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«Ein paar Bienenhotels wiegen den Asphalt vor den Doppelgaragen nicht auf» | NZZ 15.05.

23, 11:29

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«Ein paar Bienenhotels wiegen den Asphalt


vor den Doppelgaragen nicht auf»

ETH-Professor Philip Ursprung über falsche und richtige


Nachhaltigkeit beim Bauen sowie die Gründe, die gegen Hochhäuser
als Patentrezept für Verdichtung sprechen
NZZ Content Creation – erstellt im
Auftrag von NZZ Connect
14.04.2023, 00.05 Uhr

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Philip Ursprung: «Die Umgebungsgestaltung nach ökologischen
Gesichtspunkten zu organisieren ist begrüssenswert.»

Dieser Artikel ist im Rahmen der NZZ-Verlagsbeilage «Impact Finance» erschienen.


Sponsored Topic realisiert durch NZZ Content Creation in Kooperation mit NZZ Connect.
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Ist Bauen und Nachhaltigkeit nicht ein Widerspruch in sich?

Philip Ursprung: Nicht unbedingt. Bauen dient in erster Linie dem


Schutz von Menschen und Nutztieren. Es verbessert und verlängert
deren Leben. Der Aufwand an Energie, Material, Raum, Kapital und
Arbeitskraft geht aber auf Kosten anderer, namentlich der Umwelt
und der folgenden Generationen. Es hängt von der Balance dieser
Faktoren ab, ob Bauen nachhaltig ist. In vorindustriellen
Gesellschaften, wo Bauen vor allem Reparieren und Umbauen hiess,

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«Ein paar Bienenhotels wiegen den Asphalt vor den Doppelgaragen nicht auf» | NZZ 15.05.23, 11:29

war das Bauen nachhaltig. Niemand hätte einen gebrannten Ziegel,


einen behauenen Stein oder einen intakten Balken einfach
weggeworfen. In den Industrienationen, wo Bauen vor allem
Neubauen heisst, ist Bauen nicht nachhaltig. Das Erstellen, das
Nutzen und das Abreissen von Gebäuden verursacht einen sehr
grossen Teil der Treibhausgasemissionen weltweit. Wie der 6.
Bericht des Weltklimarats ICCP von 2022 zeigt, hat die Bauindustrie
allerdings auch ein enormes Potenzial, diese Emissionen durch neue
Materialien und Energieeffizienz zu reduzieren.

Die Immobilienwirtschaft bekennt sich heute zum Ziel der


Biodiversität. Ist das ernstgemeint?

Ich kann es nicht ernstnehmen. Wenn ich heute im Zug durch die
Schweiz fahre, sehe ich überall Baugespanne auf der grünen Wiese.
Doch seit dem Green Deal der EU und dem New European Bauhaus
ist die Immobilienwirtschaft unter Zugzwang. Die politischen Ziele
sind deutlich. Europa will die Führung übernehmen hin zur
Klimaneutralität. Die Industrie reagiert darauf. Ich sehe das
Bekenntnis zur Biodiversität seitens der Immobilienwirtschaft
deshalb auch als ein Instrument im Wettstreit um Kunden,
Investitionen und Fördergelder.

Ist das nicht ein etwas hartes Urteil?

Natürlich ist es begrüssenswert, die Umgebungsgestaltung nach


ökologischen Gesichtspunkten zu organisieren, anstatt weiterhin
die Vorgärten mit Steingärten und Metalltrögen zu versiegeln. Aber
ein paar Bienenhotels wiegen die Asphaltflächen vor den
Doppelgaragen nicht auf. Die Immobilienwirtschaft hat vor allem
die unmittelbare Umgebung der Bauten im Blick. Das ist sehr
kurzsichtig. Ich vermisse das Verständnis für die grösseren
Zusammenhänge: das Bekenntnis zum Umbau statt Neubau, die
Investition in nachhaltige Baustoffe, die Förderung von neuen
Modellen des Zusammenlebens. Die Immobilienwirtschaft sollte
sich nicht nur zur Biodiversität, sondern auch zur sozialen Vielfalt
bekennen.

Was heisst Biodiversität im Zusammenhang mit


Immobilienwirtschaft genau?

Es geht um die Vielfalt von Pflanzen und Tieren am und um


Gebäude. Dachbegrünungen unterstützen Vögel und Insekten. Sie
unterstützen auch die Isolation und die Kühlung von Gebäuden.

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Begrünte Fassaden können ebenfalls einen solchen Beitrag liefern,


sind allerdings aufwändiger im Unterhalt. Die Umgebung von
Gebäuden kann durch poröse Materialien und geeignete
Bepflanzungen ebenfalls zum Schutz der Vielfalt beitragen. Bäume
spenden Schatten und verbessern die Luftqualität, Sträucher an der
Fassade tragen zur Kühlung bei. Korridore zwischen Bauten sind
günstig für die Luftbewegung, aber auch für die Bewegung von
Tieren. Die Lichtverschmutzung, die für viele Tiere, namentlich
Insekten und Vögel, verheerend ist, kann durch differenzierte
Beleuchtung stark reduziert werden.

Ist dieser Trend für Architekten nicht uninteressant? Der Architekt


strebt doch danach, kühne Gebäude zu erstellen, die den Gesetzen der
Natur zu widersprechen scheinen.

Der Trend ist hochinteressant. Architektur kann der Nachhaltigkeit


ein Gesicht geben, eine eigene Ästhetik dafür entwickeln. Ich
beobachte es bei den Studierenden an meiner eigenen Hochschule:
Noch bis vor wenigen Jahren konnten die Betonwände nicht dick
genug sein, die Entwürfe nicht spektakulär genug in den Himmel
ragen.

In welcher Richtung denken die angehenden Architektinnen und


Architekten heute?

Sie sind bestrebt, das Neue mit dem Alten und das vom Menschen
gemachte mit der Umgebung, der Geologie, den Pflanzen zu
verbinden. Die Studierenden interessieren sich für die
Wiederverwendung von Bauteilen und die Entwicklung
rezyklierbarer Baustoffe. Sie sind begeistert von der Idee, leere
Bürobauten zu Wohnraum umzubauen. Sie sorgen sich um die
verfallenden Ställe in der Alpenregion und suchen nach Wegen, die
versiegelten Parkplätze im Mittelland aufzubrechen. Sie
interessieren sich für Holzbau, Lehmbau, alte Techniken und
allerneuste Verfahren. Vor allem empören sie sich, dass überall in
der Schweiz völlig intakte Schwimmbäder, Spitäler,
Wohnsiedlungen aus den 1970er- und 1980er-Jahren abgerissen und
durch Neubauten ersetzt werden.

In der Schweiz heisst der Grosstrend heute Verdichtung. Ergibt sich


daraus nicht ein Zielkonflikt, weil Verdichtung weniger Grün, mehr
Hitze und mehr Bodenversiegelung in den Städten bringt?

Verdichtung heisst vor allem Verdrängung. Immer weniger

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Menschen konsumieren immer mehr Raum in den Zentren. Immer


mehr Menschen werden wegen der hohen Kosten in die Peripherie
verdrängt, was wiederum den Verkehr zwischen Zentren und
Peripherie verstärkt. Wer sich ein Loft im Zentrum leisten kann, hat
meistens noch einen Sitz auf dem Land. Das heisst, auch in der
Peripherie findet inzwischen Verdrängung statt. Die Pandemie hat
diesen Trend der doppelten Verdrängung verstärkt. Die soziale
Diversität ist wichtiger als die Biodiversität. In der Schweiz mit
ihren mittelgrossen Städten sind die urbanen Hitzeinseln
wahrscheinlich kein unlösbares Problem. Die Städte reagieren, sie
öffnen Asphaltdecken, pflanzen mehr Bäume und legen kleine Parks
an. Windrichtungen, Wasserabflüsse werden Teil der Planung.
Gefährlich sind die Hitzeinseln vor allem in den sehr dichten
Wohnvierteln der südlichen Grossstädte Europas für Menschen, die
während der Hitzewelle nicht ausweichen können.

«Hochhäuser sind Symbole des Trends,


der den Klimawandel herbeigeführt
und die Biodiversität zerstört hat.»

Sie haben kürzlich das Hochhaus als den am wenigsten nachhaltigen


Haustyp bezeichnet. Was führt Sie zu dieser Einschätzung?

Hochhäuser, namentlich Bürotürme, sind die Embleme der


Kapitalakkumulation, der Ungleichheit und Segregation. Sie
brauchen viel Energie und Material, um ihr eigenes Gewicht zu
stemmen, eine enorme Infrastruktur für Erschliessung und
Unterhalt. Natürlich ist manches Wohnhochhaus effizienter bei
Heizung und Kühlung als eine Siedlung, wo Hunderte von Partien
separat heizen und kühlen. Und in Ballungszentren mit
astronomischen Bodenpreisen ist es nicht realistisch, zweistöckig zu
bauen. Auch sind die Bedingungen nicht überall gleich, denn in
manchen Gebieten der Welt sind Hochhäuser die einzige
Möglichkeit, den Menschen angemessenen Wohnraum zu bieten.
Hongkong ist nicht zu vergleichen mit Aarau. Dennoch sind aus der
Perspektive der Nachhaltigkeit Hochhäuser Symbole des Trends, der
den Klimawandel herbeigeführt und die Biodiversität zerstört hat.

Aber es gibt heute ja begrünte Hochhäuser oder solche aus Holz?

Begrünte Hochhäuser wie die Doppeltürme des Bosco Verticale in

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Mailand mit ihren baumbepflanzten Balkonen sind die eigentlichen


Zombies der Architektur. Es sind Wesen aus einer anderen Zeit mit
einem riesigen Appetit an Ressourcen, die sich als Wäldchen tarnen.
Ein zentral gelegenes, lebendiges Quartier musste ihnen weichen.
Jetzt wohnen viel weniger Menschen in dem Gebiet und sie reden
sich vielleicht ein, dank der Bäumchen auf dem Balkon etwas Gutes
für ein paar Insekten zu tun. In Singapur gibt es einige
beeindruckende Beispiele von begrünten Fassaden, welche die
Atmosphäre auf den Terrassen und der unmittelbaren Umgebung
verbessern. Sie sind allerdings aufwändig im Unterhalt. Sie sind nur
möglich dank der Heerscharen von unterbezahlten
Arbeitsmigranten, welche diese hängenden Gärten pflegen.

Und was ist mit Holzhochhäusern?

Holzhochhäuser sind eine interessante Alternative zum Hochhaus


aus Stahl und Glas, vor allem im nördlichen Europa, wo der Bedarf
an Bauten nicht so gross ist wie in den rasch wachsenden
Gesellschaften. Es sind interessante Experimentierfelder, und sie
tragen mit dazu bei, ökologisches Bauen und Wohnen populär zu
machen. Der Rohstoff Holz ist allerdings kostbar und sehr begrenzt.
Die Wälder, aus denen das Holz stammt, werden mehr denn je
gebraucht.

Interview: Felix E. Müller

Zur Person

Philip Ursprung (Jahrgang 1963) studierte


Kunstgeschichte, Allgemeine Geschichte
und Germanistik in Genf, Wien und Berlin.
1993 promovierte er an der Freien
Universität Berlin. Im Anschluss arbeitete
er bis 1999 als Oberassistent am Institut für
Geschichte und Theorie der Architektur der
ETH Zürich und war von 2005 bis 2011
Philip Ursprung
Professor für Professor für moderne und zeitgenössische
Kunst- und Architekturgeschichte,
Kunst an der Universität Zürich. Seit
ETH Zürich
ETH Zürich Februar 2011 hat er die Professur für Kunst-
und Architekturgeschichte an der ETH

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Zürich inne. Während seiner Zeit an der ETH Zürich wurde er vom
Verband der Studierenden mit der Goldenen Eule ausgezeichnet und
erhielt 2017 vom Bundesamt für Kultur den Prix Meret Oppenheim.

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Themendossier der NZZ-Verlagsbeilage «Impact Finance» vom


14.04.2023 auf nzz.ch. Hier geht es zur Artikelsammlung.

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