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II.B.12 Moralphilosophie  Eine Ethik für alle Kulturen?

– Relativismus und Universalismus im Vergleich 29 von 44

Klaus Peter Rippe: Empirischer Nachweis von ethischen M7


Universalien

Klaus Peter Rippe ist Pädagoge. Er untersuchte auf empirischer Basis, ob nicht doch, trotz aller Ver-
schiedenheit zwischen den einzelnen Kulturen, universelle Grundannahmen zu finden sind.

Aufgabe
1. Lesen Sie den Text. Stellen Sie in eigenen Worten dar, wie Rippe ethische Universalien nachweist.

Gibt es ethische Universalien?


1 Scheinbar ist es nicht möglich, dass eine Gesellschaft ganz ohne Moral auskommt. Es sind
2 immer gewisse Werte oder Prinzipien erforderlich, die das gemeinsame Leben regeln. Und
3 es gibt eine Reihe von moralischen Normen, die anscheinend in jeder Gesellschaft – egal
4 unter welchen Umständen – ihre Geltung behalten.
5 Die Untersuchung des Verbots des Mordes und des Inzestverbots in drei völlig unterschied-
6 lichen – und nicht von westlicher Zivilisation beeinflussten – Kulturen zeigt, dass die Ho-
7 pi-Indianer in den USA, die Tsonga in Mosambik und die Kapauku in West-Neuguinea die
8 beabsichtigte Tötung eines Menschen von Notwehr, Unfällen und anderen Fällen von nicht
9 beabsichtigter Tötung unterscheiden und Erstere moralisch weitaus schärfer verurteilen.
10 Für inzestuöse Handlungen gilt eine überraschend scharfe Verurteilung, die von der Strafe
11 her mit Mord auf gleicher Stufe steht.
© RAABE 2020

12 Auf die Frage, ob bestimmte Normen moralische Universalien sind, haben die ausgesuch-
13 ten Beispielnormen den Schluss erlaubt, dass es einen in allen Gesellschaften nominierten
14 Kernbereich gibt:
15 A) Das Verbot des Inzests innerhalb der Kernfamilie.
16 B) Das Verbot des Mordes wird von anderen, weniger verbotenen oder erlaubten Tötun-
17 gen eines Menschen abgegrenzt.
18 Damit lässt sich folgendes Ergebnis aufgrund der empirischen Befunde festhalten:
19 1. Es gibt moralische Prinzipien, die allen (sozialen) Moralsystemen zugrunde liegen, die
20 in (funktionierenden) menschlichen Gesellschaften gelten.
21 2. Es gibt einige Bereiche menschlichen Lebens, die in allen menschlichen Kulturen durch
22 Normen geregelt werden.
Text: Rippe, Klaus Peter: Ethischer Relativismus. Seine Grenzen, seine Geltung. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn
1993.

65 RAAbits Ethik/Philosophie November 2020


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