Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
ed
Enhanc
Fokus Sprache Book
Deutsch
für Berufsmatura
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
und Weiterbildung
Geschätzte Lehrende und Lernende
Die digitale Ausgabe von Fokus Sprache BM ermög
licht das Arbeiten und Lernen am Bildschirm. Aller
dings setzen die üblichen PDF-Reader gewisse
technische Grenzen: Das Unterstreichen und Über
schreiben von Wörtern sowie das Einsetzen von
Kommas ist nicht möglich. In diesen Fällen ist es
sinnvoll, die einzelnen Aufgaben auszudrucken und
«analog» zu bearbeiten bzw. die entsprechenden
Übungen in eFokus Sprache zu lösen.
Besten Dank für Ihr Verständnis und viel Erfolg mit
Fokus Sprache.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Vielen Dank,
dass Sie sich für «Fokus Sprache»
entschieden haben. Sie haben damit ein qualitativ
hochwertiges Produkt mit grossem Mehrwert erworben.
Login
Die Begleitmaterialien inkl. Enhanced Book sind über den auf dem Beiblatt aufgedruckten Lizenzschlüssel im
Bookshelf unter www.bookshelf.verlagskv.ch erhältlich.
Video- und
Arbeitsblätter
Audiodateien
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
BM
Fokus Sprache
Deutsch
für Berufsmatura
und Weiterbildung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Autoren
Gerhard Konzett, Dr. phil. I, war Professor für
Wirtschaftskommunikation an der Hochschule
für Wirtschaft FHNW in Basel. Von 1981 bis 2000
unterrichtete er an der KV Zürich Business School
Deutsch, Literatur und Psychologie und leitete
mehrere Jahre als Prorektor die Sprachakademie.
Er wirkte in verschiedenen Kommissionen zur
Berufsbildung mit.
3. Auflage 2018 Gerhard Konzett, Otto Merki, Sara Janesch: Fokus Sprache BM
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Es ist nicht unsere Aufgabe, die Zukunft vorauszusagen,
sondern auf sie gut vorbereitet zu sein.
Perikles, griechischer Staatsmann, 490 – 429 v. Chr.
Kein Lehrmittel vermag vorauszusagen, was die Zukunft den Lernenden bringen wird. Jedoch
bietet die Überarbeitung von Fokus Sprache BM den Lehrenden und den Lernenden neue
Möglichkeiten, die Vorteile der Digitalisierung fürs Lehren und Lernen zu nutzen – und somit
auf die Zukunft sehr gut vorbereitet zu sein.
Das «Textwissen» – Kommunikation, Rhetorik und Medien, Textanalyse und Interpretation –
erfährt mit dem Enhanced Book zahlreiche Verknüpfungen zum Internet. Es eröffnet ergän-
zende Informationen, andere Zugänge zum Stoff und mitunter auch neue Perspektiven.
Das «Literaturwissen» schafft historisches Bewusstsein und das Verständnis für gesellschaft
liche sowie kulturelle Veränderungen. Literatur ist sowohl Widerspiegelung als auch Ausein
andersetzung mit der Gesellschaft ihrer Zeit. Mit Links ins Internet lassen sich jetzt zusätzliche
Materialien finden, die das Verständnis erhöhen, die Anschaulichkeit fördern und die Lust auf
Literatur wecken.
Das «Sprachwissen» – Rechtschreibung, Zeichensetzung, Grammatik und Stilistik – erfährt
durch das Online-Tool eFokus Sprache interaktive Übungsmöglichkeiten, die zeit- und orts
unabhängiges Lernen und Trainieren erlauben.
Auf die Zukunft vorbereitet zu sein, heisst auch, die richtigen Fertigkeiten zu erwerben, vor-
handene Fähigkeiten zu trainieren, persönliche Kompetenzen zu entwickeln und adäquate
Methoden zu nutzen, um neuen Situationen zu begegnen und Herausforderungen zu meis-
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
tern. In diesem Sinne vermittelt Fokus Sprache BM den gesamten Deutsch-Stoff der Berufs
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
maturität und fördert das notwendige praktische Sprachwissen für den Beruf sowie das
Studium an der Fachhochschule. Zudem erfüllt das Lehrmittel die Bedürfnisse vieler Lernenden
und Lehrenden: Es enthält alles Wesentliche und Wichtige für BM 1 und BM 2 in einem Band.
Das Gesamtpaket von Buch, Enhanced Book und eFokus bietet die ideale Grundlage für Kurse
in der Weiter- bzw. Erwachsenenbildung und erlaubt erweiterte Lehr- und Lernformen.
Zum Gelingen von Fokus Sprache haben viele beigetragen. In erster Linie danken wir dem
Verlag SKV, vor allem unserer Lektorin Yvonne Vafi, für die gute Zusammenarbeit. eFokus
Sprache ist von Fabian Merki programmiert worden; für das Enhanced Book zeichnet Stefan
Lang verantwortlich, die Neugestaltung hat René Schmid übernommen, und die Illustrationen
stammen von Daniela Hauser. Ferner gilt der Dank zahlreichen kritischen Kolleginnen und
Kollegen für ihre konstruktiven Anregungen sowie die engagierte Unterstützung.
Wir hoffen und wünschen, dass Lernende neben ihrem Schulerfolg auch Freude an der
Sprache erleben, die neuen digitalen Möglichkeiten sinnvoll nutzen und dass Lehrende in
ihrem Wirken unterstützt und zu einem anregenden Unterricht motiviert werden.
5
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Inhaltsverzeichnis
41 Modul C Schreibformen
91 Modul F Literaturatelier
Methodenkoffer (www.verlagskv.ch)
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Sprachreflexion und Sprachbeherrschung
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
267 Anhang
Quellenverzeichnis
Stichwortverzeichnis
7
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL A
Kommunikation und Zeichen
Lernziele
•
Ich kenne den Zusammenhang von Zeichen,
Kommunikation und Sprache.
•
Ich kann einfache Kommunikationsprozesse
mit dem Vier-Seiten- und Vier-Ohren-Modell
analysieren.
•
Ich überprüfe mein Leseverhalten und ver-
bessere meine Lesemethode.
9
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1 Impuls
Die folgende kurze Szene führt ins Thema Kommunikation ein: Lesen Sie «mit allen Sinnen».
Aufgabe
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
• Exemplar
Persönliches Was geschieht in diesem
von Liza Basha, Dialog offensichtlich? Formulieren Sie zwei bis drei
8307 Effretikon Sätze.
• Was läuft zwischen Mutter und Tochter unausgesprochen ab?
• Was erwarten die beiden Frauen voneinander?
• Wie reagieren die Frauen aufeinander?
• Was erfahren Sie über das Verhalten der Mutter und der Tochter?
• Was erfahren Sie nicht?
• Spielen Sie die kurze Szene, variieren Sie Ihre Stimme, den Ton, das Lese- bzw. Sprech
tempo, die Mimik und die Bewegungen. Was heisst für Sie «sehr gedehnt lesen» und
«lange ansehen»?
MODUL A
Wer mit anderen kommuniziert, tauscht sich aus. Das Verb «kommunizieren» kommt aus dem
Lateinischen und bedeutet «gemeinschaftlich tun; mitteilen» oder «sich verständigen, mit-
einander sprechen; in Verbindung stehen». Ausgetauscht werden dabei – sehr abstrakt und
allgemein gesagt – Zeichen.
In den Dreissigerjahren des vorigen Jahrhunderts hat der Sprachforscher Karl Bühler ein grund-
legendes Kommunikationsmodell entwickelt. Daran lässt sich die Bedeutung der Zeichen
erkennen.
Ein Sender übermittelt Zeichen an einen Empfänger; die Zeichen beziehen sich auf Gegen-
stände, Sachverhalte, Ideen. Entscheidend für die «gute» Kommunikation ist, wie der Empfän-
ger die Zeichen aufnimmt, sie deutet und versteht. Mit anderen Worten: Der Empfänger
macht die Botschaft.
Zeichenmodell
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Solche Zeichen, mit denen und über die wir kommunizieren, können «sprachliche Zeichen», Zeichen
aber auch Gesten, ein Lächeln, ferner die Körperhaltung, Musik, Bilder und Piktogramme
sowie bestimmte Gegenstände und Verkehrszeichen sein (vgl. Modul D, «Rhetorik»).
Zeichen weisen auf etwas hin, das sich vom Zeichen selbst unterscheidet; der Gegenstand, der
Zustand, der Begriff oder das Ereignis, worauf das Zeichen verweist, dient «nur» als Quelle
der Bedeutung; der eigentliche Träger der Bedeutung ist das Zeichen selbst. Wer also das Logo
einer Lieblingsmarke oder die Farbe des Sportvereins entdeckt, verbindet seine Gefühle, Ein-
stellungen und anderes mit diesen Zeichen. Wer weder das Logo noch die Farben des Vereins
kennt, verbindet damit nichts.
Natürliche Zeichen: Die natürlichen Zeichen, auch «Anzeichen» oder «Indizien» (Beispiel –––)
Anzeichen
lassen Rückschlüsse (Kausalzusammenhänge) auf das Bezeichnete, Gemeinte zu. So lässt zum
Beispiel Rauch auf Feuer schliessen, das Lächeln auf Freude und ein bestimmter Dialekt auf die
Herkunft aus einer bestimmten Region. In der Medizin deuten Symptome auf bestimmte
Krankheiten hin; in der Kriminalistik werden Indizien gesucht, um Täter zu überführen (aller-
dings sind Indizien keine unmittelbar beweisbaren Tatsachen).
MODUL A
Symbol
sind Stellvertreterzeichen. Sie vertreten einen Gegenstand, ein Ereignis, sie stehen für das
Bezeichnete; die Bedeutung des Symbols beruht auf Übereinkunft, Absprache und ist gelernt
worden. Symbole sind willkürlich gewählt; während die einen ihre Nationalflagge oder das
Staatswappen verehren, haben andere keine Ahnung, was diese Symbole bedeuten oder für
welches Land sie stehen.
Symbole sind eine nahezu unüberschaubare Gruppe von Zeichen; sie reichen von Schriftzei-
chen über Farben und Bilder, religiöse und nationale Symbole bis hin zu Gesten und Marken
sowie Logos. Ein Ziel von Werbung und Marketing ist es, das Logo und den Slogan einer
Marke im Bewusstsein der Menschen positiv zu verankern.
Sprachen sind Zeichensysteme mit Symbolcharakter; so gibt es keinen «natürlichen» oder
logischen Grund, warum ein «Hund» im Englischen «dog» heisst.
Symbole haben eine objektive und eine subjektive Seite: Objektiv ist die sachliche Beschrei- Bedeutung
bung, z.B. in einem Lexikon; subjektiv ist die persönliche Bewertung des Symbols. Wer einmal der Symbole
von einem Hund gebissen worden ist, empfindet und reagiert auf das Wort anders als jemand,
der Hunde liebt, trainiert oder züchtet. Wer einen Hund zeichnen soll, wird die persönliche
Sicht einfliessen lassen.
Ähnlich verhält es sich mit den Symbolen von Sportvereinen, Markenprodukten oder politi-
schen «Zeichen». Was bei den einen Gefühle der Verehrung und Bewunderung weckt, stösst
oder schreckt die anderen ab.
Nicht immer lassen©sich die Zeichen eindeutig unterscheiden oder zuordnen. Das Läuten
2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
der KirchenglockenPersönliches
kann fürExemplar
Gläubige der
von Liza Aufruf
Basha, 8307 (Signal)
Effretikon zum Kirchenbesuch sein, während
andere sich gestört fühlen und auf keinen Fall in die Nähe einer Kirche ziehen wollen
(vgl. auch Modul 3, «Satzlehre»: «Wie schreibt man ‹Gefahr› in 10000 Jahren»?).
Aufgabe
• Sprache ist ein Zeichensystem mit Symbolcharakter. Wenn Symbole unterschiedlich gedeu-
tet, verstanden und gefühlsmässig bewertet werden können – welche Konsequenzen
ergeben sich daraus für das Verstehen anderer Menschen?
• Notieren Sie drei Symbole oder Begriffe, die je nach Weltanschauung oder Generations-
zugehörigkeit unterschiedlich gedeutet werden.
• Informieren Sie sich, mit welchen Zeichensystemen oder Sprachen sich Menschen verstän
digen, die gehörlos, stumm, blind oder taubblind sind. Notieren Sie sich die wichtigsten
Informationen in Ihrem Arbeitsheft.
MODUL A
Aus Zeichen werden Zeichenketten, diese wiederum zu Botschaften, Nachrichten, Informatio-
nen, die wir übermitteln.
Friedemann Schulz von Thun zeigt in seinem Kommunikationsquadrat anschaulich, dass jede
Nachricht, jeder Satz viel mehr vermittelt als nur Sachinformationen.
Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass Sender und Empfänger häufig unterschiedliche Seiten
betonen, d.h. die eine oder andere Seite als wichtiger erachten.
Kommunikations-
modell
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Rufen Sie sich nochmals die Szene im «Impuls» zwischen Mutter und Tochter in Erinnerung.
Folgendes zeigt die Analyse des Dialogs:
Auf der Sachebene eines Gesprächs steht die klare, nüchterne Information im Vordergrund,
also Daten und Fakten. Dabei geht es zum einen darum, ob etwas zutrifft oder nicht; zum an-
deren ist der Stellenwert entscheidend: Sind die aufgeführten Sachverhalte für das Thema von
Belang?
Für den Sender gilt es also, den Sachverhalt klar und verständlich zu vermitteln.
Beziehung Beziehungsseite (gelb): Was ich von dir halte, und wie wir zueinander stehen
Ob ich will oder nicht: Wenn ich jemanden anspreche, gebe ich – durch Formulierung, Tonfall,
Begleitmimik – auch zu erkennen, wie ich zum anderen stehe. Dabei kann deutlich werden,
was ich von ihm halte – jedenfalls im Zusammenhang mit dem aktuellen Gesprächsthema.
Die Beziehungsseite ist besonders wichtig: Wenn sie nicht «stimmt», folgen grosse Probleme
auf der Sachebene. Positiv gesagt: Je besser die Beziehung läuft, desto besser sind meist auch
Sachprobleme zu lösen. Das lässt sich in vielen Teamsportarten einfach nachweisen: Gut funk-
tionierende Teams mit schwächeren Einzelspielern können Mannschaften mit Stars ohne
Weiteres überlegen sein.
Die Mutter ist erst verunsichert («du-ing»), glaubt der Tochter dann und fühlt sich gekränkt,
als die Tochter «gu-ing» zu «go-ing» korrigiert. Mit Englischlernen lässt sich die Beziehung
nicht verbessern.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Ergänzen Sie: Die Tochter –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Die Beziehung wird noch deutlicher, wenn man sich die Situation («Regieanweisungen»)
vor Augen hält: Die Füsse der Tochter liegen auf dem Tisch, an dem die Mutter im Buch liest.
Und was für ein Zeichen ist das Rauchen?
MODUL A
Wir hören unterschiedlich zu; dies kann von der persönlichen Haltung, von den Interessen oder
von der Situation abhängig sein.
hört auf die Daten und Fakten; ihm bieten sich sich preisgibt, nimmt der Empfänger diese mit
zahlreiche Möglichkeiten einzuhaken. dem Selbstkundgabeohr auf: Was sagt mir das
über den anderen? Was
Die Tochter beschränkt die Sachinforma
ist das für einer? Wie ist
tionen auf die Korrektur der Aussagen
er gestimmt?
– ohne Erklärung. Die Muttter
empfängt die Sachinformatio- Die Tochter gibt wenig von
nen als verwirrend, irritie- sich preis – die Mutter empfängt «nur
rend – eben «blöd». blöde Antworten» und ist enttäuscht.
Das Modell der vier Seiten und vier Ohren kennt kein «Richtig» oder «Falsch» der einzelnen
Seiten: Je nach Sender und Empfänger sowie der Situation nutzen beide die gleichen Seiten
und sind zufrieden mit der Kommunikation – oder sie liegen völlig auseinander und reden
aneinander vorbei. Wenn beispielsweise Männer dazu neigen, die Sachebene überzubetonen,
und Frauen vor allem um die Beziehungsseite bemüht sind, so wird das Gespräch kaum har-
monisch gelingen.
Lesen Definiert wird der Begriff «Lesen» als visuelle Umformung von Symbolen (Schriftzeichen) in
Gedanken oder Sprachlaute. Der Wortsinn von «Lesen» umfasst das «Ein- oder Aufsammeln»
von Zeichen.
Der eigentliche Lesevorgang basiert auf dem Erkennen von Wörtern und Wortgruppen, die
Lesende als ein Bild und dessen Bedeutung abgespeichert haben. Neue Wörter werden
zunächst durch Wahrnehmung der einzelnen Buchstaben aufgenommen. Nachdem das Wort
verstanden und in einen Bedeutungszusammenhang gebracht wurde, speichert das Gehirn
dieses Wort als Bild ab. Da viele Wörter in anderen Kontexten eine andere Bedeutung haben,
werden diese mehrfach gespeichert. Beim Abrufen von Wörtern gleicht man die (bildhaften)
Wörter mit dem vorhandenen Wörtervorrat («Wissen») ab und stellt den Verständniszusam-
menhang her.
Wir lesen umso schneller, je gleichmässiger der Blick über den Text gleitet, je weniger er an
einzelnen Wörtern hängen bleibt und je weniger er auf bereits gelesene Wörter oder Zeilen
zurückspringt.
Beruflicher Erfolg ist eng mit Lesen verbunden: Hand- und Lehrbücher, Lexika und Wörter-
bücher, PDF-Dateien, Internetseiten, Gebrauchsanweisungen – überall begegnen uns Texte,
deren Informationen wir brauchen und die wir – möglichst schnell und genau – lesen müssen.
Drei Lesehaltungen und drei Lesetechniken können unterschieden werden:
Schlüsselwörter Schlüsselwörter (-begriffe) sind die «Zeichen» in einem Text, die unsere Aufmerksamkeit
wecken und die auf einen grösseren Zusammenhang innerhalb des Textes hinweisen.
Sie lassen sich näher bestimmen und interpretieren. Je aufmerksamer und geübter wir lesen,
desto mehr Schlüsselwörter erkennen wir, desto interessanter wird die Lektüre und desto
besser verstehen wir den Text.
MODUL A
• Grundvoraussetzungen sind mein Interesse und meine Neugier, das Thema, den Inhalt und
die Textintention verstehen zu wollen. Desinteresse und Abneigung blockieren das Denken.
• Ich formuliere einen persönlichen Nutzen und persönliche Ziele, die sich mit Lesen des Tex-
tes erreichen lassen.
• Ich stelle mich darauf ein, den Text mehrmals zu lesen.
• Ich stelle eine gute Leseumgebung her: ausreichend Zeit, konzentrierte Stimmung, gute
Beleuchtung, kein Lärm, keine Ablenkung durch andere oder Handy oder Computer usw.
• Ich lese ruhig weiter, um den Gesamtzusammenhang eines Textabschnittes zu verstehen; Lesetipps
ständiges Zurückspringen auf vorherige Textstellen stört den Lesefluss und die Konzentra-
tion.
• Ich lese möglichst nur mit den Augen und spreche nur wenige wichtige oder fremde Wör-
ter mit. Das innere Sprechen benötigt mehr Zeit als die direkte Verbindung vom Auge zum
Speicherplatz im Gehirn (rasche Ermüdung kann auf eine eingeschränkte Sehleistung hin-
weisen: Augen überprüfen lassen).
• Ich markiere nur sehr wenige Stellen mit bunten Leuchtstiften – grelle Farben lenken vom
Text ab! Stichworte am Textrand und Markierungen mit Bleistift sind aussagekräftiger.
• Ich versuche meine Geschwindigkeit zu erhöhen – und mir mehr zu merken.
• Lesen! Lesen! Lesen!
SQ3R-Methode
Die folgende Methode des Amerikaners Francis P. Robinson ist in erster Linie für längere Sach
texte entwickelt worden. Sie lässt sich vereinfacht auch auf kurze Texte anwenden.
Jede Methode verlangt Training und Ausdauer – und bringt nach kurzer Zeit Erfolg.
Texte lassen sich in literarische oder fiktionale Texte sowie in Sach- oder Gebrauchstexte
unterscheiden. Eine scharfe Trennung der verschiedenen Textsorten ist nicht immer möglich;
im Einzelfall kann es notwendig sein zu begründen, warum es Überlappungen gibt.
Diese klassische Unterscheidung literarischer oder fiktionaler Texte in Epik, Dramatik und Lyrik
lässt sich mit folgender «Regel» einfach merken:
• Wo uns etwas erzählt wird, handelt es sich um Epik;
• wo verkleidete Menschen auf einem Schauplatz agieren, um Dramatik; und
• wo ein Zustand empfunden und von einem Ich ausgesprochen wird, um Lyrik.
Anders gesagt: Epik entwickelt den anschaulichen Ausdruck, das Bildliche; Dramatik lebt
etwas vor, stellt eine Logik auf der Bühne dar; und die Lyrik weckt Emotionen.
Überprüfen Sie bei der Lektüre literarischer Texte, ob diese Unterscheidung immer und überall
zutrifft und wie Schreibende mit diesen Formen «spielen». Die moderne Literatur und die
Medien erschweren manchmal die Einteilung, dennoch bildet sie ein brauchbares Gerüst.
In Modul F, «Literaturatelier», wird auf einzelne Begriffe und Textsorten näher eingegangen.
Aufgabe
Die folgende Parabel Bertolt Brechts gilt als typisch für diese Textsorte. Das Verständnis lässt
sich über die Analyse der «Zeichen» gut erschliessen. Worum geht’s hier?
Auf der anderen Seite lassen sich die Sach- und Gebrauchstexte in fünf Gruppen unterteilen:
• Privattexte (die auch erfunden sein können), die nur bedingt für andere verfasst sind;
• didaktische Texte, die mit Belehrung und Schule zu tun haben;
• berufsbezogene Texte, die sich um Arbeit, Kunden, Image und Information drehen;
• journalistische Texte, die in den Medien erscheinen und sich gezielt an eine grosse Öffent- Sachtexte
lichkeit wenden, sowie
• wissenschaftliche Texte, in denen es um Forschung und Erkenntnis geht.
Privattexte Didaktische Texte Berufsbezogene Texte Journalistische Texte Wissenschaftliche Texte
SMS Vortrag (Geschäfts-)Brief Meldung Lexikonartikel
E-Mail Vorlesung E-Mail Nachricht wissenschaftlicher Aufsatz
Brief Sachbuch Fax Bericht Monografie
Ansichtskarte Lehrbuch (Akten-)Notiz Reportage Forschungsbericht
Tagebuch (Schul-)Aufsätze Protokoll Rezension Dissertation
Fach- oder Projektarbeit Bericht Interview
Referat Statement
Präsentation Leserbrief
Leitbild Editorial
Konzept Porträt
Businessplan Homestory
Kommuniqué Kolumne
Dokumentation Kommentar
Gebrauchsanleitung Blogs
Dossier Social-Media-Texte
Onlinedokumente
Trennschärfe
Die Einteilung in Textsorten erleichtert das Gespräch über Texte und Inhalte, ermöglicht eine
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
klare Ordnung von Persönliches
Texten und setzt
Exemplar vonAnsprüche anEffretikon
Liza Basha, 8307 die Schreibenden. Wer ein Protokoll führt,
lässt keine persönliche Meinung einfliessen; wer einen Lexikonartikel liest, erwartet präzise
Sachinformationen. Abgrenzungen
Moderne Literatur bricht «strenge» Regeln auf und spielt mit inhaltlichen sowie formalen
Elementen der Textsorten. Die «Tagebücher» des Schweizer Schriftstellers Max Frisch sind von
Beginn an für die Öffentlichkeit geschrieben worden und unterscheiden sich deutlich von Ta-
gebüchern, die Jugendliche führen. Die kreativen Berichte einzelner Boulevardmedien lassen
sich manchmal eher als fiktional denn als sachbezogen einordnen.
Aufgabe
• Wählen Sie drei Textsorten aus, die Sie nicht kennen oder über die Sie mehr erfahren
wollen. Suchen Sie entsprechende Informationen in Lexika, Wörterbüchern und im Internet.
Verwenden Sie Ihr Arbeitsheft.
• Suchen Sie auch Beispiele für diese Textsorten.
J o h a n n P e t e r H ebe l , 1 7 6 0 –1 8 2 6
Kannitverstan
1 Der Mensch hat wohl täglich Gelegenheit, in Emmendingen und Gundelfingen, so gut
als in Amsterdam Betrachtungen über den Unbestand aller irdischen Dinge anzustellen,
wenn er will, und zufrieden zu werden mit seinem Schicksal, wenn auch nicht viel ge-
bratene Tauben für ihn in der Luft herumfliegen. Aber auf dem seltsamsten Umweg kam
ein
© 2023 5Verlag SKVdeutscher Handwerksbursche
AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mitin Amsterdam
digitalen durch
Lösungen und den für
Kommentar Irrtum zur Wahrheit und zu
Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
ihrer Erkenntnis. Denn als er in diese grosse und reiche Handelsstadt, voll prächtiger
Häuser, wogender Schiffe und geschäftiger Menschen, gekommen war, fiel ihm sogleich
ein grosses und schönes Haus in die Augen, wie er auf seiner ganzen Wanderschaft von
Duttlingen bis nach Amsterdam noch keines erlebt hatte. Lange betrachtete er mit Ver-
10 wunderung dies kostbare Gebäude, die 6 Kamine auf dem Dach, die schönen Gesimse
und die hohen Fenster, grösser als an des Vaters Haus daheim die Tür. Endlich konnte er
sich nicht entbrechen, einen Vorübergehenden anzureden. «Guter Freund», redete er ihn
an, «könnt Ihr mir nicht sagen, wie der Herr heisst, dem dieses wunderschöne Haus ge-
hört mit den Fenstern voll Tulipanen, Sternenblumen und Levkojen?» – Der Mann aber,
15 der vermutlich etwas Wichtigeres zu tun hatte, und zum Unglück gerade so viel von der
deutschen Sprache verstand, als der Fragende von der holländischen, nämlich nichts,
sagte kurz und schnauzig: «Kannitverstan»; und schnurrte vorüber. Dies war ein hollän-
disches Wort, oder drei, wenn man’s recht betrachtet, und heisst auf deutsch soviel, als:
Ich kann Euch nicht verstehn. Aber der gute Fremdling glaubte, es sei der Name des
20 Mannes, nach dem er gefragt hatte. Das muss ein grundreicher Mann sein, der Herr
Kannitverstan, dachte er, und ging weiter. Gass aus Gass ein kam er endlich an den
Meerbusen, der da heisst: Het Ey, oder auf deutsch: das Ypsilon. Da stand nun Schiff an
Schiff, und Mastbaum an Mastbaum; und er wusste anfänglich nicht, wie er es mit sei-
nen zwei einzigen Augen durchfechten werde, alle diese Merkwürdigkeiten genug zu
25 sehen und zu betrachten, bis endlich ein grosses Schiff seine Aufmerksamkeit an sich
zog, das vor kurzem aus Ostindien angelangt war, und jetzt eben ausgeladen wurde.
Schon standen ganze Reihen von Kisten und Ballen auf- und nebeneinander am Lande.
Noch immer wurden mehrere herausgewälzt, und Fässer voll Zucker und Kaffee, voll
Reis und Pfeffer, und salveni1 Mausdreck darunter. Als er aber lange zugesehn hatte,
1
«salveni» kommt aus dem Lateinischen, ist ein zusammengezogener Ausdruck und heisst «salva venia», auf
Deutsch «Entschuldigung». Der Erzähler entschuldigt sich also bei den Lesenden für das Wort «Mausdreck».
MODUL A
Mann heisse, dem das Meer alle diese Waren an das Land bringe. «Kannitverstan», war
die Antwort. Da dachte er: Haha, schaut’s da heraus? Kein Wunder, wem das Meer
solche Reichtümer an das Land schwemmt, der hat gut solche Häuser in die Welt stellen,
und solcherlei Tulipanen vor die Fenster in vergoldeten Scherben. Jetzt ging er wieder
35 zurück, und stellte eine recht traurige Betrachtung bei sich selbst an, was er für ein
armer Mensch sei unter so viel reichen Leuten in der Welt. Aber als er eben dachte:
Wenn ich’s doch nur auch einmal so gut bekäme, wie dieser Herr Kannitverstan es hat,
kam er um eine Ecke, und erblickte einen grossen Leichenzug. Vier schwarz vermummte
Pferde zogen einen ebenfalls schwarz überzogenen Leichenwagen langsam und traurig,
40 als ob sie wüssten, dass sie einen Toten in seine Ruhe führten. Ein langer Zug von
Freunden und Bekannten des Verstorbenen folgte nach, Paar und Paar, verhüllt in
schwarze Mäntel, und stumm. In der Ferne läutete ein einsames Glöcklein. Jetzt ergriff
unsern Fremdling ein wehmütiges Gefühl, das an keinem guten Menschen vorübergeht,
wenn er eine Leiche sieht, und blieb mit dem Hut in den Händen andächtig stehen, bis
45 alles vorüber war. Doch machte er sich an den letzten vom Zug, der eben in der Stille
ausrechnete, was er an seiner Baumwolle gewinnen könnte, wenn der Zentner um
10 Gulden aufschlüge, ergriff ihn sachte am Mantel, und bat ihn treuherzig um Exküse.
«Das muss wohl auch ein guter Freund von Euch gewesen sein», sagte er, «dem das
Glöcklein läutet, dass Ihr so betrübt und nachdenklich mitgeht.» «Kannitverstan!» war
50 die Antwort. Da fielen unserm guten Duttlinger ein paar grosse Tränen aus den Augen,
und es ward ihm auf einmal schwer und wieder leicht ums Herz. «Armer Kannitverstan»,
rief er aus, «was hast du nun von allem deinem Reichtum? Was ich einst von meiner
Armut auch bekomme: ein Totenkleid und ein Leintuch, und von allen deinen schönen
Blumen vielleicht einen Rosmarin auf die kalte Brust, oder eine Raute.» Mit diesen
55 Gedanken begleitete er die Leiche, als wenn er dazu gehörte, bis ans Grab, sah den ver-
meinten Herrn Kannitverstan hinabsenken in seine Ruhestätte, und ward von der hol-
ländischen Leichenpredigt, von der er kein Wort verstand, mehr gerührt, als von man-
cher deutschen, auf die er nicht achtgab. Endlich ging er leichten Herzens mit den
andern wieder fort, verzehrte in einer Herberge, wo man Deutsch verstand, mit gutem
60 Appetit ein Stück Limburger Käse, und, wenn es ihm wieder einmal schwerfallen wollte,
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
dass so viele Leute in der
Persönliches Weltvon
Exemplar soLiza
reich seien,
Basha, und er so arm, so dachte er nur an den
8307 Effretikon
Herrn Kannitverstan in Amsterdam, an sein grosses Haus, an sein reiches Schiff, und an
sein enges Grab. 1809
Aufgabe
• Schlagen Sie Wörter oder Wendungen nach, die Ihnen unbekannt oder unklar sind.
• Gliedern Sie den Text in vier bis fünf sinnvolle Abschnitte.
• Mit wem kommuniziert der Handwerksbursche?
• Welche Zeichen nimmt der Handwerksbursche wahr? Wie deutet oder versteht er die
Zeichen? Und zu welchen Schlüssen gelangt er?
• Beschreiben Sie die Unterschiede dieser 200 Jahre alten Sprache zum heutigen Deutsch.
• Wie müsste die Geschichte für unsere Zeit umgeschrieben werden? Was ändert sich?
Lernziele
•
Ich kann anspruchsvollere literarische und
Sachtexte verstehen und mich mit ihnen syste-
matisch auseinandersetzen.
•
Ich berücksichtige für das Textverstehen in
erster Linie das Thema, die Figuren, die sprach
liche Gestaltung sowie die Gliederung (Struktur)
des Textes.
25
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1 Impuls
«Die Zeitung! – Eine Zeitung», antwortete es von allen Seiten. «Wir haben es selbst gele-
sen! Grauenhaft! Es wird einem ganz schwarz vor den Augen.»
«Ach was, eine Zeitung! – Erstens dürft ihr nicht alles glauben, was ihr in der Zeitung
lest. Das ist oft nichts als Spreu und fliegende Federn! Und ausserdem: Habe ich es euch
40 nicht schon tausendmal gegackert?! Unser Wohlergehen beruht auf der Einhaltung un-
seres Haustierabkommens mit den Menschen über die Eierlieferung bei gleichzeitiger
grundsätzlicher Nichteinmischung in ihre internen Menschereien. Kein Hahn kräht da-
nach, was sie untereinander tun. Jeder scharre auf seinem eigenen Mist!»
«Aber sie tun es doch uns, Mutter; – es war auch kein Bericht in dieser Zeitung, sondern
45 es
stand ganz gross im Anzeigenteil. Sie machen uns blind! Die Menschen reissen uns
die Augen aus, Mutter! Die Augen! Sie haben sogar schon Spezialisten dafür!»
«Was?», fragte die Henne verdutzt – «Ja, ja, ja: Dort steht es schwarz auf weiss – ‹Hüh-
neraugen – rasch und einfach entfernt. Billigste neueste Methode aufgrund langjähriger
Erfahrung.›»
MODUL B
3
Schreck habe ihr den Verstand geraubt: «Ihr dummen Puten, ihr! – ! Da seht ihr wieder,
wie Unrecht ihr den Menschen tut!» Und sie erklärte den aufhorchenden Nachwuchs-
hühnern ihr Missverständnis.
Zuerst zweifelten noch einige und hielten die Erklärung der alten Henne über die verun-
5 stalteten
5 Krallen und Klauen der Menschen, denen sie zu Ehren der Hühner einen be-
schönigenden Namen gegeben hatten, für etwas weithergeholt, ja vielleicht sogar nur
für künstlich zusammengescharrt, um sie zu beschwichtigen. Aber die Wahrheit hat ihre
eigene Überzeugungskraft: Zuletzt glaubten es doch alle.
Stillgeworden hockten sie im Kreis um die alte Glucke, bis in den letzten Federkiel
60 durchströmt von einem wohligen Gefühl der Erleichterung und der Sicherheit, aber zu-
gleich auch ein wenig beschämt über ihr Misstrauen, besonders wenn sie an die Bäuerin
mit dem rotblauen Schnabel dachten, die sie sich zuvor in ihrer Erregung als wahres
Ungeheuer vorgestellt hatten, triefend vor Hühnerblut. Dabei war die alte Frau nicht nur
wirklich nützlich, sondern hatte gerade erst heute am Morgen, als sie ihnen Futter
65 brachte und das Wasser wechselte, mit freundlich ermunternden Worten ihre Grösse und
Stattlichkeit gerühmt.
Still wie es nun, da sie sich ausser Gefahr wussten, in ihren Herzen war, war es auch
draussen auf dem Hof. Durchs offene Küchenfenster konnten sie die Frau sehen und
hören, wie sie geduldig ein grosses Messer schärfte. Es war ein angenehmes Geräusch,
70 das ein wenig an lebhaftes Scharren auf rauhem Grund erinnerte, mehr noch aber ein
weit entferntes Krähen. 1982
2 Textanalyse
Beim ersten Lesen haben wir einige Schlüsselwörter angestrichen, zum Beispiel:
• Missverständnis – –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
ir überziehen den Text mit einem Netz von W-Fragen. Die leeren Linien ermöglichen Ihnen,
W
noch weitere Fragen zu formulieren. Beantworten Sie die Fragen in Ihrem Arbeitsheft.
• Der Einfachheit halber beginnen wir bei diesem Text mit den Figuren. Die Literatur kennt
keine Personen, sondern Figuren. Dies schafft mehr kritische Distanz und weist auf den
fiktiven Charakter hin.
Wer? • Welche Figuren kommen vor?
• Wie sind die Figuren charakterisiert? Welche Adjektive, Beschreibungen, Formulierungen
werden verwendet?
• Wie verändern, entwickeln sich die Figuren?
•
• Aus der Handlung lässt sich das Thema, das Problem erschliessen:
Worum? • Worauf beruht der Irrtum der Küken?
• Wie hängen der Irrtum der Küken und die Erklärungen der Mutterhenne zusammen?
• Welches Thema, welche Probleme werden in der Handlung dargestellt?
•
•
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus
Figuren, Sprache, und
Handlung Fokus Sprache
ThemaBMlassen
mit digitalen
sehrLösungen
schnellund
aufKommentar
Menschenfür Lehrpersonen
und Gesellschaft
schlies
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
sen; somit stellt sich die Frage nach der Intention:
Wozu? • Was bewirkt die «Verkleidung» der Aussage in eine Tiergeschichte (Fabel) oder Parabel?
• Was will uns der Text – nicht unbedingt der Autor! – sagen?
• Wie kann die Intention unser Alltagsleben beeinflussen?
•
• Entscheidend für die Qualität eines Textes ist die sprachliche Vermittlung.
Wie? • Wie lässt sich der Text sinnvoll in grössere Einheiten gliedern?
• Wie können wir die Sprache beschreiben?
• Wie sprechen die Figuren (Mundart, Hochsprache, Rollensprache)?
• Wer spricht zu uns? Wer kommentiert das Geschehen, z. B. im drittletzten Abschnitt,
Z 57/58?
• Wie entsteht Spannung – oder Langeweile?
• Wo ist der Höhepunkt?
• Wie stehen Anfang und Schluss zueinander?
•
Je nach Interesse oder Aufgabe lässt sich die Analyse des Textes vertiefen, wenn noch weitere
Elemente «erforscht» werden. Neben der Biografie und dem sozial- und kulturgeschichtlichen
Hintergrund interessieren auch die Wirkung eines Werkes auf das Publikum und die Kritik.
Die Besprechung eines literarischen Werkes heisst Rezension (Verb: rezensieren; Person:
Rezensent/in).
Der Reiz literarischer Werke liegt gerade darin, dass mehrfache Lektüre und der Austausch
der Meinungen zu einem vertieften Verständnis führen. Auch das Lesen eines Romans in ver-
schiedenen Lebensaltern kann zu neuen Einsichten und Erkenntnissen führen. Literarische
Texte erzeugen ihre Wirkung vor allem über die sprachliche Gestaltung eines Themas, den
Kontext, in dem sie entstanden sind und in dem sie heute stehen (können).
• Biografie
• Wer ist die Autorin/der Autor? Unter welchen Bedingungen hat sie/er gearbeitet? Lebensgeschichte
• Gibt es konkrete Bezüge zwischen Privatleben und Werk – oder ist alles reine Erfindung?
• Kennen wir persönliche Dokumente, vor allem zum Werk (Tagebücher, Briefe, Zeichnun
gen, Interviews, Begegnungen)?
•
• Historischer Kontext
• Was wissen wir über die Zeit, die sozialen Umstände, in denen der Text entstanden ist? Zeitgeschichte
• Wie wird die Gesellschaft im Werk «abgebildet»?
• Wie passt das Werk in die Epoche – im Vergleich mit anderen Büchern?
•
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
• Kultureller Kontext
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Woher kommt das Thema? Kultur
• Gibt es Anregungen, die zu diesem Werk geführt haben?
• Gibt es Bezüge zu verwandten Motiven in anderen Werken oder Kunstformen?
•
• Publikum (Rezeption)
• Wie hat das zeitgenössische Publikum das Werk aufgenommen? Gesellschaft
• Was steht in den Rezensionen der Zeit? Was schreibt man heute noch darüber?
• Was spricht uns heute noch an? Warum hat der Text «überlebt?». Wo liegen Schwierig-
keiten, um ihn heute zu verstehen?
• Was fasziniert mich – oder schreckt mich ab?
•
Das folgende Modell vermittelt einen Überblick, wie sich literarische Texte analysieren lassen;
je nach Text und Aufgabe kann das Modell vereinfacht oder erweitert werden. Im Mittelpunkt
stehen immer das genaue Lesen und die präzise Kenntnis des Textes.
Bis zu einem gewissen Grad lässt sich das Vorgehen auch auf Filme oder Werke der bildenden
Kunst übertragen. Was sich ändert, sind die «Sprache» (Bildsprache) und einzelne Begriffe
(Strukturelemente).
– B i o g r a
c h f i e
b r u –
u g
b Handlung e
a s
T Was geschieht? c
r Was wird beschrieben? h
e Wann und wo findet das
i
c
d
Geschehen statt?
h
o
t l
a
i c
m
h e
h e
r
e t
K o
M o d
n t e x t
Welche Absicht
– Wortwahl und Satzbau
Figuren verfolgte der/die
– Stil und rhetorische Figuren
–
–
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon – Symbole wirkt der Text heute?
– Textsorte
ö f f
U m
e n
e s
t l i
l l
Thema, Problem
c
r e
h
Worum dreht sich die
u
Handlung eigentlich?
lt
W
u ir
k k
– u
n
d e r –
g
i l K r i
V o r b t i k –
Genaueres zu Stil, Erzähl- und Zeitperspektive sowie Motiven und Textsorten findet sich in
Modul F, «Literaturatelier».
Je nach Art des Textes – ob Gedicht, Novelle oder Komödie – variieren die Fragen und auch der
Umfang der Antworten. So gehören zur Struktur eines Gedichts die Gedichtform, die Strophen
sowie das Versmass. Zur Dramenstruktur zählen die Form des Dramas, die Akte und Szenen,
aber auch der Raum und die Zeitdimension. Die Romanstruktur wird neben den Kapiteln von
der Handlung, den Räumen, der Zeit und anderen Elementen geprägt.
MODUL B
3
Wenn sich professionelle Leserinnen und Leser (Literaturwissenschaftlerinnen oder Literaturkri-
tiker) einem literarischen Werk widmen, so stellen sie die gleichen oder ähnliche Fragen wie im
Analyse-Modell, allerdings meist um einiges genauer und mit ausführlicheren Antworten. Je
nach Interesse und persönlichem Literaturverständnis werden unterschiedliche Gewichtungen
vorgenommen. Wir sprechen dann von Methodenlehre oder Interpretationsschulen.
Erich Frieds Text «Das Missverständnis» erlaubt verschiedene Fragen – und damit verschiedene
Zugänge zum Text.
Das Interesse am Text Sichtweise: Methode
Wie werden und wurden solche Geschichten (in diesem Rezeption des Textes
Publikum
Das grundsätzliche Vorgehen bleibt weitgehend gleich wie bei der Analyse literarischer Texte,
allerdings müssen einige Fragen den Sachtexten angepasst werden (dazu zählen auch Medien-
texte).
MODUL B
Julius Bär in ihrer neusten Kampagne wissen. Eine gute Frage. Für knapp drei Viertel
der von Konso Interviewten bleibt nämlich schleierhaft, was der Bär-Claim «Committed
to excellence» («Herausragender Leistung verpflichtet») bedeutet. Das Resultat der Um-
45 frage habe keine Aussagekraft, weil der Claim sowieso nie allein stehe, erklärt Bankspre-
cher Martin Somogyi knapp. Und: «Es liegt keine deutsche Übersetzung vor.» (…)
Hauptsache, es klingt gut
«Viele Menschen ‹lernen› Englisch, indem sie Wort- oder Satzfetzen aufschnappen»,
erklärt dazu Urs Dürmüller, Englischprofessor an der Pädagogischen Hochschule Bern.
50 «Sie können dann zwar oft erahnen, was ein englischer Ausdruck in etwa bedeuten
könnte, aber für ein richtiges, analytisches Verständnis der Aussage fehlt ihnen das
Wissen.» Ein Wissen, das allerdings bei
manchen Werbekampagnen auch über- So viele Schweizer wissen nicht, was folgende Werbesprüche bedeuten:
haupt nicht zwingend notwendig ist, wie
Fidelity Choose wisely 80%
55 Dürmüller vermutet: «Wenn wirklich eine
Intel Dual-care. Do more. 77%
Botschaft übermittelt werden sollte, dann
Kent Distinct by design / true: impression 76%
würden die Firmen auf Deutsch kommu-
Julius Bär Committed to excellence 74%
nizieren.»
Cablecom Touch your worlds 56%
Der Verdacht kommt dem Sprachwissen- Sony Colour like.no.other 51%
60 schaftler etwa bei «Distinct by design / Hyundai Drive your way 47%
true: impression». Der Claim, der für Adidas Impossible is nothing 46%
Zigaretten der Marke Kent Futura auf Schweiz Tourismus Switzerland. Get natural. 45%
den Plakatwänden prangt, verwendet Sunrise Always a smile 38%
nach Urs Dürmüllers Ansicht «ein sehr Quelle: Institut für Konsumenten und Sozialanalysen AG (Konso); Befragungszeitraum: 19. bis 31. März
65 anspruchsvolles Vokabular. Möglicher- 2007; Telefonbefragung bei 701 für die deutsche Schweiz repräsentativen Personen im Alter von über
14 Jahren.
weise geht das Unternehmen gar nicht
davon aus, dass man die Textbotschaft
versteht.» Womit das Ziel in diesem Fall erreicht wäre. 76 Prozent der Befragten hatten
keinen blassen Dunst, was ihnen mit diesen Worten vermittelt werden sollte. (…)
70 Dumm ist bloss,© wenn dasSKV
2023 Verlag Publikum das Gegenteil
AG: Fokus Sprache, Fokus Sprachevon dem
BM mit versteht,
digitalen was
Lösungen eigentlich
und Kommentar für ge-
Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
meint ist: «Colour like.no.other» (wörtlich: «Farbe wie keine andere»), mit dem Sony
einen LCD-Fernseher bewirbt, wurde von den Befragten unter anderem mit «Farbe ist
was anderes» übersetzt. Sony-Mediensprecherin Marie-Françoise Ruesch sieht darin kein
Problem: Indem der beworbene Fernseher eine führende Marktposition habe, habe der
75 Schweizer Konsument bestätigt, «dass er den Claim verstanden hat und Wert auf ein un-
vergleichliches Farberlebnis legt».
Leider falsch verbunden
Da geht man andernorts lieber auf Nummer sicher. «Switzerland. Get natural», warb
Schweiz Tourismus noch vor kurzem selbst um einheimisches Publikum. «Get natural»
80 (zu Deutsch etwa: «Werde natürlich») sei halt kurz und prägnant und das «get» als Auf-
forderung gedacht. Seit Neustem kommt die Bevölkerung wieder in den Genuss von
heimischen Sprachschöpfungen: «Schweiz. Ganz natürlich» wirbt jetzt für Ferien im
eigenen Land.
Den Weg zurück zu den sprachlichen Wurzeln überlegt sich nach der Beobachter-
85 Umfrage auch Cablecom: Wenn fünf Jahre nach Einführung des Claims 56 Prozent der
Befragten keine Ahnung hätten, wofür «Touch your worlds» («Berühre deine Welten»
oder offiziell: «Wir verbinden die Menschen mit ihren Welten») stehe, sei das «nicht sehr
aufbauend», sagt Kommunikationschef Hans-Peter Nehmer.
Ähnliche Erfahrungen machte auch schon die Cablecom-Konkurrentin Swisscom: «Go
90 far, come close», der frühere Claim von Swisscom Mobile, «wurde von vielen Kunden
nicht verstanden», wie Swisscom-Sprecher Carsten Roetz eingesteht. Nun wirbt man –
auch im Sinne eines einheitlichen Auftritts – mit dem gleichen Spruch wie auch für
Swisscom Fixnet: «Einfach verbunden» in den drei Landessprachen. Bloss für den eng-
lischsprachigen Auftritt im Internet musste man diesen anpassen und – für einmal in
95 der umgekehrten Richtung – übersetzen lassen. Dort heisst es jetzt: «Simply connected».
«Aber», so Roetz, «wer dorthin klickt, versteht meist Englisch.»
(Beobachter, Nr. 10, 2007)
Analog zur Analyse literarischer Texte beginnen wir mit W-Fragen. Die leere Linie ermöglicht
Ihnen, noch weitere Fragen zu formulieren. Lösen Sie die Aufgaben in Ihrem Arbeitsheft.
• Wir fragen nach dem Thema oder dem Problem, das der Text diskutiert:
• Welches Problem kommt zur Sprache?
• Welche Schlüsse ziehen die zitierten Personen aus dem Problem?
• Zu welchen Ergebnissen kommt der Autor?
•
Fragen nach dem Kontext können bei Sachtexten sehr unterschiedlich ausfallen: Mal ist viel,
mal eher wenig Hintergrundwissen fürs Textverständnis notwendig. Meist genügt zu wissen,
wann und wo der Text erschienen ist.
Bei Medientexten ist es nicht immer entscheidend, wer sie geschrieben hat; andererseits kom-
men gerade in Fach- oder renommierten Nachrichtenmagazinen prominente Autorinnen oder
Autoren zu Wort, z.B. Nobelpreisträger, Schriftstellerinnen oder Wirtschaftsfachleute.
Interessante ältere Texte können schwer nachvollziehbar sein, wenn nicht die gesellschaftlichen
oder kulturellen Umstände bekannt sind. Gleiches gilt für die Aufnahme in der Öffentlichkeit:
Hintergrundwissen macht erst verständlich, warum das Publikum so und nicht anders reagiert
hat. Auf kritische Sach- bzw. Medientexte reagieren Betroffene oft heftig, z. B. mit Leserbriefen
und E-Mails an die Redaktionen oder gar mit Demonstrationen.
Eine Diskussion um das Tragen von Jeans in der Schule kann heutzutage nur vor dem Zeitgeist
der Fünfzigerjahre verstanden werden. Und Leserbriefe zum Verkaufsverbot von Red Bull in
den Neunzigern des vorigen Jahrhunderts wirken aus heutiger Sicht mehr als seltsam.
Das folgende Modell fasst die wichtigsten Fragen zur Analyse und Interpretation von Sach-
texten anschaulich zusammen.
iografie
n – B – g
i sio es
V ch
e
hn Situation und ic
h
ü Sachverhalt tl
k
r Was ist geschehen? i
e Wann und wo ist etwas c
h
d
geschehen? e
o
K
Informationen (Quellen)?
uc
on
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
br
xt
ab
odethema, T
– ö
u
fe
ng
m
U
Thema, Problem
u
n
d
le
r a
u k
lt on
ti
ku
– –
Kr n
itik sio
und .Diskus
Dabei ist es leichter, einen Text im Unterricht mit der Klasse oder in einer Kleingruppe zu be-
sprechen, als sich allein schriftlich damit auseinanderzusetzen. Im gegenseitigen Austausch
fliessen die Gedanken und Ideen, ein Flipchart oder Ähnliches kann als Protokoll der Interpre
tation entstehen.
Die schriftliche Form zwingt zu einer klaren Sprache, einem geordneten Nacheinander der
Gedanken sowie einer guten Leserführung. Anzustreben ist eine interessante oder gar überra-
schende Interpretation, die ein vertieftes Textverständnis der Schreibenden offenbart. In jeweils
unterschiedlichem Umfang werden die fünf Aspekte der literarischen Textanalyse oder der
Sachtextanalyse berücksichtigt (vgl. Modelle). Mit Textstellen ist zu begründen, wie die Aus
sagen zu verstehen sind und die Interpretation zustande gekommen ist.
Folgende Gliederungsmöglichkeiten verhindern ein Durcheinander. Zudem erzeugt das Prinzip
Steigerung der Steigerung einen roten Faden und hält Lesende «bei der Stange». Was sich im Einzelfall
am besten eignet, ist vom Text abhängig.
• Vom Naheliegenden zum Entlegenen
• Vom Nebensächlichen zum Wichtigen
• Vom Unwesentlichen zum Wesentlichen
• Vom Offensichtlichen zum Hintergründigen
• Vom Speziellen zum Allgemeinen
• Vom Allgemeinen zum Besonderen
• Vom Einfachen zum Schwierigen
© 2023 Fünf Schritte
Verlag SKV AG: Fokuszur schriftlichen
Sprache, Fokus Sprache Textanalyse
BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1. Ich lese den Text mehrfach durch und kennzeichne die Schlüsselwörter sowie andere wich-
tige Elemente, z.B. Namen, Orte, Zahlen oder auch rhetorische Figuren (Stilmittel).
Vorgehen 2. Ich lege in der Gliederung fest, womit ich beginne, welche Abschnitte der Mittel- oder
Hauptteil umfasst und wie ich schliesslich ende.
Bei literarischen Texten stelle ich eine kurze Inhaltsangabe voran (vgl. Modul C, Schreib-
formen), bei Sachtexten weise ich aufs allgemeine Thema hin.
3. Ich notiere mir in Stichworten, Halbsätzen und Wortgruppen, wie ich den Text verstehe und
worauf ich in den einzelnen Abschnitten hinaus will.
4. Ich schreibe den Text nieder und begründe meine Interpretation mit Hinweisen auf Text
stellen oder baue Zitate ein. Ich formuliere weitgehend sachlich; erst gegen Ende der Arbeit
fliesst die Bewertung in meine Interpretation ein.
5. Je nach Zeitaufwand und Umfang lasse ich die Arbeit von anderen lesen und hole deren
Feedback ein. Eine ausführliche Liste zum Korrigieren und Überarbeiten (Redigieren) findet
sich in Modul E, «Argumentieren und erörtern».
Als mögliche Muster oder Vorbilder für Textinterpretationen können Buch- und Filmbespre-
chungen in Qualitätszeitungen gelten (vgl. Modul C, «Schreibformen»).
Aufgabe
Wagen Sie sich an eine schriftliche Textanalyse und -interpretation. Wählen Sie eine Kurz-
geschichte oder einen interessanten Sachtext, und setzen Sie sich eine bestimmte Zeitdauer.
Wenn zwei oder drei Lernende den gleichen Text wählen, können Sie sich anschliessend über
die Schwierigkeiten und das Endergebnis austauschen.
MODUL B
1. Beantworten Sie die folgenden Wissensfragen in Ihrem Arbeitsheft.
• Was sind Schlüsselwörter? Warum sind sie wichtig?
• In literarischen Texten wird von Figuren, nicht von Personen gesprochen: Worin liegt der
Unterschied?
• Was heisst Figurensprache? Lösung
• Wie unterscheiden sich Handlung und Problem in einem literarischen Text?
• Warum unterscheiden wir zwischen Autor- und Textintention?
• Was bedeuten die Begriffe «Rezeption» und «Sozialgeschichte»?
• Was ist in einem Sachtext mit Quellen gemeint?
• Wo können die Grenzen zwischen Sachtext und literarischem (fiktionalem) Text mitunter
verschwimmen?
• Nach welchen drei Funktionen lassen sich Sachtexte unterscheiden?
2. Lesen Sie den Text aufmerksam durch; kennzeichnen Sie die Schlüsselwörter. Anschliessend
beantworten Sie die Fragen, die Sie im Modell Seite 30 finden. Beschreiben Sie auch die
Sprache des Textes nach den Stichworten des Modells. Verwenden Sie Ihr Arbeitsheft.
Tipp: Wenn Sie sich einer «Lektürehilfe» oder irgendwelcher «Erläuterungen» bedienen,
so fragen Sie kritisch, ob das alles auch stimmt.
Z o ë J e n n y (1974 )
Das Blütenstaubzimmer
1 Wir sitzen in der Kirche wie in einem Käfig, der Regen scheint nicht mehr aufhören zu
wollen.
«Wir könnten deine Mutter im Krankenhaus besuchen, bevor wir abhauen», sage ich
zu Rea, weil ich plötzlich wirklich Lust dazu habe. Überrascht zuckt sie zusammen.
5 Abscheu flackert in ihren
© 2023 Augen,
Verlag SKV in Sprache,
AG: Fokus die ichFokus
jetzt zumBMerstenmal
Sprache blicke, und
mit digitalen Lösungen Abscheu, die
Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
ausstrahlt auf ihre Stirn und den Mund, ein dünner Strich, die Lippen wie eingesogen.
«Du bist wohl krank, Jo.»
Die Skorpione sind von den Wänden ins Deckengewölbe zurückgekehrt. Bis nächsten
Sommer werden sie nicht mehr herauskommen. Ich ziehe den Koffer unter dem Bett her-
10 vor und packe die Kleider und Bücher und die nie abgeschickten Postkarten ein. Es ist
noch frisch, so früh am Morgen; die Buchstaben des Nova Park Hotels schweben über
den Pappeln. Aber man ahnt schon die Hitze, die in wenigen Stunden hereinbrechen
wird. Rea hat gesagt, dass ich zu ihr ziehen soll, bis wir einen Flug nach Milwaukee
haben. Ich stelle den Koffer im Esszimmer ab und gehe ein letztes Mal um die Dorf-
15 mauer. Als ich beim Tor um die Ecke biege, sehe ich von hinten die Gestalt des alten
Ehepaares mit dem Hund. Sie spazieren neben den Bäumen, bleiben stehen, stützen sich
am Geländer ab und blicken auf die Stadt, die in bläulichem Dunst liegt. Der Hund
schnüffelt an den Wurzeln eines Baumes und hebt das Bein. Die Frau zieht plötzlich an
der Leine, so dass der Hund am Boden entlangschleift. Er jault auf, die Alte bückt sich
20 und zieht ihn an beiden Ohren. Sie sagt etwas, das wie eine Zurechtweisung klingt.
Und dann beginnen sie von beiden Seiten auf den Hund einzutreten. In kurzen, heftigen
Tritten stossen die Füsse des Ehepaares in den Hundekörper. Der Ausbruch dauert
wenige Sekunden. Erst als sie weitergehen, kommt mir der Gedanke, dass ich etwas
sagen müsste. Rasch gehe ich auf sie zu. Als ich dann aber ihren säuerlichen Geruch
25 atme und in ihre ängstlichen und zugleich brutalen Gesichter blicke, überwältigt mich
ein Ekel, der mich schweigen und schnell davongehen lässt. An der Busstation studiere
ich den Fahrplan. Eine halbe Stunde habe ich Zeit, meine Sachen zu holen. Ich versuche
an Milwaukee und Rea zu denken, damit sich die Alten in meinem Kopf auflösen. Im
Haus schliesse ich alle Läden. Ich möchte jetzt so schnell wie möglich von hier fort.
30 Im Badezimmer steht noch die geöffnete Flasche Roberts-Shampoo. Ich schraube den
Deckel drauf, als es klingelt. Reas Stimme flüstert aus dem Hörer: «Hör mal, es ist soweit
mit meiner Mutter. Du kannst jetzt nicht kommen. Wir müssen die Reise verschieben.
Ich ruf dich wieder an, wenn hier alles vorbei ist.» 1997
3. Vergleichen Sie die folgenden drei Medientexte. Alle drei handeln vom gleichen Thema.
Notieren Sie die Ergebnisse in Ihrem Arbeitsheft. Wenden Sie das Analysemodell an, und
suchen Sie möglichst viele Unterschiede zwischen den Texten. Folgende Stichworte dienen
als Anregung:
• Inhalt und Wirkung der Überschrift
• Länge und Verständlichkeit (Wie viel Vorwissen ist notwendig?)
• Anzahl und Qualität der Sachinformationen
• Hintergrundinformationen, Zusammenhänge und Wertung
• Stil und rhetorische Mittel: Was unterscheidet die Texte stilistisch?
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
McMatura: Berufsmatur bei McDonald’s
In Grossbritannien ist es bald möglich, bei McDonald’s eine Berufsmatura zu absolvieren.
1 Junge Briten können ihre Hochschulreife künftig bei McDonald’s erwerben. Ebenso wie
der Billigflieger Flybe und das Bahnunternehmen Network Rail kann die Schnellimbiss-
Kette ihren Mitarbeitern jetzt eine Ausbildung angedeihen lassen, die vom britischen
Staat als Abiturersatz anerkannt wird und zur Aufnahme eines Studiums berechtigt.
5 Die neuen Richtlinien des Bildungsministeriums in London, die am Montag veröffent-
licht wurden, stiessen umgehend auf Kritik. «Wir glauben nicht, dass höhere Bildungs-
einrichtungen sich um Leute mit einem ‹McAbitur› reissen», erklärte die Generalsekretä-
rin der Gewerkschaft für Universitäten und Hochschulen, Sally Hunt.
Das Bildungsministerium betonte, es wolle Lücken zwischen schulischer und betrieb-
10
licher Hinführung zum Studium schliessen und jungen Leuten mehr Chancen bieten.
Als erstes der drei Unternehmen will McDonald’s im kommenden Monat in Grossbritan-
nien mit einer zum betrieblichen Abitur führenden Ausbildung als Schnellimbiss-Filial-
leiter beginnen. Die Teilnehmer lernen dabei alles, was erforderlich ist, um ein Hambur-
ger-Restaurant zu führen, einschliesslich Marketing, Personalführung und Kunden-
15 betreuung.
MODUL B
Auf den Britischen Inseln dürfen künftig auch Burger-Firmen und Billigflug-Gesellschaften
Prüfungen abnehmen – und staatlich anerkannte Zeugnisse ausstellen.
V o n P e t e r N o n n e n m a c he r , L o n d o n
1 Grossbritannien macht vorwärts mit der Privatisierung und hat die Nase wieder einmal
vorn. Diesmal trifft es die Ausbildung. Wer bei McDonald’s wohlbekannter Burger-Kette
die Kunst des Burger-Managements, der Burger-Betriebsführung und der optimalen Be-
dienung der Burger-Kundschaft erlernt, soll statt mit einem betriebsinternen Papierchen
5 in Zukunft mit einer staatlichen anerkannten Zeugnisnote belohnt werden – mit einer
Note, die einer Maturanote entspricht und den Benoteten zusammen mit anderen Quali-
fikationen den Weg freigibt für Weiterbildung und gegebenenfalls auch den Zugang zu
einer Universität ermöglichen soll.
Die Insel liberalisiert die Zeugnisse
10 Das hat die britische Regierung beschlossen. Sie will mit diesem Experiment das alte
Staatsmonopol für Schulabschlusszeugnisse im Vereinigten Königreich endgültig preis-
geben. Ausser McDonald’s erhalten in einer ersten Versuchsphase auch die Billigflug-
Gesellschaft FlyBe und das für das britische Schienennetz verantwortliche Eisenbahn-
Unternehmen Network Rail das Recht, die entsprechenden Weiterbildungskurse anzu-
15 bieten und die nötigen Diplome auszustellen. Falls sich das Projekt bewährt, sollen den
drei Pionieren schon in Kürze eine Vielzahl anderer Firmen folgen.
Den ersten Schritt zur Übereignung der staatlichen Prüfungslizenzen an die Privatwirt-
schaft wagte die Regierung Brown bereits im vergangenen September. Damals gestand
sie der privat finanzierten Hochschule «BPP College» das Recht zu, Jura- und Betriebs-
20 wirtschaftstitel zu verteilen. Mit dem McDonald’s-Projekt hofft man in London nun, auf
breiter Basis mehr Interesse an Fachausbildung zu schaffen.
Breite Ausbildungsinitiative
Dabei geht es der britischen Regierung um die langfristige Bekämpfung der Arbeitslosig-
keit. «Das grösste Hindernis
© 2023 Verlag SKVauf demSprache,
AG: Fokus Weg zurFokusVollbeschäftigung ist nämlich
Sprache BM mit digitalen Lösungen nicht ein
und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
25 Mangel an Jobs, sondern der Mangel an fachlichen Fertigkeiten bei den Arbeitslosen
und Unbeschäftigten», erklärte Premier Brown die neue Regierungsinitiative.
Es ist nur ein erster experimenteller Schritt. McDonald’s, FlyBe und Network Rail sollen
in einer ersten Phase Erfahrungen sammeln. Die Reform soll dann im Einzelnen ausge-
tüftelt werden. Die Grundidee ist aber klar: Betriebe wie McDonald’s sollen interessierten
30 Mitarbeitern Schulungskurse anbieten, sie mit selbst erstellten Examen prüfen und
ihnen hernach allgemein gültige Noten oder Diplome verleihen.
Das jeweilige Niveau der Diplome soll demjenigen von Schulabschlüssen entsprechen –
im Fall von Network Rails sollen Bahnexperten sogar – auf der Ingenieursschiene – mit
der Doktorwürde bedacht werden können. Der staatliche Ausschuss, der die betreffenden
35 Lizenzen vergibt, soll für die Einhaltung strikter Qualität bei sämtlichen Kursen und
Examen sorgen.
McQualifikationen genügen Unis nicht
Wirtschaft und Labour-Regierung verbinden mit den neuen Qualifikationen grosse Er-
wartungen. Der britische Industriellenverband ist davon überzeugt, dass die Massnahme
40 «aus der schon laufenden guten Arbeit» in schulungsfreundlichen Betrieben «endlich den
richtigen Nutzen» ziehe.
Der Minister für Berufsausbildung, John Denham, sieht die Zeit gekommen für einen
«Abschied von der alten Teilung in betriebliche Ausbildungsprogramme und nationale
Qualifikationen». Premier Brown selbst ist zuversichtlich, dass etwa die Absolventen
45 eines Managementkurses bei McDonald’s «anschliessend wohl überall hingehen können,
wenn sie erst einmal ihren Abschluss haben».
Das wird allerdings von den Aufnahmegremien der britischen Universitäten bereits stark
in Zweifel gezogen. So haben schon 40 Prozent der sogenannten «Zulassungs-Tutoren»
auf der Insel deutlich gemacht, dass sie McDonald’s-Examen nicht für ausreichende
50 Qualifikationen halten und die betreffenden Absolventen an ihren Universitäten nicht
aufnehmen würden. Sally Hunt, die Generalsekretärin des britischen Universitäts- und
«Fast-Food-Matur» in Grossbritannien
Ein Armutszeugnis der (Berufs-)Ausbildung
Die britische Regierung ermächtigt die Hamburgerkette McDonald’s, eigene Maturzeugnisse
auszustellen. Dies ist ein weiterer Schritt im allgemeinen Niedergang der Sekundar- und
Mittelschulstufe in Grossbritannien. Die Regierung verstrickt sich dabei in Widersprüche.
Lernziele
• Ich
orientiere mich beim Schreiben an den Zielen
und den Adressaten sowie am Inhalt und an der
Funktion der Texte.
• Ich
kann Texte planen, strukturieren sowie
schreiben; auch kenne ich die Ansprüche, die
einzelne Schreibformen erfüllen müssen.
41
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1 Impuls
Grossereignisse beherrschen die Medien: Journalisten berichten über das Ereignis und
kommentieren es, lassen Betroffene zu Wort kommen; das Publikum reagiert auf die Medien-
berichte, z.B. mit Leserbriefen oder E-Mails an die Redaktionen.
Vergleichen Sie die folgenden Schreibformen, und untersuchen Sie die jeweiligen Adressaten,
die Intention (Absicht), die sprachlichen Unterschiede sowie den Aufbau der Texte. Nutzen Sie
den breiten Rand, und schreiben Sie Ihre Notizen – vorzugsweise mit Bleistift – ins Buch.
Im Vorfeld der Zürcher Street Parade 2007 wurde über die Finanzierung mit Steuergeldern
diskutiert.
B ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Nur scheint die Lust der Sponsoren einzuschlafen. Sie wieder zu wecken, müsste das
Ziel der Street Parade sein. Aber indem sie jetzt unverhohlen auf die dampfenden Sup-
pentöpfe des Staates schielt, verrät sie den letzten ihr noch verbliebenen Charme. Dabei
unterstützt Zürich die Parade schon längst mit Leistungen von Polizei, Entsorgung,
20 Sanität und Signalisierung. Das geht in die Hunderttausende. Wenn die Organisatoren
jetzt noch mehr verlangen, zeigen sie nur, dass ihr Hunger nach bequemem Geld zum
Unersättlichen tendiert.
C ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Das ist scheinheilig. Wenn sich die Street Parade von der Stadt noch mehr hätscheln
lässt, erreicht sie das Gegenteil dessen, was sie eigentlich will. Sie besiegelt die eigene
25 Überflüssigkeit.
Tages-Anzeiger, 9. 8. 2007
42 Schreibformen
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Nach der Street Parade dominierte ein tragisches Ereignis die Frontseite des Tages-Anzeigers.
MODUL C
Tödliche Messerattacke überschattete Street Parade 2007 Text 2
1 Zürich. – Zwei Messerstechereien trüben das Bild der diesjährigen Street Parade in
Zürich. Ein junger Mann starb, und zwei weitere Männer wurden verletzt. In beiden Kennzeichnen Sie die
Fällen sind die Täter flüchtig. Die tödlich verlaufene Messerattacke ereignete sich am Fakten dieser Nachricht.
Samstag gegen 21.30 Uhr auf der Rathausbrücke. Ein 18-jähriger Schweizer erlitt
5 schwere Verletzungen im Brustbereich. Trotz sofortiger Betreuung durch Rettungssani
täter verstarb der junge Mann noch am Tatort. Die Sanitäter behandelten mehrere
Hundert Personen wegen Schnittverletzungen, Kreislaufproblemen und übermässigen
Alkohol- und Drogenkonsums. Die Polizei verhaftete 24 mutmassliche Drogenhändler.
Laut den Organisatoren nahmen rund 800 000 Personen am Umzug teil. Eine Zahl, die
10 der ehemalige Stadtpolizist Peter Iseli in der «SonntagsZeitung» in Zweifel zog.
Auf Grund des von ihm entwickelten Berechnungssystems kommt er auf höchstens
300000 Teilnehmer.
Auf der 2,4 Kilometer langen Strecke rund ums Seebecken verkehrten 23 Love Mobiles.
Der Verein Street Parade äusserte sich sehr zufrieden über die diesjährige Veranstaltung.
Tages-Anzeiger, 13. August 2007
Der Tod des 18-Jährigen rief deutliche Reaktionen der Leserinnen und Leser hervor:
Erfolg trotz Totem und Verletzten? Kann man von einem grossen Erfolg der Street Text 4
Parade sprechen, wenn ein junger Mensch ermordet wird und mein Enkel ausgeraubt,
niedergeschlagen wurde und – nachdem ihm mit den Füssen ins Gesicht getreten
wurde – mit einer Hirnblutung und gebrochenem Kinn im Koma auf der Intensivstation
des Uni-Spitals liegt?
L. B., ZÜRICH
Schreibformen 43
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Einzelne Mitwirkende erlebten die Street Parade aus unterschiedlichen Perspektiven.
44 Schreibformen
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2 Schreibformen
MODUL C
Einen Überblick über die unterschiedlichen Textsorten finden Sie in Modul A, «Kommunika-
tion». Die folgenden Schreibformen werden in Beruf und Schule, aber auch im Privatbereich
verlangt. So werden Sie vielleicht aufgefordert, für den Sportverein einen Zeitungsbericht oder
für Ihr Firmenmagazin einen Bericht über den Sprachaufenthalt zu schreiben.
Die folgenden Gegenüberstellungen verschiedener Schreibformen erleichtern das Erkennen der
wesentlichen Unterschiede und geben Hinweise, was beim Schreiben jeweils zu beachten ist.
Ergänzen Sie eigene Beobachtungen beim Vergleichen der Texte, Erfahrungen aus Ihrer
Schulzeit und Schreibpraxis sowie wichtige Hinweise Ihrer Lehrperson.
2.1 Das Ereignis: Was ist geschehen?
Gegen 13.30 Uhr waren wir dann hier am Tödliche Messerattacke überschattete erzählen und berichten
Bellevue einsatzbereit. Und eben, lange war Street Parade – Zwei Messerstechereien
es ruhig, bis etwa um 17 Uhr. Da hat es trüben das Bild der diesjährigen Street Pa-
einen richtigen Knall gegeben. Die Leute rade in Zürich. Ein junger Mann starb, und
kommen meistens an den Zaun und rufen zwei weitere Männer wurden verletzt. In
uns, wenn jemand irgendwo liegt. Vielfach beiden Fällen sind die Täter flüchtig. Die
werden die Patienten direkt zu uns ge- tödlich verlaufene Messerattacke ereignete
bracht. Eine Diagnose zu stellen, ist oft sich am Samstag gegen 21.30 Uhr auf der
schwierig, gerade bei Drogen. Rathausbrücke.
Erlebtes, Erfundenes oder eine Mischung da- • Die Meldung bietet die kürzeste Sach-
raus wird spannend mitgeteilt. information: Wer? Was? Wo? Wann?
• Alltags- oder spontane Erlebniserzäh-
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus SpracheNachricht
• Die liefert
BM mit digitalen genauere
Lösungen Informati-
und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
lungen sind wenig geordnet, vermischt onen als die Meldung, nennt Namen,
mit Eindrücken, Erinnerungen und Schil- fragt nach den Quellen, vgl. Textbeispiel:
derungen. Das Präsens kann hier unmittel- 21.30 Uhr, Rathausbrücke; Zahl der Ver-
bar und echt wirken. letzten, der Drogenhändler.
• Die Schreibform Erzählung verlangt nach • Ein Bericht geht Zusammenhängen nach,
Ordnung und Struktur: Ein klarer Aufbau deckt Hintergründe auf (warum?), leuch-
mit Höhe- oder Wendepunkt sowie die tet verschiedene Aspekte aus (wie?) und
Zeitform Präteritum (als Ausnahme das berücksichtigt auch die Zukunft (mit wel-
Präsens) sind drei typische Merkmale. Der chen Folgen?), z. B. Jugendgewalt oder
Schluss kann überraschen – oder offen die Zunahme des Drogenkonsums.
bleiben.
Sprache und Stil: anschaulich und lebendig; Sprache und Stil: klar strukturiert; sachlich,
handlungsstarke Verben, treffende Adjektive; informativ, um Objektivität bemüht
abwechslungsreicher Satzbau
Schreibformen 45
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2.2 Die Meinungen: Wie ist das zu verstehen? Was heisst das?
meinen und Ich möchte der Familie des 18-jährigen Kaum rollt der Sponsoren-Rubel nicht mehr
kommentieren Opfers mein tief empfundenes Beileid auf so rund wie auch schon, bekommen die
diesem Weg ausdrücken; nur annähernd Organisatoren der Street Parade kalte
kann ich nachempfinden, was dies für sie Füsse. Darum versprechen sie treuherzig,
bedeuten muss. ein paar Hunderttausend Franken aus der
Ich sitze am Bett meines Lebenspartners im Steuerkasse würden genügen, um das
Universitätsspital – er hatte einen grossen sommerliche Technospektakel über Wasser
Schutzengel, denn er lebt noch. zu halten.
46 Schreibformen
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL C
2.3 Die Eindrücke: Wie wirkt das? Wie geht das?
Schilderung Beschreibung
einer Person, eines Gegenstandes, eines Ortes
oder Weges, einer Landschaft, eines Vorgan-
ges, eines Ablaufs (Gebrauchsanleitung)
Gerade jetzt ist unglaublich viel los hier. Die Rathaus- oder Gemüsebrücke ist ein schildern und
Es war lange ruhig, nur ein paar Schnitt- platzartig gestalteter Flussübergang in der beschreiben
wunden und Blasen, aber jetzt geht es rich- geografischen Mitte der Zürcher Altstadt.
tig los. Das hat damit zu tun, dass die Die alte Stadt Zürich besitzt im Gegensatz
Sonne scheint, dann ist es heiss, und die zu vielen anderen Städten zwei gleichwer-
Leute kollabieren eher. tige Stadthälften auf beiden Seiten des
Flusses. Beidseits des Flusses steigt das
Terrain an, und auf beiden Seiten befinden
sich in Sichtweite der Brücke die wichtigs-
ten sakralen und weltlichen Bauten der
Stadt. Die Gemüse- oder Rathausbrücke
wird dadurch spontan als ein ganz besonde-
rer Ort, als ruhender Pol in der Mitte der
Stadt erfahren.
Die Funktion als Marktplatz ist seit dem
frühen 14. Jahrhundert nachgewiesen. Die
inoffizielle, aber im Volk weit bekanntere
Bezeichnung «Gemüsebrücke» oder mund-
artlich «Gmüesbrugg» hat sich bis heute
erhalten.
Das unmittelbare Erleben zählt, die sinnliche Im Gegensatz zur Schilderung verlangt die
Wahrnehmung wird im Text «miterlebbar». Beschreibung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Objektivität
Sprache BM mit digitalen und
Lösungen und Sachlichkeit.
Kommentar für Lehrpersonen
• Sehen: Farben, Persönliches
Mengen,Exemplar
Grössenvon Liza Basha, 8307 Effretikon
• Hören: Musik, Lärm, Stimmen, Klänge, Während die Personenbeschreibung sach-
Rhythmen lich gehalten ist (Vermisstenmeldung oder
• Riechen: Düfte, Gestank Steckbrief), gilt die Charakteristik als Misch-
• Fühlen: Pulsschlag, Brennen, Berührung, form aus Schilderung und Personenbeschrei-
Schlag, Atemnot; Stoss; Glück, Angst, bung: Ein Mensch soll möglichst in all seinen
Freude Charakterzügen erfasst werden.
• Schmecken: süss, sauer, salzig, bitter
Sprache und Stil: treffende, sinnlich erleb- Sprache und Stil: genau, die Einzelheiten
bare Wortwahl benennend; verständlich; z. T. Fachwortschatz
Schreibformen 47
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2.4 Auf den Punkt gebracht: Was geschieht, und wie gefällt’s?
Sat1, 21.15: Navy CIS – Giftgas Stephen King: Wahn, Heyne, 895 Seiten
Ein Major der Marines wird tot in der Duma Key, die kleine Insel vor Floridas
zusammenfassen und Kanalisation gefunden. Er starb an einem Küste, ist kein Ort der Erholung. Von Tro-
besprechen Giftgas, dessen Einsatz verboten ist und das penstürmen gepeitscht, scheint sie auf uner-
nur noch zu Forschungszwecken benutzt klärliche Weise unter dem düsteren Bann
werden darf. Gibbs und sein Team stossen ihrer Besitzerin, der alten Lady Westlake, zu
bei den Recherchen bald auf einen alten stehen. Dennoch beschliesst der Selfmade-
Bekannten: Mamoun Sharif. Sharif hat sich Millionär Freemantle, sich hier beim Malen
zehn Kilogramm des Giftgases beschafft von einem verheerenden Unfall zu erholen,
und damit 108000 Ein-Dollar-Scheine bei dem er einen Arm verloren hat. In sei-
kontaminiert. Die will er unter die Leute nem 47. Roman – dem besten seit Langem –
bringen, um seine Familie zu rächen. Ein führt der 60-jährige King vor, wie die über-
Wettlauf gegen die Zeit beginnt ... bordende Kreativität des Malers die Vergan
genheit buchstäblich zum Leben erweckt
und droht, den Schöpfer in den Strudel
einer mörderischen Familientragödie zu
reissen.
Sprache und Stil: sachlich, weder wertend Sprache und Stil: erkennbare Sprachunter
noch ausschmückend; eigene Formulierungen schiede zwischen sachlicher Information und
wählen (Ausnahme: wichtige Zitate); keine persönlicher Wertung; handlungsstarke Ver-
direkte Rede; Zeitform: Präsens ben, treffende Adjektive; rhetorische Figuren,
«Roter Faden»: Abläufe, Ereignisse und Pro- z. B. Metaphern, Vergleiche u. a.
zesse müssen nachvollziehbar sein, Figuren Der Schluss des Buches oder des Films darf
charakterisiert. weder angedeutet noch vorweggenommen
Der Umfang ist oft vorgegeben: sieben Sätze, werden!
eine Seite, 500 Wörter; eine Stunde.
Fachbegriffe je nach Adressaten klären.
48 Schreibformen
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
3 Die etwas anderen Schreibformen
MODUL C
Die folgenden fünf Schreibformen dienen in erster Linie der Anregung und sollen zum Schrei-
ben verführen. Wer Genaueres wissen und sich in Einzelheiten vertiefen will, sucht im Internet
oder in entsprechenden Handbüchern.
• Kreatives Schreiben
• Gedichte, Geschichten, literarische Helden, aber auch lebende Menschen können paro Parodie
diert werden. Dabei geht es im Wesentlichen darum, typische Merkmale und Charakter-
züge herauszuarbeiten oder gar zu überzeichnen – keinesfalls aber zu verletzen.
• Eine Geschichte, eine Novelle, ein Roman wird fortgesetzt oder für die Gegenwart oder Fortsetzung
die Zukunft neu geschrieben; z.B. haben Romeo und Julia überlebt und leben im
21. Jahrhundert.
Ein Beispiel ist die Verfilmung von Shakespeares Tragödie durch Baz Luhrmann aus dem
Jahre 1997 mit Claire Dannes und Leonardo DiCaprio. Das Ganze spielt nicht im Verona
um 1600, sondern in Verona Beach, einer schmutzigen, von Gewalt geprägten latein
amerikanischen Küstenstadt am Ende des 20. Jahrhunderts.
• Weitere Möglichkeiten sind Briefe an oder Dialoge zwischen fiktiven Figuren, z. B. Dialog
Wilhelm Tell trifft eine Bundesrätin oder den Trainer der Schweizer Fussball-National
mannschaft.
Schreibformen 49
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Der Schriftsteller Günter Wallraff (1942) erregt mit seinen ungewöhnlichen Methoden der
Recherche und seinen Maskierungen immer wieder Aufsehen. Besonders spektakulär war
seine Reportage als Türke Ali, die er in «Ganz unten» 1985 veröffentlichte. 2007 meldet er
sich mit neuen Erfahrungen zurück.
• Lesen Sie den folgenden Text aufmerksam durch, kennzeichnen Sie die Schlüsselwörter,
und arbeiten Sie die sprachlichen Merkmale einer Reportage heraus.
Undercover im Callcenter
Reportage 1 Ich trage falsche Haare, Kontaktlinsen, habe meinen Schnauzbart abrasiert, und das
Marathontraining des vergangenen Jahres hat mich zusätzlich verjüngt. Ich bin 49 und
heisse von nun an Michael G. – mein Name, und damit meine Identität, ist von einem
Freund geliehen. (…)
5 Mein nächstes Callcenter (…) ist ein junges, aufstrebendes Unternehmen, das auch in
den Internetstellenanzeigen der Arbeitsagentur zu finden ist. (…) einen Lebenslauf (…)
habe ich mir in der Nacht zuvor zusammengebastelt, nun stelle ich mich in Köln-Mül-
heim vor. Der Inhaber, Anfang 30, überfliegt meinen Lebenslauf mit respektvollem Ni-
cken. Ich habe einige Auslandsaufenthalte angegeben, die sich schwer überprüfen lassen,
10 «Entertainer auf Kreuzfahrtschiffen (östliches Mittelmeer und Nordatlantik-Route)» und
«drei Jahre Reiseführer in Namibia». Er selbst, sagt er, habe seine «innovativen Verkaufs
techniken» im Köln-Turm beim Callcenter ECS Group gelernt und später weiterentwi
ckelt. «Wir sind hier fast wie eine Familie», sagt der Chef und geht auch schon zum Du
über. Ich erfahre, dass er dabei ist, sich zu vergrössern, 450 Quadratmeter Parterre sollen
15 dazugemietet werden, seine Experten entwickelten gerade weitere Verkaufsideen.
Mein Job soll es sein, Auszüge des Jugendschutzgesetzes an Kneipiers, Wirte und Im-
bissbudenbesitzer zu verkaufen. Das Papier mit dem aktuellen Jugendschutzgesetz wird
von ZIU in einen Ikea-Rahmen gesteckt, der 4.50 Euro kostet, und per Barnachnahme
für 69 Euro an den Käufer geschickt. Dass man sich den Text im Internet kostenlos
20 herunterladen kann, wissen die wenigsten Wirte.
© 2023 Ich
Verlag SKVsitze mit Sprache,
AG: Fokus fünf Kollegen
Fokus Sprache– BM
vier
mitFrauen und einem
digitalen Lösungen Mann für
und Kommentar – im
frage mich: Büro. Ich
Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Warum geben sie sich dafür her? Wer zwingt sie dazu? (…) Es seien oft Verzweifelte, die
über lange Zeit arbeitslos gewesen seien und sich an den letzten Strohhalm klammerten.
Die nun am Telefon Energie und gute Laune versprühen müssten, obwohl es ihnen
25 dreckig gehe. Aber welche Auswirkungen hat eine solche Arbeit auf die Beschäftigten?
Einmal unterstellt, dass hier keine Betrüger am Werke sind, die lustvoll andere ausneh-
men. Schon die Einrichtung des Büros gibt eine Antwort: An der Wand hängt eine Tafel,
auf der die Verkaufsabschlüsse namentlich erfasst werden. Wer einen neuen Abschluss
zustande gebracht hat, geht nach vorn und notiert das. So entsteht automatisch Erfolgs-
30 und Konkurrenzdruck. Und alle können stolz sein auf ihre Tätigkeit, sie handeln
schliesslich im höheren Auftrag, im staatlichen Interesse zum Schutze der Jugend. Eine
sanfte, vertrauenerweckende Stimme neben mir sagt gerade sehr überzeugend: «Sie be-
kommen das wirklich nirgendwo ausser bei uns. Das war früher so, dass Sie das im
Einzelhandel und in der Metro kaufen konnten. Aber weil die Gastronomen sich nicht
35 gekümmert haben, wurden wir beauftragt, es Ihnen zu schicken.» Eine Lüge. Bei der
Metro ist das aktuelle Jugendschutzgesetz für 10.70 Euro zu haben.
Bei türkischen Dönerbuden-Besitzern, griechischen Tavernen-Inhabern und italienischen
Eisverkäufern funktioniert die Masche (…) besonders gut. Viele der Angerufenen haben
sprachliche Defizite, sind leicht zu verunsichern und glauben, es mit einer Behörde zu
40 tun zu haben, deren Anordnungen sie Folge leisten müssen. Besonders rigoros springt
unser türkisch-deutscher Teamleiter Murat* mit seinen Landsleuten um. Schon seine
Stimme überbietet an Lautstärke und Gewichtigkeit alle anderen. Er meldet sich: «Horst
Müller ist mein Name. Ich rufe im Auftrag des Deutschen Jugendschutzes an. Jetzt
gehen Sie erst mal nachschauen, von wann Ihre Jugendschutztafel überhaupt ist!», ord-
45 net er an und zwinkert mir dabei zu. Dann droht er: «Herr Turan, jetzt hören Sie mir mal
gut zu. 1985! Wir haben jetzt 2007. Die ist seit 22 Jahren ungültig! Wenn das Ord-
nungsamt kommt, zahlen Sie 300 Euro Strafe. Verstehen Sie, das sind Gesetze, Pflicht.
Wir kommen sonst mit dem Ordnungsamt vorbei.» Dann erklärt er mit verbindlicher
Beamtenstimme: «Es handelt sich um eine einmalige Bearbeitungsgebühr von 69 Euro.
50 In drei Tagen wird Ihnen der Briefträger das neue Jugendschutzgesetz per Nachnahme
50 Schreibformen
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
bringen. Und tragen Sie dafür Sorge, dass es auch gut sichtbar aushängt.» Danach sagt
MODUL C
Murat zu mir: «Der ist schon 15 Jahre hier, betreibt einen Dönerladen und spricht kaum
Deutsch.» – «Warum sprichst du mit deinen Landsleuten kein Türkisch?», will ich wissen.
«Vor den Deutschen haben sie mehr Angst und Respekt», antwortet er – und ausserdem:
55 «Isch bin ene kölsche Jung.» (…)
Die Einzige, die sich nicht hinter einem falschen Namen versteckt, ist Manuela*, die
Dienstälteste. Sie ist seit der Hochzeit mit ihrem arabischen Ehemann zum Islam konver-
tiert und trägt Kopftuch. Sie zieht alle Register: «Wie ist denn Ihr Name?! Wenn Sie mir
jetzt nicht sofort die Telefonnummer Ihrer Tochter geben, werden Sie es mit dem Ord-
60 nungsamt zu tun bekommen. Sie stellen sich mir gegenüber quer. Ihren Namen will ich
wissen! … Darum kriegen Sie auch alles schriftlich, weil wir keine Betrüger sind … Weil
anscheinend nur Ihre Tochter fähig ist, mir korrekt zu antworten. … Ist das denn so
schwer, Ihren Namen zu sagen? Haben Sie denn irgendetwas zu verbergen? … Weil wir
uns nicht irgendwo in der Dritten Welt befinden, sondern in Deutschland. Auch Sie
65 müssen lernen, wie man sich in Deutschland verhält. Haben Sie was zum Schreiben in
der Hand? Können Sie überhaupt schreiben?! … Sind Sie schwarz in Deutschland? … Wo
hat man Sie betrogen? Haben Sie jemals gehört, dass der Deutsche Jugendschutz einen
betrügt! … Ja, dann gucken Sie lieber nicht so viel Fernsehen, das kann schädlich sein.
Also, ich möchte mit Ihnen nicht weiter diskutieren. Dann haben Sie eben Pech gehabt.
70 Ich schicke Ihnen das Ordnungsamt!»
(…) Mein Selbstversuch führt nun zu einer mir selbst unheimlichen Persönlichkeitsver-
änderung: Um dazuzugehören, muss ich vom Mitspieler zum Mittäter werden. Nach dem
ersten Erfolg gratulieren mir der Chef und der Teamleiter, die anderen applaudieren. Ich
bin aufgenommen in die Betrugsfamilie. Nach der Arbeit rufe ich bei der Stadt Köln an.
75 Ich erhalte die Auskunft, dass ein Wirt, der sich trotz mehrfacher Aufforderung weigert,
einen aktuellen Auszug des Jugendschutzgesetzes auszuhängen, mit 25 Euro Ordnungs-
geld rechnen muss.
Am nächsten Tag versuche ich während der Pause, unser kriminelles Treiben im Kolle
genkreis zur Sprache zu bringen. «Dürfen wir wirklich sagen ‹im Auftrag des Deutschen
80 Jugendschutzes›? WirVerlag
© 2023 beauftragen
SKV AG: Fokus uns doch
Sprache, selbst.
Fokus SpracheIst
BMda
mit noch
digitalennie was und
Lösungen passiert, eine
Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Anzeige oder so? Und der Trick, dass die Tafel nirgendwo zu haben sei?» Zuerst betrete-
nes Schweigen, dann antwortet Clarissa fast beschwörend: «Da wird auch nix passieren.»
Und alle behaupten und glauben es am Ende selbst: Der Chef hat es so gesagt und damit
allein zu verantworten, es geht alles mit rechten Dingen zu! Von ihrer Unschuld am
85 stärksten überzeugt ist Manuela: «Die Erste, die hier nicht mehr arbeiten würde, wenn
ich was mit meinem Gewissen und Glauben nicht vereinbaren könnte, das wäre ich.»
Nach der Pause kommt der Teamleiter. «Neue Order vom Chef. Die Jugendschutztafel
läuft fantastisch. Wer 69 Euro dafür ausgeben kann, der zahlt auch 89. Und jetzt statt
mit Holz- mit Aluklapprahmen.»
90 Da ziehe ich es vor, mein Gastspiel zu beenden. «Ich muss dringend zum Zahnarzt», sage
ich. – «Bleib nicht zu lange weg, und bring eine ärztliche Bescheinigung mit», ermahnt
mich der Chef, «du hast wirklich Talent als Callagent.»
* Name von der Redaktion geändert
Der Inhaber von ZIU-International erklärt, sein Anwalt habe ihm mitgeteilt, er handle absolut gesetzeskonform.
DIE ZEIT, Nr. 22, 24. Mai 2007
Aufgabe
Schreibformen 51
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
4 Schreiben heisst kommunizieren
Wer schreibt, will verstanden werden – und meist auch ein Ziel erreichen. Schreiben ist ein
kommunikativer Prozess (vgl. Modul A, «Kommunikation»). Zu verstehen und zu bewerten ist
nur, was auf dem Papier oder dem Monitor zu lesen ist – und nicht, was sich jemand dabei
noch so alles gedacht hat. Stellen Sie sich vor dem Schreiben folgende Fragen, und prüfen Sie
am Ende, ob der Text diese Fragen beantwortet.
•
Sachinformation: Was will ich mitteilen, darstellen, aussagen? Bin ich mir klar, worüber
ich schreiben will – oder muss? Welche Informationen brauche ich für meinen Text?
• Beziehung: Wie gewinne ich die Lesenden, die Empfänger? Führe ich sie durch den Text,
durch meine Geschichte, durch meinen Kommentar? Mit welchen Worten kann ich den
Lesenden «meine Botschaft» näherbringen? Schaffe ich es, dass z. B. ein Erlebnis zu Tränen
rührt oder mein Kommentar die meisten überzeugt?
• Appell: Was soll das Publikum erleben, fühlen, denken, meinen? Wen will ich ansprechen?
• Selbstkundgabe: Wie stelle ich mich dar? Was wird von mir, von meinem Text erwartet?
• Sprache und Stil: Treffe ich die Sprache meiner Lesenden? Werde ich verstanden?
Wie nutze ich die sprachlichen Mittel?
Aufgabe
Wählen Sie ein Thema und eine Schreibform, stellen Sie sich die Fragen, und notieren Sie Ihre
Antworten in Ihrem Arbeitsheft. Anschliessend verfassen Sie den Text und lassen ihn von ande-
ren lesen, die die gleichen Fragen beantworten. Vergleichen Sie die Lösungen: Worin stimmen
sie überein? Was ist unterschiedlich?
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
4.1 Schreibhilfen
Damit Ihr Text gelingt, können – je nach Zeitaufwand – folgende Hilfsmittel genutzt werden:
• Ein anerkanntes Rechtschreibwörterbuch, die neuste Ausgabe, gehört einfach zum
Handwerk des Schreibens. Vorzuziehen sind umfassendere Wörterbücher, z. B. das Duden
Universalwörterbuch. Darin finden sich weiterführende Informationen über die Herkunft,
den Wortgebrauch sowie Redewendungen und Stilschicht. Der Wortschatz ist grösser, und
Fremdwörter sind genauer erklärt.
• Duden, Band 9: Richtiges und gutes Deutsch. Dieser Band enthält Antworten auf zahl
reiche Zweifelsfälle und Sprachprobleme, z. B.: Sie hat sich für diesen (nicht: zu diesem)
Schritt entschieden (aber: zu diesem Schritt entschlossen).
•
Synonymwörterbücher helfen, den Wortschatz zu erweitern, verwandte Wörter zu ent-
decken und einen genaueren Ausdruck zu finden; die richtige Wahl nehmen sie nicht ab.
• Ein Stilwörterbuch zeigt die inhaltlich sinnvollen und grammatisch richtigen Verknüpfun-
gen der Wörter sowie feste Verbindungen, Redensarten und Sprichwörter. Ebenfalls findet
sich darin die Beschreibung verschiedener Stilschichten, vgl. folgende Seite.
• Eine besondere Art sind «umgekehrte» Fremdwörterbücher, die vom deutschen Wort
zum Fremdwort führen. Sie dienen nicht zum Angeben oder Bluffen, sondern sind hilfreich
bei der Suche nach bedeutungsähnlichen Fremdwörtern, wenn beispielsweise eine andere
Ausdrucksform gesucht wird oder ein fremdsprachiger Fachausdruck gefunden werden
muss. So steht darin z.B. für «eingebildet» affektiert, arrogant, blasiert, elitär und snobis
tisch, aber auch fiktiv; und für «Einspruch» stehen die Begriffe Demarche, Protest, Rekurs,
Remonstration und Veto. Die richtige Verwendung der Wörter wird einem aber nicht
abgenommen.
52 Schreibformen
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL C
4.2 Stilschichten
(Papier-, Bürokraten- Hochsprache licher, salopper Stil Stil
oder Technokraten-
deutsch)
eine grosse Bürde unter Bezugnahme (Ehe-)Frau – Knüller; ein krepieren (für:
tragen; heimgehen auf, in Verlust (Ehe-)Mann; Schläfchen machen, sterben); kotzen,
(für sterben); in an- geraten, in Angriff verlieren, beginnen, wie ein Spatz essen; eine Meise haben,
deren Umständen nehmen, in anfangen; Frau – Mann; die Schnauze halten;
sein; Gemahlin – Erwägung ziehen; die Dusche; «Braut», Tussi der Alte – die Alte
Gemahl; Gattin – © 2023 Verlag
Ehepartner/in; einSprache
SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Schnitzel
BM mitmit
digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Gatte die Nasszelle; Pommes frites
ein Schnitzel mit
Sättigungsbeilage
Gerade in der Schweiz kann die Mundart sehr gepflegt, aber auch
sehr ordinär gesprochen werden; auch innerhalb der Mundart lassen
sich Stilschichten unterscheiden.
Schreibformen 53
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Modultest
2. Lassen Sie sich vom folgenden Text zu einer Zusammenfassung oder zu einem
Kommentar oder zu einem Leserbrief anregen.
K a t h a r i n a F eh r
Der Hamburger, der die Welt erklärt
Der Big-Mac-Index wird 20 Jahre alt. Nicht immer sehr präzis, aber robust und unterhalt-
sam gibt er Hinweise auf die Bewertung von Währungen.
Kennzeichnen Sie die 1 Seit20 Jahren versucht die britische Wirtschaftszeitung «The Economist», mit Hilfe des
Schlüsselwörter. Big Mac von McDonald’s dem Publikum die knochentrockene Wechselkurs-Theorie
der Kaufkraftparität näherzubringen. Der jährlich publizierte Big-Mac-Index mag eine
beschränkte Aussagekraft haben, umso grösser ist der Unterhaltungswert der Liste mit
5 den Preisen des Doppel-Hamburgers in 32 Ländern.
15 Dahinter steht die Theorie der Kaufkraftparität. Sie geht davon aus, dass identische
Güter überall auf der Welt das Gleiche kosten sollten. Tun sie dies nicht, werden sie von
den billigeren Ländern in die teureren exportiert, bis sich die Preise beziehungsweise die
Wechselkurse angleichen.
Eigentlich ist der Big Mac für diese Theorie denkbar ungeeignet. Zwar gibt es ihn in
20 über 120 Ländern, er ist überall gleich gross, besteht aus den gleichen acht Zutaten, und
mit 560 Kalorien macht er überall gleich dick. Das spricht für den Big Mac. Gegen ihn
spricht, dass er nicht gehandelt werden kann. Er wird nicht zentral hergestellt, sondern
besteht aus lokalen Nahrungsmitteln. Der hiesige Big Mac stammt zu mehr als zwei
Dritteln aus der Schweiz. Durch Handel können sich die Preise also nicht angleichen.
54 Schreibformen
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
C ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
MODUL C
Arbeitnehmende in Zürich müssen durchschnittlich nur 11 Minuten arbeiten,
25 Über die Jahre wurde der Big-Mac-Index kopiert. um sich einen Big Mac leisten zu können, in Nairobi hingegen fast 3 Stun-
Aber ob Starbucks-Index, iPod-Index oder Ikea- den.
Bücherregal-Billy-Index – sie alle wurden nur ein Notwendige Arbeitszeit für den Kauf von …
(UBS, Preise und Löhne, 2015)
einziges Mal erstellt. Obwohl etwa der iPod für die Städte
(Auswahl) 1 Big Mac 1 kg Brot 1 kg Reis
Theorie der Wechselkursparität geeigneter wäre als in Minuten in Minuten in Minuten
30 ein Hamburger. Für die Schweizer spielt es kaum eine Athen 26 20 34
Rolle, welches Produkt herhalten muss, das Fazit ist Bangkok 37 47 17
stets gleich: Der Franken ist überbewertet, Schweizer Beijing 42 40 36
zahlen mehr als der Rest der Welt. Einen gewissen Bogotá 35 18 18
Trost kann das Hochpreisland in den Berechnungen Bukarest 44 11 28
35 der UBS finden. Sie hat den Big-Mac-Index weiter- Delhi 50 23 73
entwickelt und – zum zweiten Mal – errechnet, Dubai 17 9 13
wie lange Menschen arbeiten müssen, um sich den Frankfurt 13 10 14
Hamburger leisten zu können. Trotz grosser Kauf- Istanbul 34 22 23
kraft in der Schweiz muss man doch noch 13 Minu- Jakarta 67 70 58
40 ten für einen Big Mac arbeiten. Ein Kilogramm Brot Kiew 55 26 44
D ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Der Big-Mac-Index hat Exemplar
Persönliches weiterevonMängel.
Liza Basha,Er rechnet
8307 Effretikonweder Steuern, Mieten noch lokale
Lohnkosten aus. Solche nicht handelbaren Faktoren sind in Schwellenländern günstiger,
weshalb diese Währungen von vornherein unterbewertet erscheinen. Dennoch: Trotz
50 seiner Unvollkommenheit ist der Big-Mac-Index für die meisten Wechselkurse ein guter
Indikator. 1999, als der Euro eingeführt wurde, hatte der Big-Mac-Index seine Stern-
stunde. Die meisten Beobachter hielten den Euro für unterbewertet. Nicht so der Big-
Mac-Index: Zwischen 1999 und 2000 hat der Euro dann tatsächlich an Wert verloren.
Derzeit deutet der Index wieder auf eine Überbewertung der europäischen Währung hin.
NZZ am Sonntag, 4. Juni 2006
Schreibformen 55
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
3. Vier Themen zur Wahl: Präzisieren Sie eines der folgenden Themen, wählen Sie eine
Schreibform – und schreiben Sie. Halten Sie möglichst genau die formalen Vorgaben der
jeweiligen Schreibform ein.
• Zehn Minuten
Was kann in zehn Minuten passieren? Man kann sich verlieben, sterben oder im Fuss-
ball-WM-Finale zwei Tore schiessen. Man kann die Wahrheit über etwas erfahren, ein
Vorstellungsgespräch meistern oder eine Prüfung in den Sand setzen – und noch viel
mehr ...
• Begegnungen
Wer trifft wen? Ist es eine harmonische, misslungene oder schockierende Begegnung?
Welche Konsequenzen hat die Begegnung für den Beruf, die Zukunft?
• Zu Hause
Was kann man in den eigenen vier Wänden erleben?
• Tanzen
Auf der Nase herumtanzen. Tanz auf dem Vulkan. Tanz um das Goldene Kalb. Tanzkurs
erfahrung. Nach anderer Leute Pfeife tanzen.
4. Schreibtraining: Schreiben Sie eine Meldung, und geben oder mailen Sie diese an
Mitlernende weiter; der nächste erweitert die Meldung zu einer längeren Nachricht,
die nächste formuliert einen Bericht daraus; dem folgt ein Kommentar usw.
Überprüfen Sie am Ende die Schreibformen anhand der Kriterien: Was ist gelungen?
Was muss verbessert werden?
Charakteristik: Führen Sie ein Interview mit einem Menschen, der Sie interessiert (vgl.
«Methodenkoffer» unter www.fokus-sprache.ch). Verarbeiten Sie die Antworten und Ihre
Eindrücke zu einer Charakteristik. Legen Sie Ihren Text den Mitlernenden und der interview-
ten Person zur Begutachtung vor: Erkennt sie sich darin wieder?
5. Schreiben Sie einen Bericht für Ihre Schulzeitung, Ihr Firmenmagazin oder eine entspre-
© 2023 Verlagchende
SKV AG: Internetseite.
Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Besonders anspruchsvoll ist es, nicht nur über den Anlass zu berichten, sondern Gleich-
altrige für ähnliche Ereignisse zu begeistern. Als Themen eignen sich Ausstellungen, Firmen-
oder Sportanlässe, Konzerte, Sprachaufenthalte und Schulreisen.
6. Wagen Sie sich an eine kreative Schreibform heran, z. B. an einen Essay oder eine Repor-
tage. Wählen Sie ein Thema, für das Sie sich engagieren, und gestalten Sie einen spannen-
den Text.
7. Die Herausforderung zum Schluss: Betreten Sie Neuland, und schreiben Sie einen Ver-
gleichstest, z.B. prüfen Sie Jeans, Lippenstifte, Download-Portale, Jugendmagazine oder
gar Handys auf ihre Tauglichkeit. Oder wählen Sie ein anderes Produkt.
Sie gehen ähnlich vor wie bei einer Besprechung. Zuerst beschreiben Sie die Produkte,
anschliessend die Kriterien, die Sie untersuchen, sowie Ihr Vorgehen. Schliesslich stellen Sie
die Testergebnisse dar. Am Ende können Sie die Produkte mit Schulnoten, Sternen oder
Ähnlichem bewerten. Als Muster dienen Ihnen Konsumentenmagazine und entsprechende
TV-Sendungen.
56 Schreibformen
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL D
Medien und Rhetorik
Lernziele
•
Ich kann Medien – auch soziale Medien – nach
meinen Bedürfnissen und Ansprüchen nutzen
und bin mir auch der Grenzen und Gefahren
bewusst.
•
Ich kenne die Möglichkeiten des Umgangs mit
Bildern und verwende visuelle Materialien sach-
und adressatengerecht.
•
Ich wirke in Diskussionen konstruktiv mit (z.B.
ein Statement oder ein Votum abgeben), leite
Gruppendiskussionen (z.B. im Unterricht), gebe
unterstützendes Feedback – und verstehe es,
auf Feedback an mich angemessen zu reagieren.
57
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1 Impuls
Medien leben von Sprache – verbal und nonverbal. Wer öffentlich, im Beruf und privat
Wirkung erzielen will, setzt verschiedene Mittel ein, z. B. rhetorische und visuelle Mittel.
Damit kann die «Botschaft» besser an die Adressaten gelangen. Die folgenden Beispiele
verdeutlichen dies, und zwar vom flapsigen Werbespruch bis zum einfühlsamen Gedicht.
• Beschreiben Sie, was an diesen Beispielen auffällt und welche Wirkung sie erzielen?
ektor
e h r t e F rau Dir
Sehr ge n Erfolg
r b e it ende e n g e m einsame –
it a ein men
Liebe M e r e s g eben, als erg ist erklom ein
hö n rB ist
nn es Sc eicht, de ft. Dies
Was ka Das Ziel ist err h in die Zukun Kollegen –
zu feier
n? sichtlic en und
e h e n w ir zuver liebe Kolleginn n –, beigetragen
jetzt s ie alle, -Chefi
u dem S arketing
Erfolg, z nden bis zur M
ne rbeitet,
vom Ler z u s a m mengea
haben. Familie rn.
a t w ie ein gute n wir heute feie
eam h e
Unser T ilie woll
e in e g ute Fam
und wie
ch zeit
t Ho
in läss
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
der
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
In ehr
tm
– nich ats
us 6
l
?
u mm ehm
e n
Heir
s ist
15 p
z ud . Sie n at eine horie» ollar a
b
a
am usst
e r
tzt h t «Doll
ar-Eup zum D
W
skrieg
r ä utig l b s tbew aben. Je Mehr Vorsich
Währung
B zen er se ht h gt. ucht im
imm usgesuc st verlan Euro ta
platschen e n e
werd sie a atikt
en
Finanz
äute tern für athem
n
Me r
B l
sche ie E en M
Indi , den d erst ein
n u
jede idatin z
ka n d
R a i n e r M a r i a R i l k e , 1875 –1926
Herbsttag
MODUL D
Vergleichen Sie mit dem folgenden Raster, wie ein aktuelles Ereignis in unterschiedlichen
Medien dargestellt wird. Je nach Arbeits- und Zeitaufwand lassen sich die einzelnen Kriterien
erweitern. So können eine Boulevard- oder Gratiszeitung und eine Qualitätszeitung – gedruckt
oder auch als App – oder verschiedene TV-Sender miteinander verglichen werden.
Kriterium Medium 1 Medium 2
• Spontaner Eindruck
• Verständlichkeit
– Wortschatz (Fremdwörter,
Fachbegriffe)
– Satzbau
• Visuelle Elemente
– Bilder (Bildlegende)
– Diagramme © 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Hintergrundinformationen
• Wahrheitsgehalt
(Überprüfbarkeit) und Intention
der Darstellung
• Zusätze, Besonderheiten
Abschliessende Wertung,
•
z.B. mit Schulnoten
Das Smartphone hat sich 2014 endgültig bei den Schweizer Jugendlichen etabliert:
97 Prozent besitzen ein eigenes Smartphone; 2010 war es knapp die Hälfte gewesen.
Dies zeigt die JAMES-Studie 2014, die seit 2010 bereits zum dritten Mal durchgeführt wurde
und damit erstmals Trends aufzeigen kann. Alle zwei Jahre befragt die ZHAW Zürcher Hoch-
schule für Angewandte Wissenschaften über 1000 Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren
in den drei grossen Sprachregionen der Schweiz zu ihrem Medienverhalten. Mit den Smart-
phones hat sich auch die Handynutzung seit 2010 stark verändert. Das häufige Telefonieren
ging von 80 auf 71 Prozent zurück.
• Was können Sie aus folgendem Diagramm über die «Handyfunktionen nach Geschlecht»
aus dem Jahre 2014 ablesen? Formulieren Sie drei bis fünf Sätze.
95
WhatsApp/Line/Threema Einzelchat 92
94
als Uhr verwenden 89
90
WhatsApp/Line/Threema Gruppenchat 90
90
Musik hören 84
87
im Internet surfen 88
79
Soziale Netzwerke nutzen 73
71
telefonieren 72
63
Videos im Internet schauen 76
76
als Wecker verwenden 62
70
SMS nutzen 66
75
Fotos/Filme machen 60
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
66
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307
Fotos/Filme Effretikon
verschicken 58
62
E-Mail nutzen 59
59
Snapchat nutzen 49
37
Handyspiele spielen 71
42
Agenda nutzen 41
26
als Navi nutzen 31
Geschlecht
24
Servicemeldungen empfangen 30
Mädchen
23
Jungen
TV schauen 26
12
MP3 verschicken 20
13
Radio hören 13
0 25 50 75 100
Prozentangaben: täglich/mehrmals pro Woche
Quelle: ZHAW 2014
Drei von vier Schweizer Jugendlichen tauschen sich im Internet regelmässig über soziale
Netzwerke aus. 89 Prozent sind bei mindestens einem sozialen Netzwerk angemeldet. Auch
2014 ist Facebook am beliebtesten, jedoch dicht gefolgt von Instagram. Google+ und Twitter
haben in den letzten Jahren ebenso an Nutzerzahlen gewonnen. Interessant ist, dass bei den
jüngsten Befragten das auf Fotos und Videos spezialisierte Netzwerk Instagram höher im Kurs
steht als Facebook.
MODUL D
nach Geschlecht) erkennen?
• Beschreiben Sie Ihre Nutzung sozialer Medien und vergleichen Sie sich mit anderen.
88
Fotos anschauen 79
80
Profile von Freunden anschauen 65
74
Liken/«gefällt mir»-Button nutzen 64
67
chatten 71
66
Nachrichten versenden 63
32
Posts von Kontakten kommentieren 31
31
nach Freunden suchen 32
22
Videos posten/teilen 38
32
anderen an die Pinnwand schreiben 27 Geschlecht
Statusmeldungen posten 31 Mädchen
26 Jungen
18
Links posten 28
12
Musik teilen 24
15
Events organisieren 20
9
Games spielen 23
16
Kontakte vernetzen 14
10
Freundeslisten führen 15
0 25 50 75 100
Prozentangaben: täglich/mehrmals pro Woche
Quelle: ZHAW 2014
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Die JAMES-Studie kommt zum Schluss: «Die Bandbreite der Mediennutzung und Lieblings
aktivitäten zeigt, wie versiert Schweizer Jugendliche mit der sich rasend schnell wandelnden
Medienwelt umgehen. Viele erwachsene Bezugspersonen fühlen sich im Vergleich mit den
Jugendlichen im Rückstand. Wichtig ist jedoch, dass Medienkompetenz nicht nur die Nutzung
und das technische Know-how beinhaltet, sondern eben auch die Fähigkeit zu reflektieren und
Konsequenzen abzuschätzen. Tauschen sich Jugendliche und Erwachsene diesbezüglich aus,
können sie viel voneinander lernen.» (Quelle: ZHAW 2014)
Nicht alles, was im Internet und auf Social Media abläuft, ist «sozial». In den Bereichen Games,
Gambling, E-Communications sowie Sexualität und Gewalt drohen zahlreiche Gefahren.
Aber auch rechtliche Probleme und zahlreiche Formen von Betrug verunsichern jugendliche
Nutzerinnen und Nutzer.
Bilder sind allgegenwärtig und überall konsumierbar geworden. Die Bilderflut birgt die Gefahr,
die Intention «hinter» den Bildern zu ignorieren.
Bildkombinationen oder bestimmte -ausschnitte, Fotomontagen, Farbmanipulationen sowie
gestellte oder bestellte Szenen, das Spiel mit Licht und Schatten und viele andere Möglich
keiten lassen eigene visuelle Welten entstehen, die von einem «Abbild der Realität» weit ent-
fernt sind, z.B. Superzeitlupe, Zeitraffer, Mikrofotografie.
4.1 Informieren
4.2 Manipulieren
Bilder sind immer schon genutzt worden, um Menschen zu beeinflussen oder zu manipulieren.
Kaiser und Könige liessen sich schöner, prächtiger und mächtiger darstellen, als sie in Wirklich-
keit waren. Heute helfen Photoshop und andere Programme nach. Kaum ein Bild, das in den
Massenmedien verbreitet wird, ist «unbehandelt».
Einfach, aber wirkungsvoll: Der Text verändert die Bildaussage.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Agentur AFP: Ein islamischer Geistlicher versucht die Menge zu Zeitschrift «Stern»: Ein Geistlicher heizt die Stimmung aufgebrachter
beschwichtigen. Gläubiger in der libanesischen Hauptstadt an.
Auch scheinbar harmlose Manipulationen verfolgen eine Absicht: Was könnten die Gründe
sein?
Fans an der Fussball-WM 2014 in Brasilien.
• Welche inneren Bilder können Sie abrufen? Dragqueen Conchita Wurst gewinnt
• Warum sind gerade diese Ereignisse so gut gespeichert? 2014 den Eurovision Song Contest.
4.4 Emotionalisieren
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Der Ehemann verstümmelte der 18-jährigen Aisha Der Müll in den Weltmeeren führt zum Tod der Tiere, die das unverdauliche Plastik
2010 das Gesicht. Das Bild ging um die Welt. Einem fressen.
plastischen Chirurgen gelang in den USA die Rekon
struktion einer neuen Nase.
• Bilder wirken unmittelbar emotional; während ein Text nochmals gelesen und «entziffert»
werden muss, wirkt das Bild beständig weiter.
• Bilder übertragen Gefühle des Miterlebens schneller als jeder Text.
• Bilder bleiben in der Erinnerung haften und prägen die Vorstellung, die sich von der Wahr-
heit mitunter weit entfernen kann.
• Bilder können sinnstiftend und gemeinschaftsfördernd wirken – aber auch einengend
(«ein fixes Bild») und anderen gegenüber Vorurteile festigen.
Wer seine Anliegen über die klassischen Medien in die Öffentlichkeit bringen will, publiziert
eine Medienmitteilung. Für Medientexte gilt – im Gegensatz zu Schulaufsätzen – eine Grund-
regel: Das Wichtigste muss an den Anfang. Was in Aufsätzen eher verpönt ist, nämlich mit der
Tür ins Haus zu fallen, ist für Medientexte zwingend.
•
Aussagekräftiger Titel mit viel Information – eine echte «Schlag»-Zeile
• Informativer Untertitel («Sublines»)
•
Lead beantwortet einfache W-Fragen: Medienleute fragen: «Lohnt sich das Weiterlesen?»
•
2. Absatz: ausführlichere Informationen zum Lead, mehr Zahlen, Daten, Fakten und wichtige
Einzelheiten
•
3. Absatz: weitere Informationen sowie – idealerweise – das Zitat einer wichtigen, verantwortlichen,
kompetenten Person, z.B. der Präsidentin («Statement»)
•
Weitere Informationen mit abnehmender Wichtigkeit
•
Ansprechperson: Telefon, Mail, Erreichbarkeit; evtl. Hinweise auf Internetseite mit längerer PDF-
Version, Clips sowie weitere Zusatzinformationen, z.B. Facebook-Seite usw.
•
evtl. kurze Informationen zur Institution, zum Verein usw.
•
Die Medienmitteilung wird immer in der 3. Person geschrieben. «Ich» oder «Wir» kommt im Zitat
vor).
•
Länge: je kürzer, desto besser, nicht über zwei Seiten – Bildschirm-Layout berücksichtigen!
MODUL D
Ob Schlagzeile, PR-Slogan oder Abstimmungsparole, ob TV-Duell, Talk-Show oder Interview –
im Medienzeitalter ist ein guter Auftritt mit überraschenden Aussagen und originellen Formu-
lierungen wichtig, damit die Botschaft wahrgenommen wird. Im Team, im Verkaufs- und
Qualifikationsgespräch, bei Bewerbungen sowie auf Partys und an offiziellen Anlässen «macht
der Ton die Musik». Neben dem Inhalt – dem Was – ist auch die Art und Weise des Redens
und Schreibens – das Wie – entscheidend. Oft sind es die leisen Zwischentöne, auf die es
ankommt.
Manager, Politikerinnen, Vorgesetzte, Verkäufer, aber auch Lernende – wer vor anderen auf-
treten will oder muss, nutzt das Wissen der Rhetorik.
Die Auftritte von Stars aus Politik und Showbusiness wirken oft besonders locker, spontan und
leicht: Sprechen in der Öffentlichkeit und vor Publikum erscheint uns daher häufig als selbst-
verständlich und einfach. Erst wenn wir selbst auftreten und genau hinhören und hinsehen, er-
kennen wir die Schwierigkeiten und Herausforderungen. Wir lernen unterscheiden, welche
Mittel warum wirken – oder nicht.
Je lockerer und ungezwungener ein öffentlicher Auftritt wirkt, desto mehr Arbeit, Vorberei-
tung, Training und häufig auch Lebenserfahrung sind vorausgegangen.
Arbeiten Sie an Ihrer Aussprache und an Ihrer Stimme, indem Sie üben, üben, üben!
Suchen Sie Vorbilder, hören Sie genau auf andere, und lassen Sie sich Feedback geben; beob-
achten Sie sich in Videoaufnahmen und achten Sie u. a. auf folgende Punkte:
Allgemein gilt:
• Sprechen Sie langsamer – es ist immer noch schnell genug, denn die Zuhörenden kennen
das Thema nicht so gut wie Sie!
• Sprechen Sie auch das längste Wort deutlich aus. Verschmelzen oder verschlucken Sie
keine Endsilben: Landkarte (nicht Langkarte), Hauptbahnhof (nicht Haupanhof).
•
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus
Sprechen SieSprache,
Sätze Fokus Sprache BM und
konzentriert
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
mit digitalen Lösungen und
verständlich bisKommentar für Lehrpersonen
zum Ende.
• Üben Sie die korrekte Aussprache, besonders von schwierigen oder fremden Wörtern:
Stil (nicht pseudoenglisch Schteil); Industrie (nicht Induschtrie)
• Sprechen Sie Zahlen, auch Jahreszahlen, korrekt und hochdeutsch aus: achtzehnhundert-
zweiunddreissig
• Vokale müssen klingen, z. B. das geschlossene lange e in Erde (nicht Ärde); auch lange
und kurze Vokale müssen deutlich anders klingen, z. B. Wahrheit – Grammatik
• Üben Sie spielerisch mit Schnellsprechsätzen und Zungenbrechern; neben den Klassi-
kern bietet das Internet Tausende von Beispielen:
• Ich kann Schnellsprechsätze schneller sprechen, als andere Schnellsprechsätze sprechen
können.
• Brautkleid bleibt Brautkleid, und Blaukraut bleibt Blaukraut.
• Zwei Schweizer Schwertschweisser schweissen schwitzend Schweizer Schwerte.
Schweizer Schwerte schweissen schwitzend zwei Schweizer Schwertschweisser.
• Im dichten Fichtendickicht nicken dicke Fichten tüchtig.
• Leicht bröckelt die Rinde der breitblättrigen Linde.
• Sieben Zwerge machen Handstand, drei im Wandschrank, vier am Sandstrand.
• Wer gegen Aluminium minimal immun ist, besitzt Aluminiumminimalimmunität.
Der Körper redet immer mit. Unsere Gesten, die Haltung, die Blicke, aber auch die sichere und
leise Stimme. Was wir sagen, wird vom Körper verstärkt – oder widerlegt, wenn wir z. B. lügen.
Gestik, Mimik, Körperhaltung bzw. -bewegungen und Blickkontakt können die verbalen
Aktivitäten
• u nterstützen, z.B. durch wohlwollendes Nicken; Funktionen
• v erdeutlichen, z.B. Desinteresse oder Enttäuschung durch Starren in die Ferne oder
Glücksgefühle nach sportlichen Erfolgen;
• vorbereiten, z.B. durch Blickkontakt oder Handzeichen, um das Rederecht zu bekommen;
• ersetzen, z.B. Zustimmung oder Ablehnung durch Kopfnicken oder Kopfschütteln;
• verdecken oder vortäuschen, z.B. übertriebene Gesten, die den Aussagen widerspre-
chen.
Andere Kulturen, andere Körpersprachen: Freundliches Lächeln kommt überall gut an; an-
dere Verhaltensweisen unterschieden sich aber je nach Kultur und Geschlecht.
Zur nonverbalen Kommunikation zählen:
• Mimik
Das Gesicht vermag vielfältige Innenzustände aus
• Blickkontakt zudrücken. M üdigkeit, Anspannung, aber auch Über
Blickkontakte laufen wahrscheinlich am raschung, Irritation und andere Befindlichkeiten
wenigsten bewusst ab. Als symbolische lassen sich gut, aber nicht immer eindeutig erkennen.
Augengesten gelten geschlossene Augen Woran erkennen Sie Konzentration, Anspannung,
(Nachdenken, Konzentration), das Ver Nervosität, U
nsicherheit, Überlegenheit oder Arro-
drehen der Augen (negative Bewertung) ganz? Lässt sich weibliche von männlicher Mimik
sowie gesenkter oder abgewandter Blick. unterscheiden? Wenn ja, wie?
Wer darf wem in die Augen sehen? Wie
erkennen Sie verliebte, ablehnende,
strenge, wütende Blicke?© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Gestik
Die Beweglichkeit von Armen, Händen und Fingern
ermöglicht viele symbolische Gesten, u.a. Faust
schütteln, das Victory-Zeichen sowie die «Taktstock-
funktion» (dirigieren mit Kugelschreiber).
Welche Begrüssungsgesten kennen Sie – auch aus
anderen Kulturen? Wie viele Küsschen verteilen wir –
und wem? Was sind typisch weibliche, was typisch
• Raumverhalten männliche Gesten? Welche Gesten sind willkommen,
Unser Verhalten im Raum zeigt, wie wir
welche verpönt?
uns in einem Zimmer, auf einer Bühne
fühlen. Manche Menschen drängen
andere an den Rand und machen
sich breit. Andere wiederum
holen «Mauerblümchen»
nach vorne und geben Raum.
Die Distanz zu anderen Menschen
und das Berühren sind stark kultur
abhängig: Wie nahe darf man Ihnen • Körperhaltung
kommen? Wie berühren sich eher Auch die Körperhaltung lässt – mitunter sehr offensicht-
«nördliche» und eher «südliche» Kultu- lich – auf Befindlichkeiten und inneres Erleben schlies
ren? Wie verhalten Sie sich in einer sen, z.B. entspannt sitzen oder nervöse Anspannung.
neuen, Ihnen unbekannten Umgebung? Woran erkennen Sie Offenheit, Abwehr, Interesse, Vor-
sicht, Freude und Trauer?
Die folgende Übersicht zeigt die Vielfalt sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten. Dabei geht es we-
niger um die Kenntnis der einzelnen Begriffe, sondern um die Beispiele und ihre Wirkung. Zu be-
achten ist, dass die angeführte «mögliche Wirkung» je nach Situation und Beispiel nicht immer
zutrifft. Jede rhetorische Figur kann – je nach Zusammenhang – auch andere Wirkungen erzielen.
Ergänzen Sie die folgende Übersicht mit eigenen Beispielen.
Steigerung Punkt, Satz und Sieg! Diese Mittel können die Spannung
(Klimax) Sie kam, sah, siegte. steigern oder einen Sachverhalt auf
den Punkt bringen.
Wortspiel Es ist nicht alles Golf, was glänzt. Indirekte Äusserungen, ungewöhn-
(vgl. 1 Impuls) Keine Leere in der Lehre. liche Wendungen, überraschende
Aussagen verlangen genaues
Hinhören.
Personifizierung Der Wind streichelte sanft über ihre Haare.
Anrede Gerade Sie, meine lieben Lernenden, Die Hörenden oder Lesenden
(Apostrophe) sind jetzt aufgefordert … werden unmittelbar angesprochen,
miteinbezogen.
Rhetorische Frage Sind wir uns nicht darin einig, dass etwas
(Scheinfrage) geschehen muss?
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Ironie Ist javon
Persönliches Exemplar mega cool,8307
Liza Basha, dassEffretikon
du auch noch kommst, Diese Figuren können humorvoll
wir warten ja erst zwei Stunden! bis verletzend und distanzierend
wirken.
Spott (Zynismus) Das haben Sie aber gut gelernt – Note 2.5!
Euphemismus die Freistellung der Mitarbeitenden; die ethnischen «Beschönigungen» können einen
Säuberungen; eine Preisanpassung vornehmen; ernsten Sachverhalt verschleiern,
die Katze einschläfern; kurz austreten verharmlosen, aber auch versach-
lichen.
Zu diesen Figuren hinzu kommt eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten, eine Rede, eine Diskussion
oder einen Text ansprechend und adressatenorientiert zu gestalten: mit Humor, mundartlichen
oder hochsprachlichen Wendungen und Sprichwörtern, mit Reimen, mit bewusst gewählten
Mode-, Fremd- oder Fachwörtern u.a. Auch eine eingestreute Anekdote, ein Erlebnis vermag
einen Text anschaulicher und verständlicher zu machen (vgl. Modul C, «Schreibformen»).
Beachten Sie, dass eine Formulierung verschiedenen Figuren zugeteilt werden kann, auch sind
Abgrenzungen nicht immer einfach.
Aufgaben
• Entwerfen Sie eine kurze Geburtstags-, Dankes-, Begrüssungs- oder Abschiedsrede, die Sie
mit rhetorischen Figuren beleben. Tragen Sie die Rede vor, und lassen Sie Ihre Mitlernenden
die Figuren heraushören.
• Stilschulung als «Daueraufgabe»: Achten Sie beim Lesen (und Hören) genau auf Formulie-
rungen, und werden Sie empfänglich für rhetorische Figuren. Wie arbeiten beispielsweise
Literaturschaffende mit rhetorischen Mitteln?
Medien und Rhetorik 69
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
7 Der Auftritt: Statement – Referat – Präsentation
7.1 Statement
Das Statement ist eine kurze Stellungnahme oder Verlautbarung einer Person oder einer
Institution. Das Statement wird nicht unterbrochen, Fragen werden – wenn erlaubt und
möglich – erst später gestellt. Das Statement klingt zwar sachlich, doch ist es meist persönlich
gefärbt, oft parteiisch.
Längere «Statements» von Regierungen oder Unternehmen – eher Communiqués – werden
häufig vorgelesen. Fragen der Medienschaffenden folgen erst später. In kurzen persönlichen
Statements vor Kameras und Mikrofonen – oft nur acht bis 35 Sekunden lang – beeinflussen
Mimik, Gestik, Sprachmelodie und Betonung die Glaubwürdigkeit der Aussage.
Gleiches gilt für das Votum in einer Diskussion: Der kurze Einstieg wird nicht unterbrochen –
anschliessend folgen die Diskussionsbeiträge.
Ob Statement oder Rede: Die drei folgenden Gliederungen A, B und C erleichtern die Vorbe
reitung (weitere Möglichkeiten: vgl. Modul E «Argumentieren und erörtern»). Für kurze
Statements genügt es, zu den Punkten eins bis fünf jeweils einen Satz zu formulieren; mit
etwas Routine kann die Aussage auch länger werden. Das Internet bietet zahlreiche Gliede-
rungshilfen unter Fünfsatz oder Fünfsatztechnik.
A Glie
ich de rung
e n t w endet s 1 E
Möglic
he For
t a tem t : inleitu mulier
d ie n - S a h e r g il n g ung
Das M e u m – d w is s e n Im m e r
s P ubli k s c heid m ehr Ler
t a n m B e k la r im n e n
direk bliku kurz, 2 Ist S chulhau d e verpf
r das Pu «Botschaft» s. legen s
• Übe
ich mit
h t ig s t e li e r e n D ie P r e tags
ie w ic f o r m u D ie is e s in d
• D rstän d li c h n d a r t : 3 Soll d ie Q ualität in d e n
der Mu
letzten
und ve e utsch o uation passen
nicht. Jahren
gestieg
H o c h d S it r W ir s u en,
• O b ©
s2023
s z u r
Verlag SKV AG: Fokus
ie In t e
Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und c h e
Kommentar
n e in für Lehrpersonen
h e m u n o c h d 4 u n d e n A n
Sprac ublikum
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Weg
Effretikon
e ine bes b
sere Qu ieter, der güns
W e d er das P echen r f r a - D a h
alität b
ietet.
tigere P
reise
•
e r in a nspr s o n d e rn zu e r haben
w ir
view e r a , h e n 5 O
f f e r v e r s
t in die
Kam nd se Schlus te n anges c hiedene
chen u ode s chriebe Firmen
• Nich n Person spre r A p p
W ir h o f f
n. um
gend e e ll e n , dass s
ic
h bis …
B Gliederung Mö
gli che Formulierung (Ku
rzrede)
1 Einleitung Liebe Kolleginnen und
Kollegen. Wir
stehen im Endspiel um
die Schweizer
Meisterschaft …
2 Gestern Vor drei Jahren hat unser
Trainer Markus
die A-Mannschaft überno ng
mmen und neue
C Gliederung Mögliche Formulieru
Trainingsmethoden ein
geführt. sieren wir das
3 Heute 1 Einleitung Seit zwölf Jahren organi
Damals waren nicht alle ds aus der Region.
begeistert, aber Open-Air-Konzert mit Ban
heute stehen wir vor dem
grössten Erfolg en seit drei Jahren
der Vereinsgeschichte.
2 Tatsache Die Besucherzahlen geh
mer haben wir einen
4 Morgen zurück; in diesem Som
Wir wollen gewinnen – .
aber, Sportsfreunde, herben Einbruch erlebt
seien wir uns bewusst:
Wie immer das Wetter ist auch die
Finale ausgeht:
3 Ursache Ausser dem schlechten
sic htigen, sodass …
5 Schluss Konkurrenz zu berück
Wir haben schon sehr vie
oder Appell l gewonnen: beschlossen, für
unseren Trainer, die Ko
llegialität, den 4 Folgerung Die Organisatoren haben
ach t Schweizer
Teamgeist … Daher ...
oder Freitag- und Samstagn
n, die Ein trittspreise zu
Massnahmen Stars zu engagiere
erhöhen und …
mung …
5 Schluss Wir bitten um eure Zustim
oder Appell
Das Referat ist sachorientiert – aber nicht nur: Mit Zahlen, Fakten überzeugen kann nur, wer
die Emotionen der Zuhörenden aufzunehmen versteht.
Der einstige Unterschied zwischen wortlastigem Referat und bildgestützter Präsentation ist seit Wort und Bild
PowerPoint und Beamer weitgehend verschwunden. Wer referiert, einen Vortrag hält, ein Pro-
dukt präsentiert, der verwendet heutzutage Bilder, Grafiken, Diagramme, Videoclips, animierte
PPT-Sequenzen und andere visuelle Mittel. Entscheidend für den Erfolg ist das Zusammenspiel
von Mensch und Technik, von Wort und Bild. Mensch vor Technik
Im Bildungsbereich sind Referate oder Vorträge üblich, im Beruf eher Präsentationen (Produkt-
und Verkaufspräsentationen).
Das Publikum schätzt es, wenn an einer Tafel, einem Flipchart, einem Overheadprojektor die
Inhalte dynamisch entwickelt und gestaltet werden. Eine gute Handschrift und ein wenig Dynamik
Zeichentalent erhöhen die Wirkung.
Folgende fünf Schritte haben sich für die Planung eines Referats bewährt. Fünf Schritte
Ergänzen Sie auf der Leerzeile, was Ihnen – oder Ihrer Lehrperson – wichtig ist.
• Inhalt, Publikum und Ziele: Ich halte schriftlich fest, wer mein Publikum ist, was ich 1. Voraussetzungen
inhaltlich vermitteln möchte und welche Ziele ich anstrebe.
• Was kann ich beim Publikum voraussetzen: Was weiss meine Klasse? Was interessiert
Fachleute? Sind es überwiegend jüngere oder ältere Menschen, eher Frauen oder
Männer?
• Was erwartet das Publikum (Sachebene)? Was soll dieses Publikum «mitnehmen»
(Appell)?
• Habe ich die©richtigen
2023 VerlagArgumente, Beispiele
SKV AG: Fokus Sprache, Fokusund Anschauungsmaterialien
Sprache gewählt?für Lehrpersonen
BM mit digitalen Lösungen und Kommentar
• Teamauftritt: Wie teilen
Persönliches wirvonden
Exemplar Liza Text
Basha, auf? Wer sagt was?
8307 Effretikon
•
• Gliederung (Disposition): Ich lege den Ablauf schriftlich fest. Dabei beachte ich 2. Struktur
ausen und Höhepunkte sowie den Einsatz der Technik.
P
• Wie beginne ich – wie schliesse ich ab? Der erste und der letzte Satz können auch gut
formuliert aufgeschrieben oder auswendig gelernt werden.
• Wie halte ich das Publikum bei der Stange? Wann und wie setze ich Bilder, Filme,
Modelle, Musik oder Fragen ein? Rege ich eine Diskussion an?
• Teamauftritt: Wie wechseln wir uns ab? Wie leiten wir von einem zum anderen Mit-
glied über?
Tipp: Die Besten treten am Anfang und am Ende auf; sie rahmen die etwas Schwäche-
ren ein.
•
• Sprache und Stil: Ich schreibe die wichtigsten Stichworte auf A5-Karten (quer!), 3. Sprache
vor allem Fachbegriffe, entscheidende Daten sowie den Einsatz von Geräten oder
Materialien.
• Beschrifte ich die Karten gross genug, sodass ein kurzer Blick genügt?
• Sind die Karten in der richtigen Reihenfolge nummeriert?
• Treffe ich mit meiner Sprache das Publikum? Wähle ich Hochsprache oder Mundart?
Ich beachte:
– Fremd- und Fachwörter
– Positive statt negative Formulierungen
– Abwechslungsreicher Satzbau: eher kürzere Sätze
– Wenig bis keine Füllwörter und Floskeln
– Humor und Gefühle
4. Üben • Einprägen und Training: Ich übe den Auftritt – am besten vor einer Kamera.
• Beherrsche ich den Text und das Thema?
• Verwende ich ein Zeigegerät (Laserpointer)?
• Kann ich vorher den Raum sehen oder im Zimmer üben? Wie bewege ich mich im
Raum? Wie stelle ich mich selbst dar (Selbstkundgabe)?
• Sind alle technischen Geräte überprüft?
• Teamauftritt: Wer bedient die Geräte? Wer zeichnet das Flipchart?
•
5. Reden • Auftritt: Ich freue mich auf die Rede als Chance, anderen etwas mitzuteilen, andere
zu überzeugen, vor anderen aufzutreten.
• Meine Nervosität sinkt, wenn ich tief durchatme, mit beiden Füssen ruhig stehe, mich
konzentriere und mich auf die Vorbereitung verlassen kann.
• Jeder Auftritt ist ein Dialog mit dem Publikum. Blicke ich freundlich und offen ins wohl-
wollende Publikum (an die Rückwand) – und achte ich auf Reaktionen?
• Habe ich mir Macken und Marotten (z. B. ähh, od’r; Haare zupfen) abgewöhnt? Halte
ich die Hände frei – und nicht in der Hosentasche?
• Teamauftritt: Wo sind die anderen? Warten sie ruhig stehend oder sitzend an der
Seite? Hören sie konzentriert der/dem Redenden zu?
•
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Statements, Referate und Diskussionen fordern uns zu Reaktionen heraus – mal positive (Lob
und Anerkennung), mal negative (Widerspruch, Aggression). Wer es versteht, richtig zu reagie-
ren, seine negativen Reaktionen zu zügeln und konstruktiv zu wirken, wird geschätzt und ernst
genommen.
Feedback
• ist sachbezogen, konkret und beschreibend: konkret
«Ich glaube, wir hatten vereinbart, dass das Referat 15 Minuten dauert.»
«Die Zahlen zu den Lehrlingslöhnen sind sehr interessant. Woher stammen sie?»
• geht auf tatsächlich Veränderbares ein: veränderbar
«Die Bilder haben mich sehr interessiert, aber hier hinten habe ich nicht alles erkennen
können; und auch die Schrift ist sehr klein geraten.»
• verstärkt, was gelungen ist, und kann Kritisches als «Sandwich» verpacken: Schwächen konstruktiv
werden zwischen positive Aussagen «gepackt».
«Ich habe viel Neues über Max Frisch erfahren; doch die sehr ausführliche Biografie hat die
gute Darstellung seiner Werke in den Hintergrund gedrängt.»
• muss erwünscht sein, kann angeboten, aber nicht aufgedrängt werden. Zudem muss Feed- erwünscht
back möglichst unmittelbar erfolgen (nicht erst nach einem Monat).
Feedback annehmen heisst, sich nicht verteidigen oder rechtfertigen, sondern höchstens
zum besseren Verständnis nachfragen – und schweigen! Feedback im eigentlichen Sinne ist
keine Benotung und keine Kritik. Wer Feedback wünscht und entgegennimmt, entscheidet
selbst, was sie oder er damit anfängt.
Tipp: Nutzen Sie alle Möglichkeiten, vor anderen zu reden, zu präsentieren. Nehmen Sie sich
jeweils einen Punkt vor, den Sie verbessern wollen, z.B.: «Diesmal zeige ich mit einem Laser
pointer.» – «Heute©blicke ich nicht
2023 Verlag SKV AG:an dieSprache,
Fokus Projektionswand,
Fokus Sprache BMsondern
mit digitaleninLösungen
die Klasse.»
und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Die Arbeit am «blinden Fleck» – das Johari-Fenster
Die vier Felder des Johari-Fensters von Joseph Luft und Harrington Mir bekannt Mir unbekannt
(Harry) Ingram veranschaulichen, wie ich mich (Selbstwahrnehmung) und
Anderen unbekannt Anderen bekannt
teile ich das eine oder andere mit, z.B. meine Hobbys, meine Reise-
träume, gewisse Gewohnheiten usw.
Das «Unbewusste» bleibt unbewusst.
Privatperson Unbewusstes
Zum «blinden Fleck» zählen all die Macken, Nachlässigkeiten und Ticks,
die ich nicht erkenne, die aber von anderen wahrgenommen werden,
z.B. das Kratzen am Hinterkopf, viele «Äähh» sowie das «O’dr» am
Satzende.
Feedback hilft, den blinden Fleck zu verkleinern.
Am Ende einer Gruppenarbeit mit Präsentation und Feedbackrunde ist die «öffentliche Person
deutlich grösser geworden, das Feld der Privatperson und vor allem der blinde Fleck sind
deutlich geschrumpft.
1. Führen Sie zwei Stärken und Schwächen von sprachlichen Nachrichten und von Bildern an.
5. Bestimmen Sie die rhetorischen Figuren, vgl. Übersicht auf den Seiten 68/69.
Am Abstimmungssonntag gab es
nach 19 Uhr eine Elefantenrunde. ––––––––––––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––––––
6. Vergleichen Sie die beiden Statements, und beantworten Sie die Fragen.
• Worin unterscheiden sich die Inhalte?
• Worin liegen jeweils die Stärken und Schwächen?
• Welche Struktur ist erkennbar?
Statement A Statement B
Das beste Rezept zur Eindämmung der Jugendgewalt Gewalt, vor allem aber Jugendgewalt, lässt sich nicht
ist einfach und klar: Arbeit fördern statt Sozialkarrie- ausschaffen. Gewalt ist ein gesellschaftliches Pro
ren, mehr Ordnung und Disziplin an den Schulen, blem, das auch gesellschaftlich gelöst werden muss.
schärfere Strafen für Unverbesserliche. Und das sind – Wir fordern eine flexible Altersgrenze im Jugend
statistisch belegt – vor allem Ausländer. strafrecht, also auch Gefängnisstrafen für Unter-15-
Jährige.
Mit der Ausschaffungsinitiative haben wir endlich ein
geeignetes Mittel für mehr Sicherheit. Ausländische Dabei kann aber nicht der Geburtstag für die Art
Jugendliche, die wegen Vergewaltigung, Erpressung einer Strafe entscheidend sein, sondern die persön
oder Raub verurteilt werden, sollen ihr Aufenthalts- liche Entwicklung und die Tat des Jugendlichen.
recht in der Schweiz verlieren. Ebenso ihre Eltern, die Für die Entwicklung eines Rechtsbewusstseins bei
ihre Verantwortung nicht wahrnehmen, sowie die Jugendlichen ist es zudem wichtig, dass Delikte be-
Geschwister, also die ganze Familie. straft werden. Jede Strafe muss immer erzieherisch
begleitet werden.
Das ist auch im Sinn der vielen Ausländer, die sich an
die Regeln halten. Genau sie werden nämlich von Alle Massnahmen müssen schon früher beginnen,
einer Minderheit integrationsunwilliger Landsleute in z.B. härtere Sanktionen gegen Schulschwänzer, obli-
Verruf gebracht. gatorische Kurse für Eltern von gewalttätigen Jugend-
lichen und mehr Engagement des Staates bei der
Ausbildung für schulisch schwächere Jugendliche.
Lernziele
•
Ich verstehe es, ein Thema argumentativ und
kreativ zu erschliessen sowie zwischen Tat-
sachen, Meinungen und Gefühlen zu unter
scheiden.
•
Ich unterscheide schriftliche Argumentations
formen und erörtere Sach- und Wertfragen.
75
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1 Impuls
Jedes Jahr zum ersten August, zu Silvester oder zu Grossanlässen stellt sich die Frage nach
Sinn oder Unsinn von Feuerwerken. Aufrufe, man möge das Geld besser für soziale Zwecke
oder Hilfseinrichtungen spenden, fruchten meist wenig. Die Meinungen sind geteilt – und
eindeutig.
PRO
Lesen Sie das Pro und Morgen Abend wird die Schweiz für einige Minuten zu einem Land der Vulkane und Rake-
Kontra aufmerksam ten. Der Feuerzauber tut unseren Seelen einfach gut.
durch, und kennzeich-
nen Sie die Schlüssel- 1 Zürich. – Am Sonntag wars, eine Kollegin feierte Geburtstag an einem Ort, wo sich Hase
wörter. und Fuchs gute Nacht sagen. Ein Dutzend Erwachsene zwischen 45 und 87 Jahren
war da, dazu zwei zwölfjährige Buben. Es gab Grilladen, anregende Gespräche unter der
regengeschützten Laube, «Blowing in the wind» zu Gitarrenbegleitung – und schliesslich
5 ein kleines Feuerwerk, welches höchst unterhaltsam war und die Seelen zusätzlich er-
wärmte.
Unterhaltsam, weil das Geburtstagskind auf die Idee kam, ein Miniraketchen am Holz-
stab in der einen Hand zu halten, um die Lunte mit der andern anzuzünden. Knall! Puff!
Die Explosivkraft des bleistiftdünnen Winzlings war überraschend gross, worauf die
10 restlichen Raketen zum Abschuss in eine Flasche gesteckt wurden, wie es sich gehört.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Für dievon
Persönliches Exemplar Jungs war8307
Liza Basha, es Effretikon
eine lebensnahe Lektion zum Thema «erwachsener Umgang mit
Feuerwerk» (und die Erwachsenen hatten mal wieder wie Kinder mit dem Feuer gespielt).
Für die Erwärmung der Seelen sorgten dann zwei Kingsize-Vulkane. Wie kleine Düsen-
triebwerke sprühten sie ihren bunten Funkenregen in die Nacht hinaus und wollten
15 kaum mehr aufhören; es waren magische Minuten, ein schöner Abschluss eines wunder-
baren Abends.
1 Hobby-Brandschatzer verhageln uns in den Tagen um den 1. August mit ihrem Bra
chial-Egoismus die Ferienstimmung. Schämen sollen sie sich.
Damit das gleich klar ist: Nichts spricht gegen ein elegant choreografiertes und profes
sionell abgehaltenes Feuerwerk mit allem Drum und Dran und Schlussbouquet. Es gibt
5 keine beglückendere Methode, um Hunderttausende von Franken in nächtliches Farben-
feuer – und damit ins Nichts – zu verpulvern. Man nennt das nicht umsonst Feuer-
werkskunst. Und die Feuerwerker sind Künstler.
Was für ein himmelweiter Unterschied zu den Knallköpfen, die sich bei Migros und
Coop mit Party-Raketen-Sortimenten bis über beide Ohren eindecken, um dann irgend-
10 wann bierdosenselig die Lunten zu zünden. Sie missverstehen vorsätzlich die vorüber
gehende Aufhebung des Feuerwerksverbots an Silvester und am 1. August als Verpflich-
tung zur hirnlosen Knallorgie mitten in den Ferien.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Bei vierjährigenPersönliches
LausbubenExemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
(und -mädchen) drückt man gern ein Auge zu, wenn sie mit
«Frauenfürzen» Allotria treiben. Aber dem Nachttopf entwachsenen Menschen darf man
15 zutrauen, über ihre Nasenspitze hinaus zu denken. Man muss von ihnen erwarten dür-
fen, dass sie ihre kindische Freude an Knallkörpern in zivilisierte Bahnen lenken.
Weggesprengte Finger
Dass das Feuerwerk Hunde und Katzen zu Tode erschreckt und die Luft mit Feinstaub
verdreckt, mag vielleicht noch angehen. Schliesslich gibt es Tätigkeiten, die für die
20 Umwelt schädlicher und keinen Deut sinnvoller sind. Aber die jährlichen Tragödien um
ausgekohlte Wohnungen und weggesprengte Finger sind dann doch definitiv zu viel.
Und das Hauptproblem bleibt, dass die «Zeusler» nur ihre Fantasielosigkeit und gäh-
nende Langeweile mit billigem Schwarzpulver füllen. Alle, die daneben gern genüsslich
feiern würden, müssen unter der Knallerei leiden.
Tages-Anzeiger, 31. 07. 2007
Aufgabe
Hier stehen sich zwei Auffassungen in Form eines Kommentars gegenüber, und zwar einseitig
und ohne auf andere Meinungen einzugehen: Man stimmt zu – oder eben nicht. Beide Seiten
klingen polemisch, provozierend und nach Stammtisch.
• Vergleichen Sie die beiden Meinungen, und notieren Sie in Ihrem Arbeitsheft Gemeinsam-
keiten und Unterschiede.
• Mit welchen Argumenten stützen die Autoren ihre Aussagen?
• Welche Argumente würden Sie ergänzen?
Wir unterhalten uns, tauschen Meinungen aus, diskutieren, streiten – privat, beruflich, öffent-
lich. Dabei wollen wir andere von unserer Ansicht, von unserem Standpunkt, von unserer Mei-
nung überzeugen.
Der Begriff «Argument» stammt aus dem Lateinischen und bezeichnet etwas, «was der Veran-
schaulichung dient»: Das Argument ist ein stichhaltiger, plausibler Rechtfertigungsgrund, der
als Beweis oder Bekräftigung einer Aussage vorgebracht wird. Es soll etwas erhellen, beweisen
und damit überzeugen und einsichtig machen.
Wenn wir uns mit einem Sachthema vertieft auseinandersetzen, entwickeln wir eine Argumen-
tation nach folgendem Muster:
Behauptung Feuerwerke erfreuen die Menschen, fördern die Fest- Die Behauptung wird als
(These) freude, erzeugen eine gute Stimmung und sind ein Aussage formuliert – und
wiederkehrendes Ritual. kann auch etwas provozie-
rend wirken.
Begründung Feiertage – und «Feuertage» – unterbrechen den grauen Die Begründung muss stich-
Alltag. Das gemeinsame Erlebnis hält eine Gesellschaft – haltig sein; für Möglichkeiten
zumindest für kurze Zeit – zusammen und schafft eine der Begründung vgl. 3.4.
gemeinsame Erinnerung.
Beispiel Zu den grossen Feuerwerken an Schweizer Seen und Das Beispiel muss allgemein
Flüssen strömen immer mehr Menschen – und zwar aus nachvollziehbar sein und zur
dem In- und Ausland. Auch das Fernsehen berichtet Begründung passen.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
darüber und zeigt Bilder glücklicher
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Menschen.
Wer kennt nicht den Eiffelturm, von dem regelmässig
zum Jahreswechsel Tausende Raketen abgefeuert werden?
Schlussfolgerung Feuerwerke als Tradition oder Ritual müssen weiterhin These und Schluss verleihen
mit Bezug zur These möglich sein. Kaum ein Ort, der darauf verzichten wird. der Argumentation einen
(Appell, Ausblick) Unternehmen wir alles, damit sich auch künftig Jung Rahmen.
und Alt an der Farbenpracht erfreuen dürfen.
Aufgabe
Formulieren Sie eine Antithese (Gegenthese), und vollziehen Sie dem Beispiel entsprechend die
einzelnen Schritte nach. Verwenden Sie Ihr Arbeitsheft.
Lösung
MODUL E
Medien, Stammtische, Schulklassen, Fachleute, Betroffene u. a. diskutieren fast täglich The-
men, die gegensätzliche Meinungen aufeinanderprallen lassen. Dazu gehören z. B. Sterbehilfe,
strengere Strafen für gewalttätige Jugendliche, das Verhältnis der Schweiz zur EU – und Tier-
versuche.
Wenn nur eine Meinung – von Argumenten gestützt – schriftlich dargelegt wird, so ist von
einer linearen Erörterung die Rede; anspruchsvoller ist es, auch die andere Meinung mitein lineare Erörterung
zubeziehen, also das Für und Wider zu diskutieren. Die Pro-und-Kontra-Erörterung heisst auch
dialektische Erörterung. Dabei bedeutet dialektisch (Nomen: Dialektik), dass die möglichen dialektische Erörterung
Argumente der Gegenseite berücksichtigt werden.
Der dialektische Dreischritt umfasst die These (Behauptung, Annahme), der eine Antithese These – Antithese
(Gegenbehauptung) gegenübersteht. Ziel ist es, aus den beiden Positionen eine Synthese zu
erreichen – die Vereinigung gegensätzlicher Anschauungen. Synthese
Am Beispiel «Tierversuche» wird das Vorgehen bei einer dialektischen Erörterung darge-
stellt. Die einzelnen Schritte eignen sich auch zur Vorbereitung auf eine Diskussion.
Der folgende Text zeigt die Probleme auf und dient als Einstieg ins Thema.
1 Seit 2009 gibt es am Institut für Neuroinformatik der Universität und ETH Zürich keine
Tierversuche mehr mit Primaten. Dies könnte sich bald ändern. Denn nach einer langen
Pause ist nun erstmals wieder ein Gesuch beim Kantonalen Veterinäramt eingereicht
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
worden. Geplant ist, dass mit zwei bis drei Rhesusaffen Versuche zur Erforschung von
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
5 Gehirnprozessen durchgeführt werden.
«Unsere Fragestellungen haben grosse Relevanz für viele psychische Krankheiten des
Menschen», sagt der Neurowissenschaftler Valerio Mante. «Und wir werden auch trans
parenter kommunizieren, um unseren Kritikern zu zeigen, dass wir das Wohl der Tiere
sehr ernst nehmen.»
10 Mit dem Gesuch begeben sich die Zürcher Forscher auf ein heikles Terrain. Denn aufgrund
von Rekursen der Tierversuchskommission des Kantons Zürich wurden im November 2006
zwei umstrittene Versuche mit Rhesusaffen gestoppt. Mit der Begründung, dass die Würde
des Tiers bei den Experimenten verletzt sei. Der Streit ging letztlich bis ans Bundesgericht,
das Ende 2009 ebenfalls an einem Verbot zur Weiterführung dieser Versuche festhielt.
15 Dennoch erhielt der Neuroprothesen-Forscher Hansjörg Scherberger im Jahr 2007 in
ürich noch eine Bewilligung für Versuche mit Rhesusaffen. Kurz vor dem Beschluss des
Z
Bundesgerichts wechselte er aber ans Deutsche Primatenzentrum und nahm seine Ver
suchstiere mit. Ähnlich wie seine Kollegen sah er damals die Freiheit der Forschung durch
das Verbot als bedroht an. Seit fünf Jahren werden in Zürich somit keine derartigen Ver-
20 suche mehr durchgeführt.
Die Schweiz verfügt über eines der strengsten Tierschutzgesetze. Gesuche für Tierversuche
ab einem Schweregrad 1 werden zur Beurteilung an die Kantonale Tierversuchskommis-
sion weitergeleitet. Diese besteht neben dem Amt des Präsidiums aus elf Mitgliedern, dar-
unter drei Vertretern von Tierschutzorganisationen. Bewilligt werden die Gesuche vom
25 Kantonalen Veterinäramt.
Zuerst ist es notwendig, das Thema genau zu analysieren, um herauszufinden, was notwendig
und was erwünscht ist. Auch wenn im Titel das Wort «Tierversuche» steht, gibt es unter
schiedliche Schwerpunkte. Unterscheiden Sie folgende drei Themen, und ergänzen Sie weitere
Fragen:
Breite • Fragen, die in die Breite gehen: Verschiedene Aspekte des Themas werden gesucht.
• Darf der Mensch als «Krone der Schöpfung» Tiere beliebig verbrauchen?
• Was erlaubt und verbietet das Tierschutzgesetz (rechtliche Aspekte)?
• Wie stehen andere Kulturen und Religionen zum Töten von Tieren?
• Wer profitiert von Tierversuchen?
• Gibt es internationale Regelungen?
•
Männer sind eher für Tierversuche
49 Prozent erachten in der Schweiz Tierversuche für notwendig oder eher notwendig.
46 Prozent bezeichneten sie laut einer aktuellen Umfrage als unnötig oder eher unnötig.
In der Westschweiz lag die Zustimmung zu Tierversuchen signifikant höher, wie die Stiftung
Animalfree Research heute mitteilte. Zudem erachteten wesentlich mehr Männer als Frauen
Tierversuche für notwendig.
Die Zustimmung zu Tierversuchen fiel bei Menschen im Pensionsalter, bei Menschen mit
hohem Einkommen und mit hohem Bildungsniveau stärker aus als bei jungen Menschen und
Menschen mit tiefem Einkommen und tiefem Bildungsniveau. Die Anhängerschaft der vier
grössten Parteien wies laut der Mitteilung eine vergleichbare Haltung auf, wobei die FDP Tier-
versuche überdurchschnittlich, die SP unterdurchschnittlich unterstützte.
Knapp die Hälfte der Befragten lehnte belastende Versuche an Primaten strikte ab. Zwei von
fünf Befragten äusserten eher die Ansicht, dass Alternativmethoden zu Tierversuchen noch zu
wenig erforscht würden.
Die Umfrage wurde durch gfs-zürich Ende November bis Anfang Dezember 2007 im Auftrag
von Animalfree Research, der früheren Stiftung «Fonds für versuchstierfreie Forschung», bei
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
1016 Menschen inPersönliches
der Deutsch- und
Exemplar von der Westschweiz
Liza Basha, durchgeführt.
8307 Effretikon
• Fragen Sie Ihre Freunde, Bekannten, Kollegen oder auch Vorgesetzte – persönlich,
telefonisch oder per E-Mail – oder veranstalten Sie eine Problemlöse-Party, zu der Sie Ihre
Freunde einladen, um gemeinsam Ideen zu entwickeln.
• Suchen Sie sich eine Expertin/einen Experten über Foren oder Experten-Marktplätze im
Internet, im örtlichen Branchenbuch oder in anderen Verzeichnissen.
• Zitate oder Sprichwörter enthalten gute Anregungen zum Thema; sie lassen sich zitieren
und dienen nicht selten als Stütze eines Arguments.
«Die Grösse und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie
sie die Tiere behandelt.»
Mahatma Gandhi, 1869–1948
«Die religiöse Ehrfurcht vor dem, was unter uns ist, umfasst natürlich auch die Tierwelt
und legt dem Menschen die Pflicht auf, die unter ihm entstehenden Geschöpfe zu ehren
und zu schonen.»
Johann Wolfgang von Goethe, 1749–1832
Die spontan und gezielt gesammelten Ideen gliedern wir für die Erörterung nach Einleitung –
Hauptteil – Schluss.
Struktur • Die Einleitung führt in ein paar wenigen Sätzen unmittelbar zum Thema, zum Problem.
Langfädige oder phrasenhafte Einleitungen sind zu vermeiden. Ein aktueller Einzelfall, ein
ungewöhnliches Erlebnis, das Zitat einer bekannten Persönlichkeit oder einer Expertin …
sind Möglichkeiten, eine Erörterung zu beginnen. Im Folgenden drei mögliche Einleitungen:
A: 2006 wurden insgesamt 716 002 Tiere zu Versuchszwecken verwendet, was eine
Zunahme von 1,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Das Bundesamt für
Veterinärwesen betont aber, dass immer weniger Tiere für medizinische Versuche
gebraucht werden. Für Kosmetika wurden 2006 keine Tiere verwendet. Dennoch ist
die Zahl …
B: In schöner Regelmässigkeit klagen wir über schwere Krankheiten, sei es Aids, Krebs
oder ein Schädel-Hirn-Trauma nach einem Töff-Unfall. Wie sollen aber neue Medi-
kamente entwickelt, wie neue Operationsmethoden ausprobiert werden? Steht ein
Menschenleben nicht höher als das Leben eines Tieres? Strenge Gesetze sorgen in
unserem Land dafür, dass kein Missbrauch getrieben wird. Das Bundesamt …
C: Solange Menschen denken, dass Tiere nicht fühlen, müssen Tiere fühlen, dass Men-
schen nicht denken. Wer kann seinen Hund leiden lassen? Wer würde ein süsses Büsi
quälen? Aber wenn es nach Forschung klingt, erlauben wir alles.
Pro-Argument 1 Pro-Argument 1
Pro-Beispiel 1 Pro-Beispiel 1
Pro-Argument 2
Pro-Beispiel 2
Kontra-Argument 1
Pro-Argument 3 Kontra-Beispiel 1
Pro-Beispiel 3
Pro-Argument 2
Pro-Beispiel 2
Kontra-Argument 2
Kontra-Beispiel 2
Kontra-Argument 1
Pro-Argument 3
Kontra-Beispiel 1
Pro-Beispiel 3
Kontra-Argument 2
Kontra-Beispiel 2
Kontra-Argument 3
Kontra-Argument 3 Kontra-Beispiel 3
Kontra-Beispiel 3
Variante B ist für Lesende
interessanter, für Schreibende
aber anspruchsvoller.
MODUL E
Zukunft oder eine vermittelnde Position. Ganz besonders empfiehlt es sich, wieder den
Bogen zurück zum Anfang zu schlagen, um die Arbeit abzurunden. Inhaltlich lassen sich
folgende Schlüsse unterscheiden:
A: Die Gegenüberstellung aller Argumente kann nur eine Folgerung zulassen: Tierver
suche sollten sofort verboten werden.
B: Tierversuche wird es weiterhin geben, und sie liegen in der Verantwortung der For-
schenden, der Konzerne und des Staates. Letztlich ist ein Menschenleben wichtiger
als das Leben eines Tieres.
C: Tierversuche werden noch längere Zeit notwendig sein, allerdings ist der Gesetzgeber
aufgefordert, strenge Regelungen zu erlassen und ihre Einhaltung zu überwachen.
Aber auch wir Konsumenten haben es in der Hand, auf Tierversuche Einfluss zu neh-
men, indem wir …
Argumente können mit unterschiedlichen Mitteln belegt werden. Ergänzen Sie jeweils die
möglichen Schwächen dieser Art von Argumentation.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Allgemeingültige, plausibel scheinende Aussagen – oder was wir dafür halten: Allgemeines
«Tiere haben nun mal einen geringeren Stellenwert als Menschen.»
Zukunft • Ziele und angestrebte Ergebnisse rechtfertigen nur diesen einen Weg, diesen einen
Vorschlag:
«Wenn wir das Medikament schnell und sicher testen wollen, kommen nur Tierversuche
infrage.»
Emotionen • Gefühle dienen häufig als «Beweise», manchmal bewusst, manchmal unbewusst:
«Können Sie ein schmuseweiches Kaninchen für Tierversuche missbrauchen?»
Wer argumentiert,
© 2023 Verlag SKV AG:
• kann Fokus Sprache,
Irrtümer Vorurteile
undFokus Sprache BMaufbrechen
mit digitalen Lösungen
sowieund Kommentar für Lehrpersonen
verführerische «Mainstream-Meinun-
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
gen» überprüfen;
• kann eine persönliche Sicht der Welt entwickeln, Zusammenhänge erklären sowie das
eigene Wissen dadurch erweitern, dass bestimmte Meinungen widerlegt werden;
• setzt sich in Konflikten gewaltfrei mit anderen Meinungen auseinander;
• lernt sich in andere Vorstellungen einzufühlen und fremde Positionen nicht einfach als
fremd und böswillig abzulehnen, sondern ihre Begründungen nachzuvollziehen;
• trainiert das Denkvermögen und die sprachliche Ausdrucksfähigkeit.
Das Argumentarium
Das Argumentarium ist die schriftliche Vorbereitung auf Gespräche, Diskussionen oder Ver-
handlungen. Es enthält alle möglichen Argumente für die eigene Position, vor allem aber
Antworten auf mögliche Fragen und Argumente der Gegner. Besonders Parteien und Inte-
ressenverbände erstellen für ihre Mitglieder Argumentarien, wenn es um Initiativen, ums
Stimmensammeln oder um Auftritte in den Medien geht. Ein Argumentarium kann eine
A4-Seite oder einen dicken Ordner, alphabetisch geordnet, umfassen.
MODUL E
Das Schreiben einer Erörterung stellt eine Herausforderung dar: Hier geht es nicht um eine
gute, spannende Geschichte, sondern um die Darstellung von Sachverhalten.
4.1 Sachstil
Die Sprache der Erörterung muss zum Inhalt passen. Dies bedeutet, dass Umgangssprache,
Mundart, Modewörter und Ähnliches zu vermeiden sind (es sei denn als Zitat, zur Illustration
oder zur Hervorhebung eines Sachverhalts). Zudem ist eine differenzierende Sprache verlangt.
Die Raucher sind Geniesser oder süchtig. Eine Schweizer Untersuchung aus dem Jahre
2006 zeigt, dass sich über 45 Prozent der
Rauchenden als Genussmenschen bezeich-
nen, während …
Füllwörter und Floskeln, die in gesprochener Sprache (Diskussion) durchaus sinnvoll sein Sprache und Stil
können, gehören nicht in eine Erörterung; zu streichen sind: natürlich, sowieso, eigentlich,
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
selbstverständlich, halt, eh u.a.
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe
Anspruchsvoll ist der Umgang mit Passivformen und der Gebrauch des Nominalstils.
Verbessern Sie die vorgegebenen Sätze.
Reihung
Ein weiterer Aspekt (Gesichtspunkt) ist …
Nicht zu übersehen ist …
Nicht zuletzt deshalb …
© 2023 … auch
Verlag sei Fokus
SKV AG: daran erinnert
Sprache, Fokus…
Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Steigerung
Entscheidend aber ist …
Viel wichtiger ist …
Schwerer wiegt die Tatsache …
Am überzeugendsten …
Gegensatz
Anders verhält es sich …
Dagegen spricht …
Allerdings gilt zu bedenken …
Dabei darf nicht übersehen werden …
Viele Lehrpersonen bewerten Erörterungen nach den Kriterien der folgenden Prüfliste – aller-
dings mit unterschiedlichen Gewichtungen. Überprüfen Sie Ihre Übungserörterung anhand der
Fragen, und erkennen Sie Ihre Schwächen. Konzentrieren Sie sich auf die Punkte, die Sie ver-
bessern können. Prüfliste fürs Redigieren
Thema Stimmen Thema und Inhalt überein? Habe ich alles Wich- Überprüfen Sie, ob Sie zu
tige geschrieben – oder fehlen wichtige Aspekte? jedem Begriff im Titel etwas
Wesentliches aussagen.
Logik Leserführung: Ist ein roter Faden erkennbar? Habe ich Nehmen Sie einen Bleistift,
Gedankensprünge, Abschweifungen, Widersprüche ver- und versehen Sie jeden Ab-
mieden? Gelten die Aussagen für die Schweiz, Europa, schnitt mit einem Begriff. Ist
die ganze Welt – für Frauen, für Männer, für Junge, diese Begriffsreihe sinnvoll?
Arme usw.?
Ausdruck: Verwende ich aussagekräftige, anschauliche Wörter? Wirkt der Text verständlich,
Wortschatz und Sind Fach- und Fremdwörter richtig verwendet? sind die Inhalte vorstellbar?
Satzbau (Syntax) Satzbau: Wechseln sich kürzere und längere Sätze ab?
Sind Haupt- und Nebensätze leserorientiert verknüpft?
Grammatik Stimmen die Fälle, die Zeitformen? Wenn Sie Ihre persönli-
Sind die Pluralformen richtig? chen Schwächen kennen,
Sind die Sätze richtig verknüpft? konzentrieren Sie sich jeweils
ganz besonders auf einen
Rechtschreibung Stimmt
© 2023 dieSKV
Verlag Rechtschreibung?
AG: Fokus Sprache,Schreiben am Computer:
Fokus Sprache Punkt. und Kommentar für Lehrpersonen
BM mit digitalen Lösungen
Persönliches Exemplar
Trennt das von Liza Basha,
Textprogramm auch8307 Effretikon
richtig?
Was noch?
4.3 Zeitplan
Mit dem Schreiben von Erörterungen wachsen Erfahrung und Sicherheit. Ein Zeitplan hilft, sich
nicht zu verlieren oder in Zeitnot zu geraten. Die folgende Empfehlung muss dem eigenen
Rhythmus angepasst werden. Wichtig ist vor allem: Beim Thema bleiben, nicht wechseln. Ihr
Erfolg hängt nicht vom Thema ab, sondern von Ihrer Einstellung, Ihrem Wissen, Ihrer Konzent-
rationsfähigkeit.
Beispiel 120 Minuten Zeit
Themenwahl und -analyse 10 Prozent 12
Ideen sammeln 10 12
Ideen strukturieren 10 12
Schreiben 55 66
Überarbeiten 10 12
95 mit 5 Prozent Spielraum 114 mit 6 Minuten Spielraum
Diskussionsformen
Arena: Zwei Gruppen vertreten ihre Meinungen; meist eine Frontfrau/ein Frontmann und
•
mehrere Unterstützer.
Podium: Auf einem Podium sitzen drei bis fünf Diskutierende, deren Meinungen von
•
einer Moderatorin/einem Moderator nacheinander abgefragt werden.
Club: In einem gemütlich wirkenden Kreis werden (ungemütliche) Meinungen unter einer
•
Gesprächsleitung ausgetauscht.
Roundtablegespräch: Um einen runden Tisch herum werden Lösungen oder Kompro-
•
misse gesucht. Der runde Tisch symbolisiert, dass alle Beteiligten gleichberechtigt sind
und eine gemeinsame Lösung anstreben.
Debatte: Einzelne Redner treten nacheinander auf und legen ihre Position dar, vgl. im
•
Nationalrat. Anerkennung und Ablehnung äussern sich in Applaus, Buh- und Zwischen
rufen.
Duell: Zwei Kontrahenten stehen oder sitzen sich gegenüber. Nach festen (vorher verein-
•
barten) Regeln wird das kontroverse Thema abgehandelt.
Der heisse Stuhl: Eine/r gegen alle – eine Person vertritt ihre (provokante) Meinung
•
gegen eine Gruppe von Gegnern; ein/e Moderator/in sorgt für einen geregelten Ablauf.
MODUL E
anderen immer auch die vier Seiten Sachinhalt, Beziehung, Selbstkundgabe und Appell
(vgl. Modul A, «Kommunikation und Zeichen»).
Faule Tricks
Verdrehen, übertreiben, verharmlosen, verspotten: «Die paar Kiffer sind doch wirk-
•
lich kein Problem, hingegen die Millionen Alkoholiker, denen muss man sich widmen.»
Ausweichen, verwirren, verdrängen: «Man kann natürlich über den Klimawandel
•
reden. Was wir aber jeden Tag vor unserer Tür erleben, ist doch, dass junge Leute mit
schnellen und zu starken Autos, die sie nicht beherrschen, durch die Welt rasen, als
wären sie allein auf den Strassen. Diese Gefahren …». – «Zuerst müssen Sie mal definie-
ren, was Glück in diesem Zusammenhang eigentlich bedeutet.»
Bluffen mit Autoritäten, Scheinwissen: «Sie kennen wohl nicht die neusten Zahlen einer
•
Studie der Harvard Universität? Nobelpreisträger Coolhorse weist darin nach, dass …»
Killerphrasen töten jede Diskussion, jedes Gespräch: «Da könnte ja jeder kommen …» –
•
«Das haben wir immer schon so gemacht und die besten Erfahrungen damit …»
Person angreifen, in ein schiefes Licht rücken; Gerüchte und Halbwahrheiten
•
andeuten: «Alle wissen, wer hinter Ihnen steht und wer Sie angeblich fördert. Und wie
Sie Ihren Lebensstandard finanzieren, frage ich lieber nicht.»
Starke Antworten
• Ruhig durchatmen, innerlich bis zehn zählen, «cool» antworten, eventuell sogar
lächeln.
• Höflich, aber bestimmt reagieren – nicht das Spiel der anderen übernehmen: nicht
schreien, wenn andere schreien; nicht provozieren lassen.
• Aktiv, konstruktiv und zukunftsorientiert argumentieren: Sagen oder wiederholen
Sie das, was Ihnen wirklich wichtig ist. Nicht zu lange am Thema kleben, sodass sich die
anderen profilieren können.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Modultest
2. Arbeiten Sie in Gruppen, geben Sie sich eine bestimmte Zeit, und erstellen Sie je ein Flip-
chart mit möglichst vielen Pro-und-Kontra-Argumenten zu einem aktuellen Thema. Verglei-
chen Sie anschliessend die Ergebnisse:
• Wer hat die meisten Argumente, wer die gewichtigsten?
• Tauschen Sie die Flipcharts aus, und erstellen Sie eine Rangfolge der Argumente.
• Ergänzen Sie, wie Sie die Argumente belegen.
4. Schreiben Sie eine Erörterung zu einem der folgenden Themen – oder suchen Sie ein
eigenes!
• Sport als Lebensrisiko: Basejumping, Freeclimbing, Skysurfing – was bringt’s?
• Partnerschaft: Gegensätze ziehen sich an
• Tag und Nacht am Computer: Wenn Gamen (oder Pokern) zur Sucht wird
• Schönheit um jeden Preis: kosmetische Operationen
• Gefährliche Popsongs. Erörtern Sie, ob und wie Popmusik Jugendliche negativ beein
flussen kann.
Der folgende Text dient als Anregung. Sie dürfen sich auf ihn beziehen und Zahlen sowie
Zitate daraus verwenden.
Lernziele
91
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Zur Orientierung
Seite
93 1 Impuls
97 3 Literarische Grundbegriffe
97 3.1 Epik
100 3.2 Dramatik
103 3.3 Lyrik
106 4.1 Die Anfänge – die griechische und die römische Antike
106 4.2 Deutsche Literatur von 750 n. Chr. bis ins Mittelalter
107 4.3 Das 16. Jahrhundert – Humanismus, Reformation und Renaissance
107 4.4 Das 17. Jahrhundert – das Jahrhundert des Barock
92 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1 Impuls
MODUL F
Literatur hat nichts mit toten Texten, sondern viel mit lebendigen Diskussionen, provozieren-
den Autorinnen und Autoren sowie prominenten Kritikern zu tun. Auch heftige Debatten um
richtige Interpretationen, buchgerechte Verfilmungen oder misslungene Inszenierungen eines
Theaterstücks gehören dazu. Literatur ist ein kulturelles und gesellschaftliches Medienereignis,
das Menschen fasziniert oder abstösst und worüber sich vorzüglich diskutieren, schreiben,
lachen und streiten lässt.
Literatur ist öffentlich – und zugleich persönlich, privat, spielerisch und intim.
• Literaturerfolg – Erfolgsliteratur
• Regelmässig sehen, hören oder lesen wir von Büchern, «die man unbedingt kennen Bestseller
muss», z.B. Harry Potter oder Dan Browns «Sakrileg» (englisch: «DaVinci Code»). Über
die Qualität sagt dies nicht immer viel aus, wohl aber über geschicktes Marketing.
Welche aktuellen Bestseller kennen Sie, an welche erinnern Sie sich noch?
• Suchen Sie Bestsellerlisten – in einer Buchhandlung oder im Internet –, und tragen Sie
drei Titel hier ein: Worum geht’s in diesen Bestsellern? Was lässt sich erfahren, ohne sie
zu lesen?
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Die Literatur der Gegenwart lebt in einem breiten medialen Umfeld. Computer und
Internet bieten als Produktions-, Verbreitungs- und Rezeptionsmedien von Literatur
vielfältige Möglichkeiten.
Welche Buchverfilmungen haben Sie gesehen – oder muss man zur Zeit sehen? Verfilmungen
Welche DVDs von Romanverfilmungen besitzen Sie?
• Informieren Sie sich über die Frankfurter Buchmesse oder eine andere grosse Literatur- Buchmessen
schau (Leipziger Buchmesse, Salon du livre in Genf u. a.).
Sammeln Sie Daten und Zahlen über Aussteller und Besucher. Stellen Sie fest, nach
welchen Sachgebieten das Angebot ausgestellt wird, welche Medien angeboten werden
und welche Sonderausstellungen oder Schwerpunkte gesetzt werden.
Qualitätszeitungen (Tages-Anzeiger, Basler Zeitung) oder Wochenmagazine bringen zu
besonderen Anlässen spezielle Literaturbeilagen mit vielen Buchbesprechungen zu allen
möglichen Themen, z.B. Sport- und Reiseliteratur, Musik- und Kunstbücher.
• Wer nicht lesen will oder kann, soll wenigstens hören: Nahezu jedes bekanntere Werk Hörbücher
der Literatur gibt es als Hörbuch auf CD oder zum Herunterladen aus dem Internet.
Das Hören kann uns Aspekte erkennen lassen, die beim Lesen übersehen werden oder
unbemerkt bleiben.
Literaturatelier 93
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Skandale • Literaturskandale
• 2008 führt der Roman «Die Wohlgesinnten» des Amerikaners Jonathan Littell (Jahrgang
1967) zu heftigen Diskussionen. Er schildert darin die fiktive Lebensgeschichte eines
SS-Offiziers, der ohne Reue auf sein Morden während des Zweiten Weltkriegs zurück-
blickt. Die Streitfrage: «Darf man Mördern eine Stimme geben?»
• 1978 veröffentlichte Rolf Hochhuth den Roman «Eine Liebe in Deutschland». Darin
bezeichnete er den damals amtierenden baden-württembergischen Ministerpräsidenten
und früheren Marinerichter als «furchtbaren Juristen», der noch in britischer Gefangen-
schaft nach Hitlers Tod einen deutschen Matrosen mit Nazi-Gesetzen verfolgt hatte.
Ein halbes Jahr später trat der Ministerpräsident von seinem Amt zurück.
Literaturpreise • Literaturnobelpreis
Alljährlich werden zahlreiche Literaturpreise verliehen, als prominentester der Nobelpreis
für Literatur. Im Folgenden die deutschsprachigen Preisträgerinnen und -preisträger:
2009: Herta Müller 1946: Hermann Hesse
2004: Elfriede Jelinek 1929: Thomas Mann
1999: Günter Grass 1919: Carl Spitteler
1981: Elias Canetti 1912: Gerhart Hauptmann
1972: Heinrich Böll 1910: Paul Heyse
1966: Nelly Sachs
94 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Literaturwettbewerbe und Schreibkurse
MODUL F
Wettbewerbe
Wer gern schreibt, kann an Literaturwettbewerben teilnehmen; für nahezu jedes Alter
werden Wettbewerbe ausgeschrieben.
Immer mehr Schulen und Weiterbildungsinstitutionen bieten Schreibseminare an.
Interessierte lernen die wichtigsten Techniken, wie gute Kurzgeschichten, Reportagen oder
Drehbücher und Romane zu schreiben sind.
Trauen Sie sich, und schreiben Sie für Ihre Schulzeitung oder das Firmenmagazin einen
interessanten Beitrag!
• Literaturblog Literaturblog
Im Internet gibt es Literaturblogs, in denen Texte veröffentlicht werden oder in denen über
Texte geurteilt und diskutiert wird. Die Themenvielfalt ist enorm. Surfen Sie mal – und
bloggen Sie mit!
Wichtiger als jedes Spektakel ist das persönliche Erleben und Verstehen von Literatur –
das Lesen von Büchern. Franz Kafka hat dies so formuliert:
«Ich glaube, man sollte überhaupt nur Bücher lesen, die einen beissen und stechen.
Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt,
wozu lesen wir dann das Buch?»
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Literaturatelier 95
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2 Arbeitshinweise und Anregungen
Grundbegriffe Das vorliegende Modul beginnt mit literarischen Grundbegriffen zu den Textsorten Epik,
Dramatik und Lyrik (vgl. Modul A, «Kommunikation und Zeichen»).
Der anschliessende Überblick über die Epochen der deutschen Literatur – wozu auch die
Schweiz und Österreich zählen – dient als Orientierungshilfe und regt an, im Internet und in
Literaturgeschichten (in der Mediothek der Schule) Biografien der Autorinnen und Autoren
sowie Inhaltsangaben einzelner Werke zu recherchieren.
Gliederung der Die Epochenskizzen klären jeweils den Begriff, gehen auf wichtige Themen und Tendenzen
Epochendarstellungen näher ein und beschreiben die Bedeutung der Gattungen Epik – Drama – Lyrik während der
Epoche. Ein Kästchen weist auf Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und
Autoren – mit L esetipps ! – und auf die Weltliteratur hin. Die anschliessenden Aufgaben
beziehen sich auf Originaltexte und vermitteln einen kurzen Einblick in wichtige Werke. Litera-
tur hören und sehen regt zu einem besseren Verständnis der Werke an. Was bleibt, sind am
Ende Anregungen und Fragen zum Gelernten und Gelesenen. Ein kurzer Abriss zu Gesell-
schaft und Geschichte sowie epochentypische Illustrationen runden jede Epoche ab.
Anregungen
Fächer vernetzen • Vernetzen Sie die Epochen und Werke mit Geschichte, Staatskunde und sozialen Entwick-
lungen sowie mit bildender Kunst, Malerei und Musik. Ergänzen Sie und suchen Sie Infor-
mationen sowie Ereignisse, die Ihnen (oder Ihrer Lehrperson) wichtig sind.
• Entwickeln Sie in Ihrem Kopf ein «historisches Netz», in das sich jeder Museumsbesuch,
jede «Sightseeing-Tour» in einer fremden Stadt leichter einordnen lässt.
• Fragen Sie sich: Was bleibt vom heutigen Tag in Geschichtsbüchern und Literaturgeschich-
ten?
Atelier • Ein Atelier ist der Arbeitsplatz kreativer Menschen: Da finden sich Entwürfe, Ideen, Skizzen
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
und fertige
Persönliches Exemplar von LizaWerke. Nutzen
Basha, 8307 Sie das Buch mit allen Daten und Informationen,
Effretikon um gemein-
sam mit Ihren Kolleginnen und Kollegen Ihren persönlichen Horizont zu erweitern.
Lerntipps Wenn Sie sich mit einzelnen Epochen vertieft auseinandersetzen wollen oder müssen, so gilt:
• Lesen Sie mindestens ein Werk dieser Epoche, und lassen Sie sich auf Sprache, Figuren,
Themen und Gefühle ein.
• Vertiefen Sie sich in den Text und den historisch-sozialen Hintergrund. Was sagt uns der
Text heute, was sagt er Ihnen? Wenden Sie das Analysemodell an (vgl. Modul B, «Text
analyse und Interpretation»).
• Überprüfen Sie die Epochenmerkmale und ihre Wirkung am Text: Trifft es zu, was allge-
mein über die Epoche gesagt wird – oder unterscheidet sich der vorliegende Text davon?
Wie wirken diese Abweichungen? Wie lassen sie sich erklären?
«Meine Kultur und • Wenn Sie einen anderen Kulturhintergrund mitbringen, überprüfen Sie, was zu dieser Zeit
Literatur» in Ihrer Kultur geschrieben, gedacht, in den Medien diskutiert wurde. Stimmen die Eintei-
lungen und Bezeichnungen überein, z. B. Klassik oder Romantik in der deutschen Literatur
und in Ihrer Literatur?
Leseliste • Erstellen Sie eine persönliche Leseliste, in der Sie Ihre Leseerfahrungen, Ihre Eindrücke und
Ideen sowie Ihr neu erworbenes Wissen aufschreiben (z. B. Datenbank).
96 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
3 Literarische Grundbegriffe
MODUL F
Der Umgang mit Literatur wird interessanter, wenn Lesende über ein gewisses Basiswissen
verfügen. Im Folgenden werden wichtige Grundbegriffe der Epik, der Dramatik sowie der Lyrik
kurz erläutert. Dabei liegt der Schwerpunkt vor allem auf Verständlichkeit und Nützlichkeit,
weniger auf Vollständigkeit.
Das Internet sowie einschlägige Fachliteratur bieten weitere Informationen und ausführliche
Diskussionen einzelner Begriffe.
3.1 Epik
Epik kommt vom griechischen Wort «Epos», das so viel bedeutet wie «Rede» oder «Erzäh- Epik
lung». Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Romane sind die beliebtesten und am
meisten verbreiteten epischen Formen, über die auch in den Medien berichtet und diskutiert
wird (Diskussionen und Rezensionen).
• Erzählperspektive oder Erzählsituation: Wenn im literarischen Text ein Ich spricht, so ist dies Erzählperspektive
nicht die Autorin oder der Autor, sondern eine «Ich-Erzählerin» oder ein «Ich-Erzähler».
Gerade in der modernen Literatur verändert sich der Erzähler oft innerhalb eines Romans,
einer Erzählung. Lesende werden dadurch immer wieder in andere Perspektiven «gezwun-
gen».
Spät am Abend verliess ich noch ein- Spät am Abend verliess unser Held Spät am Abend verliess er noch ein-
mal das Haus. Verdammt, dachte
© 2023 Verlag ich,Fokus Sprache,
SKV AG: noch einmal das BM
Fokus Sprache Haus. Er fragte
mit digitalen sich,und Kommentar
Lösungen mal dasfürHaus. Verdammt, welcher
Lehrpersonen
welcher von beidenPersönliches
Zigarettenauto- welcher
Exemplar von Liza Basha, 8307von beiden Zigarettenauto-
Effretikon von beiden Zigarettenautomaten war
maten ist wohl heute ausnahmsweise maten wohl an diesem Tag ausnahms- wohl heute ausnahmsweise mal nicht
einmal nicht kaputt? Ich entschied weise einmal nicht kaputt sein würde. kaputt? Er wandte sich nach links in
mich für die Grabenstrasse und ging Er entschied sich für die Graben die Grabenstrasse und hatte schon die
deshalb nach links, an der Tankstelle strasse und ging deshalb nach links, Tankstelle und das Postgebäude pas-
und am Postgebäude vorbei, als mich an der Tankstelle, die im übernächsten siert, als er plötzlich wie angewurzelt
plötzlich ein Gedanke durchfuhr. Kapitel noch eine grosse Rolle spielen stehen blieb. O nein, das durfte ja
O nein, dachte ich, das darf ja einfach wird, und am Postgebäude vorbei, als einfach nicht wahr sein! Jetzt hatte er
nicht wahr sein! Jetzt habe ich doch ihn plötzlich ein Gedanke durchfuhr. doch tatsächlich sein Portemonnaie
tatsächlich mein Portemonnaie ver- «O nein», dachte er, «das darf ja ein- vergessen. Mit dem gemütlichen
gessen. Mit dem gemütlichen Abend fach nicht wahr sein! Jetzt habe ich Abend war es heute also wieder
wird es heute also wieder nichts! doch tatsächlich mein Portemonnaie nichts! Leise vor sich hin fluchend
Ärgerlich fluchend stapfte ich durch vergessen. Mit dem gemütlichen stapfte er durch den Schnee zurück
den Schnee zurück nach Hause und Abend wird es heute also wieder nach Hause und ging sofort ins Bett,
ging sofort ins Bett, ohne bei Carola nichts!» Tja, lieber Leser, das sind die ohne bei Carola anzurufen.
anzurufen, was ein grosser Fehler war, Folgen der Nikotinsucht; ohne Ziga-
wie ich heute leider einsehen muss. retten ist der Abend für solche Leute Merkmale:
direkt verdorben. Ärgerlich fluchend
Merkmale: stapfte unser Mann also durch den
Schnee zurück nach Hause und ging
sofort ins Bett, ohne bei Carola anzu-
rufen, die noch fast die ganze Nacht
hindurch wach lag, weil sie nicht
wusste, wo er steckte.
Merkmale:
Literaturatelier 97
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Erzählung • «Erzählung» gilt als Sammelbegriff und umfasst alle mündlichen oder schriftlichen
Darstellungsformen von wirklichen und erfundenen Geschehnissen. Dazu zählen Anek-
doten, Märchen oder Romane. Im engeren Sinne bezeichnet die Erzählung Geschichten,
die weniger anspruchsvoll strukturiert sind als etwa Novellen oder Romane. Im 19. Jahr-
hundert wurden zum Beispiel auch solche Werke als Erzählungen bezeichnet, die wir
heute eindeutig der Textsorte Roman zuordnen.
Figuren • Figuren faszinieren über Jahrhunderte hinweg in der Literatur, aber auch in der Malerei, in
der Musik, im Film u.a. Kunstformen. Beispiele sind Don Juan, Faust oder Romeo und Julia.
Die Aussagen der Figuren sind keine Aussagen eines Autors oder einer Autorin. Zu untersu-
chen ist, ob und wie die Sprache zum dargestellten Charakter passt. Fernner kann nach der
Generationszugehörigkeit, nach der sozialen Stellung, der Entwicklung innerhalb eines
Geschehens sowie den Werten der einzelnen Figuren gefragt werden.
Kurzgeschichte • urzgeschichten – Lehnübersetzung von Short Story – führen mit den ersten Sätzen
K
mitten ins Geschehen. Sie zeigen eine Momentaufnahme, eine Grenzsituation im Leben
einer oder mehrerer Figuren, deren bisheriges Dasein sich grundlegend ändert. Die Figu-
ren sind meist nicht als Individuen charakterisiert, sondern verkörpern bestimmte Ver-
haltensweisen. Ein offener (häufig pointierter) Schluss erlaubt, eigene Gedanken und
Deutungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Monolog • Der Monolog ist ein laut geführtes Selbstgespräch einer Figur auf der Bühne; der innere
Monolog in Romanen oder Erzählungen gibt in der Ich-Form nicht laut ausgesprochene
Gedanken, Überlegungen, Augenblicksregungen einer Person wieder.
Motiv • Das Motiv (Stoff, Thema) bezeichnet das kleinste inhaltliche Element eines literarischen
Werks, z.B. das Eifersuchtsmotiv. Weitere Beispiele sind Doppelgänger-, Verrats- oder
Traummotiv. Stoff und Thema können weitgehend als Synonyme gelten.
© 2023 VerlagFürs
SKV Verstehen undFokus
AG: Fokus Sprache, für die Interpretation
Sprache BM mit digitalen entscheidend ist, wie
Lösungen und Kommentar für ein Motiv in verschiedenen
Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Werken von verschiedenen Autoren zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichen Kultu-
ren dargestellt wird, z.B. die Liebe zwischen Arm und Reich, zwischen hoher Sozialschicht
(«oben») und tiefer («unten»).
In jeder Kunstgattung – Architektur, Film, Malerei, Musik – kommen Leitmotive vor. Dies
können Farben, Figuren, Gegenstände, Stimmungen, Symbole, Personen, Tonfolgen, Sätze
und vieles mehr sein, die im Werk in einer bestimmten Bedeutung aufscheinen. In Thomas
Manns Roman «Buddenbrooks» lässt sich der Verfall der Familie an den Zahnproblemen
ablesen.
Novelle • Novellen zählen zur Standardlektüre des Literaturunterrichts: Ihr Umfang ist gut überschau-
bar, sie sind verständlich und spannend. Hinzu kommt, dass sie meist klar strukturiert sind.
Die folgenden sieben Merkmale lassen sich in vielen Novellen entdecken; häufig
spielen die Autoren damit oder verändern das eine oder andere Merkmal. Wichtig ist
zu erkennen, welche Wirkung diese Merkmale bei Lesenden erzielen.
Eine Novelle ist
• die mittellange Erzählung (mit einer Rahmenhandlung)
• einer unerhörten Begebenheit, die sich
• mit einer überschaubaren Anzahl an Figuren
• wirklich ereignet haben kann;
• sie nimmt einen dramatischen Verlauf (Konflikt) und steuert –
• häufig über ein Leitmotiv und ein Dingsymbol – auf
• eine unerwartete Wende oder einen Höhepunkt zu: meist Aufstieg und Fall der
Hauptfigur.
Theodor Storm, der Autor des «Schimmelreiters», bezeichnete 1888 die Novelle als
«die epische Schwester des Dramas».
98 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Parabeln sind gleichnishafte, belehrende Erzählungen, Geschichten oder Szenen. Der Wort-
MODUL F
Parabel
laut und der Inhalt des Textes unterscheiden sich deutlich. Nicht immer ist es einfach (oder
gar möglich!), das Gemeinte, den Sinn der Parabel, eindeutig zu erschliessen und zu erken-
nen (vgl. Epoche «Aufklärung»: Lessings Ringparabel).
• Das Wort «Plot» (das Sujet) kommt aus dem Englischen und bezeichnet die Handlung in Plot
literarischen Werken, also auch in Dramen.
• omane sind umfangreicher und vielschichtiger als Novellen. Romane werden seit dem
R Roman
17. Jahrhundert geschrieben; einen Höhepunkt erreicht der Roman im 19. Jahrhundert –
als die Literaturgattung des Bürgertums – mit den Werken Gustave Flauberts
(«Madame Bovary») sowie Fjodor Michailowitsch Dostojewskis («Schuld und Sühne»,
«Der Idiot») und Lew Tolstois («Krieg und Frieden»). Thematisch unterscheiden lassen
sich Abenteuer-, (Anti-)Kriegs-, Bildungs-, Brief-, Entwicklungs-, Familien- oder Genera
tionen-, Fantasy-, Grossstadt- und historische Romane, ferner Kriminal-, Künstler-,
Science-Fiction-, Spionage- sowie Wildwestromane und andere.
• Symbole sind wahrnehmbare Zeichen, die für einen anderen Sinnzusammenhang stehen, Symbol
z. B. ein Herz für die Liebe (vgl. Modul A, «Kommunikation und Zeichen»). Symbole sind
daher in der Nähe der Metapher (vgl. Modul D, «Rhetorik») anzusiedeln. Um Symbole zu
verstehen, muss der kulturabhängige Sinn «gelernt» oder «erworben» werden. Die Bedeu-
tung der «blauen Blume der Romantik» kann über die entsprechende Textstelle erschlossen
werden (vgl. Epoche «Romantik»).
• Ein Dingsymbol ist ein Gegenstand, der häufig in Novellen vorkommt und mit der
Handlung aufs Engste verbunden ist, z.B. die Buche in Droste-Hülshoffs «Judenbuche».
• Kritiker sprechen von Trivialliteratur, Autorinnen und Autoren solcher Bücher von Erfolgs- Trivialliteratur
literatur: Gemeint sind literarische Werke, die in erster Linie auf Unterhaltung setzen,
die sich leicht lesen, ja «verschlingen» lassen und zu Hunderttausenden verkauft – und
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
verfilmt – werden.Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Wenn die Erzählzeit (Zeitdauer des Lesens) und die erzählte Zeit (Zeitdauer der Hand- Zeit
lung) gleich lang sind, so ist von Zeitdeckung die Rede.
Dauert das Ereignis länger als die sprachliche Darstellung, wird von Zeitdehnung («Zeit-
lupe») gesprochen; werden längere Handlungen gekürzt, ist von Zeitraffung die Rede.
Bei einem Zeitsprung fehlen Jahre, Monate und Wochen. – In allen Fällen ist nach der
Wirkung zu fragen.
Literaturatelier 99
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
3.2 Dramatik
• Dramenaufbau
Akte Die «Magie der fünf Akte»
•
Wer sich fürs Theater interessiert, erkennt bald, dass viele Stücke fünf Akte aufweisen,
zum Beispiel die Dramen von Shakespeare oder Schiller. Diese klare Struktur geht zum Teil
auf den griechischen Philosophen Aristoteles (384–322 v. Chr.) zurück und wurde im
19. Jahrhundert von Gustav Freytag (1816 –1895) folgendermassen charakterisiert.
3. Akt
2. Akt 4. Akt
1. Akt 5. Akt
Neben dieser strengen fünfteiligen Form gab es immer schon Theaterstücke, die weniger
oder gar keine Akte kennen und in denen sich eine unterschiedliche Anzahl von Szenen
aneinanderreiht. In diesem Falle wird von einer offenen Dramenstruktur gesprochen.
Filmdramaturgie Filmdramaturgie
•
Bis heute wird diese Struktur auch auf Filme angewandt. Wer Drehbücher schreibt, lernt
folgendes Zeitschema mit drei Akten und zwei «Plot Points» kennen. Ein erfolgreicher
Hollywood-Drehbuchautor bezeichnet diese Struktur als «Kraft, die alles zusammenhält.
Sie ist das Skelett, das Rückgrat, die Basis. Ohne Struktur gelingt Ihnen keine Story.»
Ein «Plot Point» kann ein Schuss, eine Rede, eine Szene, eine Sequenz oder eine Handlung
sein – einfach alles, was die Geschichte vorantreibt.
Zentraler Punkt
Konfrontation
Plot Point I Plot Point II
Setup (Exposition) Lösung
Damit die Struktur nicht zum Korsett wird, spielen anspruchsvollere Regisseure damit und
überraschen so ihr Publikum, indem sie gewohnte Muster brechen.
100 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
•
Brecht und das Epische Theater
MODUL F
Ein neues Verständnis des Theaters entwickelte in den Zwanzigerjahren Bertolt Brecht mit Episches Theater
dem Epischen Theater. In der folgenden Gegenüberstellung zeigt er einige Gewichtsver-
schiebungen vom dramatischen zum Epischen Theater.
handelnd erzählend
verwickelt den Zuschauer in Bühnenaktion macht den Zuschauer zum Betrachter, aber
verbraucht seine Aktivität weckt seine Aktivität
ermöglicht ihm Gefühle erzwingt von ihm Entscheidungen
Erlebnis Weltbild
Der Zuschauer wird in etwas hineinversetzt er wird gegenübergesetzt
Suggestion Argument
Die Empfindungen werden konserviert bis zu Erkenntnissen getrieben
Der Zuschauer steht mittendrin, miterlebt Der Zuschauer steht gegenüber, studiert
Der Mensch als bekannt vorausgesetzt Der Mensch als Gegenstand der Untersuchung
Der unveränderliche Mensch Der veränderliche und verändernde Mensch
Spannung auf den Ausgang Spannung auf den Gang
Eine Szene für die andere Jede Szene für sich
Wachstum Montage
Geschehen linear in Kurven
evolutionäre Zwangsläufigkeit Sprünge
Der Mensch als Fixum Der Mensch als Prozess
Das Denken bestimmt das Sein Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Denken
Gefühl Ratio
Brechts Episches Theater soll Vertrautes in einem fremden Licht erscheinen lassen und V-Effekt
Fragen provozieren. Ferner gehört auch dazu, dass Schauspieler ihre Rollen nicht «ver-
körpern», sondern den Text «zitieren». Mit dem «V-Effekt», dem Verfremdungseffekt, soll
© 2023 Verlag
das Selbstverständliche, SKV AG: Fokus
Bekannte, Sprache, Fokus Sprache
Einleuchtende BM mit digitalen
genommen und Lösungen
Staunenundsowie
Kommentar für Lehrpersonen
Neugier
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
de erzeugt werden. Mittel der Verfremdung sind zum Beispiel Zwischengesänge, Spruch-
bänder und Selbsterklärungen der Figuren. Heute ermöglicht modernste Bühnentechnik
noch viele andere V-Effekte, z.B. Laufbänder oder grosse Bildprojektionen.
Typisch für das Epische Theater und den V-Effekt ist der Schluss des Stücks «Der gute
Mensch von Sezuan». Ein Spieler tritt vor den Vorhang und spricht das Publikum direkt an:
Verehrtes Publikum, jetzt kein Verdruss:
Wir wissen wohl, das ist kein rechter Schluss.
Vorschwebte uns: die goldene Legende.
Unter der Hand nahm sie ein bitteres Ende.
Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen. (…)
Der einzige Ausweg wär aus diesem Ungemach:
Sie selber dächten auf der Stelle nach
Auf welche Weis dem guten Menschen man
Zu einem guten Ende helfen kann.
Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluss!
Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss!
Literaturatelier 101
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Dürrenmatt und die Welt als Komödie
Welt als Komödie Friedrich Dürrenmatts (1921–1990) Theatererfolge beruhen auf einer deutlich anderen
«Theorie»:
Dokumentartheater • Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verwischt das Dokumentartheater. Dabei
werden historische Ereignisse thematisiert. Als Textgrundlage dienen Originaldokumente
wie Gerichtsakten, Protokolle, Interviews, Augenzeugenberichte. Auch wenn nichts hinzu-
erfunden wird, so sind letztlich das Arrangement der Texte, ihre Auswahl und die Kürzun-
gen
© 2023 Verlag SKVentscheidend
AG: Fokus Sprache,für die
Fokus Darstellung
Sprache des Sachverhalts.
BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Einer der erfolgreichsten Autoren des Dokumentartheaters ist Rolf Hochhuth (1931), dessen
Stücke «Der Stellvertreter» (1963) und «Juristen» (1979) für handfeste Skandale sorgten.
Gegenwart • Das Theater der Gegenwart geht einen Schritt weiter und
– stellt die Aufführung in den Vordergrund, die Regie (Regietheater statt Texttreue);
– löst Aufführung und Werk voneinander: das Werk garantiert nur noch den Verlauf im
weitesten Sinne;
– betont das Ereignis als Kunstprodukt: Der gleiche Text lässt je nach Regie und Darsteller
eine sehr andere Welt entstehen, in der sich das Publikum zurechtzufinden hat – und
das kann die Zuschauenden (sehr) verunsichern und in ihrer Wahrnehmung verwirren.
Drei Einheiten • Die «drei Einheiten» sorgten dafür, dass das Theater des 17. Jahrhunderts Struktur und
Ordnung erhielt: Ort, Zeit und Handlung mussten übereinstimmen. Die Autoren der Auf
klärung, allen voran Lessing, wehrten sich gegen diese Einschränkung; eine durchgehende
Handlung und glaubwürdige Charaktere genügten.
Monolog • Der Monolog ist ein laut geführtes Selbstgespräch einer Figur auf der Bühne; für den
inneren Monolog in Romanen oder Erzählungen vgl. «Epik».
Ständeklausel • Mit dem bürgerlichen Trauerspiel, das bürgerliche Heldinnen und Helden auf der Bühne
zeigt, fällt im 18. Jahrhundert die Ständeklausel, vgl. «Drama».
102 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
3.3 Lyrik
Das Wort «Lyrik» geht auf das griechische «Leier» oder «Lyra» zurück. Gedichte stehen also in
einem engen Zusammenhang mit Sprechen, Klang und Melodie. Lyrik ist die literarische
Gattung, die mit formalen Mitteln wie Reim und Rhythmus persönliches Empfinden, Gefühle,
Stimmungen, aber auch weltanschauliche Betrachtungen oder politisches Engagement aus-
drückt. Thematisch unterschieden werden können folgende Gattungen: Erlebnis-, Natur-,
Liebes- und Alltagslyrik, aber auch politische Lyrik, Grossstadt- und Gedankenlyrik. Von allen
literarischen Äusserungen sind Gedichte am engsten an die Muttersprache der Dichterin/des
Dichters gebunden – und am schwierigsten zu übersetzen. Dies trifft auch auf englische
Popsongs zu, die ins Deutsche oder in die Mundart übersetzt werden.
Wenn der Inhalt des Gedichts schon an seiner äusseren Form erkennbar ist, wird von visueller Konkrete Poesie
oder konkreter Poesie gesprochen, zum Beispiel:
Moderne Lyrik wirkt häufig schwer zugänglich, weil sie sich durch Verknappung und Verdich- Moderne Lyrik
tung des Inhalts, durch schwer erkennbare Symbole und Metaphern sowie durch sprachliche
Experimente und anspruchsvolle Formen der schnellen Interpretation verschliesst.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
• Die Ballade bezeichnet seit
Persönliches demvon
Exemplar 18.
LizaJahrhundert ein handlungsreiches, oft tragisch enden-
Basha, 8307 Effretikon Ballade
des Geschehen, das meist aus Geschichte, Sagenwelt oder Mythologie stammt. Balladen
«erzählen» etwas «Dramatisches» (z.B. einen Konflikt) in «gereimter und rhythmischer»
Form. In der Rock- und Popmusik sind Balladen eher ruhige Lieder, die ebenfalls längere
«Storys» erzählen.
Bekannte Balladen sind u.a. Goethes «Erlkönig» und «Der Zauberlehrling», von Schiller
«Die Bürgschaft» und «Das Lied von der Glocke» sowie von Fontane «John Maynard» und
«Die Brück’ am Tay».
Nibelungenlied, 1200
Reimschema: abab cdcd
Uns ist in alten mæren wunders vil geseit:
von heleden lobebæren von grôzer arebeit,
von fröuden, hôchgeziten, von weinen und von klagen,
von küener recken strîten, muget ir nu wunder hœren sagen.
Literaturatelier 103
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Metrum • Beim Sprechen betonen wir einzelne Silben (Hebung), andere bleiben unbetont
(Senkung). Die Anzahl und Kombination von betonten und unbetonten Silben ist das
Metrum (z.B.: betont – unbetont – unbetont, und das sechsmal).
• Folgt einer unbetonten eine betonte Silbe, so wird dies Jambus genannt. Seit William
Shakespeare und im deutschen Drama seit Gotthold Ephraim Lessing (vgl. 5.1 «Auf-
klärung») ist der fünfhebige Jambus ohne Reim verwendet worden:
Es eifre jeder seiner unbestochnen
Von Vorurteilen freien Liebe nach!
Rhythmus • Das Metrum schreibt nicht vor, wo beim Sprechen Pausen und wo je nach Sinn gewisse
Akzente zu setzen sind. Durch Hebung, Senkung, Pause, Akzent entsteht der Rhythmus
des Gedichts.
Strophe • Strophen sind Sinneinheiten, die meist in der Anzahl und in der Länge der Verse sowie
im Reimschema und im Metrum übereinstimmen. Eine bestimmte Zahl von Versen wird
in regelmässig wiederkehrender Zusammenstellung geordnet. Hier gibt es eine grosse
Anzahl von Möglichkeiten und daher entsprechend viele Strophenformen.
Lied • Lieder lassen sich singen und sind klar gegliedert. Neben den unterschiedlichen Themen
(Liebeslied, Tanzlied, Soldatenlied, Protestlied u.v.a.m.) kann zwischen weltlichen und geist-
lichen Liedern sowie zwischen Volks- und Kunstliedern unterschieden werden. Die Verfasser
der Volkslieder sind zumeist unbekannt. Kunstlieder orientieren sich häufig an Volksliedern,
und ihre Verfasser sind bekannt.
Lyrisches Ich •
Als «lyrisches Ich» wird der oder die Sprechende im Gedicht bezeichnet. Die Gleichsetzung
mit der Autorin oder dem Autor ist nur in Ausnahmen sinnvoll.
Sonett • Sonette sind eine besonders beliebte und sehr spezielle Gedichtform: Sie bestehen aus 14
Zeilen, d.h. einem Aufgesang (zweimal vier Zeilen mit dem Reimschema abba) und einem
Abgesang (zweimal drei Zeilen mit dem Schema cdc dcd oder ccd eed). Wie man Sonette
«macht», verrät folgendes Sonett von F. W. Bernstein.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Sonett-Sonett
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Gute Gedichte R o be r t G e r n h a r d t , 19 3 7 – 2 0 0 6
ALS ER GEFRAGT WURDE,
WIE EIN GUTES GEDICHT
BESCHAFFEN SEIN SOLLTE:
Gut gefühlt
Gut gefügt
Gut gedacht
Gut gemacht. 2006
104 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
4 Anfänge der deutschen Literatur
MODUL F
• Begriff
Die Literatur nach Epochen einteilen heisst, einzelne Zeiträume durch gemeinsame charakteri Epochen
stische Merkmale gegenüber anderen abzugrenzen. Wie jeder Mensch seine eigene unver-
wechselbare Entwicklung durchläuft, zeichnen sich auch kulturelle Leistungen und Werke
durch ihre Einmaligkeit aus: Im Literaturunterricht interessieren uns Werke sprachlichen Schaf-
fens, die für ihre Zeit folgende gemeinsame Kriterien aufweisen können:
• Ideen, Inhalte und Wertvorstellungen, z.B. Emanzipation, Gleichberechtigung, soziale Merkmale
Diskriminierung
• typische gemeinsame Sprach- und Stilmerkmale, z.B. lateinische Formen in Gedichten der
Klassik, Mundart im Drama des Naturalismus
• Textsorten und -formen, z.B. Novellen im 19. Jahrhundert, Gedichte des Expressionismus
• bewusste Abgrenzungen und Antworten auf frühere Schaffensperioden, z.B. die Romantik
gegenüber der Klassik
Die folgende Beschreibung einzelner Literaturepochen dient als Orientierung, vermittelt die
wichtigsten Begriffe und Zusammenhänge und regt zum selbstständigen «Forschen» und
vor allem zum Lesen an.
Erfolgreiches Lernen heisst, einzelne Werke zu lesen und die Begriffe mit Inhalten zu
füllen. Recherchen in Literaturgeschichtsbüchern und im Internet helfen dabei.
Es ist sinnvoll, nach Zusammenhängen zwischen den Werken und den Epochen zu fragen
sowie Übereinstimmungen und Unterschiede herauszuarbeiten.
Literaturatelier 105
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
4.1 Die Anfänge – die griechische und die römische Antike
Die griechische und die römische Antike gelten als «Wiege der abendländischen Kultur» für
Kunst und Literatur, aber auch für Rhetorik, Mathematik oder Philosophie. Hier entstanden die
literarischen Gattungen und die Werke der Weltliteratur, die immer wieder neu bearbeitet, um
gearbeitet und interpretiert werden. Zu den wichtigsten Dichtern gehören die Griechen
Homer und Sophokles sowie die Römer Ovid und Vergil.
Zur griechischen Mythologie zählen Götter- und Heldensagen sowie Schöpfungs-
mythen, welche die Entstehung der Welt erklären und in denen zutiefst menschliches
Verhalten literarisch behandelt wird: Liebe, Glück, Eifersucht, Neid, Hass, Rache, Ver
gebung, Macht, List, Krieg und Mord. Ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. übernahmen die
Römer z. T. griechische Mythen und Götter: Aus Zeus wurde Jupiter, aus Ares Mars, aus
Eros Amor, aus Selene Luna und aus Aphrodite Venus. Wenn auch nicht die «Ge-
schichten», so sind doch einige Namen noch immer bekannt: Herakles, Achilles und
Hektor, Prometheus, Ödipus und die schöne Helena sowie die Giganten. Das Internet
bietet zu allen Themen eine Fülle von Informationen und nützliches Bildmaterial.
Der Dichter Homer, dessen Existenz um 850 v. Chr. vermutet wird, gilt als Schöpfer der
«Ilias», die den zehnjährigen Krieg um Troja thematisiert, und der «Odyssee». Darin
irrt Odysseus, dessen List Troja besiegte, zehn Jahre durchs Mittelmeer, bis er seine Hei
mat Ithaka erreicht. Ähnlich der Ilias schuf der lateinische Dichter Vergil die «Aeneis»;
die Liebesgedichte des Römers Ovid gehören bis heute zum Lateinunterricht.
Die deutsche Literatur vor der Aufklärung des 18. Jahrhunderts ist für uns heute «sehr weit
entfernt». Manche Themen und Inhalte sind nur bedingt verständlich. Dennoch lassen sich
Auswirkungen bis in die Gegenwart erkennen; auch wird ersichtlich, in welchem Umfeld die
deutsche Sprache und Literatur begonnen haben.
© 2023 Verlag SKVErste althochdeutsche
AG: Fokus Sprache, Fokus SpracheDokumente
BM mit digitalen–Lösungen
Zaubersprüche, Gebete,
und Kommentar Lieder und Bibelteile –
für Lehrpersonen
stammen
Persönliches Exemplar aus8307
von Liza Basha, demEffretikon
8. Jahrhundert. Sie sind nur mit Fachkenntnissen lesbar.
Während der Ritterzeit ab dem 10. Jahrhundert entstehen mittelhochdeutsche
Liebeslieder (Minnesang) und sogenannte Heldenepen (Verserzählungen), z. B. die
tragische Liebesgeschichte von «Tristan und Isolde» und das «Nibelungenlied». Einen
Antihelden zeigt die Versnovelle «Meier Helmbrecht»: Ein junger, blonder Schönling
mit künstlichen Locken entflieht dem Elternhaus und dem Bauernstand, indem er sich
verbrecherischen Raubrittern anschliesst. Die Bande wird gefasst, zum Tode verurteilt –
nur er wird als Zehnter der Bande «begnadigt»: Man blendet und verstümmelt ihn,
am Ende hängen ihn die Bauern. Ob die literarische Abschreckung gewirkt hat, bleibt
offen.
Um 1100 lebte die bis heute legendäre Äbtissin Hildegard von Bingen, deren Wirken
und Schriften sowohl Alternativ- und Esoterik-Kreise wie auch Fachleute interessieren.
Als herausragender Minnesänger ist Walther von der Vogelweide in der Manessi-
schen Liederhandschrift der Zürcher Familie Manesse aufgeführt.
Im Umfeld der Tafelrunde des englischen Königs Artus entstanden zahlreiche Epen,
z.B. über die Ritter Parzival, Lancelot, Iwein u.a. – bis hin zur modernen Fantasy-Story
Manessische Liederhand «Die Nebel von Avalon». Zwei Motive dieser Zeit sind aktuell geblieben, z. B. in den Romanen
schrift: Walther von der von Dan Brown: die Suche nach dem heiligen Gral und der Mythos des Templerordens.
Vogelweide, um 1300 Der mittelhochdeutsche Beginn des «Nibelungenlieds» kann (fast) übersetzt werden
(vgl. S. 103).
106 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
4.3 Das 16. Jahrhundert – Humanismus, Reformation und Renaissance
In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wird Amerika entdeckt, gelingt die Um
segelung der Welt, die u. a. die Kugelform der Erde und das heliozentrische Weltbild
beweist. Den Zeitgenossen gilt dies als das Jahrhundert der Wissenschaften. Die
Renaissance («Wiedergeburt») – mit ihrem Ursprung in Italien – greift auf die Antike
als Vorbild für humanistisches Denken zurück. Sie sucht Wege, aus der Abhängigkeit
der Kirche zu entkommen: Erasmus von Rotterdam, der wichtigste Humanist der Zeit,
stellt Menschlichkeit und Toleranz über kirchliche Absolutheitsansprüche.
Martin Luther predigt keinen strafenden, sondern einen gnädigen Gott, der den
Menschen verzeiht. Seine wissenschaftliche Leistung besteht jedoch vor allem darin,
dass er mit der Übersetzung der gesamten Bibel ein allgemein verständliches Neuhoch-
deutsch schafft. Begünstigt wird der Erfolg durch die Erfindung des Buchdrucks: Die Texte
können schnell publiziert werden. Das Lesepublikum wächst, ein Markt für Bücher entsteht.
Volksbücher sind beliebt, z.B. «Till Eulenspiegel» (1510), «Das Volksbuch vom Doktor Faust»
(1578) und die «Schildbürger» (1598).
In Schwänken, Fabeln und Fasnachtsspielen stellt Hans Sachs die bürgerliche Alltagswelt dar.
Der Meistersang – die Nachahmung des ritterlichen Minnesangs durch Handwerker – erreicht
seinen Höhepunkt.
Reformation und Gegenreformation führen zu einer bis dahin nicht gekannten Fülle von
Abhandlungen, Flugblättern und Streitschriften.
Der Dreissigjährige Krieg ab 1618 hinterlässt ein zerstörtes Europa, in dem die Bevölkerung Hans Jakob Christoffel
um rund ein Drittel zurückgegangen ist. Das Lebensgefühl schwankt zwischen Carpe diem von Grimmelshausens
(«Nutze den Tag») und Memento mori («Gedenke des Todes») oder Vanitas (Vergänglichkeit Simplizissimus –
in einem Satz
allen Lebens). «Ausufernde, während
Literatur entsteht im Dienst
© 2023 von
Verlag SKVAdel undSprache,
AG: Fokus Kirche, z.B.
Fokus vieleBMKirchenlieder.
Sprache Ausund
mit digitalen Lösungen den Epen frühe-
Kommentar des Dreissigjährigen Krie-
für Lehrpersonen
rer Epochen entsteht der Roman.
Persönliches Exemplar Sprachgesellschaften
von Liza Basha, 8307 Effretikon betonen Deutsch gegenüber dem ges spielende Geschichte
Latein; Martin Opitz will mit seinem «Buch von der Deutschen Poeterey» Literatur lehr- und um den einfältigen Simpli
lernbar machen. Ziel aller Dichtung ist das «Belehren und Ergötzen». Diesen Anspruch erfül- cius, der von seinem Bau-
ernhof vertrieben wird,
len Abenteuer- und Schelmenromane, u.a. «Das Abentheuerliche Leben des Simplizissimus zwei Jahre bei einem Ein-
Teutsch» (vgl. Randspalte). Sogenannte Schäferromane idealisieren die Liebe und das Land siedler lebt – der sich
leben einfacher Menschen; höfisch-historische Romane erzählen Geschichten von Herrschern später als sein Vater er-
und Menschen höheren Standes. Immer häufiger kommt es zu Übersetzungen von wichtigen weist –, Schweden und
Werken aus anderen Sprachen. Englische Theatergruppen treten in Norddeutschland auf, Kroaten dient, als Jäger
und Lautenspieler be-
italienische im Süden und in Österreich – der Literaturraum öffnet sich. rühmt wird, an den fran-
Das Sonett («Klinggedicht») ist eine genau geregelte, aber sehr beliebte Gedichtform mit zösischen Hof gelangt,
14 Verszeilen, vorzugsweise zweimal vier und zweimal drei sowie einem festen Reimschema. den Tod seines besten
Freundes Herzbruder hin-
• Was bleibt nehmen muss und sich zu
einer Reise nach Moskau
• Was ist die «Odyssee», und was meinen wir im Alltag mit einer Odyssee? überreden lässt, die ihn
• Aus welcher Zeit sind erste althochdeutsche Dokumente erhalten? bis nach Japan führt,
wobei er vorübergehend
• Was sind Heldenepen oder -sagen? versklavt wird, um nach
• Neben Luther gab es auch in der Schweiz zwei bedeutende Reformatoren, nämlich … einer Pilgerfahrt nach
• Wie gefährden humanistisches Denken und Reformation die damalige Rolle der Kirche? Rom sein Leben dem
• Was leisten Sprachgesellschaften? Bücherstudium zu
• Was ist ein Schelmenroman? widmen und Eremit zu
werden.»
(Neckam, 2007)
Literaturatelier 107
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
5 Das 18. Jahrhundert – das Jahrhundert der Aufklärung
Das 18. Jahrhundert umfasst die Literaturepochen Aufklärung (im engeren Sinn), Sturm
und Drang sowie (Weimarer) Klassik und leitet über in die Romantik, die erste Epoche des
19. Jahrhunderts. Manche Literaturgeschichten beschreiben die Jahre von 1740 bis 1780 als
«Empfindsamkeit»; einige bezeichnen die Jahre von 1770 bis 1830 auch als «Goethezeit».
• Begriff
Aufgeklärtes Denken entstand in England und Frankreich.
Zu den wichtigsten Philosophen zählen René Descartes
(1596–1650) und John Locke (1632–1704). Sie gelten als
Vertreter des Rationalismus und des Empirismus.
Der Königsberger Philosoph Immanuel Kant beantwortete 1784
die Frage «Was ist Aufklärung?» folgendermassen: «Aufklärung
ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten
Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines
Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen (…) Habe
Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der
Wahlspruch der Aufklärung». Nur mit dem eigenen Verstand –
so die Aufklärer – gelingt es, sich dem «Aberglauben» und der
Bevormundung durch Klerus und Adel zu entziehen. Die Sonne
gilt als Symbol der Aufklärung («The Age of Enlightment»).
Aus den Ideen der Toleranz, der Humanität und der Utopie
des ewigen Friedens leitet sich für den konkreten Alltag der Be-
Julius Caesar Ibbetson: George Biggins Aufstieg in Lunardis griff der Menschenrechte her. Die Vernunftgläubigkeit wird
Ballon (1785/1788) nahezu
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit eine Ersatzreligion.
digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
108 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Dass Literatur ergötzen und belehren soll (Funktion), zeigt sich im Erziehungsroman «Émile» Der Allmachtsanspruch
MODUL F
(1762) des Genfers Jean Jaques Rousseau und vor allem in Gotthold Ephraim Lessings Drama der absoluten Herrscher
schwindet: Die Aufklärer
«Nathan der Weise» (1779). Die Botschaften sind offensichtlich: Der Mensch ist von Natur aus verlangen nicht nur Ge-
gut, nur die «Gesellschaft» oder die Religionen üben einen problematischen Einfluss aus. waltenteilung und Volks
Bevorzugte Textsorten der Aufklärung sind Erzählungen und Fabeln. In ihnen führt eine kurze souveränität, sondern
Geschichte (ergötzen) zu einer moralischen Erkenntnis (belehren). Eine andere Möglichkeit auch die Einhaltung der
bietet die Satire. Trotz grossartiger Gedichte aus dieser Zeit gilt die Lyrik nicht als epochen- Grundrechte. Das Got
tesgnadentum ersetzen
bestimmende Textgattung. die Aufklärer durch einen
Aufklärer unterziehen alle Lebensbereiche der Analyse und Kritik. Diese Lust am Denken zeigt Gesellschaftsvertrag, aus
sich auch in Schriften zur Dichtungstheorie sowie in Sammlungen von Aphorismen. Dies dem ein Widerstandsrecht
sind kurze, pointierte Aussagen (Sentenz, Bonmot, geflügeltes Wort), z. B.: «Man vergesse abgeleitet wird.
nicht, dass das, was wir Aufklärung nennen, anderen vielleicht als Verfinsterung scheint.» Aufgeklärte absolutisti-
sche Herrscher in Preus
(Adolph Freiherr von Knigge, 1752–96) sen und Österreich setzen
einige dieser Forderungen
um, z.B. die Aufhebung
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren der Leibeigenschaft.
• Albrecht von Haller: Gedichtsammlung «Versuch Schweizerischer Gedichten» (!), 1732
• Georg Christoph Lichtenberg: ab 1764 geführte «Sudelbücher» (Sammlung von Apho-
rismen, die noch heute auf Kalenderblättern zu finden sind)
• Sophie von La Roche: Geschichte des Fräuleins von Sternheim, 1771
• Christoph Martin Wieland übersetzt antike Autoren und 22 Dramen Shakespeares, ab
1775
• Gotthold Ephraim Lessing: Hamburgische Dramaturgie, 1767/69; Emilia Galotti, 1772;
Nathan der Weise, 1779 L esetipp !
eltliteratur
W
• Daniel Defoe: Robinson Crusoe, 1719 L esetipp !
• Jonathan Swift: Gullivers Reisen, 1726
• Voltaire: Candide, 1759
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe
G o t t h o l d E ph r a i m L e s s i n g , 1 7 2 1 – 1 7 8 9
Nathan der Weise
Im Jerusalem der Kreuzzüge ruft Sultan Saladin den Juden Nathan, der auch «der
Weise» genannt wird, zu sich und will wissen, welche Religion – Judentum, Islam oder
Christentum – die wahre sei. Nathan erkennt die gefährliche Situation und hat die
Idee: «Nicht die Kinder bloss, speist man mit Märchen ab.» Er erzählt von einem Vater,
der als Erbe einen Ring an den meistgeliebten seiner drei Söhne weitergeben sollte,
sich aber für keinen Sohn entscheiden kann. Also lässt er noch zwei gleiche Ringe an-
fertigen, übergibt jedem Sohn einen und stirbt.
• Lesen Sie die «Ringparabel» aufmerksam durch, und kennzeichnen Sie die Schlüs-
selwörter.
• Welche Botschaften vermittelt der Text? Was ist an den Botschaften «aufgeklärt»?
• Wählen Sie einige Verszeilen aus, und kennzeichnen Sie die beim Sprechen beton-
ten und unbetonten Silben.
Literaturatelier 109
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Dritter Akt. Siebter Auftritt Entscheiden! Denn die falschen Ringe werden
1 Nathan. 40 Doch das nicht können! – Nun; wen lieben zwei
Denn was noch folgt, versteht sich ja von selbst. – Von Euch am meisten? – Macht, sagt an! Ihr
Kaum war der Vater tot, so kömmt ein jeder schweigt?
Mit seinem Ring, und jeder will der Fürst Die Ringe wirken nur zurück? und nicht
5 Des Hauses sein. Man untersucht, man zankt, Nach aussen? Jeder liebt sich selber nur
Man klagt. Umsonst; der rechte Ring war nicht 45 Am meisten? – Oh, so seid ihr alle drei
Erweislich; – (nach einer Pause, in welcher er des Betrogene Betrüger! Eure Ringe
Sultans Antwort erwartet) Sind alle drei nicht echt. Der echte Ring
Fast so unerweislich, als Vermutlich ging verloren. Den Verlust
10 Uns itzt – der rechte Glaube. (. . .) Zu bergen, zu ersetzen, liess der Vater
Saladin. 50 Die drei für einen machen. (. . .)
Die Ringe! – Spiele nicht mit mir! – Ich dächte, Und also, fuhr der Richter fort, wenn ihr
Dass die Religionen, die ich dir Nicht meinen Rat, statt meines Spruches, wollt:
Genannt, doch wohl zu unterscheiden wären. Geht nur! – Mein Rat ist aber der: ihr nehmt
15 Bis auf die Kleidung, bis auf Speis und Trank! Die Sache völlig wie sie liegt. Hat von
Nathan. 55 Euch jeder seinen Ring von seinem Vater:
Und nur von seiten ihrer Gründe nicht. – So glaube jeder sicher seinen Ring
Denn gründen alle sich nicht auf Geschichte? Den echten. – Möglich; dass der Vater nun
Geschrieben oder überliefert! – Und Die Tyrannei des einen Rings nicht länger
20 Geschichte muss doch wohl allein auf Treu In seinem Hause dulden wollen! – Und gewiss;
Und Glauben angenommen werden? – Nicht? – 60 Dass er euch alle drei geliebt, und gleich
Nun, wessen Treu und Glauben zieht man denn Geliebt: indem er zwei nicht drücken mögen,
Am wenigsten in Zweifel? Doch der Seinen? Um einen zu begünstigen. – Wohlan!
Doch deren Blut wir sind? doch deren, die Es eifre jeder seiner unbestochnen
25 Von Kindheit an uns Proben ihrer Liebe Von Vorurteilen freien Liebe nach!
Gegeben? die uns nie getäuscht, als wo 65 Es strebe von euch jeder um die Wette,
Getäuscht zu werden uns heilsamer war? – Die Kraft des Steins in seinem Ring’ an Tag
Wie kann ich meinen Vätern weniger Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut,
Als du den deinen glauben? Oder umgekehrt. Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun,
30 (...) Lass aufVerlag
© 2023 unsreSKVRing’ Mit innigster
AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen undErgebenheit in Gott
Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Uns wieder kommen. Wie gesagt: die Söhne 70 Zu Hilf’! Und wenn sich dann der Steine Kräfte
Verklagten sich; und jeder schwur dem Richter, Bei euern Kindes-Kindeskindern äussern:
Unmittelbar aus seines Vaters Hand So lad ich über tausend tausend Jahre
Den Ring zu haben. – Wie auch wahr! (. . .) Sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird
35 Der Richter sprach: (.. .) Ein weisrer Mann auf diesem Stuhle sitzen
Ich höre ja, der rechte Ring 75 Als ich; und sprechen. Geht! – So sagte der
Besitzt die Wunderkraft beliebt zu machen; Bescheidne Richter. (. . .)
Vor Gott und Menschen angenehm. Das muss
• Was bleibt
• Was heisst Aufklärung im 18. Jahrhundert?
• Welche drei Einheiten fordert Gottsched fürs Drama? Welche Probleme sind damit ver-
bunden?
• «Ringparabel»: Was ist typisch für eine Parabel? Recherchieren Sie im Internet, und prü-
fen Sie kritisch die Antworten, die Sie finden.
• Suchen und interpretieren Sie Fabeln von Lessing und anderen Aufklärern.
• Erklären Sie Immanuel Kants kategorischen Imperativ mit eigenen Worten: «Handle so,
dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetz-
gebung gelten könne.»
• Welche Auswirkungen der Aufklärung lassen sich bis heute nachweisen?
110 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
5.2 Sturm und Drang, 1767–1790
• Begriff
Diese Bezeichnung geht zurück auf das gleichnamige Drama von Friedrich Maximilian Klinger
(1776). Allein Titel wie «Die Räuber» und «Die Leiden des jungen Werthers» lassen erkennen,
dass es hier – im Gegensatz zur Aufklärung – nicht um Vernunft und Verstand geht, sondern
dass Gefühle und «Power» dominieren. Junge, engagierte Autoren – der «junge Goethe» und
der «junge Schiller» – wenden sich gegen die Vernünftelei der älteren Aufklärer. Schon wäh-
rend der Aufklärung hatten sich Literaten (z.B. Friedrich Gottlieb Klopstock) dem Gefühlserle-
ben zugewandt, allerdings nicht dem emotionalen Überschwang, sondern mehr der sensiblen
Empfindsamkeit. Dies zeigt sich auch in Goethes «Werther».
Literaturatelier 111
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe
• Lesen Sie den folgenden Textauszug, und unterstreichen Sie die Schlüsselbegriffe.
• Wie stellt sich Werther dar?
• Was «klingt» hier nach Sturm und Drang, was nach Empfindsamkeit?
Theaterzettel zur
2. Aufführung 1784 • Was bleibt
• Was bedeutet der Begriff «Genie» im Sturm und Drang, was bedeutet er heute?
• Warum ist gerade Goethes Briefroman so erfolgreich (gewesen)?
• Goethes Gedicht «Prometheus» im Internet: Lesen Sie es laut, und untersuchen Sie Form
und Inhalt. Was bedeutet es? Was entspricht darin dem Sturm und Drang?
• Lesen und analysieren Sie ein Schiller-Drama, z. B. die «Räuber» oder «Kabale und Liebe».
112 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
5.3 Klassik, 1786 – 1805
• Begriff
Die deutsche oder Weimarer Klassik beginnt mit Johann Wolfgang von Goethes Reise
nach Italien und endet mit dem Tod Friedrich Schillers. Vereinfacht gesagt ist diese
Epoche ein Ausgleich zwischen der rationalen Aufklärung und dem gefühlsbetonten
Sturm und Drang. Die Mode der Zeit, sich der griechischen Antike zuzuwenden,
führt dazu, dass z.B. nach griechischen Versmustern geschrieben und gedichtet wird.
Die beiden prägenden Autoren schaffen dabei klassische – sprich: vorbildhafte, muster
gültige – Werke der deutschsprachigen Literatur.
• Themen und Tendenzen
Die Orientierung an der antiken griechischen Literatur führt zu sprachlich und inhaltlich
Andy Warhol: Goethe, 1982
anspruchsvollen Werken – vor allem für das heutige Publikum. Allerdings verehren Lite
raturfans die Werke Goethes und Schillers noch immer als Höhepunkte der deutschen
Literatur. Was fasziniert, sind die utopischen Ideale dieser Werke: Natur und Welt als geordne-
ter Organismus, in dem sich der Mensch in Harmonie zwischen Geist und Gefühl sowie Pflicht • Gesellschaft und
und Neigung zu entfalten vermag. Humanität und Toleranz gelten als höchste Werte: «Edel Geschichte
Die Terrorherrschaft der
sei der Mensch, hilfreich und gut» (Goethe). Wahre Schönheit vereint das Reine, das Gute und
Jakobiner setzt der teil-
das Sittliche. Um das zu erreichen, soll u.a. das Theater die ästhetische Erziehung der Men- weisen Begeisterung für
schen fördern. Die soziale Wirklichkeit der Zeit bleibt weitgehend ausgeblendet – was sich in die Französische Revolu-
der Kunstsprache der Bühnenfiguren widerspiegelt (vgl. Textbeispiele). Das breite Publikum tion in Deutschland ein
vergnügte sich mit anderen Werken, die heute meist völlig unbekannt sind. Ende. Schliesslich krönt
sich 1804 Napoleon
Bonaparte als Held der
• Epik – Dramatik – Lyrik Koalitionskriege gegen
Österreich, Russland und
Noch immer überzeugen die Balladen von Goethe und Schiller. Auch werden ihre Dramen –
Preussen selbst zum Kai-
oft in aktualisierten Versionen – regelmässig aufgeführt. ser.
Der Stoff zu Goethes «Faust» geht auf die sagenhafte Figur (Johann) Georg Faust zurück, der Der Einfluss Frankreichs
um 1480 bis 1541 © Wunderheiler, Alchemist,
2023 Verlag SKV AG: Magier,
Fokus Sprache, Astrologe
Fokus Sprache und Wahrsager
BM mit digitalen Lösungen undgewesen sein
Kommentar für
reicht über halb Europa:
Lehrpersonen
dürfte. Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon Die Schweiz wird nach
den Berner Niederlagen
Goethe (1749–1832) war zeitlebens von diesem Stoff angetan und bearbeitete ihn immer
von napoleonischen
wieder: Urfaust, 1772; Faust. Ein Fragment, 1788; Faust. Der Tragödie erster Teil, 1808; Faust. Truppen besetzt. Die
Der Tragödie zweiter Teil, 1832. Helvetische Republik
(1798–1803) löst die Alte
Goethes Faust hat Philosophie, Jura, Medizin und Theologie studiert, muss aber feststellen: Eidgenossenschaft mit
ihrem System von Unter-
Da steh ich nun, ich armer Tor! tanengebieten und ge-
Und bin so klug als wie zuvor. meinen Herrschaften ab.
Die Revolution hinterlässt
Da die Wissenschaft nichts gebracht hat, probiert er’s mit Magie und hofft: die Idee der Menschen-
rechte (1789).
Dass ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält.
Faust schliesst mit Mephistopheles einen Pakt: Mephistopheles dient ihm auf Erden; Fausts
Seele gehört jedoch dem Teufel, wenn er jemals Erfüllung und Lebensglück erlebt:
Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!
Nun folgt eine abenteuerliche Reise durch Höhen und Tiefen des Lebens bis zur Liebe zu
Gretchen, die in einer Katastrophe endet:
Heinrich, mir graut’s vor dir.
In Faust II (Der Tragödie zweiter Teil) findet sich die Formel, die Faust von Schuld befreit und
Erlösung finden lässt:
Wer immer strebend sich bemüht,
Den können wir erlösen.
Literaturatelier 113
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Sprachlich und inhaltlich ist «der Faust» eine enorme Herausforderung, die Tragödie auf die
Bühne zu bringen ein wirkliches Abenteuer. Der deutsche Regisseur Peter Stein inszenierte im
Jahre 2000 beide Teile vollständig, und zwar mit einer Dauer von 22 Stunden. Bedeutend zu-
gänglicher sind neuere Faust-Verfilmungen.
Friedrich Schillers «Wilhelm Tell» geht zurück auf Goethe, der 1797 am Vierwaldstättersee von
der Tell-Sage gehört hatte. Er riet Schiller, den Stoff episch zu behandeln, doch dieser schrieb
ein Drama und schuf das Traumbild einer Friedensinsel.
Aufgabe
Friedrich Schiller
Don Carlos
In Friedrich Schillers Drama «Don Carlos» lässt Philipp II., König von Spanien, Marquis Posa zu
sich rufen; dieser nutzt die Gelegenheit und «kämpft» für seine Ideale.
Dritter Akt. Zehnter Auftritt: Der König und Marquis von Posa.
(Dieser geht dem König, sobald er ihn gewahr wird, entgegen und lässt sich vor ihm auf ein Knie nieder, steht auf
und bleibt ohne Zeichen der Verwirrung vor ihm stehen.)
1 M a r q u i s . (...) Doch – (Er hält inne.)
Ich bin gewiss, dass der erfahrne Kenner, 10 K ö n i g . Ihr bedenket Euch?
In Menschenseelen, seinem Stoff, geübt, Marquis. Ich bin – ich muss
Beim ersten Blicke wird gelesen haben, Gestehen, Sire, sogleich nicht vorbereitet,
5 Was ich ihm taugen kann, was nicht. Ich fühle Was ich als Bürger dieser Welt gedacht,
Mit demutsvoller Dankbarkeit die Gnade, In Worte Ihres Untertans zu kleiden. – (. . .)
Die Eure königliche Majestät 15 Ich kann nicht Fürstendiener sein.
Durch diese stolze Meinung auf mich häufen; (Der König sieht ihn mit Erstaunen an.)
114 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Ich will Des Ewigen und Wahren! Niemals – niemals
MODUL F
45
Den Käufer nicht betrügen, Sire. – Wenn Sie Besass ein Sterblicher so viel, so göttlich
Mich anzustellen würdigen, so wollen Es zu gebrauchen. Alle Könige
20 Sie nur die vorgewogne Tat. Sie wollen Europens huldigen dem spanischen Namen.
Nur meinen Arm und meinen Mut im Felde, Gehn Sie Europens Königen voran.
Nur meinen Kopf im Rat. Nicht meine Taten, 50 Ein Federzug von dieser Hand, und neu
Der Beifall, den sie finden an dem Thron, Erschaffen wird die Erde. Geben Sie
Soll meiner Taten Endzweck sein. Mir aber, Gedankenfreiheit – (Sich ihm zu Füssen werfend.)
25 Mir hat die Tugend eignen Werth. K ö n i g (überrascht, das Gesicht weggewandt und
(...) Ich liebe dann wieder auf den Marquis geheftet).
Die Menschheit, und in Monarchien darf 55 Sonderbarer Schwärmer!
Ich niemand lieben als mich selbst. (. . .) (. . .) Ihr kennt
Jüngst kam ich an von Flandern und Brabant. – Den Menschen, Marquis. Solch ein Mann hat mir
30 So viele reiche, blühende Provinzen! Schon längst gemangelt, Ihr seid gut und fröhlich,
Ein kräftiges, ein grosses Volk – und auch Und kennet doch den Menschen auch – drum hab’
Ein gutes Volk – und Vater dieses Volkes, 60 Ich Euch gewählt –
Das, dacht’ ich, das muss göttlich sein! – Da stiess M a r q u i s (überrascht und erschrocken).
Ich auf verbrannte menschliche Gebeine – Mich Sire?
35 (...) Geben Sie, König. Ihr standet
Was Sie uns nahmen, wieder. Lassen Sie Vor Eurem Herrn und habt nichts für Euch selbst
Grossmütig, wie der Starke, Menschenglück 65 Erbeten – nichts. Das ist mir neu – Ihr werdet
Aus Ihrem Füllhorn strömen – Geister reifen Gerecht sein. Leidenschaft wird Euren Blick
In Ihrem Weltgebäude! Geben Sie, Nicht irren – Dränget Euch zu meinem Sohn,
40 Was Sie uns nahmen, wieder. Werden Sie Erforscht das Herz der Königin. Ich will
Von Millionen Königen ein König. Euch Vollmacht senden, sie geheim zu sprechen.
(...) Geben Sie 70 Und jetzt verlasst mich! (Er zieht eine Glocke.)
Die unnatürliche Vergöttrung auf, 1887
Die uns vernichtet! Werden Sie uns Muster
• Was bleibt
• Was kann der Begriff Klassik bzw. klassisch bedeuten?
• Informieren Sie sich im Internet und in einer Literaturgeschichte über
Goethes und Schillers Biografien. Die beiden «Klassiker» schrieben
nicht nur literarische Werke, sondern widmeten sich noch anderen
Themen, nämlich …
• Analysieren Sie eine berühmte Ballade – und tragen Sie sie vor; lassen Sie sich vom Internet
inspirieren.
• Sehen Sie sich eine relevante Verfilmung eines Werkes an – und schreiben Sie eine Kritik.
• Soll, kann oder darf das Theater – heute der Film – «erzieherisch» wirken?
Literaturatelier 115
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
6 Das 19. Jahrhundert – das Jahrhundert des Bürgertums
Das neunzehnte Jahrhundert ist gesellschaftlich und politisch geprägt von der Macht des
Grossbürgertums – und dem entstehenden Proletariat. Die literarischen Epochen überschnei-
den sich: Romantik, Biedermeier und Junges Deutschland sowie Realismus und Naturalismus.
• Begriff
Unter «romantisch» verstand das frühe 19. Jahrhundert – anders als wir heute – vor
allem das Fantastische und Märchenhafte. Nach den Schrecken der Französischen
Revolution suchen gebildete junge Leute aus adeligen und wohlsituierten bürgerlichen
Familien eine neue Sehweise, die das Gewöhnliche, das Alltägliche überhöht, verklärt:
«Die Welt muss romantisiert werden.» Romantik bedeutet je nach Land etwas anderes
und fällt auch in verschiedene Zeiten: Die literarische Romantik dauert in Frankreich
von 1800 bis 1870; die Musik der Romantik umfasst die Zeit von 1830 bis 1900.
116 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
Aufgabe
N o v a l i s ( G e o r g P h i l i pp F r i e d r i c h F r e i he r r von H a r d e n be r g ) , 1 7 7 2 – 1 8 0 1
Heinrich von Ofterdingen
• Im Roman «Heinrich von Ofterdingen» von Novalis sucht Heinrich die blaue Blume – und
begegnet ihr im Traum. Was kann die «blaue Blume» im folgenden Auszug symbolisieren?
Der Gang führte ihn gemächlich eine Zeitlang eben fort, bis zu einer grossen Weitung, Karl Pärsimägi: Girl at
aus der ihm schon von fern ein helles Licht entgegen glänzte. Wie er hineintrat, ward the Window, 1930
5 er einen mächtigen Strahl gewahr, der wie aus einem Springquell bis an die Decke des
Gewölbes stieg, und oben in unzählige Funken zerstäubte, die sich unten in einem
grossen Becken sammelten; der Strahl glänzte wie entzündetes Gold; nicht das mindeste
Geräusch war zu hören, eine heilige Stille umgab das herrliche Schauspiel. Er näherte
sich dem Becken, das mit unendlichen Farben wogte und zitterte. Die Wände der Höhle
10 waren mit dieser Flüssigkeit überzogen, die nicht heiss, sondern kühl war, und an den J oseph von E ichendorff ,
Wänden nur ein mattes, bläuliches Licht von sich warf. Er tauchte seine Hand in das 1788–1857
Becken und benetzte seine Lippen. Es war, als durchdränge ihn ein geistiger Hauch, und Mondnacht
er fühlte sich innigst gestärkt und erfrischt. Ein unwiderstehliches Verlangen ergriff ihn,
Es war, als hätt’ der Himmel
sich zu baden, er entkleidete sich und stieg in das Becken. (. . .) Die Erde still geküsst,
15 Berauscht von Entzücken und doch jedes Eindrucks bewusst, schwamm er gemach dem Dass sie im Blütenschimmer
leuchtenden Strome nach, der aus dem Becken in den Felsen hineinfloss. Eine Art von Von ihm nun träumen müsst.
süssem Schlummer befiel ihn, in welchem er unbeschreibliche Begebenheiten träumte,
und woraus ihn eine andere Erleuchtung weckte. Er fand sich auf einem weichen Rasen Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
am Rande einer Quelle, die in die Luft hinausquoll und sich darin zu verzehren schien. Es rauschten leis die Wälder,
20 Dunkelblaue Felsen mit bunten Adern erhoben sich in einiger Entfernung; das Tages- So sternklar war die Nacht.
licht, das ihn umgab, war heller und milder als das gewöhnliche, der Himmel war
schwarzblau und völlig rein. Was ihn aberFokus
mit Sprache
vollerBMMacht anzog, warund
eine hohe licht- Und meine Seele spannte
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, mit digitalen Lösungen Kommentar für Lehrpersonen
blaue Blume, die zunächst an der Quelle Weit ihre Flügel aus,
Persönliches Exemplar von Liza Basha, stand, und ihn mit ihren breiten, glänzenden
8307 Effretikon
Flog durch die stillen Lande,
Blättern berührte. Rund um sie her standen unzählige Blumen von allen Farben, und der Als flöge sie nach Haus. 1837
25 köstliche Geruch erfüllte die Luft. Er sah nichts als die blaue Blume, und betrachtete sie
lange mit unnennbarer Zärtlichkeit. Endlich wollte er sich ihr nähern, als sie auf einmal
sich zu bewegen und zu verändern anfing; die Blätter wurden glänzender und schmieg-
ten sich an den wachsenden Stengel, die Blume neigte sich nach ihm zu, und die Blü-
tenblätter zeigten einen blauen ausgebreiteten Kragen, in welchem ein zartes Gesicht
30 schwebte. Sein süsses Staunen wuchs mit der sonderbaren Verwandlung, als ihn plötz-
lich die Stimme seiner Mutter weckte, und er sich in der elterlichen Stube fand. 1802
• Was bleibt
• Was ist mit der Nachtseite des Menschen gemeint?
• Was verdeutlichen die beiden Gemälde, die Frauen am Fenster zeigen?
• Wie lässt sich das Interesse an Märchen erklären? Informieren Sie sich über die Brüder
Grimm.
• Lesen und bearbeiten Sie mindestens eine Novelle oder einen Roman der Romantik.
• Welche Bedeutung kommt den Frauen und ihren Salons zu? Recherchieren Sie.
• Warum birgt die romantische Vorstellung «Eine Sprache – eine Nation» politischen Spreng
stoff?
Literaturatelier 117
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
6.2 Biedermeier, 1815–1850, und Junges Deutschland, 1830–1850
• Begriffe
Nach der Französischen Revolution und den napoleonischen
Kriegen wendet sich die Literatur des Biedermeier (Satirefigur)
der unmittelbaren Lebenswelt der Menschen zu: Familie, Natur,
Heimat, Religion. Der Wunsch nach einer geordneten Welt,
nach dem Erfassen der Vielfalt der Natur und dem Beherrschen
aller Leidenschaften stehen im Mittelpunkt. So entsteht eine
eigene Kunst und Kultur des Bürgertums (Hausmusik, Mode,
Architektur).
Die Autoren des Jungen Deutschlands grenzen sich gegen
Klassik und Romantik ab und wenden sich der politischen und
sozialen Wirklichkeit zu. Sie fordern Demokratie und Freiheit.
Literatur ist ein Mittel im Kampf gegen Zensur, eingeschränkte
Rede- und Pressefreiheit sowie «Demagogenverfolgungen» an
Universitäten («System Metternich»).
118 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
Aufgabe
Die beiden folgenden Textauszüge verdeutlichen die Unterschiede zwischen Biedermeier und
dem Jungen Deutschland.
• Was meint Adalbert Stifter, wenn er im folgenden Textauszug vom sanften Gesetz spricht?
Was zeigt der Text Büchners?
35 (. . .) Es ist das Gesetz dieser Kräfte, das Gesetz der
(Auszug aus der Vorrede zu den Bunten Steinen)
Gerechtigkeit, das Gesetz der Sitte, das Gesetz, das
will, dass jeder geachtet, geehrt, ungefährdet neben
1 Das Wehen der Luft, das Rieseln des Wassers, das dem anderen bestehe, dass er seine höhere mensch-
Wachsen der Getreide, das Wogen des Meeres, das liche Laufbahn gehen könne, sich Liebe und Be-
Grünen der Erde, das Glänzen des Himmels, das 40 wunderung seiner Mitmenschen erwerbe, dass er
Schimmern der Gestirne halte ich für gross: das als Kleinod gehütet werde, wie jeder Mensch ein
5 prächtig einherziehende Gewitter, den Blitz, welcher Kleinod für alle andern Menschen ist. 1852
Häuser spaltet, den Sturm, der die Brandung treibt,
den feuerspeienden Berg, das Erdbeben, welches Georg Büchner, 1813–1837
Länder verschüttet, halte ich nicht für grösser als
Der Hessische Landbote
obige Erscheinungen, ja ich halte sie für kleiner,
10 weil sie nur Wirkungen viel höherer Gesetze sind. 1 Friede den Hütten! Krieg den Palästen!
Sie kommen auf einzelnen Stellen vor und sind die Im Jahre 1834 sieht es aus, als würde die Bibel
Ergebnisse einseitiger Ursachen. Die Kraft, welche Lügen gestraft. Es sieht aus, als hätte Gott die
die Milch im Töpfchen der armen Frau empor- Bauern und Handwerker am fünften Tage und die
schwellen und übergehen macht, ist es auch, die 5 Fürsten und Vornehmen am sechsten gemacht, und
15 die Lava in dem feuerspeienden Berge emportreibt als hätte der Herr zu diesen gesagt: «Herrschet über
und auf den Flächen der Berge hinabgleiten lässt. alles Getier, das auf Erden kriecht», und hätte die
(...) Bauern und Bürger zum Gewürm gezählt. Das Leben
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
So wie es in derPersönliches
äusseren Naturvonist,
Exemplar Lizaso ist8307
Basha, es auch in
Effretikon der Vornehmen ist ein langer Sonntag: sie wohnen
der inneren, in der des menschlichen Geschlechtes. 10 in schönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie
20 Ein ganzes Leben voll Gerechtigkeit, Einfachheit, haben feiste Gesichter und reden eine eigne Spra-
Bezwingung seiner selbst, Verstandesmässigkeit, che; das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf
Wirksamkeit in seinem Kreis, Bewunderung des dem Acker. (. . .)
Schönen, verbunden mit einem heiteren gelassenen Für das Ministerium des Innern und der Gerechtig-
Sterben, halte ich für gross: mächtige Bewegungen 15 keitspflege werden bezahlt 1’110’607 Gulden. Dafür
25 des Gemütes, furchtbar einherrollenden Zorn, die habt ihr einen Wust von Gesetzen, zusammenge-
Begier nach Rache, den entzündeten Geist, der nach häuft aus willkürlichen Verordnungen aller Jahr-
Tätigkeit strebt, umreisst, ändert, zerstört und in der hunderte, meist geschrieben in einer fremden
Erregung oft das eigene Leben hinwirft, halte ich Sprache. (.. .) Die Justiz ist in Deutschland seit Jahr-
nicht für grösser, sondern für kleiner, da diese Dinge 20 hunderten die Hure der deutschen Fürsten. Jeden
30 so gut nur Hervorbringungen einzelner und einseiti- Schritt zu ihr müsst ihr mit Silber pflastern, und mit
ger Kräfte sind, wie Stürme, feuerspeiende Berge, Armut und Erniedrigung erkauft ihr ihre Sprüche.
Erdbeben. Wir wollen das sanfte Gesetz zu erblicken 1834
• Was bleibt
• Welche Unterschiede bestehen zwischen den beiden Epochen-Begriffen?
• Lesen und analysieren Sie mindestens eine Novelle der Zeit.
• Informieren Sie sich über Georg Büchner und seine Beziehung zur Schweiz.
• Wie lässt sich die bis heute anhaltende Faszination an Büchners «Woyzeck» erklären?
Literaturatelier 119
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
6.3 Realismus, 1850 – 1890
• Begriff
Nach verklärender Romantik, nach dem Rückzug ins Bieder
meierliche und nach revolutionärem Überschwang von 1848
wendet sich die Literatur des Realismus der wirklichen Welt zu,
genauer – der bürgerlichen Wirklichkeit: Nicht das Abbild,
sondern die «Widerspiegelung allen wirklichen Lebens, aller
wahren Kräfte und Interessen im Elemente der Kunst» ist beab-
sichtigt. Daher ist häufig auch vom poetischen Realismus die
Rede.
Während das öffentliche Selbstbewusstsein des Bürgertums
nationalistische und zunehmend imperialistische Züge annimmt,
legen zahlreiche Novellen und Romane die Schwächen dieser
Welt dar. Menschen – literarische Figuren – scheitern, wenn die
Fassade zerbricht. Allerdings werden die Katastrophen mit abge-
Karl Eduard Biermann: Borsig’s Maschinenbau-Anstalt zu
Berlin, 1847
klärter Distanz, aber auch mit Humor und Ironie entschärft.
Nicht die Anklage, die Provokation ist wichtig, sondern das
genau beobachtete Bild der Menschen und der Gesellschaft.
120 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Der Realismus ist eine übernationale Epoche mit nationalen Eigenheiten. Die herausragen- Nach dem gewonnenen
MODUL F
den Romane und Novellen dieser Zeit sind auch heute noch sprachlich wie psychologisch eine Deutsch-französischen
Krieg wird das Deutsche
faszinierende Lektüre. Daneben entstehen berühmte Gedichte und bis heute bekannte Balla- Reich gegründet, und
den, z.B. Fontanes «Brück’ am Tay». zwar im Spiegelsaal von
Versailles. Der preussische
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren König ist jetzt deutscher
Kaiser. Seine Politik wird
• Gottfried Keller: Romeo und Julia auf dem Dorfe, 1856 L esetipp ! Kleider machen Leute, aber von Kanzler Bis
1874 L esetipp ! marck gesteuert, der als
• Wilhelm Busch: Max und Moritz, 1865 Verfechter der Realpoli-
• Johanna Spyri: Heidis Lehr- und Wanderjahre, 1880 tik gilt.
• Conrad Ferdinand Meyer: Kleine Novellen, 1882/83 Er ist auf Ausgleich be-
dacht und bindet das
• Marie von Ebner-Eschenbach: Krambambuli, 1883 L esetipp ! Deutsche Reich in ein viel-
• Theodor Storm: Der Schimmelreiter, 1888 L esetipp ! fältiges Bündnissystem
• Theodor Fontane: Irrungen, Wirrungen, 1888 L esetipp ! Effi Briest, 1896 ein. Noch engagiert sich
das Reich kaum in Afrika
eltliteratur
W und Asien, wo Grossbri-
• Harriet Beecher Stowe: Onkel Toms Hütte, 1852 tannien, Frankreich und
• Gustave Flaubert: Madame Bovary, 1857 andere Mächte ihre Kolo-
• Leo N. Tolstoi: Krieg und Frieden, 1868/69 nialreiche aufzubauen
beginnen (Imperialismus).
• Robert L. B. Stevenson: Die Schatzinsel, 1883
• Mark Twain: Die Abenteuer Huckleberry Finns, 1884
T he o d o r F o n t a n e , 1 8 1 9 – 1 8 9 8
Realismus
1 Unter Realismus «verstehen wir nicht das nackte Wiedergeben alltäglichen Lebens, am
wenigsten seines Elends und seiner Schattenseiten. (. . .) Aber es ist doch nicht allzu
lange her, dass man (namentlich in der Malerei) Misere mit Realismus verwechselte und
bei der Darstellung eines sterbenden Proletariers, den hungernde Kinder umstehen, (.. .)
5 sich einbildete, ©der
2023Kunst eine
Verlag SKV AG:glänzende
Fokus Sprache,Richtung
Fokus Sprache vorgezeichnet zu haben.
BM mit digitalen Lösungen Diese Rich-
und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
tung verhält sich zum echten Realismus wie das rohe Erz zum Metall. Die Läuterung
fehlt. Wohl ist das Motto des Realismus der Goethesche Zuruf:
Greif nur hinein ins volle Menschenleben, / Wo du es packst, da ist’s interessant;
aber freilich, die Hand, die diesen Griff tut, muss eine künstlerische sein. Das Leben ist
10 doch immer nur der Marmorsteinbruch, der den Stoff zu unendlichen Bildwerken in sich
trägt, sie schlummern darin, aber nur dem Auge des Geweihten sichtbar und nur durch
seine Hand zu erwecken.» 1853
Aufgabe
T he o d o r F o n t a n e , 1 8 1 9 – 1 8 9 8
Effi Briest (Siebenundzwanzigstes Kapitel)
Baron von Innstetten, 20 Jahre älter als Effi Briest, entdeckt die Liebesbriefe einer kurzen Bezie-
hung seiner Frau Effi zu Major von Crampas.
1 Innstetten hatte die Briefe kaum wieder beiseite geschoben, als draussen die Klingel
ging. Gleich danach meldete Johanna: «Geheimrat Wüllersdorf.»
Wüllersdorf trat ein und sah auf den ersten Blick, dass etwas vorgefallen sein müsse.
«Pardon, Wüllersdorf», empfing ihn Innstetten, «dass ich Sie gebeten habe, noch gleich
5 heute bei mir vorzusprechen. Ich störe niemand gern in seiner Abendruhe, am wenigsten
einen geplagten Ministerialrat. Es ging aber nicht anders. Ich bitte Sie, machen Sie sich’s
bequem. Und hier eine Zigarre.»
Literaturatelier 121
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Effi Briest – in einem Wüllersdorf setzte sich. Innstetten ging wieder auf und ab und wäre bei der ihn verzeh-
Satz renden Unruhe gern in Bewegung geblieben, sah aber, dass das nicht gehe. So nahm er
20 Jahre jünger als ihr
karrierebewusster Mann
10 denn auch seinerseits eine Zigarre, setzte sich Wüllersdorf gegenüber und versuchte
und in der Provinz inner- ruhig zu sein. «Es ist», begann er, «um zweier Dinge willen, dass ich Sie habe bitten
lich vereinsamt, geht Effi lassen: erst um eine Forderung zu überbringen und zweitens um hinterher, in der Sache
ein Verhältnis mit dem selbst, mein Sekundant zu sein; das eine ist nicht angenehm und das andere noch weni-
Bezirkskommandanten ger. (. . .) Es handelt sich um einen Galan meiner Frau, der zugleich mein Freund war
Crampas ein, das sie gern
löst, als ihr Mann nach
15 oder doch beinah.» (. . .)
Berlin versetzt wird, wo «Innstetten, Ihre Lage ist furchtbar, und Ihr Lebensglück ist hin. Aber wenn Sie den
die Ehe jahrelang harmo- Liebhaber totschiessen, ist Ihr Lebensglück sozusagen doppelt hin, und zu dem Schmerz
nisch verläuft, bis Effis über empfangenes Leid kommt noch der Schmerz über getanes Leid. Alles dreht sich um
Mann Crampas’ Liebes- die Frage, müssen Sie’s durchaus tun? Fühlen Sie sich so verletzt, beleidigt, empört, dass
briefe findet, Crampas
aus gesellschaftlichen
20 einer weg muss, er oder Sie? Steht es so?» (. . .)
Gründen zum Duell for- «Es steht so, dass ich unendlich unglücklich bin; ich bin gekränkt, schändlich hintergan-
dert, ihn dabei tötet und gen, aber trotzdem, ich bin ohne jedes Gefühl von Hass oder gar von Durst nach Rache.
Effi verstösst, die nach Und wenn ich mich frage, warum nicht, so kann ich zunächst nichts anderes finden als
einigen Jahren der die Jahre. Man spricht immer von unsühnbarer Schuld; vor Gott ist es gewiss falsch,
Armut – im Bewusstsein,
dass ihr Mann richtig ge-
25 aber vor den Menschen auch. Ich hätte nie geglaubt, dass die Zeit, rein als Zeit, so wir-
handelt habe – auf dem ken könne. Und dann als zweites: Ich liebe meine Frau, ja, seltsam zu sagen, ich liebe
Gut ihrer Eltern stirbt. sie noch, und so furchtbar ich alles finde, was geschehen, ich bin so sehr im Bann ihrer
(Neckam, 2007) Liebenswürdigkeit, eines ihr eigenen heiteren Charmes, dass ich mich, mir selbst zum
Trotz, in meinem letzten Herzenswinkel zum Verzeihen geneigt fühle.» (. . .)
30 Wüllersdorf war aufgestanden. «Ich finde es furchtbar, dass Sie recht haben, aber Sie
haben recht. Ich quäle Sie nicht länger mit meinem ‹Muss es sein?›. Die Welt ist einmal,
wie sie ist, und die Dinge verlaufen nicht, wie wir wollen, sondern wie die andern wol-
len. Das mit dem ‹Gottesgericht›, wie manche hochtrabend versichern, ist freilich ein
Unsinn, nichts davon, umgekehrt, unser Ehrenkultus ist ein Götzendienst, aber wir müs-
35 sen uns ihm unterwerfen, solange der Götze gilt.» 1896
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Aufgabe
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
122 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Der schöne Brunnen (––––––––––––––––––––––) Der Brunnen (––––––––––––––––––––––)
MODUL F
In einem römischen Garten In einem römischen Garten
Weiss ich einen schönen Bronnen, Verborgen ist ein Bronne,
Von Laubwerk aller Arten Behütet von dem harten
Umwölbt und grün umsponnen. Geleucht der Mittagssonne,
Er steigt in lichtem Strahle, Er steigt in schlankem Strahle
Der unerschöpflich ist, In dunkle Laubesnacht
Und plätschert in eine Schale, Und sinkt in eine Schale
Die golden wallend überfliesst. Und übergiesst sie sacht.
Das Wasser flutet nieder Die Wasser steigen nieder
In zweiter Schale Mitte, In zweiter Schale Mitte
Und voll ist diese wieder, Und voll ist diese wieder,
Es flutet in die dritte: Sie fluten in die dritte:
Ein Geben und ein Nehmen Ein Nehmen und ein Geben
Und alle bleiben reich. Und alle bleiben reich,
Und alle Stufen strömen Und alle Fluten leben
Und scheinen unbewegt zugleich. Und ruhen doch zugleich
Literaturatelier 123
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
6.4 Naturalismus, 1880–1900
• Begriff
Während die grossen realistischen Autorinnen und Autoren ihr Alters-
werk mit klugem Humor und feiner Ironie vollenden, fordern Jüngere
eine neue, schärfere Sicht der Wirklichkeit. Naturalistisch heisst die
naturgetreue Abbildung, ohne etwas zu überhöhen, zu verklären,
ohne sprachliche «Bearbeitung» oder Beschönigung. Die objektivie-
rende Tendenz des Realismus soll radikal fortgesetzt werden; das
Hässliche darf nicht ausgeklammert oder verschwiegen werden. Man
will bewusst modern sein. Naturalismus ist eine gesamteuropäische
Bewegung. Insgesamt gesehen war sie (sehr) kurz, aber enorm heftig
mit wichtigen Auswirkungen auf spätere Epochen. Vor allem provo-
zierte der Naturalismus starke Gegenreaktionen.
124 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
Aufgabe
• Wie hängen die folgenden Regieanweisungen Gerhart Haupt-
manns mit diesen Forderungen von Arno Holz und Johannes Schlaf
zusammen?
• Was ist an ihnen «naturalistisch»? Emil Orlik: Die Weber, 1897
• Was bleibt
• Definieren Sie Naturalismus in eigenen Worten, und grenzen Sie den Begriff gegen den
Realismus ab.
• Welche Themen behandelt der Naturalismus – und warum?
• Erklären Sie die Kunstformel des Naturalismus sowie den Begriff «Sekundenstil».
• Wo liegen die Grenzen naturalistischer Darstellungen?
Literaturatelier 125
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
7 Das 20. Jahrhundert – das Jahrhundert der Ideologien
• Begriff
Der Wandel aller Lebensbereiche schlägt sich in der Kunst in Pessimis-
Gustav Klimt: Der Kuss,
1908/09 mus, Niedergang und Weltschmerz nieder. Vor der seelenlosen Welt der Technik – und einer
drohenden Apokalypse – entsteht ein elitärer Schönheitskult (Ästhetizismus gegen
Naturalismus). Mit der Entdeckung des Unbewussten und der dunklen Seiten des Menschen
durch Sigmund Freud geht das Streben nach Sinnlichkeit (Trieberfüllung) und Genuss einher.
Eros und Sexualität werden mitunter provokativ thematisiert, z. B. in Arthur Schnitzlers Drama
• Gesellschaft und «Reigen», das sowohl als Buch 1900 als auch bei seiner Uraufführung 1920 (!) für Empörung
Geschichte
Nach der Verteilung der sorgte. Am Ende des Ersten Weltkriegs zerbricht «Die Welt von Gestern» (Stefan Zweig) end-
letzten Kolonien häufen gültig.
sich in Nordafrika und auf
dem Balkan die Konflikte • Themen und Tendenzen
zwischen den europäi- © 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
schen Grossmächten. Ein Zahlreiche Figuren der Werke Thomas Manns und Arthur Schnitzlers verkörpern die Stim-
Krieg wird immer wahr- mungslage von Untergang und Verfall – allerdings in sprachlich vollendeter Form mit Meta-
scheinlicher; das Deutsche phern, Symbolen und anderen Stilmitteln. «Die Moderne» sucht nach neuen Ausdrucks-
Reich glaubt sich von den
Entente-Mächten um- formen und leidet an den Grenzen der Sprache. Hugo von Hofmannsthal lässt Lord Chandos
zingelt und bedroht. in einem fiktiven Brief über dessen Sprachkrise klagen: Ihm sei «die Fähigkeit abhanden ge-
Österreich-Ungarn ver- kommen, über irgend etwas zusammenhängend zu denken und zu sprechen». Gleichzeitig
mag die Nationalitäten- werden der innere Monolog («Leutnant Gustl»), die erlebte Rede und der Bewusstseins-
probleme nicht zu lösen. strom («Stream of Conciousness») als neue literarische Mittel entwickelt.
Die Pazifisten gehen in
allen Ländern in der allge- Im Extremfall wird Kunst als funktionslos definiert, als «L’art pour l’art». Die Verherrlichung
meinen Kriegsbegeiste- des «schönen Scheiterns» lässt sich auch an den Gemälden der Zeit ablesen. Die Katastrophe
rung unter. Ein Krieg wird der «unsinkbaren» Titanic im April 1912 wirkt wie eine Metapher der Zeit: Von Grössenwahn
als männliche Kraftprobe, und Genusssucht getrieben, versinkt das selbstgefällige Grossbürgertum in den Fluten – und
als nationale Erfüllung, reisst Hunderte mit in den Tod.
als Erlösung aus dem jahr-
zehntelangen Frieden her-
beigesehnt. • Epik – Dramatik – Lyrik
Nach dem Attentat von
Sarajewo zwingen die Die Gedichte Rainer Maria Rilkes in einer ästhetisch überhöhten Sprache haben von ihrer
Bündnissysteme fast alle Wirkung bis heute nichts eingebüsst; für viele Menschen sind sie einfach «perfekt und schön»
europäischen Staaten in und absolute Höhepunkte deutscher Lyrik.
den Ersten Weltkrieg. Er Die Dramen und Novellen des Nervenarztes Arthur Schnitzler sind scharfsinnige Umsetzun-
wird zum ersten moder- gen der «Seelenkunde» (Psychoanalyse). Heinrich Manns Roman «Der Untertan» entlarvt über-
nen Massenvernichtungs-
krieg. Europas Kaiser- und zeugend die Autoritätsgläubigkeit und den Militarismus der Wilhelminischen Kaiserzeit.
Königreiche verschwin- In eine eigene literarische Kategorie fällt das Werk Franz Kafkas. Seine frühen Erzählungen
den. «Die Verwandlung» und «Das Urteil» zeigen autobiografische Züge und decken u. a. autoritäre
patriarchalische Familienstrukturen auf.
126 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Georg Trakl,
MODUL F
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren 1887–1914
• Karl May: Winnetou I, 1893
Verklärter Herbst
• Arthur Schnitzler: Leutnant Gustl, 1900; Reigen, 1900; Fräulein Else, 1924
• Thomas Mann: Buddenbrooks, 1901 Gewaltig endet so das
• Robert Walser: Geschwister Tanner, 1907; Der Gehülfe, 1908; Jakob von Gunten, 1909 Jahr / Mit goldnem Wein
und Frucht der Gärten. /
• Hermann Hesse: Unterm Rad, 1905 L esetipp ! Siddharta, 1922 Rund schweigen Wälder
• Robert Musil: Die Verwirrungen des Zöglings Törless, 1906 wunderbar / Und sind des
• Franz Kafka: Die Verwandlung, 1912/15 L esetipp ! Einsamen Gefährten. /
• Heinrich Mann: Professor Unrat, 1905; Der Untertan, 1918
• Rainer Maria Rilke: Gedichte L esetipp ! Da sagt der Landmann:
Es ist gut. / Ihr Abend
• Hugo von Hofmannsthal: Jedermann, 1911
glocken lang und leise /
eltliteratur
W Gebt noch zum Ende
frohen Mut. / Ein Vogel-
• Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray, 1890 L esetipp ! zug grüsst auf der Reise. /
• Selma Lagerlöf: Nils Holgerssons wundersame Reise, 1906/07
Es ist der Liebe milde
Zeit. / Im Kahn den
blauen Fluss hinunter /
Wie schön sich Bild an
Bildchen reiht – / Das
geht in Ruh und Schwei-
gen unter. 1912
Aufgabe
• Beschreiben Sie die Situation, und charakterisieren Sie Hans und Emma.
© 2023
• Wie erzeugt Hesse Verlag SKV AG:und
Atmosphäre FokusGefühle
Sprache, Fokus Sprache Textstelle?
in dieser BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1 Es dunkelte schon. Aus einem nahen Wirtshaus tönte Geschrei und heiseres Singen her-
über. Manche Fenster waren beleuchtet, da und dort entzündete sich eins und wieder
eins und legte einen schwachen roten Schein in die dunkle Luft. Eine lange Reihe junger
Mädchen, Arm in Arm, flanierte unter lautem Gelächter und Gerede fröhlich gassab,
5 schwankte im unsicheren Licht und lief wie eine warme Woge von Jugend und Lust
durch die entschlummernden Gassen. Hans sah ihnen lange nach, das Herz schlug ihm
bis in den Hals. Hinter einem mit Gardinen verhängten Fenster hörte man Geige spielen.
Am Brunnen wusch ein Weib Salat. Auf der Brücke spazierten zwei Burschen mit ihren
Schätzen. Der eine hielt sein Mädchen lose an der Hand, schlenkerte ihren Arm und
10 rauchte seine Zigarre. Das zweite Paar ging langsam und engverschlungen weiter, der
Bursch umfasste die Hüfte des Mädchens, und sie drückte Schulter und Kopf fest gegen
seine Brust. Hans hatte das hundertmal gesehen und nicht beachtet. Jetzt hatte es einen
heimlichen Sinn, eine unklare, aber lüstern süsse Bedeutung; sein Blick blieb auf der
Gruppe ruhen, und seine Phantasie drängte ahnend einem nahen Verständnis entgegen.
15 Beklommen und im Innersten aufgerüttelt fühlte er sich einem grossen Geheimnis nahe,
von dem er nicht wusste, ob es köstlich oder schrecklich wäre, aber von beidem emp-
fand er bebend etwas voraus. Vor dem Flaigschen Häuschen machte er halt und fand
nicht den Mut einzutreten. Was sollte er drinnen tun und sagen? Er musste daran den-
ken, wie er als ein Bub von elf und zwölf Jahren oft hierhergekommen war; dann hatte
20 Flaig ihm biblische Geschichten erzählt und seinen stürmisch neugierigen Fragen über
die Hölle, den Teufel und die Geister standgehalten. Diese Erinnerungen waren unbe-
quem und gaben ihm ein schlechtes Gewissen. Er wusste nicht, was er tun wollte, er
wusste nicht einmal, was er eigentlich wünschte, doch wollte ihm scheinen, er stehe vor
etwas Heimlichem und Verbotenem. Es schien ihm unrecht gegen den Schuhmacher zu
25 sein, dass er im Finstern vor seiner Türe stand, ohne einzutreten. Und wenn jener ihn da
stehen sähe oder jetzt aus der Türe träte, würde er ihn wahrscheinlich nicht einmal
schelten, sondern auslachen, und davor graute ihm am meisten.
Er schlich sich hinter das Haus und konnte nun vom Gartenzaun aus in die erleuchtete
Literaturatelier 127
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Wohnstube hineinsehen. Den Meister sah er nicht. Die Frau schien etwas zu nähen oder
30 zu stricken, der älteste Knabe war noch auf und sass lesend am Tisch. Die Emma ging
hin und her, offenbar mit Aufräumen beschäftigt, so dass er sie immer nur für Augen-
blicke zu sehen bekam.
Es war so still, dass man jeden fernsten Schritt in der Gasse und jenseits des Gartens das
leise Strömen des Flusses deutlich hören konnte. Die Dunkelheit und Nachtkühle nahm
35 eilig zu.
Neben den Wohnzimmerfenstern lag ein kleineres Flurfenster dunkel. Nach einer langen
Weile erschien an diesem Fensterchen eine undeutliche Gestalt, lehnte sich heraus und
blickte in die Dunkelheit. Hans erkannte an der Figur, dass es Emma war, und vor
banger Erwartung stand ihm das Herz still. Sie blieb im Fenster stehen, lang und ruhig
40 herüberblickend, doch wusste er nicht, ob sie ihn sehe oder erkenne. Er regte kein Glied
und schaute starr zu ihr hinüber, mit ungewissem Zagen zugleich hoffend und
fürchtend, sie möchte ihn erkennen.
Und die undeutliche Gestalt verschwand wieder aus dem Fenster, gleich darauf klinkte
die kleine Gartentüre, und Emma kam aus dem Hause. Hans wollte im ersten Schrecken
45 auf und davon, blieb aber willenlos am Zaun lehnen und sah das Mädchen langsam ihm
entgegen durch den dunklen Garten schreiten, und bei jedem ihrer Schritte trieb es ihn
davonzulaufen und hielt etwas Stärkeres ihn zurück.
Nun stand Emma gerade vor ihm, keinen halben Schritt entfernt, nur der niedrige Zaun
dazwischen, und sie sah ihn aufmerksam und sonderbar an. Eine ganze Zeitlang sagte
50 keines ein Wort. Dann fragte sie leise:
«Was willst du?»
«Nichts», sagte er, und es fuhr ihm wie ein Streicheln über die Haut, dass sie ihm du ge-
sagt hatte.
Sie streckte ihm ihre Hand über den Zaun weg hin. Er nahm sie schüchtern und zärtlich
55 und drückte sie ein wenig, da merkte er, dass sie nicht zurückgezogen wurde, fasste Mut
und streichelte die warme Mädchenhand fein und vorsichtig. Und als sie ihm noch
immer willig überlassen blieb, legte er sie an seine Wange. Eine Flut von durchdringen-
der Lust, von seltsamer Wärme und seliger Müdigkeit überlief sein Wesen, die Luft um
ihn her schien ihm lau und föhnfeucht, er sah nicht Gasse noch Garten mehr, nur ein
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
nahes helles
60 Exemplar
Persönliches Gesicht
von Liza Basha, 8307und ein Gewirre dunkler Haare.
Effretikon
Und es schien ihm aus einer grossen Nachtferne her zu tönen, als das Mädchen ganz
leise fragte: «Willst du mir einen Kuss geben?» 1905
• Was bleibt
• Klären Sie die Ihrer Meinung nach wichtigsten drei «Ismen» der Jahrhundertwende.
• Wie lassen sich Pessimismus, Niedergang und Weltschmerz aus der Zeit heraus erklären?
Wie kann der Untergang der Titanic interpretiert werden?
• Was ist mit Sigmund Freuds Psychoanalyse gemeint, und weshalb ist sie für Kunst und
Literatur interessant?
• Lesen und interpretieren Sie ein Werk aus der Epoche.
• Wie lässt sich diese Epoche mit der Gegenwart vergleichen?
128 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
7.2 Expressionismus, 1910–1925
• Begriff
Der Expressionismus ist eine der Reaktionen auf den Naturalismus:
Nicht das Abbild ist interessant, sondern das innere Erleben wird mit-
geteilt, daher der Begriff «Ausdruckskunst». Für die Generation der
zwischen 1875 und 1895 Geborenen widerspiegeln die Sprache und
die Farben die eigene Gefühlswelt. Der expressionistische Maler Franz
Marc erläutert sein Farbverständnis: «Blau ist das männliche Prinzip,
herb und geistig. Gelb das weibliche Prinzip, sanft, heiter und sinnlich.
Rot die Materie, brutal und schwer und stets die Farbe, die von den
anderen beiden bekämpft und überwunden werden muss!»
1916 wird in Zürich das «Cabaret Voltaire» eröffnet – der Ausgangs-
punkt des Dadaismus, einer neuen, kurzlebigen Kunstrichtung, die
sich als Protest gegen den Krieg und die bürgerliche Gesellschaft ver-
steht.
Franz Marc: Der Traum, 1912
• Themen und Tendenzen
Der Philosoph Oswald Spengler entspricht mit seinem «Untergang des Abendlandes» (1918) • Gesellschaft und
den zeitgenössischen Weltuntergangsfantasien. Nur ein utopischer «Übermensch» (Friedrich Geschichte
Nietzsche)» vermag die Gefahren zu überwinden. Unterschiedlichste Lebensentwürfe prallen Für die Zivilbevölkerung
bedeutet der Erste Welt
aufeinander: einerseits Pessimismus, andererseits Pathos, Tragik, aber auch «Galgenhumor» krieg vor allem Hunger;
und Groteske. Der Erste Weltkrieg wird z.T. als Befreiung von der Monotonie des Alltags und die Soldaten erleben das
als «reinigendes Stahlgewitter» empfunden. Als seine Folgen sichtbar werden, stehen sich Elend in den Schützen-
ein radikaler Pazifismus und Rache- sowie Grossmachtsgelüste unvereinbar gegenüber. gräben. Millionen von
Kriegsversehrten prägen
das Strassenbild.
• Epik – Dramatik – Lyrik Nach dem verlorenen
Die Literatur – als «Bürgerschreck» – nimmt Tabuthemen auf, z. B. Drogen, Prostitution, Sexua- Krieg findet eine linke
Revolution statt, der deut-
lität, Wahnsinn – der «Grossstadtsumpf».
© 2023 Eine radikal
Verlag SKV AG: Fokus Sprache, subjektive
Fokus Sprache Sprache
BM mit digitalen spielt
Lösungen undmit Lauten
Kommentar fürund sche Kaiser tritt zurück,
Lehrpersonen
Klängen, mit neuenPersönliches
Wortschöpfungen,
Exemplar von Lizabefreit sichEffretikon
Basha, 8307 vom Zwang der Grammatik, nutzt Collage- und Deutschland wird zur
und Montagetechniken sowie eine drastische Farbsymbolik und groteske Metaphern. Kurze (Weimarer) Republik.
Textsorten werden bevorzugt, es entstehen kaum lange Romane oder grosse Dramen. Gleichzeitig erlebt die
Schweiz den Landes
streik, der mit Militärge-
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren walt niedergeschlagen
• Heinrich Mann: Professor Unrat, 1905 L esetipp ! wird. Auf die Erfüllung
der Forderungen des
• Frank Wedekind: Frühlings Erwachen, Drama (1891; Uraufführung: 1906) L esetipp !
Oltener Aktionskomitees
• Carl Sternheim: Die Hose, 1911 (u.a. das Frauenstimm-
• Hans Arp, Sophie Taeuber-Arp; Hugo Ball, Emmy Ball-Hennings: Dada-Bewegung, ab recht) muss die Schweiz
1916 noch jahrzehntelang
• Walter Serner: Die Tigerin, 1925 warten.
Viele Deutsche verstehen
• Ernst Toller: Eine Jugend in Deutschland, 1933
den Frieden von Versail-
Weltliteratur les als Schandfrieden, die
SPD-Politiker werden als
• Jack London: Wolfsblut, 1906 L esetipp !
Novemberverbrecher
• Jaroslav Hašek: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk, 1921/23 L esetipp ! verunglimpft.
Die Dadaisten in der Neuen Zürcher Zeitung vom 27. Mai 1934.
E mm y B a l l -H e n n i n g s , 1 8 8 5 – 1 9 4 8
Das Kabarett Voltaire
1 Schliesslich lernten wir einen internationalen Künstlerkreis kennen, der auf den Gedan-
ken verfiel, in der holländischen «Meierei», an der Spiegelgasse, das Kabarett Voltaire zu
gründen, das die Wiege des später berühmt gewordenen Dadaismus werden sollte. (. ..)
Eintritt wurde nicht erhoben, so dass der kleine Raum stets dicht und bunt besetzt war.
5 Nach dem Grundsatz von Hans Arp: «Man soll seinen Viktor nicht unter den Scheffel
Literaturatelier 129
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Literatur ist nicht stellen», wagte sich auch mancher aus dem Publikum aufs Podium, und brachte er
Pornografie seinen Kram nicht allzu vernünftig vor, so durfte er bestimmt auf Beifall rechnen.
Im Oktober 2011 steht
der Gymilehrer D.S. vor
Man musste, ähnlich wie Ball, behaupten, «ein Pferd macht müde sich’s bequem in
Gericht, weil er im Literar einem Vogelnest.» Anstatt:
gymnasium Rämibühl 10 «Füllest wieder Busch und Tal / Still mit Nebelglanz»,
in Zürich mit 14- bis hatte man wie Richard Huelsenbeck zu dichten:
15-jährigen Schülern «Füllest wieder Busch und Schloss, / Pfeift der Rehbock, hüpft das Ross.»
Bücher gelesen hat, in
denen die Pubertät und
Das leuchtete nun freilich nicht jedem ohne weiteres ein, mancher schüttelte den Kopf
Sexualität thematisiert oder verliess unter Protest das Lokal. (. . .)
sind. Zum Beispiel «Früh- 15 Es wurde in unheimlich wirkenden Larven und Panzern getanzt, die an Tanks und Gas-
lings Erwachen» von masken erinnerten, an die furchtbare Ausrüstung des Krieges, wie die wilde Zeit’ über-
Frank Wedekind (…) haupt auf die Kunst abfärbte. Gebannt, unter dem Zwang der Zeit stehend, regte sich
Ohne zuvor mit dem Leh
rer oder dem Rektor das
lediglich das Tumultane in ihren Jüngern, obwohl es meines Empfindens nach die Auf-
Gespräch gesucht zu gabe der Kunst ist, zu klären und nicht zu verwirren. Es geschah keine Verwandlung,
haben, reicht eine Mutter 20 das Simultane wurde komplexhaft, unmittelbar geboten. Dennoch ist aus diesem Be-
Strafanzeige gegen den nommensein von der Zeit etwas entstanden, was man eine Kunstrichtung nennt: der
Lehrer ein, weil er die Dadaismus, der erst recht aufblühte, als kein Grund mehr für ihn vorhanden war, und
Jugendlichen übermässig
mit pornografischem
die eigentlichen Schöpfer Huelsenbeck und Ball zu einer grossen Einfachheit des Stils
Inhalt konfrontiert haben zurückgekehrt waren. (Uns ganz nahe in der Spiegelgasse wohnte Lenin, der natürlich
soll. Eine Staatsanwältin 25 keine Zeit hatte, unsere Vorstellungen zu besuchen. (. . .) Tagsüber sah man ihn manch-
erhebt Anklage. mal mit einem unbeweglich steinernen Gesicht, versunken die Strasse herunterkommen,
Das Gericht spricht den und nachts, wenn wir heimgingen, sahen wir hinter seinem Fenster noch Licht brennen.)
Mann frei: Es handle sich
bei den Werken nicht um
Pornografie, sondern um
Literatur.
Tages-Anzeiger, Aufgabe
8. 4. 2013
• Wie unterscheiden sich die beiden Gedichte zum Thema «Weltende»?
• Was bleibt
• Definieren Sie Expressionismus in eigenen Worten.
• Welche Themen behandelt der Expressionismus – und warum?
• Suchen Sie expressionistische Gedichte, und analysieren Sie diese.
• Informieren Sie sich über Expressionismus in der Malerei. Wie lassen sich expressionistische
Malerei und expressionistische Literatur vergleichen?
130 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
7.3 Zwanzigerjahre (Weimarer Republik), 1918–1933
• Begriff
Das Bild «Drinnen und Draussen» von George Grosz, 1926,
verdeutlicht die Gegensätze der Epoche – und ein neues Kunst-
verständnis: Kunst prangert an. Grosz entlarvt die herrschenden
Kreise der Weimarer Republik, greift soziale Gegensätze auf
und kritisiert insbesondere Wirtschaft, Politik, Militär und Kle-
rus. Für diese Epoche wird häufig auch der Begriff «Neue
Sachlichkeit» verwendet.
• Themen und Tendenzen
Der technisch-wissenschaftliche und der kulturelle Fortschritt
eröffnen völlig neue Möglichkeiten: Rundfunk und Film faszi-
nieren wie heute Smartphones und Social Media; aber auch
Verkehr, Mode, Musik und alle anderen Lebensbereiche erfah- George Grosz: Drinnen und Draussen, 1926
ren einen radikalen Wandel. Einem blühenden Kulturleben und
der vordergründigen Dauerparty stehen Inflation, Arbeitslosigkeit, politische Krisen gegen
über. Kollektivistische Massenbewegungen, die sich aggressiv bekämpfen, und individualisti-
sche Strömungen sind typisch für diese Jahre. Die gesellschaftlichen Gegensätze finden sich
auch in der Literatur: Mit Humor, Ironie, Satire, Reportage und politischem Theater wird gegen • Gesellschaft und
Spiessertum, Militarismus, Nationalismus und Faschismus gekämpft – letztlich erfolglos. Geschichte
Nach einer Inflationsphase
Der «Aufbruch schreibender Frauen» ist u.a. zurückzuführen auf das Frauenwahlrecht,
beginnen die Goldenen
verbesserte Zugänge zu Beruf und Studium sowie durch die Zunahme von Frauen als Ange- Zwanzigerjahre, die
stellte – fast ausschliesslich in dynamischen Grossstädten. Bekannte Autorinnen sind Irmgard neue Massstäbe setzen
Keun, Marieluise Fleisser, Mascha Kaléko. für Konsum, Kultur und
Sportveranstaltungen.
Auch die politischen Ver-
• Epik – Dramatik – Lyrik hältnisse in Deutschland
Die Themen reichen© von der Verarbeitung des Kriegserlebens über dasLösungen
Lebenund
imKommentar
Kapitalismus stabilisieren sich für einige
2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen für Lehrpersonen
bis zum GegensatzPersönliches
zwischenExemplar
Künstlerexistenz bürgerlicher Welt. Immer wieder werden die Jahre.
undEffretikon
von Liza Basha, 8307
Die Weltwirtschaftskrise
Verlorenheit und Einsamkeit des modernen Menschen in einer rasant fortschreitenden Gesell- greift 1929 rasch von den
schaft bearbeitet. Die Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse und der Psychologie fliesst in USA nach Europa über
die literarischen Figuren ein. Das Bewusstsein, dass «neue Zeiten» kommen, ist an Utopien und setzt der Blütezeit ein
vom «neuen Menschen» erkennbar. abruptes Ende.
Von den Expressionisten vernachlässigte (Kriegs-)Romane sowie Volksstücke und neue Theater- Die Massenarbeits
losigkeit radikalisiert
formen – Bertolt Brechts Episches Theater – sind erfolgreich. Die Kreativität der Zeit wider- breite Schichten, was den
spiegelt sich in neuen literarischen Techniken: Montage, Collage, innerer Monolog, Assozia Aufstieg der NSDAP be-
tionstechnik. Grosse Revuen und das politische Kabarett fördern das Chanson und andere günstigt. Die Krise offen-
Gedichtformen. bart die strukturellen
Mängel der Weimarer
Republik: Häufige Regie
rungswechsel, Neuwahlen
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren
und der Einsatz von Not-
• Erich Kästner: Emil und die Detektive, 1928; Fabian, 1931 verordnungen lassen die
• Bertolt Brecht: Die Dreigroschenoper, 1928 demokratiefeindlichen
• Erich Maria Remarque: Im Westen nichts Neues, 1929 L esetipp ! Kräfte anwachsen.
• Thomas Mann: Der Zauberberg, 1924; Mario und der Zauberer, 1929 L esetipp !
• Marieluise Fleisser: Fegefeuer in Ingolstadt, 1926
• Hermann Hesse: Der Steppenwolf, 1927
• Joseph Roth: Hiob, 1930; Radetzkymarsch, 1932
• Carl Zuckmayer: Der Hauptmann von Köpenick, 1931
• Irmgard Keun: Das kunstseidene Mädchen, 1932 L esetipp !
eltliteratur
W
• F. Scott Fitzgerald: Der grosse Gatsby, 1925
• Ernest Hemingway: Fiesta, 1926
Literaturatelier 131
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe
Erstes Buch
Hier im Beginn verlässt Franz Biberkopf das Gefängnis Tegel, in das ihn ein früheres sinnloses Leben geführt
hat. Er fasst in Berlin schwer wieder Fuss, aber schliesslich gelingt es ihm doch, worüber er sich freut, und er
tut nun den Schwur, anständig zu sein.
1 Mit der 41 in die Stadt haben jetzt blaue Uniformen. Er stieg unbeachtet
Er stand vor dem Tor des Tegeler Gefängnisses und wieder aus dem Wagen, war unter Menschen. Was
war frei. Gestern hatte er noch hinten auf den 40 war denn? Nichts. Haltung, ausgehungertes
Äckern Kartoffeln geharkt mit den andern, in Sträf Schwein, reiss dich zusammen, kriegst meine Faust
5 lingskleidung, jetzt ging er im gelben Sommerman- zu riechen. Gewimmel, welch Gewimmel. Wie sich
tel, sie harkten hinten, er war frei. Er liess Elektri- das bewegte. Mein Brägen hat wohl kein Schmalz
sche auf Elektrische vorbeifahren, drückte den mehr, der ist wohl ganz ausgetrocknet. Was war das
Rücken an die rote Mauer und ging nicht. Der Auf- 45 alles. Schuhgeschäfte, Hutgeschäfte, Glühlampen,
seher am Tor spazierte einige Male an ihm vorbei, Destillen. Die Menschen müssen doch Schuhe
10 zeigte ihm seine Bahn, er ging nicht. Der schreck- haben, wenn sie so viel rumlaufen, wir hatten ja
liche Augenblick war gekommen [schrecklich, auch eine Schusterei, wollen das mal festhalten.
Franze, warum ©schrecklich?], die vier Jahre waren Hundert
2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen blanke
Lösungen Scheiben,
und Kommentar lass die doch blitzern, die
für Lehrpersonen
um. Die schwarzen eisernen
Persönliches Torflügel,
Exemplar die8307
von Liza Basha, er Effretikon
seit 50 werden dir doch nicht bange machen, kannst sie ja
einem Jahre mit wachsendem Widerwillen betrach- kaputt schlagen, was ist denn mit die, sind eben
15 tet hatte [Widerwillen, warum Widerwillen], waren blankgeputzt. Man riss das Pflaster am Rosenthaler
hinter ihm geschlossen. Man setzte ihn wieder aus. Platz auf, er ging zwischen den andern auf Holz-
Drin sassen die andern, tischlerten, lackierten, sor- bohlen. Man mischt sich unter die andern, da ver-
tierten, klebten, hatten noch zwei Jahre, fünf Jahre. 55 geht alles, dann merkst du nichts, Kerl. Figuren
Er stand an der Haltestelle. standen in den Schaufenstern in Anzügen, Mänteln,
20 Die Strafe beginnt. mit Röcken, mit Strümpfen und Schuhen. Draussen
Er schüttelte sich, schluckte. Er trat sich auf den bewegte sich alles, aber – dahinter – war nichts!
Fuss. Dann nahm er einen Anlauf und sass in der Es – lebte – nicht! Es hatte fröhliche Gesichter, es
Elektrischen. Mitten unter den Leuten. Los. Das war 60 lachte, wartete auf der Schutzinsel gegenüber
zuerst, als wenn man beim Zahnarzt sitzt, der eine Aschinger zu zweit oder zu dritt, rauchte Zigaretten,
25 Wurzel mit der Zange gepackt hat und zieht, der blätterte in Zeitungen. So stand das da wie die
Schmerz wächst, der Kopf will platzen. Er drehte Laternen – und – wurde immer starrer. Sie gehörten
den Kopf zurück nach der roten Mauer, aber die zusammen mit den Häusern, alles weiss, alles Holz.
Elektrische sauste mit ihm auf den Schienen weg, 65 Schreck fuhr in ihn, als er die Rosenthaler Strasse
dann stand nur noch sein Kopf in der Richtung des herunterging und in einer kleinen Kneipe ein Mann
30 Gefängnisses. Der Wagen machte eine Biegung, und eine Frau dicht am Fenster sassen: die gossen
Bäume, Häuser traten dazwischen. Lebhafte Strassen sich Bier aus Seideln in den Hals, ja was war dabei,
tauchten auf, die Seestrasse, Leute stiegen ein und sie tranken eben, sie hatten Gabeln und stachen sich
aus. In ihm schrie es entsetzt: Achtung, Achtung, es 70 damit Fleischstücke in den Mund, dann zogen sie
geht los. Seine Nasenspitze vereiste, über seine die Gabeln wieder heraus und bluteten nicht. Oh,
35 Backe schwirrte es. «Zwölf Uhr Mittagszeitung», krampfte sich sein Leib zusammen, ich kriege es
«B.Z.», «Die neuste Illustrirte», «Die Funkstunde neu» nicht weg, wo soll ich hin? Es antwortete: Die
«Noch jemand zugestiegen?» Die Schupos Strafe. 1929
132 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Irmgard Keun, 1905–1982
MODUL F
Das kunstseidene Mädchen
1 Und ich entsinne mich, wie ich mit Arthur Grönland das erste-
mal ausgehen sollte. Er war bildschön und hatte Kommant. Aber
ich sagte mir: Doris, sei stark – gerade so einem mit Kommant
imponiert letzten Endes was Solides, und ich brauchte eine Arm-
5 banduhr, und besser ist, es wenigstens drei Abende zu nichts
kommen zu lassen. Aber ich kenne mich doch und wusste,
Arthur Grönland bestellt Kupferberg nass – und dabei noch
Musik! Ich also an Büstenhalter und Hemd insgesamt sieben
rostige Sicherheitsnadeln gesteckt. Ich war mächtig blau – wie
10 achtzig nackte Wilde – aber die rostigen Sicherheitsnadeln ver-
gass ich nicht. Und Arthur Grönland drängte. Ich nur: «Mein Herr, was denken Sie sich Berlin, Friedrichstrasse,
eigentlich von mir? Ich muss doch sehr bitten. Wofür halten Sie mich in etwa?» Und ich 1925
habe ihm mächtig imponiert. Erst war er natürlich wütend, aber dann sagte er mir als
edel empfindender Mensch: das g efällt ihm – ein Mädchen, das sich auch im Schwips so
15 fest in der Hand hat. Und er achtete meine hohe Moral.
Ich sagte nur ganz schlicht: «Das ist meine Natur, Herr Grönland.»
Und vor der Haustür küsste er mir die Hand. Ich sagte nur: «Jetzt weiss ich schon wieder
nicht, wie spät es ist – meine Uhr ist schon so lange kaputt.» Und dachte, wenn er mir
jetzt Geld geben will zum Reparieren, dann habe ich mich wieder einmal schmerzlich
20 getäuscht.
Aber am nächsten Abend in Rix Diele kam er mit einer kleinen Goldenen. Ich staunte
furchtbar: «Wie konnten Sie denn nur wissen, dass ich gerade eine Uhr brauche??? –
aber Sie beleidigen mich zutiefst – ich kann sie doch nicht annehmen!»
Und er wurde ganz blass, entschuldigte sich und tat die Uhr fort. Ich zitterte schon und
25 dachte: jetzt bist du zu weit gegangen, Doris! Dann sagte ich so mit schwimmender
Stimme, so ‚n bisschen tränenfeucht: «Herr Grönland, ich kann es nicht übers Herz brin-
gen, Sie zu kränken – binden Sie sie mir bitte um.»
Daraufhin dankte er mir, und ich sagte: «Oh, bitte.» Und dann bedrängte er mich wieder,
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
aber ich blieb stark. UndExemplar
Persönliches vor dervon Haustür sagte
Liza Basha, 8307 er: «Du reines, unschuldiges Geschöpf,
Effretikon
30 verzeihe mir, wenn ich aufdringlich war.»
Ich sagte: «Ich verzeihe Ihnen, Herr Grönland.»
Aber heimlich hatte ich eine furchtbare Wut auf die Sicherheitsnadeln, denn er hatte
süsse schwarze Augen und einen tollen Kommant, und die kleine goldene Uhr tickte mir
wunderbar am Arm. Aber letzten Endes habe ich viel zu viel Moral, um einen Mann er-
35 leben zu lassen, dass ich Wäsche mit sieben rostigen Sicherheitsnadeln trage. Später
habe ich sie fortgelassen. 1932
• Was bleibt
• Was verbinden Sie mit dem Begriff «Goldene Zwanzigerjahre»? – Informieren Sie sich über
die tatsächliche politische und soziale Lage.
• Lesen und analysieren Sie einen Roman der Zwanzigerjahre.
• Was ist neu am Epischen Theater von Bertolt Brecht (vgl. 3.2 Dramatik)?
• Recherchieren Sie im Internet zum Begriff «neuer Mensch».
Literaturatelier 133
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
7.4 Drittes Reich und Exil, 1933–1945
• Begriff
Der ursprünglich christliche Begriff Drittes Reich wurde von den Nationalsozialisten umge-
deutet und missbraucht: das Heilige Römische Reich Deutscher Nation als erstes, das Deutsche
Kaiserreich als zweites Reich. Das Dritte Reich sollte ein tausendjähriges sein.
Begleitet von «Feuersprüchen» wurden am 10. Mai 1933 literarische und wissenschaftliche
Werke vor allem jüdischer Autorinnen und Autoren in einer «Aktion wider den undeutschen
Geist» verbrannt. Die Bücherverbrennung in über 20 Universitätsstädten war für Literatur-
und Kunstschaffende sowie für Wissenschaftler, Andersdenkende und ethnische Minderheiten
Anlass, Deutschland zu verlassen und ins Exil zu gehen. Ziele waren anfangs Frankreich, Eng-
land und Skandinavien, später auch die Sowjetunion und unter grossen Schwierigkeiten vor
allem die USA. In der «Inneren Emigration» lebten Autoren, die in Deutschland blieben, aber
Sophie Scholl, 21, wird weder schreiben noch publizieren durften, z. B. Erich Kästner.
1943 bei einer Flugblatt
aktion verhaftet, verur
teilt und enthauptet.
• Themen und Tendenzen
1933 galt die Schweiz als das naheliegende Fluchtziel. Politisch und «rassisch» Verfolgte aus
Deutschland knüpften grosse Erwartungen an das klassische Asylland des 19. Jahrhunderts.
• Gesellschaft und Die Bundesanwaltschaft anerkannte Sozialdemokraten, bürgerliche Demokraten, Pazifisten
Geschichte und parteilose Intellektuelle als Flüchtlinge; Kommunisten galten als nicht «asylwürdig».
Als Reichkanzler baut Hit-
«Rassische Verfolgung» war kein Asylgrund, womit jüdischen Flüchtlingen ein Aufenthalt
ler ab 1933 die Republik
in eine Diktatur um. häufig verwehrt blieb. Die Schweiz verstand sich als Transitland und wünschte die Weiterreise
Antisemitische Aktionen in ein anderes Exilland. Literaten, die bleiben durften, wurden häufig mit einem Schreib- und
werden gefördert, Publikationsverbot belegt.
Konzentrationslager Zwar entstehen in nicht besetzten Ländern Exilverlage und -zeitschriften, aber nur wenige
errichtet.
Exilanten sind erfolgreich. Einig sind sie sich alle in ihrer Ablehnung der Hitler-Diktatur; politi-
1936 inszeniert das «neue
Deutschland» erfolgreich sche, künstlerische oder stilistische Gemeinsamkeiten gibt es kaum.
Olympische Spiele. 1939
beginnt nach der Anne- • Epik – Dramatik – Lyrik
xion Österreichs und des© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
DasExemplar
Sudetenlandes mit demPersönliches literarische
von LizaSchaffen
Basha, 8307 widerspiegelt
Effretikon die Zeitereignisse. Zum einen werden Figuren geschil-
Überfall auf Polen der dert, die sich für ihre Karriere der Diktatur andienen; zum anderen sind Verfolgung, Flucht
Zweite Weltkrieg. und Exil die grossen Themen. Einzelne Autoren entfliehen der Gegenwart und schreiben über
Erfolgreiche Blitzkriege
bedeutende Menschen der Geschichte.
prägen den Anfang; doch
nach dem Angriff auf die Die Literatur, die dem NS-Regime genehm war, entsprach der menschenverachtenden NS-Ideo-
Sowjetunion und dem logie. Die «Blut- und Boden-Literatur» verherrlichte Krieg und Führertum sowie Germanen-
japanischen Überfall auf kult, verklärte das Landleben und die Lebensraum-Ideologie. Klassische Werke wurden z. T.
Pearl Harbour fordern die verfälscht, um die eigene Ideologie zu «beweisen».
Alliierten die bedingungs-
lose Kapitulation
Deutschlands. ,
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren
Hitlers «Totaler Krieg»
führt zu schweren Zer • Klaus Mann: Mephisto, 1936
störungen in Deutschland. • Ödön von Horvath: Jugend ohne Gott, 1937 L esetipp !
Der Holocaust geht den- • Bertolt Brecht: Furcht und Elend im Dritten Reich, 1938/1945
noch weiter: Millionen • Friedrich Glauser: Matto regiert, 1936; Der Chinese, 1938
von Juden, aber auch
• Meinrad Inglin: Schweizerspiegel, 1938
Sinti, Roma und andere
als «minderwertig» ge- • Stefan Zweig: Sternstunden der Menschheit, 1929; Schachnovelle, 1941 L esetipp !
brandmarkte Bevölke- • Anna Seghers: Das siebte Kreuz, 1942
rungsgruppen sowie • Bertolt Brecht: Der gute Mensch von Sezuan, 1943; Galileo Galilei, 1943
politische Gegner werden • Inge Scholl: Die Weisse Rose, 1952
ermordet.
Widerstand in Deutsch- Weltliteratur
land ist nur im Verborge- • Aldous Huxley: Schöne neue Welt, 1932
nen möglich und lebens-
• John Steinbeck: Früchte des Zorns, 1939
gefährlich. Sophie Scholl
und die «Weisse Rose»
sind eines der bekann-
testen Beispiele.
134 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
Aufgabe
• Was geschieht im folgenden Auszug, und wie stehen sich Lehrer und Schüler gegenüber?
• Wie wirken die Buchstaben anstatt der Namen?
1 Es regnet dürfte wohl böse sein und das steht auch schon in
Als ich am nächsten Morgen in das Gymnasium der Bibel. Als es aufhörte zu regnen und die Wasser
kam und die Treppe zum Lehrerzimmer emporstieg, der Sündflut wieder wichen, sagte Gott: «Ich will
hörte ich auf dem zweiten Stock einen wüsten Lärm. 35 hinfort nicht mehr die Erde strafen um der
5 Ich eilte empor und sah, dass fünf Jungen, und zwar Menschen willen, denn das Trachten des mensch
E, G, R, H, T, einen verprügelten, nämlich den F. lichen Herzens ist böse von Jugend auf.»
«Was fällt euch denn ein?», schrie ich sie an. «Wenn Hat Gott sein Versprechen gehalten? Ich weiss es
ihr schon glaubt, noch raufen zu müssen, wie die noch nicht. Aber ich frage nun nicht mehr, warum
Volksschüler, dann rauft doch gefälligst einer gegen 40 sie die Semmel auf den Hof geworfen haben. Ich
10 einen, aber fünf gegen einen, also das ist eine erkundige mich nur, ob sie es noch nie gehört
Feigheit!» hätten, dass sich seit Urzeiten her, seit tausend und
Sie sahen mich verständnislos an, auch der F, über tausend Jahren, seit dem Beginn der menschlichen
den die fünf hergefallen waren. Sein Kragen war Gesittung, immer stärker und stärker ein unge-
zerrissen. «Was hat er euch denn getan?», fragte ich 45 schriebenes Gesetz herausgebildet hat, ein schönes
15 weiter, doch die Helden wollten nicht recht heraus männliches Gesetz: Wenn ihr schon rauft, dann
mit der Sprache und auch der Verprügelte nicht. Erst raufe nur einer gegen einen! Bleibet immer
allmählich brachte ich es heraus, dass der F den ritterlich! Und ich wende mich wieder an die fünf
fünfen nichts angetan hatte, sondern im Gegenteil: und frage: «Schämt ihr euch denn nicht?»
die fünf hatten ©ihm seine Buttersemmel gestohlen, 50 Sie schämen sich nicht. Ich rede eine andere
2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
20 nicht, um sie zuPersönliches
essen, sondern nur,
Exemplar von damit
Liza Basha, er Effretikon
8307 keine Sprache. Sie sehen mich gross an, nur der Ver
hat. Sie haben die Semmel durch das Fenster auf prügelte lächelt. Er lacht mich aus.
den Hof geschmissen. «Schliesst das Fenster», sage ich, «sonst regnets noch
Ich schaue hinab. Dort liegt sie auf dem grauen herein!»
Stein. Es regnet noch immer, und die Semmel 55 Sie schliessen es.
25 leuchtet hell herauf. Was wird das für eine Generation? Eine harte oder
Und ich denke: vielleicht haben die fünf keine nur eine rohe?
Semmeln, und es ärgert sie, dass der F eine hatte. Ich sage kein Wort mehr und gehe ins Lehrer
Doch nein, sie hatten alle ihre Semmeln und der G zimmer. Auf der Treppe bleibe ich stehen und
sogar zwei. Und ich frage nochmals: «Warum habt 60 lausche: ob sie wohl wieder raufen? Nein, es ist still.
30 ihr das also getan?» Sie wissen es selber nicht. Sie Sie wundern sich. 1938
stehen vor mir und grinsen verlegen. Ja, der Mensch
• Was bleibt
• Was bedeutet «innere Emigration»? Warum blieben manche Autoren im Lande?
• Pacific Palisades – in der Nähe von Los Angeles – wurde auch «Weimar am Pazifik» ge-
nannt. Recherchieren Sie den Grund dafür.
• Welchen Themen widmet sich die Exilliteratur? Suchen Sie entsprechende Werke.
• Was war die Weisse Rose? Informieren Sie sich genauer.
Literaturatelier 135
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
7.5 Nachkrieg und Restauration, 1945–1960
• Begriff
Die Literatur nach 1945 ist gekennzeichnet vom Verarbeiten des
Krieges und der Gräuel der nationalsozialistischen Gewaltherr-
schaft. Die Autoren, die überlebt haben, sprechen von Kahl-
schlag- und Trümmerliteratur, von Stunde Null. Zwölf Jahre
Diktatur – davon sechs Jahre Krieg – haben den Anschluss an die
literarische und künstlerische Tradition abgeschnitten. Die neuen
Vorbilder sind amerikanische, englische sowie französische Lite-
ratur und Kultur.
136 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren
• Wolfgang Borchert: Draussen vor der Tür, 1947; Erzählungen, 1947 L esetipp !
• Heinrich Böll: Wanderer, kommst du nach Spa ..., 1950
• Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker, 1950; Der Besuch der alten
Dame, 1956 L esetipp !
• Siegfried Lenz: So zärtlich war Suleyken, 1955; Der Mann im Strom, 1957; Das
Feuerschiff, 1960
• Ingeborg Bachmann: Gedichte, ab 1953
• Max Frisch: Stiller, 1954; Homo faber, 1957 L esetipp ! Biedermann und die Brand-
stifter, 1958
• Alfred Andersch: Sansibar oder der letzte Grund, 1957 L esetipp !
• Günter Grass: Die Blechtrommel, 1959
eltliteratur
W
Richard Dindo: Homo faber,
• Albert Camus: Der Fremde, 1948 (franz. 1942) nach dem Roman von
• Ernest Hemingway: Der alte Mann und das Meer, 1952 Max Frisch, 2014
Aufgabe
M a x F r i s c h , 191 1 – 1 9 9 1
Theresienstadt
Nach dem Untergang des Dritten Reichs reist Max Frisch durch das zerstörte Europa und
notiert seine Beobachtungen im «Tagebuch 1946–1949», das von vornherein zur Ver-
öffentlichung gedacht ist.
1 Ich wusste nicht, dass Theresienstadt, das wir ges sogenannte Todestor, eine Art von Tunnel, kommen
tern auf unsrer Durchreise besucht haben, eine alte 30 wir zu einem Massengrab von siebenhundert Men-
historische Anlage war, benannt nach Maria There- schen; später benutzte man die Öfen einer nahen
sia. Um das ganze Städtlein ziehen sich die hohen Ziegelei. Hier steht der Galgen, ein einfacher Balken
5 und schweren Wälle aus rötlichem Ziegelstein, mit zwei Haken, wo die Häftlinge sich selber den
ebenso ein breiter Graben mit allerlei Unkraut und Strick einhängen mussten, und darunter zwei höl-
Wasser, das in braunen Tümpeln versumpft. Ausser- 35 zerne Treppenböcke. Auch hier sehen wir nichts als
halb der kleinen Stadt, die als Ghetto diente, befin- die rötlichen Wälle, die wippenden Halme darauf.
det sich das Fort; das eigentliche Todeslager. Eine Unweit von dem Galgen, dessen einfache Machart
10 schöne und alte Allee verbindet die beiden Anlagen; fast lächerlich ist, befindet sich der Platz für die
daneben ein Feld von hölzernen Kreuzen, die man reihenweisen Erschiessungen: vorne ein Wasser-
später gemacht hat. Im ersten Hof, wo die deutschen 40 graben, der die Schützen und die Opfer trennt, und
Mannschaften wohnten, gibt es noch Bäume; es war hinten eine gewöhnliche Faschine, damit die Erde,
ein warmer und märzlicher Tag, es zwitscherten die welche die Kugeln fängt, nicht mit der Zeit herun-
15 Vögel, und auf den rötlichen Wällen, die uns plötz- terrutscht. Es ist Platz für zehn oder zwölf Men-
lich von aller Umwelt trennen und von aller Land- schen. In einer Deckung, wie wir sie als Zeiger-
schaft, wippen die einzelnen Halme, die letzte Natur. 45 mannschaft in einem Feldschiessen kennen, befand
Über dem inneren Hof, wo nun die Häftlinge waren, sich der sogenannte Leichentrupp, ein Grüpplein
thront ein Häuslein mit Scheinwerfer und Maschi- von Juden, welche die Erschossenen abräumen,
20 nengewehr; die Zellen reihen sich wie Waben; sie nötigenfalls für ihren gänzlichen Tod sorgen muss-
sind aus Beton; die Pritschen darin erinnern an ten. Wir gehen weiter; jenseits des Walles, aber
Flaschengestelle, und am Ende dieses Hofes, wo wir 50 immer noch inmitten unseres Lagers, stehen wir
die Kugellöcher bemerken, fanden jene besonderen plötzlich vor einem tadellosen Schwimmerbecken,
Hinrichtungen statt, denen sämtliche Häftlinge bei- und an der Böschung jenes Walles, dessen Gegen-
25 zuwohnen hatten. Das Ganze, so wie es sich heute seite wir eben betrachtet haben, gibt es sogar ein
zeigt, vermischt die Merkmale einer Kaserne, einer Alpinum, ein Gärtlein mit schönen Steinen und
Hühnerfarm, einer Fabrik und eines Schlachthofes. 55 Pflanzen, das heute allerdings verwildert ist; hier
Immer weitere Höfe schliessen sich an. Durch das haben die deutschen Wachen ihre sommerliche Frei-
Literaturatelier 137
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
zeit verbracht zusammen mit ihren Frauen und Kin- Insasse, bestand in einem Genickschuss. Endlich
dern. In dem nächsten Hof, wo die Häftlinge zu 85 kommen wir an den letzten Ort. Wir stehen vor den
jeder Führerrede antreten mussten, sind es einmal Urnen. Es ist das erstemal, dass ich die menschliche
60 nicht die rötlichen Wälle, die uns umgeben, sondern Asche sehe; sie ist grau, aber voll kleiner Knöchel-
alte Stallungen. Eine davon betreten wir. Hier war chen, die gelblich sind. Die Urnen sind aus Sperr-
die Folterkammer. Im steinernen Boden sind zwei holz, neuerdings, während das deutsche Modell,
eiserne Ringe verschmiedet, an der Decke ist ein 90 das wir in die Hand bekommen, einfacher und spar-
Flaschenzug, und genau darunter, eingelassen in der samer war, eine Tüte aus starkem Papier, jede mit
65 steinernen Bodenplatte, befindet sich ein eiserner einer handschriftlichen Nummer versehen, wenn
Dorn in der Grösse eines Zeigefingers. Es ist ein sie gefüllt ist. Das Lager von Terezin, als es befreit
Raum mit alten Gewölben, und zwischen den Pfei- wurde, hatte einen Vorrat von zwanzigtausend
lern hängt ein Vorhang aus dünnem Sacktuch, ein 95 solcher Tüten. Natürlich nehmen wir den Hut in die
Schleier, der die Zuschauer verbarg. Indem wir auf Hand, aber ich würde lügen, wenn ich von Erschüt-
70 der andern Seite aus der Stallung hinausgehen, ste- terung spräche; der Anblick dieser Urnen, die man
hen wir auf einer Brücke, also wieder im Freien, und öffnen kann, verbindet sich mit nichts; sie reihen
blicken in den sogenannten Judengraben. Zwischen sich wie Büchsen in einer Drogerie, sie reihen sich
zwei besonders hohen Wällen, so dass man wieder 100 wie Töpfe in einer Gärtnerei. Was mich an diesem
nur den Himmel sieht und nichts als den Himmel, Ort am meisten beschäftigte, waren die beiden Bild-
75 befindet sich ein Kanal mit grünem Wasser, ein nisse, die über den namenlosen Urnen hingen:
Wiesenbord zu beiden Seiten. Ferner ist noch eine Benesch und Stalin.
hölzerne Leiter da. Zehn Juden wurden hinunter- Was am meisten bleibt, wenn ich an das Lager
geschickt, versehen mit Heugabeln und mit dem 105 denke, und was gleichsam immer näher kommt,
Versprechen, dass die beiden letzten, die ihre Kame- während man es an Ort und Stelle kaum bemerkte,
80 raden überlebten, in die Freiheit entlassen würden. jedenfalls nicht mehr als alles andere: die wippen-
Von der eisernen Brücke, wo die Zuschauer standen, den Halme auf den rötlichen Wällen, und dass man
blickt man wie in einen Bärenzwinger. Die Freiheit überall, wo immer wir standen, nichts als den Him-
für die beiden Letzten, sagt uns ein begleitender 110 mel sieht. 1950
• Was bleibt
• Recherchieren Sie das «Lebensgefühl» der Nachkriegszeit und der 50er-Jahre.
• Wie lassen sich die Bezeichnungen «Kahlschlag-, Trümmerliteratur» und «Stunde Null»
erklären?
• Lesen und analysieren Sie mindestens ein Werk von Frisch oder Dürrenmatt sowie Kurz
geschichten anderer Autorinnen und Autoren.
• Machen Sie sich mit Wolfgang Borcherts Drama «Draussen vor der Tür» vertraut: Warum
kann das Stück immer wieder neu und aktuell inszeniert werden?
• Wagen Sie sich an «moderne» Gedichte, z. B. von Ingeborg Bachmann oder Günter Eich.
138 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
7.6 Politisierung und Neue Subjektivität, 1960–1980
• Begriff
Der neue Wohlstand täuscht eine heile Welt vor. Die Nachkriegsgene-
ration jedoch fragt ihre Eltern, wo sie im Krieg gewesen seien, und
verlangt Aufklärung. Politisch engagierte Literatur übt Kritik am
«Establishment» und am «System». Literatur muss sich – so die pro
testierenden 1968er-Studenten– den Zeitproblemen stellen und für
die «Befreiung» der Unterprivilegierten und Unterdrückten kämpfen.
Nach Jahren des politischen und sozialen Engagements (z. T. mit dem
verhängnisvollen Irrweg in den Terrorismus) wird die eigene Subjek-
tivität («Neue Innerlichkeit») wieder entdeckt: «Wie sind wir und
unsere Gesellschaft das geworden, was wir heute sind?»
Protestierende Studenten, Hamburg, 1967
• Themen und Tendenzen
Die neue Lust an Theorie führt zu marxistischer Kapitalismuskritik, zur Psychoanalyse als
Instrument der Vergangenheitsaufarbeitung und zu Versuchen mit «repressions- und herr-
schaftsfreien» Lebensformen (antiautoritäre Erziehung). Selbstverwirklichung ist ein Schlagwort • Gesellschaft und
der Zeit. Neue gesellschaftliche Milieus entstehen – und zwar bis heute: Hippies, grüne, Geschichte
Die Gefahr eines Atom-
alternative, Friedens- und Anti-AKW-Bewegung, liberale Intellektuelle, Punks, Feministinnen
krieges scheint nach Bei
u.v.a.m. legung der Kubakrise
Die Kulturpolitik der DDR will die Kluft zwischen Künstler und Volk überwinden und fordert, 1962 gebannt. Doch zahl-
dass Literaturschaffende in Fabriken arbeiten und die «Werktätigen» Literatur schreiben. Von reiche Stellvertreterkriege
Bitterfeld geht die Bewegung schreibender Arbeiter aus: «Greif zur Feder, Kumpel.» In der BRD in wenig entwickelten
Ländern verschärfen sich.
entsteht der «Werkkreis Literatur der Arbeitswelt». Trotz erfolgreicher Autoren bleibt die
Die USA verzetteln sich im
grosse gesellschaftliche Wirkung aus. blutigen Vietnamkrieg,
Antikriegsdemonstratio-
• Epik – Dramatik – Lyrik nen prägen die späten
60er-Jahre: Flowerpower
Analog zur gesellschaftlichen Entwicklung
© 2023 Verlag SKV läuftFokus
AG: Fokus Sprache, auchSprache
die literarische Produktion:
BM mit digitalen politische
Lösungen und Kommentar mischt sich mit Studen-
für Lehrpersonen
Lyrik (Erich Fried); Romane, die dasvon
Persönliches Exemplar Leben arbeitender
Liza Basha, Menschen thematisieren (Max von der
8307 Effretikon tenprotesten, und auch
Grün); Theaterstücke, die Unterprivilegierte auf die Bühne bringen (Franz Xaver Kroetz), sowie die US-Bürgerrechtsbe
wegung kämpft für die
feministische Literatur (Elfriede Jelinek). Für den Literaturprofessor Emil Staiger sind diese
Aufhebung der Rassen-
Werke voll «von Psychopathen, von gemeingefährlichen Existenzen, von Scheusslichkeiten trennung.
grossen Stils». Max Frisch verteidigt 1966 das zeitgenössische Schaffen im sogenannten Die olympischen Spiele
«Zürcher Literaturstreit». 1972 in München werden
Die Dokumentartheater von Peter Weiss und Rolf Hochhuth entlarvt die dunkelsten Seiten von einem palästinensi-
schen Terroranschlag auf
der NS-Zeit. Originaltexte aus Gerichtsverhandlungen und Archiven, die jetzt auf der Bühne
jüdische Sportler mit
gesprochen werden, führen zu Tumulten vor und im Theater. Gesellschaftskritik – ins 17 Toten überschattet.
Groteske gedreht – ist typisch für Friedrich Dürrenmatts Welterfolg «Die Physiker» (1961/62). In der BRD radikalisieren
Die Literatur der DDR geniesst im deutschsprachigen Ausland grosse Anerkennung, be sich linke Splittergruppen
sonders wenn sie im eigenen Land verboten ist. Für Empörung sorgt allerdings 1976 die Aus- immer stärker und über-
ziehen als RAF mit ihrem
bürgerung des Liedermachers Wolf Biermann.
politischen Terror das
Die «Tagebücher 1966–1971» des Schweizer Star-Autors Max Frisch zeigen die Nähe von Lite- Land.
ratur, Politik und Privatem. Darin reflektiert er Ereignisse wie den Vietnamkrieg und die Studen
tenproteste, aber auch seine Reisen u.a. in die Sowjetunion und immer wieder in die USA.
1975 begleitet er den deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt in einer Delegation zum
Staatsbesuch nach China.
Am Ende der Proteste und des politischen Engagements führt die resignative Rückbesinnung
auf die eigene Biografie zu einer Literatur, welche die Selbstfindung, die Selbsterfahrungen
und die Beziehung zwischen den Geschlechtern thematisiert (Peter Handke, Ulrich Plenzdorf,
Karin Struck, Martin Walser, Christa Wolf).
Literaturatelier 139
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Der Ölschock (autofreie
Sonntage) führt dem Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren
Westen erstmals seine • Max Frisch: Andorra, Uraufführung 1961; Tagebuch 1966–1971, 1972
Abhängigkeit von den • Ingeborg Bachmann: Das dreissigste Jahr, 1961
arabischen Ölproduzenten • Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker, 1962 L esetipp !
vor Augen.
Mit Kompaktkassetten
• Rolf Hochhuth: Der Stellvertreter, 1963
(ab 1968) und dem Walk- • Marlen Haushofer: Die Wand, 1963; Die Mansarde, 1969
man (ab 1979) wird • Heinrich Böll: Ansichten eines Clowns, 1963; Die verlorene Ehre der Katharina Blum,
Musik «transportabel». 1974
Musik- und Jugend • Peter Bichsel: Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennenlernen, 1964
kultur ist ein wichtiger
Wirtschaftsfaktor.
• Jurek Becker: Jakob der Lügner, 1969 (DDR) L esetipp !
• Siegfried Lenz: Deutschstunde, 1968
• Ulrich Plenzdorf: Die neuen Leiden des jungen W., 1972 (DDR)
• Peter Schneider: Lenz, 1973
• Verena Stefan. Häutungen, 1975
• Reiner Kunze: Die wunderbaren Jahre, 1976 (in DDR geschrieben, in BRD veröffentlicht)
• Christiane F.: Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, 1978
• Martin Walser: Ein fliehendes Pferd, 1979
• Michael Ende: Die unendliche Geschichte, 1979
eltliteratur
W
• John Updike: Ehepaare, 1968; die «Rabbit-Romane», 1960–2002
• Alexander Solschenizyn: Der Archipel Gulag, 1974
Aufgabe
Vergleichen Sie die beiden folgenden Kurzgeschichten des Schweizers Peter Bichsel und des
© 2023 deutschen
Verlag SKV AG:Autors
Fokus Sprache,
WolfFokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Wondratschek.
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Arbeiten Sie heraus, was gleich und was anders ist. Vor allem lassen sich die typischen
Merkmale von Kurzgeschichten erkennen.
• Und woran erkennen Sie den «Zeitgeist»?
Peter Bichsel, 1935 spieler, und sie brachte oft Platten mit
aus der Stadt, und sie wusste, wer darauf
Die Tochter
sang. Sie hatte auch einen Spiegel und
1 Abends warteten sie auf Monika. Sie 25 verschiedene Fläschchen und Döschen,
arbeitete in der Stadt, die Bahnverbin- einen Hocker aus marokkanischem
dungen sind schlecht. Sie, er und seine Leder, eine Schachtel Zigaretten.
Frau, sassen am Tisch und warteten auf Der Vater holte sich seine Lohntüte auch
5 Monika. Seit sie in der Stadt arbeitete, bei einem Bürofräulein. Er sah dann die
assen sie erst um halb acht. Früher hat- 30 vielen Stempel auf einem Gestell, be-
ten sie eine Stunde eher gegessen. Jetzt staunte das sanfte Geräusch der Rechen-
warteten sie täglich eine Stunde am ge- maschine, die blondierten Haare des
deckten Tisch, an ihren Plätzen, der Fräuleins, sie sagte freundlich «Bitte
10 Vater oben, die Mutter auf dem Stuhl schön», wenn er sich bedankte.
nahe der Küchentür, sie warteten vor 35 Über Mittag blieb Monika in der Stadt,
dem leeren Platz Monikas. Einige Zeit sie ass eine Kleinigkeit, wie sie sagte, in
später dann auch vor dem dampfenden einem Tearoom. Sie war dann ein Fräu-
Kaffee, vor der Butter, dem Brot, der lein, das in Tearooms lächelnd Ziga-
15 Marmelade. retten raucht.
Sie war grösser gewachsen als sie, sie 40 Oft fragten sie sie, was sie alles getan
war auch blonder und hatte die Haut, die habe in der Stadt, im Büro. Sie wusste
feine Haut der Tante Maria. «Sie war aber nichts zu sagen.
immer ein liebes Kind», sagte die Mutter, Dann versuchten sie wenigstens, sich
20 während sie warteten. genau vorzustellen, wie sie beiläufig in
In ihrem Zimmer hatte sie einen Platten- 45 der Bahn ihr rotes Etui mit dem Abonne-
140 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
ment aufschlägt und vorweist, wie sie 15 genau, was sie will. Auch am Nebentisch
MODUL F
den Bahnsteig entlang geht, wie sie sich sitzt ein Mädchen mit Beinen.
auf dem Weg ins Büro angeregt mit Sie hasst Lippenstift. Sie bestellt einen
Freundinnen unterhält, wie sie den Gruss Kaffee. Manchmal denkt sie an Filme
50 eines Herrn lächelnd erwidert. und denkt an Liebesfilme. Alles muss
Und dann stellten sie sich mehrmals vor 20 schnell gehen.
in dieser Stunde, wie sie heimkommt, die Freitags reicht die Zeit, um einen Cognac
Tasche und ein Modejournal unter dem zum Kaffee zu bestellen. Aber freitags
Arm, ihr Parfum; stellten sich vor, wie regnet es oft.
55 sie sich an ihren Platz setzt, wie sie dann Mit einer Sonnenbrille ist es einfacher,
zusammen essen würden. 25 nicht rot zu werden. Mit Zigaretten wäre
Bald wird sie sich in der Stadt ein Zim- es noch einfacher. Sie bedauert, dass sie
mer nehmen, das wussten sie, und dass keine Lungenzüge kann.
sie dann wieder um halb sieben essen Die Mittagspause ist ein Spielzeug. Wenn
60 würden, dass der Vater nach der Arbeit sie nicht angespro-
wieder seine Zeitung lesen würde, dass 30 chen wird, stellt sie
es dann kein Zimmer mehr mit Platten- sich vor, wie es wäre,
spieler gäbe, keine Stunde des Wartens wenn sie ein Mann
mehr. Auf dem Schrank stand eine Vase ansprechen würde.
65 aus blauem schwedischem Glas, eine Sie würde lachen. Sie
Vase aus der Stadt, ein Geschenkvor- 35 würde eine auswei-
schlag aus dem Modejournal. chende Antwort
«Sie ist wie deine Schwester», sagte die geben. Vielleicht
Frau, «sie hat das alles von deiner würde sie sagen, dass
70 Schwester. Erinnerst du dich, wie schön der Stuhl neben ihr
deine Schwester singen konnte.» 40 besetzt sei. Gestern
«Andere Mädchen rauchen auch», sagte wurde sie angespro-
die Mutter. «Ja», sagte er, «das habe ich chen. Gestern war der
auch gesagt.» Stuhl frei. Gestern war sie froh, dass in
75 «Ihre Freundin hat kürzlich geheiratet», der Mittagspause alles sehr schnell geht.
sagte die Mutter. Sie wird auch heiraten, 45 Beim Abendessen sprechen die Eltern
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
dachte er, sie wird in derExemplar
Persönliches Stadtvon
wohnen. davon, dass sie auch einmal jung waren.
Liza Basha, 8307 Effretikon
Kürzlich hatte er Monika gebeten: «Sag Vater sagt, er meine es nur gut. Mutter
mal etwas auf französisch.» – «Ja», hatte sagt sogar, sie habe eigentlich Angst.
80 die Mutter wiederholt, «sag mal etwas Sie antwortet, die Mittagspause ist unge-
auf Französisch.» Sie wusste aber nichts 50 fährlich.
zu sagen. Sie hat mittlerweile gelernt, sich nicht
Stenografieren kann sie auch, dachte er zu entscheiden. Sie ist ein Mädchen wie
jetzt. «Für uns wäre das zu schwer», andere Mädchen. Sie beantwortet eine
85 sagten sie oft zueinander. Frage mit einer Frage.
Dann stellte die Mutter den Kaffee auf 55 Obwohl sie regelmässig im Strassencafé
den Tisch. «Ich habe den Zug gehört», sitzt, ist die Mittagspause anstrengender
sagte sie. 1964 als Briefeschreiben. Sie wird von allen
Seiten beobachtet. Sie spürt sofort, dass
W o l f W o n d r a t s c he k , 1 9 4 3 sie Hände hat.
60 Der Rock ist nicht zu übersehen. Haupt-
Mittagspause
sache, sie ist pünktlich.
1 Sie sitzt im Strassencafé. Sie schlägt so- Im Strassencafé gibt es keine Betrunke-
fort die Beine übereinander. Sie hat nen. Sie spielt mit der Handtasche. Sie
wenig Zeit. kauft jetzt keine Zeitung.
Sie blättert in einem Modejournal. Die 65 Es ist schön, dass in jeder Mittagspause
5 Eltern wissen, dass sie schön ist. Sie eine Katastrophe passieren könnte. Sie
sehen es nicht gern. könnte sich sehr verspäten. Sie könnte
Zum Beispiel. Sie hat Freunde. Trotzdem sich sehr verlieben. Wenn keine Bedie-
sagt sie nicht, das ist mein bester nung kommt, geht sie hinein und be-
Freund, wenn sie zu Hause einen Freund 70 zahlt den Kaffee an der Theke.
10 vorstellt. An der Schreibmaschine hat sie viel Zeit,
Zum Beispiel. Die Männer lachen und an Katastrophen zu denken. Katastrophe
schauen herüber und stellen sich ihr Ge- ist ihr Lieblingswort. Ohne das Lieblings-
sicht ohne Sonnenbrille vor. wort wäre die Mittagspause langweilig.
Das Strassencafé ist überfüllt. Sie weiss 1969
Literaturatelier 141
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe
V e r e n a S t ef a n , 1 9 4 7
Häutungen
Die Bernerin Verena Stefan trifft mit ihrem Roman «Häutungen» 1975 die Befindlichkeit
vieler – nicht nur junger – Frauen.
• Worauf lässt sich der Erfolg dieses Buches zurückführen? Die Textstelle bietet genügend
Anhaltspunkte.
• Was bleibt
• Wie lassen sich einerseits Politisierung und andererseits Neue Subjektivität erklären?
• Was sind gesellschaftliche Milieus? Welche lassen sich heute unterscheiden?
• Was bedeuten die Begriffe Autorität, autoritär, antiautoritäre Erziehung? Worin lag mög-
licherweise die Faszination an der antiautoritären Erziehung?
• Recherchieren Sie zur Kulturpolitik der DDR im Internet. Worum geht’s da?
• Lesen und bearbeiten Sie mindestens einen Roman aus dieser Epoche.
• Recherchieren Sie den Begriff «feministische Literatur».
142 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
7.7 Postmoderne, 1980–2000
• Begriff
In Kunst und Literatur wird etwa seit dem Naturalismus verallgemeinernd von «der
Moderne» gesprochen. In den 1980er-Jahren entsteht vor allem in der Architektur der
Begriff «Postmoderne» («Nach-Moderne»), der auf alle Kulturbereiche übertragen wird.
Typisch postmodern ist das Spiel mit allen Formen, Stilen und Themen vergangener
Epochen. Die einfachste Variante zeigt der «Schulknabe» (1881) des Schweizer Malers
Albert Anker – mit einem modernen iPad. In Mode und Musik zeigt sich Ähnliches:
«Retro-Elemente» werden neu und trendig arrangiert: «Anything goes».
• Themen und Tendenzen
Der neue Stilmix widerspiegelt die Pluralität westlicher Gesellschaften: Ein allgemein
gültiger Wahrheitsanspruch, für alle verbindliche religiöse Auffassungen und gesellschaft-
liche Systeme – damit auch die politischen Blöcke – sowie traditionelle Lebensformen
werden infrage gestellt. Der deutsche Philosoph Jürgen Habermas spricht von einer
«Neuen Unübersichtlichkeit» (2001). Mike Licht: Schulknabe mit
iPad, nach Albert Anker,
2010
• Epik – Dramatik – Lyrik
Patrick Süskinds Roman «Das Parfum» ist zwar 1985 veröffentlicht worden, doch das ge-
konnte Spiel mit Wortschatz, Satzstrukturen und Stilmitteln lässt die Geschichte «irgendwie» • Gesellschaft und
älter klingen. Die wichtigsten Verfahren der Postmoderne sind Zitat, Montage sowie Parodie Geschichte
und vor allem Ironie – allerdings völlig anders als die Form- und Sprachexperimente früherer Die kommunistischen
Staaten können den
Epochen. Die Literaturkritik vermisst zwar das Neue, das Originelle und spricht von «Nach- neuen Rüstungswettlauf
ahmung», doch der Erfolg dieser Literatur gibt den Schreibenden recht. Die Grenze zwischen nicht mehr finanzieren;
anspruchsvoller und unterhaltender Literatur verschwimmt zunehmend. die Fehler des Wirt
Mit dem Ende festgefügter Ideologien und politischer Blöcke ist eine offene, globale Kultur schaftssystems werden
entstanden, die kaum noch zu überschauen ist: Computer- und Internetliteratur, feministische offensichtlich. Michail
Gorbatschows Reformver-
Literatur, Migranten- undVerlag
© 2023 Popliteratur,
SKV AG: FokusSlam Poetry
Sprache, Fokus sowie diverse
Sprache BM andere
mit digitalen Richtungen
Lösungen sorgen
und Kommentar suche mit Glasnost und
für Lehrpersonen
für ein einzigartig facettenreiches Literaturleben.
Persönliches Exemplar von Während die einen die «Renaissance»
Liza Basha, 8307 Effretikon Perestroika scheitern.
des Erzählens feiern, heben andere voll Experimentierlust die Grenzen zwischen den Formen Sie ermöglichen 1989 den
und Medien auf. Dies weist darauf hin, das Lyrik und Dramatik nicht zwingend postmoderne Fall der Berliner Mauer
Textsorten sind. Zwar gilt manchen Botho Strauss’ «Kalldewey, Farce» als entsprechendes und ein gewaltfreies Ende
des Kalten Kriegs.
Theaterstück und Robert Gernhardts Gedichte als postmoderne Lyrik, doch gerade er hat sich – Die kommunistischen
in einem Gedicht! – gegen diese Zuordnung verwahrt. Regimes werden abgelöst.
Die Nationalitätenfrage
und mit ihr alte ethnische
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren Konflikte führen in Jugo
• Eveline Hasler: Anna Göldin. Letzte Hexe, 1982 L esetipp ! Die Wachsflügelfrau, 1991 slawien zu blutigen
• Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit, 1983 Bürgerkriegen und
• Patrick Süskind: Das Parfum, 1985 L esetipp ! schliesslich zum Unter-
gang des Landes.
• Milena Moser: Die Putzfraueninsel, 1991; Das Schlampenbuch, 1992; Blondinenträume, Westliche Demokratien
1994 wandeln sich in post-
• Robert Schneider: Schlafes Bruder, 1992 industrielle Gesell-
• Bernhard Schlink: Der Vorleser, 1995 L esetipp ! schaften: Ausweitung
• Urs Widmer: Top Dogs, 1997 L esetipp ! des tertiären Sektors,
Öffnung der (Finanz-)
• Zoë Jenny: Das Blütenstaubzimmer, 1997 Märkte, Anstieg struktu-
• Thomas Brussig: Am kürzeren Ende der Sonnenallee, 1999 reller Arbeitslosigkeit.
• Florian Illies: Generation Golf, 2000 Datenverarbeitung,
Mikroelektronik und
opliteratur
P Digitalisierung verändern
• Christian Kracht; Alexa Hennig von Lange; Benjamin Lebert; Benjamin von Stuckrad- die Privat- und Arbeits-
Barre welt. Der Neoliberalis-
mus erzeugt mehr
Migrantenliteratur soziale Ungleichheit, aber
• Rafik Schami: Fabeln, Märchen, Erzählungen – seit 1982 L esetipp ! auch einen gewissen
• Wladimir Kaminer: Russendisko, 2000 «Massenwohlstand».
• Feridun Zaimoglu: Kanak Sprak, 1995; Zwölf Gramm Glück, 2004; Leyla, 2006
Literaturatelier 143
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe
U r s W i d me r , 1 9 3 8 – 2 0 1 4
Top Dogs
Neoliberales Denken überlässt alles dem Markt. Arbeitskräfte sind beliebig austauschbar, kein
Arbeitsplatz ist sicher, auch Führungskräfte werden entlassen. Für sie gibt’s Outplacement-
firmen.
• Analysieren Sie das Gesprächsverhalten von Frau Wrage und Herrn Deér.
1 W r a g e energisch auftretend Herr Deér! Kenia, Mexiko, Japan. JUST NAME IT.
Sie sind also Herr Deér. Wrage. D e é r Aha.
D e é r Guten Tag, Frau Wrage. W r a g e Was alle Damen und Herren hier
W r a g e Ich bin Beraterin der NCC, «New verbindet: Sie sind vom Verlust ihres
5 Challenge Company». Sie haben sich für 55 Arbeitsplatzes betroffen und erwarten
die erste Begegnung just unser wöchent- von uns eine optimale Unterstützung bei
liches informelles Treffen ausgesucht. ihrer Karrierefortsetzung in einem ande-
Gut. Sehr gut. Wir nennen das die Gip- ren Unternehmen.
felkonferenz. Es gibt Gipfeli für alle, Sie D e é r nimmt die anderen wie neu wahr;
10 verstehen. Gipfelkonferenz. 60 als hätten sie die Lepra Die da, die ste-
D e é r Sehr gut! hen alle auf der Strasse?
Heiterkeit. Allerdings versteht Deér nur W r a g e Hier ist jeder in der gleichen
Bahnhof. Lage.
W r a g e Bedienen Sie sich. Es gibt auch D e é r Ja. Das kommt jetzt immer häufi-
15 Kaffee. 65 ger vor.
D e é r Danke. Die oberste Etage hat mich W r a g e Sehr gut! Was leistet unsere
gebeten, mit Ihnen Kontakt aufzuneh- Organisation, und wie leistet sie es? Als
men. Wir hatten ein ausführliches Ge- wir vor zehn Jahren hier in der Schweiz
spräch. War gut und intensiv. Doch. unsere Tätigkeit aufnahmen, waren wir
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Haben von
20 Exemplar
Persönliches nochmals die ganzen
Liza Basha, 8307 Effretikon Probleme 70 ein Nischenprodukt in einer intakten
durchgesprochen, wie mein Arbeitsbe- Arbeitswelt. Zwar war die Hochkonjunk-
reich im Catering genauer definiert wer- tur am Abklingen, darum ja unsere
den könnte. Und ich soll mich bei Ihnen Anstrengungen, uns auch am Schweizer
kundig machen, inwieweit irgendein Markt zu positionieren, aber in den
25 Synergieeffekt zwischen meiner und 75 Köpfen des mittleren und höhern Kaders
ihrer Arbeit herstellbar ist. gab es noch kaum irgendwelche Gedan-
W r a g e Nun, im Groben wissen Sie ken an einen möglichen Verlust des
natürlich Bescheid. Arbeitsplatzes.
D e é r Sehr im Groben. Sie müssen mir D e é r Ja, ja. Wir restrukturieren ja auch
30 das mal ganz genau erklären. Das mit 80 massiv. Grad nochmals tausendzweihun-
Ihrer NCC lag am Schluss plötzlich auf dert Stellen abgebaut. Aber nicht in mei-
dem Tisch, ziemlich abrupt. nem Bereich. Das Catering ist stabil.
W r a g e Deswegen sind Sie ja da, klar. W r a g e Ja.
D e é r Ich sage meinen Mitarbeitern D e é r Einzelne Fluktuationen allenfalls.
35 immer: Sie müssen mit der Lupe hin- 85 W r a g e Gut. – 1986 vermittelten wir
schauen. Der Teufel steckt im Detail. ganze fünfzehn Herren! Waren bereits
Und daran halte ich mich natürlich auch zwei Damen unter den Herren. Kleine
selbst. Heiterkeit. Heute haben wir mehr als
W r a g e Herr Deér, die NCC ist eins der neunhundert Klientinnen und Klienten
40 grössten Outplacement-Unternehmen am 90 per annum, und wir haben unsre Tätig-
Markt, Lizenzträger der «Myer Myer Bos- keit auch auf nicht deutlich qualifizierte
well» in New York. Das sichert uns einen Arbeitsplätze aus dem untern Segment
Marktvorsprung im Know-how und, ausgedehnt. Wir bieten jetzt dreitägige
wichtiger noch, eine einzigartige inter- Crash-Programme in Gruppen an, für
45 nationale Vernetzung. 95 eine erfolgreiche berufliche Neuorientie-
D e é r Verstehe. rung auch im LOW-SALARY-Bereich.
W r a g e Wir haben Partner in zweiund- D e é r Die da?
zwanzig Ländern und können unsere W r a g e Nein, nein. Die Damen und Her-
Klienten ALL OVER THE WORLD ver- ren haben alle der Leitungsebene ange-
50 mitteln. Nach allen Ländern der EU, 100 hört. «Top Dogs». Ihre Preisklasse, wenn
144 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
ich das mal so flapsig sagen darf. Unser Workaholic. Dass ich bei der Swissair
MODUL F
Kerngeschäft bleibt die intensive Arbeit gelandet bin, an der Front zuerst, dann
mit Klienten wie Ihnen. Deér versteht 150 im Catering, hat sicher damit zu tun.
«wie ihnen», das heisst wie mit denen da, Sechzehnstundentage. Wer beim Cate-
105 nickt anteilnehmend. Wir führen sogar ring dabei sein will, muss Tag und Nacht
das SENIOR-EXECUTIVE-PROGRAMM, am Ball sein. «Lead, follow or get out of
das von Konzernchefs in Anspruch ge- the way», nicht wahr. Lacht.
nommen wird. Stellenlos gewordene Per- 155 W r a g e Gut. Wie im Konkreten läuft
sönlichkeiten der Führungsspitze. also unsre gemeinsame Arbeit ab? Wir
110 D e é r Musste ja selber Mitarbeiter ent- stellen unsern Klienten hier eine Infra-
lassen. Als wir das Catering auslagerten, struktur zur Verfügung, ähnlich der, die
neunzehnzweiundneunzig, haben wir sie von ihrem frühern Arbeitgeber her
mehr als tausend Stellen abgebaut. Gute 160 gewöhnt sind. Computer, Fax, Telefon,
Leute, waren zum Teil seit Jahren dabei Sekretariat für alle Schreibarbeiten,
115 gewesen. Ist ein menschliches Problem, Fachliteratur, Kaffeemaschine und und
so was. Andererseits, im Kader, das ist und. Stellensuche ist ein Full-time-Job.
einfach im Anforderungsprofil, so was Das werden Sie bald feststellen.
wegstecken zu können. 165 D e é r Ja, sicher. Schweigen. Kann ich
W r a g e Ich muss sagen, Herr Deér. mir vorstellen. Schweigen. Wieso werde
120 CHAPEAU! Aber eigentlich schüttelt es ich das bald feststellen?
jeden. Pause. Entscheidend für unsre er- W r a g e Ja was denken Sie, weshalb Sie
folgreiche Arbeit ist, dass diese immer hier sind, Herr Deér?
und in jedem Fall vom ehemaligen 170 D e é r Sagte ich Ihnen. Ich soll in Erfah-
Arbeitgeber finanziert wird. Dabei be- rung bringen, inwieweit wir unsre
125 rechnen wir ganz bewusst eine Pau Arbeitsbereiche füreinander nutzbar
schale und nicht etwa ein Honorar, das machen können.
sich nach der Vermittlungsdauer richtet. W r a g e Wieso wohl zahlt Ihre Firma
Denn so haben auch WIR ein vitales 175 dreissigtausend Franken dafür?
Interesse daran, unsere Klienten schnell D e é r Wofür?
130 zu plazieren. Und optimal. Wir garantie- W r a g e Sie sind entlassen worden!
ren, sie ins Programm zurückzunehmen, Herr Deér! Entlassen!
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
wenn es mit dem neuenExemplar
Persönliches Arbeitgeber D e é r Ich??!
in- 8307 Effretikon
von Liza Basha,
nerhalb eines Jahres zu Unstimmig- 180 W r a g e Ja. Sie.
keiten kommen sollte. D e é r Entlassen? – Hören Sie. Das
135 D e é r vertraulich Denen da geb ich keine hätte man mir gesagt.
Chance. Zu alt, zu unbeweglich, zu teuer. W r a g e Man HAT es Ihnen gesagt!
W r a g e Sagen Sie das nicht. Wir hatten D e é r Wer? Wann?
einen Herrn, Mitte fünfzig, der tauchte 185 W r a g e Sie haben es nicht gehört.
fünfmal wieder hier auf. Zuerst dachten D e é r Aber.
140 wir, es liege an uns. Dann, dass es doch W r a g e Nicht verstanden.
an ihm liegen könnte. Aber nein. Heute D e é r Aber das gibt es doch nicht, dass
ist er Direktor eines führenden Touristik- einer das nicht hört. Dass er entlassen
unternehmens und verbringt die meiste 190 worden ist.
Zeit an sonnenüberfluteten Sandsträn- W r a g e Doch. Oft. Kopf hoch, Herr Deér.
145 den. Heiterkeit. Wir haben bis heute noch jeden Klienten
D e é r Ist bei mir nicht drin, Ferien. Bin vermittelt. Sozusagen jeden. 1997
ja ursprünglich Maschineningenieur.
• Was bleibt
• Suchen Sie im Internet Bilder postmoderner Bauten, und erläutern Sie den Begriff.
• Was sind Retro-Elemente in der aktuellen Mode?
• Informieren Sie sich über Eveline Haslers Romane, in denen sie historischen (Schweizer)
Persönlichkeiten und Ereignissen nachgeht.
• Recherchieren Sie im Internet Beispiele von Slam Poetry sowie Pop- und Emigrantenliteratur.
• Schreiben Sie mal «postmodern»: Imitieren Sie den Stil «von früher».
Literaturatelier 145
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
8 Das 21. Jahrhundert – die globale Ökonomisierung
• Begriff
Für die unmittelbare Gegenwart eine zutreffende Epochenbezeichnung zu finden, ist nahezu
unmöglich. Sehr verallgemeinernd lässt sich von der globalisierten Welt reden: Handel, Kapital-
sowie Produkt- und Dienstleistungsmärkte sind weltweit immer enger verflochten – wie auch
die Kunst- und Kulturmärkte. Wirtschaftliches Denken durchdringt alle Lebensbereiche.
Während die einen unendliche Chancen in unendlich liberalisierten Märkten wittern,
spüren die anderen Angst und Verunsicherung. Resignation und Flucht aus der Realität,
aber auch Aggression und exzessiver Genuss können die Folgen sein. Die Schere
zwischen Arm und Reich öffnet sich.
146 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Kunst, Mode und Musik,
MODUL F
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren aber auch spirituelle Be-
• Peter Stamm: Agnes, 1998; Blitzeis, 1999; An einem Tag wie diesem, 2006 dürfnisse sind global und
• Alex Capus: Fast ein bisschen Frühling, 2002 L esetipp ! Der Fälscher, die Spionin und der vernetzt: Vieles klingt
Bombenbauer, 2013 weltweit gleich, sieht
gleich aus. «Superstars»,
• Martin Suter: Business Class, 2000; Ein perfekter Freund, 2002; Montecristo, 2015 «MusicStars», neue Glau-
L esetipp ! bensgruppen und esoteri-
• Laura de Weck: Lieblingsmenschen. Ein Stück, 2007 sche Kulte kommen und
• Siegfried Lenz: Schweigeminute, 2008 L esetipp ! gehen. Beliebigkeit und
• Wolfgang Herrndorf: Tschick, 2010 Schnelligkeit leben von
der smarten Elektronik:
• Pedro Lenz: Der Goalie bin ig, 2010 L esetipp ! Radio. Morgengeschichten, 2014 L esetipp ! klein, handlich, 24 Stun-
• Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf, 2010 – Deutscher und Schweizer Buchpreis
den weltweit verfügbar.
2010 Die Begeisterung für eine
• Robert Seethaler: Der Trafikant, 2012 Gratiskultur im Netz hat
• Charles Lewinsky: Melnitz, 2006; Kastelau, 2014 durch die Aufdeckung
von Abhörskandalen
Angesichts der Fülle an Werken entfallen die Hinweise auf die Weltliteratur. nur wenig gelitten. Big
Data gelten – je nach
Ideologie – als Bedrohung
oder Lösung aller globa-
len Probleme.
Aufgabe
P e d r o L e n z , 1965
Ihri Stimm
Im Verlag «Der gesunde Menschenversand» erscheint die Reihe «edition spoken script» mit
aktuellen Texten in verschiedenen Mundarten.
• Wie lässt sich Ihrer Meinung nach der Erfolg der «Spoken-Word-Szene» erklären? Was fällt
am Namen der Reihe und an der Szene auf?
© 2023 Verlag
• Lesen Sie die folgende SKV AG: Fokus Sprache,
Kürzestgeschichte Fokus
laut vorSprache BMin
– z. B. mitIhrer
digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Mundart.
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Welche Schwierigkeiten ergeben sich beim Lesen und Schreiben der Mundart?
• Wie lässt sich Beno charakterisieren?
• Wie geht man mit einem wie Beno um?
1 Der Beno heig z Züri e Termin gha. Auso sig er mit em Tram vom Bahnhof wägg gfahre,
wo d Stimm us em Lutsprächer heigi gseit: «Central».
Är heig di Stimm kennt, sig praktisch sicher gsi und är heig zu sich säuber gseit:
«I gloubes nid! Das isch doch d Lotte gsi!»
5 Die Lotte heig bis vor churzem no mit ihm uf der Bank gschaffet, ir glichen Abteilig.
Und är, der Beno, är heig kei Ahnig gha, dass d Lotte, nachdäm dass si vor Bank furt
sig, e Stöu aus Sprächere für di Durchsagen uf de Zürcher Tramlinie heig aagnoh.
Bi jedere Hautstöu heig er glost und spötischtens bim Bellevue heig er ke Zwifu meh
gha.
10 «Bellevue», heig d Lotte gseit, würklech, es sig eidüttig ihri Stimm gsi.
Und wöu är ihri Handynummere no heig gspicheret gha, heig er grad aaglütte und wo si
abgnoh heig, heig er sofort gseit: «He Lotte, säg einisch Bellevue!»
«Bellevue?» Heig si gfrogt.
«Jo, säg einisch Bellevue, aber nid frogend, ender bestimmt.»
15 «Worum?», heig si wöue wüsse, «wieso sött i grad jetz Bellevue säge?»
«I ha di ghört Lotte. Bi grad z Züri im Tram ungerwägs und ha dini Stimm vorhär ghört!
Us em Lutsprächer!»
«Sicher nid!», heig d Lotte gseit, «wüsst nid, worum, dass mini Stimm z Züri im Tram us
em Lutsprächer sött cho.»
20 Si heig aues abgstritte und sithär frog er sech jedes Mou, wenn er z Züri im ne Tram ar
Lotten ihri schöni, aagnähmi Stimm us em Lutsprächer ghöri, worum dass si nid derzue
wöu stoh.
Möglecherwis sigs jo würklech nid d Lotte gsi, han i mi getrout z säge.
Aber das het der Beno nid wöe lo gäute: Eine wien ig, wo weder vor Lotte no vom
25 Bellevue en Ahnig heig, sötti zu däm Thema gschider schwige, het er mer gseit.
Isch guet Beno, isch guet, i schwige. 2014
Literaturatelier 147
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe
• Lesen Sie den folgenden Text aufmerksam durch, und kennzeichnen Sie die Schlüsselwörter.
• Fassen Sie kurz zusammen, wie das Ereignis geschildert wird.
• Welche Intention verfolgt der Text? Worauf will er hinaus?
1 Etwas musste dort oben geschehen sein, geschah dort offenbar noch immer, von dem
ich nicht wusste, was es war, als ich mich am Dienstag, den 11. September, gegen 9 Uhr
morgens von meinem Büro im 73. Stockwerk auf den Weg nach unten begab, in die
Cafeteria im 44. Stockwerk, um dort erst mal einen Kaffee zu trinken, bevor ich zu
5 arbeiten begann. Ich war gerade vom 86. Stockwerk zurückgekommen, wohin ich einen
Kollegen begleitet hatte, den ich im Lift getroffen hatte, um aus seinen Händen eine
Pendenzenmappe entgegenzunehmen und sie in mein eigenes Zimmer hinabzutragen
und auf meinem Pult abzulegen. Irgendetwas war da oben geschehen, geschah dort wei-
ter, von dem ich hier unten nicht die geringste Ahnung hatte. Ich hatte gerade meinen
10 Mantel über den Stuhl gelegt, die Arbeitsunterlagen auf meinem Tisch platziert, den
Computer hochgefahren und mit einem Blick die eingegangenen E-Mails überflogen,
bevor ich mich wieder abgewandt hatte, um auf den Gang vor meinem Zimmer hinaus-
zutreten und den Fahrstuhl aufzusuchen. Etwas war eingeschlagen dort oben, mit einem
gewaltigen Knall, und es knallte noch immer, knallte noch immer weiter, ein Knall ging
15 in den anderen über, knallte, rumorte, krachte, fauchte, zischte, etwa so, als ob 1000
Öfen gleichzeitig angeworfen worden wären. Ich rannte hinaus, auf den Gang, durch die
Gänge, zum Lift, aber der Lift ging nicht. Ging da schon nicht mehr. Die Türen zum Lift-
© 2023 Verlagschacht blieben
SKV AG: Fokus verschlossen.
Sprache, Die
Fokus Sprache BM mit Lichtknöpfe,
digitalen Lösungen auf die ich drückte,
und Kommentar waren erloschen, das
für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Fahrwerk wäre in diesem von oben kommenden Lärm ohnehin nicht mehr zu hören ge-
20 wesen. Ich rannte zum nächsten Lift, da war es dasselbe. Andere waren dazugekommen,
andere Angestellte, Menschen, die ich nicht kannte oder nur vom Sehen, aus anderen
Zimmern, von anderen Gängen, von oben, von unten, die Treppenhäuser herab und her-
auf. Menschen, von allen Seiten, die sich selber und die sich gegenseitig fragten, was
war, was sei, was geschehen sei? Keiner wusste etwas, keiner hatte eine Erklärung, aber
25 alle hatten es gehört, hatten etwas gehört, hörten es, hatten den Turm, in dem sie arbei-
teten, in dem sie alle zur täglichen Arbeit zusammengekommen waren, unter sich, um
sich herum, wanken gefühlt, hatten sich selbst wanken gefühlt, ohne zu wissen, warum,
was den Turm, was sie selbst ins Wanken gebracht hatte, soeben, soeben noch; jetzt, für
den Augenblick, war es wieder vorbei, sie erzählten einander davon, von dem, was sie
30 wussten und nicht wussten, von dem, was sie erfahren hatten, aber nicht aus eigener
Anschauung kannten, von dem, was sie hörten, ohne es zu verstehen. Denn über uns
tobte und toste es immer noch, noch immer gleich laut, oder jedenfalls ähnlich laut, nur
dass der erste Schlag, der Schlag, mit dem es begonnen hatte, in ein unablässiges, nicht
endendes Donnern übergegangen war, in eine endlose Folge von Donnerschlägen. Zwei
35 sich kreuzende Ströme, hinab und hinauf, wälzten sich durch die Schluchten der Trep-
penhäuser, die, die empordrängten, um der Ursache der Unruhe, die sie nicht kannten,
näher zu kommen, die, die hinunterwollten, weil sie sich vor ihren möglichen Folgen
fürchteten. Die, die hinabwollten, rissen viele von denen, die hinaufgewollt hatten,
wieder mit sich zurück. Was sollten sie oben, wenn die, die von oben kamen, auch nicht
40 mehr wussten als sie. Was konnte man also wissen, was wollte man wissen? Ich wollte
hinunter. Ich ging und ging. Und vor mir und hinter mir, mit mir und mir entgegen,
gingen die andern. Je länger ich ging, je tiefer ich kam, umso mehr löste sich das Ge-
dränge, das Schieben und Kreuzen, auf den Treppen wieder auf, wurde das Auf und Ab
auf den Stufen wieder zum normalen Werktagsverkehr zwischen den Stockwerken,
45 zwischen den Parteien, wurden aus den Menschentrauben wieder einzelne Menschen,
nur dass die Fahrstühle nicht fuhren, war an ihrer grossen Anzahl abzulesen, aber die
würden nun vielleicht auch bald wieder fahren. Sie fuhren nicht. Ich ging also weiter zu
148 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Fuss, versuchte mich daran zu erinnern, was ich eigentlich vorgehabt hatte, grüsste da
MODUL F
und dort ein bekanntes Gesicht, selbst das Lächeln hatte man hier unten wiedergefun-
50 den, vielleicht hatte man es da nie verloren, jedenfalls kehrte auch das meine in meine
Mundwinkel zurück. Je länger ich ging, je tiefer ich kam, umso mehr war das anfäng-
liche Donnern zu einem nur noch drohenden Grollen geworden. Und als ich endlich
nach gut 20 Minuten des Weges im 44. Stockwerk ankam und dort die Cafeteria betrat,
fand ich die Kollegen, die da schon waren, und fanden mich die Kollegen, fanden wir
55 alles beinahe wie immer. Nur dass wir alle vom Treppensteigen, hinauf oder hinunter,
ein wenig ausser Atem waren. Und dass in der Ecke, in der der Fernseher wie immer lief,
ein wenig mehr Leute herumstanden als sonst. Und dass sie mit ihren Kaffeebechern in
der Hand nicht wie üblich in ihre eigenen Gespräche vertieft waren, sondern hinhörten
und hinsahen. Und dass auf dem Bildschirm ausnahmsweise keine Animation und auch
60 keine Wiederholung eines Baseballspiels, sondern ausgerechnet das Gebäude zu sehen
war, in dem wir waren. Gerade jetzt waren. In diesem Augenblick, in dem wir dieses
Gebäude auf diesem Bildschirm sahen. Auf dem Bildschirm dieses Fernsehers, der in
diesem Gebäude stand. Oder hing, an der Wand, in der Ecke der Cafeteria, in der wir im
Stehen unseren Frühstückskaffee tranken. Und dieses Gebäude brannte. Unser Hochhaus
65 brannte. Wir brannten. Auf dem Bildschirm, in Farbe, sahen wir es. Flammen schlugen
über unseren Köpfen aus der Krone des Turmes, in dem wir uns befanden, auf allen
Seiten, schossen in wilden Garben und Zacken aus den Fenstern, durch das Glas, durch
den Beton, durch den Stahl, aus Löchern, die das Feuer herausgesprengt hatte, stieg
schwarzer Rauch hinter dem Feuer her, verballte sich
70 mit ihm, stieg über es hinaus, es zurückdrängend, von
ihm emporgetrieben, verdüsterte, verdunkelte in riesi-
gen, sich aufwärtswälzenden Wolken den eben noch
klaren, strahlenden Morgenhimmel. Ein Flugzeug war
in den Turm gestürzt, das wurde gesagt. Ein Flugzeug
75 hatte dort eingeschlagen, so sagten sie da. Wir brauch-
ten einige Zeit, Sekunden, Minuten, bis wir begriffen,
dass wir gemeint waren. Dass uns das, was wir sahen,
etwas anging. Als ich es begriff, stellte ich den leeren
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Becher auf die Theke und
Persönliches begann
Exemplar zuBasha,
von Liza rennen, die ande-
8307 Effretikon
80 ren, die sich nicht vom Bild losreissen konnten, die
noch immer gebannt auf den Bildschirm starrten, die
erstarrt, gelähmt immer noch um den Fernseher in der
Ecke herumstanden, in meinem Rücken zurücklassend.
Ich rannte, so schnell ich konnte, nur hinunter, hinab, hinaus. Und während ich rannte,
85 fielen an mir vorbei, vor den Fenstern, den Glasfassaden entlang, die mich von ihnen
trennten, Gebäudeteile, Mauerteile, Metallstücke, mit wild auseinandergerissenen Ar
men, kopfüber, sich überschlagend, pfeilgerade, Menschen vom Himmel herab. Ich s ah
es, wenn ich den Blick von den Stufen hob. Aus den Liftschächten, neben denen ich die
Treppenhäuser hinunterrannte, drang Rauch. Rauchwolken rollten hinter mir her die
90 Stufen hinunter und überholten mich. In den tragenden Konstruktionen, im Stahl, im
Beton, knirschte und knackte es. Auf den Computerbildschirmen in den offen zurück
gelassenen Zimmern, an denen ich vorbeikam, wenn ich das Treppenhaus wechselte,
blinkte in Rot das Notsignal «Fire». Feuerwehrleute, Sicherheitsbeamte kamen mir ent
gegen, die Treppen herauf. Menschen, die ich nicht kannte. Menschen, die mich an Be-
95 kannte erinnerten. Bekannte Gesichter. Je länger ich lief, je tiefer ich kam. Meine Ver-
wandtschaft. Die E ltern, die Grosseltern. Geliebte. Ich grüsste sie. Ich forderte sie auf,
mit mir umzukehren, aber sie beachteten mich nicht. Als ich auf die Strasse hinauskam,
stürzte in meinem Rücken der Turm in sich zusammen. Ich sah es nicht, aber ich hörte
es, während mich die Druckwelle von hinten erfasste und mit dem Gesicht nach unten
100 zur Erde warf. 2006
Literaturatelier 149
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe
150 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
A n n a Weil es nicht mehr ging. J u l e Aber Anna, ihr wart doch sechs Jahre zusam-
MODUL F
95
J u l e Was ging denn nicht? 120 men.
A n n a Das kennt ihr doch auch, dass es plötzlich A n n a Ja.
nicht mehr geht. J u l e Da kannst du doch nicht einfach eine SMS
– schreiben.
100 L i l i Aber Anna, der hat doch in einer Woche A n n a Wieso nicht.
Prüfungen. 125 L i l i Hat er dich betrogen?
A n n a Na und. A n n a Nein.
L i l i Du bist so krass. L i l i Hast du dich verliebt?
A n n a Warum? A n n a Nein.
105 L i l i Du hättest doch noch eine Woche warten J u l e Aber es war doch so schön.
können. 130 A n n a Was war so schön?
A n n a Wenn’s doch nicht mehr geht. J u l e Dass es ging.
L i l i Aber eine Woche hättest du doch noch aus- A n n a Jetzt geht’s eben nicht mehr.
gehalten. J u l e Es war so schön.
110 A n n a Nein. L i l i Die Frau ist so krass.
L i l i Du bist so krass. 135 A n n a Warum denn?
J u l e Aber er liebt dich doch. L i l i Der muss in einer Woche seine Prüfungen
A n n a Ich weiss. schreiben.
J u l e Wie geht’s ihm denn jetzt? A n n a Das weiss ich doch.
115 A n n a Das weiss ich nicht. J u l e und L i l i Aber Anna . . .
J u l e Aber der hat doch sicher reagiert. 140 A n n a Was ist denn los mit euch? Ich hab doch ein-
A n n a Ich habe ihm eine SMS geschrieben. fach nur mit meinem Freund Schluss ge-
L i l i Die Frau ist so krass. macht, das macht ihr doch die ganze Zeit.
2007
Aufgabe
• Vergleichen Sie die beiden folgenden Gedichte, und untersuchen Sie inhaltliche, sprachliche
und formale Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
H e i n r i c h H e i n e , 1 7 9 7 – 1 8 5 6 W o l f g a n g B o r t l i k , 1 9 5 2
Neuer Frühling VI Frühlingslied
Leise zieht durch mein Gemüt Leise zieht durch mein Gemüt
Liebliches Geläute. Liebliches Geläute
Klinge, kleines Frühlingslied, Sportgedicht als Frühlingslied
Kling hinaus ins Weite. Kling hinaus ins Weite
Kling hinaus, bis an das Haus, Kling hinaus ins Freie hin
Wo die Blumen spriessen, An die vielen Orte
Wenn du eine Rose schaust, Wo mit Lust und mit Gewinn
Sag, ich lass sie grüssen. 1830 Menschen sind beim Sporte
Eingesperrt in dieses Buch
Kling aus dessen Seiten
Sei stets klar und gut und such
Anmerkung
Wolfgang Bortliks zu seinem Gedicht: Freude zu bereiten
Den Anschub für dieses Gedicht hat der grosse Heinrich
gegeben. Ich stelle mir sowieso gerne vor, dass die
Heine Lass dich kaufen sonder Zahl
Dichter früherer Zeiten Fussballfans gewesen wären, hätte In ganz grosser Masse
es diesen schon gegeben. (…) Und auch mit Buchseiten Dein Papier stopft auch banal
kann
man nasse Fussballschuhe perfekt ausstopfen. Fussballschuhe, nasse! 2006
Literaturatelier 151
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Franz Hohler, 1943
The Last Show
F r i t z E c k e n g a , 1955 1 Der Film ist zu Ende, und während auf dem Abspann die Namen aller Hilfskräfte des
ARD, Sonntag, 20.48 Uhr Meisters von unten nach oben gezogen werden, Best Boy, Gaffer, Driver und Dut-
zende andere, treten wir aus dem Kino Piccadilly, mit dem verschleierten Blick und
Keller – Fliesen – Neonlicht. dem behutsamen Gang von Verzauberten. Ein Magier hat einen Vorhang geöffnet,
Weisser Kittel – Graugesicht. 5 und was er uns dahinter zeigte, nannte er Show, singende Schwestern traten auf,
Kalter Körper – blanker Stahl.
drittklassige Cowboys, alternde Schlagersänger, ein zynischer Entertainer, ein stel-
Grosser Onkel – Zettel – Zahl.
lenloser Privatdetektiv und ein Todesengel. Er nannte es Show, aber eigentlich tat
Rosa Sirup – Wasserhahn. sich hinter dem Vorhang ganz Amerika auf. Er nannte es Show, aber es war Welt-
Blutlaufrinne – Chromagan. theater. Er hat uns den Schmelz der Vergänglichkeit gezeigt, die Grazie des Gewöhn
Blanker Brustkorb – Y psilon. 10 lichen, die Einmaligkeit des Lebens.
Nadel – Faden – Telefon.
Wir können uns nicht einfach in den Zug setzen oder ins Tram und nach Hause fah-
Saxofon spielt da-da-da. ren, sondern müssen noch ein paar Schritte durch dieses Leben machen, vorbei an
Pathologe: Ja? Wer da? dem Pulk von Punks in der Parkanlage, die in grossen Gesprächen mit Bierdosen in
Kommissar: Der Kommissar. der Hand ihre heiser bellenden Hunde zu übertönen versuchen, mitten durch die
Pathologe: Hm, is’ klar. 15 Ströme von Menschen, die auf der Suche nach irgendeiner letzten Show durch die
Strassen dahintreiben, durchqueren eine Schlange, die über das ganze Trottoir vor
Saxofon spielt da-da-da.
Kommissar fragt: S angsema, einem Dancing ansteht, schlendern an den Tischen der Strassencafés vorbei, die bis
was sind das denn da für Töne? auf den letzten Stuhl besetzt sind, von Vergnügungssehnsüchtigen, Glücklichen und
Pathologe: Saxoföne. Glücksuchenden. Am Limmatquai taucht ein Wagen der Linie 13 auf, unwirklich
20 leise, er ist hier auf der falschen Strecke, rollt daher, als hätte er sich aus dem Tram-
Kommissar: Gibt es B efunde?
depot davongestohlen, um sich unter die Flanierenden zu mischen.
Essensreste in der Wunde?
Spermaspuren? Rattenkot? Aus der Halle vor der Wasserkirche hören wir Klänge, die viel zu schön sind für das
©
Wie lang ist die Leiche tot? 2023 Verlag AAG:
SKV kkordeon, dem
Fokus Sprache, sieSprache
Fokus ein Spieler entlockt,
BM mit digitalen nicht
Lösungen Handorgel-,
und Kommentar Orgelklänge sind es, Prä
für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
ludien und Fugen von Bach, und wir gesellen uns zu den Lauschenden, die einen
Saxofon spielt da-da-da. 25 Halbkreis um ihn gebildet haben oder an Wänden und Säulen lehnen, ab und zu löst
Pathologe: Pff, na ja,
sich jemand, kann nicht anders, als auf ihn zugehen und eine Münze in die Dose
Zuckt die Schulter, kratzt die
Wange werfen, die der russische Virtuose vor sich hingestellt hat. Als wir uns umdrehen,
und sagt schliesslich: Noch um weiterzugehen, fährt ein doppelstöckiger roter Bus aus London über die Brücke,
sehr lange. und wir wissen einen Moment nicht mehr, wo wir sind, ebenso, als mich wenig
30 später am Paradeplatz ein junger Mann umarmt, der sich als nackte dicke Frau ver-
kleidet hat.
Doch, es ist Zürich, das ganz gewöhnliche Zürich, in dem wir wohnen, Samstag-
nacht, zu Beginn des Sommers, you see, saturday night, würde der Magier sagen,
bevor er den Vorhangzipfel wieder fallen liesse. Halt ihn noch einen Moment. Viel-
35 leicht wird die Stadt morgen früh abgebrochen. 2008/2014
• Was bleibt
• Analysieren und vergleichen Sie ein Buch mit einer aktuellen Verfilmung.
• Welche (Mundart-)Gedichte können Sie auswendig aufsagen, welche Songtexte?
• Warum und wie haben Sie diese gelernt?
• Machen Sie eine Umfrage zu den Lesegewohnheiten unterschiedlicher Altersgruppen.
152 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
9 Übungstexte aus verschiedenen Epochen
MODUL F
9.1 «Beziehungstexte»
In den folgenden drei Texten – von Martin Suter, Johann Peter Hebel und Wolf Wondratschek –
geht es um Beziehungen.
M a r t i n S u t e r , 19 4 8
Die Frau hinter Willimann
1 Falls Zuber Willimann vorgezogen wird, dann bestimmt nicht wegen ihr. Sie hat ihre
Hausaufgaben gemacht: zwei Weinseminare, eines für Einsteiger, eines für Fortgeschrit-
tene; fünf Kochkurse, darunter Thai und Sushi; «Tafel-Freude», Einführung in die Tisch-
dekoration in drei Lektionen (jeweils donnerstags), Konversationskurse in Französisch
5 und Englisch; Farbberatung (sie ist «Winter», mit «Herbst» im Aszendenten); Schmink-
seminar nach Kate Miller, der Visagistin von Liz Taylor; Tai Chi, Ginseng, Gingko,
Nachtkerzenöl.
Der Ball liegt jetzt bei Willimann. Der spielt seine Stärken aus: strategisches Planen,
strukturelles Denken, analytisches Vorgehen, Flexible response und Marianne. Vor
10 allem der letzte Trumpf lässt Zuber schlecht aussehen: Er ist geschieden! Schuldig.
Eine Frauengeschichte. Das wirft ihn natürlich weit zurück im Rennen um die Regional-
direktion. Hoffnungslos weit, wenn Sie Willimann fragen. Denn wie will einer die pri-
vaten Repräsentationspflichten eines Regionaldirektors erfüllen ohne das partnerschaft-
liche Backup einer gastgeberisch geschulten Partnerin?
15 Willimann erhöht ganz unmerklich die Kadenz der abrechenbaren Privatbewirtun-
gen. Marianne schmeisst eine Spaghettata mit sechs Sorten Sugo (tutti fatti in
casa) für einen ©Türrahmenfabrikanten undFokus
2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, seine welsche
Sprache BM mitFrau (Tischsprache:
digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
le français!), und Willimann lädt dazu als interne Zeugen Gerschwiler und Frau
ein, auf dessen Mitteilungsbedürfnis er sich blind verlassen kann.
20 Marianne verblüfft den Entscheidungsträger eines potentiellen Grosskunden (EDV)
und dessen japanische Frau mit einem Sushi-Abend (English spoken). Interne
Zeugin: Frau Piccand (mit Gatte), Wiesners Assistentin, mit der sie sich längere
Zeit und sachkundig über tibetanische Klangschalen unterhält. Ein triumphaler
Abend.
25 Dann hält Willimann die Zeit reif für den Fangschuss. Er lässt Marianne eine
Weindegustation arrangieren für eine gemischte Gruppe ex- und interner Kader,
darunter Wiesner himself (mit Frau) und – Zuber (bedauerlicherweise ohne).
Marianne übertrifft selbst Willimanns kühnste Erwartungen. Kreiert olfaktorische
Umschreibungen für die degustierten Weine («sonnenbeschienenes Kastanienlaub»,
30 «Schweinslederabrieb», «Apfelwähe vom Vortag»), lässt Wiesner wie den grossen Wein-
kenner aussehen (Wiesner, der mit Mühe Wein von Bier unterscheiden kann!), erlöst
Frau Wiesner durch eine beiläufige Reiki-Behandlung von einer schmerzhaften Verspan-
nung im Schulterbereich und führt Zuber vor wie einen dressierten Pudel: flirtet mit
ihm, wickelt ihn nach Belieben um jeden Finger und demaskiert ihn vor Wiesner als den
35 labilen, hormonbestimmten, repräsentationsuntauglichen Schürzenjäger, der er ist.
Es kommt so, wie Willimann es vorausgesehen hat: Die Frau hinter Willimann entschei-
det das Rennen um die Regionaldirektion.
Sie wird die Frau hinter Zuber. 2000
Literaturatelier 153
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
J o h a n n P e t e r H ebe l , 1 7 6 0 – 1 8 2 6
Unverhofftes Wiedersehen
1 In Falun in Schweden küsste vor guten fünfzig Jahren und mehr ein junger Bergmann
seine junge hübsche Braut und sagte zu ihr: «Auf Sankt Luciä wird uns unsere Liebe von
des Priesters Hand gesegnet. Dann sind wir Mann und Weib und bauen uns ein eigenes
Nestlein.» – «Und Friede und Liebe soll darin wohnen», sagte die schöne Braut mit
5 holdem Lächeln, «denn du bist mein Einziges und Alles, und ohne dich möchte ich
lieber im Grab sein, als an einem anderen Ort.» Als sie aber vor St. Luciä der Pfarrer
zum zweiten Mal in der Kirche ausgerufen hatte: «So nun jemand Hindernis wüsste an-
zuzeigen, warum diese Personen nicht möchten ehelich zusammenkommen», da meldete
sich der Tod. Denn als der Jüngling den andern Morgen in seiner schwarzen Berg-
10 mannskleidung an ihrem Haus vorbeiging, der Bergmann hat sein Totenkleid immer an,
da klopfte er zwar noch einmal an ihrem Fenster und sagte ihr guten Morgen, aber
keinen Abend mehr. Er kam nimmer aus dem Bergwerk zurück, und sie säumte vergeb-
lich selbigen Morgen ein schwarzes Halstuch mit rotem Rand für ihn zum Hochzeitstag,
sondern als er nimmer kam, legte sie es weg und weinte um ihn und vergass ihn nie.
15 Unterdessen wurde die Stadt Lissabon in Portugal durch ein Erbeben zerstört, und der
Siebenjährige Krieg ging vorüber, und Kaiser Franz der Erste starb, und der Jesuiten
orden wurde aufgehoben und Polen geteilt, und die Kaiserin Maria Theresia starb, und
der Struensee wurde hingerichtet, Amerika wurde frei, und die vereinigte französische
und spanische Macht konnte Gibraltar nicht erobern. Die Türken schlossen den General
20 Stein in der Veteraner Höhle in Ungarn ein, und der Kaiser Joseph starb auch. Der König
Gustav von Schweden eroberte russisch Finnland, und die Französische Revolution
und der lange Krieg fing an, und der Kaiser Leopold der Zweite ging auch ins Grab.
Napoleon eroberte Preussen, und die Engländer bombardierten Kopenhagen, und die
Ackerleute säeten und schnitten. Der Müller mahlte, und die Schmiede hämmerten, und
25 die Bergleute gruben nach Metalladern in ihrer unterirdischen Werkstatt. Als aber die
Bergleute in Falun im Jahr 1809 etwas vor oder nach Johannis zwischen zwei
Schachten eine Öffnung durchgraben wollten, gute dreihundert Ellen tief unter dem
Boden, gruben sie aus dem Schutt und Vitriolwasser den Leichnam eines Jünglings
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
heraus,vonder
Persönliches Exemplar Lizaganz
Basha, mit
8307 Eisenvitriol
Effretikon durchdrungen, sonst aber unverwest und unverändert
30 war; also dass man seine Gesichtszüge und sein Alter noch völlig erkennen konnte, als
wenn er erst vor einer Stunde gestorben, oder ein wenig eingeschlafen wäre an der
Arbeit. Als man ihn aber zu Tag ausgefördert hatte, Vater und Mutter, Gefreundete und
Bekannte waren schon lange tot, kein Mensch wollte den schlafenden Jüngling kennen
oder etwas von seinem Unglück wissen, bis die ehemalige Verlobte des Bergmanns kam,
35 der eines Tages auf die Schicht gegangen war und nimmer zurückkehrte. Grau und zu-
sammengeschrumpft kam sie an einer Krücke an den Platz und erkannte ihren Bräu
tigam; und mehr mit freudigem Entzücken als mit Schmerz sank sie auf die geliebte
Leiche nieder, und erst als sie sich von einer langen heftigen Bewegung des Gemüts er-
holt hatte, «es ist mein Verlobter», sagte sie endlich, «um den ich fünfzig Jahre lang ge-
40 trauert hatte und den mich Gott noch einmal sehen lässt vor meinem Ende. Acht Tage
vor der Hochzeit ist er unter die Erde gegangen und nimmer heraufgekommen.» Da
wurden die Gemüter aller Umstehenden von Wehmut und Tränen ergriffen, als sie sahen
die ehemalige Braut jetzt in der Gestalt des hingewelkten kraftlosen Alters und den
Bräutigam noch in seiner jugendlichen Schöne, und wie in ihrer Brust nach 50 Jahren
45 die Flamme der jugendlichen Liebe noch einmal erwachte; aber er öffnete den Mund
nimmer zum Lächeln oder die Augen zum Wiedererkennen; und wie sie ihn endlich von
den Bergleuten in ihr Stüblein tragen liess, als die Einzige, die ihm angehöre und ein
Recht an ihn habe, bis sein Grab gerüstet sei auf dem Kirchhof. Den andern Tag, als
das Grab gerüstet war auf dem Kirchhof und ihn die Bergleute holten, schloss sie ein
50 Kästlein auf, legte sie ihm auf das schwarzseidene Halstuch mit roten Streifen um und
begleitete ihn alsdann in ihrem Sonntagsgewand, als wenn es ihr Hochzeitstag und
nicht der Tag seiner Beerdigung wäre. Denn als man ihn auf dem Kirchhof ins Grab
legte, sagte sie: «Schlafe nun wohl, noch einen Tag oder zehen im kühlen Hochzeitbett,
und lass dir die Zeit nicht lange werden. Ich habe nur noch wenig zu tun und komme
55 bald, und bald wird’s wieder Tag. – Was die Erde einmal wieder gegeben hat, wird sie
zum zweitenmal auch nicht behalten», sagte sie, als sie fortging und noch einmal um-
schaute. 1811
154 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
W o l f W o n d r a t s c he k , 1 9 4 3
MODUL F
43 Liebesgeschichten
1 Didi will immer. Olga ist bekannt dafür. Ursel hat schon dreimal Pech gehabt. Heidi
macht keinen Hehl daraus.
Bei Elke weiss man nicht genau. Petra zögert, Barbara schweigt. Andrea hat die Nase
voll. Elisabeth rechnet nach. Eva sucht überall. Ute ist einfach zu kompliziert.
5 Gaby findet keinen. Sylvia findet es prima. Marianne bekommt Anfälle.
Nadine spricht davon. Edith weint dabei. Hannelore lacht darüber. Erika freut sich wie
ein Kind. Bei Loni könnte man einen Hut dazwischenwerfen.
Katharina muss man dazu überreden. Ria ist sofort dabei. Brigitte ist tatsächlich eine
Überraschung. Angela will nichts davon wissen.
10 Helga kann es.
Tanja hat Angst. Lisa nimmt alles tragisch. Bei Carola, Anke und Hanna hat es keinen
Zweck.
Sabine wartet ab. Mit Ulla ist das so eine Sache. Ilse kann sich erstaunlich beherrschen.
Gretel denkt nicht daran. Vera denkt sich nichts dabei. Für Margot ist es bestimmt nicht
15 einfach.
Christel weiss, was sie will. Camilla kann nicht darauf verzichten. Gundula übertreibt.
Nina ziert sich noch. Ariane lehnt es einfach ab. Alexandra ist eben Alexandra.
Vroni ist verrückt danach. Claudia hört auf ihre Eltern.
Didi will immer. 1969
9.2 Gedichte
Die Dämmerung
Ein dicker Junge auf dem Feld zwei Lahme.
Der Wind hat sich die Schminke ausgegangen.
Der Himmel sieht ein weiches Weib besuchen.
Als wäre ihm verbummelt aus und bleich,
Auf lange Krücken zieht sich die Stiefel an.
Und schwatzend kriechen klebt ein fetter Mann.
Ein blonder Dichter schreit und Hunde fluchen.
Ein Pferdchen stolpert schief herabgebückt
An einem Fenster über eine Dame.
Ein Jüngling will in einem Baum gefangen.
Ein grauer Clown spielt mit einem Teich.
Ein Kinderwagen wird vielleicht verrückt. 1911
Literaturatelier 155
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Ingeborg Bachmann (1926–1973) galt als literarischer Shooting-Star der Fünfziger- und Sech-
zigerjahre. Legendär und bis heute z. T. geheimnisvoll ist die Beziehung zwischen ihr und Max
Frisch in den Jahren von 1958 bis 1962.
Alle Tage
Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden. Der Held
bleibt den Kämpfenden fern. Der Schwache
ist in die Feuerzonen gerückt.
Die Uniform des Tages ist die Geduld,
die Auszeichnung der armselige Stern
der Hoffnung über dem Herzen.
Er wird verliehen,
wenn nichts mehr geschieht,
wenn das Trommelfeuer verstummt,
wenn der Feind unsichtbar geworden ist
und der Schatten ewiger Rüstung
den Himmel bedeckt.
Er wird verliehen Ingeborg Bachmann auf der
für die Flucht von den Fahnen, Titelseite des «SPIEGEL», 1954
für die Tapferkeit vor dem Freund,
für den Verrat unwürdiger Geheimnisse
und die Nichtachtung
jeglichen Befehls. 1953
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Hans Magnus Enzensbergers (1929) Gedicht richtet sich nicht nur an Söhne, sondern auch
an Töchter und fordert die jungen Menschen auf… Wozu eigentlich?
1
feierliches pathetisches Gedicht
2
Zeichen, Markierung (Gaunersprache: gezinkt)
3
Rundschreiben des Papstes
4
Grundsatzerklärung einer Partei
156 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
9.3 Epochen – Autoren – Werke
Viele klassische Theaterstücke weisen eine bestimmte Anzahl von Akten auf, nämlich …
o 3 Akte o 4 Akte o 5 Akte o 6 Akte
o Verwandlung o Verfremdung o Verwechslung o Veränderung
Wenn in einem Roman, einer Novelle distanziert aus der Perspektive der 3. Person erzählt wird,
so spricht man von einem … Erzähler.
o autoritären o auktorialen o autonomen o automatischen
Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller verhalfen einer deutschen Kleinstadt zu
literarischem Weltruhm – bis heute, nämlich …
o Wien o Wismar o Weimar o Wiesbaden
Wenn in einem Theaterstück sehr ausführliche Regieanweisungen zu finden sind und Dialekt
auf der Bühne gesprochen wird, so spricht dies für ein Drama des
o Realismus o Expressionismus o Kommunismus o Naturalismus
Literaturatelier 157
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Epochen, Daten, Autorinnen und Werke über drei Jahrhunderte hinweg: Verbinden Sie mit
Linien, was zusammengehört.
Erstellen Sie nach der Lektüre eines Werkes Ihre persönliche Literaturwolke mit all den
Begriffen und Namen, die Ihnen wichtig sind, z.B. mit wordle.net.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
158 Literaturatelier
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 1
Wortlehre und Wortschatz
Lernziele
159
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1 Wortarten
MODUL 1
Das Deutsche zählt heute weit über 300 000 Wörter, und es kommen stets neue dazu. Für die
Beschäftigung mit der Sprache ist es unerlässlich, den Wortschatz zu ordnen. Wir können die
Wörter alphabetisch aufführen oder nach Wortstämmen gruppieren, sie aufgrund formaler
oder funktionaler und inhaltlicher Gemeinsamkeiten einteilen. Je nach Einteilungskriterien er-
halten wir verschiedene Resultate.
1.1 Formale Bestimmung der Wortarten
Betrachten wir ausschliesslich die formalen Eigenheiten der Wörter, ergibt sich die folgende
einfache Einteilung, die jedoch – etwa im Hinblick auf die Rechtschreibung – sehr zweckmässig
ist.
konjugierbar
Verben
ohne Komparation
Wörter Pronomen
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, ein und
Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen
deklinierbar Deklinationstyp
Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
(4 Fälle)
ohne Genus
mit Komparation
Adjektive
zwei Deklinationstypen
Partikeln
unveränderbar: weder konjugierbar noch deklinierbar
Das Fünf-Wortarten-System geht auf den Schweizer Linguisten Hans Glinz zurück, der 1952 in
«Die innere Form des Deutschen» die Eigenheiten und Gesetze des deutschen Satzbaus und
des Wortschatzes analysiert hat.
Beachten Sie:
Abgetrennte Verbzusätze zählen wir zum Verb:
Sie reist ab (Õ abreisen). Bitte komm vorbei (Õ vorbeikommen).
Vereinzelte Pronomen kommen heute nur noch in einer Deklinationsform vor:
etwas, nichts, was ...
Aus logischen Gründen lassen sich nicht alle Adjektive «steigern» (ein runder Tisch).
Wortverschmelzungen aus Partikeln und Pronomen ordnen wir hier den Partikeln zu:
Wenns (Õ wenn es) am (Õ dem) Sonntag regnet, gehen wir ins (Õ in das) Kino.
Die vom Latein abgeleitete traditionelle Grammatik fragt nach den Inhalten der Wörter und
nach deren Funktion. Damit gelangen wir zu einer differenzierteren Unterteilung (Fein-
bestimmung).
Verben
Vollverben (sie redet, er reist ab)
Hilfsverben (er hat geredet, sie ist abgereist)
Modalverben (sie sollen/müssen reden, wir wollen/können abreisen)
Infinitiv (reden, gehen, abreisen)
Partizip Präsens (redend, gehend) – Partizip Perfekt (abgereist, gegangen)
Präsens (ich gehe) – Perfekt (wir sind gegangen)
Präteritum (du gingst) – Plusquamperfekt (ihr wart gegangen)
Futur I (sie wird abreisen) – Futur II (sie werden abgereist sein)
Indikativ (wir gehen) – Imperativ (geh schon!) – Konjunktiv (er gehe, ich ginge)
Aktiv (man sagt) – Passiv (es wird gesagt)
Nomen
Konkreta (das Haus) – Abstrakta (die Treue)
Singular (die Blume) – Plural (die Blumen)
Nominativ (der Tag), Genitiv (des Tages), Dativ (dem Tag), Akkusativ (den Tag)
Pronomen
Personalpronomen Reflexivpronomen Possessivpronomen
er/sie kennt mich ich freue mich mein Lieblingsbuch
wir kennen ihn/sie sie/er freut sich ihre/seine Fotos
Adjektive schwach dekliniert (die alten Häuser) – stark dekliniert (alte Häuser)
attributiv verwendet (eine schöne Schrift) – adverbial verwendet (sie schreibt
schön)
Positiv (schnell) – Komparativ (schneller) – Superlativ (am schnellsten)
Partikeln
Präpositionen (vor dem Haus, ohne eine Antwort, wegen des Gewitters)
Konjunktionen (tot oder lebendig, Himmel und Hölle, wenn sie abreist)
Adverbien (sie bleibt heute hier, wir freuen uns sehr)
Interjektionen (ach, hallo, ja, nein, oh)
Im Mittelpunkt des folgenden Textes von Delf Bucher über das Simsen stehen Fragen rund um
die «Jugendsprache».
Aufgabe 1
Bestimmen Sie im ersten Teil unseres Modultextes die Wörter formal (Hauptgruppe)
und inhaltlich-funktional (Feinbestimmung). Führen Sie zudem – wo möglich –
die näheren grammatischen Angaben an.
Und neue oder alte Rechtschreibung – die ist den jungen Leuten ohnehin gleichgültig.
Sprachverfall und geistiger Zerfall lautet denn auch die kulturpessimistische Diagnose vieler
Eltern und Pädagogen über die «SMS-Unkultur». Sie sehen sich durch eine Studie britischer
Psychologen bestärkt, laut welcher die «Informania» rund um SMS und Mail den IQ stärker
beeinträchtigen soll als der Konsum von Cannabis.
Setzen Sie in die Lücken das passende Wort. Am Rand ist die jeweilige Wortart
angeführt.
(Die Übung ist zum Teil recht anspruchsvoll – überfliegen Sie deshalb die Sätze zuerst, damit
Sie die Aussagen sinngemäss erfassen.)
wollten die Hauptreferenten an der Tagung der Schule ––––––––––––– Angewandte Präposition
Linguistik unter dem Titel «Affengeil ––––––––––––– megakrass» im Zürcher Konjunktion
Dürscheid von der Universität Zürich ––––––––––––––––––– darin nichts Schlimmes, Vollverb
Sprache. Vor allem aber weist sie darauf hin, –––––––––––– SMS oder Chatten Konjunktion
nahekommt. «Dank der raschen Reaktionen –––––––––––– Sender und Empfänger Präposition
–––––––––––– stehen», sagt die Zürcher Sprachforscherin. Die SMS-Texte sind Konjunktion
kultur. © 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Was nun den «Sonderfall» Schweiz ausmacht: ––––––––––––––––––– werden fast aus- Adverb
ähnliches Phänomen ––––––––––––––––––––––––– ist. Natürlich haben Linguisten auch Vollverb (mit «zu»)
Aber von einer «Zweischriftigkeit» ––––––––––––––– nur in der Schweiz geredet Modalverb
werden. Nur hier gibt es Teenies, ––––––––––––––– wahrscheinlich mehr Texte in Relativpronomen
fähigkeit der Jugend –––––––––––––––––– dem SMS-Schreiben leidet. Denn dank Präposition
mehr als früher. –––––––––––– aber die Texte mehrheitlich ein ganz vertrautes Konjunktion
Wichtig ist für die Linguistin das eine: «Die Jugendlichen sollen –––––––––––– Reflexivpronomen
und daran auch ganz pragmatisch –––––––––––––––– Stil anpassen. Sie sollen Possessivpronomen
Das Deutsche hat im Laufe seiner sprachgeschichtlichen Entwicklung zwei sehr produktive
Wortbildungsmittel herausgebildet: die Wortableitung und die Wortzusammensetzung. Diese
beiden Mittel sind überaus bedeutsam für den Spracherwerb und tragen wesentlich zur Diffe-
renzierung und zur Erweiterung des Wortschatzes bei.
2.1 Wortableitungen
Die Grundbedeutung eines Wortes ist im Wortstamm angelegt. Vom Stamm (-sprech-) lassen
sich mit den verschiedenen Wortbildungselementen weitere Wörter ableiten (entsprechen,
Besprechung, unaussprechbar …).
Be sprech ung en
Präfixe und Suffixe sind Elemente, die als selbstständige Wörter nicht vorkommen
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
(be-,
Persönliches ent-, von
Exemplar un-,
Lizaver-;
Basha,-heit, -ig, -sam, -ung).
8307 Effretikon
Da die abtrennbaren Vorsilben (wie etwa die Verbzusätze) ihre ursprüngliche Eigenbedeutung
mehr oder weniger eingebüsst haben (an-, aus-, vorsprechen), lassen wir sie hier auch als
Präfixe gelten.
Wortfamilien
Eine Wortfamilie umfasst die Wörter, die mit dem gleichen Wortstamm und den oben
erwähnten Wortableitungsmitteln gebildet sind.
Wortfamilie
vo
rsp
rec en
he e ch
n
ss pr
au
en
r ech
besp hig
sp räc
Sp ge
ra
Wortableitungen ch
e chlo
s
spra
Verben
r
e
chba
tiv
Nom sspre
en unau
jek
Sprecherin
Ad
-sprech-
Wortstamm -sprech-
gehen
greifen
kennen
schreiben
stimmen
wenden
Aufgabe 4
Führen Sie je drei Verben mit dem vorgegebenen Präfix bzw. Verbzusatz an.
Aufgabe©Persönliches
5
2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Leiten Sie von diesen Wortstämmen je drei Nomen und drei Adjektive ab.
-halt- -leb- -schau-
Nomen –––––––––––––––––– –––––––––––––––––– –––––––––––––––––
(ohne nomina
–––––––––––––––––– –––––––––––––––––– –––––––––––––––––
lisierte Verben)
–––––––––––––––––– –––––––––––––––––– –––––––––––––––––
Aufgabe 6
Bilden Sie je zwei Wörter mit den angeführten Wortstämmen und Wortbildungsmitteln.
Die zweite Möglichkeit der Wortbildung ist die Wortzusammensetzung. Mit Leichtigkeit lassen
sich im Deutschen zwei, drei, gar vier oder fünf Wörter zu einem neuen Wort zusammenset-
zen: Jugendsprache, sprachgewandt, Fremdsprachenübersetzungsprogramme. Mitunter erfor-
dern die Zusammensetzungen ein sogenanntes Fugenelement, wie etwa in Schwanengesang
und Erneuerungswille.
Aufgabe 7
Aufgabe 8
Aufgabe 9
MODUL 1
Woher kommen unsere Wörter?
Mit den frühesten althochdeutschen Überlieferungen aus dem 8. Jahrhundert beginnt die
Geschichte der deutschen Sprache, die sich aus dem Germanischen entwickelt hat.
Das Deutsche hat im Laufe der Jahrhunderte zum ursprünglichen Wortschatz zahlreiche Wör-
ter aus anderen Sprachen übernommen, zudem hat es eine beachtliche Fähigkeit entwickelt,
die fremden Wörter der deutschen Lautung und Grammatik anzupassen, sodass die fremde
Herkunft oft kaum mehr ersichtlich ist.
3.1 Erb-, Lehn- und Fremdwörter
Betrachten wir die Herkunft der Wörter und deren sprachgeschichtliche Entwicklung, lassen
sich drei Hauptgruppen bilden:
Aufgabe 10
Aufgabe 11
Ordnen Sie mithilfe eines Herkunftwörterbuchs (z. B. aus Ihrer Schulbibliothek oder
Mediothek) die folgenden Ausdrücke in die Tabelle ein.
aggressiv, Aktualität, Argument, Automobil, bankrott, Fiasko, Gitarre, Hierarchie, Manuskript,
Medaille, Spleen, Tsunami
Lateinisch absurd, Advokat, konfus, Aspekt, Asyl, Botanik, Exil, Agitation, Motor, Propaganda,
Kompromiss, akzeptieren Honorar, Kultur, legitim Viadukt
–––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––
Italienisch Bank, Prozent, Risiko, Valuta, Ballett, Konzert, Oper, Antenne, Cappuccino,
Kompass Bilanz, Faktur(a), Espresso, Inferno
Intermezzo, Kolorit, Skizze
–––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––
21. Jahrhundert: Dass dieser Prozess nicht abgeschlossen ist, zeigt nur schon die Flut neuer
Anglizismen: chillen, E-Book, Facebook, iPad, Shitstorm, Touch, twittern …
Aufgabe 12
MODUL 1
sprache, Zeitungslektüre und Berufsleben tagtäglich bewusst. Auch in unserem Einstiegstext
über das Simsen finden sich nicht wenige Fremdwörter: virtuos, Tastatur, Syntax, egal,
Anglizismen, kulturpessimistisch, Diagnose, Pädagogen – dies ein paar Beispiele aus den
ersten Zeilen. Wir kommen daher nicht um die Kenntnis gängiger Fremdwörter herum.
Schlagen Sie in Wörterbüchern nach, wenn Sie ein Fremdwort nicht verstehen. Schon der
Rechtschreib-Duden gibt Ihnen über die Schreibweise und Worttrennung hinaus eine Reihe
weiterer Informationen (z.T. Aussprache, Wortherkunft, Bedeutung, Angaben zur Deklination,
Konjugation usw.).
Aufgabe 13
Ergänzen Sie die Tabelle mit den entsprechenden Angaben aus dem Duden, die für Sie
wichtig sind.
Aufgabe 14
Die Halbwertszeit der Vokabeln des Jugendjargons ist sehr kurz. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Lexika, die glauben, das Repertoire der Jugendsprache abzubilden, –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
wirken deswegen schon bei ihrer Herausgabe hoffnungslos veraltet. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Während Christa Dürscheid vor allem den Wandel von Jugend- –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
sprache in den modernen Kommunikationsformen SMS und E-Mail –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
unter die Lupe nimmt, richtet der Sprachforscher Peter Sieber sein –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Augenmerk auf ein anderes Thema. Er will zeigen, dass die neuen –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Medien nicht einen völlig neuen Prozess angestossen haben, und –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
untersucht, inwieweit sich die geschriebene Sprache in den letzten –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Jahrzehnten dem Muster der mündlichen Kommunikation ange- –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
nähert hat. Für dieses Phänomen hat Sieber einen Begriff aus der –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Musikwissenschaft entlehnt: das Parlando. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Nicht nur in der Werbung treiben die Anglizismen seltsame Blüten, auch manche
Schweizer Bundesämter schmücken sich mit «modernen» englischen Namen:
Dass Anglizismen als «trendy», «cool», «in» gelten und den Trägern oder Produkten ein
«modernes Image» verleihen sollen, kritisieren die Sprachpuristen etwa des Vereins Deutsche
Sprache schon seit Längerem als Wichtigtuerei. Seit Kurzem aber setzen auch Werber wieder
vermehrt aufs Deutsche. Denn was sollen Begriffe und Slogans, wie sie oben angeführt sind,
wenn sie höchstens noch «modern» klingen, aber nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung
verstanden werden und damit ihre beabsichtigte Wirkung verfehlen?! Und – nehmen sich
diese deutschen Werbesprüche nicht einprägender und wirksamer aus?
«BMW – aus Freude am Fahren», «Clausthaler – nicht immer, aber immer öfter»,
Zürcher Verkehrsverbund: «vernetzt verbunden»
Gelegentlich werden gar fremd (meist englisch) anmutende Ausdrücke kreiert, die jedoch in
der Ursprungssprache keine oder eine andere Bedeutung haben. Paradebeispiel ist das
«Handy», das im Englischen jedoch nichts mit einem Mobiltelefon zu tun hat, sondern einfach
«handlich» bedeutet.
Und nicht zuletzt treffen wir in der Umgangssprache haufenweise «modische» Fremdwörter
an, die meist unreflektiert, ungenau, schwammig verwendet sind. So schwärmt etwa die
Snöberin vom «coolen» Snowboard-Lehrer und der «coolen» Halfpipe, ihr Bruder vom
«genialen» Skilehrer und den «genialen» Schneeverhältnissen … Auch hier gäbe es treffen-
dere deutsche Ausdrücke.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe 15
Erklären Sie, was mit diesen englischen Werbesprüchen und Begriffen gemeint ist.
Was könnte hier mit «cool» gemeint sein? Ersetzen Sie durch treffendere deutsche
Begriffe.
MODUL 1
1. Bestimmen Sie die Wörter inhaltlich-funktional (Feinbestimmung/Untergruppen).
Entwicklung, –––––––––––––––––––––––– annähert, ––––––––––––––––––––––––
dass ––––––––––––––––––––––––– einen ––––––––––––––––––––––––
sich ––––––––––––––––––––––––– Megatrend, ––––––––––––––––––––––––
die ––––––––––––––––––––––––– der ––––––––––––––––––––––––
geschriebene ––––––––––––––––––––––––– sich ––––––––––––––––––––––––
Sprache ––––––––––––––––––––––––– seit ––––––––––––––––––––––––
immer ––––––––––––––––––––––––– einem ––––––––––––––––––––––––
mehr ––––––––––––––––––––––––– Jahrhundert ––––––––––––––––––––––––
dem ––––––––––––––––––––––––– abzeichnet. ––––––––––––––––––––––––
2. Lesen Sie den Schlussteil des Textes über das «Simsen». Verbessern Sie darin die
fünf falsch geschriebenen Fremdwörter, und lösen Sie die Aufgaben zu den unter-
strichenen Ausdrücken.
An Beispielen von Maturitätsaufsätzen aus den Jahren 1891–1991 zeigt Sieber: Die an-
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
geblich so sprachpflegerisch korrekt
Persönliches Exemplar sozialisierte
von Liza Basha, Jugend vor 100 Jahren produzierte
8307 Effretikon
ebenso gramatikalische und ortografische Fehler wie die Jugend von heute. Die Ent-
wicklung zum Parlando ist für den Linguisten kein Grund, das Lamento vom Sprachzer-
fall anzustimmen. Vielmehr erblickt er darin eine authentischere und spontaner gewor-
dene Schriftsprache, in der die Jugendlichen «von ihren eigenen Erfahrungen ausgehen
und den Leser direckt in den Text hineinholen». Da er jedoch ein Manko bei der münd
lichen Inszenirung von Texten ausmacht – viele Texte bleiben konzeptionel unfertig –,
fordert er von der Schule, dass sie ein gutes Parlando lehren soll.
Führen Sie je ein deutsches Synonym an, das in den Text passt.
Drücken Sie den Inhalt dieser Aussagen in Ihren eigenen Worten aus.
korrekt sozialisiert
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
4.
Bilden Sie je ein Nomen mit den angeführten Wortstämmen und Wortbildungs
mitteln.
Präfix plus Wortstamm «fehl» plus Suffix: ––––––––––––––––––––––––––––––––
Präfix plus Wortstamm «biet» mit Ablaut: ––––––––––––––––––––––––––––––––
Präfix plus Wortstamm «klar» mit Umlaut plus Suffix: ––––––––––––––––––––––––––––––––
6. Führen Sie je drei weitere Adjektive mit den Suffixen -bar und -los an, und erklären
Sie deren Bedeutung.
nutzbar: –––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Bedeutung:
Persönliches ––––––––––––
Exemplar von Liza Basha, ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
8307 Effretikon
8.
Setzen Sie das Pronomen «das» bzw. die Konjunktion «dass» ein.
––––––––––– er ––––––––– behauptet haben soll, –––––––––– kann ich nicht glauben.
–––––––––––– ist ––––––––– Dümmste, –––––––– du ––––––––– nicht verlangt hast.
Muster Er gab an, –––––––– –––––––– nicht mehr vorkomme, doch –––––––– glaube ich ihm nicht.
prüfung
Lösung
Lernziele
173
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Ihr Beruf erwartet von Ihnen, dass Sie Texte möglichst korrekt verfassen, und vielleicht müssen
Sie sogar später Texte von Mitarbeitenden redigieren. Dass Sie die allgemeinen Rechtschreib-
regeln weitgehend beherrschen, wird vorausgesetzt. Wir beschränken uns deshalb darauf, die
allgemeinen Rechtschreibprinzipien in Erinnerung zu rufen. Ausführlich behandelt werden
jedoch die Hauptschwierigkeiten der Gross- und Kleinschreibung sowie der Getrennt- und
Zusammenschreibung.
1 Allgemeine Rechtschreibprinzipien
Das Lautprinzip
Sprechen wir die Wörter deutlich aus, hören wir die lautlichen Unterschiede:
backen – packen, Raub – Raupe, danken – tanken, leiden – leiten, Gasse – Kasse …
Beeren – Bären, Ehre – Ähre, wehren – währen …
Das Stammprinzip
Aus dem Kapitel Wortbildung wissen wir, dass Wörter mit gleichem Wortstamm analog
geschrieben werden:
Ende – endlich, Jugend – jugendlich, Nummer – nummerieren, Platz – platzieren,
Seele – seelisch, Spur – spüren, hören – Gehör, wahr – Wahrheit – wahrhaft …
und mit Umlaut:
Gast – Gäste, jammern – jämmerlich, alt – älter, Haus – häuslich, laut – läuten …
Das Homonymieprinzip
Wörter, die gleich lauten, aber Unterschiedliches bedeuten, werden zum Teil
© 2023 verschieden geschrieben:
Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Leere – Lehre, Lied – Lid, Miene – Mine, Seite – Saite, Weise – Waise …
Dieses Prinzip kennt allerdings eine ganze Reihe von «Ausnahmen»:
Bank – Bank, Hahn – Hahn, Schloss – Schloss …
Langvokale
Die Langvokale kommen als einfache Vokale, aber auch mit einem Dehnungs-h oder (eher
selten) mit Vokalverdoppelung vor; langes i schreibt sich in der Regel ie:
a/ä – ah/äh – aa*) Sage, sparen / Prägung, wägen – Wahl / wählen – Saal, Waage …
e – eh – ee*) Weg, reden – Reh, fehlen, stehlen – Meer, See, Ideen …
i*)– ie – ih*) – ieh*) Brise, gib – Wiege, siegen – ihm, ihnen – fliehen, Vieh …
o/ö – oh/öh – oo*) oben, Los / hören, Gehör – bohren, hohl / Höhle – Boot, Zoo …
u/ü – uh/üh Kur, Spuk, Spur / spüren, spülen – Uhr, buhlen / Gefühl, Sühne …
*) nur wenige Beispiele
Kurzvokale
Der Vokal wird vor zwei Konsonanten meist und vor Doppelkonsonanten immer gekürzt:
Akte, bergen, Dorf, Ende, Frist, helfen, Kinder, merken, Opfer, rosten, Stadt, wild …
Ebbe, fallen, Gasse, hacken (kk), Himmel, Katze (zz), russisch, stoppen, straffen …
«Die amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung» (mit allen Rechtschreibregeln und
Ausnahmen) finden Sie im Internet sowie im Anhang früherer Auflagen (22.–24.) des Recht-
schreib-Duden.
174 Rechtschreibung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 2
Aufgabe 1
Markieren und verbessern Sie die Wörter, die gegen die allgemeinen Rechtschreib-
prinzipien verstossen.
––––––––––––––––––
lichkeit böhte, auch einmal mit einem anderen etwas zu haben?» ––––––––––––––––––
5 Geschrieben hat Marc über Badoo, eine dieser Handy-Apps, über ––––––––––––––––––
die geflirtet, gechattet und später vieleicht gedatet wird. Marc aus ––––––––––––––––––
dem Zürcher Oberland sucht nach Verabredungen mit Frauen zwi- ––––––––––––––––––
schen 18 und 25 Jahren. Er mag gegriltes Hühnchen und Eistee, ––––––––––––––––––
Gitare und Rock ’n’ Roll. Das steht so in seinem Profil. Und ich ––––––––––––––––––
10 hätte erwiedert: «Entschuldige, wer bist du?» (Übersetzt: Zisch ab!) ––––––––––––––––––
6 Fehler
Ich habe Marc nicht zurückgeschrieben. Wie vielen anderen auch ––––––––––––––––––
nicht. Es ist eine Fluht, die da auf einen zurollt, wenn man sich die- ––––––––––––––––––
se Dating-Apps auf sein Handy lät und ein wenig mit ihnen spielt. ––––––––––––––––––
Aber eigentlich ist es viel schlimmer: Man schaut sie an, diese ––––––––––––––––––
15 Schahren von Männern (und natürlich auch Frauen), welche Por- ––––––––––––––––––
träts von sich in© 2023
ihreVerlag
Profile stellen,
SKV AG: und wischt
Fokus Sprache, überBM
Fokus Sprache den
mit Bild-
digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
––––––––––––––––––
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
schirm des Smartphones. Schwup, der Nächste, nichts für mich, ––––––––––––––––––
ein Neuer! Wer einen guten Eindruck hinterläst, kann mit «gefällt» ––––––––––––––––––
oder als Faforit markiert werden, oder man schreibt gleich eine SMS. ––––––––––––––––––
8 Fehler
20 Man gerät in einen Rausch und spuhlt alle hintereinander ab – noch ––––––––––––––––––
einer, der ist auch nicht übel, weiter! Wenn ich jeweils im Ausgang ––––––––––––––––––
bin, gefallen mir allenfals zwei, maximal drei Männer. Doch über ––––––––––––––––––
diese Dating-Apps kann ich mir innert Minuten Duzende anschau- ––––––––––––––––––
en. Und es hat durchaus bassable darunter. Aber auch ich werde ––––––––––––––––––
25 angeschaut. Um 14.20 Uhr habe ich mich bei Badoo registriert. Um ––––––––––––––––––
14.30 Uhr hatte ich 47 Besucher auf meinem Profil, 12 Verehrer, ––––––––––––––––––
und von einem bin ich sogar der Favorit! Und eben Marc (23) hat ––––––––––––––––––
schon versucht, mit mir anzubandeln. 14.42 Uhr: Vier weitere ha- ––––––––––––––––––
ben sich bei mir gemeldet. Zumindest einer von ihnen sieht sym- ––––––––––––––––––
30 patisch aus. David, 21-jährig, sucht nach Unterhaltung, mag Fitnes ––––––––––––––––––
und Autos. Pech, alles nicht mein Ding. Ich kann mit gutem Gewis- ––––––––––––––––––
sen behaupten: Ich war noch nie so begährt! Noch nie haben mich ––––––––––––––––––
im echten Leben binen 10 Minuten fünf Männer angesprochen. ––––––––––––––––––
15.01 Uhr. Thomas (25) schreibt: «Hey, wie geht’s? Ich mach dir ––––––––––––––––––
35 jetzt mal ein Kompliment: Du bist die freundlichste Person der ––––––––––––––––––
Woche.» – Es ist zwar erst Montag. Aber danke, Thomas, du bleibst. ––––––––––––––––––
Rechtschreibung 175
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2 Gross- und Kleinschreibung
Die Grossschreibung setzte im Deutschen mit dem Buchdruck im 16. Jahrhundert ein. Luther
und seine Zeitgenossen begannen, wichtige Wörter grafisch hervorzuheben, indem sie diese
grossschrieben. In den folgenden Jahrhunderten haben die Sprachforscher die Grossschrei-
bung systematisch geregelt; sie ist deshalb zum grössten Teil von der Grammatik her fassbar.
Gross schreiben wir neben den Satzanfängen und Eigennamen die Nomen, ebenso alle nomi-
nalisierten Verben, Adjektive, Pronomen und Partikeln, die in ihrer neuen Funktion gewöhnlich
mit Artikel bzw. Pronomen auftreten.
Kleingeschrieben werden die Verben, Adjektive, Pronomen und Partikeln in ihrer ursprüng
lichen Funktion, zudem ursprüngliche Nomen, die andere Aufgaben übernehmen.
Wie die Satzanfänge schreiben wir auch nach einem Doppelpunkt gross, wenn eine direkte
Rede oder ein angekündigter vollständiger Satz folgt. Ebenso wird das erste Wort eines
eingefügten Buch- oder Filmtitels, eines Mottos u. Ä. grossgeschrieben.
Sie fragte mich: «Wann gehst du ins Theater?»
Der Weg ins Verderben ist vorgezeichnet: Es gibt kein Entrinnen.
Dürrenmatts Roman «Das Versprechen» basiert auf der Erzählung, die er für den Film
«Es geschah am helllichten Tag» verfasst hat.
176 Rechtschreibung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 2
Aufgabe 2
Was beherrschen Sie bereits? Entscheiden Sie sich für die richtige Schreibweise, und
gehen Sie zur angegebenen Nummer weiter.
5 Leider falsch: 6 Sehr gut, weiter: 7 Richtig, weiter: 8 Gut so, weiter:
1 Strafpunkt Sie erlebten damals Ich traf sie … Alles in … bin ich
Fahren Sie mit der nicht viel … gestern Abend Õ 4 zufrieden.
richtigen Lösung erfreuliches Õ 32 gestern abend Õ 14 allem Õ 30
fort. Erfreuliches Õ 22 Allem Õ 5
9 Sehr gut, weiter so: 10 Stimmt, weiter so: 11 Leider falsch. 12 Sehr gut, weiter:
Eines schönen … Ein weiterer … Mafioso Gehen Sie zurück, Bist du dir im …
traf ich sie wieder. wurde gefasst. und nehmen Sie über die Folgen?
tages Õ 32 italienischer Õ 28 1 Strafpunkt mit. klaren Õ 24
Tages Õ 21 Italienischer Õ 26 Klaren Õ 31
13 Gut so, weiter: 14 Das ist falsch. 15 Richtig, weiter: 16 Sehr gut, weiter:
Sie wird … Mai Sie müssen zurück Im Betrieb stimmt … Das ist doch zum …
zurückkommen. und kassieren nicht mehr. davonlaufen! Õ 5
anfang Õ 24 1 Strafpunkt. einiges Õ 34 Davonlaufen! Õ 33
Anfang Õ 35 Einiges Õ 5
25 Gut, weiter: 26 Wie kommen Sie 27 Gut so, nur weiter: 28 Gut, weiter:
Die … ist meine darauf? Sie arbeitet für eine Sie kam ganz in …
Glückszahl. Versuchen Sie es … Firma. schwarz Õ 11
dreizehn Õ 14 nochmals! genfer Õ 5 Schwarz Õ 18
Dreizehn Õ 13 1 Strafpunkt Genfer Õ 16
29 Ja, weiter: 30 Sehr gut, weiter: 31 Das stimmt, weiter: 32 Aber, aber …
Im grossen … bin ich Die … verstehen sich Ich frage Sie ein Zurück!
zufrieden. sehr gut. letztes ... Das kostet Sie
ganzen Õ 14 beiden Õ 6 mal Õ 14 1 Strafpunkt.
Ganzen Õ 15 Beiden Õ 11 Mal Õ 20
33 Nur weiter so: 34 Richtig, weiter: 35 Sehr gut, weiter: 36 Sie sind am Ziel!
Das Museum ist … Im … schadet das Lass doch einmal
geschlossen. nicht. dein ewiges … Schauen Sie nach, wo
montags Õ 19 übrigen Õ 26 aber Õ 14 Sie in der Bewertung
Montags Õ 14 Übrigen Õ 12 Aber Õ 8 stehen.
Rechtschreibung 177
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2.3 Übersichtstabellen
Wer die Gross- und Kleinschreibung beherrschen will, kommt kaum um das Studium der
folgenden Übersichten herum. Gelegentlich ist auch der Griff zum Wörterbuch unumgänglich.
Nomen
Grossschreibung Kleinschreibung
Nomen (dekliniert, mit festem Genus) Von Nomen abgeleitete Wörter
der Dank, zum Trotz Präpositionen
dank deiner Hilfe, trotz der Hitze
am Sonntagmittag Adverbien
eines Abends, heute Morgen mittags, abends, sonntags
Verbzusätze
das Eis, das Leid, die Not, eislaufen, leidtun, nottun, preisgeben,
der Preis, ein Teil, ein Wunder stattfinden, teilnehmen, wundernehmen
Wortgruppen von vollwertigen Nomen Adjektive in Verbindung mit den Verben
und Verben «sein», «werden»
Angst haben, Pleite machen, im Recht sein, angst und bange sein/werden, pleite sein,
zu Schaden kommen, Schulden machen recht sein, schade sein, schuld sein
Pronomen
Kleinschreibung Grossschreibung
Pronomen (als Begleiter und als Nominalisierte Pronomen – signalisiert
Stellvertreter des Nomens) durch Artikel
unsere Klasse, sie freut sich, jemand, jemandem das Du anbieten,
© 2023 einige,
Verlag SKValle,
AG: Fokus Sprache,
keiner, die Fokus
beidenSprache BM mit digitalen Lösungen
(sie), er und Kommentar
ist ein für Lehrpersonen
Niemand,
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
ein paar (einige), ein bisschen/ein wenig sie stehen vor dem Nichts
Anredepronomen «du» Anredepronomen «Sie» (Höflichkeits-
Wenn du die Zahl x verdreifachst, form) in allen Schriftstücken
erhältst du 51. 1) Tragen Sie oben rechts Ihren Namen ein.
1) In Briefen kann das Anredepronomen du (dir, dich, dein) auch grossgeschrieben werden:
Ich danke dir/Dir für deine/Deine Karte …
Adjektive
Kleinschreibung Grossschreibung
Adjektive (attributiv und adverbial) Nominalisierte Adjektive
das modernste und teuerste Kleid; sie trägt nur das Modernste und Teuerste;
sie singt schön, schöner, am schönsten viel Schönes, alles Gute, Modernes
Adjektive in fester Verbindung mit Nomen 2) Nominalisierung in festen Wendungen
schwarzer Humor, der heisse Draht, sich im Klaren sein, im Dunkeln tappen,
eine weisse Weste haben ins Schwarze treffen
2) Aber gross: der Heilige Abend, der Erste Mai (bestimmte Kalendertage); Königliche Hoheit (Ehr- und Amts-
bezeichnungen)
In einzelnen Wendungen mit übertragener Bedeutung führt der Duden beide Schreibweisen an: die gelbe/Gelbe
Karte, das schwarze/Schwarze Brett, die goldene/Goldene Hochzeit feiern, erste/Erste Hilfe leisten, der letzte/
Letzte Wille
178 Rechtschreibung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 2
Adjektive
Kleinschreibung Grossschreibung
die unbestimmten Zahladjektive Adjektive in Eigennamen (Geografie,
ein-, ander-, wenig, viel-, meist- 3) Biologie, Geschichte, Institutionen …)
die einen, die ander(e)n, etwas anderes, der Stille Ozean, der Zweite Weltkrieg,
wenige, vieles, das meiste Eidgenössische Technische Hochschule
Paaradjektive für Menschen stehende Paaradjektive
durch dick und dünn, kreuz und quer Gross und Klein, Jung und Alt
mit -isch- abgeleitete Ortsadjektive mit -er abgeleitete Ortsadjektive
schweizerische Verhältnisse, deutsche Städte Schweizer Städte, der Kölner Dom
Sprach- und Farbadjektive (attributiv und Sprach- und Farbadjektive mit Artikel
adverbial sowie abgetrennte Verbzusätze) oder Präposition
das Wort englisch (wie?) aussprechen, sie lernt Deutsch (die deutsche Sprache),
die rote Farbe, ich sehe schwarz in/auf Englisch; in Schwarz, bei Rot
Von Personennamen abgeleitete Adjektive zur Hervorhebung des Namens
kafkaeske Zustände, das kopernikanische die frühe Bachmann’sche Lyrik
Weltbild
3) Da die unbestimmten Zahladjektive (wenige, viele …) bedeutungsmässig nahe bei den Indefinitpronomen
(manche, einige …) stehen, ist die Kleinschreibung der Normalfall (Grossschreibung nur in spezieller Verwendung:
Sie war auf der Suche nach dem Anderen, z.B. nach einem anderen Ideal, Lebenssinn …)
Verben
Kleinschreibung Grossschreibung
Konjugierte Verben sowie Verben im Infinitiv und Partizip 4) mit «Begleiter»
Infinitiv mit zu und Partizipien (Pronomen, Präposition, Adjektiv)
sie liest, wir müssen© lernen, tanzen gehen, das Lesen, unsere Lernenden/Lernende,
2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
er hat geschrieben,Persönliches
wir sollten sparen;
Exemplar von Liza Basha, 8307 beim Tanzen, das Geschriebene,
Effretikon
ich bitte dich zu schweigen, anzurufen ans Sparen denken, langes Schweigen
zweiteilige Nominalisierungen: Gross-
das Verb in einer Wortgruppe und Zusammenschreibung
sie will Klavier spielen, du solltest vor- beim Klavierspielen, sicheres Autofahren,
sichtiger Auto fahren, sie liest regelmässig das regelmässige Zeitunglesen
die Zeitung mehrteilige Nominalisierungen werden
mit Bindestrich durchgekoppelt
sie spielt mit ihm Katz und Maus, das Katz-und-Maus-Spielen,
er lebt in den Tag hinein das In-den-Tag-hinein-Leben
4) Grossschreibung konjugierter Verbformen in wenigen Fällen, z.B. das ist ein absolutes Muss
Partikeln
Kleinschreibung Grossschreibung
Partikeln in der Funktion von Nominalisierte Partikeln, durch «Beglei
Konjunktionen, Präpositionen, ter» (Artikel, evtl. Adjektiv, Präposition)
Adverbien und Interjektionen signalisiert 5)
wenn, aber, das ewige Wenn und Aber nervt,
auf, ab, hin, her, oben, unten, dieses ständige Auf und Ab, zum Voraus,
ach, oh mit Ach und Krach
5) Varianten nach Präposition ohne Artikel: seit Langem/langem, vor Kurzem/kurzem, seit Neuestem/neuestem
Rechtschreibung 179
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe 3
1 wenn man deutschschweizer kinder beobachtet, wie sie beim fernsehen das geschliffene
hochdeutsch aufs treffendste nachahmen, kann man sich nur schwer vorstellen, dass sie
über kurz oder lang ein hochproblematisches verhältnis zu dieser sprache entwickeln
werden. aber der weg ist ihnen vorgezeichnet, es gibt kein entrinnen: eines tages werden
5 sie zur schule gehen und erfahren, dass hochdeutsch etwas schwieriges und fremdes ist.
sie lernen, dass diese sprache den deutschen gehört, dass die schweizer sie nur von ihren
nördlichen nachbarn zum schreiben ausleihen und dass es unschweizerisch ist, so zu
sprechen wie die leute im deutschen fernsehen.
was für eine ironie, dass wir deutschschweizer, die wir uns im allgemeinen mit unserem
10 mehrsprachigen staat brüsten, einen so tief sitzenden knacks haben, was unsere eigene
sprache angeht. die meisten wollen gar nicht mehr hören, dass deutsch tatsächlich un-
sere eigene sprache ist. schon jetzt bezeichnen sie viele als «fremdsprache», obwohl sie
in der verfassung als offizielle landessprache definiert ist. und nicht wenige sind sogar
seltsam stolz auf ihr sprachliches unvermögen, ist es doch der beweis dafür, dass wir
15 sind, wer wir sind, vor allem aber, dass wir anders sind als die deutschen. es ist zwar
seltsam, sich über etwas zu definieren, was man nicht kann, aber etwas besseres bleibt
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
uns offenbar
Persönliches Exemplar nicht:
von Liza Basha, das
8307 unbeholfene deutsch macht uns schweizer erst
Effretikon zu schweizern.
deshalb flüchten wir in den dialekt, ist der dialekt im vormarsch: e-mails und sms wer-
den fast ausschliesslich in mundart versendet, der anteil an mundartpop wächst stetig,
20 in zwölf kantonsparlamenten darf auf «schwiizertüütsch» debattiert werden, und auf das
gestammel der wettermoderatoren hat das schweizer fernsehen schliesslich dialekt ver-
ordnet. doch der dialekt an sich ist nicht das problem. auch die kinder in deutschland
wachsen mit dialekten auf, lernen zu hause zuerst badisch, hessisch, kölsch usw., müs-
sen sich das hochdeutsche genauso in der schule aneignen wie wir schweizer. aber wäh-
25 rend in deutschland der dialekt ein schlechtes image hat und als sprache der ungebilde-
ten gilt, ist es in der schweiz gerade umgekehrt: der dialekt wird verherrlicht, hoch-
deutsch abgelehnt. hier liegt das problem.
und hier muss die spracherziehung ansetzen. «standarddeutsch» soll im weiteren nicht
eine erduldete schulsprache sein, sondern vielmehr als eine lebendige, vielfältige, attrak-
30 tive und leistungsfähige sprache erfahren werden, und zwar von allem anfang an. viel-
leicht lernen so wenigstens unsere kinder, hochdeutsch – die sprache frischs und dürren
matts – als das eigene zu akzeptieren und nicht länger als das fremde zu verteufeln.
vielleicht gar: hochdeutsch zu lieben. die schweiz würde daran nicht zugrunde gehen.
schon eher aus dem gegenteiligen grund: man kann nicht auf dauer mit einer sprache
35 leben, die man verachtet.
180 Rechtschreibung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 2
Aufgabe 4
Verbessern Sie die Wörter, die gegen die allgemeinen Rechtschreibprinzipien sowie
gegen die Regeln der Gross- und Kleinschreibung verstossen.
10 Fehler
1 Emanuel La Roche geht in seinem Zeitungsartikel «die Gehemm- ––––––––––––––––––
ten und ihr Nachbar» der Frage nach, wesshalb so viele Schwei- ––––––––––––––––––
zer den Deutschen gegenüber verklemmt sind, wärend diese uns ––––––––––––––––––
schenerös bis liebevoll herablassend begegnen. ––––––––––––––––––
Rechtschreibung 181
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
3 Getrennt- oder Zusammenschreibung?
Nomen + Verb Angst haben, Auto fahren, Verblasste Nomen als «Verbzusätze»:
Musik hören, Not leiden, Rat suchen, heimgehen, leidtun, teilnehmen,
Schach spielen, Schlange stehen notlanden, schlafwandeln
Adverb + Verb Adv. und Verb gleichermassen betont: Hauptakzent auf Adverb:
Sie soll da bleiben, wo man sie schätzt. Sie soll dableiben (nicht weggehen).
Das Übel ist davon gekommen, dass … Er ist noch gut davongekommen.
Er lernt vorwärts einparken. Wir sind gut vorwärtsgekommen.
präpositionale
anstelle, aufgrund, mithilfe, an Stelle, auf Grund, mit Hilfe,
Fügungen
zugunsten zu Gunsten;
(immer getrennt: zu unseren Gunsten)
182 Rechtschreibung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 2
Aufgabe 5
Am Sonntag gehen wir bergsteigen/Berg steigen.
Wann wollen Sie den Wagen probefahren/Probe fahren?
Hier erwartet Sie ein sehr breit gefächertes/sehr breitgefächertes Angebot.
Bald wird es dir wieder viel bessergehen/viel besser gehen.
Sie ist die bestinformierte/best informierte Schülerin.
Wir wollen immer aneinanderdenken/aneinander denken.
Alle hochstehenden/hoch stehenden Persönlichkeiten sind eingeladen.
Sie hat sich nichts zuschulden/zu Schulden kommen lassen.
Wir wollen unsere Kunden zufriedenstellen/zufrieden stellen.
Wir sind ausserstande/ausser Stande, dir zu folgen.
Wir mieden die schlechtgelaunten/schlecht gelaunten Besucher.
Solange/So lange du zu Hause wohnst, gelten unsere Regeln.
Ich kann nicht mehr solange/so lange warten, bis es ihm passt.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe 6
Rechtschreibung 183
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
4 Zusammenschreibung mit Bindestrich
Den Bindestrich verwenden wir für zwei verschiedene Funktionen: Der Ergänzungsstrich steht
für Wortteile, die nicht wiederholt werden (Vor- und Nachteile, Hin- und Rückfahrt, ein- und
ausschalten); der Kupplungsbindestrich steht in zusammengesetzten Ausdrücken, die aus be-
stimmten Gründen nicht in einem Wort geschrieben werden können (der i-Punkt, AHV-Bei-
träge, ein Formel-1-Rennen, die Mund-zu-Mund-Beatmung). Im Folgenden gehen wir nur auf
den Kupplungsbindestrich näher ein.
Um einzelne Teile hervorzuheben oder damit ein Ausdruck übersichtlicher und lesefreundlicher
wird, kann ein Bindestrich gesetzt werden.
184 Rechtschreibung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
5 Zusammengesetzte Fremdwörter
MODUL 2
Zusammengesetzte Fremdwörter aus dem Englischen werden gewöhnlich wie deutsche Kom-
posita zusammengeschrieben; das gilt weitgehend für Zusammensetzungen zweier Nomen
(Facebook, Nightclub).
Wie die folgende Gegenüberstellung der Haupt- und Nebenvarianten zeigt, ist die Regelung
allerdings alles andere als einheitlich.
Nomen + Nomen der Airbag, Airbus, Airport
der Cashflow
der Ghostwriter
das Notebook
die Website, Webmasterin
das Weekend
-ing + Nomen das Carsharing Car-Sharing
die Castingshow Casting-Show
das Facelifting
Rechtschreibung 185
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe 7
Diese Aufgabe umfasst Schwierigkeiten aus dem ganzen Modul zur Rechtschreibung.
5 Ja, fahren Sie fort. 6 Leider falsch: 7 Richtig, weiter: 8 Gut so, weiter:
Er hat sich schon Zurück! Eine Hochzeitsfeier Kennst du unseren
wieder … lassen. Ihr neuer Versuch mit allem … … Korrespondenten?
krankschreiben Õ 22 kostet Sie drum und dran Õ 21 berliner Õ 26
krank schreiben Õ 20 1 Strafpunkt. Drum und Dran Õ 34 Berliner Õ 13
9 Sehr gut, weiter so: 10 Stimmt, weiter so: 11 Das ist korrekt. 12 Leider falsch.
Sie legt … auf ein Sie ist die … Ich denke nicht Gehen Sie zurück,
tadelloses Make-up. Mitarbeiterin. ans … und nehmen Sie
wert Õ 26 bestinformierte Õ 27 aufgeben Õ 26 1 Strafpunkt mit.
Wert Õ 35 best informierte Õ 21 Aufgeben Õ 5
13 Ja doch, weiter: 14 Das ist falsch und 15 Richtig, weiter: 16 Sehr gut, weiter:
Halte mich bitte auf kostet 1 Strafpunkt. In der Masse geht Es fehlt hier überall
dem … Fahren Sie mit der der … unter. am …
laufenden Õ 20 richtigen Lösung einzelne Õ 21 nötigsten Õ 6
Laufenden Õ 31 fort. Einzelne Õ 28 Nötigsten Õ 30
17 Stimmt. Weiter: 18 Richtig, weiter: 19 Gut. Weiter so! 20 Das ist falsch.
Wir haben uns über Sie lebten in den … Ökologisches … ist Sie müssen zurück
den … gefreut. in Paris. angesagt. und kassieren
3:0 Sieg Õ 32 30-er Jahren Õ 32 fahren Õ 26 1 Strafpunkt.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
3:0-Sieg Õ 3 30er-Jahren Õ 8 Fahren Õ 2
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
21 Das ist falsch. 22 Richtig, weiter: 23 Stimmt, weiter so: 24 Auch das stimmt!
Leider kommen Wir verbringen die Leider steht es mit ihm Im … verweisen wir
Sie nicht ohne Ferien in einem … nicht gerade zum … auf unser Reglement.
Strafpunkt 5-Sterne-Hotel Õ 7 besten Õ 12 folgenden Õ 21
davon. 5-Sterne Hotel Õ 32 Besten Õ 33 Folgenden Õ 29
25 Gut, weiter: 26 Wie kommen Sie 27 Gut so, nur weiter: 28 Gut, weiter:
Am … kommst du darauf? Das ist eine Geschichte Hier gibt es kein
vormittags vorbei. Versuchen Sie es mit einem … …
besten Õ 16 nochmals! happy End Õ 20 entweder oder Õ 6
Besten Õ 14 1 Strafpunkt Happy End Õ 36 Entweder-oder Õ 18
29 Ja, weiter: Wir suchen 30 Sehr gut, weiter: 31 Das stimmt, weiter: 32 Falsch getippt:
in der Altstadt eine … Sie haben alles ins Es kam … der Ange- Zurück!
3-Zimmer-Wohnung … gezogen. stellten zu Protesten. Das kostet Sie
Õ4 lächerliche Õ 12 seitens Õ 17 1 Strafpunkt.
3-Zimmerwohnung Lächerliche Õ 19 Seitens Õ 6
Õ6
33 Nur weiter so: 34 Richtig, weiter: 35 Sehr gut, weiter: 36 Sie sind am Ziel!
Ich habe das schon Sie verhandelten lange Sie setzte alles Geld
… gesagt. im … auf die … Schauen Sie nach,
x mal Õ 20 geheimen Õ 6 siebzehn Õ 21 wo Sie in der Bewer-
x-mal Õ 15 Geheimen Õ 10 Siebzehn Õ 11 tung stehen.
186 Rechtschreibung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Modultest
MODUL 2
Bereinigen Sie im folgenden Text die Rechtschreibung, und lösen Sie danach die
weiteren Aufgaben.
1 auch in zeiten, da mit computern zunehmend musik, fotos oder videos bearbeitet wer-
den, bleibt die häufigste anwendung das schreiben von texten. die elektronische text-
verarbeitung hat gegenüber der klassischen schreibmaschine verschiedene vorteile, unter
anderem das erkennen von fehlern.
5 bereits mitte der 60er-jahre gab es erste programme für die automatische fehlersuche
in texten, allerdings nur in englischer sprache. später wurden verbesserte korrektur
anwendungen auch in die textverarbeitungsprogramme integriert, und heute kann man
zwischen diversen korrekturhilfen auswählen. gratisprogramme wie etwa spellcheck sind
im grossen und ganzen praktisch, weil sie in den meisten programmen verwendet
10 werden können, doch haben solche digitalen korrektoren meist null ahnung von mor-
phologie, grammatik und syntax.
Jeder PC Anwender weiss jedoch auch um die Grenzen all dieser digitalen Gehilfen.
Soviel Word oder ein anderes Programm auch über Orthografie und Grammatik weiss,
immerwieder ärgert man sich als Benutzer über die Beschränktheit der Korrekturfunk-
15 tion, weil sie Fehler nicht findet, korrektgeschriebene Wörter oder Satzteile beanstandet,
Namen nicht kennt oder sich trotz Lernfunktion nicht verbessert.
Korrekturprogramme prüfen einen Text üblicher Weise auf zwei Ebenen: auf der lexika-
lischen und auf der grammatischen. Bei der lexikalischen Prüfung werden alle Wörter
mit den Einträgen des gespeicherten Lexikons verglichen, um falschgeschriebene Be-
20 griffe oder Vertipper erkennen zu können.
Da eine solche Wortdatenbank nie vollständig sein kann, muss das Programm Begriffe
selbst herleiten können. Dazu zählen konjugierte Verben, deklinierte Nomen und zusam-
men gesetzte Wörter. Ein morphologisch geschultes Programm ist in der Lage, Wörter
aus Elementen wie Wortstamm und Endungen zu analysieren. Besonders in der deut-
25 schen Sprache, in der man fast nachbelieben Wörter zusammensetzen darf, ist es wich-
tig, dass diese richtig erkannt werden.
Die lexikalische Prüfung verursacht bei ihrer Herstellung keine grossen Probleme,
jedoch einen enormen Aufwand. In manchen Sprachen kann das Anlegen eines Lexi-
kons Jahrzehnte inanspruch nehmen.
Rechtschreibung 187
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
30 Die lexikalische Prüfung alleine macht einen Text noch lange nicht fehlerfrei. So wurde
bis anhin beim Satz «Ich liest ein buch» nur beanstandet, dass das Wort «buch» kleinge-
schrieben ist, während «Dem Hunden sein Knochen sind gross» als korrekt galt. Ein
korrektgeschriebenes Wort kann je nach Kontext also auch falsch sein. Um beispiels-
weise zu erkennen, dass in einem Satz «das» durch «dass» ersetzt werden soll, muss die
35 Software mit komplexen Algorithmen und einem sogenannten Parser arbeiten, die den
Satz analysieren und die syntaktischen Zusammenhänge bestimmen können. Dazu müs-
sen die einzelnen Wörter erkannt und einer Wortart zugeordnet werden können.
Was einem Programm nur mit hochkomplexen Algorithmen beizubringen ist, lernt der
Mensch mit links: gemäss der Theorie der generativen Grammatik des Linguisten Noam
40 Chomsky besitzen alle Menschen eine angebohrene Universalgrammatik, die es den
heran Wachsenden überhaupt ermöglicht, eine Sprache zu erlernen. So gesehen besitzt
bereits ein drei-jähriges Kind bessere Grammatikfähigkeiten als die jahrelang von Pro-
grammierern verfeinerten Korrekturprogramme.
Dabei hätte die Computerlinguistik weitaus mehr als die gebreuchlichen Algorithmen
45 zur Fehlersuche im Köcher, doch reicht die Rechenleistung eines normalen PCs nicht
aus, alle heute bekannten Prüfverfahren durch zu führen.
Ein menschlicher Korrektor ist also noch lange nicht durch ein Programm ersetzbar.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Eine Kombination
Persönliches Exemplar von
von Liza Basha, 8307 technischer und menschlicher Korrekturarbeit scheint
Effretikon immernoch
die efizienteste Fehlersuche.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
5. Welche Aussage erfasst den Inhalt des Textes am treffendsten? Kreuzen Sie an.
Dank den neusten Korrekturprogrammen lassen sich alle sprachlichen Tücken meistern. o
Noch immer müssen sich die PC-Anwender über die unbrauchbaren Korrektur-
programme ärgern. o
Korrekturprogramme sind hilfreich, doch weit davon entfernt, fehlerfreie Texte zu
garantieren. o
Bald können sich die PC-Anwender ganz auf elektronische Korrekturhilfen verlassen. o
188 Rechtschreibung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 3
Satzlehre
Lernziele
189
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1 Methoden der Satzanalyse
Vollständige Sätze bestehen nicht einfach aus willkürlich aneinandergereihten Wörtern. Sie
basieren auf verbalen Teilen, die mit Satzgliedern erweitert sind. Dabei müssen die verbalen
Teile und die Satzglieder inhaltlich und formal aufeinander abgestimmt sein, damit sinnvolle
und grammatisch korrekte Aussagen entstehen.
Erste Einblicke in den Satzbau und in die Satzlehre (Syntax) gewinnen wir mit den drei
grammatischen Grundoperationen, die wir hier kurz auffrischen.
Verschiebeprobe
Mit der Verschiebeprobe können wir erstens die Satzglieder ermitteln: Wörter oder Wort-
gruppen, die sich im Satz umstellen lassen, ohne dass sich der Sinn ändert, sind Satzglieder.
Zweitens erkennen wir dadurch eine wichtige Eigenart des deutschen Satzes: Der konjugierte
verbale Teil steht im Aussagesatz an zweiter Satzgliedstelle, der restliche verbale Teil ganz am
Satzende.
Und nicht zuletzt erlaubt es diese Methode, stilistische Varianten eines Satzes zu bilden, die
Akzente im Satz zu verlagern.
Die Autorin des Berichts / hat / an der Uni Zürich / fünf Jahre lang / Archäologie / studiert.
An der Uni Zürich / hat / die Autorin des Berichts / fünf Jahre lang / Archäologie / studiert.
Fünf Jahre lang / hat / die Autorin des Berichts / Archäologie / an der Uni Zürich / studiert.
© 2023 Ersatzprobe
Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Mit der Ersatzprobe lässt sich der Fall (Kasus) eines Satzgliedes bestimmen: Wir ersetzen im
Satzglied das Nomen bzw. Pronomen durch ein Maskulinum.
In der Praxis dient diese Methode dazu, Fallfehler zu erkennen bzw. zu vermeiden.
An der Uni Zürich / hat / die Autorin des Berichts / fünf Jahre lang / Archäologie / studiert.
Am Nordpol / hat / der Autor des Berichts / einen Monat lang / den Klimawandel / studiert.
An dem Õ Dativ / der Õ Nominativ / einen Õ Akkusativ / den Õ Akkusativ
Weglassprobe
Mit der Weglassprobe lassen sich zudem die Attribute ermitteln: Wir lassen alle
Zusatzinformationen weg, die an einen Satzgliedkern gebunden sind.
Die Autorin des Berichts / hat / an der Uni Zürich / fünf Jahre lang / Archäologie / studiert.
Die Autorin / hat / an der Uni / jahrelang / Archäologie / studiert.
190 Satzlehre
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Wie schreibt man «Gefahr» in 10 000 Jahren?
MODUL 3
Der Text, der sich durch dieses Modul hindurchzieht, geht der Frage nach, wie wir Menschen
auf Warnschilder reagieren bzw. wie Warnschilder beschaffen sein müssen, damit wir reagieren
– richtig reagieren.
Aufgabe 1
Ergänzen Sie den einleitenden Teil des Modultextes, sodass die Wortgruppen fall-
mässig aufeinander abgestimmt sind.
Dass d–––– sogenannt–––– «Fluch d–––– Pharao––––» im Jahre 1922 zuerst ein–––
britisch–––– Grabräuber das Leben kostete, dann dess–––– Hund umbrachte, später ein––––
Museumsdirektor unter ein Auto geraten liess und insgesamt d–––– Tod acht weiter––– an
d–––– Ausgrabung von Tutanchamun beteiligt–––– Personen verursachte, ist zwar mehr
Legende als Tatsache, doch d––––– blühend–––– Geranke hat zwei wahre Wurzeln:
Die Hoffnung auf Ruhm und Gewinn verwandelt Menschen in zwanghaft––– Schatzgräber.
Keine d––––– bei d––––– mumifiziert––– Pharao––– gefunden––– Warnung–––– vermochte
zu verhindern, dass Archäologen die Gräber ausräumten.
Aufgabe 2
Der sogenannte Fluch des Pharaos soll im Jahre 1922 einen britischen Grabräuber das Leben
gekostet haben.
Später hat der Fluch angeblich den Tod acht weiterer an der Ausgrabung von Tutanchamun
beteiligter Personen verursacht.
Die Hoffnung auf Ruhm und Gewinn verwandelt Menschen in zwanghafte Schatzgräber.
Keine Warnung konnte letztlich die Archäologen von ihrem Vorhaben abhalten;
sie räumten die mit reichen Gaben versehenen Gräber skrupellos aus.
Satzlehre 191
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1.2 Inhaltlich-funktionale Bestimmung der Satzglieder
Im Zentrum des Satzes steht der verbale Teil (das Prädikat). Dieser bindet die Satzglieder
an sich und strukturiert den Satz.
Die engste Bindung besteht zwischen dem verbalen Teil und dem Subjekt, die grammatisch
übereinstimmen müssen (Kongruenzregel: ich lebe – wir leben).
Einige wenige Verben (sein, werden, bleiben) können ein Satzglied mit dem Subjekt
gleichsetzen (sog. Gleichsetzungsnominativ: Er war der bekannteste Grabräuber.
Õ Er = der bekannteste Grabräuber).
Auch die Objekte sind eng mit dem verbalen Teil verbunden; vom Verb hängt ab, ob ein
Akkusativ-, Dativ-, Genitivobjekt folgen kann bzw. ob das Objekt mit einer Präposition ver-
knüpft werden muss.
Eher lose verbunden mit dem verbalen Teil sind die Adverbialien, die z. B. die örtlichen und
zeitlichen Umstände eines Geschehens anführen.
Die Attribute spielen besonders in der modernen Informationssprache eine wichtige Rolle,
da sie die einzelnen Satzglieder oft mit mehreren Zusatzangaben versehen.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon Objekt
Subjekt verbaler Teil Akk./Dat./Gen./
Nominativ Verb/-gruppe mit Präp.
(wer? / was?) (wen? / wem? / wessen? /
an wen?)
Attribute
(was für ein / eine?) Attribute
Adverbiale
Ort, Zeit, Art/Mittel, Grund/Zweck
(wo? / wann? / wie? / warum? / wozu?)
Attribute
Die Apposition (der Nachtrag) schliesslich stellt einen Spezialfall des Attributs dar; sie
präzisiert das vorausgehende Satzglied nachträglich und steht im gleichen Fall wie dieses:
Der Fluch des Pharaos suchte auch Lord Carnarvon heim.
Der Fluch des Pharaos suchte auch den Financier der Ausgrabungen heim.
Õ Der Fluch des Pharaos suchte auch Lord Carnarvon, den Financier der Ausgrabungen, heim.
192 Satzlehre
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Die Satzanalyse wird durch methodisches Vorgehen erleichtert:
MODUL 3
1. Satzglieder abtrennen (im Zweifelsfall Verschiebeprobe anwenden).
2. Den verbalen Teil bzw. das Prädikat (die gesamte Verbgruppe im Satz) ermitteln.
3. Das Subjekt (steht im Nominativ) mit der Frage wer?/was? bestimmen.
4. Die Objekte (Ersetzbarkeit durch Pronomen) bestimmen: Akkusativobjekt (wen?/was?),
Dativobjekt (wem?), Genitivobjekt (wessen?) oder präpositionales Objekt (an wen?/
für wen?/mit wem? …).
5. Nach den Adverbialien fragen (Ersetzbarkeit durch Adverbien) mit wo?/woher?/
wohin? (Ort, lokal), wann?/seit wann?/wie lange? (Zeit, temporal), wie? (Art und
Weise, modal), warum?/weshalb? (Grund, kausal), womit? (Mittel), wozu? (Zweck).
6. Die einzelnen Satzglieder nach Attributen (Adjektiv-, Genitiv-, pronominalen und
präpositionalen Attributen) absuchen (Weglassprobe anwenden).
1. Der «Fluch des Pharaos» / soll / 1923 / den britischen Financier / heimgesucht haben.
3. Subjekt (wer?/was?)
4. Akkusativ-Objekt (wen?)
5. Adverbiale (wann?)
6. (Genitiv-)Attribut (Adjektiv-)Attribut
Aufgabe 3
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
1922 hatte HowardPersönliches
Carter im Tal der
Exemplar Könige
von Liza Basha, das
8307 unversehrte
Effretikon Grab Tutanchamuns entdeckt.
Die Nachricht dieser Entdeckung weckte weltweites Interesse an den ägyptischen Schätzen.
Bald machte die Legende vom «Fluch des Pharaos» die Runde.
Mehrere Mitglieder der Expedition Carters starben in den darauffolgenden fünf Jahren.
Infektionen durch Pilze in der Grabkammer könnten eine Todesursache gewesen sein.
Satzlehre 193
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1.3 Differenzierung der präpositionalen Satzteile
Die formal orientierte Grammatik bezeichnet Satzteile, die mit Präpositionen eingeleitet sind,
als präpositionale Gefüge («Präpokasus»). Die inhaltlich-funktionale Unterscheidung in prä
positionale Objekte, in Adverbialien und in Attribute, die ebenfalls mit Präpositionen eingelei-
tet werden können, fällt deshalb nicht leicht.
Präpositionale Objekte
Die Objekte stehen in sehr enger Verbindung mit dem Verb; werden sie mit einer Präposition
eingeleitet, reden wir von präpositionalen Objekten. Denn vom Verb ist zunächst eine
Präposition abhängig; diese – und nicht das Verb – bestimmt den Kasus.
Niemand / denkt / an den verstorbenen Lord Carnarvon. Õ Niemand / denkt / an ihn.
Probe: Das Nomen im Objektteil ist ersetzbar durch ein Pronomen (an ihn).
Adverbialien
Nach den Adverbialien fragen wir mit wann/wo/wie/warum? …; sie weisen unterschied
liche Formen auf (Es geschah gestern/letzte Woche/lange vorher …) und können auch mit
Präpositionen eingeleitet sein (Es geschah an einem Freitag/vor einem Jahr …).
Es / geschah / an einem Freitag / bei der Pyramide. Õ Es geschah gestern/damals/hier/dort …
Probe: Die adverbialen Gruppen lassen sich durch Adverbien (damals, dort ...) ersetzen.
Attribute
Aufgabe 4
194 Satzlehre
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2 Einfacher und zusammengesetzter Satz
MODUL 3
Für die Satzgliedbestimmung sind wir von einfachen Sätzen ausgegangen, d. h. von Sätzen,
die auf einem verbalen Teil (einem Prädikat) aufbauen. In der sprachlichen Praxis werden je-
doch oft mehrere Aussagen in Form von Teilsätzen zu einem Ganzsatz gefügt.
Für Susan Scott, Sprecherin der Waste Isolation Pilot Plant (WIPP) in der Wüste von New
Mexico, ist dieses kaum zu kontrollierende Verhalten des Homo sapiens entscheidend bei
der Klärung der Frage, wie denn zukünftige Generationen daran gehindert werden können,
nach den strahlenden Abfällen der Vergangenheit zu graben. Bei der «WIPP» handelt es
sich um das weltweit erste Endlager für langlebige Atomabfälle; in 25 Jahren soll es, falls
alles rund läuft, in Betrieb genommen werden können.
Satz
auf einem verbalen Teil basierend: mit zwei oder mehreren verbalen Teilen:
einfacher Satz zusammengesetzter Satz
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Im zusammengesetzten Satz lassen sich aufgrund der Stellung des konjugierten verbalen Teils
Haupt- und (eingeleiteter) Nebensatz leicht unterscheiden:
Die Nachwelt muss gewarnt werden (HS), denn der Atommüll ist lebensbedrohlich (HS). HS + HS
Die Nachwelt muss gewarnt werden (HS), weil der Atommüll lebensbedrohlich ist (NS). HS + NS
Nebensätze sind abhängige Teilsätze; dabei können sie nicht nur von Hauptsätzen abhängig
sein, sondern auch von übergeordneten Nebensätzen.
Satzlehre 195
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2.2 Formale Bestimmung der Nebensätze
Nebensätze werden gewöhnlich aufgrund ihrer formalen Eigenheiten benannt. Dabei ist im
eingeleiteten Nebensatz das «Einleitewort» begriffsbestimmend; in den aufgeführten unein
geleiteten Nebensätzen führt uns die Verbform zur Nebensatzbezeichnung.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe 5
Heben Sie die Verben hervor und unterstreichen Sie die Nebensätze.
Bezeichnen Sie am Rand Grad (1./2.) und Form der Nebensätze (konj., Rel.-NS usw.).
Grad Form
–––––––– –––––––– Für Susan Scott, Sprecherin der Waste Isolation Pilot Plant in
–––––––– –––––––– der Wüste von New Mexico, ist dieses kaum zu kontrollierende
–––––––– –––––––– Verhalten des Homo sapiens entscheidend bei der Klärung der
–––––––– –––––––– Frage, wie denn zukünftige Generationen daran gehindert werden
–––––––– –––––––– können, nach den strahlenden Abfällen der Vergangenheit zu
–––––––– –––––––– graben. Bei der «WIPP» handelt es sich um das weltweit erste
–––––––– –––––––– Endlager für langlebige Atomabfälle; es soll 2030 in Betrieb
–––––––– –––––––– genommen werden können, da es weit fortgeschritten ist.
–––––––– –––––––– Scott sieht nur einen Erfolg versprechenden Weg: Wenn unsere
–––––––– –––––––– Nachkommen Hinweise auf Atommüll finden, müssen sie mit
–––––––– –––––––– so vielen verschiedenen und mehrstufigen Warnungen konfron-
–––––––– –––––––– tiert werden, bis die Botschaft das umnebelte Bewusstsein durch-
–––––––– –––––––– dringt und den vorprogrammierten Kurzschluss «zuerst graben,
–––––––– –––––––– dann denken» doch noch verhindert.
196 Satzlehre
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Grad Form
MODUL 3
Entsprechend vielschichtig ist das WIPP-Projekt, und entspre- –––––––– ––––––––
chend gigantisch sind seine Ausmasse. Eine Grundfläche von –––––––– ––––––––
sechs Quadratkilometern wird von einem dreissig Meter breiten –––––––– ––––––––
und zehn Meter hohen Erdwall begrenzt, auf dem Steinsäulen –––––––– ––––––––
emporragen, die mit unterschiedlichsten Warnungen versehen –––––––– ––––––––
sind. In der Mitte befindet sich das Informationszentrum, das –––––––– ––––––––
teils oberirdisch, teils unterirdisch angelegt ist. In Granit ge- –––––––– ––––––––
meisselt, finden sich hier sämtliche Angaben über das Endlager, –––––––– ––––––––
die unter anderem Inhalt, Herkunft und Aufbau betreffen. –––––––– ––––––––
Nebensätze lassen sich auch funktional bestimmen, da sie für ein im übergeordneten Satz
fehlendes Satzglied stehen. Sie können das Subjekt, ein Objekt, ein Adverbiale oder Attribute
ersetzen – entsprechend reden wir von Subjekt-, Objekt-, Adverbial- bzw. von Attribut-
(neben)sätzen.
Wegen der Komplexität des Problems dauert die Arbeit jahrelang. a) ––––––––––––––––––
Õ Die Arbeit dauert jahrelang, weil das Problem sehr komplex ist. b) ––––––––––––––––––
Adverbialsätze ersetzen fehlende Adverbialien der Zeit, des Ortes, des Grundes usw. und lassen
sich entsprechend diesen logischen Gesichtspunkten unterteilen:
Wir kamen zur Pyramide, als es zu dunkeln begann. Temporalsatz (Zeit)
Wir schlugen unser Lager auf, wo wir den Schatz vermuteten. Lokalsatz (Ort)
Wir beeilten uns, weil wir die Ersten sein wollten. Kausalsatz (Grund)
Wir fingen an, indem wir die Steinplatten wegschoben. Modalsatz (Art/Weise)
Wir gruben heimlich, damit wir nicht entdeckt wurden. Finalsatz (Zweck/Absicht)
Wir stiegen ins Grab, obschon man uns davor gewarnt hatte. Konzessivsatz (Gegengrund)
Ihr müsst nach Kairo kommen, wenn ihr den Schatz sehen wollt. Konditionalsatz (Bedingung)
Satzlehre 197
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe 6
Heben Sie die Nebensätze hervor, und bestimmen Sie deren Form und Funktion.
Form Funktion
Das lange Nachdenken hat triftige Gründe, weil die Forscher nach
Kommunikationsformen suchen müssen, die es noch nicht gibt.
Sprache, Schrift und Symbole als Basis der zwischenmenschlichen
Kommunikation sind dem Wandel der Zeit unterworfen. Wenn die-
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, FokusserSprache
Wandel ohne
BM mit Unterbruch
digitalen Lösungen undverläuft, wird
Kommentar für Bedeutung
Lehrpersonen von Genera-
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
tion zu Generation überliefert, inklusive Anpassungen. Doch Kriege,
Klimaveränderungen oder Seuchen löschen ganze Kulturen aus und
lassen kaum mehr überbrückbare Wissenslücken entstehen.
Anders bei den Botschaften der Maya. Obwohl Forscher seit Anfang
des 19. Jahrhunderts über der Schrift brüten, sind bis heute erst drei
Viertel aller Zeichen entschlüsselt. Dabei ist die Schrift keine zwei-
tausend Jahre alt.
198 Satzlehre
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
3 Satzstilistik
MODUL 3
Texte, die primär der Informationsvermittlung dienen, zeichnen sich unter anderem dadurch
aus, dass zahlreiche Inhalte in einen Satz verfrachtet werden. Das führt oft zu schwerfälligen
und mit Attributen überladenen Satzgliedern.
Aufgabe 7
Formen Sie die unterstrichenen Attribute und Satzglieder zu Nebensätzen um.
Der Fluch des Pharaos soll den Tod von acht an der Ausgrabung von Tutanchamun beteiligten
Personen verursacht haben.
Keine der bei den mumifizierten Pharaonen gefundenen Warnungen vermochte die Aus-
grabungen der Archäologen zu verhindern.
Für Susan Scott stellt das kaum zu kontrollierende Verhalten des Homo sapiens das Haupt-
problem dar.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Die internationale Diskussion um die Markierung der Endlager für den langlebigen Atommüll
geht auf die frühen Achtzigerjahre zurück.
Wegen der enormen Komplexität des Problems wurden Arbeitsgruppen aus Kernphysikern,
Ingenieuren, Anthropologinnen, Soziologinnen und Verhaltensforschern gebildet.
Trotz der Halbwertszeit von Plutonium von 24 000 Jahren sollten die Lösungsvorschläge nur die
nächsten 10000 Jahre umfassen.
Durch jede weitere Ausdehnung des Zeitrahmens wäre die Lösung der Aufgabe noch unmög
licher geworden, als sie es schon war.
Satzlehre 199
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Modultest
Lesen Sie den Text aufmerksam durch, und lösen Sie die Aufgaben dazu.
A Verständnisprobleme ergeben sich auch bei grafischen Symbolen. Stand das Hakenkreuz
vor viertausend Jahren in Kreta als Zeichen für Fruchtbarkeit, so verbreitete es sich spä-
ter im Hinduismus als Glücksbringer; schliesslich wurde es zum Emblem der Nazis. Die
Bedeutung verändert sich mit den Benutzern.
B Schon seit seiner Entwicklung mit Interpretationsschwierigkeiten belastet ist jedoch aus-
gerechnet das international für Radioaktivität verwendete Warnsignal: eine Art schwar-
zes Kleeblatt auf gelbem Hintergrund. Mitte der Vierzigerjahre an der Universität von
Berkeley geschaffen, soll das Piktogramm die von einem Atom ausgehende Strahlung
darstellen. Die Internationale Atomenergieagentur IAEA in Wien hat ihm inzwischen
jedoch das Vertrauen entzogen und es überarbeiten lassen – mit Grund, denn für Laien
besteht keine nachvollziehbare Verbindung zwischen Symbol und Gefahr.
C In der Vergangenheit ist es zu mehreren Unfällen gekommen, bei denen Menschen Be-
hälter mit radioaktivem Inhalt trotz Warnaufkleber öffneten und sich verstrahlten. Das
neue, seit Februar verwendete Warnsymbol hat die IAEA vorgängig an 1500 Personen –
vor allem Kindern – testen lassen. Es enthält zwar noch immer das unverständliche
Kleeblatt, von den Testpersonen häufig als «Propeller» bezeichnet (und soll dieses auch
nicht ersetzen), doch wird es zur Verdeutlichung der Botschaft mit einem Totenkopf und
einem davoneilenden Menschen ergänzt.
D Die Kommunikation über die vergrabenen Gefahren stellt den am meisten unterschätz-
ten Aspekt im Zusammenhang mit Atommüll dar: Noch nie im Verlaufe der Zivilisa
tionsgeschichte musste die Menschheit sich um Probleme kümmern, die in zehntausend
oder noch mehr Jahren aktuell werden. Know-how und Erfahrung fehlen, entsprechend
ist die Ungewissheit. Während Hochrechnungen bezüglich der technischen Sicherheit
der Endlager heute nahelegen, dass bis zum Abklingen der Radioaktivität keinerlei Lecks
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
zu befürchten
Persönliches Exemplar sind,
von Liza Basha, bleibt
8307 der Mensch eine unwägbare Grösse. Ein verantwortungs-
Effretikon
bewusstes Verhalten lässt sich weder prognostizieren noch garantieren, im Gegenteil.
Viel wahrscheinlicher ist, dass schiefgeht, was schiefgehen kann.
E Das mussten Susan Scott und ihre Kollegen in der Wüste von New Mexico kürzlich zur
Kenntnis nehmen, und zwar ausgerechnet unweit der Waste Isolation Pilot Plant. Nach
dem Test einer Atombombe im Jahr 1961 war die Stelle der unterirdischen Explosion
mit einem Monument gekennzeichnet worden. Das Denkmal steht zwar noch heute,
doch seine Aufgabe erfüllt es nur noch bedingt. Hobbyschützen benutzen es als Ziel-
scheibe, weshalb es von pockennarbigen Einschlägen übersät ist. Zudem sind von den
drei angebrachten Plaketten nur noch zwei vorhanden. Die dritte haben Souvenirjäger
mitgenommen. Die Tafel besagte: «Dieser Ort wird für die nächsten 24 000 Jahre gefähr-
lich bleiben.»
1. Ordnen Sie diese Überschriften den Abschnitten (A, B, C …) zu. Die Titel (drei sind
überzählig) sollen die Aussage des jeweiligen Textabschnittes wiedergeben.
200 Satzlehre
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2. Kreuzen Sie an, ob diese Aussagen gemäss Text richtig oder falsch sind.
MODUL 3
richtig falsch
c) Mit den «Propellern» auf dem Atom-Warnschild wollte man die radioaktive o o
Strahlung veranschaulichen.
d) Die IAEA hat neu Totenkopf und einen davoneilenden Menschen an die o o
Stelle des «Kleeblattes» gesetzt.
3. Trennen Sie die Satzglieder ab, und bestimmen Sie diese. Unterstreichen Sie zudem
die Attribute.
In Kreta war vor©viertausend Jahren das Hakenkreuz ein Zeichen für Fruchtbarkeit.
2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Das international für Radioaktivität verwendete Warnsignal, ein schwarzes Kleeblatt auf
Das international für Radioaktivität verwendete Warnsignal ist seit seiner Entwicklung mit
Interpretationsschwierigkeiten belastet.
Zur Verdeutlichung der Botschaft ist das Warnsymbol neu mit einem Totenkopf und einem
davoneilenden Menschen ergänzt worden.
Satzlehre 201
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Heute legen Hochrechnungen nahe, dass bis zum Abklingen der Radioaktivität keinerlei
Lecks zu befürchten sind.
Nach dem Test einer Atombombe im Jahr 1961 war die Stelle der unterirdischen Explosion
mit einem Monument gekennzeichnet worden.
Die Missachtung der Warnschilder zeugt einmal mehr vom unberechenbaren Verhalten des
Homo sapiens.
5. Heben Sie die Nebensätze hervor. Bestimmen Sie diese formal und funktional.
Form Funktion
Mitte der Vierzigerjahre an der Universität von Berkeley geschaffen,
soll das Piktogramm die von einem Atom ausgehende Strahlung
darstellen.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
In der Vergangenheit ist es zu mehreren Unfällen gekommen,
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
bei
denen Menschen Behälter mit radioaktivem Inhalt trotz Warnauf-
kleber öffneten und sich verstrahlten.
Muster
prüfung
Weiterer Modultest und Modulprüfung im Online-Tool eFokus Sprache BM
Lösung
202 Satzlehre
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 4
Zeichensetzung
Lernziele
203
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1 Das Komma
Das Komma erfüllt im Deutschen eine weitgehend grammatische Funktion: Es macht die Satz-
struktur durchschaubar.
1.1 Grundregeln
Mit den beiden Grundregeln erfassen wir rund 80 Prozent aller Kommaschwierigkeiten.
Satz
Wir trennen Satzglieder und Attribute Wir trennen Teilsätze durch Komma
nicht willkürlich ab. voneinander.
Trotz der Faszination der elektronischen Es gibt Leute, die behaupten, heute
Medien werden auch heute noch würde nicht mehr gelesen, da sich alle
Bücher zuhauf verschlungen. nur noch fürs Fernsehen interessierten.
Aufgabe 1
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Setzen Sie die Kommas. Halten Sie sich dabei an die Grundregeln – trennen Sie also nur Teil-
sätze und nicht Satzteile ab; markieren Sie dazu die verbalen Teile.
Wer will denn heute schon mehr als zweihundert Zeilen lesen? Keiner. Oder sich gar wie
ein Bücherwurm in dicke Wälzer vergraben? Niemand. Das sei nicht wahr kontern die
Leidenschaftlichen triumphierend denn dicke Romane würden mehr denn je gelesen. Man
denke nur einmal an Süskind oder Schlink und erst recht an all die Unterhaltungsbestseller
mit den süssbitteren Storys die jeweils an den Badestränden Hochsaison haben. Dem wird
entgegnet die Lesekultur sei längst dem Untergang geweiht bald würden sich nur noch ein
paar weltfremde Elitäre in der Literatur auskennen.
Man kann es drehen und wenden wie man will Tatsache ist dass auch heute noch viel ge
lesen wird. Es muss einen geheimen Stachel geben der so viele zu süchtigen Lesern macht
obwohl deren Terminkalender voll sind. Nur ist es nicht mehr die Pflicht die zur Lektüre
ruft und ebenso wenig kommt ein pathetischer Kulturbegriff dafür in Frage. Diese Zeiten
sind längst vorbei. Daran ändert auch das Stirnrunzeln der Schriftsteller und Feuilletonisten
nichts die sich kürzlich in der «Zeit» zur Mindestanforderung an einen zeitgenössischen
Literaturkanon äussern durften. Es gab die Toleranz Mimenden die ihren Anforderungs-
katalog nach unten anpassten aber da waren auch die Verbissenen welche lautstark erst
recht Goethe und Keller als Minimalbasis forderten.
204 Zeichensetzung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 4
1.2 Ergänzungsregeln
Mit den beiden Grundregeln und den folgenden Ergänzungsregeln lässt sich nahezu jede Kom-
maschwierigkeit meistern.
Die erste Grundregel gilt auch für: Die zweite Grundregel gilt für:
• Satzfragmente (Ellipsen) • aneinandergereihte Hauptsätze (Satzreihe)
Null Bock aufs Lesen Auch heute noch wird viel gelesen, das
Lesen vom Aussterben bedroht? ist statistisch erwiesen.
Zeichensetzung 205
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe 2
Setzen Sie die Kommas, indem Sie die Grund- und Ergänzungsregeln anwenden.
Vermerken Sie am Rand die Fälle, die Ihnen Schwierigkeiten bereiten.
Es herrscht auf dem Lesemarkt nicht mehr die Pflicht sondern das Prinzip Verführung die
Lust am Lesen. Dichtung ist gar nicht so weltfern wie es viele haben möchten vielmehr bie-
tet sie Leben transformiertes Leben. Sie zeigt was in den Köpfen und Seelen vor sich geht.
Sie übertreibt um einsichtig zu machen und sie spitzt die alltäglichen Verstrickungen und
Liebesverwirrungen bis zu dem Punkt zu wo sie durchschaubar werden. Die Lust an der
Selbsterkenntnis das ist der heimliche Stimulus der die Leserinnen und Leser vorantreibt.
Auch an modernen literarischen Beispielen mangelt es nicht. Die frivolsten unter ihnen
sind weltberühmt geworden so etwa D. H. Lawrences «Lady Chatterley» ein erotischer
Roman der die moralischen Fesseln der Zeit sprengte aber auch Vladimir Nabokovs Roman
«Lolita» welcher – zart und kühn vibrierend und skandalös – die Annäherung Humbert
Humberts an zarte Nymphchen verfolgt.
Die Suche nach Selbsterfahrung ist beim Autor und beim Leser die Kraft die hinter dem
geheimnisvollen Treiben steht. Autor und Leser verständigen sich – mithilfe immer neuer
Geschichten – über das was wir Leben nennen. In den imaginären Identitäten all der Aben-
teurer und Versager der masslos Liebenden und hemmungslos Leidenden welche die Auto-
ren auf ihrer Erzählbühne auftreten lassen erkennen wir das eigene Gesicht.
206 Zeichensetzung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2 Grafische Darstellung der Satzhierarchien
MODUL 4
Der hierarchische Aufbau zusammengesetzter Sätze lässt sich grafisch darstellen: Hauptsätze
stehen auf der obersten Ebene, Nebensätze ersten Grades (vom HS abhängig) direkt darunter.
Entsprechend ordnen wir Nebensätze zweiten Grades (vom NS ersten Grades abhängig) die-
sem unter. Und so weiter.
Dabei werden die Übergänge von einer Ebene auf eine andere konsequent durch Komma
getrennt.
Bücher, werden auch heute noch verschlungen. Haupt…satz
welche die Gefühle ansprechen, Nebensatz
Aufgabe 3
Zeigen Sie die Satzstrukturen auf. Kennzeichnen Sie die Haupt- und Nebensätze
mit verschiedenen Farben und stellen Sie die Satzhierarchie am Rand grafisch dar.
Man kann es drehen und wenden, wie man will, Tatsache ist,
dass auch heute noch viel gelesen wird.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Es ist nicht mehr die Pflicht, die zur Lektüre ruft, und ebenso
wenig kommt ein pathetischer Kulturbegriff dafür infrage.
Sie spitzt die alltäglichen Verstrickungen zu, bis sie den Punkt
erreicht, wo diese durchschaubar werden.
In der «Marquise von O...» eröffnet Kleist das Spiel mit dem
verblüffenden Aufruf der Marquise in einer Zeitung, wonach sie
ohne ihr Wissen in andere Umstände gekommen sei und den
Vater ihres Kindes suche, den sie, selbst wenn ihr der Spott
der Leute gewiss sei, zu heiraten gedenke.
Zeichensetzung 207
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe 4
Verbessern Sie im Text die sieben Kommafehler und begründen Sie Ihre Korrekturen.
Uwe Johnson, einer der grössten deutschen Autoren der Nachkriegszeit hat mit der
monumentalen Roman-Tetralogie «Jahrestage» ein Werk geschaffen, das den präzisesten
und gefühlssichersten Einblick in ein dunkles Kapitel europäischer Geschichte verschafft.
In der Lebensgeschichte, der Gesine Cresspahl, in der sich das Romangeschehen kristalli-
siert, zeichnen sich die dunklen historischen Umrisse des 20. Jahrhunderts ab. In einem
kontrapunktischen Erzählverfahren, holt Johnson gleichzeitig das Deutschland des Zweiten
Weltkrieges und der Nachkriegsjahre und das Amerika des 20. Jahrhunderts in den Text.
Und wie er das tut. Die mecklenburgische Kleinstadt Jerichow und New York die Alte und
die Neue Welt, werden in einer gigantischen Erzählbewegung aufeinander bezogen.
Was Politiker und Diplomaten dem «Volk» in diesen Tagen hilflos und vergeblich zu ver
mitteln versuchen – die so unterschiedlichen europäischen und amerikanischen Denkarten
und Aktionsstrategien die in der so ganz anderen historischen Vergangenheit begründet
sind und plötzlich konfliktreich aufeinanderprallen –, das ist hier alles aufbereitet. Glasklar,
minutiös, einsichtig. Wer diesen Roman liest, versteht was heute vor sich geht, weil der
Chronist Johnson der Europa und Amerika aus eigener Erfahrung kannte, in seinem histo-
risch, politisch, soziologisch und psychologisch aufgeladenen Text ein grossartiges Tableau
© 2023 zweier
Verlag SKVWelten
AG: Fokusausbreitet.
Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe 5
Unterstreichen Sie die Nebensätze, und bestimmen Sie diese nach Form und Funktion
(siehe Modul 3, «Satzlehre»).
Form Funktion
Man hört oft, das Lesen sei dem Untergang geweiht. ––––––––––––– –––––––––––––
Dass Dichtung nicht weltfern ist, erweist sich bald. ––––––––––––– –––––––––––––
Sie zeigt, was in den Köpfen und Seelen vor sich geht. ––––––––––––– –––––––––––––
Es wird nicht gelesen, nur weil es zum guten Ton gehört. ––––––––––––– –––––––––––––
208 Zeichensetzung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
3 Die weiteren Satzzeichen in der Übersicht
MODUL 4
Die Satzzeichen dienen ganz allgemein der Satz- und Textgliederung; sie leisten damit eine
wertvolle Lesehilfe.
Punkt, Frage- und Ausrufezeichen schliessen bekanntlich den Aussage-, Frage-, Ausrufe- bzw.
Befehlssatz; die wichtigsten Funktionen der übrigen Satzzeichen seien hier kurz aufgezeigt.
3.1 Strichpunkt (Semikolon)
Den Strichpunkt setzen wir hauptsächlich in komplexeren Sätzen (beispielsweise zwischen zwei
Satzgefügen), um zu verdeutlichen, welche Teilsätze zueinander gehören.
Es gab die Toleranz Mimenden, die ihren Anforderungskatalog nach unten anpassten;
da waren aber auch die Verbissenen, welche erst recht Goethe und Keller als Minimalbasis
forderten.
3.2 Gedankenstrich
Autor und Leser verständigen sich – mithilfe immer neuer Geschichten – über das, was wir
Leben nennen.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
3.3 KlammernPersönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Der deutsche Schriftsteller Uwe Johnson (1934 –1984) hat mit «Jahrestage» (über 1800 Sei-
ten) ein monumentales Werk geschaffen, das die Zeit von der Weimarer Republik bis zur
Niederschlagung des Prager Frühlings (1968) umfasst.
3.4 Doppelpunkt
Der Doppelpunkt kündigt die direkte Rede an; er dient zudem allgemein als logisches Ankündi-
gungszeichen.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Tatsache ist, dass noch viel gelesen wird.
Sie konterten: «Das ist nicht wahr.»
3.5 Anführungszeichen
Direkte Rede, Zitate, Buch- und Filmtitel, aber auch metasprachlich gebrauchte Begriffe, Mund-
artausdrücke u.Ä. setzen wir in Anführungszeichen.
Zeichensetzung 209
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Modultest
1. Setzen Sie im folgenden Schlussteil des Textes «Lesen – ein Blick ins eigene Gesicht»
die Kommas.
Hier nur so viel. Es genügt dass man die kleine Passage über das Schicksal des Juden
Tannebaum in Jerichow nachliest um zu wissen wie mittelmässige Gefühle – Missgunst
Opportunismus Spiessbürgertum – sich zu einer explosiven antisemitischen Mischung
verbinden. Es reicht Uwe Johnson zuzuhören der uns in einer unterkühlten Sprache von
Friedrich Jansen dem Bürgermeister und Polizeichef berichtet wie dieser angesehene
Mann mit gezogenem Revolver den Juden Tannebaum ein für allemal erzieht weil jetzt
niedere Gefühle plötzlich legitimiert sind. Mitten im Städtchen spielt sich die Szene ab
direkt vor den Augen der gaffenden Kleinstadtbewohner. Mit anzusehen wie das Ge-
schäft Tannebaums zusammengeschlagen wird wie der Jude auf den Knien auf der
Strasse liegt und Jansen auf dessen Geld herumtrampelt lässt einen schaudern. Und der
Anblick wie Frieda Tannebaum mit dem Kind auf den Armen zusammenbricht und
Lisbeth Cresspahl die zufällig dazukommt auf Jansen einschlägt und damit gleichzeitig
das eigene Todesurteil schreibt macht sprachlos.
Es ist die innere Wahrheit die Uwe Johnson aufreisst es ist die Wahrheit der Fakten und
der Gefühle und sie zielt gleichzeitig auf den Intellekt und die sinnliche Wahrnehmung.
Diese Wahrheit die nur die Literatur aufdecken kann kennt kein Verfallsdatum weil sie
© 2023 Verlagdas
SKVgewöhnlich Menschliche
AG: Fokus Sprache, in mit
Fokus Sprache BM seinem
digitalenKern offenbart.
Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2. Bilden Sie aus den folgenden Angaben zur Biografie Uwe Johnsons korrekte und
stilistisch ansprechende Satzgefüge (Hauptsatz mit mindestens einem Nebensatz).
Nach der Flucht der Familie Johnson nach Mecklenburg 1945 Verhaftung des Vaters
und Deportation nach Russland.
Nach der Übersiedlung nach Westberlin literarische Erfolge mit Werken zum Thema
geteiltes Deutschland.
210 Zeichensetzung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
3. Unterstreichen Sie die Nebensätze, und geben Sie deren formale Bezeichnung
MODUL 4
(konjunktionaler Nebensatz, Relativsatz usw.) am Rand an.
a) Gesine Cresspahl, eine Frauenfigur, die uns bereits aus den «Mutmassungen über
Jakob» bekannt ist, steht im Mittelpunkt des Werks.
b) Indem Gesine in New York ihrer Tochter von der Vergangenheit in Deutschland
erzählt, geraten die Weimarer Republik, das Dritte Reich und die beiden deutschen
Nachkriegsstaaten ins Blickfeld; gleichzeitig unterbricht sie ihre Erinnerungen durch
die Lektüre der «New York Times», sodass die amerikanische Gegenwart bewusst wird.
Die Intention des Autors, «den Zustand und die Vorgeschichte einer bestimmten euro
c)
päischen Person in New York» zu beschreiben, ergibt in der Durchführung ein Mosaik,
das sich aus Vergangenem und Gegenwärtigem kunstvoll zusammensetzt.
d) Der Roman schliesst mit dem 20. August 1968, dem Tag, an dem der «Prager Frühling»
endete, als Truppen des Warschauer Paktes die Tschechoslowakei besetzten.
Satz a)
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Satz b)
Satz c)
Satz d)
Zeichensetzung 211
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
5. Begründen Sie für die nummerierten Stellen die Zeichensetzung, indem Sie unten
die Regeln bzw. Erklärungen ergänzen.
Unter nicht gerade gewöhnlichen Umständen (1) betrat Uwe Johnson 1959 die literari-
sche Szene. Der 25-Jährige zog ohne Genehmigung der ostdeutschen Behörden nach
Westberlin um, (2) jedoch nicht aus ideologischen Gründen. Rückblickend bemerkte der
Autor dazu: «Ich bin dorthin gezogen, (3) wo mein Buch gedruckt wurde.» Der Suhr-
kamp-Verlag, der Johnsons Roman herausbrachte, (4) und die Gruppe 47 hatten nun
einen neuen Trumpf vorzuweisen: (5) Der dringend erwartete «Autor der beiden
Deutschland» war dem Literaturbetrieb endlich gewonnen. Allerdings reduziert sich sein
Interesse nicht auf politische Fragen; (6) es gilt, (7) wie Johnson insistierend anmerkt,
der Wirklichkeit insgesamt.
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
4) Komma vor «und», weil ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
5) Doppelpunkt: ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Muster
prüfung
Lösung
212 Zeichensetzung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 5
Verb
Lernziele
213
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1 Grundbegriffe zum Auffrischen
Wie wir aus der Syntax (Modul 3) wissen, spielt das Verb im Satz eine zentrale Rolle: Es ist für
den vollständigen Satz absolut erforderlich und strukturiert diesen weitgehend.
Das Verb übernimmt zudem eine Reihe wichtiger Aufgaben: Es drückt die Zeit (Tempus) aus,
in der sich ein Geschehen abspielt, und gibt die Aussageweise (Modus) sowie die aktive oder
passive Handlungsrichtung (Genus Verbi) an.
Aufgabe 1
214 Verb
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 5
Aufgabe 2
spüren
fällt
geschah
zog
anführen
gewachsen
b) Zeigen Sie an je einem Beispiel aus der Tabelle oben auf, wie die Stammformen von
regelmässigen und von unregelmässigen Verben gebildet werden.
Aufgabe© 2023
3 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
a) Setzen Sie die Verben in der verlangten Zeitform ein.
b) Wie lauten die Partizipien von können, mögen, wollen ..., wenn diese Verben als
Modal- bzw. als Vollverben gebraucht werden? Vervollständigen Sie die Sätze.
Verben prägen den Satzbau und den Stil ganz allgemein. Wenn wir Handlungen, ein Gesche-
hen, innere Prozesse erzählen und schildern, bauen wir bewusst auf anschauliche, lebendige,
aussagekräftige Verben. Aber auch in sachlichen Texten verwenden wir möglichst gehaltvolle
Verben.
Aufgabe 4
a) Setzen Sie im ersten Teil des Modultextes über Alfred Escher inhaltlich passende,
aussagekräftige Verben in der richtigen Form ein.
b) Kreuzen Sie in der Tabelle unten alles an, was auf die grün gedruckten Verben im
Text zutrifft.
In Zürich gibt es ein Sprichwort: «Wer den Kopf zu hoch –––––––––––––––– , wird um einen
kürzer gemacht.» Und hinterher bekommt er ein Denkmal, müsste man –––––––––––––– . So
erging es 1489 Hans Waldmann, dem Emporkömmling und machtgierigen Bürgermeister,
der Zürich im Mittelalter mit dem Zunftsystem stark gemacht hatte. Jetzt ––––––––––––––
er auf seinem bronzenen Ross vor dem Stadthaus – als Sitzplatz für die Tauben.
Den Reflex «allzu gross – Kopf ab» bekam auch ein anderer Zürcher zu –––––––––––––– :
Alfred Escher, der Machtpolitiker und Unternehmer des jungen Bundesstaates. Auch er
wurde liquidiert. Und –––––––––––––––– bald sein Denkmal am Bahnhof, wo er seither
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
steht, taubenumflattert. Jetzt ––––––––––––––––––––– wieder Licht auf Escher. Kaum eine
bedeutende Institution, die dieser Tage ihr 150. Jubiläum –––––––––––––––– , bei der er
nicht mitgewirkt hätte. Die ETH ––––––––––––––––– ihren Gründer letztes Jahr, nun ist die
CS an der Reihe, und nächstes Jahr folgt die Swiss Life.
Gut zwanzig Jahre lang, in einer entscheidenden Phase des jungen Bundesstaates, ––––––––
–––––––––––– nichts, bei dem nicht Escher und seine Freunde die Fäden –––––––––––.
1844 wurde er für die Liberalen, die Partei des Unternehmertums, ins Zürcher Kantonspar-
lament –––––––––––––––––. Mit 29 Jahren war er Regierungsrat, dann Regierungspräsident,
Nationalrat, Nationalratspräsident. Zugleich war er Chef der Nordostbahn, Chef der Gott
hardbahn, die den Tunnel baute, Chef der Kreditanstalt. Und er ––––––––––––––––––– den
Ton an beim Polytechnikum und bei der Rentenanstalt.
216 Verb
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 5
Aufgabe 5
Wählen Sie aus dieser Liste das passende Verb, und setzen Sie es in der richtigen Form
ein.
anführen, behaupten, erstarken, etablieren, lenken, nennen, nutzen, stellen, verschaffen,
wachsen, wettern
noch schwach, viele Grundsatzfragen waren offen, und das Feld war frei für energische
Macher wie ihn. Als Grossbürger hatte Escher die Mittel, ein Netzwerk zu –––––––––––––– ,
das als Parallelregierung die Staatsgeschäfte –––––––––––––––––– . Er war kein Freund von
direkter Demokratie und Gewaltentrennung. Man ––––––––––––––––––– ihn «König
Alfred» und «Zar von Zürich». Mit dem «System Escher», der engen Verfilzung von Politik
und Ökonomie, ––––––––––––––––––– Zürich zum führenden Finanzplatz, wurde die
Schweiz zum starken Industrieland und ––––––––––––––––––– sich die Republik inmitten
der Kaiser- und Königreiche.
Je mächtiger Escher wurde, desto mehr ––––––––––––––––––– die Opposition, ––––––––––––
–––––––––– von Jakob Stämpfli, dem Berner Kleinbauernsohn, der gegen den «Herren vom
Belvoir» und den enthemmten Wirtschaftsliberalismus ––––––––––––––––––– .
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
AufgabePersönliches
6 Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Im Text über Alfred Escher finden sich einzelne Redewendungen, welche die Anschau-
lichkeit bzw. Bildhaftigkeit der Aussagen noch verstärken.
Geben Sie die Bedeutung der folgenden Wendungen an.
Verb 217
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
3 Zur Anwendung der Zeitformen
Wenn wir im Alltag von Zeiträumen sprechen, reden wir von der Vergangenheit, der Gegen-
wart und der Zukunft. Die deutsche Sprache hat jedoch nicht nur drei, sondern sechs Zeit-
formen ausgebildet – eine eindeutige Entsprechung von Zeitraum (Zeit) und Zeitform (Tempus)
kann es folglich nicht geben. Die folgenden Beispiele veranschaulichen, wie vielfältig die
Bezüge sind.
3.1 Übersichtstabelle
Geben Sie in dieser Übersicht an, auf welche Zeiträume sich die Zeitformen in den Beispiel-
sätzen beziehen bzw. was diese über die Zeit hinaus ausdrücken.
218 Verb
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 5
3.2 Zeitverhältnisse
Beim Verfassen eines Textes müssen wir uns für eine bestimmte Erzähl- bzw. Berichtzeit ent-
scheiden, darauf beziehen wir auch konsequent das übrige Geschehen.
Je nachdem, ob wir vom Präsens oder vom Präteritum ausgehen, ergeben sich die folgenden
Zeitverhältnisse:
Präsens Präteritum
Ich weiss nicht mehr, was sie gesagt hat. Ich wusste nicht mehr, was sie gesagt hatte. Vorzeitigkeit
Ich verstehe nicht, was er sagt. Ich verstand nicht, was er sagte. Gleichzeitigkeit
Ich weiss nicht, wie er reagieren wird. Ich wusste nicht, wie er reagieren würde. Nachzeitigkeit
Wir wählen für Erlebtes, Erfahrenes, aber auch für Fiktives gewöhnlich das Präteritum als
Erzähl- bzw. Berichtzeit (die meisten Romane, Novellen, Erzählungen sind denn auch in dieser
Zeitform geschrieben). Diese einmal gewählte Zeitform behalten wir grundsätzlich für das
fortlaufende Geschehen bei (nur in besonderen Fällen drücken wir mit der «würde»-Umschrei-
bung ein von der Vergangenheit aus gesehen zukünftiges Geschehen aus). Blicken wir im
Handlungsablauf jedoch auf ein Ereignis zurück, das sich zuvor abgespielt hat, ist diese Vor-
zeitigkeit entsprechend mit dem Plusquamperfekt auszudrücken.
Die folgenden Beispiele aus Eveline Haslers Roman «Anna Göldin – letzte Hexe» illustrieren
dies:
In Glarus fieberte man Annas Ankunft entgegen. Die Göldischen befürchteten, wie Cosmus
Heer sich ausdrückte, einVerlag
© 2023 Malheur
SKV AG: (…).
Fokus Für dieFokus
Sprache, Tschudischen
Sprache BM mit war dasLösungen
digitalen Schicksal der Hexe
und Kommentar für Lehrpersonen
schon entschieden.Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Tschudi hatte sie, wenn auch contre-cœur, aus dem Haus gejagt, jetzt war sie in hundert
facher Gestalt zurückgekommen, sass in jedem Winkel.
Erzählt wird mitunter aber auch im Präsens, offensichtlich mit der Absicht, das Geschehen zu
vergegenwärtigen (historisches Präsens). Und natürlich sind auch hier die Zeitenrelationen zu
berücksichtigen.
Trotz der fortschreitenden Nachtstunden ist sie klarsichtig. Erkennt die Ränder der Falle,
inspiziert sie, blickt durch die Reisigtarnung in die Tiefe. (…) Sagt sie nein, holt man den
Scharfrichter. Sagt sie ja, werden sie triumphieren: Sie hat das Kind verdorben, deshalb
kann sie es heilen. Wie eine Maus zum Speck hat sie sich nach den Mangeljahren ins
Glarnerland verrannt. Zwei-, dreimal ist sie zurückgekehrt. Jetzt sitzt sie in der Falle.
Fassen wir die Handlung eines Romans, einer Novelle, eines Theaterstücks zusammen, charak-
terisieren wir einen Romanhelden oder die Protagonistin eines Schauspiels, besprechen wir
Bücher oder Filme, so wählen wir dafür grundsätzlich das Präsens als Ausgangspunkt.
1780. Die schöne, eigenwillige Anna Göldin verdingt sich im Schweizer Kanton Glarus als
Dienstmagd bei einem Arzt. Als dessen Kind anfängt, «Nadeln zu spucken», wird sie der
Hexerei beschuldigt, des Kindsmords und der Zauberei angeklagt. Ihr Prozess macht sie
zum Spielball im Machtkampf der Provinzgrossbürger.
Wie sich da ein moralisch korrumpierter Klüngel sein Opfer wählt, wie unter dem Schein
des Rechts jegliches Recht verachtet wird, wie da Beziehungen und materielle Interessen
ein unsauberes Bündnis eingehen: Dem Leser scheint einiges recht aktuell. Der Aussenseiter
dient als Blitzableiter der Gesellschaft.
Verb 219
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe 7
Heben Sie im folgenden Textausschnitt aus Eveline Haslers Roman «Anna Göldin.
Letzte Hexe» die Verben hervor, die von der gewählten Erzählzeit, dem Präteritum,
abweichen. Führen Sie dafür die entsprechenden Erklärungen an.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Als sie mit Anna die ersten Häuser des Fleckens erreichten, befahl
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Blumer dem Läufer, die Delinquentin an die schwere Eisenkette zu
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– legen.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Bald johlten die Kinder um sie herum; wie ein Lauffeuer ging die
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Nachricht von Annas Ankunft durch die Strassen. Unter dem
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Vordach des Rathauses drängte sich eine Schar Neugieriger.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Es hätte die Leute nicht erstaunt, wenn die Anna auf einem Besen
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– über die Wiggis geflogen wäre.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Eine veritable Hexe. Eine Frau spuckte vor ihr aus. Anna blickte
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– auf. Die Bäckerin! Was hatte die bekannten Gesichter während ihrer
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Abwesenheit so entstellt?
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Schon einmal hatte Anna in solche Gesichter geblickt. Damals in
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Sennwald, als man sagte, sie habe das Kind umgebracht.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– «… kurz, sie ward vom Scharfrichter sanft mit Ruthen gestrichen,
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– und 6 Jahre lang in das Haus der Eltern gebannet …»
–––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––– Die Rutenschläge hatte sie kaum gespürt. Aber die Blicke brannten,
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307die Scham,
Effretikon halbnackt inmitten der Gaffer zu stehen. Geile Augen.
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Getuschel.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Wo der Scharfrichter wohl hinschlägt?
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Auf die Schenkel? Auf den Hintern?
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Das Hemdchen wird rot. Wetten, die sieht das Feuer im Pommer-
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– land.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Geschieht ihr recht. Hat sich schliesslich auch streicheln lassen.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Vom Pfarrer?
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Nein, vom Roduner, dem Jakob.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Der hat’s sitzen lassen, das Luder, das schändliche.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Hat wohl noch rechtzeitig gewittert, dass es so eine ist.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Sündigt. Bringt die Frucht um.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Ihr eigen Fleisch und Blut.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Und der Roduner?
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Schlägt sich brav, macht wacker Krieg, die Eltern haben Nachricht
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– bekommen aus Holland.
220 Verb
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 5
Aufgabe 8
Die zahlreichen Erinnerungen, die in die Haupthandlung eingestreut sind, zeigen erschüt-
ternde Szenen aus dem Leben der Anna Göldin. Sie wächst als Tochter sehr armer Bauern
in Sennwald im Rheintal auf. Nach dem Tod des Vaters hat der Schuldenvogt bei den
Göldins alles geholt, was es zu holen gibt. Als sich der Knecht an die vierzehnjährige Anna
heranmacht, musste sie das Elternhaus verlassen und ihre erste Stelle als Bauernmagd in
Meyenfeldt antreten. Später hat sie in verschiedenen Herrenhäusern gedient, ohne je eine
Stelle fürs Leben zu finden. Sie war ständig unterwegs, nirgends zu Hause.
Eine Liebesaffäre mit Jakob Roduner bringt einen Hoffnungsschimmer ins Leben der Anna
Göldin. Doch als sie schwanger wird, machte sich ihr Geliebter nach Holland auf und
davon. Vor ihrem Dienstherrn, dem Pfarrer in Sennwald, verheimlicht sie die Schwanger-
schaft. Sie brachte das Kind in ihrer Kammer zur Welt. Am Morgen finden die Pfarrleute
Anna im blutbeschmierten Bett, neben ihr das tote Kind. Anna wird des Kindsmordes be-
schuldigt und öffentlich ausgepeitscht, obschon sich der Pfarrer für ihre Unschuld einsetzte.
Auch eine zweite Liebschaft verspricht ihr das grosse Glück. In Mollis dient sie im ange-
sehenen Pfarrhaus Zwicki. Da der Sohn nach dem Tod des Vaters sterbenskrank im Bett
lag, übernimmt Anna seine Pflege. Melchior, der die gesellschaftlichen Unterschiede für
unwichtig hält, verliebte sichSKV
© 2023 Verlag in AG:
sie.Fokus
Wieder wird
Sprache, FokusAnna
Sprache schwanger,
BM mit digitalen wieder wurde
Lösungen und aus einer
Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Heirat nichts, denn die Mutter macht ihrem Sohn klar, dass die Standesschranken nicht
überwunden werden können.
Die Haupthandlung setzt damit ein, dass Anna Göldin auf dem Weg nach Glarus ist, wo sie
im Arzthaus der Tschudis ihre neue Dienststelle antrat. Anna hatte schon ein gutes Jahr bei
den Tschudis weitgehend zur Zufriedenheit gedient, bis sich eines Tages in der Milch der
jüngsten Tochter Anna Migeli Stecknadeln finden. Die Vorfälle häuften sich. Annas Beteue-
rungen der Unschuld nützen nichts. Als dann die Dame des Hauses auch noch bemerkt, wie
sich ihr Mann im Garten an die Anna heranmacht, musste die Magd ihre Sachen packen . . .
Verb 221
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
4 Aktiv und Passiv
Wir können ein Geschehen aus verschiedenen Perspektiven darstellen, je nachdem, welcher
Person (oder Sache) wir eine aktive oder passive Rolle einräumen. Gewöhnlich stellen wir die
handelnde, verursachende Person in den Vordergrund (aktive Handlungsrichtung), während
wir das Passiv in der Regel nur dann verwenden, wenn beispielsweise der Verursacher unwich-
tig oder unbekannt ist, in den Hintergrund gestellt oder verschwiegen werden soll. Da das
Passiv mit einem zusätzlichen Hilfsverb gebildet wird («werden» für das Vorgangspassiv, «sein»
im Zustandspassiv), wirkt es schwerfälliger als die aktive Form.
Aktiv Die Glarner Räte verurteilen Anna Göldin zum Tod durch das Schwert.
Passiv Anna Göldin wird von den Glarner Räten zum Tod durch das Schwert verurteilt.
Aufgabe 9
b) Übertragen Sie diese Sätze vom Aktiv ins Passiv bzw. vom Passiv ins Aktiv.
222 Verb
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Alfred Eschers Dampfmaschine des Kredits
MODUL 5
Es war ein Run, wie ihn Zürich zuvor noch nie gesehen hatte. Und dies machte die
15 Gründungsmitglieder der eben erst gegründeten Schweizerischen Kreditanstalt über
Nacht um 20000 Franken reicher. Das war, damals im Sommer 1856, ein hübscher Buch-
gewinn, für Normalsterbliche ein Vermögen …
Aufgabe 10
Wandeln Sie die folgenden Sätze aus der spannenden Gründungsgeschichte der
Schweizerischen Kreditanstalt vom Aktiv ins Passiv um und umgekehrt.
Ein solcher Run auf eine Bank war in der Schweiz noch nie gesehen worden.
«Man zeichnet ganz unsinnig Aktien», wurde dem Denker und Lenker der jungen Bank,
Alfred Escher, von J. J. Rütimann berichtet.
Die Millionen wurden nicht so sehr in die Kreditanstalt als vielmehr in eine Persönlichkeit
investiert, in der man den Kopf und Lenker des Liberalismus sah.
Escher hatte seine Bank aus einer wirtschaftlichen Notwendigkeit heraus gegründet; man
brauchte ein Kreditinstitut, das Grossprojekte wie den Eisenbahnbau finanzieren konnte.
Von ihm waren alle grossen Unternehmen geplant worden, durch welche die Industrialisie-
rung in der Schweiz vorangetrieben werden sollte.
Verb 223
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
5 Der Konjunktiv
Der Konjunktiv wird nicht nur verwendet, um Wünsche, bloss Vorgestelltes und Irreales auszu-
drücken («Möglichkeitsform»), sondern auch, um die indirekte Rede zu kennzeichnen. Da der
Konjunktiv also verschiedene Funktionen übernimmt und zudem unterschiedliche Formen
kennt, ist die Sache nicht ganz einfach. Die folgenden Übersichten helfen Ihnen weiter.
Konjunktiv II Der Konjunktiv II wird vom Präteritum • Er steht für bloss Vorgestelltes,
abgeleitet. Die Endungen sind dieselben Hypothetisches sowie in irrealen
wie beim Konjunktiv I: Wunsch- und Bedingungssätzen:
-e/-est/-e//-en/-et/-en Wenn sie nur endlich käme!
Beinahe hätte ich die Warnung übersehen.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Regelmässige Verben (ohne Ab- und • In der indirekten Rede ist er Ersatz für
Umlaute): Konjunktiv-I-Formen, die nicht als
sagte/sagtest/sagte//sagten/sagtet/sagten solche erkennbar sind:
Sie haben uns versichert,
Unregelmässige Verben (Ab- und Umlaute): sie hätten damals angerufen;
riefe/riefest/riefe//riefen/riefet/riefen sie riefen uns nochmals an;
a Õ ä, o Õ ö, u Õ ü: käme, löge, schlüge sie würden später anrufen.
Aufgabe 11
224 Verb
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 5
5.2 Der Konjunktiv in der indirekten Rede
Die indirekte Rede verlangt in der Hochsprache nach wie vor den Konjunktiv, und zwar
• den Konjunktiv I, wenn sich diese Form vom Präsens Indikativ unterscheidet;
• den Konjunktiv II als Ersatz für Konjunktiv-I-Formen, die mit dem Indikativ Präsens
übereinstimmen.
• Die «würde»-Form verwenden wir nur, wenn weder der erste noch der zweite Konjunk-
tiv im Textzusammenhang als Konjunktivformen ersichtlich oder aber die Konjunktiv-II-
Formen veraltet sind.
Aus diesem Wechsel der beiden Konjunktivformen resultiert der «gemischte Konjunktiv»:
Das merk i mir:
Konjunktiv I gemischter Konjunktiv Konjunktiv II 211–212
ich hoffe/gebe ich hoffte/gäbe 2 ich hoffte/gäbe
du hoffest/gebest du hoffest/gebest 1 du hofftest/gäbest
er/sie hoffe/gebe er/sie hoffe/gebe 1 er/sie hoffte/gäbe
wir hoffen/geben wir hofften/gäben 2 wir hofften/gäben
ihr hoffet/gebet ihr hoffet/gebet 1 ihr hofftet/gäbet
sie hoffen/geben sie hofften/gäben 2 sie hofften/gäben
Aufgabe 12
Bei den folgenden Verben unterscheiden sich nicht nur die Konjunktiv-I-Formen der 2. und Verb «sein»
3. Pers. Sg. und der 2. Pers. Pl. vom Präsens Indikativ, sondern …? 111–111
Aufgabe 13
Setzen Sie den folgenden Text in die indirekte Redeform, indem Sie den gemischten
Konjunktiv anwenden.
a) Zur Eröffnung des Gotthardtunnels schrieb der Schweizer Dichter Carl Spitteler,
wer aus dem finsteren Tunnel in neues Licht (taucht) –––––––––––––––– und in eine
andere Welt (vorstösst) ––––––––––––––––– , dem (jauchzt) –––––––––––––––––– das
Herz. Man (weiss) –––––––––––––––––– nicht recht, ob man sich in einem Tale oder
auf einer Hochebene (befindet) –––––––––––––––––– . Die Landschaft (spricht)
––––––––––––––––– für beides. Nur eine ganz neue Eigenschaft (fällt) ––––––––––––––––
sofort auf, das (ist) –––––––––––––––––– die Lichtfülle, die in alle Ecken (hineinzündet)
––––––––––––––––––––– . Der Himmel (strahlt) –––––––––––––––––– , die Luft (glänzt)
––––––––––––––––– , der Boden (blendet) ––––––––––––––––– . Und da die Menschen
Verb 225
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Augentiere und mithin lichtdurstig (sind) –––––––––––––– , (verspüren) –––––––––––––––
sie zunächst eine förmliche Überspanntheit. Sie (wollen) –––––––––––––––––––––– unter
keinen Umständen wieder nach Göschenen ins finstere Reusstal zurück.
Zeitrelationen
Auch in der indirekten Rede sind die zeitlichen Verhältnisse zu beachten. Hat sich die Hand-
lung, die indirekt wiedergegeben wird, bereits vor dem Ankündigungssatz abgespielt, müssen
wir diese Vorzeitigkeit mit dem zusammengesetzten Konjunktiv (haben/sein plus Partizip
Perfekt) ausdrücken:
In der indirekten Rede sind alle zeitlichen Relationen möglich, die wir aus Kapitel 3.2
kennen; die spezielle Kennzeichnung der Nachzeitigkeit ist allerdings selten:
226 Verb
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 5
Aufgabe 14
desto stärker wuchs die Opposition heran. Allen voran –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
wetterte der Berner Kleinbauernsohn Jakob Stämpfli gegen –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
den «Herren vom Belvoir». In Zürich formierten sich die Demo- –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
kraten, die den enthemmten Wirtschaftsliberalismus kritisierten –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
und mehr Volksrechte verlangten. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Schliesslich kam es zu Massenkundgebungen gegen Eschers –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Regime, sein Einfluss sank in Zürich und in Bern. Umso mehr –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
warf er sich in den Bau der Gotthardbahn. Als sich dort die –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
finanzielle Notlage zuspitzte, kam der Tag der Abrechnung. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Die Gegner forderten seinen Kopf. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Escher trat 1878 als Chef der Gotthardbahn zurück – tief ver- –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
bittert, denn das war eine erzwungene Bankrotterklärung all –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
dessen, was er verkörperte. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Zur Durchstichsfeier wurde er nicht geladen. Zur Eröffnung ––––––––––––––––––
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen –––––––––––––––––––––
und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
erhielt er zwar eine Einladung, war aber schon so krank, –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
dass er nicht teilnehmen konnte. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Er starb 1882, ohne durch «seinen Tunnel» gefahren zu sein. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Aufgabe 15
Übertragen Sie die kurze satirische Bemerkung zu Escher in die indirekte Rede.
Beachten Sie dabei die zeitlichen Verhältnisse.
Verb 227
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Modultest
1. Übertragen Sie den Schluss des Textes über Alfred Escher in die indirekte Redeform.
Notieren Sie die entsprechenden Konjunktivformen am Rand.
–––––––––––––––––––––––––––––––––––– 1 Escher war ein Mann des Fortschritts. Aber in der Politik
–––––––––––––––––––––––––––––––––––– lief seine Zeit allmählich ab. Ironie des Schicksals: Am Ende
–––––––––––––––––––––––––––––––––––– Zürich tat sich schwer mit dem Erbe des Übervaters.
–––––––––––––––––––––––––––––––––––– sie die Versetzung. Eschers Verdienste standen ausser Frage, aber
–––––––––––––––––––––––––––––––––––– den Platz im Herzen der Stadt gönnten sie ihm nicht.
–––––––––––––––––––––––––––––––––––– Epoche Grosses leistete und mit der Epoche unterging. Auf der
–––––––––––––––––––––––––––––––––––– kaum. So blickt er heute von seinem Sockel herab auf seine Werke,
–––––––––––––––––––––––––––––––––––– die sich gewandelt haben, auf eine Welt, die längst nicht mehr
–––––––––––––––––––––––––––––––––––– die seine ist – und erträgt den Undank mit eiserner Miene und
228 Verb
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2.
Erklären Sie, warum die Zürcher Escher gegenüber Hassliebe empfanden.
MODUL 5
3.
Was wird mit dem «neuen Gesslerhut» (Z. 13) bezeichnet, und worauf spielt dieser
Begriff an?
a) ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
b) ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
4. Formulieren Sie die Sätze um, indem Sie das Unterstrichene durch synonyme
Ausdrücke ersetzen.
a) Viele empfanden ihn als Anachronismus. (Z. 6)
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
b) Das bombastische Denkmal passte ihnen nicht. (Z. 11f.)
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
8. Kreuzen Sie an, was auf die folgenden Verben im Text zutrifft.
war lief ab blieb wollte erwogen standen gönnten haben ist
Z. 1 Z. 2 Z. 11 Z. 13 Z. 17 Z. 18 Z. 19 Z. 28 Z. 29
Vollverb
Hilfsverb
Modalverb
regelmässig
unregelmässig
transitiv
intransitiv
Verb 229
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
9. Übertragen Sie alle Teilsätze vom Aktiv ins Passiv – und umgekehrt. Behalten Sie
dabei Tempus und Modus bei.
a) Nicht nur Historiker halten Escher heute für den grössten Staatsmann, der von der Schweiz
je hervorgebracht worden ist.
b) Es wird von ihnen nicht übertrieben, wenn er als Begründer der modernen Schweiz
bezeichnet wird.
c) Man sagt, in bloss 15 Jahren habe er mit ungeheurer Macht, Energie und Konsequenz die
Basis für den Industrie-, Finanz- und Forschungsplatz Schweiz gelegt.
d) Zwar habe er in der Gründerzeit Grosses geleistet, doch von den neuen demokratischen
Kräften habe der «autoritäre Plutokrat» nicht länger geduldet werden können.
b) 1878 wurde Escher als Chef der Gotthardbahn zum Rücktritt gezwungen.
c)
Trotz des rapiden Sinkens seiner Wertschätzung reichte sie gerade noch für die
Errichtung des Denkmals beim Zürcher Hauptbahnhof.
d) Das hat sich nun mit den 150-Jahr-Feiern der von Escher gegründeten Institutionen völlig
geändert.
Muster
prüfung
Lösung
230 Verb
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 6
Nomen, Pronomen und Adjektiv
Lernziele
231
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1 Die deklinierbaren Wortarten
Die grammatische Gemeinsamkeit der Nomen, Pronomen und Adjektive ist die Deklinierbar-
keit: Mit den Flexionsendungen kennzeichnen nominale Gruppen ihre Position im Satz.
Das Nomen wird gewöhnlich mit einem Pronomen («Begleiter») verwendet und oft mit einem
Adjektiv näher bezeichnet; dabei sind die einzelnen Wörter in der Nominalgruppe nach
Geschlecht (Genus), Zahl (Numerus) und Fall (Kasus) aufeinander abgestimmt.
Aufgabe 1
Unterstreichen Sie die Nomen, Pronomen und Adjektive mit den entsprechenden
Farben (vgl. Modul 1, «Wortlehre und Wortschatz»), und geben Sie Genus, Numerus
und Kasus der Nominalgruppen an.
Mehrere hunderttausend Zuschauer waren dabei, als Polo «National» Hofer mit seiner
«Alpenrose» auf dem Siegerpodest landete: Die Sendung «Die grössten Schweizer Hits» war
im Herbst 2006 das Highlight des Schweizer Fernsehens. Seit einigen Wochen knüpft der
staatliche Sender an dieses Erfolgsrezept an. Helvetische Hits sind hip, die über den
SRF-Shop vertriebenen CDs «Heimat und Ohrwürmer» erweisen sich als Kassenschlager.
Die emotionale Identifikation mit der Schweiz scheint – nach den schweren Störungen ab
den 1990er-Jahren – wieder intakt zu sein. Das Zauberwort, das diese Wiederversöhnung
© 2023 mit
Verlagder
SKV Heimat ermöglicht,
AG: Fokus Sprache, heisst
Fokus Sprache BMSwissness.
mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2 Nomen
Nomen lassen sich formal einfach bestimmen: Sie haben ein festes grammatisches Geschlecht
(Genus), und sie werden nach Zahl (Numerus) und Fall (Kasus) dekliniert.
Die inhaltliche Bestimmung ist etwas heikler: Nomen benennen etwas, geben den Dingen im
weitesten Sinn einen Namen («Namenwort»), sie stehen für etwas, was Substanz hat (Substan-
tiv). Sie bezeichnen jedoch nicht nur Gegenständliches, sinnlich Wahrnehmbares (Konkreta),
sondern auch Nichtgegenständliches, Vorstellungen, Ideen … (Abstrakta).
2.1 Genus
Dinge haben kein biologisches Geschlecht (Sexus), wohl aber ihre Bezeichnungen ein gram
matisches (Genus): die Alpenrose, das Heideröschen, der Rosenduft. Abgesehen von einigen
Endungen (-chen, -heit, -ung …), ist das Genus auch nicht an der Form des Nomens ersicht-
lich. Es kann deshalb kleinere Schwierigkeiten bereiten, zumal bei vereinzelten Nomen – meist
regional bedingt – das Genus schwankt: die/das E-Mail, das/der Radio, das/der Taxi usw. Hinzu
kommt, dass gewisse Homonyme – je nach ihrer Bedeutung – unterschiedliche «Geschlechter»
(Genera) kennen: das Band/der Band, das Schild/der Schild (vgl. dazu auch Kap. 3, Pronomen,
bestimmter Artikel).
Bei Lebewesen stimmen biologisches und grammatisches Geschlecht nur bedingt überein: der
Freund/die Freundin, die Katze/der Kater, aber: der Mensch/die Person/das Mädchen. Während
früher die maskuline Form oft für beide Geschlechter stand (die Schüler = Schüler und Schüle-
rinnen), werden heute in diesem Fall geschlechtsneutrale Begriffe bevorzugt.
Setzen Sie für die Doppelformen (Schüler und Schülerinnen) heute gängige
geschlechtsneutrale Begriffe (die Schülerschaft, die Lernenden, die Klasse …).
Leser und Leserinnen –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Lehrer und Lehrerinnen –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
2.2 Numerus
Nomen bilden gewöhnlich zur Form in der Einzahl (Singular) eine Mehrzahl (Plural); nur
wenige kommen lediglich im Singular (die Milch, das Obst, der Käse …) oder nur im Plural vor
(die Eltern, die Ferien, die Leute …). Da das Deutsche sehr unterschiedliche Pluralformen
ausgebildet hat, finden sich in den Wörterbüchern die entsprechenden Angaben:
Woche, die; - , -n
Wie vielfältig die Pluralflexionszeichen sind, geht aus der folgenden Tabelle hervor.
Aufgabe 3
Geben Sie den Plural der folgenden Nomen an. Achten Sie bei den Fremdwörtern auf
die besonderen Pluralbildungen; schauen Sie im Zweifelsfall im Duden nach.
Aus der «Satzlehre» (Modul 3) wissen wir, dass nominale Satzglieder ihre syntaktische Position
mit den entsprechenden Fallendungen kennzeichnen. Der Kasus verdeutlicht also, ob eine
Nominalgruppe beispielsweise die Stelle des Subjekts, des Akkusativobjekts oder eines Genitiv
attributs einnimmt.
Kennformen Mensch, der; -en, -en Zeit, die; - , -en Land, das; -(e)s, Länder
N der Mensch die Zeit das Land
G des Menschen der Zeit des Land(e)s
D dem Menschen der Zeit dem Land(e)
A den Menschen die Zeit das Land
Gen. Sg. -en Gen. Sg. endungslos Gen. Sg. -(e)s
Õ auch Dat./Akk. -en Õ ganzer Sg. endungslos Õ weitere Formen i.Allg. endungslos
Aufgabe 4
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Ergänzen Sie (wenn nötig mit Hilfe des Duden).
Kennformen
Genitiv Singular Nominativ Plural
Armut –––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––
Holz –––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––
Mythos ––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––
Nationalismus –––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––
Reichtum – ––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––
Schmerz –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––
Zentrum –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––
Die meisten Fremdwörter mit den Endungen -ant (Lieferant, Protestant), -ent (Dirigent,
Referent), -graf (Biograf, Geograf), -ist (Tourist, Zivilist), -nom (Agronom, Ökonom), -soph
(Philosoph) usw. werden nach dem Typus «Mensch, -en, -en» gebeugt.
Fremdwörter auf -or (Autor, Rektor) werden gemischt dekliniert (im Genitiv Singular -s,
im ganzen Plural -en):
Direktor – –––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––
Namen und Titel kommen oftmals als Genitivattribute vor. Stehen die Namen ohne Begleiter,
wird der letzte Name gebeugt; Namen nach dekliniertem Pronomen bleiben jedoch unverän-
dert. Hingegen werden Titel oder Berufsbezeichnungen, die auf ein dekliniertes Pronomen
folgen, gewöhnlich gebeugt.
ein Name die Dramen Schillers die Gedichte der Droste
Annes Tagebuch die Werke des jungen Goethe
mehrere Namen die Romane Max Frischs die Werke der Else Lasker-Schüler
Ingeborg Bachmanns Lyrik die Balladen des Theodor Fontane
ein Titel der Entscheid des Direktors
Herr und Titel der Antrag des Herrn Präsidenten
ein Titel und Name Professor Einsteins Lehre das Mandat des Advokaten Lenz
zwei Titel und Name Frau Prof. Dr. Hubers Rede die Rede des Stadtrats Dr. Binder
Den Titel Dr./Doktor beuge ich nie, den Herrn dagegen immer:
das Schreiben des Dr. Fröhlich/des Herrn Fröhlich/des Herrn Doktor Fröhlich.
Den Apostroph setze ich, wenn nach -s, -x, -z das Genitiv -s entfällt:
Günter Grass’ «Blechtrommel», Marx’ Schriften, Siegfried Lenz’ Romane (für die Umschreibung
mit der Päposition «von»: die Romane von S. Lenz).
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe 5
Wir besprechen Eveline–––– Hasler–––– Roman «Anna Göldin», Heinrich–––– von Kleist–––
Erzählung «Michael Kohlhaas», F. Engels––– Schriften zur Literatur, Hans––– Kunz––––
«Mitternachtsgeschichten», den Lehrsatz des Pythagoras––– ...
Uns interessiert die Meinung d––– Rektor––– , d––– früher––– Bundesrätin––– , d–––
Advokat––– F. Buri––– , d––– Herzog––– von Sachsen, d––– Gräfin––– Lydia––– , d–––
Architekt––– Botta––– , d––– Verwaltungsratspräsident––– Kurt Honegger––– ...
Die Anwesenden warteten gespannt auf die Eröffnungsrede d––– Herr––– Minister––– , d–––
Frau––– Direktorin––– , d––– Herr––– Studienrat––– , d––– Frau––– Studienrätin––– , d–––
Herr––– Stadtpräsident––– Ledergerber––– . . .
Professor––– Dr. von Matt––– Vorlesung fällt heute aus. Wir stellen Ihnen Direktor–––
Huber––– Nachfolger vor. Alle stimmten Doktor––– Schönbächler––– Vorschlag zu.
Gut und gewandt schreiben, Vorgänge und Sachverhalte genau und anschaulich wiedergeben
setzt voraus, dass wir über eine möglichst breite Palette an Ausdrucksmitteln verfügen. Wir
wählen aus Synonymgruppen (Wortfeldern) den treffenden Begriff, verstärken mit einem Paar-
ausdruck die Aussage, veranschaulichen mit einem Sprachbild, einer Metapher etwa oder einer
stehenden Wendung.
Aufgabe 6
Aufgabe 7
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Geben
Persönliches Sievon
Exemplar zuLiza
diesen Begriffen
Basha, 8307 Effretikon je ein standard- und ein umgangssprachliches Synonym an.
standardsprachlich umgangssprachlich
Niemand wollte diese Attraktion verpassen. –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
Schnell fanden sich die Zuschauer ein. –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
Alle halten ihn für einen Schwächling. –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
Hast du kein bisschen Verstand?! –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
Dort herrscht nur Zwietracht. –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
Er hat stets Dummheiten im Kopf. –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
Aufgabe 8
Redewendungen bilden wir mit «Dingen», die uns nahestehen. So finden Sie gerade
mit Körperteilen im Duden (Band 9) beinahe seitenweise Wendungen.
Ergänzen Sie die Illustration mit weiteren Beispielen zu Kopf, Gesicht, Haare, Augen,
Nase, Mund, Arme, Hände, Rücken, Bauch, Beine, Füsse ...
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Pronomen übernehmen nicht nur inhaltlich wichtige Aufgaben. Da die Flexionsendungen der
Nomen sich im Laufe der Jahrhunderte abgeschwächt haben oder gar ganz verschwunden
sind, verdeutlichen die Endungen der Pronomen den grammatischen und damit den logischen
Zusammenhang von nominalen Gruppen im Satz.
Pronomen kommen sowohl in begleitender Funktion als auch stellvertretend vor:
Der/dieser/sein Song wurde ein Hit. – Er/der/es/das wird ein Hit.
Aufgrund ihrer besonderen Funktionen lassen sich die Pronomen darüber hinaus weiter
unterteilen.
Aufgabe 10
Nationale Ikonen auf Produkten sind heute populärer denn je. Bereits seit der Zwischen-
kriegszeit versah die Schweiz etliche ihrer Weltmarktexporte mit kleinen Armbrüsten und
Schweizer Kreuzen. Diese Herkunftszeichen sollten die Kundschaft auf die überlegene
Qualität der Swiss-Made-Produkte hinweisen. Sie standen für jene Werte, mit denen sich
die Schweiz stets in aller Bescheidenheit zu beschreiben pflegte: Fairness, Sauberkeit,
Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Stabilität, Natürlichkeit und kulturelle Vielfalt.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
DieExemplar
Persönliches zehn von
Pronomen in der
Liza Basha, 8307 Übersicht
Effretikon
–––––––––––– Werte zu verkörpern, –––––––––––– alle gerne haben Demonstrativ-/Relativpronomen
möchten – erst recht, wenn –––––––––––– Werte in Zeiten eines von Demonstrativpronomen
Krisen und Kriegen begleiteten globalen Umbruchs und –––––––––––– unbestimmter Artikel
ziemlich alt aus; –––––––––––– etablierten Bild der Schweiz haftete der bestimmter Artikel
Geruch von Langeweile an. Doch dann begann –––––––––––– neuer Wind unbestimmter Artikel
thal machte –––––––––––– letztes Jahr vor: Indem –––––––––––– als Personalpronomen/best. Artikel
Mister Schweiz 2005 bekannt gewordene Bündner Biobauer –––––––––––– unbestimmter Artikel
Die Wahl und die Deklination der Pronomen bereiten nicht allzu grosse Schwierigkeiten.
Unsicherheiten treten gelegentlich auf im Bereich des bestimmten Artikels («Geschlechtswort»
des Nomens: der/die Bank), der Relativpronomen (das/was; denen/deren/dessen), der Possessiv
pronomen (das Mädchen und ihr/sein Hund), der Demonstrativpronomen (Rechtschreibung
von «dieselben») oder der fälschlichen Auslassungen (mit meinem Bruder und Schwester).
Aufgabe 12
Setzen Sie die Relativpronomen der/die/das bzw. wer/was in der richtigen Form ein.
Das ist eine Sendung, ––––––––––– du nicht verpassen solltest, von ––––––––––– alle
begeistert sind, ––––––––––– Wirkung nicht zu unterschätzen ist.
Das ist ein Film, ––––––––––– unter die Haut geht, ––––––––––– man gesehen haben muss,
von ––––––––––– alle reden, ––––––––––– Qualitäten unbestritten sind.
Das sind Produkte, ––––––––––– den Markt erobert haben, von –––––––––– alle schwärmen,
––––––––––– Preise jedoch viel zu hoch sind.
Die Sendung über Modetrends brachte nichts, ––––––––––– zu sehen sich gelohnt hätte.
Es gibt nichts, ––––––––––– sich die Veranstalter rühmen könnten.
Das ist das Beste, ––––––––––– du tun konntest.
Das ist das schönste Lied, ––––––––––– sie je gesungen hat, ––––––––––– Melodie zum
Träumen verführt.
Ist das alles, ––––––––––– er zu bieten hatte?
Das laute Pfeifen, ––––––––––– mich geweckt hatte, liess erst nach einer Stunde nach.
––––––––––– das geschrieben hat, sollte am Literaturwettbewerb teilnehmen.
Es passiert hier vieles, ––––––––––– ich nicht verstehe.
Aufgabe 14
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Verbessern Sie die falschen und unschönen Pronomen.
Sie verlangen das selbe, das wir schon vor Jahren gefordert haben.
Das ist einer der schönsten Songs, der in Gampel am Open-Air-Festival zu hören war.
Die selbe Band hat schon in Murten gespielt.
Die Mutter und Kinder sind in die Türkei zurückgekehrt.
Schämt ihr euch nicht euren Taten?
Diese Anschuldigungen spotten unserer.
Ein solches Lob freut einem.
Er beobachtete das Mädchen, wie sie einen Lippenstift in ihre Tasche steckte.
Macht euch wegen mir keine Umstände!
Wir bedürfen eure Hilfe.
Die deutsche und französische Regierung haben das Abkommen ratifiziert.
Sie haben gegen unser Wissen und Willen gehandelt.
Das ist eines der besten Bücher, das ich gelesen habe.
Derjenige, welcher noch eine Frage hat, soll sich doch melden.
Das ist das Letzte, das ich mir vorwerfen müsste.
MODUL 6
Adjektive kennen neben der Deklination noch eine zweite Formveränderung: die Komparation
(«Steigerung»). Auch inhaltlich leisten sie zweierlei: Sie beschreiben eine Sache genauer,
schmücken diese aus, können andrerseits eine Sache werten, ein Werturteil des «Senders»
ausdrücken. Deshalb spielen Adjektive auch in stilistischer Hinsicht eine wichtige Rolle.
Adjektive lassen sich im Satz unterschiedlich verwenden: als Attribute zu Nomen, prädikativ in
Verbindung mit den Verben «sein» und «werden» und adverbial zusammen mit Verben oder
Adjektiven:
attributiver Gebrauch Das war der erfolgreichste Song. 1
Adjektiv-Attribut zum Nomen: dekliniert s
Aufgabe 15
Heben Sie die Adjektive hervor, und geben Sie am Rand die Gebrauchsweise (1–4) an.
* Auferstehung feiern
Attributiv verwendete Adjektive richten sich in Genus, Numerus und Kasus nach dem Nomen.
Dabei sind die schwache und die starke Deklination zu unterscheiden.
Schwache Adjektivdeklination
Das Adjektiv wird schwach dekliniert, wenn ein Pronomen vorausgeht, das mit seiner Endung
den Fall bereits anzeigt (der/die/das, dieser/-e/-es, jener/-e/-es usw.), ebenso nach alle, beide,
keine und vorwiegend nach manche, sämtliche.
Starke Adjektivdeklination
Das Adjektiv wird stark dekliniert, wenn ein fallbestimmendes Pronomen fehlt. Ebenso nach
den endungslosen Pronomen manch, solch, welch sowie nach andere, einige, etliche, mehrere,
viel/-e, verschiedene, wenig/-e.
Singular erfolgreicher Film erfolgreiche Sendung erfolgreiches Buch
erfolgreichen Films erfolgreicher Sendung erfolgreichen Buchs
erfolgreichem Film erfolgreicher Sendung erfolgreichem Buch
erfolgreichen Film erfolgreiche Sendung erfolgreiches Buch
Plural erfolgreiche Filme erfolgreiche Sendungen erfolgreiche Bücher
© 2023 erfolgreicher
Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM
Filme mit digitalen Lösungen
erfolgreicher und Kommentar für erfolgreicher
Sendungen Lehrpersonen
Bücher
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
erfolgreichen Filmen erfolgreichen Sendungen erfolgreichen Büchern
erfolgreiche Filme erfolgreiche Sendungen erfolgreiche Bücher
Die starken Adjektivendungen stimmen (ausser bei den Maskulina und Neutra im Genitiv
Singular) mit den Endungen des deklinierten Pronomens dieser/diese/dieses überein.
Aufgabe 16
Ergänzen Sie die Endungen, und geben Sie an, ob es sich dabei um die starke (st) oder
schwache (sw) Adjektivdeklination handelt.
Den Komparativ bilden wir mit der Endung -er, den Superlativ mit -(e)st. Von wenigen
Ausnahmen abgesehen, ist die Bildung dieser Formen regelmässig.
erfolgreiche junge alte hohe gute Positiv
erfolgreichere jüngere ältere höhere bessere Komparativ
erfolgreichste jüngste älteste höchste beste Superlativ
Film Sängerin Brauch Sieg Gefühl
Sonderfälle
Im Unterschied zum Schweizerdeutschen bilden im Hochdeutschen nur einige wenige
Adjektive umgelautete Komparationsformen:
a Þ ä: alt, arg, arm, hart, kalt, krank, lang, nah, scharf, schwach, schwarz, stark, warm
o Þ ö: grob, gross, hoch; gewöhnlich auch fromm/frömmer, rot/röter
u Þ ü: dumm, jung, klug, kurz; gewöhnlich auch gesund/gesünder
(Seltener kommen auch mit Umlaut vor: bang, blass, glatt, karg, nass, schmal; krumm)
Bewahren die einzelnen Wortteile ihre Eigenbedeutung, so steigern wir den ersten
Wortteil:
das gut besuchte (gutbesuchte)/besser besuchte/bestbesuchte Konzert …
Bei einigen wenigen Adjektivfügungen ist die Zugehörigkeit zu den zwei Grundtypen
nicht eindeutig; der Duden lässt daher beide Interpretationen zu:
der schwerwiegende/schwerwiegendere/schwerwiegendste Fehler oder
der schwer wiegende/schwerer wiegende/schwerstwiegende Fehler.
Auf keinen Fall dürfen beide Teile gesteigert werden: der schwerstwiegendste Fehler.
Schlagen Sie bei Unsicherheiten im Duden nach. Sie finden alle Komparationsformen
aufgeführt, die von der regelmässigen Bildung abweichen.
Aufgabe 17
Aufgabe 19
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe 20
Bilden Sie die richtigen Komparationsformen, und setzen Sie falls nötig die fehlenden
Vergleichswörter («als» oder «wie») ein.
Aufgabe 21
Adjektive lassen sich auch durch die Wortzusammensetzung verstärken. Ergänzen Sie,
entsprechend dem Muster «schneeweisse Viertausender», die folgenden Beispiele.
MODUL 6
das ist ––––––––––––falsch eine
––––––––––––klare Nacht
er verschwand ––––––––––––schnell ein ––––––––––––billiges Kleid
Aufgabe 22
Lesen Sie den Schluss des Modultextes über die Swissness, und lösen Sie die gemisch-
ten Aufgaben: Setzen Sie die verlangten Nomen, Pronomen und Adjektive in der
richtigen Form in die Lücken ein.
Das 21. Jahrhundert kündigte ––––––––––– in der Schweiz mit einer para- Reflexivpronomen
doxen Gleichzeitigkeit an: dem traumatischen ––––––––––––––––––– der englisch für Landung
Swissair und dem ––––––––––––––––––– Takeoff der Swissness. Damals Synonym für schwungvoll
geriet die fliegende National-––––––––––– der Schweiz ins Stottern, und Fremdwort für Lobgesang
als der ––––––––––––––––––– und als sehr zuverlässig geltenden Airline im deutsch für renommiert
Herbst 2001 plötzlich der Treibstoff ausging, war das für–––––––––––– Indefinitpronomen
ein –––––––––––––––––. Die auf den Rollpisten blockierten Flugzeuge mit Synonym für Erschütterung
dem Schweizer Kreuz hinterliessen in der ––––––––––––––––––– Bericht- Adjektiv: auf der ganzen Welt
erstattung einen ––––––––––––––––––– Eindruck. Gegenläufig dazu flauten Synonym für kläglich
die Debatten über «nachrichtenlose ––––––––––––––––» und «Nazi-Gold» fester Begriff (Gelder)
ab, die Schweiz sorgte wieder für ––––––––––––– Schlagzeilen. Fremdwort für gut
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Wohin die Reise mit Swissness
Persönliches führt,
Exemplar wird
von Liza –––––––––––––
Basha, 8307 Effretikon , wenn wir Synonym für klar
nochmals –––––––––––– Blick auf das fliegende Schweizer Kreuz werfen. unbestimmter Artikel
Dieses ist nämlich mit dem Swiss-Verkauf –––––––––––– heimlich der Wortteil zur Verstärkung
der mit «Campari Soda» von Taxi, –––––––––– Schweizer Pophit aus den unbestimmter Artikel
80er-Jahren, unterlegt ist, lässt auch schweizerische Herzen –––––––––––– Komparativ von hoch
fliegen: «So viel Swissness in so wenig Zeit ist ––––––––––––––––––– . Synonym für erstaunlich
Noch dazu untermalt mit einem der –––––––––––– Songs der Schweizer Superlativ von kultig
Musikgeschichte, find ich einfach ––––––––––––», schreibt ein Blogger. ugs. Wendung (grossartig)
In dem Spot singen––––––––– , Jung und Alt, den Ohrwurm mit, schliess- Indefinitpronomen
lich schwebt ein Flugzeug über den –––––––––––– , und es erscheint der feuchte Gebilde am Himmel
Schriftzug «Fliegen – Swiss Made». Dann wird das ––––––––––––––––––– unsere Landesfarben
Firmenlogo eingeblendet, und eine –––––––––––– Stimme sagt: «In weiter Antonym zu brutal
Ferne – und doch ––––––––––––––––––– zu Hause.» Und wir wissen einmal Synonym für ein wenig
mehr: Die Destination der Schweiz liegt im –––––––––––– – da nämlich, Antonym zu Inland
wo schon immer die wichtigsten ––––––––––––––––––– , die das Land Fremdwort für Neuerungen
weiterbrachten, herkamen.
Überfliegen Sie zuerst die einzelnen Abschnitte, bevor Sie die Aufgaben dazu lösen.
Personalpronomen 1 Viele haben –––––––––––– damals als Jugendliche nur allzu gern missverstanden,
Demonstrativpronomen Dennis Hoppers Kultfilm «Easy Rider» aus dem Jahre 1969, –––––––––––– bitter-
Genitiv von zwei böse Geschichte über den Versuch –––––––––––– Hippies, mit dem Motorrad
bestimmter Artikel –––––––––––– verordneten Leben zu entfliehen und die grenzenlose Freiheit zu
unbestimmter Artikel 5 suchen, –––––––––––– Leben ohne Normen, Zwänge und Gewalt zu leben. Dass
Zahlpronomen der –––––––––––– der beiden von einem wild gewordenen Bürger aus einem
fahrenden Auto heraus erschossen wird, nachdem bereits der versoffene Rechts-
Reflexivpronomen anwalt, der ––––––––––––– den beiden angeschlossen hat, von biederen Spies-
unbestimmter Artikel sern erschlagen worden ist, dass der andere sich schliesslich in ––––––––––––
Demonstrativpronomen 10 Racheakt selber mittötet, ––––––––––––– wollten die meisten damals nicht so
recht sehen und schon gar nicht als pessimistische Zukunftsahnung verstehen.
2. Setzen Sie die gesuchten Pronomen bzw. Nomen ein (wenn nötig mit dem Artikel).
deutsch für Rebellion Achtundsechzig war gerade gewesen. ––––––––––––––––––––––– der neuen
Synonym für Strömung, Linken und der antiautoritären ––––––––––––––––––––––– , –––––––––––– von
Relativpronomen © 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Exemplar
Persönliches Berkeley
von ausgehend
Liza Basha, 8307Paris und
Effretikon Berlin, aber auch Zürich erfasst hatte, war zwar
Possessivpronomen 15 niedergeknüppelt worden, hatte aber –––––––––––– Wirkung in den Köpfen der
weder Kinder noch –––––––––––––––––––––– durchaus hinterlassen. Woodstock, Bob Dylans «Blowin’
Erwachsene
in the Wind», «I Can Get No Satisfaction» der Rolling Stones und Janis Joplins
Antonym zu Tod «Freedom’s just another word for nothing left to loose» prägten das –––––––––––– -
Fremdwort für gefühl einer neuen Generation, die nach dem ––––––––––––––––––––– «Live fast,
Leitspruch
20 love hard, die young» zu leben versuchte.
Antonym zu öffentlich Motivation für das politische wie ––––––––––––––––––– Handeln war letztlich
Fremdwort für ––––––––––––––––––––––––– einer gerechten, befriedeten Gesellschaft ohne
nur ein Traum
Pronominaladverb Ausbeutung, Unterdrückung und Gewalt. –––––––––––– leiteten sich so ver-
Nomen zu solidarisch schiedene Dinge ab wie ––––––––––––––––––––––––––– mit dem Vietcong im
Entwicklungsländer 25 Vietnamkrieg, mit den Befreiungsbewegungen der –––––––––––––––––––––––––
Fremdwort für und der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung sowie ––––––––––––––––––––
Versuche
Possessivpronomen mit neuen Formen des Zusammenlebens. Die Studenten hatten ––––––––––––
Synonym für Zuversicht Strassenschlachten verloren, aber noch nicht ––––––––––––––––––––––––––– .
Dass Geschichte machbar und Mündigkeit irreversibel sei, gehörte ebenso zum
Antonym zu klar 30 Glaubensbestand wie ein etwas –––––––––––––––––––– Vertrauen in den techni-
Fremdwort schen wie –––––––––––––––––––––– Fortschritt.
für gesellschaftlich
MODUL 6
Immerhin gab es ein Jahr nach dem Ende des Prager Frühling eine ganze Reihe positiver
Signale: Die Schweden hatten Olof Palme, ein junger sozialdemokratischer Hoffnungs-
träger, in die Regierung gewählt, und in der Bundesregierung machte Willy Brandt, der
35 bereits als Aussenminister die Entspannungspolitik gegenüber den Länder Osteuropas
eingeleitet hatte, als neugewählten Bundeskanzler mit dem Motto «Mehr Demokratie
wagen» ein hoffnungsvoller Neuanfang. Und im Vietnamkrieg begann nach weltweiten
Demonstrationen und dem Bekanntwerden des Massaker von My Lai die Wende: Präsi-
dent Nixon kündigte den Abzug der amerikanischen Truppen an.
40 Und dennoch: Wer genauer hinsah, hatte mindestens ebenso viele Gründe zu schwärzes
tem Pesimismus. Die Zahl der schweren Kriege und Kriesen ist erschreckend. Erwähnt
seien dabei vor allem der Kuba Konflikt, die gravierenden Zwischenfälle an der chine-
sisch-sowjetischen Grenze, der anhalltende Kleinkrieg im Nahen Osten, die Massacker
und Hungersnöte in Biafra mit 1,5 Milionen Opfern, der verherende Bürgerkrieg in
45 Sudan, der Befreiungskrieg in Angola usw.
1969 – das Jahr der Mondlandung – war «ein ereignissreiches Jahr», schrieb der «Tages-
Anzeiger» in seinem Jahresrückblick, «doch auf drei Gebieten versagte die Menschheit
kläglich: Hunger, Krieg und Unterdrückung.»
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Wer kennt «Easy Rider», d––––– Kultfilm aus d––––– spät––––– Sechziger–––––?
50 Das ist der berühmteste Film Dennis Hoppers, ein–––– amerikanisch–––– Regisseur–––– .
Auf ihr–––– Motorräder–––– wollen die beiden Hippies d–––– verordnet–––– Leben ent-
fliehen. Ihr–––– Versuch, die Fesseln gesellschaftlich–––– Normen zu sprengen, müssen
sie schliesslich mit dem Leben bezahlen. Dies–––– Schluss wollten viele Jugendlich––––
nicht verstehen. Die pessimistische Zukunftsahnung wurde von viel–––– Zuschauer––––
55 verdrängt.
Sie führen ein geordnetes Leben. Sie wollten aus dem verordneten Leben ausbrechen (Z. 4).
geordnet: ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
verordnet: –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
8. Was bedeutet «bieder», was «Spiesser»? Was meinen Sie also zur Verbindung
«biedere Spiesser» (Z. 8f.)?
9. Formulieren Sie den Inhalt der folgenden Aussage (Z. 29f.) in eigenen Worten.
Zumindest die unterstrichenen Wörter müssen ersetzt werden.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
«Dass Geschichte machbar und Mündigkeit irreversibel sei, gehörte zu ihrem Glaubens-
stand.»
0. Formen Sie die unterstrichenen Satzteile in Nebensätze um. Schreiben Sie die Sätze
1
vollständig hin.
Der von Nixon im Hinblick auf die Präsidentenwahl 1968 angekündigte Truppenabzug
erfolgte allerdings erst im Jahre 1973.
Lösung
Lernziele
249
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1 Zur Funktion der Partikeln
Partikeln – auf der Primarschulstufe auch als «Restgruppe» bezeichnet – lassen sich formal
einfach bestimmen: Sie sind weder konjugierbar noch deklinierbar (vgl. Modul 1). Sie überneh-
men in Texten jedoch eine Reihe wichtiger Funktionen: Sie dienen einerseits dazu, logische
und grammatische Beziehungen differenziert auszudrücken, andrerseits präzisieren sie die
Umstände, unter denen sich Handlungen abspielen. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Funk-
tionen lassen sie sich in Präpositionen («Verhältniswörter»), Konjunktionen («Bindewörter»),
Adverbien («Umstandswörter») und Interjektionen («Empfindungswörter») unterteilen.
Aufgabe 1
Heben Sie in diesem Textausschnitt über den «Glücksfall Schweiz» die Präpositionen,
Konjunktionen und Adverbien mit verschiedenen Farben hervor.
Notieren Sie in den Kästchen unten je zwei, drei Beispiele, und leiten Sie davon die
Hauptfunktionen dieser drei Wortarten ab.
Die Katastrophen des 19. und 20. Jahrhunderts zogen an der Schweiz vorbei, als sei sie
nicht von dieser Welt. Politisch überaus stabil seit 1848, sozial weitgehend befriedet seit
dem Generalstreik 1918, verschont von zwei Weltkriegen – die Schweiz hat also wenig
Grund zur Klage. Warum blieben ihr die Verwerfungen der Geschichte erspart? Handelte
sie besonders klug, half jeweils der Zufall, oder waltet ein gütiges Schicksal über dem aus-
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
erwählten
Persönliches Volk?
Exemplar von Die 8307
Liza Basha, Geschichte
Effretikon der Schweiz, die scheinbar so bruchlos verlief, verleitet
leicht zu einer verklärten Sicht.
Präpositionen Beispiele:
Funktion:
Konjunktionen Beispiele:
Funktion:
Adverbien Beispiele:
Funktion:
250 Partikeln
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 7
Aufgabe 2
Der Prototyp des Glücksfalls ist, –––––––––––––– die Schweiz im Zweiten Welt- Konjunktion
krieg –––––––––––––– angegriffen wurde. General Guisan legte das Deutungs- Adverb
muster «Glücksfall» schon früh bereit, nämlich ––––––––––––– Tagesbefehl vom Präposition
8. Mai 1945: «Nach ––––––––––––– sechs Jahren Krieg wurde in Europa der Be- Adverb
fehl ––––––––––––– Einstellung des Feuers gegeben. Die Armee hat ihre Haupt- Präposition
aufgabe, ––––––––––––– der sie im Herbst 1939 betraut wurde, erfüllt. Soldaten, wir Präposition
wollen –––––––––––––vor allem dem Allmächtigen danken, dass unser Land von Adverb
den Schrecken des Krieges so gut ––––––––––––– verschont blieb. Eine wunderbare Konjunktion
göttliche Fügung hat unsere Heimat unversehrt gelassen. Unsere Armee war und ist
unser Schutz ––––––––––––– Schirm.» Konjunktion
Das heisst: Die Schweiz überlebte unversehrt – ––––––––––––– der Armee und Präposition
––––––––––––– dem Allmächtigen. Dies traf die Gefühlslage der Zeitgenossen, Präposition
die das Ende der Gefahr ––––––––––––– Erlösung empfanden. Und die Rede Konjunktion
––––––––––––– der göttlichen Fügung enthob das Land der unangenehmen Selbst- Präposition
befragung. Man war davongekommen, ohne Schuld ––––––––––––– sich geladen Präposition
zu haben. Diese Sicht hielt sich lange, ––––––––––––– sie passte ins ideologische Konjunktion
Schema des Kalten Krieges. Wer wie Max Frisch ––––––––––––– «Dienstbüchlein» Präposition
Schweiz habe «einfach Glück gehabt». ––––––––––––– Anfang der 70er-Jahre ver- Adverb
mied es die Forschung, der Frage ––––––––––––– den Grund zu gehen. Nur lang- Präposition
sam kam es ––––––––––––– einer Hinterfragung des «Glücksfalls», unter anderem Präposition
––––––––––––– die Historiker Jakob Tanner und Markus Heiniger. Beide stuften Präposition
den militärischen Anteil zurück ––––––––––––– hoben die wirtschaftliche Koope- Konjunktion
Aufgabe 3
Setzen Sie in diesen Sätzen Adverbien (keine Adjektive!) mit der angeführten Wirkung
ein. Suchen Sie möglichst verschiedene Lösungen.
verstärkend, relativierend, verneinend,
betonend abschwächend ausschliessend
Partikeln 251
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2 Die Partikeln in der Übersicht
Präpositionen verknüpfen Teile des Satzes miteinander und stellen vorwiegend lokale, tempo-
rale, modale und kausale Verhältnisse her.
Sie bestimmen den Fall der Nominalgruppen, denen sie vorangestellt (selten nachgestellt) sind:
mit Akkusativ: bis, durch, bis nächsten Sommer, für den General,
für, gegen, ohne ... gegen den Krieg, ohne grossen Erfolg
mit Dativ: aus, bei, mit, aus unserem Land, mit grossem Erfolg,
nach, seit, von, zuliebe ... nach dem Sieg, der Schweiz zuliebe
mit Genitiv: ausserhalb, ausserhalb des Landes, statt eines Befehls,
statt, während, wegen ... während mehrerer Jahre, wegen des Sturms
Verschiedene Präpositionen verlangen den Akkusativ oder den Dativ, je nachdem, ob sie die
Richtung (wohin?) oder die Lage (wo?) angeben:
Sie gehen auf den Turm/in den Turm/hinter den Turm ...
Sie sind auf dem Turm/im Turm/hinter dem Turm ...
Die Präpositionen dank und trotz kommen mit Dativ und mit Genitiv vor:
© 2023 dank
Verlag SKV
demAG:grossen
Fokus Sprache, Fokus
Erfolg Sprache BM meist
(Singular: mit digitalen Lösungen
Dativ), dank undder
Kommentar
grossenfür Erfolge
Lehrpersonen
eher Genitiv); (Plural:
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
trotz des Krieges (Singular: meist Genitiv), trotz vielen Hinweisen (Plural: eher Dativ) ...
Die Präpositionen statt, während, wegen verlangen hochsprachlich den Genitiv. Als Ersatz
steht der Dativ, wenn weder Pronomen noch Adjektive vorhanden sind, die den Genitiv kenn-
zeichnen könnten (während Jahren, während sechs Jahren ...). Im Übrigen gilt der Dativ nach
diesen Präpositionen als umgangssprachlich bzw. süddeutsch/schweizerisch.
Konjunktionen verbinden Wörter, Satzteile und (Teil-)Sätze miteinander. Sie verbinden Gleich
rangiges (beiordnende, koordinierende Konjunktionen) oder leiten Nebensätze ein (unterord-
nende, subordinierende Konjunktionen) und drücken verschiedene logische Beziehungen aus.
Koordinierende Konjunktionen
anreihend (kopulativ) Gefühl und/sowie/wie Verstand, sowohl
Gefühl als auch Verstand, weder – noch
ausschliessend (disjunktiv) Glück oder Unglück; entweder – oder
entgegensetzend (adversativ) doch/aber/jedoch heute ist das anders;
sondern, statt, zwar ...
begründend (kausal) denn die Alliierten rückten vor
vergleichend so reich wie wir, glücklicher als wir
252 Partikeln
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 7
Subordinierende Konjunktionen
zeitlich (temporal) als/bevor/bis/sobald/während die Alliierten
vorrückten; nachdem sie vorgerückt waren
Art und Weise (modal) indem/ohne dass gestreikt wird, als ob, wie
begründend (kausal) weil/da die Schweiz verschont blieb
bedingend (konditional) wenn/falls gestreikt wird
einräumend (konzessiv) obwohl/obschon gestreikt wurde
entgegensetzend (adversativ) während wir schuften, faulenzen sie
Absicht, Zweck (final) damit/sodass der Frieden bewahrt wird;
um den Frieden zu bewahren
2.3 Das Adverb
Adverbien bezeichnen einerseits die lokalen (Ort), temporalen (Zeit), modalen (Art und Weise)
und kausalen (Grund) Umstände eines Geschehens genauer.
Sie können sich anderseits auf Nomen, Adjektive und Adverbien beziehen und diese näher
bestimmen:
Die Leute hier hatten Glück. Sie hatten sehr grosses Glück. Sie wussten es schon damals.
Frageadverb Wo/wann
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BMhielt er dieLösungen
mit digitalen Rede? und Kommentar für Lehrpersonen
Relativadverb der Fabrik, wo sie gearbeitet hat, wird
InEffretikon
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307
gestreikt.
Pronominal-/Präpositionaladverb Worauf wartest du? Ich denke nicht daran.
Interjektionen sind eigenständige Wörter und Laute. Sie kommen vor allem in der gesproche-
nen Sprache, aber auch in der Comic-Literatur vor und drücken unterschiedliche Gefühle,
Empfindungen aus.
Partikeln 253
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe 4
Aufgabe 5
–––––––––––– Jakob Tanner, d––––– berühmt––––– Schweizer Historiker, stammt der Satz:
«Man kann auch Glück haben, ––––––––––– man es gar nicht merkt, –––––––––––– es einen
trifft.»
Dass Frankreich die Schweiz ––––––––––– d––––– Jahr––––– 1798/99 besetzt hatte, nahmen
die Zeitgenossen kaum ––––––––––– ein––––– Glücksfall wahr; auch nicht, dass ihnen
Napoleon 1803 die Mediation diktierte. Dies erwies sich später jedoch –––––––––– reich––––
© 2023 Segen.
Verlag SKVNicht nur,Sprache, Fokus SpracheBonaparte
AG: Fokus
––––––––––– BM mit digitalendie
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Schweiz
Lösungen
––––––––––– neutral–––––
und Kommentar für Lehrpersonen Zone um
die Alpenpässe bestehen liess, ––––––––––– auch, weil er ––––––––––– d––––– Mediations-
verfassung die zentralistische Helvetik beendete und ein Gefüge gleichberechtigter Kantone
etablierte.
Im Einmarsch der Franzosen, dies––––– wichtig––––– Voraussetzung für den Bundes-
staat, kann man ––––––––––– Nachhinein also einen Glücksfall sehen – ebenso wie
––––––––––– Alfred Escher, d––––– unheimlich––––– Machtmensch––––– seiner Zeit, der
––––––––––– Bahn, Kreditanstalt und ETH die wichtigen Strukturen ––––––––––– d–––––
Industrie-, Finanz- und Forschungsplatz Schweiz aufgebaut hat.
Die Umwertung historischer Ereignisse ––––––––––– später––––– Generationen ist allerdings
zweischneidig, wie immer, ––––––––––– etablierte Sichtweisen erschüttert werden.
Aufgabe 6
Dank der politischen Stabilität der Schweiz seit 1848 haben wir wenig Grund zur Klage.
254 Partikeln
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Nach der Niederschlagung des Generalstreiks 1918 durch die Armee setzten die Parteien
MODUL 7
auf die sozialpolitische Kompromissbereitschaft.
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im September 1939 wurde die Schweizer Armee
unverzüglich mobilisiert.
Gemäss einer Notiz General Guisans im Tagesbefehl vom 8. Mai 1945 hatte die Schweizer
Armee ihre Aufgabe im Zweiten Weltkrieg erfüllt.
Mit der Verklärung der Schweiz als «Glücksfall» kann man leicht blind für die Realität werden.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Laut neueren historischen Forschungsergebnissen spielten neben der Armee noch weitere Fak-
toren eine wichtige Rolle.
Wegen der wirtschaftlichen Kooperation der Schweiz mit Deutschland wurde ein «Anschluss»
ans Dritte Reich hinausgeschoben.
Dank der rechtzeitigen Befreiung des Kontinents durch die Alliierten blieb die Schweiz
verschont.
Partikeln 255
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Modultest
Lesen Sie den Text aufmerksam durch, und lösen Sie die Aufgaben dazu.
1. Setzen Sie im mittleren Teil die fehlenden Präpositionen und Konjunktionen ein.
1 Selbst grosse Historiker wie Edgar Bonjour prägten die Formel, die Schweiz habe «ein-
fach Glück gehabt». Bis in die 70er-Jahre vermied es die Forschung, dieser Einschätzung
auf den Grund zu gehen. Erst jetzt wurde der «Glücksfall» allmählich hinterfragt, unter
anderem von den Historikern Jakob Tanner und Markus Heiniger. Beide stuften den
5 militärischen Anteil zurück und hoben die wirtschaftliche Kooperation der Schweiz mit
Nazi-Deutschland hervor.
Inzwischen hat auch die Bergier-Kommission ein ganzes Bündel ––––––––––– Faktoren
ausgebreitet, die ––––––––––– Verschonung geführt hatten. Die Sicht der Armee
––––––––––– alleinige Retterin ist nicht mehr haltbar, und Gottes Beitrag verflüchtigt
10 sich. Tanner sagt heute, ––––––––––– durchaus Glück ––––––––––– Spiel war, aber er
bürstet es ––––––––––– den Strich: «Führt man Glück als Faktor ein, so kann man das
––––––––––– göttliche Vorsehung beziehen oder mit dem viel prosaischeren Sachverhalt
––––––––––– Verbindung bringen, dass die Schweiz strategisch im ‹toten Winkel› lag
und der durchaus beabsichtigte Anschluss ans Dritte Reich von der Kriegsführung der
15 Alliierten durchkreuzt wurde – sodass die Schweiz einfach Glück hatte, ––––––––––– die
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Alliierten den Kontinent rechtzeitig befreiten.»
Nach ––––––––––– vor prägt die Idee des Glücksfalls das Selbstbild der Schweiz – meist
in der Form des «Glücks der Tüchtigen». Da stammt ––––––––––– dem 18. Jahrhundert
das Bild der Alpeninsel, ––––––––––– unverdorbene Menschen tugendhaft und edel nahe
20 am glücklichen Urzustand leben. Da ist die im 19. Jahrhundert aufgewertete Gründungs-
mythologie mit Tell und den Schwurbrüdern. Und da ist ––––––––––– modernerer Form
die Vorstellung –––––––––– «Sonderfall Schweiz», entstanden als liberale Kleinrepublik
mitten ––––––––––– reaktionären Europa, sich tapfer behauptend –––––––––– alle Fähr-
nisse, unschuldig, neutral, urdemokratisch und deshalb –––––––––– Recht vom Schicksal
25 belohnt.
Die Kehrseite: Wer sich selbst so glücklich schätzt und das noch als eigenes Verdienst
empfindet, sieht die andern als Unglückliche, unterstellt ihnen Neid und sieht, was
ringsum geschieht, in erster Linie als Bedrohung. Man wähnt sich auf der Insel der
Glückseligen und zieht sich von der Welt zurück. Folgerichtig hielt sich die Schweiz
30 lange von der UNO fern. Folgerichtig beobachtet sie die EU mit Misstrauen. Europa ist
aus Schmerz geboren. Das Unglück des Weltkriegs lehrte die Nationen, dass sie ihr
Glück in der Kooperation suchen müssen. Die kollektive Erfahrung von Leid ist der Ur-
sprung der EU, ein Projekt, das zuallererst der Friedenssicherung dient. Die Schweiz hat
256 Partikeln
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
eine grundlegend andere Erfahrung: Indem sie das Glück hatte, verschont worden zu
MODUL 7
35 sein, wurde sie um die Leiderfahrung gebracht. Sie redet sich ein, sie sei für ihr Glück
nicht auf andere angewiesen; es lasse sich vielmehr bewahren, indem man sich draussen
halte. Die Frage ist nur, ob es in der heutigen Welt drinnen und draussen noch gibt.
2. Sind die folgenden Aussagen gemäss Text richtig oder falsch? Kreuzen Sie an:
richtig falsch
a) Erst rund drei Jahrzehnte nach Kriegsende begannen Historiker,
die «Glücksformel» kritisch zu hinterfragen. o o
d) Es war politisch richtig, dass sich die Schweiz zunächst von der UNO
distanzierte. o o
e) Die Schweiz ist nach wie vor nicht auf fremde Hilfe angewiesen. o o
3. Führen Sie aus dem Text drei Begründungen für die folgende Aussage an.
Notieren Sie lediglich die Kausalnebensätze.
2.
3.
4. Drücken Sie diese Aussage mit eigenen Worten aus. Mindestens die unterstrichenen
Ausdrücke müssen ersetzt werden.
Sie stuften den militärischen Anteil zurück und hoben die wirtschaftliche Kooperation der
Schweiz mit Nazi-Deutschland hervor.
Partikeln 257
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
6. Welche Antwort legt die Frage am Schluss des Textes (Z. 37) nahe?
7. In «Fährnisse» (Z. 23/24) steckt der Wortstamm -fahr-. Leiten Sie davon ein weiteres
Nomen und ein Verb ab, die mit «Fährnisse» verwandt sind.
Nomen: –––––––––––––––––––––––––––––– Verb: ––––––––––––––––––––––––––––––––––
8. Bilden Sie Satzgefüge, indem Sie die einfachen Sätze mit den entsprechenden
Konjunktionen verknüpfen.
temporal Die Rote Armee rückte im Osten vor. Die Alliierten stiessen im Westen vor.
adversativ Der Krieg verwüstete halb Europa. Die Schweiz blieb verschont.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
9. Wandeln Sie die unterstrichenen Satzglieder in Nebensätze um.
Trotz der Niederschlagung der Arbeiterbewegung 1918 erholte sich das Bürgertum vom
Trauma des sozialen Unfriedens lange nicht.
Erst später setzte sich Einsicht in die Abhängigkeit der gesellschaftlichen Stabilität von der
sozialpolitischen Kompromissbereitschaft durch.
Muster
prüfung
Man setzt sich damit leicht dem Vorwurf der Leugnung anerkannter «Wahrheiten» aus.
Lösung
258 Partikeln
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 8
Schlussprüfung
Hinweise und Tipps
Viel Erfolg!
259
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Fokus Schlussprüfung
1 Der damalige US-Präsident George W. Bush hatte bei schens beschwört. «Besitzen kann jeder, kluges Teilen
seiner Wiederwahl 2004 proklamiert, nur eine Gesell- 55 ist eine neue Disziplin des Zusammenlebens.»
schaft von Eigentümern sei eine vitale amerikanische
Botsman spekuliert, dass in den nächsten paar Jahren
Gesellschaft. Das Streben nach Besitztum hat aller-
weltweit Waren und Dienstleistungen im Wert von
5 dings das Land nicht gestärkt, sondern verschuldet.
über zwei Milliarden geteilt werden. Der globale
Doch auch Amerika ist lernfähig. So wird derzeit in
Marktforscher Frost & Sullivan schätzt, dass bis ins
den USA eine neue Ökonomie des kapitallosen Aus- 60 Jahr 2020 die Zahl geteilter Autos in Europa von
tausches als «Shareconomy» ausgerufen. Teilen und
momentan rund einer Million auf 15 Millionen an-
tauschen sind die interessantesten Konsumstichworte
wächst. Beim Marktführer Mobility sind es allein in
10 des Jahres. Auch bei uns. Nun gibt es Mitfahrzentralen,
der Schweiz im Moment 2650 Fahrzeuge.
Lesezirkel und Tauschnetzwerke schon seit längerer
Zeit. Neu am Teilen und Tauschen der Generation 2.0 Nach Jahren des Besitzstrebens setzt sich bei vielen die
ist, dass es dank dem Internet schnell und sexy gewor- 65 Einsicht durch, es sei unnötig, alles selber zu besitzen.
den ist. Doch nicht alle Tauschkreise sind dem Internet Der Konsum konzentriert sich auf den praktischen und
15 gegenüber gleich aufgeschlossen, wie das Beispiel des zeitlich beschränkten Nutzen einer Ware. Neben einer
Vereins Pumpipumpe zeigt: Laut Homepage will der flexiblen Nutzung und der Möglichkeit, neue Dinge
Verein leihfreudige Nachbarn und ihre Gegenstände mit einem geringen finanziellen Risiko auszuprobieren,
sichtbar machen und die gemeinsame Nutzung von 70 spielt aber auch die Liquidität eine Rolle. So resümierte
Konsumobjekten fördern. Das geschieht aber nicht Lucia Reisch, Professorin der Copenhagen Business
20 übers Internet, sondern mit kleinen Aufklebern an School (CBS), unlängst in einem Essay pragmatisch:
Briefkästen, an denen Nachbarn und Quartierbewohner «Der professionelle Tauschhandel ist derzeit solch ein
täglich vorbeigehen. Sie könnten so direkt miteinander starker Wirtschaftszweig, weil die Leute weniger Geld
in Kontakt treten, sich Velopumpe, Akkubohrer oder 75 zur Verfügung haben als früher.»
Fondue-Set ausleihen, und lernten sich auf diese Weise Zudem verlieren Prestigeobjekte immer mehr an Be-
25 besser kennen. deutung. Heute ist in Sachen Statussymbole schon gar
Paradoxerweise ©ist2023
dieVerlag
Zielgruppe der Sprache,
SKV AG: Fokus TauscherFokusund niemandem
Sprache BM mit digitalen mehr
Lösungen und zu trauen.
Kommentar Das Haus ist sowieso von
für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon der Firma bezahlt, und die Markenkleider sind aus dem
Teiler genauso hedonistisch wie in manchen Belangen
missionarisch. Es sind in der Regel jüngere Leute, die 80 Edel-Vintage-Laden.
sich zwar gerne konsumkritisch geben, aber dennoch Wechselnde Konsumbedürfnisse haben heute schon die
30 nicht auf all die schönen Seiten des Lebens verzichten Kleinsten, und so staunt man als Eltern immer wieder,
wollen. Eigentlich müsste sich an dieser Stelle die wie kurz die Faszination von manchem Spielzeug auf
Katze in den Schwanz beissen – aber eben nur Kinder wirkt. Eine charmante Alternative zur Anhäu-
eigentlich. Dank vielen findigen Internetanbietern 85 fung von Bergen im Kinderzimmer hat ein ehemaliger
wächst das Netzwerk nach eigenen, äusserst rasanten Kunststudent aus Berlin mit der Spielzeugkiste ent-
35 Gesetzen. Das Internet fördert und professionalisiert wickelt. Auf dem Internetportal kann man sich mit
den Tauschhandel. Die Hemmschwelle, Kleider, Autos, einem Monatsabonnement (zwischen 15 und 35 Fran-
Häuser und Dienstleistungen auszutauschen, sinkt: ken) eine Spielzeugkiste mit Markenspielsachen zu-
Man betreibt Gemeinschaftsgärten, besucht Swap-Par- 90 sammenstellen. Das Kind kann so lange damit spielen,
tys, bei denen Kleider getauscht werden, oder ist Mit- wie es mag, danach schickt man die Kiste wieder zu-
40 glied in Tauschringen für Städteappartements. rück oder kauft die Sachen mit einem Rabatt von rund
«Wir haben nicht weniger, wenn wir teilen, sondern 30 Prozent. Das Start-up aus der deutschen Hauptstadt
mehr», sagt Rachel Botsman, eine britische Forscherin. wurde mehrfach ausgezeichnet.
Mit ihrem aktuellen Buch «What’s Mine Is Yours» hat 95 Berlin ist die Stadt in Europa, in der am selbstver-
sie als eine der Ersten den Begriff «Collaborative Con- ständlichsten getauscht wird. Dies befand eine Studie
45 sumption» geprägt. Damit schaffte es die 34-jährige des Gottlieb-Duttweiler-Instituts. Das Team um Stu
Botsman, die aussieht wie ein Hollywoodstar, auf die dienleiterin Karin Frick forschte dazu und fand heraus:
Liste des «Time Magazine» mit den «10 besten Ideen, Frauen teilen mehr als Männer, jüngere Menschen
die die Welt verändern werden». Sie gilt als Galions- 100 mehr als ältere. «Aus der Professionalisierung des
figur einer immer grösser werdenden Bewegung, die in Tauschhandels wächst ein eigener Wirtschaftszweig
50 Anbetracht schwindender Ressourcen mehr «Wir» und heran. Auto- und Häuser-Sharing gehören zu den
weniger «Ich» fordert. «Das Anhäufen von Dingen schnellstwachsenden Segmenten», sagt Frick. «Aber das
langweilt den Menschen», schreibt Botsman, die in Modell lässt sich auf viele weitere Produktkategorien
ihrem Manifest eine Renaissance des Teilens und Tau- 105 ausweiten.»
260 Schlussprüfung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Zeit: 60 Minuten Hilfsmittel: Rechtschreibwörterbuch
MODUL 8
Alle Aufgaben der Schlussprüfung beziehen sich auf den Text.
Formulieren Sie Ihre Antworten in vollständigen Sätzen und in eigenen Worten.
1. Kreuzen Sie an, ob die folgenden Aussagen im Sinne des Textes richtig oder falsch 4
sind.
richtig falsch
a) Es gibt nicht nur gesellschaftliche Anlässe, an denen Kleider getauscht
werden, sondern auch Gruppen, die ihre Ringe tauschen. o o
b) Die Autorin behauptet, dass es die britische Forscherin
Rachel Botsman nur wegen ihres Aussehens ins «Time Magazine»
geschafft habe. o o
c) Die Tauschbewegung propagiert mit Blick auf die knapper werdenden
Rohstoffe mehr Bescheidenheit und Solidarität. o o
d) Die britische Forscherin Rachel Botsman fordert ein disziplinierteres
Zusammenleben. o o
e) Die Autorin hält es für überholt, von Luxusgegenständen auf den
Wohlstand der Besitzer zu schliessen. o o
f) Die Begeisterung gegenüber dem Tauschen ist bei jungen Berliner
Frauen am grössten, bei alten Männern am kleinsten. o o
2. Was hat sich am Besitz und an der Einstellung ihm gegenüber verändert, sodass 2
immer mehr Menschen an der «Shareconomy» teilnehmen?
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Führen Sie diese Veränderung
Persönliches Exemplar vonan
Lizazwei Aspekten
Basha, 8307 Effretikon aus.
3. Welche Vorteile bringt das Internet der Tauschidee, ausser dass es sie allgemein 2
fördert?
Schlussprüfung 261
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2 4a) Drücken Sie den Inhalt des folgenden Satzes in eigenen Worten aus.
Formulieren Sie einen vollständigen Satz, in dem mindestens die unterstrichenen
Teile ersetzt sind.
Paradoxerweise ist die Zielgruppe der Tauscher und Teiler genauso hedonistisch
wie in manchen Belangen missionarisch. (Z. 26 – 28)
2 4b) Erklären Sie, was an der Aussage von 4a) paradox ist.
1 5a) Was bedeutet die folgende Redewendung? Kreuzen Sie die richtige Lösung an.
«Eigentlich müsste sich an dieser Stelle die Katze in den Schwanz beissen.» (Z. 31f.)
o da schliesst sich der Kreis o in einem Teufelskreis gefangen sein
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Exemplar
Persönliches o das Pferd
von Lizabeim Schwanz
Basha, 8307 aufzäumen
Effretikon o die Quadratur des Kreises sein
2 5b) Führen Sie zwei weitere Redewendungen mit «Katze» an, und erklären Sie deren
Bedeutung.
262 Schlussprüfung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
7a) Welchen Kasus (Fall) verlangt die Wendung «in Anbetracht» (Z. 49f.)? 1
MODUL 8
o Nominativ o Genitiv o Dativ o Akkusativ
7b) Formulieren Sie das Gegenteil der Aussage «in Anbetracht schwindender 1
Ressourcen» (Z. 49f.), und notieren Sie die neue Formulierung vollständig.
8. Setzen Sie in den folgenden Sätzen alle Teilsätze vollständig vom Passiv ins Aktiv
und umgekehrt. Behalten Sie Tempus und Modus bei.
a) Von Andreas Amstutz ist mit sharely.ch eine Plattform gegründet worden, über die 2
in der Schweiz private Alltagsgegenstände gemietet oder vermietet werden können.
b) Als Gründungsidee wird genannt, von Amstutz sei ebenso wie von anderen das Anhäufen 3
von Besitz schon länger argwöhnisch beobachtet worden; schliesslich habe er jahrelang
allen Besuchern stolz seinen leeren Keller präsentiert.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
9. Formulieren Sie die folgenden Sätze zu Satzgefügen um. Die unterstrichenen Teile
müssen dabei in Nebensätze umgewandelt werden. Notieren Sie die ganzen Satz-
gefüge.
b)
Laut Karin Frick schafft der Tauschhandel wegen der zunehmenden Professionalisierung 2
zukünftig viele Arbeitsplätze.
Schlussprüfung 263
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2 c)
Dank vielen findigen Internetanbietern wächst das Netzwerk nach eigenen, äusserst
rasanten Gesetzen.
3 11a) Setzen Sie in den folgenden Sätzen alle notwendigen Kommas und Redezeichen.
Alles was man seltener als zweimal im Jahr braucht kann getrost ver- oder geliehen
© 2023 Verlagwerden
SKV AG: behaupten auchSprache
Fokus Sprache, Fokus Beat BM
Weyner Begründer
mit digitalen derKommentar
Lösungen und Plattform «meins ist
für Lehrpersonen deins» und
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
seine Mitarbeiter. Die restliche Zeit versperre solcher Besitz nur Platz im Keller.
«Niemand tauscht Silberbesteck gegen Wollsocken (1) und zwar auch nicht gegen selbst-
gestrickte», hält die FAZ dagegen. «Und wer sich von den netten Menschen (2) wie in den
sogenannten Nachbarschaftsnetzen helfen lassen will, findet heute vor allem Mikrounter-
nehmer, die für ein paar Euro Aufgaben erledigen (3) die einmal Freundschaftsdienste
hiessen: Ikearegale zusammenbauen, Fahrräder reparieren oder Bilder aufhängen.»
264 Schlussprüfung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
12. Vervollständigen Sie folgende Sätze, indem Sie die Lücken mit Partikeln füllen und 4
MODUL 8
die Ausdrücke in Klammern in den richtigen Fall setzen.
Die Idee (der Firmengründer Florian Spathelf, ein Kunststudent aus Berlin) .........................
............................................................................................................................................
........................................, will ihren Teil _______________________ beitragen, dass man in
deutschen Kinderzimmern nicht länger durch Berge ungenutzten Spielzeugs waten muss.
______________ von (die Eltern, die typische Kundschaft) ...............................................
..............................................................................................................................., beim
Zurücksenden _________________________ alle ausgeliehenen Legoteile wiedergefunden
werden, ist eine andere Frage.
Schlussprüfung 265
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
ANHANG
Anhang
Quellenverzeichnis
Seite 20 «Herrn K.s Lieblingstier». Aus: Bertolt Brecht, Werke. Grosse kommentierte Berliner
und Frankfurter Ausgabe, Band 18: Prosa 3.
© Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1995.
Seite 22/23 «Kannitverstan». Aus: Johann Peter Hebel, Werke in einem Band.
© Winkler Verlag, München.
Seite 101 «Verehrtes Publikum …». Aus: Bertolt Brecht, Werke. Grosse kommentierte Berliner
und Frankfurter Ausgabe, Band 6: Stücke 6.
© Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1989.
Seite 102 «Uns kommt nur noch die Komödie bei». Aus: Friedrich Dürrenmatt, Theater.
© 1998 Diogenes Verlag AG, Zürich.
Gut gefühlt …». Aus: Robert Gernhardt, Im Glück und anderswo. Gedichte.
«
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2002.
Seite 107 Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, Simplizissimus». Aus: Jürgen Neckam,
«
500 Romane in einem Satz.
© DuMont Verlag, Köln 2007.
267
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Seite 109/110 «Nathan der Weise». Aus: Gotthold Ephraim Lessing, Das dichterische Werk. Band 2.
Hrsg. von Herbert G. Göpfert und Gerd Hillen.
© Verlag Carl Hanser, München 1979.
Seite 111 «Juchheisa, nach Amerika». Aus: Barbara Boock, Schiller und Steinitz. In: John Eckhard
(Hrsg.): Die Entdeckung des sozialkritischen Liedes.
© Waxmann Verlag, Münster 2006.
Seite 112 «Die Leiden des jungen Werthers». Aus: Goethes Werke (Hamburger Ausgabe).
Band 6. 10., überarbeitete Auflage. Hrsg. und kommentiert von Erich Trunz.
© Verlag C.H. Beck, München 1981.
Seite 113 «Faust I und II». Aus: Goethes Werke (Hamburger Ausgabe). Band 3. 16., überarbei-
tete Auflage. Hrsg. und kommentiert von Erich Trunz.
© Verlag C. H. Beck, München 1986.
Seite 114/115 «Don Carlos». Aus: Friedrich Schiller, Werke in drei Bänden. Band 1.
Hrsg. von Herbert G. Göpfert, unter Mitwirkung von Gerhard Fricke.
© Verlag Carl Hanser, München 1966.
Seite 117 «Heinrich von Ofterdingen». Aus: Novalis, Werke in einem Band.
© Winkler Verlag, München.
Seite 119 «Der Hessische Landbote». Aus: Georg Büchner, Werke und Briefe.
© Carl Hanser Verlag, München.
Seite 121 «Realismus». Aus: Theodor Fontane, Sämtliche Werke. Band 14.
© Carl Hanser Verlag, München 1976.
Seite 121/122 «Effi Briest». Aus: Theodor Fontane, Romane und Erzählungen in drei Bänden, Band 2.
© Carl Hanser Verlag, München 1985.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Seite 122 «Theodor Fontane, Effi Briest». Aus: Jürgen Neckam, 500 Romane in einem Satz.
© DuMont Verlag, Köln 2007.
Seite 123 «Der römische Brunnen». Aus: Conrad Ferdinand Meyer, Sämtliche Werke,
Band 1 und Band 3.
© Benteli Verlag, Bern 1963.
«Im Sommer». Aus: Wilhelm Busch, Was beliebt ist auch erlaubt. Sämtliche Werke.
Band 2. Hrsg. von Rolf Hochhuth.
© C. Bertelsmann, Gütersloh 1959.
Seite 125 «Die Weber». Aus: Gerhart Hauptmann, Sämtliche Werke, hrsg. von Hans-Egon Hass.
© Propyläen Verlag in der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 1996.
Seite 127 «Verklärter Herbst». Aus: Georg Trakl, Dichtungen und Briefe. 3. Auflage. Hrsg. von
Walter Killy und Hans Szklenar.
© Otto Müller Verlag, Salzburg 1974.
Seite 127/128 «Unterm Rad». Aus: Hermann Hesse, Unterm Rad. Erzählung.
© Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1972.
Seite 129/130 «Ich bin so vielfach». Aus: Emmy Ball-Hennings – 1885 – 1948. Texte,
Bilder, Dokumente. Zusammengestellt von Bernhard Echte u. a.
© Stroemfeld Verlag, Basel.
Seite 130 «Weltende». Aus: Gedichte des Expressionismus. Hrsg. von Dietrich Bode.
© Reclam Verlag, Stuttgart 1966.
Seite 133 «Das kunstseidene Mädchen». Aus: Irmgard Keun, Das kunstseidene Mädchen.
© Claassen Verlag in der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 1989.
Seite 135 «Jugend ohne Gott». Aus: Ödön von Horvath, Jugend ohne Gott. Roman.
© Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1971.
268
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Seite 137/138 «Theresienstadt». Aus: Max Frisch, Tagebuch. 1946 – 1949.
ANHANG
© Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1950.
Seite 140/141 «Die Tochter». Aus: Peter Bichsel, Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann
kennenlernen. 21 Geschichten.
© Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1993.
Seite 141 «Mittagspause». Aus: Wolf Wondratschek, Früher begann der Tag mit einer
Schusswunde.
© Verlag Carl Hanser, München 1969.
Seite 142 «Häutungen». Aus: Verena Stefan, Häutungen. Mit einem Vorwort zur Neuausgabe.
© Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1994.
Seite 147 «Ihri Stimm». Aus: Pedro Lenz, Radio. Morgengeschichten. edition spoken script 15.
© Der gesunde Menschenversand, Luzern 2014.
Seite 148/149 «Im Turm». Aus: Jürg Amann, Zimmer zum Hof. Erzählungen.
© Haymon Verlag, Innsbruck-Wien 2006.
Seite 151 «Frühlingslied» – «Elfmeter». Aus: Wolfgang Bortlik, Am Ball ist immer der Erste.
Gedichte von Fussball und so.
© Limmat Verlag, Zürich 2006.
«Neuer Frühling VI». Aus: Heinrich Heine, Werke in drei Bänden, Band 1.
© Winkler Verlag, München.
Seite 152 «The Last Show». Aus: Franz Hohler, Der Autostopper. Die kurzen Erzählungen.
© Luchterhand Literaturverlag, München 2014.
«ARD, Sonntag, 20.48 Uhr». Aus: Fritz Eckenga, Mit mir im Reimen. Alle Gedichte
und neue.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
© Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2015.
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Seite 153 «Die Frau hinter Willimann». Aus: Martin Suter, Business Class.
© 2002 Diogenes Verlag AG, Zürich.
Seite 154 «Unverhofftes Wiedersehen». Aus: Johann Peter Hebel, Werke in einem Band.
© Winkler Verlag, München.
Seite 155 «43 Liebesgeschichten». Aus: Wolf Wondratschek, Früher begann der Tag mit
einer Schusswunde.
© Verlag Carl Hanser, München 1969.
Seite 156 «Alle Tage». Aus: Ingeborg Bachmann, Werke, Bd. I: Gedichte.
© 1978 Piper Verlag GmbH, München.
Seite 217/218 «Anna Göldin – letzte Hexe». Aus: Eveline Hasler, Anna Göldin – letzte Hexe.
© Benziger Verlag AG, Zürich 1982.
Seite 225 «Mit der Eisenbahn ins Tessin». Aus: Heinz Weder (Hrsg.), Reise durch die Schweiz.
© Manesse Verlag, Zürich 1991.
Seite 226 «Wege durch Zürich». Aus: Richard Zürcher, Wege durch Zürich.
© Rascher Verlag, Zürich und Leipzig 1939.
269
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aus Zeitungen und Zeitschriften verwendete Texte
Alle Texte sind (zum Teil stark) gekürzt und verändert.
Abbildungsverzeichnis
270
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Stichwortverzeichnis
ANHANG
Ablaut 164 Fremdwort 167, 170, 183
Adjektiv 160f., 176f., 239ff. Fugenelement 166
Adverb 248, 251 Futur 216
Adverbiale 190, 192
Aktiv 220 Gebrauchstexte 21
Analyse literarischer Texte 30 Gedankenstrich 207
Analyse von Sachtexten 35 Genus 230
Anführungszeichen 207 Getrenntschreibung 180
Anglizismus 168, 170 Gleichsetzungsnominativ 190
Antike 106 Gliederungshilfen 67
Antonym 227, 234 Globale Ökonomisierung 146
Apposition (Õ Nachtrag) Grossschreibung 174ff.
Argumentieren, Argumentation 75ff., 78, Grundwort 166
83f.
Artikel 236 Hauptsatz 193, 203, 205
Attribut 188, 190, 192, 202 Hilfsverb 212
Aufklärung 108ff. Humanismus 107
Aussprache 70
Indirekte Rede 222ff.
Ballade 103 Inhaltsangabe 48
Barock 107 Interjektion 251
Bericht 45
Beschreibung 47 Jahrhundertwende 126ff.
Besprechung 48 Junges Deutschland 118f.
Bestimmungswort 166
Biedermeier 118f. Kasus 232
Bindestrich 182f. Klammern 207
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, FokusKlassik
Sprache113ff.
BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Charakteristik 47, 49 Kleinschreibung 174ff.
Kolumne 14
Deklination 232f., 240 Komma 202ff.
Dialektik 79 Kommentar 46
Diskussion 88f. Kommunikationsmodell 15
Dokumentartheater 102 Komparation 241, 251
Doppelpunkt 178, 207 Kompositum (Õ Wortzusammensetzung)
Dramatik 20, 100ff. Konjunktion 248, 250f.
Drehbuch 49 Konjunktiv 222ff.
Drei Einheiten 102 Kontext 29, 35
Drittes Reich und Exil 134f. Körper-Rhetorik 67
Kurzgeschichte 98
Einfacher Satz 193, 202f.
Ellipse (Õ Satzfragment) Lehnwort 167
Epik 20, 97ff. Lesen 18f.
Episches Theater 101 Lied 104
Epoche 105 Literarische Textsorten 20
Erbwort 167 Lyrik 20, 103f.
Erörtern, Erörterung 75ff., 79ff.
Ersatzprobe 188 Medien 58ff.
Erzähler 97 Medienmitteilung 64
Erzählung 45, 98 Meldung 45
Essay 49 Methoden Textinterpretation 31
Expressionismus 129f. Metrum 104
Mittelalter 106
Feedback 73 Modalverb 212
Figur 28, 30, 98 Monolog 98, 102
Fiktionale Texte 20 Motiv 98
Flexibilisierung 149ff.
271
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Nachkrieg und Restauration 136ff. Schlüsselwörter 18, 27
Nachricht 45 Schreibhilfen 52
Nachtrag 190, 203 Schriftliche Textanalyse 36
Naturalismus 124f. Sonett 104
Nebensatz 193ff., 203, 205 Soziale Medien 60f., 146
Neue Subjektivität 139ff. Sprache 13
Nomen 160f., 176, 230ff. SQ3R-Methode 19
Nominalisierung 176f., 182 Ständeklausel 102
Nominalstil 265 Statement 70
Nonverbale Kommunikation 67 Stilschichten 53
Novelle 98 Stimme 66
Numerus 231 Strichpunkt 207
Strophe 104
Objekt 190 Sturm und Drang 111f.
Subjekt 190
Parabel 20, 99 Substantiv (Õ Nomen)
Parodie 49 Suffix 164
Partikel 160f., 177, 248ff. Superlativ 241
Passiv 220 Symbol 13, 99
Perfekt 216f. Synonym 168, 181, 234
Plot 99 Syntax (Õ Satzlehre)
Plusquamperfekt 216f. Systematisches Fragen 28, 34
Politisierung 139ff.
Positiv 241 Teilsatz 193, 202
Postmoderne 143ff. Textanalyse 25ff., 36
Prädikat (Õ verbaler Teil) Textsorten 20
Präfix 164 Thema verstehen 80
Präposition 248, 250 Trivialliteratur 99
Präpositionales Gefüge 192
Präpositionalobjekt 192 Umkehrbare Kommunikation 17
Präsens 216f. Umlaut 164
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Präsentation
Persönliches Exemplar von 71f.
Liza Basha, 8307 Effretikon
Präteritum 216f. V-Effekt 101
Pronomen 160f., 176, 236 Verb 160f., 177, 212ff.
Verbaler Teil 188, 190f.
Realismus 120ff. Verbzusatz 160
Redigieren 87 Vers 103
Referat 71f. Verschiebeprobe 188
Reformation 107 Vier-Ohren-Modell 17
Reim 103 Vier-Seiten-Modell 15f.
Renaissance 107
Reportage 49 W-Fragen 28
Rezension 48 Weglassprobe 188
Rezeption 29, 48 Wortableitung 164
Rhetorik 65ff. Wortfamilie 164
Rhetorische Figuren 68f. Wortstamm 164
Rhythmus 104 Wortzusammensetzung 166, 180, 183
Roman 99
Romantik 116f. Zeichen 11ff.
Zeichenmodell 11
Sach- und Gebrauchstexte 21 Zeichensystem 13
Sachstil 85 Zeit 99
Satzanalyse 188ff. Zeitverhältnisse 217, 224
Satzfragment 193, 203 Zusammenfassung 48
Satzgefüge 192, 203 Zusammengesetzter Satz 193, 202f.
Satzglied 188ff., 202 Zusammenschreibung 180
Satzhierarchie 193, 205 Zwanzigerjahre 131ff.
Satzlehre 188ff.
Satzreihe 193, 203
Satzverbindung 193, 203
Schilderung 47
272
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon