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DOI: 10.1002/best.

202300025

Lucio Blandini, Daria Kovaleva, Christoph Nething, David Nigl, Maiia Smirnova, Benedikt Strahm, Erik Eppinger, AUFSATZ
­Alexander Teichmann

Leicht bauen mit Beton – ausgewählte


Forschungsarbeiten des ILEK
Teil 1: Materialleichtbau
Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sich das Institut für Leicht- Extended lightweight construction – Part 1: Lightweight
bau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart ­materials
in interdisziplinären Forschungsarbeiten mit dem scheinbaren For more than 20 years, the Institute for Lightweight Structures
Paradoxon „Leicht bauen mit Beton“. In einem zweiteiligen and Conceptual Design (ILEK) has been engaged in interdis­
Beitrag werden nun Auszüge aus der aktuellen Forschung des ciplinary research on the supposed paradox of “lightweight
ILEK zu diesem Thema vorgestellt. Der erste Teil betrachtet die construction with concrete”. Excerpts from the current re-
Entwicklungen auf der Materialebene (Materialleichtbau). Hier search are now presented in a two-part article. This first part
geht es um das Ziel der Reduktion der Verwendung von primä- considers developments at the material level (lightweight
ren Ressourcen, der materialbedingten Emissionen und des ­materials) with the aim of minimizing use of primary resources,
Abfalls in den verschiedenen Nutzungsphasen eines Bau- material-related emissions, and waste in different phases of
werks. Zu den hier vorgestellten Entwicklungen gehören: die building life cycle. These include: the substitution of natural
Substitution der natürlichen Gesteinskörnung mit Rezyklaten, ­aggregates with recycled ones, biomineralized calcium car-
biomineralisiertes Calciumcarbonat als innovativer Ersatz für bonate as an innovative substitute for cement, basalt fiber
Portlandzement, Basaltfaserverbundbewehrungen als Alter­ composite reinforcement as an alternative to conventional
native zum konventionellen Beton- und Spannstahl sowie ­reinforcing and prestressing steel, and recyclable sand
­rezyklierbare Sandschalungen zur abfallfreien Herstellung ­formworks for zero-waste production of lightweight concrete
leichter Betonstrukturen. structures.

Stichworte Leichtbau mit Beton; Materialleichtbau; Gradientenbeton; Keywords lightweight concrete construction; lightweight materials; recycled
Biobeton; Recyclingbeton; Basaltbewehrung; rezyklierbare Sandschalung aggregate concrete; basalt reinforcement; bio-concrete; recyclable sand
formwork

1 Einleitung Suche nach dem Optimum der Reduktion hat am ILEK


eine sehr lange Tradition. Aktuelle Arbeiten des Instituts
Übergeordnetes Ziel der Forschungsarbeiten am ILEK bauen auf den bahnbrechenden Leistungen berühmter
(Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren) der Persönlichkeiten wie Fritz Leonhardt, Frei Otto, Jörg
Universität Stuttgart ist es, einen Beitrag zu mehr Nach- Schlaich und Werner Sobek auf [2]. Die genannten Perso-
haltigkeit in der gebauten Umwelt zu leisten. Globale nen haben auf unterschiedlichste Weise demonstriert, wie
Herausforderungen wie Ressourcenschwund und Klima- stark wir den Ressourcenverbrauch unserer Bauwerke
wandel werden hierfür im Kontext des Bauwesens adres- reduzieren können, wenn wir mit Mut, Neugier und Kre-
siert. Das Bauwesen ist nach aktueller Analyse für mehr ativität neue Wege einschlagen.
als 60 % des weltweiten Ressourcenverbrauchs, mehr als
50 % der Treibhausgasemissionen und mehr als 50 % des In der werkstoff- und disziplinenübergreifenden Leicht-
Müllaufkommens verantwortlich [1]. Diese Zahlen ma- bauforschung des ILEK spielt der Werkstoff Beton eine
chen deutlich, welche Verantwortung für unseren Plane- besonders wichtige Rolle. Dies hat zum einen historische
ten ebenso wie für kommende Generationen alle Bau- Gründe [2]; zum anderen resultiert es fast schon zwangs-
schaffenden haben – und welche Hebelwirkung im Bau- läufig aus der Bedeutung dieses Jahrhundertwerkstoffs für
wesen erzielt werden kann. Vor diesem Hintergrund Ressourcenverbrauch, Emissionen und Abfallerzeugung
streben die Mitarbeitenden des ILEK bei allen ihren For- des globalen Bauwesens. Die Schnittstelle zwischen
schungsarbeiten und Entwicklungen eine deutliche Re- Beton und Leichtbau steht deshalb im Fokus dieses Auf-
duktion der Verwendung von primären Ressourcen, der satzes.
Erzeugung von klimaschädlichen Emissionen und der
Entstehung von Abfall an. Diese Prämisse vereint alle Der vorliegende Beitrag zeigt anhand aktueller For-
Forschenden am ILEK unter einem gemeinsamen überge- schungsvorhaben des ILEK (Bild 1), wie wir künftig an-
ordneten Ziel. Je nach Thema werden hierbei Partner aus ders und nachhaltiger mit Beton bauen können. Ange-
anderen Instituten zu einer interdisziplinären Bearbei- sichts der Fülle der zu betrachtenden Inhalte ist dieser
tung von speziellen Fragestellungen hinzugezogen. Beitrag in zwei Teile untergliedert: Der erste Teil widmet
sich dem Materialleichtbau mit Beton, während sich der
Die Minimierung der für eine Struktur verwendeten Res- zweite Teil auf den Strukturleichtbau fokussiert. Diese
sourcen ist zentrales Anliegen des Leichtbaus. Diese beiden Hauptüberschriften beziehen sich auf die Unter-

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Bild 1 Materialbeispiele und ihre Hauptbestandteile, v.l.n.r.: Betonwürfel mit rezyklierter Gesteinskörnung, Würfel aus Biobeton, Betonwürfel mit Basalt­
bewehrung, in wasserlösliche Sandschalung gegossener Betonwürfel
Material examples and their main constituents, from left to right: concrete cubes with recycled aggregates, cube made of bio-concrete, concrete cube
with basalt reinforcement, cube with concrete cast into water-soluble sand formwork

teilung des Leichtbaus durch Werner Sobek in drei unter- tionen berücksichtigen, der über deren gesamten Nut-
schiedliche Kategorien [3, 4]. Diese drei Kategorien hat er zungszyklus anfällt. Nur so wird es möglich, eine ganz-
wie folgt definiert: „Unter Materialleichtbau versteht man heitliche Bewertung neuer Forschungsansätze abzugeben
die Verwendung von Baustoffen mit einem günstigen Ver- und bestimmte Schwerpunkte gezielt zu priorisieren, um
hältnis von spezifischem Gewicht zur ausnutzbaren Fes- die erforderliche radikale Transformation des Bauwesens
tigkeit, zur ausnutzbaren Dehnung, zur ausnutzbaren in der Kürze der uns verbleibenden Zeit zu ermöglichen.
Steifigkeit, etc. (…) Der Strukturleichtbau [stellt] die Auf- Vor diesem Hintergrund wird klar, dass sich der Leicht-
gabe, ein gegebenes Beanspruchungskollektiv mit einem bau nicht mehr nur mit einer Reduktion der verwendeten
Minimum an Eigengewicht der Konstruktion unter Ein- Materialien bzw. der Verwendung von Materialien mit
haltung einer Reihe vorgegebener Restriktionen zu gege- möglichst günstigem spezifischem Gewicht begnügen
benen Auflagerpunkten zu leiten“ [4]. Bei der dritten kann. Ein erweiterter Leichtbau-Begriff, der den Anforde-
grundlegenden Kategorie des Leichtbaus, dem System- rungen unserer Zeit gerecht werden möchte, muss auch
leichtbau, geht es laut Werner Sobek darum, „in einem hinterfragen, welche Umweltschädigungen und Emissio-
Bauteil neben der lastabtragenden auch noch andere, wie nen jeweils mit den verwendeten Materialien und Lösun-
zum Beispiel raumabschließende, speichernde, dämmen- gen verbunden sind [5] und ob bzw. wie die verbauten
de oder vergleichbare Funktionen zu vereinigen“ [4]. Der Komponenten und Materialien wiederverwendet bzw. in
Systemleichtbau mit Beton soll aufgrund der Vielzahl der technische oder biologische Kreisläufe zurückgeführt
hier zu berücksichtigenden Aspekte in einem späteren werden können. Im Folgenden werden deshalb exempla-
Aufsatz vorgestellt werden. Der vorliegende Beitrag kon- risch ausgewählte Forschungsarbeiten des ILEK im Be-
zentriert sich aufgrund der Fülle der zu betrachtenden reich des Betons vorgestellt, bei denen der erweiterte
Forschungen auf die Kategorien Materialleichtbau und Leichtbau-Begriff konzeptionell zugrunde gelegt wurde.
Strukturleichtbau.
Zu den Projekten, die im Bereich „Materialleichtbau“
Bevor die aktuellen Arbeiten des ILEK im Einzelnen vor- vorgestellt werden, gehört die Verwendung von rezyklier-
gestellt werden, soll hier noch einführend eine Definition ten Gesteinskörnungen ebenso wie die Suche nach alter-
des erweiterten Leichtbaubegriffs vorgenommen werden, nativen, CO2-absorbierenden Bindemitteln, die anstelle
wie ihn Lucio Blandini seit 2020 als neuer Leiter des von Zement eingesetzt werden können. Mineralische Be-
ILEK vertritt. Der Leichtbau strebt „per definitionem“ wehrungen aus Basaltfasern zeigen, wie das ”global war-
einen sparsamen Umgang mit Ressourcen an. Er kann ming potential“ des bewehrten Betons weiter reduziert
dadurch einen wichtigen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit werden kann. Innovative Ansätze für die Schalung von
im Bauwesen leisten. Angesichts des Umfangs der globa- filigranen bzw. porösen Betonsystemen demonstrieren
len Herausforderungen Klimawandel und Ressourcen- zudem, wie massive Bauteile durch deutlich optimierte
schwund müssen wir die Anforderungen an den Leicht- Systeme ersetzt werden können und wie die Prinzipien
bau aber erweitern. Künftig muss der Leichtbau auch den der Kreislaufwirtschaft Anwendung finden können. Die
ökologischen Fußabdruck von Materialien und Konstruk- hier vorgestellten Ansätze sind ein möglicher Beitrag zur

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Bild 2 a) Ausschnitt eines gradierten Bauteils unter Verwendung einer Betonrezeptur mit rezyklierter Gesteinskörnung, b) Gegenüberstellung der Auswirkung
einer Betonmischung mit 16 mm Größtkorn in gradierten Bauteilen; oben: ohne optimierte Betonrezeptur; unten: mit optimierter Betonrezeptur bei
gleichbleibenden Ausgangsstoffen
a) Cutout of a functionally graded concrete component using a concrete mixture with recycled aggregates, b) comparison of the effect of a concrete
mixture with 16 mm maximum grain size in functionally graded concrete components; top: without optimized concrete mixture; bottom: optimized
­concrete mixture with unchanged base materials

dringend benötigten Minderung des Ressourcenver- schädigen kann [7]. Bei einer unzureichenden Nivellie-
brauchs, der Emissionen und des Abfalls, die durch den rung und Entlüftung entstehen Fehlstellen zwischen den
Betonbau verursacht werden. Sie gliedern sich ein in eine sich berührenden Hohlkugeln, Bild 2b) oben.
ganze Reihe von Ansätzen, die in den letzten Jahren von
anderen Forschungsgruppen und Hochschulen entwi- Bei der Entwicklung und Optimierung der Betonrezeptur
ckelt wurden (z. B. CO2-reduzierte Betonmischungen, für gradierte Bauteile müssen deshalb verschiedene, teil-
Carbon Capture and Storage Technologien etc.). Die weise widersprüchliche Aspekte beachtet werden. So
Kombination unterschiedlichster Methoden und Techno- sollte das Größtkorn zur vollständigen Verteilung durch
logien wird es uns hoffentlich ermöglichen, den erforder- die engen Zwischenräume hindurch möglichst gering
lichen Wandel schnell genug zu realisieren. Die auf den sein. Andererseits wird der Beton im Rahmen des aktuel-
folgenden Seiten zu findenden Ansätze sind eine erste len Forschungsprojekts im Exzellenzcluster Integratives
Bilanz der Arbeiten, die am ILEK durchgeführt wurden, computerbasiertes Planen und Bauen für die Architektur
seit Lucio Blandini die Leitung des Instituts im April (IntCDC) über einen Extruder ausgebracht [8]. Hierfür
2020 übernommen hat. Selbstverständlich bauen sie in spielen die Stabilität und die Pumpbarkeit des Betons
vielem auf dem auf, was am ILEK in den vorangegange- eine essenzielle Rolle. Diese werden positiv durch ein
nen Jahrzehnten unter der Leitung von Werner Sobek möglichst großes Größtkorn beeinflusst [9]. Eine größere
entstanden ist. Für dieses Wegbereiten sei auch an dieser Körnung bietet zudem den Vorteil eines geringeren Leim­
Stelle ganz ausdrücklich gedankt. anspruchs und wirkt sich damit direkt auf die gewünschte
Reduktion des Zementbedarfs aus.

2 Rezyklierte Gesteinskörnung In dem Widerspruch eines einerseits möglichst kleinen


und andererseits möglichst großen Größtkorns liegt eine
Um den Bedarf an Primärrohstoffen für die Betonherstel- der Herausforderungen der Mischungsentwicklung für
lung zu reduzieren, gibt es Bestrebungen, einen zuneh- Gradientenbeton. In Bild 2b) unten ist ein Schnitt durch
menden Teil der natürlichen Gesteinskörnung der Beton- einen gradierten Balken dargestellt, der mit einer opti-
rezeptur mit rezyklierter Gesteinskörnung zu ersetzen. mierten Mischungsrezeptur und einem Größtkorn von
Dies gilt natürlich auch für Bauteile aus Gradientenbeton 16 mm allen bisher genannten Anforderungen gerecht
[6], bei denen durch die Kombination von Gradierung wird. Im Verlauf der Forschungsarbeiten ging es darum,
und rezyklierten Baustoffen eine weitere Reduzierung des herauszufinden, welche Änderung der Betoneigenschaf-
mit dem Bauteil verbundenen Verbrauchs von Primärroh- ten der Einsatz von rezyklierten Zuschlägen hervorruft
stoffen erreicht werden kann. Herausfordernd hierbei ist, und wie mit diesen umgegangen werden kann. Als Refe-
dass sich der für Gradientenbauteile eingesetzte Beton renz dient dabei die speziell vom Institut für Werkstoffe
rein unter der Einwirkung der Schwerkraft nivellieren im Bauwesen (IWB) der Universität Stuttgart entwickelte
und dabei vollständig durch die geringen Zwischenräume Betonrezeptur, die auch bei der Herstellung des gradier-
zwischen den platzierten Hohlkugeln verteilen können ten Balkens in Bild 2b) unten eingesetzt wurde.
muss. Außerdem muss die eigenständige Entlüftung durch
eine optimierte Rezeptur sichergestellt sein, da ein Ver- Im Rahmen der ersten Versuchsreihen wurden verschiede-
dichten über externe Mechanismen die Hohlkugeln be- ne Anteile der natürlichen Gesteinskörnung durch rezyk-

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Bild 3 Biobetonherstellung mit hoher Druckfestigkeit und Zementierungstiefe
Production of bio-concrete with high compressive strength and cementation depth

lierte Gesteinskörnung ersetzt und deren Auswirkungen se zeigen die Herausforderungen beim Einsatz von re-
auf die Frischbetoneigenschaften im Vergleich zur Refe- zyklierten Zuschlägen nur ansatzweise auf, weshalb
renzrezeptur untersucht. Die rezyklierten Gesteinskörnun- weitere Untersuchungen stattfinden müssen. Für die
gen wurden gemäß DIN 4226-101 in Betonbruch (Rc) folgenden Versuchsreihen wird daher die Wasserauf-
sowie Mauerwerksbruch (Rb) unterteilt und separat vonei- nahmefähigkeit für jeden Bestandteil einzeln in mehre-
nander eingesetzt. Bei der Gegenüberstellung der Ergeb- ren Durchläufen gemäß DIN EN 12620 bestimmt. Mit
nisse wurde eine deutlich verringerte Fließfähigkeit des dem daraus entstehenden neuen Saugwasseranteil und
Betons offensichtlich. Zurückgeführt wird dies auf einen einem darauf angepassten Mischregime werden weitere
stark erhöhten Wasseranspruch von rezyklierten Gesteins- Versuchsreihen konzipiert. Hierbei sollen neben der
körnungen im Vergleich zu natürlichem Kies und Sand. steigenden Wasseraufnahmefähigkeit auch andere Ef-
fekte aufgedeckt werden, die beim Einsatz von rezy­
Erste Untersuchungen hierzu zeigen einen Anstieg der klierten Zuschlägen entstehen können.
Wasseraufnahmefähigkeit von 1,4 M.-% für natürliche
Gesteinskörnungen auf 5,0 M.-% für Betonbruch sowie
7,3 M.-% für Mauerwerksbruch. Folglich sinkt das Setz- 3 Biobeton
fließmaß schon bei einer Substitution von 20 % der Ge-
steinskörnung mit rezyklierten Zuschlägen von 73 cm Auf der Bindemittelebene der Betonwerkstoffe wird beim
beim Referenzbeton auf nunmehr 51 cm bzw. 62 cm. Forschungsprojekt „Biobeton“ untersucht, ob die Hydra-
Infolge der durchgeführten Untersuchungen wurde tation von Portlandzement durch Biomineralisierungs-
deutlich, dass beim Einsatz von rezyklierten Zuschlä- prozesse ersetzt werden kann. Bei der Herstellung von
gen der Verringerung der Fließfähigkeit entgegenge- Portlandzement fallen durch die Umwandlung von Cal­
wirkt werden muss. Versuche mit dem VdZ-Trichter ciumcarbonat (CaCO3) zu Calciumoxid (CaCO) stets
zeigten darüber hinaus einen Anstieg der Trichteraus- prozessbedingte CO2-Emissionen an [1]. Die Biominerali-
laufzeit sowie der Fließzeit (früher t500-Zeit) und unter- sierung ermöglicht hingegen die Fixierung von CO2 in
strichen damit die Beobachtungen beim Setzfließmaß. Form von CaCO3-Kristallen, die Gesteinskörnung binden
Gerade im Hinblick auf die zu Beginn genannten Anfor- können [10]. Das resultierende mineralische Material äh-
derungen an die Rezeptur des Gradientenbetons, sich nelt in seiner chemischen Zusammensetzung karbona-
nur unter Einwirkung der Schwerkraft vollständig zu tisch zementiertem Sandstein und in der Formgebung
verteilen und zu entlüften, spielen diese Kennwerte mit- zementgebundenem Beton, weswegen es als Biobeton
unter eine maßgebende Rolle. Die bisherigen Ergebnis- bezeichnet wird.

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Der Herstellung von Biobeton liegt der Prozess der mi­ mentierungstiefe und der Druckfestigkeit müssen vor
krobiologisch induzierten Calcitausfällung zugrunde allem Rohstoffkreisläufe für die Bereitstellung von Harn-
(eng. kurz MICP), in dem der Gesteinskörnung frei in der stoff und Calcium definiert werden. Die in Laborversu-
Natur vorkommende Bakterien (z. B. Sporosarcina pas- chen verwendeten Rohstoffe wie synthetischer Harnstoff
teurii) sowie eine sog. Zementierungslösung aus Harn- und Calciumchlorid machen bei der Biobetonherstellung
stoff und Calciumsalz hinzugegeben werden. Durch das bis zu 80 % der CO2-Emissionen aus [11]. Mögliche Alter-
Enzym Urease sind die Bakterien in der Lage, Harnstoff nativen zu synthetischem Calciumchlorid sind Abfallstof-
abzubauen. Dabei wird eine chemische Reaktion in Gang fe anderer Industrien (Calciumchlorid aus Solvayverfah-
gesetzt, die bei Präsenz von Calciumionen zur Bildung ren [13] oder mineralische Abfälle aus Steinbrüchen [14]).
von CaCO3 führt. Die Festigkeit des Biobetons ist von der Der Harnstoff kann aus Abwässern [15] gewonnen wer-
Menge des gebildeten CaCO3 abhängig [11]. Deshalb den. Außerdem besteht die Möglichkeit, das Ammonium,
muss die Zementierungslösung dem Biobeton über drei das bei der MICP-Reaktion anfällt, mit CO2 erneut zu
bis fünf Tage wiederholt in niedriger Konzentration Harnstoff aufzubereiten. Die zukünftige Gestaltung die-
hinzugegeben werden, um Ionen für den Aufbau von
­ ser Kreisläufe wird das Verhältnis zwischen dem im Bio-
­CaCO3-Kristallen bereitzustellen. beton gebundenen CO2 und dem durch die Rohstoffver-
sorgung freigesetzten CO2 maßgeblich beeinflussen.
Ein häufiges Problem bei MICP ist das Auswaschen der
Bakterien durch die Strömungskräfte, die während der
Zementierung auftreten. Zur besseren Fixierung der Bak- 4 Mineralische Bewehrung aus Basalt
terien wurde daher von Cheng und Shahin [12] eine Me-
thode zur Ummantelung der Zellen mit einer Schicht aus Einen zentralen Aspekt in der aktuellen Forschung zu
CaCO3 entwickelt. Diese Methode wurde am ILEK durch gewichtsminimalen Betonstrukturen [2] bilden Untersu-
die Gefriertrocknung der ummantelten Zellen zu urease­ chungen auf der Materialebene der Bauteilbewehrung.
aktivem Calciumcarbonatpulver (UACP) weiterentwi- Als Alternative zu konventionellem Beton- und Spann-
ckelt, wodurch neben der besseren Fixierung auch eine stahl rücken am ILEK Faserverbundkunststoffe aus Ba-
langfristige Aufbewahrung der Bakterien nach der An- salt in den Fokus der Betrachtung. Basalt ist ein Gestein,
zucht möglich wird. Analog zu zementgebundenem Beton das weltweit in großen Mengen vorhanden ist [16]. Da­
kann auch bei Biobeton die Festigkeit durch eine Opti- rüber hinaus ist Basalt vulkanischen Ursprungs und kann
mierung der Packungsdichte der Zuschläge verbessert durch endogene Prozesse auf natürliche Weise nachgebil-
werden. Nach aktuellem Stand der Forschung muss das det werden. Auf lange Sicht betrachtet ist seine Verwen-
gesamte Probenvolumen von der Zementierungslösung dung als Bewehrungsalternative im Betonbau somit ge-
durchströmt werden. Aus diesem Grund finden sehr feine währleistet. Gleichzeitig wird hierdurch die Möglichkeit
Fraktionen nur eingeschränkt Verwendung, da sonst eine eröffnet, ein nahezu vollständig mineralisches Bauteil zu
vorzeitige Blockage der Fließpfade droht. Der gerichtete schaffen.
Fluss der Zementierungslösung hat außerdem zur Folge,
dass die erreichbare Zementierungstiefe von der Fließge- Bewehrungselemente aus Basaltfaserverbundkunststoffen
schwindigkeit und der Metabolisierungsrate der Bakte­ bestehen aus parallel zueinander gerichteten Filamenten,
rien abhängig ist. Harnstoff und Calcium werden in Fluss- die in einem Matrixmaterial gebettet werden. Die not-
richtung der Zementierungslösung zunehmend aufge- wendigen Basaltfilamente werden dabei aus dem ur-
braucht. sprünglichen Basaltgestein in einem Schmelzspinnverfah-
ren hergestellt und zu Rovings gebündelt [17]. Als Matrix-
Im Rahmen eines interdisziplinären Versuchsprojekts hat material finden diverse Werkstoffe Anwendung, eine
das ILEK gemeinsam mit dem Institut für Mikrobiologie geeignete Auswahl an Kunstharzen bilden Epoxid-, Poly-
(IMB) und dem Institut für Steuerungstechnik der Werk- ester- und Vinylesterharze. Die Basaltfaserverbundbe-
zeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) der wehrungen der Firma C-Con aus Baden-Württemberg
Universität Stuttgart zylindrische Probekörper aus Biobe- haben beispielweise einen Basaltfaseranteil von ca. 80 %
ton mit einer Druckfestigkeit von bis zu 46 MPa bei einer und einen Matrixanteil von ca. 20 %. Auf das Gesamtvo-
Zementierungstiefe von 135 mm hergestellt. Diese, ge- lumen eines Betonbauteils bezogen ist dieser Kunstharz-
messen an Werten aus der bisherigen Forschung, hohe anteil vernachlässigbar klein. Neben Kunstharzen wird
Druckfestigkeit in Kombination mit einer tiefen Zemen- zudem an biologisch abbaubaren Harzsystemen geforscht.
tierung ist das Ergebnis der entwickelten Methodenkom- Einen guten Überblick hierzu gibt [18]. Im Vergleich zu
bination aus Verwendung von UACP, Optimierung der konventionellen Stahlbewehrungen im Betonbau beste-
Packungsdichte und Zementierung in einem automati- hen die Vorteile von Faserverbundkunststoffen aus Basalt
sierten Verfahren durch Durchströmen unter Druck. Der in einer höheren spezifischen Zugfestigkeit und einem
gesamte Herstellungsprozess ist auf Bild 3 dargestellt. hohen Korrosionswiderstand [19]. Vor diesem Hinter-
grund werden die bei der Planung und Ausführung stets
Die bisherigen Ergebnisse der Arbeit am ILEK machen zu berücksichtigenden Betondeckungen, infolge der zu-
das Potenzial von Biobeton als zukunftsfähigen Baustoff grunde liegenden Bauteilexposition, reduziert. Dies er-
deutlich. Jedoch besteht weiterhin erheblicher For- möglicht zum einen die Realisierung von filigranen und
schungsbedarf: Neben einer weiteren Erhöhung der Ze- gleichzeitig bewehrten Betonbauteilen. Zum anderen

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Tab. 1 Versuchsreihe 1 der getesteten 3 mm und 5 mm Basaltfaserver-
bundstäbe der Firma C-Con
Test series 1 for 3 mm and 5 mm basalt fiber composite rebars of the
company C-Con

Bild 4 Vorbereitete Basaltfaserverbundstäbe mit 3 mm und 5 mm Durch-


Typ Bruchkraft Bruchspannung Bruchdehnung
messer
Prepared basalt fiber composite rebars with 3 mm and 5 mm diame- [N] [N/mm2] [%]
ter
V1_3.1 8370 1184 3,51

wird das Eigengewicht der Bauteile minimiert, da nun le- V1_3.2 8100 1145 3,15
diglich der Verbund zwischen Bewehrung und Beton zu V1_3.3 7970 1127 3,11
gewährleisten ist. Im Gegensatz zum konventionellen
V1_5.1 20.000 1018 3,91
Betonstahl begünstigt die Korrosionsunempfindlichkeit
der Basaltfaserverbundbewehrung ebenfalls den Einsatz V1_5.2 20.000 1018 3,91
im Biobeton. V1_5.3 20.300 1033 4,09

Die Umwelteinwirkungen von einer Basaltfaserverbund-


bewehrung werden von Kromoser in [19] mit diversen nung auf den Kompositquerschnitt der untersuchten
metallischen und anderen nichtmetallischen Beweh- Probekörper bezogen. Sowohl für die Variante mit 3 mm
rungselementen ins Verhältnis gesetzt. Ein normierter als auch mit 5 mm lässt sich eine geringe Streuung
Vergleich des globalen Erwärmungspotenzials (GWP) der Versuchsergebnisse beobachten. Die Mittelwerte für
zeigt den ökologischen Vorteil von Basalt gegenüber Car- die Bruchspannungen berechnen sich jeweils zu
bon- und Glasfaserverbundbewehrungen sowie einem 1152 N/mm2 und 1023 N/mm2. In diesem Zusammen-
Spannstahl aus Norwegen. Für besagten Vergleich wur- hang wird darauf hingewiesen, dass alle Probekörper
den dabei die charakteristischen Zugfestigkeiten als auch aus einer Charge stammen. Weitere Versuche sind be-
vereinfacht angenommene Rohdichten der jeweiligen reits in Planung und ergänzen den Untersuchungsrah-
Materialien mit einbezogen. men entsprechend. Eine aktuelle Gegenüberstellung der
Ergebnisse mit Werten aus der Literatur zeigt eine Plat-
Ein weiterer relevanter Aspekt ist die allgemeine Recyc- zierung im branchenweiten Mittelfeld (Bild 5).
lingfähigkeit von Faserverbundkunststoffen. Zu diesem
Thema gibt Kortmann eine gute Übersicht in [20] am Bei- Parallel wird derzeit am ILEK untersucht, ob MICP (vgl.
spiel von beschichteten Carbonfasern. Es werden zwei Abschn. 1.3) für die Biomineralisierung und Bindung der
Verfahren zur stofflichen Verwertung vorgestellt. Wäh- Filamente genutzt werden kann, um Kunstharze als Ma­
rend die Pyrolyse auf einem Verbrennungsprozess des
Matrixmaterials beruht, fungiert in der Solvolyse Wasser
mit einer Temperatur von >374 °C bei einem Druck von
>221 bar als Lösungsmittel. Die beiden Verwertungspro-
zesse können sowohl für Carbon- als auch Basaltfaserver-
bundkunststoffe angewandt werden.

Einleitende Untersuchungen am ILEK legten den Fokus


auf die experimentelle Ermittlung der uniaxialen Zug­
festigkeit von Basaltfaserverbundbewehrungen der
Firma C-Con. Hierzu wurden jeweils drei Basaltfaserver-
bundstäbe mit Stabdurchmessern von 3 mm und 5 mm
getestet und ausgewertet, Bild 4. Im Rahmen der Ver-
suchsvorbereitung wurden Verankerungshülsen mit un-
terschiedlichen Abmessungen gefertigt. Für die Stabva­
riante mit 3 mm Durchmesser betrug die Hülsenlänge
LHülse = 70 mm. Bei der Variante mit 5 mm Durchmesser
wurde diese verlängert auf LHülse = 100 mm. In beiden
Fällen wurde ein Außengewinde M16 zur Befestigung in
der Prüfeinrichtung berücksichtigt. Die Fixierung der
Basaltfaserverbundstäbe innerhalb der Hülse erfolgte
mit einem Injektionsmörtel der Firma Hilti. Durch eine Bild 5 Vergleich der experimentell ermittelten Bruchspannungen für
speziell konstruierte Montagehilfe konnte eine gleich- ­Basaltfaserverbundstäbe der Firma C-Con mit 3 mm und 5 mm
bleibende freie Länge von 200 mm für alle Stabvarian- Durchmesser mit denen aus der Literatur von Atutis [21], Reichen-
ten sichergestellt werden. bach [22], Monaldo [23] und Dal Lago [24]
Comparison of experimentally determined breaking stresses for
­basalt fiber composite rebars with 3 mm and 5 mm diameters of the
Die Ergebnisse der uniaxialen Zugversuche sind in company C-Con with those from the literature of Atutis [21],
Tab. 1 zusammengefasst, dabei wurde die Bruchspan- ­Reichenbach [22], Monaldo [23] and Dal Lago [24]

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die Rezyklierbarkeit gesteigert werden. Damit leisten Ba-


saltfaserverbundbewehrungen einen Beitrag zur Herstel-
lung nachhaltigerer Betonstrukturen.

5 Rezyklierbare Sandschalungen
Bild 6 Links: biomineralisierte Basaltfaserstäbe; rechts: Filament mit Calci-
umcarbonatkristallen Ein nicht unerheblicher Teil der Emissionen von Beton-
Left: bio-mineralized basalt fiber composite rebars; right: filament
bauwerken ist auf Entwurfsentscheidungen zurückzu-
with calcium-carbonate crystals
führen, die ihrerseits wiederum von den aktuellen tech-
nologischen Möglichkeiten und Beschränkungen beein-
trixmaterial zu ersetzen. Bild 6 zeigt biomineralisierte flusst wurden. Eine große Rolle spielen dabei die
Basaltfaserstäbe, für deren Herstellung lose Fasern mit Arbeits- und Materialkosten bei der Schalungsherstel-
einer Suspension aus Bakterien und Alginat beschichtet lung sowie die damit verbundenen Emissionen und Ab-
und für drei Tage in ein Bad mit Zementierungslösung fälle, die in der Regel in direkter Abhängigkeit von der
eingelegt wurden. Die hergestellten Basaltfaserstäbe wie- geometrischen Komplexität der zu fertigenden Beton­
sen zwar eine deutliche Formstabilität auf, wurden aller- strukturen stehen [25]. Dies wiederum behindert die
dings nicht bis zum Kern durchzementiert. Verbreitung statisch optimierter, filigraner Betonkon­
struktionen, da die damit einhergehenden Materialein-
In einem Zugversuch wurden biomineralisierte Basalt­ sparungen angesichts der niedrigen Materialkosten von
faserstäbe solchen mit einer Epoxidharzmatrix sowie Beton den zusätzlichen Schalungsaufwand nicht aufwie-
einem ungetränkten Faserstrang gegenübergestellt. Der gen. Letztlich führt dies zu einem übermäßigen Ver-
Faserstrang ohne Matrix versagte bei 328 N, die bio­ brauch von Beton im Bauwesen und erhöhten Emissio-
zementierten Stäbe bei 569 N und die Stäbe mit Kunst- nen von klimaschädlichen Gasen. Die Entwicklung
harzmatrix bei 961 N. Diese einleitende Versuchsreihe nachhaltiger und kostengünstiger Schalungstechnolo­
zeigt, dass die Biozementierung den Verbund der Einzel- gien, welche die abfallfreie Herstellung von Betonstruk-
fasern positiv beeinflusst, aber noch nicht die Werte einer turen filigraner Geometrie ermöglichen, kann die Um-
Kunstharzmatrix erreicht. Dies liegt vermutlich an der setzung ressourcenschonender Konstruktionen fördern
mangelhaften Querschnittaktivierung, da nur die äußeren und somit zu einer weiteren Dekarbonisierung der Be-
Filamente der Basaltfaserstäbe biomineralisiert waren. tonbauindustrie beitragen.
Hierzu werden in einem laufenden Forschungsprojekt
weitere Untersuchungen durchgeführt. Um dieser Herausforderung entgegenzutreten, befasst
sich das ILEK mit der Erforschung abfallfreier Schalungs-
Zusammenfassend betrachtet bieten Basaltfaserverbund- methoden. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf wasserlösli-
bewehrungen sowohl eine hohe Materialverfügbarkeit chen Sand-Bindemittel-Gemischen, die leicht wiederver-
und Zugfestigkeit als auch die Möglichkeit, durch redu- wertbar sind und für deren Fertigung nur relativ wenig
zierte Betondeckungen Material einzusparen. Zusätzlich Energie benötigt wird [26]. Das Schalungsmaterialsystem
kann durch die Entwicklung einer mineralischen Matrix besteht aus zwei Komponenten ‒ einem Granulat und

Bild 7 Zusammensetzung und Verarbeitung von wasserlöslichen Sand-Schalungsmaterialmischungen


Composition and processing of water-soluble sand formwork material mixtures

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Bild 8 V.l.n.r.: Würfel aus Sand und Bindemittel, additiv gefertigte wasserlösliche Sandschalung, filigraner Probekörper, gegossen mit zwei Betonen in die
­additiv gefertigte Sandschalung
From left to right: cube made of sand and binder, additively manufactured water-soluble sand formwork, filigree test specimen cast with two concretes
in the additively manufactured water-soluble sand formwork

einem wasserlöslichen Bindemittel in Pulverform. Als mahlen und kann unmittelbar in weiteren Produktions­
Granulate können sowohl primäre (Quarzsand) als auch zyklen wiederverwertet werden. Der Teil des Bindemit-
sekundäre (Betonbrechsand) feine Schüttgüter verwendet tels, welcher sich im Wasser gelöst hat, kann durch neues
werden. Bindemittel können sowohl anorganisch als ersetzt werden. Diese Technologie kann leicht an die digi-
auch organisch sein, Bild 7. Zu den anorganischen Ver- tale Produktion und die Herstellung komplexerer Scha-
tretern zählen vor allem Natrium-, Kalium- oder Magne­ lungsformen durch 3D-Druck angepasst werden (Bild 8
siumsalze (Chloride, Carbonate oder Sulfate) und Geo­ mittig, rechts), was in Teil 2 dieses Beitrags näher erläu-
polymere wie Natrium- oder Kaliumsilikate. Organische tert wird [27].
Bindemittel, natürliche und synthetische Polymere bieten
ebenfalls großes Potenzial für diese Anwendung, da sie
nur teilweise wasserlöslich sind und zu einem höheren 6 Zusammenfassung
Prozentsatz wiederverwertet werden können. Hierzu ge-
hören Kohlenhydrate (Polysaccharide ‒ Dextrin, Zellulo- Beton gehört nicht zu den klassischen Leichtbaumateria-
se), Proteine (Gelatine) sowie Vinylpolymere (Poly­ lien, da das Verhältnis von spezifischem Gewicht zur
vinylacetat und Polyvinylalkohol). ausnutzbaren Festigkeit, Dehnung und Steifigkeit nicht
besonders günstig ist. Andere Vorteile sprechen aber für
Das Hauptmerkmal aller wasserlöslichen Schalungsge- diesen Werkstoff, u. a. seine gute Formbarkeit ebenso wie
mische ist ihre Fähigkeit zur reversiblen Verfestigung, seine Dauerhaftigkeit, gute Rezyklierbarkeit und Wirt-
die ausschließlich durch physikalische Prozesse (Be- schaftlichkeit. Diese Faktoren haben den Einsatz von
feuchtung und Temperaturbehandlung) erreicht wird, Beton im Bauwesen in den letzten 100 Jahren beflügelt.
wobei jegliche chemische Reaktion zwischen den Be- Durch die Anwendung von Leichtbau-Prinzipien ebenso
standteilen vermieden wird (vgl. mit Wasserglas oder wie durch die Erweiterung des klassischen Leichtbau-Be-
Furanharz gebundene Sandformen). Zur Herstellung griffs um ökologische Komponenten können Wege aufge-
einer wasserlöslichen Sandschalung werden zunächst zeigt werden, wie wir auch in Zukunft klima-, ressourcen-
Sand, Bindemittel und Wasser in einem Verhältnis von und umweltgerecht mit diesem Jahrhundert-Werkstoff
85/8/7 M.-% vorgemischt, um das Bindemittel zu akti- planen und bauen können.
vieren. Die Mischung wird anschließend erhitzt, bis das
Wasser verdampft ist und die Form somit aushärtet, Die Forschungsprojekte, die in den letzten Jahren am
Bild 8 links. Die Festigkeit des ausgehärteten Materials ILEK durchgeführt wurden, zeigen verschiedene Ansätze,
ist direkt proportional zum Prozentsatz des Bindemittels wie die Verwendung von primären Ressourcen bzw. die
und erreicht bei der oben genannten Zusammensetzung Entstehung von klimaschädlichen Emissionen und Abfäl-
1 MPa auf Zug und bis zu 10 MPa auf Druck, was aus- len maßgeblich reduziert werden können. Die gute Form-
reichend ist, um dem hydrostatischen Druck des Betons barkeit von Beton macht es grundsätzlich möglich, auch
standzuhalten und gleichzeitig die wasserlöslichen Ei- mit diesem scheinbar so schweren Werkstoff filigrane und
genschaften zu erhalten. Trotz der Wasserlöslichkeit der leichte Konstruktionen zu realisieren. Um dieses zu er-
Schalung ist das in der Betonmischung enthaltene Was- möglichen, entwickeln die Forschenden am ILEK innova-
ser nicht ausreichend, um diese zu zerstören oder zu tive und kreislaufgerechte Schalungstechnologien und
verformen. Betonrezepturen, welche die Verwendung von Rezykla-
ten für die Herstellung von Gradientenbeton ermögli-
Nach der Aushärtung des Betons kann die Schalung in chen. Alternative Bewehrungsansätze, aufbauend auf den
ein Wasserbad getaucht oder mit fließend Wasser ausge- Forschungsarbeiten von anderen Universitäten im Be-
waschen werden. Das gesamte Schalungsmaterial wird reich der faserverstärkten Betone [28], sind aufgrund der
anschließend vom Restwasser getrennt, getrocknet, ge- oft komplexen Topologien essenziell. Letztlich geht es

Beton- und Stahlbetonbau 118 (2023), Heft 5 317


L. Blandini, D. Kovaleva et al.: Leicht bauen mit Beton – ausgewählte Forschungsarbeiten des ILEK – Teil 1: Materialleichtbau

darum, eine Reihe von ineinandergreifenden alternativen Forschungsfragen zu definieren und deren Zielsetzung
Technologien zu entwickeln, die es uns ermöglichen, die zu schärfen.
Emission von CO2 während der Herstellung von Beton-
konstruktionen so gering wie irgend möglich zu halten.
Dank
Obwohl die hier behandelten Forschungsthemen ver-
schiedene Aspekte bei der Reduktion des ökologischen Die Forschungsarbeiten zum Thema Gradientenbeton
Fußabdrucks von Beton behandeln, sind alle durch ein werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft
gemeinsames Ziel miteinander verbunden, nämlich den (DFG) im Rahmen der Exzellenzstrategie – EXC 2120/​
Wunsch, in Zukunft leichter und nachhaltiger mit Beton 1-390831618 gefördert. Die Forschung zu nachhaltigen
bauen zu können. Dieses Ziel kann nur durch eine inter- Schalungstechnologien wird von der Deutschen For-
disziplinäre Vorgehensweise erreicht werden, die den schungsgemeinschaft (DFG) unter der Projekt-ID
Austausch zwischen Fachleuten aus dem Bauingenieur- 423987937- SPP 2187 gefördert. Die Forschung zu Biobe-
wesen, der Architektur und anderen Bereichen wie der ton wird durch das Innovationsprogramm „Zukunft Bau“
Werkstoffkunde, der Fertigung und der Mikrobiologie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung
fordert und fördert. Aus diesem Grund ist für das ILEK (BBSR) (Projekt-ID SWD-10.08.18.7-20.41) sowie durch
die Zusammenarbeit mit anderen Instituten unabding- das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirt-
bar. Die methodische Erweiterung der Ansätze des schaft Baden-Württemberg (UM) gefördert. Die Autoren
Leichtbaus um den ökologischen Fußabdruck bildet danken der DFG, dem BBSR und dem UM für die geleis-
dabei den notwendigen Rahmen, um die behandelten tete Unterstützung.

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Autor:innen

Prof. Dr.-Ing. M.Arch. Lucio Blandini Benedikt Strahm M.Sc.


lucio.blandini@ilek.uni-stuttgart.de benedikt.strahm@ilek.uni-stuttgart.de
Universität Stuttgart Universität Stuttgart
Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren
Pfaffenwaldring 14 Pfaffenwaldring 14
70569 Stuttgart 70569 Stuttgart

Dipl.-Arch. Daria Kovaleva (Korrespondenzautorin) Erik Eppinger M.Sc.


daria.kovaleva@ilek.uni-stuttgart.de erik.eppinger@imb.uni-stuttgart.de
Universität Stuttgart Universität Stuttgart
Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren Institut für Mikrobiologie
Pfaffenwaldring 14 Allmandring 31
70569 Stuttgart 70569 Stuttgart

Christoph Nething M.Sc. Alexander Teichmann M.Sc.


christoph.nething@ilek.uni-stuttgart.de Universität Stuttgart
Universität Stuttgart Institut für Werkstoffe im Bauwesen
Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren Pfaffenwaldring 4
Pfaffenwaldring 14 70569 Stuttgart
70569 Stuttgart

David Nigl M.Sc.


david.nigl@ilek.uni-stuttgart.de
Universität Stuttgart
Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren
Pfaffenwaldring 14
70569 Stuttgart

Maiia Smirnova M.Sc.


maiia.smirnova@ilek.uni-stuttgart.de Zitieren Sie diesen Beitrag
Universität Stuttgart Blandini, L.; Kovaleva, D.; Nething, C.; Nigl, D.; Smirnova, M.;
Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren Strahm, B.; Eppinger, E.; Teichmann, A. (2023) Leicht bauen mit
Pfaffenwaldring 14 Beton – ausgewählte Forschungsarbeiten des ILEK – Teil 1: Material-
70569 Stuttgart leichtbau. Beton- und Stahlbetonbau 118, H. 5, S. 310–319.
https://doi.org/10.1002/best.202300025
Dieser Aufsatz wurde in einem Peer-Review-Verfahren begutachtet.
Eingereicht: 27. Februar 2023; angenommen: 7. März 2023.

Beton- und Stahlbetonbau 118 (2023), Heft 5 319

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