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BM

Gerhard Konzett · Otto Merki · Sara Janesch

ed
Enhanc
Fokus Sprache Book

Deutsch
für Berufsmatura
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

und Weiterbildung
Geschätzte Lehrende und Lernende
Die digitale Ausgabe von Fokus Sprache BM ermög­
licht das Arbeiten und Lernen am Bildschirm. Aller­
dings setzen die üblichen PDF-Reader gewisse
technische Grenzen: Das Unterstreichen und Über­
schreiben von Wörtern sowie das Einsetzen von
­Kommas ist nicht möglich. In diesen Fällen ist es
sinnvoll, die einzelnen Aufgaben auszudrucken und
«analog» zu bearbeiten bzw. die entsprechenden
Übungen in eFokus Sprache zu lösen.
Besten Dank für Ihr Verständnis und viel Erfolg mit
Fokus Sprache.

© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Vielen Dank,
dass Sie sich für «Fokus Sprache»
entschieden haben. Sie haben damit ein qualitativ
hochwertiges Produkt mit grossem Mehrwert erworben.

Alles in einem Paket


• Theorie- und Aufgabenbuch Das Bundle mit Lösungen enthält zusätzlich:
• Enhanced Book (PDF) • Theorie- und Aufgabenbuch (PDF)
• Online-Tool eFokus Sprache • Digitale Lösungen (PDF)
• Musterprüfungen zu jedem Modul
«Grammatik und Rechtschreibung»

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Die Begleitmaterialien inkl. Enhanced Book sind über den auf dem Beiblatt aufgedruckten Lizenzschlüssel im
Bookshelf unter www.bookshelf.verlagskv.ch erhältlich.

Enhanced Book eFokus Sprache


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2023PDF:
Verlag SKVdigitale
Die AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit
Ausgabe Dasdigitalen
neueLösungen und Kommentar
Online-Tool für denfür Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
des Lehrmittels bietet Ihnen eine Unterstützung digitalisierten Unterricht.
für ein attrak­tives Lehren und Lernen.
Das Lernprogramm mit vielseitigen
Übungen zu Grammatik,
Rechtschreibung und Sprach-
betrachtung unterstützt die
Digitalisierung Ihres Unter-
richts und ermöglicht Ihren
Lernenden, mit Computer,
Laptop oder Tablet zu üben.

Der Zugriff erfolgt unabhängig von


Betriebssystem und installiertem
Browser über eine Internetverbindung.

Video- und
Arbeitsblätter
Audiodateien

Vorteile auf einen Blick


Links zu Websites LearningApps
• Noch mehr Übungen als vormals auf CD-ROM
• Neue Funktionalitäten
Vorteile auf einen Blick • Ausgebauter Theorieteil
• Enhanced Books sind mit eFokus Sprache verlinkt
• Downloaden und offline arbeiten
• Inhalte individualisieren
• Markieren und kommentieren
Support-Hotline
Unsere Mitarbeitenden sind gerne für Sie da.

Tel.  +41 (0)44 283 45 21


support@verlagskv.ch

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Gerhard Konzett · Otto Merki · Sara Janesch

Fokus Sprache

Deutsch
für Berufsmatura
und Weiterbildung
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Autoren
Gerhard Konzett, Dr. phil. I, war Professor für
­Wirtschaftskommunikation an der Hochschule
für Wirtschaft FHNW in Basel. Von 1981 bis 2000
unterrichtete er an der KV Zürich Business School
Deutsch, Literatur und Psychologie und leitete
­mehrere Jahre als Prorektor die Sprachakademie.
Er wirkte in verschiedenen Kommissionen zur
­Berufsbildung mit.

Otto Merki, lic. phil. I, war Fachvorstand und


Lehrer an der KV Zürich Business School. Er unter-
richtete Deutsch, Literatur und Kulturkunde in der
Grund- und Weiterbildung und war Mitglied ver-
schiedener Prüfungs- und Fachkommissionen.
Beide Autoren schreiben seit Jahren erfolgreiche
Deutsch-Lehrmittel für die berufliche Grund- und
Weiterbildung.

Sara Janesch, lic. phil. I, unterrichtet seit 1996 an


der KV Zürich Business School Deutsch, Geschichte
und Staatslehre und ist seit 2014 Fachvorsteherin.
© 2023 Sie
Verlag
ist SKV AG: Fokus
Mitglied in derSprache, Fokus Sprache
Fachgruppe für die BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Abschluss­
Persönliches Exemplar
prüfung von Liza Basha,
im M-Profil und in8307
der Effretikon
Zentralprüfungs­
kommission Deutsch fürs E-/B-Profil.

3. Auflage 2018 Gerhard Konzett, Otto Merki, Sara Janesch: Fokus Sprache BM

ISBN 978-3-286-34153-1 – Theorie und Aufgaben


ISBN 978-3-286-34163-0 – Theorie und Aufgaben mit Lösungen
und Begleitmaterial für Lehrpersonen

© Verlag SKV AG, Zürich


www.verlagskv.ch

Alle Rechte vorbehalten.


Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet,
das Buch oder Teile daraus in irgendeiner Form
zu reproduzieren.

Projektleitung: Yvonne Vafi-Obrist


Illustrationen: Daniela Hauser
Konzept: Hans Rudolf Ziegler

Haben Sie Fragen, Anregungen oder Rückmeldungen?


Wir nehmen diese gerne per E-Mail an feedback@verlagskv.ch entgegen.

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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Es ist nicht unsere Aufgabe, die Zukunft vorauszusagen,
sondern auf sie gut vorbereitet zu sein.
Perikles, griechischer Staatsmann, 490 – 429 v. Chr.

Kein Lehrmittel vermag vorauszusagen, was die Zukunft den Lernenden bringen wird. Jedoch
bietet die Überarbeitung von Fokus Sprache BM den Lehrenden und den Lernenden neue
Möglichkeiten, die Vorteile der Digitalisierung fürs Lehren und Lernen zu nutzen – und somit
auf die Zukunft sehr gut vorbereitet zu sein.
Das «Textwissen» – Kommunikation, Rhetorik und Medien, Textanalyse und Interpretation –
erfährt mit dem Enhanced Book zahlreiche Verknüpfungen zum Internet. Es eröffnet ergän-
zende Informationen, andere Zugänge zum Stoff und mitunter auch neue Perspektiven.
Das «Literaturwissen» schafft historisches Bewusstsein und das Verständnis für gesellschaft­
liche sowie kulturelle Veränderungen. Literatur ist sowohl Widerspiegelung als auch Ausein­
andersetzung mit der Gesellschaft ihrer Zeit. Mit Links ins Internet lassen sich jetzt zusätzliche
Materialien finden, die das Verständnis erhöhen, die Anschaulichkeit fördern und die Lust auf
Literatur wecken.
Das «Sprachwissen» – Rechtschreibung, Zeichensetzung, Grammatik und Stilistik – erfährt
durch das Online-Tool eFokus Sprache interaktive Übungsmöglichkeiten, die zeit- und orts­
unabhängiges ­Lernen und Trainieren erlauben.
Auf die Zukunft vorbereitet zu sein, heisst auch, die richtigen Fertigkeiten zu erwerben, vor-
handene Fähigkeiten zu trainieren, persönliche Kompetenzen zu entwickeln und adäquate
­Methoden zu nutzen, um neuen Situationen zu begegnen und Herausforderungen zu meis-
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tern. In diesem Sinne vermittelt Fokus Sprache BM den gesamten Deutsch-Stoff der Berufs­
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
maturität und fördert das notwendige praktische Sprachwissen für den Beruf sowie das
­Studium an der Fachhochschule. Zudem erfüllt das Lehrmittel die Bedürfnisse vieler Lernenden
und Lehrenden: Es enthält alles Wesentliche und Wichtige für BM 1 und BM 2 in einem Band.
Das Gesamtpaket von Buch, Enhanced Book und eFokus bietet die ideale Grundlage für Kurse
in der Weiter- bzw. Erwachsenenbildung und erlaubt erweiterte Lehr- und Lernformen.
Zum Gelingen von Fokus Sprache haben viele beigetragen. In erster Linie danken wir dem
­Verlag SKV, vor allem unserer Lektorin Yvonne Vafi, für die gute Zusammenarbeit. eFokus
Sprache ist von Fabian Merki programmiert worden; für das Enhanced Book zeichnet Stefan
Lang verantwortlich, die Neugestaltung hat René Schmid übernommen, und die Illustrationen
stammen von Daniela Hauser. Ferner gilt der Dank zahlreichen kritischen Kolleginnen und
­Kollegen für ihre konstruktiven Anregungen sowie die engagierte Unterstützung.
Wir hoffen und wünschen, dass Lernende neben ihrem Schulerfolg auch Freude an der
­Sprache erleben, die neuen digitalen Möglichkeiten sinnvoll nutzen und dass Lehrende in
ihrem Wirken unterstützt und zu einem anregenden Unterricht motiviert werden.

Zürich, im Mai 2018 Gerhard Konzett


Otto Merki
Sara Janesch

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Inhaltsverzeichnis

Kommunikation und Literatur

9 Modul A Kommunikation und Zeichen

25 Modul B Textanalyse und Interpretation

41 Modul C Schreibformen

57 Modul D Medien und Rhetorik

75 Modul E Argumentieren und erörtern

91 Modul F Literaturatelier

Methodenkoffer (www.verlagskv.ch)

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Sprachreflexion und Sprachbeherrschung
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159 Modul 1 Wortlehre und Wortschatz

173 Modul 2 Rechtschreibung

189 Modul 3 Satzlehre

203 Modul 4 Zeichensetzung

213 Modul 5 Verb

231 Modul 6 Nomen, Pronomen und Adjektiv

249 Modul 7 Partikeln

259 Modul 8 Schlussprüfung

267 Anhang
Quellenverzeichnis
Stichwortverzeichnis

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MODUL A
Kommunikation und Zeichen


Lernziele

• 
Ich kenne den Zusammenhang von Zeichen,
Kommunikation und Sprache.

• 
Ich kann einfache Kommunikationsprozesse
mit dem Vier-Seiten- und Vier-Ohren-Modell
analysieren.

• 
Ich überprüfe mein Leseverhalten und ver-
bessere meine Lesemethode.

•  Ich unterscheide verschiedene Textsorten und


kann die wichtigsten erläutern.
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1 Impuls

Die folgende kurze Szene führt ins Thema Kommunikation ein: Lesen Sie «mit allen Sinnen».

Elke Heidenreich, 1943


Mutter lernt Englisch
Ein Drama
Mutter sitzt am Tisch vor einem Buch, liest sehr gedehnt vor. Die Tochter im Sessel, Füsse
auf dem Tisch, raucht.
Dialog M u t t e r Sag, wenn was falsch ist, ich muss ja üben. Oooohh – Henry … what are you
do-ing? Sie sieht hoch.
T o c h t e r schüttelt den Kopf Es heisst du-ing.
M u t t e r schiebt ihr das Buch hin Nein. Es schreibt sich mit o.
T o c h t e r Trotzdem. Man sagt du-ing.
M u t t e r Ach. Und warum schreiben sie es mit o, wenn sie u meinen?
T o c h t e r Weiss ich nicht, ist aber so.
M u t t e r Hm. Na gut. Oooohh – Henry ... what are you du-ing. Richtig?
T o c h t e r Richtig. Weiter.
M u t t e r Ooooh – Elizabeth ... where are you ... Pause. Where are you ... gu-ing.
T o c h t e r Jetzt heisst es go-ing.
Die Mutter sieht sie lange an, klappt das Buch zu, steht auf.
Mutter Wenn man dich schon mal um was bittet. Nur blöde Antworten. 1987

Aufgabe
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• Exemplar
Persönliches Was geschieht in diesem
von Liza Basha, Dialog offensichtlich? Formulieren Sie zwei bis drei
8307 Effretikon Sätze.
• Was läuft zwischen Mutter und Tochter unausgesprochen ab?
• Was erwarten die beiden Frauen voneinander?
• Wie reagieren die Frauen aufeinander?
• Was erfahren Sie über das Verhalten der Mutter und der Tochter?
• Was erfahren Sie nicht?
• Spielen Sie die kurze Szene, variieren Sie Ihre Stimme, den Ton, das Lese- bzw. Sprech­
tempo, die Mimik und die Bewegungen. Was heisst für Sie «sehr gedehnt lesen» und
«lange ansehen»?

10 Kommunikation und Zeichen


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2 Kommunikation – Was ist das?

MODUL A
Wer mit anderen kommuniziert, tauscht sich aus. Das Verb «kommunizieren» kommt aus dem
Lateinischen und bedeutet «gemeinschaftlich tun; mitteilen» oder «sich verständigen, mit-
einander sprechen; in Verbindung stehen». Ausgetauscht werden dabei – sehr abstrakt und
allgemein gesagt – Zeichen.

2.1 Zeichen als Träger der Kommunikation


In den Dreissigerjahren des vorigen Jahrhunderts hat der Sprachforscher Karl Bühler ein grund-
legendes Kommunikationsmodell entwickelt. Daran lässt sich die Bedeutung der Zeichen
erkennen.
Ein Sender übermittelt Zeichen an einen Empfänger; die Zeichen beziehen sich auf Gegen-
stände, Sachverhalte, Ideen. Entscheidend für die «gute» Kommunikation ist, wie der Empfän-
ger die Zeichen aufnimmt, sie deutet und versteht. Mit anderen Worten: Der Empfänger
macht die Botschaft.

Zeichenmodell

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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

Solche Zeichen, mit denen und über die wir kommunizieren, können «sprachliche Zeichen», Zeichen
aber auch Gesten, ein Lächeln, ferner die Körperhaltung, Musik, Bilder und Piktogramme
sowie bestimmte Gegenstände und Verkehrszeichen sein (vgl. Modul D, «Rhetorik»).
Zeichen weisen auf etwas hin, das sich vom Zeichen selbst unterscheidet; der Gegenstand, der
Zustand, der Begriff oder das Ereignis, worauf das Zeichen verweist, dient «nur» als Quelle
der Bedeutung; der eigentliche Träger der Bedeutung ist das Zeichen selbst. Wer also das Logo
einer Lieblingsmarke oder die Farbe des Sportvereins entdeckt, verbindet seine Gefühle, Ein-
stellungen und anderes mit diesen Zeichen. Wer weder das Logo noch die Farben des Vereins
kennt, verbindet damit nichts.

Kommunikation und Zeichen 11


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2.2 Arten von Zeichen

• Wie unterscheiden sich die folgenden vier Zeichen?


• Ordnen Sie die Beispiele den Definitionen zu.

Natürliche Zeichen: Die natürlichen Zeichen, auch «Anzeichen» oder «Indizien» (Beispiel –––)
Anzeichen
lassen Rückschlüsse (Kausalzusammenhänge) auf das Bezeichnete, Gemeinte zu. So lässt zum
Beispiel Rauch auf Feuer schliessen, das Lächeln auf Freude und ein bestimmter Dialekt auf die
Herkunft aus einer bestimmten Region. In der Medizin deuten Symptome auf bestimmte
Krankheiten hin; in der Kriminalistik werden Indizien gesucht, um Täter zu überführen (aller-
dings sind Indizien keine unmittelbar beweisbaren Tatsachen).

Ergänzen Sie eigene Beispiele:

Die Signale (Beispiel –––)


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wirken
Persönliches aufvon
Exemplar unser Verhalten.
Liza Basha, Sie drängen zu Aktivitäten, lösen Reaktionen aus;
8307 Effretikon wer gegen
Signale verstösst, hat häufig mit Konsequenzen zu rechnen, z. B. bei Verkehrszeichen oder
Warnsignalen an einem See (Sturmwarnung). Wir lernen im Laufe unseres Lebens, auf be-
Signal stimmte Signale korrekt zu reagieren.

Ergänzen Sie eigene Beispiele:

Icon Die Icons (Beispiel –––)


bilden den Gegenstand (das Bezeichnete) ab oder lassen Ähnlichkeiten erkennen. Im öffent­
lichen Raum, an Flughäfen und Bahnhöfen begegnen wir täglich vielen Orientierungszeichen,
den sogenannten Piktogrammen; Handys und Computer sind über Icons zu steuern. Im Unter-
schied zu den Signalen informieren sie uns, verlangen aber nicht, dass etwa Kaffee getrunken,
ein Baby gewi­ckelt oder jemand angerufen wird.

Ergänzen Sie eigene Beispiele:

12 Kommunikation und Zeichen


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Die Symbole (Beispiel –––)

MODUL A
Symbol
sind Stellvertreterzeichen. Sie vertreten einen Gegenstand, ein Ereignis, sie stehen für das
Bezeichnete; die Bedeutung des Symbols beruht auf Übereinkunft, Absprache und ist gelernt
worden. Symbole sind willkürlich gewählt; während die einen ihre Nationalflagge oder das
Staatswappen verehren, haben andere keine Ahnung, was diese Symbole bedeuten oder für
welches Land sie stehen.
Symbole sind eine nahezu unüberschaubare Gruppe von Zeichen; sie reichen von Schriftzei-
chen über Farben und Bilder, religiöse und nationale Symbole bis hin zu Gesten und Marken
sowie Logos. Ein Ziel von Werbung und Marketing ist es, das Logo und den Slogan einer
Marke im Bewusstsein der Menschen positiv zu verankern.


Sprachen sind Zeichensysteme mit Symbolcharakter; so gibt es keinen «natürlichen» oder
logischen Grund, warum ein «Hund» im Englischen «dog» heisst.
Symbole haben eine objektive und eine subjektive Seite: Objektiv ist die sachliche Beschrei- Bedeutung
bung, z.B. in einem Lexikon; subjektiv ist die persönliche Bewertung des Symbols. Wer einmal der Symbole
von einem Hund gebissen worden ist, empfindet und reagiert auf das Wort anders als jemand,
der Hunde liebt, trainiert oder züchtet. Wer einen Hund zeichnen soll, wird die persönliche
Sicht einfliessen lassen.
Ähnlich verhält es sich mit den Symbolen von Sportvereinen, Markenprodukten oder politi-
schen «Zeichen». Was bei den einen Gefühle der Verehrung und Bewunderung weckt, stösst
oder schreckt die anderen ab.

Ergänzen Sie eigene Beispiele:

Nicht immer lassen©sich die Zeichen eindeutig unterscheiden oder zuordnen. Das Läuten
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der KirchenglockenPersönliches
kann fürExemplar
Gläubige der
von Liza Aufruf
Basha, 8307 (Signal)
Effretikon zum Kirchenbesuch sein, während
andere sich gestört fühlen und auf keinen Fall in die Nähe einer Kirche ziehen wollen
(vgl. auch Modul 3, «Satzlehre»: «Wie schreibt man ‹Gefahr› in 10000 Jahren»?).

Aufgabe

• Sprache ist ein Zeichensystem mit Symbolcharakter. Wenn Symbole unterschiedlich gedeu-
tet, verstanden und gefühlsmässig bewertet werden können – welche Konsequenzen
ergeben sich daraus für das Verstehen anderer Menschen?

• Notieren Sie drei Symbole oder Begriffe, die je nach Weltanschauung oder Generations-
zugehörigkeit unterschiedlich gedeutet werden.

• Informieren Sie sich, mit welchen Zeichensystemen oder Sprachen sich Menschen verstän­
digen, die gehörlos, stumm, blind oder taubblind sind. Notieren Sie sich die wichtigsten
Informationen in Ihrem Arbeitsheft.

Kommunikation und Zeichen 13


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Die folgende Kolumne spielt mit den Bedeutungen von Redensarten in verschiedenen
Sprachen. Kolumnen sind regelmässig erscheinende Meinungsbeiträge in Tages- oder
Wochenzeitungen – immer unter der gleichen Überschrift, hier: «Besserwissen».
• Lesen Sie den Text aufmerksam durch, kennzeichnen Sie die deutschen Redensarten.
• Erklären Sie deren Bedeutung, z.B. «Dreck am Stecken haben», «Eulen nach Athen
tragen».

Mathias Plüss, 1973


Besserwissen
Pfeffer nach Hindustan
Redensarten sind Glückssache. Sie in verschiedenen Sprachen zu vergleichen aber ist lustig.
Kolumne 1 Etwas vom Vergnüglichsten beim Sprachenlernen sind Redensarten. Ich versuche es der-
zeit mit Tschechisch und amüsiere mich köstlich: «Er hat Butter auf dem Kopf» («má
máslo na hlavĕ») sagt man, wenn jemand Dreck am Stecken hat. Statt ihre Sieben-
sachen packen die Tschechen ihre fünf Pflaumen («sbalit si svých pĕt s̆vestek»), statt
5 «Pustekuchen!» rufen sie «Pilze mit Essig! («houby s octem!»), und unsere Made im Speck
ist bei ihnen das Schwein im Roggen («prase v z̆itĕ»).
­ Steckt eine tiefere Weisheit dahinter? Ich glaube nicht. Gewiss, ein bisschen Lokal­
kolorit mag dabei sein: Was den Franzosen und Deutschen ihr Sand am Meer und den
Engländern ihre Brombeeren («plentiful as blackberries»), ist den Tschechen der bei
10 ihnen tatsächlich sehr verbreitete Mohn («je jako máku»). Und statt gebratene Tauben
regnet es den Italienern Lasagne (nicht) ins Maul: «A nessuno piovono le lasagne in
bocca.»
 Den Ausdruck «Eulen nach Athen tragen» kannten schon die alten Griechen; es gab
damals wirklich sehr viele Eulen an den Hängen der Akropolis. Heute gibt es in den
15 meisten Ländern zusätzlich eine Regionvariante: Wir tragen Wasser in den Rhein, die
Tschechen Holz in den Wald, die Engländer Kohlen nach Newcastle, die Holländer Tan-
nen nach Norwegen und die Inder Pfeffer nach Hindustan. Auch Vorurteile mögen
manchmal mitspielen: «Sich französisch verabschieden» heisst in England wie bei uns
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«to take
Persönliches Exemplar vonFrench leave»,
Liza Basha, in Frankreich aber «filer à l’anglaise» («auf englische Art ver-
8307 Effretikon
20 schwinden»). Eine Retourkutsche? Als die ersten Kondome aufkamen, nannten die Eng-
länder sie «French letters» und die Franzosen «capotes anglaises» («englische Mäntel»).
 Meist sind Redensarten aber total willkürlich: Wir sprechen frisch von der Leber weg,
die Tschechen von der Lunge («mluvit od plic»), die Engländer von der Schulter («to
speak straight from the shoulder»), die Franzosen mit offenem Herzen («parler à cœur
25 ouvert») und die Italiener gar mit dem Herz in der Hand («parlare col cuore in mano»).
Auch dass wir aus Mücken Elefanten machen, ist abartig. Die Tschechen machen statt-
dessen Kamele («dlat z komára velblouda»). Franzosen und Spanier stellen zwar Elefan-
ten her, allerdings aus Fliegen («faire d’une mouche un éléphant») respektive aus Flöhen
(«hacer de una pulga un elefante»). Andere Sprachen haben näherliegende Ausdrücke:
30 Auf Englisch macht man aus einem Maulwurfhügel einen Berg («to make a mountain
out of a molehill»), auf Polnisch aus einer Nadel eine Heugabel («robić z igły widły»),
und auf Italienisch verwechselt man Glühwürmchen mit Laternen («prendere lucciole
per lanterne»).
 Vergleiche sind oft Glückssache. Dass man einen guten Schläfer mit einem Winter-
35 schlaf haltenden Tier vergleicht, liegt einigermassen nahe. «Schlafen wie ein Murmel-
tier» oder «schlafen wie eine Haselmaus» heisst es in manchen europäischen Sprachen.
Aber wer zum Teufel ist denn auf Folgendes gekommen: Schlafen wie ein Stein, schla-
fen wie ein Baumstamm («to sleep like a log», englisch), schlafen wie ein Schuh («dormir
comme un sabot», französisch), schlafen wie die Milch («alszik mint a tej», ungarisch)
40 oder – das schiesst den Vogel ab – schlafen wie ein Wiedehopf («spát jako dudek»,
tschechisch)?
 Wenn Ihnen das alles spanisch vorkommt, so sei abschliessend gesagt: den Spaniern
kommt es chinesisch vor («esto me suena a chino»), den Italienern arabisch («per
me questo è arabo») und den Engländern doppelt holländisch («it’s Double Dutch»).
45 Böhmische Dörfer? Nein, spanische, würden die Tschechen sagen: «To je pro mĕ
s̆panĕlská vesnice» – «das ist ein spanisches Dorf für mich». 2008

14 Kommunikation und Zeichen


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3 Die vier Seiten einer Nachricht

MODUL A
Aus Zeichen werden Zeichenketten, diese wiederum zu Botschaften, Nachrichten, Informatio-
nen, die wir übermitteln.
Friedemann Schulz von Thun zeigt in seinem Kommunikationsquadrat anschaulich, dass jede
Nachricht, jeder Satz viel mehr vermittelt als nur Sachinformationen.
Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass Sender und Empfänger häufig unterschiedliche Seiten
betonen, d.h. die eine oder andere Seite als wichtiger erachten.


Kommunikations-
modell

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Rufen Sie sich nochmals die Szene im «Impuls» zwischen Mutter und Tochter in Erinnerung.
Folgendes zeigt die Analyse des Dialogs:

Sachebene (blau): Worüber ich informiere Sache

Auf der Sachebene eines Gesprächs steht die klare, nüchterne Information im Vordergrund,
also Daten und Fakten. Dabei geht es zum einen darum, ob etwas zutrifft oder nicht; zum an-
deren ist der Stellenwert entscheidend: Sind die aufgeführten Sachverhalte für das Thema von
Belang?
Für den Sender gilt es also, den Sachverhalt klar und verständlich zu vermitteln.

Die Mutter wünscht zu erfahren, wenn etwas falsch ist.

Ergänzen Sie: Die Tochter ––––––––­–––––––––––––––––­––––––––––––––––­––––––––––––––––

Kommunikation und Zeichen 15


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Selbstkundgabe Selbstkundgabe (grün): Was ich von mir selbst kundgebe
Jede Äusserung enthält – ob gewollt oder nicht – eine Selbstkundgabe. Dies ist ein Hinweis
­darauf, was in mir vorgeht, wie mir ums Herz ist, wofür ich stehe und wie ich meine Rolle
auffasse. Die Selbstkundgabe kann direkt («Ich-Botschaft») oder indirekt geschehen. Dieser
Umstand macht jede Nachricht zu einer kleinen Kostprobe der Persönlichkeit.
Die Mutter stellt sich als «korrekturbedürftig» dar: Ihr Englisch ist unzureichend, sie ver-
steht unter «Sag, wenn was falsch ist» mehr als Kopfschütteln oder die richtige Aussprache.
Sie erwartet die Unterstützung der Tochter. Vielleicht sucht sie auch Anerkennung dafür,
dass sie noch Englisch lernt.

Ergänzen Sie: Die Tochter ––––––––­–––––––––––––––––­––––––––––––––––­––––––––––––––––

Beziehung Beziehungsseite (gelb): Was ich von dir halte, und wie wir zueinander stehen
Ob ich will oder nicht: Wenn ich jemanden anspreche, gebe ich – durch Formulierung, Tonfall,
Begleitmimik – auch zu erkennen, wie ich zum anderen stehe. Dabei kann deutlich werden,
was ich von ihm halte – jedenfalls im Zusammenhang mit dem aktuellen Gesprächsthema.
Die Beziehungsseite ist besonders wichtig: Wenn sie nicht «stimmt», folgen grosse Probleme
auf der Sachebene. Positiv gesagt: Je besser die Beziehung läuft, desto besser sind meist auch
Sach­probleme zu lösen. Das lässt sich in vielen Teamsportarten einfach nachweisen: Gut funk-
tionierende Teams mit schwächeren Einzelspielern können Mannschaften mit Stars ohne
Weiteres überlegen sein.
Die Mutter ist erst verunsichert («du-ing»), glaubt der Tochter dann und fühlt sich gekränkt,
als die Tochter «gu-ing» zu «go-ing» korrigiert. Mit Englischlernen lässt sich die Beziehung
nicht verbessern.
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Ergänzen Sie: Die Tochter ––––––––­–––––––––––––––––­––––––––––––––––­––––––––––––––––
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Die Beziehung wird noch deutlicher, wenn man sich die Situation («Regieanweisungen»)
vor Augen hält: Die Füsse der Tochter liegen auf dem Tisch, an dem die Mutter im Buch liest.
Und was für ein Zeichen ist das Rauchen?

Appell Appell (rot): Wozu ich dich veranlassen möchte


Wer das Wort ergreift und sich an andere wendet, will in der Regel auch etwas bewirken,
Einfluss nehmen – bei ihnen etwas erreichen. Offen oder verdeckt geht es auf dieser Ebene um
Wünsche, Appelle, Ratschläge, Handlungsanweisungen oder Effekte.
Die Mutter will Hilfe und Erklärungen – und nicht nur «richtig» oder «falsch».

Ergänzen Sie: Die Tochter ––––––––­–––––––––––––––––­––––––––––––––––­––––––––––––––––

16 Kommunikation und Zeichen


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4 Hören mit vier Ohren

MODUL A
Wir hören unterschiedlich zu; dies kann von der persönlichen Haltung, von den Interessen oder
von der Situation abhängig sein.

• Das blaue Sachohr: • Das grüne Selbstkundgabeohr: Sache und


Wie ist der Sachverhalt zu verstehen? Was ist das für eine? Was ist mit ihr? Selbstkundgabe
Der Empfänger, der das Sachohr aufgesperrt hat, Während der Sender also Informationen über


hört auf die Daten und Fakten; ihm bieten sich sich preisgibt, nimmt der Empfänger diese mit
zahlreiche Möglichkeiten einzuhaken. dem Selbstkundgabeohr auf: Was sagt mir das
über den anderen? Was
Die Tochter beschränkt die Sachinforma­
ist das für einer? Wie ist
tionen auf die Korrektur der Aussagen
er gestimmt?
– ohne Erklärung. Die Muttter
empfängt die Sachinformatio- Die Tochter gibt wenig von
nen als verwirrend, irritie- sich preis – die Mutter empfängt «nur
rend – eben «blöd». blöde Antworten» und ist enttäuscht.

• Das gelbe Beziehungsohr: • Das rote Appellohr: Beziehung und


Wie redet die mit mir? Wen Was soll ich aufgrund ihrer Mitteilung Appell
glaubt sie vor sich zu tun, denken, fühlen?
haben?
Das Appellohr ist folglich besonders emp-
In jeder Äusserung steckt fangsbereit für die Frage: Was soll ich
somit auch ein Beziehungs- jetzt machen, denken oder fühlen? Wir
hinweis, für den der Empfänger wollen etwas wissen, eine Reaktion
oft ein besonders sensibles (über-)emp- hervor­rufen, eine Antwort erfahren.
findliches Beziehungsohr besitzt. Dieses Ohr
Die Mutter «hört» Ablehnung, Desinteresse, was
entscheidet: «Wie fühle ich mich behandelt
durch die Haltung der Tochter verstärkt auf sie
durch die Art, in der der©andere
2023 Verlag SKVspricht?
mit mir AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 wirkt.
Effretikon
Was hält der andere von mir, und wie steht er zu
mir?»
Die Mutter nimmt die Beziehung als gestört,
ja als verletzend wahr.

Das Modell der vier Seiten und vier Ohren kennt kein «Richtig» oder «Falsch» der einzelnen
Seiten: Je nach Sender und Empfänger sowie der Situation nutzen beide die gleichen Seiten
und sind zufrieden mit der Kommunikation – oder sie liegen völlig auseinander und reden
aneinander vorbei. Wenn beispielsweise Männer dazu neigen, die Sachebene überzubetonen,
und Frauen vor allem um die Beziehungsseite bemüht sind, so wird das Gespräch kaum har-
monisch gelingen.

Umkehrbare Kommunikation Wie ich dir,


so du mir!
Gelungene Kommunikation ist umkehrbar: Wie A mit B spricht, sollte auch umgekehrt möglich
sein. Selbstverständlich verfügt eine Vorgesetzte oder eine Lehrperson über ein grösseres Fach-
wissen. Die Art und Weise des Miteinander-Redens kann immer respektvoll sein. Dies gilt auch
für Lernende, die mit einer Note unzufrieden, am Morgen mürrisch oder von einer Freundin,
einem Kollegen enttäuscht sind: Höflichkeit und Stil schaffen eine gute Beziehung, in der sich
Sachprobleme einfacher und gut lösen lassen.

Kommunikation und Zeichen 17


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
5 Lesen – informieren und geniessen

Lesen Definiert wird der Begriff «Lesen» als visuelle Umformung von Symbolen (Schriftzeichen) in
Gedanken oder Sprachlaute. Der Wortsinn von «Lesen» umfasst das «Ein- oder Aufsammeln»
von Zeichen.
Der eigentliche Lesevorgang basiert auf dem Erkennen von Wörtern und Wortgruppen, die
Lesende als ein Bild und dessen Bedeutung abgespeichert haben. Neue Wörter werden
zunächst durch Wahrnehmung der einzelnen Buchstaben aufgenommen. Nachdem das Wort
verstanden und in einen Bedeutungszusammenhang gebracht wurde, speichert das Gehirn
dieses Wort als Bild ab. Da viele Wörter in anderen Kontexten eine andere Bedeutung haben,
werden diese mehrfach gespeichert. Beim Abrufen von Wörtern gleicht man die (bildhaften)
Wörter mit dem vorhandenen Wörtervorrat («Wissen») ab und stellt den Verständniszusam-
menhang her.
Wir lesen umso schneller, je gleichmässiger der Blick über den Text gleitet, je weniger er an
einzelnen Wörtern hängen bleibt und je weniger er auf bereits gelesene Wörter oder Zeilen
zurückspringt.

Beruflicher Erfolg ist eng mit Lesen verbunden: Hand- und Lehrbücher, Lexika und Wörter-
bücher, PDF-Dateien, Internetseiten, Gebrauchsanweisungen – überall begegnen uns Texte,
deren Informationen wir brauchen und die wir – möglichst schnell und genau – lesen müssen.
Drei Lesehaltungen und drei Lesetechniken können unterschieden werden:

Lesehaltung und Drei Lesehaltungen Drei Lesetechniken


Lesetechnik
• Informieren • Punktuell
Ich suche Informationen, die mir er- Ich suche bestimmte Informationen
möglichen, eine Aufgabe zu erfüllen. und lese nur einzelne Seiten, Kapitel,
Abschnitte.

© 2023 Verlag A nalysieren
SKV und Fokus
AG: Fokus Sprache, interpretieren
Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches
 Exemplar von Liza Basha,
Ich vertiefe mich8307 Effretikon
in einen Text, um ihn • Systematisch
besser zu verstehen, das Wesentliche Ich lese den Text mehrmals und bear-
zu erfassen, eine Meinung zu bilden beite ihn, z. B. mit Bleistift oder Leucht­
und Stellung zu beziehen. Ich versuche, stiften (vgl. Modul B, «Textanalyse und
die einzelnen Teile zu einer differen­ Interpretation»).
zierten Gesamtaussage zusammen-
• Diagonal
zufügen.
Ich blättere die Seiten durch, überfliege
Sowohl oberflächliche Leichtgläubigkeit
sie und bleibe dort länger, wo ich
als auch übertriebene Kritiksucht ver-
etwas Interessantes oder Wichtiges
meide ich.
finde.
• 
Unterhalten und geniessen
Ich lese, um mich zu unterhalten, zu
entspannen oder mich einzufühlen.

Schlüsselwörter Schlüsselwörter (-begriffe) sind die «Zeichen» in einem Text, die unsere Aufmerksamkeit
wecken und die auf einen grösseren Zusammenhang innerhalb des Textes hinweisen.
Sie lassen sich näher bestimmen und interpretieren. Je aufmerksamer und geübter wir lesen,
desto mehr Schlüsselwörter erkennen wir, desto interessanter wird die Lektüre und desto
besser verstehen wir den Text.

18 Kommunikation und Zeichen


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Besser lesen

MODUL A
• Grundvoraussetzungen sind mein Interesse und meine Neugier, das Thema, den Inhalt und
die Textintention verstehen zu wollen. Desinteresse und Abneigung blockieren das Denken.
• Ich formuliere einen persönlichen Nutzen und persönliche Ziele, die sich mit Lesen des Tex-
tes erreichen lassen.
• Ich stelle mich darauf ein, den Text mehrmals zu lesen.
• Ich stelle eine gute Leseumgebung her: ausreichend Zeit, konzentrierte Stimmung, gute
Beleuchtung, kein Lärm, keine Ablenkung durch andere oder Handy oder Computer usw.
• Ich lese ruhig weiter, um den Gesamtzusammenhang eines Textabschnittes zu verstehen; Lesetipps
ständiges Zurückspringen auf vorherige Textstellen stört den Lesefluss und die Konzentra-


tion.
• Ich lese möglichst nur mit den Augen und spreche nur wenige wichtige oder fremde Wör-
ter mit. Das innere Sprechen benötigt mehr Zeit als die direkte Verbindung vom Auge zum
Speicherplatz im Gehirn (rasche Ermüdung kann auf eine eingeschränkte Sehleistung hin-
weisen: Augen überprüfen lassen).
• Ich markiere nur sehr wenige Stellen mit bunten Leuchtstiften – grelle Farben lenken vom
Text ab! Stichworte am Textrand und Markierungen mit Bleistift sind aussagekräftiger.
• Ich versuche meine Geschwindigkeit zu erhöhen – und mir mehr zu merken.
• Lesen! Lesen! Lesen!

SQ3R-Methode
Die folgende Methode des Amerikaners Francis P. Robinson ist in erster Linie für längere Sach­
texte entwickelt worden. Sie lässt sich vereinfacht auch auf kurze Texte anwenden.

Lange Texte Kurze Texte


Survey Ich mache mich mit dem Text Was verspricht oder deutet der
Überblick oder Buch vertraut und gewinne Titel an (Untertitel, Zwischen­
einen ersten Überblick: Titel, titel)?
Klappentext, Inhaltsverzeichnis, Ich stelle W-Fragen.
© 2023 Register.
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Questions Ich stelle W-Fragen: Wer? Was?


Fragen Wann? Wo? Warum? Wie?
Mit welchen Konsequenzen?
Ich aktiviere mein Vorwissen.

Read Über Schlüsselbegriffe komme Ich kennzeichne die Schlüssel- SQ3R


Lesen ich an den Inhalt und die Kern- begriffe sowie Fach- oder Fremd-
aussagen der einzelnen Ab- wörter, Definitionen u. a.
schnitte oder Kapitel.
Ich achte auf Fach- und Fremd-
wörter, Definitionen und Illustra-
tionen (Schemata) u.Ä.

Recite Ich wiederhole und erinnere Ich versuche eine Gliederung


Rekapitulieren, mich, was ich gelesen habe und zu erkennen oder erstelle ein
erinnern wie sich die Fragen beantworten Mindmap.
lassen. Ich bringe den Inhalt, das
Ich arbeite abschnitt- oder kapi- Thema, die Handlung auf den
telweise. Punkt.
Ich erläutere anhand der Schlüs-
Review Ich stelle den gesamten Inhalt selwörter, wie ich das Gelesene
Repetieren, dar; eventuell schreibe ich eine verstanden habe.
überarbeiten Zusammenfassung oder erläu-
tere anderen den Text.

Jede Methode verlangt Training und Ausdauer – und bringt nach kurzer Zeit Erfolg.

Kommunikation und Zeichen 19


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6 Textsorten

Texte lassen sich in literarische oder fiktionale Texte sowie in Sach- oder Gebrauchstexte
unterscheiden. Eine scharfe Trennung der verschiedenen Textsorten ist nicht immer möglich;
im Einzelfall kann es notwendig sein zu begründen, warum es Überlappungen gibt.

6.1 Literarische oder fiktionale Texte

Diese klassische Unterscheidung literarischer oder fiktionaler Texte in Epik, Dramatik und Lyrik
lässt sich mit folgender «Regel» einfach merken:
• Wo uns etwas erzählt wird, handelt es sich um Epik;
• wo verkleidete Menschen auf einem Schauplatz agieren, um Dramatik; und
• wo ein Zustand empfunden und von einem Ich ausgesprochen wird, um Lyrik.
Anders gesagt: Epik entwickelt den anschaulichen Ausdruck, das Bildliche; Dramatik lebt
etwas vor, stellt eine Logik auf der Bühne dar; und die Lyrik weckt Emotionen.
Überprüfen Sie bei der Lektüre literarischer Texte, ob diese Unterscheidung immer und überall
zutrifft und wie Schreibende mit diesen Formen «spielen». Die moderne Literatur und die
Medien erschweren manchmal die Einteilung, dennoch bildet sie ein brauchbares Gerüst.
In Modul F, «Literaturatelier», wird auf einzelne Begriffe und Textsorten näher eingegangen.

Fiktionale Textsorten Epik Dramatik Lyrik


Roman Komödie (Volks-)Lied
Novelle Tragödie Song und Schlager
Märchen – Bürgerliches Trauerspiel Ballade
Sage – Historisches Drama Sonett
Erzählung – Soziales Drama Hymne
Kurzgeschichte
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BM mit digitalen Ode
Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Anekdote
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon Sketch und Boulevard Elegie
Kalendergeschichte Oper
Fabel Musical und andere
Gleichnis Hörspiel lyrische Formen
Parabel Film
«Tagebuch» Soap und Doku-Soap

Aufgabe

Die folgende Parabel Bertolt Brechts gilt als typisch für diese Textsorte. Das Verständnis lässt
sich über die Analyse der «Zeichen» gut erschliessen. Worum geht’s hier?

Herrn K.s Lieblingstier


Parabel Als Herr K. gefragt wurde, welches Tier er vor allen schätze, nannte er den Elefanten und
begründete dies so: Der Elefant vereint List mit Stärke. Das ist nicht die kümmerliche List,
die ausreicht, einer Nachstellung zu entgehen oder ein Essen zu ergattern, indem man nicht
auffällt, sondern die List, welcher die Stärke für grosse Unternehmungen zur Verfügung
steht. Wo dieses Tier war, führt eine breite Spur. Dennoch ist es gutmütig, es versteht Spass.
Es ist ein guter Freund, wie es ein guter Feind ist. Sehr gross und schwer, ist es doch auch
sehr schnell. Sein Rüssel führt einem enormen Körper auch die kleinsten Speisen zu, auch
Nüsse. Seine Ohren sind verstellbar: Er hört nur, was ihm passt. Er wird auch sehr alt. Er ist
auch gesellig, und dies nicht nur zu Elefanten. Überall ist er sowohl beliebt als auch ge-
fürchtet. Eine gewisse Komik macht es möglich, dass er sogar verehrt werden kann. Er hat
eine dicke Haut, darin zerbrechen die Messer; aber sein Gemüt ist zart. Er kann traurig wer-
den. Er kann zornig werden. Er tanzt gern. Er stirbt im Dickicht. Er liebt Kinder und andere
kleine Tiere. Er ist grau und fällt nur durch seine Masse auf. Er ist nicht essbar. Er kann gut
arbeiten. Er trinkt gern und wird fröhlich. Er tut etwas für die Kunst: Er liefert Elfenbein. 1930

20 Kommunikation und Zeichen


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL A
6.2 Sach- und Gebrauchstexte

Auf der anderen Seite lassen sich die Sach- und Gebrauchstexte in fünf Gruppen unterteilen:
• Privattexte (die auch erfunden sein können), die nur bedingt für andere verfasst sind;
• didaktische Texte, die mit Belehrung und Schule zu tun haben;
• berufsbezogene Texte, die sich um Arbeit, Kunden, Image und Information drehen;
• journalistische Texte, die in den Medien erscheinen und sich gezielt an eine grosse Öffent- Sachtexte
lichkeit wenden, sowie
• wissenschaftliche Texte, in denen es um Forschung und Erkenntnis geht.


Privattexte Didaktische Texte Berufsbezogene Texte Journalistische Texte Wissenschaftliche Texte
SMS Vortrag (Geschäfts-)Brief Meldung Lexikonartikel
E-Mail Vorlesung E-Mail Nachricht wissenschaftlicher Aufsatz
Brief Sachbuch Fax Bericht Monografie
Ansichtskarte Lehrbuch (Akten-)Notiz Reportage Forschungsbericht
Tagebuch (Schul-)Aufsätze Protokoll Rezension Dissertation
Fach- oder Projektarbeit Bericht Interview
Referat Statement
Präsentation Leserbrief
Leitbild Editorial
Konzept Porträt
Businessplan Home­story
Kommuniqué Kolumne
Dokumentation Kommentar
Gebrauchsanleitung Blogs
Dossier Social-Media-Texte
Onlinedokumente

Trennschärfe
Die Einteilung in Textsorten erleichtert das Gespräch über Texte und Inhalte, ermöglicht eine
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klare Ordnung von Persönliches
Texten und setzt
Exemplar vonAnsprüche anEffretikon
Liza Basha, 8307 die Schreibenden. Wer ein Protokoll führt,
lässt keine persönliche Meinung einfliessen; wer einen Lexikonartikel liest, erwartet präzise
Sach­informationen. Abgrenzungen
Moderne Literatur bricht «strenge» Regeln auf und spielt mit inhaltlichen sowie formalen
Elementen der Textsorten. Die «Tagebücher» des Schweizer Schriftstellers Max Frisch sind von
Beginn an für die Öffentlichkeit geschrieben worden und unterscheiden sich deutlich von Ta-
gebüchern, die Jugendliche führen. Die kreativen Berichte einzelner Boulevardmedien lassen
sich manchmal eher als fiktional denn als sachbezogen einordnen.

Aufgabe

• Wählen Sie drei Textsorten aus, die Sie nicht kennen oder über die Sie mehr erfahren
wollen. Suchen Sie entsprechende Informationen in Lexika, Wörterbüchern und im Internet.
Verwenden Sie Ihr Arbeitsheft.
• Suchen Sie auch Beispiele für diese Textsorten.

Kommunikation und Zeichen 21


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
  Modultest

1. Beantworten Sie die folgenden Fragen in Ihrem Arbeitsheft.


• Was unterscheidet Signale und Symbole?
• Erläutern Sie, warum die Sprache ein Zeichensystem mit Symbolcharakter ist.
• Um die zwischenmenschliche Kommunikation zu erleichtern, ist eine der vier Seiten des
Lösung Kommunikationsquadrats besonders wichtig. Erläutern Sie den Grund.
• Sie erhalten folgende SMS: «I chumme später :–)!» – Was setzt der Sender voraus,
damit er verstanden wird? Wenden Sie das Kommunikationsquadrat an.
• Eine Vorgesetzte sagt: «Können Sie diese Daten bis Mittag in einer Excel-Tabelle darstel-
len?» – Was hören die vier Ohren in dieser Frage?
• Was heisst «umkehrbare Kommunikation»? Und warum ist sie wichtig?
• Was sind Schlüsselwörter?
• Wofür steht die Abkürzung «SQ3R»?
• Erläutern Sie die Begriffe «Anekdote», «Märchen» und «Komödie», die Ihnen sicher aus
Ihrer Schulzeit bekannt sind.
• Erklären Sie die Textsorten «Leitbild», «Homestory» und «Kolumne».

2. Lesen Sie die folgende Kalendergeschichte aufmerksam durch, kennzeichnen Sie


die Schlüsselwörter, und lösen Sie anschliessend die Aufgaben.

J o h a n n P e t e r H ebe l , 1 7 6 0 –1 8 2 6
Kannitverstan
1 Der Mensch hat wohl täglich Gelegenheit, in Emmendingen und Gun­delfingen, so gut
als in Amster­dam Betrachtungen über den Unbestand aller irdischen Dinge anzu­stellen,
wenn er will, und zufrieden zu werden mit seinem Schicksal, wenn auch nicht viel ge-
bratene Tauben für ihn in der Luft herumfliegen. Aber auf dem seltsamsten Umweg kam
ein
© 2023 5Verlag SKVdeutscher Handwerksbursche
AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mitin Amsterdam
digitalen durch
Lösungen und den für
Kommentar Irrtum zur Wahrheit und zu
Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
ihrer Erkenntnis. Denn als er in diese grosse und reiche Handelsstadt, voll prächtiger
Häuser, wogender Schiffe und geschäftiger Menschen, gekommen war, fiel ihm sogleich
ein grosses und schönes Haus in die Augen, wie er auf seiner ganzen Wanderschaft von
Duttlingen bis nach Amsterdam noch keines erlebt hatte. Lange betrachtete er mit Ver-
10 wunderung dies kostbare Gebäude, die 6 Kamine auf dem Dach, die schönen Gesimse
und die hohen Fenster, grösser als an des Vaters Haus daheim die Tür. Endlich konnte er
sich nicht entbrechen, einen Vorübergehenden anzureden. «Guter Freund», redete er ihn
an, «könnt Ihr mir nicht sagen, wie der Herr heisst, dem dieses wunderschöne Haus ge-
hört mit den Fenstern voll Tulipanen, Sternenblumen und Levkojen?» – Der Mann aber,
15 der vermutlich etwas Wichtigeres zu tun hatte, und zum Unglück gerade so viel von der
deutschen Sprache verstand, als der Fragende von der holländischen, nämlich nichts,
sagte kurz und schnauzig: «Kannitverstan»; und schnurrte vorüber. Dies war ein hollän-
disches Wort, oder drei, wenn man’s recht betrachtet, und heisst auf deutsch soviel, als:
Ich kann Euch nicht verstehn. Aber der gute Fremdling glaubte, es sei der Name des
20 Mannes, nach dem er gefragt hatte. Das muss ein grundreicher Mann sein, der Herr
Kannitverstan, dachte er, und ging weiter. Gass aus Gass ein kam er endlich an den
Meerbusen, der da heisst: Het Ey, oder auf deutsch: das Ypsilon. Da stand nun Schiff an
Schiff, und Mastbaum an Mastbaum; und er wusste anfänglich nicht, wie er es mit sei-
nen zwei einzigen Augen durchfechten werde, alle diese Merkwürdigkeiten genug zu
25 sehen und zu betrachten, bis endlich ein grosses Schiff seine Aufmerksamkeit an sich
zog, das vor kurzem aus Ostindien angelangt war, und jetzt eben ausgeladen wurde.
Schon standen ganze Reihen von Kisten und Ballen auf- und nebeneinander am Lande.
Noch immer wurden mehrere herausgewälzt, und Fässer voll Zucker und Kaffee, voll
Reis und Pfeffer, und salveni1 Mausdreck darunter. Als er aber lange zugesehn hatte,

1 
«salveni» kommt aus dem Lateinischen, ist ein zusammengezogener Ausdruck und heisst «salva venia», auf
Deutsch «Entschuldigung». Der Erzähler entschuldigt sich also bei den Lesenden für das Wort «Mausdreck».

22 Kommunikation und Zeichen


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
30 fragte er endlich einen, der eben eine Kiste auf der Achsel heraustrug, wie der glückliche

MODUL A
Mann heisse, dem das Meer alle diese Waren an das Land bringe. «Kannitverstan», war
die Antwort. Da dachte er: Haha, schaut’s da heraus? Kein Wunder, wem das Meer
solche Reichtümer an das Land schwemmt, der hat gut solche Häuser in die Welt stellen,
und solcherlei Tulipanen vor die Fenster in vergoldeten Scherben. Jetzt ging er wieder
35 zurück, und stellte eine recht traurige Betrachtung bei sich selbst an, was er für ein
armer Mensch sei unter so viel reichen Leuten in der Welt. Aber als er eben dachte:
Wenn ich’s doch nur auch einmal so gut bekäme, wie dieser Herr Kannitverstan es hat,
kam er um eine Ecke, und erblickte einen grossen Leichenzug. Vier schwarz vermummte
Pferde zogen einen ebenfalls schwarz überzogenen Leichenwagen langsam und traurig,
40 als ob sie wüssten, dass sie einen Toten in seine Ruhe führten. Ein langer Zug von


Freunden und Bekannten des Verstorbenen folgte nach, Paar und Paar, verhüllt in
schwarze Mäntel, und stumm. In der Ferne läutete ein einsames Glöcklein. Jetzt ergriff
unsern Fremdling ein wehmütiges Gefühl, das an keinem guten Menschen vorübergeht,
wenn er eine Leiche sieht, und blieb mit dem Hut in den Händen andächtig stehen, bis
45 alles vorüber war. Doch machte er sich an den letzten vom Zug, der eben in der Stille
ausrechnete, was er an seiner Baumwolle gewinnen könnte, wenn der Zentner um
10 Gulden aufschlüge, ergriff ihn sachte am Mantel, und bat ihn treuherzig um Exküse.
«Das muss wohl auch ein guter Freund von Euch gewesen sein», sagte er, «dem das
Glöcklein läutet, dass Ihr so betrübt und nachdenklich mitgeht.» «Kannitverstan!» war
50 die Antwort. Da fielen unserm guten Duttlinger ein paar grosse Tränen aus den Augen,
und es ward ihm auf einmal schwer und wieder leicht ums Herz. «Armer Kannitverstan»,
rief er aus, «was hast du nun von allem deinem Reichtum? Was ich einst von meiner
Armut auch bekomme: ein Totenkleid und ein Leintuch, und von allen deinen schönen
Blumen vielleicht einen Rosmarin auf die kalte Brust, oder eine Raute.» Mit diesen
55 Gedanken begleitete er die Leiche, als wenn er dazu gehörte, bis ans Grab, sah den ver-
meinten Herrn Kannitverstan hinabsenken in seine Ruhestätte, und ward von der hol-
ländischen Leichenpredigt, von der er kein Wort ver­stand, mehr gerührt, als von man-
cher deutschen, auf die er nicht achtgab. Endlich ging er leichten Herzens mit den
andern wieder fort, verzehrte in einer Herberge, wo man Deutsch verstand, mit gutem
60 Appetit ein Stück Limburger Käse, und, wenn es ihm wieder einmal schwerfallen wollte,
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
dass so viele Leute in der
Persönliches Weltvon
Exemplar soLiza
reich seien,
Basha, und er so arm, so dachte er nur an den
8307 Effretikon
Herrn Kannitverstan in Amsterdam, an sein grosses Haus, an sein reiches Schiff, und an
sein enges Grab. 1809

Aufgabe

• Schlagen Sie Wörter oder Wendungen nach, die Ihnen unbekannt oder unklar sind.
• Gliedern Sie den Text in vier bis fünf sinnvolle Abschnitte.
• Mit wem kommuniziert der Handwerksbursche?
• Welche Zeichen nimmt der Handwerksbursche wahr? Wie deutet oder versteht er die
Zeichen? Und zu welchen Schlüssen gelangt er?
• Beschreiben Sie die Unterschiede dieser 200 Jahre alten Sprache zum heutigen Deutsch.
• Wie müsste die Geschichte für unsere Zeit umgeschrieben werden? Was ändert sich?

Kommunikation und Zeichen 23


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
3. Der Satiriker F. W. Bernstein (Fritz Weigle, 1938) hat sich mit Hebels «Kannit­verstan»
auseinandergesetzt.
• Wie verändert er das Original?
• Worum geht es in Bernsteins Text?

Nachdenkliches und Kritisches


Betrachtungen anlässlich einer Reise
1 Vor kurzem führte mich eine Reise nach Amsterdam. Dämmer lag über den Grachten, als
ich ankam – eine schöne Stadt, früher nur ein altes Fischerstädtchen. Im Hafen eine be-
triebsame Atmosphäre. Eine grosse Jacht fiel mir sofort auf – ein Schiff mit acht Segeln.
Es lag am Kai vertäut. Neugierig näherte ich mich und sprach ein paar Umstehende an:
5 «Welch schönes Schiff!» Und ich äusserte meine Gedanken über den unermesslichen
Reich­tum, von dem ein solches Schiff künde, und ich fragte mich und meine Gesprächs-
partner, ob überhaupt heutzutage solch Luxus noch ein Einzelner sein eigen nennen
dürfe …?
«Kannitverstan», meinten die Umstehenden übereinstimmend.
10  Auch sie verstanden nicht, wie dergleichen eigentlich noch möglich sein konnte.
Man muss seine Mitmenschen nur ansprechen, damit ihnen das Alltägliche plötzlich neu
und bedenkenswert erscheint. Schon kurz darauf zog etwas Neues meine Aufmerksam-
keit auf sich: Ein prunkvolles Haus in einem luxuriösen Park. Welcher Aufwand, welche
Pracht, dachte ich – und die Strumpfwirker von Apolda hungern. Und auch dieses
15 schlossartige Gebäude war Privatbesitz!
 Sinnend ging ich weiter, als aus einer Nebenstrasse ein kleiner, aber sehr ärmlicher
Trauerzug meinen Weg kreuzte. Nicht einmal ein Geistlicher begleitete ihn. Ich zog mei-
nen Hut, und da der Kondukt gerade an einer Verkehrsampel hielt, fragte ich einen der
Trauernden, wem man hier die letzte Ehre erweise, und ich kondolierte höflich. «Johann
20 Peter Hoytenklouten ist gestorben», ward mir zur Antwort. «Er hat’s nicht leicht gehabt.»
 Wieviel Menschenschicksal in einer Stadt! Jetzt, da ich diese Beobachtungen nieder-
schreibe im kleinen Hotel an der Harmenz-Gracht, geben sie mir wieder zu denken. Um
wieviel schöner hat man’s doch in einem grossen schönen Haus, wieviel Annehmlich­
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keiten von
Persönliches Exemplar verschafft nichtEffretikon
Liza Basha, 8307 eine Fahrt auf einer schnittigen Jacht – auch wenn’s mir unver-
25 ständlich bleibt, wie man zu dergleichen kommt –, verglichen mit dem ärmlichen Sarg
in der Nebenstrasse.
 Sicher – wer wäre nicht fröhlich und dankbar, wenn er eine Menge Geld hätte? Aber
ob die Reichen auch so denken? Vielleicht, vielleicht auch nicht. 1979

24 Kommunikation und Zeichen


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MODUL B
Textanalyse und Interpretation


Lernziele

• 
Ich kann anspruchsvollere literarische und
Sachtexte verstehen und mich mit ihnen syste-
matisch auseinandersetzen.

• 
Ich berücksichtige für das Textverstehen in
erster Linie das Thema, die Figuren, die sprach­
liche Gestaltung sowie die Gliederung (Struktur)
des Textes.

•  Weitere Elemente – z.B. Biografie, Wirkung aufs


Publikum sowie das historisch gesellschaftliche
Umfeld oder die Textsorte u.a. – vermag ich zu
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recherchieren; auch weiss ich, dass sich Texte
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

aus verschiedenen Sichtweisen deuten und ver-


stehen lassen.

• Ich kann meine persönlichen Eindrücke und


Wertungen am Text belegen und bemühe mich
um Verständlichkeit meiner Aussagen. Anderen
Deutungen (Interpretationen) begegne ich offen
und versuche, sie auf ihre Gültigkeit zu über­
prüfen.

25
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1 Impuls

Erich Fried, 1921–1988


Das Missverständnis
Lesen Sie den Text 1 Die jungen Hühner hatten keine gute Beziehung zu der rotnasigen Frau, die sie fütterte.
aufmerksam durch, Zwar kamen sie, angelockt vom Futter und vom kreischenden Futtergepiepse der alten
und markieren Sie die Bäuerin, immer rasch zu ihr hin, aber wenn sie bemerkten, dass sie dabei zufällig in ihre
Schlüsselwörter. unmittelbare Nähe geraten waren, ergriffen sie Hals über Kopf die Flucht. Es waren so-
5 genannte glückliche, freilebende Hühner. Die Mutterhenne klagte oft über das gestörte
Verhältnis der Küken zu ihrer aller Wohltäterin und versuchte die Ursachen dieses in
ihren Augen krankhaften Misstrauens – Hühnerhofverdrossenheit nannte sie es manch-
mal – zu ergründen.
Die jungen Hühner waren freilich keine Küken mehr, sondern schon recht gross und
10 stattlich. Sie hatten gerade lesen gelernt und waren auf ihre Kenntnisse nicht wenig
stolz. Dennoch flogen diesmal noch die letzten Flaumfedern, und sie kollerten eines
über das andere, als wären sie eben erst aus dem Ei gekrochen, – so verstört flohen sie
zu ihrer Mutter zurück.
Als das Gekreisch sich unter dem begütigenden Gackern der alten Glucke gelegt hatte,
15
gelang es ihr, den Grund des allgemeinen Entsetzens zu erfahren.
«Auf dem Hof liegt sie! – links hinter dem grossen Futternapf! – Vor dem Küchen­
fenster.»
«Wir haben es selbst gesehen, mit eigenen Augen!» – «Und ich hab schon immer gesagt,
sie sind grässlich – die Menschen.»
20 «Ja! ja!», kreischte es rundum zustimmend. «Ärger als der rote Fuchs, von dem du uns
immer erzählt hast.» – «Herzlos!» – «Grausam!» – «Wenn man nur richtig fortfliegen
könnte!»
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Exemplar
Persönliches Wiedervon
musste die8307
Liza Basha, Mutterhenne
Effretikon Ruhe schaffen. «Genug! Genug! Wie oft
soll ich euch
noch sagen, ihr könnt die Menschen nicht so mir nichts, dir nichts schlecht machen! –
25 Sorgen sie nicht für unsere Sicherheit? Gibt euch die Bäuerin – die Frau mit dem rot-
blauen Schnabel – nicht täglich zweimal Futter und reines Wasser? – Aber wenn ihr
immer nur zetert und ihnen alles Böse zutraut, dann werdet ihr sie eines Tages noch zur
Verzweiflung treiben. Dann habt ihr es! Kein Lebewesen kann es ertragen, wenn man
ihm immer alles nur schlecht auslegt.»
30 «Schlecht auslegt?! Wie würdest denn du das auslegen? Wir haben es selbst gesehen!
Sie liegt draussen auf dem Hof!»
«Wer denn?», fragte die Henne, die, um sicherzugehen, ihre Junghühner schnell noch-
mals heimlich gezählt hatte: «Ihr seid doch alle da; das ist alles, worauf es ankommt.» –
Und dann wiederholte sie, wider Willen, doch ein wenig besorgt, ihre Frage: «Wer liegt
35 denn schon wieder auf dem Hof?»

«Die Zeitung! – Eine Zeitung», antwortete es von allen Seiten. «Wir haben es selbst gele-
sen! Grauenhaft! Es wird einem ganz schwarz vor den Augen.»
«Ach was, eine Zeitung! – Erstens dürft ihr nicht alles glauben, was ihr in der Zeitung
lest. Das ist oft nichts als Spreu und fliegende Federn! Und ausserdem: Habe ich es euch
40 nicht schon tausendmal gegackert?! Unser Wohlergehen beruht auf der Einhaltung un-
seres Haustierabkommens mit den Menschen über die Eierlieferung bei gleichzeitiger
grundsätzlicher Nichteinmischung in ihre internen Menschereien. Kein Hahn kräht da-
nach, was sie untereinander tun. Jeder scharre auf seinem eigenen Mist!»
«Aber sie tun es doch uns, Mutter; – es war auch kein Bericht in dieser Zeitung, sondern
45 es
stand ganz gross im Anzeigenteil. Sie machen uns blind! Die Menschen reissen uns
die Augen aus, Mutter! Die Augen! Sie haben sogar schon Spezialisten dafür!»
«Was?», fragte die Henne verdutzt – «Ja, ja, ja: Dort steht es schwarz auf weiss – ‹Hüh-
neraugen – rasch und einfach entfernt. Billigste neueste Methode aufgrund langjähriger
Erfahrung.›»

26 Textanalyse und Interpretation


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50 Die alte Henne wippte und gluckste vor Lachen, so dass die Junghühner fürchteten, der

MODUL B
3
Schreck habe ihr den Verstand geraubt: «Ihr dummen Puten, ihr! – ! Da seht ihr wieder,
wie Unrecht ihr den Menschen tut!» Und sie erklärte den aufhorchenden Nachwuchs-
hühnern ihr Missverständnis.
Zuerst zweifelten noch einige und hielten die Erklärung der alten Henne über die verun-
 5 stalteten
5 Krallen und Klauen der Menschen, denen sie zu Ehren der Hühner einen be-
schönigenden Namen gegeben hatten, für etwas weithergeholt, ja vielleicht sogar nur
für künstlich zusammengescharrt, um sie zu beschwichtigen. Aber die Wahrheit hat ihre
eigene Überzeugungskraft: Zuletzt glaubten es doch alle.
Stillgeworden hockten sie im Kreis um die alte Glucke, bis in den letzten Federkiel


60 durchströmt von einem wohligen Gefühl der Erleichterung und der Sicherheit, aber zu-
gleich auch ein wenig beschämt über ihr Misstrauen, besonders wenn sie an die Bäuerin
mit dem rotblauen Schnabel dachten, die sie sich zuvor in ihrer Erregung als wahres
Ungeheuer vorgestellt hatten, triefend vor Hühnerblut. Dabei war die alte Frau nicht nur
wirklich nützlich, sondern hatte gerade erst heute am Morgen, als sie ihnen Futter
65 brachte und das Wasser wechselte, mit freundlich ermunternden Worten ihre Grösse und
Stattlichkeit gerühmt.
Still wie es nun, da sie sich ausser Gefahr wussten, in ihren Herzen war, war es auch
draussen auf dem Hof. Durchs offene Küchenfenster konnten sie die Frau sehen und
hören, wie sie geduldig ein grosses Messer schärfte. Es war ein angenehmes Geräusch,
70 das ein wenig an lebhaftes Scharren auf rauhem Grund erinnerte, mehr noch aber ein
weit entferntes Krähen. 1982

2 Textanalyse

Analyse heisst – nach© 2023


DudenVerlag–SKV AG: Fokus Sprache,
Auflösung, Fokus Spracheund
Zergliederung BM mit digitalen
meint Lösungen
«die und KommentarUnter-
systematische für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
suchung eines Gegenstandes oder Sachverhalts hinsichtlich aller einzelnen Komponenten oder
Faktoren, die ihn bestimmen». Wir analysieren also Erich Frieds Text «Das Missverständnis»,
weil es darin leicht erkennbar um mehr geht als das Gegacker auf einem Hühnerhof.
Unser Ziel ist ein vertieftes Verständnis des Textes. Welche Wirkungen erzeugt der Text, und
worauf zielt er ab?

2.1 Erstes Lesen und Schlüsselwörter Schlüsselwörter

Beim ersten Lesen haben wir einige Schlüsselwörter angestrichen, zum Beispiel:

• junge Hühner – keine gute Beziehung – ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

• keine Küken mehr – gross und stattlich – ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

• Hühneraugen – rasch und einfach entfernt – –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

• Missverständnis – –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––­­––––––

• die Bäuerin, alte Frau: Grösse und Stattlichkeit gerühmt – –––––––––––––––––––––––––––––––––––

Textanalyse und Interpretation 27


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2.2 Systematisches Fragen

 ir überziehen den Text mit einem Netz von W-Fragen. Die leeren Linien ermöglichen Ihnen,
W
noch weitere Fragen zu formulieren. Beantworten Sie die Fragen in Ihrem Arbeitsheft.

• Der Einfachheit halber beginnen wir bei diesem Text mit den Figuren. Die Literatur kennt
keine Personen, sondern Figuren. Dies schafft mehr kritische Distanz und weist auf den
fiktiven Charakter hin.
Wer? • Welche Figuren kommen vor?
• Wie sind die Figuren charakterisiert? Welche Adjektive, Beschreibungen, Formulierungen
werden verwendet?
• Wie verändern, entwickeln sich die Figuren?

• Wir fragen nach der Handlung:


Was? • Was geschieht?
Wann? • Wann und wo spielt die Handlung?
Wo? • Ist der Raum ein wirklicher oder erfundener?
• Wie stimmen Erzählzeit (Lesezeit) und erzählte Zeit (Dauer der Handlung) zusammen?

• Aus der Handlung lässt sich das Thema, das Problem erschliessen:
Worum? • Worauf beruht der Irrtum der Küken?
• Wie hängen der Irrtum der Küken und die Erklärungen der Mutterhenne zusammen?
• Welches Thema, welche Probleme werden in der Handlung dargestellt?


© 2023 Verlag SKV AG: Fokus
Figuren, Sprache, und
Handlung Fokus Sprache
ThemaBMlassen
mit digitalen
sehrLösungen
schnellund
aufKommentar
Menschenfür Lehrpersonen
und Gesellschaft
schlies­
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
sen; somit stellt sich die Frage nach der Intention:
Wozu? • Was bewirkt die «Verkleidung» der Aussage in eine Tiergeschichte (Fabel) oder Parabel?
• Was will uns der Text – nicht unbedingt der Autor! – sagen?
• Wie kann die Intention unser Alltagsleben beeinflussen?

• Entscheidend für die Qualität eines Textes ist die sprachliche Vermittlung.
Wie? • Wie lässt sich der Text sinnvoll in grössere Einheiten gliedern?
• Wie können wir die Sprache beschreiben?
• Wie sprechen die Figuren (Mundart, Hochsprache, Rollensprache)?
• Wer spricht zu uns? Wer kommentiert das Geschehen, z. B. im drittletzten Abschnitt,
Z 57/58?
• Wie entsteht Spannung – oder Langeweile?
• Wo ist der Höhepunkt?
• Wie stehen Anfang und Schluss zueinander?

28 Textanalyse und Interpretation


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MODUL B
3
2.3 Text und Kontext

Je nach Interesse oder Aufgabe lässt sich die Analyse des Textes vertiefen, wenn noch weitere
Elemente «erforscht» werden. Neben der Biografie und dem sozial- und kulturgeschichtlichen
Hintergrund interessieren auch die Wirkung eines Werkes auf das Publikum und die Kritik.
Die Besprechung eines literarischen Werkes heisst Rezension (Verb: rezensieren; Person:
Rezensent/in).
Der Reiz literarischer Werke liegt gerade darin, dass mehrfache Lektüre und der Austausch
der Meinungen zu einem vertieften Verständnis führen. Auch das Lesen eines Romans in ver-
schiedenen Lebensaltern kann zu neuen Einsichten und Erkenntnissen führen. Literarische


Texte erzeugen ihre Wirkung vor allem über die sprachliche Gestaltung eines Themas, den
Kontext, in dem sie entstanden sind und in dem sie heute stehen (können).

Die folgenden Fragen regen an zum Weitersuchen.

• Biografie
• Wer ist die Autorin/der Autor? Unter welchen Bedingungen hat sie/er gearbeitet? Lebensgeschichte
• Gibt es konkrete Bezüge zwischen Privatleben und Werk – oder ist alles reine Erfindung?
• Kennen wir persönliche Dokumente, vor allem zum Werk (Tagebücher, Briefe, Zeichnun­
gen, Interviews, Begegnungen)?

• Historischer Kontext
• Was wissen wir über die Zeit, die sozialen Umstände, in denen der Text entstanden ist? Zeitgeschichte
• Wie wird die Gesellschaft im Werk «abgebildet»?
• Wie passt das Werk in die Epoche – im Vergleich mit anderen Büchern?

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• Kultureller Kontext
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Woher kommt das Thema? Kultur
• Gibt es Anregungen, die zu diesem Werk geführt haben?
• Gibt es Bezüge zu verwandten Motiven in anderen Werken oder Kunstformen?

• Publikum (Rezeption)
• Wie hat das zeitgenössische Publikum das Werk aufgenommen? Gesellschaft
• Was steht in den Rezensionen der Zeit? Was schreibt man heute noch darüber?
• Was spricht uns heute noch an? Warum hat der Text «überlebt?». Wo liegen Schwierig-
keiten, um ihn heute zu verstehen?
• Was fasziniert mich – oder schreckt mich ab?

Textanalyse und Interpretation 29


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3 Ein Modell zur Analyse literarischer Texte

Das folgende Modell vermittelt einen Überblick, wie sich literarische Texte analysieren lassen;
je nach Text und Aufgabe kann das Modell vereinfacht oder erweitert werden. Im Mittelpunkt
stehen immer das genaue Lesen und die präzise Kenntnis des Textes.
Bis zu einem gewissen Grad lässt sich das Vorgehen auch auf Filme oder Werke der bildenden
Kunst übertragen. Was sich ändert, sind die «Sprache» (Bildsprache) und einzelne Begriffe
(Strukturelemente).

– B i o g r a
c h f i e
b r u –
u g
b Handlung e
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T Was geschieht? c
r Was wird beschrieben? h
e Wann und wo findet das

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Geschehen statt?

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h e

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K o
M o d

Sprache des Textes


– Gliederung (Struktur) Autorintention

n t e x t
Welche Absicht
– Wortwahl und Satzbau
Figuren verfolgte der/die
– Stil und rhetorische Figuren

Wer ist am Schreibende zur Zeit


Geschehen beteiligt? – Erzähl- und Zeitperspektive der Entstehung?
f e l d

– Motive Textintention: Was be-


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon – Symbole wirkt der Text heute?
– Textsorte

ö f f
U m

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Thema, Problem
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Worum dreht sich die
u

Handlung eigentlich?
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d e r –
g
i l K r i
V o r b t i k –

Genaueres zu Stil, Erzähl- und Zeitperspektive sowie Motiven und Textsorten findet sich in
Modul F, «Literaturatelier».
Je nach Art des Textes – ob Gedicht, Novelle oder Komödie – variieren die Fragen und auch der
Umfang der Antworten. So gehören zur Struktur eines Gedichts die Gedichtform, die Strophen
sowie das Versmass. Zur Dramenstruktur zählen die Form des Dramas, die Akte und Szenen,
aber auch der Raum und die Zeitdimension. Die Romanstruktur wird neben den Kapiteln von
der Handlung, den Räumen, der Zeit und anderen Elementen geprägt.

30 Textanalyse und Interpretation


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
4 Methoden der literarischen Textinterpretation

MODUL B
3
Wenn sich professionelle Leserinnen und Leser (Literaturwissenschaftlerinnen oder Literaturkri-
tiker) einem literarischen Werk widmen, so stellen sie die gleichen oder ähnliche Fragen wie im
Analyse-Modell, allerdings meist um einiges genauer und mit ausführlicheren Antworten. Je
nach Interesse und persönlichem Literaturverständnis werden unterschiedliche Gewichtungen
vorgenommen. Wir sprechen dann von Methodenlehre oder Interpretationsschulen.
Erich Frieds Text «Das Missverständnis» erlaubt verschiedene Fragen – und damit verschiedene
Zugänge zum Text.


Das Interesse am Text Sichtweise: Methode

Mich interessiert, wie in einer spannenden Handlung Hermeneutik (Lehre


den Lesenden ein Problem vermittelt wird. Wie passen des Deutens oder Verste-
Sprache, Stil, Handlung, Problem zueinander? hens von Sinnzusam-
Text im Fokus

Welche Botschaft soll vermittelt werden? menhängen)


Mich interessiert, in welchem symbolischen Zusammen-
hang dieser Text steht. Wofür stehen die Hühner?
Warum gerade Hühner? Was bedeuten die «Sprüche»
und Floskeln, wie z.B. Hühnerhofverdrossenheit,
Nichteinmischung?

Mich interessiert in erster Linie, wer dieser Autor ist, Biografische


im Fokus
Autor/in

was er sonst geschrieben hat und was er mit dieser Methode


Parabel bewirken wollte.

Mich interessiert der soziale Hintergrund: Worauf Sozialgeschichte


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spielt der Autor an, wenn er 1982 so eine «Hühner- (auch Kulturgeschichte,
Geschichte

Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon


im Fokus

geschichte» veröffentlicht. Wie lebten die Menschen – Philosophie sowie der


als Hühner? Wie erlebten sie in den Achtzigern ihren «Zeitgeist» werden
Alltag, ihre Arbeit? Welche Machtverhältnisse bestan- miteinbezogen)
den?

Wie werden und wurden solche Geschichten (in diesem Rezeption des Textes
Publikum

Falle eine Parabel) in der Öffentlichkeit aufgenommen? in der Öffentlichkeit:


im Fokus

Waren oder sind diese Geschichten Bestseller – oder Publikums- und/oder


Flops? Was trifft den Zeitgeist, das Interesse des Publi- Kritiker-Erfolg (Wirkung
kums, der Kritik? des Textes)

Ich möchte wissen, wie Missverständnisse, Vorurteile, Psychologische


aber auch Gehorsam und Unterwerfung entstehen. Deutung
Möglichkeiten

Warum wieder einmal Hühner – und nicht Gockel? Feministische Methode


Weitere

Und Ihr Blick auf den Text?


Textanalyse und Interpretation 31


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
5 Ein Modell zur Analyse von Sachtexten

Das grundsätzliche Vorgehen bleibt weitgehend gleich wie bei der Analyse literarischer Texte,
allerdings müssen einige Fragen den Sachtexten angepasst werden (dazu zählen auch Medien-
texte).

Lesen Sie den folgen- You are not alone ...


den Sachtext auf-
merksam durch, und Thomas Angeli
markieren Sie die
Schlüsselwörter. … if you don’t understand English advertising claims. Den meisten Schweizern geht es
nämlich gleich: Sie verstehen englische Werbesprüche nicht, wie eine repräsentative Um-
frage ergab.
1 Vor langer, langer Zeit, als man Briefe noch mit der PTT verschickte statt mit «Postmail»,
als ein Geländewagen bestenfalls ein «Jeep» war und sicher kein «Sport Utility Vehicle»,
da verstanden die Menschen in diesem Land die Sprache der Werbung noch. (…)
Good old times waren das. Heute lockt die «Railcity», die früher unter dem Namen
5 «Haupt­bahnhof» bekannt war, mit «Shop & Go», wer mit einem Kleinkredit liebäugelt,
dem hilft die GE Money Bank mit «Imagination at work» auf die Sprünge, und die
Zukunft mobiler Telefonkunden ist angeblich «bright» und «orange».
Fragt sich bloss, ob das derart mit englischen Werbesprüchen eingedeckte Publikum
überhaupt versteht, was ihm da vermittelt werden soll. Der Beobachter hat durch das
10 Basler Institut Konso die Probe aufs Exempel machen lassen. 700 Personen aus der
deutschen Schweiz wurden nach der Bedeutung von englischen Werbesprüchen – in der
Werbersprache Claims genannt – gefragt. Das Resultat: Werden ihnen Produkte oder
Dienstleistungen im Idiom Shakespeares ans Herz gelegt, verstehen Herr und Frau
Schweizer sehr oft bloss «railway station». Sorry: Bahnhof.
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15 Exemplar
Persönliches Bei neun derBasha,
von Liza zehn8307
ausgewählten
Effretikon Claims gab die grösste Gruppe der Antwortenden
an,
den englischen Text nicht übersetzen zu können. Lediglich «Always a smile» der Tele-
komfirma Sunrise schaffte es, fast der Hälfte der Befragten die korrekte Antwort –
«Immer ein Lächeln» – und damit der Medienstelle einen selbstbewussten Kommentar zu
entlocken: «Dieses Resultat deckt sich mit unseren eigenen Erkenntnissen», sagt Sprecher
20 Konrad Stokar. Kleiner Wermutstropfen für das Telekomunternehmen: Immerhin ein
Prozent der Befragten dachten beim Slogan «Always a smile» zuallererst an Damen-
binden.
Mit einer Verwechslung müssen auch die Verantwortlichen von Adidas leben: «Impossi­
ble is nothing» konnten zwar knapp 38 Prozent der Befragten mit «Nichts ist unmöglich»
25 korrekt übersetzen, knapp zwei Prozent gaben aber an, dass es sich dabei um eine Wer-
bung von Toyota handelt. Allzu weit hergeholt ist das nicht: Der japanische Autoher-
steller warb einst mit «Everything is possible» – was das Gleiche heisst wie der Adidas-­
Slogan, bloss positiv ausgedrückt.
«Englischer Sprachimperialismus»
30 Alles oder nichts, möglich oder unmöglich: «Wer sich auf Englisch an ein deutschspra-
chiges Publikum richtet, offenbart oft auch eine kommunikative Schwäche», sagt Frank
Bodin, Präsident des Verbands der führenden Werbeagenturen der Schweiz. (…)
Der «englische Sprachimperialismus» ist Bodin alles andere als geheuer, selbst wenn ihm
Wörter wie Claim oder Shooting (für Fotoaufnahmen) berufsbedingt leicht über die
35 Lippen gehen: «Wir wissen aus eigenen Studien, dass die Leute bei englischsprachiger
Werbung oft nicht verstehen, was gemeint ist.» Als Werber habe man zudem eine gesell-
schaftliche und kulturelle Verantwortung, sagt er: «Der Mensch unterscheidet sich vom
Affen durch eine anständige Sprache.» Und darunter versteht der vielfach ausgezeich-
nete Werber für die Deutschschweiz wenn immer möglich gutes Deutsch statt fragwürdi-
40 ges Englisch.

32 Textanalyse und Interpretation


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Andere versuchen es einfach mit einer Mischung: «Was ist Excellence?», will die Bank

MODUL B
Julius Bär in ihrer neusten Kampagne wissen. Eine gute Frage. Für knapp drei Viertel
der von Konso Interviewten bleibt nämlich schleierhaft, was der Bär-Claim «Committed
to excellence» («Herausragender Leistung verpflichtet») bedeutet. Das Resultat der Um-
45 frage habe keine Aussagekraft, weil der Claim sowieso nie allein stehe, erklärt Bankspre-
cher Martin Somogyi knapp. Und: «Es liegt keine deutsche Übersetzung vor.» (…)

Hauptsache, es klingt gut
«Viele Menschen ‹lernen› Englisch, indem sie Wort- oder Satzfetzen aufschnappen»,
erklärt dazu Urs Dürmüller, Englischprofessor an der Pädagogischen Hochschule Bern.
50 «Sie können dann zwar oft erahnen, was ein englischer Ausdruck in etwa bedeuten
könnte, aber für ein richtiges, analytisches Verständnis der Aus­sage fehlt ihnen das


Wissen.» Ein Wissen, das allerdings bei
manchen Werbekampagnen auch über- So viele Schweizer wissen nicht, was folgende Werbesprüche bedeuten:
haupt nicht zwingend notwendig ist, wie
Fidelity Choose wisely 80%
55 Dürmüller vermutet: «Wenn wirklich eine
Intel Dual-care. Do more. 77%
Botschaft übermittelt werden sollte, dann
Kent Distinct by design / true: impression 76%
würden die Firmen auf Deutsch kommu-
Julius Bär Committed to excellence 74%
nizieren.»
Cablecom Touch your worlds 56%
Der Verdacht kommt dem Sprachwissen- Sony Colour like.no.other 51%
60 schaftler etwa bei «Distinct by design / Hyundai Drive your way 47%
true: impression». Der Claim, der für Adidas Impossible is nothing 46%
Zigaretten der Marke Kent Futura auf Schweiz Tourismus Switzerland. Get natural. 45%
den Plakatwänden prangt, verwendet Sunrise Always a smile 38%
nach Urs Dürmüllers Ansicht «ein sehr Quelle: Institut für Konsumenten und Sozialanalysen AG (Konso); Befragungszeitraum: 19. bis 31. März
65 anspruchsvolles Vokabular. Möglicher- 2007; Telefonbefragung bei 701 für die deutsche Schweiz repräsentativen Personen im Alter von über
14 Jahren.
weise geht das Unternehmen gar nicht
davon aus, dass man die Textbotschaft
versteht.» Womit das Ziel in diesem Fall erreicht wäre. 76 Prozent der Befragten hatten
keinen blassen Dunst, was ihnen mit diesen Worten vermittelt werden sollte. (…)
70 Dumm ist bloss,© wenn dasSKV
2023 Verlag Publikum das Gegenteil
AG: Fokus Sprache, Fokus Sprachevon dem
BM mit versteht,
digitalen was
Lösungen eigentlich
und Kommentar für ge-
Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
meint ist: «Colour like.no.other» (wörtlich: «Far­be wie keine andere»), mit dem Sony
einen LCD-Fernseher bewirbt, wurde von den Befragten unter anderem mit «Farbe ist
was anderes» übersetzt. Sony-Mediensprecherin Marie-Françoise Ruesch sieht darin kein
Problem: Indem der beworbene Fernseher eine führende Marktposition habe, habe der
75 Schweizer Konsument bestätigt, «dass er den Claim verstanden hat und Wert auf ein un-
vergleichliches Farberlebnis legt».
Leider falsch verbunden
Da geht man andernorts lieber auf Nummer sicher. «Switzerland. Get natural», warb
Schweiz Tourismus noch vor kurzem selbst um einheimisches Publikum. «Get natural»
80 (zu Deutsch etwa: «Werde natürlich») sei halt kurz und prägnant und das «get» als Auf-
forderung gedacht. Seit Neustem kommt die Bevölkerung wieder in den Genuss von
heimischen Sprachschöpfungen: «Schweiz. Ganz natürlich» wirbt jetzt für Ferien im
eigenen Land.
Den Weg zurück zu den sprachlichen Wurzeln überlegt sich nach der Beobachter-
85 Umfrage auch Cablecom: Wenn fünf Jahre nach Einführung des Claims 56 Prozent der
Befragten keine Ahnung hätten, wofür «Touch your worlds» («Berühre deine Welten»
oder offiziell: «Wir verbinden die Menschen mit ihren Welten») stehe, sei das «nicht sehr
aufbauend», sagt Kommunikationschef Hans-Peter Nehmer.
Ähnliche Erfahrungen machte auch schon die Cablecom-Konkurrentin Swisscom: «Go
90 far, come close», der frühere Claim von Swisscom Mobile, «wurde von vielen Kunden
nicht verstanden», wie Swisscom-Sprecher Carsten Roetz eingesteht. Nun wirbt man –
auch im Sinne eines einheitlichen Auftritts – mit dem gleichen Spruch wie auch für
Swisscom Fixnet: «Einfach verbunden» in den drei Landessprachen. Bloss für den eng-
lischsprachigen Auftritt im Internet musste man diesen anpassen und – für einmal in
95 der umgekehrten Richtung – übersetzen lassen. Dort heisst es jetzt: «Simply connected».
«Aber», so Roetz, «wer dorthin klickt, versteht meist Englisch.»
(Beobachter, Nr. 10, 2007)

Textanalyse und Interpretation 33


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5.1 Systematisches Fragen

Analog zur Analyse literarischer Texte beginnen wir mit W-Fragen. Die leere Linie ermöglicht
Ihnen, noch weitere Fragen zu formulieren. Lösen Sie die Aufgaben in Ihrem Arbeitsheft.

• Wir fragen nach dem Sachverhalt:


• Wovon ist in diesem Text die Rede?
• Welche Fakten erfahren die Lesenden?
• Was erfahren Sie Neues?

• Wir fragen nach den Personen:


• Wer kommt hier zu Wort?
• Wer wird zitiert – und warum?
• Welche Ansichten vertreten die einzelnen Personen?

• Wir fragen nach dem Thema oder dem Problem, das der Text diskutiert:
• Welches Problem kommt zur Sprache?
• Welche Schlüsse ziehen die zitierten Personen aus dem Problem?
• Zu welchen Ergebnissen kommt der Autor?

• Wir fragen nach dem Autor und der Textintention:


• Was erfahren Sie über den Autor? Wie wichtig ist er – in diesem Text – für das Ver­
ständnis?
• Was will er den Lesenden vermitteln?
© 2023 •
Verlag SKV AG: wirkt
Wie Fokus Sprache,
der TextFokus Sprache BM mit digitalen
möglicherweise aufLösungen und Kommentar
Achtzehnjährige undfür Lehrpersonen
auf Achtundsechzigjährige?
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

• Wir fragen nach Sprache, Struktur und Textsorte:


• Was fällt spontan auf?
• Wie lässt sich der Text in grössere Abschnitte gliedern?
• Welche sprachlichen Mittel und rhetorischen Figuren finden Sie im Text? Eine Hilfe:
– Z 1: Vor langer, langer Zeit, als man Briefe noch …
– Z 4: Good old times waren das.
– Z 13/14: Herr und Frau Schweizer verstehen sehr oft bloss «railway station». Sorry:
Bahnhof.
– Z 37/38: «Der Mensch unterscheidet sich vom Affen durch eine anständige
Sprache.»
– Z 62/68/69: Zigaretten der Marke Kent Futura – 76 Prozent der Befragten hatten
keinen blassen Dunst, was …
• Welche Wirkung lässt sich am deutlichsten erkennen: Ist der Text informierend,
argumentierend oder appellativ (Adjektiv zu Appell)? Belegen Sie Ihre Entscheidung mit
Textstellen.

34 Textanalyse und Interpretation


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MODUL B
5.2 Text und Kontext

Fragen nach dem Kontext können bei Sachtexten sehr unterschiedlich ausfallen: Mal ist viel,
mal eher wenig Hintergrundwissen fürs Textverständnis notwendig. Meist genügt zu wissen,
wann und wo der Text erschienen ist.
Bei Medientexten ist es nicht immer entscheidend, wer sie geschrieben hat; andererseits kom-
men gerade in Fach- oder renommierten Nachrichtenmagazinen prominente Autorinnen oder
Autoren zu Wort, z.B. Nobelpreisträger, Schriftstellerinnen oder Wirtschaftsfachleute.
Interessante ältere Texte können schwer nachvollziehbar sein, wenn nicht die gesellschaftlichen
oder kulturellen Umstände bekannt sind. Gleiches gilt für die Aufnahme in der Öffentlichkeit:


Hintergrundwissen macht erst verständlich, warum das Publikum so und nicht anders reagiert
hat. Auf kritische Sach- bzw. Medientexte reagieren Betroffene oft heftig, z. B. mit Leserbriefen
und E-Mails an die Redaktionen oder gar mit Demonstrationen.
Eine Diskussion um das Tragen von Jeans in der Schule kann heutzutage nur vor dem Zeitgeist
der Fünfzigerjahre verstanden werden. Und Leserbriefe zum Verkaufsverbot von Red Bull in
den Neunzigern des vorigen Jahrhunderts wirken aus heutiger Sicht mehr als seltsam.
Das folgende Modell fasst die wichtigsten Fragen zur Analyse und Interpretation von Sach-
texten anschaulich zusammen.

iografie
n – B – g
i sio es
V ch
e
hn Situation und ic
h
ü Sachverhalt tl
k
r Was ist geschehen? i
e Wann und wo ist etwas c
h
d

geschehen? e
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Woher stammen die r


h

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Informationen (Quellen)?
uc

on
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br

Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon


te
u

xt
ab
odethema, T

– ö

Sprache des Textes


Autorintention
– Gliederung (Struktur)
ffentliche W

Welche Absicht verfolgte


Personen der/die Schreibende zur
– Wortwahl und Satzbau
Wer ist am Geschehen Zeit der Entstehung?
beteiligt? – Fachsprache und Fach­ Textintention: Was be-
Wer ist betroffen? bezug wirkt der Text heute?
– Stil und rhetorische Figuren
– M

– Textsorte und -funktion


irk
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fe

ng
m
U

Thema, Problem
u
n

Welches Thema wird ab-


s

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gehandelt? Wo liegt der


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Kern des Problems?


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– –
Kr n
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und .Diskus

Textanalyse und Interpretation 35


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6 Leitfaden zur schriftlichen Textanalyse und -interpretation

Auf den Punkt gebracht, geht es um folgende drei Fragen:


• Was steht im Text?
• Was sagt er mir?
• Welche Einsichten kann er Lesenden vermitteln?

Dabei ist es leichter, einen Text im Unterricht mit der Klasse oder in einer Kleingruppe zu be-
sprechen, als sich allein schriftlich damit auseinanderzusetzen. Im gegenseitigen Austausch
­fliessen die Gedanken und Ideen, ein Flipchart oder Ähnliches kann als Protokoll der Interpre­
tation entstehen.
Die schriftliche Form zwingt zu einer klaren Sprache, einem geordneten Nacheinander der
Gedanken sowie einer guten Leserführung. Anzustreben ist eine interessante oder gar überra-
schende Interpretation, die ein vertieftes Textverständnis der Schreibenden offenbart. In jeweils
unterschiedlichem Umfang werden die fünf Aspekte der literarischen Textanalyse oder der
Sachtextanalyse berücksichtigt (vgl. Modelle). Mit Textstellen ist zu begründen, wie die Aus­
sagen zu verstehen sind und die Interpretation zustande gekommen ist.
Folgende Gliederungsmöglichkeiten verhindern ein Durcheinander. Zudem erzeugt das Prinzip
Steigerung der Steigerung einen roten Faden und hält Lesende «bei der Stange». Was sich im Einzelfall
am besten eignet, ist vom Text abhängig.
• Vom Naheliegenden zum Entlegenen
• Vom Nebensächlichen zum Wichtigen
• Vom Unwesentlichen zum Wesentlichen
• Vom Offensichtlichen zum Hintergründigen
• Vom Speziellen zum Allgemeinen
• Vom Allgemeinen zum Besonderen
• Vom Einfachen zum Schwierigen
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Verlag SKV AG: Fokuszur schriftlichen
Sprache, Fokus Sprache Textanalyse
BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1. Ich lese den Text mehrfach durch und kennzeichne die Schlüsselwörter sowie andere wich-
tige Elemente, z.B. Namen, Orte, Zahlen oder auch rhetorische Figuren (Stilmittel).
Vorgehen 2. Ich lege in der Gliederung fest, womit ich beginne, welche Abschnitte der Mittel- oder
Hauptteil umfasst und wie ich schliesslich ende.
Bei literarischen Texten stelle ich eine kurze Inhaltsangabe voran (vgl. Modul C, Schreib-
formen), bei Sachtexten weise ich aufs allgemeine Thema hin.
3. Ich notiere mir in Stichworten, Halbsätzen und Wortgruppen, wie ich den Text verstehe und
worauf ich in den einzelnen Abschnitten hinaus will.
4. Ich schreibe den Text nieder und begründe meine Interpretation mit Hinweisen auf Text­
stellen oder baue Zitate ein. Ich formuliere weitgehend sachlich; erst gegen Ende der Arbeit
fliesst die Bewertung in meine Interpretation ein.
5. Je nach Zeitaufwand und Umfang lasse ich die Arbeit von anderen lesen und hole deren
Feedback ein. Eine ausführliche Liste zum Korrigieren und Überarbeiten (Redigieren) findet
sich in Modul E, «Argumentieren und erörtern».
Als mögliche Muster oder Vorbilder für Textinterpretationen können Buch- und Filmbespre-
chungen in Qualitätszeitungen gelten (vgl. Modul C, «Schreibformen»).

Aufgabe

Wagen Sie sich an eine schriftliche Textanalyse und -interpretation. Wählen Sie eine Kurz-
geschichte oder einen interessanten Sachtext, und setzen Sie sich eine bestimmte Zeitdauer.
Wenn zwei oder drei Lernende den gleichen Text wählen, können Sie sich anschliessend über
die Schwierigkeiten und das Endergebnis austauschen.

36 Textanalyse und Interpretation


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  Modultest

MODUL B
1. Beantworten Sie die folgenden Wissensfragen in Ihrem Arbeitsheft.
• Was sind Schlüsselwörter? Warum sind sie wichtig?
• In literarischen Texten wird von Figuren, nicht von Personen gesprochen: Worin liegt der
Unterschied?
• Was heisst Figurensprache? Lösung
• Wie unterscheiden sich Handlung und Problem in einem literarischen Text?
• Warum unterscheiden wir zwischen Autor- und Textintention?
• Was bedeuten die Begriffe «Rezeption» und «Sozialgeschichte»?


• Was ist in einem Sachtext mit Quellen gemeint?
•  Wo können die Grenzen zwischen Sachtext und literarischem (fiktionalem) Text mitunter
verschwimmen?
• Nach welchen drei Funktionen lassen sich Sachtexte unterscheiden?

2. Lesen Sie den Text aufmerksam durch; kennzeichnen Sie die Schlüsselwörter. Anschliessend
beantworten Sie die Fragen, die Sie im Modell Seite 30 finden. Beschreiben Sie auch die
Sprache des Textes nach den Stichworten des Modells. Verwenden Sie Ihr Arbeitsheft.
 Tipp: Wenn Sie sich einer «Lektürehilfe» oder irgendwelcher «Erläuterungen» bedienen,
so fragen Sie kritisch, ob das alles auch stimmt.

Z o ë J e n n y (1974 )
Das Blütenstaubzimmer
1 Wir sitzen in der Kirche wie in einem Käfig, der Regen scheint nicht mehr aufhören zu
wollen.
«Wir könnten deine Mutter im Krankenhaus besuchen, bevor wir abhauen», sage ich
zu Rea, weil ich plötzlich wirklich Lust dazu habe. Überrascht zuckt sie zusammen.
5 Abscheu flackert in ihren
© 2023 Augen,
Verlag SKV in Sprache,
AG: Fokus die ichFokus
jetzt zumBMerstenmal
Sprache blicke, und
mit digitalen Lösungen Abscheu, die
Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
ausstrahlt auf ihre Stirn und den Mund, ein dünner Strich, die Lippen wie eingesogen.
«Du bist wohl krank, Jo.»
Die Skorpione sind von den Wänden ins Deckengewölbe zurückgekehrt. Bis nächsten
Sommer werden sie nicht mehr herauskommen. Ich ziehe den Koffer unter dem Bett her-
10 vor und packe die Kleider und Bücher und die nie abgeschickten Postkarten ein. Es ist
noch frisch, so früh am Morgen; die Buchstaben des Nova Park Hotels schweben über
den Pappeln. Aber man ahnt schon die Hitze, die in wenigen Stunden hereinbrechen
wird. Rea hat gesagt, dass ich zu ihr ziehen soll, bis wir einen Flug nach Milwaukee
haben. Ich stelle den Koffer im Esszimmer ab und gehe ein letztes Mal um die Dorf-
15 mauer. Als ich beim Tor um die Ecke biege, sehe ich von hinten die Gestalt des alten
Ehepaares mit dem Hund. Sie spazieren neben den Bäumen, bleiben stehen, stützen sich
am Geländer ab und blicken auf die Stadt, die in bläulichem Dunst liegt. Der Hund
schnüffelt an den Wurzeln eines Baumes und hebt das Bein. Die Frau zieht plötzlich an
der Leine, so dass der Hund am Boden entlangschleift. Er jault auf, die Alte bückt sich
20 und zieht ihn an beiden Ohren. Sie sagt etwas, das wie eine Zurechtweisung klingt.
Und dann beginnen sie von beiden Seiten auf den Hund einzutreten. In kurzen, heftigen
Tritten stossen die Füsse des Ehepaares in den Hundekörper. Der Ausbruch dauert
wenige Sekunden. Erst als sie weitergehen, kommt mir der Gedanke, dass ich etwas
sagen müsste. Rasch gehe ich auf sie zu. Als ich dann aber ihren säuerlichen Geruch
25 atme und in ihre ängstlichen und zugleich brutalen Gesichter blicke, überwältigt mich
ein Ekel, der mich schweigen und schnell davongehen lässt. An der Busstation studiere
ich den Fahrplan. Eine halbe Stunde habe ich Zeit, meine Sachen zu holen. Ich versuche
an Milwaukee und Rea zu denken, damit sich die Alten in meinem Kopf auflösen. Im
Haus schliesse ich alle Läden. Ich möchte jetzt so schnell wie möglich von hier fort.
30 Im Badezimmer steht noch die geöffnete Flasche Roberts-Shampoo. Ich schraube den
Deckel drauf, als es klingelt. Reas Stimme flüstert aus dem Hörer: «Hör mal, es ist soweit
mit meiner Mutter. Du kannst jetzt nicht kommen. Wir müssen die Reise verschieben.
Ich ruf dich wieder an, wenn hier alles vorbei ist.» 1997

Textanalyse und Interpretation 37


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Je nach Interesse kann zu diesem Text weiter recherchiert werden; hier folgen einige
Anregungen:
• Biografie und Publikum (Rezeption): Recherchieren Sie, wer Zoë Jenny ist und was
sie seither geschrieben hat.
Als Information sei vorausgeschickt, dass die Literaturkritik 1997 hingerissen war vom
Roman – und vor allem von der Autorin. «Es ist einer der ersten und radikalsten Romane
der Technogeneration, adressiert in aller Härte an die 68er Eltern» (Facts, Schweizer
Wochenmagazin bis 2007).
Die Autorin in einem Interview der SonntagsZeitung: «‹Wenn ich solche Sachen lese,
staune ich vorerst einmal. Und dann stelle ich fest, dass ich mein Buch aufgrund dieser
Beurteilung eigentlich neu kennenlerne …› (lacht).»
Und im Brückenbauer, seit 2004 Migros-Magazin, war zu lesen: «Mir geht es nicht
darum, zu psychologisieren, zu moralisieren oder zu erklären, sondern einfach nur ums
Darstellen. Und das Dargestellte sollte Lesende dazu bringen, etwas über sich selbst zu
erfahren.»
Und wie hat die Literaturkritik die späteren Werke der Autorin aufgenommen?
• Historischer Kontext: Informieren Sie sich, was mit den «68ern» gemeint ist.
• Kultureller Kontext: In welchem kulturellen Umfeld ist der Text entstanden?

3. Vergleichen Sie die folgenden drei Medientexte. Alle drei handeln vom gleichen Thema.
Notieren Sie die Ergebnisse in Ihrem Arbeitsheft. Wenden Sie das Analysemodell an, und
suchen Sie möglichst viele Unterschiede zwischen den Texten. Folgende Stichworte dienen
als Anregung:
• Inhalt und Wirkung der Überschrift
• Länge und Verständlichkeit (Wie viel Vorwissen ist notwendig?)
• Anzahl und Qualität der Sachinformationen
• Hintergrundinformationen, Zusammenhänge und Wertung
• Stil und rhetorische Mittel: Was unterscheidet die Texte stilistisch?

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McMatura: Berufsmatur bei McDonald’s

In Grossbritannien ist es bald möglich, bei McDonald’s eine Berufsmatura zu absolvieren.
1 Junge Briten können ihre Hochschulreife künftig bei McDonald’s erwerben. Ebenso wie
der Billigflieger Flybe und das Bahnunternehmen Network Rail kann die Schnellimbiss-­
Kette ihren Mitarbeitern jetzt eine Ausbildung angedeihen lassen, die vom britischen
Staat als Abiturersatz anerkannt wird und zur Aufnahme eines Studiums berechtigt.
5 Die neuen Richtlinien des Bildungsministeriums in London, die am Montag veröffent-
licht wurden, stiessen umgehend auf Kritik. «Wir glauben nicht, dass höhere Bildungs-
einrichtungen sich um Leute mit einem ‹McAbitur› reissen», erklärte die Generalsekretä-
rin der Gewerkschaft für Universitäten und Hochschulen, Sally Hunt.
Das Bildungsministerium betonte, es wolle Lücken zwischen schulischer und betrieb-
10
licher Hinführung zum Studium schliessen und jungen Leuten mehr Chancen bieten.
Als erstes der drei Unternehmen will McDonald’s im kommenden Monat in Grossbritan-
nien mit einer zum betrieblichen Abitur führenden Ausbildung als Schnellimbiss-Filial-
leiter beginnen. Die Teilnehmer lernen dabei alles, was erforderlich ist, um ein Hambur-
ger-Restaurant zu führen, einschliesslich Marketing, Personalführung und Kunden-
15 betreuung.

20 Minuten Online, 28. Januar 2008

38 Textanalyse und Interpretation


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Briten können Matur bald bei McDonald’s machen

MODUL B
Auf den Britischen Inseln dürfen künftig auch Burger-Firmen und Billigflug-Gesellschaften
Prüfungen abnehmen – und staatlich anerkannte Zeugnisse ausstellen.

V o n P e t e r N o n n e n m a c he r , L o n d o n
1 Grossbritannien macht vorwärts mit der Privatisierung und hat die Nase wieder einmal
vorn. Diesmal trifft es die Ausbildung. Wer bei McDonald’s wohlbekannter Burger-Kette
die Kunst des Burger-Mana­gements, der Burger-Betriebsführung und der optimalen Be-
dienung der Burger-Kundschaft erlernt, soll statt mit einem betriebsinternen Papierchen
5 in Zukunft mit einer staatlichen anerkannten Zeugnisnote belohnt werden – mit einer


Note, die einer Maturanote entspricht und den Benoteten zusammen mit anderen Quali-
fikationen den Weg freigibt für Weiterbildung und gegebenenfalls auch den Zugang zu
einer Universität ermöglichen soll.
Die Insel liberalisiert die Zeugnisse
10 Das hat die britische Regierung beschlossen. Sie will mit diesem Experiment das alte
Staatsmonopol für Schulabschlusszeugnisse im Vereinigten Königreich endgültig preis-
geben. Ausser McDonald’s erhalten in einer ersten Versuchsphase auch die Billigflug-­
Gesellschaft FlyBe und das für das britische Schienennetz verantwortliche Eisenbahn-­
Unternehmen Network Rail das Recht, die entsprechenden Weiterbildungskurse anzu-
15 bieten und die nötigen Diplome auszustellen. Falls sich das Projekt bewährt, sollen den
drei Pionieren schon in Kürze eine Vielzahl anderer Firmen folgen.
Den ersten Schritt zur Übereignung der staatlichen Prüfungslizenzen an die Privatwirt-
schaft wagte die Regierung Brown bereits im vergangenen September. Damals gestand
sie der privat finanzierten Hochschule «BPP College» das Recht zu, Jura- und Betriebs-
20 wirtschaftstitel zu verteilen. Mit dem McDonald’s-Projekt hofft man in London nun, auf
breiter Basis mehr Interesse an Fachausbildung zu schaffen.
Breite Ausbildungsinitiative
Dabei geht es der britischen Regierung um die langfristige Bekämpfung der Arbeitslosig-
keit. «Das grösste Hindernis
© 2023 Verlag SKVauf demSprache,
AG: Fokus Weg zurFokusVollbeschäftigung ist nämlich
Sprache BM mit digitalen Lösungen nicht ein
und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
25 Mangel an Jobs, sondern der Mangel an fachlichen Fertigkeiten bei den Arbeitslosen
und Unbeschäftigten», erklärte Premier Brown die neue Regierungsinitiative.
Es ist nur ein erster experimenteller Schritt. McDonald’s, FlyBe und Network Rail sollen
in einer ersten Phase Erfahrungen sammeln. Die Reform soll dann im Einzelnen ausge-
tüftelt werden. Die Grundidee ist aber klar: Betriebe wie McDonald’s sollen interessierten
30 Mitarbeitern Schulungskurse anbieten, sie mit selbst erstellten Examen prüfen und
ihnen hernach allgemein gültige Noten oder Diplome verleihen.
Das jeweilige Niveau der Diplome soll demjenigen von Schulabschlüssen entsprechen –
im Fall von Network Rails sollen Bahnexperten sogar – auf der Ingenieursschiene – mit
der Doktorwürde bedacht werden können. Der staatliche Ausschuss, der die betreffenden
35 Lizenzen vergibt, soll für die Einhaltung strikter Qualität bei sämtlichen Kursen und
­Examen sorgen.
McQualifikationen genügen Unis nicht
Wirtschaft und Labour-Regierung verbinden mit den neuen Qualifikationen grosse Er-
wartungen. Der britische Industriellenverband ist davon überzeugt, dass die Massnahme
40 «aus der schon laufenden guten Arbeit» in schulungsfreundlichen Betrieben «endlich den
richtigen Nutzen» ziehe.
Der Minister für Berufsausbildung, John Denham, sieht die Zeit gekommen für einen
«Abschied von der alten Teilung in betriebliche Ausbildungsprogramme und nationale
Qualifikationen». Premier Brown selbst ist zuversichtlich, dass etwa die Absolventen
45 eines Managementkurses bei McDonald’s «anschliessend wohl überall hingehen können,
wenn sie erst einmal ihren Abschluss haben».
Das wird allerdings von den Aufnahmegremien der britischen Universitäten bereits stark
in Zweifel gezogen. So haben schon 40 Prozent der sogenannten «Zulassungs-Tutoren»
auf der Insel deutlich gemacht, dass sie McDonald’s-Examen nicht für ausreichende
50 Qualifikationen halten und die betreffenden Absolventen an ihren Universitäten nicht
aufnehmen würden. Sally Hunt, die Generalsekretärin des britischen Universitäts- und

Textanalyse und Interpretation 39


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College-Verban­des, hat zu den bespöttelten «McQualifikationen» erklärt, sie würden sich
als «viel zu eng und viel zu spezifisch an einen einzelnen Betrieb gebunden» erweisen.
Auch Professor Alan Smithers, Bildungsdirektor an der Universität von Buckingham,
55 warnt potenzielle Kursabsolventen bei McDonald’s davor, dass ihre Abschlüsse nur
wenig Anerkennung finden würden ausserhalb des eigenen Betriebs: «Die Qualifikatio-
nen wären für ihre Träger mehr wert, wenn sie von einer unabhängigen Körperschaft
verliehen würden», kritisiert der Professor.
Tages-Anzeiger, 29. Januar 2008

«Fast-Food-Matur» in Grossbritannien
Ein Armutszeugnis der (Berufs-)Ausbildung
Die britische Regierung ermächtigt die Hamburgerkette McDonald’s, eigene Maturzeugnisse
auszustellen. Dies ist ein weiterer Schritt im allgemeinen Niedergang der Sekundar- und
Mittelschulstufe in Grossbritannien. Die Regierung verstrickt sich dabei in Widersprüche.

Mr. London, Ende Januar


1 Aus purer Verzweiflung über das Schicksal analphabetischer Schulabgänger und den
Mangel an qualifizierten Berufsleuten hat die britische Regierung jetzt der Hamburger-
kette McDonald’s das Recht eingeräumt, ihren intern ausgebildeten jungen Managern in
Filialen mit bis zu 50 Angestellten und 2 Millionen Pfund Umsatz eigene Berufsmatur-
5 Diplome auszustellen, die national anerkannt werden sollen. Die Bahngesellschaft Net-
work Rail, die Billigfluggesellschaft Flybe sowie das Verteidigungsministerium haben
das gleiche Recht, das von der diskreditierten nationalen Diplomaufsichtsbehörde QCA,
die bisher das Matur-Niveau stets gesenkt hat, gewährt und notfalls überwacht wird.
Mit einem gefrorenen Lächeln und viel Zynismus («McMatur») haben die Briten und ihre
© 2023 10 Medien
Verlag auf diesen
SKV AG: Fokus Ausverkauf
Sprache, Fokus Sprache BMder Berufsmatur
mit digitalen reagiert.
Lösungen und Dafüreine
Kommentar Lehrlingsausbildung
Lehrpersonen
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oder kaufmännische Schulen, die diesen Namen verdienen, nicht existieren (oder nur als
teure Privatinstitute), begrüssten die «Times» und die «Financial Times» mit ihrem libera-
len Credo diese produktive Diversifizierung lebhaft. Andere befürchten möglicherweise
fälschlich, dass solche Diplome ausserhalb der Firma keinen Wert haben; es ist auch
15 McDonald’s bekannt, dass ihre Diplomanden nach zwei Jahren bessere Jobs suchen wer-
den – dies vor allem angesichts der berüchtigten Niedriglöhne der Hamburgerkette.
Die Regierung verstrickt sich dagegen in Widersprüche. Die Diplome von McDonald’s
passen schlecht zu ihrem Kreuzzug gegen das Fast Food, das die Briten immer überge-
wichtiger macht. In den Sekundarschulen wird der Kochkurs nun auch für Knaben obli-
20 gatorisch, damit sie gesundes Essen kennenlernen, was in Grossbritannien trotz unüber-
sehbaren kulinarischen Fortschritten offenbar immer noch schwierig ist. Im Weiteren
schliesst die Regierung zu kleine Dorfschulen, will aber städtische Konfessionsschulen
fördern, wovon heute vor allem islamische Schulen profitieren. Umgekehrt hat Premier-
minister Brown den pakistanischen Präsidenten Musharraf aufgefordert, mehr öffentli-
25 che Schulen zu bauen und die Koranschulen mit ihrem extremistischen Curriculum zu
schliessen.
Die vor allem von Gordon Browns Vorgänger Tony Blair betriebene Diversifizierung der
Ausbildungslehrgänge – Firmen, Kirchen, Organisationen können mit einer kleinen
Spende eigene, hochtrabend City-Academy genannte Mittelschulen führen – ist letztlich
30 eine Abdankung der überforderten öffentlichen Schule, obwohl der Staat die neuen pri-
vaten Institutionen letztlich doch selbst finanziert. Die einfache Idee, gute öffentliche
Schulen anzubieten, ist wegen der privaten Konkurrenz und der konfliktuellen multikul-
turellen Durchmischung schlicht aufgegeben worden.
Neue Zürcher Zeitung, 31. Januar 2008

40 Textanalyse und Interpretation


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MODUL C
Schreibformen


Lernziele

• Ich unterscheide zwischen persönlich-kreativen


und sachlich-objektiven Schreibformen.

• Ich
 orientiere mich beim Schreiben an den Zielen
und den Adressaten sowie am Inhalt und an der
Funktion der Texte.

• Ich
 kann Texte planen, strukturieren sowie
schreiben; auch kenne ich die Ansprüche, die
einzelne Schreibformen erfüllen müssen.

• Ich achte auf Stil und Sprache und benutze die


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entsprechenden Hilfsmittel beim Schreiben.
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41
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1 Impuls

Grossereignisse beherrschen die Medien: Journalisten berichten über das Ereignis und
kommentieren es, lassen Betroffene zu Wort kommen; das Publikum reagiert auf die Medien-
berichte, z.B. mit Leserbriefen oder E-Mails an die Redaktionen.
Vergleichen Sie die folgenden Schreibformen, und untersuchen Sie die jeweiligen Adressaten,
die Intention (Absicht), die sprachlichen Unterschiede sowie den Aufbau der Texte. Nutzen Sie
den breiten Rand, und schreiben Sie Ihre Notizen – vorzugsweise mit Bleistift – ins Buch.
Im Vorfeld der Zürcher Street Parade 2007 wurde über die Finanzierung mit Steuergeldern
diskutiert.

Text 1 Nicht zu Tode hätscheln


Von Edgar Schuler
1 Schon heute unterstützt die Stadt Zürich die Street Parade massiv. Mehr Subventionen
machen den Anlass nur noch langweiliger. Und damit überflüssig.
­Jetzt machen sie die hohle Hand. Kaum rollt der Sponsoren-Rubel nicht mehr so rund
wie auch schon, bekommen die Organisatoren der Street Parade kalte Füsse. Darum ver-
5 sprechen sie treuherzig, ein paar Hunderttausend Franken aus der Steuerkasse würden
genügen, um das sommerliche Technospektakel über Wasser zu halten. Sie reden von
«Wertschöpfung» und «Standortvorteil». Sie dienen sich damit dem Stadtrat an, von dem
sie glauben, dass er nur diese Marketingsprache versteht.
Formulieren Sie A ––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––
aussagekräftige
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Zwischen­titel. Exemplar
WelchevonEnttäuschung. Vor 15 Jahren [1992] hatte die Street Parade begonnen als bunt-
Persönliches Liza Basha, 8307 Effretikon
10 lauter Umzug von ein paar verrückten Techno-Freaks. Halbnackte, maskierte Leute ver-
anstalteten einen Umzug, bei dem es nicht um politische Parolen ging, sondern schlicht
und simpel um den Spass am Tanzen. (…) Das 1994 vom Stadtrat angedrohte Verbot
adelte die Street Parade zur Gegenveranstaltung im Vollversorgerstaat. Unverkrampft
war und ist auch das Verhältnis zum Kommerz: Ein Zigarettenfabrikant bezahlt ein Love
15 Mobile? Why not. Ein Bierhersteller sponsert den ganzen Anlass? Let’s do it.

B ––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––

Nur scheint die Lust der Sponsoren einzuschlafen. Sie wieder zu wecken, müsste das
Ziel der Street Parade sein. Aber indem sie jetzt unverhohlen auf die dampfenden Sup-
pentöpfe des Staates schielt, verrät sie den letzten ihr noch verbliebenen Charme. Dabei
unterstützt Zürich die Parade schon längst mit Leistungen von Polizei, Entsorgung,
20 Sanität und Signalisierung. Das geht in die Hunderttausende. Wenn die Organisatoren
jetzt noch mehr verlangen, zeigen sie nur, dass ihr Hunger nach bequemem Geld zum
Unersättlichen tendiert.
C ––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––

Das ist scheinheilig. Wenn sich die Street Parade von der Stadt noch mehr hätscheln
lässt, erreicht sie das Gegenteil dessen, was sie eigentlich will. Sie besiegelt die eigene
25 Überflüssigkeit.

Tages-Anzeiger, 9. 8. 2007

42 Schreibformen
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Nach der Street Parade dominierte ein tragisches Ereignis die Frontseite des Tages-Anzeigers.

MODUL C
Tödliche Messerattacke überschattete Street Parade 2007 Text 2

1 Zürich. – Zwei Messerstechereien trüben das Bild der diesjährigen Street Parade in
Zürich. Ein junger Mann starb, und zwei weitere Männer wurden verletzt. In beiden Kennzeichnen Sie die
Fällen sind die Täter flüchtig. Die tödlich verlaufene Messerattacke ereignete sich am Fakten dieser Nachricht.
Samstag gegen 21.30 Uhr auf der Rathausbrücke. Ein 18-jähriger Schweizer erlitt
5 schwere Verletzungen im Brustbereich. Trotz sofortiger Betreuung durch Rettungssani­
täter verstarb der junge Mann noch am Tatort. Die Sanitäter behandelten mehrere
Hundert Personen wegen Schnittverletzungen, Kreislaufproblemen und übermässigen
Alkohol- und Drogenkonsums. Die Polizei verhaftete 24 mutmassliche Drogenhändler.


Laut den Organisatoren nahmen rund 800 000 Personen am Umzug teil. Eine Zahl, die
10 der ehemalige Stadtpolizist Peter Iseli in der «SonntagsZeitung» in Zweifel zog.
Auf Grund des von ihm entwickelten Berechnungssystems kommt er auf höchstens
300000 Teilnehmer.
Auf der 2,4 Kilometer langen Strecke rund ums Seebecken verkehrten 23 Love Mobiles.
Der Verein Street Parade äusserte sich sehr zufrieden über die diesjährige Veranstaltung.
Tages-Anzeiger, 13. August 2007

Der Tod des 18-Jährigen rief deutliche Reaktionen der Leserinnen und Leser hervor:

Auch schwer Verletzte nach der Street Parade Text 3


Tödliche Messerattacke überschattete Street Parade 2007, TA vom 13. August
1 Plattform für Gewaltbereite. Ich möchte der Familie des 18-jährigen Opfers mein tief
empfundenes Beileid auf diesem Weg ausdrücken; nur annähernd kann ich nachempfin-
den, was dies für sie bedeuten muss.
Ich sitze am Bett meines Lebenspartners im Universitätsspital – er hatte einen grossen
5 Schutzengel, denn er lebt noch. Eine fünfköpfige Schlägertruppe hat ihn aufs Brutalste
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zusammengeschlagen,
Persönlichesund dasvon
Exemplar nicht nur 8307
Liza Basha, mit Effretikon
ihren Fäusten. Das Ergebnis: doppelter
Schädelbruch, Hirnblutungen etc. (…) Das diesjährige Motto «Respect» ist blanker Hohn
angesichts der vielen Gewalttaten.
Sehr viele Menschen, die in dieser Stadt leben, wären nicht traurig, wenn die Eventitis
10 in Zürich eingeschränkt würde, denn mit vielen dieser Veranstaltungen bietet man ge-
waltbereiten Menschen ideale Plattformen für ihre «Vergnügungen».
B. V., ZÜRICH

Erfolg trotz Totem und Verletzten? Kann man von einem grossen Erfolg der Street Text 4
Parade sprechen, wenn ein junger Mensch ermordet wird und mein Enkel ausgeraubt,
niedergeschlagen wurde und – nachdem ihm mit den Füssen ins Gesicht getreten
wurde – mit einer Hirnblutung und gebrochenem Kinn im Koma auf der Intensivstation
des Uni-Spitals liegt?
L. B., ZÜRICH

Tages-Anzeiger, 17. August 2007: Leserforum

Schreibformen 43
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Einzelne Mitwirkende erlebten die Street Parade aus unterschiedlichen Perspektiven.

Text 5 und 6 A. H., Sanitäter N. N., Zürcher DJane


1 Gerade jetzt ist unglaublich viel los hier. 1 (…) Nadine und ich, wir treten zusam-
Es war lange ruhig, nur ein paar Schnitt- men als Turntable-Babes auf, sollten am
wunden und Blasen, aber jetzt geht es Ende der Street Parade auf dem letzten
richtig los. Das hat damit zu tun, dass Love Mobile vor dem Kongresshaus
5 die Sonne scheint, dann ist es heiss und 5 auflegen. (…) Also packten wir unsere
die Leute kollabieren eher. Ausserdem Plattenkoffer, kämpften uns durch die
kommen nun die Love Mobiles hier vor- Menge, kletterten auf den Wagen und
bei, und damit natürlich die Menschen. legten los.
(…) Wir müssen bereit sein. Ich muss Wir spielen Breakbeats. Der Stil ist etwas
10 alles koordinieren, schauen, dass es 10 gewöhnungsbedürftig, der dritte von vier
läuft. Ich bin heute Postenchef hier am Schlägen fehlt. Er ist aber extrem wand-
Bellevue, der grösste Posten an der lungsfähig, einmal hart, dann weich,
Street Parade, mit 31 Mitarbeitern. verspielt oder funky. Die Leute reagieren
Das sind nicht nur Rettungssanitäter, sehr positiv, wenn sie sehen,
15 sondern auch Transporthelfer, Feuer- 15 dass zwei Frauen auflegen. Manchmal
wehrsanitäter und Samariter. heisst es: Was, das sind Frauen, die so
Aufgestanden bin ich um 8.30 Uhr. Ich hart spielen! Manche sagen auch, wir
bin Familienvater, wir haben drei Kinder. gingen mehr auf das Publikum ein als
Um 10 Uhr war ich dann in der Haupt- Männer. Das stimmt vielleicht schon;
20 wache, um nochmals den Dienstbefehl 20 komme ich in einem Club an, gehe ich
durchzusehen, mich vorzubereiten. Darin erst zur Tanzfläche, schaue, worauf die
steht alles wie in einer Betriebsanleitung. Leute reagieren, und versuche sie dort
Wie die Kommunikation funktioniert, abzuholen. Ich lege nun seit sieben
mit Telefon und Funk, wie der Patienten- Jahren auf. Breakbeats sind wieder am
25 transport vor sich geht, einfach alles 25 Kommen, vor allem in Deutschland.
Organisatorische. (…) Um 11 Uhr liegt Von dort haben wir immer mehr Auf-
Nervosität in der Luft. Die Leute sind träge (...). Zu zweit ist es lustiger herum-
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SKV AG: zum ersten
Sprache, Mal
Fokus bei BM
Sprache dermitStreet zureisen.
digitalen Lösungen und KommentarEine ist immer gut drauf und
für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar
Paradevon Liza Basha,
dabei, 8307 Effretikon
da spürt man schon die zieht die andere mit.
30 Aufregung. 30 Sonst schauen ja immer die Frauen zum
Gegen 13.30 Uhr waren wir dann hier DJ hinauf; wenn wir im Einsatz sind,
am Bellevue einsatzbereit. Und eben, sind es auch die Männer. Obwohl – wir
lange war es ruhig, bis etwa um 17 Uhr. ziehen uns immer bequem an, schon
Da hat es einen richtigen Knall gegeben. frech, aber meist tragen wir Hosen und
35 Die Leute kommen meistens an den 35 Turnschuhe. Es wäre wohl besser für
Zaun und rufen uns, wenn jemand unsere Promo, wenn wir uns auftakeln
irgend­­wo liegt. Vielfach werden die würden, das erwarten die Leute wohl
Patienten direkt zu uns gebracht. Eine auch wegen unseres Namens – Turn­
Diagnose zu stellen, ist oft schwierig, table-­Babes. Den haben wir bewusst
40 gerade bei Drogen. Es ist nicht einfach 40 provokativ gewählt, uns geht es aber um
herauszukriegen, was die Leute genom- die Musik.
men haben. Kurz vor Mitternacht bin ich rasch nach
Jetzt bleiben wir hier offiziell bis 0.30 Hause gegangen – und eingeschlafen.
Uhr. Aber meistens dauert es länger, ich
Tages-Anzeiger, 13. August 2007
45 rechne mit 3 Uhr. (…) Wenn ich dann
nach Hause komme, kann ich nicht
gleich abschalten, ich schaue TeleZüri
oder höre Radio, was alles passiert ist.

Aufgabe zu den Texten 5 und 6

• Was fliesst – ausser der Sachinformation – in die beiden Erlebniserzählungen ein?


• Was bedeutet dem Sanitäter und der DJane die Street Parade?
• Kennzeichnen Sie die umgangssprachlichen Textstellen. Was soll damit in einer Qualitäts-
zeitung erreicht werden?

44 Schreibformen
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2 Schreibformen

MODUL C
Einen Überblick über die unterschiedlichen Textsorten finden Sie in Modul A, «Kommunika-
tion». Die folgenden Schreibformen werden in Beruf und Schule, aber auch im Privatbereich
verlangt. So werden Sie vielleicht aufgefordert, für den Sportverein einen Zeitungsbericht oder
für Ihr Firmenmagazin einen Bericht über den Sprachaufenthalt zu schreiben.
Die folgenden Gegenüberstellungen verschiedener Schreibformen erleichtern das Erkennen der
wesentlichen Unterschiede und geben Hinweise, was beim Schreiben jeweils zu beachten ist.
Ergänzen Sie eigene Beobachtungen beim Vergleichen der Texte, Erfahrungen aus Ihrer
Schulzeit und Schreibpraxis sowie wichtige Hinweise Ihrer Lehrperson.


2.1 Das Ereignis: Was ist geschehen?

Erzählung Meldung – Nachricht – Bericht

Gegen 13.30 Uhr waren wir dann hier am Tödliche Messerattacke überschattete erzählen und berichten
Bellevue einsatzbereit. Und eben, lange war Street Parade – Zwei Messerstechereien
es ruhig, bis etwa um 17 Uhr. Da hat es trüben das Bild der diesjährigen Street Pa-
einen richtigen Knall gegeben. Die Leute rade in Zürich. Ein junger Mann starb, und
kommen meistens an den Zaun und rufen zwei weitere Männer wurden verletzt. In
uns, wenn jemand irgendwo liegt. Vielfach beiden Fällen sind die Täter flüchtig. Die
werden die Patienten direkt zu uns ge- tödlich verlaufene Messerattacke ereignete
bracht. Eine Diagnose zu stellen, ist oft sich am Samstag gegen 21.30 Uhr auf der
schwierig, gerade bei Drogen. Rathausbrücke.

Erlebtes, Erfundenes oder eine Mischung da- • Die Meldung bietet die kürzeste Sach-
raus wird spannend mitgeteilt. information: Wer? Was? Wo? Wann?
•  Alltags- oder spontane Erlebniserzäh-
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• Die liefert
BM mit digitalen genauere
Lösungen Informati-
und Kommentar für Lehrpersonen
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lungen sind wenig geordnet, vermischt onen als die Meldung, nennt Namen,
mit Eindrücken, Erinnerungen und Schil- fragt nach den Quellen, vgl. Textbeispiel:
derungen. Das Präsens kann hier unmittel- 21.30 Uhr, Rathausbrücke; Zahl der Ver-
bar und echt wirken. letzten, der Drogenhändler.
• Die Schreibform Erzählung verlangt nach • Ein Bericht geht Zusammenhängen nach,
Ordnung und Struktur: Ein klarer Aufbau deckt Hintergründe auf (warum?), leuch-
mit Höhe- oder Wendepunkt sowie die tet verschiedene Aspekte aus (wie?) und
Zeitform Präteritum (als Ausnahme das berücksichtigt auch die Zukunft (mit wel-
Präsens) sind drei typische Merkmale. Der chen Folgen?), z. B. Jugendgewalt oder
Schluss kann überraschen – oder offen die Zunahme des Drogenkonsums.
bleiben.

Erzählungen erfüllen viele Funktionen, die Im Vordergrund steht die Informationsfunk-


vom Mitteilungsbedürfnis über die Lust am tion. Je nach Medium können andere
Formulieren bis zum Erfinden vergangener Schwerpunkte gesetzt werden, z. B. eine
oder zukünftiger Welten reichen kann. starke Emotionalisierung oder die Konzentra-
tion auf einzelne (prominente) Personen.

Sprache und Stil: anschaulich und lebendig; Sprache und Stil: klar strukturiert; sachlich,
handlungsstarke Verben, treffende Adjektive; informativ, um Objektivität bemüht
abwechslungsreicher Satzbau

Ergänzen Sie weitere Merkmale.

Schreibformen 45
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2.2 Die Meinungen: Wie ist das zu verstehen? Was heisst das?

Leserbrief oder Leser-E-Mail Kommentar

meinen und Ich möchte der Familie des 18-jährigen Kaum rollt der Sponsoren-Rubel nicht mehr
kommentieren Opfers mein tief empfundenes Beileid auf so rund wie auch schon, bekommen die
diesem Weg ausdrücken; nur annähernd Organisatoren der Street Parade kalte
kann ich nachempfinden, was dies für sie Füsse. Darum versprechen sie treuherzig,
bedeuten muss. ein paar Hunderttausend Franken aus der
Ich sitze am Bett meines Lebenspartners im Steuerkasse würden genügen, um das
Universitätsspital – er hatte einen grossen sommerliche Technospektakel über Wasser
Schutzengel, denn er lebt noch. zu halten.

Leserbriefe oder E-Mails an Redaktionen ent- Journalistinnen, Fachleute oder Prominente


stehen aus persönlicher Betroffenheit oder erläutern und werten ein aktuelles Thema.
einer unmittelbaren Erfahrung. Sie sind häu- Die Optik ist meist einseitig, allerdings wird
fig direkt, einseitig und nehmen Partei. nie «ich» geschrieben.
Anonyme Schreiben oder Beschimpfungen Ziel: bewusste Einflussnahme
landen im Papierkorb; lange Texte werden Aufbau: griffiger, pointierter Titel
gekürzt. • Bezug aufs Ereignis
Je kürzer und pointierter formuliert wird, • Darstellung des Sachverhalts, des
desto grösser ist die Chance einer Veröffent­ Problems
lichung. • Ein, höchstens zwei Argumente anführen
Ziel: öffentliche Stellungnahme • Meinung, Forderung mit Beispiel oder
Gliederung: aussagekräftiger Titel Zahlen untermauern
• Kurzer Bezug aufs Ereignis, den Anlass • Schlussfolgerungen: eindeutig und zuge-
• Beschränkung auf ein Thema spitzt
• Persönliche Sicht und Wertung oder ein
Vorschlag
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Sprache
Persönliches Exemplarund Stil:
von Liza engagiert
Basha, aus der Ich-
8307 Effretikon Sprache und Stil: knapp, auf den Schluss
Perspektive; klar, prägnant und pointiert zielend; keine Ich-Form; Zeitform Präsens
formulieren; Zeitform Präsens (Perfekt) (Perfekt); auch Humor ist erlaubt

Ergänzen Sie weitere Merkmale.

46 Schreibformen
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MODUL C
2.3 Die Eindrücke: Wie wirkt das? Wie geht das?

Schilderung Beschreibung
einer Person, eines Gegenstandes, eines Ortes
oder Weges, einer Landschaft, eines Vorgan-
ges, eines Ablaufs (Gebrauchsanleitung)

Gerade jetzt ist unglaublich viel los hier. Die Rathaus- oder Gemüsebrücke ist ein schildern und
Es war lange ruhig, nur ein paar Schnitt- platzartig gestalteter Flussübergang in der beschreiben
wunden und Blasen, aber jetzt geht es rich- geografischen Mitte der Zürcher Altstadt.


tig los. Das hat damit zu tun, dass die Die alte Stadt Zürich besitzt im Gegensatz
Sonne scheint, dann ist es heiss, und die zu vielen anderen Städten zwei gleichwer-
Leute kollabieren eher. tige Stadthälften auf beiden Seiten des
­Flusses. Beidseits des Flusses steigt das
Terrain an, und auf beiden Seiten befinden
sich in Sichtweite der Brücke die wichtigs-
ten sakralen und weltlichen Bauten der
Stadt. Die Gemüse- oder Rathausbrücke
wird dadurch spontan als ein ganz besonde-
rer Ort, als ruhender Pol in der Mitte der
Stadt erfahren.
Die Funktion als Marktplatz ist seit dem
frühen 14. Jahrhundert nachgewiesen. Die
inoffizielle, aber im Volk weit bekanntere
Bezeichnung «Gemüsebrücke» oder mund-
artlich «Gmüesbrugg» hat sich bis heute
erhalten.

Das unmittelbare Erleben zählt, die sinnliche Im Gegensatz zur Schilderung verlangt die
Wahrnehmung wird im Text «miterlebbar». Beschreibung
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Sprache BM mit digitalen und
Lösungen und Sachlichkeit.
Kommentar für Lehrpersonen
• Sehen: Farben, Persönliches
Mengen,Exemplar
Grössenvon Liza Basha, 8307 Effretikon
• Hören: Musik, Lärm, Stimmen, Klänge, Während die Personenbeschreibung sach-
Rhythmen lich gehalten ist (Vermisstenmeldung oder
• Riechen: Düfte, Gestank Steckbrief), gilt die Charakteristik als Misch-
• Fühlen: Pulsschlag, Brennen, Berührung, form aus Schilderung und Personenbeschrei-
Schlag, Atemnot; Stoss; Glück, Angst, bung: Ein Mensch soll möglichst in all seinen
Freude Charakterzügen erfasst werden.
• Schmecken: süss, sauer, salzig, bitter

Sprache und Stil: treffende, sinnlich erleb- Sprache und Stil: genau, die Einzelheiten
bare Wortwahl benennend; verständlich; z. T. Fachwortschatz

Ergänzen Sie weitere Merkmale.

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2.4 Auf den Punkt gebracht: Was geschieht, und wie gefällt’s?

Zusammenfassung Besprechung (Kritik, Rezension)


(Inhaltsangabe) eines Buches, Films, Konzerts u. Ä.

Sat1, 21.15: Navy CIS – Giftgas Stephen King: Wahn, Heyne, 895 Seiten
Ein Major der Marines wird tot in der Duma Key, die kleine Insel vor Floridas
zusammenfassen und Kanalisation gefunden. Er starb an einem Küste, ist kein Ort der Erholung. Von Tro-
besprechen Giftgas, dessen Einsatz verboten ist und das penstürmen gepeitscht, scheint sie auf uner-
nur noch zu Forschungszwecken benutzt klärliche Weise unter dem düsteren Bann
werden darf. Gibbs und sein Team stossen ihrer Besitzerin, der alten Lady Westlake, zu
bei den Recherchen bald auf einen alten stehen. Dennoch beschliesst der Selfmade-­
Bekannten: Mamoun Sharif. Sharif hat sich Millionär Freemantle, sich hier beim Malen
zehn Kilogramm des Giftgases beschafft von einem verheerenden Unfall zu erholen,
und damit 108000 Ein-Dollar-Scheine bei dem er einen Arm verloren hat. In sei-
kontaminiert. Die will er unter die Leute nem 47. Roman – dem besten seit Langem –
bringen, um seine Familie zu rächen. Ein führt der 60-jährige King vor, wie die über-
Wettlauf gegen die Zeit beginnt ... bordende Kreativität des Malers die Vergan­
genheit buchstäblich zum Leben erweckt
und droht, den Schöpfer in den Strudel
einer mörderischen Familientragödie zu
reissen.

Das Wesentliche wird nachvollziehbar auf Bücher, Filme u. Ä. werden regelmässig in


den Punkt gebracht: W-Fragen wie beim Medien gelobt, empfohlen, kritisiert oder
Bericht. «verrissen».
• Je länger der Text, desto wichtiger sind Der Massstab ist oft subjektiv und beruht auf
genaue Textkenntnisse: zwei- oder mehr- Erfahrung; für Lesende sollten die Kriterien
maliges Lesen bekannt und die Wertungen nachvollziehbar
© 2023 •  Kennzeichnen
Verlag der Schlüsselwörter;
SKV AG: Fokus Sprache, sein.
Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Begriffe und Kerngedanken notieren Eine Zusammenfassung legt den objektiven
• Das Gelesene memorieren Sachverhalt dar; die subjektive Einschätzung
• Ohne Hilfe des Originaltextes die der einzelnen Elemente des Werks folgt (vgl.
Zusammenfassung schreiben Modul B, «Textanalyse und Interpretation»).
• Korrigieren der Rohfassung (gegenlesen Wer regelmässig Film- oder Buchrezensionen
lassen): Fehlendes ergänzen, Überflüssiges liest, kennt die Kritiker und weiss mit der Zeit
streichen; Reinschrift vollenden um ihre Vorlieben oder Abneigungen.

Sprache und Stil: sachlich, weder wertend Sprache und Stil: erkennbare Sprachunter­
noch ausschmückend; eigene Formulierungen schiede zwischen sachlicher Information und
wählen (Ausnahme: wichtige Zitate); keine persönlicher Wertung; handlungsstarke Ver-
direkte Rede; Zeitform: Präsens ben, treffende Adjektive; rhetorische Figuren,
«Roter Faden»: Abläufe, Ereignisse und Pro- z. B. Metaphern, Vergleiche u. a.
zesse müssen nachvollziehbar sein, Figuren Der Schluss des Buches oder des Films darf
charakterisiert. weder angedeutet noch vorweggenommen
Der Umfang ist oft vorgegeben: sieben Sätze, werden!
eine Seite, 500 Wörter; eine Stunde.
Fachbegriffe je nach Adressaten klären.

Ergänzen Sie weitere Merkmale.

48 Schreibformen
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3 Die etwas anderen Schreibformen

MODUL C
Die folgenden fünf Schreibformen dienen in erster Linie der Anregung und sollen zum Schrei-
ben verführen. Wer Genaueres wissen und sich in Einzelheiten vertiefen will, sucht im Internet
oder in entsprechenden Handbüchern.

• Kreatives Schreiben
• Gedichte, Geschichten, literarische Helden, aber auch lebende Menschen können paro­ Parodie
diert werden. Dabei geht es im Wesentlichen darum, typische Merkmale und Charakter-


züge herauszuarbeiten oder gar zu überzeichnen – keinesfalls aber zu verletzen.
• Eine Geschichte, eine Novelle, ein Roman wird fortgesetzt oder für die Gegenwart oder Fortsetzung
die Zukunft neu geschrieben; z.B. haben Romeo und Julia überlebt und leben im
21. Jahrhundert.
Ein Beispiel ist die Verfilmung von Shakespeares Tragödie durch Baz Luhrmann aus dem
Jahre 1997 mit Claire Dannes und Leonardo DiCaprio. Das Ganze spielt nicht im Verona
um 1600, sondern in Verona Beach, einer schmutzigen, von Gewalt geprägten latein­
amerikanischen Küstenstadt am Ende des 20. Jahrhunderts.
• Weitere Möglichkeiten sind Briefe an oder Dialoge zwischen fiktiven Figuren, z. B. Dialog
Wilhelm Tell trifft eine Bundesrätin oder den Trainer der Schweizer Fussball-National­
mannschaft.

• Charakterisieren – einen Menschen erfassen


• «Das Magazin», die Wochenendbeilage des «Tages-Anzeigers», der «Berner Zeitung» Charakteristik
und der «Basler Zeitung», veröffentlicht seit Jahrzehnten die inzwischen berühmten
Selbstdarstellungen «Ein Tag im Leben von …».
• Schreiben Sie eine Lobrede (Laudatio) auf eine Kollegin/einen Kollegen, in der Sie die
Vorzüge des Charakters und andere Eigenschaften betonen.

• Drehbuch – in ©Bildern denken


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• Anstatt nur zu konsumieren – produzieren Sie selbst einen Film oder einen Videoclip. Drehbuch
Eine Möglichkeit ist, das Drehbuch zweispaltig anzulegen: Regieanweisungen und Figu-
ren neben den Dialogen.
Alles steht im Präsens, die Dialoge müssen die Handlung «sichtbar machen».
• Oft wird noch ein Storyboard gezeichnet: Der Film wird in gezeichnete Bilder umgesetzt,
einschliesslich Kameraposition und Hinweisen auf die Bewegung und das Handeln der
Figuren.

• Essay – kreativ denken, verwegen schreiben


• Der Begriff Essay kommt aus dem Französischen und bedeutet «Probe, Versuch». Als Essay
anspruchsvolle und herausfordernde Schreibform erlaubt das Schreiben eines Essays
lockeres Denken, Humor, aber auch Gedankensprünge und kühne Ideen.
• Während die Erörterung (vgl. Modul E, «Argumentieren und erörtern») sprachlich und
im Aufbau eher streng ist, darf ein Essay auch ungewöhnliche Themen aufnehmen und
persönliche Denkanstösse sowie assoziative Gedanken darlegen. Hier gilt: Erlaubt ist,
was originell wirkt und gut ankommt.

• Reportage – erzählen, schildern, beschreiben


• In der Reportage fliessen alle Elemente des klassischen Schulaufsatzes und des Jour- Reportage
nalismus zusammen: Hier wird berichtet, beschrieben, geschildert, hier kommen
Betroffene zu Wort (mit Zitaten), und der Schreibende kommentiert, wertet und bezieht
Stellung – meist aber sehr indirekt und zurückhaltend. Das folgende Beispiel verdeutlicht
dies.

Schreibformen 49
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Der Schriftsteller Günter Wallraff (1942) erregt mit seinen ungewöhnlichen Methoden der
Recherche und seinen Maskierungen immer wieder Aufsehen. Besonders spektakulär war
seine Reportage als Türke Ali, die er in «Ganz unten» 1985 veröffentlichte. 2007 meldet er
sich mit neuen Erfahrungen zurück.
• Lesen Sie den folgenden Text aufmerksam durch, kennzeichnen Sie die Schlüsselwörter,
und arbeiten Sie die sprachlichen Merkmale einer Reportage heraus.

Undercover im Callcenter
Reportage 1 Ich trage falsche Haare, Kontaktlinsen, habe meinen Schnauzbart abrasiert, und das
Marathontraining des vergangenen Jahres hat mich zusätzlich verjüngt. Ich bin 49 und
heisse von nun an Michael G. – mein Name, und damit meine Identität, ist von einem
Freund geliehen. (…)
5 ­Mein nächstes Callcenter (…) ist ein junges, aufstrebendes Unternehmen, das auch in
den Internetstellenanzeigen der Arbeitsagentur zu finden ist. (…) einen Lebenslauf (…)
habe ich mir in der Nacht zuvor zusammengebastelt, nun stelle ich mich in Köln-Mül-
heim vor. Der Inhaber, Anfang 30, überfliegt meinen Lebenslauf mit respektvollem Ni-
cken. Ich habe einige Auslandsaufenthalte angegeben, die sich schwer überprüfen lassen,
10 «Entertainer auf Kreuzfahrtschiffen (östliches Mittelmeer und Nordatlantik-Route)» und
«drei Jahre Reiseführer in Namibia». Er selbst, sagt er, habe seine «innovativen Verkaufs­
techniken» im Köln-Turm beim Callcenter ECS Group gelernt und später weiter­entwi­
ckelt. «Wir sind hier fast wie eine Familie», sagt der Chef und geht auch schon zum Du
über. Ich erfahre, dass er dabei ist, sich zu vergrössern, 450 Quadratmeter Parterre sollen
15 dazugemietet werden, seine Experten entwickelten gerade weitere Verkaufsideen.

Mein Job soll es sein, Auszüge des Jugendschutzgesetzes an Kneipiers, Wirte und Im-
bissbudenbesitzer zu verkaufen. Das Papier mit dem aktuellen Jugendschutzgesetz wird
von ZIU in einen Ikea-Rahmen gesteckt, der 4.50 Euro kostet, und per Barnachnahme
für 69 Euro an den Käufer geschickt. Dass man sich den Text im Internet kostenlos
20 herunterladen kann, wissen die wenigsten Wirte.

© 2023  Ich
Verlag SKVsitze mit Sprache,
AG: Fokus fünf Kollegen
Fokus Sprache– BM
vier
mitFrauen und einem
digitalen Lösungen Mann für
und Kommentar – im
frage mich: Büro. Ich
Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Warum geben sie sich dafür her? Wer zwingt sie dazu? (…) Es seien oft Verzweifelte, die
über lange Zeit arbeitslos gewesen seien und sich an den letzten Strohhalm klammerten.
Die nun am Telefon Energie und gute Laune versprühen müssten, obwohl es ihnen
25 dreckig gehe. Aber welche Auswirkungen hat eine solche Arbeit auf die Beschäftigten?
Einmal unterstellt, dass hier keine Betrüger am Werke sind, die lustvoll andere ausneh-
men. Schon die Einrichtung des Büros gibt eine Antwort: An der Wand hängt eine Tafel,
auf der die Verkaufsabschlüsse namentlich erfasst werden. Wer einen neuen Abschluss
zustande gebracht hat, geht nach vorn und notiert das. So entsteht automatisch Erfolgs-
30 und Konkurrenzdruck. Und alle können stolz sein auf ihre Tätigkeit, sie handeln
schliesslich im höheren Auftrag, im staatlichen Interesse zum Schutze der Jugend. Eine
sanfte, vertrauenerweckende Stimme neben mir sagt gerade sehr überzeugend: «Sie be-
kommen das wirklich nirgendwo ausser bei uns. Das war früher so, dass Sie das im
Einzelhandel und in der Metro kaufen konnten. Aber weil die Gastronomen sich nicht
35 gekümmert haben, wurden wir beauftragt, es Ihnen zu schicken.» Eine Lüge. Bei der
Metro ist das aktuelle Jugendschutzgesetz für 10.70 Euro zu haben.
Bei türkischen Dönerbuden-Besitzern, griechischen Tavernen-Inhabern und italienischen
Eisverkäufern funktioniert die Masche (…) besonders gut. Viele der Angerufenen haben
sprachliche Defizite, sind leicht zu verunsichern und glauben, es mit einer Behörde zu
40 tun zu haben, deren Anordnungen sie Folge leisten müssen. Besonders rigoros springt
unser türkisch-deutscher Teamleiter Murat* mit seinen Landsleuten um. Schon seine
Stimme überbietet an Lautstärke und Gewichtigkeit alle anderen. Er meldet sich: «Horst
Müller ist mein Name. Ich rufe im Auftrag des Deutschen Jugendschutzes an. Jetzt
gehen Sie erst mal nachschauen, von wann Ihre Jugendschutztafel überhaupt ist!», ord-
45 net er an und zwinkert mir dabei zu. Dann droht er: «Herr Turan, jetzt hören Sie mir mal
gut zu. 1985! Wir haben jetzt 2007. Die ist seit 22 Jahren ungültig! Wenn das Ord-
nungsamt kommt, zahlen Sie 300 Euro Strafe. Verstehen Sie, das sind Gesetze, Pflicht.
Wir kommen sonst mit dem Ordnungsamt vorbei.» Dann erklärt er mit verbindlicher
Beamtenstimme: «Es handelt sich um eine einmalige Bearbeitungsgebühr von 69 Euro.
50 In drei Tagen wird Ihnen der Briefträger das neue Jugendschutzgesetz per Nachnahme

50 Schreibformen
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bringen. Und tragen Sie dafür Sorge, dass es auch gut sichtbar aushängt.» Danach sagt

MODUL C
Murat zu mir: «Der ist schon 15 Jahre hier, betreibt einen Dönerladen und spricht kaum
Deutsch.» – «Warum sprichst du mit deinen Landsleuten kein Türkisch?», will ich wissen.
«Vor den Deutschen haben sie mehr Angst und Respekt», antwortet er – und ausserdem:
55 «Isch bin ene kölsche Jung.» (…)

Die Einzige, die sich nicht hinter einem falschen Namen versteckt, ist Manuela*, die
Dienstälteste. Sie ist seit der Hochzeit mit ihrem arabischen Ehemann zum Islam konver-
tiert und trägt Kopftuch. Sie zieht alle Register: «Wie ist denn Ihr Name?! Wenn Sie mir
jetzt nicht sofort die Telefonnummer Ihrer Tochter geben, werden Sie es mit dem Ord-
60 nungsamt zu tun bekommen. Sie stellen sich mir gegenüber quer. Ihren Namen will ich
wissen! … Darum kriegen Sie auch alles schriftlich, weil wir keine Betrüger sind … Weil


anscheinend nur Ihre Tochter fähig ist, mir korrekt zu antworten. … Ist das denn so
schwer, Ihren Namen zu sagen? Haben Sie denn irgendetwas zu verbergen? … Weil wir
uns nicht irgendwo in der Dritten Welt befinden, sondern in Deutschland. Auch Sie
65 müssen lernen, wie man sich in Deutschland verhält. Haben Sie was zum Schreiben in
der Hand? Können Sie überhaupt schreiben?! … Sind Sie schwarz in Deutschland? … Wo
hat man Sie betrogen? Haben Sie jemals gehört, dass der Deutsche Jugendschutz einen
betrügt! … Ja, dann gucken Sie lieber nicht so viel Fernsehen, das kann schädlich sein.
 Also, ich möchte mit Ihnen nicht weiter diskutieren. Dann haben Sie eben Pech gehabt.
70 Ich schicke Ihnen das Ordnungsamt!»

(…) Mein Selbstversuch führt nun zu einer mir selbst unheimlichen Persönlichkeitsver-
änderung: Um dazuzugehören, muss ich vom Mitspieler zum Mittäter werden. Nach dem
ersten Erfolg gratulieren mir der Chef und der Teamleiter, die anderen applaudieren. Ich
bin aufgenommen in die Betrugsfamilie. Nach der Arbeit rufe ich bei der Stadt Köln an.
75 Ich erhalte die Auskunft, dass ein Wirt, der sich trotz mehrfacher Aufforderung weigert,
einen aktuellen Auszug des Jugendschutzgesetzes auszuhängen, mit 25 Euro Ordnungs-
geld rechnen muss.
Am nächsten Tag versuche ich während der Pause, unser kriminelles Treiben im Kolle­
genkreis zur Sprache zu bringen. «Dürfen wir wirklich sagen ‹im Auftrag des Deutschen
80 Jugendschutzes›? WirVerlag
© 2023 beauftragen
SKV AG: Fokus uns doch
Sprache, selbst.
Fokus SpracheIst
BMda
mit noch
digitalennie was und
Lösungen passiert, eine
Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Anzeige oder so? Und der Trick, dass die Tafel nirgendwo zu haben sei?» Zuerst betrete-
nes Schweigen, dann antwortet Clarissa fast beschwörend: «Da wird auch nix passieren.»
Und alle behaupten und glauben es am Ende selbst: Der Chef hat es so gesagt und damit
allein zu verantworten, es geht alles mit rechten Dingen zu! Von ihrer Unschuld am
85 stärksten überzeugt ist Manuela: «Die Erste, die hier nicht mehr arbeiten würde, wenn
ich was mit meinem Gewissen und Glauben nicht vereinbaren könnte, das wäre ich.»
Nach der Pause kommt der Teamleiter. «Neue Order vom Chef. Die Jugendschutztafel
läuft fantastisch. Wer 69 Euro dafür ausgeben kann, der zahlt auch 89. Und jetzt statt
mit Holz- mit Aluklapprahmen.»
90 Da ziehe ich es vor, mein Gastspiel zu beenden. «Ich muss dringend zum Zahnarzt», sage
ich. – «Bleib nicht zu lange weg, und bring eine ärztliche Bescheinigung mit», ermahnt
mich der Chef, «du hast wirklich Talent als Callagent.»
* Name von der Redaktion geändert
Der Inhaber von ZIU-International erklärt, sein Anwalt habe ihm mitgeteilt, er handle absolut gesetzeskonform.
DIE ZEIT, Nr. 22, 24. Mai 2007

Aufgabe

Lösen Sie die Aufgaben schriftlich in Ihrem Arbeitsheft.


• Was geschieht? Schreiben Sie eine kurze Inhaltsangabe.
• Was rechtfertigt das Arbeiten Wallraffs «undercover»?
• Wie erklären Sie, dass die Mitarbeitenden den Betrug mitmachen?
• Welche weiteren Fragen und Probleme wirft diese Reportage auf?
• Informieren Sie sich in einer ausführlichen Literaturgeschichte und im Internet über die
Textsorte «Reportage», über den Autor Egon Erwin Kisch sowie über den Egon-Erwin-
Kisch-Preis.

Schreibformen 51
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4 Schreiben heisst kommunizieren

Wer schreibt, will verstanden werden – und meist auch ein Ziel erreichen. Schreiben ist ein
kommunikativer Prozess (vgl. Modul A, «Kommunikation»). Zu verstehen und zu bewerten ist
nur, was auf dem Papier oder dem Monitor zu lesen ist – und nicht, was sich jemand dabei
noch so alles gedacht hat. Stellen Sie sich vor dem Schreiben folgende Fragen, und prüfen Sie
am Ende, ob der Text diese Fragen beantwortet.
• 
Sachinformation: Was will ich mitteilen, darstellen, aussagen? Bin ich mir klar, worüber
ich schreiben will – oder muss? Welche Informationen brauche ich für meinen Text?
• Beziehung: Wie gewinne ich die Lesenden, die Empfänger? Führe ich sie durch den Text,
durch meine Geschichte, durch meinen Kommentar? Mit welchen Worten kann ich den
Lesenden «meine Botschaft» näherbringen? Schaffe ich es, dass z. B. ein Erlebnis zu Tränen
rührt oder mein Kommentar die meisten überzeugt?
• Appell: Was soll das Publikum erleben, fühlen, denken, meinen? Wen will ich ansprechen?
• Selbstkundgabe: Wie stelle ich mich dar? Was wird von mir, von meinem Text erwartet?
• Sprache und Stil: Treffe ich die Sprache meiner Lesenden? Werde ich verstanden?
Wie nutze ich die sprachlichen Mittel?

Aufgabe

Wählen Sie ein Thema und eine Schreibform, stellen Sie sich die Fragen, und notieren Sie Ihre
Antworten in Ihrem Arbeitsheft. Anschliessend verfassen Sie den Text und lassen ihn von ande-
ren lesen, die die gleichen Fragen beantworten. Vergleichen Sie die Lösungen: Worin stimmen
sie überein? Was ist unterschiedlich?
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4.1 Schreibhilfen

Damit Ihr Text gelingt, können – je nach Zeitaufwand – folgende Hilfsmittel genutzt werden:
• Ein anerkanntes Rechtschreibwörterbuch, die neuste Ausgabe, gehört einfach zum
Handwerk des Schreibens. Vorzuziehen sind umfassendere Wörterbücher, z. B. das Duden
Universalwörterbuch. Darin finden sich weiterführende Informationen über die Herkunft,
den Wortgebrauch sowie Redewendungen und Stilschicht. Der Wortschatz ist grösser, und
Fremdwörter sind genauer erklärt.
• Duden, Band 9: Richtiges und gutes Deutsch. Dieser Band enthält Antworten auf zahl­
reiche Zweifelsfälle und Sprachprobleme, z. B.: Sie hat sich für diesen (nicht: zu diesem)
Schritt entschieden (aber: zu diesem Schritt entschlossen).
• 
Synonymwörterbücher helfen, den Wortschatz zu erweitern, verwandte Wörter zu ent-
decken und einen genaueren Ausdruck zu finden; die richtige Wahl nehmen sie nicht ab.
• Ein Stilwörterbuch zeigt die inhaltlich sinnvollen und grammatisch richtigen Verknüpfun-
gen der Wörter sowie feste Verbindungen, Redensarten und Sprichwörter. Ebenfalls findet
sich darin die Beschreibung verschiedener Stilschichten, vgl. folgende Seite.
• Eine besondere Art sind «umgekehrte» Fremdwörterbücher, die vom deutschen Wort
zum Fremdwort führen. Sie dienen nicht zum Angeben oder Bluffen, sondern sind hilfreich
bei der Suche nach bedeutungsähnlichen Fremdwörtern, wenn beispielsweise eine andere
Ausdrucksform gesucht wird oder ein fremdsprachiger Fachausdruck gefunden werden
muss. So steht darin z.B. für «eingebildet» affektiert, arrogant, blasiert, elitär und snobis­
tisch, aber auch fiktiv; und für «Einspruch» stehen die Begriffe Demarche, Protest, Rekurs,
Remonstration und Veto. Die richtige Verwendung der Wörter wird einem aber nicht
abgenommen.

52 Schreibformen
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MODUL C
4.2 Stilschichten

Stilwörterbücher und auch umfangreichere Lexika verweisen auf verschiedene Stilschichten.


Ihre Unterscheidung dient dazu, unsere Ausdrucksweise in Schrift und Rede auf ihre mögliche
Wirkung zu überprüfen. Alle diese Kennzeichnungen sollen zu einem korrekten, stilistisch
einwandfreien Sprachgebrauch hinführen.

Ergänzen Sie eigene Beispiele.

Gehobener Stil Formeller Stil Standard- oder Umgangssprach­ Derber, vulgärer


(Papier-, Bürokraten- Hochsprache licher, salopper Stil Stil
oder Technokraten-
deutsch)

gewählte, nicht all- umständliche, anschauliche, ungezwungene, ungepflegte und


tägliche Ausdrucks- schwerfällige Aus- treffende Ausdrucks- anschauliche und grobe Ausdrucks-
weise, die in der ge- drucksweise, zwar weise, die je nach gefühlsbetonte Aus- weise; kann sehr
sprochenen Sprache korrekt, aber weder Absicht und Situation drucksweise, zum Teil verletzend und diskri-
feierlich oder ge- lebendig noch an- bewusst differenziert: äusserst nachlässig, minierend wirken
spreizt wirkt; auch schaulich sachlich, emotional, ungenau, schlampig
verschleiernde, be- ironisierend, Anteil
schönigende oder nehmend u.a.
indirekte Ausdrücke
zählen dazu

eine grosse Bürde unter Bezugnahme (Ehe-)Frau – Knüller; ein krepieren (für:
tragen; heimgehen auf, in Verlust (Ehe-)Mann; Schläfchen machen, sterben); kotzen,
(für sterben); in an- geraten, in Angriff verlieren, beginnen, wie ein Spatz essen; eine Meise haben,
deren Umständen nehmen, in anfangen; Frau – Mann; die Schnauze halten;
sein; Gemahlin – Erwägung ziehen; die Dusche; «Braut», Tussi der Alte – die Alte
Gemahl; Gattin – © 2023 Verlag
Ehepartner/in; einSprache
SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Schnitzel
BM mitmit
digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
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Gatte die Nasszelle; Pommes frites
ein Schnitzel mit
Sättigungsbeilage

Gerade in der Schweiz kann die Mundart sehr gepflegt, aber auch
sehr ordinär gesprochen werden; auch innerhalb der Mundart lassen
sich Stilschichten unterscheiden.

Die Mischung aus Mundart, Englisch und


anderen Sprachelementen wird als Slang be-
zeichnet und liegt in diesen beiden Bereichen:
«Das war echt geil performt! Fucking Welt-
klasse!» – «Mega schön gesungen – und voll
krass drauf.»

Schreibformen 53
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  Modultest

1. Beantworten Sie die folgenden Wissensfragen in Ihrem Arbeitsheft.


• Führen Sie drei wesentliche Merkmale einer Zusammenfassung an.
• Was unterscheidet eine Beschreibung von einer Schilderung?
• Sowohl ein Kommentar als auch ein Leserbrief sind persönliche Schreibformen. Was
Lösung unter­scheidet sie dennoch sehr deutlich?
• Und noch zwei verwechselbare Fremdwörter: Was heisst Rezension, was Rezession?
• Welche Hilfsmittel stehen Schreibenden zur Verfügung?

2. Lassen Sie sich vom folgenden Text zu einer Zusammenfassung oder zu einem
Kommentar oder zu einem Leserbrief anregen.

K a t h a r i n a F eh r
Der Hamburger, der die Welt erklärt
Der Big-Mac-Index wird 20 Jahre alt. Nicht immer sehr präzis, aber robust und unterhalt-
sam gibt er Hinweise auf die Bewertung von Währungen.

Kennzeichnen Sie die 1 Seit20 Jahren versucht die britische Wirtschaftszeitung «The Economist», mit Hilfe des
Schlüsselwörter. Big Mac von McDonald’s dem Publikum die knochentrockene Wechselkurs-Theorie
der Kaufkraftparität näherzubringen. Der jährlich publizierte Big-Mac-Index mag eine
beschränkte Aussagekraft haben, umso grösser ist der Unterhaltungswert der Liste mit
5 den Preisen des Doppel-Hamburgers in 32 Ländern.

Setzen Sie aussage- A ––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––


kräftige Zwischentitel.
Die Schweizer ärgern sich regelmässig darüber, dass der Big Mac hierzulande (in Dollar
umgerechnet) am teuersten ist. Dieses Jahr zahlen die Schweizer 68 Prozent mehr für
© 2023 Verlagihn
SKVals
AG:die
FokusAmerikaner. Manch
Sprache, Fokus Sprache einer
BM mit magLösungen
digitalen da das undHochpreisland Schweiz verteufeln.
Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Über die Wechselkurse denkt indes kaum jemand nach. Dabei geht es beim Big-Mac-
10 Index genau darum. In der Schweiz kostet ein Big Mac 6.30 Franken. In den USA ver-
langt McDonald’s 3.10 Dollar. Damit der Hamburger in beiden Ländern gleich viel kos-
ten würde, müsste der Dollar-Wechselkurs bei 2.03 Franken liegen und nicht wie in der
Realität bei 1.21 Franken. Der Franken – so die Aussage – ist folglich 68 Prozent über-
bewertet.
B ––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––

15 Dahinter steht die Theorie der Kaufkraftparität. Sie geht davon aus, dass identische
Güter überall auf der Welt das Gleiche kosten sollten. Tun sie dies nicht, werden sie von
den billigeren Ländern in die teureren exportiert, bis sich die Preise beziehungsweise die
Wechselkurse angleichen.
Eigentlich ist der Big Mac für diese Theorie denkbar ungeeignet. Zwar gibt es ihn in
20 über 120 Ländern, er ist überall gleich gross, besteht aus den gleichen acht Zutaten, und
mit 560 Kalorien macht er überall gleich dick. Das spricht für den Big Mac. Gegen ihn
spricht, dass er nicht gehandelt werden kann. Er wird nicht zentral hergestellt, sondern
besteht aus lokalen Nahrungsmitteln. Der hiesige Big Mac stammt zu mehr als zwei
Dritteln aus der Schweiz. Durch Handel können sich die Preise also nicht angleichen.

54 Schreibformen
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C ––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––­–––––––––––––––––

MODUL C
Arbeitnehmende in Zürich müssen durchschnittlich nur 11 Minuten arbeiten,
25 Über die Jahre wurde der Big-Mac-Index kopiert. um sich einen Big Mac leisten zu können, in Nairobi hingegen fast 3 Stun-
Aber ob Starbucks-Index, iPod-Index oder Ikea- den.
Bücherregal-Billy-Index – sie alle wurden nur ein Notwendige Arbeitszeit für den Kauf von …
(UBS, Preise und Löhne, 2015)
einziges Mal erstellt. Obwohl etwa der iPod für die Städte
(Auswahl) 1 Big Mac 1 kg Brot 1 kg Reis
Theorie der Wechselkursparität geeigneter wäre als in Minuten in Minuten in Minuten
30 ein Hamburger. Für die Schweizer spielt es kaum eine Athen 26 20 34
Rolle, welches Produkt herhalten muss, das Fazit ist Bangkok 37 47 17
stets gleich: Der Franken ist überbewertet, Schweizer Beijing 42 40 36
zahlen mehr als der Rest der Welt. Einen gewissen Bogotá 35 18 18


Trost kann das Hochpreisland in den Berechnungen Bukarest 44 11 28
35 der UBS finden. Sie hat den Big-Mac-Index weiter- Delhi 50 23 73
entwickelt und – zum zweiten Mal – errechnet, Dubai 17 9 13
wie lange Menschen arbeiten müssen, um sich den Frankfurt 13 10 14
Hamburger leisten zu können. Trotz grosser Kauf- Istanbul 34 22 23
kraft in der Schweiz muss man doch noch 13 Minu- Jakarta 67 70 58

40 ten für einen Big Mac arbeiten. Ein Kilogramm Brot Kiew 55 26 44

gibt es schon nach 6 Minuten Arbeit. In Tokio Lima 38 45 15


London 12 6 16
reichen 9 Minuten Arbeit für den Hamburger. Den
Los Angeles 11 10 5
grössten Aufwand für den Big Mac müssen Arbeiter
Mailand 18 16 14
in Nairobi betreiben: 84 Minuten Arbeit sind nötig,
Manila 87 83 34
45 um ihn zu kaufen. Für ein Kilogramm Brot
Mexiko-Stadt 78 46 22
reichen 44 Minuten. Mumbai 40 27 49
Nairobi 173 44 62
Rio de Janeiro 32 18 9
Tokio 10 14 10
Zürich 11 5 5

D ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
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Der Big-Mac-Index hat Exemplar
Persönliches weiterevonMängel.
Liza Basha,Er rechnet
8307 Effretikonweder Steuern, Mieten noch lokale
Lohnkosten aus. Solche nicht handelbaren Faktoren sind in Schwellenländern günstiger,
weshalb diese Währungen von vornherein unterbewertet erscheinen. Dennoch: Trotz
50 seiner Unvollkommenheit ist der Big-Mac-Index für die meisten Wechselkurse ein guter
Indikator. 1999, als der Euro eingeführt wurde, hatte der Big-Mac-Index seine Stern-
stunde. Die meisten Beobachter hielten den Euro für unterbewertet. Nicht so der Big-
Mac-Index: Zwischen 1999 und 2000 hat der Euro dann tatsächlich an Wert verloren.
Derzeit deutet der Index wieder auf eine Überbewertung der europäischen Währung hin.
NZZ am Sonntag, 4. Juni 2006

Schreibformen 55
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3. Vier Themen zur Wahl: Präzisieren Sie eines der folgenden Themen, wählen Sie eine
Schreibform – und schreiben Sie. Halten Sie möglichst genau die formalen Vorgaben der
jeweiligen Schreibform ein.
• Zehn Minuten
Was kann in zehn Minuten passieren? Man kann sich verlieben, sterben oder im Fuss-
ball-WM-Finale zwei Tore schiessen. Man kann die Wahrheit über etwas erfahren, ein
Vorstellungsgespräch meistern oder eine Prüfung in den Sand setzen – und noch viel
mehr ...
• Begegnungen
Wer trifft wen? Ist es eine harmonische, misslungene oder schockierende Begegnung?
Welche Konsequenzen hat die Begegnung für den Beruf, die Zukunft?
• Zu Hause
Was kann man in den eigenen vier Wänden erleben?
• Tanzen
 Auf der Nase herumtanzen. Tanz auf dem Vulkan. Tanz um das Goldene Kalb. Tanzkurs­
erfahrung. Nach anderer Leute Pfeife tanzen.

4. Schreibtraining: Schreiben Sie eine Meldung, und geben oder mailen Sie diese an
Mitlernende weiter; der nächste erweitert die Meldung zu einer längeren Nachricht,
die nächste formuliert einen Bericht daraus; dem folgt ein Kommentar usw.
Überprüfen Sie am Ende die Schreibformen anhand der Kriterien: Was ist gelungen?
Was muss verbessert werden?
Charakteristik: Führen Sie ein Interview mit einem Menschen, der Sie interessiert (vgl.

«Methodenkoffer» unter www.fokus-sprache.ch). Verarbeiten Sie die Antworten und Ihre
Eindrücke zu einer Charakteristik. Legen Sie Ihren Text den Mitlernenden und der interview-
ten Person zur Begutachtung vor: Erkennt sie sich darin wieder?

5. Schreiben Sie einen Bericht für Ihre Schulzeitung, Ihr Firmenmagazin oder eine entspre-
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Besonders anspruchsvoll ist es, nicht nur über den Anlass zu berichten, sondern Gleich-
altrige für ähnliche Ereignisse zu begeistern. Als Themen eignen sich Ausstellungen, Firmen-
oder Sportanlässe, Konzerte, Sprachaufenthalte und Schulreisen.

6. Wagen Sie sich an eine kreative Schreibform heran, z. B. an einen Essay oder eine Repor-
tage. Wählen Sie ein Thema, für das Sie sich engagieren, und gestalten Sie einen spannen-
den Text.

7. Die Herausforderung zum Schluss: Betreten Sie Neuland, und schreiben Sie einen Ver-
gleichstest, z.B. prüfen Sie Jeans, Lippenstifte, Download-Portale, Jugendmagazine oder
gar Handys auf ihre Tauglichkeit. Oder wählen Sie ein anderes Produkt.
Sie gehen ähnlich vor wie bei einer Besprechung. Zuerst beschreiben Sie die Produkte,
anschliessend die Kriterien, die Sie untersuchen, sowie Ihr Vorgehen. Schliesslich stellen Sie
die Testergebnisse dar. Am Ende können Sie die Produkte mit Schulnoten, Sternen oder
Ähnlichem bewerten. Als Muster dienen Ihnen Konsumentenmagazine und entsprechende
TV-Sendungen.

56 Schreibformen
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MODUL D
Medien und Rhetorik


Lernziele

• 
Ich kann Medien – auch soziale Medien – nach
meinen Bedürfnissen und Ansprüchen nutzen
und bin mir auch der Grenzen und Gefahren
­bewusst.

• 
Ich kenne die Möglichkeiten des Umgangs mit
Bildern und verwende visuelle Materialien sach-
und adressatengerecht.

•  Wenn ich präsentiere oder referiere, bin ich gut


vorbereitet, und ich verstehe es, verbale und
nonverbale Mittel gekonnt einzusetzen sowie
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Medien adäquat zu nutzen, damit meine Bot-
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schaft überzeugend ankommt.

• 
Ich wirke in Diskussionen konstruktiv mit (z.B.
ein Statement oder ein Votum abgeben), leite
Gruppendiskussionen (z.B. im Unterricht), gebe
unterstützendes Feedback – und verstehe es,
auf Feedback an mich angemessen zu reagieren.

57
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1 Impuls

Medien leben von Sprache – verbal und nonverbal. Wer öffentlich, im Beruf und privat
­Wirkung erzielen will, setzt verschiedene Mittel ein, z. B. rhetorische und visuelle Mittel.
Damit kann die «Botschaft» besser an die Adressaten gelangen. Die folgenden Beispiele
­verdeutlichen dies, und zwar vom flapsigen Werbespruch bis zum einfühlsamen Gedicht.

• Beschreiben Sie, was an diesen Beispielen auffällt und welche Wirkung sie erzielen?

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R a i n e r M a r i a R i l k e , 1875 –1926
Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr gross.


perrt
kt, ges
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
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eklic akten zu te zu
BE
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e b t , g ahlen u n d F und auf den Fluren lass die Winde los.
G eli t Y o u
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Tube: Z eoplattform, di BEUTH
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zehnt m en Vid PATRIC
K Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
Ein Jahr g der gigantisch KLE, EIKE KÜHL UND gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
ta
­Geburts hört. VON PAUL B
LIC
dränge sie zur Vollendung hin und jage
ge
Google die letzte Süsse in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.


Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

58 Medien und Rhetorik


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2 Medienvergleich

MODUL D
Vergleichen Sie mit dem folgenden Raster, wie ein aktuelles Ereignis in unterschiedlichen
­Medien dargestellt wird. Je nach Arbeits- und Zeitaufwand lassen sich die einzelnen Kriterien
erweitern. So können eine Boulevard- oder Gratiszeitung und eine Qualitätszeitung – gedruckt
oder auch als App – oder verschiedene TV-Sender miteinander verglichen werden.


Kriterium Medium 1 Medium 2

• Titel des Ereignisses

• Spontaner Eindruck

• Umfang der Darstellung


(Seiten/Zeit; Anzahl Wörter)

• Menge und Qualität der harten


Fakten («Hardnews»)

• Menge und Qualität der weichen


Informationen («Softnews»)

• Verständlichkeit
– Wortschatz (Fremd­wörter,
Fach­begriffe)
– Satzbau

• Visuelle Elemente
–  Bilder (Bildlegende)
– Diagramme © 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
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• Hintergrund­informationen

• Herstellen von Zusammenhängen

• Wahrheitsgehalt
(Überprüfbarkeit) und Intention
der Darstellung

• Zusätze, Besonderheiten

Abschliessende Wertung,
• 
z.B. mit Schulnoten

Diskutieren und beantworten Sie aufgrund Ihres Vergleichs folgende Fragen:

• Was vermögen (Massen-)Medien zu leisten?


• Wo liegen die Stärken, wo die Schwächen der Massenmedien?

Medien und Rhetorik 59


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3 Soziale Medien: JAMES-Studie

Das Smartphone hat sich 2014 endgültig bei den Schweizer Jugendlichen etabliert:
97 Prozent besitzen ein eigenes Smartphone; 2010 war es knapp die Hälfte gewesen.
Dies zeigt die JAMES-Studie 2014, die seit 2010 bereits zum dritten Mal durchgeführt wurde
und damit erstmals Trends aufzeigen kann. Alle zwei Jahre befragt die ZHAW Zürcher Hoch-
schule für Angewandte Wissenschaften über 1000 Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren
in den drei grossen Sprachregionen der Schweiz zu ihrem Medienverhalten. Mit den Smart-
phones hat sich auch die Handynutzung seit 2010 stark verändert. Das häufige Telefonieren
ging von 80 auf 71 Prozent zurück.

• Was können Sie aus folgendem Diagramm über die «Handyfunktionen nach Geschlecht»
aus dem Jahre 2014 ablesen? Formulieren Sie drei bis fünf Sätze.

95
WhatsApp/Line/Threema Einzelchat 92
94
als Uhr verwenden 89
90
WhatsApp/Line/Threema Gruppenchat 90
90
Musik hören 84
87
im Internet surfen 88
79
Soziale Netzwerke nutzen 73
71
telefonieren 72
63
Videos im Internet schauen 76
76
als Wecker verwenden 62
70
SMS nutzen 66
75
Fotos/Filme machen 60
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66
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Fotos/Filme Effretikon
verschicken 58
62
E-Mail nutzen 59
59
Snapchat nutzen 49
37
Handyspiele spielen 71
42
Agenda nutzen 41
26
als Navi nutzen 31
Geschlecht
24
Servicemeldungen empfangen 30
Mädchen
23
Jungen
TV schauen 26
12
MP3 verschicken 20
13
Radio hören 13
0 25 50 75 100
Prozentangaben: täglich/mehrmals pro Woche
Quelle: ZHAW 2014

Drei von vier Schweizer Jugendlichen tauschen sich im Internet regelmässig über soziale
­Netzwerke aus. 89 Prozent sind bei mindestens einem sozialen Netzwerk angemeldet. Auch
2014 ist Facebook am beliebtesten, jedoch dicht gefolgt von Instagram. Google+ und Twitter
haben in den letzten Jahren ebenso an Nutzerzahlen gewonnen. Interessant ist, dass bei den
jüngsten Befragten das auf Fotos und Videos spezialisierte Netzwerk Instagram höher im Kurs
steht als Facebook.

• Worin liegt die Faszination sozialer Medien?


• Was leisten und welchen Nutzen bringen soziale Medien?

60 Medien und Rhetorik


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• Welche Ergebnisse lassen sich im folgenden Diagramm (Tätigkeiten in sozialen Netzwerken

MODUL D
nach Geschlecht) erkennen?
• Beschreiben Sie Ihre Nutzung sozialer Medien und vergleichen Sie sich mit anderen.


88
Fotos anschauen 79
80
Profile von Freunden anschauen 65
74
Liken/«gefällt mir»-Button nutzen 64
67
chatten 71
66
Nachrichten versenden 63


32
Posts von Kontakten kommentieren 31
31
nach Freunden suchen 32
22
Videos posten/teilen 38
32
anderen an die Pinnwand schreiben 27 Geschlecht
Statusmeldungen posten 31 Mädchen
26 Jungen
18
Links posten 28
12
Musik teilen 24
15
Events organisieren 20
9
Games spielen 23
16
Kontakte vernetzen 14
10
Freundeslisten führen 15
0 25 50 75 100
Prozentangaben: täglich/mehrmals pro Woche
Quelle: ZHAW 2014
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Die JAMES-Studie kommt zum Schluss: «Die Bandbreite der Mediennutzung und Lieblings­
aktivitäten zeigt, wie versiert Schweizer Jugendliche mit der sich rasend schnell wandelnden
Medienwelt umgehen. Viele erwachsene Bezugspersonen fühlen sich im Vergleich mit den
­Jugendlichen im Rückstand. Wichtig ist jedoch, dass Medienkompetenz nicht nur die Nutzung
und das technische Know-how beinhaltet, sondern eben auch die Fähigkeit zu reflektieren und
Konsequenzen abzuschätzen. Tauschen sich Jugendliche und Erwachsene diesbezüglich aus,
können sie viel voneinander lernen.» (Quelle: ZHAW 2014)

• Was können Jugendliche und Erwachsene konkret voneinander lernen?

Die dunklen Seiten der sozialen Medien

Nicht alles, was im Internet und auf Social Media abläuft, ist «sozial». In den Bereichen Games,
Gambling, E-Communications sowie Sexualität und Gewalt drohen zahlreiche Gefahren.
Aber auch rechtliche Probleme und zahlreiche Formen von Betrug verunsichern jugendliche
Nutzerinnen und Nutzer.

• Welche Erfahrungen haben Sie oder Bekannte bereits gemacht?


• Wie schützen Sie sich vor Gefahren?
• Wo können Informationen und Hilfe geholt werden?

Medien und Rhetorik 61


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4 «Ich glaube nur, was ich sehe»

Bilder sind allgegenwärtig und überall konsumierbar geworden. Die Bilderflut birgt die Gefahr,
die Intention «hinter» den Bildern zu ignorieren.
Bildkombinationen oder bestimmte -ausschnitte, Fotomontagen, Farbmanipulationen sowie
gestellte oder bestellte Szenen, das Spiel mit Licht und Schatten und viele andere Möglich­
keiten lassen eigene visuelle Welten entstehen, die von einem «Abbild der Realität» weit ent-
fernt sind, z.B. Superzeitlupe, Zeitraffer, Mikrofotografie.

4.1 Informieren

Bilder können informieren, unterschiedliche Perspektiven vermitteln und Abstraktes veran-


schaulichen. Sie sind immer ein Ausschnitt und meistens «subjektiv», also abhängig von der
Sichtweise der Person hinter der Kamera.

• In welchen Zusammenhängen dienen Bilder der Information?


• Wo ist Werbung zwischen Information und Manipulation anzusiedeln?

4.2 Manipulieren

Bilder sind immer schon genutzt worden, um Menschen zu beeinflussen oder zu manipulieren.
Kaiser und Könige liessen sich schöner, prächtiger und mächtiger darstellen, als sie in Wirklich-
keit waren. Heute helfen Photoshop und andere Programme nach. Kaum ein Bild, das in den
Massenmedien verbreitet wird, ist «unbehandelt».
Einfach, aber wirkungsvoll: Der Text verändert die Bildaussage.
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Agentur AFP: Ein islamischer Geistlicher versucht die Menge zu Zeitschrift «Stern»: Ein Geistlicher heizt die Stimmung aufgebrachter
­beschwichtigen. Gläubiger in der libane­sischen Hauptstadt an.

Auch scheinbar harmlose Manipulationen verfolgen eine Absicht: Was könnten die Gründe
sein?

• Wer hat ein Interesse an Bildmanipulationen – und warum?

62 Medien und Rhetorik


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MODUL D
4.3 Erinnern und verklären
­
Jede Generation erinnert sich an ganz besondere Ereignisse, die verklärt, überhöht und mit
­vielen Emotionen und Erinnerungen verbunden werden. Die Bilder rufen meist sofort wieder
das Erlebte in die Gegenwart zurück.


Fans an der Fussball-WM 2014 in Brasilien.

• Welche inneren Bilder können Sie abrufen? Dragqueen Conchita Wurst gewinnt
• Warum sind gerade diese Ereignisse so gut gespeichert? 2014 den Eurovision Song Contest.

4.4 Emotionalisieren
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Der Ehemann verstümmelte der 18-jährigen Aisha Der Müll in den Weltmeeren führt zum Tod der Tiere, die das unverdauliche Plastik
2010 das Gesicht. Das Bild ging um die Welt. Einem ­fressen.
plastischen Chirurgen gelang in den USA die Rekon­
struktion einer neuen Nase.

• Wie lassen sich emotionale Bilder positiv nutzen – oder missbrauchen?

Die Macht der Bilder

• Bilder wirken unmittelbar emotional; während ein Text nochmals gelesen und «entziffert»
werden muss, wirkt das Bild beständig weiter.
• Bilder übertragen Gefühle des Miterlebens schneller als jeder Text.
• Bilder bleiben in der Erinnerung haften und prägen die Vorstellung, die sich von der Wahr-
heit mitunter weit entfernen kann.
• Bilder können sinnstiftend und gemeinschaftsfördernd wirken – aber auch ein­engend
(«ein fixes Bild») und anderen gegenüber Vorurteile festigen.

Medien und Rhetorik 63


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5 Schreiben für Medien: Medienmitteilung (Mediencommuniqué)

Wer seine Anliegen über die klassischen Medien in die Öffentlichkeit bringen will, publiziert
eine Medienmitteilung. Für Medientexte gilt – im Gegensatz zu Schulaufsätzen – eine Grund-
regel: Das Wichtigste muss an den Anfang. Was in Aufsätzen eher verpönt ist, nämlich mit der
Tür ins Haus zu fallen, ist für Medientexte zwingend.

Medienmitteilung° April 2016

17 Prozent mehr FH-Studierende gehen «fremd»


Trotz Kündigung des ERASMUS-Vertrags 17 Prozent mehr Auslandsaufenthalte
168 Studierende der SwissBrain Fachhochschule absolvieren das Herbstsemester
2016/17 an einer der 130 Partneruniversitäten weltweit. Trotz Kündigung des ERAS-
MUS-Vertrags nach der Abstimmung vom 9. Februar 2014 ist dies eine erfreuliche
­Zunahme um 17 Prozent.
Die beliebtesten Destinationen liegen 2016 wiederum in Europa. Die Plätze 1 bis 3 belegen
Spanien, Finnland und Frankreich. Darauf folgen China, Schweden und Südkorea.
­Steigender Beliebtheit erfreuen sich die Niederlande, Grossbritannien und Mexiko. Prof.
Roland Berner, Head of Global Relations, meint zu diesem positiven Trend: «Wir haben in
langen Gesprächen mit den europäischen Partnern bilaterale Verträge ausgehandelt, um
unseren Studierenden möglichst viele Optionen zu bieten. Jetzt können wir 80 Prozent der
Studierenden den Platz an ihrer Wunsch-Hoch­schule anbieten.»

Einschränkungen in den USA und in Kanada


Infolge des starken Überhangs von Schweizer Studierenden, die in den USA oder in
­Kanada ein Austauschsemester verbringen wollen, wurden die Möglichkeiten in diesen
beiden Ländern eingeschränkt. Ausgezeichnete Leistungen sind darum die Voraussetzung,
um einen der wenigen heiss begehrten gebührenfreien Studienplätze zu erhalten.
AuchSKVdie
© 2023 Verlag AG:Anzahl der Fokus
Fokus Sprache, Studierenden von
Sprache BM mit Partneruniversitäten,
digitalen Lösungen und Kommentar die ein Semester in einem
für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
englischsprachigen Studiengang der SwissBrain FH absolvieren möchten, hat deutlich zu-
gelegt.
Kontakt: Lara Nett, Kommunikation SwissBrain FH, laranett@sbfh.ch, T +41 88 723 21 22
Interview mit Prof. Berner, Fotos sowie statistische Daten auf www.SwissBrain.com

Aufbau einer Medienmitteilung – die umgekehrte Pyramide (Inverted Pyramid)

• 
Aussagekräftiger Titel mit viel Information – eine echte «Schlag»-Zeile
• Informativer Untertitel («Sublines»)
• 
Lead beantwortet einfache W-Fragen: Medienleute fragen: «Lohnt sich das Weiterlesen?»

• 
2. Absatz: ausführlichere Informationen zum Lead, mehr Zahlen, Daten, Fakten und wichtige
­Einzelheiten

• 
3. Absatz: weitere Informationen sowie – idealerweise – das Zitat einer wichtigen, verantwortlichen,
kompetenten Person, z.B. der Präsidentin («Statement»)

• 
Weitere Informationen mit abnehmender Wichtigkeit

• 
Ansprechperson: Telefon, Mail, Erreichbarkeit; evtl. Hinweise auf Internetseite mit längerer PDF-­
Version, Clips sowie weitere Zusatzinformationen, z.B. Facebook-Seite usw.

• 
evtl. kurze Informationen zur Institution, zum Verein usw.

• 
Die Medienmitteilung wird immer in der 3. Person geschrieben. «Ich» oder «Wir» kommt im Zitat
vor).

• 
Länge: je kürzer, desto besser, nicht über zwei Seiten – Bildschirm-Layout berücksichtigen!

64 Medien und Rhetorik


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6 Rhetorik

MODUL D
Ob Schlagzeile, PR-Slogan oder Abstimmungsparole, ob TV-Duell, Talk-Show oder Interview –
im Medienzeitalter ist ein guter Auftritt mit überraschenden Aussagen und originellen Formu-
lierungen wichtig, damit die Botschaft wahrgenommen wird. Im Team, im Verkaufs- und
­Qualifikationsgespräch, bei Bewerbungen sowie auf Partys und an offiziellen Anlässen «macht
der Ton die Musik». Neben dem Inhalt – dem Was – ist auch die Art und Weise des Redens
und Schreibens – das Wie – entscheidend. Oft sind es die leisen Zwischentöne, auf die es
­ankommt.


Manager, Politikerinnen, Vorgesetzte, Verkäufer, aber auch Lernende – wer vor anderen auf-
treten will oder muss, nutzt das Wissen der Rhetorik.

6.1 Rhetorik – was ist das?

• Rhetorik heisst «Redekunst», «Redebegabung», «Sprachgewalt», «Wortgewandtheit» Beredsamkeit


oder die «Lehre von der wirkungsvollen Gestaltung der Rede».
• Rhetorik schliesst alle Medien mit ein, also mündliche, schriftliche oder durch die techni- mündlich und schriftlich
schen Medien (Film, Fernsehen, Internet) vermittelte Formen. Das vorliegende Modul be-
schränkt sich im Wesentlichen auf die mündliche Form (vgl. Modul Schreiben).
• Rhetorik analysiert die sprachliche (verbale) und nonverbale Kommunikation (Mimik, verbal und nonverbal
Gestik). Sie will Wirkung erzielen und das Publikum überzeugen – ihr Missbrauch führt
zum Überreden oder zur Manipulation.
• Rhetorik ist trainierbar: Geübt werden können das deutliche und freie Sprechen, die be- Rhetoriktraining
wusste Aussprache, die richtige Körperhaltung, unterstreichende Gesten – vor allem aber
der Abbau von Angst. Wer häufig auftritt, sich in Videoszenen analysieren lässt, von ande-
ren Rückmeldungen akzeptiert und sich konsequent vorbereitet, gewinnt Ruhe, Selbst­
sicherheit und Überzeugungskraft.
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• Rhetorische Figuren («Redeschmuck»)
Persönliches sind
Exemplar von Liza Basha, 8307sprachliche
Effretikon Mittel. Sie machen Texte verständ- Redefiguren
licher, eindringlicher und erhöhen ihre Wirkung. Mit pointierten Aussagen, bewusst ge-
wählten Wörtern und geschickt formulierten Sätzen lässt sich das zuhörende oder lesende
Publikum leichter gewinnen.

Die Auftritte von Stars aus Politik und Showbusiness wirken oft besonders locker, spontan und
leicht: Sprechen in der Öffentlichkeit und vor Publikum erscheint uns daher häufig als selbst-
verständlich und einfach. Erst wenn wir selbst auftreten und genau hinhören und hinsehen, er-
kennen wir die Schwierigkeiten und Herausforderungen. Wir lernen unterscheiden, welche
Mittel warum wirken – oder nicht.
Je lockerer und ungezwungener ein öffentlicher Auftritt wirkt, desto mehr Arbeit, Vorberei-
tung, Training und häufig auch Lebenserfahrung sind vorausgegangen.

Medien und Rhetorik 65


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6.2 Sprache und Stimme

Arbeiten Sie an Ihrer Aussprache und an Ihrer Stimme, indem Sie üben, üben, üben!
Suchen Sie Vorbilder, hören Sie genau auf andere, und lassen Sie sich Feedback geben; beob-
achten Sie sich in Videoaufnahmen und achten Sie u. a. auf folgende Punkte:

Stimmschulung Lautstärke zu leise angenehm zu laut


o o o o o

Sprechtempo träge angemessen schnell, hektisch


o o o o o

Melodie monoton klar, deutlich unnatürlich


(Betonung) o o o o o

Rhythmus langweilig sinngebend übertrieben


o o o o o

Pausen und keine gerade richtig zu viele


Punkte o o o o o

Allgemein gilt:
• Sprechen Sie langsamer – es ist immer noch schnell genug, denn die Zuhörenden kennen
das Thema nicht so gut wie Sie!
• Sprechen Sie auch das längste Wort deutlich aus. Verschmelzen oder verschlucken Sie
keine Endsilben: Landkarte (nicht Langkarte), Hauptbahnhof (nicht Haupanhof).

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Sprechen SieSprache,
Sätze Fokus Sprache BM und
konzentriert
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
mit digitalen Lösungen und
verständlich bisKommentar für Lehrpersonen
zum Ende.
• Üben Sie die korrekte Aussprache, besonders von schwierigen oder fremden Wörtern:
Stil (nicht pseudoenglisch Schteil); Industrie (nicht Induschtrie)
• Sprechen Sie Zahlen, auch Jahreszahlen, korrekt und hochdeutsch aus: achtzehnhundert-
zweiunddreissig
• Vokale müssen klingen, z. B. das geschlossene lange e in Erde (nicht Ärde); auch lange
und kurze Vokale müssen deutlich anders klingen, z. B. Wahrheit – Grammatik
• Üben Sie spielerisch mit Schnellsprechsätzen und Zungenbrechern; neben den Klassi-
kern bietet das Internet Tausende von Beispielen:
• Ich kann Schnellsprechsätze schneller sprechen, als andere Schnellsprechsätze sprechen
können.
• Brautkleid bleibt Brautkleid, und Blaukraut bleibt Blaukraut.
• Zwei Schweizer Schwertschweisser schweissen schwitzend Schweizer Schwerte.
­Schweizer Schwerte schweissen schwitzend zwei Schweizer Schwertschweisser.
• Im dichten Fichtendickicht nicken dicke Fichten tüchtig.
• Leicht bröckelt die Rinde der breitblättrigen Linde.
• Sieben Zwerge machen Handstand, drei im Wandschrank, vier am Sandstrand.
• Wer gegen Aluminium minimal immun ist, besitzt Aluminiumminimalimmunität.

66 Medien und Rhetorik


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL D
6.3 Nonverbale Kommunikation («Körper-Rhetorik»)

Der Körper redet immer mit. Unsere Gesten, die Haltung, die Blicke, aber auch die sichere und
leise Stimme. Was wir sagen, wird vom Körper verstärkt – oder widerlegt, wenn wir z. B. lügen.
Gestik, Mimik, Körperhaltung bzw. -bewegungen und Blickkontakt können die verbalen
­Aktivitäten
• u  nterstützen, z.B. durch wohlwollendes Nicken; Funktionen
• v erdeutlichen, z.B. Desinteresse oder Enttäuschung durch Starren in die Ferne oder
Glücksgefühle nach sportlichen Erfolgen;
• vorbereiten, z.B. durch Blickkontakt oder Handzeichen, um das Rederecht zu bekommen;


• ersetzen, z.B. Zustimmung oder Ablehnung durch Kopfnicken oder Kopfschütteln;
• verdecken oder vortäuschen, z.B. übertriebene Gesten, die den Aussagen widerspre-
chen.
Andere Kulturen, andere Körpersprachen: Freundliches Lächeln kommt überall gut an; an-
dere Verhaltensweisen unterschieden sich aber je nach Kultur und Geschlecht.
Zur nonverbalen Kommunikation zählen:

• Mimik
Das Gesicht vermag vielfältige Innenzustände aus­
• Blickkontakt zudrücken. M ­ üdigkeit, Anspannung, aber auch Über­
Blickkontakte laufen wahrscheinlich am raschung, Irritation und andere Befindlichkeiten
wenigsten bewusst ab. Als symbolische ­lassen sich gut, aber nicht immer eindeutig erkennen.
Augengesten gelten geschlossene Augen Woran erkennen Sie Konzentration, Anspannung,
(Nachdenken, Konzentration), das Ver­ Nervosität, U
­ nsicherheit, Überlegenheit oder Arro-
drehen der Augen (negative ­Bewertung) ganz? Lässt sich weibliche von männlicher Mimik
sowie gesenkter oder abgewandter Blick. unter­scheiden? Wenn ja, wie?
Wer darf wem in die Augen sehen? Wie
erkennen Sie verliebte, ablehnende,
strenge, wütende Blicke?© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
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• Gestik
Die Beweglichkeit von Armen, Händen und Fingern
ermöglicht viele symbolische Gesten, u.a. Faust­
schütteln, das Victory-Zeichen sowie die «Taktstock-
funktion» (­dirigieren mit Kugelschreiber).
Welche Begrüssungsgesten kennen Sie – auch aus
anderen Kulturen? Wie viele Küsschen verteilen wir –
und wem? Was sind typisch weibliche, was typisch
• Raumverhalten männliche Gesten? Welche Gesten sind willkommen,
Unser Verhalten im Raum zeigt, wie wir
welche verpönt?
uns in einem Zimmer, auf einer Bühne
fühlen. Manche Menschen drängen
­andere an den Rand und machen
sich breit. Andere wiederum
holen «Mauerblümchen»
nach vorne und geben Raum.
Die Distanz zu anderen Menschen
und das Berühren sind stark kultur­
abhängig: Wie nahe darf man Ihnen • Körperhaltung
kommen? Wie berühren sich eher Auch die Körperhaltung lässt – mitunter sehr offensicht-
«nördliche» und eher «südliche» Kultu- lich – auf Befindlichkeiten und inneres Erleben schlies­
ren? Wie verhalten Sie sich in einer sen, z.B. entspannt sitzen oder nervöse Anspannung.
neuen, Ihnen unbekannten Umgebung? Woran erkennen Sie Offenheit, Abwehr, Interesse, Vor-
sicht, Freude und Trauer?

Medien und Rhetorik 67


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
6.4 Rhetorische Figuren

Die folgende Übersicht zeigt die Vielfalt sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten. Dabei geht es we-
niger um die Kenntnis der einzelnen Begriffe, sondern um die Beispiele und ihre Wirkung. Zu be-
achten ist, dass die angeführte «mögliche Wirkung» je nach Situation und Beispiel nicht immer
zutrifft. Jede rhetorische Figur kann – je nach Zusammenhang – auch andere Wirkungen erzielen.
Ergänzen Sie die folgende Übersicht mit eigenen Beispielen.

Rhetorische Figur Beispiel Mögliche Wirkung


Metapher der Erfolg beflügelt «Bilder» rufen Gefühle hervor,
(vgl. 1 Impuls) Kaderschmiede sprechen uns unmittelbar an und
jemandem das Herz brechen bleiben länger im Gedächt­nis
haften.

Vergleich mit «wie» schlau wie ein Fuchs

Beispiel Nehmen Sie (als Beispiel/beispielsweise) den


Goldpreis, der sich in den letzten Jahren …

Alliteration Freude am Fahren Diese Figuren können die Eindring-


(Stabreim; vgl. 1 Impuls) Bücher bauen Brücken. lichkeit erhöhen, die Bedeutung
oder Wichtigkeit verstärken.

Wiederholung von Wir wollen das Spiel gewinnen,


Wörtern, Wortgruppen, wir wollen das Finale gewinnen,
Satzstrukturen wir wollen die Meisterschaft!

Zitat Buddha sagt: «Spannst du eine Saite zu stark,


wird
© 2023 Verlag SKV AG:sie reissen.
Fokus Sprache,Spannst du BM
Fokus Sprache siemit
zudigitalen
schwach,Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
kannst du nicht auf ihr spielen.»

Kreuzstellung Einer für alle, alle für einen!


(Chiasmus) Genial einfach – einfach genial!

Inversion Gesehen habe ich sie nicht, aber …

Pleonasmus Sie war persönlich anwesend.


Tautologie voll und ganz; hinter Schloss und Riegel;


angst und bange

Steigerung Punkt, Satz und Sieg! Diese Mittel können die Spannung
(Klimax) Sie kam, sah, siegte. steigern oder einen Sachverhalt auf
den Punkt bringen.

Gegensatz Heiss geliebt und kalt getrunken.


(Antithese) Friede den Hütten! Krieg den Palästen!

Satzfragment Stille. Kein Wind. Ein Rascheln.


(Ellipse; vgl. 1 Impuls) Ein Schuss – sie kommen!
Gratuliere, geschafft!

Wortspiel Es ist nicht alles Golf, was glänzt. Indirekte Äusserungen, ungewöhn-
(vgl. 1 Impuls) Keine Leere in der Lehre. ­liche Wendungen, überraschende
Aussagen verlangen genaues
Hinhören.

68 Medien und Rhetorik


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL D
Rhetorische Figur Beispiel Mögliche Wirkung
Anspielung Einige Programme können Trojaner enthalten.
Gewisse Mitarbeitende meinen, sie…

Umschreibung Im Land, wo die Zitronen blühen, ist …


(Paraphrase)

Übertreibung Da war die Hölle los. –


(Hyperbel) Das stecken wir mit links weg.
Untertreibung (Litotes)


Personifizierung Der Wind streichelte sanft über ihre Haare.

Scheinwiderspruch, schaurig schön, furchtbar gut;


Scheingegensatz gespannte Ruhe, ein finstres Lächeln;
(Oxymoron) Hassliebe, ein offenes Geheimnis

Anrede Gerade Sie, meine lieben Lernenden, Die Hörenden oder Lesenden
(Apostrophe) sind jetzt aufgefordert … werden unmittelbar angesprochen,
miteinbezogen.

Vorgriff Stellen wir uns doch einmal vor, was passieren


würde, wenn …
Sicher werden Sie jetzt einwenden, dass …

Rhetorische Frage Sind wir uns nicht darin einig, dass etwas
(Scheinfrage) geschehen muss?

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Ironie Ist javon
Persönliches Exemplar mega cool,8307
Liza Basha, dassEffretikon
du auch noch kommst, Diese Figuren kön­nen humorvoll
wir warten ja erst zwei Stunden! bis verletzend und di­stan­zierend
wirken.

Spott (Zynismus) Das haben Sie aber gut gelernt – Note 2.5!

Euphemismus die Freistellung der Mitarbeitenden; die ethnischen «Beschönigungen» können einen
Säuberungen; eine Preis­anpassung vornehmen; ernsten Sachverhalt verschleiern,
die Katze einschläfern; kurz austreten verharmlosen, aber auch versach-
lichen.

Zu diesen Figuren hinzu kommt eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten, eine Rede, eine Diskussion
oder einen Text ansprechend und adressatenorientiert zu gestalten: mit Humor, mundartlichen
oder hochsprachlichen Wendungen und Sprichwörtern, mit Reimen, mit bewusst gewählten
Mode-, Fremd- oder Fachwörtern u.a. Auch eine eingestreute Anekdote, ein Erlebnis vermag
einen Text anschaulicher und verständlicher zu machen (vgl. Modul C, «Schreib­formen»).
Beachten Sie, dass eine Formulierung verschiedenen Figuren zugeteilt werden kann, auch sind
Abgrenzungen nicht immer einfach.

Aufgaben

• Entwerfen Sie eine kurze Geburtstags-, Dankes-, Begrüssungs- oder Abschiedsrede, die Sie
mit rhetorischen Figuren beleben. Tragen Sie die Rede vor, und lassen Sie Ihre Mitlernenden
die Figuren heraushören.
• Stilschulung als «Daueraufgabe»: Achten Sie beim Lesen (und Hören) genau auf Formulie-
rungen, und werden Sie empfänglich für rhetorische Figuren. Wie arbeiten beispielsweise
Literaturschaffende mit rhetorischen Mitteln?
Medien und Rhetorik 69
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
7 Der Auftritt: Statement – Referat – Präsentation

7.1 Statement
Das Statement ist eine kurze Stellungnahme oder Verlautbarung einer Person oder einer
­Institution. Das Statement wird nicht unterbrochen, Fragen werden – wenn erlaubt und
­möglich – erst später gestellt. Das Statement klingt zwar sachlich, doch ist es meist persönlich
gefärbt, oft parteiisch.
Längere «Statements» von Regierungen oder Unternehmen – eher Communiqués – werden
häufig vorgelesen. Fragen der Medienschaffenden folgen erst später. In kurzen persönlichen
Statements vor Kameras und Mikrofonen – oft nur acht bis 35 Sekunden lang – beeinflussen
Mimik, Gestik, Sprachmelodie und Betonung die Glaubwürdigkeit der Aussage.
Gleiches gilt für das Votum in einer Diskussion: Der kurze Einstieg wird nicht unterbrochen –
anschliessend folgen die Diskussionsbeiträge.
Ob Statement oder Rede: Die drei folgenden Gliederungen A, B und C erleichtern die Vorbe­
reitung (weitere Möglichkeiten: vgl. Modul E «Argumentieren und erörtern»). Für kurze
­Statements genügt es, zu den Punkten eins bis fünf jeweils einen Satz zu formulieren; mit
etwas Routine kann die Aussage auch länger werden. Das Internet bietet zahlreiche Gliede-
rungshilfen unter Fünfsatz oder Fünfsatztechnik.

A Glie
ich de rung
e n t w endet s 1 E
Möglic
he For
t a tem t : inleitu mulier
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Das M e u m – d w is s e n Im m e r
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­direk bliku kurz, 2 Ist  S chulhau d e verpf
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ich ­mit
h t ig s t e li e r e n D ie P r e tags
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Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und c h e
Kommentar
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Sprac ublikum
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Weg
Effretikon

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B Gliederung Mö
gli che Formulierung (Ku
rzrede)
1 Einleitung  Liebe Kolleginnen und
Kollegen. Wir
stehen im Endspiel um
die Schweizer
­Meisterschaft …
2 Gestern  Vor drei Jahren hat unser
Trainer Markus
die A-Mannschaft überno ng
mmen und neue
C Gliederung Mögliche Formulieru
Trainingsmethoden ein
geführt. sieren wir das
3 Heute  1 Einleitung  Seit zwölf Jahren organi
Damals waren nicht alle ds aus der Region.
begeistert, aber Open-Air-Konzert mit Ban
heute stehen wir vor dem
gröss­ten Erfolg en seit drei Jahren
der Vereinsgeschichte.
2 Tatsache  Die Besucherzahlen geh
mer haben wir einen
4 Morgen  zurück; in diesem Som
Wir wollen gewinnen – .
aber, Sportsfreunde, herben Einbruch erlebt
seien wir uns bewusst:
Wie immer das Wetter ist auch die
­Finale ausgeht:
3 Ursache  Ausser dem schlechten
sic htigen, sodass …
5 Schluss Konkurrenz zu berück
Wir haben schon sehr vie
oder Appell  l gewonnen: beschlossen, für
unseren Trainer, die Ko
llegialität, den 4 Folgerung Die Organisatoren haben
ach t Schweizer
­Teamgeist … Daher ...
oder Freitag- und Samstagn
n, die Ein trittspreise zu
Massnahmen  Stars zu engagiere
erhöhen und …
mung …
5 Schluss Wir bitten um eure Zustim
oder Appell

70 Medien und Rhetorik


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MODUL D
7.2 Referat und Präsentation

Das Referat ist sachorientiert – aber nicht nur: Mit Zahlen, Fakten überzeugen kann nur, wer
die Emotionen der Zuhörenden aufzunehmen versteht.
Der einstige Unterschied zwischen wortlastigem Referat und bildgestützter Präsentation ist seit Wort und Bild
PowerPoint und Beamer weitgehend verschwunden. Wer referiert, einen Vortrag hält, ein Pro-
dukt präsentiert, der verwendet heutzutage Bilder, Grafiken, Diagramme, Videoclips, animierte
PPT-Sequenzen und andere visuelle Mittel. Entscheidend für den Erfolg ist das Zusammenspiel
von Mensch und Technik, von Wort und Bild. Mensch vor Technik

Im Bildungsbereich sind Referate oder Vorträge üblich, im Beruf eher Präsentationen (Produkt-


und Verkaufspräsentationen).
Das Publikum schätzt es, wenn an einer Tafel, einem Flipchart, einem Overhead­pro­jektor die
Inhalte dynamisch entwickelt und gestaltet werden. Eine gute Handschrift und ein wenig Dynamik
Zeichentalent erhöhen die Wirkung.

Der Weg zum Referat

Folgende fünf Schritte haben sich für die Planung eines Referats bewährt. Fünf Schritte
Ergänzen Sie auf der Leerzeile, was Ihnen – oder Ihrer Lehrperson – wichtig ist.

• Inhalt, Publikum und Ziele: Ich halte schriftlich fest, wer mein Publikum ist, was ich 1. Voraussetzungen
inhaltlich vermitteln möchte und welche Ziele ich anstrebe.
• Was kann ich beim Publikum voraussetzen: Was weiss meine Klasse? Was interessiert
Fachleute? Sind es überwiegend jüngere oder ältere Menschen, eher Frauen oder
­Männer?
• Was erwartet das Publikum (Sachebene)? Was soll dieses Publikum «mitnehmen»
­(Appell)?
• Habe ich die©richtigen
2023 VerlagArgumente, Beispiele
SKV AG: Fokus Sprache, Fokusund Anschauungsmaterialien
Sprache gewählt?für Lehrpersonen
BM mit digitalen Lösungen und Kommentar
• Teamauftritt: Wie teilen
Persönliches wirvonden
Exemplar Liza Text
Basha, auf? Wer sagt was?
8307 Effretikon
• 

• Gliederung (Disposition): Ich lege den Ablauf schriftlich fest. Dabei beachte ich 2. Struktur
­ ausen und Höhepunkte sowie den Einsatz der Technik.
P
• Wie beginne ich – wie schliesse ich ab? Der erste und der letzte Satz können auch gut
formuliert aufgeschrieben oder auswendig gelernt werden.
• Wie halte ich das Publikum bei der Stange? Wann und wie setze ich Bilder, Filme,
­Modelle, Musik oder Fragen ein? Rege ich eine Diskussion an?
• Teamauftritt: Wie wechseln wir uns ab? Wie leiten wir von einem zum anderen Mit-
glied über?
Tipp: Die Besten treten am Anfang und am Ende auf; sie rahmen die etwas Schwäche-
ren ein.
• 

• Sprache und Stil: Ich schreibe die wichtigsten Stichworte auf A5-Kar­ten (quer!), 3. Sprache
vor allem Fachbegriffe, entscheidende Daten sowie den Einsatz von Geräten oder
Materialien.
• Beschrifte ich die Karten gross genug, sodass ein kurzer Blick genügt?
• Sind die Karten in der richtigen Reihenfolge nummeriert?
• Treffe ich mit meiner Sprache das Publikum? Wähle ich Hochsprache oder Mundart?
Ich beachte:
– Fremd- und Fachwörter
– Positive statt negative Formulierungen
– Abwechslungsreicher Satzbau: eher kürzere Sätze
– Wenig bis keine Füllwörter und Floskeln
– Humor und Gefühle

Medien und Rhetorik 71


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• Habe ich an rhetorische Figuren und Pausen gedacht? Spreche ich auch die Emotionen
an (Schulz von Thun: Beziehungsseite)?
• Teamauftritt: Worin ähneln wir uns, worin unterscheiden wir uns?
• 

4. Üben • Einprägen und Training: Ich übe den Auftritt – am besten vor einer Kamera.
• Beherrsche ich den Text und das Thema?
• Verwende ich ein Zeigegerät (Laserpointer)?
• Kann ich vorher den Raum sehen oder im Zimmer üben? Wie bewege ich mich im
Raum? Wie stelle ich mich selbst dar (Selbstkundgabe)?
• Sind alle technischen Geräte überprüft?
• Teamauftritt: Wer bedient die Geräte? Wer zeichnet das Flipchart?
• 

5. Reden • Auftritt: Ich freue mich auf die Rede als Chance, anderen etwas mitzuteilen, andere
zu überzeugen, vor anderen aufzutreten.
• Meine Nervosität sinkt, wenn ich tief durchatme, mit beiden Füssen ruhig stehe, mich
konzentriere und mich auf die Vorbereitung verlassen kann.
• Jeder Auftritt ist ein Dialog mit dem Publikum. Blicke ich freundlich und offen ins wohl-
wollende Publikum (an die Rückwand) – und achte ich auf Reaktionen?
• Habe ich mir Macken und Marotten (z. B. ähh, od’r; Haare zupfen) abgewöhnt? Halte
ich die Hände frei – und nicht in der Hosentasche?
• Teamauftritt: Wo sind die anderen? Warten sie ruhig stehend oder sitzend an der
Seite? Hören sie konzentriert der/dem Redenden zu?
• 

Folien Und zum Schluss:

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72 Medien und Rhetorik


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MODUL D
7.3 Feedback – statt Kritik und Konflikt

Statements, Referate und Diskussionen fordern uns zu Reaktionen heraus – mal positive (Lob
und Anerkennung), mal negative (Widerspruch, Aggression). Wer es versteht, richtig zu reagie-
ren, seine negativen Reaktionen zu zügeln und konstruktiv zu wirken, wird geschätzt und ernst
genommen.

Feedback
• ist sachbezogen, konkret und beschreibend: konkret
«Ich glaube, wir hatten vereinbart, dass das Referat 15 Minuten dauert.»


«Die Zahlen zu den Lehrlingslöhnen sind sehr interessant. Woher stammen sie?»
• geht auf tatsächlich Veränderbares ein: veränderbar
«Die Bilder haben mich sehr interessiert, aber hier hinten habe ich nicht alles erkennen
­können; und auch die Schrift ist sehr klein geraten.»
• verstärkt, was gelungen ist, und kann Kritisches als «Sandwich» verpacken: Schwächen konstruktiv
werden zwischen positive Aussagen «gepackt».
«Ich habe viel Neues über Max Frisch erfahren; doch die sehr ausführliche Biografie hat die
gute Darstellung seiner Werke in den Hintergrund gedrängt.»
• muss erwünscht sein, kann angeboten, aber nicht aufgedrängt werden. Zudem muss Feed- erwünscht
back möglichst unmittelbar erfolgen (nicht erst nach einem Monat).

Feedback annehmen heisst, sich nicht verteidigen oder rechtfertigen, sondern höchstens
zum besseren Verständnis nachfragen – und schweigen! Feedback im eigentlichen Sinne ist
keine Benotung und keine Kritik. Wer Feedback wünscht und entgegennimmt, entscheidet
selbst, was sie oder er damit anfängt.
Tipp: Nutzen Sie alle Möglichkeiten, vor anderen zu reden, zu präsentieren. Nehmen Sie sich
jeweils einen Punkt vor, den Sie verbessern wollen, z.B.: «Diesmal zeige ich mit einem Laser­
pointer.» – «Heute©blicke ich nicht
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Fokus Projektionswand,
Fokus Sprache BMsondern
mit digitaleninLösungen
die Klasse.»
und Kommentar für Lehrpersonen
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Die Arbeit am «blinden Fleck» – das Johari-Fenster
Die vier Felder des Johari-Fensters von Joseph Luft und Harrington Mir bekannt Mir unbekannt
(Harry) Ingram veranschaulichen, wie ich mich (Selbstwahrnehmung) und
Anderen unbekannt Anderen bekannt

wie andere mich (Fremdwahrnehmung) erleben – und wo mein blinder


Fleck liegt.
Öffentliche Person
Zur «öffentlichen Person» gehört alles, was ich von mir preisgebe und Blinder Fleck
Arena
andere an mir wahrnehmen.
Andere machen mich darauf aufmerksam
Als Privatperson bewahre ich vorerst einiges für mich, im Laufe der Zeit
Gebe ich preis

teile ich das eine oder andere mit, z.B. meine Hobbys, meine Reise-
träume, gewisse Gewohnheiten usw.
Das «Unbewusste» bleibt unbewusst.
Privatperson Unbewusstes
Zum «blinden Fleck» zählen all die Macken, Nachlässigkeiten und Ticks,
die ich nicht erkenne, die aber von anderen wahrgenommen werden,
z.B. das Kratzen am Hinterkopf, viele «Äähh» sowie das «O’dr» am
­Satzende.
Feedback hilft, den blinden Fleck zu verkleinern.
Am Ende einer Gruppenarbeit mit Präsentation und Feedbackrunde ist die «öffentliche Person
deutlich grösser geworden, das Feld der Privatperson und vor allem der blinde Fleck sind
­deutlich geschrumpft.

Medien und Rhetorik 73


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  Modultest

1. Führen Sie zwei Stärken und Schwächen von sprachlichen Nachrichten und von Bildern an.

2. Was kennzeichnet eine gute Medienmitteilung? Nennen Sie drei Kriterien.


Lösung

3. Was heisst nonverbale Kommunikation, und was gilt es dabei zu beachten?

4. Was ist der «blinde Fleck»?

5. Bestimmen Sie die rhetorischen Figuren, vgl. Übersicht auf den Seiten 68/69.

Beschreiben Sie, was auffällt. Rhetorische Figur

Sie leben in einer Seniorenresidenz. ––––––––––––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––––––

Dunkel war’s, der Mond schien helle,


Schneebedeckt die grüne Flur,
Als ein Auto blitzesschnelle
Langsam um die Ecke fuhr. ––––––––––––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––––––

Nichts geworden ist aus dem Millionengewinn! ––––––––––––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––––––

Die zierliche Frau und ihr vollschlanker


Partner sind wirklich ein Traumpaar. ––––––––––––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––––––

Eifersucht ist eine Leidenschaft,


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die mit Eifer sucht,Persönliches
was Leiden schafft.
Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon––––––––––––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––––––

Kann denn Liebe Sünde sein? ––––––––––––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––––––

Am Abstimmungssonntag gab es
nach 19 Uhr eine Elefantenrunde. ––––––––––––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––––––

6. Vergleichen Sie die beiden Statements, und beantworten Sie die Fragen.
• Worin unterscheiden sich die Inhalte?
• Worin liegen jeweils die Stärken und Schwächen?
• Welche Struktur ist erkennbar?

Statement A Statement B
Das beste Rezept zur Eindämmung der Jugendgewalt Gewalt, vor allem aber Jugendgewalt, lässt sich nicht
ist einfach und klar: Arbeit fördern statt Sozialkarrie- ausschaffen. Gewalt ist ein gesellschaftliches Pro­
ren, mehr Ordnung und Disziplin an den Schulen, blem, das auch gesellschaftlich gelöst werden muss.
schärfere Strafen für Unverbesserliche. Und das sind – Wir fordern eine flexible Altersgrenze im Jugend­
statis­tisch belegt – vor allem Ausländer. strafrecht, also auch Gefängnisstrafen für Unter-15-­
Jährige.
Mit der Ausschaffungsinitiative haben wir endlich ein
geeignetes Mittel für mehr Sicherheit. Ausländische Dabei kann aber nicht der Geburtstag für die Art
Jugendliche, die wegen Vergewaltigung, Erpressung einer Strafe entscheidend sein, sondern die persön­
oder Raub ver­urteilt werden, sollen ihr Aufenthalts- liche Entwicklung und die Tat des Jugendlichen.
recht in der Schweiz verlieren. Ebenso ihre Eltern, die Für die Entwicklung eines Rechtsbewusstseins bei
ihre Verantwortung nicht wahrnehmen, sowie die ­Jugendlichen ist es zudem wichtig, dass Delikte be-
Geschwister, also die ganze Familie. straft werden. Jede Strafe muss immer erzieherisch
begleitet werden.
Das ist auch im Sinn der vielen Ausländer, die sich an
die Regeln halten. Genau sie werden nämlich von Alle Massnahmen müssen schon früher beginnen,
einer Minderheit integrations­unwilliger Landsleute in z.B. härtere Sanktionen gegen Schulschwänzer, obli-
Verruf gebracht. gatorische Kurse für Eltern von gewalttätigen Jugend-
lichen und mehr Engagement des Staates bei der
Ausbildung für schulisch schwächere Jugendliche.

74 Medien und Rhetorik


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MODUL E
Argumentieren und erörtern


Lernziele

• Ich weiss, wie eine Argumentation aufgebaut ist


und welche persönlichen oder kulturellen Werte
damit verbunden sein können.

• 
Ich verstehe es, ein Thema argumentativ und
kreativ zu erschliessen sowie zwischen Tat-
sachen, Meinungen und Gefühlen zu unter­
scheiden.

•  Ich kann eine Diskussion in einem überschau­


baren Rahmen vorbereiten, aktiv teilnehmen
und leiten sowie von aussen beobachten und
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die Ergebnisse zusammenfassen.
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

• 
Ich unterscheide schriftliche Argumentations­
formen und erörtere Sach- und Wertfragen.

75
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1 Impuls

Jedes Jahr zum ersten August, zu Silvester oder zu Grossanlässen stellt sich die Frage nach
Sinn oder Unsinn von Feuerwerken. Aufrufe, man möge das Geld besser für soziale Zwecke
oder Hilfseinrichtungen spenden, fruchten meist wenig. Die Meinungen sind geteilt – und
eindeutig.

Streitfall Feuerwerk: Für und wider die Knalleffekte


1500 Tonnen Feuerwerk gehen jedes Jahr in der Schweiz über die Ladentische und in die Luft.
Ist das Ausdruck von Festfreude oder sinnlose Knallerei? Eine Debatte.

PRO

Ein paar Vulkane fürs Gemüt


Von René Staubli

Lesen Sie das Pro und Morgen Abend wird die Schweiz für einige Minuten zu einem Land der Vulkane und Rake-
Kontra aufmerksam ten. Der Feuerzauber tut unseren Seelen einfach gut.
durch, und kennzeich-
nen Sie die Schlüssel- 1 Zürich. – Am Sonntag wars, eine Kollegin feierte Geburtstag an einem Ort, wo sich Hase
wörter. und Fuchs gute Nacht sagen. Ein Dutzend Erwachsene zwischen 45 und 87 Jahren
war da, dazu zwei zwölfjährige Buben. Es gab Grilladen, anregende Gespräche unter der
regengeschützten Laube, «Blowing in the wind» zu Gitarrenbegleitung – und schliesslich
5 ein kleines Feuerwerk, welches höchst unterhaltsam war und die Seelen zusätzlich er-
wärmte.
Unterhaltsam, weil das Geburtstagskind auf die Idee kam, ein Miniraketchen am Holz-
stab in der einen Hand zu halten, um die Lunte mit der andern anzuzünden. Knall! Puff!
Die Explosivkraft des bleistiftdünnen Winzlings war überraschend gross, worauf die
10 restlichen Raketen zum Abschuss in eine Flasche gesteckt wurden, wie es sich gehört.
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Für dievon
Persönliches Exemplar Jungs war8307
Liza Basha, es Effretikon
eine lebensnahe Lektion zum Thema «erwachsener Umgang mit
Feuerwerk» (und die Erwachsenen hatten mal wieder wie Kinder mit dem Feuer gespielt).
Für die Erwärmung der Seelen sorgten dann zwei Kingsize-Vulkane. Wie kleine Düsen-
triebwerke sprühten sie ihren bunten Funkenregen in die Nacht hinaus und wollten
15 kaum mehr aufhören; es waren magische Minuten, ein schöner Abschluss eines wunder-
baren Abends.

Feuerwerk für alle


Es ist doch so: Wenn der FC Zürich in Höchstform ist,
bietet er seinem Publikum ein Angriffsfeuerwerk.
20 Das Züri-Fäscht wäre «ohne» undenkbar.
Zur Siegesfeier der Alinghi in der Grossstadt Valencia
gehörte es genauso wie zum Geburtstagsfest der
Kollegin in Winterthur, wo sich Hase und Fuchs
gute Nacht sagen.
25 Wer
immer seine Freude verkünden will,
landet beim Feuerwerk. Morgen wird die
Schweiz 716 Jahre alt. Da loben wir uns
doch die paar Raketen und Vulkane.

76 Argumentieren und erörtern


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MODUL E

KONTRA

Lunte halten, Ihr Knallköpfe!


Von Edgar Schuler

1 Hobby-Brandschatzer verhageln uns in den Tagen um den 1. August mit ihrem Bra­
chial-Egoismus die Ferienstimmung. Schämen sollen sie sich.
Damit das gleich klar ist: Nichts spricht gegen ein elegant choreografiertes und profes­
sionell abgehaltenes Feuerwerk mit allem Drum und Dran und Schlussbouquet. Es gibt
5 keine beglückendere Methode, um Hunderttausende von Franken in nächtliches Farben-
feuer – und damit ins Nichts – zu verpulvern. Man nennt das nicht umsonst Feuer-
werkskunst. Und die Feuerwerker sind Künstler.
Was für ein himmelweiter Unterschied zu den Knallköpfen, die sich bei Migros und
Coop mit Party-Raketen-Sortimenten bis über beide Ohren eindecken, um dann irgend-
10 wann bierdosenselig die Lunten zu zünden. Sie missverstehen vorsätzlich die vorüber­
gehende Aufhebung des Feuerwerksverbots an Silvester und am 1. August als Verpflich-
tung zur hirnlosen Knallorgie mitten in den Ferien.
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Bei vierjährigenPersönliches
LausbubenExemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
(und -mädchen) drückt man gern ein Auge zu, wenn sie mit
«Frauenfürzen» Allotria treiben. Aber dem Nachttopf entwachsenen Menschen darf man
15 zutrauen, über ihre Nasenspitze hinaus zu denken. Man muss von ihnen erwarten dür-
fen, dass sie ihre kindische Freude an Knallkörpern in zivilisierte Bahnen lenken.

Weggesprengte Finger
Dass das Feuerwerk Hunde und Katzen zu Tode erschreckt und die Luft mit Feinstaub
verdreckt, mag vielleicht noch angehen. Schliesslich gibt es Tätigkeiten, die für die
20 Umwelt schädlicher und keinen Deut sinnvoller sind. Aber die jährlichen Tragödien um
ausgekohlte Wohnungen und weggesprengte Finger sind dann doch definitiv zu viel.
Und das Hauptproblem bleibt, dass die «Zeusler» nur ihre Fantasielosigkeit und gäh-
nende Langeweile mit billigem Schwarzpulver füllen. Alle, die daneben gern genüsslich
feiern würden, müssen unter der Knallerei leiden.
Tages-Anzeiger, 31. 07. 2007

Aufgabe

Hier stehen sich zwei Auffassungen in Form eines Kommentars gegenüber, und zwar einseitig
und ohne auf andere Meinungen einzugehen: Man stimmt zu – oder eben nicht. Beide Seiten
klingen polemisch, provozierend und nach Stammtisch.
• Vergleichen Sie die beiden Meinungen, und notieren Sie in Ihrem Arbeitsheft Gemeinsam-
keiten und Unterschiede.
• Mit welchen Argumenten stützen die Autoren ihre Aussagen?
• Welche Argumente würden Sie ergänzen?

Argumentieren und erörtern 77


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2 Argumentieren in fünf Schritten

Wir unterhalten uns, tauschen Meinungen aus, diskutieren, streiten – privat, beruflich, öffent-
lich. Dabei wollen wir andere von unserer Ansicht, von unserem Standpunkt, von unserer Mei-
nung überzeugen.
Der Begriff «Argument» stammt aus dem Lateinischen und bezeichnet etwas, «was der Veran-
schaulichung dient»: Das Argument ist ein stichhaltiger, plausibler Rechtfertigungsgrund, der
als Beweis oder Bekräftigung einer Aussage vorgebracht wird. Es soll etwas erhellen, beweisen
und damit überzeugen und einsichtig machen.
Wenn wir uns mit einem Sachthema vertieft auseinandersetzen, entwickeln wir eine Argumen-
tation nach folgendem Muster:

Argumentationsschritt Textbeispiel Erläuterung

Behauptung Feuerwerke erfreuen die Menschen, fördern die Fest- Die Behauptung wird als
(These) freude, erzeugen eine gute Stimmung und sind ein Aussage formuliert – und
wiederkehrendes Ritual. kann auch etwas provozie-
rend wirken.

Begründung Feiertage – und «Feuertage» – unterbrechen den grauen Die Begründung muss stich-
Alltag. Das gemeinsame Erlebnis hält eine Gesellschaft – haltig sein; für Möglichkeiten
zumindest für kurze Zeit – zusammen und schafft eine der Begründung vgl. 3.4.
gemeinsame Erinnerung.

Beispiel Zu den grossen Feuerwerken an Schweizer Seen und Das Beispiel muss allgemein
Flüssen strömen immer mehr Menschen – und zwar aus nachvollziehbar sein und zur
dem In- und Ausland. Auch das Fernsehen berichtet Begründung passen.
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darüber und zeigt Bilder glücklicher
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Menschen.
Wer kennt nicht den Eiffelturm, von dem regelmässig
zum Jahreswechsel Tausende Raketen abgefeuert werden?

Einschränkung Überall, wo Tausende Menschen zusammenkommen, Thesen haben ihre Grenzen.


(fakultativ) muss für Sicherheit und Ordnung gesorgt werden. Wenn Daher können gewisse Ein-
einige wenige gewalttätig werden oder verantwortungs- schränkungen gleich berück-
los handeln, so ist gegen sie vorzugehen, damit niemand sichtigt werden.
Schaden erleidet.

Schlussfolgerung Feuerwerke als Tradition oder Ritual müssen weiterhin These und Schluss verleihen
mit Bezug zur These möglich sein. Kaum ein Ort, der darauf verzichten wird. der Argumentation einen
(Appell, Ausblick) Unternehmen wir alles, damit sich auch künftig Jung Rahmen.
und Alt an der Farbenpracht erfreuen dürfen.

Aufgabe

Formulieren Sie eine Antithese (Gegenthese), und vollziehen Sie dem Beispiel entsprechend die
einzelnen Schritte nach. Verwenden Sie Ihr Arbeitsheft.

Lösung

78 Argumentieren und erörtern


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3 Die Erörterung: Pro und Kontra diskutieren

MODUL E
Medien, Stammtische, Schulklassen, Fachleute, Betroffene u. a. diskutieren fast täglich The-
men, die gegensätzliche Meinungen aufeinanderprallen lassen. Dazu gehören z. B. Sterbehilfe,
strengere Strafen für gewalttätige Jugendliche, das Verhältnis der Schweiz zur EU – und Tier-
versuche.
Wenn nur eine Meinung – von Argumenten gestützt – schriftlich dargelegt wird, so ist von
einer linearen Erörterung die Rede; anspruchsvoller ist es, auch die andere Meinung mitein­ lineare Erörterung
zubeziehen, also das Für und Wider zu diskutieren. Die Pro-und-Kontra-Erörterung heisst auch


dialektische Erörterung. Dabei bedeutet dialektisch (Nomen: Dialektik), dass die möglichen dialektische Erörterung
Argumente der Gegenseite berücksichtigt werden.
Der dialektische Dreischritt umfasst die These (Behauptung, Annahme), der eine Antithese These – Antithese
(Gegenbehauptung) gegenübersteht. Ziel ist es, aus den beiden Positionen eine Synthese zu
erreichen – die Vereinigung gegensätzlicher Anschauungen. Synthese

Am Beispiel «Tierversuche» wird das Vorgehen bei einer dialektischen Erörterung darge-
stellt. Die einzelnen Schritte eignen sich auch zur Vorbereitung auf eine Diskussion.
Der folgende Text zeigt die Probleme auf und dient als Einstieg ins Thema.

Uni und ETH Zürich planen wieder Versuche mit Affen


Nach einem jahrelangen Streit mit Tierschützern wagen die Forscher einen Neuanfang.
Barbara Reye

1 Seit 2009 gibt es am Institut für Neuroinformatik der Universität und ETH Zürich keine
Tierversuche mehr mit Primaten. Dies könnte sich bald ändern. Denn nach einer langen
Pause ist nun erstmals wieder ein Gesuch beim Kantonalen Veterinäramt eingereicht
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­worden. Geplant ist, dass mit zwei bis drei Rhesusaffen Versuche zur Erforschung von
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
5 Gehirnprozessen durchgeführt werden.

«Unsere Fragestellungen haben grosse Relevanz für viele psychische Krankheiten des
­Menschen», sagt der Neurowissenschaftler Valerio Mante. «Und wir werden auch trans­
parenter kommunizieren, um unseren Kritikern zu zeigen, dass wir das Wohl der Tiere
sehr ernst nehmen.»
10 Mit dem Gesuch begeben sich die Zürcher Forscher auf ein heikles Terrain. Denn aufgrund
von Rekursen der Tierversuchskommission des Kantons Zürich wurden im November 2006
zwei umstrittene Versuche mit Rhesusaffen gestoppt. Mit der Begründung, dass die Würde
des Tiers bei den Experimenten verletzt sei. Der Streit ging letztlich bis ans Bundesgericht,
das Ende 2009 ebenfalls an einem Verbot zur Weiterführung dieser Versuche festhielt.
15 Dennoch erhielt der Neuroprothesen-Forscher Hansjörg Scherberger im Jahr 2007 in
­ ürich noch eine Bewilligung für Versuche mit Rhesusaffen. Kurz vor dem Beschluss des
Z
Bundesgerichts wechselte er aber ans Deutsche Primatenzentrum und nahm seine Ver­
suchstiere mit. Ähnlich wie seine Kollegen sah er damals die Freiheit der Forschung durch
das Verbot als bedroht an. Seit fünf Jahren werden in Zürich somit keine derartigen Ver­-
20 suche mehr durchgeführt.

Die Schweiz verfügt über eines der strengsten Tierschutzgesetze. Gesuche für Tierversuche
ab einem Schweregrad 1 werden zur Beurteilung an die Kantonale Tierversuchskommis-
sion weitergeleitet. Diese besteht neben dem Amt des Präsidiums aus elf Mitgliedern, dar-
unter drei Vertretern von Tierschutzorganisationen. Bewilligt werden die Gesuche vom
25 Kantonalen Veterinäramt.

Tages-Anzeiger, 19. September 2014

Argumentieren und erörtern 79


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3.1 Das Thema verstehen

Zuerst ist es notwendig, das Thema genau zu analysieren, um herauszufinden, was notwendig
und was erwünscht ist. Auch wenn im Titel das Wort «Tierversuche» steht, gibt es unter­
schiedliche Schwerpunkte. Unterscheiden Sie folgende drei Themen, und ergänzen Sie weitere
Fragen:

«Dürfen wir Tierversuche erlauben?»


Thema und Begriffe Wer ist mit «wir» gemeint?
Was erlaubt das Gesetz, was nicht?
Wer kämpft für, wer gegen Tierversuche?
Welche Argumente bringen die beiden Seiten?

«Tierversuche – sinnlose Tierquälerei oder ein Beitrag zur medizinischen Forschung?»


Das Thema ist stark medizinisch und auf die Forschung ausgerichtet. Hier ist Fachwissen
erforderlich, das in Experteninterviews eingeholt werden kann.
Lassen sich Forschungsergebnisse, die an Tieren gewonnen worden sind, einfach auf den
Menschen übertragen?
Gibt es dazu positive oder negative Beispiele?

«Pro und kontra Tierversuche – Wie entscheiden Sie?»


Hier sind Argumente gefragt – und am Ende eine Entscheidung. Anzahl, Art und Qualität
der Argumente hängen ab vom Kenntnisstand der Schreibenden, von der Zeitdauer usw.

© 2023 VerlagWo
SKVfinden Tierversuche
AG: Fokus statt?BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Sprache, Fokus Sprache
Exemplar
Persönliches Wer darf
von Tierversuche durchführen?
Liza Basha, 8307 Effretikon

Fragen erschliessen das Thema in seiner Breite und Tiefe.

Tiefe • Fragen, die in die Tiefe gehen:


• Was genau sind Tierversuche?
• Wer macht Tierversuche – und zu welchem Zweck?
• Wie viele Tiere werden verwendet?
• Was für Tiere werden verwendet?
• Was geschieht mit den Tieren? Wie viele sterben? Wie viele überleben? Wie überleben
sie?

Breite • Fragen, die in die Breite gehen: Verschiedene Aspekte des Themas werden gesucht.
• Darf der Mensch als «Krone der Schöpfung» Tiere beliebig verbrauchen?
• Was erlaubt und verbietet das Tierschutzgesetz (rechtliche Aspekte)?
• Wie stehen andere Kulturen und Religionen zum Töten von Tieren?
• Wer profitiert von Tierversuchen?
• Gibt es internationale Regelungen?

80 Argumentieren und erörtern


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3.2 Ideen sammeln

Folgende Möglichkeiten sind hilfreich, Ideen zu einem Thema zu finden:


• Brainstorming und Clustering (vgl. «Methodenkoffer» unter www.fokus-sprache.ch)
helfen, bevor im Internet oder in Bibliotheken recherchiert wird. Auch als Anfang einer
umfangreicheren Team- oder Facharbeit sind diese Methoden von Nutzen.
• Fachliteratur, Medienberichte und Internet öffnen zusätzliche Perspektiven des Themas; Recherchieren
meistens lassen sich Zahlen und Fakten finden.


Männer sind eher für Tierversuche

49 Prozent erachten in der Schweiz Tierversuche für notwendig oder eher notwendig.

46 Prozent bezeichneten sie laut einer aktuellen Umfrage als unnötig oder eher unnötig.
In der Westschweiz lag die Zustimmung zu Tierversuchen signifikant höher, wie die Stiftung
Animalfree Research heute mitteilte. Zudem erachteten wesentlich mehr Männer als Frauen
Tierversuche für notwendig.
Die Zustimmung zu Tierversuchen fiel bei Menschen im Pensionsalter, bei Menschen mit
hohem Einkommen und mit hohem Bildungsniveau stärker aus als bei jungen Menschen und
Menschen mit tiefem Einkommen und tiefem Bildungsniveau. Die Anhängerschaft der vier
grössten Parteien wies laut der Mitteilung eine vergleichbare Haltung auf, wobei die FDP Tier-
versuche überdurchschnittlich, die SP unterdurchschnittlich unterstützte.
Knapp die Hälfte der Befragten lehnte belastende Versuche an Primaten strikte ab. Zwei von
fünf Befragten äusserten eher die Ansicht, dass Alternativmethoden zu Tierversuchen noch zu
wenig erforscht würden.
Die Umfrage wurde durch gfs-zürich Ende November bis Anfang Dezember 2007 im Auftrag
von Animalfree Research, der früheren Stiftung «Fonds für versuchstierfreie Forschung», bei
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1016 Menschen inPersönliches
der Deutsch- und
Exemplar von der Westschweiz
Liza Basha, durchgeführt.
8307 Effretikon

Tages-Anzeiger Online, 6. Januar 2008

• Fragen Sie Ihre Freunde, Bekannten, Kollegen oder auch Vorgesetzte – persönlich,
telefonisch oder per E-Mail – oder veranstalten Sie eine Problemlöse-Party, zu der Sie Ihre
Freunde einladen, um gemeinsam Ideen zu entwickeln.
• Suchen Sie sich eine Expertin/einen Experten über Foren oder Experten-Marktplätze im
Internet, im örtlichen Branchenbuch oder in anderen Verzeichnissen.
• Zitate oder Sprichwörter enthalten gute Anregungen zum Thema; sie lassen sich zitieren
und dienen nicht selten als Stütze eines Arguments.

«Die Grösse und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie
sie die Tiere behandelt.»
Mahatma Gandhi, 1869–1948

«Die religiöse Ehrfurcht vor dem, was unter uns ist, umfasst natürlich auch die Tierwelt
und legt dem Menschen die Pflicht auf, die unter ihm entstehenden Geschöpfe zu ehren
und zu schonen.»
Johann Wolfgang von Goethe, 1749–1832

Argumente in Aufsätzen oder Facharbeiten – Argumente in den Medien


Wer Lesende in einem Text überzeugen will, folgt dem Prinzip der Steigerung: Das wich-
tigste Argument als Ergebnis und als Höhepunkt am Schluss.
Wer in den Medien erscheint, wer interviewt wird, wer kurz und knapp Stellung beziehen
muss: Das wichtigste Argument an den Anfang – eine zweite Chance gibt’s nicht!

Argumentieren und erörtern 81


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3.3 Ideen und Gedanken ordnen

Die spontan und gezielt gesammelten Ideen gliedern wir für die Erörterung nach Einleitung –
Hauptteil – Schluss.
Struktur • Die Einleitung führt in ein paar wenigen Sätzen unmittelbar zum Thema, zum Problem.
Langfädige oder phrasenhafte Einleitungen sind zu vermeiden. Ein aktueller Einzelfall, ein
ungewöhnliches Erlebnis, das Zitat einer bekannten Persönlichkeit oder einer Expertin …
sind Möglichkeiten, eine Erörterung zu beginnen. Im Folgenden drei mögliche Einleitungen:
A: 2006 wurden insgesamt 716 002 Tiere zu Versuchszwecken verwendet, was eine
Zunahme von 1,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Das Bundesamt für
Veterinärwesen betont aber, dass immer weniger Tiere für medizinische Versuche
gebraucht werden. Für Kosmetika wurden 2006 keine Tiere verwendet. Dennoch ist
die Zahl …
B: In schöner Regelmässigkeit klagen wir über schwere Krankheiten, sei es Aids, Krebs
oder ein Schädel-Hirn-Trauma nach einem Töff-Unfall. Wie sollen aber neue Medi-
kamente entwickelt, wie neue Operationsmethoden ausprobiert werden? Steht ein
Menschenleben nicht höher als das Leben eines Tieres? Strenge Gesetze sorgen in
unserem Land dafür, dass kein Missbrauch getrieben wird. Das Bundesamt …
C: Solange Menschen denken, dass Tiere nicht fühlen, müssen Tiere fühlen, dass Men-
schen nicht denken. Wer kann seinen Hund leiden lassen? Wer würde ein süsses Büsi
quälen? Aber wenn es nach Forschung klingt, erlauben wir alles.

• Bei dialektischen Erörterungen kann der Hauptteil unterschiedlich gestaltet werden.

2 Möglichkeiten Variante A Variante B


Auf alle Argumente der einen Seite Argument und Gegenargument stehen sich jeweils gegenüber.
folgen alle Argumente der anderen.
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Pro-Argument 1 Pro-Argument 1
Pro-Beispiel 1 Pro-Beispiel 1

Pro-Argument 2
Pro-Beispiel 2
Kontra-Argument 1
Pro-Argument 3 Kontra-Beispiel 1
Pro-Beispiel 3

Pro-Argument 2
Pro-Beispiel 2

Kontra-Argument 2
Kontra-Beispiel 2

Kontra-Argument 1
Pro-Argument 3
Kontra-Beispiel 1
Pro-Beispiel 3
Kontra-Argument 2
Kontra-Beispiel 2
Kontra-Argument 3
Kontra-Argument 3 Kontra-Beispiel 3
Kontra-Beispiel 3
Variante B ist für Lesende
interessanter, für Schreibende
aber anspruchsvoller.

82 Argumentieren und erörtern


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• Der Schluss einer Erörterung enthält die begründete Meinung, eine Perspektive für die

MODUL E
Zukunft oder eine vermittelnde Position. Ganz besonders empfiehlt es sich, wieder den
Bogen zurück zum Anfang zu schlagen, um die Arbeit abzurunden. Inhaltlich lassen sich
folgende Schlüsse unterscheiden:

A: Die Gegenüberstellung aller Argumente kann nur eine Folgerung zulassen: Tierver­
suche sollten sofort verboten werden.

B: Tierversuche wird es weiterhin geben, und sie liegen in der Verantwortung der For-
schenden, der Konzerne und des Staates. Letztlich ist ein Menschenleben wichtiger
als das Leben eines Tieres.

C: Tierversuche werden noch längere Zeit notwendig sein, allerdings ist der Gesetzgeber


aufgefordert, strenge Regelungen zu erlassen und ihre Einhaltung zu überwachen.
Aber auch wir Konsumenten haben es in der Hand, auf Tierversuche Einfluss zu neh-
men, indem wir …

3.4 Argumente belegen

Argumente können mit unterschiedlichen Mitteln belegt werden. Ergänzen Sie jeweils die
möglichen Schwächen dieser Art von Argumentation.

• Zahlen, Daten, Umfrage-Ergebnisse, Statistiken sind wichtig, um eine Meinung zu Fakten


untermauern:
«In der Schweiz wurden im Jahre 2006 über 700 000 Versuchstiere verwendet.»

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• Allgemeingültige, plausibel scheinende Aussagen – oder was wir dafür halten: Allgemeines
«Tiere haben nun mal einen geringeren Stellenwert als Menschen.»

• Geschichte, Erfahrungen, Gewohnheiten wirken emotional und einnehmend: Traditionen


«Tiere sind immer schon anstelle von Menschen getötet worden.»

• Analogien und Vergleiche: Ähnlichkeiten


«Ein Tier ist ein Lebewesen wie ein Mensch – und darf daher nicht getötet werden.»

Argumentieren und erörtern 83


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Fachleute • Autoritäten, Expertinnen und Lehrsätze:
«Wenn sich selbst ein Nobelpreisträger wie Prof. Dr. Cool dafür ausspricht …»

Zukunft • Ziele und angestrebte Ergebnisse rechtfertigen nur diesen einen Weg, diesen einen
Vorschlag:
«Wenn wir das Medikament schnell und sicher testen wollen, kommen nur Tierversuche
infrage.»

Emotionen • Gefühle dienen häufig als «Beweise», manchmal bewusst, manchmal unbewusst:
«Können Sie ein schmuseweiches Kaninchen für Tierversuche missbrauchen?»

Wer argumentiert,
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• kann Fokus Sprache,
Irrtümer Vorurteile
undFokus Sprache BMaufbrechen
mit digitalen Lösungen
sowieund Kommentar für Lehrpersonen
verführerische «Mainstream-Meinun-
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gen» überprüfen;
• kann eine persönliche Sicht der Welt entwickeln, Zusammenhänge erklären sowie das
eigene Wissen dadurch erweitern, dass bestimmte Meinungen widerlegt werden;
• setzt sich in Konflikten gewaltfrei mit anderen Meinungen auseinander;
• lernt sich in andere Vorstellungen einzufühlen und fremde Positionen nicht einfach als
fremd und böswillig abzulehnen, sondern ihre Begründungen nachzuvollziehen;
• trainiert das Denkvermögen und die sprachliche Ausdrucksfähigkeit.

Das Argumentarium
Das Argumentarium ist die schriftliche Vorbereitung auf Gespräche, Diskussionen oder Ver-
handlungen. Es enthält alle möglichen Argumente für die eigene Position, vor allem aber
Antworten auf mögliche Fragen und Argumente der Gegner. Besonders Parteien und Inte-
ressenverbände erstellen für ihre Mitglieder Argumentarien, wenn es um Initiativen, ums
Stimmensammeln oder um Auftritte in den Medien geht. Ein Argumentarium kann eine
A4-Seite oder einen dicken Ordner, alphabetisch geordnet, umfassen.

84 Argumentieren und erörtern


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4 Schreiben

MODUL E
Das Schreiben einer Erörterung stellt eine Herausforderung dar: Hier geht es nicht um eine
gute, spannende Geschichte, sondern um die Darstellung von Sachverhalten.

4.1 Sachstil

Die Sprache der Erörterung muss zum Inhalt passen. Dies bedeutet, dass Umgangssprache,


Mundart, Modewörter und Ähnliches zu vermeiden sind (es sei denn als Zitat, zur Illustration
oder zur Hervorhebung eines Sachverhalts). Zudem ist eine differenzierende Sprache verlangt.

Allgemeine Formulierung Genaue Formulierung

Die Schweizer glauben, dass … Viele Schweizerinnen und Schweizer vertre-


ten die Meinung, dass …

Jeder weiss heute, dass … Zwar wissen viele heute, dass …


Jugendliche, die eine Berufslehre absolvieren,
wissen heute, dass …

Die Raucher sind Geniesser oder süchtig. Eine Schweizer Untersuchung aus dem Jahre
2006 zeigt, dass sich über 45 Prozent der
Rauchenden als Genussmenschen bezeich-
nen, während …

Füllwörter und Floskeln, die in gesprochener Sprache (Diskussion) durchaus sinnvoll sein Sprache und Stil
können, gehören nicht in eine Erörterung; zu streichen sind: natürlich, sowieso, eigentlich,
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selbstverständlich, halt, eh u.a.
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Aufgabe

Anspruchsvoll ist der Umgang mit Passivformen und der Gebrauch des Nominalstils.
Verbessern Sie die vorgegebenen Sätze.

In vielen verschiedenen Disziplinen, die man


zur biologischen Forschung und Lehre zählt,
«benutzt» man Tiere.
Vom klassischen Tierversuch, bei welchem dem
Tier vom Experimentator Schmerzen zugefügt
werden, werden folgende Fälle abgegrenzt:
Erstens werden in der Verhaltensforschung
Beobachtungen an lebenden Tieren ohne Schmer-
zen oder Schaden für dieselben durchgeführt.
Zweitens erfolgt die Durchführung vieler Versuche
an toten Tieren oder Schlachtabfällen, wobei die
Tötung der Tiere unter Berücksichtigung des Tier-
schutzgesetzes gemacht wird.
Ausserdem werden die Haltung und die Tötung
von Tieren auch in vermeintlich «tierversuchs-
freien» Disziplinen, z.B. in der Biochemie, not-
wendig, damit Zellkulturen gewonnen werden
können.

Argumentieren und erörtern 85


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Rhetorische Mittel
Ihre schriftliche Erörterung und Ihr Votum in einer Diskussion gewinnen an Überzeugungskraft,
wenn Sie gezielt, aber behutsam auch rhetorische Figuren einsetzen, z. B. einen Vergleich, eine
Metapher, eine Alliteration (vgl. Modul D, «Rhetorik»). Bekannte Slogans gegen Tierversuche
sind u.a.:
Wer schön sein will, muss nicht leiden lassen.
Stoppt die Affenschande! (Slogan gegen Kosmetikversuche)
Es gibt nur zwei Gründe für Tierversuche: Entweder man weiss zu wenig darüber, oder man
verdient daran.

Verknüpfungen und Überleitungen


Häufige Satzkonstruktionen in Erörterungen sind Satzgefüge, wobei die Nebensätze mit
folgenden Konjunktionen beginnen können:
• begründend (kausal): weil, da, zumal, umso mehr/weniger als
• folgernd (konsekutiv): sodass
• vergleichend (komparativ): wie, als dass, je – desto; je, je nachdem
• einschränkend (konzessiv): obwohl, obschon, obgleich; wenngleich; ausser, insofern (als)
• entgegenstellend (adversativ): (an)statt – zu/dass; während, wohingegen

Um im Text zwischen Argumenten und Beispielen keine Brüche oder Gedankensprünge


entstehen zu lassen, sind Überleitungen zwischen den Sätzen und den Abschnitten not-
wendig. Folgende Wendungen helfen dabei:

Reihung
Ein weiterer Aspekt (Gesichtspunkt) ist …
Nicht zu übersehen ist …
Nicht zuletzt deshalb …
© 2023 … auch
Verlag sei Fokus
SKV AG: daran erinnert
Sprache, Fokus…
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Steigerung
Entscheidend aber ist …
Viel wichtiger ist …
Schwerer wiegt die Tatsache …
Am überzeugendsten …

Gegensatz
Anders verhält es sich …
Dagegen spricht …
Allerdings gilt zu bedenken …
Dabei darf nicht übersehen werden …

86 Argumentieren und erörtern


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MODUL E
4.2 Redigieren: überarbeiten und korrigieren

Viele Lehrpersonen bewerten Erörterungen nach den Kriterien der folgenden Prüfliste – aller-
dings mit unterschiedlichen Gewichtungen. Überprüfen Sie Ihre Übungserörterung anhand der
Fragen, und erkennen Sie Ihre Schwächen. Konzentrieren Sie sich auf die Punkte, die Sie ver-
bessern können. Prüfliste fürs Redigieren

Kriterien Fragen Tipp

Thema Stimmen Thema und Inhalt überein? Habe ich alles Wich- Überprüfen Sie, ob Sie zu
tige geschrieben – oder fehlen wichtige Aspekte? jedem Begriff im Titel etwas
Wesentliches aussagen.


Logik Leserführung: Ist ein roter Faden erkennbar? Habe ich Nehmen Sie einen Bleistift,
Gedankensprünge, Abschweifungen, Widersprüche ver- und versehen Sie jeden Ab-
mieden? Gelten die Aussagen für die Schweiz, Europa, schnitt mit einem Begriff. Ist
die ganze Welt – für Frauen, für Männer, für Junge, diese Begriffsreihe sinnvoll?
Arme usw.?

Stil Schreibe ich gutes, angemessenes Hochdeutsch? Gewinnen Sie Distanz zu


Sind meine Formulierungen klar und unmissverständlich? Ihrem Text, und lesen Sie ihn
Habe ich mundartliche oder umgangssprachliche Aus­ wie «von aussen».
drücke sowie Modewörter (halt; eh; krass, total, mega
cool) vermieden – oder gezielt eingesetzt (Anführungs­
zeichen)? Verwende ich Verbal- statt Nominalstil?

Ausdruck: Verwende ich aussagekräftige, anschauliche Wörter? Wirkt der Text verständlich,
Wortschatz und Sind Fach- und Fremdwörter richtig verwendet? sind die Inhalte vorstellbar?
Satzbau (Syntax) Satzbau: Wechseln sich kürzere und längere Sätze ab?
Sind Haupt- und Nebensätze leserorientiert verknüpft?

Grammatik Stimmen die Fälle, die Zeitformen? Wenn Sie Ihre persönli-
Sind die Pluralformen richtig? chen Schwächen kennen,
Sind die Sätze richtig verknüpft? konzentrieren Sie sich jeweils
ganz besonders auf einen
Rechtschreibung Stimmt
© 2023 dieSKV
Verlag Rechtschreibung?
AG: Fokus Sprache,Schreiben am Computer:
Fokus Sprache Punkt. und Kommentar für Lehrpersonen
BM mit digitalen Lösungen
Persönliches Exemplar
Trennt das von Liza Basha,
Textprogramm auch8307 Effretikon
richtig?

Zeichensetzung Stimmen die Kommas, z.B. bei Relativsätzen? (Alles, was


veröffentlicht worden ist, kann als …) Werden auch
Strichpunkte, Doppelpunkte, Gedankenstriche und Klam-
mern genutzt?

Flüchtigkeitsfehler Gibt’s noch Flüchtigkeitsfehler, sogenannte «dumme


Fehler»?

Layout Für Arbeiten, die am Computer geschrieben sind: Über-


zeugt die Form des Textes? Stimmen Schriftgrösse,
Zeilen- und Absatzabstände, Ränder u.a.?

Was noch?

4.3 Zeitplan

Mit dem Schreiben von Erörterungen wachsen Erfahrung und Sicherheit. Ein Zeitplan hilft, sich
nicht zu verlieren oder in Zeitnot zu geraten. Die folgende Empfehlung muss dem eigenen
Rhythmus angepasst werden. Wichtig ist vor allem: Beim Thema bleiben, nicht wechseln. Ihr
Erfolg hängt nicht vom Thema ab, sondern von Ihrer Einstellung, Ihrem Wissen, Ihrer Konzent-
rationsfähigkeit.
Beispiel 120 Minuten Zeit
Themenwahl und -analyse 10 Prozent 12
Ideen sammeln 10 12
Ideen strukturieren 10 12
Schreiben 55 66
Überarbeiten 10 12
95 mit 5 Prozent Spielraum 114 mit 6 Minuten Spielraum

Argumentieren und erörtern 87


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5 Diskussion

Diskussionen sind zutiefst demokratisch: Im Austausch der Meinungen entstehen Lösungen,


Ideen oder Anregungen. Das Wort kommt aus dem Lateinischen und bedeutet «Untersu-
chung, Prüfung». Wer diskutiert, prüft und untersucht also die Ansichten anderer – und lässt
die eigene Meinung von anderen untersuchen.

Diskussionsteilnahme Wer an einer Diskussion teilnimmt,


• bereitet die eigenen Argumente vor,
• überlegt, was die anderen sagen könnten (nimmt den anderen den Wind aus den Segeln!),
• bringt das wichtigste Argument eher früh an,
• hört zu und geht auf andere Meinungen sachlich ein,
• lässt andere zu Wort kommen und unterbricht nicht,
• «streitet» mutig und engagiert, formuliert pointiert, kurz, aber auch humorvoll,
• greift niemanden persönlich an und bleibt stets höflich,
• kleidet sich dem Anlass entsprechend,

Diskussionsleitung Wer eine Gruppendiskussion in der Schule leitet,


• hat sich in jeder Beziehung sehr gut vorbereitet (Thema, Teilnehmende, Anlass,
Publikum …),
• begrüsst alle und stellt die Teilnehmenden vor, z. B. an einem Meeting am Arbeitsplatz,
• beschreibt das Ziel des Meinungsaustauschs,
• umreisst das Thema oder Problem,
• erteilt das Wort und lässt auch leise, schüchterne Teilnehmende zu Wort kommen,
• fragt nach, verlangt Präzisierungen, Worterklärungen,
• grenzt Dauerredner ein und verhindert Privatunterhaltungen,
• bringt neue, andere Fragestellungen ein,
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• Exemplar
Persönliches führt bei
vonAbschweifungen zum Thema zurück,
Liza Basha, 8307 Effretikon
• fasst Teilergebnisse zusammen,
• nimmt auf keinen Fall Stellung,
• hält sich an die Zeitvorgaben,
• spricht das Schlusswort oder erteilt es anderen und
• holt später Feedback ein: Was mache ich nächstes Mal anders oder besser?

Diskussionsformen
Arena: Zwei Gruppen vertreten ihre Meinungen; meist eine Frontfrau/ein Frontmann und
• 
mehrere Unterstützer.
Podium: Auf einem Podium sitzen drei bis fünf Diskutierende, deren Meinungen von
• 
einer Moderatorin/einem Moderator nacheinander abgefragt werden.
Club: In einem gemütlich wirkenden Kreis werden (ungemütliche) Meinungen unter einer
• 
Gesprächsleitung ausgetauscht.
Roundtablegespräch: Um einen runden Tisch herum werden Lösungen oder Kompro-
• 
misse gesucht. Der runde Tisch symbolisiert, dass alle Beteiligten gleichberechtigt sind
und eine gemeinsame Lösung anstreben.
Debatte: Einzelne Redner treten nacheinander auf und legen ihre Position dar, vgl. im
• 
Nationalrat. Anerkennung und Ablehnung äussern sich in Applaus, Buh- und Zwischen­
rufen.
Duell: Zwei Kontrahenten stehen oder sitzen sich gegenüber. Nach festen (vorher verein-
• 
barten) Regeln wird das kontroverse Thema abgehandelt.
Der heisse Stuhl: Eine/r gegen alle – eine Person vertritt ihre (provokante) Meinung
• 
gegen eine Gruppe von Gegnern; ein/e Moderator/in sorgt für einen geregelten Ablauf.

88 Argumentieren und erörtern


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Ob Diskussionsteilnahme oder -leitung: Mit der Botschaft, die Sie senden, übermitteln Sie

MODUL E
anderen immer auch die vier Seiten Sachinhalt, Beziehung, Selbstkundgabe und Appell
(vgl. Modul A, «Kommunikation und Zeichen»).

Faule Tricks
Verdrehen, übertreiben, verharmlosen, verspotten: «Die paar Kiffer sind doch wirk-
• 
lich kein Problem, hingegen die Millionen Alkoholiker, denen muss man sich widmen.»
Ausweichen, verwirren, verdrängen: «Man kann natürlich über den Klimawandel
• 
reden. Was wir aber jeden Tag vor unserer Tür erleben, ist doch, dass junge Leute mit
schnellen und zu starken Autos, die sie nicht beherrschen, durch die Welt rasen, als


wären sie allein auf den Strassen. Diese Gefahren …». – «Zuerst müssen Sie mal definie-
ren, was Glück in diesem Zusammenhang eigentlich bedeutet.»
Bluffen mit Autoritäten, Scheinwissen: «Sie kennen wohl nicht die neusten Zahlen einer
• 
Studie der Harvard Universität? Nobelpreisträger Coolhorse weist darin nach, dass …»
Killerphrasen töten jede Diskussion, jedes Gespräch: «Da könnte ja jeder kommen …» –
• 
«Das haben wir immer schon so gemacht und die besten Erfahrungen damit …»
Person angreifen, in ein schiefes Licht rücken; Gerüchte und Halbwahrheiten
• 
andeuten: «Alle wissen, wer hinter Ihnen steht und wer Sie angeblich fördert. Und wie
Sie Ihren Lebensstandard finanzieren, frage ich lieber nicht.»

Starke Antworten
• Ruhig durchatmen, innerlich bis zehn zählen, «cool» antworten, eventuell sogar
lächeln.
• Höflich, aber bestimmt reagieren – nicht das Spiel der anderen übernehmen: nicht
schreien, wenn andere schreien; nicht provozieren lassen.
• Aktiv, konstruktiv und zukunftsorientiert argumentieren: Sagen oder wiederholen
Sie das, was Ihnen wirklich wichtig ist. Nicht zu lange am Thema kleben, sodass sich die
anderen profilieren können.

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  Modultest

1. Beantworten Sie die folgenden Wissensfragen in Ihrem Arbeitsheft.


• Was unterscheidet eine lineare von einer dialektischen Erörterung? Suchen Sie je zwei
Themen, und begründen Sie den Unterschied.
• Was ist eine These?
• Warum ist es sinnvoll, bei Argumenten gewisse Einschränkungen zu berücksichtigen? Lösung
• Was bedeutet es, ein Thema möglichst «breit» zu diskutieren?
• Mit welchen Methoden finden Sie Ideen zu einem Thema?
• Argumente lassen sich mit Autoritäten und plausibel scheinenden Aussagen beweisen.
Erklären Sie, was damit gemeint ist. Wer ist für Sie eine Autorität?
• Wie verhalten Sie sich in einer Diskussion, in der Sie beschuldigt werden, Ihr Gegenüber
beleidigt zu haben?

2. Arbeiten Sie in Gruppen, geben Sie sich eine bestimmte Zeit, und erstellen Sie je ein Flip-
chart mit möglichst vielen Pro-und-Kontra-Argumenten zu einem aktuellen Thema. Verglei-
chen Sie anschliessend die Ergebnisse:
• Wer hat die meisten Argumente, wer die gewichtigsten?
• Tauschen Sie die Flipcharts aus, und erstellen Sie eine Rangfolge der Argumente.
• Ergänzen Sie, wie Sie die Argumente belegen.

Argumentieren und erörtern 89


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3. Bereiten Sie eine Diskussion in einer kleineren Gruppe vor (vier bis fünf Lernende). Legen
Sie die Rollen fest. Nach einiger Zeit wechseln Sie die Rollen und damit die Meinungen.

4. Schreiben Sie eine Erörterung zu einem der folgenden Themen – oder suchen Sie ein
eigenes!
• Sport als Lebensrisiko: Basejumping, Freeclimbing, Skysurfing – was bringt’s?
• Partnerschaft: Gegensätze ziehen sich an
• Tag und Nacht am Computer: Wenn Gamen (oder Pokern) zur Sucht wird
• Schönheit um jeden Preis: kosmetische Operationen
• Gefährliche Popsongs. Erörtern Sie, ob und wie Popmusik Jugendliche negativ beein­
flussen kann.
Der folgende Text dient als Anregung. Sie dürfen sich auf ihn beziehen und Zahlen sowie
Zitate daraus verwenden.

Jeder dritte Popsong handelt von Drogen


Das verruchte Image wird die Popmusik nicht los, meinen US-Forscher. In jedem dritten
Song aus der amerikanischen Hitparade geht es um Alkohol, Tabak oder andere Drogen,
ergab ihre Analyse. Drogenkonsum sei in der populären Musik positiv besetzt, warnen die
Wissenschaftler.
1 Sex, Drugs and Rock’n’Roll – die alte Formel des Musikgeschäfts gilt nur noch einge-
schränkt. Stattdessen sollte man besser von Sex, Drugs and Hip-Hop sprechen, wie
Forscher der University of Pittsburgh jetzt herausgefunden haben. Drogen, Alkohol und
Tabak finden sich zwar in etwa jedem dritten Popsong der US-Hitparade. Doch Rapper
5 thematisieren besonders häufig den Gebrauch von Drogen, berichten Brian Primack und
seine Kollegen im Fachblatt «Archives of Pediatrics & Adolescent Medicine» (Bd. 162,
S. 169).
© 2023  «Während
Verlag sich
SKV AG: Fokus bei Fokus
Sprache, 15- Sprache
bis 18-Jährigen
BM mit digitalendie Einstellung
Lösungen zur Gesundheit
und Kommentar für Lehrpersonen herausbildet,
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
die ein Leben lang anhält, hören sie bis zu 2,4 Stunden Musik pro Tag», schreiben die
10 Forscher. Sie stützen sich in ihrer Studie nicht auf Vorurteile, wie Rapper sind Kiffer und
Rocker Säufer. Vielmehr haben sie die 279 populärsten Titel des Jahres 2005 aus dem
US-Musikfachblatt «Billboard Magazine» analysiert und genau gezählt, wie oft die frag-
lichen Substanzen in den Hits vorkamen.
Zu den untersuchten Genres zählten Pop, Rock, Rap, Hip-Hop sowie Rhythm & Blues
15 und
Country. Fündig wurden die Forscher in insgesamt 116 Songs (41,6 Prozent). In 93
Liedern (33,3 Prozent) fanden sich explizite Hinweise zur Benutzung der verschiedenen
Drogen. 23,7 Prozent der 279 Lieder machten Alkohol zum Thema, 2,9 Prozent das
Rauchen. Marihuana kam auf 11,5 Prozent, andere Drogen oder «nicht spezifizierter
Drogengebrauch» brachten es auf 11,5 Prozent.
20 Besonders anfällig ist Rap: In diesem Genre waren 48 von insgesamt 62 Liedern
betroffen (77 Prozent). Auf Platz zwei landete die Country-Musik mit 36 Prozent (22
von 61 Songs). Der Gebrauch von Drogen in den Liedern sei assoziiert mit Party
(54 Prozent), Sex (46 Prozent), Gewalt (29 Prozent) oder Humor (24 Prozent), heisst es.
«Nur vier Popsongs enthielten explizite Warnhinweise», schreiben die Autoren. Die
25 meisten
Titel, in denen es um Drogen gehe, würden diese in einem positiven Zusam-
menhang darstellen. Der Drogenkonsum sei in der populären Musik positiv besetzt,
warnt Primack und regt an, die Auswirkungen der entsprechenden Botschaften in der
Musik näher zu erforschen.
Spiegel, 5. Februar 2008

90 Argumentieren und erörtern


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MODUL F
Literaturatelier


Lernziele

• Ich verstehe Literatur als persönliche Bereiche-


rung, als Spiel mit Sprache, Themen und
Formen, als kulturelle Leistung, als Auseinan-
dersetzung mit gesellschaftlichen Problemen
sowie als Medienereignis.

• Ich kenne grundlegende Fachbegriffe und kann


sie auf Texte anwenden.

• Ich kann die wichtigsten Epochen der deutschen


Literatur historisch einordnen und mit eigenen
Worten beschreiben.
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• Ich setze mich mit einzelnen Epochen vertieft


auseinander und kenne wichtige Autorinnen
und Autoren sowie ausgewählte Werke.

91
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Zur Orientierung

Seite
93 1 Impuls

96 2 Arbeitshinweise und Anregungen

97 3 Literarische Grundbegriffe

97 3.1 Epik
100 3.2 Dramatik
103 3.3 Lyrik

105 4 Anfänge der deutschen Literatur

106 4.1 Die Anfänge – die griechische und die römische Antike
106 4.2 Deutsche Literatur von 750 n. Chr. bis ins Mittelalter
107 4.3 Das 16. Jahrhundert – Humanismus, Reformation und Renaissance
107 4.4 Das 17. Jahrhundert – das Jahrhundert des Barock

108 5 Das 18. Jahrhundert – das Jahrhundert der Aufklärung

108 5.1 Aufklärung, 1720–1785/1800


111 5.2 Sturm und Drang, 1767–1790
113© 2023 5.3
Verlag SKV
Klassik, 1786–1805
AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
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116 6 Das 19. Jahrhundert – das Jahrhundert des Bürgertums

116 6.1 Romantik, 1795–1835


118 6.2 Biedermeier, 1815–1850, und Junges Deutschland, 1830 –1850
120 6.3 Realismus, 1850–1890
124 6.4 Naturalismus, 1880–1900

126 7 Das 20. Jahrhundert – das Jahrhundert der Ideologien

126 7.1 Jahrhundertwende, 1890–1920


129 7.2 Expressionismus, 1910–1925
131 7.3 Zwanzigerjahre, 1918–1933
134 7.4 Drittes Reich und Exil, 1933–1945
136 7.5 Nachkrieg und Restauration, 1945 –1960
139 7.6 Politisierung und Neue Subjektivität, 1960–1980
143 7.7 Postmoderne, 1980–2000

146 8 Das 21. Jahrhundert – die globale Ökonomisierung

153 9 Übungstexte aus verschiedenen Epochen

153 9.1 «Beziehungstexte»


155 9.2 Gedichte
157 9.3 Epochen – Autoren – Werke

92 Literaturatelier
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1 Impuls

MODUL F
Literatur hat nichts mit toten Texten, sondern viel mit lebendigen Diskussionen, provozieren-
den Autorinnen und Autoren sowie prominenten Kritikern zu tun. Auch heftige Debatten um
richtige Interpretationen, buchgerechte Verfilmungen oder misslungene Inszenierungen eines
Theaterstücks gehören dazu. Literatur ist ein kulturelles und gesellschaftliches Medienereignis,
das Menschen fasziniert oder abstösst und worüber sich vorzüglich diskutieren, schreiben,
lachen und streiten lässt.
Literatur ist öffentlich – und zugleich persönlich, privat, spielerisch und intim.


• Literaturerfolg – Erfolgsliteratur
• Regelmässig sehen, hören oder lesen wir von Büchern, «die man unbedingt kennen Bestseller
muss», z.B. Harry Potter oder Dan Browns «Sakrileg» (englisch: «DaVinci Code»). Über
die Qualität sagt dies nicht immer viel aus, wohl aber über geschicktes Marketing.
Welche aktuellen Bestseller kennen Sie, an welche erinnern Sie sich noch?

• Suchen Sie Bestsellerlisten – in einer Buchhandlung oder im Internet –, und tragen Sie
drei Titel hier ein: Worum geht’s in diesen Bestsellern? Was lässt sich erfahren, ohne sie
zu lesen?

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• Die Literatur der Gegenwart lebt in einem breiten medialen Umfeld. Computer und
Inter­net bieten als Produktions-, Verbreitungs- und Rezeptionsmedien von Literatur
vielfältige Möglichkeiten.
Welche Buchverfilmungen haben Sie gesehen – oder muss man zur Zeit sehen? Verfilmungen
Welche DVDs von Romanverfilmungen besitzen Sie?

• Informieren Sie sich über die Frankfurter Buchmesse oder eine andere grosse Literatur- Buchmessen
schau (Leipziger Buchmesse, Salon du livre in Genf u. a.).
Sammeln Sie Daten und Zahlen über Aussteller und Besucher. Stellen Sie fest, nach
welchen Sachgebieten das Angebot ausgestellt wird, welche Medien angeboten werden
und welche Sonderausstellungen oder Schwerpunkte gesetzt werden.
Qualitätszeitungen (Tages-Anzeiger, Basler Zeitung) oder Wochenmagazine bringen zu
besonderen Anlässen spezielle Literaturbeilagen mit vielen Buchbesprechungen zu allen
möglichen Themen, z.B. Sport- und Reiseliteratur, Musik- und Kunstbücher.
• Wer nicht lesen will oder kann, soll wenigstens hören: Nahezu jedes bekanntere Werk Hörbücher
der Literatur gibt es als Hörbuch auf CD oder zum Herunterladen aus dem Internet.
Das Hören kann uns Aspekte erkennen lassen, die beim Lesen übersehen werden oder
unbemerkt bleiben.

Literaturatelier 93
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Skandale • Literaturskandale
• 2008 führt der Roman «Die Wohlgesinnten» des Amerikaners Jonathan Littell (Jahrgang
1967) zu heftigen Diskussionen. Er schildert darin die fiktive Lebensgeschichte eines
SS-Offiziers, der ohne Reue auf sein Morden während des Zweiten Weltkriegs zurück-
blickt. Die Streitfrage: «Darf man Mördern eine Stimme geben?»
• 1978 veröffentlichte Rolf Hochhuth den Roman «Eine Liebe in Deutschland». Darin
bezeichnete er den damals amtierenden baden-württembergischen Ministerpräsidenten
und früheren Marinerichter als «furchtbaren Juristen», der noch in britischer Gefangen-
schaft nach Hitlers Tod einen deutschen Matrosen mit Nazi-Gesetzen verfolgt hatte.
Ein halbes Jahr später trat der Ministerpräsident von seinem Amt zurück.

Zensur • Literaturzensur und -verbote


• Einzelne Staaten, Organisationen oder Mächtige fühlen sich immer wieder von Autoren
und Büchern bedroht. Mit Zensur und Verbot – im schlimmsten Falle mit Arbeitsverbot,
Gefängnis und Tod – versuchen sie, ihre Interessen durchzusetzen.
• Heinrich Heine zum Thema Zensur, 1827:

Die deutschen Censoren — — — —


— — — — — — — — — —
— — — — — — — — — —
— — — — — — — — — —
— — — — — — — — — —
— — — — — — — — — —
— — — — Dummköpfe — —
— — — — — — — — — —
— — — — — — — — — —
— — — — — — — — — —
— — — — —.
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• 1988 veröffentlichte Salman Rushdie den Roman «Die satanischen Verse». Weil das
Werk «gegen den Islam, den Propheten und den Koran» gerichtet sei, verurteilte der
iranische Staatschef den Autor mit einer Fatwa 1989 zum Tode. Um die Durchführung
zu beschleunigen, wurde ein Kopfgeld von drei Millionen Dollar ausgesetzt.

Literaturpreise • Literaturnobelpreis
Alljährlich werden zahlreiche Literaturpreise verliehen, als prominentester der Nobelpreis
für Literatur. Im Folgenden die deutschsprachigen Preisträgerinnen und -preisträger:
2009: Herta Müller 1946: Hermann Hesse
2004: Elfriede Jelinek 1929: Thomas Mann
1999: Günter Grass 1919: Carl Spitteler
1981: Elias Canetti 1912: Gerhart Hauptmann
1972: Heinrich Böll 1910: Paul Heyse
1966: Nelly Sachs

94 Literaturatelier
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• Literaturwettbewerbe und Schreibkurse

MODUL F
Wettbewerbe

Wer gern schreibt, kann an Literaturwettbewerben teilnehmen; für nahezu jedes Alter
werden Wettbewerbe ausgeschrieben.
Immer mehr Schulen und Weiterbildungsinstitutionen bieten Schreibseminare an.
Interessierte lernen die wichtigsten Techniken, wie gute Kurzgeschichten, Reportagen oder
Drehbücher und Romane zu schreiben sind.
Trauen Sie sich, und schreiben Sie für Ihre Schulzeitung oder das Firmenmagazin einen
interes­santen Beitrag!


• Literaturblog Literaturblog

Im Internet gibt es Literaturblogs, in denen Texte veröffentlicht werden oder in denen über
Texte geurteilt und diskutiert wird. Die Themenvielfalt ist enorm. Surfen Sie mal – und
bloggen Sie mit!

• Literaturerfahrung und -erlebnis Horizonte

Wichtiger als jedes Spektakel ist das persönliche Erleben und Verstehen von Literatur –
das Lesen von Büchern. Franz Kafka hat dies so formuliert:
«Ich glaube, man sollte überhaupt nur Bücher lesen, die einen beissen und stechen.
Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt,
wozu lesen wir dann das Buch?»

Literatur öffnet Horizonte, und wir begegnen

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Literaturatelier 95
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2 Arbeitshinweise und Anregungen

Grundbegriffe Das vorliegende Modul beginnt mit literarischen Grundbegriffen zu den Textsorten Epik,
Dramatik und Lyrik (vgl. Modul A, «Kommunikation und Zeichen»).
Der anschliessende Überblick über die Epochen der deutschen Literatur – wozu auch die
Schweiz und Österreich zählen – dient als Orientierungshilfe und regt an, im Internet und in
­Literaturgeschichten (in der Mediothek der Schule) Bio­grafien der Autorinnen und Autoren
sowie Inhaltsangaben einzelner Werke zu recherchieren.
Gliederung der Die Epochenskizzen klären jeweils den Begriff, gehen auf wichtige Themen und Tendenzen
Epochendarstellungen näher ein und beschreiben die Bedeutung der Gattungen Epik – Drama – Lyrik während der
Epoche. Ein Kästchen weist auf Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und
Autoren – mit L esetipps ! – und auf die Weltliteratur hin. Die anschliessenden Aufgaben
beziehen sich auf Originaltexte und vermitteln einen kurzen Einblick in wichtige Werke. Litera-
tur hören und sehen regt zu einem besseren Verständnis der Werke an. Was bleibt, sind am
Ende Anregungen und Fragen zum Gelernten und Gelesenen. Ein kurzer Abriss zu Gesell-
schaft und Geschichte sowie epochentypische Illustrationen runden jede Epoche ab.

Anregungen
Fächer vernetzen • Vernetzen Sie die Epochen und Werke mit Geschichte, Staatskunde und sozialen Entwick-
lungen sowie mit bildender Kunst, Malerei und Musik. Ergänzen Sie und suchen Sie Infor-
mationen sowie Ereignisse, die Ihnen (oder Ihrer Lehrperson) wichtig sind.
• Entwickeln Sie in Ihrem Kopf ein «historisches Netz», in das sich jeder Museumsbesuch,
jede «Sightseeing-Tour» in einer fremden Stadt leichter einordnen lässt.
• Fragen Sie sich: Was bleibt vom heutigen Tag in Geschichtsbüchern und Literaturgeschich-
ten?
Atelier • Ein Atelier ist der Arbeitsplatz kreativer Menschen: Da finden sich Entwürfe, Ideen, Skizzen
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und fertige
Persönliches Exemplar von LizaWerke. Nutzen
Basha, 8307 Sie das Buch mit allen Daten und Informationen,
Effretikon um gemein-
sam mit Ihren Kolleginnen und Kollegen Ihren persönlichen Horizont zu erweitern.

Lerntipps Wenn Sie sich mit einzelnen Epochen vertieft auseinandersetzen wollen oder müssen, so gilt:
• Lesen Sie mindestens ein Werk dieser Epoche, und lassen Sie sich auf Sprache, Figuren,
Themen und Gefühle ein.
• Vertiefen Sie sich in den Text und den historisch-sozialen Hintergrund. Was sagt uns der
Text heute, was sagt er Ihnen? Wenden Sie das Analysemodell an (vgl. Modul B, «Text­
analyse und Interpretation»).
• Überprüfen Sie die Epochenmerkmale und ihre Wirkung am Text: Trifft es zu, was allge-
mein über die Epoche gesagt wird – oder unterscheidet sich der vorliegende Text davon?
Wie wirken diese Abweichungen? Wie lassen sie sich erklären?
«Meine Kultur und • Wenn Sie einen anderen Kulturhintergrund mitbringen, überprüfen Sie, was zu dieser Zeit
Literatur» in Ihrer Kultur geschrieben, gedacht, in den Medien diskutiert wurde. Stimmen die Eintei-
lungen und Bezeichnungen überein, z. B. Klassik oder Romantik in der deutschen Literatur
und in Ihrer Literatur?
Leseliste • Erstellen Sie eine persönliche Leseliste, in der Sie Ihre Leseerfahrungen, Ihre Eindrücke und
Ideen sowie Ihr neu erworbenes Wissen aufschreiben (z. B. Datenbank).

96 Literaturatelier
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3 Literarische Grundbegriffe

MODUL F
Der Umgang mit Literatur wird interessanter, wenn Lesende über ein gewisses Basiswissen
verfügen. Im Folgenden werden wichtige Grundbegriffe der Epik, der Dramatik sowie der Lyrik
kurz erläutert. Dabei liegt der Schwerpunkt vor allem auf Verständlichkeit und Nützlichkeit,
weniger auf Vollständigkeit.
Das Internet sowie einschlägige Fachliteratur bieten weitere Informationen und ausführliche
Diskussionen einzelner Begriffe.


3.1 Epik

Epik kommt vom griechischen Wort «Epos», das so viel bedeutet wie «Rede» oder «Erzäh- Epik
lung». Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Romane sind die beliebtesten und am
meisten verbreiteten epischen Formen, über die auch in den Medien berichtet und diskutiert
wird (Diskussionen und Rezensionen).
• Erzählperspektive oder Erzählsituation: Wenn im literarischen Text ein Ich spricht, so ist dies Erzählperspektive
nicht die Autorin oder der Autor, sondern eine «Ich-Erzählerin» oder ein «Ich-Erzähler».
Gerade in der modernen Literatur verändert sich der Erzähler oft innerhalb eines Romans,
einer Erzählung. Lesende werden dadurch immer wieder in andere Perspektiven «gezwun-
gen».

Die folgenden drei Texte veranschaulichen drei unterschiedliche Erzählsituationen.

Ich-Erzähler Auktorialer Erzähler Personaler Erzähler

Spät am Abend verliess ich noch ein- Spät am Abend verliess unser Held Spät am Abend verliess er noch ein-
mal das Haus. Verdammt, dachte
© 2023 Verlag ich,Fokus Sprache,
SKV AG: noch einmal das BM
Fokus Sprache Haus. Er fragte
mit digitalen sich,und Kommentar
Lösungen mal dasfürHaus. Verdammt, welcher
Lehrpersonen
welcher von beidenPersönliches
Zigarettenauto- welcher
Exemplar von Liza Basha, 8307von beiden Zigarettenauto-
Effretikon von beiden Zigarettenautomaten war
maten ist wohl heute ausnahmsweise maten wohl an diesem Tag ausnahms- wohl heute ausnahmsweise mal nicht
einmal nicht kaputt? Ich entschied weise einmal nicht kaputt sein würde. kaputt? Er wandte sich nach links in
mich für die Grabenstrasse und ging Er entschied sich für die Graben­ die Grabenstrasse und hatte schon die
deshalb nach links, an der Tankstelle strasse und ging deshalb nach links, Tankstelle und das Postgebäude pas-
und am Postgebäude vorbei, als mich an der Tankstelle, die im über­nächsten siert, als er plötzlich wie angewurzelt
plötzlich ein Gedanke durchfuhr. Kapitel noch eine grosse Rolle spielen stehen blieb. O nein, das durfte ja
O nein, dachte ich, das darf ja einfach wird, und am Postgebäude vorbei, als einfach nicht wahr sein! Jetzt hatte er
nicht wahr sein! Jetzt habe ich doch ihn plötzlich ein Gedanke durchfuhr. doch tatsächlich sein Portemonnaie
tatsächlich mein Portemonnaie ver- «O nein», dachte er, «das darf ja ein- vergessen. Mit dem gemütlichen
gessen. Mit dem gemütlichen Abend fach nicht wahr sein! Jetzt habe ich Abend war es heute also wieder
wird es heute also wieder nichts! doch tatsächlich mein Portemonnaie nichts! Leise vor sich hin fluchend
Ärgerlich fluchend stapfte ich durch vergessen. Mit dem gemütlichen stapfte er durch den Schnee zurück
den Schnee zurück nach Hause und Abend wird es heute also wieder nach Hause und ging sofort ins Bett,
ging sofort ins Bett, ohne bei Carola nichts!» Tja, lieber Leser, das sind die ohne bei Carola anzurufen.
anzurufen, was ein grosser Fehler war, Folgen der Nikotinsucht; ohne Ziga-
wie ich heute leider einsehen muss. retten ist der Abend für solche Leute Merkmale:
direkt verdorben. Ärgerlich fluchend
Merkmale: stapfte unser Mann also durch den
Schnee zurück nach Hause und ging
sofort ins Bett, ohne bei Carola anzu-
rufen, die noch fast die ganze Nacht
hindurch wach lag, weil sie nicht
wusste, wo er steckte.

Merkmale:

Literaturatelier 97
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Erzählung • «Erzählung» gilt als Sammelbegriff und umfasst alle mündlichen oder schriftlichen
Darstellungsformen von wirklichen und erfundenen Geschehnissen. Dazu zählen Anek-
doten, Märchen oder Romane. Im engeren Sinne bezeichnet die Erzählung Geschichten,
die weniger anspruchsvoll strukturiert sind als etwa Novellen oder Romane. Im 19. Jahr-
hundert wurden zum Beispiel auch solche Werke als Erzählungen bezeichnet, die wir
heute eindeutig der Textsorte Roman zuordnen.

Figuren • Figuren faszinieren über Jahrhunderte hinweg in der Literatur, aber auch in der Malerei, in
der Musik, im Film u.a. Kunstformen. Beispiele sind Don Juan, Faust oder Romeo und Julia.
Die Aussagen der Figuren sind keine Aussagen eines Autors oder einer Autorin. Zu untersu-
chen ist, ob und wie die Sprache zum dargestellten Charakter passt. Fernner kann nach der
Generationszugehörigkeit, nach der sozialen Stellung, der Entwicklung innerhalb eines
Geschehens sowie den Werten der einzelnen Figuren gefragt werden.

Kurzgeschichte •  urzgeschichten – Lehnübersetzung von Short Story – führen mit den ersten Sätzen
K
mitten ins Geschehen. Sie zeigen eine Momentaufnahme, eine Grenzsituation im Leben
einer oder mehrerer Figuren, deren bisheriges Dasein sich grundlegend ändert. Die Figu-
ren sind meist nicht als Individuen charakterisiert, sondern verkörpern bestimmte Ver-
haltensweisen. Ein offener (häufig pointierter) Schluss erlaubt, eigene Gedanken und
Deutungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Monolog • Der Monolog ist ein laut geführtes Selbstgespräch einer Figur auf der Bühne; der innere
Monolog in Romanen oder Erzählungen gibt in der Ich-Form nicht laut ausgesprochene
Gedanken, Überlegungen, Augenblicksregungen einer Person wieder.
Motiv • Das Motiv (Stoff, Thema) bezeichnet das kleinste inhaltliche Element eines literarischen
Werks, z.B. das Eifersuchtsmotiv. Weitere Beispiele sind Doppelgänger-, Verrats- oder
Traummotiv. Stoff und Thema können weitgehend als Synonyme gelten.
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SKV Verstehen undFokus
AG: Fokus Sprache, für die Interpretation
Sprache BM mit digitalen entscheidend ist, wie
Lösungen und Kommentar für ein Motiv in verschiedenen
Lehrpersonen
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Werken von verschiedenen Autoren zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichen Kultu-
ren dargestellt wird, z.B. die Liebe zwischen Arm und Reich, zwischen hoher Sozialschicht
(«oben») und tiefer («unten»).
In jeder Kunstgattung – Architektur, Film, Malerei, Musik – kommen Leitmotive vor. Dies
können Farben, Figuren, Gegenstände, Stimmungen, Symbole, Personen, Tonfolgen, Sätze
und vieles mehr sein, die im Werk in einer bestimmten Bedeutung aufscheinen. In Thomas
Manns Roman «Buddenbrooks» lässt sich der Verfall der Familie an den Zahnproblemen
ablesen.
Novelle • Novellen zählen zur Standardlektüre des Literaturunterrichts: Ihr Umfang ist gut überschau-
bar, sie sind verständlich und spannend. Hinzu kommt, dass sie meist klar strukturiert sind.

Die folgenden sieben Merkmale lassen sich in vielen Novellen entdecken; häufig
spielen die Autoren damit oder verändern das eine oder andere Merkmal. Wichtig ist
zu erkennen, welche Wirkung diese Merkmale bei Lesenden erzielen.
Eine Novelle ist
• die mittellange Erzählung (mit einer Rahmenhandlung)
• einer unerhörten Begebenheit, die sich
• mit einer überschaubaren Anzahl an Figuren
• wirklich ereignet haben kann;
• sie nimmt einen dramatischen Verlauf (Konflikt) und steuert –
• häufig über ein Leitmotiv und ein Dingsymbol – auf
• eine unerwartete Wende oder einen Höhepunkt zu: meist Aufstieg und Fall der
Hauptfigur.

Theodor Storm, der Autor des «Schimmelreiters», bezeichnete 1888 die Novelle als
«die epische Schwester des Dramas».

98 Literaturatelier
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• Parabeln sind gleichnishafte, belehrende Erzählungen, Geschichten oder Szenen. Der Wort-

MODUL F
Parabel
laut und der Inhalt des Textes unterscheiden sich deutlich. Nicht immer ist es einfach (oder
gar möglich!), das Gemeinte, den Sinn der Parabel, eindeutig zu erschliessen und zu erken-
nen (vgl. Epoche «Aufklärung»: Lessings Ringparabel).

• Das Wort «Plot» (das Sujet) kommt aus dem Englischen und bezeichnet die Handlung in Plot
literarischen Werken, also auch in Dramen.

•  omane sind umfangreicher und vielschichtiger als Novellen. Romane werden seit dem
R Roman
17. Jahrhundert geschrieben; einen Höhepunkt erreicht der Roman im 19. Jahrhundert –
als die Literaturgattung des Bürgertums – mit den Werken Gustave Flauberts


(«Madame Bovary») sowie Fjodor Michailowitsch Dostojewskis («Schuld und Sühne»,
«Der Idiot») und Lew Tolstois («Krieg und Frieden»). Thematisch unterscheiden lassen
sich Abenteuer-, (Anti-)Kriegs-, Bildungs-, Brief-, Entwicklungs-, Familien- oder Genera­
tionen-, Fantasy-, Grossstadt- und historische Romane, ferner Kriminal-, Künstler-,
Science-­Fiction-, Spionage- sowie Wildwestromane und andere.

• Symbole sind wahrnehmbare Zeichen, die für einen anderen Sinnzusammenhang stehen, Symbol
z. B. ein Herz für die Liebe (vgl. Modul A, «Kommunikation und Zeichen»). Symbole sind
daher in der Nähe der Metapher (vgl. Modul D, «Rhetorik») anzusiedeln. Um Symbole zu
verstehen, muss der kulturabhängige Sinn «gelernt» oder «erworben» werden. Die Bedeu-
tung der «blauen Blume der Romantik» kann über die entsprechende Textstelle erschlossen
werden (vgl. Epoche «Romantik»).
• Ein Dingsymbol ist ein Gegenstand, der häufig in Novellen vorkommt und mit der
Handlung aufs Engste verbunden ist, z.B. die Buche in Droste-Hülshoffs «Judenbuche».

• Kritiker sprechen von Trivialliteratur, Autorinnen und Autoren solcher Bücher von Erfolgs- Trivialliteratur
literatur: Gemeint sind literarische Werke, die in erster Linie auf Unterhaltung setzen,
die sich leicht lesen, ja «verschlingen» lassen und zu Hunderttausenden verkauft – und
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verfilmt – werden.Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

Zu den Merkmalen der Trivialliteratur zählt, dass


• sie inhaltlich oder sprachlich-stilistisch ohne höheren Anspruch ist (einfaches, gradliniges
Erzählen);
• Themen wie Liebe, Intrigen, Eifersucht und Neid sowie Abenteuer, Verbrechen, Heimat,
Krieg oder Krankheit klischeehaft und sich wiederholend abgehandelt werden;
• sie in einer Scheinrealität spielt und der Flucht aus dem Alltag dient;
• die klischeehaften Figuren (ohne Selbstreflexion) problematische Vorbilder und «über-
vollkommene» Menschen sind;
• schicksalhafte Fügungen letztlich zu einem Happy-End führen und falschen Trost
spenden: «Alles wird gut.»
Zwischen literarischen Meisterwerken und Heftchenromanen, zwischen schauspielerischen
Höhepunkten und rührseligen Telenovelas sowie zwischen einfühlsamen Gedichten und
alltäglichen Trällerhits liegt ein enormes Spektrum von Qualitätsunterschieden. Dennoch:
Nicht alles Schwierige und Unverständliche ist «gut», nicht alles Einfache und leicht Lesbare
ist «schlecht». Wie in vielen Bereichen lässt die bewusste Auseinandersetzung mit einem
Werk dessen Stärken und Schwächen erkennen und führt schliesslich zu einem guten
Geschmack. Guter Stil und sicherer Geschmack beruhen häufig auf Erfahrung.

• Wenn die Erzählzeit (Zeitdauer des Lesens) und die erzählte Zeit (Zeitdauer der Hand- Zeit
lung) gleich lang sind, so ist von Zeitdeckung die Rede.
Dauert das Ereignis länger als die sprachliche Darstellung, wird von Zeitdehnung («Zeit-
lupe») gesprochen; werden längere Handlungen gekürzt, ist von Zeitraffung die Rede.
Bei einem Zeitsprung fehlen Jahre, Monate und Wochen. – In allen Fällen ist nach der
Wirkung zu fragen.

Literaturatelier 99
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3.2 Dramatik

Drama – Tragödie – Komödie – Stück


Drama Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet «Handlung, Geschehen». Das Publikum
erlebt Dialoge (und Monologe) um einen Konflikt mit. Bis zur Aufklärung durften in der Tragö-
die, dem Drama mit negativem Ausgang, nur adelige Figuren auftreten (Ständeklausel). Nur sie
konnten hoch genug «aufsteigen» und tief «fallen» oder scheitern («Fallhöhe»). Lessing setzte
im 18. Jahrhundert mit dem bürgerlichen Trauerspiel die Ständeklausel ausser Kraft.
Ein Drama mit belustigender Handlung ist eine Komödie. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts
umgehen Autoren diese historischen Begriffe mit dem Ausdruck «Stück»; viele bezeichnen sich
auch als Stü­ckeschreiber.
Die Begriffe werden heute sowohl für Filme als auch umgangssprachlich gebraucht, z. B. wenn
von «Comedians» oder einem «dramatischen» Endspiel die Rede ist.

• Dramenaufbau
Akte Die «Magie der fünf Akte»
• 
Wer sich fürs Theater interessiert, erkennt bald, dass viele Stücke fünf Akte aufweisen,
zum Beispiel die Dramen von Shakespeare oder Schiller. Diese klare Struktur geht zum Teil
auf den griechischen Philosophen Aristoteles (384–322 v. Chr.) zurück und wurde im
19. Jahrhundert von Gustav Freytag (1816 –1895) folgendermassen charakterisiert.

3. Akt

2. Akt 4. Akt
1. Akt 5. Akt

Exposition Entwicklung Peripetie Retardation Katastrophe


Einführung Steigerung, Höhe- oder verzögerndes oder Lösung
erregendes
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Sprache BM mit digitalen Moment
Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
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Moment

Neben dieser strengen fünfteiligen Form gab es immer schon Theaterstücke, die weniger
oder gar keine Akte kennen und in denen sich eine unterschiedliche Anzahl von Szenen
aneinanderreiht. In diesem Falle wird von einer offenen Dramenstruktur gesprochen.

Filmdramaturgie Filmdramaturgie
• 
Bis heute wird diese Struktur auch auf Filme angewandt. Wer Drehbücher schreibt, lernt
folgendes Zeitschema mit drei Akten und zwei «Plot Points» kennen. Ein erfolgreicher
Hollywood-Drehbuchautor bezeichnet diese Struktur als «Kraft, die alles zusammenhält.
Sie ist das Skelett, das Rückgrat, die Basis. Ohne Struktur gelingt Ihnen keine Story.»
Ein «Plot Point» kann ein Schuss, eine Rede, eine Szene, eine Sequenz oder eine Handlung
sein – einfach alles, was die Geschichte vorantreibt.

Zentraler Punkt
Konfrontation
Plot Point I Plot Point II
Setup (Exposition) Lösung

Zeit 12 Minuten 45 – 60 Minuten 80 Minuten 90 Minuten

Damit die Struktur nicht zum Korsett wird, spielen anspruchsvollere Regisseure damit und
überraschen so ihr Publikum, indem sie gewohnte Muster brechen.

100 Literaturatelier
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• 
Brecht und das Epische Theater

MODUL F
Ein neues Verständnis des Theaters entwickelte in den Zwanzigerjahren Bertolt Brecht mit Episches Theater
dem Epischen Theater. In der folgenden Gegenüberstellung zeigt er einige Gewichtsver-
schiebungen vom dramatischen zum Epischen Theater.

Dramatische Form des Theaters Epische Form des Theaters


[das aristotelische Theater]

handelnd erzählend
verwickelt den Zuschauer in Bühnenaktion macht den Zuschauer zum Betrachter, aber
verbraucht seine Aktivität weckt seine Aktivität
ermöglicht ihm Gefühle erzwingt von ihm Entscheidungen


Erlebnis Weltbild
Der Zuschauer wird in etwas hineinversetzt er wird gegenübergesetzt
Suggestion Argument
Die Empfindungen werden konserviert bis zu Erkenntnissen getrieben
Der Zuschauer steht mittendrin, miterlebt Der Zuschauer steht gegenüber, studiert
Der Mensch als bekannt vorausgesetzt Der Mensch als Gegenstand der Untersuchung
Der unveränderliche Mensch Der veränderliche und verändernde Mensch
Spannung auf den Ausgang Spannung auf den Gang
Eine Szene für die andere Jede Szene für sich
Wachstum Montage
Geschehen linear in Kurven
evolutionäre Zwangsläufigkeit Sprünge
Der Mensch als Fixum Der Mensch als Prozess
Das Denken bestimmt das Sein Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Denken
Gefühl Ratio

Brechts Episches Theater soll Vertrautes in einem fremden Licht erscheinen lassen und V-Effekt
Fragen provozieren. Ferner gehört auch dazu, dass Schauspieler ihre Rollen nicht «ver-
körpern», sondern den Text «zitieren». Mit dem «V-Effekt», dem Verfremdungseffekt, soll
© 2023 Verlag
das Selbstverständliche, SKV AG: Fokus
Bekannte, Sprache, Fokus Sprache
Einleuchtende BM mit digitalen
genommen und Lösungen
Staunenundsowie
Kommentar für Lehrpersonen
Neugier­
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
­de erzeugt werden. Mittel der Verfremdung sind zum Beispiel Zwischengesänge, Spruch-
bänder und Selbsterklärungen der Figuren. Heute ermöglicht modernste Bühnentechnik
noch viele andere V-Effekte, z.B. Laufbänder oder grosse Bildprojektionen.
Typisch für das Epische Theater und den V-Effekt ist der Schluss des Stücks «Der gute
Mensch von Sezuan». Ein Spieler tritt vor den Vorhang und spricht das Publikum direkt an:
Verehrtes Publikum, jetzt kein Verdruss:
Wir wissen wohl, das ist kein rechter Schluss.
Vorschwebte uns: die goldene Legende.
Unter der Hand nahm sie ein bitteres Ende.
Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen. (…)
Der einzige Ausweg wär aus diesem Ungemach:
Sie selber dächten auf der Stelle nach
Auf welche Weis dem guten Menschen man
Zu einem guten Ende helfen kann.
Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluss!
Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss!

Literaturatelier 101
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• Dürrenmatt und die Welt als Komödie
Welt als Komödie Friedrich Dürrenmatts (1921–1990) Theatererfolge beruhen auf einer deutlich anderen
«Theorie»:

Uns kommt nur noch die Komödie bei


1 Die Tragödie setzt Schuld, Not, Mass, Übersicht, Verantwortung voraus. In der
Wurstelei unseres Jahrhunderts, in diesem Kehraus der weissen Rasse, gibt es keine
Schuldigen und auch keine Verantwortlichen mehr. Alle können nichts dafür und haben
es nicht gewollt. Es geht wirklich ohne jeden. Alles wird mitgerissen und bleibt in
5 irgendeinem Rechen hängen. Wir sind zu kollektiv schuldig, zu kollektiv gebettet in die
Sünden unserer Väter und Vorväter. Wir sind nur noch Kindeskinder. Das ist unser
Pech, nicht unsere Schuld: Schuld gibt es nur noch als persönliche Leistung, als religiöse
Tat. Uns kommt nur noch die Komödie bei.
 Unsere Welt hat ebenso zur Groteske geführt wie zur Atombombe (…). Doch ist das
10 Tragische immer noch möglich, auch wenn die reine Tragödie nicht mehr möglich ist.
Wir können das Tragische aus der Komödie heraus erzielen, hervorbringen als einen
schrecklichen Moment, als einen sich öffnenden Abgrund, so sind ja schon viele Tragö-
dien Shakespeares Komödien, aus denen heraus das Tragische aufsteigt. Nun liegt der
Schluss nahe, die Komödie sei der Ausdruck der Verzweiflung, doch ist dieser Schluss
15 nicht zwingend.
 Gewiss, wer das Sinnlose, das Hoffnungslose dieser Welt sieht, kann verzweifeln,
doch ist diese Verzweiflung nicht eine Folge dieser Welt, sondern eine Antwort, die er
auf diese Welt gibt, und eine andere Antwort wäre sein Nichtverzweifeln, sein Ent-
schluss etwa, die Welt zu bestehen, in der wir oft leben wie Gulliver unter den Riesen.
20 (…) Es ist immer noch möglich, den mutigen Menschen zu zeigen. 1955

Dokumentartheater • Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verwischt das Dokumentartheater. Dabei
werden historische Ereignisse thematisiert. Als Textgrundlage dienen Originaldokumente
wie Gerichtsakten, Protokolle, Interviews, Augenzeugenberichte. Auch wenn nichts hinzu-
erfunden wird, so sind letztlich das Arrangement der Texte, ihre Auswahl und die Kürzun-
gen
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AG: Fokus Sprache,für die
Fokus Darstellung
Sprache des Sachverhalts.
BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Einer der erfolgreichsten Autoren des Dokumentartheaters ist Rolf Hochhuth (1931), dessen
Stücke «Der Stellvertreter» (1963) und «Juristen» (1979) für handfeste Skandale sorgten.

Gegenwart • Das Theater der Gegenwart geht einen Schritt weiter und
­– stellt die Aufführung in den Vordergrund, die Regie (Regietheater statt Texttreue);
– löst Aufführung und Werk voneinander: das Werk garantiert nur noch den Verlauf im
weitesten Sinne;
– betont das Ereignis als Kunstprodukt: Der gleiche Text lässt je nach Regie und Darsteller
eine sehr andere Welt entstehen, in der sich das Publikum zurechtzufinden hat – und
das kann die Zuschauenden (sehr) verunsichern und in ihrer Wahrnehmung verwirren.

Drei Einheiten • Die «drei Einheiten» sorgten dafür, dass das Theater des 17. Jahrhunderts Struktur und
Ordnung erhielt: Ort, Zeit und Handlung mussten übereinstimmen. Die Autoren der Auf­
klärung, allen voran Lessing, wehrten sich gegen diese Einschränkung; eine durchgehende
Handlung und glaubwürdige Charaktere genügten.
Monolog • Der Monolog ist ein laut geführtes Selbstgespräch einer Figur auf der Bühne; für den
inneren Monolog in Romanen oder Erzählungen vgl. «Epik».
Ständeklausel • Mit dem bürgerlichen Trauerspiel, das bürgerliche Heldinnen und Helden auf der Bühne
zeigt, fällt im 18. Jahrhundert die Ständeklausel, vgl. «Drama».

102 Literaturatelier
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MODUL F
3.3 Lyrik

Das Wort «Lyrik» geht auf das griechische «Leier» oder «Lyra» zurück. Gedichte stehen also in
einem engen Zusammenhang mit Sprechen, Klang und Melodie. Lyrik ist die literarische
Gattung, die mit formalen Mitteln wie Reim und Rhythmus persönliches Empfinden, Gefühle,
Stimmungen, aber auch weltanschauliche Betrachtungen oder politisches Engagement aus-
drückt. Thematisch unterschieden werden können folgende Gattungen: Erlebnis-, Natur-,
Liebes- und Alltagslyrik, aber auch politische Lyrik, Grossstadt- und Gedankenlyrik. Von allen
literarischen Äusserungen sind Gedichte am engsten an die Muttersprache der Dichterin/des
Dichters gebunden – und am schwierigsten zu übersetzen. Dies trifft auch auf englische
Popsongs zu, die ins Deutsche oder in die Mundart übersetzt werden.


Wenn der Inhalt des Gedichts schon an seiner äusseren Form erkennbar ist, wird von visueller Konkrete Poesie
oder konkreter Poesie gesprochen, zum Beispiel:

Christian Morgenstern, 1871–1914


Die Trichter
Zwei Trichter wandeln durch die Nacht.
Durch ihres Rumpfs verengten Schacht
fliesst weisses Mondlicht
still und heiter
auf ihren
Waldweg
u. s.
w.

Moderne Lyrik wirkt häufig schwer zugänglich, weil sie sich durch Verknappung und Verdich- Moderne Lyrik
tung des Inhalts, durch schwer erkennbare Symbole und Metaphern sowie durch sprachliche
Experimente und anspruchsvolle Formen der schnellen Interpretation verschliesst.
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• Die Ballade bezeichnet seit
Persönliches demvon
Exemplar 18.
LizaJahrhundert ein handlungsreiches, oft tragisch enden-
Basha, 8307 Effretikon Ballade
des Geschehen, das meist aus Geschichte, Sagenwelt oder Mythologie stammt. Balladen
«erzählen» etwas «Dramatisches» (z.B. einen Konflikt) in «gereimter und rhythmischer»
Form. In der Rock- und Popmusik sind Balladen eher ruhige Lieder, die ebenfalls längere
«Storys» erzählen.
Bekannte Balladen sind u.a. Goethes «Erlkönig» und «Der Zauberlehrling», von Schiller
«Die Bürgschaft» und «Das Lied von der Glocke» sowie von Fontane «John Maynard» und
«Die Brück’ am Tay».

• Elemente der Lyrik


• Verse sind Zeilen eines Gedichts. Vers
Zeilenstil: Das Satz- und Versende stimmen überein.
Zeilensprung: Der Satz überspringt das Zeilenende, vgl. Goethes Gedicht «Prometheus»,
5.4 Jahrhunderttest.
• Silben, die gleich klingen, sind Reime. So gibt es ein-, zwei- und dreisilbige Reime, z. B. Reim
Mut – Blut; Leben – Reben; klingende – springende. Auch Alliterationen oder Stabreime
(vgl. Modul D, «Rhetorik») sowie Reime im Wortinnern und zahlreiche andere Möglich-
keiten bringen Gedichte zum Klingen. Mit Buchstaben wird das Reimschema gekenn-
zeichnet, zum Beispiel:

Nibelungenlied, 1200
Reimschema: abab cdcd
Uns ist in alten mæren wunders vil geseit:
von heleden lobebæren von grôzer arebeit,
von fröuden, hôchgeziten, von weinen und von klagen,
von küener recken strîten, muget ir nu wunder hœren sagen.

Literaturatelier 103
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Metrum • Beim Sprechen betonen wir einzelne Silben (Hebung), andere bleiben unbetont
(Senkung). Die Anzahl und Kombination von betonten und unbetonten Silben ist das
Metrum (z.B.: betont – unbetont – unbetont, und das sechsmal).
• Folgt einer unbetonten eine betonte Silbe, so wird dies Jambus genannt. Seit William
Shakespeare und im deutschen Drama seit Gotthold Ephraim Lessing (vgl. 5.1 «Auf-
klärung») ist der fünfhebige Jambus ohne Reim verwendet worden:
Es eifre jeder seiner unbestochnen
Von Vorurteilen freien Liebe nach!
Rhythmus • Das Metrum schreibt nicht vor, wo beim Sprechen Pausen und wo je nach Sinn gewisse
Akzente zu setzen sind. Durch Hebung, Senkung, Pause, Akzent entsteht der Rhythmus
des Gedichts.
Strophe • Strophen sind Sinneinheiten, die meist in der Anzahl und in der Länge der Verse sowie
im Reimschema und im Metrum übereinstimmen. Eine bestimmte Zahl von Versen wird
in regelmässig wiederkehrender Zusammenstellung geordnet. Hier gibt es eine grosse
Anzahl von Möglichkeiten und daher entsprechend viele Strophenformen.

Lied • Lieder lassen sich singen und sind klar gegliedert. Neben den unterschiedlichen Themen
(Liebeslied, Tanzlied, Soldatenlied, Protestlied u.v.a.m.) kann zwischen weltlichen und geist-
lichen Liedern sowie zwischen Volks- und Kunstliedern unterschieden werden. Die Verfasser
der Volkslieder sind zumeist unbekannt. Kunstlieder orientieren sich häufig an Volksliedern,
und ihre Verfasser sind bekannt.

Lyrisches Ich • 
Als «lyrisches Ich» wird der oder die Sprechende im Gedicht bezeichnet. Die Gleichsetzung
mit der Autorin oder dem Autor ist nur in Ausnahmen sinnvoll.

Sonett • Sonette sind eine besonders beliebte und sehr spezielle Gedichtform: Sie bestehen aus 14
Zeilen, d.h. einem Aufgesang (zweimal vier Zeilen mit dem Reimschema abba) und einem
Abgesang (zweimal drei Zeilen mit dem Schema cdc dcd oder ccd eed). Wie man Sonette
«macht», verrät folgendes Sonett von F. W. Bernstein.
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Sonett-Sonett
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Man nehme schöne Wörter, etwa Balustrade,


verrühre sie mit Reimen, lasse das Gedicht
nun in vier Strophen stehen, bis der Sinn aufbricht.
Dann kann es vorgetragen werden. Ach wie schade,
dass es so wüste Namen gibt von schönen Dingen;
ich denk an «Schnitzel», «Kümmelstange» und die «Schweiz»;
gewaltig ist der Klang von «Ohrwurm» andrerseits,
doch hat der wenig Reiz. Soll das Sonett gelingen,
dann braucht es beides, Form und Inhalt, Sinn und Klang,
wie Rom, Granada, Ulm, Luang Prabang
und andre Städtenamen – doch nicht «Drispenstedt».
Auch klingen ganz vorzüglich schön Obst und Gemüse,
die Aprikose, Kraut und Rüben voller Süsse;
jetzt noch ein tiefrer Sinn, dann wird es ein Sonett. 1988

Gute Gedichte R o be r t G e r n h a r d t , 19 3 7 – 2 0 0 6
ALS ER GEFRAGT WURDE,
WIE EIN GUTES GEDICHT
BESCHAFFEN SEIN SOLLTE:
Gut gefühlt
Gut gefügt
Gut gedacht
Gut gemacht. 2006

104 Literaturatelier
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4 Anfänge der deutschen Literatur

MODUL F
• Begriff
Die Literatur nach Epochen einteilen heisst, einzelne Zeiträume durch gemeinsame charakteri­ Epochen
stische Merkmale gegenüber anderen abzugrenzen. Wie jeder Mensch seine eigene unver-
wechselbare Entwicklung durchläuft, zeichnen sich auch kulturelle Leistungen und Werke
durch ihre Einmaligkeit aus: Im Literaturunterricht interessieren uns Werke sprachlichen Schaf-
fens, die für ihre Zeit folgende gemeinsame Kriterien aufweisen können:
• Ideen, Inhalte und Wertvorstellungen, z.B. Emanzipation, Gleichberechtigung, soziale Merkmale


Diskriminierung
• typische gemeinsame Sprach- und Stilmerkmale, z.B. lateinische Formen in Gedichten der
Klassik, Mundart im Drama des Naturalismus
• Textsorten und -formen, z.B. Novellen im 19. Jahrhundert, Gedichte des Expressionismus
• bewusste Abgrenzungen und Antworten auf frühere Schaffensperioden, z.B. die Romantik
gegenüber der Klassik

Ob Musik, Malerei, bildende Kunst oder Literatur –


• die Einteilung in Epochen dient als Ordnungs- und Orientierungshilfe, und die Über­
gänge zwischen den Epochen sind fliessend, z.B. laufen Romantik, Junges Deutschland
und ­Biedermeier teilweise nebeneinander;
• einige Epochen sind sehr genau definiert, andere eher vage, z. B. die Klassik bis Schillers
Tod;
• innerhalb der Epochen kann es unterschiedliche Strömungen geben;
• einzelne Autorinnen und Autoren können verschiedenen Epochen angehören, z.B.
Johann Wolfgang von Goethe;
• einzelne Epochennamen
© 2023 Verlag bezeichnen
SKV AG: Fokus umgangssprachlich
Sprache, Fokus Sprache BM und fachsprachlich
mit digitalen anderes,fürzum
Lösungen und Kommentar Lehrpersonen
Beispiel «Klassik» oder «Romantik»;
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

unterschiedliche Länder, Kulturen und Kunstbereiche haben andere zeitliche Einteilun-


• 
gen, zum Beispiel Klassik in der Musik, Klassik in der deutschen Literatur, Klassik in der grie­
chischen Literatur;
• Epochen vernetzen Literatur, Kunst, Philosophie, Sozial- und Technikgeschichte sowie Poli-
tik und werfen damit manchmal Zuordnungsprobleme auf: So gilt zum Beispiel Gotthold
­Ephraim Lessings «Nathan der Weise» als das Theaterstück der Aufklärung und erschien
im gleichen Jahr 1779 wie Goethes Prosafassung der «Iphigenie auf Tauris», die als Höhe­
punkt der Klassik angesehen wird;
• je näher wir in die Gegenwart kommen, desto unterschiedlicher werden die Epochen von
Fachleuten bezeichnet. Je nach Interessen und Literaturverständnis können sich die Epo­
chen­be­zeich­nun­gen und -einteilungen deutlich unterscheiden.

Die folgende Beschreibung einzelner Literaturepochen dient als Orientierung, vermittelt die
wichtigsten Begriffe und Zusammenhänge und regt zum selbstständigen «Forschen» und
vor allem zum Lesen an.
Erfolgreiches Lernen heisst, einzelne Werke zu lesen und die Begriffe mit Inhalten zu
füllen. Recherchen in Literaturgeschichtsbüchern und im Internet helfen dabei.
Es ist sinnvoll, nach Zusammenhängen zwischen den Werken und den Epochen zu fragen
sowie Übereinstimmungen und Unterschiede herauszuarbeiten.

Literaturatelier 105
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4.1 Die Anfänge – die griechische und die römische Antike

Die griechische und die römische Antike gelten als «Wiege der abendländischen Kultur» für
Kunst und Literatur, aber auch für Rhetorik, Mathematik oder Philosophie. Hier entstanden die
literarischen Gattungen und die Werke der Weltliteratur, die immer wieder neu bearbeitet, um­
gearbeitet und interpretiert werden. Zu den wichtigsten Dichtern gehören die Griechen
Homer und Sophokles sowie die Römer Ovid und Vergil.
Zur griechischen Mythologie zählen Götter- und Heldensagen sowie Schöpfungs-
mythen, welche die Entstehung der Welt erklären und in denen zutiefst menschliches
Verhalten literarisch behandelt wird: Liebe, Glück, Eifersucht, Neid, Hass, Rache, Ver­
gebung, Macht, List, Krieg und Mord. Ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. übernahmen die
Römer z. T. griechische Mythen und Götter: Aus Zeus wurde Jupiter, aus Ares Mars, aus
Eros Amor, aus Selene Luna und aus Aphrodite Venus. Wenn auch nicht die «Ge-
schichten», so sind doch einige Namen noch immer bekannt: Herakles, Achilles und
Hektor, Prometheus, Ödipus und die schöne Helena sowie die Giganten. Das Internet
bietet zu allen Themen eine Fülle von Informationen und nützliches Bildmaterial.
Der Dichter Homer, dessen Existenz um 850 v. Chr. vermutet wird, gilt als Schöpfer der
«Ilias», die den zehnjährigen Krieg um Troja thematisiert, und der «Odyssee». Darin
irrt Odysseus, dessen List Troja besiegte, zehn Jahre durchs Mittelmeer, bis er seine Hei­
mat Ithaka erreicht. Ähnlich der Ilias schuf der lateinische Dichter Vergil die «Aeneis»;
die Liebesgedichte des Römers Ovid gehören bis heute zum Lateinunterricht.

4.2 Deutsche Literatur von 750 n.Chr. bis ins Mittelalter

Die deutsche Literatur vor der Aufklärung des 18. Jahrhunderts ist für uns heute «sehr weit
entfernt». Manche Themen und Inhalte sind nur bedingt verständlich. Dennoch lassen sich
Auswirkungen bis in die Gegenwart erkennen; auch wird ersichtlich, in welchem Umfeld die
deutsche Sprache und Literatur begonnen haben.
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Zaubersprüche, Gebete,
und Kommentar Lieder und Bibelteile –
für Lehrpersonen
stammen
Persönliches Exemplar aus8307
von Liza Basha, demEffretikon
8. Jahrhundert. Sie sind nur mit Fachkenntnissen lesbar.
Während der Ritterzeit ab dem 10. Jahrhundert entstehen mittelhochdeutsche
Liebes­lieder (Minnesang) und sogenannte Heldenepen (Verserzählungen), z. B. die
tragische Liebesgeschichte von «Tristan und Isolde» und das «Nibelungenlied». Einen
Antihelden zeigt die Vers­novelle «Meier Helmbrecht»: Ein junger, blonder Schönling
mit künstlichen Locken entflieht dem Elternhaus und dem Bauernstand, indem er sich
verbrecherischen Raubrittern anschliesst. Die Bande wird gefasst, zum Tode verurteilt –
nur er wird als Zehnter der Bande «begnadigt»: Man blendet und verstümmelt ihn,
am Ende hängen ihn die Bauern. Ob die literarische Abschreckung gewirkt hat, bleibt
offen.
Um 1100 lebte die bis heute legendäre Äbtissin Hildegard von Bingen, deren Wirken
und Schriften sowohl Alternativ- und Esoterik-Kreise wie auch Fachleute interessieren.
Als herausragender Minnesänger ist Walther von der Vogelweide in der Manessi-
schen Liederhandschrift der Zürcher Familie Manesse aufgeführt.
Im Umfeld der Tafelrunde des englischen Königs Artus entstanden zahlreiche Epen,
z.B. über die Ritter Parzival, Lancelot, Iwein u.a. – bis hin zur modernen Fantasy-Story
Manessische Liederhand­ «Die Nebel von Avalon». Zwei Motive dieser Zeit sind aktuell geblieben, z. B. in den Romanen
schrift: Walther von der von Dan Brown: die Suche nach dem heiligen Gral und der Mythos des Templerordens.
Vogelweide, um 1300 Der mittelhochdeutsche Beginn des «Nibelungenlieds» kann (fast) übersetzt werden
(vgl. S. 103).

106 Literaturatelier
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MODUL F
4.3 Das 16. Jahrhundert – Humanismus, Reformation und Renaissance

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wird Amerika entdeckt, gelingt die Um­
segelung der Welt, die u. a. die Kugelform der Erde und das heliozentrische Weltbild
beweist. Den Zeitgenossen gilt dies als das Jahrhundert der Wissenschaften. Die
­Renaissance («Wiedergeburt») – mit ihrem Ursprung in Italien – greift auf die Antike
als Vorbild für humanistisches Denken zurück. Sie sucht Wege, aus der Abhängigkeit
der Kirche zu entkommen: Erasmus von Rotterdam, der wichtigste Humanist der Zeit,
stellt Menschlichkeit und Toleranz über kirchliche Absolutheitsansprüche.
Martin Luther predigt keinen strafenden, sondern einen gnädigen Gott, der den
Menschen verzeiht. Seine wissenschaftliche Leistung besteht jedoch vor allem darin,


dass er mit der Übersetzung der gesamten Bibel ein allgemein verständliches Neuhoch-
deutsch schafft. Begünstigt wird der Erfolg durch die Erfindung des Buchdrucks: Die Texte
können schnell publiziert werden. Das Lesepublikum wächst, ein Markt für Bücher entsteht.
Volksbücher sind beliebt, z.B. «Till Eulenspiegel» (1510), «Das Volksbuch vom Doktor Faust»
(1578) und die «Schildbürger» (1598).
In Schwänken, Fabeln und Fasnachtsspielen stellt Hans Sachs die bürgerliche Alltagswelt dar.
Der Meistersang – die Nachahmung des ritterlichen Minnesangs durch Hand­werker – erreicht
seinen Höhepunkt.
Reformation und Gegenreformation führen zu einer bis dahin nicht gekannten Fülle von
Abhandlungen, Flugblättern und Streitschriften.

4.4 Das 17. Jahrhundert – das Jahrhundert des Barock

Der Dreissigjährige Krieg ab 1618 hinterlässt ein zerstörtes Europa, in dem die Bevölkerung Hans Jakob Christoffel
um rund ein Drittel zurückgegangen ist. Das Lebensgefühl schwankt zwischen Carpe diem von Grimmelshausens
(«Nutze den Tag») und Memento mori («Gedenke des Todes») oder Vanitas (Vergänglichkeit Simplizissimus –
in einem Satz
allen Lebens). «Ausufernde, während
Literatur entsteht im Dienst
© 2023 von
Verlag SKVAdel undSprache,
AG: Fokus Kirche, z.B.
Fokus vieleBMKirchenlieder.
Sprache Ausund
mit digitalen Lösungen den Epen frühe-
Kommentar des Dreissigjährigen Krie-
für Lehrpersonen
rer Epochen entsteht der Roman.
Persönliches Exemplar Sprachgesellschaften
von Liza Basha, 8307 Effretikon betonen Deutsch gegenüber dem ges spielende Geschichte
Latein; Martin Opitz will mit seinem «Buch von der Deutschen Poete­rey» Literatur lehr- und um den einfältigen Simpli­
lernbar machen. Ziel aller Dichtung ist das «Belehren und Ergötzen». Diesen Anspruch erfül- cius, der von seinem Bau-
ernhof vertrieben wird,
len Abenteuer- und Schelmenromane, u.a. «Das Abentheuerliche Leben des Simplizissimus zwei Jahre bei einem Ein-
Teutsch» (vgl. Randspalte). Sogenannte Schäferromane idealisieren die Liebe und das Land­ siedler lebt – der sich
leben einfacher Menschen; höfisch-historische Romane erzählen Geschichten von Herrschern später als sein Vater er-
und Menschen höheren Standes. Immer häufiger kommt es zu Übersetzungen von wichtigen weist –, Schweden und
Werken aus anderen Sprachen. Englische Theatergruppen treten in Norddeutschland auf, Kroaten dient, als Jäger
und Lautenspieler be-
italienische im Süden und in Österreich – der Literaturraum öffnet sich. rühmt wird, an den fran-
Das Sonett («Klinggedicht») ist eine genau geregelte, aber sehr beliebte Gedichtform mit zösischen Hof gelangt,
14 Verszeilen, vorzugsweise zweimal vier und zweimal drei sowie einem festen Reimschema. den Tod seines besten
Freundes Herzbruder hin-
• Was bleibt nehmen muss und sich zu
einer Reise nach Moskau
• Was ist die «Odyssee», und was meinen wir im Alltag mit einer Odyssee? überreden lässt, die ihn
• Aus welcher Zeit sind erste althochdeutsche Dokumente erhalten? bis nach Japan führt,
wobei er vorübergehend
• Was sind Heldenepen oder -sagen? versklavt wird, um nach
• Neben Luther gab es auch in der Schweiz zwei bedeutende Reformatoren, nämlich … einer Pilgerfahrt nach
• Wie gefährden humanistisches Denken und Reformation die damalige Rolle der Kirche? Rom sein Leben dem
• Was leisten Sprachgesellschaften? Bücherstudium zu
• Was ist ein Schelmenroman? widmen und Eremit zu
werden.»
(Neckam, 2007)

Literaturatelier 107
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
5 Das 18. Jahrhundert – das Jahrhundert der Aufklärung

Das 18. Jahrhundert umfasst die Literaturepochen Aufklärung (im engeren Sinn), Sturm
und Drang sowie (Weimarer) Klassik und leitet über in die Romantik, die erste Epoche des
19. Jahrhunderts. Manche Literaturgeschichten beschreiben die Jahre von 1740 bis 1780 als
«Empfindsamkeit»; einige bezeichnen die Jahre von 1770 bis 1830 auch als «Goethezeit».

5.1 Aufklärung, 1720–1785/1800

• Begriff
Aufgeklärtes Denken entstand in England und Frankreich.
Zu den wichtigsten Philosophen zählen René Des­cartes
(1596–1650) und John Locke (1632–1704). Sie gelten als
Vertre­ter des Rationalismus und des Empirismus.
Der Königsberger Philosoph Immanuel Kant beantwortete 1784
die Frage «Was ist Aufklärung?» folgendermassen: «Aufklärung
ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten
Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines
Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen (…) Habe
Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der
Wahlspruch der Aufklärung». Nur mit dem eigenen Verstand –
so die Aufklärer – gelingt es, sich dem «Aberglauben» und der
Bevormundung durch Klerus und Adel zu entziehen. Die Sonne
gilt als Symbol der Aufklärung («The Age of Enlightment»).
Aus den Ideen der Toleranz, der Humanität und der Utopie
des ewigen Friedens leitet sich für den konkreten Alltag der Be-
Julius Caesar Ibbetson: George Biggins Aufstieg in Lunardis griff der Menschenrechte her. Die Vernunftgläubigkeit wird
­Ballon (1785/1788) nahezu
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digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

• Themen und Tendenzen


Mit den Heissluftballons der Brüder Montgolfier wird der uralte Traum vom Fliegen Wirklich-
keit: Naturwissenschaftliche Erkenntnisse lassen den Menschen Grenzen überschreiten, er ver-
mag sich über die Erde hinaus zu erheben (vgl. Julius Caesar Ibbetsons Gemälde «George
Biggins Aufstieg in Lunardis Ballon», 1785/1788).
Die Städte wurden Zentren einer bürgerlichen Lese- und Theaterkultur: Leipzig, Hamburg,
• Gesellschaft und
Geschichte
Berlin, Königsberg, Göttingen und Zürich. Tageszeitungen und moralische Wochenschriften
Rationalismus (logisch ver- vermitteln neben Aktualitäten auch Allgemeinbildung. Das gebildete Bürgertum versteht sich
nünftiges Denken) und dem «verkommenen und dekadenten» Adel als moralisch überlegen (vgl. Lessings «Emilia
Em­pirismus (Sinneswahr- Galotti»). Mit der Hinwendung zur Natur wird indirekt die Standesgesellschaft kritisiert:
nehmung) suchen natur­ Die Natur kennt weder Adel noch Klerus. Entscheidend ist der Mensch, der über sich selbst
wissen­schaftliche Er­kennt­
nisse. Dieses neue Wissen
bestimmt – Aufklärung bedeutet auch die Entdeckung des autonomen Ich.
wird in Enzyklopädien
gesam­melt und einem in- • Epik – Dramatik – Lyrik
teressierten Bürgertum in
Europa nähergebracht. Die Einhaltung «vernünftiger» Regeln forderte Johann Christoph Gottsched in seiner
All­gemeinbildung ge- «Critischen Dichtkunst» (1730) von den Dichtern. Das Theater muss die drei Einheiten
niesst einen hohen Stel- (des griechischen Philosophen Aristoteles) berücksichtigen: die Einheit des Ortes, der Zeit
lenwert. Mit einher geht und der Handlung. Diese Forderungen verbessern zwar die Qualität der Dramen, doch fühlten
eine breite Säkularisie­
rung, die den Einfluss der
sich jüngere Autoren in ein unkreatives Korsett gezwängt. Die beiden Zürcher Johann Jakob
Kirche schmälert und von Bodmer und Johann Jakob Breitinger widersetzten sich Gottsched und inszenierten einen
ihr Toleranz fordert. heftigen Literaturstreit.

108 Literaturatelier
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Dass Literatur ergötzen und belehren soll (Funktion), zeigt sich im Erziehungsroman «Émile» Der Allmachtsanspruch

MODUL F
(1762) des Genfers Jean Jaques Rousseau und vor allem in Gotthold Ephraim Lessings Drama der absoluten Herrscher
schwindet: Die Aufklärer
«Na­than der Weise» (1779). Die Botschaften sind offensichtlich: Der Mensch ist von Natur aus verlangen nicht nur Ge-
gut, nur die «Gesellschaft» oder die Religionen üben einen problematischen Einfluss aus. waltenteilung und Volks­
Bevorzugte Textsorten der Aufklärung sind Erzählungen und Fabeln. In ihnen führt eine kurze sou­ve­rä­ni­tät, sondern
Geschichte (ergötzen) zu einer moralischen Erkenntnis (belehren). Eine andere Möglichkeit auch die Einhaltung der
bietet die Satire. Trotz grossartiger Gedichte aus dieser Zeit gilt die Lyrik nicht als epochen- Grundrechte. Das Got­
tes­gna­den­tum ersetzen
bestimmende Textgattung. die Aufklärer durch einen
Aufklärer unterziehen alle Lebensbereiche der Analyse und Kritik. Diese Lust am Denken zeigt Gesellschaftsvertrag, aus
sich auch in Schriften zur Dichtungstheorie sowie in Sammlungen von Aphorismen. Dies dem ein Widerstands­recht
sind kurze, pointierte Aussagen (Sentenz, Bonmot, geflügeltes Wort), z. B.: «Man vergesse abgeleitet wird.


nicht, dass das, was wir Aufklärung nennen, anderen vielleicht als Verfinsterung scheint.» Aufgeklärte absolutisti-
sche Herrscher in Preus­
(Adolph Freiherr von Knigge, 1752–96) sen und Österreich setzen
einige dieser Forderungen
um, z.B. die Aufhebung
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren der Leibeigen­schaft.
• Albrecht von Haller: Gedichtsammlung «Versuch Schweizerischer Gedichten» (!), 1732
• Georg Christoph Lichtenberg: ab 1764 geführte «Sudelbücher» (Sammlung von Apho-
rismen, die noch heute auf Kalenderblättern zu finden sind)
• Sophie von La Roche: Geschichte des Fräuleins von Sternheim, 1771
• Christoph Martin Wieland übersetzt antike Autoren und 22 Dramen Shakespeares, ab
1775
• Gotthold Ephraim Lessing: Hamburgische Dramaturgie, 1767/69; Emilia Galotti, 1772;
Nathan der Weise, 1779 L esetipp !
 eltliteratur
W
• Daniel Defoe: Robinson Crusoe, 1719 L esetipp !
• Jonathan Swift: Gullivers Reisen, 1726
• Voltaire: Candide, 1759

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Aufgabe

G o t t h o l d E ph r a i m L e s s i n g , 1 7 2 1 – 1 7 8 9
Nathan der Weise
Im Jerusalem der Kreuzzüge ruft Sultan Saladin den Juden Nathan, der auch «der
Weise» genannt wird, zu sich und will wissen, welche Religion – Judentum, Islam oder
Christentum – die wahre sei. Nathan erkennt die gefährliche Situation und hat die
Idee: «Nicht die Kinder bloss, speist man mit Märchen ab.» Er erzählt von einem Vater,
der als Erbe einen Ring an den meistgeliebten seiner drei Söhne weitergeben sollte,
sich aber für keinen Sohn entscheiden kann. Also lässt er noch zwei gleiche Ringe an-
fertigen, übergibt jedem Sohn einen und stirbt.

• Lesen Sie die «Ringparabel» aufmerksam durch, und kennzeichnen Sie die Schlüs-
selwörter.
• Welche Botschaften vermittelt der Text? Was ist an den Botschaften «aufgeklärt»?
• Wählen Sie einige Verszeilen aus, und kennzeichnen Sie die beim Sprechen beton-
ten und unbetonten Silben.

Literaturatelier 109
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Dritter Akt. Siebter Auftritt Entscheiden! Denn die falschen Ringe werden
1 Nathan. 40 Doch das nicht können! – Nun; wen lieben zwei
Denn was noch folgt, versteht sich ja von selbst. – Von Euch am meisten? – Macht, sagt an! Ihr
Kaum war der Vater tot, so kömmt ein jeder schweigt?
Mit seinem Ring, und jeder will der Fürst Die Ringe wirken nur zurück? und nicht
5 Des Hauses sein. Man untersucht, man zankt, Nach aussen? Jeder liebt sich selber nur
Man klagt. Umsonst; der rechte Ring war nicht 45 Am meisten? – Oh, so seid ihr alle drei
Erweislich; – (nach einer Pause, in welcher er des Betrogene Betrüger! Eure Ringe
Sultans Antwort erwartet) Sind alle drei nicht echt. Der echte Ring
Fast so unerweislich, als Vermutlich ging verloren. Den Verlust
10 Uns itzt – der rechte Glaube. (. . .) Zu bergen, zu ersetzen, liess der Vater
Saladin. 50 Die drei für einen machen. (. . .)
Die Ringe! – Spiele nicht mit mir! – Ich dächte, Und also, fuhr der Richter fort, wenn ihr
Dass die Religionen, die ich dir Nicht meinen Rat, statt meines Spruches, wollt:
Genannt, doch wohl zu unterscheiden wären. Geht nur! – Mein Rat ist aber der: ihr nehmt
15 Bis auf die Kleidung, bis auf Speis und Trank! Die Sache völlig wie sie liegt. Hat von
Nathan. 55 Euch jeder seinen Ring von seinem Vater:
Und nur von seiten ihrer Gründe nicht. – So glaube jeder sicher seinen Ring
Denn gründen alle sich nicht auf Geschichte? Den echten. – Möglich; dass der Vater nun
Geschrieben oder überliefert! – Und Die Tyrannei des einen Rings nicht länger
20 Geschichte muss doch wohl allein auf Treu In seinem Hause dulden wollen! – Und gewiss;
Und Glauben angenommen werden? – Nicht? – 60 Dass er euch alle drei geliebt, und gleich
Nun, wessen Treu und Glauben zieht man denn Geliebt: indem er zwei nicht drücken mögen,
Am wenigsten in Zweifel? Doch der Seinen? Um einen zu begünstigen. – Wohlan!
Doch deren Blut wir sind? doch deren, die Es eifre jeder seiner unbestochnen
25 Von Kindheit an uns Proben ihrer Liebe Von Vorurteilen freien Liebe nach!
Gegeben? die uns nie getäuscht, als wo 65 Es strebe von euch jeder um die Wette,
Getäuscht zu werden uns heilsamer war? – Die Kraft des Steins in seinem Ring’ an Tag
Wie kann ich meinen Vätern weniger Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut,
Als du den deinen glauben? Oder umgekehrt. Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun,
30 (...) Lass aufVerlag
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Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Uns wieder kommen. Wie gesagt: die Söhne 70 Zu Hilf’! Und wenn sich dann der Steine Kräfte
Verklagten sich; und jeder schwur dem Richter, Bei euern Kindes-Kindeskindern äussern:
Unmittelbar aus seines Vaters Hand So lad ich über tausend tausend Jahre
Den Ring zu haben. – Wie auch wahr! (. . .) Sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird
35 Der Richter sprach: (.. .) Ein weisrer Mann auf diesem Stuhle sitzen
Ich höre ja, der rechte Ring 75 Als ich; und sprechen. Geht! – So sagte der
Besitzt die Wunderkraft beliebt zu machen; Bescheidne Richter. (. . .)
Vor Gott und Menschen angenehm. Das muss

Literatur hören und sehen


• Lessings «Nathan der Weise» ist in zahlreichen Aufführungen und Bearbeitungen erhält-
lich, ferner gibt es auch Auszüge auf YouTube. Gleiches gilt für die anderen Dramen
­Lessings.
• Der «Musikstar» dieser Zeit war Wolfgang Amadeus Mozart (1756–91). Kein histori-
sches, aber ein dennoch unterhaltsames Bild der Zeit vermittelt Miloš Formans «Ama-
deus» aus dem Jahre 1984.

• Was bleibt
• Was heisst Aufklärung im 18. Jahrhundert?
• Welche drei Einheiten fordert Gottsched fürs Drama? Welche Probleme sind damit ver-
bunden?
• «Ringparabel»: Was ist typisch für eine Parabel? Recherchieren Sie im Internet, und prü-
fen Sie kritisch die Antworten, die Sie finden.
• Suchen und interpretieren Sie Fabeln von Lessing und anderen Aufklärern.
• Erklären Sie Immanuel Kants kategorischen Imperativ mit eigenen Worten: «Handle so,
dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetz-
gebung gelten könne.»
• Welche Auswirkungen der Aufklärung lassen sich bis heute nachweisen?

110 Literaturatelier
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MODUL F
5.2 Sturm und Drang, 1767–1790

• Begriff
Diese Bezeichnung geht zurück auf das gleichnamige Drama von Friedrich Maximilian Klinger
(1776). Allein Titel wie «Die Räuber» und «Die Leiden des jungen Werthers» lassen erkennen,
dass es hier – im Gegensatz zur Aufklärung – nicht um Vernunft und Verstand geht, sondern
dass Gefühle und «Power» dominieren. Junge, engagierte Autoren – der «junge Goethe» und
der «junge Schiller» – wenden sich gegen die Vernünftelei der älteren Aufklärer. Schon wäh-
rend der Aufklärung hatten sich Literaten (z.B. Friedrich Gottlieb Klopstock) dem Gefühlserle-
ben zugewandt, allerdings nicht dem emotionalen Überschwang, sondern mehr der sensiblen


Empfindsamkeit. Dies zeigt sich auch in Goethes «Werther».

• Themen und Tendenzen


Ein Film über Friedrich
Wer sich als Stürmer und Dränger fühlt, ist ein «Genie» – also ein Erzeuger, ein Schöpfer. Schillers «geheimnisvolle
Genies zeigen Gefühle und Leidenschaft, verehren die ungebändigte Natur, suchen Selbst- Leidenschaft» für zwei
entfaltung und schreiben mit «Kraft» gegen die Privilegien von Adel und Klerus. Schwestern.
Diese «erste revolutionäre Jugendbewegung» sucht das Ursprüngliche, das Unverfälschte –
und entdeckt dabei das einfache Volk, die natürliche Sprache und das Vorbild Shakespeare fürs
Theater. Alle Büchergelehrsamkeit, alles Nachgeahmte, Überkommene wird abgelehnt, das
Spontane, Provisorische zählt. Johann Gottfried Herder, ein Wegbereiter des Sturm und Drang, • Gesellschaft und
fordert Rückkehr zur natürlichen Sprache und zu nationaler Originalität. Damit verbunden ist Geschichte
die Idee eines Nationaltheaters: Dort soll – als Gegensatz zu Hof- und Volkstheater – die Die ungerechten sozialen
Verhältnisse in der zwei-
Nationalsprache gepflegt werden. Die Sprache ist wichtiger als die Standeszugehörigkeit. ten Hälfte des 18. Jahr­
Strass­burg, Frankfurt und Göttingen sind Zentren der Bewegung. hunderts zeigen sich
darin, dass etwa der
• Epik – Dramatik – Lyrik Landgraf von Hessen-Kas-
sel 12‘000 Soldaten nach
Goethes «Werther» als Briefroman kommt dem Bedürfnis nach Echtheit (Authentizität) und Amerika verkaufte, um
Gefühlen (Sprache des Herzens) entgegen: Die Identifikation mit dem Antihelden fällt leicht – seine Prunksucht zu
so leicht, dass Werther Kult und Mode wird (vgl. Aufgabe). Heute interessiert weniger die finanzieren. Bauern
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mussten bis zu 80 Tage
tragische Liebesgeschichte
Persönlichesals vielmehr
Exemplar Werthers
von Liza Basha, 8307Leiden
Effretikonan der Gesellschaft.
jährlich Frondienst bei
Das Theater, das Leidenschaft, Gefühle und soziale Ungerechtigkeit sichtbar macht, gilt als ihrem Feudalherren
bevorzugte Kunstform. Friedrich Schillers Dramen sind äusserst erfolgreich, verursachen jedoch ­leisten.
einige Skandale und bereiten ihm Schwierigkeiten mit dem Fürsten. Im bürgerlichen Trauer- Die Ideen der Aufklärung
spiel (mit bürgerlichen Helden) prallen die verkommene Welt des Adels und die bürgerliche fliessen in die Unabhän­
gigkeitserklärung der
Moral aufeinander. USA 1776 ein: «All men
In der Lyrik finden Liebe, Leidenschaft und Naturerleben ihren sprachlichen Ausdruck. Junge are created equal.» Doch
Männer, die zwangsrekrutiert wurden, singen andere Verse: damit sind weder Farbige
noch Indianer, noch Frau­
Juchheisa, nach Amerika, Ade, Herr Landgraf Friederich, Ihr lausigen Rebellen ihr, ­en gemeint.
Dir Deutschland gute Nacht! Du zahlst uns Schnaps und Bier! Gebt vor uns Hessen Acht! Die Ideen des Unabhän­
gigkeitskrieges verbrei-
Ihr Hessen, präsentiert ‚s Gewehr, Schießt Arme man und Bein’ uns ab Juchheisa nach Amerika,
ten sich auch in Europa
Der Landgraf kommt zur Wacht. So zahlt sie England Dir. Dir Deutschland gute Nacht! und führen – verstärkt
durch eine Finanzkrise –
zur Französischen Revo­
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren lution. König Louis XVI.
• Friedrich Maximilian Klinger: Sturm und Drang, 1776 (ursprünglich: Wirrwarr) kapituliert, und die Natio-
• Heinrich Leopold Wagner: Die Kindsmörderin, 1776 nalversammlung erlässt
• Friedrich Schiller: Die Räuber, 1781; Kabale und Liebe, 1784 1789 die Menschen-
• Johann Wolfgang von Goethe: Prometheus, 1774; Die Leiden des jungen Werthers, rechtserklärung. Sie soll
mit dem Schutz des
1774 L esetipp ! Eigentums einen Fortgang
Empfindsamkeit oder gar eine Radikalisie-
rung der Revolution ver-
• Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, 1771 hindern.
 eltliteratur
W
• Vgl. Aufklärung: Sturm und Drang hat keine zeitgleiche Entsprechung in anderen Litera-
turen.

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Aufgabe

Johann Wolfgang von G o e t he , 1 7 4 9 – 1 8 3 2


Die Leiden des jungen Werthers
Mit dem Briefroman «Die Leiden des jungen Werthers» gelang dem 25-jährigen Goethe 1774
der erste deutschsprachige Weltbestseller. Das Werther-Fieber grassierte: Man trug Werther-
Mode, Szenen des Romans schmückten Tassen, Tee- und Kaffeekannen; ein Eau de Werther
durfte auch nicht fehlen. Dazu kamen Parodien, Nachahmungen, Streitschriften und Über-
setzungen in zahlreiche Sprachen. Als besonders problematisch und «sündhaft» galt der
Selbstmord am Ende: Dagegen sprachen sich auch Aufklärer wie Lessing aus. Die «Lesesucht»
oder «Lesewut,» die der Roman auslöste, wurde als Gefährdung der jungen Menschen
gesehen.

• Lesen Sie den folgenden Textauszug, und unterstreichen Sie die Schlüsselbegriffe.
• Wie stellt sich Werther dar?
• Was «klingt» hier nach Sturm und Drang, was nach Empfindsamkeit?

1 Am 10. Mai Am 15. Mai


Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze Seele Die geringen Leute des Ortes kennen mich schon
eingenommen, gleich den süssen Frühlingsmorgen, 25 und lieben mich, besonders die Kinder. Eine traurige
die ich mit ganzem Herzen geniesse. Ich bin allein Bemerkung hab’ ich gemacht. Wie ich im Anfange
5 und freue mich meines Lebens in dieser Gegend, die mich zu ihnen gesellte, sie freundschaftlich fragte
für solche Seelen geschaffen ist wie die meine. Ich über dies und das, glaubten einige, ich wollte ihrer
bin so glücklich, mein Bester, so ganz in dem Ge- spotten, und fertigten mich wohl gar grob ab. Ich
fühle von ruhigem Dasein versunken, dass meine 30 liess mich das nicht verdriessen; nur fühlte ich, was
Kunst darunter leidet. Ich könnte jetzt nicht zeich- ich schon oft bemerkt habe, auf das lebhafteste:
10 nen, nicht einen Strich, und bin nie ein grösserer Leute von einigem Stande werden sich immer in
Maler gewesen als in diesen Augenblicken. kalter Entfernung vom gemeinen Volke halten (...).
(...) Wenn’s dann um meine Augen dämmert, und
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die Welt um mich her und der Himmel ganz in mei-
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
35 Den 17. Mai
ner Seele ruhn wie die Gestalt einer Geliebten – Ich habe allerlei Bekanntschaft gemacht, Gesell-
15 dann sehne ich mich oft und denke: ach könntest schaft habe ich noch keine gefunden. (. . .) Wenn du
du das wieder ausdrücken, könntest du dem Papiere fragst, wie die Leute hier sind, muss ich dir sagen:
das einhauchen, was so voll, so warm in dir lebt, wie überall! Es ist ein einförmiges Ding um das
dass es würde der Spiegel deiner Seele, wie deine 40 Menschengeschlecht. Die meisten verarbeiten den
Seele ist der Spiegel des unendlichen Gottes! – mein grössten Teil der Zeit, um zu leben, und das biss­
20 Freund – aber ich gehe darüber zugrunde, ich er- chen, das ihnen von Freiheit übrig bleibt, ängstigt
liege unter der Gewalt der Herrlichkeit dieser Er- sie so, dass sie alle Mittel aufsuchen, um es los zu
scheinungen. (...) werden. O Bestimmung des Menschen! (. . .)

Literatur hören und sehen


• Goethes «Die Leiden des jungen Werthers» und Schillers
«Kabale und Liebe» sind in zahlreichen – sehr aktualisierten –
Verfilmungen erhältlich.
• Zu Gedichten wie Goethes «Erlkönig», «Maifest/-lied» oder
«Willkommen und Abschied» sind auf YouTube zahlreich Clips
zu finden.

Theaterzettel zur
2. Aufführung 1784 • Was bleibt
• Was bedeutet der Begriff «Genie» im Sturm und Drang, was bedeutet er heute?
• Warum ist gerade Goethes Briefroman so erfolgreich (gewesen)?
• Goethes Gedicht «Prometheus» im Internet: Lesen Sie es laut, und untersuchen Sie Form
und Inhalt. Was bedeutet es? Was entspricht darin dem Sturm und Drang?
• Lesen und analysieren Sie ein Schiller-Drama, z. B. die «Räuber» oder «Kabale und Liebe».

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MODUL F
5.3 Klassik, 1786 – 1805

• Begriff
Die deutsche oder Weimarer Klassik beginnt mit Johann Wolfgang von Goethes Reise
nach Italien und endet mit dem Tod Friedrich Schillers. Vereinfacht gesagt ist diese
­Epoche ein Ausgleich zwischen der rationalen Aufklärung und dem gefühlsbetonten
Sturm und Drang. Die Mode der Zeit, sich der griechischen Antike zuzuwenden,
führt dazu, dass z.B. nach griechischen Versmustern geschrieben und gedichtet wird.
Die beiden prägenden Autoren schaffen dabei klassische – sprich: vorbildhafte, muster­
gültige – Werke der deutschsprachigen Literatur.


• Themen und Tendenzen
Die Orientierung an der antiken griechischen Literatur führt zu sprach­lich und inhaltlich
Andy Warhol: Goethe, 1982
anspruchsvollen Werken – vor allem für das heutige Publikum. Allerdings verehren Lite­
raturfans die Werke Goethes und Schillers noch immer als Höhepunkte der deutschen
Literatur. Was fasziniert, sind die utopischen Ideale dieser Werke: Natur und Welt als geordne-
ter Organismus, in dem sich der Mensch in Har­monie zwischen Geist und Gefühl sowie Pflicht • Gesellschaft und
und Neigung zu entfalten vermag. Humanität und Toleranz gelten als höchste Werte: «Edel Geschichte
Die Terrorherrschaft der
sei der Mensch, hilfreich und gut» (Goethe). Wahre Schönheit vereint das Reine, das Gute und
Jakobiner setzt der teil-
das Sittliche. Um das zu erreichen, soll u.a. das Theater die ästhetische Erziehung der Men- weisen Begeisterung für
schen fördern. Die soziale Wirklichkeit der Zeit bleibt weitgehend ausgeblendet – was sich in die Französische Revolu-
der Kunstsprache der Bühnenfiguren widerspiegelt (vgl. Textbeispiele). Das breite Publikum tion in Deutschland ein
vergnügte sich mit anderen Werken, die heute meist völlig unbekannt sind. Ende. Schliesslich krönt
sich 1804 Napoleon
Bonaparte als Held der
• Epik – Dramatik – Lyrik Koalitionskriege gegen
Österreich, Russland und
Noch immer überzeugen die Balladen von Goethe und Schiller. Auch werden ihre Dramen –
Preussen selbst zum Kai-
oft in aktualisierten Versionen – regelmässig aufgeführt. ser.
Der Stoff zu Goethes «Faust» geht auf die sagenhafte Figur (Johann) Georg Faust zurück, der Der Einfluss Frankreichs
um 1480 bis 1541 © Wunderheiler, Alchemist,
2023 Verlag SKV AG: Magier,
Fokus Sprache, Astrologe
Fokus Sprache und Wahrsager
BM mit digitalen Lösungen undgewesen sein
Kommentar für
reicht über halb Europa:
Lehrpersonen
dürfte. Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon Die Schweiz wird nach
den Berner Niederlagen
Goethe (1749–1832) war zeitlebens von diesem Stoff angetan und bearbeitete ihn immer
von napoleonischen
­wieder: Urfaust, 1772; Faust. Ein Fragment, 1788; Faust. Der Tragödie erster Teil, 1808; Faust. Truppen besetzt. Die
Der Tragödie zweiter Teil, 1832. Helvetische Republik
(1798–1803) löst die Alte
Goethes Faust hat Philosophie, Jura, Medizin und Theologie studiert, muss aber feststellen: Eidgenossenschaft mit
ihrem System von Unter-
Da steh ich nun, ich armer Tor! tanengebieten und ge-
Und bin so klug als wie zuvor. meinen Herrschaften ab.
Die Revolution hinterlässt
Da die Wissenschaft nichts gebracht hat, probiert er’s mit Magie und hofft: die Idee der Menschen-
rechte (1789).
Dass ich erkenne, was die Welt

Im Innersten zusammenhält.
Faust schliesst mit Mephistopheles einen Pakt: Mephistopheles dient ihm auf Erden; Fausts
Seele gehört jedoch dem Teufel, wenn er jemals Erfüllung und Lebensglück erlebt:
Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!
Nun folgt eine abenteuerliche Reise durch Höhen und Tiefen des Lebens bis zur Liebe zu
­Gretchen, die in einer Katastrophe endet:
Heinrich, mir graut’s vor dir.
In Faust II (Der Tragödie zweiter Teil) findet sich die Formel, die Faust von Schuld befreit und
­Erlösung finden lässt:
Wer immer strebend sich bemüht,
Den können wir erlösen.

Literaturatelier 113
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Sprachlich und inhaltlich ist «der Faust» eine enorme Herausforderung, die Tragödie auf die
Bühne zu bringen ein wirkliches Abenteuer. Der deutsche Regisseur Peter Stein inszenierte im
Jahre 2000 beide Teile vollständig, und zwar mit einer Dauer von 22 Stunden. Bedeutend zu-
gänglicher sind neuere Faust-Verfilmungen.
Friedrich Schillers «Wilhelm Tell» geht zurück auf Goethe, der 1797 am Vierwaldstättersee von
der Tell-Sage gehört hatte. Er riet Schiller, den Stoff episch zu behandeln, doch dieser schrieb
ein Drama und schuf das Traumbild einer Friedensinsel.

Friedrich Schiller, 1759–1805


Widmungsgedicht zum Wilhelm Tell
Doch wenn ein Volk, das fromm die Herden weidet,
Sich selbst genug, nicht fremden Guts begehrt,
Den Zwang abwirft, den es unwürdig leidet,
Doch selbst im Zorn die Menschlichkeit noch ehrt,
Im Glücke selbst, im Siege sich bescheidet:
– Das ist unsterblich und des Liedes wert.
Und solch ein Lied darf ich dir freudig zeigen,
Du kennt’s, denn alles Grosse ist dein eigen. 1804

Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren


• Johann Wolfgang von Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre, 1795/96; Balladen, 1797
­L esetipp !; Faust I, 1808 ­L esetipp !; Zur Farbenlehre, 1810; Aus meinem Leben. Dichtung
und Wahrheit, 1833 (posthum)
• Friedrich Schiller: Don Carlos, 1787; Über die ästhetische Erziehung des Menschen,
1795; Maria Stuart, 1801; Wilhelm Tell, 1804
 eltliteratur
W
• Marquis de Sade: Justine und Juliette, ab 1791 (heute 10 Bände)
• Benjamin Franklin: Autobiografie, ab 1771
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
• Carlo Goldoni: verschiedene Lustspiele, ab 1736
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

Aufgabe

Friedrich Schiller
Don Carlos
In Friedrich Schillers Drama «Don Carlos» lässt Philipp II., König von Spanien, Marquis Posa zu
sich rufen; dieser nutzt die Gelegenheit und «kämpft» für seine Ideale.

• Welche Ideale vertritt Marquis Posa?


• Welches Menschen­bild lässt sich aus den kurzen Aussagen des Königs am Ende ablesen?

Dritter Akt. Zehnter Auftritt: Der König und Marquis von Posa.
(Dieser geht dem König, sobald er ihn gewahr wird, entgegen und lässt sich vor ihm auf ein Knie nieder, steht auf
und bleibt ohne Zeichen der Verwirrung vor ihm stehen.)
1 M a r q u i s . (...) Doch – (Er hält inne.)
Ich bin gewiss, dass der erfahrne Kenner, 10 K ö n i g . Ihr bedenket Euch?
In Menschenseelen, seinem Stoff, geübt, Marquis. Ich bin – ich muss
Beim ersten Blicke wird gelesen haben, Gestehen, Sire, sogleich nicht vorbereitet,
5 Was ich ihm taugen kann, was nicht. Ich fühle Was ich als Bürger dieser Welt gedacht,
Mit demutsvoller Dankbarkeit die Gnade, In Worte Ihres Untertans zu kleiden. – (. . .)
Die Eure königliche Majestät 15 Ich kann nicht Fürstendiener sein.
Durch diese stolze Meinung auf mich häufen; (Der König sieht ihn mit Erstaunen an.)

114 Literaturatelier
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Ich will Des Ewigen und Wahren! Niemals – niemals

MODUL F
45
Den Käufer nicht betrügen, Sire. – Wenn Sie Besass ein Sterblicher so viel, so göttlich
Mich anzustellen würdigen, so wollen Es zu gebrauchen. Alle Könige
20 Sie nur die vorgewogne Tat. Sie wollen Europens huldigen dem spanischen Namen.
Nur meinen Arm und meinen Mut im Felde, Gehn Sie Europens Königen voran.
Nur meinen Kopf im Rat. Nicht meine Taten, 50 Ein Federzug von dieser Hand, und neu
Der Beifall, den sie finden an dem Thron, Erschaffen wird die Erde. Geben Sie
Soll meiner Taten Endzweck sein. Mir aber, Gedankenfreiheit – (Sich ihm zu Füssen werfend.)
25 Mir hat die Tugend eignen Werth. K ö n i g (überrascht, das Gesicht weggewandt und
(...) Ich liebe dann wieder auf den Marquis geheftet).
Die Menschheit, und in Monarchien darf 55 Sonderbarer Schwärmer!


Ich niemand lieben als mich selbst. (. . .) (. . .) Ihr kennt
Jüngst kam ich an von Flandern und Brabant. – Den Menschen, Marquis. Solch ein Mann hat mir
30 So viele reiche, blühende Provinzen! Schon längst gemangelt, Ihr seid gut und fröhlich,
Ein kräftiges, ein grosses Volk – und auch Und kennet doch den Menschen auch – drum hab’
Ein gutes Volk – und Vater dieses Volkes, 60 Ich Euch gewählt –
Das, dacht’ ich, das muss göttlich sein! – Da stiess M a r q u i s (überrascht und erschrocken).
Ich auf verbrannte menschliche Gebeine – Mich Sire?
35 (...) Geben Sie, König. Ihr standet
Was Sie uns nahmen, wieder. Lassen Sie Vor Eurem Herrn und habt nichts für Euch selbst
Grossmütig, wie der Starke, Menschenglück 65 Erbeten – nichts. Das ist mir neu – Ihr werdet
Aus Ihrem Füllhorn strömen – Geister reifen Gerecht sein. Leidenschaft wird Euren Blick
In Ihrem Weltgebäude! Geben Sie, Nicht irren – Dränget Euch zu meinem Sohn,
40 Was Sie uns nahmen, wieder. Werden Sie Erforscht das Herz der Königin. Ich will
Von Millionen Königen ein König. Euch Vollmacht senden, sie geheim zu sprechen.
(...) Geben Sie 70 Und jetzt verlasst mich! (Er zieht eine Glocke.)
Die unnatürliche Vergöttrung auf, 1887
Die uns vernichtet! Werden Sie uns Muster

Literatur hören und sehen


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Zahlreiche Dramen der Klassik sind verfilmt, z.B. Goethes «Faust», Schillers
«Don Carlos» und immer wieder «Wilhelm Tell». Gedichte, vor allem die
­Balladen, finden sich in zahlreichen Versionen – bis hin zu Rap-Versionen –
auf YouTube.
• Für Augen und Ohren: Giuseppe Verdis Oper «Don Carlos», 1867.

• Was bleibt
• Was kann der Begriff Klassik bzw. klassisch bedeuten?
• Informieren Sie sich im Internet und in einer Literaturgeschichte über
Goethes und Schillers Biografien. Die beiden «Klassiker» schrieben
nicht nur literarische Werke, sondern widmeten sich noch anderen
Themen, nämlich …
• Analysieren Sie eine berühmte Ballade – und tragen Sie sie vor; lassen Sie sich vom Internet
inspirieren.
• Sehen Sie sich eine relevante Verfilmung eines Werkes an – und schreiben Sie eine Kritik.
• Soll, kann oder darf das Theater – heute der Film – «erzieherisch» wirken?

Literaturatelier 115
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6 Das 19. Jahrhundert – das Jahrhundert des Bürgertums

Das neunzehnte Jahrhundert ist gesellschaftlich und politisch geprägt von der Macht des
Grossbürgertums – und dem entstehenden Proletariat. Die literarischen Epochen überschnei-
den sich: Romantik, Biedermeier und Junges Deutschland sowie Realismus und Naturalismus.

6.1 Romantik, 1795–1835

• Begriff
Unter «romantisch» verstand das frühe 19. Jahrhundert – anders als wir heute – vor
allem das Fantastische und Märchenhafte. Nach den Schrecken der Französischen
Revolution suchen gebildete junge Leute aus adeligen und wohlsituierten bürgerlichen
Familien eine neue Sehweise, die das Gewöhnliche, das Alltägliche überhöht, verklärt:
«Die Welt muss romantisiert werden.» Romantik bedeutet je nach Land etwas anderes
und fällt auch in verschiedene Zeiten: Die literarische Romantik dauert in Frankreich
von 1800 bis 1870; die Musik der Romantik umfasst die Zeit von 1830 bis 1900.

• Themen und Tendenzen


Die Romantik öffnet den Weg nach innen und in «ferne Welten»: Die Nachtseite des
Menschen, das Unbewusste, Träume und Fantasie interessieren. Das «dunkle» Mittel-
alter wird entdeckt und damit die Volkskultur erforscht (Märchen). Zur romantischen
Volkstumsidee gehört auch, dass eine gemeinsame Sprache die Nation ausmacht.
Nicht das Nützliche, Vollkommene oder Rationale zählt, sondern das Unvollendete,
Fragmentarische und Skizzenhafte. Zerrissene, getriebene Menschen faszinieren. Der
sensible Künstler – meist Aussenseiter – vermittelt zwischen der Welt der Fantasie und
Caspar David Friedrich: Frau am
Fenster, 1818/22 der Wirklichkeit. Kunst geniesst einen hohen Stellenwert: Ziel ist das Zusammenfliessen
aller Künste im Gesamtkunstwerk – in der Oper. Die blaue Blume ist das Motiv der
© 2023 Romantik;
Verlag SKV AG:gesellschaftliche und politische
Fokus Sprache, Fokus Sprache Themen
BM mit digitalen bleiben
Lösungen ausgespart.
und Kommentar Das Innenleben des In-
für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
dividuums zählt.
• Gesellschaft und Die «Frauen der Romantik» (Rahel Varnhagen, Bettina von Arnim u. a.) veröffentlichen zeit-
Geschichte genössische Bestseller – einige unter männlichen Pseudonymen – und führen literarische
Das «Grande Empire» Salons nach franzö­sischem Vorbild. Dort trifft sich die kulturelle Elite.
kontrolliert weite Teile
Europas, manche Staa­ten
als Satelliten, andere • Epik – Dramatik – Lyrik
durch aufge­zwun­gene
Allianzen. Die Idee der Dem Zeitgeist entsprechend sind Märchen, Novellen, Erzählungen und Gedichte die bevorzug-
Nationalstaaten ent- ten Formen, vor allem aber der Roman. In ihm können sich die typischen Motive Sehnsucht,
steht; mit der Besinnung Traum und Wahnsinn sowie Einsamkeit, Vergänglichkeit, Tag und Nacht breit entfalten.
auf die eigene Identität Klassische Dramen sind aus der Mode gekommen.
und der Aufwertung der
eigenen Sprache will man
sich gegen die französi-
schen Besatzer abgren-
zen.
Die Fran­zosen bringen Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren
den Code Civil: Rechts­
gleich­heit, Selbstbestim- Zwischen Klassik und Romantik
mungsrecht und weitere • Matthias Claudius: Gedichte, 1770
Ideen der Aufklärung • Heinrich von Kleist: Die Marquise von O., 1808; Michael Kohlhaas, 1810 L esetipp !
werden in vielen Staaten
verankert. Romantik
Der verlorene Russ­land­ • Jacob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen, 1812/15
feldzug 1812 läutet das
Ende Napoleons ein,
• Adalbert von Chamisso: Peter Schlemihls wundersame Geschichte, 1814
Frank­reich kehrt zur • E. T. A. Hoffmann: Der Sandmann, 1816; Das Fräulein von Scuderi, 1820 L esetipp !
Monarchie der Bourbonen • Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts, 1826 L esetipp !
zurück. Es gelingt aber • Wilhelm Hauff: Das kalte Herz, 1828
weder ihnen noch den
anderen europäischen  eltliteratur
W
Herrschern, das Gottes­ • Mary (Wollstonecraft) Shelley: Frankenstein oder der moderne Prometheus, 1818
gnadentum wieder auf- • Edgar Allan Poe: Der Doppelmord in der Rue Morgue, 1841
leben zu lassen.

116 Literaturatelier
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
Aufgabe

N o v a l i s ( G e o r g P h i l i pp F r i e d r i c h F r e i he r r von H a r d e n be r g ) , 1 7 7 2 – 1 8 0 1
Heinrich von Ofterdingen

• Im Roman «Heinrich von Ofterdingen» von Novalis sucht Heinrich die blaue Blume – und
begegnet ihr im Traum. Was kann die «blaue Blume» im folgenden Auszug symbolisieren?

1 Der Jüngling verlor sich allmählich in süssen Phantasien und entschlummerte. Da


träumte ihm erst von unabsehlichen Fernen, und wilden, unbekannten Gegenden. (. . .)


Der Gang führte ihn gemächlich eine Zeitlang eben fort, bis zu einer grossen Weitung, Karl Pärsimägi: Girl at
aus der ihm schon von fern ein helles Licht entgegen glänzte. Wie er hineintrat, ward the Window, 1930
5 er einen mächtigen Strahl gewahr, der wie aus einem Springquell bis an die Decke des
Gewölbes stieg, und oben in unzählige Funken zerstäubte, die sich unten in einem
grossen Becken sammelten; der Strahl glänzte wie entzündetes Gold; nicht das mindeste
Geräusch war zu hören, eine heilige Stille umgab das herrliche Schauspiel. Er näherte
sich dem Becken, das mit unendlichen Farben wogte und zitterte. Die Wände der Höhle
10 waren mit dieser Flüssigkeit überzogen, die nicht heiss, sondern kühl war, und an den J oseph von E ichendorff ,
Wänden nur ein mattes, bläuliches Licht von sich warf. Er tauchte seine Hand in das 1788–1857
­Becken und benetzte seine Lippen. Es war, als durchdränge ihn ein geistiger Hauch, und Mondnacht
er fühlte sich innigst gestärkt und erfrischt. Ein unwiderstehliches Verlangen ergriff ihn,
Es war, als hätt’ der Himmel
sich zu baden, er entkleidete sich und stieg in das Becken. (. . .) Die Erde still geküsst,
15 Berauscht von Entzücken und doch jedes Eindrucks bewusst, schwamm er gemach dem Dass sie im Blütenschimmer
leuch­tenden Strome nach, der aus dem Becken in den Felsen hineinfloss. Eine Art von Von ihm nun träumen müsst.
süssem Schlummer befiel ihn, in welchem er unbeschreibliche Begebenheiten träumte,
und woraus ihn eine andere Erleuchtung weckte. Er fand sich auf einem weichen Rasen Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
am Rande einer Quelle, die in die Luft hinausquoll und sich darin zu verzehren schien. Es rauschten leis die Wälder,
20 Dunkelblaue Felsen mit bunten Adern erhoben sich in einiger Entfernung; das Tages- So sternklar war die Nacht.
licht, das ihn umgab, war heller und milder als das gewöhnliche, der Himmel war
schwarzblau und völlig rein. Was ihn aberFokus
mit Sprache
vollerBMMacht anzog, warund
eine hohe licht- Und meine Seele spannte
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blaue Blume, die zunächst an der Quelle Weit ihre Flügel aus,
Persönliches Exemplar von Liza Basha, stand, und ihn mit ihren breiten, glänzenden
8307 Effretikon
Flog durch die stillen Lande,
Blättern berührte. Rund um sie her standen unzählige Blumen von allen Farben, und der Als flöge sie nach Haus. 1837
25 köstliche Geruch erfüllte die Luft. Er sah nichts als die blaue Blume, und betrachtete sie
lange mit unnennbarer Zärtlichkeit. Endlich wollte er sich ihr nähern, als sie auf einmal
sich zu bewegen und zu verändern anfing; die Blätter wurden glänzender und schmieg-
ten sich an den wachsenden Stengel, die Blume neigte sich nach ihm zu, und die Blü-
tenblätter zeigten einen blauen ausgebreiteten Kragen, in welchem ein zartes Gesicht
30 schwebte. Sein süsses Staunen wuchs mit der sonderbaren Verwandlung, als ihn plötz-
lich die Stimme seiner Mutter weckte, und er sich in der elterlichen Stube fand. 1802

Literatur hören und sehen


• YouTube bietet zahlreiche Clips unterschiedlicher Qualität zu Gedichten von Eichendorff
sowie zur Epoche und zu einzelnen Werken.
• 1828 wurde in Nürnberg der etwa 16-jährige, geistig anscheinend zurückgebliebene
Kaspar Hauser aufgefunden, der in einem Kellerloch ohne menschlichen Kontakt aufge-
wachsen sein soll. Die «romantische Welt» war fasziniert. Der Fall wurde dokumentiert
und bis heute mehrfach verfilmt.

• Was bleibt
• Was ist mit der Nachtseite des Menschen gemeint?
• Was verdeutlichen die beiden Gemälde, die Frauen am Fenster zeigen?
• Wie lässt sich das Interesse an Märchen erklären? Informieren Sie sich über die Brüder
Grimm.
• Lesen und bearbeiten Sie mindestens eine Novelle oder einen Roman der Romantik.
• Welche Bedeutung kommt den Frauen und ihren Salons zu? Recherchieren Sie.
• Warum birgt die romantische Vorstellung «Eine Sprache – eine Nation» politischen Spreng­
stoff?

Literaturatelier 117
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
6.2 Biedermeier, 1815–1850, und Junges Deutschland, 1830–1850

• Begriffe
Nach der Französischen Revolution und den napoleonischen
Kriegen wendet sich die Literatur des Biedermeier (Satirefigur)
der unmittelbaren Lebenswelt der Menschen zu: Familie, Natur,
Heimat, Religion. Der Wunsch nach einer geordneten Welt,
nach dem Erfassen der Vielfalt der Natur und dem Beherrschen
aller Leidenschaften stehen im Mittelpunkt. So entsteht eine
­eigene Kunst und Kultur des Bürgertums (Hausmusik, Mode,
­Architektur).
Die Autoren des Jungen Deutschlands grenzen sich gegen
Klassik und Romantik ab und wenden sich der politischen und
sozialen Wirklichkeit zu. Sie fordern Demokratie und Freiheit.
­Literatur ist ein Mittel im Kampf gegen Zensur, eingeschränkte
Rede- und Pressefreiheit sowie «Demagogenverfolgungen» an
Universitäten («System Metternich»).

Carl Spitzweg: Engländer in der Campagna, 1845

• Themen und Tendenzen


Ein genauer Blick eröffnet hinter der (scheinbar) heilen Welt der Biedermeier-Idylle die sozialen
und menschlichen Probleme. Lösungen für die «Wirren der Zeit» sehen Biedermeier-Autoren
in einer bescheiden bürgerlich vernünftigen Lebenshaltung und z.T. im Glauben. Manche
Schreibende fühlen sich nur noch als Epigonen – «unbedeutende Nachfahren» – der Klassiker
• Gesellschaft und Goethe und Schiller.
Geschichte Das Junge Deutschland hingegen propagiert liberale Gesinnung und will eine Revolution –
Am Wiener Kongress die allerdings scheitert. Nicht zuletzt ist das Scheitern auf sehr unterschiedliche Vorstellungen
wird die Forderung nach
Nationalstaaten für
und Interessen sowie wenig Einigkeit zurückzuführen. Nationalgefühl und liberales Denken
Polen, Deutsche und Ita­© 2023 schliessen
Verlag SKV AG:sich
Fokusnicht aus.
Sprache, Studenten
Fokus in nationalistischen
Sprache BM mit Burschenschaften
digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen fordern ein
liener der Idee des geeintes
Persönliches ExemplarDeutschland. DieEffretikon
von Liza Basha, 8307 Autoren werden als «antichristlich, gotteslästerlich und alle Sitte,
Gleichgewichts zwischen Scham und Ehrbarkeit mit Füssen tretend» bezeichnet. In Göttingen werden sieben Professo-
den fünf Grossmächten ren – unter ihnen die Brüder Grimm – wegen ihrer liberalen Forderungen ihres Amtes ent-
geopfert. Die Heilige
Allianz und Kanzler Met-
hoben und einige des Landes verwiesen.
ternich versuchen, die
liberale Opposition in • Epik – Dramatik – Lyrik
einem System der Re­
staura­tion zu unter- Biedermeier-Literatur ist bekannt für zahlreiche bis heute geschätzte Novellen und Erzählun-
drücken. Gegen revolu- gen, insgesamt eher kleinere epische Formen. Die Jungen Deutschen oder Autoren des Vor-
tionäre Unruhen wird märz (wegen der Märzrevolution so genannt) schreiben Dramen und Gedichte, u. a. politische
gemeinsam militärisch Lyrik: «Denk ich an Deutschland in der Nacht, / Dann bin ich um den Schlaf gebracht»
vorgegangen.
1848 wird zur unvoll-
(Heinrich Heine). Hinzu kommen Flugblätter, politische Manifeste und auch Reiseberichte.
endeten Revolution: Die
Deutsche Frage scheitert
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren
unter anderem an der Biedermeier
Rolle Österreichs und den
fehlenden Machtmitteln
• Jeremias Gotthelf: Uli der Knecht, 1841/1846; Die schwarze Spinne, 1842 L esetipp !
der Revolutionäre, bevor • Annette von Droste Hülshoff: Die Judenbuche, 1842 L esetipp !
sie durch die militärische • Adalbert Stifter: Brigitta, 1844 L esetipp !
Intervention Preussens • Eduard Mörike: Mozart auf der Reise nach Prag, 1856
gänzlich niedergeschlagen
wird. Fast überall trium- Junges Deutschland
phiert die konservative • Heinrich Heine: Buch der Lieder, 1827; Deutschland. Ein Wintermärchen, 1844
Staatsautorität. • Georg Büchner: Woyzeck, 1836/37 (veröffentlicht 1879) L esetipp !; Leonce und Lena,
In der Schweiz wird nach
dem Sonderbundskrieg
1836/38
die moderne Eidgenos-  eltliteratur
W
senschaft gegründet.
• Charles Dickens: Oliver Twist, 1837/39
• Alexandre Dumas: Der Graf von Monte Christo, 1844/46

118 Literaturatelier
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
Aufgabe

Die beiden folgenden Textauszüge verdeutlichen die Unterschiede zwischen Biedermeier und
dem Jungen Deutschland.

• Was meint Adalbert Stifter, wenn er im folgenden Textauszug vom sanften Gesetz spricht?
Was zeigt der Text Büchners?

A d a l be r t S t i f t e r , 1 8 0 5 – 1 8 6 8 suchen, wodurch das menschliche Geschlecht gelei-


tet wird.
Das sanfte Gesetz


35 (. . .) Es ist das Gesetz dieser Kräfte, das Gesetz der
(Auszug aus der Vorrede zu den Bunten Steinen)
Gerechtigkeit, das Gesetz der Sitte, das Gesetz, das
will, dass jeder geachtet, geehrt, ungefährdet neben
1 Das Wehen der Luft, das Rieseln des Wassers, das dem anderen bestehe, dass er seine höhere mensch-
Wachsen der Getreide, das Wogen des Meeres, das liche Laufbahn gehen könne, sich Liebe und Be-
Grünen der Erde, das Glänzen des Himmels, das 40 wunderung seiner Mitmenschen erwerbe, dass er
Schimmern der Gestirne halte ich für gross: das als Kleinod gehütet werde, wie jeder Mensch ein
5 prächtig einherziehende Gewitter, den Blitz, welcher Kleinod für alle andern Menschen ist. 1852
Häuser spaltet, den Sturm, der die Brandung treibt,
den feuerspeienden Berg, das Erdbeben, welches Georg Büchner, 1813–1837
Länder verschüttet, halte ich nicht für grösser als
Der Hessische Landbote
obige Erscheinungen, ja ich halte sie für kleiner,
10 weil sie nur Wirkungen viel höherer Gesetze sind. 1 Friede den Hütten! Krieg den Palästen!
Sie kommen auf einzelnen Stellen vor und sind die Im Jahre 1834 sieht es aus, als würde die Bibel
Ergebnisse einseitiger Ursachen. Die Kraft, welche Lügen gestraft. Es sieht aus, als hätte Gott die
die Milch im Töpfchen der armen Frau empor- Bauern und Handwerker am fünften Tage und die
schwellen und übergehen macht, ist es auch, die 5 Fürsten und Vornehmen am sechsten gemacht, und
15 die Lava in dem feuerspeienden Berge emportreibt als hätte der Herr zu diesen gesagt: «Herrschet über
und auf den Flächen der Berge hinabgleiten lässt. alles Getier, das auf Erden kriecht», und hätte die
(...) Bauern und Bürger zum Gewürm gezählt. Das Leben
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So wie es in derPersönliches
äusseren Naturvonist,
Exemplar Lizaso ist8307
Basha, es auch in
Effretikon der Vornehmen ist ein langer Sonntag: sie wohnen
der inneren, in der des menschlichen Geschlechtes. 10 in schönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie
20 Ein ganzes Leben voll Gerechtigkeit, Einfachheit, haben feiste Gesichter und reden eine eigne Spra-
Bezwingung seiner selbst, Verstandesmässigkeit, che; das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf
Wirksamkeit in seinem Kreis, Bewunderung des dem Acker. (. . .)
Schönen, verbunden mit einem heiteren gelassenen Für das Ministerium des Innern und der Gerechtig-
Sterben, halte ich für gross: mächtige Bewegungen 15 keitspflege werden bezahlt 1’110’607 Gulden. Dafür
25 des Gemütes, furchtbar einherrollenden Zorn, die habt ihr einen Wust von Gesetzen, zusammenge-
Begier nach Rache, den entzündeten Geist, der nach häuft aus willkürlichen Verordnungen aller Jahr-
Tätigkeit strebt, umreisst, ändert, zerstört und in der hunderte, meist geschrieben in einer fremden
Erregung oft das eigene Leben hinwirft, halte ich Sprache. (.. .) Die Justiz ist in Deutschland seit Jahr-
nicht für grösser, sondern für kleiner, da diese Dinge 20 hunderten die Hure der deutschen Fürsten. Jeden
30 so gut nur Hervorbringungen einzelner und einseiti- Schritt zu ihr müsst ihr mit Silber pflastern, und mit
ger Kräfte sind, wie Stürme, feuerspeiende Berge, Armut und Erniedrigung erkauft ihr ihre Sprüche.
Erdbeben. Wir wollen das sanfte Gesetz zu erblicken 1834

Literatur hören und sehen


• Bekannt sind verschiedene Gotthelf-Verfilmungen wie «Uli der Knecht», «Die schwarze
Spinne». Georg Büchners «Woyzeck» ist immer wieder eine Herausforderung für Film
und Theater. Die Romane von Charles Dickens («Oliver Twist») und Alexandre Dumas
(«Der Graf von Monte Christo») sind häufig (mehr oder auch weniger gelungen) verfilmt
worden.

• Was bleibt
• Welche Unterschiede bestehen zwischen den beiden Epochen-Begriffen?
• Lesen und analysieren Sie mindestens eine Novelle der Zeit.
• Informieren Sie sich über Georg Büchner und seine Beziehung zur Schweiz.
• Wie lässt sich die bis heute anhaltende Faszination an Büchners «Woyzeck» erklären?

Literaturatelier 119
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
6.3 Realismus, 1850 – 1890

• Begriff
Nach verklärender Romantik, nach dem Rückzug ins Bieder­
meierliche und nach revolutionärem Überschwang von 1848
wendet sich die Literatur des Realismus der wirklichen Welt zu,
genauer – der bürgerlichen Wirklichkeit: Nicht das Abbild,
sondern die «Widerspiegelung allen wirklichen Lebens, aller
wahren Kräfte und Interessen im Elemente der Kunst» ist beab-
sichtigt. Daher ist häufig auch vom poetischen Realismus die
Rede.
Während das öffentliche Selbstbewusstsein des Bürgertums
natio­nalistische und zunehmend imperialistische Züge annimmt,
legen zahlreiche Novellen und Romane die Schwächen dieser
Welt dar. ­Menschen – literarische Figuren – scheitern, wenn die
Fassade zerbricht. Allerdings werden die Katastrophen mit abge-
Karl Eduard Biermann: Borsig’s Maschinenbau-Anstalt zu
Berlin, 1847
klärter Distanz, aber auch mit Humor und Ironie entschärft.
Nicht die Anklage, die Provokation ist wichtig, sondern das
genau beobachtete Bild der Menschen und der Gesellschaft.

• Themen und Tendenzen


Zwar repräsentieren noch Kaiser und Könige die Staaten, aber die Macht im Staate hat in den
meisten europäischen Ländern weitgehend das Grossbürgertum. Repräsentationsbauten und
Prachtboulevards widerspiegeln diese Macht: Wiener Ringstrasse, Berliner Kurfürstendamm,
z.T. die Avenue des Champs-Élysées.
• Gesellschaft und Die Faszination der Naturwissenschaften, die Fortschritte der Technik, die scheinbare
Geschichte Beherrsch­barkeit der Natur sowie der wirtschaftliche Erfolg führen dazu, dass die Religion
In Mitteleuropa setzt die
Industrialisierung ein,
und ein herkömmliches Gottesbild ihren Einfluss weiter verlieren.
das Grossbürgertum Der Philosoph Friedrich Nietzsche (1844–1900) formuliert: «Gott ist tot.» Der Naturforscher
© 2023 Charles
Verlag SKV Darwin
AG: Fokus veröffentlicht
Sprache, Fokus Sprache
als BM mit digitalen
Ergebnis Lösungen
seiner (bis und
zu Kommentar
fünf Jahrefür dauernden)
Lehrpersonen Weltreisen die
(Bourgeoisie) wächst und
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
wird reich: Die Massen- Evolutionstheorie unter dem Titel «Über die Entstehung der Arten»: Der Mensch ist darin
produktion verdrängt die keine göttliche Schöpfung, sondern ein Naturprodukt. In der Philosophie verbreitet sich mate-
Heim­arbeit. Ehemalige
Heimarbeiter und Klein-
rialistisches (gegen idealistisches) Denken.
bauern ziehen in die Fa­ Doch hinter der geschönten Fassade von Wohlstand und Fortschritt – versinnbildlicht in zahl-
brik­städte – oder wan- reichen Weltausstellungen seit 1851 – entstehen neue Probleme: Armut, Ausbeutung, Unter-
dern aus: 1882 ziehen drückung fremder Völker (Kolonien). Erste Zweifel an den traditionellen bürgerlichen Werten
13’500 Schweizer nach werden laut.
Über­see.
Eine Verstädterung setzt
ein; schnell wachsen • Epik – Dramatik – Lyrik
Grossstädte mit repräsen-
tativen Bauten für die
Schauerromane, triefende Schicksals- und Liebesgeschichten bedienten den Publikumsge-
Oberschicht: Die neue schmack – vergleichbar mit gegenwärtigen TV-Dauerserien. Literarische Werke, die heute als
Macht wird sichtbar. epochentypisch gelten, waren nicht unbedingt die Bestseller ihrer Zeit. Sie zeigen die nega-
Ein Beispiel für Fort- tiven Seiten des mächtig gewordenen Bürgertums, des Reichtums, der Industrialisierung:
schrittsglauben und tech- übertriebener Ehrbegriff, heuchlerische Moral, Unverständnis für Unterprivilegierte und sozial
nische Machbarkeit ist der
Gotthardtunnel. Nach
Schwache, oberflächlicher Optimismus und naiver Fortschrittsglaube.
über 25 Jahren Planung Romane und Novellen sind die bevorzugten literarischen Formen des Realismus. In ihnen
und zahlreichen Querelen kann eine eigene Welt vor Augen geführt werden, die den Aufstieg und Fall von Menschen
beginnt der Bau 1872. nachzeichnet. Novellen steuern auf einen dramatischen Höhepunkt zu, an dem sich die Hand-
Der damals längste Tunnel lung plötzlich dreht: Ein «Held» scheitert und muss die Grenzen menschlichen Handelns
der Welt wird 1882 er­
öffnet.
erleben.

120 Literaturatelier
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Der Realismus ist eine übernationale Epoche mit nationalen Eigenheiten. Die herausragen- Nach dem gewonnenen

MODUL F
den Romane und Novellen dieser Zeit sind auch heute noch sprachlich wie psychologisch eine Deutsch-fran­zö­sischen
Krieg wird das Deutsche
faszinierende Lektüre. Daneben entstehen berühmte Gedichte und bis heute bekannte Balla- Reich gegründet, und
den, z.B. Fontanes «Brück’ am Tay». zwar im Spiegelsaal von
Versailles. Der preussische
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren König ist jetzt deutscher
Kaiser. Seine Politik wird
• Gottfried Keller: Romeo und Julia auf dem Dorfe, 1856 L esetipp ! Kleider machen Leute, aber von Kanzler Bis­
1874 L esetipp ! marck gesteuert, der als
• Wilhelm Busch: Max und Moritz, 1865 Verfechter der Realpoli-
• Johanna Spyri: Heidis Lehr- und Wanderjahre, 1880 tik gilt.
• Conrad Ferdinand Meyer: Kleine Novellen, 1882/83 Er ist auf Ausgleich be-


dacht und bindet das
• Marie von Ebner-Eschenbach: Krambambuli, 1883 L esetipp ! Deutsche Reich in ein viel-
• Theodor Storm: Der Schimmelreiter, 1888 L esetipp ! fältiges Bündnissystem
• Theodor Fontane: Irrungen, Wirrungen, 1888 L esetipp ! Effi Briest, 1896 ein. Noch engagiert sich
das Reich kaum in Afrika
 eltliteratur
W und Asien, wo Grossbri-
• Harriet Beecher Stowe: Onkel Toms Hütte, 1852 tannien, Frankreich und
• Gustave Flaubert: Madame Bovary, 1857 andere Mächte ihre Kolo-
• Leo N. Tolstoi: Krieg und Frieden, 1868/69 nialreiche aufzubauen
beginnen (Imperialismus).
• Robert L. B. Stevenson: Die Schatzinsel, 1883
• Mark Twain: Die Abenteuer Huckleberry Finns, 1884

T he o d o r F o n t a n e , 1 8 1 9 – 1 8 9 8
Realismus
1 Unter Realismus «verstehen wir nicht das nackte Wiedergeben alltäglichen Lebens, am
wenigsten seines Elends und seiner Schattenseiten. (. . .) Aber es ist doch nicht allzu
lange her, dass man (namentlich in der Malerei) Misere mit Realismus verwechselte und
bei der Darstellung eines sterbenden Proletariers, den hungernde Kinder umstehen, (.. .)
5 sich einbildete, ©der
2023Kunst eine
Verlag SKV AG:glänzende
Fokus Sprache,Richtung
Fokus Sprache vorgezeichnet zu haben.
BM mit digitalen Lösungen Diese Rich-
und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
tung verhält sich zum echten Realismus wie das rohe Erz zum Metall. Die Läuterung
fehlt. Wohl ist das Motto des Realismus der Goethesche Zuruf:
Greif nur hinein ins volle Menschenleben, / Wo du es packst, da ist’s interessant;
aber freilich, die Hand, die diesen Griff tut, muss eine künstlerische sein. Das Leben ist
10 doch immer nur der Marmorsteinbruch, der den Stoff zu unendlichen Bildwerken in sich
trägt, sie schlummern darin, aber nur dem Auge des Geweihten sichtbar und nur durch
seine Hand zu erwecken.» 1853

Aufgabe

T he o d o r F o n t a n e , 1 8 1 9 – 1 8 9 8
Effi Briest (Siebenundzwanzigstes Kapitel)
Baron von Innstetten, 20 Jahre älter als Effi Briest, entdeckt die Liebesbriefe einer kurzen Bezie-
hung seiner Frau Effi zu Major von Crampas.

• Welches Problem beschäftigt im folgenden Auszug Innstetten und Geheimrat Wüllersdorf?

1 Innstetten hatte die Briefe kaum wieder beiseite geschoben, als draussen die Klingel
ging. Gleich danach meldete Johanna: «Geheimrat Wüllersdorf.»
Wüllersdorf trat ein und sah auf den ersten Blick, dass etwas vorgefallen sein müsse.
«Pardon, Wüllersdorf», empfing ihn Innstetten, «dass ich Sie gebeten habe, noch gleich
5 heute bei mir vorzusprechen. Ich störe niemand gern in seiner Abendruhe, am wenigsten
einen geplagten Ministerialrat. Es ging aber nicht anders. Ich bitte Sie, machen Sie sich’s
bequem. Und hier eine Zigarre.»

Literaturatelier 121
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Effi Briest – in einem Wüllersdorf setzte sich. Innstetten ging wieder auf und ab und wäre bei der ihn verzeh-
Satz renden Unruhe gern in Bewegung geblieben, sah aber, dass das nicht gehe. So nahm er
20 Jahre jünger als ihr
karrierebewusster Mann
10 denn auch seinerseits eine Zigarre, setzte sich Wüllersdorf gegenüber und versuchte
und in der Pro­vinz inner- ruhig zu sein. «Es ist», begann er, «um zweier Dinge willen, dass ich Sie habe bitten
lich ver­ein­samt, geht Effi lassen: erst um eine Forderung zu überbringen und zweitens um hinterher, in der Sache
ein Verhältnis mit dem selbst, mein Sekundant zu sein; das eine ist nicht angenehm und das andere noch weni-
Bezirkskommandanten ger. (. . .) Es handelt sich um einen Galan meiner Frau, der zugleich mein Freund war
Crampas ein, das sie gern
löst, als ihr Mann nach
15 oder doch beinah.» (. . .)
Berlin ver­setzt wird, wo «Innstetten, Ihre Lage ist furchtbar, und Ihr Lebensglück ist hin. Aber wenn Sie den
die Ehe jahrelang harmo- Liebhaber totschiessen, ist Ihr Lebensglück sozusagen doppelt hin, und zu dem Schmerz
nisch verläuft, bis Effis über empfangenes Leid kommt noch der Schmerz über getanes Leid. Alles dreht sich um
Mann Crampas’ Liebes- die Frage, müssen Sie’s durchaus tun? Fühlen Sie sich so verletzt, beleidigt, empört, dass
briefe findet, Crampas
aus gesellschaftlichen
20 einer weg muss, er oder Sie? Steht es so?» (. . .)
Gründen zum Duell for- «Es steht so, dass ich unendlich unglücklich bin; ich bin gekränkt, schändlich hintergan-
dert, ihn dabei tötet und gen, aber trotzdem, ich bin ohne jedes Gefühl von Hass oder gar von Durst nach Rache.
Effi verstösst, die nach Und wenn ich mich frage, warum nicht, so kann ich zunächst nichts anderes finden als
einigen Jahren der die Jahre. Man spricht immer von unsühnbarer Schuld; vor Gott ist es gewiss falsch,
Armut – im Bewusstsein,
dass ihr Mann richtig ge-
25 aber vor den Menschen auch. Ich hätte nie geglaubt, dass die Zeit, rein als Zeit, so wir-
handelt habe – auf dem ken könne. Und dann als zweites: Ich liebe meine Frau, ja, seltsam zu sagen, ich liebe
Gut ihrer Eltern stirbt. sie noch, und so furchtbar ich alles finde, was geschehen, ich bin so sehr im Bann ihrer
(Neckam, 2007) Liebenswürdigkeit, eines ihr eigenen heiteren Charmes, dass ich mich, mir selbst zum
Trotz, in meinem letzten Herzenswinkel zum Verzeihen geneigt fühle.» (. . .)
30 Wüllersdorf war aufgestanden. «Ich finde es furchtbar, dass Sie recht haben, aber Sie
haben recht. Ich quäle Sie nicht länger mit meinem ‹Muss es sein?›. Die Welt ist einmal,
wie sie ist, und die Dinge verlaufen nicht, wie wir wollen, sondern wie die andern wol-
len. Das mit dem ‹Gottesgericht›, wie manche hochtrabend versichern, ist freilich ein
Unsinn, nichts davon, umgekehrt, unser Ehrenkultus ist ein Götzendienst, aber wir müs-
35 sen uns ihm unterwerfen, solange der Götze gilt.» 1896

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Aufgabe
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

Brunnen der Villa Borghese, Rom


Conrad Ferdinand Meyer, 1825–1898
«Der römische Brunnen» des Schweizer Dichters Conrad Ferdinand Meyer liegt in mehreren Fas-
sungen vor. Erste Entwürfe hat er während eines Rom-Aufent­halts 1858 unter dem Eindruck
eines Brunnens in der Villa Borghese skizziert. Es vergehen elf Jahre, bis das Gedicht erstmals
publiziert wird, und weitere dreizehn, bis es im Oktober 1882 seine endgültige Gestalt erhält.
• Das Gedicht gilt als Musterbeispiel dafür, wie der dargestellte Gegenstand und die sprach­
liche Form nahezu perfekt übereinstimmen. Lesen Sie die vier Fassungen laut, und hören
Sie genau hin. Jetzt erkennen Sie sicher die letzte und gelungenste Version: 1864 – 1865 –
1869 – 1882.

122 Literaturatelier
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Der schöne Brunnen (––––––––––––––––––––––) Der Brunnen (––––––––––––––––––––––)

MODUL F
In einem römischen Garten In einem römischen Garten
Weiss ich einen schönen Bronnen, Verborgen ist ein Bronne,
Von Laubwerk aller Arten Behütet von dem harten
Umwölbt und grün umsponnen. Geleucht der Mittagssonne,
Er steigt in lichtem Strahle, Er steigt in schlankem Strahle
Der unerschöpflich ist, In dunkle Laubesnacht
Und plätschert in eine Schale, Und sinkt in eine Schale
Die golden wallend überfliesst. Und übergiesst sie sacht.
Das Wasser flutet nieder Die Wasser steigen nieder
In zweiter Schale Mitte, In zweiter Schale Mitte


Und voll ist diese wieder, Und voll ist diese wieder,
Es flutet in die dritte: Sie fluten in die dritte:
Ein Geben und ein Nehmen Ein Nehmen und ein Geben
Und alle bleiben reich. Und alle bleiben reich,
Und alle Stufen strömen Und alle Fluten leben
Und scheinen unbewegt zugleich. Und ruhen doch zugleich

Der römische Brunnen (–––––––––––––––––––––) Der Brunnen (––––––––––––––––––––––)


Aufsteigt der Strahl und fallend giesst Der Springquell plätschert und erfüllt
Er voll der Marmorschale Rund, Die Schale, dass sie überfliesst;
Die, sich verschleiernd, überfliesst Die steht vom Wasser leicht umhüllt,
In einer zweiten Schale Grund; Indem sie’s in die zweite giesst;
Die zweite gibt, sie wird zu reich, Und diese wallt und wird zu reich
Der dritten wallend ihre Flut, Und gibt der dritten ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich Und jede gibt und nimmt zugleich,
Und strömt und ruht. Und alles strömt und alles ruht.

Literatur hören und


© 2023sehen
Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Theodor Fontanes Roman «Effi Briest» liegt in zahlreichen Verfilmungen vor. Besonders
interessant ist der Film aus dem Jahre 2008, dessen Schluss von der Vorlage abweicht
und eine emanzipierte Frau zeigt.
• Novellen: Auch Theodor Storms «Der Schimmelreiter» und Gottfried Kellers «Romeo
und Julia auf dem Dorfe» sind mehrfach verfilmt worden. Zudem sind Umarbeitungen in
Hörspiele und dramatisierte Hörfassungen (Hörbücher) erhältlich. W ilhelm B usch , 1832–1908
• Die Werke, die unter «Weltliteratur» aufgeführt sind, werden regelmässig neu verfilmt –
und sind meist sehenswert. Im Sommer
• Auf YouTube finden sich zahlreiche Ausschnitte unterschiedlicher Qualität. Auch Fonta- In Sommerbäder
nes Balladen «Die Brück’ am Tay» oder «John Maynard» (als Rapversion) sind hörens- Reist jetzt ein jeder
und sehenswert. Und lebt famos.
Der arme Dokter,
Zu Hause hockt er
Patientenlos.
• Was bleibt
Von Winterszenen,
• Definieren Sie Realismus in eigenen Worten. Von schrecklich schönen,
• Was besagt die Evolutionstheorie? Träumt sein Gemüt,
Wenn, Dank ihr Götter,
• Wie interpretieren Sie die «geschönte Fassade von Wohlstand und Fortschritt»?
Bei Hundewetter
• Was ist der Sinn von Weltausstellungen? Sein Weizen blüht. 1909
• Lesen Sie mindestens eine Novelle, und untersuchen Sie, welche Merkmale des Realismus
und der Gattung Novelle zutreffen – und wo sich Abweichungen finden lassen.

Literaturatelier 123
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
6.4 Naturalismus, 1880–1900

• Begriff
Während die grossen realistischen Autorinnen und Autoren ihr Alters-
werk mit klugem Humor und feiner Ironie vollenden, fordern Jüngere
eine neue, schärfere Sicht der Wirklichkeit. Naturalistisch heisst die
naturgetreue Abbildung, ohne etwas zu überhöhen, zu verklären,
ohne sprachliche «Bearbeitung» oder Beschönigung. Die objektivie-
rende Tendenz des Realismus soll radikal fortgesetzt werden; das
Hässliche darf nicht ausgeklammert oder verschwiegen werden. Man
will bewusst modern sein. Naturalismus ist eine gesamteuropäische
Bewegung. Insgesamt gesehen war sie (sehr) kurz, aber enorm heftig
mit wichtigen Auswirkungen auf spätere Epochen. Vor allem provo-
zierte der Naturalismus starke Gegenreaktionen.

• Themen und Tendenzen


Das gesellschaftliche Elend – das Leben in Mietskasernen, die Ver-
elendung, Ausbeutung, Arbeitslosigkeit und Alkoholismus sowie zer-
rüttete Familienverhältnisse – muss objektiv erlebbar dargestellt wer-
1882 wurde eine
Gruppe von «Feuer- den. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen den Menschen als Produkt seiner Erbanlagen, des
ländern» in Zürich «aus­ Milieus sowie der geschichtlichen Situation (Determinationslehre). Arno Holz und Johannes
gestellt»; einige starben Schlaf brachten das Kunst- und Literaturverständnis auf die Formel Kunst = Natur – x. Dabei
u. a. an Syphilis. sollte x möglichst klein sein, damit die Natur unverfälscht vermittelt wird. In zahlreichen Kunst-
und Literaturzeitschriften wird engagiert über die richtige Kunst und Literatur diskutiert und
gestritten. «Wir brechen mit den alten, überlieferten Motiven. Wir werfen die abgenutzten
Schablonen von uns. Wir singen nicht für die Salons, das Badezimmer, die Spinnstube –
• Gesellschaft und
Geschichte wir singen frei und offen, wie es uns ums Herz ist.»
Die Fabrikarbeiter leiden
in den riesigen Arbeiter­ • Epik – Dramatik – Lyrik
slums, die sich an den © 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Rändern der Fabrikstädte Zu den
Persönliches naturalistischen
Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon zählen Dialekt und Sekundenstil: Jedes wahrnehmbare
Stilmitteln
bilden, unter Wohnungs- Detail soll abgebildet («kopiert») werden. Das Drama ist die bevorzugte Gattung; als vorbild-
not und -elend. Sozial- lich gelten die Stücke des Norwegers Henrik Ibsen und des Schweden August Strindberg.
demokraten und Gewerk- Gerhart Hauptmanns «Vor Sonnenaufgang» gilt als typisches Beispiel eines naturalistischen
schaften haben grossen
Zulauf, die soziale Frage Dramas. Es löst bei seiner Uraufführung 1889 wegen der ungewohnten Darstellungsweise
wird immer drängender: Tumulte aus. Sowohl der «Realist» Theodor Fontane als auch Arno Holz sind vom Stück be-
Un­ruhen drohen. geistert: «… das beste Drama, das jemals in deutscher Sprache geschrieben worden ist».
Die europäischen Mächte Hauptmanns Novelle «Bahnwärter Thiel» ist bis heute eine faszinierende Lektüre und zeigt gut
teilen Afrika und Asien lesbar und verständlich alle Merkmale des Naturalismus auf.
untereinander auf und
richten Kolonien ein.
Menschen aus den Kolo-
nien werden den Euro­ Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren
päern in Völkerschauen • Gerhart Hauptmann: Bahnwärter Thiel, 1888 L esetipp ! Vor Sonnenaufgang, 1889;
als Wilde präsentiert Die Weber, 1892
(s. Abb. oben). Der • Arno Holz (mit Johannes Schlaf): Die Familie Selicke, 1890
­Sozialdarwinismus
rechtfertigt die Ausbeu- Weltliteratur
tung fremder Völker. • August Strindberg: Fräulein Julie, 1888
Dank Monokulturen kön-
nen Kolonialwaren nun
• Henrik Ibsen: Nora oder Ein Puppenheim, 1879 L esetipp ! Ein Volksfeind, 1882;
günstig nach Europa Die Wildente, 1884 L esetipp !
importiert werden.

124 Literaturatelier
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
Aufgabe

Gerhart Hauptmann, 1862–1946


Die Weber, 2. Akt: Bühnenanweisungen
Arno Holz und Johannes Schlaf veröffentlichten 1891 in der pro­
grammatischen Schrift «Die Kunst, ihr Wesen und ihre Gesetze» die
Theorie eines konsequenten Naturalismus, der auf exakte Milieuschil-
derung unter Einbezug auch umgangssprachlicher Elemente abzielte.
Jegliche Subjektivität sollte eliminiert werden.


• Wie hängen die folgenden Regieanweisungen Gerhart Haupt-
manns mit diesen Forderungen von Arno Holz und Johannes Schlaf
zusammen?
• Was ist an ihnen «naturalistisch»? Emil Orlik: Die Weber, 1897

1 Das Stübchen des Häuslers Wilhelm Ansorge zu Kaschbach im Eulengebirge. In einem


engen, von der sehr schadhaften Diele bis zur schwarz verräucherten Balkendecke nicht
sechs Fuss hohen Raum sitzen: zwei junge Mädchen, Emma und Bertha Baumert, an
Webstühlen – Mutter Baumert, eine kontrakte Alte, auf einem Schemel am Bett, vor sich
5 ein Spulrad – ihr Sohn August, zwanzigjährig, idiotisch, mit kleinem Rumpf und Kopf
und langen, spinnenartigen Extremitäten auf einem Fussschemel, ebenfalls spulend.
Durch zwei kleine, zum Teil mit Papier verklebte und mit Stroh verstopfte Fensterlöcher
der linken Wand dringt schwaches, rosafarbenes Licht des Abends. Es fällt auf das
weissblonde, offene Haar der Mädchen, auf ihre unbekleideten, mageren Schultern sowie
10 dünne, wächserne Nacken, auf die Falten des groben Hemdes im Rücken, das, nebst
einem kurzen Röckchen aus härtester Leinewand, ihre einzige Bekleidung ist. Der alten
Frau leuchtet der warme Hauch voll über Gesicht, Hals und Brust: ein Gesicht, abge-
magert zum Skelett, mit Falten und Runzeln in einer blutlosen Haut, mit versunkenen
Augen, die durch Wollstaub, Rauch und Arbeit bei Licht entzündlich gerötet und wäss-
15 rig sind, einen langen Kropfhals
© 2023 Verlag mitSprache,
SKV AG: Fokus FaltenFokus
undSprache
Sehnen,
BM miteine eingefallene,
digitalen mit verschos-
Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
senen Tüchern und Lappen verpackte Brust.
Ein Teil der rechten Wand mit Ofen und Ofenbank, Bettstelle und mehreren grell ge-
tuschten Heiligenbildern steht auch noch im Licht. – Auf der Ofenstange hängen Lum-
pen zum Trocknen, hinter dem Ofen ist altes, wertloses Gerümpel angehäuft. Auf der
20 Ofenbank stehen einige alte Töpfe und Kochgeräte, Kartoffelschalen sind zum Dörren
auf Papier gelegt. – Von den Balken herab hängen Garnsträhne und Weifen. Körbchen
mit Spulen stehen neben den Webstühlen. In der Hinterwand ist eine niedrige Tür ohne
Schloss. Ein Bündel Weidenruten ist daneben an die Wand gelehnt. Mehrere schadhafte
Viertelkörbe stehen dabei. – Das Getöse der Webstühle, das rhythmische Gewuchte der
25 Lade, davon Erdboden und Wände erschüttert werden, das Schlurren und Schnappen des
hin- und her geschnellten Schiffchens erfüllen den Raum. Dahinein mischt sich das
tiefe, gleichmässig fortgesetzte Getön der Spulräder, das dem Summen grosser Hummeln
gleicht. 1894

Literatur hören und sehen


• Einzelne Werke Gerhart Hauptmanns sind seit den Zwanzigerjahren immer wieder ver-
filmt worden, u.a. «Bahnwärter Thiel». Gelungene Verfilmungen und Inszenierungen
der Dramen Ibsens und Strindbergs gibt es zahlreiche.

• Was bleibt
• Definieren Sie Naturalismus in eigenen Worten, und grenzen Sie den Begriff gegen den
Realismus ab.
• Welche Themen behandelt der Naturalismus – und warum?
• Erklären Sie die Kunstformel des Naturalismus sowie den Begriff «Sekundenstil».
• Wo liegen die Grenzen naturalistischer Darstellungen?

Literaturatelier 125
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
7 Das 20. Jahrhundert – das Jahrhundert der Ideologien

An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert – «Fin de Siècle» –


laufen mehrere unterschiedliche Strömungen in Politik, Kunst, Litera-
tur, aber auch in Technik und Wissenschaft neben-, mit- und gegen-
einander, eine Reihe von «Ismen»: Ausläufer des Realismus und
Naturalismus, ferner Impressionismus, Expressionismus und Symbo­
lismus (später Futurismus) sowie Nihilismus, Pazifismus, Marxismus,
Kommunismus, Sozialismus, Nationalismus, Nationalsozialismus,
Militarismus – und Kapitalismus.
Die Dynamik dieser Strömungen bewirkt enorme Veränderungen,
die bis heute nach­wirken, z. B. in der Psychoanalyse, der Relativitäts-
theorie, in der expressiven Malerei sowie im Nationalismus.

7.1 Jahrhundertwende, 1890–1920

• Begriff
Der Wandel aller Lebensbereiche schlägt sich in der Kunst in Pessimis-
Gustav Klimt: Der Kuss,
1908/09 mus, Nieder­gang und Weltschmerz nieder. Vor der seelenlosen Welt der Technik – und einer
drohenden Apokalypse – entsteht ein elitärer Schönheitskult (Ästhetizismus gegen
Naturalismus). Mit der Entdeckung des Unbewussten und der dunklen Seiten des Menschen
durch Sigmund Freud geht das Streben nach Sinnlichkeit (Trieberfüllung) und Genuss einher.
Eros und Sexualität werden mitunter provokativ thematisiert, z. B. in Arthur Schnitzlers Drama
• Gesellschaft und «Reigen», das sowohl als Buch 1900 als auch bei seiner Uraufführung 1920 (!) für Empörung
Geschichte
Nach der Verteilung der sorgte. Am Ende des Ersten Weltkriegs zerbricht «Die Welt von Gestern» (Stefan Zweig) end-
letzten Kolonien häufen gültig.
sich in Nordafrika und auf
dem Balkan die Konflikte • Themen und Tendenzen
zwischen den europäi- © 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
schen Gross­mächten. Ein Zahlreiche Figuren der Werke Thomas Manns und Arthur Schnitzlers verkörpern die Stim-
Krieg wird immer wahr- mungslage von Untergang und Verfall – allerdings in sprachlich vollendeter Form mit Meta-
scheinlicher; das Deutsche phern, Symbolen und anderen Stilmitteln. «Die Moderne» sucht nach neuen Ausdrucks-
Reich glaubt sich von den
Entente-Mäch­ten um- formen und leidet an den Grenzen der Sprache. Hugo von Hofmannsthal lässt Lord Chandos
zingelt und bedroht. in einem fiktiven Brief über dessen Sprachkrise klagen: Ihm sei «die Fähigkeit abhanden ge-
Öster­reich-Ungarn ver- kommen, über irgend etwas zusammenhängend zu denken und zu sprechen». Gleichzeitig
mag die Nationalitäten- werden der innere Monolog («Leutnant Gustl»), die erlebte Rede und der Bewusstseins-
probleme nicht zu lösen. strom («Stream of Conciousness») als neue literarische Mittel entwickelt.
Die Pazifisten gehen in
allen Ländern in der allge- Im Extremfall wird Kunst als funktionslos definiert, als «L’art pour l’art». Die Verherrlichung
meinen Kriegsbegeiste- des «schönen Scheiterns» lässt sich auch an den Gemälden der Zeit ablesen. Die Katastrophe
rung unter. Ein Krieg wird der «unsinkbaren» Titanic im April 1912 wirkt wie eine Metapher der Zeit: Von Grössenwahn
als männliche Kraftprobe, und Genusssucht getrieben, versinkt das selbstgefällige Grossbürgertum in den Fluten – und
als nationale Erfüllung, reisst Hunderte mit in den Tod.
als Erlösung aus dem jahr-
zehntelangen Frieden her-
beigesehnt. • Epik – Dramatik – Lyrik
Nach dem Attentat von
Sarajewo zwingen die Die Gedichte Rainer Maria Rilkes in einer ästhetisch überhöhten Sprache haben von ihrer
Bündnissysteme fast alle Wirkung bis heute nichts eingebüsst; für viele Menschen sind sie einfach «perfekt und schön»
europäischen Staaten in und absolute Höhepunkte deutscher Lyrik.
den Ersten Weltkrieg. Er Die Dramen und Novellen des Nervenarztes Arthur Schnitzler sind scharfsinnige Umsetzun-
wird zum ersten moder- gen der «Seelenkunde» (Psychoanalyse). Heinrich Manns Roman «Der Untertan» entlarvt über-
nen Massenvernichtungs-
krieg. Europas Kaiser- und zeugend die Autoritätsgläubigkeit und den Militarismus der Wilhelminischen Kaiserzeit.
Königreiche verschwin- In eine eigene literarische Kategorie fällt das Werk Franz Kafkas. Seine frühen Erzählungen
den. «Die Verwandlung» und «Das Urteil» zeigen autobiografische Züge und decken u. a. autoritäre
patriarchalische Familienstrukturen auf.

126 Literaturatelier
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Georg Trakl,

MODUL F
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren 1887–1914
• Karl May: Winnetou I, 1893
Verklärter Herbst
• Arthur Schnitzler: Leutnant Gustl, 1900; Reigen, 1900; Fräulein Else, 1924
• Thomas Mann: Buddenbrooks, 1901 Gewaltig endet so das
• Robert Walser: Geschwister Tanner, 1907; Der Gehülfe, 1908; Jakob von Gunten, 1909 Jahr / Mit goldnem Wein
und Frucht der Gärten. /
• Hermann Hesse: Unterm Rad, 1905 L esetipp ! Siddharta, 1922 Rund schweigen Wälder
• Robert Musil: Die Verwirrungen des Zöglings Törless, 1906 wunderbar / Und sind des
• Franz Kafka: Die Verwandlung, 1912/15 L esetipp ! Einsamen Gefährten. /
• Heinrich Mann: Professor Unrat, 1905; Der Untertan, 1918
• Rainer Maria Rilke: Gedichte L esetipp ! Da sagt der Landmann:
Es ist gut. / Ihr Abend­
• Hugo von Hofmannsthal: Jedermann, 1911


glocken lang und leise /
 eltliteratur
W Gebt noch zum Ende
frohen Mut. / Ein Vogel-
• Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray, 1890 L esetipp ! zug grüsst auf der Reise. /
• Selma Lagerlöf: Nils Holgerssons wundersame Reise, 1906/07
Es ist der Liebe milde
Zeit. / Im Kahn den
blauen Fluss hinunter /
Wie schön sich Bild an
Bildchen reiht – / Das
geht in Ruh und Schwei-
gen unter. 1912
Aufgabe

Hermann Hesse, 1877–1962


Unterm Rad
Hans Giebenrath, ein begabter Schüler, wird von seinem ehrgeizigen Vater und den Lehrern
überfordert, «verpasst» vor lauter Lernen seine Kindheit, wird schliesslich von der Internats-
schule gewiesen und tritt eine Lehrstelle an.

• Beschreiben Sie die Situation, und charakterisieren Sie Hans und Emma.
© 2023
• Wie erzeugt Hesse Verlag SKV AG:und
Atmosphäre FokusGefühle
Sprache, Fokus Sprache Textstelle?
in dieser BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

1 Es dunkelte schon. Aus einem nahen Wirtshaus tönte Geschrei und heiseres Singen her-
über. Manche Fenster waren beleuchtet, da und dort entzündete sich eins und wieder
eins und legte einen schwachen roten Schein in die dunkle Luft. Eine lange Reihe junger
Mädchen, Arm in Arm, flanierte unter lautem Gelächter und Gerede fröhlich gassab,
5 schwankte im unsicheren Licht und lief wie eine warme Woge von Jugend und Lust
durch die entschlummernden Gassen. Hans sah ihnen lange nach, das Herz schlug ihm
bis in den Hals. Hinter einem mit Gardinen verhängten Fenster hörte man Geige spielen.
Am Brunnen wusch ein Weib Salat. Auf der Brücke spazierten zwei Burschen mit ihren
Schätzen. Der eine hielt sein Mädchen lose an der Hand, schlenkerte ihren Arm und
10 rauchte seine Zigarre. Das zweite Paar ging langsam und engverschlungen weiter, der
Bursch umfasste die Hüfte des Mädchens, und sie drückte Schulter und Kopf fest gegen
seine Brust. Hans hatte das hundertmal gesehen und nicht beachtet. Jetzt hatte es einen
heimlichen Sinn, eine unklare, aber lüstern süsse Bedeutung; sein Blick blieb auf der
Gruppe ruhen, und seine Phantasie drängte ahnend einem nahen Verständnis entgegen.
15 Beklommen und im Innersten aufgerüttelt fühlte er sich einem grossen Geheimnis nahe,
von dem er nicht wusste, ob es köstlich oder schrecklich wäre, aber von beidem emp-
fand er bebend etwas voraus. Vor dem Flaigschen Häuschen machte er halt und fand
nicht den Mut einzutreten. Was sollte er drinnen tun und sagen? Er musste daran den-
ken, wie er als ein Bub von elf und zwölf Jahren oft hierhergekommen war; dann hatte
20 Flaig ihm biblische Geschichten erzählt und seinen stürmisch neugierigen Fragen über
die Hölle, den Teufel und die Geister standgehalten. Diese Erinnerungen waren unbe-
quem und gaben ihm ein schlechtes Gewissen. Er wusste nicht, was er tun wollte, er
wusste nicht einmal, was er eigentlich wünschte, doch wollte ihm scheinen, er stehe vor
etwas Heimlichem und Verbotenem. Es schien ihm unrecht gegen den Schuhmacher zu
25 sein, dass er im Finstern vor seiner Türe stand, ohne einzutreten. Und wenn jener ihn da
stehen sähe oder jetzt aus der Türe träte, würde er ihn wahrscheinlich nicht einmal
schelten, sondern auslachen, und davor graute ihm am meisten.
Er schlich sich hinter das Haus und konnte nun vom Gartenzaun aus in die erleuchtete

Literaturatelier 127
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Wohnstube hineinsehen. Den Meister sah er nicht. Die Frau schien etwas zu nähen oder
30 zu stricken, der älteste Knabe war noch auf und sass lesend am Tisch. Die Emma ging
hin und her, offenbar mit Aufräumen beschäftigt, so dass er sie immer nur für Augen-
blicke zu sehen bekam.
Es war so still, dass man jeden fernsten Schritt in der Gasse und jenseits des Gartens das
leise Strömen des Flusses deutlich hören konnte. Die Dunkelheit und Nachtkühle nahm
35 eilig zu.
Neben den Wohnzimmerfenstern lag ein kleineres Flurfenster dunkel. Nach einer langen
Weile erschien an diesem Fensterchen eine undeutliche Gestalt, lehnte sich heraus und
blickte in die Dunkelheit. Hans erkannte an der Figur, dass es Emma war, und vor
banger Erwartung stand ihm das Herz still. Sie blieb im Fenster stehen, lang und ruhig
40 herüberblickend, doch wusste er nicht, ob sie ihn sehe oder erkenne. Er regte kein Glied
und schaute starr zu ihr hinüber, mit ungewissem Zagen zugleich hoffend und
fürchtend, sie möchte ihn erkennen.
Und die undeutliche Gestalt verschwand wieder aus dem Fenster, gleich darauf klinkte
die kleine Gartentüre, und Emma kam aus dem Hause. Hans wollte im ersten Schrecken
45 auf und davon, blieb aber willenlos am Zaun lehnen und sah das Mädchen langsam ihm
entgegen durch den dunklen Garten schreiten, und bei jedem ihrer Schritte trieb es ihn
davonzulaufen und hielt etwas Stärkeres ihn zurück.
Nun stand Emma gerade vor ihm, keinen halben Schritt entfernt, nur der niedrige Zaun
dazwischen, und sie sah ihn aufmerksam und sonderbar an. Eine ganze Zeitlang sagte
50 keines ein Wort. Dann fragte sie leise:
«Was willst du?»
«Nichts», sagte er, und es fuhr ihm wie ein Streicheln über die Haut, dass sie ihm du ge-
sagt hatte.
Sie streckte ihm ihre Hand über den Zaun weg hin. Er nahm sie schüchtern und zärtlich
55 und drückte sie ein wenig, da merkte er, dass sie nicht zurückgezogen wurde, fasste Mut
und streichelte die warme Mädchenhand fein und vorsichtig. Und als sie ihm noch
immer willig überlassen blieb, legte er sie an seine Wange. Eine Flut von durchdringen-
der Lust, von seltsamer Wärme und seliger Müdigkeit überlief sein Wesen, die Luft um
ihn her schien ihm lau und föhnfeucht, er sah nicht Gasse noch Garten mehr, nur ein
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nahes helles
60 Exemplar
Persönliches Gesicht
von Liza Basha, 8307und ein Gewirre dunkler Haare.
Effretikon
Und es schien ihm aus einer grossen Nachtferne her zu tönen, als das Mädchen ganz
leise fragte: «Willst du mir einen Kuss geben?» 1905

Literatur hören und sehen


• Verfilmte Literatur dieser Zeit gibt es reichlich, hier ein paar Beispiele: Heinrich Manns
Roman «Professor Unrat», Robert Musils Novelle «Der junge Törless», Robert Walsers
Romane «Jakob von Gunten» und «Der Gehülfe» sowie verschiedene dokumentarische
Annäherungen an diesen Autor, z. B. «Robert Walser – Ein Poetenleben». Thomas Manns
«Buddenbrooks» (1901) sind ein beliebtes Filmthema, zuletzt 2008; dazu gibt’s mehrere
Dokumentationen und das Doku-Drama «Die Manns – Ein Jahrhundertroman» (2001).
Hugo von Hofmannsthals «Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes» wird
seit 1920 alljährlich an den Salzburger Festspielen mit einem Staraufgebot aufgeführt.
Davon existieren einige Aufzeichnungen.
• «Eyes Wide Shut», 1999, mit Tom Cruise und Nicole Kidman ist die eher freie Verfilmung
von Arthur Schnitzlers «Traumnovelle».
• YouTube bietet Rilke-Gedichte in unzähligen Vertonungen und Varianten.

• Was bleibt
• Klären Sie die Ihrer Meinung nach wichtigsten drei «Ismen» der Jahrhundertwende.
• Wie lassen sich Pessimismus, Nieder­gang und Weltschmerz aus der Zeit heraus erklären?
Wie kann der Untergang der Titanic interpretiert werden?
• Was ist mit Sigmund Freuds Psychoanalyse gemeint, und weshalb ist sie für Kunst und
Literatur interessant?
• Lesen und interpretieren Sie ein Werk aus der Epoche.
• Wie lässt sich diese Epoche mit der Gegenwart vergleichen?

128 Literaturatelier
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
7.2 Expressionismus, 1910–1925

• Begriff
Der Expressionismus ist eine der Reaktionen auf den Naturalismus:
Nicht das Abbild ist interessant, sondern das innere Erleben wird mit-
geteilt, daher der Begriff «Ausdruckskunst». Für die Generation der
zwischen 1875 und 1895 Geborenen widerspiegeln die Sprache und
die Farben die eigene Gefühlswelt. Der expressionistische Maler Franz
Marc erläutert sein Farbverständnis: «Blau ist das männliche Prinzip,
herb und geistig. Gelb das weibliche Prinzip, sanft, heiter und sinnlich.


Rot die Materie, brutal und schwer und stets die Farbe, die von den
anderen beiden bekämpft und überwunden werden muss!»
1916 wird in Zürich das «Cabaret Voltaire» eröffnet – der Ausgangs-
punkt des Dadaismus, einer neuen, kurzlebigen Kunstrichtung, die
sich als Protest gegen den Krieg und die bürgerliche Gesellschaft ver-
steht.
Franz Marc: Der Traum, 1912
• Themen und Tendenzen
Der Philosoph Oswald Spengler entspricht mit seinem «Untergang des Abendlandes» (1918) • Gesellschaft und
den zeitgenössischen Weltuntergangsfantasien. Nur ein utopischer «Übermensch» (Friedrich Geschichte
Nietzsche)» vermag die Gefahren zu überwinden. Unterschiedlichste Lebensentwürfe prallen Für die Zivilbevölkerung
bedeutet der Erste Welt­
aufeinander: einerseits Pessimismus, andererseits Pathos, Tragik, aber auch «Galgenhumor» krieg vor allem Hunger;
und Groteske. Der Erste Weltkrieg wird z.T. als Befreiung von der Monotonie des Alltags und die Soldaten erleben das
als «reinigendes Stahlgewitter» empfunden. Als seine Folgen sichtbar werden, stehen sich Elend in den Schützen-
ein radikaler Pazifismus und Rache- sowie Grossmachtsgelüste unvereinbar gegenüber. gräben. Millionen von
Kriegsversehrten prägen
das Strassenbild.
• Epik – Dramatik – Lyrik Nach dem verlorenen
Die Literatur – als «Bürgerschreck» – nimmt Tabuthemen auf, z. B. Drogen, Prostitution, Sexua- Krieg findet eine linke
Revolution statt, der deut-
lität, Wahn­sinn – der «Grossstadtsumpf».
© 2023 Eine radikal
Verlag SKV AG: Fokus Sprache, subjektive
Fokus Sprache Sprache
BM mit digitalen spielt
Lösungen undmit Lauten
Kommentar fürund sche Kaiser tritt zurück,
Lehrpersonen
Klängen, mit neuenPersönliches
Wortschöpfungen,
Exemplar von Lizabefreit sichEffretikon
Basha, 8307 vom Zwang der Grammatik, nutzt Collage- und Deutschland wird zur
und Montagetechniken sowie eine drastische Farbsymbolik und groteske Metaphern. Kurze (Weimarer) Republik.
Textsorten werden bevorzugt, es entstehen kaum lange Romane oder grosse Dramen. Gleichzeitig erlebt die
Schweiz den Landes­
streik, der mit Militärge-
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren walt niedergeschla­gen
• Heinrich Mann: Professor Unrat, 1905 L esetipp ! wird. Auf die Er­fül­lung
der Forderungen des
• Frank Wedekind: Frühlings Erwachen, Drama (1891; Uraufführung: 1906) L esetipp !
Oltener Aktionskomitees
• Carl Sternheim: Die Hose, 1911 (u.a. das Frauenstimm-
• Hans Arp, Sophie Taeuber-Arp; Hugo Ball, Emmy Ball-Hennings: Dada-Bewegung, ab recht) muss die Schweiz
1916 noch jahrzehntelang
• Walter Serner: Die Tigerin, 1925 warten.
Viele Deutsche verstehen
• Ernst Toller: Eine Jugend in Deutschland, 1933
den Frieden von Versail-
Weltliteratur les als Schandfrieden, die
SPD-Poli­tiker werden als
• Jack London: Wolfsblut, 1906 L esetipp !
Novemberverbrecher
• Jaroslav Hašek: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk, 1921/23 L esetipp ! verunglimpft.

Die Dadaisten in der Neuen Zürcher Zeitung vom 27. Mai 1934.

E mm y B a l l -H e n n i n g s , 1 8 8 5 – 1 9 4 8
Das Kabarett Voltaire
1 Schliesslich lernten wir einen internationalen Künstlerkreis kennen, der auf den Gedan-
ken verfiel, in der holländischen «Meierei», an der Spiegelgasse, das Kabarett Voltaire zu
gründen, das die Wiege des später berühmt gewordenen Dadaismus werden sollte. (. ..)
Eintritt wurde nicht erhoben, so dass der kleine Raum stets dicht und bunt besetzt war.
5 Nach dem Grundsatz von Hans Arp: «Man soll seinen Viktor nicht unter den Scheffel

Literaturatelier 129
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Literatur ist nicht stellen», wagte sich auch mancher aus dem Publikum aufs Podium, und brachte er
Pornografie seinen Kram nicht allzu vernünftig vor, so durfte er bestimmt auf Beifall rechnen.
Im Oktober 2011 steht
der Gymilehrer D.S. vor
Man musste, ähnlich wie Ball, behaupten, «ein Pferd macht müde sich’s bequem in
Gericht, weil er im Literar­ einem Vogelnest.» Anstatt:
gym­nasium Rämibühl 10 «Füllest wieder Busch und Tal / Still mit Nebelglanz»,
in Zürich mit 14- bis hatte man wie Richard Huelsenbeck zu dichten:
15-jährigen Schülern «Füllest wieder Busch und Schloss, / Pfeift der Rehbock, hüpft das Ross.»
Bücher gelesen hat, in
denen die Pubertät und
Das leuchtete nun freilich nicht jedem ohne weiteres ein, mancher schüttelte den Kopf
Sexualität thematisiert oder verliess unter Protest das Lokal. (. . .)
sind. Zum Beispiel «Früh- 15 Es wurde in unheimlich wirkenden Larven und Panzern getanzt, die an Tanks und Gas-
lings Erwachen» von masken erinnerten, an die furchtbare Ausrüstung des Krieges, wie die wilde Zeit’ über-
Frank Wedekind (…) haupt auf die Kunst abfärbte. Gebannt, unter dem Zwang der Zeit stehend, regte sich
Ohne zuvor mit dem Leh­
rer oder dem Rektor das
lediglich das Tumultane in ihren Jüngern, obwohl es meines Empfindens nach die Auf-
Gespräch gesucht zu gabe der Kunst ist, zu klären und nicht zu verwirren. Es geschah keine Verwandlung,
haben, reicht eine Mut­ter 20 das Simultane wurde komplexhaft, unmittelbar geboten. Dennoch ist aus diesem Be-
Strafanzeige gegen den nommensein von der Zeit etwas entstanden, was man eine Kunstrichtung nennt: der
Lehrer ein, weil er die Dadaismus, der erst recht aufblühte, als kein Grund mehr für ihn vorhanden war, und
Jugendlichen über­mässig
mit pornografischem
die eigentlichen Schöpfer Huelsenbeck und Ball zu einer grossen Einfachheit des Stils
In­halt konfrontiert haben zurückgekehrt waren. (Uns ganz nahe in der Spiegelgasse wohnte Lenin, der natürlich
soll. Eine Staatsanwältin 25 keine Zeit hatte, unsere Vorstellungen zu besuchen. (. . .) Tagsüber sah man ihn manch-
erhebt Anklage. mal mit einem unbeweglich steinernen Gesicht, versunken die Strasse herunterkommen,
Das Gericht spricht den und nachts, wenn wir heimgingen, sahen wir hinter seinem Fenster noch Licht brennen.)
Mann frei: Es handle sich
bei den Werken nicht um
Pornografie, sondern um
Literatur.
Tages-Anzeiger, Aufgabe
8. 4. 2013
• Wie unterscheiden sich die beiden Gedichte zum Thema «Weltende»?

Jacob van Hoddis, 1887–1942 E l s e L a s k e r - S c h ü l e r 1 8 6 9 – 1945


Weltende Weltende
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut. Es ist ein Weinen in der Welt,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei. Als ob der liebe Gott gestorben wär,
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei. Und der bleierne Schatten, der niederfällt,
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut. Lastet grabesschwer.
Der Sturm ist da, die wilden Meere hüpfen
Komm, wir wollen uns näher verbergen …
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Das Leben liegt in aller Herzen 

Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Wie in Särgen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken. 1911
Du! wir wollen uns tief küssen –
Es pocht eine Sehnsucht an die Welt,
An der wir sterben müssen. 1905

Literatur hören und sehen


• Ein – für heutige Sehgewohnheiten ungewohnter – Filmklassiker ist «Der blaue Engel»
nach Heinrich Manns Roman «Professor Unrat». Alfred Döblins «Die beiden Freundinnen
und ihr Giftmord» aus dem Jahre 1924 wurde 1977 unter dem Titel «Die beiden Freun-
dinnen. Ein Plädoyer» verfilmt. Auf YouTube sind zahlreiche Clips zu expressionistischen
Gedichten zu finden.

• Was bleibt
• Definieren Sie Expressionismus in eigenen Worten.
• Welche Themen behandelt der Expressionismus – und warum?
• Suchen Sie expressionistische Gedichte, und analysieren Sie diese.
• Informieren Sie sich über Expressionismus in der Malerei. Wie lassen sich expressionistische
Malerei und expressionistische Literatur vergleichen?

130 Literaturatelier
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MODUL F
7.3 Zwanzigerjahre (Weimarer Republik), 1918–1933

• Begriff
Das Bild «Drinnen und Draussen» von George Grosz, 1926,
verdeutlicht die Gegensätze der Epoche – und ein neues Kunst-
verständnis: Kunst prangert an. Grosz entlarvt die herrschenden
Kreise der Weimarer Republik, greift soziale Gegensätze auf
und kritisiert insbesondere Wirtschaft, Politik, Militär und Kle-
rus. Für diese Epoche wird häufig auch der Begriff «Neue
Sachlichkeit» verwendet.


• Themen und Tendenzen
Der technisch-wissenschaf­tliche und der kulturelle Fortschritt
eröffnen völlig neue Möglichkeiten: Rundfunk und Film faszi-
nieren wie heute Smartphones und Social Media; aber auch
Verkehr, Mode, Musik und alle anderen Lebensbereiche erfah- George Grosz: Drinnen und Draussen, 1926
ren einen radikalen Wandel. Einem blühenden Kulturleben und
der vordergründigen Dauerparty stehen Inflation, Arbeitslosigkeit, politische Krisen gegen­
über. Kollektivistische Massenbewegungen, die sich aggressiv bekämpfen, und individualisti-
sche Strömungen sind typisch für diese Jahre. Die gesellschaftlichen Gegensätze finden sich
auch in der Literatur: Mit Humor, Ironie, Satire, Reportage und politischem Theater wird gegen • Gesellschaft und
Spiessertum, Militarismus, Nationalismus und Faschismus gekämpft – letztlich erfolglos. Geschichte
Nach einer Inflations­phase
Der «Aufbruch schreibender Frauen» ist u.a. zurückzuführen auf das Frauenwahlrecht,
beginnen die Goldenen
verbesserte Zugänge zu Beruf und Studium sowie durch die Zunahme von Frauen als Ange- Zwanzigerjahre, die
stellte – fast ausschliesslich in dynamischen Grossstädten. Bekannte Autorinnen sind Irmgard neue Massstäbe setzen
Keun, Marieluise Fleisser, Mascha Kaléko. für Konsum, Kultur und
Sport­veranstaltungen.
Auch die politischen Ver-
• Epik – Dramatik – Lyrik hältnisse in Deutschland
Die Themen reichen© von der Verarbeitung des Kriegserlebens über dasLösungen
Lebenund
imKommentar
Kapitalismus stabilisieren sich für einige
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bis zum GegensatzPersönliches
zwischenExemplar
Künstlerexistenz bürgerlicher Welt. Immer wieder werden die Jahre.
undEffretikon
von Liza Basha, 8307
Die Weltwirt­schafts­krise
Verlorenheit und Einsamkeit des modernen Menschen in einer rasant fortschreitenden Gesell- greift 1929 rasch von den
schaft bearbeitet. Die Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse und der Psychologie fliesst in USA nach Europa über­
die literarischen Figuren ein. Das Bewusstsein, dass «neue Zeiten» kommen, ist an Utopien und setzt der Blütezeit ein
vom «neuen Menschen» erkennbar. abruptes Ende.
Von den Expressionisten vernachlässigte (Kriegs-)Romane sowie Volksstücke und neue Theater- Die Massen­arbeits­
losigkeit radikalisiert
formen – Bertolt Brechts Episches Theater – sind erfolgreich. Die Kreativität der Zeit wider- breite Schichten, was den
spiegelt sich in neuen literarischen Techniken: Montage, Collage, innerer Monolog, Assozia­ Aufstieg der NSDAP be-
tionstechnik. Grosse Revuen und das politische Kabarett fördern das Chanson und andere günstigt. Die Krise offen-
Gedichtformen. bart die strukturellen
Mängel der Weimarer
Republik: Häufige Regie­
rungs­wechsel, Neuwahlen
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren
und der Einsatz von Not-
• Erich Kästner: Emil und die Detektive, 1928; Fabian, 1931 verordnungen lassen die
• Bertolt Brecht: Die Dreigroschenoper, 1928 demokratie­feindlichen
• Erich Maria Remarque: Im Westen nichts Neues, 1929 L esetipp ! Kräfte anwachsen.
• Thomas Mann: Der Zauberberg, 1924; Mario und der Zauberer, 1929 L esetipp !
• Marieluise Fleisser: Fegefeuer in Ingolstadt, 1926
• Hermann Hesse: Der Steppenwolf, 1927
• Joseph Roth: Hiob, 1930; Radetzkymarsch, 1932
• Carl Zuckmayer: Der Hauptmann von Köpenick, 1931
• Irmgard Keun: Das kunstseidene Mädchen, 1932 L esetipp !
 eltliteratur
W
• F. Scott Fitzgerald: Der grosse Gatsby, 1925
• Ernest Hemingway: Fiesta, 1926

Literaturatelier 131
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe

Alfred Döblin, 1878–1957


Berlin Alexanderplatz
Der Roman «Berlin Alexanderplatz» widerspiegelt sowohl inhaltlich als auch in seiner unge-
wöhnlichen Form die Zwanzigerjahre in Berlin. In einem Collage-Stil montiert Döblin Dialoge
und Monologe, Bibelzitate, Schlagertexte, Wetterberichte, Werbeslogans, Zeitungsausschnitte
und arbeitet dabei wie ein Filmregisseur mit Schnitten, Ein- und Überblendungen.

• Welche Collage-Elemente entdecken Sie im folgenden Textauszug?


• Wie wirkt der Text?

Erstes Buch
Hier im Beginn verlässt Franz Biberkopf das Gefängnis Tegel, in das ihn ein früheres sinnloses Leben geführt
hat. Er fasst in Berlin schwer wieder Fuss, aber schliesslich gelingt es ihm doch, worüber er sich freut, und er
tut nun den Schwur, anständig zu sein.
1 Mit der 41 in die Stadt haben jetzt blaue Uniformen. Er stieg unbeachtet
Er stand vor dem Tor des Tegeler Gefängnisses und wieder aus dem Wagen, war unter Menschen. Was
war frei. Gestern hatte er noch hinten auf den 40 war denn? Nichts. Haltung, ausgehungertes
Äckern Kartoffeln geharkt mit den andern, in Sträf­ Schwein, reiss dich zusammen, kriegst meine Faust
5 lingskleidung, jetzt ging er im gelben Sommerman- zu riechen. Gewimmel, welch Gewimmel. Wie sich
tel, sie harkten hinten, er war frei. Er liess Elektri- das bewegte. Mein Brägen hat wohl kein Schmalz
sche auf Elektrische vorbeifahren, drückte den mehr, der ist wohl ganz ausgetrocknet. Was war das
Rücken an die rote Mauer und ging nicht. Der Auf- 45 alles. Schuhgeschäfte, Hutgeschäfte, Glühlampen,
seher am Tor spazierte einige Male an ihm vorbei, Destillen. Die Menschen müssen doch Schuhe
10 zeigte ihm seine Bahn, er ging nicht. Der schreck- haben, wenn sie so viel rumlaufen, wir hatten ja
liche Augenblick war gekommen [schrecklich, auch eine Schusterei, wollen das mal festhalten.
Franze, warum ©schrecklich?], die vier Jahre waren Hundert
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Lösungen Scheiben,
und Kommentar lass die doch blitzern, die
für Lehrpersonen
um. Die schwarzen eisernen
Persönliches Torflügel,
Exemplar die8307
von Liza Basha, er Effretikon
seit 50 werden dir doch nicht bange machen, kannst sie ja
einem Jahre mit wachsendem Widerwillen betrach- kaputt schlagen, was ist denn mit die, sind eben
15 tet hatte [Widerwillen, warum Widerwillen], waren blankgeputzt. Man riss das Pflaster am Rosenthaler
hinter ihm geschlossen. Man setzte ihn wieder aus. Platz auf, er ging zwischen den andern auf Holz-
Drin sassen die andern, tischlerten, lackierten, sor- bohlen. Man mischt sich unter die andern, da ver-
tierten, klebten, hatten noch zwei Jahre, fünf Jahre. 55 geht alles, dann merkst du nichts, Kerl. Figuren
Er stand an der Haltestelle. standen in den Schaufenstern in Anzügen, Mänteln,
20 Die Strafe beginnt. mit Röcken, mit Strümpfen und Schuhen. Draussen
Er schüttelte sich, schluckte. Er trat sich auf den bewegte sich alles, aber – dahinter – war nichts!
Fuss. Dann nahm er einen Anlauf und sass in der Es – lebte – nicht! Es hatte fröhliche Gesichter, es
Elektrischen. Mitten unter den Leuten. Los. Das war 60 lachte, wartete auf der Schutzinsel gegenüber
zuerst, als wenn man beim Zahnarzt sitzt, der eine Aschinger zu zweit oder zu dritt, rauchte Zigaretten,
25 Wurzel mit der Zange gepackt hat und zieht, der blätterte in Zeitungen. So stand das da wie die
Schmerz wächst, der Kopf will platzen. Er drehte Laternen – und – wurde immer starrer. Sie gehörten
den Kopf zurück nach der roten Mauer, aber die zusammen mit den Häusern, alles weiss, alles Holz.
Elektrische sauste mit ihm auf den Schienen weg, 65 Schreck fuhr in ihn, als er die Rosenthaler Strasse
dann stand nur noch sein Kopf in der Richtung des herunterging und in einer kleinen Kneipe ein Mann
30 Gefängnisses. Der Wagen machte eine Biegung, und eine Frau dicht am Fenster sassen: die gossen
Bäume, Häuser traten dazwischen. Lebhafte Strassen sich Bier aus Seideln in den Hals, ja was war dabei,
tauchten auf, die Seestrasse, Leute stiegen ein und sie tranken eben, sie hatten Gabeln und stachen sich
aus. In ihm schrie es entsetzt: Achtung, Achtung, es 70 damit Fleischstücke in den Mund, dann zogen sie
geht los. Seine Nasenspitze vereiste, über seine die Gabeln wieder heraus und bluteten nicht. Oh,
35 Backe schwirrte es. «Zwölf Uhr Mittagszeitung», krampfte sich sein Leib zusammen, ich kriege es
«B.Z.», «Die neuste Illustrirte», «Die Funkstunde neu» nicht weg, wo soll ich hin? Es antwortete: Die
«Noch jemand zugestiegen?» Die Schupos Strafe. 1929

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Irmgard Keun, 1905–1982

MODUL F
Das kunstseidene Mädchen
1 Und ich entsinne mich, wie ich mit Arthur Grönland das erste-
mal ausgehen sollte. Er war bildschön und hatte Kommant. Aber
ich sagte mir: Doris, sei stark – gerade so einem mit Kommant
imponiert letzten Endes was Solides, und ich brauchte eine Arm-
5 banduhr, und besser ist, es wenigstens drei Abende zu nichts
kommen zu lassen. Aber ich kenne mich doch und wusste,
­Arthur Grönland bestellt Kupferberg nass – und dabei noch
Musik! Ich also an Büstenhalter und Hemd insgesamt sieben


­rostige Sicherheits­nadeln gesteckt. Ich war mächtig blau – wie
10 achtzig nackte Wilde – aber die rostigen Sicherheitsnadeln ver-
gass ich nicht. Und Arthur Grönland drängte. Ich nur: «Mein Herr, was denken Sie sich Berlin, Friedrichstrasse,
eigentlich von mir? Ich muss doch sehr bitten. Wofür halten Sie mich in etwa?» Und ich 1925
habe ihm mächtig imponiert. Erst war er natürlich wütend, aber dann sagte er mir als
edel empfindender Mensch: das g ­ efällt ihm – ein Mädchen, das sich auch im Schwips so
15 fest in der Hand hat. Und er achtete meine hohe Moral.
Ich sagte nur ganz schlicht: «Das ist meine Natur, Herr Grönland.»
Und vor der Haustür küsste er mir die Hand. Ich sagte nur: «Jetzt weiss ich schon wieder
nicht, wie spät es ist – meine Uhr ist schon so lange kaputt.» Und dachte, wenn er mir
jetzt Geld geben will zum Reparieren, dann habe ich mich wieder einmal schmerzlich
20 getäuscht.
Aber am nächsten Abend in Rix Diele kam er mit einer kleinen Goldenen. Ich staunte
furchtbar: «Wie konnten Sie denn nur wissen, dass ich gerade eine Uhr brauche??? –
aber Sie beleidigen mich zutiefst – ich kann sie doch nicht annehmen!»
Und er wurde ganz blass, entschuldigte sich und tat die Uhr fort. Ich zitterte schon und
25 dachte: jetzt bist du zu weit gegangen, Doris! Dann sagte ich so mit schwimmender
Stimme, so ‚n bisschen tränenfeucht: «Herr Grönland, ich kann es nicht übers Herz brin-
gen, Sie zu kränken – binden Sie sie mir bitte um.»
Daraufhin dankte er mir, und ich sagte: «Oh, bitte.» Und dann bedrängte er mich wieder,
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
aber ich blieb stark. UndExemplar
Persönliches vor dervon Haustür sagte
Liza Basha, 8307 er: «Du reines, unschuldiges Geschöpf,
Effretikon
30 verzeihe mir, wenn ich aufdringlich war.»
Ich sagte: «Ich verzeihe Ihnen, Herr Grönland.»
Aber heimlich hatte ich eine furchtbare Wut auf die Sicherheitsnadeln, denn er hatte
süsse schwarze Augen und einen tollen Kommant, und die kleine goldene Uhr tickte mir
wunderbar am Arm. Aber letzten Endes habe ich viel zu viel Moral, um einen Mann er-
35 leben zu lassen, dass ich Wäsche mit sieben rostigen Sicherheitsnadeln trage. Später
habe ich sie fortgelassen. 1932

Literatur hören und sehen


• «Im Westen nichts Neues», «Berlin Alexanderplatz» und «Der Hauptmann von Köpe­
nick» sind mehrfach verfilmt worden. Gleiches gilt für Joseph Roths «Radetzkymarsch»
und Werke von Thomas Mann, z.B. «Mario und der Zauberer» sowie «Buddenbrooks».
• Die Zwanzigerjahre in den USA vermittelt der Filmklassiker «Der grosse Gatsby», 2013
neu verfilmt.

• Was bleibt
• Was verbinden Sie mit dem Begriff «Goldene Zwanzigerjahre»? – Informieren Sie sich über
die tatsächliche politische und soziale Lage.
• Lesen und analysieren Sie einen Roman der Zwanzigerjahre.
• Was ist neu am Epischen Theater von Bertolt Brecht (vgl. 3.2 Dramatik)?
• Recherchieren Sie im Internet zum Begriff «neuer Mensch».

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7.4 Drittes Reich und Exil, 1933–1945

• Begriff
Der ursprünglich christliche Begriff Drittes Reich wurde von den Nationalsozialisten umge-
deutet und missbraucht: das Heilige Römische Reich Deutscher Nation als erstes, das Deutsche
Kaiserreich als zweites Reich. Das Dritte Reich sollte ein tausendjähriges sein.
Begleitet von «Feuersprüchen» wurden am 10. Mai 1933 literarische und wissenschaftliche
Werke vor allem jüdischer Autorinnen und Autoren in einer «Aktion wider den un­deutschen
Geist» verbrannt. Die Bücherverbrennung in über 20 Universitätsstädten war für Literatur-
und Kunstschaffende sowie für Wissen­schaftler, Anders­denken­de und ethnische Minderheiten
Anlass, Deutschland zu verlassen und ins Exil zu gehen. Ziele waren anfangs Frankreich, Eng-
land und Skandinavien, später auch die Sowjetunion und unter grossen Schwierigkeiten vor
allem die USA. In der «Inneren Emigration» lebten Autoren, die in Deutschland blieben, aber
Sophie Scholl, 21, wird weder schreiben noch publizieren durften, z. B. Erich Kästner.
1943 bei einer Flugblatt­
aktion verhaftet, verur­
teilt und enthauptet.
• Themen und Tendenzen
1933 galt die Schweiz als das naheliegende Fluchtziel. Politisch und «rassisch» Verfolgte aus
Deutschland knüpften grosse Erwartungen an das klassische Asyl­land des 19. Jahrhunderts.
• Gesellschaft und Die Bundesanwaltschaft anerkannte Sozialdemokraten, bürgerliche Demokraten, Pazifisten
Geschichte und parteilose Intellektuelle als Flüchtlinge; Kommunisten galten als nicht «asylwürdig».
Als Reichkanzler baut Hit-
«Rassische Verfolgung» war kein Asylgrund, womit jüdischen Flüchtlingen ein Aufenthalt
ler ab 1933 die Republik
in eine Diktatur um. häufig verwehrt blieb. Die Schweiz verstand sich als Transitland und wünschte die Weiterreise
Antisemitische Aktionen in ein anderes Exilland. Literaten, die bleiben durften, wurden häufig mit einem Schreib- und
werden gefördert, Publikationsverbot belegt.
Konzentrationslager Zwar entstehen in nicht besetzten Ländern Exilverlage und -zeitschrif­ten, aber nur wenige
errichtet.
Exilanten sind erfolgreich. Einig sind sie sich alle in ihrer Ablehnung der Hitler-Diktatur; politi-
1936 inszeniert das «neue
Deutschland» erfolgreich sche, künstlerische oder stilistische Gemeinsamkeiten gibt es kaum.
Olympische Spiele. 1939
beginnt nach der Anne- • Epik – Dramatik – Lyrik
xion Österreichs und des© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
DasExemplar
Sudetenlandes mit demPersönliches literarische
von LizaSchaffen
Basha, 8307 widerspiegelt
Effretikon die Zeitereignisse. Zum einen werden Figuren geschil-
Überfall auf Polen der dert, die sich für ihre Karriere der Diktatur andienen; zum anderen sind Verfolgung, Flucht
Zweite Weltkrieg. und Exil die grossen Themen. Einzelne Autoren entfliehen der Gegenwart und schreiben über
Erfolgreiche Blitzkriege
bedeutende Menschen der Geschichte.
prägen den Anfang; doch
nach dem Angriff auf die Die Literatur, die dem NS-Regime genehm war, entsprach der menschen­verachtenden NS-Ideo-
Sowjetunion und dem logie. Die «Blut- und Bo­den-Literatur» verherrlichte Krieg und Führertum sowie Germanen-
japanischen Überfall auf kult, verklärte das Landleben und die Lebensraum-Ideologie. Klassi­sche Werke wurden z. T.
Pearl Harbour fordern die verfälscht, um die eigene Ideologie zu «beweisen».
Alliierten die bedingungs-
lose Kapitulation
Deutschlands. ,
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren
Hitlers «Totaler Krieg»
führt zu schweren Zer­ • Klaus Mann: Mephisto, 1936
störungen in Deutschland. • Ödön von Horvath: Jugend ohne Gott, 1937 L esetipp !
Der Holocaust geht den- • Bertolt Brecht: Furcht und Elend im Dritten Reich, 1938/1945
noch weiter: Millionen • Friedrich Glauser: Matto regiert, 1936; Der Chinese, 1938
von Juden, aber auch
•  Meinrad Inglin: Schweizerspiegel, 1938
Sinti, Roma und andere
als «minderwertig» ge- •  Stefan Zweig: Sternstunden der Menschheit, 1929; Schachnovelle, 1941 L esetipp !
brandmarkte Bevölke- •  Anna Seghers: Das siebte Kreuz, 1942
rungsgruppen sowie • Bertolt Brecht: Der gute Mensch von Sezuan, 1943; Galileo Galilei, 1943
politische Gegner werden • Inge Scholl: Die Weisse Rose, 1952
ermordet.
Widerstand in Deutsch- Weltliteratur
land ist nur im Verborge- • Aldous Huxley: Schöne neue Welt, 1932
nen möglich und lebens-
• John Steinbeck: Früchte des Zorns, 1939
gefährlich. Sophie Scholl
und die «Weisse Rose»
sind eines der bekann-
testen Beispiele.

134 Literaturatelier
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
Aufgabe

Ödön von Horvath, 1901–1938


Jugend ohne Gott
Der Ich-Erzähler, ein an humanistischen Idealen orientierter Gymnasiallehrer, erlebt die Schule
fremd und feindlich.

• Was geschieht im folgenden Auszug, und wie stehen sich Lehrer und Schüler gegenüber?
• Wie wirken die Buchstaben anstatt der Namen?


1 Es regnet dürfte wohl böse sein und das steht auch schon in
Als ich am nächsten Morgen in das Gymnasium der Bibel. Als es aufhörte zu regnen und die Wasser
kam und die Treppe zum Lehrerzimmer emporstieg, der Sündflut wieder wichen, sagte Gott: «Ich will
hörte ich auf dem zweiten Stock einen wüsten Lärm. 35 hinfort nicht mehr die Erde strafen um der
5 Ich eilte empor und sah, dass fünf Jungen, und zwar ­Menschen willen, denn das Trachten des mensch­
E, G, R, H, T, einen verprügelten, nämlich den F. lichen Herzens ist böse von Jugend auf.»
«Was fällt euch denn ein?», schrie ich sie an. «Wenn Hat Gott sein Versprechen gehalten? Ich weiss es
ihr schon glaubt, noch raufen zu müssen, wie die noch nicht. Aber ich frage nun nicht mehr, warum
Volksschüler, dann rauft doch gefälligst einer gegen 40 sie die Semmel auf den Hof geworfen haben. Ich
10 einen, aber fünf gegen einen, also das ist eine erkundige mich nur, ob sie es noch nie gehört
­Feigheit!» ­hätten, dass sich seit Urzeiten her, seit tausend und
Sie sahen mich verständnislos an, auch der F, über tausend Jahren, seit dem Beginn der menschlichen
den die fünf hergefallen waren. Sein Kragen war Gesittung, immer stärker und stärker ein unge-
zerrissen. «Was hat er euch denn getan?», fragte ich 45 schriebenes Gesetz herausgebildet hat, ein schönes
15 weiter, doch die Helden wollten nicht recht heraus männliches Gesetz: Wenn ihr schon rauft, dann
mit der Sprache und auch der Verprügelte nicht. Erst raufe nur einer gegen einen! Bleibet immer
allmählich brachte ich es heraus, dass der F den ­ritterlich! Und ich wende mich wieder an die fünf
fünfen nichts angetan hatte, sondern im Gegenteil: und frage: «Schämt ihr euch denn nicht?»
die fünf hatten ©ihm seine Buttersemmel gestohlen, 50 Sie schämen sich nicht. Ich rede eine andere
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20 nicht, um sie zuPersönliches
essen, sondern nur,
Exemplar von damit
Liza Basha, er Effretikon
8307 keine ­Sprache. Sie sehen mich gross an, nur der Ver­
hat. Sie haben die Semmel durch das Fenster auf prügelte lächelt. Er lacht mich aus.
den Hof geschmissen. «Schliesst das Fenster», sage ich, «sonst regnets noch
Ich schaue hinab. Dort liegt sie auf dem grauen herein!»
Stein. Es regnet noch immer, und die Semmel 55 Sie schliessen es.
25 ­leuchtet hell herauf. Was wird das für eine Generation? Eine harte oder
Und ich denke: vielleicht haben die fünf keine nur eine rohe?
­Semmeln, und es ärgert sie, dass der F eine hatte. Ich sage kein Wort mehr und gehe ins Lehrer­
Doch nein, sie hatten alle ihre Semmeln und der G zimmer. Auf der Treppe bleibe ich stehen und
sogar zwei. Und ich frage nochmals: «Warum habt 60 ­lausche: ob sie wohl wieder raufen? Nein, es ist still.
30 ihr das also getan?» Sie wissen es selber nicht. Sie Sie wundern sich. 1938
stehen vor mir und grinsen verlegen. Ja, der Mensch

Literatur hören und sehen


• «Das siebte Kreuz», die «Schachnovelle» sowie «Mephisto» sind Filmtitel zur Literatur
dieser Epoche. Dazu kommen verschiedene Inszenierungen von Brecht-Stücken. Zahl-
reiche Medien informieren über die «Weisse Rose», eine Widerstandsgruppe junger
Menschen, die 1943 verhaftet, verurteilt und hingerichtet wurden.

• Was bleibt
• Was bedeutet «innere Emigration»? Warum blieben manche Autoren im Lande?
• Pacific Palisades – in der Nähe von Los Angeles – wurde auch «Weimar am Pazifik» ge-
nannt. Recherchieren Sie den Grund dafür.
• Welchen Themen widmet sich die Exilliteratur? Suchen Sie entsprechende Werke.
• Was war die Weisse Rose? Informieren Sie sich genauer.

Literaturatelier 135
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
7.5 Nachkrieg und Restauration, 1945–1960

• Begriff
Die Literatur nach 1945 ist gekennzeichnet vom Ver­arbeiten des
Krieges und der Gräuel der nationalsozialistischen Gewaltherr-
schaft. Die Autoren, die überlebt haben, sprechen von Kahl-
schlag- und Trümmerliteratur, von Stunde Null. Zwölf Jahre
Diktatur – davon sechs Jahre Krieg – haben den Anschluss an die
literarische und künstlerische Tradition abgeschnitten. Die neuen
Vorbilder sind amerikanische, englische sowie französische Lite-
ratur und Kultur.

• Themen und Tendenzen


Der wachsende Wohlstand, die Gegensätze zwischen Kommu-
nismus und Kapitalismus fördern ein restauratives Klima: Gesell-
Dresden, 1946 schaftskritik ist unpopulär, alte kapitalistische Verhältnisse wer-
den «restauriert», man will wieder konsumieren, an der
«grossen weiten Welt» teilhaben. Während die Öffentlichkeit Fragen nach Schuld und Ursa-
• Gesellschaft und chen verdrängt, deckt die Literatur die dunklen Seiten des Wirtschaftswunders auf. Sie zeigt
Geschichte Profiteure und Kriegsgewinnler sowie Menschen, die sich mit jeder Gesellschaftsordnung
Das besiegte Deutschland zu arrangieren verstehen und sofort wieder «oben schwimmen». Europas Jugend ist fasziniert
wird besetzt und in BRD
und DDR geteilt. Ein von der US-ameri­ka­ni­schen Kultur. 1956 erscheint das Jugendmagazin «Bravo».
Eiserner Vorhang teilt Die Rückkehr der Exilantinnen und Exilanten verläuft unterschiedlich: Manche kehren in die
Europa in Ost und West. BRD zurück, einige in die DDR. Wieder andere meiden Deutschland und bevorzugen die neu­
Diese Blockbildung setzt trale Schweiz.
sich weltweit fort. Einige Aus Angst vor dem Kommunismus werden in den USA kritische Künstler und Literaten vor ein
Kriegsverbrecher werden
in den Nürnberger Pro­ «Komitee für unamerikanische Umtriebe» geladen und öffentlich verhört, z. B. Bertolt Brecht.
zessen verurteilt; die Ent- Charlie Chaplin wird die Einreise in die USA verweigert.
nazifizierungswelle bringt 1957 fliegt ein russischer Sputnik ins Weltall – und der Westen ist geschockt. Die Zweifel an
viele «Mitläufer» wieder© 2023 derVerlagÜberlegenheit
SKV AG: Fokus Sprache,
der Fokus
USA Sprache
führenBMzu
mitneuen
digitalen Bildungs-
Lösungen undund
Kommentar für Lehrpersonen
Forschungsprogrammen, u. a. zu
in wich­tige Positionen, Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
einer Vorstufe des heutigen Internets.
z.B. Richter und Beamte.
Der Marshallplan ermög-
licht den wirtschaftlichen • Epik – Dramatik – Lyrik
Aufstieg Westeuropas
und das deutsche Wirt­ 1949 urteilt der Philosoph Theodor W. Adorno: «Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist
schafts­wunder – von barbarisch.» Allerdings hat Paul Celan 1948 mit seiner «Todesfuge» bewiesen, dass das
dem auch die Schweiz Grauen mit Gedichten überwunden werden kann. Das Problem, eine Sprache zu benutzen,
profitiert. Im kom­munis­ die Verbrechen, Krieg und Elend in der Welt verbreitet hat, führt zu einer bewussten Sprach-
tischen Osteuropa hin- kritik: Pathos und schwärmerisch-verklärte Phrasen werden vermieden, eine schmucklose,
gegen bleibt der Lebens-
standard tief. karge, lakonische Sprache wird verwendet.
Aufstände der unzufrie- Die neue deutsche Literatur boomt: Vor allem Kurzgeschichten (nach US-Vorbild) als neue
denen Bevölkerung in der Literaturform sowie Romane und Theaterstücke sind erfolgreich. Einzelne Werke, die sich mit
DDR 1953 und in Ungarn der Verantwortung und Schuldfrage beschäftigen, verursachen heftige Reaktionen in der
1956 werden blutig Öffentlichkeit. Das Hörspiel ist eine weitere neue, erfolgreiche Kunstform. Der anfängliche
nieder­geschlagen. Die
­Sowjetunion entwickelt Papiermangel führt dazu, dass «rowohlts rotations romane» als billige Taschenbücher er-
die Atombombe und zieht scheinen. Das Bedürfnis und die Neugier, kulturell wieder Anschluss an die Welt zu finden,
rüstungstechnisch mit den lassen neue Medienprodukte und -häuser entstehen, z. B. «Der Spiegel». Die ersten Fernseh-
USA gleich: Der Kalte programme können empfangen werden.
Krieg beginnt. Im Westen Die Teilung Deutschlands führt zu zwei Literaturen: einer weitgehend kritischen und freien in
ist die Angst vor dem
Kommunismus aber der BRD und einer staatlich gelenkten in der DDR.
­grösser als vor einem Hans Werner Richter gründet die Gruppe 47: Von 1947 bis 1967 treffen sich einmal jährlich
Atomkrieg, besonders die wichtigsten Autorinnen und Autoren sowie Literaturkritiker zu einer Tagung, diskutieren
während der McCarthy-­ über neue Werke und verleihen Preise. Dieser «Literaturwettbewerb» beeinflusst den Erfolg
Ära in den USA von 1947 der deutschsprachigen Literatur massgeblich.
bis 1956.
Besonders erfolgreich sind die beiden – unverdächtigen und «neutralen» – Schweizer
­Autoren Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt.

136 Literaturatelier
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Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren
• Wolfgang Borchert: Draussen vor der Tür, 1947; Erzählungen, 1947 L esetipp !
• Heinrich Böll: Wanderer, kommst du nach Spa ..., 1950
• Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker, 1950; Der Besuch der alten
Dame, 1956 L esetipp !
• Siegfried Lenz: So zärtlich war Suleyken, 1955; Der Mann im Strom, 1957; Das
­Feuerschiff, 1960
• Ingeborg Bachmann: Gedichte, ab 1953
• Max Frisch: Stiller, 1954; Homo faber, 1957 L esetipp ! Biedermann und die Brand-
stifter, 1958
• Alfred Andersch: Sansibar oder der letzte Grund, 1957 L esetipp !


• Günter Grass: Die Blechtrommel, 1959
 eltliteratur
W
Richard Dindo: Homo faber,
• Albert Camus: Der Fremde, 1948 (franz. 1942) nach dem Roman von
• Ernest Hemingway: Der alte Mann und das Meer, 1952 Max Frisch, 2014

Aufgabe
M a x F r i s c h , 191 1 – 1 9 9 1
Theresienstadt
Nach dem Untergang des Dritten Reichs reist Max Frisch durch das zerstörte Europa und
notiert seine Beobachtungen im «Tagebuch 1946–1949», das von vornherein zur Ver-
öffentlichung gedacht ist.

• Wie erlebt Max ©Frisch Theresienstadt?


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

1 Ich wusste nicht, dass Theresienstadt, das wir ges­ sogenannte Todestor, eine Art von Tunnel, kommen
tern auf unsrer Durchreise besucht haben, eine alte 30 wir zu einem Massengrab von siebenhundert Men-
historische Anlage war, benannt nach Maria There- schen; später benutzte man die Öfen einer nahen
sia. Um das ganze Städtlein ziehen sich die hohen Ziegelei. Hier steht der Galgen, ein einfacher Balken
5 und schweren Wälle aus rötlichem Ziegelstein, mit zwei Haken, wo die Häftlinge sich selber den
ebenso ein breiter Graben mit allerlei Unkraut und Strick einhängen mussten, und darunter zwei höl-
Wasser, das in braunen Tümpeln versumpft. Ausser- 35 zerne Treppenböcke. Auch hier sehen wir nichts als
halb der kleinen Stadt, die als Ghetto diente, befin- die rötlichen Wälle, die wippenden Halme darauf.
det sich das Fort; das eigentliche Todeslager. Eine Unweit von dem Galgen, dessen einfache Machart
10 schöne und alte Allee verbindet die beiden Anlagen; fast lächerlich ist, befindet sich der Platz für die
daneben ein Feld von hölzernen Kreuzen, die man reihenweisen Erschiessungen: vorne ein Wasser-
später gemacht hat. Im ersten Hof, wo die deutschen 40 graben, der die Schützen und die Opfer trennt, und
Mannschaften wohnten, gibt es noch Bäume; es war hinten eine gewöhnliche Faschine, damit die Erde,
ein warmer und märzlicher Tag, es zwitscherten die welche die Kugeln fängt, nicht mit der Zeit herun-
15 Vögel, und auf den rötlichen Wällen, die uns plötz- terrutscht. Es ist Platz für zehn oder zwölf Men-
lich von aller Umwelt trennen und von aller Land- schen. In einer Deckung, wie wir sie als Zeiger-
schaft, wippen die einzelnen Halme, die letzte Natur. 45 mannschaft in einem Feldschiessen kennen, befand
Über dem inneren Hof, wo nun die Häftlinge waren, sich der sogenannte Leichentrupp, ein Grüpplein
thront ein Häuslein mit Scheinwerfer und Maschi- von Juden, welche die Erschossenen abräumen,
20 nengewehr; die Zellen reihen sich wie Waben; sie nötigenfalls für ihren gänzlichen Tod sorgen muss-
sind aus Beton; die Pritschen darin erinnern an ten. Wir gehen weiter; jenseits des Walles, aber
Flaschengestelle, und am Ende dieses Hofes, wo wir 50 immer noch inmitten unseres Lagers, stehen wir
die Kugellöcher bemerken, fanden jene besonderen plötzlich vor einem tadellosen Schwimmerbecken,
Hinrichtungen statt, denen sämtliche Häftlinge bei- und an der Böschung jenes Walles, dessen Gegen-
25 zuwohnen hatten. Das Ganze, so wie es sich heute seite wir eben betrachtet haben, gibt es sogar ein
zeigt, vermischt die Merkmale einer Kaserne, einer Alpinum, ein Gärtlein mit schönen Steinen und
Hühnerfarm, einer Fabrik und eines Schlachthofes. 55 Pflanzen, das heute allerdings verwildert ist; hier
Immer weitere Höfe schliessen sich an. Durch das haben die deutschen Wachen ihre sommerliche Frei-

Literaturatelier 137
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zeit verbracht zusammen mit ihren Frauen und Kin- Insasse, bestand in einem Genickschuss. Endlich
dern. In dem nächsten Hof, wo die Häftlinge zu 85 kommen wir an den letzten Ort. Wir stehen vor den
jeder Führerrede antreten mussten, sind es einmal Urnen. Es ist das erstemal, dass ich die menschliche
60 nicht die rötlichen Wälle, die uns umgeben, sondern Asche sehe; sie ist grau, aber voll kleiner Knöchel-
alte Stallungen. Eine davon betreten wir. Hier war chen, die gelblich sind. Die Urnen sind aus Sperr-
die Folterkammer. Im steinernen Boden sind zwei holz, neuerdings, während das deutsche Modell,
eiserne Ringe verschmiedet, an der Decke ist ein 90 das wir in die Hand bekommen, einfacher und spar-
Flaschenzug, und genau darunter, eingelassen in der samer war, eine Tüte aus starkem Papier, jede mit
65 steinernen Bodenplatte, befindet sich ein eiserner einer handschriftlichen Nummer versehen, wenn
Dorn in der Grösse eines Zeigefingers. Es ist ein sie gefüllt ist. Das Lager von Terezin, als es befreit
Raum mit alten Gewölben, und zwischen den Pfei- wurde, hatte einen Vorrat von zwanzigtausend
lern hängt ein Vorhang aus dünnem Sacktuch, ein 95 solcher Tüten. Natürlich nehmen wir den Hut in die
Schleier, der die Zuschauer verbarg. Indem wir auf Hand, aber ich würde lügen, wenn ich von Erschüt-
70 der andern Seite aus der Stallung hinausgehen, ste- terung spräche; der Anblick dieser Urnen, die man
hen wir auf einer Brücke, also wieder im Freien, und öffnen kann, verbindet sich mit nichts; sie reihen
blicken in den sogenannten Judengraben. Zwischen sich wie Büchsen in einer Drogerie, sie reihen sich
zwei besonders hohen Wällen, so dass man wieder 100 wie Töpfe in einer Gärtnerei. Was mich an diesem
nur den Himmel sieht und nichts als den Himmel, Ort am meisten beschäftigte, waren die beiden Bild-
75 befindet sich ein Kanal mit grünem Wasser, ein nisse, die über den namenlosen Urnen hingen:
Wiesenbord zu beiden Seiten. Ferner ist noch eine Benesch und Stalin.
hölzerne Leiter da. Zehn Juden wurden hinunter- Was am meisten bleibt, wenn ich an das Lager
geschickt, versehen mit Heugabeln und mit dem 105 denke, und was gleichsam immer näher kommt,
Versprechen, dass die beiden letzten, die ihre Kame- während man es an Ort und Stelle kaum bemerkte,
80 raden überlebten, in die Freiheit entlassen würden. jedenfalls nicht mehr als alles andere: die wippen-
Von der eisernen Brücke, wo die Zuschauer standen, den Halme auf den rötlichen Wällen, und dass man
blickt man wie in einen Bärenzwinger. Die Freiheit überall, wo immer wir standen, nichts als den Him-
für die beiden Letzten, sagt uns ein begleitender 110 mel sieht. 1950

Literatur hören und sehen


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• Dürrenmatts Komödien und Kriminalromane liegen in verschiedenen Verfilmungen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
vor;
das Gleiche gilt für Werke von Max Frisch, z. B. «Homo Faber». Über beide Autoren sind
äusserst sehenswerte und informative Dokumentationen gedreht worden. Besonders
empfehlenswert ist ein Besuch des «Centre Dürrenmatt» – des umgebauten Wohn-
hauses Dürrenmatts – in Neuchâtel, wo viele seiner Gemälde, Grafiken und Manuskripte
zu sehen sind.
• Das literarische Schaffen von Siegfried Lenz ist ebenfalls mehrfach verfilmt worden,
z.B. «Das Feuerschiff» und «Der Mann im Strom».
• 1979 erhielt der Film «Die Blechtrommel» nach dem Roman von Günter Grass den Oscar
für den besten fremdsprachigen Film.

• Was bleibt
• Recherchieren Sie das «Lebensgefühl» der Nachkriegszeit und der 50er-Jahre.
• Wie lassen sich die Bezeichnungen «Kahlschlag-, Trümmerliteratur» und «Stunde Null»
erklären?
• Lesen und analysieren Sie mindestens ein Werk von Frisch oder Dürrenmatt sowie Kurz­
geschichten anderer Autorinnen und Autoren.
• Machen Sie sich mit Wolfgang Borcherts Drama «Draussen vor der Tür» vertraut: Warum
kann das Stück immer wieder neu und aktuell inszeniert werden?
• Wagen Sie sich an «moderne» Gedichte, z. B. von Ingeborg Bachmann oder Günter Eich.

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MODUL F
7.6 Politisierung und Neue Subjektivität, 1960–1980

• Begriff
Der neue Wohlstand täuscht eine heile Welt vor. Die Nachkriegsgene-
ration jedoch fragt ihre Eltern, wo sie im Krieg gewesen seien, und
ver­langt Aufklärung. Politisch engagierte Literatur übt Kritik am
«Establishment» und am «System». Literatur muss sich – so die pro­
tes­tierenden 1968er-Studenten­– den Zeitpro­blemen stellen und für
die «Befreiung» der Unterprivilegierten und Unterdrückten kämpfen.
Nach Jahren des politischen und sozialen Engagements (z. T. mit dem


verhängnisvollen Irrweg in den Terrorismus) wird die eigene Subjek-
tivität («Neue Innerlichkeit») wieder entdeckt: «Wie sind wir und
unsere Gesellschaft das geworden, was wir heute sind?»
Protestierende Studenten, Hamburg, 1967
• Themen und Tendenzen
Die neue Lust an Theorie führt zu marxistischer Kapitalismuskritik, zur Psychoanalyse als
Instrument der Vergangenheitsaufarbeitung und zu Versuchen mit «repressions- und herr-
schaftsfreien» Lebensformen (antiautoritäre Erziehung). Selbstverwirklichung ist ein Schlagwort • Gesellschaft und
der Zeit. Neue gesellschaftliche Milieus entstehen – und zwar bis heute: Hippies, grüne, Geschichte
Die Gefahr eines Atom-
­alternative, Friedens- und Anti-AKW-Bewegung, liberale Intellektuelle, Punks, Feministinnen
krieges scheint nach Bei­
u.v.a.m. legung der Kuba­­krise
Die Kulturpolitik der DDR will die Kluft zwischen Künstler und Volk überwinden und fordert, 1962 gebannt. Doch zahl-
dass Literaturschaffende in Fabriken arbeiten und die «Werktätigen» Literatur schreiben. Von reiche Stellvertreterkriege
Bitterfeld geht die Bewegung schreibender Arbeiter aus: «Greif zur Feder, Kumpel.» In der BRD in wenig ent­wickelten
Ländern verschärfen sich.
entsteht der «Werkkreis Literatur der Arbeitswelt». Trotz erfolgreicher Autoren bleibt die
Die USA verzetteln sich im
grosse gesellschaftliche Wirkung aus. blutigen Vietnamkrieg,
Antikriegsdemonstratio-
• Epik – Dramatik – Lyrik nen prägen die späten
60er-Jahre: Flowerpower
Analog zur gesellschaftlichen Entwicklung
© 2023 Verlag SKV läuftFokus
AG: Fokus Sprache, auchSprache
die literarische Produktion:
BM mit digitalen politische
Lösungen und Kommentar mischt sich mit Studen-
für Lehrpersonen
Lyrik (Erich Fried); Romane, die dasvon
Persönliches Exemplar Leben arbeitender
Liza Basha, Menschen thematisieren (Max von der
8307 Effretikon tenprotesten, und auch
Grün); Theaterstücke, die Unterprivilegierte auf die Bühne bringen (Franz Xaver Kroetz), sowie die US-Bür­ger­rechts­be­
wegung kämpft für die
feministische Literatur (Elfriede Jelinek). Für den Literaturprofessor Emil Staiger sind diese
Aufhebung der Rassen-
Werke voll «von Psychopathen, von gemeingefährlichen Existenzen, von Scheusslichkeiten trennung.
grossen Stils». Max Frisch verteidigt 1966 das zeitgenössische Schaffen im sogenannten Die olympischen Spiele
«Zürcher Literaturstreit». 1972 in München werden
Die Dokumentartheater von Peter Weiss und Rolf Hochhuth entlarvt die dunkelsten Seiten von einem palästinensi-
schen Terroranschlag auf
der NS-Zeit. Originaltexte aus Gerichtsverhandlungen und Archiven, die jetzt auf der Bühne
jüdische Sportler mit
gesprochen werden, führen zu Tumulten vor und im Theater. Gesellschaftskritik – ins 17 Toten überschattet.
Groteske gedreht – ist typisch für Friedrich Dürrenmatts Welterfolg «Die Physiker» (1961/62). In der BRD radikalisieren
Die Literatur der DDR geniesst im deutschsprachigen Ausland grosse Anerkennung, be­ sich linke Splittergruppen
sonders wenn sie im eigenen Land verboten ist. Für Empörung sorgt allerdings 1976 die Aus- immer stärker und über-
ziehen als RAF mit ihrem
bürgerung des Liedermachers Wolf Biermann.
politischen Terror das
Die «Tagebücher 1966–1971» des Schweizer Star-Autors Max Frisch zeigen die Nähe von Lite- Land.
ratur, Politik und Privatem. Darin reflektiert er Ereignisse wie den Vietnam­krieg und die Studen­
tenproteste, aber auch seine Reisen u.a. in die Sowjetunion und immer wieder in die USA.
1975 begleitet er den deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt in einer Delegation zum
Staatsbesuch nach China.
Am Ende der Proteste und des politischen Engagements führt die resignative Rückbesinnung
auf die eigene Biografie zu einer Literatur, welche die Selbstfindung, die Selbsterfahrungen
und die Beziehung zwischen den Geschlechtern thematisiert (Peter Handke, Ulrich Plenzdorf,
Karin Struck, Martin Walser, Christa Wolf).

Literaturatelier 139
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Der Ölschock (autofreie
Sonntage) führt dem Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren
Westen erstmals seine • Max Frisch: Andorra, Uraufführung 1961; Tagebuch 1966–1971, 1972
Abhängigkeit von den • Ingeborg Bachmann: Das dreissigste Jahr, 1961
arabischen Ölproduzenten • Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker, 1962 L esetipp !
vor Augen.
Mit Kompaktkassetten
• Rolf Hochhuth: Der Stellvertreter, 1963
(ab 1968) und dem Walk- • Marlen Haushofer: Die Wand, 1963; Die Mansarde, 1969
man (ab 1979) wird • Heinrich Böll: Ansichten eines Clowns, 1963; Die verlorene Ehre der Katharina Blum,
Musik «trans­portabel». 1974
Musik- und Jugend­ • Peter Bichsel: Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennenlernen, 1964
kultur ist ein wichtiger
Wirtschaftsfaktor.
• Jurek Becker: Jakob der Lügner, 1969 (DDR) L esetipp !
• Siegfried Lenz: Deutschstunde, 1968
• Ulrich Plenzdorf: Die neuen Leiden des jungen W., 1972 (DDR)
• Peter Schneider: Lenz, 1973
• Verena Stefan. Häutungen, 1975
• Reiner Kunze: Die wunderbaren Jahre, 1976 (in DDR geschrieben, in BRD veröffentlicht)
• Christiane F.: Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, 1978
• Martin Walser: Ein fliehendes Pferd, 1979
• Michael Ende: Die unendliche Geschichte, 1979
 eltliteratur
W
• John Updike: Ehepaare, 1968; die «Rabbit-Romane», 1960–2002
• Alexander Solschenizyn: Der Archipel Gulag, 1974

Aufgabe

Vergleichen Sie die beiden folgenden Kurzgeschichten des Schweizers Peter Bichsel und des
© 2023 deutschen
Verlag SKV AG:Autors
Fokus Sprache,
WolfFokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Wondratschek.
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

• Arbeiten Sie heraus, was gleich und was anders ist. Vor allem lassen sich die typischen
Merkmale von Kurzgeschichten erkennen.
• Und woran erkennen Sie den «Zeitgeist»?

Peter Bichsel, 1935 spieler, und sie brachte oft Platten mit
aus der Stadt, und sie wusste, wer darauf
Die Tochter
sang. Sie hatte auch einen Spiegel und
1 Abends warteten sie auf Monika. Sie 25 verschiedene Fläschchen und Döschen,
arbeitete in der Stadt, die Bahnverbin- einen Hocker aus marokkanischem
dungen sind schlecht. Sie, er und seine Leder, eine Schachtel Zigaretten.
Frau, sassen am Tisch und warteten auf Der Vater holte sich seine Lohntüte auch
5 Monika. Seit sie in der Stadt arbeitete, bei einem Bürofräulein. Er sah dann die
assen sie erst um halb acht. Früher hat- 30 vielen Stempel auf einem Gestell, be-
ten sie eine Stunde eher gegessen. Jetzt staunte das sanfte Geräusch der Rechen-
warteten sie täglich eine Stunde am ge- maschine, die blondierten Haare des
deckten Tisch, an ihren Plätzen, der Fräuleins, sie sagte freundlich «Bitte
10 Vater oben, die Mutter auf dem Stuhl schön», wenn er sich bedankte.
nahe der Küchentür, sie warteten vor 35 Über Mittag blieb Monika in der Stadt,
dem leeren Platz Monikas. Einige Zeit sie ass eine Kleinigkeit, wie sie sagte, in
später dann auch vor dem dampfenden einem Tearoom. Sie war dann ein Fräu-
Kaffee, vor der Butter, dem Brot, der lein, das in Tearooms lächelnd Ziga-
15 Marmelade. retten raucht.
Sie war grösser gewachsen als sie, sie 40 Oft fragten sie sie, was sie alles getan
war auch blonder und hatte die Haut, die habe in der Stadt, im Büro. Sie wusste
feine Haut der Tante Maria. «Sie war aber nichts zu sagen.
immer ein liebes Kind», sagte die Mutter, Dann versuchten sie wenigstens, sich
20 während sie warteten. genau vorzustellen, wie sie beiläufig in
In ihrem Zimmer hatte sie einen Platten- 45 der Bahn ihr rotes Etui mit dem Abonne-

140 Literaturatelier
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ment aufschlägt und vorweist, wie sie 15 genau, was sie will. Auch am Nebentisch

MODUL F
den Bahnsteig entlang geht, wie sie sich sitzt ein Mädchen mit Beinen.
auf dem Weg ins Büro angeregt mit Sie hasst Lippenstift. Sie bestellt einen
Freundinnen unterhält, wie sie den Gruss Kaffee. Manchmal denkt sie an Filme
50 eines Herrn lächelnd erwidert. und denkt an Liebesfilme. Alles muss
Und dann stellten sie sich mehrmals vor 20 schnell gehen.
in dieser Stunde, wie sie heimkommt, die Freitags reicht die Zeit, um einen Cognac
Tasche und ein Modejournal unter dem zum Kaffee zu bestellen. Aber freitags
Arm, ihr Parfum; stellten sich vor, wie regnet es oft.
55 sie sich an ihren Platz setzt, wie sie dann Mit einer Sonnenbrille ist es einfacher,
zusammen essen würden. 25 nicht rot zu werden. Mit Zigaretten wäre


Bald wird sie sich in der Stadt ein Zim- es noch einfacher. Sie bedauert, dass sie
mer nehmen, das wussten sie, und dass keine Lungenzüge kann.
sie dann wieder um halb sieben essen Die Mittagspause ist ein Spielzeug. Wenn
60 würden, dass der Vater nach der Arbeit sie nicht angespro-
wieder seine Zeitung lesen würde, dass 30 chen wird, stellt sie
es dann kein Zimmer mehr mit Platten- sich vor, wie es wäre,
spieler gäbe, keine Stunde des Wartens wenn sie ein Mann
mehr. Auf dem Schrank stand eine Vase ansprechen würde.
65 aus blauem schwedischem Glas, eine Sie würde lachen. Sie
Vase aus der Stadt, ein Geschenkvor- 35 würde eine auswei-
schlag aus dem Modejournal. chende Antwort
«Sie ist wie deine Schwester», sagte die geben. Vielleicht
Frau, «sie hat das alles von deiner würde sie sagen, dass
70 Schwester. Erinnerst du dich, wie schön der Stuhl neben ihr
deine Schwester singen konnte.» 40 besetzt sei. Gestern
«Andere Mädchen rauchen auch», sagte wurde sie angespro-
die Mutter. «Ja», sagte er, «das habe ich chen. Gestern war der
auch gesagt.» Stuhl frei. Gestern war sie froh, dass in
75 «Ihre Freundin hat kürzlich geheiratet», der Mittagspause alles sehr schnell geht.
sagte die Mutter. Sie wird auch heiraten, 45 Beim Abendessen sprechen die Eltern
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dachte er, sie wird in derExemplar
Persönliches Stadtvon
wohnen. davon, dass sie auch einmal jung waren.
Liza Basha, 8307 Effretikon
Kürzlich hatte er Monika gebeten: «Sag Vater sagt, er meine es nur gut. Mutter
mal etwas auf französisch.» – «Ja», hatte sagt sogar, sie habe eigentlich Angst.
80 die Mutter wiederholt, «sag mal etwas Sie antwortet, die Mittagspause ist unge-
auf Französisch.» Sie wusste aber nichts 50 fährlich.
zu sagen. Sie hat mittlerweile gelernt, sich nicht
Stenografieren kann sie auch, dachte er zu entscheiden. Sie ist ein Mädchen wie
jetzt. «Für uns wäre das zu schwer», andere Mädchen. Sie beantwortet eine
85 sagten sie oft zueinander. Frage mit einer Frage.
Dann stellte die Mutter den Kaffee auf 55 Obwohl sie regelmässig im Strassencafé
den Tisch. «Ich habe den Zug gehört», sitzt, ist die Mittagspause anstrengender
sagte sie. 1964 als Briefeschreiben. Sie wird von allen
Seiten beobachtet. Sie spürt sofort, dass
W o l f W o n d r a t s c he k , 1 9 4 3 sie Hände hat.
60 Der Rock ist nicht zu übersehen. Haupt-
Mittagspause
sache, sie ist pünktlich.
1 Sie sitzt im Strassencafé. Sie schlägt so- Im Strassencafé gibt es keine Betrunke-
fort die Beine übereinander. Sie hat nen. Sie spielt mit der Handtasche. Sie
wenig Zeit. kauft jetzt keine Zeitung.
Sie blättert in einem Modejournal. Die 65 Es ist schön, dass in jeder Mittagspause
5 Eltern wissen, dass sie schön ist. Sie eine Katastrophe passieren könnte. Sie
sehen es nicht gern. könnte sich sehr verspäten. Sie könnte
Zum Beispiel. Sie hat Freunde. Trotzdem sich sehr verlieben. Wenn keine Bedie-
sagt sie nicht, das ist mein bester nung kommt, geht sie hinein und be-
Freund, wenn sie zu Hause einen Freund 70 zahlt den Kaffee an der Theke.
10 vorstellt. An der Schreibmaschine hat sie viel Zeit,
Zum Beispiel. Die Männer lachen und an Katastrophen zu denken. Katastrophe
schauen herüber und stellen sich ihr Ge- ist ihr Lieblingswort. Ohne das Lieblings-
sicht ohne Sonnenbrille vor. wort wäre die Mittagspause langweilig.
Das Strassencafé ist überfüllt. Sie weiss 1969

Literaturatelier 141
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe

V e r e n a S t ef a n , 1 9 4 7
Häutungen
Die Bernerin Verena Stefan trifft mit ihrem Roman «Häutungen» 1975 die Befindlichkeit
vieler – nicht nur junger – Frauen.

• Worauf lässt sich der Erfolg dieses Buches zurückführen? Die Textstelle bietet genügend
Anhaltspunkte.

1 Ich lächelte ununterbrochen. Geheimnisvoll lächelnd in der welt um asyl


bitten, bittenden auges die zulassung erfragen, mit leiser stimme wohl­
klingend unterwürfig. Unterlasse ich das lächeln und schaue einen mann,
der mich belästigt, zornig an oder werde handgreiflich, so bin ich «zickig»,
5 «unverschämt» – und gefährdet.
Ich stehe am Wittenbergplatz und warte auf das grün der ampel. In der
linken hand trage ich eine tasche, die mit lebensmitteln angefüllt ist, in
der rechten eine grosspackung mit toilettenpapier. Ich spüre im rücken,
dass zwei männer an mich herantreten und blicke über die schulter zurück.
10 In dem moment fasst der mann links von mir voll in meine haare, die
­hennagefärbt über den schultern liegen, lässt sie prüfend durch die finger
gleiten und sagt zu seinem freund: Prima haare! Ich wirble herum und
schleudere ihm die tüte mit dem toilettenpapier ins gesicht, ein guter, lan-
ger h
­ ebelarm. Dann ist meine kraft erschöpft, mit weichen knien gehe ich
15 über die strasse. Mein arm jetzt bleischwer, ich kann ihn nicht mehr an­
Roy Lichtenstein:
heben. Die beiden männer folgen mir, empört fluchend und mich als sau
Crying Girl, 1964
beschimpfend, weil ich gewagt habe, mich zu widersetzen. Auf der andern strassenseite
drehe ich mich noch einmal um, zische, sie sollen die klappe halten. Sie würden am
liebsten auf mich losgehen, aber es ist helllichter tag, auf der strasse gibt es menschen,
20 die
© 2023 Verlag SKVbeiden
AG: Fokussind ausländer.
Sprache, Als
Fokus Sprache BMich in derLösungen
mit digitalen u-bahnundsitze, betrachte
Kommentar ich erbittert meine
für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
­kleinen hände. Allein mit ihnen hätte ich nicht einmal den einen schlag geschafft. Ein
alltäglicher vorfall. Eine alltägliche behandlung einer kolonisierten in einer stadt der
­ersten welt. Vermutlich habe ich eine schönere wohnung, mehr soziale kontakte, erträg-
lichere arbeitsbedingungen als die meisten ausländer in west-berlin. Aber jeder in- oder
25 ausländische mann kann mich, ungeachtet seiner lebens- und arbeitsbedingungen, täg-
lich und stündlich auf irgendeine weise missbrauchen. Habe ich bessere lebensbedin-
gungen, weil ich unter umständen eine schönere wohnung habe als mein vergewaltiger?

Literatur hören und sehen


• Heinrich Bölls «Ansichten eines Clowns» sowie seine «Verlorene Ehre der Katharina
Blum», Jurek Beckers «Jakob der Lügner», Siegfried Lenz’ «Deutschstunde» und Rolf
Hochhuths «Der Stellvertreter» sind nur einige der vielen Literaturverfilmungen dieser
Epoche.
• Der mörderische RAF-Terrorismus ist im Film «Der Baader-Meinhof-Komplex» nach dem
gleichnamigen Sachbuch von Stefan Aust verfilmt worden.

• Was bleibt
• Wie lassen sich einerseits Politisierung und andererseits Neue Subjektivität erklären?
• Was sind gesellschaftliche Milieus? Welche lassen sich heute unterscheiden?
• Was bedeuten die Begriffe Autorität, autoritär, antiautoritäre Erziehung? Worin lag mög-
licherweise die Faszination an der antiautoritären Erziehung?
• Recherchieren Sie zur Kulturpolitik der DDR im Internet. Worum geht’s da?
• Lesen und bearbeiten Sie mindestens einen Roman aus dieser Epoche.
• Recherchieren Sie den Begriff «feministische Literatur».

142 Literaturatelier
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
7.7 Postmoderne, 1980–2000

• Begriff
In Kunst und Literatur wird etwa seit dem Naturalismus verallgemeinernd von «der
Moderne» gesprochen. In den 1980er-Jahren entsteht vor allem in der Architektur der
Begriff «Postmoderne» («Nach-Moderne»), der auf alle Kulturbereiche übertragen wird.
Typisch postmodern ist das Spiel mit allen Formen, Stilen und Themen vergangener
Epochen. Die einfachste Variante zeigt der «Schulknabe» (1881) des Schweizer Malers
Albert Anker – mit einem modernen iPad. In Mode und Musik zeigt sich Ähnliches:
«Retro-­Elemente» werden neu und trendig arrangiert: «Anything goes».


• Themen und Tendenzen
Der neue Stilmix widerspiegelt die Pluralität westlicher Gesellschaften: Ein allgemein
gültiger Wahrheitsanspruch, für alle verbindliche religiöse Auffassungen und gesellschaft-
liche Systeme – damit auch die politischen Blöcke – sowie traditionelle Lebensformen
werden infrage gestellt. Der deutsche Philosoph Jürgen Habermas spricht von einer
«Neuen Unübersichtlichkeit» (2001). Mike Licht: Schulknabe mit
iPad, nach Albert Anker,
2010
• Epik – Dramatik – Lyrik
Patrick Süskinds Roman «Das Parfum» ist zwar 1985 veröffentlicht worden, doch das ge-
konnte Spiel mit Wortschatz, Satzstrukturen und Stilmitteln lässt die Geschichte «irgendwie» • Gesellschaft und
älter klingen. Die wichtigsten Verfahren der Postmoderne sind Zitat, Montage sowie Parodie Geschichte
und vor allem Ironie – allerdings völlig anders als die Form- und Sprachexperimente früherer Die kommunistischen
Staaten können den
Epochen. Die Literaturkritik vermisst zwar das Neue, das Originelle und spricht von «Nach- neuen Rüstungswettlauf
ahmung», doch der Erfolg dieser Literatur gibt den Schreibenden recht. Die Grenze zwischen nicht mehr finanzieren;
anspruchsvoller und unterhaltender Literatur verschwimmt zunehmend. die Fehler des Wirt­
Mit dem Ende festgefügter Ideologien und politischer Blöcke ist eine offene, globale Kultur schaftssystems werden
entstanden, die kaum noch zu überschauen ist: Computer- und Internetliteratur, feministische offensichtlich. Michail
Gorbatschows Reformver-
Literatur, Migranten- undVerlag
© 2023 Popliteratur,
SKV AG: FokusSlam Poetry
Sprache, Fokus sowie diverse
Sprache BM andere
mit digitalen Richtungen
Lösungen sorgen
und Kommentar suche mit Glasnost und
für Lehrpersonen
für ein einzigartig facettenreiches Literaturleben.
Persönliches Exemplar von Während die einen die «Renaissance»
Liza Basha, 8307 Effretikon Perestroika scheitern.
des Erzählens feiern, heben andere voll Experimentierlust die Grenzen zwischen den Formen Sie ermöglichen 1989 den
und Medien auf. Dies weist darauf hin, das Lyrik und Dramatik nicht zwingend postmoderne Fall der Berliner Mauer
Textsorten sind. Zwar gilt manchen Botho Strauss’ «Kalldewey, Farce» als entsprechendes und ein gewaltfreies Ende
des Kalten Kriegs.
­Theaterstück und Robert Gernhardts Gedichte als postmoderne Lyrik, doch gerade er hat sich – Die kommunistischen
in einem Gedicht! – gegen diese Zuordnung verwahrt. Regimes werden abgelöst.
Die Nationalitätenfrage
und mit ihr alte ethnische
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren Konflikte führen in Jugo­
• Eveline Hasler: Anna Göldin. Letzte Hexe, 1982 L esetipp ! Die Wachsflügelfrau, 1991 slawien zu blutigen
• Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit, 1983 Bürgerkriegen und
• Patrick Süskind: Das Parfum, 1985 L esetipp ! schliesslich zum Unter-
gang des Landes.
• Milena Moser: Die Putzfraueninsel, 1991; Das Schlampenbuch, 1992; Blondinenträume, Westliche Demokratien
1994 wandeln sich in post-
• Robert Schneider: Schlafes Bruder, 1992 industrielle Gesell-
• Bernhard Schlink: Der Vorleser, 1995 L esetipp ! schaf­ten: Ausweitung
• Urs Widmer: Top Dogs, 1997 L esetipp ! des tertiären Sektors,
Öffnung der (Finanz-)
• Zoë Jenny: Das Blütenstaubzimmer, 1997 Märk­­te, Anstieg struktu-
• Thomas Brussig: Am kürzeren Ende der Sonnenallee, 1999 reller Arbeitslosigkeit.
• Florian Illies: Generation Golf, 2000 Datenverarbeitung,
Mi­kro­elektronik und
 opliteratur
P Digitalisierung verändern
• Christian Kracht; Alexa Hennig von Lange; Benjamin Lebert; Benjamin von Stuckrad-­ die Privat- und Arbeits-
Barre welt. Der Neoliberalis-
 mus erzeugt mehr
Migrantenliteratur soziale Ungleichheit, aber
• Rafik Schami: Fabeln, Märchen, Erzählungen – seit 1982 L esetipp ! auch einen gewissen
• Wladimir Kaminer: Russendisko, 2000 «Massenwohlstand».
• Feridun Zaimoglu: Kanak Sprak, 1995; Zwölf Gramm Glück, 2004; Leyla, 2006

Literaturatelier 143
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe

U r s W i d me r , 1 9 3 8 – 2 0 1 4
Top Dogs
Neoliberales Denken überlässt alles dem Markt. Arbeitskräfte sind beliebig austauschbar, kein
Arbeitsplatz ist sicher, auch Führungskräfte werden entlassen. Für sie gibt’s Outplacement-
firmen.

• Analysieren Sie das Gesprächsverhalten von Frau Wrage und Herrn Deér.

1 W r a g e energisch auftretend Herr Deér! Kenia, Mexiko, Japan. JUST NAME IT.
Sie sind also Herr Deér. Wrage. D e é r Aha.
D e é r Guten Tag, Frau Wrage. W r a g e Was alle Damen und Herren hier
W r a g e Ich bin Beraterin der NCC, «New ver­bindet: Sie sind vom Verlust ihres
5 Challenge Company». Sie haben sich für 55 Arbeits­platzes betroffen und erwarten
die erste Begegnung just unser wöchent- von uns eine optimale Unterstützung bei
liches informelles Treffen ausgesucht. ihrer Karriere­fort­setzung in einem ande-
Gut. Sehr gut. Wir nennen das die Gip- ren Unternehmen.
felkonferenz. Es gibt Gipfeli für alle, Sie D e é r nimmt die anderen wie neu wahr;
10 verstehen. Gipfel­konferenz. 60 als hätten sie die Lepra Die da, die ste-
D e é r Sehr gut! hen alle auf der Strasse?
Heiterkeit. Allerdings versteht Deér nur W r a g e Hier ist jeder in der gleichen
Bahnhof. Lage.
W r a g e Bedienen Sie sich. Es gibt auch D e é r Ja. Das kommt jetzt immer häufi-
15 Kaf­fee. 65 ger vor.
D e é r Danke. Die oberste Etage hat mich W r a g e Sehr gut! Was leistet unsere
ge­beten, mit Ihnen Kontakt aufzuneh- Organisa­tion, und wie leistet sie es? Als
men. Wir hatten ein ausführliches Ge- wir vor zehn Jahren hier in der Schweiz
spräch. War gut und intensiv. Doch. unsere Tätigkeit aufnahmen, waren wir
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Haben von
20 Exemplar
Persönliches nochmals die ganzen
Liza Basha, 8307 Effretikon Probleme 70 ein Nischenprodukt in einer intakten
durchgesprochen, wie mein Arbeitsbe- Arbeitswelt. Zwar war die Hochkonjunk-
reich im Catering genauer definiert wer- tur am Abklingen, darum ja unsere
den könnte. Und ich soll mich bei Ihnen Anstrengungen, uns auch am Schwei­zer
kundig machen, inwieweit irgend­ein Markt zu positionieren, aber in den
25 Synergie­effekt zwischen meiner und 75 Köp­fen des mittleren und höhern Kaders
ihrer Arbeit herstellbar ist. gab es noch kaum irgendwelche Gedan-
W r a g e Nun, im Groben wissen Sie ken an einen möglichen Verlust des
natürlich Bescheid. Arbeitsplatzes.
D e é r Sehr im Groben. Sie müssen mir D e é r Ja, ja. Wir restrukturieren ja auch
30 das mal ganz genau erklären. Das mit 80 mas­siv. Grad nochmals tausendzweihun-
Ihrer NCC lag am Schluss plötzlich auf dert Stellen abgebaut. Aber nicht in mei-
dem Tisch, ziemlich abrupt. nem Be­reich. Das Catering ist stabil.
W r a g e Deswegen sind Sie ja da, klar. W r a g e Ja.
D e é r Ich sage meinen Mitarbeitern D e é r Einzelne Fluktuationen allenfalls.
35 immer: Sie müssen mit der Lupe hin- 85 W r a g e Gut. – 1986 vermittelten wir
schauen. Der Teufel steckt im Detail. ganze fünfzehn Herren! Waren bereits
Und daran halte ich mich natürlich auch zwei Da­men unter den Herren. Kleine
selbst. Heiterkeit. Heute haben wir mehr als
W r a g e Herr Deér, die NCC ist eins der neunhundert Kli­entinnen und Klienten
40 gröss­ten Outplacement-Unternehmen am 90 per annum, und wir haben unsre Tätig-
Markt, Lizenzträger der «Myer Myer Bos- keit auch auf nicht deutlich qualifizierte
well» in New York. Das sichert uns einen Arbeitsplätze aus dem untern Segment
Markt­vorsprung im Know-how und, ausgedehnt. Wir bieten jetzt dreitä­gige
wichtiger noch, eine einzigartige inter- Crash-Pro­gramme in Gruppen an, für
45 nationale Vernet­zung. 95 eine erfolgreiche berufliche Neuorientie-
D e é r Verstehe. rung auch im LOW-SALARY-Bereich.
W r a g e Wir haben Partner in zweiund- D e é r Die da?
zwanzig Ländern und können unsere W r a g e Nein, nein. Die Damen und Her-
Klienten ALL OVER THE WORLD ver- ren haben alle der Leitungsebene ange-
50 mitteln. Nach al­len Ländern der EU, 100 hört. «Top Dogs». Ihre Preisklasse, wenn

144 Literaturatelier
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
ich das mal so flapsig sagen darf. Unser Workahol­ic. Dass ich bei der Swissair

MODUL F
Kerngeschäft bleibt die intensive Arbeit gelandet bin, an der Front zuerst, dann
mit Klienten wie Ihnen. Deér versteht 150 im Catering, hat si­cher damit zu tun.
«wie ihnen», das heisst wie mit denen da, Sechzehnstundentage. Wer beim Cate-
105 nickt anteilnehmend. Wir führen sogar ring dabei sein will, muss Tag und Nacht
das SENIOR-EXECUTIVE-PROGRAMM, am Ball sein. «Lead, follow or get out of
das von Konzernchefs in Anspruch ge- the way», nicht wahr. Lacht.
nommen wird. Stellenlos gewordene Per- 155 W r a g e Gut. Wie im Konkreten läuft
sönlichkeiten der Führungsspitze. also unsre gemeinsame Arbeit ab? Wir
110 D e é r Musste ja selber Mitarbeiter ent- stellen un­sern Klienten hier eine Infra-
lassen. Als wir das Catering auslagerten, struktur zur Verfügung, ähnlich der, die


neunzehn­zwei­und­neunzig, haben wir sie von ihrem frühern Arbeitgeber her
mehr als tau­send Stellen abgebaut. Gute 160 gewöhnt sind. Computer, Fax, Telefon,
Leute, waren zum Teil seit Jahren dabei Sekretariat für alle Schreibarbeiten,
115 gewesen. Ist ein menschliches Problem, Fachliteratur, Kaffeema­schine und und
so was. Andererseits, im Kader, das ist und. Stellensuche ist ein Full-time-Job.
einfach im Anforderungs­profil, so was Das werden Sie bald feststel­len.
wegstecken zu können. 165 D e é r Ja, sicher. Schweigen. Kann ich
W r a g e Ich muss sagen, Herr Deér. mir vor­stellen. Schweigen. Wieso werde
120 CHAPEAU! Aber eigentlich schüttelt es ich das bald feststellen?
jeden. Pause. Entscheidend für unsre er- W r a g e Ja was denken Sie, weshalb Sie
folgreiche Arbeit ist, dass diese immer hier sind, Herr Deér?
und in jedem Fall vom ehemaligen 170 D e é r Sagte ich Ihnen. Ich soll in Erfah-
Arbeitgeber finanziert wird. Da­bei be- rung bringen, inwieweit wir unsre
125 rechnen wir ganz bewusst eine Pau­ Arbeitsberei­che füreinander nutzbar
schale und nicht etwa ein Honorar, das machen können.
sich nach der Vermittlungsdauer richtet. W r a g e Wieso wohl zahlt Ihre Firma
Denn so haben auch WIR ein vitales 175 dreissig­tausend Franken dafür?
­Interesse daran, unsere Klienten schnell D e é r Wofür?
130 zu plazieren. Und optimal. Wir garantie- W r a g e Sie sind entlassen worden!
ren, sie ins Programm zurückzunehmen, Herr Deér! Entlassen!
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wenn es mit dem neuenExemplar
Persönliches Arbeitgeber D e é r Ich??!
in- 8307 Effretikon
von Liza Basha,
nerhalb eines Jahres zu Unstimmig- 180 W r a g e Ja. Sie.
keiten kommen sollte. D e é r Entlassen? – Hören Sie. Das
135 D e é r vertraulich Denen da geb ich keine hätte man mir gesagt.
Chance. Zu alt, zu unbeweglich, zu teuer. W r a g e Man HAT es Ihnen gesagt!
W r a g e Sagen Sie das nicht. Wir hatten D e é r Wer? Wann?
einen Herrn, Mitte fünfzig, der tauchte 185 W r a g e Sie haben es nicht gehört.
fünfmal wieder hier auf. Zuerst dachten D e é r Aber.
140 wir, es liege an uns. Dann, dass es doch W r a g e Nicht verstanden.
an ihm liegen könnte. Aber nein. Heute D e é r Aber das gibt es doch nicht, dass
ist er Direktor ei­nes führenden Touristik- einer das nicht hört. Dass er entlassen
unternehmens und verbringt die meiste 190 worden ist.
Zeit an sonnenüberflu­teten Sandsträn- W r a g e Doch. Oft. Kopf hoch, Herr Deér.
145 den. Heiterkeit. Wir haben bis heute noch jeden Klienten
D e é r Ist bei mir nicht drin, Ferien. Bin vermittelt. Sozusagen jeden. 1997
ja ur­sprünglich Maschineningenieur.

Literatur hören und sehen


• «Anna Göldin – Letzte Hexe», «Helden wie wir», «Schlafes Bruder» und der Weltbest-
seller «Das Parfum» sind erfolgreich verfilmt worden. «Top Dogs» ist als Videoproduk-
tion des Zürcher Theaters am Neumarkt (Schweizer Radio und Fernsehen) erhältlich.

• Was bleibt
• Suchen Sie im Internet Bilder postmoderner Bauten, und erläutern Sie den Begriff.
•  Was sind Retro-Elemente in der aktuellen Mode?
• Informieren Sie sich über Eveline Haslers Romane, in denen sie historischen (Schweizer)
Persönlichkeiten und Ereignissen nachgeht.
• Recherchieren Sie im Internet Beispiele von Slam Poetry sowie Pop- und Emigrantenliteratur.
• Schreiben Sie mal «postmodern»: Imitieren Sie den Stil «von früher».

Literaturatelier 145
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8 Das 21. Jahrhundert – die globale Ökonomisierung

• Begriff
Für die unmittelbare Gegenwart eine zutreffende Epochenbezeichnung zu finden, ist nahezu
unmöglich. Sehr verallgemeinernd lässt sich von der globalisierten Welt reden: Handel, Kapital-
sowie Produkt- und Dienstleistungsmärkte sind weltweit immer enger verflochten – wie auch
die Kunst- und Kulturmärkte. Wirtschaftliches Denken durchdringt alle Lebensbereiche.
Während die einen unendliche Chancen in unendlich liberalisierten Märkten wittern,
spüren die anderen Angst und Verunsicherung. Resignation und Flucht aus der Realität,
aber auch Aggression und exzessiver Genuss können die Folgen sein. Die Schere
zwischen Arm und Reich öffnet sich.

• Themen und Tendenzen


«Der flexible Mensch» ist für den amerikanischen Soziologen Richard
Sennett das Menschenbild des 21. Jahrhunderts: Bisherige Gesell-
schafts- und Wirtschaftsformen sowie Bildungswege werden radikal
infrage gestellt: Gefragt sind Menschen, die sich allen Lebenslagen
anpassen und den neuen Kapitalismus mit seinen enormen Profiten
und heftigen Krisen mittragen. Soziale Medien dienen als Plattformen
der Selbstinszenierung: «Ich-AG», «Ego-Marketing», «Impression
Management». Gleich­zeitig wächst der Druck auf das Individuum durch
engmaschige Überwachung der Produktionsprozesse sowie durch den
Einsatz moderner Kommunikationsmittel. Wer nicht flexibel ist, wird
«flexibilisiert».
• Gesellschaft und «Literatur muss Spass machen» (Marcel Reich-Ranicki) ist das Motto zur Jahrtausendwende.
Geschichte Damit schwindet weitgehend die typisch deutsche Unterscheidung zwischen hochwertiger
Dem «alten Europa» ste-
Literatur und (mehr oder weniger trivialer) Unterhaltungsbelletristik. Die «Millennials» oder
hen neue Staaten und
Staatengruppen (z.B. «Generation Y» entwickelt andere Werte, u. a. eine Kultur der Selfies und des Quantified Self
BRIC) gegenüber, vor © 2023 («Selbstvermessung»).
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allem aber multinationale Die internationale und nationale Medienkonzentration macht sich auch in der Literatur be-
Konzerne, Finanzgesell- merkbar: Medienkonzerne streben Profite mit eher weniger Buchtiteln weltweit an. Was zählt,
schaften und Staatsfonds.
ist ein Bestseller, der sich wie die Harry-Potter-Romane verfilmen und multimedial vermarkten
Der Anschlag auf das
World Trade Center in lässt. Bücher werden vermehrt für bestimmte Zielgruppen geschrieben, z. B. Mittelalter- oder
New York 2001 und die Fantasy-Fans, «Freche Frauen». Dies eröffnet Nischen für kleinere Verlage und literarische
daran anschliessenden Überraschungserfolge.
Kriege im Irak und in
­Afgha­nistan sowie bisher
ungeahnte Formen von
• Epik – Dramatik – Lyrik
Gewalt und Terrorismus In der Öffentlichkeit präsent sind vor allem Romane. Zwar schaffen es einzelne Inszenierun-
führen zu globalen
gen – mit Starbesetzung – immer wieder mal in die Medien, doch hat das Theater gegen-
Flüchtlingsströmen.
Die Mittelschichten fühlen über früheren Epochen an Bedeutung eingebüsst, nicht zuletzt wegen Oper und Film.
sich verunsichert, nicht Urs Widmer, Laura de Weck und vor allem Lukas Bärfuss schreiben erfolgreich fürs Theater.
zu­letzt auch wegen der Lyrik hat nie ein «grosses» Publikum; dennoch prägen Gedichte und Lieder häufig die Kultur.
Wanderungsbewegungen Die Mundartgedichte Mani Matters wirken bis heute identitätsstiftend – als Abgrenzung
von Arbeitskräften. Die
gegen­über einer hochdeutschen und englischsprachigen Welt. Zählt man die Texte der
Annahme der «Massen­
einwanderungsinitiative» populären Musik auch zur zeitgenössischen Lyrik, so ist sie im Alltag überall präsent und
im Feb­ruar 2014 ist nur wird an Konzerten kräftig mitgesungen.
ein Indiz dafür. Die postmoderne Tendenz nach unterschiedlichen Literaturszenen verstärkt sich. Dem Zeit-
Naturkatastrophen geist entsprechen u.a. die Romane von Sven Regener, Martin Suter und Alex Capus. Die
(Tsunami 2004) sowie
Schweizerin Melinda Nadj Abonji (mit «Migrationshintergrund») erhielt für «Tauben fliegen
Banken- und Wirtschafts-
krisen (z.B. 2008) verstär- auf» 2010 sowohl den deutschen als auch den Schweizer Buchpreis. Ein Bestseller ist Pedro
ken den Eindruck einer Lenz 2010 mit seinem Mundartroman «Der Goalie bin ig» gelungen – inzwischen ins
«Weltrisikogesell- Hochdeutsche, Französische und Schottisch-Gälische übersetzt. Die Verfilmung erhielt 2014
schaft» (Ulrich Beck, den Schweizer Filmpreis.
2007): Die neuen Pro­
bleme betreffen alle, und
zwar weltweit.

146 Literaturatelier
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Kunst, Mode und Musik,

MODUL F
Ausgewählte Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren aber auch spirituelle Be-
• Peter Stamm: Agnes, 1998; Blitzeis, 1999; An einem Tag wie diesem, 2006 dürfnisse sind global und
• Alex Capus: Fast ein bisschen Frühling, 2002 L esetipp ! Der Fälscher, die Spionin und der vernetzt: Vieles klingt
Bombenbauer, 2013 weltweit gleich, sieht
gleich aus. «Superstars»,
• Martin Suter: Business Class, 2000; Ein perfekter Freund, 2002; Montecristo, 2015 «MusicStars», neue Glau-
L esetipp ! bensgruppen und esoteri-
• Laura de Weck: Lieblingsmenschen. Ein Stück, 2007 sche Kulte kommen und
• Siegfried Lenz: Schweigeminute, 2008 L esetipp ! gehen. Beliebigkeit und
• Wolfgang Herrndorf: Tschick, 2010 Schnelligkeit leben von
der smarten Elek­tronik:
• Pedro Lenz: Der Goalie bin ig, 2010 L esetipp ! Radio. Morgengeschichten, 2014 L esetipp ! klein, hand­lich, 24 Stun-
• Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf, 2010 – Deutscher und Schweizer Buchpreis


den weltweit verfügbar.
2010 Die Begeisterung für eine
• Robert Seethaler: Der Trafikant, 2012 Gratiskultur im Netz hat
• Charles Lewinsky: Melnitz, 2006; Kastelau, 2014 durch die Aufdeckung
von Abhörskandalen
Angesichts der Fülle an Werken entfallen die Hinweise auf die Weltliteratur. nur wenig gelitten. Big
Data gelten – je nach
Ideologie – als Bedrohung
oder Lösung aller globa-
len Probleme.

Aufgabe

P e d r o L e n z , 1965
Ihri Stimm
Im Verlag «Der gesunde Menschenversand» erscheint die Reihe «edition spoken script» mit
aktuellen Texten in verschiedenen Mundarten.

• Wie lässt sich Ihrer Meinung nach der Erfolg der «Spoken-Word-Szene» erklären? Was fällt
am Namen der Reihe und an der Szene auf?
© 2023 Verlag
• Lesen Sie die folgende SKV AG: Fokus Sprache,
Kürzestgeschichte Fokus
laut vorSprache BMin
– z. B. mitIhrer
digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Mundart.
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Welche Schwierigkeiten ergeben sich beim Lesen und Schreiben der Mundart?
• Wie lässt sich Beno charakterisieren?
• Wie geht man mit einem wie Beno um?

1 Der Beno heig z Züri e Termin gha. Auso sig er mit em Tram vom Bahnhof wägg gfahre,
wo d Stimm us em Lutsprächer heigi gseit: «Central».
Är heig di Stimm kennt, sig praktisch sicher gsi und är heig zu sich säuber gseit:
«I gloubes nid! Das isch doch d Lotte gsi!»
5 Die Lotte heig bis vor churzem no mit ihm uf der Bank gschaffet, ir glichen Abteilig.
Und är, der Beno, är heig kei Ahnig gha, dass d Lotte, nachdäm dass si vor Bank furt
sig, e Stöu aus Sprächere für di Durchsagen uf de Zürcher Tramlinie heig aagnoh.
Bi jedere Hautstöu heig er glost und spötischtens bim Bellevue heig er ke Zwifu meh
gha.
10 «Bellevue», heig d Lotte gseit, würklech, es sig eidüttig ihri Stimm gsi.
Und wöu är ihri Handynummere no heig gspicheret gha, heig er grad aaglütte und wo si
abgnoh heig, heig er sofort gseit: «He Lotte, säg einisch Bellevue!»
«Bellevue?» Heig si gfrogt.
«Jo, säg einisch Bellevue, aber nid frogend, ender bestimmt.»
15 «Worum?», heig si wöue wüsse, «wieso sött i grad jetz Bellevue säge?»
«I ha di ghört Lotte. Bi grad z Züri im Tram ungerwägs und ha dini Stimm vorhär ghört!
Us em Lutsprächer!»
«Sicher nid!», heig d Lotte gseit, «wüsst nid, worum, dass mini Stimm z Züri im Tram us
em Lutsprächer sött cho.»
20 Si heig aues abgstritte und sithär frog er sech jedes Mou, wenn er z Züri im ne Tram ar
Lotten ihri schöni, aagnähmi Stimm us em Lutsprächer ghöri, worum dass si nid derzue
wöu stoh.
Möglecherwis sigs jo würklech nid d Lotte gsi, han i mi getrout z säge.
Aber das het der Beno nid wöe lo gäute: Eine wien ig, wo weder vor Lotte no vom
25 Bellevue en Ahnig heig, sötti zu däm Thema gschider schwige, het er mer gseit.
Isch guet Beno, isch guet, i schwige. 2014

Literaturatelier 147
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe

Jürg Amann, 1947–2013


Im Turm
Der Terroranschlag am 11. September 2001 zeigte eine neue Dimension der Gewalt: Zwei Pas-
sagierflugzeuge waren entführt und in die beiden Türme des World Trade Centers in New
York gesteuert worden. Die Türme brachen zusammen und begruben gegen 3000 Menschen.

• Lesen Sie den folgenden Text aufmerksam durch, und kennzeichnen Sie die Schlüsselwörter.
• Fassen Sie kurz zusammen, wie das Ereignis geschildert wird.
• Welche Intention verfolgt der Text? Worauf will er hinaus?

1 Etwas musste dort oben geschehen sein, geschah dort offenbar noch immer, von dem
ich nicht wusste, was es war, als ich mich am Dienstag, den 11. September, gegen 9 Uhr
morgens von meinem Büro im 73. Stockwerk auf den Weg nach unten begab, in die
Cafeteria im 44. Stock­werk, um dort erst mal einen Kaffee zu trinken, bevor ich zu
5 arbeiten begann. Ich war gerade vom 86. Stockwerk zurückgekommen, wohin ich einen
Kollegen begleitet hatte, den ich im Lift getroffen hatte, um aus seinen Händen eine
Pendenzenmappe entgegenzunehmen und sie in mein eigenes Zimmer hinabzutragen
und auf meinem Pult abzulegen. Irgendetwas war da oben geschehen, geschah dort wei-
ter, von dem ich hier unten nicht die geringste Ahnung hatte. Ich hatte gerade meinen
10 Mantel über den Stuhl gelegt, die Arbeitsunterlagen auf meinem Tisch platziert, den
Computer hochgefahren und mit einem Blick die eingegangenen E-Mails überflogen,
bevor ich mich wieder abgewandt hatte, um auf den Gang vor meinem Zimmer hinaus-
zutreten und den Fahrstuhl aufzusuchen. Etwas war eingeschlagen dort oben, mit einem
gewaltigen Knall, und es knallte noch immer, knallte noch immer weiter, ein Knall ging
15 in den anderen über, knallte, rumorte, krachte, fauchte, zischte, etwa so, als ob 1000
Öfen gleichzeitig angeworfen worden wären. Ich rannte hinaus, auf den Gang, durch die
Gänge, zum Lift, aber der Lift ging nicht. Ging da schon nicht mehr. Die Türen zum Lift-
© 2023 Verlagschacht blieben
SKV AG: Fokus verschlossen.
Sprache, Die
Fokus Sprache BM mit Lichtknöpfe,
digitalen Lösungen auf die ich drückte,
und Kommentar waren erloschen, das
für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Fahrwerk wäre in diesem von oben kommenden Lärm ohnehin nicht mehr zu hören ge-
20 wesen. Ich rannte zum nächsten Lift, da war es dasselbe. Andere waren dazugekommen,
andere Angestellte, Menschen, die ich nicht kannte oder nur vom Sehen, aus anderen
Zimmern, von anderen Gängen, von oben, von unten, die Treppenhäuser herab und her-
auf. Menschen, von allen Seiten, die sich selber und die sich gegenseitig fragten, was
war, was sei, was geschehen sei? Keiner wusste etwas, keiner hatte eine Erklärung, aber
25 alle hatten es gehört, hatten etwas gehört, hörten es, hatten den Turm, in dem sie arbei-
teten, in dem sie alle zur täglichen Arbeit zusammengekommen waren, unter sich, um
sich herum, wanken gefühlt, hatten sich selbst wanken gefühlt, ohne zu wissen, warum,
was den Turm, was sie selbst ins Wanken gebracht hatte, soeben, soeben noch; jetzt, für
den Augenblick, war es wieder vorbei, sie erzählten einander davon, von dem, was sie
30 wussten und nicht wussten, von dem, was sie erfahren hatten, aber nicht aus eigener
Anschauung kannten, von dem, was sie hörten, ohne es zu verstehen. Denn über uns
tobte und toste es immer noch, noch immer gleich laut, oder jedenfalls ähnlich laut, nur
dass der erste Schlag, der Schlag, mit dem es begonnen hatte, in ein unablässiges, nicht
endendes Donnern übergegangen war, in eine endlose Folge von Donnerschlägen. Zwei
35 sich kreuzende Ströme, hinab und hinauf, wälzten sich durch die Schluchten der Trep-
penhäuser, die, die empordrängten, um der Ursache der Unruhe, die sie nicht kannten,
näher zu kommen, die, die hinunterwollten, weil sie sich vor ihren möglichen Folgen
fürchteten. Die, die hinabwollten, rissen viele von denen, die hinaufgewollt hatten,
wieder mit sich zurück. Was sollten sie oben, wenn die, die von oben kamen, auch nicht
40 mehr wussten als sie. Was konnte man also wissen, was wollte man wissen? Ich wollte
hinunter. Ich ging und ging. Und vor mir und hinter mir, mit mir und mir entgegen,
gingen die andern. Je länger ich ging, je tiefer ich kam, umso mehr löste sich das Ge-
dränge, das Schieben und Kreuzen, auf den Treppen wieder auf, wurde das Auf und Ab
auf den Stufen wieder zum normalen Werktagsverkehr zwischen den Stockwerken,
45 zwischen den Parteien, wurden aus den Menschentrauben wieder einzelne Menschen,
nur dass die Fahrstühle nicht fuhren, war an ihrer grossen Anzahl abzulesen, aber die
würden nun vielleicht auch bald wieder fahren. Sie fuhren nicht. Ich ging also weiter zu

148 Literaturatelier
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Fuss, versuchte mich daran zu erinnern, was ich eigentlich vorgehabt hatte, grüsste da

MODUL F
und dort ein bekanntes Gesicht, selbst das Lächeln hatte man hier unten wiedergefun-
50 den, vielleicht hatte man es da nie verloren, jedenfalls kehrte auch das meine in meine
Mundwinkel zurück. Je länger ich ging, je tiefer ich kam, umso mehr war das anfäng-
liche Donnern zu einem nur noch drohenden Grollen geworden. Und als ich endlich
nach gut 20 Minuten des Weges im 44. Stockwerk ankam und dort die Cafeteria betrat,
fand ich die Kollegen, die da schon waren, und fanden mich die Kollegen, fanden wir
55 alles beinahe wie immer. Nur dass wir alle vom Treppensteigen, hinauf oder hinunter,
ein wenig ausser Atem waren. Und dass in der Ecke, in der der Fernseher wie immer lief,
ein wenig mehr Leute herumstanden als sonst. Und dass sie mit ihren Kaffeebechern in
der Hand nicht wie üblich in ihre eigenen Gespräche vertieft waren, sondern hinhörten


und hinsahen. Und dass auf dem Bildschirm ausnahmsweise keine Animation und auch
60 keine Wiederholung eines Baseballspiels, sondern ausgerechnet das Gebäude zu sehen
war, in dem wir waren. Gerade jetzt waren. In diesem Augenblick, in dem wir dieses
Gebäude auf diesem Bildschirm sahen. Auf dem Bildschirm dieses Fernsehers, der in
diesem Gebäude stand. Oder hing, an der Wand, in der Ecke der Cafeteria, in der wir im
Stehen unseren Frühstückskaffee tranken. Und dieses Gebäude brannte. Unser Hochhaus
65 brannte. Wir brannten. Auf dem Bildschirm, in Farbe, sahen wir es. Flammen schlugen
über unseren Köpfen aus der Krone des Turmes, in dem wir uns befanden, auf allen
Seiten, schossen in wilden Garben und Zacken aus den Fenstern, durch das Glas, durch
den Beton, durch den Stahl, aus Löchern, die das Feuer herausgesprengt hatte, stieg
schwarzer Rauch hinter dem Feuer her, verballte sich
70 mit ihm, stieg über es hinaus, es zurückdrängend, von
ihm emporgetrieben, verdüsterte, verdunkelte in riesi-
gen, sich aufwärtswälzenden Wolken den eben noch
klaren, strahlenden Morgenhimmel. Ein Flugzeug war
in den Turm gestürzt, das wurde gesagt. Ein Flugzeug
75 hatte dort eingeschlagen, so sagten sie da. Wir brauch-
ten einige Zeit, Sekunden, Minuten, bis wir begriffen,
dass wir gemeint waren. Dass uns das, was wir sahen,
etwas anging. Als ich es begriff, stellte ich den leeren
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Becher auf die Theke und
Persönliches begann
Exemplar zuBasha,
von Liza rennen, die ande-
8307 Effretikon
80 ren, die sich nicht vom Bild losreissen konnten, die
noch immer gebannt auf den Bildschirm starrten, die
erstarrt, gelähmt immer noch um den Fernseher in der
Ecke herumstanden, in meinem Rücken zurücklassend.
Ich rannte, so schnell ich konnte, nur hinunter, hinab, hinaus. Und während ich rannte,
85 fielen an mir vorbei, vor den Fenstern, den Glasfassaden entlang, die mich von ihnen
trennten, Gebäudeteile, Mauerteile, Metallstücke, mit wild auseinandergerissenen Ar­
men, kopfüber, sich überschlagend, pfeilgerade, Menschen vom Himmel herab. Ich s­ ah
es, wenn ich den Blick von den Stufen hob. Aus den Liftschächten, neben denen ich die
Treppenhäuser hinunterrannte, drang Rauch. Rauchwolken rollten hinter mir her die
90 Stufen hinunter und überholten mich. In den tragenden Konstruktionen, im Stahl, im
Beton, knirschte und knackte es. Auf den Computerbildschirmen in den offen zurück­
gelassenen Zimmern, an denen ich vorbeikam, wenn ich das Treppenhaus wechselte,
blinkte in Rot das Notsignal «Fire». Feuerwehrleute, Sicherheitsbeamte kamen mir ent­
gegen, die Treppen herauf. Menschen, die ich nicht kannte. Menschen, die mich an Be-
95 kannte erinnerten. Bekannte Gesichter. Je länger ich lief, je tiefer ich kam. Meine Ver-
wandtschaft. Die E ­ ltern, die Grosseltern. Geliebte. Ich grüsste sie. Ich forderte sie auf,
mit mir umzukehren, aber sie beachteten mich nicht. Als ich auf die Strasse hinauskam,
stürzte in meinem Rücken der Turm in sich zusammen. Ich sah es nicht, aber ich hörte
es, während mich die Druckwelle von hinten erfasste und mit dem Gesicht nach unten
100 zur Erde warf. 2006

Literaturatelier 149
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Aufgabe

Laura de Weck, 1981


Lieblingsmenschen. Stück in 15 Szenen
Fünf junge Studenten suchen nach ihrem Weg inmitten des scheinbar lockeren und unverbind-
lichen Unilebens. Doch die Zeit zwischen Lernen und Partys hat auch ihre Schattenseiten.

• Worüber reden die Figuren im folgenden Auszug?


• Analysieren Sie das Gesprächsverhalten der Figuren.
• Wie gehen die Figuren mit ihren Gefühlen um?

11. Szene Zigaretten L i l i Eben nicht.



1 J u l e und L i l i , später A n n a , später S ve n J u l e Sorry.
J u l e Also, frustration-aggressions hypoposis. 50 L i l i Schon gut.
L i l i Meinst du hypothesis, es ist Englisch. J u l e Warum weinst du denn jetzt? – Du weinst so
J u l e Weiss ich doch, also hüpotheisis? schnell in letzter Zeit.
5 L i l i Also ... das ist eine Hypothese, die besagt, –
dass Aggression ein Resultat von Frustration Deine Augen werden immer dicker.
ist. 55 L i l i Tja, bald seh ich nichts mehr.
J u l e Find ich ja ziemlich einfach. J u l e Was?
L i l i Ja, das schon, aber frag mal weiter. L i l i Nichts.
10 J u l e Also cataharsis. J u l e Was ist nichts?
L i l i Du meinst catharsis. L i l i Nichts.
J u l e Wenn du’s schon weisst, muss ich dich ja 60 J u l e Dir müsste es doch gutgehen, hattest doch
nicht mehr abfragen. guten Sex.
L i l i Also, Katharsis ist der Abbau . . . L i l i Jule, du hast tausendmal gesagt, dass es
15 J u l e Ne, der Abfluss. okay für dich ist, dass ich mit Darius was
L i l i ... ist der Abfluss aggressiver Energie durch hatte.
die Äusserung vonSKV
© 2023 Verlag . . .AG:
Reaktionen
Fokus Sprache,. .Fokus J u l eLösungen
. Sprache BM mit65digitalen Ist esundaber nicht.für Lehrpersonen
Kommentar
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
J u l e Aggressiver Reaktionen. L i l i Und woher soll ich das wissen?
L i l i Ja, das ist schon klar . . . also, bla, bla, durch J u l e So was weiss man.
20 die Äusserung aggressiver Reaktionen oder L i l i Aber wenn du mir nichts sagst.
... anderer Verhaltensformen. J u l e Dann weiss man so was trotzdem.
J u l e Oder alternativer Verhaltensformen. 70 L i l i Wieso denn?
L i l i Ja, ja, das mein ich ja damit, Mann. J u l e Wenn man ehrlich ist, weiss man das.
J u l e Es steht aber anders da. –
25 L i l i Gut, alternativer Verhaltensformen. Weiter. L i l i Ich konnte das nicht wissen.
J u l e Ne, ne, du bist mit dem Begriff noch nicht J u l e Du studierst doch Wissen.
fertig. 75
L i l i Was denn? Auftritt Anna
J u l e Da steht noch was von hostile . . . A n n a Haallo.
30 L i l i Das muss ich nicht wissen. J u l e Hey.
J u l e Aber es steht da. L i l i Mm.
L i l i Aber das gehört nicht zum Prüfungsstoff. 80 –
J u l e Und wenn’s dann doch kommt. A n n a Störe ich?
L i l i Es kommt aber nicht. J u l e Etwas, ja.
35 J u l e Aber wenn’s doch dasteht. A n n a Ich bin gleich wieder weg, ich warte nur auf
L i l i Das ist egal! jemanden.
J u l e Gut, nur dass du weiss, dass es dasteht. 85 J u l e Macht Phillip endlich mal ‚ne Lernpause.
L i l i Jetzt mach einfach weiter. A n n a Ich weiss nicht, was Phillip macht.
– J u l e und L i l i Was?
40 J u l e Bist du frustriert? A n n a Ich habe mit ihm Schluss gemacht.
L i l i Nein. J u l e und L i l i Was?
J u l e Nur, weil du so aggressiv bist. 90 A n n a Ja.
L i l i Hau ab, du nervst. –
J u l e Oh. J u l e Aber warum denn?
45 L i l i Kann mit dir nicht lernen. A n n a Es ging nicht mehr.
J u l e Kannst ja eh schon alles. L i l i Aber wieso denn?

150 Literaturatelier
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A n n a Weil es nicht mehr ging. J u l e Aber Anna, ihr wart doch sechs Jahre zusam-

MODUL F
95
J u l e Was ging denn nicht? 120 men.
A n n a Das kennt ihr doch auch, dass es plötzlich A n n a Ja.
nicht mehr geht. J u l e Da kannst du doch nicht einfach eine SMS
– schreiben.
100 L i l i Aber Anna, der hat doch in einer Woche A n n a Wieso nicht.
Prüfungen. 125 L i l i Hat er dich betrogen?
A n n a Na und. A n n a Nein.
L i l i Du bist so krass. L i l i Hast du dich verliebt?
A n n a Warum? A n n a Nein.
105 L i l i Du hättest doch noch eine Woche warten J u l e Aber es war doch so schön.


können. 130 A n n a Was war so schön?
A n n a Wenn’s doch nicht mehr geht. J u l e Dass es ging.
L i l i Aber eine Woche hättest du doch noch aus- A n n a Jetzt geht’s eben nicht mehr.
gehalten. J u l e Es war so schön.
110 A n n a Nein. L i l i Die Frau ist so krass.
L i l i Du bist so krass. 135 A n n a Warum denn?
J u l e Aber er liebt dich doch. L i l i Der muss in einer Woche seine Prüfungen
A n n a Ich weiss. schreiben.
J u l e Wie geht’s ihm denn jetzt? A n n a Das weiss ich doch.
115 A n n a Das weiss ich nicht. J u l e und L i l i Aber Anna . . .
J u l e Aber der hat doch sicher reagiert. 140 A n n a Was ist denn los mit euch? Ich hab doch ein-
A n n a Ich habe ihm eine SMS geschrieben. fach nur mit meinem Freund Schluss ge-
L i l i Die Frau ist so krass. macht, das macht ihr doch die ganze Zeit.
2007

Aufgabe

Seit 2002 veröffentlicht


© 2023Wolfgang Bortlik
Verlag SKV AG: regelmässig
Fokus Sprache, Gedichte
Fokus Sprache in der Lösungen
BM mit digitalen NZZ amundSonntag.
KommentarDas
für Lehrpersonen
Besondere dabei ist,Persönliches
dass er Exemplar
die Weltvondes Sports
Liza Basha, – Effretikon
8307 meistens des Fussballs – mit der Welt der
«klassischen» deutschen Lyrik zusammenbringt.

• Vergleichen Sie die beiden folgenden Gedichte, und untersuchen Sie inhaltliche, sprachliche
und formale Gemeinsamkeiten und Unterschiede.

H e i n r i c h H e i n e , 1 7 9 7 – 1 8 5 6 W o l f g a n g B o r t l i k , 1 9 5 2
Neuer Frühling VI Frühlingslied
Leise zieht durch mein Gemüt Leise zieht durch mein Gemüt
Liebliches Geläute. Liebliches Geläute
Klinge, kleines Frühlingslied, Sportgedicht als Frühlingslied
Kling hinaus ins Weite. Kling hinaus ins Weite
Kling hinaus, bis an das Haus, Kling hinaus ins Freie hin
Wo die Blumen spriessen, An die vielen Orte
Wenn du eine Rose schaust, Wo mit Lust und mit Gewinn
Sag, ich lass sie grüssen. 1830 Menschen sind beim Sporte
Eingesperrt in dieses Buch
Kling aus dessen Seiten
Sei stets klar und gut und such
Anmerkung
Wolfgang Bortliks zu seinem Gedicht: Freude zu bereiten
Den Anschub für dieses Gedicht hat der grosse Heinrich
gegeben. Ich stelle mir sowieso gerne vor, dass die
Heine Lass dich kaufen sonder Zahl

Dichter früherer Zeiten Fussballfans gewesen wären, hätte In ganz grosser Masse
es diesen schon gegeben. (…) Und auch mit Buchseiten Dein Papier stopft auch banal
kann
man nasse Fussballschuhe perfekt ausstopfen. Fussballschuhe, nasse! 2006

Literaturatelier 151
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Franz Hohler, 1943
The Last Show

Lesen Sie folgenden Text, und beantworten Sie die Leitfragen.


• Was für ein Zürich wird hier geschildert?
• In welchem Zustand befindet sich der Ich-Erzähler?
• Welche Intention meinen Sie im Text zu erkennen?

F r i t z E c k e n g a , 1955 1 Der Film ist zu Ende, und während auf dem Abspann die Namen aller Hilfskräfte des
ARD, Sonntag, 20.48 Uhr Meisters von unten nach oben gezogen werden, Best Boy, Gaffer, Driver und Dut-
zende andere, treten wir aus dem Kino Piccadilly, mit dem verschleierten Blick und
Keller – Fliesen – ­Neonlicht. dem behutsamen Gang von Verzauberten. Ein Magier hat einen Vorhang geöffnet,
Weisser Kittel – ­Graugesicht. 5 und was er uns dahinter zeigte, nannte er Show, singende Schwestern traten auf,
Kalter Körper – blanker Stahl.
drittklassige Cowboys, alternde Schlagersänger, ein zynischer Entertainer, ein stel-
Grosser Onkel – Zettel – Zahl.
lenloser Privatdetektiv und ein Todesengel. Er nannte es Show, aber eigentlich tat
Rosa Sirup – Wasserhahn. sich hinter dem Vorhang ganz Amerika auf. Er nannte es Show, aber es war Welt-
Blutlaufrinne – ­Chromagan. theater. Er hat uns den Schmelz der Vergänglichkeit gezeigt, die Grazie des Gewöhn­
Blanker Brustkorb – Y ­ psilon. 10 lichen, die Einmaligkeit des Lebens.
Nadel – Faden – Telefon.
Wir können uns nicht einfach in den Zug setzen oder ins Tram und nach Hause fah-
Saxofon spielt da-da-da. ren, sondern müssen noch ein paar Schritte durch dieses Leben machen, vorbei an
Pathologe: Ja? Wer da? dem Pulk von Punks in der Parkanlage, die in grossen Gesprächen mit Bierdosen in
Kommissar: Der Kommissar. der Hand ihre heiser bellenden Hunde zu übertönen versuchen, mitten durch die
Pathologe: Hm, is’ klar. 15 Ströme von Menschen, die auf der Suche nach irgendeiner letzten Show durch die
Strassen dahintreiben, durchqueren eine Schlange, die über das ganze Trottoir vor
Saxofon spielt da-da-da.
Kommissar fragt: S ­ angsema, einem Dancing ansteht, schlendern an den Tischen der Strassencafés vorbei, die bis
was sind das denn da für Töne? auf den letzten Stuhl besetzt sind, von Vergnügungssehnsüchtigen, Glücklichen und
Pathologe: Saxoföne. Glücksuchenden. Am Limmatquai taucht ein Wagen der Linie 13 auf, unwirklich
20 leise, er ist hier auf der falschen Strecke, rollt daher, als hätte er sich aus dem Tram-
Kommissar: Gibt es B ­ efunde?
depot davongestohlen, um sich unter die Flanierenden zu mischen.
Essensreste in der Wunde?
Spermaspuren? Rattenkot? Aus der Halle vor der Wasserkirche hören wir Klänge, die viel zu schön sind für das
©
Wie lang ist die Leiche tot? 2023 Verlag ­AAG:
SKV kkordeon, dem
Fokus Sprache, sieSprache
Fokus ein Spieler entlockt,
BM mit digitalen nicht
Lösungen Handorgel-,
und Kommentar Orgelklänge sind es, Prä­
für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
ludien und Fugen von Bach, und wir gesellen uns zu den Lauschenden, die einen
Saxofon spielt da-da-da. 25 Halbkreis um ihn gebildet haben oder an Wänden und Säulen lehnen, ab und zu löst
Pathologe: Pff, na ja,
sich j­emand, kann nicht anders, als auf ihn zugehen und eine Münze in die Dose
Zuckt die Schulter, kratzt die
Wange werfen, die der russische Virtuose vor sich hingestellt hat. Als wir uns umdrehen,
und sagt schliesslich: Noch um weiterzugehen, fährt ein doppelstöckiger roter Bus aus London über die Brücke,
sehr lange. und wir wissen einen Moment nicht mehr, wo wir sind, ebenso, als mich wenig
30 ­später am Paradeplatz ein junger Mann umarmt, der sich als nackte dicke Frau ver-
kleidet hat.
Doch, es ist Zürich, das ganz gewöhnliche Zürich, in dem wir wohnen, Samstag-
nacht, zu Beginn des Sommers, you see, saturday night, würde der Magier sagen,
bevor er den Vorhangzipfel wieder fallen liesse. Halt ihn noch einen Moment. Viel-
35 leicht wird die Stadt morgen früh abgebrochen. 2008/2014

Literatur hören und sehen


Literaturverfilmungen liegen im Trend, und zahlreiche Internetseiten informieren ausführlich.
Äusserst erfolgreich sind u. a. folgende Filme nach Werken von Schweizer Autoren: ­Pascal
­Mercier (Pseudonym für Peter Bieri): «Nachtzug nach Lissabon»; Martin Suter: «Small
World», «Der Teufel von Mailand, «Der Koch»; Pedro Lenz: «Der Goalie bin ig» (Film des
Jahres 2014).

• Was bleibt
• Analysieren und vergleichen Sie ein Buch mit einer aktuellen Verfilmung.
• Welche (Mundart-)Gedichte können Sie auswendig aufsagen, welche Songtexte?
• Warum und wie haben Sie diese gelernt?
• Machen Sie eine Umfrage zu den Lesegewohnheiten unterschiedlicher Altersgruppen.

152 Literaturatelier
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9 Übungstexte aus verschiedenen Epochen

MODUL F
9.1 «Beziehungstexte»
In den folgenden drei Texten – von Martin Suter, Johann Peter Hebel und Wolf Wondratschek –
geht es um Beziehungen.

• Analysieren und vergleichen Sie die drei Texte.


• Wie gehen die Figuren miteinander um?


M a r t i n S u t e r , 19 4 8
Die Frau hinter Willimann
1 Falls Zuber Willimann vorgezogen wird, dann bestimmt nicht wegen ihr. Sie hat ihre
Hausaufgaben gemacht: zwei Weinseminare, eines für Einsteiger, eines für Fortgeschrit-
tene; fünf Kochkurse, darunter Thai und Sushi; «Tafel-Freude», Einführung in die Tisch-
dekoration in drei Lektionen (jeweils donnerstags), Konversationskurse in Französisch
5 und Englisch; Farbberatung (sie ist «Winter», mit «Herbst» im Aszendenten); Schmink-
seminar nach Kate Miller, der Visagistin von Liz Taylor; Tai Chi, Ginseng, Gingko,
Nachtkerzenöl.
Der Ball liegt jetzt bei Willimann. Der spielt seine Stärken aus: strategisches Planen,
strukturelles Denken, analytisches Vorgehen, Flexible response und Marianne. Vor
10 allem der letzte Trumpf lässt Zuber schlecht aussehen: Er ist geschieden! Schuldig.
Eine Frauengeschichte. Das wirft ihn natürlich weit zurück im Rennen um die Regional-
direktion. Hoffnungslos weit, wenn Sie Willimann fragen. Denn wie will einer die pri-
vaten Repräsentationspflichten eines Regionaldirektors erfüllen ohne das partnerschaft-
liche Backup einer gastgeberisch geschulten Partnerin?
15 Willimann erhöht ganz unmerklich die Kadenz der abrechenbaren Privatbewirtun-
gen. Marianne schmeisst eine Spaghettata mit sechs Sorten Sugo (tutti fatti in
casa) für einen ©Türrahmenfabrikanten undFokus
2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, seine welsche
Sprache BM mitFrau (Tischsprache:
digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
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le français!), und Willimann lädt dazu als interne Zeugen Gerschwiler und Frau
ein, auf dessen Mitteilungsbedürfnis er sich blind verlassen kann.
20 Marianne verblüfft den Entscheidungsträger eines potentiellen Grosskunden (EDV)
und dessen japanische Frau mit einem Sushi-Abend (English spoken). Interne
­Zeugin: Frau Piccand (mit Gatte), Wiesners Assistentin, mit der sie sich längere
Zeit und sachkundig über tibetanische Klangschalen unterhält. Ein triumphaler
Abend.
25 Dann hält Willimann die Zeit reif für den Fangschuss. Er lässt Marianne eine
Weindegustation arrangieren für eine gemischte Gruppe ex- und interner Kader,
darunter Wiesner himself (mit Frau) und – Zuber (bedauerlicherweise ohne).
Marianne übertrifft selbst Willimanns kühnste Erwartungen. Kreiert olfaktorische
Umschreibungen für die degustierten Weine («sonnenbeschienenes Kastanienlaub»,
30 «Schweinslederabrieb», «Apfelwähe vom Vortag»), lässt Wiesner wie den grossen Wein-
kenner aussehen (Wiesner, der mit Mühe Wein von Bier unterscheiden kann!), erlöst
Frau Wiesner durch eine beiläufige Reiki-Behandlung von einer schmerzhaften Verspan-
nung im Schulterbereich und führt Zuber vor wie einen dressierten Pudel: flirtet mit
ihm, wickelt ihn nach Belieben um jeden Finger und demaskiert ihn vor Wiesner als den
35 labilen, hormonbestimmten, repräsentationsuntauglichen Schürzenjäger, der er ist.
Es kommt so, wie Willimann es vorausgesehen hat: Die Frau hinter Willimann entschei-
det das Rennen um die Regionaldirektion.
Sie wird die Frau hinter Zuber. 2000

Literaturatelier 153
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J o h a n n P e t e r H ebe l , 1 7 6 0 – 1 8 2 6
Unverhofftes Wiedersehen
1 In Falun in Schweden küsste vor guten fünfzig Jahren und mehr ein junger Bergmann
seine junge hübsche Braut und sagte zu ihr: «Auf Sankt Luciä wird uns unsere Liebe von
des Priesters Hand gesegnet. Dann sind wir Mann und Weib und bauen uns ein eigenes
Nestlein.» – «Und Friede und Liebe soll darin wohnen», sagte die schöne Braut mit
5 ­holdem Lächeln, «denn du bist mein Einziges und Alles, und ohne dich möchte ich
­lieber im Grab sein, als an einem anderen Ort.» Als sie aber vor St. Luciä der Pfarrer
zum zweiten Mal in der Kirche ausgerufen hatte: «So nun jemand Hindernis wüsste an-
zuzeigen, warum diese Personen nicht möchten ehelich zusammenkommen», da meldete
sich der Tod. Denn als der Jüngling den andern Morgen in seiner schwarzen Berg-
10 mannskleidung an ihrem Haus vorbeiging, der Bergmann hat sein Totenkleid immer an,
da klopfte er zwar noch einmal an ihrem Fenster und sagte ihr guten Morgen, aber
­keinen Abend mehr. Er kam nimmer aus dem Bergwerk zurück, und sie säumte vergeb-
lich selbigen Morgen ein schwarzes Halstuch mit rotem Rand für ihn zum Hochzeitstag,
sondern als er nimmer kam, legte sie es weg und weinte um ihn und vergass ihn nie.
15 Unterdessen wurde die Stadt Lissabon in Portugal durch ein Erbeben zerstört, und der
Siebenjährige Krieg ging vorüber, und Kaiser Franz der Erste starb, und der Jesuiten­
orden wurde aufgehoben und Polen geteilt, und die Kaiserin Maria Theresia starb, und
der Struensee wurde hingerichtet, Amerika wurde frei, und die vereinigte französische
und spanische Macht konnte Gibraltar nicht erobern. Die Türken schlossen den General
20 Stein in der Veteraner Höhle in Ungarn ein, und der Kaiser Joseph starb auch. Der König
Gustav von Schweden eroberte russisch Finnland, und die Französische Revolution
und der lange Krieg fing an, und der Kaiser Leopold der Zweite ging auch ins Grab.
Napoleon eroberte Preussen, und die Engländer bombardierten Kopenhagen, und die
Ackerleute säeten und schnitten. Der Müller mahlte, und die Schmiede hämmerten, und
25 die Bergleute gruben nach Metalladern in ihrer unterirdischen Werkstatt. Als aber die
Bergleute in Falun im Jahr 1809 etwas vor oder nach Johannis zwischen zwei
­Schachten eine Öffnung durchgraben wollten, gute dreihundert Ellen tief unter dem
Boden, gruben sie aus dem Schutt und Vitriolwasser den Leichnam eines Jünglings
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­heraus,vonder
Persönliches Exemplar Lizaganz
Basha, mit
8307 Eisenvitriol
Effretikon durchdrungen, sonst aber unverwest und unverändert
30 war; also dass man seine Gesichts­züge und sein Alter noch völlig erkennen konnte, als
wenn er erst vor einer Stunde gestorben, oder ein wenig eingeschlafen wäre an der
Arbeit. Als man ihn aber zu Tag ausgefördert hatte, Vater und Mutter, Gefreundete und
Bekannte waren schon lange tot, kein Mensch wollte den schlafenden Jüngling kennen
oder etwas von seinem Unglück wissen, bis die ehemalige Verlobte des Bergmanns kam,
35 der eines Tages auf die Schicht gegangen war und nimmer zurückkehrte. Grau und zu-
sammengeschrumpft kam sie an einer Krücke an den Platz und erkannte ihren Bräu­
tigam; und mehr mit freudigem Entzücken als mit Schmerz sank sie auf die geliebte
­Leiche nieder, und erst als sie sich von einer langen heftigen Bewegung des Gemüts er-
holt hatte, «es ist mein Verlobter», sagte sie endlich, «um den ich fünfzig Jahre lang ge-
40 trauert hatte und den mich Gott noch einmal sehen lässt vor meinem Ende. Acht Tage
vor der Hochzeit ist er unter die Erde gegangen und nimmer herauf­gekommen.» Da
­wurden die Gemüter aller Umstehenden von Wehmut und Tränen ergriffen, als sie sahen
die ehemalige Braut jetzt in der Gestalt des hingewelkten kraftlosen Alters und den
Bräutigam noch in seiner jugendlichen Schöne, und wie in ihrer Brust nach 50 Jahren
45 die Flamme der jugendlichen Liebe noch einmal erwachte; aber er öffnete den Mund
nimmer zum Lächeln oder die Augen zum Wiedererkennen; und wie sie ihn endlich von
den Bergleuten in ihr Stüblein tragen liess, als die Einzige, die ihm angehöre und ein
Recht an ihn habe, bis sein Grab gerüstet sei auf dem Kirchhof. Den andern Tag, als
das Grab gerüstet war auf dem Kirchhof und ihn die Bergleute holten, schloss sie ein
50 Kästlein auf, legte sie ihm auf das schwarzseidene Halstuch mit roten Streifen um und
begleitete ihn alsdann in ihrem Sonntagsgewand, als wenn es ihr Hochzeitstag und
nicht der Tag seiner Beerdigung wäre. Denn als man ihn auf dem Kirchhof ins Grab
legte, sagte sie: «Schlafe nun wohl, noch einen Tag oder zehen im kühlen Hochzeitbett,
und lass dir die Zeit nicht lange werden. Ich habe nur noch wenig zu tun und komme
55 bald, und bald wird’s wieder Tag. – Was die Erde einmal wieder gegeben hat, wird sie
zum zweitenmal auch nicht behalten», sagte sie, als sie fortging und noch einmal um-
schaute. 1811

154 Literaturatelier
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
W o l f W o n d r a t s c he k , 1 9 4 3

MODUL F
43 Liebesgeschichten
1 Didi will immer. Olga ist bekannt dafür. Ursel hat schon dreimal Pech gehabt. Heidi
macht keinen Hehl daraus.
Bei Elke weiss man nicht genau. Petra zögert, Barbara schweigt. Andrea hat die Nase
voll. Elisabeth rechnet nach. Eva sucht überall. Ute ist einfach zu kompliziert.
5 Gaby findet keinen. Sylvia findet es prima. Marianne bekommt Anfälle.
Nadine spricht davon. Edith weint dabei. Hannelore lacht darüber. Erika freut sich wie
ein Kind. Bei Loni könnte man einen Hut dazwischenwerfen.
Katharina muss man dazu überreden. Ria ist sofort dabei. Brigitte ist tatsächlich eine


Überraschung. Angela will nichts davon wissen.
10 Helga kann es.
Tanja hat Angst. Lisa nimmt alles tragisch. Bei Carola, Anke und Hanna hat es keinen
Zweck.
Sabine wartet ab. Mit Ulla ist das so eine Sache. Ilse kann sich erstaunlich beherrschen.
Gretel denkt nicht daran. Vera denkt sich nichts dabei. Für Margot ist es bestimmt nicht
15 einfach.
Christel weiss, was sie will. Camilla kann nicht darauf verzichten. Gundula übertreibt.
Nina ziert sich noch. Ariane lehnt es einfach ab. Alexandra ist eben Alexandra.
Vroni ist verrückt danach. Claudia hört auf ihre Eltern.
Didi will immer. 1969

9.2 Gedichte

Im folgenden expressionistischen Gedicht von Alfred Lichtenstein (1889–1914) sind die


Verszeilen etwas durcheinander geraten; die Anfänge stimmen.

• Wie lautet jeweils die Fortsetzung?


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• Was ist an diesem Gedicht
Persönliches «expressionistisch»?
Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

Die Dämmerung
Ein dicker Junge auf dem Feld zwei Lahme.
Der Wind hat sich die Schminke ausgegangen.
Der Himmel sieht ein weiches Weib besuchen.
Als wäre ihm verbummelt aus und bleich,
Auf lange Krücken zieht sich die Stiefel an.
Und schwatzend kriechen klebt ein fetter Mann.
Ein blonder Dichter schreit und Hunde fluchen.
Ein Pferdchen stolpert schief herabgebückt
An einem Fenster über eine Dame.
Ein Jüngling will in einem Baum gefangen.
Ein grauer Clown spielt mit einem Teich.
Ein Kinderwagen wird vielleicht verrückt. 1911

Ernst Ludwig Kirchner, Strassenbild vor dem


­Friseurladen, 1926

Literaturatelier 155
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Ingeborg Bachmann (1926–1973) galt als literarischer Shooting-Star der Fünfziger- und Sech-
zigerjahre. Legendär und bis heute z. T. geheimnisvoll ist die Beziehung zwischen ihr und Max
Frisch in den Jahren von 1958 bis 1962.

• Analysieren und interpretieren Sie das folgende Gedicht.

Alle Tage
Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden. Der Held
bleibt den Kämpfenden fern. Der Schwache
ist in die Feuerzonen gerückt.
Die Uniform des Tages ist die Geduld,
die Auszeichnung der armselige Stern
der Hoffnung über dem Herzen.
Er wird verliehen,
wenn nichts mehr geschieht,
wenn das Trommelfeuer verstummt,
wenn der Feind unsichtbar geworden ist
und der Schatten ewiger Rüstung
den Himmel bedeckt.
Er wird verliehen Ingeborg Bachmann auf der
für die Flucht von den Fahnen, ­Titelseite des «SPIEGEL», 1954
für die Tapferkeit vor dem Freund,
für den Verrat unwürdiger Geheimnisse
und die Nichtachtung
jeglichen Befehls. 1953

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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
• Hans Magnus Enzensbergers (1929) Gedicht richtet sich nicht nur an Söhne, sondern auch
an Töchter und fordert die jungen Menschen auf… Wozu eigentlich?

ins lesebuch für die oberstufe


lies keine oden1, mein sohn, lies die fahrpläne:
sie sind genauer. roll die seekarten auf,
eh es zu spät ist. sei wachsam, sing nicht.
der tag kommt, wo sie wieder listen ans tor
schlagen und malen den neinsagern auf die brust
zinken2. lern unerkannt gehn, lern mehr als ich:
das viertel wechseln, den pass, das gesicht.
versteh dich auf den kleinen verrat,
die tägliche schmutzige rettung.
nützlich sind die enzykliken3 zum feueranzünden,
die manifeste4: butter einzuwickeln und salz
für die wehrlosen. wut und geduld sind nötig,
in die lungen der macht zu blasen
den feinen tödlichen staub, gemahlen
von denen, die viel gelernt haben,
die genau sind, von dir. 1957

1
feierliches pathetisches Gedicht
2
Zeichen, Markierung (Gaunersprache: gezinkt)
3
Rundschreiben des Papstes
4
Grundsatzerklärung einer Partei

156 Literaturatelier
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL F
9.3 Epochen – Autoren – Werke

Romane und Novellen zählen zur Gattung der


o Dramatik o Epik o Erzählung o Lyrik

Viele klassische Theaterstücke weisen eine bestimmte Anzahl von Akten auf, nämlich …
o 3 Akte o 4 Akte o 5 Akte o 6 Akte

In Bertolt Brechts Begriff «V-Effekt» steht das V für


o Verwandlung o Verfremdung o Verwechslung o Veränderung

Das Sonett ist eine Gedichtform, die aus … Zeilen besteht.


o 10 o 12 o 14 o 16

Wenn in einem Roman, einer Novelle distanziert aus der Perspektive der 3. Person erzählt wird,
so spricht man von einem … Erzähler.
o autoritären o auktorialen o autonomen o automatischen

Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller verhalfen einer deutschen Kleinstadt zu
literarischem Weltruhm – bis heute, nämlich …
o Wien o Wismar o Weimar o Wiesbaden

Wenn in einem Theaterstück sehr ausführliche Regieanweisungen zu finden sind und Dialekt
auf der Bühne gesprochen wird, so spricht dies für ein Drama des
o Realismus o Expressionismus o Kommunismus o Naturalismus

Die Betonung des rationalen


© 2023 Verlagund vernünftigen
SKV AG: Fokus Sprache, Denkens,
Fokus Sprachedie Abneigung
BM mit gegenüber
digitalen Lösungen Religion
und Kommentar für Lehrpersonen
und Aberglaube – dies lässt Exemplar
Persönliches auf folgende Epoche
von Liza Basha, 8307 schliessen:
Effretikon

o Postmoderne o Aufklärung o Realismus o Klassik

Die «Wirtschaftswunderjahre» fallen in die Epoche


o Zwanzigerjahre o Nachkrieg und o Postmoderne o Politisierung und
Restauration Neue Subjektivität

Exilliteratur ist anzusiedeln zwischen


o 1890 bis 1920 o 1918 bis 1933 o 1933 bis 1945 o 1945 bis 1960

Schönheitskult, Sprachkrise und Weltschmerz sind typisch für


o Expressionismus o Jahrhundertwende o Zwanzigerjahre o Globale
­Ökonomisierung

Die direkte, kraftvolle Darstellung des Gefühls- und «Innenlebens» heisst


o Realismus o Impressionismus o Expressionismus o Naturalismus

Literaturatelier 157
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Epochen, Daten, Autorinnen und Werke über drei Jahrhunderte hinweg: Verbinden Sie mit
Linien, was zusammengehört.

Epoche von – bis Autor/in Werk


Biedermeier 1850–1890 Thomas Mann Bahnwärter Thiel
Romantik 1918–1933 G.E. Lessing Die Leiden des jungen
Werthers
Globale Ökonomisierung 1945–1960 Günter Grass Business Class
Klassik 1880–1900 J.W. von Goethe Mutter Courage
Realismus 1786–1805 A. v. Droste-Hülshoff Buddenbrooks
Politisierung u. Neue Subjektivität 2000–0000 Patrick Süskind Die Blechtrommel
Exilliteratur 1767–1790 Gerhart Hauptmann Don Carlos
Junges Deutschland 1830–1850 E.T.A. Hoffmann Andorra
Sturm und Drang 1933–1945 Bertolt Brecht Die Judenbuche
Postmoderne 1795–1835 Georg Büchner Das Fräulein von Scuderi
Zwanzigerjahre 1720–1785 Friedrich Schiller Nathan der Weise
Naturalismus 1815–1850 Theodor Fontane Woyzeck
Aufklärung 1980–2000 Max Frisch Effi Briest
Nachkrieg und Restauration 1960–1980 Martin Suter Das Parfum

Erstellen Sie nach der Lektüre eines Werkes Ihre persönliche Literaturwolke mit all den
­Begriffen und Namen, die Ihnen wichtig sind, z.B. mit wordle.net.

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158 Literaturatelier
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MODUL 1
Wortlehre und Wortschatz


Lernziele

• Ich kann die Wortarten sowohl formal als auch


inhaltlich-funktional bestimmen.

• Ich kenne die verschiedenen Wortbildungsmittel


und kann umfassende Wortfamilien bilden.

• Ich erkenne Wortzusammensetzungen und kann


die ihnen zugrunde liegenden grammatischen
Fügungen beschreiben.

• Ich nutze die verschiedenen Mittel der Wort-


bildung, um meinen Wortschatz zu vergrössern
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und zu differenzieren.
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• Ich erkenne Fremdwörter und kann deren


Bedeutung erschliessen. Die Verwendung von
Fremdwörtern reflektiere ich.

159
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1 Wortarten

MODUL 1
Das Deutsche zählt heute weit über 300 000 Wörter, und es kommen stets neue dazu. Für die
Beschäftigung mit der Sprache ist es unerlässlich, den Wortschatz zu ordnen. Wir können die
Wörter alphabetisch aufführen oder nach Wortstämmen gruppieren, sie aufgrund formaler
oder funktionaler und inhaltlicher Gemeinsamkeiten einteilen. Je nach Einteilungskriterien er-
halten wir verschiedene Resultate.


1.1 Formale Bestimmung der Wortarten

Betrachten wir ausschliesslich die formalen Eigenheiten der Wörter, ergibt sich die folgende
einfache Einteilung, die jedoch – etwa im Hinblick auf die Rechtschreibung – sehr zweckmässig
ist.

konjugierbar
Verben

veränderbar mit festem Genus Nomen


bzw. Substantive

ohne Komparation
Wörter Pronomen
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deklinierbar Deklinationstyp
Kommentar für Lehrpersonen
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(4 Fälle)
ohne Genus
mit Komparation
Adjektive
zwei Deklinationstypen

Partikeln
unveränderbar: weder konjugierbar noch deklinierbar

Das Fünf-Wortarten-System geht auf den Schweizer Linguisten Hans Glinz zurück, der 1952 in
«Die innere Form des Deutschen» die Eigenheiten und Gesetze des deutschen Satzbaus und
des Wortschatzes analysiert hat.

Beachten Sie:
Abgetrennte Verbzusätze zählen wir zum Verb:
Sie reist ab (Õ abreisen). Bitte komm vorbei (Õ vorbeikommen).
Vereinzelte Pronomen kommen heute nur noch in einer Deklinationsform vor:
etwas, nichts, was ...
Aus logischen Gründen lassen sich nicht alle Adjektive «steigern» (ein runder Tisch).
Wortverschmelzungen aus Partikeln und Pronomen ordnen wir hier den Partikeln zu:
Wenns (Õ wenn es) am (Õ dem) Sonntag regnet, gehen wir ins (Õ in das) Kino.

160 Wortlehre und Wortschatz


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MODUL 1
1.2 Inhaltliche und funktionale Bestimmung der Wortarten

Die vom Latein abgeleitete traditionelle Grammatik fragt nach den Inhalten der Wörter und
nach deren Funktion. Damit gelangen wir zu einer differenzierteren Unterteilung (Fein-
bestimmung).

Verben
Vollverben (sie redet, er reist ab)
Hilfsverben (er hat geredet, sie ist abgereist)
Modalverben (sie sollen/müssen reden, wir wollen/können abreisen)


Infinitiv (reden, gehen, abreisen)
Partizip Präsens (redend, gehend) – Partizip Perfekt (abgereist, gegangen)
Präsens (ich gehe) – Perfekt (wir sind gegangen)
Präteritum (du gingst) – Plusquamperfekt (ihr wart gegangen)
Futur I (sie wird abreisen) – Futur II (sie werden abgereist sein)
Indikativ (wir gehen) – Imperativ (geh schon!) – Konjunktiv (er gehe, ich ginge)
Aktiv (man sagt) – Passiv (es wird gesagt)

Nomen
Konkreta (das Haus) – Abstrakta (die Treue)
Singular (die Blume) – Plural (die Blumen)
Nominativ (der Tag), Genitiv (des Tages), Dativ (dem Tag), Akkusativ (den Tag)

Pronomen
Personalpronomen Reflexivpronomen Possessivpronomen
er/sie kennt mich ich freue mich mein Lieblingsbuch
wir kennen ihn/sie sie/er freut sich ihre/seine Fotos

Demonstrativpronomen bestimmter Artikel Relativpronomen


dieses/jenes/dasselbe Kleid das Kleid/die Kleider das Kleid, das/welches …
das (dies) kenne ich alles, was folgt …

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Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
wer spricht, was folgt
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
welcher/was für ein

bestimmtes Zahlpronomen unbestimmter Artikel Indefinitpronomen


es kam nur ein Mann ich lese ein Buch man, niemand, kein
zwei/dreizehn … Filme ein paar, manche, alle
etwas, nichts

Adjektive schwach dekliniert (die alten Häuser) – stark dekliniert (alte Häuser)
attributiv verwendet (eine schöne Schrift) – adverbial verwendet (sie schreibt
schön)
Positiv (schnell) – Komparativ (schneller) – Superlativ (am schnellsten)

Partikeln
Präpositionen (vor dem Haus, ohne eine Antwort, wegen des Gewitters)
Konjunktionen (tot oder lebendig, Himmel und Hölle, wenn sie abreist)
Adverbien (sie bleibt heute hier, wir freuen uns sehr)
Interjektionen (ach, hallo, ja, nein, oh)

Wortlehre und Wortschatz 161


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«Es isch hammergeil und hed au mega Style»

Im Mittelpunkt des folgenden Textes von Delf Bucher über das Simsen stehen Fragen rund um
die «Jugendsprache».

Aufgabe 1

Bestimmen Sie im ersten Teil unseres Modultextes die Wörter formal (Hauptgruppe)
und inhaltlich-funktional (Feinbestimmung). Führen Sie zudem – wo möglich –
die näheren grammatischen Angaben an.

a) Hauptgruppe Feinbestimmung grammatische Angaben

Wenn –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––


Jugendliche –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––
zum –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––
Handy –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––
greifen –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––
und –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––
virtuos –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––
mit –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––
dem –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––
Daumen –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––
auf ––––––––––––––
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–––––––––––––––––––
Fokus Sprache BM mit
–––––––––––––––––––––––––––
digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
die –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––
Tastatur –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––
hacken, –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––
kennt –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––
die –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––
Syntax –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––
keine –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––
Regeln –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––
mehr. –––––––––––––– ––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––

b) Lösen Sie ebenso in Ihrem Arbeitsheft:

Und neue oder alte Rechtschreibung – die ist den jungen Leuten ohnehin gleichgültig.
Sprachverfall und geistiger Zerfall lautet denn auch die kulturpessimistische Diagnose vieler
Eltern und Pädagogen über die «SMS-Unkultur». Sie sehen sich durch eine Studie britischer
Psychologen bestärkt, laut welcher die «Informania» rund um SMS und Mail den IQ stärker
beeinträchtigen soll als der Konsum von Cannabis.

Weitere Übungen im Online-Tool eFokus Sprache BM

162 Wortlehre und Wortschatz


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 1
Aufgabe 2

Setzen Sie in die Lücken das passende Wort. Am Rand ist die jeweilige Wortart
angeführt.
(Die Übung ist zum Teil recht anspruchsvoll – überfliegen Sie deshalb die Sätze zuerst, damit
Sie die Aussagen sinngemäss erfassen.)

In den Schwanengesang –––––––––––––– untergehenden deutschen Sprache bestimmter Artikel

wollten die Hauptreferenten an der Tagung der Schule ––––––––––––– Angewandte Präposition


Linguistik unter dem Titel «Affengeil ––––––––––––– megakrass» im Zürcher Konjunktion

Kongresshaus nicht –––––––––––––––––––––––– . Die Linguistikprofessorin Christa Vollverb

Dürscheid von der Universität Zürich ––––––––––––––––––– darin nichts Schlimmes, Vollverb

–––––––––––– Jugendliche Anglizismen in den Dialekt einsprengseln, Wörter ver- Konjunktion

ändern und –––––––––––––––––––––––– wie «sbz» – «schriib mr zrugg» – verwenden. Nomen

Für sie –––––––––––––––––––––––– die permanenten Normverletzungen sowie der Vollverb

sprachliche Erneuerungswille auch einen kreativen Zugriff ––––––––––––– die Präposition

Sprache. Vor allem aber weist sie darauf hin, –––––––––––– SMS oder Chatten Konjunktion

im Internet mehr der mündlichen Kommunikation –––––––––––– dem Schreiben Konjunktion

nahekommt. «Dank der raschen Reaktionen –––––––––––– Sender und Empfänger Präposition

schreiben die Jugendlichen –––––––––––– Bewusstsein, beinahe in einem Gespräch Präposition

–––––––––––– stehen», sagt die Zürcher Sprachforscherin. Die SMS-Texte sind Konjunktion

also –––––––––––––––––– Gesprächsprotokolle als Kostproben jugendlicher Schrift- Adverb

kultur. © 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Was nun den «Sonderfall» Schweiz ausmacht: ––––––––––––­­––––––– werden fast aus- Adverb

schliesslich Dialekt-Mails und Mundart-SMS versendet, ––––––––––––­­––––––– in Konjunktion

Deutschland auch in Regionen, in ––––––––––––­­––––––– Dialekt gesprochen wird, kein Relativpronomen

ähnliches Phänomen ––––––––––––­­––––––––––––– ist. Natürlich haben Linguisten auch Vollverb (mit «zu»)

in Deutschland Dialektwörter in den Handybriefen ––––––––––––­­–––––––––––––– . Vollverb

Aber von einer «Zweischriftigkeit» ––––––––––––­­––– nur in der Schweiz geredet Modalverb

werden. Nur hier gibt es Teenies, ––––––––––––­­––– wahrscheinlich mehr Texte in Relativpronomen

Mundart schreiben ––––––––––––­­––– in Standardsprache. Dürscheid sieht aber auch Konjunktion

darin kein ––––––––––––­­–––––––––––––– Argument, dass die schriftliche Ausdrucks- Adjektiv

fähigkeit der Jugend ––––––––––––­­–––––– dem SMS-Schreiben leidet. Denn dank Präposition

der –––––––––––––––––––­­–––­––––– Medien schreibe die «Generation SMS» einfach Adjektiv

mehr als früher. ––––––––––––­­ aber die Texte mehrheitlich ein ganz vertrautes Konjunktion

Gegenüber hätten, liege in der Schweiz der Mundartgebrauch ––––––––––––­­––– , Verbzusatz

da eben Dialekt «eine Atmosphäre von Vertrautheit» ––––––––––––­­––––––––––––– . Vollverb

Wichtig ist für die Linguistin das eine: «Die Jugendlichen sollen –––––––––––– Reflexivpronomen

der unterschiedlichen Kommunikationssituationen ––––––––––––­­–––––––––– sein Adjektiv

und daran auch ganz pragmatisch ––––––––––––­­–––– Stil anpassen. Sie sollen Possessivpronomen

schreiben lernen, und zwar ––––––––––––­­– Situation entsprechend.» bestimmter Artikel

Wortlehre und Wortschatz 163


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2 Wortbildung

Das Deutsche hat im Laufe seiner sprachgeschichtlichen Entwicklung zwei sehr produktive
Wortbildungsmittel herausgebildet: die Wortableitung und die Wortzusammensetzung. Diese
beiden Mittel sind überaus bedeutsam für den Spracherwerb und tragen wesentlich zur Diffe-
renzierung und zur Erweiterung des Wortschatzes bei.

2.1 Wortableitungen

Die Grundbedeutung eines Wortes ist im Wortstamm angelegt. Vom Stamm (-sprech-) lassen
sich mit den verschiedenen Wortbildungselementen weitere Wörter ableiten (entsprechen,
Besprechung, unaussprechbar …).

Be sprech ung en

Wortbildungselement – Wortstamm – Wortbildungselement – grammatische Endung

Wir unterscheiden die folgenden Mittel der Wortableitung:


Präfix (Vorsilbe) besprechen, entsprechen, versprechen
Wortstamm + Ablaut sprechen (sprach) – Sprache
-sprech- Umlaut Sprache – gesprächig
Suffix (Nachsilbe) sprachlos, gesprächig, ansprechbar

Präfixe und Suffixe sind Elemente, die als selbstständige Wörter nicht vorkommen
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(be-,
Persönliches ent-, von
Exemplar un-,
Lizaver-;
Basha,-heit, -ig, -sam, -ung).
8307 Effretikon
Da die abtrennbaren Vorsilben (wie etwa die Verbzusätze) ihre ursprüngliche Eigenbedeutung
mehr oder weniger eingebüsst haben (an-, aus-, vorsprechen), lassen wir sie hier auch als
Präfixe gelten.

Wortfamilien
Eine Wortfamilie umfasst die Wörter, die mit dem gleichen Wortstamm und den oben
erwähnten Wortableitungsmitteln gebildet sind.

Wortfamilie
vo
rsp
rec en
he e ch
n
ss pr
au
en
r ech
besp hig
sp räc
Sp ge
ra
Wortableitungen ch
e chlo
s
spra
Verben

r
e

chba
tiv

Nom sspre
en unau
jek

Sprecherin
Ad
-sprech-

Wortstamm -sprech-

164 Wortlehre und Wortschatz


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 1
Aufgabe 3

Kreuzen Sie die möglichen Verbindungen an.

ab- an- auf- be- durch-


ein- ent- er- ver- vor- zer-

gehen
greifen
kennen


schreiben
stimmen
wenden

Aufgabe 4

Führen Sie je drei Verben mit dem vorgegebenen Präfix bzw. Verbzusatz an.

missglücken ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­––––––


umkleiden ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­––––––
wiederholen ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­––––––
widerlegen ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­––––––

Aufgabe©Persönliches
5
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Leiten Sie von diesen Wortstämmen je drei Nomen und drei Adjektive ab.
-halt- -leb- -schau-
Nomen ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––
(ohne nomina­
––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––
lisierte Verben)
––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––

Adjektive ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––


(ohne
––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––
Partizipien)
––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––

Aufgabe 6

Bilden Sie je zwei Wörter mit den angeführten Wortstämmen und Wortbildungsmitteln.

Präfix plus Wortstamm «les» plus Suffix: ––––––––––––­­­––––––––––––––––––––


Wortstamm «nutz» mit Umlaut plus Suffix: ––––––––––––­­­––––––––––––––––––––
Präfix plus Wortstamm «greif» mit Ablaut: ––––––––––––­­­––––––––––––––––––––
Präfix plus Wortstamm «steig» mit Ablaut: ––––––––––––­­­––––––––––––––––––––

Weitere Übungen im Online-Tool eFokus Sprache BM

Wortlehre und Wortschatz 165


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2.2 Wortzusammensetzungen

Die zweite Möglichkeit der Wortbildung ist die Wortzusammensetzung. Mit Leichtigkeit lassen
sich im Deutschen zwei, drei, gar vier oder fünf Wörter zu einem neuen Wort zusammenset-
zen: Jugendsprache, sprachgewandt, Fremdsprachenübersetzungsprogramme. Mitunter erfor-
dern die Zusammensetzungen ein sogenanntes Fugenelement, wie etwa in Schwanengesang
und Erneuerungswille.

Die Wortzusammensetzung besteht aus dem Bestimmungswort (oder mehreren Bestim­


mungswörtern) und dem Grundwort. Dabei legt das Grundwort die Wortart fest, bei den
Nomen bestimmt es das grammatische Geschlecht.

Bestimmungswort/-wörter + Grundwort = Wortzusammensetzung


hell (Adjektiv) + sehen (Verb) = hellsehen (Verb)
die Raben (Nomen) + schwarz (Adjektiv) = rabenschwarz (Adjektiv)
fremd + die Sprache + der Einfluss = der Fremdspracheneinfluss

Aufgabe 7

Setzen Sie vor diese Grundwörter passende Bestimmungswörter.

-sprache ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­––––––


-wort ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­––––––
-stil ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­––––––
-klar ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­––––––
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Aufgabe 8

Ergänzen Sie die Bestimmungswörter mit passenden Grundwörtern.

Sprach- ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­––––––


Wort- ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­––––––
Stil- ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­––––––
Klar- ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­–––––– ––––––––––––­­­––––––

Aufgabe 9

Verbinden Sie diese Wörter miteinander.

Arbeit… –––––––––––nehmer –––––––––––zeit –––––––––––klasse


Glück… –––––––––––wunsch –––––––––––bringer –––––––––––käfer
Geburt… –––––––––––datum –––––––––––rückgang –––––––––––jahr
Kind… –––––––––––arbeit –––––––––––alter –––––––––––kopf
Land… –––––––––––flucht –––––––––––sprache –––––––––––mann

166 Wortlehre und Wortschatz


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3 Wortherkunft

MODUL 1
Woher kommen unsere Wörter?
Mit den frühesten althochdeutschen Überlieferungen aus dem 8. Jahrhundert beginnt die
Geschichte der deutschen Sprache, die sich aus dem Germanischen entwickelt hat.
Das Deutsche hat im Laufe der Jahrhunderte zum ursprünglichen Wortschatz zahlreiche Wör-
ter aus anderen Sprachen übernommen, zudem hat es eine beachtliche Fähigkeit entwickelt,
die fremden Wörter der deutschen Lautung und Grammatik anzupassen, sodass die fremde
Herkunft oft kaum mehr ersichtlich ist.


3.1 Erb-, Lehn- und Fremdwörter

Betrachten wir die Herkunft der Wörter und deren sprachgeschichtliche Entwicklung, lassen
sich drei Hauptgruppen bilden:

Erbwörter Lehnwörter Fremdwörter


Aus dem Germanischen, Fremde Herkunft nicht mehr Fremde Herkunft noch
Althochdeutschen stammend: ersichtlich; völlige Anpassung ersichtlich; z.B. Unterschied
neman Õ nehmen an den deutschen Wortschatz: Schrift/Aussprache, fremde Präfixe
suochen Õ suchen mercato (lat.) Õ Markt und Suffixe:
vinum (lat.) Õ Wein Nation, Chef, Manager
Export, Prosperität, Deismus

3.2 Einflüsse fremder Sprachen auf den deutschen Wortschatz

Fremdsprachliche Einflüsse sind


© 2023 Verlag SKVaus
AG: ganz verschiedenen
Fokus Sprache, Fokus SpracheKulturen auszumachen;
BM mit digitalen allerdings
Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
fallen uns dabei einzelne Hauptströmungen
Persönliches auf.
Exemplar von Liza Basha, 8307Vom Mittelalter (ab 9. Jh.) bis in die Zeit der
Effretikon
Aufklärung (18. Jh.) übernimmt das Deutsche zahlreiche Ausdrücke aus dem Lateinischen
(Universität, diskutieren, human …) und Griechischen (Akademie, Bibliothek, erotisch …); und
bis heute werden neue wissenschaftliche Begriffe aus diesen Sprachen abgeleitet. Während
sich mit der Renaissance (ab 15. Jh.) der italienische Einfluss verstärkt (Künste, Handel), herr-
schen im Barock (17. Jh.) und unter dem Einfluss der Französischen Revolution französische
Einflüsse vor (Mode, Militär). Schliesslich dringen seit dem 19. und 20. Jahrhundert massenhaft
Wörter aus dem Englischen und Amerikanischen (Sport, Technologie …) ins Deutsche.
Auch aus anderen Sprachen hat das Deutsche Wörter übernommen. Nach der Entdeckung
Amerikas kamen aus Übersee neue Waren (Nahrungs-, Genussmittel usw.) nach Europa und
damit auch ganz fremde Wörter (Banane, Tabak, Kakao …), die oftmals übers Spanische und
Portugiesische vermittelt wurden. Selbst aus dem Arabischen (Kaffee, Moschee ...) und Russi-
schen (Kader, Kollektiv, Kosmonaut, Pionier ...) kennen wir einzelne Wörter.

Aufgabe 10

Woran erkennen Sie diese Wörter als Fremdwörter?


Alphabet, Baby, Boom, chatten, Chef, Cousin, File,
Kommunikation, Phänomen, surfen, Style … ––––––––––––­­­–––––––––––––––––––­­­––––––
Disharmonie, Diskussion, Dissident; Exkurs, Export;
Produkt, Professorin, Profit, Programm, Projekt … ––––––––––––­­­–––––––––––––––––––­­­––––––
Anglizismus, Idealismus, Pessimismus;
Kreativität, Neutralität, Objektivität, Passivität ... ––––––––––––­­­–––––––––––––––––––­­­––––––
demonstrieren, fabrizieren, musizieren, notieren,
opponieren, randalieren ... ––––––––––––­­­–––––––––––––––––––­­­––––––

Wortlehre und Wortschatz 167


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Etymologische Wörterbücher (z. B. Duden, Band 7) führen die Wörter auf ihre kulturellen
und semantischen Wurzeln zurück; sie geben Ihnen auch Auskunft, aus welcher Sprache wann
ein Wort ins Deutsche eingeflossen ist.

Aufgabe 11

Ordnen Sie mithilfe eines Herkunftwörterbuchs (z. B. aus Ihrer Schulbibliothek oder
Mediothek) die folgenden Ausdrücke in die Tabelle ein.
aggressiv, Aktualität, Argument, Automobil, bankrott, Fiasko, Gitarre, Hierarchie, Manuskript,
Medaille, Spleen, Tsunami

15./16. Jh. 17./18. Jh. 19. /20. Jh.


Griechisch Alphabet, Arithmetik, Biographie, Lexikon, Hygiene, Graphologie, Skepsis,
Astrologie, Labyrinth, Gymnastik, Pseudonym autonom, Mikrophon
Orthographie
–––––––­­­––––––––––––––– –––––––­­­–––––––––––––––

Lateinisch absurd, Advokat, konfus, Aspekt, Asyl, Botanik, Exil, Agitation, Motor, Propaganda,
Kompromiss, akzeptieren Honorar, Kultur, legitim Viadukt

–––––––­­­––––––––––––––– –––––––­­­––––––––––––––– –––––––­­­–––––––––––––––

Italienisch Bank, Prozent, Risiko, Valuta, Ballett, Konzert, Oper, Antenne, Cappuccino,
Kompass Bilanz, Faktur(a), Espresso, Inferno
Intermezzo, Kolorit, Skizze
–––––––­­­––––––––––––––– –––––––­­­–––––––––––––––

Französisch Courage, diskret, Mode, Garderobe, Parfüm, banal, Chauffeur, Clou,


Fasson Episode, Hotel, Jargon, Reklame, Restaurant
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Armee, Eskorte, Plagiat
–––––––­­­
Persönliches –––––––––––––––
Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon –––––––­­­–––––––––––––––

Englisch Bowle, Pudding, Mob Boykott, Crash, Date,


und Fan, Film, Hobby, Goal, Match,
–––––––­­­–––––––––––––––
Amerikanisch Know-how, Streik

Weitere Sprachen Alkohol (arab.), Algebra (arab.), Kollektiv (russ.), Embargo


Banane (afrik./portug.), Kaffee (arab./türk.) (span.), Sauna (finn.)
Dolmetscher (ungar.)
–––––––­­­––––––––––––––– –––––––­­­–––––––––––––––

21. Jahrhundert: Dass dieser Prozess nicht abgeschlossen ist, zeigt nur schon die Flut neuer
Anglizismen: chillen, E-Book, Facebook, iPad, Shitstorm, Touch, twittern …

Aufgabe 12

Ergänzen Sie die Fremdwortfamilien mit den entsprechenden Wortableitungen.

Verb (Infinitiv) Nomen (mit Artikel) Adjektiv (keine Partizipien)

diskutieren ––––––––––––­­­–––––––––––– ––––––––––––­­­––––––––––––


––––––––––––­­­–––––––––––– die Kultur ––––––––––––­­­––––––––––––
––––––––––––­­­–––––––––––– ––––––––––––­­­–––––––––––– legal
––––––––––––­­­–––––––––––– das Argument ––––––––––––­­­––––––––––––
respektieren ––––––––––––­­­–––––––––––– ––––––––––––­­­––––––––––––
––––––––––––­­­–––––––––––– ––––––––––––­­­–––––––––––– intensiv

168 Wortlehre und Wortschatz


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Wie sehr deutschsprachige Texte von Fremdwörtern durchsetzt sind, machen uns Jugend-

MODUL 1
sprache, Zeitungslektüre und Berufsleben tagtäglich bewusst. Auch in unserem Einstiegstext
über das Simsen finden sich nicht wenige Fremdwörter: virtuos, Tastatur, Syntax, egal,
Anglizismen, kulturpessimistisch, Diagnose, Pädagogen – dies ein paar Beispiele aus den
ersten Zeilen. Wir kommen daher nicht um die Kenntnis gängiger Fremdwörter herum.
Schlagen Sie in Wörterbüchern nach, wenn Sie ein Fremdwort nicht verstehen. Schon der
Rechtschreib-Duden gibt Ihnen über die Schreibweise und Worttrennung hinaus eine Reihe
weiterer Informationen (z.T. Aussprache, Wortherkunft, Bedeutung, Angaben zur Deklination,
Konjugation usw.).


Aufgabe 13

Ergänzen Sie die Tabelle mit den entsprechenden Angaben aus dem Duden, die für Sie
wichtig sind.

Schreibweise, grammatische weitere Informationen (Aussprache,


Betonung, Trennung Angaben Wortherkunft, Wortbedeutung ...)
The/ma das Thema, des Themas, Betonung: erste Silbe, Herkunft: griech.,
die Themen (Themata) Bedeutung: Aufgabe, Gegenstand …

Anglizismus ––––––––––––­­­––––––––––– ––––––––––––­­­––––––––­––––­­­––––––


Diagnose ––––––––––––­­­––––––––––– ––––––––––––­­­––––––––­––––­­­––––––
Linguistik ––––––––––––­­­––––––––––– ––––––––––––­­­––––––––­––––­­­––––––
Megatrend ––––––––––––­­­––––––––––– ––––––––––––­­­––––––––­––––­­­––––––
Phänomen ––––––––––––­­­––––––––––– ––––––––––––­­­––––––––­––––­­­––––––
pragmatisch © 2023 ––––––––––––­­­
Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM
––––––––––– mit digitalen Lösungen
––––––––––––­­­ und Kommentar
––––––––­ für Lehrpersonen
––––­­­––––––
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
virtuos ––––––––––––­­­––––––––––– ––––––––––––­­­––––––––­––––­­­––––––

Aufgabe 14

Heben Sie im folgenden Textausschnitt die Fremdwörter hervor. Führen Sie


dafür deutsche Entsprechungen (Synonyme) oder Worterklärungen an.

Die Halbwertszeit der Vokabeln des Jugendjargons ist sehr kurz. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Lexika, die glauben, das Repertoire der Jugendsprache abzubilden, –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
wirken deswegen schon bei ihrer Herausgabe hoffnungslos veraltet. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Während Christa Dürscheid vor allem den Wandel von Jugend- –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
sprache in den modernen Kommunikationsformen SMS und E-Mail –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
unter die Lupe nimmt, richtet der Sprachforscher Peter Sieber sein –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Augenmerk auf ein anderes Thema. Er will zeigen, dass die neuen –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Medien nicht einen völlig neuen Prozess angestossen haben, und –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
untersucht, inwieweit sich die geschriebene Sprache in den letzten –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Jahrzehnten dem Muster der mündlichen Kommunikation ange- –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
nähert hat. Für dieses Phänomen hat Sieber einen Begriff aus der –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Musikwissenschaft entlehnt: das Parlando. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

Wortlehre und Wortschatz 169


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3.3 Fremdwortmanie

«Jelmoli – The House of Brands», Swisscom: «Go far, come close» …

Nicht nur in der Werbung treiben die Anglizismen seltsame Blüten, auch manche
Schweizer Bundesämter schmücken sich mit «modernen» englischen Namen:

«Rail City», «Postmail», «Swissmedic», «Fedpol», «Swissmint» usw.

Dass Anglizismen als «trendy», «cool», «in» gelten und den Trägern oder Produkten ein
«modernes Image» verleihen sollen, kritisieren die Sprachpuristen etwa des Vereins Deutsche
Sprache schon seit Längerem als Wichtigtuerei. Seit Kurzem aber setzen auch Werber wieder
vermehrt aufs Deutsche. Denn was sollen Begriffe und Slogans, wie sie oben angeführt sind,
wenn sie höchstens noch «modern» klingen, aber nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung
verstanden werden und damit ihre beabsichtigte Wirkung verfehlen?! Und – nehmen sich
diese deutschen Werbesprüche nicht einprägender und wirksamer aus?

«BMW – aus Freude am Fahren», «Clausthaler – nicht immer, aber immer öfter»,
Zürcher Verkehrsverbund: «vernetzt verbunden»

Gelegentlich werden gar fremd (meist englisch) anmutende Ausdrücke kreiert, die jedoch in
der Ursprungssprache keine oder eine andere Bedeutung haben. Paradebeispiel ist das
«Handy», das im Englischen jedoch nichts mit einem Mobiltelefon zu tun hat, sondern einfach
«handlich» bedeutet.

Und nicht zuletzt treffen wir in der Umgangssprache haufenweise «modische» Fremdwörter
an, die meist unreflektiert, ungenau, schwammig verwendet sind. So schwärmt etwa die
Snöberin vom «coolen» Snowboard-Lehrer und der «coolen» Halfpipe, ihr Bruder vom
«genialen» Skilehrer und den «genialen» Schneeverhältnissen … Auch hier gäbe es treffen-
dere deutsche Ausdrücke.
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Aufgabe 15

Erklären Sie, was mit diesen englischen Werbesprüchen und Begriffen gemeint ist.

Jelmoli – The House of Brands ––––––––––––­­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––


Go far, come close (Swisscom) ––––––––––––­­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Rail City ––––––––––––­­­–––––––––––––––––––– Postmail ––––––––––––­­­––––––––––––––––––
Fedpol ––––––––––––­­­––––––––––––––––––––– Swissmint ––––––­­–––––––––––––––––––––––­­­

Was könnte hier mit «cool» gemeint sein? Ersetzen Sie durch treffendere deutsche
Begriffe.

Wir hatten einen (coolen) ––––––––––––––­­­–––––– / ––––––––––––––­­­–––––– Snowboard-Lehrer.


Er zeigte uns die (coolsten) ––––––––––––––­­­–––––– / ––––––––––––––­­­–––––– Sprünge.
Wir waren ein (cooles) ––––––––––––––­­­–––––– / ––––––––––––––­­­–––––– Team.
Silvester feierten wir in einer (coolen) ––––––––––––­­­–––––––– / ––––––––––––––­­­–––––– Hütte.
Die Party war einfach (cool) ––––––––––––––­­­–––––– / ––––––––––––––­­­–––––– .
Am Morgen fuhr er mich in seinem (coolen) ––––––––––––––­­­–––––– / ––––––––––––––­­­––––––
Wagen nach Hause.

170 Wortlehre und Wortschatz


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  Modultest

MODUL 1
1. Bestimmen Sie die Wörter inhaltlich-funktional (Feinbestimmung/Untergruppen).

Sieber ––––––––––––­­­––––––––––––– Muster ––––––––––––­­­––––––––––––


sieht ––––––––––––­­­––––––––––––– der ––––––––––––­­­––––––––––––
in ––––––––––––­­­––––––––––––– mündlichen ––––––––––––­­­––––––––––––
der ––––––––––––­­­––––––––––––– Kommunikation ––––––––––––­­­––––––––––––


Entwicklung, ––––––––––––­­­–––––––––––– annähert, ––––––––––––­­­––––––––––––
dass ––––––––––––­­­––––––––––––– einen ––––––––––––­­­––––––––––––
sich ––––––––––––­­­––––––––––––– Megatrend, ––––––––––––­­­––––––––––––
die ––––––––––––­­­––––––––––––– der ––––––––––––­­­––––––––––––
geschriebene ––––––––––––­­­––––––––––––– sich ––––––––––––­­­––––––––––––
Sprache ––––––––––––­­­––––––––––––– seit ––––––––––––­­­––––––––––––
immer ––––––––––––­­­––––––––––––– einem ––––––––––––­­­––––––––––––
mehr ––––––––––––­­­––––––––––––– Jahrhundert ––––––––––––­­­––––––––––––
dem ––––––––––––­­­––––––––––––– abzeichnet. ––––––––––––­­­––––––––––––

2. Lesen Sie den Schlussteil des Textes über das «Simsen». Verbessern Sie darin die
fünf falsch geschriebenen Fremdwörter, und lösen Sie die Aufgaben zu den unter-
strichenen Ausdrücken.

An Beispielen von Maturitätsaufsätzen aus den Jahren 1891–1991 zeigt Sieber: Die an-
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geblich so sprachpflegerisch korrekt
Persönliches Exemplar sozialisierte
von Liza Basha, Jugend vor 100 Jahren produzierte
8307 Effretikon

ebenso gramatikalische und ortografische Fehler wie die Jugend von heute. Die Ent-
wicklung zum Parlando ist für den Linguisten kein Grund, das Lamento vom Sprachzer-
fall anzustimmen. Vielmehr erblickt er darin eine authentischere und spontaner gewor-
dene Schriftsprache, in der die Jugendlichen «von ihren eigenen Erfahrungen ausgehen
und den Leser direckt in den Text hineinholen». Da er jedoch ein Manko bei der münd­
lichen Inszenirung von Texten ausmacht – viele Texte bleiben konzeptionel unfertig –,
fordert er von der Schule, dass sie ein gutes Parlando lehren soll.

Führen Sie je ein deutsches Synonym an, das in den Text passt.

produzierte ––––––––––––­­­––––––––––––– Lamento –––­–––––––––––––––­­­––––––––––––


authentisch
––––––––––––­­­––––––––––––– Manko –––­–––––––––––––––­­­––––––––––––

Drücken Sie den Inhalt dieser Aussagen in Ihren eigenen Worten aus.

korrekt sozialisiert
––––––––––––­­­–––––––––––––––––––––––––­­­–––––––––––––––––––––––––­­­––––––––––––––––

Entwicklung zum Parlando


––––––––––––­­­–––––––––––––––––––––––––­­­–––––––––––––––––––––––––­­­––––––––––––––––

Wortlehre und Wortschatz 171


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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
3. Zeigen Sie an diesen Beispielen den Wortaufbau auf, und benennen Sie die
einzelnen Elemente und Ableitungsmittel.
vergleichbar
––––––––––––­­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
jährlich ––––––––––––­­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Ausgabe ––––––––––––­­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

4. 
Bilden Sie je ein Nomen mit den angeführten Wortstämmen und Wortbildungs­
mitteln.
Präfix plus Wortstamm «fehl» plus Suffix: –––––––––––––––––––––––––­­­–––––––
Präfix plus Wortstamm «biet» mit Ablaut: –––––––––––––––––––––––––­­­–––––––
Präfix plus Wortstamm «klar» mit Umlaut plus Suffix: –––––––––––––––––––––––––­­­–––––––

5. Ergänzen Sie die Wortfamilien mit den entsprechenden Ableitungen.

Verb (Infinitiv) Nomen (mit Artikel) Adjektiv (keine Partizipien)

––––––––––––­­­––––––– ––––––––––––­­­––––––––– korrekt


produzieren ––––––––––––­­­––––––––– ––––––––––––­­­––––––––––––
––––––––––––­­­––––––– der Grund ––––––––––––­­­––––––––––––
––––––––––––­­­––––––– ––––––––––––­­­––––––––– konzeptionell
––––––––––––­­­––––––– die Kommunikation ––––––––––––­­­––––––––––––

6. Führen Sie je drei weitere Adjektive mit den Suffixen -bar und -los an, und erklären
Sie deren Bedeutung.
nutzbar: ––––––––––––­­­–––––––– ––––––––––––­­­–––––––– ––––––––––––­­­––––––––
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Bedeutung:
Persönliches ––––––––––––­­­
Exemplar von Liza Basha, ––––––––––––––––––––­­­––––––––––––––––––––­­­––––––––––––––
8307 Effretikon

pausenlos: ––––––––––––­­­–––––––– ––––––––––––­­­–––––––– ––––––––––––­­­––––––––


Bedeutung: ––––––––––––­­­––––––––––––––––––––­­­––––––––––––––––––––­­­––––––––––––––

7. Legen Sie die syntaktischen Fügungen offen, die diesen Wortzusammensetzungen


zugrunde liegen (analog den Beispielen Jugendjargon: Jargon der Jugend;
Erneuerungswille: Wille zur Erneuerung; Verstärkerwort: Wort, das einen Ausdruck
verstärkt).
Normverletzung ––––––––––––­­­––––––––––––––­­­––––––––––––––––––––­­­––––––––––––––
Regelverstoss ––––––––––––­­­––––––––––––––­­­––––––––––––––––––––­­­––––––––––––––
Ausdrucksfähigkeit ––––––––––––­­­––––––––––––––­­­––––––––––––––––––––­­­––––––––––––––
Maturitätsaufsätze ––––––––––––­­­––––––––––––––­­­––––––––––––––––––––­­­––––––––––––––

8. 
Setzen Sie das Pronomen «das» bzw. die Konjunktion «dass» ein.
––––––––­­­––– er ––––––––­­­– behauptet haben soll, ––––––––­­­–– kann ich nicht glauben.
––––––––­­­–––– ist –––––­­­–––– Dümmste, ––––­­­–––– du –––––­­­–––– nicht verlangt hast.
Muster­ Er gab an, ––––­­–––– ––––­­­–––– nicht mehr vorkomme, doch ––––­­­–––– glaube ich ihm nicht.
prüfung

Lösung

Weiterer Modultest und Modulprüfung im Online-Tool eFokus Sprache BM

172 Wortlehre und Wortschatz


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MODUL 2
Rechtschreibung


Lernziele

• Ich erkenne die Rechtschreibschwierigkeiten


und nutze zu deren Lösung meine grammati-
schen Kenntnisse über Wortarten und Wort-
bildung.

• Ich halte mich an die allgemeinen Rechtschreib-


prinzipien.

• Ich wende die Regeln zur Gross- und Klein­


schreibung sowie zur Getrennt- und Zusam-
menschreibung an.
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• Zweifelsfälle kläre ich mit dem Rechtschreib­
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wörterbuch oder Rechtschreibprogramm.

173
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Ihr Beruf erwartet von Ihnen, dass Sie Texte möglichst korrekt verfassen, und vielleicht müssen
Sie sogar später Texte von Mitarbeitenden redigieren. Dass Sie die allgemeinen Rechtschreib-
regeln weitgehend beherrschen, wird vorausgesetzt. Wir beschränken uns deshalb darauf, die
allgemeinen Rechtschreibprinzipien in Erinnerung zu rufen. Ausführlich behandelt werden
jedoch die Hauptschwierigkeiten der Gross- und Kleinschreibung sowie der Getrennt- und
Zusammenschreibung.

1 Allgemeine Rechtschreibprinzipien

Das Lautprinzip
Sprechen wir die Wörter deutlich aus, hören wir die lautlichen Unterschiede:
backen – packen, Raub – Raupe, danken – tanken, leiden – leiten, Gasse – Kasse …
Beeren – Bären, Ehre – Ähre, wehren – währen …

Das Stammprinzip
Aus dem Kapitel Wortbildung wissen wir, dass Wörter mit gleichem Wortstamm analog
geschrieben werden:
Ende – endlich, Jugend – jugendlich, Nummer – nummerieren, Platz – platzieren,
Seele – seelisch, Spur – spüren, hören – Gehör, wahr – Wahrheit – wahrhaft …
und mit Umlaut:
Gast – Gäste, jammern – jämmerlich, alt – älter, Haus – häuslich, laut – läuten …

Das Homonymieprinzip
Wörter, die gleich lauten, aber Unterschiedliches bedeuten, werden zum Teil
© 2023 verschieden geschrieben:
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Leere – Lehre, Lied – Lid, Miene – Mine, Seite – Saite, Weise – Waise …
Dieses Prinzip kennt allerdings eine ganze Reihe von «Ausnahmen»:
Bank – Bank, Hahn – Hahn, Schloss – Schloss …

Langvokale
Die Langvokale kommen als einfache Vokale, aber auch mit einem Dehnungs-h oder (eher
selten) mit Vokalverdoppelung vor; langes i schreibt sich in der Regel ie:
a/ä – ah/äh – aa*) Sage, sparen / Prägung, wägen – Wahl / wählen – Saal, Waage …
e – eh – ee*) Weg, reden – Reh, fehlen, stehlen – Meer, See, Ideen …
i*)– ie – ih*) – ieh*) Brise, gib – Wiege, siegen – ihm, ihnen – fliehen, Vieh …
o/ö – oh/öh – oo*) oben, Los / hören, Gehör – bohren, hohl / Höhle – Boot, Zoo …
u/ü – uh/üh Kur, Spuk, Spur / spüren, spülen – Uhr, buhlen / Gefühl, Sühne …
*) nur wenige Beispiele

Kurzvokale
Der Vokal wird vor zwei Konsonanten meist und vor Doppelkonsonanten immer gekürzt:
Akte, bergen, Dorf, Ende, Frist, helfen, Kinder, merken, Opfer, rosten, Stadt, wild …
Ebbe, fallen, Gasse, hacken (kk), Himmel, Katze (zz), russisch, stoppen, straffen …

«Die amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung» (mit allen Rechtschreibregeln und
Ausnahmen) finden Sie im Internet sowie im Anhang früherer Auflagen (22.–24.) des Recht-
schreib-Duden.

174 Rechtschreibung
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MODUL 2
Aufgabe 1

Markieren und verbessern Sie die Wörter, die gegen die allgemeinen Rechtschreib-
prinzipien verstossen.

Mit dem Handy zum Märchenprinzen 7 Fehler


1 Es ist 14.21 Uhr, und Marc (23) schreibt: «Hey, ich will dich ja ––––––––––––––––––
nicht blöd anmachen, aber deine Meinung intressiert mich: Wie ––––––––––––––––––
fändest du dass, wenn du einen Freund hättest, der dir die Mög-


––––––––––––––––––
lichkeit böhte, auch einmal mit einem anderen etwas zu haben?» ––––––––––––––––––
5 Geschrieben hat Marc über Badoo, eine dieser Handy-Apps, über ––––––––––––––––––
die geflirtet, gechattet und später vieleicht gedatet wird. Marc aus ––––––––––––––––––
dem Zürcher Oberland sucht nach Verabredungen mit Frauen zwi- ––––––––––––––––––
schen 18 und 25 Jahren. Er mag gegriltes Hühnchen und Eistee, ––––––––––––––––––
Gitare und Rock ’n’ Roll. Das steht so in seinem Profil. Und ich ––––––––––––––––––
10 hätte erwiedert: «Entschuldige, wer bist du?» (Übersetzt: Zisch ab!) ––––––––––––––––––
6 Fehler
Ich habe Marc nicht zurückgeschrieben. Wie vielen anderen auch ––––––––––––––––––
nicht. Es ist eine Fluht, die da auf einen zurollt, wenn man sich die- ––––––––––––––––––
se Dating-Apps auf sein Handy lät und ein wenig mit ihnen spielt. ––––––––––––––––––
Aber eigentlich ist es viel schlimmer: Man schaut sie an, diese ––––––––––––––––––
15 Schahren von Männern (und natürlich auch Frauen), welche Por- ––––––––––––––––––
träts von sich in© 2023
ihreVerlag
Profile stellen,
SKV AG: und wischt
Fokus Sprache, überBM
Fokus Sprache den
mit Bild-
digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
––––––––––––––––––
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
schirm des Smartphones. Schwup, der Nächste, nichts für mich, ––––––––––––––––––
ein Neuer! Wer einen guten Eindruck hinterläst, kann mit «gefällt» ––––––––––––––––––
oder als Faforit markiert werden, oder man schreibt gleich eine SMS. ––––––––––––––––––
8 Fehler
20 Man gerät in einen Rausch und spuhlt alle hintereinander ab – noch ––––––––––––––––––
einer, der ist auch nicht übel, weiter! Wenn ich jeweils im Ausgang ––––––––––––––––––
bin, gefallen mir allenfals zwei, maximal drei Männer. Doch über ––––––––––––––––––
diese Dating-Apps kann ich mir innert Minuten Duzende anschau- ––––––––––––––––––
en. Und es hat durchaus bassable darunter. Aber auch ich werde ––––––––––––––––––
25 angeschaut. Um 14.20 Uhr habe ich mich bei Badoo registriert. Um ––––––––––––––––––
14.30 Uhr hatte ich 47 Besucher auf meinem Profil, 12 Verehrer, ––––––––––––––––––
und von einem bin ich sogar der Favorit! Und eben Marc (23) hat ––––––––––––––––––
schon versucht, mit mir anzubandeln. 14.42 Uhr: Vier weitere ha- ––––––––––––––––––
ben sich bei mir gemeldet. Zumindest einer von ihnen sieht sym- ––––––––––––––––––
30 patisch aus. David, 21-jährig, sucht nach Unterhaltung, mag Fitnes ––––––––––––––––––

und Autos. Pech, alles nicht mein Ding. Ich kann mit gutem Gewis- ––––––––––––––––––
sen behaupten: Ich war noch nie so begährt! Noch nie haben mich ––––––––––––––––––
im echten Leben binen 10 Minuten fünf Männer angesprochen. ––––––––––––––––––
15.01 Uhr. Thomas (25) schreibt: «Hey, wie geht’s? Ich mach dir ––––––––––––––––––
35 jetzt mal ein Kompliment: Du bist die freundlichste Person der ––––––––––––––––––
Woche.» – Es ist zwar erst Montag. Aber danke, Thomas, du bleibst. ––––––––––––––––––

Rechtschreibung 175
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2 Gross- und Kleinschreibung

Die Grossschreibung setzte im Deutschen mit dem Buchdruck im 16. Jahrhundert ein. Luther
und seine Zeitgenossen begannen, wichtige Wörter grafisch hervorzuheben, indem sie diese
grossschrieben. In den folgenden Jahrhunderten haben die Sprachforscher die Grossschrei-
bung systematisch geregelt; sie ist deshalb zum grössten Teil von der Grammatik her fassbar.

2.1 Das Grundprinzip

Gross schreiben wir neben den Satzanfängen und Eigennamen die Nomen, ebenso alle nomi-
nalisierten Verben, Adjektive, Pronomen und Partikeln, die in ihrer neuen Funktion gewöhnlich
mit Artikel bzw. Pronomen auftreten.
Kleingeschrieben werden die Verben, Adjektive, Pronomen und Partikeln in ihrer ursprüng­
lichen Funktion, zudem ursprüngliche Nomen, die andere Aufgaben übernehmen.

Nomen: gross Õ Von Nomen abgeleitete Partikeln: klein


Wir sehen uns am Mittag. Wir sind mittags nie zu Hause.
Aller Anfang ist schwer. Das fiel mir anfangs sehr schwer.
Wir sind ihr zu Dank verpflichtet. Ich habe es dank ihrer Hilfe geschafft.

Pronomen: klein Õ Nominalisierte Pronomen: gross


Er denkt nur an sich. Für ihn gibt es nur das Ich.
Du verschweigst mir doch etwas? Sie hat das gewisse Etwas.
Dies alles galt nichts. Du bist mein Ein und Alles.
Adjektive: klein Õ Nominalisierte Adjektive: gross
Diese Einrichtung ist aussergewöhnlich. Wir lieben das Aussergewöhnliche.
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Sie träumen noch Ich wünsche dir alles Gute.
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
von der guten alten Zeit. Sie hängen noch immer am Alten.
Verben: klein Õ Nominalisierte Verben: gross
Ich bitte dich zu schweigen. Er hat das Schweigen gebrochen.
Hast du das Buch gelesen? Sie ist beim Lesen eingeschlafen.
Sie pfiffen uns laut hinterher. Ein grelles Pfeifen weckte mich.
Partikeln: klein Õ Nominalisierte Partikeln: gross
Was spricht für Tierversuche, was In der Erörterung wägen wir
dagegen? das Für und Wider ab.
Sie ist allen weit voraus. Sie müssen im Voraus bezahlen.

2.2 Satz- und andere Anfänge

Wie die Satzanfänge schreiben wir auch nach einem Doppelpunkt gross, wenn eine direkte
Rede oder ein angekündigter vollständiger Satz folgt. Ebenso wird das erste Wort eines
eingefügten Buch- oder Filmtitels, eines Mottos u. Ä. grossgeschrieben.
Sie fragte mich: «Wann gehst du ins Theater?»
Der Weg ins Verderben ist vorgezeichnet: Es gibt kein Entrinnen.
Dürrenmatts Roman «Das Versprechen» basiert auf der Erzählung, die er für den Film
«Es geschah am helllichten Tag» verfasst hat.

176 Rechtschreibung
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MODUL 2
Aufgabe 2

Was beherrschen Sie bereits? Entscheiden Sie sich für die richtige Schreibweise, und
gehen Sie zur angegebenen Nummer weiter.

1 Start 2 Stimmt, weiter: 3 Sehr gut, weiter: 4 Gut, weiter:


Ferienwohnung Dazu hast du kein … Ich gebe mein Wir heissen Sie herz-
in Obersaxen … recht Õ 32 Geheimnis nicht … lich …
zu vermieten Õ 7 Recht Õ 25 preis Õ 29 willkommen Õ 17
zu Vermieten Õ 26 Preis Õ 24 Willkommen Õ 32


5 Leider falsch: 6 Sehr gut, weiter: 7 Richtig, weiter: 8 Gut so, weiter:
1 Strafpunkt Sie erlebten damals Ich traf sie … Alles in … bin ich
Fahren Sie mit der nicht viel … gestern Abend Õ 4 zufrieden.
richtigen Lösung erfreuliches Õ 32 gestern abend Õ 14 allem Õ 30
fort. Erfreuliches Õ 22 Allem Õ 5

9 Sehr gut, weiter so: 10 Stimmt, weiter so: 11 Leider falsch. 12 Sehr gut, weiter:
Eines schönen … Ein weiterer … Mafioso Gehen Sie zurück, Bist du dir im …
traf ich sie wieder. wurde gefasst. und nehmen Sie über die Folgen?
tages Õ 32 italienischer Õ 28 1 Strafpunkt mit. klaren Õ 24
Tages Õ 21 Italienischer Õ 26 Klaren Õ 31

13 Gut so, weiter: 14 Das ist falsch. 15 Richtig, weiter: 16 Sehr gut, weiter:
Sie wird … Mai Sie müssen zurück Im Betrieb stimmt … Das ist doch zum …
zurückkommen. und kassieren nicht mehr. davonlaufen! Õ 5
anfang Õ 24 1 Strafpunkt. einiges Õ 34 Davonlaufen! Õ 33
Anfang Õ 35 Einiges Õ 5

17 Ihre Spuren verloren 18 Richtig, weiter: 19 Gut, weiter: 20 Stimmt, weiter:


sich im … Du hast das … Bitte störe sie nicht Seit wann lernst du
dunkeln Õ 32 schon einmal gesagt. beim … …?
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Dunkeln Õ 27 gleiche Õ 26 Klavier spielen Õ 11 russisch Õ 5
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Gleiche Õ 23 Klavierspielen Õ 2 Russisch Õ 10

21 Gut, weiter: 22 Richtig, weiter: 23 Stimmt, weiter: 24 Leider falsch.


Zum … aller fiel er Das ist doch nichts Unermüdliches … Zurück! Ihr neuer
durch. … führte mich ans Ziel. Versuch kostet Sie
erstaunen Õ 14 besonderes Õ 14 üben Õ 5 1 Strafpunkt.
Erstaunen Õ 3 Besonderes Õ 9 Üben Õ 36

25 Gut, weiter: 26 Wie kommen Sie 27 Gut so, nur weiter: 28 Gut, weiter:
Die … ist meine darauf? Sie arbeitet für eine Sie kam ganz in …
Glückszahl. Versuchen Sie es … Firma. schwarz Õ 11
dreizehn Õ 14 nochmals! genfer Õ 5 Schwarz Õ 18
Dreizehn Õ 13 1 Strafpunkt Genfer Õ 16

29 Ja, weiter: 30 Sehr gut, weiter: 31 Das stimmt, weiter: 32 Aber, aber …
Im grossen … bin ich Die … verstehen sich Ich frage Sie ein Zurück!
zufrieden. sehr gut. letztes ... Das kostet Sie
ganzen Õ 14 beiden Õ 6 mal Õ 14 1 Strafpunkt.
Ganzen Õ 15 Beiden Õ 11 Mal Õ 20

33 Nur weiter so: 34 Richtig, weiter: 35 Sehr gut, weiter: 36 Sie sind am Ziel!
Das Museum ist … Im … schadet das Lass doch einmal
geschlossen. nicht. dein ewiges … Schauen Sie nach, wo
montags Õ 19 übrigen Õ 26 aber Õ 14 Sie in der Bewertung
Montags Õ 14 Übrigen Õ 12 Aber Õ 8 stehen.

Anzahl Strafpunkte: Bewertung


0 –1: ausgezeichnet, 2: sehr gut, 3: gut, 4: ziemlich gut, 5: genügend
6 und mehr Strafpunkte: Schauen Sie sich die folgenden Übersichten sehr genau an.

Rechtschreibung 177
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2.3 Übersichtstabellen

Wer die Gross- und Kleinschreibung beherrschen will, kommt kaum um das Studium der
folgenden Übersichten herum. Gelegentlich ist auch der Griff zum Wörterbuch unumgänglich.

Nomen

Grossschreibung Kleinschreibung
Nomen (dekliniert, mit festem Genus) Von Nomen abgeleitete Wörter
der Dank, zum Trotz Präpositionen
dank deiner Hilfe, trotz der Hitze
am Sonntagmittag Adverbien
eines Abends, heute Morgen mittags, abends, sonntags
Verbzusätze
das Eis, das Leid, die Not, eislaufen, leidtun, nottun, preisgeben,
der Preis, ein Teil, ein Wunder stattfinden, teilnehmen, wundernehmen
Wortgruppen von vollwertigen Nomen Adjektive in Verbindung mit den Verben
und Verben «sein», «werden»
Angst haben, Pleite machen, im Recht sein, angst und bange sein/werden, pleite sein,
zu Schaden kommen, Schulden machen recht sein, schade sein, schuld sein

Pronomen

Kleinschreibung Grossschreibung
Pronomen (als Begleiter und als Nominalisierte Pronomen – signalisiert
Stellvertreter des Nomens) durch Artikel
unsere Klasse, sie freut sich, jemand, jemandem das Du anbieten,
© 2023 einige,
Verlag SKValle,
AG: Fokus Sprache,
keiner, die Fokus
beidenSprache BM mit digitalen Lösungen
(sie), er und Kommentar
ist ein für Lehrpersonen
Niemand,
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
ein paar (einige), ein bisschen/ein wenig sie stehen vor dem Nichts
Anredepronomen «du» Anredepronomen «Sie» (Höflichkeits-
Wenn du die Zahl x verdreifachst, form) in allen Schriftstücken
erhältst du 51. 1) Tragen Sie oben rechts Ihren Namen ein.

1) In Briefen kann das Anredepronomen du (dir, dich, dein) auch grossgeschrieben werden:
Ich danke dir/Dir für deine/Deine Karte …

Adjektive

Kleinschreibung Grossschreibung
Adjektive (attributiv und adverbial) Nominalisierte Adjektive
das modernste und teuerste Kleid; sie trägt nur das Modernste und Teuerste;
sie singt schön, schöner, am schönsten viel Schönes, alles Gute, Modernes
Adjektive in fester Verbindung mit Nomen 2) Nominalisierung in festen Wendungen
schwarzer Humor, der heisse Draht, sich im Klaren sein, im Dunkeln tappen,
eine weisse Weste haben ins Schwarze treffen

2) Aber gross: der Heilige Abend, der Erste Mai (bestimmte Kalendertage); Königliche Hoheit (Ehr- und Amts-
bezeichnungen)
In einzelnen Wendungen mit übertragener Bedeutung führt der Duden beide Schreibweisen an: die gelbe/Gelbe
Karte, das schwarze/Schwarze Brett, die goldene/Goldene Hochzeit feiern, erste/Erste Hilfe leisten, der letzte/
Letzte Wille

178 Rechtschreibung
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 2
Adjektive

Kleinschreibung Grossschreibung
die unbestimmten Zahladjektive Adjektive in Eigennamen (Geografie,
ein-, ander-, wenig, viel-, meist- 3) Biologie, Geschichte, Institutionen …)
die einen, die ander(e)n, etwas anderes, der Stille Ozean, der Zweite Weltkrieg,
wenige, vieles, das meiste Eidgenössische Technische Hochschule
Paaradjektive für Menschen stehende Paaradjektive
durch dick und dünn, kreuz und quer Gross und Klein, Jung und Alt
mit -isch- abgeleitete Ortsadjektive mit -er abgeleitete Ortsadjektive


schweizerische Verhältnisse, deutsche Städte Schweizer Städte, der Kölner Dom
Sprach- und Farbadjektive (attributiv und Sprach- und Farbadjektive mit Artikel
adverbial sowie abgetrennte Verbzusätze) oder Präposition
das Wort englisch (wie?) aussprechen, sie lernt Deutsch (die deutsche Sprache),
die rote Farbe, ich sehe schwarz in/auf Englisch; in Schwarz, bei Rot
Von Personennamen abgeleitete Adjektive zur Hervorhebung des Namens
kafkaeske Zustände, das kopernikanische die frühe Bachmann’sche Lyrik
Weltbild

3) Da die unbestimmten Zahladjektive (wenige, viele …) bedeutungsmässig nahe bei den Indefinitpronomen
(manche, einige …) stehen, ist die Kleinschreibung der Normalfall (Grossschreibung nur in spezieller Verwendung:
Sie war auf der Suche nach dem Anderen, z.B. nach einem anderen Ideal, Lebenssinn …)

Verben

Kleinschreibung Grossschreibung
Konjugierte Verben sowie Verben im Infinitiv und Partizip 4) mit «Begleiter»
Infinitiv mit zu und Partizipien (Pronomen, Präposition, Adjektiv)
sie liest, wir müssen© lernen, tanzen gehen, das Lesen, unsere Lernenden/Lernende,
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er hat geschrieben,Persönliches
wir sollten sparen;
Exemplar von Liza Basha, 8307 beim Tanzen, das Geschriebene,
Effretikon
ich bitte dich zu schweigen, anzurufen ans Sparen denken, langes Schweigen
zweiteilige Nominalisierungen: Gross-
das Verb in einer Wortgruppe und Zusammenschreibung
sie will Klavier spielen, du solltest vor- beim Klavierspielen, sicheres Autofahren,
sichtiger Auto fahren, sie liest regelmässig das regelmässige Zeitunglesen
die Zeitung mehrteilige Nominalisierungen werden
mit Bindestrich durchgekoppelt
sie spielt mit ihm Katz und Maus, das Katz-und-Maus-Spielen,
er lebt in den Tag hinein das In-den-Tag-hinein-Leben

4) Grossschreibung konjugierter Verbformen in wenigen Fällen, z.B. das ist ein absolutes Muss

Partikeln

Kleinschreibung Grossschreibung
Partikeln in der Funktion von Nominalisierte Partikeln, durch «Beglei­
Konjunktionen, Präpositionen, ter» (Artikel, evtl. Adjektiv, Präposition)
Adverbien und Interjektionen signalisiert 5)
wenn, aber, das ewige Wenn und Aber nervt,
auf, ab, hin, her, oben, unten, dieses ständige Auf und Ab, zum Voraus,
ach, oh mit Ach und Krach

5) Varianten nach Präposition ohne Artikel: seit Langem/langem, vor Kurzem/kurzem, seit Neuestem/neuestem

Rechtschreibung 179
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aufgabe 3

Gross oder klein?


Überschreiben Sie – wo erforderlich – den Wortanfang mit dem Grossbuchstaben.

1 wenn man deutschschweizer kinder beobachtet, wie sie beim fernsehen das geschliffene
hochdeutsch aufs treffendste nachahmen, kann man sich nur schwer vorstellen, dass sie
über kurz oder lang ein hochproblematisches verhältnis zu dieser sprache entwickeln
werden. aber der weg ist ihnen vorgezeichnet, es gibt kein entrinnen: eines tages werden
5 sie zur schule gehen und erfahren, dass hochdeutsch etwas schwieriges und fremdes ist.
sie lernen, dass diese sprache den deutschen gehört, dass die schweizer sie nur von ihren
nördlichen nachbarn zum schreiben ausleihen und dass es unschweizerisch ist, so zu
sprechen wie die leute im deutschen fernsehen.

was für eine ironie, dass wir deutschschweizer, die wir uns im allgemeinen mit unserem
10 mehrsprachigen staat brüsten, einen so tief sitzenden knacks haben, was unsere eigene
sprache angeht. die meisten wollen gar nicht mehr hören, dass deutsch tatsächlich un-
sere eigene sprache ist. schon jetzt bezeichnen sie viele als «fremdsprache», obwohl sie
in der verfassung als offizielle landessprache definiert ist. und nicht wenige sind sogar
seltsam stolz auf ihr sprachliches unvermögen, ist es doch der beweis dafür, dass wir
15 sind, wer wir sind, vor allem aber, dass wir anders sind als die deutschen. es ist zwar
seltsam, sich über etwas zu definieren, was man nicht kann, aber etwas besseres bleibt
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uns offenbar
Persönliches Exemplar nicht:
von Liza Basha, das
8307 unbeholfene deutsch macht uns schweizer erst
Effretikon zu schweizern.

deshalb flüchten wir in den dialekt, ist der dialekt im vormarsch: e-mails und sms wer-
den fast ausschliesslich in mundart versendet, der anteil an mundartpop wächst stetig,
20 in zwölf kantonsparlamenten darf auf «schwiizertüütsch» debattiert werden, und auf das
gestammel der wettermoderatoren hat das schweizer fernsehen schliesslich dialekt ver-
ordnet. doch der dialekt an sich ist nicht das problem. auch die kinder in deutschland
wachsen mit dialekten auf, lernen zu hause zuerst badisch, hessisch, kölsch usw., müs-
sen sich das hochdeutsche genauso in der schule aneignen wie wir schweizer. aber wäh-
25 rend in deutschland der dialekt ein schlechtes image hat und als sprache der ungebilde-
ten gilt, ist es in der schweiz gerade umgekehrt: der dialekt wird verherrlicht, hoch-
deutsch abgelehnt. hier liegt das problem.

und hier muss die spracherziehung ansetzen. «standarddeutsch» soll im weiteren nicht
eine erduldete schulsprache sein, sondern vielmehr als eine lebendige, vielfältige, attrak-
30 tive und leistungsfähige sprache erfahren werden, und zwar von allem anfang an. viel-
leicht lernen so wenigstens unsere kinder, hochdeutsch – die sprache frischs und dürren­
matts – als das eigene zu akzeptieren und nicht länger als das fremde zu verteufeln.
vielleicht gar: hochdeutsch zu lieben. die schweiz würde daran nicht zugrunde gehen.
schon eher aus dem gegenteiligen grund: man kann nicht auf dauer mit einer sprache
35 leben, die man verachtet.

180 Rechtschreibung
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
MODUL 2
Aufgabe 4

Verbessern Sie die Wörter, die gegen die allgemeinen Rechtschreibprinzipien sowie
gegen die Regeln der Gross- und Kleinschreibung verstossen.

10 Fehler
1 Emanuel La Roche geht in seinem Zeitungsartikel «die Gehemm- ––––––––––––––––––
ten und ihr Nachbar» der Frage nach, wesshalb so viele Schwei- ––––––––––––––––––


zer den Deutschen gegenüber verklemmt sind, wärend diese uns ––––––––––––––––––
schenerös bis liebevoll herablassend begegnen. ––––––––––––––––––

5 Schweizerinnen und Schweizer hören es ungern, aber es ist so: Im ––––––––––––––––––


allgemeinen mögen uns die Deutschen. Nein, sie lieben uns nicht, ––––––––––––––––––
beware, dafür sind wir ihnen nicht anregend genug, doch wir ––––––––––––––––––
scheihnen etwas Sympathisches und respektvolles an uns zu haben. ––––––––––––––––––
Als die «Süddeutsche Zeitung» ende des vergangenen Jahrtausends ––––––––––––––––––
10 fragte, wie sich die Deutschen Ihr Land im Jahr 2000 wünschten, ––––––––––––––––––
antworteten satte 40 Prozent: «Wie die Schweiz.» ––––––––––––––––––
12 Fehler
­Doch warum haben die Deutschschweizer mit den Nördlichen ––––––––––––––––––
Nachbarn ein Problem? Wegen des Dialekts! Ihr Schweizerdeutsch ––––––––––––––––––
hemt sie. Sobald sie hochdeutsch sprechen sollen, geraten ––––––––––––––––––
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15 sie ins stammeln und beginnen zu stottern. Selbst akademisch ––––––––––––––––––
geschulte verstummen meisst und überlassen das Wort den ––––––––––––––––––
scheinbar viel eloquenteren Deutschen. Tatsächlich sprechen ––––––––––––––––––
die Deutschen ja auch anderst. Das fällt einem nur schon im deut- ––––––––––––––––––
schen Winterschlussverkauf auf, wenn die im Grunde das ganze ––––––––––––––––––
20 Jahr andauernde Schnäppchenjagt ihrem Höhepunkt zustrebt: ––––––––––––––––––
«Greiffen Sie zu!» «Jetzt muss zugeschlagen werden!» Und war- ––––––––––––––––––
haftig sagt ein Deutscher nicht – wie dass ein gesitteter Schwei- ––––––––––––––––––
zer täte: «Ich hätte gern» oder «Würden Sie mir bitte?», sondern ––––––––––––––––––
er verlangt forsch: «Ich bekomm!» oder «Ich krieg!» Der daneben ––––––––––––––––––
25 stehende schweizer Kunde fährt zusammen, lästert aber im ––––––––––––––––––
nachhinein, der Sauschwab sei vor ihm bedient worden. ––––––––––––––––––

Weitere Übungen im Online-Tool eFokus Sprache BM

Rechtschreibung 181
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3 Getrennt- oder Zusammenschreibung?

Wörter können sich zu Wortgruppen (Getrenntschreibung) oder zu Wortzusammensetzungen


(Zusammenschreibung) verbinden. Dabei lässt sich nicht immer eindeutig entscheiden, ob eine
Wortgruppe oder eine Wortzusammensetzung vorliegt. Zudem führt der Duden für eine nicht
unbeachtliche Anzahl Fälle beide Varianten an (achtgeben/Acht geben, alleinerziehend/allein
erziehend/ …), was von der Problematik in diesem Bereich zeugt.
Bereits bekannt ist uns die Zusammenschreibung von zwei- oder mehrteiligen Wortzusammen-
setzungen (sog. Komposita, wie etwa blitzgescheit, Rechtschreibwörterbuch) sowie von zwei-
teiligen Nominalisierungen (das Klavierspielen, sicheres Autofahren); diese Fälle greifen wir hier
daher nicht mehr speziell auf.

Wortkombination Regel- bzw. Normalfall: Ausnahmen und Nebenformen:


Getrenntschreibung Zusammenschreibung

Verb + Verb lesen lernen, spazieren gehen, Verbindungen mit lassen/bleiben


(auch Partizipien) getrennt leben, verloren gehen, in übertragener Bedeutung:
rasend werden, gehen lassen, sich gehenlassen (nicht beherrschen)
fallen lassen, kennen lernen (auch: sich kennenlernen)

Nomen + Verb Angst haben, Auto fahren, Verblasste Nomen als «Verbzusätze»:
Musik hören, Not leiden, Rat suchen, heimgehen, leidtun, teilnehmen,
Schach spielen, Schlange stehen notlanden, schlafwandeln

Adjektiv + Verb sie hat frei gesprochen (Verstärkung: übertragene Wortbedeutung:


sehr frei; Steigerung: freier als du); jemanden freisprechen,
die Haare schwarz färben (Resultat: schwarzarbeiten, rotsehen
die Haare sind dann schwarz) (auch: schwarzfärben, kleinhacken)
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Adjektiv + Partizip gut aussehend (besser aussehend), gutaussehend, leichtverletzt,
leicht verletzt, schwach begabt schwachbegabt
Superlativ mit «am»: blosser Superlativ:
am besten bewährt, am meisten bestbewährt, meistbietend
bietend

Adverb + Verb Adv. und Verb gleichermassen betont: Hauptakzent auf Adverb:
Sie soll da bleiben, wo man sie schätzt. Sie soll dableiben (nicht weggehen).
Das Übel ist davon gekommen, dass … Er ist noch gut davongekommen.
Er lernt vorwärts einparken. Wir sind gut vorwärtsgekommen.

Partikel + sein auf sein, beisammen sein,


da gewesen, um dabei zu sein

Einzelne Favorisierte Form: Nebenform:


Fügungen Zusammenschreibung Getrenntschreibung

präpositionale
anstelle, aufgrund, mithilfe, an Stelle, auf Grund, mit Hilfe,
Fügungen
zugunsten zu Gunsten;
(immer getrennt: zu unseren Gunsten)

adverbiale imstande sein, zugrunde gehen, im Stande sein, zu Grunde gehen,


Fügungen infrage stellen, zutage fördern in Frage stellen, zu Tage fördern

182 Rechtschreibung
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MODUL 2
Aufgabe 5

Streichen Sie die falsch geschriebenen Ausdrücke durch.

Wer hat die Vase auf den Steinboden fallenlassen/fallen lassen?


Er ist noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen/davon gekommen.
Wir mussten über eine Stunde lang schlangestehen/Schlange stehen.
Sie wollten mich nicht gehenlassen/gehen lassen.


Am Sonntag gehen wir bergsteigen/Berg steigen.
Wann wollen Sie den Wagen probefahren/Probe fahren?
Hier erwartet Sie ein sehr breit gefächertes/sehr breitgefächertes Angebot.
Bald wird es dir wieder viel bessergehen/viel besser gehen.
Sie ist die bestinformierte/best informierte Schülerin.
Wir wollen immer aneinanderdenken/aneinander denken.
Alle hochstehenden/hoch stehenden Persönlichkeiten sind eingeladen.
Sie hat sich nichts zuschulden/zu Schulden kommen lassen.
Wir wollen unsere Kunden zufriedenstellen/zufrieden stellen.
Wir sind ausserstande/ausser Stande, dir zu folgen.
Wir mieden die schlechtgelaunten/schlecht gelaunten Besucher.
Solange/So lange du zu Hause wohnst, gelten unsere Regeln.
Ich kann nicht mehr solange/so lange warten, bis es ihm passt.

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Aufgabe 6

Diese zusammengeschriebenen Ausdrücke sind im übertragenen Sinn zu verstehen.


Führen Sie dafür ein Synonym oder eine Worterklärung an.

Was, du bist schon wieder schwarzgefahren?! ––––––––––––––––––––––––––––


Er hat nun schon zum zweiten Mal blaugemacht. ––––––––––––––––––––––––––––
Sie hat den Text wörtlich wiedergegeben. ––––––––––––––––––––––––––––
Sie haben ihn bei seinen Kollegen schlechtgemacht. ––––––––––––––––––––––––––––
Das Experiment ist schiefgelaufen. ––––––––––––––––––––––––––––
Ich werde für den Fehler geradestehen. ––––––––––––––––––––––––––––
Sie hat sich für diese Vorlage starkgemacht. ––––––––––––––––––––––––––––
Er hat das Ergebnis schöngeredet. ––––––––––––––––––––––––––––
Sie hat vergeblich versucht, sich reinzuwaschen. ––––––––––––––––––––––––––––
Warum habt ihr euch gegen das Vorhaben quergestellt? ––––––––––––––––––––––––––––
Nach diesem Vorfall hat ihn die Partei kaltgestellt. ––––––––––––––––––––––––––––
Du solltest endlich etwas kürzertreten! ––––––––––––––––––––––––––––

Rechtschreibung 183
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4 Zusammenschreibung mit Bindestrich

Den Bindestrich verwenden wir für zwei verschiedene Funktionen: Der Ergänzungsstrich steht
für Wortteile, die nicht wiederholt werden (Vor- und Nachteile, Hin- und Rückfahrt, ein- und
ausschalten); der Kupplungsbindestrich steht in zusammengesetzten Ausdrücken, die aus be-
stimmten Gründen nicht in einem Wort geschrieben werden können (der i-Punkt, AHV-Bei-
träge, ein Formel-1-Rennen, die Mund-zu-Mund-Beatmung). Im Folgenden gehen wir nur auf
den Kupplungsbindestrich näher ein.

Obligatorisch ist der Kupplungsbindestrich (kurz: Bindestrich) in Zusammensetzungen:

• mit Ziffern 17-jährig, die 80-Jährigen, der 2:1-Sieg,


das Formel-1-Rennen, 100-prozentig
(aber: 100%ig, ein 100stel, die 68er)
––––––––––––­­­–––––––––––––––––––––––––––

• mit einzelnen Buchstaben i-Punkt, S-Kurve, s-Laut, x-beliebig, T-Shirt,


zum x-ten Mal, y-Achse, das E-Banking
(aber: iPad, iPhone für I-Phone, eFokus Sprache)
––––––––––––­­­–––––––––––––––––––––––––––

• mit Abkürzungen AHV-Beiträge, E-Book, IV-Rente, Pay-TV,


S-Bahn, UNO-Vollversammlung, Mobil-Nr.
––––––––––––­­­–––––––––––––––––––––––––––

• mit Eigennamen Escher-Wyss-Platz, das Goethe-Denkmal,


Gottfried(-)Keller-Weg
© 2023 ––––––––––––­­­
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und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

• ebenso zwischen mehrteiligen 125-Jahr-Feier, 40-Stunden-Woche,


Zusammensetzungen Berg-und-Tal-Bahn, Frage-und-Antwort-Spiel
––––––––––––­­­–––––––––––––––––––––––––––

• und mehrteiligen Nominalisierungen das Auf-die-lange-Bank-Schieben,


das Von-der-Hand-in-den-Mund-Leben
––––––––––––­­­–––––––––––––––––––––––––––

Um einzelne Teile hervorzuheben oder damit ein Ausdruck übersichtlicher und lesefreundlicher
wird, kann ein Bindestrich gesetzt werden.

• Hervorhebung eines Bestandteils ein dass-Satz (Dasssatz), der Ich-Erzähler


(Icherzähler)
––––––––––––­­­–––––––––––––––––––––––––––

• Lesefreundliche Schreibweise Ultraschall-Messgerät (Ultraschallmessgerät),


das Musiker-Leben bzw. Musik-Erleben
(Musikerleben)
––––––––––––­­­–––––––––––––––––––––––––––

• Zusammentreffen dreier gleicher Kaffee-Ernte (Kaffeeernte), Tee-Ei (Teeei),


Buchstaben im Schritt-Tempo (Schritttempo)
––––––––––––­­­–––––––––––––––––––––––––––

184 Rechtschreibung
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5 Zusammengesetzte Fremdwörter

MODUL 2
Zusammengesetzte Fremdwörter aus dem Englischen werden gewöhnlich wie deutsche Kom-
posita zusammengeschrieben; das gilt weitgehend für Zusammensetzungen zweier Nomen
(Facebook, Nightclub).
Wie die folgende Gegenüberstellung der Haupt- und Nebenvarianten zeigt, ist die Regelung
aller­dings alles andere als einheitlich.

Wortkombination: Hauptvariante Nebenform


Nomen + Nomen der Airbag, Airbus, Airport
der Cashflow
der Ghostwriter
das Notebook
die Website, Webmasterin
das Weekend
-ing + Nomen das Carsharing Car-Sharing
die Castingshow Casting-Show
das Facelifting

Adjektiv + Nomen die Blackbox Black Box


die Hardware, der Hardliner
die Hotline
der/das Hotdog, der Hotspot Hot Dog, Hot Spot
aber:
die Big Band Bigband
das Fast Food Fastfood
das Happy End Happyend
der Small Talk Smalltalk
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Nominalisierungen das/der Back-up Backup
mit Partikeln das Make-up
das Know-how Knowhow
das Comeback Come-back
der Countdown Count-down
das Handout, Blackout Hand-out, Black-out

Mehrteilige der Fulltimejob Full-Time-Job


Zusammensetzungen der Dutyfreeshop Duty-free-Shop
das Candle-Light-Dinner das Candlelight-Dinner
das Go-go-Girl
die Midlife-Crisis Midlifecrisis
das Multiple-Choice-Verfahren Multiplechoiceverfahren
das Feedback Feed-back

Und noch ein Wort zur internationalen Küche:


Unsere heimische Küche ist uns vertraut, ebenso deren Rechtschreibung: Berner Platte, Glarner
Pastete, Kappeler Mehlsuppe, Zürcher Geschnetzeltes, Zuger Kirschtorte …
Bekanntlich hat die französische Küche bei uns tiefe Spuren hinterlassen, auch sprachliche.
So übernehmen wir Wortgruppen aus dem Französischen in getrennter Schreibung; dabei
schreiben wir Nomen bzw. Eigennamen gross, Adjektive und Partizipien klein: Coq au Vin,
Cordon bleu, Crème fraîche, Crêpe Suzette, Pommes frites, Pommes Dauphine, Riz Casimir …
Durchgekoppelt wird dagegen das mehrteilige Pot-au-feu.
Nicht minder lieb sind uns die italienischen Köstlichkeiten, und so respektieren wir auch die
italienische Schreibweise, belassen das h in Spaghetti bolognese oder Spaghetti carbonara.

Rechtschreibung 185
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Aufgabe 7

Diese Aufgabe umfasst Schwierigkeiten aus dem ganzen Modul zur Rechtschreibung.

1 Start 2 Das ist richtig. 3 Sehr gut, weiter: 4 Gut, weiter:


Wir bringen die Natürlich sind immer Den … beissen die Sie feiert ihr …
Sache morgen ins … wir an allem … Hunde.
reine Õ 14 schuld Õ 24 letzten Õ 20 Comeback Õ 9
Reine Õ 23 Schuld Õ 20 Letzten Õ 25 Come-Back Õ 21

5 Ja, fahren Sie fort. 6 Leider falsch: 7 Richtig, weiter: 8 Gut so, weiter:
Er hat sich schon Zurück! Eine Hochzeitsfeier Kennst du unseren
wieder … lassen. Ihr neuer Versuch mit allem … … Korrespondenten?
krankschreiben Õ 22 kostet Sie drum und dran Õ 21 berliner Õ 26
krank schreiben Õ 20 1 Strafpunkt. Drum und Dran Õ 34 Berliner Õ 13

9 Sehr gut, weiter so: 10 Stimmt, weiter so: 11 Das ist korrekt. 12 Leider falsch.
Sie legt … auf ein Sie ist die … Ich denke nicht Gehen Sie zurück,
tadelloses Make-up. Mitarbeiterin. ans … und nehmen Sie
wert Õ 26 bestinformierte Õ 27 aufgeben Õ 26 1 Strafpunkt mit.
Wert Õ 35 best informierte Õ 21 Aufgeben Õ 5

13 Ja doch, weiter: 14 Das ist falsch und 15 Richtig, weiter: 16 Sehr gut, weiter:
Halte mich bitte auf kostet 1 Strafpunkt. In der Masse geht Es fehlt hier überall
dem … Fahren Sie mit der der … unter. am …
laufenden Õ 20 richtigen Lösung einzelne Õ 21 nötigsten Õ 6
Laufenden Õ 31 fort. Einzelne Õ 28 Nötigsten Õ 30

17 Stimmt. Weiter: 18 Richtig, weiter: 19 Gut. Weiter so! 20 Das ist falsch.
Wir haben uns über Sie lebten in den … Ökologisches … ist Sie müssen zurück
den … gefreut. in Paris. angesagt. und kassieren
3:0 Sieg Õ 32 30-er Jahren Õ 32 fahren Õ 26 1 Strafpunkt.
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3:0-Sieg Õ 3 30er-Jahren Õ 8 Fahren Õ 2
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21 Das ist falsch. 22 Richtig, weiter: 23 Stimmt, weiter so: 24 Auch das stimmt!
Leider kommen Wir verbringen die Leider steht es mit ihm Im … verweisen wir
Sie nicht ohne Ferien in einem … nicht gerade zum … auf unser Reglement.
Strafpunkt 5-Sterne-Hotel Õ 7 besten Õ 12 folgenden Õ 21
davon. 5-Sterne Hotel Õ 32 Besten Õ 33 Folgenden Õ 29

25 Gut, weiter: 26 Wie kommen Sie 27 Gut so, nur weiter: 28 Gut, weiter:
Am … kommst du darauf? Das ist eine Geschichte Hier gibt es kein
vormittags vorbei. Versuchen Sie es mit einem … …
besten Õ 16 nochmals! happy End Õ 20 entweder oder Õ 6
Besten Õ 14 1 Strafpunkt Happy End Õ 36 Entweder-oder Õ 18

29 Ja, weiter: Wir suchen 30 Sehr gut, weiter: 31 Das stimmt, weiter: 32 Falsch getippt:
in der Altstadt eine … Sie haben alles ins Es kam … der Ange- Zurück!
3-Zimmer-Wohnung … gezogen. stellten zu Protesten. Das kostet Sie
Õ4 lächerliche Õ 12 seitens Õ 17 1 Strafpunkt.
3-Zimmerwohnung Lächerliche Õ 19 Seitens Õ 6
Õ6

33 Nur weiter so: 34 Richtig, weiter: 35 Sehr gut, weiter: 36 Sie sind am Ziel!
Ich habe das schon Sie verhandelten lange Sie setzte alles Geld
… gesagt. im … auf die … Schauen Sie nach,
x mal Õ 20 geheimen Õ 6 siebzehn Õ 21 wo Sie in der Bewer-
x-mal Õ 15 Geheimen Õ 10 Siebzehn Õ 11 tung stehen.

Weniger als 3 Strafpunkte: Sie haben die Rechtschreibung im Griff.


3 – 5 Strafpunkte: Haben Sie damit schon Ihr persönliches Ziel erreicht?
6 und mehr Strafpunkte: Greifen Sie die Schwachstellen nochmals auf.

186 Rechtschreibung
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  Modultest

MODUL 2
Bereinigen Sie im folgenden Text die Rechtschreibung, und lösen Sie danach die
weiteren Aufgaben.

1. Überschreiben Sie die Wortanfänge – wo nötig – mit Grossbuchstaben (Z. 1–11).

Die Grenzen des digitalen Rotstifts


1 auch in zeiten, da mit computern zunehmend musik, fotos oder videos bearbeitet wer-
den, bleibt die häufigste anwendung das schreiben von texten. die elektronische text-
verarbeitung hat gegenüber der klassischen schreibmaschine verschiedene vorteile, unter
anderem das erkennen von fehlern.
5 bereits mitte der 60er-jahre gab es erste programme für die automatische fehlersuche
in texten, allerdings nur in englischer sprache. später wurden verbesserte korrektur­
anwendungen auch in die textverarbeitungsprogramme integriert, und heute kann man
zwischen diversen korrekturhilfen auswählen. gratisprogramme wie etwa spellcheck sind
im grossen und ganzen praktisch, weil sie in den meisten programmen verwendet
10 werden können, doch haben solche digitalen korrektoren meist null ahnung von mor-
phologie, grammatik und syntax.

2. Ihr etwas älteres Korrekturprogramm


© 2023 kennt
Verlag SKV AG: Fokus Sprache, einzelne
Fokus Sprache Ausdrücke
BM mit nicht
digitalen Lösungen und hat für
und Kommentar diese
Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
markiert. Verbessern Sie, falls erforderlich, direkt im Text (Z. 12 – 37).

Jeder PC Anwender weiss jedoch auch um die Grenzen all dieser digitalen Gehilfen.
Soviel Word oder ein anderes Programm auch über Orthografie und Grammatik weiss,
immerwieder ärgert man sich als Benutzer über die Beschränktheit der Korrekturfunk-
15 tion, weil sie Fehler nicht findet, korrektgeschriebene Wörter oder Satzteile beanstandet,
Namen nicht kennt oder sich trotz Lernfunktion nicht verbessert.
Korrekturprogramme prüfen einen Text üblicher Weise auf zwei Ebenen: auf der lexika-
lischen und auf der grammatischen. Bei der lexikalischen Prüfung werden alle Wörter
mit den Einträgen des gespeicherten Lexikons verglichen, um falschgeschriebene Be-
20 griffe oder Vertipper erkennen zu können.
Da eine solche Wortdatenbank nie vollständig sein kann, muss das Programm Begriffe
selbst herleiten können. Dazu zählen konjugierte Verben, deklinierte Nomen und zusam-
men gesetzte Wörter. Ein morphologisch geschultes Programm ist in der Lage, Wörter
aus Elementen wie Wortstamm und Endungen zu analysieren. Besonders in der deut-
25 schen Sprache, in der man fast nachbelieben Wörter zusammensetzen darf, ist es wich-
tig, dass diese richtig erkannt werden.
Die lexikalische Prüfung verursacht bei ihrer Herstellung keine grossen Probleme,
jedoch einen enormen Aufwand. In manchen Sprachen kann das Anlegen eines Lexi-
kons Jahrzehnte inanspruch nehmen.

Rechtschreibung 187
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
30 Die lexikalische Prüfung alleine macht einen Text noch lange nicht fehlerfrei. So wurde
bis anhin beim Satz «Ich liest ein buch» nur beanstandet, dass das Wort «buch» kleinge-
schrieben ist, während «Dem Hunden sein Knochen sind gross» als korrekt galt. Ein
korrektgeschriebenes Wort kann je nach Kontext also auch falsch sein. Um beispiels-
weise zu erkennen, dass in einem Satz «das» durch «dass» ersetzt werden soll, muss die
35 Software mit komplexen Algorithmen und einem sogenannten Parser arbeiten, die den
Satz analysieren und die syntaktischen Zusammenhänge bestimmen können. Dazu müs-
sen die einzelnen Wörter erkannt und einer Wortart zugeordnet werden können.

3. Verbessern Sie die acht Rechtschreibfehler.

Was einem Programm nur mit hochkomplexen Algorithmen beizubringen ist, lernt der
Mensch mit links: gemäss der Theorie der generativen Grammatik des Linguisten Noam
40 Chomsky besitzen alle Menschen eine angebohrene Universalgrammatik, die es den
heran Wachsenden überhaupt ermöglicht, eine Sprache zu erlernen. So gesehen besitzt
bereits ein drei-jähriges Kind bessere Grammatikfähigkeiten als die jahrelang von Pro-
grammierern verfeinerten Korrekturprogramme.
Dabei hätte die Computerlinguistik weitaus mehr als die gebreuchlichen Algorithmen
45 zur Fehlersuche im Köcher, doch reicht die Rechenleistung eines normalen PCs nicht
aus, alle heute bekannten Prüfverfahren durch zu führen.
Ein menschlicher Korrektor ist also noch lange nicht durch ein Programm ersetzbar.
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Eine Kombination
Persönliches Exemplar von
von Liza Basha, 8307 technischer und menschlicher Korrekturarbeit scheint
Effretikon immernoch
die efizienteste Fehlersuche.

4. Erklären Sie den Ausdruck «digitaler Rotstift» (Titel).

––––––––––––­­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

5. Welche Aussage erfasst den Inhalt des Textes am treffendsten? Kreuzen Sie an.

Dank den neusten Korrekturprogrammen lassen sich alle sprachlichen Tücken meistern. o
Noch immer müssen sich die PC-Anwender über die unbrauchbaren Korrektur-
programme ärgern. o
Korrekturprogramme sind hilfreich, doch weit davon entfernt, fehlerfreie Texte zu
garantieren. o
Bald können sich die PC-Anwender ganz auf elektronische Korrekturhilfen verlassen. o

6. Was bedeuten diese Fachausdrücke?


Muster­
prüfung
Morphologie (Z. 10f.): ––––––––––­­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Algorithmus (Z. 35): ––––––––––­­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Parser (Z. 35): ––––––––––­­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Lösung

Weiterer Modultest und Modulprüfung im Online-Tool eFokus Sprache BM

188 Rechtschreibung
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MODUL 3
Satzlehre


Lernziele

• Ich kann einfache und zusammengesetzte Sätze


grammatisch analysieren und deren Struktur
beschreiben.

• Ich kann Haupt- und Nebensätze unterscheiden,


die Satzhierarchien aufzeigen und Nebensätze
sowohl formal als auch funktional bestimmen.

• Ich kann Sätze stilistisch umformen, setze die


Akzente im Satz situationsgerecht und wandle
schwerfällige Satzglieder und Attribute in
Neben­sätze um.
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• Ich nutze meine grammatischen Kenntnisse für


einen korrekten und stilistisch ansprechenden
Satzbau.

189
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1 Methoden der Satzanalyse

Vollständige Sätze bestehen nicht einfach aus willkürlich aneinandergereihten Wörtern. Sie
basieren auf verbalen Teilen, die mit Satzgliedern erweitert sind. Dabei müssen die verbalen
Teile und die Satzglieder inhaltlich und formal aufeinander abgestimmt sein, damit sinnvolle
und grammatisch korrekte Aussagen entstehen.

1.1 Verschiebe-, Ersatz- und Weglassprobe

Erste Einblicke in den Satzbau und in die Satzlehre (Syntax) gewinnen wir mit den drei
grammatischen Grundoperationen, die wir hier kurz auffrischen.

Verschiebeprobe

Mit der Verschiebeprobe können wir erstens die Satzglieder ermitteln: Wörter oder Wort-
gruppen, die sich im Satz umstellen lassen, ohne dass sich der Sinn ändert, sind Satzglieder.
Zweitens erkennen wir dadurch eine wichtige Eigenart des deutschen Satzes: Der konjugierte
verbale Teil steht im Aussagesatz an zweiter Satzgliedstelle, der restliche verbale Teil ganz am
Satzende.
Und nicht zuletzt erlaubt es diese Methode, stilistische Varianten eines Satzes zu bilden, die
Akzente im Satz zu verlagern.
Die Autorin des Berichts / hat / an der Uni Zürich / fünf Jahre lang / Archäologie / studiert.
An der Uni Zürich / hat / die Autorin des Berichts / fünf Jahre lang / Archäologie / studiert.
Fünf Jahre lang / hat / die Autorin des Berichts / Archäologie / an der Uni Zürich / studiert.

© 2023 Ersatzprobe
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

Mit der Ersatzprobe lässt sich der Fall (Kasus) eines Satzgliedes bestimmen: Wir ersetzen im
Satzglied das Nomen bzw. Pronomen durch ein Maskulinum.
In der Praxis dient diese Methode dazu, Fallfehler zu erkennen bzw. zu vermeiden.
An der Uni Zürich / hat / die Autorin des Berichts / fünf Jahre lang / Archäologie / studiert.
Am Nordpol / hat / der Autor des Berichts / einen Monat lang / den Klimawandel / studiert.
An dem Õ Dativ / der Õ Nominativ / einen Õ Akkusativ / den Õ Akkusativ

Weglassprobe

Die Weglassprobe dient dazu, das «Grundgerüst» eines Satzes zu erkennen:


Wir lassen alle grammatisch nicht erforderlichen Satzglieder weg.
Die Autorin des Berichts / hat / an der Uni Zürich / fünf Jahre lang / Archäologie / studiert.
Die Autorin des Berichts / hat / an der Uni Zürich / Archäologie / studiert.
Die Autorin des Berichts / hat / Archäologie / studiert.
Die Autorin des Berichts / hat studiert.

Mit der Weglassprobe lassen sich zudem die Attribute ermitteln: Wir lassen alle
Zusatzinformationen weg, die an einen Satzgliedkern gebunden sind.
Die Autorin des Berichts / hat / an der Uni Zürich / fünf Jahre lang / Archäologie / studiert.
Die Autorin / hat / an der Uni / jahrelang / Archäologie / studiert.

190 Satzlehre
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Wie schreibt man «Gefahr» in 10 000 Jahren?

MODUL 3
Der Text, der sich durch dieses Modul hindurchzieht, geht der Frage nach, wie wir Menschen
auf Warnschilder reagieren bzw. wie Warnschilder beschaffen sein müssen, damit wir reagieren
– richtig reagieren.

Aufgabe 1

Ergänzen Sie den einleitenden Teil des Modultextes, sodass die Wortgruppen fall-
mässig aufeinander abgestimmt sind.


Dass d–––– sogenannt–––– «Fluch d–––– Pharao––––» im Jahre 1922 zuerst ein–––
britisch–––– Grabräuber das Leben kostete, dann dess–––– Hund umbrachte, später ein––––
Museumsdirektor unter ein Auto geraten liess und insgesamt d–––– Tod acht weiter––– an
d–––– Ausgrabung von Tutanchamun beteiligt–––– Personen verursachte, ist zwar mehr
Legende als Tatsache, doch d––––– blühend–––– Geranke hat zwei wahre Wurzeln:
Die Hoffnung auf Ruhm und Gewinn verwandelt Menschen in zwanghaft––– Schatzgräber.
Keine d––––– bei d––––– mumifiziert––– Pharao––– gefunden––– Warnung–––– vermochte
zu verhindern, dass Archäologen die Gräber ausräumten.

Aufgabe 2

Wenden Sie die drei Proben an:


Stellen Sie die Sätze mit
© 2023 derSKV
Verlag Verschiebeprobe
AG: Fokus Sprache, Fokusum (mündlich).
Sprache Trennen
BM mit digitalen SieKommentar
Lösungen und die Satz-für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
glieder /... / ab, und heben Sie die verbalen Teile farbig hervor.
Unterstreichen Sie die Satzgliedkerne, und geben Sie an, in welchem Fall sie stehen:
Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ. Wenden Sie dazu im Zweifelsfall die Ersatz- und
die Weglassprobe an.

Der sogenannte Fluch des Pharaos soll im Jahre 1922 einen britischen Grabräuber das Leben
gekostet haben.

Später hat der Fluch angeblich den Tod acht weiterer an der Ausgrabung von Tutanchamun
beteiligter Personen verursacht.

Bei dieser unglaublichen Geschichte handelt es sich bestimmt um eine Legende.

Allerdings mag das blühende Geranke zwei wahre Wurzeln haben:

Die Hoffnung auf Ruhm und Gewinn verwandelt Menschen in zwanghafte Schatzgräber.

Keine Warnung konnte letztlich die Archäologen von ihrem Vorhaben abhalten;
sie räumten die mit reichen Gaben versehenen Gräber skrupellos aus.

Satzlehre 191
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1.2 Inhaltlich-funktionale Bestimmung der Satzglieder

Die inhaltlich-funktionale Analyse dient mehreren Zwecken:


• Sie gewährt tiefere Einblicke in die Gesetze des Satzbaus und der Satzlogik.
• Sie trägt wesentlich zum Erkennen der Satzstrukturen bei.
• Sie bildet damit die Voraussetzung für das Verständnis der Zeichensetzung,
im Besonderen der Kommaregelung.
• Sie zielt nicht zuletzt auf den korrekten Sprachgebrauch.

Im Zentrum des Satzes steht der verbale Teil (das Prädikat). Dieser bindet die Satzglieder
an sich und strukturiert den Satz.

Die engste Bindung besteht zwischen dem verbalen Teil und dem Subjekt, die grammatisch
übereinstimmen müssen (Kongruenzregel: ich lebe – wir leben).
Einige wenige Verben (sein, werden, bleiben) können ein Satzglied mit dem Subjekt
gleichsetzen (sog. Gleichsetzungsnominativ: Er war der bekannteste Grabräuber.
Õ Er = der bekannteste Grabräuber).

Auch die Objekte sind eng mit dem verbalen Teil verbunden; vom Verb hängt ab, ob ein
Akkusativ-, Dativ-, Genitivobjekt folgen kann bzw. ob das Objekt mit einer Präposition ver-
knüpft werden muss.

Eher lose verbunden mit dem verbalen Teil sind die Adverbialien, die z. B. die örtlichen und
zeitlichen Umstände eines Geschehens anführen.

Die Attribute spielen besonders in der modernen Informationssprache eine wichtige Rolle,
da sie die einzelnen Satzglieder oft mit mehreren Zusatzangaben versehen.

Diese Beziehungen lassen sich modellhaft veranschaulichen:

© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon Objekt
Subjekt verbaler Teil Akk./Dat./Gen./
Nominativ Verb/-gruppe mit Präp.
(wer? / was?) (wen? / wem? / wessen? /
an wen?)

Attribute
(was für ein / eine?) Attribute
Adverbiale
Ort, Zeit, Art/Mittel, Grund/Zweck
(wo? / wann? / wie? / warum? / wozu?)

Attribute

Die Apposition (der Nachtrag) schliesslich stellt einen Spezialfall des Attributs dar; sie
präzisiert das vorausgehende Satzglied nachträglich und steht im gleichen Fall wie dieses:
Der Fluch des Pharaos suchte auch Lord Carnarvon heim.
Der Fluch des Pharaos suchte auch den Financier der Ausgrabungen heim.
Õ Der Fluch des Pharaos suchte auch Lord Carnarvon, den Financier der Ausgrabungen, heim.

192 Satzlehre
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Die Satzanalyse wird durch methodisches Vorgehen erleichtert:

MODUL 3
1. Satzglieder abtrennen (im Zweifelsfall Verschiebeprobe anwenden).
2. Den verbalen Teil bzw. das Prädikat (die gesamte Verbgruppe im Satz) ermitteln.
3. Das Subjekt (steht im Nominativ) mit der Frage wer?/was? bestimmen.
4. Die Objekte (Ersetzbarkeit durch Pronomen) bestimmen: Akkusativobjekt (wen?/was?),
Dativobjekt (wem?), Genitivobjekt (wessen?) oder präpositionales Objekt (an wen?/
für wen?/mit wem? …).
5. Nach den Adverbialien fragen (Ersetzbarkeit durch Adverbien) mit wo?/woher?/
wohin? (Ort, lokal), wann?/seit wann?/wie lange? (Zeit, temporal), wie? (Art und
Weise, modal), warum?/weshalb? (Grund, kausal), womit? (Mittel), wozu? (Zweck).


6. Die einzelnen Satzglieder nach Attributen (Adjektiv-, Genitiv-, pronominalen und
präpositionalen Attributen) absuchen (Weglassprobe anwenden).

1. Der «Fluch des Pharaos» / soll / 1923 / den britischen Financier / heimgesucht haben.

2. konjugierter verbaler Teil restlicher verbaler Teil

3. Subjekt (wer?/was?)
4. Akkusativ-Objekt (wen?)

5. Adverbiale (wann?)

6. (Genitiv-)Attribut (Adjektiv-)Attribut

Aufgabe 3

Analysieren Sie nach dieser Methode die folgenden Sätze.

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1922 hatte HowardPersönliches
Carter im Tal der
Exemplar Könige
von Liza Basha, das
8307 unversehrte
Effretikon Grab Tutanchamuns entdeckt.

Die Nachricht dieser Entdeckung weckte weltweites Interesse an den ägyptischen Schätzen.

Bald machte die Legende vom «Fluch des Pharaos» die Runde.

Mehrere Mitglieder der Expedition Carters starben in den darauffolgenden fünf Jahren.

Die Ursachen der Todesfälle wollte man sehr genau untersuchen.

Infektionen durch Pilze in der Grabkammer könnten eine Todesursache gewesen sein.

Fünf Teammitglieder begingen aufgrund der Veröffentlichung dieser Todesfälle Selbstmord.

Weitere Übungen im Online-Tool eFokus Sprache BM

Satzlehre 193
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1.3 Differenzierung der präpositionalen Satzteile

Die formal orientierte Grammatik bezeichnet Satzteile, die mit Präpositionen eingeleitet sind,
als präpositionale Gefüge («Präpokasus»). Die inhaltlich-funktionale Unterscheidung in prä­
positionale Objekte, in Adverbialien und in Attribute, die ebenfalls mit Präpositionen eingelei-
tet werden können, fällt deshalb nicht leicht.

Präpositionale Objekte

Die Objekte stehen in sehr enger Verbindung mit dem Verb; werden sie mit einer Präposition
eingeleitet, reden wir von präpositionalen Objekten. Denn vom Verb ist zunächst eine
Präposition abhängig; diese – und nicht das Verb – bestimmt den Kasus.
Niemand / denkt / an den verstorbenen Lord Carnarvon. Õ Niemand / denkt / an ihn.
Probe: Das Nomen im Objektteil ist ersetzbar durch ein Pronomen (an ihn).

Adverbialien

Nach den Adverbialien fragen wir mit wann/wo/wie/warum? …; sie weisen unterschied­
liche Formen auf (Es geschah gestern/letzte Woche/lange vorher …) und können auch mit
Präpositionen eingeleitet sein (Es geschah an einem Freitag/vor einem Jahr …).
Es / geschah / an einem Freitag / bei der Pyramide. Õ Es geschah gestern/damals/hier/dort …
Probe: Die adverbialen Gruppen lassen sich durch Adverbien (damals, dort ...) ersetzen.

Attribute

© 2023 Attribute liefern


Verlag SKV AG: Zusatzinformationen
Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mitzu den Lösungen
digitalen Satzgliedkernen (und
und Kommentar auch zu übergeordneten
für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Attributen); sie kommen in verschiedenen Formen vor: z. B. als adjektivische Attribute (die
einzige/letzte …Hoffnung), als Genitivattribute (die Hoffnung des Archäologen/der Grab-
räuber …) und ebenfalls als präpositionale Attribute (die Hoffnung auf Ruhm/auf Gewinn …).
Auch ganze Attributgruppen sind heute keine Seltenheit.
Der Gedanke an den uralten Fluch / liess / sie / erschaudern.
Dies / soll / den Tod mehrerer an der Ausgrabung beteiligter Personen / verursacht haben.
Probe: Als Zusätze zu den Satzgliedkernen lassen sich Attribute nicht frei verschieben.

Aufgabe 4

Analysieren Sie die folgenden Sätze in Ihrem Arbeitsheft.


In der Wüste von New Mexico soll das erste amerikanische Endlager für langlebige Atom-
abfälle in 25 Jahren den Betrieb aufnehmen können.
Das sechs Quadratkilometer grosse Gelände wird von einem hohen Erdwall begrenzt.
Ein beinahe unlösbares Problem stellen die Markierungen und Warnschilder dar.
Susan Scott, Sprecherin der WIPP, beschäftigt sich seit Jahren mit der Frage:
Wie können zukünftige Generationen am Graben nach Atomabfällen gehindert werden?
Finden unsere Nachkommen in ein paar tausend Jahren Hinweise auf Atommüll,
müssen sie die Warnungen verstehen.
Der vorprogrammierte Kurzschluss des Homo sapiens «zuerst graben, dann denken» muss
auf jeden Fall verhindert werden.

194 Satzlehre
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2 Einfacher und zusammengesetzter Satz

MODUL 3
Für die Satzgliedbestimmung sind wir von einfachen Sätzen ausgegangen, d. h. von Sätzen,
die auf einem verbalen Teil (einem Prädikat) aufbauen. In der sprachlichen Praxis werden je-
doch oft mehrere Aussagen in Form von Teilsätzen zu einem Ganzsatz gefügt.
Für Susan Scott, Sprecherin der Waste Isolation Pilot Plant (WIPP) in der Wüste von New
Mexico, ist dieses kaum zu kontrollierende Verhalten des Homo sapiens entscheidend bei
der Klärung der Frage, wie denn zukünftige Generationen daran gehindert werden können,
nach den strahlenden Abfällen der Vergangenheit zu graben. Bei der «WIPP» handelt es


sich um das weltweit erste Endlager für langlebige Atomabfälle; in 25 Jahren soll es, falls
alles rund läuft, in Betrieb genommen werden können.

Satz

auf einem verbalen Teil basierend: mit zwei oder mehreren verbalen Teilen:
einfacher Satz zusammengesetzter Satz

einfacher Satz Satzreihe und Satzverbindung


(grammatisch vollständiger Satz) (gleichwertige Hauptsätze)
Satzfragment/Ellipse Satzgefüge
(grammatisch unvollständig, verkürzt) (Satzhierarchie: Haupt- und Nebensätze)

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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Im zusammengesetzten Satz lassen sich aufgrund der Stellung des konjugierten verbalen Teils
Haupt- und (eingeleiteter) Nebensatz leicht unterscheiden:
Die Nachwelt muss gewarnt werden (HS), denn der Atommüll ist lebensbedrohlich (HS). HS + HS
Die Nachwelt muss gewarnt werden (HS), weil der Atommüll lebensbedrohlich ist (NS). HS + NS

2.1 Darstellung der Satzhierarchien

Die Haupt-/Nebensatzhierarchien lassen sich grafisch veranschaulichen.

Die Nachwelt muss gewarnt werden, HS


weil der Atommüll lebensbedrohlich ist. NS 1. Grad

Nebensätze sind abhängige Teilsätze; dabei können sie nicht nur von Hauptsätzen abhängig
sein, sondern auch von übergeordneten Nebensätzen.

Die Forscher suchen nach Kommunikationsformen, HS


die unsere Nachfahren a uch in Jahrtausenden davon abhalten, NS 1. Grad
dass sie die lebensbedrohlichen Atomabfälle ausgraben. NS 2. Grad

Satzlehre 195
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2.2 Formale Bestimmung der Nebensätze

Nebensätze werden gewöhnlich aufgrund ihrer formalen Eigenheiten benannt. Dabei ist im
eingeleiteten Nebensatz das «Einleitewort» begriffsbestimmend; in den aufgeführten unein­
geleiteten Nebensätzen führt uns die Verbform zur Nebensatzbezeichnung.

Beispiele für eingeleitete Nebensätze Einleitewort Nebensatz


«Einleitewort» (am Anfang) – konjugierter verbaler Teil (am Schluss)

Die Forscher hoffen,


dass spätere Generationen die Hinweise verstehen.

Die Archäologen verstanden die Warnungen nicht,


die am Grab Tutanchamuns standen.

Wir wissen nicht,


wie man «Gefahr» in 10 000 Jahren schreibt.

Beispiele für uneingeleitete Nebensätze Kennzeichen Nebensatz


«Einleitewort» fehlt, abweichende Satzmuster «Sonderfall»

Nach 15-jähriger Forschungsarbeit schreibt Scott,


das Problem sei noch lange nicht gelöst.

Es bereitet grösste Mühe,


für die Nachfahren verständliche Zeichen zu kreieren.

Trotz der Warnungen setzten sie ihre Grabungen fort,


auf Ruhm und Gewinn hoffend.

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Aufgabe 5

Heben Sie die Verben hervor und unterstreichen Sie die Nebensätze.
Bezeichnen Sie am Rand Grad (1./2.) und Form der Nebensätze (konj., Rel.-NS usw.).

Grad Form
–––––––– –––––––– Für Susan Scott, Sprecherin der Waste Isolation Pilot Plant in
–––––––– –––––––– der Wüste von New Mexico, ist dieses kaum zu kontrollierende
–––––––– –––––––– Verhalten des Homo sapiens entscheidend bei der Klärung der
–––––––– –––––––– Frage, wie denn zukünftige Generationen daran gehindert werden
–––––––– –––––––– können, nach den strahlenden Abfällen der Vergangenheit zu
–––––––– –––––––– graben. Bei der «WIPP» handelt es sich um das weltweit erste
–––––––– –––––––– Endlager für langlebige Atomabfälle; es soll 2030 in Betrieb
–––––––– –––––––– genommen werden können, da es weit fortgeschritten ist.
–––––––– –––––––– Scott sieht nur einen Erfolg versprechenden Weg: Wenn unsere
–––––––– –––––––– Nachkommen Hinweise auf Atommüll finden, müssen sie mit
–––––––– –––––––– so vielen verschiedenen und mehrstufigen Warnungen konfron-
–––––––– –––––––– tiert werden, bis die Botschaft das umnebelte Bewusstsein durch-
–––––––– –––––––– dringt und den vorprogrammierten Kurzschluss «zuerst graben,
–––––––– –––––––– dann denken» doch noch verhindert.

196 Satzlehre
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Grad Form

MODUL 3
Entsprechend vielschichtig ist das WIPP-Projekt, und entspre- –––––––– ––––––––
chend gigantisch sind seine Ausmasse. Eine Grundfläche von –––––––– ––––––––
sechs Quadratkilometern wird von einem dreissig Meter breiten –––––––– ––––––––
und zehn Meter hohen Erdwall begrenzt, auf dem Steinsäulen –––––––– ––––––––
emporragen, die mit unterschiedlichsten Warnungen versehen –––––––– ––––––––
sind. In der Mitte befindet sich das Informationszentrum, das –––––––– ––––––––
teils oberirdisch, teils unterirdisch angelegt ist. In Granit ge- –––––––– ––––––––


meisselt, finden sich hier sämtliche Angaben über das Endlager, –––––––– ––––––––
die unter anderem Inhalt, Herkunft und Aufbau betreffen. –––––––– ––––––––

2.3 Funktionale Bestimmung der Nebensätze

Nebensätze lassen sich auch funktional bestimmen, da sie für ein im übergeordneten Satz
fehlendes Satzglied stehen. Sie können das Subjekt, ein Objekt, ein Adverbiale oder Attribute
ersetzen – entsprechend reden wir von Subjekt-, Objekt-, Adverbial- bzw. von Attribut-
(neben)sätzen.

Umformung der Satzglieder a) Satzglied


in Nebensätze b) Funktion des NSes

Das Missachten der Warnung hat ein Opfer gefordert. a) ––––––––––––––––––


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Õ Dass die Warnung missachtet wurde, hat ein Opfer gefordert.
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b) ––––––––––––––––––

Er hat uns die Aufklärung des Vorfalls versprochen. a) ––––––––––––––––––


Õ Er hat uns versprochen, den Vorfall aufzuklären. b) ––––––––––––––––––

Wegen der Komplexität des Problems dauert die Arbeit jahrelang. a) ––––––––––––––––––
Õ Die Arbeit dauert jahrelang, weil das Problem sehr komplex ist. b) ––––––––––––––––––

Gesucht sind für die Nachwelt verständliche Warnschilder. a) ––––––––––––––––––


Õ Gesucht sind Warnschilder, die für die Nachwelt verständlich sind. b) ––––––––––––––––––

Adverbialsätze ersetzen fehlende Adverbialien der Zeit, des Ortes, des Grundes usw. und lassen
sich entsprechend diesen logischen Gesichtspunkten unterteilen:
Wir kamen zur Pyramide, als es zu dunkeln begann. Temporalsatz (Zeit)

Wir schlugen unser Lager auf, wo wir den Schatz vermuteten. Lokalsatz (Ort)

Wir beeilten uns, weil wir die Ersten sein wollten. Kausalsatz (Grund)

Wir fingen an, indem wir die Steinplatten wegschoben. Modalsatz (Art/Weise)

Wir gruben heimlich, damit wir nicht entdeckt wurden. Finalsatz (Zweck/Absicht)

Wir stiegen ins Grab, obschon man uns davor gewarnt hatte. Konzessivsatz (Gegengrund)

Wir wurden überrascht, sodass wir alle verstummten. Konsekutivsatz (Folge)

Ihr müsst nach Kairo kommen, wenn ihr den Schatz sehen wollt. Konditionalsatz (Bedingung)

Satzlehre 197
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Aufgabe 6

Heben Sie die Nebensätze hervor, und bestimmen Sie deren Form und Funktion.

Form Funktion

Obschon man in der Schweiz das WIPP-Projekt zur Kenntnis


genommen hat, scheinen hier solche Fragen im Hintergrund zu
stehen. Die Untätigkeit in Bern erstaunt, da die Projektierung einer
verlässlichen Markierung der atomaren Endlager äusserst zeit-
intensiv ist.

In der Wüste von New Mexico fingen die WIPP-Experten bereits


vor 15 Jahren damit an, intensiv über eine Markierung ihres End­
lagers nachzudenken. Inzwischen ist 2007, und WIPP-Sprecherin
Susan Scott hält fest, die Forscher hätten erst rund ein Viertel der
Denkarbeit erledigt.

Das lange Nachdenken hat triftige Gründe, weil die Forscher nach
Kommunikationsformen suchen müssen, die es noch nicht gibt.
Sprache, Schrift und Symbole als Basis der zwischenmenschlichen
Kommunikation sind dem Wandel der Zeit unterworfen. Wenn die-
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Wandel ohne
BM mit Unterbruch
digitalen Lösungen undverläuft, wird
Kommentar für Bedeutung
Lehrpersonen von Genera-
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
tion zu Generation überliefert, inklusive Anpassungen. Doch Kriege,
Klimaveränderungen oder Seuchen löschen ganze Kulturen aus und
lassen kaum mehr überbrückbare Wissenslücken entstehen.

So konnten die lange rätselhaften ägyptischen Hieroglyphen erst


entziffert werden, als Napoleons Leute bei der Besetzung des Nil-
raums zufällig auf den sogenannten Rosetta-Stein stiessen. Auf
dessen Oberfläche ist dreimal derselbe Text eingraviert: einmal in
Hieroglyphen, einmal in demotischen und einmal in griechischen
Zeichen. Damit war über den Umweg der demotischen Schrift end-
lich der Schlüssel zu den rätselhaften Mitteilungen der Pharaonen
gefunden.

Anders bei den Botschaften der Maya. Obwohl Forscher seit Anfang
des 19. Jahrhunderts über der Schrift brüten, sind bis heute erst drei
Viertel aller Zeichen entschlüsselt. Dabei ist die Schrift keine zwei-
tausend Jahre alt.

Weitere Übungen im Online-Tool eFokus Sprache BM

198 Satzlehre
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3 Satzstilistik

MODUL 3
Texte, die primär der Informationsvermittlung dienen, zeichnen sich unter anderem dadurch
aus, dass zahlreiche Inhalte in einen Satz verfrachtet werden. Das führt oft zu schwerfälligen
und mit Attributen überladenen Satzgliedern.

Aufgabe 7


Formen Sie die unterstrichenen Attribute und Satzglieder zu Nebensätzen um.

Der Fluch des Pharaos soll den Tod von acht an der Ausgrabung von Tutanchamun beteiligten
Personen verursacht haben.

Keine der bei den mumifizierten Pharaonen gefundenen Warnungen vermochte die Aus-
grabungen der Archäologen zu verhindern.

Für Susan Scott stellt das kaum zu kontrollierende Verhalten des Homo sapiens das Haupt-
problem dar.

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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

Die internationale Diskussion um die Markierung der Endlager für den langlebigen Atommüll
geht auf die frühen Achtzigerjahre zurück.

Wegen der enormen Komplexität des Problems wurden Arbeitsgruppen aus Kernphysikern,
Ingenieuren, Anthropologinnen, Soziologinnen und Verhaltensforschern gebildet.

Trotz der Halbwertszeit von Plutonium von 24 000 Jahren sollten die Lösungsvorschläge nur die
nächsten 10000 Jahre umfassen.

Durch jede weitere Ausdehnung des Zeitrahmens wäre die Lösung der Aufgabe noch unmög­
licher geworden, als sie es schon war.

Satzlehre 199
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  Modultest

Lesen Sie den Text aufmerksam durch, und lösen Sie die Aufgaben dazu.

A Verständnisprobleme ergeben sich auch bei grafischen Symbolen. Stand das Hakenkreuz
vor viertausend Jahren in Kreta als Zeichen für Fruchtbarkeit, so verbreitete es sich spä-
ter im Hinduismus als Glücksbringer; schliesslich wurde es zum Emblem der Nazis. Die
Bedeutung verändert sich mit den Benutzern.
B Schon seit seiner Entwicklung mit Interpretationsschwierigkeiten belastet ist jedoch aus-
gerechnet das international für Radioaktivität verwendete Warnsignal: eine Art schwar-
zes Kleeblatt auf gelbem Hintergrund. Mitte der Vierzigerjahre an der Universität von
Berkeley geschaffen, soll das Piktogramm die von einem Atom ausgehende Strahlung
darstellen. Die Internationale Atomenergieagentur IAEA in Wien hat ihm inzwischen
jedoch das Vertrauen entzogen und es überarbeiten lassen – mit Grund, denn für Laien
besteht keine nachvollziehbare Verbindung zwischen Symbol und Gefahr.
C In der Vergangenheit ist es zu mehreren Unfällen gekommen, bei denen Menschen Be-
hälter mit radioaktivem Inhalt trotz Warnaufkleber öffneten und sich verstrahlten. Das
neue, seit Februar verwendete Warnsymbol hat die IAEA vorgängig an 1500 Personen –
vor allem Kindern – testen lassen. Es enthält zwar noch immer das unverständliche
Kleeblatt, von den Testpersonen häufig als «Propeller» bezeichnet (und soll dieses auch
nicht ersetzen), doch wird es zur Verdeutlichung der Botschaft mit einem Totenkopf und
einem davoneilenden Menschen ergänzt.
D Die Kommunikation über die vergrabenen Gefahren stellt den am meisten unterschätz-
ten Aspekt im Zusammenhang mit Atommüll dar: Noch nie im Verlaufe der Zivilisa­
tionsgeschichte musste die Menschheit sich um Probleme kümmern, die in zehntausend
oder noch mehr Jahren aktuell werden. Know-how und Erfahrung fehlen, entsprechend
ist die Ungewissheit. Während Hochrechnungen bezüglich der technischen Sicherheit
der Endlager heute nahelegen, dass bis zum Abklingen der Radioaktivität keinerlei Lecks
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zu befürchten
Persönliches Exemplar sind,
von Liza Basha, bleibt
8307 der Mensch eine unwägbare Grösse. Ein verantwortungs-
Effretikon
bewusstes Verhalten lässt sich weder prognostizieren noch garantieren, im Gegenteil.
Viel wahrscheinlicher ist, dass schiefgeht, was schiefgehen kann.
E Das mussten Susan Scott und ihre Kollegen in der Wüste von New Mexico kürzlich zur
Kenntnis nehmen, und zwar ausgerechnet unweit der Waste Isolation Pilot Plant. Nach
dem Test einer Atombombe im Jahr 1961 war die Stelle der unterirdischen Explosion
mit einem Monument gekennzeichnet worden. Das Denkmal steht zwar noch heute,
doch seine Aufgabe erfüllt es nur noch bedingt. Hobbyschützen benutzen es als Ziel-
scheibe, weshalb es von pockennarbigen Einschlägen übersät ist. Zudem sind von den
drei angebrachten Plaketten nur noch zwei vorhanden. Die dritte haben Souvenirjäger
mitgenommen. Die Tafel besagte: «Dieser Ort wird für die nächsten 24 000 Jahre gefähr-
lich bleiben.»

1. Ordnen Sie diese Überschriften den Abschnitten (A, B, C …) zu. Die Titel (drei sind
überzählig) sollen die Aussage des jeweiligen Textabschnittes wiedergeben.

–––– Menschlicher Leichtsinn –––– Unverständliches Atompiktogramm


–––– Ein Denkmal als Zielscheibe –––– Eine modifizierte Lösung
–––– Das Nazikreuz –––– Der Mensch – eine unberechenbare Grösse
–––– Neue Bedeutung alter Symbole –––– Die warnenden Propeller

200 Satzlehre
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2. Kreuzen Sie an, ob diese Aussagen gemäss Text richtig oder falsch sind.

MODUL 3
richtig falsch

a) Grafische Symbole sind nicht immer eindeutig. o o

b) Das internationale Warnsignal für Radioaktivität wurde überarbeitet, weil


niemand eine nachvollziehbare Verbindung zwischen Symbol und Gefahr o o
erkennen konnte.

c) Mit den «Propellern» auf dem Atom-Warnschild wollte man die radioaktive o o


Strahlung veranschaulichen.

d) Die IAEA hat neu Totenkopf und einen davoneilenden Menschen an die o o
Stelle des «Kleeblattes» gesetzt.

e) Die Techniker befürchten, dass in den nächsten tausend Jahren Strahlen o o


aus den Endlagern dringen.

f) Betreffend Atommüll wird im WIPP die Unberechenbarkeit des Menschen o o


am meisten unterschätzt.

3. Trennen Sie die Satzglieder ab, und bestimmen Sie diese. Unterstreichen Sie zudem
die Attribute.

Ähnliche Verständnisprobleme können grafische Symbole bereiten.

In Kreta war vor©viertausend Jahren das Hakenkreuz ein Zeichen für Fruchtbarkeit.
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Das international für Radioaktivität verwendete Warnsignal, ein schwarzes Kleeblatt auf

gelbem Hintergrund, ist seit seiner Entwicklung mit Interpretationsschwierigkeiten belastet.

4. Formen Sie die unterstrichenen Attribute und Satzglieder zu Nebensätzen um.

Das international für Radioaktivität verwendete Warnsignal ist seit seiner Entwicklung mit
Interpretationsschwierigkeiten belastet.

In der Vergangenheit ist es trotz Atomwarnaufklebern zu mehreren Unfällen gekommen.


Zur Verdeutlichung der Botschaft ist das Warnsymbol neu mit einem Totenkopf und einem
davoneilenden Menschen ergänzt worden.

Satzlehre 201
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Heute legen Hochrechnungen nahe, dass bis zum Abklingen der Radioaktivität keinerlei
Lecks zu befürchten sind.

Nach dem Test einer Atombombe im Jahr 1961 war die Stelle der unterirdischen Explosion
mit einem Monument gekennzeichnet worden.

Die Missachtung der Warnschilder zeugt einmal mehr vom unberechenbaren Verhalten des
Homo sapiens.

5. Heben Sie die Nebensätze hervor. Bestimmen Sie diese formal und funktional.

Form Funktion
Mitte der Vierzigerjahre an der Universität von Berkeley geschaffen,
soll das Piktogramm die von einem Atom ausgehende Strahlung
darstellen.
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In der Vergangenheit ist es zu mehreren Unfällen gekommen,
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
bei
denen Menschen Behälter mit radioaktivem Inhalt trotz Warnauf-
kleber öffneten und sich verstrahlten.

Das neue Warnsymbol enthält zwar noch immer das unverständ­


liche Kleeblatt, das die Testpersonen häufig als «Propeller» bezeich-
nen, doch wird es zur Verdeutlichung der Botschaft mit einem
Totenkopf und einem davoneilenden Menschen ergänzt.

Noch nie im Verlaufe der Zivilisationsgeschichte musste die


Menschheit sich um Probleme kümmern, die in zehntausend oder
noch mehr Jahren aktuell werden.

Während Hochrechnungen bezüglich der technischen Sicherheit der


Endlager heute nahelegen, dass bis zum Abklingen der Radioakti­
vität keinerlei Lecks zu befürchten sind, bleibt der Mensch eine
unwägbare Grösse.

Ein verantwortungsbewusstes Verhalten lässt sich weder prognosti-


zieren noch garantieren, im Gegenteil. Viel wahrscheinlicher ist,
dass schiefgeht, was schiefgehen kann.

Muster­
prüfung
Weiterer Modultest und Modulprüfung im Online-Tool eFokus Sprache BM
Lösung

202 Satzlehre
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MODUL 4
Zeichensetzung


Lernziele

• Ich kenne die Grund- und die Ergänzungsregeln,


die für die Kommasetzung im einfachen und im
zusammengesetzten Satz gelten.

• Ich erkenne die Schwierigkeiten der Komma-


setzung und nutze zu deren Lösung meine
grammatischen Kenntnisse über den Satzbau.

• Die Kommas setze ich bewusst; ich kann sie


zudem begründen.

• Auch die übrigen Satzzeichen setze ich korrekt


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und wirkungsvoll.
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203
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1 Das Komma

Das Komma erfüllt im Deutschen eine weitgehend grammatische Funktion: Es macht die Satz-
struktur durchschaubar.

1.1 Grundregeln

Mit den beiden Grundregeln erfassen wir rund 80 Prozent aller Kommaschwierigkeiten.

Satz

einfacher Satz zusammengesetzter Satz

Wir trennen Satzglieder und Attribute Wir trennen Teilsätze durch Komma
nicht willkürlich ab. voneinander.

Trotz der Faszination der elektronischen Es gibt Leute, die behaupten, heute
Medien werden auch heute noch würde nicht mehr gelesen, da sich alle
Bücher zuhauf verschlungen. nur noch fürs Fernsehen interessierten.

Aufgabe 1
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Setzen Sie die Kommas. Halten Sie sich dabei an die Grundregeln – trennen Sie also nur Teil-
sätze und nicht Satzteile ab; markieren Sie dazu die verbalen Teile.

Lesen – ein Blick ins eigene Gesicht

Wer will denn heute schon mehr als zweihundert Zeilen lesen? Keiner. Oder sich gar wie
ein Bücherwurm in dicke Wälzer vergraben? Niemand. Das sei nicht wahr kontern die
Leidenschaftlichen triumphierend denn dicke Romane würden mehr denn je gelesen. Man
denke nur einmal an Süskind oder Schlink und erst recht an all die Unterhaltungsbestseller
mit den süssbitteren Storys die jeweils an den Badestränden Hochsaison haben. Dem wird
entgegnet die Lesekultur sei längst dem Untergang geweiht bald würden sich nur noch ein
paar weltfremde Elitäre in der Literatur auskennen.
Man kann es drehen und wenden wie man will Tatsache ist dass auch heute noch viel ge­
lesen wird. Es muss einen geheimen Stachel geben der so viele zu süchtigen Lesern macht
obwohl deren Terminkalender voll sind. Nur ist es nicht mehr die Pflicht die zur Lektüre
ruft und ebenso wenig kommt ein pathetischer Kulturbegriff dafür in Frage. Diese Zeiten
sind längst vorbei. Daran ändert auch das Stirnrunzeln der Schriftsteller und Feuilletonisten
nichts die sich kürzlich in der «Zeit» zur Mindestanforderung an einen zeitgenössischen
Literaturkanon äussern durften. Es gab die Toleranz Mimenden die ihren Anforderungs-
katalog nach unten anpassten aber da waren auch die Verbissenen welche lautstark erst
recht Goethe und Keller als Minimalbasis forderten.

204 Zeichensetzung
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MODUL 4
1.2 Ergänzungsregeln

Mit den beiden Grundregeln und den folgenden Ergänzungsregeln lässt sich nahezu jede Kom-
maschwierigkeit meistern.

einfacher Satz zusammengesetzter Satz


Die erste Grundregel gilt auch für: Die zweite Grundregel gilt für:
• Satzfragmente (Ellipsen) • aneinandergereihte Hauptsätze (Satzreihe)
Null Bock aufs Lesen Auch heute noch wird viel gelesen, das
Lesen vom Aussterben bedroht? ist statistisch erwiesen.

• mit «und», «oder»… verbundene Satz- • verbundene Hauptsätze (Satzverbindung)


teile
An den Stränden hat das Lesen Hoch-
In Zeiten der Häppchen und des Fern- saison, denn es macht Spass.
sehgeflimmers interessiert sich keiner
fürs Lesen.
• Haupt- und Nebensatz (Satzgefüge)
Man kann es wenden, wie man will:
Entgegen dieser Grundregel werden Fakt ist, dass auch heute noch gelesen
folgende Fälle durch Komma abge- wird.
trennt:
• unverbundene Nebensätze gleichen
• unverbundene Wörter/Satzteile Grades
(Aufzählung)
Dass der Buchhandel Zuwachsraten ver-
© 2023
An den Stränden, in Verlag SKV AG:selbst
der Bahn, Fokus Sprache,
in Fokus Sprache BM mitdass
zeichnet, digitalen Lösungen
selbst und Kommentar
in der Rezessionfür Lehrpersonen
die
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
der Badewanne wird gelesen. Umsätze stiegen, widerlegt die Bücher-
muffel.

• mit adversativen Konjunktionen (aber,


doch, sondern …) verbundene Wörter • Nebensätze verschiedenen Grades
bzw. Satzteile
Literatur transformiert Leben, indem sie
Nicht die Pflicht ruft zum Lesen, sondern zeigt, was in den Köpfen und Seelen vor
die Verführung. sich geht.

• Satzwertige Infinitiv- und Partizipgruppen


• Nachträge (Appositionen und eingeleitete behandeln wir als Nebensätze:
Nachträge)
Wir lesen nicht zuletzt, um unsere
Der Text von Pia Reinacher, einer Neugierde zu befriedigen.
Zürcher Germanistin, fragt nach dem Sie konnte, von einer unbändigen
Lesevergnügen. Neugier angestachelt, nicht mehr vom
Sie hat verschiedene Artikel verfasst, Buch lassen.
hauptsächlich Literaturkritiken.
Zusammengezogene Teilsätze trennen
wir jedoch nicht voneinander:
Literatur appelliert an den Verstand und
[sie] spricht die Gefühle an.
Die Grund- und Ergänzungsregeln für Sie liest, weil Bücher an den Verstand
den einfachen Satz gelten auch inner- appellieren und [weil Bücher] die
halb von Teilsätzen. Gefühle ansprechen.

Zeichensetzung 205
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Aufgabe 2

Setzen Sie die Kommas, indem Sie die Grund- und Ergänzungsregeln anwenden.
Vermerken Sie am Rand die Fälle, die Ihnen Schwierigkeiten bereiten.

Es herrscht auf dem Lesemarkt nicht mehr die Pflicht sondern das Prinzip Verführung die
Lust am Lesen. Dichtung ist gar nicht so weltfern wie es viele haben möchten vielmehr bie-
tet sie Leben transformiertes Leben. Sie zeigt was in den Köpfen und Seelen vor sich geht.
Sie übertreibt um einsichtig zu machen und sie spitzt die alltäglichen Verstrickungen und
Liebesverwirrungen bis zu dem Punkt zu wo sie durchschaubar werden. Die Lust an der
Selbsterkenntnis das ist der heimliche Stimulus der die Leserinnen und Leser vorantreibt.

Nehmen wir ein klassisches Beispiel.


Heinrich von Kleists Novelle «Die Marquise von O…» wird heute wohl kaum mehr gelesen
nur weil es zum guten Ton gehört. Grosse Autoren wussten schon immer wie man span-
nungsvolle Fährten auslegt und die Neugierde anstachelt. So auch Kleist. Ein russischer
Offizier welcher der Marquise zuerst als rettender Engel dann als abscheulicher Teufel er-
scheint hat der noblen Dame im Stande der Ohnmacht beigewohnt. Kleist eröffnet das Spiel
mit dem verblüffenden Aufruf der Marquise in einer Zeitung wonach sie ohne ihr Wissen
in andere Umstände gekommen sei und den Vater ihres Kindes suche den sie – jedem Spott
zum Trotz – zu heiraten gedenke. Wer wollte da nicht die Auflösung des Rätsels bis zum

© 2023 Ende verfolgen?


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Spannende Literatur appelliert immer an Verstand und Vergnügen Gefühl und Sinnlichkeit.

Auch an modernen literarischen Beispielen mangelt es nicht. Die frivolsten unter ihnen
sind weltberühmt geworden so etwa D. H. Lawrences «Lady Chatterley» ein erotischer
Roman der die moralischen Fesseln der Zeit sprengte aber auch Vladimir Nabokovs Roman
«Lolita» welcher – zart und kühn vibrierend und skandalös – die Annäherung Humbert
Humberts an zarte Nymphchen verfolgt.

Die Suche nach Selbsterfahrung ist beim Autor und beim Leser die Kraft die hinter dem
geheimnisvollen Treiben steht. Autor und Leser verständigen sich – mithilfe immer neuer
Geschichten – über das was wir Leben nennen. In den imaginären Identitäten all der Aben-
teurer und Versager der masslos Liebenden und hemmungslos Leidenden welche die Auto-
ren auf ihrer Erzählbühne auftreten lassen erkennen wir das eigene Gesicht.

Weitere Übungen im Online-Tool eFokus Sprache BM

206 Zeichensetzung
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2 Grafische Darstellung der Satzhierarchien

MODUL 4
Der hierarchische Aufbau zusammengesetzter Sätze lässt sich grafisch darstellen: Hauptsätze
stehen auf der obersten Ebene, Nebensätze ersten Grades (vom HS abhängig) direkt darunter.
Entsprechend ordnen wir Nebensätze zweiten Grades (vom NS ersten Grades abhängig) die-
sem unter. Und so weiter.

Dabei werden die Übergänge von einer Ebene auf eine andere konsequent durch Komma
getrennt.


Bücher,  werden auch heute noch verschlungen. Haupt…satz
welche die Gefühle ansprechen, Nebensatz

Es muss einen Stachel geben,  Hauptsatz


der Leser süchtig macht,  Nebensatz 1. Gr.
obwohl ihr Terminkalender voll ist. Nebensatz 2. Gr.

Aufgabe 3

Zeigen Sie die Satzstrukturen auf. Kennzeichnen Sie die Haupt- und Nebensätze
mit verschiedenen Farben und stellen Sie die Satzhierarchie am Rand grafisch dar.

Man kann es drehen und wenden, wie man will, Tatsache ist,
dass auch heute noch viel gelesen wird.

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Es ist nicht mehr die Pflicht, die zur Lektüre ruft, und ebenso
wenig kommt ein pathetischer Kulturbegriff dafür infrage.

Um einsichtig zu machen, greift die Literatur zur Übertreibung.

Sie spitzt die alltäglichen Verstrickungen zu, bis sie den Punkt
erreicht, wo diese durchschaubar werden.

In der «Marquise von O...» eröffnet Kleist das Spiel mit dem
verblüffenden Aufruf der Marquise in einer Zeitung, wonach sie
ohne ihr Wissen in andere Umstände gekommen sei und den
Vater ihres Kindes suche, den sie, selbst wenn ihr der Spott
der Leute gewiss sei, zu heiraten gedenke.

In den imaginären Identitäten all der masslos Liebenden und


Leidenden, welche die Dichter auf ihrer Erzählbühne
auftreten lassen, vermögen wir unsere tiefsten Gefühle zu
erkennen, die im Verborgenen schlummern.

Zeichensetzung 207
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Aufgabe 4

Verbessern Sie im Text die sieben Kommafehler und begründen Sie Ihre Korrekturen.

Uwe Johnson, einer der grössten deutschen Autoren der Nachkriegszeit hat mit der
monumentalen Roman-Tetralogie «Jahrestage» ein Werk geschaffen, das den präzisesten
und gefühlssichersten Einblick in ein dunkles Kapitel europäischer Geschichte verschafft.
In der Lebensgeschichte, der Gesine Cresspahl, in der sich das Romangeschehen kristalli-
siert, zeichnen sich die dunklen historischen Umrisse des 20. Jahrhunderts ab. In einem
kontrapunktischen Erzählverfahren, holt Johnson gleichzeitig das Deutschland des Zweiten
Weltkrieges und der Nachkriegsjahre und das Amerika des 20. Jahrhunderts in den Text.
Und wie er das tut. Die mecklenburgische Kleinstadt Jerichow und New York die Alte und
die Neue Welt, werden in einer gigantischen Erzählbewegung aufeinander bezogen.

Was Politiker und Diplomaten dem «Volk» in diesen Tagen hilflos und vergeblich zu ver­
mitteln versuchen – die so unterschiedlichen europäischen und amerikanischen Denkarten
und Aktionsstrategien die in der so ganz anderen historischen Vergangenheit begründet
sind und plötzlich konfliktreich aufeinanderprallen –, das ist hier alles aufbereitet. Glasklar,
minutiös, einsichtig. Wer diesen Roman liest, versteht was heute vor sich geht, weil der
Chronist Johnson der Europa und Amerika aus eigener Erfahrung kannte, in seinem histo-
risch, politisch, soziologisch und psychologisch aufgeladenen Text ein grossartiges Tableau

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AG: Fokusausbreitet.
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Aufgabe 5

Unterstreichen Sie die Nebensätze, und bestimmen Sie diese nach Form und Funktion
(siehe Modul 3, «Satzlehre»).
Form Funktion

Man hört oft, das Lesen sei dem Untergang geweiht. ––––––––––––– –––––––––––––

Doch Bücher, die den Verstand und die Gefühle


ansprechen, werden auch heute noch verschlungen. ––––––––––––– –––––––––––––

Dass Dichtung nicht weltfern ist, erweist sich bald. ––––––––––––– –––––––––––––

Sie zeigt, was in den Köpfen und Seelen vor sich geht. ––––––––––––– –––––––––––––

Sie übertreibt, um einsichtig zu machen. ––––––––––––– –––––––––––––

Es wird nicht gelesen, nur weil es zum guten Ton gehört. ––––––––––––– –––––––––––––

Wer liest, vermag in sein eigenes Inneres zu blicken. ––––––––––––– –––––––––––––

208 Zeichensetzung
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3 Die weiteren Satzzeichen in der Übersicht

MODUL 4
Die Satzzeichen dienen ganz allgemein der Satz- und Textgliederung; sie leisten damit eine
wertvolle Lesehilfe.

Punkt, Frage- und Ausrufezeichen schliessen bekanntlich den Aussage-, Frage-, Ausrufe- bzw.
Befehlssatz; die wichtigsten Funktionen der übrigen Satzzeichen seien hier kurz aufgezeigt.


3.1 Strichpunkt (Semikolon)

Den Strichpunkt setzen wir hauptsächlich in komplexeren Sätzen (beispielsweise zwischen zwei
Satzgefügen), um zu verdeutlichen, welche Teilsätze zueinander gehören.

Es gab die Toleranz Mimenden, die ihren Anforderungskatalog nach unten anpassten;
da waren aber auch die Verbissenen, welche erst recht Goethe und Keller als Minimalbasis
forderten.

3.2 Gedankenstrich

Ergänzende Einfälle, Zwischengedanken u.Ä. können wir zwischen Gedankenstriche setzen,


um sie so besonders hervorzuheben.

Autor und Leser verständigen sich – mithilfe immer neuer Geschichten – über das, was wir
Leben nennen.

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3.3 KlammernPersönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

Erklärende Zusätze lassen sich auch in Klammern setzen.

Der deutsche Schriftsteller Uwe Johnson (1934 –1984) hat mit «Jahrestage» (über 1800 Sei-
ten) ein monumentales Werk geschaffen, das die Zeit von der Weimarer Republik bis zur
Niederschlagung des Prager Frühlings (1968) umfasst.

3.4 Doppelpunkt

Der Doppelpunkt kündigt die direkte Rede an; er dient zudem allgemein als logisches Ankündi-
gungszeichen.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Tatsache ist, dass noch viel gelesen wird.
Sie konterten: «Das ist nicht wahr.»

3.5 Anführungszeichen

Direkte Rede, Zitate, Buch- und Filmtitel, aber auch metasprachlich gebrauchte Begriffe, Mund-
artausdrücke u.Ä. setzen wir in Anführungszeichen.

«Heute liest doch keiner mehr», wird oft behauptet.


Wer erwartet den Ausgang der Novelle «Die Marquise von O…» nicht mit Spannung?
In der Literatur taucht der Begriff «Novelle» zur Zeit der Renaissance auf.

Zeichensetzung 209
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  Modultest

1. Setzen Sie im folgenden Schlussteil des Textes «Lesen – ein Blick ins eigene Gesicht»
die Kommas.

Hier nur so viel. Es genügt dass man die kleine Passage über das Schicksal des Juden
Tannebaum in Jerichow nachliest um zu wissen wie mittelmässige Gefühle – Missgunst
Opportunismus Spiessbürgertum – sich zu einer explosiven antisemitischen Mischung
verbinden. Es reicht Uwe Johnson zuzuhören der uns in einer unterkühlten Sprache von
Friedrich Jansen dem Bürgermeister und Polizeichef berichtet wie dieser angesehene
Mann mit gezogenem Revolver den Juden Tannebaum ein für allemal erzieht weil jetzt
niedere Gefühle plötzlich legitimiert sind. Mitten im Städtchen spielt sich die Szene ab
direkt vor den Augen der gaffenden Kleinstadtbewohner. Mit anzusehen wie das Ge-
schäft Tannebaums zusammengeschlagen wird wie der Jude auf den Knien auf der
­Strasse liegt und Jansen auf dessen Geld herumtrampelt lässt einen schaudern. Und der
Anblick wie Frieda Tannebaum mit dem Kind auf den Armen zusammenbricht und
Lisbeth Cresspahl die zufällig dazukommt auf Jansen einschlägt und damit gleichzeitig
das eigene Todesurteil schreibt macht sprachlos.
Es ist die innere Wahrheit die Uwe Johnson aufreisst es ist die Wahrheit der Fakten und
der Gefühle und sie zielt gleichzeitig auf den Intellekt und die sinnliche Wahrnehmung.
Diese Wahrheit die nur die Literatur aufdecken kann kennt kein Verfallsdatum weil sie
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SKVgewöhnlich Menschliche
AG: Fokus Sprache, in mit
Fokus Sprache BM seinem
digitalenKern offenbart.
Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
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2. Bilden Sie aus den folgenden Angaben zur Biografie Uwe Johnsons korrekte und
stilistisch ansprechende Satzgefüge (Hauptsatz mit mindestens einem Nebensatz).

Nach der Flucht der Familie Johnson nach Mecklenburg 1945 Verhaftung des Vaters
und Deportation nach Russland.

Vorübergehender Ausschluss Uwes vom Studium der Germanistik wegen Verweigerung


politischer Agitation gegen die evangelische Junge Gemeinde.

Nach der Übersiedlung nach Westberlin literarische Erfolge mit Werken zum Thema
geteiltes Deutschland.

210 Zeichensetzung
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3. Unterstreichen Sie die Nebensätze, und geben Sie deren formale Bezeichnung

MODUL 4
(konjunktionaler Nebensatz, Relativsatz usw.) am Rand an.

a) Gesine Cresspahl, eine Frauenfigur, die uns bereits aus den «Mutmassungen über
Jakob» bekannt ist, steht im Mittelpunkt des Werks.

b) Indem Gesine in New York ihrer Tochter von der Vergangenheit in Deutschland
erzählt, geraten die Weimarer Republik, das Dritte Reich und die beiden deutschen
Nachkriegsstaaten ins Blickfeld; gleichzeitig unterbricht sie ihre Erinnerungen durch


die Lektüre der «New York Times», sodass die amerikanische Gegenwart bewusst wird.

Die Intention des Autors, «den Zustand und die Vorgeschichte einer bestimmten euro­
c) 
päischen Person in New York» zu beschreiben, ergibt in der Durchführung ein Mosaik,
das sich aus Vergangenem und Gegenwärtigem kunstvoll zusammensetzt.

d) Der Roman schliesst mit dem 20. August 1968, dem Tag, an dem der «Prager Frühling»
endete, als Truppen des Warschauer Paktes die Tschechoslowakei besetzten.

4. Stellen Sie die Hierarchien der Sätze 3a –3d grafisch dar.

Satz a)

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Satz b)

Satz c)

Satz d)

Zeichensetzung 211
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5. Begründen Sie für die nummerierten Stellen die Zeichensetzung, indem Sie unten
die Regeln bzw. Erklärungen ergänzen.

Unter nicht gerade gewöhnlichen Umständen (1) betrat Uwe Johnson 1959 die literari-
sche Szene. Der 25-Jährige zog ohne Genehmigung der ostdeutschen Behörden nach
Westberlin um, (2) jedoch nicht aus ideologischen Gründen. Rückblickend bemerkte der
Autor dazu: «Ich bin dorthin gezogen, (3) wo mein Buch gedruckt wurde.» Der Suhr-
kamp-Verlag, der Johnsons Roman herausbrachte, (4) und die Gruppe 47 hatten nun
einen neuen Trumpf vorzuweisen: (5) Der dringend erwartete «Autor der beiden
Deutschland» war dem Literaturbetrieb endlich gewonnen. Allerdings reduziert sich sein
Interesse nicht auf politische Fragen; (6) es gilt, (7) wie Johnson insistierend anmerkt,
der Wirklichkeit insgesamt.

1) Kein Komma, denn ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

2) Komma, weil –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

3) Das Komma trennt ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
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4) Komma vor «und», weil ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

5) Doppelpunkt: ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

6) Der Strichpunkt trennt –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

7) Komma, weil –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

Muster­
prüfung

Lösung

Weiterer Modultest und Modulprüfung im Online-Tool eFokus Sprache BM

212 Zeichensetzung
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MODUL 5
Verb


Lernziele

• Ich weiss um die wichtigen grammatischen


Funktionen des Verbs im Satz und räume ihm
deshalb auch in der Stilistik den gebührenden
Platz ein.

• In den verschiedenen Textsorten wende ich


die entsprechenden Zeit- und Aussageformen
konsequent an; dabei berücksichtige ich die
zeitlogischen Verhältnisse und setze sie korrekt
um.

• Ich kann direkte Redesätze in indirekte und


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Passivformen in aktive umwandeln (und auch
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

umgekehrt). Diese Fähigkeiten nutze ich auch


für die Stilistik.

213
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
1 Grundbegriffe zum Auffrischen

Wie wir aus der Syntax (Modul 3) wissen, spielt das Verb im Satz eine zentrale Rolle: Es ist für
den vollständigen Satz absolut erforderlich und strukturiert diesen weitgehend.
Das Verb übernimmt zudem eine Reihe wichtiger Aufgaben: Es drückt die Zeit (Tempus) aus,
in der sich ein Geschehen abspielt, und gibt die Aussageweise (Modus) sowie die aktive oder
passive Handlungsrichtung (Genus Verbi) an.

Verben lassen sich nach den folgenden Gesichtspunkten unterteilen:

Bedeutung Tätigkeitsverben ich lese, du sprichst, sie schreibt


(Inhalt) Vorgangsverben der Rhein fliesst ins Meer
Zustandsverben sie wohnt in Chur, wir bleiben hier
Funktion Vollverben ich sage, du sprichst, er ruft an, sie notiert
Hilfsverben wir haben gesagt, sie wird sprechen
Modalverben sie kann/mag/will/darf/soll/muss sprechen
Verwendung reflexiv sie freut sich, ihr irrt euch
transitiv sie schreibt einen Roman
intransitiv es schneit, ich begegnete ihr an der Station

Wir unterscheiden folgende Formen:

Infinite Formen Infinitiv hoffen, sprechen, schreiben, notieren


Partizip I hoffend, sprechend, schreibend, notierend
Partizip II gehofft, gesprochen, geschrieben, notiert
Finite Formen Indikativ ich lese, du sprachst, sie wird schreiben
Imperativ lies, sprecht, notieren Sie
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Persönliches Konjunktiv
Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon I du sagest, er spreche, ihr rufet an
Konjunktiv II ich sagte, wir sprächen, sie riefen an
Stammformen regelmässig hoffen, hoffte, gehofft
unregelmässig sprechen, sprach, gesprochen
gemischte Formen denken, dachte, gedacht

Aufgabe 1

Erklären Sie anhand selbst gewählter Beispiele:

1. Wozu dienen Hilfsverben?

2. Was drücken Modalverben aus?

3. Was unterscheidet transitiv und intransitiv gebrauchte Verben?

214 Verb
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MODUL 5
Aufgabe 2

a) Ergänzen Sie in der Tabelle die fehlenden Verbformen.

Infinitiv Präsens Indikativ Präteritum Indikativ Partizip II


3. Pers. Sg. 3. Pers. Sg. (Partizip Perfekt)
geben
trägt
erging


spüren
fällt
geschah
zog
anführen
gewachsen

b) Zeigen Sie an je einem Beispiel aus der Tabelle oben auf, wie die Stammformen von
regelmässigen und von unregelmässigen Verben gebildet werden.

Aufgabe© 2023
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
a) Setzen Sie die Verben in der verlangten Zeitform ein.

Plusquamperfekt sehen Das –––––––– man hier noch nie –––––––––––––––– .


Präteritum sich abspielen Tumultartige Szenen ––––––––––––––––––––––––––––
.
Präsens begehren Die Menge –––––––––––––––––– freien Zutritt.
Futur II verlieren Er –––––––– viel Geld –––––––––––––––––––––– .
Perfekt sinken Sein Einfluss –––––– allmählich ––––––––––––––––– .
Plusquamperfekt rechnen Damit –––––––– niemand ––––––––––––––––––– .
Futur I rehabilitieren Eines Tages –––––– man sie ––––––––––––––––––– .

b) Wie lauten die Partizipien von können, mögen, wollen ..., wenn diese Verben als
Modal- bzw. als Vollverben gebraucht werden? Vervollständigen Sie die Sätze.

Er konnte sich nicht durchsetzen. Er hatte sich nicht –––––––––––––––––––––––––––––– .


Ich kann das nicht. Ich habe das nie ––––––––––––––––––––––––––––––– .
Wir mochten nicht immer streiten. Wir hatten nicht immer ––––––––––––––––––––––––– .
Wir mögen das nicht. Wir haben das nicht –––––––––––––––––––––––––––– .
Sie alle wollen auch mitreden. Sie alle hätten auch –––––––––––––––––––––––––––– .
Sie will das. Sie hat das so –––––––––––––––––––––––––––––– .

Weitere Übungen im Online-Tool eFokus Sprache BM


Verb 215
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2 Das treffende Verb

Verben prägen den Satzbau und den Stil ganz allgemein. Wenn wir Handlungen, ein Gesche-
hen, innere Prozesse erzählen und schildern, bauen wir bewusst auf anschauliche, lebendige,
aussagekräftige Verben. Aber auch in sachlichen Texten verwenden wir möglichst gehaltvolle
Verben.

Aufgabe 4

a) Setzen Sie im ersten Teil des Modultextes über Alfred Escher inhaltlich passende,
aussagekräftige Verben in der richtigen Form ein.
b) Kreuzen Sie in der Tabelle unten alles an, was auf die grün gedruckten Verben im
Text zutrifft.

Die Rückkehr des «Schweizer Übervaters»

In Zürich gibt es ein Sprichwort: «Wer den Kopf zu hoch –––––––––––––––– , wird um einen
kürzer gemacht.» Und hinterher bekommt er ein Denkmal, müsste man –––––––––––––– . So
erging es 1489 Hans Waldmann, dem Emporkömmling und machtgierigen Bürgermeister,
der Zürich im Mittelalter mit dem Zunftsystem stark gemacht hatte. Jetzt ––––––––––––––
er auf seinem bronzenen Ross vor dem Stadthaus – als Sitzplatz für die Tauben.
Den Reflex «allzu gross – Kopf ab» bekam auch ein anderer Zürcher zu –––––––––––––– :
Alfred Escher, der Machtpolitiker und Unternehmer des jungen Bundesstaates. Auch er
wurde liquidiert. Und –––––––––––––––– bald sein Denkmal am Bahnhof, wo er seither
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
steht, taubenumflattert. Jetzt ––––––––––––––––––––– wieder Licht auf Escher. Kaum eine
bedeutende Institution, die dieser Tage ihr 150. Jubiläum –––––––––––––––– , bei der er
nicht mitgewirkt hätte. Die ETH ––––––––––––––––– ihren Gründer letztes Jahr, nun ist die
CS an der Reihe, und nächstes Jahr folgt die Swiss Life.
Gut zwanzig Jahre lang, in einer entscheidenden Phase des jungen Bundesstaates, ––––––––
–––––––––––– nichts, bei dem nicht Escher und seine Freunde die Fäden –––––––––––.
1844 wurde er für die Liberalen, die Partei des Unternehmertums, ins Zürcher Kantonspar-
lament –––––––––––––––––. Mit 29 Jahren war er Regierungsrat, dann Regierungspräsident,
Nationalrat, Nationalratspräsident. Zugleich war er Chef der Nordostbahn, Chef der Gott­
hardbahn, die den Tunnel baute, Chef der Kreditanstalt. Und er ––––––––––––––––––– den
Ton an beim Polytechnikum und bei der Rentenanstalt.

gibt müsste erging gemacht wurde steht hätte folgt war


Vollverb
Hilfsverb
Modalverb
regelmässig
unregelmässig
transitiv
intransitiv
Indikativ
Konjunktiv

216 Verb
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MODUL 5
Aufgabe 5

Wählen Sie aus dieser Liste das passende Verb, und setzen Sie es in der richtigen Form
ein.
anführen, behaupten, erstarken, etablieren, lenken, nennen, nutzen, stellen, verschaffen,
wachsen, wettern

Escher –––––––––––––––––– sich Macht und –––––––––––––––––– sie, um die wichtigen


Weichen für den Fortschritt und die freie Wirtschaft zu –––––––––––––––––– . Der Staat war


noch schwach, viele Grundsatzfragen waren offen, und das Feld war frei für energische
Macher wie ihn. Als Grossbürger hatte Escher die Mittel, ein Netzwerk zu –––––––––––––– ,
das als Parallelregierung die Staatsgeschäfte –––––––––––––––––– . Er war kein Freund von
direkter Demokratie und Gewaltentrennung. Man ––––––––––––––––––– ihn «König
Alfred» und «Zar von Zürich». Mit dem «System Escher», der engen Verfilzung von Politik
und Ökonomie, ––––––––––––––––––– Zürich zum führenden Finanzplatz, wurde die
Schweiz zum starken Industrieland und ––––––––––––––––––– sich die Republik inmitten
der Kaiser- und Königreiche.
Je mächtiger Escher wurde, desto mehr ––––––––––––––––––– die Opposition, ––––––––––––
–––––––––– von Jakob Stämpfli, dem Berner Kleinbauernsohn, der gegen den «Herren vom
Belvoir» und den enthemmten Wirtschaftsliberalismus ––––––––––––––––––– .

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AufgabePersönliches
6 Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

Im Text über Alfred Escher finden sich einzelne Redewendungen, welche die Anschau-
lichkeit bzw. Bildhaftigkeit der Aussagen noch verstärken.
Geben Sie die Bedeutung der folgenden Wendungen an.

Escher trug den Kopf zu hoch. –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––


Ihm stand der Kopf nicht nach Demokratie. –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Er wollte mit dem Kopf durch die Wand. –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Er steckte den Kopf in den Sand. –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Der Tunnel kostete ihn Kopf und Kragen. –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Eschers Gegner forderten seinen Kopf. –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Escher hielt alle Fäden in der Hand. –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Das Volk liess keinen guten Faden an ihm. –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Wir wurden nach Strich und Faden betrogen. –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Er hatte den Faden verloren. –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Sein Leben hing an einem seidenen Faden. –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Ihm gingen die Pferde durch. –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Er behandelte die Leute vom hohen Ross
herab. –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Keine zehn Pferde konnten ihn davon
abhalten. –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

Verb 217
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
3 Zur Anwendung der Zeitformen

Wenn wir im Alltag von Zeiträumen sprechen, reden wir von der Vergangenheit, der Gegen-
wart und der Zukunft. Die deutsche Sprache hat jedoch nicht nur drei, sondern sechs Zeit-
formen ausgebildet – eine eindeutige Entsprechung von Zeitraum (Zeit) und Zeitform (Tempus)
kann es folglich nicht geben. Die folgenden Beispiele veranschaulichen, wie vielfältig die
Bezüge sind.

3.1 Übersichtstabelle

Geben Sie in dieser Übersicht an, auf welche Zeiträume sich die Zeitformen in den Beispiel-
sätzen beziehen bzw. was diese über die Zeit hinaus ausdrücken.

Zeitform Beispiel Zeitraum bzw. weitere Bedeutung

Präsens Sie sucht eine Stelle. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––


Morgen fährt sie nach Chur. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––
Sie ist ständig unterwegs. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––
Chur ist die älteste Stadt der Schweiz. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––
Zug tritt 1352 der Eidgenossenschaft bei. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––

Präteritum Früher lebte sie in Zug. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––


Zug trat 1352 der Eidgenossenschaft bei. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––
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Persönliches Exemplar von
Katharina Liza Basha,
Göldin 8307 Effretikon
erschrak, als sie Anna im –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––
Schneetreiben vor der Haustür sah … –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––

Futur I Sie wird es nie schaffen. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––


Sie wird schon lange zurück sein. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––
Du wirst nicht zu ihr gehen! –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––

Perfekt Nachdem sie gegangen sind, ist es hier –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––


wieder sehr still. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––
Weisst du, wo sie früher gewohnt hat? –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––
Nein, ich habe sie erst vor Kurzem –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––
wiedergesehen. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––
Bald hat sie alles überstanden. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––

Plusquamperfekt Nachdem sie weggezogen war, fehlte sie uns. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––


Ich erfuhr erst später, wo sie gearbeitet hatte. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––

Futur II Bald wird sie alles überstanden haben. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––


Sie wird doch nicht abgereist sein? –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––

218 Verb
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MODUL 5
3.2 Zeitverhältnisse

Beim Verfassen eines Textes müssen wir uns für eine bestimmte Erzähl- bzw. Berichtzeit ent-
scheiden, darauf beziehen wir auch konsequent das übrige Geschehen.

Je nachdem, ob wir vom Präsens oder vom Präteritum ausgehen, ergeben sich die folgenden
Zeitverhältnisse:

Präsens Präteritum
Ich weiss nicht mehr, was sie gesagt hat. Ich wusste nicht mehr, was sie gesagt hatte. Vorzeitigkeit


Ich verstehe nicht, was er sagt. Ich verstand nicht, was er sagte. Gleichzeitigkeit

Ich weiss nicht, wie er reagieren wird. Ich wusste nicht, wie er reagieren würde. Nachzeitigkeit

Berichten, erzählen, erdichten

Wir wählen für Erlebtes, Erfahrenes, aber auch für Fiktives gewöhnlich das Präteritum als
Erzähl- bzw. Berichtzeit (die meisten Romane, Novellen, Erzählungen sind denn auch in dieser
Zeitform geschrieben). Diese einmal gewählte Zeitform behalten wir grundsätzlich für das
fortlaufende Geschehen bei (nur in besonderen Fällen drücken wir mit der «würde»-Umschrei-
bung ein von der Vergangenheit aus gesehen zukünftiges Geschehen aus). Blicken wir im
Handlungsablauf jedoch auf ein Ereignis zurück, das sich zuvor abgespielt hat, ist diese Vor-
zeitigkeit entsprechend mit dem Plusquamperfekt auszudrücken.

Die folgenden Beispiele aus Eveline Haslers Roman «Anna Göldin – letzte Hexe» illustrieren
dies:
In Glarus fieberte man Annas Ankunft entgegen. Die Göldischen befürchteten, wie Cosmus
Heer sich ausdrückte, einVerlag
© 2023 Malheur
SKV AG: (…).
Fokus Für dieFokus
Sprache, Tschudischen
Sprache BM mit war dasLösungen
digitalen Schicksal der Hexe
und Kommentar für Lehrpersonen
schon entschieden.Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Tschudi hatte sie, wenn auch contre-cœur, aus dem Haus gejagt, jetzt war sie in hundert­
facher Gestalt zurückgekommen, sass in jedem Winkel.

Erzählt wird mitunter aber auch im Präsens, offensichtlich mit der Absicht, das Geschehen zu
vergegenwärtigen (historisches Präsens). Und natürlich sind auch hier die Zeitenrelationen zu
berücksichtigen.
Trotz der fortschreitenden Nachtstunden ist sie klarsichtig. Erkennt die Ränder der Falle,
inspiziert sie, blickt durch die Reisigtarnung in die Tiefe. (…) Sagt sie nein, holt man den
Scharfrichter. Sagt sie ja, werden sie triumphieren: Sie hat das Kind verdorben, deshalb
kann sie es heilen. Wie eine Maus zum Speck hat sie sich nach den Mangeljahren ins
Glarnerland verrannt. Zwei-, dreimal ist sie zurückgekehrt. Jetzt sitzt sie in der Falle.

Zusammenfassen und rezensieren

Fassen wir die Handlung eines Romans, einer Novelle, eines Theaterstücks zusammen, charak-
terisieren wir einen Romanhelden oder die Protagonistin eines Schauspiels, besprechen wir
Bücher oder Filme, so wählen wir dafür grundsätzlich das Präsens als Ausgangspunkt.

1780. Die schöne, eigenwillige Anna Göldin verdingt sich im Schweizer Kanton Glarus als
Dienstmagd bei einem Arzt. Als dessen Kind anfängt, «Nadeln zu spucken», wird sie der
Hexerei beschuldigt, des Kindsmords und der Zauberei angeklagt. Ihr Prozess macht sie
zum Spielball im Machtkampf der Provinzgrossbürger.

Wie sich da ein moralisch korrumpierter Klüngel sein Opfer wählt, wie unter dem Schein
des Rechts jegliches Recht verachtet wird, wie da Beziehungen und materielle Interessen
ein unsauberes Bündnis eingehen: Dem Leser scheint einiges recht aktuell. Der Aussenseiter
dient als Blitzableiter der Gesellschaft.

Verb 219
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Aufgabe 7

Heben Sie im folgenden Textausschnitt aus Eveline Haslers Roman «Anna Göldin.
Letzte Hexe» die Verben hervor, die von der gewählten Erzählzeit, dem Präteritum,
abweichen. Führen Sie dafür die entsprechenden Erklärungen an.

––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Als sie mit Anna die ersten Häuser des Fleckens erreichten, befahl
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Blumer dem Läufer, die Delinquentin an die schwere Eisenkette zu
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– legen.
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Bald johlten die Kinder um sie herum; wie ein Lauffeuer ging die
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Nachricht von Annas Ankunft durch die Strassen. Unter dem
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Vordach des Rathauses drängte sich eine Schar Neugieriger.
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Es hätte die Leute nicht erstaunt, wenn die Anna auf einem Besen
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– über die Wiggis geflogen wäre.
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Eine veritable Hexe. Eine Frau spuckte vor ihr aus. Anna blickte
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– auf. Die Bäckerin! Was hatte die bekannten Gesichter während ihrer
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Abwesenheit so entstellt?
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Schon einmal hatte Anna in solche Gesichter geblickt. Damals in
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Sennwald, als man sagte, sie habe das Kind umgebracht.
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– «… kurz, sie ward vom Scharfrichter sanft mit Ruthen gestrichen,
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– und 6 Jahre lang in das Haus der Eltern gebannet …»
––––––––––––––––––­­ ––––––––––––––––––––– Die Rutenschläge hatte sie kaum gespürt. Aber die Blicke brannten,
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Effretikon halbnackt inmitten der Gaffer zu stehen. Geile Augen.
––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Getuschel.
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Wo der Scharfrichter wohl hinschlägt?
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Auf die Schenkel? Auf den Hintern?
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Das Hemdchen wird rot. Wetten, die sieht das Feuer im Pommer-
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– land.
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Geschieht ihr recht. Hat sich schliesslich auch streicheln lassen.
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Vom Pfarrer?
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Nein, vom Roduner, dem Jakob.
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Der hat’s sitzen lassen, das Luder, das schändliche.
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Hat wohl noch rechtzeitig gewittert, dass es so eine ist.
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Sündigt. Bringt die Frucht um.
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Ihr eigen Fleisch und Blut.
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Und der Roduner?
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– Schlägt sich brav, macht wacker Krieg, die Eltern haben Nachricht
––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––– bekommen aus Holland.

220 Verb
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MODUL 5
Aufgabe 8

Verbessern Sie in dieser Inhaltsangabe die Zeitverstösse direkt in den Text.

Die zahlreichen Erinnerungen, die in die Haupthandlung eingestreut sind, zeigen erschüt-
ternde Szenen aus dem Leben der Anna Göldin. Sie wächst als Tochter sehr armer Bauern
in Sennwald im Rheintal auf. Nach dem Tod des Vaters hat der Schuldenvogt bei den
Göldins alles geholt, was es zu holen gibt. Als sich der Knecht an die vierzehnjährige Anna
heranmacht, musste sie das Elternhaus verlassen und ihre erste Stelle als Bauernmagd in


Meyenfeldt antreten. Später hat sie in verschiedenen Herrenhäusern gedient, ohne je eine
Stelle fürs Leben zu finden. Sie war ständig unterwegs, nirgends zu Hause.

Eine Liebesaffäre mit Jakob Roduner bringt einen Hoffnungsschimmer ins Leben der Anna
Göldin. Doch als sie schwanger wird, machte sich ihr Geliebter nach Holland auf und
davon. Vor ihrem Dienstherrn, dem Pfarrer in Sennwald, verheimlicht sie die Schwanger-
schaft. Sie brachte das Kind in ihrer Kammer zur Welt. Am Morgen finden die Pfarrleute
Anna im blutbeschmierten Bett, neben ihr das tote Kind. Anna wird des Kindsmordes be-
schuldigt und öffentlich ausgepeitscht, obschon sich der Pfarrer für ihre Unschuld einsetzte.

Auch eine zweite Liebschaft verspricht ihr das grosse Glück. In Mollis dient sie im ange-
sehenen Pfarrhaus Zwicki. Da der Sohn nach dem Tod des Vaters sterbenskrank im Bett
lag, übernimmt Anna seine Pflege. Melchior, der die gesellschaftlichen Unterschiede für
unwichtig hält, verliebte sichSKV
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sie.Fokus
Wieder wird
Sprache, FokusAnna
Sprache schwanger,
BM mit digitalen wieder wurde
Lösungen und aus einer
Kommentar für Lehrpersonen
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Heirat nichts, denn die Mutter macht ihrem Sohn klar, dass die Standesschranken nicht
überwunden werden können.

Die Haupthandlung setzt damit ein, dass Anna Göldin auf dem Weg nach Glarus ist, wo sie
im Arzthaus der Tschudis ihre neue Dienststelle antrat. Anna hatte schon ein gutes Jahr bei
den Tschudis weitgehend zur Zufriedenheit gedient, bis sich eines Tages in der Milch der
jüngsten Tochter Anna Migeli Stecknadeln finden. Die Vorfälle häuften sich. Annas Beteue-
rungen der Unschuld nützen nichts. Als dann die Dame des Hauses auch noch bemerkt, wie
sich ihr Mann im Garten an die Anna heranmacht, musste die Magd ihre Sachen packen . . .

Anna Göldin, Letzte Hexe


Kinospielfilm von Gertrud Pinkus nach dem Roman von Eveline Hasler
Der Film, der mehrfach ausgezeichnet wurde, schildert diskret und anrührend das Leben der
Anna Göldin vor dem Hexenprozess.
Er beginnt mit dem Stellenantritt der Dienstmagd bei der angesehenen Glarner Arztfamilie
Tschudin und flicht die eindrücklichen Szenen aus dem früheren Leben der Anna dramatur-
gisch wirkungsvoll in die Haupthandlung ein. Mit ihrer sinnlichen Ausstrahlung fasziniert
Anna ihre Umgebung, gleichzeitig wirkt sie als Bedrohung für die feine Gesellschaft mit ihrer
doppelbödigen Ehr- und Sittenmoral.
Die stimmungsvollen Landschaftsaufnahmen an den Originalschauplätzen und die präzise
Schilderung des alltäglichen Lebens geben zudem ein überzeugendes Porträt des 18. Jahr­
hunderts ab, wo der neue Geist der Aufklärung und konservative Haltungen aufeinander-
prallen.

Verb 221
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4 Aktiv und Passiv

Wir können ein Geschehen aus verschiedenen Perspektiven darstellen, je nachdem, welcher
Person (oder Sache) wir eine aktive oder passive Rolle einräumen. Gewöhnlich stellen wir die
handelnde, verursachende Person in den Vordergrund (aktive Handlungsrichtung), während
wir das Passiv in der Regel nur dann verwenden, wenn beispielsweise der Verursacher unwich-
tig oder unbekannt ist, in den Hintergrund gestellt oder verschwiegen werden soll. Da das
Passiv mit einem zusätzlichen Hilfsverb gebildet wird («werden» für das Vorgangspassiv, «sein»
im Zustandspassiv), wirkt es schwerfälliger als die aktive Form.

Die Aktiv-Passiv-Umsetzung lässt sich wie folgt veranschaulichen:

Aktiv Die Glarner Räte verurteilen Anna Göldin zum Tod durch das Schwert.

Passiv Anna Göldin wird von den Glarner Räten zum Tod durch das Schwert verurteilt.

Aufgabe 9

a) Setzen Sie die Beispielsätze in alle Zeitformen.

Aktive Form Passive Form


Präsens Der Rat verurteilt sie. Sie wird (vom Rat) verurteilt.
Präteritum –––––––––––––––––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Futur I –––––––––––––––––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
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Perfekt –––––––––––––––––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Plusquamperfekt –––––––––––––––––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Futur II –––––––––––––––––––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

b) Übertragen Sie diese Sätze vom Aktiv ins Passiv bzw. vom Passiv ins Aktiv.

–––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Anna wurde von den Tschudis beschuldigt.


–––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Sie warfen sie aus dem Haus.
–––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– War das Kind etwa von ihr verhext worden?
–––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Glarus ist von Anna verlassen worden.
–––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Man hat sie steckbrieflich gesucht.
–––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Ein Gesandter Zwickis warnt sie.
–––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Wieder muss die Flucht ergriffen werden.
–––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Der Schulmeister soll sie verraten haben.
–––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Blumer und ein Gehilfe führten sie ab.
–––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Sie sollten sie nach Glarus zurückbringen.
–––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Man hat sie der Hexerei bezichtigt.
–––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Sie wurde von den Inquisitoren verhört.
–––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Die Folterknechte machten sie gefügig.
–––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Der Glarner Rat verurteilt sie zum Tod.
–––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Man wird sie durch das Schwert hinrichten.

222 Verb
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Alfred Eschers Dampfmaschine des Kredits

MODUL 5
Es war ein Run, wie ihn Zürich zuvor noch nie gesehen hatte. Und dies machte die
15 Gründungsmitglieder der eben erst gegründeten Schweizerischen Kreditanstalt über
Nacht um 20000 Franken reicher. Das war, damals im Sommer 1856, ein hübscher Buch-
gewinn, für Normalsterbliche ein Vermögen …

Aufgabe 10

Wandeln Sie die folgenden Sätze aus der spannenden Gründungsgeschichte der


Schweizerischen Kreditanstalt vom Aktiv ins Passiv um und umgekehrt.

Ein solcher Run auf eine Bank war in der Schweiz noch nie gesehen worden.

«Man zeichnet ganz unsinnig Aktien», wurde dem Denker und Lenker der jungen Bank,
Alfred Escher, von J. J. Rütimann berichtet.

Am 5. Juli 1856 hatte der Regierungsrat der neugegründeten Schweizerischen Kreditanstalt


die Betriebsbewilligung erteilt.

Nach nur drei Tagen hatte


© 2023 man
Verlag die Fokus
SKV AG: angebotenen
Sprache, Fokus9Sprache
000 Aktien siebzigfach
BM mit digitalen Lösungen überzeichnet;
und Kommentar für Lehrpersonen
statt der erhofften Persönliches
3 Millionen Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Franken konnten 221 Millionen notiert werden.

Die Millionen wurden nicht so sehr in die Kreditanstalt als vielmehr in eine Persönlichkeit
investiert, in der man den Kopf und Lenker des Liberalismus sah.

Escher hatte seine Bank aus einer wirtschaftlichen Notwendigkeit heraus gegründet; man
brauchte ein Kreditinstitut, das Grossprojekte wie den Eisenbahnbau finanzieren konnte.

Von ihm waren alle grossen Unternehmen geplant worden, durch welche die Industrialisie-
rung in der Schweiz vorangetrieben werden sollte.

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Verb 223
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5 Der Konjunktiv

Der Konjunktiv wird nicht nur verwendet, um Wünsche, bloss Vorgestelltes und Irreales auszu-
drücken («Möglichkeitsform»), sondern auch, um die indirekte Rede zu kennzeichnen. Da der
Konjunktiv also verschiedene Funktionen übernimmt und zudem unterschiedliche Formen
kennt, ist die Sache nicht ganz einfach. Die folgenden Übersichten helfen Ihnen weiter.

5.1 Formen und Funktionen in der Übersicht

Bildung der Formen Die wichtigsten Funktionen


Konjunktiv I Der Konjunktiv I wird mit dem • Er drückt Wünsche, Hoffnungen,
Stamm des Infinitivs und den Aufforderungen u.Ä. aus:
Konjunktivendungen Escher lebe hoch!
-e/-est/-e//-en/-et/-en Möge die Demokratie siegen!
gebildet:
• Er kennzeichnet die indirekte Rede:
sage/sagest/sage//sagen/saget/sagen Escher erklärte,
rufe/rufest/rufe//rufen/rufet/rufen er habe den Tunnel gebaut;
(aber: sei/sei(e)st/sei//seien/seiet/seien) er baue den Tunnel;
er werde den Tunnel bauen.

Konjunktiv II Der Konjunktiv II wird vom Präteritum • Er steht für bloss Vorgestelltes,
abgeleitet. Die Endungen sind dieselben Hypothetisches sowie in irrealen
wie beim Konjunktiv I: Wunsch- und Bedingungssätzen:
-e/-est/-e//-en/-et/-en Wenn sie nur endlich käme!
Beinahe hätte ich die Warnung übersehen.
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Regelmässige Verben (ohne Ab- und • In der indirekten Rede ist er Ersatz für
Umlaute): Konjunktiv-I-Formen, die nicht als
sagte/sagtest/sagte//sagten/sagtet/sagten solche erkennbar sind:
Sie haben uns versichert,
Unregelmässige Verben (Ab- und Umlaute): sie hätten damals angerufen;
riefe/riefest/riefe//riefen/riefet/riefen sie riefen uns nochmals an;
a Õ ä, o Õ ö, u Õ ü: käme, löge, schlüge sie würden später anrufen.

Aufgabe 11

Bilden Sie die Formen.


Infinitiv Konjunktiv I Präteritum Konjunktiv II
geben ich –––––––––––––––––– –––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
tragen du –––––––––––––––––– –––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
bekommen er –––––––––––––––––– –––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
sitzen sie
–––––––––––––––––– –––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
spüren es –––––––––––––––––– –––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
fallen wir
–––––––––––––––––– –––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
folgen ihr –––––––––––––––––– –––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
ziehen sie –––––––––––––––––– –––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
behaupten sie –––––––––––––––––– –––––––––––––––––– ––––––––––––––––––

224 Verb
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MODUL 5
5.2 Der Konjunktiv in der indirekten Rede

Die indirekte Rede verlangt in der Hochsprache nach wie vor den Konjunktiv, und zwar

• den Konjunktiv I, wenn sich diese Form vom Präsens Indikativ unterscheidet;
• den Konjunktiv II als Ersatz für Konjunktiv-I-Formen, die mit dem Indikativ Präsens
übereinstimmen.
• Die «würde»-Form verwenden wir nur, wenn weder der erste noch der zweite Konjunk-
tiv im Textzusammenhang als Konjunktivformen ersichtlich oder aber die Konjunktiv-II-
Formen veraltet sind.


Aus diesem Wechsel der beiden Konjunktivformen resultiert der «gemischte Konjunktiv»:
Das merk i mir:
Konjunktiv I gemischter Konjunktiv Konjunktiv II 211–212
ich hoffe/gebe ich hoffte/gäbe 2 ich hoffte/gäbe
du hoffest/gebest du hoffest/gebest 1 du hofftest/gäbest
er/sie hoffe/gebe er/sie hoffe/gebe 1 er/sie hoffte/gäbe
wir hoffen/geben wir hofften/gäben 2 wir hofften/gäben
ihr hoffet/gebet ihr hoffet/gebet 1 ihr hofftet/gäbet
sie hoffen/geben sie hofften/gäben 2 sie hofften/gäben

Aufgabe 12

Bei den folgenden Verben unterscheiden sich nicht nur die Konjunktiv-I-Formen der 2. und Verb «sein»
3. Pers. Sg. und der 2. Pers. Pl. vom Präsens Indikativ, sondern …? 111–111

Ergänzen Sie die Konjunktivformen der indirekten Rede. Modalverben:


111–212
sein © 2023 dürfen
Verlag SKV AG: Fokuskönnen Sprache
Sprache, Fokus mögen
BM mit digitalensollen und Kommentar
Lösungen wollenfür Lehrpersonen
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ich sei –––––––––­– –––––––––­– –––––––––­– –––––––––­– –––––––––­–
du –––––––––­– dürfest –––––––––­– –––––––––­– –––––––––­– –––––––––­–
er/sie –––––––––­– –––––––––­– könne –––––––––­– –––––––––­– –––––––––­–
wir –––––––––­– –––––––––­– –––––––––­– möchten –––––––––­– –––––––––­–
ihr –––––––––­– –––––––––­– –––––––––­– –––––––––­– sollet –––––––––­–
sie –––––––––­– –––––––––­– –––––––––­– –––––––––­– –––––––––­– wollten

Aufgabe 13

Setzen Sie den folgenden Text in die indirekte Redeform, indem Sie den gemischten
Konjunktiv anwenden.

a) Zur Eröffnung des Gotthardtunnels schrieb der Schweizer Dichter Carl Spitteler,
wer aus dem finsteren Tunnel in neues Licht (taucht) –––––––––––––––– und in eine
andere Welt (vorstösst) ––––––––––––––––– , dem (jauchzt) –––––––––––––––––– das
Herz. Man (weiss) –––––––––––––––––– nicht recht, ob man sich in einem Tale oder
auf einer Hochebene (befindet) –––––––––––––––––– . Die Landschaft (spricht)
––––––––––––––––– für beides. Nur eine ganz neue Eigenschaft (fällt) ––––––––––––––––
sofort auf, das (ist) –––––––––––––––––– die Lichtfülle, die in alle Ecken (hineinzündet)
–––––––––––––––­–––––– . Der Himmel (strahlt) –––––––––––––––––– , die Luft (glänzt)
––––––––––––––––– , der Boden (blendet) ––––––––––––––––– . Und da die Menschen

Verb 225
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Augentiere und mithin lichtdurstig (sind) –––––––––––––– , (verspüren) –––––––––––––––
sie zunächst eine förmliche Überspanntheit. Sie (wollen) –––––––––––––––––––––– unter
keinen Umständen wieder nach Göschenen ins finstere Reusstal zurück.

b) In «Wege durch Zürich» schreibt Prof. R. Zürcher,


Bahnhöfe (bilden) –––––––––––––––––– noch immer für viele den ersten Eindruck einer
fremden Stadt. Die Bahnhofbauten (übernehmen) –––––––––––––––––––––– gleich eine
doppelte Aufgabe; sie (entlassen) ––––––––––––––––––––– die Ankommenden aus den
Zügen und (heissen) –––––––––––––––––– sie in der Stadt willkommen. Meist (erweist)
–––––––––––––––––– sich diese Aufgabe als undankbar, denn die Fremden (streben) ––––
––––––––––––– weiter, es (zieht) ––––––––––––––––– sie ins Herzen des neuen Ortes.
Doch es (lohnt) –––––––––––––––– sich gerade in Zürich, den Hauptbahnhof zu betrach-
ten, da die Pläne von Gottfried Semper (stammen) ––––––––––––––––– . Feingliedrig
(erhebt) ––––––––––––––––– sich die harmonisch abgewogene Schauseite gegen die
Bahnhofstrasse, aber auch die der Limmat zugewandte Stirnseite und die mächtige Halle
(verraten) ––––––––––––––––– den hochkultivierten Architekten.
Südlich des Bahnhofs (öffnet) ––––––––––––––––– sich die Bahnhofstrasse mit einer
grossstädtischen Geschäftsstrasse. Ähnlich konventionell (gibt) –––––––––––––––––––
sich auch das mit einem Brunnen verbundene Alfred-Escher-Denkmal, das an den
bedeutendsten Politiker und Wirtschaftsführer der liberalen Ära Zürichs (erinnert)
––––––––––––––––– .
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Zeitrelationen

Auch in der indirekten Rede sind die zeitlichen Verhältnisse zu beachten. Hat sich die Hand-
lung, die indirekt wiedergegeben wird, bereits vor dem Ankündigungssatz abgespielt, müssen
wir diese Vorzeitigkeit mit dem zusammengesetzten Konjunktiv (haben/sein plus Partizip
Perfekt) ausdrücken:

Helmut Stalder schreibt (schrieb): Helmut Stalder schreibt (schrieb),


«Die ETH würdigte ihren Gründer letztes Jahr.» die ETH habe Escher letztes Jahr gewürdigt;
«Die Zürcher würdigten ihn letztes Jahr.» die Zürcher hätten ihn damals gewürdigt;
«Das Referat über Escher stiess auf Interesse.» das Referat sei auf Interesse gestossen;
«Die Leute waren begeistert.» die Leute seien begeistert gewesen.

In der indirekten Rede sind alle zeitlichen Relationen möglich, die wir aus Kapitel 3.2
kennen; die spezielle Kennzeichnung der Nachzeitigkeit ist allerdings selten:

Helmut Stalder schreibt (schrieb): Helmut Stalder schreibt (schrieb),


vorher «Die ETH würdigte ihren Gründer letztes Jahr.» die ETH habe Escher letztes Jahr gewürdigt;
«Die Zürcher würdigten ihn letztes Jahr.» die Zürcher hätten ihn damals gewürdigt;
gleichzeitig «Nun ist die CS an der Reihe.» nun sei die CS an der Reihe;
«Nun sind die Berner an der Reihe.» nun seien die Berner an der Reihe;
nachher «Nächstes Jahr folgt die Swiss Life.» nächstes Jahr folge die Swiss Life;
«Nächstes Jahr folgen die Basler.» nächstes Jahr folgten die Basler;
(«Nächstes Jahr wird die Swiss Life folgen.» nächstes Jahr werde die Swiss Life folgen;)
(«Nächstes Jahr werden die Basler folgen.» nächstes Jahr würden die Basler folgen.)

226 Verb
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MODUL 5
Aufgabe 14

Geben Sie diesen Textauszug in der indirekten Redeform wieder.


Unterstreichen Sie die Verben, und notieren Sie am Rand die entsprechenden
Konjunktivformen.
Beachten Sie dabei die Vorzeitigkeit.

Helmut Stalder führte im Weiteren aus,


je mächtiger der Staatsmann und Unternehmer Escher wurde, ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––


desto stärker wuchs die Opposition heran. Allen voran ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
wetterte der Berner Kleinbauernsohn Jakob Stämpfli gegen ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
den «Herren vom Belvoir». In Zürich formierten sich die Demo- ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
kraten, die den enthemmten Wirtschaftsliberalismus kritisierten ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
und mehr Volksrechte verlangten. ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
Schliesslich kam es zu Massenkundgebungen gegen Eschers ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
Regime, sein Einfluss sank in Zürich und in Bern. Umso mehr ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
warf er sich in den Bau der Gotthardbahn. Als sich dort die ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
finanzielle Notlage zuspitzte, kam der Tag der Abrechnung. ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
Die Gegner forderten seinen Kopf. ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
Escher trat 1878 als Chef der Gotthardbahn zurück – tief ver- ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
bittert, denn das war eine erzwungene Bankrotterklärung all ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
dessen, was er verkörperte. ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
Zur Durchstichsfeier wurde er nicht geladen. Zur Eröffnung ––––––––––––––––––­­
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und Kommentar für Lehrpersonen
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erhielt er zwar eine Einladung, war aber schon so krank, ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
dass er nicht teilnehmen konnte. ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
Er starb 1882, ohne durch «seinen Tunnel» gefahren zu sein. ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––

Aufgabe 15

Übertragen Sie die kurze satirische Bemerkung zu Escher in die indirekte Rede.
Beachten Sie dabei die zeitlichen Verhältnisse.

Bei Dürrenmatt lesen wir,


der See mündet in ein Flüsschen, an dessen Ufer sich die ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
Reste einer Altstadt finden, deren Bürger ihren Bürgermeister ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
im Mittelalter köpften. Jetzt kacken auf sein Denkmal Möwen. ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
Dann treibt das Flüsschen am trostlosen Bahnhof vorbei, vor ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
dessen Haupteingang ein noch mächtigerer Herrscher steht ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
als der geköpfte Bürgermeister, ein heimlicher König der ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
Gründerjahre, Alfred Escher. Auch er – mit einer Aktentasche ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
zu Füssen – wird von Möwen bekackt. ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
Er wurde nicht geköpft. ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––
Nur Möwen sind gerecht. ––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––

Verb 227
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  Modultest

1. Übertragen Sie den Schluss des Textes über Alfred Escher in die indirekte Redeform.
Notieren Sie die entsprechenden Konjunktivformen am Rand.

Abschliessend schreibt Helmut Stalder,

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– 1 Escher war ein Mann des Fortschritts. Aber in der Politik
–––––––––––––––––––––––––––––––––––– lief seine Zeit allmählich ab. Ironie des Schicksals: Am Ende

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– verkörperte der Modernisierer eine überwundene Form der Macht­

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– ausübung. So bedeutete sein eigener Abgang nun Fortschritt.

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– 5 Diese Ausnahmefigur hatte viele Bewunderer, aber ebenso viele


–––––––––––––––––––––––––––––––––––– empfanden ihn schon zu Lebzeiten als Anachronismus.

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– Das erklärt die Mischung aus Verehrung und Verachtung,

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– die ihn über den Tod hinaus begleitet hat.

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– Zürich tat sich schwer mit dem Erbe des Übervaters.

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– 10 Auch dieser «Enthauptete» erhielt zwar bald sein Monument.


–––––––––––––––––––––––––––––––––––– Aber es blieb Hassliebe. Der Arbeiterschaft passte das bombastische

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– «Denkmal für den autokratischen Finanz- und Machtpolitiker»


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–––––––––––––––––––––––––––––––––––– ohnehin nicht;
Sprache BM manLösungen
mit digitalen wollte und
denKommentar
«neuenfürGesslerhut»
Lehrpersonen gar
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–––––––––––––––––––––––––––––––––––– sprengen.

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– 15 Auch sonst verweigerten die Zürcher dem bombastischen Herr-


–––––––––––––––––––––––––––––––––––– scherstandbild mit einem Triumphbogen des Bahnhofs im

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– Hintergrund den Respekt. Schon nach einem Jahrzehnt erwogen

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– sie die Versetzung. Eschers Verdienste standen ausser Frage, aber

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– den Platz im Herzen der Stadt gönnten sie ihm nicht.

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– 20 Mit sinkender Achtung wiederholte sich die Versetzungsdebatte


–––––––––––––––––––––––––––––––––––– 1930 und 1964 und legte sich erst in den 1990er-Jahren.

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– Escher war eine Ausnahmegestalt, die in einer bestimmten

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– Epoche Grosses leistete und mit der Epoche unterging. Auf der

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– Grabplatte von Hans Waldmann im Fraumünster haben spätere

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– 25 Generationen aus Scham den Zusatz «enthauptet» weggemeisselt.

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– Für Eschers «Enthauptung» schämten sich die Nachfolgenden

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– kaum. So blickt er heute von seinem Sockel herab auf seine Werke,

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– die sich gewandelt haben, auf eine Welt, die längst nicht mehr

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– die seine ist – und erträgt den Undank mit eiserner Miene und

–––––––––––––––––––––––––––––––––––– 30 erhobenen Hauptes.

228 Verb
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2. 
Erklären Sie, warum die Zürcher Escher gegenüber Hassliebe empfanden.

MODUL 5
3. 
Was wird mit dem «neuen Gesslerhut» (Z. 13) bezeichnet, und worauf spielt dieser
Begriff an?
a) –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
b) –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––


4. Formulieren Sie die Sätze um, indem Sie das Unterstrichene durch synonyme
Ausdrücke ersetzen.
a) Viele empfanden ihn als Anachronismus. (Z. 6)
–––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
b) Das bombastische Denkmal passte ihnen nicht. (Z. 11f.)

–––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

5. Erklären Sie die Anführungs- und Schlusszeichen bei:


a) dieser «Enthauptete» (Z. 10) –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––
b) «enthauptet» (Z. 25) –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––

6. Erklären Sie diese Begriffe im Textzusammenhang.


a) Übervater (Z. 9) © 2023 –––––––––––––––––––­­
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–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
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b) autokratisch (Z. 12) –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
c) Verdienste (Z. 18) –––––––––––––––––––­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

7. Führen Sie für die unterstrichenen Wörter ein Antonym an.


a) Sie verweigerten ihm den Triumph. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––
b) Sie schämten sich für diese Tat. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––
c) Er trat erhobenen Hauptes ab. –––––––––––––––––––­­––––––––––––––––––––––––––––

8. Kreuzen Sie an, was auf die folgenden Verben im Text zutrifft.
war lief ab blieb wollte erwogen standen gönnten haben ist
Z. 1 Z. 2 Z. 11 Z. 13 Z. 17 Z. 18 Z. 19 Z. 28 Z. 29

Vollverb

Hilfsverb

Modalverb

regelmässig

unregelmässig

transitiv

intransitiv

Verb 229
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9. Übertragen Sie alle Teilsätze vom Aktiv ins Passiv – und umgekehrt. Behalten Sie
dabei Tempus und Modus bei.

a) Nicht nur Historiker halten Escher heute für den grössten Staatsmann, der von der Schweiz
je hervorgebracht worden ist.

b) Es wird von ihnen nicht übertrieben, wenn er als Begründer der modernen Schweiz
bezeichnet wird.

c) Man sagt, in bloss 15 Jahren habe er mit ungeheurer Macht, Energie und Konsequenz die
Basis für den Industrie-, Finanz- und Forschungsplatz Schweiz gelegt.

d) Zwar habe er in der Gründerzeit Grosses geleistet, doch von den neuen demokratischen
Kräften habe der «autoritäre Plutokrat» nicht länger geduldet werden können.

10. Wandeln Sie die unterstrichenen Satzteile in gleichbedeutende Nebensätze um.


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a) Mit den Finanznöten beim Bau des Gotthardtunnels kam der Tag der Abrechnung.

b) 1878 wurde Escher als Chef der Gotthardbahn zum Rücktritt gezwungen.

c) 
Trotz des rapiden Sinkens seiner Wertschätzung reichte sie gerade noch für die
Errichtung des Denkmals beim Zürcher Hauptbahnhof.

d) Das hat sich nun mit den 150-Jahr-Feiern der von Escher gegründeten Institutionen völlig
geändert.

Muster­
prüfung

Lösung

Weiterer Modultest und Modulprüfung im Online-Tool eFokus Sprache BM

230 Verb
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MODUL 6
Nomen, Pronomen und Adjektiv


Lernziele

• Ich erkenne die Stellung der Nomen, Pronomen


und Adjektive im Satz und bilde die ent-
sprechenden grammatischen Formen (Genus,
Numerus und Kasus) korrekt.

• Ich verwende die Nomen sachgerecht und


wirkungsvoll.
Die verschiedenen Pronomen setze ich
funktionsgerecht ein.
Beschreibende, charakterisierende und
wertende Adjektive nutze ich als wirkungsvolle
Stilmittel.
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• Im Zweifelsfall greife ich auf die semantischen


und grammatischen Informationen des Wörter-
buchs zurück.

231
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1 Die deklinierbaren Wortarten

Die grammatische Gemeinsamkeit der Nomen, Pronomen und Adjektive ist die Deklinierbar-
keit: Mit den Flexionsendungen kennzeichnen nominale Gruppen ihre Position im Satz.
Das Nomen wird gewöhnlich mit einem Pronomen («Begleiter») verwendet und oft mit einem
Adjektiv näher bezeichnet; dabei sind die einzelnen Wörter in der Nominalgruppe nach
Geschlecht (Genus), Zahl (Numerus) und Fall (Kasus) aufeinander abgestimmt.

Aufgabe 1

Unterstreichen Sie die Nomen, Pronomen und Adjektive mit den entsprechenden
Farben (vgl. Modul 1, «Wortlehre und Wortschatz»), und geben Sie Genus, Numerus
und Kasus der Nominalgruppen an.

Das neue Wohlbehagen im Kleinstaat

Mehrere hunderttausend Zuschauer waren dabei, als Polo «National» Hofer mit seiner
«Alpenrose» auf dem Siegerpodest landete: Die Sendung «Die grössten Schweizer Hits» war
im Herbst 2006 das Highlight des Schweizer Fernsehens. Seit einigen Wochen knüpft der
staatliche Sender an dieses Erfolgsrezept an. Helvetische Hits sind hip, die über den
SRF-Shop vertriebenen CDs «Heimat und Ohrwürmer» erweisen sich als Kassenschlager.
Die emotionale Identifikation mit der Schweiz scheint – nach den schweren Störungen ab
den 1990er-Jahren – wieder intakt zu sein. Das Zauberwort, das diese Wiederversöhnung
© 2023 mit
Verlagder
SKV Heimat ermöglicht,
AG: Fokus Sprache, heisst
Fokus Sprache BMSwissness.
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2 Nomen

Nomen lassen sich formal einfach bestimmen: Sie haben ein festes grammatisches Geschlecht
(Genus), und sie werden nach Zahl (Numerus) und Fall (Kasus) dekliniert.
Die inhaltliche Bestimmung ist etwas heikler: Nomen benennen etwas, geben den Dingen im
weitesten Sinn einen Namen («Namenwort»), sie stehen für etwas, was Substanz hat (Substan-
tiv). Sie bezeichnen jedoch nicht nur Gegenständliches, sinnlich Wahrnehmbares (Konkreta),
sondern auch Nichtgegenständliches, Vorstellungen, Ideen … (Abstrakta).

2.1 Genus

Dinge haben kein biologisches Geschlecht (Sexus), wohl aber ihre Bezeichnungen ein gram­
matisches (Genus): die Alpenrose, das Heideröschen, der Rosenduft. Abgesehen von einigen
Endungen (-chen, -heit, -ung …), ist das Genus auch nicht an der Form des Nomens ersicht-
lich. Es kann deshalb kleinere Schwierigkeiten bereiten, zumal bei vereinzelten Nomen – meist
regional bedingt – das Genus schwankt: die/das E-Mail, das/der Radio, das/der Taxi usw. Hinzu
kommt, dass gewisse Homonyme – je nach ihrer Bedeutung – unterschiedliche «Geschlechter»
(Genera) kennen: das Band/der Band, das Schild/der Schild (vgl. dazu auch Kap. 3, Pronomen,
bestimmter Artikel).
Bei Lebewesen stimmen biologisches und grammatisches Geschlecht nur bedingt überein: der
Freund/die Freundin, die Katze/der Kater, aber: der Mensch/die Person/das Mädchen. Während
früher die maskuline Form oft für beide Geschlechter stand (die Schüler = Schüler und Schüle-
rinnen), werden heute in diesem Fall geschlechtsneutrale Begriffe bevorzugt.

232 Nomen, Pronomen und Adjektiv


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MODUL 6
Aufgabe 2

Setzen Sie für die Doppelformen (Schüler und Schülerinnen) heute gängige
geschlechtsneutrale Begriffe (die Schülerschaft, die Lernenden, die Klasse …).

Maskuline und feminine Pluralform geschlechtsneutrale Form


Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Kunden und Kundinnen –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Lehrlinge und Lehrtöchter –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––


Leser und Leserinnen –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Lehrer und Lehrerinnen –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

2.2 Numerus

Nomen bilden gewöhnlich zur Form in der Einzahl (Singular) eine Mehrzahl (Plural); nur
wenige kommen lediglich im Singular (die Milch, das Obst, der Käse …) oder nur im Plural vor
(die Eltern, die Ferien, die Leute …). Da das Deutsche sehr unterschiedliche Pluralformen
ausgebildet hat, finden sich in den Wörterbüchern die entsprechenden Angaben:
Woche, die; - , -n
Wie vielfältig die Pluralflexionszeichen sind, geht aus der folgenden Tabelle hervor.

Singular Plural Pluralkennzeichen


Sender, Zuschauer (die) Sender, Zuschauer – (nur Artikel)
Bild, Kind © 2023 Verlag SKV Bilder,
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Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen
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Bruder, Mutter Brüder, Mütter Umlaut
Land, Ohrwurm Länder, Ohrwürmer Umlaut und Endung -er
Erfolg, Jahr Erfolge, Jahre Endung -e
Rose, Woche Rosen, Wochen Endung -n
Sendung, Staat Sendungen, Staaten Endung -en
Hit, Song, Hobby Hits, Songs, Hobbys Fremdwortendung -s

Aufgabe 3

Geben Sie den Plural der folgenden Nomen an. Achten Sie bei den Fremdwörtern auf
die besonderen Pluralbildungen; schauen Sie im Zweifelsfall im Duden nach.

das Album ––––––––––––––––––––––––– das Konto –––––––––––––––––––––––––


der Charakter ––––––––––––––––––––––––– das Museum –––––––––––––––––––––––––
das Ereignis ––––––––––––––––––––––––– das Podest –––––––––––––––––––––––––
der Geruch ––––––––––––––––––––––––– der Rhythmus –––––––––––––––––––––––––
das Heimweh ––––––––––––––––––––––––– die Skulptur –––––––––––––––––––––––––
das Herz ––––––––––––––––––––––––– das Thema –––––––––––––––––––––––––
das Individuum ––––––––––––––––––––––––– das Vermögen –––––––––––––––––––––––––
der Juror ––––––––––––––––––––––––– die Villa –––––––––––––––––––––––––
die Kandidatin ––––––––––––––––––––––––– der Zirkus –––––––––––––––––––––––––

Nomen, Pronomen und Adjektiv 233


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2.3 Kasus

Aus der «Satzlehre» (Modul 3) wissen wir, dass nominale Satzglieder ihre syntaktische Position
mit den entsprechenden Fallendungen kennzeichnen. Der Kasus verdeutlicht also, ob eine
Nominalgruppe beispielsweise die Stelle des Subjekts, des Akkusativobjekts oder eines Genitiv­
attributs einnimmt.

Da deutsche Nomen unterschiedliche Deklinationsgruppen bilden, führt der Rechtschreib-­


Duden zum Stichwort im Nominativ Singular zusätzlich den Genitiv Singular und den Nomina-
tiv Plural an. Von diesen drei Kennformen lässt sich die Zugehörigkeit zu den einzelnen Dekli-
nationstypen ableiten – und somit können wir sämtliche Formen im Singular und Plural bilden.

Kennformen Mensch, der; -en, -en Zeit, die; - , -en Land, das; -(e)s, Länder
N der Mensch die Zeit das Land
G des Menschen der Zeit des Land(e)s
D dem Menschen der Zeit dem Land(e)
A den Menschen die Zeit das Land
Gen. Sg. -en Gen. Sg. endungslos Gen. Sg. -(e)s
Õ auch Dat./Akk. -en Õ ganzer Sg. endungslos Õ weitere Formen i.Allg. endungslos

N die Menschen die Zeiten die Länder


G der Menschen der Zeiten der Länder
D den Menschen den Zeiten den Ländern
A die Menschen die Zeiten die Länder
Nom. Pl. -en Nom. Pl. -en Nom. Pl. div. Endungen, aber nicht -en!
Õ ganzer Plural -en Õ ganzer Plural -en Õ Pl. endungslos, ausser Dat. -n

Aufgabe 4
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Ergänzen Sie (wenn nötig mit Hilfe des Duden).

Kennformen
Genitiv Singular Nominativ Plural
Armut –––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––
Holz –––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––
Mythos ––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––
Nationalismus –––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––
Reichtum – ––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––
Schmerz –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––
Zentrum –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––

Die meisten Fremdwörter mit den Endungen -ant (Lieferant, Protestant), -ent (Dirigent,
Referent), -graf (Biograf, Geograf), -ist (Tourist, Zivilist), -nom (Agronom, Ökonom), -soph
(Philosoph) usw. werden nach dem Typus «Mensch, -en, -en» gebeugt.

Advokat –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––


Paragraf –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––
Journalist –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––

Fremdwörter auf -or (Autor, Rektor) werden gemischt dekliniert (im Genitiv Singular -s,
im ganzen Plural -en):
Direktor – –––––––––––––––––––– –––––––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––––––––

234 Nomen, Pronomen und Adjektiv


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MODUL 6
2.4 Deklination von Namen und Titeln

Namen und Titel kommen oftmals als Genitivattribute vor. Stehen die Namen ohne Begleiter,
wird der letzte Name gebeugt; Namen nach dekliniertem Pronomen bleiben jedoch unverän-
dert. Hingegen werden Titel oder Berufsbezeichnungen, die auf ein dekliniertes Pronomen
folgen, gewöhnlich gebeugt.

ohne Artikel: mit Artikel:


wir beugen den (letzten) Namen der Name bleibt unverändert,
wir beugen Artikel und Titel


ein Name die Dramen Schillers die Gedichte der Droste
Annes Tagebuch die Werke des jungen Goethe
mehrere Namen die Romane Max Frischs die Werke der Else Lasker-Schüler
Ingeborg Bachmanns Lyrik die Balladen des Theodor Fontane
ein Titel der Entscheid des Direktors
Herr und Titel der Antrag des Herrn Präsidenten
ein Titel und Name Professor Einsteins Lehre das Mandat des Advokaten Lenz
zwei Titel und Name Frau Prof. Dr. Hubers Rede die Rede des Stadtrats Dr. Binder

Den Titel Dr./Doktor beuge ich nie, den Herrn dagegen immer:
das Schreiben des Dr. Fröhlich/des Herrn Fröhlich/des Herrn Doktor Fröhlich.

Den Apostroph setze ich, wenn nach -s, -x, -z das Genitiv -s entfällt:
Günter Grass’ «Blechtrommel», Marx’ Schriften, Siegfried Lenz’ Romane (für die Umschreibung
mit der Päposition «von»: die Romane von S. Lenz).

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Aufgabe 5

Ergänzen Sie die Deklinationsendungen.

Wir besprechen Eveline–––– Hasler–––– Roman «Anna Göldin», Heinrich–––– von Kleist–––
Erzählung «Michael Kohlhaas», F. Engels––– Schriften zur Literatur, Hans––– Kunz––––
«Mitternachtsgeschichten», den Lehrsatz des Pythagoras––– ...

Uns interessiert die Meinung d––– Rektor––– , d––– früher––– Bundesrätin––– , d–––
Advokat––– F. Buri––– , d––– Herzog––– von Sachsen, d––– Gräfin––– Lydia––– , d–––
Architekt––– Botta––– , d––– Verwaltungsratspräsident––– Kurt Honegger––– ...

Die Anwesenden warteten gespannt auf die Eröffnungsrede d––– Herr––– Minister––– , d–––
Frau––– Direktorin––– , d––– Herr––– Studienrat––– , d––– Frau––– Studienrätin––– , d–––
Herr––– Stadtpräsident––– Ledergerber––– . . .

Professor––– Dr. von Matt––– Vorlesung fällt heute aus. Wir stellen Ihnen Direktor–––
Huber––– Nachfolger vor. Alle stimmten Doktor––– Schönbächler––– Vorschlag zu.

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Nomen, Pronomen und Adjektiv 235


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2.5 Wortschatz und Stil

Gut und gewandt schreiben, Vorgänge und Sachverhalte genau und anschaulich wiedergeben
setzt voraus, dass wir über eine möglichst breite Palette an Ausdrucksmitteln verfügen. Wir
wählen aus Synonymgruppen (Wortfeldern) den treffenden Begriff, verstärken mit einem Paar-
ausdruck die Aussage, veranschaulichen mit einem Sprachbild, einer Metapher etwa oder einer
stehenden Wendung.

Aufgabe 6

Führen Sie zu diesen Nomen je zwei passende Synonyme an.

Das neue Wohlbehagen im Kleinstaat … –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––


Das Fernsehen feierte Polo Hofers Sieg. –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
Viele Produkte tragen das Schweizer Logo. –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
Diese Traditionen waren untergegangen. –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
Dann trat der Wandel ein. –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
Swissness verlieh der Schweiz Glamour. –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
Nun zeigte sich gelassener Patriotismus –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
mit einer Prise Fun. –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––

Aufgabe 7
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Geben
Persönliches Sievon
Exemplar zuLiza
diesen Begriffen
Basha, 8307 Effretikon je ein standard- und ein umgangssprachliches Synonym an.

standardsprachlich umgangssprachlich
Niemand wollte diese Attraktion verpassen. –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
Schnell fanden sich die Zuschauer ein. –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
Alle halten ihn für einen Schwächling. –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
Hast du kein bisschen Verstand?! –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
Dort herrscht nur Zwietracht. –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––
Er hat stets Dummheiten im Kopf. –––––––––––––––––––– ––––––––––––––––––

Aufgabe 8

Suchen Sie das Antonym zu diesen Wörtern.

Sieg ––––––––––––––––––––––––– Sympathie –––––––––––––––––––––––––


Erfolg ––––––––––––––––––––––––– Mehrheit –––––––––––––––––––––––––
Hit ––––––––––––––––––––––––– Vielfalt –––––––––––––––––––––––––
Heimat ––––––––––––––––––––––––– Sonderfall –––––––––––––––––––––––––
Krieg ––––––––––––––––––––––––– Präsenz –––––––––––––––––––––––––
Stabilität ––––––––––––––––––––––––– Flaute –––––––––––––––––––––––––
Gefühl ––––––––––––––––––––––––– Solidarität –––––––––––––––––––––––––

236 Nomen, Pronomen und Adjektiv


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MODUL 6
Aufgabe 9

Redewendungen bilden wir mit «Dingen», die uns nahestehen. So finden Sie gerade
mit Körperteilen im Duden (Band 9) beinahe seitenweise Wendungen.
Ergänzen Sie die Illustration mit weiteren Beispielen zu Kopf, Gesicht, Haare, Augen,
Nase, Mund, Arme, Hände, Rücken, Bauch, Beine, Füsse ...


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Nomen, Pronomen und Adjektiv 237


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3 Pronomen

Pronomen übernehmen nicht nur inhaltlich wichtige Aufgaben. Da die Flexionsendungen der
Nomen sich im Laufe der Jahrhunderte abgeschwächt haben oder gar ganz verschwunden
sind, verdeutlichen die Endungen der Pronomen den grammatischen und damit den logischen
Zusammenhang von nominalen Gruppen im Satz.
Pronomen kommen sowohl in begleitender Funktion als auch stellvertretend vor:
Der/dieser/sein Song wurde ein Hit. – Er/der/es/das wird ein Hit.
Aufgrund ihrer besonderen Funktionen lassen sich die Pronomen darüber hinaus weiter
unterteilen.

Aufgabe 10

Heben Sie im folgenden Textabschnitt die Pronomen hervor. Unterscheiden Sie


zwischen begleitender und vertretender Funktion, und geben Sie am Rand an, zu
welcher Untergruppe das jeweilige Pronomen gehört.

Nationale Ikonen auf Produkten sind heute populärer denn je. Bereits seit der Zwischen-
kriegszeit versah die Schweiz etliche ihrer Weltmarktexporte mit kleinen Armbrüsten und
Schweizer Kreuzen. Diese Herkunftszeichen sollten die Kundschaft auf die überlegene
Qualität der Swiss-Made-Produkte hinweisen. Sie standen für jene Werte, mit denen sich
die Schweiz stets in aller Bescheidenheit zu beschreiben pflegte: Fairness, Sauberkeit,
Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Stabilität, Natürlichkeit und kulturelle Vielfalt.

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DieExemplar
Persönliches zehn von
Pronomen in der
Liza Basha, 8307 Übersicht
Effretikon

bestimmter Artikel (1) unbestimmter Artikel (2)

der die das ein eine ein

Personalpronomen (3) Reflexivpronomen (4) Possessivpronomen (5)

ich wir mich uns mein unser


du ihr dich euch dein euer
er/sie/es sie sich sich sein/ihr/sein ihr

Demonstrativpronomen (6) Interrogativpronomen (7) Relativpronomen (8)

dieser dieselbe wer? was? der/die/das


jener derjenige welcher? welcher/welche/welches
der/die/das solches was für ein? wer was

bestimmtes Zahlpronomen (9) Indefinitpronomen (10)

eins, zwei, drei … man kein einige alle ein bisschen


999 999 … jemand niemand etliche etwas ein paar
irgendein unsereiner manche nichts ein wenig

238 Nomen, Pronomen und Adjektiv


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MODUL 6
Aufgabe 11

Setzen Sie die fehlenden Pronomen in der richtigen Form ein.

Nun sind –––––––––––– beileibe –––––––––––– exklusiv eidgenössi- Demonstrativ-/Indefinitpronomen

schen Eigenschaften. Doch scheint –––––––––––– Schweiz als kleines, Possessivpronomen

neutrales und von –––––––––––– Schicksalsschlägen des 20. Jahrhun- Indefinitpronomen

derts weitgehend verschont gebliebenes Land besonders prädestiniert,


–––––––––––– Werte zu verkörpern, –––––––––––– alle gerne haben Demonstrativ-/Relativpronomen

möchten – erst recht, wenn –––––––––––– Werte in Zeiten eines von Demonstrativpronomen

Krisen und Kriegen begleiteten globalen Umbruchs und –––––––––––– unbestimmter Artikel

beschleunigten soziokulturellen Wandels knapper werden.


In den 1990er-Jahren sahen –––––––––––– Traditionen allerdings Demonstrativpronomen

ziemlich alt aus; –––––––––––– etablierten Bild der Schweiz haftete der bestimmter Artikel

Geruch von Langeweile an. Doch dann begann –––––––––––– neuer Wind unbestimmter Artikel

zu wehen. Swissness verlieh der Qualitätsmarke Schweiz, –––––––––––– Relativpronomen

–––––––––––– bislang fehlte: Sexappeal und Glamour. Renzo Blumen- Personalpronomen

thal machte –––––––––––– letztes Jahr vor: Indem –––––––––––– als Personalpronomen/best. Artikel

Mister Schweiz 2005 bekannt gewordene Bündner Biobauer –––––––––––– unbestimmter Artikel

moldawischen Berufskollegen half, mit äthiopischen Kindern Fussball


spielte und auch andernorts Solidarität praktizierte, bewies –––––––––––– Personalpronomen

nicht nur guten Willen, sondern


© 2023 Verlag belebte
SKV AG: auch Fokus
Fokus Sprache, die guten Dienste,
Sprache BM aufLösungen und Kommentar für Lehrpersonen
mit digitalen
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–––––––––––– die Schweiz seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert so Relativpronomen

stolz war. Da zeigte –––––––––––– gelassener Patriotismus – mit Reflexivpronomen

–––––––––––– Prise Fun. unbestimmter Artikel

Die Wahl und die Deklination der Pronomen bereiten nicht allzu grosse Schwierigkeiten.
Unsicherheiten treten gelegentlich auf im Bereich des bestimmten Artikels («Geschlechtswort»
des Nomens: der/die Bank), der Relativpronomen (das/was; denen/deren/dessen), der Possessiv­
pronomen (das Mädchen und ihr/sein Hund), der Demonstrativpronomen (Rechtschreibung
von «dieselben») oder der fälschlichen Auslassungen (mit meinem Bruder und Schwester).

Aufgabe 12

Geben Sie den bestimmten Artikel an.

––––––– Bleistift ––––––– Essay ––––––– Match ––––––– Spital


––––––– Butter ––––––– Fax ––––––– Pult ––––––– Tunnel
––––––– Dessert ––––––– Mail ––––––– Reis ––––––– Viadukt
––––––– Drei ––––––– Koffer ––––––– Rückgrat ––––––– Virus
––––––– Ecke ––––––– Mais ––––––– Sand ––––––– Wachs

Nomen, Pronomen und Adjektiv 239


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Aufgabe 13

Setzen Sie die Relativpronomen der/die/das bzw. wer/was in der richtigen Form ein.

Das ist eine Sendung, ––––––––––– du nicht verpassen solltest, von ––––––––––– alle
begeistert sind, ––––––––––– Wirkung nicht zu unterschätzen ist.
Das ist ein Film, ––––––––––– unter die Haut geht, ––––––––––– man gesehen haben muss,
von ––––––––––– alle reden, ––––––––––– Qualitäten unbestritten sind.
Das sind Produkte, ––––––––––– den Markt erobert haben, von –––––––––– alle schwärmen,
––––––––––– Preise jedoch viel zu hoch sind.
Die Sendung über Modetrends brachte nichts, ––––––––––– zu sehen sich gelohnt hätte.
Es gibt nichts, ––––––––––– sich die Veranstalter rühmen könnten.
Das ist das Beste, ––––––––––– du tun konntest.
Das ist das schönste Lied, ––––––––––– sie je gesungen hat, ––––––––––– Melodie zum
Träumen verführt.
Ist das alles, ––––––––––– er zu bieten hatte?
Das laute Pfeifen, ––––––––––– mich geweckt hatte, liess erst nach einer Stunde nach.
––––––––––– das geschrieben hat, sollte am Literaturwettbewerb teilnehmen.
Es passiert hier vieles, ––––––––––– ich nicht verstehe.

Aufgabe 14
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Verbessern Sie die falschen und unschönen Pronomen.

Sie verlangen das selbe, das wir schon vor Jahren gefordert haben.
Das ist einer der schönsten Songs, der in Gampel am Open-Air-Festival zu hören war.
Die selbe Band hat schon in Murten gespielt.
Die Mutter und Kinder sind in die Türkei zurückgekehrt.
Schämt ihr euch nicht euren Taten?
Diese Anschuldigungen spotten unserer.
Ein solches Lob freut einem.
Er beobachtete das Mädchen, wie sie einen Lippenstift in ihre Tasche steckte.
Macht euch wegen mir keine Umstände!
Wir bedürfen eure Hilfe.
Die deutsche und französische Regierung haben das Abkommen ratifiziert.
Sie haben gegen unser Wissen und Willen gehandelt.
Das ist eines der besten Bücher, das ich gelesen habe.
Derjenige, welcher noch eine Frage hat, soll sich doch melden.
Das ist das Letzte, das ich mir vorwerfen müsste.

Weitere Übungen im Online-Tool eFokus Sprache BM

240 Nomen, Pronomen und Adjektiv


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4 Das Adjektiv

MODUL 6
Adjektive kennen neben der Deklination noch eine zweite Formveränderung: die Komparation
(«Steigerung»). Auch inhaltlich leisten sie zweierlei: Sie beschreiben eine Sache genauer,
schmücken diese aus, können andrerseits eine Sache werten, ein Werturteil des «Senders»
ausdrücken. Deshalb spielen Adjektive auch in stilistischer Hinsicht eine wichtige Rolle.
Adjektive lassen sich im Satz unterschiedlich verwenden: als Attribute zu Nomen, prädikativ in
Verbindung mit den Verben «sein» und «werden» und adverbial zusammen mit Verben oder
Adjektiven:


attributiver Gebrauch Das war der erfolgreichste Song. 1
Adjektiv-Attribut zum Nomen: dekliniert s

prädikativer Gebrauch Die Sendung war erfolgreich. 2


mit «sein»/«werden»: undekliniert s

adverbialer Gebrauch Sie haben erfolgreich gespielt. 3


Adverbiale: undekliniert s

Adjektivattribut zum Attribut Die höchst erfolgreiche Band trat auf. 4


s

Aufgabe 15

Heben Sie die Adjektive hervor, und geben Sie am Rand die Gebrauchsweise (1–4) an.

Mit dem neuen Lebensgefühl derAG:Swissness


© 2023 Verlag SKV verbindet
Fokus Sprache, sich
Fokus Sprache also
BM mit vor Lösungen 1und Kommentar für Lehrpersonen
digitalen
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allem der Wille, die Schweiz im weltweiten Standortwettbewerb als
trendige «Marke Schweiz» erfolgreich zu positionieren. Die Landes-
fahne mit ihrem attraktiven Weiss-Rot-Kontrast ist zum Logo einer
Vermarktungsstrategie geworden, die mustergültig ist.
Neben typisch nationalen Sympathieträgern wie Swiss Brownies
und schneeweissen Viertausendern lässt sich das Angebot von
heimatlichen und zugleich urbanen Produkten ständig erweitern:
Die Firma Swissence bringt neu Duftkompositionen namens «Mat-
terhorn», «Apfel Tell» oder «Eisglück» an den Mann oder die Frau.
Völlig unterschiedliche Filme wie «Tell», «Mein Name ist Eugen»,
«Die Herbstzeitlosen» und «Achtung, fertig, Charlie!» ermöglichen
eine kreative Neuaneignung nationaler oder lokaler Traditionen,
in denen Heimweh, Heimatliebe, Lust am Exotischen und Kind-
heitsmuster verschmelzen. Grandios feiern Musicals «Heidi» oder
«Ewigi Liebi» in Mundart, eine Band wie Plüsch singt ergreifend
von «Heimweh», und Baschi titelt seine neue CD «Fürs Volk».
Die Nation, angesichts der Globalisierungsschübe der letzten
drei Jahrzehnte von vielen bereits totgesagt, feiert in den Unter-
haltungsformen der Erlebnisgesellschaft fröhliche Urständ*.

* Auferstehung feiern

Nomen, Pronomen und Adjektiv 241


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4.1 Deklination der Adjektive

Attributiv verwendete Adjektive richten sich in Genus, Numerus und Kasus nach dem Nomen.
Dabei sind die schwache und die starke Deklination zu unterscheiden.

Schwache Adjektivdeklination
Das Adjektiv wird schwach dekliniert, wenn ein Pronomen vorausgeht, das mit seiner Endung
den Fall bereits anzeigt (der/die/das, dieser/-e/-es, jener/-e/-es usw.), ebenso nach alle, beide,
keine und vorwiegend nach manche, sämtliche.

Maskulin Feminin Neutrum


Singular der erfolgreiche Film die erfolgreiche Sendung das erfolgreiche Buch
des erfolgreichen Films der erfolgreichen Sendung des erfolgreichen Buchs
dem erfolgreichen Film der erfolgreichen Sendung dem erfolgreichen Buch
den erfolgreichen Film die erfolgreiche Sendung das erfolgreiche Buch
Die Endungen variieren nur schwach: Im Singular kommen lediglich -e und -en vor.
Plural Im Plural lauten alle Endungen -en (die erfolgreichen Filme/Sendungen/Bücher).

Starke Adjektivdeklination
Das Adjektiv wird stark dekliniert, wenn ein fallbestimmendes Pronomen fehlt. Ebenso nach
den endungslosen Pronomen manch, solch, welch sowie nach andere, einige, etliche, mehrere,
viel/-e, verschiedene, wenig/-e.
Singular erfolgreicher Film erfolgreiche Sendung erfolgreiches Buch
erfolgreichen Films erfolgreicher Sendung erfolgreichen Buchs
erfolgreichem Film erfolgreicher Sendung erfolgreichem Buch
erfolgreichen Film erfolgreiche Sendung erfolgreiches Buch
Plural erfolgreiche Filme erfolgreiche Sendungen erfolgreiche Bücher
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Filme mit digitalen Lösungen
erfolgreicher und Kommentar für erfolgreicher
Sendungen Lehrpersonen
Bücher
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erfolgreichen Filmen erfolgreichen Sendungen erfolgreichen Büchern
erfolgreiche Filme erfolgreiche Sendungen erfolgreiche Bücher

Die starken Adjektivendungen stimmen (ausser bei den Maskulina und Neutra im Genitiv
Singular) mit den Endungen des deklinierten Pronomens dieser/diese/dieses überein.

Adjektive in Aufzählungen und Reihungen


In Aufzählungen und Reihungen werden die Adjektive parallel dekliniert:
ein erfolgreicher, spannender Film; eine beliebte und erfolgreiche Sendung;
mit unermüdlichem, erfolgreichem Einsatz ...

Aufgabe 16

Ergänzen Sie die Endungen, und geben Sie an, ob es sich dabei um die starke (st) oder
schwache (sw) Adjektivdeklination handelt.

ein neu–––– , überwältigend–––– Gefühl mit neu–––– , frisch–––– Mut


während einig–––– erfolgreich–––– Spiele alle lokal–––– und national–––– Traditionen
im vergangen–––– Herbst welch hart–––– Schicksalsschlag
seit letzt–––– Woche keine kitschig–––– heimatlich–––– Klänge
dank fest–––– , eisern–––– Willen eine Anzahl neu–––– grandios–––– Filme
eines klein–––– neutral–––– Landes wegen aller störend–––– Zwischenrufe

242 Nomen, Pronomen und Adjektiv


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MODUL 6
4.2 Komparation der Adjektive

Adjektive kommen in drei Vergleichsformen vor: im Positiv (Grundstufe), Komparativ (Höher-


stufe) und Superlativ (Höchststufe).

Den Komparativ bilden wir mit der Endung -er, den Superlativ mit -(e)st. Von wenigen
Ausnahmen abgesehen, ist die Bildung dieser Formen regelmässig.

regelmässig mit Umlaut unregelmässig Form

der die der der das


erfolgreiche junge alte hohe gute Positiv
erfolgreichere jüngere ältere höhere bessere Komparativ
erfolgreichste jüngste älteste höchste beste Superlativ
Film Sängerin Brauch Sieg Gefühl

Sonderfälle
Im Unterschied zum Schweizerdeutschen bilden im Hochdeutschen nur einige wenige
Adjektive umgelautete Komparationsformen:
a Þ ä: alt, arg, arm, hart, kalt, krank, lang, nah, scharf, schwach, schwarz, stark, warm
o Þ ö: grob, gross, hoch; gewöhnlich auch fromm/frömmer, rot/röter
u Þ ü: dumm, jung, klug, kurz; gewöhnlich auch gesund/gesünder
(Seltener kommen auch mit Umlaut vor: bang, blass, glatt, karg, nass, schmal; krumm)

Aus logischen Gründen sind nicht alle Adjektive steigerbar:


der staatliche Sender, nationale Bräuche, ein runder Tisch, die ideale Sendezeit ...

Zusammengesetzte Adjektive, die eine neue Sinneinheit bilden, werden am Wortende


gesteigert:
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das altmodische/altmodischere/altmodischste Fokus …
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Bewahren die einzelnen Wortteile ihre Eigenbedeutung, so steigern wir den ersten
Wortteil:
das gut besuchte (gutbesuchte)/besser besuchte/bestbesuchte Konzert …

Bei einigen wenigen Adjektivfügungen ist die Zugehörigkeit zu den zwei Grundtypen
nicht eindeutig; der Duden lässt daher beide Interpretationen zu:
der schwerwiegende/schwerwiegendere/schwerwiegendste Fehler oder
der schwer wiegende/schwerer wiegende/schwerstwiegende Fehler.

Auf keinen Fall dürfen beide Teile gesteigert werden: der schwerstwiegendste Fehler.

Schlagen Sie bei Unsicherheiten im Duden nach. Sie finden alle Komparationsformen
aufgeführt, die von der regelmässigen Bildung abweichen.

Aufgabe 17

Ergänzen Sie in dieser Liste die fehlenden Komparationsformen.

klar klarer am klarsten krumm –––––––­–––– –––––––­–––––––––––


brav ––––––––– –––––––––––––––––– nah –––––––­–––– –––––––­–––––––––––
dunkel ––––––––– –––––––––––––––––– schlank
–––––––­–––– –––––––­–––––––––––
grob ––––––––– –––––––––––––––––– rot –––––––­–––– –––––––­–––––––––––
krass ––––––––– –––––––––––––––––– zart –––––––­–––– –––––––­–––––––––––

Nomen, Pronomen und Adjektiv 243


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Aufgabe 18

Wie lauten der Komparativ und Superlativ dieser Adjektive?

die gut gekleidete / ––––––––––––––––––––––– / ––––––––––––––––––––––– Moderatorin


der gutmütige / ––––––––––––––––––––––– / ––––––––––––––––––––––– Juror
die hoch angesehene / ––––––––––––––––––––––– / ––––––––––––––––––––––– Autorin
hochfliegende / ––––––––––––––––––––––– / ––––––––––––––––––––––– Pläne
der viel gelesene / ––––––––––––––––––––––– / ––––––––––––––––––––––– Roman
der schwer verständliche /––––––––––––––––––––––– / ––––––––––––––––––––––– Entscheid

Aufgabe 19

Verbessern Sie diejenigen Superlative, die falsch sind.

die meist beachtete Sendung die bestinformiertesten Leserinnen


die idealste Sendezeit die urälteste Geschichte
der grossartigste Auftritt der angesehendste Literaturkritiker
die ergreifensten Songs die weitsichtigsten Politikerinnen
das schwerfälligste Publikum die optimalste Lösung
das exotiste Musical die höchstmöglichste Wertung

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Aufgabe 20

Bilden Sie die richtigen Komparationsformen, und setzen Sie falls nötig die fehlenden
Vergleichswörter («als» oder «wie») ein.

Sie singt (gefühlvoll) –––––––––––––––––– und (erhaben) –––––––––––––––––– ––––– du.


Das ist die (langweilig) –––––––––––––––––– , (dumm) –––––––––––––––––– und (kindisch) –––

––––––––––––––– Sendung, die ich je gesehen habe.


Er schreibt (klug) –––––––––––––––––– und (edel) –––––––––––––––––– ––––– früher.
Sie leben (brav) –––––––––––––––––– und (gesund) –––––––––––––––––– ––––– wir.
Eveline Hasler zählt zu den (angesehen) –––––––––––––––––– , (bekannt) ––––––––––––––––––
und (viel gelesen) –––––––––––––––––– Autorinnen der Schweiz.

Aufgabe 21

Adjektive lassen sich auch durch die Wortzusammensetzung verstärken. Ergänzen Sie,
entsprechend dem Muster «schneeweisse Viertausender», die folgenden Beispiele.

die ––––––––––––berühmte Sängerin das ––––––––––––junge Geschöpf


das ––––––––––––blonde Haar das ––––––––––––dürre Model
ein ––––––––––––schwarzer Tag ein ––––––––––––harter Job
eine ––––––––––––ernste Angelegenheit die ––––––––––––verschiedenen Ansichten

244 Nomen, Pronomen und Adjektiv


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der ––––––––––––konservative Politiker die ––––––––––––gemeine Anschuldigung

MODUL 6
das ist ––––––––––––falsch eine
––––––––––––klare Nacht
er verschwand ––––––––––––schnell ein ––––––––––––billiges Kleid

Aufgabe 22

Lesen Sie den Schluss des Modultextes über die Swissness, und lösen Sie die gemisch-
ten Aufgaben: Setzen Sie die verlangten Nomen, Pronomen und Adjektive in der


richtigen Form in die Lücken ein.

Das 21. Jahrhundert kündigte ––––––––––– in der Schweiz mit einer para- Reflexivpronomen

doxen Gleichzeitigkeit an: dem traumatischen ––––––––––––––––––– der englisch für Landung

Swissair und dem ––––––––––––––––––– Takeoff der Swissness. Damals Synonym für schwungvoll

geriet die fliegende National-––––––––––– der Schweiz ins Stottern, und Fremdwort für Lobgesang

als der ––––––––––––––––––– und als sehr zuverlässig geltenden Airline im deutsch für renommiert

Herbst 2001 plötzlich der Treibstoff ausging, war das für––––––––––­­–– Indefinitpronomen

ein –––––––––––––––––. Die auf den Rollpisten blockierten Flugzeuge mit Synonym für Erschütterung

dem Schweizer Kreuz hinterliessen in der ––––––––––––––––––– Bericht- Adjektiv: auf der ganzen Welt

erstattung einen ––––––––––––––––––– Eindruck. Gegenläufig dazu flauten Synonym für kläglich

die Debatten über «nachrichtenlose ––––––––––––––––» und «Nazi-Gold» fester Begriff (Gelder)

ab, die Schweiz sorgte wieder für ––––––––––––– Schlagzeilen. Fremdwort für gut

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Wohin die Reise mit Swissness
Persönliches führt,
Exemplar wird
von Liza –––––––––––––
Basha, 8307 Effretikon , wenn wir Synonym für klar

nochmals –––––––––––– Blick auf das fliegende Schweizer Kreuz werfen. unbestimmter Artikel

Dieses ist nämlich mit dem Swiss-Verkauf –––––––––––– heimlich der Wortteil zur Verstärkung

Europäischen Union beigetreten, ohne indessen die––––––––––––––––––– Synonym für schweizerisch

Bodenhaftung zu verlieren. Ein Werbespot der Lufthansa- –––––––––––– , Antonym zu Sohn

der mit «Campari Soda» von Taxi, –––––––––– Schweizer Pophit aus den unbestimmter Artikel

80er-Jahren, unterlegt ist, lässt auch schweizerische Herzen –––––––––––– Komparativ von hoch

fliegen: «So viel Swissness in so wenig Zeit ist ––––––––––––––––––– . Synonym für erstaunlich

Noch dazu untermalt mit einem der –––––––––––– Songs der Schweizer Superlativ von kultig

Musikgeschichte, find ich einfach ––––––––––––», schreibt ein Blogger. ugs. Wendung (grossartig)

In dem Spot singen––––––––– , Jung und Alt, den Ohrwurm mit, schliess- Indefinitpronomen

lich schwebt ein Flugzeug über den –––––––––––– , und es erscheint der feuchte Gebilde am Himmel

Schriftzug «Fliegen – Swiss Made». Dann wird das ––––––––––––––––––– unsere Landesfarben

Firmenlogo eingeblendet, und eine –––––––––––– Stimme sagt: «In weiter Antonym zu brutal

Ferne – und doch ––––––––––––––––––– zu Hause.» Und wir wissen einmal Synonym für ein wenig

mehr: Die Destination der Schweiz liegt im –––––––––––– – da nämlich, Antonym zu Inland

wo schon immer die wichtigsten ––––––––––––––––––– , die das Land Fremdwort für Neuerungen

weiterbrachten, herkamen.

Weitere Übungen im Online-Tool eFokus Sprache BM

Nomen, Pronomen und Adjektiv 245


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  Modultest

Überfliegen Sie zuerst die einzelnen Abschnitte, bevor Sie die Aufgaben dazu lösen.

1. Setzen Sie die fehlenden Pronomen in der richtigen Form ein.

Personalpronomen 1 Viele haben –––––––––––– damals als Jugendliche nur allzu gern missverstanden,
Demonstrativpronomen Dennis Hoppers Kultfilm «Easy Rider» aus dem Jahre 1969, –––––––––––– bitter-
Genitiv von zwei böse Geschichte über den Versuch –––––––––––– Hippies, mit dem Motorrad
bestimmter Artikel –––––––––––– verordneten Leben zu entfliehen und die grenzenlose Freiheit zu
unbestimmter Artikel 5 suchen, –––––––––––– Leben ohne Normen, Zwänge und Gewalt zu leben. Dass
Zahlpronomen der –––––––––––– der beiden von einem wild gewordenen Bürger aus einem
fahrenden Auto heraus erschossen wird, nachdem bereits der versoffene Rechts-
Reflexivpronomen anwalt, der ––––––––––––– den beiden angeschlossen hat, von biederen Spies-
unbestimmter Artikel sern erschlagen worden ist, dass der andere sich schliesslich in ––––––––––––
Demonstrativpronomen 10 Racheakt selber mittötet, ––––––––––––– wollten die meisten damals nicht so
recht sehen und schon gar nicht als pessimistische Zukunftsahnung verstehen.

2. Setzen Sie die gesuchten Pronomen bzw. Nomen ein (wenn nötig mit dem Artikel).

deutsch für Rebellion Achtundsechzig war gerade gewesen. ––––––––––––––––––––––– der neuen
Synonym für Strömung, Linken und der antiautoritären ––––––––––––––––––––––– , –––––––––––– von
Relativpronomen © 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Exemplar
Persönliches Berkeley
von ausgehend
Liza Basha, 8307Paris und
Effretikon Berlin, aber auch Zürich erfasst hatte, war zwar
Possessivpronomen 15 niedergeknüppelt worden, hatte aber –––––––––––– Wirkung in den Köpfen der
weder Kinder noch –––––––––––––––––––––– durchaus hinterlassen. Woodstock, Bob Dylans «Blowin’
Erwachsene
in the Wind», «I Can Get No Satisfaction» der Rolling Stones und Janis Joplins
Antonym zu Tod «Freedom’s just another word for nothing left to loose» prägten das –––––––––––– -
Fremdwort für gefühl einer neuen Generation, die nach dem ––––––––––––––––––––– «Live fast,
Leitspruch
20 love hard, die young» zu leben versuchte.
Antonym zu öffentlich Motivation für das politische wie ––––––––––––––––––– Handeln war letztlich
Fremdwort für ––––––––––––––––––––––––– einer gerechten, befriedeten Gesellschaft ohne
nur ein Traum
Pronominaladverb Ausbeutung, Unterdrückung und Gewalt. –––––––––––– leiteten sich so ver-
Nomen zu solidarisch schiedene Dinge ab wie ––––––––––––––––––––––––––– mit dem Vietcong im
Entwicklungsländer 25 Vietnamkrieg, mit den Befreiungsbewegungen der –––––––––––––––––––––––––
Fremdwort für und der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung sowie ––––––––––––––––––––
Versuche
Possessivpronomen mit neuen Formen des Zusammenlebens. Die Studenten hatten ––––––––––––
Synonym für Zuversicht Strassenschlachten verloren, aber noch nicht ––––––––––––––––––––––––––– .
Dass Geschichte machbar und Mündigkeit irreversibel sei, gehörte ebenso zum
Antonym zu klar 30 Glaubensbestand wie ein etwas –––––––––––––––––––– Vertrauen in den techni-
Fremdwort schen wie –––––––––––––––––––––– Fortschritt.
für gesellschaftlich

246 Nomen, Pronomen und Adjektiv


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3. Verbessern Sie die Fallfehler direkt in den Text hinein.

MODUL 6
Immerhin gab es ein Jahr nach dem Ende des Prager Frühling eine ganze Reihe positiver
Signale: Die Schweden hatten Olof Palme, ein junger sozialdemokratischer Hoffnungs-
träger, in die Regierung gewählt, und in der Bundesregierung machte Willy Brandt, der
35 bereits als Aussenminister die Entspannungspolitik gegenüber den Länder Osteuropas
eingeleitet hatte, als neugewählten Bundeskanzler mit dem Motto «Mehr Demokratie
wagen» ein hoffnungsvoller Neuanfang. Und im Vietnamkrieg begann nach weltweiten


Demonstrationen und dem Bekanntwerden des Massaker von My Lai die Wende: Präsi-
dent Nixon kündigte den Abzug der amerikanischen Truppen an.

4. Verbessern Sie die falsch geschriebenen Wörter.

40 Und dennoch: Wer genauer hinsah, hatte mindestens ebenso viele Gründe zu schwärzes­
tem Pesimismus. Die Zahl der schweren Kriege und Kriesen ist erschreckend. Erwähnt
seien dabei vor allem der Kuba Konflikt, die gravierenden Zwischenfälle an der chine-
sisch-sowjetischen Grenze, der anhalltende Kleinkrieg im Nahen Osten, die Massacker
und Hungersnöte in Biafra mit 1,5 Milionen Opfern, der verherende Bürgerkrieg in
45 Sudan, der Befreiungskrieg in Angola usw.
1969 – das Jahr der Mondlandung – war «ein ereignissreiches Jahr», schrieb der «Tages-
Anzeiger» in seinem Jahresrückblick, «doch auf drei Gebieten versagte die Menschheit
kläglich: Hunger, Krieg und Unterdrückung.»
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5. Setzen Sie die fehlenden Fallendungen ein.

Wer kennt «Easy Rider», d––––– Kultfilm aus d––––– spät––––– Sechziger–––––?
50 Das ist der berühmteste Film Dennis Hoppers, ein–––– amerikanisch–––– Regisseur–––– .
Auf ihr–––– Motorräder–––– wollen die beiden Hippies d–––– verordnet–––– Leben ent-
fliehen. Ihr–––– Versuch, die Fesseln gesellschaftlich–––– Normen zu sprengen, müssen
sie schliesslich mit dem Leben bezahlen. Dies–––– Schluss wollten viele Jugendlich––––
nicht verstehen. Die pessimistische Zukunftsahnung wurde von viel–––– Zuschauer––––
55 verdrängt.

Die Entspannungspolitik Willi Brandts, d–––– damalig–––– deutsch–––– Bundes-


kanzler–––– , weckte Hoffnungen.
Im Hinblick auf die Präsidentenwahl 1968 versprach Nixon den Abzug all–––– amerika-
nisch–––– Truppen aus Vietnam.
60 In langwierig–––– Verhandlungen war es Aussenminister Kissinger gelungen, mit Le Duc
Tho, d–––– vietnamesisch–––– Beauftragt–––– , ein–––– Waffenstillstand zu erreichen.

Nomen, Pronomen und Adjektiv 247


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6. Führen Sie für die Adjektive je zwei Synonyme an, die in den Kontext passen.

Sie suchten die (grenzenlose) –––––––––––––––––– , –––––––––––––––––– Freiheit (Z. 4).


Es gab (positive) –––––––––––––––––– , –––––––––––––––––– Signale (Z. 32), aber auch
zahlreiche (schwere/gravierende) ––––––––––––––––– , ––––––––––––––– Konflikte (Z. 42).

7. Erklären Sie den Bedeutungsunterschied zwischen den Adjektiven.

Sie führen ein geordnetes Leben. Sie wollten aus dem verordneten Leben ausbrechen (Z. 4).
geordnet: –––––––­­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
verordnet: –––––­­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

Der besoffene/versoffene Rechtsanwalt wurde erschlagen (Z. 7).


besoffen: –­­­–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
versoffen: ­­­––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

8. Was bedeutet «bieder», was «Spiesser»? Was meinen Sie also zur Verbindung
«biedere Spiesser» (Z. 8f.)?

9. Formulieren Sie den Inhalt der folgenden Aussage (Z. 29f.) in eigenen Worten.
Zumindest die unterstrichenen Wörter müssen ersetzt werden.
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«Dass Geschichte machbar und Mündigkeit irreversibel sei, gehörte zu ihrem Glaubens-
stand.»

0. Formen Sie die unterstrichenen Satzteile in Nebensätze um. Schreiben Sie die Sätze
1
vollständig hin.

Der von Nixon im Hinblick auf die Präsidentenwahl 1968 angekündigte Truppenabzug
erfolgte allerdings erst im Jahre 1973.

Nach weltweiten Demonstrationen und dem Bekanntwerden amerikanischer Gräueltaten


begann in Vietnam die Wende.
Muster­
prüfung

Lösung

Weiterer Modultest und Modulprüfung im Online-Tool eFokus Sprache BM

248 Nomen, Pronomen und Adjektiv


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MODUL 7
Partikeln


Lernziele

• Ich kenne die unterschiedlichen Funktionen


der Partikeln und kann zwischen Präpositionen,
Konjunktionen, Adverbien und Interjektionen
unterscheiden.

• Ich stelle mit Präpositionen korrekte syntak-


tische Verhältnisse her.

• Mit Konjunktionen verknüpfe ich Satzteile und


Teilsätze logisch korrekt.

• Mit Adverbien führe ich die zeitlichen, örtlichen


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und kausalen Umstände von Handlungen näher
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aus und nutze sie als Stilmittel.

249
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1 Zur Funktion der Partikeln

Partikeln – auf der Primarschulstufe auch als «Restgruppe» bezeichnet – lassen sich formal
einfach bestimmen: Sie sind weder konjugierbar noch deklinierbar (vgl. Modul 1). Sie überneh-
men in Texten jedoch eine Reihe wichtiger Funktionen: Sie dienen einerseits dazu, logische
und grammatische Beziehungen differenziert auszudrücken, andrerseits präzisieren sie die
Umstände, unter denen sich Handlungen abspielen. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Funk-
tionen lassen sie sich in Präpositionen («Verhältniswörter»), Konjunktionen («Bindewörter»),
Adverbien («Umstandswörter») und Interjektionen («Empfindungswörter») unterteilen.

Aufgabe 1

Heben Sie in diesem Textausschnitt über den «Glücksfall Schweiz» die Präpositionen,
Konjunktionen und Adverbien mit verschiedenen Farben hervor.
Notieren Sie in den Kästchen unten je zwei, drei Beispiele, und leiten Sie davon die
Hauptfunktionen dieser drei Wortarten ab.

Einsam auf der Insel der Glückseligen

Die Katastrophen des 19. und 20. Jahrhunderts zogen an der Schweiz vorbei, als sei sie
nicht von dieser Welt. Politisch überaus stabil seit 1848, sozial weitgehend befriedet seit
dem Generalstreik 1918, verschont von zwei Weltkriegen – die Schweiz hat also wenig
Grund zur Klage. Warum blieben ihr die Verwerfungen der Geschichte erspart? Handelte
sie besonders klug, half jeweils der Zufall, oder waltet ein gütiges Schicksal über dem aus-
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erwählten
Persönliches Volk?
Exemplar von Die 8307
Liza Basha, Geschichte
Effretikon der Schweiz, die scheinbar so bruchlos verlief, verleitet
leicht zu einer verklärten Sicht.

Präpositionen Beispiele:
Funktion:

Konjunktionen Beispiele:
Funktion:

Adverbien Beispiele:
Funktion:

250 Partikeln
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MODUL 7
Aufgabe 2

Setzen Sie die fehlenden Präpositionen, Konjunktionen, Adverbien ein.

Der Prototyp des Glücksfalls ist, –––––––––––––– die Schweiz im Zweiten Welt- Konjunktion

krieg –––––––––––––– angegriffen wurde. General Guisan legte das Deutungs- Adverb

muster «Glücksfall» schon früh bereit, nämlich ––––––––––––– Tagesbefehl vom Präposition

8. Mai 1945: «Nach ––––––––––––– sechs Jahren Krieg wurde in Europa der Be- Adverb


fehl ––––––––––––– Einstellung des Feuers gegeben. Die Armee hat ihre Haupt- Präposition

aufgabe, ––––––––––––– der sie im Herbst 1939 betraut wurde, erfüllt. Soldaten, wir Präposition

wollen –––––––––––––vor allem dem Allmächtigen danken, dass unser Land von Adverb

den Schrecken des Krieges so gut ––––––––––––– verschont blieb. Eine wunderbare Konjunktion

göttliche Fügung hat unsere Heimat unversehrt gelassen. Unsere Armee war und ist
unser Schutz ––––––––––––– Schirm.» Konjunktion

Das heisst: Die Schweiz überlebte unversehrt – ––––––––––––– der Armee und Präposition

––––––––––––– dem Allmächtigen. Dies traf die Gefühlslage der Zeitgenossen, Präposition

die das Ende der Gefahr ––––––––––––– Erlösung empfanden. Und die Rede Konjunktion

––––––––––––– der göttlichen Fügung enthob das Land der unangenehmen Selbst- Präposition

befragung. Man war davongekommen, ohne Schuld ––––––––––––– sich geladen Präposition

zu haben. Diese Sicht hielt sich lange, ––––––––––––– sie passte ins ideologische Konjunktion

Schema des Kalten Krieges. Wer wie Max Frisch ––––––––––––– «Dienstbüchlein» Präposition

die Mythisierung anzweifelte, war


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FokusKetzer. Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Sprache, Fokus
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Selbst grosse Historiker ––––––––––––– Edgar Bonjour prägten die Formel, die Konjunktion

Schweiz habe «einfach Glück gehabt». ––––––––––––– Anfang der 70er-Jahre ver- Adverb

mied es die Forschung, der Frage ––––––––––––– den Grund zu gehen. Nur lang- Präposition

sam kam es ––––––––––––– einer Hinterfragung des «Glücksfalls», unter anderem Präposition

––––––––––––– die Historiker Jakob Tanner und Markus Heiniger. Beide stuften Präposition

den militärischen Anteil zurück ––––––––––––– hoben die wirtschaftliche Koope- Konjunktion

ration der Schweiz ––––––––––––– Nazi-Deutschland hervor. Präposition

Aufgabe 3

Setzen Sie in diesen Sätzen Adverbien (keine Adjektive!) mit der angeführten Wirkung
ein. Suchen Sie möglichst verschiedene Lösungen.
verstärkend, relativierend, verneinend,
betonend abschwächend ausschliessend

Wir hatten ––––––––––––– ––––––––––––– ––––––––––––– Glück.


Sie blieben ––––––––––––– ––––––––––––– ––––––––––––– verschont.
Sie handelten ––––––––––––– ––––––––––––– ––––––––––––– klug.
Wir sprachen ––––––––––––– ––––––––––––– ––––––––––––– darüber.
Sie haben es ––––––––––––– ––––––––––––– ––––––––––––– gemerkt.

Partikeln 251
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2 Die Partikeln in der Übersicht

2.1 Die Präposition

Präpositionen verknüpfen Teile des Satzes miteinander und stellen vorwiegend lokale, tempo-
rale, modale und kausale Verhältnisse her.

Ort, Raum (lokal) aus Berlin, in der Schweiz, über Europa


Zeit (temporal) nach sechs Jahren, seit dem Kriegsende
Art, Weise, Mittel (modal) mit Verstand, ohne Glück
Grund (kausal) dank dem Allmächtigen, wegen des Streiks

Sie bestimmen den Fall der Nominalgruppen, denen sie vorangestellt (selten nachgestellt) sind:

mit Akkusativ: bis, durch, bis nächsten Sommer, für den General,
für, gegen, ohne ... gegen den Krieg, ohne grossen Erfolg
mit Dativ: aus, bei, mit, aus unserem Land, mit grossem Erfolg,
nach, seit, von, zuliebe ... nach dem Sieg, der Schweiz zuliebe
mit Genitiv: ausserhalb, ausserhalb des Landes, statt eines Befehls,
statt, während, wegen ... während mehrerer Jahre, wegen des Sturms

Verschiedene Präpositionen verlangen den Akkusativ oder den Dativ, je nachdem, ob sie die
Richtung (wohin?) oder die Lage (wo?) angeben:
Sie gehen auf den Turm/in den Turm/hinter den Turm ...
Sie sind auf dem Turm/im Turm/hinter dem Turm ...

Die Präpositionen dank und trotz kommen mit Dativ und mit Genitiv vor:
© 2023 dank
Verlag SKV
demAG:grossen
Fokus Sprache, Fokus
Erfolg Sprache BM meist
(Singular: mit digitalen Lösungen
Dativ), dank undder
Kommentar
grossenfür Erfolge
Lehrpersonen
eher Genitiv); (Plural:
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trotz des Krieges (Singular: meist Genitiv), trotz vielen Hinweisen (Plural: eher Dativ) ...

Die Präpositionen statt, während, wegen verlangen hochsprachlich den Genitiv. Als Ersatz
steht der Dativ, wenn weder Pronomen noch Adjektive vorhanden sind, die den Genitiv kenn-
zeichnen könnten (während Jahren, während sechs Jahren ...). Im Übrigen gilt der Dativ nach
diesen Präpositionen als umgangssprachlich bzw. süddeutsch/schweizerisch.

2.2 Die Konjunktion

Konjunktionen verbinden Wörter, Satzteile und (Teil-)Sätze miteinander. Sie verbinden Gleich­
rangiges (beiordnende, koordinierende Konjunktionen) oder leiten Nebensätze ein (unterord-
nende, subordinierende Konjunktionen) und drücken verschiedene logische Beziehungen aus.

Koordinierende Konjunktionen
anreihend (kopulativ) Gefühl und/sowie/wie Verstand, sowohl
Gefühl als auch Verstand, weder – noch
ausschliessend (disjunktiv) Glück oder Unglück; entweder – oder
entgegensetzend (adversativ) doch/aber/jedoch heute ist das anders;
sondern, statt, zwar ...
begründend (kausal) denn die Alliierten rückten vor
vergleichend so reich wie wir, glücklicher als wir

252 Partikeln
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MODUL 7
Subordinierende Konjunktionen
zeitlich (temporal) als/bevor/bis/sobald/während die Alliierten
vorrückten; nachdem sie vorgerückt waren
Art und Weise (modal) indem/ohne dass gestreikt wird, als ob, wie
begründend (kausal) weil/da die Schweiz verschont blieb
bedingend (konditional) wenn/falls gestreikt wird
einräumend (konzessiv) obwohl/obschon gestreikt wurde
entgegensetzend (adversativ) während wir schuften, faulenzen sie
Absicht, Zweck (final) damit/sodass der Frieden bewahrt wird;
um den Frieden zu bewahren


2.3 Das Adverb

Adverbien bezeichnen einerseits die lokalen (Ort), temporalen (Zeit), modalen (Art und Weise)
und kausalen (Grund) Umstände eines Geschehens genauer.

Ort (lokal): wo/woher/wohin …? Hier/dort/überall feierte man den Frieden.


Zeit (temporal): wann/wie lange ...? Sie lebten damals/vorher/immer in Berlin.
Art und Weise (modal): wie/womit ...? Sie kamen allein/gern/umsonst/nicht.
Grund (kausal): warum/weshalb? Darum/deshalb/folglich feiern sie.

Sie können sich anderseits auf Nomen, Adjektive und Adverbien beziehen und diese näher
bestimmen:
Die Leute hier hatten Glück. Sie hatten sehr grosses Glück. Sie wussten es schon damals.

Zu den Adverbien zählen wir auch die folgenden Wortgruppen:

Frageadverb Wo/wann
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mit digitalen Rede? und Kommentar für Lehrpersonen
Relativadverb der Fabrik, wo sie gearbeitet hat, wird
InEffretikon
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gestreikt.
Pronominal-/Präpositionaladverb Worauf wartest du? Ich denke nicht daran.

Einige wenige Adverbien lassen sich steigern (jedoch nicht deklinieren):

bald, gern, oft, sehr ... Sie reisen bald/eher ab.


Ich lese gern/lieber/am liebsten.
Nicht immer, aber immer öfter.
Ich schätze sie sehr/mehr als .../am
meisten.

2.4 Die Interjektion

Interjektionen sind eigenständige Wörter und Laute. Sie kommen vor allem in der gesproche-
nen Sprache, aber auch in der Comic-Literatur vor und drücken unterschiedliche Gefühle,
Empfindungen aus.

Erstaunen, Freude huch, hui, oh, oho, hurra, juhui


Schmerz, Schrecken au, aua, auweia
Bedauern, Nachdenken tja, hm
Ekel, Schadenfreude igitt, ätsch
Laute, Geräusche brr, miau, wumm
Bejahung, Verneinung ja, nein

Partikeln 253
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Aufgabe 4

Setzen Sie die präpositionalen Ausdrücke in den richtigen Fall.

abseits d––––– Weltgeschehen–– jenseits all––––– Vernunft––


angesichts d––––– Elend–– ohne gross––––– Widerstand––
Nachrichten aus erst––––– Hand–– seitens d––––– Armee––
entgegen d––––– bisherigen Verlauf–– mangels stichhaltig––––– Argumente––
gegenüber d––––– Kleinstaat–– ungeachtet d––––– Machtverhältnis––
innerhalb d––––– geltenden Recht–– wider jeglich––––– Fortschritt––
zugunsten d––––– Bürgertum–– mit all––––– Bürger–––––

Aufgabe 5

Setzen Sie die fehlenden Konjunktionen, Präpositionen und Endungen ein.

–––––––––––– Jakob Tanner, d––––– berühmt––––– Schweizer Historiker, stammt der Satz:
«Man kann auch Glück haben, ––––––––––– man es gar nicht merkt, –––––––––––– es einen
trifft.»
Dass Frankreich die Schweiz ––––––––––– d––––– Jahr––––– 1798/99 besetzt hatte, nahmen
die Zeitgenossen kaum ––––––––––– ein––––– Glücksfall wahr; auch nicht, dass ihnen
Napoleon 1803 die Mediation diktierte. Dies erwies sich später jedoch –––––––––– reich––––
© 2023 Segen.
Verlag SKVNicht nur,Sprache, Fokus SpracheBonaparte
AG: Fokus
––––––––––– BM mit digitalendie
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Schweiz
Lösungen
––––––––––– neutral–––––
und Kommentar für Lehrpersonen Zone um
die Alpenpässe bestehen liess, ––––––––––– auch, weil er ––––––––––– d––––– Mediations-
verfassung die zentralistische Helvetik beendete und ein Gefüge gleichberechtigter Kantone
etablierte.
Im Einmarsch der Franzosen, dies––––– wichtig––––– Voraussetzung für den Bundes-
staat, kann man ––––––––––– Nachhinein also einen Glücksfall sehen – ebenso wie
––––––––––– Alfred Escher, d––––– unheimlich––––– Machtmensch––––– seiner Zeit, der
––––––––––– Bahn, Kreditanstalt und ETH die wichtigen Strukturen ––––––––––– d–––––
Industrie-, Finanz- und Forschungsplatz Schweiz aufgebaut hat.
Die Umwertung historischer Ereignisse ––––––––––– später––––– Generationen ist allerdings
zweischneidig, wie immer, ––––––––––– etablierte Sichtweisen erschüttert werden.

Aufgabe 6

Wandeln Sie die unterstrichenen Satzglieder in gleichbedeutende Nebensätze um.

Dank der politischen Stabilität der Schweiz seit 1848 haben wir wenig Grund zur Klage.

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Nach der Niederschlagung des Generalstreiks 1918 durch die Armee setzten die Parteien

MODUL 7
auf die sozialpolitische Kompromissbereitschaft.

Trotz der Niederschlagung der Arbeiterbewegung wirkte im Bürgertum das Generalstreik-


trauma lange fort.


Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im September 1939 wurde die Schweizer Armee
unverzüglich mobilisiert.

Gemäss einer Notiz General Guisans im Tagesbefehl vom 8. Mai 1945 hatte die Schweizer
Armee ihre Aufgabe im Zweiten Weltkrieg erfüllt.

Mit der Verklärung der Schweiz als «Glücksfall» kann man leicht blind für die Realität werden.

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Laut neueren historischen Forschungsergebnissen spielten neben der Armee noch weitere Fak-
toren eine wichtige Rolle.

Wegen der wirtschaftlichen Kooperation der Schweiz mit Deutschland wurde ein «Anschluss»
ans Dritte Reich hinausgeschoben.

Dank der rechtzeitigen Befreiung des Kontinents durch die Alliierten blieb die Schweiz
verschont.

Weitere Übungen im Online-Tool eFokus Sprache BM

Partikeln 255
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  Modultest

Lesen Sie den Text aufmerksam durch, und lösen Sie die Aufgaben dazu.

1. Setzen Sie im mittleren Teil die fehlenden Präpositionen und Konjunktionen ein.

1 Selbst grosse Historiker wie Edgar Bonjour prägten die Formel, die Schweiz habe «ein-
fach Glück gehabt». Bis in die 70er-Jahre vermied es die Forschung, dieser Einschätzung
auf den Grund zu gehen. Erst jetzt wurde der «Glücksfall» allmählich hinterfragt, unter
anderem von den Historikern Jakob Tanner und Markus Heiniger. Beide stuften den
5 militärischen Anteil zurück und hoben die wirtschaftliche Kooperation der Schweiz mit
Nazi-Deutschland hervor.

­Inzwischen hat auch die Bergier-Kommission ein ganzes Bündel ––––––––––– Faktoren
ausgebreitet, die ––––––––––– Verschonung geführt hatten. Die Sicht der Armee
––––––––––– alleinige Retterin ist nicht mehr haltbar, und Gottes Beitrag verflüchtigt
10 sich. Tanner sagt heute, ––––––––––– durchaus Glück ––––––––––– Spiel war, aber er
bürstet es ––––––––––– den Strich: «Führt man Glück als Faktor ein, so kann man das
––––––––––– göttliche Vorsehung beziehen oder mit dem viel prosaischeren Sachverhalt
––––––––––– Verbindung bringen, dass die Schweiz strategisch im ‹toten Winkel› lag
und der durchaus beabsichtigte Anschluss ans Dritte Reich von der Kriegsführung der
15 Alliierten durchkreuzt wurde – sodass die Schweiz einfach Glück hatte, ––––––––––– die
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Alliierten den Kontinent rechtzeitig befreiten.»

Nach ––––––––––– vor prägt die Idee des Glücksfalls das Selbstbild der Schweiz – meist
in der Form des «Glücks der Tüchtigen». Da stammt ––––––––––– dem 18. Jahrhundert
das Bild der Alpeninsel, ––––––––––– unverdorbene Menschen tugendhaft und edel nahe
20 am glücklichen Urzustand leben. Da ist die im 19. Jahrhundert aufgewertete Gründungs-
mythologie mit Tell und den Schwurbrüdern. Und da ist ––––––––––– modernerer Form
die Vorstellung –––––––––– «Sonderfall Schweiz», entstanden als liberale Kleinrepublik
mitten ––––––––––– reaktionären Europa, sich tapfer behauptend –––––––––– alle Fähr-
nisse, unschuldig, neutral, urdemokratisch und deshalb –––––––––– Recht vom Schicksal
25 belohnt.

Die Kehrseite: Wer sich selbst so glücklich schätzt und das noch als eigenes Verdienst
empfindet, sieht die andern als Unglückliche, unterstellt ihnen Neid und sieht, was
ringsum geschieht, in erster Linie als Bedrohung. Man wähnt sich auf der Insel der
Glückseligen und zieht sich von der Welt zurück. Folgerichtig hielt sich die Schweiz
30 lange von der UNO fern. Folgerichtig beobachtet sie die EU mit Misstrauen. Europa ist
aus Schmerz geboren. Das Unglück des Weltkriegs lehrte die Nationen, dass sie ihr
Glück in der Kooperation suchen müssen. Die kollektive Erfahrung von Leid ist der Ur-
sprung der EU, ein Projekt, das zuallererst der Friedenssicherung dient. Die Schweiz hat

256 Partikeln
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eine grundlegend andere Erfahrung: Indem sie das Glück hatte, verschont worden zu

MODUL 7
35 sein, wurde sie um die Leiderfahrung gebracht. Sie redet sich ein, sie sei für ihr Glück
nicht auf andere angewiesen; es lasse sich vielmehr bewahren, indem man sich draussen
halte. Die Frage ist nur, ob es in der heutigen Welt drinnen und draussen noch gibt.

2. Sind die folgenden Aussagen gemäss Text richtig oder falsch? Kreuzen Sie an:
richtig falsch
a) Erst rund drei Jahrzehnte nach Kriegsende begannen Historiker,


die «Glücksformel» kritisch zu hinterfragen. o o

b) Im Gefolge von General Guisan führte Tanner den «Glücksfall Schweiz»


auf göttliche Vorsehung zurück. o o

c) Dass sie verschont blieben, halten die Schweizer gewissermassen für


ihr Verdienst. o o

d) Es war politisch richtig, dass sich die Schweiz zunächst von der UNO
distanzierte. o o
e) Die Schweiz ist nach wie vor nicht auf fremde Hilfe angewiesen. o o

3. Führen Sie aus dem Text drei Begründungen für die folgende Aussage an.
Notieren Sie lediglich die Kausalnebensätze.

Die Schweiz blieb von einer Besetzung durch Deutschland verschont, …


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1.

2.

3.

4. Drücken Sie diese Aussage mit eigenen Worten aus. Mindestens die unterstrichenen
Ausdrücke müssen ersetzt werden.

Sie stuften den militärischen Anteil zurück und hoben die wirtschaftliche Kooperation der
Schweiz mit Nazi-Deutschland hervor.

5. Was führte laut Text zur Gründung der EU?

Partikeln 257
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6. Welche Antwort legt die Frage am Schluss des Textes (Z. 37) nahe?

Um was für eine Art Frage handelt es sich folglich?


7. In «Fährnisse» (Z. 23/24) steckt der Wortstamm -fahr-. Leiten Sie davon ein weiteres
Nomen und ein Verb ab, die mit «Fährnisse» verwandt sind.
Nomen: –––––––––––––––––––––––––––––– Verb: ––––––––––––––––––––––––––––––––––

8. Bilden Sie Satzgefüge, indem Sie die einfachen Sätze mit den entsprechenden
Konjunktionen verknüpfen.

temporal Die Rote Armee rückte im Osten vor. Die Alliierten stiessen im Westen vor.

adversativ Der Krieg verwüstete halb Europa. Die Schweiz blieb verschont.

konzessiv Es bestanden Angriffspläne. Die Schweiz kam davon.


final Die EU wurde gegründet. Man wollte den Frieden sichern.


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9. Wandeln Sie die unterstrichenen Satzglieder in Nebensätze um.


Trotz der Niederschlagung der Arbeiterbewegung 1918 erholte sich das Bürgertum vom
Trauma des sozialen Unfriedens lange nicht.

Erst später setzte sich Einsicht in die Abhängigkeit der gesellschaftlichen Stabilität von der
sozialpolitischen Kompromissbereitschaft durch.

Die Umwertung historischer Ereignisse durch spätere Generationen ist zweischneidig.



Muster­
prüfung
Man setzt sich damit leicht dem Vorwurf der Leugnung anerkannter «Wahrheiten» aus.


Lösung

Weiterer Modultest und Modulprüfung im Online-Tool eFokus Sprache BM

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MODUL 8
Schlussprüfung


Hinweise und Tipps

• Der Abschlusstest deckt schwerpunktmässig die


Inhalte von «Fokus Sprache BM – Deutsch für
Berufsmatura und Weiterbildung» ab und zeigt
Ihnen auf, inwieweit Sie den behandelten Stoff
beherrschen.

• Die Aufgaben zum Textverstehen, zu Stilistik


und Wortschatz sowie zu Grammatik und
­Zeichensetzung entsprechen zudem inhaltlich
und formal der Teilprüfung «Textanalyse», die
in mehreren Deutschschweizer Kantonen Text-
produktion und mündliche Prüfung ergänzt.
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• Überfliegen Sie zunächst die Testaufgaben, und


­teilen Sie die Zeit optimal ein. Beginnen Sie mit
den Aufgaben, die Sie mühelos lösen können,
und wenden Sie die Methoden an, die Ihnen aus
Fokus BM vertraut sind. Achten Sie in Ihren
­Lösungen auch auf die sprachliche Korrektheit.

Viel Erfolg!

259
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Fokus Schlussprüfung

1 Der damalige US-Präsident George W. Bush hatte bei schens beschwört. «Besitzen kann jeder, kluges Teilen
seiner Wiederwahl 2004 proklamiert, nur eine Gesell- 55 ist eine neue Disziplin des Zusammenlebens.»
schaft von Eigentümern sei eine vitale amerikanische
Botsman spekuliert, dass in den nächsten paar Jahren
Gesellschaft. Das Streben nach Besitztum hat aller-
weltweit Waren und Dienstleistungen im Wert von
5 dings das Land nicht gestärkt, sondern verschuldet.
über zwei Milliarden geteilt werden. Der globale
Doch auch Amerika ist lernfähig. So wird derzeit in
Markt­forscher Frost & Sullivan schätzt, dass bis ins
den USA eine neue Ökonomie des kapitallosen Aus- 60 Jahr 2020 die Zahl geteilter Autos in Europa von
tausches als «Shareconomy» ausgerufen. Teilen und
­momentan rund einer Million auf 15 Millionen an-
tauschen sind die interessantesten Konsumstichworte
wächst. Beim Marktführer Mobility sind es allein in
10 des Jahres. Auch bei uns. Nun gibt es Mitfahrzentralen,
der Schweiz im Moment 2650 Fahrzeuge.
Lesezirkel und Tauschnetzwerke schon seit längerer
Zeit. Neu am Teilen und Tauschen der Generation 2.0 Nach Jahren des Besitzstrebens setzt sich bei vielen die
ist, dass es dank dem Internet schnell und sexy gewor- 65 Einsicht durch, es sei unnötig, alles selber zu besitzen.
den ist. Doch nicht alle Tauschkreise sind dem Internet Der Konsum konzentriert sich auf den praktischen und
15 gegenüber gleich aufgeschlossen, wie das Beispiel des zeitlich beschränkten Nutzen einer Ware. Neben einer
Vereins Pumpipumpe zeigt: Laut Homepage will der flexiblen Nutzung und der Möglichkeit, neue Dinge
Verein leihfreudige Nachbarn und ihre Gegenstände mit einem geringen finanziellen Risiko auszuprobieren,
sichtbar machen und die gemeinsame Nutzung von 70 spielt aber auch die Liquidität eine Rolle. So resümierte
Konsumobjekten fördern. Das geschieht aber nicht Lucia Reisch, Professorin der Copenhagen Business
20 übers Internet, sondern mit kleinen Aufklebern an School (CBS), unlängst in einem Essay pragmatisch:
Briefkästen, an denen Nachbarn und Quartierbewohner «Der professionelle Tauschhandel ist derzeit solch ein
täglich vorbeigehen. Sie könnten so direkt miteinander starker Wirtschaftszweig, weil die Leute weniger Geld
in Kontakt treten, sich Velopumpe, Akkubohrer oder 75 zur Verfügung haben als früher.»
Fondue-Set ausleihen, und lernten sich auf diese Weise Zudem verlieren Prestigeobjekte immer mehr an Be-
25 besser kennen. deutung. Heute ist in Sachen Statussymbole schon gar
Paradoxerweise ©ist2023
dieVerlag
Zielgruppe der Sprache,
SKV AG: Fokus TauscherFokusund niemandem
Sprache BM mit digitalen mehr
Lösungen und zu trauen.
Kommentar Das Haus ist sowieso von
für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon der Firma bezahlt, und die Markenkleider sind aus dem
Teiler genauso hedonistisch wie in manchen Belangen
missionarisch. Es sind in der Regel jüngere Leute, die 80 Edel-Vintage-Laden.

sich zwar gerne konsumkritisch geben, aber dennoch Wechselnde Konsumbedürfnisse haben heute schon die
30 nicht auf all die schönen Seiten des Lebens verzichten Kleinsten, und so staunt man als Eltern immer wieder,
wollen. Eigentlich müsste sich an dieser Stelle die wie kurz die Faszination von manchem Spielzeug auf
Katze in den Schwanz beissen – aber eben nur Kinder wirkt. Eine charmante Alternative zur Anhäu-
eigentlich. Dank vielen findigen Internetanbietern 85 fung von Bergen im Kinderzimmer hat ein ehemaliger
wächst das Netzwerk nach eigenen, äusserst rasanten Kunststudent aus Berlin mit der Spielzeugkiste ent-
35 Gesetzen. Das Internet fördert und professionalisiert wickelt. Auf dem Internetportal kann man sich mit
den Tauschhandel. Die Hemmschwelle, Kleider, Autos, einem Monatsabonnement (zwischen 15 und 35 Fran-
Häuser und Dienstleistungen auszutauschen, sinkt: ken) eine Spielzeugkiste mit Markenspielsachen zu-
Man betreibt Gemeinschaftsgärten, besucht Swap-Par- 90 sammenstellen. Das Kind kann so lange damit spielen,
tys, bei denen Kleider getauscht werden, oder ist Mit- wie es mag, danach schickt man die Kiste wieder zu-
40 glied in Tauschringen für Städteappartements. rück oder kauft die Sachen mit einem Rabatt von rund
«Wir haben nicht weniger, wenn wir teilen, sondern 30 Prozent. Das Start-up aus der deutschen Hauptstadt
mehr», sagt Rachel Botsman, eine britische Forscherin. wurde mehrfach ausgezeichnet.
Mit ihrem aktuellen Buch «What’s Mine Is Yours» hat 95 Berlin ist die Stadt in Europa, in der am selbstver-
sie als eine der Ersten den Begriff «Collaborative Con- ständlichsten getauscht wird. Dies befand eine Studie
45 sumption» geprägt. Damit schaffte es die 34-jährige des Gottlieb-Duttweiler-Instituts. Das Team um Stu­
Botsman, die aussieht wie ein Hollywoodstar, auf die dien­leite­rin Karin Frick forschte dazu und fand heraus:
Liste des «Time Magazine» mit den «10 besten Ideen, Frauen teilen mehr als Männer, jüngere Menschen
die die Welt verändern werden». Sie gilt als Galions- 100 mehr als ältere. «Aus der Professionalisierung des
figur einer immer grösser werdenden Bewegung, die in Tauschhandels wächst ein eigener Wirtschaftszweig
50 Anbetracht schwindender Ressourcen mehr «Wir» und heran. Auto- und Häuser-Sharing gehören zu den
weniger «Ich» fordert. «Das Anhäufen von Dingen schnellstwachsenden Segmenten», sagt Frick. «Aber das
langweilt den Menschen», schreibt Botsman, die in Modell lässt sich auf viele weitere Produktkategorien
ihrem Manifest eine Renaissance des Teilens und Tau- 105 ausweiten.»

260 Schlussprüfung
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Zeit: 60 Minuten Hilfsmittel: Rechtschreibwörterbuch

MODUL 8
Alle Aufgaben der Schlussprüfung beziehen sich auf den Text.
Formulieren Sie Ihre Antworten in vollständigen Sätzen und in eigenen Worten.

1. Kreuzen Sie an, ob die folgenden Aussagen im Sinne des Textes richtig oder falsch 4
sind.
richtig falsch
a) Es gibt nicht nur gesellschaftliche Anlässe, an denen Kleider getauscht


werden, sondern auch Gruppen, die ihre Ringe tauschen. o o
b) Die Autorin behauptet, dass es die britische Forscherin
Rachel Botsman nur wegen ihres Aussehens ins «Time Magazine»
geschafft habe. o o
c) Die Tauschbewegung propagiert mit Blick auf die knapper werdenden
Rohstoffe mehr Bescheidenheit und Solidarität. o o
d) Die britische Forscherin Rachel Botsman fordert ein disziplinierteres
Zusammenleben. o o
e) Die Autorin hält es für überholt, von Luxusgegenständen auf den
Wohlstand der Besitzer zu schliessen. o o
f) Die Begeisterung gegenüber dem Tauschen ist bei jungen Berliner
Frauen am grössten, bei alten Männern am kleinsten. o o

2. Was hat sich am Besitz und an der Einstellung ihm gegenüber verändert, sodass 2
immer mehr Menschen an der «Shareconomy» teilnehmen?
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Führen Sie diese Veränderung
Persönliches Exemplar vonan
Lizazwei Aspekten
Basha, 8307 Effretikon aus.

3. Welche Vorteile bringt das Internet der Tauschidee, ausser dass es sie allgemein 2
fördert?

Schlussprüfung 261
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
2 4a) Drücken Sie den Inhalt des folgenden Satzes in eigenen Worten aus.
Formulieren Sie einen vollständigen Satz, in dem mindestens die unterstrichenen
Teile ersetzt sind.

Paradoxerweise ist die Zielgruppe der Tauscher und Teiler genauso hedonistisch
wie in manchen Belangen missionarisch. (Z. 26 – 28)

2 4b) Erklären Sie, was an der Aussage von 4a) paradox ist.

1 5a) Was bedeutet die folgende Redewendung? Kreuzen Sie die richtige Lösung an.
«Eigentlich müsste sich an dieser Stelle die Katze in den Schwanz beissen.» (Z. 31f.)

o da schliesst sich der Kreis o in einem Teufelskreis gefangen sein
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Exemplar
Persönliches o das Pferd
von Lizabeim Schwanz
Basha, 8307 aufzäumen
Effretikon o die Quadratur des Kreises sein

2 5b) Führen Sie zwei weitere Redewendungen mit «Katze» an, und erklären Sie deren
Bedeutung.

3 6. Was bedeuten folgende Wörter im Textzusammenhang?


Kreuzen Sie je die beiden richtigen Varianten an.

a) betreiben (Z. 38): b) Galionsfigur (Z. 48f.): c) beschwören (Z. 54):

o Schulden einfordern o Werbefigur o bekräftigen


o organisieren o Rebellin o zusichern
o mahnen o Symbol o vereidigen
o führen o Kompass o inständig bitten

262 Schlussprüfung
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
7a) Welchen Kasus (Fall) verlangt die Wendung «in Anbetracht» (Z. 49f.)? 1

MODUL 8
o Nominativ   o Genitiv  o Dativ  o Akkusativ

7b) Formulieren Sie das Gegenteil der Aussage «in Anbetracht schwindender 1
Ressourcen» (Z. 49f.), und notieren Sie die neue Formulierung vollständig.

8. Setzen Sie in den folgenden Sätzen alle Teilsätze vollständig vom Passiv ins Aktiv
und umgekehrt. Behalten Sie Tempus und Modus bei.

a) Von Andreas Amstutz ist mit sharely.ch eine Plattform gegründet worden, über die 2
in der Schweiz private Alltagsgegenstände gemietet oder vermietet werden können.

b) Als Gründungsidee wird genannt, von Amstutz sei ebenso wie von anderen das Anhäufen 3
von Besitz schon länger argwöhnisch beobachtet worden; schliesslich habe er jahrelang
allen Besuchern stolz seinen leeren Keller präsentiert.
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

9. Formulieren Sie die folgenden Sätze zu Satzgefügen um. Die unterstrichenen Teile
müssen dabei in Nebensätze umgewandelt werden. Notieren Sie die ganzen Satz-
gefüge.

a) Heute ist in Sachen Statussymbole schon gar niemandem mehr zu trauen. 1

b) 
Laut Karin Frick schafft der Tauschhandel wegen der zunehmenden Professionalisierung 2
zukünftig viele Arbeitsplätze.

Schlussprüfung 263
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2 c) 
Dank vielen findigen Internetanbietern wächst das Netzwerk nach eigenen, äusserst
rasanten Gesetzen.

5 10. Setzen Sie folgenden Abschnitt in die indirekte Rede.


Benutzen Sie den gemischten Konjunktiv.
Eigentlich wollte Andreas Amstutz Mobility Konkurrenz machen mit einer Website, auf der
Private ihre Autos ausleihen. Dann erfuhr er, dass es von der Migros genau so ein Projekt
bereits gibt. So kam er, weil Bekannte immer mal wieder nach Bohrmaschine oder Hecken-
schere fragten, auf das Teilen von Alltagsgegenständen.

Notieren Sie die vollständigen verbalen Teile.


1) –––––––––––––––––––––––––––––––––– 4) ––––––––––––––––––––––––––––––––––
2) –––––––––––––––––––––––––––––––––– 5) ––––––––––––––––––––––––––––––––––
3) –––––––––––––––––––––––––––––––––– 6) ––––––––––––––––––––––––––––––––––

3 11a) Setzen Sie in den folgenden Sätzen alle notwendigen Kommas und Redezeichen.

Alles was man seltener als zweimal im Jahr braucht kann getrost ver- oder geliehen
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Fokus Sprache, Fokus Beat BM
Weyner Begründer
mit digitalen derKommentar
Lösungen und Plattform «meins ist
für Lehrpersonen deins» und
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
seine Mitarbeiter. Die restliche Zeit versperre solcher Besitz nur Platz im Keller.

3 11b) Braucht es an den nummerierten Stellen ein Komma oder nicht?


Notieren Sie die Nummern 1– 3 bei den zutreffenden grammatischen Erklärungen.

«Niemand tauscht Silberbesteck gegen Wollsocken (1) und zwar auch nicht gegen selbst-
gestrickte», hält die FAZ dagegen. «Und wer sich von den netten Menschen (2) wie in den
sogenannten Nachbarschaftsnetzen helfen lassen will, findet heute vor allem Mikrounter-
nehmer, die für ein paar Euro Aufgaben erledigen (3) die einmal Freundschaftsdienste
hiessen: Ikearegale zusammenbauen, Fahrräder reparieren oder Bilder aufhängen.»

–––––––––––––––––– Das Komma trennt zwei vollständige Hauptsätze.


–––––––––––––––––– Das Komma trennt den Nebensatz vom Hauptsatz.
–––––––––––––––––– Das Komma trennt Nebensätze unterschiedlichen Grades.
–––––––––––––––––– Das Komma trennt Appositionen ab.
–––––––––––––––––– Attribute und Satzglieder werden nicht willkürlich durch ein Komma
abgetrennt.
–––––––––––––––––– Vor aneinanderreihenden Konjunktionen steht kein Komma.

264 Schlussprüfung
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12. Vervollständigen Sie folgende Sätze, indem Sie die Lücken mit Partikeln füllen und 4

MODUL 8
die Ausdrücke in Klammern in den richtigen Fall setzen.

Die Idee (der Firmengründer Florian Spathelf, ein Kunststudent aus Berlin) .........................
............................................................................................................................................
........................................, will ihren Teil _______________________ beitragen, dass man in
deutschen Kinderzimmern nicht länger durch Berge ungenutzten Spielzeugs waten muss.
______________ von (die Eltern, die typische Kundschaft) ...............................................


..............................................................................................................................., beim
Zurück­senden _________________________ alle ausgeliehenen Legoteile wiedergefunden
werden, ist eine andere Frage.

13. Korrigieren Sie die sechs Rechtschreib- und Grammatikfehler. 5


Notieren Sie die richtige Form in die Spalte rechts neben den Text.

Die USA zählt schon 24 Prozent ihrer Bürger zur Bevölkerungs- ––––––––––––––––––
gruppe der «kulturell Kreativen», wie sie vom amerikanischen ––––––––––––––––––
Soziologen Paul Ray bezeichnet werden. Die Meisten haben sich ––––––––––––––––––
bewusst für ein einfaches Leben als Alternative zur Überflussgesell- ––––––––––––––––––
schaft entschieden und «Lasst Armut cool werden» zu Ihrem ––––––––––––––––––
Lebensmotto erhoben. In ihrer kompromislosen Haltung erinnern ––––––––––––––––––
manche dieser Menschen denn auch an die Bettelorden des Mittel- ––––––––––––––––––
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
alters, deren Lebensstandart den Mönchen und Nonnen nur den ––––––––––––––––––
kleinstmöglichsten Besitz erlaubte. ––––––––––––––––––

Punkte (max. 50): _____P.


Abzug für sprachliche Verstösse: _____P.
Erreichte Punkte: P.

Weitere Schlussprüfungen im Online-Tool eFokus Sprache BM

Schlussprüfung 265
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ANHANG
Anhang
Quellenverzeichnis

Aus Büchern verwendete Texte


Seite 10 «Mutter lernt Englisch. Ein Drama». Aus: Elke Heidenreich, MiniDramen.
Hrsg. von Karlheinz Braun.
© Verlag der Autoren, Frankfurt am Main 1987.

Seite 20 «Herrn K.s Lieblingstier». Aus: Bertolt Brecht, Werke. Grosse kommentierte Berliner
und Frankfurter Ausgabe, Band 18: Prosa 3.
© Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1995.

Seite 22/23 «Kannitverstan». Aus: Johann Peter Hebel, Werke in einem Band.
© Winkler Verlag, München.

Seite 24 «Nachdenkliches und Kritisches». Aus: F. W. Bernstein, Reimweh.


Gedichte und Prosa. Ausgewählt von Eckhard Henscheid.
© 2023 Verlag SKV
© Reclam AG: Fokus
Verlag, Sprache,
Stuttgart Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
1994.
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Seite 26/27 «Das Missverständnis». Aus: Erich Fried, Das Unmass aller Dinge.
© Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1982.

Seite 37 «Das Blütenstaubzimmer». Aus: Zoë Jenny, Das Blütenstaubzimmer. Roman.


© Frankfurter Verlagsanstalt GmbH, Frankfurt am Main 1997.

Seite 58 «Herbsttag». Aus: Echtermeyer – Deutsche Gedichte. 19. Auflage.


Hrsg. von Elisabeth K. Paefgen.
© Verlag Cornelsen, Berlin 1982.

Seite 101 «Verehrtes Publikum …». Aus: Bertolt Brecht, Werke. Grosse kommentierte Berliner
und Frankfurter Ausgabe, Band 6: Stücke 6.
© Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1989.

Seite 102 «Uns kommt nur noch die Komödie bei». Aus: Friedrich Dürrenmatt, Theater.
© 1998 Diogenes Verlag AG, Zürich.

Seite 103 «Die Trichter». Aus: Christian Morgenstern, Alle Galgenlieder.


© Ex Libris Verlag, Zürich 1984.

«Nibelungenlied». Aus: Deutsche Dichtung in Epochen. Ein literaturgeschichtliches


­Lesebuch. Hrsg. von Walter Kissling u. a.
© Verlag Metzler, Stuttgart 1989.

Seite 104 «Sonett-Sonett». Aus: F.W. Bernstein, Die Gedichte.


© Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2003.

 Gut gefühlt …». Aus: Robert Gernhardt, Im Glück und anderswo. Gedichte.
«
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2002.

Seite 107  Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, Simplizissimus». Aus: Jürgen Neckam,
«
500 Romane in einem Satz.
© DuMont Verlag, Köln 2007.

267
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Seite 109/110 «Nathan der Weise». Aus: Gotthold Ephraim Lessing, Das dichterische Werk. Band 2.
Hrsg. von Herbert G. Göpfert und Gerd Hillen.
© Verlag Carl Hanser, München 1979.

Seite 111 «Juchheisa, nach Amerika». Aus: Barbara Boock, Schiller und Steinitz. In: John Eckhard
(Hrsg.): Die Entdeckung des sozialkritischen Liedes.
© Waxmann Verlag, Münster 2006.

Seite 112 «Die Leiden des jungen Werthers». Aus: Goethes Werke (Hamburger Ausgabe).
Band 6. 10., überarbeitete Auflage. Hrsg. und kommentiert von Erich Trunz.
© Verlag C.H. Beck, München 1981.

Seite 113 «Faust I und II». Aus: Goethes Werke (Hamburger Ausgabe). Band 3. 16., überarbei-
tete Auflage. Hrsg. und kommentiert von Erich Trunz.
© Verlag C. H. Beck, München 1986.

Seite 114/115 «Don Carlos». Aus: Friedrich Schiller, Werke in drei Bänden. Band 1.
Hrsg. von Herbert G. Göpfert, unter Mitwirkung von Gerhard Fricke.
© Verlag Carl Hanser, München 1966.

Seite 117 «Heinrich von Ofterdingen». Aus: Novalis, Werke in einem Band.
© Winkler Verlag, München.

«Mondnacht». Aus: Joseph von Eichendorff, Sämtliche Werke. Hrsg. von Harry


­Fröhlich.
© W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1994.

Seite 119 «Der Hessische Landbote». Aus: Georg Büchner, Werke und Briefe.
© Carl Hanser Verlag, München.

«Vorrede». Aus: Adalbert Stifter, Bunte Steine und Erzählungen.


© Winkler Verlag, München 1961.

Seite 121 «Realismus». Aus: Theodor Fontane, Sämtliche Werke. Band 14.
© Carl Hanser Verlag, München 1976.

Seite 121/122 «Effi Briest». Aus: Theodor Fontane, Romane und Erzählungen in drei Bänden, Band 2.
© Carl Hanser Verlag, München 1985.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Seite 122 «Theodor Fontane, Effi Briest». Aus: Jürgen Neckam, 500 Romane in einem Satz.
© DuMont Verlag, Köln 2007.

Seite 123 «Der römische Brunnen». Aus: Conrad Ferdinand Meyer, Sämtliche Werke,
Band 1 und Band 3.
© Benteli Verlag, Bern 1963.

«Im Sommer». Aus: Wilhelm Busch, Was beliebt ist auch erlaubt. Sämtliche Werke.
Band 2. Hrsg. von Rolf Hochhuth.
© C. Bertelsmann, Gütersloh 1959.

Seite 125 «Die Weber». Aus: Gerhart Hauptmann, Sämtliche Werke, hrsg. von Hans-Egon Hass.
© Propyläen Verlag in der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 1996.

Seite 127 «Verklärter Herbst». Aus: Georg Trakl, Dichtungen und Briefe. 3. Auflage. Hrsg. von
Walter Killy und Hans Szklenar.
© Otto Müller Verlag, Salzburg 1974.

Seite 127/128 «Unterm Rad». Aus: Hermann Hesse, Unterm Rad. Erzählung.
© Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1972.

Seite 129/130 «Ich bin so vielfach». Aus: Emmy Ball-Hennings – 1885 – 1948. Texte,
Bilder, Dokumente. Zusammengestellt von Bernhard Echte u. a.
© Stroemfeld Verlag, Basel.

Seite 130 «Weltende». Aus: Gedichte des Expressionismus. Hrsg. von Dietrich Bode.
© Reclam Verlag, Stuttgart 1966.

Seite 132 «Berlin Alexanderplatz». Aus: Alfred Döblin, Berlin Alexanderplatz.


© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 1930.

Seite 133 «Das kunstseidene Mädchen». Aus: Irmgard Keun, Das kunstseidene Mädchen.
© Claassen Verlag in der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 1989.

Seite 135 «Jugend ohne Gott». Aus: Ödön von Horvath, Jugend ohne Gott. Roman.
© Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1971.

268
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Seite 137/138 «Theresienstadt». Aus: Max Frisch, Tagebuch. 1946 – 1949.

ANHANG
© Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1950.

Seite 140/141 «Die Tochter». Aus: Peter Bichsel, Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann
­kennenlernen. 21 Geschichten.
© Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1993.

Seite 141 «Mittagspause». Aus: Wolf Wondratschek, Früher begann der Tag mit einer
­Schusswunde.
© Verlag Carl Hanser, München 1969.

Seite 142 «Häutungen». Aus: Verena Stefan, Häutungen. Mit einem Vorwort zur Neuausgabe.
© Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1994.

Seite 144/145 «Top Dogs». Aus: Urs Widmer, Top Dogs.


© Verlag der Autoren, Frankfurt am Main 1997.

Seite 147 «Ihri Stimm». Aus: Pedro Lenz, Radio. Morgengeschichten. edition spoken script 15.
© Der gesunde Menschenversand, Luzern 2014.

Seite 148/149 «Im Turm». Aus: Jürg Amann, Zimmer zum Hof. Erzählungen.
© Haymon Verlag, Innsbruck-Wien 2006.

Seite 150/151 «Lieblingsmenschen». Aus: Laura de Weck, Lieblingsmenschen.


© 2007 Diogenes Verlag AG, Zürich.

Seite 151 «Frühlingslied» – «Elfmeter». Aus: Wolfgang Bortlik, Am Ball ist immer der Erste.
­Gedichte von Fussball und so.
© Limmat Verlag, Zürich 2006.

«Neuer Frühling VI». Aus: Heinrich Heine, Werke in drei Bänden, Band 1.
© Winkler Verlag, München.

Seite 152 «The Last Show». Aus: Franz Hohler, Der Autostopper. Die kurzen Erzählungen.
© Luchterhand Literaturverlag, München 2014.

«ARD, Sonntag, 20.48 Uhr». Aus: Fritz Eckenga, Mit mir im Reimen. Alle Gedichte
und neue.
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
© Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2015.
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

Seite 153 «Die Frau hinter Willimann». Aus: Martin Suter, Business Class.
© 2002 Diogenes Verlag AG, Zürich.

Seite 154 «Unverhofftes Wiedersehen». Aus: Johann Peter Hebel, Werke in einem Band.
© Winkler Verlag, München.

Seite 155 «43 Liebesgeschichten». Aus: Wolf Wondratschek, Früher begann der Tag mit
einer Schusswunde.
© Verlag Carl Hanser, München 1969.

«Die Dämmerung». Aus: Alfred Lichtenstein, Gedichte des Expressionismus.


Hrsg. von Dietrich Bode.
© Reclam Verlag, Stuttgart.

Seite 156 «Alle Tage». Aus: Ingeborg Bachmann, Werke, Bd. I: Gedichte.
© 1978 Piper Verlag GmbH, München.

«ins lesebuch für die oberstufe». Aus: Hans Magnus Enzensberger,


Verteidigung der Wölfe.
© Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1957.

Seite 217/218 «Anna Göldin – letzte Hexe». Aus: Eveline Hasler, Anna Göldin – letzte Hexe.
© Benziger Verlag AG, Zürich 1982.

Seite 225 «Mit der Eisenbahn ins Tessin». Aus: Heinz Weder (Hrsg.), Reise durch die Schweiz.
© Manesse Verlag, Zürich 1991.

Seite 226 «Wege durch Zürich». Aus: Richard Zürcher, Wege durch Zürich.
© Rascher Verlag, Zürich und Leipzig 1939.

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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Aus Zeitungen und Zeitschriften verwendete Texte
Alle Texte sind (zum Teil stark) gekürzt und verändert.

Modul 1 Es isch hammergeil und hed au mega Style


Delf Bucher, Simsen, Wie der Schnabel wächst.
Tages-Anzeiger, 16. 11. 2005

Modul 2 Mit dem Handy zum Märchenprinzen.


Tages-Anzeiger, 10. 3. 2014

Wenn man Deutschschweizer Kinder beobachtet …


Mathieu von Rohr, Fremdsprache Deutsch.
Das Magazin, 06 – 2006

Emanuel La Roche, Die Gehemmten und ihr Nachbar.
Tages-Anzeiger, 31. 7. 1998

Felix Raymann, Die Grenzen des digitalen Rotstifts.
Tages-Anzeiger, 17. 7. 2006

Modul 3 Christian Schmidt, Wie schreibt man «Gefahr» in 10 000 Jahren?


Tages-Anzeiger, 25. 4. 2007

Modul 4 Pia Reinacher, Lesen – ein Blick ins eigene Gesicht.


Tages-Anzeiger, 12. 6. 1997

Modul 5 Helmut Stalder, Die Rückkehr des «Schweizer Übervaters».


Tages-Anzeiger, 17. 3. 2006

Martin Vetterli, Alfred Eschers Dampfmaschine des Kredits.


Tages-Anzeiger, 5. 7. 2006

Modul 6 Jakob Tanner, Das neue Wohlbehagen im Kleinstaat.


Tages-Anzeiger, 30. 11. 2007

Modul 7 Helmut Stalder, Einsam auf der Insel der Glückseligen.


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Tages-Anzeiger, 21. 8. 2006
Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon

Modul 8 Martina Bortolani, Ein Tusch auf Tauscher.


SonntagsZeitung, 5. 1. 2014

Abbildungsverzeichnis

Seite 106 moviepilot.de Seite 126 wikimedia.org


Seite 107 filmposter-archiv.de Seite 129 wikimedia.org
Seite 108 commons.wikimedia.org Seite 131 in-die-zukunft-gedacht.de
Seite 109 stephanschad.eu Seite 133 in-die-zukunft-gedacht.de
Seite 110 magazin.spiegel.de Seite 134 in-die-zukunft-gedacht.de
Seite 111 interview.de Seite 136 wikimedia.org
Seite 112.1 fbw-filmbewertung.com Seite 137 movies.ch
Seite 112.2 wikimedia.org Seite 138 new-video.de
Seite 113 thegenealogyofstyle.wordpress.com Seite 139 ndr.de
Seite 114 newlyswissed.com Seite 141 blog.roberthalf.de
Seite 115 images-eu.amazon.com Seite 142 wikimedia.org
Seite 116 wikimedia.org Seite 143 fastcoexist.com
Seite 117 wikimedia.org Seite 145 prisma-theater.de
Seite 118 wikimedia.org Seite 146 ignitordigital.com
Seite 120 wikimedia.org Seite 147 outnow.ch
Seite 121 filmposter-archiv.de Seite 149 buzzfeed.com
Seite 122 wikimedia.org Seite 152 frenetic.ch
Seite 124 Brändle Rea, Wildfremd, hautnah. Seite 153 filmland-nrw.de
Rotpunktverlag, Zürich 2013  Seite 155 wikimedia.org
Seite 125 wikimedia.org Seite 156 spiegel-antiquariat.de

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Stichwortverzeichnis

ANHANG
Ablaut 164 Fremdwort 167, 170, 183
Adjektiv 160f., 176f., 239ff. Fugenelement 166
Adverb 248, 251 Futur 216
Adverbiale 190, 192
Aktiv 220 Gebrauchstexte 21
Analyse literarischer Texte 30 Gedankenstrich 207
Analyse von Sachtexten 35 Genus 230
Anführungszeichen 207 Getrenntschreibung 180
Anglizismus 168, 170 Gleichsetzungsnominativ 190
Antike 106 Gliederungshilfen 67
Antonym 227, 234 Globale Ökonomisierung 146
Apposition (Õ Nachtrag) Grossschreibung 174ff.
Argumentieren, Argumentation 75ff., 78, Grundwort 166
83f.
Artikel 236 Hauptsatz 193, 203, 205
Attribut 188, 190, 192, 202 Hilfsverb 212
Aufklärung 108ff. Humanismus 107
Aussprache 70
Indirekte Rede 222ff.
Ballade 103 Inhaltsangabe 48
Barock 107 Interjektion 251
Bericht 45
Beschreibung 47 Jahrhundertwende 126ff.
Besprechung 48 Junges Deutschland 118f.
Bestimmungswort 166
Biedermeier 118f. Kasus 232
Bindestrich 182f. Klammern 207
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Sprache113ff.
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Persönliches Exemplar von Liza Basha, 8307 Effretikon
Charakteristik 47, 49 Kleinschreibung 174ff.
Kolumne 14
Deklination 232f., 240 Komma 202ff.
Dialektik 79 Kommentar 46
Diskussion 88f. Kommunikationsmodell 15
Dokumentartheater 102 Komparation 241, 251
Doppelpunkt 178, 207 Kompositum (Õ Wortzusammensetzung)
Dramatik 20, 100ff. Konjunktion 248, 250f.
Drehbuch 49 Konjunktiv 222ff.
Drei Einheiten 102 Kontext 29, 35
Drittes Reich und Exil 134f. Körper-Rhetorik 67
Kurzgeschichte 98
Einfacher Satz 193, 202f.
Ellipse (Õ Satzfragment) Lehnwort 167
Epik 20, 97ff. Lesen 18f.
Episches Theater 101 Lied 104
Epoche 105 Literarische Textsorten 20
Erbwort 167 Lyrik 20, 103f.
Erörtern, Erörterung 75ff., 79ff.
Ersatzprobe 188 Medien 58ff.
Erzähler 97 Medienmitteilung 64
Erzählung 45, 98 Meldung 45
Essay 49 Methoden Textinterpretation 31
Expressionismus 129f. Metrum 104
Mittelalter 106
Feedback 73 Modalverb 212
Figur 28, 30, 98 Monolog 98, 102
Fiktionale Texte 20 Motiv 98
Flexibilisierung 149ff.

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Nachkrieg und Restauration 136ff. Schlüsselwörter 18, 27
Nachricht 45 Schreibhilfen 52
Nachtrag 190, 203 Schriftliche Textanalyse 36
Naturalismus 124f. Sonett 104
Nebensatz 193ff., 203, 205 Soziale Medien 60f., 146
Neue Subjektivität 139ff. Sprache 13
Nomen 160f., 176, 230ff. SQ3R-Methode 19
Nominalisierung 176f., 182 Ständeklausel 102
Nominalstil 265 Statement 70
Nonverbale Kommunikation 67 Stilschichten 53
Novelle 98 Stimme 66
Numerus 231 Strichpunkt 207
Strophe 104
Objekt 190 Sturm und Drang 111f.
Subjekt 190
Parabel 20, 99 Substantiv (Õ Nomen)
Parodie 49 Suffix 164
Partikel 160f., 177, 248ff. Superlativ 241
Passiv 220 Symbol 13, 99
Perfekt 216f. Synonym 168, 181, 234
Plot 99 Syntax (Õ Satzlehre)
Plusquamperfekt 216f. Systematisches Fragen 28, 34
Politisierung 139ff.
Positiv 241 Teilsatz 193, 202
Postmoderne 143ff. Textanalyse 25ff., 36
Prädikat (Õ verbaler Teil) Textsorten 20
Präfix 164 Thema verstehen 80
Präposition 248, 250 Trivialliteratur 99
Präpositionales Gefüge 192
Präpositionalobjekt 192 Umkehrbare Kommunikation 17
Präsens 216f. Umlaut 164
© 2023 Verlag SKV AG: Fokus Sprache, Fokus Sprache BM mit digitalen Lösungen und Kommentar für Lehrpersonen
Präsentation
Persönliches Exemplar von 71f.
Liza Basha, 8307 Effretikon
Präteritum 216f. V-Effekt 101
Pronomen 160f., 176, 236 Verb 160f., 177, 212ff.
Verbaler Teil 188, 190f.
Realismus 120ff. Verbzusatz 160
Redigieren 87 Vers 103
Referat 71f. Verschiebeprobe 188
Reformation 107 Vier-Ohren-Modell 17
Reim 103 Vier-Seiten-Modell 15f.
Renaissance 107
Reportage 49 W-Fragen 28
Rezension 48 Weglassprobe 188
Rezeption 29, 48 Wortableitung 164
Rhetorik 65ff. Wortfamilie 164
Rhetorische Figuren 68f. Wortstamm 164
Rhythmus 104 Wortzusammensetzung 166, 180, 183
Roman 99
Romantik 116f. Zeichen 11ff.
Zeichenmodell 11
Sach- und Gebrauchstexte 21 Zeichensystem 13
Sachstil 85 Zeit 99
Satzanalyse 188ff. Zeitverhältnisse 217, 224
Satzfragment 193, 203 Zusammenfassung 48
Satzgefüge 192, 203 Zusammengesetzter Satz 193, 202f.
Satzglied 188ff., 202 Zusammenschreibung 180
Satzhierarchie 193, 205 Zwanzigerjahre 131ff.
Satzlehre 188ff.
Satzreihe 193, 203
Satzverbindung 193, 203
Schilderung 47

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