetzten
Zieles im Verlauf der ersten Sequenz bildet. Zu deren || Beginn, im Dialog 219
219
mit Messenio, verteidigt und bekräftigt Menaechmus S ja noch die Ab-
sicht, in der Suche nach dem Bruder nicht zu erlahmen.53 Und dann ver-
säumt er in der Begegnung mit Cylindrus gleich seine erste große Chance,
teils aus Voreingenommenheit gegen die sittenlosen Epidamnier, teils aus
dem Ödipus-Fehler, im Vertrauen auf die unfehlbare Rätsellösungskapa-
zität des eigenen Intellekts die im ersten Augenblick verblüffenden Äuße-
rungen eines anderen sofort als falsch (in diesem Fall als verrückt) abzu-
qualifizieren. (Daß ihn nachher gerade die Dummheit der Hetäre verführt,
ergibt eine hübsche Zusatzpointe.) Die Schlüsselszene in der ersten Se-
quenz ist also die Auseinandersetzung zwischen Menaechmus/Oidipus
und Cylindrus/Teiresias, und in ihr ist wieder die entscheidende Passage,
der zentrale Teil, durch die Gesprächsform hervorgehoben. Im Einlei-
tungsteil (v. 278–293) reden die beiden zunächst insofern aneinander vor-
bei, als Cylindrus auf die überraschten Reaktionen des Menaechmus, die
natürlich ihrerseits ihn überraschen müssen, nur ausweichend reagiert:
v. 280 mit „Wo sind die anderen Gäste?“ und v. 287 mit „Du kommst zu
früh zum Essen.“ Aber mit diesen hartnäckigen Themenwechseln provo-

52 Daß und wie der Prolog dort wieder mithilft, ist wohl keine Bemerkung im Text
mehr wert.
53 Es beruht also gewiß auf keinem Unvermögen des Autors, wenn er das Motiv der
Brudersuche nicht einfach in der Erzählung der Vorgeschichte im Rahmen des
Prologs versteckt hält. Nach seinem Willen soll das Publikum gar nicht die un-
wahrscheinliche Voraussetzung ignorieren, damit das Spiel in sich flott ablaufen
kann (so etwa Steidle: „Zur Komposition von Plautusʼ Menaechmi “ [Anm. 7],
S. 247f.): ganz im Gegenteil, das Publikum soll genießen, wie er mit der Plausibi-
litätsschwierigkeit fertig wird.
210 II. Handlungsgliederung

ziert er nur eine beleidigende Reaktion: Menaechmus tut so, als überreiche
er dem Koch Geld für ein Opfer, das er gegen seinen Wahnsinn darbrin-
gen solle. Im entscheidenden Mittelteil (v. 294–315) ändert sich die Ge-
sprächsform: Cylindrus will jetzt mit Indizienbeweisen Menaechmus zwin-
gen, seine Identität zuzugeben; und sein höchster und letzter Trumpf ist
die Frage „Wohnst du denn nicht in dem Haus dort?“ Wenn der Schau-
spieler diese Frage besonders emphatisch stellt, wenn vielleicht Menaech-
mus sich auch etwas Zeit läßt, bevor er, vielleicht in provokant kühlem
Ton, antwortet: „Die Leute dort in dem Haus sollen die Götter verder-
ben!“54 – nun, dann ist auch noch das Reizwort ,Haus‘ besonders heraus-
gestrichen, was die Bedeutung des Augenblicks dem Publikum besonders
einschärfen könnte. Allerdings leistet das auch schon der Fortgang des
Gesprächs nicht schlecht; denn jetzt kommt Cylindrus mit der Retourkut-
sche des Geld- und Opfermotivs. Und im abschließenden dritten Ge-
sprächsteil kommt der Koch dann, da eine Verständigung über die Identi-
220
220 tät des Menaechmus doch nicht zu erwarten ist (er beliebt || offenbar zu
scherzen), zur Taktik des Einleitungsteils zurück und redet wieder vom
Kochen und Essen. Aber gewinnt das Ganze nicht doch an Wirkung,
wenn in der einen Sequenz des Akts das Menaechmushaus, in der anderen
das Hetärenhaus sozusagen mitspielen?
Für unsere Ausdauer (als Publikum oder Interpreten) im Hinhorchen
auf Stellen der Komödie, in denen die Reaktivierung von (ergänzten) Pro-
loginformationen unser Verständnis der Handlung und ihrer Entwicklung
mitbestimmt oder doch erleichtert, werden wir, wenn ich nicht irre, am
meisten belohnt im dritten Akt, in der Szene Menaechmus S – Magd. Das
zeigt sich, sobald wir unsere Beobachtungen über die passive und aktive
Hauptfigur unter dem Aspekt der Charakteristik dieser Hauptfiguren um-
formulieren. Das Publikum will ja einen sympathischen Haupthelden ha-
ben (wenn er auch laut Aristoteles nicht vollkommen sein soll); sein Ge-
genspieler soll es aber jedenfalls mehr verdienen, Opfer des Komödienzu-
falls zu sein. Der Autor der Menaichmoi hat solche Erwartungen in der
Protasis angemessen berücksichtigt: Er hat Menaechmus E als den Spieß-
bürger gezeichnet, der ein verfluchter Kerl sein will, sich ein solches Leben
aber nur durch Diebereien da und Bestechung dort erkaufen kann. Dage-
gen ist Menaechmus S sozusagen ein Dramenheld wie er im Buch steht:
zusammengesetzt aus der Tugend romantischer Familienloyalität, die nach
Belohnung verlangt, und der kleinen ἁµμαρτίία, die die Komödienleiden,
die ihn heimsuchen, rechtfertigt. In der Epitasis gibt es nun auf einmal ein
Problem mit der poetischen Gerechtigkeit: dem Menaechmus S geht es in
der plautinischen Fassung zu gut! Zwar würde ihn das Publikum wohl
kaum moralisch dafür verurteilen, daß er eine habgierige Hetäre betrogen
und dem Satz ,Unrecht Gut gedeihet nicht‘ praktische Geltung verschafft

54 v. 308, di illos homines qui illic habitant perduint.


Die Handlung der Menaechmi II 211

hat;55 aber die Alltagsmoral steht ja nicht zur Debatte, sein ,Fehler‘ war ein
ganz anderer: er hat die Chance verfehlt, den Bruder zu finden, dafür sollte
er büßen müssen. Die merkwürdige Folge dieses ,poetischen‘ Gerechtig-
keitsdenkens ist, daß Menaechmus S in der plautinischen Fassung beim
Publikum an Sympathie verlieren muß. Man war bereit gewesen, ihm zu
verzeihen, wenn es ihm schlecht ginge, und jetzt geht’s ihm gut! Und jetzt
nimmt er der Magd noch ein weiteres Beutestück ab! Also – zu diesem
Gesamteindruck kommt das Publikum der Plautusfassung – ist er im
Grund auch wie die anderen Figuren bloß Produkt und Mittel der Neigung
des Dichters zu Satire und Karikatur oder seiner Begabung, ein equilibris-
tisches Spiel mit Figuren, Requisiten und lustigen Situationen in Gang zu
halten, aber kein Gegenstand || besonderer Sympathie. Ich erörtere hier 221
221
nicht, welche von den eben skizzierten möglichen Auffassungen – oder
welche noch andere – die von Plautus tatsächlich intendierte ist, wir spre-
chen vom griechischen Stück. Und dieses gewinnt, so meine ich, eine im
Sinn der griechischen Komödientradition wesentliche Qualität in gewis-
sem Ausmaß dann zurück, wenn das Publikum, durch Prologinformatio-
nen und den bisherigen Gang des Spiels auf die richtige Spur gesetzt, bei
den ,Glücks‘szenen in γ daran denken kann, daß die Beutestücke, die er
jetzt in der Hand hat, ihm nicht so ohne weiteres Glück bringen werden
(erst die nächste Wendung der komischen Ironie wird es mit sich bringen,
daß in δ das spinter zwar nicht zum falschen Ziel der Bereicherung, aber
statt dessen zum ursprünglich erwünschten, zum Bruder, führt). Aus dem
technisch perfekten Produkt eines gewandten Komödienkonstrukteurs
wird dadurch gewiß kein Spiel von menandrischem Tiefgang; aber ein
Abglanz der großen Nea-Tradition liegt doch auf ihm, und das Publikum
wird nicht nur über seinen Haupthelden lachen, sondern auch mit ihm.
Den Nachweis unserer erfolgreichen Rekonstruktionsarbeit sollte im
Idealfall der rekonstruierte (und womöglich erfolgreich aufgeführte) Text
der Menaichmoi erbringen. Selbst wenn ich das zu leisten imstande wäre,
unsere Resultate wären damit doch nur zum Teil erfaßt, weil es ja auch um
die Rekonstruktionsmethode ging und um einen besseren Zugang zu
Plautus – und weiter zu Shakespeare oder Regnard (aber so weit sind wir
wieder nicht gekommen). So versuche ich, in ein paar Stichworten auf die
nach meiner Meinung wichtigsten Aspekte hinzuweisen. Zur Rekonstruk-
tion der Menaichmoi: Das Zusammenspiel von Inhalts- und Strukturanalyse
scheint mir erfolgreich (nicht zuletzt dank der Beschränkung auf an-
spruchslose peripatetische Analysebegriffe), und an deren Gesamtresultat
scheint mir besonders lehrreich die Erfahrung, wie geringe und relativ
begrenzte Eingriffe in ein Original zu wie großen Veränderungen des Ge-
samtcharakters der Nachdichtung führen können, sobald diese Eingriffe

55 Anders Jocelyn: „Anti-Greek Elements in Plautusʼ Menaechmi“ (Anm. 39), S. 6


mit Anm. 72.
212 II. Handlungsgliederung

den Informationsstand des Publikums oder der Figuren im Spiel tangieren.


Die Restitution einiger andeutender Vorverweise im Prolog der Menaichmoi
hat nicht nur die Dramaturgie oder Handlungsökonomie der Anlaufphase
aufgehellt, sondern setzt auch noch in der Epitasis das Publikum instand,
die Erlebnisse des Haupthelden richtig zu beurteilen; und durch den In-
formationsvorsprung, den er in der Katastrophé vor den anderen Figuren
gewinnt, ist er plötzlich nicht mehr Spielball des blinden Zufalls (oder
dümmer als sein Sklave). Zur Weiterarbeit am Plautus: Für die Menaechmi
ergibt sich die nächste Aufgabe, nun die Menaichmoi als Vergleichsfolie bei
222
222 einer plautinischen Strukturuntersuchung auszunut-||zen, und zwar ohne
die Negativerwartung, Plautus könne nie über Detailänderungen hinaus zu
einer bewußten eigenen Komödiengesamtform gekommen sein. Die Bei-
spielwirkung eines positiven Resultats in dem angedeuteten Sinn auf ande-
re Plautusanalysen und -interpretationen liegt auf der Hand. Schließlich
noch zur Methodik der quellenanalytischen Arbeit an Nea und Palliata:
Auch hier sollte es nicht ohne Beispielwirkung bleiben, wenn durch die
Konvergenz von Inhalts- und Strukturanalyse feststeht, daß wir die Men-
aichmoi als nichtmenandrisches Exempel unseres aus Menander abgeleite-
ten Interferenzschemas mit Akt- und Fabelgliederung betrachten dürfen.
Ekkehard Stärk, Die Menaechmi des Plautus und 271
271
kein griechisches Original, Tübingen: Narr 1989 (ScriptOralia 11).

Rezension*

Stärk will in dieser mit stupender Belesenheit und in klarem Aufbau prä-
sentierten Arbeit die These beweisen, daß Plautus in seinen Menaechmi
keine griechische Vorbildkomödie verwertet, sondern eigenständig v. a.
aus der Tradition der vorliterarischen italischen Stegreifposse geschöpft
habe. Dies ergebe sich erstens (Kap. I) aus der literarischen Analyse. Denn
sowohl die Großstruktur des Spiels (I 1, S. 13–26) mit den bloß kumulativ,
ohne Handlungsfortschritt, aneinandergereihten Verwechslungsszenen und
mit dem auffälligen Desinteresse für lebensnahe Menschendarstellung und
poetische Gerechtigkeit sei so ungriechisch wie möglich. Auch die Figuren
des Spiels (I 2, S. 27–59) seien rein plautinische Geschöpfe – angefangen
etwa von Menaechmus S, der possenhafter Augenblickswirkung zuliebe
bald vergesse, was er aus früheren Szenen wissen müßte, bald sich unver-
hältnismäßig schlau zeige, über den rachsüchtigen statt speichelleckenden
Parasiten bis zur keifenden uxor dotata, die ihren Mann (wie nie eine grie-
chische Ehefrau) öffentlich bloßstelle. Ferner sei die Dialogführung und
Verlaufsstrukturierung innerhalb der einzelnen Szenen (I 3, S. 60–126)
bloß witz-, nicht handlungsorientiert. Und schließlich gestalte Plautus das
Doppelgängermotiv (I 4, S. 127–133) in allen einschlägigen Stücken (d. h.
auch in Amph. und Mil. II 2–6) vergleichbar selbständig. Zum zweiten
zeige die Betrachtung der Vorgeschichte des Stoffes (II, S. 134–165), daß
die Zwillingsstücke der tragischen und der komischen Bühne bis Menander
vorwiegend mit verschieden gearteten Zwillingspaaren operieren, ferner
mit Wiedererkennungs-, kaum mit Verwechslungsthematik (und wenn,
dann in einer einzigen großen Szene, sodaß das Motiv nicht durch Wie-
derholungen zu Tode gehetzt wird). Kein Grund also, eine nicht erweisba-
re nachmenandrische Nea-Vorlage zu postulieren, zumal drittens auch die
Nachwirkung der plautinischen Menaechmi (III, S. 166–187) deren genuine
Nähe zum Stegreifspiel bestätige: während nämlich die literarischen
Plautus-Bearbeiter beträchtlich änderten, um dem Stoff mehr Komplexität,
Wahrscheinlichkeit oder poetische Gerechtigkeit abzuringen, übernahmen
ihn die Comici dellʼarte ganz gegen ihre sonstige Tendenz zum Simplifizie-
ren im Grund unverändert.

* Zuerst abgedruckt in Wiener Studien 103 (1990), S. 271–273.


214 II. Handlungsgliederung

Soweit die Grundgedanken und Hauptabschnitte (ich übergehe Ap-


pendix zur Datierung, S. 188–190, Literaturverzeichnis, S. 191–221, und
Register, S. 222–237) des Buches, das ich für ertragreich und sehr nützlich
halte, auch wenn mir die These vom stegreifspielartigen plautinischen
Original überzogen erscheint. Sie ist zwar nicht ganz aus der Luft gegrif-
fen, denn die Menaechmi sind tatsächlich voller possen- oder farcenhafter
Züge. Aber zum einen kann ein guter Teil von diesen statt von Plautus
doch schon von einem nachmenandrischen Nea-Autor stammen, der mit
einer Kreuzung zwischen Komödie und Mimos experimentierte. Wo Stärk
also ausführt, daß dieser oder jener Spielzug auf der griechischen Bühne
272
272 bis Menander kaum denkbar || ist, beweist er nichts für die spätere Nea
(die wir ja günstigenfalls aus den rekonstruierten Originalen der Palliaten
kennenlernen können). Und zum anderen Teil ist mir wie ich glaube1 der
Nachweis gelungen, daß Plautus seine mit dem Mimos nur kokettierende
Vorlage, deren Existenz übrigens so unplautinische Gegebenheiten wie
Fünfaktgliederung, konsequente Auftritts- und Abgangsbegründungen
u. a. m. beweisen, durch einen folgenreichen Eingriff mit einem richtigen
Possenschluß ausgestattet hat. Während nämlich der Menaechmus S des
Originals von der Mitte des vierten Akts an zumindest ahnt, daß er mit
seinem Zwillingsbruder verwechselt wird, und so in der Katastrophé-
Phase der Handlung zu dem Motiv der Brudersuche zurückkehren kann,
das ihn in der Protasis nach Epidamnus brachte und dem er in der Epitasis
untreu wurde, läßt ihn Plautus bis zur letzten Szene des Spiels im Dunkeln
tappen – und der Mechanismus der Verwechslungsszenen läuft ohne dra-
matische Richtungsänderung possenhaft weiter.
Wer Stärks Buch mit Gewinn benutzen will, hat also m. E. zwei Dinge
zu tun. Er muß erstens den non-sequitur-Argumenten ausweichen, die Plau-
tus’ vollständige Originalität behaupten (zu diesen gehört u. a. der Schluß
vom plautinischen Präsentationsstil eines Motivs auf dessen plautinische
Herkunft). Und zweitens muß er Stärks analytische Urteile, die sich auf ein
(vermeintlich) stilistisch einheitliches Stück beziehen, daraufhin kontrollie-
ren, ob und wie sie auf das zwitterhafte Gebilde unseres Menaechmi-Textes
zutreffen, in welchem vor den Versen 738–745 das griechische Experi-
ment mit Komödie und Mimos dominiert, nach diesen die plautinische
Farce.
Ich versuche zu skizzieren, was nach solchen Abstrichen aus Stärks
Buch zu lernen ist. Gleich an der Gesamtanalyse (Stärk I 1) gibt es zwar
relativ viel zu ergänzen oder zu korrigieren: ich erinnere etwa an die erhal-
tenen Spuren der griechischen Gesamtstruktur (außer den fünf Akten die
Fabelgliederung in Protasis-Epitasis-Katastrophé); an die Konsequenz, mit
der sich die bloß scheinbar episodischen Szenen (z. B. mit Hilfe der Re-

1 A. Primmer: „Die Handlung der Menaechmi“, in: Wiener Studien 100 (1987), S. 97–
115 [167–184] und 101 (1988), S. 193–222 [185–212].
Rezension E. Stärk 215

quisiten) auseinander entwickeln oder mit der der Originalautor mit dem
Wissen oder Nichtwissen der Figuren spielt (etwa wenn Menaechmus S in
v. 446ff. nichts begreift, weil er gerade betrunken ist, oder Peniculus in
v. 477ff. nur undeutlich hört, was er nicht erfahren darf); an die der poeti-
schen Gerechtigkeit dienende Szene Menaechmus S – Magd, v. 524ff. Aber
solchen Korrekturen zum Trotz ist Stärks Analyse sehr anregend. Sie kann
zwar quellenanalytisch nur für den Schlußteil stimmen, aber in der Erfas-
sung des Theatereindrucks, den Plautus erzielen wollte, doch für das Ge-
samtgebilde Menaechmi. Bei dieser Analyse der für die intendierte Possen-
wirkung spezifischen Züge kommt die Fähigkeit Stärks erstmals zum Tra-
gen, die dann die ganze Arbeit auszeichnet: seine Fähigkeit zur ebenso
materialreichen wie eindringenden stoff- und gattungsgeschichtlichen und
die Gattungsmerkmale gut herausarbeitenden Analyse. Ein Königsgedanke
dabei: das fehlende Anschauungsmaterial zu Mimos, Atellane und dgl. aus
der commedia dell’arte zu substituieren.
Unter den genannten Gesichtspunkten sind vor allem die Abschnitte
II und III hervorzuheben. Man folgt Stärk mit Vergnügen, wenn er Rück-
projektionen aus der nachplautinischen Geschichte des Menaechmenstof-
fes (und andere phantastische || Quellenvermutungen) aus der griechischen 273
273
Vorgeschichte des Stücks eliminiert oder schon aus der Stoffgeschichte
das höhere künstlerische Niveau von Zwillingsstücken bis Menander de-
duziert. Und die Nachgeschichte des Plautusstücks erscheint eben dadurch
in ihrer Entwicklung sinnvoll, daß Stärk sie unter den leitenden Gesichts-
punkt der Reaktion auf seine Possenhaftigkeit gestellt hat. (Reizvoll wäre
es natürlich, im Bereich der literarischen Nachfahren zu vergleichen, wie
sich die Plautus-,Verbesserer‘ zum rekonstruierten griechischen Original
verhalten, zu welchen Folgen vor allem die späteren Manipulationen mit
dem Wissensstand der Hauptfiguren führen.)
Nochmals zurück zu Stärks I 2 und I 3 (um I 4 zu besprechen, be-
dürfte es einer Quellenanalyse des Amphitruo). In der Erklärung und Be-
wertung der Figuren und Szenen muß der Leser bisweilen wieder etwas
mehr ergänzen oder umdenken. Das versteht sich für Menaechmus S als
das Hauptobjekt der plautinischen Änderungen fast von selbst; die übrigen
Figuren, so z. B. gleich Menaechmus E als der ,negative Hauptheld‘, waren
wohl schon im Original halb Menschen, halb Karikaturen. Stärks Analyse
trifft da also meist den Punkt; nur daß die Figuren ohne Konstanz ihres
Typus (,Charakter‘ wäre zuviel) bloß dem Augenblickseffekt dienen, ist
übertrieben wie die behauptete Inkohärenz der Szenen. Stärk argumentiert
manchmal in die ,plautinische‘ Richtung, wiewohl er selbst die Gegenar-
gumente verzeichnet oder erst findet. So sind (vgl. S. 65f.) die Parasiten-
szenen durchaus aufeinander bezogen: Peniculus erklärt in den Versen
79ff. die ἐδέέσµματα zu den wahren δέέσµματα seiner Anhänglichkeit an
Menaechmus E, und als er sich dann in Szene III 2 gerade in diesem Punkt
verraten glaubt, übt er konsequente Rache: der Auftrittsmonolog des
216 II. Handlungsgliederung

Ergasilus in den Captivi würde also hier keineswegs dasselbe leisten. Be-
sonders auffallend: S. 115ff. (man beachte v. a. Anm. 486) erklärt Stärk,
meines Wissens als erster, alle Diagnose-Scherze des Arztes richtig als
Anspielungen auf griechisches Medizinerwissen, ohne zu beachten, daß die
Allusionen z. T. nur einem griechischen Publikum verständlich waren, also
für ein solches erfunden wurden.
Doch Schluß mit den Detailfragen – ich müßte sonst beginnen, meine
und Stärks Analyse szenenweise zu vergleichen. Um nochmals ein Ge-
samturteil zu formulieren, greife ich das Nachwort von Eckard Lefèvre
auf, der Stärks Arbeit in zweifacher Hinsicht rühmt: als „Markstein in der
Erforschung der römischen Komödie, insofern sie (die Arbeit) zum ers-
tenmal nachweist, daß Plautus unabhängig von einer Vorlage dichtete“ –
da muß ich widersprechen; wenn die Arbeit aber für „die Erforschung der
Einflüsse des aus der vorliterarischen Epoche stammenden Stegreif-Spiels“
„aufgrund ihrer Methode“ der gattungsspezifischen und -geschichtlichen
literarischen Analyse „allen nachfolgenden Arbeiten zur römischen Ko-
mödie als Muster dienen soll“, so sei ihr die Eignung dazu gerne bestätigt.
1
Menanders ‚Geiziger‘ * 1

Die Wirkung von Menanders komischem Spiel beruht zu einem guten Teil
auf seiner raffinierten Technik der Handlungsgliederung. Menanders Pub-
likum konnte zunächst eine Oberflächenstruktur wahrnehmen, die formale
Gliederung des Spiels in fünf Akte, die durch vier Chorintermezzi von-
einander getrennt waren. In diesem Rahmen entfaltete sich in gleichsam
kontrapunktischer Führung die inhaltliche Tiefenstruktur der Handlung in
den drei Phasen der Protasis (Anlaufphase bis knapp vor dem Ende des
zweiten Akts), der Epitasis (Verwicklungsphase bis zur Mitte des vierten
Akts) und der Katastrophé (Lösungsphase). Kennt man diese Spielregeln
inklusive der Forderung, daß Aktion und Gegenaktion, Haupt- und Neben-
handlung in jedem Akt für die Zuschauer mehrere Interessenschwerpunkte
bilden sollen, paßt man den Handlungsinhalt ihnen entsprechend in den
Fünfaktrahmen ein (und zwar so, daß die Figuren des Spiels die räumlich-
optischen Möglichkeiten der Bühne konsequent ausnützen und sich zudem
an die Konvention halten, längere Zeit beanspruchende Gänge in den Ha-
fen, zum Markt oder aufs Land in der Regel nur während der Zwischenakte
zu unternehmen), und berücksichtigt man schließlich, daß die Menander-
bearbeiter Plautus und Terenz ihrerseits die griechischen Originale oft
recht frei nach eigenen Aufbauregeln umgestalten und dabei Akte bilden,
die relativ selbständige und inhaltlich geschlossene Teileinheiten der Gesamt-
handlung darstellen, arbeitet man also mit dem Vergleich zwischen den
Gesamtstrukturen einer griechischen Nea und einer römischen Palliata, so
läßt sich im günstigen Fall ein nicht überliefertes Original fast Szene für
Szene aus der erhaltenen Bearbeitung rekonstruieren.
Als das Ergebnis einer solchen rekonstruierenden Analyse möchte ich
im folgenden Menanders ‚Geizigen‘ vorstellen, das Vorbild von Plautus’
Aulularia und mittelbar von Molières L’Avare. Ich wiederhole: das Ergebnis;
die genaue Beweisführung für die Richtigkeit der einzelnen Analyseschritte,
die ich hier nur andeuten oder z. T. durch Hinweise auf den ähnlich struk-
turierten Dyskolos ersetzen kann, werde ich in einer klassisch-philolo-
gischen Fachpublikation nachliefern.
Vorausgeschickt sei noch, daß die meisten Eingriffe des Bearbeiters
Plautus einer bestimmten einheitlichen Tendenz folgen. Plautus war von
der Gestalt des Geizigen fasziniert; darum hat er sie ganz in den Vorder-
grund seines Stücks geschoben, und zwar hauptsächlich dadurch, daß er
eine Liebeshandlung, die im Original gleichberechtigt neben der Geizigen-

* Zuerst erschienen in Maske und Kothurn 30 (1984), S. 1–7.


218 II. Handlungsgliederung

handlung herlief, umfangsmäßig sehr stark beschränkte. Zudem hat er


seine Aulularia in drei Akte gegliedert, deren jeder eine Leidensstation auf
dem Weg des Schatztopfes darstellt: Akt 1 (v. 1–279), Euclios Angst um
den Topf im eigenen Haus; Akt 2 (v. 280–586), Euclio muß den Topf
herausbringen, und zwar in den unmittelbaren Spielbereich der Bühne;
Akt 3 (v. 587– Ende), Euclio verliert vorübergehend den Topf, mit dem er
sogar vor die Stadt hinaus geflüchtet war.
Das Bühnenbild von Menanders ‚Geizigem‘ zeigt links (wo es aufs
Land geht) das Haus des armen Euclio, rechts (auf der Stadtseite) das
Haus des reichen Megadorus, in der Mitte den Eingang zum Tempelbezirk
22 einer Gottheit, die || wie Pan im Dyskolos zu Beginn des Spiels den Prolog
spricht (Aul. v. 1–39) und wie dieser zunächst den Spielort erklärt (gerade
der Tempel des Prologgottes wird bei Plautus nicht erklärt, der den Lar
familiaris Euclios neu als Prologsprecher einführte, damit jeder seiner drei
Akte – und damit jeder Aufenthaltsort von Euclios Schatztopf – durch
eine andere Gottheit repräsentiert sei, der erste durch den Lar, der zweite
durch Fides, der dritte durch Silvanus). Menanders Prologus zeigt seine
Antipathie gegen Euclios schon vom Großvater ererbte Knausrigkeit: nur
Euclios frommer Tochter zuliebe habe er ihn den Goldschatz finden las-
sen, „damit er sie leichter verheiraten könne, wenn er wolle“ (v. 27). Die
Zuschauer können sich leicht denken, daß es mit diesem Wollen Euclios
nicht weit her sein wird, und wenn sie dann noch erfahren, auf welchen
Umwegen der Prologus Euclios Tochter mit Megadors Neffen zusammen-
führen will, der sie – dabei unerkannt – vor neun Monaten entehrt hatte,
dann muß ihnen endgültig klar sein, daß sie einen richtigen Komödiengott
vor sich haben: der Prologus will nämlich dafür sorgen, daß Megadorus
selbst um sie anhält, „damit der junge Mann sie leichter heiraten kann“
(v. 33). Diese Ankündigungen deuten einerseits zwar auf das Handlungs-
ziel voraus, da man danach die Hochzeit des jungen Paares, mit dem
Goldtopf als Mitgift, als Happy-End erwarten muß; sie verraten aber an-
derseits von der Handlungsentwicklung nicht mehr, als daß Euclios Geiz
und Megadors Bewerbung die Stolpersteine auf dem Weg zum Glück sein
werden. Damit ist unser Interesse geweckt, und die eigentlichen Figuren
des Spiels können auftreten.
Nun hat Plautus gleich vom ersten Menanderakt nur eine Szene mit
Euclio und dessen Magd Staphyla beibehalten, eben um Euclio als den
Träger seiner Haupthandlung herauszustreichen. Ein Menanderakt muß
inhaltsreicher sein; so wird im Dyskolos nach dem Prolog zuerst Sostratos,
der junge Verliebte, als Hauptheld exponiert (v. 50–80), dann der Gries-
gram Knemon als sein Gegenspieler (v. 81–177), schließlich tritt wieder
die Sostratoshandlung in den Vordergrund (v. 178–232). Den analogen
Schwerpunktwechsel von der Liebeshandlung zur Eucliohandlung und
zurück ergibt für den ‚Geizigen‘ der folgende Szenenablauf:
Menanders ‚Geiziger‘ 219

Akt 1, Szene 1 (ergänzt). Auftritt von Megadors Neffen Lyconides,


vielleicht im Gespräch mit seinem Sklaven. Da Lyconides mit seiner Mut-
ter Eunomia, der Schwester Megadors, in der Stadt wohnt, müssen die
beiden von rechts her auftreten. In einem Monolog (oder auf die Frage des
Sklaven, warum es ihn denn immer wieder zum Haus seines Onkels her-
ziehe) verrät Lyconides, daß er in Euclios Tochter ehrlich verliebt sei, aber
aus Scham bisher weder der Mutter und dem Onkel noch dem Mädchen
Phaedria zu gestehen wagte, daß er sie seinerzeit vergewaltigt habe und
jetzt heiraten möchte. Da hört er Euclio im Hause poltern und toben und
ergreift (mit dem Sklaven) die Flucht – ab wieder nach rechts zur Stadt.
Akt 1, Szene 2 (Aul. v. 40 –119). Euclio treibt Staphyla auf die Bühne
heraus, um drinnen unbeobachtet nach dem Schatztopf sehen zu können,
dessen Besitz ihn bloß mißtrauisch und unglücklich macht. Während er
Nachschau hält, klagt Staphyla über sein verändertes Wesen: nachts schla-
fe er nicht mehr, und tagsüber sitze er stets zu Hause; sie wisse schon gar
nicht mehr, wie sie ihm die Schwangerschaft seiner Tochter verheimlichen
könne. Er kommt wieder, schickt sie zum Haushüten hinein und verrät in
einem Monolog, daß er unter || seinem krankhaften Mißtrauen schon mehr 33
leidet als unter seiner Knausrigkeit (so erhält das Publikum gegenüber dem
Prolog einen tieferen Einblick in sein Wesen): er muß leider zu seinem
Demenvorsteher gehen; denn holt er eine Geldsumme nicht ab, die an die
Armen verteilt wird, dann würden alle argwöhnen, er besitze einen Schatz.
– Wenn wir annehmen, daß Euclio zum Demarchen nach links abgeht,
wird nicht nur die Figurenführung in Akt 2, Übergang Szene 1/2 unge-
zwungener; Menander hat dann auch den Bühnenraum besser genützt,
teils schon deswegen, weil sonst der linke Seitenausgang (in der plautini-
schen Fassung) erstmals in Akt 4, am Ende von Szenenfolge 1, verwendet
würde, vor allem aber, weil auf diese Weise die Zuordnung des armen
Euclio zum Land und des reichen Megadorus mitsamt seiner Verwandt-
schaft zur Stadt sinnenfällig vorgeführt wird.
Akt 1, Szene 3 (ergänzt). Von der Stadtseite kommen im Gespräch
Eunomia und Lyconides, der seine Mutter, die zu Megadorus will, unter-
wegs getroffen hatte. Eunomia entlockt dem Sohn das Geständnis seiner
Liebe; natürlich verschweigt er die Vergewaltigung, ja er nimmt ihr sogar
das Versprechen ab, Megadorus auf keinen Fall etwas von seiner Liebe zu
Phaedria zu verraten. (Dieser Zug ist durch v. 684f. gesichert: „Mutter, ich
nehme das feierliche Versprechen zurück, das ich dir zuvor abgenommen
hatte: rede mit dem Onkel.“) Der Aktschluß erfüllt alle Bedingungen me-
nandrischer Technik: äußerlich ist für erfüllte Zwischenzeit gesorgt durch
Euclios Gang zum Demarchen; und was die dramatische Spannung be-
trifft, wird das Publikum dadurch, daß Eunomia Megadors Haus betritt
(während Lyconides heimgeht, rechts ab), angeregt, sich zu fragen, wie in
die Haupthandlung um den verliebten Lyconides nun die im Prolog ange-
kündigte Brautwerbung Megadors eingreifen wird.
220 II. Handlungsgliederung

Akt 2, Szene 1 (Aul. v. 120 –177, leicht verändert) gibt die Antwort
auf diese Frage. Eunomia und Megadorus kommen aus dessen Haus; sie
rät ihm, er solle endlich eine Familie gründen, und bietet sich als Heirats-
vermittlerin an. Da überrascht er sie mit seiner Absicht, die arme Nach-
barstochter zu nehmen. Ihre Überraschung ist bei Menander stärker und
peinlicher als bei Plautus: weiß sie doch von Lyconides’ Interesse an dem
Mädchen. Aber da sie dem Sohn versprochen hat, zu schweigen, bleibt ihr
nichts übrig, als sich mit guten Wünschen zu verabschieden. Sie geht nach
rechts ab (daheim wird sie Lyconides informieren), und als sich Megadorus
nach links zum Haus Euclios wendet, sieht er diesen eben von der Land-
seite zurückkommen.
Akt 2, Szene 2 (Aul. v. 178 –267). Die große Mittelszene des Akts, das
Gespräch der beiden Alten, bildet den passenden Abschluß der Protasis.
Einerseits dient die Szene wieder der Charakteristik Euclios, dessen Miß-
trauen bei der freundlichen Anrede durch den reichen Nachbarn sofort
wieder erwacht; natürlich hält er Megadorus, als dieser seine Werbung
vorbringt, für einen Mitgiftjäger (ganz abgesehen davon, daß Euclio zwi-
schendurch zweimal zu seinem Schatz ins Haus stürzt). Aber am Ende
stimmt er doch der Hochzeit zu, ausdrücklich ohne Mitgift. (Damit hat der
Prologus am Ende der Protasis von seinen zwei Absichten die eine –
Megadors Werbung – erreicht, die andere – die Ausstattung Phaedrias mit
der Mitgift – scheint in weite Ferne gerückt.) Megadorus, der gleich heute
Hochzeit halten will, ruft nun seinen Sklaven Strobilus heraus, der ihn zu
vorbereitenden Einkäufen auf den Markt begleiten soll (beide ab nach
rechts).
44 Akt 2, Szene 3 (Aul. v. 268–279, geringfügig erweitert). Jetzt ruft auch
Euclio seine Magd Staphyla heraus, teilt ihr mit, daß heute geheiratet wird,
und geht ebenfalls zum Markt. Den Akt beschließt ein kleiner Monolog
Staphylas („Jetzt müssen Schande und Schwangerschaft herauskommen“).
Ich vermute, daß Plautus ein Gebet an die benachbarte Prologgottheit
gestrichen hat; wenn Staphyla den Prologus um Hilfe in den kommenden
Nöten anfleht, wird die Epitasisphase ähnlich unter göttlichen Schutz
gestellt wie in der analogen Szene des Dyskolos (vgl. vor allem Dysk.
v. 409–418).
Der dritte Akt führt in der plautinischen Fassung nur die Eucliohand-
lung weiter. Daß aber auch die Lyconideshandlung wenigstens durch eini-
ge Szenen vertreten sein muß, bestätigt wieder der Dyskolos, in dessen
drittem Akt (v. 427–619) der Griesgram Knemon die Hauptrolle spielt,
aber auch der jugendliche Liebhaber seine Auftritte erhält (v. 522–573, in
der Aktmitte, und v. 607–619, am Aktschluß). Zu einer ähnlichen Vertei-
lung der Gewichte im ‚Geizigen‘ wird uns die Restitution des Prologus in
der Bühnenmitte anstelle des Lar familiaris von Euclios Haus Anlaß und
Gelegenheit geben.
Menanders ‚Geiziger‘ 221

Akt 3, Szenenfolge 1 (Aul. v. 280–370) und 2 (v. 371–474). Am Akt-


beginn kommt Megadors Sklave Strobilus mit zwei Köchen und zwei Flö-
tenspielerinnen vom Markt, die er auf die zwei Bühnenhäuser zu verteilen
hat, da sein Herr auch dem armen Nachbarn das nötige Personal für die
Hochzeitsfeier zur Verfügung stellen will. Verständlich, daß Euclio seinen
Schatz durch den Koch im Haus bedroht sieht, als er in der zweiten Sze-
nenfolge mit Weihrauch und Kränzen vom Markt kommt, die er dem
Prologus darbringen wollte (vgl. v. 385ff.). So sieht er sich genötigt, zuvor
den Goldtopf in Sicherheit zu bringen; er holt ihn aus dem Haus, in der
Absicht (v. 449f.), ihn von nun an immer mit sich herumzutragen.
Akt 3, Szene 3 (ergänzt). Kaum hat Euclio (mit Topf und Opfergaben)
das Heiligtum des Prologus betreten, stürzt von rechts Lyconides auf die
Bühne. Er muß durch Eunomia vom Hochzeitsplan seines Onkels gehört
und jetzt Euclio gerade noch im Heiligtum verschwinden gesehen haben.
Eilig klopft er Staphyla aus Euclios Haus heraus und erfährt – immer
noch, ohne sich selbst zu verraten? – im Gespräch mit ihr, daß seine Ge-
liebte bald niederkommen wird (Aul. v. 806f. und v. 814f. legen jedenfalls
ein früheres Gespräch zwischen den beiden nahe). Da sieht er Megadorus
vom Markt kommen und zieht sich nach links zurück, um abzuwarten, bis
die Luft wieder rein ist.
Akt 3, Szenenfolge 4 (Aul. v. 475–586). Megadorus beginnt behaglich
und zufrieden einen Monolog: seine Freunde fanden seinen Hochzeitsplan
richtig; und überhaupt ließen sich viele soziale Probleme lösen und hätten
auch die reichen Ehemänner nur Vorteile davon, wenn sie bloß arme
Mädchen ohne Mitgift heiraten dürften. Knapp nach Monologbeginn (vgl.
v. 538) kommt Euclio mit dem Topf aus dem Heiligtum, und da er nicht
ungesehen an Megadorus vorbei kann (vgl. v. 474; in Plautus’ Fassung
wäre die Figurenführung schwer im Bühnenspiel zu realisieren), wird er
(wie auf der Seite Lyconides?) zum zunächst unfreiwilligen Lauscher.
Dann im Gespräch zeigt er sich von Megadors Reformgedanken recht
angetan; dessen Ankündigung allerdings, er sei fest entschlossen, Euclio
heute noch betrunken zu machen, läßt ihn wieder um seinen Schatz fürch-
ten. In seiner Angst ringt er sich (nach Megadors Abgang ins Haus) dazu
durch, den Topf im Heiligtum zu deponieren.
Akt 3, Szene 5 (ergänzt). Jetzt ist für Lyconides, der zu überlegen be- 55
ginnt, ob er nicht doch seine Mutter zu Hilfe holen soll, der Weg über die
Bühne frei (ab nach rechts).
Akt 3, Szene 6 (Aul. v. 608–615, in der Szenenabfolge versetzt). Am
Aktschluß geht Euclio, der seinen Schatz dem Prologus anvertraut hat, zu
den letzten Hochzeitsvorbereitungen heim.
Die neueste mir bekannte analytische Behandlung der Aulularia läßt
den dritten Akt bis Aul. v. 700 weiterlaufen, d. h. sie wertet weder Euclios
anschließende Flucht mit dem Topf aus der Stadt hinaus als Epitasisab-
schluß noch das endlich erfolgende Geständnis des Lyconides beim Onkel
222 II. Handlungsgliederung

als Beginn der Katastrophéphase der Komödie.1 Das wäre für die Euclio-
handlung möglich (weil in dieser der Schatzdiebstahl noch einen weiteren
Höhepunkt der Verwirrungen bedeutet), aber in der mindestens gleich-
gewichtigen Lyconideshandlung muß die Aufklärung Megadors die Kata-
strophé eröffnen, also die zweite Hälfte des vierten Akts einleiten; denn
die falsche Entwicklung der Liebeshandlung, Megadors Hochzeitsplan
vom Protasisschluß, ist ja damit endgültig blockiert oder aufgehoben. Ich
bitte auch zu beachten, daß der dritte Akt in meiner Rekonstruktion dem
Publikum schon genügend Verlagerungen des Interesses bietet, ferner daß
„mein“ dritter Aktschluß dramaturgisch viel besser ist als der eventuelle
plautinische nach v. 586 (bei Plautus bliebe für die Zwischenzeit während
der Aktpause nur das Verstecken des Schatzes im Heiligtum, bei Menan-
der ist man auf das weitere Schicksal des bereits deponierten Schatzes
ebenso gespannt wie auf die Entwirrung der Komplikationen in der Lie-
beshandlung).
Akt 4, Szenenfolge 1 (= Epitasisteil; Aul. v. 587–681, verkürzt und
leicht verändert). Zunächst kommt (von rechts) der Sklave des Lyconides,
der das weitere Geschehen beobachten und eventuell mit Staphyla Ver-
bindung aufnehmen soll. Er bezieht seinen Beobachtungsposten im Ein-
gang zum Heiligtum (bis v. 607). Da findet ihn Euclio (ab v. 628); seine
Fragen und Drohungen, „das Geraubte“ wieder herauszurücken, wecken
die Neugier des ursprünglich Ahnungslosen. So beschließt der Sklave,
während Euclio seinen Schatz aus dem Tempel holt, in einem kurzen Zwi-
schenmonolog dem Geheimnis nachzuspüren (vgl. v. 661–666); er ver-
steckt sich in Megadors Hauseingang, und als Euclio links abgeht, um den
Schatztopf außerhalb der Stadt zu vergraben, schleicht der Sklave ihm
nach. – Plautus hat diese Szenenfolge (durch Aul. v. 705–711 angeregt) vor
allem um die Verse 611–627 erweitert, in denen der Sklave, schon bevor
ihn Euclio im Tempeleingang aufscheucht, von der Existenz des Schatzes
erfährt. Menanders Handlungsführung, in der erst Euclios Mißtrauen ihn
neugierig macht, ist dramatisch feiner.
Akt 4, Szene 2 (= Übergang zur Katastrophé, Aul. v. 682–700). Von
der Stadtseite treten Lyconides und Eunomia auf; auf die Bitten des Soh-
nes entschließt sie sich, Megadorus über dessen Verhältnis zu Phaedria
aufzuklären.
Akt 4, Szene(nfolge) 3 (Katastrophéteil, ergänzt). Es ist undenkbar, daß
Menander das klärende Dreier-Gespräch (wie Plautus v. 694f.) hinter die
Bühne verlagert hätte. Er konnte sich schon den szenischen Effekt nicht
entgehen lassen, wie der Hochzeiter Megadorus, entsprechend ausstaffiert,
auf die Bühne kommt, um zu erfahren, daß der eigentliche Bräutigam
66 Lyconides werden || müsse; noch viel weniger verzichtete er gewiß auf die

1 Richard L. Hunter: „The Aulularia of Plautus and its Greek Original“, in: Proceed-
ings of the Cambridge Philological Association 27 (1981), S. 37–49.
Menanders ‚Geiziger‘ 223

Darstellung der Gefühle und der menschlichen Haltung der Beteiligten.


Aber da können wir derzeit – bis uns ein Papyrusfund weiterhilft – leider
nur unsere Phantasie walten lassen.
Um wieviel reifer die Dramaturgie des ‚Geizigen‘ ist als die des Dysko-
los, sieht man besonders deutlich am fünften Akt. Im Dyskolos hatte der
vierte Akt für beide Handlungsstränge bereits die volle Lösung gebracht,
durch Knemons Einsicht in die Übertriebenheit seiner Menschenfeind-
lichkeit einerseits, durch die Heiratserlaubnis für das Liebespaar anderseits.
So erwartet man den fünften Akt des Dyskolos nicht mehr voll Spannung –
ganz anders als im ‚Geizigen‘, wo Euclios Nöte mit dem Schatz zu Akt-
beginn noch nicht gelöst sind und auch seine Zustimmung zur „richtigen“
Hochzeit noch fehlt.
Akt 5, Szenenfolge 1 (Aul. v. 701–726). Lyconides’ Sklave huscht mit
seinem Schatz,fund‘ über die Bühne, um ihn zu Hause zu verstecken; Eu-
clio, der unterwegs nochmals umgekehrt war, um den vergrabenen Schatz
nochmals zu inspizieren, kommt unmittelbar nach ihm und klagt jämmer-
lich über den Verlust.
Akt 5, Szene 2 (Aul. v. 727–807). Das Zusammentreffen von Schwie-
gervater und richtigem Bräutigam beginnt komisch genug: Lyconides miß-
versteht Euclios Klagelied als der geschändeten Tochter geltend, und um-
gekehrt bezieht Euclio Lyconides’ Geständnis auf den Schatzdiebstahl.
Endlich gelingt die Verständigung, und Euclio geht ins Haus, um zu se-
hen, ob er wirklich schon einen Enkel hat.
Akt 5, Szene 3 (Aul. v. 808ff.). Zu Lyconides kommt inzwischen sein
Sklave, der sich mit dem Schatz die Freiheit erkaufen will. Natürlich ist
Lyconides sofort entschlossen, den Schatz an Euclio zurückzugeben …
An dieser Stelle bricht der Plautustext ab; aber wir müssen die verlo-
renen Schlußszenen gar nicht mehr weiter aus einigen indirekt erhaltenen
Fragmenten herzustellen versuchen. Aus dem Prolog und dem ganzen
Gang der Handlung ist ja klar genug, daß Euclio am Ende seinen Seelen-
frieden findet, indem er den Schatztopf der Tochter als Mitgift in die Ehe
mitgibt. Ebenso klar ist auch, daß Plautus keinen Grund haben konnte, in
den menandrischen Verlauf des fünften Akts noch ändernd einzugreifen:
sein Held Euclio beherrschte den Schlußakt schon im Original hinrei-
chend, ähnlich wie früher den zweiten.
Daß ich anderseits für die Akte 1, 3 und 4 die entsprechenden Szenen
der Lyconideshandlung zu Recht suppliert habe, davon hat hoffentlich das
eben entwickelte Szenarium des ‚Geizigen‘ überzeugen können, das m. E.
wirklich die Qualitäten eines echten Menanderstücks widerspiegelt. Ich
übersehe nicht, daß es oberflächlich wie ein Zirkelschluß aussehen muß,
wenn ich am Ende meiner Rekonstruktion, die u. a. auf der Ausnützung der
menandrischen Strukturregeln basierte, die Richtigkeit des Resultats wieder
darauf stütze, daß eine Komödie im Menanderstil herausgekommen ist.
Diesem Eindruck der logisch brüchigen Argumentation könnte nur durch
224 II. Handlungsgliederung

die ausführliche Darlegung der einzelnen Rekonstruktionsschritte begeg-


net werden, zu welcher ich hier ebensowenig Gelegenheit habe wie zum
Nachweis, daß die eingangs genannten Strukturregeln bei Menander und
Plautus tatsächlich existieren.2
7 Natürlich hätten wir gern den Originaltext (von welchem sich jetzt
mit Hilfe des Szenariums vielleicht auch Teile finden lassen werden, die
bislang nicht identifiziert werden konnten). Aber ich hoffe doch, daß uns
bis zu einem gewissen Grad auch schon die Kenntnis der Handlungsfüh-
rung und -gliederung den Zauber des ersten ‚Geizigen‘ der Weltliteratur
spüren läßt. Wir müßten uns nur – nach der bekannten Menanderanekdote
bei Plutarch, de gloria Athen. 4, 347F – noch die Verse dazuschreiben (und
vielleicht wagt jemand den Versuch); „aber eigentlich ist die Komödie
schon gedichtet, denn die Disposition ist schon fertig“.

2 Zu ihnen und zur Methode der Komödienanalyse von der Gesamtstruktur her vgl.
Adolf Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata. Dis Exapaton und Bacchi-
des. Wien 1984 (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissen-
schaften, Philosophisch-Historische Klasse 441) [71–166].
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus* 69
69

Die Arbeit des klassischen Philologen an Plautus’ Aulularia ist durch zwei
Grundgegebenheiten bestimmt. Der römische Euclio mit seiner aulula
steht diachron in der Reihe zwischen dem ‚Geizigen‘ Menanders und Moli-
ères L’avare – aber der literarische Vergleich der drei Gestaltungen des
Stoffes wird erst möglich, wenn wir Plautus’ griechische ‚Vorlage‘ wenigs-
tens in Umrissen quellenanalytisch wiedergewinnen. Und wollen wir die
Aulularia synchron in der Reihe der zwanzig plautinischen Komödien
würdigen, stoßen wir wieder auf die Frage, in welcher Weise sich – bei
genereller Anerkennung der möglichen Variationsbreite zwischen engem
Anschluß an ein Original und freier Bearbeitung im Stil der italischen
Volksposse – gerade im speziellen Fall die kreative Leistung des Plautus
u. a. auch quellenanalytisch bestimmen läßt. So unverkennbar einheitlich
er in Sprache, Stil, Musikalität ist, in der Handlungsführung schwankt er
zwischen den griechischen und italischen Extremen.
Also: per aspera ad astra. Es kann am Ende sehr reizvoll sein zu be-
obachten, wie Molière in der direkten Verarbeitung des Plautusstücks
indirekt auch Möglichkeiten aufgreift, die Menander genutzt, Plautus aber
weggekürzt oder verändert hatte, oder wie sich die Gestalten Smikrines –
Euclio – Harpagon auseinander entwickeln. Doch bevor sich uns solche
Perspektiven auftun, haben wir die angedeutete doppelte Vorarbeit zu
leisten: die verlorene griechische Vorlage der Aulularia aus dieser zu re-
konstruieren, und dann im Vergleich mit dem ersten ‚Geizigen‘ der Weltli-
teratur den eigenen Charakter der plautinischen Fassung herauszuarbeiten.
Gerade bei der Aulularia sind die Bedingungen für ein solches Arbeits-
programm recht günstig. Wir können die Topfkomödie zum einen seit gut
dreißig Jahren neben den als Spiel um einen Querkopf ähnlich strukturier-
ten Dyskolos des Menander stellen1 – der mir übrigens als Autor auch des ||

* Walther Kraus zum 29. 12. 1992 gewidmet; zuerst abgedruckt in Wiener Studien
105 (1992), S. 69 –127.
1 Das hat als einer der ersten Walther Kraus getan. Seine Arbeit „Menanders Dys-
kolos und das Original der Aulularia“, in: Serta Philologica Aenipontana 7/8 (1962),
S. 185–190 (auch in: Ders.: Aus Allem Eines, hg. von Hubert Petersmann. Heidel-
berg 1984, S. 309–316), wird sich jedenfalls in ihrem Anliegen, das Verhältnis
zwischen Euclios Charakter und der spielbestimmenden Gottheit zu erhellen, im
wesentlichen bewähren. Siehe inzwischen: Netta Zagagi: „Divine interventions
and human agents in Menander“, in: Eric Handley und André Hurst (Hg.): Relire
Ménandre. Genève 1990, S. 63–91, bes. S. 79ff.
226 II. Handlungsgliederung

70
70 ‚Geizigen‘ feststeht.2 Da wird uns, wenn schon die direkte Quelle fehlt,
doch indirekter Vergleich möglich. Zum zweiten wird sich zeigen, daß der
Aulularia-Text selbst der Quellenanalyse besonders gute Ansatzmöglich-
keiten bietet. Zwar hat Plautus den ‚Geizigen‘ eigenständig umgeformt, und
dies nicht nur mit stilistischen Plautinismen oder hinzugefügten Possen-
szenen, sondern mit überlegten Eingriffen in die Handlungsstruktur und
geändertem Charakter des komischen Spiels. Aber der Theaterpraktiker
dürfte für den Bühnenbedarf schnell produziert haben; jedenfalls hat er an
einigen überarbeiteten Stellen doch Textstücke stehen lassen, die uns bei
sorgsamer Beobachtung als rudimentäre Einsprengsel des Originals er-
kennbar sind. Und diese Rudimente sind zum Glück so geartet und so
viele an der Zahl, daß das Original wirklich in seinen Konturen sichtbar
wird.
Überdies besteht angesichts der Spannungen zwischen verschiedenen
textkritischen und -analytischen Ansätzen, durch die die gegenwärtige
Forschungslage gekennzeichnet wird,3 gute Aussicht, bei redlichem Be-
denken der konkurrierenden Richtungen die eigenen Thesen gerade jetzt
wirksam zu überprüfen und abzusichern. Die Meinungs- und Methoden-
71
71 vielfalt sollte || uns nicht einschüchtern, sondern anspornen. Wenn es
derzeit auf dem Meinungsmarkt etwas bunt zugeht, ist dies ja zum guten
Teil Folge der Tatsache, daß zwar seit längerem bekannt ist, daß Plautus
seine Komödien in dem Spannungsfeld zwischen der literarisch durchge-
stalteten Nea und der auf theatralische Detailwirkung ausgehenden itali-

2 Trotz dieser Ansicht, und obwohl ich aus Gründen der Kürze von Anfang an
von Menanders ‚Geizigem‘ spreche, setzt die folgende quellenanalytische Argu-
mentation diese Autorschaft (und diesen Titel) natürlich nicht voraus. Wer will,
mag vorläufig einen ‚Apistos‘ eines Nea-Autors ‚Anonymus‘ substituieren. Nur
vom Lebes des Alexis, den W. Geoffrey Arnott in die Debatte einführte („The
Greek Original of Plautusʼ Aulularia“, in: Wiener Studien 101 [1988], S. 181–191. –
„A Study in Relationship: Alexisʼ Lebes, Menanderʼs Dyskolos, Plautusʼ Aulularia“,
in: Quaderni Urbinati di Cultura Classica 33 [1989], S. 26–38), rate ich von vorn-
herein ab. Euclio könnte in zwei wichtigen Sequenzen des dritten Akts, bei der
‚Rettung‘ seiner aulula vor dem Koch Congrio und vor Megadorus, nie und nim-
mer einen Kessel in seinem Gewand verbergen, und er könnte dasselbe im vier-
ten Akt auch dem Sklaven des Lyconides kaum zutrauen. Wie groß ein λεβήήτιον
ist, illustriert Knemons Antwort auf die Bitte des Getas im Dyskolos (v. 473ff.):
„Ein Kesselchen willst du? Glaubst du, ich opfere Rinder wie ihr?“ – Übrigens
könnte ein λέέβης (als Maskulinum) auch schwerlich die Verwechslung aula/puella
in IV 10 ermöglichen.
3 Einen informativen Überblick über die forschungsgeschichtliche Entwicklung
der plautinischen Originalitätsfrage bietet die Einleitung bei J. Christopher B.
Lowe: „Aspects of Plautusʼ Originality in the Asinaria“, in: Classical Quarterly 41
(1992), S. 152–175 (S. 152–157).
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 227

schen Volksposse geschrieben hat,4 daß aber die beiden Pole des Span-
nungsfeldes und die Kräfte, die von ihnen ausgehen, erst in jüngster Zeit
genauer beschreibbar geworden sind. Da hatte auf der einen Seite, der
italischen, E. Stärk den fruchtbaren Einfall, die (auch quellenanalytisch
wichtigen) Eigenheiten der stegreifspielnahen Volksposse durch einen
Vergleich mit der Commedia dell’arte zu exemplifizieren (genannt seien
etwa: unklare Figurenführung mit unmotivierten Auftritten, kumulativ
reihende statt zielstrebig steigernde Handlungssequenzen, unbekümmert
sprunghafter Wechsel im Informationsstand der Figuren des Spiels); aller-
dings sind die analytischen Beweismöglichkeiten dieser Betrachtungsweise
hypothesenfreudig überschätzt, ist aus Plautus ein viel zu ‚originaler‘ Autor
gemacht worden.5 Von der griechischen Seite her haben die Menander-
funde der letzten Jahrzehnte erlaubt, Plautinisches und Menandrisches
über Detailbeobachtungen zu Stil und Gedankenführung hinaus zu schei-
den, wie sie das beschränkte Material seinerzeit E. Fraenkel gestattet hat-
te,6 und plautinische Szenentypen7 oder Strukturregeln der Gesamtkom-
position bei Menander herauszuarbeiten.8 Über deren Richtigkeit || und 72
72
quellenanalytische Brauchbarkeit ist man sich allerdings auch noch nicht

4 Siehe z. B. schon Friedrich Leos Gesamtdarstellung in seiner Geschichte der römi-


schen Literatur. Berlin 1913, der die Leitlinie seiner Plautusdarstellung (unterge-
ordnet allerdings dem hellenophilen „Versuch …, eine Entwicklung von Alexis
bis Demophilos nachzuweisen“) so formuliert: „Das nächste ist, daß wir uns
deutlich machen, wie Plautus sich in seiner Arbeit zu seinen Originalen verhalten
hat, wie weit seine Abhängigkeit und seine Freiheit reichen.“
5 Das läßt sich m. E. auch für die neuesten Behauptungen völliger plautinischer
Originalität im Fall von Asinaria (Gregor Vogt-Spira) und Truculentus (Eckard
Lefèvre) nachweisen (beide in: Eckard Lefèvre, Ekkehard Stärk und Gregor
Vogt-Spira: Plautus barbarus. Sechs Kapitel zur Originalität des Plautus. Tübingen 1991
[ScriptOralia 25]). Zu den Menaechmi vgl. meine Besprechung von Ekkehard
Stärks Die Menaechmi und kein griechisches Original. Tübingen 1989 (ScriptOralia 11),
in: Wiener Studien 103 (1990), S. 271–273 und unten Anm. 8 und 13; jetzt auch
Ludwig Braun: „Keine Originale für Amphitruo und Menaechmi?“, in: Würzburger
Jahrbücher für die Altertumswissenschaft 17 (1991), S. 193–215.
6 Eduard Fraenkel: Plautinisches im Plautus. Berlin 1922 (Philologische Untersuchun-
gen 28), mit Addenda: Ders.: Elementi Plautini in Plauto. Firenze 1960.
7 Vgl. Lowe: „Aspects of Plautusʼ Originality in the Asinaria“ (Anm. 3), S. 156ff.
(Rückverweis auf seine früheren Arbeiten: S. 157, Anm. 30).
8 Dies wurde besonders versucht in: Adolf Primmer: Handlungsgliederung in Nea und
Palliata. Dis Exapaton und Bacchides. Wien 1984 (Sitzungsberichte der Österrei-
chischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 441)
[71–166] sowie in: Ders.: „Die Handlung der Menaechmi “, in: Wiener Studien 100
(1987), S. 97–115 [167–184]; 101 (1988), S. 193–222 [185–212]. Eine vorläufige
Skizze meiner Analyse der Aulularia habe ich gegeben in: Ders.: „Menanders
‚Geiziger‘ “, in: Maske und Kothurn 30 (1984), S. 1–7 [217–224].
228 II. Handlungsgliederung

einig.9 Es kommt dazu, daß in mehreren Abhandlungen der letzten Jahre 10


O. Zwierlein wieder die Überlieferungsgeschichte der Plautuskomödien
mit ins Spiel bringt: Da die Existenz von Interpolationen im Text unbe-
streitbar ist, dürfen wir nicht jeden Widerspruch, jede Unebenheit quellen-
analytisch auswerten, sondern müssen jedem Unechtheitsverdacht nachge-
hen – auch wenn Zwierlein in seiner konkreten Textarbeit übers Ziel
schießt und per coniecturas einen Plautus kreiert, der als hellenistisch
exakt arbeitender Autor bisweilen in knapperem Andeutungsstil schreibt
als Menander.11
Konkrete Textarbeit: das ist es, was die Lage verlangt, und dazu die
Offenlegung der jeweiligen Auswertungsmethode. Darum werden wir die
Anregungen guter inhaltsanalytischer Arbeiten zur Aulularia, wie sie noch
vor den neuen Fragestellungen etwa von Batzer und Ludwig entwickelt
und von Stockert in seinem Kommentar übersichtlich diskutiert und wei-
tergeführt wurden, ebenso heranziehen wie die strukturanalytischen von
Hunter.12 Wir werden aber – in der Hoffnung, auf diese Weise allzu sub-
jektiven Geschmacksurteilen oder unbewußten Beweiswürdigungstricks
am ehesten aus dem Weg zu gehen – im ersten analytischen Teil der Ar-
beit, der uns von Plautus zu Menander zurückführen soll, von allgemein
73
73 akzeptierten || oder als bloß ‚technischen‘ Prozeduren leicht überprüfbaren

9 Siehe z. B. die Rezensionen von Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata


(Anm. 8) [71–166]: J. Christopher B. Lowe, in: Classical Review 35 (1985), S. 396f.
– Eckard Lefèvre, in: Gnomon 57 (1985), S. 693–698. – Douglas N. Lacey, in:
Classical Journal 81 (1986), S. 262f.
10 Otto Zwierlein: Zur Kritik und Exegese des Plautus. Bd. 1: Poenulus und Curculio. Mainz
1990 (Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Abhandlungen der Geis-
tes- und Sozialwissenschafltichen Klasse), S. 4. – Bd. 2: Miles gloriosus. Mainz 1991,
S. 3. – Bd. 3: Pseudolus. Mainz 1991, S. 14. – Bd. 4: Bacchides. Mainz 1992, S. 4.
11 So wird man etwa Zwierleins Tilgung von Bacchides v. 371f. gern zustimmen
(Bd. 4, S. 165ff.), weil sich da Sprachkritik und inhaltlicher Anstoß (den ich –
Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata [Anm. 8], S. 43 [107f.] – zwar ge-
sehen, aber einfach Plautus zugeschrieben habe) gegenseitig abstützen. Seine Re-
stitution des vierten und fünften Dis-exapaton-Akts kann anderseits niemand ak-
zeptieren, der sich einmal (wie wir unten in 1.4; siehe auch schon Anm. 102) mit
der bei Menander üblichen Sequenzenanzahl vertraut gemacht hat. Ganz allge-
mein dürfte gelten, daß die Komödie, die schon als Gattung stilistische Unein-
heitlichkeit ermöglicht und erst recht in der plautinischen Mischform zwischen
griechischer Literarizität und italischer Possentradition zu entsprechenden Stiles-
kapaden neigt, von Zwierleins Textkritik z. T. ahistorisch reglementiert wird.
12 Sibylle Batzer: Die Umformung der Aulularia. Dissertation, Universität Freiburg im
Breisgau 1956. – Walther Ludwig: „Aululariaprobleme“, in: Philologus 105 (1961),
S. 44 –71; S. 247–262. – Plautus: Aulularia, hg. und erklärt von Walter Stockert.
Stuttgart 1983. – Richard L. Hunter: „The Aulularia of Plautus and its Greek
Original“, in: Proceedings of the Cambridge Philological Association 27 (1981), S. 37– 49.
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 229

Strukturgegebenheiten ausgehen.13 Beobachtungen und Urteile von un-


bestimmten Wahrscheinlichkeitsgraden brauchen einen festen Erklärungs-
und Auswertungs-||rahmen, und diesen liefert wohl weder die ,griechische 74
74
Vollkommenheit‘ noch die ,plautinische Originalität‘, weder die ,innere
Form‘ noch eine dürre Handlungslogik. Wirksamer und genusadäquater

13 Unter den Vertretern dieser Strukturanalyse verdient jedenfalls Thomas B. L.


Webster genannt zu werden: Studies in Menander. Manchester 1950 (2. Aufl. 1960).
– Ders.: An Introduction to Menander. Manchester 1974. – Als Beispiel für die Ob-
jektivität solcher Beobachtungen seien die Menaechmi erwähnt. Stärk: Die Menaech-
mi und kein griechisches Original (Anm. 5) nimmt für plautinische Gesamtautorschaft
die stegreifspielartige unklare Figurenführung mit unmotivierten Auftritten in
Anspruch – die es allerdings in den Menaechmi fast gar nicht gibt. Natürlich kom-
men die Figuren auf die Bühne, sobald sie gebraucht werden, aber stegreifspielartig
wäre nur Unmotiviertheit, ja Widersprüchlichkeit ihres Auftretens. Nun verfolge
man z. B. bloß Meneachmus S und seinen Sklaven Messenio: Sie kommen in II 1
(v. 226) aus dem Hafen an, also von links, und wollen sich nach Menaechmus E er-
kundigen, d. h. wohl quer über die Bühne aufs Forum gehen. Messenio bleibt sogar
bis zum Ende von II 2 (Szene mit Koch Cylindrus) marschbereit; er stellt erst in
v. 349f. das Reisegepäck ab, als sich Menaechmus S entschließt, das Erscheinen der
Hetäre abzuwarten. Und als er deren Einladung annimmt, schickt er Messenio (mit
weiteren begleitenden Dienern – siehe v. 350 – und dem Gepäck, aber auch mit
dem Geldbeutel – siehe v. 385f.) in eine Hafenkneipe; erst abends soll Messenio
seinen Herrn wieder auf der Bühne abholen (v. 435ff.). Während der β/γ-Pause –
die griechischen Akte bezeichne ich mit griechischen Buchstaben – ist Menaech-
mus S also im Haus der Hetäre, von wo er in III 2 beschwipst und bekränzt wieder
auftritt (siehe etwa v. 463, 476, 563, 629). In III 3 will er mit seinem ‚Glück‘ (palla
und spinter) vor Messenio prahlen; er legt eine falsche Spur zur Stadtseite (v. 555f.)
und geht zur Hafenseite ab, „um den Sklaven wenn möglich zu treffen“ (v. 557).
Die Formulierung verrät, daß er nicht genau weiß, in welcher Kneipe Messenio sein
wird; und prompt kommt er in δ  (V 1, v. 701) erfolglos zurück, mißtrauisch vermu-
tend, der Sklave werde inzwischen das anvertraute Geld verjubeln. Gegen Ende des
Akts zur Flucht vor Ehefrau und Schwiegervater seines Zwillingsbruders gezwun-
gen, bleibt ihm konsequent als Fluchtziel nur Hafen und Schiff (v. 878). Im turbu-
lenten Schlußakt, als es gegen Abend geht, kommt wie befohlen Messenio wieder,
um den Herrn abzuholen (v. 966ff.; ausdrücklich bemerkt er v. 986, daß er Gepäck
und Diener in der Taberna gelassen hat). Er rettet Menaechmus E, den er für Me-
naechmus S hält, vor der Zwangsjacke und macht sich dann auf (v. 1035ff.), Ge-
päck und Geld zu holen. Außerszenisch stößt er dann auf seinen doch wieder vom
Hafen zurückkehrenden wahren Herrn, denn v. 1049 kommen Menaechmus S und
Messenio gemeinsam wieder, heftig darüber streitend, ob sie sich kurz zuvor auf
der Bühne getroffen hatten. Das klare Resultat dieses Kurzreferats: Es gibt keinen
einzigen Widerspruch in der beobachteten Figurenführung, und es fehlt eine einzi-
ge Auftrittsbegründung (für den in ε wiederkehrenden Menaechmus S), die in der
turbulenten Szenenfolge auch kein Zuschauer mehr vermißt. Aber ansonsten ist al-
les so ausgetüftelt, daß von Improvisation im Stegreifstil keine Rede sein kann.
230 II. Handlungsgliederung

sollte da schon sein die Beobachtung jener Textstrukturen und Bühnenkon-


ventionen, die den Autoren der Nea offenbar die dramatisch-theatralische
Wirkung ihrer Komödienhandlungen beim Publikum sichern halfen: dra-
matisch steigernde Fabelgliederung in Anlauf-, Verwirrungs- und Lösungs-
phase, spannungsbewahrende Aktschlüsse mit erfüllter dramatischer Zwi-
schenzeit, innerhalb der Akte Bildung von abwechslungsreichen Handlungs-
sequenzen, theatergerechte und wahrscheinlich wirkende Führung der
Figuren in einem Bühnenraum, der die bekannte Links-Rechts-Opposition
nützt. Wenn die analytischen Beobachtungen, die sich so ergeben, sich auf
‚Rudimente‘ des originalen Textes stützen können und sich obendrein zu
einem Gesamtbild fügen, das mit der Gesamtstruktur des Dyskolos unge-
zwungen zu parallelisieren ist, dann sollten wir unser erstes Beweisziel
doch eher erreicht als verfehlt haben.
Der zweite, synthetische Teil der Arbeit wird uns dann von der als
Ganzes überschaubaren Menanderkomödie wieder zu Plautus führen, und
zwar zu einem positiv zu würdigenden Plautus, der ebenfalls gesamthaft
komponiert und der menandrischen Gestaltung des ,Geizigen‘-Stoffes jene
Umakzentuierung, Konzentration und Kantigkeit verliehen hat, die ihn
erst zur Anregung für Molière werden ließ.

1. Von Plautus zu Menander


1.1. Haupthandlung und Fabelgliederung
Das wichtigste Menander-Einsprengsel, das im Aulularia-Text erhalten
blieb, ist wohl ein Vers der Szene IV 7, und zwar deshalb, weil er die ur-
sprüngliche Ponderierung der Teilhandlungen des Stücks zu erschließen
hilft. Die Literarkritik rechnet ja seit langem damit, daß die Liebeshand-
lung, die bei Plautus die Geizigenhandlung nur umrahmend begleitet, im
Original größeren Raum einnahm. Aber in der Quellenanalyse besteht
doch ein gewisser Qualitätsunterschied zwischen Vermutungen, die bezüg-
lich Notwendigkeit, Ort und Inhalt einer ergänzten Szene im Unverbindli-
chen und Allgemeinen bleiben, und solchen Ergänzungen, die der Text
selbst sozusagen urkundlich bestätigt und näher einzuordnen erlaubt.14
Um möglichst voraussetzungslos zu arbeiten, gehen wir von der ein-
fachen Beobachtung aus, daß in der plautinischen Fassung eine gewisse ||
75
75 Diskrepanz zwischen den Erwartungen, die der Prologgott beim Publikum
weckt, und der folgenden Spielhandlung besteht.15 Gemeint sind, im Rah-

14 Die derzeit unklare Forschungslage kommt bei Stockert: Plautus, Aulularia (Anm.
12), S. 9f. (zum Prolog) zum Ausdruck. Vgl. auch Hunter: „The ,Aulularia‘ of
Plautus and its Greek Original“ (Anm. 12), S. 38.
15 Der Widerspruch ist überbetont (und analytisch bis zur Leugnung von Euclios
avaritia ausgebeutet) von Batzer: Die Umformung der Aulularia (Anm. 12), S. 1–15.
Extreme Gegenposition: Ludwig: „Aululariaprobleme“ (Anm. 12), S. 45ff.
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 231

men der Quellenanalyse, natürlich die Erwartungen eines Nea-, nicht eines
Palliatenpublikums. Mit der Dramaturgie der Nea durch Erfahrung vertraut,
erwarteten griechische Zuschauer, daß der Komödienautor vom Prolog an
ihre Aufmerksamkeit und ihr Interesse durch die Dosierung der handlungs-
relevanten Informationen steuerte. Dies geschieht im Aulularia-Prolog in
solcher Weise, daß sich das Publikum im Verlauf des Prologs immer mehr
auf eine kommende Liebeshandlung einstellt.
Im ersten Prologteil stellt der Lar familiaris des einen Bühnenhauses
den Hausvater Euclio ausführlich als erblich belasteten Geizkragen vor,
der allerdings eine von diesem Laster freie Tochter hat; und ihr zuliebe hat
der Lar Euclio einen Schatz finden lassen, den sie als Mitgift erhalten soll,
,wenn der Vater will‘.16 Der Gott weiß – und die Zuschauer können sich
unschwer denken –, daß es bei Euclio mit solchem Willen nicht weit her
sein wird. Bis hierher lassen also die Prologinformationen eine Komödien-
handlung erahnen, die auf Versorgung und Heirat der Tochter hinausläuft
und in der Euclio die Funktion des komischen Gegenspielers zufällt. Ob
er dabei auch zum Träger einer sich verselbständigenden Geizigenhand-
lung wird, eine solche Frage stellt sich den Zuschauern vorläufig nicht,
wenn sie auch (etwa in Analogie zu ,Charakterkomödien‘ wie dem Dyskolos,
vielleicht auch durch den originalen Titel vorbereitet) einen entsprechen-
den Problemgehalt des Spiels erwarten mögen.
Die bisher ‚neutrale‘ Erwartungshaltung wird allerdings durch den
zweiten Prologteil verändert, in welchem die Hinweise auf eine kompli-
zierte Liebeshandlung immer massiver werden. Die Zuschauer hören,
warum Euclios Tochter göttliche Hilfe brauchen kann: sie war vergewaltigt
worden; || zwar durch einen jungen Mann aus bestem Haus (Lyconides), 76
der auch ihre Identität kennt, aber immerhin kennt sie ihn nicht, und auch
Euclio weiß noch nichts von der ganzen Geschichte. Zudem kündigt der
Gott einen rechten Komödienumweg zum Handlungsziel an: der reiche
Onkel des Lyconides, Euclios Nachbar Megadorus, soll um sie anhalten,
,damit der Neffe sie leichter bekommt‘.

16 Ganz wörtlich genommen besagt der betreffende Vers (27) „wenn der Vater sie
verheiraten will“. Ludwig: „Aululariaprobleme“ (Anm. 12), S. 53ff. akzeptiert die
wörtliche Interpretation und weist Batzers Kritik (Die Umformung der Aulularia
[Anm. 12], S. 2f., 13f.) daran, daß dieser Ankündigung die folgende Handlung
nicht entspreche, mit dem Argument zurück, eine solche Diskrepanz sei schon
im Ion des Euripides belegt und dramaturgisch sinnvoll. Ich habe im Text so pa-
raphrasiert, daß auch die spielerische Ironie zur Geltung kommt, mit der der Pro-
loggott spricht und die sich im zweimal, bei beiden göttlichen Eingriffen in die
Handlung, gesetzten facilius ausdrückt: Der Lar gab Euclio den Schatz, quo illam
facilius nuptum, si vellet, daret, und er wird Megadorus zum Freier machen, quo ille
eam facilius ducat qui compresserat.
232 II. Handlungsgliederung

Das Spiel selbst macht dann allerdings seinem lateinischen Titel alle
Ehre. Während nämlich die Liebesgeschichte zur Neben- oder Rahmen-
handlung herabsinkt, wächst sich das Geschehen um Euclio und seinen
Schatztopf zu einer richtiggehenden Haupthandlung aus, die sich sogar
recht gut in die traditionellen Fabelteile der Protasis, Epitasis und Kata-
strophé17 gliedern läßt: Der Anlaufteil reicht von I 1f., wo man die Knaus-
rigkeit und das Mißtrauen des Alten in der Auseinandersetzung mit seiner
Magd Staphyla kennenlernt, bis II 1, wo er Megadorus die Tochter aus-
drücklich ,ohne Mitgift‘ verlobt – womit der Goldtopf gerade am Ende
der Protasis am weitesten von seiner endgültigen Bestimmung entfernt ist.
Die Komplikationsphase der Handlung bringt den Topf, der vorher im
Haus versteckt geblieben war, in Gefahr und Bewegung: Euclio will ihn
zuerst vor dem Koch, den ihm Megadorus ins Haus geschickt hat, an sei-
nem eigenen Leib bergen (II 4 – III 4), dann vor Megadorus, der den
Brautvater betrunken zu machen droht, im Tempel der Fides verstecken
(III 5/6), schließlich will er ihn, um ihn vor dem Sklaven des Lyconides zu
retten, draußen vor der Stadt vergraben (IV 1–6). Nach dem dennoch
erfolgten Diebstahl (welcher den Höhepunkt der Verwicklungen in der
Topfhandlung darstellt18 und hinterszenisch während der Szene IV 7 er-
folgt, welcher unser analytisches Interesse gelten wird) kommt die Peripe-
tie, also der Beginn der Lösungsphase, durch die erste Wendung zum Gu-
ten, in dem Augenblick, wo Lyconides Hilfe bei der Topfsuche verspricht
(IV 8–10); ab V 1 folgt schließlich Entdeckung, Rückgabe und Weitergabe
des Schatzes als Mitgift.
Die Liebeshandlung fällt demgegenüber stark ab. Dafür ist schon der
Umstand mitverantwortlich, daß es überhaupt nur zwei Szenen gibt (je
eine in Protasis und Katastrophé-Nähe), in denen sie allein das Feld be-
herrscht: II 1, das Gespräch Eunomia – Megadorus, wo sich Megadorus
77
77 entschließt, || um Euclios Tochter anzuhalten, und 14 Verse in IV 7, das
Gespräch Eunomia–Lyconides, in welchem der Sohn seine Mutter dafür
gewinnt, den Onkel über die ganze Affäre aufzuklären. Noch stärker ins
Gewicht fällt, daß die Anteilnahme, die der Lar an Phaedrias Schicksal
zeigte und beim Publikum hervorrief, später kaum – und jedenfalls nicht
rechtzeitig – durch entsprechende Sympathieträger unter den Figuren des
Spiels wachgehalten wird. In der Protasis gibt es höchstens zwei mitleidige

17 Auch diese Begriffe der literarkritischen Analyse haben die Steuerung des Zu-
schauerinteresses im Auge: vgl. Primmer: „Die Handlung der Menaechmi“ (Anm. 8),
S. 204f. [195f.].
18 Stockert: Plautus, Aulularia (Anm. 12), S. 27 bezeichnet den Verlust des Topfes als
Peripetie – aber diese tritt in der Geizigenhandlung doch erst ein, wenn die Zu-
schauer miterleben, wie Euclio seine Einstellung zu ändern beginnt (sonst könnte
man analog auch für die Lyconideshandlung schon Megadorusʼ Heiratsantrag in
II 2 und nicht erst das Geständnis des Liebhabers in IV 7 zur Peripetie erklären).
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 233

Äußerungen der Magd Staphyla (in I 1, v. 74–7619 und II 3, v. 274–279).


In der Epitasis geht es ähnlich sparsam weiter: Einmal erinnert Euclios
Absicht, den Lar für die Hochzeit der Tochter mit Megadorus gnädig zu
stimmen (v. 386f.), halbironisch an die Pläne des Prologgottes, und dann
erfährt das Publikum noch (aber erst in IV 1, v. 603) durch den Sklaven
des Lyconides, daß der junge Mann das Mädchen noch immer liebt. Erst
in IV 7 hat der Amant endlich seinen ersten eigenen Auftritt, womit Topf-
und Liebeshandlung endlich auch im Spiel annähernd gleichberechtigt
werden.
Aufs Ganze gesehen steht im Ablauf des eigentlichen Spiels aber
doch die Topfhandlung im Vordergrund, entgegen den Erwartungen, die
der Prolog geweckt hatte. Die Diskrepanz zwischen Handlungsankündi-
gung und Handlungsverlauf, die wir rein deskriptiv feststellen, soll nun
nicht gleich kritisch-analytisch bewertet werden. Wir haben es glückli-
cherweise nicht nötig, relativ allgemeine Erwägungen etwa über eine der
Nea angemessene oder unangemessene Dramaturgie der Überraschung
anzustellen (wo also der Prolog ohne weiteres in die Irre führen würde)
oder in die Diskussion einzutreten, ob Plautus die beobachtete Diskrepanz
durch Überarbeitung des Prologs oder Kürzung der Spielhandlung her-
vorgerufen hat.20 Wir können direkt am Text argumentieren, weil Gege-
benheiten der Szene IV 7 zeigen, wie die originale Handlung sich zwischen
Prolog und Lösungsteil der Fabel entwickelt haben muß.
In IV 7 tritt also Lyconides im Gespräch mit seiner Mutter auf. Die
ersten Verse, die er spricht (v. 682–685),

Dixi tibi, mater, – iuxta mecum rem tenes –


super Euclionis filia. Nunc te obsecro
resecroque, mater, quod dudum obsecraveram:
fac mentionem cum avonculo, mater mea!

werden allgemein so verstanden (vgl. zuletzt Stockert ad v. 684): ,Mutter,


ich || habe dir alles gesagt – du kennst die Geschichte jetzt wie ich – über 78
78
Euclios Tochter. Jetzt beschwöre ich dich und wiederhole die beschwö-
rende Bitte, Mutter, mit der ich dich schon zuvor beschworen hatte: rede
du mit dem Onkel, liebe Mutter.‘ Der Ton der flehentlichen Bitte, die ein
außerszenisch begonnenes Geständnis abschließt, ist unverkennbar: drei-
mal in vier Versen die Anrede mater, dreimal der Begriff des Beschwörens
– aber halt, da gilt es zu differenzieren. Resecrare kann nämlich mitnichten

19 Zwierlein: Pseudolus (Anm. 10), S. 210 findet noch dazu Staphylas Monolog
„höchst verdächtig“.
20 Für Prologänderung plädiert Batzer: Die Umformung der Aulularia (Anm. 12), S. 1–
15, eine Lyconidesszene im ersten Akt erwarten viele (siehe Stockert: Plautus,
Aulularia [Anm. 12], S. 10).
234 II. Handlungsgliederung

die Bedeutung ,eine obsecratio wiederholen‘ haben, die ihm die Lexika – bis
zum OLD – für Aulularia v. 684 und Persa v. 48 zuschreiben.21 Eindeutig
belegt ist jedenfalls nur die andere Bedeutung, die die Lexika ausweisen,
,eine sacratio aufheben oder zurücknehmen, von einer religiösen Bindung
befreien‘. Die Paradestelle ist natürlich Paul. Fest. 253L (= 280M), resecrare
– solvere religione; utique cum reus populum comitiis oraverat per deos, ut eo periculo
liberaretur, iubebat magistratus eum resecrare. Diese solenne Anwendung des
Resekrationsbefehls im Komitialprozeß, damit der Angeklagte das Volk
nicht durch obsecratio zum Freispruch nötigen kann, hat gewiß auch Fronto
p. 90, 6 (ad Anton. 1, 2, 9) im Auge, wenn er seinen kaiserlichen Schüler
tadelt, der die Wendung (deos) si fas est obsecro riskiert hatte: nur populus
oder iudices (!) seien regulär Objekte des obsecrare und resecrare.22 Um die
Aufhebung eines Fluches geht es in Nep. Alc. 6, 5 (eidem … sacerdotes rursus
resecrare sunt coacti, qui eum devoverant), um die Zurücknahme eines Schwurs
bei Juppiter in Amm. 24, 6, 17 (Iovem … testatus est – sc. Iulianus – nulla Marti
iam sacra facturum, nec resecravit celeri morte praereptus).
Ich habe diese Belege (es sind alle, die das Thesaurusmaterial bietet)
auch deswegen ausgeschrieben, weil sie den sakralrechtlichen Ernst, mit dem
die Römer Beschwörung oder Fluch vollzogen, nachfühlen lassen. Wer
sich an die dauernde Wirksamkeit und Gültigkeit einer römischen sacratio
oder consecratio erinnert, dem wird ja unmittelbar einsichtig, daß nur ein
Ungläubiger, dem der Eid nicht mehr heilig ist, bereit ist, ,tausend Eide‘ zu
schwören. Bei dem religiosissimus populus gilt die obsecratio ein für allemal, ||
79
79 sie ist nicht beliebig wiederholbar. Mit anderen Worten: resecrare kann
schon von der römischen Denkweise her gar nicht ,wieder und wieder
obsecrare‘ bedeuten.23
Darum verdient das Plautusexzerpt aus Festus auch jeden Kredit,
wenn es nach der oben zitierten Erklärung des solennen Wortgebrauchs
mit folgendem Beleg fortfährt: Plautus: resecroque, mater, quod dudum obsecra-
veram. Sprachlich-stilistisch ist ja die (diesmal komisch-pathetische) Über-

21 Ich wiederhole und ergänze im folgenden Erich Woyteks Ausführungen zu Persa


v. 48 (Erich Woytek: T. Maccius Plautus, Persa. Einleitung, Text, Kommentar. Wien
1982 [Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Phi-
losophisch-Historische Klasse 385]), dem die entscheidende Erkenntnis des lexi-
kalischen Sachverhalts zu danken ist. Hätte er nicht mit Rücksicht auf meine ge-
plante Aulularia-Interpretation unsere Stelle beiseite gelassen, hätte sich seine
Konjektur zu Persa v. 48 wohl rascher durchgesetzt.
22 Trotzdem ordnet das OLD die Frontostelle mechanisch als Beleg für „repeat a
solemn appeal“ ein (wahrscheinlich nur, weil obsecrare und resecrare wie bei Plautus
nebeneinanderstehen).
23 Möglich ist nur eine Intensivierung des Ausdrucks durch die sogenannte
,Synonymenhäufungʻ: Plautus stellt obsecrare neben orare (Amph. v. 923, Aul.
v. 715f., Capt. v. 513, Cas. v. 321, Merc. v. 170, Mil. v. 69, 971, Rud. v. 882), petere
(Curc. v. 148), plorare (Cist. v. 567) oder obtestari (Aul. v. 715f.).
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 235

tragung eines sakralrechtlichen Ausdrucks ins Alltagsleben gerade einem


Plautus zuzutrauen. Der erregte junge Lyconides sagt also: „Jetzt bitte ich
dich feierlich und nehme die feierliche Bitte, Mutter, die ich zuvor an dich
gerichtet hatte, ebenso feierlich zurück: red’ mit dem Onkel!“
Wir sehen sofort, daß v. 684 bei richtiger Interpretation große Trag-
weite für die Rekonstruktion des Originals gewinnt: belegt er doch ur-
kundlich eine Zwischenstufe der Liebeshandlung, von der bei Plautus
nichts erhalten ist: Lyconides muß früher einmal (dudum) Grund und An-
laß gefunden haben, seine Mutter ausdrücklich zu bitten, dem Onkel etwas
zu verschweigen. Ich sehe weit und breit keine Gegeninstanz gegen die
vorgeschlagene Auffassung (abgesehen vielleicht von der Trägheit, mit der
man an einem ghost-meaning festhalten möchte). Jedenfalls gibt es keinen
zweiten Beleg für resecrare als iteriertes obsecrare. Persa v. 48 muß (mit
Woytek) als solcher ausscheiden, weil dort obsecro te resecro‹que› bloß eine
(auf der falsch verstandenen Aulularia-Stelle beruhende) Konjektur Scali-
gers ist; Woyteks obsecro te :: resecra! ist sicher die einfachste und beste
Emendation.24 Aber auch wenn man Woyteks Konjektur bezweifelt,25
gegen das Zeugnis || des Festus zu Aul. v. 684 kommt der fehlerhaft über- 80
80
lieferte Vers Persa 48 nicht an.
Neben der Lexikographie kann auch die Text- oder Literarkritik unse-
rem Vers nicht seinen Zeugniswert absprechen. Zwierlein hat uns zwar die
Verpflichtung zu der Frage, ob Anstöße im Plautustext nicht als nachplau-
tinische Interpolationen zu erklären seien, zu Recht in Erinnerung gerufen.
Aber die einzige sprachliche Unebenheit, die man Aul. v. 684 nachsagen
könnte, nämlich das verschobene Plusquamperfekt obsecraveram, ist in
Wahrheit keine.26 Und inhaltlich fügt sich Vers 684 in den unmittelbaren

24 Die Gründe: (1) mit resecra wird der handschriftlich bezeugte Sprecherwechsel be-
rücksichtigt, dessen Auftauchen in den Handschriften sonst unerklärt bliebe. (2) Der
Vers fügt sich dann auch metrisch besser in die jambische Umgebung. (3) Der
mehrmalige Sprecherwechsel paßt auch inhaltlich sehr gut in den Kontext: Der im-
mer weiter jammernde und bettelnde Verliebte muß ja seinem Freund lästig werden.
25 So zeigt sich etwa Henry D. Jocelyn (in: Classical Review 33 [1983], S. 195) reser-
viert, weil Woytek nicht erkläre, worin die Pointe liegen soll, wenn Sagaristio sich
auf einmal wie ein Magistrat geriert. Daraus ergibt sich höchstens, daß Woytek in
der Erklärung seiner Konjektur („Die scherzhafte Verwendung des Wortes durch
den Sklaven, der sich damit als Magistrat geriert, ist ein echtes Plautinum in Plau-
to“) den Relativsatz streichen sollte. Auch unser Lyconides geriert sich nicht als
Magistrat, er gebraucht resecrare als ,pointenlose‘, d. h. nicht zur vollen Anschau-
lichkeit der ursprünglichen Verwendung geführte Metapher. – Zwierlein: Pseudo-
lus (Anm. 10), S. 234 erklärt übrigens Persa v. 47–50 für nachplautinisch.
26 Sie wäre erstens nicht ohne Parallelen (Stockert: Plautus, Aulularia [Anm. 12],
S. 217 verweist u. a. auf die Verse 33 und 635); zudem verschwindet sie bei unse-
rer Interpretation, da Lyconidesʼ erste Bitte ja vorzeitig zu ihrer auch schon in
236 II. Handlungsgliederung

Kontext ohne jeden Anstoß; Inkonsequenzen oder auffällige Kürzungen


in der Gesamthandlung dürfte man aber nur dann amputieren, wenn sie
über das bei Plautus Übliche oder Mögliche hinausgingen. Nun, gerade in
der Kürzung von Liebeshandlungen war Plautus nicht zimperlich: in der
Casina etwa pontem interrupit vor dem Happyend, und im Stichus folgen auf
die Exposition eines Spiels um Gattentreue nur Parasiten- und Sklavensze-
nen. Was aber die ‚Inkonsequenz‘ betrifft, die Plautus begeht, wenn sich
Lyconides im Gespräch auf eine gestrichene Szene zurückbezieht, so wird
hier vom Publikum, wenn es überhaupt etwas merkt, ja nur verlangt, sich
quasi ein Stück Vorgeschichte zu supplieren (die Sache liegt ganz anders in
Menaechmi V 1, wo Plautus so kürzte, daß die Frau von Menaechmus E in
einem Spiel um Wissen oder Nichtwissen plötzlich etwas weiß, was sie
vorher nicht wußte, aber auch hinterszenisch nicht erfahren konnte27).
Wenn wir im folgenden verschiedene analytische Argumente unter
verschiedenen Analyseaspekten diskutieren werden, bitte ich den Leser,
dies nicht als Hypothesengeflecht oder Spinnennetz anzusehen, in dem
alles an einem Faden hängt; wir stehen immerhin auf der Basis einer Text-
interpretation, und wir werden uns bemühen, eben um der Klarheit und
Kontrollierbarkeit willen weiter jeweils möglichst textnahe und vorausset-
zungslos zu argumentieren.
Lyconides’ frühere Bitte um Diskretion dem Onkel gegenüber ist uns
deswegen so hilfreich in der Rekonstruktion des Originals, weil sie Ände-
81
81 ||rungen im Wissensstand und Verhalten einiger Figuren des Spiels bedingt
und belegt.28 Mutter Eunomia, die Magd Staphyla und der Liebhaber selbst
erhalten dadurch eine ‚Geschichte‘, sie werden so lebendig und wichtig,
daß die Liebeshandlung mit ihnen an Bedeutung im Gesamtaufbau des
Stücks zunimmt. Erstens Eunomia. Die erste Schweigebitte ihres Sohnes
kann nur gelautet haben, dem Onkel nichts von seiner Liebe zur Nachbar-
stochter zu verraten – die für ihn selbst beschämenden Details verschwieg
er ihr zunächst noch. Daß erst das neue zusätzliche Geständnis super Eucli-
onis filia die Vergewaltigung betraf, zeigt ja ihre ungläubige Reaktion: siqui-
dem ita est ut praedicas, te eam compressisse … (offenbar hält sie es jetzt in IV 7
für möglich, er könne, um die Hochzeit der Geliebten mit Megadorus zu
verhindern, zu einer Zwecklüge greifen wollen: v. 688ff.). Dann kann aber
der dramatische Sinn (und Ort) der ersten Bitte nur der gewesen sein, sie in
der Szene II 1, wo sie durch ihren Bruder von dessen Heiratsabsicht erfährt,

der Vergangenheit liegenden Erfüllung sein kann (wenn Eunomia im darauffol-


genden Gespräch mit Megador, in II 1, Stillschweigen bewahrte).
27 Siehe Primmer: „Die Handlung der Menaechmi“ (Anm. 8), S. 104ff. [174ff.].
28 Nochmals: die Informationsvergabe an die Figuren zielt in Wahrheit auf die
Zuschauer; die Komödienwirkung beruht ja zum guten Teil auf Informationsdif-
ferenz und -vorsprung einerseits zwischen den Figuren untereinander, anderseits
zwischen Figuren und Publikum.
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 237

zum Schweigen zu veranlassen. Tatsächlich gewinnt durch eine entspre-


chende Vorinformation das Gespräch der Geschwister in v. 172ff. beträcht-
lich an Farbe und komischer Ironie. Das Publikum der Plautusfassung kann
ihr stummes Spiel nach Megadorus’ Mitteilung, daß er um die Tochter des
nicht besonders begüterten Euclio anhalten wolle, nur in seinem Sinn deu-
ten: ,Ich weiß, was du sagen willst: daß sie arm ist.‘ Ging aber eine Szene mit
Lyconides’ Schweigebitte voraus, dann wissen die Zuschauer, daß sie in
Wahrheit wohl mit der Versuchung kämpfte zu sagen: ,Aber in die ist doch
dein Neffe verliebt!‘ Und es geht so weiter: v. 175 ist ihr di bene vortant bei
Plautus bloß der usuelle Segenswunsch, im Munde der Wissenden aller-
dings mit dem Nebenton von ,Wenn das nur gut ausgeht!‘ (Im Griechi-
schen kann im gleichen Doppelsinn ἀγαθῇ  τύύχῃ entsprechen.29) Auch daß
sie das Gespräch noch in demselben Vers abbricht, werden die Zuschauer
jeweils auf ein anderes Motiv zurückführen: im einen Fall hat sie einfach
schon ihre Absicht erreicht, dem Bruder zur Ehe zu raten, im anderen
entzieht sie sich einer unbehaglich gewordenen Situation, gewiß auch in
der Absicht, Lyconides rasch über die neue Lage zu informieren.
Lyconides selbst ist natürlich Subjekt und Objekt des größten Infor-
mations- und Handlungsfortschritts. Man stelle nur einmal den Prolog und
IV 7 nebeneinander: In IV 7 weiß er offenbar genau über Phaedrias ||
Schwangerschaft und Geburtstermin Bescheid, da er ihren Hilferuf an 82
82
Iuno Lucina ohne jedes Zeichen einer Überraschung sofort in die Beteue-
rung, sein Geständnis sei nicht gelogen, einbaut: em, mater mea, / tibi rem
potiorem verbo: clamat, parturit (v. 692f.). Im Prolog hingegen erfahren wir
(v. 29f.), daß, wiewohl er seinerzeit das Mädchen, das er entehrte, erkannt
hatte, doch illa illum nescit. Sie kennt ihrerseits seine Identität bis heute
nicht, sodaß auch er noch nichts von ihrer Schwangerschaft gehört haben
wird. Das Nichtwissen der Frauen bestätigt übrigens auch Staphyla noch
in v. 113: Wüßte sie da schon Bescheid, müßte ihre Klage in v. 275–277
(daß jetzt, mit der bevorstehenden Geburt, Phaedrias Schande offenbar
wird) in eine Anklage des verantwortungslosen Lyconides übergehen.30 Der
Schluß scheint unabweisbar, zumindest hochwahrscheinlich: Lyconides
muß zwischen II 3 (wo Staphyla ihn noch nicht kennt) und IV 7 (wo er

29 Vgl. (ebenfalls im Zusammenhang mit einem Hochzeitsplan) Men., Sam. v. 116


und v. 445.
30 Nunc nobis prope adest exitium, mihi atque erili filiae.
Nunc probrum atque partitudo prope adest ut fiat palam.
Quod celatum atque occultatum est usque adhuc, nunc non potest.
Oder Plautus müßte neben entsprechenden Versen in II 3 auch schon vor II 3
eine Szene gestrichen haben, in der Lyconides mit Staphyla Kontakt aufnahm.
Da käme allerdings bereits in die Protasis ein Epitasis- oder Katastrophéelement
hinein.
238 II. Handlungsgliederung

bereits über Phaedrias Schwangerschaft informiert scheint) mit Staphyla


Kontakt aufgenommen haben.
Wir dürfen übrigens nicht übersehen, daß der Prolog dem Publikum
so gut wie nichts über Lyconides’ Haltung oder Gefühle mitteilte. Diese
Texttatsache ist in zweifacher Hinsicht für die Analyse bedeutsam. Erstens
beweist sie, daß Plautus den zweiten Prologteil im wesentlichen, d. h. in
der Kargheit seiner Aussagen, beibehalten hat. Hätte nämlich schon die
griechische Prologgottheit mitgeteilt (statt bloß angedeutet), daß Lyconides
Phaedria heiraten will, aber sich noch nicht zu deklarieren wagt, dann hätte
Plautus keinen Grund gehabt, diese Mitteilung abzuschwächen (er konnte
dann ja alle Lyconidesszenen vor IV 7 umso leichter streichen, ohne daß
die Zuschauer etwas vermißten). Ist aber die Aussparungstechnik des Pro-
logs original, so folgt zweitens, daß der junge Mann in einer auf den Pro-
log folgenden Szene Gelegenheit erhalten sollte, seinen Charakter und
seine Sicht der Situation zu exponieren.31 (Man vergleiche dazu, wie das
Publikum auch im Dyskolos im Prolog nur erfährt, daß Sostratos ein de ||
83
83 summo adulescens loco ist, aber erst in der anschließenden Szene, wie redlich
und naiv.) Daß er eine eigene Szene (ohne Mutter Eunomia) braucht, ist
im Inhalt seiner Mitteilungen begründet. Er darf ja gar nicht alles, was das
Publikum über ihn erfahren soll, besonders über sein Verantwortungsge-
fühl dem vergewaltigten Mädchen gegenüber, in dem oben postulierten
Gespräch mit Eunomia äußern: gerade in dieser Hinsicht wird ihm aber
der Dichter von allem Anfang an Gelegenheit geben, um die Sympathie
der Zuschauer zu werben. Wir können ihn noch mit einer anderen Jüng-
lingsgestalt vergleichen: Auch Moschion in der Samia wagt seine Vater-
schaft aus zwei Gründen nicht zu gestehen: er schämt sich vor beiden
Vätern, weil er die Nachbarstochter vergewaltigt hat (so wie hier Lyconi-
des vor Onkel und Mutter – er kann also nicht in deren Gegenwart zum
Publikum über die Vergewaltigung sprechen), und es tut ihm besonders
leid, vor dem Adoptivvater nicht Mustersohn geblieben zu sein (analog zu
diesem zweiten Motiv mag Lyconides seiner Mutter explizieren, der reiche
Onkel habe nach dem Tod des Vaters schon so großzügig für ihn gesorgt,
daß er Hemmungen habe, ihm auch noch seine Liebe zu Euclios armer
Tochter zu gestehen und damit weitere finanzielle Zuwendungen zu pro-
vozieren).
Wir werden zu der Suche nach weiteren Lyconidesszenen, die von der
inhaltlich-thematischen Handlungsentwicklung her vor allem in der Epi-
tasis notwendig sein könnten, noch kurz zurückkehren; im wesentlichen

31 Die Reihenfolge Prolog-Lyconidesszene und nicht umgekehrt, wie vielfach ver-


mutet wurde (z. B. von Webster: Studies in Menander [Anm. 13], S. 123), ist also
bewiesen: denn nur ,Andeutung – Ergänzung der Andeutung‘ ist sinnvoll! Vielleicht
ist übrigens schon hier der Vorverweis angebracht, daß das Aufbauschema unten in
1.4 den Überblick über die Änderungen, die ich vorschlage, erleichtern kann.
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 239

können wir aber jetzt zur strukturanalytischen Betrachtungsweise überge-


hen. Die Dreiteilung der Fabel, die oben für die Eucliohandlung skizziert
wurde, läßt sich nunmehr unter Mitberücksichtigung der Liebeshandlung
teils bestätigen, teils so verbessern, daß alle folgenden Analyseerwägungen
in der Großstruktur, die sich ergibt, sicheren Halt finden.32
Als erstes sicheres Strukturresultat ist festzuhalten, daß die Protasis
auch des Originals bis II 2 oder 3 reichte. Im griechischen ‚Geizigen‘
kommt ja, wie wir sahen, zu der Eucliohandlung eine mindestens gleichbe-
rechtigte Liebes- oder Lyconideshandlung dazu. Der Prolog steuert auf
diese durch seine Andeutungs- und Aussparungstechnik zu, indem er eine
anschließende Szene verlangt, die den Amanten in seiner Situation, mit
seinen Problemen und Motiven, anschaulich und ausführlich exponiert;
dann muß Lyconides seiner Mutter jene Schweigeverpflichtung auferlegen,
die sie im weiteren Verlauf in II 1 daran hindert, Megadorus rechtzeitig
vor der in II 2 folgenden ,falschen Brautwerbung‘ zu bewahren. Auch die
zwei Zielangaben, die die Prologgottheit macht (und die sie durch das
auffällig wiederholte facilius || miteinander verbindet), bestätigen uns, daß 84
84
gerade in der Verlobungsszene für beide Teilhandlungen zugleich der
Abschluß der Anlaufphase erreicht ist: Euclio hat die Tochter ohne Mitgift
verlobt, im Gegensatz zur Intention der Prologgottheit, die ihn den Schatz
finden ließ, quo illam facilius nuptum, si vellet, daret; und Megadorus hat um
Phaedria angehalten, quo ille eam facilius ducat qui compresserat. Beide Teil-
handlungen sind gleichzeitig am zielfernsten Wendepunkt angelangt –
natürlich nur vom Standpunkt des Gottes aus, für die menschlichen Hand-
lungsträger werden sich die Komplikationen in der Epitasis bis zur Peripe-
tie weiter steigern.
Um spätere Rekapitulationen zu sparen, schon hier eine Zwischen-
oder Vorausbemerkung zur Fabelgliederung im Rahmen der Fünfaktstruk-
tur. Ich glaube den Nachweis geführt zu haben, daß die Protasis regelmä-
ßig knapp vor (oder mit) dem Ende des griechischen 2. Akts endet;33 und
tatsächlich läßt sich mit Hilfe des sogenannten Webster-Kriteriums34 ein
Aktschluß für v. 279/280, zwischen II 3 und II 4, zwingend nachweisen:
Der Forumgang des Megadorus (v. 264) muß original sein, weil die Köche,
die er dort mietet (v. 280), gleich in der ersten Szene des nächsten Akts
gebraucht werden. Die Bedingung, daß während einer griechischen Akt-
pause eine für die Zuschauer nachvollziehbare hinterszenische Aktion
ablaufen muß, die die Pause womöglich auch dramaturgisch sinnvoll aus-

32 Zu den Strukturbegriffen und ihrer Anwendung bitte ich nochmals Primmer:


„Die Handlung der Menaechmi“ (Anm. 8) zu vergleichen.
33 Primmer: „Die Handlung der Menaechmi“ (Anm. 8), S. 205ff. [195ff.].
34 Dazu siehe Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata (Anm. 8), S. 11f. [77];
siehe unten Abschnitt 1.2.
240 II. Handlungsgliederung

füllt,35 ist also eingehalten; und so liegt die β/γ-Grenze des ‚Geizigen‘ bei
v. 279/280 mit Sicherheit fest.
Was die Liebeshandlung in der Epitasis betrifft, kommen wir mit In-
haltsargumenten ein Stück voran, wenn wir nochmals auf Wissen und
Handlungsfunktion der Magd Staphyla achten. Sie ahnt, wie schon er-
wähnt, in II 3, am Schluß der Protasis, noch nichts von Lyconides’ Vater-
schaft; voll informiert scheint sie in IV 10 zu sein, denn Lyconides’ ea rem
novit (v. 807) impliziert dort, daß sie Euclio neben Phaedrias Mutterschaft
auch Lyconides’ Vaterschaft bestätigen kann. Das unauffällige Ein-
sprengsel führt uns also wieder auf mindestens eine Szene, in der Staphyla
mit dem endlich geständniswilligen Lyconides (oder seinem Sklaven) zu-
sammentraf, sei es vor oder nach IV 7. Für die frühere Gelegenheit, bei
der er wenigstens einen ersten Schritt der Annäherung tun könnte, spricht,
wenn wir von Staphyla her argumentieren, die dürftige Rolle, die sie bei
85
85 ihrem einzigen erhalten || gebliebenen Epitasis-Auftritt zu spielen hat: sie
kommt in II 6 eigentlich nur auf die Bühne, damit Plautus ein paar Witze
anbringen kann.36
Beziehen wir auch ein, was wir über Lyconides und seine Funktion in
der Epitasis wissen, werden die Konturen der Handlung noch deutlicher.
Wir sahen schon, daß er in IV 7 über die bevorstehende Geburt seines
Kindes informiert ist. Wenn aber anderseits Staphyla (als Repräsentantin
des Mädchens auf der Bühne) am Protasisende seine Identität noch nicht
kannte, so muß sie seine Kontaktperson im dritten Akt sein, und zwar im
Interesse der abgestuften Steigerung am besten in wenigstens zwei Szenen.
Er muß zuerst (da er von Megadors Verlobung gehört hat), über seinen
Schatten springen und Verbindung mit dem Mädchen aufzunehmen ver-
suchen (zum Beispiel in der Form, daß er Staphyla unter dem Vorwand
anredet, als Bote für einen unsterblich verliebten Freund zu kommen, der
im übrigen Phaedria von den Cereris vigiliae her kenne37). Nach einer Zwi-
schenzeit, in der die Frauen die neue Lage beraten konnten, ist dann Sta-

35 Das bedeutet zweierlei: Erstens soll die Zwischenhandlung von gewisser Dauer sein
(hier also: Gang zur Agora und zurück); zweitens soll der Aktschluß das Publikum
mit einer gewissen Erwartungshaltung entlassen (was hier dadurch geschieht, daß
die Teilhandlungen in II 2 einen Umweg nahmen, und dadurch, daß Staphylas
Schlußworte in II 3 an die Notlage des schwangeren Mädchens erinnern).
36 Die treue Alte (wohl erst von Plautus zur ‚Weinrebe‘ gemacht) wird nur v. 354–
356 als trunksüchtig hingestellt; der Witz mit den asseres als Brennholz wird wohl
an die Stelle eines kurzen Dialogs getreten sein, in dem Staphyla ihr „wir haben
kein Brennholz“ ins Treffen führte, um im Auftrag des mißtrauischen Euclio
dem Koch das Betreten des Hauses zu verwehren.
37 Prolog v. 36, illam stupravit noctu, Cereris vigiliis. Die Erwähnung dieses verhängnis-
vollen Festes müßte Staphyla jedenfalls hellhörig machen und Lyconides vor ihr
als Wissenden bestätigen.
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 241

phyla legitimiert, in einem zweiten Dialog mit Lyconides diesem den nächs-
ten Schock zu versetzen (,Sag deinem Freund, daß er heute Vater wird‘).
Es ist zuzugeben, daß (auch abgesehen vom Inhalt der Szenen, der
nur exempli causa ausgemalt ist) die Erwägungen über nicht nur eine,
sondern zwei Staphyla-Lyconides-Szenen zunächst nicht mehr als eine
gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben.38 Auf sicherem Boden stehen
wir im Rahmen unserer Beobachtungen zur Fabelstruktur wieder, wenn
wir die Peripetie, also den Übergang von Epitasis zu Katastrophé, auf
unsere Szene IV 7 festlegen. An sich haben wir, bei zwei Teilhandlungen,
ja zwei Peripetien zur Auswahl. Für Euclio erfolgt, wie wir oben sahen, die
Wendung zum Guten innerhalb der Szene IV 10, etwa um v. 770, also
dort, wo er und Lyconides endlich ohne Mißtrauen und Mißverständnis
miteinander zu reden beginnen; dagegen kommt die Liebeshandlung schon
mit Lyconides’ Geständnis in IV 7 in die richtige Bahn. Die richtige Wahl
zwischen beiden Möglichkeiten ist nun alles andere als eine müßige Spiele-
rei, sondern quellenanalytisch von großer Bedeutung. In der Nea tritt näm-
lich die Wendung || von der Epitasis zur Katastrophé mit großer Regel- 86
86
mäßigkeit etwa in der Mitte des vierten Aktes ein.39 Nun beginnt, wie oben
erwähnt, der griechische dritte Akt bei v. 280; das Webster-Kriterium ver-
langt anderseits zwingend eine Aktpause zwischen v. 681 (wo der Sklave
des Lyconides Euclio nachfolgt, der den Schatz außerszenisch verstecken
will) und v. 701 (oder v. 713), wo in IV 8 der Sklave und in IV 9 Euclio
nach vollbrachtem Diebstahl und nach dessen Entdeckung zurückkehren.
Wenn also die Eucliohandlung die Haupthandlung wäre, deren Peripetie
(im vierten Akt!) in IV 10 stattfindet, dann müßte dem dritten Akt des
Originals bei Plautus die Szenenfolge II 4 – IV 6 (oder IV 7), v. 280–681
(oder v. 700) entsprechen. Hunter, der für diese Lösung optiert,40 zieht
auch die notwendigen Konsequenzen. Er eliminiert (v. 39f.) aus dem über-
langen dritten Akt die ganze Szenenfolge mit dem Fides-Tempel als Zwi-
schenversteck für den Schatztopf, und er läßt den fünften Akt frühestens

38 Siehe weiter bei Anm. 51 und 133.


39 Dies ist schon communis opinio, vgl. Hunter: „The Aulularia of Plautus and its
Greek Original“ (Anm. 12), S. 38 mit Anm. 10. – Primmer: Handlungsgliederung in
Nea und Palliata (Anm. 8), S. 12 [78] (mit weiteren Literaturangaben).
40 Hunter: „The Aulularia of Plautus and its Greek Original“ (Anm. 12), S. 38:
„Although very few critics have resisted the obvious temptation to place a fur-
ther act-division between 280 and 700 (or 681), there seems to me to be a strong
circumstantial case against this“ (folgt z. B. der Hinweis, daß Nikeratos in der
Samia auch im 4. Akt von der Vergewaltigung seiner Tochter hört; wesentlicher
ist allerdings, daß Moschion in δ-Mitte endlich gesteht) „… Our present evidence
suggests that in Menander the fourth act was an the whole the climactic one“ (ja,
aber für die Haupthandlung, z. B. in den Epitrepontes für Charisios, nicht für
Smikrines).
242 II. Handlungsgliederung

bei v. 807 beginnen. Seine Kritik an den Fidesszenen ist im einzelnen tref-
fend (wie wir später noch sehen werden), im Urteil über die Gesamtstruk-
tur geht er trotzdem fehl. Die fabelgliedernde Peripetie muß in Wahrheit
die der Lyconideshandlung sein. Es wäre einfach undenkbar, die Entwick-
lung einer komischen Handlung zwar vom Prolog an auf der Vorausset-
zung aufzubauen, daß der jugendliche Liebhaber aus Scham schweigt und
erst durch das Komödienmotiv des Onkels als Konkurrenzbräutigam zum
Sprechen gezwungen wird, aber den Augenblick, in dem er sich endlich
deklariert, bloß deswegen nicht als Peripetie einzusetzen, weil es auch eine
Teilhandlung um den geizigen Brautvater gibt. Für die Fabelstruktur muß
dieser Brautvater, wenn die Lösung der Liebeshandlung sich noch dazu
früher abzuzeichnen beginnt als die um seinen Schatztopf, vor dem Bräu-
tigam zurücktreten.
Die vierzehn Verse des Gesprächs Lyconides – Eunomia in IV 7
standen demnach im ‚Geizigen‘ in der Mitte des vierten Akts; mit ihnen
beginnt die Lösungsphase der Komödie. In die erste Akthälfte, die Schluß-
steigerung der Epitasis, paßt sehr gut, daß der Schatzdiebstahl jetzt nicht
87
87 mehr nur in || Euclios Einbildung droht. Und die zweite Akthälfte? Ja, die
muß Plautus wieder einmal hinter die Szene verlegt haben, wie die Ana-
gnorisis- und Verlobungsszene am Schluß der Casina.41 Der 4. Akt endet ja
schon mit IV 7, da in IV 8 der Sklave des Lyconides – zu Beginn von ε –
mit seiner Diebstahlsbeute auf die Bühne kommt.
Die letzten Worte, die Lyconides in seinem kleinen Abgangsmonolog
spricht, deuten gerade noch an, worum es wenigstens in einer der gestri-
chenen Szenen von δ gehen mußte (v. 700): ibo intro, ubi de capite meo sunt
comitia. Wie Menander diese comitia, das Zusammentreffen zwischen dem
Bräutigam Megadorus und dem προγαµμῶν 42 Lyconides gestaltet hat, das
bleibt bis zum entsprechenden Papyrusfund leider unserer Phantasie über-
lassen. Aber daß Plautus eine wichtige Szene der Haupthandlung mittels
einer seiner römischen Metaphern weggekürzt hat, unterliegt keinem
Zweifel. Und so endet IV 7, nach dem Beginn mit der metaphorischen
obsecratio und resecratio, stilecht mit den ebenso plautinischen comitia.43
Über Einzelheiten der Katastrophé-Handlung zu sprechen, fehlt uns im
derzeitigen Kontext Anlaß und Material. Die Gesamtstruktur des ‚Geizigen‘
zeichnet sich ohnedies deutlich ab: Was die Gewichtung von Euclio- und

41 Daß starke Kürzung stattfand, hat Webster: An Introduction to Menander (Anm. 13),
S. 121 ausgesprochen.
42 Wir könnten, um am Blindekuhspiel um die Titelvorschläge teilzunehmen, darauf
verweisen, daß das Tyche-Fragment von Menanders προγαµμῶν im ‚Geizigen‘
nicht stören würde.
43 Zwierlein: Pseudolus (Anm. 10), S. 229 kündigt an, daß er die Metapher als unpoe-
tisch tilgen will – wie soll dies möglich sein, wo das echt plautinische Verkür-
zungssignal schon aus Strukturgründen dringend gebraucht wird?
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 243

Liebeshandlung angeht, hatte bei Menander die Liebesgeschichte die Füh-


rung; Euclio greift in diese jedenfalls weniger ein als umgekehrt die Hoch-
zeitsvorbereitungen des Megadorus in das Schicksal seines Schatztopfes;
und Lyconides, der in der Protasis zum Verschweigen tendierte, beginnt in
der Epitasis (unter Druck) zu reden. Insgesamt ein dramatisch klarer und
wirksamer Aufbau, der der Katastrophé die heiteren Versöhnungs- und
Verständigungsszenen läßt, zwischen Lyconides und dem Onkel, dann
dem Schwiegervater in spe, und schließlich wird auch noch das si vellet des
Prologs Wirklichkeit.
Die klar strukturierte Fabel, die uns auch schon den zweiten und vier-
ten Aktschluß zu fixieren half, gibt einen festen Rahmen für das Weitere.

1.2. Die Aktgrenzen; eine plautinische Zudichtung 88


88
Hat uns zuvor ein inhaltlich bedeutsames Menander-Rudiment die Fabel-
struktur des ‚Geizigen‘ erkennen lassen, so wird uns hier die Behandlung
einer Strukturfrage zu einem bisher nicht erkannten Menander-Ein-
sprengsel führen, das uns zugleich hilft, eine plautinische Erweiterung des
Originals nachzuweisen.
Die griechischen Konventionen der Figurenführung in Bühnenraum
und Bühnenzeit hängen natürlich zusammen; darum wird es nicht ver-
wundern, wenn wir im Vorgriff schon auf eine Teilfrage zum Bühnenbild
eingehen, nämlich auf die relative Position des sogenannten Fides-
Tempels. Daß er in die Bühnenmitte gehört, sollte eigentlich selbstver-
ständlich sein. Im Theater des Lykurg markieren die zwei Seitentüren kon-
ventionell die Komödienhäuser, noch dazu ist in vielen Stücken die Oppo-
sition zwischen Haus A und Haus B als ‚bedeutend‘ ausgenützt: Arm ge-
gen Reich, Stadt gegen Land, Ehefrau gegen Hetäre usw.44 Das für die
Tragödie reservierte Mittelportal, vor dem auch ein Altar steht, ist also der
gegebene Ort für das Heiligtum – der Dyskolos bezeugt es, und die Aulularia
widerspricht nur scheinbar. Da plädiert nämlich Rosivach45 für Fanum –
Euclio – Megadorus, weil das Haus der Hauptfigur so in die Mitte rücke.
Nur ist Euclio gar nicht die Hauptfigur; und andere Argumente sind nicht
besser.46 Wir bleiben also bei der Lösung, die die Konvention nahelegt

44 Vgl. Webster: An Introduction to Menander (Anm. 13), S. 80f. – David Wiles: The
Masks of Menander. Sign and Meaning in Greek and Roman Performance. Cambridge
1991, S. 44.
45 Vincent J. Rosivach: „Plautine Stage Settings“, in: Transactions of the American
Philological Association 101 (1970), S. 449f.
46 So preßt ein weiteres Argument Rosivachs die Wendung ex proximo zu sehr: (a)
Der Tempel kann ohne weiteres zwischen den Häusern auch der ,nächsten
Nachbarn‘ stehen, weil es für die Zuschauer gar keine anderen Nachbarhäuser zu
sehen gibt (vgl. auch Stockert: Plautus, Aulularia [Anm. 12], S. 23, Anm. 5). Und (b):
244 II. Handlungsgliederung

(natürlich auch bei der anderen bekannten Konvention, daß der linke Sei-
tenausgang aufs Land und der rechte in die Stadt führt).
Was die Aktpausen betrifft, gibt es größere quellenanalytische Prob-
leme nur mit der γ/δ-Pause. Die kritische Doppelbedingung, daß im Ideal-
fall die Zeit zwischen den Akten durch länger dauernde Aktionen der
Figuren und durch Spannungserregung, also durch Hinweise vor dem
Aktschluß, die die Neugier des Publikums wachhalten, subjektiv und ob-
jektiv ausgefüllt sein soll,47 ist für die anderen Pausen erfüllt: bei β/γ
89
89 (v. 279/280) durch den Ein-||kaufsgang der Männer zur Agora bzw. durch
die Fehlentwicklung beider Teilhandlungen (Verlobung ohne Mitgift; dro-
hende Hochzeit mit Megadorus, während Phaedria in die Wehen kommt),
bei δ/ε (v. 700/701) durch den außerszenischen Schatzdiebstahl und die
noch ausstehende Aufklärung des Brautvaters. Über α/β ist m. E. leicht
Einigung zu erzielen. Einige Forscher plädieren zwar für den Ansatz der
Aktpause bei v. 177/178, sie möchten die Szene II 1 (das Gespräch
Eunomia – Megadorus) noch zum ersten Akt ziehen, weil sie noch zur
Exposition gehöre.48 Das wäre vom äußeren Zeitablauf her möglich, denn
Euclio kommt von seinem Gang zum Demarchen erst v. 178 zurück.
Trotzdem gewinnt die andere mögliche Pausenstelle (v. 119/120, vor II 1)
die Konkurrenz ganz eindeutig: zum einen, weil der Abschluß der Exposi-
tion ja kein besonders spannender Punkt sein muß (im ‚Geizigen‘ kennen
wir den eigentlichen Expositionsablauf in α ja inzwischen schon, in wel-
chem nach dem Prolog zuerst Lyconides sich und seine Motive vorstellt,
dann Euclio in I 1/2 voll Mißtrauen zu agieren beginnt). Da eignet sich
dann Eunomias Vorsatz, Megadorus zum Heiraten zu überreden, und vor
allem Lyconides’ Bitte, seine Liebe zu Phaedria dem Onkel ja nicht zu
verraten, viel besser als Neugier weckender Handlungsanstoß vor der Akt-
pause. Zum zweiten enthält, wie W. Ludwig49 betont hat, Vers 145 einen
rudimentären Hinweis auf die originale Figurenführung. Bei Plautus treten
nämlich die Geschwister zu ihrem ersten Auftritt aus Megadors Haus, und

noch dazu könnte ex proximo selbst in der Auffassung Rosivachs in den Mund des
griechischen Prologsprechers passen, wenn er mit der Tempelgottheit identisch ist.
47 Das Aktschluß-Kriterium der lang dauernden außerszenischen Aktion hat beson-
ders Webster in seiner Bedeutung erkannt; der Spannung bringende neue Hand-
lungsansatz vor dem Aktschluß wurde betont von Eric W. Handley: „Conven-
tions on the Comic Stage“, in: Entretiens sur lʼantiquité classique 16 (1970), S. 1–26,
hier S. 11.
48 Wolter E. J. Kuiper: The Greek Aulularia. A Study of the Original of Plautus’ Master-
piece. Leiden 1940 (Mnemosyne Supplement 2), S. 33. – Webster: Studies in Menan-
der (Anm. 13), S. 123f. – Niklas Holzberg: Menander. Untersuchungen zur dramatischen
Technik. Nürnberg 1974 (Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft
50), S. 44.
49 Ludwig: „Aululariaprobleme“ (Anm. 12), S. 259.
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 245

trotzdem sagt sie advento. Sie muß also vorher zu Besuch gekommen sein
(wie sie sich ja dann in v. 175f. auch wieder verabschiedet, um in ihr au-
ßerszenisch gelegenes Haus zurückzukehren). Wir fassen also Eunomias
advento in der Abschiedsszene am besten als plautinischen Reflex der An-
kunftsszene am α-Schluß auf.
Am Rande sei angemerkt, daß Zwierleins (in II 231 und IV 157 avi-
sierte) Tilgung von v. 139–165 (also des z. T. possenhaften, z. T. auch
sprunghaften Dialogs Eunomia – Megadorus über die Heiratsfrage) sicher
ein genesungsfähiges Glied amputiert. Da die Prologgottheit angekündigt
hatte (v. 31ff.), sie werde Megadorus ‚heute‘ zu einem Heiratsantrag veran-
lassen, wäre es für die Zuschauer doch gar zu dürr, wenn am zweiten Akt-
beginn Eunomia von ihrer einleitenden Bemerkung, sie komme ut tuam rem
ego tecum hic || loquerer familiarem (v. 134) gleich zu der (offenbar durch das 90
90
hinterszenische Gespräch hervorgerufenen) Frage weiterspränge (v. 170),
dic mihi quaeso: quis ea est quam vis ducere uxorem? – wonach in weiteren fünf
Versen auch schon alles erledigt wäre. Dagegen spricht nicht nur, daß im
Original eine Debatte zwischen den beiden schon deswegen vorausgegan-
gen sein muß, weil Eunomias (durch ihr Schweigeversprechen bedingtes)
Verstummen ja nur wirksam wird, wenn sie vorher doch einiges mitzure-
den hatte. Vor allem sollten die Zuschauer erleben, wie Megadorus’ Hei-
ratsentschluß zustandekam. Und obendrein enthält der Text Ansätze, die
m. E. durch Ergänzung einer Lücke nach v. 165 ausgenützt werden kön-
nen und sollen. Eunomia hatte den Bruder mit einer sehr reichen, wenn
auch schon ‚mittelalterlichen‘ Frau zu locken versucht (v. 158 –160). Er
weigert sich (mit welchen Argumenten immer, v. 161–164), eine Alte zu
wählen – das zweite Stichwort ‚reich‘ bleibt im negativen Teil seiner Äuße-
rungen unbehandelt; dafür beginnt er chiastisch damit den positiven Teil:
,Schwester, ich werde dir die Mühe (der Brautschau) abnehmen. Eine Rei-
che brauche und will ich nicht‘ (v. 165–169). Fehlt (vor v. 170) das zweite
Teilmotiv: ,Aber eine Junge wüßte ich mir – ja, um die werde ich anhalten!‘
Schwieriger wird es bei der γ/δ-Pause, obwohl ihr Ort im Plautustext
dem ersten Anschein nach festliegt. Zwischen v. 280 (Anfang γ) und 700
(Ende δ) kommt nach der Mehrheitsmeinung nur die Stelle v. 586/587 in
Betracht.50 Jedoch erfüllt da die Handlungsführung die zuvor genannten
Bedingungen nicht. Die Szene nach der Pause (IV 1, der Sklave des Ly-
conides kommt als Späher) mag ein guter Aktanfang sein, aber das Ende
von III 6 gibt keinen guten griechischen Aktschluß. Erstens fehlt der Sze-

50 v. 370/371, wofür unter den Neueren nur mehr Ludwig: „Aululariaprobleme“


(Anm. 12), S. 68 eintrat, scheidet sicher aus: die Verteilung der Köche auf die
beiden Bühnenhäuser, die nur den Zweck hat, die Ausgangskonstellation für die
Epitasishandlung herzustellen, kann unmöglich einen ganzen Akt füllen. – Zu
Hunter, der γ bis v. 700 reichen läßt, siehe oben bei Anm. 40.
246 II. Handlungsgliederung

nenfolge III 5f. (Megadorus – Euclio; dieser geht am Ende seinen Schatz-
topf im Tempel verstecken) jeglicher Spannungshinweis auf die Weiter-
entwicklung der Lyconideshandlung. Den kann, ja muß man aber postulie-
ren; am besten so, daß Lyconides nach Euclios Abgang in den Tempel in
irgendeiner Form mitteilt oder durchblicken läßt, er wolle jetzt in seiner
Verzweiflung und Ratlosigkeit daheim (also bei Sklave oder Mutter) Hilfe
suchen.51 Versucht man aber auf diese Weise, also durch Anfügen einer
kleinen Lyconidesszene nach III 6, das eine Loch zu stopfen, entsteht wie-
91
91 der ein anderes: Euclio verweilt dann nämlich || während der Lyconides-
szene und der ganzen folgenden Aktpause relativ untätig, vor allem aber
recht undramatisch im Tempel. Das Publikum wird sich ja kaum mit be-
sonderer Anteilnahme vorstellen, wie er seinen Schatz versteckt, oder
gespannt auf seinen Wiederauftritt ohne Topf warten. Sollen wir etwa
noch einen Schritt weitergehen und auch Euclios Rückkehr nach der klei-
nen Lyconidesszene, also seinen Abgangsmonolog in IV 2, noch zum
dritten Akt ziehen?
Wer wenig von Strukturregeln hält, wird die vorstehenden Erwägun-
gen für ganz hypothetisch halten. Wenn wir allerdings ihre Folgen am Text
selbst durchspielen, stoßen wir auf wahrscheinliche, ja sichere Beweise.
Denn die nötigen Eingriffe in die plautinische Fassung bleiben teils im
Bereich des Usuellen, teils gewinnt der Text im Kontext unserer Rekon-
struktion erst seine volle ‚griechische‘ Wirkung. Die erste Änderung, die
wie wir eben sahen die Szenen IV 1/2a betrifft, mutet Plautus nichts Au-
ßergewöhnliches zu: Er mußte am γ-Schluß zwischen III 6 und IV 2a eine
kleine Lyconidesszene streichen und den Erstauftritt des Lyconidessklaven
vom originalen δ-Anfang (der hinter IV 2a lag) sozusagen ersatzweise an
die Stelle der Lyconidesszene nach vorn ziehen. Rein formal haben wir
einen analogen Vorgang in Dis exapaton v. 64ff. bzw. Bacchides v. 525ff.
urkundlich belegt (Plautus streicht dort um den Aktschluß zwei Szenen
mit dem Vater des Verliebten und rückt an deren Stelle den späteren Auf-
tritt von dessen Freund nach vorn); daß Plautus dort andere Motive für
seine Abweichungen vom Original hatte, muß uns derzeit nicht kümmern.
Im Sinn unserer Rekonstruktionsbemühungen sollte jedenfalls neben der
Geringfügigkeit des Eingriffs ins Gewicht fallen, daß sich in IV 2a die
Verse 612–614 bestens für den griechischen Aktschluß eignen. Überbli-
cken wir nochmals kurz den Ablauf: Der Schluß von III 6 (Euclio geht in
den Tempelbezirk, um dort seinen Schatz zu verstecken) zieht sozusagen
das Fazit aus der Eucliohandlung von γ; der ergänzte Zwischenauftritt des
Lyconides führt dem Publikum dessen gesteigerte Befürchtungen und Nöte
in der Liebeshandlung vor. Nun kommt in IV 2 Euclio wieder aus dem

51 Ich erinnere an den Vorschlag, ihn auch von Staphyla seine Vaterschaft erfahren
zu lassen (siehe den Text bei Anm. 37f.).
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 247

Tempel. Er hat den Schatz in angemessen kurzer Zwischenzeit versteckt


(d. h. dazu nicht eine ganze Aktpause gebraucht) und liefert in v. 612ff.
alles, was sich das Publikum noch wünschen kann: eine Begründung für
den Abgang in sein Haus (nunc lavabo ut rem divinam faciam), die ihn persön-
lich (analog zu der Megadors in v. 579, ego, nisi quid me vis, eo lavatum, ut
sacruficem) für die Aktpause in Wartestellung bringt, und zum Ausgleich
dafür die Erinnerung an zwei spannungsträchtige Handlungselemente,
nämlich im einen Handlungsstrang an den falschen Hochzeitsplan (… ne
affinem morer, / quin ubi accersat meam extemplo filiam ducat domum), im ande-
ren an die Gefährdung seines Schatzes (vide, Fides, etiam || atque etiam nunc, 92
92
salvam ut aulam abs te auferam). Viel mehr an dramatisch erfüllter Zwischen-
zeit kann man sich nicht mehr wünschen: in den Bühnenhäusern die bei-
den Alten mit ihren Hochzeitsvorbereitungen, im Tempel der Schatz in
der Hut der Fides (oder eher, wie wir sehen werden, der Tyche), Lyconides
auf dem Weg zu einer entscheidenden Aktion.
Plautus hat allerdings, wenn unsere Umstellung akzeptiert wird, mit
dem Vorziehen der Szene IV 2a nicht nur eine griechische Aktpause über-
brückt, sondern auch eine für die ersten Szenen von δ folgenreiche Ände-
rung im Wissensstand des Sklaven herbeigeführt. Ging nämlich IV 2a (als
Aktschluß γ) dem Aktbeginn δ mit IV 1 voraus, so konnte der Sklave, der
bei Plautus seine Informationen ja als Lauscher in IV 2a gewinnt, im Ori-
ginal von IV 2b bis IV 5 noch nichts über Euclios Schatz gehört haben,
und IV 6 war ursprünglich die einzige und entscheidende Lauscherszene.
Plautus konnte seinerseits zwar die Szenenfolge ab IV 2b beibehalten,
mußte aber Motivation und Führung der Figuren der geänderten Voraus-
setzung anpassen. Tatsächlich bemerkt man seine Eingriffe auf Schritt und
Tritt.
Das gilt gleich für das Spiel um den Altar, den erst Plautus als vorläu-
figen Spähersitz einführen mußte, weil zu der Zeit, als er den Sklaven
auftreten läßt, Euclio ja noch im Heiligtum seinen Schatztopf versteckt.
Im Original wäre diese Zwischenstation des Sklaven nicht nur überflüssig,
sie brächte sogar eine Schwierigkeit mit sich. In IV 4 muß Euclio nämlich
den Sklaven auf jeden Fall im Tempel vorfinden (sonst verlöre die Durch-
suchungsszene ihre Grundlage); der Sklave des Originals hätte aber, da er
nichts vom Schatz weiß, keinen Grund, vom Altar zum Tempel hinüber-
zuwechseln.
Ohne den Altar entwickelt sich also das griechische Figurenspiel am
δ-Anfang ganz ungezwungen im Rahmen des πιθανόόν. Der Sklave
kommt, sucht einen Platz, von dem aus er beide Bühnenhäuser gut be-
obachten kann, und wählt als solchen den Tempeleingang. Dann tritt (vgl.
IV 3) der zuhause inzwischen unruhig gewordene Euclio auf, um nach
seinem Schatztopf zu sehen; als er auf den Sklaven stößt, verdächtigt er
ihn des Diebstahls (IV 4). Ironischerweise macht er ihn damit erst neugie-
rig; der Sklave, nur scheinbar verscheucht, versteckt sich beim Eingang
248 II. Handlungsgliederung

von Megadors Haus (IV 5) und verfolgt dann Euclio, als dieser den Schatz
aus dem Tempel holt (IV 6).
In der rekonstruierten Version erleben wir also ein Spiel, in dem mit
dezenter Ironie ein Überängstlicher einen Ahnungslosen erst durch sein
Mißtrauen neugierig macht; in der plautinischen dominiert der freche
Sklave, der der günstigen Gelegenheit nicht widerstehen kann und zum
Vergnügen der Zuschauer sein Spiel mit dem überängstlichen Alten treibt.
Und zu seinem vorteilhaften Wissen kommt er stilecht in einer theatralisch-
93
93 possenhaften || Lauscherszene. Schon die Begründung der Wahl seines
Ansitzes klingt theatralisch sklavenhaft: am Altar könne er sitzen, ohne
Verdacht zu erregen, und beide Häuser beobachten52 (daß ein Sklave am
Altar sitzt, ist wohl auch eher in Plautus’ Bühnenwelt usuell als in der rea-
len – man denkt an die bekannten Altarfluchtszenen in Mostellaria und
Rudens). Während er so – wohl vorn in der Bühnenmitte – dasitzt, kommt
Euclio aus dem Tempel und spricht in einer Mischung aus Gebet und
Pseudomonolog, die dem eigentlichen Adressaten – dem ,quisquam‘ – das
Nötige geradezu einhämmert, vom versteckten Schatz (v. 608ff.): tu modo
cave quoiquam indicassis aurum meum esse istic, Fides; soweit Gebet, jetzt Mo-
nolog: non metuo ne quisquam inveniat, ita probe in latebris situmst. Das Gebet
hatte übrigens auch eher die Form eines Auftrags – und so ist es auch zu
spielen: wie der Befehl des ausgehenden Herrn, der mit dem Rücken voran
auftritt und ins Haus zurückruft. Beim ersten Vers sitzt ja der Sklave noch
sine suspicione am Altar, Euclio darf ihn aber nicht erblicken. Wenn sich
Euclio mit dem zweiten Vers zum Publikum umdreht, muß sich der Sklave
blitzartig vor dem Altar niederducken (und dann natürlich auch im folgen-
den Euclios Bewegungen immer im Gegensinn so mitvollziehen, daß der
Altar seine Deckung bleibt). Euclio ist natürlich so gefällig, das Wesentli-
che gleich nochmals zu wiederholen: edepol ne illic pulchram praedam agat, si
quis illam invenerit /aulam onustam auri,53 und in plautinischer Ringkomposi-
tion nach den oben als original gewürdigten Versen 612–614 nochmals da-
rauf zurückzukommen: tuae fide concredidi aurum, in tuo luco et fano est situm.
Jetzt wissen Fides und der Sklave endgültig Bescheid. Insgesamt also eine
burleske, theaterwirksame, aber eher plautinische als griechische Szene.
Die Reihe ähnlicher Plautinismen im Sprach- und Spielstil ließe sich
fortführen. So brauchte Plautus etwa in IV 3 einen Grund dafür, daß Eu-
clio, der doch mit der rituellen Reinigung occupatus (v. 621) sein sollte, nach
acht Zwischenversen des Sklaven (statt erst nach der Aktpause) schon
wieder zum Tempel kommt – und er kommt, weil (v. 624) corvos cantat mihi

52 Nunc sine omni suspicione in ara hic adsidam sacra;


hinc ego et huc et illuc potero quid agant arbitrarier (v. 606f.).
53 Der Sklave wiederholt dann in v. 617 die Wendungen, die ihn am meisten beein-
druckt haben: se aulam onustam auri abstrusisse hic intus in fano Fide.
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 249

nunc ab laeva manu.54 Oder Euclio kann, da der Sklave nicht wie im Original
im Eingang zum Heiligtum steht, sondern drinnen nach dem Schatz sucht,
nicht ohne Leerbühne zwischen Vers 627 und 628 mit ihm zusammentref-
fen; wenn die || Leerbühnenzeit, wie zu vermuten ist, 55 durch hinterszeni- 94
94
schen Prügellärm und Wehgeschrei ausgefüllt wurde, ist das wieder ein
theatralisches, nicht literarisches Gestaltungsmittel. Die auffälligste und ver-
dächtigste Neuerung ist natürlich, daß Euclio sich seine Geheimnisse gleich
zweimal, in IV 2 und IV 6, ablauschen läßt: nach griechischem Standard
wohl in allzu kümmerlicher bloßer Repetition eines Effekts, im Sinn des
italischen Volkstheaters hingegen mit durch die Wiederholung gesteigerter
Wirkung.56
Doch angenommen, daß selbst oftmals bewährte vergleichende Urtei-
le über Komödien- und Possenstil im Einzelfall noch immer als subjektiv
angezweifelt werden können, und zugegeben, daß plautinische Formge-
bung nicht immer plautinischen Ursprung beweist, die schlichte Interpre-
tation des Dialogs in der Szene IV 4 liefert den sicheren Beweis für die
plautinische Umarbeitung. Euclios Auseinandersetzung mit dem Sklaven
muß im Ganzen anders verlaufen, wenn er einen Ahnungslosen verdäch-
tigt, der nicht einmal weiß, was er eigentlich gestohlen haben soll, als wenn
sich ein wissender Komödiensklave verteidigt, der die Unangreifbarkeit
seiner Position genießt. Insbesondere kann der Wissende zwar eine Zeit-
lang den Ahnungslosen spielen (darum konnte auch Plautus die griechi-
sche Dialogführung zum größten Teil beibehalten), aber nur im Verhältnis
zu seinem Examinator, nicht zum mitwissenden Publikum; ja er kann ei-
gentlich nicht an der Gelegenheit vorbeigehen, im augenzwinkernden Ein-
verständnis mit dem Publikum den mißtrauischen Examinator zu foppen.
Der verblüffte Unschuldige reagiert auf den ersten Angriff Euclios
mit einer Fünferreihe von Fragen nach dem Grund (v. 631f., bis qua me
causa verberas? ) und auf die Antwort, er sei ein Dieb, ganz sachgemäß mit
(v. 634) quid tibi surrupui? Damit setzt er Euclio in Verlegenheit, der für
den Fall, daß sein Diebstahlsverdacht doch falsch war, die Existenz seines
Schatztopfs natürlich verschweigen will. So kommt es bereits im ersten
Hauptteil der Szene zu einer kleinen Wende, wird Euclio vom Angreifer

54 Ist das Vorzeichen von der Straße ins Haus übertragen? Vgl. unten Anm. 97 (zu
IV 8).
55 Auf diese Möglichkeit verwies mich ein Seminarteilnehmer, Mag. Christian Gold-
stern (vgl. auch Hunter: „The Aulularia of Plautus and its Greek Original“ [Anm.
12], Anm. 27). – Zu beachten ist, daß bei der ähnlichen Leerbühne nach II 8 (wo
Euclio in sein Haus stürzt, um den Koch herauszuprügeln) die Zwischenzeit
sorgfältig durch einen Zwischenauftritt des Anthrax überbrückt wird.
56 Zur ästhetischen Kritik an der Szenenfolge IV 1–6 siehe auch Hunter (vgl. oben
Anm. 40), zur ,kumulativen Dramaturgie‘ Stärks Die Menaechmi und kein griechisches
Original (Anm. 5).
250 II. Handlungsgliederung

zum Angegriffenen; als er mehrmals verlangt, der Sklave solle ,es‘, ,das
Gestohlene‘ wieder herausrücken,57 da fragt dieser immer zurück, was ‚das‘
95
95 sei (bis v. 639 quid || ergo ponam? quin tu eloquere quidquid est suo nomine? ).
Das Wortgefecht droht der Sklave also zu gewinnen, und als er in v. 640
resümiert non hercle equidem quicquam sumpsi nec tetigi, da muß Euclio zu
Taten übergehen. Er beginnt also den zweiten Hauptteil der Szene mit
einer Mixtur von Durchsuchung und Verhör des Sklaven. Der soll alle drei
Hände herzeigen (v. 640f.); gestehen, was er gestohlen hat (v. 644f.); Palli-
um und Tunica ausschütteln (v. 646f.); zuletzt wieder die Hände herzeigen
(v. 649f.). Euclio muß in v. 651 zugeben, daß er an einem toten Punkt
angelangt ist, und fällt in die Rückgabeforderung des ersten Teils zurück:
iam scrutari mitto; redde huc. Und als darauf auch der Sklave wieder zu sei-
nem quid reddam? zurückkehrt, da passiert Euclio das Mißgeschick, den
Sklaven erst recht neugierig zu machen, indem er ihm Neugierde nachsagt:
non dico, audire expetis. / id meum quidquid habes redde (v. 652f.). Der Sklave
reagiert darauf allerdings zunächst nur mit der steigernden Wiederholung
einer Äußerung, die er schon zu Beginn des zweiten Teils, dort allerdings
nur a parte, getan hatte. Dort hatte er auf age ostende etiam tertiam (sc. ma-
num) reagiert mit laruae hunc atque intemperiae insaniaeque agitant senem
(v. 642), also etwa „der Alte da ist von Hexen besessen, vom Blitz gestreift
und vom Wahnsinn geschlagen“, was in der Formulierung mit dem drei-
fach gesetzten Begriff ‚Verrücktheit‘ gewiß ein Plautinum ist, aber die
direkte Beleidigung im Dialog hatte er doch nicht gewagt. Jetzt sagt er
Euclio ins Gesicht insanis eqs., „du bist verrückt: du hast mich doch nach
Belieben einer Leibesvisitation unterzogen und nichts, was dir gehört, bei
mir gefunden“ (v. 653). Auf den berechtigten Vorwurf der Realitätsferne
weiß Euclio tatsächlich keine andere Antwort als Realitätsflucht und Kapi-
tulation, die anschließend in IV 6 soweit gehen wird, daß er ein neues
Schatzversteck aufsuchen will; für den Augenblick bildet er sich ein, im
Tempel einen Komplizen des Sklaven zu hören, stürzt wieder hinein und
verjagt den bereits Perlustrierten. Nun wäre es nach der bisherigen Dialog-
entwicklung für den Sklaven (der natürlich nicht abgeht) an der Zeit, sich
zu fragen, was denn der Alte so Kostbares und Stehlenswertes zu verste-
cken habe.
Die entsprechenden Zwischenverse des Sklaven in IV 5, vor dem be-
lauschten Wiederauftritt Euclios in IV 6, muß aber Plautus seiner geänder-
ten Spielvoraussetzung angepaßt haben. Den endgültigen Beweis dafür
liefert die Gegeninterpretation von IV 4. Wenn wir die Szene im Plautus-
Kontext lesen, mit einem Sklaven, der die Existenz des Goldschatzes
schon kennt, so bleibt zwar das dramatische Ziel der Szene, die völlige

57 Vgl. schon v. 449f., wo er erstmals mit dem Topf auf die Bühne kommt und ihn
nur mit hoc und id umschreibt (fortgesetzt in v. 464, 467, 471 und 576f.).
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 251

Verwirrung Euclios, dasselbe, aber das Verhalten des Sklaven auf dem Weg
dorthin wird undramatisch bis unverständlich. Undramatisch, weil er die
Möglichkeit, als Wissender den Alten durchaus zielkonform zu foppen,
nicht ausnützt. Im || ersten Szenenteil geht’s ja noch, da versteht das Pub- 96
96
likum seine Fragen, warum er eigentlich geschlagen werde, als Form des
Leugnens, dann die wiederholte Frage, was er denn gestohlen haben soll,
als höhnische Provokation. Aber wenn er dann im zweiten Teil ohne er-
kennbare Variation von Zweck oder Resultat bis zum Schluß dabei ver-
harrt,58 dann vermißt man doch zumindest die eine Steigerung in seiner
Frechheit, die doch so nahe läge – er könnte ja wenigstens einmal sagen
,Na, du mußt aber ganz was Kostbares im Tempel deponiert haben!‘ Eine
solche Äußerung würde Euclios Angst um den Schatz und seinen Flucht-
willen in durchaus passender Weise verstärken.
Der Szene mit dem wissenden Sklaven fehlt aber nicht nur die drama-
tische Steigerung, sie enthält auch eine Äußerung des Sklaven, die sicher
der Grieche für den Ahnungslosen erfunden, die Plautus aber achtlos als
zur Not spielbar beibehalten hat. Ich meine die a-parte-Bemerkung in
v. 642, die gerade als a-parte-Bemerkung (wo einer ja unverstellt zu spre-
chen pflegt!) kaum denkbar ist. ,Der Alte muß verrückt sein‘ – das kann
gerade der nicht zu sich selbst oder zum Publikum sagen, der die Ursache
von Euclios kuriosem Benehmen schon kennt. Der Originalautor, dem die
zuvor von uns geforderte provokante Bemerkung nicht einfällt, der aber
seinem wissenden Sklaven eine bloß gespielte a-parte-Unwissenheit in den
Mund legt, der existiert nicht.59
Wir notieren im Vorbeigehen kurz zwei Folgerungen, die sich aus un-
serer Restitution des nichtwissenden Sklaven in IV 4 und aus der plautini-
schen Urheberschaft der Szenenabfolge in IV 1/2 ziehen lassen. Erstens.
Wenn die Reihenfolge ,Monolog des Sklaven – belauschter Monolog Eu-
clios – Monolog des Sklaven‘, die sich in IV 5/6 wiederholt, erst durch Plau-
tus’ Doppelsetzung des Effekts entstand, dann ist damit das Herzstück
von Ludwigs Aufbauanalyse gefallen und die eine Zeitlang beliebte analyti-
sche Symmetriesuche in ihrem Hauptvorbild widerlegt.60 Die angeblich
menandrische Symmetrie der Lauscherszenen in der Aulularia ist ebenso

58 Im andern Fall sagt der Unwissende in v. 651 quid reddam? und in v. 652 quid
habeo? eben mit dem Resultat, daß Euclios Antwortverweigerung ihn neugierig
macht.
59 Der im Plautuskontext störende Vers wäre natürlich auch nicht als Interpolation
zu eliminieren; auch ein Interpolator, der um zwei Ecken herum zu einer schlich-
ten Originalfassung zurückfände, ist undenkbar.
60 Ludwig: „Aululariaprobleme“ (Anm. 12), S. 65 und 67f. will ja um diesen Kern,
den Menander in sich symmetrisch gebaut habe, die ganze ,innere Form‘ der
Komödie wieder symmetrisch bauen. Seinem Beispiel folgten in mehreren Arbei-
ten Steidle und Lefèvre.
252 II. Handlungsgliederung

97
97 || plautinisch wie z. B. die Spiegelszenen, die in den Bacchides zwischen
Anfang und Schluß beobachtet wurden.61
Zweitens. Bei Plautus hat Euclio, als es zur Durchsuchungsszene IV 4
kommt, den entscheidenden Fehler schon hinter sich, indem er sich in
IV 2 vom Sklaven belauschen ließ; jetzt ist er in den Augen des Publikums
nur mehr der Dumme, mit dem der Sklave, über dessen Wissen er nichts
Sicheres weiß, sein freches Spiel treibt. Ob sich Euclio in IV 4 an sich
noch konsequent oder vernünftig verhält, ist für die Wirkung der Szene
sekundär. Bei Menander ist das anders. Da liegt die Komik von IV 4 gera-
de darin, daß ein Euclio, der in seinem Mißtrauen bisher immer die Exis-
tenz des Schatzes verheimlichte, gerade durch sein konsequentes Heim-
lichtun mit ‚dem‘, das er nicht nennen will, den ahnungslosen Sklaven
neugierig macht. Nur ein einziges Mal hat er zuvor gegen sein Prinzip
verstoßen: als er in II 1–3 zwar den Koch und seine Leute aus dem Haus
treibt,62 bevor er den Schatztopf ausgräbt, nicht aber Staphyla, der es doch
in I 1 genauso wie dem Koch ergangen war. Der Anstoß ist verständli-
cherweise in der Plautusfassung bisher übersehen worden, wir sollten ihn
aber doch vermerken – vielleicht finden wir später noch eine leichte Abhil-
fe (vgl. bei Anm. 113).
In unserem näheren Argumentationszusammenhang halten wir jeden-
falls fest, daß neben α/β (v. 119/120), β/γ (v. 279/280) und δ/ε (v. 700/
701) auch die letzte offene Pausenstelle γ/δ fixiert ist: Aktschluß γ nach
IV 2a (v. 608 – 615), Aktbeginn δ mit dem Monolog IV 1 (v. 587– 607), den
Plautus nach vorn versetzt hat.

1.3. Das Bühnenbild; Prologgottheit und dritter Akt.


Im Zeit- und Handlungsrahmen der Akt- und Fabelstruktur wenden wir uns
nun den noch offenen Bühnenbild- und Figurenführungsproblemen zu. Als
problematischster Akt wird sich der dritte herausstellen, was in gewisser
Weise von vornherein zu erwarten ist, da wir schon sahen, daß Plautus Ly-
conides- und Staphylaszenen des Originals in der Epitasis gestrichen oder
geändert haben dürfte. Durch einen merkwürdigen Zufall wird uns aber
auch die scheinbar nebensächliche Frage, wie die Bühnenhäuser auf Euclio
und Megadorus zu verteilen sind, zu einer kritischen Stelle desselben Akts
führen, die ein unscheinbares Menander-Rudiment enthält, und dieses wird
98
98 uns wieder zur Lösung einer anderen ganz wichtigen Frage || verhelfen, ob
nämlich im Original das Pendant des Lar familiaris oder der Fides den Pro-
log sprach. Wie folgenreich die Entscheidung gegen den Lar als Prologgott-

61 Vgl. John R. Clark: On the Dramatic Structure of Plautine Comedy. Michigan 1974 und
Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata (Anm. 8).
62 v. 414 (Congrio): omnis exegit foras, me atque hos, vgl. v. 451f., wo Euclio alle wieder
hineinschickt: ite … intro omnes, et coqui et tibicinae.
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 253

heit für die Gesamtauffassung des ‚Geizigen‘ und der Aulularia ist, wird aller-
dings erst im zweiten Hauptteil der Arbeit zur Sprache kommen.
Wir beginnen mit einem allbekannten Anstoß,63 der Fides und Prolog
gemeinsam betrifft: daß der Fidestempel in der Aulularia viel zu spät ‚ex-
poniert‘ wird. Es geht einfach nicht an, daß der Zufluchtsort, den Euclio
für seinen Topf am γ-Ende findet, der dann auch in der Szenenfolge
IV 1– 6 zum wichtigen Schauplatz wird, für die Zuschauer einer Freilicht-
aufführung, die das gesamte Bühnenbild von allem Anfang an vor Augen
haben, drei Akte hindurch unerklärt (und unbenützt!) bleibt. Einen Ge-
genbeleg – und gleich auch den ersten Wahrscheinlichkeitshinweis auf die
Restitution des Originals – liefert uns der Dyskolos-Prolog (in den anderen
vollständig erhaltenen Eingangsszenen Menanders wird ja kein drittes
Bühnenhaus gebraucht). Im Dyskolos identifiziert Pan, der Gott des Nym-
phaions in Bühnenmitte, dieses als sein Heiligtum, indem er zum Prolog
aus ihm heraustritt (ὅθεν  προέέρχοµμαι, v. 2). Die Annahme liegt nahe, daß
die analogen Worte in Aul. v. 3 (unde exeuntem me aspexistis) ursprünglich
auch nicht Euclios Lar familiaris sprach, sondern der griechische Inhaber
des Fidestempels (womit der Tempel auch schon identifiziert wäre). Man
muß sich nur einmal die schlechtere Alternative ausmalen, ein Hausgott
Euclios hätte bei der ersten Erwähnung des Megadorushauses einfließen
lassen, dieses liege ,dort auf der anderen Seite des ,Fides‘-Tempels‘, und
man wird auf eine weitere Schwäche der Aufspaltung in ‚Lar‘ und ,Fides‘
aufmerksam: ,Fides‘ wäre nur zwecks Erklärung der Lokalität genannt,
hätte aber bis Ende γ keine Funktion – und dort auch nur die, das Topf-
versteck zu liefern. Welch verschwenderischer Umgang mit dem Götter-
apparat! Das wird schon dann anders, wenn derselbe Komödiengott, der
Euclio seinerzeit den Schatz als zukünftige Mitgift finden ließ, ihn jetzt
auch auf dem entsprechenden Komödienumweg zu diesem Handlungsziel
geleitet (natürlich gerade dadurch, daß er ihm die erbetene Zufluchtsstätte
verweigert). Und erst recht wird die Handlungsbezogenheit der Tempel-
gottheit klar, wenn wir sie nach einem alten Vorschlag mit Tyche identifi-
zieren.64 Da beginnen nämlich einige Texthinweise bereits in α und β noch
deutlicher zu sprechen. (a) Wenn der griechische Autor unser Bühnenbild
beim Heiligtum der Ἀγαθὴ   Τύύχη in || Athen65 lokalisierte, gewinnt eine 99
99
schrullig-mißtrauische Äußerung Euclios in I 2 an Schärfe: Staphyla solle
in seiner Abwesenheit niemand ins Haus lassen, und selbst si Bona Fortuna

63 Siehe z. B. Hunter: „The Aulularia of Plautus and its Greek Original“ (Anm. 12),
S. 39 mit Anm. 18 und 19.
64 Laut Karl Kunst: Studien zur griechisch-römischen Komödie mit besonderer Berücksichtigung
der Schlußszenen und ihrer Motive. Wien, Leipzig 1919, S. 119, Anm. 1 schon vorge-
schlagen von Francken in der Edition von 1877; vgl. aber auch Hunter (siehe
Anm. 66).
65 Bezeugt für das Jahr 335/334: IG II2, 333c.
254 II. Handlungsgliederung

veniat, ne intro miseris (v. 100). Die Magd antwortet, die Göttin vermeide
das schon selbst, nam ad aedis nostras nusquam adit, quamquam prope est. Die
Lesart von B, quamquam prope est, ist zwar im Plautuskontext auffällig, aber
als Rudiment der Agathe Tyche als ‚Nachbarin‘ Euclios bestens verständ-
lich.66 – (b) Daß solche Anspielungen auf die Tempel- oder Prologgottheit
zum menandrischen Instrumentarium der stillen Ironie gehören, könnte
der Dyskolos (mit Pan) belegen; jetzt können wir speziell zur Bona Fortuna
vergleichen, wie im Aspis-Prolog die Herrin Tyche die Wiederkehr des
totgeglaubten Kleostratos verheißt und hundert Verse später dessen Sklave
Daos über ihre Ungerechtigkeit klagt (v. 213ff.): ὦ  Τύύχη, / οἵῳ  µμ᾿ ἀφ᾿  οἵου  
δεσπόότου  παρεγγυᾶν / µμέέλλεις.  τίί  σ᾿  ἠδίίκηκα  τηλικοῦτ᾿  ἐγώώ; – (c) In der
Einleitungsszene von β mußte auch der falsche Heiratsplan der Prolog-
gottheit von Eunomia mit einem vielsagenden, d. h. viel verschweigenden
ἀγαθῇ   τύύχῃ begleitet werden; denn so lautete der griechische Segens-
wunsch bei geplanter Hochzeit,67 welchem bei Plautus (v. 175) di bene
vortant entspricht. – (d) Genau dieses di bene vortant kehrt am β-Schluß zwei-
mal wieder, zuerst im Munde des Hochzeiters Megadorus in v. 257, als
Antwort auf Euclios spondeo, und dann – mit ähnlichem Verschweigungs-
charakter wie bei Eunomia – als Segenswunsch und zugleich Stoßseufzer
der treuen Staphyla (v. 272, nach Euclios Mitteilung filiam despondi ego, hodie
huic nuptum Megadoro dabo). Die Nebentöne dieser dritten und letzten Wie-
derkehr der Formel hat wohl kein Zuschauer mehr überhört (wenn auch
mancher Kommentator).
Im dritten Akt bringt unsere Tyche-Restitution nochmals eine ähnli-
che Motivverdichtung mit sich. Euclio kommt in II 8 von der Agora mit
,ein bißchen Weihrauch und Blumenkränzen‘ für den Lar – also für Tyche,
ut fortunatas (!) faciat gnatae nuptias. Hier sollten besonders Euclios Opfer-
gaben unsere Aufmerksamkeit erregen. Die Prologgottheit hatte Euclio
mit der dos für Phaedria ausgestattet, weil (v. 23ff.) ea mihi cottidie / aut ture
(!) aut vino aut aliqui semper supplicat, / dat mihi coronas (!). Ich denke, die
zuvor für die ersten Akte gesammelten Anspielungen auf Tyche und der
Umstand, daß, wenn sie den Prolog spricht, sie ihren Tempel damit so-
100
100 wohl || identifiziert als auch für das Spiel aktiviert hat,68 machen sie als

66 So etwa Alfred Klotz: „Zu Plautus’ Aulularia“, in: Rheinisches Museum 89 (1940),
S. 317f.; zuletzt Hunter: „The Aulularia of Plautus and its Greek Original“ (Anm.
12), S. 44, der in Anm. 52 als ersten Lambinus nennt. Stockert: Plautus, Aulularia
(Anm. 12) ad v. 102 bleibt reserviert, hat aber auch gegen die Alternative quaquam
prope Bedenken.
67 Belege aus der Samia oben Anm. 29.
68 Die Auflösung der Schwierigkeit, daß der Lar, wenn er ins Haus zurückgeht, am
Prologschluß mit dem aus dem Haus stürzenden Euclio zusammenstieße, Tyche
aber wieder im Tempel verschwindet, ist allerdings kein Argument für sie: eine
eingeschobene Lyconidesszene leistet dasselbe.
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 255

Prologsprecherin einigermaßen wahrscheinlich. Dann sollten wir uns auch


als gut möglich vormerken, daß Euclio bei Menander im dritten Akt die
Opfergaben eigentlich der Agathe Tyche übergeben will. Kränze wären ja
etwa ein Requisit, das Euclio gut brauchen könnte, um damit zu kaschie-
ren, daß er ab III 3 den Schatztopf mit sich herumträgt.69
Um unser ‚möglich‘ oder ‚wahrscheinlich‘ in ein ‚sicher‘ zu verwandeln,
müssen wir uns wie schon angekündigt auf den Umweg begeben, zuvor die
Häuser A (links) und B (rechts) auf Euclio und Megadorus zu verteilen.
Die richtige Anordnung – A Euclio, B Megadorus – ist zwar schon von
manchen neueren Forschern akzeptiert,70 kann aber doch noch nicht als
abgesichert gelten.71
Um Übersicht in die Argumentationslage zu bringen, sollten wir mit eini-
gen Methodenerwägungen beginnen, zuallererst mit der Unterscheidung zwi-
schen einer eher ‚poetischen‘, produktionsästhetischen und einer eher ‚techni-
schen‘, das konkrete Bühnenspiel einkalkulierenden Betrachtungsweise des
Problems. Der Autor des ‚Geizigen‘ hat sich wie jeder Nea-Autor die Bühnen-
häuser seiner Komödie gewiß von vornherein innerhalb jener Konventionen
vorgestellt, die ihm wie dem Publikum ganz vertraut waren. Das führt – um
den Grundsatz gleich anzuwenden – auf ein Bühnenbild, in dem der arme
Euclio der linken Seite der Bühne, der Landseite, zugeordnet war und der
reiche Megadorus mit seiner außerszenisch hausenden Ver-||wandtschaft der 101
101
rechten Seite, der Stadtseite (der Verführer Lyconides paßt ebenso gut nach
rechts wie Euclios Demarch nach links72). Das in sich einsichtige (und durch

69 Die ökonomische Ausnützung eines Requisits, hier also der Opfergaben, die in
v. 385–387 sozusagen exponiert und dann von v. 465–472 an (siehe dazu unten,
Text nach Anm. 107) weiter sinnvoll eingesetzt werden, hat eine eindrucksvolle
menandrische Parallele in den Epitrepontes: Da führen in β Syros und seine Frau
neben dem Ring des Charisios dem Publikum in zunächst gar nicht als funktio-
nell bedeutsam erkennbarer Schlußstellung unter den verschiedenen Anagnoris-
mata ein Stück Purpurkleid vor (v. 404); in der Erkennungsszene in δ ist es
(v. 864–867) gewiß (nicht bloß „perhaps“ mit Gomme und Sandbach) dieses Pur-
purstück, dessen Anblick dem Zuschauer verständlich macht, warum Pamphile
Habrotonon plötzlich fragt, woher sie das Kind hat, und warum diese zurück-
fragt, ob Pamphile an dem Kind etwas wiedererkennt.
70 Webster: An Introduction to Menander (Anm. 13), S. 120. – Stockert: Plautus, Aulula-
ria (Anm. 12), S. 23.
71 Stockert: Plautus, Aulularia (Anm. 12), Anm. 5, verweist auf Rosivach: „Plautine
Stage Settings“ (Anm. 45), mit Fanum – Euclio – Megador (dazu schon oben
Anm. 46), und Michal Swoboda: Studia Scaenica Plautina et Terentiana. Poznan
1966, mit Megador – Fides – Euclio.
72 Die Zuordnung des Demarchen zur Landseite ist überdies schon von seinen
Verwaltungsaufgaben her wahrscheinlich: siehe etwa Hans Volkmann: „De-
marchoi“, Der Kleine Pauly. Bd. 1 (1979), Sp. 1458; vor allem wichtig Z. 19ff. über
256 II. Handlungsgliederung

die Dyskolos-Parallele zu stützende) produktionsästhetische Resultat könnte


nur durch den Nachweis großer ‚technischer‘ Schwierigkeiten, die sich für
die Figurenführung auf der Euclio-Tempel-Megador-Bühne ergeben, in
Zweifel gezogen werden; wir werden einer einzigen – nicht unüberwind-
baren – begegnen.
So führt auch die ‚technische‘ Debatte am Ende zum gleichen Resultat.
Zwar bedarf auch sie einer doppelten methodischen Vorwarnung. (a) Wir
dürfen nur mit Vorsicht auf (bisher z. T. überschätzte) Argumente bauen,
deren Spielzusammenhang nach den quellenanalytischen Erkenntnissen, die
wir oben gewannen, erst durch Plautus hergestellt wurde.73 Dies gilt z. B. für
den Übergang IV 6/7, wo Euclio und der Sklave sicher zur Landseite abge-
hen, Eunomia und Lyconides also sicher von rechts kommen – aber nur
dann, wenn sie ohne Unterbrechung des Spielflusses gleich anschließend
auftreten. Dies ist aber wieder nur dann der Fall, wenn es erstens im Origi-
nal zwischen der ersten Szenenfolge von δ und dem Katastrophébeginn in
Aktmitte sicher keine weitere Szene (etwa der klagenden Staphyla) gab, und
wenn zweitens bei Plautus selbst (dessen Bühnenbild und Figurenführung
wohl nicht ohne Not von den Gegebenheiten des Vorbildes abwichen, also
ihrerseits Beweiskraft für das Original hätten) sicher keine durch Flötenspiel
markierte ,Actus‘pause IV 7 von IV 6 trennte (die Möglichkeit, daß Plautus
mit dem Erstauftritt des eigentlichen Topfadressaten Lyconides einen neuen
Actus74 im Spiel um den Topf einleiten will, ist aber nicht a priori auszu-
schließen). In der Auswertung solcher Szenen werden wir also über ein
,möglich, aber unsicher‘ nicht hinauskommen.
(b) Unser Urteil über Details der Figurenführung muß theater- und stil-
gerecht sein. Wir dürfen einerseits nicht allzu starre und einlinige Bewegun-
gen reklamieren. Ein negatives Exempel bietet etwa Rosivach75 mit seiner
Auswertung von II 4: Weil Strobilus, der von der Agora (also von rechts)
102
102 kommt, mit der schwerfälligen Gruppe von Köchen, Flö-||tenspielerinnen
und Lämmern keinen Schritt zuviel tun werde, bleibe er sicher gleich beim
Haus B stehen; und dieses müsse (wegen v. 330 huc ad nos, gegenüber v. 329
illo mit Bezug auf Euclio) das Megadorhaus sein. In Wahrheit – d. h. gemäß
jeder Theaterrealität – wird die Gruppe (mit den entsprechenden lustigen
Effekten) bis zur Bühnenmitte marschieren und erst dort wird Strobilus ihre
Verteilung auf die Häuser vornehmen. – Anderseits dürfen wir natürlich im

die Bürgerliste (vgl. Text bei Anm. 83). Ähnlich argumentiert Rosivach (über den
Phratriarchen).
73 Einmal haben wir diese Regel schon befolgt: als wir den wohl erst von Plautus
kreierten Zusammenhang zwischen Abgang des Prologsprechers und Erstauftritt
Euclios nicht analytisch ausnutzten (vgl. Anm. 68).
74 Dieser Terminus soll die Unterscheidung zwischen lateinischen Actus und grie-
chischen Akten erleichtern.
75 Rosivach: „Plautine Stage Settings“ (Anm. 45), S. 449f.
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 257

Akzeptieren oder Ausbeuten von Theatereffekten nicht ins allzu Theatrali-


sche und plump Possenhafte abgleiten, wo es nicht (wie in der Kochsze-
nentradition) in den Kontext passen, sondern einen lebensnahen Komö-
dienstil irritieren würde. Unser Beispiel dafür, die Lauscherszene IV 5f., wird
bald ausführlicher zu besprechen sein.
Was nach Berücksichtigung aller dieser Kautelen bleibt, ist noch im-
mer genug, unabhängig von der produktionsästhetischen Entscheidung
durch die Kontrolle der (,technischen‘) Spielbarkeit einzelner Szenenfol-
gen zu demselben Resultat zu gelangen. Damit der Leser in der Bespre-
chung der Einzelheiten nicht den Faden verliert, skizziere ich die Haupt-
punkte im vorhinein. (1) Wir können den außerszenischen Bereichen
‚Land‘ und ‚Stadt‘ einerseits Euclios Demarchen, anderseits Eunomia und
ihre Familie dadurch zuordnen, daß wir (1a) das Bestehen der Oppositi-
onsrelation Demarch – Eunomia erweisen76 und (1b) sie auf Demarch
links – Eunomia rechts fixieren.77 (2) Unabhängig davon empfiehlt sich die
Fixierung der Bühnenhäuser mit Euclio links (A) – Megadorus rechts (B).78
(3) Eine einzige Szenenfolge könnte dieses ganze Beziehungsgeflecht in
Frage stellen, genauer gesagt, (1b) und (2) widerlegen, während (1a) ja nur
Relationen fixiert, die für links – rechts oder rechts – links gleich gelten;
allerdings ist diese Szenenfolge plautinisch überarbeitet.79
Gleich die ersten für die Bühnenbildfrage relevanten Personenwech-
sel zeigen m. E. unbestreitbar, daß Euclios Demarch und Eunomias Fami-
lie in entgegengesetzten außerszenischen Bereichen zu lokalisieren sind.
Dieses Faktum (la) ist nämlich nicht nur aus dem Übergang von Szene I 2
(Euclio ab zum Demarchen) zu der von uns postulierten Folgeszene
(Eunomia kommt – von der anderen Seite – zu ihrem Bruder) zu erschlie-
ßen, es ist vor allem textlich belegt durch das Gegenstück in II 1f. Da
verabschieden sich die Geschwister voneinander (numquid me nunc vis? ::
vale :: et tu, frater, v. 175f.) und Eunomia beginnt auf der einen Seite abzu-
gehen; dann faßt || der auf der Bühne verbleibende Megadorus (in einem 103
103
Ein-Satz-Monolog) den Entschluß, die Werbung um Euclios Tochter
gleich anzugehen (ego conveniam Euclionem, si domi est, v. 176);80 und wäh-

76 Siehe zu Szene II 1/2.


77 Erwähnung des Demarchen in v. 107f. und 179, IV 5f. und IV 8f.
78 II 2, IV 5f.
79 III 3–5.
80 Die Gesprächsführung (zuerst beiderseitige Verabschiedung, jetzt Neubeginn mit
ego) zeigt klar, daß Megadorus jetzt nicht mehr zu Eunomia spricht. Vgl. im übrigen
die ähnliche Figurenführung in Dis ex. v. 18ff. Da ‚apostrophiert‘ Sostratos in seinem
Monolog die abwesende Bacchis (d. h. deren Haus auf der linken Bühnenseite,
dazu Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata [Anm. 8], S. 26 [91f.]); dann
entschließt er sich zur Begegnung mit dem Vater (v. 29f. ἀλλ᾿  ἤδη  µμε  δεῖ / ἐλθεῖν  
ἐπ᾿  ἐκεῖνον, vgl. Aul. v. 176), den er auf der Agora vermutet. Als er sich demgemäß
258 II. Handlungsgliederung

rend er sich dessen Haus zuwendet (während er sich also von Eunomias
Abgangsseite wegwendet), sieht er ihn von der anderen Seite kommen (sed
eccum video; nescio unde sese homo recipit domum, v. 177).
Nun hat zwar die Forschung – mit der rühmlichen Ausnahme von
Rosivach81 – den Demarchen und seine Geldverteilung82 immer auf die
Agora verlegt. Wahrscheinlichkeit kann aber nur das Gegenteil beanspru-
chen: Die Mitgliederlisten, also das Verzeichnis der Leute, die bei einer
Verteilung von Überschüssen (wie sie Euclio nicht versäumen will) be-
dacht werden sollten, wurden von den Demarchen in ihren Häusern auf-
bewahrt;83 die Demarchen wohnten aber gewiß nicht alle im Stadtzentrum,
Euclios Demarch also kaum auf der Agora, vielmehr wird der griechische
Dichter den ,Vertreter der lokalen Behörde‘ gerade deshalb eingeführt
haben, damit er Euclio nach der Landseite abgehen lassen kann. Wir hal-
ten fest: Wahrscheinlichkeitsbeweis für (1b).
Zum Übergang II 1/2 bleibt noch zu zeigen, daß er keine Gegen-
instanz zu (2) abgibt. Man könnte zwar die Meinung vertreten, für den
Auftrittsmonolog des vom Demarchen (von links) heimkommenden Eu-
clio, vor allem für dessen letzten Vers (nunc domum properare propero, nam
egomet sum hic, animus domi est, v. 181) sei es günstiger, wenn er viel Spiel-
raum und Distanz zu seinem (darum rechts zu plazierenden) Haus zur
Verfügung hätte. Aber diese allzu naturalistische, auf das πιθανόόν zu ängst-
lich bedachte Argumentation würde dann in II 8, wo Euclio von rechts
104
104 kommend zunächst || einen mindestens gleich langen Monolog spricht, 84
zum genau entgegengesetzten Resultat führen. So werden wir uns beschei-
den und eine maßvoll theatralische Figurenführung als genausogut mög-
lich akzeptieren: Euclio kann die Verse 178 –180 gleich ganz am linken
Bühnenrand zum Publikum gewendet sprechen (dann muß er wenigstens
den sich inzwischen von rechts nähernden Megadorus nicht geflissentlich
übersehen).
Der Schluß von II 2 ist nur dann unverkrampft spielbar, wenn Euclio
am Ende des Gesprächs, das theatergerecht in die Bühnenmitte gehört,85

nach rechts wendet, sieht er ihn kommen ( ἀλλ᾿   ὁρῶ   γὰρ   τουτονίί ; zum griechi-
schen Text vgl. K. B. Frost: Exits and Entrances in Menander. Oxford 1988, S. 40).
81 Rosivach: „Plautine Stage Settings“ (Anm. 45), S. 452f.; leider nicht zur Kenntnis
genommen von Stockert: Plautus, Aulularia (Anm. 12), S. 23, Anm. 5.
82 Belegt durch v. 107f. (siehe Stockert: Plautus, Aulularia [Anm. 12] ad 1.), bei
Euclios Abgang, und v. 179, bei seiner Rückkehr.
83 Siehe Anm. 72.
84 Zwierlein: Bacchides (Anm. 10), S. 324 tilgt allerdings v. 375 –384.
85 Daß die Tendenz zum Spiel in Bühnenmitte positiv wirken kann, zeigt gut der β-
Beginn. Da kommen die Geschwister aus dem Megadorushaus, und wenn
Eunomias (v. 133) ego secreto ted huc foras seduxi die beiden nicht an den Bühnen-
rand führt, gelangen sie in Bühnenmitte, zum Tycheheiligtum. Das bietet nicht
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 259

noch in Bühnenmitte oder links vor seinem Haus A steht, während Mega-
dorus seinen Sklaven aus dem Haus B herausruft und nach rechts abgeht.
Wohnte Megadorus links, dann müßte der Mitte rechts stehende Euclio
nach Megadors heus, Strobile 86, sequere propere me ad macellum strenue (v. 264)
erst abwarten, bis der Sklave aus dem (linken) Haus tritt und bis die beiden
an ihm vorbeimarschiert sind, um sein illic hinc abiit anbringen zu können;
mit der Hausaufteilung von (2) geht alles glatt.
Wenn wir die Komplikationen, die uns in γ erwarten, vorläufig über-
springen, stoßen wir in δ auf die zweite und m. E. sichere Bestätigung für
(2), zugleich auf einen Hinweis, daß der Sklave auf der Stadtseite wohnt
(1b). Die Beweisführung für (2) ist schlüssig, sobald man den originalen
Handlungszusammenhang und die entsprechende Spielweise mit einkalku-
liert. Der Sklave des Lyconides war, wie wir gesehen haben, gekommen,
um beide Häuser auszuspähen, und hatte vom Goldtopf nicht die gerings-
te Ahnung. Nun hat ihn Euclio in der Durchsuchungsszene (IV 4) neugie-
rig gemacht, er folgt also dessen Befehl, zu verschwinden (fugin hinc ab
oculis? abin an non? :: abeo, v. 660), zum Schein, versteckt sich aber doch
,bei der Tür‘ des einen Hauses (huc ego ad ianuam concessero, v. 666).87 Nun
hängt der im Original intendierte Effekt der Szene, ihre komisch-ironische
Wir-||kung, davon ab, daß sich die Entdeckung des Geheimnisses mög- 105
105
lichst zufällig und natürlich ergibt. Darum wäre es stilwidrig, würde sich
der Sklave bei der linken Bühnentür postieren, wo er von Euclio, der vom
Tempel (in Bühnenmitte) zur Landseite abgeht, nur bei burlesk dummem
Verhalten zu übersehen wäre.88 Der Sklave muß also in IV 5 nach rechts
retirieren. Er wollte sich aber gewiß nicht vor Euclios Tür verstecken, wo
er doch von vornherein damit rechnen mußte, Euclio werde die rätselhafte
Kostbarkeit in sein eigenes Haus zurückbringen. Also kann Haus B nur
das des Megadorus sein.
Zusätzlich wirkt das Verhalten des Sklaven auch ‚natürlicher‘, wenn er
ursprünglich von der Stadtseite gekommen war. Dann finden die Zu-
schauer es selbstverständlich, daß er, als ihn Euclio mit dem letzten Vers
von IV 4 verjagt, unwillkürlich nach rechts flüchtet. Auch in Euclios Au-

nur Schutz vor profanen Lauschern, es ist auch der geeignete Ort, Megadorus zu
dem von Tyche angesteuerten falschen Hochzeitsplan zu inspirieren.
86 Auf die Strobilus-Frage gehe ich nicht ein (siehe dazu Stockert: Plautus, Aulularia
[Anm. 12], S. 16ff.), weder was seinen Namen betrifft noch seine eventuelle plau-
tinische Herkunft. Diese ist übrigens so gut wie unmöglich, weil ja Megadorus
am γ-Beginn noch nicht selbst kommen durfte, um die Handlungssteigerung zur
zweiten Akthälfte zu ermöglichen.
87 Also ganz situationsgerecht nicht ,hinter der Tür‘ – der ‚Spion‘ darf und will ja
keines der Häuser betreten.
88 Noch dazu ist bekanntlich die griechische Bühne weniger tief als die spätere
römische, vgl. Wiles: The Masks of Menander (Anm. 44), S. 46.
260 II. Handlungsgliederung

gen wird es plausibel sein, wenn der potentielle Dieb Richtung Stadt ver-
schwindet.
Die Eingangssequenz von ε (IV 8f.) kann uns den überzeugenden Be-
weis für die Plazierung des Eunomiahauses auf der Stadtseite liefern (1b).
So sieht es jedenfalls gleich beim ersten Anschein aus, wir werden aber
erst manche Quellenprobleme zu diskutieren haben, bis wir endgültig bei
dem simplen Resultat landen. Zwar gilt dieses ohne Zweifel in dem (ers-
ten) Fall, daß der Text von IV 8 dem originalen ‚Geizigen‘ entspricht.89 In
v. 701ff. huscht nämlich der Schatzdieb über die Bühne, von links kom-
mend und vor Euclio selbstverständlich nach rechts flüchtend (ibo ut hoc
condam domum, v. 712).
Wir dürfen auch, wenn der zweite Fall zutrifft, daß IV 8 erst von
Plautus stammt, zuversichtlich auf das originale Bühnenbild zurückschlie-
ßen. Wie leicht es möglich ist, daß der griechische Autor den Akt ε mit
dem ‚tragischen‘ Auftritt Euclios (IV 9) eröffnet hatte und erst der Römer
den Sklaven in den Vordergrund rückte, wissen wir ja aus der analogen
Szenenfolge IV 1–6, wofür wir die plautinischen Erweiterungen oben
nachgewiesen haben.
Die entsprechenden konkreten Texthinweise für IV 8 haben alle da-
mit zu tun, daß auf diesen ersten Auftrittsmonolog des Sklaven, der an-
schließend (nämlich während IV 9, Auftrittsmonolog Euclios, und IV 10,
Aussprache Euclio-Lyconides) den Schatz daheim verstecken will, in V 1
ein zweiter folgt, der zu Text und Situation von IV 8 in einer erst noch zu
klärenden Beziehung steht. Ich deute vorläufig die Argumente W. Lud-
106
106 wigs90 dazu an: || (a) In IV 8 folgt auf einen (in Fraenkels Sinn) plautini-
schen Monologbeginn ein original wirkender Diebstahlsbericht, und in V 1
fehlt gerade ein solcher nach ‚griechischem‘ Monologbeginn. Plautus wird
also den Bericht transferiert haben. (b) In V 1 wäre, wenn der Sklave den
Schatz noch bei sich trüge, die Situation witziger (wegen des Steigerungs-
effekts zur Durchsuchungsszene in IV 4) und die Figurenführung wahr-
scheinlich einfacher (weil der Sklave sonst nochmals den Schatz holen
müßte). Wir diskutieren diese Argumente später; hier genügt es festzustel-
len, daß die Bewegungen des Sklaven im Bühnenraum mit oder ohne IV 8
verständlich und unkompliziert sind, daß für Plautus also kein Grund
bestand, an den Gegebenheiten des griechischen Bühnenbildes irgendet-
was zu verändern. Wir können sogar die Gegenprobe machen. Angenom-
men der Sklave wäre im Original links daheim und Plautus wollte ihn
trotzdem mit dem Schatz auf die Bühne kommen und diesen dann für eine
Weile verstecken lassen: dann hätte er noch immer nicht Eunomias Haus

89 Dafür ist Batzer eingetreten, ohne allerdings zu berücksichtigen, daß sie sich auf
die theatralische Wirksamkeit der Szene beruft (im Gegensatz zur feineren Ko-
mik von IV 9).
90 Ludwig: „Aululariaprobleme“ (Anm. 12), S. 66f.
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 261

nach rechts versetzt, sondern den Sklaven einfach in den Fidestempel


verwiesen, welcher ja schon einmal als Versteck gedient hatte.
Komplizierter wird das Beweisverfahren im dritten Fall, wenn wir
nämlich Zwierleins Textdiagnose mit in Betracht ziehen, der ankündigt, er
werde die Verse 701–712 als interpoliert erweisen.91 Ein Interpolator wür-
de offenbar den Rückschluß auf das Original erschweren oder unmöglich
machen, ja der Text ohne die bezweifelte Passage könnte sogar als Beweis
für ,Eunomia wohnt links‘ reklamiert werden. (Euclio käme zuerst, der
Sklave, der den Schatz unterdessen außerszenisch links deponiert hätte, als
zweiter). So müssen wir versuchen, uns mit Zwierleins Ansicht auseinan-
derzusetzen, obwohl seine konkrete Beweisführung nur andeutungsweise
bekannt ist. Was wir kennen, sind seine Hauptkriterien, Sprache und
Handlungslogik,92 und die reichen m. E. hier für eine Athetese nicht aus.
Erstens ist damit zu rechnen, daß Urteile über die angemessene Komödien-
sprache subjektiv sind.93 Gewiß wird man Zwierleins Sprachkennerschaft
und kritischer Beobachtungsgabe || den gebührenden Respekt erweisen 107
107
und für jede Anregung zum genauen Hinsehen dankbar sein. Aber so wie
Horaz Axelsons ,unpoetische Wörter‘ verwendete, weil er die Neuerungs-
möglichkeiten der callida iunctura nützen wollte, so mag auch die Komö-
diensprache des Plautus bisweilen das Singuläre wagen – z. B. um in Aul.
v. 701ff. einen großsprecherischen Sklaven zu malen.94 Und was die Hand-
lungslogik betrifft, führt auch sie auf dem Niveau der bloßen Wider-
spruchsfreiheit in dieselbe Ungewißheit. Will man die innere Brüchigkeit
des kleinen Botenberichts nachweisen, den der Sklave in v. 705–711 liefert,
um ihn Plautus oder einem Interpolator zuzuweisen, so muß man betonen,
daß der Dieb in v. 709f. noch vom Tatort (dem Hain des Silvanus) aus

91 Zwierlein: Bacchides (Anm. 10), Anm. 385.


92 Siehe z. B. Zwierlein: Bacchides (Anm. 10), S. 265 (zu Bacch. v. 561ff.): „Nach 561a
läßt uns der Papyrus im Stich; wir müssen wieder allein Handlungslogik und
Sprache als Wegweiser nutzen, ohne die so erreichten Zielpunkte anhand der
Vorlage kontrollieren zu können.“ Warum aber nicht die Vorlage durch Berück-
sichtigung der Handlungsstrukturregeln wenigstens zum Teil ersetzen?
93 Zwierlein: Pseudolus (Anm. 10), S. 229 findet etwa Aul. v. 700, de capite meo sunt
comitia, unpoetisch und unplautinisch – obwohl dieser letzte Vers von IV 7 doch
mit der Anspielung auf den komitialen Kapitalprozeß am Szenenbeginn bestens
korrespondiert (zu resecrare siehe oben bei Anm. 21–26).
94 v. 703 nennt er istos reges ceteros (die im Vergleich zu Philipp ärmeren Könige)
hominum mendicabula, mitleiderregendes ,Bettelzeug in Menschengestalt‘ (vgl.
Zwierlein: Bacchides [Anm. 10], S. 172f.); in v. 706–711 gerät ihm der Diebstahl
zur Militäraktion, in der er, zugleich General und Infanterist, sich wie auf einer
Anhöhe ,auf einem Baum Aufstellung nehmen läßt‘ (me conlocavi in arborem), sich
,vom Baum herabführt‘ (ego me deorsum duco de arbore), schließlich sich ,von der
Straße seitwärts leicht abschwenken läßt‘ (ego declinavi paululum me extra viam).
262 II. Handlungsgliederung

Euclio wieder zurückkehren sieht, ihm laut v. 711 aber schon auf dem
Heimweg ausweicht (v. 709 ex eo loco, v. 711 extra viam). Dieser Wider-
spruch ist tatsächlich signifikant, aber erst abzusichern, wenn man ihn (siehe
unten) genetisch erklären kann. Wer aber an den Interpolator glauben will,
müßte eigentlich in v. 709 statt ex eo loco so etwas wie e luco exeo erwarten.95
Auf eine solche Konjektur hätte auch ein ungeschickter Versefabrikant An-
spruch; da sein Motiv für die Einfügung ja offenbar wäre, den (im Original
fehlenden) plausiblen Bericht über den Diebstahl nachzuliefern, müßte
ihm die Erfindung des Umstandes, daß der Sklave sich auf den Heimweg
machte (wobei ihm Euclio entgegen kam), relativ natürlicher und funkti-
onsgerechter erscheinen als die (vom erwähnten Widerspruch abgesehen)
völlig folgenlose Einfügung, er habe Euclio ex eo loco kommen sehen.
Die Grundunsicherheit (daß die Interpolation noch nicht bewiesen
ist) würde auch nicht vermindert durch den Hinweis, daß nach der Tilgung
von IV 8 ein ,handlungslogisch‘ kohärentes Geschehen erhalten bleibt (in
welchem der Sklave sogar den Schatz gleich auf die Bühne mitbringen
könnte). Das stimmt zwar, besonders wenn man annimmt, daß Eunomia
auf der Landseite wohnt. Denn der Sklave des Lyconides wird seinem
Herrn, welcher nach der großen Szene mit Euclio (IV 9f.) auf der Bühne
blieb, also weiß, von welcher Seite der Sklave kam, in V 1 ja wohl eine
108
108 plausible Ausrede || über den Verbleib des Schatzes liefern wollen, wenn er
sagt, er habe ihn daheim deponiert (ubi id est aurum? :: in arca apud me,
v. 823). Es lohnt sich aber gar nicht, auf diesem Niveau der Handlungslogik
weiterzudiskutieren (etwa mit dem Einwand, der Autor könnte justament
eine schlechte Ausrede vorführen, oder mit der gelehrten Annahme, der
Sklave könnte ruhig auch von rechts auftreten, weil das Publikum sich
schon denken werde, er sei zuvor hinterszenisch nach rechts heimgegan-
gen96).
Bleibt also ein non liquet? Die Dinge werden klar, d. h. der Interpola-
tionsverdacht wird positiv widerlegbar, wenn wir vom originalen Text
eines fünften Aktes nicht nur logische Kohärenz der Handlung verlangen,
sondern berücksichtigen, daß sich in deren Katastrophéphase Handlungs-
ökonomie und Informationsvergabe zusätzlich auch der intendierten Ko-
mödienwirkung anpassen werden. Nicht atemloses Vorantreiben, sondern
entspannendes Ausspielen der im Stück angelegten Möglichkeiten ist jetzt
am Platz. Das Publikum hat also gleichsam ein Recht, den hinterszenisch

95 Ähnlich rechnet Stockert: Plautus, Aulularia (Anm. 12), zu v. 711 mit einem Vers-
ausfall, der den Bericht unlogisch machte.
96 Derlei traut Zwierlein: Poenulus und Curculio (Anm. 10), S. (38f. und) 256, entgegen
dem Dis-exapaton-Bacchides-Zeugnis der Nea zu: „Aus der Behandlung der Bacchi-
des (!) wissen wir …, daß die Dichter der neuen Komödie (!) sehr wohl Personen
in Richtung Stadt abgehen, sie danach aber wieder aus dem Haus heraus auftre-
ten lassen können …“ Bei Plautus ist es so, bei Menander gerade nicht!
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 263

eingetretenen Verwirrungshöhepunkt der Eucliohandlung, den Schatz-


diebstahl, im Bericht auf der Bühne erzählt zu hören. Es würde sich also
mit dem Eucliomonolog allein nicht zufrieden geben, wenn dieser die
Gestalt von IV 9 hätte, d. h. wenn ihm entsprechende Berichtselemente
fehlten. Man vergleiche nur einmal den Aufbau der beiden Monologe
(wobei zugleich beachtenswert ist, wie gut Plautus sie zugleich paralleli-
siert, aber auch variiert hat). IV 8: Der Sklave schwelgt zuerst prahlerisch
im reinen Glück der Gegenwart (v. 701–704): ‚Ich bin unermeßlich reich –
o lepidum diem!‘ Dann folgt ein (auch prahlender) rein vergangenheitsbezo-
gener Manöverbericht, wie er den Diebstahl durchgeführt habe (v. 705–
711), der umfangmäßig überwiegt (v. 712 kündigt er dann Euclios Auftritt
und seine Absicht an, den Schatz zu verstecken). IV 9: Euclios Gedanken
kreisen im ganzen Monolog um die ‚tragische‘ Gegenwart, im ersten Teil
(v. 713–720) um seine Ratlosigkeit und Hilflosigkeit (darin steckt ein Ele-
ment von Zukunftsbezogenheit), im zweiten Teil (v. 721–726) um das
Unglück, den (in der Vergangenheit) so sorgsam gehüteten Schatz jetzt
verloren zu haben.
Die Verse 721–726 enthalten also nicht die mindeste Information
über die Umstände des Diebstahls, ebensowenig übrigens die des zweiten
Sklavenmonologs (V 1, v. 808–810). Ohne IV 8 mußte also ein Nea-Autor
zum || einen Euclio in IV 9 erzählen lassen, wie er den Schatz im Hain gut 109
109
versteckt hatte, wie ihm dann, als er schon auf dem Heimweg zur Hoch-
zeit war, doch wieder Bedenken kamen, 97 wie er schließlich das Versteck
leer fand. Zum anderen mußte natürlich auch der Sklave in V 1 seinen
Diebstahlsbericht liefern, was annähernd im Wortlaut von IV 8 möglich
wäre, nur ohne extra viam.98 Da er ja erst nach Euclio wieder auf die Bühne
käme, sollte er, wenn ihm dieser begegnet, nicht schon auf dem Rückweg
sein; er sollte besser ex eo loco, vom Platz des Verstecks, noch weiter ins
Dickicht retirieren.
Solche Angaben zur Figurenbewegung liefert ein Nea-Autor, der mit
Routine Gebrauchstexte fürs Theater produziert, allein schon deshalb, weil
die Berücksichtigung des   πιθανόόν zum technischen Standard gehört.99
Keine Frage, daß ein Menander dasselbe nicht in allzu direkter, mechani-
scher Weise tun würde. Sein Euclio bringt diese Informationen gewiß im
Rahmen eines paratragodischen Botenberichts, mit geistreicher literari-

97 Vielleicht gar durch ein Vogelzeichen, welches Plautus dann nach IV 3 versetzt
hätte?
98 Hinter dem declinavi me von v. 711 könnte noch ein ἐκκλίίνειν stecken.
99 Also nicht erst ein römischer Interpolator (wie Zwierlein meint) arbeitet mit Rück-
sicht auf Probabilität. Wäre es anders, d. h. hätte nicht schon das griechische Publi-
kum derlei ästimiert, dann wären z. B. die griechischen ,Menaichmoiʻ nicht entstan-
den, deren Wirkung doch zu einem guten Teil auf dem Jongleurspiel des Autors
mit unwahrscheinlichen, aber gerade noch möglichen Situationen beruht.
264 II. Handlungsgliederung

scher und nicht bloß theatralischer Wirkung, auf die der prahlende plauti-
nische Sklave aus ist. Aber daß auch Menander mit leichter Hand die Neu-
gier und Probabilitätserwartungen des Publikums befriedigen wollte, das
zeigen seine Texte jedem aufmerksamen Leser.100
Nochmals: Der Interpolationsverdacht bezüglich IV 8 ist ad absur-
dum geführt, weil der Interpolator notwendige Berichtselemente nicht nur
in IV 8 interpoliert, sondern zugleich aus IV 9 und V 1 herausgekürzt,
d. h. den Anstoß für seine Interpolation selbst geliefert haben müßte; und
damit ist unser Beweisziel in der Bühnenbildfrage (zu 1a) erreicht, weil der
,dritte Fall‘ widerlegt ist.
110
110 Ich möchte aber doch Ludwigs Wahrscheinlichkeitsbeweise für die
plautinische Herkunft von IV 8 variierend bekräftigen. Zuerst zu (a). Da
hat Ludwig wohl gesehen, daß der Bericht v. 705ff. als Fortsetzung zu
v. 808 – 810 paßt; er hat allerdings die Komplikation übersehen, daß extra
viam in v. 711101 doch die Fassung vorbereitet, in der der Sklave als erster
zurückkommt. Aber Ludwigs Beweis wird durch diese Korrektur nicht
geschwächt, sondern ergänzt. Gerade die umständliche, ja widersprüchli-
che Art, in der hier zuerst (mit v. 709 ex eo loco) die andere Version vorbe-
reitet scheint, worauf im letzten Vers der Schwenk zur Textfassung erfolgt,
läßt sich durch Plautusparallelen stützen.102 Wir werden also keineswegs

100 Er läßt z. B., als Knemon in den Brunnen fällt, den Koch nicht gleich mit
,Ausgezeichnet!ʻ reagieren, sondern mit seiner Frage nach dem Wie zuerst der
Magd die Gelegenheit bieten, die Neugierde des Publikums zu befriedigen (Dysk.
v. 625ff.). Oder man sehe, wie er sich in Dysk. γ   nicht zu gut ist, einen ganz ne-
bensächlichen Einwand, den das Publikum erheben könnte, vorweg zu erledigen.
Da wollen Getas und Sikon Geschirr ausborgen, im Interesse der Handlung na-
türlich bei Knemon. Es würde wohl kaum ein Zuschauer fragen: ,Warum versu-
chen sie es nicht auch bei Gorgias?‘ Trotzdem läßt Menander den Koch selber
nach anderen Ausleihmöglichkeiten fragen (v. 510), aber furchtsam resignieren
(v. 516ff.).
101 Dazu wohl auch das großsprecherische paululum: nur ein bißchen mußte er Eu-
clio ausweichen, und schon war dieser ausmanövriert!
102 Man vergleiche Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata (Anm. 8), S. 56
[119f.], 78f. [140f.] und 84f. [146f.] zu Bacch. v. 572 und 924. Zwierlein: Bacchides
(Anm. 10), S. 13ff. arbeitet übrigens auch da mit Athetesen, aber v. 924 ist gerade
in den plautinischen Bacchides notwendig, um zur plautinischen zweiten Briefintri-
ge überzuleiten; Zwierleins Dis exapaton δ enthält eine auf bloße ,Handlungslogik‘
zusammengestrichene Kombination von erster und zweiter Briefintrige, und die-
ses Resultat scheitert für jeden Strukturbeobachter schon daran, daß der Lö-
sungsteil von δ, also die zweite Akthälfte (ab v. 701), auch in Zwierleins ‚gereinig-
ter‘ Fassung 246 Verse umfassen müßte, also einem überlangen ganzen Akt ent-
spräche, während ε aus einer einzigen Sequenz bestünde (ich kann übrigens in
Zwierlein: Bacchides [Anm. 10] weder S. 91, Anm. 202, noch S. 299f. die Wider-
legung meiner Interpretation von Dis ex. fr. 2 finden).
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 265

(wie oben als Möglichkeit erwähnt) ex eo loco wegkonjizieren, sondern den


Widerspruch genetisch erklären und in ihm ein weiteres jener ‚Rudimente‘
sehen, die Plautus im raschen Arbeiten beibehielt.
Zu (b). Die Möglichkeit, durch Variation einer früheren Szene (hier:
der Durchsuchung des Sklaven) komische Wirkung zu erzielen, liegt auf
jedem Komödienniveau so nahe, daß auch Menander wohl nicht darauf
verzichtet hat. (Man denke nur an das ernstgemeinte und gespielte Topf-
ausleihen in Dysk. γ und ε.) Die Variation besteht hier am besten darin,
daß der Sklave, den die poetische Gerechtigkeit ohnedies noch für das
Verlassen seines Lauscherpostens in δ bestrafen muß, diesmal mit dem
Schatz ertappt wird. Also, ist zu schließen, schafft er ihn wohl erst bei
Plautus beiseite.
Dieser Schluß muß allerdings durch zusätzliche Überlegungen gestützt
werden. Vor allem müssen wir einen Grund angeben, warum Plautus bei
seiner bekannten Vorliebe für Spiegelungseffekte seinerseits auf die Szene
mit der Schatzentdeckung verzichtet haben soll. Die Erklärung, daß er das
Spiel einfach rasch abschließen wollte, könnte sich zwar darauf berufen,
daß auch der fragmentierte Text noch Indizien dafür bietet, daß V 1 be-
reits die || Schlußszene der Aulularia war;103 aber bloße Temposteigerung 111
111
des Spiels wäre Plautus kaum mehr wert als eine theatralisch effektvolle
Szene (ich kann nicht glauben, daß er auf sie ohne Not verzichtet hat). Ein
besserer, ja eigentlich der einzig denkbare Grund dafür wäre ein anderer:
Plautus will am Schluß womöglich einen überlegenen,104 aber keinen zu-
rechtgewiesenen Sklaven vorführen. So mag sein Sklave im verlorenen
Schluß, nachdem er (ohne Schatz) vergeblich perlustriert wurde, großmü-
tig nachgegeben und versprochen haben, er werde das Geld aus seiner arca
(v. 823, 830) herbeischaffen. Ein triumphierender Sklave ist dem Plautus
allemal mehr wert als das direkt vorgezeigte Geld; und die Komödie kann
auch mit einem doppelten spondeo zum guten Ende kommen, dem des
Lyconides, der den Schatz zurückgeben wird, und dem Euclios, der Mitgift
und Tochter verspricht.

103 Und (gegen Ludwigs Bedenken) nicht nur der Aulularia: auch im Original kann
von den Hauptfiguren eigentlich nur mehr Euclio auftreten (über den verständ-
nisvollen Megadorus wird man sich nicht lustig machen). Jedenfalls belegt die
Szenenüberschrift (siehe den kritischen Apparat zu v. 808 bei Leo und Stockert;
vgl. Leos einleitende Bemerkung zu den Fragmenten), daß Euclio noch in V 1
wieder auftrat, und fr. 2 ut admemordit hominem, daß er das Verhör, welches Ly-
conides beim Textabbruch mit dem Sklaven anstellt, belauschte.
104 Dazu paßt fr. 5, in welchem er zusätzlich zur Freilassung noch Geld zu fordern
scheint: qui mi holera cruda ponunt, hallec adduint. – Auch in den Menaechmi stammt
übrigens der souverän die Zwillinge lenkende Messenio des Komödienschlusses
erst von Plautus: siehe Primmer: „Die Handlung der Menaechmi“ (Anm. 8),
S. 110ff. [179ff.].
266 II. Handlungsgliederung

Für die Diskussion des bisher übergangenen dritten Akts sind jetzt
die Voraussetzungen gegeben. Wir haben einerseits anhand der oben (in
Anm. 76–78) genannten Stellen das Bühnenbild abgesichert: links im Haus
A wohnt Euclio (auf derselben Seite außerszenisch sein Demarch), rechts im
Haus B Megadorus und außerszenisch Eunomia (mit Familie). Damit kann
sich unsere Spurensicherung jenem Rudiment zuwenden, das die Identifi-
zierung der Tempelgottheit in Bühnenmitte mit der Prologgottheit bekräf-
tigt (die ihrerseits höchstwahrscheinlich im Original die Agathè Tyche war).
Anderseits wissen wir aus zuvor gemachten Beobachtungen und Erwä-
gungen,105 daß wir noch auf Staphyla- und mögliche Lyconidesszenen
aufmerken müssen.
Die ‚kritische‘ Szene, die oben unter (3) als mögliche Gegeninstanz ge-
112 gen das richtige Bühnenbild genannt war (bei Anm. 79), ist Euclios Mo-
112 ||nolog in III 4. Da steht Euclio, der den Koch Congrio eben wieder ins
Haus gescheucht hat, mitsamt dem Schatztopf, den er in seinem Gewand
verbirgt, auf der Bühne und spricht (v. 473f.):

Sed Megadorus meus affinis eccum incedit a foro.


Iam hunc non ausim praeterire, quin consistam et conloquar.

Er kann also an dem Nachbarn, den er von rechts kommen sieht, nicht
unbemerkt vorbei. Das scheint unspielbar, wenn Megadors Haus ohnehin
auf der rechten Bühnenseite steht: Euclio könnte ja entweder in sein (lin-
kes) Haus retirieren oder, wenn er es mit dem Topf nicht mehr betreten
will, zur Landseite flüchten. Doch er will praeterire, sich also jedenfalls nach
rechts, Megadorus entgegen, in Bewegung setzen.
Wie der Text dasteht, muß man Euclios Monolog entnehmen, daß er
bloß die Absicht hat, Megador auszuweichen (für dessen diebischen Abge-
sandten er ja auch den Koch hielt); über andere Pläne läßt er ja nichts
verlauten. Sollte also sein schwer erreichbares Ziel doch das rechte Büh-
nenhaus sein? Wohnt er doch in Haus B?106
Diese Erklärung könnte nur befriedigen, wenn man sowohl den Kon-
text des Monologs außer acht läßt als auch ungeprüft annimmt, sein Text
sei dem Original konform. Aber schon der Übergang III 3/4 zeigt, daß
Euclios Haus gar nicht sein Ziel sein kann. Er hatte ja in III 3 den Schatz-

105 Oben bei Anm. 30 (Staphyla-Lyconides-Kontakt zwischen II 3 und IV 7), Anm. 36


(Staphyla ist in II 6 trunksüchtig?), Anm. 37f. (möglicher Inhalt von Lyconides-
Staphyla-Gesprächen in γ), Anm. 51 (Lyconidesszene zwischen III 6 und vor-
gezogenem IV 2a), bei Anm. 62 (Staphyla in III 2 im Haus, während Euclio den
Schatz ausgräbt?).
106 Da ich Swoboda: Studia Plautina et Terentiana (Anm. 71) nur aus Stockert: Plautus,
Aulularia (Anm. 12), Anm. 5 kenne, kann ich leider nicht sagen, ob sich sein
Bühnenbild Megadorus-Tempel-Euclio auf diese Stelle stützt.
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 267

topf aus dem Haus ‚gerettet‘ und es ganz erleichtert (ab v. 451) ,allen Kö-
chen, Flötenspielerinnen und der Sklavenschar‘ freigegeben. Noch zum
Szenenabschluß hatte er im Streit wiederholt (v. 458f.) ,Geh kochen oder
geh zum Henker!‘, und Congrio hatte (ins Haus abgehend) repliziert: ,Geh
lieber du!‘ Da muß also Euclio für Congrio erkennbar die Absicht gehabt
haben, das Haus nicht mehr zu betreten. Überdies spricht die Folgeszene,
Megadors belauschter Monolog in III 5 (v. 475–535), auch eher für Eu-
clios Haus A. Als nämlich Megadorus endlich den Lauscher bemerkt (der
ja ohne praeterire links von ihm stehen muß), sagt er v. 536: sed eccum adfi-
nem ante aedis, und da wird er wohl nicht sein eigenes Haus meinen.
Wohin wollte nun aber Euclio eigentlich am Ende von III 4 gehen?
Welches Ziel lag rechts von ihm, und wie erfuhr das Publikum von seiner
Absicht? Nun, die erste Frage beantwortet uns das Bühnenbild: Rechts
vom linken Bühnenhaus gibt es ja nicht nur das rechte Haus (oder die
Agora – aber Euclio will seinen Schatz sicher nicht zur Bank bringen),
sondern auch den (Tyche-)Tempel. Und die Antwort auf Frage zwei: Er
muß sein Ziel || im originalen Monolog mitgeteilt haben, welcher bei 113
113
Plautus disparat und allzu plautinisch wirkt. Er beginnt noch ganz kon-
textgemäß mit einem Nachwort zu Euclios Streit mit Congrio, den Mega-
dorus geschickt habe, um ‚das‘ zu rauben (v. 460–464). Man erwartet da-
nach zu hören, was Euclio als nächstes vorhat, aber in v. 465–472, also bis
zum Auftauchen des Megadorus, unterhält er uns statt dessen mit der
Geschichte vom Haushahn, den er als furem manufestarium erschlagen ha-
be.107 Warum Plautus die skurrile Erfindung, die ohne Inhaltsfunktion ist,
eingeführt hat, haben wir implizit schon mit der Zielangabe ,Tychetempel‘
begründet: als Ersatz für das Originalmotiv, das er streichen mußte. Wenn
Tyche, und nicht der Lar, die originale Prologgottheit war, dann waren ja
der Weihrauch und die Kränze, mit denen Euclio laut v. 385–387 vom
Forum kam, ursprünglich als Opfergaben für sie bestimmt. Nun war er
v. 388 durch den Lärm in seinem Haus von der frommen Absicht abge-
lenkt worden, für das Eheglück seiner Tochter zu opfern. Das Motiv lag
für den Autor des Originals zur Weiterverwendung bereit, besser: war für
die Weiterverwendung eingeführt worden, und es wird hier (statt v. 465–
472) dringend gebraucht, zumindest um die Figurenführung in Ordnung
zu bringen. (Eine andere Erklärung für praeterire ist weit und breit nicht zu
sehen; wir dürfen also die Gleichsetzung von Prolog- und Tempelgottheit
für zwingend notwendig halten).

107 Zwierlein: Bacchides (Anm. 10), S. 98 und 310 (vgl. S. 188) verdächtigt den ganzen
Passus als nachplautinisch; tatsächlich werden wohl nur v. 470–472 zu streichen
sein. Wer mit staatsrechtlichem resecrare und comitia witzelt (siehe bei Anm. 43),
kann dies auch mit dem strafrechtlichen fur manifestus.
268 II. Handlungsgliederung

Die Zwischenverse v. 465–472 dienen wohl auch noch einem ande-


ren Zweck: sie trennen die Einleitungsverse, in denen sich Euclio durch
Megadorus völlig verfolgt und bedrückt fühlt, von dem Schluß, der doch
etwas weniger negativ klingen soll: Megadorus meus affinis. Im Original
mochte da inzwischen Euclio der Vater zu Wort kommen, der Tyche da-
rum bittet, trotz der Schwierigkeiten, die es zwischen Arm und Reich gibt,
seiner Tochter eine glückliche Ehe zu gönnen. Aber er könne ihr die Op-
fergaben jetzt nicht bringen, weil Megadorus gerade komme.
Mit diesem Kontext wird uns das scheinbar unbequeme praeterire
noch zum Anlaß, die sprachliche und szenische Detailkunst Menanders zu
würdigen. Damit Euclio auch beim Zielort Bühnenmitte (der ja sehr nahe
liegt) vom verhinderten praeterire sprechen kann, müssen wir uns Megadors
Auftritt von der Agora in flottem Tempo gespielt vorstellen. Das paßt
ausgezeichnet zu der beschwingt-zufriedenen Stimmung, in der er kommt
114
114 (narravi || amicis multis108 … laudant, v. 475ff.), und zur Art des Monologs:
Der Schauspieler postiert sich zu seiner parabasenartigen Betrachtung über
,Mitgift und Sozialreform‘ in Bühnenmitte, und das πιθανόόν   wird sistiert,
sodaß Euclio ‚unbemerkt‘ vor seinem Haus stehen bleiben kann.
Ich will nicht verschweigen, daß die eben vorgelegte Erklärung von
III 4 einem früheren Vorschlag von mir widerspricht.109 Ich hatte gemeint,
hunc non ausim praeterire noch besser zu rechtfertigen, wenn Euclio erst
beim Herauskommen aus dem Tempel Megadorus auf der Bühne vorfin-
det. Dazu müßte er also nach v. 472 zunächst den Tempel betreten haben,
dann wäre Megadorus gekommen und hätte den Anfang seines Monologs
gesprochen, bevor Euclio wieder auftritt. Ein sehr erwünschter Nebenef-
fekt dieser Annahme war mir, daß auf diese Weise bei v. 472 (vor Mega-
dors Auftritt) auch Raum für eine Zwischenszene Staphyla – Lyconides
entstünde, die man in der Dramaturgie von γ bestens brauchen kann.
Trotzdem war der Vorschlag, wie ich jetzt sehe, aus zwei Gründen
schlecht. (a) Das Personal der Szenenfolge Euclio (III 4) – Staphyla und
Lyconides (eingeschoben) – Megadorus, dann Euclio (III 5) wäre bei bloß
drei Schauspielern kaum zu dem raschen Wechsel imstande, und zumin-
dest müßte (auch bei gemächlicherem Tempo) ,Euclio‘ zu ,Megadorus‘
werden, worauf ein anderer ‚Euclio‘ wiederkäme. Das Aufsplittern gerade
der Hauptrolle ist aber zu meiden. (b) Man versteht leicht, daß Plautus die
Auftrittsankündigung zu Megadors ,Parabase‘ am originalen Platz stehen
lassen konnte, während er das vorausgehende ,ich will meine Gaben in den
Tychetempel bringen‘ strich: er hatte eben den Lar an Tyches Stelle ge-
setzt. Bei meiner früheren Hypothese wäre der Umarbeitungsvorgang aber
viel komplizierter, ja unglaubwürdig. Plautus müßte Megadorus … eccum incedit

108 Ganz menandrisch diskret gibt multis dem Publikum eine Begründung dafür,
warum Megadorus so lange nach Euclio kommt.
109 Primmer: „Menanders ‚Geiziger‘ “ (Anm. 8), S. 4 [220f.].
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 269

a foro selbst formuliert haben, im vollen Bewußtsein, daß die geänderte


Reihenfolge der Auftritte zu berücksichtigen ist, und dann trotzdem die
praeterire-Wendung angefügt haben, wiewohl er sie erst aus einer Zwischen-
bemerkung Euclios in III 5 an den Abschluß von III 4 nach vorne holte.
Die Lyconides-/Staphylaprobleme sind also anders zu lösen. Am we-
nigsten problematisch ist noch die oben postulierte Lyconidesszene vor
dem Aktschluß. Sie ist, wie wir sahen, vonnöten als Pausenfüller zwischen
dem Schluß von III 6, wo Euclio abgeht, um den Schatztopf im Tempel
zu verstecken, und seiner Wiederkehr bald darauf (d. h. noch im selben
Akt, in der vorgezogenen Szene IV 2a). Ihr naheliegender Inhalt dürfte aus
Gründen || der Aktpausendramaturgie sein, daß Staphyla dem jungen Mann 115
115
seine Vaterschaft eröffnet. Soweit war alles schon ausgeführt;110 kurz noch
zur Figurenführung. Der Dialog wird in raschem Tempo zu spielen sein,
weil die Gesprächspartner mit Euclios baldiger Rückkehr aus dem Tempel
rechnen müssen (sie wissen ja höchstens, daß er Weihrauch und Kränze
darbringen will); und Lyconides, der nach der Schocknachricht heimeilt,
muß auch vom Gespräch vor Haus A quer über die Bühnenbreite laufen,
bevor Euclio auftritt. Aber wie kann die Szene beginnen, d. h. wie ist Ly-
conides’ Auftritt gerade zu dem Zeitpunkt zu begründen, an dem erst
Megadorus Haus B, dann Euclio den Tempel betreten hat? Ihn da zufällig
und von rechts auftreten zu lassen, ist gewiß die plumpere Lösung gegen-
über der folgenden Möglichkeit: Lyconides kann beobachtet haben, daß
Euclio in den Tempel ging, weil er auf die Fortsetzung eines früheren
Gesprächs mit Staphyla schon lauerte; und zwar am besten außerszenisch
links, weil ihr erstes Gespräch, wie wir aus unserer Interpretation von III 4
schließen müssen, eigentlich schon vor Euclios Rückkehr vom Forumgang
in II 8 stattgefunden haben muß (innerhalb der kohärenten und rasch
ablaufenden Euclio-Koch-Szenenfolge, also zwischen II 8 und III 4, ist ja
keine Zeit dafür, und anderseits hängt III 4 mit dem Folgegespräch Eu-
clio – Megadorus auch unmittelbar zusammen) und weil Euclio von der
rechten Bühnenseite heimkommt.
Der mögliche Ort eines ersten Gesprächs ist also nach hinten be-
grenzt durch den Euclioauftritt in v. 371 (II 8), und nach vorn, wie wir
hinzufügen können, durch das Ende von II 6 in v. 362; denn der akteinlei-
tende Aufmarsch der Köche und ihre Verteilung durch Strobilus verträgt
bis zum Kurzgespräch Strobilus – Congrio – Staphyla in II 6 keine Unter-
brechung.
Welche Hinweise auf plautinische Eingriffe liefert uns aber der Text?
Da ist vor allem der Acht-Zeilen-Monolog des Strobilus (II 7) selbst. Seine
Struktur erinnert verdächtig an die des Euclio-Monologs II 4 mit dem
plautinischen Mittelteil über den diebischen Haushahn. Hier entwickelt
Strobilus in den Mittelversen 365–368 eine ähnlich skurrile Vorstellung,

110 Vgl. bei Anm. 37f. (Inhalt) und Anm. 51 (Ort der Szene).
270 II. Handlungsgliederung

nämlich den Plan, die diebischen Köche im puteus (einer tiefen Grube, die
als Verlies dienen kann) kochen zu lassen, worauf allerdings, wenn sie die
Speisen dann selber essen, superi incenati sunt et cenati inferi. Und das wit-
zelnde Ausmalen der Vorstellung paßt nicht besonders gut zur Sorge und
Eile der Rahmenverse: v. 364 die Bewachung der Köche als cura maxima,
v. 369 der Ordnungsruf, den er sich selbst erteilt: sed verba hic facio,111 quasi
negoti nil siet.
116
116 Es kommt dazu, daß II 7 den Witzstil des Dialogs mit Staphyla fort-
setzt, den wir schon oben an II 6 als störend reklamierten.112 Plautus wird
die romantische Liebeshandlung sowohl in II 6 wie in II 7 zurückgedrängt
bzw. durch possenhafte Details ersetzt haben. In II 6 mochte der originale
Strobilus etwa fragen, warum Staphyla auf die Hochzeitsvorbereitungen so
mürrisch reagiere; und in II 7 konnte er mit Lyconides zusammentreffen,
dem er zu dessen Bestürzung die Hochzeitsnachricht bestätigte. Dann
konnte Lyconides erfragen, daß Euclio jetzt nicht daheim sei, Staphyla
herausklopfen und sich (vielleicht indirekt – siehe bei Anm. 37) als ille qui
compresserat zu erkennen geben. Darauf mochte ihn Staphyla bitten, vor der
Tür zu warten, bis sie im Haus mit Phaedria gesprochen habe, und der
wartende und über seine Liebe, Beschämung und Bestürzung monologisie-
rende Lyconides mochte vor dem rechts auftretenden Euclio nach links
ausgewichen sein.
Ich habe die mögliche Ergänzung bis in diese Details skizziert, weil ich
zeigen wollte, daß (und wie) man bestimmte Unebenheiten des plautinischen
Textes beseitigen kann, deren Vorhandensein immerhin auch die Ergänzung
nahelegt. Eine Inkonsequenz kennen wir schon:113 daß Staphyla in den Fol-
geszenen Euclio beim Ausgraben des Schatzes nicht irritiert. Da war sie
eben im Frauengemach bei Phaedria. Ferner gibt es keine rechte Erklärung
dafür, warum Euclio in II 8 die Haustür offen findet. Vers 388 (sed quid ego
apertas aedis nostras conspicor?) verweist uns zurück auf den Schluß von II 6
(v. 362): STR. duc istos intro. STAPH. sequimini. Das läßt sich natürlich im
Sinn des Plautus so spielen, daß der letzte Gehilfe des Kochs beim Abge-
hen die Tür offen läßt; aber die geplagte treue Magd des ‚Geizigen‘ sollte so
unachtsam sein? Besser schließt sie vor dem wartenden Lyconides die Tür
nicht zu. Schließlich ist der Übergang von Szene II 7 auf II 8 etwas eigen-
artig. Bei Plautus geht Strobilus von Haus A zu Haus B ab, also nach rechts,
ohne eine der usuellen Zwischenbemerkungen über den von rechts kom-
menden Euclio zu machen. Hat sich Plautus auf den Abgangsapplaus für
Strobilus verlassen? Bei Menander wäre ein ganz unglossierter Auftritt
unter solchen Umständen höchst ungewöhnlich, weil hier zunächst kein

111 verba facio schützt übrigens (wie die Parallele III 4) den Mittelteil vor jedem Inter-
polationsverdacht.
112 Siehe bei Anm. 36.
113 Siehe bei Anm. 62.
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 271

besonders dramatischer Effekt erzielt werden soll.114 Euclio kommt ja


ungehetzt, im Selbstgespräch und mit der Absicht, die Opfergaben in den
Tempel zu bringen. Dann bemerkt er plötzlich die offene Tür.

1.4. Die Sequenzen; ‚Geiziger‘ und Dyskolos. 117


117
Wir sind nach den sehr ins Einzelne, z. T. auch ins Hypothetische gehen-
den Erörterungen zum Bühnenbild und zu Fragen der Figurenführung
verpflichtet, die bisherigen Ergebnisse unserer strukturanalytischen Durch-
musterung des Aulularia-Textes übersichtlich zusammenzufassen. Dies
geschieht allerdings in der Hoffnung, daß mit der Zusammenfassung ein
weiterer Erkenntnisgewinn verbunden ist, zumindest ein Gewinn in der
Sicherheit der Resultate. Denn ich vertraue zwar darauf, daß der kritische
Leser die Akt- und Fabelstruktur als (in 1.1 und 1.2) bereits erwiesen ak-
zeptiert; aber zu der zuletzt vorgetragenen Gleichsetzung der Prolog- mit
der Tempelgottheit (Tyche) und der Ergänzung der Staphyla-Lyconides-
Szenen im dritten Akt (z. T. auch der Lyconidesszenen des ersten Akts)
muß ich ihm einräumen, daß dies Rekonstruktionen im Bereich der (wenn
z. T. auch an Sicherheit grenzenden) Wahrscheinlichkeit waren.
Nun wird uns die letzte, bisher so gut wie ignorierte Möglichkeit, die
die Strukturanalyse bietet, helfen, den Sicherheitsgrad unserer Ergebnisse
nochmals zu steigern. Haben wir doch die einzigartige Möglichkeit, den
Aufbau des ‚Geizigen‘ Sequenz für Sequenz mit dem Dyskolos zu verglei-
chen, der im Licht dieser Betrachtungsweise noch deutlicher als ohnedies
anerkannt sich als schwächeres Vorläuferstück des dramaturgisch reiferen
‚Geizigen‘ zeigen wird. Das wird, was den Gehalt der Komödie betrifft, in
Teil II noch näher auszuführen sein; hier bleiben wir ‚analytisch‘ und ver-
buchen zugunsten unserer Rekonstruktion den Parallelgang der Sequenzen
als Zeugnis dafür, daß unsere bisherigen Beobachtungen sich im Rahmen
des Genos Nea Komodia hielten.115
Zum besseren Verständnis der folgenden Aufbauschemata noch einige
Vorbemerkungen. Die Schemata werden zu sprechen beginnen, d. h. die
erstaunliche Strukturverwandtschaft zwischen dem Dyskolos und dem ‚Gei-
zigen‘ wird in aller Deutlichkeit hervortreten, wenn man auf den Einsatz
der in der Handlung funktionsgleichen Figuren achtet. Schon im ‚Personal‘
sind ja die beiden Stücke offensichtlich verwandt. Es gibt den jungen
Liebhaber (Sostratos, ,Lyconides‘) als ‚positive‘ Hauptfigur, es gibt den
kauzigen Vater der Geliebten (Knemon, Smikrines = ‚Euclio‘) als ‚negati-
ve‘ Hauptfigur, es gibt zwischen diesen beiden eine die Handlung mitbe-

114 Dies wäre nach Frost: Exits and Entrances in Menander (Anm. 80), S. 12 (unter
„wholly unannounced entrances“) im allgemeinen eine denkbare Rechtfertigung.
115 Zu Begriff und analytischer Handhabung der Sequenzen vergleiche man übrigens
Primmer: „Die Handlung der Menaechmi“ (Anm. 8), S. 204ff. [195ff.], besonders
S. 207 [198f.] mit der Skizze einer Sequenzanalyse von Dysk. α bis γ.
272 II. Handlungsgliederung

stimmende Mittlerfigur (Gorgias, ,Megadorus‘) und eine weitere sekundäre


118
118 Mittlerfigur, || die die primäre erst in Bewegung setzt (Daos, ,Eunomia‘), es
gibt die Magd des Alten, die Sklaven der Gegenseite, Köche etc.
Diese annähernd funktionsgleichen Figuren des Spiels sind ferner
paarweise so variiert, daß niemand den genetischen Zusammenhang der
beiden Stücke bezweifeln wird und kaum jemand die These, daß der frühe-
re Dyskolos dem späteren, weil komplizierteren ‚Geizigen‘ als Grundlage für
eine verbessernde Kontrafaktur gedient hat.116 Das sollte auch schon unsere
vorstehende Analyse gezeigt haben, jedenfalls gleich an den jugendlichen
Liebhabern. Sostratos ist ja eigentlich weiter nichts als treuherzig verliebt
und (in seiner Freundschaft zu Gorgias) jugendlich überschwenglich, aber
ohne jeden inneren dramatischen Konflikt; zur Dramenfigur macht ihn nur
die Unzugänglichkeit Knemons. Ganz anders, wie wir sahen, ,Lyconides‘. Er
trägt ein Problem mit sich herum, das er unabhängig von ,Euclios‘ Charakter
oder Verhalten lösen muß: er muß sich dazu durchringen, vor der eigenen
Familie und der seiner Geliebten sich zu seiner Liebe und zu seiner Schuld
zu bekennen. Das macht ihn zum Träger einer selbständig zu exponierenden
und sich stufenweise entwickelnden Liebeshandlung geeignet, deren Peripe-
tie er auch selber herbeiführen kann (und in IV 7 zu einem Zeitpunkt her-
beiführt, wo die ,Euclio‘handlung noch weit von ihrer Lösung entfernt ist).
Das Paar Knemon – Smikrines steht in ähnlichem Verhältnis zueinan-
der. Der kontaktscheue Knemon würde, in seinem Haus geborgen, seinen
Griesgram an Tochter und Magd auslassen, ohne zur Dramengestalt zu
werden, träten nicht Sostratos und seine Familie als Ruhestörer auf; und
mit dem Augenblick, wo er Sostratos akzeptiert, löst sich auch die eigentli-
che Dramatik des Spiels auf (die anschließenden heiteren Szenen der Kata-
strophé schaffen Stimmung, nicht Spannung). Smikrines/Euclio ist drama-
turgisch ergiebiger: Sein mißtrauisches Bestreben, den Besitz des Schatz-
topfes zu verheimlichen, treibt ihn schon zu Spielbeginn aus dem Haus;
dann wird er zwar, von der Hochzeiter-Partei behelligt, in die Defensive
gedrängt, aber er verteidigt seinen Schatz doch in selbständiger Aktion;
und vor allem ist die ,Euclio‘handlung nicht in der Weise von der
,Lyconides‘handlung abhängig, daß sie mit dieser zugleich die Peripetie
erreichte: die Liebesgeschichte wendet sich ja in δ zum Guten (in IV 7),
die Geizigenhandlung erst in ε (in IV 10).117

116 Anders Arnott (siehe Anm. 2).


117 Dies ist für mich das deutlichste Indiz, daß wir im ‚Geizigen‘ den Menander der
mittleren Schaffensperiode fassen. In Dyskolos und Samia gelingt es ihm noch
nicht recht, die dramatische Spannung bis in ε zu wahren; der mittlere Menander
spart für diesen Akt dann die ‚Lösung‘ im Bereich der Nebenhandlungen oder
Nebenfiguren auf (z. B. in den Epitrepontes für Smikrines; im Eunuchus für
Parmeno und Thraso); der späte Menander, der statt mit parallellaufenden Hand-
lungen mit ganzen Handlungskomplexen arbeitet (z. B.: die Probleme der Väter
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 273

Wiederholung in Variation ist das Umarbeitungsprinzip, das sich auch 119


119
bei den übrigen Figuren fortsetzt. Die Mittlerfigur Gorgias steht zunächst
Knemon näher, der Liebhaber muß ihn erst zum Freund gewinnen; auch
der sekundäre Mittler Daos ist anfangs mißtrauisch, aber seine gegen
Sostratos geplante Aktion (nämlich Gorgias herbeizuholen) schlägt zu
dessen Gunsten um. Sobald sie aber gewonnen sind (und dies passiert
schon im 2. Akt), bleiben sie auch auf dieser Linie. Genau umgekehrt ver-
läuft die Sache bei ,Eunomia‘ und ,Megadorus‘. Sie will ihrem Sohn eigent-
lich helfen, wenn sie ,Megadorus‘ zu einer Heirat animiert,118 aber der, an
sich der wohlwollende Onkel, entpuppt sich dann plötzlich als Rivale; und
die höhere Komplexität der Geizigenhandlung führt von der negativen
Entwicklung in β dann erst in δ wieder zum Positiven.
Der Handlungsbeitrag der Dienerschaft erfolgt im Dyskolos nach dem
Prinzip Zufall (oder nach Pans Regie): Simiche läßt den Krug in den
Brunnen fallen (α); Getas belästigt Knemon als Mitglied der Opfergesell-
schaft (γ). Im ‚Geizigen‘ gewinnen die analogen Figuren doch Eigenleben:
,Staphyla‘ sorgt sich um ihre junge Herrin und greift als Botin oder Ver-
mittlerin ein; und der Sklave des ,Lyconides‘ wird als Schatzdieb zum Ka-
talysator der Geizigenhandlung.
Der Vergleich zeigt in allen Aspekten dieselbe Variationsrichtung und
-tendenz, sodaß der Einfall, der dramaturgisch reifere ‚Geizige‘ könne vom
jungen Menander simplifiziert worden sein, jede Glaubwürdigkeit verlieren
muß: Der junge Imitator hätte nie alles so gleichmäßig auf geringere dra-
matische Wirksamkeit hinabstimmen können.
Zu den Schemata selbst: Diejenige der beiden Hauptfiguren, die in ei-
ner Sequenz das Zuschauerinteresse besonders auf sich lenkt (und dadurch
im Regelfall der Sequenz ihre Einheitlichkeit verleiht), wird im folgenden
nach den Verszahlen- und Szenenangaben angeführt. Das sind im Dyskolos
natürlich Sostratos und Knemon, im ‚Geizigen‘ analog das originale Vorbild
des Lyconides und des Euclio. Sind für eine Sequenz beide Hauptfiguren
im Schema gleichberechtigt oder abgestuft genannt, so signalisiert das die
|| entsprechenden Anteile an der Sequenz (welche ihre Einheit dann in ihrer 120
120
Funktion im Handlungsaufbau findet). Die Helfer- oder Mittlerfiguren (im
Dyskolos Gorgias, im ‚Geizigen‘ ,Megadorus‘) werden der jeweiligen spiel-
bestimmenden Hauptfigur oder -handlung zugeschlagen.

neben denen der Söhne in Heautontimorumenos und Adelphen), hat da natürlich


noch reichere Möglichkeiten.
118 Damit der sensible Junge nicht fürchten muß, er stünde vor dem Onkel wie ein
Erbschleicher da, wenn er die arme Eucliotochter mit dessen finanzieller Unter-
stützung heiratet: so schon oben im Text zwischen Anm. 31 und 32.
274 II. Handlungsgliederung

Zuerst also der Überblick über das Bühnenbild und die Sequenzen
des D y sk o lo s :

(Land) Haus A: Tempel: Haus B: (Stadt)


Felder Knemon Pan (Mutter) Kallippides und Frau
Tochter (Nymphen) Gorgias Sostratos
Simiche Daos Pyrrhias, Getas

Akt α
Sequenz a, v. 1–80: Knemon; Sostratos.
Prolog und erste Szene zusammen liefern die Exposition beider
Hauptfiguren. Der Tempelgott Pan erklärt das Bühnenbild (mit den Be-
wohnern der Häuser), stellt Knemon als (zur Negativfigur geeigneten)
Griesgram und Gorgias als ernsthaften jungen Mann vor und deutet als
sein Handlungsziel die Hochzeit von Sostratos und Knemons Tochter an.
Sostratos (mit dem Parasiten Chaireas aus der Stadt kommend) exponiert
sich als naiv-positiver Held: er will möglichst rasch das Mädchen heiraten.
Sequenz b, v. 81–178: Knemon (und Sostratos).
Zwei Szenen der einsetzenden Handlung (Sostratos’ Sklave Pyrrhias
flüchtet, von Knemons Acker her, vor dem aggressiven Menschenfeind;
Knemon selbst weist, sich ins Haus zurückziehend, Sostratos brüsk ab)
legen das Verhältnis der Hauptfiguren für die kommende Handlung fest:
sie sind in dieser die Gegenspieler, da Knemon allen Kontakten auswei-
chen, Sostratos aber unbedingt seinen Heiratsantrag vorbringen will.
Sequenz c, v. 179–232: Sostratos.
Die letzte Szenenfolge von   α   hat (wie manche folgende Aktschlußse-
quenzen) Überleitungsfunktion. (Nach dem augenblicklichen Wissensstand
des Publikums gehört sie übrigens ganz Sostratos; denn das Ereignis, das die
Auftrittsbegründung für Knemons Tochter liefert – daß sie aus dem Heilig-
tum Wasser holen muß, weil der Magd der Krug mitsamt dem Brunnenseil
in den Brunnen fiel –, wird erst in γ und δ als folgenreich erkennbar). Für
den Augenblick scheint das wichtigste, daß die Handlung durch das Einbe-
ziehen neuer Figuren aus der Pattstellung zwischen Knemon und Sostratos
herausmanövriert wird: Sostratos will einen neuen Helfer holen (Getas, den
Sklaven seines Vaters), und Daos, der Sklave des Gorgias, der das Zusam-
mentreffen von Sostratos und dem Mädchen mißtrauisch beobachtet hat, will
Gorgias als vermeintlichen neuen Gegner des Liebespaares vom Feld holen.

121
121 Akt β
Sequenz a, v. 233–319: Sostratos.
Ein potentieller Gegner wird zum Helfer: Gorgias, von Daos alar-
miert, stellt Sostratos zur Rede, der allein wiederkommt, weil er den seine
Mutter ,zu irgendeinem Opfer‘ begleitenden Getas nicht angetroffen hatte.
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 275

Als Sostratos seine ehrsamen Absichten bei Pan und den Nymphen be-
schwört, wandelt sich Gorgias plötzlich zu seinem Freund.
Sequenz b, v. 320–392: Sostratos (Knemon).
Die neuen Freunde entwickeln einen Plan: Damit Sostratos an Knemon
herankommen kann, geht er mit Gorgias zur Feldarbeit, in der Hoffnung,
daß Knemon aufs Nachbarfeld kommen wird. (Beide ab zur Landseite).
Sequenz c, v. 393–426: Sostratos.
Überleitung zur Epitasis: Getas bringt den Koch Sikon zur Pansgrotte.
Sostratos’ Mutter will nämlich hier opfern, weil sie in einem Traum sah,
wie Pan ihn in Fesseln legte und zur Feldarbeit zwang.

Akt γ
Sequenz a, v. 427–521: Knemon.
Knemon in der Defensive: Er muß, statt wieder zur Feldarbeit zu ge-
hen, sein Haus bewachen und verteidigen: Die Ankunft der Opfergesell-
schaft hält ihn fest, und Getas’ und Sikons Versuche, Geschirr auszubor-
gen, versetzen ihn in Wut.
Sequenz b, v. 522–573: Sostratos.
Sostratos, in kurzem Zwischenauftritt erschöpft von der vergeblichen
Feldarbeit kommend, erfährt durch Getas von dem Opfermahl, zu wel-
chem er auch Gorgias und Daos holen will.
Sequenz c, v. 574–619: Knemon; Sostratos.
Die Ereignisse überstürzen sich: Knemon tobt, weil die Magd beim
Versuch, den Eimer aus dem Brunnen zu holen, auch noch seine Harke
hineinfallen ließ und er jetzt hinunterklettern muß (bis v. 606); Sostratos
bringt Gorgias zum Gelage.119

Akt δ
Sequenz a, v. 620–665: Knemon (und Sostratos).
Knemons Brunnensturz: Simiche ruft Gorgias und Sostratos zu Hilfe;
der beleidigte Koch glossiert das Geschehen.119
Sequenz b, v. 666–759a: Knemon (und Sostratos).
Die Peripetie in Knemons Verhalten: Nach kurzem Bericht des 122
122
Sostratos über seine Nebenrolle bei Knemons Rettung (bis v. 690) zeigt
sich dieser von Gorgias’ uneigennütziger Hilfe beeindruckt und übergibt,
seine Menschenfeindlichkeit einmal überwindend, dem adoptierten Stief-
sohn die Verfügungsgewalt über Besitz und Tochter.
Sequenz c, v. 759–783: Sostratos.
Die Verlobung: Gorgias verlobt seine Schwester und Sostratos, noch
bevor dessen Vater zustimmen kann, der verspätet zum Festmahl kommt.

119 Die Szenenfolge wird man schon wegen ihres geringen Umfangs zu einer Sequenz
vereinigen, dazu kommt noch Getas (wie dann in δ Sikon) als dauernd präsente
Nebenfigur.
276 II. Handlungsgliederung

Akt ε
Sequenz a, v. 784 –879: Sostratos.
Auf dem Weg zur Doppelhochzeit: Sostratos kann erst seinem Vater,
dann Gorgias die Zustimmung dazu abringen, daß ‚morgen‘ nicht nur
seine Hochzeit, sondern auch die zwischen Gorgias und Sostratos’
Schwester stattfinden soll. Alle (außer Knemon) versammeln sich zur
Vorfeier in der Pansgrotte.
Sequenz b, v. 880–969: Knemon.
Heitere Rache: Getas und Sikon holen Knemon auf die Bühne, quä-
len ihn mit fingierten Bitten um Geschirr und nötigen ihn schließlich zur
Teilnahme am Fest.

Nun zum ‚Geizigen‘, dessen Figurenverteilung im Bühnenraum120 und Se-


quenzen in den einzelnen Akten erstaunlich an die des Dyskolos erinnern.121

(Land) Haus A: Tempel: Haus B: (Stadt)


(Hain d. ,Silvanus‘) [Lar] Tyche
(Demarchos) ‚Euclio‘ ,Megadorus‘ ,Eunomia‘
(,Phaedria‘) ,Lyconides‘
,Staphyla‘ ,Strobilus‘ Sklave

Akt α
Sequenz a, v. 1–39 (Prolog); ‹…›; ,Euclio‘; ,Lyconides‘.
Prolog und erste Szene zusammen liefern die Exposition beider Haupt-
figuren: Die Prologgottheit Tyche122 [nicht der Lar familiaris] erklärt das ||
123
123 Bühnenbild mit den Hausbewohnern, stellt (als potentiellen negativen
Helden) den geizigen ,Euclio‘ vor, der den jüngst gefundenen Schatz kaum
als Mitgift herausrücken will, und deutet die Hochzeit von ,Euclios‘ Toch-
ter mit ihrem unbekannten Vergewaltiger ,Lyconides‘ als ihr Handlungsziel
an,123 welches auf dem Weg über ,Megadorus’‘ Heiratsantrag erreicht wer-
den soll. ,Lyconides‘ exponiert sich, vielleicht im Gespräch mit seinem Sklaven: er
wagte sich bisher nicht zu deklarieren, weil er sich wegen der Vergewaltigung (beson-
ders vor dem Onkel) schämt.124 (Ab nach rechts oder im Tempel versteckt).

120 Die Verteilung der Figuren auf die Bühnenhäuser ist ausführlich diskutiert im
Text bei Anm. 70–79 (zu einzelnen Szenen ab Anm. 80, wie unten detailliert ver-
zeichnet). Zur Lokalisierung des Tempels siehe bei Anm. 44–46, 63–66.
121 Plautinische Zusätze werden, wo ich auf sie hinweise, mit eckigen Klammern
getilgt, Menanderrekonstruktionen durch Spitzklammern und/oder Schrägdruck
angezeigt.
122 Man beachte die Analogie zu Pan; siehe auch oben bei Anm. 64–69, 105–108.
123 Vgl. oben bei Anm. 15f.
124 Analog zur Exposition des Sostratos; siehe oben bei Anm. 31f., 48f.
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 277

Sequenz b, v. 40 –119 (I 1f.): ,Euclio‘.


Die Handlung um den sich selbst isolierenden ,Euclio‘ setzt ein:
,Euclio‘ zeigt, (indem er ,Staphyla‘ aus dem Haus jagt, als er seinen Schatz
überprüfen will, und indem er zur Geldverteilung beim Demarchen geht,
um weiter als arm zu gelten,) daß sein Geiz sich vor allem als Angst und
Mißtrauen auswirkt. Von den Nöten der Tochter weiß er nichts.125
Sequenz c, ‹…›: ,Lyconides‘.
Die Handlung um ,Lyconides‘, der aus seiner Isolation herausfinden soll, setzt
ein: Er trifft mit seiner Mutter ,Eunomia‘ zusammen,126 der er zwar seine Liebe zu
,Phaedria‘ einbekennt, nicht aber die Vergewaltigung; und weil ,Lyconides‘ sich
schämt, die großzügige Geldhilfe des Onkels zu provozieren, verspricht ,Eunomia‘
als Mittlerfigur einerseits, seine Liebe vor ,Megadorus‘ geheimzuhalten, und will
anderseits diesen selbst zu einer Heirat animieren.

Akt β127
Sequenz a, v. 120 –177 (II 1): ,Lyconides‘.
Ein potentieller Helfer wird zum Rivalen: im Gespräch mit ,Eunomia‘
‹und von Tyche inspiriert?› entschließt sich ,Megadorus‘, um ,Phaedria‘ anzu-
halten.128
Sequenz b, v. 178–263 (II 2): ,Lyconides‘ und ,Euclio‘.
Der neue Rivale und ,Euclio‘ finden sich: ,Megadorus‘ erreicht
,Euclios‘ Einverständnis, noch heute mit ,Phaedria‘ Hochzeit zu halten;
,Euclio‘ || bedingt sich die Heirat ohne Mitgift aus (weil er gegen Tyches 124
124
Absicht den Schatztopf nicht herausrücken will).129
Sequenz c, v. 264–279 (II 2 fin, II 3): ,Lyconides‘.
Überleitung zur Epitasis:130 ,Megadorus‘ mit ,Strobilus‘ sowie ,Euclio‘
gehen einkaufen; ,Staphyla‘ beklagt ‹in einem Gebet an Tyche?› die Notlage
der hochschwangeren ,Phaedria‘.

Akt γ131
Sequenz a, v. 280 –370, ‹…›, v. 371–459 (II 4 – III 3): ,Euclio‘ (,Lyconides‘).
,Euclio‘ in der Defensive gegen die Köche: das ist der Hauptinhalt
dieser Sequenz. Die Köche, die der großzügige ,Megadorus‘ dem armen
Nachbarn ins Haus schickt (,Strobilus‘ bringt sie in II 4–7),132 zwingen

125 Vgl. bei Anm. 19. Figurenführung (Demarch): Anm. 81–83.


126 Szene der ,sekundären Mittlerfigur; vgl. bei Anm. 28f., 31, 49.
127 Zu den Aktschlüssen im allgemeinen und zu α/β siehe bei Anm. 47–49.
128 Zu Szene II 1: Anm. 28f.; zwischen Anm. 49 und 50. Tyche: vgl. Pan in Dysk.
Akt β, Sequenz a und c; Anm. 85. Zur Figurenführung II 1/2: bei Anm. 80, 84.
129 Figurenführung in II 2 fin.: bei Anm. 85f.
130 Zu Protasis, Epitasis, Katastrophé: bei Anm. 17, 32, 38–41.
131 Zur Aktgrenze β/γ: bei Anm. 33f.
132 Zur Figurenführung in II 4: Textabsatz (b) nach Anm. 74.
278 II. Handlungsgliederung

,Euclio‘ zum Entschluß, den Schatztopf von nun an immer mit sich her-
umzutragen (II 8 – III 3).
Zwischen den Hauptteilen der Sequenz, vor ,Euclios‘ Auftritt in II 8, bringt
sich ,Lyconides‘ in Erinnerung:133 Außerszenisch durch ,Eunomia‘ über die ‚falsche‘
Hochzeit informiert, sieht er sich endlich genötigt, mit ,Staphyla‘ Kontakt aufzu-
nehmen; während er aber wartet, welche Antwort diese von ,Phaedria‘ bringen wird,
kommt ,Euclio‘ (von rechts) und zwingt ihn, sich außerszenisch links in Wartestel-
lung zu begeben.134
Sequenz b, v. 460–586, ‹…›, v. 608–615 (III 4–6, IV 2a): ,Euclio‘
(,Lyconides‘).
125
125 Hauptinhalt: ,Euclios‘ Schatz wird vermeintlich von ,Megadorus‘ be-
droht. ,Euclio‘ stößt, als er Tyche ein Opfer darbringen will,135 auf ,Megadorus‘.
Er findet dessen Ankündigung, ihn bei der Hochzeitsfeier betrunken ma-
chen zu wollen, so bedrohlich, daß er den Schatztopf im Tychetempel
versteckt. Die kurze Zwischenzeit nützt ,Lyconides‘ zur Fortsetzung seines Ge-
sprächs mit ,Staphyla‘; diese deutet ihm an, daß er noch heute Vater wird.
,Lyconides‘ eilt zu Mutter und Sklave, ,Euclio‘ geht ohne Schatztopf in sein
Haus.136

133 Die Analogie zu Dyskolos γ, wo im Brennpunkt des Zuschauerinteresses auch


erst Knemon (Sequenz a), dann Sostratos (Sequenz b), dann nochmals Kne-
mon und wieder Sostratos stehen (Sequenz c), ist ein starkes Strukturargument
dafür, daß der ‚positive‘ Held in γ nicht fehlen darf (ja am besten auch zweimal
auftritt). Zum Inhaltlichen siehe bei Anm. 30, 37. – Nachträglich macht mich
W. Stockert wieder auf v. 814f. aufmerksam, wo Lyconides, den vom Schatz-
diebstahl zurückkehrenden Sklaven erblickend, sagt: credo ego illum, ut iussi, eamp-
se anum adiisse, huius nutricem virginis. Ich habe die Stelle oben nicht herange-
zogen, weil ich mir die Erörterung des Widerspruchs zwischen ihr und dem
Erstauftritt des Sklaven in IV 1 ersparen wollte; aber Plautus kann natürlich in
v. 605 dem Sklaven die Erwähnung Staphylas erspart haben (dieser sagt dort
bloß, daß Lyconides speculatum huc misit me, ut quae fierent fieret particeps), weil er
die Lyconides-Staphyla-Szenen in γ gestrichen hatte. Akzeptiert man das, so
ergibt sich in v. 814f. ein weiteres Menander-Relikt, das die γ-Szenen bestäti-
gen kann.
134 Speziell zur Szene zwischen v. 370/371 siehe bei Anm. 36f., 62, 109–114.
135 Siehe bei Anm. 69, 105–108.
136 Begründung des abermaligen ,Lyconides‘auftritts: siehe Anm. 133 sowie bei
Anm. 37f., 51 (auch nach Anm. 110): zur Versetzung von IV 2a: nach Anm. 50.
– Im übrigen weise ich darauf hin, daß der Schlußteil dieser Sequenz strukturell
auch Überleitungsfunktion hat (wie sonst oft eine kleine Schlußsequenz), von
mir aber wegen der Parallele zu Sequenz a dieses Akts bei Sequenz b belassen
wurde.
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 279

Akt δ137
Sequenz a, 587–607, 624–681 (IV 1, IV 3–6): (,Lyconides‘) ,Euclio‘.
Der Sklave erfährt vom Schatz: Der Sklave, der im Auftrag des
,Lyconides‘ den Stand der Hochzeitsvorbereitungen ausspähen soll, wählt
den Tychetempel als Beobachtungsposten. ,Euclio‘ findet ihn dort vor, behandelt
ihn als Dieb und macht ihn so auf den Schatz neugierig.138 Als ‚Euclio‘ abgeht,
um den Schatztopf auf dem Land zu verstecken, folgt ihm der Sklave
heimlich, ‹vielleicht auch in der Erwägung, daß ohne den Brautvater die Hochzeit
nicht beginnen wird 139›.
Sequenz b, v. 682–695 (IV 7a), ‹…›: ,Lyconides‘.
Peripetie und Lösungsansatz der ,Lyconides‘handlung (von Plautus ist
diese Sequenz – und wohl auch eine weitere – so verkürzt,140 daß man nur
beispielshalber aufzählen kann, welche Motive und Szenentypen in der
Neahandlung für den Übergang zur Katastrophéphase zur Verfügung
standen): Klage der Staphyla (?);141 Monolog des ,Lyconides‘, dessen Verzweiflung
und Haltungsänderung darstellend; Gespräch mit der ‹langsamer nachkommen-
den?› Mutter, die den Onkel aufklären soll;142 ,Megadorus‘ kommt || nachsehen, 126
126
wo ,Euclio‘ bleibt, und erfährt – hochzeitlich geschmückt –, daß seine Braut mit
seinem Neffen ein Kind hat; der verständnisvolle Onkel ‚bestraft‘ den Neffen, indem
er ihm die Aufklärung ,Euclios‘ überläßt.
Sequenz c, ‹…› v. 696–700 (IV 7b): ,Lyconides‘ (,Euclio‘).
,Lyconides‘ trifft zu seiner Erleichterung nur ,Staphyla‘ an, die ihm Vorwürfe
macht, aber doch auch Verzeihung und Liebe in Aussicht stellt.143 ,Lyconides‘
sieht sich vergeblich nach seinem Sklaven um und geht in Haus B ab.

Akt ε144
Sequenz a, v. 713–807 (IV 9f.): ,Euclio‘ und ,Lyconides‘.
Die Aussprache über Topf und Tochter: Endlich treffen, nach dem
hinterszenischen Schatzdiebstahl und bei ,Euclios‘ paratragodischer Klage,
der Träger der Liebes- und der Träger der Schatzhandlung aufeinander.
Das anfängliche Mißverständnis (wo jeder ichbezogen glaubt, der andere

137 Zum δ-Beginn siehe bei Anm. 50–59. Als plautinisch sind zu streichen: v. 606
(ara) und v. 616–623 (IV 2b).
138 Zur Figurenführung in IV 5f.: bei Anm. 87f.
139 Ob Menander das Verhalten des Sklaven nur mit Geldgier motivierte, entzieht
sich unserer Kenntnis.
140 Vgl. bei Anm. 41f.
141 Vgl. nach Anm. 73.
142 Zu IV 7a siehe bei Anm. 21–27.
143 Der unsichere Texthinweis, auf den man sich für diese Szene berufen kann, ist
v. 807: vgl. vor Anm. 36 (zu v. 814f. siehe in Anm. 133).
144 Zur Aktgrenze δ/ε: bei Anm. 39–41. IV 8 plautinisch (und Figurenführung in
IV 8f.): bei Anm. 89–102.
280 II. Handlungsgliederung

spreche von seinem Problem) löst sich, als ,Euclio‘ endlich seine Angst um
den Schatztopf artikuliert und dem ,Lyconides‘ dessen Unschuldsbeteue-
rung bezüglich des Diebstahls glaubt; was er aber über die Tochter erfährt,
ist ein neuer Schicksalsschlag für ihn.
Sequenz b, v. 808–fin. (V 1): ,Euclio‘ und ,Lyconides‘.
Der Schatz wird Mitgift: Als ,Lyconides‘ seinen Sklaven zwingt, den
gestohlenen Schatz wieder herauszurücken, bringt es ,Euclio‘, der die Aus-
einandersetzung der beiden belauscht hat, endlich fertig, sich von dem
unruhestiftenden Schatztopf zu trennen.145

Die beiden Schemata verweisen (implizit oder explizit) auf viele Möglich-
keiten, die genetische Verwandtschaft und die dramatische Eigenart der
beiden Komödien vergleichend herauszuarbeiten; ich verweise zum Ab-
schluß nochmals ganz knapp auf einige Gesichtspunkte, die für unsere
analytische Fragestellung relevant sind. Erstens. Akt α und Akt δ des ‚Gei-
zigen‘ könnten, von allen inhaltlich begründeten Restitutionsforderungen
völlig abgesehen, in der plautinischen Fassung (die jedesmal sozusagen nur
eineinhalb Sequenzen des Originals übrigläßt), schon aus strukturellen
Gründen nicht als unverkürzt anerkannt werden (analoge Beobachtungen
sollten uns also auch in Analysen weiterhelfen, bei denen die inhaltlichen
127
127 Argumente fehlen oder || zu schwach sind). Zweitens. Der Vergleich der
dritten Akte mit ihren Sostratos- bzw. ,Lyconides‘szenen zeigt, daß wir zu
Recht den zentralen Epitasisakt nicht ohne szenische Hinweise auf die
‚romantische‘ Haupthandlung akzeptiert haben. Drittens. In den Randse-
quenzen von Dysk. β erinnern Hinweise auf das Wirken des Prologgottes
Pan das Publikum an das Handlungsziel; der Strukturvergleich spricht für
eine ähnliche Funktion der Agathè Tyche im β des ‚Geizigen‘. Die Analogie
wiederholt sich übrigens in der Epitasis: Pan stellt da seine Grotte als
wichtigen Spielort zur Verfügung, wo sich die Opfergesellschaft trifft,
deren Anwesenheit mittelbar Knemons Brunnensturz verursacht; und würde
,Euclio‘ nicht in den Tychetempel gehen wollen, träfe er nicht mit ,Megador‘
zusammen, dessen Verhalten ihn wiederum veranlaßt, seinen Schatztopf im
Tempel zu deponieren usw. In beiden Fällen dient also der Kultort der Pro-
loggottheit auch der Verwirklichung von deren Handlungszielen. Viertens
(und das reicht eigentlich über den fünften Akt, auf den ich mich konkret
beziehe, hinaus): In Dysk. ε  sind zwar der naiv-utopische Sostratos mit seinem
Hochzeitsplan für Gorgias und der im Grunde seines Wesens misanthropisch
bleibende Knemon als Charaktere gut gezeichnet, aber dem jungen Menander
ist es, da das Hauptproblem der Handlung für beide schon in δ gelöst wurde,
nicht gelungen, auch die Handlung als solche bis in den fünften Akt drama-
turgisch am Leben zu erhalten. Im ‚Geizigen‘ ist der fünfte Akt (aber nicht nur
dieser) in jeder Hinsicht wirkungsvoller und (im Sinn Menanders) komischer:

145 Vermutungen zum fehlenden Aululariaschluß: Text bei Anm. 103f.


Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 281

In der Handlungsdramaturgie, weil sich die Lösung für ,Euclio‘ erst nach dem
‚tragischen‘ Aktbeginn, also in lange durchgehaltener Spannung abzuzeichnen
beginnt, aber auch weil in der ersten Sequenz beide Akteure in gleicher Weise
die ‚Bestrafung‘ durch das komische Aneinandervorbeireden verdienen
(,Euclio‘ für den Geiz, ,Lyconides‘ für sein spätes Geständnis). In der Fröh-
lichkeit des versöhnlichen Ausklangs, weil Knemon nach seinem Mensch-
lichkeitsanfall in δ am Schluß von ε wieder in seine mürrische Art zurück-
fällt, ,Euclio‘ aber seinen Schatz erst ganz zum Schluß und ohne Widerruf
losläßt, also für die Zuschauer dionysisch ‚gelöst‘ bleibt. Schließlich in der
dezenteren Humanität, mit der die Haltungsänderung der ‚negativen‘
Hauptfigur begründet wird: Knemon wird im Brunnensturz äußerlich
erschüttert, in der Sicherheit seiner Anschauungen durch deren handgreif-
liche Widerlegung durch Gorgias’ Hilfsbereitschaft; ,Euclio‘ braucht zwar
auch den Schock des Schatzdiebstahls, aber er springt doch selbst über die
Hürde seines Mißtrauens und beginnt, ,Lyconides‘ auf dessen Wort hin zu
vertrauen, noch ehe es durch die Tat (der Schatzrückgabe) bestätigt wird.
Die Verse 772–777, in denen ‚Euclio‘ die äußere Handlung dadurch über-
holt, daß er fähig wird, ,Lyconides‘ zuzuhören, sind für mich das menand-
rischste Menander-Einsprengsel des letzten Akts. (Wird fortgesetzt.)

[Erklärungen zu Adolf Primmers Strukturplänen siehe S. 349]


282 II. Handlungsgliederung
Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus 283
284 II. Handlungsgliederung
27
Eckard Lefèvre: Plautus’ Aulularia. 27
Tübingen: Narr, 2001 (ScriptOralia 122).
Rezension*

L(efèvre)s Unternehmen, in allen römischen Komödien möglichst viele


Spuren original italischer Spieltraditionen nachzuweisen, nähert sich mit
diesem Band seinem Abschluß. Die ‚Lefèvreschule‘ hat in den letzten Jahr-
zehnten die Quellenanalyse zur hellenistisch-römischen Komödie mitge-
prägt, und die Einordnung ihrer teils wertvollen, teils provokanten Anre-
gungen verlangt nach exakter Methodenreflexion. Dafür bietet nun gerade
die Aulularia eine besonders günstige Gelegenheit. In der Mehrzahl der
Fälle kommt ja die Palliatenanalyse – zumindest dem äußeren Anschein
nach – bei verschiedenen Arten der Fragestellung1 nur zu wenig gesicher-
ten Resultaten.2 Da auch die Spezialisten oft uneins sind, liegt der Ver-
dacht nahe, diese Forschungsrichtung könne per se, da sie stets mit indi-
rekten Vergleichen operieren muß, kaum über das subjektive Gegenüber-
stellen konkurrierender Möglichkeiten hinauskommen. Daß solche Skepsis
jedoch unangebracht ist, bitte ich mithilfe der Analysekriterien zu überprü-
fen, auf welche sich diese Rezension beruft. Sie beruhen erstens und vor
allem darauf, daß wir seit der zweiten Welle der Menanderfunde (ab 1959)
die alte analytische Grundaufgabe, nach der einheitlichen Konzeption der
Originale zu suchen (natürlich um dann vor deren Hintergrund die Eigen-
leistung der Römer zu wür-||digen), präziser formulieren und in Angriff 28
28
nehmen können. Da wir immer konkreteren Einblick in Menanders Kunst
der οἰκονοµμίία gewonnen haben,3 kann unser generelles Analyseprogramm
jetzt lauten: Wir müssen an jede Palliata (a) zuallererst unvoreingenommen
mit der Frage herantreten, ob oder inwieweit auch bei ernstlichen Anstößen

* Zuerst abgedruckt in Gnomon 76 (2004), S. 27– 34.


1 Ausgewogene Kürzestinformation zu den derzeitigen Forschungsrichtungen:
Richard Hunter: „Bibliographical Appendix“, in: George E. Duckworth: The Na-
ture of Roman Comedy. A Study in Popular Entertainement. 4. Aufl. Norman 1994,
S. 467f. Vgl. ergänzend Jürgen Blänsdorf: „Allgemeine Züge der Palliata“, in:
Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, hg. von Reinhart Herzog. Bd. 1: Die
archaische Literatur von den Anfängen bis Sullas Tod. Die vorliterarische Periode und die
Zeit von 240 bis 78 v. Chr., hg. von Werner Suerbaum. München 2002, § 126 lit. f.
2 Vgl. für die einzelnen Plautusstücke den jeweiligen Abschnitt „Forschungspro-
bleme“ bei Jürgen Blänsdorf: „T. Maccius Plautus“, in: Herzog: Handbuch der la-
teinischen Literatur der Antike (Anm. 1), § 127.
3 Vgl. etwa Netta Zagagi: The Comedy of Menander. Convention, Variation and Origi-
nality. Bloomington, Indianapolis 1995.
286 II. Handlungsgliederung

eine ursprüngliche Gesamthandlung erhalten und erkennbar blieb, 4 und


zwar eine Gesamthandlung, die sich (b) sowohl vom Inhalt her in jeweils
stiladäquater Dynamik entwickelt, steigert und ausklingt,5 als auch (c) for-
mal den Strukturregeln der Personen- und Handlungsführung im hellenis-
tischen Fünfaktschema entspricht. Natürlich sind dabei auch (d) die römi-
schen Bearbeitungspraktiken ins Kalkül zu ziehen, die wir dank dem Dis
exapaton/Bacchides-Paralleltext, dank der vergleichenden Bestandsaufnahme
von typischen Dialog-, Szenen- und Figurenumformungen6 und dank der
durch die Lefèvreschule intensivierten Betrachtung von Plautinismen un-
ter dem Aspekt der Stegreifspieltradition jetzt ebenfalls besser kennen.
Dieses Programm habe ich übrigens bei meiner eigenen Aulularia-
Analyse selbst nicht ganz erfüllt – jedenfalls ohne die Mitforscher zunächst
zu überzeugen.7 Ich wollte an Ludwigs8 grundlegenden Nachweis der in-
haltlichen Kohärenz der Gesamthandlung9 ergänzend und korrigierend
anknüpfen; aber die vorwiegend formale Strukturanalyse, mit der ich mich
gegen die von Ludwig zu Beginn der neuen Aera noch angenommene
undramatische innere Struktur und gegen seine Überschätzung der fakti-
schen Nähe zum Original wandte, wurde (wenn auch wohl zu Unrecht)
nicht als beweiskräftig akzeptiert. Darum werde ich mich im folgenden
hauptsächlich auf seinerzeit im Hintergrund gebliebene Inhaltskriterien
stützen, was gerade bei der Aulularia leicht fällt.

4 Die Bedeutung der Gesamtstruktur für die Analyse betont soeben in ähnlicher
Weise J. Christopher B. Lowe: „Struttura greca e strutture plautine nei Captivi“,
in: Lectiones Plautinae Sarsinatae 5 (2002), S. 17–28 (hier bes.: S. 22f.). Vgl. Adolf
Primmer: Handlungsgliederung in Nea und Palliata. Dis Exapaton und Bacchides. Wien
1984 (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Phi-
losophisch-Historische Klasse 441) [71–166].
5 Ich vermeide die (in ihrer Brauchbarkeit noch umstrittenen) Termini Protasis –
Epitasis – Katastrophé; jedenfalls muß der Handlungsinhalt irgendwie dramatisch
effektvoll aufgebaut sein.
6 In dieser Richtung arbeitet auf E. Fraenkels Spuren seit längerer Zeit v. a. J.
Christopher B. Lowe, siehe etwa „Aspects of Plautus’ Originality in the Asinaria“,
in: Classical Quarterly 41 (1992), S. 152–175 (mit einleitendem Referat zur For-
schungsgeschichte).
7 Adolf Primmer: „Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus“, in: Wiener Studien 105
(1992), S. 69–127 [225–281]. Zustimmend äußert sich jüngst Walter Stockert:
„Sull’originalità di Plauto. Metafore e similitudini nell’Aulularia“, in: Lectiones Plau-
tinae Sarsinatae 3 (2000), S. 15–30 (hier: S. 16f.).
8 Walther Ludwig: „Aulularia -Probleme“, in: Philologus 105 (1961), S. 44–71, 247–262.
9 Zur Erinnerung: Ziel der Prologgottheit ist die bürgerliche Versorgung der braven
Tochter Euclios; darum veranlaßt die Gottheit – auf komödienhaften Umwegen –
den jungen Mann, der das Mädchen vor neun Monaten unerkannt vergewaltigt hat-
te, endlich zum Geständnis seiner Liebe, und den knausrig-mißtrauischen Euclio, den
sie einen Schatz hatte finden lassen, dazu, diesen Schatz als Mitgift herauszurücken.
Rezension E. Lefèvre 287

Denn neben dem skizzierten generellen Analyseprogramm kommen


uns hier – zweitens – spezifische Faktoren zu Hilfe, die unsere sicheren
Resultate nochmals absichern: die erkennbare inhaltlich-dramaturgische
Verwandtschaft von Me-||nanders Geizigem mit dem Dyskolos,10 dann das 29
29
Gewicht einer erst 1982 richtig gedeuteten Aulularia-Stelle sowie ein indi-
rektes Quellenzeugnis zum Geizigen.
Nun also von Ludwigs These der Originalnähe und von meinem Ur-
teil „Original stark überarbeitet, aber gut rekonstruierbar“ zu L.s „Im we-
sentlichen original plautinisch“. Um plausibel zu machen, daß Plautus die
erst von ihm konzipierte Handlung von dem (nicht geizigen, sondern)
mißtrauischen Euclio, der seinen diebstahlsgefährdeten Schatztopf retten
will, einem verstümmelten Original übergestülpt hat, welches nur mehr
hypothetisch greifbar ist, trägt L. alle denkbaren Verstöße gegen ein ‚idea-
les‘ Nea-Konzept zusammen. Sein Buch ist im Großen klar gegliedert und
materialreich dokumentiert, nach den aus seinen neueren Palliatenanalysen
geläufigen Hauptaspekten. Die beiden Randkapitel sollen unseren analyti-
schen Blick einschulen und auf einen möglichst weiten Horizont richten.
Kap. 1 „Forschung“ (S. 11–17) gibt einen Überblick über die bisherige
Aulularia-Kritik, der nützlich ist, aber von weniger radikalen Urteilen bis-
weilen nur den negativen Teil hervorhebt.11 Kap. 5 „Rezeption“ (S. 157–
201) beobachtet neuzeitliche Dichter als Analytiker: ihre Veränderungen
am Plautusstück können auf dessen Schwachstellen hinweisen (z. B. füllen
die meisten die in der Aulularia verkürzte Liebeshandlung wieder auf).
Unkundige – wie ich – finden hier übrigens bequemen Zugang (nebst
Analyse und Sekundärliteratur) zu ausgewählten Nachfolge-Komödien,
von de’Medicis Aridosia (1536) bis Lenz’ Die Aussteuer (1774).
Die Hauptarbeit an den Problemen, vor die uns der Text stellt, erfolgt
natürlich in den Kapiteln 2 „Analyse“ (S. 19–50) und 3 „Struktur“ (S. 51–
135). Kap. 2 will (gleichsam negativ) nachweisen, wie griechenferne die
Aulularia ist. Angesichts der Unmöglichkeit, die detail- und hypothesenrei-
che Argumentation ausführlich zu referieren, verzeichne ich zunächst v. a.
jene unerklärten oder jedenfalls immer wieder diskutierten Fragen und
Anstöße, die im Hinblick auf die Gesamthandlung ins Gewicht fallen.
L. registriert Ungriechisches unter folgenden Teilabschnitten: 1. Göt-
ter: (1a) Spricht ein griechisches Äquivalent des Lar den Prolog? (1b) Wie
steuert die Prologgottheit die Handlung um den Goldschatz? – 2. Intrige:12

10 L. übertreibt, wenn er (S. 127) Sandbachs (von diesem selbst bezweifelte) Vorbe-
halte gegen die communis opinio zu einem „keineswegs gesichert“ hochspielt.
11 Eine bedauerliche Lücke: Walther Kraus: „Menanders Humanität“, in: Ders.: Aus
Allem Eines, hg. von Hubert Petersmann. Heidelberg 1984, S. 290–308 (urspr. in:
Wiener Humanistische Blätter 13 [1971], S. 7–24).
12 Dieser Abschnitt ist mit L.s Besprechung des Plautinischen in Aul. IV 1–6
(Kap. 3, S. 83–89) zusammenzunehmen.
288 II. Handlungsgliederung

(2a) Ein griechischer Sklave würde nicht aus Eigennutz gegen das Interes-
se seines verliebten Herrn agieren. (2b) Die Szenenfolge mit der doppelten
Belauschung Euclios durch den Sklaven des Lyconides wirkt unerträglich
plump. – 3. Sklaven: Gibt es überhaupt zwei Sklaven, einen des Megadorus
und einen des Lyconides? – (Zu 4. „Köche“ siehe unten S. 32, Anm. 24) –
5. Euclio: (5a) Er ist im Prolog als geizig präsentiert, im Handlungsverlauf
als mißtrauisch. (5b) Die Aussage der Prologgottheit feci thesaurum ut hic
reperiret Euclio, quo illam facilius nuptum, si vellet, daret (v. 26f.) ist nicht in das
Stück zu integrieren. – 6. Anagnorisis: (6a) Megadorus macht als billiges
Werkzeug des Prologgottes eine zu lächerliche Figur.13 (6b) Die Lyconi-
deshandlung ist in Voraussetzungen und Durchführung schlecht motiviert.
30
30 Beispiele dafür, wie L. mit diesen Anstößen in der konkreten Einzel-
argumentation verfährt, folgen unten. Jedenfalls eliminiert er die meisten
Anstöße, indem er umfangreiche Handlungsteile dem Original völlig ab-
spricht (nicht etwa sie als bloß von Plautus überarbeitet zu restituieren
sucht). So kommt seine Analyse zu folgendem Resultat:14 Was die Haupt-
handlung um Euclio betrifft, stammen alle Szenen(teile) von Plautus und
nur von Plautus, in welchen Euclio mißtrauisch (Anstoß 5a) den Verlust
seines Schatzes befürchtet und erleidet, also vor allem die Szenen der
Konfrontation Euclio/Strobilus beim Tempel (im Original gab es den
zweiten Strobilus gar nicht: Anstöße 2 und 3).15 Überhaupt ließ die grie-
chische Prologgottheit Euclio den Schatz erst im Verlauf des Spiels finden,
im Rahmen einer uns nicht mehr kenntlichen Schatzhandlung, etwa bei
der Peripetie der Nebenhandlung um Phaedrias Vermählung (Anstöße 1
und 5b). Diese Liebeshandlung hat Plautus durch starke Kürzung ebenfalls
unrekonstruierbar gemacht (Anstoß 6): Man erkennt nur, daß Euclio aus
Geiz den reichen Megadorus als Schwiegersohn dessen armem Neffen
Lyconides, der ebenfalls um Phaedria warb, vorzog (5b). Schließlich wurde
Megadorus als Vater von Euclios Ziehtochter Phaedria erkannt und Ly-
conides bekannte sich zu seiner Vaterschaft (Anstoß 6).
Kap. 3 soll komplementär zu Kap. 2 vorwiegend der Erfassung des
eigentlich Plautinischen dienen. L. bespricht (unter 1. Diskontinuität, S. 51–
94) die Aulularia Szene für Szene durch, mit dem Ziel, Plautus’ jeweils nur
auf Augenblickswirkung zielende Handlungsführung nachzuzeichnen.16 Es

13 Von diesem Anstoß ist (siehe Vorwort S. 9) L. zu seiner Analyse angeregt worden.
14 Vgl. das jeweilige „Fazit“ am Schluß der sechs Teilabschnitte.
15 Mit dem Schatzdiebstahl verschwindet notabene aus dem Original auch die bis in
die Neuzeit wirkmächtige paratragodische Klage Euclios um den Schatz und das
berühmte Aneinandervorbeisprechen Euclio/Lyconides über aula und puella.
16 L.s Bemerkungen zu den einzelnen Szenen sind von höchst unterschiedlicher
Qualität, weil sie auf den fraglichen Analyseresultaten von Kap. 2 aufbauen. Z. B.
kann die Gesamtkonzeption der Schatzhandlung kaum unter die Kategorie ‚Dis-
kontinuität‘ fallen.
Rezension E. Lefèvre 289

folgen (sub 2, bis S. 98) Singspielelemente mit musikalischer Klang- und


Responsionswirkung, dann (sub 3, bis S. 130) eine ganze Reihe inhaltlich
und strukturell dem Stegreifspiel verwandter Phänomene. Hier kommt der
Forschungsansatz der Lefèvreschule am fruchtbarsten zur Geltung.
L. arbeitet folgende Kategorien heraus: Metatheater (Wendung an die
Zuschauer), Satire (Kritik am Frauenluxus, ihrerseits karikiert), das „Ge-
renne“ Euclios und der Köche, Streitgespräche, Monologe, Aparte, Meta-
phern-Exuberanz,17 Sklavenspiegel, Irrealität der Zeit und des Orts. Frag-
lich ist an dem anregenden Abschnitt nur die Tendenz, aus plautinischen
Änderungen in Form und Stil auf original plautinische Inhalte zu schlie-
ßen. Schließlich wird (sub 4) hypothetisch Handlung und Struktur des
Originals skizziert. – Kap. 4 „Weltbild“ (S. 137–156) versucht auf dieser
Basis die Grundhaltung der beiden Stücke zu vergleichen, mit anregenden
Gedanken über das plautinische Zerrbild der römischen Gesellschaft nach
195 v. Chr.; L. rechnet mit satirischen Anspielungen auf den Cato Censo-
rius der ausgehenden Neunzigerjahre.
L.s Analyse ist in ihrer Radikalität trotz richtiger Teilerkenntnisse aufs
Ganze gesehen unglaubwürdig. Es ist nicht nur literarhistorisch unwahr-
scheinlich, daß || Plautus – der Diskontinuitätsspezialist – selbständiger 31
31
Schöpfer einer ‚ganzen‘ Komödienhandlung gewesen sein soll, noch dazu
angesichts von deren Dyskolos-Nähe; L. verstößt auch gegen zwei Postulate
des eingangs formulierten Analyseprogramms. Er sucht zum einen nicht
unparteiisch nach dem griechischen Vorbild, sondern argumentiert viel zu
oft arbiträr, gleichsam nach der Devise „Vom größten zu nehmenden
Anstoß zur größten anzunehmenden Umarbeitung“. Dabei achtet er zum
zweiten zu wenig auf die dramaturgischen Notwendigkeiten des dynami-
schen Handlungsfortschritts, akzeptiert z. B. – im Gegensatz zur griechi-
schen Praxis – keine Spannung zwischen dem, was die Zuschauer von der
Prologgottheit erfahren und was sie während des Spiels erleben.18 Mit
anderen Worten: L. rechnet viel zu selten mit relativ leichten plautinischen
Retuschen und beruft sich viel zu oft auf eine unmenandrisch unlebendige
οἰκονοµμίία. Belege für dieses Urteil liefert bereits der Abschnitt „Götter“
von Kap. 2 in hinreichender Menge.
In einem ersten Schritt (zu Anstoß 1a) wendet sich L. zwar zu Recht,
weil im Rahmen menandrischer Götter- und Prologtechnik, gegen die

17 Ausführlich, aber nicht erschöpfend S. 117–129. Z. B. ist neben Lyconides’


Anspielung auf die Komitien in v. 700 jene in v. 684 ignoriert (S. 128); die
Responsion ist wichtig, weil sie u. a. stark gegen Zwierleins Athetesenkriterien
spricht (vgl. Primmer: „Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus“ [Anm. 7],
S. 106f. [260–262]).
18 Das ist relevant für Anstoß 1b, 5a, 5a, 6b. Vgl. dazu etwa Zagagi: The Comedy of
Menander (Anm. 3), Kap. 6, „Divine Interventions and Human Agents“; speziell
zu Dyskolos und Aulularia: S. 156–176.
290 II. Handlungsgliederung

Dreizahl Lar – Fides – Silvanus: Prologsprecher muß im Original jene


Gottheit gewesen sein, die – wie Pan im Dyskolos – den Tempel in der
Bühnenmitte bewohnt (eine gute Möglichkeit: Tyche 19). Zugleich mit der
Person von Lar und Fides kritisiert L. aber auch ihre Funktionen – und die
Tyches – in der Handlung. Der Lar spiele später keine Rolle (gewiß, eben
weil er mit Tyche identisch war); auch erfahre Strobilus vom Schatzver-
steck nur durch Zufall, nicht durch göttliches Walten (aber der Schatzver-
lust des mißtrauischen Euclio erfolgt ebenso ‚zufällig‘ wie der Brunnen-
sturz des menschenscheuen Knemon). Auch die Vorgänge um Fides sehen
„mehr nach plautinischer Pointe als nach griechischer Theologie“ aus (ja,
soweit es um Wortwitze geht); vor allem die Szenenfolge IV 1–6, die in
IV 2 mit Euclios belauschtem Gebet an Fides ihren törichten Höhepunkt
hat, gehe ganz aufs Konto des Plautus (=  Anstoß 2b; man kann aber statt
v. 582–681 auch bloß die inkriminierte erste Lauschszene streichen, etwa
v. 614–623, also 10 Verse statt 100, und sonst mit vergröbernder Umar-
beitung rechnen20). Warum durften nun griechische Zuschauer, die Tyches
Prolog hörten und ihren Tempel ins Spiel um den Schatztopf einbezogen
sahen, sie laut L. trotzdem nicht als unsichtbar die Fäden ziehende Gott-
heit betrachten? Weil der Schatz – anders als der plautinischen Fides –
Tyche nicht gleichgültig war (S. 22):

Sie konnte weder zulassen, daß er erfolglos [aber mit Folgen für
Euclios Seelenruhe] in einen etwaigen Pan-Hain transportiert
wurde, noch, daß Strobilus ihn stahl. Daß die Göttin der Fügung
in diesem Handlungs-Zickzack eine höhere Fügung versteckt
hätte, wird man lieber nicht annehmen21 … (Daher trug Euclio
den Schatz) – wie es überhaupt am nächstliegenden ist [!] – nicht
mit sich herum, raubte der Sklave ihn nicht22 und gab ihn Ly-
32
32 conides auch nicht dem Bestohlenen zurück. 23 Plautus || führt
die Handlung wie so oft gegen jedes εἰκόός.

19 Doxographie bei L. S. 21f. mit Anm. 16–20. Ein für alle Male erwähnt sei, daß die
Anmerkungen zu meinem rekonstruierten Aufbauschema des Geizigen (Primmer:
„Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus“ [Anm. 7], S. 120ff. [274ff.]) vielfach auf er-
gänzende textinterpretierende und formal-strukturelle Argumente weiterverweisen.
20 Die leichten szenischen Umstellungen, die dabei nötig sind und zugleich eine von
Plautus überbrückte Aktpause restituieren, kennen wir aus Dis exapaton/Bacchides.
21 Ausgerechnet ein Komödiengott darf offenbar nicht ‚auch auf krummen Zeilen
gerade schreiben‘.
22 L. begründet dies anschließend (S. 23f.) mit dem an sich plausiblen Anstoß 2a.
Aber der Sklave konnte bei Menander auch das uneigennützige Motiv haben, den
Brautvater Euclio am sofortigen Beginn der Hochzeitsfeier zu hindern.
23 L. (S. 23): „Der Raub ist nur dazu da, den Adulescens durch die Rückgabe der aula
an Euclio einen guten Eindruck auf diesen machen zu lassen; er hat somit im Blick
auf Lyconides [Genügt nicht der Blick auf Euclio?] nicht eine handlungslogische,
Rezension E. Lefèvre 291

Zu so zuversichtlich gefällten Urteilen passen dann auch die weiteren


Vermutungen, daß der Sklave den Schatz – in einem anderen Handlungs-
zusammenhang – nicht gestohlen, sondern gefunden habe oder daß gar
kein Koch in Euclios Haus gekommen sei,24 also dort den beim Herd ver-
steckten Schatztopf gar nicht gefährdet habe. Gerade in eine solche Situa-
tion paßt aber ein entscheidendes Gegenzeugnis, nämlich der bei Chori-
kios als menandrisch belegte Geizige, der in der Angst lebt, der Rauch (!)
könne ihm etwas aus dem Haus tragen25 – womit Chorikios übrigens auch
die Zusammengehörigkeit von Geiz und ängstlichem Mißtrauen bezeugt,
gegen die sich L. (S. 36) abermals auf den Widerspruch Prolog vs. Hand-
lung beruft (Anstoß 5a).
Wenn diese Beispielreihe ihren Zweck erfüllt und unser Analysepro-
gramm sich als brauchbares Instrument der Kritik bewährt hat, wie ich
hoffe, bleibt noch zu demonstrieren, daß es nicht bloß zu relativ besseren,
sondern zu voll abgesicherten Gesamtanalysen führen kann. In der Tat ist
für den Geizigen eine Doppelhandlung wiedergewinnbar, die in ihrer Quali-
tät als gut menandrisch bezeichnet werden muß. Der Rez. kann darum
auch zu Anstoß 6 L. den Vorwurf nicht ersparen, daß er die zumindest im
szenischen Duktus durchführbare Rekonstruktion der Liebeshandlung als
originaler Haupthandlung ignoriert oder verabsäumt hat. Zunächst aber
nochmals zu Euclio, dessen Charakter sich als eindeutig durchgehaltenes
Movens einer klar durchgestalteten und wahrhaft komischen Handlung
erweist, sobald man die Folgen durchdenkt, die sich aus der Übersiedlung
der Prologgottheit von Euclios Haus in den Tempel und aus der behutsa-
men Zurücknahme jener plautinischen Übertreibungen ergeben, die den
Sklaven des Lyconides zum possengerechten Triumphator umstilisieren.
‚Tyche‘ führt als göttliche Herrin des komischen Spiels und zugleich
als Hypostase des Dichters26 Euclio undifferenziert, ja leicht irreführend
als habgierig ein; zur wesentlichen und typischen Wirkung der Komödie
wird ja die überraschende menschliche Lösung menschlicher Verkramp-

sondern eine psychologische Funktion.“ Die unfruchtbare Opposition psychologi-


sche statt handlungslogische Wirkung kritisiert z. B. auch Peter G. McC. Brown: „E.
Lefèvre, Terenz’ und Menanders Heautontimorumenos“, in: Gnomon 71 (1999), S. 661.
24 Das begründet L. S. 30, im Unterabschnitt ‚Köche‘, damit, daß Congrio, indem er
Euclio veranlaßt, den Topf aus dem Haus zu schaffen, „eine … berufsfremde
Aufgabe wahrnimmt. Der Koch wird … uneigentlich verwendet. Man fragt sich,
ob ein attischer Dichter das getan hätte“.
25 Zu Wortlaut und Sinnzusammenhang von Chorik. 32, 73 siehe David Bain: „A
Recent Suggestion About the Original of Plautus’ Aulularia“, in: Liverpool Classical
Monthly 17 (1992), S. 68–70.
26 Im Sinn von Kraus: „Menanders Humanität“ (Anm. 11), S. 297. – Die Interpre-
ten sollten an Menanders Götter nicht wörtlicher glauben als der Dichter selbst
z. B. an die Agnoia der Perikeiromene. Jedenfalls kann Menander zwischen den An-
schauungen des Publikums und seinen eigenen hin und her wechseln.
292 II. Handlungsgliederung

fungen gehören. Die Zuschauer lernen dann Euclio schon in Akt α und β
als achtbaren, wenn auch übertrieben sparsamen Mann kennen, dessen
latenter Hang zum Geiz durch den kürzlich erfolgten Schatzfund aktuali-
siert wurde und sich jetzt als krankhaftes Mißtrauen auswirkt. 27 Seine
Angst um den Schatz ist es auch, was ihn in Aul. II 2 für seine Tochter die
Vermählung sine dote aushandeln läßt, welche Tyches eigentlichem Hand-
lungsziel ebenso fern liegt wie der Bräutigam Megadorus. In den bewegte-
ren Akten γ und δ scheitert Euclios Kalkül: Sein Mißtrauen gegen den
Koch des Hochzeitsmahls zwingt ihn, mitsamt dem Schatztopf aus dem
33
33 Haus zu flüchten (II 8 – III 3). || Aus Mißtrauen gegen eine harmlose Be-
merkung Megadors (III 6, v. 569ff.) deponiert er den Schatz bei Tyche, der
er sowohl Tochter wie Schatztopf ans Herz legt. 28 Als er dann (in δ) bei
einem Kontrollgang im Tempelbereich auf den Sklaven des Lyconides
stößt, der die Hochzeitsvorbereitungen ausspionieren soll, bewirkt aber-
mals sein Mißtrauen, daß der zuvor ahnungslose Sklave hellhörig wird und
ihm dann auch vor die Stadt hinaus nachschleicht.29 Ich breche hier ab,
teils weil jedermann die Schlußwendungen kennt, vor allem aber, weil
bereits nach unseren Retuschen an IV 2f. feststehen sollte, daß Menander
das ganze komisch-ironische Spiel um den sich selbst in Katastrophe und
Läuterung treibenden Geizigen so konsequent durchgeführt hat, wie es
Plautus nie zuzutrauen wäre.
Von der verkürzten Liebeshandlung des Geizigen können wir mit in-
haltsanalytischen Argumenten entscheidende Teile sicher, andere wahr-
scheinlich rekonstruieren bzw. von plautinischer Überarbeitung befreien:
sicher die Sequenzen aus Akt α und β (womit auch der Rahmen abgesteckt
ist, in dem sich sowohl die Charaktere von Lyconides und Megadorus

27 Zur differenzierenden Korrektur des Prologeindrucks siehe bes. v. 106 –117, 171f.,
206, 215f. – Die griechischen Aktbezeichnungen (deren Abgrenzungen in Prim-
mer: „Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus“ [Anm. 7] begründet werden) die-
nen übrigens hier nur der Übersichtlichkeit, nicht zur Strukturanalyse.
28 Laut v. 385–387 hatte er ja Tyche Weihrauch und Kränze für eine glückliche
Hochzeit darbringen wollen; als er ihr nun auch den Schatz anvertraut, wird der
Zuschauer deutlich daran erinnert, daß sie alle Handlungsfäden zieht.
29 Zur näheren Begründung der Analyse von IV 2f. bzw. der Aktfuge γ/δ, wo das
Dis-exapaton-Beispiel eine bestätigende Rolle spielt, muß ich auf Primmer: „Der
‚Geizige‘ bei Menander und Plautus“ (Anm. 7) verweisen. – Im übrigen fällt hier
eine Entscheidung zu Anstoß 3: Da Euclio den Sklaven des Lyconides in der
Verhörszene IV 4 nicht kennen darf, kann dieser nicht zugleich Sklave des Me-
gadorus sein. Der alte Versuch, Megadorus und Lyconides gemeinsam, also auch
nur mit einem Sklaven, in einem Bühnenhaus wohnen zu lassen (L. S. 26), schei-
tert: Mutter Eunomia kommt von außen zu Megadorus (v. 145) und verabschiedet
sich wieder (v. 175f.); Lyconides’ Formulierung aedes nostras beweist gar nichts,
weil sie in der gelösten Stimmung des 5. Akts fällt. Die Frage, wie die zwei Sklaven
zu dem einen Namen Strobilus kommen, bleibt ungeklärt.
Rezension E. Lefèvre 293

bewegen als auch L.s Anstöße 6a und 6b verschwinden), mit ausreichender


Wahrscheinlichkeit mindestens eine Lyconides/Staphyla-Szene in γ. In δ
erweisen sich die Verse 682–700 als Ersatz der ganzen zweiten Akthälfte.
Allerdings sind für diese Gesamtlösung zwei Voraussetzungen im Umgang
mit dem Text zu erfüllen: Es gilt, zum letzten Mal eine Differenz zwischen
Prolog und Spiel als dramaturgisch sinnvoll zu akzeptieren, sowie die von
E. Woytek 1982 entdeckte richtige Interpretation von v. 683f. endlich zur
Kenntnis zu nehmen.30
Punkt eins führt mindestens auf je eine Szene in α und γ: Laut Prolog
(v. 29) weiß anfangs nur Lyconides, daß er Phaedrias unbekannt gebliebe-
ner Vergewaltiger war,31 und laut v. 30 mit 74f. weiß nur die treue Magd,
daß Phaedria hochschwanger ist. Von da – und der notwendigen Informa-
tion des Publikums über Lyconides’ Motive seiner Inaktivität in α32 – ist es
ein weiter Weg bis zur Peripetie in δ.33 Dort bittet er, der inzwischen in γ
mit Staphyla gesprochen und von der Schwangerschaft erfahren haben
muß, seine Mutter Eunomia, jetzt, wo sie alles wisse (das heißt nach sei-
nem Geständnis der Vergewaltigung und der Schwangerschaft), Megado-
rus zum Rücktritt von seiner Heiratsabsicht zu veran-||lassen. Punkt zwei 34
34
führt auf eine Szene Lyconides/Eunomia am Ende von α: v. 684 resecro …
quod dudum obsecraveram kann nur heißen: ‚Ich nehme, wie ein Angeklagter
im Komitialprozeß (vgl. v. 700 de capite meo sunt comitia) die feierliche Be-
schwörung zurück, mit der ich dich vorhin zum Schweigen verpflichtet
hatte‘. Diese Schweigeverpflichtung muß aber dramaturgisch dem Besuch
Eunomias bei Megadorus vorausgegangen sein: Wenn nämlich Lyconides
seine dringende Bitte z. B. mit seinem Stolz oder seiner Scham begründet
hatte, aus der er den so großzügigen Onkel nicht veranlassen wollte, auch
noch eine junge Ehe finanziell zu unterstützen, dann werden nicht nur
Lyconides und Megadorus – gegen L.s Anstöße 6a und 6b – zu lebendigen
Gestalten, vergleichbar etwa mit dem Moschion der Samia bzw. dem Micio

30 Erich Woytek: T. Maccius Plautus, Persa. Einleitung, Text, Kommentar. Wien 1982
(Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-
Historische Klasse 385), S. 48, vgl. Primmer: „Der ‚Geizige‘ bei Menander und
Plautus“ (Anm. 7), S. 78 –80 [233–235]. L. hätte die analytischen Möglichkeiten,
die diese Verse bieten – und auf die inzwischen auch Stockert: „Sull’originalità di
Plauto“ (Anm. 7), S. 17 aufmerksam gemacht hatte – nicht ignorieren dürfen.
31 L.s Kritik (S. 41f.) an Unwahrscheinlichkeiten in der Vorgeschichte geht ins
Leere; diese bleiben innerhalb des Spiels ohne Belang, sind also auch nicht analy-
tisch zu hinterfragen.
32 Analog zum Dyskolos gleich in der ersten Sequenz nach dem Prolog.
33 Daß die Peripetie in δ-Mitte erfolgt, ist communis opinio; vgl. außer L. S. 133,
Anm. 556 z. B. auch (den Primmer-kritischen) Hugh Lloyd-Jones: „The Structure
of Menander’s Comedies“, in: Dionisio 57 (1987), S. 314 (zur Appendix-Natur je-
des bekannten 5. Nea-Akts).
294 II. Handlungsgliederung

der Adelphen. Der größere analytische Gewinn ist, daß hinter den plautini-
schen Witzeleien und Inkonsequenzen der Szene II 1 menandrische Ironie
sichtbar wird:34 Eunomia mochte, um den Verdacht eigennützigen Verhal-
tens von ihrem Sohn abzuwenden, ihrem Bruder raten, selber zu heiraten;
und als dieser sich ‚zufällig‘ entschließt, die arme Nachbarstochter zu hei-
raten, versiegelt ihr das Schweigeversprechen die Lippen.
Zum Abschluß drei weiterführende Hinweise: Die Ergebnisse der In-
haltsanalyse könnten, was den Gesamtverlauf der Menander-Handlung
von Sequenz zu Sequenz betrifft, zusätzlich durch den Nachweis abgesi-
chert werden, daß Personenführung und Aktstruktur allen formalen Regeln
der Nea zwanglos entsprechen. – Gewonnen wird damit eine Komödie,
die den Dyskolos des jungen Menander in jeder Hinsicht übertrifft. – Der
Ertrag für Plautus ist nicht minder beachtlich (und er ist zum Teil L.s
provokanter Problemstellung zu verdanken): Auf gesicherter Vergleichs-
basis, d. h. aufgrund eines verbesserten Kap. 2, könnte Plautus’ Fähigkeit
zur stilistisch einheitlichen Herabstimmung und Reduktion der Doppel-
handlung des Geizigen auf das satirisch-possenhafte Spiel um Euclio und
seine aulula weniger unter dem Hauptaspekt der Diskontinuität, der noch
immer auf die Analyse zielt, sondern positiv und synthetisch gewürdigt
werden.

34 L.s Fehlurteil in Kap. 3 (S. 61) „Es ging ehrbar zu, wie es sich für die γέέροντες
der Νέέα ziemte – gewiß auch etwas langweiliger als bei Plautus“ basiert klärlich –
wie in vielen Fällen, für die ich nur das eine Exempel zitiere – auf seiner mangel-
haften Analyse.
Akte und Spannung: Zur hellenistischen Theorie der
Komödienstruktur bei Aelius Donatus*

Donat hat uns in den Prolegomena de comoedia zu seinem Terenzkommen-


tar einen besonderen Schatz aufbewahrt: die einzigen erhaltenen Belege
über die strukturelle Teilung der Handlung (des µμῦθος, der fabula, des plot)
eines antiken Dramas in die drei Phasen Protasis, Epitasis und Katastro-
phé. Von den betreffenden zwei Passagen wird die erste (de com. 4, 5) Do-
nats Vorgänger in der Terenzerklärung, dem wohl eine Generation älteren
Euanthius, zugeschrieben, doch ist der Zweifel, ob das wie ein Nachtrag
zu c. 1–3 wirkende c. 4 tatsächlich von Euanthius stammt, noch nicht
verstummt;1 die zweite Fassung (de com. 7, 1–4) stammt sicher von Donat.
Das Lehrstück, nach welchem die Handlung des Dramas der ge-
schlossenen Form in die genannte Dreiphasenstruktur deskriptiv geglie-
dert ist oder präskriptiv gegliedert sein soll, bekam bald nach dem Wieder-
auftauchen des ‚vollständigen‘ Donattexts seinen Platz in den Renais-
sancepoetiken; besonders das Verhältnis der drei Handlungsphasen zu den
von Horaz (ars p. v. 189f.) sanktionierten fünf Akten wurde || eifrig disku- 406
406
tiert.2 Und daß man die Begriffe Protasis – Epitasis – Katastrophé (im
Folgenden auch abgekürzt πεκ) bis heute in der Brockhaus Enzyklopädie
oder im Index von B. Asmuths viel benützter Einführung in die Dramenana-
lyse nachschlagen kann, mag ein erster kleiner Hinweis darauf sein, daß
Aelius Donatus nicht nur mit seiner Ars grammatica zu den ‚lateinischen
Vätern Europas‘ gehört.3
An den beiden Fassungen von 4, 5 und 7, 1–4 interessierte bisher
zumeist nur ihre gemeinsame Aussage, daß die einheitliche Handlung einer
‚guten‘ Komödie (dramaturgisch) in die Phasen der Exposition oder des
Handlungsanlaufs, der verstärkten Komplikationen und der glücklichen
Lösung gegliedert sein soll. Es lohnt sich aber durchaus, wie ich zeigen

* Zuerst erschienen in Acta Ant. Hung. 48 (2008), S. 405–432; DOI: 10.1556/-


AAnt.48.2008.3–4.8.
1 Vgl. Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, hg. von Reinhart Herzog und
Peter Lebrecht Schmidt. Bd. 5: Restauration und Erneuerung. Die lateinische Literatur
von 283 bis 374 n. Chr. München 1989, § 526. 2. – Argumente für Euanths Autor-
schaft: unten Anm. 5.
2 Dazu Hans Günther Bickert: Studien zur Exposition im Drama der tektonischen Bau-
form. Terminologie, Funktion, Gestaltung. Marburg 1969, S. 22–39; vgl. Bernhard
Asmuth: Einführung in die Dramenanalyse. Stuttgart 1980, S. 130.
3 Vgl. Wolfram Ax (Hg.): Lateinische Lehrer Europas. Fünfzehn Portraits von Varro bis
Erasmus von Rotterdam. Köln, Weimar, Wien 2005.
296 II. Handlungsgliederung

möchte, Donat und Euanth in bewußter Differenzierung zu interpretieren


und sie in der Absicht miteinander zu vergleichen, sie als Kommentatoren
und Poetologen möglichst präzis und plausibel in den Entwicklungsgang
des antiken Dramas und seiner Literaturtheorie einzuordnen. In der Tat
verwenden und verändern sie beide ein älteres (ursprünglich griechisches)
Lehrstück im Zusammenhang der Terenzerklärung und -kritik in funktio-
nal je eigener Weise. Wenn wir so von Donat (sub II) zu Euanthius (III)
zurückgehen, können wir obendrein zu einer weiteren lateinischen Vor-
form des Dreiphasentheorems gelangen, die sich mit dem Namen Aemili-
us Asper verbinden läßt (IV); und dessen Fassung enthält wieder deutliche
Hinweise darauf, daß ihre griechische Quelle in der peripatetischen Tradi-
tion der Menanderexegese stand. Sehe ich diesen Zusammenhang richtig,
dann ist im übrigen nicht nur die philologische Neugier nach dem Weg
befriedigt, den ein Stück antiker Dramenpoetik bis Donat zurückgelegt
hat. Wir gewinnen zugleich eine (allgemein) für die konkrete Interpretation
antiker Dramen und die Quellenanalyse im Nea-Bereich bedeutsame Aus-
sage, nämlich einen klaren Hinweis auf die Art und Weise, wie die Nea-
Dichter in ihren dramentechnisch ausgereiften Komödien deren Fünfakt-
struktur und die innere Dynamik und Spannung4 ihrer dreigegliederten
Handlung miteinander zu vernetzen pflegten. Wir sollten also unsere
Quellentexte über die Dramenstruktur unter zwei Aspekten betrachten,
zum einen unter dem historischgenetischen der poetologischen Theorie-
bildung; davon ist aber zum anderen nicht zu trennen die Frage, wie die
maßgeblichen Dichter selbst (Beispiele im Anhang) die dramaturgische
Funktion der kombinierten Akt- und Phasenstruktur entwickelt und
schließlich so gekonnt eingesetzt haben, daß, wer auf dem Gebiet des
407
407 hellenisti-||schen Dramas als Forscher und Interpret tätig ist, nicht an den
Anregungen, die der Donatkommentar zur Würdigung ihrer Kunst der
Handlungsführung bietet, vorbei gehen dürfte.

***
I. Einige Vorbemerkungen zur Forschungslage in den beiden genannten
Problemfeldern, die uns übrigens bis zum König Ödipus zurückführen werden:

4 τάάσις sollte jedenfalls – wiewohl von Andreas Fuchs (Dramatische Spannung. Mo-
derner Begriff – antikes Konzept. Stuttgart, Weimar 2000 [Drama, Beiheft 11], S. 18f.)
und Gudrun Sander-Pieper (Das Komische bei Plautus. Eine Analyse zur plautinischen
Poetik. Berlin 2007 [Beiträge zur Altertumskunde 244], S. 125) ignoriert – als hel-
lenistischer Terminus für das Phänomen Spannung anerkannt werden (siehe auch
unten Anm. 53). Nichtgräzisten seien vor der Verführung gewarnt, τάάσις von
τάάσσω statt von τείίνω abzuleiten, wie z. B. das Reallexikon der deutschen Literatur-
wissenschaft (hg. von Harald Fricke et al. Berlin, New York 1997–2003) unter
„Protasis“.
Akte und Spannung 297

Was die poetologische Entwicklung betrifft, bietet Rainer Jakobis an


sich ertragreiche Arbeit über Donats Kunst der Exegese (Berlin 1996) einen
richtigen, aber von ihm nicht befriedigend weiter verfolgten Einstieg. In
der erklärten Absicht, Donat, den besten spätantiken Exegeten im lateini-
schen Bereich, vor dem Hintergrund der philologischen und poetologi-
schen Traditionen des Peripatos und der Alexandriner zu würdigen, pflegt
Jakobi jeweils die für die Arbeit des Kommentators wichtigsten Begriffe
zunächst dem Kommentar selbst zu entnehmen; so stellt er – übrigens auf
den Spuren von Henry W. Prescotts „The Comedy of Errors“ (1929) –
zutreffend fest, daß Donat, wenn er die dreiteilige Handlungsstruktur am
Exempel der Andria bespricht, besonders auf den error abhebt, in den sich
die Hauptgestalten des Stückes verwickeln.5 Prescotts Hinweise auf die
letztlich aristotelische Herkunft der handlungsanalytischen Begriffe Do-
nats sind allerdings bei Jakobi mit zu leichter Hand beiseite geschoben –
wofür ich zwei mögliche Ursachen sehe. Zum einen hat sich Jakobi auf die
Verbindung zwischen dem error Donats und der ἀπάάτη des Tractatus Cois-
linianus konzentriert, dessen Komik-Theorie dem error ebenfalls einen
sachlich adäquaten Platz zuweisen konnte: Als ‚Grundgerüst der Hand-
lung‘ aufgefaßt, trage und bewirke der error/die ἀπάάτη jene Komik, die
zusammen mit den ‚komischen Charakteren‘ eine Komödie im Wesentli-
chen zur Komödie macht und im Vergleich zu welcher andere Elemente
des Komischen (wie der Wortwitz) nur sekundär zur delectatio des Publi-
kums beitragen.6 Vielleicht hat also Jakobi schon deswegen Donats eigene

5 Rainer Jakobi: Die Kunst der Exegese im Terenzkommentar des Donat. Berlin 1996
(Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte 47), S. 152. – Um ein
mögliches Mißverständnis erst gar nicht aufkommen zu lassen: error ist nicht aus-
schließlich ein ‚singularischer‘ Begriff, der (mit Henry W. Prescott: „The Comedy
of Errors“, in: Classical Philology 24 [1929], S. 32–41, hier S. 35) den (meist aus der
Vorgeschichte stammenden) basic error des Stücks bezeichnen würde, in der
Andria also die „misapprehension regarding the identity of Glycerium“. Denn mit
dem nodus erroris, den die Szene Andria II 4 laut 404, 1 innectit fabulae, zielt Donat
auf die Hauptverwicklung im Stück selbst, also auf die zuerst nur fingierte Zu-
stimmung des Liebhabers zu einer zuerst nur fingierten Hochzeit mit der fal-
schen Braut, aus welcher Fiktion aber plötzlich Wirklichkeit zu werden droht.
Die einheitliche Error-Bezeichnung faßt also alle handlungsrelevanten errores aller
Figuren zusammen, sodaß es zu guter Letzt heißen kann (904, 1 zu V 4): hic omni-
no error omnis aperietur fabulae.
6 So Jakobi: Die Kunst der Exegese (Anm. 5) im Kapitel über die Komik (S. 144–151).
– Man vergleiche übrigens, wie dieselben Hauptelemente des Komischen in der
jüngst erschienenen Arbeit von Sander-Pieper: Das Komische bei Plautus (Anm. 4)
(was den Wortwitz betrifft, natürlich anders akzentuiert) wiederkehren (z. B.
S. 82f.). Auch den entschieden hervorgehobenen und (S. 88–170) – ohne Kennt-
nisnahme von Asmuths (Einführung in die Dramenanalyse, Anm. 2) Kapitel IX
„Wissensunterschiede“ – nützlich traktierten „Zusammenhang zwischen dramati-
298 II. Handlungsgliederung

theoretische Äußerung zur Handlungsstruktur (de com. 7, 4) philologisch


unbetreut gelassen.
408
408 Ein zweites mögliches Motiv für ihn, Prescotts Hypothese über die
(letztlich) aristotelische Herkunft des Strukturtheorems nicht genauer zu
verfolgen, besteht wohl darin, daß es ihm aus Gründen der Arbeitsöko-
nomie fern lag, auch noch das Problemfeld der Nea-Rekonstruktion aus
Papyrusfragmenten oder quellenanalytisch traktierten Palliaten zu betreten.
Natürlich muß, wer guten griechischen Ursprung einer Erklärung der Nea-
Struktur nachweisen will, die griechische Nea-Struktur selbst kennen, und
dafür hatte Prescott seinerzeit noch zu wenig originalen Menander zur
Verfügung. Aber von inzwischen erzielten oder erzielbaren Fortschritten
in der Quellenanalyse ganz abgesehen – die allerneuesten Funde zu den
Epitrepontes machen uns gerade ein unumstrittenes Meisterwerk Menanders
strukturell überschaubar,7 und zwar sowohl durch die urkundliche Bestäti-
gung aller vier Aktgrenzen als auch im Hinblick auf wichtige abrundende
Informationen zur Handlungsführung.
Damit eröffnet sich nun, was die Entwicklungen jeweils innerhalb der
Dichtung und der Dichtungstheorie, aber auch die gegenseitige Erhellung
der Leistung von Poeten und Poetikern betrifft, die Möglichkeit zu einer
instruktiven Parallelbetrachtung: Wir können nämlich Menanders vernetz-
te Akt- und Phasenstruktur mit zweifachem Gewinn schon bei Sophokles
vorweggenommen finden: Die archetypische Position des König Ödipus er-
klärt, warum und wie sich unter den Dramatikern des 4. Jahrhunderts das
Fünfaktdrama allgemein durchgesetzt hat; und die bekannte Tatsache, daß
der Sophoklesbewunderer Aristoteles gerade die Handlungsführung des
Ödipus für vorbildhaft hielt, macht parallel dazu die Annahme plausibler,
daß spätere Menanderanalytiker das Rüstzeug für die theoretische Beschrei-
bung der idealen Nea-Struktur auch aus der ars poetica des Stagiriten gewan-
nen. Auf die Vergleichbarkeit der beiden Musterdramen stieß ich übrigens
im Verlauf meiner quellenanalytischen Bemühungen um jenes Schema der
vernetzten Akt-, Sequenz- und Phasenstruktur, welches mir nach mehre-
409
409 ren Vorarbeiten auf diesem Gebiet8 (und || auch mit Berücksichtigung der

schen Informationsstrukturen und komischem Effekt“ hatte bereits Jakobi: Die


Kunst der Exegese (Anm. 5), S. 148 mit Stellen aus dem Kommentar Donats belegt.
7 Erstmals so gut wie vollständig publiziert von A. Martina (Menander: Epitrepontes,
hg., ins Italienische übers. und mit einem Kommentar versehen von Antonio
Martina. Roma 1997); unbedingt heranzuziehen ist auch Arnotts abermals ergän-
zende Zusammenfassung (W. Geoffrey Arnott: „Menander’s Epitrepontes in the
Light of the New Papyri“, in: Douglas L. Cairns und Ronald A. Knox (Hg.): Law,
Rhetoric, and Comedy in Classical Athens. Essays in Honour of Douglas M. MacDowell.
Swansea 2004, S. 269–292).
8 Von den älteren Arbeiten zum Verhältnis Akte/Handlungsphasen, die bald nach dem
ersten Menanderfund einsetzten (hervorzuheben sind etwa Philippe E. Legrand:
Daos. Tableau de la comédie grecque pendant la période dite nouvelle. Lyon, Paris 1910. –
Akte und Spannung 299

folgenden Donat-Interpretation) jetzt zuverlässig und überprüfbar nach-


zuzeichnen scheint, wie das hellenistische Drama der geschlossenen Form
von seiner Handlungsstruktur her funktioniert. Zur Vorbereitung des
Sophokles/Menander-Vergleichs sei es kurz vorgestellt.

Akte α β γ δ ε

Sequenzen α1 α2 β1 β2 γ1 γ2 δ1 δ2 ε1 ε2

Phasen πρότασισ ἐπίτασισ καταστροφή

δέσισ λύσισ
Die wichtigste Information, die das Schema vermitteln will, ist die Fest-
stellung, daß und wie die drei Hauptkonstituentien der Handlungsstruktur
eng miteinander vernetzt sind. Es ist demnach etwa so zu lesen: Das ideale
Nea-Drama besteht (erstens) formal, also seiner äußeren, quantitativen
Gliederung nach aus fünf Akten (α bis ε). Inhaltlich, d. h. im Hinblick auf
die innere Dynamik der Handlung sind wichtig (zweitens) die Sequenzen
und (drittens) die Phasen des plot. Die Sequenzen (die für die Handlungs-
gliederung jedenfalls wichtiger sind als die ‚Szenen‘, z. B. also aus mehre-
ren Szenen bestehen, aber auch mitten in einer Szene enden können) sind

Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff (Hg.): Menander: Das Schiedsgericht. Berlin


1925. – Wolterus E. J. Kuiper: Two Comedies by Apollodoros of Carystos. Terence’s
Hecyra and Phormio. Leiden 1938 [Mnemosyne, Supplementum 1]), hatten besonders
Thomas B. L. Webster (Studies in Menander. 2. Aufl. Manchester 1960 [in erster
Auflage 1950 noch vor den Neufunden publiziert!]), Konrad Gaiser („Nachwort“
zu Otto Rieth: Die Kunst Menanders in den Adelphen des Terenz. Hildesheim 1964
und „Zur Eigenart der römischen Komödie. Plautus und Terenz gegenüber ihren
griechischen Vorbildern“, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Band I, 2:
Von den Anfängen Roms bis zum Ausgang der Republik, hg. von Hildegard Temporini.
München 1972, S. 1027–1113), Thomas B. L. Webster (An introduction to Menander.
Manchester 1974) meine erste Publikation (Adolf Primmer: Handlungsgliederung in
Nea und Palliata. Dis Exapaton und Bacchides. Wien 1984 [Sitzungsberichte der Ös-
terreichischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 441]
[71–166]) angeregt. Für die Weiterarbeit (Adolf Primmer: „Die Handlung der Me-
naechmi (II)“, in: Wiener Studien 101 [1988], S. 193–222 [185–212] und Ders.: „Der
‚Geizige‘ bei Menander und Plautus“, in: Wiener Studien 105 [1992], S. 69–127
[225–281]) wurden mir neben der Rezension von Eckard Lefèvre (in: Gnomon 57
[1987], bes. S. 694) wichtig v. a. Niklas Holzberg: Menander. Untersuchungen zur
dramatischen Technik. Nürnberg 1974. – Asmuth: Einführung in die Dramenanalyse
(Anm. 2). – Alain Blanchard: Essai sur la composition des comédies de Ménandre. Paris
1983 und ders.: „La division tripartite de la comédie: essai d’interpretation“, in:
Wiener Studien 114 (2001), S. 75–84 und verschiedene Arbeiten von W. Geoffrey
Arnott und J. Christopher B. Lowe.
300 II. Handlungsgliederung

als größere dramatische Teiletappen der Handlung innerhalb der einzelnen


Akte diesen jeweils untergeordnet; sie vermitteln, da jeder Akt mindestens
zwei von ihnen (α1, α2 …) enthält, dem Publikum den Eindruck des stetigen
Handlungsfortschritts.9 Die drei Phasen10 der Handlung Protasis, Epitasis
und Katastrophé (Vor-spannung ~ Handlungsanlauf; Zusatz-spannung ~
Steigerung der Dramatik; Wende und Ausklang) fungieren als den Akten
übergeordnete Kompositionseinheiten; ihre gegenseitige Abgrenzung bzw.
die Übergangszone zwischen ihnen kann, wie die größeren und kleineren
Pfeile signalisieren, in leicht variierender Weise ausgeformt sein (oder
interpretiert werden): Den Übergang von Protasis zu Epitasis bildet eine
‚Brückenszene‘, in der der Abschluß des Einleitungsteils oder der Neuein-
satz der Hauptkomplikationen stärker im Vordergrund stehen können
(daß das Handlungsgeschehen mit γ1 eine neue Stufe dramatischer Dyna-
mik und Intensität erreicht, wird dem Publikum in jedem Fall bewußt).
Der Umschwung von Epitasis zu Katastrophé erfolgt, soweit wir die
Großgliederung der Nea-Handlungen überblicken, mit großer Regelmä-
ßigkeit etwa in der Mitte von δ, mit einer gewissen Tendenz bei späteren
Autoren, an dieser Stelle nur eine Teillösung zu bieten und die Hauptlö-
sung erst gegen Ende von δ zu initiieren. – Noch zwei Schlußbemerkun-
gen zur Phasengliederung: a) Aufs Ganze gesehen sind die drei Handlungs-
410
410 phasen mit einer jeweiligen Spieldauer zwischen || eineinhalb und zwei
Akten annähernd von gleicher Länge; und eben dieses Streben nach Aus-
gewogenheit der Teile ist soweit ich sehe auch der einzige, aber ausrei-
chende Grund dafür, daß sich die Fünfzahl der Akte in der Praxis durch-
gesetzt hat. b) Die beiden Phasen der ansteigenden τάάσις-Handlung sind
der Sache nach klärlich mit Aristoteles’ δέέσις identisch, die Katastrophé
mit dessen λύύσις.11
Wie anhand von Sophokles’ Ödipus und Menanders Epitrepontes dieses
Schema als existent und poetisch wirkmächtig zu erweisen ist, kann ich
hier nur andeuten. Voraussetzung, um diese Entwicklungslinie zu ziehen,
ist daß man das dritte Stasimon des König Ödipus nicht als Akttrenner (wie
Parodos und Stasima 1, 2 und 4) betrachtet.12 Natürlich blieben die Akte

9 Zu den Sequenzen vgl. Primmer: „Die Handlung der Menaechmi“ (Anm. 8), S. 207.
10 Dieser Terminus scheint mir jetzt zweckmäßiger als ‚Teile‘ der Fabel, weil man
bei ‚Phasen‘ doch mehr die Dynamik des Geschehens mithört.
11 Völlig abzulehnen ist Blanchards These (Alain Blanchard: La comédie de Ménandre.
Politique, Éthique, Esthétique. Paris 2007, S. 147), man müsse für die Nea δέέσις und
λύύσις ganz von der Dreiteilung der Phasen abkoppeln und ihre Grenze in γ-
Mitte ansetzen: vgl. dagegen Aristoteles über den Umschwung von Glück zu Un-
glück oder umgekehrt (ein Umschwung, der stattfindet durch Peripetie und
Anagnorisis bzw. zwischen Desis und Lysis) in Kap. 11 und 18 der Poetik.
12 Die Bühne wird bei v. 1086 nicht leer, und das die Peripetie verdeutlichende
Tanzlied besteht auch nur aus einem einzigen Strophenpaar.
Akte und Spannung 301

(die ‚Epeisodia‘ der Schauspieler) bis Sophokles die hauptsächlichen Teil-


einheiten der Gesamthandlung, aber Sophokles ist doch der ‚Erfinder‘ der
je zwei Sequenzen13 (die bei ihm oft noch stärker abgesetzt sind als dann
beim komödienhaft bunten Menander). Die Hauptsache aber ist, daß die
aktübergreifenden Spannungsbögen von Protasis und Epitasis sowie die
Placierung der Peripetie einander beim Meister der Tragödie wie der Ko-
mödie vollständig entsprechen. Bei Sophokles agiert in der Protasis ein
von jedem Zweifel an sich freier Ödipus, der noch in der ‚Brückenszene‘
(β2) den Spruch des erzürnten Teiresias anfangs nicht ernst nehmen kann
und dem erst bei dessen Wiederholung am Aktschluß Bedenken kommen.
Die Epitasis führt in drei Handlungsstufen die steigende Verwirrung des
vom Seherspruch Irritierten vor, und die tragische Anagnorisis erfolgt
nach der Mitte des ‚vierten Akts‘. Vergleichbar ist, wie die Komödienhand-
lung der Epitrepontes (wo sich Charisios und Pamphile nach allerlei Umwe-
gen als Eltern ihres gemeinsamen Kindes erkennen sollen) in der Protasis
bis zur Möglichkeit führt, daß Charisios als Vater identifiziert wird, eine
Möglichkeit, die am Schluß von β durch das ängstliche Zögern des One-
simos abgeblockt wird. Die Hauptverwirrung der Epitasis beginnt mit
Habrotonons Intrigenplan, sich als Mutter des Säuglings auszugeben, und
entwickelt sich wie bei Sophokles in drei Komplikationsstufen. Wieder
beginnt auch die Lösungsphase nach der δ-Mitte. Der Leser wird vorläufig
gebeten, meine bloß skizzierte Argumentation anhand der beigegebenen
Szenarien zu überprüfen.14
Wir können denke ich als vorbereitendes Zwischenresultat festhalten,
daß uns Sophokles und Menander modellhaft vorführen, auf welche Weise
die Strukturkonstituentien der in Handlungssequenzen unterteilten fünf
Akte und der drei Hauptphasen des Handlungsfortschritts eine dramatur-
gisch sinnvoll verschränkte einheitliche Handlungsstruktur bilden können.
Ergänzend dazu ist nochmals an den Stand zu erinnern, den die Beschrei-
bung der Dramenstruktur bei Aristoteles erreicht hatte. Er || hat die ‚Akte‘ 411
411
bereits als quantitative Handlungsteile zwischen den Chorliedern aufge-
faßt, aber noch nicht einheitlich benannt: in Kap. 12 stellt er Parodos –
Epeisodion – Exodos nebeneinander. Kleinere dramatische Einheiten – z. T.
vergleichbar unseren ‚Sequenzen‘, aber ohne deren Beziehung zum Akt,
also eher im Sinn der ‚großen Szenen‘ oder ‚Episoden‘ für sich sind übri-
gens auch bereits für Aristoteles mit dem Begriff Epeisodion verbunden.15
Die große Hauptleistung der Poetik auf unserem Gebiet liegt natürlich in
Aristoteles’ Erkenntnis, daß Herz und Mitte des wirkungsvollen Dramas

13 Schon Karl Reinhardt (Sophokles. 2. Aufl. Frankfurt am Main 1943) beobachtet


das dramatische Eigenleben der ‚Szenen‘ ab Antigone und König Ödipus.
14 Ich hoffe, bei anderer Gelegenheit noch ausführlicher darauf zurückzukommen.
15 Vgl. c. 9, 1451b33, auch c. 17, 1455b13.
302 II. Handlungsgliederung

der µμῦθος und dessen innere Spannung und Strukturierung im µμῦθος  


πεπλεγµμέένος sind, mit δέέσις und λύύσις bzw. περιπέέτεια   und ἀνα-­‐‑
γνώώρισις.
Von der Nea aus gesehen, fehlen also bei Aristoteles noch die Unter-
gliederung der Desis in Protasis und Epitasis, die (begrifflich und nume-
risch) festgelegten Akte, und mit den Akten natürlich auch deren Sequenzen
bzw. eine Aussage zur Verschränkung zwischen Akten und Phasen. Sehen
wir also zu, wie weit wir von Donat aus zu einer angemessenen Nea-Struk-
turtheorie zurückkommen.
***

II. Als Donat seine eigene auf Terenz zugeschnittene πεκ-Beschreibung


formulierte, konnte er sich (am anderen Ende der antiken Strukturge-
schichte) auf zwei wichtige Elemente des griechischen Vernetzungssche-
mas nicht mehr stützen: Terenz hatte nicht nur die Fünfzahl der Akte,
sondern auch den Götterprolog eliminiert – mit Folgen, die wir besonders
im zweiten Fall im Auge behalten müssen. Was die Akte angeht, konnte es
ja weder Euanthius noch Donat einfallen, sie zum Bezugsrahmen für die
drei Handlungsphasen zu machen (wobei es im übrigen für viele bis heute
geblieben ist); die Terenzphilologie wußte seit Varros Zeiten,16 wie müh-
sam es war, dem werdenden römischen Klassiker, der die griechischen
Aktpausen oft genug ignoriert oder überbrückt hatte,17 nun partout seine
412
412 eigene ‚versteckte‘ Fünfaktgliede-||rung nachzusagen.18 Trotzdem beharrte

16 Vgl. Andr. praef. 3, 6 nihil … secus factum est ab antiquis, qui ad hunc modum (nämlich
ohne Leerbühne) Terentianas fabulas diviserunt. Hec. praef. 3, 6 docet autem Varro ne-
que in hac fabula neque in aliis esse mirandum, quod actus impares scaenarum paginarum-
que sint numero, cum haec distributio in rerum discriptione, non in numero versuum consti-
tuta sit, non apud Latinos modo, verum etiam apud Graecos ipsos. Auf die griechische
Hekyra kann sich Varro dabei nicht bezogen haben, wie die Quellenanalyse be-
weist (vgl. dazu vorläufig das Szenario in der Beilage). Die Richtigkeit meiner Re-
konstruktion vorausgesetzt, hat Apollodors Akt α einen Umfang von etwa 140+x
Versen (insgesamt vielleicht 200), β von 211, γ von 168, δ von 222 und ε von
82+y (insgesamt vielleicht 160) Versen (die Zahlen gelten natürlich u. a. auch
deswegen nur annähernd, weil Terenz auch im Kleinen vom Original abweicht).
Das führt also nur auf eine Bandbreite zwischen ca. 160 und 220 Versen pro Akt.
Die Terenzakte sind laut Donat 140 – 83 – 235 – 283 – 82 Verse lang, also viel
ungleichmäßiger. – Zur ungleichen Aktlänge vgl. auch Ad. praef. 1, 4*; 3, 7.
17 Euanth. de com. 3, 1 unterstellt übrigens (vgl. auch Eun. praef. 1, 5*) die drohende Ab-
wanderung des Publikums als Motiv für die Abschaffung der Chöre (= der Aktpau-
sen) bereits Menander. – Seine Formulierung ut Menander fecit hac de causa, non ut alii
existimant alia wendet sich offenbar gegen einen besseren Kenner der griechischen
Verhältnisse, wahrscheinlich Aemilius Asper – dazu vgl. unten bei Anm. 81f.
18 Vgl. die merkwürdigen Rezepte dazu in Andr. praef. 1, 3 (maximal fünf Auftritte
einer Person pro Komödie); 3, 6 (siehe Anm. 16).
Akte und Spannung 303

man bekanntlich auf der Existenz dieser angeblichen Terenzstruktur, wohl-


weislich, ohne sich jemals direkt auf die Verhältnisse in einer griechischen
Vorlage zu berufen. Wo in den lateinischen Akten (wie sie bei Donat je-
weils im dritten Kapitel der Praefationes referiert sind) der Protasis-Epitasis-
übergang mit der griechischen β/γ-Grenze annähernd zusammenfällt,
wird es sich demnach (z. T.) um Zufallstreffer handeln.19 Jedenfalls be-
stimmten Euanthius und Donat nicht die Handlungsphasen nach den
Akten, sondern eher umgekehrt die Aktgrenzen nach den Handlungsein-
schnitten, cum haec (actuum) distributio in rerum discriptione constituta sit.20
Den griechischen Götterprolog hat Terenz gewiß nicht einfach darum
gestrichen, weil er Platz für literarische Polemik brauchte. Vielmehr ver-
zichtete er bewußt auf die schönen Wirkungen der Wie-Spannung, die ein
allwissender Prologgott vorbereitet hätte; er wollte offensichtlich21 mit den
dramatischen Möglichkeiten der Was-Spannung experimentieren.22 Nun
hat das nicht nur zur Folge, daß er seinem Publikum wichtige Informatio-
nen, die es zum allgemeinen inhaltlichen Verständnis der Handlung und
zur richtigen Beurteilung der Figuren gut brauchen könnte, oft befremd-
lich lange vorenthält,23 oder daß auf diese Weise komische Ironie verloren
gehen kann. In unserem Kontext ist hervorzuheben, daß der Prologgott

19 Eine nähere Erörterung der Frage hätte u. a. quellenanalytisch zu argumentieren.


In der griechischen Andria sollte z. B. β innerhalb von III 1 enden, zwischen der
Ankunft der Hebamme bei Glycerium (v. 467) und ihrem Wiederauftritt in III 2
(v. 481), nach der Geburt des Kindes und in leicht betrunkenem Zustand (zum
Epitasisbeginn bei Donat siehe oben im Text bei Anm. 5, unten zwischen Anm.
32 und 34); Anm 57. – Der β-Schluß der Hekyra Apollodors (v. 408) liegt bei Te-
renz in der Mitte von III. – Natürlich konnte die menandrische Handlungsfüh-
rung auch die richtige Entscheidung erzwingen: Im Heautontimorumenos kann die
Nacht zwischen β und γ nicht verschoben werden.
20 So (mit Varro) Hec. praef. 3, 6.
21 Den besten Beweis kann m. E. die (quellenanalytisch zu gewinnende) Erkenntnis
liefern, daß Terenz im Haut. nicht nur den Prolog, sondern auch (vor dem β-
Schluß) eine Szene gestrichen hat, in welcher bei Menander Syrus mit Bacchis
seinen Intrigenplan bespricht, aufgrund dessen sie dann beim Gelage die ‚böse‘
Hetäre mimt.
22 Zu den Termini Was-Spannung und Wie-Spannung – für die man anschaulicher
mit Bert Brecht (Schriften zum Theater 3. Frankfurt am Main 1967 [Gesammelte
Werke 17], S. 1010) ‚Spannung auf den Ausgang‘ und ‚Spannung auf den Gang‘
sagen könnte – zuletzt Sander-Pieper: Das Komische bei Plautus (Anm. 4), S. 121ff.
Zur Was-Spannung bei Terenz im allgemeinen vgl. Peter Kruschwitz: Terenz.
Hildesheim 2004, S. 178f.
23 So gibt er im Phormio Demea, dem Gegenspieler des Parasiten, nie Gelegenheit,
sich über die Motive seines scheinbar nur starr-patriarchalischen Verhaltens zu
äußern. – Nicht zu vergessen ist allerdings, daß das Publikum meistens zu Epi-
tasisbeginn die Positionen der meisten Hauptfiguren aus deren Mund kennt.
304 II. Handlungsgliederung

dem griechischen Publikum auch die strukturell entscheidenden Wendun-


gen der Handlung zeitgleich, d. h. während der Aufführung als solche
mitvollziehbar machte.24
Donat fühlte sich angesichts dieses doppelten Mankos offenbar erst
recht herausgefordert, dem Lesepublikum seines Kommentars die Wirkun-
gen der speziell terenzischen Handlungsdynamik und -komik, so gut es
gehen mochte, wie einem Theaterpublikum bloß anhand der Handlungs-
413
413 struktur nachvollziehbar zu machen. Zu || diesem Zweck lehrt er seine
Leser am Musterbeispiel der Andria, also gleich am ersten Stück des Kor-
pus, den dramaturgischen Zweck der Informationsdosierung und der
Handlungsentwicklung (in seinen Termini: die Funktion des error und des
periculum comicum25) durch Protasis, Epitasis und Katastrophé zu verfolgen.
Daß er in seine eigene πεκ-Beschreibung nur den error eingebaut hatte,
wird sich zeigen;26 das Hauptgewicht legte er jedenfalls auf die erwartungs-
volle Spannung (die exspectatio), die die Protasis im Zuschauer weckt; auf
die feine Art der verdichteten komischen Handlungsführung (die elegan-
tia 27), die das Publikum an den Verwirrszenen der Epitasis bewundern soll,
schließlich (mit dem Stichwort approbatur) auf die nach Handlungslogik
und poetischer Gerechtigkeit befriedigende komische Katastrophé:

24 Vgl. etwa Pans Wirken im Dyskolos (v. 34–44, 407–417) oder die Ankündigung
des Handlungsziels und seiner vorläufigen Erschwernis in Plaut. Aul. v. 25–33,
271–277 et al.
25 Wenigstens in der Anmerkung ist zu erwähnen, daß Donat die Begriffe error und
periculum comicum – jenseits der Rubriken des Tractatus Coislinianus, die Jakobi: Die
Kunst der Exegese (Anm. 5), S. 148–151 richtig darstellt – auch unbefangen im
Sinne der peripatetischen Poetik verwendet. Diese hatte sie zur Unterscheidung
von Tragödie und Komödie, tragischen Helden und ‚komischen‘ Figuren einge-
setzt, ausgehend von Aristot. Poet. c. 5 und 11: Gemäß 1452b12 erfährt der Held
der Tragödie durch seine ἁµμαρτίία (cf. c. 13, 1453a10) ein πάάθος, das eine πρᾶξις
φθαρτικὴ  ἢ  ὀδυνηράά ist. Und laut 1449a32 ist das γελοῖον der komischen Figuren
(auch der Hauptgestalten!) ein ἁµμάάρτηµμα  καὶ  αἶσχος  ἀνώώδυνον  καὶ  οὐ  φθαρτικόόν.
Die Opposition zwischen ‚vernichtender‘ und ‚ungefährlicher‘ Bedrohung kehrt
wieder in Theophrasts Definition der Tragödie und Komödie nach Diomedes
gramm. I 487, 11 tragoedia est heroicae fortunae in adversis comprehensio; a Theophrasto ita
definita est: τραγῳδίία  ἐστὶν  ἡρωικῆς  τύύχης  περίίστασις und 488, 3 comoedia est priva-
tae civilisque fortunae sine periculo vitae comprehensio, apud Graecos ita definita: κωµμῳδίία  
ἐστὶν ἰδιωτικῶν  πραγµμάάτων  ἀκίίνδυνος  περιοχήή. Neben ἀπάάτη ist also auch Aris-
toteles’ ἁµμάάρτηµμα ein Vorläufer des error, und pace Prescott („The Comedy of
Errors“ [Anm. 5], S. 39 „So far as Aristotle is concerned, the Poetics contains no
occurrence of κίίνδυνος or synonymous expressions as part of the theory of trag-
edy“) ist Aristoteles’ ἀνώώδυνον der unverkennbare Vorläufer von ἀκίίνδυνος.
26 Vgl. unten im Text nach Anm. 30 und bei Anm. 39–40.
27 Jakobi: Die Kunst der Exegese (Anm. 5), S. 113–117 bespricht nur die elegantia
verborum.
Akte und Spannung 305

πρόότασις   est primus actus fabulae,


quo pars argumenti explicatur,
pars reticetur ad populi exspectationem tenendam;
ἐπίίτασις involutio argumenti,
cuius elegantia a ‹errore omnes perturbante› conectitur;
καταστροφήή explicatio fabulae,
per quam eventus eius approbatur.
a cuius elegantia] qua eius elegantia Leo; errore omnes perturbante exempli gratia
add. Primmer

(1) Die Protasis ist der erste Teil der (von den Schauspielern dargestell-
ten 28) Handlung, in welchem Vorgeschichte und Handlungsinhalt
teilweise expliziert, teilweise aber verschwiegen werden, um die Er-
wartung des Publikums wach zu halten.
(2) Die Epitasis ist die Phase der Handlungsverwicklung, deren feine
komische Wirkung sich ‹dadurch, daß Irrtum und Ungewißheit al-
le verwirren,› verknüpft und verdichtet.
(3) Die Katastrophé bringt die volle Klärung der Komödienhandlung, in 414
414
welcher der (gute) Ausgang die Zustimmung des Publikums gewinnt.

Kurz zur Gestaltung des Textes. In der Erklärung der Epitasis muß ein
Überlieferungsfehler stecken, das zeigt schon der vom Pädagogen Donat
sichtlich angestrebte Parallelismus in den Aussagen: Die griechische Be-
nennung der drei Phasen wird jeweils durch eine lateinische aufgenom-
men, als primus actus / involutio / explicatio der Handlung. Der folgende
Relativsatz, der die Termini stufengemäß mit Inhalt füllt, bezieht sich
darum auf die neuen Namen, nicht auf das Genetivattribut fabulae oder
argumenti.29 Leos Änderung qua eius beseitigt den formalen Anstoß, ist aber
paläographisch nicht einfacher als die Ausfüllung einer durch Augen-
sprung entstandenen Lücke, und inhaltlich unbefriedigend: die Aussage,
daß die Verwicklungsphase die Eleganz der Handlung bewirkt (‚ver-
knüpft‘?), wirkt inhaltsleer, wenn man sie mit den einschlägigen Bemer-
kungen Donats zur Andria vergleicht,30 aus denen hervorgeht, daß die
‚Eleganz‘ der Verwicklungsphase durch error oder periculum zustande
kommt, in welche die Personen des Spiels geraten. Die Konkurrenz mit

28 actus steht im Kontrast zur dictio des Prologs (vgl. 7, 2 prologus est prima dictio …,
antecedens veram fabulae compositionem elocutio).
29 Unrichtig also z. B. Elfriede Klien-Paweletz: Aelius Donatus als Kritiker der Komödien
des Terenz. Dissertation, Universität Innsbruck 1948 (S. 41: Verwicklung des Inhalts,
wobei dessen Feinheit verknüpft wird) oder Blanchard (La comédie de Ménandre
[Anm. 11], S. 42: „l’embrouillement de l’action nouée avec raffinement“).
30 Siehe unten im Text (z. B. Andr. praef. 2, 1; Andr. 404, 1; 412, 2, bes. 625, 1 mit
Anm. 39f.).
306 II. Handlungsgliederung

periculum gewinnt für die versuchte Ergänzung der Lücke der error zumin-
dest aus Stilgründen: der fast sprichwörtliche nodus erroris paßt besser zu
conectitur.
Nun zur Sachfrage, wie sich Donats auf Terenz bezogenes Schema
bei seiner Besprechung der Andria-Struktur auswirkt. Die Kontrolle fällt
nicht schwer, weil wir zum Glück die entsprechende Menander-Struktur
(die in Grundzügen erkennbar ist) mit Donats Leseanweisungen zu Beginn
jeder Szene vergleichen können; der Leser wird nur um Geduld und Ver-
ständnis für die notwendigerweise ins Detail gehende Beobachtung der
Binnenstrukturgrenzen gebeten – deren Problematik Donat der modernen
Literaturtheorie weitervererbt hat (vgl. unten Anm. 36). Menanders Andria
entfaltet ihre Handlungsdynamik und -komik aus dem Grundkonzept (auf
das ein Prologgott das Publikum gewiß vorinformierend eingestimmt hat-
te), daß Pamphilus der Einlösung seines ernst gemeinten Heiratsverspre-
chens (wofür allerdings noch die Anagnorisis seiner Geliebten als Tochter
des Chremes nötig sein wird) erst auf dem typischen Komödienumweg
nahe kommt, daß er der – von seinem Vater als fiktiv geplanten – Hoch-
zeit mit einer anderen Tochter des Chremes seinerseits bloß fingiert zu-
stimmt.31 Menanders Epitasishöhepunkt besteht natürlich darin, daß aus
der Fiktion der ‚falschen‘ Heirat bitterer Ernst zu werden droht, und die
Katastrophé zeichnet sich ab, als es gelingt, Chremes zu überzeugen, daß
Pamphilus die von ihm verführte Geliebte heiraten müsse. Das geschieht
in der Szene IV 4, die also bei Menander die Peripetie von Epitasis zu
Katastrophé bewirkt – analog zu der ‚Brückenszene‘ (II 4f.), wo Pamphilus
der Hochzeitsfiktion zustimmt. 32
415
415 Donat hebt nun die Signalfunktion, die die Brücken- und die Peripe-
tieszene bei Menander haben, im ersten Fall sehr deutlich hervor (404, 1
zu II 4): haec scaena nodum innectit erroris fabulae et periculum comicum; im zwei-
ten war ihm am Terminus Katastrophé offenbar der Aspekt der ‚Wende‘33
gegenüber dem ‚Ende‘ weniger wichtig, auf dessen späteren Eintritt er
bereits zu III 3 (wo die beiden Väter die falsche Hochzeit vereinbaren)
aufmerksam macht.34 Die Akzentverschiebung gegen Menander hängt

31 Zu den zwei Hochzeiten und zur Ankündigung des Prologgotts vgl. die Aulularia,
wo der Prologgott auch, damit die Ehe mit dem richtigen Bräutigam ‚leichter‘ zu-
stande kommt, zuerst dessen Onkel vorschiebt.
32 Tatsächlich endet ja β bei Menander knapp nach II 5, siehe oben Anm. 19.
33 Vom Wendeaspekt spricht er nur ‚undogmatisch‘ und zu früh, ohne auf πεκ zu
verweisen, schon anläßlich der Handlungskrise in III 4 (580, 2): hic locus est, in quo
iam ad discrimen mali perducta comoedia in meliorem partem iam incipit (!) inclinare.
Ähnlich verfrüht: Phorm. v. 534.
34 533, 1 haec congressio duorum senum ad tale periculum adigit fabulam, ut id non videatur
consilio, sed eventu posse vitari. Die Fortsetzung qui eventus est Critonis praesentia; nam
nunc ex falsis fient verae nuptiae soll wohl (trotz der Tempora est und fient) besagen:
Akte und Spannung 307

wohl mit Donats eigener Phasendefinition zusammen; er scheint zwischen


der alten (menandrischen) und neuen Strukturbeschreibung zu schwanken.
Das Pendeln beginnt bereits in der Protasis. Wie eben erwähnt, behält
Donat einerseits die Unterscheidung der Phasen ‚Vorbereitung des Haupt-
konflikts – Verdichtung und Intensivierung von error und periculum‘ bei,
läßt also die Protasis bis II 3 reichen (wo die Intrige der Pseudozustim-
mung, die anschließend dominiert, ja erst geplant wird). Anderseits kann er
‚seine‘ exspectatio-Funktion der nur partiellen Information des Terenzpub-
likums eigentlich nur auf die Exposition im engeren Sinn beziehen, also
auf die Szenen I 1–3, mit der Erzählung der Vorgeschichte und der Vor-
stellung von Simos Hauptgegenspieler Davos, der zur Abrundung der
Exposition anstelle des Prologgottes das ersehnte Handlungsziel andeuten
darf.35 Die anschließende Exposition im weiteren Sinn, deren Gegenstand
‚die Hauptpersonen einschließlich ihrer Interessen und ihrer Beziehungen
zueinander‘ sind, wird also gewissermaßen ‚in der Forschung verhältnis-
mäßig stiefmütterlich behandelt‘.36 Denn Donat kennt und erwähnt zwar
faktisch die Vorbereitungsfunktion einschlägiger Szenen, die sie innerhalb
der Ökonomie der Komödie haben,37 gelangt aber zu keiner reflektierten
Begriffsbildung. Darum neigt er auch bisweilen dazu (vielleicht zusätzlich
durch den Terminus πρόόσωπον   προτατικόόν verführt), ‚Protasis‘ nur auf
die Exposition im engeren Sinn zu beziehen.38

Mit diesem ‚glücklichen Zufall‘ meine ich die späteren Auftritte Critos; denn jetzt
ist ja die falsche Hochzeit im Begriffe, Realität zu werden.
35 Zu I 1 übertreibt Donat sogar, wenn er (28, 2) die fundamenta fabulae schon hier so
gelegt sehen will, daß periocham comoediae populus teneat. Korrekter zu I 3: da beur-
teilt er nicht nur eingangs (206, 1) Davos’ deliberatio im Ganzen als eine Problem-
vorschau magna expectatione (!) populum rerum imminentium commotura, sondern er-
gänzt dann auch noch seine Bemerkung von 28, 2: (220, 1) argumenti partem (sc.
alteram) narrat, (221, 1) modo totius summa argumenti (summae argumentum trad.) populo
narratur.
36 Zitate aus Asmuth: Einführung in die Dramenanalyse (Anm. 2), S. 104. Donats
Schwanken zwischen der längeren Protasis, die zwei Menanderakte umfaßt, und
der kürzeren, die maximal den ersten Akt abdeckt, wiederholt sich übrigens an-
scheinend bei Asmuth diachron. In der Einführung von 1980 formuliert er noch
so vorsichtig, daß die ‚lange‘ Protasis möglich bleibt. Im Artikel „Exposition“ des
Reallexikons (Anm. 4) aus 1997 sind Protasis und erster Akt gleichgesetzt.
37 Siehe 172 zu I 2; 236, 1 zu I 5; 301, 1 zu II 1; 338, 1 zu II 2.
38 Donats Bemerkungen zur Expositionstechnik im Eunuchus sind in doppelter
Weise dazu analog. Erstens bezeichnet πρόότασις von vornherein nur die Szenen
I 1 und 2, also die engere Exposition. Denn Eun. 28, 2 kündigt er an, daß die
Protasis vorführt, quam sapiat qui non amat neque aliter affectus est. Das heißt:
Parmeno ist in I 1 vernünftiger als der verliebte Phaedria, macht sich aber, wie I 2
zeigt, als aliter affectus eines Fehlurteils über Thais schuldig. (Der enge Protasis-
begriff ist auch Phorm. praef. 1, 8 belegt.) Zweitens ergänzt auch Thais – wie Da-
308 II. Handlungsgliederung

416
416 Auch die Unklarheiten im Bereich Epitasis/Katastrophé sind von
Donat selbst verursacht, und zwar durch seine an sich berechtigte Bewun-
derung für Terenz’ Fähigkeit, die raffinierte Verknüpfung, die elegans per-
turbatio, der menandrischen Handlungswirren nachzubilden und durch die
zweite Liebeshandlung aus der Perinthia noch zu bereichern. Lassen wir
einmal die Texte sprechen:

– Andr. praef 2, 1 Simo, Pamphili pater, dum per falsas nuptias temptat
animum Pamphili, multis dolis a Davo ipse deluditur servo, periculumque
Charini et Pamphili et totus error inenodabilis usque ad eum finem est duc-
tus, dum Athenas veniens Andrius quidam Crito rem aperiat et nodum
fabulae solvat.
– 412, 1 (zu II 5) vide quam mire, cum omnes consulto consilio sibi agere
videantur, omnes tamen rerum exitu inopinato ludificentur, et Simo et
Pamphilus et Davus et Charinus et ipse Byrria.
– 625, 1 (zu IV 1) elegans perturbatio, in qua inter se Simo, Davus, Pam-
philus, Charinus, Byrria, Chremes, omnes omnibus redduntur offensi.

Eine Zwischenbemerkung: Auf diesen Texten beruht auch meine Ergän-


zung der Lücke in de com. 7, 4, die ja zwischen die Stichworte elegantia (invo-
lutionis) und conectitur passen muß. 625, 1 allein liefert den wichtigen Beleg
für die handlungsbezogene elegantia.39 Gemeinsam illustrieren sie, wie
schon gesagt, was Donat an der Dramaturgie der Epitasis fasziniert: die
fortlaufende Verschränkung und Verknotung der sich gegenseitig bedin-
genden und steigernden errores der wichtigsten Figuren (cf. perturbatio, error
inenodabilis 40).
Der große Wirrwarr, der die differentia specifica der Epitasis sein soll,
setzt sich nun schwungvoll über deren Grenze hinaus fort. Auf seinen
Beginn mit der Szene II 5 macht Donat (zu v. 412) ausdrücklich aufmerk-
sam (vide quam mire …). Aber daß die Personen consulto consilio agieren und
trotzdem ludificantur, und zwar ‚alle‘ fünf,41 die er 412 nennt und aus denen
625 sechs werden, die omnes omnibus redduntur offensi, diese Riesenserie von

vos in Andr. I 3 – zuletzt die Exposition durch einen Vorverweis auf die Anagno-
risis (zu v. 197): recte Thais nunc partem argumenti exsequitur, tacitam apud Phaedriam
propter praesentiam servi, quem poeta vult ita nescire (hier geht es also um den error einer
Figur), ut audeat ad vitiandam virginem subornare Chaeream.
39 Nicht ganz sicher ist als Parallele de com. 6, 5: Anders als die comoediarum formae der
palliatae und togatae sind Atellanae salibus et iocis compositae, quae in se non habent nisi
vetustatum elegantias.
40 Zu omnes (v. 412 und 625) cf. auch Terenz selbst (Andr. v. 601, Davos): iam
perturbavi omnia.
41 Donat weiß sehr wohl, daß erst Terenz zwei von ihnen (Charinus und Byrria)
addidit fabulae (301, 2).
Akte und Spannung 309

Irrungen und Wirrungen reicht bis in die ersten Szenen von V,42 und erst
in V 4 omnino error omnis aperietur fabulae (904, 1). Gewiß, Crito, die persona
ad catastropham machinata (796, 1), war schon in IV 5 einmal aufgetreten;
aber es kommt doch erst in V 4 richtig so weit, ut res progredi ad catastro-
pham possit (915, 4).
Es hat natürlich einen tieferen Grund, daß Donat die Gliederungs-
funktion von Peripetie und ursprünglichem Katastrophébeginn etwas
herunterspielt. Menander || pflegte seinem Publikum zu suggerieren, daß 417
417
die unvollkommenen, aber doch liebenswerten Hauptgestalten seines ko-
mischen Spiels sich in einem von einer wohlwollenden Gottheit be-
herrschten Spielraum bewegen.43 So mag in der griechischen Andria der
Prologgott angedeutet haben, wie viel Pamphilus’ Geliebte Glycerium der
Hetäre Chrysis noch nach ihrem Tod zu verdanken hat: Der Liebhaber,
der seine Verantwortung erst zu übernehmen lernen muß, hatte der ster-
benden Chrysis versprochen, Glycerium zu heiraten (v. 282ff.). Bei Chry-
sis’ Begräbnis wurde dann Pamphilus’ Liebesverhältnis publik, worauf
Chremes dessen geplante Hochzeit mit seiner (anderen) Tochter absagte.
Daraus entspinnen sich nun in Protasis und Epitasis die doli von Vater und
Sohn, bis Glyceriums Anagnorisis durch Crito, der wiederum als Erbe der
Chrysis nach Athen kommt, ermöglicht wird. In der götterfreien Komödi-
enhandlung des Terenz/Donat stehen einander hingegen nur mehr die
error-behafteten consilia der Menschen und das consilium des Dichters ge-
genüber, das der Zuschauer als casus, als bloßen Zufall erlebt.44 Der Zufall
wirkt vordergründig eben nur als zufälliges Handlungselement in der Reihe
der perturbationes.
Donats Handlungsgliederung bzw. seine Verwischung der Epitasis-
Katastrophé-Grenze hält sich also durchaus an den Text seines römischen
Dichters – sodaß auch wir, wenn wir Terenzstrukturen beschreiben wol-
len, vielleicht von ihm lernen könnten. Sollten wir uns zum Beispiel von
ihm anregen lassen, analog zur ‚Exposition im engeren Sinn‘ auch den
Begriff der ‚Katastrophé im engeren Sinn‘ einzuführen, der sich strikt auf
jene Szenen bezieht, in denen das in der Vorgeschichte oder/und der Ex-

42 V 1 Simo gegen Chremes, V 2 gegen Davos, V 3 gegen Pamphilus.


43 Vgl. dazu etwa Netta Zagagi: The Comedy of Menander. Convention, Variation and
Originality. Bloomington 1995, S. 143 (im Kap. VI „Divine interventions and hu-
man agents“): „In turning the divine speaker into a factor in the play’s action,
Menander was … also rendering the plot as a whole more coherent from the
point of view of both form and matter.“ Schon Prescott: „The Comedy of Er-
rors“ (Anm. 5), S. 32 zitiert in ähnlichem Sinn Perik. v. 169 διὰ   γὰρ   θεοῦ   καὶ   τὸ  
κακὸν  εἰς  ἀγαθὸν  ῥέέπει.
44 Donat formuliert das als Regel (anläßlich III 1) in 459, 1: quaedam industria,
quaedam velut casu eveniunt … in multis enim οἰκονοµμίία comicorum poetarum ita se habet,
ut casu putet spectator venisse, quod consilio scriptoris factum sit.
310 II. Handlungsgliederung

position aufgestellte offen gebliebene Grundproblem (zumeist des Liebes-


paares) gelöst wird?45 Die Szenen der ‚weiteren Katastrophé‘, die die
Handlung auch für die anderen Figuren des Spieles abrunden und vor
allem der fröhlichen Entspannung des Publikums dienen, könnten wohl
zumindest von den Quellenanalytikern mit Gewinn gesondert betrachtet
werden. Das Publikum der Palliatendichter bevorzugte ja ein rascheres
Handlungstempo als das griechische, und zwar sowohl im Spannungsan-
lauf wie in der Entspannungsphase. Donats Bemerkung brevitati consulit
Terentius 46 könnte man in diesem Sinn fast zur allgemeinen Maxime erklä-
ren – die sich allerdings an der Andria nicht so eindeutig nachweisen läßt
wie z. B. in der Hecyra-Analyse.47
418
418 Doch sei dem wie immer, eines hoffe ich außer Zweifel gestellt zu
haben: daß Donat auch in de com. 7, 4 seine Fähigkeit bewährt, mit dem
Blick auf seinen Dichter die poetologisch-philologische Tradition, die ihm
zur Verfügung steht, eklektisch zu benützen und in fruchtbarer Weise neu
zu fassen.
***

III. Der Euanthiuspassus in de com. 4, 5 ist gewiß eines der Vorbilder von
Donats 7, 4; um dies – und zugleich den Unterschied zwischen den beiden
Texten – nachzuweisen, wollen wir seine Eigenheiten in Stil und Inhalt
sowie seine Verwendung und Umsetzung in Praefationes und Kommentar
genauer unter die Lupe nehmen.

protasis primus actus initiumque est dramatis,


epitasis incrementum processusque turbarum
ac totius, ut ita dixerim, nodus erroris,
catastrophe conversio rerum ad iucundos exitus,
patefacta cunctis cognitione gestorum.

Die Protasis ist der Beginn der gespielten Handlung, der Eintritt
ins dramatische Geschehen;
die Epitasis (bringt) Anwachsen und Fortschreiten der Verwirrung,
sozusagen die Verknotung der ganzen Irrtumshandlung;

45 Und steht vielleicht auch Holzberg mit der bevorzugten Behandlung von Exposi-
tions- und Lösungsakt zum Teil noch unter dem Einfluß dieser Donattradition?
46 Hec. 825, 2.
47 Bemerkenswert ist eben, daß Terenz in der Hecyra gerade in α und ε gekürzt hat,
wie mein Apollodor-Schema im Anhang (vorläufig leider ohne Beweis) illustriert. (Zu
„Inhalt und Aufbau“ der Hecyra bei Terenz und zum derzeitigen Forschungsstand
vgl. inzwischen Kruschwitz: Terenz [Anm. 22], S. 117–138; quellenanalytisch extrem
Eckard Lefèvre: Terenz’ und Apollodors Hecyra. München 1999 [Zetemata 101]).
Akte und Spannung 311

die Katastrophé ist die Umwendung der Ereignisse zum allgemeinen happy ending,
wobei sich allen die Einsicht ins Gesamtgeschehen eröffnet.

Die Interpretation dieses Textes nehmen wir am besten in Angriff mit der
Beobachtung, daß Euanthius sich zu Terenz’ Prolog- und Expositions-
technik in zwei deutlich aufeinander bezogenen Aussagen geäußert hat, in
de com. 3, 2 und am Anfang von 4, 5. Der Passus 3, 2 besagt, wenn man
den Text der ersten Zeile richtig konstituiert 48 (meine Paraphrase berück-
sichtigt auch, daß Euanthius hier wie im ganzen Kapitel 3 die virtutes, die
Sonderleistungen, des Terenz im Auge hat):

a) Terenz hat – was es bei den Griechen überhaupt nicht gibt, 419
419
wohl aber bei den Römern 49 – Prologsprecher, die ähnlich
wie Redner, d. h. Sachwalter agieren.
b) Terenz allein setzt, im Unterschied zu den anderen Römern
und den Griechen, nie Prologgötter ein.
c) Zum Ersatz verwendet er für die Exposition häufiger als
andere ein πρόσωπον προτατικόν.

Besonders zu den (textlich korrigierten) prologos more oratorum paßt nun in


4, 5 offensichtlich, wie Euanthius die möglichen Arten oder Themen eines
Prologs zusammenfaßt: est prologus velut praefatio quaedam fabulae, in quo solo
licet praeter argumentum aliquid ad populum vel ex poetae vel ex ipsius fabulae vel
actoris commodo loqui. ‚Der Prolog ist gleichsam eine Vorrede zur Komödie;
nur in ihm kann dem Publikum zur Empfehlung des Dichters, des Stücks
selbst oder des Impresario50 auch51 etwas mitgeteilt werden, was nicht zur
Vorgeschichte und Handlung gehört.‘

48 Dazu hat sich Friedrich Leo (Plautinische Forschungen. Zur Kritik und Geschichte der
Komödie. 2. Aufl. Berlin 1912, S. 224f.) den Weg verbaut mit der Annahme, es ha-
be schon bei den Griechen personifizierte Prologsprecher (prōlogi) gegeben; vgl.
aber Wilamowitz: Menander: Das Schiedsgericht (Anm. 8), S. 144f. Auch Wessner hat
leider Fritz Schoells Graeci prologos non habent more oratorum (für nostrorum), quos La-
tini habent – m. E. eine coniectura palmaris – nicht in den Text gesetzt. Schoell kann
sich für den Wortlaut auf Haut. v. 11f. (oratorem esse voluit me, non prologum; vostrum
iudicium fecit, me actorem dedit) und Hec. v. 9 (orator ad vos venio ornatu prologi) berufen;
noch stärker wiegt der Sachbezug, denn gerade diese beiden Prologe wurden be-
kanntlich von Ambivius Turpio, dem Leiter der Truppe, vorgetragen, den Terenz
ex poetae et ipsius fabulae et actoris (dazu Anm. 50) commodo argumentieren ließ.
49 Neben Plaut. Asin., Capt. (usw.) vgl. auch Amph. v. 26–31.
50 Der actor (im Singular) kann nur den Schauspielunternehmer meinen; ein junger
Schauspieler (der laut Haut. v. 1f. für gewöhnlich als Prōlogus auftritt) dürfte nie
zu seinem eigenen Vorteil (ex actoris commodo) sprechen. – NB.: Der Rückbezug
auf 3, 2 beweist übrigens zusammen mit der späteren Verwendung durch Donat
(dazu siehe unten z. B. bei Anm. 60–63, 69), daß 4, 5 echter Euanthius ist.
312 II. Handlungsgliederung

Damit hat Euanth von vornherein ebenso deutlich wie Donat in 7, 2


an Terenz’ Neuerungen in der Expositionstechnik erinnert. Im folgenden
nützt er aber die Gelegenheit nicht, wie sein Nachfolger und Erbe die
Frage der Informationsvergabe auch im πεκ-Schema zu thematisieren; er
begnügt sich vielmehr ganz auffällig damit, die Semantik von πρόότασις
und ἐπίίτασις zur Geltung zu bringen. Je zweimal wird auf das Präfix ange-
spielt, auf προ- durch primus und initium, auf ἐπι- durch incrementum proces-
susque. (καταστροφήή ist dann sogar wörtlich übersetzt.) Der Doppelaus-
druck incrementum processusque kann ferner, da ihm auch noch turbarum und
erroris an die Seite treten, nur als tautologisch verstärkende bzw. epexegeti-
sche Synonymenhäufung aufgefaßt werden (was auch Donat bezeugt52); also
intendierte er dieselbe Wirkung auch mit actio und drama in der Protasis.
Mit anderen Worten: Euanthius beschreibt in 4, 5 die beiden Phasen
der ansteigenden Handlung ausschließlich mit dem Blick auf die Handlung
selbst und auf die Spannung,53 die deren innere dynamische Zweistufung
bewirkt. Ob er bei ‚Spannung‘ mehr an die Nöte denkt, in die die dramatis
personae geraten, oder an die Neugier des Terenzpublikums, wie das Stück
weitergehen und ausgehen wird, läßt sich kaum entscheiden, wenn man
420
420 auch vor dem Hintergrund der Nea-Dramaturgie weniger an || das (vorin-
formierte) Publikum als an die errores der Figuren denken möchte. Immer-
hin deutet die Formulierung der Katastrophé entschieden auf die Aktanten
des Spiels: diese – und nicht das Publikum – bekommen ihr glückliches
Ende im Plural (iucundos exitus), und sie alle, nicht ‚alle Zuschauer‘, durch-
schauen jetzt, was sie erlebt haben.
Wenn wir die Begriffe Euanths unscharf finden, so bedeutet das
selbstverständlich keinen Vorwurf an seine Adresse. Zweck und Ziel sei-
ner maßvollen Adaptierung eines ursprünglich griechischen πεκ-Schemas
war ja weder, dieses exakt wiederzugeben, noch es wie Donat so umzu-
bauen oder zu ergänzen, daß man in seinem Rahmen die terenzische
Handlungsführung Szene für Szene nach Ökonomie und dramatischer
Struktur interpretierend nachvollziehen könne. Euanthius will mithilfe

51 Durch das nicht exkludierende praeter bezieht Euanthius geschickt auch Donats
Typ des prologus mixtus, omnia haec in se continens (7, 2) mit ein.
52 Hätte Donat nämlich ac totius eqs. als anreihend verstanden, dann hätte er nicht
den nodus erroris schon auf den Epitasisbeginn in der ‚Brückenszene‘ der Andria
bezogen.
53 Leos schiefe Urteile zu 4, 5 und 7, 4 (Plautinische Forschungen [Anm. 48], S. 232–235)
sind wohl die verba magistri, die die τάάσις für viele Gräzisten zum Unthema gemacht
haben. Gegen Leo vertragen sich aber fünf Akte und drei Fabelphasen miteinander,
und πρόότασις darf nicht unter Berufung auf die Spätstufe des Theorems bei Donat
vom Verbum προτείίνω ‚ein Problem vorlegen‘ abgeleitet werden. Der Grieche, der
– von Sophokles und Menander belehrt – die Desis des Aristoteles nochmals in
Protasis und Epitasis unterteilte, ging schlicht und einfach vom Substantiv τάάσις aus.
Akte und Spannung 313

dessen, quod de arte comica (der νέέα  κωµμῳδίία) in veterum cartis retinetur (2, 7),
seinerseits die Terentianas virtutes darstellen (3, 5); in neuerer Diktion: er
will aus der literarhistorischen Entwicklung (auf der Linie ‚von Menander
bzw. Plautus zu Terenz‘54) und aus der Dramentheorie (welche zwischen
Tragödie und Komödie55 und zwischen den Unterarten des Genos Komö-
die56 differenziert) verschiedene Kategorien und Rubriken für die kritische
Würdigung von Terenz’ künstlerischen Leistungen gewinnen. In diesem
Sinn, um als grammaticus sein iudicium vorzuführen, charakterisiert er also
vergleichend und differenzierend die Komödien unter anderem auch etap-
penweise von Handlungsphase zu Handlungsphase. Einer von den Aspek-
ten, unter denen er die Phasen betrachtet, kann dabei natürlich die Kunst
der genosadäquaten Handlungsentwicklung selbst sein, wie z. B. in der
Andria, deren πεκ-Schema wir oben schon diskutiert haben.57 Ein anderes
Beispiel: in der Hecyra berücksichtigt Euanthius den originellen Einsatz der
unkonventionell agierenden Charaktere. In hac πρόότασις turbulenta est, ἐπίί-­‐‑
τασις mollior, lenis καταστροφήή: So würde er nicht formulieren, wenn er
sich bloß an seine eigene Kurve von Spannung und Lösung hielte, die er
vorher zur Fixierung der Phasengrenzen gebraucht hatte.58 Denn die Epi-
tasis,59 die || von III 3 bis IV 4 reicht,60 ist komplikationsreich genug, daß 421
421

54 Vgl. nochmals oben zu 3, 2 und 4, 5fin.


55 Vgl. etwa 3, 5a illud est admirandum, quod et morem retinuit, ut comoediam scriberet, et
temperavit affectum, ne in tragoediam transiliret eqs; 4, 2 inter tragoediam autem et
comoediam imprimis hoc distat eqs.
56 Vgl. etwa 2, 6 die ‚Definition‘ der Nea; 3, 5b illud quoque inter Terentianas virtutes
mirabile, quod eius fabulae eo sunt temperamento, ut neque extumescant ad tragicam
celsitudinem neque abiciantur ad mimicam vilitatem.
57 Die Andria-Protasis nennt Euanthius zutreffend subtilis, ‚feingesponnen‘ (I 1 – II 3
reicht ja von Simos Intrigenplan der fingierten Hochzeit, mit welcher er dem
schlauen Davos zuvorkommen will, bis zu Davos’ Gegenplan, dem Rat an Pam-
philus, der durchschauten Fiktion zuzustimmen), die Epitasishandlung – von II 4
an, vgl. die von Donat bewunderte perturbatio – tumultuosa, die Katastrophé (mit
Bezug auf Simos Wüten gegen Davos und Pamphilus in V 1–3) paene tragica, et
tamen repente (nämlich in V 4) ex his turbis in tranquillum pervenitur (zu tranquillum vgl.
z. B. de com. 4, 2 illic – in der Komödie – prima turbulenta, tranquilla ultima; in tragoe-
dia contrario ordine res aguntur).
58 Vgl. mein Apollodor-Schema im Anhang, das auch für das Terenzstück ver-
wendbar ist, wenn bzw. weil der Römer die griechische Handlungsführung im
Großen beibehalten hat.
59 Incrementum processusque turbarum, also die Epitasisnöte des jungen Ehemanns
Pamphilus, der sich in der Protasis nur über das Zerwürfnis zwischen seiner Mut-
ter und seiner Frau Sorgen machen mußte, beginnen in der ‚Brückenszene‘ III 3:
Seine Frau ist soeben im Begriff, ein durch Vergewaltigung empfangenes Kind zu
gebären, und seine Versuche, die Ehre der Geschändeten nach außen zu wahren,
aber die Fortsetzung der Ehe abzulehnen und schon gar nicht das Kind als das
314 II. Handlungsgliederung

man sie für turbulentior als die Protasis halten möchte. Euanthius und Donat
verweisen aber auf die neuartigen Charaktere: praef. 1, 9 in tota comoedia hoc
agitur, ut res novae fiant …: inducuntur enim benivolae socrus,61 … lenissimus in
uxorem maritus et idem deditus matri suae,62 meretrix bona.63 Die Epitasis ver-
dankt also das Epitheton mollior wohl dem ungewöhnlich liebevollen Ver-
halten des Pamphilus und seiner Mutter; und warum man die Katastrophé
lenis nennen kann, erklärt Donat gleich zu ihrem Beginn (727, 1): rarus hic
vitae color … miscetur a poeta, nam meretrix loquitur et senex, et quod est admira-
bilius, bona meretrix, mitis senex.
Man wird wohl – allein schon deswegen, weil sich jeder Kommenta-
tor notwendig Erkenntnisse seiner Vorgänger aneignet – auch bei gründ-
lichstem Durcharbeiten der Donatmasse meist nicht sicher zwischen den
Kunsturteilen Euanths und Donats unterscheiden können. Aber für das
Dreiphasenschema selbst sehen wir jetzt doch klar, was bei Donat neu ist,
und daß Euanthius einer ursprünglich griechischen Quelle, die die zwei
Spannungsstufen der ansteigenden Handlung erstmals unterschieden hatte,
mit seiner Erklärung von πρόότασις und ἐπίίτασις näher bleibt. Daß diese
Annäherung noch beträchtlich weiter zurück verfolgt werden kann, davon
bin ich im Verlauf meiner Arbeit selbst überrascht worden.

***

IV. Wir kommen also vom poetologisch interessierten Komödieninterpre-


ten Donat und vom Literaturkritiker und -historiker Euanth schließlich zu
einer noch früheren Fassung des Nea-Strukturschemas: zum lateinischen
Vermittler (so gut wie sicher Aemilius Asper) eines griechischen Lehr-
stücks, das von einem peripatetischen Poetologen stammt (möglicherweise
von Theophrast).64

eigene anzuerkennen, führen zu solchen Verwicklungen zwischen den beiden be-


troffenen Familien, daß er sich in IV 4 (vor der Katastrophé) nur mehr durch
Flucht zu helfen weiß.
60 Zur ‚Brückenszene‘ vgl. unten Anm. 75.
61 Donat 199, 1 stimmt Simos Vorurteil zu: bono argumento utitur: laesisti nurum, quia
socrus es et nulla socrus nurum diligit. Sostrata bewährt ihre benevolentia v. a. in IV 2.
62 Donat bespricht zum Epitasisbeginn (361, 1) nüchtern die Abhängigkeit des Ethos
vom Mythos: tota oratio Pamphili ad argumentum spectans amatoria magis quam maritalis
est; nam aliter non perveniretur ad ultimam cognitionem omnium rerum, nisi adulescens furti-
vum conceptum uxoris et partum aliquanto lenius quam coniugalis dolor expetit toleravisset.
63 Speziell für die Bacchis der Hecyra, welche die Ehe ihres früheren Liebhabers
rettet, gilt also auch de com. 3, 4 solus ausus est, cum in fictis argumentis fidem veritatis as-
sequeretur, etiam contra praescripta comica meretrices interdum non malas introducere, quibus
tamen et causa, cur bonae sint, et voluptas per ipsum non defit.
64 Asper kommt laut Paul Wessner (Aemilius Asper. Ein Beitrag zur römischen Literatur-
geschichte. Halle 1905 [Lateinische Hauptschule in den Franckeschen Stiftungen,
Akte und Spannung 315

Der Gedanke, daß in der Euanthius-Formulierung abermals eine Vor- 422


422
form stecken könnte, kam mir, als ich Jakobis Auslegung von totius, ut ita
dixerim, nodus erroris zu bezweifeln begann. Laut Jakobi (S. 153) wurde die
Metapher nodus erroris von Euanthius geprägt, „der sein offensichtlich
ungewohntes Bild mit einem ut ita dixerim einleitet“. Gewiß sei das Bild
vom dramatischen Knoten seit Aristoteles geläufig, „speziell für nodus
erroris bildet aber die Euanthius-Partie den ersten Beleg“. Daß die Junktur
noch im 4. Jahrhundert „ungewohnt“ gewesen sein soll, ist allerdings
kaum glaublich; ist sie doch zum einen schon bei Livius belegt, wenn auch
nicht mit direktem literarischem Bezug,65 und zum anderen sollten wenigs-
tens die Dramenspezialisten das horazische nec deus intersit, nisi dignus vin-
dice nodus inciderit 66 im Ohr haben, eine Junktur, der gegenüber der nodus
erroris so prosaisch wirkt, daß er keine Entschuldigung nötig hat. ut ita
dixerim braucht also eine andere Erklärung, vielleicht einen anderen Kon-
text; und dieser ergibt sich ganz einfach, wenn man den prologus, der ja erst
für die Terenzerklärung aus dem πεκ-Schema herausgezogen wurde, wie-
der dort einfügt, wo in einem griechischen Ursprungstext sein Platz war.
Die schlichte Umstellung protasis prologus et primus actus initiumque est drama-
tis hat die verblüffende Wirkung, daß sich im ganzen Text die bei Euanthi-
us schon eher abundanten als explizierenden Synonyma wie durch Zau-
berhand in eine Reihe von aufeinander folgenden Handlungsteilen ver-
wandeln, die (ähnlich wie unsere Sequenzen) innerhalb der drei Phasen die
Handlung in dramatischer Bewegung halten:

Die Protasis besteht aus dem Prolog,


den ersten (Szenen der) Handlung
und dem Eintritt ins (eigentliche) Drama,

die Epitasis aus Sequenzen der wachsenden


und der fortschreitenden Verwicklungen
und sozusagen dem harten Kernstück der ganzen Wirrnis;

Programm 1905]; voll rezipiert in: Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, hg.
von Reinhart Herzog und Peter Lebrecht Schmidt. Bd. 4: Die Literatur des Um-
bruchs: von der römischen zur christlichen Literatur; 117 bis 284 n. Chr., hg. von Klaus
Sallmann. München 1997, § 443 B1) als einziger Vermittler griechischer Original-
literatur an Euanth/Donat in Betracht (vgl. auch unten bei Anm. 81f.). – Den
griechischen Urheber des Schemas nenne ich einfach den Peripatetiker, weil er
offensichtlich die Aristotelestradition fortführt. Vgl. dazu weiter Anm. 83.
65 Liv. 40, 55, 3f.: intellexisse videor magno te aestimaturum, si scire vera omnia possis de filiis
tuis, uter ab utro petitus fraude et insidiis esset. homo unus omnium, qui nodum huius erroris
exsolvere possit, in potestate tua est.
66 Hor. ars p. v. 191f.
316 II. Handlungsgliederung

die Katastrophé bringt die Wende zum allgemeinen guten Ausgang, wobei
sich (nach und nach) allen das Verständnis für die ganze Handlung
eröffnet.

Wer dieser Rekonstruktion und Interpretation mißtrauen wollte, müßte


(einmal ganz abgesehen von der literaturhistorischen Plausibilität und dem
minimalen Umfang der Textänderung) zwei sinnvolle Ergebnisse, die un-
sere Einordnung des prologus zur Folge hat, dem bloßen Zufall zuschrei-
ben: die sprachlich-stilistische Geschlossenheit des Textes und die sachliche
und genetische Verträglichkeit seines Inhalts mit Sophokles, Aristoteles
und Menander. Der Peripatetiker, der allein schon mit den neuen Termini
πρόότασις und ἐπίίτασις (anstelle von δέέσις) die dramaturgische Bedeutung
423
423 von Spannung und Steigerung zum Ausdruck brachte, hat dieselbe || Dy-
namik auch in der Beschreibung der phaseninternen Handlungsstruktur
betont: Es geht in zwei Triaden stetig und schwungvoll aufwärts, von
prologus über primus actus zu initium dramatis,67 und dann nochmals vom
incrementum turbarum 68 über deren processus bis zum nodus erroris.
Apropos zur Wiedergabe von totius ut ita dixerim nodus erroris durch
‚sozusagen das harte Kernstück der ganzen Wirrnis‘. Im Kontext kann die
Metapher, da die Handlungskurve gerade an dieser Stelle den Steigerungs-
höhepunkt erreicht, mit welchem notwendig der Umschwung von Spannung
zu Entspannung einhergeht, bei Asper nur die Abschluß-Sequenz der Epi-
tasis69 charakterisieren. Das leistet sie aber wohl am besten, wenn Asper die
andere konkrete Bedeutung des Wortes nodus im Auge hat, die botanische:
Die Komplikationen erreichen am Epitasisschluß ihre größte Dichte, ‚sozu-
sagen wie der Knorren im Holz‘, da, wo dieses beim Ansatz von Seitenästen
am härtesten ist. Das außergewöhnliche Bild, welches Asper vielleicht auch
im weiteren Verlauf seiner Darlegung noch näher ausführte, mag angeregt
sein durch einen entsprechenden Ausdruck aus dem Wortfeld πυκνόός.
Die auffälligste Gegebenheit, die unser Peripatetiker bei seiner Wei-
terentwicklung von Aristoteles’ Aussagen zur Dramenstruktur berücksich-

67 Zu der Frage, warum der Übersetzer Asper drama im prägnanten Sinn des ‚eigent-
lichen Dramas‘ verwendet, kann ich nur vermuten, daß er wohl eine Parallele zu
der Dreiphasenteilung der Tragödie vor sich hatte, die Donat Ad. 288, 1 zitiert:
tragoedia in tria dividitur, exspectationem, gesta, exitum; da bezeichnet gesta in ähnlicher
Weise die ‚eigentliche‘ πρόότασις.
68 Das ‚crescere‘ des ersten Epitasisteils übertrifft dabei selbstverständlich das
‚initium‘ des Protasisschlusses.
69 Der Fall liegt also anders bei Donats schon mehrfach zitiertem haec scaena nodum
innectit erroris fabulae (Andr. 404, 1 zum Epitasisbeginn) oder bei Euanthius’ auf die
gesamte Epitasis abzielendem ‚sozusagen die Verknotung der ganzen Epitasis-
handlung‘.
Akte und Spannung 317

tigen mußte,70 war natürlich die regelmäßige Aktgliederung der Nea. Daß
er sich durch die Fünfzahl der Akte doch nicht hindern ließ, die Desis und
Lysis zur Dreizahl von πεκ zu erweitern, kann nur bedeuten, daß ihm
(mindestens zum Teil) die innere Dramaturgie der Handlung wichtiger war
als ihre äußere Gliederung durch die χοροῦ-Pausen, welche u. a. bekannt-
lich den Nea-Autoren Gelegenheit zur Wahrung des Zeit-πιθανόόν boten
bzw. das Publikum zur neugierigen Besinnung anregten, wie das Spiel
wohl weiterlaufen werde.
Eine Stelle, an der mit Sicherheit ein Phasenwechsel innerhalb des
Aktes eintrat, ist heute allgemein bekannt und von der communis opinio
akzeptiert (auch in unseren Aufbauanalysen von Ödipus, Epitrepontes und
Hekyra exemplifiziert): der Umschwung von Epitasis zu Katastrophé mit-
ten in δ. Wenn es darüber (wie man vermuten darf) eine direkte Äußerung
des Peripatetikers gab, dann ist diese durch das Desinteresse der Römer
verloren gegangen.71 Aber ein fast ebenso beredtes indirektes Zeugnis
blieb erhalten, nämlich seine schon erwähnte innere Differenzierung der
Phasen in Handlungsteile oder Sequenzen. Zumindest für die Epitasis
unserer drei Dramenexempel kann ich es nicht für Zufall halten, wie tref-
fend die Steigerung und || Intensivierung des dramatischen Geschehens 424
424
von γ1 über γ2 zu δ1 durch incrementum/processus/nodus erroris beschrieben
wird. Ebenso wenig zufällig ist es aber auch, daß den drei Sequenzen bzw.
eineinhalb Akten der Epitasis wieder drei Sequenzen bzw. eineinhalb Akte
der Katastrophé folgen. Wir haben daher unseren Peripatetiker wohl nicht
überinterpretiert, wenn wir seine Sequenzengliederung als Mittel der Ver-
netzung von Akt- und Phasenstruktur verstehen.
Den letzten und stärksten Beweis dafür, daß er die Phasenstruktur eben
als aktübergreifend beschreiben will, liefert uns m. E. seine Behandlung
der Protasis. Hier scheint es zwar fürs erste beunruhigend, daß primus actus
und initium dramatis weder untereinander noch am Ende zur Epitasis hin
ohne weiteres als Sequenzen abgrenzbar sind. Relativ einfach geht es noch
am Anfang mit dem prologus. Der Prologteil der griechischen Nea bietet ja
mit seinen episch-narrativen Elementen (v. a. des Götterprologs) dem
Dichter die Möglichkeit, dem Publikum alles mitzuteilen, was er funktio-
nal-dramaturgisch für den Anfang des Spiels braucht. 72 Da er also die
‚engere Exposition‘ in diesem funktionalen Sinn 73 im Prologteil vollständig

70 Vgl. zu dieser oben zwischen Anm. 14 und 15.


71 Vgl. unten bei Anm. 79 zu Protasis/Epitasis.
72 Das war natürlich im König Ödipus stofflich viel weniger (anders Holzberg: Menan-
der [Anm. 8], S. 8, Anm. 17, der noch vom ‚analytischen Drama‘ ausgeht):
schließlich waren Ödipus’ Vatermord und Mutter-Inzest seit Odyssee 11, v. 271ff.
bekannt.
73 Die Formen, die diese Exposition annehmen kann, sind als ‚Eingang‘ der Komö-
die gut analysiert in Holzberg: Menander (Anm. 8), Kap. 2.
318 II. Handlungsgliederung

unterbringt, ist der prologus vom folgenden primus actus unschwer zu unter-
scheiden, in welchem nun die Exposition im weiteren Sinn einsetzt, also
‚die Hauptpersonen einschließlich ihrer Interessen und ihrer Beziehungen
zueinander‘ in ihren ersten Aktionen vorgestellt werden. Wenn man diese
selbstverständliche Funktion des so genannten primus actus berücksichtigt
(den wir nur nicht mit neuzeitlichen Lesern als den ‚ersten von fünf Akten‘
mißverstehen dürfen) bzw. wenn man sich einige Nea-Exempel für die
Schluß-Szenen von α und die ersten Sequenzen von β ins Gedächtnis ruft,
erkennt man leicht, a) daß die ‚weitere Exposition‘ über die Aktgrenze α/β
hinwegreichen kann, also daß der erste Aktschluß die Protasis nicht unter-
bricht oder beendet, und b), daß es innerhalb der ersten β-Szenen oder
von ihnen ausgehend ohne große Spannungssteigerung zu einer weiteren
Teilhandlung kommen kann, die sich allmählich zum initium dramatis ent-
wickelt, d. h. als unmittelbare Vorbereitung der Epitasis fungiert. In den
Epitrepontes z. B. lernt das Publikum nach der Exposition (α1 und α2, bis
zum Götterprolog) zunächst Chairestratos, Habrotonon und Smikrines
kennen, und ohne daß die erste Aktpause von größerer dramaturgischer
Bedeutung wäre, wird es in β1 bei Smikrines’ Wiederauftritt ergänzend
über die Loyalität der stillen Hauptheldin Pamphile zu Charisios infor-
miert.74 Die folgende Schiedsgerichtsszene bringt zweifellos Neues, indem
der Großvater die Anagnorismata Syriskos, dem Betreuer seines Enkels,
zuspricht; aber ist die Frage angemessen bzw. entscheidbar, ob wir da
425
425 noch in der Exposition oder eher schon in der Epitasisvor-||bereitung
sind?75 Sicher ist immerhin, daß die Szene β3, in der Onesimos den Ring
des Charisios erkennt, die Brücke zur Epitasis schlägt; hier spätestens muß
ja allen Zuschauern klar sein, daß die Handlung sich jetzt in Richtung
Anagnorisis bewegt – nein, bewegen könnte, wenn Menander die Epitasis-
komplikationen nicht aus dem Zögern des Onesimos entwickeln wollte.
Hier, am Ende von β, betont er darum die Aktpause ganz bewußt (läßt er
doch Onesimos sogar andeuten, daß er den Ring Charisios ‚vielleicht erst
morgen‘ zeigen wird76): Die Zuschauer sollen und werden sich an dieser
Pausenstelle – am Protasisschluß – fragen, auf welchem Umweg der Dichter

74 α-Schluß und β-Anfang gehören z. B. auch im Dyskolos zusammen (Daos und


Gorgias); zum ‚Geizigen‘ (Eunomia und Megadorus) siehe Adolf Primmer:
„Eckard Lefèvre: Plautus’ Aulularia “, in: Gnomon 76 (2004), S. 33f. [292–294].
75 Ähnlich fließend gestaltet Apollodor in Hekyra β2 und β3 den Übergang von der
weiteren Exposition zur Brückenszene.
76 v. 413f. – Horst-Dieter Blume: Menander. Darmstadt 1998 (Erträge der Forschung
293), S. 111f. tritt (trotz W. Geoffrey Arnott: „The Time-Scale of Menander’s
Epitrepontes“, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 70 [1987], S. 19–31) weiter
dafür ein, aus ‚morgen‘ auf die Zweitägigkeit der Handlung zu schließen. Aber
mit 24 Stunden Pause, die bloß einen übergenau nachrechnenden Philologen be-
friedigen, wäre für die Komödienwirkung nichts gewonnen.
Akte und Spannung 319

nun die Handlung nach der auffälligen Blockade der Anagnorisis weiter-
führen wird.
Unversehens hat uns der β-Schlußeffekt der Epitrepontes zu der letzten
scheinbar offenen Systemfrage geführt, wie unser Peripatetiker wohl die
Brückenszene β3 in das Dreiphasenschema eingeordnet haben mag. Wer
von Donat her rein dramaturgisch-inhaltlich denkt, ist ja bereit, die Szene
einfach zur Epitasis zu schlagen;77 aber das widerspricht offenbar Menan-
ders Gestaltungsabsicht. Gewiß, die Epitrepontes können ein Sonderfall sein,
dem sich andere β-Schlüsse Menanders entgegenstellen ließen, z. B. der
des Dyskolos.78 Da aber unser Peripatetiker solche Gegenbeispiele sicher in
größerer Zahl kannte als wir sie je kennen werden, fällt es umso stärker ins
Gewicht, daß er das initium dramatis, das erregende Moment, ausnahmslos
und per definitionem zur Protasis zählt. Mit anderen Worten: Es gibt ge-
wiß viele Möglichkeiten der Handlungsüberleitung Protasis/Epitasis, von
dramatisch auffälligen bis zu dezent leisen; und wenn der Peripatetiker
diese alle als Protasisabschluß akzeptiert (weil ja z. B. auf den piano-Schluß
im zweiten Akt der Samia zum Ausgleich γ1 sozusagen mit einem Pauken-
schlag beginnen kann), dann kommen wir nicht ohne die Annahme aus,
daß der griechische Theoretiker zur Abgrenzung der Protasis ursprünglich
auch auf den Aktschluß β/γ hingewiesen haben muß.79
Es ist ja überhaupt unwahrscheinlich, daß der römischen Debatte
über die Festlegung der Akte80 nicht griechische Äußerungen über deren
Funktion vorausgegangen wären; und ein Hinweis darauf scheint mir auch
bei Aemilius Asper erhalten. P. Wessner hat in seiner Sammlung der Asper-
Fragmente81 darauf hingewiesen, daß || Donat gern Aspers sich auf Grie- 426
426
chisches berufende Kritik an Terenz anonym zitiert, um ihr dann zu wi-
dersprechen.82 Sollte dann nicht auch in der folgenden Äußerung Euanths
über die Aktpausen Asper gemeint sein? (Ich paraphrasiere de com. 3, 1):
‚Das verwöhnte und anspruchsvoll gewordene Komödienpublikum begann
während der Zwischenaktsmusik abzuwandern, und nicht erst Terenz, son-

77 So habe ich seinerzeit selbst zuversichtlich geurteilt (Primmer: Handlungsgliederung


in Nea und Palliata [Anm. 8], S. 13 [79]), etwas zurückhaltender schon Primmer:
„Die Handlung der Menaechmi“ (Anm. 8), S. 205f. [196f.].
78 Die Brückenszene v. 393ff., die das Publikum auf eine weitere Etappe in Pans
Heiratsplan für Knemons Tochter neugierig macht, ist hier formal durch kurze
Leerbühne von Sostratos’ Abgang zur vergeblichen Feldarbeit (v. 392) abgesetzt,
was ihre Zuordnung zur Epitasis gewiß erleichtert.
79 Vgl. oben bei Anm. 71 zu Epitasis/Katastrophé.
80 Vgl. oben bei Anm. 16–18.
81 Vgl. oben Anm. 64.
82 Beispiele: Eun. 46, 7 iungunt qui secundum Menandri exemplum legunt (dazu Wessner:
Aemilius Asper [Anm. 64], S. 23); Eun. 689, 1 und 2 erravit Terentius non intelligens
Menandricum illud … at ego eqs.; Hec. 58, 5 quidam … ‚paucis‘ legunt; sic enim Apollodorus.
320 II. Handlungsgliederung

dern schon Menander hatte genau diesen Grund, die Chöre zu streichen,
nicht, wie andere meinen, einen anderen (ut Menander fecit hac de causa, non
ut alii existimant alia).‘ Wir wüßten gerne, welche künstlerischen Wirkungen
Menander laut Asper (und seinem peripatetischen Gewährsmann) mit sei-
nen χοροῦ-Pausen bei seinen griechischen Zuschauern hervorrufen wollte.

***
Zum Abschluß noch ein paar Hinweise darauf, was wir mit der Wieder-
entdeckung unseres hellenistischen (peripatetischen 83) Akt- und Phasen-
schemas gewonnen haben:
– Für die Interpretation antiker Dramen, die das vernetzte Schema
anwenden, liefert es unverächtliche erste Hinweise auf ihr inneres dramati-
sches Leben, aber meistens auch nicht mehr als Hinweise (vor allem auf
einzuhaltende Regeln der Dramaturgie). Das Schema bietet einen Rahmen,
einen Kanevas, den der Dichter von Werk zu Werk anders mit Personen-
und Problemkonstellationen und -responsionen ausfüllen kann. Als Inter-
preten müssen wir diese werkeigenen Züge verfolgen, dürfen sie aber ih-
rerseits nicht zu Kompositionsprinzipien hochstilisieren, weder innerhalb
der einzelnen Komödie84 noch indem wir nach allgemein und regelmäßig
wiederkehrenden Responsionen zwischen bestimmten Akten oder Se-
quenzen suchen.85
– Die Quellenanalyse der Palliata besitzt – zur Ergänzung und Kon-
trolle ihrer traditionellen mikroanalytischen Suche nach inhaltlichen und
427
427 künstlerischen Inkonse-||quenzen in den lateinischen Bearbeitungen – in

83 Die Gleichsetzung unseres Peripatetikers mit Theophrast (für die z. B. Blanchard


plädiert) ist möglich, wenn auch kaum beweisbar. Ein (leider nur spielerischer)
Hinweis: Wenn die ‚Lösung für alle‘ (4, 5 patefacta cunctis cognitione gestorum) schon
theophrastisch wäre, könnte Apollodor mit Hec. v. 866f. bereits darauf anspielen:
placet non fieri hoc itidem ut in comoediis, omnia omnes ubi resciscunt. – Als weiterer ‚pe-
ripatetischer‘ Urheber des Strukturschemas kommt wohl Machon von Korinth
(3. Jh. v. Chr.) in Frage; zu ihm und seinem Buch περὶ  τῶν  µμερῶν  κωµμῳδίίας vgl.
Andreas Bagordo: Die antiken Traktate über das Drama. Mit einer Sammlung der
Fragmente. Stuttgart 1998 (Beiträge zur Altertumskunde 111), S. 53f. (bes. Anm.
132 und 139).
84 In diesem Sinn übertreibt z. B. Ludwig Braun („Mercator und Emporos “, in: Würz-
burger Jahrbücher 28a [2004], S. 91): „Die Arzt-Szene der Menaechmi stört den ein-
deutigen und das ganze Stück konstituierenden Wechsel von Begegnungen, denn
nur hier geschähe es, daß eine Person zweimal hintereinander auf denselben Men-
aechmus träfe: Senex trifft Menaechmus I in Szene 5. 5 und gleich wieder in 5. 7.“
Es geschieht aber doch, weil wir uns schließlich im ε-Ausklang des Stücks befinden.
85 Blanchard: La comédie de Ménandre (Anm. 11) neigt in seinem Kap. 12 („Unité et
diversité: les cinq actes“, bes. S. 145–147) dazu, die Strukturaussagen von Aristo-
teles, Theophrast und Donat in diesem Sinn auszuwerten.
Akte und Spannung 321

dem nunmehr literaturhistorisch und -theoretisch beglaubigten Akt- und


Phasenschema ein Instrumentarium der Makroanalyse, dessen Anwendung
(z. B. in der Fixierung der Akt- und Phasengrenzen) von subjektiven Urtei-
len relativ leicht freizuhalten ist, und dessen Verläßlichkeit noch dazu mit
jeder gelingenden Rekonstruktion eines Originals weiter wachsen wird.86 –
Um die Möglichkeiten der Makroanalyse noch an einem Beispiel anzudeu-
ten: Im Rudens des Plautus ist die Protasis bis zum initium dramatis (wo
Labrax die verlorengeglaubte Palaestra im Tempel entdeckt, also neu be-
drohen wird) ziemlich originalgetreu erhalten (bis II 7, v. 592), zum guten
Teil auch die Katastrophé, die (in IV 2, v. 906) mit dem Wiederauftauchen
der Anagnorismata beginnt. Die Epitasis hingegen (ab III 1), in der das
Böse in Gestalt des meineidigen Kupplers scheinbar triumphieren muß,
ist von Plautus radikal umgeschrieben: hier lassen sich Jachmanns und
Drexlers analytische Anstöße als begründet erweisen, ja noch verstärken
(nämlich mit der These, daß Plautus die griechische Möglichkeit der
Streitbeilegung durch Zuschiebung eines Eides an den Streitgegner dem
römischen Publikum nicht zumuten wollte), und Friedrichs Rettungsver-
such scheitert.87
– Welche Anregungen die moderne Dramenanalyse aus unserer Be-
handlung der antiken Tradition für die allgemeine Beschreibung des fünf-
aktigen Dramas der geschlossenen Form gewinnen kann, werden die Fach-
leute entscheiden. Eine Zusammenfassung unserer Resultate war eigentlich
schon dem einleitend vorgestellten Schema beigegeben, zu welchem der
Moderne vielleicht feststellen wird, daß Gustav Freytags Fünf-Akt-
Beschreibung ohnehin mit ihm verwandt ist.88 Den besten Kommentar zu
diesem Schema hat übrigens auch schon der Peripatetiker geliefert, der die
Beschreibungskategorien des Aristoteles im Sinn Menanders durch das
grundlegende Prinzip der Vernetzung ergänzte und vereinheitlichte. Da-
rum soll er (in Form einer Paraphrase, die sein Lehrstück nicht umdeutet,
sondern nur verdeutlicht) hier das Schlußwort sprechen: ‚Der erste Akt
einer Nea enthält die handlungsvorbereitende engere Exposition (v. a.
durch den Prolog) und die ersten Szenen der weiteren Exposition (in wel-
cher man die Hauptpersonen und ihre Interessen und Beziehungen unter-

86 Unter dieser Perspektive bereite ich derzeit die Publikation meiner Analysen von
Amphitryon und Rudens, Heautontimorumenos, Phormio und Hecyra vor.
87 Günther Jachmann: Plautinisches und Attisches. Berlin 1931 (Problemata 3), S. 3 –
104. – Hans Drexler: Die Komposition von Terenz’ Adelphen und Plautus’ Rudens.
Leipzig 1934 (Philologus Supplement 26, 2), S. 41–114. – Wolf-Hartmut Fried-
rich: Euripides und Diphilos. München 1953, S. 171–232.
88 Ein Vorzug des Peripatetikers liegt m. E. darin, daß er die Akte nicht als ge-
schlossene Kompositionseinheit betrachtet. Ähnlich gegen die Überschätzung
der Akte schon Holzberg: Menander (Anm. 8), Kap. 3: Zum Problem der Aktein-
teilung, allerdings ohne das richtige positive Pendant der πεκ-Phasen.
322 II. Handlungsgliederung

einander kennen lernt). Diese wird im zweiten Akt fortgesetzt (dessen


Beginn im antiken Sinn noch zum primus actus gehört!); der zweite Akt
führt dann weiter zum ‚erregenden Moment‘ (initium dramatis), mit wel-
chem er regelmäßig endet. Mit dem dritten Akt beginnen die Sequenzen
der deutlich erhöhten inneren Spannung, welche in der ersten Hälfte (oder
im größeren Teil) des vierten Akts ihren letzten Höhepunkt erreicht; nach
der Peripetie setzt dann noch im vierten Akt die Lösungsphase ein, die in
den Sequenzen des fünften Akts zum Abschluß geführt wird.‘
Akte und Spannung 323

Anhang 1: Sophokles, König Ödipus 428


428

Prologos α1 Exposition: Die Thebaner bitten Ödipus, die Stadt


von einer Seuche zu befreien. (v. 1–84)
α2 Kreon überbringt den Auftrag aus Delphi, die Stadt
von der Schuld an Laios’ Königsmord zu befreien;
Ödipus ordnet eine Volksversammlung an.
(v. 85–150)
Parodos χοροῦ (v. 151–215)
1. Epeisodion β1 Bei der Versammlung setzt Ödipus eine Untersu-
chung in Gang, mit der Absicht, den geständigen
Mörder auszuweisen, den unentdeckten zu verflu-
chen. (v. 216–299)
β2 Als Teiresias seine Mithilfe bei der Mördersuche
verweigert, verdächtigt ihn Ödipus, mit Kreon zu
kollaborieren, der selbst nach dem Königtum strebe.
Da beschuldigt Teiresias im Zorn Ödipus des Vater-
mordes und des Inzests. (v. 300–462)
1. Stasimon χοροῦ (v. 463–512)
2. Epeisodion γ1 Ödipus muß den Versuch aufgeben, in Kreon den
Schuldigen zu sehen – sollte Teiresias bezüglich des
Königsmordes Recht behalten? (v. 513–677)
γ2 Iokastes Beruhigungsversuch weckt, als sie von dem
Dreiweg spricht, in Ödipus erneut den Verdacht
gegen sich selbst. (v. 678–862)
2. Stasimon χοροῦ (v. 863–910)
3. Epeisodion δ1 Als der korinthische Bote zugleich Polybos’ Tod
meldet und enthüllt, daß Ödipus ein Findelkind aus
Theben war, ist Iokaste alles klar, Ödipus sieht sich
realitätsfern als „Sohn der Tyche“. (v. 911–1085)
(3. Stasimon) (v. 1086–1109)
4. Epeisodion δ2 Der alte thebanische Hirt enthüllt Ödipus, daß er
Laios’ und Iokastes Sohn ist.
χοροῦ (v. 1110–1185)
Exodos ε1 Bericht, Klage und Reflexion über Ödipus’ Blendung.
(v. 1186–1421)
ε2 Ödipus versucht (vergeblich), autonom zu entschei-
den. (v. 1422–1530)
324 II. Handlungsgliederung

429
429 Anhang 2: Menander, Epitrepontes

Protasis, Akte α und β:

α1 und α2: Exposition:


(α1) Charisios’ Diener Onesimos erzählt Koch Karion von der Ehe-
krise durch Pamphiles Kindesaussetzung (beide ab in Chairestra-
tos’ Haus, wo sich Charisios dzt. mit Habrotonon zu trösten
versucht).
(α2) ‹Götterprolog: Charisios ist selbst der Vater; das Kind derzeit in der
Obhut des Köhlers Syriskos.›
α3 Erste Handlungsansätze:
Freund Chairestratos in Charisios’ Hetäre Habrotonon verliebt;
Pamphiles Vater Smikrines (Gegenspieler des Ehepaares) will die La-
ge in Charisios’ Haus erkunden.

(Aktpause α/β nach v. 171: Smikrines bei Pamphile)

β1 Smikrines auch von Onesimos abgewimmelt.


β2 Die Schiedsgerichtsszene:
Smikrines spricht als Schiedsrichter zwischen Hirt Daos und Köhler
Syriskos letzterem die Anagnorismata seines Enkels zu (darunter: ein
Ring).
β3 Das initium dramatis:
Onesimos erkennt den Ring des Charisios, wird ihn aber diesem
„vielleicht erst morgen“ zeigen.

(Aktpause β/γ nach v. 418: Ruhe vor dem Sturm)

Epitasis, Akte γ und δ1:

γ1 Habrotonons Plan:
(a) (v. 419–463) Da Onesimos untätig bleibt, holt sich Syriskos inzwi-
schen in der Stadt Belehrung für den nächsten Rechtsstreit.
(b) (v. 464–556) Habrotonon will Charisios (und den Ring) auf die Probe
stellen, indem sie sich als die seinerzeit Vergewaltigte ausgibt (ab ins
Haus).

v. 557–582: Onesimos’ Zwischenmonolog.

γ2 Die szenisch ineinander verflochtenen Auswirkungen der Intrige


(v. 583– 699):
(a) Da das Symposion geplatzt ist, resigniert Karion (geht ab v. 631).
Akte und Spannung 325

(b) Smikines erfährt, daß Charisios Habrotonons Kind anerkennt, und


will Pamphiles Scheidung veranlassen (ab zu Pamphile v. 694 S. /
v. 696 M.)
(c) Chairestratos muß auf Habrotonon verzichten ‹und sie in Charisios’
Auftrag freikaufen gehen› (ab v. 699 S. / v. 701 M.)

(Aktpause γ/δ nach v. 699 S. / v. 701 M.: Smikrines bei Pamphile)

δ1 Pamphile widersteht Smikrines im Agon: 430


430
Obwohl Smikrines die Folgen des Lebens mit einer Hetäre und deren
Kind im Haus realistisch ausmalt (v. 716–800), will Pamphile Chari-
sios in all ihrem Unglück die Treue halten (v. 801 – ca. v. 840). Smikri-
nes geht enttäuscht ab, danach kurzer verzweifelter Monolog Pam-
philes.

Katastrophé, δ2 und ε:

δ2 Anagnorisis der Mutterschaft bzw. Elternschaft


(a) Habrotonon führt Mutter und Kind zusammen (v. 852–877). Die
Frauen ab in Charisios’ Haus, wohin auch Onesimos vor dem
„Verrückten“ flüchtet (bis v. 907).
(b) Charisios’ Einsicht in die eigene Schuld – Freude über Pamphiles
Treue – er wird über Habrotonons Intrige (durch Onesimos und
Habrotonon) aufgeklärt.

(Aktpause δ/ε nach v. 978: Smikrines holt Pamphiles Amme)

ε   Aufklärung für Nebenfiguren:


  ε1 (v. 979–1061) Chairestratos kommt mit dem tugendhaften Vor-
satz, sich von Habrotonon fernzuhalten; ‹in verstümmeltem Dialog
(von Onesimos?) aufgeklärt.›
  ε2 (v. 1062–1132) Smikrines von Amme und Onesimos gefoppt und
aufgeklärt.
  ε3 (v. 1133–…) Zu Smikrines tritt nochmals Chairestratos: ‹vielleicht
soll auch der aus der Stadt zurückkehrende Syriskos noch vom Schiedsrich-
ter/Großvater und seinem eigenen Herrn belohnt werden.›
326 II. Handlungsgliederung

Anhang 3: Apollodor, Hekyra

Protasis, Akte α und β:

α1 und α2: Exposition:


(α1) Gespräch Philotis – Parmeno (~ v. 58–197, I 1–2):
Es kriselt in der Ehe seines (verreisten) Herrn: Philumena ist
(wegen des odium ihrer Schwiegermutter Sostrata oder wegen ei-
nes morbus) in ihr Elternhaus heimgekehrt. (Parmeno ab zum
Hafen)
(α2) ‹Götterprolog: Der wahre Beweggrund Philumenas war ein anderer: Sie
wurde vor neun Monaten (= zwei Monate vor der Hochzeit und vier
Monate vor dem Vollzug der Ehe) von Pamphilus unerkannt vergewal-
tigt und will die bevorstehende Geburt geheim halten. Gerade die Hetäre
Bacchis, deretwegen Pamphilus sich anfangs von seiner Frau fernhielt,
wird zur Versöhnung des Paares beitragen.›
α3 ‹Die Väter werden aktiv.
Laches und Phidippus vereinbaren, den Ursachen des Frauenstreits nachzuge-
hen.›

431
431 Aktpause α/β vor v. 198: ‹Gespräch der Väter mit den Frauen;› Parmeno
trifft im Hafen den heimkehrenden Pamphilus.

β1 Verdacht gegen Schwiegermutter Sostrata scheinbar bestätigt


(~ v. 198–280, II 1–3):
Der Schuldvorwurf, den Laches in II 1 gegen seine Frau erhebt, wird
in II 2 durch Philumenas (von Phidippus berichtete) zweideutige
Aussage bestätigt, daß sie „nicht ohne Pamphilus“ zu den Schwieger-
eltern zurückgehen wolle. (Die Väter ab zur Agora.)
II 3: Kurzmonolog der unschuldigen Sostrata (ab ins Haus).
β2 Pamphilus’ Heimkehr in gespannter Lage (~ v. 281–360, III 1–2):
(a) Pamphilus tritt klagend auf: Daß ihn die Liebe doch immer
unglücklich macht! Auf Philumenas Schmerzensschreie hin
stürzt er zu ihr hinein.
(b) Nach einem Zwischengespräch Parmeno-Sostrata kommt Pam-
philus wieder und schickt Mutter und Sklaven fort (sie ins Haus,
ihn in den Hafen).
β3 Pamphilus exponiert sein Epitasis-Dilemma (~ v. 361–408, III 3a):
Paratragodischer Monologbericht: Er hat Philumenas Mutter Myrrina
versprochen, die Ehre seiner geliebten Frau nach außen zu decken,
das heißt: im Bedarfsfall sich als Vater des (im übrigen sofort auszu-
setzenden) angeblichen Siebenmonatskindes auszugeben (deshalb hat
er ja auch Parmeno fortgeschickt, der weiß, daß das Paar erst seit fünf
Akte und Spannung 327

Monaten miteinander Verkehr hatte). Die Ehe mit der Entehrten will
er aber nicht fortsetzen. ‹Pamphilus ab zur Mutter.›

(Aktpause β/γ nach v. 408: ‹Pamphilus’ Gespräch mit der Mutter,› Parmeno
unterwegs)

Epitasis, Akte γ und δ1,2:

γ1 Pamphilus muß Scheidungsabsicht mit Loyalität zur Mutter im Frau-


enzwist begründen (~ v. 409–515, III 3b–5):
(a) Zwischenspiel: Pamphilus schickt den vom Hafen kommenden
Parmeno zur Akropolis.
(b) ‹Er hat der Mutter zwar inzwischen versprochen, sie gegen falsche Vorwür-
fe zu verteidigen›, aber als die Väter ihn drängen, Philumena heim-
zuholen, begründet er seine Weigerung doch wieder mit der Loya-
lität zur Mutter (v. 495 fluchtartig ins Haus). Auch Phidippus
(v. 510) und Laches (v. 515) gehen übel gelaunt nach Hause.
γ2 Myrrinas Ratlosigkeit nach der Entdeckung des Neugeborenen
(~ v. 516–576, IV 1):
Phidippus entdeckt das Kind; im Erklärungsnotstand und im Zorn
über seinen Vorwurf, sie wolle jetzt wie früher den Schwiegersohn
bloß wegen seiner Affäre mit Bacchis nicht akzeptieren, stimmt sie
ihm zu und exponiert ihren Verbündeten: „Frag doch Pamphilus sel-
ber, ob er die Ehe weiterführen will!“ Beide ins Haus, sie nach kur-
zem Schlussmonolog: „Wie sollen wir je den wahren Vater des Kin-
des finden?“

(Aktpause γ/δ nach v. 576)

δ1 (v. 577–622, IV 2–3) und δ2 (v. 623–705, IV 4a): Pamphilus von 432
432
allen in die Enge getrieben:
(δ1) Sostratas Entschluß, um des Familienfriedens willen aufs Land
zu ziehen, raubt Pamphilus die vorgeschützte pietas-Begründung
für seine Scheidungsabsicht;
(δ2) und die begeisterten Großväter verlangen, er solle, wenn (seiner
Liebe zu Bacchis wegen) schon nicht Philumena, so wenigstens
das Enkelkind ins Haus nehmen. Um das Ärgste (die Legitimie-
rung des Kindes) zu blockieren, läuft er v. 705 davon.

Katastrophé, δ3 und ε:

δ3 Laches verhandelt mit Bacchis (~ v. 706–798, IV 4b –V 2):


328 II. Handlungsgliederung

(a) Die Väter sehen nur einen Ausweg: Bacchis unter Druck zu set-
zen. ‹Da sie aber über die beste Vorgangsweise uneins sind, schickt der
diplomatischere Laches den mißtrauisch-strengen Phidippus um eine Amme
für den Säugling (Phidippus ab rechts, Bacchis kommt von links).›
b) Bacchis erklärt sich bereit, Myrrina und Philumena zu beruhigen.

(Aktpause δ/ε nach v. 798: hinterszenische Anagnorisis unter den Frauen)

ε ist (mit nur 82 Versen) bei Terenz stark verkürzt.


ε1 (mit der Rettung der Ehe durch die Ring-Anagnorisis):
Hier agierten bei Apollodor gewiß dieselben Figuren: Parmeno, Pamphilus,
Bacchis (nur fehlt nach v. 806a ein erster Auftritt des verzweifelten Pam-
philus).
ε2 spielt zum heiteren Ausklang anscheinend mit dem Motiv des Halbwissens
bei den Nebenfiguren: 89
Parmeno („Ah, er hat doch schon in der Hochzeitsnacht das Kind ge-
zeugt.“)
Laches („Pamphilus, du hast jetzt doch meinen Rat zur Versöhnung
befolgt; solltest du dich bei Philumena entschuldigen?“)
Phidippus („Ich werde – mit der Amme – dem Kind zum zweiten Mal
das Leben retten.“)

89 v. 866f. placet non fieri hoc itidem ut in comoediis, omnia omnes ubi resciscunt.
III. Nicht im Druck erschienene Materialien
Der Rudens bei Plautus und Diphilos
Redaktionell bearbeitete Audioaufzeichnung1

[…] An und für sich ist eine gewählt analytische Untersuchung einer
Plautus-Komödie heute natürlich fast antiquiert, aber ich hoffe zu zeigen,
zeigen zu können, daß es nicht unsinnig und nicht resultatlos sein muß,
eine Quellenanalyse zu betreiben.
Idealiter sollte ja jede solche Arbeit einen großen Doppelschritt voll-
ziehen. Wir sollten als Quellenanalytiker zur Komödie zuerst von Plautus
oder Terenz zum rekonstruierten Originalautor – Menander, Philemon,
Diphilos – zurückfinden, und in diesem Sinn möchte ich heute den Rudens
behandeln, der knapp vor dem Ende des Hannibalischen Krieges, also
knapp vor 200 v. Chr., uraufgeführt wurde, nach einem vielleicht um 300
oder knapp danach entstandenen Original des Diphilos – übrigens das
erste Original des Diphilos, dessen Gesamtgestalt uns zugänglich wird,
wenn die Analyse gelingt.
Auf diesen ersten Arbeitsgang sollte dann abschließend ein zweiter
folgen, der wieder die plautinische Umarbeitung – nun positiv vor dem
Diphilos-Hintergrund – würdigt, und zwar mit einem durch den Vergleich
geschärften Blick für die unterschätzte, oft unterschätzte Eigenleistung des
Römers, auch im Aufbau und der Dramaturgie seiner Komödienhandlun-
gen (normalerweise traut man ja Plautus nur das Herumpfuschen an Ein-
zelheiten zu). Leider werde ich heute nicht bis zu diesem positiven
Plautus-Bild zurückkehren können. Aber ich muß ja das Vertrauen in
Plautus bereits voraussetzen, denn wäre sein Text nicht in irgendeiner
Weise gut, dann könnte man ihm ja gar nichts entnehmen. Die Frage ist
nur, was man ihm entnehmen soll. Ich zitiere, um die Zwickmühle, in der
wir uns befinden, zu illustrieren, ein Urteil über den Rudens des Diphilos
von Albin Lesky:

„Hingegen hat der Rudens mit Recht seine Bewunderer gefun-


den. Nicht daß die Handlung mit Liebhaber, Kuppler und dem
als Bürgertochter erkannten Mädchen sonderlich originell wäre,
aber die straffe Durchführung erhält ihren besonderen Reiz
durch den Schauplatz am Rande des Meeres, das förmlich als ei-
ner der Akteure den richtigen Schiffbruch verursacht“ – so, daß

1 Adolf Primmer hielt diesen Vortrag zum plautinischen Rudens und seinem grie-
chischen Original am 20. November 2003 im Rahmen der Veranstaltungen des
Eranos Vindobonensis an der Universität Wien, Hörsaal 21.
332 III. Nicht im Druck erschienene Materialien

alle auf die Bühne kommen – „den richtigen Koffer ans Land
spült“ – mit den Anagnorismata – „und würzige Salzluft über
die Szene wehen läßt.“2

Der romantische Schauplatz und der Prolog-Gott Arcturus, der in Juppi-


ters Diensten den einleitenden Seesturm verursacht – so wie viel später
sein Nachfahre, der zauberkundige Prospero bei Shakespeare –, stammen
sicher schon von Diphilos. Wir werden aber zusätzlich fragen müssen, ob
und wie sich die menschlichen Akteure und Aktionen bei Diphilos und
Plautus voneinander unterscheiden, und ob das, was Lesky als „straffe
Durchführung“ der Handlung dem Diphilos anrechnet, nicht doch in der
plautinischen Fassung zum Teil auch von plautinischer Possendramaturgie
geprägt ist.
Unsere analytische Rückfrage muß also, auch wenn wir Plautus schät-
zen (was ich tue), zunächst einmal im Rudens-Text nach Spannungen, Un-
klarheiten, Verstößen gegen uns bekannte Konventionen der Nea suchen,
und zwar solchen, die nicht anders als quellenanalytisch erklärbar sind.
Nicht anders als quellenanalytisch zu erklären meint, Diphilos am Maßstab
gebräuchlicher Nea-Technik zu messen. Zugegeben, wir wissen zunächst
nicht, auf welchem künstlerischen Niveau Diphilos geschrieben hat. Wie
steht es zum Beispiel mit der seinerzeit vieldiskutierten Zweiteiligkeit der
Handlung? Wie viel oder wie wenig geht davon auf Plautus’ oder auf
Diphilos’ Rechnung?
Über eines sind sich die Analytiker angefangen von Günther Jach-
mann und Hans Drexler, den hochverdienten Archegeten der Rudens-
Analyse in den 30er Jahren,3 – zur Überraschung meiner eigenen Analyse –
eigentlich mit den Unitariern völlig einig: Diphilos war schlechter als Me-
nander, und darum muß man alles Mögliche akzeptieren, was in unserem
Rudens-Text steht. Die Unitarier – vom Grundautor dieser Richtung Wolf-
Hartmut Friedrich angefangen bis zu Lothar Schaaf4 – machen darauf
aufmerksam, daß es eine späteuripideische Dramenform gibt mit leicht
verschränkter, aber doch zweiteiliger Handlung, also nicht so dramatisch
wirksam verschränkt und gesteigert wie es Technik der späteren, vollende-
ten Nea Komodia wäre (das Problem mit der Zweiteiligkeit der Handlung
rührt aber nicht an die Wurzel). Man nimmt jedenfalls alles Mögliche hin.

2 Albin Lesky: Geschichte der griechischen Literatur. 3. Aufl., Bern, München 1971,
S. 747.
3 Günther Jachmann: Plautinisches und Attisches. Berlin 1931 (Problemata 3). – Hans
Drexler: Die Komposition von Terenz’ Adelphen und Plautus’ Rudens. Leipzig 1934
(Philologus Supplement 26, 2).
4 Wolf-Hartmut Friedrich: Euripides und Diphilos. München 1953 (Zetemata 5). –
Lothar Schaaf: „Späteuripideische Dramenformen und ihre Fortsetzung in der
Neuen Komödie“, in: Würzburger Jahrbücher 26 (2002), S. 39–51 (zum Rudens:
S. 49).
Der Rudens bei Plautus und Diphilos 333

Ich widerspreche, und zwar nicht unter Berufung auf Idealvorstellun-


gen, die ich von Diphilos haben würde. Die Rudens-Analyse kann sich an
den Text halten. Wir haben das Glück, daß Plautus so viel von dem Origi-
nal-Rudens, von dem originalen dramaturgischen Duktus behalten hat, daß
wir uns einen zuverlässigen Eindruck davon machen können, auf wie si-
cherem Boden wir stehen, wenn wir Diphilos diese oder jene dramaturgi-
sche Technik, Leistung usw. zutrauen. Ich kann diese positive Grundlage
nicht voll demonstrieren, ein kleiner Schimmer der Beweise, die man füh-
ren könnte, soll ausstrahlen von diesem Handlungsschema [abgedruckt im
Anhang des Vortragstextes, Anm. d. Hg.], das Ihnen auf der einen Seite
links, also die Akte I und II bei Plautus – Sie wissen, I und II sind die
Humanistenbezeichnungen, aber diesmal trifft es zufällig, I und II sind ein
erster und zweiter Akt, und sie entsprechen auch einem Akt A und B bei
Diphilos. Ich habe nun in dem Schema jeweils neben den Verszahlen, die
links angeordnet sind in einer Kolonne, eine kleine weitere Kolonne frei-
gelassen bzw. mit ein paar Zeichen versehen, wo ich nach gebräuchlicher
Nea-Technik handlungsrelevante, dramaturgisch relevante Schwierigkeiten
signalisiere. Zur gebräuchlichen Nea-Technik würden quasi in einem nega-
tiven Sinn Regeln gehören, die nicht verletzt werden dürfen. Wir kennen
jetzt seit dem neuen Menanderfund einiges recht gut, dazu gehören:

– Es darf nicht mehr als drei Sprecher auf der Szene geben, also mehre-
re stumme Personen schon, aber nur drei Sprecher in jeder Szene;
– es muß die fünf Akte geben;
– es müssen die Figuren der Handlung widerspruchsfrei durch Bühnen-
zeit und Bühnenraum geführt werden: Da darf es keine dummen Un-
klarheiten geben;
– es dürfen nicht Personen ein unerlaubtes Vorauswissen haben: Einer
darf nicht im zweiten Akt wissen, was er erst im vierten Akt erfährt
usw.

Das sind also leicht kontrollierbare, noch nicht auf künstlerische, drama-
turgische Feinheiten hinauslaufende Beobachtungen. Es kämen dazu – ich
bedaure, daß ich das nicht vorführen kann – die positiven Leistungen des
Diphilos in den ersten zwei Akten und in dem, was bei Plautus Akt vier
und fünf heißt, was in Wirklichkeit die zweite Hälfte des vierten Diphilos-
Aktes und der fünfte Diphilos-Akt sind. Also wenn ich – ohne Schlüsse
daraus zu ziehen – die manchen von Ihnen vielleicht vertrauten Ausdrücke
der Fabeldreigliederung, der inhaltlichen Dreigliederung der Komödienfa-
bel, gebrauchen darf, Protasis – Handlungsanlauf, wo die Spannung, die
Tasis aufgebaut wird, Epitasis – Spannungshöhepunkt in der Mitte des
Stücks, und dann Katastrophé – Wendung zum Guten. Die Katastrophé
setzt prinzipiell in allen uns zugänglichen Nea-Komödien (das ist nicht
meine These, sondern Konsens der Forschung) immer in der Mitte des
334 III. Nicht im Druck erschienene Materialien

vierten Aktes ein. Und wir haben auf jeden Fall hier, wo bei Plautus IV
steht, die Wendung zum Guten.
Ich kann also weder das Positive zeigen, das wirklich Schöne, das
dramaturgisch Elegante, die Vorbereitungstechnik, mit der Diphilos in
einem ersten Akt Motive anschlägt, von denen man noch nicht ahnt, wie
gut sie später gebraucht werden können, die ganze Steuerung des Publi-
kumsinteresses, noch die Gliederung der Szenen in Sequenzen, die für den
Zuschauer überschaubar sind.
Das steckt zwar alles als Behauptung hier drin, ich habe da hinge-
schrieben „erste Sequenz“, „zweite Sequenz“ usw., links und rechts bzw.
dort, wo es einen fortlaufenden, durchlaufenden raschen Szenenschub mit
Presto gibt, steht nichts von Sequenz usw. usw. Ich kann Ihnen das nicht
vorführen, ich bitte Sie nur, mir zu glauben, daß hinter diesen Schlagwor-
ten redliche philologische Arbeit und die Bemühung steckt, die dramatur-
gischen Strukturen wirklich zu dokumentieren.
Damit wir in alles hineinfinden, einige Bemerkungen zur Vorgeschich-
te, und auch auf das Bühnenbild, das oben auf dem Blatt skizziert ist,
möchte ich mit ein paar Worten zu sprechen kommen. Man sieht sofort
den großen Theaterpraktiker, der mit den visuellen Möglichkeiten der
Bühne auch das Handlungsmäßige – was Figuren charakterisieren kann
usw. – zum Ausdruck bringt.
Die Vorgeschichte, von Arcturus im Prolog unübertrefflich gut er-
zählt – einige Schlagworte dazu: eine Hauptgestalt – als erster vorgestellt
wird der Athener Daemones. Plautus gibt ihm dem Namen Daemones, der
Götterfreund, der die Daimonen auf seiner Seite hat, ein rechtlicher, aber
durch ein hartes Schicksal etwas misanthropisch gewordener Mann, also
eine Art Dyskolos; Seeräuber hatten ihm einst ein dreijähriges Töchter-
chen geraubt, und inzwischen war er sogar noch unschuldig aus Philan-
thropie – aus ursprünglicher Philanthropie – für Freunde gut gestanden
und mußte in die Verbannung gehen, wahrscheinlich weil er Bürgschaften
nicht bezahlen konnte (das ist nur angedeutet). Es wurde ihm also sein
Töchterchen geraubt, welches der Kuppler Labrax, die Negativfigur des
Stückes, von Seeräubern gekauft und dann in Kyrene aufgezogen hat. Sie
ist jetzt gerade so herangewachsen, daß der Kuppler sie als Hetäre arbeiten
lassen könnte.
Das Bühnenbild: Die Zuschauer blicken sozusagen vom Meer her auf
die Küste von Kyrene auf die Bühne – wahrscheinlich schon die Bühne
mit der erhöhten Spielfläche, nicht mehr auf Orchestraebene, denn Diphi-
los macht sich diesen Abstand zunutze. Da liegt vor ihnen eine kleine
Hochfläche, links befindet sich auf dieser Hochfläche ein Heiligtum der
Venus, dort ist die Priesterin Ptolemocratia zu Hause, rechts das Gehöft,
ein ärmliches Bauerngehöft des Daemones, der sich hier also als Verbann-
ter verkrochen hat. Denn abweichend von der normalen Bühnenkonventi-
on führt hier die Straße sowohl von der Stadt als auch vom Hafen her nur
Der Rudens bei Plautus und Diphilos 335

von links, auf die linke Seite zum Venusheiligtum (normalerweise geht es
rechts vom Zuschauer von der Stadt her auf die Bühne und links in den
Hafen und aufs Land). Also Daemones, der Einsiedler, wohnt in der Ein-
öde, in der weglosen, auf der Seite, wo es keinen Weg gibt, dort gibt es nur
mehr Felsen, Klippen – ja, das wird also imaginiert im Laufe des Spiels,
paßt also wirklich zu seinem Charakter zunächst.
Nun hat – weiter zur Vorgeschichte – der Kuppler Labrax einem jun-
gen Athener mit dem klangvollen Namen Pleusidippus, der „seefahrende
Ritter“, versprochen, er würde ihm Daemones’ noch unerkannte Tochter
verkaufen, für deren Freikauf aus der Sklaverei der junge Mann und prä-
sumptive Liebhaber schon eine Anzahlung geleistet hat. Rechtlich ist der
Kauf also schon abgeschlossen. Er hat ihm versprochen, heute am Spieltag
hier beim Venusheiligtum das Mädchen zu übergeben. Aber von einem
ebenso großen Schuft, wie er selber ist, beschwatzt, daß man in Sizilien
mit hübschen Mädchen noch bessere Geschäfte machen könne, wollte
Labrax in der Nacht vor dem Spieltag heimlich dorthin absegeln, worauf
eben der Arcturi cadentis impetus das Schiff scheitern ließ, sodaß zu Spielbe-
ginn vier Schiffbrüchige im Meer unterwegs sind oder festhocken: Die
zwei Mädchen schwimmen in einem Rettungsboot – sie werden auch als
erste kommen –, der Kuppler und sein Freund sitzen noch auf einer Klip-
pe im Meer und kommen später. Untergegangen ist im übrigen der Koffer
des Kupplers, der sein ganzes Barvermögen enthält, aber auch die crepun-
dia, die Kinderspielsachen der Hauptheldin Palaestra, womit diese ihre
Identität dokumentieren bzw. ihre Eltern wiederfinden könnte.
Mit dem Stichwort Koffer wären wir also schon bei der Szene, die bei
Plautus dem Stück den Namen gegeben hat, am Anfang des fröhlichen
Abschlusses dieser Großsequenz im vierten Akt. Nur ganz kurz: Einer
zweiten vierten Akthälfte entsprechend gibt es hier eine Mischung von
Heiterem und Besinnlichem, der Fischer Gripus hat wieder erstaunlicher-
weise den Koffer aus dem Meer gefischt; Trachalio, der „Trachälus“, der
hartnäckige Sklave, hat offenbar den Namen schon davon, der Trachalio,
der anständige Sklave, der den abwesenden Liebhaber Pleusidippus ver-
tritt, bemerkt das, weiß, daß die crepundia in dem Koffer sind, und fordert
seinen Anteil daran. Also er will diese crepundia sicherstellen, eine sehr
lustige Szene. Streit über den Koffer und darüber, ob Fundteilung nicht
eine Erpressung wäre und ob eine solche Erpressung möglich wäre. Es
kommt zu einem Schiedsgericht. Daemones, der Vater, wird als Schieds-
richter herangezogen, läßt das Mädchen – er weiß noch nicht, daß es seine
Tochter ist – die crepundia beschreiben. Es wird festgestellt, daß sie Ei-
gentümerin dieser Dinge ist, weil sie diese aus der Ferne beschreiben kann.
Der Anagnorisis steht nichts mehr im Wege, den heiteren Szenenfolgen des
fünften Aktes, auf die ich nicht mehr eingehe, leider, aus Zeitgründen, ge-
nauso wenig wie fast auf die ersten zwei Akte. Im vierten und fünften Akt
hat Plautus einige Szenenanfänge umgeschrieben. Er hat die Personenfüh-
336 III. Nicht im Druck erschienene Materialien

rung ganz leicht geändert, das hat Günther Jachmann entdeckt, großartiger-
weise schon in den 30er Jahren, obwohl man damals noch so wenig von der
Nea-Technik und den Nea-Texten kannte. Plautus hat eine eifersüchtige
Frau des Daemones erfunden, die es bei Diphilos wahrscheinlich gar nicht
gegeben hat, nur damit Daemones auf- und abgehen kann.
[…] Also es gibt einige Stellen, wo +++ steht, dort hat Plautus ein
bißchen etwas hinzugefügt. Die eingeklammerten + besagen, daß Plautus
die Kofferstreitszene, wie nicht anders zu erwarten, zerdehnt hat. Aber
ansonsten ist das ganze Programm erhalten. Fast unangetastet ist die Leis-
te links in den ersten zwei Akten. Da gibt es überhaupt nur zwei kurze
Szenen, über die man debattieren könnte. Das Allerwichtigste, was wir für
die Mitte, der wir uns zuwenden, brauchen, ist, um wieder schematisch zu
reden, daß alle Personen in die Stellung gebracht werden, in der sie in der
Epitasis gebraucht werden. Nicht nur das, so wie im Geizigen des Menan-
der – Vorbild der Aulularia – der Geizige gleich in der ersten Szene auf die
Bühne kommt und seinen Charakter als Halbgeiziger exponiert, so wurde
hier also Daemones gleich etwas abweisend, gereizt – also wirklich noch
der halbe Einsiedler – gezeigt, aber doch höflich dem Fremden Pleusidippus
gegenüber, der nach dem Mädchen fragt, das hierher kommen sollte. Das
Ganze hat jedenfalls die Folge: Daemones verschwindet am Ende der
ersten Sequenz im ersten Akt in seinem Haus und erscheint erst wieder im
dritten Akt. Er zieht sich noch immer misanthropisch – er ist noch immer
der Dyskolos – zurück.
Pleusidippus bekommt Anweisung: „Da unten, da rechts unten“, sagt
jemand, also für das Publikum links unten, „da treiben Schiffbrüchige
entlang“. Pleusidippus marschiert sofort dort hinab in der Hoffnung, die
sich nicht erfüllen wird, daß er den Kuppler und dessen Mädchen, sein
Mädchen, dort unten finden werde. Er marschiert jedenfalls mit ein paar
Freunden, die er eigens bewaffnet mitgebracht hat, weil er sich schon
betrogen weiß; der Kuppler war ja schon in der Nacht abgesegelt. Er mar-
schiert dort hinunter und faßt Posto auf dem Strand, allwo er verbleibt bis
zum Ende des dritten Aktes. Dadurch wird der Raum für die Hauptperson
Daemones im dritten Akt frei gehalten. In den weiteren Sequenzen des
ersten und zweiten Aktes kommen zuerst die Mädchen, sie finden Auf-
nahme bei der Priesterin, also normal Zuflucht für Schiffbrüchige. Tra-
chalio, der ebenfalls aus der Stadt hierher kommen soll im Auftrag seines
Herren, findet zu seiner Freude Ampelisca, in die er etwas verliebt ist (wir
haben ein erstes Dienerliebespaar oder eines der ersten Dienerliebespaare
der heiteren Bühnenliteratur vor uns) und erfährt nun von dem Koffer,
Verweistechnik. Es wird von dem Koffer geredet und den verschwunde-
nen crepundia. Schließlich kommen in der letzten Sequenz des zweiten
Aktes der zunächst ganz mutlose Labrax und der völlig erschöpfte Char-
mides – nomen est non omen – Charmides, sehr charmant ist der Bursche
nicht. Labrax erfährt, daß die Sklavinnen im Tempel sind und seine Le-
Der Rudens bei Plautus und Diphilos 337

bensgeister erwachen. Er stürzt hinein. Es sind von seinem Vermögen


wenigstens die zwei Sklavinnen, nämlich Palaestra und Ampelisca, ihre
Mitsklavin und Freundin, übrig geblieben.
Damit bin ich dort, wo ich hinkommen will, nämlich bei der Analyse
des dritten Aktes. Sie brauchen das andere Blatt und Sie werden von vorn-
herein sehen, da geht es ein bißchen bunter zu. Hier sehen Sie also, wenn
Sie diese Leiste anschauen: erstes Drittel des dritten Akts ++++. Plautus
hat hinzugefügt und erweitert. Mittelstück, Plautus hat teils hinzugefügt,
teils weggelassen, teils verändert, Schlußteil – er hat gewaltig eingegriffen.
Entsprechend auf der Diphilos-Seite – ich mußte Diphilos und Plautus
trennen – sehr viel bei Diphilos zu ergänzen.
Auf zu den Beweisen, denn ich brauche es ja aus dem Text: Zunächst
kann ich mich mit Hans Drexler eines Sinnes fügen, der 1934 gesehen hat,
daß die Einleitungsszene zum dritten Akt ein Gegenstück zum misanthro-
pischen Daemones des ersten Akts ist, denn hier kommt er und kündigt in
einer Traumerzählung seine künftige Wandlung zurück zum philanthropi-
schen Eintreten für andere an. Das ist der Fortschritt, und darum muß
dieser Traum auch erst am Beginn des dritten Akts stehen. Was haben
Analytiker und sonstige Plautus-Interpreten Tinte verschwendet auf die
Frage, ob eine Traumerzählung erst im dritten Akt stehen kann! Diphilos
braucht sie einfach an dieser Stelle, weil der Misanthrop jetzt zum Phi-
lanthropen werden soll. Die Traumerzählung, schicke ich voraus, gibt auch
die Etappen des Philanthropischwerdens wieder, die wir dann in der
Handlung finden müssen, sollen, werden, können. Ich übersetze also die
Traumerzählung. Anfang des dritten Akts, Daemones tritt auf und sagt:
„Auf seltsame Art inszenieren doch die Götter ihre Spiele mit den
Menschen. Nicht einmal wenn wir schlafen, lassen sie uns zur Ruhe kom-
men. So habe ich in dieser jüngst verflossenen Nacht“ – da wird er ein
wenig pathetisch – „einen seltsamen, ja dummen Traum geträumt. Mir
träumte, ein Affe“ – jetzt kommt es also, erste Stufe der Traumhandlung –
„mir träumte, ein Affe bemühte sich angestrengt zu einem Schwalbennest
hinaufzuklettern“ – Textstörung, aber der Gesamtsinn erhalten – „doch er
konnte sie“ – die Schwalben – „nicht packen und herausholen.“ Wir wis-
sen alle, die zwei Mädchen im Tempel sind die Schwalben, der Affe ist
natürlich der Kuppler. Handlung geht los.
Postibi [v. 600] – nächste Stufe: „Danach tritt er“ – der Affe – „in dem
Traum an mich heran und bittet mich, ich solle ihm eine Leiter borgen.“
Also richtigerweise wird der spätere Gegner Daemones offensichtlich von
Labrax selbst in die Handlung involviert werden. „Ich“ – Antwort nächs-
ter Schritt – „Ich antwortete dem Affen etwa so: Die Schwalben stammen
von der Athenerin Philomela ab“ – das Philomela et/und Progne ist eindeu-
tig ein Zuviel, das muß irgendjemand hineingefälscht haben, der für die
zwei Mädchen jeweils eine athenische Abstammung haben wollte. Eine
alte Konjektur war natas ex Philomela Attica esse hirundines, also: „Die
338 III. Nicht im Druck erschienene Materialien

Schwalben stammen von der Athenerin Philomela ab. Und ich verhandle
mit ihm“ – ago cum illo
illa [v. 605], Daemones wird zumindest verbal aktiv –
„er solle doch meinen Landsleuten nichts antun.“ Nächste Stufe: „Doch
der Affe wird noch um sehr viel wilder. Mir träumt, daß er jetzt seinerseits
mir Schlimmes androht.“ Also nun wird Daemones das Objekt, er agiert
nicht gegen den Kuppler, sondern der Kuppler wird gegen ihn aktiv wer-
den: „Ja er zitiert mich vor Gericht“ – in ius vocat me [v. 608] – „wirklich
ein dummer Traum, nicht wahr?“ „Da,“ – wieder nächste Stufe –„da pa-
cke ich ihn irgendwie“ – nescio quo modo [v. 608] – „im Zorn den Affen
ganz fest um den Leib und schlage das nichtsnutzige Biest in Fesseln.“
Zur Auswertung: Klar ist, daß hier der bevorstehende Wandel des
Daemones wieder zu einem Eingreifen zugunsten anderer Athener ange-
kündigt wird. Zu reden haben werden wir über die Frage, ob die folgenden
Stufen auch der genaue Plan für die Folgehandlung sind. Herauszufinden
versuchen müssen wir, wie den folgenden Szenen im dritten Akt die Etap-
pen dieses Wandels – mit Drexler – abzugewinnen sind. Wir werden se-
hen, wie weit die Spannung des Bogens trägt, und vor allem werden wir
darauf zu achten haben, wo dieses in ius vocat me kommt. Zur Feststellung
dieser Etappen am wichtigsten ist als Textgrundlage für uns die Szene III 4.
Wir müssen allerdings erst aus vielen Plautus-Erweiterungen das Relevante
herausholen. Ich bitte Sie also, sich mit mir die Mühe zu machen, nach
erkennbaren Trittstufen der Diphilos-Handlung in dieser Szene III 4 zu
suchen.
Das erste, der wichtige Schritt, der übrigens im Traum gar nicht the-
matisiert werden konnte, ist der: Wie erfährt Daemones, daß die schutz-
flehenden Sklavinnen im Tempel „Schwalben“, also Athenerinnen, sind?
Das muß uns hier irgendwie gesagt werden – er weiß ja nichts von diesen
Sklavinnen, von diesen Mädchen. Wie erfährt er es? Den entscheidenden
Beleg haben wir in der Mitte, wir sind in v. 735 angelangt, das ist also si-
cher diphileische Handlung. Trachalio, es ist ein Dreiergespräch, ein Drei-
erstreitgespräch, Trachalio, der Sklave, sagt zum Kuppler Labrax: „Gut,
ich bin ein dreifacher Galgenstrick und du ganz besonders anständig. Ha-
ben die Mädchen da deswegen geringeren Rechtsanspruch frei zu sein?“
Labrax ganz empört: „Was, frei?“ Trachalio: „Ja bei Gott sogar Herrinnen
über dich zu sein und echtbürtige Griechinnen. Denn die eine stammt aus
Athen von freigeborenen Eltern.“ Daemones: „Was sagst du da?“ Tra-
chalio: „Daß die da in Athen frei geboren ist.“ „Was, sie ist meine Lands-
männin?“ Trachalio: „Ja bist denn du kein Bürger von Kyrene?“ – so erfährt
Trachalio [recte: Daemones], daß die andere auch Athenerin ist, usw. usw.
Wir sind hier mit Sicherheit an einer wichtigen Stelle, wir haben hier einen
Beleg für einen kleinen Handlungsschritt aus dem Traum. Sinnvollerweise
kann erst nach dieser Information, also nach v. 735–744 die dritte Hand-
lungsstufe des Traums einsetzen, in der Daemones für die Mädchen einzu-
treten beginnt, vorher hat er ja keinen Grund sich für sie zu erwärmen. Tat-
Der Rudens bei Plautus und Diphilos 339

sächlich haben wir vorher einen Beleg dafür, daß er sich heraushalten will.5
v. 717ff.: Labrax im Streit mit Trachalio: „Das hätte ich mir heute nicht
erwartet, daß ich mich mit so einem Galgenstrick unterhalte.“ Und: „Ich
wende mich an dich.“ Daemones: „Debattiere zuerst mit dem da, der dich
kennt.“ Also Daemones, noch halb Einsiedler, will sich zurückhalten.
Labrax: „Mit dir will ich verhandeln.“ Trachalio: „Nein, mit mir mußt du
illo,
verhandeln.“ (atqui mecum agendumst, v. 719) – agere. Im Traum ago cum illa,
und Daemones wird nachher agere.
Wir können also feststellen, wir haben zwei abgesicherte Belege in
III 4 für die Haltungsänderung des Daemones. Das ist wichtig sowohl für
die Handlung vorher als auch für die nachher.
Vorab einiges zu dieser Quellenanalyse: Zwischen Traum (III 1) und
v. 717 am Anfang von III 4: Bei Plautus ist Daemones in dem Zwischen-
text in den Szenen III 2–3 alles andere als unbeteiligt geblieben (wenn Sie
nur kurz auf den Zettel mit dem Handlungsteil bei Plautus schauen).
Kaum daß Daemones seinen Traum zu Ende erzählt hat, kommt der Hil-
feruf, die quiritatio des Trachalio. Daemones läßt Trachalio [recte: Labrax]
daraufhin im Tempel gleich einmal ordentlich von zwei lorarii, von zwei
Bodyguards, verprügeln, und in III 3 marschiert Trachalio mit den Mäd-
chen auf (die hinter der Bühne an den Altar oder zur Statue der Venus
geflüchtet waren, also Asyl in Anspruch nehmen wollten) und er postiert
die Mädchen auf dem Altar auf der Bühne. Hier gibt es überhaupt keine
Debatten, das sind die Sprecherinnen vier und fünf. Die Mädchen können
im Original nicht auf die Bühne gekommen sein oder wenn, dann nur ganz
kurz als stumme Personen sichtbar gewesen und sofort wieder in den
Tempel geflüchtet sein. Aber Plautus will sie bis zum Abschluß da haben,
das ist ja viel schöner, wenn sie hier sitzen, obwohl es in der Normaldra-
maturgie der Nea wahnsinnig störend sein muß, wenn Daemones mit dem
Sklaven dann über ihren Status verhandelt, statt sich an sie selber zu wen-
den und sie auszufragen. Also es geht rund herum nicht zusammen, die
Szene III 3 ist sicher plautinisch. Es ist inzwischen allgemein anerkannt,
dass die Altarflucht nur von Plautus sein kann, und auch der Hilferuf des
Trachalio vorher verpatzt die Pointe, daß der Kuppler Labrax in eigener
Person den Daemones in die ganze Geschichte hineinzieht. Es ist doch
sicher besser, wie es rechts in meiner Diphilos-Rekonstruktion steht, wenn
es nach Daemones’ Traum eine Sequenz mit ihm gibt, in der die Gefähr-
dung des Asyls besprochen wird, also hier den Zuschauern mitgeteilt wird.
Dazu kann man aber durchaus die Priesterin Ptolemocratia und Trachalio
den Labrax aus dem Tempel weisen lassen. Sehr günstig ist es übrigens,
wenn Ptolemocratia ein bißchen mehr Rolle bekommt. Es steht dieser gut

5 Ganz nebenbei, in v. 728 läßt ihn Plautus bereits eine sententia verkünden, das ist
Unfug, er kann noch keine sententia haben, wenn er erst nachher erfährt, daß es
ihn überhaupt interessieren wird.
340 III. Nicht im Druck erschienene Materialien

angelegten Rolle gut, wenn sie noch weiter vorhanden ist. Labrax wird also
aus dem Tempel gewiesen, es folgt ein kleiner Monolog von ihm, in dem
er sich seine Situation klar machen muß: „Ich muß rasch handeln. Ich muß
die Mädchen rasch in meine Gewalt bringen, denn es droht ja früher oder
später Pleusidippus, den ich betrogen habe, aufzutauchen.“ Und sobald
der da ist, ist Schluß mit seinem Restvermögen. Er entschließt sich, das
Asyl nominell, also nur formal nicht zu brechen, aber die Mädchen auszu-
räuchern, sie also aus dem Tempel herauszuzwingen, damit er sie heraußen
packen kann. Zu diesem Zweck will er bei Daemones Feuer leihen. In
einer Szene des ersten Aktes sagt der misanthropische Daemones: „Stän-
dig kommen sie zu mir und wollen sich Wasser oder Feuer ausborgen.“
Das ausgeborgte Wasser ist im zweiten Akt wichtig, wo Ampelisca auf die
Bühne kommt, ihren Trachalio trifft, dann den Labrax auf ihre Spur lockt
mit dem Wasserholen usw. Und das Feuer kommt eben jetzt dran. Labrax
will bei Daemones Feuer leihen. Natürlich mischt sich jetzt nachträglich
auch Trachalio ein, und es kommt zu dieser Debatte in III 4.
Nun zur großen Sequenz III 4. Da kommen wir in große Schwierig-
keiten, zwischen dem Traum und der Folgehandlung zu parallelisieren –
und schuld sein muß Plautus. Nicht Diphilos. Argumente:
1. Am Ende der dritten Handlungsetappe – laut Traum ago cum illo illa –
müßte Daemones doch in irgendeiner Weise mit Labrax verhandeln. Bei
Plautus hat er natürlich vorher schon zuschlagen lassen oder selber zuge-
schlagen. Das ist eine Wendung. Er sagt zu seinen Sklaven: „Zieht ihn bei
den Beinen heraus wie eine abgestochene Sau“ [v. 660], gemeint ist: den
Kuppler aus dem Tempel, also das ist der Tempel des Plautus natürlich.
Ago cum illo – es gibt keinen Platz für das agere cum illo. Es ist einfach in der
Handlung kein Platz. Ich kann es nicht näher ausführen, Sie können es
nachlesen. Übrigens überhaupt ein Tipp, was Sie bei mir nicht erfahren: Es
gibt eine wunderschöne Nacherzählung des Rudens mit der Analyse aller
wirksamen Plautus-Elemente in der Arbeit von Blänsdorf,6 nach allen
plautinischen Gesichtspunkten, also unitarisch wunderschön nacherzählt,
ein Tipp. Ja, also, es gibt keine Szene, keinen szenischen Anhalt im ganzen
Text, daß Daemones mit dem Kuppler irgendwie zu verhandeln begonnen
hätte. Diese Verhandlung müssen wir uns ergänzen.
2. Labrax erhält auch nicht die mindeste Gelegenheit nun gemäß Stufe
4 des Traums seinerseits aktiv zu werden, Daemones in die Defensive zu
drängen, sondern es folgen sofort wieder ein Haufen Presto-Szenen, die
plautinisch gehen: Trachalio bittet Daemones, den Kuppler festzuhalten,
bis er seinen Herrn herbeigeholt habe. Woher weiß Trachalio, wo sein
Herr ist? Egal, natürlich muß ihm Daemones gesagt haben, der sitzt da
unten am Strand. Aber dazu bleibt bei Plautus gar keine Zeit. Daraufhin

6 Jürgen Blänsdorf: „Plautus“, in: Das römische Drama, hg. von Eckard Lefèvre.
Darmstadt 1978, S. 135–222. Zum Rudens bes. S. 146–149, 200.
Der Rudens bei Plautus und Diphilos 341

beauftragt Daemones seine Bodyguards mit diesem Festhalten des Kupp-


lers und dem Bewachen der Mädchen. Und – Gipfel der Dramaturgie –
Daemones geht beruhigt in sein Haus ab. – Verflixt, der wird doch ge-
braucht für eine gute Handlung. Nein, er geht, die lorarii erweisen sich als
unbestechlich, schon kommen Pleusidippus und Trachalio, der Kuppler
wird von Pleusidippus sofort gepackt, um vor Gericht geschleppt zu wer-
den. Dessen Freund Charmides folgt den anderen nach mit sarkastischen
Bemerkungen. Ende des dritten Aktes bzw. des ganzen Mittelteils. Also
eine Spannungssteigerung, die da noch bliebe, um erst in einer Wendung
zur Katastrophé nachher aufgelöst zu werden, ist nicht da, was ich jetzt
nicht als Argument gebrauche, sondern nur feststelle.
Wir haben bis jetzt keine Erklärung für die dramaturgisch günstige
Aktivität des Labrax gegen Daemones gefunden. Wo bleibt also diese
Bedrohung? Es muß sie gegeben haben. Nehmen wir ruhig einmal an, daß
wir wörtlich nehmen können, daß Labrax so frech war, seinerseits den
Daemones jetzt mit einer Klage zu behelligen. Dann beginnt auf einmal
eine Passage aus dem Prolog des Arcturus zu sprechen. Es ist eine ganz
raffinierte Vorausdeutung. Ich komme gleich auf die entscheidenden Wor-
te (v. 17–19): Es ist von Juppiter die Rede, und Arcturus sagt in altertümli-
chem Latein, halb juristisch (das qui hat fast die Funktion von siqui):
„Wenn irgendwelche bösen Menschen hier auf Erden eine Streitsache“ –
und zwar doppeldeutig die abstrakte Causa und die konkrete Sache, um die
gestritten wird – „Wenn hier auf Erden irgendwelche bösen Menschen
eine Streitsache zu erlangen streben, durch Meineid“ – vom Meineid wis-
sen wir noch nichts, den werden wir aber schon noch hineinbringen –
„wenn sie falsche, erlogene Dinge durchsetzen bei einem Richter, dann“ –
jetzt mit einem Konstruktionssprung – „dann wird er, Juppiter, diese Sa-
che, die schon abgeurteilt ist, ein zweites Mal aburteilen.“ In Rom gibt es
auf Erden bekanntlich keine zweite Instanz. Aber Juppiter führt einen
neuen Prozeß und er straft mit viel größerer Strafe als der Streitwert war,
den sie davon tragen. Sie sehen, es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns
den Kopf darüber kurz zu zerbrechen: Kann man das juristisch verständ-
lich machen? Wir werden auch erst unter juristischen Gesichtspunkten die
entscheidenden Passagen im Text zum Sprechen bringen, die uns die plau-
tinische Umarbeitung endgültig belegt. Also bitte geben Sie mir noch die
Chance, die Rechtslage zu erklären, die griechische Rechtslage, denn rö-
misch funktioniert es sowieso nicht – im Rom des Plautus wäre der Streit
um den Status eines Sklaven einfach mit einer legis actio in rem: hunc ego
hominen meum esse aio ex iure Quiritium zu lösen. Doch das nützt nichts, wir
müssen uns die griechische Diphilos-Ordnung zu Gemüte führen. Von
Labrax’ Seite her ist die Rechtsbehauptung klar, zur Hälfte in der Sache
falsch, im Text jedenfalls klar belegt. Der Kuppler behauptet immer wie-
der: Ich bin Eigentümer der Sklavinnen. Das stimmt für Palaestra nicht,
weil er die schon mit der Entgegennahme der Anzahlung verkauft hat,
342 III. Nicht im Druck erschienene Materialien

aber es würde für Ampelisca gelten. – Mehrfach, v. 712: meas mihi ancillas
invito me eripis; v. 745ff.: „Ich habe für die beiden da, woher immer sie
stammten, ihrem Herrn bares Geld gegeben“ – er hat sie also gekauft –
„was kümmert’s mich, ob sie aus Athen oder Theben stammen, wenn sie
zu Recht meine Sklaven sind“ – so also immer wieder. Trachalio hat eine
Gegenbehauptung, eine völlig andere Sache. Er sagt von vornherein, die
Mädchen müssen frei sein. Das kann er mit einigem Fug und Recht für
Palaestra behaupten, aber nicht für seine geliebte Ampelisca. Die wollte er
auch retten, und darum subsumiert er sie da (er könnte höchstens anneh-
men, sie sei ebenfalls einst Sklavin geworden, obwohl sie ursprünglich als
kleines Kind einmal frei gewesen war; aber dafür gibt es keinen Beweis).
Also diese Gegenbehauptung des Trachalio gilt auch nur zur Hälfte. Es
läßt sich trefflich streiten. Und die Position des Daemones nun – wir müs-
sen voraus mitbedenken, dass Daemones schon einmal in Athen verurteilt
und ins Exil geschickt worden ist – wenn er sich jetzt für die Mädchen
einsetzt, ist nach griechischem Recht 7 seine Situation einigermaßen be-
denklich. Er kann nämlich als ἀνδραποδιστήής, als Sklavenräuber angeklagt
und zunächst einmal sofort abgeführt werden. Es gibt die Institution der
ἀπαγωγήή, des Wegführens, der Festnahme und des Abführens, und zwar
in Athen vor die Hendeka, also vor die Exekutionsbehörde, vor den Hen-
ker kann man gebracht werden als Sklavenräuber, wo theoretisch die To-
desstrafe droht. Praktisch dient die ἀπαγωγήή allerdings laut Scafuro vor
allem dazu, den Gegner zur schiedsrichterlichen Beilegung des Streitfalls
zu zwingen. Damit er der Drohung entgeht, wird er sich einem Schieds-
richter stellen, und das hat für Labrax einen unglaublichen Vorteil. Er
muß, sobald sich Daemones für die Mädchen verantwortlich erklärt, nicht
mehr gegen das Asyl ankämpfen, sondern er kann sagen: „Du behauptest
zu Unrecht, diese Mädchen seien frei. Sie sind meine Sklavinnen, ich führe
dich ab, ich lasse dich abführen und klage dich an“ – in der Erwartung,
daß ein Schiedsrichter dann schon einen Ausgleich finden wird, sodaß er
zu irgendeinem Geld kommt wenn schon nicht [zu den Mädchen.]
[Ich hoffe gezeigt zu haben, dass das] die vernünftigste griechische
Rekonstruktion ist. Labrax wird, als Daemones sich für die Mädchen ein-
zutreten entschließt, seinerseits aktiv. Das Eintreten für die Mädchen wird
darin bestanden haben, daß Daemones gesagt hat: „Warten wir doch die
Ankunft des Pleusidippus ab“, was Labrax nicht tun darf. Darum agiert er
sehr rasch. Doch wie kann ich nachweisen, daß Daemones wirklich für die
Mädchen eingetreten ist? Durch die Spuren davon, daß Daemones, der die
Gefährlichkeit der Lage ja kennt, sich vorher bei Trachalio sorgsamst nach

7 Adele C. Scafuro: The Forensic Stage. Settling Disputes in Greco-Roman New Comedy.
Cambridge 1997, hier S. 400–424: Appendix 3: „Remedies for enslavement, kid-
napping, and slave stealing in Athens and Rome“; Appendix 4: „Controversial
summonses in Rudens and Persa.“
Der Rudens bei Plautus und Diphilos 343

dessen Beweisen erkundigt hat. Trachalio muß ihm erzählt haben,


Pleusidippus wisse es, aber der Koffer mit den crepundia sei verschwun-
den – „Und du kannst dich vorläufig nur auf mein ehrliches Gesicht ver-
lassen“, sozusagen. Diese Dinge stehen – bei Plautus verblödelt – im Text.
Vor allem steht eine erstaunliche Konzession des Trachalio dem Kuppler
gegenüber im Text, wo Plautus einen Satz hineinmontiert hat, der da völlig
unverständlich ist; kein Mensch hat den Satz noch erklärt. Plötzlich sagt
Trachalio zum Kuppler: „Diese andere da, wo die herstammt, das weiß ich
in Wahrheit nicht“ – profecto nescio [v. 750]. Warum soll er dem Kuppler
zugeben, daß er gar nicht weiß, woher Ampelisca stammt, die er doch auch
freibekommen will? Ganz anders sieht die Sache aus, wenn er das in pein-
licher Befragung dem Daemones zugibt: „Ich weiß, für die Palaestra hätten
wir Beweise ihrer Freiheit, aber die sind verschwunden, für Ampelisca
habe ich keine.“ Das sagt er ihm ehrlich, und damit macht er offenbar auf
Daemones Eindruck. Noch dazu wird dann erst der Folgetext klar. Labrax
sagt zu Trachalio in v. 752: „Was du sagst sind lauter Possen.“ Und bei
Plautus antwortet Trachalio auch mit einer Posse: „Machen wir einen
Wettstreit. Wer von uns beiden mit dem Rücken wahrhaftiger ist“, also
glaubwürdiger ist. Trachalio sagt damit, „ich bin zwar Sklave, aber noch
nie ausgepeitscht worden. Du bist zwar Freier, aber zieh dich einmal aus.
Dein Rücken ist voller Striemen. Ich bin glaubwürdig, du nicht.“ Das
steckt hinter der Blödelei, die Plautus aus dieser Wette gemacht hat.
Also wir haben Belege, meine Damen und Herren, daß sich Daemo-
nes sorgsam erkundigt hat, bevor er sich entschließt, für die Mädchen
einzugreifen. Es ehrt den Daemones, daß er sich trotz der Mangelhaf-
tigkeit der Beweise darauf verläßt und für die Mädchen eintritt – doch
schließlich wird er abgeführt. Als dann Pleusidippus durch die Türe
kommt, kommt er natürlich zu spät. Er kann nur in die Stadt nachgehen,
wo er jedoch die anderen noch verfehlt. Anfang des vierten Akts muß der
schiedsrichterlich inzwischen verurteilte Daemones wieder ergrimmt auf
die Bühne gekommen sein. Aber wie kommt es zum Meineid? Der
Schiedsrichter wird gefragt haben, welche Beweise er habe. Die Beweise
habe Pleusicles [recte: Pleusidippus], der ja ein Zeuge gewesen wäre. Doch
das nützt nichts, da kommen wir nicht weiter. Und dann wird Daemones
nach uraltem griechischen Rechtsbrauch, dort wo Beweise fehlen, dem
Gegner im Streit einen Eid zugeschoben haben, erster Beleg Ilias XXIII:
Menelaos schiebt dem Antilochos, der ihn beim Wagenrennen unfair be-
hindert hat, den Eid zu, er soll schwören, daß er ihn nicht behindert hat,
worauf Antilochos sofort kapituliert. Labrax kapituliert natürlich nicht,
sondern schwört den Meineid. Damit bringt er den größten Mitspieler in
der Komödie natürlich erst zur Aktion. Denn es ist nicht Arcturus, der
den Koffer aus dem Meer kommen läßt, das ist schon Juppiter, der den
Meineid rächt, und so geht also der Spannungsbogen tatsächlich drüber.
344 III. Nicht im Druck erschienene Materialien

Ich bin am Ende und kann in drei Bemerkungen versuchen, Ihre


überspannte Geduld ganz kurz noch einmal an mögliche Konsequenzen
zu erinnern: Erstens, die Diphilos-Komödie hat ein Herzstück in der per-
sönlichen Entwicklung des Daemones, und sie hat den guten dreistufigen
Fabelaufbau, wie wir ihn auch bei Menander kennen. Diphilos ist nicht um
so viel schlechter, er ist anders, ja, aber nicht schlechter. Zweitens, das ist
auch wichtig, weil man dieses Argument nun als Analyseinstrument für
anderes einsetzen kann, die Casina zum Beispiel. Es läßt sich wahrschein-
lich machen, daß Plautus eigentlich die heiteren Szenen der Katastrophé
so ausgewalzt hat, während er den Rechtsstreit zum Teil aus der Epitasis
344
weggelassen III. Nicht im Druck erschienene Materialien
hat. Und drittens: Plautus hat eine höchst wirksame Szenen-
folge geschrieben. Er hat die Gesamtdramaturgie in seinem Sinn sehr or-
dentlich geändert. Wir werden ihm Respekt zollen und alles Mögliche
Ich bin
zutrauen am Ende
müssen. Quod und kann in drei Bemerkungen
erit demonstrandum versuchen, Ihre
– aber nicht heute.
überspannte Geduld ganz kurz noch einmal an mögliche Konsequenzen
zu erinnern: Erstens, die Diphilos-Komödie hat ein Herzstück in der per-
sönlichen Entwicklung des Daemones, und sie hat den guten dreistufigen
Fabelaufbau, wie wir ihn auch bei Menander kennen. Diphilos ist nicht um
so viel schlechter, er ist anders, ja, aber nicht schlechter. Zweitens, das ist
auch wichtig, weil man dieses Argument nun als Analyseinstrument für
anderes einsetzen kann, die Casina zum Beispiel. Es läßt sich wahrschein-
lich machen, daß Plautus eigentlich die heiteren Szenen der Katastrophé
so ausgewalzt hat, während er den Rechtsstreit zum Teil aus der Epitasis
weggelassen hat. Und drittens: Plautus hat eine höchst wirksame Szenen-
folge geschrieben. Er hat die Gesamtdramaturgie in seinem Sinn sehr or-
dentlich geändert. Wir werden ihm Respekt zollen und alles Mögliche
zutrauen müssen. Quod erit demonstrandum – aber nicht heute.

[Erklärungen zum folgenden Strukturplan siehe S. 349]

[Erklärungen zum folgenden Strukturplan siehe S. 349]


Der Rudens bei Plautus und Diphilos
Der Rudens bei Plautus und Diphilos
345
345

Strukturplan
PLAUTUS I–II ≈ DIPHILOS α – β
 zur Stadt1–82 Links vom Zuschauer: Rechts vom Zuschauer:  Felsen
I=α PROLOG
 zum Hafen Arcturus stellt sich als Diener Juppiters vor (–31);
 Pfad zum Strand Heiligtum der Venus, Gehöft desund
erläutert Bühnenbild Daemones (mit (–71):
Vorgeschichte
Priesterin Ptolemocratia Sklaven Sceparnio, Gripus)
Daemones – das Liebespaar – Flucht des Kupplers
u. Seesturm;
(Küste bei Kyrene)derzeitige Position der Schiffbrüchigen
(–82).
IVon
1–2aaußen kommen:
83–159 1. SEQUENZ:
Palaestra + Mitsklavin Ampelisca Sceparnio flickt das Dach; Deamones (abweisend,
Pleusidippus + Sklave Trachalio gereizt) zeigt dem (pseudoaktiven) Pleus. und 3
Labrax + Freund Charmides Freunden, daß li. unten Schiffbrüchige treiben.
(Pleus. ab.)
I 2b 160–184 ZWISCHENSZENE
PLAUTUS I–II ≈ DIPHILOS α– β
X Scep. (mit Dae.?) sieht re. unten die Mädchen.
I =α 1–82 PROLOG. (beide ab)
I 3–5 185–289 2. SEQUENZ
Arcturus stellt sich als Diener Juppiters vor (–31);
Palaestra
erläutert klagt, und
Bühnenbild daßVorgeschichte
Unschuldige (–71):
leiden müssen,
findet mit der (220) nachkommenden
Daemones – das Liebespaar – Flucht des Kupplers Ampelisca
(258) freundliche Aufnahme bei Ptolemocratia
u. Seesturm; derzeitige Position der Schiffbrüchi-
II 290–305 EINLEITUNG
gen (–82).
‚Fischerchor‘?
I 1–2a 83–159
306–413 1. SEQUENZ:
1. SEQUENZ.
X Sceparnio flickt(aus
Trachalio das der
Dach; Daemones
Stadt) (abweisend,
findet wider Erwarten
gereizt) zeigt demhört,
Ampelisca; (pseudoaktiven) Pleus. und
daß mit Labrax’ 3 Freun-
Koffer dessen
Vermögen,
den, daß li. untenaber vor allem Palaestras
Schiffbrüchige crepundia
treiben. (Pleus. ab.) un-
I 2b 160–184 tergingen, geht Pal. trösten.
ZWISCHENSZENE:
414–484 x ZWISCHENSTÜCK
Scep. (mit Dae.?) sieht re. unten die Mädchen. (beide ab)
Der bärbeißige Sceparnio hilft, plötzlich verliebt,
I 3–5 185–289 2. SEQUENZ.
Ampelisca beim Wasserholen.
489–592 – Palaestra
2. SEQUENZklagt, daß Unschuldige leiden müssen,
– findetDer
mitmutlose
der (220)Labrax
nachkommenden
(mit CharmidesAmpelisca
von re. unten)
– (258)wird plötzlich
freundliche wieder aktiv,
Aufnahme als er von Scep. den
bei Ptolemocratia
II 290–305 Aufenthaltsort der Mädchen erfährt. Charmides
EINLEITUNG:
folgt ihm erschöpft in den Tempel.
‚Fischerchor.‘
306–413 x 1. SEQUENZ.
Trachalio (aus der Stadt) findet wider Erwarten
Ampelisca; hört, daß mit Labrax’ Koffer dessen
Vermögen, aber vor allem Palaestras crepundia unter-
gingen, geht Pal. trösten.
414–484 ZWISCHENSTÜCK.
Der bärbeißige Sceparnio hilft, plötzlich verliebt,
Ampelisca beim Wasserholen.
489–592 2. SEQUENZ.
Der mutlose Labrax (mit Charmides von re. unten)
wird plötzlich wieder aktiv, als er von Scep. den Auf-
enthaltsort der Mädchen erfährt. Charmides folgt
ihm erschöpft in den Tempel.
346
346 Adolf erschienene
III. Nicht im Druck Primmer Materialien

PLAUTUS, IIIIII
PLAUTUS, 593593 – 891)
(v. (v.
583–891)
III 1 593–614 EINLEITUNG:
III 1 593–614 (–)(–) EINLEITUNG: Daem.’ Traumerzählung
Daem.’ Traumerzählung
III 2–3 615–705 1. SEQUENZ
III 2–3 615–705 1. SEQUENZ
a) Trach.’ Hilferuf (–653),
~ a) Trach.’
~ Hilferuf
Dae. läßt La.(–653),
im Tempel prügeln
++ Dae. läßt La.
b) Trach. im Tempel
postiert prügeln
die Mädchen ?
+ + b) Trach. postiert die Mädchen
auf dem Altar auf der Bühne
++ auf dem Altar auf der Bühne
III 4–5a 706–820 + 2. SEQUENZ
(+) Debatte La. – Tr. – Dae. um Pal.’ Freiheit:
III 4–5a 706–820 2. SEQUENZ
a) (–735) Tr.: Mädchen sollten frei sein – Dae. hört zu.
(+) Debatte
(+) b) (–759)La.Tr.:
– Tr. – Dae.
Pal. freie um Pal.’ Freiheit:
Athenerin – Dae. ist betroffen.
(–)
(+) a) (–735) Tr.: Mädchen
c) (–773) Nach La.’sollten
Drohung frei mit
seindem
– Dae. hört zu.
Feuer
(–)~ b) (–759) Tr.:Entschluß:
Dae.’ Pal. freie Athenerin – Dae.die
lorarii schützen ist Mädchen.
betroffen.
~ d) Trach.
c) (–773) Nachholt
La.’Pleus.,
Drohung Dae.mitinsdem
Haus.
Feuer
+ Dae.’ Entschluß: lorarii schützen die Mädchen.
III 5b–6 821–891 + 3. SEQUENZ
d) Trach. holt Pleus., Dae. ins Haus.
– Pleus. schleppt Labrax zum Gericht,
III 5b–6 821–891 + 3. SEQUENZ
– schickt Tr. zu den Freunden am Strand;
+ – Pleus. schleppt folgt
– Charmides Labrax zumund
Pleus. Gericht,
Labrax. ?
– schickt Tr. zu den Freunden am Strand;
– Charmides folgt Pleus. und Labrax.
Der
Der Rudens bei Plautus
Rudens bei Plautus und
und Diphilos
Diphilos 347
347

DIPHILOS, γ (+
DIPHILOS, δ1 );δ(v.
γ (+ 593
1);583–891,
(v. 593 –+891,
…) + …)
γ 593–614 EINLEITUNG:
γ 593–614 (+) EINLEITUNG:
(+) Daem.’ ‹ Daem.’ Traum
Traum +Ausschau ›
nach‹+Ausschau
Gripus nach Gripus›
(615–705)
•••••••••
•(615–705)
•••••••• ‹
‹1. SEQUENZ
1. SEQUENZ:
•••••••••
•••••••••
‹›
‹› a) Ptolemocratia und Tr. weisen Labrax aus dem Tempel
a) Ptolemocratia und Tr. weisen
Rasch Labrax aus dem Tempel
‹›
•••••••••
••••••••• ‹ › b) Labrax’ Monolog: handeln!
••••••••• b) Labrax’ Monolog: Rasch handeln!
‹ › c) La. will bei Dae. Feuer leihen, Tr. mischtmischt
c) La. will bei Dae. Feuer leihen, Tr. sich ein›
‹› ›
•••••••••
•••••••••
•••••••••
•••••••••
sich ein
706–820
••••••••• 2. SEQUENZ
•••••••••
•••••••••
•••••••••
Debatte La. – Tr. – Dae um Pal.’ Freiheit:
•••••••••
a) Mädchen sollten frei sein – Dae. hört zu.
706–820 (–)2. SEQUENZ:
b) Tr.: Pal. freie Athenerin – Dae. ist betroffen
(–)(–) Debatte ‹undLa. – Tr.
fragt – Dae
nach derum Pal.’ Freiheit:
Beweislage›
(–)‹ › a) Mädchen
c) Dae.’sollten
Entschluß ‹La. –soll
frei sein Dae. hört zu. abwarten.›
Plausidipp.
‹ › b) Tr.: ‹La.freie
d) Pal. führtAthenerin
Dae. zum– Gericht.›
Dae. ist betroffen
•••••••••
••••••••• ‹›
‹ ›c) Dae.’ ‹
und fragt nach der Beweislage ›
•••••••••
‹› ‹
Entschluß La. soll Pleusidipp. abwarten. ›
821–891
•••••••••
•••••••••
•••••••••
•••••••••
• 821–891
‹‹ ››
‹›
d)

La. ‹
– Pleus. ‹kommt zu spät,›
führt
Pleus.
Dae. zum Gericht. ›
– schickt Tr. zu den Freunden am Strand;
‹ ›
••••••••
••••••••• – Pleus. mit zu
kommt spät,
Charmides zur Stadt.
– schickt Tr. zu den Freunden am Strand;
‹Denkbare Hauptszenen:
δ   ‹›
– Pleus.
– Dae. mit berichtet
Charmides zurPriesterin)
(der Stadt. über den negativen
 

‹›
Ausgang des Schiedsgerichts
 
δ ‹ Denkbare
– Dae.Hauptszenen:
will zum Schutz der Mädchen alles riskieren,
holt sie in sein Haus.›
– Dae. berichtet (der Priesterin) über den negativen
Ausgang des Schiedsgerichts
– Dae. will zum Schutz der Mädchen alles riskieren,
holt sie in sein Haus. ›
348
348 Adolf erschienene
III. Nicht im Druck Primmer Materialien

PLAUTUS IV–V = DIPHILOS δ2 – ε


PLAUTUS IV–V = DIPHILOS δ2 –ε
  δ2 IV 892–905 EINLEITUNG
δ2
+ Daemones schaut vergeblich nach Gripus aus (ab)
IV  IV 2–3 892–905
906–1044 EINLEITUNG
GROSSSEQUENZ
+ TEIL Dämones
A: Streit um schaut vergeblich nach Gripus aus (ab)
den Koffer.
IV 2–3   906–1044 Gripus träumt vom Reichtum mit unterschlagenem
GROSSSEQUENZ
(+) Fund,
Teilaber
A: Streit um den Koffer.
(+) Gripus
Trach. träumt
fordert vom
seinen Reichtum mit unterschlagenem
‚Anteil‘.
(+) Fund, aber über res communis usw.)
(+) (Rechtsdebatte
(+)
(+) Trach. Fordert seinen ‚Anteil‘.
(+) (Rechtsdebatte über res communis usw.)
(+)
1045–1190 +(+)TEIL B: Schiedsgericht und Anagnorisis.
(+) [Dae. bringt Mädchen auf die Bühne: 1045–51]
Trach. erbittet Schiedsspruch über crepundia (1077),
  1045–1190 ‹–›+ ‹ TEILabB:und
geht Schiedsgericht
[Dae. kann
schickt Palaestra
bringt(1154ff.)
Mädchen

und Anagnorisis.
aufrichtig
die Bühne: 1045–51]
Palaestra alles beschreiben;
Trach.
Anagnorisis erbittet Schiedsspruch über crepundia (1077),
‹–› Alle‹geht ab und
ins Haus, mitschickt
NachwortPalaestra›
des enttäuschten Gripus.
Palaestra kann (1154ff.) alles richtig beschreiben;
ε 1181–1280 + (–1208) Der glückliche Daemones [hadert mit s. Frau.]
Anagnorisis
IV 5–6 ‹› (–1226) er wird
Alle von Trach.
ins Haus, um Hilfedes
mit Nachwort beienttäuschten
Freilassung
gebeten,
Gripus.
‹ auch für Ampelisca? ›
ε  
IV 5–6   1191–1280
‹› (–1264) er lehnt Gripus Vorschlag der gemeinsamen
(–1208) Der glückliche
+ Fundunterschlagung ab. Daemones [hadert mit s. Frau.]
(–1226)
‹ › (–1280) er wird
Pleus. kommt vonmit
Trach. um Hilfe beiTrach.
(freigelassenem) Freilassung
gebeten,
V 1–3 1281–1423 2. SEQUENZ: Labrax wird ‚erpreßt‘.
‹auch für Ampelisca?›
‹ › a) (–1356):
(–1264)La. hört Gripus
er lehnt Gripusüber den Koffer
Vorschlag räsonnieren,
der gemeinsamen
muß Fundunterschlagung
diesem (zwecks Koffer-Anagnorisis)
ab.
sein Vermögen
(–1280) Pleus. aufzählen
kommt mit und riesigen Finderlohn
(freigelassenem) Trach.
V 1–3 1281–1423 versprechen.
2. SEQUENZ: Labrax wird ‚erpreßt‘.
b) Dae. gibt Koffer
a) (–1356): zurück,
La. hört verwendet
Gripus über denaber Finderlohn
Koffer räsonnie-
+ für Freilassung von Ampelisca
ren, muß diesem und Gripus.
(zwecks Koffer-Anagnorisis) sein
[Schlußgag: Gr. erfährt
Vermögen das noch
aufzählen nicht; La.Finderlohn
und riesigen zur cena ver-
geladen.]sprechen.
?? ‹› ‹ Verlobungsszene? ›
b) Dae. gibt Koffer zurück, verwendet aber Finder-
lohn für Freilassung von Ampelisca und Gripus.
[Schlußgag: Gr. erfährt das noch nicht; La. zur cena
+ geladen.]

?? ‹› ‹Verlobungsszene?›
Strukturpläne zu Terenz-Komödien

Die folgenden Strukturpläne aus den 1990er Jahren sind der von Adolf
Primmer rekonstruierten Chronologie der Terenz-Komödien (S. 7 im vor-
liegenden Band) folgend angeordnet. Die Hecyra ist jenes Stück, mit dem
sich Primmer vor seinem plötzlichen Tod beschäftigt hat.

Die Strukturpläne zu Andria, Eunuchus und Hecyra enthalten Angaben zur


Gliederung der Phasen (Protasis, Epitasis und Katastrophé) und Akte (α– ε)
des rekonstruierten griechischen Originals. Es folgt die Verszählung der
jeweiligen Terenz-Komödie und ein unterschiedlich gefüllter Balken zum
Verhältnis zwischen Original und Bearbeitung (schwarz, schraffiert, weiß).
Anschließend wird unter Angabe der Szenen- und Verszählung bei Terenz
eine Kurzbeschreibung der Handlung gegeben (die Darstellung beider
Handlungen in einem Schema führt dazu, dass im Dienste der Nachvoll-
ziehbarkeit in den Strukturplänen zu Andria und Eunuchus die von Terenz
nicht verwendeten Elemente zwar notiert, doch durchgestrichen sind).
Den Abschluss bilden Angaben zu Auf- und Abtritten.

Der doppelseitig abgedruckte Strukturplan zum Heautontimorumenos enthält


ergänzend Angaben zur Figurenführung der griechischen Vorlage (S. 370
links) wie der lateinischen Bearbeitung (S. 371 rechts).

Der Strukturplan zum Rudens (S. 345 –348) stellt eine Weiterentwicklung
dieses Darstellungssystems dar. Statt der Orientierung an der Verszahl der
römischen Komödie steht nun jedoch die Szene(nfolge) im Mittelpunkt.
Unterschiede zwischen Plautus und Diphilos sind in einer eigenen Spalte
angegeben:

x Neue Szene
+ Erweiterung der Szene
~ Annähernd gleicher Verlauf
– Kürzung der Szene

Da die Eingriffe im dritten Akt der Vorlage umfangreich sind, erfolgt die
Darstellung des Handlungsverlaufes bei Plautus und Diphilos in eigenen
Spalten. Die Ergänzungen sind zusätzlich durch Schraffur gekennzeichnet,
die rekonstruierten Szenen(teile) durch Punktierung markiert.
350
350 III. Nicht im Druck erschienene Materialien
III. Nicht im Druck erschienene Materialien

Terenz, Andria

Haus A: (+ Chrysis) Haus B: Simo, senex Stadt: Chremes, senex


Glycerium, virgo Pamphilus, adul. (+ Tochter Philumena)
Mysis, ancilla Davos, servus Charinus, adul.
(Crito, senex) (Sosia, libertus) Byrria, servus

v. 1–28:
Prolog des Terenz

α I 1 (28–171) (Simo, Sosia vom Forum)


a) Simo erzählt Vorgesch. (Pamphilus, der Chremes’
100 Tochter hätte heiraten sollen, ist in Glyc. verliebt);
Simos (Gegen)plan: Hochzeit für heute fingieren
b) ‹Götterprolog:
Glyc. wird als Tochter Chremes’ erkannt ›
(beide ins Haus)
c) (174) I 2+3 (172–227)
200 Simo warnt Davos: nicht intrigieren! (Simo z. Forum)
Davos will, obwohl eingeschüchtert, Pamph. warnen
Protasis

gehen (Davos z. Forum)


β I 4+5 (228–300) (Pamph. vom Forum)
a) Pamph., durch Mysis bestärkt, beschließt, dem Hoch-
zeitsplan des Vaters zu widerstehen
300 II 1 (301–337):
+ Charinus u. Byrria (Mysis holt Hebamme)
II 2 (338–374)
Davos durchschaut Simos Intrige (Byrria ab)
b) (keine Hochzeitsvorbereitungen!) (Charinus ab)
II 3 (375–403)
Davos überredet Pamph., zum Schein in Hochzeit ein-
 400 zuwilligen (‚Plan‘)
II 4+5 (404–431)
c) Simo über Zustimmung verblüfft (+Byrria lauscht)
(Simo v. Forum, Pamph. ins Haus)
γ II 6 (432–458)
Davos stichelt übermütig, (Davos ins Haus)
a) III 1+2 (459–532)
Epitasis

500 und Simo täuscht sich selbst, hält Hebamme nur für
Intrige. Davos: Sie werden dir noch ein Kind vor die
Tür legen!
b) III 3 (533–580)
Chremes läßt sich zögernd umstimmen,
(Chremes zu Simo)
c) III 4 (581–606)
600 Davos hört, daß er die Hochzeit bewirkt hat
(Chremes heim, Simo ins Haus)
Strukturpläne zu Terenz-Komödien
Strukturpläne zu Terenzkomödien
351
351

δ III 5 (607–624)
Pamph. macht Davos Vorwürfe,
a) IV 1 (625–633) + Charinus
Davos ist zu neuer Intrige verpflichtet (‚Ich gebe nicht
Epitasis

auf!‘)
b) 700 IV 2 (684–715)
Mysis will Pamph. zu Glyc. holen,
Davos hat [angeblich] neuen Plan, sed cf. II 2 fin!
IV 3 (716–739)
holt das Kind, ändert den Plan,
 c) IV 4 (740–795)
als Chremes kommt und wg. des Kindes die Hochzeit
absagt (zu Simo ins Haus);
d) 800 IV 5 (796–819)
Da kommt Crito, Vetter d. verstorb. Chrysis
(Anagnorisis) (Davos, Mysis, Crito zu Glyc.)
ε a) V 1+2 (820–871)
Katastrophé

Chremes läßt sich von Simo nicht zur Hochzeit um-


stimmen (‚das Kind gehört nun zur Intrige‘);
Davos gefesselt ins Haus.
b) 900 V 3–5 (872–981)
Versöhnung: Pamph. bringt Crito,
der (929ff.) Namen von Chremes’ Bruder nennt;
Chr. u. Crito zu Glyc., Simo heim (Davos zu
entfesseln),
(981) zu Pamph. kommen Charinus und Davos plaudite!
352
352 III. Nicht im Druck erschienene Materialien
III. Nicht im Druck erschienene Materialien

Terenz, Eunuchus

(Hafenseite) Haus A: (senex) Haus B: Thaïs meretrix (Stadtseite)


Thraso miles Phaedra adul. Pythias ancilla Chremes adul.
Gnatho parasitus Chaerea adul. Dorias ancilla Sophrona nutrix
Parmeno servus (Pamphila virgo)
Antipho adul. (Dorus Eunuchus)

46
α a) I 1–2a (46–196)
100 Phaedria u. Parmeno – über untreue Thaïs;
diese rechtfertigt sich mit Plan bezügl. Ziehschwester,
die Bruder in Athen haben soll;
bittet um 2 Tage Zeit für Thraso, ist zugleich an
Eunuch interessiert; (PH. u. PA. ins Haus)
b) I 2b (197–206):
Thaïs-Monolog: Ich habe ehrlich gesprochen!
200 ‹Götterprolog: Eunuch wird stören › (Th. ins Haus)
c)
Protasis

II 1 (207–224):
Phaedria geht aufs Land, Parm. soll Eunuch übergeben.
β a) II 2 (225–291): ‹
GN. von links ›
Parm. beobachtet, wie Gnatho nach ‚Parasitenmonolog‘
das schöne Mädchen als Geschenk des Thraso bringt;

GN. z. Forum ›
b) 300 II 3 (292–390):
vom Hafen Chaerea, der das Mädchen sah und verlor.
Ch. nimmt Parm.’ Scherz, er könne als Eunuch sich
d. Mädchen nähern, ernst

(Pa. u. Ch. zum Verkleiden ins Haus)


 III 1 (391–453) ‹ Thr., Gn. vom Forum ›
400 Thraso prahlt vor Gnatho

c) III 2 (454–506) ‹
Parm. z. Forum? ›
Thraso holt Thaïs zum Gelage ab,
Parmeno überbringt Chaerea als Eunuch;
Epitasis

Pythias soll Chremes erwarten.


500 (Thaïs + Thraso n. li.)
γ a) III 3 (507–538)
Chremes, mißtrauisch, mit Dorias zum Gelage
(nach links)
b) III 4, 5 (539–614)
Antipho v. Hafen, Chaerea als Eunuch: (von links) NB!)
nach der Vergewaltigung des Mädchens.
600 (Beide zum Umziehen in die Stadt) (nach re.)
Strukturpläne zu Terenz-Komödien
Strukturpläne zu Terenzkomödien
353
353

IV 1 (615–628)
Dorias, vom Gelage: ‚Sie beginnen zu streiten‘
IV 2, 3 (629–667)
Pythias berichtet heimkehrendem Phaedria die Verge-
c) waltigung;
IV 4 (668–726)
700 Phaedria verhört den echten Eunuch, hört vom
Kleidertausch, will vertuschen (beide ins Haus)
Epitasis

zu Pyth.:
δ a) IV 5, 6 (727–770)
Chremes, beschwipst, dazu Thaïs: alles für deine
Schwester! (Chremes ungläubig, feig)
b) IV 7 (771–816)
800 Thraso (mit Gefolge, zur Belagerung) will das Mäd-
chen zurück – aber sie ist freigeborene Athenerin!
(Chremes holt nutrix)
c) V 1 (817–839)
 Thaïs weiß jetzt von Vergewaltigung,
d) V 2 (840–909)
da kommt Chaerea (als Eunuch);
900 er gesteht und erklärt sich zu Heirat bereit
e) V 3 (910–922)
Chremes mit Amme ins Haus d. Thaïs
Katastrophé

ε a) V 4 (923–970)
Parmeno, über s. Streich zufrieden, wird von Pythias
eingeschüchtert: Chaerea sei von Kastration bedroht;
V 5, 6 (971–1024)
1000 Parmeno gesteht dem senex alles u. wird von Pythias
eingekocht
b) V 7–9 (1025–1094)
Thraso kommt zur Kapitulation, Chaerea darf heiraten,
1094 Phaedria ‚teilt‘ Thaïs mit Thraso
354
354 III. Nicht im Druck erschienene Materialien
III. Nicht im Druck erschienene Materialien

Menander / Heautontimorumenos / Terenz

Haus A: Chremes Haus B: Menedemus


Sohn Clitipho → (Bacchis) Sohn Clinia → (Antiphila)
Sklave Syrus Sklave Dromo
Frau Sostrata

Prolog 1–52

Men. (Clin.) α I1 53–174


100
Chr. (Clit.) ‹Prolog ›
Clin. ‹Clinia › I2 175–212
200
Protasis

Clit.
Clin.
‹Festbeginn › β
II 1
II 2, 3a
213–230
231–310
300
Clit. II 3b 311–380

 Clin. 400
Syr. ‹Syr., Ba. › (Nacht)
II 4 381–409
Men. γ III 1 410–511

Syr. in Schwierigkeiten › 500
mit Chr., III 2 512–561
mit Clit., III 3a 562–591
Epitasis

mit Chr. 600 III 3b 592–613


Clin.
Men./Clin.
Anagnorisis ›
‹‹Clin. zu Men. › δ
IV 1
IV 2, 3
614–667
668–722
neuer Plan 700
Sy.–Clin.
– Ba. IV 4 723–748
 Syr. gewinnt gg Chr., 800 IV 5 749–804
brüstet sich IV 6f. 805–841
Men./Chr. IV 8 842–873
(‚Liebesnacht‘)
Katastrophé

Chr./Men. ε 900 V 1–2a 874–977

Sy./Clit. V 2b–3 978–1023


1000
Chr./Clit. V 4f. 1024–1067
Strukturpläne zu Terenz-Komödien
Strukturpläne zu Terenzkomödien
355
355

S. 356 wirkt etwas, als sei es noch rot.


Bitte alles schwarz machen.

(Prolog zur Uraufführung)

Chr., Men. im Expositionsgespräch Men. (Clin.)

(Men.)
Väter
Die
(Men. war zu hart zu Clin.)
(Chr.: ubi non vere vivitur ) 
Chr. erfährt durch Clit. die Rückkehr Clin.’, Clin.
schweigt über Men.
Clit. schweigt über seine Bacchis-Affäre Clit.

Die Söhne; Clinia


zu Clit. noch der ängstliche Clin., Clin.
Syr. berichtet von Antiphilas Treue
Syr. entwickelt den Plan, Bacchis als Clin.’ Clit.
Geliebte ins Haus zu bringen, schweigt
über seinen Geld-intrigenplan
Ba. und Antiph. kommen, das Wiedersehen Clin. 
Chr. rät Men. zu Intrige, sich absichtlich Men.
betrügen zu lassen;
Chr. beauftragt Syr. mit Intrige Syr.–Chr.
Syrus’ erfolgreiche Intrige gg Chr.

Syr. schickt unbeherrschten Clit. weg – Clit.


Syr.’ erster Versuch, Chr. zu betrügen – Chr.
Antiphila als Chr.’ Tochter erkannt Clin.
Syr. überredet, mit neuem Intrigenplan, Syr.–Clin.
Clin., Ba. zu Men. mitzunehmen

Syr. überredet Ba. y r.– Ba.


Syr. bringt Chr. zum Zahlen Syr .– Chr.
– und läßt Clit. das Geld überbringen Syr .– Clit.
Men. kommt als Brautwerber, Chr. verlacht ihn Men./Chr. 
Chr. wird aufgeklärt Chr./Men.
Blamierten zur

u. enterbt Clit. zum Schein


Chr. vom

Autorität

Syr. redet Clit. ein, er sei ein ‚subditus‘ Sy./Clit.

Strafpredigt und Versöhnung Chr./Clit.


356
356 III. Nicht im Druck erschienene Materialien
III. Nicht im Druck erschienene Materialien

Terenz, Hecyra

Haus A: Phidippus senex (?) Haus B: Bacchis Haus C: Laches senex


Myrrina matrona meretrix Sostrata matrona
(Philumena filia) Pamphilus adul.
(+ Philumena)
Parmeno servus

α a) I 1 ( 58 ) u. I 2 (76–197)
100+x Von Bacchis kommen πρόσωπα προτατικά, Hetäre Philotis
u. alte Syra, entlocken Parmeno das Eheproblem Pamphilus’:
100 er mußte vor 7 Monaten Bacchis aufgeben u. Philumena heira-
ten (Ehe erst vor 5 Mon. vollzogen). Jetzt ist Pamph. verreist,
Philumena (angebl. krank) wieder bei den Eltern.
(Parm. z. Hafen )
‹b › ‹ Prolog: Pamph. hat Philum. vor 9 Mon. vergewaltigt; Bacchis
wird seine Vaterschaft aufdecken ›
‹ {…}: die Väter; beide kommen, um mit d. Frauen zu reden;
d.h. mit Schwiegermutter u. Schwiegertochter ›
‹c› ‹ ? Phidippus + Myrrina: er will, daß Philum. zur Schwieger-
200 mutter zurückkehrt › α
β a) II 1 ( 198–241) β
211 Laches zu Sostrata: Du bist schuld!
II 2+3 (242–280)
Auch Phidippus bestätigt: Philum. will erst nach Pamph.’
Heimkehr zurück
Sostrata (allein): Ich leide unter dem Vorurteil v. d. ‚bösen
Schwieger mutter‘! (Männer zum Forum )
b) III 1a (281–325) (Parm + Pamph  v. Hafen)
Parm. informiert den (wehleidigen) Pamph. über ‚Krankheit‘
300 u. Frauenstreit; auf Philum.’ Weherufe stürzt Pamph. zu ihr
hinein.
III 1b + 2 (326–360)
Parm. rät Sostrata, nicht hinüberzugehen; Pamph. kommt
‚tristis‘ heraus, schickt Mutter heim u. Parmeno dem Gepäcks-
προτ. träger entgegen, z. Hafen.
 c) III 3a ( 361–408) (Parm.  Hafen )
ἐπιτ. Monolog des Pamph.: er hat das Kind entdeckt u. Myrrina ver-
sprochen, den Ruf Philum.’ zu schonen (Kind aussetzen?). Er
will Liebe zu Ph. ertöten,
400 ‹ weiß nicht, wie er Scheidung rechtfertigen soll ›
‹ Pamph. ins Elternhaus › β
γ a) III 3b–4a ( 409–443) (Parm. von Hafenseite ) γ
168 Parm. kommt wieder, wird von Pamph. sofort z. Forum ge-
schickt (er weiß ja, daß Pamph. die Ehe erst vor 5 Mon. voll-
zog!)
Strukturpläne zu Terenz-Komödien
Strukturpläne zu Terenzkomödien
357
357

b) III 4b–5 (444–515)



Pamph. Monolog: Wie die Frau decken, ohne die Mutter zu
beschuldigen? › (Väter vom Forum )
von den Vätern unter Druck gesetzt: Jetzt (cf. II 2+3) Philum.
heimholen! Pamph.: Ich entscheide mich in dem Frauenstreit
500 für die Mutter (ab 495, ins Haus). Phid.: Er soll noch heute
sagen, ob er Mitgift zurückgibt! (ab). Laches: Sostrata verdient
meinen Zorn! (ab)
c) IV 1 (516–576)
Phid. entdeckt den Säugling, Myrr. bestärkt ihn im falschen
Verdacht, sie wolle das Kind nicht, weil sie (wg Bacchis) gg
Pamph. sei. Phid. ins Haus, um Aussetzung zu verhindern.
Myrr.-monolog: Jetzt haben wir Kind ohne Vater (nicht zu fin-
den, denn er hat ihr einen Ring geraubt); u. Pamph. wird reden. γ
δ a) 600 IV 2 ( 577–606 ) δ
190+32? Sostrata bedrängt Pamph.: Hol’ sie, ich ziehe mich aufs Land
zurück.
b) IV 3+4 (607–726):
Die Väter bedrängen Pamph. Dieser zu Laches: ‚Wenn Mutter
bleibt, eher Versöhnung der Frauen.‘ / Phid.: ‚Anerkennst du
den Sohn?‘ Pamph.: ‚Aber sie will mich nicht, sonst hätte sie
das Kind nicht verschwiegen.‘ Strafpredigt des Laches: ‚Alles
wegen Bacchis!‘
ἐπιτ. 700 Pamph. ratlos ab (ins Vaterhaus, v. 705).
 Die Väter vereinbaren: Enkel zu Laches; Phid. geht eine
κατ. Amme besorgen. Laches soll Bacchis (Phid.  Stadt)
c) V 1 (727–766)
ins Gewissen reden (ein Sklave holt sie).
Bacchis ist bereit, den Frauen (Myrr + Phil.) zu schwören, daß
sie nichts mit Pamph. hat;
ε V 2 ( 767–798)
114–32? da kommt Phid. mit der Amme, Ba. mit ihm ins Haus, Laches
800 heim. Phid. v. d. Stadt
? a) V 3+4 (799–839)
Parmeno (aus d. Stadt) sieht Ba. von Phid. kommen*: ‚Myrrina
hat an meiner Hand Ring ihrer Tochter erkannt (ein Geschenk
des Pamph.)‘ – hol’ schnell Pamph.!
V 5 (840–880)
Pamph.: ‚Bacchis meine Retterin! Sag aber dem Vater das
Nähere nicht!‘ Auch Parmeno erfährt es nicht.
* Don. zu 816 (kl. Monolog der Bacchis: J. C. B. Lowe, Hermes 111 (1983), 446–451:
‚Jetzt hat Hetäre ein Ehepaar zusammen- α bis 280 : 223+x Verse
gebracht‘, mit Erzählung der Anagnorisis): β 281–443 : 163 Verse
reliqua pars argumenti per monodiam narratur. γ 444–576 : 123 Verse
brevitati consuluit Terentius, nam in Graeca δ 577–726 : 150 Verse
haec aguntur, non narrantur. ε 727–880 : 154 Verse
Register
Personenregister

Agathokles | 205 A. 45 Demophilos | 185, 186, 227 A. 4


Alexis | 226 A. 2, 227 A. 4 Denzler, Bruno | 35, 36, 42
Andronicus, s. Livius Diomedes, Grammatiker | 304 A. 25
Antigonos Monophthalmos | 88 Diphilos | VII, 77, 331–344, 349
Apollodor von Karystos | 85 A. 33, 158, Donat | 122, 125 A. 143, 295–320
302 A. 16, 303 A. 19, 310 A. 47, 313 Drexler, Hans | 321, 332, 337, 338
A. 58, 318 A. 75, 319 A. 82, 320 A. 83 Duckworth, George E. | 15, 90
Aristoteles | 210, 298, 300, A. 11, 301, Dziatzko, Karl | 17
302, 304 A. 25, 312 A. 53, 315, 316, Elias, Philosoph | 59, 60 A. 43
320 A. 85, 321 Ennius, Quintus | 3, 5
Arnott, W. Geoffrey | 35, 50, 51, 53, 57, Euanthius | 295, A. 1, 296, 302, 303, 310,
58, 62, 63, 64, 66, 67, 87, 108, A. 101, 311, A. 50, 312, A. 51, 313, A. 57, 314,
150, 151 A. 192, 226 A. 2, 272 A. 116, 315, A. 64, 316 A. 69, 319
298 A. 7 Eugraphius | 11, 12, 13 A. 13
Asmuth, Bernhard | 295, 307 A. 36 Euripides | 231 A. 16
Asper, Aemilius | 296, 314, A. 64, 316, Fabia, Philippe | 40
A. 67, 319, 320 de Falco, Vittorio | 59, 65 A. 65
Athenaios | 62 Festus, Sextus Pompeius | 235
Augustinus | 382 Fischer, Gabriel | XIV
Axelson, Bertil | 261 Flickinger, Roy C. | 11 A. 3
Bader, Bernd | 34, 93 A. 62 Flurl, Wolfgang | 31, 40, 43
Batzer, Sibylle | 228, 231 A. 16, 233 A. Flury, Peter | 35, 36
20, 260 A. 89 Fraenkel, Eduard | 128, 133, 143, 167,
Beare, William | 15 227, 260, 286 A. 6
Bentley, Richard | 11 A. 3, 21 Francken, Cornelius M. | 253 A. 64
Blanchard, Alain | 49 A. 4, 186 A. 2, 197, Freté, Andrée | 162
300 A. 11, 320 A. 83 u. 85 Freudenthaler, Silvia | XIV
Blänsdorf, Jürgen | 340 Freytag, Gustav | 76 A. 11, 321
Blume, Horst-Dieter | 318 A. 76 Friedrich, Wolf-Hartmut | 171 A. 18, 321,
Braun, Ludwig | X, 320 A. 84 332
Brecht, Bertolt | 303 A. 22 Fronto | 234
Büchner, Karl | 22 A. 30, 23, 33, 36, 40, Frost, K. B. | 271 A. 114
41, 44, 129, A. 152 Fuchs, Andreas | 296 A. 4
Burckhardt, Georgine | 124, A. 142 Fulgentius | 151 A. 192
Caecilius Statius | 9 A. 14 Gaiser, Konrad | VIII, 33, 35, 72, 78 A.
Caesar, Gaius Iulius | 23 A. 36 19, 87, 89, 93 A. 62, 95 A. 68, 104,
Castiglioni, Brunella | 12, 14 115 A. 114, 126 A. 147, 150, 151 Anm.
Cato Censorius | 289 192
Chorikios | 291 Gaulle, Charles de | 200 A. 39
Cicero, M. Tullius | 4, 5, 15 A. 15, 21, 22, Gestri, Leo | 12
381 Goldstern, Christian | 249 A. 55
del Corno, Dario | 65 A. 65, 67, 141 A. Gomme, Arnold W. | VIII, 50, 51, 57, 58,
179 61 A. 49, 62–65, 79 A. 21, 150, 255
Danek, Georg | 110 A. 105 A. 69
Demetrios Poliorketes | 88, 89 Görler, Woldemar | 42
362 Register

Gratwick, Adrian S. | 41 Lukan | 32


Haffter, Heinz | 24 A. 40, 32 Lykurg von Athen | 243
Handley, Eric | 75, 116, 244 A. 47 Lysimachos | 88
Hieron von Syrakus | 200, A. 39 Machon von Korinth | 320 A. 83
Holzberg, Niklas | 74, 79, 310 A. 45, 317 Marouzeau, Jules | 12, 17, 21, 24 A. 38,
A. 72 29, 34
Homer | 31 Marti, Heinrich | 177
Horaz | 23, 261 Martina, Antonio | 298 A. 7
Hunter, Richard | 63, 228, 241, 245 A. 50 Masaracchia, Agostino | 51, 54, 55, 58
Jachmann, Günther | 32, 73 A. 1, 321, de’Medici, Lorenzino | 287
332, 336 Menander | VIII, IX, X, XII, XIII, 4, 23
Jakobi, Rainer | 297, 298 A. 6, 304 A. 25, A. 33, 27, 30, 32, 34, 35, 38, 40–42,
315 44, 45, 47, 48, 49–67, 73, A. 2, 74, A.
Jocelyn, Henry D. | 123 A. 140, 235 A. 25 4, 75, 76–79, 83, 84, A. 26, 86, 87–89,
Kassandros | 88 93, 94, A. 64 u. 65, 96–103, 104 A. 90,
Kauer, Robert | 17, 21 105, 106 A. 95, 107, A. 98, 108–110,
Klotz, Alfred | 44 113, 114–120, 128, 130, A. 157, 131–
Knoche, Ulrich | 32 147, 148, A. 187, 149, 150, 152–159,
König, Franz Kardinal | 381 162, 163, 167, 185–187, 196, 212–215,
Kraus, Walther | 72, 107 A. 98, 225 A. 217–225, 226 A. 2, 228, 230, 241 A.
1, 381 40, 242, A. 42, 243, 251 A. 60, 252,
Kreuz, Gottfried E. | XIV 253, 255, 262 A. 96, 263, 264, A. 100,
Kunst, Karl | 253 A. 64 265, 268, 270, 272 A. 117, 273, 278 A.
Lambin, Denis | 107, 254 A. 66 133, 279 A. 139, 280, 281, 285, 287,
Lanuvinus, Luscius | 20, 23, A. 34 291 A. 26, 292, 294, 296, 298–301,
Lefèvre, Eckard | VIII, X, XI, XII, XIII 303 A. 21, 306, A. 32, 309, A. 43, 312
Anm. 24, XV, 40, 41, 85 A. 33, 103 A. 53, 313, 316, 318, 319, A. 82, 320,
A. 88, 113, A. 111, 114, A. 114, 128, 321, 331–333, 336, 344
129, A. 155, 134 A. 163, 157, 168, A. Molière | 217, 225, 230
5, 190, A. 14, 191, 216, 227 A. 5, 251 Montmartin, Friedrich Samuel von | 200
A. 60, 285–294 A. 39
Lenz, Jakob M. R. | 287 Mussolini, Benito | 200 A. 39
Leo, Friedrich | 4, 5, 11 A. 1, 12, 13, 15 A. Naevius, Gnaeus | 3, 5, 19 A. 27, 23 A. 33
16, 18, 19, 24, 73 A. 1, 108 A. 99, 141 Napoleon Bonaparte | 200 A. 39
A. 179, 206 A. 47, 227 A. 4, 265 A. Nesselrath, Heinz-Günther | XVI
103, 305, 311 A. 48, 312 A. 53 Oppermann, Siemer | 53 A. 16, 55 A. 23
Lesky, Albin | 331, 332, 381 Ovid | 31, 381
Lindsay, Wallace M. | 21, 121 Pernerstorfer, Matthias J. | XIV
Livius Andronicus | 3 Philemon, Dichter | 77, 80, 158, 331
Livius, Titus | 315 Philipp von Makedonien | 261 A. 94
Lorenz, Paul R. | XIV Photios | 62
Lowe, J. Christopher B. | 102, 103, 196, Plank, Jennifer | XIV
197, 286 A. 6 Platon | 54
Ludwig, Walther | 33, 36, 39, 43, 44, 89, Plautus | VII–IX, XI, XII, XIII Anm.
198 A. 35, 228, 231 A. 16, 244, 245 24, 3, 5, 6, 9, 14, 19 A. 27, 24, 27, 35,
A. 50, 251, A. 60, 260, 264, 265 A. 73, A. 2, 74, 75, 77, 80, 82, 83, A. 25,
103, 286, 287 84–89, 93 A. 61, 94 A. 64, 96, 98, 99,
Personenregister 363

100, A. 80 u. 81, 101, 102 A. 87, 104, Schadewaldt, Wolfgang | 51, 55, 57, 58 A.
107, 108, 109, A. 104, 110, A. 106, 38, 59, 66
111, 112, 114, 116, 117, 118, A. 120, Schoell, Fritz | 311 A. 48
119–122, 125–127, 128, A. 151, 129 Scholz, Peter | XVI
A. 152, 130 A. 158 u. 160, 131–134, Shakespeare, William | 168, 184 A. 53,
135, A. 166, 136, 138–141, 142, A. 211, 332
182, 143–147, 148, A. 187 u. 188, Skutsch, Franz | 13 A. 9, 17
149, 150, 152–155, 157, 158, A. 201, Sloman, Arthur | 17
159–163, 167, 168, A. 5, 169, A. 11, Sonnenburg, Peter E. | 170 A. 15 u. 16,
170, 171 A. 18, 173, 178, A. 41, 181, 173, A. 23, 178, A. 39
A. 46, 182, 183, 184, A. 51 u. 53, 185– Sophokles | 174, 298–300, 311, 312 A. 53,
187, 188 A. 7, 190, 191, A. 20, 193, 316
194, 199, 200 A. 39, 203–205, 208, Spengel, Andreas | 161 A. 203
211–218, 220, 221–226, 227, A. 4, Stärk, Ekkehard | XI, XIII, 213–216,
228, 230, 233, 234, A. 22 u. 23, 235, 227, 229 A. 13
236, 237, A. 30, 238, 240, A. 36, 241, Steidle, Wolf | 40, 41, 45, 47, 157, 168, 169
242, 244, 246–252, 254, 256, A. 73, A. 10, 183 A. 49, 188, A. 7, 189, A. 10,
260, 261, 262 A. 96, 263, A. 97, 264, 198 A. 35, 203, 251, A. 60
265, A. 104, 267, 268, 270, 278 A. Stockert, Walter | XIII Anm. 25, XV
133, 279, 285, 287–289, 290, A. 20, Anm. 27, 228, 232 A. 18, 233, 262 A.
292, 294, A. 34, 313, 321, 331–344, 95, 265 A. 103, 278 A. 133, 286 A. 7,
349, 382 293 A. 30
Plutarch | 224 Straus, Juliane | 35
Prepelaos | 88 Sueton | 9
Prescott, Henry W. | 297, 298, 304 A. 25 Tatum, James | 119
Prete, Sesto | 12, 21 Terenz | VII–IX, XII, XV, 3–9, 11–25,
Primmer, Adolf | VII–XV, 281, 349, 381, 27–30, 31–48, 73, 74, 77, 82, 85, 86,
382 94 A. 65, 157, 158, 161, 163, 177 A.
Questa, Cesare | 87, 89, 102, 103 A. 88, 37, 217, 302, A. 16, 303, A. 19, 21 u.
119, 122 22, 306, 308, A. 41, 309, 310 A. 47,
Ratkowitsch, Christine | XIV, 72, 382 311, A. 48, 312, 313, 315, 319, A. 82,
Regnard, Jean-François | 184 A. 53, 211 331, 349, 382
Reinhardt, Karl | 301 A. 13 Theiler, Willy | 123 A. 139, 139, 148 A.
Reithmaier, Leopold | 381 188
Ribbeck, Otto | 170, A. 13, 15 u. 16, 173 Themistios | 51, A. 7, 53, 54, 55, A. 23,
A. 22, 178 A. 41 58, 65 A. 66
Ritschl, Friedrich | 77, 119, 162 Theophrast | XIII, 76 A. 10, 304 A. 25,
Rosivach, Vincent J. | 192 A. 23, 243, A. 314, 320 A. 83 u. 85
46, 256, A. 72, 258 Thierfelder, Andreas | 35, 39
Ronconi, Alessandro | 18 Tränkle, Hermann | 107, 121
Sandbach, Francis H. | VIII, 50, 51, 57, Turpio, L. Ambivius | 6–8, 12 A. 6, 20–
58, 62–66, 79 A. 21, 150, 255 A. 69, 23, 311 A. 48
287 A. 10 Varro | 9, 302, A. 16, 303 A. 20
Sander-Pieper, Gudrun | 296 A. 4 Verdenius, Willem J. | 62
Scaliger, Julius C. | 235 Vergil | 32, 381
Schaaf, Lothar | 332 Vogt-Spira, Gregor | 227 A. 5
Schachermeyr, Fritz | 381 Wagner, Wilhelm | 30
364 Register

Waltz, René | 16
Webster, Thomas B. L. | 74, 78 A. 18, 87,
100 A. 82, 105, 107, 108, 129, 136,
150, 186 A. 2, 229 A. 13, 242 A. 41,
244 A. 47
Weidinger, Hans Ernst | XIV
Wessner, Paul | 311 A. 48, 314 A. 64, 319
Wilamowitz-Möllendorff, Ulrich von | 51–
53, 58, A. 38, 64, 66
Williams, Gordon | 114
Woytek, Erich | 72, 183 A. 49, 234 A. 21,
235, 293
Zwierlein, Otto | XV, XVI, 228, A. 11,
233 A. 19, 235, A. 25, 242 A. 43, 245,
261, 262 A. 96, 263 A. 99, 264 A. 102,
267 A. 107, 289 A. 17
Stellenregister

Alexis de inventione I, 33 | 22 A. 31
Lebes | 226 A. 2 de officiis I, 35 | 30
Ammianus partitiones oratoriae
res gestae XXIV, 6, 17 | 234 27–28 | 4
Anaxippos 31–33 | 5
fr. 1 (Kock III, PCG), 28ff. | 58 A. 34 Philippicae 2, 75 | 30 A. 8.
Anonymus pro Rabirio | 381
Apistos | 226 A. 2 Tusculanae disputationes 3, 2 | 18
Anonymus Diomedes
commentaria in Aristotelem Graeca IV, ars grammatica
5, XXII | 56 I, 487, 11 | 304 A. 25
Anonymus I, 488, 3 | 304 A. 25
Menaichmoi | 190, 199–200, 205, 210– Diphilos
212, 263 A. 99 „Rudens“ | 331–344
Aktgliederung | 203–204 Strukturplan | 344–348
Anonymus Donat
tractatus Coislinianus | 297, 304 A. 25 ad Adelphos
Apollodor praef. 1, 4 | 125 A. 143
Hekyra | 303 A. 19, 317, 318 A. 75, p. 288, 1 | 316 A. 67
320 A. 83 ad Andriam
Strukturplan | 326–328 praef. 1, 3 | 302 A. 18
Epidikazomenos | 85 A. 33, 158 praef. 1, 4 | 302 A. 16
Aristophanes praef. 2, 1 | 305 A. 30, 308
Aves v. 1010 | 59 praef. 2, 3 | 122
Aristoteles praef. 3, 6 | 302 A. 16 u. 18
ars poetica | 298 praef. 3, 7 | 302 A. 16
Kap. 5, 1449a32 | 394 A. 25 p. 28, 2 | 307 A. 35
Kap. 5 | 304 A. 25 p. 172 | 307 A. 37
Kap. 9, 1451b33 | 301 A. 15 p. 206, 1 | 307 A. 35
Kap. 11 | 300 A. 11 p. 220, 1 | 307 A. 35
Kap. 11, 1452b12 | 304 A. 25 p. 221, 1 | 307 A. 35
Kap. 12 | 301 p. 236, 1 | 307 A. 37
Kap. 13, 1453a10 | 304 A. 25 p. 301, 1 | 307 A. 37
Kap. 17, 1455b13 | 301 A. 15 p. 301, 2 | 308 A. 41
Kap. 18 | 300 A. 11 p. 338, 1 | 307 A. 37
Arrian p. 404, 1 | 297 A. 5, 305 A. 30,
Epicteti dissertationes I, 19, 20 | 59 306, 316 A. 69
Athenaios p. 412, 1 | 308
Deipnosophistae XIV, 659b | 58 p. 412, 2 | 305 A. 30
Augustinus p. 459, 1 | 309 A. 44
enarrationes in Psalmos | 382 p. 533, 1 | 306 A. 34
Chorikios p. 580, 2 | 306 A. 33
orationes 32, 73 | 291 A. 25 p. 625, 1 | 305 A. 30, 308
Cicero p. 796, 1 | 309
ad Atticum XIII, 20, 4 | 30 p. 904, 1 | 297 A. 5, 309
p. 915, 4 | 309
366 Register

Donat (Fortsetzung) Festus


ad Eunuchum 253 L (= 280 M) | 234
p. 28, 2 | 307 A. 38 Fronto
p. 46, 7 | 319 A. 82 p. 90, 6 (ad Antoninum Pium 1, 2, 9)
p. 689, 1–2 | 319 A. 82 | 234
ad Hecyram Fulgentius
praef. 1, 9 | 314 mythologia III, 1 | 150
praef. 3, 6 | 302 A. 16, 303 A. 20 Herodot
p. 58, 5 | 319 A. 82 historiae I, 66 | 59, A. 41
p. 199, 1 | 314 A. 61 Homer
p. 361, 1 | 314 A. 62 Ilias
p. 727, 1 | 314 VI, v. 162 | 151 A. 192
p. 825, 2 | 310 A. 46 XXIII | 343
ad Hecyra v. 816 | 357 Odyssee
ad Phormionem VIII, v. 238 | 57
praef. 1, 8 | 307 A. 38 VIII, v. 548–586 | 57
ars grammatica | 295 XI, v. 271ff. | 317 A. 72
prolegomena de comoedia | 295 Horaz
Kap. 1–3 | 295 ars poetica v. 191f. | 315 A. 66
Kap. 2, 6 | 313 A. 56 carmina III, 1, 27f. | 335
Kap. 2, 7 | 313 sermones | 23
Kap. 3, 1 | 319 Livius
Kap. 3, 2 | 311, A. 50 ab urbe condita XL, 55, 3f. | 315 A. 65
Kap. 3, 4 | 314 A. 63 Menander
Kap. 3, 5 | 313, A. 55 u. 56 Adelphoi A | 73 A. 2
Kap. 4, 2 | 313 A. 55 u. 57 Andria | 4, 130, 306, 309
Kap. 4, 5 | 295, 310, 311, A. 50, Aspis | 61 A. 47 u. 48, 73, 87, 157
312, A. 53, 320 A. 83 Prolog | 254
Kap. 6, 5 | 308 A. 39 v. 149–249 | 81
Kap. 7, 1–4 | 295 v. 213ff. | 254
Kap. 7, 2 | 312, A. 51 Dis exapaton | IX, X, XV, 34, 35, 57,
Kap. 7, 4 | 298, 305, 308, 310, 75, 86, 87, 89, 94, 95, 96 A.
312 A. 53 71, 98, 103, 111, 112, 114,
Elias 138, 144, 149, 151, 155, 190,
commentaria in Aristotelem Graeca 286, 290 A. 20
XVIII, 1, 27 | 52, 59 Datierung (301 v. Chr.) | 155
Ennius Akt- und Szenenschema | 156
satira 57 | 14 A. 14 Fabelgliederung | 157
Euanthius fr. 109 K-T (2 Sandbach) | 139
de comoedia 3, 9 | 15, 16 A. 173, 150, 152
s. auch Donat, prolegomena de comoedia fr. 110 K-T (3 Sandbach) | 120,
Eugraphius 150, 152
ad Heautontimorumenon α | 105–107, 109, A. 103
v. 10 | 12 A. 8 α/β (Bacch. 108/109) | 106 A.
v. 11 | 11 94, 127
Euripides β | 105–107, 109, A. 103, 114,
Ion | 231 A. 16 126, 162
Stellenregister 367

β/γ (Bacch. 384/385) | 127 β | 277 A. 128, 280


γ | 104, 106, 109, 110, 112, 130, γ | 202, 265, 278 A. 133
135 A. 166, 155, 195 A. 29 δ | 110 A. 105, 202
γ/δ (Bacch. 525/526) | 117, 127, ε | 265, 280
158 v. 1–392 | 79
δ | 78 A. 18, 104, 109, 110, 113, v. 2 | 253
116, 117, 133, 137, 139, v. 34–44 | 304 A. 24
142, 148 A. 187, 152, 264 v. 39–44 | 79
A. 102 v. 50–80 | 218
δ/ε (Bacch. 924/925) | 104 A. 90, v. 81–177 | 218
127, 140 v. 178–232 | 218
δ – ε | 228 A. 11 v. 392 | 319 A. 78
ε | 110, 146, 150, 152 v. 393ff. | 79, 319 A. 78
v. 1 | 56, 93 v. 393–401 | 188
v. 1–17 | 111 v. 407–417 | 304 A. 24
v. 11–30 | 91 v. 409–418 | 220
v. 11–63 | 110 v. 473ff. | 226 A. 2
v. 18f. | 109 v. 510 | 264 A. 100
v. 18ff. | 257 A. 80 v. 516ff. | 264 A. 100
v. 18–30 | 117 v. 607–614 | 188
v. 29f. | 92, 257 A. 80 v. 625ff. | 264 A. 100
v. 30–63 | 117 v. 779f. | 188
v. 55f. | 108 A. 100 Epitrepontes | 49–67, 188, 197, 241 A.
v. 63 | 100, 110 A. 105 40, 255 A. 69, 272 A. 117,
v. 64ff. | 129, 246 298, 300, 317, 318, 319
v. 64–89 | 116 Strukturplan | 324–325
v. 64–90 | 117, 133 P. Oxy. 3532/33 (nach v. 758) |
v. 64–112 (δ) | 112 49, A. 2
v. 89 | 100 fr. 1 Körte | 50, 51 A. 8, 56, 57,
v. 90 | 162 60 A. 42
v. 91–102 | 117 fr. 2a Körte | 50, 51 A. 7, 52, 53,
v. 91–112 | 133 A. 15, 57, 59, 60, A. 43, 61
v. 102–103 | 117 fr. 2b Körte | 50, 51 A. 7, 52,
v. 103ff. | 117 A. 12, 53, A. 14, A. 15, 54,
Dyskolos | VIII, X, XII, 61 A. 47 u. 59, 61
48, 73, 76, 87, 94 A. 64, fr. 3 Körte | 50, 62
152, 157, 188, 192 A. 23, fr. 5 Körte | 50, 57, 58
196, 205, 217, 223, 225, fr. 6 Körte | 58 A. 33
230, 231, 238, 243, 254, fr. 7 Körte | 49, A. 3
256, 271, 272, A. 117, 273, fr. 8 Körte | 49
287, 289, A. 18, 290, 293 A. β | 80, 103, 301
32, 294, 318 A. 74, 319 β/γ | 189
Strukturplan | 282 γ | 50 A. 5, 133 A. 162
Aktgliederung | 198–199 γ/δ | 197
Akt- und Sequenzgliederung | δ | 50 A. 5, 198, 301
274–276 ε | 150 A. 190
Prolog | 253 v. 4–19 | 57 A. 30
368 Register

Epitrepontes (Fortsetzung) Eunuchos | 33, 41, 45, 47, 94, A. 65


v. 20–149 (Schadewaldt) | 59 Der Geizige | XII, 217, 218, 220,
A. 39 223–225, 226, A. 2, 230,
v. 118–130 (Schadewaldt) | 58 239, 242, 243, 253, 255,
A. 34 260, 270, 271, 272, A. 117,
v. 136f. | 64 273, 287, 290 A. 19, 291,
v. 232ff. | 63 292, 294, 318 A. 74, 336
v. 303f. | 105 A. 93 Strukturplan | 283
v. 303–319 | 63 Akt- und Sequenzgliederung |
v. 306 | 63 276–280
v. 313–315 | 63 α | 244
v. 378f. | 63 γ/δ | 252
v. 382 | 55, 62 A. 52 Heros | 61 A. 49
v. 382f. | 188 Kolax | 23 A. 33, 32, 48
v. 382ff. | 50, 64 Misumenos | 73, 76, 79 A. 21
v. 393 | 63, 105 A. 93 Perikeiromene | 61 A. 47 u. 48, 73
v. 397 | 63 v. 169 | 309 A. 43
v. 402 | 63 Perinthia | 4, 308
v. 412ff. | 63 Progamon | 242 A. 42
v. 413f. | 318 A. 76 Samia | VIII, 61 A. 47 u. 48, 73, 76,
v. 414f. | 63 79, 112, 157, 196, 238, 254
v. 419ff. | 63 A. 67, 272 A. 117, 293, 319
v. 430f. | 60, 64 β/γ | 187, 189
v. 432ff. | 60 γ | 110
v. 434 | 64 A. 63 δ | 241 A. 40
v. 440f. | 64 v. 59–61 | 98
v. 442ff. | 63 v. 116 | 237 A. 29
v. 445 | 63 v. 206–282 | 187
v. 458ff. | 64 v. 206–420 | 81
v. 462 | 63 v. 280 | 111
v. 462f. | 64 v. 283–295 | 111
v. 603–609 | 65 v. 320 | 111
v. 603–631 | 50, 65–67 v. 321–325 | 111
v. 603ff. | 188 v. 360–366 | 77
v. 609 | 65 A. 65 v. 372f. | 77
v. 610f. | 65 v. 381 | 77
v. 623 | 65 A. 64 v. 421–615 | 81
v. 631 | 53 v. 445 | 237 A. 29
v. 645 | 67 Sikyonios | 73, 79 A. 21
v. 660 | 67 v. 309f. | 79 A. 21
v. 719f. | 49 A. 3 Synaristosai | 73 A. 2
v. 751f. | 49 A. 3 Molière
v. 864–867 | 255 A. 69 L’Avare | 217, 225
v. 908ff. | 60 Naevius
v. 982ff. | 60 Colax | 19 A. 27, 23 A. 33
v. 1061 | 64 Nepos
v. 1116f. | 56 Alcibiades 6, 5 | 234
Stellenregister 369

Ovid v. 36 | 240 A. 37
metamorphoses | 381 v. 39f. | 241
Philemon v. 40–78 (I 1) | 252
Phasma | 77, 158 v. 40–119 (I 1–2) | 232
Platon v. 74f. | 293
Gorgias 464d–465d | 54 A. 21 v. 74–76 | 233
Theaitetos 173d | 54 v. 79–119 (I 2) | 253, 257
Plautus v. 100 | 254
Amphitruo | 207 A. 49, 213, 215, 321 v. 102 | 254 A. 66
A. 86 v. 106–117 | 292 A. 27
Prolog | 6 v. 107f. | 257 A. 77, 258 A. 82
v. 1–550 | 160 v. 113 | 237
v. 17f. | 6 A. 9 v. 119/120 (α/β) | 244, 252
v. 26–31 | 311 A. 49 v. 120–177 (II 1) | 232, 236, A.
v. 50 | 6 A. 9, 19 26, 239, 244, 294
v. 51 | 15 v. 120–267 (II 1–2) | 257, A.
v. 64ff. | 6 A. 9, 19 76, 258
v. 96 | 15 v. 120–279 (II 1–3) | 252
v. 923 | 234 A. 23 v. 133 | 258 A. 85
Asinaria | 160 A. 202, 227 A. 5, 311 v. 134 | 245
A. 49 v. 139–165 | 245
Prolog | 6 v. 145 | 244, 292 A. 29
v. 1–248 | 160 v. 158–170 | 245
v. 6 | 19 v. 165 | 245
v. 8 | 15 v. 170 | 245
v. 9 | 19 v. 171f. | 292 A. 27
v. 188f. | 19 v. 172ff. | 237
v. 230 | 88 A. 44 v. 175 | 237, 254
Aulularia | VII, XI, XII, XV, 84, 86 v. 175f. | 245, 257, 292 A. 29
A. 35, 157, 192 A. 23, 198, v. 176 | 257 A. 80
217, 225–281, 285–294, v. 177 | 258
306 A. 31, 336 v. 177/178 (α/β ?) | 244
Strukturplan | 284 v. 178–180 | 258
Akt- und Szenengliederung | v. 178–272 (II 2) | 232 A. 18,
219–223 239, 240 A. 35, 257 A. 78,
fr. 2 | 265 A. 103 258, 292
fr. 5 | 265 A. 104 v. 179 | 257 A. 77, 258 A. 82
v. 1–39 (Prolog) | 218, 231 v. 181 | 258
v. 1–279 (Actus a) | 160, 218 v. 206 | 292 A. 27
v. 3 | 253 v. 215 | 292 A. 27
v. 23ff. | 254 v. 257 | 254
v. 25–33 | 304 A. 24 v. 264 | 239, 259
v. 26f. | 288 v. 271–277 | 304 A. 24
v. 27 | 231 A. 16 v. 272 | 254
v. 29f. | 237, 293 v. 273–279 (II 3) | 237, A. 30,
v. 31ff. | 245 239, 240, A 35, 266 A. 105
v. 33 | 235 A. 26 v. 274–279 | 233
370 Register

Aulularia (Fortsetzung) v. 475ff. | 268


v. 275–277 | 237, A. 30 v. 475–535 | 267
v. 279/280 ( β/γ) | 187, 239, 240, v. 475–536 (III 5) | 268, 269
244, 252 v. 475–586 (III 5–6) | 232, 246
v. 280 | 239, 241 v. 536 | 267
v. 280–326 (II 4) | 239, 256, 269 v. 537–586 (III 6) | 245, 246,
v. 280–474 (II 4–III 4) | 232 266 A. 105
v. 280–586 (Actus b) | 218 v. 561ff. | 261 A. 92
v. 280–681 (II 4–IV 6) | 241, v. 569ff. | 292
A. 40 v. 576f. | 250 A. 57
v. 329f. | 256 v. 579 | 247
v. 350–362 (II 6) | 240, 266 A. v. 582–681 | 290
105, 269, 270 v. 586/587 (γ/δ ?) | 244, 245
v. 354–356 | 240 A. 36 v. 587–607 (IV 1) | 245, 247,
v. 362 | 269, 270 252
v. 363–370 (II 7) | 269, 270 v. 587–623 (IV 1–2) | 246, 251
v. 364 | 270 v. 587–681 (IV 1–6) | 198 A.
v. 365–368 | 269 35, 232, 249 A. 56, 253,
v. 369 | 270 260, 287 A. 12, 290
v. 370/371 (γ/δ ?) | 245 A. 50 v. 587–fin. (Actus c) | 218
v. 371 | 269 v. 603 | 233
v. 371–397 (II 8) | 249 A. 55, v. 606f. | 248 A. 52
254, 258, 269, 270 v. 608ff. | 248
v. 371–459 (II 8–III 3) | 292 v. 608–615 | 252
v. 375–384 | 258 A. 84 v. 608–623 (IV 2) | 246, 247,
v. 385–387 | 255 A. 69, 267, 292 249, 252, 269
A. 28 v. 608–627 (IV 2–3) | 292, A.
v. 386f. | 233 29
v. 388 | 267, 270 v. 608–666 (IV 2–5) | 247
v. 414 | 252 A. 62 v. 612–614 | 246, 248
v. 415–448 (III 2) | 266 A. 105 v. 612ff. | 247
v. 449f. | 250 A. 57 v. 614–623 | 290
v. 449–459 (III 3) | 255, 266 v. 617 | 248 A. 53
v. 449–536 (III 3–5) | 257 A. 79 v. 621 | 248
v. 451f. | 252 A. 62 v. 624 | 248
v. 451ff. | 267 v. 624–627 (IV 3) | 247, 263 A.
v. 458f. | 267 97
v. 460–472 | 267 v. 627/628 | 249
v. 460–474 (III 4) | 266, 267– v. 628–660 (IV 4) | 247, 249,
269, 270 A. 111 250–252, 259, 260, 292 A.
v. 464 | 250 A. 57 29
v. 465–472 | 255 A. 69, 268 v. 631f. | 249
v. 467 | 250 A. 57 v. 634 | 249
v. 470–472 | 267 A. 107 v. 635 | 235 A. 26
v. 471 | 250 A. 57 v. 639 | 250
v. 472 | 268 v. 640 | 250
v. 473f. | 266 v. 640–653 | 250
Stellenregister 371

v. 642 | 179 A. 43, 184 A. 51, 251 v. 770 | 241


v. 651f. | 251 A. 58 v. 772–777 | 281
v. 660 | 259 v. 806f. | 221
v. 661–666 (IV 5) | 248, 250, v. 807 | 240, 242
259 v. 808 | 265 A. 103
v. 661–681 (IV 5–6) | 251, 257, v. 808–810 | 263, 264
A. 78 v. 808ff. (V 1) | 232, 260, 262–
v. 666 | 259 265
v. 667–681 (IV 6) | 247, 248– v. 814f. | 221
250 v. 823 | 262, 265
v. 667–700 (IV 6–7) | 256 v. 830 | 265
v. 681 | 241 Bacchides | VII, IX, X, 34, 75, 86, 89,
v. 682–685 | 233 90, 93 A. 62, 98, 99, 114,
v. 682–700 (IV 7) | 230, 232, 144, 158, A. 201, 160, 161,
A. 18, 233, 236–238, 240– 163, 168 A. 3, 184, 192 A.
242, 261 A. 93, 266 A. 105, 23, 252, 262 A. 96, 286,
272, 293 290 A. 20, 382
v. 683f. | 110 A. 106 fr. 1 Leo (4 Goetz) | 96
v. 684 | 233, 234, 235, 289 A. fr. 2 (5) | 96
17, 293 fr. 3 (6) | 96 A. 70
v. 684f. | 219 fr. 4 (7) | 96 A. 70
v. 688ff. | 236 fr. 5 (8) | 96, A. 69, 110 A. 106
v. 692f. | 237 fr. 6 (3) | 96, 110 A. 106
v. 700 | 241, 242, 245 A. 50, 261 fr. 7 (9) | 97, A. 74
A. 93, 289 A. 17, 293 fr. 8 (10) | 97, A. 74
v. 700/701 (δ/ε) | 244, 252 v. 11 | 97 A. 74
v. 701 | 241 fr. 10 (17) | 96
v. 701ff. | 260, 261 fr. 11 (18) | 96 A. 73
v. 701–712 (IV 8) | 241, 242, fr. 12 (13) | 97
249 A. 54, 261–264 fr. 14 (19) | 97 A. 75
v. 701–730 (IV 8–9) | 260 fr. 15 (1) | 96
v. 701–807 (IV 8–10) | 232 fr. 17 (12) | 97
v. 703 | 261 A. 94 fr. 18 (20) | 97
v. 705–711 | 261, A. 94 fr. 19 (16) | 93, 155
v. 705ff. | 264 v. 35ff. | 154
v. 709 | 262, 264 v. 35–108 (I 1) | 89, 107
v. 711 | 262, A. 95, 263 A. 98, v. 43ff. | 88
264 v. 96ff. | 98
v. 712 | 260 v. 100 | 98
v. 713 | 241 v. 105 | 96 A. 72, 107
v. 713–726 | 263 v. 105–108 | 121
v. 713–730 (IV 9) | 241, 260 A. v. 107 | 98, 122
89, 263, 264 v. 108 | 107, 155
v. 713–807 (IV 9–10) | 262 v. 108/109 (Actus a/b) | 83 A.
v. 715f. | 234 A. 23 25, 85, 98, 125, 158, 187
v. 731–807 (IV 10) | 226 A. 2, v. 109 | 101
240, 241, 260, 272 v. 109–112 | 90
372 Register

Bacchides (Fortsetzung) v. 385–499 (III 2–3) | 102


v. 109–169 (I 2) | 102, 103, 105, v. 385–525 (III 2–4) | 99 A. 77,
107, 109, A. 103, 162 109
v. 109–367 (I 2–II 3) | 162 v. 388 | 87
v. 109–384 (I 2–III 1) | 98 A. v. 389 | 87
76, 108 v. 390ff. | 98
v. 109–572 (Actus b) | 142 v. 392ff. | 114
v. 113f. | 90, 107 v. 403f. | 111
v. 114 | 90, 98 v. 405 | 98
v. 137 | 105 A. 92 v. 405–476 | 111
v. 137ff. | 109 v. 405–499 (III 3) | 106, 107,
v. 143ff. | 107 109 A. 104, 143
v. 161f. | 109 v. 406 | 91
v. 167 | 109 v. 406f. | 106 A. 94, 111
v. 169 | 105 A. 92 v. 407–450 | 111
v. 170 | 87 v. 412 | 18
v. 170–177 | 105 v. 414f. | 143
v. 170–367 (II 1–3) | 102, 108 v. 435f. | 143
v. 178–180 | 108 A. 101 v. 449f. | 143
v 178–234 (II 2) | 108 v. 458f. | 106
v. 199f. | 108 v. 467ff. | 143
v. 200 | 87 A. 42 v. 468 | 106
v. 206ff. | 96 A. 72 v. 470 | 106
bis v. 228 | 92 v. 470ff. | 95 A. 67, 106
v. 235–238 | 92 v. 472 | 87 A. 42
v. 235ff. | 88 A. 45 v. 495–499 | 91
v. 235–367 (II 3) | 89, 103, 108 v. 496 | 92
A. 100, 109, 118, 138 v. 500–525 (III 4) | 109 A. 103,
v. 306ff. | 108 A. 100 117
v. 347f. | 98, 117 v. 500–572 (III 4–6) | 119
v. 348 | 99, 118 v. 500–582 (III 4–IV 1) | 117
v. 366f. | 98 v. 521ff. | 114
v. 367 | 98 vor v. 525 | 99, 100
v. 368–384 (III 1) | 98, 102, v. 525 | 85, 99, 100, 118
103, 105, 112, 162 v. 525/526 | 119
v. 368–499 (III 1–3) | 109 A. v. 525ff. | 246
103 v. 526 | 101, 118
v. 371f. | 108, 135, 228 A. 11 v. 526–572 (III 5–6) | 103, 117
v. 373 | 108 A. 99 v. 526–769 | 100 A. 80
v. 375f. | 109 v. 526–924 (III 5–IV 8) | 104,
v. 383 | 109 112
v. 383f. | 98 v. 526–1075 (III 5–IV 9) | 112,
v. 384 | 98 117
v. 385 | 98, 101 v. 530 | 118 A. 123
v. 385–404 (III 2) | 99, 109 A. v. 530–533 | 99, 118
104 v. 530–572 (III 6) | 162
v. 385–493 | 110 v. 532f. | 114, 118 A. 123
Stellenregister 373

v. 534f. | 118 v. 716–725 | 130, 135


v. 536ff. | 118 v. 718ff. | 135
v. 561 | 113 v. 735ff. | 129, 135
v. 562 | 113 v. 739f. | 135
v. 562–572 | 133 v. 742f. | 135, 146
v. 562–924 | 113 v. 743 | 129, 135
v. 569 | 119 v. 746f. | 135
v. 570f. | 119 v. 760–769 (IV 5) | 136, 139
v. 572 | 119, 264 A. 102 v. 760–841 (IV 5–7) | 139
v. 572/573 (Actus b/c) | 117, v. 760–924 (IV 5–8) | 128, 133,
119, 125, 143, 158 137, 138, 142, 144
v. 573 | 120 v. 768f. | 99, 118 A. 120, 159
v. 573–582 (IV 1) | 120, 144, v. 769/770 | 100 A. 82, 159
150 v. 770 | 99, 100, 101, 162
v. 573–611 (IV 1–2) | 103, 133, v. 770–798 (IV 6) | 138
134 v. 770–841 (IV 6–7) | 101 A.
v. 573–639 (IV 1–3) | 134 A. 83, 103 A. 88, 139
163 v. 770–924 (IV 6–8) | 103, 138,
v. 573–924 (Actus c) | 143, 159 145, 148 A. 187
v. 574 | 87 A. 42 v. 783ff. | 137, 141
v. 583–611 (IV 2) | 104, 144 v. 791 | 137, 139
v. 589–591 | 120 v. 792f. | 135 A. 168
v. 590 | 87 A. 44 v. 792–800 | 135, 137–139
v. 591 | 88 v. 797 | 135 A. 168
v. 599 | 134 v. 799–841 (IV 7) | 110, 129, A.
v. 604f. | 134 156, 130–132, 158
v. 605 | 101 v. 801 | 139
v. 612–639 (IV 3) | 103, 144 v. 803ff. | 129, 135
v. 612–670 | 134 v. 806–811 | 139
v. 624 | 114 v. 810 | 151 A. 192
v. 640ff. | 114 v. 812f. | 129, 135
v. 640–670 | 134 A. 164 v. 814 | 139 A. 173
v. 640–759 (IV 4) | 115, 116, v. 816ff. | 139
128, 130 A. 160, 136, 144 v. 818–821 | 139
v. 640–769 (IV 4–5) | 103 v. 822 | 139
v. 671ff. | 113, 144 v. 824 | 130
v. 671–760 | 134 v. 825 | 130 A. 158, 139, 145 A.
v. 681ff. | 114 184, 146, 147
v. 690f. | 114 v. 826 | 131
v. 698ff. | 133 v. 826f. | 130
v. 701ff. | 113 v. 827 | 131
v. 701–1075 | 116 v. 828 | 139
v. 703–713 | 135 v. 829 | 146, 147
v. 703ff. | 144 v. 830 | 130
v. 706ff. | 113 A. 111 v. 836 | 131, 132, 141
v. 707ff. | 146 v. 840 | 131, 132
v. 712 | 135 v. 842 | 101
374 Register

Bacchides (Fortsetzung) v. 933f. | 126


v. 842–924 (IV 8) | 92, 101, A. v. 942f. | 126
83, 104, A. 89, 120, 125, v. 959 | 126
126 A. 144, 134, 136, 139, v. 962–977 | 126 A. 147
140, 141, 146, 158 v. 971f. | 126
v. 844 | 141 v. 979 | 123 A. 139
v. 847–849 | 141 v. 979–986 | 147
v. 853 | 131 v. 985 | 147
v. 853–856 | 141 v. 988f. | 148
v. 855 | 142 v. 989 | 148 A. 187
v. 857–864 | 142 v. 997f. | 131, 135, 148 A. 188
v. 857–868 | 141 v. 999 | 148 A. 188
v. 865–867 | 142 v. 999–1003 | 148
v. 868 | 113 A. 111 v. 1000 | 148 A. 188, 149 A. 189
v. 872 | 141 v. 1001 | 148 A. 188
v. 875f. | 142 v. 1001–1004 | 148 A. 188
v. 875–902 | 142 v. 1003 | 147
v. 880–883 | 142 v. 1006 | 148, 149 A. 189
v. 884–889 | 142 v. 1009 | 149
v. 886–889 | 142 A. 181 v. 1019ff. | 149
v. 900f. | 89 v. 1026 | 148 A. 188
v. 902 | 117, 140 v. 1027 | 148 A. 188
v. 902f. | 101, 142 v. 1028–1032 | 149
v. 904 | 140 v. 1036f. | 149
v. 907–912 | 147 v. 1039f. | 149
v. 911f. | 89 A. 48 v. 1043 | 149
v. 912 | 140 v. 1044 | 149
v. 920 | 140 v. 1050ff. | 118 A. 120
v. 920ff. | 132, 141, A. 179, v. 1059ff. | 130 A. 158, 145 A.
v. 920–924 | 142 184
v. 922 | 140 v. 1060 | 101, 117
v. 923 | 141 v. 1061 | 148 A. 188
v. 923f. | 120, 123 v. 1061ff. | 149
v. 924 | 101, 123 A. 139, 124, v. 1061–1065 | 147
140, 162, 264 A. 102 v. 1063 | 149
v. 924/925 (Actus c/d) | 122, v. 1066 | 101, 161
123, 125, 159 v. 1072ff. | 149
v. 925ff. | 123 v. 1074 | 144
v. 925–1075 (IV 9) | 101, 103, v. 1075/1076 | 101
A. 88, 104, 113, 126–128, v. 1076–1086 (IV 10) | 101, A.
132, 133, 136, 146, 148 A. 85, 122, 152
187, 149, 153, 154, 158 v. 1076–1119 (IV 10–V 1) | 118
v. 925–1211 (Actus d) | 104 A. A. 122
90, 146, 147 A. 186, 155, v. 1076–1211 (IV 10–V 2) | 152
159, 162 v. 1087 | 101, 161
v. 929 | 126 v. 1087–1119 (V 1) | 152
v. 932 | 123 A. 140 v. 1090 | 101
Stellenregister 375

v. 1095–1098 | 101 v. 226–272 (II 1) | 174, 187


v. 1097 | 88 A. 44 v. 273–350 (II 2) | 175 A. 26,
v. 1117 | 120, 150, 153 215
v. 1120–1211 (V 2) | 150, 153, 158 v. 349f. | 229 A. 13
v. 1145ff. | 153 v. 350 | 229 A. 13
v. 1149ff. | 153 v. 351–445 (II 3) | 175, A. 26,
v. 1166ff. | 154 178, 208
v. 1171 | 154 v. 385f. | 229 A. 13
v. 1174 | 155 v. 435ff. | 229 A. 13
v. 1176 | 155 v. 446–558 (III 1–3) | 202
v. 1181 | 155 v. 446–700 (III 1–IV 3) | 172
v. 1187 | 155 v. 446–888 (III 1–V 3) | 201,
v. 1190 | 155 202
v. 1192 | 155 v. 463 | 229 A. 13
v. 1196f. | 155 v. 466–523 (III 2) | 175 A. 25,
v. 1204 | 154 176, 177, A. 38
v. 1206 | 153 v. 476 | 229 A. 13
Captivi | 160 A. 202, 216, 311 A. 49 v. 486 | 121
v. 1–460 | 160 v. 487ff. | 176
v. 513 | 234 A. 23 v. 494 | 176
Casina | 160 A. 202, 344 v. 498 | 175 A. 25
v. 1–514 | 161 v. 506 | 176
v. 567 | 234 A. 23 v. 507f. | 176 A. 33
Cistellaria | 73 A. 2, 93 A. 62, 161 v. 516 | 179 A. 42
v. 567 | 234 A. 23 v. 521 | 179 A. 42
Colax | 19 A. 27 v. 524 | 173 A. 23
Curculio v. 524ff. | 215
v. 1–370 | 160 v. 524–558 (III 3) | 172, 173, A.
v. 148 | 234 A. 23 22 u. 23, 177, A. 38, 178,
Epidicus | 93 A. 62 181 A. 45
v. 1–163 | 161 v. 527 | 177
Menaechmi | VII, X, XI, XIII, XV, v. 541–574 | 178
78 A. 20, 82, 83, 86 A. 35, v. 551 | 172
90 A. 51, 121, 158, 167–184, v. 553 | 172
185–212, 213–216, 227 A. v. 555f. | 229 A. 13
5, 229 A. 13, 265 A. 104, v. 557 | 194, 229 A. 13
320 A. 84 v. 557f. | 193
β/γ | 229 A. 13 v. 558/559 (γ/δ ?, III 3/IV 1f.)
Prolog | 207 | 82 A. 24, 172, 177 A. 38,
v. 1–225 | 160 187, 188, A. 7 u. 9, 189
v. 5 | 19 v. 558–700 (IV 1–3) | 179, 203
v. 11 | 15 v. 562ff. | 172 A. 20
v. 14 | 19 v. 563 | 188 A. 8, 229 A. 13
v. 77–445 (I 1–II 3) | 171, 205 v. 571–674 (IV 2) | 177
v. 110–181 (I 2) | 171, 173 v. 595ff. | 194
v. 110–218 (I 2–3) | 207 v. 629 | 172 A. 20, 188 A. 8, 229
v. 226 | 229 A. 13 A. 13
376 Register

Menaechmi (Fortsetzung) v. 842–847 | 182 A. 48


v. 637 | 177 v. 875 | 83, 183, 189, 194
v. 675–700 (IV 3) | 177 v. 876–888 (V 3) | 169, 180, 193
v. 680ff. | 173 A. 26
v. 681 | 178 v. 876–898 (V 3–4) | 184
v. 700 | 183, 193 v. 876–1049 (V 3–7) | 203
v. 700/701 (γ/δ ?) | 82 A. 24, v. 876–1162 (V 3–fin.) | 168,
187, 188, A. 7, 189, A. 10 169 A. 10
v. 701 | 194, 229 A. 13 v. 878 | 229 A. 13
v. 701ff. | 172 v. 879–881 | 182
v. 701–752 (V 1) | 168, 170, A. v. 881/882 (δ/ε) | 83, 85, 162,
15, 173, 174, 177–180, 181 187, 188 A. 7, 189
A. 45, 191, 193, 236 v. 882 | 83, 183, 194, 195
v. 701–875 (V 1–2) | 190, 191, v. 882ff. | 189, 190
193 v. 898 | 195
v. 701–888 (V 1–3) | 182, 184, v. 899ff. | 183
203 v. 899–908 | 193
v. 701–1049 (V 1–7) | 172 v. 899–965 (V 5) | 320 A. 84
v. 701–1162 (V) | 194 v. 956 | 191
v. 703–708 | 179 v. 966ff. | 229 A. 13
v. 705 | 170 A. 15, 173 v. 986 | 229 A. 13
v. 706ff. | 170 A. 15 v. 990 | 191
v. 708 | 170 A. 15 v. 990–1049 (V 7) | 320 A. 84
v. 710 | 179 A. 43 v. 995f. | 192 A. 24
v. 714ff. | 179 A. 43 v. 1001–1038 | 194 A. 27
v. 716ff. | 192 A. 21 v. 1035ff. | 172, 229 A. 13
v. 719 | 192 A. 21 v. 1038 | 187 A. 5
v. 719–729 | 180 v. 1040 | 183, A. 50, 194
v. 721 | 192 A. 21 v. 1049 | 178, 229 A. 13
v. 729ff. | 181 v. 1049/1050 (nicht δ/ε) | 187
v. 730 | 173 v. 1050–1169 (V 8–9) | 182,
v. 736f. | 180 184, 203
v. 737ff. | 181 A. 46 v. 1051 | 187 A. 5
v. 738 | 179 A. 43, 192 A. 21 v. 1053 | 187 A. 5
v. 738ff. | 190, A. 14, 194 v. 1056f. | 187 A. 5
v. 738–745 | XI, 192, 193, 214 v. 1060–1169 (V 9) | 180
v. 739 | 170 A. 14 u. 15, 173, 174, v. 1061 | 173, 178
180, 181, A. 45, 193 v. 1070 | 182
v. 740–752 | 182 v. 1078f. | 180
v. 745 | 192 A. 21 v. 1080 | 182
v. 753–808 | 193 v. 1123ff. | 174 A. 24
v. 753–875 (V 2) | 180, 181 v. 1138ff. | 178
v. 784–797 | 204 v. 1142 | 173, 188 A. 8
v. 803ff. | 173 Mercator | 86 A. 35
v. 807 | 193 v. 1–224 | 160
v. 827–832 | 182 A. 48 v. 127 | 107
v. 828ff. | 180 v. 170 | 234 A. 23
Stellenregister 377

Miles Gloriosus | 160 A. 202, 161, 207 v. 735–744 | 338


A. 49 v. 745ff. | 342
v. 69 | 234 A. 23 v. 750 | 343
v. 156–595 (II 2–6) | 213 v. 752 | 343
v. 971 | 234 A. 23 v. 882 | 234 A. 23
Mostellaria | 77, 80, 86 A. 35, 123, v. 906 | 321
248 Stichus | 73 A. 2, 93 A. 62, 161
Metrische Großstruktur | 124 v. 199f. | 28
v. 1–430 | 161 v. 208 | 28
v. 409–430 | 124 A. 142 v. 347ff. | 96 A. 70
v. 429f. | 124 v. 568 | 107
v. 430 | 86 A. 34, 162 Trinummus | 160 A. 202
v. 431ff. | 124 v. 1–601 | 160
Persa | 86 A. 35, 93 A. 62, 161 Truculentus | 154, 160 A. 202
v. 47–50 | 235 A. 25 Metrische Großstruktur | 124
v. 48 | 110 A. 106, 234, A. 21, A. 142
235 v. 1–447 | 161
v. 448 | 118 A. 124 v. 328 | 107
Poenulus v. 481/482 | 124 A. 142
v. 1–448 | 160 Plutarch
Pseudolus | 84 de gloria Atheniensium 4, 374f. | 224
v. 1–573 | 85 A. 30, 121, 160 scholia in Terentium Bembina ad Heau-
v. 1–766 | 84 tontimorumenon | 12
v. 7 | 18 Sophokles
v. 393ff. | 85 Antigone | 301 A. 13
v. 415–573 (I 5) | 129 König Ödipus | 296, 298, 300, 301 A.
v. 573 | 84 13, 317, A. 72
v. 573/574 | 85 Strukturplan | 323
v. 574–1051 | 85 A. 30 β | 301
Rudens | VII, XIV, XV, 77, 171 A. v. 1086 | 300 A. 12
18, 248, 321, A. 86, 331– Sueton
344, 349 Vita Terentii | 9
Strukturplan | 344–348 Terenz
Prolog | 334 Adelphoe | 9, 43, 151 A. 192, 157, 273
v. 1–592 | 161 A. 117, 294
v. 17–19 | 341 Datierung (160 v. Chr.) | 9
v. 31 | 15 Prolog | 9, 20
v. 276 | 107 v. 4 | 20
v. 539–614 (III 1) | 321, 337, 338 v. 24 | 22
v. 539–779 (III 1–4) | 339 v. 165 | 30
v. 574 | 107 v. 196ff. | 16
v. 592 | 321 v. 201f. | 17
v. 660 | 340 v. 208 | 17
v. 706–779 (III 4) | 339, 340 v. 274f. | 151
v. 712 | 342 v. 384f. | 151
v. 717ff. | 339 v. 385ff. | 151
v. 728 | 339 A. 5 v. 929 | 29 A. 6
378 Register

Terenz (Fortsetzung) v. 46–390 (I 1–II 3) | 48


Andria | VII–IX, XIV, XV, 4–6, 9, v. 48f. | 36
16, 116 A. 117, 157, 161, 297, v. 50–56 | 34, 36
A. 5, 304, 305, 310, 312 A. v. 57f. | 34, 36
52, 313, 349 v. 57–74 | 36, 37
Datierung (166 v. Chr.) | 9 v. 67 | 40
Strukturplan | 350–351 v. 81 | 39
Prolog | 4–5, 8, 9, 24 v. 81–206 (I 2) | 40, 41, 42, 43, 47
v. 11 | 15 v. 86–98 | 39
v. 20f. | 16 v. 95–98 | 41
v. 22–24 | 20 v. 100–152 | 39, 42
v. 24 | 22 v. 109ff. | 40, 41
v. 28–227 (I 1–3) | 307 v. 129 | 41
v. 28–403 (I 1–II 3) | 313 A. 57 v. 152–167ff. | 40
v. 49ff. | 22 v. 171 | 40
v. 282ff. | 309 v. 178 | 40
v. 375–403 (II 3) | 307 v. 197ff. | 39
v. 404–411 (II 4) | 297 A. 5, 313 v. 225–291 (II 2) | 44
A. 57 v. 292ff. | 45f.
v. 404–431 (II 4–5) | 306 v. 292–390 (II 3) | 34, 40, 41,
v. 412–431 (II 5) | 306 A. 32, 44, 45, 47, 95
308 v. 317ff. | 46
v. 459–480 (III 1) | 303 A. 19 v. 319f. | 46
v. 467 | 303 A. 19 v. 362 | 46
v. 481 | 303 A. 19 v. 378–390 | 47
v. 507ff. | 130 A. 157 v. 390 | 84
v. 601 | 308 A. 40 v. 391–816 (III 1–IV 7) | 48
v. 740–795 (IV 4) | 306 v. 454–506 (III 2) | 44
v. 796–819 (IV 5) | 309 v. 507–538 (III 3) | 44
v. 820–841 (V 1) | 309 A. 42 v. 615–816 (IV) | 45
v. 820–956 (V 1–4) | 313 A. 57 v. 727–738 (IV 5) | 32
v. 842–871 (V 2) | 309 A. 42 v. 734 | 32
v. 872–903 (V 3) | 309 A. 42 v. 817 | 84
v. 904–956 (V 4) | 309 v. 817–1094 (V) | 45
Eunuchus | VII–X, XIV, XV, 9, 18 A. Heautontimorumenos | VII–IX, XV, 5,
24, 31–48, 84, 86 A. 35, 94 6, 9, 11–25, 27–31, 57, 62,
A. 65, 157, 177, 272 A. 117, 86 A. 35, 116 A. 117, 157,
307 A. 38, 349 161, 273 A. 117, 303 A. 19,
Datierung (161 v. Chr.) | 9 321 A. 86, 349
Strukturplan | 352–353 Datierung (163 v. Chr.) | 9
Prolog | 20, 24 A. 38, 44 Strukturplan | 354–355
v. 19ff. | 14 A. 13 Prolog | 5–9, 11–25
v. 25f. | 19 A. 27 v. 1f. | 311 A. 50
v. 29 | 20 v. 7ff. | VI
v. 30ff. | 23 A. 33 v. 11f. | 311 A. 48
v. 45–81 | 37f. v. 36 | 29
v. 46–80 (I 1) | 42, 43, 47 v. 53 | 28
Stellenregister 379

v. 58 | 28 v. 623–726 (IV 4) | 314 A. 59


v. 73 | 28 v. 866f. | 320 A. 83
v. 75–81 | 27–28 Phormio | 9, 43, 85 A. 31, 86 A. 35,
v. 77 | 27 A. 2 158, 303 A. 23, 321 A. 86
v. 78f. | 28 A. 5 Datierung (161 v. Chr.) | 9
v. 81ff. | 57 A. 31 Prolog | 20
v. 82 | 27, 30 v. 35–314 | 85 A. 34
v. 82f. | 29 v. 179 | 85 A. 33
v. 83–88 | 29–30 v. 315 | 85 A. 33
v. 96f. | 19 A. 27 v. 315–566 | 85 A. 34
v. 96–150 | 60 A. 44 v. 407–410 | 85 A. 33
v. 118 | 28 v. 534 | 306 A. 33
v. 151 | 28 v. 567 | 85 A. 33
v. 156 | 11 A. 3 v. 567–893 | 86
v. 195 | 28 v. 766 | 85 A. 33
v. 200 | 28 v. 891 | 85
Hecyra | VII, IX, XV, 9, 12 A. 6, 303 v. 893/894 | 85
A. 19, 310, A. 47, 313, 314 Themistios
A. 63, 321 A. 86, 349 oratio 21
Datierung (165 v. Chr.) | 9 262a | 53, 54 A. 17
Strukturplan | 356–357 262cd | 51, A. 9, 52–55, 58 A.
Prolog 1 | 5 33, 62, 65
Prolog 2 | 7, 9 A. 14, 20 Vergil
v. 9 | 301 A. 48 Aeneis | 381
v. 49f. | 23 A. 37 I, v. 8ff. | 19 A. 27
v. 361–408 (III 3) | 313 A. 59 v. 23 | 19 A. 27
v. 361–726 (III 3–IV 4) | 313 IV, v. 471 | 179 A. 43
Biographie em. o. Univ.-Prof. Dr. Adolf Primmer

Adolf Primmer wurde am 23. Februar 1931 in eine Langenloiser Weinbau-


ernfamilie hineingeboren. Seine Eltern ermöglichten ihm den Besuch des
Gymnasiums Krems, wo vor allem zwei Lehrer für seinen künftigen beruf-
lichen Weg prägend wurden: sein Griechischlehrer Dr. Leopold Reithmai-
er und sein Religionslehrer, der spätere Kardinal-Erzbischof von Wien,
Dr. Franz König. Nach der Matura 1949 studierte Primmer an der Univer-
sität Wien bei den renommierten Professoren Albin Lesky und Walther
Kraus und Fritz Schachermeyr Klassische Philologie und Alte Geschichte,
wobei sein Hauptinteresse zunächst der Gräzistik galt. Er schloß das Stu-
dium 1955 mit der Lehramtsprüfung in Latein und Griechisch und 1956,
nach Vollendung einer Dissertation über ἀπάάθεια und ἔλεος im Gottesbegriff
des Origenes, mit einer Promotion zum Dr. phil. sub auspiciis praesidentis
rei publicae ab.
Nach drei Jahren im Schuldienst bot sich ihm 1959 die Möglichkeit
zur Ergreifung einer wissenschaftlichen Laufbahn durch die Stelle als ös-
terreichischer Mitarbeiter am Thesaurus linguae Latinae an der Bayerischen
Akademie der Wissenschaften in München. Die lexikographische Bearbei-
tung des für römisches Denken zentralen Begriffes „ius“ schulte sein be-
reits vorhandenes sprachliches Feingefühl und seine Fähigkeit zur kriti-
schen Textanalyse weiter, sie verlagerte aber auch seine Interessen von der
Gräzistik auf die Latinistik: Im Jahr 1963 als Assistent an die Universität
Wien zurückgekehrt, habilitierte sich Primmer bereits 1968 für Klassische
Philologie mit einer umfangreichen, heute zu den Standardwerken zäh-
lenden Arbeit zum antiken Prosarhythmus, im besonderen zu Rhythmus
und Klauseln in Ciceros Reden (Cicero numerosus. Studien zum antiken Pro-
sarhythmus). Ab 1969 war Primmer als Extraordinarius, von 1973 bis zu
seiner Emeritierung 1999 als Ordinarius am Institut für Klassische Philo-
logie, Mittel- und Neulatein der Universität Wien tätig. Er widmete sich in
diesen Jahren zunächst der literarischen Gesamtinterpretation von Ciceros
Reden, Vergils Aeneis und Ovids Metamorphosen; seine feinsinnige Deutung
dieser drei Autoren konnte nicht nur Generationen von Studierenden
begeistern, sondern fand auch Niederschlag in einem Büchlein zur Über-
redungsstrategie in Ciceros Rede pro Rabirio (1985) und in mehreren Auf-
sätzen zu den beiden augusteischen Epikern (das geplante Buch zu Vergil
konnte er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in Angriff nehmen).
In seiner Funktion als Obmann der Kirchenväterkommission der Öster-
reichischen Akademie der Wissenschaften, der Primmer seit 1982 als kor-
respondierendes und seit 1985 als wirkliches Mitglied angehörte, gelang es
ihm, den Produktionsmodus der Editionen der lateinischen Kirchenväter
382 AkteBiographie
und Spannung 361

(CSEL) neu zu organisieren, durch kritische Textanalyse ein sehr hohes


Niveau zu gewährleisten, und schließlich das längerfristige Projekt der
kritischen Neuedition der Enarrationes in psalmos des Augustinus in Leben
zu rufen. In seinen letzten Lebensjahren arbeitete Primmer wieder intensiv
an der Rekonstruktion griechischer Vorlagen der Komödien des Plautus
und Terenz, einem Thema, dem er bereits 1984 ein Buch in Form einer
Spezialanalyse der Bacchides des Plautus gewidmet hatte. Die Vollendung
dieses zweiten Buches, das vor allem auch die theoretischen Grundlagen
der antiken Komödienproduktion enthalten sollte, war Adolf Primmer
nicht mehr vergönnt: Am 9. Juli 2011 ist er, nur wenige Monate nach Voll-
endung seines 80sten Lebensjahres, unvermutet gestorben.

Christine Ratkowitsch
Adolf Primmer – Schriftenverzeichnis

Monographien
Ἀπάάθεια   und ἔλεος im Gottesbegriff des Origenes. Dissertation, Universität
Wien 1955.
Cicero numerosus. Studien zum antiken Prosarhythmus. Wien 1968 (Sitzungsbe-
richte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Philoso-
phisch-Historische Klasse 257).
Handlungsgliederung in Nea und Palliata. Dis Exapaton und Bacchides. Wien
1984 (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissen-
schaften, Philosophisch-Historische Klasse 441).
Die Überredungsstrategie in Ciceros Rede pro C. Rabirio (perduellionis reo). Wien
1985 (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissen-
schaften, Philosophisch-Historische Klasse 459).

Herausgegebenes Werk
(gemeinsam mit Kurt Smolak und Dorothea Weber [Hg.]:) Textsorten und
Textkritik. Tagungsbeiträge. Wien 2002 (Sitzungsberichte der Österrei-
chischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische
Klasse 693).

Aufsätze
„Cic. Inv. I, 30“, in: Museum Helveticum 17 (1960), S. 230–231.
„Zum Prolog des Heautontimorumenos“, in: Wiener Studien 77 (1964), S. 61–
75.
„Zwei Terenz-Prologe“, in: Jahresbericht des Bundesgymnasiums und -real-
gymnasiums in Krems am Schlusse des Schuljahres 1964/65. Erstattet von der
Direktion. Krems 1965, S. 5–10.
„Schlichter Stil und eingliedrige Periode in Aristoteles’ Rhetorik III, 9“, in:
Rheinisches Museum 109 (1966), S. 73–77.
„Die homo-sum-Szene im Heautontimorumenos“, in: Wiener Studien 79
(1966), S. 293–298.
„Die Schlußszene der Aeneis“, in: Wiener Humanistische Blätter 11 (1968),
S. 20–26.
„Homerische Gerichtsszenen“, in: Wiener Studien, Neue Folge 4 (1970),
S. 5–13.
„Der Prosarhythmus in Catos Reden“, in: Doris Ableitinger und Hermann
Gugel (Hg.): Festschrift Karl Vretska zum 70. Geburtstag überreicht von sei-
nen Freunden und Schülern. Heidelberg 1970, S. 174–180.
„Die Originalfassung von Anianus’ epistula ad Orontium“, in: Rudolf Hans-
lik, Albin Lesky und Hans Schwabl (Hg.): Antidosis. Festschrift für
384 Schriftenverzeichnis
Schriftenverzeichnis 363

Walther Kraus zum 70. Geburtstag. Wien 1972 (Wiener Studien, Beiheft
5), S. 278–283.
„Rhythmus- und Textprobleme in Iul. Aug. op. imperf. 1–3“, in: Wiener
Studien, Neue Folge 9 (1975), S. 186–212.
„Mythos und Natur in Ovids Apollo und Daphne“, in: Wiener Studien, Neue
Folge 10 (1976), S. 210–220.
„Die Vergleiche in Senecas Dramen“, in: Grazer Beiträge 5 (1976), S. 211–
232.
„Historisches und Oratorisches zur ersten Catilinaria“, in: Gymnasium 84
(1977), S. 18–38.
„Rhythmus- und Textprobleme in Iul. Aug. op. imperf. 1–3 (2. Teil)“, in:
Wiener Studien, Neue Folge 11 (1977), S. 192–218.
„Textvorschläge zu Augustins Opus imperfectum“, in: Walther Kraus, Adolf
Primmer und Hans Schwabl (Hg.): Latinität und alte Kirche. Festschrift für
Rudolf Hanslik zum 70. Geburtstag, redigiert von Herbert Bannert und
Johannes Divjak. Wien 1977 (Wiener Studien, Beiheft 8), S. 235–250.
(gemeinsam mit Klaus Zelzer) „Zur Gliederung der Periode Cic. De fin. 3,
6, 21“, in: Wiener Studien, Neue Folge 13 (1979), S. 99–103.
„Zur Lektüre von Terenz’ Eunuchus“, in: Peter Neukam (Hg.): Verpflichtung
der Antike. München 1979 (Dialog Schule-Wissenschaft. Klassische
Sprachen und Literatur 12), S. 93–116.
„Das Lied des Orpheus in Ovids Metamorphosen“, in: Sprachkunst 10 (1979),
S. 123–137.
„Zu Thema und Erzählstruktur der Aeneis“, in: Wiener Studien, Neue Folge
14 (1980), S. 83–101.
„Datierungs- und Entwicklungsfragen bei Vergil und Ovid“, in: Wiener
Studien, Neue Folge 16 (1982), S. 245–259.
„Vergils Erzählkunst“, in: Festschrift und Jahresbericht des BG Krems 1982/
1983 (in italienischer Sprache erschienen unter: „narrativa arte“, in:
Enciclopedia Virgiliana 3 [1987], S. 659–663).
„Ovids Metamorphosen in neuer Sicht“, in: Wiener Humanistische Blätter 25
(1983), S. 15–39.
„Nachlese zur Textgestaltung der neugefundenen Augustinusbriefe“, in:
Les lettres de Saint Augustin découvertes par Johannes Divjak. Communications
présentées au colloque des 20 et 21 septembre 1982. Paris 1983 (Études Au-
gustiniennes), S. 43–82.
„Non usitata …: Die Metamorphose des Horaz“, in: Paul Händel und
Wolfgang Meid (Hg.): Festschrift für Robert Muth zum 65. Geburtstag am
1. Januar 1981 dargebracht von Freunden und Kollegen. Innsbruck 1983,
S. 385–392.
„Menanders ‚Geiziger‘ “, in: Maske und Kothurn 30 (1984), S. 1–7.
„Das Dichterzitat in Sen. dial. 10, 2, 2“, in: Wiener Studien, Neue Folge 19
(1985), S. 151–157.
364 Schriftenverzeichnis
Schriftenverzeichnis 385

„Cassius Dio über die Rabiriusaffäre“, in: Ekkehard Weber und Gerhard
Dobesch (Hg.): Römische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik. Fest-
schrift für Artur Betz zur Vollendung seines 80. Lebensjahres. Wien 1985,
S. 483–493.
„Aufbau der Aeneis“, in: Christine Ratkowitsch (Hg.): Vergil. Lehrerbegleit-
band. Wien 1985 (Orbis Latinus), S. 6–15.
„Jupiters Gerechtigkeit. Dichtung und Philosophie in der Aeneis“, in:
Heikki Koskenniemi, Siegfried Jäkel und Vappu Pyykkö (Hg.): Literatur
und Philosophie in der Antike. Turku 1986, S. 81–98.
„Karion in den Epitrepontes“, in: Wiener Studien, Neue Folge 20 (1986),
S. 123–141.
„Die Handlung der Menaechmi I“, in: Wiener Studien 100 (1987), S. 97–115.
„Die Handlung der Menaechmi II“, in: Wiener Studien 101 (1988), S. 193–
222.
„Gebändigte Mündlichkeit: zum Prosarhythmus von Cicero bis Augusti-
nus“, in: Gregor Vogt-Spira (Hg.): Strukturen der Mündlichkeit in der rö-
mischen Literatur. Tübingen 1990 (ScriptOralia 19), S. 19–50.
„Die Mauriner-Handschriften der Enarrationes in Psalmos“, in: Troisième
centenaire de l’édition mauriste de Saint Augustin: communications présentées au
colloque des 19 et 20 avril 1990. Paris 1990, S. 169–201.
„Der ‚Geizige‘ bei Menander und Plautus“, in: Wiener Studien 105 (1992),
S. 69–127.
„Das Tischprodigium im Rahmen der Aeneis“, in: Wiener Studien 107/108
(1994/1995), S. 397–416.
„Augustinus und der Astrologe: zu Enarratio in Psalmum 61“, in: Ernst
Dassmann, Klaus Thraede und Josef Engemann (Hg.): Chartulae. Fest-
schrift für Wolfgang Speyer. Münster 1998 (Jahrbuch für Antike und
Christentum, Ergänzungsband 28), S. 253–262.
„Die Edition von Augustinus, Enarrationes in Psalmos: eine Zwischenbi-
lanz“, in: Adolf Primmer, Kurt Smolak und Dorothea Weber (Hg.):
Textsorten und Textkritik. Tagungsbeiträge. Wien 2002 (Sitzungsberichte
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-
Historische Klasse 693), S. 147–192.
„Akte und Spannung. Zur hellenistischen Theorie der Komödienstruktur
bei Aelius Donatus“, in: Acta Antiqua Hungarica 48 (2008), S. 405–432.

Rezensionen
„Pierre Monteil: La phrase relative en grec ancien. Sa formation, son développe-
ment, sa structure, des origines à la fin du V e siècle av. J. C. Paris 1963“, in:
Anzeiger für die Altertumswissenschaft 19 (1966), S. 241–242.
„Joseph Bidez (Hg.): Kirchengeschichte. Berlin 1960“, in: Gnomon 39 (1967),
S. 350–358.
„Ronald F. Willetts (Hg.): The Law Code of Gortyn. Berlin 1967“, in: Deut-
sche Literaturzeitung 90 (1969), S. 306–308.
386 Schriftenverzeichnis
Schriftenverzeichnis 365

„Giuseppe Norcio (Hg.): Cicero (M. Tullius). Opere retoriche. Bd. 1: De orato-
re, Brutus, Orator. Torino 1970“, in: Wiener Studien, Neue Folge 5 (1971),
S. 247–248.
„Åke Fridh: Contributions à la critique et à l’interprétation des Variae de Cassio-
dore. Göteborg 1968“, in: Wiener Studien, Neue Folge 6 (1972), S. 250–
251.
„Åke Fridh: Der sogenannte prospektive Konjunktiv im Lateinischen. Göteborg
1971“, in: Wiener Studien, Neue Folge 6 (1972), S. 253–254.
„André Hurst: Apollonios de Rhodes, manière et cohérence. Contribution à l’étude
de l’esthétique alexandrine. Bern 1967“, in: Anzeiger für die Altertumswissen-
schaft 25 (1972), S. 181–184.
„Herwig Görgemanns und Heinrich Karpp (Hg.): Von den Prinzipien. Περὶ  
ἀρχῶν. De principiis. Darmstadt 1976“, in: Wiener Studien, Neue Folge 11
(1977), S. 247.
„Tore Janson: Prose Rhythm in Medieval Latin from the 9th to the 13th Century.
Stockholm 1975“, in: Gnomon 50 (1978), S. 269–273.
„Johannes Tigcheler: Didyme l’Aveugle et l’exégèse allégorique. Étude sémantique
de quelques termes exégétiques importants de son commentaire sur Zacharie. Nij-
megen 1977“, in: Wiener Studien, Neue Folge 13 (1979), S. 242.
„Nino Scivoletto: Musa iocosa. Studio sulla poesia giovanile di Ovidio. Roma
1976“, in: Wiener Studien, Neue Folge 13 (1979), S. 237.
„Christoph Schäublin: Untersuchungen zu Methode und Herkunft der antiocheni-
schen Exegese. Köln 1974“, in: Wiener Studien, Neue Folge 13 (1979),
S. 246.
„Hans Aili: The Prose Rhythm of Sallust and Livy. Stockholm 1979“, in: An-
zeiger für die Altertumswissenschaft 33 (1980), S. 194–196.
„Sven Lundström: Acht Reden in der Aeneis. Uppsala 1977“, in: Wiener Stu-
dien, Neue Folge 14 (1980), S. 242.
„Edward Coleiro: An Introduction to Vergil’s Bucolics. With a Critical Edition
of the Text. Amsterdam 1979“, in: Wiener Studien, Neue Folge 15 (1981),
S. 266.
„John van Sickle: The Design of Vergil’s Bucolics. Roma 1978“, in: Wiener
Studien, Neue Folge 15 (1981), S. 266.
„Eckard Lefèvre (Hg.): Das römische Drama. Darmstadt 1978“, in: Wiener
Studien, Neue Folge 15 (1981), S. 250–251.
„Erich Burck (Hg.): Das römische Epos. Darmstadt 1979“, in: Wiener Studien,
Neue Folge 15 (1981), S. 250–251.
„Helmuth und Karl Vretska (Hg.): Pro Archia poeta. Ein Zeugnis für den
Kampf des Geistes um seine Anerkennung. Darmstadt 1979 (Texte zur For-
schung 31)“, in: Wiener Studien, Neue Folge 15 (1981), S. 265.
„Ulrich Berner: Origenes. Darmstadt 1981 (Erträge der Forschung 147)“,
in: Wiener Studien, Neue Folge 18 (1984), S. 242.
366 Schriftenverzeichnis
Schriftenverzeichnis 387

„Pierre Grimal: Seneca. Macht und Ohnmacht des Geistes. Darmstadt 1978
(Impulse der Forschung 24)“, in: Wiener Studien, Neue Folge 18 (1984),
S. 239.
„Ekkehard Stärk: Die Menaechmi des Plautus und kein griechisches Original.
Tübingen 1989 (ScriptOralia 11)“, in: Wiener Studien 103 (1990),
S. 271–273.
„Eckard Lefèvre: Plautus’ Aulularia. Tübingen 2001 (ScriptOralia 122)“, in:
Gnomon 76 (2004), S. 27–34.

Thesaurus-Artikel
irroratio, ThlL VII 2, Sp. 441, 65–69
irroro, -are, ThlL VII 2, Sp. 441, 70 – Sp. 442, 74
irrumpibilis, ThlL VII 2, Sp. 444, 27–28
irrumpo, -ere, ThlL VII 2, Sp. 444, 29 – Sp. 448, 47
irruo, -ere, ThlL VII 2, Sp. 448, 48 – Sp. 453, 26
irruptio, ThlL VII 2, Sp. 453, 27 – Sp. 454, 38
irruptus, a, um, ThlL VII 2, Sp. 454, 39–48
irruptus, -us, ThlL VII 2, Sp. 454, 50–52
iterabilis, ThlL VII 2, Sp. 545, 59–63
iteramen, ThlL VII 2, Sp. 545, 64–65
iterarium, ThlL VII 2, Sp. 545, 66–67
iteratim, ThlL VII 2, Sp. 545, 68–72
iteratio, ThlL VII 2, Sp. 545, 73 – Sp. 547, 19
iterativus, ThlL VII 2, Sp. 547, 21–34
iterator, ThlL VII 2, Sp. 547, 36–37
iteratrix, ThlL VII 2, Sp. 547, 38–41
itero, -are, ThlL VII 2, Sp. 547, 43 – Sp. 551, 41
itero, -are, ThlL VII 2, Sp. 551, 42–51
itero, ThlL VII 2, Sp. 551, 52–57
iubeleus, ThlL VII 2, Sp. 574, 28 – Sp. 575, 24
iubilatio, ThlL VII 2, Sp. 586, 42 – Sp. 587, 17
iubilatus, ThlL VII 2, Sp. 587, 19–29
iubilo, -are, ThlL VII 2, Sp. 587, 31 – Sp. 588, 28
iubilum, iubilus, ThlL VII 2, Sp. 588, 29 – Sp. 589, 14
ius, ThlL VII 2, Sp. 678, 67 – Sp. 700, 49

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