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Physik

im Studiengang Maschinenbau
Vorlesung
Prof. Dr.-Ing. Inge Wickenkamp, Prof. Dr.-Ing. Tobias Böhm

Maschinenbau
2. Semester
SS 2023
Gliederung der Lehrveranstaltung

0. Organisatorisches (#Folie M 3)
1. Einführung (#Folie M 14)
2. Mechanik (#Folie M 34)
3. Elektrizität und Magnetismus (#Folie E 2)
4. Optik (#Folie O 2)

M2 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
0. Organisatorisches

Dozenten und Tutoren


Lehrveranstaltungen
Unterlagen
Termine
Literatur
Klausur

M3 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
zurück zur Gliederung
Prof. Dr.-Ing. Tobias Böhm
Raum D116
E-mail: tobias.boehm@fh-bielefeld.de
Sprechstunde nach Vereinbarung

Lehrveranstaltungen
Festigkeitslehre (1. Sem), Physik (2. Sem)
Prozess- und Informationsmanagement (3. Sem)
Strömungsmechanik (4. Sem)
Werdegang
Studium in Aachen, Berlin und Lyon
Promotion in Grenoble,
Strömungsmechanik
8 Jahre in der Aerodynamik
bei Airbus in Toulouse
Seit September 2013 an der FH
M4 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Prof. Dr.-Ing. Inge Wickenkamp
Raum E 208
E-Mail: inge.wickenkamp@fh-bielefeld.de
Sprechstunde nach Vereinbarung

Lehrveranstaltungen im Maschinenbau
Technisches Zeichnen (1. Sem), Physik (2. Sem),
Getriebeelemente (3. Sem), Konstruieren mit
Kunststoffen (6. Sem)

Werdegang
Studium Universität Hannover (Maschinenbau)
Promotion Universität Hannover (Fertigungstechnik)
PIV Drives GmbH (Entwicklung CVT-Getriebe)
DNV GL (Zertifizierung von Windenergieanlagen)

M5 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Tutoren

Jaan Luca Buchold (jaan_luca.buchold@fh-bielefeld.de)


Julius Kummert (julius.kummert@fh-bielefeld.de)

Zusätzliche Ansprechpartner für Sie in den Tutorien

Versuche in den Vorlesungen

M. Sc. Niclas Richter,


Physiklabor

M6 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Auszug aus dem Modulhandbuch

d. h. mehr als die


Hälfte der Zeit im
Eigenstudium

Eine selbständige
Vor- und
Nachbereitung der
Veranstaltungen
wird erwartet. Der
Prüfungszeitraum
reicht für die
Klausurvorbereitung
nicht aus.
M7 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
„Spielregeln“ für Vorlesung und Seminar


Zu spät kommen oder früher gehen sollte die Ausnahme bleiben

Ein Besuch in Vorlesung oder Seminar lohnt sich nur,
wenn Sie aufmerksam bei der Sache sind

Setzen Sie sich nach vorne (insbesondere für die Versuche)

Zwischenfragen sind erwünscht, meistens helfen sie auch den
Kommilitonen

Sie müssen nur gelegentlich mitschreiben (Tafelarbeit, Ergänzungen
der Unterlagen), verstehen geht über mitschreiben

bitte Handys, Laptops etc. ausschalten und wegräumen

Lassen Sie sich beim eLearning nicht von anderen Dingen ablenken!

Seminare

nur selbst rechnen macht schlau

wer eine Aufgabe erklären oder vorrechnen kann,
dürfte damit auch in der Klausur keine Probleme haben
M8 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Bitte beachten Sie in jedem
Saal die Notausgänge!
Unterlagen zur Lehrveranstaltung


Zugang zu den Materialien auf Ilias:
Ilias » Lernkatalog » Ingenieurwissenschaften und Mathematik »
Sommersemester 2023 » Physik (SS 23) – Böhm

Die Vorlesungsunterlagen werden im Voraus hochgeladen
Empfehlung: Verkleinert ausdrucken bzw. auf dem Tablet
speichern, um in der Vorlesung Notizen zu machen und Aufgaben
zu lösen

Auch die Unterlagen der Seminare (die Übungsblätter mit
Ergebnissen aber ohne Musterlösungen) werden auf Ilias gestellt

Zur Lernkontrolle gibt es Tests: Wer wird Ingenieur

Die Materialien dürfen nur im Rahmen des Studiums an der FH
Bielefeld benutzt werden und nicht an Dritte weitergegeben
werden

Hinweise zur Veranstaltung werden auch über Ilias verteilt, bitte
melden Sie sich an

M9 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Literaturempfehlungen

Drei umfassende Lehrbücher mit Übungsaufgaben


(jeweils ca. 80 €)

Halliday, David, Physik. 3. Aufl., Weinheim: Wiley-VCH,
2018. Bibliothek: Lehrbuch + Arbeitsbuch
(Treffersortierung: Erscheinungsjahr absteigend)


Giancoli, Douglas C., Physik. 4. Aufl., München: Pearson
Studium, 2019. Webseite

Tipler, Paul A.; Mosca, Gene, Physik. 8. Aufl.,
Springer Spektrum, 2019. Lehrbuch + Arbeitsbuch.
Ein preiswertes Lehrbuch (ca. 35 € + 17 €)

Lindner, Helmut, Physik für Ingenieure. 19. Aufl., München:
Hanser Verlag, 2014 Lehrbuch + Aufgaben.
Diese und weitere Lehrbücher sind in der Bibliothek oder im
Handel erhältlich.
M 10 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Termine


Zug A
Vorlesung: Do 10:15 Uhr ab 06.04., E4
Seminar: Do 12:45 Uhr ab 06.04., C013
Do 8:30 Uhr ab 13.04., E006
Tutorium bei Herrn Julius Kummmert
einmalig am Di 11.04. um 15:45 Uhr,
regelmäßig am Mo um 15:45 Uhr, ab 17.04.

Zug B
Vorlesung: Di 8:00 Uhr ab 04.04., E4
Seminar: Mi 14:00 Uhr ab 05.04., D011
Mi 15:45 Uhr ab 05.04., D012
Tutorium bei Herrn Jaan Luca Buchhold
Fr 13:30 Uhr ab 14.04.

Siehe Physik_Stoffeinteilung.pdf

M 11 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Termine

Vorlesungen und Seminare


An den Feiertagen fallen die Lehrveranstaltungen aus.
Ausgefallene Lehrveranstaltungen werden zum Teil nachgeholt.

Siehe Physik_Stoffeinteilung.pdf

M 12
Änderungen vorbehalten!
Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Klausur

Erster Termin: voraussichtlich Mitte Juli

Dauer: 90 min
Hilfsmittel

einfacher Taschenrechner
(nicht programmierbar, kein Funktionenplotter)
Schreib- und Zeichengeräte

Eine Formelsammlung wird Ihnen auf Ilias zur Verfügung
gestellt. Diese Formelsammlung wird Ihnen auch in der
Klausur ausgeteilt.

nicht zugelassen sind Lehrbücher, Vorlesungsunterlagen
und Übungsaufgaben

M 13 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
1. Einführung

Was ist Physik


Physikalische Größen, Einheiten
Messen, signifikante Stellen
Das griechische Alphabet

M 14 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
zurück zur Gliederung
Was ist Physik?

eine Grundlagenwissenschaft

die wissenschaftliche Erforschung der Erscheinungen der
(unbelebten) Natur

ein Physiker will die Welt beschreiben, erklären und
vorhersagen

Physikalische Aussagen

müssen durch Messungen belegbar sein

M 15 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Vorgehensweise in der Physik

Beobachtung der Natur (nicht nur visuell),
z. B. der Bewegung eines Körpers

Einführung physikalischer Größen,
z. B. Geschwindigkeit

Beschreibung der Vorgänge,
z. B. konstante Geschwindigkeit (Hypothese, Theorie)

Durchführung von Experimenten, dabei werden störende
Einflüsse nach Möglichkeit abgestellt, z. B. Reibung

Messung der relevanten physikalischen Größen mit
Messgeräten

Formulierung von Zusammenhängen der
physikalischen Größen mit Hilfe der Mathematik → Formeln

M 16 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Vorgehensweise in der Physik

Überprüfung bekannter und Vorhersage unbekannter
Vorgänge

Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse oder
Methoden auf technische Fragestellungen
Grundlagenforschung oder angewandte Forschung,
oft ergeben sich neue physikalische Fragestellungen

M 17 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Video: Schadensmeldung
Teilgebiete der Physik

Gebiet der Physik Stichwörter Sem. an der FH


Statik Gleichgewicht, Kräfte, Momente 1
Festigkeitslehre Materialgesetze 1 klassische
Dynamik Bewegung, Impuls, Energie 2 Mechanik
Strömungsmechanik Flüssigkeiten, Gase, Druck 4
Thermodynamik Wärme, Temperatur, Druck 2
Elektrizitätslehre Ladungen, Strom, Magnetismus 2 (Physik)
Optik Licht, Linsen, Wellen 2 (Physik)
Akustik Schall, Wellen -
...
Moderne Physik Quanten, Relativitätstheorie, ... -

M 18 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Physik ist Grundlage der Ingenieurwissenschaften

Aufgabe: Finden Sie für die verschiedenen Gebiete der


klassischen Physik Anwendungsbeispiele beim Automobil

Gebiet der Physik Anwendungsbeispiele


Festigkeitslehre
Dynamik
Strömungsmechanik
Thermodynamik
Elektrizitätslehre
Optik
Akustik 5 min
... in Kleingruppen

M 19 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Aufgabe: Gebiete der Physik
Quelle: Maserati GranTurismo at night.jpg by Modrak (CC BY-SA 3.0)
Physikalische Größen

Eine physikalische Größe ist eine quantitativ
bestimmbare Eigenschaft eines Objektes, Zustandes
oder Prozesses,
sie ist somit messbar (z. B. Länge, Zeit, Temperatur, …).

Die Messung einer physikalischen Größe erfordert den
Vergleich mit einem genau definierten Standard, einer
sogenannten Maßeinheit.

Eine physikalische Größe ist das Produkt aus einem
Zahlenwert und einer Einheit.
physikalische Größe = Zahlenwert · Einheit

Schreibweise: X ={ X }[ X ]
z. B. Breite: b=0.5 mm, damit: { b }=0.5 und [b]=mm

Die Einheit selbst darf nicht in Klammern gesetzt werden!
M 20 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Physikalische Größen


Für die Beschriftung von Tabellen
und Koordinatenachsen verwenden
wir z. B. für die x-Achse:
b/ mm oder b in mm


Physikalische Gesetze stellen die mathematische
Beziehung zwischen verschiedenen physikalischen Größen
dar.

Eine kleine Anzahl von Basisgrößen mit entsprechenden
Grundeinheiten reicht aus, um verschiedenste Größen
durch sie auszudrücken.

Die Wahl der Grundeinheiten bestimmt das
Einheitensystem.

Quelle: Roloff/Matek Maschinenelemente,


M 21 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
24. Aufl. S. 117
Das Internationale Einheitensystem

Bis ins 19. Jhd. unterschieden sich die
Einheiten von Region zu Region.
So gab es allein im deutschen Sprachraum
viele verschiedene Definitionen der
Längeneinheit Elle.

Dies erschwerte den internationalen Handel
und den Austausch von Forschungsergebnissen


In Frankreich gab es schon im 18. Jhd. Bestrebungen, ein
einheitliches Einheitensystem einzuführen, dabei
sollten möglichst wenige Einheiten definiert werden und
alle anderen davon abgeleitet werden.

So entstand das Internationale Einheitensystem
(SI für Système international d'unités)

Quelle: Frankfurt_Leinwandhaus_Frankfurter_Elle.jpg
M 22 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
by Andreas Praefcke (CC BY-SA 3.0)
Das Internationale Einheitensystem

Die 7 Basisgrößen des SI-Einheitensystems


Basisgröße Formel- Einheit Einheits-
zeichen zeichen
Länge l Meter m
Masse m Kilogramm kg
Zeit t Sekunde s
Stromstärke I Ampere A
Temperatur T Kelvin K
Stoffmenge n Mol mol
Lichtstärke IV Candela cd

Es gibt 22 abgeleitete Größen, z. B. Newton, Hertz, Pascal, Joule, Watt.

Einheiten außerhalb des SI: z. B. Minute, Stunde, Liter, Tonne, Gramm, bar.

Siehe auch DIN 1301-1:2010-10 und


M 23 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
DIN EN ISO 80000-1:2013-08
Das Internationale Einheitensystem (SI-Einheiten)

Alle 7 Basiseinheiten sind seit dem 20. Mai 2019


über Konstanten definiert.
Konstanten:

Basiseinheiten:

M 24 Physik; V; SS2023; Quellen: PTB (PDF-Datei) und PTB-Infoblatt


Symbol: SI-Broschüre (PDF, frz.)
FH Bielefeld; Tobias Böhm
SI-Präfixe

Um Einheiten der verschiedensten Größenordnungen


auszudrücken, benutzen wir SI-Präfixe
Symbol Name Wert Symbol Name Wert
da Deka 101 Zehn d Dezi 10-1 Zehntel
h Hekto 102 Hundert c Zenti 10-2 Hundertstel
k Kilo 103 Tausend m Milli 10-3 Tausendstel
M Mega 106 Million µ Mikro 10-6 Millionstel
G Giga 109 Milliarde n Nano 10-9 Milliardstel
T Tera 1012 Billion p Piko 10-12 Billionstel
P Peta 1015 Billiarde f Femto 10-15 Billiardstel
E Exa 1018 Trillion a Atto 10-18 Trillionstel
Z Zetta 1021 Trilliarde z Zepto 10-21 Trilliardstel
Y Yotta 1024 Quadrillion y Yokto 10-24 Quadrillionstel

M 25 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Video: Zehn Hoch Web: Scale of the Universe
https://youtu.be/fJ3e4Egs_sM http://htwins.net/scale2/lang.html
SI-Präfixe – Regeln

maximal ein Präfix pro Einheit

Das Präfix ist so zu wählen, dass der Zahlenwert möglichst
im Bereich zwischen 0.1 und 1000 liegt

Bei zusammengesetzten Einheiten darf jede der einzelnen
Einheiten einen Präfix enthalten

Angestrebt werden soll jedoch, nur einen Präfix
(im Zähler!) zu verwenden.
z. B. :

( )
2
N N 1000 mm 6 N
σ =1 2
=1 2
⋅ =10 2
=1 MPa
mm mm 1m m

In der Praxis empfohlene


häufig verwendet Einheit

M 26 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Achtung:

Joe Biden: The national debt of the USA is 27 trillion $.


Die Staatsverschuldung der USA beträgt 27 Billionen $.

englisch deutsch Wert


million Million 106
billion Milliarde 109
trillion Billion 1012 = Million 2

quadrillion Billiarde 1015


quintillion Trillion 1018 = Million 3

... ... ...

M 27 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm Tafelbeispiel: Geburtenrate
Messen, signifikante Stellen

Wir messen den Außendurchmesser einer CD mit einem
Lineal, dabei können wir eine Genauigkeit von etwa 1 mm
erreichen
d=

Daraus berechnen wir den Umfang der CD
u= π d =
Die mathematische Konstante π kann sehr genau
angegeben werden. Wenn wir allerdings für den Umfang
Stellen hinter dem Komma angeben, suggerieren wir eine
höhere Genauigkeit als bei der Messung von d .

Deshalb runden wir sinnvoll:
u=

M 28 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm Ergänzung an der Tafel
Messen, signifikante Stellen

Wir messen den Außendurchmesser erneut, nun mit einem
Messschieber, mit dem wir eine Genauigkeit von 0.1 mm
erreichen können.
Wir können nun vier signifikante Stellen angeben:
d=

Auch den Umfang können wir nun genauer angeben:
u= π d =


Wird eine physikalischen Größe aus anderen berechnet,
ergibt sich die Zahl der signifikanten Stellen aus der des
unsichersten Messwerts:

A= π d 2 =
4

M 29 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm Ergänzung an der Tafel
Signifikante Stellen

Jede physikalische Größe hat eine gewisse Zahl von
signifikanten Stellen, die von der Messung abhängt.

Zählung: von der ersten von Null verschiedenen Stelle bis
zur Rundungsstelle


Die Anzahl der signifikanten Stellen im Ergebnis einer
Multiplikation oder Division ist nie größer als die der
Größe mit den wenigsten signifikanten Stellen.

Die Anzahl der Dezimalstellen bei der Addition oder
Subtraktion mehrerer Größen entspricht der des Terms
mit der kleinsten Anzahl von Dezimalstellen.

Exakte Werte (z. B. 2 beim Verdoppeln) haben unendlich
viele Stellen, diese werden bei der Ermittlung nicht mit
betrachtet.
M 30 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm Tipler/Mosca Kap. 1.4 und 41.1, DIN 1333
Signifikante Stellen

Vorsicht

Fläche eines Rechtecks:
A=a b=2.5 cm⋅3.2 cm=8.0 cm 2 (≠8 cm 2 )
zwei zwei zwei
signifikante Stellen
Wir geben die Null hinter dem Komma an, um zu
signalisieren, dass zwei signifikante Stellen bekannt sind.

Manchmal sieht man einem Messwert die Zahl der
signifikanten Stellen nicht an:
In der Physikvorlesung sitzen 200 Studierende.
Sind es genau 200? → drei signifikante Stellen
oder 195-204? → zwei signifikante Stellen
oder 150-249? → eine signifikante Stelle
M 31 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Signifikante Stellen

Beispiel:
m
Gegeben: m=1.5 kg , g =9.81 gesucht: Gewichtskraft F
s2
Rechnung und Ergebnis:
F =m⋅g=14.715 N=15 N (2 signifikante Stellen!)

Schreiben Sie vor dem Runden auf die passende Anzahl an


signifikanten Stellen mindestens zwei Stellen mehr hin,
falls Sie mit diesem Ergebnis später weiter rechnen müssen.
Rechnen Sie nie mit gerundeten Werten weiter!
Formen Sie Gleichungen so um, dass Sie alle Zahlen erst am
Ende eingeben.

M 32 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Das griechische Alphabet

Da unsere lateinischen Buchstaben in der Physik und im


Ingenieurwesen oft nicht ausreichen, benutzen wir auch
griechische Buchstaben:
Α , α : alpha Ν ,ν : ny
Β , β : beta Ξ , ξ : xi
Γ , γ : gamma Ο , ο : omikron
Δ , δ : delta Π , π : pi
Ε , ε : epsilon Ρ , ρ : rho
Ζ , ζ : zeta Σ , σ : sigma
Η , η : eta Τ , τ : tau
Θ ,θ : theta Υ , υ : ypsilon
Ι , ι : jota Φ , φ : phi
Κ , κ : kappa Χ , χ : chi
Λ , λ : lambda Ψ , ψ : psi
Μ , μ : my Ω , ω : omega
M 33 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
2. Mechanik

Kinematik
Newtonsche Axiome
Kraft
Gravitation
Reibung
Arbeit
Energie

M 34 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
zurück zur Gliederung
Mechanik

Die Mechanik ist die Lehre der Bewegung von Körpern
sowie der dabei wirkenden Kräfte.

Sie ging vor etwa 500 Jahren aus dem Bestreben hervor,
Bewegungen zu beschreiben und vorauszusagen.

Damit ist die Mechanik das älteste Teilgebiet der Physik
und das Fundament der anderen Disziplinen.

Ein wichtiges Teilgebiet der Mechanik ist die Statik, sie
beschreibt Systeme von Körpern in Ruhe (1. Semester).

In der Dynamik beschäftigen wir uns mit der Bewegung
von Körpern und den Kräften, die diese hervorrufen.

Die Grundlagen der Dynamik werden in der
Lehrveranstaltung Dynamik, aber auch in der
Lehrveranstaltung Physik behandelt.

M 35 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Kinematik

Wir beschäftigen uns zunächst mit der Kinematik,
der Beschreibung von Bewegungen.

Erst danach werden wir uns mit der Dynamik im engeren
Sinne beschäftigen, d. h. mit den Kräften, die die
Bewegung hervorrufen.

Anwendungsbeispiele der Kinematik:
- Bewegung, die eine Nockenwelle auf Stößel überträgt

- Bahnkurve eines Flugzeugs

Quelle: Nockenwelle_ani.gif (CC0)


M 36 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
1D Bewegung eines Massepunktes

Der einfachste Fall ist die Bewegung eines Massepunktes
in einer Dimension.


Ein Massepunkt ist ein Körper mit einer gewissen Masse,
dessen Abmessungen klein im Vergleich zu seiner
Bewegung sind. Z. B. eine Fliege, ein Auto, ...

M 37 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
1D Bewegung eines Massepunktes

Der Ort (auch Position) des Massepunktes lässt sich durch
eine Koordinate s (z. B in m) angeben.
die Koordinate
wird meist mit
−1 0 1 2 s in m s oder x
bezeichnet
Massepunkt


Das Koordinatensystem kann auch gekrümmt sein,
Beispiel: Lok auf Schienen

2 3 s in m
−1
0 1

M 38 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
1D Bewegung eines Massepunktes

Die Bewegung eines Massepunktes lässt sich vollständig
beschreiben, wenn wir die Ortskoordinate s als eine
Funktion der Zeit angeben: s(t )

Beispiele:
s(t )= A t+ s0
s(t )=s1 sin ( B t)

Die Ortskoordinate hängt von der Zeit (und von den
Konstanten A , s0 , B , s1 ) ab.

M 39 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Ort-Zeit-Diagramm

Die Bewegung kann in einem Ort-Zeit-Diagramm
dargestellt werden, dabei trägt man i. A. die Zeit als
Abszisse (x-Achse) und den Ort als Ordinate (y-Achse) auf

s in m
2 s(t )

0
0 1 2 t in s

Jedem Zeitpunkt wird genau ein Ort zugeordnet
(die Umkehrung gilt i. A. nicht)

M 40 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Ort-Zeit-Diagramm: mittlere Geschwindigkeit

Oft sind wir an der Verschiebung Δ s interessiert,
die ein Massepunkt in einer Zeitspanne Δ t zurücklegt

s
Δ s=s 2−s1
s(t )
s2

s1
t1 t2 t Δ t=t 2−t 1

Die mittlere Geschwindigkeit ergibt sich aus dem
Quotienten: Δ s Einheit: weitere Bezeichnungen:
v = m
Δt m Durchschnitts-
[v ]=
s v
geschwindigkeit, ̄

M 41 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
lat.: velocitas, engl.: velocity
Tafelbeispiel Sprinter

Wie groß ist über die Strecke von 100 m die mittlere
Geschwindigkeit in km/h? Wie heißt der Sprinter?

+90
+80
s(t )in m
+70
+60 Vereinfachtes
Ort-Zeit-Diagramm
+50
+40
+30
+20
+10
+2.0 +4.0 +6.0 +8.0 t in s

M 42 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Tafel: Sprinter 1
Ort-Zeit-Diagramm: Geschwindigkeit

Wenn wir an der (Momentan-)Geschwindigkeit
interessiert sind, so lassen wir den betrachteten Zeitraum
gegen Null laufen, wir bilden die Zeitableitung
s t 1 bleibt konstant,
Δ s=s 2−s1 t 2 läuft gegen t 1
s(t )

s2
s1
t1 t2 t Δ t=t 2−t 1

Die Momentangeschwindigkeit ergibt sich aus dem
Differenzenquotienten: Mit dem Punkt stellt
Δ s ds man in der Physik die
v (t 1 )=lim = = ṡ
Δ t →0 Δ t dt Zeitableitung dar.
M 43 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm

Berechnen wir die Geschwindigkeit nun zu jedem
Zeitpunkt, entsteht eine neue Funktion: ds
v (t)=
dt
s in m
v in m/s
+3.0

s(t )
2 Ordinatenachsen

+2.0
v gibt die Steigung
von s zu jedem
übereinander

Zeitpunkt an.
Die Geschwindigkeit
ist die Zeitableitung
v (t)
des Ortes.
+2.0 +3.0 +4.0 +5.0 +6.0 +7.0

t in s

M 44 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Tafel: Sprinter 2
+3.0

Ort aus dem Geschwindigkeitsverlauf



Ist die Geschwindigkeit v (t) gegeben, so lässt sich daraus
+2.0
s(t ) bestimmen.

v in m/s v (t)
+2.0 +3.0 +4.0 +5.0 +6.0 +7.0 t in s


Wir stellen dazu die Definitionsgleichung der
Geschwindigkeit um:
ds Diese Gleichung integrieren wir,
v (t)= →ds=v (t )dt links über den Ort und rechts
dt
über die Zeit
s(t 1 ) t1

∫ ds=s (t 1 )−s(t 0)=∫ v (t)dt


s(t 0 ) t0

M 45 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Ort aus dem Geschwindigkeitsverlauf
t1 t1

s(t 1)−s(t 0 )=∫ v (t)dt → s(t 1 )=s (t 0 )+∫ v (t )dt


t0 t0

Um s(t ) (und nicht s(t 1) ) darzustellen, müssen wir die
Variable im Integral umbenennen, z. B. in ̃t :
t

s(t )=s (t 0 )+∫ v ( ̃t )d ̃t


t0


Wenn wir den Ort zu einem Zeitpunkt t 0 kennen sowie den
Verlauf der Geschwindigkeit zwischen t 0 und t, so können
wir daraus durch Integration den Ort zum Zeitpunkt t
berechnen.

M 46 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Geometrische Interpretation

Betrachten wir zunächst den Fall einer konstanten
Geschwindigkeit:
v ( ̃t )=v 0=const s(t )=s (t 0 )+v 0 (t−t 0 )
v ( ̃t )

s(t 0 )
̃t
t0 t t0 t

Dann können wir v 0 vor das Integral ziehen (Mathe 2. Sem):
t t

s(t )=s (t 0 )+∫ v 0 d ̃t =s (t 0 )+v 0 ∫ d t̃


t0 t0
̃t =t Fläche des
=s(t 0 )+v 0 [̃t ] =s(t 0 )+v 0 (t−t 0 ) schraffierten
̃t =t 0 Rechtecks oben

M 47 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Geometrische Interpretation

Auch wenn die Geschwindigkeit variiert ist die Fläche unter
der Kurve die Änderung des Ortes im Zeitintervall (t−t 0 ) :

v ( ̃t ) v ( ̃t )

̃t
t0 t
t

s(t )=s (t 0 )+∫ v ( ̃t )d ̃t


t0

rot schraffierte
Fläche

M 48 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Geometrische Interpretation

Auch wenn die Geschwindigkeit variiert, ist die Fläche unter
der Kurve die Änderung des Ortes im Zeitintervall (t−t 0 ) :

v ( ̃t ) d t̃1 v ( ̃t )

v (t 1 )
...
̃t
t0 t
t

s(t )=s (t 0 )+∫ v ( ̃t )d ̃t =s(t 0 )+v ( t̃0 )d t̃0 +v ( t̃1 )d t̃1 +...+v ( t̃ n−1 )d ̃t n−1
t0

rot schraffierte schwarz schraffierte Flächen


Fläche

M 49 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Ort aus dem Geschwindigkeitsverlauf

Ist nur v (t) gegeben, so ist s(t ) noch nicht eindeutig
festgelegt:
s in m
v in m/s
+3.0
s2 (t)
t

+2.0
s1 (t) s(t )=s (t 0 )+∫ v ( ̃t )d ̃t
t0

s 2 (t 0 )=1 m v (t)
+2.0 +3.0 +4.0 +5.0 +6.0 +7.0
s 1 (t 0 )=0 t in s

s2 (t) und s1 (t) unterscheiden sich nur durch s(t 0 )

Um s(t ) eindeutig zu bestimmen, muss s(t 0 ) gegeben sein

M 50 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Ort aus dem Geschwindigkeitsverlauf

Auch die folgende, verkürzte Schreibweise wird benutzt:

s(t )=∫ v (t )dt


unbestimmtes Integral


Der Ort zum Zeitpunkt Null s(t 0 ) wird nicht explizit
genannt, die Zeitvariable im Integral heißt t .


Ausführliche Schreibweise:
t

s(t )=s (t 0 )+∫ v ( ̃t )d ̃t bestimmtes Integral


t0

Der Ort zu Beginn entspricht der


Integrationskonstante eines
unbestimmten Integrals

M 51 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Beschleunigung

Weiter oben hatten wir die Geschwindigkeit als
Zeitableitung des Ortes eingeführt:
ds
v (t)= ṡ(t )=
dt

Die Beschleunigung (genauer Momentanbeschleunigung)
a(t) ist die Zeitableitung der Geschwindigkeit eines
Massepunktes: dv
a(t)= v̇ (t)=
dt

Oder auch die zweite Zeitableitung des Ortes:

a(t)= s̈(t )=
d ds
dt dt
d2 s
= 2
dt () Einheit: [a]=
m
s
2

Eine negative Beschleunigung ist ein Abbremsen

M 52 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
lat.: acceleratio, engl.: acceleration
Tafelbeispiel Sprinter

Ermitteln Sie den Verlauf der Beschleunigung aus der
Geschwindigkeit

s(t )in m dv
a(t)= v̇ (t)=
+25 dt
+20

+15
v (t )in m/s
+10

+2.0 +4.0 +6.0 +8.0

t in s
M 53 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Tafel: Sprinter 3
Geschwindigkeit aus dem Beschleunigungsverlauf

Ist die Beschleunigung a(t) gegeben, so lässt sich daraus
v (t ) bestimmen (siehe auch #Folie 44).
dv Diese Gleichung integrieren wir,
a(t)= →dv=a dt
dt links über die Geschwindigkeit
v(t 1 ) t1 und rechts über die Zeit

∫ dv=v (t 1)−v (t 0)=∫ a(t)dt


v (t 0 ) t0
t1

→v (t 1)=v (t 0 )+∫ a (t )dt


t0

Wir möchten v (t ) ermitteln und benennen die Variablen
dementsprechend um: t

v (t)=v (t 0 )+∫ a( ̃t )d ̃t
t0

M 54 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Freier Fall – Ergebnis
t 0=0 t = 7.8 s
0
2 4 6 8 t in s
10 2
Beschleunigung: a (t )= g =const
a in m/s
0
v (0)=0 t in s
50
v in m/s Geschwindigkeit: v (t )= g t

0
s(0)=0 t in s
h 1 2
Weg: s(t )= g t
300 2
s in m
M 55 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Tafel: Freier Fall
Versuch: Freier Fall
Allgemeiner Fall: s(t ) , v (t ), a (t ) s(t 2 )hat einen
Wendepunkt
+5 s(t )
s(t 1)ist extrem
+2.0 +3.0 +4.0 t
−5

−10
+5
v (t)= ṡ(t)
t
v (t 1 )=0 +2.0 +3.0 +4.0
−5 v (t 2 )ist
−10 extrem
+5
a(t)= s̈(t ) a(t 2 )=0
+2.0 +3.0 +4.0 t
−5

−10
M 56 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm vgl. Kurvendiskussion Mathematik I
Kinematik

Auf weitere Bereiche der Kinematik können wir im Rahmen
der Lehrveranstaltung Physik nicht eingehen

In der Lehrveranstaltung Dynamik werden auch
Bewegungen im Raum, Drehbewegungen und
Relativbewegungen behandelt


In der Kinematik haben wir uns damit beschäftigt,
Bewegungen zu beschreiben

Als nächstes untersuchen wir die Ursache der Bewegungen,
diese Disziplin wird Kinetik oder Dynamik genannt

M 57 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Kinetik

In der Kinetik führen wir die Bewegungen von Körpern auf
Kräfte und Momente zurück

In der Statik gilt:∑ F i =0 ; ∑ M i =0

In der Kinetik sind die Summen ∑ F i und ∑ M i von null
verschieden und beeinflussen die Bewegung

Anwendungsbeispiele der Kinetik:



Beschleunigung eines Fahrzeugs

Kräfte, die auf eine rotierende Turbinenschaufel wirken

Drehmoment, das von einer Welle übertragen wird

...

M 58 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Newtonsche Axiome

Was ist ein Axiom?
Ein grundlegendes Gesetz, das nicht herleitbar ist,
aber vielfach bestätigt wurde
In der Physik können Axiome durch Experimente bestätigt
werden


Isaac Newton formulierte
die Axiome im Jahr 1687,
Teile waren davor schon
Galileo Galilei bekannt

Isaac Newton
1689

Quelle: newton1689.jpg (CC0)


M 59 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Das 1. Newtonsche Axiom (auch Trägheitsprinzip)

Ein Körper bleibt in Ruhe oder bewegt sich geradlinig mit


konstanter Geschwindigkeit weiter, wenn keine resultierende
äußere Kraft auf ihn wirkt.


Das 1. Newtonsche Axiom wird auch Trägheitsgesetz
genannt.

Das 1. Newtonsche Axiom macht keinen Unterschied
zwischen einem ruhenden oder einem sich mit konstanter
Geschwindigkeit bewegenden Körper. Ob er sich in Ruhe
befindet oder nicht, hängt vom Bezugssystem ab!

In beschleunigten Bezugssystemen ist das 1. Newtonsche
Axiom allerdings nicht gültig!

M 60 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Inertialsystem

Ein Bezugssystem, in dem sich ein kräftefreier Körper


geradlinig gleichförmig bewegt, heißt Inertialsystem.


Ein Bezugssystem, das sich mit konstanter
Geschwindigkeit gegenüber einem Inertialsystem bewegt,
ist selbst ein Inertialsystem.

Ein Bezugssystem auf der Erde ist (wegen der Bewegung
der Erde) strenggenommen kein Inertialsystem.
In den meisten technischen Anwendungen, können wir es
aber näherungsweise als Inertialsystem betrachten.

M 61 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Das 1. Newtonsche Axiom

Beispiel Zug – unbeschleunigt



Das ruhende System (der Bahnhof) ist ein Inertialsystem.

Fährt ein Zug mit zeitlich konstanter Geschwindigkeit
(gleichförmige Bewegung), so ist auch das Bezugssystem
des Zugs ein Inertialsystem.

In beiden Inertialsystemen gilt das 1. Newtonsche Gesetz.
Wir können nicht entscheiden, welches System ruht und
welches sich bewegt.

v=const
a=0

M 62 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Das 1. Newtonsche Axiom

Beispiel Zug – beschleunigt



Beschleunigt der Zug (anfahren, bremsen, Kurven),
so ist sein Bezugssystem kein Inertialsystem.

Das 1. Newtonsche Axiom gilt für den Zug nicht.

Eine Flasche auf dem Boden des Zuges kann ins Rollen
geraten, obwohl keine äußere resultierende Kraft
(horizontal) an ihr angreift.

Wir können aber eine Trägheitskraft (eine Scheinkraft)
einführen, die die Bewegung der Flasche erklärt.

v=v (t )
a≠0

M 63 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Das 1. Newtonsche Axiom

Um das 1. Newtonsche Axiom zu demonstrieren, müssen wir


sicherstellen, dass auf den Körper keine störenden äußere
Kräfte wirken.
z. B. die Reibungskraft auf der Fahrbahn F R und der
Luftwiderstand F W sollten auf ein Minimum verringert werden.
v
FW
FR

Damit gilt das Axiom also in guter Näherung z. B. für:



Rollenfahrbahn, Luftkissenfahrbahn

Freier Fall
(oft kann der Luftwiderstand vernachlässigt werden)

Bewegung eines Planeten im Weltraum

M 64 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Versuch: Luftkissenwagen
gleichförmige Bewegung
Das 2. Newtonsche Axiom (auch Aktionsprinzip)

Die Beschleunigung eines Körpers ist proportional zu der auf


ihn wirkenden Gesamtkraft, wobei die
Proportionalitätskonstante der Kehrwert der Masse ist:
1 1
a= F = ∑ F i oder F =m a
m m

Beschleunigung und Kraft sind vektorielle Größen, das 2.
Newtonsche Axiom lässt sich auch wie folgt schreiben:
⃗ =m a
F ⃗

Die Kraft ist die Ursache,
die Beschleunigung ist die Wirkung

Auch das 2. Newtonsche Axiom gilt nur in Inertialsystemen

Es gilt in dieser Form nur für Körper mit konstanter Masse
(Gegenbeispiel: Rückstoßantrieb einer Rakete)
M 65 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Das 2. Newtonsche Axiom

F =m a
Aus dem 2. Newtonschen Axiom folgt die Einheit für die Kraft:
kg m kg m
[ F ]=[m]⋅[a]=1 2 Definition: 1 N=1
s s2
Ein Newton ist die Kraft, mit der einer Masse von 1 kg die
2
Beschleunigung von 1 m /s zugeführt wird.

Ein Newton ist die Gewichtskraft


eines kleinen Apfels im
Erdschwerefeld:

m
F =m g=102 g⋅9.81 2 =1N
s

M 66 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Quelle: http://www.yalcafruittrees.com.au
Tafelbeispiel: Sprinter 4
Das 2. Newtonsche Axiom

Masse ≠ Gewicht F =m g

Die Masse ist eine Eigenschaft jedes Körpers

Das Gewicht (besser die Gewichtskraft) hängt vom
Schwerefeld ab

Zur Verdeutlichung:
Auf dem Mond mit g Mond ≈ g Erde /6 hat ein Körper dieselbe
Masse wie auf der Erde, aber er ist leichter und fällt
langsamer.
Eine Beschleunigung in horizontaler Richtung erfordert aber
dieselbe Kraft wie auf der Erde!

M 67 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Das 2. Newtonsche Axiom

Mit dem 2. Newtonschen Axiom können wir die Masse


definieren.
Wir beschleunigen zwei unterschiedliche Massen mit der
gleichen Kraft F :
F =m1 a 1 =m2 a 2 F m1
a1 F m2
→m2 =m1
a2
t Anfang t Ende
Die Beschleunigung messen wir
mit den Methoden der Kinematik.
Je geringer die Beschleunigung, desto größer ist die Masse.
Der Vorteil der Definition der Masse als „träge Masse“:
m ist unabhängig von der Erdbeschleunigung g .

M 68 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Beispiel Beschleunigung eines Flugzeugs

Sie sitzen im Flugzeug und möchten die Beschleunigung beim


Anrollen messen.
Sie beobachten, dass ein Pendel in dieser Phase um den
Winkel φ =22° nach hinten ausschlägt.

m
y g=9.81
s2
x φ
m

Wie stark beschleunigt das Flugzeug?


Welche Geschwindigkeit erreicht das Flugzeug beim Abheben?
(Phase konstanter Beschleunigung von Δ t=20s )

M 69 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Aufgabe Flugzeug, siehe Tipler Beispiel 4.8
Versuch: Luftkissenwagen, beschl. Bewegung
Das 2. Newtonsche Axiom

Das Produkt aus Masse und Beschleunigung des 2. Axioms


lässt sich auch als negative Trägheitskraft auffassen
(auch d'Alembertsche Trägheitskraft):
n n

∑ F⃗ i =m ⃗a =− F⃗T → ∑ F⃗ i + F⃗T =⃗0 Unter Ingenieuren ist


i=1 i=1 diese Vorgehens-
weise weit verbreitet,
⃗a F⃗T da so wie in der
m m Statik ein Kräfte-
F⃗1 F⃗1 gleichgewicht
F⃗2 F⃗2 aufgestellt werden
kann.
F⃗T =−m ⃗
a
Ob man mit der Beschleunigung oder mit der
Trägheitskraft arbeitet ist Geschmackssache,
beide Vorgehensweisen sind äquivalent.

M 70 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Das 3. Newtonsche Axiom (auch Reaktionsprinzip)

Kräfte treten stets paarweise auf: Wenn zwei Körper


miteinander wechselwirken, dann besitzen die Kräfte, welche
die Körper aufeinander ausüben, denselben Betrag und
entgegengesetzte Richtungen:
⃗ AB =− F
F AB =−F BA oder in Vektorschreibweise: F ⃗ BA

A B

Ein solches Kräftepaar wird auch als
Aktions‐Reaktions‐Paar bezeichnet
Wir betrachten A ●
Das 3. Newtonsche Axiom hat auch
und B getrennt: in der Statik eine große Bedeutung
(siehe Schnittprinzip)
A B
F BA F AB ●
Eine Trägheitskraft hat keine
Kraft von Kraft von Gegenkraft, sie wird auch als
B auf A A auf B Scheinkraft bezeichnet

M 71 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Versuch: Skateboards
Kräfte

Wir haben mit Kräften gearbeitet,


ohne eine genaue Definition zu geben.

Definition (siehe 1. + 2. Newtonsches Axiom):


Eine Kraft ist ein äußerer Einfluss oder eine äußere
Einwirkung auf einen Körper, infolgedessen sich seine
Geschwindigkeit ändert, d.h. infolgedessen der Körper relativ
zu einem Inertialsystem beschleunigt wird.

Neben der Beschleunigung eines beweglichen Körpers,


kann eine Kraft auch die Verformung eines festgehaltenen
Körpers verursachen (siehe Festigkeitslehre).

M 72 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
lat.: fortitudo, engl.: force
Kräfte

Kräfte zwischen Körpern können auch als


Wechselwirkungen aufgefasst werden.

Wir unterscheiden:
Kontaktkräfte wirken zwischen Körpern, die sich berühren
(z. B. Normalkraft). Die Moleküle auf der Oberfläche der
Körper treten dabei in Wechselwirkung.

Fernwirkungskräfte wirken über (beliebig große) Distanzen


(z. B. Gravitation, elektromagnetische Kraft).
Sie werden über ein Feld vermittelt.

M 73 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Die vier fundamentalen Wechselwirkungen der Physik
(auch die vier Grundkräfte genannt)

Alle in der Natur vorkommenden Wechselwirkungen können


auf 4 fundamentale Wechselwirkungen zurückgeführt werden,
die zwischen den Elementarteilchen wirken:
Reich- relative wirkt auf technische
weite Stärke Bedeutung
Gravitation ∞ 10-41 Massen Gewichtskraft

elektromagnetische ∞ 10-2 elektrische fast alle


Kraft Ladungen technischen Kräfte
starke ≈10-15 m 1 Nukleonen Kernspaltung
Wechselwirkung
schwache <10-15 m 10-14 Elementar- Radioaktivität
Wechselwirkung teilchen

M 74 für Ingenieure von


Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Thema in den
geringer Bedeutung kommenden Wochen
Gravitation

Neben den drei Axiomen stellte Newton auch das


Gravitationsgesetz auf.
Er erkannte, dass die Kraft, die die Erde auf der Umlaufbahn
um die Sonne hält, den selben Ursprung hat, wie die Kraft,
die einen Apfel zu Boden fallen lässt.

Zwischen zwei m1 m2
Massen besteht eine F =G
Anziehungskraft: r2

m1 m2 Gravitationskonstante:
F F
r −11 N m2
G=6.67⋅10 2
Entfernung der kg
Schwerpunkte
M 75 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Tafelbeispiel: Gravitation
Gravitationswaage nach Cavendish

1798 maß Henry Cavendish


die Gravitionskonstante mit
m1 m2 dem dargestellten Versuch
F =G 2
r Torsionsfaden Sein Ziel war es, die Masse der
Erde zu bestimmen

Die Messabweichung bei


diesem Versuch ist hoch,
da sich die Gravitation nicht
abschirmen lässt (wenn z. B.
m1 ein Vogel, über das Gebäude
fliegt)
m2
Auch heute sind nur etwa vier
r
signifikante Stellen der
Gravitationskonstante bekannt
Quelle: Giancoli, Abb. 6.3; Tafel: Gravitation 2;
M 76 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
The Cavendish experiment
Gravitation

Die Gravitation erklärt, warum sich die


Erde auf einer Ellipsenbahn
F
(näherungsweise auf einer Kreisbahn) Gravitationskraft G
um die Sonne bewegt.
Die Gravitationskraft bewirkt eine
Zentripetalbeschleunigung (wie die Kraft
in einem Seil, an dem eine Masse um
einen Mittelpunkt rotiert).
siehe Lehrveran-
Die Gravitation ist diejenige der vier staltung Dynamik
Grundkräfte, die die Ordnung des
Weltraums bestimmt.
Sie wirkt über große Distanzen und ist im
Gegensatz zur elektromagnetischen Kraft
immer anziehend (keine Kompensation).

M 77 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Reibung

Die Reibung ist eine Kontaktkraft, sie beruht auf der


gegenseitigen Anziehung der Oberflächenmoleküle zweier
Körper (sie ist auf die elektromagnetische Kraft zurückzuführen)
Mikroskopisch betrachtet, ist jede Oberfläche rau, die winzigen
Unebenheiten erschweren die Verschiebung eines Körpers
relativ zu einem anderen.
Reibung ist erwünscht, z. B.:

zwischen Boden und Schuhen / Reifen

Reibung ist unerwünscht, z. B.:



Reibungsverluste und Verschleiß von
Maschinen

M 78 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Quelle: Giancoli, Abb. 5.1
Reibung
Wir betrachten einen Körper, auf den
g FN eine Unterlage eine Normalkraft F N
FA ausübt (hervorgerufen z. B. durch die
FR Gewichtskraft des Körpers)
Wirkt eine zusätzliche Kraft F A in
FG Richtung der Auflagefläche, so wirkt
dieser eine Reibungskraft F R entgegen.

Für trockene (Coulombsche) Reibung zwischen festen Körpern


gilt oft in guter Annäherung: Die Reibungskraft ist

proportional zur Normalkraft

unabhängig von der Geschwindigkeit

unabhängig von der Größe der Auflagefläche

unabhängig von der Rauheit
Vertiefende Literatur: Popov: Kontaktmechanik
M 79 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
und Reibung, Springer Verlag, Kap. 10
Haftreibung

Die Haftreibung F HR ist aus der Statik bekannt

F HR≤ μ HR F N μ HR : Haftreibungskoeffizient
FN
FA Solange die äußere Kraft F A
F HR unterhalb der Schwelle μ HR F N
bleibt, wird sie durch die
Reibungskraft F HR kompensiert.
Im Grenzfall (maximale Reibung)
gilt: F HR= μ HR F N
Wird die Schwelle überschritten,
setzt sich der Körper in Bewegung.

M 80 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Gleitreibung

Gerät der Körper in Bewegung gilt für die Gleitreibung F GR


eine ähnliche Gleichung:

F GR = μ GR F N μ GR : Gleitreibungskoeffizient
FN 2. Newtonsches Axiom in x-Richtung:
FA
F GR v ∑ F ix= F A−F GR=m a
Aus der Differenz zwischen äußerer
x Kraft und Reibungskraft ergibt sich,
ob der Körper:

abbremst,

sich gleichförmig bewegt oder

beschleunigt

M 81 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Reibungskoeffizienten (oder Reibungszahl)

Die Haftreibung ist größer oder gleich der Gleitreibung


Es gilt: μ HR ≥ μ GR

Materialien μ HR μ GR
Stahl auf Stahl 0.7 0.6
Messing auf Stahl 0.5 0.4
Kupfer auf Gusseisen 1.1 0.3
Glas auf Glas 0.9 0.4
Teflon auf Teflon 0.04 0.04
Teflon auf Stahl 0.04 0.04
Gummi auf trockenem Beton 1 0.8
Gummi auf nassem Beton 0.3 0.25
Gewachste Ski auf Schnee 0.1 0.05
F HR≤ μ HR F N ; F GR = μ GR F N

M 82 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Quellen: Giancoli, Abb. 5.3
Tipler, Tab. 5.1
Tafelbeispiel: Münze auf Buchdeckel

Eine Münze liegt auf einem Buchdeckel, dieser wird nun


geneigt, bis die Münze ins Rutschen gerät.
Wie können wir aus diesem Versuch den
Reibungskoeffizienten (für Haft- bzw. Gleitreibung)
bestimmen?

φ
y x
g
FG

M 83 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Quelle: Tipler, Beispiel 5.2
Versuch: Gleitreibung
Arbeit

Definition
Wird ein Körper durch eine konstante angreifende Kraft F⃗
um das Wegstück Δ ⃗ s bewegt, dann gilt für die am Körper
verrichtete Arbeit:

⃗ Δ ⃗s =|F
W = F⋅ ⃗ ||Δ ⃗s|cos α ⃗
F
α
Skalarprodukt Winkel zwischen den
Vektoren Kraft und Weg Δ ⃗s

Die Arbeit ist eine skalare Größe.


Einheit: [W ]=[ F ][ s]=N m=J (Joule)

M 84 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
engl.: work
Arbeit

Verallgemeinerung für eine veränderliche Kraft:


⃗s max ⃗s max
y
W = F⃗1⋅Δ s⃗1 + F⃗ 2⋅Δ s⃗2 +...= ∫ F
⃗ ( ⃗s )⋅d ⃗s

⃗s min
F
d ⃗s

() ()
Mit: Fx dx
⃗ = F ; d ⃗s = dy
F z ⃗s min x
y
Fz dz
Können wir die Vektorgleichung in ihre Komponenten
zerlegen:

( )( )
⃗s max F x dx x max y max z
max

W =∫ F y ⋅ dy = ∫ F x dx + ∫ F y dy + ∫ F z dz
⃗s min x y z
Fz dz min min min

M 85 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Arbeit

Die Berechnung der Arbeit durch Integration lässt sich


grafisch interpretieren.
Wir betrachten den Fall einer Bewegung in x-Richtung,
bei dem die Kraft in x-Richtung wirkt:

F x (s) F x (s)
x min x max dx
x max

W = ∫ F x (s)dx ...
x min x
x min x max
Die Fläche unter der Kurve stellt die Arbeit dar.

M 86 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Tafelbeispiel: Kiste
Energie

Energie tritt in verschiedenen Formen auf,



kinetische Energie (Bewegung eines Körpers)

potentielle Energie (Lage eines Körpers im System)

Wärmeenergie (siehe Thermodynamik)

Chemische Energie

Elektrische Energie


Eine häufige Fragestellung im Ingenieurwesen ist die
Umwandlung einer Energieform in eine andere.
Dies gelingt im Allgemeinen nur mit Einschränkungen.

M 87 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Energie und Arbeit


Arbeit ist die (mechanische) Übertragung von Energie
durch eine Kraft.

Die Energie eines Körpers oder eines Systems ist seine
Fähigkeit, Arbeit zu verrichten.

Arbeit bezieht sich auf einen Prozess,
Energie bezieht sich auf den Zustand eines Systems.
Analogie: Überweisung/Kontostand

Durch Zufuhr oder Abgabe von Arbeit wird die Energie
eines Körpers oder die Gesamtenergie eines Systems
erhöht oder verringert.

Die Energie hat demnach die selbe Einheit wie die Arbeit:
[ E ]=[W ]=J (Joule)

M 88 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Kinetische Energie

Wir betrachten einen Massepunkt, der auf dem Weg von s0


nach s1 von der Geschwindigkeit v 0 auf v1 beschleunigt wird.
Die Beschleunigung soll durch eine konstante Kraft
hervorgerufen werden.
m m Wir berechnen die Arbeit,
F v0 F v1 die dem Massepunkt
zugeführt wird.
s0 s1
Diese Überlegung führt uns zur Definition der kinetischen
Energie (Bewegungsenergie):
1 Die kin. Energie ist eine skalare Größe.
E kin= m v 2 Sie hängt vom Betrag, aber nicht von
2
der Richtung der Geschwindigkeit ab.
W = Δ E kin 2
Da m≥0 und v ≥0, gilt: E kin≥0

M 89 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Herleitung Tafel:
Kinetische Energie
Kinetische Energie

Wir betrachten die kinetische


Energie, die bei einem
Auffahrunfall (Auto gegen
Wand) dissipiert werden muss.
Die Energie wird bei der
Verformung der Knautschzone
in Wärme umgewandelt.
m Auto=1000 kg Verdoppelt sich die km
Geschwindigkeit auf: v 2=60
km m h
v1 =30 =8.3 so vervierfacht sich die
h s
kinetische Energie auf:

( )
2
1 m 1 2
E kin1= ⋅1000 kg 8.3 =35 kJ E kin 2= ⋅mauto (2 v 1 ) =4 E kin1=140 kJ
2 s 2
→ Tempolimits verringern die Schwere von Unfällen
Quelle: Crashtest bei General Motors (CC0)
M 90 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Konservative Kräfte

Wir bezeichnen eine Kraft als konservativ, wenn die Arbeit, die
sie an einem Massepunkt verrichtet, unabhängig vom Weg
ist, den der Massepunkts zwischen zwei Punkten A und B
zurücklegt.
Weg 2 Damit ist die Arbeit, die eine
A konservative Kraft an einem
⃗ (s)
F Massepunkt verrichtet, der sich
auf einer geschlossenen
Kurve bewegt, gleich Null.
Weg 1 ⃗s A

W =∫ F
⃗ ( ⃗s )⋅d ⃗s
B
⃗s A
⃗s B ⃗s B
⃗s B
=∫ F
⃗ ( ⃗s )⋅d ⃗s −∫ F
⃗ ( ⃗s)⋅d ⃗s =0
W =∫ F
⃗ ( ⃗s )⋅d ⃗s
⃗s A ⃗s A
⃗s A Weg 1 Weg 2

M 91 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Quelle: Halliday, Abb. 8-5
Potentielle Energie


Die Arbeit, die eine konservative Kraft an einem
Massepunkt verrichtet, hängt nur von den Endpunkten des
Weges ab.

Diese Eigenschaft benutzen wir zur Definition der
potentiellen Energie:
⃗s B

W =∫ F
⃗ ( ⃗s )⋅d ⃗s =−Δ E pot
⃗s A

Verrichtet die Kraft eine positive Arbeit, so verringert sich
die potentielle Energie des Systems (deshalb das negative
Vorzeichen)

M 92 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Potentielle Energie der Gravitation

Wir betrachten eine Masse m in der Nähe der Erdoberfläche.


Das Erdschwerefeld ist näherungsweise unabhängig vom Ort,
die Gewichtskraft ist: F⃗G =m ⃗
g
Wie ändert sich die potentielle
B Energie, wenn wir die Masse
Weg 1 bewegen? ⃗s
g B

Δ E pot =−W =−∫ F⃗G⋅d ⃗s =...


y ⃗s A
y Δ E pot =m g y
A
x Weg 2 C In einigen Fällen (z. B. Mondfahrt)
ist die Erdbeschleunigung
FG ortsabhängig, d. h. die Formel
kann so nicht benutzt werden.
M 93 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Quelle: Halliday Abb. 8-5
Tafel: pot. Energie Gravitation
Nicht konservative Kräfte

Beispiel:

Eine Kiste wird von links nach rechts geschoben

1
W R1=∫ F⃗R ( ⃗s )⋅d ⃗s
(1)

≠W R2=∫ F⃗R ( ⃗s )⋅d ⃗s


(2)
2

Auf dem gekrümmten Weg 1 ist die Reibarbeit größer als
auf dem direkten Weg 2

Die Reibung ist deshalb keine konservative Kraft

M 94 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Quelle: Giancoli, Abb. 8.3
Mechanische Gesamtenergie


Mechanische Gesamtenergie:
E mech=E kin + E pot

In einem konservativen System (nur konservative Kräfte
verrichten Arbeit) ist die Energie konstant:
E mech=E kin + E pot =const

Für eine Punktmasse, auf die nur das (konservative)
Erdschwerefeld wirkt, gilt:
1 y
E mech= m v 2 +m g y+ E pot ,0 =const g
2 x
Meist setzt man: E pot ,0=0

M 95 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Tafel: Energie beim freien Fall
Mechanische Gesamtenergie


Nichtkonservative Kräfte (z.B. Reibungskräfte) reduzieren
die mechanische Gesamtenergie, sie werden auch
dissipative Kräfte genannt.

E kin,1 + E pot ,1=E kin,2 + E pot ,2 +W nk


Die Energie, die durch die verrichtete Reibungsarbeit der
mechanischen Gesamtenergie fehlt, verschwindet nicht.
Sie wird vielmehr in Wärme umgesetzt.

M 96 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Tafel: Eishockeypuck
Energieerhaltungssatz (allgemein)


Die Gesamtenergie eines abgeschlossenen Systems ist
konstant. Energie kann weder vernichtet noch erzeugt
werden, sie kann lediglich von einer Form in eine andere
umgewandelt und von einem Ort an einen anderen
übertragen werden.

E =E mech + E Wärme + E chem + E andere =const


Der Energieerhaltungssatz ist eines der wichtigsten
Gesetze der Naturwissenschaften!

Der 1. Haupsatz der Thermodynamik ist der
Energieerhaltungssatz

M 97 Physik; V; SS2023;
FH Bielefeld; Tobias Böhm
Leistung

Definition:
Die Leistung P ist die geleistete Arbeit pro Zeitintervall:
ΔW
P=
Δt
[W ] J
Die Einheit der Leistung ist das Watt: [ P ]= = =W
[t ] s
dW ⃗⋅d ⃗s
F
Momentanleistung ( Δ t →0 ): P= = ⃗ ⋅⃗v
=F
dt dt

M 98 Physik; V; SS2023;
engl.: power
Tafel: Motorleistung Versuch
FH Bielefeld; Tobias Böhm

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