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Parallelkinematiken – Lernziele

 Wie lautet die Definition parallelkinematischer Maschinen und welche Nomenklatur


wird verwendet, um sie zu beschreiben?
 Welche Vor- und Nachteile bieten PKM gegenüber anderen kinematischen
Strukturen?
 Wie kann man PKM hinsichtlich ihrer direkten/inversen Kinematik, differentiellen
Kinematik und Dynamik modellieren? Wie ist das typische Vorgehen?
 Wie sind die Jacobi-Matrizen für PKM definiert und welche Schlussfolgerungen
können aus einer Analyse der Jacobi-Matrizen gezogen werden?
 Welche verschiedene Arten von Singularitäten können bei PKM auftreten, wie
werden sie mathematisch beschrieben und welche Auswirkungen können sie haben?
 Was ist Redundanz und worin unterscheiden sich die verschiedenen Formen?
 Hinsichtlich welcher Leistungsmerkmale kann man PKM bewerten und wie sind
diese Kriterien mathematisch definiert?

Quelle: Pixabay

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Robotik II

1.6 Parallelkinematiken
Leistungsmerkmale
Kinematische Leistungsmerkmale

Zur Bewertung der Leistung einer Parallelkinematik (und damit zur Auslegung
und Optimierung der kinematischen Struktur bezüglich einer vorliegenden
Aufgabe) existieren zahlreiche Kriterien:
 Quantifizierung der „Nähe“ zu Singularitäten
 erreichbare Genauigkeit
 Nachgiebigkeiten in bestimmten Endeffektorlagen oder über den
gesamten Arbeitsraum

Die meisten dieser Kriterien basieren auf der Jacobi-Matrix.

 Im Folgenden werden nur die kinematischer Leistungsmerkmale


betrachtet.
Für Weiterführendes, wie beispielsweise dynamische Leistungsmerkmale,
wird auf die Sekundärliteratur verwiesen.

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Kinematische Leistungsmerkmale

Arbeitsraum
Der Arbeitsraum ist die Menge aller erreichbaren Lagen des Endeffektors.
Problem: Bei Parallelkinematiken ist der Arbeitsraum durch verschiedene
kinematische und geometrische Zwangsbedingungen stark begrenzt.
Begrenzende Einflussfaktoren auf den Arbeitsraum:
 Kollision der bewegten Plattform mit einer seriell-kinematischen Kette (a)
 Kollision einer seriell-kinematischen Kette mit einer anderen (b)
 Singularitäten (c)
 Limitierte Stellwege der Aktoren (d)
 Mechanische Begrenzung passiver Gelenkwinkel (e)

(a) (b) (c) (d) (e)


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Kinematische Leistungsmerkmale

Arbeitsraum
In der Robotik und speziell im Bereich der Parallelkinematiken werden
verschiedene Arten von Arbeitsräumen unterschieden:

 Gesamtarbeitsraum (maximal workspace)


Menge aller Positionen des Endeffektors, die mit mindestens einer
Orientierung erreicht werden können
 Translationsarbeitsraum (constant orientation workspace)
Menge aller Positionen des Endeffektors, die mit einer bestimmten
(konstanten) Orientierung erreicht werden können
 Rotationsarbeitsraum (orientation workspace)
Menge aller Orientierungen des Endeffektors, die in einer bestimmten
(konstanten) Position erreicht werden können
 Gesamt-Rotationsarbeitsraum (total orientation workspace)
Menge aller Positionen des Endeffektors, die mit allen Orientierungen eines
definierten Intervalls erreicht werden können

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Kinematische Leistungsmerkmale

Fläche/Volumen des singularitätsfreien Arbeitsraums (Translationsarbeitsraum)


 Arbeitsraum von PKM ist durch Singularitäten vom Typ I begrenzt
 Arbeitsraum von PKM ist durch Singularitäten vom Typ II unterteilt
 Trennung der Bereiche mit und
 Teil des Arbeitsraums, in dem sich der Endeffektor bewegen kann, ohne eine
Singularität zu passieren (planar: Fläche; sphärisch: Volumen)
 Wichtiges Leistungsmerkmal!

rot:
+ weiß:
-
-
- +
+

+ -
3RRR Parallelroboter 3RRR Parallelroboter
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Kinematische Leistungsmerkmale

Fläche/Volumen des singularitätsfreien Arbeitsraums (Translationsarbeitsraum)


Berechnung mittels Diskretisierung des Arbeitsraums:
 Berechnung von an jeder Position im Arbeitsraum
bei konstanter Orientierung des Endeffektors +
 Berechnung von Fläche/Volumen anhand der definierten
Schrittweite der Arbeitsraumdiskretisierung und dem -
jeweiligen Vorzeichen der Determinantenwerte +
 Genauigkeit des Ergebnisses ist abhängig von der
Auflösung der Diskretisierung +
 Ausreichend hoch wählen! 3RRR Parallelroboter

 „Lückenlose“ Bestimmung des singularitätsfreien Arbeitsraumes mittels


Intervallanalyse. Hierbei können zusätzlich Fertigungstoleranzen u. ä.
berücksichtigt werden, vgl. J. Kotlarski et al. – New Interval-based…

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Kinematische Leistungsmerkmale

Fläche/Volumen des singularitätsfreien Arbeitsraums (Translationsarbeitsraum)


Beispiel: Singularitätsfreier Arbeitsraum eines planaren 3RRR Parallelroboters

rot: 0,34 m2 rot: 0,60 m2


(22,8 %) (52,6 %)
weiß: 1,15 m2 weiß: 0,54
(77,2 %) m2
(47,6 %)

Singularitätsfreier Arbeitsraum 3RRR PKM Singularitätsfreier Arbeitsraum 3RRR PKM

Rot = Bereich mit positiven Determinantenwerten:


Weiß = Bereich mit negativen Determinantenwerten:
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Kinematische Leistungsmerkmale

Geschicklichkeit bzw. Dexterität (Kondition der Jacobi-Matrix)


Anforderungen:
 Kleine Bewegungen der Achsen führen zu großer Endeffektorbewegung
 Isotrope Verstärkung
 2-Norm bzw. 2-Norm-Kondition als Gütefunktional
2-Norm einer (nicht notwendigerweise quadratischen) Matrix :

Singulärwerte von

(maximales Verhältnis vom Ausgang zum Eingang )


Es gilt analog für den kleinsten Singulärwert :

Des Weiteren gilt , wobei die Eigenwerte von sind.

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Kinematische Leistungsmerkmale

Geschicklichkeit bzw. Dexterität (Kondition der Jacobi-Matrix)


Übertragung auf die Robotik:
 2-Norm Kondition der (nicht zwangsweise quatratischen) Jacobi-Matrix
 weit verbreitetes (und oft kritisiertes) Leistungsmerkmal
 Verhältnis des größten Singulärwerts zum kleinsten (Verstärkungsfaktoren)

Isotrope Roboterkonfiguration bzw. Endeffektorlage:


Singuläre Roboterkonfiguration bzw. Endeffektorlage:

In der Praxis oft Kehrwert der Kondition (= Geschicklichkeit) als


Leistungsmerkmal:

Alternativen:
1-Norm, Frobenius-Norm oder Unendlich-Norm Kondition der Jacobi-Matrix Diese
Ansätze sind aber weniger aussagekräftig und daher weniger verbreitet.

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Kinematische Leistungsmerkmale

Geschicklichkeit bzw. Dexterität (Kondition der Jacobi-Matrix)


Zur Bewertung einer PKM wird häufig globale Geschicklichkeit angegeben.
Diese ist der Mittelwert der Geschicklichkeiten über den gesamten Arbeitsraum :

Achtung:
 Jacobi-Matrix ist inhomogen, wenn der Endeffektor translatorische und
rotatorische Freiheitsgrade besitzt
 Homogenisierung der Jacobi-Matrix vor Berechnung der Kondition/
Geschicklichkeit nötig, um aussagekräftige Resultate zu bekommen
 Grundidee: Lage des Endeffektors durch zwei (planarer Mechanismus) bzw. drei
Punkte (sphärischer Mechanismus) auf der bewegten Plattform beschreiben

Details finden Sie in der weiterführenden Literatur: C. M. Gosselin –


The Optimum Design of Robotic Manipulators using Dexterity Indices

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Kinematische Leistungsmerkmale

Geschicklichkeit bzw. Dexterität (Kondition der Jacobi-Matrix)


Beispiel: Geschicklichkeit eines planaren 3RRR Parallelroboters

Geschicklichkeit 3RRR PKM Geschicklichkeit 3RRR PKM


(„reguläre“ Jacobi-Matrix) (homogenisierte Jacobi-Matrix)

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Kinematische Leistungsmerkmale

Lagefehler des Endeffektors (Lagegenauigkeit)


Limitierte Auflösung der Winkelencoder ist hauptverantwortlich für eingeschränkte
Lagegenauigkeit des Endeffektors. Aus der differentiellen Kinematik ist bekannt:

Inkrementeller Zusammenhang zwischen kleinen Veränderungen bzw. Fehlern der


Gelenkwinkel und resultierenden Veränderungen der Endeffektorlage :

Berechnung des maximalen Lagefehlers des Endeffektors mit bekannter Auflösung


der Winkelencoder und dem Betrag der Jacobi-Matrix (Absolutwerte der einzelnen
Elemente der Jacobi-Matrix):

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Kinematische Leistungsmerkmale

Lagefehler des Endeffektors (Lagegenauigkeit)


Beispiel: Lagefehler eines planaren 3RRR Parallelroboters

Positionsfehler 3RRR PKM Orientierungsfehler 3RRR PKM

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Kinematische Leistungsmerkmale

Strukturelle Steifigkeit
 Annahme: Struktur ist bis auf aktive Gelenke ideal steif
 Modellierung der aktiven Gelenke als Federkonstanten
(Gelenke linear elastisch)
 Steifigkeit einer seriell-kinematischen Kette
entspricht Steifigkeit des aktiven Gelenkes:
 daraus folgt die strukturelle Steifigkeit
(Steifigkeitsmatrix) im Gelenkraum:

Strukturelle Steifigkeit 3RRR PKM

 Ansatz beispielsweise für Strukturoptimierungen ausreichend


(nicht exakte Steifigkeit, sondern Steifigkeitsunterschied von Interesse)

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Kinematische Leistungsmerkmale
Tafelanschrieb

Strukturelle Steifigkeit
Die strukturelle Steifigkeit (Steifigkeitsmatrix) einer PKM im kartesischen Raum:

Die strukturelle Steifigkeit einer PKM resultiert


demnach direkt aus der Konstruktion bzw.
Regelung
und aus der kinematischen Struktur .

Häufig ist auch die Nachgiebigkeit eines


Roboters von Interesse. Sie gibt an, wie sich die
Endeffektorlage bei Einwirkung äußerer Kräfte und
Momente ändert (Prinzip der virtuellen Arbeit):
Strukturelle Steifigkeit 3RRR PKM

symmetrische Nachgiebigkeitsmatrix:

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Kinematische Leistungsmerkmale

Strukturelle Steifigkeit
Beispiel: Nachgiebigkeit eines planaren 3RRR Parallelroboters

Nachgiebigkeit (Translationsfehler) 3RRR PKM Nachgiebigkeit (Orientierungsfehler) 3RRR PKM

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Kinematische Leistungsmerkmale

Strukturelle Steifigkeit (alternative Modellierungsansätze)


 Berücksichtigung der Verformung der einzelnen Glieder und Gelenke einer
seriell-kinematischen Kette in sämtliche Raumrichtungen
 ausschließlich die bewegte Plattform wird als
ideal steif betrachtet und vernachlässigt
 quadratische lokale Nachgiebigkeitsmatrix
für jede seriell-kinematische Kette
 Dimension von resultiert aus der
Anzahl sämtlicher Glieder und Gelenke

jeweils 6x6 Nachgiebigkeitsmatrizen (lokal) der einzelnen


Glieder und Gelenke (vgl. weiterführende Literatur)

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Kinematische Leistungsmerkmale

Strukturelle Steifigkeit (alternative Modellierungsansätze)


Die Transformation der lokalen Nachgiebigkeitsmatrix erfolgt unter
Verwendung der Jacobi-Matrix der seriell kinematischen Kette :

Hierbei setzt sich folgendermaßen aus den


Jacobi-Matrizen sämtlicher Glieder und
Gelenke zusammen:

Die Transponierte lautet


dementsprechend:

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Kinematische Leistungsmerkmale

Strukturelle Steifigkeit (alternative Modellierungsansätze)


Durch Umformung ergibt sich für die lokalen Nachgiebigkeitsmatrizen:

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Kinematische Leistungsmerkmale

Strukturelle Steifigkeit (alternative Modellierungsansätze)


Die gesamte kartesische Steifigkeitsmatrix eines Parallelroboters berechnet
sich anschließend aus den einzelnen globalen Nachgiebigkeitsmatrizen
jeder seriell-kinematischen Kette :

 Weiterführende Details finden Sie in:


Y. Woo-Keun et al. – A Method for Analyzing Parallel Mechanism
Stiffness Including Elastic Deformations in the Structure

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Kinematische Leistungsmerkmale

Strukturelle Steifigkeit (Kondition der Steifigkeitsmatrix)


Zur Auslegung und Bewertung einer PKM (bezüglich der strukturellen Steifigkeit)
wird häufig die 2-Norm Kondition der kartesischen Steifigkeitsmatrix
betrachtet (vgl. Geschicklichkeit bzw. Dexterität):

größter Singulärwert geteilt durch den kleinsten

In der Praxis auch hier oft Kehrwert der Kondition als Leistungsmerkmal:

Mittelwert von über den gesamten Arbeitsraum als globales Kriterium:

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Kinematische Leistungsmerkmale

Strukturelle Steifigkeit (Kondition der Steifigkeitsmatrix)


Beispiel: Kehrwert der Kondition der Steifigkeitsmatrix eines 3RRR
Parallelroboters (ausschließlich Gelenke linear elastisch, übrige Struktur ideal steif)

einer 3RRR PKM einer 3RRR PKM

(Vor Berechnung der Kondition Homogenisierung der Jacobi-Matrix sinnvoll)

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Parallelkinematiken – Lernziele

 Wie lautet die Definition parallelkinematischer Maschinen und welche Nomenklatur


wird verwendet, um sie zu beschreiben?
 Welche Vor- und Nachteile bieten PKM gegenüber anderen kinematischen
Strukturen?
 Wie kann man PKM hinsichtlich ihrer direkten/inversen Kinematik, differentiellen
Kinematik und Dynamik modellieren? Wie ist das typische Vorgehen?
 Wie sind die Jacobi-Matrizen für PKM definiert und welche Schlussfolgerungen
können aus einer Analyse der Jacobi-Matrizen gezogen werden?
 Welche verschiedene Arten von Singularitäten können bei PKM auftreten, wie
werden sie mathematisch beschrieben und welche Auswirkungen können sie haben?
 Was ist Redundanz und worin unterscheiden sich die verschiedenen Formen?
 Hinsichtlich welcher Leistungsmerkmale kann man PKM bewerten und wie sind
diese Kriterien mathematisch definiert?

Quelle: Pixabay

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