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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bauphysik 31 (2009), Heft 2 99
11_099-105_Baumann (694) 25.03.2009 10:03 Uhr Seite 100
O. Baumann/C. Reiser/J. Schäfer · Grün ist nicht gleich Grün – Einblicke in das LEED-Zertifizierungssystem
O. Baumann/C. Reiser/J. Schäfer · Grün ist nicht gleich Grün – Einblicke in das LEED-Zertifizierungssystem
(4,5 und 3 l) in Kombination mit wasserlosen Urinalen er- LEED NC, LEED EB, etc. Unterschiede zwischen glei-
reicht werden. chen Kriterien in verschiedenen Systemen wurden berei-
Kernstück der Kategorie Energie und Atmosphäre sind nigt und damit eine Art „Bookshelf“ erstellt, d. h., dass ein
die Kriterien Energieeffizienz des Gebäudes und die Er- Kriterium jetzt in allen Zertifizierungssystemen den iden-
zeugung und Nutzung erneuerbarer Energien auf dem Pro- tischen Inhalt hat. Bis auf diese Vereinheitlichung haben
jektgelände, mit denen bereits 26 % der gesamten Punkt- sich die Kriterien inhaltlich in LEED 2009 nur in einigen
zahl erreicht werden können. Die Energieeffizienz wird Details, wie die Angleichung an neue ASHRAE-Standards,
durch eine Gebäudesimulation nach dem ASHRAE Stan- geändert.
dard 90.1-2007, Appendix G (ASHRAE: American Society Bisher variierte die maximal erreichbare Punktzahl in
of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers) den jeweiligen Zertifizierungssystemen, z. B. vergab LEED-
nachgewiesen, auf den später noch detailliert eingegangen NC 69 Punkte und LEED-CI 57 Punkte. In LEED 2009
wird. Die Erzeugung erneuerbarer Energien mit Hilfe von werden nun in allen Systemen auf Basis von insgesamt
Solarenergie, Photovoltaik oder Geothermie wird nach der 100 Punkten und zusätzlich 10 möglichen Bonuspunkten
erzielten Einsparung bewertet. Bei Reduzierung der Ener- für regionale Schwerpunkte und Innovationen folgende
giekosten um 13 % werden 7 Punkte vergeben. Der Bezug Zertifizierungsgrade vergeben:
von erneuerbarem Strom aus dem Netz wird in einem se- 80+ Platin
paraten Kriterium mit 2 Punkten belohnt, wenn mindes- 60–79 Gold
tens 35 % des gesamten jährlichen Stromverbrauchs aus 50–69 Silber
erneuerbaren Quellen stammen. 40–49 Zertifiziert.
Die Schwerpunkte beim Thema Materialien und Res-
sourcen liegen auf dem Recycling während der Bauphase Bild 3 stellt die Verteilung der bisher erreichten Zertifizie-
und der Gebäudenutzung. Aufgrund der gesetzlichen Vor- rungsstufen dar, wobei hervorzuheben ist, dass nur 5 %
gaben und der Kosteneinsparung ist eine Recyclingquote aller bisher zertifizierten Projekte die Schwelle zu Platin
von 75 % für Baustellenabfälle bei Projekten in Deutsch- überschritten haben. In Deutschland ist absehbar, dass
land in der Regel kein Problem. Bei frühzeitiger Integra- dieser Anteil höher liegen wird und der Schwerpunkt bei
tion der Zielsetzung gemäß LEED können in Abhängig- Gold-zertifizierten Projekten zu erwarten ist.
keit von den örtlichen Gegebenheiten sogar 95 % erreicht
werden, wenn es möglich ist, Alternativen für das thermi-
sche Recycling und den Deponieverbau zu finden, die von
LEED zur Zeit noch nicht anerkannt werden. Über die
Wiederverwendung bestehender Gebäude und die Aus-
wahl von Materialien mit hohem Recyclinganteil sollen
Ressourcen geschont und Mülldeponien entlastet werden.
Die Raumluftqualität und der Komfort werden in eige-
nen Kriterien beurteilt, beginnend mit der Anforderung,
dass über 50 % der Gebäudenutzer an ständig belegten
Arbeitsplätzen individuell Einfluss auf ihr Raumklima neh-
men können. Die Anforderungen an das Raumklima sind
ähnlich den Vorgaben in DIN EN 7730 [2]. Weitere Krite-
rien sind der Außenbezug für 90 % und die Einhaltung
von 269 lux auf 75 cm Höhe für 75 % der ständig belegten
Arbeitsplätze. Zur Vermeidung hoher Schadstoffkonzen-
trationen sind Grenzwerte für VOC (Volatile Organic Com-
pounds), d. h. flüchtige organische Verbindungen, in Far- Bild 3. Prozentuale Aufteilung der Zertifizierungsstufen aller
ben, Lacken, Dichtungsmaterialien und Klebstoffen defi- bisher zertifizierten Gebäude, Stand Ende 2008 (Ebert-Gruppe)
niert, die auf der Baustelle verarbeitet werden. Fig. 3. Percentage of certified levels of all certified buildings,
Regionale Schwerpunkte sind nur für die USA de- 2008 (Ebert-Group)
finiert worden. Internationale Projekte können diese 6
Punkte nicht erreichen. Auch in Zukunft ist von Seiten des
USGBC nicht angedacht, international regionale Schwer- Um die Vereinheitlichung der erreichbaren Punktzahl
punkte zu definieren. zu realisieren war es erforderlich, von der bisherigen Sys-
Innovationspunkte können durch die Umsetzung bis- tematik, nur 1 Punkt je Credit zu vergeben, abzuweichen.
her noch nicht eingesetzter Technologien oder für die Über- Eine Ausnahme bildeten dabei die Credits EAc1 – Opti-
erfüllung der Vorgaben erreicht werden. Ein Zusatzpunkt mierung der Energieeffizienz (10 Punkte), und EAc2 – Er-
wird z. B. vergeben, wenn für den Anteil recycelter Mate- zeugung erneuerbarer Energie (3 Punkte).
rialien statt 10 oder 20 % sogar 30 % erreicht wird. Die neue Aufteilung ermöglicht erstmals die Punkte-
vergabe für einzelne Credits in Abhängigkeit vom Einfluss
3 LEED 2009 auf verschiedene Umweltfaktoren. Die Gewichtung der
einzelnen Faktoren basiert zurzeit noch auf der Einschät-
Die Einführung von LEED 2009 hatte mehrere Gründe. zung des National Institute for Standards and Technology
Ein wichtiger Punkt war die Vereinheitlichung der Krite- (NIST) und kann bei Verschiebung der Prioritäten einfach
rien über die gesamte Palette der Zertifizierungssysteme – angepasst werden, Bild 4.
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Auf dieser Grundlage werden deshalb jetzt solche Cre- in der Regel von dieser Verschiebung profitieren, da z. B.
dits höher bewertet, die zur Vermeidung von CO2 führen. der durchschnittliche Primärenergieverbrauch von Gebäu-
So wird in LEED-NC 2009 die Anbindung an öffentliche den meistens deutlich unter den Vorgaben des ASHRAE
Verkehrsmittel jetzt mit 6 Punkten (bisher 1 Punkt) gewer- Standards 90.1 [3] liegt, die als Basis für die erreichten
tet und für die Erzeugung erneuerbarer Energien auf dem Punkte zugrunde gelegt werden. Gemäß der Erfahrung der
Projektgelände können jetzt 7 Punkte (bisher 3 Punkte) Autoren unterschreiten neue Gebäude in Deutschland die
erreicht werden. Diese neuen Prioritäten spiegeln sich in Anforderungen an die Energieeffizienz nach US-Richtlinien
der Verschiebung der Punktevergabe in den Kategorien in der Regel um mindestens 25 bis 30 % und erreichen da-
wieder, Bild 5. mit mindestens 5 der möglichen 10 Punkte für LEED-NC
2.2 oder jetzt mindestens 7 der möglichen 19 Punkte für
LEED-NC 2009.
4 Geforderte Mindestvoraussetzungen
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2009 bezieht, wurde 2007 veröffentlich. Für die nächste Tabelle 2. Erreichbare Punktzahl in Abhängigkeit von der
Version von ASHRAE Standard 90.1, die 2010 erscheinen Energiekostenreduzierung im Rahmen des Credits EAc1 –
soll, ist gegenüber der Ausgabe von 2007 eine drastische Optimize Energy Performance (USGBC)
Verschärfung der Anforderungen um 30 % angekündigt. Table 2. Achievable credit points depending on energy reduc-
Die Anforderungen des ASHRAE Standards 90.1 betreffen: tion within Credits EAc1 – Optimize Energy Performance
(USGBC)
– die Gebäudehülle, für alle konditionierten Bereiche sowie
– folgende energetisch relevante Systeme und Anlagen:
Energiekostenreduzierung Punkte
• Heizung, Lüftung und Klimatechnik, neue Gebäude Bestandsgebäude
• Warmwasserbereitung,
• Stromverteilung und Zähler, 12 % 8% 1
• Elektromotoren und Riemenantriebe sowie 14 % 10 % 2
• Beleuchtung.
16 % 12 % 3
7 LEED- Zertifizierungen tifiziert sind, knapp 95 % davon befinden sich in den USA.
Bild 6 zeigt den Anstieg der neuen Registrierungen seit der
Ende 2008 wurde die Schwelle von 20.000 registrierten Veröffentlichung des ersten LEED-Systems im Jahr 2000.
LEED-Projekten überschritten, von denen bisher 2.122 zer- Nach anfänglich moderatem Verlauf ist ab 2006/2007 eine
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deutliche Erhöhung der Registrierungen zu erkennen. Der in Bezug auf Leerstandszeiten und Mietpreise [6], Bild 7.
sprunghafte Anstieg Ende 2005 ist mit der Umstellung von Aufgrund der größeren Marktdurchdringung und dem Be-
LEED-NC 2.1 auf LEED-NC 2.2 und der damit verbun- kanntheitsgrad von LEED in den USA sind diese Vorteile
denen Bezugnahme auf ASHRAE 90.1-2004 statt 1999 zu in Deutschland zurzeit wahrscheinlich geringer zu bewer-
erklären. Die zweite Spitze Mitte 2007 kam aufgrund der ten. Mit einer weiteren Verbreitung von Zertifizierungen
Änderung zustande, dass alle Projekte, die nach dem kann man aber davon ausgehen, dass sich ein ähnlicher
26. Juni 2007 registriert wurden, eine Verbesserung der Trend wie in den USA einstellen wird, unabhängig davon,
Energieeffizienz um 14 % gegenüber den Vorgaben aus ob es sich dabei um LEED oder DGNB handelt.
ASHRAE 90.1-2004 aufweisen mussten.
Für Deutschland eine statistische Aussage zu treffen, Die Kosten einer LEED-Zertifizierung
ist aufgrund der geringeren Anzahl an Projekten noch nicht Die Kosten für eine Zertifizierung können in drei Katego-
möglich. Es zeigt sich aber, dass insbesondere im Jahr 2008 rien aufgeteilt werden:
das Interesse stark zugenommen hat. Das erste Projekt in – Registrierungs- und Zertifizierungsgebühren,
Deutschland wurde im II. Quartal 2007 registriert. Bis Ende – Beratungs- und Planungskosten,
2008 waren es 17 Projekte – davon 13 unter LEED-NC 2.2 – Baukosten.
und 4 unter LEED-CS.
Die Registrierungsgebühren werden vom USGBC erhoben
Der Wert einer LEED-Zertifizierung und orientieren sich an der Bruttogeschossfläche. Für kleine
Eine LEED-Zertifizierung hat das Ziel den ökologischen Gebäude mit bis zu 5.000 m2 BGF sind rund 3.000 US$
Wert einer Immobilie gegenüber Bewohnern, Interessen- anzusetzen, für Gebäude mit rund 46.000 m2 BGF und
ten und der Öffentlichkeit zu bestätigen. Die tatsächliche mehr werden maximal 23.100 US$ erhoben. Als besonde-
Wertsteigerung aufgrund einer Zertifizierung lässt sich ren Anreiz erlässt das USGBC die Zertifizierungsgebühren,
kaum ermitteln, ist von zahlreichen Kriterien abhängig und wenn eine Platin-Zertifizierung erreicht wird.
sicherlich von Gebäude zu Gebäude unterschiedlich. Eine Die Beratungs- und Planungskosten beinhalten in ers-
Gegenüberstellung der CoStar Group von 355 LEED-zer- ter Linie den Aufwand für die Begleitung der Zertifizie-
tifizierten Gebäuden und vergleichbaren nicht-zertifizier- rung, die Anleitung des Projektteams zur Erstellung der er-
ten Gebäuden in den USA zeigt dennoch deutliche Trends forderlichen Nachweise und die Dokumentation und Er-
stellung aller Unterlagen (in Englisch) zur Einreichung beim
USGBC. Da sich das LEED-Zertifizierungssystem auf US-
amerikanische Normen, wie z. B. das Energy Modeling nach
ASHRAE Standard 90.1, bezieht, müssen hier zusätzliche
Leistungen erbracht werden, die bei Projekten in Deutsch-
land normalerweise nicht erbracht werden. Erfahrungswerte
für die Kostenkategorie liegen im Promille-Bereich der ge-
samten Herstellkosten.
Die baulichen Mehrkosten, die für eine LEED-Zerti-
fizierung anfallen, hängen in erster Linie von dem Zertifi-
zierungsziel ab. Aus internationaler Perspektive gesehen
haben Projekte in Deutschland „von Haus aus“ einen ho-
hen Standard und erfüllen aufgrund der Normung und Ge-
setzgebung viele der in LEED geforderten Kriterien. So-
fern die Prerequisites erfüllt sind, kann eine Silber-Zertifi-
zierung nach den Erfahrungen der Autoren ohne Mehr-
aufwand erreicht werden. Für das Gold-Zertifikat sind
Mehrkosten von 0 bis 2 % einzurechnen, für das Platin-
Zertifikat etwa 2 bis 4 %. Diese Werte variieren stark von
Projekt zu Projekt und sind umso geringer, je früher die
Anforderungen im Rahmen eines integralen Planungsan-
satzes berücksichtigt werden, es können sogar Kostenein-
sparungen gebucht werden.
8 Fazit
O. Baumann/C. Reiser/J. Schäfer · Grün ist nicht gleich Grün – Einblicke in das LEED-Zertifizierungssystem