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Mathematik 1-176

Physik 177-216

Mechanik 217-342

Festigkeitslehre 343-462

Werkstofftechnik 463-596

Thermodynamik 597-654

Elektrotechnik 655-750

Span lose Fertigung 751-830

Zerspantechnik 831-874

Werkzeugmaschinen 875-980

Betriebswirtschaftlehre 981-1044

Kraft- und Arbeitsmaschinen 1045-1204

Fordertechnik 1205-1250

Maschinenelemente 1251-1466

Steuerungstechnik 1467-1554

CNC-Technik 1555-1654

Speicherprogrammierbare
Steuerungen (SPS)
mit Einfiihrung und Uberblick
zur Norm IEC 1131 1655-1694

Sachwortverzeichnis 1695-1720
Alfred Boge (Hrsg.)

Das Techniker Handbuch


Alfred Boge (Hrsg.)
Das Techniker Handbuch

Beitriige und Mitarbeiter

Mathematik Prof. Dr. Friedrich Kemnitz


Physik Gert Boge
Mechanik Alfred Boge, Gert Boge
Festigkeitslehre Alfred Boge, Gert Boge
Werkstofftechnik Wolfgang WeiBbach
Thermodynamik Heinz Wittig
Elektrotechnik Karl-Heinz Rothke, Gert Boge
Spanlose Fertigung Wolfgang Boge,
Prof. Dr.-lng. Ulrich Borutzki
Zerspantechnik Wolfgang Boge
Werkzeugmaschinen Walter Schlemmer,
Wolfgang Boge
Betriebswirtschaftslehre Karl-Heinz Degering
Kraft- und Arbeitsmaschinen Wolfgang Boge, Manfred Ristau
Fordertechnik Dr.-lng. Johannes Sebulke
Maschinenelemente Alfred Boge, Wolfgang Boge
Steuerungstechnik Hans-Jurgen Kufner
CNC-Technik Rainer Ahrberg, Jurgen Voss
Speicherprogrammierbare Hans-Jurgen Kufner
Steuerungen (SPS)
mit Einfiihrung und Uberblick
zur Norm IEC 1131
Alfred Boge (Hrsg.)

Das
Techniker
Handbuch
Grundlagen und Anwendungen
der Maschinenbau-Technik

Mit 1800 Bildern, 306 Tafeln


und mehr als 3800 Stichwortern

16., iiberarbeitete Auflage

II
vleweg
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Approbiert für den Unterrichtsgebrauch an Fachschulen für Maschinenbau und verwandte Richtungen, für
Metallbearbeitung, für Feinwerktechnik und für Betriebstechnik in der Republik Österreich unter
Aktenzeichen Zl.25.845j4-14aj80 und Höheren Technischen und Gewerblichen Lehranstalten in der
Republik Österreich unter Aktenzeichen Zl.25.845j1-14aj79.

1. Auflage 1964
Nachdruck 1968
2., überarbeitete und erweiterte Auflage 1969
Nachdruck 1971, 1975
3., völlig neu überarbeitete Auflage 1977
4., überarbeitete Auflage 1979
5., überarbeitete Auflage 1981
6., durchgesehene Auflage 1982
7., überarbeitete Auflage 1983
8. , überarbeitete und erweiterte Auflage 1985
9., überarbeitete Auflage 1986
10., überarbeitete und erweiterte Auflage 1987
11., überarbeitete und erweiterte Auflage 1989
12., überarbeitete und erweiterte Auflage 1990
13., überarbeitete Auflage 1992
14., überarbeitete und erweiterte Auflage 1995
15., überarbeitete und erweiterte Auflage 1999
16., überarbeitete Auflage November 2000

Alle Rechte vorbehalten


© Springer Fachmedien Wiesbaden 2000
Ursprünglich erschienen bei Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden
2000
Softcover reprint of the bardeover 16th edition 2000

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich ge-


schützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheber-
rechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und straf-
bar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,
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tronischen Systemen.

http:/jwww. vieweg.de

Konzeption und Layout des Umschlags: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de


Technische Redaktion: Wolfgang Nieger, Wiesbaden
Satz: Vieweg, Braunschweig/Wiesbaden; Publishing Service Rolf-Erich Schulz, Dreieich

Gedruckt auf säurefreiem Papier

ISBN 978-3-663-09559-0 ISBN 978-3-663-09558-3 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-663-09558-3
Vorwort

Das Techniker Handbuch ist seit 1964 Unterrichts- und Nachschlagewerk fUr Techniker im Studium,
in der Praxis und fUr die betriebliche Fort- und Weiterbildung. Es enthlilt den Stoff der Grundlagen-
und Anwendungsfacher im Maschinenbau.
Seit einigen lahren findet das Techniker Handbuch auch Interesse beim Studium des Maschinen-
baus an den Fachhochschulen und den Technischen Lehranstalten in Osterreich.
Anwendungsorientierte Problemstellungen fUhren in das Stoffgebiet ein, Berechnungs- und Dimen-
sionierungsgleichungen werden hergeleitet und deren Anwendung an Beispielen gezeigt.
Bereits in der 15. Auflage wurde das Gebiet der speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) mit
einer EinfUhrung in die neue Norm lEe 1131 erganzt.

In der jetzt vorliegenden 16. Auflage wurden folgende Abschnitte umfangreicher iiberarbeitet:
• In der Festigkeitslehre wurde unter III.3.6 das Omegaverfahren durch den Tragsicherheitsnach-
weis mit Beispiel fUr einteilige Knickstlibe nach DIN 18 800 ersetzt.
• In der Werkstofftechnik wurden die Inhalte der Metallkunde vertieft und erweitert und Norm-
linderungen in allen Abschnitten berucksichtigt, umfangreich bei Kupfer und seinen Legierungs-
systemen.
• In der Thermodynamik wurde durch die systembezogene Stoffdarstellung nach der thermo-
dynamischen Theorie die Trennung der Begriffe Wlirme und Innere Energie eingefUhrt und damit
das Verstlindnis fUr die in Maschinen ablaufenden Energieumwandlungsprozesse gefOrdert.
• In der Elektrotechnik wurde das Kapitel Anwendungen durch die Funktionsweise der Halbleiter-
bauelemente fUr die Leistungs- und Optoelektronik erweitert.
• In der Spanlosen Formung wurde im Kapitel III Verbindende Fertigungsverfahren durch die Aus-
wahl der Fiigeverfahren mit ihrer fachwissenschaftlichen Prlisentation der aktuelle Erkenntnis-
stand auch mit Blick auf absehbare Entwicklungen hergestellt und das derzeit giiltige Regel- und
Normenwerk aktualisiert.

Auch in dieser Auflage haben wir viele Anregungen und Verbesserungsvorschlage von Lehrem und
Fachleuten aus der Industrie auswerten konnen. Autoren und Herausgeber nehmen jede Mitarbeit
zur Verbesserung des Werkes dankbar an.
Die E-mail AdressedesHerausgeberslautet:aboege@t-online.de.

Braunschweig, November 2000 Alfred Boge

v
In ha Itsverzeich nis

Mathematik 1

I. Tabellen 5. Das Dreieck 116


II. Arithmetik 3 6. Das Viereck 121
1. Einteilung der Zahlen 3 7. DerKreis 123
2. Die vier Grundrechenarten 4 8. Flacheninhalt, Flachenverwandlung 125
3. Terme 4 9. Ahnlichkeit und Strecken-
4. Vereinbarungen 4 verhaltnisse 127
5. Termumformungen 5 VI. Stereometrie
6. Bruchrechnung 11 (raumliche Geometrie) 133
7. Dezimalzahlen und Dualzahlen 15 1. Prismatische Korper 133
8. Potenzen, Wurzeln, Logarithmen 18 2. PyramidenfOrmige Korper 134
9. Die Briggsschen Logarithmen 28 3. Pyramidenstumpf und Kegel-
10. Imaginiire Zahlen 29 stumpf 135
III. Gleichungslehre 36 4. Die Kugel 136
1. Gleichungsarten 36 VII. Ebene Trigonometrie 138
2. Lineare Gleichungen 36 1. Definitionen der trigonometrischen
3. Quadratische Gleichungen 48 Funktionen (Winkelfunktionen,
4. Gleichungen dritten und hoheren Kreisfunktionen) 138
Grades 51 2. Zusammenhiinge der trigono-
5. Sonstige Gleichungen 57 metrischen Funktionen 138
IV. Funktionen, graphische 3. Die Kurven der Kreisfunktionen 139
Losungen, analytische 4. Spezielle Funktionswerte der
Geometrie 62 Kreisfunktionen 141
1. Begriff der Funktion 62 5. Symmetrie der Kreisfunktionen 141
2. Die ganze rationale Funktion 62 6. Additionstheoreme 142
3. Sonstige analytische Funktionen 77 7. Sinussatz und Kosinussatz 143
4. Graphische Losung von 8. GradmaB und BogenmaB 145
Bestimmungsgleichungen 81 9. Winkelfunktion und Arcusfunktion 147
5. Analytische Geometrie 85 VIII. Analysis (Differential· und
V. Planimetrie (ebene Geometrie) 111 Integralrechnung) 149
1. Gerade Linien 111 1. Folgen und Reihen 149
2. Winkel 111 2. Grenzwerte 152
3. Grundkonstruktionen 113 3. Differentialrechnung 156
4. Geometrische Orter (Ortslinien) 115 4. Integralrechnung 168

VI
Inhaltsverzeichnis

Physik 177

1. Physikalische GroBen und 13. Bewegung, Bewegungsarten


GroBenarten 177 (Translation, Rotation) 190
2. BasisgroBen und abgeleitete 14. Geschwindigkeit 192
GroBen 178 15. Beschleunigung 193
3. GroBengleichungen 180 16. Masse, Massenpunkt und
4. Die Dimension einer GroBe 181 Massentragheitsmoment 196
5. Einheiten 182 17. Dichte 197
6. Basiseinheiten, abgeleitete Ein- 18. Gewichtskraft 198
heiten, koharente Einheiten, Hilfs- 19. Gravitation oder Massen-
oder Sondereinheiten 183 anziehung 199
7. Das Meter ist die Basiseinheit der 20. Tragheit und Tragheitsgesetz
BasisgroBe Lange 185 (Erstes Newtonsches Axiom) 201
8. Das Kilogramm ist die Basis- 21. Das Dynamische Grundgesetz
einheit der BasisgroBe Masse 186 (Zweites Newtonsches Axiom) 202
9. Die Sekunde ist die Basiseinheit 22. Wechselwirkungsgesetz
der BasisgroBe Zeit 187 (Drittes Newtonsches Axiom) 203
10. Die Krafteinheit Newton 187 23. Die Kraft 204
11. Die Arbeits- und Energieeinheit 24. Die Tragheitskraft 206
Joule 188 25. Statisches Gleichgewicht 207
12. Skalare und Vektoren 189 26. Dynamisches Gleichgewicht 209

Mechanik 217

I. Statik starrer Korper in 3. Dynamik der Verschiebe-


der Ebene 217 bewegung (Translation) des
1. Grundlagen 218 starren Korpers 290
2. Zusammensetzen, Zerlegen 4. Dynamik der Drehung (Rotation)
und Gleichgewicht von Kraften des starren Korpers 299
in der Ebene 224 5. Gegentiberstellung der Gesetze
3. Krafte im Raum (SonderfaIle) 234 fUr Drehung und Schiebung 310
4. Schwerpunkt 237 6. Gerader zentrischer StoB 311
5. Guldinsche Regeln 244 III. Statik der Flussigkeiten
6. Standsicherheit, Gleichgewichts- (Hydrostatik) 320
lagen 245 1. Eigenschaften der Fltissigkeiten
7. Ebene Fachwerke 247 undGase 321
8. Reibung 250 2. Hydrostatischer Druck (Fltissig-
II. Oynamik 268 keitsdruck, hydraulische Pressung) 321
1. Bewegungslehre (Kinematik) 269 3. Druck-Ausbreitungsgesetz 321
2. Mechanische Arbeit, Leistung, 4. Anwendung des Druck-
Wirkungsgrad, Obersetzung 283 Ausbreitungsgesetzes 322
VII
Inhaltsverzeichnis

5. Druckverteilung durch Gewichts- IV. Dynamik der Fliissigkeiten


kraft der Fltissigkeit 324 (Hydrodynamik) 328
6. Hydrostatische Krafte gegen l. Allgemeines 328
ebene Wiinde offener GefaBe 324 2. Die Grundgleichungen der
7. Auftrieb 326 Stromung 330
8. Schwimmen 327 3. Anwendung der Bemoulli-
9. Gleichgewichtslagen schwimmen- gleichung 333
derKorper 327 4. Widerstiinde in Rohrleitungen 338

Festigkeitslehre 343

I. Aligemeines 345 III. Zusammengesetzte


l. Aufgaben der Festigkeitslehre 345 Beanspruchungen 443
2. Schnittverfahren 345 l. Gleichzeitiges Auftreten mehrerer
3. Spannung 348 Normalspannungen 444
4. Formiinderung 349 2. Gleichzeitiges Auftreten mehrerer
5. Hookesches Gesetz (Elastizitats- Schubspannungen 448
gesetz) 350 3. Gleichzeitiges Auftreten von
6. Die Grundbeanspruchungsarten 350 Normal- und Schubspannungen 448
7. Zusammengesetzte Beanspruchung 352 IV. Beanspruchung bei Beriihrung
8. Festigkeit 352 zweier Korper
9. Zulassige Spannung und Sicherheit 358 (Hertzsche Gleichungen) 455
II. Die einzelnen l. Voraussetzungen 455
Beanspruchungsarten 364 2. Bedeutung der Formelzeichen 455
l. Zug und Druck 364 3. Berechnungsgleichungen 456
2. Biegung 371 V. Nomogramme zur
3. Knickung 419 Festigkeitslehre 458
4. Abscheren 431 l. Zug-, Druck- und Liingen-
5. Torsion (Verdrehung) 433 iinderung 458
6. Flachenpressung 440 2. Biegung 459
3. Knickung 460
4. Abscheren 461
5. Torsion und Verdrehwinkel 462

Werkstofftechnik 463

I. Grundlagen 463 5. Wichtige Gruppen der chemischen


l. Allgemeines 463 Verbindungen 478
2. Bau der Atome 466 6. Chemische Vorgiinge
3. Periodensystem der Elemente 469 (Reaktionen) 484
4. Chemische Bindung 475

VIII
Inhaltsverzeichnis

II. Metallkundliche Grundlagen 492 8. Zink 562


1. Struktur der Metalle und 9. Werkstoffe flir LOtungen 562
Legierungen 492 10. DruckguBwerkstoffe 562
2. Eigenschaften und Verhalten 11. Sinterwerkstoffe 562
der Metallgitter 494 12. Keramische Werkstoffe 565
3. Verhalten bei hoheren 13. Verbundwerkstoffe 566
Temperaturen 497
VI. Kunststoffe 567
4. Zweistoffiegierungen
1. Begriffe und Zusammenhiinge 567
(binare Legierungen) 499
2. Monomere Ausgangsstoffe 568
5. Kristall- und Gefligeveriinderungen 504
3. Chemische Reaktionen zur
III. Metallgewinnungsverfahren 506 Bildung von Makromolekiilen 568
1. Darstellung der Metalle, Ubersicht 506 4. Struktur der Polymere 570
2. Stahlerzeugung 507 5. Duroplastische Kunststoffe 572
IV. Technisch wichtige 6. Thermoplaste 575
Legierungen des Eisens 512 VII. Prufung metallischer
1. Eisen 512 Werkstoffe 582
2. Die Wiirmebehandlung der 1. Priifung der Hlirte 582
Stahle 516 2. Der Zugversuch 586
3. Stahlsorten 528 3. Kerbschlagbiegeversuch 589
4. Eisen-Kohlenstoff-GuBwerkstoffe 544 4. Priifung der Festigkeit bei
V. Nichteisenmetalle 549 hoheren Temperaturen 590
1. Bezeichnung der NE-Metalle 550 5. Priifung der Festigkeit bei
2. Aluminium 551 schwingender Beanspruchung,
3. Kupfer 555 Dauerschwingversuch 591
4. Titan 560 6. Untersuchung von
5. Magnesium 560 Verarbeitungseigenschaften 593
6. Blei 561 7. ZerstOrungsfreie Werkstoff-
7. Zinn 561 priifung 593

Thermodynamik 597

I. Grundbegriffe 598 5. Dissipationsenergie 619


1. Temperatur 598 6. Erster Hauptsatz 620
2. Druck 599 7. Kreisprozesse 620
3. Volumen 600 8. Thermischer Wirkungsgrad 621
4. Spezifische Wiirmekapazitiit 602 9. Zweiter Hauptsatz 621
5. Wiirmeausdehnung 608 10. Entropie 622
6. Aggregatzustiinde 612 11. Exergie und Anergie 623
II. Wirme und Arbeit 615 III. Zustandsinderungen
1. Thermodynamisches System 615 idealer Gase 624
2. Innere Energie 616 1. Thermische Zustandsgleichung 624
3. Wiirme 616 2. Zustandsiinderungen 626
4. Arbeit 617 3. Isochore Zustandsiinderung 627
IX
Inhaltsverzeichnis

4. Isobare Zustandsiinderung 629 IV. Warmeubertragung 643


5. Isotherme Zustandsiinderung 631 1. Aligemeines 643
6. Isentrope Zustandsiinderung 633 2. Wiirmeleitung 643
7. Polytrope Zustandsiinderung 636 3. Wiirmeiibergang 645
8. Carnot-ProzeB 639 4. Wiirmedurchgang 647
9. Drosselung 640 5. Wiirmestrahlung 651
10. Gasrnischungen 640

Elektrotechnik 655

I. Grundlagen 657 3. Elektrische UnfaIle und


1. Stromkreis 657 SchutzmaBnahmen 715
2. Leistung, Arbeit, Energie- 4. Transformatoren 718
umrechnungen 664 5. Gleichstrommaschine als Generator 722
3. Grundschaltungen der Praxis 666 6. Gleichstrommaschine als Motor 725
4. Elektrochernie 670 7. Drehstrommaschine als Motor 729
5. Magnetismus 674 8. Einphasen-Wechselstrommotoren 733
6. Induktion und Kraftwirkung im 9. Wechselwirkung zwischen
Magnetfeld 681 Elektromotor und Arbeitsmaschine 734
7. Elektrisches Feld 687 10. Stromrichter 738
8. Wechselstrom 693 11. Steuerung von Drehzahl und
9. Drehstrom 702 Drehmoment bei Motoren 741
12. Sondererscheinungen der
II. Anwendungen 705 Elektrizitlit 743
1. Verteilung der elektrischen Energie 705 13. Elektrische MeBgerlite 745
2. Beleuchtungstechnik 711 14. Elektrische Messungen 747

Spanlose Fertigung 751

I. Urformen 751 II. Trennen und Umformen 767


1. GieBverfahren 751 1. Trennverfahren 767
2. Modelle und Kokillen 752 2. Umformverfahren 778
3. Formerei 755 3. Stahlbleche und ihre Verarbeitung 802
4. Herstellung der Schmelze 756 III. Verbindende Verfahren 806
5. StrangguB 761 1. SchweiBen 806
6. SchleuderguB 762 2. Therrnisches und nichtthermisches
7. DruckguB 764 Schneiden 824
8. FeinguB 766 3. LOten 829

x
Inhaltsverzeichnis

Zerspantechnik 831

I. Drehen und Grundbegriffe der IV. Frasen 850


Zerspantechnik 831 1. Bewegungen 850
1. Bewegungen 831 2. ZerspangeorneUie 852
2. Zerspangeornetrie 833 3. Krafte und Leistungen 856
3. Krafte und Leistungen 839 4. Wahl der Schnittgeschwindigkeit
4. Wahl der Schnittgeschwindigkeit 841 und Grundregeln fiir Frasen 859
5. Berechnung der Hauptnutzungszeit 843 5. Berechnung der Hauptnutzungszeit 861
II. Hobeln und StoBen 845 V. Bohren 864
1. Bewegungen 845 1. Bewegungen 864
2. Zerspangeornetrie 846 2. ZerspangeorneUie 864
3. Krafte und Leistungen 846 3. Krafte und Leistungen 866
4. Wahl der Schnittgeschwindigkeit 846 4. Wahl von Schnittgeschwindigkeit
5. Berechnung der Hauptnutzungszeit 846 und Vorschub 867
III. Raumen 847 5. Berechnung der Hauptnutzungszeit 870
1. Bewegungen 847 VI. Schleifen 871
2. ZerspangeorneUie 848 1. Bewegungen 871
3. Schnittkraft (Raurnkraft) 849 2. Zerspangeornetrie 871
4. Wahl der Schnittgeschwindigkeit 849 3. Schleifkraft und Schleifleistung 871
5. Berechnung der Hauptnutzungszeit 850 4. Wahl von Geschwindigkeit,
Vorschub und Zustellung 872
5. Oberflachen-Rauhtiefen 873
6. Berechnung der Hauptnutzungszeit 873

Werkzeugmaschinen 875

I. Werkstuck- und Werkzeug- III. Spindellagerungen und


trager 875 Geradfuhrungen 920
1. Spindeln 875 1. Spindellagerungen 920
2. Werkstiicktische 879 2. GeradfUhrungen 926
3. Werkzeugschlitten 881 IV. Getriebe 933
4. StOBel 885 1. Getriebe fUr Drehbewegungen 933
5. Bare 887 2. Getriebe fUr geradlinige
II. Werkstuck- und Werkzeug- Bewegungen 966
spanner 888 3. Stufenlose elekUische Antriebe 972
1. Urnlaufende Werkstiickspanner 889 V. Gestelle 975
2. Urnlaufende Werkzeugspanner 906 1. Allgerneines 975
3. Feste Werkstiickspanner 912 2. Gegossene Gestelle 978
4. Feste Werkzeugspanner 917 3. GeschweiBte Gestelle 980

XI
Inhaltsverzeichnis

Betriebswirtschaftslehre 981

I. Betriebsorganisation 981 V. Organisation des Arbeits-


1. Ubersicht 981 ablaufs 1007
2. Merkmale der Gliederung von 1. AnstoB zur Fertigung 1007
Aufbauorganisationen 981 2. Gestaltung eines Erzeugnisses 1008
3. Gliederung des Fertigungsauftrags 1009
II. Aufgaben der Betriebs-
4. Art- und Mengenteilung der
abteilungen 983
Arbeit 1009
1. Material wirtschaft 983
5. Arten der Arbeitsplatze 1011
2. Absatz und Erzeugnislager 984
6. Prinzipien der Arbeitsplatz-
3. Betriebliches Rechnungswesen 984
anordnung 1011
4. Soziale Leitung und
7. Fristen-, Termin- und
Personal wesen 986
Betriebsmittelbelegungsplan 1014
5. Arbeitsvorbereitung
(Fertigungsorganisation) 986 VI. Zeit und Menge im
6. Werkstatten 986 betrieblichen Arbeitsablauf 1014
7. Kontrollen 987 1. Zeiten des Betriebes 1014
2. Zeitermittlung (Grund-, Verteil-
III. Kosten- und Preisermittlung 987 und Erholungszeiten) 1014
1. Zweck 987 3. Menschlicher Leistungsgrad 1018
2. Divisionskalkulation 988 4. Zeitgrad des Menschen 1022
3. Zuschlagskalkulation 991 5. Gliederung der Auftragszeit 1023
4. Auswertung zur Gemeinkosten-
VII. Arbeitsgestaltung, Zeit- und
berechnung 999
Lohnermittlung 1026
5. Bestimmen der optimalen
1. Gestaltung der Arbeit 1026
LosgroBe 1002
2. Vorkalkulation der Arbeitszeit
IV. Rationalisierungsaufgaben 1006 durch Schatzen, Vergleichen und
1. Sinn und Ziel der Rationali- Rechnen 1027
sierung 1006 3. Technik und Auswertung der
2. Rationalisierung durch Normung, Zeitaufnahme 1031
Typen- und Sortenbeschrankung 1006 4. Lohn und Entlohnungssysteme 1043
3. Schwerpunktsaufgabe der 5. Anwendung der Vorgabezeiten
Betriebe 1007 im Betrieb 1043

Kraft- und Arbeitsmaschinen 1045

I. Feuerungstechnik 1046 II. Dampferzeugung 1056


1. Brennstoffe 1046 1. Dampfarten 1056
2. Verbrennungswiirme (Heizwert) 2. Kesselwirkungsgrad, Verdampf-
und Verbrennungsluft 1048 ziffer 1056
3. Verbrennungskontrolle 1050 3. Heizteile 1058
4. Feuerungsarten 1051 4. Wiirmeaustausch 1059
5. Kesselbauarten 1060

XII
Inhaltsverzeichnis

III. Dampfturbinen 1065 6. Vergaseranlagen 1129


1. Erzeugung der kinetischen Energie 1065 7. Benzineinspritzung 1134
2. Nutzung der kinetischen Energie 1069 8. Dieselmotoren 1139
3. Geschwindigkeitsstufung 9. Zweitaktmotoren 1147
(Curtisgrad) 1073 10. Motorschmierung 1149
4. Druckstufung (Zoellyturbine) 1077 11. Motorktihlung 1154
5. Oberdruckstufung 1079 12. Abgasanlagen 1156
6. Labyrinthdichtung 1080 13. Aufladung von Verbrennungs-
7. Regelung 1081 motoren 1160
8. Radialturbinen 1082 14. Ztindanlagen 1163
9. Turbinenanlagen 1083 15. Generator 1169
16. Starter 1170
IV. Wasserturbinen 1083
17. Alternative Verbrennungs-
1. Stauanlagen 1083
motoren 1171
2. DurchfluB, Hohenwerte 1085
3. Freistrahlturbinen 1086 VII. Pumpen 1175
4. Francisturbinen 1092 1. Fordermenge, ForderhOhe 1175
5. Kaplanturbinen 1096 2. Pumpenleistung und Wirkungsgrad 1176
6. Spezifische Drehzahl 1099 3. Kolbenpumpen 1176
7. Kavitation 1100 4. Kreiselpumpen 1185
V. Windkraftanlagen 1101 5. Vergleich zwischen Kolben- und
1. Nutzung der kinetischen Energie 1101 Kreiselpumpen 1193
2. Aufbau einer Windkraftanlage 1101
VIII. Verdichter 1193
VI. Verbrennungsmotoren 1104 1. Mehrstufige Verdichtung und
1. Grundlagen 1104 Ktihlung 1193
2. Bauteile der Verbrennungsmotoren 1112 2. Verdichterleistung und
3. Kraftstoffe 1126 Wirkungsgrad 1194
4. Kraftstoff-Forderanlage 1128 3. Kolbenverdichter 1195
5. Luftfilter 1128 4. Kreiselverdichter (Turboverdichter) 1199

Fordertechnik 1205

I. Uberblick liber das Gesamt- III. Bauelemente der


gebiet der Fordertechnik 1205 Fordertechnik 1211
1. Begriffsbestimmung und 1. Bauelemente der Seiltriebe 1211
Abgrenzung 1205 2. Bauelemente ftir Kettentriebe 1220
2. Einteilung der Fordermittel 1206 3. Lastaufnahmeeinrichtungen
3. Transportarbeit, Transportleistung 1207 und Ladehilfsmittel 1223
II. Die Baukastensystematik in IV. Antriebe 1231
der Fordertechnik 1208 1. Handantrieb 1231
1. Begriffsbestimmungen 1208 2. Elektrische Antriebe 1231
2. Nutzen des Baukastenprinzips fiir 3. Pneumatische Antriebe 1233
die Betreiber und Hersteller 4. Hydrostatische Antriebe 1233
fOrdertechnischer Anlagen 1209 5. Verbrennungsmotoren und
3. Komponenten der Fordertechnik 1210 Dampfmaschinen 1234

XIII
Inhaltsverzeichnis

V. Bremsen und Rucklaufsperren 1234 VI. Hebezeuge 1243


1. Reibungsbremsen 1234 1. Handhebezeuge 1243
2. Riicklaufsperren 1241 2. Elektroseilziige 1245

Maschinenelemente 1251

I. Normzahlen, Toleranzen, 5. Scheiben 1287


Passungen 1251 6. Berechnung der Befestigungs-
1. Normzahlen 1251 schrauben 1288
2. ISO-Passungen 1252 7. Berechnung der Bewegungs-
3. MaBtoleranzen 1255 schrauben 1311
4. Eintragung von Toleranzen in VIII. Bolzen-, Stiftverbindungen
Zeichnungen 1255 und Sicherungselemente 1318
5. Verwendungsbeispiele flir 1. Allgemeines 1318
Passungen 1260 2. Bolzen 1318
II. Festigkeit und zulassige 3. Stifte 1319
Spannung 1261 4. Bolzensicherungen 1320
5. Gestaltung der Bolzen- und
III. Klebverbindungen 1261 Stiftverbindungen 1321
1. Aligemeines 1261
IX. Federn 1322
2. Klebstoffe 1262
1. Aligemeines 1322
3. Herstellung der Klebverbindung 1262
2. KenngroBen an Fedem 1322
4. Berechnung 1264
3. Federwerkstoffe 1327
5. Gestaltungshinweise 1266
4. Zug- und druckbeanspruchte
IV. Lotverbindungen 1267 Metall-Fedem 1327
5. Biegebeanspruchte Metall-Fedem 1328
V. SchweiBverbindungen 1268
6. Drehbeanspruchte Metall-Fedem 1334
1. SchweiBnahtarten 1268
2. SchweiBverbindungen im Stahlbau 1269 X. Achsen, Wellen und Zapfen 1343
3. SchweiBverbindungen im 1. Allgemeines 1343
Maschinenbau 1271 2. Werkstoffe, Normen 1343
4. Gestaltung der SchweiB- 3. Berechnung der Achsen 1344
verbindungen 1272 4. Berechnung der Wellen 1344
5. Auszufiihrende Achsen- und
VI. Nietverbindungen 1276 Wellendurchmesser 1346
1. Allgemeines 1276 6. Berechnung der Zapfen 1346
2. Nietformen 1276 7. Gestaltung 1347
3. Nietwerkstoffe 1276
XI. Nabenverbindungen 1352
4. Herstellen der Nietverbindungen 1277
1. Ubersicht 1352
5. Verbindungsarten, Schnittigkeit 1277
2. Zylindrische PreBverbiinde 1355
6. Nietverbindungen im Stahlbau 1278
3. Keglige PreBverbiinde 1364
VII. Schraubenverbindungen 1284 4. Klemmsitzverbindungen 1369
1. Allgemeines 1284 5. Keilsitzverbindungen 1370
2. Gewinde 1284 6. Ringfederspannverbindungen 1370
3. Scbrauben und Muttem 1285 7. Liingsstiftverbindung 1372
4. Schraubensicherungen 1287 8. Querstiftverbindung 1373

XIV
Inhaltsverzeichnis

9. PaBfederverbindungen 1375 XIV.Zahnrader 1431


10. Keilwellenverbindung 1376 1. Allgemeines 1431
2. Verzahnungsgesetz 1431
XII. Kupplungen 1377
3. Begriffe, allgemeine
1. Allgemeines 1377
VerzahnungsmaBe 1432
2. Feste Kupplungen 1377
4. Verzahnungsarten 1433
3. Bewegliche, unelastische
5. Geradstimriider 1444
Kupplungen 1380
6. Schriigstimriider 1450
4. Elastische Kuplungen 1380
7. Kegelriider 1454
5. Schaltkupplungen 1382
8. Schneckengetriebe 1458
XIII. Lager 1385 9. Gestaltung der Zahnriider
1. Allgemeines 1385 aus Metall 1464
2. Wiilzlager 1385 10. Schmierung der Zahnriider 1465
3. Gleitlager 1409 11. Zahnriider aus Kunststoff 1465

Steuerungstechnik 1467

I. Grundbegriffe der III. Schaltalgebra 1492


Steuerungstechnik 1467 1. Grundregeln der Schaltalgebra 1492
1. Definitionen, Bezeichnungen 1467 2. Karnaugh-Diagramme 1499
2. Steuerungsarten 1469 3. Der Speicher als Element der
3. Graphische Darstellung von Schaltalgebra 1514
Steuerungsabliiufen 1473 4. Ziihlspeicher 1518
II. Grundelemente logischer IV. Technische Ausfuhrung von
Schaltungen 1477 digitalen Steuerelementen 1525
1. NICHT (Negation) 1478 1. Elektromechanische Bauteile 1527
2. UND-NAND 1478 2. Elektronische Bauteile 1532
3. ODER-NOR 1481 3. Fluidik-Elemente 1541
4. Exklusiv-ODER 1484 4. Schaltlogik mit Hilfe des
5. NOR und NAND - universelle Pneumistors 1544
Logikbausteine 1487 5. Steuerschaltungen mit Fluidik-
6. Lehrbeispiele 1489 Elementen 1548
6. Pneumatische Elemente 1550

CNC·Technik 1555

I. Aufbau numerisch gesteuerter II. Geometrische Grundlagen


Werkzeugmaschinen 1555 fur die Programmierung 1561
1. Friis- und Drehmaschinen 1555 1. Koordinatensystem 1561
2. WegmeBsysteme an CNC- 2. Lage der Achsrichtungen 1561
Werkzeugmaschinen 1556 3. Bezugspunkte im Arbeitsbereich
einer CNC-Werkzeugmaschine 1562

xv
Inhaltsverzeichnis

4. Bezugspunktverschiebung 1564 3. Gliederung eines CNC-Programms 1583


5. Zeichnerische Grundlagen flir 4. Satzaufbau 1584
die Programmierung 1565 5. Kreisprogrammierung beim
Drehen und Frlisen 1593
III. InformationsfluB bei der
Fertigung 1568 6. Werkzeugkorrekturen beim
Drehen und Frlisen 1596
1. Informationsverarbeitung und
Informationstrliger 1568 7. Besondere Programmierfunktionen
Informationsquellen 1569 flir das Bohren, Frlisen und Drehen 1610
2.
3. Lochstreifen 1569
VI. Maschinelles Programmieren 1618
IV. Steuerungsarten und 1. Kurzbeschreibung und
Interpolationsmoglichkeiten 1571 Entwicklungsverlauf 1618
1. Punktsteuerungsverhalten 1572 2. InformationsfluB 1618
2. Streckensteuerung 1573 3. WerkstiickbemaBung beim
3. Bahnsteuerung 1573 maschinellen Programmieren 1623
4. Interpolationsarten 1575 4. Maschinelles Programmieren von
5. Ebenenauswahl 1582 Drehteilen mit EXAPT 2 1623
V. Manuelles Programmieren 1583 5. Anweisungstypen in einem
1. Kurzbeschreibung 1583 EXAPT 2-Programm 1630
2. Aufbau eines CNC-Programms 1583 6. Programmierbeispiel ZAPFEN 1648

SPS 1655

I. Aufbau von speicherprogram- 5. Programmiersprachen flir


mierbaren Steuerungen - Verkniipfungssteuerungen 1667
Hardware 1655 6. Programmiersprachen flir
1. Aufgaben einer speicherprogram- Ablaufsteuerungen 1671
mierbaren Steuerung 1655 III. Arbeitsbeispiele 1676
2. Arbeitsweise einer speicher- 1. Steuerungsaufgabe: Stempelpresse 1677
programmierbaren Steuerung 1656 2. Steuerungsaufgabe: Stanzpresse 1678
3. Aufbau und Gerlite einer 3. Steuerungsaufgabe: Wende-
speicherprogrammierbaren schiitzschaltung 1679
Steuerung 1657 4. Steuerungsaufgabe: Transportband 1681
II. Programmierung von speicher- 5. Steuerungsaufgabe: Prligewerkzeug 1684
programmierbaren IV. EinfUhrung und Uberblick
Steuerungen - Software 1664 zur Norm lEe 1131 1687
1. Programmierung 1664 1. Einfiihrung 1687
2. Programmiersprachen einer SPS 1665 2. Die Teile der Norm 1131 1687
3. Belegungsliste 1665 3. Modellvorstellungen 1688
4. Schaltplan 1666 4. Die Programmiersprachen nach IEC 1693
5. Zertifizierung 1694

Sachwortverzeichnis 1695

XVI
Mathematik
Friedrich Kemnitz

I. Tabellen

Mathematische Zeichen (nach DIN 1302)

proportional, iihnlich, asymptotisch gleich AB Strecke AB


(sich -+ 00 angleichend), gleichmiichtig IABI Betrag (Lange) der Strecke AB
ungefahr gleich (A,B) PfeilAB
-+
kongruent AB Vektor AB; Menge aller zu (A, B)
entspricht parallelgleichen Pfeile

"*
<
ungleich
kleiner als
E
$
Element von
nicht Element von
kleiner als oder gleich teilt; n 1m : natiirliche Zahl n teilt
> groll.er als natiirliche Zahl m ohne Rest
groll.er als oder gleich -1- nicht teilt; nfm: mist nicht
00
unendlich Vielfaches von n
parallel IN = {O, 1,2,3, ... }
Menge der natiirlichen Zahlen mit Null
*
41:
nicht parallel
parallelgleich: paralIel und gleich lang
IN* ={I, 2, 3, ... }
Menge der natiirlichen Zahlen ohne Null
1 orthogonal zu
={... , -3, -2,-1, 0,1,2,3, ... }
gegen (bei Grenziibergang), zugeordnet Menge der ganzen Zahlen
=> aus ... falgt ... = {... , -3, -2, -1,1,2,3, ... J
= iiquivalent (gleichwertig); Menge der ganzen Zahlen ohne Null
aus ... folgt ... und umgekehrt
=/M InE~l\mE'N*1
1\ und, sowohl ... als auch ...
Menge der rationalen Zahlen
V oder; das eine oder das andere oder beides
(Bruchzahlen)
(also nicht: entweder ... oder ... )
Ix I Betrag von x, Absolutwert
Ql*
= IMI nEZ* I\m E IN*}
{x I... } Menge alIer x, fUr die gilt ... Menge der rationalen Zahlen ohne Null
{a, b, c} Menge aus den Elementen a, b, c; IR Menge der reellen Zahlen
beliebige Reihenfolge der Elemente IR* Menge IR ohne Null
(a, b) Paar mit den geordneten Elementen a: Menge der komplexen Zahlen
(Komponenten) a und b; n! = I . 2 • 3·
...• n, n Fakultiit
vorgeschriebene Reihenfolge
= _n(.:-n_---'l)'-'.(n_---,2,.:,)_..--'.(,-n_-_k_+1-'.)
(a, b, c) Tripel mit den geordneten Elementen
k!
(Komponenten) a, b und c;
vorgeschriebene Reihenfolge gelesen: n iiber k; k "" n ;
binomischer Koeffizient
AB Gerade AB; geht durch die Punkte
A und B
Mathematik L 1.1

[a; b) = a ... b; geschlossenes Intervall von dy


dy nach dx, Differentialquotient
a bis b, d.h. a und b eingeschlossen: dx
= {xia";;x";;b} ··
Abkurzungen f··ur -
df -
(x),
y'=!'(x),
]a;b[ = {xia <x < b}; offenes Intervall von dx

]a;b]
a bis b, d.h. ohne die Grenzen a und b
= {x i a < x ..;; b} ; halboffenes Intervall, y" =f"(x) , !( dfd;)). ...
a ausgeschlossen, b eingeschlossen
erste, zweite, ... Ableitung;
lim Limes, Grenzwert Differentialquotient erster, zweiter, ...
log Logarithmus, beliebige Basis Ordnung
n
10& Logarithmus zur Basis a
I,a v =al + a2 + ... + an, Summe
19x =10gIOX Zehnerlogarithmus v=1
Inx
Dox
=lo&,x natiirlicher Logarithmus
Delta x, Differenz von zwei x-Werten,
f. .. dx unbestimmtes Integral,
Umkehrung des
z.B. X2 -Xl Differentialquotienten
dx Differential von x, symbolischer Grenz- b
wert von Dox bei Dox -+ 0 f f(x)dx = [F(x)]~=F(b)-F(a)
a mit F'(x) =f(x),
bestimmtes Integral

Mathematische Konstanten (z.B. zur Rechnerkontrolle)


1
..fi = 1,414213 562373095 Ve = 1,648721270700128
,,2 = 0,101321 183 642 33~
1
..,13 = 1,732050807568877 M=lge = 0,434294481 903 25~ = 0,564189583547756
.J1r
1
v'fO = 3,162277 660168379 Ig2 = 0,301029995663981 e = 0,367879441171442

1
Kehrwerte: = 0,135335283236611
" = 3,141 592653589793
1
e2
,,2 = 9,869604401089352 = 0,707106781 186541 1
= 0,606 530659 712 633
..fi Ve
1
Vi = 1,772 453 850 905516 ..,13
= 0,577 350 269189622 ~ = In 10 = 2,302 585 092 994 042

e = 2,718281828459045 ~
10
= 0,316227766016838
-
log21O = 3,321 928094887362

1
e2 = 7,389056098930650 = 0,318309886183791 ~ bedeu tet: Ziffer 2 ist aufgerundet
"

Das griechische Alphabet


Alpha A a Eta H T/ Ny N /I Tau T T
Beta B (3 Theta e {) Xi .::. ~ Ypsilon l' v
Gamma r 'Y Jota I ( Omikron 0 0 Phi !Jl <P
Do Kappa K n
Delta
Epsilon E
8
€ Lambda A "A Pi
Rho P
7r
p
Chi
Psi
X
W
X
l/J
Zeta Z ~ My M /J. Sigma ~ a Omega n w

2
II. Arithmetik

1. Einteilung dec Zahlen


komplexe Zahlen
(aile Zahlen, die in der Zahlenebene,
aber nieht auf der Zahlengeraden
darstellbar sind; Zahlen mit reellem
und imaginarem Bestandteil)
4-3il)
rl----------------~A~ ________________________,
reelle Zahlen imaginare Zahlen
(aile Zahlen, die auf der reellen Aehse der Zahlenebene, (Vielfache der imaginaren
der Zahlengeraden, darstellbar sind)
Einheitj = i = R;
auf
der imaginaren Achse der
I I Zahlenebene darstellbare
rationale Zahlen irrationale Zahlen Zahlen)
(Brliche und endliche oder (Dezimalzahlen mit unendlicher
0=2i
periodische Dezimalzahlen) Stellenzahl ohne Peri ode )

3', -5'~'
, 4' -0952
, YZ;4+Ts;1T

2,13636 ...
r----"-----l
ganze Zahlen gebrochene algebraisch transzenden te
-3; 5; 38; Zahlen irrationale Zahlen
-1053;0 (gemeine Zahlen 1T = 3,14 .. .

~ Briiche und (aile Zahlen, die e = 2,718 .. .


positive negative endliche Losungen einer sin 2 = 0,9093 ...
ganze ganze oder perio- Bestimmungs- ('" sin 114°35t
Zahlen Zahlen dische gleichung = sin 65°24 2 ') • 4
oder -3; Dezimal- n-ten Grades <lJ

zahlen) - n natiirliche
~ 3 +----------------+ 4+3i
natiir- - 18;
liehe t;-8t; Zahl- "<l:
,~ 2
Zahlen 0,25 ; mit rationalen
Zahlenebene
I; 2; Koeffizienten .~
6,53434
3; 4; sein konnen: .§
= 6,534 also Wurzeln, I
sofern sie nieht -2 -11
0 2 3 41 5
zu ziehen gehen) z.B. -1 Zahlenstrahl : -

v~ V5-~
V2;J3-VS; -Zahlengerade-reelle Achse---l.---

v'3+7;
au£erdem nicht geschlossen
I ~;l-------------- --L-3i
-4
darstellbare Wurzeln, z.B. x
in der Gleichung
X S + 2x' - x 3 + x 2 - X - I = 0 Die Zahlenebene

1) Konjugiert komplex nennt man ein komplexes Zahlenpaar mit i.ibereinstimrnendem Realteil und entgegengesetzt gleichem Imaginar-
teil,z.B.4+3i und 4 - 3i.
2) Die meisten Gesetze schlief:,en die 0 mit ein; z.B. die Summe ganzer Zahlen ist wieder eine ganze Zahl. Eine dec Ausnahmen: man kann
nieht durch 0 dividieren.

3
Mathematik 11.4

2. Die vier Grundrechenarten

a + b c
Addition Summand plus Summand ist gleich Summe
3 + 4 7
c a b
Subtraktion Minuend minus Subtrahend ist gleich Differenz
11 5 6
a b c
Multiplikation Faktor mal Faktor ist gleich Produkt
8 9 72
c a b
Division Dividend dividiert durch Divisor ist gleich Quotient
156 13 12

3. Terme
Ein Term ist ein mathematischer Ausdruck, der eine Zahl ist oder nach Ersetzen aller Variablen
(Buchstaben) durch Zahlen eine Zahl bedeutet.
Beispiele fiir Terme:
1. 15 einfachste Schreibweise der Zahl15
2. 7 + 8 18 - 3 3·5 60: 4 alle Terme sind Schreibweisen der Zahl15
3. a Variable; Platzhalter flir eine Zahl
4. a + 3b offener Term; er kann jede Zahl bedeuten, zoBo
15 mit 6 flira (a = 6) und 3 flir b (b = 3)
5. (a+b) o(c+d) (offener) Term, der aquivalent (gleichwertig)
= a (c + d) + b (c + d)
0 0 umgeformt werden kann:
=aoc+aod+boc+bod

4. Vereinbarungen
Zur Erleichterung der Ausdrucksweise und Schreibweise von Termen gelten folgende Vereinbarungen:
1. Punktrechnung vor Strichrechnung
a + b . c = a + (b . c) die Rechenzeichen . und : binden starker als +
a - b : c = a - (b : c) und -
2. Der Malpunkt kann weggelassen werden
a) a . b = ab zwischen Buchstaben (Platzhal tern, Variablen)
b) 3· a = 3a zwischen einer Zahl und einem Buchstaben
c)3 (4+a)
0
=3(4+a) zwischen einer Zahl und einer Klammer
d)ao(b+c) =a(b+c) zwischen einem Buchstaben und einer Klammer
(b +c) °a = (b +c)a und umgekehrt
e) (a+b)o(c+d) = (a+b)(c+d) zwischen zwei Klammern
3. Potenzrechnung vor Punktrechnung
ab 2 = a (b 2 ), also ab 2 =1= (ab)2
0
Potenzrechnung bindet starker als Punkt·
-3 2 = -9 und nicht = (-3)2 = 9 rechnung

4
11.4 II. Arithmetik
5. Termumformungen
Gmndgesetze
1. Kommutativgesetz (Vertauschungsgesetz)

a+b=b+a 3+4=4+3 Summand en kann man vertauschen

a·b=b·a ab=ba Faktoren kann man vertauschen


3·4=4·3
2. Assoziativgesetz (VerknUpfungsgesetz)

(a+b)+ c= a+ (b + c)=a +b + c Summanden kann man beliebig verknUpfen


(zusammenfassen)
(5 + 7) + 3 = 5 + (7 + 3) = 5 + 7 + 3

(ab)c =a(bc) = abc Faktoren kann man beliebig verknUpfen


(zusammenfassen)
(3·4)·5 =3(4·5) =3·4·5

3. Distributivgesetz (Verteilungsgesetz)

a(b +c) =ab +ac I Zahl mal Summe gleich Zahl


mal erster Summand plus Zahl
4(100 + 2) = 4 ·100 + 4·2 mal zweiter Summand
Aus die sen drei Gesetzen ergeben sich aIle folgenden Regeln.

5.1. Gmndregeln der Klammerrechnung


Ein durch eine Klammer zusammengef~ter Ausdruck ist eine Einheit.

I 4a + (5b - 2b) =4a + 3b Was in einer Klammer steht, wird zuerst


ausgerechnet
13 - (11-7) = 13 - 4 = 9
99a: (33a: l1a) = 99a: 3
=33a
(99a : 33a) : 11a) = 3 : 11a
3
=- (a =1= 0)
lla
FUr das Aufiosen der Klammer gilt

(a+b)+(c-d+e) Steht ein Pluszeichen vor einer Klammer, so


=a+b+c-d+e kann die Klammer ohne weiteres weggelassen
werden.
(17 + 5) + (18 - 12 + 3)
= 17 + 5 + 18 - 12 + 3 = 31
(a+b)-(c-d+e) Steht ein Minuszeichen vor einer Klammer, dann
=a+b-c+d-e mUssen beim Weglassen der Klammer die Zeichen
+ und - in der Klammer vertauscht werden.
(17+ 5) -(18 -12+ 3)
= 17 + 5 - 18 + 12 - 3 = 13
5
Mathematik 11.5.2
Beispiel 1: (-1:3) -(+5) + (-4) -(-6) = 3 - 5 - 4 + 6 = 0
Beispiel 2: [(17u + 25v) -19w] - [23u - (49w + 35v)]
=[l7u+25v -19w]-[23u- 49w-35v]
= 17u+25v -19w - 23u + 49w+35v =-6u+60v+30w

5.2. Multiplizieren mit KIammem

Ausmultiplizieren

a(b + c) =ab +ae Man muItipliziert eine Zahl mit einer Summe
a(b-e)=ab-ae (Differenz), indem man die Zahl mit jedem
(a + b)e =ae + be Glied multipliziert und die erhaltenen Produkte
(a - b)e =ae - be addiert (subtrahiert).

3( 200 + 7) = 3 . 200 + 3 . 7 = 621


5(1000-1) = 5000- 5 =4995
(0,5 + 0,25) . 4 = 0,5 . 4 + 0,25 . 4 = 3
(1 - 0,9) . 0,3 = 1 . 0,3 - 0,9 . 0,3 = 0,03
Fehlerwarnung: (a· b)' e :j:ae' be, sondern (a' b) . e =abc
Beispiel 1: 6x2(l6x - 0,05y + 7,2z) = 96x 3 - 0,3x2y + 43,2x 2z
Beispiel 2'
.
(_.E.)
2
(_E-3 +!!...-!:)
4 5
=.!p2 _.!pq +l..pr
6 8 10
Ausklammern
I ab+ae=a(b+e) Enthalten aIle Glieder einer Summe oder Diffe·
renz den gleichen Faktor, so kann man diesen
abc - aed + ace =ae(b -d +e) ausklammern.
Summe mal Summe
(a + b) (e +d) Man multipliziert zwei (algebraische) Summen
=ae+ad+be+bd miteinander, indem man jedes Glied der einen
Summe mit jedem Glied der anderen Summe
97 . 207 = (100 - 3) . (200 + 7) multipliziert und die erhaltenen Produkte ad-
= 100· 200+ 100· 7-3'200-3'7 diert.
= 20079
Beispiel1: (4!X-3tY)(2tX-5!y) - (I!X+lty) (Itx-I!y)
_U 2 _.2..:.!.! _ 10· 8 +..!Q..:1.!. -2
- 2'3 x 2.2 xy 3'3 xy 3.2 Y

- (1..:2.x2 _1..:.1 xy + .uxy - Di~)


2·5 2·2 3·5 3·2
= 12x 2 - 27 X2 _ 99 xy _ 80 xy + 2. xy _ 3xy + 55 y2 + ~ y2
10 4 9 4 3 2
= 93 Xl _ 51xy _ 80 xy + 125 y2 = 93 Xl _ 619 xy + 125 yl
10 2 9 6 10 18 6
3 7 5
= 9 - Xl - 34 - xy + 20 - yl
10 18 6

6
11.5.2.1 II. Arithmetik
Beispiel2: (4a - 3b)(-2a + 5b)(a + 2b - e) =(-8a2 + 26ab - 15b 2 )(a + 2b -e)
= - 8a 3 -16a 2b + 8a 2e + 26a 2b + 52ab 2 - 26abe - 15ab 2 - 30b3 + 15b 2e
= - 8a 3 + 10a 2b + 8a 2e + 37ab 2 - 26abc - 30b 3 + 15b 2e
Fehlerwarnung: (a + b? :j: a3 + b 3;richtig siehe binomische Gleichungen 3. Grades.

5.2.1. Binomische Formeln


Ein Binom ist ein zweigliedriger Ausdruck, z.B. (a + b). Ausmultiplizieren von Potenzen von (a + b)
fOOrt zu den binomischen Formeln.
Binomisehe Grundgleichungen (binomisehe Gleiehungen 2. Grades)

(a + b)2 =a 2 + 2ab + b 2 212 =(20+ 1)2 =202 +2·20·1+ 12 =441


(a-b)2 =a 2 -2ab+b 2 2
19 =(20-1)2 =202 -2'20'1+1 2 =361
(a+b)(a-b)=a 2 -b 2 21'19=(20+1)(20-1)=202 - 12 =399

Beispiele: 1092 = (100 + 9)2 = 10 000 + 1800 + 81 = 11 881


979 2 = (1000 - 21)2 = 1 000 000 - 42 000 + 441 = 958 441
106 . 94 = (100 + 6) (100 - 6) = 10 000 - 36 = 9964

Binomisehe Gleichungen 3. Grades

96 3 = (100 - 4)3
= 1000000 - 120000 + 4800 - 64
= 884736
Durch Muitiplikation mit (a + b) (bzw. mit (a - b» erhhlt manjeweils die binomische Gleichung
des nachsthOheren Grades:
(a + b)3 (a + b) = (a + b)4 (a + b)n(a + b) = (a + b)n+l fur jedes n E IN
Ein gesondertes AuffOOren der Formeln mit (-b) flir b eriibrigt sich, da ja b selbst negativ sein kann.
Das Aufschreiben der binomischen Gleichung n·ten Grades wird durch folgende Abkiirzung erleich·
tert:
Fakultiit

k! (k Fakultat) 6! (lies: 6 Fakultat)


=1·2·3·4· ... ·k =1'2'3'4·5'6
mit kEIN =720
O! = 1
Fehlerwarnung: 6! - 4! :j: 2!, denn 6! = 720, 4! = 24, 2! = 2
Binomialkoe//izienten

(~) (n tiber k) (;) (lies: 7 tiber 4)


_ ~(n - l)(n - 2) ... (n - k + 1) . 7· 6' 5' 4
- 1·2·3· ... ·k 1·2' 3' 4
mit n, k E IN und k 5: n = 35
(~) = I
Eine zweite Mogiichkeit zur Ermittlung der Binomialkoefftzienten bietet das Pascalsche Dreieck,
in dem jedes Element gleich der Summe der beiden unmittelbar dariiberstehenden Elemente ist.

7
Mathematik 11.5.2.1

Pascalsches Dreieck

n=1 -+ 1
n=2 -+ 1
n= 3 -+ 1 3
n=4 -+ 1 4
n=5 -+ 1 5 10
n=6 -+ 1 6 15
n=7 -+ 1 7 21 35

n = 7; k = 4 (vgl. obiges Beispiel!)

Beziehung zwischen Binomialkoeffizienten

0
(~= +(n~ 1) =(~) (~)+(~)=(l)
20 + 15 = 35
Beweis:

( n-l) (n-l) = (n-l)(n-2)(n-3) ... (n-k+l) (n-l)(n-2)(n-3) ... (n-k)


k-l, + k (k-l)! + k!

Die beiden Briiche werden gleichnamig, wenn man den ersten Bruch mit k erweitert:
(n-l)(n-2)(n-3) ... (n-k+ l)k (n-l)(n-2)(n-3) ... (n-k+ l)(n-k)
= k! + k!
Aile gemeinsamen Faktoren der beiden Summanden werden ausgeklammert:
(n - l)(n - 2)(n - 3) ... (n - k + 1)
= k! (k+(n-k))
(n - l)(n - 2)(n - 3) ... (n - k + 1)
'n
k!
= n(n - l)(n - 2)(n - 3) ... (n - k + 1) = (n )
k! k
Binomischer Satz (binomische Gleichung n-ten Grades)

(a +b)n =a n +(n an - 1b +(~)an-2 b 2 +(~ )a n - 3 b 3 + ... +(nan-kbk + ... +


+( n -1
n )albn-1 +b n

In abgektirzter Form kann der binomische Satz geschrieben werden:


n
(a + b)n = L (~) an-kb k (lies: Summe k gleich 0 bis n von n tiber k ... )
k=O
Man soli der Reihe nach ftir k die ZaWen 0, 1, 2, 3, ... bis n einsetzen und die so erhaltenen Glieder
addieren:

(a + b)n = (~) an-abo +( ~ ) an - 1b l + (~ )a n - 2b 2 + ... + C~J an-(n-l)b n- 1 + (~)an-nbn


Das ergibt unter Berticksichtigung von ( ~) = 1, bO = 1 (ftir aile b * 0), (n~ 1) =n, an-(n-l) =a l =a
die obige Gleichung.

8
11.5.2.1 II. Arithmetik
Beweis des binomischen Satzes
Dee binomische Satz ist richtig
fUen=l: (a+b)l=l'a +l·b

fue n=2: (a+b)2 = l'a 2 +(~)ab +(~)b2

n
a 2 + 2ab + b2
fUr n = 3: (a + b)3 =( ~)a3 + )a 2b + n)ab 2 +(~ )b 3
a3 + 3a 2b + 3ab 2 + b3
Angenommen, das ginge so we iter bis zum Exponenten (n - 1), dann m~te der binomische Satz,
wenn man (n - 1) fUr n setzt, eine richtige Gleichung liefem:
(a + b)n-l =a n - 1 + (n~l) an-2b + (n;l) an-3b2 + ...

+ (Z=nan-kbk-l + (n~l) an-k-1bk + ... + b n - 1

Multipliziert man beide Seiten der Gleichung mit (a + b), so ergibt sich:
(a + b)n = (an ,+an-1b) + (nil) (an-1b +a n - 2b 2) + (n;l) (a n - 2b 2 +an - 3b 3) + ... +

+ (Z= ~ )(an- k +1b k - 1 +an-kbk ) + (n; 1) (an-kb k + an - k - 1b k +1 ) + ... +

+ (ab n - 1 + bn )
Unmittelbare Anwendung des Assoziativgesetzes der Addition und Ausklammem flihrt zu:
(a + b)n =a n + (1 + (nil))a n - 1b + ((nil) + (n;l)) an - 2b 2 +

+((n;l) + ... )an- b


3 3 + ... +

+( ... +(Z=~))an-<k-l)bk-l +((z=D+(n;l))an-kbk +


+ ((n; 1) + ... )an-<k+1) bk+1 + ... + ( ... + 1)abn-1 + b n

Ersetzt man den ersten Summanden 1 in der ersten Klammer durch 01) und den zweiten (n
Summanden 1 in dee letzten Klammer durch (:::: 1i '
so sieht man, daJl. jede der aus je zwei
Summanden bestehenden Klammem die Form (( + ~:::l (n,;t))
hat. Das ist aber nach der oben
angeflihrten "Beziehung zwischen Binomialkoeffizienten" gleich (~) . Daher ergibt sich:
7
(a + b)n =a n +( )an - 1b +( ;)an - 2b 2 + ... +(Z )an-kbk + ... + b n
Das ist die als binomischer Satz formulierte binomische Gleichung.
Es war gezeigt worden, da~ die binomische Gleichung n-ten Grades bis zum Exponenten 3 richtig
ist. Denkt man sich fur 3 den Exponenten (n - 1), dann wurde soeben gezeigt, daJl. die Gleichung
auch fUr n = 4 stimmt. Stimmt sie aber fUr das neue n - 1 =4, dann ist sie auch fUr n =5 richtig, und
so weiter, d.h. sie ist richtig fUr aile n E IN. Dieses Verfahren des Schlie&ns von (n - 1) auf n nennt
man vollstiindige Induktion.
Beispiel: (a - b)7 =(b)a 7b O - (i)a 6b 1 + G -C
)a 5b 2 )a4b 3 + (~)a3b4
-(~)a2b5 +(~)alb6 -(Da Ob 7

=a7 -7a6b + 2la 5b 2 -35a4b 3 + 35a 3b 4 -21a 2b 5 + 7ab 6 -b 7


(Vergleiche die Koeffizienten mit der letzten Zeile des Pascalschen Dreiecks!)

9
Mathematik 11.5.3
5.3. Dividieren mit Summen, Polynomdivision

(a + b) : c = a : C + b : c
(a - b) : c = a: c - b : c Man dividiert eine (algebraische) Summe durch
eine Zahl, indem man jeden Summanden durch
742 : 7 = 700 : 7 + 42 : 7 = 106
die Zahl dividiert und die Quotienten addiert.
796: 8 = 800: 8 - 4: 8 = 99!
Beispiel:
3 3y 3 x2
(3xy2 - 3 y4 + x 3 ) : 2xy =-y---+ -
2 2x 2y
Polynomdivision
(ab 2 +a 2b +a 3 -3b 3 ): (-b +a) Man dividiert zwei (algebraische) Summen durch-
einander, indem man zunlichst
Dividend und Divisor in gleicher Weise nach
Potenzen ordnet, dann
I. I. den ersten Summanden des Dividenden durch
den ersten Summanden des Divisors dividiert
(a-b)·a 2 2. den Divisor mit dem Teilergebnis multipliziert
=a 3 -a 2 b
(a 3 +a 2b +ab 2 - 3b 3 ) 3. das Ergebnis vom Dividenden subtrahiert
-(a 3 -a 2 b)
2a 2b+ab 2 -3b 3
2a 2b: a = 2ab II. I. wieder den ersten Summanden des Restes
durch den ersten Summanden des Divisors
dividiert
(a-b)·2ab 2. wieder den Divisor mit dem Teilergebnis
= 2a 2b - 2ab 2 multipliziert
(2a 2b +ab 2 -3b 3 ) 3. wieder das Ergebnis vom Rest des Dividen-
-(2a 2b - 2ab 2 ) den subtrahiert
3ab 2 -3b 3
3 ab 2 : a = 3 b 2 III. 1. wieder den ersten Summanden des neuen
Restes durch den ersten Summanden des Divi-
sors dividiert
(a -b)· 3b 2 2. wieder den Divisor mit dem Teilergebnis
=3ab 2 - 3b 3 multipliziert
(3ab 2 -3b 3 ) 3. wieder das Ergebnis vom Rest des Dividen-
-(3ab 2 -3b 3 ) den subtrahiert
=0 und so weiter, bis die Rechnung aufgeht oder
ein Rest bleibt

Die Rechnung entspricht der bekannten Division nattirlicher Zahlen:

(20000 + 4000 + 300 + 30 + 4) : (300 + 60 + 5) = 60 + 6 + ~:~


- (60 . 300 + 60 . 60 + 60 . 5)
2000 + 400 + 30 + 4
Ergebnis: 24334: 365 = 66 244
- (6· 300 + 6· 60 + 6' 5) 365
200+ 40+ 4

10
11.6.1 II. Arithmetik

Das Schriftbild beider Rechnungen sieht folgenderma~en aus:

(rr +a 2 b+ab 2 -3b 3 ):(a-b) 24334: 365


-) a3 -a 2 b 2190 244
=a 2 + 2ab + 3b 2 2434 = 66 365
2a 2 b +ab 2
-) 2a 2 b - 2ab 2 2190
3ab 2 - 3b 3 244
-) 3ab 2 - 3b 3
o
Fehlerwamung: Auf das Vorzeichen beim Subtrahieren (- + =-. -- = +) ist besonders zu achten.
Beispiele:
(a 3 +b 3 )=(a+b)=a 2 -ab+b 2
_)03 +a 2b
-a 2 b + b 3
-)-a 2 b - ab 2
ab 2 + b 3
-)ab 2 +b 3

Fehlerwamungen:

--
a+b *a
a3 +b 3 2 + b 2 • sondern a2 +b 2
--b- *a + b, sondern
= a 2 -ab + b 2 a+ 2b 2
= a-b+-
a+b
Proben zu den Beispielen:
2
(a 2 - ab + b 2 ) • (a + b) ( a-b+ 2b
a+b
) '(a+b)
2b 2 (a + b)
= a (a + b) - b (a + b) + a + b
=a 2 +ab-ba-b 2 +2b 2
=a 2 + b 2

6. Bruchrechnung
6.1. Definition und Einteilung der Briiche

Zahler a Ein Bruch ist ein Quotient.


!!. =a : b
b Nenner b (* 0) Der Zahler ist der Dividend.
Der Nenner ist der Divisor.
3 Zahler 3
-=3: 4
4 Nenner 4

11
Mathematik 11.6.3

6.2 Erweitem und Kiirzen

t, t, =~ sind verschiedene Schreibweisen ein und desselben Bruchs. Der tlbergang von einer
Schreibweise zur anderen erfolgt durch Erweitern oder Kiirzen.

a a' e ae
-= - - = - Erweitern hellit, Zahler (a) und Nenner (b) mit
b b'e be
derselben Zahl (e) multiplizieren.
2 2' 3 6 Die Zahl (e) hellit Erweiterungsfaktor.
5 5·3 15 Der Wert des Bruches bleibt unverandert.

Fehlerwarnung:
2 2' 3 6
Erweitern mit 3
5 5' 3 15
Unterscheide:
Muitiplizieren mit 3 ~'3=~=~
5 5 5

a a :e (a : e) Kiirzen heiBt, Zahler (a) und Nenner (b) durch


b b :e = (b : e) dieselbe Zahl (e) dividieren.
Die Zahl (e) heiBt Kiirzungsfaktor.
1515:35 Der Wert des Bruches bleibt unverandert.
6 6: 3 2

F ehlerwarnung:
6 6:3 2
Kiirzen durch 3
15 15: 3 5
Unterscheide:
6 6:3
Dividieren durch 3 15: 3 = 15 -2
15
Beispiele
a 2 be 2 _ a 2 be 2 : a 2 be £.
1. a Kiirzungsfaktor ist a 2 be
a 3 be - a 3 be: a 2 be

2.
2= (-3):(-1) 3
-4 (-4) : (- 1) Kiirzungsfaktor ist -1
4
oder
-3 {-32' {-l} 3
-4 (-4) . (-1) Erweiterungsfaktor ist -1
4

6.3. Addieren und Subtrahieren gleichnamiger Briiche

a b a +b (a + b) Gleichnamige Briiche (Briiche mit dem gleichen


-+-=--=--
e e e e Nenner) werden addiert oder subtrahiert, in-
dem man die Zahler addiert oder subtrahiert
3 4 3+4 7 und den Nenner beibehalt.
-+-=--=-
5 5 5 5

Beispiele:
3x 2 x2 4x 2 x2
1 --+--=--=-
. 4yz 4yz 4yz yz

12
11.6.5 ". Arithmetik
6.4. Addieren und Subtrahieren ungleichnamiger Bruche

Ungleichnamige Briiehe werden addiert oder


subtrahiert, indem man sie auf den Hauptnenner
bringt, d.h. dureh Erweitem gleiehnamig maeht.
b· d ist der Hauptnenner Der Hauptnenner ist das kleinste gemeinsehaft-
Iiehe Vielfaehe alier Nenner.

3 . 5 ist der Hauptnenner

Beispiele:
1·41·3 7
1 1+ 1 =---U-+12=12 3 . 4 = 12 ist der Hauptnenner
· 3 4
9 10 19
2. ~+~ = 12 + 12 12 4 = 2 . 2 6 = 2 . 3 Hauptnenner 2 . 2 . 3 = 12
4 6
3 5 9 + 2. 14 2 Nenner 7 in Nenner 21 enthaiten,
3. -+-
7 21 21 21 21 3 also 21 Hauptnenner
a2 +b 2 (a-b)2 (a 2 +b 2 )·(a+b) (a-b)2·(a-b)
4. - - - -::--'------<---::-
2
a -b 2 2
a +2ab+b 2 (a+b)(a-b)·(a+b) (a+b)(a+b)·(a-b)
_ (a 3 +a 2b +ab 2 +b 3 )-(a 3 -3a 2b + 3ab 2 -b 3 )
- a3 +a 2b-ab 2 -b 3
4a 2b-2ab 2 +2b 3 2a 2 -ab+b 2
= 3 2 =2b--------~
a +a b-ab 2 -b 3 (a-b)(a+b)2
Fehlerwamungen:
a+b
l· C a +-b d arf me
C = --c . h t verweeh
se t i
werd · Ii
en mit a + C;::j:
a b+ . man dureh E·msetzen von
a C ' wle

... . . . a a a·c a·b ac+ab (b+c)


a = 1, b = 2, c = 3 sofort bestatlgt. Riehtig 1st -b + - = -b + -b = --b- = a --b--
c ·c c· c c
2. ~ + ~ :j: ; :~ , wie man dureh Einsetzen von z.B. a = 1, b = 2, c = 3, d = 4 sofort bestatigt.
· Verweeh
DIe · b·
i mit
sung a d
c = bd
ac Ii egt nahe.

6.S. Multiplizieren von Briichen

Briiehe werden miteinander multipliziert, indem


man Zahler mit Zahler und Nenner und Nenner
2 4 2·4 8 multipliziert. Vor der Ausreehnung ist zu kiirzen.
_0-=--_=-
3 5 3·5 15
Beispiele:
1 1~.2~= 7·12=1..:1.= 21
· 4 5 4·5 1·5 5
l-x 2 a+b (l-x2)(a+b) (1 +x)(l-x)(a+b)
2. a2 -b2 . x-I = (a 2 -b2)(x-l) (a + b) (a - b) (x - 1)
(1 +x)(l-x)(a+b) l+x l+x
-(I-x)(a + b)(a - b) -a-b=b-a

13
Mathematik 11.6.6

4x2 . 3y = 4x 2 . 3y 4·3·x 2 .y 3
3. 8.x =2"xy
8x 1 8x
3u' 5v . 12w3 = 15uv . 12w3 15 . 12uvw3 45
4
. 8w 2 8w 2 1 8w 2 =T uVW

Flir den in den Beispielen 3 und 4 behandelten Sonderfall gilt:

1· c =¥ =~ I Ein Bruch wird mit einer Zahl multipliziert, in·


dem man den Zahler mit der Zahl multipliziert.
Vor der Ausrechnung ist zu kiirzen.
~'4=2'4=~
3 3 3

4 2~
Fehlerwarnun..u : 1 l. 5 ...
T
1 . 2 + l. ~. richtig siehe Beispiel 1,
4 5' .

6.6. Dividieren von Briichen

a c ad
b:d='bC Man dividiert durch einen Bruch, indem man mit
seinem Kehrwert multipliziert.
b ac
a:c=T

Beispiele:
3 2 7' 5 35
1. 1~(2S= 4'12= 48
22ax 2y2 66x 2y 22' 18 ·ax 2y2r2s 1·2·a·y·r 2ary
2. 27 brs 2 : 18r2s = 27' 66 . bx 2yrs2 =
3·3·b·s 9bs
35a 2 35a 2 14a 35a 2 . 1 Sa
3. 43b2 : 14a = 43b2 : -1- = 43b 2 '14a = 86b 2

3 . 35 5
4. 84".14
4 '14 8
Fiir den in den Beispielen 3 und 4 behandelten Sonderfall gilt:

I ~:c=fc=-tc I Ein Bruch wird durch eine Zahl dividiert, indem


man den Nenner mit der Zahl multipliziert. Vor
2 2 1 1 der Ausrechnung ist zu kiirzen.
-:4=-=-=-
3 3·4 3·2 6

I 7f:c=~ I Ein Bruch wird durch eine Zahl dividiert, indem


man den Zahler durch die Zahl dividiert.

14
11.7.2 II. Arithmetik

7. Dezimalzahlen ond Doalzahlen

7.1. Die Dezima1schreibweise

Die Ubliche Schreibweise unserer Zahlen ist die Dezimalschreibweise, das he~t, es gibt 10 verschie-
dene Ziffern, 0, 1,2, ... ,9, und in einer Zahl hat jede Ziffer den zehnfachen Stellenwert der rechts
darauf folgenden Ziffer:
3201 = 3· 103 + 2· 102 + o· 101 + 1· 10°
= 3· 1000 + 2·100 + o· 10 + 1.
Diese Schreibweise wurde moglich nach "Erfindung" der O. Ohne diese gibt es z.B. die romische
Zahlenschreibweise durch Addition oder Subtraktion der zugrundeliegenden Zahlzeichen.

Romische Zahlzeichen:
I =1 Bis drei gleiche Zeichen dUrfen addiert werden, hochstens eins der Zeichen I, X
V = 5 oder C darf einmal durch Davorschreiben subtrahiert werden.
X = 10
L = 50 Beispiele:
C = 100 3201 = MMMCCI
D = 500 3744 = MMMDCCXLIV
M = 1000 1998 = MCMXCVIII
Die Dezimalschreibweise erlaubt auch die Wiedergabe gebrochener Zahlen.

Beispiel in Tabellenfonn:

104 103 102 101 10° 10-1 10-2 10-3


1 1 1
= 10000 =1000 = 100 =10 = =- =--
10 100 1000
2 3 0 4 5 6 7

Die in dieser Tabelle aufgegliederte Zahl ist


111
1 . 10000 + 2 . 1000 + 3 . 100 + O· 10 + 4 . 1 + 5 . - + 6· - + 7· - - = 12304 567
10 100 1000 '
Eine solche mit Komma geschriebene Zahl nennt man im allgemeinen kurz "Dezimalzahl". Genau
mOOte es he~en: "Nicht-ganze rationale Zahl in Dezimalschreibweise".

7 .2. Umwandlung der Dezimalschreibweise in Bruchschreibweise

Man wendet an, d~ die erste Stelle nach dem Komma Zehntel, die zweite Stelle Hundertstel, die
dritte Stelle Tausendstel usw. sind. So erhiilt man z.B.
5 6 7
0,567 = 10 + 100 + 1000 und durch Erweitern und Zusammenfassen

567
= 1000·
Man versucht, den letzten Bruch zu kiirzen. Das geht nur, wenn der Zahler die Primfaktoren 2 oder
5 enthiilt, da der Nenner nur aus den Primfaktoren 2 und 5 zusammengesetzt ist.

15
Mathematik 11.7.3

Beispiele:
5 1
0,5
10 2
2 1
0,02
100 50
10
0,10 Eine oder mehrere Nullen k6nnen am Ende weggelassen werden.
100 10

0,1
10
75 3
0,750
100 4
875 7
12,875 12 8
12 1000 =
111
11 ,111 11 1000
12 3
1,1200 = 1 100 = 1 25

7.3. Umwandlung der Bruchschreibweise in Dezimalschreibweise


(Umwandlung eines Bruches in eine Dezimalzahl)

Man denkt sich fUr den Bruch einen Quotienten und fUhrt die Division aus (Rechner!).

Beispiele:
1
1:2 0,5 Enthalt der Nenner eines Bruches noch andere
2
Primfaktoren als 2 und 5, dann geht die Rech-
2
= 2:5 0,4 nung nicht auf. Sie wird abgebrochen und das
5 Ergebnis gerundet. Auf das Zeichen "" (ungefahr
11 gleich), das dann korrekterweise statt = (gleich)
125 = 11 : 125 0,088
geschrieben werden miilite, soll hier verzichtet
werden.
1
1:3 0,3333333 Rundungsregei: 1st die erste weggelassene Ziffer
3
0, 1, 2, 3,4, dann bleibt die letzte geschriebene
11. 1 +1 : 7 1,1428571 Ziffer unverandert.
7 1st die erste weggelassene Ziffer 5, 6, 7, 8, 9,
11. 1 +1 : 7 1,1429 wird die letzte geschriebene Ziffer urn 1 erh6ht.
7 Mit diesem Beispiel kann man testen, ob der
2 gebrauchte Rechner automatisch aufrundet
= 2:3 0,6666667
3 oder nicht.

Rundungsbeispiele:
3,456 ~ 3,46
20,899 "" 20,90 Die a am Ende macht deutlich, daB auf zwei
Dezimalstellen gerundet wurde,
17,4549 "" 17,455 auf drei Dezimalstellen gerundet,
"" 17,45
17,5
auf zwei Dezimalstellen gerundet,
"" auf eine Dezimalstelle gerundet,

16
11.7.4 II. Arithmetik
17,55 ~ 17,6 auf eine Dezimalstelle gerundet,
0,001295 ~ 0,00130 auf fUnf Dezimalstellen gerundet,
0,001295 ~ 0,0013 auf vier Dezimalstellen gerundet;
378952086 ~ 3,790' 10 8 auf 10 OOOer gerundet,
378952086 ~ 3,79 . 10 8 auf 100 OOOer gerundet.

7.4. Die Dualschreibweise

Die Dezimalschreibweise der Zahlen ist willkiirlich und auf den Umstand zuriickzufUhren, daE der
Mensch zehn Finger hat. Das Zehnersystem ist auf 10 verschiedenen Ziffern, 0, 1,2, ... , 9, aufge·
baut. Jede Ziffer erhalt den zehnfachen Zahlwert, wenn sie eine Stelle weiter nach links riickt.
Genau so gut konnte jede andere Anzahl verschiedener Ziffern zugrundegelegt werden. Praktische
Bedeutung hat das Zahlsystem aus zwei Ziffern, das Dualsystem oder Binarsystem, gewonnen.
Dieses Dualsystem, das nur die Ziffern 0 und 1 (eins) kennt, ist die Basis ftir die inneren Rech·
nungen von Computern aller Art, vom einfachen Taschenrechner angefangen. Bei jedem Rechen·
vorgang wird erst die Eingabe ins Dualsystem iibertragen, in diesem gerechnet, zum Schlu~ erfolgt
die Anzeige wieder im Dezimalsystem.

Tabelle zum Aufbau einer Dualzahl (einer Zahl in Dualschreibweise)


28 27 26 25 24 23 22 21 20 Tl T2 T3 T4 ...
1011000111011
Die in dieser Tabelle aufgegliederte Zahl ist
101100011,1011 in Dualschreibweise,
8 6 5 1 1 1
1·2 +1·2 +1'2 +1'2+1'1+1'-+1'-+1'-
2 8 16
8 2 1
256 + 64 + 32 + 2 + 1 + - + - + -
16 16 16
11
355 16 = 355,6875 in Dezimalschreibweise.

Beim Umwandeln aus der Dezimalschreibweise in die Dualschreibweise muS man dic Zahl in eine
Summe von Zweierpotenzen zergliedern:
763,876
1 1 1 1
= 512 + 128 + 64 + 32 + 16 + 8 + 2 + 1 + - + - + - + - - + ...
2 4 8 1024
29 + 27 + 26 + 25 + 24 + 23 + 21 + 2°+2-1+ 2-2 + 2-3 + 2- 10 + ...
1011111 011, 111 000000 1 ...
Die Ausfiihrung der vier Grundrechenarten mit Dualzahlen erfolgt analog den im Dezimalsystem
bekannten Verfahren.

17
Mathematik 11.8.1.1

8. Potenzen, Wurzeln, Logarithmen


8.1. Die Potenz
3
aX (a hoch x) heiBt Potenz 1T2 = 5,56832 ... Potenz
a heiBtBasis (Grundzah1) 1T = 3,14159 ... Basis
x heiBtExponent (HochzaW) "23_- 1,5 Exponent

Ursprilngliche Definition der Potenz

an=a·a·a· ... ·a 35 = 3 . 3 ·3 . 3 . 3 = 243


n Faktoren (-2)3 = (-2) . (-2) . (-2) = - 8

Negative Exponenten und Exponent 0

243

Anmerkung: a darf nicht 0 sein.

Gebrochene Exponenten
4
83 = C <==> 84 = c 3 <==> C = 16
4 1
8 3 = C <==> 8- 4 =c 3 <==> c= 16
Reelle Exponenten
Mit Hilfe eines Grenziibergangs laBt sich entsprechend die Potenz mit reeUem Exponenten defi-
nieren (q sei rationa1er Naherungswert von x, insbesondere sei q_ < x und q + > x):

aX~aq x~q 31T ~ 3 3 ,14 1T ~ 3,14


aq· <ax <aq+ flir q_ <q+ und a> 1 .3 3 ,141 <3 1T <3 3 ,142 3.141 <1T<3,142

8.1.1. Regeln der Potenzrechnung


Potenzrechnung vor Punktrechnung

ban = b . (an) I flir aUe a*-O 5 . 34 = 5 . 3 . 3 . 3 . 3 = 5 . (3 4)

SolI erst Punktrechnung erfo1gen, muB (5 . 3)4 = 5 . 3 . 5 . 3 . 5 . 3 . 5 . 3 = 15 4


das durch eine Klammer gefordert werden:
Fehlerwarnung: ban :j: (ba)n (siehe oben), falls a, b :j: 0 und b:j: 1; n :j: 1.

18
11.8.1.1 II. Arithmetik

8.1.1.1. Addieren und Subtrahieren

I pan + qa n = (p + q )a n fUr aile a =1= 0 Potenzen kann man nur addieren oder subtra-
hieren, wenn sie in Basis und Exponent tiberein-
2 . 34 + 5 . 34 = 7 . 34 stimmen.
Fehlerwarnungen: 24 + 34 54* richtig 2·2 ·2·2 + 3 . 3 . 3 . 3
rich tig 3 . 3 + 3 . 3 . 3 . 3
=
=
16 + 81
9 + 81
=
= 90
97
32 + 34 *3 6

8.1.1.2. Multiplizieren und Dividieren bei gleicher Basis

fUr aile a =1= 0 Potenzen mit gleicher Basis werden multipliziert,


indem man die Exponenten addiert (genauer:
= 3.3.3.3.3'3'3'3'3'3 = 3 10 indem man die gemeinsame Basis mit der Sum-
me der Exponenten potenziert).
Fehlerwarnung: 3 6 • 34 *3 24 !

fUr aile a =1= 0 Potenzen mit gleicher Basis werden dividiert,


indem man die Exponenten subtrahiert (genau-
er: indem man die gemeinsame Basis mit der
3·3·3·3'3·3 Differenz der Exponenten potenziert).
3.3 .3 .3 = 3 . 3 = 32

Sonderfdlle:

Die erste Potenz einer Zahl ist die Zahl selbst.

(a =1= 0) Die nullte Potenz einer Zahl (auBer 0)


ist immer 1.

Fehlerwarnung: aO = 1 (a =1= 0) nicht zu verwechseln mit a . 0 = O.

Eine Potenz mit negativem Exponenten ist gleich


ihrem Kehrwert mit positivem Exponenten
(a =1= 0, b =1= 0) (genauer: der Wert einer Potenz bleibt erhalten,

<
wenn man gleichzeitig die Basis durch ihren
34 -6 = 3- 2
Kehrwert und das Vorzeichen des Exponenten
34 : 36 = 3 .3 .3 .3 _ 1
durch das entgegengesetzte ersetzt).
3 '3;3·3'3'3 -32

19
Mathematik 11.8.1.1

Beispiele:
1. (l2\4 : (l2)6 = 3 . 3 . 3 . 3 3·3·3·3·3·3 3'3'3'3'2'2'2'2'2'2 2·2
J 2'2'2'2 2'2·2'2'2·2 2·2'2'2·3'3·3'3'3·3 3·3

2. (1YX-l = (%Y-2X 3. (~r-rl+n = ( ~r-m-n

Fehlerwarnung: a- 2 =1= - a 2 , sondern a- 2 = ~


a
fUr aile a =1= 0

Vorzeichenregel
(_1)0 (_1)1
(_1)2 (_1)3
=1 (_1)5 = -1
(-1)4
(_1)2n (_1)2n+ 1

8.1.1.3. Multiplizieren und Dividieren bei gleichem Exponenten

I an. b n = (ab t fUr alle a, b, n *0 Potenzen mit gleichem Exponenten werden


muitipliziert, indem man die Basen muitipli·
24 . 54 = 2 .2 .2.2 .5 .5 .5 .5 ziert (genauer: indem man das Produkt der
= (2' 5) . (2' 5) . (2 . 5) . (2' 5) Basen mit dem gemeinsamen Exponenten
= (2' 5)4 = 104 = 10000 potenziert).
Fehlerwarnung: an . b n =1= (ab)2n auBer in Sonderfallen, z.B. n = O.
23 • 53 =1= 106

(b =1= 0) Potenzen mit gleichem Exponenten werden


dividiert, indem man die Basen dividiert (genau.
er: indem man den Quotienten der Basen mit
3544 = (3)4
'5 = 0,64 = 0,1296 dem gemeinsamen Exponten potenziert).

an a . .' a'n a
Fehlerwarnung: b n =1= b (auBer III Sonderfallen) 1m Gegensatz zu b . n = b

Umkehrungen:

Ein Produkt wird potenziert, indem man die


einzelnen Faktoren potenziert (genauer: indem
304 =(3 '10)4 = 34 . 104 = 81·10000 man die Potenzen der einzelnen Faktoren mit·
= 810000 = 8,1 '10 5 einander multipliziert).

Fehlerwarnung: Die Berechnung von (a + b)n darf nicht verwechselt werden mit (a' b =an . b n . t
Es ist z.B. (a + b)4 *a 4 + b 4 (auBer in SonderHillen), sondern
(a+b)4=a 4 +4a 3 b+6a 2b 2 +4ab 3 +b 4 (siehe 5.2.1. Binomische Formeln)

(b =1= 0) Ein Bruch wird potenziert, indem man Zahler


und Nenner einzeln potenziert (genauer: indem
4 (3)4 34 81 man die Potenzen von Zahler und Nenner durch·
0,3 = 10 = TQ4 = 10 000 = 0,0081 e inander dividiert).
= 8,1 '10- 3

20
11.8.2 II. Arithmetik
8.1.1.4. Potenzieren einer Potenz

Eine Potenz wird potenziert, indem man die


Exponenten multipliziert (genauer: indem man
(2 3)4 '" (2'2'2)·(2'2'2)'(2'2'2)'(2'2'2) die Basis mit dem Produkt der Exponenten
'" 2 3 '4 '" 212 potenziert).
Fehlerwarnung: (2 3 )4 ~27

(an)m '" (am)n I Bei der Potenz einer Potenz kann man die Ex-
ponenten miteinander vertauschen.

(3 4 )2", < 81 2
(3 2 )4 '"
'"

94 '"
6561
6561

8.1.2. Beispiele zur gesamten Potenzrechnung

1. arP+ bsP - crP + ds P = (a - c)rP + (b + d)sP

5ax+Yb3U+V 5c 4 5'28'ax+Yay-xb3U+vbv-2U 4a2YbU+2V


4. 7c2 : 28aY-XbV-2U'" 7'5c2c4 c6

S. Unterscheide (_U 2)3 = (-1)3 u2'3 =-u 6


(_U 3)2 '" (-1)2 u 3' 2 = + u6
[(_U)2]3 = [(-1)2u 2 f= [U 2 ]3 =u 6

8.2. Die Wunel

~ (n-te Wurzel ausc) heiBt Wurzel


w,"'~ Wurzel

heiBt Radikand 8
c~O Radikand
27
n heiBt Wurzel- 3 Wurzelexponent
exponent

Wurzeln sind Potenzen in besonderer Schreibweise.


Die Wurzelschreibweise ist Ublich ftir Potenzen mit StammbrUchen (Zahler 1) als Exponenten.

21
Mathematik 11.8.2.1

Definition der Wurzel


3 .!
:.j8 = 8 3 = 2 <=> 23 = 8

n ist eine natiirliche Zahl, e und a sind nichtnegative reeUe Zahlen.


Der Wurzelexponent 2 braucht nicht geschrieben zu werden.

I Vc==yc W=~=2

Hinweise:
1. Nach der Definition der Wurzel ist die Wurzel aus einer positiven Zahl selbst eine positive Zahl:
y'(lf = la I flir jede reelle Zahl a. Es gilt daher z.B. nur ~ = 2, nicht auch ~ = - 2. Dagegen
hat die Gleichungx 2 = 4 die L6sungen Xl = + ~ = + 2 und X2 == -~ = - 2.
2. Der Definitionsbereich der Wurzel ist erweiterungsfahig, d.h. es kann auch eine negative Zahl
flir e sinnvoU sein, z.B. 3"j-27 == - 3.
3. Fiir die Wurzelrechnung gelten in voUem Umfang die Regeln der Potenzrechnung.
Wegen des haufigen Auftretens werden die iibertragbaren Regeln hier in Wurzelschreibweise
wiederholt.

8.2.1. Regeln der Wurzelrechnung


8.2.1.1. Addieren und Subtrahieren

pVC + q~ =(p +q)~ Wurzeln kann man nur addieren oder subtrahie-
ren, wenn sie in Radikand und Wurzelexponent
2·\13+5·\13=7·\13 iibereinstimmen.

Fehlerwarnungen:
1. \12 + \13 '" \/5, sondern nicht zusammenfaBbar.
2. V2 + \12 '" Vi, sondern nicht zusammenfaBbar.
8.2.1.2. Multiplizieren und Dividieren bei gleiehem Radikanden
! 1 1 1 m+n
denn en . em ==e n +m ==e nm nyc m +n

Wurzeln mit gleichem Radikanden und den


16' 8 = 128 Wurzelexponenten n, m werden multipliziert,
3rAN\L 4 - /
y4096 . y4096 = "121ANlL'7 indem man aus dem in die (m + n)-te Potenz
y4096 7 = 27 = 128
erhobenen Radikanden die nm-te Wurzel zieht.
Fehlerwarnung: Va· va*- lZ,'a; *- lW; *- Va richtig = 3'\la4 + 3 == lW
1 1 1 1 m- n
denn en: em ==e,,-m ==enm == nyem - n

<
Wurzeln mit gleichem Radikanden und den
16: 8 =2 Wurzelexponenten n und m werden dividiert,
Z!4096 : \14096 = indem man aus dem in die (m - n)-te Potenz
lV4096 4 - 3 =2
erhobenen Radikanden die nm-te Wurzel zieht.

22
II.B.2.1 II. Arithmetik

8.2.1.3. Multiplizieren und Dividieren bei gleiehem Wurzelexponenten


1 1 1
denn en . d n = (ed)n = W
Wurzeln mit gleichem Wurzelexponenten werden

VS·V27 =<'3/-
2· 3 = 6
y216 =6
multipliziert, indem man die Radikanden multi-
pliziert (genauer: indem man dieselbe Wurzel
aus dem Produkt der Radikanden zieht).
Fehlerwarnung: Vc + !ifd * Ve + d; der gegebene Ausdruck liif1t sich nicht vereinfachen.

Vc:!ifd= ~ I ! d !n
denn en: (e)* = ~IT
= d Vd
Wurzeln mit gleichem Wurzelexponenten werden
dividiert, indem man die Radikanden dividiert
(genauer: indem man dieselbe Wurzel aus dem
Quotienten der Radikanden zieht).

Umkehrungen:

Man zieht die Wurzel aus einem Produkt, indem


man die Wurzel aus den einzelnen Faktoren zieht
_ 6
(genauer: indem man die Wurzeln aus den ein-
V36=<V4·y'9=2·3=6 zelnen Faktoren miteinander multipliziert).

Fehlerwarnung: Ve + d * Vc
+ !ifd; ohne Berechnung der Summe gibt es nur ein Niiherungs-
verfahren zur Berechnung der Wurzel (vgl. binomische Reihe).

[JI1 = Vc: !ifd Man zieht die Wurzel aus einem Bruch, indem
man sie aus Zahler und Nenner einzeln zieht

V 287 =V8:t'27=2:3=~
(genauer: indem man die Wurzeln aus Ziihler
und Nenner durcheinander dividiert).

8.2.1.4. Radizieren und Potenzieren einer Wurzel

I)!
( -n -1 mn
denn em = e mn = Vc
Man zieht die Wurzel aus einer Wurzel, indem
man die Wurzelexponenten multipliziert (genau-
V
- {!4096
\II6=2
=<12/-
er: indem man aus dem Radikanden die Wurzel
mit dem aus dem Produkt beider Wurzel-
y4096 = 2 exponenten gebildeten neuen Wurzelexponenten

VV7 *V7,
zieht).
Fehlerwarnung: sondern = IV?

23
Mathematik 11.8.2.2

V ."",06=2
{/4096 ="3
=V8 =
V~\!'-----4-09-6 2
Bei der Wurzel aus einer Wurzel kann man die
Wurzelexponenten miteinander vertauschen.

VV27 V{/27=\13 =

Fur das Potenzieren einer Wurzel oder das Wurzelziehen einer Potenz gilt noch zusatzlich (ohne
Analogie im Unterabschnitt "Regeln der Potenzrechnung"):

denn en
( l)m = enm 1 m
und (em)n =en

24 = 16
V8)4 =<w
( Eine Wurzel wird potenziert, indem man den
= {/4096 = 16 Radikanden potenziert (genauer: indem man
die Wurzel aus der Potenz des Radikanden zieht).
(V4)2 = W = Vi6 = 2
Umkehrung:

Man zieht die Wurzel aus einer Potenz, indem


man die Wurzel aus der Basis in die betreffende
Potenz erhebt.

Exponenten und Wurzelexponenten kann man


gegeneinander kurzen.

8.2.1.5. Rationalmaehen des Nenners

I -fr=~ I (mit .Jb erweitert) Man erweitert den Bruch so,


Nenner wegflillt.
d~ die Wurzel im

a2 a a·W a'W
va
r;; = aya va a' a2
3r;; = Va W = --=lfai
a
3

2
x +.jy _ (x +.jy)(x +.jy) _ (x +.jy)2 _ x + 2x.jy +y
x-.jy - (x-.jy)(x+.jy) - x 2 -y - x 2 -y

8.2.2. Beispiele zur gesamten Wurzelrechnung


I
1 1
1. (y-O,5)-2 = (-0,5)2< -2) = (-O,5r l = -~,5 =-2 oder = =--=-2
( 3)2 =+22=Y23=~=
2. -24
3
2Y2
(~_0,5)2 -0,5

3. (08 + Y2)2 -(v'f8 -Y2)2 = (18 + 2 v'36 + 2) - (18 - 2 v'36 + 2) = 4 v'36 = 24


4. (v'5 + 0)3 = 5 v'5 + 15 v'3 + 9 v'5 + 3 v'3 = 14 v'5 + 18 v'3
5. (3 v'2 - 2 {/3)(7 V2 + 5 y3) = 21 {!is + 15 V6 -14W - 10 {/3 5

24
11.8.3 II. Arithmetik

6 a a(a -y'a) a(a -y'a) a-y'a


. a +y'a a 2 -a a(a - 1) a-I

(a - 2) y'ii"2=4
(a - 2)(a + 2) a+2

8.3. Der Logarithmus

loga c (Logarithmus c zur Basis a) log3 9 =2 Logarithmus


heiBt Logarithmus
c> 0 heiBt Numerus 9 Numerus
a =1= 1 (a> 0) heiBt Basis 3 Basis

Definition des Logarithmus

Der Logarithmus c zur Basis a ist der Expo·


nent x der Potenz c mit der Basis a.
log2 8 = 3 <=> 23 = 8 Logarithmen sind Exponenten.
alogac =c Der Numerus ist die Potenz.
a und c sind positive Zahlen und a =1= 1.

Besondere Schreibweisen:
Zehnerlogarithmus (dekadischer Logarithmus, Briggsschcr Logarithmus)
1
I IOglO c=lgc I 19 10 = 1 19 1000 = 3 19 100 =-2

Zweierlogarithmus (dualer Logarithmus)

I log2 C = ld c I ld 2 = 1 ld 8 = 3

Natilrlicher Logarithmus (lat.: logarithmus naturalis)

I loge c = In c I lne = 1 e = 2,71828... lne n = n 1)

e = lim
m~~
(1 + ~)m
1) e hellt Eulersche Zahl

25
Mathematik 11.8.3.1
Beispiele:
1. IOg39 = x ==> x = 2 denn 32 = 9
2. logs 57 = X ==> X = 7 denn 57 = 57
3. log.,a n = x ==> x =n denn an =a n
4. log.,a = x ==> x = I denn al =a
5. log., 1 = x ==> x = a denn aO = 1
6. Ig 1000 = x ==> x = 3 denn 103 = 1000
7. Ig 0,001 = x ==> X =-3 denn 10- 3 = 0,001
8. log., _L= x ==> x =-m denn a- m =.-l.
am am
9. logx 8 = I ==>x=8 denn 81 = 8
10. logx 1 = a ==> x beliebig auJ1er 0 denn XO = 1 auBer a(unbestimmter Ausdruck)
11. L 3 ==> x =3"2
Iogx 27- denn (~)3 = 2~
12. logx 1
5
=-1 ==>x=~ denn (i)-I =t
3
1 _
13. logx 125 --3 ==>x=5 denn 5-3 = _I_
s 125
1
14. log4x = 22 ==> x = 32 denn 42 =.J4S = 2 5 = 32
15. Igx =-1 ==> x = 0,1 denn 10- 1 =.l
10
16. Igx = 5 ==> x = 100 000 denn 10 5 = 100 000
17. log...s. x =
27
-t
==> x = t denn (2~f3 =
1 1
(-1b3 = V¥ =~
1 e-2 =-L
18. Inx =- 2 ==>x=er denn e2
19. ld 0,5 = x =x=-l denn r l =1=05
2 '
20. ldx = 10 ==> x = 1024 denn 2 10 = 1024

8.3.1. Regeln der Logarithmenrechnung

log (xy) = logx + logy Der Logarithmus eines Produktes ist gleich der
Summe der Logarithmen der einzelnen Faktoren.
log2256 = IOg2 32 + IOg28 Oder: Addiert man zum Logarithmus einer
Zahl x den Logarithmus einer ZaW y, dann er-
halt man als Summe den Logarithmus des Pro-
duktes xy.
Beweis:
log (xy) = logx + logy, IOg2 256 = IOg2 32 + IOg2 8,
denn a n + m = an. am denn 28 = 2 5 • 2 3
und (xy) =x' y und 256 = 32 . 8
an + m = (xy) an =x 2 8 = 256 2 5 = 32
am =y 23 = 8
(n+m) =loga(xy) n = logax 8 =IOg2 256 5 = log2 32
m = logaY 3 = IOg28
(n+m)=n+m 8=5+3
loga(xy) = logax + logaY IOg2 256 = IOg2 32 + log2 8

26
II.S.3.1 II. Arithmetik

log (~) = logx -logy Der Logarithmus eines Bruches (Quotienten) ist
gleich der Differenz der Logarithmen von Zahler
(Dividend) und Nenner (Divisor).

Der Beweis erfolgt genau wie im vorangehen- Oder: Subtrahiert man vom Logarithmus einer
den Fall, wenn man y durch ~, m durch -m Zahl x den Logarithmus einer Zahl y, dann
ersetzt und beachtet, daB a- m = ist.
a
!n erhiilt man als Differenz den Logarithmus des
Bruches (Quotienten) ~ .

logxm =m . logx Der Logarithmus einer Potenz ist gleich dem mit
dem Exponenten multiplizierten Logarithmus
der Basis.

Oder: MuItipliziert man den Logarithmus


einer Zahl x mit einer Zahl m, dann erhiilt
man den Logarithmus der Potenz xm ,
Beweis:
logxm = m . logx, log283 = 3 . log28,
denn logxm = log(x' X· x' ... 'x) denn 83 = (2 3)3 = 29
m Faktoren log229 =9
= logx + logx + logx + log2 8 =3
+ logx 9 = 3·3
mSummanden
=m'logx

me 1
log V X = iii' logx Der Logarithmus einer Wurzel ist gleich dem
durch den Wurzelexponenten dividierten Loga-
rithmus des Radikanden.

Oder: Dividiert man den Logarithmus einer


Zahl x durch eine Zahl m, dann erhiilt man den
Logarithmus der Wurzel 'Vi,

Beweis:
log
1
o/X = iii' log x, log2 {!64 = '13 . log2 64,
1
denn o/X = xiii denn {!64 = 4 log2 4 = 2
1 1
logxm = m' logx log2 64 =6 2=1'6

Sonderfiille:
1. lo&a = 1, denn a 1 =a 19 10 = 1, denn 101 = 10 In e = 1,
2. log 1 = 0 bei beliebiger Basis *0, denn aO = 1 flir a:f 0
3. lo&am = m, denn am = am 19 10m = m, denn 10m = 10m In em =m, denn em = em
4. log! = -logx bei beliebiger Basis, denn log! = log 1 -logx = 0 -logx .
x x
27
Mathematik 11.9.1
8.3.2. Zusammenhang von Logarithmen mit verschiedener Basis
1
loga b =1--
ogb a
1 1
Sonderfall: Ig x = In x . Ig e Igx ·In lO=lnx Ige = In 10 =M = 0,4343 = 2,303

Beweise (ohne Beschrankung der Allgemeinheit kann der Beweis der bequemeren Schreibweise
wegen mit dem Sonderfall durchgeftihrt werden):
x=x
=Id gx = e1nx
Man bildet von dieser Gleichung 1. Ig, 2. In.
1. Ig(lOlgX)=lg(elnx). DalglOn =nlglO=n
unti da Ig em = m Ig e, folgt Igx = Inx • Ig e
2. In(Id gX ) = In(e 1nX ).
Hier ergibt sich entsprechend: Ig x . In 10 = In x
(Entsprechend verflihrt man im allgemeinen Fall der obigen Regel.)

Beispiell:
Ig2 = 0,3010 In 2 = Ig 2 ·In 10 = 0,3010 . 2,303 = 0,6932
Die Zahlen kann man mit dem Rechner bestatigen: Ig2 = In 2: In 10 mit 1 : In 10 = M = 0,43429448

Beispiel 2:
Die Halbwertszeit von Uran betragt 4,5· 109 Jahre. In welcher Zeit zerflillt Uran auf ~ der
Ausgangsmenge?
Radioaktiver Zerfall erfolgt nach der Gleichung N =No . e- At ;
N Zahl der verbleibenden Teilchen, No Ausgangszahl, A Zerfallskonstante, t Zerfallszeit.
1st N = ~ No, dann ist t = T, T Halbwertszeit:
~No =Noe- AT =>~ = e-xT/ln .2../Il
10 0
=N0 e- Xt =>.2.
10
=e-XT/ln
=> In !2 = - AT => -In 2 = - AT =>In.2.10
=-At =>lg.2.·lnlO=-At
10

=>A 1n2 => A= 0,6932


=>(0,9542-1)·2,303 =-At
T 4,5 .10 9 Jahre
t 0,0458·2,303
=> 0,154.10- 9 Jahre
=> A ~ 0,154.10- 9 pro Jahr => t = 0,685 . l09 Jahre
=> t = 685 Millionen Jahre

9. Die Briggsschen Logarithmen


9.1. Kennzahl und Mantisse
Die nach Briggs 1) benannten dekadischen Logarithmen haben den Vorteil, daE man mit den
Logarithmen der Dezimalzahlen zwischen lund lO tiber die Logarithmen aller Zahlen verfugt.
Begriindung: Da Ig 1 = 0 und Ig 10 = 1, liegen die Logarithmen der Zahlen von 1 bis 10 zwischen
ound 1. J ede andere Zahl kann man nach folgenden Beispielen in eine Zehnerpotenz und eine Zahl
zwischen 1 und 10 zerlegen

1) Englischer Mathernatiker urn 1600.

28
11.10 II. Arithmetik

Beispiell: 192250 = 19(1OOO' 2,25) = 19 1000 + 192,25 = 3 + 0,3522 = 3,3522

Beispiel 2: 190,0225 = 19 (2,25 . 1~0) = 19 2,25 -lg 100 = 0,3522 - 2

(im allgemeinen wird nicht weiter gerechnet).


Der dekadische Logarithmus besteht somit aus zwei Teilen, einer ganzen Zah1, der Kennzah1, und
einer positiven Dezima1zah1 <1, der Mantisse. Die Kennzah1 richtet sich nach dem Stellenwert, die
Mantisse nach der Ziffemfo1ge des Numerus.

Von einer vor dem Komma zwei-, drei-, vier-, ... stelligen Zah1 ist die Kennzah1 +1, +2, +3, ...
(also immer urn 1 k1einer a1s die Stellenzah1 vor dem Komma).

°
Von einer mit 0, ... ; 0,0 ... ; 0,00 ... ; ... beginnenden Zah1 ist die Kennzah1 -1, -2, -4, ...
(also gleich der negativ gerechneten Anzah1 der vor der ersten von verschiedenen Ziffer
stehenden Nullen, die vor dem Komma mitgerechnet wird).

19 2000 = 3,3010 190,2 = 0,3010 - 1


Ig200 = 2,3010 190,02 = 0,3010 - 2
19 I 2000 I = IT] , I 3010 I
Numerus Kenn- Mantisse
Ig20 =1,3010 190,002 = 0,3010 - 3
ziffer
Ig2 = 0,3010 19 0,0002 = 0,3010 - 4

10. Imaginare Zahlen


Beim Radizieren (Wurze1ziehen) treten Zahlen auf, die sich nicht auf der Zah1engeraden darstellen,
also auch nicht angenahert als Dezima1zahlen ausdrucken lassen, z.B. y-l. Urn trotzdem unein-
geschrankt radizieren zu k6nnen, muB man neue Zahlen einfiihren: die imaginaren Zahlen. 1m
Gegensatz dazu nennt man die "richtigen" Zahlen, also die Zahlen, die sich auf der Zahlengeraden
darstellen lassen, reelle Zahlen. (Siehe auch II.l Einteilung der Zah1en.)
Die imaginare Einheit i (oder j) und ihre Potenzen

i und -i sind L6sungen der quadratischen G1ei-


chung x 2 =-1

imaginiire
Achse
i5 =i 9 =i 4n - 3 =i
-_1'+---"t-----1f!-- reel/e i6 = ilO = i4n - 2 =-1
Achse
Einheitskreis in der i7 = ill = i4n - 1 =-i
-i
Gaull>schen Zahlenebene i8=iI2=i4n =1

29
Mathematik 11.10.2

Man unterscheidet rein imaginare Zahlen, das sind reelle Vielfache von i, und imaginare Zahlen im
weiteren Sinn oder eigentlich komplexe Zahlen, das sind Zahlen, die aus einer reellen und einer rein
imaginaren Zahl zusammengesetzt sind.

10.1. Goniometrische Darstellung der komplexen Zahlen (Darstellung in Polarkoordinaten)


Jede komplexe ZaWliiBt sich in Polarkoordinaten darstellen.
z =a + bi Darstellung in kartesischen Koordinaten

z = r (cos .,0 + i sin .,0) Darstellung in Polarkoordinaten


(Flir .,0 genligt das halboffene Intervall
[0, 21T[, also 0,( .,0< 21T, somit 0° '(.,0(0) < 360°)
imaginare
Achse
z Zusammenhange:
b
r = ya 2 + b 2 tan .,0 = a

=r
a . b
cos .,0 = r SIn .,0

a = r cos .,0 b=rsin.,o


O~______~a~______~ reelle
(RealfeilJ Achse

Beispiel:
a=3 b=4 r =v'9+T6 =5 3 + 4i = 5 (cos 53,13°+ i sin 53,13°)
= 5 (cos 53°8' + i sin 53°8')
= 5 (0,6 + 0,8 i)
"" cos 53,13° "" sin 53,13°

10.2. Addieren lind Subtrahieren komplexer Zahlen

Addition und Subtraktion komplexer ZaWen ist


Addition und Subtraktion von Vektoren
(Die mit "*' bezeichneten Strecken sind gleich-
lang und einander parallel.)

30
11.10.3 II. Arithmetik

Zl +Z2 =(a+bi)+(e +di) (2,66 + 0,89i) + (-0,81 + 1,49i)


=(a+e) +(b+d)i = 1,85 + 2,38i

Zl -Z2 =(a+bi)-(e +di) (2,66 + 0,89 i) - (- 0,81 + 1,49i)


=(a-e) +(b-d)i = 3,47 - 0,60i

Sander/all:
z-z z=a+bi und z=a-bi
he~en konjugiert komplex.
Konjugiert komplexe Zahlen haben einen glei-
chen Realteil und einen entgegengesetzt gleichen
z+z lmaginarteiI.

z +Z =(a + bi) + (a - bi) = 2a Die Summe konjugiert komplexer Zahlen ist


reell.
(2,4 + 0,9 i) + (2,4 - 0,9 i) = 4,8

I z- z =(a + b i) - (a - b i) = 2 b i Die Differenz konjugiert komplexer Zahlen ist


rein imaginar.
(2,4 + 0,9 i) - (2,4 - 0,9 i) = 1,8 i

10.3. Multiplizieren komplexer Zahlen

Zl~ =(a +bi)(e+di) Komplexe Zahlen werden wie algebraische Sum-


= ae + ad i + bei + bde men multipliziert.
= (ae - bd) + (ad + be)i Zum Schlu~ wird gesetzt: i2 = -1.
(3 + 4i) (5 - 2i)
= (15 + 8) + (20 - 6)i = 23 + 14i
Sander/all:
z.z=(a+bi)(a-bi)=a 2 +b 2 Das Produkt konjugiert komplexer Zahlen ist
(2,4 + 0,9 i) (2,4 - 0,9 i) reelI.
= 5,76 + 0,81 =6,57
Ganiametrisehe Darstellung

ZIZ2 =rl (COSIPI + i sinlPd' r2 (cos 1,02 + i sin 1,02) Komplexe Zahlen in goniometrischer
=rlr2 [COS(IPI + 1,02) + i sin (1,01 + 1,02)] Darstellung werden multipliziert, in-
dem man
a) die Moduln (rl und r2) multipliziert und
b) die Argumente (1,01 und 1,02) addiert.
Beweis: ZIZ2 = rlr2[ (cos 1,01 COSIP2 - sin 1,01 sin 1,02) + (cos 1,01 sinIP2 + SinlPl cOSIP2)i],
und nach den goniometrischen Grundformeln fUr sin(a +(3) und cos(a +(3) erhalt man das Ergebnis.

31
Mathematik 11.10.4

Beispiel:
Zj = 5 (cos 30° + i sin 30°) ZjZ2 = 5 (cos 30° + i sin 30°) . 13(cos60° + i sin 60°)
= 65 (cos 90° + i sin 90°) = 65 i
=~v'3 + ~i oder:
2 2
Z2 = 13 (cos 60° + i sin 60°) ZIZ2 =( ~v'3 + %i) e~ + 1~ iv'3)
=65 v'3 - 65 v'3 + 65 . ~ i + 65 i = 65 i
4 4 4 4

10.4. Dividieren komplexer Zahlen


Das Dividieren komplexer lahlen wird durch Erweitern mit der zum Divisor konjugiert komplexen
lahl ermoglicht.

Zj :Z2 =(a +bi): (e +di) (3 + 4i) : (5 - 2i)


(a+bi)(e-di) _ (3 + 4i)(5 + 2i)
(e + di) (e - di) - (5 - 2i)(5 + 2i)

(ae + bd) + (be - ad)i (15-8)+(6+20)i


e 2 +d 2 25 + 4
ae+bd be-ad. 7 26.
=---+ ---1
= 29 + 29 1
e2 + d 2 e 2 +d 2
A nmerkung: c und d durfen nicht gleichzeitig = 0 sein.

Sonder/Ii lle:
1 1·(-i) .
1. -I' = --=------(
I' -I
.) =-I
2. (a + b i) : (a - b i) = a 2 - b 2 + 2abi Der Quotient zweier konjugiert komplexer lah-
a 2 +b 2 len ist im Gegensatz zu ihrer Summe
und ihrem Produkt wieder eine komplexe lah!.
3 ac + bci _
. a+bi -c Ergebnis reel!.

4 aci-bc_aci+bci 2 _ .
. a + bi - a + b i - CI Ergebnis rein imaginar

Goniometrische Darstellung

ZI r I (cos IPI + i sin IPI ) Komplexe Zahlen in goniometrischer Darstellung


Z2 r 2 (cos 1P2 + i sin 1P2) werden dividiert, indem man
a) die Moduln (rl und'2) dividiert und
= ;: [COS(IPI-1P2)+isin(IPI-1P2)] b) die Argumente (ipl und ip2) subtrahiert.

Beweis: Man erweitert mit (COSip2 - i Sinip2) und wendet goniometrische Grundformeln an.

32
11.10.5 II. Arithmetik

Beispiel (Ausgangswerte fUr Z1 und Z2 dieselben wie im vorangehenden Beispiel):


In goniometrischer Darstellung In kartesischer Darstellung
5'3 5.
Zl 5(cos30° + i sin300) 2Y.J+21
Z2 13 (cos 60° + i sin 60°) 11 + 11 i y'3
2 2

(%y'3 + %i)(¥ -¥iy'3)


(¥ + 1; y'3) (1; _1; y'3 )
i i

65 . r::; 65 6 5 . 65.
-y3+-y'3--'31+-1
4 4 4 4
= 153 (cos 30° - i sin 30°)
169

=2(1y'3_1i)
13 2 2

=2y'3 _J_ i
26 26

10.5. Potenzieren bei komplexer Basis

Z3 =(a + b i)3 Eine komplexe Zahl wird mit einer natlirlichen


=(a 3 - 3ab 2 ) + (3a 2 b - b 3 )i Zahl potenziert, indem man sie wiederholt mit
Z4 = (a + b i)3 (a + b i) = ... sich selbst multipliziert.
Goniometrische Darstellung

Zn = [r (cos IP + i . sin IP r Eine komplexe Zahl in goniometrischer Darstel·


= rn (cos n IP + i sin nIP) lung wird mit einer beliebigen reellen Zahl
potenziert, indem man
(Moivrescher Satz) 1) a) den Modul (r) in die betreffende Potenz
erhebt und
b) das Argument (IP) mit dem Exponenten
multipliziert.

Anmerkung: Flir die folgenden zwei Beispiele wurde, urn das Potenzieren in beiden Darstellungen
vergleichen zu k6nnen, flir n eine natlirliche Zahl gewahlt. 1st n keine natlirliche Zahl, dann kann
man nur in goniometrischer Darstellung potenzieren, und das Ergebnis ist nicht eindeutig.

1) A. de Moivre, franziisischer Mathernatiker, urn 1700.

33
Mathematik 11.10.6

Beispiele:
In kartesischer Darstellung In goniometrischer Darstellung
1. (4 + 3 i)3 = [ 5 (cos 36,87° + i sin 36,87°)]3
= 4 3 + 3 . 4 2 . 3 i + 3 ·4· 9 i2 + 27 i3 = 125 (cos 110,61 ° + i sin 110,61°)
= (64 - 108) + (144 - 27)i = 125(-cos69,39°+isin69,39°)
=-44+ 117i = 125 (- 0,3520 + 0,9360i)
= - 44,00 + 117,00i

2. (3 -- 2i)6 = [y'32+22 (_3 __2 i)J6


v'I3 v'I3
= 36 - 6· 3 5 . 2i + 15 . 34 . (2i)2 =..jI36 (cos( - 33,69°)+i sine - 33,69°)t
3 2
- 20' 3 '(2i)3 + 15· 3 '(2i)4-6' 3 '(2i)5+(2i)6 = 2197(cos-202,14° + i sin - 202,14°)
= 729-2916i-4860+4320i+2160-576i-64 = 2197(-cos 22,14° + i sin 22,14°)
= -2035 + 828i = 2197(-0,9263 + i· 0,3768)
= - 2035 + 828i
Anmerkung: In der goniometrischen Darstellung erhalt man auch rationale Ergebnisse in "irrationa-
ler Form", also praktisch mit Abrundungsungenauigkeiten behaftet.

10.6. Radizieren bei komplexem Radikanden

yrz = yJr(cos<p+isin<p) Die Wurzel aus einer komplexen Zahl laEt sich
nur in goniometrischer Darstellung ziehen, und
nr.:( cos -<p+
= y r
11
.. <P)
sm -n
1 zwar indem man
a) die Wurzel aus dem Modul (r) zieht und
b) das Argument (<p) durch den Wurzelexponen-
ten dividiert.
Mehrdeutigkeit fur n = 2; 3; 4; ...
Da sich die komplexe ZaW z = a + b i = r (cos <p + i sin <p) nicht andert, wenn man <p urn 360° oder
ganzzahlige Vielfache von 360° vergroEert (verkleinert), ergeben sich flir W in w n = z die folgenden n
verschiedenen Losungen:

z =r(cos<p + i sin<p) WI = nc(


Yr cos n sm n
<p + .. 1<P)

W2 = v,:
n ( <p + 360°
cos n + i sin
<p + 360°)
n

W3 =
nc(
Yr cos
<p+ 2'360° .. <p + 2 '360°)
n + sm n
1

Wk
. nc( <p+(k n-1)360°
= yr cos
.. <P+(k-l)3600)
+ 1 sm n

z=r[cos(<p+(n -1)360°)
. ncr
wn = yr \COS
<p+(n-l)360° .. <p+(n-l)3600)
n +lsm n
+ i sin (<p + (n - 1) 360°)]
In der GauEschen Zahlenebene Jiegen die n Lo-
sungen auf einem Kreise mit dem Radius v,:
in Abstanden von je (3~Oy .
34
11.10.7 II. Arithmetik

Beispiel: 'P, =n'" r = 1,26 = 2,985984


+ 360°
(daraus a = 1,492992
I{J
1{J2=-n-

: ",+lk-l)o360' b = 1,492 992 ..(3), also


'Pk = n z = 2,985984 (cos 60° + i sin 60°).
",+ In-I) 360'
0

IPn= n n = 6 (a~erdem eingezeichnet k = 4), also


",-360'
= - n - + 36d' Vr= 1,2 und
WI = 1,2 (cos 10° + i sin 10°)
reelle W2 = 1,2 (cos 70° + i sin 70°)
Achse
If't wn ,;" 1,2 (cos (-50°) + i sin (-50°))

Sonder/all: Die Losungen der Gleichung


wn = 1 hei~en note Einheitswurzeln.
n=2: z=w2=1=I(cosOo+isinOo)
WI = 1 (cos 0° + i sin 0°) = 1
W2 = 1 (cos 180° + i sin 180°) =-1
-1 0 1 n = 3: z = w3 = 1 = 1 (cos 0° + i sin 0°)

~ WI = 1 (cos 0° + i sin 0°) = 1


W2 = 1 (cos 120° + i sin 120°)
= 1 (-cos 60° + i sin 60°) = - t +~..[3
W3 = 1 (cos 240° + i sin 240°)
= 1 (- cos 60° - i sin 60°) = - t - t..[3
n=4: z=w4=1=I(cosOo+isinOo)
WI= 1 (cos 0° + i sin 0°) = 1
W2= 1 (cos 90° + i sin 90°) = i
W3= 1 (cos 180° + i sin 180°) =-1
W4= 1 (cos 270° + i sin 270°) = -i
Anmerkung: Es ist festgelegt, d~ als Wurzel aus einer positiven Zahl nur die positive Losung
genommen wird. So ist beispielsweise V9 = 3 und nicht auch = -3; -3 ist die zweite Losung der
Gleichung w 2 = 9: WI = ..j9 = 3; W2 =- ..j9 =-3.
10.7. Relationen von Euler
Aus der Reihenlehre folgen die Relationen von Euler (Eulersche Gleichungen):

eix =cosx+isinx . ( l)n =2,718 ...


e= hm 1+-
n~~ n
e- ix = cosx - i sinx
Eulersche Zahl - Basis der natiirlichen Loga-
rithmen
Nach cosx und sinx aufgelost, ergibt sich:

cosx =
2
eix _ e- ix
sin x = -'---:-:-'--
2i

In den Beispielen erscheinen reelle Zahlen in imaginiirer Form


Anwendungsgebiet periodische Vorgiinge (Schwingungen; Elektrotechnik).

35
III. Gleichungslehre

1. Gleichungsarten
Gleichungen sind ein wesentlicher Bestandteil mathematischer Gesetzmal1igkeiten. Man unter-
scheidet je nach Fragestellung folgende Gleichungsarten:

1.1. Gleichungen zwischen iiquivalenten Terrnen


Aquivalente Termumformungen nndet man in Abschnitt II. Arithmetik.

Beispiele:
a(b + e) =ab +ae 11.5.2. Klammerrechnung
(a+b)(e+d) = ae + ad + be + bd (Distributivgesetz)
(a + b)2 = a 2 + 2ab + b 2 II. 5.2.1. Binomische Formeln
a e ad+ be
-+- 11.6.4. Bruchrechnung
b d bd
ana m =a n + m 11.8.1. Potenzrechnung

VC-Vd =VCd II. 8.2. Wurzelrechnung


log (xy) = logx + logy 11.8.3. Logarithmenrechnung
e ix = cos x + i sin x 11.10.7. Eulersche Gleichungen

1.2. Gleichungen mit Unbekannten; Bestimmungsgleichungen


Zur Berechnung unbekannter GraBen braucht man Gleichungen, in denen diese GraBen vor-
kommen. Die Behandlung solcher Gleichungen erfolgt in diesem Abschnitt III. Gleichungslehre.

1.3. Funktionsgleichungen
Die wechselseitige Abhangigkeit von im allgemeinen zwei veriinderlichen GraBen findet in einer
Funktionsgleichung ihren Ausdruck. Hiervon handelt Abschnitt IV. Funktionen, graphische
Lasungen, analytische Geometrie.

2. Lineare Gleichungen

2.1. Lineare Gleichungen mit einer Variablen (mit einer Unbekannten)


Die dem Anfang des Alphabets entnommenen Variablen a, b, ... sind sogenannte Formvariable, das
heiBt Platzhalter fUr als fest vorgegeben zu betrachtende Zahlen (Konstante). Das ist gemeint,
wenn von der "Zahl a" die Rede ist. Die eigentlichen Variablen x, y, ... (die Unbekannten) sind
Platzhalter fUr die gesuchten Lasungen der betreffenden Gleichung (Gleichungen).

36
111.2.1.1 III. Gleichungslehre

2.1.1. Auflosungs-Grundregeln - Aquivalenz-Umformungen

I x-a=b I+a
x=b +a
Man kann auf beiden Seiten einer Gleichung die
gleiche zaW (hier a) addieren.

x-a=b~x=b+a Beide Gleichungen sind aquivalent (gleichwertig).

Beispiel 1:
x-3=5 1+3 Die Aussageform x - 3 = 5 wird zur wahren Aus-
x=5+3 sage, wenn man fUr x die Zahl 8 einsetzt.
x=8 8 ist die Losung der Gleichung.
Probe:
8-3=5
5=5

x+a=b I-a Man kann auf beiden Seiten einer Gleichung die
x=b -a gleiche Zahl (hier a) subtrahieren.

x+a=b~x=b-a Beide Gleichungen sind aquivalent.

Beispiel 2:
x+3=5 1-3 Die Aussageform x + 3 =5 wird zur wahren Aus-
x=5-3 sage, wenn man fiir x die Zahl 2 einsetzt.
x=2 2 ist die Losung der Gleichung.
Probe:
2+3=5
5=5

x
a =b I' a Man kann beide Seiten einer Gleichung mit der
x =b' a gleichen Zahl (hier mit a) multiplizieren (Bedin-
gung: a.j: 0).

~
a
=b ~ x =b . a (a.j: 0) Beide Gleichungen sind aquivalent.

Beispiel 3:
x
3
= 5 I' 3 Die Aussageform ~ = 5 wird zur wahren Aus-
x = 5·3 sage, wenn man fUr x die zaW 15 einsetzt.
x = 15 15 ist die Ltisung der Gleichung.
Probe:
15 =5
3
5=5

I ox x:; 'aI I
Man kann beide Seiten einer Gleichung durch
die gleiche zaW (hier durch a) dividieren
(Bedingung: a.j: 0).

ax =b ~ x = 7ib (a.j: 0) Beide Gleichungen sind aquivalent.

37
Mathematik 111.2.1.2
Beispiel 4:
5x = 3 I: 5 Die Aussageform 5 x =3 wird zur wahren Aus-
3 sage, wenn man fUr x die Zahl 0,6 einsetzt.
x=S 0,6 ist die LOsung der Gleichung.
x =0,6 Probe: 5· 0,6 = 3 3 = 3

2.1.2. Aligemeines Auflosungsverfahren


Man "beseitigt" zuniichst aIle Klammern und aile Briiche und "ordnet" dann die Glieder so, daB
aIle mit x (der Variablen, der Unbekannten) links vom Gleichheitszeichen, aile anderen rechts
davon stehen.
Grundaufgabe: Beispiel:
ax+b =ex+d 8x + 15 = 3x - 10
ax-ex = d-b 8x - 3x = - 10 - 15
x(a-e) = d-b 5x = - 25
d-b x=-5
x =--
a-e Probe:
8'(-5) + 15 =3' (-5) - 10
(a =t=e ist Bedingung, denn durch 0 darf nicht
-40+ 15 =- 15 - 10
dividiert werden.)
- 25 =- 25
Fehlerwarnung: Bei der Probe ist jede Seite der Gleichung fUr sich auszurechnen; keinesfalls sind
nach Einsetzen der Uisung die gleichen Umformungen wie bei der Hauptrechnung vorzunehmen,
da dann leicht ein moglicher Fehler wiederholt werden kann.
Weitere Anwendungen:
Beispiel 1:
6(x - a) + 9,6a =2,4x Setzt man -a fUr x in die gegebene Gleichung
6x - 2,4x =6a - 9,6a ein, so erhiilt man eine Gleichung zwischen
3,6x =- 3,6a iiquivalenten Termen: 6 (-2a) + 9,6a = 2,4 (-a)
x=-a - 2,4a = -2,4a

Beispiel 2: Probe:
3~x(5 - 8x) + 5x(6x + 7) = 1071 3 ~ . 2 (5 - 8· 2) + 5· 2(6' 2 + 7) = 1071
18~x-30x2+30x2+35x = 107 1 11(-11) + 10(19) = 1071
53~x = 107 12 - ill
2 + 190 = 107 2
4
1
215
TX=-Y
215 2~5= 2i5
x=2
Beispiel 3:
169(1 _X)2 -(19 -12x)2 =(2+5x)2+98
169(1 - 2x +X2) -(361 - 456x + 144x2) =4 + 20x + 25x 2 + 98
169 - 338x + 169x 2 - 361 + 456x - 144x2 =4 + 20x + 25x 2 + 98
-338x + 456x - 20x = 4 + 98 -169 + 361
98x =294
x =3

38
111.2.1.2 III. Gleichungslehre

Fehlerwarung: Es empfiehlt sich, einen Ausdruck der Form wie z.B. -(19 - 12x)2 oder allgemei-
ner -(ax 2 - bx + c) (dx 2 + ex - f) stets in zwei Schritten zu berechnen: erst quadrieren oder mul-
tiplizieren und in eine Klammer setzen, dann das Minuszeichen berucksichtigen, da sich sonst sehr
leicht Vorzeichenfehler einstellen.

Beispiel 4:
3 (x + 2) = 5 (x + 1) - (2x - 1) Die bei der "Grundaufgabe" festgestellte Bedin-
3x + 6 = 5x + 5 - 2x + 1 gung a i= c (hier ist nach der zweiten Zeile
3x - 5x + 2x = 5 + 1 - 6 a =c = 3) ist nicht erftillt; die gegebene Glei-
0=0 chung ist nur eine Gleichung zwischen aquiva-
lenten Termen undkeine Bestimmungsgleichung.
Beispiel 5:
2
- - - - - =0 Man multipliziert mit dem Hauptnenner
x x-I x+2
x(x - 1) (x + 2). Bedingungen: x i= 0; 1; -2.
2(x -1)(x + 2) - x(x + 2) -x(x-l)= 0
2(x 2 +x-2)-x 2 -2x-x 2 +x =0 Probe' ~ _ _
1___1_ 0
. 4 4-1 4+2
2x-2x+x =4
x =4 0=0
Beispiel 6:
1x + 1a b
Man multipliziert mit dem Hauptnenner abx.
Bedingungen: a i= 0; b i= 0; x i= 0 und a i= b.
ab + bx = ax
bx -ax =-ab I' (-1) Setzt man ab fUr x in die Ausgangsgleichung
a- b
ax -bx = ab
x=~ ein, so erhalt man eine Gleichung zwischen
x(a - b) = ab a-b
aquivalenten Termen.

t
Fehlerwarnung: Die Gleichung ~ + ~ = (sie wird angewendet beim Linsengesetz in der Optik und
bei parallelen Widerstanden in der Elektrizitatslehre) ist nicht gleichbedeutend mit der Gleichung
x + a = b. Denn nimmt man auf der rechten Seite den Kehrwert von t,
also b, muB man auf der
linken Seite auch den Kehrwert von ~ + ~ nehmen; und das ist nicht x + a, sondern 1.! 1.
(erweitert mit ax) a ~\. Aus a ~\ = b ergibt sich aber wie oben ax = ab + bx usw. x a

Beispiel 7: Bedingungen: x i= ± £.
_~1:.::1-=-3_ + _5_2_ = _1_5_ Hauptnenner ist (4x + 5)(4x - 5) = 16x 2 - 25;
16x 2 -25 4x+5 4x-5
mit diesem wird die Gleichung multipliziert.
113 + 52(4x - 5) = 15(4x + 5)
113 + 208x - 260 = 60x + 75 113 52 15
Probe:
208x - 60x = 75 - 113 + 260 16 .2._ 25 + 4. 1 + 5 4. 1 -5
4 2 2
148x = 222
x= 2"
3 ill + 52 15
11 11
Beispiel 8: 15 15
3(x - 1) = 2(x - 2) + (x - 3) Auch hier ist wie in Beispiel 4 mit den Bezeich-
3x - 3 = 2x - 4 + x - 3 nungen der Grundaufgabe a = c (= 3), aber im
3x - 3 = 3x - 7 Gegensatz zu Beispiel 4 ist b i=d (b =-3,d=-7):
3x - 3x = -7 + 3 Die gegebene Gleichung ist falsch; sie ist von
0=-4 keiner Zahl fUr x kisbar.

39
Mathematik 111.2.1.3

2.1.3. Proportionen
Eine Sonderstellung unter den linearen Gleichungen mit einer Variablen nehmen die Proportionen
wegen ihrer weitreichenden Anwendbarkeit ein.
c
Form der Proportion Bruehsehreibweise: a x
b
a:b=c:x
bc
(lies: a zu b wie c zux) Auflosung naeh x : x=-
a
Formen ein und derselben Proportion:

a:b = cox Grundform (Bezugsform)


<=>x:c=b:a von hinten gelesen
<=>a:c=b:x Innenglieder vertauseht
<=>x:b=c:a AuBenglieder vertauseht
<=>b:a=x:c Kehrwert auf beiden Seiten
<=>a'x=b'c Produktgleichung: Produkt der AuBenglieder
gleieh Produkt der Innenglieder.

Beispiell:
Welche Kraft F dehnt eine Feder urn 4 em, Hookesches Gesetz
wenn die Kraft 3 N eine Dehnung von 2 em Ansatz: F: 4 em = 3 N: 2 em
bewirkt? Produktgleiehung: 2 em . F = 4 em . 3 N
Antwort: Die Kraft 6 N bewirkt die Dehnung. Auflosung naeh F: F = 4~3 N
F=6N
Beispiel 2:
Wie weit kommt ein Flugzeug in 2~ Stunden, Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit
wenn es 10 km in 45 s zurtieklegt? Ansatz:
Antwort: Das Flugzeug fliegt 2000 km weit. x: 9000 s = 10 km : 45 s
_ 9000'lO km
x - 45
x = 2000km

Mittlere Proportionale Sind von den vier Proportionalen die zweite und
u:x=x:v die dritte gleich, nennt man diese die mittlere
Porportionale.
<=> x 2 = U' v Produktgleiehung
<=> x =± YUv x heiBt geometrisehes Mittel von u und v

Reehnet man nur mit positiven Zahlen, entfallt das Minuszeiehen vor der Wurzel.
Eine Proportion mit einer mittleren Proportionale als Variable gehort nieht mehr zu den linearen,
sondern zu den quadratisehen Gleichungen.

Beispiel 3:
Welches geometrisehe Mittel haben die Zahlen Proportion: 4 :x = X : 16
4und16? Produktgleiehung: x 2 = 4· 16
Antwort: Geometrisehes Mittel von 4 und 16 Aufgelost naeh x: x = 8
sind 8 und -8. oder x = -8

40
111.2.1.3 III. G leichungslehre

Beispiel 4:
Wie grofl. ist die Seite eines Quadrats, das mit Produktgleichung: x 2 = 90 em' 10 em
einem 90 em langen und 10 em breiten Reehteek x = ± v'900 em 2
flaehengleieh ist ? x = ± 30em
Antwort: Die Seitenliillge des Quadrats betragt
30 em (als Mafl.zahl einer Lange kommen hier
nur positive Werte in Frage).

Korrespondierende Addition
und Subtraktion
a c
b=(j Grundform

a+b c+d
=--=-- Addieren des Nenners zum Zahler
b d
a-b c-d
=--=-- Subtrahieren des Nenners yom Zahler
b d
a c
=--=-- Addieren des Zahlers zum Nenner
b+a d+c
a c
=--=-- Subtrahieren des Ziihlers yom Nenner
b-a d-c

Bedingung in allen Fiillen: Nenner ungleieh 0

Beispiel 5:
5 5+x
Nenner yom Zahler subtrahieren:
4 x
5-4 5+x-x
Vereinfaehen:
4 x
1 5
Produktgleichung bilden:
4 x
x = 20
Losung ist 20, wie die Probe bestatigt

Beispiel 6:
5x:(4-x) = 30:9 In Bruehsehreibweise:
5x 30
In Abweiehung yom iibliehen Auflosungsverfah-
4-x 9
ren addiert man beidseitig t des Zahlers zum
Nenner:
5x 30
Probe:
4-x + 5x 9 + 30
5 5
5· ~
5x = 30 (= 2) 5 =30
__ 8 10
4 IS 4-~ 9 21. 3
5 5
8 8·2.=10 10 10
x = "5 12 3 3=3
41
Mathematik 111.2.2.2
2.2. Lineare Gleichungssysteme mit zwei und mehr Variablen

2.2.1. Die Gleichung ax + by =c


a, b, c sind Formvariable (Konstante, Zahlen). x, y sind Variable (Unbekannte, Platzhalter fUr
gesuchte Zahlen, die die Aufgabe losen). Losungen sind also aIle Zahlenpaare (x, y), die die Glei·
chung ax + by =c erftillen.

Beispiel:
3x +4y=3

Die Formvariablen (Konstanten) sind a =3, b =4, c =3. Eine Losung ist (1,0). Denn setzt man
x= lund y =0 in die Gleichung ein, erhalt man 3 =3.
Weitere ganzzahlige Losungen sind:
(5, -3), (9, -6), ... , (-3, 3), (-7,6), (-11,9), ...
Weitere beliebige Losungen sind:
(0,1; 0,675), (0,2; 0,6), (0,3; 0,525), (0,4; 0,45), (0,5; 0,375), (0,6; 0,3), ...

Tragt man die LOsungen als Punkte mit jedem


Zahlenpaar als Koordinatenpaar in ein x-y-
Koordinatensystem (kartesisches Koordinaten-
kreuz) ein, sostelltmanfest, daB aIle Punkte auf
einer Geraden liegen. J eder Punkt dieser Geraden
ergibt mit seinem Koordinatenpaar (x Iy) eine
Losung. Man bezeichnet deshalb die Gleichung
ax + by = c mit beliebigen festen Werten a, b, c
als (allgemeine) Geradengleichung.

2.2.2. Das Gleichungssystem alx + b IY =CI, a2x + b 2y =C2


(Zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten)

alx + bly = CI Einsetzungsver!ahren (Substi tu tionsverfahren):


Die Auflosung erfolgt z.B. dadurch, daB man die
a2x + b 2y = C2
erste Gleichung nach y auflost und den gewon-
ergibt aufgelost
nenen Term flir y in die zweite Gleichung ein-
b 2 cI - b l C2 setzt; durch Umformung erhhlt man neben-
x=
a l b 2 -a2 b l stehenden Term fUr x; diesen in die y-Glei-
chung eingesetzt, ergibt den entsprechenden
Term fUry.

Fallunterscheidungen:

(Jeder der Buchstaben ist Name - Platzhalter - fUr eine bestimmte Zahl; die Zahlen flir ai, a2,
b l , b 2, Cl, C2 sind durch die jeweilige Aufgabe gegeben.)

42
111.2.2.2 III. Gleichungslehre
2. 1st der Nenner a j b 2 - a2 b j = 0, aber ein Zahler ungleich 0, so gibt es keine Losung.

3. 1st der Nenner gleich 0, und sind auBerdem die Zahler gleich 0, so gibt es unendlich viele Lo-
sungen, und zwar jedes Paar (x, y), das die erste gegebene Gleichung ajX + bjy = Cj und damit
zugleich die zweite gegebene Gleichung a2x + b 2 y = c2 erfiillt.

Beispiel! :
2x + 3y =8 Nach der Losungsformel
x +4y = 9 b Cl - b l C2
Xl = a2l b 2 -a2 b l ,
y
ergibt sich
4,8-3'9 2'9-1,8
Xl= 2'4-1'3=1, Yl = 2'4 - l' 3 2

U:isung ist das Zahlenpaar (1, 2).


Das Schaubild zu jeder einzelnen gegebenen Glei-
-1 0 X1 2 6 x chung ist eine Gerade. Das die Losung bildende
-1 Zahlenpaar ist das Koordinatenpaar des Schnitt-
punkts der beiden Geraden.

Weiteres Losungsverfahren:
2x + 3y = 8 / .1 Nach demAdditionsverfahren multipliziert man
x+4y=9 /'(-2) die beiden Gleichungen so mitje einem Faktor,
2x+3y=8 } ~ dann beim Addieren die x-Glieder (wie hier)
-2x-8y=-18 + oder die y-Glieder wegfallen. In dem vorliegen-
- 5y=-10 den Fall iibernimmt man die erste Gleichung
y=2 unverandert und multipliziert die zweite mit - 2.
x+4'2=9 Der daraus sich ergebende Wert flir y wird dann
x=I in die erste oder zweite (wie hier) Gleichung
eingesetzt, urn auch den x-Wert der Losung zu
finden. Losung ist somit wie oben das Paar
(1,2).

Beispiel 2:
(a) 2x+3y=8 Nach der Losungsformel ist der Nenner
(b) 4x+6y=13 a l b 2 -a2bl =2'6-4'3=0;
der Zahler des x-Terms ist
y b2Cl -blC2 =6'8-3'13=9=1=0
2x+3y=B
(der Zahler desy-Terms ist
alc2 -a2cl =2 ·13 - 4· 8 =- 6=1=0),
d.h. es gibt keine LOsung. Die Graphen zu bei-
den gegebenen Gleichungen sind parallele Gera-
de; sie haben keinen Schnittpunkt.
-1 0 6 x
-1

43
Mathematik 111.2.2.3

Weiteres Losungsverfahren: Gleichsetzungsverfahren:


(a) 2x+3y=8 /'2 Man macht von (a) und (b) die linken Seiten
gleich. Da es kein Paar (x, y) gibt, fUr das die
(a) 4x + 6y = 16 rechten Seiten gleich sind, folgt: Es gibt keinen
Dazu: Schnittpunkt der Geraden; es gibt keine Ltisung
(b) 4x + 6y = 13 des Gleichungssystems, kein Zahlenpaar, das
beide Gleichungen gleichzeitig erftillt: L = f/J.
Beispiel 3:
(a) 2x+3y=8 Nach der Ltisungsformel ist der Nenner
(b) 6x+9y=24 alb2-a2bl =2'9-6'3=0;
der Zahler des x-Terms ist
3 y
b 2C I-b I C 2=9'8-3'24=0,
der Zahler desy-Terms ist
alc2 -a2cI =2'24-6'8=0,
d.h. es gibt unendlich viele Ltisungen; die Gra-
phen zu beiden gegebenen Gleichungen sind
-1 0 2 5 6 x gleich; es handelt sich urn ein und dieselbe
-1 Gerade.

Weiteres Losungsverfahren: Gleichsetzungsverfahren:


(a) 2x+3y=8 /'3 Durch Multiplizieren mit 3 wird die erste Glei-
(a) 6x+9y=24 chung gleich der zweiten Gleichung; es gibt un-
endlich viele Ltisungen:
Dazu:
(b) 6x + 9y = 24

2.2.3. Die zweireihige Determinante


Eine Determinante ist eine besonders tibersichtliche und kurze Schreibweise eines bestimmten
Terms (Rechenausdrucks).
Eine zweireihige Determinante hat zwei Zeilen (waagerecht) und zwei Spalten (senkrecht),
eine n-reihige Determinante hat n Zeilen und n Spaiten.
Definition der zweireihigen Determinante:

ab b 2 bilden die Hauptdiagonale,


a2, b l die Nebendiagonaie.

Ltisungsformeln eines Gleichungssystems aus zwei Gleichungen mit zwei Variablen (Unbekannten)
in Determinantenschreibweise:

alx + bly = CI Die gemeinsame Nennerdeterminante wird aus


a2x + b 2y = C2 den Koefflzienten von x undy in der gegebenen
ergibt aufgeltist Anordnung gebildet. Die Zahlerdeterminante
des x-(y-)Terms ergibt sich aus der Nenner-
determinante, indem man die Koefflzienten
von x (y) durch die Absolu tglieder ersetzt.

44
111.2.2.4 III. G leichungslehre

2.2.4. Die dreireihige Determinante


Definition der dreireihigen Determinante: Man "entwickelt" eine dreireihige Determinante
z.B. nach den Elementen der ersten Spalte, in-
al bl CI dem man der Reihe nach jedes Element der er-
a2 b 2 C2 sten Spalte mit derjenigen zweireihigen Deter-
a3 b 3 C3 minante multipliziert, die man erhalt, wenn man
in der dreireihigen Determinante die Zelle und
_ Ib2 C21
-al
die Spalte streicht, in der das Element vor-
b 3 C3
kommt. Die so gebildeten Produkte werden mit
alternierenden (wechselnden) Vorzeichen zu-
sammengefaJl,t.

Ausftihrung der Entwicklungsvorschrift:


al bl CI I bl CI
a2b2c2 =al 2 2 2 + a3
a3 b 3 C3 3 b 3 C3

(nach den Elementen der ersten Spalte entwickelt)

=--02
I bl CI I I +b 2
al I CI

3 b 3 C3 a3 3 C3

(nach den Elementen der zweiten Zeile entwickelt)

Regel von Sarrus (nur auf dreireihige Determinanten anwendbar):

Man erganzt die dreireihige Determinante, indem


~
- 1-1-
al bl CI
man die erste und die zweite Spalte wiederholt,
a2 b 2 C2 = b
a2 2
je drei diagonal aufeinanderfolgende Elemente
a3 b3 C3 3 3
+ + + multipliziert und die so entstehenden sechs Pro-
=alb2c3 +blc2a3 +cla2 b 3- dukte addiert (Hauptdiagonale) bzw. subtrahiert
-a3b2cI -b3c2al -C3 a 2 b l (Nebendiagonale).
Die Dbereinstimmung mit den Ergebnissen nach
Entwicklungsvorschrift ist leicht zu iiberpriifen.

Beispiel:

I~ : I - 1 ·1 ! ~ I + O· I; ~ I = 2 . (3 . 6 - 5 . 4) -I . (1. 6 - 5 . 2) + 0 . (1. 4 - 3 . 2)
122
341 = 2·
560 = 2· (-2) -I' (-4) + 0
(nach den Elementen der = -4 +4 = 0
dritten Spalte entwickelt)

nach Sarrus:

I;~~I
560
= 1~-=1'4'0+2'1'5+2'3'6-5'4'2-6'1'1-0'3'2
~ =
+ ++
0 + 10 + 36 - 40 - 6 - 0 =0

45
Mathematik 111.2.2.5
2.2.5. Drei Gleichungen mit drei Unbekannten

Das Gleichungssystem Zur Aufiosung des Systems von drei Iinearen


alx+bly+clz=d l Gleichungen mit drei Variablen (Unbekannten)
a2X + b 2y + C2 Z = d 2 nach einer der drei Variablenx, y, z bildet man
a3x+b3Y+C3Z=d3 die Nennerdeterminante D aus den neun Koeffi·
ergibt aufgelOst zienten von x, y, z und ersetzt in der jeweiligen
Ziihlerdeterminante die Koeffizienten vonx oder
d l b l CII yoder z durch die Absolutgiieder.
d 2 b 2 C2
d 3 b 3 C3 Dx 1st die Nennerdeterminante D =1= 0, dann erhalt
x= =- man genau ein Zahlentripel (x, y, z) als Losung.
I a2
al 6 1 CII D
b 2 C2 1st jedoeh D = 0, dann gibt es entweder keine
a3 b 3 C3 oder unendlieh viele Losungen des Gleiehungs-
al d l CI systems. In diesem Fall ist diese Methode nieht
a2 d 2 C2 anwendbar.
a3 d 3 C3 = Dy
y=
I al b l CI D
a2 b 2 C2
a3 b 3 C3
al b l d l
a2 b 2 d 2

b.er n
a3 b 3 d 3 Dz
C" I"a2b 2 C2
a3 b 3 C3

Beispiel 1: Gesucht ist die Losung Nennerdeterrninante:


des Gleichungssystems
3x+15y+ 8z=1O
-5x+lOy+12z=-1
2x + 7y + Z= I

:-"'10 "15~8t/~0/ ~5/-


x=--
I ""--,x.
-I 10 12 -I
./' 10
-227 , / '>« ~
/,,1 / 7 / 1 } ",,}",+
100 + 180 - 56 - 80 - 840 + IS =3
-227

-3 + 240 - 40 + 16 - 36 + 50
= -227 =-1

30 - 30 - 350 - 200 + 21 + 75 2
-227

46
111.2.2.5 III. Gleichungslehre

Beispiel 2: In drei Mischungen befinden sich dieselben drei Grundbestandteile, aber in verschiedenen
Volumenanteilen.
In der ersten Mischung befinden sich 3 dm3 des ersten, 2 dm3 des zweiten und 8 dm 3 des dritten
Grundbestandteils; die Gesamtmasse dieser ersten Mischung betragt 13,0 kg.

Die zweite Mischung besteht aus 1 dm 3 des ersten, 5 dm 3 des zweiten und 7 dm3 des dritten Grund·
bestandteils; Gesamtmasse gleichfa11s 13,0 kg.

Die dritte Mischung schliell.lich hat 5 dm3 des ersten, 4 dm 3 des zweiten und 4 dm3 des dritten
Grundbestandteils, zusammen 12,0 kg.

Wie groll. sind die Dichten der drei Grundbestandteile ?

Man nennt die gesuchten drei Dichten der Reihe nachx, y und z kg/dm 3 • Dann bilden die folgenden
drei Gleichungen die mathematische Formulierung - den Ansatz - der gestellten Aufgabe.

3x + 2y + 8z = 13
x+5y+7z=13
5x+4y+4z= 12

260 + 168 + 416 - 480 - 364 - 104


-130
= 0,8

= ..::.1.::.c56=-+---.C-45::..::5,---+_9:..:6=---,-::.5~20=---=2:=.:52=----=5.=.2
-130
= 0,9

180 + 130 + 52 - 325 - 156 - 24


-130
1,1

LOsung ist das Zahlentripel (0,8; 0,9; 1,1); das heilit, der erste Grundbestandteil hat die Dichte
0,8 kg/dm3 , der zweite 0,9 kg/dm3 und der dritte 1,1 kg/dm 3 •

47
Mathematik 111.3.1
3. Quadratische Gleichungen
Eine quadratische Gleichung ist eine Aussageform; in dieser kommt die Variable (Unbekannte,
meist x genannt) immer in der zweiten Potenz, gegebenenfallszusatzlich auch in der ersten (lineares
Glied) oder null ten Potenz (Absolutglied) VOT.

Allgemeine quadratische Gleichung Der Koeffizient a von x 2 darf nicht 0 sein, der
ax 2 + bx + C = 0 Koeffizient b von x oder das Absolutglied c
a=FO konnen dagegen auch 0 sein.

3.1. Nonnalfonn der quadratischen Gleichung

Normalform Aus der allgemeinen quadratischen Gleichung


x 2 + px + q =0 ergibt sich die Normalform, indem man beide
Seiten durch a =F 0 dividiert:
b c b c
x + aX + a = 0; man setzt a=p, a= q.
2

A ufi6sung:
= x 2 +px = -q Zur Auf10sung subtrahiert man zunachst q und
fligt die "quadratische Erganzung" (lji auf bei-
=x2+px+(~r = -q+(~r den Seiten hinzu. Damit wird die Hnke Seite
zum "vollstandigen Quadrat", und man erhalt
(x+~y =(~r-q durch Wurzelziehen die beiden Losungen x 1 und
X2 •
x + ~ = +Vr(-~-)-2-_-q-

i od" x+~=-V(~r-q

Beispiel 1 (ausfUhrlich): Beispiel 2 (mit Losungsformel):


x 2 + 12x + 35 = 0 25x 2 + 13 = 70x
x 2 + 12x + 6 2 = - 35 + 6 2 x2_1\+11=0
(x+6)2=1 5 25
x=-6+1
oder x =- 6 - 1
x = 2 +'
I 5 VI( 2)2
I 5
_11
25
L6sungen:
XI = - 5 und
=-+-
7 6
5 5
X2 = - 7 (Zwei Proben!) 13
5 (Zwei Proben!)
Beispiel 3: x 2 + 12x + 40 = 0
Diese Gleichung hat keine reelle, sondern zwei
Xl2 =- 6 ±y36-40
, =-6±y4 .(-1) konjugiert komplexe Losungen.
(Naheres siehe ILl O. Imaginare Zahlen)
L6sungen:
xI=-6+2i
X2 =-6-2i

48
111.3.3 III. G leichungslehre

3.2. Sonderfiille der quadratischen Gleichung


3.2.1. Sonderfall q = 0
X2 + px = 0 Das allgemeine L6sungsverfahren ertibrigt sich
Produktform (x ausklammern): (fUhrt aber natiirlich auch zum Ziel), wenn das
x(x + p) = 0 Absolutglied fehlt. Mit 0 fiir x oder mit -p fiir x
ergibt sich jeweils eine wahre Aussage.
L6sungen: XI =0 und X2 =- p (Ein Produkt ist 0, wenn ein Faktor 0 ist.)
Fehlerwarnung: Man darf nicht durch x dividieren. Division durch 0 ist verboten. Die L6sung 0
geht dann verloren.

Beispiel: x 2 - 5x = 0 L6sungen: XI =0 X2 =5

3.2.2. Sonderfall p = 0
X2 +q =0 Es liegt eine rein quadratische Gleichung VOL
x 2 =-q Mit q < 0 erhalt man zwei entgegengesetzt glei-
x=+y=Q che reelle L6sungen, mit q = 0 die - doppelt
{ zahlende - L6sung 0, mit q > 0 zwei entgegen-
x=-FQ
gesetzt gleiche rein imaginare L6sungen, und
zwar + i..;q und -i..;q.
L6sungen: XI = + H und X2 = - H

Beispiel 1 : x 2 - 9=0 Beispiel 2: X2 + 16 = 0


XI = 3 XI =4i
X2 =- 3 X2 = - 4i

3.2.3. Sonderfall ( ~ r =q

X2+pX+(~y 0 Da sich die linke Seite als vollstandiges Quadrat


schreiben laBt, ergibt sich nur eine - doppelt
=> (x + ~y 0 zahlende - LOsung.
Bei Verwendung des allgemeinen L6sungsverfah-
p
L6sung: XI,2 = -"2 rens ergibt sich 0 fUr den Wurzelterm, der die
beiden LOsungen unterscheidet.
Beispiel: x 2 - 6x + 9 = 0 => (x - 3)2 = 0 L6sung: X I ,2 =3

3.3. Produktform; Satz von Vieta


(X-Xd(X-X2) =0 Diese Produktform der quadratischen Gleichung
ist aquivalent der Normalform der quadratischen
X2_XX2-XIX+XIX2 =0
Gleichung, da beide genau dann zu wahren Aus-
X 2 -(XI +X2)'X+XIX2 =0
sagen werden, wenn man fUr X die L6sung X I
X2 + P .X + q =0 oder die L6sung X 2 einsetzt.
Ausmultiplizieren und Vergleich mit der Normal-
form ergibt:
Satz von Vieta: Der Koeffizient p von X ist gleich der negativen
P=-(XI +X2) q=XIX2 Summe der L6sungen, das Absolutglied q ist
gleich dem Produkt der L6sungen.

49
Mathematik 111.3.4

Beispiel 1: x 2 + 3x - 10 = 0 Nach dem Satz von Vieta ist


<=> (x + 5)(x - 2) = 0 XI +X2 =-3 XI 'X2 =-10
Beide Bedingungen gleichzeitig werden erftillt
von X I = - 5 und x 2 = 2.
Ausmultiplizieren der Produktform flihrt auf die
Normalform.

Beispiel 2: Welche quadratische Gleichung hat a) Produktform: (x-2-3i) (x-2+3i)= 0


die Losungen x I = 2 + 3 i und x 2 = 2 - 3 i ? Ausmultipliziert: x 2 - 4x + 13 = 0
Antwort: Die Normalform der gesuchten qua- b) Satz von Vieta:
dratischen Gleichung ist: x 2 - 4x + 13 = 0 p=-(2+3i+2-3i)=-4
q=(2+3i)(2-3i) =4+9=13

3.4. Anwendungsbeispiele quadratischer Gleichungen

Beispiel 1: Eine Flache von 23,4m 2 ist 70cm Ansatz: Breitex m, Lange (x + 0,7)m,
langer als breit. Wie lang und wie breit ist sie? Flache also x(x + 0,7)m2 oder 23,4 m 2 , also
Normalform: x 2 + O,7x - 23,4 = 0 x(x + 0,7) = 23,4.
XI,2 = - 0,35 ± v'oTI25 + 23,4 = - 0,35 ± V23,5225 = - 0,35 ± 4,85
XI =4,5; X2 <0 scheidetaus.
Ergebnis: Die Flache ist 4,5 m breit und 5,2 m lang.

Beispiel 2: Ein Schiff braucht bei einer Eigen- Ansatz: Fur die Fahrt mit der Stromung gilt:
geschwindigkeit Va = 20,4 ~ flir ein 1= 95,2 km a) I = (va + V)tl mit tl als Fahrzeit.
langes Stuck eines Flusses die Zeit T= 9 h 36min Entsprechend ergibt sich flir die Ruckfahrt
flir Hin- und Ruckfahrt zusammen. Wie groB ist gegen die Stromung:
die Stromungsgeschwindigkeit V des Flusses? b) 1= (vo - V)t2 mit t2 als Fahrzeit.
Die beiden Fahrzeiten haben die gegebene
Summe T:
C)tl+t2=T.
Auf!6sung: I
Die Unbekannten tl und t2 werden eliminiert: Aus a) folgt tl = Va + v; aus c) folgt t2 = T-tl; aus
b) ergibt sich durch Einsetzen von t 2 = T - Va iV die Gleichung I = (va - v) ( T - Va i V ). Diese
Gleichung wird nach der einzigen Unbekannten V aufgelost:
v2 - (v~ - 2 ~a ) = O. Das ist eine rein quadratische Gleichung flir v.
2lvo
. . '
Losungen Sind: VI,2 = ± VVa2 - T
-, /

Zahlenrechnung:
20400m
Va = 204
, km
h 3600 s
= 5,6666667 W
= 95,2 km = 95 200 m
T =9h36min =(9'3600+36'60)s =34560s
VI,2 =± 56666667 2 _2'95200'5,6666667 ~
, 34560 s
= ± 0944445
, 3~
s =+
- 3 ,400003 km
h

50
111.4.2 III. G leichungslehre

Ergebnis: Die Stromungsgeschwindigkeit (Das Minuszeichen bedeutet, daB die Stromungs-


betragt 0 944 !!l. = 3 400 km rich tung der ursprtinglichen Annahme entgegen-
, s ' h gesetzt ist.)

Anmerkung 1: In stehendem Wasser hatte das Schiff 2 . 5~i6~~~6 7 s = 33600 s = 9 h 20min, also
16min weniger als in dem mit 3,400km 'h- I stromenden Wasser gebraucht. Der Gewinn beim
Fahren mit der Stromung ist geringer als der Verlust beim Fahren gegen die Stromung (denn mit
der Stromung fahrt man kurzere, gegen die Stromung langere Zeit).
Anmerkung 2: In Beispiel 1 ist x eine Zahl, und zwar die MaBzahl der in Meter (m) gemessenen
Lange. In Beispiel 2 sind s. t l • t 2 • T. VO. v GroBen; sie beinhalten MaBzahl und Einheit; dabei
mussen die Einheiten dem gleichen MaBsystem angehOren, hier SI-Einheiten.

4. Gleichungen dritten und hOheren Grades


4.1. Normalformen und Produktformen
Normalform Produktform (mit Linearfaktoren)
x 3 +a 2x 2 +alx +ao = 0 <=* (x -Xl) (X -X2) (x -X3)= 0
Gleichung vierten Grades:
Normalform Produktform
X4 +a 3x 3 +a 2x 2 +alx +ao = 0 <=* (x - X d (x - X2)(X - X3) (x - X4) = 0
Gleichung n-ten Grades:
Normalform Produktform
xn +an_lx n -, +a n _2x n - 2 + ... +a2x2 ¢:=> (x -x,) (x -X2)(X -X3)'"
+a,x+ao =0 (x-xn_d(x-x n ) = 0

Anmerkung: Fur in Normalform vorliegende Gleichungen dritten und vier ten Grades gibt es Losungs-
verfahren (diese werden hier nicht gebracht). Gleichungen fUnften und hoheren Grades sind nicht
mehr geschlossen losbar. - Eine Gleichung n-ten Grades mit reellen Koeffizienten an _, , an -2"" ,
ai, ao hat n Losungen Xl. X2 • .... Xn -1' Xn ; diese brauchen jedoch weder aile verschieden nochalle
reell zu sein: Die LOsungen konnen ganz oder teilweise gleich oder paarweise komplex (konjugiert
komplex) sein.

4.2. Satz von Vieta


Aus den Gegenuberstellungen von Normalform und Produktform ergibt sich durch Koeffizienten-
vergieich (Ausmultiplizieren der Produktform und Gleichsetzen der Koeffizienten von xn -, • xn -2,
'" ,x 2 • x und der Absolutglieder) folgende Darstellung der Koeffizienten der Normalform durch
die Losungen:
Gleichung dritten Grades:
a 2 = - (x, + X 2 + X 3)
a, = + (XIX2 + XlX3 + X2X3)
ao =-(X,X2 X3)
Gleichung vierten Grades:
a3 =-(Xl +X2 +X3 +X4)
a2 =+(XlX2 +X 1X3 +X,X4 +X2X3 +X2X4 +X3 X4)
a, = -(X,X2X3 + x,x2x4 + x\x3x4 + X2X3X4)
ao = + (X,X2 X3X4)

51
Mathematik 111.4.2

Gleichung n-ten Grades:


an _1 =-(Xl +X2 +X3 + ... +X n )
a n _2 = + (XIX2 + XIX3 + ... + XlX n +X2X3 + X2 X4 + ... + x2 x n + ... + xn_lx n )
an _3 =-(XIX2 X3 +XlX2X4 + ... +XlX2Xn +XlX3X4 +XlX3 XS + ... +XlX3Xn + ... +X2X3X4 +
+ X2 X3X S + ... +X2X3Xn +X2 X4X S + ... +Xn-2Xn_lXn)

al = (_1)n-I(XlX2 X3 ",xn-l +XlX2 ",xn_2xn +XlX2 ",xn_3xn_lxn + ... +XlX3 X4 ... xn+
+ X2 X3'" xn)
ao = (-It(xIX2 X3''' xn)
Anmerkung: In Worten lautet das Bildungsgesetz der Koeffizienten: Mit m E {I, 2, 3, ... ,n} ist der
Koeffizient an - m die mit dem Vorzeichen (_1)m versehene Summe aller Kombinationen m-ter
Klasse der n Losungen.

Beispiel!: Welche Normalform hat die Glei- a) Durch Ausmultiplizieren der Produktform
chung dritten Grades mit den Losungen erhalt man die Normalform:
1 1
Xl =-2, X2 =-"2' X3 =+"2?

1 1
X3 + 2X2 --x --= 0
4 2 ~
(x + 2) ( x + ) ( x - ~) =0
b) Nach dem Satz von Vieta ergibt sich:

a =-(-2-.1+.1)
2 2 2
1
al =-"4 al= [(-2)(-~)+(-2)(~)+ (-~)(~)J
1
ao =-"2 ao=(-I)\-2)(-~)(+~)

Beispiel 2: Welche Normalform hat die Glei- a) Durch Ausmultiplizieren der Produktform
chung sechsten Grades mit den Losungen erhiilt man die Normalform:
Xl = O,X2 = O,X3 = l,x4 = 1,xs = 2+i,
x6=2-i?
X6 - 6x s + 14x4 - 14x 3 + 5x2 = 0 <= {(X-O)(X-O)(X-l)(X-l) '(x-2-i)(x -2+i) = 0

b) Nach dem Satz von Vieta:


<= as=-(O+O+I+I+2+i+2-i)

{
?
a4 (die Produkte mit ei.nem Faktor bleiben gl:ich weg)
<= = + [1'1 + 1· (2 + 1) + 1· (2 -1) + 1 . (2 + 1) +
+ 1'(2-i)+(2+i)(2-i)]
<= {a 3 =- [1'1'(2+i)+ 1'1'(2-i)+ 1'(2+i) '(2-i)
+ 1'(2+i)(2-i)]
<= a2=+[I'I'(2+i)'(2-i)]
<= al = 0
<= ao = 0

52
111.4.3 III. G leichungslehre

4.3. Reduktion einer Gleichung


1st eine Lasung, z.B. XI, bekannt, dann liiBt sich der die linke Seite der Normalform der Gleichung
n·ten Grades bildende Term dUTCh (x - XI) ohne Rest dividieren, da er, wie die Produktform
bestiitigt, den Faktor (x - XI) enthiilt:
Gleichung n·ten Grades
(X-XI )(x -X2)(X -X3) ... (x - xn) = 0
Nach der Division dUTCh (x - X I):
(X-X2)(X-X3)"'(X-x n )=0 = xn-l+an_2Xn-2+an_3Xn-3+ ... +ao =0
Der Grad der neuen Gleichung mit den neuen Koeffizienten an - 2 , ... , a o (gelesen: iiberstrichen) ist
urn 1 niedriger; die Gleichung n·ten Grades ist auf eine Gleichung (n -1 )·ten Grades reduziert.

Beispiel!: We1che Lasungen hat die Gleichung Man erkennt die Lasung X I = 1 und dividiert
X3 - 6 X2 - X + 6 = 0 ? durch (x - 1):
Reduzierte Gleichung: (X3 - 6X2 - X + 6) : (x - 1)
X2 - 5x - 6 = 0 x3 - x2
=x 2 -5x-6
-5x 2 -x
Deren Lasungen:
-5x 2 +5x
X2 = 6, X3 = - 1 .
-6x + 6
Dazu: XI = 1 -6x + 6

Beispiel 2: Gesucht werden die Lasungen von Durch Probieren findet man die Lasung X I = 2,
X4 -12x 3 +6Ix 2 -132x+100=0 dividiert also das die linke Seite bildende Poly·
nom durch (x - 2):
Reduzierte Gleichung: (x 4 -12x 3 + 61x 2 -132x + 100): (x - 2)
X3 - 10x 2 + 41 x-50 =0 =x 3 -IOx 2 + 4lx - 50
Die reduzierte Gleichung hat nochmals die La·
sung 2, also auch X2 = 2.
Man dividiert das Polynom dritten Grades durch
Erneut reduzierte Gleichung: (x - 2):
x 2 - 8x + 25 = 0 (x 3 -lOx 2 + 41x - 50): (x - 2) =x 2 -ax + 25

Deren LOsungen:
X3 = 4 + 3 i, X4 = 4 - 3 i Man erhiilt also fUr das gegebene Polynom nacho
einander die Produktformen:
X4 -12x 3 + 6lx 2 -132x + 100
Dazu die vorangegangenen Lasungen: =(x - 2)(x 3 -IOx 2 + 4lx - 50)
XI =2, X2 =2 =(x - 2)2(X 2 - 8x + 25)
= (x - 2)2 (x - 4 - 3 i) (x - 4 + 3 i)
Beispiel 3 (vgl. 4.2, Beispiel 2):
Welche Lasungen hat
X6 - 6x s + 14x4 - 14x 3 + 5x2 = 0 ? Sofort zu erkennen: x I = 0, X 2 = 0
=X2(X4 - 6 X3 + 14x2 -14x + 5)= 0 Dividieren durchx 2
Durch Probieren: x 3 = 1
Dividieren dUTCh (x - 1)
Nochmaliges Probieren: X4 = 1
Dividieren dUTCh (x - 1)
Durch Auflasen der quadratischen Gleichung
x 2 -4x + 5 =0:
53
Mathematik 111.4.5

4.4. Biquadratische Gleichung


Eine Gleichung vierten Grades, in der die Koeffizienten von x 3 und von x gleich 0 sind, heiBt
biquadratische Gleichung. Sie wird nach der Substitution x 2 = z (man ersetzt x 2 durch z) als
quadratische Gleichung mit anschlieBendem Wurzelziehen gelost.

Beispiell: Lose die Gleichung


X4 + 2X2 - 15 = O! Mit x 2 = z heiBt die Gleichung Z2 + 2 z -1 5 = 0
Losungen sind x I , 2, 3, 4 = ±-vz;:; : und hat die Losungen z, = 3 und Z2 = - s.
x, =..,(3, X2 =-..,(3, x3=i0, x4=-i0
Beispiel 2: Lose die Gleichung Mit x 2 = z heiBt die Gleichung Z2 - 4z - 1 = 0
X4 - 4x 2 - 1 = 0 ! und hat die Losungen z, = 2 + 0 und
x,=V2+0 X2 =-V2+0 Z2 = 2 -0 = -(0 - 2)

X3 =iV0 -2 X4 =-iV0-2

Beispiel 3: Lose die Gleichung Mit x 2 = z heiBt die Gleichung Z2 - 6 z + IS = 0


X4 - 6x 2 + 15 = O! und hat die Losungen z, = 3 + i v'6,
z2=3-iv'6.
x I, 2 = ± {II5 (cos ~ + i sin ~ ) Die Losungen x 1,2,3,4 = ± V3 ± i v'6 errech-
net man nach 11.10.1 und 11.10.6
X3,4=± {II5 (COs~-isin~)
Mit Hilfe von Umrechnungsregeln der Winkel-
. v'6,12 funktionen erhalt man die endgilltige Form der
mit tan", = -3-= 3 V vier komplexen Losungen.

4.5. Hornersches Schema und Niiherungsverfahren


1st eine Lasung der Gleichung xn + an _, xn -, + ... + ao = 0
weder bekannt noch zu erraten, dann kann man die 0 rechts durch y ersetzen und erhalt somit eine
Funktionsgleichung. Die Schnittpunkte der zu dieser Gleichung gehorigen Kurve imxy-Koordina-
tensystem mit der x-Achse liefem die Losungen der obigen Gleichung. Man muB lahlen fUr x ein-
setzen und y berechnen mit dem liel, schlieBlich zwei dem Betrag nach moglichst kleine y-Werte
mit verschiedenen Vorzeichen zu erhalten. lur leichteren Berechnung vony-Werten bietet sich das
Homersche Schema an, das hier, auf eine Gleichung 4. Grades angewendet, erlautert werden solI.
Das Verfahren laBt sich sinngemaB auf Gleichungen 3., 5., 6., ... Grades iibertragen.
Fiir X4 + a3x3 + a2x2 + alx + ao = y kann man auch schreibenx {x[x(x +a3) +a2] +a, } + ao = y.

Man setzt einen Wert fUr x fest und addiert diesen und a3,
~ ~ ~ ~ multipliziert diese Summe CD mit x und addiert a2,
+x +0) ·X +(2)·x + G)·x multipliziert diese Summe G) mit x und addiert a"

CD G) CD o =y
multipliziert diese Summe Q) mit x und addiert ao
und erhiilt als letzte Summe @)das gesuchte y.

Das Verfahren wird mit verschiedenenx-Werten solange fortgesetzt, bis sich fiir zwei geniigend nahe
beieinander liegende x-Werte ein positives und ein negatives y ergibt. Fiir ein dazwischen liegendes x
ist dann y = 0, das betreffende x also Losung der urspriinglichen Gleichung 4. Grades.

54
111.4.5.1 III. G leichungslehre

Beispiel: Berechne die vier LOsungen der Gleichung X4 + 2,66x 3 -15,54x 2 -19,36x + 33,55 = 0

L6sung: Hornerschema ~ ~ ~ ~
+x +0 'X +(D·x +0 'X

X= ... 0 Q) 0 @)=Y

12,661 1-15 ,54 1 1-19 ,36 1 1+33,551

+1,00 + 3,66 -11,88 -31,24


x=l=xu 3,66 -11,88 -31,24 2,31=yu
+2,00 + 9,32 -12,44 -63,60
x=2 4,66 - 6,22 -31,80 -30,05 = Y
+1,10 + 4,14 -12,54 -35,09
x = 1,1 =X12 3,76 -11,40 -31,90 - 1,54= Y12

Mit drei Schritten hat man festgestellt, daB eine Losung zwischen 1,0 und 1,1 liegt, da zwischen
diesen beiden x-Werten Y sein Vorzeichen wechselt, und zwar liegt die Wurzel offenbar nllher
bei 1,1, da das zu x = 1,1 gehOrige Y = -1,54 dem Betrag nach etwas kleiner ist als das zu x = 1,0
gehOrige Y = + 2,31. Zur weiteren Berechnung empfiehlt sich die Verwendung eines der beiden
folgenden Verfahren (Fortsetzung des Beispiels im nachfolgenden Abschnitt).

4.5.1. Regula falsi oder Sekantenverfahren


AIle Zahlen, die man fUr y erhlllt, wenn man in der Gleichung
xn + an -I xn -I + ... + ao = y (Funktionsgleichung)
fUr x aIle Zahlen zwischen Xu und X12 einsetzt, denkt man sich in einxy-Koordinatensystem ein-
getragen, und man erhllit einen Kurvenzug (Graph der obigen Funktionsgleichung), der an der
Stelle XI (XI ist die gesuchte LOsung) die x-Achse schneidet. Verbindet man die Punkte (xUIYl1)
und (X I2 IY12) statt durch den Kurvenzug durch eine gerade Linie (Sekante), dann erhlllt man als
Schnittpunkt mit der x-Achse den Punkt (x 13 10) in der Nllhe von (XI 10), mit X13 also einen Nllhe-
rungswert flir Xl' Xl3 ist durch Interpolieren zu berechnen:

(yJ Mit (x ulyu) als Strahlenzentrum


folgt nach dem zweiten Strahlensatz:
Xl3 - Xu - Yl1
Xl2 - Xu Y12 - Yu
(in der Figur istyu negativ,-yu
also positiv)

55
Mathematik 111.4.5.2

x =x + - Yl1 Nach X 13 aufgelast: Regula falsi


13 11 (Y12 - Yl1)
Xl2 Xl1 (Der in Klammern gesetzte Nenner ist die
Sekantensteigung)
Beispiel (Fortsetzung): Die Gleichung Ausgangswerte:
X4 + 2,66x 3 - 15,54x 2 -19,36x +33,55 =0 Xl1 = 1 Yl1 = 2,31
ist aufzulOsen. x12=I,1 Y12=-1,54
(Die Kurve hat Gefalle im Gegensatz zur Zeich-
nung.)
- 2,31
1+ Auf entsprechende Weise kann man eine zweite
- 1,54 - 2,31
Lasung naherungsweise bestimmen. Man kann
1,1 - 1,0
aber auch, was hier geschehen soil, die Gleichung
1,060"'" XI zuvor reduzieren:
(X4 + 2,66x 3 -15,54x 2 -19,36x + 33,55) : (x - 1,060) =x 3 + 3,nx2 -11,60x - 31,65
Reduzierte Gleichung: x 3 + 3,nx2 -11,60x - 31,65 = 0

x =x + -Y21 Ausgangswerte zur Berechnung von X 2


23 21 (Y22 - Y21
,X22 -X 21 (mit neuem Hornerschema zu bestimmen):

-1 21 X21 =- 2,2 Y21 = 1,21


X23 =- 2,2 + _ 0,15 ~ 1,21 = - 2,111 ""'x 2 X22 =- 2,1 Y22 =- 0,15

- 2,1 + 2,2
Erneute Reduktion der Gleichung: (x 3 + 3,nx2 - 11 ,60x - 31,65) : (x + 2,111 =x 2 + 1,609x
Reduzierte Gleichung: x 2 + 1,609x - 15,000 = 0 -15,000
Auflasung: X3,4 = - 0,805 ± ,.)0,647 + 15,000 = - 0,805 ± 3,955; X3 = 3,150; X4 =-4,760
Ergebnis: XI = 1,060; x2=-2,111; X3 =3,150; x4=-4,760(naherungsweise)

4.5.2. Newtonsches oder Tangentenverfahren


Kennt man von dem Kurvenzug von 4.5.1 (Zeichnung) einen in der Niihe des gesuchten Schnitt-
punkts (xl 10) mit der x-Achse liegenden Punkt (xllIYll) und die Steigung der Tangente in diesem
Punkt, dann kann man den in der Nahe von (x I 10) liegenden Schnittpunkt (x 14 i 0) der Tangente
mit der x-Achse berechnen, erhait also mit x 14 einen Niiherungswert flir x I . Dabei ist aus geometri-
schen Grlinden Xl 4 <XI <X13 (in den Zeichnungen) oder Xl4 >x I >X13 Ue nach Krtimmungs-
vorzeichen des Kurvenzugs). Die gesuchte Zahi XI wird also von den Niiherungswerten der beiden
Verfahren, Sekantenverfahren und Tangentenverfahren, eingeschiossen.

(y) Flir das Dreieck (x 11 Iy 11) (x 1410) (x 11 10) gilt


nach der Definition des Tangens und der Ablei-
tung (siehe hierzu Abschnitt VIII. 3.Differential-
Tangente rechnung) die Beziehung
y=f{x)
I -YII
f (x 11 ) = tan a = x 14 x 11
(-Y II ist hier positiv).
o (x)
Nach x 14 aufgelast:

56
111.5.1 III. G leichungslehre

Newtonsche Forme!
(Ein Vergleich mit der F ormel fliI x 13 (Regula falsi)
zeigt, d~ nur die Sekantensteigung durch die
Tangentensteigung ersetzt ist.)

Beispiel (wie Beispiel zu 4.5.1):


Ausgangswerte:
Gegebene Gleichung:
x 4 +2,66x 3 -15,54x 2 -19,36x+33,55=0
Xu =1 Yu = 2,31
Aus
Ax) =X4 + 2,66x 3 - 15,54x 2 - 19,36x + 33,55
folgt
- 2 31 f(x)=4x 3 +3·2,66x 2 - 2-l5,54x-19,36,
X14 = 1,0+ -3~46
, also
t(I)= 4 + 7,98 - 31,08 - 19,36 = - 38,46

1m Rahmen der fUr die Praxis ausreichenden Genauigkeit auf drei bis vier geltende Stellen (I1.7)
ergibt sich fliI x 13 und x 14 derselbe Niiherungswert, womit der Naherungswert fUr x I mit x I = 1,060
wegen X13 < XI < Xl4 (in dieser Aufgabe; in den Zeichnungen umgekehrt) gesichert ist. - Die wei-
tere Rechnung erfolgt wie im Beispiel zu 4.5.1 oder auch beim nachsten Schritt mit dem Tangen-
tenverfahren.
Anmerkung: Die beiden Naherungsverfahren konnen zur Auflosung beliebiger Gleichungen heran-
gezogen werden (siehe etwa 5.2, Beispiel 6).

5. Sonstige Gleichungen
5.1. Wurzelgleichungen
Wurzelgleichungen, also Gleichungen, in denen die Variable (Unbekannte) auch unter einer Wurzel
vorkommt, lassen sich durch geeignetes Potenzieren auf rationale Form bringen.
Beispiel 1: II -...;x+3 = 6 Man isoliert die Wurzel und quadriert:
Losung: 22 ..;x+3 = 11 - 6
x + 3 =25
Probe! x =22
Beispiel 2: 5 + ..j9x 2 - 65 = 3x Man isoliert die Wurzel und quadriert:
.,j9x 2 -65 = 3x - 5
Losung: 3 9 x 2 - 65 = 9 x 2 - 30x + 25
30x =90
Probe! x =3
Beispiel 3: 2 x -...,f3+X + 5 = 0 Man isoliert die Wurzel und quadriert:
V3 +x =2x + 5
3 + x =4x 2 + 20x + 25
x 2 + 12 x +.!! = 0
LOsungen scheinbar: 4 2
__ 19 +,/ 361- 352
Xl,2- 8-V 64
__ 19 + 1
Proben! Xl,2 - 8 - 8

57
Mathematik 111.5.1
Wie die Probe zeigt, ist Xl Lasung der gegebenen Gleichung. x 2 dagegen ist Lasung der Gleichung
2x + V3 + x + 5 = O. Durch das Quadrieren verschwindet das Vorzeichen der Quadratwurzel, so daB
auch diese Gleichung die Form 3 + x = 4x 2 + 20x + 25 erhait.
Folgerung: MuB man zwecks Aufiasung einer Gleichung quadrieren, dann kann sich eine Schein·
lasung ergeben. Die Entscheidung zwischen Lasung und Scheinlasung erfolgt durch die Probe.

Beispiel4: V27 x + I = 2 - 3 V3X


Durch Quadrieren ergibt sich 27x+ 1 =4-I2y'3X+27x
Die Wurzel wird isoliert: I2v'3x=3
durch 3 dividiert: 4v'3x = 1
quadriert: 48x = 1
L"osung: 48
1 Probe!

Beispiel 5: v'2x+7 +.y3(x-6)=V7x+I


Quadrieren: 2x + 7 + 2 .y3(2x + 7)(x-6) + 3(x-6) =7x + 1
Wurzel isolieren: 2V3(2x+7)(x-6) = 2x + 12
Durch 2 dividieren und quadrieren: 3(2x + 7)(x - 6) =x 2 + I2x + 36
-5x 2 +27x+I62=O
x2 _ 27 x _ 162 = 0
5 5
Xl.2 = + 2,7 ± y=7-=,2-=-9-+--=3""7
2---'-,4 = 2,7 ± 6,3

L6sung: Xl 9
=
Nur mit dieser Lasung wird die gegebene Dagegen erflillt X2 = - 3,6 nicht die gegebene,
Gleichung sondern die Gleichung
~ + V3(x-6 = yI7X+l - V2X+7 + V3(x - 6) = yI7X+l
erftillt (i VQ,2 bei der Probe ausklammern)

Beispiel6: VI8 + x 2 = V73 - x 2 - 1


Man potenziert zunachst mit 3: I8+x 2 =(73-x 2 )-3 {/73-X 22 + 3 {/73-x L I
Weiteres Potenzieren hat keinen Zweck, da 9I-(73-x 2 )=(73-x 2 )-3({/73-x 2 )2 +
immer zwei dritte Wurzeln bleiben. Stattdessen + 3{173 -x 2 -I
Substitution: Z = {/73 - x 2 91 - Z3 = Z3 - 3z 2 + 3z - 1
0= 2z 3 - 3z 2 + 3z - 92
Z3 - ~ Z2 + ~ z - 46 = 0
2 2
Durch Probieren ergibt sich Zl = 4; damit kann (Z3 - ~ Z2 + ~ Z - 46): (z -4) =Z2 + ~z + 2]
man die Gleichung dritten Grades reduzieren: _) Z3 _ 4Z2

58
111.5.2 III. Gleichungslehre

Z2 und Z3, die Losungen der quadratischen Gleichung Z2 + ~ Z + 2:} = 0, sind komplex und fiihren
damit zu Scheinlosungen, die durch das Potenzieren verursacht sind.
In die Substitutionsgleichung wird 4 fur z ein- z = V73 - x 2
gesetzt: 64=73-x 2 x 2 =9 xt,2=±3
LOsungsmenge: L = {3, -3} Probe!

5.2. Exponential- und logarithmische Gleichungen


Steht die Variable (Unbekannte) x im Exponenten, dann liegt eine Exponentialgleichung, steht sie
hinter einem Logarithmus, dann liegt eine logarithmische Gleichung vor. Zur Auflosung sind die
Regeln von 11.8.3 anzuwenden.

Beispiel 1: 2 x = 5
Man bildet beidseitig den Logarithmus zur Basis 2: x = log2 5
. Ig5 inS
Nach 11.8.3.2 1st log2 5 = Ig2 = In 2
1. Mit Tafelwerten Seiten 6-7: 2. Mit Rechner:
=£~0,699 ~232 InS
x=-~232
x Ig2 0,301 ' In 2 '
L6sung: 2,32 (angeniihert)
~5 5
Fehlerwarnung: Ig2 fIg 5 -lg 2, sondern Ig"2 = 19 5 -lg 2!

Beispiel 2: 5'8x + I = 16x - 1


<=> 5 . 23x + 3 = 24X - 4 Mit Rechner:
man multipliziert mit 24 -3X; In 640
log2640 = ~~ 9,32
<=> 5· 8 . 16 = 2x
<=> log2(5'2 7) =x
<=> log2 640 = x

L6sung: 9,32 (angeniihert)

Beispiel 3: 3· 5x + 2 = 2 '15 x - 1 x = log3 562,5


<=> 3 . 25 . 5x = 125 . 15 x Ig562,5 In 562,5
=ig3 =In3
<=> 3 . 25 = 2 . 3x 2,750 6,3323
15
~ 0,477 ~ 1,0988
L6sung: 5,77 (angeniihert) ~ 5,77 ~ 5,76

Beispiel 4: 42X - 5 ·4x =3776 Der Ausdruck (Term) 4 x wird durch z ersetzt.
Diese Substitution z = 4 x flihrt auf die quadra-
L6sung: 3 tische Gleichung Z2 - 5z = 3776 mit den Lo-
sungen z 1 = 64; z 2 = - 59. Nur z 1 vermittelt
eine reelle Losung, und zwar x 1 = 3.

Beispiel 5: log7(x2 + 19)=3


L6sungen: XI,2 = ± 18

59
Mathematik 111.5.3

Beispiel 6: log3(x + 4) =x
Eine solche transzendente Gleichung ist nicht nach x auflosbar. Durch ein Niiherungsverfahren
(4.5.1 oder 4.5.2) kann man jedoch einen Nllherungswert berechnen. Man setzt 3 x - x - 4 = Y und
findet unter Zuhilfenahme eines Rechners:
flir Xl2 = 1,57 Y12 "" 5,61 - 1 ,57 - 4 = 0,04 Nach 4.5.1 ist xi3 = 1,55 + 0,~'~~,06 = 1,562
flir Xl1 = 1,55 Yl1 "" 5,49 -1,55 - 4= - 0,06
1,57 -1,55
L6sung: 1,56 (angenllhert)

Braucht man die Losung genauer, wiederholt man die Rechnung mit XI3(= 1,5620) und einem so
gewllhlten benachbarten XI4(= 1,5619), daB Y13(""0,000415) undYI4(""-0,000096) verschie-
dene Vorzeichnen erhalten. Interpolation wie oben bei X13 ergibt eine genauere Losung XIS:
0,000096' (1,5620 - 1,5619)
XIS = 1,5619 + 0,000415 + 0,000096 "" 1,561919

5.3. Goniometrische Gleichungen


Gleichungen, in denen die Variable (Unbekannte) x unter anderem als Argument einer Winkelfunk-
tion auftritt, he~en goniometrische Gleichungen. Sie sind wie die vorangehenden Gleichungen nur
teilweise geschlossen losbar, als transzendente Gleichungen erlauben sie nur Niiherungslosungen.

Beispiel!: sin x = sin 75°


Unendlich viele Winkel x sind Losung, z.B. XI = 75°, X2 = 105°, X3 = 435°, X4 = 465°, ... , wie
sich aus dem Verlauf der sin-Funktion ergibt. Die gleichen Losungen lauten im BogenmaB
XI = arc 75 ° = 75 . 180""
~ 1,3089969, X2 = arc 105° = 105 . 180""
~ 1,832 595 7, ....
Die gesamte unendliche Menge der Losungen lll~t sich im BogenmaB folgendermaBen formulieren
(dabei bedeutet n jede beliebige ganze Zahl):
L = {x Ix = arc 75° +2n~ V x = arc(l80° -75°) +2n~} L = {x Ix = arc(90° ± 15°) +2n~}
L = {xix = ~± ~ + 2n~}
2 12
L = {xix"" 1,5707963 ± 0,261 7994 +n '6,283185 3}

Beispiel 2: sin 2 x + 2cosx = 1,5 Durch Umformung mit Hilfe der Beziehung
1- cos 2 x + 2 cosx = 1,5 sin 2 x + cos2 x = 1 erhllit man eine quadratische
cos 2 x - 2 cosx + 0,5 = ° Gleichung flir cos x. cos x = 1 + ~ ..j2 hat keine
reelle Losung, da cos x ..;;; 1.
cosx = 1 +!v'2 Aus cos x = 1 - ~..j2 folgt niiherungsweise
oder cosx = 1 -! v'2 cos x"" 0,293 mit der Losungsmenge:

L = {x Ix"" ± arc 73,0° + 2n~} n ist jede beliebige ganze Zahl.


= {x Ix"" ± 1,274 + 2n~}

Beispiel 3: sinx - siny = 0,6 x-Y = arc 40° 15'


Y = x - arc 40° 15' wird in die erste Gleichung eingesetzt: sinx - sin (x - arc 40° 15') = 0,6.
Man konnte den Subtrahenden nach dem Additionstheorem fUr sin (a - (3) auflosen und dann
cosx durch sinx ersetzen, was schliefMich eine quadratische Gleichung flir sinx ergiibe. Auf diesem
Wege erhielte man exakte LOsungen fUr sinx. Da man x aber schlie~lich doch nur niiherungsweise

60
111.5.3 III. Gleichungslehre

angeben kann, kann man auch gleich mit Hilfe z.B. des Sekantenverfahrens nach Naherungswerten
suchen. Man setzt sinx - sin (x -arc 40° 15')- 0,6 =z. Man findet leicht, daB man mit etwa arc 50°
flir x etwa 0 flir z erha1t:
x12 = arc 50° sinx12 ~ 0,766 sin (50° - 40° IS') ~ 0,169 Z12 = - 0,003
Xli = arc 49° sinxll ~ 0,755 sin (49°- 40°15') ~ 0,152 Zll = + 0,003
Man erkennt ohne weiteres X 13 = arc 49,5° . Mit Hilfe von Tabellenwerten ergibt sich:
X l3 = arc 49,5° sinxl3 ~ 0,7604 sin 9,25° ~ 0,1608 Zl3 = - 0,0004 (statt 0)

Verfeinerung des Ergebnisses durch Interpolieren:


Xl = arc 49°26' Yl = arc 9° II' ist eine Lasung (angenahert)
X2 = arc (360°- 9°11') = arc 350°49' }
Y2 = arc (360° - 49°26') = arc 310°34' ist eine zweite Lasung (angenahert)

Ldsungsmenge (alle Lasungen angenahert);


L={(x,y)I(x=arc 49°26'+2nrr Ay=arc 9°11'+2nrr)
v (x = arc 350° 49' + 2nrr A y = arc 310°34' + 2nrr)} n istjede beJiebige ganze Zahl
= {(x, y) I (x = 0,8628 + 2nrr A y = 0,1603 + 2nrr)
v (x = 6,1229 + 2nrr A y = 5,4204 + 2nrr)} n istjede beJiebige ganze Zahl

Beispiel 4: sinx + cosx - 0,9x = 0


Diese Gleichung ist transzendent und nicht geschlossen IOsbar. Naherungslasung nach Sekanten-
verfahren (Regula falsi):
sin x + cos x - 0,9 x = y Xl2 = 77° 0' Yl2 = - O,OlDl

Einzige reelle Ldsung: Xll = 76°30' Yll = 0,0041


Xl = arc 76°39' = 1,3378 (beides angenahert)

61
IV. Funktionen, graphische Losungen,
analytische Geometrie

1. Begriff der Funktion

1.1. Defmition der Funktion


Die eindeutige Zuordnung der Elemente einer Urbildmenge A zu den Elementen einer Bildmenge B
hei~t Funktion.

Die Zuordnungsvorschrift ist im Regelfall eine Gleichung, die Funktionsgleichung y =f(x) (gelesen:
y gleich f von x). Sie soli ermoglichen, zu jedem Element x der Urbildmenge A das zugehorige
Element y der Bildmenge B zu berechnen.

1.2. Wertetabelle einer Funktion


Die zueinander gehorigen Zahlen x und y sind ein geordnetes Zahlenpaar (x, y). Eine Auswahl
solcher Zahlenpaare bildet eine Wertetabelle. AIle Zahlenpaare bilden die Funktion f, so daB man
formulieren kann:
f= {(x, y)/y = f(x)}/R//R gelesen: f gleich Menge aller Zahlenpaare x, y,
flir die gilt: y gleich f von x, x und y aus der
Menge IR der reellen Zahlen
x heiBt unabhangige Veranderliche (Variable)
y hei~t abhangige Veranderliche (Variable)

1.3. Graph einer Funktion


Der Graph der Funktion ist das Schaubild, das man erhalt, wenn man die Zahlenpaare (x, y) in ein
Achsenkreuz eintragt. Die waagerechte Achse ist die x-Achse oder Abszissenachse, die senkrechte
Achse ist die y-Achse oder Ordinatenachse, beide gemeinsam hei~en Koordinatenachsen.
x ist der Rechtswert oder die Abszisse,
y der Hochwert oder die Ordinate eines Punktes (x / y) mit den Koordinaten x und y.
Die Gesamtmenge aller Punkte (x / y) ist der Graph der Funktion.
Anmerkung 1: Unterscheide die Abszisse (x-Wert eines Punktes) und die Abszissenachse (x-Achse
eines Schaubilds); unterscheide die Ordinate (y-Wert eines Punktes = Funktionswert) und die Ordi-
natenachse (y-Achse eines Schaubilds)!
Anmerkung 2: Bei einem Paar setzt man ein Komma oder ein Semikolon zwischen die beiden
Komponenten oder Partner: (x, y) oder: (x; y). Bei Darstellung eines Punktes setzt man einen
Schragstrich zwischen die beiden Koordinaten: (x/y).

2. Die ganze rationale Funktion


In der Technik interessieren im wesentlichen die analytischen Funktionen. Das sind aile die Funk-
tionen, in denen die Zuordnung der Elemente x der Urbildmenge A zu den Elementen y der Bild-
menge B durch eine Gleichung, die Funktionsgleichung y = f(x) erfolgt (y gleich f von x). Haufig
spricht man von der Funktion y =f(x). Den wichtigsten Teil der analytischen Funktionen bilden
die ganzen rationalen Funktionen.

62
IV.2.2 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

2.1. Die konstante Funktion


Funktionsgleichung: Beispiel:
y =[(x) =b (b E JR) y = 2; [(x) hat den gleichbleibenden Wert 2
(b kann eine beliebige reelle Zahl, also auch 0,
sein) Wertetabelle: y
Der Graph der konstanten Funktion ist eine

-=m-
Parallele zur x-Achse, und zwar im Abstand b; -1 2 3
im Beispiel ist b = 2. o 2
Sonder[all: b = 0: I 2 2 y=b
Die Gerade ist die x-Achse selbst; Geradenglei-
chung der x-Achse ist also y = O.
-3 -2 -1 0 2 3 x
-1

2.2. Die Proportionalfunktion


Funktionsgleichung: Beispiel:

y = [(x) = mx mit konstantem m (m "* 0)


I
y="2 x
(m kaun eine beliebige reelle Zahl, also auch 0,
sein)

Der Graph der Proportionalfunktion ist eine


Gerade durch den Ursprung, und zwar mit der
Steigung m. Unter der Steigung einer Geraden
versteht man den Hohenzuwachs bei einem
Schritt urn 1 nach rechts; im Beispiel ist m = ! .
"m" ist der Proportionalitiitsfaktor. Man kann
die Funktionsgleichung der Proportional funk-
tion als Proportion schreiben: y:x = m: 1. Der
Zuwachs von y erfolgt proportional zum Fort-
schreiten in x-Richtung (siehe auch Abschnitt
III. 2.1.3. Proportionen).

63
Mathematik IV.2.2.2

2.2.1. Das Hookesche Gesetz


Funktionsgleichung: Beispiel (wie Beispiel 1 in III. 2.1.3.):
F = c t:.l statt Welche Kraft dehnt eine Feder urn 4 em, wenn
y=mx die Kraft 3 N (Newton) eine Dehnung von 2 em
y =Fist die Federkraft bewirkt?
m = c ist die Federkonstante*)
(der Proportionalitatsfaktor)
c=~= I 51i.
2 em ' em
x = t:.l ist die Langenveranderung der Feder t:.l = 4 em
Anmerkung: Es muB sichergestellt sein, daB sieh N
Aus F = c t:.l folgt F = 1,5 em . 4 em F = 6N
die Daten im materialbedingten Giiltigkeits-
bereich des Hookesehen Gesetzes bewegen.
F=cIJI

-1 5cm III

2.2.2. Geschwindigkeit im Weg-Zeit-Diagramm


Funktionsgleichung ist die Weg-Zeit-Gleichung: Beispiel (wie Beispiel 2 in III. 2.1.3.):
t:.s = vt:.t statt Wie weit kommt ein Flugzeug in 2,5 h, wenn es
y=mx 10km in 45 s zuriieklegt?
y = t:.s ist der zuriiekgelegte Weg
= 10000 m = 222 22222!!!
m =v ist die Gesehwindigkeit v 45 s ' s
(Proportionali ta tsfaktor)
x = t:.t ist die abgelaufene Zeit t:.t = 2 5 h . 3600 s = 9000 s
, h

Aus t:.s =v t:.t folgt


t:.s = 10000 m . 9000 s = 2000 km
45 s
Ils
km
2400

2000 Ils = vllf


1600

1200

800

400
o v
*) andere Bezeichnungen sind Federrate und Feder- 12345678910 IJf
steifigkeit in 10005

64
IV.2.3.1 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

2.3. Die lineare Funktion

Funktionsgleichung: Beispiel:
1 1
y = f(x)=mx + b (m,b E R)
Y = f(x} = :2 x + 2, also m = :2' b = 2

Graph der linearen Funktion ist eine Gerade Wertetabelle:


(daher "lineare" Funktion), und zwar die Gera- x Y
de mit der Steigung rn und dem y-Abschnitt b. -6 -I Y
Die Proportionalfunktion (2.2) gehtirt als Son- -4
derfall mit zu den linearen Funktionen: -2
Mit b = 0 ist y = f(x) = rnx. 0
1
2
4

2.3.1. Das Gay-Lussacsche Gesetz


Das Gay·Lussacsche Gesetz ist eine lineare Wertetabelle:
Funktion. In der gelaufigsten seiner verschiede- f} V
nen Formen schreibt man statt
-273 0
y = mx + b die Gleichung
0 Vo
V = Vo (1 + 'Y~) oder in vergieichbarer Form
373
V= Vo'Y~ + Vo. 100 273 Vo V
Dabei bedeuten: inm3
473
V das variable Gasvolumen 200 273 Vo
Vo Volumen derselben Gasmenge bei 0 °e 273 2 Vo
1
'Y = 273 der konstante Volumenausdehungsko-
effizient
~ die MC£zahl der in °e gemessenen variablen
Temperatur
Ein Vergieich mit der linearen Funktion ergibt:
Vo
V= y Vo'Y = 273 =m
~=x Vo =b
Die Definitionsmenge ist gegeben durch die -273 o
Bedingung -273 ,,;; it < 00.

Beispiel (vgi. Beispiel in Warmelehre I. 7.4.): L6sung: Die Gleichung V= Vo(l +'Y~) wird
1m Winderhitzer eines Hochofens werden stiind- zweimal angewendet. Zuerst Berechnung von Vo:
lich 42 000 m 3 Luft von 17 °e auf 800 °e er- I
Vo = VI I + 'Y~I
warmt. Wie gro~ ist das Volumen der vom Wind-
erhitzer pro Stunde gelieferten erhitzten Luft? I
=42000m 3 1 =39537,93Im 3
1 + 273 ·17
Die stiindlich erhitzte Luftmenge hatte bei oOe Es folgt die Berechnung des gesuchten V2 :
das Volumen 39 500m 3 • V 2 = Vo(I + 'Y~2)
Die stiindlich gelieferte erhitzte Luftmenge hat
bei 800 0 e das Volumen 155 400m 3 •
= 39 537,933 m 3 (1 + 2~3 . 800)
= 155 400m 3
65
Mathematik IV.2.4.2

2.4. Die quadratische Funktion


Die quadratische Funktion hat die Gleichung y =a2x2 + alx + ao mit konstanten Koeffizienten
a2, ai, ao undderBedingung a2 *0(mita2 =0 erhaltman die line are Funktion): a2 E lR* = lR\ {O}
(Menge der reellen Zahlen ohne 0), a I, ao E lR.
Der Graph jeder quadratischen Funktion ist eine Parabel.

2.4.1. Die Normalparabel


Mit den Koeffizienten a2 = 1, a I = 0, ao =0 der quadratischen Funktion y =a2x2 + alx + ao
erhalt man die Normalparabel y =x 2 .

Wertetabelle:
x y

-3 9
-2 4
-1 I
o 0
I I
2 4
3 9

Der Punkt (0/0) ist der Scheitelpunkt der Nor-


malparabel.
Wahrend die Urbildmenge A = lR ist, ergibt sich
als Bildmenge nur B = lR ~, die Menge der posti-
yen reellen Zahlen einschlieBlich O. x

2.4.2. Die verschobene Normalparabel


Mit a2 = 1 und beliebigen Werten fUr al und ao (aber nicht beide gleich 0) erhalt man aus y =a2x2
+ alx + ao eine verschobene Normalparabel, also eine Parabel derselben Form wie y =x 2 (man
kann zum Zeichnen ein und dieselbe Schab lone verwenden), aber verschobenem Scheitelpunkt.
Von Interesse ist die Berechnung des Scheitelpunkts:

Funktionsgleichung: Beispiel! :
y =x 2 +a!x +ao y =x 2 -x - I (also a! =-1 und ao =-1)

Berechnung des Scheitelpunkts S:


Man addiert beiderseits
1
4
und erhalt
I = x2
Y +4 - X + (1)2
2 - I.
66
IV.2.4.2 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

Die ersten drei Summanden der rechten Gleichungsseite bilden ein vollstandiges Quadrat; mit
Hilfe der ersten - zweiten - binomischen Formel erhalt man:

± (x -~) - 1
2

Y + =

und nach Subtrahieren von


ao =-1
2 2
y+(a~) -ao=(x+a~)
o ist der k1einste Wert, den die rechte G1eichungsseite annehmen kann, daB heiBt, an der Stelle
a, 1
x=-- x=-
2 2
muB der Scheite1punkt liegen. Die linke Seite der G1eichung wird 0 mit
2

y =ao _ (a~)

dem Wert der Ordinate des Scheite1punkts. Man erhalt somit


2

S(xsIYs)=S (- a~ lao _(a~)) S(Xs/ys)=S(~/-l ±)


als Scheite1punkt der gegebenen Parabel.

Berechnung des Schnittpunkts SyO mit der y-Achse:


Die Ordinate des Schnittpunkts mit der y-Achse, der y-Abschnitt, ergibt sich, wenn man x = 0 in
die Funktionsg1eichung einsetzt:
y = 0 + 0 +ao y=O-O-1
SyO (O/yo) = Syo(O/ao) Syo (O/yo) = Syo(O/-I)
ist der Schnittpunkt mit der y-Achse.

Berechnung der Schnittpunkte Sxl und Sx2 mit der x-Achse:


Die Abszissen der Schnittpunkte mit der x-Achse erhalt man, wenn man das y der Funktions-
gleichung = 0 setzt, also als L6sungen der quadratischen G1eichung
x 2 -x - 1 = 0

X'2=!±'~
, 2 V4 T1

1 1
x, = '2 + '2VS = 1,6180339 ...
1 1
X2 ='2-'2 VS =-0,6180339 ...

Sx, (x,/O) =Sx ,(1,618 033 9 ... /0)

sind die beiden Schnittpunkte mit der x-Achse.

67
Mathematik IV.2.4.2
Wertetabelle (zu Beispiel 1): y

x y Punkt
0,5 - 1,25 S
- 1,25 + 1
05 ± 1 {= 1,5}
, =-0,5 =- 0,25
- 1,25 +4
05 ± 2 {= 2,5}
, =-1,5 = 2,75

0,5 ± 3 {=_;:; } - 1,25 + 9


= 7,75
0 -1 Syo
0,5 + 1,118 ...
0 SXI
= 1,618 ...
0,5 -1,118 ...
0 SX2
= - 0,618 ...
-2

Beispiel 2:
Funktionsgleichung:
y =x 2 + 6x + 9
Berechnung des Scheitelpunkts:
y = (x + 3)2
S(xs /ys) =S(-3 /0)
Berechnung des Schnittpunkts mit der y-Achse:
Syo(O/Yo) = Syo(0/9)
Berechnung der Schnittpunkte mit der x-Achse:
(x + 3)2 = 0
Xb2 =- 3
Sx 1,2 (XI,2 /0) = Sx 1,2 (-3/0)
=S(xs/Ys)
Es liegt der Sonderfall vor, daE der Scheitel-
punkt S und die beiden Schnittpunkte mit der
x-Achse, Sxl und Sx2, zusammenfallen. 2 x
-1

68
IV.2.4.2 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

Beispiel 3:
Funktionsgleichung:
y =x 2 -4x
Berechnung des Scheitelpunkts:
y + 4 = x 2 - 4x + 4
Y + 4= (x - 2)2
S(xs/Ys) = S(2/-4)
Berechnung des Schnittpunkts mit der y-Achse:
y=O-O=O
Syo(O/Yo) = Syo(O/O)
Berechnung der Schnittpunkte mit der x-Achse: -2 x
0=X2 -4x=x(x-4)
XI = 4 X2 = 0
SXI (x i/O) =Sx I (4/0)
SX2 (X2/0) = SX2(0/0)
= Syo(O/O) = 0(0/0)
Es liegt der Sonderfall vor, d~ die Parabel durch
den Ursprung geht und somit der Schnittpunkt
mit der y-Achse und der eine Schnittpunkt mit
der x-Achse im Ursprung 0 des Koordinaten-
systems zusammenfallen.

Beispiel 4:
Funktionsgleichung:
y=x 2 +4x+S
Berechnung des Scheitelpunkts:
y =x 2 + 4x + 4 + 1
Y - 1 = (x + 2)2
S(xs/Ys) = S( -2/1)
Berechnung des Schnittpunkts mit der y-Achse:
y=O+O+S
Syo(O/Yo) = Syo(O/ 5)
Berechnung der Schnittpunkte mit der x-Achse:
x 2 + 4x + 5 = 0
XI,2 =-2±~=-2±i
Es gibt keine Schnittpunkte mit der x-Achse.
s
Das konnte man bereits am Scheitelpunkt S -5 -4 -3 -2 -1 0 2 3 x
erkennen: Da seine Ordinate positiv (ys = 1)
und die Parabel nach oben offen ist, kann sie
die x-Achse nicht schneiden.

69
Mathematik IV.2.4.3

2.4.3. Die gespiegelte verschobene NormaJparabeJ


1st in der Funktionsgleichungy =a2x2 + alx + ao a2 < 0, dann ist die Parabel nach unten offen.
Bei der gespiegelten Normalparabel ist a2 = - 1; sie hat somit die
Funktionsgleichung: Beispiel:
y=-x 2 -4x + 3
(also al =-4 und ao =3)
Berechnung des Scheitelpunkts S: 2

Man subtrahiert beiderseits ao = - 4, und auf der rechten Gleichungsseite wird ( a~) = 4 subtra-
hiert - und gleich wieder addiert -, so daB ein vollstandiges Quadrat entsteht, das man mit Hilfe
der zweiten - ersten - binomischen Formel umformen kann:

y - 3 = - (x 2 + 4x + 4) + 4

y - 7 = - (x + 2)2

Mit den gesuchten Scheitelpunktskoordinaten


al und y=ao + (a"2l )2
x="2 x = -2 und y = 7

werden beide Seiten der Gleichung = O. Man erhalt also:

S(xs/ys)=S ( "2 al 2 )
a l / ao +4 S(xs/Ys) =S(-2/7)

Berechnung des Schnittpunkts mit der y-Achse:


Man setzt in der Funktionsgleichung x = 0 und erhalt
y = Yo = ao Y = Yo = 3
als Ordinate des Schnittpunkts mit der y~Achse (y-Abschnitt):
Syo(O/Yo) = Syo(O/ao) Syo(O/Yo) = Syo(0/3)

Berechnung der Schnittpunkte mit der x-Achse:


Mit y = 0 wird die Funktionsgleichung zur quadratischen Gleichung:
x 2 -alx-aO =0 x 2 +4x-3=0

XI,2=a~ ±-V(a~)2 +ao XI,2=-2±y'4+3=-2±V7


Xl = 0,6457513 .. .
X2 = - 4,645 7513 .. .
Schnittpunkte mit der x-Achse sind:

SXI(xdO)=SXI(a~ + -V(~) +ao/O) SXI (XI /0) = Sx I (0,6457513 ... /0)

SX2(x2/0)=SX2(a; _/(a~) +a%)

70
IV.2.4.4 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

Wertetabelle (zum Beispiel y = - x 2 - 4x + 3): Y


S
x y Punkt
-5 -2
-4,645 ... 0 Sx2
-4 3
-3 6
-2 7 S
-1 6
0 3 Syo
0,645 ... 0 SXI
1 -2
2 -9
2 x

2.4.4. Der allgemeine Fall der quadratischen Funktion


Funktionsgleichung: Beispiel:
y=a2x2 +alx+ao; a2 =1=0 y = - 3x 2 + 1,2x - 1,5
Mit la21 = 1 erhalt man eine der in 2.4.1., 2.4.2., (also a2 =-3, al = 1,2, ao =-1,5)
2.4.3. behandelten "Normalparabeln" (sie ki:in- Der Streckungsfaktor ist a2 = - 3, das heiBt, die
nen mit ein und derselben Schablone gezeich- Parabel ist nach unten offen und auf das drei-
net werden). Sieht man davon ab, dann ergibt fache gestreckt:
sich eine gestauchte oder gestreckte Parabel.
1m einzelnen gilt:
a2 > 0 => nach oben offen
a2 < 0 => nach unten offen a2 = - 3 < 0 => nach unten offen
la21 < 1 => gestaucht
la21> I == gestreckt la21 = 3 > 1 => gestreckt

Berechnung des Scheitelpunkts S:


Man klammert a2 =-3 aus und addiert und subtrahiert die quadratische Erganzung(unterstrichen),
urn mit Hilfe der ersten oder zweiten binomischen Formel die x-Glieder zu einem vollstandigen
Quadrat umzufonnen:

y = - 3(x 2 - O,4x + 0,2 2 )


- 1,5 + 3· 0,2 2

Y + 1,38 = - 3(x - 0,2)2

Hieraus liest man die Scheitelpunktskoordinaten ab, namlich diejenigen Werte flir x und y, mit
denen beide Seiten der Gleichung = 0 werden:
2
al
y =Ys = ao - 4a2 x =x s = 0,2 y=ys=-1,38

(Durch Einsetzen von a2 = -3, a I = 1,2, ao = -1,5 bestatigt man die Richtigkeit der Rechnung.)
Der Parabelscheitelpunkt ist
2
al / al
S(xs/ys)=S ( - 2a 2 aO-4a2
)
S(xs/ Ys) = S(0,2/-1 ,38)

71
Mathematik IV.2.4.4

Berechnung des Schnittpunkts mit der y-Achse:


Setzt man in die Funktionsgleichung x = ° ein, dann erhalt man als y-Abschnitt
y = Yo =ao y = Yo =-1,5
Schnittpunkt mit der y-Achse ist also
Syo(Ojao) Syo(Oj-l,5)

Berechnung der Schnittpunkte mit der x-Achse:

°
Die Abszissen der Schnittpunkte mit der x-Achse erhalt man als L6sungen der quadratischen
Gleichung, die sich ergibt, wenn man in der Funktionsgleichung y = setzt:
a2x2 +alx+aO =0 -3x 2 + 1,2x-l,5=0

x2 - 0,4x + 0,5 = °
Xl,2 = 0,2 ± y'0,04 - 0,5
Xl 2 = 0,2 ± y'- 0,46 imaginar
Mit diesen Termen flir x 1 und x 2 erhalt man die Da die Para bel nach unten offen ist und der
gesuchten Schnittpunkte Scheitelpunkt unterhalb der x-Achse liegt
SX1(XljO) und SX2(X2jO). (Ys = -1,38), schneidet die Parabel die x-Achse
nicht.

Wertetabelle (zum Beispiel y = - 3x 2 + 1,2x - 1,5):

x Punkt y
Y
1
-2 - 15,9
-1 - 5,7
-0,8 - 4,38
-2 o 2 3 x
-0,6 - 3,3
-0,4 - 2,46
- 0,2 1,86

°0,2 1,5
1,38
Syo
S
0,4 1,5
0,6 1,86
0,8 - 2,46
1 - 3,3
1,2 - 4,38
1,4 - 5,7
2 - 11,1

72
IV.2.4.4 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

2.4.4.1. Der schiefe Wurf


Der schiefe Wurf ist ein Beispiel fliT den allgemeinen Fall einer quadratischen Funktion. Die Wurf-
bahn ist eine Parabel, so fern die Erdbeschleunigung als konstant (g = 9,81 ~) angenommen und
der Luftwiderstand vernachHissigt wird. Der schiefe Wurf ist eine UberJagerung des senkrechten
Wurfs y =VOy t - ~ t 2 und einer konstanten Horizontalbewegung x =VOX t. VOy ist die Vertikal-
komponente der Anfangsgeschwindigkeit vo, vox ist die Horizontalkomponente von Vo. Nach dem
Satz des Pythagoras ist v~ = v~x + v~. Eliminiert man aus den beiden Gleichungen flir die ver-
anderIiche Steighohe y und die zunehmende horizontale Wurfweite x die Zeit t, dann erhaIt man
y=vo
y
.2-
VOx
_~.(2-)2
2 VOx
a1s Gleichung der Wurfbahn. Es ist eine nach unten offene Parabel durch den Ursprung (0/0). Man
kann auch schreiben
g 2 VOy g VOy)
y=---x + - x oder y=x ( - - 2 - X + - .
2vix VOx 2vox Vox
Aus der letzten Gleichung liest man unrnittelbar ab, d~ y = 0 wird mit x = Xl = 0 und mit
2vox VOy
x =X2 = g , den Abszissen der Schnittpunkte der Parabel mit der x-Achse. Dabei bedeutet
X2 die endgilltige horizontale Wurfweite. Aus Symmetriegrtinden ist die Abszisse des Scheitel-
VOx VOy
punkts halb so groll., also Xs =-g-- , und die Ordinate des Scheitelpunkts Ys, die maximale
v2
Steighohe, errechnet man hiermit zu Ys = 2;.

Anmerkung: Ys ist dieselbe FailhOhe, die man errechnet, wenn man einen Korper im freien Fall
bis zum Erreichen der Geschwindigkeit VOy fallen laBt:
2

Ys =~ t 2 , VOy = gt. Man eliminiert t: t=vo y


g , Ys
=~(VOY)
2 g ,

woraus nach Kiirzen von g die Behauptung folgt.


m m m
Beispiel: voy=20s' vox =15 s ' g=9,81Sz.

Damit heiBt die Funktionsgleichung


981 4
Y = - - '- x 2 + - x oder y =x(- 0,0218x + 1,3333 ...).
450 3
Scheitelpunkt und Schnittpunkte mit den Achsen sind der Wertetabelle zu entnehmen.

Wertetabelle (auf drei Dezimalstellen gerundet): Wurfparabel:


x y
Punkt y
inm inm
inm y=x(-o.0218x+ 1.33)
0 0 Syo =SXl 20
15 15,095
10
30,581 20,387 S
45 15,855
75 x
61,162 0 SX2 inm
-10
75 -22,625
-20

73
Mathematik IV.2.5

2.5. Die kubische Funktion


Die kubische Funktion oder ganze rationale Funktion dritten Grades hat die Funktionsgleichung
y=a3x3 +a2x2 +alx+ao mit a3 *0.
Der Definitionsbereich ist unbeschriinkt: - 00 <x < + 00.

Die Koeffizienten a3, a2, ai, ao konnen beliebige reelle Zahlen sein auBer 0 flir a3, da dann das
x 3 ·Glied wegfiele.
Graph der kubischen Funktion ist die kubische Parabel, eine zentral·symmetrische Kurve mit
genau einem Wendepunkt W, dem Symmetriezentrum der Kurve.

Bedeutung von a3 :
a3 >0 = die Kurve kommt von links aus dem Negativ-Unendlichen und verliiuft nach rechts ins
Positiv-Unendliche
a3 <0 = die Kurve kommt von links aus dem Positiv-Unendlichen und verliiuft nach techts ins
Negativ-Unendliche.
Die Kurve hat genau einen Schnittpunkt mit der y-Achse und mindestens einen Schnittpunkt und
hochstens drei Schnittpunkte mit der x-Achse.

Beispiel! :
y=x 3
0= W=SyO =Sxl,2,3

Beispiel 2:
1
Y =-- x 3
2
0= W = SyO = Sxl,2,3

Beispiel 3:
1
Y ="4 X3 - X

Diese Gleichung liiBt sich umformen:

y=!X(.x2 -4)
4

y ="4I x (x + 2)(x - 2)

74
IV.2.G IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

2.6. Die ganze rationale Funktion n-ten Grades

Funktionsgleichung:
y = anx n + an_1X n- 1 + an_2Xn-2 + '" + a2 x 2 + alx + ao mit an =1= 0

Die rechte Seite heiEt auch Polynom n-ten Grades. Der Graph ist eine zusammenhangende knick-
lose Kurve, die von links aus dem Positiv- oder Negativ-Unendlichen kommt und nach rechts im
Positiv· oder Negativ-Unendlichen verschwindet, je nachdem, ob n gerade oder ungerade und an
positiv oder negativ ist.

Ubersicht
+
{x
x --+ - 00 ==y --+ 00

an >0
--+ + 00 ==y --+ + 00

• ·2,4,6", \ --+ - --+ -


x ==y
{x
00 00

an <0
--+ + 00 ==y --+ - 00

x--+-oo ==y --+ - 00


{
X --++00 ==y --++00
.·t,3,5, ... \ x---+-oo = y --++00
{
X ---+ + 00 = y ---+-00

Sonderfiille:
n = 0: y =ao konstante Funktion, also
auch y = b Gleichung einer Parallelen zur x·Achse (2.1.)
mit b = 0: y = 0 Gleichung der x-Achse
n=l: y=alx+ao line are Funktion, also
auch y = rnx + b Geradengleichung (2.3.)
mit b = 0: y = rnx Proportionalfunktion, also
Gleichung einer Geraden durch den Ursprung (2.2.)
n = 2: y =a2x2 +alx+ao (a2 =1= 0) quadratische Funktion, also Parabelgleichung (2.4.,2.4.4.)
mita2=I,al=ao=0: y=X2 Gleichung der Normalparabel (2.4.1.)
mit a2 = 1 (a lund ao beliebig):
Gleichung einer verschobenen Normalparabel (2.4.2.)
y =x 2 +alx +ao
mit a2 =-1 (a lund ao belie big):
Gleichung einer gespiegelten Normalparabel (2.4.3.)
y =-x 2 +alX +ao
n=3: y=a3x3 +a2x2 +alx +ao kubische Funktion, also Gleichung einer kubischen
(a3 =1= 0) Parabel (2.5.)

75
Mathematik IV.2.6

Einige charakteristische Merkmale ganzer ratio-


naler Funktionen hoheren als dritten Grades
zeigen folgende Beispiele:

Beispiel 1:
y =X4

Der Vergleich mit y =x 2 (2.4.1.) zeigt bei


scheinbarer Dbereinstimmung der beiden Gra-
phen, d~ hier bei y = X4 das Minimum urn den
O-Punkt "flacher" ist.

Beispiel 2:
y =x s
Auch hier liegt auf den ersten Blick scheinbar
y
Dbereinstimmung mit dem Graphen von y = x 3 3
(2.5., Beispiel 1) vor. Tatsachlich schmiegt sich
aber der Graph von y = X S im Bereich des
Wendepunkts viel starker an die x-Achse an. 2

Beispiel 3:
_ 1 6 1 S 17 4 1 3
Y - 100X + 100x - 100x - 20 x
16 2 +1- x -12
+-x -
25 25 25
Diese Gleichung ist hervorgegangen aus
1
y = 100 (x 2 - l)(x 2 - 4)(x 2 + X - 12).
-2
Aus der Tatsache, d~ y = 0 wird, wenn einer
der drei x enthaltenden Faktoren gleich 0
ist, folgt, d~ die LOsungen der drei quadrati- -3
schen Gleichungen x 2 - 1 =0, x 2 - 4 =0 und
x 2 + x - 12 = 0 Nullstellen der Funktion sind:
Xl = 1, X2 = -1, X3 = 2, X4 = -2, Xs = 3, y
X6 = -4.

Da an = 160 >0 und n = 6 geradzahlig ist,


kommt die Kurve von links aus dem Positiv-Un-
endlichen und geht nach rechts ins Positiv-Un-
endliche. Die Kurve hat die Hochstzahl an
Schnittpunkten mit der x-Achse, niimlich n = 6.
Der y-Abschnitt (x wird gleich 0 gesetzt) ergibt
.h 12 -2
SIC zu Yo = - 25 .

76
IV.3.1 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

3. Sonstige elementare Funktionen


Alle Funktionen, deren Funktionsgleichung durch einen geschlossenen analytischen Ausdruck dar-
stellbar sind, heiBen elementare Funktionen.

3.1. Die gebrochen-rationalen Funktionen


Die allgemeine Form der Funktionsgleichung einer gebrochen-rationalen Funktion ist
anx n + an_1X n - 1 + ... + a2x2 + alx + ao
y = b mX m + b m-1X m-l + ... + b 2X 2 + b IX + b 0
Dabei sind n und m natiirliche lahlen, an. an_I, ... , b m • b m - 1 , ... sind beliebige reelle lahlen,
nur diirfen die b m • b m - 1 , ••• nicht aIle = 0 sein. 1st n < m, dann handelt es sich urn eine echt
gebrochene rationale Funktion; im Fall n;;;' mist sie unecht gebrochen.
Die Funktion ist nicht fUr aIle X defmiert. Die Nullstellen des Nenners gehOren nicht zum Defini-
tionsbereich der Funktion. Sind aIle b m • b m -1, ... bis auf b o gleich 0, dann ist die Funktion nur
scheinbar gebrochen, in Wirklichkeit ganz-rational, denn es steht kein x im Nenner.

Beispiel 1: y
1
y=x 3

lum Definitionsbereich gehOren alle x aufl>er 2


x = O.
Bei x = 0 hat die Funktion einen Pol.
-4 -3 -2 -1
Eine Stelle, an der eine Funktion nicht defi-
2 3 4 x
niert ist, nennt man Polstelle dieser Funktion.
Das Verhalten einer Funktion in der Umgebung
einer Poistelle wie auch das Verhalten dieser
Funktion im Unendlichen klart man mit Hilfe
einer geeigneten Wertetabelle.

Wertetabelle:
x y=;1

I
0,1 10
0,01 100 Folgerung: limy = + 00 (gelesen: Limes y fUr x gegen + 0 gleich
x~+o
0,001 1000 plus unendlich)

I
-0,1 -10 Die Kurve "springt", wenn x =0 von
-0,oI -100 Folgerung: limy =- 00 links nach rechts iiberschritten wird, von
-0,001 -1000 x--o - 0 0 nach + 00

I
10 0,1
100 0,01 Folgerung: limy = + 0 Die Kurve niihert sich nach rechts von
x~+oo
1000 0,001 oben der x-Achse.

I
-10 - 0,1
-100 -0,01 Folgerung: limy = - 0 Die Kurve schmiegt sich nach links der
X-+-oo
-1000 -0,001 x-Achse von unten an.

Fiir den Graphen von y =,}


sind die y-Achse und die x-Achse Asymptoten (A-sym-ptote = Nicht-
lusammen-Laufende), das heifl>t Geraden, denen sich die Kurve unbeschrankt anniihert, ohne sie
je zu erreichen.
77
Mathematik IV.3.1

Beispiel 2: y
1
y= x 2 4

Die Funktion ist definiert flir alle x*-o. 3


Flir die Polstelle gilt
limy =+00
x-> + 0

limy = + 00.
x-.+-o

Das Verhalten im Unendlichen: -4 -3 -2 -1 0 2 3 4 x

limy = + 0
x--*+oo

limy =+0.
x---+-oo

y
Beispiel 3:
1
Y = x2 - 1

Die Funktion ist definiert flir alle x, flir die der -3 3 x


Nenner *- 0 ist. Nullstellen des Nenners, also
Polstellen der Funktion, findet man durch
Auflosen der Bestimmungsgleichung, die man
durch Null-Setzen des Nenners erhalt. Hier also
x 2 - 1 = o.
Diese quadratische Gleichung hat die Losungen Xl = 1 und X2 = - 1. Man liest diese Losungen
aus der Nennerform (x - l)(x + 1) = 0 (dritte binomische Forme!) sofort abo x = 1 und x = - 1
sind also Polstellen der Funktion. Das Verhalten der Funktion in der Umgebung dieser Polstellen
erkennt man aus der Wertetabelle nach dem Muster von Beispiel 1.

Wertetabelle:
1
x y = x 2 -1 F olgerungen:
_1_
+1,1 0,21
4,762 limy =+00
x->-l-O
1
+ 1,01 0,0201
49,751 limy = - 00
x->-1+0
1
+ 1,001 0,002001
499,750 limy = - 00
x->+l-O

+ 0,9 -=-L -5,263 limy = + 00


0,19 x->+l +0

+ 0,99 ~ -50,251 Verhalten im Unendlichen: limy = + 0


0,0199 X---++<Xl
-1
+ 0,999 0001999
, =-500,250 Schnittpunkte mit der x-Achse:
Es gibt keine, da der Zahler des Bruches y
nie 0 ist.

78
IV.3.2 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

Bemerkungen:
1. Funktionswerte im Interval! -1 < Y ~ 0 gibt es nicht, da der Nenner nicht < - 1 werden
kann.
2. Die Kurve verHiuft symmetrisch zur y·Achse, da x nur im Quadrat vorkommt, also flir jedes
x = a derselbe Funktionswert wie flir x = - a berechnet wird.

3.2. Aigebraisch-irrationale Funktionen


Funktionen, bei denen sich f(x) nur aus Potenzen von x mit rationalen, aber nicht nur ganz-
zahligen Exponenten zusammensetzt, heif~en algebraisch-irrational. Ein Beispiel ware y = f(x)
=x 2 + X + y'X mit den laWen 2, 1 und ~ als Exponenten von x; zwei Gegenbeispiele waren
y = x 2 + X + ~ mit den lahlen 2, lund -1 als Exponenten von x (die Funktion ist gebrochen-
rational) und y = xln 2 mit der irrationalen Zahl In 2 = 0,693 ... als Exponent von x (die Funktion
ist transzendent).

Beispiel! :
y=y'X
Definitionsbereich ist die Menge der positiv
reel!en laWen und 0: x ~ O. Graph ist eine
halbe "Jiegende" Normalparabel. Die zweite
- untere - Halfte hat die Funktionsgleichung
y = - y'X mit dem Definitionsbereich x > O. -2 -1

Spiegelfunktionen:
Die Normalparabel nach 2.4.1. hat die Funk-
tionsgleichung y = x 2 • Durch Vertauschen der
Buchstaben x und y und anschJie~endes Auf-
lasen nach y erhalt man die beiden Funktions-
gleichungen y = ± y'X. Mit der Geraden y = x
als Spiegelachse ist das Spiegelhild von y = x 2
im Interval! x ~ 0 die Kurve y = + y'X mit x:> 0;
das Spiegelbild vony =x 2 im Interval! x < 0 ist
Y = -y'X mit x > O.
Man nennt deshalb y = + y'X mit x ~ 0 Spiegel-
funktion von y =x 2 mit x ~ 0, und man nennt
y = - y'X mit x > 0 Spiegelfunktion von y = x 2
mitx < O. y

Beispiel 2: 5

Die Funktionsgleichungen 4
y = b ± "jr2 - (x - a)2 b=3
mit Ix - a I ~ r (der Radius r ist > 0) gehen her- 2
vor aus der al!gemeinen Kreisgleichung
(x-a)2 +(y-b)2 =r2
(Satz des Pythagoras; siehe Figur). -1 a
=Q
-1
Der Graph von y=b+"jr 2 - (x-a)2 ist die obere
Halfte eines Kreises, der von y=b-"jr2 -(x-a)2
die untere Halfte dieses Kreises. 79
Mathematik IV.3.3.2

Beispiel 3: y
2 2 2
Aus der Gleichung der Astroide x 3 + y3 = a 3 3 =a
erhait man durch Auflosen nach y die Funk·
tionsgleichungen

y=±
i i)3
(a-x
-3
mit dem Definitionsbereich Ixl ~a beia > O.

3.3 Transzendente Funktionen


-3
AUe durch eine Funktionsgleichung darsteU·
baren Funktionen, die weder rational noch
algebraisch-irrational sind, sind transzendent.

3.3.1. Trigonometrische Funktionen und Arcusfunktionen


Die trigonometrischen Funktionen oder Winkelfunktionen oder Kreisfunktionen y = sinx, y = cosx,
y = tanx, y = cotx werden zusammen mit ihren Spiegelfunktionen, den Arcusfunktionen, aus-
flihrlich in Kapitel VII behandelt.

3.3.2. Exponentialfunktionen und logarithmische Funktionen


Exponentialfunktionen haben die Variable x im Exponenten, zum Beispiel y = aX; sie sind zu
unterscheiden von den Potenzfunktionen mit x in der Basis, zum Beispiel y = xn. Spiegelfunk-
tionen einer Exponentialfunktion ist eine logarithmische Funktion, hier y = loga x (Logarithm en
siehe II. 8.3. und II. 9.).

Beispiel:
Funktionsgleichung:
y =a x mit a = 2

Spiegelfunktion hierzu:
y = log2 X

Sonderfall:
Funktionsgleichung:
y =e x
Spiegelfunktion hierzu:
y =lnx

Bei den Exponentialfunktionen y = 2x und y = eX ist der Definitionsbereich unbeschrankt:


-oo<x<+oo. Doch da der Bildbereich sich auf positive y beschrankt: O<y<oo, ist der
Definitionsbereich der Spiegelfunktionen y = log2 x und y = lnx beschrankt: 0 < x < 00.

80
IV.4.2 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

4. Graphische Losung von Bestimmungsgleichungen


Ersetzt man in der Funktionsgleichung y = [(x) die Variable y durch eine feste Zahl, z.B. 0, dann
erhalt man eine Gleichung mit der einzigen Variablen x; diejenigen Zahlen, die man flir x einsetzen
muB, urn jeweils eine wahre Aussage zu erhalten, bilden die Lbsungsmenge L = {x 1, X 2 , •.. }.
(Naheres siehe III.) Solche Gleichungen mit der Variablen x nennt man auch im Gegensatz zu den
Funktionsgleichungen Bestimmungsgleichungen, da man mit ihrer Hilfe die Lbsungen Xl, X2, ...
bestimmen kann. Die Variable x wird dann auch die Unbekannte genannt.
Schreibt man eine Bestimmungsgleichung mit der Variablen (Unbekannten) x in der Form
[(x) = 0 - man bringt also aile Glieder der Gleichung auf die linke Seite, so daB rechts nur 0
stehen bleibt -, und ersetzt man die Null durch y, dann ist die Auflbsung der Bestimmungsgleichung
[(x) =0 gleichbedeutend mit der Bestimmung der Nullstellen der Funktion mit der Funktions-
gleichung [(x) = y. Die Nullstellen der Funktion aber entsprechen den Schnittpunkten ihrer Kurve
mit der x-Achse. Diese gilt es somit zu bestimmen. Gibt es keine Schnittpunkte, dann sind die
Lasungen der Bestimmungsgleichung imaginal. Bertihrungspunkte bedeuten doppelt zlihlende
Lbsungen.

4.1. Lineare Gleichungen mit einer Variablen (Unbekannten)


Als "Kurve" der Gleichung ax + b = y ergibt sich eine Gerade, deren Schnittpunkt mit der x-Achse
die Lasung der Gleichung ax + b = 0 liefert.

Beispiel: 5 x + 7 =0 Man setzt 5 x + 7 = y, zeichnet die dadurch ge-


gebene Gerade und liest am Schnittpunkt mit
y der x-Achse das Ergebnis x 1 = -1,4 oder - ~ abo
L6sung: - I ,4
y=5x+7

x
2 3

4.2. Quadratische Gleichungen mit einer Variablen (Unbekannten)


Die auf Normalform gebrachte quadratische Gleichung x 2 + px + q = 0 wird zur Funktionsgleichung
einer ganzen rationalen Funktion zweiten Grades: x 2 + px + q = y.
Erstes Ver[ahren: Durch quadratische Erglinzung erhlilt man

x2 + px + (~y = y - q+ (~y oder (x + ~ y= y _q+ ~2


81
Mathematik IV.4.2

Das ist die Gleichung einer nach oben offenen "Normalparabel" (Parabel der Form Y = X 2) mit
dem Scheitelpunkt (-~/q _P:) (2.4.2.). Man fertigt sich also eine Schablone der Parabely =x 2
an, verschiebt diese parallel, bis ihr Scheitelpunkt mit dem berechneten Scheitelpunkt zusammen-
fallt, und erhiilt in den Schnittpunkten ihrer Peripherie mit der x-Achse die gesuchten Losungen
der gegebenen quadratischen Gleichung.

Beispiel: x 2 - 5x + 3 = ° Parabel x 2 - 5x + (~)2 =Y - 3 + (~)2 oder

y
(x _~)2 = Y +¥. Scheitelpunkt (V- I] ).
Aus nebenstehendem Bild liest man die Losun-
genxi = 4,3 und X2 = 0,7 abo

L6sungsmenge: {4,3; 0,7}


x
o

-1

-2

-3

Zweites Verfahren: Den Termx 2 + px + q = y kann man zusammengesetzt denken aus x 2 = Yr und
-px - q = Yn; es ist dann Y =YI - Yu. Zeichnet man nun die "Normalparabel" YI =x 2 und die
Gerade Yn = - px - q, dann ist in den Schnittpunkten YI =Yll, also Y =0, d.h. die Abszissen der
Schnittpunkte sind die gesuchten Losungen x I und x 2 der gegebenen quadratischen Gleichung
x 2 + px +q =0.
Beispiel: x 2 - 2x + 1= ° YI =x 2
Yu =2x-1
1m Bild schneiden sich die beiden Kurven an den
Stellen XI = 1,7 und X2 = 0,3

L6sungsmenge: {1,7; 0,3}

82
IV.4.4 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

4.3. Gleichungen dritten Grades mit einer Variablen (Unbekannten)


Hat man eine zu IOsende Gleichung dritten Grades auf die Normalform x 3 + ax 2 + bx + c = °
gebracht, dann kann man mittels Wertetabelle die Kurve Y =x 3 + ax 2 + bx + c aufzeichnen und die
Losungen x I • X 2, X 3 , von denen mindestens eine reell sein mufl" aus den Schnittpunkten (bzw. dem
Schnittpunkt) mit der x-Achse ablesen. Man kann aber auch die Gleichung reduzieren, d.h. das
quadratische Glied beseitigen. Das geschieht mit der Substitution x = Z - j.
Durch Einsetzen und
Ordnen erhlilt man

Z3
a2 ) z+ ( 27
+(a-a)z2 + ( b -"3 ab
2 a3 -3+c ) = ° oder
a2 2 ab
Z
3
+pz +q =Omit. p =b - - und q =-a 3 --+c
3 27 3 .
Nun bildet man die zwei Funktionsgieichungen YI =Z3 und Yu = - pz - q, deren Kurven sich an
den Stellen z I> Z2, Z 3 (mindestens eine reell) schneiden; aus die sen Werten kann man die gesuchten
LOsungen x 1,2,3 =Z 1,2,3 - j
der Gleichung dritten Grades gewinnen.

Y
YI
Beispiel: x 3 + 3x 2 - 2,llx + 0,18 = °
YII Substitution: x =z - 1
P = - 2,11 - 3 =- 5,11
q = 2 + 2,11 + 0,18 = 4,29
Reduzierte Gleichung Z3 - 5,11 z + 4,29 = °
YI = Z3; Yu =5,11 z - 4,29
Nach dem Bild schneiden sich die Kurven an
denStellen zl=-2,6; z2=1,1; z3=1,5;
daraus XI = - 3,6; X2 = 0,1; X3 = 0,5.

L6sungsmenge: {-3,6; 0,1; 0,5}

4.4. Zwei Gleichungen ersten Grades mit zwei Variablen (Unbekannten)


Ein Gleichungssystem von zwei linearen Gleichungen mit zwei Unbekannten lost man graphisch,
indem man jede Gleichung als Funktionsgieichung auffafl,t, die zugehorigen Geraden zeichnet und
die Koordinaten des Schnittpunktes, das gesuchte Zahlenpaar, als Losung abliest.

Y .. Y- 5 3 -4x
Beispiel: -3- =x + 1; 2y = - 5 -
8
Nachy aufgelost heifl.en die beiden Gleichungen
2 3
y = 3x + 8 und y =- -x + -
5 10
1m Bild sind die durch diese Gleichungen be-
stimmten Geraden gezeichnet, und man liest als
Schnittpunktskoordinaten die Losung
(xJiYl) = (-2,2/1,2) abo

L6sungsmenge: {(-2,2; 1,2)}

83
Mathematik IV.4.6

4.5. Zwei Gleichungen ersten und zweiten Grades mit zwei Variablen (Unbekannten)
Man zeichnet die zur Gleichung ersten Grades geharende Gerade und die zur Gleichung zweiten
Grades geharende Parabel. Die SchniHpunktskoordinaten x I; Y I und x 2; Y2 liefem die beiden
Lasungspaare.

Beispiel 1: Y = X2 ; Y = 2 x - ~
Auflosung (vgl. 4.2, Beispiel zum zweiten
Verfahren): XI = 1,7; YI = 2,9; X2 = 0,3;
Y2 = 0,1 Ldsungsmenge: {(1,7; 2,9);(0,3;0,1)}

Beispiel 2: Y = 3X2 + 2x + 4;y = - 2x + 7


Auflasung: Man kann mit Wertetabellen die
Parabel und die Gerade zeichnen und die Schnitt-
punkte bestimmen:
XI = 0,53; YI = 5,92; X2 =-1,87; Y2 = 10,75 Ldsungsmenge: {(0,53; 5,92); (-1,87; 10,75}
Man kann aber auch durch Gleichsetzen der rechten Seiten und Ordnen die quadratische Gleichung
3X2 + 4x - 3 = 0 oder x 2 + ~ x-I = 0 nach 4.2, zweites Verfahren lasen, indem man die Kurven
YI =x 2 undyu = - ~ x + 1 zum Schnitt bringt und so XI und X2 bestimmt. Die zugeharigen y-Werte
YI undY2 liefert dann die zweite gegebene Gleichung, wahrend die erste zur Probe benutzt werden
kann.

4.6. Transzendente Gleichungen mit einer Variablen (Unbekannten)


Das Verfahren entspricht dem zweiten Verfahren von 4.2: Man zerlegt - sofem maglich - den
y-Term in zwei Teile Y = Yu - YI und sucht den Schnittpunkt der Yu-Kurve mit der YI-Kurve.
Beispiel: eX - X =3 Man setzt y = eX - (x + 3)
YI = eX
Yu=x+3
Schnittstellen der beiden Kurven und damit
Nullstellen vony sind: XI =-2,95 X2 = 1,505

Ldsungsmenge der gegebenen Gleichung


(naherungsweise): {-2,95; 1,505}

84
IV.5.1 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

5. Analytische Geometrie

5.1. Koordinationssysteme
lum Festlegen eines Punktes P in der Ebene bedarf es eines Koordinatenkreuzes mit M~stab.
Dann geben zwei lahlen, die Koordinaten, den Punkt an: P(x/y) mit x als Abszisse und y als
Ordinate (siehe auch 1.3.). Dieses rechtwinklige (kartesische)l) Koordinatenkreuz bietet aber nicht
die einzige Moglichkeit, die Ebene einzuteilen: Ein weiteres Koordinatensystem liefem die Polar-
koordinaten: P(r/I{)) mit r als Radiusvektor, der Unge der Verbindungsstrecke zum Nullpunkt,
Ursprung oder PolO, und I{) als Polarwinkel, dem Winkel zur Polarachse (Grundrichtung,x-Achse).

Kartesisches Koordinatensystem und Polarkoordinatensystem und ihr Zusammenhang

y x =r cos I{) x = 5,71 cos 36,17°


= 4,61
P(x/y)
I Quadrant y=rsinl{) y = 5,71 sin 36,17°
...... = 3,37
'>~'
(~
,..,
no,

llQuadrant -je.v:.'o~ "'....


II .....

~:u
r2 =x 2 + y2 r2 = 4,61 2
3,37
+ 3,37 2
()~i)s 031:
tan I{) = ~
.s; 13 x tanl{)=461
~ Polar winkel "E~ ,
=36,17° c'-"'
_0 Abszisse x=4,61 x r =VX2 + y2 r=V4,6J2 + 3,37 2
O-Punkt (Rechtswert)
Ursprung = 5,71
Pol 3,37 °
I{)=arctan~ I{) = arc tan 461 =36,17
,
III Quadrant lVQuadrant

Beispiel 1:
Eine rechteckige Metallplatte soli zwei Bohrungen erhalten. Flir die Mitten der Bohrungen gilt:
Die erste Bohrung ist von einer Ecke der Platte 120mm entfemt, und die Verbindungsstrecke soli
mit der llingeren Seite der Platte einen Winkel von 30° bilden. Die zweite Bohrung soli dreiviertel
so weit von derselben Ecke entfernt sein, und die Verbindungsstrecke soli mit der ersteren Verbin-
dungsstrecke einen Winkel von 45° einschlie~en. Die Bohrungsmitten sind anzuzeichnen.
Mathematisch ausgedriickt hei~t die Aufgabe: lwei Punkte PI und P 2 mit den Polarkoordinaten
rl = 120mm, I{)I = 30° und r2 = 90mm, 1{)2 = 75° sind in kartesische Koordinaten umzurechnen.
(1{)2 = I{) I - 45° kommt nicht in Frage, da P 2 dann a~erhalb der Platte llige.)
XI = 120mm cos 30°
= 103,9mm
YI = 120mm sin 30°
60,Omm
X2 = 90mm cos 75°
23,3mm
Y2 = 90mm sin 75°
86,9mm
Xl langere Rechfecksseife x,

Ergebnis: XI = 103,9 mm'YI = 60,Omm und X2 = 23,3 mm,Y2 = 86,9 mm.

I) benannt nach dem franziisischen Mathematiker Descartes, genannt Cartesius, 1596 bis 1650
85
Mathematik IV.5.2.1

Beispiel 2:
Welche Polarkoordinaten haben die Ecken A, B und C des Dreiecks A(2,9/2,3) B(-3,0/-0,7)
C(l,8/-2,7)?
rA = y2,9 2 + 2,3 2 3,70
23
'PA = arc tan 2,9
rB =y3,02 + 0,7 2 3,08

x
° 0,7
'PB = 180 + arc tan 3,0 = 193,1
°

3,24

'Pc = 360° - arc tan 27


1:8 = 303,7 °
Ergebnis: A(3,70/38,4°), B(3,08/193,1°) und
C(3,24/303f) sind die drei Punkte in Polar-
koordinaten.
5.2. Die Gerade
I
In III. 2.2.1. wird die allgemeine Geradengleichung ax + by = c I eingeftihrt.
a, b, c sind Formvariable (Konstante flir ein und dieselbe Gerade).
x und y sind die Koordinaten eines beliebigen Punktes einer durch a, b, c festgelegten Geraden.
Die geometrische Bedeutung der Formvariablen ergibt sich aus den folgenden verschiedenen
F ormen der Geradengleichung.

5.2.1. Hauptform
Dividiert man ax + by = c durch b (io 0) und isoliert man y, so ergibt sich y = - ~ x + ~. Setzt
man - ~ = m und ~ = Yo, erhiilt man mit
die Hauptform der
I y =mx +Yo Geradengleichung.
y
P(x/yJ Dabei ist
m die Steigung: m = tan a
Yo der y-Abschnitt: das von der Geraden ab-
geschnittene StUck der y-Achse.
y
Bestiitigung: FUr die iihnlichen rechtwinkligen
Dreiecke mit den Katheten y - Yo und x einer-
seits und m und 1 andererseits gilt die Verhiilt-
x . hung Y- -xYo
. gl elC
ms m woraus unmltte
- = T' . lb ar
die Geradengleichung y = mx + Yo folgt.
Sonderfiille:
1. Yo = 0 P(x/yJ !y=mx!
Y Gleichung der Geraden durch den Nullpunkt.
y FUr jeden beliebigen Punkt P der Geraden gilt
y:x=m:l
(Kathetenverhiiltnis iihnlicher Dreiecke),
x x
die Geradengleichung y =mx.

86
IV.5.2.3 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

2. m=O Die Geradengleichung wird zu

Y=J!, 1 y =Yo I,
der Gleichung der Parallele zur x-Achse im

..x Abstandyo .

Eine entsprechende Gleichung ist


3. m = 00

1 x=xo J.
die Gleichung der Parallele zur y-Achse im
Abstandxo.
..x Eine Funktionsgleichung y = ... gibt es flir diese
Gerade nicht, da einem x-Wert (niimlich xo)
unendlich viele y-Werte zugeordnet sind.

5.2.2.' Punkt-Steigungs-Form (Punkt-Richtungs-Form)


Sind von einer Geraden ein Punkt PI(xdYI) und die Steigung m bekannt, dann gilt wegen der
Ahnlichkeit der rechtwinkligen Dreiecke mit den Katheten Y - Yl und x - Xl und mit den Kathe-
ten m und 1 die Proportion
y (y-yd:(x-xI)=m: 1 oder

I~=ml,
die Gleichung der Geraden in Punkt-Steigungs-
Form.
Hieraus folgt nach y aufgelost
Y, Y,
y=mx-mxI +YI.
YI - mXI ist aber der y-Abschnitt Yo, womit
o x x
der Zusammenhang mit der Hauptform her-
gestell t ist.

5.2.3. Zwei-Punkte-Form
Eine durch zwei Punkte PI (xJ/yd und P 2(xdY2) gegebene Gerade hat auf Grund der Ahnlich-
keit der rech twinkligen Dreiecke mit den Hypotenusen PIP und PIP2 die Proportion
y-YI Y2-YI
X-XI X2-XI
als Geradengleichung in Zwei-Punkte-Form.
Nach y aufgelost ergibt sich
Y2 -YI Y2 -YI .
y= X2 -Xl X- X2 -Xl Xl +Yl. Dagtlt
Y2 -YI
X2 -Xl =m und YI -mXl =Yo
(Steigung und y-Abschnitt),
ist der Zusammenhang mit der Hauptform er-
sichtlich.

87
Mathematik IV.5.2.5

5.2.4. Abschnittsfonn
Hat eine Gerade den x·Abschnitt Xo und den y-Abschnitt Yo, dann gilt folgende Proportion
flir die Katheten ahnlicher Dreiecke:
y y : Yo = (xo - x) : Xo. Daraus folgt

lfo+~=ll
als Abschnittsform der Geradengleichung.
Nach y aufgelost, ergibt sich y = - ~: x + Yo.
Sind wie in der Zeichnung beide Achsabschnitte
Xo undyo positiv, dann ist die Geradensteigung
negativ: m = -~: .
Eingesetzt in die letzte Gleichung ergibt sich die
x Hauptform: y = mx + Yo.

Aus der allgemeinen Geradengleichung ax + by = c ergibt sich die Abschnittsform durch Division
durch c =1= O.

5.2.5. Hessesche Nonnalfonn 1 )


Die Hessesche Normalform oder Normalenform bezieht das Lot vom Ursprung auf die Gerade,
die Normale zur Geraden, in die Geradengleichung ein:

y Mit d = I OFI, der Lange des Lotes vom Ur-


sprung 0 auf die Gerade g (FuBpunkt F), und
mit cp als Winkel zwischen dem Lot OF und der
x-Achse, ferner mit einem beliebigen Geraden-
punkt P(x / y) liest man mit Hilfe der schraf-
fierten ahnlichen Dreiecke aus der Figur fol-
gende Beziehung ab:

1xcoscp+ysincp=d I,
die Hessesche Normalform der Geradengleichung
auch kurz Hesse·Form genannt.

Aus der allgemeinen Geradengleichung ax + by = c gewinnt man die Hessesche Normalform, in-
dem man durch ± Va2 + b 2 dividiert (das + Zeichen gilt fUr c > 0, das - Zeichen fUr c < 0, denn
die rechte Seite muB positiv werden, da der Abstand d nur positiv sein kann, auBer d = 0, dann
geht die Gerade durch den Ursprung). Die KoeffIzienten von x und y, namlich ~ und
± a2 + b 2
~ , haben dann die Eigenschaft, daB ihre Quadratsumme = 1 ist wie die von cos cp und
± a2 + b 2
sincp auch: cos 2 cp+sin 2 cp= 1; coscp= a , sincp= b .
±va 2 +b 2 ±va 2 +b 2
1) Ludwig Otto Hesse, 1811-1874, deutscher Mathematiker.

88
IV.S.2.6 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

5.2.6. Anwendungen

Beispiel! :
Welche Gerade geh t durch die Punkte P 1 ( -5/3,5) und P 2 (2 / -7) ? 6
Zu berechnen sind:
Steigung m = tan a,
Achsabschni tte x 0 und Yo ,
Abstand d des Ursprungs von der Geraden.
Unter Verwendung der vom Taschenrechner
angezeigten Zahlen ergibt sich:
Zwei-Punkte-Form:
y - 3,5 -7 - 3,5
x+5 2+ 5 . x

Die rechte Seite gibt die Steigung m =tan a der


Geraden an, also:
Punkt..steigungs-Form:
y-3,5
~ = - 1,5; m = - 1,5 = tan a .

Aus der Punkt-Steigungs-Form erhalt man durch


Isolieren von y die
Hauptform:
y=-1,5x-7,5+3,5 =
y =-1,5x-4. -8

Daraus liest man den y-Abschnitt Yo =-4 abo Setzt man in der Hauptformy = 0, so gewinnt man
den x-Abschnitt:
-4 8
-1,5xo -4=0 ~ Xo =-=--=-26666667
1,5 3 '

Abschnittsform:
Mit den bereits gefundenen Achsabschnitten Xo = - 2,6666667 und Yo = - 4 ist die Abschnitts-
form der gegebenen Geraden
x + y 1
- 2,666 666 7 -4 = .
Man findet die Abschnittsform aber auch direkt, indem man in der Hauptform durch Division
durch -4 das Absolutglied zu 1 macht.

Hesse-Form:
Durch Umstellung der Hauptform der gegebenen Geraden erhalt man:
- 1,5 x - y = 4 . Durch Vergleich mit der allgemeinen Geradengleichung
ax + by = c ergibt sich
a = - 1,5 b = - 1 c = 4 .
Man erhalt die Hesse-F orm, indem man die Gleichung -1,5 x - y = 4 durch

+ya 2 + b 2 = +yl,5 2 +}2 = +y3,25 dividiert: _....!.2..... x ___I_y = _4_


y3,25 .y3,25 y3,25 .

89
Mathematik IV.5.2.6
Ausgerechnet: -0,83205029x - 0,5547002y = 2,2188008. Der Vergleich mit
( cos <p) x + (sin <p) y d (siehe 5.2.5.) liefert
cos <p = - 0,832 050 29 sin <p = - 0,554 7002 d = 2,2188008
Zur Berechnung von <p ist zu beriicksichtigen, daB ein Winkel, dessen Kosinus und dessen Sinus
beide negativ sind, zwischen 180° und 270° liegen muB: 180° < <p < 270°. Somit ist zu rechnen
<p = 180° + arc cos 0,83205029 = 180° + 33,690068° = 213 ,690 068° ..

Kontrollrechnung mit dem Koeffizienten vony:


180° + arc sin 0,5547002 = 180° + 33,690068° = 213,690068° .
<p =

Eine zweite Kontrolle erfolgt mit dem Steigungswinkel 0', der sich von <p urn 90° unterscheidet
(siehe Zeichnung):
Bei der Aufstellung der Punkt-Steigungsform hatte sich ergeben: m = - 1,5 = tan 0'. Daraus folgt
0' = 180° - arc tan 1,5
= 180° - 56,309932°
= 123,690068°
<p ist 90° grbBer, also <p = 213,690068° .

Beispiel 2:
Welchen Abstand hat der Punkt PI (-4(2) von y
der Geraden
g: y = 0,64 x + 3,2?
Der Losungsgedanke ist folgender: Von g kann g
man die Hesseform x cos <p + y sin <p - d = 0
herstellen und erhiilt damit d, den Abstand des
Ursprungs 0 vong.
Nun denkt man sich durch PI die Gerade gl,
die Parallele zu g, gezogen. Die Hesseform die-
ser Geraden gl hat dieselben Koeffizienten
von x und y wie die Hesseform von g, da <p und
somit cos <p und sin <p bei beiden Geraden gleich
sind. Nur der Abstand d l des Ursprungs 0
von gl ist ein anderer, niimlich d I = d + e.
Die Hesseform von gl lautet:
gl: x cos <p + y sin <p - d I = O. Da PI auf dieser Geraden liegt, mlissen seine Koordinaten diese
Gleichung erfilllen. Es muB also Xl cos<p +Yl sin<p - d I = 0 gelten. In dieser Gleichung ist nur d I
unbekannt, somit mit Hilfe dieser Gleichung zu berechnen. Flir den gesuchten Abstand e gilt:
e = d l - d. ZusammengefaBt erhiilt man die Abstandsformel.

A bstandsformel: e = x I cos <p + Y I sin <p - d


Ausftihrung:
g: y=0,64x+3,2
= - 0,64x + Y = 3,2
0,64x + 1Y 3,2
=
VO,64 2 + 1 VO,64 2 + 1 VO,64 2 + 1
= - 0,5390537 x + 0,842271 4y = 2,695 2685.

90
IV.5.3.1 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

Aus der obigen Abstandsformel folgt:


e = -0,5390537·(-4) + 0,8422714·2 - 2,6952685
1,1454891.

Ergebnis: P l hat den Abstand e = 1,145 yon der Geradeng.

Anmerkung: Errechnet man mit der Abstandsformel einen Abstand e > 0, dann liegen der Ur-
sprung 0 und der Punkt P l auf yerschiedenen Seiten der Geraden g (wie im Beispiel). Mit e = 0
liegtP l natiirlich auf g. Mit e < 0 liegt P l auf derselben Seite yong wie Ursprung O.

5.3. Der Kreis

5.3.1. Formen der Kreisgleichung


Nach dem Satz des Pythagoras gilt fUr jeden
y
Punkt P(x/y) des Kreises mit dem Radius r
urn den Ursprung 0

I x 2 + y2 = r2 I'
x die Mittelpunktsgleichung des Kreises.
Fiir jeden Punkt P(x/y) des Kreises mit dem
Mittelpunkt M(xm/Ym) und dem Radius r gilt
nach dem Satz des Pythagoras

I (X-X m )2 +(Y-Ym)2 =r2 \,


die Hauptform der Kreisgleichung.

o Xm X x

Durch Ausmultiplizieren erhiilt man


x 2 - 2x mx + x:n + y2 - 2YmY + y:n - r2 = 0
==> x 2 + y2 - 2x mx - 2YmY + x:n + y:n - r2 = 0

==> I x 2 + y2 + 2ax + 2b y + c = 0 I, die allgemeine Form der Kreisgleichung.

Hierinbedeuten: a=-x m , b=-Ym, c=x~ +y~ -r2.


Aus der letzten Gleichung folgt
a 2 + b 2 - C = r2 > 0
als Bedingung dafUr, daB es sich bei einer Gleichung der allgemeinen Form wirklich urn eine Kreis-
gleichung handelt.

91
Mathematik IV.5.3.2

5.3.2. Berechnung von Kreisen


Ein Kreis gilt als berechnet, wenn man die Hauptform seiner Gleichung kennt.

Beispiel! :
Was bedeutet
1,5x 2 + 1,5y 2 +3x-6y+4,5=0?
Man dividiert durch 1,5 und erhalt
x 2 + y2 + 2x - 4y + 3 = 0, eine Kreisgleichung in allgemeiner Form.
Dabei ist a = - Xm = I, b = - Ym = - 2, c = 3. Die Bedingung a2 + b 2 - C > 0 ist erfiillt:
1 + 4 - 3 = 2> O. Flir den Kreisradius gilt r2 = 2 => r = V2 .
Die gegebene Gleichung ist die Gleichung des
Kreises mit den Mittelpunktskoordinaten
Xm =- I, Ym = 2 und dem Radius r = v'2:
(x+ 1)2 +(y_2)2 =2.

Ergiinzung:
Die aus der gegebenen Gleichung gewonnene y
Gleichung
X2 +y2 +2x-4y+3=0
IaEt sich auch ohne Zuhilfenahme der voran-
gehenden Formeln mit Hilfe der quadratischen
Erganzungen auf die Hauptform der Kreis-
gleichung bringen:
(X2 + 2x + ... ) + (y2 - 4 y + ...) = ... + ... - 3
(X2 + 2x + 1) + (y2 - 4y + 4) = 1 + 4 - 3 -1 0 x
== (x + 1)2 + (y - 2)2 = 2

Beispiel 2:
Was bedeutet
1,5x 2 + 1,5 y 2 +3x-6y+9=0?
Die entsprechenden Rechnungen wie bei Beispiel 1 ergeben
(x + 1)2 + (y - 2)2 = - 1 .
Das ist eine unerftillbare Gleichung, denn die Summe der Quadrate reeller Zahlen kann nicht nega-
tiv sein, da schon ein einzelnes Quadrat nicht negativ sein kann. Man bestatigt, daB die Bedingung
a2 + b2 - C > 0 nicht erftillt ist.

Beispiel 3:
Was bedeutet
1,5x 2 + 1,5 y 2 + 3x - 6y + 7,5 = O?
Man findet: a2 + b 2 - C =0 und
(X+I)2+(y-2)2 =0.
Das ist die Gleichung eines "entarteten" Kreises, eines Kreises mit dem Radius O. Die Gleichung
wird nur von einem Koordinatenpaar, den Koordinaten des Mittelpunkts M( -1/2), erftillt.

92
IV.5.3.2 IV. Funktionen. graphische L6sungen. analytische Geometrie

Beispiel 4:
Welcher Kreis mit dem Mittelpunkt M(-2/ -I) geht durch den Punkt PI (4/ 3)?
Die Hauptform der Gleichung des gesuchten Kreises ist
(x + 2)2 + (y + 1)2 =,2.
, ist unbekannt. Da PI auf dem Kreis liegen soIl, miissen seine Koordinaten die Kreisgleichung er·
ftillen. Die Koordinaten eingesetzt, flihrt zu der Bestimmungsgleichung
(4 + 2)2 + (3 + 1)2 =,2. Daraus folgt 52 =,2.
Der gesuchte Kreis hat die Gleichung
(x + 2)2 + (y + 1)2 = 52.

Beispiel 5:
Auf welchem Kreis liegen die drei Punkte PI (6/7), P 2 (2/9), P 3 (-I/O)?
Der gesuchte Kreis hat die Gleichung
(x - xm)2 + (y - Ym)2 =,2.
In dieser Gleichung sind die drei Formvariablen (Konstanten) Xm • Ym und, unbekannt. Die Ko·
ordinaten jedes Punktes miissen aber die Gleichung erftil1en, das heill>t, es mu~ der Reihe nach
gelten
(6 - xm)2 + (7 - Ym)2 = ,2 (1)
(2-X m )2 +(9-Ym)2 = r2 (2)
(-I-x m )2+(0-Ym)2 = r2. (3)
Das sind drei Gleichungen mit drei Unbekannten (siehe auch Abschnitt III.2.). Zur Auf16sung
bildet man zunachst die Differenz vonje zwei Gleichungen:
(6-X m )2 - (2-X m )2 +(7-Ym)2 -(9-Ym)2 0
(6-X m )2 -(-I-x m )2 +(7-Ym)2 - (- Ym)2 = O.
Nach Auf16sung der Klammern fallen die Quadrate weg, und man erh1ilt
- 8 Xm + 4 Ym O} => - 2 Xm + Ym 0
-14x m - 14Ym = -84 +2xm + 2Ym = 12

= Ym = 4 und Xm = 2. Aus Gleichung (1) folgt mit diesen Werten


(6-2)2 + (7-4)2 = r2 = 42 + 32 = ,2
= r=5.
Die Gleichung des gesuchten Kreises ist
(x - 2)2 + (y - 4)2 = 52.

93
Mathematik IV.S.3.3

Beispiel 6: y
Welcher Kreis bertihrt die Koordinatenachsen
und geht durch den PunktP I (2,5/4)? 12
Wenn der Kreis die Koordinatenachsen bertihrt,
dann sind die Koordinaten des Mittelpunkts 10
gleich groB und auch gleich dem Radius:
Xm =Ym =r.
Die Gleichung des gesuchten Kreises hat somit
die Form
(x-r)2 +(y-r)2 =r2.
Setzt man flir x und 'y die Koordinaten des ge-
gebenen Kreispunktes PI ein, dann ergibt sich
eine quadratische Gleichung flir r:
(2,5 - r)2 + (4 - r)2 = r2 6 8 10 12 x

°
~ 6,25-5r +r2+ 16-8r+r 2 =r2
~ r2 - 13 r + 22,25 =
rl = 10,97 (Rechner: 10,972136)
== rl,2 = 6,5 ± V6,5 2 - 22,25 ~ {
r2 = 2,03 (Rechner: 2,027864)

Zwei Kreise erftillen die gestellten Bedingungen.

5.3.3. Kreis und Gerade


Ein Kreis und eine Gerade konnen drei grund-
satzlich verschiedene Lagen zueinander haben:
s I. Die Gerade ist Passante p; sie hat mit dem
Kreis keinen Punkt gemeinsam.
2. Die Gerade ist Tangente t; sie hat mit dem
Kreis genau einen Punkt, den Bertihrungs-
punkt P, gemeinsam.
3. Die Gerade ist Sekante s; sie hat mit dem
Kreis zwei Punkte, die Schnittpunkte PI
undP2 , gemeinsam.
FUr die Gleichungen von Kreis und Gerade
bedeutet das:
Das Gleichungssystem Gerade-Kreis hat 1. keine Losung,
2. genau eine Losung,
3. zwei verschiedene LOsungen.

94
IV.5.3.3 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

Die allgemeine Rechnung mit der Mittelpunktsgleichung des Kreises x 2 + y2 = r2 und der Haupt-
form der Geradengleichungy = mx + Yo ergibt folgendes:
Einsetzen von y der Geradengleichung in die Kreisgleichung ergibt eine quadratische Gleichung
flir x, die aufzulasen ist:
x 2 + (mx + YO)2 = r2
x 2 +m 2x 2+2mxyo +yg = r2
x 2(l+m 2 )+2myox + (Yo2-r2) 0
myox yg - r2
x2 + 2-- + 0
1+m 2 1+m2

myo mYo)2 y~-r2


x 1,2 - -1-+-m-2 ± ( - - ----
- 1+ m 2 1 +m2

Entscheidend flir die Lage von Kreis und Gerade zueinander ist der Radikand, der Ausdruck unter
der Wurzel (die Diskriminan te):

1. (l+m 2 )r2 < yi ==> keine Lasung == Gerade ist Passante


2. 2
(l+m )r2 = Yo2 ==> genau eine Lasung == Gerade ist Tangente
3. (l+m 2 )r2 > yg ==> zwei Lasungen ==> Gerade ist Sekante.

Tangenten (beriihrende Geraden) gibt es nicht


nur beim Kreis, sondern auch bei allen anderen
Kurven. Und zu jeder Tangente gehart eine
Normale. Normale nennt man die in ihrem
BerUhrungspunkt errichtete Senkrechte auf der
Tangente. Beim Kreis geht die Normale durch
den Kreismittelpunkt. 1st m = tan 0: die Tan-
gentensteigung und mn = tan (0: ± 90°) die
Normalensteigung, dann ist m' mn = - 1, da
tan (0: ± 90°) = _ _1_ ist.
tan 0:

1st der Punkt PI (x d y I) ein Punkt des Kreises mit der Gleichung x 2 + y2 = r2 , dann ist die Gera-
dengleichung in Punkt-Steigungs-Form
y-YI YI
X-XI=mn=~ Gleichung der Normale.

95
Mathematik IV.5.3.3
XI
Die Tangente hat wegen m' mn = - 1 die Steigung m = - h und somit in der Punkt-Steigungs-
form

als Tangentengleichung.
Umformungen ergeben
Die rechte Seite ist aber = r2 , da (xi/yd ein
Kreispunkt ist. So ergibt sich
XXI + YYI = r2 , die Tangentengleichung.

Diese Gleichung ist besonders leicht zu merken, da man in der Kreisgleichung nur jeweils einen
Faktor jedes quadratischen Gliedes durch die zugehorige Beriihrungspunkt-Koordinate ersetzen
muE, urn die Tangentengleichung zu erhalten.
Nach dem gleichen Verfahren bildet man (ohne Beweis) zu dem in der Hauptform gegebenen
Kreis k die Gleichung der Tangente t imKreispunkt PI(xl/yd:

Gleichung des Kreises k

(X - Xm)(XI - xm) + (y -Ym)(YI -Ym) = r21


Gleichung der Tangente t
t

Beispiel! :
Welche Schnittpunkte haben der Kreis mit der Gleichung X2 + y2 = 9
und die Gerade mit der Gleichung Y =x + I?
Aus dem System der beiden gegebenen Gleichungen folgt durch Einsetzen
X2 + (x + 1)2 9 = 2 X2 + 2 X - 8 = 0 =
X2 + x-4 0 = XI,2 = - ~ ± -V~ + 4 =
Xl2 = -
, !2 ± !2 V0 = - 0,5 ± 2,0616.

Mit Hilfe der Geradengleichung werden die zugehOrigen y-Werte berechnet, und man erhalt als
Schnittpunkte P I (1,5616/2,5616) und P2 (-2,5616/-1,5616).

Beispiel 2:
Welche Geraden mit der Steigung m =- ~ beriihren den Kreis mit der Gleichung X2 +y2 = 9?
Nach der Tangentenbedingung (1 + m 2)r2 =yl ergibt sich hier

Y5 = (1 +%)- 9 = 1: ·9 Yo = ± ~ 017 = ± 5,4083.


Die gesuchten Tangentengleichungen sind
3
Y = - '2 X + 5,4083 und Y=- '32 X - 5,4083 .
(Die erste dieser beiden Tangenten ist im zweiten Bild dieses Abschnitts "Kreis und Gerade" zu
finden.)
IV.5.4 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

Beispiel 3:
Welche Gerade berlihrt den Kreis urn M(1 ,5/-3), der durchP I (-1,5/1) geht, in PI?
Der Kreis hat die Gleichung
(x - 1,5)2 + (y + 3)2 =r2. Setzt man fUr x und Y die Koordinaten von PI
ein, dann erhaIt man
also r = 5. Nunmehr sind in der Tangengenten-
gleichung
(X-Xm)(XI-Xm)+(Y-Ym)(YI-Ym) =r2 aile Konstanten bekannt:
(x-l,5)(-1 ,5 -1,5)+ (y + 3)(1 + 3) = 25 ist die Gleichung der Tangente.
In der Hauptform der Geradengleichung heiBt die gesuchte Tangentengleichung
Y = O,75x + 2,125.
Man kann die gesuchte Tangentengleichung natlirlich auch ohne Rlickgriff auf die hergeleiteten
Formeln bestimmen:
YI-Ym 1+3 4
= =--=m ist die Steigung der Normale.
x I - Xm -1,5 - 1,5 3 n

-1 3
m=mn ="4 ist die Steigung der Tangente.

Y-YI y-l 3
x- XI = m , also x + 1,5 = "4 ist die Punkt-Steigungs-Form der Tangente, also

3 1
Y="4x+28 oder y=O,75x+2,125 die Hauptform dieser Geradengleichung.

5.4. Kegelschnitte
Ein Kegelschnitt ist die Schnittfigur einer Ebene und des Mantels eines geraden Kreiskegels. Der
gerade Kreiskegel ist im Abschnitt Stereometrie erkJart. Flir die Definition der Kegelschnitte
betrachte man nur den Mantel, diesen aber durch Verliingerung der erzeugenden Seitenlinien liber
die Spitze hinaus zum Doppelkegel erweitert.
Legt man eine Ebene senkrecht zur Achse, dann erhaIt man
als Schnittfigur einen Kreis. Der Kreis ist also bereits ein
Kegelschnitt. Einen weiteren besonderen Kegelschnitt er-
hiilt man , wenn man die Ebene durch die Spitze legt, niim-
lich einen Punkt.
1st die durch die Spitze gehende Ebene so we it geneigt, da~
sie den Kegel berlihrt, ergibt sich eine Gerade, bei weiterer
Neigung zur Achse hin zwei Geraden. 1st die Ebene gegen
die Achse geneigt und schneidet sie aile Seitenlinien der
einen HaIfte des Doppelkegels, dann erhiilt man eine
Ellipse.
Schneidet die Ebene Seitenlinien von beiden Hiilften des
Doppelkegels, dann ist die Schnittfigur eine Hyperbel.
Obergangsfigur ist die Parabel, die entsteht, wenn der
schneidenden Ebene genau eine Seitenlinie parallel verliiuft.

97
Mathematik IV.S.4.1
Die nahe Verwandtschaft der Kegelschnitte zeigt sich auch in ihren Gleichungen: Jeder Kegel·
schnitt ist das Schaubild einer Gleichung zweiten Grades, das hemt einer Gleichung, in der x undy
nur linear und im Quadrat vorkommen. Man kann also formulieren:
AX2 + 2Bxy + Cy2 +Dx + Ey + F= 0 allgemeine Gleichung eines Kegelschnitts.
Diese Gleichung enthalt als Sonderfalle auch Gleichungen von Geraden, von Punkten und von
imaginaren Kegelschnitten.

Beispiele:
1. Mit A =-1, B=C=D=O, E= 1, F=O erhalt man y =x 2 , die Gleichung der Normal-
parabel.
2. MitA=B=0,C=I,D=-2p,E=F=0 erhalt man y2 = 2px, mit p > 0 die Scheitel-
gleichung der nach rechts offenen Parabel.
3. MitA=I,B=0,C=I,D=E=0,F=-,2 erhalt man x 2 +y2 =,2, die Mittelpunktsglei-
chung des Kreises.
2 2
4. Mit A = a\,B=O,C= bI2 ,D=E=0,F=-1 erhalt man ~2 + ~2 = 1, die Mittelpunktsglei-
chung der Ellipse.
2 2
5 . Mit A =J...
a2 " B = 0 C=_J...
b 2 ' D=E=O , F=-1 erhalt man ~2 -~2 = 1, die Mittelpunktsglei-
chung der Hyperbel.

5.4.1. Die Parabel


Die Parabel als Graph der quadratischen Funktion wird in IV. 2.4. behandelt.
Dreht man die Normalparabel mit der Gleichung y = x 2 urn den Scheitelpunkt urn 900 nach rechts,
so daB sie nach rechts offen ist, hat sie die Gleichung y2 = x und ist somit Graph der Funktions-
gleichungen y = + y'X undy =-y'X. Die gestreckte oder gestauchte nach rechts offene Parabel hat
die Gleichung

y2 = 2px p>O Scheitelgleichung der


Parabel
p heiBt Parameter

x=-P. ist Gleichung der Leitlinie


2

F(~I 0) ist Brennpunkt

Der Brennpunkt hat die Eigenschaft, aile innen


an der Parabel reflektierten achsparallelen Strah-
len in sich zu vereinigen (Anwendung: Parabol-
spiegel).

PI (XI /yd ist ein beliebiger Parabelpunkt. Er ist Ecke eines begleitenden Rhombus. Die von der
Ecke PI ausgehende Diagonale des Rhombus ist Tangente an die Parabel:
yYI = p(x + xd Tangentengleichung
p=p Kriimmungsradius der Parabel im Scheitelpunkt S
Mk(p/O) zugehoriger Kriimmungskreismittelpunkt

98
IV.5.4.1 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

Allgemeine Scheitelgleichung der Parabel: 1st S(xs/Ys) =1= 0 der Scheitelpunkt, dann erhiilt man

(y - Ys)2 == 2 p(x - xs) mit p > 0 Gleichung der nach rechts offenen Parabel
p
x ==xs -"2 Gleichung der Leitlinie

F(~+Xs/Ys) Brennpunkt

(y - Ys)(YI - Ys) == p(x + XI - 2 xs) Gleichung der Tangente inP I (XJ/YI).

Beispiel! :
Eine Parabel hat die x-Achse als Parabelachse, die y-Achse als Scheiteltangente und geht durch den
Punkt PI (5/6). Welche Gleichung hat die Parabel? Welcher Punkt ist Brennpunkt? Welcher Punkt
ist Mittelpunkt des Kriimmungskreises im Scheitelpunkt? Wo beriihrt die Tangente mit der Stei-
gung -1 die Parabel?
XI undYI werden in die Scheitelgleichungy2 == 2px eingesetzt:
36=2p-5 =p==3,6 p ==p==3,6
Aus der Tangentengleichung YY2 == p(x + X2) (P 2 sei gesuchter Beriihrpunkt)
p p
folgt ==-X+-X2
YY2 Y2
in der Hauptform der Geradengleichung. Aus der Bedingung

m2 == :2 == - 1 ergibt sich Y2 =-p, also Y2 =-3,6;


3 62
aus der Parabelgleichung folgt X2 == 7',2 == I,S.

Ergebnisse:
Parabelgleichung: y2 ==7,2x
Brennpunkt: F(l,S/O)
Kriimmungskreismittelpunkt: Mk(3,6/0)
Beriihrungspunkt mit Steigung -1: P 2 (l,8/-3,6)

Verallgemeinerung dieses Ergebnisses: Die Tangenten iiber und unter dem Brennpunkt haben die
S teigungen + lund -1; die Beriihrungspunkte haben die Ordinaten +p und - p.

Beispiel 2:
Eine nach rechts offene Parabel hat die Gerade == - 2 als Scheiteltangente, geht durch den Punkt
=!.
X

PI (2/7) und hat in diesem Punkt die Tangentensteigung ml Wie heiBt die Gleichung der
Parabel?
Die Tangente in PI hat in Punkt-Steigungs-Form die Gleichung
Y -7 1 1
- - = - =y==-x+6 Tangentengleichung in der Hauptform der
x-2 2 2
Geradengleichung.
Die Tangente hat aber als Parabeltangente auch die Gleichung
= (y - Ys)(7 - Ys) == p(x + 2 - 2 . (- 2)) .

Diese Gleichung wird auf die Hauptform der Geradengleichung gebracht:

99
Mathematik IV.5.4.1

P 6p
Y =--x+--+y Vergleicht man mit der obigen Hauptform der-
7-ys 7-ys s·
selben Geraden:
+ 6, so stellt man fest, daB einmal

ml =_P- zum anderen


7 -Ys 2'
6p
Yo +Ys =6 ist. Nur wenn diese beiden Bedingungen erftillt
7 - Ys
sind, stell en beide Gleichungen ein und dieselbe
Gerade dar (Methode des Koeffizientenver-
gleichs).
P
Setzt man 7 _ Ys = 2I aus der vorletzten Gleichung in die letzte Gleichung ein, so erhiilt man
I
6 • 2 + Ys = 6 => Ys = 3. Mit diesem Wert ist nach der m I-Gleichung
P I
Die gesuchte Parabelgleichung ist
7-3 =2 => p=2.
(y - 3)2 = 4 . (x + 2) .
Die letzte Zeichnung veranschaulicht diese Lbsung, wenn man in der Zeichnung das Achsenkreuz
urn zwei Einheiten nach rechts und drei Einheiten nach unten verschiebe; Einheit I =~.
Mit geringerem rechnerischen Aufwand liiBt sich die Aufgabe Ibsen, wenn man den begleitenden
Rhombus in die Rechnung einbezieht: Da die Tangente als Diagonale des begleitenden Rhombus
die Parabelachse in einem Punkt schneidet, der genauso weit links von der Scheiteltangente (hier
x = - 2) liegt wie PI rechts davon (XI - xs),
gilt die Gleichung y!-ys=m! . 2(x! -x s)
(siehe Parabelzeichnung mit Xs = Ys = 0).
I
Setzt man in diese Gleichung XI =2, YI =7, ml =2' x s =-2
I
ein, so folgt 7-Ys=2' 2(2-(-2)) => Ys=3.
Aus der Parabelgleichung folgt dann
(YI _Ys)2 =2p(xl -x s) (7 - 3)2 = 2p(2 + 2) => p = 2, so daB
(y-3)2 =4(x+2) die gesuchte Parabelgleichung ist.

Beispiel 3:
Eine nach unten offene Parabel hat die y-Achse als Parabelachse, den Ursprung 0 als Brennpunkt
(0 = F) und den Punkt S(0/2,5) als Scheitelpunkt. Welche Gleichung hat die Parabel? Wo schnei-
det sie die x-Achse?
Die allgemeine Scheitelgleichung der nach unten offenen Parabe1 ist
(x - x s)2 =- 2p(y - ys).

In diesem Faile sindx s = 0, Ys = 2,5, ~ = 2,5 (EntfemungFS).


x2 = - 10 (y - 2,5) heiBt somit die Parabelgleichung.
FUr die Punkte mit y1,2 = 0 ergibt sich Xl,2 = ± 5 .

100
IV.S.4.2 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

5.4.2. Die Ellipse Eine Ellipse ist ein Oval, das man erzeu-
y
gen kann, indem man eine endlose Schnur
(einen endlosen Faden) der Lange L urn
zwei feste Pfl6cke (Stecknadeln) FI und
F2 legt und mit einem Stock (Bleistift)
straff spannt und diesen ringsum ftihrt
(Gartner-Konstruktion). Das so entstehen-
de Oval hat zwei zueinander senkrechte
Symmetrieachsen (x-Achse undy-Achse).
Mit PI als beliebigen Ellipsenpunkt setzt
b sich L wie folgt zusammen:

5;

(1) L = IF2MI + IMFII + IFIPII + IPI F 2 1

(2) L = e + e + rl + r2· Mit Scheitelpunt S I als Ellipsenpunkt ergibt sich


(3) L = IF2MI + IMFII + IFISII + ISIF21. Aus Symmetriegriinden ist iFISII = IF2S21;
dieses in Gl. (3) eingesetzt:
(4) L = IF2MI + IMFI 1+ IF;S;I + 1s;F;"1
(5) L
(6) L =
.
= IF;MI + I~I +
2e +
IS:S21
2a.
Aus (2) und (6) folgt (7) .
Satz: Die Ellipse ist die Menge aller Punkte P,
(7) rl +r2 =2a. deren Abstandssumme (rl + r2) von zwei festen
Punkten (FI und F 2) konstant (= 2a) ist.
Mit dem Nebenscheitelpunkt S; als Ellipsen-
punkt erhait man

(8) IS;FII + IS;F21 = 2a. Da aus Symmetriegrtinden IS;FII = IS;F21ist,


folgt
(9) IS;FII Der Satz des Pythagoras liefert (siehe Figur)
(10)b 2 +e 2 = a2 ~ b=ya 2 -e 2 •

Zusammenfassung und Erganzung der einschiagigen Bezeichnungen und Zusammenhange bietet


die folgende

Obersicht:
M(O/O) Mittelpunkt
FI(e/O) und F 2 (-e/O) Brennpunkte
SI(a/O) und S2(-a/O) Hauptscheitelpunkte
S;(O/b) und S~(O/-b) Nebenscheitelpunkte
a, b>O Halbachsen
2a und 2b Haupt- und Nebenachse
e= .J/i2 - 2;;;..
b 0 line are Exzentrizitat
€= <1 numerische Exzentriziilit
beliebiger Ellipsenpunkt
!PIPII + IP I F 2 1 =rl +r2 =2a Ellipsenbedingung
b2
P=a Parameter

101
Mathematik IV.5.4.2

b2 a2
P a =-a=P und Pb =b Krtimmungsradien in S 1,2 und in S~,2
A =ab1T FHicheninhalt der Ellipse
2 2
~+L=1 Ellipsengleichung (Mittelpunktsfonn)
a2 b 2
XIX YIY
-+-=1 Gleichung der Tangente in PI al' die Ellipse
a2 b2

Beispiel 1 :
Von einer Ellipse sind a =5 und b =3 gegeben. Der obere Ellipsenpunkt PI mit X 1 = 4 ist gesucht.
2 2
Nach der Ellipsengleichung ~ +L = 1
25 9
ergibt sich flir X =X I = 4
die positive Ordinate Y = YI :

Der gesuchte Punkt istP I (4/l,8).


Man kann die Aufgabe auch durch Konstruk-
tion losen und begleitend rechnen, und zwar
mit Hilfe des Hauptscheitelkreises, des Kreises Haupfscheifelkreis
urn M durch SI und S2 und mit Sk als Schnitt-
punkt mit der y-Achse: Die Ellipse ist das im
Verhaltnis b: a gestauchte Bild ihres Haupt- a
scheitelkreises. b
Der Kreispunkt P k (x J/Yk) tiber dem gesuchten x
Ellipsenpunkt PI ist konstruierbar und hat die
f'1 =0
Ordinate Yk = ya 2 - xi '

eingesetzt Yk = y25 - 16 = Yk =3 .
Nach dem Strahlensatz
(StrahlenzentrumZI =SkPk nx-Achse)
ist Yk:YI=a:b,
eingesetzt 3 :YI = 5 : 3 == Y I = 1,8 .

Somit ist PI (4/1,8) der gesuchte Punkt.


Beispiel 2:
1m Punkt PI (3,1 /2,7) einer Ellipse in Mittelpunktsfonn mit der Halbachse a = 4,8 ist die Tangente
gesuch 1. Wie groB ist e?
Nach der Ellipsengleichung ist

Damit ist die Gleichung der Tangente 3,lx +2.22'... =1


23,04 12,506
In der Hauptform der Geraden ist
die Gleichung der gesuchten Tangente y = -O,6232x + 4,632
Ftir e erhlilt man e = ')23,04 -12,506 = 3,246
102
IV.S.4.2 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

Die Konstruktion der Tangente und da-


y
mit naherungsweise Bestiitigung der
Lelfkreis
rechnerischen Ergebnisse zeigt in zwei-
facher Weise die nebenstehende Figur.
1. Der dem gegebenen Punkt PI zuge-
ordnete Scheitelkreispunkt Pk(x t!Yk)
ist Beriihrungspunkt der Scheitelki~is­
tangentePkT lPkM.
Beim Stauchen des Scheitelkreises zur
Ellipse wird aus der Kreistangente die
Ellipsentangente PI T. Die Nebenschei-
telpunkte S; ,... (Halbachse b) und die
Brennpunkte F I , F2 (line are Exzentri-
zitat e) werden bei dieser Konstruk-
tion nicht benotigt.
2. Bei einem zweiten Konstruktionsverfahren benotigt man zunachst den Nebenscheitelpunkt S;
(etwa nach dem Verfahren von Beispiel 1) und dann die Brennpunkte FI undF2 (Schnittpunkte
der x-Achse mit dem Kreis urn S; mit dem Radius a). Nun zeichnet man den Leitkreis urn F2 mit
dem Radius 2a und zeichnet die Strecke F 2 F; der Lange 2a durch den gegebenen PunktP I ein.
Durch Verbinden von PI mit FI erhalt man das gleichschenklige Dreieck l:,.FIF;P I , denn der
Streckenzug F 2 P I F I hat auch die Lange 2a (siehe "Ubersicht": 'I +'2 = 2a). Die Mittelsenk-
rechte von FIFi (Symmetrieachse des gleichschenkligen Dreiecks l:,.FIF;Pd ist die gesuchte
Tangente in PI an die Ellipse.
Beispiel 3:
Eine Ellipse mit den Halbachsen a = 5,5 und
b = 4,2 soil mit Hilfe der Kriimmungskreise in
den Scheitelpunkten naherungsweise konstruiert
werden.
Man zeichnet die beiden Achsen 2 a und 2 b mit
dem Ellipsenmitte1punkt M und den Scheitel-
punkten S I, S;, ... Dazu komrnt das umbeschrie-
bene Rechteck, das die Ellipse in den Scheitel-
punkten beriihrt. Von einer Ecke E I des Recht-
ecks fallt man das Lot auf SIS;. Dieses schnei-
det die Hauptachse in Ma, die Nebenachse in
M b , den Mittelpunkten der Krtimmungskreise in
den Scheitelpunkten; die Krtimmungsradien
sind also Pa = lMaSl1 und Pb = IMbS; I.
Durch Dbertrag auf die beiden anderen Scheitelpunkte kann man alle vier Ellipsenviertel nahe-
rungsweise zeichnen.

Begriindung:
l:,.EIMaS I - l:,.SIS;M = Pa : b = b : a

Pa und Pb stimmen mit den in der "Ubersicht" angegebenen Kriimmungsradien in den Scheitel-
punkten iiberein.
103
Mathematik IV.5.4.3

5.4.3. Die Hyperbel


Ir2-rll = 2a>O Satz: Die Hyperbel ist die Menge aIler Punkte
P(x/y), deren Abstandsdifferenz (r2 - rd von
y
zwei festen Punkten (FI und F 2 ) einen kon-
stanten Betrag hat.
Dieser Satz entspricht dem vergleichbaren Satz
flir die Ellipse.
Sinnfillige Unterschiede zur Ellipse sind:
1. Die Hyperbel hat keine Nebenscheitelpunkte.
2. Die Hyperbel hat keinen endlichen Flachen-
halt.
3. Die Hyperbel hat zwei Aste.
4. Die Hyperbel hat zwei Asymptoten.
Scheitelkreis

Asymptoten (A-sym-ptoten = Nicht-zusammen-fallende) heiEen die Geraden mit den Gleichungen


b
y=±{ix.

Der Name ist dadurch begrUndet, daE die Hyperbelaste sich mit x -+ ± 00 diesen Geraden unbe-
schrankt annlihem, ohne sie je zu erreichen. Denn lost man die Hyperbelgleichung nachy auf, so

erhlilt man
,~
y=±bV~-1.

FUr den rechten oberen Halbast der Hyperbel ist x;;;'a>O und y;;;'O.
An einer beliebigen Stelle x ist die Hyperbel-
~
2
ordinate Yh =b - - 1
2 a
b
und die Asymptotenordinate Ya ={ix.

Als Quotienten erhlilt man = R 2


1-- < 1
X2 '

das heillt, an jeder Stelle x;;;. a liegt ein Punkt der Hyperbel unter dem zugehOrigen Punkt der
Asymptote.
Nach den Grundregeln der Limesbildung im
Abschnitt "Grenzwerte" (VIII. 2.) ist lim Yh = lim
x -+ Ya x --+
00 00
-0 - a2 = 1
x2 '

das bedeutet, die Annliherung der Hyperbel an die Asymptote erfolgt unbegrenzt, also kommt der
rechte obere Halbast der Hyperbel der Asymptote mit wachsendem x immer naher, ohne sie je zu
erreichen. Entsprechendes gilt aus SymmetriegrUnden flir die drei anderen Halbaste der Hyperbel.

104
IV.5.4.3 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

Ubersicht:
M(O/O) Mittelpunkt
FI(e/O) und F 2(-e/0) Brennpunkte
SI(a/O) und S2(-a/0) Scheitelpunkte
a, b >0 Halbachsen
e =va 2 + b 2 >0 line are ExzentrizWit
e= ~ >1 numerische Exzentrizitat
a
PI(XI/YI) beliebiger Hyperbelpunkt
IIF2 P I I- IPIFIII = Ir2 - rll = 2a Hyperbelbedingung
b2 Parameter
P=i1
b2
P a =i1=P Kriimmungsradius in S lund S 2
X2 y2
---=1 Hyperbelgleichung (Mittelpunktsform)
a2 b 2
XIX _YIY = 1
Gleichung der Tangente in Plan die Hyperbel
a2 b2
Y =±!!.x Gleichungen der Asymptoten
a

Beispiel! :
Von einer Hyperbel sind a, b und X I gegeben. PI (x I / Y I) ist gesucht.
a) a=5 b=3 XI =4
b)a=4 b=3 xI=5.
Die Hyperbel ist mit Hilfe des Kriimmungskreises in S I (S2) zu konstruieren.
a) In die Hyperbelgleichung eingesetzt, ergibt
sich
42 Y; 81 9 18 .
5"2-32 = 1 == YI2 =-25 == .
YI =5 1 = , I
y
Die Lasung ist imaginar; einen Hyperbelpunkt
PI (4/y I) gibt es nicht. 1m Intervall-a <x I < +a
gibt es keinen Hyperbelpunkt. e

b) Hier liefert die Hyperbelgleichung


52 Y; 9, 9
42 - 3 2 = 1 == Y I = 4 und Y I = - 4 . a x
Es handelt sich bei dieser Aufgabe um den Hy-
perbelpunkt liber bzw. unter dem Brennpunkt.
2
Flir den Kriimmungsradius in S I , P a = ba , ergibt
sich auch Pa = ~.
Diese Ubereinstimmung von Y lund Pa laBt sich nicht verallgemeinern, denn Y list im allgemeinen
als Quadratwurzel irrational, wahrend Pa bei rationalen a und b immer rational ist.

105
Mathematik IV.5.4.3

Beispiel 2:
Die Gleichung der Tangente im Punkt PI (5,6/3,4) an die Hyperbel in Mittelpunktsform mit der
Halbachse a = 2,8 ist zu berechnen. Wie grail> ist e?
Zur Berechnung von b dient die Hyperbelgleichung:

5,6 2
2,8 2
- 3,4 2
b2
=I = b2 =3,853 = b = 1,963.

Die Tangentengleichung lautet somit


5,6x 3,4y
7 ,84 - 3 ,853 =I ; auf die Hauptform der Gerdadengleichung ge-
bracht:
y =0,8095 x -1,133. Ferner: e =y7,84 + 3,853 =3,420.

Beispiel 3:
In Anlehnung an Beispiel 2 ist von einer Hyperbel der Mittelpunktsform die line are Exzentrizitat
e = 3,420 und der Punkt PI (5,6/3,4) gegeben. Durch Konstruktion sind die Scheitelpunkte, die
Asymptoten und die Tangente in PI an die Hyperbel zu finden.
Man zeichnet F I , F2 und PI und umP I einen Kreisbogen durch Fl. Dieser schneidetP I F 2 in F{.
Die Strecke F{F2 hat wegen der Hyperbelbedingung 1'2 - 'II = 2 a die Lange 2a. Mit der hal-
ben Lange a als Radius zeichnet man urn die Mitte M von FI F2 den Scheitelkreis. Dieser schneidet
FIF2 in den gesuchten Scheitelpunkten
S lund S2. Der Kreis urn M mit e schnei-
det die in SI und S2 auf FIF2 errichte-
ten SenkrechteninA I ,A~, A 2 , A;, Punk-
ten auf den gesuchten Asymptoten.
SchlieBlich ist die Winkelhalbierende von
"4F I P I F{ die gesuchte Tangente.
Denn jeder Punkt dieser Winkelhalbieren-
den, aull>er PI, hat eine Entfernungsdiffe-
x
renz von FI und F 2 , die kleiner als 2 a ist,
liegt also aull>erhalb der Hyperbel.

Die errechneten Ergebnisse von Beispiel 2


kann man mit der Zeichnung vergleichen.

106
IV.5.4.4 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

5.4.4. Anwendungen der Kegelschnitte

Beispiel 1: Ein parabelformiger Brtickenbogen - Achse vertikal und Parabel nach unten offen -
hat zwischen den in gleicher Hohe liegenden Lagern - Enden - des Bogens Lund L' die Spann-
weite 2a = ILL' Im = 32 m. Die Scheitelhohe - Hohe des Scheitelpunktes S tiber LL' - betragt
b = 10 m. Die horizontal verlaufende StraBe liegt h = 4 m tiber LL' und schneidet den Brticken-
bogen in PI und P; , den Befestigungspunkten des StraBenkorpers. Der StrliEenkorper wird dann
noch auBer von einem Vertikalstab im Scheitelpunkt S (Lange b - h = 6 m) von zwei Vertikal-
staben gehalten, die in der Mitte des horizontalen Abstandes von S und PI und von S und P; in
den Punkten P2 und P~ am Brtickenbogen angebracht sind.
Wie groB ist die Lange I dieser Vertikalstabe? y
Wie groB sind IPIP; I und IP2P~ I ? _---f'S'--=-~~~~~.-~~~~~_
x
Die Skizze veranschaulicht nur die Halfte der
symmetrischen StraBenbrticke. Zur Losung
der Aufgabe denkt man sich ein Achsenkreuz
gelegt, so daB die Brtickenbogenparabel die PI strane
~'~~-----.~----~--~-------
Gleichung y=-ax 2 hat. Mit den Koordina-
ten des Lagerpunktes L ergibt die Parabel-
gleichung
b
- b = - aa 2 , woraus folgt: a = 2" .
a
Der Befestigungspunkt PI hat nach Aufgabenstellung die Ordinate YI = - (b - h). Mit Hilfe der
Parabelgleichung erhalt man seine Abszisse XI:
YI = - ax?" Man lost nachxI auf und setzt YI und a ein:

Xl - _~~
- --_b- -_ a ~b-h .
-_/-Cb-h)
-(X V -di b

Der Befestigungspunkt P2 soli die Abszisse

1
X2 ="2XI ="2a ,V~
~-b-
h ab en, aso
1 "1St seme
" 0 r d"mate

Y2 =-ax;=- ~ (i Vb~h)2 b~h


Die gesuchte Vertikalstablange list
3
I=Y2 -YI ="4(b-h).

Die Strecken PIP; und P2P~ haben die Langen

2xI = 2a
,(8
V~-b- und 2X2 =a
,18.
V--bb--"
Mit den gegebenen Abmessungen sind die Strecken
3
I ="4(lOm-4m) = 4,50m

2xI = 2' 16 m V----w-


,;'10=4
= 24,787 m

2X2 = 16m V----w-


.(10-4
= 12,394m.
107
Mathematik IV.S.4.4

Beispiel 2: Welche nach oben offene Parabel mit dem Scheitelpunkt S (- 4/-1) beriihrt die Gerade
Y = x? Welche Koordinaten hat der Beriihrungspunkt PI?
Die Gleichung der nach oben offenen Parabellautet
(x - xs)2 = 2 P (y - Ys). (xs/Ys) = (- 4/-1) eingesetzt:
(x+4)2=2p(y+l).
Die zugehorige Tangentengleichung y
im Beriihrungspunkt P I (x IIY I ) ist
(x+4)(x1 +4)=p(y+l)+p(YI + 1).
Tangentengleichung ist aber auch
x=y.
Beide Formen der Tangenglei- x
chung sind identisch, so da~
Koefflzientenvergleich anzu-
wenden ist:
1. Die Koeffizienten von x und y
sind 1 oder gleich und ungleich 0:
(l) xI+4=p.

2. Die Absolutglieder (Konstanten) sind aufbeiden Seiten 0 oder gleich:


(2) 4(xI+4)=p+PYI+P'
(1) in (2) eingesetzt, ergibt
4p=2p+pYI => 4=2+YI =-
(3) YI =2. Wegen x = Y ist auch
(4) XI = 2. Mit (4) ergibt sich aus (1)
(5) P = 6.
Ergebnisse: Die gesuchte Parabel hat die Gleichung
(x + 4)2 = 12(y + 1), gesuchter Beriihrungspunkt ist
PI (2/2).
2 2
Beispiel 3: Bestimme von der Ellipse ~6 +~8 = 1 die Ecken des gro~ten einbeschriebenen Qua-
drats! Welches Verhiiltnis haben die Fliicheninhalte dieses Quadrats und der Ellipse?
Aus Symmetriegriinden liegen die Ecken des gesuchten Quadrats auf den Winkelhalbierenden der
vier Quadranten des Koordinatensystems: Es sind die Geraden y=x und y=-x. Zur Berechnung
eines Eckpunkts setzt man seine Abszisse x I fi.ir x und fUr Y in die Ellipsengleichung ein:
2 2
XI XI _ 2 _ _M
36 + 18 - 1 => XI - 12 => XI = ±2 y 3 .
Wegen y = ±x ist auch YI = ± 2 V3.
Somit sind die vier Eckpunkte des Quadrats (± 2 V3/± 2 V3) = (± 3,464/± 3,464), seine Seitenliinge
ist 4~ 6 ,928, seine Fliiche AD =48. Die Ellipse hat den Fliicheninhalt A ell =ab1T= 6 . 30
'1T= 79 ,97.
Das Verhiiltnis beider Fliichen ist
48
_M = 0,6002.
6'3'y2'1T

108
IV.5.4.4 IV. Funktionen, graphische Losungen, analytische Geometrie

Beispiel 4: Ein Stab mit den Drehlagern a undM und der Lange IOMI = r ist urn a drehbar, und
urn M dreht sich ein zweiter Stab der Llinge IMPI = s. In der Ausgangsstellung liegen M und Pals
Mo und rechts davon Po auf der Grundrichtungsachse OPo . Wlihrend sich nun OM urn den Win-
kel <p nach links dreht, dreht sich MP relativ zu OM urn 2 <p nach rechts. Auf welcher Kurve bewegt
sich P bei fortgesetzter Drehung?

Die Losung der Aufgabe erfolgt


y tiber die Parameterdarstellung der
Ellipse:
x = a cos<p
y = b sin <p.
Man bestlitigt:
Die Quadratsumme von
x
Ii = cos<p und

O'P
~~~b-=-r-_-s---L--r-------~~-r-----1·°--X
No R t = sin <p ergibt wegen

r cos 2 <p + sin 2 <p = 1


x die Mittelpunktsform der Ellip-
sengleichung:
x2 y2
2"+2"= 1.
a b
In der vorliegenden Aufgabe ist a = r + s (gro~e Halbachse), b = r - s (kleine Halbachse). P bildet
mit A und B, den Schnittpunkten der Geraden OM mit dem Haupt- und Nebenscheitelkreis, ein
rechtwinkliges Dreieck, wie man aus der Figur abliest. Darum ergibt sich
x=(r+s)cos<p
y = (r - s) sin <p ,
die Parameterdarstellung der Ellipse, die als Bahnkurve von P gesucht ist. Ihre Mittelpunktsglei-
chung lautet
x2 y2
-----+ --= 1
(r+s)2 (r-s)2 .

Beispiel 5: Die Schnittpunkte der Geraden y =~ + 4 mit der Hyperbei 4 y2 - 9 x 2 = 36 sind


gesucht. Gibt es zu der Geraden paralleie Tangenten an die Hyperbei?
Die y-Achse ist Hauptachse der Hyperbel ~: - ;: = 1. Setzt man das y der Geraden ein, so erhlilt man

x2
-4 + 4x + 16 2 2 4 7
9
x
4 = 1 = 2
-"9 x +"9 x +"9 = 0 =
2 7 O.
x - 2x-"2 =

Diese quadratische Gleichung hat die Losungen

X12=+I±
, ~-=I±-V2
2
3
2
Xl =3,1213 X2 =-1,1213.

109
Mathematik IV.S.4.4

Aus der Geradengleichung ergeben sich y


die Ordinaten:
1 3
, =-±-v'2+4
YI2 2 4
YI = 5,5607
Y2 = 3,4393.
Schnittpunkte der Geraden mit der
Hyperbel sind
PI (3,1213/5,5607),
P 2 (-I,1213/3,4393) .
Die Tangentengleichung an die gegebe-
ne Hyperbel ist
YYt _ XXt = 1
32 22

mit dem noch unbekannten Bertihrungs-


punkt Pt (xtlYt). Bildet man hieraus die
Hauptform der Geradengleichung, dann
ergibt sich
9 Xt 9
y=--x+- .
4Yt Yt
Die Tangente soIl parallel zur gegebenen Geraden sein, hat also die Steigung 1. Somit mufl, gelten
9 Xt 1 9
4Yt = "2 = Yt = "2 Xt .

Der gesuchte Punkt ist ein Hyperbelpunkt, seine Koordinaten miissen also die Hyperbelgleichung
erftilIen. Man setzt in der Hyperbelgleichung Xt fiir x und ~ Xt fiir Y und erhiilt

(~XS x;
----=1 1
==>
32 22 2
1 1
Xu ="2v'2 und Xt2 =- "2v'2.

Wegen Yt =~Xt sind die dazugehorigen Ordinaten Yu =~ v'2 und Yt2 =- ~ v'2. Es gibt also
zwei Tangenten mit den BertihrungspunktenPtl (0,7071/3,1820) undPd-0,7071/-3,1820).
Die Tantentengleichungen sind

Y = O,5x + 2,8284
= Y = 0,5x - 2,8284.

Anmerkung: Tangenten gibt es bei dieser Hyperbel nur flir Steigungen 1m I <~ = ~ (Asymptoten-
steigung). So gibt es zum Beispiel parallel zur Geraden Y = - 2x keine Tangente. Fiir die iibliche
2 2 b
Hyperbel x 2 - Y 2 = 1 gibt es keine Tangenten mit Steigungen Im I .;;; - ; es gibt zwei paraIlele
a b b a
Tangenten flir jedes 1m I > a.

110
v. Planimetrie (ebene Geometrie)
1. Gerade Linien
1.1. Gerade
AB = BA = gist eine Gerade, das heifl.t eine
beidseitig unbegrenzte gerade Linie.
A Eg (lies: A Element g oder A aus g) heifl.t:
A ist ein Punkt der Geraden g.
C E$g (lies: C nicht Element von g) heiBt: C liegt
auBerhalb von g.
ABII CD oder gil h (g parallel h) hei18t: AB und
CD sind zwei parallele Geraden; sie haben
keinen Schnittpunkt gemein.
AB 1 CB oder g li (g senkrecht i) heifl.t: Die
Geraden g und i bilden einen Winkel von 90°
miteinander.
1.2_ Halbgerade (Strahl)

50-
....- ______ A SA =s ist eine Halbgerade mit dem Anfangs-
-<>---s pUnkt S, dem beliebigen Punkt A und ohne
Endpunkt. Man sagt auch, s ist ein von S aus-
gehender Strahl.
1.3. Strecke

AB (lies: Strecke AB) = BA ist eine Strecke, das


heifl.t eine beidseitig begrenzte gerade Linie.
AB und CD sind verschiedene Strecken, AB "
CD haben aber die gleiche Lange lAB I = I CD I=a
(lies: Betrag von Strecke AB gleich ...). a ist
eine reelle Zahl, die Llingeneinheit ist also l.
2_ Winkel
2.1. Winkel und Winkelbetrag, Gradmal'
)'".ABC (lies: Winkel ABC) hat den Scheitel-
punkt B und als Schenkel die Halbgeraden BA
und Be.
Gemessen wird der Winkel durch eine Drehung,
und zwar die Drehung urn B, die den Schenkel
B O-----'--....
A---
BA links herum in den Schenkel BC iiberflihrt.
Das Mafl. der Drehung und damit der Betrag des
Winkels ist I)'". ABC I =a. )'". DEF ist ein anderer
Winkel von gleichem Betrag: also )'".ABC 1=
)'".DEF, aber I)'".ABCI=I)'".DEFI=a (lies:
Betrag Winkel ABC gleich ...).
Anmerkung: Statt "Winkel mit dem Betrag a" sagt man meist kurz "Winkel a".

111
Mathematik V.2.2.3

Einheiten der Winkelmessung sind:


das Grad: 1° = 3!0 Vollwinkel
(lies: 1 Grad gleich ...)

das Neugrad (Gon): I g = 4~0 Vollwinke1


Vol/winkel (lies: 1 Gon gleich ...)
der Rechte (ein rechter Winkel):
1 R = 90° = ~ Vollwinkel
(lies: 1 Rechter gleich ...)

Sonstige Winkelbezeichnungen sind:

Nullwinkel 0°

Gi\)-o_..J..-__ gestreckter Winkel = 180°


spitzer Winkel: 0° < ex < 90°

stumpfer Winkel: 90° < ex < 180°

liberstumpfer Winkel: ex> 180°

2.2. Winkelpaare
2.2.1. Komplementwinkel
Zwei Winkel, die sich zu 90° oder einem Rech-
ten erganzen, heillen Komplementwinkel.

Beispiel 1 : Der Komplementwinkel zu ex = 25° ist R - ex = 65° .


Beispiel 2: Die beiden spitzen Winkel im rechtwinkligen Dreieck sind Komplementwinkel.

2.2.2. Supplementwinkel
Zwei Winkel, die sich zu 180° erganzen, heillen
____J...G;:_Ot_~~/'BOo-a Supplementwinkel.

Beispiel 1 : Der Supplementwinkel von ex = 95° ist 180° - ex = 85° .


Beispiel 2: Benachbarte Winkel im Parallelogramm sind Supplementwinkel.

2.2.3. Scheitelwinkel
Gegenliberliegende Winkel an zwei sich schnei-
denden Geraden sind Scheitelwinkel: 4 ASB und
4CSD.
Scheitelwinkel sind gleich groB:
14ASBI=14cSDI=ex.

112
V.3.1 V. Planimetrie (ebene Geometrie)

2.2.4. Nebenwinkel

fl!:
Benachbarte Winkel an zwei sich schneidenden
Geraden sind Nebenwinkel: 2S,.ASB und 2S,.BSC.
[ Nebenwinkel sind Supplementwinkel, d.h. sie
I-: J(
A erglinzen sich zu 180°:
I2S,.ASBI + I2S,.BScl= 180°.
2.2.5. Stufenwinkel
Entsprechende Winkel an geschnittenen Paral·
lelen he~en Stufenwinkel: 2S,.ASB und 2S,. A 'S'B'.
Stufenwinkel sind gleich gro~:
0=0' 12S,. ASB 1= I2S,.A 'S'B' 1= a.

2.2.6. Wechselwinkel
Entgegengesetzt liegende Winkel an geschnitte·
nen Parallelen he~en Wechselwinkel: 2S,.ASB
und 2S,. CS'D'.
0=0' Wechselwinkel sind gleich gro~:
I2S,.ASBI= I2S,.C'S'D'I=a.

2.2.7. Halbgleichliegende Winkel


Winkelpaare an geschnittenen Parallelen, die
weder Scheitelwinkel noch Nebenwinkel noch
Stufenwinkel noch Wechselwinkel sind, he~en
halbgleichliegende Winkel: 2S,.ASB und 2S,.D'S'A'.
Halbgleichliegende Winkel sind Supplement·
winkel (Summe 180°):
I2S,.ASBI +12S,.D'S'A'I= 180°.
Beispiel:
Benachbarte Winkel beim Parallelogramm sind

Ak
halbgleichliegende Winkel.
2S,. BAD und 2S,. CBA halbgleichliegende Winkel
a + {3 = 180°

3. Grundkonstruktionen (mit Zirkel und Lineal)

3.1. Strecke halbieren


Kreisbogen mit gleichem Radius urn die End·
punkte A und B. Schnittpunkte sind C und C.
CC' halbiert AB in E.

113
Mathematik V.3.G

3.2. Winkel halbieren


Ein Kreisbogen urn Scheitelpunkt S schneidet
die Schenkel in A und B. Kreisbogen mit glei-
chern Radius urn A und B schneiden sich in C.
SC halbiert 4- BSA .

....-·s
3.3. Senkrechte errichten
Ein Halbkreis urn P Eg (P liegt auf g) schneidet
g in A und B. Kreisborgen mit gleichem Radius
urn A und B schneiden sich in C. PC ist die
Senkrechte auf g im Punkte P.

~Ar-----~-------+B~--g

3.4. Lot fanen


p
... Ein Kreisbogen urn P EI: g (P liegt nicht auf g)
\ schneidet g in A und B. Kreisbogen mit gleichem
\ Radius urn A und B schneiden sich in P'. PP'ist
das Lot von P auf g.

3.5. Parallele durch gegebenen Punkt


p
Ein Kreisbogen urn P EI: g mit Radius r schneidet
g in C. Ein Kreisbogen urn C mit dem gleichen
r schneidet g in B, ein Kreisbogen urn B mit r
p
schneidet den ersten Kreisbogen urn P mit r in
g
A. PA ist die Parallele zu g durch P (Konstruk-
tion einer Raute PCBA).

3.6. Parallele in gegebenem Abstand


In beliebigen Punkten A Eg und BEg (aber
A :j:B) werden nach 3.3 die Senkrechten errich-
tet, und auf diesen wird der vorgeschriebene
Abstand a abgetragen: IADI=a und IBCI=a.
CD ist eine der beiden Parallelen zu g im Ab-
stand a (Konstruktion eines RechtecksABCD).

114
V.4.4 V. Planimetrie (ebene Geometrie)

3.7. Winkelkonstruktionen

Wiederholtes Halbieren eines rechten Winkels Winkel des gleichseitigen Dreiecks ist 60° .
liefert 45°, 22,5° usw. Durch wiederholtes Halbieren ergeben sich 30° ,
15° usw.

4. Geometrische thter (Ortslinien)


Eine Punktmenge, die nur Elemente mit einer bestimmten Eigenschaft enthait und alle Elemente
mit dieser Eigenschaft umfaEt, heilit geometrischer Ort. In der Planimetrie sind die geometrischen
brter Linien, daher auch geometrische Ortslinien genannt. (In der Stereometrie sind die geometri·
schen brter Flachen). Elementare geometrische Ortslinien sind:

4.1. Der Kreis

G
Geometrischer Ort aller Punkte, die von einem
festen Punkt M die feste Entfernung r haben,
ist der Kreis urn M mit dem Radius r.

4.2. Die Parallele


Geometrischer Ort aller Punkte, die von einer
festen Geraden g den festen Abstand a haben,
g ist die Parallele zu g im Abstand a (genauer: sind
die beiden Parallelen im Abstand a).

4.3. Die Mitteisenkrechte


Geometrischer Ort aller Punkte, die von zwei
A festen Punkten A und B gleich weit entfemt sind,
ist die Mittelsenkrechte auf der Strecke AB.
B

4.4. Die Winkelhalbierende


Geometrischer Ort aller Punkte, die von zwei
festen Geraden gl undg 2 den gleichen Abstand
haben, ist die Winkelhalbierende zwischen gl
und g2 (besser: sind die beiden - zueinander
senkrechten - Winkelhalbierenden zwischen g 1
und g2). Sind gl und g2 zueinander parallel,
dann ist die Mittellinie w der gesuchte geome-
trische Ort.

115
Mathematik V.5.2.2
5. Das Dreieck

5.1. Seiten und Winkel [


IBCI=a ICAI=b IABI=c
14BACI=a 14CBAI=13 14ACBI='Y
b +c >a 1m Dreieck ist die Summe zweier Seitenliingen
c+a >b stets grof,er als die dritte.
a+b>c
Ia + 13 + 'Y = 180 I A-
0
.......---;:----'---B In jedem Dreieck betriigt die Winkelsumme 1800 •

A~~--------~~B

a' + 13' + 'Y' = 3600 Die Summe der AuBenwinkel betriigt 3600 •

Ia>b>c <== a>13>'Y I 1m Dreieck liegt der grof,eren Seite stets der gro-
f,ere Winkel gegeniiber.
a und 13 und 'Y < 90 0 = spitzwinkliges Dreieck 1m spitzwinkligen Dreieck ist jeder Winkel klei-
ner als 90°.
Entweder a oder {3 oder 'Y > 90° 1m stumpfwinkligen Dreieck ist genau ein Win-
<== stumpfwinkliges Dreieck kel grof,er als 90° .

5.2. Besondere Dreiecke


5.2.1. Das gleichschenklige Dreieck
Winkel an Ein Dreieck mit zwei gleich langen Seiten hemt
der Spitze gleichschenklig.
Es miissen nicht genau zwei Seiten sein; auch
ein Dreieck mit drei gleich langen Seiten, ein
gleichseitiges Dreieck, ist gleichschenklig.
Die Basiswinkel sind gleich grail,.
A ~...J....---+----I-~B

'Symmetrieachse

5.2.2. Das gleichseitige Dreieck


Ein Dreieck mit drei gleich langen Seiten hemt
gleichseitig.
Die Grof,e jedes Winkels betriigt 60° .
Das gleichseitige Dreieck hat drei Symmetrie-
achsen.

116
V.5.3.1 V. Planimetrie (ebene Geometrie)

5.2.3. Das rechtwinklige Dreieck


[ Ein Dreieck mit einem rechten Winkel hellit
rechtwinklig. Die Schenkel des rechten Winkels
sind die Katheten; dem rechten Winkel gegen-
iiber liegt die Hypotenuse.
Die beiden spitzen Winkel sind Komplement-
winkel: O! + ~ = 90°
'-~--------~~~B
Hypotenuse

O! + ~ = 90°

5.2.4. Das gleichschenldig-rechtwinklige Dreieck


[ Mit a als Schenkel- oder KathetenHinge ergibt
sich nach dem Satz des Pythagoras a..J2 als
Basis- oder Hypotenusenlange.
Pythagoras von Sarnos, griechischer Philosoph und
Mathernatiker, lebte urn 500 v. Chr. Seine Grundthese:
Zahl Urprinzip aller Dinge.

5.3. Ecklinien und Mittelsenkrechte


5.3.1. Die drei Mittelsenkrechten
[

Die drei Mittelsenkrechten schneiden sich in Beim stumpfwinkligen Dreieck liegt M auBer-
einem Punkt M, dem Mittelpunkt des Umkreises. halb des Dreiecks.

Beim rechtwinkligen Dreieck ist M die Mitte


der Hypotenuse.
~------~~----~B
Der Umkreis des rechtwinkligen Dreiecks hellit
Thaleskreis.
Thales von Milet,griechischer Philosoph, Astronorn und
Mathernatiker, lebte urn 600 v. ChI. Er hat den Beweis
in die Geornetrie eingeflihrt.

117
Mathematik V.S.3.4

5.3.2. Die drei Hohen


Das Lot von einer Ecke auf die gegenUberliegen-
de Seite he~t Hohe, z.B. AD. Die Lange dieser
Hohe ist ha =IAD I.
Die drei Hohen schneiden sich in einem Punkt H.
FUr das Dreieck M 'B' c', das man erhalt, indem
man durch jede Ecke die Parallele zur gegenUber-
liegenden Seite zieht, ist H der Mittelpunkt des
Umkreises (Grundlage fill den Beweis, d~ die
drei Hohen genau einen Schnittpunkt haben).

[=D=H

b~
A-B A'-------~--------~B
1m rechtwinkligen Dreieck fallen zwei Hohen Beim stumpfwinkligen Dreieck Hegen zwei Ho-
mit den Katheten zusammen. hen au~erhalb.

5.3.3. Die drei Winkelhalbierenden


[
Die Halbierungslinie eines Dreieckswinkels, ge-
rechnet von der Ecke (dem Scheitelpunkt) bis
zum Schnittpunkt mit der gegenUberliegenden
Seite, he~t Winkelhalbierende, z.B. AD. Ihre
Unge ist Wo: = lAD I.
Die drei Winkelhalbierenden eines Dreiecks
schneiden sich in einem Punkt 0, dem Mittel-
punkt des Inkreises.
A~--+---~~~-+--~B

5.3.4. Die drei Seitenhalbierenden


[

Die Verbindungslinie einer Ecke mit der Mitte


der gegenUberliegenden Seite he~t Seitenhal-
bierende, z.B.AD. Deren Lange ist SA =IADI.
Da die Seitenhal_~erende AD auch jede von den
~------~~----~B
Seiten AB und AC begrenzte Parallelstrecke zu
BC halbiert, ist sie Schwerlinie des Dreiecks.
Die drei Seitenhalbierenden schneiden sich in
einem Punkt S, dem Schwerpunkt des Dreiecks.
IASI: I'SDI= IBSI: IS£I
Der Schwerpunkt S teilt die Seitenhalbierenden
= ICSI:ISFI=2:1
im Verhliltnis 2:1.

118
V.5.4.4 V. Planimetrie (ebene Geometriel

5.4. Die vier Kongruenzslitze


Kongruent heiBt deckungsgleich. Kongruente Figuren lassen sich durch Parallelverschieben, Drehen
oder Umklappen oder eine Verkettung dieser drei Bewegungen zur Deckung bringen.

5.4.1. Kongruenzsatz WSW und SWW (Winkel·Seite-Winkel und Seite-Winkel-Winkel)


Dreiecke sind kongruent, wenn sie
a) in der Lange einer Seite (c) und der GroBe
der beiden anliegenden Winkel (0: und {3)

b) in der Lange einer Seite (c) und der GroBe


eines anliegenden (0:) und des gegentiberliegen-
den Winkels (y)
tibereinstimmen.

Zusammenfassung beider Siitze:


c

n
Dreiecke sind kongruent, wenn sie in der
Gegenbeispiel: Lange einer Seite und der GroBe zweier
entsprechender Winkel tibereinstimmen.

Zum Gegenbeispiel: Die gleich groBen Winkel 0:


entsprechen sich nicht.

5.4.2. Kongruenzsatz SSW (Seite-Seite-Winkel)

Dreiecke sind kongruent, wenn sie in der


Lange zweier Seiten und der Groflle des
der llingeren Seiten gegentiberliegenden Win-
kels tibereinstimmen.

Gegenbeispiel: Liegt der gleiche Winkel (0:) der kUrzeren Seite


(a < b) gegeniiber, dann brauchen die Dreiecke
nicht kongruent zu sein.

5.4.3. Kongruenzsatz SWS (Seite-Winkel-Seite)

Dreiecke sind kongruent, wenn sie in der


Lange zweier Seiten und der GroBe des
von diesen eingeschlossenen Winkels tiber-
c einstimmen.

5.4.4. Kongruenzsatz SSS (Seite-Seite-Seite)

Dreiecke sind kongruent, wenn sie in den


Uingen aller drei Seiten iibereinstimmen.

119
Mathematik V.5.5.2
5.5. Die vier Grundkonstruktionen des Dreiecks
Entsprechend den vier Kongruenzsatzen gibt es vier Dreiecksgrundkonstruktionen.

5.5.1. Grundkonstruktion WSW und SWW


[
a) Gegeben: c, a, {3
Konstruktion: Man zeichnet c == 1ABI und tragt
an AB inA a und inB {3 an. Die freien Schenkel
schneiden sich in C ll.ABC ist das verlangte.
Bedingung: a + (3 < 1800

b) Gegeben: c, a, 'Y
Erste Konstruktion: Man konstruiert (3 als Ne-
benwinkel von a+'Y und verfahrt dann wie bei a).
Zweite Konstruktion: Man zeichnet c == 1AB I,
tragt an AB in A a an, und in einem beliebigen
Punkt C' des freien Schenkels tragt man an die-
sen 'Y an. Die Parallele zu dem freien Schenkel
des letzteren Winkels durch B schneidet AC'
in C. ll. ABC ist das verlangte.
Bedingung: a + 'Y < 180 0

5.5.2. Grundkonstruktion SSW


1---------11 ba 1-----------11
c
Gegeben: b, c, {3 < 900
1----------11 bb Konstruktion: Man zeichnet c == 1AB 1und tragt
an AB in B (3 an. Dann zeichnet man urn A einen
1----------11 be Kreisbogen mit dem Radius b. Dabei sind flinf
1-----------11 bd Falle magiich:

1-------------11 be a) Der Kreis schneidet den freien Schenkel des


gegebenen Winkels ((3) nicht: keine Lasung.
b) Der Kreis beriihrt den freien Schenkel: ein
rechtwinkliges Dreieck als Lasung ('Y == 90~).
c) Der Kreis schneidet den freien Schenkel zwei-
mal (der Radius (b == bJ ist immer noch kleiner
als die erste Seite (c) (be < c)): zwei formver-
schiedene Lasungen (ll.ABC 1 und ll.ABC2 ).

d) Der Kreis schneidet den freien Schenkel ein-


mal und geht durch den Scheitelpunkt (B) des
gegebenen Winkels ({3) hindurch: ein gleich-
schenkliges Dreieck als Lasung (b == b d == c;
SpitzeA).
e) Der Kreis schneidet den freien Schenkel einmal und umschliet1t den Scheitelpunkt (B): ein Drei-
eck als Lasung (b = be> c). Fiir diesen Fall, aber auch flir die Grenzfalle b) und d), gilt der
Kongruenzsatz 5.4.2 .

120
V.6 V. Planimetrie (ebene Geometrie)
c Gegeben: b, c, (3 ;;;. 900
Rier sind nach der Konstruktion von AB und An-
tragen von f3 die folgenden drei Hille moglich:
t) Der Kreis urn A mit dem Radius bj schneidet
den freien Schenkel des angetragenen Winkels
f3 nicht: keine Losung.
g) Der Kreis urn A mit dem Radius bg geht
durch den PunktB; es ist also bg = c; Losung ist
ein zur Strecke (AB) entartetes "Dreieck".
A =---':---f
h) DerKreisumA mit dem Radius b h schneidet
den freien Schenkel des angetragenen Winkels {3
in C; eine Losung entsprechend Kongruenzsatz
5.4.2.

5.5.3. Grundkonstruktion SWS


Gegeben: b, 0:, C
Konstruktion: Den Schenkeln eines Winkels 0:
gibt man die Liingen b = IACI und c= IABI .
Nach Verbinden von B und C ist !:"ABC das
vedangte Dreieck.
Bedingung: 0: < 1800

5.5.4. Grundkonstruktion SSS


Gegeben: a, b, c
Konstruktion: Man zeichnet c = lAB I, schlagt
urn A einen Kreisbogen mit b und urn B einen
Kreisbogen mit a. Der Schnittpunkt C wird mit
A und B verbunden. !:"ABC ist das verlangte
Dreieck.
Bedingungen: a<b+c, b<c+a, c<a+b

Anmerkung: Wenn sich, wie bei der 1etzten Konstruktion, zwei spiegelbildlich gleiche Losungen
ergeben (denn bei erflillten "Bedingungen" schneiden sich die Kreise zweimal, in C und C), wahlt
man diejenige aus, bei der die PunkteA, B, C entgegen dem Uhrzeigersinn (in mathematisch positi-
yen Umlaufsinn) aufeinander folgen.

6. Das Viereck
Ein Viereck wird durch eine Diagonale in zwei Dreiecke zerlegt. Ein Viereck ist somit durch flinf
voneinander unabhlingige und miteinander vertragliche Stucke bestimrnt. Denn fur das eine Dreieck,
das Tell des Vierecks ist, benotigt man drei Stucke, fUr das zweite nur noch zwei weitere, da durch
die gemeinsame Seite - Diagonale - schon ein Stuck festliegt. Die Winkelsumme des Vierecks ist
gleich der von zwei Dreiecken zusammen, also 3600 • Die ublichen Bezeichnungen der Ecken,
Winkel, Seiten und Diagonalen enthalt das oberste Viereck in der folgenden systematischen Zusam-
menstellung der besonderen Vierecke.

121
Mathematik V.6
Viereck

~
rC
Deb
d f
A~B
a: + /3 + 'Y + 0 = 360°
®

Sehnenviereck Beliebiges Trapez Beliebiger Drachen Tangentenviereck


hat einen Umkreis ABII CD BD halbiert AC hat einen Inkreis

~ ASa
DeC 0

A~;l :~c
6 "
® ~
A cx
B a B
B
1
a:+'Y=P+o m ="2 (a + c) I ~ABD I = I ~CDB I a+c=b+d

\
Gleichschenkliges Trapez
/ \
Paralielogramm
I \ I
Achsensymmetrischer Drachen
AB II CD, d = b AB II CD, BC II DA BD halbiert AC, BD 1 AC
o I C o
@~
A~B
B d= C, 0: = 'Y

Rechteck Raute (Rhombus)


a: = /3 = 'Y = 0 (= 90°) a=b=c=d

o C o c C

A~B ~ A
%?f;% a B

IAMI = I DMI ... I <t BAC I = I <t CAD I ...

~ ,/
Quadrat
a:=/3='Y=o, a=b=c=d

D~C,C
d b

A cx (JB
a

122
V.7.1 V. Planimetrie (ebene Geometriel

M Mittelpunkt
r Lange des Radius
d Lange des Durchmessers: d = 2 r
k oder k (M, r) Kreislinie oder Peripherie des
Kreises urn den Punkt M mit dem Radius r
(Menge aller Punkte, die den Kreisrand
bilden)
8 Zentriwinkel oder Mittelpunktswinkel

Bogen
p ist Passante: Diese Gerade hat mit dem Kreis
7.1. Kreis und Gerade

=0=:
keinen Punkt gemeinsam.
s ist Sekante (Schneidende): Sie schneidet den
Kreis zweimal, in SI und S2.
t ist Tangente (Beriihrende): Ais Grenzfall
k t zwischen Passante und Sekante hat die Tan-
gente mit dem Kreis genau einen Punkt ge-
T meinsam, den Beriihrungspunkt T.
Eigenschaften von Sekanten und Sehnen
a) Haben zwei Sekanten den gleichen Abstand a
vom Mittelpunkt M eines Kreises, dann ist die
Unge der Sehnen, die der Kreis aus jeder Se-
kante ausschneidet, gleich (in der Zeichnung e).
b) Umkehrung: Gleich lange Sehnen (e) ein und
desselben Kreises haben den gleichen Abstand
vom Mittelpunkt M: IMIMI = IM2Ml =a.
c) Die Mittelsenkrechten von zwei beliebigen
Sehnen ein und desselben Kreises schneiden
sich im Mittelpunkt.
Anwendung: 1st von einem Kreis nur die Peripherie oder auch nur ein Bogen bekannt, der Mittel-
punkt dagegen unbekannt, dann findet man diesen als Schnittpunkt der Mittelsenkrechten von
zwei beliebigen Sehnen.
Tangentenkonstruktionen
Erste Au/gabe: Tangente an den Kreis k(M, r)
im Kreispunkt PI gesucht.
Konstruktion: Auf PIM wird in PI die Senk-
rechte t errichtet.
Zweite Au/gabe: Tangenten von Po mit
IPoM I> r an den Kreis k (M, r) zu konstruie-
ren.
Konstruktion: Dber PoM als Durchmesser wird
der Thaleskreis ko(Mo, lMopol =4IPoMI) ge-
zeichnet: Er schneidet den Kreis k (M, r) in
PI und P 2. PIPo und P 2P o sind die gesuchten
Tangenten.

123
Mathematik V.7.2

Gemeinsame iiuftere Tangenten


Gegeben sind zwei Kreise, von denen nicht der
eine ganz in dem anderen liegt. SindM I und rl
Mittelpunkt und Radius des kleineren, M2 und
r2 die des groll>eren Kreises, dann erhalt man
die gemeinsamen aull>eren Tangenten, indem
man urn M2 den Hilfskreis mit dem Radius
r2 - rl zeichnet und an diesen die von MI aus·
gehenden Tangenten konstruiert. Die aull>eren
Parallelen hierzu im Abstand rl sind die gesuch-
ten Tangenten.

Gemeinsame innere Tangenten


Gegeben sind zwei Kreise ohne gemeinsamen
Punkt der Kreisflachen. Urn den einen Mittel-
punkt M2 zeichnet man den Hilfskreis mit dem
Radius rl + r2 und konstruiert an diesen von
dem anderen Mittelpunkt MI aus die Tangen-
ten. Die inneren Parallelen hierzu im Abstand
rl sind die gesuchten gemeinsamen inneren
Tangenten der beiden gegebenen Kreise.

7.2. Kreis und Winkel


Umfangswinke/ (Peripheriewinkel) tiber dem
gleichen Bogen sind gleich groll>:
i4AC 1Bi= i4AC2 Bi= i4AC3 Bi='Y
Der Mittelpunktswinkel (Zentriwinkel) ist dop-
pelt so groll> wie ein Umfangswinkel:
i4AMBi=2'Y
Der Sehnen-Tangenten- Winkel ist genauso groll>
wie ein Umfangswinkel:
i4ABTi='Y

Stumpfer Umfangswinkel Rechter Umfangswinkel; Thaleskreis


---[
1

124
V.8.2 V. Planimetrie (ebene Geometrie)

8. Flacheninhalt, Flachenverwandlung
8.1. Rechteck, Parallelogramm, Dreieck
Rechtecksfliiche
a c::::J ABCD: AR = a· b

~ L..I_____~I: a
Der Flacheninhalt des Rechtecks ist Liinge mal
Breite.

Parallelogrammfliiche
o
hf
D ABCD: Ap =a·h
r,,~----.~~[

:~ a
Der Flacheninhalt des Parallelogramms ist
Grundlinie mal Hohe.

Dreiecksfliiche
!'::.ABC: All =~ g·h
h~[ h A' =!2 a . h a =!2 b . hb =!2 c· h c

h=hc Der Flacheninhalt des Dreiecks ist


A B ein halb Grundlinie mal Hohe.
g=c

8.2. Verwandlung eines Quadrats in ein Rechteck mit vorgeschriebener Seite


Erkliirung: 0 ABC I D I list der Flacheninhalt von 0 ABCI D I .
O2

a) a2 vorgeschrieben
r-------~-r------~0
Erster Schritt:
10 ABCDi = 10 ABCIDII mit IECII = a 2
(vorgeschrie ben)
Zweiter Schritt:
I OABCIDII = 10 A 2BC I D 2 1 mit IA2BI =h
(ParallelogrammhOhe)

b)

Or----~~------~0
b) b 2 vorgeschrieben
Erster Schritt:
I OABCDi = I 0 ABCIDII mit h = b 2
(vorgeschrieben; Thaleskreis)
Zweiter Schritt:
a 10 ABCIDII = I OA 2 BC I D 2 1 mit IA2BI = b2
125
Mathematik V.8.5

8.3. Kathetensatz (erster Satz des Euklid)


D

A~-------"~
IDABCDi
= I0 ABClDll (IBCll vorgeschrieben)
= IDA 2BC2D21 (Drehung urn B urn 90° rechts
herurn)

Kathetensatz: Das Quadrat tiber einer


Kathete (BC) ist gleich dern Rechteck aus
Hypotenuse (I BCl I = I BC2 I ) und Hypo-
tenusenabschnitt (BA 3) .

8.4. Satz des Pythagoras

Zweimal Kathetensatz:
b2 = c' q } +
a 2 = c' p

c c Satz des Pythagoras: Die Summe der


Kathetenquadrate ist gleich dern Hypote-
nusenquadrat.

8.5. Hohensatz (zweiter Satz des Euklid)

Nach a) dern Satz des Pythagoras und b) dern


Kathetensatz:
a) a2 = h 2 + p2 }
b) a2 =(p+q)'P
0=h2+p2 _(pl +p.q)
= h 2 =p' q

Hohensatz: Das Quadrat tiber der H6he


ist gleich dern Rechteck aus den beiden
Hypotenusenabschnitten.
p
126
V.9.1 V. Planimetrie (ebene Geometrie)

8.6. Kreisumfang und Kreisflache

*
Kreisumfang: u = rrd = 2rrr

Kreisfliiche: A= d 2 = rrr2
rrS rrS
Kreisbogen: b = d 3600 = r 1800
(mit arc 360° = 2rr) = ~ arcS = r arcS
1
Kreissektor: As =4 bd =2.1 br
(mit arc 360°= 2rr) = i d2arcS = 1r2 arcS
Vergleich mit Quadrat und regelmiiliigem Sechseck (einbeschriebenem und umbeschriebenem n-Eck)

Umfang Flacheninhalt
einbeschriebenes 4y'2r 2 r2
Quadrat "" 5,657 r = 2,000 r2
einbeschriebenes 6 r ~ y'3 r2
Sechseck = 6,000r "" 2,598 r2
2rr r rr r2
Kreis
Umfang des einbeschriebenen n-Ecks: un "" 6,283 r "" 3,142 r2
Umfang des umbeschriebenen n-Ecks: Un umbeschriebenes 4vG r 2 y'3 r2
Es gilt: Un < 2rrr Un> 2rrr Sechseck "" 6,928 r "" 3,464 r2
lim un = lim Un = 2rrr umbeschriebenes 8 r 4 r2
n+oo
Quadrat = 8,000r = 4,000 r2
n~oo

9_ Ahnlichkeit und Streckenverhaltnisse


9.1. Strecke, Pfeil, Vektor
Gibt man einer Strecke AB =BA einen Rich-
tungssinn oder eine Orientierung, dann wird sie
zum Pfeil: (A. B) = - (B. A) (lies: Pfeil AB
gleich ...). Pfeile, die in den drei Eigenschaften
Lange, Richtung und Orientierung liberein-
stimmen, nennt man parallelgleich; Zeichen #.
Flir die Figur gilt (A, B) #(X l , Yl ) # (X 2 , Y2 ).
Die Menge aller parallelgleichen Pfeile heiBt Vektor. Er erhalt seinen Namen nach einem seiner
Pfeile und wird geschrieben: AB (lies: Vektor AB). Da zuAB auch die Pfeile (Xl, Yd und (X 2 , Y 2 )
geh6ren, kann er auch nach diesen benannt werden:
-;-;); -,----+ -,----+
Ali =X l Yl =X2 Y2 •
Multipliziert man einen Vektor mit einer reellen Zahl k, dann erhalt man einen Vektor gleicher
Richtung und Orientierung, wenn k > 0 ist; man erhalt einen Vektor gleicher Richtung und ent-
gegengesetzter Orientierung, wenn k < 0 ist.

127
Mathematik V.9.3

9.2. Zentrische Streckung


Zentrische Streckung hei~t eine geometrische
Abbildung, bei der das Bild entsteht, indem
man jeden von dem festen Punkt Z ausgehen-
den Pfeil des Urbilds mit einer festen Zahl k
unter Beibehaltung der Richtung und des
Ausgangspunkts Z multipliziert.
Eigenschaften:
a) Bilder von Strecke, Strahl, Gerade sind
wieder Strecke, Strahl, Gerade. a1) Bild und
Urbild entsprechender gerader Linien sind ein-
k2=-O.5 ander parallel.
b) Die Betrage entsprechender Winkel von Bild
und Urbild sind gleich.
c) Die Langen entsprechender Strecken von
Bild und Urbild haben das gleiche Verhaltnis;
dieses ist gleich dem Betrag des Streckungsfak-
tors k, also I k I.

9.3. Die Strahlensitze


Unmittelbare Anwendung der zentrischen Streckung sind die Strahlensatze.
Erster Strahlensatz Werden von einem Zentrum ausgehende Strahlen
von Parallelen geschnitten, so verhalten sich die
Langen der Abschnitte eines Strahls wie die
Langen entsprechender Abschnitte der anderen
Strahlen:

Zweiter Strahlensatz Werden von einem Zentrum ausgehende Strahlen


von Parallelen geschnitten, so verhalten sich die
Langen der zwischen zwei Strahlen Jiegenden
Abschnitte wie die Langen der zugehOrigen vom
Zentrum ab gerechneten Abschnitte auf einem
Strahl:

Beispiell: Von einem Kegel mit der Rohe hb der Seitenlange Sk und dem Grundkreisradius rk ist
die Spitze parallel zur Grundflache so abzuschneiden, daB ein Kegelstumpf mit dem Schnittkreis-
radius ro entsteht. Wie lang sind Rohe h und Seitenlinie s des Kegelstumpfs?

128
V.9.5 V. Planimetrie (ebene Geometrie)

Nach dem zweiten Strahlensatz ist


ro: rk = (h k - h) : hk ;
aufgelost nach h ergibt sich:

h = hk (1 - ~: ).
Nach dem ersten Strahlensatz ist
S : h = sk : h k ;
aufgelost nach S folgt daraus:
Sk
S =h hk '
und wenn man fiir h den obigen Term einsetzt:

S =Sk (1 - ~: ) .
Beispiel 2: Welche Lange B ergibt sich fiir das Bild eines Gegenstands der Lange G bei einer Bild·
weite b und einer Gegenstandsweite g ?
Nach dem zweiten Strahlensatz ist
g G
b B
B =G~
Anmerkung: 1st g ~ b (g sehr gro~ gegen b),
kann man b "'" f (Brennweite) setzen und damit
die zu erwartende Bildgro~e abschiitzen.

9.4. Ahnliche Figuren


Figuren hellien iihnlich, wenn sie nach geeig-
neter Parallelverschiebung, Drehung, Spiegelung
durch zentrische Streckung ineinander tiber-

I
geflihrt werden konnen.
Eigenschaften:
~ wie bei zentrischer Streckung,
c) nur a1) entfallt.

9.5. Ahnliche Dreiecke


Entsprechend den vier Kongruenzsiitzen (siehe SA) gelten die folgenden vier Siitze fiir iilinliche
Dreiecke:

1. Dreiecke sind iihnlich, wenn sie tibereinstim-


men in der GroBe zweier Winkel.

~=~'
(3= (3'

129
Mathematik V.9.6.2
2. Dreiecke sind iihnlich, wenn sie tibereinstim-
men in dem Uingenverhiiltnis eines Seitenpaars
und der Gro11e des Gegenwinkels der liingeren
Seite.
a:b=a':b'
(3 =(3'
3. Dreiecke sind iihnlich, wenn sie tibereinstim-
men in dem Uingenverhiiltnis eines Seitenpaars
und der Gro11e des Zwischenwinkels.

a:b=a':b'
1=1'
4. Dreiecke sind iihnlich, wenn sie tibereinstim-

D
men in dem Uingenverhiiltnis zweier Seitenpaare.

c
a:b=a':b'
b:c=b':c'

Anmerkung 1: Die Strahlensiitze (siehe 9.3) sind Anwendungen der Eigenschaften iihnlicher Drei-
ecke.
Anmerkung 2: Nur bei Dreiecken folgt aus der Gleichheit der Winkelgr611en die Ahnlichkeit. Ein
Rechteck mit a:\=b und ein Quadrat z.B. haben gleich gro11e Winkel, sind aber nicht iihnlich, denn
ihre Seitenliingenverhiiltnisse sind verschieden.
Anmerkung 3: Da ein rechtwinkliges Dreieck durch seine H6he in zwei untereinander und dem
ganzen Dreieck iihnliche Teildreiecke geteilt wird (gleiche bzw. gleich gro11e Winkel), folgen aus der
Proportionalitiit der Uingen entsprechender Seiten Kathetensatz und H6hensatz (siehe 8.4 und 8.6).

9.6. Streckentellung
9.6.1. Innere und iiu&re Tellung
Innere Teilung: Liegt Punkt T j auf der Strecke

~
i AB, dann teilt er AB innen im Verhiiltnis
p.
b k j = IATjl :ITpl=pj: q j .
iI"uj3ere Teilung: Liegt Punkt Ta auf der Geraden
AB, aber au11erhalb der Strecke AB , dann teilt er
AB au11en im Verhiiltnis
ka = IATal:ITaBI=Pa :qa·
9.6.2. Harmonische Tellung Wird eine Strecke AB durch die Punkte T j und Ta
o innen und au11en im~chen Verhiiltnis
k= IATjl:ITpl=IATaI:ITaBI=p:q
geteilt, dann nennt man sie harmonisch geteilt.
Satz:
Teilen T j und Ta die Strecke AB harmonisch,
dann teilen auch urngekehrt A und B die Strecke
Tj Ta harmonisch.
B
Konstruktion: Harmonische Teilung vonAB im
Verhiiltnis p: q = 2: 7 (DB II C2 Cd.

130
V.9.6.4 V. Planimetrie (ebene Geometrie)
Kreis des Apollonius Sind 11 und 1'a die Punkte, die AB im Verhiiltnis
p : q harmonisch teilen, dann ist der Kreis mit
dem Durchmesser Ti Ta der geometrische Ort al-
ler Punkte (C), deren Verbindungsstrecken mit
A und B das Ungenverhaltnis p : q haben:
A~--------~+---~B~--------~Ta IATil :IT~I=IATa 1:1 TaBI=p: q = IACI :ICBI

9.6.3. Stetige Teilung (Goldener Schnitt)


Eine Strecke heiBt stetig oder nach dem Golde-
nen Schnitt geteilt, wenn sich ihre Lange zur
Lange des grofileren Teilstiicks verhalt wie die
r Unge des grofileren Teilstiicks zur Lange des
"2 kleineren Teilstiicks.
StreckeAB, Teilpunkt T:
IABI:IATI= IATI:ITBI
A~------------~--~~+'8~-­
~----~----~~~~--.; r : S = S : (r - s)
Auflosung dieser quadratischen Gleichung fUr s
ergibt:

s=!.
2
(0 -1)

9.6.4. Teilverhiiltnisse bei Dreiecks-Ecklinien


Die Winkellullbierenden
Eine Winkelhalbierende teilt die gegeniiberlie-
gende Seite im Verhiiltnis der Ungen der anlie-
u:v=a:b genden Seiten.

v u

Die Seitenlullbierenden
Die Seitenhalbierenden teilen sich gegenseitig im
Verhiiltnis 1 : 2.
IDSI :ISA 1= 1: 2
IES I :ISB 1= 1: 2
~--------.......;:::a.B

DieH6hen
Die Langen der Hohen eines Dreiecks verhalten
sich urngekehrt wie die Langen der zugehtirigen
Seiten.

131
Mathematik V.9.6.5
9.6.5. Streckenverhiiltnisse am Kreis
Der Sehnensatz
o Zwei sich schneidende Sehnen eines Kreises tei-
len sich so, dall, die Produkte der Langen der
Abschnitte jeder Sehne gleich sind.

ISA I ·1 SB I = ISC I ·1 SD I

Der Sekantensatz
Das Produkt der Langen der Abschnitte jeder
Sekante, die von einem festen Punkt a~erhalb
eines Kreises ausgeht, ist immer gleich.

ISAI·ISBI = ISCI·ISDI

Der Tangentensatz
Das Produkt der Langen der Abschnitte einer
von einem festen Punkt ausgehenden Sekante
ist gleich dem Quadrat der Lange der von die-
sem Punkt ausgehenden Tangente.

Anwendung des Tangentensatzes


Aufgabe: Gegeben sind die Geraden g und g'
und der Punkt P dazwischen. Gesucht sind die
beiden Kreise, die durch P gehen und g und g'
beriihren.
Konstruktionshinweise: p' liegt symmetrisch zu
P beziiglich der Winkelhalbierenden von g und g'
(auf dieser liegen auch Ml und M 2 , die Mittel-
punkte der gesuchten Kreise). pp' schneidet g
in S. SP und SP' sind Sekantenabschnitte in
bezug auf die beiden gesuchten Kreise. Deshalb
findet man nach Tangentensatz und Katheten-
satz die zugehorigen Tangenten von S an die
gesuchten Kreise in
I SA 1=ISC1 1=ISC2 1= t =.,jIis'PI·ISP'I.

132
VI. Stereometrie (raumliche Geometrie)

1. Prismatische Korper
Durch geradlinige drehungsfreie Bewegung eines
ebenen Fllichenstiicks (Vieleck) aus seiner Ebene
heraus wird ein prismatischer Korper erzeugt.
Infolgedessen sind bei einemPrisma Grund-, und
Deckfliiche und alle hierzu parallelen Schnitte
kongruent. 1st die Grundfliiche ein n-Eck, dann
entsteht ein n-seitiges Prisma; erfolgt die Bewe-
gung senkrecht zur Ebene der Grundfliiche, dann
ist das Prisma gerade. (Ein physikalisches Prisma
AUgemeines (schiefes) Prisma ist mathematisch ein gerades dreiseitiges Prisma.)
(flinfseitig)
Das Volumen V eines prismatischen Korpers ist
Inhalt der Grundfliiche Ag mal Hohe h: V =Agh
1.1. Der Quader
Ein vierseitiges gerades Prisma (Hohe e) mit
einem Rechteck (Seitenliingen a und b) als
I Grundfliiche heiEt Quader. a, b, e sind die Liin-
/
r----- gen der Kanten.
Gesamtkanteniiinge I = 4 (a + b + e)
a
Oberfliiche Ao = 2 (ab + ae + be)
Volumen V=abe
Der Sonderfall eines Quaders mit einem Quadrat
als Grundfliiche (a = b) heiEt quadratisehe Saule
(Hohee =h):
Gesamtkanteniiinge 1= 8a + 4h
Oberfliiche Ao = 2a 2 + 4ah
Volumen V=a 2 h
Der Sonderfall eines Quaders mit lauter gleich
I
I
langen Kanten (a) heifllt Wiirfel:
I a Gesamtkantenliinge 1= 12a
I
I
Oberfliiche Ao =6a 2
....1--- -- Volumen V=a 3
-- a a
1.2. Der Zylinder
1st die Grundfliiche eines prismatischen Korpers
ein Kreis, dann heiEt dieser Korper Zylinder.
Ein Korper, der einen Kreis (Radius r) als
Grundfliiche und eine dazu senkrechte Achse
(Lange h) hat und bei dem jeder Schnitt parallel
h zur Grundfliiche einen kongruenten Kreis ergibt,
heiflltgerader Kreiszylinder oder Walze:
Gesamtkantenliinge I = 411 r
Oberfliiche Ao = 211r2 + 211rh=211r(r+h)
Volumen V =11 r2 h

133
Mathematik V1.2.2

2. Pyramidenf6rmige K6rper

Ein Kerper, der ein Vieleck als Grundflache und


5
eine Spitze S hat, die mit allen Punkten des Viel-
ecks geradlinig verbunden ist, heiBt Pyramide.
Wird das Vieleck zum Kreis, dann wird der Ker-
per zum Kegel.

Das Volumen V eines pyramidenfermigen Ker-


5 seitige Pyramide pers ist ein Drittel des Betrags der Grundflache
Kegel
AgmalHeheh: V=~Agh

Zeichnerische Erliiuterung der Volumenformel V = ~ Agh an der dreiseitigen Pyramide:

F F F F F

a)
B b)
B B d) B e) B
c)

Prisma Erste Pyramide Restkorper Zweite Pyramide Dritte Pyramide

2.1. Vierflach und Tetraeder


Eine dreiseitige Pyramide heiBt Vierflach, da sie Tetraeder:
einschlieBlich Grundflache von vier Flachen (vier Kantenlange a
Dreiecken) umschlossen wird. Gesamtkanteniange 6a
Unter Tetraeder versteht man im allgemeinen Hehe h=}V6
ein regelmiiBiges Vierflach: Die Begrenzungs-
Oberflache Ao =a 2 y'3
dreiecke sind gleichseitig und kongruent.
Volumen
a3
V=n:v'2

2.2. Der Kegel

Ein pyramidenfermiger Kerper mit kreisfOrmi-


s ger Grundflache (Radius r) und der Spitze senk-
recht tiber der Kreismitte (Hehe h) heiBt gera-
Mantel der Kreiskegel:

Unge der Seitenlinie s = yr 2 + h 2


Oberflache Ao = rrr(r + s)
Volumen V=!3 rrr 2 h

134
VI.3 VI. Stereometrie (raumliche Geometrie)

3. Pyramidenstumpf und Kegelstumpf


Schneidet man von einer Pyramide bzw. einem Kegel mit einem ebenen Schnitt parallel zur Grund-
flache das obere StUck (das StUck mit der Spitze; eine kleine der ganzen ahnlichen Pyramide bzw.
einen kleinen dem ganzen ahnlichen Kegel) ab, so ist der Restkorper ein Pyramidenstumpf bzw. ein
Kegelstumpf. Der Abstand der Schnittebene von der Grundflache ist seine Hohe h.

Herleitung der Volumenformel:


V=~ (A2h2 -Alhd
h2 - hi = h und
A2 :A I =hi: h l2
(~- y'A";"):Ft = h: hi
V=~ [A2(h +hd-Alhtl

A2( h +
V=3I [ y'A";-..;A; .JA,.h ]
..;A;h) -AI ~-J47
h A2~-AntA~+A2~-AI ~
Pyramidenstumpf (regelmiiJl,ig sechsseitig) V="3· ~_~

Pyramidenstumpf (A2' Al Grund- und Deck- _ h ~3 _~3 h


V-"3!. ! . ="3(A 2 +JA 2A I +Ad
flache): VA2 -vAl
Volumen V=~(A2+v'A2AI +Ad

Herleitung der Formelfilr die Mantelfliiche Am:


Am =rrr2s2-rrrlsb S=S2- S1 und }
S2: Sl = r2: rl oder s: Sl = (r2 - rl) : rl
Am =rrr2(s+sd- rrrlsl
h2 (r1 S \ ( 'I S )
= rr'2 S + r2 _'I-;-rrr i
r2 -rl
h
r22s-r2rls+r2rls-r?s ri-r{
Am = rr r2 rl rrs r2 -rl
Am =rrs(r2 +rl)
Kegelstumpf (gerader Kreiskegelstumpf) Herleitung der Volumenformel:
V=~ rr(r/h 2 -r l2hd
Kegelstumpf (r2' rl Radien von Grund- und
Deckkreis) : r2:rl =h.2:h~ .oder}
(r2- r d· rl- h . h j
Seitenlinie s = J(r 2 - r l ? + h2 V=~ rr[r 22(h+hd-ri h d
Oberflache Ao=A2+AI+Am
Ao = rr r22 + rr r l2 + rrs(r2 + rd
V= ~ rr[ r22 ( h + r:~hrJ - rl 2 r2r~hrJ
Ao =rrr2(r2 +s)+rrrl(ri +s) h r23 - rlrl + rlrl - r/
Volumen V --"3h rr(r22 + r2 rl + rl2 ) V="3 rr r2 rl
h r23 - r/
V="3 rr '2- rl
(Siehe auch "Guldinsche Regeln" im Abschnitt
h 2
Mechanik) V="3rr(r2 +r2r l+'12) .

135
Mathematik V1.4.2

4. Die Kugel
4.1. Die volle Kugel
r
Die schraffierte ringformige Schnittflache mit
Schnittfliiche dem Restkorper, den man erhalt, wenn man
in der Hohe h von dem Zylinder den Kegel abzieht, ist
r
Zylinder der rrr2 -rr(r - h)2. Nun ist aber nach dem Satz
Hohe r urnhiillt des Pythagoras =
r2 p2 + (r - h)2, also
Halbkugel und
rr p2 = rrr2 - rr(r - h)2, d.h. die Kugelschnitt-
Kegel mit Radius r
und Hohe r flache und die Restkorperschnittflache sind
gleich groB. Da das in jeder Hohe h der Fall ist,
haben nach dem Satz des Cavalieri (Korper mit
gleicher Hohe und gleich groBer Schnittflache
in jeder Hohe haben gleiches Volumen) die
Halbkugel und der Restkorper das gleiche Valu-
men: VHK =rrr2r-~ rrr2r= ~ rrr3. FUr die
ganze Kugel ergibt sich damit V = ~ rrr3.

Volumen

Kugelvolumen aus
kleinen Pyramiden Die Summe der Grundflachen ist aber im Grenz-
der Hohe r zu- fall die Kugelfliiche Ao, auBerdem ist lim Vn = V:

alsoA o =, =4rrr2
sammengesetzt
1
V="3 r lim
n+ OO
Ln Ai = "3rAo,
j=l
1 3V

Oberflache

4.2. Der Kugelabschnitt


Kugelabschnitt nennt man das durch einen ebe- Das im Bild eingezeichnete Dreieck ist recht-
nen Schnitt von einer Kugel abgetrennte Teil- winklig(Satz des Thales), hat die Hypotenuse 2r,
stUck. Die Mantelflache des Kugelabschnitts die Hohe p (Schnittkreisradius) und den Hypo-
he~t Kugelkappe. tenusenabschnitt h; nach dem Hohensatz (2. Satz
B des Euklid) ist p2 = h (2r - h).
Dos Valumen des Kugelabschnitts mit der Hohe
h ist gleich der Volumendifferenz des Zylinders
der Hohe h und des Kegelstumpfs der Hohe h
(wie 4.1 Volle Kugel):

V = rrr2 h -~ h [r2 + r(r - h) + (r - h)2]


V = ~ h[3r2 -r2-r2 +rh -r2 + 2rh-h 2 ]
V=~ h2(3r - h).
2
Aus p2 =h(2r - h) ergibt sich r = ~h + ~; in die
Schnittkreisradius p =../h (2 r - h) Volumengleichung eingesetzt:
Volumen V=~ rrh(3p2 +h 2) V=~ h(~ p2 +~ h 2 - h2)=~ h(3p2+h 2).
h2
V=rr"3(3r- h)
Mantelflache Am = 2rrrh (Kugelkappe) Flache der Kugelkappe siehe 4.3.

136
V 1.4.4 VI. Stereometrie (raumliche Geometrie)

4.3. Der Kugelausschnitt


Setzt man auf den Kugelabschnitt den Kegel auf, der die Kante des Kugelabschnitts als Grundkreis
hat und dessen Spitze in der Kugelmitte liegt, dann erhalt man als Gesamtk6rper einen Kugel-
ausschnitt.
Das Volumen setzt sich aus dem des Kugelab-
schnitts und dem des aufgesetzten Kegels zu-
sammen:
C~---''-----I-----}
2
V = 11 ~ (3r - h) + .q::2 (r - h)

A Nach dem Einsetzen von p2 = h (2r - h)(siehe


4.2) kann man zusammenfassen zu V= ~ 11r2 h
Volumen V= ~ 11r2h
Da sich das Volumen des Kugelausschnitts zum
Mantelflache Am = 211rh (Kugelkappe) gesamtenKugelvolumen wie die Flache der Kugel-
kappe zur gesamten Kugelflache verhalt, kann
man nunmehr die Flache Am der Kugelkappe
(schraffiert) berechnen:

3 3 m :411r2=>Am =211rh .
~11r2h:'±11r3=A

4.4. Die Kugelschicht


Ein mit zwei Parallelschnitten aus einer Kugel ausgeschnittenes Stuck ist eine Kugelschicht. Die
Mantelflache der Kugelschicht heiBt Kugelzone.
(h Die Volumenformel bestatigt man am besten
durch Einsetzen:

h h = h2 - hi, also
V=~ 11(h2 -hd(3p/ + 3pl +(h2 -hd 2 )
V=~ 11h2(3pl+hl)-~ 11h l (3PI 2 +h/)+
Volumen

Mantelflache Am = 2 11 r h (Kugelzone)
-*
+~11h2(3P/-2h2hl +h I2 )-
11hl(3P22_2h2hl +hl)

Der erste und der zweite Summand bilden die


Differenz der beiden Kugelabschnitte, der dritte
und der vierte Summand haben die Summe Null,
wenn man pl = hi (2r - hi) und
pi = h2 (2r - h 2) einsetzt.
Kugelzone. Die Kugelschicht ist die Differenz
zweier Kugelabschnitte mit den Radien P2 und
PI und den Hohen h2 und hb wobei h2 - hi = h
ist. Die Mantelflache der Kugelschicht heiBt
Kugelzone.

Am = 211 r h2 - 211 r hi = 211 r(h2 - hd = 211 r h

Anmerkung: Die Volumenformel muB beziiglich PI und P2 symmetrisch sein und flir PI ...,. 0 oder
flir P2 ...,. 0 in die Volumenformel des Kugelabschnitts iibergehen.

137
VII. Ebene Trigonometrie

1. Definitionen der trigonometrischen Funktionen


(Winkeifunktionen, Kreisfunktionen)
[

~8
Zur ausftihrlichen Schreibweise als Funktion
siehe 9.
In einem rechtwinkligen Dreieck mit dem Win-
c kel aist
a
sin a (Sinus Alpha) c sin a das Verhaltnis von Gegenkathete und Hy-
potenuse
cosa (Kosinus Alpha) -b cosa das Verhaltnis von Ankathete und Hypo-
c
tenuse
a
tana (Tangens Alpha) tana das Verhaltnis von Gegenkathete und An-
b
kathete
b
eota (Kotangens Alpha) -
a cota das Verhaitnis von Ankathete und Gegen-
kathete

2. Zusammenhiinge der trigonometrischen Funktionen


2.1. Komplementwinkel und Kofunktion

~
A~
c
73-
Q

B
Die beiden spitzen Winkel a und (3 im recht-
winkligen Dreieck mit 'Y = 900 sind Komplement-
winkel (V. 2.2.1): (3 = 90 0 - a. Aus 1. folgt:
. (3 b b
sin (900 -a) cosa sm =c und cos a = c ==> sin (3 = cos a
a a ==> cos(3 = sin a
cos (900 -a) sin a cos (3 = c und. sma=c
b b
tan (900 -a) cota tan (3 = Ii und cot a = Ii ==> tan (3 = cot a
a a
cot (900 -a) tana cot (3 =Z; und tan a = Z; ==> cot (3 = tan a

2.2. Zusammenhiinge bei ein und demselben Winkel 0 0 < a < 90 0

sin a a- : -b a-
cosa = tan a denn: =
c c b

1 ?!.= 1:~
eota = - - denn:
tan a a b

(sina)2 + (cosa)2 = 1 denn: (~t + (~t = 1 => a2 + b 2 = c 2


(Satz des Pythagoras)
Anmerkung: Es wird die Schreibweise sin 2 a (lies: Sinus Quadrat Alpha) fUr (sin a)2 benutzt; ent-
sprechend cos 2 a= (cos a)2 usw.
V11.3.3 VII. Ebene Trigonometrie

sin a, cos a, tan a, cot a fUr 0 < a < 90° ausgedrtickt


durch sin a cosa tan a cot a
tan a 1
sin a = sin a VI - (cos aF VI + (tan o:F VI + (cota)2
1 cota
cos a = yff=- (sin a)2 cosa
VI + (tan a)2 VI + (cot aF
tan a =
sin a VI - (cosa)2 1
tan a --
VI - (sin aF cosa cot a

y~-(sina)2 cos a 1
cot a = -- cot a
sin a VI - (cos a)2 tana

3. Die Kurven der Kreisfunktionen


3.1. Konstruktion von Funktionswerten
a: Veranderlicher Winkel zwischen Leitstrahl
und Grundrichtung
MP: Strecke des Radiusvektors;
Hypotenuse in t:" PMP'
MY: Ankathete; Projektion von MP auf die
Grundrichtung
PJi': Gegenkathete; Lot von P auf die Grund-
richtung

,
IMP' I b a a ,
sin a = I PP , I = a = a cosa= -==- = - =b tan CO! = r = -1- =a
IMPI 1 IMPI 1

3.2. Erweiterung des Dermitionsbereichs


Lot PP' und Projektion MP' existieren auch bei Winkeln auBerhalb des Intervalls 0° < a < 90°.
Versieht man die Streckenlangen links von M und unterhalb der Grundrichtung mit negativem
Vorzeichen, dann erhalt man mit den Gleichungen von 3.1 auch Funktionswerte fUr negative,
stumpfe und tiberstumpfe Winkel.

3.3. Sinus- und Kosinus-, Tangens- und Kotangenskurven

cos IX
sin IX
Einheitskreis sinlX-- [OSIX----

IX

139
Mathematik V11.3.3

Sinuskurve Kosinuskurve
a) 1m Einheitskreis ist der Sinus die Lange des a) 1m Einheitskreis ist der Kosinus die Lange der
LotesPP' (Lot von P, dem Endpunkt des Radius- Projektion MP' des Radiusvektors MP auf die
vektorsMP, auf die Grundrichtung). Grundrichtung.
b) Die Sinuskurve ist eine periodische Wellen- b) Die Kosinuskurve ist eine periodische Wellen-
linie mit der Periode 360° und den Hochstwer- linie mit der Peri ode 360° und den Hochstwerten
ten (Amplituden) +1 und -1. Zwischen 0° und (Amplituden) + 1 und -1. Sie ist kongruent der
360° hat die Sinuskurve die Form einer einzel- Sinuskurve, aber urn 90 0 gegen diese nach links
nen Welle. verschoben. Zwischen 0° und 360° hat die Kosi-
nuskurve die Form einer Mulde.

c) Die Sinuskurve ist symmetrisch, und zwar c) Die Kosinuskurve ist symmetrisch, und zwar
punktsymmetrisch in Bezug auf die Symmetrie- punktsymmetrisch in Bezug auf die Symmetrie-
zentren bei a =0°, 180°,360°, ... , spiegelsym- zentren bei Q = -90°, +90°, 270° ,,,., klappsym-
metrisch in Bezug auf die Symmetrieachsen metrisch in Bezug auf die Symmetrieachsen
durch a = -90°, +90°, 270°, ... durch Q = 0° , 180° , 360° , ".
tan ex - - - tan ex
cot ex---- cot ex

ex

Tangenskurve Kotangenskurve
a) Am Einheitskreis ist der Tangens die Lange a) Am Einheitskreis ist der Kotangens die Lange
der Strecke, die der Leitstrahl von der "Tan- der Strecke, die der Leitstrahl von der "Kotan-
gente" abschneidet. Diese Tangente ist im End- gente" abschneidet Die Kotangente ist die Tan-
pUnkt des zu Q = 0° gehorigen Radiusvektors an gente an den Einheitskreis im Endpunkt des zu
den Kreis gelegt. Q = 90° gehorenden Radiusvektors.

b) Die Tangenskurve ist eine Foige von Einzel- b) Die Kotangenskurve ist eine Foige von Ein-
kurven, deren jede von - 00 kommt und sHindig zelkurven, derenjede von +00 kommt undstandig
steigend nach + 00 verlauft. Von Einzelkurve zu fallend nach -00 verlauft. Von Einzelkurve zu
Einzelkurve springt also der Tangenswert von Einzelkurve springt also der Kotangenswert von
+ 00 nach -00. Die Senkrechten zur Grundrich- -00 nach + 00. Die Senkrechten zur Grundrich-

tung an den Sprungstellen Q =- 90° , + 90° , tung an den Sprungstellen Q = 0° , 180°, 360°, ".
270° ,,,. heiBen Asymptoten (die Kurve schmiegt sind Asymptoten. Die Periode betragt 180°. Die
sich beidseitig unbeschrankt an diese Senkrech- erste Einzelkurve liegt zwischen 0° und 180°.
ten an, ohne sie je ganz zu erreichen). Die Perio- c) Die Kotangenskurve ist symmetrisch und
de der Tangensfunktion ist 180°. Die erste Ein- zwar nur punktsymmetrisch in Bezug auf die
zelkurve liegt zwischen - 90° und + 90° . Symmetriezentren bei Q = - 90° , + 90° ,270° ,,,.
c) Die Tangenskurve ist symmetrisch, und zwar Die Kotangenskurve ist das an den Achsen durch
nur punktsymmetrisch in Bezug auf die Symme- Q = - 45° , + 45° , 135°, 225 0 , 315 0 ,405° ,,,. ge-
triezentren bei Q = 0°,180°,360° ,,,. spiegelte Bild der Tangenskurve.

140
VI1.5 VII. Ebene Trigonometrie

4. Spezielle Funktionswerte der Kreisfunktionen


Gleichseitiges Dreieck 2

Satz des Pythagoras: h 2 = a2 - (~)

h=~V3
2
a
sin 30° =2=1
a 2

a Gleichschenklig-rechtwinkliges Dreieck
Satz des Pythagoras: d 2 = a2 + a2
a Q
d=a Vi
sin 45° = ~ = _1_ =1Vi
d Vi 2

Tafel der spezieUen Kreisfunktionswerte

a= 0° 30° 45° 60° 90° 120° 135° 180° 270° 360°

sin a = 0 !
2 ~v'2 1..[33
"2 1 ~v'3 ~Vi 0 -1 0
cosa= 1 ~v'3 ~Vi
I
2
0 -!
2 -~ Vi -1 0 1
tan a = 0 "31..[33 1 v'3 00
-v'3 -1 0 00 0
cota = 00
v'3 1 1v'3 0 -1v'3 -1 00 0 00

s. Symmetrie der Kreisfunktionen


Aus den 6 kongruenten rechtwinkligen Drei-
ecken liest man ab:
sin a = a cos a = b
sin(-a)=-a cos(-a) = b
sin(90° -a) = b cos(90° -a) = a
sin(90° +a) = b cos(90° +a) = - a
sin(180° -a) = a cos(180° -a) = - b
sin(180° +a) = - a cos(180° +a) = - b

Tafel der Kreisfunktionen von negativen, Kom plement-, Supplementwinkeln

sin (-a) = - sin a sin (90° ± a) = cosa sin (180° ± a) = + sin a


cos (-a) = cosa cos (90° ± a) = + sin a cos (180° ± a) = - cos a
tan (-a) = - tana tan (90° ± a) = + cota tan (180° ± a) = ± tan a
cot (-a) = - cota cot (90° ± a) = + tan a cot (180° ± a) = ± cot a

141
Mathematik VI 1.6

6. Additionstheoreme
Herleitungshinweise
Aus der Zeichnung abzulesen:
g = d + c <== sin (ex + (3) = sin ex cos{3 + cosexsin{3
h = e - f <== cos(ex + (3) = cos ex cos{3 - sin exsin{3
Ersetzen von {3 durch (-{3):
sin (ex - (3) = sin ex cos{3 - cosex sin{3
d=sin ex cos (J
cos(ex - (3) = cosex cos{3 + sin ex sin{3
Dividieren von g durch h und Kiirzen durch
cos ex ' cos (3:
tan ex + tan{3
tan(ex + (3)
1 - tan ex tan{3
e=cos ex [as (J
Ersetzen von {3 durch (-(3):
tan ex - tan{3
tan(ex - (3) = 1 + tan ex tan {3

Substitution: Hiemach Ersetzen von ex und {3 in


u+v
u=ex+{3 ex=-- sin (ex + (3) = sin a cos {3 + cos ex sin {3
2
u -v
v=ex-{3 {3=- sin (ex - (3) = sin ex cos {3 - cos ex sin (3:
2
, ,u+v u-v u+v,
sm u = sm -2- cos -2- + cos -2- u-v
sm -2- 1
, ,u+v u-v u+v, u-v +
sm v = sm -2- cos -2- - cos -2- sm -2-

, , 2' u+v u-v


smu + sm v= sm -2- cos -2- Entsprechend drei weitere Summen
(Differenzen),

Formeln fUr Winkelsummen und Winkeldifferenzen

sin (a ± (3) = sina cos{3 ± cos ex sin{3 cos (a ±(3) = cosa cos{3 += sin ex sin{3
tana ± tan{3 cota cot{3 += 1
tan (a ± (3) = cot (a ± (3) =
1 + tan a tan {3 cot{3 ± cota
-
sin 2 ex = 2 sin a cos a cos 2a = cos 2 ex - sin 2 a
= 1 -2 sin 2 ex = 2 cos 2 a-I
2 tana 1 - tan 2 a
sin 2ex= cos2a =
1 + tan 2 ex 1 + tan 2 a
2tana cot 2 a - 1
tan 2a = cot 2a =
1 - tan 2 a 2cota
sin 3 a = 3 sin a - 4 sin 3 a cos 3a = 4 cos 3 a - 3 cosa
3 tana - tan 3 ex cot 3 a - 3 cota
tan3a = cot 3a =
1 - 3 tan 2 a 3 cot 2 ex - 1
, + sm,/;
, = 2'sm -2- u-v
u + v cos-- u+v u-v
smu 2- cosu + cos v = 2 cos -2- cos-2-

, , 2 u+v, u-v cosu - cosv = - 2 sin u + v sin u - v


smu - smv = cos -2- sm -2-
2 2

142
VII.7.2.1 VII. Ebene Trigonometrie

7. Sinussatz und Kosinussatz


7.1. Herleitung der Slitze
Herleitung des Sinussatzes
. h
smo: = b ='> h = b sino:

. R h h = a sin~
sm,.. =0 ='>

b sino: = a sin~ ='> a : b = sino: : sin~


Herleitung des Kosinussatzes
coso:=~b' p2 +h 2 =a 2 ,
q=c-p, h = b sino:
c-p
='>cOSO:=-b-' p2 +b 2 sin 2 0:=a 2
='>(c - b cos 0:)2 + b 2 sin 2 0: = a2
=,>c 2 - 2bccoso: + b 2 cos 2 0:+b 2 sin 2 0: =a 2
=,>c 2 - 2bc coso: + b2 =a 2

Sinussatz Kosinussatz
a : b : c = sino:: sin~ : sin-y a2 = b2 + c 2 - 2bc coso:
='>a : b = sino:: sin~ , b2 = a2 + c -2ac cos~
2
a:c = sino::sin-y,
b :c = sin~ : sin-y c2 = a 2 + b2 - 2ab cos-y

7.2. Die vier Grundaufgaben der Dreiecksberechnung


Entsprechend den vier Grundkonstruktionen des Dreiecks (siehe V. 5.5) gibt es vier Grundaufgaben
der Dreiecksberechnung.

7.2.1. Grundaufgabe WSW und SWW


Gegeben 0', c, ~ (Winkel, Seite, Winkel) oder c, ~, -y (Seite, Winkel, Winkel). Fehlender Winkel:
-y = 180° - (0: +~) oder 0: = 180° - ~ + -y). Fehlende Seiten (durch Anwendung des Sinussatzes):
c . b = _._c- sin~
a =-.- smo:
sm-y sm-y
Beispiel: Gegeben 0: = 5 5°, c = 7 ,34, ~ = 48° Losungsweg:
-y = 180° - (55'" + 48°) = 77°
Nach dem Sinussatz ergibt sich die Ketten-
gleichung:
siny sina sinf3
c a b
sin 77° sinSSo sin 48°
7,34 a b
Auflosung nach a und b:
Ergebnisse: sin 5So sin 48°
-y= 7~, a =6,17, b =5,60
a = --=---77°
sm
. 7,34 b = --:--770 . 7,34
sm

143
Mathematik VI1.7.2.3

7.2.2. Grundaufgabe SSW


Gegeben a, b, a (Seite, Seite, Winkel).
·
A nwen d ung des Smussatzes: . f3 = -a-
sm sin a b

Eindeutig fUr b < a = {3 < a (es kommt nur der spitze Winkel (3 in Frage, dessen Sinus den vorge·
schriebenen Wert hat).
Nicht in allen Fallen eindeutig flir b > a. Die Aufgabe kann zwei Losungen, {31 und {32 , haben mit
sin{31 = sin{32 und {31 + {32 = 180° (alle moglichen FaUe siehe V. 5.5.2).
Der dritte Winkel ergibt sich aus der Winkelsumme im Dreieck, die dritte Seite coder CI und C2
nach dem Sinussatz.
Beispiel!: a = 8,45; b = 6,38; a = 68,5° Ldsungsweg:
[
Da a der groBeren gegebenen Seite gegenliber-
liegt, ist die Aufgabe eindeutig. Aus
sin a sin 68,5° sin {3 sin {3
-a- = 845 = b = 6 38 folgt daher nur
, ,
{3 = 44,6°.
Ergebnisse:
{3 = 44,6°, "I = 66,9°, C = 8,35

Beispiel 2: a = 9,35; b = 14,25; a = 39f Ldsungsweg:


[ sin a sin 39,2° sin {3
Aus -a- = -,35 9 = 14,25 folgen
{31 = 74,4° und {32 = 180° - {31
{32 = 105,6°.
Beide Winkel erftillen die Bedingung
b>a={3>a
Ergebnisse:
1. {31 = 74,4°, "II = 66,4°, CI = 13.56
2. {32 = 105,6°, "12 = 35,2°, C2 = 8,53

7.2.3. Grundaufgabe SWS


Gegebena, "I, b (Seite, Winkel, Seite).
Anwendung des Kosinussatzes: C = v',"-'a2=--+-b"""2---2-ab-c-os-"I-
a (oder (3) mit Kosinussatz (eindeutig, aber umstandlicher) oder Sinussatz (Entscheidung zwischen
den beiden moglichen Winkeln a lund a2 mit a I + a2 = 180° liber die Bedingung a <i': C ==> a <i': "I).
{3 (oder a) ergibt sich dann aus der Winkelsumme im Dreieck (Kontrolle mit Sinussatz).
Beispiel: a=5,62; "1=115°; b=8,50 Ldsungsweg:
[ c 2 =a 2 + b 2 - 2ab cos "I
=5,622+8,502-2'5,62'8,50cosI15°

\
A\~1a
~ b 1 a = 5,62 2 + 8,50 2 + 2' 5,62'8,50 cos 65°
= 31,58 + 72,25 + 40,36
c2=144,21~c=12,0
. . 65° . 5,62
sma=sm . 25 , 1°
12,0=sm
Ergebnisse:
c= 12,0; a=25,1°; {3=39,9° {3= 180° -(115° + 25,n

144
V11.8.2 VII. Ebene Trigonometrie

7.2.4. Grundaufgabe SSS


Gegebena, b, c (Seite, Seite, Seite).
Anwendung des Kosinussatzes: Am besten wird zuerst der der gro~ten Seite gegeniiberliegende
Winkel berechnet cos r ~ 0 ~ r ~ 90°, die beiden weiteren Winkel miissen dann spitz sein:
a2 +b 2 -c 2 .• sin a sinfj sinr
cos r = 2ab a und fj mIt Smussatz: -a- = -b- = -c-

Winkelsummenkontrolle: Die Summe der drei berechneten Winkel mul), 180° betragen.
Beispiel: a = 343; b = 526; c = 795 L6sungsweg:
Hier ist c > a, b, daher

~
a2 + b 2 _ c 2
cosr = 2ab
b ., a
3432 + 526 2 - 795 2
2·343·526
A~B
£. =- 0,659
Ergebnisse: = - cos 48,8° = cos 131,2°
a= 18,9°, fj= 29,9°, r= 131,2°

8. Gradma~ uDd BogeDma~

8.1. Malk des VoUwinkels


1 pia = 1 plenus angulus
2rrr = 1 voller Winkel
=4R =4 Rechte
1pla = 360° = 4 rechte Winkel
4R = 400 gon = 400 Gon
360° (friiher:
= 40<1 = 400 Neugrad)
400gon = arc 360° = Arcus 360°
2rrrad = 27T rad = 27T Radiant
=27T =2·3,14159 ...

8.2. Unterteilung des Grad11U1&s


1° (1 Grad) 60' (60 Minuten) 1° 1'
l' (1 Minute) = 60" (60 Sekunden)
l' =
60
1" =
60
3600" " 1 °
1 = 3600

Beispiele:
1. 3,45° = 3° + 0,45 ·60'
° 11° 19 °
2. 15°11'19" = 15 +60 + 3600 = 15° + 0,183° + 0,00527° = 15,1886P

Probe: = 15° + 0,18861·60' = 15° + 11,316' = 15° + 11' + 0,316·60"

= 15° + 11' + 18,9" = 15°11'19"


145
Mathematik VI 1.8.3

8.3. Das Bogenm~


Milit man die Liinge b des Bogens, den ein Zen·
I~AOBI=CI.
triwinkel (4 AOB) eines Kreises mit dem Radius
Einheitskreis r aus dem Kreis ausschneidet, mit r als Liingen·
b einheit, dann ergibt sich die Gro~e des Winkels
imBogenm~.
Die Bogenliinge x gibt die Winkelgro~e x un-
mittelbar an, wenn der Radius r = 1 ist (Ein-
heitskreis) .
Die Einheit 1 rad (Radiant) des Bogen~es er-
gibt sich, wenn Bogen und Radius gleich lang
sind.
1 rad =,.r Aus 21T rad = 3600 (siehe 8.l) folgt:
3600 0 0
=1.=1 1 rad = ~ = 57,29 ... "" 57,3
1

Umrechnungsformeln (x in Radiant, a in Grad):


1T 1~
Bogenma~ x = 1800 . a Gradm~ a = -1T-' X

Umrechnungstabelle

a 1° 10° 30° 45° 57,29 ... ° 90°


1T 101r -1T
1T .!!.
x - - 1
180 180 6 4 2
= 0,01745 ... = 0,1745 ... = 0,5234 ... = 0,7853 ... = 1,5707 ...

Beispiele:

l' -- 1T
- 0,5 rad = 0,5 . 180°
180·60 1T
= 0,000 290 8 ... rad = 28,647 ... 0 "" 28°38'52"
= 17,341T .!!. rad = ~. 180° = 60°
180 3 3 1T

180°
= 0,3026 ... rad 9,68 rad = 9,68' -1T- "" 554,62°

731T +~ 180°
3,14 rad = 3,14' -1T- = 179,908 ...
°
180 10800
1T
1,27409 ... + 0,00377 ... sin- = sin 90° = 1
2
1,277 86 ... (rad) cos 1T = cos 1800 =-1

( 92+~+~)1T tan .!!. = tan 45 0


9208'23" = 60 3600 4
180
sin 1 = sin 57,29° 0,8414 ...
= 1 ,608 14 ... rad
30 '1800
sin 30 = sin 1T ""- 0,9980
1T 1
sin 30° = sin- =-=05
146 6 2 '
V11.9.2 VII. Ebene Trigonometrie

9. Winkelfunktion und Arcusfunktion


9.1. Funktionsschreibweisen der Winkelfunktionen
Ersetzt man nach 8. den Winkel a durch den Bogen x, geht man also yom GradmaB zum BogenmaB
tiber, dann lassen sich die in 3.3 dargestellten Winkelfunktionen folgendermaBen formulieren:

IR ----+ {y 1- 1 ,;;;;; y ,;;;;; I}


x sin:
x ----+ y = sinx

IR ----+ {yl-1';;;;;y';;;;; I}
cos:
x----+ y = cosx

IR \ {xolxo = (2n + 1) ¥/\ n E Z}


----+ IR
tan:
x ----+ y = tanx

(An den Stellen ± ± 3~, ± 5 i, hat die Tan- i ,,,.


gensEunktion keinen Funktionswert)

IR \ {xo Ixo =mr /\ nE Z}


----+ IR
cot:
x ----+ y = cotx
x
(An den Stellen 0, ± 7r, ± 2 7r, ± 3 7r '''. hat die
cot-Funktion keinen Funktionswert)

9.2. Umkehrbar eindeutige Winkelfunktion und Arcusfunktion


Nach IV. 2.2.2 HiBt sich eine Funktion nur umkehren, wenn sie bijektiv (urnkehrbar eindeutig) ist.
Man erhalt jede Winkelfunktion als bijektive Funktion durch Beschrankung des Definitionsbereichs,
n
z.B. auf[- ~, D = {x 1- ~ ';;;;;x ,;;;;; bei der Sinusfunktion.

147
Mathematik VI 1.9.2
y

x [-i, i J--+ [-1, 1] [-I,I]--+[-i, iJ


sin: arc sin:
x --+ y = sinx x --+ y = arc sinx

! .... 1[

[0,1T] --+ [-1,1] [-1,1]--+ [0, 1T]


x cos: arc cos:
x --+ y = cosx x --+ y = arc cosx

x
tan:
]-~, i [--+]- =, 00 [

arc tan:
]-=,=[--+]-i, i [
x --+ y = tanx x --+ y = arc tanx

CH, ~ [= {x I-~ <x < ~}, offenes Intervall)

]0,1T [--+]- 00,00 [ ]-00,00 [ - ] 0, 1T [


cot: arc cot:
x --+ y = cotx x --+ y = arc cotx
( ] - 00, oo[ = IR, ] 0, 1T [ = alle reellen Zahlen von 0 bis 1T auBer 0 und
1T selbst)

· . 11 : arc sIn
Belsple . 2"I = arc sm
. 0 ,5 = 6"
1T = 30° ; denn sm
. 6" . 30°
1T = sm = 2"I = 0 ,5
Die Arcussinusfunktion kann auch fur einen anderen Wertebereich als [-~, D
definiert sein. Alle
moglichen Werte, die arc sin ~ somit annehmen kann, sind (4n + 1) . 90° ± 60° = (4 n + 1) . ~ ± ~
mit nEZ, denn
sin 30° = sin 150° = sin 390° = sin 510° = ... = sin (-210°) = sin (-390°) =
-u"
= sm
."
6 = sm 6"
. 5"
= sm
. 13"
6 = sm
. 17"
6 = ... = sm
. -7"
-6- = SIn
.
-6-
1
2
(am besten an der sin-Kurve von 9.1 zu bestatigen).
Beispiel 2: arc sin 2 ist nicht reell, denn es gibt keinen Winkel, dessen Sinus gleich 2 ist.
Beispiel 3: arc sin 1 = i= 90° , denn sin i= sin 90° =1
FUr andere Wertebereiche sind entsprechend Beispiel 1 die folgenden Losungen moglich:
arc sin 1 = (4 n + 1) . 90° = (4 n + 1) . ~ mit ganzzahligem n

Beispiel 4: arc tan (-1) = - %= -45°. FUr andere Wertebereiche:


arc tan (-1) = n 1T - %= n . 180° - 45° mit ganzzahligem n, also z.B. auch arctan (-1) = 135°.

Beispiel 5: arc cot 0 = ~ = 90°. FUr andere Wertebereiche:


arc cot 0 = n 1T + i + 90° mit ganzzahligem n, also z.B. auch arccot 0 = - 90°.
= n . 180°
. . I 6: arccos ( -0,6789) =180° -47,24° =132,76 ° = l8o'1T=2,3171
BelSple 132,76
FUr andere Wertebereiche:
arc cos (-0,6789) = (2 n + 1) . 180° ± 47,24° = (2 n + 1) . 1T ± 0,8245 mit ganzzahligem n.

148
VIII. Analysis (Differential- und Integralrechnung)

1. Folgen und Reihen


Unter einer Folge von Zahlen (Zahlenfolge) versteht man eine Aneinanderreihung von Zahlen, die
durch ein bestimmtes Bildungsgesetz rniteinander zusammenhiingen. Aus einer Folge wird eine
Reihe, wenn man die aufeinanderfolgenden Zahlen (Elemente) durch +-Zeichen miteinander ver-
bindet. Folgen und Reihen mit begrenzter Anzahl von Elementen nennt man endlich, bei un-
begrenzter Anzahl nennt man sie unendlich.

Folge: Schreibweise:
Die Abbildung (Funktion) (an) (an in spitzen Klantmern)
IN ---+ IR = (alo a2, a3,"" am ... )
n ---+a n an heilit allgemeines Glied (Element) der Folge.
heilit unendliche reelle Folge

Reihe: Partialsummen sind abgebrochene (also endliche)


1st (an) eine unendliche Folge, dann ist Reihen:
00 n
al+a2+ a 3+ .. ·+ an+"·= Lan Sn= Lav=al+a2+ ... +av+ ... +an
n =1 v=1
eine unendliche Reihe (~ heilit Sigma und wird hier gelesen: Summe
von v = 1 bis n ...)

Anmerkung: 1st n die Nummer des letzten Gliedes einer endlichen Folge oder endlichen Reihe,
dann wiihlt man als Index des allgemeinen Gliedes den griechischen Buchstaben v (ny).

Beispiele (bei arithmetischen und geometrischen Folgen und Reihen werden die diesbeziiglichen
Satze angewendet):

1. (1,2,3, ... , 10> ist eine endliche (arithmetische) F olge.


Allgemeines Glied: a v = v Bildungsgesetz: Jedes Glied nach dem ersten (1)
z.B. das Glied Nr. 7 ist 7 ist urn 1 gro~er als das vorhergehende.
10
ist eine endliche Reihe, und zwar die Partial-
"'-, v
2.1+2+3+ ... +10= L....
summe (Teilsumme) Sn = SIO der unendlichen
v=1

Reihensumme: Reihe L v; letztere ist divergent, d.h. ihre


SIO = (1 +10) . 120 = 55 v= 1
Summe nicht angebbar.
3. (1, 2, 3, ... ,n, ... ) = (n) ist eine unendliche Folge, und zwar die Folge
Allgemeines Glied: an = n der nattirlichen Zahlen. Sie gehort zu den arith-
metischen Folgen.
Anmerkung: Der Unterschied zwischen dieser Folge der natiirlichen Zahlen und der Menge IN der
nattirlichen Zahlen besteht darin, da~ bei der Folge die Reihenfolge der Elemente (Glieder) eine
Rolle spielt, wahrend sie bei der Menge beliebig ist.

149
Mathematik VIII.1.1

4. 2 + 4 + 8 + 16 + ... + 4096 ist eine endliche Reihe, und zwar die Reihe der
Allgemeines Glied: av = 2v ersten Potenzen von 2.
Letztes Glied: an = 2n Die Reihe gehOrt zu den geometrischen Reihen.
=a12 = 212 = 4096
4096-1
Reihensumme: sn = SI2 = 2·2-=-1
=8190

ist eine unendliche geometrische Reihe.

Bildungsgesetz: Jedes Glied nach dem ersten (~)


Allgemeines Glied:
ist die Halfe des vorhergehenden.

1 1 - (~}12 4095
note Partialsumme: z.B. Sl2 = - - - 1 - =
2 1-"2 4096

Reihensumme: lim sn = S = I
n+ OO 00

6. ++ ~ + ~ + ~ + ~ + ... = I v=l
~ ist eine unendliche Reihe.
Name: Harmonische Reihe
Allgemeines Glied: av = v1 (die Reihe ist weder eine arithmetische noch
eine geometrische).
Reihensumme: lim sn = 00
(ohne Beweis)
1 1 1 1 1_
7. "1-2+3-4+5+ ... ist eine unendliche Reihe.
Eine Reihe mit von Glied zu Glied wechselnden
Allgemeines Glied: ( -l)V -I ~
t< <
Vorzeichen heilit alternierende Reihe.
Reihensumme: S 1 Die Schranken der Reihensumme lassen sich be-
liebig einander annlihern.
1.1. Arithmetische Folge und Reihe

Arithmetische Folge: Eine Foige (Reihe) heilit arithmetisch, wenn


a, a+d, a+2d, a+3d, ... ,a+(v-l)d, ... aufeinanderfolgende Elemente (Glieder) eine
konstante Differenz (d) haben.
Arithmetische Reihe von n Gliedern:
Erstes CUed (Element):
a + (a + d) + (a + 2 d) + (a + 3 d) + ...
Differenz von
+(a+(n-l)d) av-av-l =d; v>1
Glied zu Glied:
n
=a + (v -
= I a+(v-l)d=sn
votes Glied:
al+an=a2+an_1 a3+ an_2
av l)d

v=l
2 2
Reihensumme:
n ist der Mittelwert eines Gliedes der Reihe, das
Sn =2(al +a n ) n-fache die Reihensumme.
n
Sn=2(2a+(n-l)d)

Beispiel 1: Wie gro~ ist die Summe der natiirlichen Zahlen von 1 bis 100?
100
a =1 d =1 n = 100 an = 100 sn = 2 (1 + 100) =5050

150
V1I1.1.2 VIII. Analysis (Differential- und Integralrechnung)

Arithmetisches Mittel: Jedes Glied einer arithmetischen Folge ist das


arithmetische Mittel der beiden Nachbarglieder:
n>1 a+(n-2)d+a+nd 2a+(2n-2)d
2 a + (n -1)d = = --'------''---
2 2
Beispiel 2: 14 und 20 haben das arithmetische Mittel 14; 20 = 17. 14, 17, 20 sind aufeinander-
folgende Glieder einer arithmetischen Folge (d = 3).

1.2. Geometrische Folge und Reihe

Geometrische Folge: Eine Folge (Reihe) heiBt geometrisch, wenn auf-


a, aq, aq2, aq3, ... , aqn-l, ... einanderfolgende Elemente (Glieder) einen kon-
stanten Quotienten (q) haben.
Geometrische Reihe von n Gliedern:
Erstes Glied (Element): al = a
a +aq +aq2 +aq 3 + ... +aqn-l
an
n -=q
=I
Quotient:
aqV-l =Sn an-I
v=l notes Glied: an =aqn-l
Reihensumme: Durch Subtrahieren von
qn -1 snq =aq +aq2 + ... +aqn-I +aqn und
sn =a --1- (q~ 1) sn =a +aq +aq2 + ... +aqn-I
q-
erhalt man die Summenformel fur sn-
Probe: Durch Polynomdivision erhalt man wieder die Ausgangsreihe.

Beispiell: 2 + 4 + 8 + 16 + 32 + ... + 4096 (Beispiel 4 von 1.)


Es ist q = 2. Aus an =aqn -I folgt 4096 = 2 . 2n -I = 2n.
19 4096 = n 19 2 n = 19 4096 = 3,61 24 "'" 12
Ig2 0,3010
Eine Probe bestatigt, daB das Ergebnis genau n = 12 ist.

s =a' qn - 1 = 2. 4096 - 1 = 81 90
n q-l 2-1

Beispiel 2: Eine Bohrung koste a DM flir das erste Meter; jedes folgende Meter koste im ersten Fall
10a mehr als das vorhergehende Meter, im zweiten Fall 10 mehr als das vorhergehende Meter. Wie
teuer wtirde in beiden Fallen eine 500 m tiefe Bohrung ?
Erster Fall: arithmetische Reihe Zweiter Fall: geometrische Reihe
n qn - 1 1 1500 - 1
sn = "2 (2a + (n - 1) d) sn=a--q=t=a '0,1
1
= 250(2a + 499 'loa) = 4,97' 1021 a
= 25· 519a = 12975a (Unbezahlbar, selbst wenn a = 0,1 Pf betragt)

Geometrisches Mittel: Jedes Glied einer geometrischen Folge ist das


geometrische Mittel der beiden benachbarten
Glieder: aqn -I -= yaqn-2aqn -= ya 2q 2n-2

Beispiel 3: 9 und 16 haben das geometrische Mittel v'9T6 = 12. 9, 12, 16 sind aufeinander-
folgende Glieder einer geometrischen Folge (q -= ~).

151
Mathematik VII 1.2

1.2.1. Unendliche geometrische Reihe

Unendliche geometrische Reihe: Jede unendliche geometrische Reihe, bei der der
a +aq +aq2 +aq 3 + ... +aqn-I + ... Betrag des Quotienten kleiner als 1 ist (I q I< 1),
hat eine endliche Summe (s).
I
00

= aqn-I =s fur Iql< 1


n =1
Reihensumme:
1
s=a-- flirlql<1
1 -q
Herleitung: Aus der Summenformel sn = a qn -11 ergibt sich nach Erweitern mit (-1) die gleich-
1 n q-
wertige Gleichung sn = a 1- q . Bildet man hiervon den Grenzwert flir n ~ 00, so erhiilt man
-q
lim qn =0; denn ist Iq I < 1, dann wird mit wachsendem n der Wert des Bruches qn immer kleiner,
n+ oo
und es gibt keine noch so kleine feste Grenzzahl e > 0, die nicht durch qn fUr ein hinreichend groBes
n > N unterschritten werden kann (qN ,.;;; e).

1st aber lim qn = 0, dann ist auch lim Sn = S = a -1_1- .


n+OO n+oo-q
. .1 1 1 1 1 1
BelSple: "2 +"4 +"8 + 16 + 32 + ... ( Beispiel 5 von 1.) .
Hier ist q = ~, die Konvergenzbedingung ist also
erftillt.
Man erhiilt s = ~ . _1_1 = 1
1--2
1
4" 1m Bild ist die Flache des ganzen Quadrats das
1 Ergebnis, die eingezeichneten kleineren Quadra-
"2 1
te und Rechtecke veranschaulichen die einzel-
1 76

~
"8 nen (unendlich vielen) Glieder.
32

2. Grenzwerte
Ein mit endlich vielen Schritten nicht erreichbarer Wert, dem man sich aber durch eine hinreichend
groBe Zahl von Schritten beliebig annahern kann, hellit Grenzwert oder Limes (geschrieben lim ...).

Grundformeln der Limesbildung: Lies: Limes i fur x gegen unendlich gleich 0 ...
lim
x+ oo
}=o . 1
1Im-=oo
x+ox

Beispiel 1 : Durchlauft x die Folge der natiirlichen Zahlen (1,2,3,4, .. .>, dann strebt es nach Un-
i
endlich; gleichzeitig durchlauft die Folge der Stammbriiche ({, ~,1, ~, ... ),
die dem Grenzwert 0
i
zustreben. Mit einer hinreichend groBen natiirlichen Zahl x kann kleiner als jeder noch so kleine
vorgegebene positive Wert e > 0 werden. Das besagt die Gleichung lim ~ = o.
x+oo
Beispiel 2: Durchlauft x die Folge der Stammbriiche ({, ~, ~ 1, ,... ),
dann durchlauft ~ die Folge
der natiirlichen Zahlen (1,2,3,4, ... ). Mit einem hinreichend kleinenx kann i groBer als jede noch
so groBe vorgegebene Zahl M werden. Das besagt lim ~ = 00.
x-+o

152
VII 1.2.1 VIII. Analysis (Differential- und Integralrechnung)

Fehlerwarnung: Unzulassig ist die Schreibweise i


= 00. Durch 0 darf nicht dividiert werden. 00 ist
keine Zahl. Allein richtig ist lim ~ = 00, was besagt, daB ~ mit unbeschrankt kleiner werdendem
x+o
x jeden noch so groBen Wert tibersteigt.
Beispiel 3: Wieviel gleich groBe Portionen kann man aus II Wasser hersteIlen, wenn die GroBe der
einzelnen Portion nacheinander II, !o/,
I~O I, 10~O I, ... betragt?
Antwort: Man kann 1, 10, 100, 1000, ... Portionen herstellen. Es gibt mathematisch keine Begrenzung:
lim _1_ = lim IOn = 00
n+oo {fa)n n+!XI

(physikalisch gibt es allerdings eine Begrenzung wegen der endlichen GroBe und damit endlichen
Anzahl der Molektile.)

Grundregeln der Limesbildung: Grenzwerte von Summen (Differenzen), Pro-


lim (a ± b) = lim a ± lim b dukten (Quotienten), ... bildet man, indem man
lim (a . b) = lim a . lim b die Grenzwerte der Summanden, Faktoren, ...

lim !!..b = lili·m ab fUr aIle b 0 * addiert, multipliziert, ...

m und lim b*O

Beispiel 4: lim ~ (l - x) = ?
x +00 X

lim -1-(I-x)=
x+ oo X
lim(l.l-~)==
x+ ooX X
lim~
x+ oo
limx!-lim !=O·O-O=O
x+ oo x +00 X

2.1. Konvergenz und Divergenz

Konvergenz: Hat eine Reihe einen Grenzwert, dann sagt man,


lims n =s existiert die Reihe konvergiert.
n+ oo

Divergenz: Hat eine Reihe keinen Grenzwert, dann sagt


lims n existiert nicht man, sie divergiert.
n+ oo

Beispie1e:

S3 == ~; S4 == *; . .
1. Die geometrische Reihe ~ + ~ + ~ + ~ + ... (1.2.1 Beispiel) hat die Teilsummen SI == ~; S2 == ~;
Die Foige dieser Teilsummen nithert sich mehr und mehr dem Wert 1, alsoist 1
der Grenzwert der Teilsummen SI, S2, S3, S4, ... und damit gleich der Summe dieser unendlichen
geometrischen Reihe. Die Reihe konvergiert. Man schreibt kurz lim sn = 1.
2. Die Reihe 1 + ~ + ~ + ~ + ~ + ... (harmonische Reihe) hat keinen Grenzwert, sie divergiert also.
Denn ersetzt man die Glieder der Reihe teilweise durch Glieder kleineren Werts, schreibt also statt
11111111 di ih
1+2+3+4+5+6+"7+8+"9+ ... eRe e
1+~ +~ +~ +~ +~ +~ + i + ~+ ... und faJl,t man die gleichen Glieder zusammen, dann erhalt man
1+!
222
+! +! +!
2
+ ...
Diese neue Reihe wachst aber tiber aIle Grenzen, somit erst recht auch die harmonische Reihe. Man
schreibt kurz lim sn = 00.

153
Mathematik VII 1.2.2

3. Die Reihe 1 - 1 + 1 - 1 ± ... hat auch keinen Grenzwert. Denn je nachdem, wo man sie abbricht,
erhalt man die Summe 0 oder die Summe 1. Also divergiert die Reihe.

2.2. Unbestimmte Ausdriicke

Unbestimmte Ausdriicke: Ergibt sich als "Grenzwert" einer Folge (Reihe,


o 00 Funktion) einer der nebenstehenden Ausdriicke,
o
00-00
00 dann ist die Frage offen, ob der Grenzwert exi-
O' 00
stiert (und wie gro~ er ist) oder ob er nicht
existiert.
Anmerkung: Schlie~t man einmal die Division durch 0 nicht aus und betrachtet man auch 00 als
reelle Zahl, dann flihren verschiedene Regeln der Arithmetik bei obigen Ausdrticken zu verschie-
denen "Ergebnissen". Zum Beispiel:

5= 0, denn ~ =0 fUr aile a:f 0 oo = 1, denn aa = 1 fUr alle a:f 0


o- = 00 denn lim !. = und lim I! = 00 fill aile a:f 0
o '
00
x-ox x-ox
Hieran wird deutlich, d~ man durch 0 nicht dividieren darf und 00 keine Zahl ist.
Berechnungsverfahren: Anstelle eines unbestimmten Ausdrucks kann man in vielen Fallen einen
Grenzwert berechnen oder entscheiden, da~ es keinen Grenzwert gibt.

Beispiele:
1. lim (x 2 -x) = ? Der unbestimmte Ausdruck ware 00 - 00.

x 2 -x = x(x - 1) Man formt urn.


lim x(x - 1) =00' 00 = 00 Es gibt keinen Grenzwert.
x + 00

2. ? Grenzwertberechnung des Zahlers: 00.

Grenzwertberechnung des Nenners: 00.

00
Unbestimmter Ausdruck also:
3 00 •

x + 3 4 Manktirzt durchx2(X:f0).
00
4+-
x2 Der Grenzwert existiert und ist ~ .

3. ~ wird vermieden, wenn man durch x 3 ktirzt


(X:f 0).
1 2
0-0 x3
• X
hm - - = - - =0 Der Grenzwert existiert und ist O.
x+oo 1 1

. x3
4. hm~2=? Statt ~ erhalt man 00 nach Ktirzen durchx 2 .
x + ooX

Es gibt keinen Grenzwert.

154
VII 1.2.3 VIII. Analysis (Differential· und Integralrechnung)

2.3. Unstetigkeiten von Funktionen


An einer Stelle x =x p , an der der Nenner einer gebrochenen Funktion den Wert 0 hat, gibt es
keinen Funktionswert; die Funktion hat hier eine Unstetigkeit; xp gehort nicht zum Definitions·
bereich der Funktion.

Pole
1st an einer Unstetigkeitsstelle (Nenner 0) der
Verhalten an der Polstelle:
Zahler des Funktionsterms of 0, dann hat die
lim y=oo Funktion hier einen Pol. Der Funktionsterm
X--'+Xp
strebt bei Annaherung an die Polstelle nach
(plus oder minus) Unendlich.
1st jedoch an der Stelle xp nicht nur der Nenner, sondern auch der Zahler des Funktionsterms
g,
gleich 0, ergibt sich also fUr y der unbestimmte Ausdruck dann sind weitere Rechnungen erfor·
derlich, urn das Verhalten der Funktion an der Stelle xp zu klaren (Beispiele 4. und 5.).

Beispiele:
x2 Die durch diese Gleichung gegebene Funktion
1. y = x -3 hat bei 3 einen Pol.
Bei Annaherung von rechts strebt y --.. + 00,
lim y=±oo
x---+ 3 ± 0 bei Annaherung von links y --.. - 00.
x Auch die durch diese Gleichung gegebene Funk-
2. Y = (x - 3)2 tion hat bei x = 3 einen Pol, und zwar einen
doppelt zahlenden: Sowohl bei Annaherung an
lim y=+oo
x--+ 3 ± 0 die Pol stelle von rechts als auch von links stre bt
y --.. + 00.
sinx .
3. y = tanx Da tan x = cos x' Sind an den Nullstellen von
y==t=oo cosx Polstellen der tan-Funktion, denn hier ist
immer sinx of O.

4 · y--I I(x)-
- x 2 - 8x + 15
x-3
Auch diese Funktion ist bei x = 3 nicht defi-
niert, denn dann ist der Nenner O. Berechnet
man fUr x = 3 den Zahler, dann erhalt man
(x 2 8x + 15): (x - 3) = x - 5
-
auch 0, also fUr y den unbestimmten Ausdruck
-) x 2 3x
y = g. Das ist ein Hinweis darauf, dall> man den
-

- 5x + 15 Funktionsterm/l (x) fUr x of 3 kiirzen kann:


-)-5x+15
Diese Funktion hat aber bei x = 3 keine Defini·
o tionsliicke, sondern den Funktionswert
Ergebnis: y =h (x) =x - 5 y = 3 - 5 = - 2.
Da y =II (x) fUr alle x of 3 mit y =12 (x) iibereinstimmt, ist es naheliegend, y =II (x) fUr aile x,
auch x = 3, durch Y =12 (x) zu ersetzen. Damit ist die urspriingliche Liicke bei x = 3 geschlossen.

sin x
5.y=- =/1 (x)
tan x
Fiir x = 0 ergibt sich 6' also 11 nicht definiert.
Zur Berechnung des Grenzwertes fiir x --.. 0 wird durch sin x =1= 0 gekiirzt: Man erhalt
y =12 (x) = cosx =11 (x), sofern sinx =1= 0 Als Grenzwert von 11 an den Stellen mit
sin x = 0, zum Beispiel x = 0, ergibt sich der
Yo = lim 11 (x) = h (0) = 1
x"'" 0 Funktionswert von 12.

155
Mathematik VII 1.3.2

3. Differentialrechnung
3.1. Der Differenzenquotient

Differenzenquotient: Bedingung: fim Intervall [XI. X2]


~Y Y2 -Yl f(h)-f(xd stetig und stetig veranderlich

1st eine Funktion f im geschlossenen Intervall


Geometrische Bedeutung des stetig und stetig veranderlich (keine
X I ..• X 2
Differenzenquotienten: Sprunge und Ecken im Kurvenbild), dann heilit
~Y das Verhaltnis der Anderung des Funktionswerts
~x = tan <PI , 2 (Y2 - YI) und der zugehorigen Anderung des
Arguments (x 2 - X I) Differenzenquotient.

y=f{x) Der Differenzenquotient ~~ ist geometrisch


Y gleich der Steigung der Sekante durch PI (XI IYI )
y21--------"2I' undP2(x2 IY2).

AO~----~x1--------X~2--~·x

3.2. Der Differentialquotient


a) Der Differentialquotient ist der Grenzwert
Differentialquotient:
des Differenzenquotienten.
a) allgemeine Schreibweise:
b) Sind die Voraussetzungen - stetig und stetig
dy ~Y
d- (gelesen dy nach dx) = lim A
veranderlich - erfilllt, dann gibt es an jeder
x Ll.x--> 0 uX
Stelle eines Intervalls einen - ortlichen -
b) an der Stelle x I Differentialquotienten.
(ortlicher Differentialquotient): c) Aile ortlichen Differentialquotienten zusam-
men bilden die Funktion des Differential-
f '(XI ) -- I' f(X2) - f(xI)
1m puotienten.
x2-->xI X2 - XI
(gelesen: f Strich von XI)
c) als Funktion
[X xb]-+ IR
f': a, , f(x + D.x)-f(x)
x-+f (x) = lim A
Ll.x -+ 0 uX

156
VII 1.3.2 VIII. Analysis (Differential- und Integralrechnung)

Geometrische Bedeutung des Der Differentialquotient an der Stelle x 1 (allge-


Differentialquotienten: mein an der Stelle x) ist gleich der Steigung der
ortlich f' (x d = tan <PI Tangente an dieser Stelle.
dy
allgemein f'(x) = tan<p= dx

y= f(x)
Beim Dbergang yom Sonderfall zum allgemeinen
Fall ersetzt man
PI durch P
XI durch x
YI durch Y = f(x)
<PI durch <p
X2 durch x + t:.x
Y2 durch Y + t:.y = f(x + t:.x)
(yergleiche dieses Bild mit dem Bild unten)

a Llx x

Anmerkung 1: Geht t:.x -+ 0, dann geht wegen der vorausgesetzten Stetigkeit auch t:.y -+ 0; der
Punkt P2 wandert auf den Punkt PI zu, es geht also X2 -+ XI und gleichzeitigY2 -+ YI ; die Sekante
P 1P2 dreht sich urn PI auf die Tangente an PI zu. Die Tangente ist die Grenzlage der Sekante.
dy und dx sind hiernach keine selbstandigen Werte, sondern Symbole; nur ~~ ist im allgemeinen
ein Wert (ortlich eine bestimmte reelle ZaW), und zwar der Wert, den auch die Steigung der Tan-
gente hat. Man kann sich auch unter dx den endlichen Wert t:.x Yorstellen, dann ist dy der endliche
Wert der Lange der Strecke BC (dx = t:.x = IP I CI, dy = IBCI).

Anmerkung 2: f', die Funktion des Differentialquotienten, wird auch Ableitungsfunktion genannt.
Der Funktionswert der Ableitungsfunktion, f'(x), wird auch Ableitung genannt und auch y'
geschrieben.

Anmerkung 3: Bei f'(x) bedeutet "Strich"


Ableitung nach x, also f'(x) = d~~). Es gibt y y=f(x)
auch z.B. set) (lies: s Punktyon t) mit der Be-
deutung set) = d~~t) (Geschwindigkeit gleich
Ableitung des Weges nach der Zeit).
Zusammenfassung
P(xly)
Differenzenquotient:
t:.y f(x + t:.x) - f(x)
-= y=f(x) f(x)
t:.x t:.x

Differentialquotient oder Ableitung: OF====x~===*=====Ll~x====~L----~X


,
dy . t:.y df(x) ,
y =-= hm -=--=fQ:)
dx Ax + 0 t:.x dx

157
Mathematik VII 1.3.3.3

3.3. Differentiationsregeln

3.3.1. Die Potenzregel

Potenzregel: Aus Y =[(x) =xn mit einer natiirlichen Zahl n


y =xn An EN folgty' = ['(x) = n· x n - 1
=y'=n·x n - 1

Herleitung:
1l.y [(x + 1l.x) - [(x)
Aus 1l.x = 1l.x folgt mit [(x) =xn und [(x + 1l.x) = (x + 1l.x)n:
1l.y (x + 1l.x)n - xn
1l.x 1l.x
Anwendung der binomischen Formel beim Aufi6sen der Klammer:
1l.y I 1
1l.x = 1l.x (x n + nxn-l1l.x + 2:n(n -1)x n -\1l.x)2 + ... _xn)

xn wird von _xn aufgehoben; man kiirzt durch 1l.x:


1l.y 1
1l.x = nx n - 1 + 2: n(n - l)x n - 21l.x + ...

Beim Grenziibergang t:.x -+ 0 fallen aIle Glieder bis auf das erste weg, und dann erhalt man
y' =nxn-l.

Beispiel: y =x 3 .. y' = 3 x 2 • Man bilde die Ableitung entsprechend obiger Herleitung ausf1ihrlich.

3.3.2. Die Summenregel

Summenregel: Eine Summe wirdgliedweise differenziert:


y =u + v Mit y =[(x), u =g(x), v =h(x)
=y'=u' +v' und aus [(x) =g(x) + h(x)
folgt ['(x) = g'(x) + h'(x)

1l.y [g(x + 1l.x) + hex + 1l.x)] - [g(x) + hex)]


Herleitung: 1l.x
1l.x
[g(x + 1l.x) - g(x)] + [hex + 1l.x) - hex)]
1l.x
g(x + 1l.x) - g(x) h(x + 1l.x) - hex)
1l.x + 1l.x
Da der Grenzwert emer Summe gleich der Summe der Grenzwerte der eir1zelnen Summanden ist,
erhalt man beim Grenziibergang y' = g'(x) + h'(x}

3.3.3. Die Summandenregel

Summandenregel: Em konstanter Summand fallt beim Differen-


y =u +c zieren fort:
=y'=u' Mit y =[(x), u = g(x), der Konstanten c und
aus [(x) =g(x) + c
fol81 ['(x) =g'(x)

158
VII 1.3.3.5 VIII. Analysis (Differential- und I ntegralrechnung)

II I . Lly [g(x + Llx) + c)- [g(x) + c) g(x + Llx) - g(x) ,


ner eltung: ~ = A = -----+ g (x)
...x ...x Llx

Beispiel: y =x s + 8; y' = 5x 4

3.3.4. Die Faktorenregel

Faktorenregel: Ein konstanter Faktor bleibt beim Differenzie-


y =a'u ren erhalten:
=y'=a ·u' Mit y = [(x), konstantem a, u = g(x)
und aus [(x) = a' g(x)
folgt ['(x) = a' g'(x)

Llya·g(x+Llx)-a·g(x) g(x+Llx)-g(x) ,
Herleitung: - = =a -----+ ag (x)
Llx Llx Llx
Beispiel: y = 3x 3 - 5x 2 + x -7; y' = 9x 2 -lOx + 1

3.3.5. Die Produktregel

Produktregel: Mit Y = [(x), u = g(x), v = hex)


y =u . v und aus [(x) =g(x)' hex)
= y' = u' . v + u . v' folgt ['(x) = g'(x) . hex) + g(x) . h'(x)

Drei Faktoren: Aus[(x) =g(x)' h(x)' i(x) folgt


y=u'v'W ['(x) =g'(x)' h(x)' i(x)
=y' = u' . v . w + u . v' . W
+ g(x) . h'(x) . i (x)
+ g(x) . h (x) . i'(x)
+u' V . W

Herleitung fiir zwei Faktoren:


y = g(x)' hex)' fly g(x + flx)' hex + flx) - g(x)' hex)
, Llx Llx

Erganzung im Zahler:
Lly = g(x + Llx) hex + Llx) - g(x) hex + Llx) + g(x)h(x + Llx) - g(x) hex)
Llx Llx
g(x + Llx) - g(x) ( ) ( hex + Llx) - h(x)
= Llx . h x + Llx + g x) Llx -----+ g'(x) . hex) + g(x) h'(x)

Herleitung flir mehr als zwei Faktoren:


y =g(x)' h(x)' i(x) = [g(x)' hex))' i(x)
y' = [g(x)' h(x))" i(x) + [g(x)' hex))' i'(x)
= [g'(x) . hex) + g(x) . h'(x)) i(x) + [g(x) . h(x))' i'(x)
=g'(x)' h(x)' i(x) + g(x)' h'(x)' i(x) + g(x)' h(x)i'(x)

Beispiel: y = (x 3 + X - 2)(x 2 - 3x); y' = (3x 2 + 1)(x 2 - 3x) + (x 3 + X - 2) (2x - 3)


Man mache die Probe, indem man die Klammern ausmultipliziert und bestatigt, daB gliedweise
Differentation von y zum gleichen y' fUhrt.

159
Mathematik VIII.3.3.8

3.3.6. Die Quotientenregel

Quotientenregel: Mit Y = f(x), u = g(x), U = hex)


u g(x)
y =v und ausf(x) = hex) und h(x):fO
I UU
I
-uuI h(x)' g'(X)_g(x)' h'(x)
=>y=
folgt ['(x) [h(x)]2

Ay 1 (g(x + Ax) g(X))


Herleitung:
Ax = Ax hex + Ax) - hex)
1 g(x' + Ax) . hex) - g(x) . hex + Ax)
hex + Ax) . hex) Ax
Erganzung im Zahler:
Ay g(x + Ax) . hex) - g(x) . hex) + g(x) . hex) - g(x) . hex + Ax)
~=~+~'hW ~
= I rh(x) g(x + Ax) - g(x) _ g(x) hex + Ax) - hex) ]
hex + Ax) . hex) L Ax Ax

Der Grenztibergang ergibt y' = __ 1_2 [h(x) . g' (x) - g(x) . h' (x)]
[hex)]

. . x3 I (x3 -6)' 3x 2 -x 3 . 3x 2
Beispiel: y = - 3 - - ; Y
x -6 (x 3 -6i
3.3.7. Erste Erweiterung der Potenzregel

Potenzregel mit nEll. Mit Y = f(x), ganzzahligem n


y =xn 1\ n E Z und aus f(x) =xn
=>y'=n' x n - 1 folgt f'(x)=n·x n - 1

Herleitung: In der ursprtinglichen Potenzregel 3.3.1 ist n E IN (n eine nattirliche Zahl 1, 2, 3, ...).
Die Erweiterung auf n E Z= { ... ,-3, -2, -1,0,1,2,3, ... } muB neu bewiesen werden,
1st n = 0, dann ist der Beweis trivial. XO ist fUr alle x 1 Odie Zahl 1, also eine Konstante. Der Diffe-
°
rentialquotient einer Konstanten c ist aber nach der Summandenregel 3.3.3.

1st n = -m und mE IN, dann ist y =xn =x- m = 1,;,-. Aus der QuotientenregeI3.3.6 folgt:
x
,_ xm . 0- mxm -1 . 1__ m -1- 2m _ _ -m -I _ n -I .
Y - 2m - mx - mx - nx , formal glelch 3.3.1.
x
3 -s I -6 15
Beispiel: y=s=3'x ;y =-15'x =-6"
x x
Man bestatige das Ergebnis durch Anwendung der Quotientenregel.

3.3.8. Die Kettenregel

Kettenregel: Mit y=f(x)=g(z) und z=h(x),


y = f(x) = g(z) also aus f(x) =g(h(x))
dy dy dz
I
folgt f '(X)= df(x)
dx
= dg(z) . dh(x)
dz dx
=>y=dx=dz'dx

160
VII 1.3.4.1 VIII. Analysis (Differential- und Integralrechnung)

Wortlaut: 1st y eine Funktion von z und z eine Funktion von x, dann differenziert many nachx,
indem man y nach z und z nach x differenziert und beide Differentialquotienten multipliziert.

. !::..y g(z + !::..z)-g(z) ..


Herleltung: !::..x = !::..x ; man erweltert rmt !::..z = !::..h(x) = hex + !::..x) - hex):

!::..y g(z + !::..z) - g(z). hex + !::..x) - hex)


!::..x!::..z !::..x
Der Grenziibergang ergibt, da man ihn Faktor fUr Faktor durchflihren darf,
dy _ dg(z) dh(x)
dx-~'a;-

Beispiel: y =(x 2 - 2)3. Man setzt z =x 2 - 2;dann ist y=Z3 und : = 3z 2 ;ferner : =2x,also
: =3z 2 • 2x oder, z wieder eingesetzt, : =3(x 2 - 2)2. 2x. Man mache die Probe, indem man
die Klammern auflost.

3.3.9. Zweite Erweiterung der Potenzregel

Potenzregel mit n E Ql Mit y = [(x), rationalem n


y =xn !\ n E Ql und aus [(x) =xn
=y' = n' x n - 1 folgt ['(x) = n' x n - 1

Herleitung: Es ist n =~ mit p E Z und q E IN. Daraus folgt y =x p/q oder, mit q potenziert,
p p-1
yq = x p . Anwendung der Kettenregel ergibt qyq -1 . y' = pxP -1; y' = q .~q -1 ; y eingesetzt:

,_E. x p - 1 _!!.. P-1-(P-p/q) _!!.. (P/q)-1 _ n-1


y - q x(P/q)(q-1) - qX - qX -nx

Auch die erneut erweiterte Potenzregel stimmt formal mit der speziellen Potenzregel 3.3.1 iiberein.
! 1 L1
Beispiel: y =YX 3 +X2 = (X 3 +X 2)2; y' =2(x 3 +X2)2 . (3x 2 + 2x)

, 3x 2 + 2x 3x +2
Y = =
2 ";x + x
3 2 2 y'X+1
Ein zweites Verfahren, bei dem man vony =x v'x+T ausgeht, fiihrt zum gleichen Ergebnis.
3.4. Differentiation der elementaren transzendenten Funktionen

3.4.1. Die trigonometrischen Funktionen

x
Grenzwert von sin x
Grundrichtung
lim ...,.£. = 1 cos x
x- 0 smx

Beweis: 1m Einheitskreis ist die Lange des Lotes von einem Kreispunkt P auf die Grundrichtung
sinx, wenn der Leitstrahl OP mit der Grundrichtung den Winkel x (im Bogenmall.) bildet; der
zum Winkel x gehorige Bogen hat, da ein Einheitskreis vorliegt, die Lange x; die Projektion der
Teilstrecke OP des Leitstrahls hat die Lange cosx; die zur Grundrichtung senkrechte Tangente bis
zum Leitstrahl ist tanx lang.
161
Mathematik VIII.3.4.1

Ein Flachenvergleich liefert:


sinx . cosx 1 ·X 1 . tanx
2
< 2
< 2
kleine Dreiecksflache Sektorflache gro~e Dreiecksflache

Man multipliziert mit Si~X:


x 1
cosx < sinx
< cosx
,

fill x -+ 0 streben die beiden au~eren Funktionswerte beide gegen 1, also mu~ der dazwischenlie-
gende lim ~ auch 1 sein.
x+o SIDX

Beispiel: Man vergleiche sin 10 = 0,0175 mit dem Bogenma~ von 1 0


, namlich ~ ~~: = 0,0175.
Die Naherungswerte stimmen bis zur dritten geltenden Stelle tiberein, ihr Quotient erreicht also
schon naherungsweise den Grenzwert 1.

Produktformel von sina - sin (3:


a+(3 a-(3
sin a - sin (3 = 2 cos -2- sin -2-

Herleitung (siehe VII.6: sin (a ± (3) = sin a cos (3 ± cos a sin (3):

A us . (u V)
SID "2 + 2"
.U
= SID v u. v
"2 cos "2 + cos "2 SID "2

. (u V) . U v u. v
un d sm"2 -"2 = SID "2 cos "2 - cos "2 SID "2

folgt durch Subtraktion

sin u + v _ sin u - v = 2 cos ~ sin ~


2 2 2 2
u+v u-v
Setzt man -2- =a und -2- = (3, dann erhalt man durch Addieren und Subtrahieren u =a +(3
und v = a - (3 und durch Einsetzen die gesuchte Gleichung.

Differentiation von y = sinx: Aus f(x) = sinx folgt f' (x) = cosx
y =sinx
=y'=cosx

~y sin (x + ~x) - sinx


Beweis: ~x = ~x ; nach der voranstehenden Formel ftir sin a - sin (3:

-~y = - 1 . 2 cos (~X).


x +- ~x
. SID- = cos (~x)
X +-
sin ~x/2
~x ~x 2 2 2 ~x/2

Da man den Grenztibergang faktorweise durchfiihren darf und der Grenzwert des Bruches als
x
Grenzwert des Kehrwerts von - . - (siehe Anfang dieses Kapitels 3.4.1) den Wert 1 hat, ergibt sich
dy SlflX
dx = cosx.
162
VII 1.3.4.2 VIII. Analysis (Differential- und Integralrechnung)

Differentiation von y = cos x: Aus f(x) = cosx


y =cosx falgt [,(x)=-sinx
~y'=-sinx

Beweis: Aus sin (90 0 - a) = cos a (VII.2.1) folgt y = cos x = sin ( i - x ) . Durch Anwendung
der Kettenregel (3.3.8) mit z = ~ - x folgt aus der obigen Differentiationsregel flir y = sinx:
y' = cos(i - x) ·(-1). Wegen cos(90° -a) = sina (VII.2.1) ergibt sich die Behauptung
y' = - sinx

Differentiation von y = tanx: Aus f(x) = tanx


y = tanx , I
folgt f (x) = - - 2
, 1 (cos x)
~y=COS2X

Beweis: Es ist tanx = ~~s~ ; aus der Quotientenregel (3.3.6) und den Differentiationsregeln fur
sinx und cosx folgt:
, cosx· cosx - sinx . (- sinx) cos 2 x + sin 2 x
y =
cos 2 x

Differentiation von y = cot x: Aus f(x) = tanx


y = cotx , I
folgt f (x) = - -(-.-2
I 1 smx)
~y =- sin 2 x

Beweis: y = C?SX ; yl = sinx . (- sinx) - cosx . cosx = ~


sm x sin 2 x sin 2 x

Anmerkung: Man schreibt haufig sin 2x statt (sinx)2, ... (vgl. VII.2.2 Anmerkung)

3.4.2. Die logarithmische und die Exponentialfunktion

Definition der Eulerschen Zahl e :

lim (l+kr=e=2,71828 ...


n ,,"00

Erliiuterung: illt man in dem Ausdruck (1 + Ilm)n erst m, dann n nach 00 gehen, so erhait man als
Grenzwert 1; bei umgekehrter Reihenfolge wachst der Ausdruck tiber aile Grenzen. FOOrt man den
Grenztibergang gleichzeitig durch, bildet man also den Ausdruck (1 + 1In)n, dann erhalt man ftir
n = 1; 2; 3; 4; ... die monoton wachsende Folge 2; 2~; 2~; 2~!~; .... Es la~t sich nun unschwer be-
weisen, da~ die Folge einerseits weiterhin monoton wachst, andererseits unter 3 bleibt, so da~ sie
einen Grenzwert e haben mu~, der sich auf belie big viele Dezimalstellen berechnen la~t. Die Euler-
sche Zahl e ist eine irrationale, und zwar eine transzendente Zahl (im Gegensatz zu einer algebraisch
irrationalen Zahl, wie z.B. V2).

163
Mathematik VII 1.3.4.2

Differentiation einer /ogarithmischen Aus f(x) = log,. x mit a > 0 und a 1- 1


Funktion: , ) 1
folgt f (x = X loga e
y =log,. x
=>y
,
=:x11oga e
. ~y loga (x + ~x) -Ioga x
Bewels: ~x = ~x

Nach den Regeln der Logarithmenrechnung (Quotientenregel der Logarithmenrechnung 11.8.3.1)


erhlilt man:
~y = _1_ . log x + ~x = _1_ . log (1 + ~x )
~x& ax ~x a x'
erweitert mit x:
~y = 1.. ~ . log
& x ~x a
+ ~x)
x'
(1
nach der Potenzregel der Logarithmenrechnung ergibt sich
~y 1 ( &)x/f!j.X
-=-Iog 1 + -
~xx a X •

Benutzt man den hier zwar nicht bewiesenen, aber giiltigen Satz, da~ der Grenzwert des Logarith-
mus gleich dem Logarithmus des Grenzwertes ist, dann erhiilt man beim Grenziibergang nach der
Definition der Eulerschen Zahl:
dy =1. log e
dx x a

Sonderfall y = lnx: Hat der Logarithmus die Basis e, ist also


y =lnx y = loge x = lnx, dann ergibt sich wegen In e = 1:
, dlnx 1
=>y =:x1 -;jX=:x

Differentiation einer
Exponentialfunktion: Aus f(x) =a X mit a > 0 und a 1- 1
y =aX
folgt f' (x) =aX 1_1-
oga e
=>y'=ax _ 1_
loga e

Beweis: Aus y =a x folgt x = 10gaY. Nach ,,Differentiation einer logarithmischen Funktion"ergibt


sich ddx = 1. loga e =1- loga e. Da d ~d = ddY ist, folgt die Behauptung.
Y Y ~ XI' Y X

Sonderfall Y =eX: Das Ergebnis folgt sofort aus "Differentiation


y =ex einer Exponentialfunktion", wenn man a = e
=>y' = eX setzt.

164
VII1.3.5.1 VIII. Analysis (Differential- und Integralrechnung)
3.5. Anwendungen der Differentialrechnung

3.5.1. Kurvenuntersuchung
Die Figur zeigt den Zusammenhang von f, [" f", f"'. Es ist f" = (f')', f'" = (f")', j<4) = (f"')', ....
Jeder Graph der nachfolgenden Funktion hat als Ordinatenwert an der Stelle x den Steigungswert
der Tangente der vorhergehenden Funktion an dieser Stelle. Insbesondere liest man ab:
Q ['(x) > 0 =- f steigt
~ (zutreffend fiir die offenen Intervalle ]. .. , x) [
H
und ]x3,xd und ]xs, ... [)
['(x) < 0 =- f fallt
(]x), X3[)
['(x) = 0 =- Tangente waagerecht
x (zutreffend an den Stellenx), X3, xs)
f"(x) > 0 =- Linkskriimmung
(]X2' X4[ und ]xs, ... [)
f" (x) < 0 =- Rechtskriirnmung
w (] ... ,X2[ und ]X4,XS[)
HS x
[" (x) = 0 =- Kriimmung 0
(X2' X4, xs)
['(x) = 0 /\f"(x) > 0 =- Minimum
(X3)
x ['(x)=O/\f"(x)<O =-Maximum
(xd
l(x) = 0 /\/"(x):f 0 =- Wendepunkt
(X2' X4, xs)
['(x) = 0 /\f"(x) = 0 /\f"'(x) *,0
x
=- Wendepunkt mit
waagerechter Tangente (Sattelpunkt)
S Schnittpunkt (Punkt auf der x-Achse)
M Maximal- oder Minimalpunkt (Steigung 0)
W Wendepunkt (Kriimmung 0)

Beispiele aus der Menge der ganzen rationalen Funktionen:

1. y=x 3 -4x 2 +4x Nullstellen (y = 0) sind 0 und 2


= x(x - 2)2 (2 zlihlt doppelt).
y' = 3 x2 - 8 x +4 Waagerechte Tangenten (y' = 0) bei 2 und ~
y" = 6x - 8 (Extremstelle 2 folgt bereits aus der doppelt ziih-
y'" = 6 lenden Nullstelle).
Mit x = 2 ist y" = 4, also Minimum bei 2.
Mit x = ~ ist y" = -4, also Maximum bei ~.
Kriirnmung 0 (y" = 0) bei ~ .
Da y'" *,0, liegt ein Wendepunkt bei ~.
Wendepunkt: W(~i~).
----+-------;-----~~~~x

165
Mathematik VI 11.3.5.2
2. y=x 3 - 3x 2 + 3x Nullstelle (y = 0) ist 0; die zwei fehlenden sind
y"=3x 2 -6x+3 imaginar.
=3(x - 1)2 Waagerechte Tangenten (y' = 0) bei I (doppelt
y" =6x - 6 ziihlend).
y"'=6 s
Mit x = 1 ergibt sichy" = 0, also keine Entschei-
dung zwischen Minimum oder Maximum.
Kriimmung 0 (y" = 0) ergibt sich nur bei x = 1.
Day'" *0, liegt ein Sattelpunkt bei 1.
1 . ; ; - - - - - t - - - -2:t--- x Sattelpunkt: S(111).

y =- ~ (X4 + 1)

j
3. Nullstellen (y = 0) keine, denn X4 = - 1 hat kei-
y' =-x 3 Y ne reelle LOsung.
y" =-3x 2 Waagerechte Tangente (y' = 0) bei 0 (dreifach
y'" =-6x --71+-----t---~ x ziihlend).
/V =-6 °11 Krtimmung 0 (y" = 0) bei 0 (doppelt ziihlend).
An der Stelle 0 ist auch y'" = O.
Da aber yIV < 0, befindet sich an der Stelle 0 ein
-1 Maximum.
Maximalpunkt: M(OI-~).
3.5.2. Berechnung von Extremwerten
Die Differentialrechnung ermoglicht es, die gUnstigsten Ma/l,e eines an feste Vorbedingungen gebun-
denen Erzeugnisses zu berechnen.
Beispiele:
1. Biichse gro~ten Rauminhalts
Aus einer Blechronde mit dem Durchmesser D soll durch Tiefziehen ein oben offener Zylinder gezo-
gen werden, wobei die Oberflache (Mantelflache plus Bodenflache) gleich der Rondenflache bleiben
soll. Welchen Durchmesser d und welche Rohe h mu/l, der Zylinder bei maximalem Volumen haben?
2
V= d 1f h (1) ist die Zylindervolumenformel (Hauptbedin-
4
gung).
(2) ist die Rondenflache und damit die Oberflache
(Grund- plus Mantelflache) des oben offenen
Zylinders (Nebenbedingung).
(2) wird nach h aufgelost und in (1) eingesetzt:
D2 d
h = 4d -"4 V hangt damit nur noch von d ab. Der Graph der

V= d 21f (D2 _t!:) Funktion V = fed) mit dem Definitionsbereich


[D,O] hat ein Maximum, das gesucht wird. An
4 4d 4
der Stelle dieses Maximums mu/l, V', die Ablei-
V=..!!.... (dD2 -d 3 ) tung von V nach d, = 0 sein.
16
V'="!!""(D 2 -3d2 )
16
~(D2 - 3d 2) =0
Die zweite rechnerische LOsung -1 D.j3 liegt
16 au/l,erhalb des Definitionsbereichs. Da/l, Van der
~ D2 -3d2 =0 Stelle ~.j3 ein Maximum und kein Minimum
hat, bestatigt die zweite Ableitung V"; diese ist
~ d=!l.j3
3 negativ: V" = f6 (- 6d).

166
VII 1.3.5.2 VIII. Analysis (Differential- und Integralrechnung)

D2 d D2 V3 D D Die Hohe des Zylinders maximalen Volumens


h=4"d -"4 = -W- -12 V3 ="6 V3 betragt die Halfte der Durchmesserlange dieses
Zylinders.
V= dTr (D2 -d2 ) = ~D3 V3
16 72 ist das maximal erreichbare Zylindervolumen.

2. Balken mit gro~tem Widerstandsmoment


Ein halbrunder Balken soli so besaumt werden,
daB ein rechtwinkliger Balken mit rnaximalem
Widerstandsmoment W entsteht.

hb 2
W=- (1) ist die Gleichung flir das Widerstandsmoment.
6

(2) ist nach dem Satz des Pythagoras die Beziehung


zwischen b und h.
Entsprechend dem Verfahren von Beispiel I ergibt sich:

b 2 = 4(r2 - h 2 )

W=!!.· 4(r2 - h 2 ) = !:(r2h -h 3 )


6 3

h=!...rV3 b=!:r.;6 sind die Abmessungen flir maximales


3 3 Widerstandsmoment.
W=
2.M
9 12
r y3 (r2 -"3 r )
4
= 27 r y3
.h
ist das groBtmogliche Widerstandsmoment.

3. Zylinder aus Kegel


Aus einem kegelformigen Stuck Holz soli ein Zy-
linder groBtmoglichen Rauminhalts (Gewichts)
gedreht werden. Welchen Radius x und welche
Hohe y hat dieser Zylinder, wennr und h Radius
und Hohe des Kegels sind?
h
(1) V = TrX 2y Zylindervolumen
h-y h Beziehung zwischen x
(2) --=-
x r undy
(wegen der Ahnlichkeit der schraffierten
Dreiecke)

Weiteres Verfahren entsprechend Beispiel I :

y=h (1-~) V=Trx2h (1-~) =Trh (X2 _~X3)


V' = Tr h (2X - f x 2) 0= hx (2 -f x)
Tr

X = 0 auBerhalb des Definitionsbereichs O<x<r


2
x = :3 r gesuchte Losung; Bestatigung: Zweite Ableitung V" wird negativ.
4
y = :31 h Zylinderhohe der Losung V= -
27
Trr2 h maximales Zylindervolumen.

167
Mathematik VII1.4.1.2

4. Integralrechnung
4.1. Das unbestimmte Integral

G(x) = F(x) + C =f[(x)dx ft(x) dx heiSt: Integral [ von x dx .


<==>
Das unbestimmte Integral Gist ein beliebiges
dG(x) = dF(x) Element der Menge aller Funktionen, deren
=[(x) fliI allex Ableitung [ ist.
dx dx
G heiSt unbestimmtes Integral von [ Die Funktionswerte G(x) unterscheiden sich fUr
F heiSt Stammfunktion von [ gleiche x urn eine Konstante (denn diese entfallt
C ist die Integrationskonstante beim Differenzieren). Fist ein bestimmtes G mit
[(x) (unter J) heiSt Integrand vorgeschriebenem C. Es ist also
F'(x) =G'(x) =[(x) flirallex.

Beispiel: [(x) = x 2 - 2x - 3 + sinx; G(x) = ~x3 - x2 - 3x - cosx + C

4.1.1. Integrationsregeln
Die folgenden Integrationsregeln ergeben sich aus den Differentiationsregeln gleichen Namens. Der
Beweis erfolgt jeweils durch Differenzieren. Beispiel siehe 4.1 .

Potenzregel:
d(_l_
n+l
xn +1 + c)
denn =xn
dx

Summenregel:

S[g(X) + h(x)]dx = S g(x)dx + S h(x)dx denn d(G(X~: H(x)) = G'(x) + H'(x)

Faktorenregel:
daG(x) ,
S ag(x)dx =a S g(x)dx denn~ = aG (x)

4.1.2. Integration durch Substitution


Wahrend man aus elementaren Funktionen zusammengesetzte Ausdriicke immer differenzieren
kann, ist die Integration zuweilen nur mit Kunstgriffen, vielfach sogar iiberhaupt nicht moglich.
Ein Mufig anwendbares Mittel, urn eine Integration zu ermoglichen, ist die Substitution, d.h. die
Einfiihrung einer neuen Veranderlichen (vgl. 3.3.8 Kettenregel):

Sg[h(x)]dx =Sg(z) : dz

mit z = hex)

Beispiel: f sin(2x + 3)dx; z =2x + 3; : = 2; ~: = 4 oder auch dx = 4 dz, also Ergebnis:

S(sinz)· 4dZ =-4cos z + C=4 cos(2x + 3) + C. Probe durchDifferenzieren.


168
VII1.4.1.3 VIII. Analysis (Differential- und Integralrechnung)

Erster Sonderfall:
~:, J
J
denn h'(x) = g[h(x)] h'(x)dx
Sg(z)dz
J
g[h(x)] h'(x)dx =

mit z =h(x)
= g(z) : dx = Sg(z)dz
Beispiel: J (4x 2 - 6x + 5)\8x - 6)dx; 4x 2 - 6x + 5 = z; : = 8x - 6

Probe durch Differenzieren.

Zweiter Sonderfall: denn d Ing(.x) = d In g(x) . ~g(.x)

J g'(X)
g(x) dx = Ing(x) + C
dx dg(x)
1
= -·g(x)
dx
,
g(x)
· . I:
Belsple J 6x
2
- 7
3x -7x+5
dx = In (3 x 2 -7 x + 5) + C

Probe durch Differenzieren.

4.1.3. Partielle Integration

J g(x) h'(x)dx = g(.x)h(x) - Sg'(x) h(x)dx


Beweis durch Differenzieren unter Anwendung der Produktregel (3.3.5):
y = g(x)h(x); y' = g'(x)h(x) + g(x) h'(x). Durch Integration und Anwendung der Summenregel
(unter 4.1.1) erhait man

y = Sy'dx Sg'(x)h(x)dx +Sg(x) h'(x).dx =g(x) hex)


=

oder nach Subtraktion des ersten Summanden die Behauptung.


Beispiele:
1. fxexdx; g(x)=x; h'(x) = eX; g'(x) = 1; h(x)::;ex;also
fxexdx ::;xe x - fl·exdx::; eX(x -I) + C
Probe durch Differenzieren.
2. f sin 2 xdx = f sinx sinx dx; g(x)::; sinx; h'(.x)::; sinx; g'(x) = cosx; h(x)::; - cosx; also
f sin 2 x dx = - sinx cosx - f - cos 2 x dx;
nunmehr zweite partielle Integration
f cos 2 x dx ::; f cosx cosx dx; g(x) ::; cosx; h' (x) ::; cosx; g' (x) ::; - sinx; h(x) ::; sinx;
also f cos 2 xdx::; sinx cosx - f- sin 2 xdx; nach Einsetzen ergibt sich die Identitat
f sin 2 x dx =- sinx cosx + sinx cosx + f sin2 x dx, also keine Li:isung.
Ersetzt man dagegen nach der ersten partiellen Integration cos 2 x durch l-sin 2 x, dann ergibt sich
f sin 2 x dx = - sinx cosx + f(1- sin 2 x)dx::; - sinx cosx + x - f sin 2 xdx + Coder
2f sin 2 x dx = - sinx cosx + x + Coder das Ergebnis f sin 2 x dx = hx - sinx cosx) + ~ C;
Probe!

169
Mathematik VII1.4.1.4

4.1.4. Integration durch Partialbmchzerlegung


1st eine gebrochen rationale Funktion zu integrieren, dann sind zuniichst die beiden Fiille zu unter-
scheiden: I. die Funktion ist echt gebrochen, d.h. die hochste Potenz der Veriinderlichen ist im
Zlihler niedriger als im Nenner; 2. die Funktion ist unecht gebrochen, d.h. die hochste Potenz der
Veriinderlichen ist im Zlihler genauso hoch wie im Nenner oder hoher als im Nenner; im letzteren
Fall kann man durch Polynomdivision eine ganze rationale Funktion (die leicht zu integrieren ist)
abspalten und behalt als Rest eine echt gebrochene rationale Funktion Ubrig. Es gentigt also, die
Integration echt gebrochener rationaler Funktionen zu untersuchen.
Nach der Urnkehrung der Regel Uber die Addition von BrUchen kann man jeden beliebigen Bruch
additiv zusammensetzen aus Brtichen, deren Nenner Primzahlen oder Prirnzahlpotenzen sind, die
im Nenner des gegebenen Bruches vorkommen, z.B.
1115211121
"6=2"-3 12=3-22 18=3+3 2 -2"
Das Entsprechende ist mit gebrochen rationalen Funktionen moglich: man kann sie additiv aus
anderen gebrochen rationalen Funktionen zusammensetzen, deren Nenner Linearfaktoren oder
Linearfaktorenpotenzen sind, die im Nenner der gegebenen Funktion auch vorkommen. Die Zahler
der Summanden bestimrnt man durch Koefflzientenvergleich.

· '11' G( )=SI2x 3 -27x 2 -8X+37 d


Belsple. x 3x 2 -3x-6 x
Durch Polynomdivision wird aus dem Integranden
x+7
f(x)=4x-5+ 3(x 2 -x-2)
Die den Nenner bildenden Linearfaktoren nndet man, indem man die quadratische Gleichung
x2 - x - 2 =0 lost und dann in Produktform schreibt: (x - 2)(x + 1) =O.

x+7 A B
Nunmehr macht man den Ansatz (2 ) = --2 + --1
3x -x-2 x- x+
Durch Multiplikation mit dem Hauptnenner ergibt sich
x + 7 =3A(x + 1) + 3B(x - 2)=(3A + 3B)x + (3A -6B)
Diese Gleichung muJl, fUr aIle x gelten. Das ist nur moglich, wenn die Koeffizienten gleicher Poten-
zen von x auf beiden Seiten der Gleichung gleich sind (Koeffizientenvergleich); also 1 =3A + 3B;
7 = 3A - 6B. Das sind zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten A und B; Auflosung z.B. nach
dem Subtraktionsverfahren.

A = 1; B = - ~. Somit ist

G(x) =S(4X - 5 + x ~2- 3(x 2+ 1»)dx =2x 2 -5x+ln(x - 2) - %In (x + 1)+C


Probe: Man bildet G '(x) und muJl, f(x) erhalten.

..
Beispiel 2: G(x) =
r -(2x30x_ 3)2(3x
J
2 + 94x - 46
+ 1) dx

ABC
Ansatz f(x)=--+ +--
2x - 3 (2x - 3)2 3x + I
Mit dem Hauptnenner multipliziert:
- 30x 2 + 94x - 46 =A (2x - 3)(3x + 1) + B(3x + I) + C(2x - 3)2
=(6A + 4C)x 2 +(-7A + 3B -12C)x + (-3A +B + 9C)

170
VII 1.4.2 VIII. Analysis (Differential- und I ntegralrechnung)

KoeffIzientenvergleich:
-30=6A+4C 94=(-7A+3B-12C) -46=-3A+B+9C
Auflosung dieser drei Gleichungen mit drei Unbekannten ergibt

A=-l B=5 C=-6 G(X)=J(2x-23+(2X~3)2+3;:1)dx


1 5 1
=-"2 ln (2x-3)-"2 2x-3 -2In(3x+l)+C

4.2. Die bestimmte Integraifunktion


Wiihlt man aus der Schar unbestimmter Integrale G ein bestimmtes, F, durch die Bedingung
F(a) = 0 aus, dann stellt F eine bestimmte Integralfunktion dar.

Die bestimmte Integralfunktion F Erliiuterung: Man liest "Integral von a bis x [von
ergibt sich aus der Gleichung tdt"; a hei~t untere Grenze, x obere Grenze.
Da der Buchstabe x als obere Grenze benotigt
J
x
wird, ist es besser, als Integrationsvariable nicht
F(x) = [(t)dt =G(x) - G(a)
auch x, sondern t zu schreiben; x-Achse und
a t-Achse sind dabei identisch und haben densel-
ben O-Punkt und denselben MaBstab. Ais G
nimmt man eine beliebige Funktion aus der
Schar unbestimmter Integrale, die Stammfunk-
tion. G(a) ist der Funktionswert dieser Stamm-
funktion an der Stelle x = a.
10
Beispiel: Es seieny = [(x) = ;ox 2 -~x + i
und a = 3.
Dann ist

x,f

-5

171
Mathematik VIII.4.3

4.2.1. Die bestimmte Integralfunktion als Flache


Der Funktionswert der bestimmten Integral-
f(xl x
funktion F(x) = f f(t) dt ist gleich der (MaBzahl
a
der) Fiache, die von der x- bzw. t-Achse, den
Parallelen zur y-Achse t =a und t =x und der
Kurve y =f(x) eingeschlossen wird (in beiden
Bildem schraffiert).

a x x.t

Beweis: Die in der Regel genannte Flache (kurz: die von f(x) zwischen a und x iiberstrichene
Fiache) werde zunachst cI>(x) genannt. Das von f(x) zwischen x und x + ~y iiberstrichene
Flachenstiick ist dann ~cI>(x) = cI>(x + ~x) - cI>(x). Es liegt nach seiner GroBe zwischen den Recht-
ecksflachenf(X) . ~x und f(x + ~x) . ~x, und zwar im letzten Bild:
f(x) . ~x < ~cI>(x) <f(x + ~x) . ~x.

Dividiert man die Ungleichung durch ~x, dann ergibt sich:


~cI>(x)
f(x) < ----;;:;- < f(x + ~x)
dcI>(x)
Beim Grenziibergang ~x ---+ 0 folgt zwangslaufig f(x) =~ .
Das ist aber nach 4.1 die Bedingung fiir ein unbestimmtes Integral G(x) vonf(x). Da nun auBerdem
cI>(a) = 0 ist, d.h. die iiberstrichene Flache bei x =a mit 0 anfangt, folgt cI>(x) =F(x) gemaB der
Behauptung.

Beispiel: 1m Beispiel zu 4.2 mit Bild kann man sich iiberzeugen, daB die Ordinaten der Kurve y = F(x)
immer die gleiche MaBzahl wie die unter y = f(x) liegenden Flachenstiicke haben, insbesondere er-
gibt sich bei x = 3 fiir beide 0, bei x = 10 hat F(x) die Ordinate 343/60 = 5,72 (Uingeneinheiten),
die schraffierte FIache betragt gleichfalls 5,72 (Flacheneinheiten). Umgekehrt kann man auch aus
der Figur ablesen, daB die Steigungen der Tangenten an die Kurve y = F(x) gleich den Funktions-
werten von y = f(x) sind. So hat die Tangentensteigung bei x =10 die GroBe F' (l O)=f( lO)=m= 1,75.

4.3. Das bestimmte Integral

b
F(b) - F(a) = f f(x)dx Ein bestimmter Funktionswert einer bestimmten
a Integralfunktion heiBt bestimmtes Integral.

Anmerkung: Da die obere Grenze b auch fest ist, ist es nicht mehr notig, die Integrationsvariable in
t umzubenennen.
b = 10

Beispiel: 1m Beispiel zu 4.2 (mit Bild) und zu 4.2.1 ist A =F(b) = S f(x)dx = 5,72.
a=3

172
VIII.4.3.2 VIII. Analysis (Differential· und Integralrechnung)

4.3.1. Das bestimmte Integral als Grenzwert

n- 1
lim
Ll.x+oi=o
L f(Xi)!::.X Abszissendifferenzen
(der Einfachheit halber gleich gro~):
n b
Xl -Xo =X2 -Xl =X3 -X2 =Xi+l -Xi=!::.X
= lim L
Ll.x + 0 i = 1
f(Xi)!::.X = Sf(x)dx Flachensumme der unteren Rechtecke:
a
f(xo)!::.x + f(xd!::.x + f(X2)!::.X + ... +
+ f(X n -2)!::.X + f(xn-d!::.x
n - 1
f(x) = L f(xi)!::.x =Au
i = 0

Flache unter der Kurve:


b

S f(x)dx =A
a
Flachensumme del oberen Rechtecke:
f(Xd!::.x + f(X2)!::.X + f(X3)!::.X + ... +
+ f(xn- d!::.x + f(xn)!::.x
n
= L f(xi)!::.X =Ao
i = 1

Vergleich: Au < A < Ao


Bei Verfeinerung der Unterteilung, also mehr und schmalere Rechtecke, wird der Unterschied
zwischen oberer und unterer Schranke kleiner, bei himeichender Verfeinerung la~t sichjeder vor-
gegebene noch so kleine Differenzwert unterschreiten. Deshalb gilt die oben genannte Grenzwert-
darstellung fiiI das bestimmte Integral.
Anmerkung: Dieser Zusammenhang erkHirt auch die Schreibweise des Integrals: fist das S von
Summe, zu summieren sind "unendlich viele" Rechtecke der veranderlichen Hohe f(x) und der
"unendlich kleinen" Breite dx .

4.3.2. Rechenregeln flir bestimmte Integrale

Vertauschung der Integrationsgrenzen: Bei Umkehrung der Integrationsrichtung andert


b a das Integral sein Vorzeichen.
Sf(x)dx = - Sf(x)dx
a b

Die das bestimmte Integral veranschaulichenden Flachen konnen also auch negativ sein. Eine tiber
der x-Achse liegende Flache ist negativ, wenn man von rechts nach links integriert; die "Grundlinie
dx" des infinitesimalen Rechtecksf(x)dx ist negativ. Eine unter der x-Achse liegende Flache ist bei
der tiblichen Integrationsrichtung von links nach rechts auch negativ: die Hohe f(x) des infinitesi-
malen ("unendlich schmalen") Rechtecks f(x) dx ist negativ. Wechselt f(x) im Laufe der Integration
das Vorzeichen, dann erhalt man als Integral die Differenz der Betrage der tiber und unter der
x-Achse liegenden Flachenstticke.

173
Mathematik VII 1.4.4

Additive Zusammensetzung:
b e e

Sf(x)dx + Sf(x)dx Sf(x)dx =


a b a

Ein bestinuntes Integral lli~t sich also aus Teilintegralen zusammensetzen, wenn der gesamte Inte-
grationsweg in beiden Fallen gleich ist. Die Richtigkeit der Regel folgt unmittelbar aus der Betrach-
tung der zugehorigen Fllichen.
1r 1'/2 l' y =cosx

Beispiel: Scosxdx = Scosxdx + S cosxdx


o 0 1'/2
Einzelberechnung:
l'

Scosxdx = [sinx]K = sin 1T -sinO = 0 -0 = 0


o
1'/2 l'

S cosxdx=[sinx]~/2=sin~-0= 1-0= 1 S cosx dx = [sinx ];/2 = sin 1T - sin ~


o 1'/2
=0-1=-1
4.4. Einige Integralformeln fUr die Anwendung

y=f(x)
Bogenliinge:
Ay)2
b 1 + ( Ax Ax
S= SVI + [f'(X)]2 dx
a

n - 1 n - 1
S"'" L V(AX)2 + (AYi)2
L
Ay.)2
1+ ( A; Ax
--a~-------x~i--~x-i+-,--~b~~x

i = 0 i = 0

SV1 + ( : )
b / 2
Nach Grenztibergang n -+ 00 und gleichzeitig AYi -+ 0 (Ax -+ 0): s = dx
a
Volumen eines Rotationsk6rpers
(Rotation urn die x-Achse):
b

V=1T S [f(x)]2dx
a

Mantelj1iiche des Rotationsk6rpers f{x)


(Rotation urn die x-Achse): ---T----------~x.-----~~x

f
b

M= 21T f(x))l + [f'(x)]2dx


a
Kreisfliiche:n [f(x)]2
Kreisumfang: 2nf(x)

174
VII 1.4.5 VIII. Analysis (Differential- und Integralrechnung)

4.5. Weitere Anwendungen


Aus dem umfangreichen technischen Anwendungsbereich der Integralrechnung seien folgende kenn-
zeichnende Beispiele genannt:
Beispiele:
1. Bremswegberechnung
Ein Korper bewege sich mit der Geschwindigkeit v = Vo. 1m Zeitpunkt t = 0 beginne an der Weg·
stelle s = 0 eine linear von der Zeit t abhangige Verzogerung a = - kt mit konstantem k. Wie groB
sind Bremszeit t = t 1 und Bremsweg s = s 1 bis zum Stillstand des Korpers ?
ds dv
v= ~ und a=~ sind die den Zusammenhang zwischen Zeit t,
dt dt
Weg s, Geschwindigkeit v und (negativer) Be-
schleunigung a herstellenden Gleichungen.
a=-kt ist die gegebene Funktionsgleichung fUr die Be-
schleunigung.
t

v=vo - Sktdt ist die Funktionsgleichung der Geschwindigkeit


o beim Bremsvorgang (die gleiche Bezeichnung fUr
_ [k2t2]t
- Vo - 0
Integrationsvariable t und obere Grenze t ist hier
unbedenklich).

ist die Bremszeit bis v = 0 .

ist die Funktionsgleichung des beim Bremsvor-


gang zurtickgelegten Weges.

S1 = Vo t 1 - ~ t 13 ist der gesamte Bremsweg.

Die Graphen der Funktionsgleichungen fUr a, v und s im Intervall [0, t 1] (z.B. mit k =! ~ und
Vo = 4 ~ ) veranschaulichen die Zusammenhange (geeignet fUr eine Kurvenuntersuchung nach 3.5.1) .
. m
a in ..!!!....
s2
v tns s inm

10 10 10

8 8 8

6 6 6

4 4 4

2 2 2

0 2 3 4 0 2 3 4 in s

-'f
-2
-3
175
Mathematik VII 1.4.5

2. Triigheitsmoment J (Massenmoment 2. Grades) von Zylindem


Das Triigheitsmoment t:.J eines Massenpunktes t:.m mit dem Abstand r von der Drehachse ist
t:.J=r 2 t:.m.
(Bei Triigheitsmomenten von flachen K6rpern - Scheib en - ist t:.m = PA t:.A, wobei die Fliichen-
dichte PA gleich 1 gesetzt werden und somit das Massenelement t:.m durch das Fliichenelement t:.A
ersetzt werden kann.)
a) Triigheitsmoment eines Vollzylinders in bezug aUf die Zylinderachse:
AIle Punkte des diinnen Hohlyzlinders mit dem
Radius r und der kleinen Wandstiirke t:.r haben
bis auf den kleinen Unterschied t:. r denselben
Abstand r von der Achse, also das
Triigheitsmoment t:.J = r2 . 2n r t:.r h P
h mit h als ZylinderhOhe und pals Dichte (etwas
genauer ware der
Ansatz t:.J= r2(n(r + t:.r)2 -nr2) hp
= r2(2nrt:.r + nt:.r2)hp;
der Unterschied entflillt beim Grenziibergang
t:.r -+ 0).
Durch Summierung all dieser diinnwandigen Zylinder beginnend mit dem Radius 0 bis zum VolI-
zylinderradius R und Grenziibergang t:. r -+ 0 erhiilt man

J YOn = 2n hp S r3 dr =2n hp 4R4


R

o
Die Zylindermasse ist m =nhpR 2 .
Ein Hohlzylinder mit der gleichen Masse m und mit den gleichen Abmessungen h und R, bei dem
sich aber die gesamte Masse m in der sehr diinnen Zylinderwand konzentrieren soli, so da~ jedes
Massenelement t:.m den Abstand R von der Zylinder- und Rotationsachse hat, besitzt das Triigheits-
moment
J hoh1 = 2· J YOn
Ergebnis: Der Hohlyzlinder mit gleichen Abmessungen und gleicher Masse wie der Vollzylinder hat
das doppeJte Triigheitsmoment wie der Vollzylinder.

b) Triigheitsmoment eines Hohlzylinders:


Welches Triigheitsmoment hat ein Hohlzylinder mit dem Au~endurchmesser Da , dem Innendurch-
Messer D j , der H6he h und der Dichte pin bezug auf die Zylinderachse?
Das Ergebnis erhiilt man als Differenz der Tragheitsmomente zweier Vollzylinder, indem man
entweder in der Ansatzgleichung fiir J YOn die In- oder in der Schlu~gleichung fiir J YOn den Radius
1 1
tegrationsgrenzen durch Dj und Da ersetzt: R einmal durch 1Da, dann durch !Dj ersetztund
die Differenz der beiden Terme bildet:

1
J =32 n h p (D: - D[)

176
Physik
Gert 8age

Urn Oberschneidungen zu vermeiden und Raum fUr Wesentliches zu gewinnen, wurde von der sonst
iiblichen Stoffauswahl abgegangen und der Abschnitt Physik auf drei Schwerpunkte ausgerichtet:
1. Durch die Behandlung des Intemationalen Einheitensystems soli der Leser die Moglichkeit
haben, sich liber die zu verwendenden Einheiten und deren Charakter zu orientieren.
2. Die Besprechung der physikalischen BasisgroBen, der GroBenarten und der GroBengleichungen
hat das liel, die haufig zu beobachtende Unsicherheit und Abneigung gegen diese physika-
lischen Formvorschriften abzubauen und die Voraussetzungen fUr ein sachgemaBes Arbeiten
zu schaffen.
3. Herausragende Begriffe der Mechanik, die fUr groBere Arbeitsbereiche bestimmend sind, werden
in diesem Abschnitt eingehend eriautert, urn im Abschnitt Mechanik die StoffUbersicht nicht
zu stOren. Sie ebnen den Weg fUr eine Vertiefung des Verstandnisses.
Physik, yom griechischen "physis" = Natur stammend, war urspriinglich die Bezeichnung fUr die
gesamte Lehre von der Natur. Die Fiille neuer Entdeckungen fUhrte zur Bildung gesonderter Natur-
wissenschaften wie Chemie, Biologie, Astronomie, Geologie, Anthropologie, Physiologie usw.
Heute wird unter Physik die Wissenschaft von den GesetzmiijJigkeiten der unbelebten Natur ver-
standen, mit der Einschrankung, daB dabei keine stofflichen Veranderungen auftreten (Chemie).
Die Grenze zu den anderen Teilgebieten der Naturwissenschaften ist vielfach flieBend.
Die Physik wird stofflich gegliedert in Mechanik, Warmelehre, Akustik, Optik, Elektrizitiitslehre,
Lehre yom Magnetismus (die beidenletzten sind Teilgebiete der Elektrodynamik). Modeme lweige
der Physik sind Atom- und Kemphysik, Wellenmechanik, Festkorpertheorie, Relativitatstheorie,
Geophysik, Astrophysik. Auch hier gehen viele Gebiete ineinander liber.
Aufgabe der Physik ist es, die in ihren Bereich fallenden Naturvorgiinge durch Beobachtung und
Versuch (Messen) auf moglichst einfache, eindeutige Weise zu beschreiben, vorhandene Gesetz-
miiBigkeiten zu erfassen und, auf diesen aufbauend, neue Gesetze zu rmden. Die naturwissenschaft-
lichen Gesetze werden moglichst mathematisch formuliert.

1. Physikalische GroEen ond Gro~enarten

Definition der physikalischen GroBe


Eine physikalische GroBe macht quantitative und qualitative Aussagen liber eine meBbare
AuBerung eines physikalischen lustandes oder Vorgangs. Sie ist formal das Produkt aus einer
MajJzahl und einer Einheit.

Quantitativ heiBt "auf die Menge bezogen", qualitativ "auf die Art (der GroBe) bezogen".

Unter mejJbarer A·ujJerung des physikalischen lustandes oder Vorgangs ist beispielsweise zu ver-
stehen:
Die Form eines Korpers (seine Ausdehnung), die Masse eines Korpers, die Triigheit (das Beharrungs-
verm6gen), der Auftrieb, der Wiirmeinhalt, die Geschwindigkeit oder die Beschleunigung eines

177
Physik
bewegten Korpers, die Festigkeit, die elektrische Leitfdhigkeit usw. Soll z.B. die Ortsveranderung
eines bewegten Korpers naher gekennzeichnet werden, so erfordert das
a) die Angabe, da1l. es sich urn eine Ortsveranderung (zuruckgelegter Weg) handelt als Kennzeichen
der Art des physikalischen Geschehens. Das ist die qualitative Aussage der physikalischen GroBe.
b) die Angabe, wie groB dieser zuruckgelegte Weg ist (Wert, Betrag) als Kennzeichen des Umfanges
des physikalischen Vorgangs. Das ist die quantitative Aussage der physikalischen GroBe.
Man sagt dann kurz:
Der Korper legt einen Weg s von 5 Meter zuruck und bezeichnet den "Weg s" als physikalische
GroBe. "s" ist darin das Formelzeichen der GroBe.
Die physikalische GroBe gibt also den Betrag (Wert) - z.B. 5 m - und die Eigenschaft oder Art -
z.E. Lange, Weg - eines Zustandes oder Vorganges an. Der "GroBenwert" der physikalischen
GroBe wird als Produkt aus Zahlenwert und Einheit aufgefa1l.t:

GroBe(nwert) = Zahlenwert X Einheit


Weg sSm

Soiche physikalischen GroBen, die in Einheiten gleicher Art gem essen werden, gehoren zur gleichen
Grdj3enart, z.B. gehi:iren die GroBen: Weg s, Kantenlange I, Gitterabstand a, Verlangerung iJ.l zur
GroBenart Lange.
Der Name Lange - ohne spezielle Angaben, urn weiche Lange es sich handelt (Lange des Weges,
Lange der Korperkante usw.) - kennzeichnet die GroBenart.

Die Bezeichnung "GroBenart" soll nur den qualitativen Wesensinhalt eines bestimmen physi-
kalischen Begriffes erfassen, wiihrend in der Bezeichnung "GroBe" noch eine quantitative
Ausdehnung enthalten ist.

Zu jeder GroBenart gehoren beliebig viele GroBen gleicher Art aber unterschiedlicher quantitativer
GroBenausdehnung (Wert, Betrag). Zur Grofl>enart Lange gehoren z.B. die GroBen: "Verlangerung
eines Zugstabes", "Lange der Diagonale im Rechteck", "Gitterkonstante des Eisenkristalles",
"Fallhohe eines frei fallenden Korpers".
GroBengleicherGroBenart werden in Einheiten gleicher Art gemessen, z.B. die GroBen der GroBen-
art "Lange" in Ldngeneinheiten (Meter, Zentimeter, Millimeter usw.), soiche der GroBenart "Zeit"
in Zeiteinheiten (Sekunde, Minute usw.).
Die Einheiten sind demnach selbst Grofl>en ihrer Grofl>enart und zu jeder GroBenart gehort wenig-
stens eine Einheit mit ihren Vielfachen und Teilen (siehe Tafel 4), z.B. gehort zur GroBenart
"Lange" die Langeneinheit "Meter" mit dem Vielfachen "Kilometer" und den Teilen "Zentimeter"
oder "Millimeter".
Zuliissige Rechenoperationen flir Grofl>en: Addieren und Subtrahieren von GroBen gleicher Art;
Multiplizieren und Dividieren zwischen allen Grofl>en; Potenzieren und Radizieren der Grofl>en.

2. BasisgroEen und abgeleitete GroEen


Die meisten physikalischen GroBen sind mit Hilfe weniger BasisgroBen definierbar. Sie heifl>en des-
halb abgeleitete GroBen.
Die Basisgrofl>en wurden willktirlich festgelegt mit der einzigen Einschrankung, da1l. keine der ge-
wahlten Basisgrofl>en durch die tibrigen Grofl>en defmierbar sein darf. Auch die Wahl der entsprechen-
den Basiseinheiten ist daher willktirlich. Die Einheiten der abgeleiteten GroBen dagegen sind durch
deren Definition festgelegt. Sie werden als Potenzprodukt der Basiseinheiten angegeben (siehe
5. Einheiten).

178
Physik
Zur Defmition aller in der Mechanik vorkommenden Gro~en geniigt die Wahl von drei Basisgro~en
und ihrer Basiseinheiten:

Basisgro~e Lange 1 mit der Basiseinheit Meter


Basisgro~e Masse m mit der Basiseinheit Kilogramm
Basisgro~e Zeit t mit der Basiseinheit Sekunde

In der Warmelehre kommt als vierte Basisgro~e die Thermodynamische Temperatur T hinzu mit
der Basiseinheit Kelvin. Au~erdem hat man noch festgelegt: FUr die Elektrotechnik die Basisgro~e
Elektrische Stromstlirke I mit der Basiseinheit Ampere und fUr die Lichttechnik die Lichtstlirke I
mit der Basiseinheit Candela. FUr die Chemie wurde als Basisgro~e die Stoffmenge n mit der Basis-
einheit Mol festgelegt.
Demnach gibt es 7 Basisgro~en mit 7 Basiseinheiten.
Die wichtigsten Basisgro~en und abgeleiteten Gro~en sind in der Tafel! zusammengesteUt 1).
Die abgeleiteten Gro~en entstehen entweder
a) durch willkiirlich aufgestellte Definitionsgleichungen oder
b) durch Naturgesetze.
Die mathematische VerknUpfung aller abgeleiteten Gro~en wurde durch Beobachtung, Versuch,
Messung gefunden und stellt damit die Rechen- und Me~vorschrift fUr die jeweilige Gro~enart dar.

Beispiele fUr abgeleitete Gro~en durch


willkiirliche Definition: Naturgesetz:
· d·gk
Gesch wm I
. v = f1t
elt f1s Kraft F= ma

Leistung P = Fv Fallhohe h =~ g t 2
Beschleunigung a =!~ Spannung a = € E
pv
Drehmoment M = Fl Gaskonstante R = T

Die durch willkiirliche Definition abgeleiteten Gro~en wie Geschwindigkeit v, Drehmoment M,


Leistung P usw. sind Rechengro~en, deren Zweckma~igkeit allgemein anerkannt wurde. Natur-
gesetze erfahrt man durch Versuche. Man findet z.B. die Proportion: Spannung a -Dehnung €.
Urn daraus eine· Rechenvorschrift (Formel, Gleichung) zu erhalten, wird ein Proportionalitiitsfak-
tor geschaffen, hier der Elastizitatsmodul E. Damit wird a = €E. Der Proportionalitatsfaktor (meist
eine Konstante) wird dann auch eine physikalische Gro~e, deren Dimension (siehe 4.) sich nach
der Form der aufgestellten Gleichung richtet. Andere Beispiele: Werden verschiedenartige Korper
beschleunigt, so ~t sich durch Messungen Proportionalitat zwischen beschleunigender Kraft F
und hervorgerufener Beschleunigung a feststellen: F -a. Der Proportionalitatsfaktor ist dann die
Masse m des Korpers (Konstante!) F = mao Oder: Messungen zeigen Proportionalitat zwischen
Fallhohe h und Zeit t: h - t 2 • Proportionalitatsfaktor ist die Fallbeschleunigung g. Damit wird:
h = ~ gt 2 • Die Dimension von g wird durch die Rechenvorschrift festgelegt:

1) Die im Abschnitt Physik genannten Tafeln 1 bis 4 sind auf den Seiten 211 bis 216 zusammengestellt.

179
Physik

3. GroBengleichungen

Gro~engleichungen sind Gleichungen zwischen physikalischen Gro~en. Sie beschreiben


formelmaEig physikalische GesetzmaEigkeiten und enthalten a~er den Formelzeichen flir
die Gro~en nur solche Zahlenfaktoren (z.B. 1T), die durch Differentiation oder Integration
entstanden sind. Daher sind Gro~engleichungen von der Wahl der Einheiten unabhangig.

Physikalische Gro~engleichungen sind entweder willklirlich aufgestellte Definitionsgleichungen


oder in zweckma~ige mathematische Form gebrachte Naturgesetze (siehe 2.).

Besondere Vorteile bringt die Gro~engleichung beim Rechnen, weil es vollig gleichgilltig ist, in
welchen Einheiten die Gro~en erscheinen, wenn nur die bekannten Gro~en nach der Regel

I Gro~e = Zahlenwert X Einheit


eingesetzt werden.

Beispiele:
1. Ein Korper bewegt sich gleichfOrmig. Gemessen wird der zUrUckgelegte Wegabschnitt .1s = 300 m
und die dazu benotigte Zeit .1t = 6 s. Die GroBengleichung V = .1s /.1t verbindet die physikalischen
GroBenarten Geschwindigkeit V, Weg s und Zeit t miteinander. Die gesuchte Geschwindigkeit V
ergibt sich, indem die bekannten GroBen nach obiger Regel eingesetzt werden:

. d' k . .1s 300 m m


Geschwm 19 elt v = - = - - = 5 0 -
.1t 6s s
Das Ergebnis (50 m/s) hat dann ebenfalls die Form "Zahlenwert" (50) mal Einheit (m/s). Wird
.1s = 0,3 km und .1t = ~ h in die GroBengleichung eingesetzt, so ergibt sich:

. . . .1s 0,3km km 180m m


Geschwmdlgkelt V = - = - 1 - - - = 0 ,3·600 - =- - = 50-
.1t - h h 3,6 s s
600

2. Flir den freien Fall gilt die Gro~engleichung h = 4g t 2 • Sie beschreibt die Beziehung zwischen
Fallhohe h, Fallbeschleunigung g und Fallzeit t. Es soll die Fallhohe berechnet werden flir die Fall-
zeit von 10 s. Die Fallbeschleunigungg sei mit 10 m/s 2 eingesetzt:

11m m S2
Fallhohe h = 2. g t 2 = 2.' 10 SZ· (10 S)2 = 5007 = 500 m

Wird die Fallzeit t nicht in Sekunden sondern in Minuten eingesetzt, also t = ~ min, so ergibt sich:

Fallhohe h = 19t 2 = l.1O m . (l min)2 = l.1O m . (l)2 min2


2 2 S2 6 2 S2 6
. 2
h = 0139 mmm
, S2

Auch dieses Ergebnis ist richtig, jedoch etwas ungewohnlich mit der Einheit m min 2/s 2 (Meter
mal Quadratminute durch Quadratsekunde). Wird jedoch flir min 2 = 60 s . 60 s = 3600 S2 einge-
setzt, so ergibt sich wie oben:
m S2
h =0,139' 3600 -2- =500 m
s

180
Physik

4. Die Dimension einer Gro~e

Die Dimension einer Grofile kennzeichnet ihre Beziehung zu den Basisgrofilen.


Sie wird aus der Definitionsgleichung gewonnen und danach als Potenzprodukt der Basis·
grofile geschrieben.

1m allgemeinen Sprachgebrauch wird unter Dimension die Abmessung oder Ausdehnung eines
Gegenstandes verstanden. So spricht man in der Festigkeitslehre vom "dimensionieren" eines Bau-
teiles, d.h. vom Festlegen seiner Abmessungen.
In der Geometrie kennzeichnet die Dimension die Richtungsangabe eines Gebildes (Lange, Breite,
Hohe). Danach ist eine Lange eindimensional (II), sie hat eine Dimension; eine Flache ist zwei-
dimensional (12), sie hat zwei Dimensionen; ein Raum ist dreidimensional (13), er hat drei Dimen-
sionen. Ein Punkt ist demnach nulldimensional, er hat keine Ausdehnung, er ist dimensionslos.
Gegeniiber den drei Dimensionen der euklidischen Geometrie behandelt die nichteuklidische Geo-
metrie auch Ausdriicke mit vier, fUnf usw., allgemein n Dimensionen. In der Physik und Technik
wird der Begriff Dimension allgemein gedeutet. Die Dimension einer Grofile wird aus ihrer Defini-
tionsgleichung (als Grofilengleichung geschrieben) entwickelt, wobei man etwaige Zahlenfaktoren
(Z.B.7T) fortllifilt und auf der rechten Gleichungsseite fUr jede Grofile deren Basisgrofile einsetzt.
Diese schreibt man als Potenzprodukt.
Beispiel: Die Dimension der physikalischen Grofile Geschwindigkeit u ergibt sich aus der Defini-
tionsgleichung u = sft. Da in der Mechanik mit den Basisgrofilen Masse m, Lange lund Zeit t ge-
arbeitet wird, ergibt sich die Dimension von u aus:

Defmitionsgleichung fUr u: Dimensionsgleichung fUr u:


s . _ dim s _ Lange 1 _ 1 -I
u= - dun u - dim t - Zeit t - t
t

Die Dimension der physikalischen Grofile Geschwindigkeit ist demnach "Lange mal Zeit hoch
minus Eins".
Die Dimension der Geschwindigkeit u kann aber auch aus jeder anderen Gro~engleichung gewon-
nen werden, in der u enthalten ist, z.B.:

Defmitionsgleichung fUr u: Dimensionsgleichung fUr u:

u = ..j2gh dimu = v'dimg . dimh


dimu = ~ = It-I (wie oben)

Bereits bekannte Dimensionen werden entsprechend eingesetzt, wie hier die Dimension der Fall-
beschleunigung g: dimg =Lange 1X Zeit r 2=1r2. Diese ergibt sich ebenfalls aus der Definitions-
gleichung fUr g:
. Geschwindigkeitslinderung Au
Fallbeschleumgung g = zugehOriger Zeitabschnitt At

dimg = £ . 1. = It-I. r l = It- 2


t t
Einheiten sind physikalische Grofilen und haben daher wie alle anderen Grofilen ebenfalls eine
Dimension. Meter, Millimeter, Zentimeter bezeichnen "Langen", sie haben also die Dimension 1
einer Lange. Dagegen ist es falsch, die Einheiten selbst als Dimensionen zu bezeichnen. Ein Meter

181
Physik

ist etwas anderes als ein Kilometer, beide habenjedoch die Dimension I (Lange). Die "Dimension"
der Geschwindigkeit ist also nicht ,,Meter durch Sekunde" (das ist eine Einheit), sondern It- I
(siehe oben).
Dimensionslose Groj3en gibt es in der Physik nicht. Kiinen sich die Exponenten der Basis in einer
Dimensionsbetrachtung zu Null, so hat die GroBe die Dimension Eins, wie im folgenden Beispiel
gezeigt wird:
Beispiel: In der Festigkeitslehre gibt es die GroBe Dehnung E. Sie ist defmiert als
Uingenanderung III
Dehnung E= Ursprungs1"ange I0

Damit ergeben sich die

Defmitionsgieichung fUr E: Dimensionsgieichung fUr E:


Al dl· I D- E
dim III- --- -
I- - 10-
- II I-I - - 1
E=- --
10 dim 10 I

Die Dehnung besitzt also die Dimension "Eins". GroBen der Dimension Eins werden zweckmiiBig
als Verhiiltnisgroj3en bezeichnet. Auch die Einheiten so1cher VerhiiltnisgroBen ergeben gekiint den
Wert Eins.

5. Einheiten

Einheiten dienen der Messung physikalischer GroBen. Sie sind VergleichsgroBen von ganz
bestimmtem Betrag und von der gleichen Art wie die zu messende GroBe. Der Betrag der
Einheit ist so festgelegt, daB er jederzeit wieder reproduziert werden kann.

Der physikalische Zustand eines Korpers oder ein physikalischer Vorgang lassen sich nur durch
Messungen kennzeichnen oder beschreiben. So kann der physikalische Zustand des Schmierols
im Kreislauf eines Verbrennungsmotors nur angegeben werden, wenn u.a. Temperatur und Druck
des Ols bekannt sind. Der physikalische Vorgang im Motor laBt sich nur dann niiher beschreiben,
wenn u. a. die Drehzaltl der Kurbelwelle gemessen wird.
Jede Messung einer GroBe - hier der physikalischen GroBen Druck, Temperatur und Drehzahl -
setzt aber voraus, daB Vergleichsgroj3en vorhanden sind. Diese VergieichsgroBen heiBenEinheiten.
Sie mlissen von gleicher Art sein wie die zu messende GroBe. Sie sind auBerdem genau festgelegt
(defmiert) und sollen international gilltig sein.
Eine Sekunde, ein Grad oder auch ein Kilometer je Stunde stellen also eine ganz bestimmte Zeit,
Temperatur, Geschwindigkeit dar, mit deren Hilfe immer wieder eine beliebige Zeit, Temperatur,
Geschwindigkeit quantitativ erfaBt werden kann.
Dazu wird die Beziehung benutzt: GroBenwert der zu messenden GroBe = Zaltlenwert (MaBzaltl)
mal Einheit.
Grundsatzlich ware es gleichgilltig, von welchem Betrag die Einheiten festgelegt werden, ob also
beispielsweise ein Meter langer oder klirzer ware als das heute international festgelegte Meter, wenn
nur die Moglichkeit gegeben ist, diesen Betrag jederzeit nachzuprufen und ihn leicht an jedem Ort
wieder darzustellen.
Zur Verstandigung liber die Grenzen des personlichen Bereichs hinaus aber ist es notig, aile in der
Physik und Technik benutzten Einheiten moglichst auf internationaler Ebene gesetzlich festzu-
legen, und zwar moglichst so, daB ihre genaue Reproduktion an beliebigen Orten moglich ist. In
Deutschland beschaftigt sich der "AusschuB fUr Einheiten und Formelzeichen (AEF) im Deutschen

182
Physik

Normenausschu~" mit der Festlegung der Einheiten und ihrer Kennzeichnung. Die gesetzliche
Grundlage gibt das 1970 in Kraft getretene "Gesetz tiber Einheiten im Me~wesen".
Ais Kurzzeichen fUr die Einheiten sind bestimmte Buchstaben eingeftihrt (DIN 1301), meistens die
Anfangsbuchstaben der Einheitennamen, z.B. fUr die Langeneinheit Meter "m", fUr die Zeiteinheit
Sekunde "s" usw. Werden die Namen der Einheiten von Eigennamen hergeleitet, so sollen die Kurz-
zeichen gro~ geschrieben werden, z.B. fUr die Krafteinheit Newton "N" und fUr die Leistungsein-
heit Watt "W".
Wichtig ist die Erkenntnis, da~ es viele Uingeneinheiten, viele Zeiteinheiten, viele Masseeinheiten
usw. gibt, z. B. Meter, Zentimeter, Millimeter als Uingeneinheiten oder Sekunde, Minute, Stunde
als Zeiteinheiten usw. Es ist deshalb nicht korrekt, von der Uingeneinheit, der Zeiteinheit, der
Masseeinheit zu sprechen, vielmehr ist zu sagen: eine Zeiteinheit ist die Sekunde, eine andere z.B.
die Minute usw. Richtig ist dagegen die Bezeichnung gesetzlich festgelegte Einheit fUr z.B. Meter,
Sekunde, Kilogramm.
Welche der Einheiten verwendet wird, ist eine Frage der Gewohnheit oder Zweckmiilligkeit. Die
Entfernung zweier Stadte wird man nicht in Millimeter sondern in Kilometer angeben. Die Ge-
schwindigkeit eines Autos gibt man nicht in Zentimeter je Minute, sondern gewohnheitsmiillig in
Kilometer je Stunde an. Alle Einheiten gleicher Art lassen sich exakt ineinander umrechnen, also
mm in km oder cm/min in km/h usw.
Beim Schreiben und Aussprechen der Einheiten werden haufig grobe Fehler gemacht, besonders
bei Einheiten, die aus Quotienten von Basiseinheiten bestehen, wie z.B. bei der Geschwindigkeits-
einheit "Kilometer je Stunde" oder "Meter je Sekunde". Formal richtige Schreibweise: khm oder
~, also mit waagerechtem Bruchstrich. Dieser wird in der Aussprache haufig unterschlagen und
von "Stundenkilometer" oder "Metersekunde" gesprochen, was jedoch ein Produkt kennzeichnet
(Kilometer mal Stunde oder Meter mal Sekunde!). Produkte von Grundeinheiten werden immer
richtig ausgesprochen, wie z.B. "Nm" als "Newtonmeter". Die Einftihrung eines besonderen
Namens ftir eine Geschwindigkeitseinheit wtirde die falschen Ausdrticke verschwinden lassen.

6. Basiseinheiten, abgeleitete Einheiten, koharente Einheiten,


Hilfs- oder Sondereinheiten
Basiseinheiten sind die Einheiten der Basisgroj3en. Wie diese lassen sie sich nicht mehr durch andere
Einheiten definieren, sondern werden selbst zur Festlegung von Einheiten benutzt.
Entsprechend den 7 Basisgroj3en sind folgende Basiseinheiten gesetztlich und international fest-
gesetzt (siehe Tafel 1):

Das Meter (m) als Basiseinheit der Basisgro~e Lange,


die Sekunde (s) als Basiseinheit der Basisgro~e Zeit,
das Kilogramm (kg) als Basiseinheit der Basisgro~e Masse,
das Kelvin (K) als Basiseinheit der Basisgro~e Temperatur,
das Ampere (A) als Basiseinheit der Basisgro~e Stromstiirke,
das Candela (cd) als Basiseinheit der Basisgro~e Lichtstiirke,
das Mol (mol) als Basiseinheit der Basisgro~e Stoffmenge.

Diese Einheiten heilien auch SI -Einheiten, weil sie Einheiten des sogenannten Internationalen Ein-
heitensystems sind.
Abgeleitete Einheiten sind aus Basiseinheiten zusammengesetzte Einheiten. Sie sind wie die zuge-
horigen Gro~en entweder willktirlich oder durch ein Naturgesetz definiert.

183
Physik

Beispiele:
Ober die willktirliche Definition der Geschwindigkeit als Quotient aus Wegabschnitt As und zuge-
hOrigem Zeitabschnitt At ergeben sich die Einheiten der Geschwindigkeit, z.B.
.. . .. Einheit des Weges (s) Meter m
Elnhelt der Geschwmdlgkelt (u) = E·melt
h . d er Z·
elt ()
t = Sek un d e
Die Klammer urn das Formelzeichen der Gro~e soil darauf hinweisen, da~ hier nur die Einheit
dieser Gro~e betrachtet wird, also ohne Zahlenwert.
Ober das Dynamische Grundgesetz "Kraft F = Masse m mal Beschleunigung aU ergeben sich die
Einheiten der Kraft, z.B.

(F) = Einheit der Masse (m) mal Einheit Beschleunigung (a)


(F) = Kilogramm mal Meter dUTch Ue) Quadratsekunde
kgm
(F) = - 2 - = Newton (N)
s
Einige so1cher hergeleiteten Einheiten haben einen besonderen Namen erhalten, z.B. die oben
entwickelte Krafteinheit kg:n = Newton (N). Es ist also
s

kgm
I Newton = I N = I -2-
S

Damit wird die Kennzeichnung weiterer Einheiten vereinfacht. So ist z.B. die Einheit fUr die physi-
kalische Gro~e Arbeit, das Newtonmeter (Nm), leichter als die aus Kraft- und Langeneinheit zu-
sammengesetzte Einheit erkennbar, als das entsprechende Potenzprodukt der Basiseinheiten:
kgm m2
1 Newtonmeter = 1 Nm = 1 -S2- . m = 1 kg -S2

Die hier beteiligten Basiseinheiten sind "Kilogramm (kg)", "Meter (m)" und "Sekunde (s)", wie
ein Vergleich mit der obigen Aufstellung erkennen Hi~t.
Koharente Einheiten sind so1che Einheiten, die ohne weiteres miteinander multipliziert oder divi-
diert werden konnen, ohne da~ besondere Umrechnungszahlen notig sind. Koharente Einheiten
haben als Umrechnungszahl die Eins.
Beispiel: Es soil der zurtickgelegte Weg s berechnet werden, wenn der Korper 6 min lang mit einer
Geschwindigkeit von 36 km/h geradlinig gleichfOrmig bewegt wird:

mit kohiirenten Einheiten mit nicht kohiirenten Einheiten


km . kmmin
s = u t = 10!!! . 360 s s = u t = 36 - · 6 mm = 216 - - -
s h h
kmmin
s = 3600 m s = 216 6-0. = 3,6 km = 3600 m
mm

Hilfs- oder Sondereinheiten sind so1che Einheiten, die lediglich der Umschreibung fUr die Einheit
Eins dienen. Das ist sinnvoll vor allem bei den Verhiiltnisgroj3en, wie zum Beispiel beim Bogenmaj3
eines Winkels. Dieses ist definiert als das Verhaltnis (der Quotient) der Bogeulange eines Winkels
zum zugehorigen Radius. Damit ergibt sich die
Einheit des _ Einheit des Bogens (b) _ Meter m. .
(a) - - - - = - = Ems = Radiant = rad
Winkels Einheit des Radiusses (r) Meter m

184
Physik
Es ist also die Einheit

1 Radiant = 1 rad =1 ~ = 1 cm = 1 mm
mm usw. == 1 (identisch gleich 1)
m cm
Das Gleiche gilt z.B. auch flir die Einheit Umdrehung U. Es ist

1 Umdrehung = 1 U == 1

so daB auch geschrieben werden kann:

Drehzahl n = 1000 ~ = 1000 _1_. = 1000 min-I


mm mm
Beachte: Vielfach werden die Verhiiltnisgr6j3en auch als "dimensionslose" GroBen bezeichnet.
Das ist falsch, vielmehr besitzt z. B. das Bogenmall. eines Winkels die Dimension einer Lange L
durch eine Lange L, also
. _ dim (b) _ I _ - 1 -
dim (O!) - dim (r) -7 - II = 1

7. Das Meter ist die Basiseinheit der BasisgroEe Lange

Definition des Meters


1 Meter mist das 1650 763,73fache der WellenHinge der von Atomen des Nuklids 86Kr beim
Ubergang vom Zustand 2plO ausgesandten, sich im Vakuum ausbreitenden Strahlung.
1 Meter = 1650763,73 Lichtwellen des Krypton 86, wobei eine Lichtwelle 0,605 892 Mikro-
meter entspricht.
Dekadische Vielfache und Teile des Meters (siehe auch Tafel 4)
1 Dezimeter (dm) = 10- 1 m 1 Dekameter (dam) = 10 1 m
1 Zentimeter (cm) = 10-2 m 1 Hektometer (hm) = 102 m
1 Millimeter (mm) = 10- 3 m 1 Kilometer (km) = 10 3 m
1 Mikrometer (pm) = 10-6 m 1 Megameter (Mm) = 106 m
1 Nanometer (nm) = 10-9 m 1 Gigameter (Gm) = 10 9 m
1 Pikometer (pm) = 1O- 12 m 1 Terameter (Tm) = 10 12 m

Die hier bei der Basiseinheit Meter verwendeten Vorsatze ,,Dezi", "Zenti" usw. dUrfen bei allen
Basiseinheiten und bei den abgeleiteten Einheiten mit selbstandigem Namen benutzt werden, z.B.
beim Newton (N) das daN (Deka-Newton).
Das Meter - Kurzzeichen m - ist die gesetzliche deutsche und internationale Einheit zum Messen
der BasisgroBe Liinge. Das Meter ist deshalb, ebenso wie Kilogranun und Sekunde, eine sogenannte
Basiseinheit, im Gegensatz zu den abgeleiteten Einheiten, wie z.B. m/s oder Nm (Meter je Sekunde
oder Newtonmeter).
Die ersten Einheiten flir die Lange hat der Mensch dem eigenen Korper entnommen: Zoll (Breite
eines Daumens), Full., Elle oder Schritt eines FUrsten bestimmten das Mall.. Muster solcher Einhei-
ten wurden auf Offentlichen Platzen angebracht, z.B. in Paris die Toise (ca. 1,95 m = 6 Full.) in
Form einer Rachenlehre an einer Mauer des Grand Chatelet.
Die Wissenschaftler, vor allem in Frankreich, strebten vom Menschen unabhangige natilrliche oder
physikalische Einheiten an. Der erste von franzosischen Physikern gemachte Vorschlag, flir Langen-
messungen die Lange eines Pendels zu wahlen, dessen Ausschlag einer Sekunde entspricht, wurde

185
Physik
wegen der Verbindung dieser Langenmessung mit einer Zeiteinheit fallengelassen. 1791 wurde als
Llingeneinheit der 4Omillionste Teil des durch die Pariser Sternwarte laufenden Erdmeridians ge-
wiihlt und diese Llingeneinheit als Meter bezeichnet.
Zur Verk6rperung dieses Meters wurde ein Platinstab von 25 mm X 4 mm Querschnitt angefertigt.
Da damals noch durch Abtasten der Endflachen verglichen wurde, nutzte sich das Meter schnell
abo Spatere Messungen des Erdumfanges ergaben auBerdem Abweichungen vom Meter, z.B. daB
der IOmillionste Teil des Erdquadranten urn 0,22883 .10- 3 m kiirzer war als 1 Meter. Die Schwierig-
keit solcher Messungen und die Erwartung, daB sich die Gestalt der Erde andern konnte, f!ihrte
danach zu dem mit x-fOrmigem Querschnitt ausgebildeten Prototyp in Paris. Dieser war also zu-
gleich Definition und Verk6rperung des Meters.
Wegen der Gefahr, daB Rekristallisationsvorgange im Gefuge des Prototyps zu Llingenanderungen
f!ihren und wegen der fUr einige Gebiete der Physik und Technik zu groBen MeBunsicherheit wurde
immer wieder angeregt und versucht, sich von der Definition des Meters durch eine Materialver-
korperung zu losen. Nach vielen Versuchen wurde beschlossen, die Lichtwellen zur Definition des
Meters zu benutzen. Eine zahlenmiiBige Beziehung zur Wellenlange einer vom ungestorten Atom
ausgestrahlten und sich im Vakuum ausbreitenden Lichtwelle wird nach heutigen Erkenntnissen
als zeitlich unveriinderlich angesehen. Die MeBunsicherheit sinkt dabei auBerordentlich, wiihrend
sie beim AnschluB eines Gebrauchsnormals an den Prototyp ca. 0,2 Mikrometer betragt. Zur neuen
Defmition ist eine Energielinie des Krypton Isotop 86 herangezogen worden. Die sich ergebende
Wellenlange betriigt ungefahr 0,0006 mm (siehe obige Defmition). Damit wurde das Meter als
NaturmaB neu definiert.
Die Flacheneinheit ist das Quadrat, dessen Seite 1 Meter (oder Teile oder Vielfache davon) lang ist.
Man schreibt: 1 Quadratmeter= 1 m 2 ; ebenso 1 cm 2 ; 1 mm 2 usw. Umrechnung: 1 m 2 = 10 2 dm 2
= 104 cm 2 = 106 mm2 •
Die Raumeinheit (Volumeneinheit) ist der Wiirfel, dessen Kante 1 Meter (oder Teile oder Vielfache
davon) lang ist. Man schreibt: 1 Kubikmeter= 1 m 3 ; ebenso 1 cm 3 ; 1 mm 3 usw. Umrechnung:
1 m 3 = 10 3 dm 3 = 10 6 cm 3 = 109 mm 3 •

8. Das Kilogramin ist die B~siseinheit der BasisgroEe Masse

Definition und Verkorperung des Kilogramms


1 Kilograrnm ist die Masse des Internationalen Kilograrnmprototyps.
Dekadische Vielfache und Teile des Kilogramrns
1 Gramm (g) = 10-3 kg
1 Milligrarnm (mg) = 10-6 kg = 10-3 g
1 Mikrograrnm (jIg) = 10-9 kg = 10-6 g
1 Megagramm (Mg) = 103 kg = 106 g = 1000 kg = 1 Tonne (t)

weitere Vorsatze sind nach Tafel 4 moglich.

Das Kilograrnm '- Kurzzeichen kg - ist die gesetzliche deutsche und internationale Einheit zum
Messen der BasisgroBe Masse. Es ist deshalb, ebenso wie Meter und Sekunde, eine sogenannte Basis-
einheit, im Gegensatz zu den abgeleiteten Einheiten, z.B. das Kilograrnm-Meter je Sekunde-Quadrat-
(kgm/s 2 ). Das Kilograrnm ist ebenso wie das Meter eine SchOpfung der franzosischen Revolution.
Urspriinglich ging man vom Gramm als der Masse von 1 cm 3 reinen Wassers bei O°c aus. Spater
wurde die Masseeinheit durch einen Zylinder aus Platin-Iridium definiert; jedoch nicht durch ein
Grammstiick, sondern durch die 1000fache Masse, das sogenannte Urkilogramm. Dieser Zylinder

186
Physik

von 39 mm Durchmesser und gleicher Hohe ist bis heute Definition und Verkorperung des Kilo-
gramms zugleich.
Jeder der an der Meterkonvention von 1875 angeschlossenen Staaten besitzt eine Kopie dieses
Prototyps. Flir die Bundesrepublik wird sie in der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB)
in Braunschweig aufbewahrt. Die Masse des Kilogrammprototyps entspricht etwa der Masse eines
Kubikdezimeters Wasser (1 dm 3 '" 103 cm 3 ) bei einer Temperatur von 4°C.
Die durch einen Vorsatz nach Tafel 4 bezeichneten Vielfachen und Teile werden nicht von der
Einheit Kilogramm, sondern von ihrem 1000sten Teil, dem Gramm, gebildet, also z.B.
I ng'" I Nanogramm'" 10- 9 g '" 0,000 000 001 g.
Die bei Wagungen auf Hebelwaagen zur Bestimmung der Masse dienenden Vergleichskorper sollten
nicht Gewichte sondern Wagestiicke genannt werden.

9. Die Sekunde ist die Basiseinheit der Basisgro~e Zeit

Definition der Sekunde


I Sekunde ist das 9 192 631 770fache der Periodendauer der dem Ubergang zwischen den
beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Nuklids 133 Cs ent-
sprechenden Strahlung.
Gebrauchliche Vielfache der Sekunde
I Minute (min) '" 60 Sekunden
1 Stunde (h) '" 60 Minuten '" 3600 Sekunden
1 Tag (d) '" 24 Stunden '" 1440 Minu ten'" 86400 Sekunden
Dekadische Teile der Sekunde werden mit den Vorsatzzeichen nach Tafel 4 gebildet, z. B.
die Mikrosekunde (IlS) flir das 10- 6 fache (Millions tel) der Sekunde.

Die Sekunde - Kurzzeichen s - ist die gesetzliche deutsche und internationale MaBeinheit zum
Messen der BasisgroBe Zeit. Sie ist deshalb, eben so wie Meter und Kilogramm, eine sogenannte
Basiseinheit, im Gegensatz zu den abgeleiteten Einheiten.

10. Die Krafteinheit Newton

Definition des Newton


I Newton - Kurzzeichen N - ist diejenige Kraft, die der Masse 1 kg die Beschleunigung
I m/s 2 erteilt.

Ais sogenannte Basiseinheiten sind die Einheiten der BasisgroBen festgelegt. Flir das Gebiet der
Mechanik, in der die GroBe Kraft eine vorherrschende Rolle spielt, wurden ausgewahlt: als Basis-
einheit der Lange das Meter, als Basiseinheit der Zeit die Sekunde und als Basiseinheit der Masse
das Kilogramm.
1m Dynamischen Grundgesetz sind diese drei BasisgroBen mit der GroBe Kraft verbunden:
Kraft F '" Masse m mal Beschleunigung a. Damit wird die Einheit der Kraft nach dem Dynamischen
Grundgesetz notwendigerweise eine abgeieitete Einheit. Denn es kann in der Gleichung F'" ma
entweder die Masse m oder die Kraft F als BasisgroBe festgelegt werden. Eine der beiden physika-
lischen GroBen muB also eine abgeleitete GroBe sein. Nach jetzt giiltiger Festlegung ist die Kraft F
die abgeleitete GroBe.

187
Physik

Als koharente Einheit der Kraft F wird nun diejenige Kraft festgelegt, die der Masseeinheit 1 kg die
Beschleunigung 1 m/s 2 erteilt. Diese Kraft nennt man zu Ehren des Begrtinders der Dynamik
Newton - abgekiirzt N.
Kohiirente Einheiten sind Einheiten eines solchen Systems, bei dem ausschlieBlich die Umrech-
nungszahl "Eins" vorkommt (siehe unter 6.).
Zur Zahlenrechnung ist das Newton noch durch die Basiseinheiten Meter, Kilogramm, Sekunde
auszudrticken. Den Zusammenhang liefert die Definitionsgleichung flir die Kraft, das Dynamische
Grundgesetz. Mit Masse m == 1 kg und Beschleunigung a == 1 m/s 2 ergibt sich:

Definitionsgleichung flir Kraft F: Einheitengleichung fur Kraft F:


F==ma (F) == (m) . (a)
m kgm
1 N == 1 kg . 1 - == 1 - - == 1 Newton
S2 S2

Das in Klammern gesetzte Formelzeichen einer GroBe soli kennzeichnen, daB nur die Einheit der
GroBe betrachtet wird.
Es ist also 1 Newton gleich 1 Kilogramm mal Meter durch Sekunde-Quadrat.
Eine Federwaage kannte in der Krafteinheit Newton geeicht werden, in dem einer Masse m == 1 kg
jeweils die Beschleunigung 1 m/s 2 , 2 m/s 2 usw. vermittelt wird. Damit wiirden dann jeweils ein,
zwei usw. Krafteinheiten aufgebracht. In bestimmten Bereichen ist die Langenanderung einer
Schraubenfeder direkt proportional der einwirkenden Kraft, so daB sich eine entsprechende Tei-
lung anbringen laBt.

11. Die Arbeits- und Energieeinheit Joule

Def"mition des Joule


1 Joule ist gleich der Arbeit, die verrichtet wird, wenn der Angriffspunkt der Kraft 1 N in
Richtung der Kraft urn 1 m verschoben wird.

Energie ist das Vermagen eines Korpers, Arbeit zu verrichten. Seit Robert Mayer ist die Gleich-
wertigkeit von Wiirme und Arbeit bekannt (mechanisches Wiirmeiiquivalent). Energie, Arbeit und
Wiirmemenge sind also physikalische GraBen gleicher Art, und es war daher sinnvoll, die Gleich-
artigkeit dieser drei GraBen durch ein und dieselbe Einheit zu unterstreichen. Das Einheitengesetz
schreibt die SI-Einheit louie vor (Kurzzeichen: J, Aussprache dschgl).
Nach der obigen Defmition ist 1 Joule gleich 1 Newtonmeter, narnlich gleich dem Produkt aus der
Krafteinheit 1 N und der Liingeneinheit 1 m. Zugleich wurde festgelegt, daB 1 Joule gleich einer
Wattsekunde ist, so daB gilt:

1 Joule == 1 Newtonmeter == 1 Wattsekunde


kgm 2
1J == 1 Nm == 1 Ws == 1 - - == 1 m 2 kg S-2
S2

Ebenso wie mit dem Newton N kannen auch mit dem Joule J Teile und Vielfache gebildet werden
(siehe auch Vorsatzzeichen nach Tafel 4), zum Beispiel kJ (Kilojoule), Nmm (Newtonmillimeter),
kWh (Kilowattstunde).
Am SchiuB von Rechnungen sollte stets die Einheit Joule J stehen, wenn es sich urn die GraBen
Arbeit, Energie oder Wiirmemenge handelt.

188
Physik
Beispiele:
1. In der Mechanik ergibt die Berechnung der mechanischen Arbeit einer Kraft Wmech = 150 Nm.
Als Endergebnis schreibt man Wmech = 150 J.
2. In der Elektrotechnik ergibt die Berechnung der elektrischen Arbeit Wei = 150 Ws. Ais Ender-
gebnis schreibt man Wei = 150 J.
3. In der Wlirmelehre ergibt sich fUr die Wlirme (Wlirmemenge) Q automatisch z.B. Q = 150 J.
Slimtliche Rechnungen in der Technik und Physik lassen sich mit der Krafteinheit Newton bequem
ausflihren, weil a11e Umrechnungen mit Einheiten des Internationalen Einheitensystems nur mit
der Zahl Eins erfolgen konnen. So ist z.B. 1 Newtonmeter (Nm) = 1 Joule (J) = 1 Wattsekunde
(Ws). Das ist das Kennzeichen der koharenten Einheiten (siehe 6.).

12. Skalare und Vektoren

Definition der Skalare und Vektoren


Skalare Grdj3en - kurz "Skalare" - sind solche physikalischen Groil>en, die allein durch die
Angabe ihres Betrages vo11stlindig bestirnmt sind, wie z.B. Masse, Temperatur, Arbeit, Lei-
stung, Dichte.
Vektorielle Grdj3en - kurz "Vektoren" - sind solche physikalischen Groil>en, die neben der
Angabe ihres Betrages noch der Festlegung einer Richtung bedtirfen, wie z.B. Kraft, Weg,
Geschwindigkeit, Beschleunigung, Drehmoment, Gewichtskraft, elektrische Feldstlirke,
magnetische Induktion.

Die physikalischen Groil>en mtissen in solche mit und ohne Richtungssinn unterteilt werden.
Die Angabe, die Masse eines Korpers betrage m = 15 kg reicht zur eindeutigen Kennzeichnung der
Stoffmenge und Trligheit dieses Korpers aus. Das Gleiche gilt fUr den Hinweis, ein Motor habe
eine Leistung von 1 kW. Solche nicht gerichteten Groil>en heillen Skalare (von lat. scala = Leiter).
Sie konnen auf "Leitern" oder "Skalen" abgelesen werden und sind damit vo11stlindig bestirnmt.
1m Gegensatz dazu ist die Angabe, ein Korper bewege sich mit einer Geschwindigkeit v = 10 m/s
allein nicht ausreichend. Es ist noch nicht bekannt, in welcher Richtung sich der Korper bewegt,
so dail> auch noch nicht klar ist, ob die vorliegende Richtung technisch brauchbar ist. So ist es auch
z.B. bei der Beschleunigung, denn es ist ein anderer Effekt zu erwarten, wenn ein parkendes Auto
einmal vorwlirts, das andere mal rtickwlirts beschleunigt wird. Solche gerichteten Groil>en heillen
Vektoren (von lat. vehere vectus = bewegen). Sol1 die Vektoreneigenschaft, d.h. der Richtungs-
sinn der physikalischen Groil>e hervorgehoben werden, so schreibt man ihr Formelzeichen in Frak-
turbuchstaben oder man bringt einen Pfeil tiber dem Formelzeichen an oder man benutzt Fett-
druck (DIN 1303).

Ftir die Behandlung von Vektoren gibt es eine besondere Rechnungsart, die Vektorrechnung, mit
deren Hilfe physikalische, technische und geometrische Probleme tibersichtlich geordnet auf ein-
fache Weise gelost werden konnen. Die Grundregeln der Behandlung von Vektoren sind aus physi-
kalischen Tatsachen gewonnen worden, z.B. die Zusammensetzung und Zerlegung von Krliften,
Geschwindigkeiten und Beschleunigungen aus dem sogenannten Parallelogrammsatz.

189
Physik

13. Bewegung, Bewegungsarten (Translation, Rotation)

Definition der Bewegung


Bewegung ist die zeitliche Anderung der Lage eines K6rpers - meistens betrachtet gegentiber
der ruhend gedachten Erdoberfliiche.

Bewegung bedeutet zuniichst, daE sich der K6rper von einem art zum anderen bewegt. Bei dieser
Ortsveriinderung ist der K6rper zum Anfangszeitpunkt hier, im niichsten Zeitpunkt dart und zu
einem anderen Zeitpunkt wieder an einer anderen Stelle. Der K6rper durchliiuft dabei eine Bahn,
wie z.B. ein fahrendes Auto.
Dabei wird die Ortsveriinderung gedanklich auf die ruhend gedachte Erdoberfliiche bezogen. Ge-
nauer wird yom "Bezugssystem Erde" oder yom "System Erde - Auto" gesprochen.
Tatsiichlich dreht sich das Auto mit der Erde, bewegt sich mit ihr urn die Sonne und mit der Sonne
innerhalb der MilchstraEe durch den Weltraum. Von verschiedenen Standpunkten aus werden die
Beobachter also auch verschiedene Bahnen ein- und desselben K6rpers wahmehmen.
Die Bahn des Ventils am Vorderrad des Fahrrades erscheint dem stillstehenden Beobachter als
sogenannte Zykloide (griechisch Radlinie), dem nebenher fahrenden Beobachter dagegen als
Kreisbahn.
Beide Beobachter beschreiben demnach die Bahn des Ventiles verschieden. Damit wird klar, daE
die Bewegung eines K6rpers imIner nur relativ, d.h. im Vergleich zu einem anderen K6rper beur-
tellt werden kann. Dieser Bezugsk6rper oder auch das Bezugssystem stellt man sich als ruhend var,
wie z.B. bei der Bewegung eines Fahrgastes in der StraEenbahn re1ativ zum Wagen oder bei der
Bewegung eines Flugzeuges durch die Luft relativ zur (ruhend gedachten) Erde (Bewegung tiber
Grund).
In der Bewegungslehre k6nnen die ,,K6rper" fast immer als "punktf6rmige Masse" gedacht werden,
besonders dann, wenn aIle Einzelheiten eines K6rpers an der Bewegung gleichmii~igen Antell haben.
Bei technischen Berechnungen mu~ jedoch fast stets die k6rperliche Form, d.h. die riiumliche Aus-
dehnung des betrachteten K6rpers beachtet werden. So erfordert die Gestaltung der Lager einer
Schleifscheibe Betrachtungen tiber die Bewegung des ganzen Scheibenk6rpers, wiihrend die Fest-
legung der Scheibendrehzahl au~erdem noch Betrachtungen tiber die Bewegung eines einzelnen
Kames am Scheibenumfang n6tig macht.
Grundsiitzlich lassen sich alle Bewegungen sogenannter starrer K6rper in der Technik gedanklich
in zwei Elementarbewegungen zerlegen: in eine fortschreitende Bewegung(Translation = Schiebung)
und in eine drehende Bewegung (Rotation = Drehung).

13.1. Translation

Defmition der Translation


Bel" der Translation eines K6rpers bleibt die Lage einer durch den K6rper gezogenen Achse
stets parallel zu sich selbst. Dabei kann die Bewegung eines beliebigen K6rperpunktes gerad-
linig oder krummlinig sein.

Das folgende Bild I zeigt drei verschiedene Stellungen des translatorisch bewegten K6rpers. Die
Lage einer willktirlich durch den K6rper gelegten Achse bleibt in allen Stellungen des K6rpers
parallel zur Anfangsstellung. Die Achse verschiebt sich nur in eigener Richtung oder parallel zu sich
selbst.

190
Physik

Anfangsstellung Endstellung

~. Bahn eines Korperpunktes~ __ .

~'-.-~-- .-'/~,
"'V-- Zwischenstellung
Bild L Translationsbewegung eines Korpers

13.2. Rotation

Definition der Rotation


Bei der Rotation andert der Karper seine Lage zum Raum, wobei sich samtliche Punkte des
Karpers urn eine raumfeste Achse drehen. Diese Achse kann innerhalb oder auBerhalb des
Karpers liegen.

jt
Bild 2 zeigt drei verschiedene Stellungen des kreisend beweg-
ten Karpers. Die raumfeste Drehachse liegt hier auBerhalb des nfongs-
Karpers. Die willktirlich durch den Karper gelegte Achse zeigt stellung
in jeder Karperstellung eine andere Lage. /- . Bahn eines
- \ : Korperpunktes
Alle Betrachtungen mtissen auf den ganzen Karper bezogen (
werden, denn narurlich durchlauft auch bei der Rotation ein
\\chse
-~ Ii:::J
7\
Teilchen des Karpers eine Bahn.
Die Rotation wird in der Technik bevorzugt, weil Antriebs- .~~Zwischen­
~ stellungen
maschinen mit Drehbewegung haufiger sind (Elektromotor,
Dampf- und Gasturbine). AuBerdem laJl.t sich die Drehbewe-
Bild 2. Rotationsbewegung
gung leicht und zuverlassig tiber Wellen yom Ort ihrer Ent- eines Korpers
stehung dorthin leiten, wo ihre Wirkung benutzt werden soll.

13.3. Die Rollbewegung

Definition der Rollbewegung


Die Rollbewegung ist eine Kombination von Translation und Rotation. Rollt ein Rad oder
eine Scheibe schlupffrei auf der Unterlage, so legt ein Punkt auf dem Radumfang den gleichen
Weg zuriick, wie das ganze Rad auf der Unterlage. Die Umfangsgeschwindigkeit des Umfangs-
punktes ist gleich der Geschwindigkeit der fortschreitenden Bewegung.

Wie Bild 3 zeigt, dreht sich bei der Rollbe-


wegung der Korper urn seine Drehachse M,
die sich gleichzeitig in Fortbewegungsrich-
tung parallel zu sich selbst verschiebt. Bei
einer Umdrehung der Scheibe legt der Um-
fangspunkt den Weg s = 211r zuriick. Das ist
~'
zugleich der Weg der Drehachse M. In jedem
Augenblick drehen sich die einzelnen Punkte o 0
Translation + Rotation Rollbewegung
der Scheibe urn den jeweiligen Beriihrungs-
punkt D zwischen Scheibe und Unterlage. Bild 3. Rollbewegung cines Korpers

191
Physik
Der ganze K6rper dreht sich also nicht eigentlich urn seine Drehachse M, sondern "kippt" bzw.
dreht sich urn den jeweiligen Beriihrungspunkt (Drehpunkt) D. Dieser Punkt D - als Punkt des
rollenden K6rpers betrachtet - befindet sich dann immer in Ruhe. Ein farbiger Umfangspunkt
zeichnet vor dem stillstehenden Betrachter eine Zykloide. Dort, wo die Zykloide jeweils die Unter-
lage beriihrt, steht der Punkt vor dem Betrachter still (wenn kein Schlupf auftritt).
Die Geschwindigkeit der einzelnen Punkte des Rades wachst von Null bis zum H6chstwert Vr
(= Randgeschwindigkeit) am Rand der Scheibe proportional dem Abstand vom Drehpunkt D, ge-
nau so, als wiirde der K6rper fortwahrend urn D gedreht.
1st v die Umfangsgeschwindigkeit eines Punktes im Abstand r von der Drehachse M, die sich selbst
mit der Geschwindigkeit v nach rechts bewegt, so ist die Randgeschwindigkeit Vr = 2 v.
Die Rollbewegung der Scheibe kann also aufgefaEt werden als Summe einer Drehung mit der Win-
kelgeschwindigkeit w = vir urn die Achse M und einer mit der Geschwindigkeit v fortschreitenden
Bewegung.
AuBer der fortschreitenden und der drehenden Bewegung eines K6rpers gibt es noch andere Be-
wegungsarten.
Die De!ormationsbewegung tritt auf bei festen, elastischen K6rpern von selbstandiger Form, wie
z.B. bei Federn (Biegefedern, Torsionsstabfedern u. a.). Kennzeichen jeder Feder ist die elastische
Formanderung und damit die Fahigkeit, mechanische Arbeit zu speichern und bei Bedarf wieder
an die Umgebung abzugeben. Wird eine funktionsfahig eingebaute Feder nach der Belastung sich
selbst iiberlassen, so flihrt sie Schwingungen aus, wie z.B. die Biegeschwingungen der Blattfeder.
Urspriinglich benachbarte Teilchen des K6rpers bleiben dabei auch benachbart. Ein zwischen zwei
wei£en Punkten gezeichneter roter Punkt bleibt stets zwischen den beiden wei£en Punkten. Das
ist anders bei der Str6mung von Fliissigkeiten und Gasen. Bei dieser Str6mungsbewegung k6nnen
urspriinglich benachbarte Teilchen eine ganz andere Lage zueinander einnehmen; sie k6nnen sich
sogar miteinander vermischen.

14. Geschwindigkeit

Definition der Geschwindigkeit


Die Geschwindigkeit v eines K6rpers ist der Quotient aus dem Wegabschnitt ils und dem
zugehOrigen Zeitabschnitt ilt. Die Geschwindigkeit ist ein Vektor.
Definitionsgleichung
. . . Wegabschnitt ils
Geschwmdlgkelt v = Z· b h· A
elta sc illtt i.J. t
ils
v=-
M

Dimensionsgleichung
Die Dimension der Geschwindigkeit v ist Basisgr6Benart Lange /, geteilt durch die Basis-
gr6Benart Zeit t:

dim v = d~ s = ~ = /t-1
dlill t t
Formelzeichen Ge brauchliche Einheiten
v Abkiirzung von velocitas (lat. Schnelligkeit) flir v: mis, km/h, m/min, cm/s
s Abkiirzung von spatium (lat. Entfernung, Weg) flir s: m, km, cm
t Abkiirzung von tempus (lat. Zeit) flir t: s, h, min

192
Physik

1st die Bewegung des KorpersgZeich/6rmig, seine Geschwindigkeit u also gleichbleibend (konstant),
so kann der Zeitabschnitt At beliebig grof.\ gewiihlt werden (Minuten, Stunden, Tage).
Wenn vom Wegabschnitt As oder vom Zeitabschnitt At gesprochen wird, so solI der griechische
Buchstabe Delta (A) die Differenz zweier Wege oder Zeiten kennzeichnen: As = S2 - Sl oder
At = t2 - t l . Dabei konnen As und At beliebig klein werden, denn in der Technik und Physik ist
mit dieser Schreibweise die Vorstellung sehr kleiner Betrage der Wege, Zeiten usw. verbunden.
1st die Bewegung eines Korpers ungZeich/6rmig, so andert sich seine Geschwindigkeit auch wiihrend
eines kleinen Zeitabschnittes At unter Umstanden erheblich. Ein anfahrendes Auto z.B. andert
seine Geschwindigkeit fortwahrend.
Nach der obigen Definitionsgleichung ist u dann die Durchschnittsgeschwindigkeit des Korpers
(auch mittlere Geschwindigkeit genannt). Ein (gedachter) zweiter Korper wiirde mit dieser Durch-
schnittsgeschwindigkeit in der gleichen Zeit denselben Weg zuruckgelegt haben wie der ungleich-
f<irmig bewegte Korper.
Zur genaueren Begriffsbestimmung der Momentangeschwindigkeit muf.\ dann der Zeitabschnitt sehr
klein gewiihlt werden. Ais Kennzeichen fUr etwas sehr Kleines wird der Buchstabe d benutzt. 1m
Zeitabschnitt dt legt der Korper das sehr kleine Wegstiick ds zuruck, so datlJ sich seine Geschwindig-
keit wiihrend dt kaum andert. Die Geschwindigkeit kann damit in jedem Augenblick genau be-
stimmt werden, wenn nur der Zeitabschnitt dt klein genug gemacht wird.
Die unbeschriinkt gii/tige De/initionsgZeichung fUr die Geschwindigkeit u lautet demnach:

ds (gil tlmmer.
u = dt . )

In der hoheren Mathematik werden ds und dt als "Differentiale" bezeichnet und Ausdrucke der
Form ds/dt (sprich: de es nach de te) als Differentialquotient oder Ableitung. Bei As/At spricht
man vom Differenzenquotienten (siehe Mathematik).

15. Beschleunigung

Definition der Beschleunigung


Die Beschleunigung a eines Korpers ist der Quotient aus der Geschwindigkeitsiinderung Au
und dem zugehOrigen Zeitabschnitt At. Die Beschleunigung ist ein Vektor.
Definitionsgleichung
. Geschwindigkeitsanderung Au
Beschleumgung a = Zeitabschnitt At

Au a Au
a=-
At
!!!. !!!. s
82 8

Dimensionsgleichung
Die Dimension der Beschleunigung a ergibt sich aus den Dimensionen von Geschwindigkeit
und Zeit:

d' - dimu _zrl -It-2


una- dimt --t--

(Dimension von a gleich Liinge mal Zeit hoch minus 2)

193
Physik
Auf dem Tisch liegt eine Streichholzschachtel. Sie wird mit dem Finger angestoBen und in Bewe-
gung gebracht: Der Korper wird beschleunigt. Jeder Wechsel vom Zustand der Ruhe in den Bewe-
gungszustand ist ein Beschleunigungsvorgang und setzt als Ursache einen iiuBeren Zwang - eine
iiuBere Kraftwirkung - auf den Korper voraus. Auch dann, wenn ein schon bewegter Korper immer
"schneller" wird, wird er beschleunigt. Nach dem AnstoB wird die Streichholzschachtel durch die
Reibung abgebremst, so daB sie wieder in den Ruhezustand zuriickkehrt: der Korper wird verzogert.
Die Verzogerung ist vorstellbar als "umgekehrte" Beschleunigung. Man spricht deshalb von "nega-
tiver Beschleunigung" oder von einer "Beschleunigung mit umgekehrtem Vorzeichen (- a). Alles
was von der Beschleunigung gilt, gilt sinngemiiB (d.h. mit umgekehrtem Vorzeichen oder mit ent-
gegengesetztem Richtungssinn) auch von der Verzogerung eines Korpers.
Alle Bewegungsvorgiinge, bei denen ein Korper auf geradliniger Bahn beschleunigt oder verzogert
wird, heilien ungleichf6nnig. 1st dabei die Beschleunigung konstant, so spricht man von gleich-
mdj3ig beschleunigter (oder verzogerter) Bewegung, sonst von ungleichmiiBiger. Gemeinsames Kenn-
zeichen der ungleichfdrmigen Bewegung ist die ;fndernng des im Betrachtungsaugenblick vorliegen-
den Bewegungszustandes; bei geradliniger Bahn also die ;fndernng der Geschwindigkeit, genauer
des Betrages der Geschwindigkeit: Der Betrag wird in jedem Augenblick groBer oder kleiner.
Bewegt sich ein Korperpunkt auf beliebiger Bahn in der Ebene, so entsteht die Beschleunigung
entweder allein durch eine ;fndernng des Betrages der Geschwindigkeit (z.B. von VI = 10 m/s auf
V2 = 18 m/s) oder durch eine A·ndernng der Richtung der Geschwindigkeit oder auch durch beides.
Die Geschwindigkeit V ist ein Vektor und durch Betrag und Richtung bestimmt. (Anfahren oder
Bremsen des Autos und Kurvenfahrt.) Die allgemeinste Bewegung eines Korpers solI in die tech-
nisch wichtigen zwei Sonderfalle aufgeschliisselt werden: Bewegung auf gerader Bahn und Kreis-
bewegung mit konstanter Umfangsgeschwindigkeit:
1. Bei Bewegungen auf geradliniger Bahn, z.B. beim Arbeits- oder Riickhub des ShapingstoBels,
ist die Richtung des Geschwindigkeitsvektors unveriindert: Die Richtung des Vektors ist immer
parallel zur Bahn. Die Beschleunigung (Verzogerung) kommt dann allein durch die Anderung des
Betrages (der GroBe) der Geschwindigkeit zustande. Der Beschleunigungsvektor ist zum Geschwin-
digkeitsvektor parallel oder antiparallel gerichtet.

Bei geradliniger Bahn ist die Beschleunigung a ein MaB fUr die zeitliche Anderung des Ge-
schwindigkeitsbetrages.

Wiihrend einer kurzen Zeitspanne dt erhiilt die Geschwindigkeit v einen kleinen Zuwachs dv. Da-
mit kann die Beschleunigung unbeschriinkt giiltig definiert werden als Differentialquotient dv/dt
(sprich: de vau nach de te):

a dv
= dt (gl.1.
t lillmer) .

Andert sich bei einem Beschleunigungsvorgang die Geschwindigkeit v gleichmdj3ig, d.h. es ist die
Beschleunigung a = konstant, dann ist es gleichgiiltig, wie graB der Zeitabschnitt flt gewiihlt wird:

a = ~~ (gilt nur bei a = konstant).

Ein solcher Fall liegt vor beim freien Fall der Korper im luftleeren Raum. Hierbei werden alle
Korper mit der Fallbeschleunigung g = 9,81 m/s 2 ~ 10 m/s 2 von der Erde angezogen, und die er-
reichte Endgeschwindigkeit Ve eines frei fallenden Korpers wird:

Ve =gflt.

194
Physik
2. Bei gleich/6rmiger Bewegung eines Korperpunktes auf der Kreisbahn bleibt der Betrag der Ge-
schwindigkeit derselbe, im Gegensatz zur ungleichfOnnigen Bewegung auf geradliniger Bahn. Die
Beschleunigung kommt allein durch die A.·nderung der Richtung der Geschwindigkeit zustande.
Da der Korperpunkt in jedem Moment mit der Umfangsgeschwindigkeit v in tangentialer Rich-
tung die Kreisbahn verlassen will, mu~ er durch einen iiu~eren Zwang in jedem Augenblick zum
Mittelpunkt der Kreisbahn hin beschleunigt werden (Hammerwerfer). Die Geschwindigkeit v iindert
demnach bei der gleichfOnnigen Bewegung auf der Kreisbahn stiindig ihreRichtung, genau so wie
die Tangente T an die Kreisbahn (Bild 4).

-.-- /Normale N
\
\ ./
v . --!!!ngente T \

\
.V:
IT Bahn des
Kiirperpunktes K

Bild 4. Beschleunigung bei gleichftirmigem Umlauf auf Kreisbahn und bei beJiebiger krummJiniger Bewegung

Damit diese fortwiihrende Richtungsiinderung moglich ist, mu~ die Beschleunigung stets senkrecht
zur momentanen Bewegungsrichtung des Korpers erfolgen. Man spricht dann von einer Normalbe-
schleunigung an oder - weil sie zum Zentrum des Kreises hin gerichtet ist - von der Zentripetal-
beschleunigung a z :

Die Beschleunigung a z ist ein M~ fUr die zeitliche Xnderung der Geschwindigkeitsrichtung.

Der Betrag der Beschleunigung ergibt sich aus der Zentripetalbeschleunigung


v2
a z = rw 2 =r-

mit w (Omega) als Winkelgeschwindigkeit und r als Radius der Kreisbahn.

Bei beliebig ablaufender Bewegung des Korperpunktes K tritt sowohl eine Nonnalbeschleunigung
an als auch eine Tangentialbeschleunigung at auf. Geschwindigkeit v und resultierende Beschleuni-
gung a schlie~en dann den Winkel a ein (Bild 4 rechts).
Die gebriiuchlichste Einheit der Beschleunigung ist "Meter je Sekunde-Quadrat" oder "Meter je
Quadratsekunde". Das ergibt sich sofort aus der Defmitionsgleichung fUr die Beschleunigung
a =i1vli1t, wenn die Geschwindigkeit in m/s und die Zeit in s eingesetzt werden. Die sich erge-
bende Einheit m/s2 kann also auch gelesen werden als ,,m/s je s":
m
s m m
(a}=S=SS=s2

195
Physik

16. Masse, Massenpunkt und Tragheitsmoment (Massenmoment 2. Grades)

Definition der Masse


Die Masse m eines Karpers ist ein Mall, flir die den Karper bildende Stoffmenge und damit
zugleich ein Mall, flir die Trdgheit des Karpers, d.h. flir seinen Widerstand gegen eine Ande-
rung seines nattirlichen Zustandes der Ruhe oder der gleichfarmig geradlinigen Bewegung.
Die Masse ist ein Skalar und wird durch Vergleich mit Karpern bekannter Masse (Wagestticke)
bestimmt.

Die Lange eines Karpers ist ein Mall, flir seine Ausdehnung, die Temperatur ist ein Mall, flir die
innere Energie, die Zerreilikraft ist ein Mall, flir die Festigkeit usw. In gleicher Weise ist die Masse m
eines Karpers ein MaB flir die Tragheit oder das Beharrungsvermagen seiner Stoffmenge gegen die
Einwirkung von Kraften.

Wahrend jedoch alle anderen physikalischen GraBenarten wie Temperatur, Festigkeit, elektrische
Leitfiliigkeit, Gewichtskraft usw. flir ein und denselben Karper verschiedene Betrage annehmen
kannen, bleibt die Masse m eines Karpers eine ihm eigenttimliche, unveranderliche Eigenschaft. So
andert sich z.B. die Festigkeit einesBauteiles gewiB mit der Temperatur, ebenso z.B. die elektrische
LeiWihigkeit. Die Gewichtskraft ein und desselben Karpers andert sich mit dem Ort, sie ist an den
Polen und im Erdinnern graBer, am Aquator und mit zunehmender Hahenlage kleiner. Die Masse
m dagegen bleibt flir ein und denselben Karper an allen Orten, zu allen Zeiten und auch bei allen
Anderungen der Erscheinungsform des Karpers immer die gleiche, jedenfalls im Geltungsbereich
der nicht relativistischen Physik.

Die Masse m wird einfach mit der Hebelwaage (Brtickenwaage) gemessen, d.h. durch Vergleich mit
Wiigestticken, die in Masseeinheiten (Kilogramm) geeicht sind. Ergibt sich dabei z.B. eine Masse
m = 5 kg, so kann diese Masse an beliebigen Orten (Aquator, Pol, Bergwerk, Flugzeug in groBer
Hahe, Mond usw.) zu beliebigen Zeiten und bei verschiedenen Temperaturen gemessen werden,
stets ergibt sich wieder m = 5 kg.

Die Erfahrung lehrt, daB ein Karper mit graBerer Masse auch eine graBere Antriebskraft erfordert,
urn ihm die gleiche Beschleunigung zu vermitteln wie einem Karper mit kleinerer Masse. Karper
mit graBerer Masse besitzen demnach auch graB ere Tragheit oder graBeres Beharrungsvermagen.
Deshalb ist die Masse m ein Mall, flir die Tragheit, d.h. ein Mall, flir den Widerstand der Materie
gegen die Wirkung von Kraften.

Die Erfahrung lehrt, dall, bei doppelter Stoffmenge die gleiche Beschleunigung nur unter der Wir-
kung der doppelten Kraft zustande kommt. Dabei ist unter Stoffmenge eines Karpers eine be-
stimmte Summe abzahlbarer Stoffteilchen, z.B. Molektile, Atome oder Ionen zu verstehen. Damit
wird bewiesen, dall, die Masse m eines Karpers seiner Stoffmenge direkt proportional ist, dall, er
also bei doppelter Massezahl, d.h. doppelter Tragheit, auch die doppelte Stoffmenge enthalt. Es
besteht demnach auch die Berechtigung, die Masse zugleich als ein Mall, flir die Tragheit und die
Stoffmenge der Karper anzusehen. Wird z.B. gemessen, dall, ein Karper 3 kg Masse besitzt, dann
heilit das, daB er

a) die dreifache Stoffmenge enthalt wie der Kilogrammprototyp und


b) die dreifache Tragheit besitzt wie der Kilogrammprototyp, also auch das dreifache Beharrungs-
vermagen gegentiber einer Kraftwirkung zeigt.

196
Physik

Massenpunkt
Soil z.B. die Bewegung eines Reitstockes auf dem Drehbankbett beschrieben werden, so ist es ohne
weiteres maglich, aile auf diese Bewegung beziiglichen Gesetze fUr einen einzigen Punkt des Reit-
stockes anzugeben. Man denkt sich dazu die Gesamtmasse des Karpers in diesem Punkt vereinigt
und nennt ihn Massenpunkt (auch materieller Punkt). Dabei soil die Punktmasse die gleiche Ge-
wichtskraft aufweisen wie der ganze Karper. Diese Idealisierung ist bei allen Translationsbewegun-
gen (Parallelverschiebungen) ausgedehnter starrer Karper maglich, weil hier alle seine Teile kon-
gruente Bahnen dUIchlaufen.

Ausgedehnte Karper kannen auch als Systeme vieler Massenpunkte (Punkthaufen) angesehen wer-
den, z.B. ihrer Atome, Molekiile oder anderer Karperteilchen. Diese Vorstellung ermaglicht die
Definition des "starren" oder des "e1astischen" Karpers. Beim starren Karper wird sich die Stellung
zweier oder mehrerer benachbarter Massenpunkte zueinander nicht and ern, gleichgiiltig welche Be-
wegungen er ausftihrt. Elastisch oder "verformbar" ist ein Karper, wenn diese Punkte ihre Lage
zueinander andern. Technische Karper sind stets verformbar, sie werden nur zur Idealisierung der
physikalischen Vorgange als starr angesehen.

Tragheitsmoment (Massenmoment 2. Grades)


Bei der Translationsbewegung (Verschiebung) ist die Gesamtmasse m des Karpers ein MaB ftiT seine
Tragheit. Bei der Rotationsbewegung (Drehung) des Karpers dagegen hangt es wesentlich davon
ab, wie sich die Einze1massen urn die augenblickliche Drehachse verteilen. Hier ist das Tragheits-
moment J = L, !::"mr2 (J = Jdm r2) ein MaB fUr die Tragheit.

17. Dichte p

Definition der Dichte


Die Dichte p eines Karpers ist der Quotient aus seiner Masse m und seinem Volumen V.
Definitionsgleichung
. Masse m
Dlchte p = ·Voumen
I V

m p m V
p =-
V
kg

ZUI Bestimmung der Dichte p wird der Quotient aus Masse m und Volumen V gebildet. AuBer der
Masseeinheit kg und der Volumeneinheit m 3 kannen auch aile anderen zulassigen Masse- und Vo-
lumeneinheiten eingesetzt werden, so daB sich z.B. als Einheit der Dichte g/cm 3 ergibt.

Wie die Masse mist auch die Dichte p unabhdngig von Zeit und Ort der Messung.

197
Physik

18. Gewichtskraft

Defmition der Gewichtskraft fUr Physik und Technik


Die Gewichskraft G eines Korpers ist diejenige Kraft, mit der der Korper von der Erde ange-
zogen wird. Oder:
Die Gewichtskraft G eines Korpers ist eine physikalische GroBe von der Art einer Kraft. G
muB also in Krafteinheiten angegeben werden.
Gist diejenige Kraft, die sich als Produkt aus der Korpermasse m und der an seinem Ort
herrschenden Fallbeschleunigungg ergibt: G = mg.

Definitionsgleichung fur die Gewichtskraft


Gewichtskraft G des Korpers = Masse m des Korpers X Fallbeschleunigung g
G m g
G=mg
kgm m
kg
7 ;T

Die Gewichtskraft Gist eine der wichtigsten GroBenarten in der Technik. Eine klare Vorstellung
vom Wesen der Gewichskraft eines Korpers vermittelt das Dynamische Grundgesetz F = m a und
die Erkenntnis, daB alle Massen sich gegenseitig anziehen (siehe Gravitation). Also zieht auch die
Masse der Erde jede andere Masse an. Diese Anziehungskraft (Schwerkraft) heiBt "Gewichtskraft G"
des Korpers. Ein frei beweglicher Korper irn "Schwerefeld" der Erde wird demnach durch G be-
schleunigt mit der Fallbeschleunigung g. Da diese nicht anjedem Ort der Erde gleich graB ist, kann
auch die Gewichtskraft ein und desselben Korpers nicht tiberall die gleiche sein. Die Abweichungen
sind zwar flir die meisten FaIle der Praxis bedeutungslos, flir die wissenschaftlicher Erkenntnis je-
doch zu beachten.
Der Betrag von ghat z.B. auf einer Breite von 45° im Meeresniveau einen Wert von 9,80629 m/s 2
und nimmt mit zunehmender Hohe und wegen der Abplattung der Erde von den Polen zum Aqua-
tor hin abo Der Betrag der Gewichtskraft G eines Korpers andert sich deshalb in gleicher Weise.
Normgewichtskraft Gn ist diejenige Gewichtskraft, die der Korper unter dem EinfluB einer ganz
bestimmten Fallbeschleunigung - der sogenannten Normfallbeschleunigung gn - besitzt:

Normgewichtskraft Gn _ Masse m
des Korpers - des Korpers X Normfallbeschleunigung gn

Gn = mgn
Als Normfallbeschleunigung gn wurde festgelegt: gn = 9,80665 m/s 2 •
Da die Fallbeschleunigung g auf anderen Planeten groBer (Planet Jupiter) oder kleiner (Mond) sein
kann, als auf der Erde, ist die Gewichtskraft G eines Korpers dort auch groBer oder kleiner. So be-
tragt die Gewichtskraft eines Korpers auf dem Mond infolge der dort viel geringeren Fallbeschleuni-
i
gung (ca. 1,7 m/s 2 ) auch nur ca. der "Erdgewichtskraft".
Hier wird der Unterschied zwischen den beiden physikalischen GroBen "Masse" und "Gewichts-
kraft" eines Korpers besonders deutlich: Wahrend die Masse m des Korpers unabhangig vom Ort
tiberall die gleiche bleibt, andert sich seine Gewichtskraft G je nach dem Ort und der dart herr-
schenden F allbeschleunigung.
Die Anziehungskraft der Erde (und anderer Planeten) wirkt immer, gleichgtiltig ob der Korper ruht
oder sich irgendwie bewegt. Also kann man die Gewichtskraft Gals diejenige Kraft bezeichnen,
mit der der Korper auf seine Unterlage gepreBt wird oder die er auf seine Unterlage austibt.

198
Physik
Fltissigkeiten und Gase (z.B. Wasser und Luft) verringern die Gewichtskraft. Diese Kraftwirkung
des umgebenden Mittels heif,t Auftrieb. Er ist jedoch in Luft so gering (im Gegensatz zum Auftrieb
in Wasser), daB er in allen praktischen Hillen vernachlassigt werden kann. Es ist nur notig zu er-
kennen, daB er vernachlassigt wird.
Da die Gewichtskraft G zur GroBenart Kraft gehort, muB es auch in definierten Krafteinheiten ge-
messen werden. Aus dem Dynamischen Grundgesetz wurde das Newton (N) = kg m/s 2 als Kraftein-
heit hergeleitet.
Betragt z.B. die Masse m eines Korpers 12 Kilogramm (m = 12 kg), so wird seine Normgewichts-
kraft Gn (also mit gn = 9,80665 m/s 2 gerechnet):
m kgm
Gn = mgn = 12 kg· 9,806652" "" 120-2- = 120 N
s s
Der Korper von der Masse m = 12 kg wird demnach an einem art mit der Fallbeschleunigung
gn = 9,80665 m/s 2 mit einer Kraft von rund 120 N auf seine Unterlage gepreBt, seine "Normge-
wichtskraft" betragt ca. 120 N.
Massen von Korpern werden mit der Hebel- oder Briickenwaage gemessen. Die noch unbekannte
Masse m I wird mit einer schon bekannten Masse m 2 - z.B. aus geeichten Wagestticken - )ler-
glichen.
Da nach dem Dynamischen Grundgesetz ml = Gdg und m2 = G2/g ist, also
ml GIg GI
m2 G 2g G2

wird, kann man auch sagen:


Die Massen der Korper verhalten sich wie ihre Gewichtskrafte.
Halt die Waage das Gleichgewicht, so sind die Massen ml und m2 und damit auch die Gewichts-
krafte G lund G 2 gleich (m I = m2 und G 1= G 2)·
Beachte: Aus der obigen Proportion f<illt die Fallbeschleunigungg heraus, was auch sein muB, denn
beide Massen, die unbekannte ml und die Masse der Wagestticke m2 unterliegen (am gleichen art)
der gleichen Fallbeschleunigung g. Mit der Hebelwaage konnen demnach Massen an beliebigen
Orten stets richtig bestimmt werden, z.B. auch auf dem Mond, obwohl dort die Fallbeschleunigung
viel geringer ist als auf der Erde. Mit der Federwaage wtirde auf dem Mond eine entsprechend der
Fallbeschleunigung geringere Gewichtskraft angezeigt. Auf der Erde spielen in der Technik die ort-
lichen Unterschiede in der Fallbeschleunigung keine Rolle, so daB auch mit der Federwaage die
Gewichtskraft gentigend genau festgelegt werden kann.

19. Gravitation oder Massenanziehung

Gravitationsgesetz
AIle Massen ziehen sich gegenseitig an. Die Anziehungskraft zwischen zwei Massen ist beiden
Massen proportional und dem Quadrat ihres Abstandes umgekehrt proportional.

Die instinktive Erfahrung lehrt, daB die Erde aIle Korper mit einer Kraft anzieht. Sie wird Schwer-
kraft oder Gewichtskraft des Korpers genannt. Am frei beweglichen Korper ruft die Schwerkraft
die Fallbeschleunigung g hervor.
Die Schwerkraft auf der Erde istjedoch nur ein spezieller Fall der allgemeinen Gravitation zwischen
materiellen Korpern. Die Gravitation ist eine allgemeine Eigenschaft aIler Massen, also z.B. auch
der Himmelskorper. Durch sie wird der Mond an das Gravitationsfeld der Erde gefesselt; ebenso

199
Physik
die Erde und die anderen Planeten an das der Sonne. Die Eigengeschwindigkeit der Himmelskorper
verhindert dabei ein Zusammentreffen, weil die auftretende Zentrifugalkraft genau so grof!. ist wie
die Gravitationskraft. 1m Laboratorium kann die Gravitationskraft zwischen zwei Massen nur mit
Hilfe sehr empfindlicher Apparate nachgewiesen werden, z.B. mit der Drehwaage nach Cavendish,
weil die Anziehungskraft zwischen solchen Massen nur sehr klein ist.
Der Betrag der Gravitationskraft F zwischen zwei Massen wird durch das Newtonsche Gravitations-
gesetz bestimmt.
F f
Nm 2 m3
N kg m
2
kg = kgs 2

f Gravitationskonstante; m 1, m2 Massen der beiden Korper; r Abstand der beiden Massenschwer-


punkte.
Das Gravitationsgesetz ist alIgemeingiiltig. Es gilt ebenso flir die Anziehungskraft zwischen zwei
Massen an der Erdoberfliiche (oder an der Oberfliiche eines anderen Planeten) wie flir diejenige
zwischen der Erde und einer Masse an ihrer Oberfliiche. Es gilt ebenso flir zwei Himmelskorper
untereinander innerhalb oder auf!.erhalb unseres Sonnensystems.
Die Gravitationskonstante f wurde gemessen zu

f = 6 67 .10-11 Nm 2
, kg 2

und ist damit die Kraft zwischen zwei Massen von 1 kg im Schwerpunktsabstand von 1 m, oder
die Beschleunigung, die eine Masse von 1 kg einer anderen Masse im Abstand von 1 m erteilt.
Nach dem Dynamischen Grundgesetz kann die Gewichtskraft G = mg gesetzt werden. Gist aber
nichts anderes als die Anziehungskraft, welche die Erde (Masse M) auf eine andere Masse m an
ihrer Oberfliiche austibt. Es gilt demnach auch:

mM
G=mg=F=f R2

Darin ist g Fallbeschleunigung, M Erdmasse, R mittlerer Erdradius, f Gravitationskonstante. Der


Radius r der Masse mist gegeniiber R vernachliissigbar klein und erscheint in der Gleichung nicht.
Die Fallbeschleunigung g ergibt sich dann aus:

fM
g f M R
g=Jii

Nachdem die Gravitationskonstante f bekannt war, lief!. sich die Masse M der Erde und ebenso
deren Dichte p berechnen. Mit g ~ 10 m/s 2; R = 6378 km = 6,378 .10 6 m ergibt sich:

Erdmasse M =gR 2 = 10!!! . (6,378 .106)2m 2 . kgs 2 ~ 6 .10 24 kg


f S2 6,67 . 10- 11 m 3

3·1O~
Erddichte p =..2!... = s2 ~ 5 6 . 103 kg
4rrfR 4.rr.667.10-11~.6378.106m' m3
, kgs 2 '

200
Physik
Das Gravitationsgesetz setzt gleichmiiliige Verteilung innerhalb der sich anziehenden Massen vor-
aus. Das ist bei der Erde nicht der Fall, weshalb der Betrag von g ortsabhangig ist. Befinden sich
,)eichtere" Stoffe dieht unter der Erdkruste, wird g kleiner als gewohnlich. Durch genaue g-Mes-
sungen lassen sieh demnach Lagerstatten von Erdol oder Salz finden.
Damit ein Korper das Gravitationsfeld der Erde verliilit, mu/!' seine kinetische Energie m v2 /2 gleieh
der potentiellen Energie (Lagerenergie) mg R sein (R mittlerer Erdradius).
Daraus ergibt sich die "Fluchtgeschwindigkeit" v des Korpers:

Mit dem Gravitationsgesetz la/!'t sich z.B. derjenige Punkt zwischen Mond und Erde berechnen, an
dem Mond- und Erdanziehungskraft flir ein mit Fluchtgeschwindigkeit von der Erde fortgebrachtes
Raumschiff der Masse m gleich gro/!' sind (Bild 5). Flir die Masse mErde kann das 8lfache der
Masse mMond gesetzt werden. Rechnet man mit dem Abstand A = rl + r2 = 3,84 .108 m zwischen
Erde und Mond, dann wird:

m mMond m 81 mMond A

&d~~ I_r._2~ 1~g_A_' .~I- ·~l~:-:~ ~A


f 2
rl
=f (A _ rl )2

___________ _______
1
r l =10 A ; Bild 5

d.h. der Punkt gleicher Massenanziehungskraft zwischen Mond und Erde liegt irn Abstand 190 A
von der Erde entfernt.

20. Tragheit uDd Tragheitsgesetz (Erstes NewtoDsches Axiom)

Defmition der Trligheit


Die Eigenschaft der Korper, ohne au/!,ere Eirlfllisse irn Zustand der Ruhe oder der geradlinig
gleichfOrmigen Bewegung zu beharren, hei/l,t Triigheit oder Beharrungsverm6gen.
Trligheitsgesetz
Wirken auf einen Korper keine au/l,eren Einfllisse, so beharrt er im Zustand der Ruhe oder in
gleichfOrmig geradliniger Bewegung.
Oder:
Jeder Korper beharrt im Zustand der Ruhe oder der geradlinig gleichfOrmigen Bewegung,
wenn er nicht durch eine resultierende Kraft gezwungen wird, diesen ,,nattirlichen Zustand"
zu andern.

Man kann zwischen "Zustanden" und "Wirkungen" unterscheiden. Unter Zustand wird dann die-
jenige Bewegungsform verstanden, die der Korper "von sich aus" besitzt, die er dauernd beibe-
halten will und erst dann aufgibt, wenn ein iiu/!,erer "Zwang" diesen Zustand stort.
Seit Galilei haben die Physiker entschieden, daB die Ruheform und die in gerader Richtung erfol-
gende gleichfOrmige Bewegung solche Zustiinde sind. Wirkungen dagegen sind solche Vorgiinge, die
der Korper nicht von sich aus ausftihrt, sondern zu denen er nur durch einen "au/!,eren Zwang",
durch "iiu/l,ere Einfllisse" kommt.

201
Physik
Wirkungen sind demnach im Gegensatz zu den Zustanden alIe anderen Bewegungsformen, also
solche mit veranderlicher Geschwindigkeit (beschleunigte oder verzogerte Bewegung) und auch
solche gieichfOrmigen Bewegungen, bei denen sich die Richtung andert.
D~ ein Korper "von sich aus", also ohne die Einwirkung eines auEeren Zwanges nur die Ruheform
oder die gleichformig geradlinige Bewegung besitzt, I~t sich experimentell nicht nachweisen, well
auf der Erde jeder Korper zumindest dem Zwange der Erdanziehung unterliegt. Auch die gerad-
Iinig gieichfOrmige Bewegung alIer Korper auf der Erde erfordert einen Zwang, einen Antrieb von
au~en, der die bewegungshemmenden Einfliisse, insbesondere die Reibung, iiberwindet. Eine in
Bewegung gesetzte Scheibe auf glatter horizon taler Unterlage kommt dem Idealblld am nachsten.
Ein vollig zwangfreier Korper ist nur denkbar in geniigender Entfernung von unserem Planeten, ge-
nauer dort, wo die Massenanziehung der Erde und Sonne sich gerade autheben.

21. Das Dynamische Grundgesetz (Zweites Newtonsches Axiom)

Eine resultierende Kraft Fr gibt einem Korper der Masse m die Beschleunigung a.
Die Vektoren Fr und a haben stets die gleiche Richtung, so d~ mit ihren Betragen gerechnet
werden kann.

resuitierende Kraft Fr =Masse m des Korpers X Beschleunigung a

Fr= ma N=kgm kg m
s2 ~

Das Dynamische Grundgesetz Fr = m a wurde von Newton aufgestellt und regiert samtliche Bewe-
gungen frei beweglicher Korper uhter dem Einflu~ resultierender Krafte. Es ist damit das wichtig-
ste Gesetz der Dynamik, also jenes Teilgebietes der Mechanik, das sich mit der durch Krafte her-
vorgerufenen Bewegung des Korpers bef~t.
An Hand des Dynamischen Grundgesetzes l~t sich das Wesen solcher differentiell-kausal-deter-
ministischen Gesetze 1) erkennen:
Ein beliebiger Korper bewegt sich nach dem Dynamischen Grundgesetz a = Frlm so, d~ in jedem
Augenblick seine Beschleunigung a gleich der auf ihn wirkenden resultierenden Kraft Fr getellt
durch die Korpermasse mist. Beim beliebig bewegten Korper bestinunt das Gesetz den Bewegungs-
ablauf nur von einem Augenblick zum niichsten, d.h. innerhalb einer Zeitdifferenz. Das Gesetz ist
demnach differentiell.
Da jede Bewegungsanderung eine Ursache, die resultierende Kraft Fr erfordert, ist das Gesetz
kausal.
Sind die Anfangsbedingungen der Bewegung bekannt, also die resultierende Kraft Fr und zu einem
bestinunten Zeitpunkt die Lage und die Geschwindigkeit des Korpers, so l~t sich durch Summie-
rung alIer augenblicklichen Wirkungen die Bahn des Korpers voraus berechnen. Das Gesetz ist also
auch deterministisch.
Das dynamische Grundgesetz gilt praktisch nur flir den ausdehnungslosen Massenpunkt. Ais solcher
kann ein Korper dann aufgef~t werden, wenn die Wirklinie der Beschleunigungskraft durch den
Schwerpunkt geht. Hierbei ist alIerdings bei der Untersuchung praktischer Verhiiltnisse zu beach-
ten, d~ andere Krafte (z.B. Magnetkrafte, Windkrafte) oder Widerstande (Reibung) den Bewe-

1) W. Heitler, Der Mensch und die naturwissenschaftliche Erkenntnis, Verlag Vieweg, Braunschweig 1962.

202
Physik

gungszustand beeinflussen. Immer ist - zumal bei Vertikalbewegung - die Gewichtskraft G der
K6rper in die Betrachtung einzubeziehen. Das Gleiche gilt fUr die Reibung, und zwar gleichgiiltig,
ob es sich urn feste, fliissige oder gasfOrmige K6rper handelt.
Die urspriingliche Fassung des Dynamischen Grundgesetzes bezieht sich nur auf eine einzelne atiEere
Kraft, die am K6rper der Masse m die Beschleunigung a erzielt. Einen solchen Fall gibt es nur beim
freien Fall eines K6rpers im luftleeren Raum. Deshalb ist es zweckmall>ig, das Gesetz mit dem Be-
griff der resultierenden Kraft Fr zu koppeln.
Die Angabe, es wirke auf den K6rper eine Kraft, bedeutet also nichts anderes, als dail> am K6rper
eine resultierende Kraft wirksam ist und der K6rper beschleunigt wird.
Die haufig gebrauchten Ausdriicke wie "die resultierende Kraft ist gleich Null" oder "es wirkt
keine resultierende Kraft" oder "die Resultierende ist gleich Null" oder "die Krafte stehen im
Gleichgewicht" oder "es wirken keine aull>eren Krafte" oder "es wirken keine atiEeren Einfliisse"
sind beziiglich der Wirkung auf den K6rper gleichwertig. Ein solcher K6rper wiirde entweder in
Ruhe bleiben oder in gleichf6rmig geradliniger Bewegung verharren. Das ist auch aus dem Dyna-
mischen Grundgesetz zu erkennen, denn wenn Fr = 0 ist, kann nur die Beschleunigung selbst gleich
Null werden oder sein, d.h. der K6rper ruht oder bewegt sich gleichf6rmig.

22. Wechselwirkungsgesetz (Drittes Newtonsches Axiom)

Ubertragt ein K6rper auf einen anderen eine Kraft F 1, so wirkt dieser mit gleichgroll>er und
gegensinniger Kraft F 2 auf gleicher Wirklinie zuriick (actio = reactio).
Oder:
Jede Kraft tritt stets zusamrnen mit einer gleichgroll>en gegensinnigen Gegenkraft auf, die auf
den Gegenk6rper einwirkt. Beide Krafte haben eine gemeinsame Wirklinie.

Die Formulierung: "auf den K6rper wirkt eine Kraft" soll sagen, dail> ein oder mehrere andere K6r-
per eine Wirkung auf den betrachteten K6rper ausiiben. Auf das Pedal des Fahrrades iibt ein ande-
rer K6rper - hier der Full> des Fahrers - eine Kraft auf das Pedal aus. Ein Stein wird deshalb be-
schleunigt, weil die Hand ihn fortschleudert, also eine Kraft auf ihn ausiibt. Der "andere" K6rper
- hier also der Stein - wirkt mit gleicher Kraft auf die Hand zuriick.
Immer dann, wenn eine Kraft ausgeiibt wird, stehen demnach zwei K6rper miteinander in Wechsel-
wirkung. Dabei brauchen sich die beteiligten K6rper nicht zu beriihren. Man spricht von Nahkraften,
wenn diese unmittelbar von K6rper zu K6rper iibertragen werden und von Fernkraften, wenn die
beteiligten K6rper einen an der Kraftiibertragung nicht beteiligten Zwischenraum besitzen, also
nicht miteinander in Verbindung stehen. Solche Fernkrafte sind z.B. magnetische Krafte und Mas-
senanziehungskrafte, also auch die Gewichtskraft. In diesem Falle ist der "andere" K6rper die Erde.
Die K6rper wirken stets "wechselseitig" aufeinander, d.h. mit der gleichen Kraft, mit der ein K6r-
per auf einen anderen einwirkt, wirkt dieser auch auf den ersten K6rper zuriick. So iibt z.B. das
auf dem Tisch liegende Buch eine Kraft auf die Tischplatte aus, namlich die Gewichskraft G. Mit
gleicher Kraft wirkt aber auch die Tischplatte auf das Buch zuriick. Die beiden Krafte sind gleich
groll>, gegensinnig und wirken auf einer gemeinsamen Wirklinie. Das Gleiche gilt auch fUr den frei
fallenden K6rper. Die Erde zieht jeden K6rper mit einer bestimmten Kraft an (Gewichtskraft G).
Mit der gleichen Kraft zieht auch der K6rper die Erde an.

203
Physik
Die nach dem Wechselwirkungsgesetz auftretenden Gegenkrafte lassen sich an ihren Wirkungen
leicht erkennen: Ein Mann, der vom ruhenden Boot aus ein anderes wegstofM, wird selbst in ent-
gegengesetzter Richtung beschleunigt (Riicksto~). Beide Boote kommen in Bewegung und ihre Be-
schleunigungen sind ihren Massen umgekehrt proportional.
Es ist daher leicht einzusehen, d~ jede Kraft eine Gegenkraft zur Folge hat. Wichtig ist die Er-
kenntnis, d~ diese Gegenkraft stets am anderen Korper ansetzt. Ohne Kraft gibt es keine Gegen-
kraft und eine Gegenkraft kann nur auftreten, wenn eine Kraft wirkt; dann aIlerdings entsteht sie
immer. Dabei ist es gleichgiiltig, ob der Korper ruht oder sich gleichfOrmig geradlinig bewegt oder
ob er beschleunigt oder verzogert wird; die Gegenkraft ist immer da.
Man mache sich auch klar, d~ aIle mechanischen Krafte zunachst sogenannte innere Krafte eines
Systems mehrerer Bauteile sind. Wie die inneren Krafte zwischen den einzelnen Teilchen ein- und
desselben Korpers treten auch sie stets paarweise auf. Die zwischen Buch und Tischplatte wirkende
Kraft ist im System ,,Buch-Tischplatte" eine innere Kraft. Erst wenn an der Beriihrungsstelle ein
"Schnitt" gelegt wird. d.h. wenn jeder der beiden beteiligten Korper flir sich "frei gemacht" wird,
erscheinen sie als au~ere Wechselwirkungskrafte. So sind die innerhalb des Kurbeltriebes einer
Lokomotive wirkende Kolbenkraft, Schubstangenkraft, Reibkrafte usw. flir die ganze Lokomotive
gesehen "innere" Krafte. Das Gleiche gilt flir die zwischen Rad und Schiene iibertragenen Krafte,
die beim Freimachen als aufl.ere Krafte (Stiitzkrafte) erscheinen. Auch aIle Gewichtskrafte im
System "Korper-Erde" werden erst durch den Kunstgriff des Freimachens zu aufl.eren Kraften.
Dabei ist an jedem Korper stets nur eine der beiden Wechselwirkungskrafte anzutragen. Wiirden im
Beispiel des fortgeschleuderten Steines, der also beschleunigt wird, die von der Hand auf den Stein
ausgeiibte Kraft und zugleich die vom Stein auf die Hand iibertragene Gegenkraft am selben Kor-
per angetragen, so ware dieser im Gleichgewicht, also in Ruhe oder gleichfOrmig geradliniger Be-
wegung.
Beachte: Eine au~ere Kraft tritt nur einmal am Korper auf, oder, anders ausgedriickt: Die Angriffs-
punkte von Kraft und Gegenkraft liegen immer an verschiedenen Korpern. Diese Erkenntnis wird
beim "Freimachen" technischer Bauteile benutzt (siehe: Statik).

23. Die Kraft

Defmition der Kraft


Kraft ist die Ursache jeder Bewegungsanderung oder Formanderung oder die Ursache beider
Anderungen zugleich. Die Kraft ist ein Vektor.

Ruhelage oder gleichfOrmig geradlinige Bewegung eines Korpers konnen als "natiirliche Zustande"
bezeichnet werden. Eine Anderung kann (im Bereich rein physikalischer Betrachtungen) nur durch
eine aufl.ere Einwirkung auf diesen Zustand eintreten. Ais Ursache einer solchen Einwirkung wird
stets das Auftreten einer aufl.eren Kraft feststellbar sein, die als mechanische, magnetische, elek-
trische oder auch atomare Kraft die Ursache flir die beobachtete Zustandsanderung bildet.
Eine auf den Korper wirkende Kraft kann aufl.er der Anderung des Bewegungszustandes auch eine
Formiinderung des Korpers hervorrufen. In diesem FaIle sind als "Gegenkraft" der von aufl.en wirk-
samen Kraft die Summe der elastischen Molekularkrafte (also des Gefligezusammenhanges) anzu-
sehen.
Haufig gebrauchte Benennungen der Kraft
Aufl.ere Kraft ist die auf den betrachteten Bauteil von aufl.en, d.h. von einem anderen Bauteil her
ausgeiibte Kraft. Aufl.ere Kraft ist z.B. die von der Schiene auf das Rad einer Lokomotive ausge-
iibte Stiitzkraft. 1m System Rad-Schiene ist auch diese Stiitzkraft zunachst noch eine innere Kraft.
Sie wird erst durch das "Freimachen" des Rades zur aufl.eren Kraft. Die Gewichtskraft G eines
Korpers ist stets eine aufl.ere Kraft.
204
Physik
Innere Kriifte (genauer: innere Wechselwirkungskrafte) treten zwischen den einzelnen Teilen des-
selben Korpers auf. Sie werden durch einen Schnitt zu a~eren Kraften gemacht und dadurch ver-
anschaulicht. An jeder Schnittflache tritt dann eine der beiden Wechselwirkungskrafte als a~ere
Kraft auf. Wahrend eine a~ere Kraft am betrachteten Bauteil nur einmal auftritt, treten die inne-
ren Krafte am Korper selbst stets paarweise auf. Sie heben sich nach dem Wechselwirkungsgesetz
auf, d.h. am gemeinsamen Angriffspunkt ist ihre Summe gleich Null. Die durch a~ere Krafte her-
vorgerufenen inneren Krafte spie1en in der Festigkeitslehre eine Rolle. 1m weiteren Sinne spricht
man nicht nur am selben Korper von inneren Kraften, sondern auch bei Beriihrung zweier Bauteile.
AIle Sttitzkrafte sind demnach zunachst noch innere Krafte im geschlossenen System der beiden
Bauteile. Erst eine Schnittebene durch die Beriihrungsstelle macht diese inneren Wechselwirkungs-
krafte zu auf1eren Kraften. Zwischen den Backen eines Schraubstockes und dem eingespannten
Werksttick wirken innere Krafte, die beim Freimachen beider Bauteile zu jeweils einer a~eren
Kraft werden.

Volumenkriifte Fv sind solche, die man sich im


Schwerpunkt eines jeden einzelnen noch so
kleinen Volumenelemen ts (Korperteilchens)
angreifend denken muf1. Dazu gehOren die Mas-
senanziehungskrafte (= Schwerkrafte = Gravita- Volumen-
tionskrafte =Gewichtskrafte), aber auch die element
Magnetkrafte (Bild 6).
Beiden gemeinsam ist das Vorhandensein eines
"Feldes", so daf1 es zweckmiif1ig ist, die Vo- Bild 6
lumenkrafte nach ihrer Herkunft als "Feld-
krafte" zu bezeichnen. Ein Feld (Gravitations-
feld, Magnetfeld) pflanzt sich in den Raum hin-
ein fort. Die Krafte wirken also auch ohne
gegenseitige Beriihrung der Korper. F eldkrafte Such

FrL I
werden daher auch als "Fernkrafte" bezeichnet

Oberfliichenkriifte F 0 (auch als Flachenkrafte I


bezeichnet) greifen an der Oberflache eines
Korpers an. Das setzt voraus, daf1 sich die be-
teiligten Korper beriihren, wie etwa Tisch und Fv=G
darauf liegendes Buch oder die Haut des Such frei-
Schwimmers und das ihn umgebende Wasser gemacht Bild 7
(Bild 7).
In der Mechanik wird vereinfacht angenommen, die Kraft wirke nur in einer Linie (der Wirklinie)
und greife daher auch nur an einem Punkt des Korpers an. In Wirklichkeit verteilt sich jede a~ere
Kraft entweder tiber eine Fliiche (Oberflachenkraft) oder sie verteilt sich tiber aIle Teilchen des
Korpers (Volumenkraft = Feldkraft).
1m Zusammenhang mit den Begriffen Volumenkraft und Oberflachenkraft liif1t sich der Begriff
der sogenannten Schwerelosigkeit eines Korpers leichter erlautern:
Ein Korper von der Masse m befindet sich immer dann im Zustand scheinbarer Schwerelosigkeit,
wenn keine Oberfliichenkriifte an ihm angreifen. Massenkrafte wirken immer, weil sich ein Korper
stets in einem Gravitationsfeld befmdet, also kann auch nur von einer scheinbaren Schwerelosig-
keit gesprochen werden.

205
Physik
In einem solchen Zustand befmdet sich beispielsweise jeder in den luftleeren Raum abgeschossene
Korper, gleichgiiltig welcher Beschleunigung oder Verzogerung er im freien Flug unterliegt, also
auch die Astronauten beim antriebslosen Rtickflug zur Erde bis zum Wiedereintritt in die Atmo-
sphlire.
Lasten werden in der Technik haufig solche auf.l.eren Krafte genannt, die den Korper nicht als Gan-
zes bewegen, sondem nur verformen oder urn eine Ruhelage schwingen lassen.

24. Die Tragheitskraft


Nach dem Wechselwirkungsgesetz erzeugt jede Kraft am anderen Korper eine Gegenkraft. Der
Finger kann nur deshalb mit z.B. F = 2 N auf die Tischplatte driicken, weil diese ebenfalls mit
F = 2 N auf den Finger zuriick wirkt. Dabei wird allerdings die Gegenkraft, die vom Tisch auf den
Finger ausgetibt wird, von anderen Korpern durch auf.l.ere Krafte (in bezug auf den Tisch) tiber-
tragen, z.B. also vom Fuf.l.boden auf den Tisch usw. Der Tisch tibertragt demnach die Krafte nur
von einer Stelle (Fuf.l.boden) auf die andere (Finger). Das gilt fUr alle ruhenden oder gleichfOrmig
geradlinig bewegten Korper. Sie erzeugen die Gegenkraft gewissermaf.l.en nicht "von selbst"; sie
sind nur indirekt daran beteiligt. Es ist auch gleichgilltig, welche Stoffmenge der Korper besitzt
und aus welcher Stoffart er hergestellt wurde. Beim Tisch ist es also gleichgilltig, ob er aus Stahl
oder Holz besteht.
Das ist anders beim "freibeweglichen" Korper, bei dem ja kein anderer Korper abstiitzend wirken
kann. Aber auch hier entwickelt sich eine Gegenkraft. Sie ist z.B. wahrnehmbar beim Anstof.l.en
einer Stahlkugel, die an einem langen Faden aufgehlingt ist, so daf.l. angenommen werden kann, sie
sei flir kurze horizontale Wege ohne Widerstand beweglich. Wahrend der ruhende - oder auch der
gleichfOrmig bewegte - Korper die Gegenkraft nur tibertragt, ohne an deren Auftreten direkt be-
teiligt zu sein, entwickelt der beschleunigt bewegte Korper - hier die Stahlkugel - die Gegenkraft
von selbst, offenbar aus sich heraus. Sie kommt zustande durch die bekannte Eigenschaft "Trag-
heit" Qes Korpers, also durch seine Masse. Der Korper entwickelt die Gegenkraft aus dem Bestreben
heraus, seinen "natiirlichen" Zustand beizubehalten, also entweder zu ruhen oder sich gleichfOrmig
geradlinig zu bewegen.
Die "Tragheit" ist demnach erst der Grund flir das Zustandekommen der beschleunigenden Kraft.
Ware der Korper nicht von sich aus "trage", so ware zum Beschleunigen keine Kraft notig.
Diese sich aus dem Korper selbst entwickelnde Gegenkraft heif.l.t Triigheitskraft T (oder Tragheits-
widerstand oder d'Alembert-Kraft). Nach dem Wechselwirkungsgesetz muf.l. T genau so grof.l. sein
wie die beschleunigende Kraft selbst, jedoch von entgegengesetztem Richtungssinn.
Sinnlich wahrnehmbar ist die Tragheitskraft auch in folgendem Beispiel: In einem Fahrstuhlliegt
ein Korper auf einer Federwaage. Sie zeigt bei Ruhestellung und bei gleichf6rmiger Auf- oder Ab-
wartsfahrt die "wahre" Gewichtskraft des Korpers an. Beim Anfahren zur Aufwartsfahrt und beim
Bremsen aus der Abwartsfahrt dagegen zeigt die Waage eine grof.l.ere Gewichtskraft an, weil in die-
sem Falle Gewichtskraft (Schwerkraft) und Tragheitskraft die gleiche Richtung haben und sich
algebraisch addieren. Beim Anfahren zur Abwartsfahrt und beim Bremsen aus der Aufwartsfahrt
verringert sich die Anzeige der Waage, weil Schwerkraft und Tragheitskraft entgegengesetzt gerich-
tet sind.
Von der beschleunigenden Kraft Fist seit Newton bekannt, daf.l. sie der Beschleunigung a und der
Korpermasse m proportional ist, namlich F = m a (Dynamisches Grundgesetz). Demnach ist die
Tragheitskraft T ebenfalls gleich Masse mal Beschleunigung und es ist tiblich, den entgegengesetzten
Richtungssinn durch ein Minuszeichen zu kennzeichnen:
T m a
T=-ma kgm kg !!!.
---;2 s2

206
Physik
Wichtig ist folgende Erkenntnis:
Die Tragheitskraft ist weder eine innere noch eine auBere Kraft. Denn wiihrend die auBeren Krafte
von anderen Karpern auf den betrachteten iibertragen werden, und wiihrend die inneren letztlich
ebenfalls durch auBere Krafte hervorgerufen werden, entwickelt der Korper selbst die Tragheits-
kraft T von sich aus, natiirlich auch nur dann, wenn ein anderer Karper eine Kraft einwirken laBt.
Wegen dieses grundsatzlichen Vnterschiedes zwischen den Tragheitskraften und den inneren und
auBeren Kraften werden die Tragheitskrafte meistens als "gedachte Krafte" oder "Hilfskriifte"
bezeichnet. !hre Bedeutung liegt in der von d 'Alembert entwickelten Methode, Aufgaben der Dyna-
mik auf solche der Statik zuriickzuflihren. Das wird erst maglich durch die Einflihrung der Trag-
heitskriifte, die den am freigemachten Karper angreifenden auBeren Kraften hinzugefligt werden
(siehe Dynamisches Gleichgewicht und Prinzip von d'Alembert).

25. Statisches Gleichgewicht

Satz vom statischen Gleichgewicht


Aus der Tatsache, daB sich ein ruhender oder geradlinig gleichfarmig bewegter Karper im
Gleichgewicht befmdet, folgert man, daB die Summe seiner geometrisch addierten auBeren
Krafte und Momente den Wert Null ergibt.
Dieser Satz wird zur Bestimmung der noch unbekannten Krafte benutzt.

Greifen an einen "starren" Karper auBere Kriifte nur in einer Ebene an, so spricht man vom
"ebenen Kraftesystem", im Gegensatz zum "raumlichen Kraftesystem", bei dem die Wirklinien
der Krafte in verschiedenen Ebenen angreifen.
Sowohl beim ebenen als auch beim raurnlichen Kraftesystem gibt es die Maglichkeit, daB die Krafte
einen gemeinsamen Angriffspunkt haben (zentrales Kraftesystem) oder daB mehrere Angriffspunkte
zu finden sind (allgemeines Kraftesystem). Als Ergebnis der Kraftereduktion (d.h. Vereinfachung)
beliebiger Kraftesysteme ergeben sich folgende Maglichkeiten:
1. Das Ergebnis der Kraftereduktion ist eine Einzelkraft Fr
und ein Kriiftepaar:
~F 1: 0 (Summe aller Krafte ungleich Null),
~M 1: 0 (Summe aller Momente ungleich Null).
Bild 8

Ein solches Kraftesystem ist statisch gleichwertig (aquivalent) einer Einzelkraft im Wirkabstand I
vom Bezugspunkt D.
Die Summe der geometrisch addierten Krafte Flo F 2 , F3 ... ist ungleich Null, d.h. es bleibt eine
resultierende Einzelkraft Fr iibrig, die den Karper auf der Wirklinie von Fr verschiebt oder ver-
schieben kannte.
AuBerdem ergibt die Kraftereduktion, daB noch ein resultierendes Moment Mr (Kraft Fr X Wirk-
abstand I) iibrig bleibt, d.h. die Summe der geometrisch addierten Momente Mb M 2 , M3 ... ist
ungleich Null. Dieses statische Moment wiirde den Karper urn eine beliebige Drehachse drehen.
Vnter dem EinfluB des vorliegenden Kraftesystems wiirde oder kannte sich der Karper sowohl
verschieben als auch drehen (Translation und Rotation).
Aus der Oberlegung, daB offenbar das vorliegende Kraftesystem gleichwertig ist einer im Abstand I
wirkenden Resultierenden Fro wird der sogenannte Momentensatz hergeleitet:
Summe der Momente Moment der Resultierende Fr
aller Krafte in bezug = in bezug auf den
auf beliebigen Drehpunkt gleichen Drehpunkt
~M= IFr
207
Physik
Daraus laBt sich der Wirkabstand 1 der Resultierenden Fr berechnen:
"L,M
1=-
"L,F
-=--='---=-'-=-=
MI +M2 +M3 ... Mn
= FI + F2 + F3 ... Fn

2. Das Ergebnis der Kraftereduktion ist eine Einzelkraft F r :


"L,F t- 0 (Summe aller Krafte ungjeich Null),
"L,M = 0 (Summe aller Momente gjeich Null).
Bild 9
Ein solches Kraftesystem ist statisch gleichwertig einer
durch den Drehpunkt laufenden Einzelkraft.
Die Summe der geometrisch addierten Krafte F I , F 2, F3 ... ist also auch hier ungjeich Null und es
bleibt wieder eine resultierende Einzelkraft Fr ubrig, die den Karper auf ihrer Wirklinie verschiebt
oder verschieben kannte. Die Summe der geometrisch addierten Momente ist hier jedoch gjeich
Null, d.h. der Karper kann sich jetzt nicht drehen, eben wei! kein Kraftepaar ubrig bleibt.
Ein solches Kraftesystem kann nur existieren, wenn die Wirklinie der resultierenden Einzelkraft Fr
genau durch den gewahlten Drehpunkt hindurchlauft, denn nur in diesem F alle ist der Wirkabstand
von Fr gleich Null und damit auch die Summe der Momente.

3. Das Ergebnis der Kraftereduktion ist ein Kraftepaar:


"L,F = 0 (Summe aller Krafte gjeich Null),
"L,M t- 0 (Summe aller Momente ungleich Null).

Ein solches Kraftesystem ist statisch aquivalent einem


Krii[tepaar, d.h. es bleibt bei der Kraftereduktion ein
Bild 10
Kraftesystem ubrig, das aus zwei gjeich groBen, gegen-
sinnigen Kraften besteht, deren Wirklinien auBerdem parallel liegen, so daB es sich nicht weiter
vereinfachen laBt.
Man bezeichnet deshalb eine resultierende Einzelkraft Fr und ein Kraftepaar als statisch aquivalent
(gleichwertig); beide lassen sich nicht weiter reduzieren.
Der Karper bleibt dann am Ort stehen und dreht sich urn jede beliebige Achse mit der Drehkraft-
wirkung des Kraftepaares, d.h. mit seinem Moment M = Fl.

4. Ergibt die Kraftereduktion endlich, daB die Summe der


geometrisch addierten Krafte und Momente gleich Null
ist, so sagt man, die Krafte stehen im Gleichgewicht
"L,F = 0 (Summe aller Krafte gjeich Null),
"L,M=O (Summe aller Momente gjeich Null). Bild 11

Ein solcher Karper muB nach dem Tragheitsgesetz entweder ruhen oder sich mit konstanter Ge-
schwindigkeit auf geradliniger Bahn fortbewegen. Deshalb sagt man auch, der K6rper befindet sich
im Gleichgewicht, wei! er sich weder beschleunigt verschiebt (dann wtirde die Summe aller Krafte
ungjeich Null sein) noch beschleunigt dreht (dann wtirde die Summe aller Momente ungjeich Null
sein).
Manchmal sagt man auch kurz: "Es herrscht Gleichgewicht". Es bleibt dann der Anschauung des
Betrachters uberlassen, ob er das "Gleichgewicht" begrifflich auf den Karper oder auf das Krafte-
system bezieht. Das ist tatsachlich gleichgilltig, wenn nur erkannt wurde, daB,
wenn ein Karper ruhen oder sich geradlinig gleichfOrmig bewegen soll, die Summe seiner
geometrisch addierten Krafte und Momente gleich Null sein muB.

208
Physik
Man nennt deshalb 'LF = 0, 'LM = 0 die Gleichgewichtsbedingungen am starren Korper. Da sich ein
freibeweglicher K6rper im Raum in Richtung der drei Achsen (x, y, z) eines rechtwinkligen Achsen-
kreuzes sowohl verschieben als auch urn diese Achsen drehen kann, spricht man von den 6 Frei-
heitsgraden des Korpers im Raum.
Analytisch aufgespaltet gelten dann die 6 rechnerischen Gleichgewichtsbedingungen:

'LFx = 0 ) keine beschleunigte oder l


'LM(x) = 0 keine beschleunigte oder
'LFy = 0 verzogerte Verschiebung 'LM(y) = 0 J ve~z~gerte Drehung
'LFz = 0 moglich! 'LM(z) = 0 moghch!

Flir den K6rper in der Ebene gilt es die Moglichkeit, sich in zwei senkrecht aufeinander stehenden
Richtungen in der Ebene (x, y) zu verschieben und sich urn eine senkrecht zur Ebene stehende
Achse zu drehen. Ein solcher Korper besitzt demnach 3 Freiheitsgrade.
Analytisch aufgespaltet gelten dann die 3 rechnerischen Gleichgewichtsbedingungen:

'LF =0 ) keine beschleunigte oder keine beschleunigte oder


'LFx =0 verzogerte Verschiebung 'LM(z) = 0 ) verzogerte Drehung
y moglich! moglich!

Mit Hilfe der rechnerischen Gleichgewichtsbedingungen konnen noch unbekannte Krafte berechnet
werden. Flir jede unbekannte Gro~e mu~ dann eine Gleichung existieren, sonst ist das Krafte-
system "statisch unbestimmt" und nach den Gesetzen der Statik alIein nicht zu losen. Es mlissen
dann noch Gesetze der Elastizitatslehre bekannt sein, z.B. das Hookesche Gesetz.
Da beim zentralen Kraftesystem in der Ebene eine Momentwirkung nicht auftreten kann, weil die
Wirklinien alIer Krafte durch den gemeinsamen Angriffspunkt gehen, also keine Kraft einen Wirk-
abstand besitzt, genligen die beiden Kraft-Gleichgewichtsbedingungen: 'LFx = 0, 'LFy = O. Analog
gilt flir das zentrale raurnliche Kraftesystem: 'LFx = 0, 'LFy = 0, 'LFz = O.
Bei der zeichnerischen Behandlung solcher Kraftesysteme mu~ sich das Krafteck alIer Krafte
schlie~en, weil nur dann die Resultierende Fr = 0 ist.

26. Dynamisches Gleichgewicht

Satz yom dynamischen Gleichgewicht


Flir jeden ungleichf6rmig bewegten Korper ist die Summe der geometrisch addierten a~eren
Krafte einschlief31ich der Triigheitskriifte gleich Null.
Dieser Satz wird zur Bestimmung unbekannter Krafte benutzt.

Nach dem Tragheitsgesetz ist am ruhenden oder geradlinig gleichfOrmig bewegten Korper die
Summe alIer geometrisch addierten Krafte und Momente gleich Null. Auch ohne besondere An-
gabe ist bekannt, d~ es sich nur urn "au~ere" Krafte und Momente handeln kann, also solche, die
von irgendeinem anderen Korper auf den betrachteten libertragen werden.
Bleibt bei der Krliftereduktion, also bei der Vereinfachung des vorliegenden Kraftesystems eine
Kraft als "Resultierende" librig, so wird der Korper entweder beschleunigt oder verzogert.
Den Zusammenhang zwischen der sich einstellenden Beschleunigung a und der resultierenden Kraft
Fr liefert liber die Masse m des Korpers das Dynamische Grundgesetz Fr =m a.
Nach dem Wechselwirkungsgesetz ist diese resultierende Kraft Fr gleich gro~ gegensinnig der Trag-
heitskraft T, die der beschleunigte oder verzogerte Korper aus sich heraus entwickelt und die auf
den beschleunigenden Korper zUrlickwirkt.

209
Physik

Mit Hilfe dieser Tragheitskraft T ist es nun moglich, die statischen Gleichgewichtsbetrachtungen
auch auf solche Korper zu beziehen, die beschleunigte oder verzogerte Bewegungen ausftihren, also
auf Korper, fUr die die Kraftesumme nicht gleich Null ist. Auf den gleichen Korper bezogen heben
sich die angreifende Beschleunigungskraft Fr und die dadurch hervorgerufene Tragheitskraft T
auf: Sie stehen also im Gleichgewicht wie zwei au~ere Krafte, die gleich gro~ und gegensinnig sind.
Damit gilt:
Fr-T=O; undmit T=ma
Fr -ma= 0
Beachte: Die Tragheitskraft T ist stets der Beschleunigung a entgegengerichtet.
Mathematisch forrnuliert, ergibt sich der Satz vom dynamischen Gleichgewicht:

~(F+T)=~(F-m~~)=o
Ein bekanntes Beispiel ftir die Benutzung des Begriffes der Tragheitskraft ist die Zentrifugal-
kraft F z •
Bewegt sich ein Korper der Masse m auf einem Kreis mit dem Radius r, so ist dazu eine nach dem
Mittelpunkt des Kreises gerichtete Kraft notig (Hammerwerfer). Diese Kraft hellit Zentripetalkraft
Fc. Sie halt den Korper auf der Kreisbahn. Ware sie nicht da, wurde der Korper in tangentialer
Richtung davonfliegen. Sie wird berechnet aus:
Fc m u r

ru
2
Fc=m N=kgm kg !!! m
s2
m Korpermasse, v Umfangsgeschwindigkeit, r Kreisbahnradius

Von der Schwerkraft abgesehen ist die Zentripetalkraft die einzige am Korper angreifende "au~ere
Kraft". Ihr mu~ nach dem Wechselwirkungsgesetz eine gleich gro~e Kraft entgegenwirken. Das
kann hier nur eine Tragheitskraft sein. Man nennt sie Zentrifugalkraft F z und schreibt:
u2
F z =-m r
F z ist demnach yom gleichen Betrage wie Fc, besitzt nur entgegengesetzten Richtungssinn.
Es ist zu beachten, d~ Tragheitskrafte nur dann eingesetzt werden durfen, wenn eine Dynamik-
aufgabe nach den statischen Gleichgewichtsbedingungen (also "statisch") behandelt werden solI.
Wird eine solche Aufgabe nicht "statisch" gelost, also etwa mit Hilfe des Dynamischen Grundge-
setzes oder eines daraus entwickelten Satzes, dann sind die Tragheitskrafte - eben weil sie keine
"au~eren" Krafte sind - als nicht vorhanden anzusehen.

Literatur
A. Boge, Physik, Grundlagen - Versuche - Aufgaben - Losungen, Verlag Vieweg, Braunschweig.
A. Boge, Die neuen gesetzlichen Einheiten und ihre Anwendung, Verlag Vieweg, Braunschweig.
L. Foppl, Elementare Mechanik yom hoheren Standpunkt, R. Olden bourg, Miinchen.
H. Franke, Lexikon der Physik, Francksche Verlagshandlung, Stuttgart.
W. Gerlach, Physik, Fischer Biicherei KG, Frankfurt am Main.
W. Heitler, Der Mensch und die naturwissenschaftliche Erkenntnis, Verlag Vieweg, Braunschweig.
A. Sacklawski, Physikalische Gro/!,en und Einheiten, Deya FachyerJag, Stuttgart.
U. Stille, Messen und Rechnen in der Physik, Verlag Vieweg, Braunschweig.
J. Wallat, Gro/!'engleichung, Einheiten und Dimensionen, 1. A. Barth-Verlag, Leipzig.

210
Physik
Tafel I. Physikalische Gro~en, Definitionsgleichungen, Einheiten und Dimensionen

Mechanik

Formel- Deflnitions- Bemerkung. Beispiel


Gro1\e SI-Einheit 1)
zeichen gleichung andere zuliissige Einheiten

m
Lange I, S, r Basisgro~e 1 Seemeile (sm) = 1852 m
(Meter)

Hektar (ha), 1 ha = 104 m 2


Flache A A = [2 m2
AI (a), 1 a = 102 m 2

Liter (1)
Volumen V V= [3 m3
II = 1O- 3 m 3 = 1 dm 3

Kreisbogen rad =: 1
ebener Winkel 0'.,(3, 'Y ...
0'. = Kreisradius (Radiant) a = 1,7 m
m
= 1,7 fad

KugelfJache Sf =: 1 m2
Raumwinkel n n=
Radiusquadrat (Steradiant)
n = 0,4 - 2 = 0,4 sr
m

s 1 min = 60 s; 1 h = 60 min
Zeit t Basisgro~e
(Sekunde) 1 d = 24 h = 86400 s

bei lfn1mujTrequenz
Frequenz f.v f= -
1 !s = S- 1 = Hz wird U/s statt lis benutzt
T (Hertz) T Periodendauer
Drehfrequenz
n n=2rrf s1 = s - 1 ...Q. = _ 1_ = min -1 = _1_
(Drehzahl) min min 60 s

ds f:J.s m km 1 m
Geschwindigkeit u u= - = - 1-=--
d t f:J.t S h 3,6 s

Beschleunigung a
du f:J.u
a=-=- -mS2 -cm km
- ...
dt f:J.t h2 ' S2

m Normfallbeschleunigung
Fallbeschleunigung g
S2 go = 9,80665 m/s2
Winkel- f:J.", uu 1 rad
w w=-=- -=- '" Drehwinkel in rad
geschwindigkeit f:J.t r s s

Umfangs- m d Durchmesser
Uu Uu =rrdn=wr s
geschwindigkeit n Drehzahl

Winkel- f:J.w a 1 rad


a a= - =- -=- w Winkelgeschwindigkeit
beschleunigung f:J.t r S2 S2

1) Einheit des "Systeme International d'Unites" (Internationales Einheitensystem)

211
Physik

FormeI- Definitions- Bemerkung, Beispiel,


Gr6i!.e SI-Einheit
zeichen g1eichung andere zuliissige Elnheiten

Ig= 1O- 3 kg
Masse m BasisgroBe kg
1 t = 103 kg

m kg g , -t
Dichte P p =- -
V m3 em 3 ' m 3

Kraft F F=ma N=kgm 1 dyn = 10- 5 N


S2
(Newton)

N=kgm Normgewichtskraft
Gewichtskraft G G=mg
S2 Gn = mgn

N
1 bar = 10 5 -
F N kgm m2
Druck p p= - -= - -
A m2 m 2s2 N
-2 = Pa (pascal)
m

Ns
dynamische Ns kgms -=Pas
11 - =-- m2
Viskositat m2 m2 s2
1 P = 0,1 Pa s (P Poise)

kinematische
Viskositat
v v= -
1/
P
m2 Ns/m 2
- =- -
s kg/m 3
1 St = 10-4 sm2 (St Stokes)
kgm2 1 J = 1 Nm = 1 Ws
Arbeit W W=Fs J= - -
S2 J Joule
Nm Newtonmeter
Ws Wattsekunde
W = ~ u2 kgm2 kWh Kilowattstunde
2
Energie W J=-- 1 kWh = 3,6' 106 J = 3,6 MJ
W=mgh S2

W W=Nm 1 Nm = I:!. = 1 W
Leistung P p =-
t S S s

kgm2 Biegemoment Mb
Drehmoment M M=Fl Nm=-- Torsionsmoment T
S2
Massenmoment 2, Grades
Tragheitsmomen t J J =Sdm p2 kgm2 (friiher: MassentragheiU-
moment)
10 N kg N
Elastizitatsmodul E E = a l:J.I -= - - -
mrn!
m 2 s2 m

N kg
Schubmodul G
E -N- (p. Poisson-lahl)
G=2(1+p) m2 = s2m mrn 2

Tafell (Fortsetzung)
212
Physik

Warmelehre

Fonnel- Deftnitions- BemerltWII, Beispiel,


GrCSk SI-Einheit
zeichen gleichung andere zuUi&sip Einheiten
Temperatur
(thermodynamische T,e K 1 K = I °c (Grad Celsius)
BasisgroBe
(Kelvin) t, ~ Celsius-Temperatur
Temperatur)

spezifische J kgml k 2
u Au=Aq +AW - =-- I gm = I Nm = I J
innere Energie kg sl kg S2

Wiirme AQ=mcA~ kgml kgm 2


Q J= - - 1 - - = INm= IJ
(Wiirmemenge) AQ=Au-AW S2 S2

spezifische J kgm2
q Aq =Au-AW - =--
Wiirme kg s2kg

spezifische AQ Aq J kgm2
C c=-- = - -- =- -
Wiirmekapazitiit mA~ AT kgK s2kgK

H= U+pV kgm2
Enthalpie H J=--
S2 h = ~ spezifische Enthalpie
h = u + pv

W kgm
Wiirmeleitfahigkeit A -- =-- -J- IK=loC
mK s3K mhK

Wiirmeiibergangs- W kg J
Q -- 1 K = 1 °c
koeffIzient m2 K = S3 K m 2hK

kg
Wiirmed urchgangs-
k
W
- -=- -2J - 1 K =I °c
koeffIzient m2 K S3 K m hK

spezifische R J m2
R·= - K =.J!... -- =-- Mr molare Masse
Gaskonstante I Mr I Tp kgK S2 K

universelle J
R R = 8315 kmolK - J-- I kmol =1 Kilomol
Gaskonstante kmolK

Strahlungs- Cs = 5,67 ' 10- 8 2W 4


W kg mK
austausch- C - - =- - Cs allgemeine Strahlungs-
m2 K4 s3K4
konstante konstante

Tafel 1 (Fortsetzung)
213
Physik

Elektrotechnik

Formel- Definitions- Bemerkung, Beispiel


GroBe SI-Einheit
zeichen gleichung andere zuliissige Einheiten

elektrische A
I BasisgroBe
Stromstarke (Ampere)

elektrische V 1 V = 1 '!!... = 1 kgm2


U U='i:.Et:.s (Volt)
Spannung A S3 A
W (Watt)

elektrischer V kgm2
R n l'A=ln=l3T
Widerstand sA

elektrischer
G
1 1 ~ = 1 S = 1 A2 S3
Leitwert n V kgm2
S (Siemens)

elektrische
Ladung C=As 1 As = 1 C
Q
(Elektrizitats- (Coulomb) 1 Ah= 3600 As
mengen)

elektrische
C c",g F=As 1 F '" 1 f '" 1 As", I A2 S4
Kapazitat U V V V kgm2
(Farad)

elektrische
FluBdichte
D D = €o erE -C2 1 ~= 1 As
m m2 m2

elektrische F V V kgm
E E=Q -m 1-=1-
Feldstarke m s3A

Permittivitat € = €O€r
F A2 S4 S S2C 2
(Frii her Dielek- € EO elektrische - =-- 1-=1--
m kgm3 V kgm3
trizitats- Feldkonstante
konstante) Er Permittivitlitszahl

QU kgm2
elektrische Energie We We=T Ws 1 Nm = 1 J = 1 Ws = 1 - -
S2

magnetische
H H= ~ -A
Feldstarke 2rr r m

Tafel 1 (Fortsetzung)
214
Physik

Fonnel- Definitions-
Gro6e SI-Einheit Bemerkung
zeichen gleichung

1 Wb = 1 Vs = 1 ~
m2 m2 S2 A
magnetische kg
FluMichte, B B = pH T= - 1 T = 1 Vs
S2 A m2
Induktion
T (Tesla) Wb (Weber)

kgm2 kgm2
magnetischer FluB <I> <I> = ~B LlA Wb= - 1 Wb = 1 Vs = 1 - -
52 A S2 A

N<I> kgm2
Induktivitlit L L= - - H= - - 1 H = 1 Vs = 1 Wb = 1 kgm 2
I 52 A2 A A 52 A2
H (Henry)

P = POPr
1'0 magnetische H kgm l~=lkgm
Permeabilitlit P - =--
Feldkonstante m S2 A2 Am 52 A2
I'c Pecmeabilitiitszahl

Optik

Fonnel- Zeichen der


Gco6e Name dec Einheit Bemerkung
zeichen Einheit

Lichtstlirke I Candela cd BasisgroBe


Beleuchtungsstlirke E Lux lx
Lichtstrom <I> Lumen 1m 11m=lcdsr
Lichtmenge Q Lumen ' Sekunde 1m . s

Lumen 1m
Lichtausbeute 1/ Watt W
Candela cd
Leuchtdichte L
Quadratmeter m2

Farbtempecatur HK/ed ed/HK


Umrechnungsfaktoren von 2043 K (Platin punk t) 0,903 1,107
Candela in Hefnerkerzen (HK) 2360 K (Wolfram-Vakuum-Lampe) 0,877 1,140
und umgekehrt 2750 K (gasgefliUte Wolfram lampe) 0,861 1,162

Tafel 1 (Foctsetzung)

215
Physik
Tafel 2. Allgemeine und atomare Konstanten I)

Bezeichnung Beziehung

Avogadrosche Konstante N A = 6,025.10 23 mol- I


Boltzmannsche Entropiekonstante k = 1,38041 . 10-23 J/ K
elek trische lementarladung e = 1,60203 . 10- 19 C
elektrische F'eldkonsta nte Eo = 8,85416 . 10- 12 F/m
Faradaysche Konstante F = 9 ,6522 .10 4 C/mol
Lichtgeschwindigkeit im Vakuum Co = 2,99793.10 8 m/s
magnetise he Feldkonstante 1'0 = 1,256637· 10- 6 HI m
molares Normvolumen idealer Gase Vo = 2,24208 . 104 em 3 /"lol
Plancksches Wirkungsq uantum h = 6,6252 . 10- 34 Js
Protonenmasse/Elektronenmasse mplme = 1836,12
Stefan-Boltzmannsche Strahlungskonstante a =5,668 · 10- 8 W m- 2 (K)-4
universelle Gaskonstante RO = 8,315 J (K)-I mol- I
Gravitationskonstante G = 6,67 . 10-11 m3 kg-I s-2

I) aus U. Stille: Messen und Rechnen in der Physik, Verlag Vieweg, Braunschweig 1961.

Tafel 3. Umrechnungstafel flir metrische Uingeneinheiten

Pico- Ang- Nano- Milao- Milli- Zenti- Dezi- Meter Kilo-


Einheit meter strom I) meter meter meter meter meter meter
pm A nm I'm mm em dm m km
1 pm = 1 10- 2 10-3 10- 6 10- 9 10- 10 10- 11 10-12 10-15
1 A I) = 102 1 10-1 10-4 10-'7 10- 8 10- 9 10- 10 10-13
1 nm = 10 3 10 1 10-3 10-6 10-7 10- 8 10-9 10- 12
1IJm = 10 6 104 10 3 I 10-3 10-4 10-5 10-6 10-9
1 mm = 109 10 7 106 10 3 1 10- 1 10- 2 10-3 10- 6
1 em = 10 10 108 107 10 4 10 I 10- 1 10-2 10-5
Idm = 1011 109 108 105 102 10 1 10- 1 10-4
1m = 10 12 10 10 109 106 10 3 102 10 1 10- 3
lkm = 1015 10 13 10 12 109 10 6 lOS 10 4 103 1

I) Das Angstrom ist nicht als Teil des Meters definiert, gchort also nicht zum metrischen System. Es ist
benannt nach dem schwedischen Physiker A . J. Angstrom (1814 - 1874).
Beachte: Der negative Exponent gibt die Anzahl der Nullen (vor der 1) einschliejJlich der Null vor dem
Komma an, z.B. 10-4 = 0,0004; 10- 1 = 0,1 ; 10-6 = 0,000001. Der positive Exponent gibt die Anzahl
der Nullen (nach der 1) an, z.B. 104 = 10 000; 10 1 = 10; 10 6 = 1000000.

Tafel 4. Vorsatzzeichen zur Bildung von dezimalen Vielfachen und Teilen von Grundeinheiten
oder hergeleiteten Einheiten mit selbstiindigem Namen

Vorsatz Kurzzeichen Bedeutung

Tera T 1 000000000000 (= 10 12 ) Einhei ten


Giga G 1000000000 (= 109) Einheiten
Mega M 1 000000 (= 10 6 ) Einheiten
Kilo k 1 000 (= 10 3 ) Einheiten
Hekto h 100 (= 10 2) Einheiten
Deka da 10 (= 10 1 ) Einheiten
Dezi d 0,1 (= 10- 1) Einheiten
Zenti e 0,01 (= 10- 2 ) Einheiten
Milli m 0,001 (= 10-3) Einheiten
Mikro I' 0,000 001 ( = 10- 6 ) Ein heiten
Nano n 0,000 000 001 ( = 10-9) Einheiten
Pico p 0,000000000001 (= 10- 12 ) Einheiten

216
Mechanik
Alfred Boge,
Gert Boge

I. Statik starrer Korper in der Ebene

Formelzeicben und Einbeiten


A m 2 ,cm 2 ,mm2 Flache
b m,cm,mm Breite
d m,cm,mm Durchmesser
E J=Nm Energie
e 1 Eulersche zaW
F N=kgm Kraft; wenn notig oder zweckma~ig werden durch Zeiger unter-
S2
schieden, z.B. Fr resultierende Kraft = Resultierende, FR Rei-
bungskraft (kurz: Reibkraft), FN Normalkraft, Fq Querkraft
(Belastung), FA Stiitzkraft im Lagerpunkt A usw.
kgm Gewichtskraft (nach DIN 1304, Miirz 1989, ist bevorzugt FG als
N=-
S2 Formelzeichen zu verwenden).

g F allbeschleunigung

h m,cm,mm Hohe
m,cm,mm Lange jeder Art, Abstiinde
M Nm Drehmoment, Moment einer Kraft oder eines Kriiftepaares
(Kraftmoment)
m kg,g Masse
1 . _\
n - . =mm Drehzahl
mm
p W,kW Leistung
r m,cm,mm Radius
s m,cm,mm Wegliinge
s m,cm,mm Wanddicke
v m\cm 3 ,mm3 Volumen, Rauminhalt
m3
v spezifisches Volumen
kg
m km m
v Geschwindigkeit
s'b'min
w J = Nm Arbeit
x,Y m,cm,mm Wirkabstiinde der Einzelkrafte (und -flachen oder -linien)
Xo,Yo,Zo m,cm,mm Schwerpunktsabstiinde
o
cx,{3,'Y ebener Winkel
1/ Wirkungsgrad
Jl. Reibungszahl (kurz: Reibzahl)
o Reibungswinkel (kurz: Reibwinkel)
P 217
Mechanik

1. Grundlagen
1.1. Die Kraft
Kraft ist die Ursache einer Bewegungs- oder (und) Formiinderung. Man arbeitet in der Statik mit
dem Gedankenbild des "starren" Korpers, schlieBt also die bei jedem Karper auftretende Form-
iinderung aus der Betrachtung aus. Jede Kraft liiBt sich durch Vergleich mit der Gewichtskraft eines
Wagestiickes messen. Eindeutige Kennzeichnung einer Kraft F erfordert drei Bestimmungsstiicke
(Bild 1.1):
Betrag der Kraft, z. B. F = 18 N; in bildlicher Darstellung festgelegt durch Lange einer Strecke in
bestimmtem Kraftemaf.\stab (KM).
Lage der Kraft; festgelegt durch ihre Wirklinie (WL) und den Angriffspunkt im Lageplan.
Richtungssinn der Kraft; gekennzeichnet durch den Richtungspfeil.
Krafte sind Vektoren, d.h. gerichtete GraBen, ebenso wie z.B. Geschwindigkeiten und Beschleu-
nigungen, im Gegensatz zu den Skaiaren, das sind nicht gerichtete GraBen, wie Zeit, Temperatur,
Masse und andere. Naheres zu Vektoren und Skalaren im Abschnitt Physik.
Die Resultierende Fr zweier oder mehrerer Krafte Fl> F2 , ••• ist diejenige gedachte Ersatzkraft, die
dieselbe Wirkung auf den Karper ausiibt wie alle Einzelkrafte F 1 , F2 ... zusammen.

ebene Scheibe in ihrer Ebene verschiebbar,


starrer Kdrper
Lage
:::::::::I,~htungSSinn
S
10 I
1vt~L.,. ' \
"f117le
TS ~rsc,. O@r ~
Betrag ~/@b@ri QI'"/,
-- r~/u~
rg 0: -iQ' Wirklinien
Lageplan mit eingezeichneter Kraft F = 18 N ~@rs \
Krdftemanstab: 1mm; 1N (; lies:"enfspricht") Drehrichtung
Bild 1.1. Bestimmungsstiicke einer Kraft F Bild 1.2. Das Kraftepaar erzeugt ein Kraftmoment

1.2. Das Kriiftepaar (Kraftmoment, Drehmoment)


Ein Kraftepaar besteht aus zwei gleich groBen, parallelen, entgegengesetzt gerichteten Kraften F,
deren Wirklinien einen Wirkabstand I voneinander haben (1 zu den Wirklinien gemessen, Bild I.2).
Es wirkt immer dann ein Kraftepaar, wenn sich ein starrer Karper dreht oder - ohne Bindungen -
drehen wiirde (Welle, Handrad, Tretkurbel).
Die Drehkraftwirkung eines Kraftepaares heiBt Drehmoment M. Der Betrag des Drehmomentes
wird bestimmt durch das Produkt aus einer der beiden Krane Fund deren Wirkabstand 1:

Drehmoment M = Kraft F X Wirkabstand I (1.1)


M=Fl

(Wirkabstand I stets 1 zur Wirklinie gemessen!)

218
I. Statik starrer Korper in der Ebene

Die Drehrichtung von Drehmomenten wird durch Vorzeichen gekennzeichnet:

(-) = rechtsdrehend
(+) = linksdrehend

Eine der beiden Krafte eines Kraftepaares ist vielfach "verborgen" wirksam, meistens als Lager-
kraft; beim Freimachen des Korpers muB sie erscheinen!
Das Drehmoment eines Kraftepaares bleibt unabhangig von der Wahl des BezugspunktesD (Dreh-
punkt) immer dasselbe (M =FI), wie die Entwicklung im Bild 1.3 zeigt. In bezug auf den Dreh-
punkt D libt nur die rechts liegende Kraft Fein Drehmoment aus (M(D) = Fl), wei! die Wirklinie
der zweiten Kraft des Kraftepaares durch den Drehpunkt D geht, also keinen Wirkabstand besitzt.
Die Entwicklung flir den Drehpunkt D J zeigt aber, daB auch ftir diesen Drehpunkt M(DJ) =F I wird.
Ein Kraftepaar kann demnach be-
lie big in der Ebene (oder in paral-
lele Ebenen) verschoben oder durch
ein anderes ersetzt werden, wenn MID; =+ F·i
nur beide gleiches Moment (ein- M1D1;= +F'i,-Fi2 ,i2=i,-i
schiieBlich Drehsinn) haben. =+Fi, -F(I,-/)
D, D =+Fi , -F·i,+ F· i
Beispiel: Zahnrader konnen achs-
parallel auf der Welle verschoben M101;= +F· I =MID;
werden.
Die Kraft und das Drehmoment
sind die beiden "GrundgroBen" der F
Statik, mit ihnen werden aile Lehr-
satze der Statik aufgebaut. Bild 1.3. Das Drehmoment eines Kriiftepaares ist immer M = Fl

1.3. Moment einer Einzelkraft (Kraftmoment)


Das Moment einer Einzelkraft Fin bezug auf einen gewahiten Drehpunkt D ist festgesetzt (defi-
niert) als das Produkt aus der Kraft und deren Wirkabstand I (Lot von der Wirklinie auf den ge-
wahlten Drehpunkt D); Bi!d I.4. Wirkabstand I heiBt auch "Hebelarm".

Kraftmoment M = Kraft F X Wirkabstand I

M=FI M
Nm
IFN I mI (1.2)

Die Drehrichtung wird wie beim Drehmoment durch Vor-


zeichen gekennzeichnet:
Bild 1.4. Moment einer
Kraft F in bezug auf Dreh-
(-) = rechtsdrehend punkt D J : M J = - FI J und
(+) = linksdrehend aufD 2 :M2 =+FI 2

1m Gegensatz zum Drehmoment des Kraftepaares, dessen Betrag und Richtungssinn unabhangig
von der Wahl des Drehpunktes am Korper stets gleich groB ist, hangen Betrag und Richtung des
Momentes einer Kraft F von der Wahl des Bezugspunktes Dab (Bild 1.4). Siehe auch Momenten-
satz 2.2.2.

219
Mechanik

1.4. Das Versatzmoment


Soil gekHirt werden, welche Wirkung die Kraft FI in Bild 1.5
in I angreifend auf II aUsiibt, so wird mit dem Begriff des
Versatzmomentes gearbeitet. Zwei gleichgro~e, gegensinnige
Parallelkrafte in II angebracht verandem den Zustand"des
starren Korpers nicht. FI und F2 stellen ein Kraftepaar dar,
konnen also sinnbildlichzum MomentM '" - FII zusammen·
gefa~t werden. Punkt II wird demnach belastet durch die
parallelverschobene Ursprungskraft FI und das Dreh-
moment M'" - F I I. Man spricht dann vom Versatzmoment.
Bild 1.5. Versatzmoment einer Kraft

1.5. Die drei Grundoperationen (Arbeitssiitze) der Statik


Fast aile Verfahren der Statik lassen sich auf drei Grundoperationen zuriickftihren:

Parallelogrammsatz (Kriifteparallelogramm, Zusammensetzen und ZerIegen zweier Kriifte):


Die Resultierende Fr zweier Krafte FI und F2 ist die Diagonale des aus beiden Kraften ge-
bildeten Parallelogramms (Bild 1.6).

Meistens arbeitet man nur mit dem halben Parallelogratnm, dem Kraftedreieck, denn man kommt
zum gleichen Ergebnis, wenn man die gegebenen Krafte in beliebiger Reihenfolge aneinanderreiht:
Die Resultierende Fr ist dann die Verbindungslinie vom Anfangspunkt A der ersten zum Endpunkt
E der letzten Kraft. Dieser Satz gilt fUr belie big viele Krafte.

Bild 1.6. Parallelogrammsatz; gegeben: F I , F 2 ; gesucht Fr Bild I. 7. Kraftzerlegung


gegeben: F,- gesucht: F 1 ,F2

Die Resultierende Fr zweier Krafte FI und F 2 , die den [2

Winkel a einsch1ie~en, lii~t sich berechnen (Bild 1.6):

(I.3)
. FI sin a
f3 =arcslll---- (1.4)
Fr
Bild 1.8. Zerlegung einer Kraft F
Die Urnkehrung des Parallelogrammsatzes ist der Satz von in zwei parallele Komponenten
der Zerlegung einer Kraft in zwei Komponenten (Bild 1.7):
Die gegebenen Wirklinien werden parallel zu sich selbst in den Endpunkt E der gegebenen Kraft F
verschoben, dadurch entsteht das Parallelogramm. Die Aufgabe, eine Kraft in mehr als zwei Kom-
ponenten zu zerlegen, ist statisch unbestimmt, d.h. es sind unendlich viele Losungen moglich.

220
I. Statik starrer Korper in der Ebene
Die beiden Komponenten F 1,F2 einer gegebenen Kraft F lassen sich berechnen (Bild 1.7):

sin(j
FI=Fsina (1.5) F2 = F cos(j - FI cos a (1.6)

Soll eine gegebene Kraft F nach Bild 1.8 in zwei parallele Komponenten F 1, F2 zerlegt werden, so
gilt

(1.7) (1.8)

Erweiterungssatz:
Zwei gleich gro~e, gegensinnige, auf gleicher Wirklinie liegende Krafte ktinnen zu einem
Kraftesystem hinzugefligt oder von ihm fortgenommen werden, ohne da~ sich damit die
Wirkung des Kraftesystems andert (siehe Bild 1.5).

Verschiebesatz:
Krafte ktinnen frei auf ihrer Wirklinie verschoben werden; es sind linienflUchtige Vektoren.

• Beispiel: Wie gro~ ist die Resultierende Fr zweier Krafte von 5 N und 8 N, die den Winkel a = 30°
einschlie~en. Welchen Winkel (j schlie~t die Resultierende mit einer der beiden Kompo-
nenten ein?

Ltisung: Fr= VF I2 +Fi +2F1F2 cosa


Fr= v'(5N)2 +(8N)2 +2·5N·8N·cos300=12,6N
. F\ sin a 5 N· sin 30°
/3 =arCSlfl--- 0,198; /3= 11,4°
Fr 12,6N

• Beispiel: Eine Kraft F von 50 N ist so in zwei Komponenten zu zerlegen, d~ die beiden Kompo-
nenten den Winkel a = 120° einschlie~en. Der Winkel (j zwischen Fund der einen Kompo-
nente betragt 20° .
.. sin (j sin 20°
Losung: FI =F -.- = 50 N . 1200 = 19,7 N
sma sm
F2 =Fcos(j-F1 cosa = 50 N· cos 20° -19,7 N· cos 120° = 56,8 N

1.6. Das Freimachen der Korper


Die Ltisung jeder Aufgabe der Mechanik sollte mit dem Freimachen des zu untersuchenden Ktirpers
beginnen, weil nur damit gewiihrleistet ist, d~ aile am Ktirper angreifenden Krafte richtig erfa~t
wurden. Die Anzahl der unbekannten Stiitzkrafte am Ktirper ist abhiingig von der Bauart der Lage-
rung.
Einen Ktirper (Hebel, Stange, Feder, Welle u.a.) "frei machen" heilit: in Gedanken den
Ktirper an allen StUtz-, Verbindungs- oder sonstigen Beriihrungsstellen von seiner Um-
gebung losltisen und flir jeden der weggenommenen Bauteile diejenigen Krafte eintragen,
die von der Umgebung auf den freizumachenden Ktirper Ubertragen werden. Beachte:
Richtungssinn stets in bezug auf den "freizumachenden" Kdrper eintragen!
Fehler werden haufig beim Anbringen der Reibkraft gemacht!
Die Grundregel zur Ltisung statischer Aufgaben heilit:
Freimachen und Gleichgewichtsbedingungen ansetzen!

221
Mechanik
1m einzelnen ist beim Freimachen zu beachten: Fs
1.6.1. Seile, Ketten, Blinder, Riemen 0.8. (Bild 1.9) tiber-
tragen nur Zugkrlifte in Seilrichtung auf den freizumachen-
den Korper. Werden Selle durch Rollen o.li. reibungsfrei
umgelenkt, so wirkt an jeder Stelle des Seiles die gleiche
Zugkraft in der jeweiligen Seilrichtung.
1.6.2. Zweigelenkstlibe (Bild 1.1 0) iibertragen nur Zug- oder
Druckkriifte, d.h. in der Verbindungsgraden der beiden Ge-
lenke, wenn die Krlifte nur in den Gelenkpunkten in den
Stab eingeleitet werden, wie z.B. bei der Schubstange des
Schubkurbelgetriebes. Zweigelenkstlibe nennt man auch
Pendelstiitzen.
1.6.3. Stiitztliichen (Bild 1.1 0, 11) iibertragen nur Normal- Bild 1.9. Kranhaken und Seil
krlifte FN (1 zur Stiitzflliche), wenn sie sich reibungsfrei be- freigemacht
riihren; sonst in tangentialer Richtung auch Reibkrlifte F R,
wie z.B. die Gleitfllichen des Kreuzkopfes oder die Ober-
tragungsfllichen des Gleitschiebers in Blld 1.11.
Beachte: Der Richtungssinn der Reibkraft muB stets von Anfang an am freigemachten Korper rich-
tig eingesetzt werden; er ist stets der Bewegungsrichtung des Korpers entgegengesetzt.

1.6.4. Kugeln und Rollen (Bild 1.12) tibertragen reibungsfrei nur Krlifte, deren Wirklinie durch
Kugel-(Rollen-)mittelpunkt und Beriihrungspunkt geht, also auch Normalkrlifte.

1.6.5. Tragwerke (Sttitztrliger) nach Bild 1.13 sind statisch bestimmt gelagert, wenn die drei Gleich-
gewichtsbedingungen (};;Fx =0; };;Fy =0; };;M= 0) zur Bestimmung der Stiitzkrlifte ausreichen. Sie
besitzen ein einwertiges und ein zweiwertiges Lager. Reibkrlifte werden meistens nicht berlick-
sichtigt.

Wichtig zur Losung statischer Aufgaben ist stets das Erkennen und Festlegen der Wirklinie der
einwertigen Sttitzkraft FA, well damit der erste Schritt zur Losung getan ist. Weder bei der ein-
wertigen noch bei der zweiwertigen Stiitzkraft kommt es zunlichst auf die Festlegung des Richtungs-
sinnes an; das kann nach Geftihl erfolgen. Den tatslichlichen Richtungssinn liefem die zeichneri-
schen oder rechnerischen Losungsverfahren selbst. Wurde der Richtungssinn bei einer unbekann-
ten Kraft falsch angenommen, so erscheint sie im rechnerischen Ergebnis negativ.

1.6.6. Einwertige, zweiwertige und dreiwertige Lagerungen sind solche, bei denen entweder eine,
zwei oder drei unbekannte Stiitzkrlifte auftreten. Bei Beriicksichtigung der Reibung kommt noch
eine Unbekannte hinzu.

Einwertige Lagerungen, wie Kugeln, Rollen, Querlager und Zweigelenkstlibe (Pendelstiitzen) tiber-
tragen ohne Beriicksichtigung der Reibung eine unbekannte Stiitzkraft. lhre Wirklinie ist eindeutig
bestimmt: Die Stiitzkraft wirkt senkrecht zur Stiitzebene, bei Zweigelenkstliben in der Verbin-
dungsgeraden der beiden Gelenke (Bild DO, 12, 13).

Zweiwertige Lagerungen iibertragen ohne Beriicksichtigung der Reibung stets zwei unbekannte
Stiitzkrlifte, eine in x-Richtung, die andere in y-Richtung (Bild 1.13).
Dreiwertige Lagerungen entstehen z.B. bei eingepreBten Bolzen (Einspannungen). Sie iibertragen
drei unbekannte GroBen: eine Kraft in x-Richtung, eine in y-Richtung und ein Drehmoment M.

222
I. Statik starrer Korper in der Ebene

Ko/benstange
~
Schubstange"Kurbe/zapfen

~
I ~ ~~~I= ~"~}-- 1---'=

-?f
freigemachter
Kreuzkopf

Ff
~chte .~ "L - ·/

Schubsfange

Bild 1.10. Schubstange (Zweigelenkstab) und Kreuzkopf eines Schubkurbelgetriebes (Kurbeltrieb) freigemacht
(ohne Massenkrafte)

Schieber _...,.,{~ 2 - wertiges Lager


freigemachf ~y

Bild 1.11. Gleitschieber freigemacht

tt 8
W$A~
'~
~ A

Bild 1.13. Stiitztriiger freigemacht; einwertige


Bild 1.12. Kugel (Rolle) freigemacht Lager A; zweiwertige Lager B

223
Mechanik

2. Zusammensetzen, Zerlegen und Gleichgewicht von Kraften in der Ebene


2.1. Die Kriifte greifen am gleichen Punkt der Ebene an (Zentrales Kriiftesystem)
2.1.1. Zeichnerische Bestimmung der Resultierenden Fr. Die gegebenen Krafte werden in belie-
biger Reihenfolge maBstabgerecht und richtungsgemaB derart aneinander gereiht, daB sich ein fort-
laufender Kraftezug ergibt (Bilder 1.14 und 1.15).
Die gesuchte Resultierende Fr ist stets die Verbindungslinie vom Anfangspunkt A der zuerst ge-
zeichneten zum Endpunkt E der zuletzt gezeichneten Kraft.

-x x

Beachte: Richtungswinkel '" Ergebnis.


ist der Winkel zwischen F,.= .cm;' .. N
positiver x-Achse und etr =.
WiIkIinie im Linksdrehsinn.
KM.lcm;' .. N
Bild 1.14. Lageplan mit den WirkIinien Bild 1.15. Kriiftep1an, durch Paralle1ver-
(WL) der gegebenen Krafte Fl. F 2 • F3 schiebung der Wirklinien (WL) aus dem
und Richtungswinkel "'I. "'2. "'3; Lageplan gewonnen
gesucht: Resultierende Fr und Winkel "'r

ArbeitspIan zur zeichnerischen Bestimmung der Resultierenden


Rechtwinkliges Achsenkreuz zeichnen.
Wirklinien (WL) der gegebenen Krafte FI , F 2 , F3 unter den Richtungswinkeln al , a2, a3
zur positiven x-Achse eintragen.
1m Krafteplan beliebigen Anfangspunkt A festlegen.
Beliebige Wirklinie durch Parallelverschiebung aus dem Lageplan durch den gewahlten An-
fangspunkt legen.
Auf dieser Wirklinie die gegebene Kraft im gewahlten KraftemaBstab richtungsgemiiB abtragen.
Die restlichen Krafte in gleicher Weise an die zuerst gezeichnete Kraft anschlieBen (Reihen-
folge beliebig).
Pfeilspitze der letzten Kraft ergibt Endpunkt E des Krafteplanes.
Resultierende Fr als Verbindungslinie vom Anfangspunkt A zum Endpunkt E zeichnen;
Lange abgreifen; Wirklinie in den Lageplan Ubertragen; Richtungswinkel a r messen.

2.1.2 Rechnerische (analytische) Bestimmung der Resultierenden Fr


Man rechnet mit den Kraftkomponenten Fnx = Fn cosan und Fny = Fn sin an . Der Rechner
liefert das Vorzeichen (+) oder (-) automatisch mit, wenn fUr an die Richtungswinkel zwischen der
positiven x-Achse und der Wirklinie eingegeben werden.
Die Addition der Kraftkomponenten liefert die Komponenten Frx und Fry der Resultierenden.
Diese ergeben mit Hilfe des Lehrsatzes des Pythagoras die Resultierende Fr.
224
I. Statik starrer Korper in der Ebene
y Bild I.l7 Y

o Gegebene Kraft FI
und deren Kompo-
0
nenten 8" Ii
FIX = FI cosal .'i: 0y
VI
und lC'
al
.J-'---"<-~ Ii Fly = FI sinal u!'""
x
FIx
0x=F, ·CDS a l

-x x

Bild 1.16. Lageskizze (unma1bstablich) mit


den Komponenten Flx,F ly , F2x, F2y ...
der gegebenen Krafte F I , F2 ... am frei-
gemachten Karper; gesucht: Resultierende
Fr und Winkel a r
-y

Kraftkomponen ten:
x-Komponenten: y-Komponenten:
FIx = FIcos al Fly = FI sin al
F 2x = F2 cos a2 (1.9) F 2y = F2 sin a2 (1.10)
Fnx = Fn cos an Fny = Fn sin an
Komponenten der Resultierenden:
F rx = Fix + F 2x + F 3X + ... Fnx (1.11)
Fry = Fly + F 2y + F 3y + ... Fny
Betrag der Resultierenden:

Fr = JF;x +F~ (1.12)

Richtungswinkel a r der Resultierenden F r :


IFryl
a r = arctan IFI (nur mit den Betragen IFry lund IFrx I rechnen) (1.13)
rx

Richtungswinkel a r ist der Winkel, den die Wirklinie der Resultierenden Fr mit der positiven x-
Achse einschlie~t; Bestimmung des Quadranten I, II, III, IV aus den Vorzeichen der beiden Kom-
ponenten F rx und Fry.

225
Mechanik

2.1.3. Zeichnerische Bestimmung unbekannter Kriifte. Die gegebenen Krafte werden in beliebiger
Folge ma~stabgerecht und richtungsgema~ zu einem fortlaufenden Kraftezug aneinandergereiht.
Mit den Wirklinien der noch unbekannten Krafte mu~ das Krafteck so geschlossen werden, da~ die
Pfeilrichtungen "Einbahnverkehr" ermoglichen. Anfangspunkt A und Endpunkt E des Kraftezuges
mUssen zusammenfallen (Bilder 1.18 und 1.19).
/
/

Ergebnis:
Fi=···em~.
Fs = ... em; ..

Bild 1.18. Lagepian mit den Wirklinien Bild 1.19. Krliftepian, durch Paralleiver-
(WL) siimtlicher Krafte (PI'" Fs) am schiebung der Wirklinien (WL) aus dem
freigemachten Korper Lagepian gewonnen
gegeben: F I, F 2 , F 3,0<" 0<2, 0<3, 0<4, o<s
gesucht: F 4 , Fs

Arbeitsplan zw zeichnerischen Bestimmung unbekannter Krafte


Rechtwinkliges Achsenkreuz zeichnen.
Wirklinien der gegebenen und der noch unbekannten Krafte eintragen.
1m Kraftep\an die gegebenen Krafte oder die gegebene Kraft vom beliebigen Anfangspunkt
A aus ma~stablich und richtungsgema~ aneinanderreihen wie bei der zeichnerischen Bestim-
mung der Resultierenden (2.1.1), jedoch ohne die Resultierende zu zeichnen.
Mit den Wirklinien der gesuchten Krafte durch Parallelverschiebung aus dem Lageplan in den
Krafteplan dort das Krafteck "schlie~en".
Kraftrichtungen (Pfeile) nach der Bedingung des ,,geschlossenen" Kraftezuges (Einbahnver-
kehr) an den gesuchten Kraften anbringen.
Gefundene Krafte (Gleichgewichtskrafte, StUtzkrafte) in den Lageplan Ubertragen.

2.1.4. Rechnerische (analytische) Bestimmung unbekannter Kriifte. Werden aile am Korper angrei-
fenden Krafte in ihre Komponenten nach den beiden Richtungen eines rechtwinkligen Achsen-
kreuzes zerlegt und ist die algebraische Summe der Komponenten in x- und y-Richtung gleich Null,
so stehen die Krafte im Gleichgewicht (Bild 1.20).
Die rechnerischen Gleichgewichtsbedingungen beim zentralen Kraftesystem lauten:
I. 'i:.Fx =0; FIX + F2x + F3x + '" Fnx = 0
(1.14)
II. 'i:.Fy =0; Fly + F2y + F 3y + ... Fny = 0
Fnx = Fn cos a; Fny = Fn sin an (LIS)
Winkel a ist stets der Richtungswinkel der Kraft. Das ist der Winkel zwischen positiver x-Achse
und Wirklinie.
226
I. Statik starrer Korper in der Ebene

Arbeitsplan zur rechnerischen (analytischen) Bestimmung unbekannter Krafte


Rechtwinkliges Achsenkreuz skizzieren.
y
Samtliche Krafte - auch die noch unbekannten
- in ihre x- und y-Komponenten zerlegen und
unma~stablich eintragen, dabei den Richtungs-
sinn der noch unbekannten Krafte zunachst
annehmen.
Nach dieser Lageskizze die beiden rechnerischen
Gleichgewichtsbedingungen ansetzen. :-x~£Fz~x~~~iiiiiiiii~~~~~~---<"';x
Bekannte Komponenten evtl. erst ausrechnen
und diese Betrage in die beiden Gleichungen
einsetzen.
Die Gleichungen nach dem Einsetzungsver-
fahren oder nach dem Gleichsetzungsverfahren
-y
losen (siehe Mathematik).
Ergibt eine der Losungen fUr eine Kraft einen Bild I.20. Lageskizze (unmaiOstiiblich) mit
negativen Wert (Minuszeichen), dann war falsche den Komponenten siimtlicher Krafte am
Richtung angenommen worden, die tatsachliche freigemachten Karper
Richtung ist entgegengesetzt, der Zahlenwert gegeben: F I , F 2 , F 3 , "'I, "'2, "'3' "'4, "'5
gesucht: F 4 , Fs
stimmt jedoch! Bei weiteren Rechnungen mu~
nun die tatsachliche Richtung berUcksichtigt
werden (Vorzeichenurnkehr!).
Errechnete Komponenten konnen schlie~lich mit Hilfe des Lehrsatzes des Pythagoras zur
gesuchten Kraft vereinigt werden.
Kraftrichtungen der gefundenen Krafte in den Lageplan iibertragen.

• Beispiel: Ein zentrales Kraftesystem nach Bild I.20 besteht aus den gegebenen Kraften FI = 55 N;
al = 30 0 ; F2 = 63 N; 0:2 = 135 0 ; F3 = 22 N; 0:3 = 290°. Die Wirklinien der gesuchten
Gleichgewichtskrafte F4 , Fs liegen unter 0:4 = 225° und as = 305 0 •

Losung: F4 und Fs ergeben sich aus den beiden rechnerischen Gleichgewichtsbedingungen:


I. 'f-Fx = 0 =+ FI cosal + F2 cosa2 + F3 cosa3 + F4 cosa4 + Fs cOSO:s
II. 'f-Fy = 0 = + FI sinal + F2 sina2 + F3 sina3 + F4 sin0:4 + Fs sin as
Ausrechnung:
F4 ' cos 225 0 = - 55 N . cos 30° - 63 N . cos 135 0 - 22 N . cos 290 0 - Fs . cos 305 0
- 0,707 . F4 = - 10,608 N - Fs . 0,573
F4 . sin 225 0 = - 55 N . sin 30 0 - 63 N . sin 135 0 - 22 N . sin 290 0 - Fs . sin 305 0
-0,707'F4 =-51,374N-Fs '(-0,819)
Daraus, z. B. mit der Gleichsetzungsmethode:
Fs = 29,286 N und F4 = 38,781 N

227
Mechanik
2.2. Die Kriifte greifen an verschiedenen Punkten der Ebene an (AUgemeines Kriiftesystem)
2.2.1. Zeichnerische Bestimmung der Resultierenden Fr (Seileckverfahren). Das Krafteck bestimmt
Betrag und Richtung der Resultierenden F r , das Seileck deren Lage. Schnittpunkt des ersten und
letzten Seilstrahles ist ein Punkt der Wirklinie der Resultierenden (Bild 1.21 und 1.22).

Ebene
A

Ergebnis.·
Fr =... em; ... N
KM1em; ... N
LM 1em; ... m Fr

Bild 1.21. Lageplan mit den Wirklinien Bild 1.22. Krafteplan mit den Polstrahlen
(WL) der gegebenen Krafte F 1, F 2, F 3 gesucht: Betrag und Richtungssinn der
am freigemachten Korper; Seilstrahlen Resultierenden Fr
aus dem Krafteplan; gesucht: Loge
der Resultierenden Fr

Arbeitsplan zum Seileckverfahren


Lageplan mit den Wirklinien der gegebenen Krafte zeichnen.
Mit Hilfe der parallelverschobenen Wirklinien im Krafteplan das Krafteck zeichnen, dazu
Krafte in beliebiger Reihenfolge ma~stablich und richtungsgetreu aneinanderreihen.
Resultierende Fr yom Anfangspunkt A der zuerst gezeichneten zum Endpunkt E der zuletzt
gezeichneten Kraft eintragen.
Pol P belie big wahlen.
Polstrahlen im Krafteplan zeichnen und fortlaufend numerieren.
Poistrahlen durch Parallelverschiebung aus dem Krafteplan im Lageplan zu Seilstrahlen
machen, dazu
Anfangspunkt I beliebig wahlen und genau auf Zuordnung achten: Die zur jeweiligen Kraft
im Krafteplan gehOrigen Poistrahlen als Seilstrahlen auf der Wirklinie dieser Kraft zum Schnitt
bringen (Numerierung beachten). Anfangs- und Endseilstrahl im Lageplan zum Schnitt S
bringen; sie entsprechen den beiden Poistrahlen der Resultierenden Fr.
Wirklinie der Resultierenden Fr durch gefundenen Schnittpunkt S legen, ergibt damit die
Lage der Resultierenden.

2.2.2. Rechnerische (analytische) Bestimmung der Resultierenden Fr (Momentensatz). Betrag und


Richtung der Resultierenden werden ebenso bestimmt wie beim zentralen Kriiftesystem (2.1.2).
Der Momentensatz lautet:

Wirken mehrere Kriifte (Bild 1.23) drehend auf einen Korper, so ist die algebraische Summe
ihrer Momente gleich dem Moment der Resultierenden in bezug auf den gleichen Drehpunkt!

228
I. Statik starrer Korper in der Ebene
Einfacher: Drehkraftwirkung der Einzelkrafte gleich 1)=4N
Drehkraftwirkung der Resultierenden! I

MI +M2 +M3 + ... Mn =Mr


FIll + F2/2 + F3/3 + ... Fn In = Fr 10
~=5N ft.=2N
Aus diesem Momentensatz laSt sich der Abstand 10 der 0=3N
Resultierenden Fr von einem beliebig gewlihlten Dreh-
punkt D aus berechnen, so daS deren Lage bestimmt ist:

(1.16) Fr

Bild I.23. Anwendung des Momenten-


F I , F2 ... Einzelkrafte; Fr Resultierende satzes zur Lagebestimmung (/ 0 ) der
Resultierenden Fr
II , 12 ... Wirkabstande der Einzelkrafte
10 Wirkabstand der Resultierenden
vom gewlihlten 8ezugs(Dreh-)punkt D

• 8eispiel:F I =3N; F2=4,ON;


II =Omm; 12 = 15 mm; 13 = 20mm;
gesucht: Wirkabstand 10

LOsung: - Fr 10 = FIll + F2/2 - F3 /3 - F4/4


FIll + F2/2 -F3/3 -F4 /4
10 = - - - - - - - - -
-Fr
(3 . 0 + 4 ·15 - 5 . 20 - 2 . 30) Nmm - 100 Nmm
10 = _6N = - 6 mm = 16,67 mm

Arbeitsplan zum Momentensatz


Lageskizze (unmaSstablich) der gegebenen Krafte zeichnen.
Drehpunkt (8ezugspunkt) D wlihlen, zweckmliSig so, daS aIle gleichgerichteten Krafte
gleichen Drehsinn haben und moglichst auf der Wirklinie einer Kraft; Rechnung wird ein-
facheL
Wirkabstande als Lot von der Wirklinie der Kraft auf den gewahlten Drehpunkt festlegen (be-
rechnen oder aus maSstablichen Lageplan abgreifen).
Resultierende berechnen (nach 2.1.2); bei ParaIlelkraften einfach durch algebraische Addi-
tion; schrage Krafte in Komponenten zerlegen und zwar derart, daS x-Komponenten kein
Moment haben, also deren WL durchD laufen; dann ist die Resultierende nur der y-Kompo-
nenten zu bilden und deren Drehmoment einzubeziehen.
Momente der Einzelkrafte berechnen und unter 8erucksichtigung der Vorzeichen addieren.
Wirkabstand 10 nach Gleichung (1.16) berechhen.

229
Mechanik

2.2.3. Zeichnerische Bestirnmung unbekannter Krafte. Es wird der Lageplan mit dem freigemach-
ten Korper gezeichnet und die gegebenen Krafte werden zu einer Resultierenden zusammengefaBt.
Jetzt ist leicht zu erkennen, welches der folgenden Verfahren angewendet werden muB, urn die
unbekannten (Stiitz- oder Lager-) Krafte zu bestimmen.
Fl
2.2.3.1. Zweikrafteverfahren (Gleich-
gewicht von zwei Kraften). Zwei Krafte
FI und F2 stehen im Gleichgewicht, F'"O~ F2
wenn sie gleichen Betrag und Wirklinie,
jedoch entgegengesetzten Richtungs- Bild l.25. Krafteplan
sinn haben. (Krafteck muB sich schlie- Bild 1.24. Lageplan zweier zweier Gleichgewichts-
Ben, Bilder I.24 und 1.25.) Gleichgewichtskrafte krafte

2.2.3.2. Dreikrafteverfahren (Gleichgewicht von drei nicht parallelen Kraften). Drei nicht parallele
Krafte stehen im Gleichgewicht, wenn die Wirklinien der Krafte sich in einem Punkte schneiden
und das Krafteck sich schlieBt.

\ zweiwertiger
Lagerpunkt

Ergebnis.
gegeb. WL von F3 1) = .em~ ... N
(einwerfige StiJtzkraft) Fi =. em ~ ... N
C I b\}\ Elnbahnverkehr l
geg.WL V()")F1 Cl ,gege . \
if. ~
1-4~;'",,1'
fJ (gesueht)

Bild 1.26. Lageplan zum Dreikrafteverfahren: gegebene Krafte Bild 1.27. Krafteplan zum
F I, F2 miissen zuerst zur Resultierenden Fr vereinigt werden Dreikrafteverfahren
(z. B. auch durch Parallelogrammzeichnung im Lageplan)
gegeben: FIoF2 und damit F r: gesucht: F 3 ,F4

ArbeitspIan zum Dreikrafteverfahren


Lageplan des freigemachten Korpers zeichnen (maJ),stablich!) und damit Wirklinien der Be-
lastungen und der einwertigen Stiitzkraft (hier F 3 ) festlegen.
Resultierende Fr der gegebenen Krafte (FI und F 2) nach 2.1.1 bestimmen und deren Wirk-
linie in den Lageplan iibertragen.
Bekannte Wirklinien zum Schnitt S bringen.
Schnittpunkt S mit zweiwertigem Lagerpunkt verbinden, womit aile Wirklinien bekannt sein
miissen.
Krafteck mit der nach Betrag und Richtung bekannten Kraft entwickeln (hier Resultierende
F r ), dazu gefundene Wirklinien aus dem Lageplan verwenden. Richtungssinn der gefundenen
Krafte festlegen: Krafteck muB sich schlieBen!
Einbahnverkehr! Kraftrichtungen in den Lageplan iibertragen.

230
I. Statik starrer Korper in der Ebene
2.2.3.3. Vierkriifteverfahren (Gleiehgewieht von vier nieht parallelen Kraften). Vier nieht parallele
Krafte stehen im Gleiehgewieht, wenn die Resultierenden je zweier Krafte ein gesehlossenes Kraft-
eek bilden und eine gemeinsame Wirklinie - die Culmannsehe Gerade - haben. Damit ist das Vier-
krafteverfahren auf das Zweikrafteverfahren zUriiekgeftihrt (Bilder I.28 und I.29) .

./
./

Einbahnverkehr

Ergebnis:
~= ... em';, ... N

£/
Ii Igesucht}
~= ... em';, ... N
Ii = ... em ';, ... N

KM:lem';, ... N

Bild 1.28. Lagepian zum Vierkriifteverfahren Bild 1.29. Kriiftepian zum Vierkriifteverfahren
gegeben: Fb WLb WL 2 , WL 3 , WL 4
gesucht: F 2 ,F3 ,F4

Arbeitsplan zum Vierkrafteverfahren


Lageplan mit freigemaehtem Korper zeiehnen (mafllstablieh!) und damit Wirklinien aller
Krafte festlegen.
Wenn notig: Resultierende von mehreren gegebenen Kraften bestimmen; Wirklinien je zweier
Krafte zum Sehnitt bringen (I und II); im allgemeinsten Falle (keine Parallelkrafte vorhanden)
lassen sich drei Culmannsehe Gerade zeiehnen; sind zwei oder vier Krafte parallel, nur zwei
Culmannsehe Gerade; sind drei Krafte parallel, liillt sieh das Verfahren nieht anwenden, dann
Schlufllinienverfahren benutzen!
Krafteplan mit der naeh Betrag und Riehtung bekannten Kraft beginnen (hier F I).
Wirklinie der zugehorigen Schnittpunktskraft (hier F 2 ) durch Pfeilspitze der ersten Kraft
legen und erstes Dreieck mit Culmannscher Geraden abschlie~en.
Zweites Dreieck mit Wirklinien der beiden anderen Schnittpunktskrafte (hier F3 und F 4 )
an Culmannsche Gerade ansetzen.
Richtungssinn der gefundenen Krafte festlegen: Krafteek mu~ sieh schlie~en! Einbahnver-
kehr!
Kraftrichtungen in den Lageplan iibertragen.

Kontrolle: Die Krafte eines Schnittpunktes im Lageplan ergeben ein Teildreieek im Krafteplan!
Fehlerquelle: Die Krafte werden nicht "schnittpunktsgerecht" zusarnmengebracht; also im Krafte-
plan nur solche Krafte zusammenbringen, die gemeinsamen Schnittpunkt im Lageplan haben!

231
Mechanik
2.2.3.4. Schluj3linienverfahren (Gleichgewicht von paralielen Kraften oder solchen, die sich nicht
auf der Zeichenebene zum Schnitt bringen lassen). AIle an einem Korper angreifenden Krafte ste-
hen im Gleichgewicht, wenn sich Seileck und Krafteck schlie/!'en. Dieser Satz gilt fur beliebige
Kraftesysteme (Bilder 1.30 und 1.31).

PoIP

~\~
\~~
0.':>
<Q'0~ Ergebnis
r;. = .em; ... N
Fe=···em; ... N
Bild 1.30. Lagepian zum Schi~linienverfahren
gegeben: F l , F 2 , WL von FB Bild l.31. Kraftepian zum
Schi~iinienverfahren
gesucht: Stiitzkriifte FA und F B

Arbeitplan zum Schluilinienverfahren


Lageplan mit freigemachtem Korper zeichnen (ma/l,stablich!) und damit Wirklinien der ge-
gebenen Krafte und einwertigen StUtzkraft (hier FB ) festlegen.
Gegebene Krafte im Krafteplan aneinanderreihen und Pol P wahlen; Poistrahlen zeichnen
und fortlaufend numerieren.
Seilstrahlen im Lageplan zeichnen; Anfangspunkt I bei paralielen Kraften beliebig, sonst An-
fangsseilstrahl (0) durch Lagerpunkt (A) des zweiwertigen Lagers Iegen (Bild 1.30).
Anfangs- und Endseilstrahl (0 und 2) mit den Wirklinien der gesuchten StUtzkrafte zum
Schnitt bringen; Zuordnung beliebig.
Verbindungslinie der gefundenen Schnittpunkte als "SchluWinie" im Seileck zeichnen. Schlu/!,-
linie in den Krafteplan Ubertragen.
Wirklinien der unbekannten StUtzkrafte (FA, F B ) in das Krafteck Ubertragen: ergibt Teil-
punkt T. Krafteck durch Pfeile im "Einbahnverkehr" schlie/!'en.

2.2.4. Rechnerische (analytische) Bestimmung unbekannter Krafte. Aile am freigemachten Korper


angreifenden Krafte werden nach den beiden Richtungen eines rechtwinkligen Achsenkreuzes zer-
legt. 1st dann die algebraische Summe der Komponenten in x- und y-Richtung gleich Null und ist
ebenso die algebraische Summe alier Momente dieser Krafte gleich Null, so stehen die Krafte im
Gleichgewicht.
Die rechnerischen Gleichgewichtsbedingungen beim aligemeinen Kraftesystem lauten:

I. ,£Fx =0 (Summe alier x-Krafte gleich Null)


II. ,£Fy = 0 (Summe aller y-Krafte gleich Null)
(1.17)
III. ,£M(D) =0 (Summe aller Kraftmomente urn jeden beliebigen
Drehpunkt D gleich Null)
Fnx = Fn cos an; Fny = Fn sin an (1.18)
Winkel a ist stets spitzer Winkel der Wirklinie zur x-Achse!

232
I. Statik starrer Korper in der Ebene
Mit Bezug auf Bild 1.32 ist

I. + FI cos al - FAx = 0
II. + FAy - FI sinal - F2 + FB =0
III. -Flsinalll-F212+FB1=0
- FI sin alii - F212 + FBI
III. FB = 1

II. FAy = FI sin al + F2 - FB


I. FAx = FI cos al Bild I.32. Lageskizze (unmalhtablich) mit den
F=·V'IF2 Komponenten siimtlicher Krafte am
Ax +F2 Ay freigemachten Karper
IFyl
a= arctan I Fx I

Arbeitsplan zur rechnerischen (analytischen) Bestimmung unbekannter Kriifte


Lageskizze des freigemachten Korpers zeichnen und siimtliche Krafte unm~stablich ein-
tragen.
Rechtwinkliges Achsenkreuz so legen, d~ moglichst wenig Krafte zedegt werden.miissen.
Samtliche Krafte - auch die noch unbekannten - in ihre x- und y-Komponenten zerlegen,
dabei die Richtungen der noch unbekannten Krafte zunachst annehmen.
Nach der so angelegten Lageskizze die drei Gleichgewichtsbedingungen ansetzen; meist ent-
halt die Momenten-Gleichgewichtsbedingung (III) nur eine Unbekannte; damit beginnen.
Ergibt die Losung fUr eine der unbekannten Krafte einen negativen Wert (Minus-Vorzeichen),
dann war Richtungsannahme fUr diese Kraft faIsch, Zahlenwert stimmt jedoch! In weiterer
Entwicklung mit tatsachlicher Richtung arbeiten!
Errechnete Komponenten mit F = .JF; + F~ zusammenfassen.
Kraftrichtungen der gefundenen Krafte in den Lageplan iibertragen.

Die rechnerischen Gleichgewichtsbedingungen nach (1.17) lassen sich noch in eine andere Form
bringen. Die Momentengleichungsbedingung urn Punkt I in Bild 1.33 (~M(I) =0) ergibt noch kein
Gleichgewicht, weil die Kraft F I nicht mit erf~t wird: Korper verschiebt sich in Richtung F I!
Auch ~M(I1) = 0 garantiert noch nicht Gleichgewicht, weil eine durch Punkte I und II gehende
Kraft F2 nicht erfaf.l.t wird. Sie wiirde den Korper ebenfalls verschieben. Erst ~M(lII) =0 erf~t
aile Krafte und garantiert Gleichgewicht, wenn die Punkte I, II, III nicht auf einer Geraden liegen.

Unbekannte Krafte lassen sich dernnach beim allgemeinen


Kraftesystem auf zwei Arten bestimmen:

~F/ =
=0 I ergibt 1MM(I) =
=00
~ y 0 Gleichgewicht (II)
~M(D) =0 M(III) =0
Die zweite Moglichkeit wird beim Ritterschen Schnitt be- Bild 1.33. EM =0 um drei Punkte
nutzt (7.1.3). ergibt auch Gleichgewicht

233
Mechanik

3. Krafte im Raum (Sonderfalle)


3.1. Bestimmung der wahren GroSe eines Vektors im Raum
Ein im Raum beliebig gerichteter Vektor F (Kraft, Geschwindigkeit, Beschleunigung) ist durch
seine Projektionen FI in der Vorderansicht, F2 in der Draufsicht und F3 in der Seitenansicht fest·
gelegt. Zur eindeutigen Bestimmung der wahren Lange (des Betrages) des Vektors gentigen zwei
Projektionen, z.B. in Vorderansicht und Draufsicht (Bild 1.34).
Ermittlung nach den Regeln der darstellenden Geometrie I), z.B. durch Drehen der Projektion
F 2(A 2E 2) urn A2 parallel zur Draufsichtebene nachA2E;. Strecke A IE in Vorderansicht ist dann
die wahre GroBe von F mit dem wahren Richtungswinkel a zur Draufsichtebene. Verfahren ist
auch umgekehrt sowie in Vorderansicht und Seitenansicht durchflihrbar.

Vorderansirhf +y

+x

+z
Bild 1.35. Einzelkraft im Raum und ihre
Komponenten in Richtung der Achsen

Ei
r
I

I
I Bild 1.34. Bestimmung der wahren GroBe einer
I

Draufsirhf
I
raumlichen Kraft

3.2. Zerlegung einer Kraft


Die raumliche Darstellung einer Kraft F zeigt Bild 1.35. Sie laBt sich danach leicht in die drei recht·
winklig aufeinander stehenden Komponenten Fx, F y , Fz zerlegen:

Fx = Fcos a; Fy = F cos {1; F z = Fcos 'Y (1.19)


Winkel a, {3, 'Y sind die Richtungswinkel, welche die Kraft mit der X·, Yo, z-Richtung des raumlichen
Achsenkreuzes bilden.

3.3. Zusammensetzung dreier recbtwinkliger Krlifte (Zentrales Krliftesystem)


Nach Bild 1.35 konnen drei rechtwinklig aufeinander stehende Krafte Fx, F y , F z zur Resultieren-
den F vereinigt werden. Fist die Diagonale eines Rechtkantes, das aus den drei Komponenten ge-
bildet wird. Der Betrag der Resultierenden kann demnach mit dem raumlichen Pythagoras berech-
net werden:

F =JF2x + F2Y + F2z (1.20)

I) Siehe A. Bage: "Abwicklung von Blechkorpern", Verlag Vieweg, Braunschweig

234
I. Statik starrer Karper in der Ebene
Die Richtungswinkel a, (3, 'Y, die F mit den drei Richtungen des rliumlichen Achsenkreuzes bildet,
ergeben sich aus den drei Kosinuswerten:
Fx Fy Fz
a = arccos - F'. f3 = arccos -F ; y- arccos
- F (1.21)

Die algebraische Weiterentwicklung von (1.20) ergibt:


JF2 cos 2 a + F2 cos 2 (3 + p2 cos2 'Y = F
F Jcos 2 a + cos 2 (3 + cos2 'Y = F (1.22)
cos 2 a + cos 2 (3 + cos 2 'Y = 1
Durch zwei gegebene Winkel ist demnach der dritte bestimmt, von dem nur noch festgelegt werden
darf, ob er spitz oder stumpf sein solI (positiver oder negativer Kosinus).

3.4. Zusammensetzung mehrerer Krlifte und Gleichgewichtsbedingungen (Zentrales Kriiftesystem)


Jede Kraft eines zentralen rliumlichen Krliftesystems lli~t sich nach (1.19) und Bild 1.35 in die drei
Komponenten Fx,Fy,Fz zerlegen.
Die Teilresultierenden Frx, Fry, Frz der X-, y- und z-Krlifte sowie die Gesamtresultierende Fr er-
geben sich dann sinngemli~:
F rx = ~Fx =~Fcosa
Fry = ~Fy = ~F cos (3 (1.23)
Frz = ~Fz = ~F cos 'Y
Die drei Richtungswinkel a r , (3r, 'Yr, die die Gesamtresultierende Fr mit den drei Achsen x, y, z
einschlie~t, ergeben sich wieder aus den drei Kosinuswerten:

Frx Fry Frz


a
r
= arccos -_.
~'
f3 r~'
= arccos -_. Yr = arccos - -
~
(1.25)

Entsprechend den rechnerischen Gleichgewichtsbedingungen eines ebenen zentralen Krliftesystems


(1.14) gelten flir das riiumliche zentrale Kriiftesystem die drei Gleichgewichtsbedingungen:
I. ~Fx =0; FIX + F 2x + F 3x ... Fnx =0
II. ~Fy = 0; Fly + Fly + F 3y ... Fny = 0 (1.26)
III. ~Fz = 0; F lz + F 2z + F 3Z ... Fnz =0
Fnx = Fn cos an; Fny = Fn cos (3n ; (1.27)
Gleichgewicht des allgemeinen rliumlichen Krliftesystems erfordert au~er (1.26) noch die Erfti.1lung
der drei Momentengleichgewichtsbedingungen urn die drei Achsen des Achsenkreuzes:
IV. ~M(x) = 0; V. ~M(y) = 0; VI. ~M(z) = 0 (1.28)

3.5. Bestimmung der Stiitzkriifte beim dreibeinigen Bockgeriist (Bild 1.36)


Ansicht und Draufsicht des dreibeinigen Bockgeriistes sind gegeben; ebenso die liu~ere Belastung F.
Die StUtzkrlifte F I, F 2, F 3 sind zeichnerisch zu bestimmen.
L6sungsgedanken: Au~ere Kraft Fund StUtzkrlifte F I, F 2, F 3 mUssen im Gleichgewicht sein. Durch
je zwei der vier gegebenen Wirklinien l~t sich je eine Ebene legen, in der je zwei Krafte zur Hilfs-
resultierenden zusammengef~t werden konnen. Darnit sind die vier Krafte gedanklich auf zwei
reduziert, die bei Gleichgewicht gleich gro~ und gegensinnig sind und eine gemeinsame Wirklinie
haben mUssen (Zwei-Krlifteverfahren). Diese gemeinsame Wirklinie he~t Culmannsche Gerade; es
kann nur die Schnittlinie beider Hilfsebenen sein. Darnit lassen sich die Hilfsresultierenden und
auch die Kraftecke zeichnen. Diese Kraftecke stellen die Projektionen eines rliumlichen Kraftecks
in Vorderansicht und Draufsicht dar.
235
Mechanik

Ausfiihrung: Durchsto~punkt D der Wirklinie (WL) von F festlegen; Punkte A, D und B, C verbin-
den, ergibt die horizontalen Spuren der Hilfsebenen und Schnittpunkt E. Strecke ME in der Drauf-
sicht ist dann die Schnittlinie der Ebenen, also die Culmannsche Gerade I, d.h. zugleich die Wirk-
linie beider Hilfsresultierenden. Damit kann das Krafteck in Draufsicht und Vorderansicht gezeich-
net werden:
In Vorderansicht und Draufsicht von beliebigem Punkt 0 aus Kraft F m~stablich und richtungs-
gema~ aufzeichnen; Wirklinie von Fl antragen durch Parallelverschiebung aus dem Lageplan;
Parallele zu ME (Culmannsche Gerade l) durch Endpunkt von F zeichnen, sie schneidet Kraft F,
ab und ergibt au~erdem die Hilfsresultierende Fr. Parallelen zu den Wirklinien von F2 und F3 er-
geben auch diese Krafte.
Aus den derart gefundenen
Projektionen der Krafte
konnen nach 3.1 die wah-
ren Gro~en der Krafte be-
stimmt werden wie z.B.
Kraft F2 in Bild I.36.
Ko ntro lie: AUe zugehOri-
gen Pfeilspitzen in den
Krafteplanen (Vorderan-
sicht und Draufsicht) miis-
sen senkrecht iibereinan-
der liegen!

Bild 1.36. Zeichnerische Bestimmung


der Stiitzkrafte (Stabkriifte) beim
dreibeinigen Bockgeriist
[
Lagep/an Kriiftep/an

• Beispiel: Beim Schruppdrehen einer Stahlwelle werden mit einem Dreikomponenten-Me~gerat die
drei senkrecht aufeinander stehenden Krafte an der Werkzeugschneide gemessen:
Hauptschnittkraft Fh = 1000 N;
Vorschubkraft Fv =400 N;
Abdrangkraft Fa = 300 N.
Zu berechnen ist die Schnittkraft F als Resultierende der Komponenten sowie die Rich-
tungswinkel der Schnittkraft.

Losung: F =JF~ + F; + F: =J400 2 N2 + 1000 2 N2 + 300 2 N2 = 1118 N


Fx 400 N
=arc cos F =arc cos = 69,036
0
0: 1118 N

_ Fy _ 1000 N _ '1 0
{3 - arc cos F - arc cos 1118 K - ~6,562

F= 300 N
=arc cos = arc cos =74,435
0
'f F 1118 N

cos 2 0: + cos 2 {3 + cos 2 'f = 1

236
I. Statik starrer Korper in der Ebene
4. Schwerpunkt (Massenmittelpunkt)
Derjenige Punkt, in dem man einen Korper, eine Flache oder ein Liniengebilde abstiitzen oder auf-
hangen miifl>te, damit er in jeder beliebigen Lage stehen bleibt, heiSt Schwerpunkt. Die Lage des
Schwerpunkts wird rechnerisch mit dem Momentensatz (U6) und zeichnerisch mit dem Seileck-
verfahren (2.2.1) bestimmt.
AIle durch den Schwerpunkt gehenden Linien oder Ebenen heilien Schwerlinien oder Schwer-
ebenen.
Jede Symmetrielinie ist eine Schwerlinie,jede Symmetrieebene ist Schwerebene.
Der gemeinsame Schwerpunkt von zwei Teilen liegt auf der Verbindungslinie der Teilschwerpunkte
und teilt sie im umgekehrten Verhaltnis der Gewichtskrafte oder GroBen beider Teile.

4.1. Rechnerische Bestimmung des Schwer-


punktes
4.1.1. Schwerpunkt Seines Korpers ist der-
jenige ausgezeichnete, korperfeste Punkt,
durch den die Resultierende aIler Teil-Ge-
wichtskrafte in jeder Lage des Korpers hin-
durchgeht.
Zur Lagebestimmung zerlegt man den Kor-
per in "n" Einzelteile bekannter Schwer- +x
punktlage (z.B. 3 in Bild 1.37), bringt in deren
Teilschwerpunkten die entsprechende Teilge-
wichtskraft FGl , FG2 ... F Gn an und be-
rechnet mit Hilfe des Momentensatzes (U6)
die Lage der Resultierenden der ParaIlelkrafte,
+Z
Damit hat man eine Schwerlinie. Der Schwer-
Bild 1.37. Rechnerische Schwerpunktsbestirnmung
punkt ist der Schnittpunkt der Schwerlinien,
eines Korpers
deren Abstand sich aus den folgenden Glei- gegeben: Xl ..• X3.Yl ... Y3, Zl··· Z3. G l ··· G 3
chungen ergibt: gesucht: Xo.Yo. Zo
Betrag der Resultierenden

FG = FGl + FG2 + FG3 + ... FGn = ~ilFG (1.29)


Schwerpunktabstand von der y, z-Ebene
FG1XI +FG2X2 +FG3 X3 + ... FGnxn
Xo = (1.30)
FG

Schwerpunktabstand von der x, z-Ebene

FG1YI +FG2Y2 +FG3 Y3 + ... FGnYn


Yo = (1.31)
FG

Schwerpunktabstand von der x, y-Ebene


FG1Z 1 + FG2 Z2 +FG Z 3 + ... FGnzn
Zo = (1.32)
FG
Setzt man in vorstehende Gleichungen flir FG =mg ein, so kiirzt sich die Fa1lbeschleunigung g
heraus. Statt mit den Gewichtskraften FG kann man also auch mit den Massen m rechnen, daher
die Bezeichnung Massenmittelpunkt.

237
Mechanik

Setzt man in vorstehende Gleichungen fUr FG = mg = V pg ein, so kiirzen sich bei homogenen
Kdrpern, das sind Korper gleichmaBiger Dichte, sowohl Dichte pals auch Fallbeschleunigung g
heraus. Statt mit den Gewichtskraften FG kann man hier also mit dem Volumen V rechnen, daher
die Bezeichnung geometrischer Schwerpunkt.
4.1.2. Schwerpunkt Seiner ebenen Fliiche ist durch die Gleichungen (1.29 ... 1.32) definiert, wenn
man fUr die Gewichtskrafte FG die Flachen A einsetzt. Meistens handelt es sich urn ebene Flachen,
fiir die alle z-Werte gleich Null sind, so daB es geniigt, ein ebenes Achsenkreuz mit x· undy-Achse
zu verwenden.
Zur Lagebestimmung zerlegt man die Flache in n Einze1flachen mit bekannter Schwerpunktlage
(z.B. 3 in Bild 1.38), denkt sich in den Teilschwerpunkten die Teilflachen vereinigt und berechnet
die Lage des Gesamtschwerpunktes S mit Hilfe des
Momentensatzes fur Fliichen:
Betrag der Gesamt/liiche
A = A, + A2 + A3 + ... An = ~b.A (1.33)
Schwerpunktabstand von der y-Achse

(1.34)

Schwerpunktabstand von der x-Achse


_ A,y, + A 2Y2 + A 3Y3 + ... AnYn _ ~b.Ay
Yo- A - ~b.A (1.35)

Beachte: Bohrungen werden mit entgegengesetztem Drehsinn eingesetzt!


y

x
X2
x
X2 Xo
Xo

Bild I.38. Rechnerische Schwerpunkt- Bild 1.39. Rechnerische Schwerpunktbestimmung


bestimmung einer FIache eines Liniengebildes, z.B. Schnittkante eines
gegeben: X"X2,x3,Y2,Y3,A"A 2,A 3 Schnittwerkzeuges
gesucht: Xo,Yo gegeben: 1, ... 15 ; x, ... xs, Y, ... Ys
gesucht: xo,Yo

4.1.3. Schwerpunkt Seines ebenen Liniengebildes ist durch die Gleichungen (1.29 ... 1.32) definiert,
wenn man fiir die Gewichtskrafte FG die Linienlangen I einsetzt. Zur Lagebestimmung zerlegt man

238
I. Statik starrer Korper in der Ebene
das Liniengebilde in EinzelUingen mit bekannter Schwerpunktlage (Bild 1.39), denkt sich in den
Teilschwerpunkten die Teillinien vereinigt und berechnet die Lage des Gesamtschwerpunktes mit
Hilfe des

Momentensatzes flir Linien:


Gesamtliinge des Liniengebildes

(1.36)

Schwerpunktabstand von der y-Achse

(1.37)

Schwerpunktabstand von der x-Achse

(1.38)

Bei allen Schwerpunktberechnungen ist zu beachten: Flir eine Schwerebene (Schwerlinie) ist das
statische Moment der Resultierenden gleich Null (FGXO = 0: Axo = 0; Ixo = 0), weil der Hebelarm
der Resultierenden in diesem Falle gleich Null wird (xo = O;yo = 0; zo = O)! Umgekehrt hei~t das:
1st das statische Moment von FG , A, I, bezogen auf eine Ebene (Gerade) gleich Null, so liegt der
Schwerpunkt in dieser Ebene (Geraden).

s
4.2. Schwerpunkt wichtiger Linien, Fliichen und Korper
4.2.1. Linienschwerpunkt. Gerade Strecke (Bild 1.40), Schwer-
pUnkt S ist ihr Mittelpunkt. Dreieckumfang (Bild 1.41). Drei-
I: 112 r .1
eckseiten halbieren und Mittelpunkte a b, c verbinden. S ist Bild 1.40. Linienschwerpunkt
der geraden Strecke
Mittelpunkt des dem Dreieck a, b. c einbeschriebenen Kreises.

h a+b
Yo = 2' a +b +c (1.39)

Kreisbogen (Bild 1.42). S liegt auf der Winkelhalbierenden des


Zentriwinkels 2 a (Symmetrielinie):
c
rs s=2rsina Bild 1.41. Linienschwerpunkt
YO=b (1.40)
b = 21Trao/180° des Dreieckumfanges

b
2r fUr Halbkreisbogen
Yo =1T =0,6366r 2a = 180°
_ 2 r F\ _ 03 fUr Viertelkreisbogen
Yo- 1T v 2 - O,90 r 2a=90°
(1.41)
3r flir Sechstelkreisbogen
Yo =1T =0,9549 r 2a =60°
2 Bild 1.42. Linienschwerpunkt
YOl R< 3h fUr flache Bogen
des Kreisbogens

239
Mechanik
4.2.2. Fliichenschwerpunkt. Dreieck (Bild 1.43). S liegt im
Schnittpunkt der Seitenhalbierenden.
1
Yo = "3 h (1.42)

Liegt ein Dreieck im ebenen Achsenkreuz und sind XbX2,X3


bzw. Yb Y2, Y3 die Koordinaten der Eckpunkte des Dreiecks,
so sind die Koordinaten des Schwerpunktes: Bild 1.43. Fliichenschwerpunkt
des Dreiecks

Paralle/ogramm. S liegt im Schnittpunkt der Diagonalen als


Symmetrielinien.
Trapez (Bild 1.44). Grundseiten a und b wechselseitig antragen und Endpunkte dieser Strecken ver-
binden, ebenso Mitten der Seiten a und b verbinden. S liegt im Schnittpunkt beider Verbindungs-
linien. a
h a + 2b
YO="3'~ (1.44)

h 2a+b
YOl = "3' -;;t:b (1.45)

Kreisausschnitt (Bild 1.45). S liegt auf der Winkel-


halbierenden des Zentriwinkels 2 a (Symmetrie- a
linie): "2
a b
2 rs
Yo ="3'b (1.46) Bild 1.44. Fliichenschwerpunkt des Trapezes

4r
Yo = 31T = 0,4244r flir Halbkreisfliiche mit 2 a = 1800

4r . M
Yo =h v 2 = 0,6002 r flir Viertelkreisfliiche mit 2 a = 90 0 (1.47)

2r
Yo = --;- = 0,6366 r fUr Sechstelkreisfliiche mit 2 a = 60 0

Kreisringstiick (Bild 1.46). S liegt auf der Winkelhalbierenden des Zentriwinkels 2 a (Symmetrie-
linie):
(R 3 - r 3 ) sin a
Yo = 38,197 (2
R -r2) a 0 (1.48)

Bogenb

Bild 1.45. Fliichenschwerpunkt Bild 1.46. Fliichenschwerpunkt Bild 1.47. Fliichenschwerpunkt


des Kreisausschnittes des Kreisringstiick es des Kreisabschnittes

240
I. Statik starrer Korper in der Ebene

Kreisabschnitt (Bild 1.47). S liegt auf der Winkelhalbierenden des Zentriwinkels 2 a (Symmetrie-
linie) :
2 rsin 3 a S3
Yo =3"' (arca-sinacosat 12A (1.49)

Parabelfliiche (Bild 1.48)

3 3
XOI = 8" a Y02 = - b
10
(1.50)

Kugelzone und Kugelhaube (Bild 1.49):


h + ho
=r
r ho
FUr die Kugelzone ist Yo = 2" (cos a I + cos (2)' Mit cos a I = -r- und cos a2 wird

- r - + r = 2" + ho,
r (h + ho ho) h
Yo = 2"' d.h. der Schwerpunkt der Mantelflache liegt in halber Zonen-

hahe. FUr die Mantelflache der Kugelhaube (al =0) gilt das gleiche.
y
a y

XOI
x

Bild 1.49. FHichenschwerpunkt der


Bild 1.48. FHichenschwerpunkt der Parabelflache Kugelzone und der Kugelhaube

Kegelmantel und Pyramidenmantel. Verbinde Kegel- bzw. Pyramidenspitze mit dem Schwerpunkt
des Umfanges der Grundflache. Auf dieser Schwerlinie liegt der Mantelschwerpunkt S im Abstand
ein Drittel der Hahe von der Grundflache entfemt: Yo = h/3.
Mantel des abgestumpften Kreiskegels. Verbinde die Mitten beider Stimflachen (Schwerlinie). Der
Schwerpunktabstand von der Grundflache betragt:

(1.51)

h Hohe des Kegelstumpfes


R Radius der un teren Stirnflache
r Radius der oberen Stirnflache

Profilstiihle: Die Schwerpunktabstande


sind mit e bezeichnet. Beachte beim Ab-
lesen die dort gewahlten Bezugsachsen!

4.2.3. Korperschwerpunkt. Gerades oder


schiefes Prisma (und Zylinder) mit paral-
Bild 1.50. Korper-
lelen Stirnf/iichen (Bild 1.50). S liegt in schwerpunkt Bild 1.51. Korperschwerpunkt
der Mitte der Verbindungslinie der Fla- von Prisma und des abgeschragten geraden
chenschwerpunkte So, also Yo = h/2. Zylinder Kreiszylinders

241
Mechanik

Abgeschriigter gerader Kreiszylinder (Bild 1.51). S liegt auf der x, y-Ebene als Syrnrnetrieebene
(Schwerebene) mit den Abstiinden:

(1.52)

Gerade und schiefe Pyramide und Kegel Verbinde die Spitze mit dem Schwerpunkt der Grund-
fliiche. S liegt auf dieser Schwerlinie im Abstand ein Viertel der Hohe von der Grundfliiche.
Pyramidenstumpf mit beliebiger Grundfliiche. Sind A lund A2 die Stirnfliichen und h die Hohe
des Stumpfes, so ist der Abstand des Schwerpunktes S von AI:

h Al + 2 VAtA2 + 3 A2
y =_. (1.53)
o 4 Al + v'AIA2 + A2

Gerader Kegelstumpf. Der Schwerpunktabstand von der Grundfliiche betriigt:


h R2 + 2 R r + 3 r2
Yo = 4" . R2 + R r + r2 (1.54)

Keil (Bild 1.52)


h a + al
YO=2:'2a+al (1.55)

Kugelabschnitt. Der Schwerpunktabstand vom Mittelpunkt be-


triigt:
3 (2R -h)2 R Kugelradius
Yo= 4"' 3R-h h Abschnittshohe
(1.56)
Bild 1.52. Korperschwerpunkt
3 des Keiles
YO=8"R fill Halbkugel
3 R4 -r4 (1.57)
fUr halbe Hohlkugel y
Yo = 8"' R3 -r 3
Kugelausschnitt. Bezeichnungen wie in Bild 1.42.
3
Yo = 8" R (1 + cos a)
(1.58)
3
YO=8"(2R-h)
x
Umdrehungsparaboloid (Bild 1.53)
Bild 1.53. Korperschwerpunkt
2 des Umdrehungsparaboloides
Yo =3 b (1.59)

4.3. Zeichnerische Bestirnmung des Schwerpunktes


Das zeichnerische Gegensttick zum Momentensatz ist das Seileckverfahren. Wie dieser dient es zur
Lagebestirnrnung der Resultierenden. Das damit gekoppelte Krafteck gibt Betrag und Richtung der
Resultierenden an. Bild 1.54 zeigt m~stiiblich aufgezeichnetes Beispiel: Zeichne das gegebene Ge-
bilde (hier Fliiche) maBstiiblich auf (bei riiumlichen Gebilden in Vorderansicht und Draufsicht).
Zerlege die Fliiche in Teilfliichen bestirnrnter Schwerpunktlage. Betrachte die Fliicheninhalte als
Parallelkriifte bzw. Gewichtskriifte, die in den Teilschwerpunkten angreifen. Zeichne Krafteck und
Seileck fur zwei belie big gewiihlte Richtungen (meistens unter 90°) und ermittle die Wirklinien der
Resultierenden nach 2.2.1. Schnittpunkt der gefundenen Wirklinien ist der gesuchte Schwerpunkt
der Fliiche. In gleicher Weise wird bei korperlichen oder linienfOrmigen Gebilden vorgegangen.

242
I. Statik starrer Korper in der Ebene

Pol (belieagJ

Bild 1.54. Zeichnerische Bestimmung des Flachen-


schwerpunktes eines Winkel profiles mit Bohrungen

Bild 1.55. Rechnerische Bestimmung


des Schwerpunktes eines Winkel-
profiles mit Bohrung

4.4. Rechenbeispiel zur Schwerpunktbestimmung einer Flache (Bild 1.55)


FUr das skizzierte Winkelprofll sind die Sehwerpunktabstande xo, Yo reehneriseh zu bestimmen.
Zweekmiiliig wird die folgende Reehentafel benutzt. Man zeiehnet ein mogliehst bequem Jiegendes
Aehsenkreuz in die Skizze ein, so daf.) genau zu ersehen ist, von wo aus die bereehneten Xo-, Yo-
Werte zu messen sind.

Tafell.l. Reehentafel flir Sehwerpunktbestimmung

Schwer- Fliichen- Schwer- Flachen-


Nr. Querschni tt Flache AA punkt- moment punkt- moment
abstand x AAx abstand y AAy
mm 2 cm 2 em em 3 em em 3
1 15 X 10 1,5 0,5 0,75 6,25 9,375
2 35 X 10 3,5 0,5 1,75 1,75 6,125
3 30 X 10 3,0 2,5 7,50 0,50 1,500
Summe: 8,0 - 10.00 - 17,000

Naeh (1.34) und (1.35) ergeben sieh die Sehwerpunktabstande:

~.6Ax 10 em 3 _ ~.6Ay _ 17 em 3 _
Xo = ~.6A = 8 em2 = 1,25 em Yo - ~.6A - 8 em2 - 2,13 em

243
Mechanik

• Beispiel: Der Achsstand eines Kraftfahrzeuges betragt 2,1 m. Das Fahrzeug wird zuerst mit den
Vorderradern auf eine Waage gefahren, die dabei 485 kg anzeigt. Bei den Hinterradern
zeigt die Waage 870 kg an. Welchen Wirkabstand hat die Wirklinie der resultierenden Ge-
wichtskraft von der Fahrzeug-Vorderachse?
LOsung: Nach (I.29) ist
m
FG = ~FGn = FGy +FGH =g(my +mH = 9,812"'
s
1355 kg = 13293 N

Mit Vorderradachse als Bezugspunkt ergibt (1.30):

485kg'9,81 ~'Om+870kg'9,81 W- '2,lm


~FGnxn FGyx, +FGHX2
Xo = ~FGn FG s 13293 N s = 1,348 m

5. Guldinsche Regeln
5.1. Oberflache A eines Umdrehungskorpers
Dreht sich eine ebene Linie von der Lange 1nach Bild 1.56 urn eine in ihrer Ebene liegende Gerade,
die Drehachse, so beschreibt sie eine Umdrehungsfliiche. Jeder Punkt der Linie beschreibt einen
Kreisbogen.
Der Inhalt einer Umdrehungsflache ist gleich der Lange 1 der erzeugenden Linie (profillinie) mal
dem Weg 21T Xo des Schwerpunktes S:
A Xo
A= 21T1x O (1.60)
cm 2 cm cm
mm 2 mm mm
Xo Schwerpunktsabstand von der Drehachse nach 4.2.1
Herleitung der Gleichung: Kleine Teillange f11 erzeugt bei Drehung eine Ringflache f1A = f1/2 1T x.
Die Summe dieser Teilflachen ist die Oberflache A = ~f1A = ~f1/2 1T x = 2 1T ~f11 x. Der Summen-
ausdruck ~f1lx ist nach (1.37) die Momentensumrne aller Teillangen f11 ftir die Drehachse und da-
mit gleich dem Moment der resultierenden Lange I: ~f11 x = Ixo; also A = 21T ~f1lx = 21T 1Xo.

Drehachse = Symmetrieachse IlrF'flnrD" = Symmetrieachse

ILJA

Bild 1.56. Schnitt durch eine Bild 1.57. Schnitt durch einen
Umdrehungsflache Umdrehungskorper

5.2. Rauminhalt V eines Umdrehungskorpers


Dreht sich eine ebene Flache vom Inhalt A nach Bild 1.57 urn eine in ihrer Ebene liegende, sie
nicht schneidende Gerade, die Drehachse, so beschreibt sie einen Umdrehungsk6rper. Jeder Punkt
der Flache beschreibt einen Kreisbogen.

244
I. Statik starrer Korper in der Ebene
Der Inhalt eines Umdrehungskorpers ist gleich der erzeugenden Flache (profilflache) mal dem Weg
2 'If X 0 des Schwerpunktes S:
v A Xo
V=2'1f Axo (I.61)

Xo Schwerpunktsabstand von der Drehachse nach 4.2.2

Herleitung der Gleichung: Kleine Teilflache ~A erzeugt bei Drehung ein Ringvolumen ~ V =
~A 2 'If x. Die Summe dieser Teilvolumen ist der Rauminhalt V = :E~ V = :E~A 2 'If x = 2 'If :E~A x.
Der Summenausdruck :E~Ax ist nach (1.34) die Momentensumme aller Teilflachen ~A fUr die
Drehachse und damit gleich dem Moment der resultierenden Flache A : :E~A x = A Xo; also
V= 2 'If :E~Ax = 2'1fAxo.
Beachte: Fiihrt die erzeugende Linie oder Flache keinen vollen Umlauf (2 'If) aus, so sind die Glei-
chungen I.60 und I.61 mit dem Verhaltnis 0:°/360° malzunehmen; bei 900 -Drehung also mit ~.
Profillinien und Profilflachen durfen die Drehachse nieht durchsetzen. 1st der Schwerpunkt der er-
zeugenden Linie oder Flache nieht bekannt, so konnen auch die Inhalte der Umdrehungsflachen
bzw. -korper nicht berechnet werden. Man kann diese dann im Versuch messen und mit Hilfe der
Guldinschen RegeJn die entsprechenden Schwerpunkte berechnen.

• Beispiel: Bild I.58 zeigt eine Gummidichtung mit Dichte p = 1,35 kg/dm 3 •
Berechne: a) das Volumen, b) die Masse m!
Losung: Die erzeugende Flache wird nach Bild I.58 in die Teilflachen AbA2 zedegt.
AI = 3,60 cm2 A2 = 9,8 cm2
XI = 3,95 cm X2 = 6,0 cm

Nach (1.34) wird

X = 3,6 cm 2 · 3,95 cm + 9,8 cm 2 . 6 cm = 545


o 13,4 cm2 ' cm

Nach (I.61) wird


V= 2'1fAxo = 2'1f·13,4 cm2 . 5,45 cm = 459 cm 3
V= 0,459 dm 3
kg Bild 1.58. Schnitt durch eine
m = Vp = 0,459 dm 3 ·1,35 -3 = 0,62 kg Gummidichtung
dm

6. Standsicherheit, Gleichgewichtslagen
6.1. Arten des Gleichgewichtes
6.1.1. Stabiles Gleichgewicht (Bild 1.59) liegt vor, wenn der Schwerpunkt S bei kleinster Lageande-
rung gehoben wird. Es entsteht immer ein riickstellendes Moment F 1 (aus Kraftepaar G, F), das
den Korper in die stabile Gleichgewichtslage zuruckftihrt. Dort ist die potentielle Energie des Kor-
pers ein Minimum, Schwerpunkt S hat seine tiefste Lage.

245
Mechanik

'm/'
6.1.2. LabHes Gleichgewicht (Bild 1.60) liegt D
DJ Wegdes D
vor, wenn der Schwerpunkt S bei kleinster ? ScfPNerpu7ktes
Lageiinderung gesenkt wird. Es entsteht
So WegAF DoS \~/A ' "
.,~_o
.?\.. S
immer ein ablenkendes Moment Fl, das den des
Korper immer weiter aus der labilen Gleich- I Scfr.ter-
gewichtslage herausflihrt. Dort war die po- punktes fj;
tentielle Energie des Korpers ein Maximum, I
Schwerpunkt S hatte seine hOchste Lage. Bild I.S 9. Stabiles (sicheres) GJeichgewicht

/Is
kt>gdes
6.1.3. Indifferentes Gleichgewicht (Hild 1.61)

~-~
liegt vor, wenn der Schwerpunkt S bei klein-
ster Lageiinderung weder gehoben noch ge-
keg/"" 0 S
senkt wird. Es entstehen weder riickstellende
noch ablenkende Momente: Jede neue Stel-
lung ist wieder Gleichgewichtslage, die po-
des
, SchwerJ
punktes
D

Ff;
oD / 01~~
tentielle Energie ist stets die gleiche, der
Schwerpunktsabstand von der Unterlage ist
Bild 1.60. Labiles (unsicheres) GJeichgewicht
gleichbleibend.

6.2. Standsicherheit
Die auBeren Krafte F 1 , F2 .,. FG bewirken in
bezug auf die gewiihlte Kippkante K stiitzen-
de Momente Ms (Standmomente) und kip-
pende Momente MK (Kippmomente):

~Ms=FIII +FGI
~MK=F2 12 + F313 Bild 1.61. Indifferentes (unentschiedenes) GJeichgewicht

Der Korper ist standsicher, wenn die Summe aIler Stiitzmomente (~Ms) groBer ist als die Summe
der Kippmomente (~MK): Standsicherheit
~Ms
S=-->1 (1.62)
~MK

Bild 1.62
Uberpriifung der Standsicherheit
eines Karpers

Filr S> 1 liegt die Resultierende aller auBeren Krafte innerhalb der Kippkante K, fUr S < 1 auf3er-
halb (Hild 1.62).
Untersuchungen von Standsicherheit von Leitern, Krananlagen, Fahrzeugbewegungen usw. muB fUr
mehrere Kippkanten durchgeflihrt werden.

246
I. Statik starrer Korper in der Ebene
• Beispiel: Ein Schlepper von 1400 kg Masse nihrt nach Bild 1.63 gleichfOnnig eine steile Boschung
hinauf. Wie graB darf der Boschungswinkel a hochstens sein , wenn die Standsicherheit
S = 2 sein soll? Fsina
LOsung: Urn die Kippkante K wirken :
Stiitzmoment Ms = FG cosa · 760 mm
Kippmoment MK=FG sina · 710 mm

Standsicherheit S = Z:
FG cosa . 760 mm
S = =2
FG sina· 710 mm
Bild 1.63. Standsicherheit eines Schleppers

cosa =_1_ =2 . 710 mm = 1 868· a = arctan 1,868 =28,15 0


sina tana 760 mm ' ,
Boschungswinkel a .;;; 28).0
Wie die algebraische Entwicklung zeigt, hat die Gewichtskraft des Schleppers keinen Ein-
fluB auf den maximalen Boschungswinkel und auf die Standsicherheit S.

7. Ebene Fachwerke
Das Fachwerk ist eine Tragkonstruktion (Dachbinder, Briicke, Krane usw.), vorwiegend aus ProfIl-
staben zusammengesetzt. Bei der Bestimmung der in den Stiiben auftretenden Krafte, der Stab-
kriifte, werden folgendll Annahrnen gemacht:
a) Die Stabe sind Zweigeienkstiibe, sollen also nur Zug- oder Druckkriifte aufnehmen (keine Biege-
momente) . Diese Forderung setzt voraus, daB die Stabverbindungen reibungsfreie Gelenke sind,
daB die Wirklinien der Krafte sich in einem Punkte schneiden und daB die auBeren Krafte in den
Gelenkpunkten (Knotenpunkten) angreifen bzw. dort eingeleitet werden.
b) Das Fachwerk soll iiuf3erlich und innerlich statisch bestimmt sein .

Es ist iiuf3erlich statisch bestimmt, wenn die drei Gleichgewichtsbedingungen zur Bestimmung der
Stiitzkrafte ausreichen ('~Fx =0 ; ~Fy =0; ~M= 0). DasFachwerk muB dazu ein zweiwertiges und
ein einwertiges Lager haben. Das zweiwertige Lager kann dabei auch aus zwei Zweigelenkstllben,
das einwertige aus einem Zweigelenkstab bestehen (siehe Bild 1.13).
Das Fachwerk ist innerlich statisch bestimmt, wenn die statischen Gleichgewichtsbedingungen zur
Bestimmung der Stabkrafte ausreichen. Jeder Knotenpunkt stellt ein zentrales Kraftesystem dar,
fUr das zwei Gleichgewichtsbedingungen gelten (~Fx =0; ~Fy =0). Mit k Anzahl der Knoten
stehen also 2k - 3 Gleichgewichtsbedingungen zur VerfU-
gung (- 3, weil drei Gleichgewichtsbedingungen schon zur III
k------=::p....
Bestimmung der Stiitzkrafte verwendet wurden). Mit s Stab-
zahl muB demnach die Bedingung erftillt sein:
k=4Gelenke
s = 2k - 3 (1.63)
J <1---------<1 N
4
1st s> 2k - 3, so ist das Fachwerk statisch unbestimmt, ist Bild 1.64. Bewegliches (kinematisch oder
s < 2 k - 3, so ist es kinematisch (geometrisch) unbestimmt, geometrisch unbestimmtes) Fachwerk;
d.h. beweglich. Diesen Fall zeigt Bild I.64. k =4 , S =4; S < 2·4 - 3

247
Mechanik

Lageplan x~ =0=+Ij.+Fa-Xl'i3
gewiihlter Kraftfolgesinn
XMb)=0=-1j,·6m+!j·4,5m+~·3m+fj·1.5m
F:. _ 3(X}()'4,5m+5{X)()N-3m+4fXJON'1,5m
A- 6m
e: ~ = 5750N
~
Fa = !j +fj+fj-Ij, = 6250N
I
Ij,=S7S0N tg=6250N
!j=3000N fj =SfXJO N fj =4fXJO N
l,Sm l.Sm l.Sm 1,5m
Stabkrdfte in N 1)
13+
Stob Zug Druck
Fe Nr.
1 8132
w 1r
2 5750
fj 3 5750
10+
4 5750
5 3960
4-
7+ 6 8550
8-
~
7 5000
fj 8 6250
9 3182
3+
10 8550
!j 11 6250
2'
12 8839
.!!! 13 6250
'5:§
'« 1) gerechnete Werte

Bild 1.65. Cremonapian (zeichnerische Bestimmung samtlicher Stabkriifte)

7.1. Bestimmung der Stabkriifte bei Fachwerken mit einfachem Aufbau


Das einfache Faehwerk besteht aus aneinander gereihten Dreieckwerbiinden und hat mindestens
einen Knotenpunkt mit nur zwei unbekannten Stabkraften.

7.1.1. Der Cremonaplan (Bild 1.65) dient zur zeiehnerisehen Bestimmung samtlieher Stabkrafte. Es
wird die Erkenntnis benutzt, d~ sieh ein Faehwerk im Gleiehgewieht befindet, wenn an jedem
seiner Knoten Gleiehgewicht herrscht. Man reiht die fUr jeden Knoten gezeichneten gesehlossenen
Krafteeke derart aneinander, d~ jede Stabkraft nur einmal erseheint. Das wird erreicht, wenn die
Krafteeke fUr jeden Knotenpunkt im einmal gewahlten Kraftfolgesinn aufgebaut werden, z.B. wie
in Bild 1.65 reehts urn den Knoten herumlaufend.

248
I. Statik starrer Korper in der Ebene

Arbeitsplan zum Cremonapian


Stiitzkrafte zeichnerisch oder rechnerisch bestimmen.
Lageplan des Fachwerkes zeichnen. Krafteck der au&ren Krafte zeichnen.
Kraftecke der Stabkrafte anbauen, fUr jeden Knoten eines, Reihenfolge der Knoten beliebig,
jedoch an jedem Knoten den einmal gewlihlten Kraftfolgesinn beibehalten.
Nach jeder Krafteckzeichnung sofort Richtungssinn der Stabkrafte ermitteln und durch Pfeile
im Lageplan kennzeichnen (stets in bezug auf den Knoten!).
Gegenpfeile am Stab im Lageplan eintragen (keine Pfeile im Krafteplan!).
1m Krafteplan Stabkrafte durch Plus- oder Minuszeichen als Zug- oder Druckkrafte kenn-
zeichnen.
Stabkrafte aus dem Krafteplan abgreifen.

Beachte: AIle Kraftpfeile im Lageplan ergeben sich aus dem Umfahrungssinn des geschlossenen
Kraftecks im Krafteplan. Der Pfeil des Stabes 1 am Knoten I mu~ zum Knoten zeigen, weil im
Krafteplan der Umfahrungssinn beim Stab 1 von rechts oben nach
links unten erfolgt. Die Pfeilrichtung ist stets in bezug auf den Knoten
zu lesen, d.h. der Stab 1 drockt auf Knoten I, ist also einDruckstab
(Bild 1.65). F
1 Stab 2. Stab
Jedes Krafteck mu~ sich schlie~en. 1st das Fachwerk symmetrisch
aufgebaut und symmetrisch belastet, geniigt eine Halfte des Cremona-
planes.
Blindstabe (Nullstabe) iibertragen keine Kraft; sie dienen zum Aus-
steifen des Fachwerkes und konnten auch weggelassen werden, ohne Bild 1.66. Stabkraft 3 ist gleich
d~ die statische Bestimmtheit des Systems aufgehoben wird. Sie der Belastung F
werden im Cremonaplan nicht beriicksichtigt. Sie stehen immer dort,
wo an einem unbelasteten Knoten zwei von drei Stab en in eine Gerade fallen. Der dritte ist ein
Blindstab. Wird der Knoten, wie in Bild 1.66, durch F belastet, so ist die Stabkraft gleich der in
Stabrichtung angreifenden Kraft F.
7.1.2. Das Culmannsche Schnittverfahren dient der zeichnerischen Bestimmung einzelner Stab-
krafte, ohne d~ der ganze Krafteplan gezeichnet werden mufl,. Das Fachwerk wird durch einen
Schnitt so in zwei Teile zerlegt (etwa wie in Bild 1.67), d~ nicht mehr als drei Stabe mit unbekann-
ten Kraften getroffen werden. Die drei Stabe diirfen nicht zum selben Knoten gehOren. Durch den
Schnitt sind die inneren Stabkrafte zu au~eren Kraften gemacht worden, die nun mit Hilfe des
Vierkriifteverfahrens mit den gegebenen au~eren Kraften ins Gleichgewicht gesetzt werden miissen.
Dazu mu~ zunachst rechnerisch oder zeichnerisch (Seileckverfahren) die Resultierende aller am
abgeschnittenen Teil angreifenden aufl,eren Krafte bestimmt werden.

Arbeitspian zum Culmannschen Schnittverfahren


Stiitzkrafte zeichnerisch oder rechnerisch bestimmen.
Fachwerk durch Schnitt in zwei Teile zerlegen; Schnitt darf hOchstens drei Stabe treffen.
Lageplan eines der beiden Fachwerkteile zeichnen.
Resultierende (Betrag, Richtung und Wirklinie) der au~eren Krafte einschlie~lich der Stiitz-
krafte des Schnitteiles bestimmen, meistens zeichnerisch mit Seileckverfahren.
Resultierende mit einer der gesuchten Stabkrafte zum Schnitt bringen.
Verbindungslinie zwischen diesem Schnittpunkt und dem Schnittpunkt der beiden anderen
Stabkrafte ist die CUlmannsche Gerade.
Nach "Vierkrafteverfahren" das Krafteck zeichnen.

249
Mechanik
7.1.3. Das Rittersche Schnittverfahren (Bild 1.67) dient der rechnerischen Bestimmung einzelner
Stabkrafte. Das Fachwerk wird wie beim Culrnannschen Schnittverfahren durch einen Schnitt
x - x so in zwei Teile zerlegt, d~ nicht mehr als drei Stabe mit unbekannten Kraften getroffen
werden. Die inneren Stabkrafte sind damit zu auf.\eren Kraften gemacht worden, die nun mit Hilfe
der Momentengleichgewichtsbedingung mit den gegebenen au~eren Kraften ins Gleichgewicht ge-
setzt werden miissen. Dazu mu~ - bei drei unbekannten Stabkraften - die Momentenbedingung
~M = 0 dreimal angesetzt werden (siehe auch 2.2.4). Die drei Stabkrafte werden zunachst als Zug-
krafte angenommen. Stabe, fUr die die Rechnung negative Betrage ergibt, sind Druckstabe, in Bild
1.67 also S4 und S5. Die Hebelarme der Krafte in bezug auf die gewahlten Drehpunkte werden be-
rechnet oder dem Lageplan entnommen. Die gefundenen Betrage fUr die Stabkrafte miissen mit
den Ergebnissen des Cremonaplanes iibereinstimmen.

XI'1IJlIII) =0=-54'a-!i'c
III -F.·c 5750N·15m
S4=_A_=- • --5750N
a 1.5 m fDruckstablJ
X""rm) =0=+.$6 ·a+Ff ·d-!i (c+d)
!i (c+d) -If'd
56 = a - 8500N (Zugstab!)

XI'1IIl) =0=-!i·c+5i;·a+5sb
!i=5750 N ~c-56'a
55 - b =-3870N (Druckstab!)
I--------'c'---=I. F,= 3000N

BUd 1.67. Ritterscher Schnitt durch die Stlibe 4, S, 6

7.2. Bestimmung der Stabkriifte bei Fachwerken mit nicht einfachem Aufbau
Bei die sen Fachwerken ist ein Knoten, an dem nur zwei unbekannte Stabkrafte angreifen, nicht
vorhanden. Bevor der Cremonaplan gezeichnet werden kann, mu~ daher erst wenigstens eine der
Stabkrafte auf andere Weise bestimmt werden. Dazu kann das Culmannsche oder das Rittersche
Schnittverfahren verwendet werden.

8. Reibung

8.1. Gleitreibung
Ein fester Korper, z.B. der Werkzeugtrager einer Drehmaschine, kann auf ebener Unterlage mit
konstanter Geschwindigkeit nur dann verschoben werden, wenn eine Kraft F die tangential zur
Gleitflache wirkende Reibkraft FR iiberwindet (Bild 1.68). Die Richtung der Reibkraft FR am frei-
gemachten Korper ist stets der (zu erwartenden) Bewegungsrichtung des Korpers entgegengesetzt.
Die Reibkraft FR ist abbiingig von der senkrecht zur Unterlage wirkenden Normalkraft FN und
iJ.
der Gleitreibzahl (kurz Reibzahl):

Gleitreibkraft FR = Normalkraft FN X Gleitreibzahl iJ.


~1~1iJ. (1.64)

250
I. Statik starrer Korper in der Ebene

Tafel 1.2. Gleitreibzahl Il und Haftreibzahlll o (Klammerwerte sind die Gradzahlen fliT
den Reibwinkel p bzw. Po)

Haftreibzahl Ilo Gleitreibzahlll


Werkstoff
trocken gefettet trocken gefettet

Stahl auf Stahl 0,15 (8,5) 0,1 (5,7) 0,15 (8,5) om (0,6)
Stahl auf GG oder Bronze 0,19 (10,8) 0,1 (5,7) 0,18 (10,2) 0,01 (0,6)
GGaufGG 0,16 (9,1) 0,1 (5,7)
Holz auf Holz 0,5 (26,6) 0,16 (9,1) 0,3 (16,7) 0,08 (4,6)
Holz auf Metall 0,7 (35) 0,11 (6,3) 0,5 (26,6) 0,1 (5,7)
Lederriemen auf GG 0,3 (16,7)
Gummiriemen auf GG 0,4 (21,8)
Textilriemen auf GG 0,4 (21,8)
Bremsbelag auf Stahl 0,5 (26,6) 0,4 (21,8)
Lederdichtungen auf Metall 0,6 (31) 0,2 (11,3) 0,2 (11,3) 0,12 (6,8)

Die Gieitreibzahlll ist ein Erfahrungswert und abhangig von der Werkstoffpaarung, der Schmierung,
der Flachenpressung und der Gleitgeschwindigkeit; letzteres hauptsachlich bei fliissiger Reibung.
Ein gesetzma~iger Zusammenhang dieser Gr6~en la~t sich bei trockener und halbfliissiger Reibung
nicht aufstellen. Man rechnet deshalb mit einer konstanten Gleitreibzahl nach Tafell.2.

Fk
___ v =konstont
FN
'7; Reibkraft Fk ~

'"~
/.
~ P
p~
'7; ~

F
freigemachte
Lageplan freigemachter Korper Unterlage Krdfteplan
Bild 1.68. Gleitreibung auf ebener Flache

Die Gleichgewichtsbedingungen flir den freigemachten Karper nach Bild 1.68 lauten:
"LFx = 0 =+F-FR F=FR =FN Il=FGIl
"LFy = 0 = + FN - FG FN =FG
FRh
1=-
FN

Fund FR bilden ein Kraftepaar, dem bei Gleichgewicht ein gleichgro~es Kraftepaar aus FG und FN
entgegenwirkt. Die Wirklinie von FN mu~ deshalb urn 1 gegeniiber der Wirklinie von FG verschoben
sein.
Beachte: Normalkraft FN = Gewichtskraft FG gilt nur bei horizon taler Unterlage und dazu paralle-
ler KraftF!
Bei allen zeichnerischen Uisungen ist es zweckma~ig, mit der Resultierenden aus Reibkraft FR
und Normalkraft FN , der Ersatzkra{t Fe, zu arbeiten (Bild l.68):

Fe
=JF2
RN +F2 (l.65)

251
Mechanik

Der Winkel zwischen Ersatzkraft Fe und Normalkraft FN heiBt Reibwinkel P (Zahlenwerte aus
Tafel 1.2). Aus dem Krafteplan in Bild 1.68laBt sich in Verbindung mit (1.64) ablesen:
FR
tan P = FN = Reibzahl Jl P = arctan Jl (1.66)

8.2. Haftreibung
Befindet sich der Korper in Bild I.68 in Ruhe, so ist eine groBere Kraft aufzuwenden (FRO> F)
urn den Korper in Bewegung zu setzen: Die Haftreibkraft FRO ist groBer als die Gleitreibkraft
FR(FRo >FR). Man rechnet dann mit der etwas groBeren Haftreibzahl /J.o nach Tafel 1.2. Wah·
rend die Gleitreibkraft FR einen festen Wert besitzt, kann die Haftreibkraft FRO von Null anstei-
gend jeden beliebigen Wert annehmen, bis die verschiebende Kraft F den Grenzwert FROmax er-
reicht hat:
F ROmax ::; FN Jlo
(1.67)
/J.o = tan Po Haftreibzahl

8.3. Bestimmung der Reibzahlen und Selbsthemmung


Befindet sich ein Prtifkorper der Gewichtskraft FG auf einer schiefen Ebene mit veranderlichem
Neigungswinkel 0: nach Bild I.69 (Versuchsanordnung), so ergeben die Gleichgewichtsbedingungen
flir den freigemachten ruhenden Prtifkorper:

'LFx = 0 = + FRO - FG sino:; FRO = FG sino:


'i.Fy = 0 = + FN - FG coso:; FN =FG coso:
FG sino:
F. = tan 0:, wie auch das Krafteck zeigt.
G coso:

Versuchsanontnung freigemachter Kdrper Krdftep/an

Bild 1.69. Bestimmung der Reibzahl

Es kann nun derjenige Winkel 0: festgestellt werden, bei dem der Prtifkorper gerade gieichfOrmig
abwarts gieitet, dann ist nach (I.66) tan 0: = tanp = Gleitreibzahl /J. gefunden. Ebenso wird /J.o er-
mittelt.
Der Korper bleibt auf einer schiefen Ebene solange in Ruhe, d.h. es liegt Selbsthemmung vor, so-
lange der Neigungswinkel 0: einen Grenzwinkel Po nicht tiberschreitet. Selbsthemmungsbedingung:

tan 0: ::; tanpo; tano: ::; /J.o Po = arctan /J.o (I.68)

252
I. Statik starrer Korper in der Ebene

8.4. Reibungskegel
1st die Haftreibzahl /J.o (oder bei Gleiten des Karpers die Gleit-
reibzahl /J.) bekannt, so ist nach (I.66 bzw. I.67) auch der Reib-
winkel Po (p) gegeben und es kann der Reibungskegel nach
Bild 1.70 gezeichnet werden.
Dazu wird eine urn den Reibwinkel Po geneigte Gerade urn die
Pfeilspitze von FG gedreht. Der Karper bleibt solange in Ruhe,
wie die Resultierende Fres der iiut1eren Kriifte innerhalb des
Reibungskegels liegt. Jede Mantellinie des Reibungskegels ist
eine Wirklinie der aus Reibkraft FRO und Normalkraft FN
(hier FG = FN ) zusammengesetzten Ersatzkraft Fe. Die Wirk-
linie dieser Ersatzkraft wird bei der zeichnerischen Lasung von
Aufgaben mit Reibung immer gebraucht. Beispiele siehe
Bild 1.73.

8.5. Anleitung zur zeichnerischen und rechnerischen Losung


von Aufgaben mit Reibung Bild 1.70. Reibungskegel
FG Gewichtskraft des Kiirpers,
Bei der zeichnerischen Lasung wird die Oberlegung benutzt, F Verschie bekraft,
dat1 mit der Reibzahl /J. nach (I.66) auch der Reibwinkel P Resultierende aus Fund FG,
bekannt ist. Damit liit1t sich die Wirklinie der Ersatzkraft Fe Normalkraft, FRO Haftreibkraft,
zeichnen. Zweckmiit1ig fertigt man eine Lbsungsskizze an, in Ersatzkraft (Resultierende) aus
der zuerst die Reibkraft FR und die Normalkraft FN zur Er· FNundF RO
satzkraft Fe vereinigt werden (FR 1 FN)' Der Winkel zwischen
FN und Fe ist der Reibwinkel p.
Bei der rechnerischen Lasung wird in allen Gleichungen nach (I.64) FR =FN /J. gesetzt. Dann
ergeben sich meist Gleichungen mit einer Unbekannten.

• Beispiel: Zwei glatte Holzbalken liegen in horizontaler Stellung aufeinander, der untere festge-
klemmt. Die Gewichtskraft FG des oberen Karpers betriigt 500 N. Urn ihn aus der Ruhe-
lage anzuschieben, ist eine parallel zur Auflagefliiche wirkende Kraft von Fo = 250 N
erforderlich. Beim gleichfbrmigen Weiterschieben sinkt die Kraft auf F= 150 N. Gesucht:
Haft- und Gleitreibzahl fiir Holz auf Holz.

Fo 250 N
Losung: Fo =FRO max =FN /J.o = FG /J.o; /J.o = FG = 500 N = 0,5
F 150N
/J. = FG = 500 N = 0,3

• Beispiel: Der Kreuzkopf einer Dampfmaschine driickt im Betrieb mit einer mittleren Normalkraft
von 3500 N auf seine Gleitbahn. Die Drehzahl der Maschine betriigt 150 min -1, der Kol-
benhub H = 500 mm. Reibzahl 0,06.
Bestimme: a) die mittlere Geschwindigkeit des Kreuzkopfes, b) die Reibkraft am Kreuz-
kopf, c) den Leistungsverlust infolge Reibung!

LOsung: a) v = §. = 2 nH = 2 ·150· 0,5 m = 2 5 !!!.


t 60 s ' s
b) FR =FN/J.= 3500 N'0,06 = 210 N
c) Reibleistung P R =FR V = 210 N· 2,5 !!!. = 525 Nm = 525 W
s s

253
Mechanik

• Beispiel: Die Kurbelwelle einer Brikettpresse hat 24000 N Gewichtskraft. Ihre Lagerzapfen haben
410 mm Durchmesser. Die Welle tragt ein Schwungrad von 102000 N Gewichskraft; am
Kurbelzapfen nimmt sie 7000 N der Schubstangengewichtskraft auf. Die Zapfemeibzahl
betragt beim Anfahren 0,08.
a) Wie grol.\ ist die gesamte Reibkraft am Lagerzapfenumfang beim Anfahren?
b) Welches Drehmoment ist zur Oberwindung der Reibung erforderlich?
Losung: a) FR P = FG P = (24000 + 102000 + 7000) N . 0,08 = 10 640 N
b)M= FRr = 10640 N· 0,205 m = 2181 Nm
• Beispiel: Auf den Kolben eines senkrecht stehenden Dieselmotors wirkt ein Druck von lObar =
10 '10 5 N/m 2 , wobei die Pleuelstange urn a = 12° zur Senkrechten geneigt ist. Kolben-
durchmesser 400 mm; Reibzahl zwischen Kolben und Zylinderwand 0,1.
Bestimme: a) die Kolbenkraft F k ; b) die Normalkraft FN zwischen Kolben und Zylinder-
wand; c) die Reibkraft FR an der Zylinderwand; d) die Druckkraft Fs in der Pleuelstange!

LOsung: a) Fk = pAk = 10 '10 5 ; • ~. (0,4 m)2 = 125700 N


b) Aus Bild 1.10 lassen sich die beiden Gleichgewichtsbedingungen ablesen:
Fk -FNP
I. ~Fx=O=+Fk-FR-Fscosa Fs = cosa
II. ~Fy=O=+FN-Fssina

Gleichgesetzt :

F -F =F cosa =F _1_ 1
Fk =FN ( --+p ) =FN (l+Ptana)
k NP N sina N tana tan a tan a

F = Fk tan a = 125 700 N· 0,2126 = 26170 N


N I + P tan a 1 + 0,1 . 0,2126
c) FR =FNP = 26170 N· 0,1 = 2617 N

d)F = :N =26170N=125900N
s sma 0,2079

8.6. Reibung auf der schiefen Ebene (Bild 1.71)


Auf der unter Winkel a geneigten schiefen Ebene findet sich ein Korper mit der Gewichtskraft FG •
Gegeben: Neigungswinkel a> p, Gewichtskraft FG , Reibzahl P (Reibwinkel p); gesucht: Parallel
zur Ebene wirkende bzw. waagerechte Kraft F. In allen Fallen der Ruhe oder gleichfOrrnigen Be-
wegung des Korpers miissen die Krafte F, FG und Fe (= Ersatzkraft von Reibkraft FR und Normal-
kraft FN ) ein geschlossenes Krafteckt bilden. Die Berechnungsgleichungen (I.69 ... I.72) konnen
aus den Krafteckskizzen direkt abgelesen werden.
Kraft F wirkt in Richtung der Ebene (Bild 1.71 a und 1.71 b)
Kraft F zum gleichfOrmigen Aufwlirtsgang ( +) und Abwartsgang (-)
sin(a±p) .
F = FG cosp = FG (sma ± P cos a) (1.69)

Kraft F zum Halten des Korpers


sin(a - Po)
F=FG cOSPo FG (sina-po cos a) {I.70)

254
I. Statik starrer Korper in der Ebene

Krafteckskizze und daraus abge1esene


Logeplan /(ijrper freigemacht
Gleichung

(1.69)

F=F. . sin(a:!p)
G cosp
='7;' (sina:!f,J.· cos a)

~
b v=o F (1.70)

~.

F=F. . sin (a-Po)


G cosPo
a If; F='7; .(sin a-f,J.o·cos a)

~
c rJf}' ~ (l.71) ~~~-r.;?a

~ a
~~¥i
If;
F
~.
4.
~
F[;·sina \ F
Fe
F={j;' tan (a:!p)
F=F. . sina:!jJ.cosa
a G cosa:!f,J.·slna
If; .cosa

d
(1.72)

~
=o 71

F '7;·sina
F=FG · tan(a-[Jo)
a '7; F=F. . sina-f.J.o.cosa
G cos CL+f,J.o 'smCL

Bild 1.71. Reibung auf der schiefen Ebene; FG Gewichtskraft des Korpers oder Resultierende aller Belastungen,
FVerschiebe- oder Haltekraft, FR Reibkraft, FN Normalkraft, Fe Ersatzkraft

Kraft F wirkt waagerecht (Bild l.71c und 1.71 d)


Kraft F zum gleichfOrmigen Aufwiirtsgang (+) und Abwiirtsgang (-)
sina ± J.lcosa
F=FG tan(a±p)=FG . (1.71)
cos + J.lsma
Kraft F zum Halten des Karpers
sin a - J.lo cos a
F =FG tan (a - Po) =FG -c-os-a-+-J.l-o-s-in-a- (1.72)

1st der Neigungswinkel a gleich oder kleiner als der Reibwinkel p (a ~ p) oder kleiner als Po, so
liegt Selbsthemmung vor. In den Gleichungen fUr die Abwiirtsbewegung und das Halten des Kar-
pers wird die Kraft F negativ (bei a ~ p), d_h_ zur Abwiirtsbewegung mu~ eine abwiirts gerichtete

255
Mechanik

Kraft eingesetzt werden und zum Halten ist tiberhaupt keine Kraft erforderlich (0: ~ Po), oder F
wird gleich'Null (0: = Po), d,h, der ruhende Karper bleibt allein gerade noch in Ruhe und der ab-
wartsgleitende Karper gleitet allein weiter (0: = p), Die Krafteckskizzen in Bild 1.71 a und c sind fUr
den Fall der gleichformigen AujWlirtsbewegung gezeichnet; bei der Abwartsbewegung wtirde sich
die Richtung der Reibkraft F R urnkehren und es konnten die entsprechenden Gleichungen mit
negativem Vorzeichen (1.69 und 1.71) ebenfalls direkt abgelesen werden,
Die beiden Formen in (1.69 und 1.70) ergeben sich auseinander bei Verwendung von tanp = J.l in
Verbindung mit den entsprechenden Summenformeln derTrigonometrie wie sin (0: + 13) = sino: cos 13
+ coso: sin 13 (siehe Mathematik),
Die rein rechnerische Behandlung mit Hilfe der Gleichgewichtsbedingungen ~Fx = 0; ~Fy = 0 lie-
fert die gleichen Beziehungen, jedoch ist der mathematische Aufwand groBer.

8.7. Reibung in Getrieben


8.7.1. Keilnutreibung (Bild 1.72). Die Anwendung der drei Kraft-Gleichgewichtsbedingungen fUr
den freigemachten Schlitten liefert:
I. ~Fx=O=FNCOSo:-FNCOSO:

II. ~ Fy = 0 = 2 F N sin 0: - F J
III. ~Fz =0=F-2FR =F-2FN J.l
Wird II. in III. eingesetzt, so ergibt sich
~ J.l~
F = 2 -2-'- J.l,
~o:
also die Verschiebekraft F = -,-
~o:
= J.l' F J (1.73)

Darin ist die Keilnut-Reibzahl


,_ J.l
J.l - sino:
(1.74)

--v=konst.

Bild 1.72, Keilnutreibung; Schlitten freigemacht; F J Resultierende alief Belastungen

8.7.2. Zylinderfuhrung (Bild 1.73), Die Ftihrungsbuchse klemmt sich fest, solange die Wirklinie der
resultierenden Verschiebekraft F durch die Dberdeckungsflache der beiden Reibungskegel geht.
Dann stehen die Sttitzkrafte (= Ersatzkrafte aus Reibkraft FR und Normalkraft F N) mit der Kraft F
im Gleichgewicht; ihre Wirklinien schneid en sich in einem Punkt, der innerhalb der Dberdeckungs-
flache liegt.
Die drei Gleichgewichtsbedingungen ergeben:
I. ~Fx = 0 = +FR1 +FR2 -F

II. ~Fy = 0 = + FNI - F N2 ; also FNI =FN2 und damit auch FRI =FR2
III. ~M(II) = 0 = - FRI d + FNll- FUa -dj2)

256
I. Statik starrer Korper in der Ebene

Mit FR =FNIl und F= 2FR aus Gleichung Iwird


Gleichung III weiterentwickelt:

III. FNlld -FNI + 2FNIl (/a -~) = 0


d
Ild-l+21l 1a -21l"2 =0

Daraus ergibt sich die Fiihrungsliinge

(1.75)

Bei I < 2 ilia klemmt sich die Buchse fest, bei


I> 2 ilia gleitet sie. Festklemmen oder Gleiten ist
unabhlingig von der verschiedenden Kraft F. Bild 1.73. Krafte an Zylinderflihrung

8.7.3. Keilgetriebe (Bild 1.74). Durch Verschieben des Keiles 2 in Richtung der Kraft F wird der
mit F I belastete StoBel 1 angehoben. Zeichnerisch und rechnerisch soIl die Verschiebekraft F be-
stimmt werden. Gegeben: Flo Reibzahlen Ilb 1l2' 113 und Winkel Q.
Zeichnerische L6sung: Zuerst sind die Lageplane der freigemachten Teile 1 und 2 zu zeichnen. Da
FI gegeben ist, wird mit StOBel 1 begonnen. Auf ihn wirken die drei Krafte Flo Fel , Fe2 , letztere
sind die Ersatzkrafte aus Reibkraft und Normalkraft. Aus Il = tanp sind die Reibwinkel PI und P2
bekannt, so daB die Wirklinien der Ersatzkrafte F el , Fe2 festliegen. Wird im Krafteplan die ge-
gebene Kraft FI hingelegt, so kann durch Parallelver-
schiebung der Wirklinien der Ersatzkrafte das geschlos-
sene Krafteck 1 gezeichnet werden. F e2 ' = - Fe2 ist
die Reaktionskraft von Fe2 . 1m gesamten Getriebe Lageplan
sind beides innere Krafte, also gleichgroB, gegensinnig
und auf gemeinsamer Wirklinie liegend. Mit P2 und
P3 sind am Keil 2 die Wirklinien der dort angreifen-
den Ersatzkrafte F e2 ', Fe3 bekannt, so daB durch
Parallelverschiebung der Wirklinien von Fe3 und F
das Krafteck 2 and 1 angeschlossen werden kann. Die
Zerlegung der Ersatzkrlifte Fe in Reibkraft FR und
Normalkraft FN vervollstlindigt den Krafteplan. Die
gesuchte Verschiebekraft F kann daraus abgegriffen
werden.

Bild 1.74. Keilgetriebe;


!jlgegeb.! Krafte beim Anheben
des Stol.\els
D~------------------~
F,gesuchtJ
257
Mechanik
Rechnerische L6sung: Neben der analytischen Losung mit Hilfe der Gleichgewichtsbedingungen
,£Fx = 0; ,£Fy = 0 wird hliufig von der Moglichkeit Gebrauch geamcht, das Krafteck zu skizzieren
(Krafteckskizze) und trigonometrisch auszuwerten, z.B. wie hier mit dem Sinussatz. Aus Bild 1.74
liest man ab:
FI sin 13 sin[900-(a+PI +P2)] cos(a+PI +P2)
- =--= und
Fe2 sin"), sin(900+PI) COSPI
F sinb sin (a + P2 + P3) sin (a + P2 + P3)
- - - - - - - ' - . Daraus wird
Fe2 sin € sin (90° - P3)
F [sin (a + P2 + P3)] COSPI
FI (COSP3) cos (a + PI + P2)

Daraus ergibt sich die Verschiebekraft


sin (a + P2 + P3) COSPI
F=F (1.76)
I cos (a + PI + P2) COSP3
Mit gleichen Reibzahlen wird PI = P2 = P3 und die Verschiebekraft

F = F sin (a + 2 p) cos P = F tan (a + 2 p) (1.77)


I cos (a + 2p) cosp I

Ohne Reibung ware die ideelle Verschiebekraft Fi = FI tana. Damit ergibt sich der Wirkungsgrad
des Keilgetriebes beim Heben der Last

Fi FI tan a tan a
(1.78)
1/ = F = FI tan (a + 2p) = tan(a + 2p)

Die Haltekraft F', die ein Herausdriicken des Keiles verhindert, ist

F'=Fltan(a-2p) (1.79)

1st der Neigungswinkel a < 2 Po, so wird F' negativ, d.h. das Keilgetriebe ist selbsthemmend; urn
es zu losen, mu~ eine Kraft F' den Keil herausziehen.

8.7.4. Schraube
8.7.4.1. Bewegungsschraube mit Rechteckgewinde (Bild 1.75). Das Anziehen (He ben der Last)
oder Losen (Senken der Last) einer Bewegungsschraube entspricht dem Hinaufschieben oder Her-
abziehen einer Last auf einer schiefen Ebene durch eine waagerechte Umfangskraft, wie es in den
Bildern 1.71 c und 1.71 d dargestell t ist.
Es bezeichnet F Schraubenlangskraft = Vorspannkraft in der Schraube; Fu Umfangskraft, angrei-
fend am Flankenradius r2; FR Reibkraft im Gewinde; FN Normalkraft; a Steigungswinkel der
mittleren Gewindelinie; P Steigung der Schraubenlinie; P Reibwinkel; tanp = JJ. = Reibzahl im
Gewinde. In den Gewindenormen hei~t der Flankendurchrnesser d 2 •
P
tana=--=--
P
(1.80)
2nr2 nd 2

Unter Verwendung der hier giiltigen Formelzeichen wird nach (1.71) die Umfangskraft beim An-
ziehen (+) und Losen (-) der Schraube

Fu = Ftan(a ± p) (1.81)

258
I. Statik starrer Korper in der Ebene
Die Umfangskraft Fu wirkt am Flankenradius r2 als Hebelarm; somit ergibt sich das erforderliche
Drehmoment beim Anziehen (+) und Losen (-) der Schraube
(1.82)
Ohne Reibung (p = 0) ware die ideelle Umfangskraft F j = F tan a. Damit ergibt sich der Wirkungs-
grad der Bewegungsschraube
Fj Ftana
1)= Fu =Ftan(a+p)
tan a tan (a - p)
1) = tan (a + p) 1) = tan a (1.83)

beim Anziehen oder Heben der beim Absinken der Mutter


Mutter durch die Schraube (absinkende Mutter dreht Schraube)
Selbsthemmend tritt auf bei a :s; Po, das Drehmoment M wird dann negativ oder null; negatives M
mu~ dann zum Losen (Senken) aufgebracht werden.
1m Grenzfall a = Po ist der Wirkungsgrad

= tana "'" 0 5 (1.84)


1) tan 2 a '

1A

Bild 1.76. Befestigungsschraube


Bild 1.75. Krafte am Flachgewindegang und Schrauben- Fv Vorspannkraft, Fh Handkraft,
liingskraft am Gang eines S pitzgewindes FRA Auflagereibkraft

8.7.4.2. Bewegungsschraube mit Spitz- und Trapezgewinde. Nach Bild 1.75 ist die senkrecht zur
Flache des Gewindeganges stehende Komponente der Schraubenlangskraft F die Normalkraft
FN = Flcos (fi12).
Die Reibung im Gewinde ist damit gro~er als beim Flachgewinde:
F
FNJ1. = J1.-- (1.85)
cos 1!.
2
Man setzt nun
_J1._ = J1.' =tanp' (1.86)
cos~
2

und kann damit die oben fur das Rechteckgewinde aufgestellten Beziehungen (1.81 ... 1.83) auch
fur Schrauben mit Spitz- oder Trapezgewinde benutzen, wenn man p durch p' bzw. J1. durch J1.'
ersetzt.
Flir Trapezgewinde nach DIN 103 ist J1.' = 1,041l
Fili Metrisches ISO-Gewinde nach DIN 13 ist Il' = 1,15 Il
259
Mechanik

8.7.4.3 Be[estigungsschraube mit Spitzgewinde. Durch das Anziehen der Mutter( oder der Schraube)
nach Bild 1.76 mit demAnziehdrehmoment
(1.87)
wird in der Schraubenverbindung die Schraubenlangs· (Vorspann·)kraft Fv erzeugt. Sie prefM die
verbindenden Teile aufeinander. Dem AnziehdrehmomentMA wirken das GewindereibmomentMRG
und das AuflagereibmomentMRA entgegen.
Bild 1.76 zeigt die Auflagereibkraft FRA mit einem angenommenen Wirkabstand rA = 1,4 r fiir
Sechskantmuttern. r = d/2 mit d = Gewindeaufilendurchmesser.
Die Auflagereibkraft FRA wird mit /J.A als Reibzahl der Mutterauflage: FRA = Fy /J.A und damit
das Auflagereibmoment
(1.88)
Wird Gleichung (1.81) fiir das Gewindereibmoment MRG eingesetzt, so ergibt sich das Anzieh·
drehmoment zum Anziehen (+) und LOsen (-) einer Schraubenverbindung

MA = Fy [r2 tan (a ± p') + /J.A rAJ (1.89)


Fiir Gewinde mit metrischem prom (Stahl auf Stahl) setze man flir Oberschlagsrechnungen:
/J.' = tanp' = 0,25; p' = 14° und /J.A = 0,15; ebenso flir rA = 1,4r

• Beispiel: Die Zylinderkopfschrauben M 10 eines Verbrennungsmotors sollen mit einem Drehmo·


ment von 60 Nm angezogen werden. Die Reibzahl an der Kopfauflage sei 0,15, im Ge·
winde betragt sie /J.' = 0,25. Mit welcher Kraft prefilt jede Schraube den Zylinderkopf auf
den Zylinderblock?

LOsung: Fiir M 10 ist nach Gewindetafel VII.9 r2 ~ 4,5 mm und a = 3,03°


/J.' = tan p' = 0,25; p' = 14°
tan(a+p')=0,306; ra=I,4r=7mm
MA
Fy = r2 tan (a + p') + /J.ArA
60 '103 Nmm
Fy = 4,5 mm' 0,306 + 0,15' 7 mm
Fy = 24 722 ~ 24,7 kN

8.8. Lagerreibung
8.8.1. Tragzapfenreibung, Querlager (Bild 1.77). Die mittlere Fliichenpressung irn Lager betragt

Pm F d,l
F
Pm = dl N (1.90)
N mm
mm 2
Bei trockener (Anlau£) und halbfliissiger Reibung verlagert sich der Angriffspunkt von F' = F urn I
entgegen der Drehrichtung. Es ist dann die Reibkraft FR = /J.FN =FN tanp = F sinp. Setzt man
sin p = /J. = Zapfenreibzahl, so wird das dem Wellendrehmoment entgegengerichtete Reibmoment

MR I F I /J.I r (1.91 )
Nm N 1 m

260
I. Statik starrer Korper in der Ebene
Dreht sich der Lagerzapfen mit der Umfangsgeschwindigkeit v = w r = 2 rrn remit w Winkelgeschwin-
digkeit, r Zapfenradius, n minutlicher Dehzahl), so betragt die Reibleistung

(I.92)
Nm=W Nm N m min-I
s

Zapfenreibzahl J.l ist empirisch zu bestimmen.

Bei jlilssiger Reibung (siehe Maschinenelemente) trennt ein Schmiermittelfilm Zapfen- und Scha-
lenwerkstoff; es bildet sich ein Oikeil aus, der den Zapfen aus der Mittellage in Drehrichtung ver-
lagert (im Gegensatz zur trockenen Reibung).
In Wirklichkeit sind die Verhaltnisse bei der Lagerreibung sehr kompliziert, weil sich keine Gesetz-
ma~igkeiten zur Druckverteilung und Zapfenreibzahl aufstellen lassen.

~
dlZUfUhr
rm
Bild 1.77. Krafte bei trockener Tragzapfen-
reibung
FWellenlast, FN Normalkraft, FR
FR Lagerreibkraft, MWellendrehmoment,
MR Reibmoment Bild I.78. Spurzapfenreibung

8.8.2. Spunapfenreibung, Liingslager (Bild I.78). Die Wirklinie der BelastungF raUt mit der Dreh-
achse der Welle zusammen. Den Wirkabstand der Reibkraft FR nirnmt man mit rm = (rl + r2)/2
an. Wie bei der Tragzapfenreibung rechnet man mit Reibkraft F R = F J.l, worin J.l die Spurzapfen-
reibzahl ist, die ebenfalls empirisch bestimmt werden mu~. Darnit wird das Reibmoment

MR I F I J.l I rm (1.93)
Nm N 1 m
und die Reibleistung
w F rm n
(I.94)
Nm =W Nm N m min-I
s

Meistens wird der Zapfen nach Bild I.78 zentrisch ausgespart, urn den nach der Drehachse zu wach-
send en Druckanstieg zu vermeiden. Die Bohrung kann der Schrniermittelzufuhr dienen.
FUr den Vollspurzapfen wird rm = (0 + r2)/2 = r2/2 in die Gleichungen eingesetzt.

261
Mechanik
8.9. RoUreibung (Rollwiderstand)
Infolge der Haftreibung zwischen Rollktirper (Rad, Walze, Kugel) und ebener Fahrbahn tritt Rollen
auf. Der Rollkorper drtickt sich etwas in die Fahrbahn ein, so da~ zur Oberwindung des Rollwider-
standes FR bei konstanter Geschwindigkeit des Korpers eine treibende Kraft F erforderlich wird.
Nach Bild 1.79 steht die Resultierende F res aus Last F lund Rollkraft F im Gleichgewicht mit der
Ersatzkraft Fe aus Rollwiderstand FR (Rollreibung) und Normalkraft F N. Die Gleichgewichts-
bedingungen lassen sich ablesen:

I. '2;Fx =O=+F-FR ;
II. '2;Fy = 0= +FN -FI ;
III. '2;M(D) =0 =-Fr +Flf

daraus die Rollkraft

F IFII f I r (1.95)
N N cm cm
Bild 1.79. Rollreibung; Rollkorper auf
Nach Bild I. 79 wurde fUr die Hohe h der Radius r ebener Fahrbahn
eingesetzt, was bei metallischen Wlilzkorpern auf FI Belastung, Ftreibende Kraft,
metallischer Unterlage wegen der geringen Eindring- FN Normalkraft, FR Rollwiderstand
tiefe gemacht werden kann.
Der Wert ..1" in cm wird als Hebelarm der Rollreibung bezeichnet; er ist ein reiner Erfahrungswert.
Fiir Stahlrlider auf Stahlschienen setzt man f '" 0,05 cm, fUr gehlirtete Stahlkugeln auf Laufringen
f =0,0005 ... 0,00 1 cm.
Darnit kein Gleiten auftritt, mu~ der Rollwiderstand FR kleiner sein als die Haftreibung zwischen
Rollktirper und Fahrbahn. Rollbedingung:

(1.96)

8.10. Fahrwiderstand
Wird ein Fahrzeug mit konstanter Geschwindigkeit auf horizon taler Fahrbahn fortbewegt, so ist,
abgesehen yom Luftwiderstand, au~er dem Rollwiderstand noch der durch Lage"eibung entste-
hende Widerstand zu iiberwinden. Man f~t beide zusammen zum Fahrwiderstand

(1.97)

Darin sind FN die gesamte Normalkraft (Anpre~kraft) des Fahrzeuges; bei horizon taler Bahn ist
FN die Gesamtgewichtskraft FG des Fahrzeuges; fJ.f ist die Fahrwiderstandszahl; hierflir kann nach
Tafel 1.3 gesetzt werden:

Tafel 1.3. Fahrwiderstandszahlen fJ.f

Eisenbahn 0,0025 Kraftfahrzeuge auf Asphalt 0,025


Str~enbahn mit Wiilzlagern 0,005 Drahtseilbahnen 0,01
Str~enbahn mit Gleitlagern 0,018

262
I. Statik starrer Korper in der Ebene
Damit kein Gleiten auftritt, m~ der Fahrwiderstand Ff kleiner sein als die Haftreibung zwischen
Rad und Fahrbahn. Rollbedingung bei horizontaler Bahn:

(1.98)

Bei geneigter Fahrbahn wird die Zugkraft am Fahrzeug meist starker durch die Abtriebskompo-
nente der Gewichtskraft beeinflut\t als durch den Fahrwiderstand.

8.11. Seilreibung (Bild 1.80) liegt vor, wenn urn eine gegen Drehung gesicherte Scheibe ein voU-
kommen biegsames Zugmittelliegt. Durch die Reibkraft FR zwischen Zugmittel und Scheibe wird
die Spannkraft Fl gro&r als die Gegenkraft F 2 • Bei Gleichgewicht ist

(1.99)

Il Reibzahl zwischen Zugmittel und Scheibe;


0: =21ro:o/360° =0:°/57,3° Umschlingungswinkel im Bo-
genmat\.
Bild 1.80. Seilreibung
Am umspannten Tell der Scheibe betragt die Seilreibung

(1.100)
N

Die Sellreibkraft FR ist die grot\te Umfangskraft, die eine Seil-, Band- oder Riemenscheibe zu tiber-
tragen vermag.
Die ella -Werte konnen mit der In-Taste oder mit der eX -Taste ermittelt werden. Die Werte in
Tafel 1.4 dienen der Kontrolle und geben einen Vberblick zum Funktionsverlauf fur y = ejLClt.

Tafel I.4. Werte fliI ella in Abhiingigkeit vom Umschlingungswinkel 0: und von der Reibzahl /.l

Reibzahlen /.l

'" 0,05 0,1 0,15 0,2 0,25 0,3 0,35 0,4 0,45
",0
0,5
36 0,2" 1,032 1,065 1,099 1,134 1,170 1,207 1,246 1,286 1,327 1,369
72 0,4" 1.065 1,134 1,207 1,286 1,369 1,458 1,552 1,653 1,760 1,874
108 0,6" 1,099 1,207 1,327 1,458 1,602 1,760 1,934 2,125 2,336 2,566
144 0,8" 1,134 1,286 1,458 1,653 1,874 2,125 2,410 2,733 3,099 3,514
180 1,0" 1,170 1,369 1,602 1,874 2,193 2,566 3,003 3,514 4,111 4,810
216 1,2" 1,207 1,458 1,760 2,125 2,566 3,099 3,741 4,518 5,455 6,586
252 1,4" 1,246 1,552 1,934 2,410 3,003 3,741 4,662 5,808 7,237 9,017
288 1,6 " 1,286 1,653 2,125 2,733 3,514 4,518 5,808 7,468 9,602 12,35
324 1,8" 1,327 1,760 2,336 3,099 4,111 5,455 7,237 9,602 12,74 16,90
360 2,0" 1,369 1,874 2,566 3,514 4,810 6,586 9,017 12,35 16,90 23,14
540 3" 1,602 2,566 4,111 6,586 10,55 16,90 27,08 43,38 69,49 111,3
720 4" 1,874 3,514 6,586 12,35 23,14 43,38 81,31 152,1 285,7 535,5
900 5" 2,193 4,810 10,55 23,14 50,75 111,3 244,2 535,5 1174 2576
1080 6" 2,566 6,586 16,90 43,38 111,3 285,7 733,1 1881 4829 12390
1260 7" 3,003 9,017 27,08 81,31 244,2 733,1 2202 6611 19850 59610
1440 811 3,514 12,35 43,38 152,4 535,5 1881 6611 23230 81610 286800
1620 9" 4,111 16,90 69,49 285,7 1174 4829 19850 81610 335500 1379000
1800 10" 4,810 23,14 111,3 535,5 2576 12390 59610 286800 1379000 6636000

263
Mechanik

• Beispiel: Urn einen horizontal feststehenden Zylinder ist ein Hanfseil viermal geschlungen. Welche
Last FG darf das eine Ende des Seiles hochstens tragen, wenn am anderen Ende eine
Handkraft von 150 N die Last bei /J.o = 0,3 halten soli?
Losung: Fl =FG ; F2 = 150 N; Fl =F2 eILo'" = 150 N' eO,3 'STr = 150 N . 1882
F J = FG = 282300 N

• Beispiel: Das Lastseil eines 4fach umschlungenen Spillkopfes soli eine Zugkraft von 5000 N aufbrin-
gen. Mit welcher Handkraft muB das Seil gezogen werden und welche Umfangskraft am
Spillkopfhat der Antriebsmotor aufzubringen? /J.o = 0,15.

.. FJ 5000N
Losung: Handkraft F 2 = - -
eILoCi
= e'° 15' S Tr 5000 N = 115 N
43,38
Umfangskraft Fu =F J- F2 = 5000 N - 115 N = 4885 N

8.12. Rollen und Flaschenziige


8.12.1. Feste Rolle (Leit- oder Urnlenkrolle). Durch die Reibung zwischen Rolle und Rollenbolzen
und infolge des Biegewiderstandes des Seiles ist zum Heben der Last F J in Bild 1.81 eine Zugkraft
F> F J erforderlich. Diese Erfahrung wird im Wirkungsgrad der festen Rolle 1)f erfaBt, der das Ver-
hiiltnis vom Nutzen zum Aufwand ausdrlickt. Flir einen beliebigen Weg s der Last F J und der Zug-
kraft Fist damit der Wirkungsgrad der festen Rolle
F1s Fl
1)f = p-;= F (1.101)

1)f fUr Ketten und Seile "" 0,96 bei Gleitlagerung und "" 0,97 ... 0,98 bei WaIzlagerung.

Rollenbolzen

.~
F
F

Bild 1.81. Feste Rolle Bild 1.82. Lose Rolle

Bild 1.83
Flaschenzug mit n = 3 und
n = 4 Rollen

8.12.2. Lose Rolle (Bild 1.82). Die am Rollbolzen hiingende Last Fl verteilt sich auf zwei Seilen-
den; es ist der Kraftweg Sf = 2 X Lastweg Sg (Ubersetzung i = 2). Nach (1.101) ist F =F O/1)f, auBer-
dem FJ = F + F o und damit der Wirkungsgrad 1)/ der losen Rolle:
F+ F1)f 1 + 1)f
(1.102)
2F 2

264
I. Statik starrer Korper in der Ebene

und die Zugkraft

Fl
F=-- (1.103)
Tlf + 1

Mit Tlf =0,95 wird TIl =(1 + 0,95)/2 =0,975; d.h. der Wirkungsgrad der losen Rolle ist gUnstiger
als derjenige der festen Rolle. In der Praxis rechnet man jedoch fur beide mit Tlf =TIl =TI =0,95.

8.12.3. Flaschenziige (RoUenziige) sind Obersetzungsmittel zwischen Zugkraft F und Last Fl


(Bild 1.83). Die festen und losen Rollen sind in den Flaschen gelagert und konnen untereinander
oder nebeneinander liegen. In Bild 1.83 wirkt F nach oben, das freie Seilende lauft von einer losen
Rolle abo SolI F nach unten gerichtet sein, so mu~ das Seil noch liber die Umlenkrolle (linkes Bild)
geflihrt werden. Es lauft dann von einer festen Rolle abo
Bezeichnet n die Rollenzahl des Flaschenzuges (ohne Umlenkrolle), so ist die Zahl der tragenden
Seilstrange stets n + 1. Der Kraftweg sf = Lange des ablaufenden Seiles ist demnach:

Sf = (n + 1) Sg (I.104)

Ohne Verluste ist die Zugkraft Fo =Fl/(n + 1). Mit Tlr =Wirkungsgrad des Rollenzuges ergibt sich
die Zugkraft

(I.105)

Seillauft von loser Rolle ab

Lauft das Seil von einer festen Rolle (Umlenkrolle) ab, so ist noch der Wirkungsgrad der festen
Rolle Tlf zu beriicksichtigen:

(I.106)

Seillauft von fester Rolle (Umlenkrolle) ab

Tafel I.S. Wirkungsgrad Tlr des Rollenzuges in Abhangigkeit von der Rollenzahl (ohne Umlenkrolle)

n 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Tlr 0,975 0,951 0,927 0,904 0,881 0,859 0,838 0,817 0,796 0,776

8.13. Bremsen
(F Bremskraft, M Bremsmoment, P Wellenleistung).
Backenbremse mit iiberhohtem Drehpunkt D (Bild 1.84)

(11 ± fJ./2)
F=FN I (I.107)

(+) bei Rechtslauf, (-) bei Linkslauf Bild 1.84. Backenbremse mit tiber-
hOhtem Drehpunkt D; Krafte auf
Selbsthemmung bei Linkslauf, wenn 11 < fJ./l ist. den Hebel

265
Mechanik

Backenbremse mit unterzogenem Drehpunkt D (Bild 1.85)


(11 + J.l.12)
F=FN I (U 08)

(-) bei Rechtslauf, (+) bei Linkslauf

Selbsthemmung tritt auf bei Rechtslauf, wenn II < J.l.12 ist.


Backenbremse mit tangentialem Drehpunkt D (Bild 1.86)
II
F=FNi (U09)

Selbsthemmung tritt nicht auf.


Die Normalkraft FN in (Ll 07 ... Ll 09) ist entweder aus den Gleichgewichtsbedingungen am frei-
gemachten Hebel zu ermitteln oder aus gegebenem Bremsmoment M =FRr =FN J.l.r.
I I
~------------~

12 t;:;-f-----b""\OO!!'!-C>~ bei Rechts- ~ bei Rechts-


lauf
F lauf
F

Bild I.85. Backenbremse mit unter- Bild I.86. Backenbremse mit


zogenem Drehpunkt D; Krafte auf tangentialem Drehpunkt D;
den Hebel Krafte auf den Hebel

F
F

Bild I.87. Einfache Bandbremse


Bild I.88. Summenbremse

Einfache Bandbremse (Bild 1.87)

M=FRr =Fr i (eJ.tCl! -1) (LllO)


II
Summenbremse (Bild 1.88) F

I eJ.tCl!-l
M=FRr=Fr----· (1.111)
II eJ.tCl! + 1
Differenzbremse (Bild 1.89) Bild I.89. Differenzbremse
eJ.tCl! -1
M = FR r = Fir -=---=:-0- (U12)
12 -II eJ.tCl!
Bremszaum (Bild 1.90)
FGln
p= 9550 (Ul3)

266
I. Statik starrer Korper in der Ebene

Bild 1.90. Bremszaum Bild 1.91. Bandbremszaum

Bandbremszaum (Bild 1.91). Die Bandkrafte Fund FG werden mit Federwaage und Zuggewicht
gemessen. Daraus die Wellen leis tung
(FG-F)rn
p= 9550
p IFG,F I r In (1.114)
kW N m min-I

• Beispiel: Eine Backenbremse nach Bild 1.84 besitzt folgende Malk 1= 870 mm; II = 120 mm;
12 = 80 mm; r = 190 mm. Bei Rechtslauf der Bremsscheibe mit n = 400 U/min solI eine
Leistung von P = 10 kW abgebremst werden.
Bestimme: a) das erforderliche Bremsmoment, b) die Reibkraft am Scheibenumfang,
c) die Normalkraft an der Bremsbacke bei /l = 0,5, d) die erforderliche Gewichtskraft G
und die Stiitzkraft FD im Hebellager D!

LOsung: a) Bremsmoment M = 9550 ~ = 9550· ;~O Nm = 238,75 Nm


b) Reibkraft FR = M = 238,75 Nm = 1257 N
r 0,19 m
FR 1257 N
c) Normalkraft FN = - = 0 5 = 2514 N
/l ,
(1\ + /l12) (120 + 0,5 . 80) mm
d) Gewichtskraft FG = F = FN I = 2514 N . 870 mm

FG =462 N
Aus den Gleichgewichtsbedingungen fur den freigemachten Bremshebel wird die Stiitzkraft F D
berechnet:

I. ~Fx=O=+FR -FDx ; FDx =FR =1257N


II. ~Fy=O=+FN-F-FDY; F Dy =FN -F=2514N-462N=2052N
III. ~M = 0; hier nicht mehr notig
F D = J(l257 N)2 + (2052 N)2 = 2406 N

267
II. Dynamik
F ormelzeichen und Einheiten
A m2 ,cm2 ,mm2 Flacheninhalt, Flache
m
a Beschleunigung (at Tangentialbeschleunigung, an Normalbeschleunigung)
~
Dj m,mm Tragheitsdurchmesser = 2 i
d m,mm Durchmesser, allgemein
E J=Nm Energie
F N Kraft (FT Tangentialkraft, FN Normalkraft)

Frequenz, Periodenfrequenz

Gewichtskraft (Fen Normgewichtskraft)


Fallbeschleunigung (gn Normalfallbeschleunigung)

Fallhohe, Hohe allgemein


Ubersetzungsverhiiltnis (Obersetzung)

m,mm Tragheitsradius = -f

J Tragheitsmoment, Zentrifugalmoment
k Sto~zahl
m,mm Lange allgemein
M Nm,Nmm Drehmoment, Kraftmoment
m kg Masse

n -¥-=min- I =_1_. Drehzahl, Umlauffrequenz, -zahl


mm mm
p W,kW Leistung t s,min,h Zeit
N N
R m'mm Federrate
r m,mm Radius m
m,mm Weglange
v s
Geschwindigkeit
S

T s Periodendauer W J=Nm=Ws Arbeit


T N Tragheitskraft T = m a z 1 Anzahl der Umdrehungen
a, (3 0 Winkel a11gemein 1/ Wirkungsgrad
1 rad -2 kg kg
-=-=s Winkelbeschleunigung p Dichte
S2 S2 dm 3 ' m 3
rad, Bogenm~ Drehwinkel p m,mm ICrti[nmungsradius
1 Reibzahl 1 rad -1
w "8=-s-=s Winkelgeschwindigkeit

Beachte: Der griechische Buchstabe Delta (~) wird stets zur ICennzeichnung einerDifferenz zweier
gleichartiger Gro~en verwendet. ~s he~t demnach nicht ,,Delta mal es" sondern ~s = S2 - SI =
Wegabschnitt; ebenso: ~t = t2 - tl = Zeitabschnitt; ~I{J = 1{J2 -I{JI = Drehwinkelbereich;
~v = V2 - VI = Geschwindigkeitsanderung oder Geschwindigkeitsbereich.

268
II.Oynamik
1. Bewegungslehre (Kinematik)
1.1. Bewegungsablauf
Zur Kennzeichnung des Bewegungsablaufes unterteilt man zeitlich (Bewegungszustand) in Ruhe,
gleichfOrmige und ungleichfOrmige Bewegung; geometrisch (Bewegungsbahn) in geradlinige und
krummlinige Bewegung (z.B. auf der Kreisbahn).
Die ungleichfOrmige Bewegung he~t auch beschleunigte oder verztigerte Bewegung. Sie ist ent-
weder gleichmlif.\ig oder ungleichmlif.\ig beschleunigt bzw. verztigert.
Bewegungen der Punkte und Ktirper in der Technik sind Kombinationen von Bewegungszustlinden
und Bewegungsbahnen, z.B.
geradlinig gleichftirmige Bewegung (Vorschubbewegung an Werkzeugmaschinen),
kreislinig gleichftirmige Bewegung (an Drehbank und Bohrmaschine),
geradlinig gleichmlif.\ig beschleunigte Bewegung (freier Fall),
kreislinig gleichmlif.\ig beschleunigte Bewegung (An- und Auslauf der Spannfutter an Werkzeug-
maschinen),
geradlinig ungleichmii1\ig beschleunigte Bewegung (Stti&l an Stoll.maschine).

1.2. Geradlinige Bewegung des Punktes


1.2.1. Gleicbformige Bewegung. Bei gleichftirmiger Bewegung werden in gleichen Zeitabschnitten

*f
At (z.B. eine Sekunde) gleiche Wegabschnitte Il.s zUriickgelegt. Die Geschwindigkeit v ist zu jedem
Zeitpunkt gleich gro1\:
m Il.s Il.t
Il.s •
v= - =tana (11.1)
Il.t -s m s

Il.s = S2 - S 1; Il.t = t2 - t1

(l1.1) ist zugleich Gleichung fill die Durchschnittsgeschwindigkeit.

Wegs
a
~.\)
~s"

\..il'ie v
Lis 1ei\~ a=O
~~ fan a. =Lis Besch/. -Zeit- Linie
a. Lit
0 Lit Zeitt I--_-'Li
...t'---_--l Zeit t
o Lit Zeit t

Bild Il.l. s, t-, I), t- und a, t-Schaubild der gleichfiirmigen Bewegung

Aufgaben der Bewegungslehre lassen sich leichter ltisen, wenn das v,t-Schaubild aufgeieichnet und
ausgewertet wird (Skizze genUgt).
Der zuriickgelegte Weg wird immer durch die schraffierte Fliiche unter der Geschwindigkeits-Zeit-
Linie dargestellt (Bild ILl). Dadurch ist der Bewegungsablauf bildlich vorgefiihrt und durch geo-
metrische Betrachtung der Rechnung leichter zuganglich, besonders bei ungleichftirmiger Bewe-
gung.

• Beispiel: Kraftwagen fahrt gleichfOrmig mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h. Welchen Weg legt
er in 10 min zuriick?

LOsung: Il.s = vAt = 80 ~. 10 min = 80'10:: = 13,33 km

269
Mechanik

1.2.2. Ungleichfonnige Bewegung. Bei ungleichfdrmiger Bewegung werden in gleichen Zeitabschnit-


ten At(z.B. in einer Sekunde) ungleiche Wegabschnitte As zUriickgelegt. Die Geschwindigkeit v
ist also zu jedem Zeitpunkt verschieden grof.lJ, im Gegensatz zur gleichfdrmigen Bewegung. Tech-
nisch besonders wichtig ist die
1.2.2.1. GleichmiifJig beschleunigte oder verzogerte Bewegung. Hierbei ist die Beschleunigung a
konstant. Das Beschleunigungs-Zeit-Schaubild zeigt also eine zur x-Achse parallele Gerade (Bild
11.2). Die Weg-Zeit-Kurve ist eine Parabel. Die Geschwindigkeit im Punkt A entspricht tan a =Tan-
gentenneigung.

kEgs
v
a
Beschl.-Zeit-Linie

Llv
Lls a
WegLls~A
Va

o1--_----==Ll"-t_ _--IZeit t of--_--'Ll""t'--_~Zeitt o Llt Zeit t

BUd 11.2. S, to, v, t· und a, t·Schaubild der gleichmliL\ig beschleunigten Bewegung


(mit Anfangsgeschwindigkeit va)

Zur rechnerischen Behandlung sollte stets das Geschwindigkeits-Zeit-Schaubild gezeichnet werden,


weil in jedem Faile die Flache unter der Geschwindigkeits-Zeit-Linie dem zuriickgelegten Weg As
entspricht.
Mit der Grundgleichung fli! gleichmiil,l,ig beschleunigte Bewegungen:
. .. Geschwindigkeitsiinderung Av
Beschleumgung a (Verzogerung) = zugehOriger Zeitabschnitt fl.t

a Av At
m m (11.2)
-; s

und geometrischer Auswertung des v, t-Schaubildes ergeben sich aile iibrigen Berechnungsgleichungen.

Endgeschwindigkeit 6eschKindigreit V

Ve =a At =....rras (11.3)
Weg s == Dreiecksfliiche .f:.f-
':J
Ve At a At 2 v~ ------~' ------
s=-2- =-2-=2a (11.4)
Weg s ~ Fldche
ve ,(2i s= Ll~Llt= Vm ·Llt
Zeit At=a=Va (11.5)
o Llt Zeit t
Beschleunigung
BUd 11.3. v, t·Schaubild der gleich-
Av v~ 2s mliL\ig beschleunigten Bewegung ohne
a=-=-=- (11.6) Anfangsgeschwindigkeit (va =0)
At 2 s At 2

270
II.Oynamik

Endgeschwindigkeit
Geschwindigireit v
Ve =Va + a iH =.JV~ + 2 a s (11.7) L

~
Weg s == Trapezfliiche oder Rechteck + Dreieck ....
~ V. -l)"~
tI '.!!._--- ------

~"
aflt 2 + Ve :..
s=va f l t +2- - =2- - M
va
(II.8) ..
"'l
§

Ve -Va
t---< "
~

Zeit I1t=-- My s; Flache A

Vr
a Va
s=va ·LIt+-2-=v
LIv·LI t m · LIt
(l1.9)
2s 0 LIt Zeitt
va
M=-a± Ii +0
(Va

Bild 11.4. v, t-Schaubild der gleichm~ig


Beschleunigung a beschleunigten Bewegung mit Anfangs-
Ve -Va V~ -V~ geschwindigkeit Va
a=---=--- (II. 10)
flt 2s

Anfangsgeschwindigkeit Geschwindigkeit V

Va = a I1t = ..jI(iS (11.11)


Weg s == Dreiecksfliiche ~tI
"'l"
Va flt
a flt 2 v~ :.. 1-------
s=-2-=-2- = 2a (II.12)
"
:.." Weg s; Flache A Vm
LlvLlt
s=-2-=vm·LIt
Zeit I1t = va =' [2S (II. 13)
a V0 o LIt ve=O Zeit t
Verzogerung
Bild 11.5. v, t-Schaubild der gleichm~ig
I1v V~ 2s
a=-=-=- (11.14) verzogerten Bewegung ohne End-
I1t 2 s I1t 2 geschwindigkeit (ve =0)

Endgeschwindigkeit
Geschwindigkeit v
Ve = Va -al1t=.Jv; -2as {IUS)

t~
::::he~---- 1
<'~.
Weg s == Trapezfliiche oder Rechteck + Dreieck
a flt 2 Va + Ve :..
s=va I1t---=--l1t
2 2
(II.16) "'l..
~

"
:>P Vm s=va.LIt- LI~LIt_Vm.LIt >-- tI ~
Va -Ve I
Zeit I1t=-- §
q

M=+o± va V(a Vay - 2s


0
(II. 17)
0
LIt
"
~

Zeitt

Bild 11.6. v, t-Schaubild der gleichm~ig


Verzogerung verzogerten Bewegung mit End-
geschwindigkeit Ve
Va -V e V~ -V~
a=--=--- (11.18)
M 2s

271
Mechanik

• Beispiel: Ein Fahrzeug wird in 10 s gleichma~ig beschleunigt auf die Geschwindigkeit von 45 km/h,
mit der es sich gleichfOrrnig fortbewegt. Am Fahrtende wird es auf 15 m zum Stillstand
gebracht. Die gesamte Fahrstrecke betragt 500 m.
v
Gesucht: Beschleunigung, Anfahrweg, Bremszeit,
Verzogerung, gesamte Fahrzeit!
LOsung: Das v,t-Schaubild zeigt Bild II.7. Es kommt darauf
an, jede Gro~e genau anzusprechen!
m t
~vv 12;5 m
al = - = - = - - = 125-
s
~t tl 10 s ' S2
Bild 11.7. v, t·Schaubild
m
Sl
Vtl
=-=
12,5 s ·lOs =625m m
2 2 ' v12,5 S-
t3 = - = - - - = 24s
m2 a3 52.!!!. '
v2 12,5 2 82" m , s2

a 3 =-2
S3
=215
• m =5,2"2
s
tl = 10 s
_ S2 _ 500 m - 62,5 m - 15 m - 33 8
~--- - s tges = 46,2 s
v 12 , 5.!!!.
s
'

1.2.2.2. Freier Fall (ohne Luftwiderstand) ist gleichma~ig beschleunigte Bewegung mit fUr alle
Korper gleicher Fallbeschleunigung g = 9,81 m/s2.

FUr die meisten technischen Rechnungen kann g = 10 m/s2 v


gesetzt werden.

Fallgeschwindigkeit v = g t = .J2ih (11.19)

FallhOhe h=gt 2 =~=~ (11.20) "r.,e ....


..j)J Q,
2 2g 2 II

FallhOhe h '"
Fallzeit t= 2h=~=v'¥
v g g (11.21)
0 t t
1.2.2.3. Senkrechter Wurf (ohne Luftwiderstand) ist gleich- Bild 11.8. v, t-Schaubild des freien
m~ig verzogerte Bewegung mit Verzogerung g= 9,81 m/s 2 Falles ohne Anfangsgeschwindig-
(negative Fallbeschleunigung). keit (va =0)

Steiggeschwindigkeit
im Urnkehrpunkt ist ve = Va - g t = va -.../2 g h (11.22)
v
Ve = 0 zu setzen
gt 2
SteighOhe h= vat-T (11.23)

v~ g t 2 Va t
maximaieSteigh6he h = 2g = T =T (11.24) steigoohe h
Ve

va -Ve Va -.../v~ -2gh


Steigzeit t = - - =------ (11.25) o t t
g g
Bild 11.9. v, t-Schaubild des senk-
t= Va = 2 h =' (IT rechten Wurfes mit verbleibender
maximale Steigzeit
g Va Vg (11.26)
Endgeschwindigkeit Ve

272
II.Oynamik
1.2.2.4. Horizontaler Wur[ (ohne Luftwiderstand) ist Ober- x
Wurfweife w
lagerung der waagerechten gleichforrnigen Bewegung mit An-
fangsgeschwindigkeit Vx = va mit der senkrechten Fallbewe-
gung mit Vy = g t.

Geschwindigkeit in
einem Bahnpunkt v = .Jv~ + v;' = .Jv; + (g t)2 (11.27)

Geschwindigkeit
nach FallhOhe h v=.Jvi+2gh (11.28)

Fallh6he nach gw 2
Wurfweite w h=- (11.29) Bild 11.10. Horizontaler Wurf
2vi (ohne Luftwiderstand)

1.2.2.5. Wurf schrag nach oben (ohne Luftwiderstand) ist Obedagerung von geradlinig gleichfOr-
miger Bewegung mit freiem Fall.

Wurfweite
(Grof1twert w=
vi sin2a (1I.30)
g
bei a = 45°)

Wurfdauer t=_-"w,--_
Va cos a
(11.31)
2 va sina
t=---
g

V 2 sin 2 a
Wur/h6he
h =_a'--_ _
(11.32)
2g
Wurfweite w
Wurfarbeit W = mgh =FGh (11.33)
Bild 11.11. Schrager Wurf
Geschwindigkeit (ohne Luftwiderstand)
in x-Richtung Vx = Va cos a (11.34)
Geschwindigkeit
in y- Richtung Vy = Va sin a - g t (lI.3S)

• Beispiel: Ein Stein wird senkrecht nach oben geworfen und schliigt nach 4 s wieder auf. Wie grotl.
waren Steighohe h und Anfangsgeschwindigkeit Va.
v
LOsung: Wie v, t-Schaubild zeigt, wird die Steighohe h wiihrend
4 s zweimal zuriickgelegt, also

h=--=
g(f)2 107. (2 S)2 =20m
2 2
gt 1O~·4s m
V =-= s =20-
a 2 2 s
oder mit h = 20 m gerechnet
Bild 11.12. v, t·Schaubild
zum Beispiel senkrechter
Wurf und freier Fall

273
Mechanik

• Beispiel: Ein Stein wird in waagerechter Richtung mit einer Geschwindigkeit von 15 m/s abgewor-
fen. Welche Geschwindigkeit besitzt er nach 2,5 s?

Losung: v= Jvi + (gt)2 = -V~5 ~y + (10 ~. 2,5 sf = 29,2 ~


• Beispiel: Ein Stein wird unter einem Winkel von 30° zur Horizontalen mit einer Geschwindigkeit
von 15 m/s abgeworfen. Es sind die fehlenden Gro~en zu berechnen!

vi sin 2 Q (15 m)2 . sin 60°


LOsung: Wurfweite w= = s = 19,5 m
g 1O!!!.
s2
2 va sin Q 2 ·15 !!! . sin 30°
Wurfdauer t = g
s
1O!!!
= 1,5 s
s2

(15 ~)2 . sin 230° _


Wurfh6he -'-----"-'-----::m=--- - 2 ,82 m
2·10;2
m kgm2
Wurfarbeit W= mgh =0,5 kg·lOT· 2,82 m= 14,1-2- = 14,1 Nm= 14,1 J
s s
bei m = 0,5 kg
Geschwindigkeit Vx = Va cos Q = 15 ~ . cos 30° = 13 ~
in x-Richtung
Geschwindigkeit vy = va sin Q - g t = 15 !!!
S
. sin 30° - 10 m . ISs = - 7 5 !!!
S2" S
in y-Richtung

1.3. Bewegung des Punktes auf der Kreisbahn


1.3.1. Bei der gleichformigen Bewegung auf der Kreisbahn werden in gleichen Zeitabschnitten I:1t
(z.B. in einer Sekunde) gleiche Drehwinkel 1:1<fJ vom Radius r iiberstrichen. Die Umfangsgeschwin-
digkeit Vu ist zu jedem Zeitpunkt gleich gro~ und stets tangential gerichtet (Bild 11.13). Der von P
nach PI zuriickgelegte Weg I:1s kann aus dem Drehwinkell:11{) und dem Radius r berechnet werden:
(11.36)

(11.37)

Definitionsgema~ ist Geschwindigkeit allgemein Wegabschnitt


T
durch zugehOrigen Zeitabschnitt, also auch die

h ·nd· k . I:1s l:11{)r


H ,f:
umJangsgesc Wl 19 elt Vu = I:1t =Tt

Der Bruch ~~ he~t Winkelgeschwindigkeit w.


Bild 11.13. Bewegung des Punktes P
Damit ergeben sich folgende Gleichungen: auf der Kreisbahn
1:11{)
Umfangsgeschwindigkeit v =-r=wr=rrdn (11.38)
u I:1t
Vu w I:1t r 1:11{) n
1:11{) Vu
Winkelgeschwindigkeit w=-=- (11.39)
I:1t r m ! s m rad !
s s s
Drehwinkel 1:11{) = w 1:1 t (11.40)
1:11{) = I{)2 - I{)I ; I:1t= t2 -t l (11.41)
274
II.Oynamik
In der Technik sind die folgenden Zahlenwertgleichungen gebriiuchlich:
v d n
rrdn
Vu
= 1000 m 1 . -I
(11.42)
mm - . =mm
min min

rrdn v d n
Vu =--- (11.43)
60000 !!! 1 . -I
mm - . = Illln
min

rrn W n
w= 30 (11.44)
1 ~ = min-I
min

w~Oln=.!!....
, 10 (11.45)

Wiihrend bei gleichformigem Umlauf einer Scheibe jeder Punkt mit anderem Radius r auch andere
Umfangsgeschwindigkeit Vu besitzt (vI=rrdln; v2=rrd2 n!), ist fill alle Punkte die Winkelge-
schwindigkeit w gleich gro~! Mit Hilfe eines Zahlenwertes flir wist demnach der Bewegungszustand
siimtlicher Punkte festgelegt.
1.3.2. Bei der gieichmiiiig beschleunigten oder verzogerten Bewegung auf der Kreisbahn werden
in gleichen Zeitabschnitten tlt ungleich gro~e Drehwinkel tl..p yom Radius iiberstrichen, d.h. die
Winkelgeschwindigkeit w iindert ihren Betrag fortlaufend. Bei der gleichmiiftig beschleunigten oder
verzogerten Bewegung bleibt die Winkelbeschleunigung a konstant. Defmitionsgem~ ist Beschleu-
nigung allgemein Geschwindigkeitsiinderung durch zugehOrigen Zeitabschnitt, also auch die

T
Tangentialbeschleunigung aT = ~~

FUr die Geschwindigkeitsiinderung tlv kann gesetzt werden:


tlv = tlwr. Damit wird die

Tangentialbeschleunigung M 6----'----1

Der Bruch tlw/tlt heilit Winkelbeschleunigung a. Bild I1.14. Gleichmii1.\ig beschleunigte


Bewegung des Punktes P auf der
Damit ergeben sich folgende Gleichungen: Kreisbahn

Umfangsgeschwindigkeit Vu =aT tlt =ar tlt (11.46)


tlw aT
Winkelbeschleunigung a=t;t=, (11.47)

a tlt Z v r tlw a tl..p


Drehwinkel tl..p = - 2 - (11.48)
m m 1
s2
s m s2
rad

Winkelgeschwindigkeitsiinderung tlw = a tlt (11.49)


tlW=WZ-WI; tlt=tz-t l ; tl..p=..pZ-..p1 (11.50)

275
Mechanik

In der Technik gebrauchliche Zahlenwertgleichung fill die Winkelbeschleunigung:


1T n2 -nl a n2, nl t2, t 1
a=-·--- (H.5I)
30 t2 -t l
s2 min
ZweckmaEig wird bei der rechnerischen Behandlung solcher Bewegungsvorgange das w, t-Schaubild
gezeichnet. Es entspricht dem u, t-Schaubild der geradlinigen Bewegung (Bild H.2). Die dort auf-
gefuhrten Hinweise und Regeln lassen sich auch auf das w, t-Schaubild tibertragen. Vor aHem: Die
Flache unter der w, t- Linie entspricht dem tiberstrichenen Drehwinkel ~<p! Die folgende Gegentiber-
stellung zeigt die einander entsprechenden GraBen (siehe auch Tafeln ILl und 11.2):

Allgemeine GroBe mit Definitionsgleichung Einheit KreisgroBe mit Definitionsgleichung Einheit

Zeitabschnitt ~t Zeitabschnitt ~t

Wegabschnitt ~s m Drehwinkel ~<P rad =1


~s m rad
· d·gk
Gesch Will .
1 elt u = ~t S Winkelgeschwindigkeit w = ~~ -=-
s s
(v = konstant) (w = konstant)
m rad
Geschwindigkeitsanderung ~v = a ~t S Winkelgeschwindigkeitsanderung
~w = Oi~t
s=s
· ~v rad
a = -:s:- Tt
Beschleumgung ~w
Winkelbeschleunigung a = ~=~
(Grundgleichung) t (Grundgleichung)
w

Llw = aLlt

Vo +Vt
A =Lls = -2-Llt
A

Wo

O~_ _ _~Ll~f _ _ _ _~ O~_ _ _~Ll~t _ _ _~

• Beispiel: Eine Schleifscheibe von 400 mm Durchmesser lauft in 15 s gleichmaBig beschleunigt auf
eine Drehzahl von 250 min- l an. Bestimme aIle wichtigen GraBen der Drehbewegung!

LOsung: Winkelgeschwindigkeit ~ = 1T n = 1T. 250 = 26 21


nach Anlaufzeit ~t w 30 30 ' s
Umfangsgeschwindigkeit
eines Punktes der Peripherie
u = r w = 0 ,2 m . 26 '21
s = 5'24 ~s
1
~w 26,2 S 1
Winkelbeschleunigung a = At = l5S = 1,75 ~

Tangentialbeschleunigung 1 m
eines Punktes
aT = ar=
1,752"·0,2 m = 0,25 2"
s s
A 2
1 ( ISs) 2
1,75"2·
a~t s
Drehwinkel ~<P = -2- = - - 2 - - - = 197 rad

Umlaufzahl z = ~<P = 197 = 31 4


21T 21T '

276
II. Oynamik
Tafel ILL Gleichmii~ig beschleunigte Kreisbewegung W W

Die Gleichungen dieser Tafel geiten in Liw


Verbindung mit den Bezeichnungen der
nebenstehenden w, t-Diagramme

Einheiten 0 0 Lit
AI{! At wo, Wt a r Vu
Beschleunigte Kreis- Beschleunigte Kreis-
aT
bewegung ohne bewegung mit
rad rad
rad - m -m m
Anfangsgeschwindig- Anfangsgeschwindig-
s S2 S S2
keit (Wo = 0) keit (Wo:j: 0)

Winkelbeschleunigung a Winkelgeschwindigkeitszunahme Aw. rad


a= m-
(Defmition) Zeitabschnitt At S2

Winkelbeschleunigung a Wt
a=-=--=--
2 AI{! w;
(bei Wo = 0) At 2 AI{! (At)2

Winkelbeschleunigung a W t - Wo w; - w~
(bei wo:j: 0) a= At 2 AI{!

Tangentialbeschleunigung aT

Endwinkelgeschwindigkeit Wt
(bei Wo = 0)

Endwinkelgeschwindigkeit Wt = Wo + Aw = Wo + aAt
*
Wt
(bei Wo 0) Wt = Jw~ + 2aAl{!

Drehwinkel AI{! WtAt a(AtY


AI{!=--=--=-
w;
(bei Wo = 0) 2 2 2a

Wo + Wt a(At)2
AI{! = 2 At = Wo At + - 2 -
Drehwinkel AI{!
(bei wo:j: 0)

Zeitabschnitt At
(bei Wo = 0)

Zeitabschnitt At (~O)2 + 2 ~I{!


(bei Wo :j: 0) At =
W t - Wo
a =- aWo ±... ...

277
Mechanik

Tafel 11.2. Gleichma~ig verz6gerte Kreisbewegung w w

Die Gleichungen dieser Tafel gelten in


Verbindung mit den Bezeichnungen der
nebenstehenden w, t-Diagramme
Lltn-WaLlt
.,-- 2
Einheiten o Llt o Llt t

At a r Verz6gerte Kreis- Verz6gerte Kreis-


~ wo, Wt Vu aT
bewegung ohne bewegung mit
rad rad m m Endgeschwindig-
rad - m - Endgeschwindig-
s S
keit (Wt = 0)
S2 S2
keit (wt:f:: 0)

Winkeiverz6gerung a Winkelgeschwindigkeitsabnahme ilw. rad


(Definition) a= ill-
Zeitabschnitt il t S2

Winkeiverz6gerung a Wo W~ 2il<.p
a=-=--=--
(bei Wt = 0) At 2~ (M)2

Winkeiverz6gerung a
(bei wt:f:: 0)

Tangentiaiverz6gerung aT

Anfangswinkeigeschwindigkeit Wo
(bei Wt = 0) Wo = ailt = .J2a~

Wt = Wo - ilw = Wo - a ilt
Endwinkeigeschwindigkeit Wt
Wt = .Jw~ - 2ail<.p

Drehwinkel ~ Wo At a (M)2 w~
(bei Wt = 0) ~=-2-=-2-=2a

Wo + Wt a (ilt)2
il,"
.,.. = 2 ilt= W
0
ilt-- 2-
Drehwinkel ~
(bei wt:f:: 0)

Zeitabschnitt At
(bei w t = 0)

Zeitabschnitt ilt wt
a
Wo - Wo
(bei wt:f:: 0) ilt = a = ±

278
II. Dynamik
1.3.3. Harmonische Bewegung (Kreuzschleife) liegt vor, wenn die Weg-Zeit-Linie durch eine Sinus-
oder Kosinusfunktion dargestellt wird, wie Bild 11.16 zeigt.
Das ist der Fall z.B. bei der in Blld ILl 7 schematisch gezeichneten Kreuzschleife.
1.3.3.1. Rechnerische Bestimmung der Wege, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen. 1st Vu die
Umfangsgeschwindigkeit des Kurbelpunktes P und w = n n/30 die konstante Winkelgeschwindigkeit
der Kurbel MP, so wird
n
nn
Vu = rw; w = 30 (11.52)
min- 1 =~
mm

In der Zeit t iiberstreicht die Kurbel den Kurbeldrehwinkel


<p w t
<p = wt (II.53)
rad s

Die Auslenkung (Weg s) eines Punktes auf dem Schieber betragt nach Bild II.17:

s=rsin<p s r w t
(11.54)
s=rsinwt
m o

Die groil>te Auslenkung tritt auf beim Kurbeldrehwinkel <p = 90 0 , well dann sin <p = 1 und damit
s = r ist. Sie heitl.t Amplitude (Schwingungsweite).
Mit Periode Tin Sekunden wird die Zeit flir einen Hin- und Riickgang bezeichnet: T = 2n/w. Die

$
Zahl der Schwingungen in einer Sekunde heitl.t
T w
Frequenz I w
f=7'= 2w (I1.55)
(oder Schwingungszahl) 1 1
-s s -s
Kreisfrequenz w = 2 n/T

Ein Punkt auf dem Schieber erhait die

Geschwindigkeit v=rwcoswt v r w a
(II.56)
maximale Geschwindigkeit m 1 m
vmax = Vu = rw m
(in Mi ttelstellung) s2

a = w2 s
Beschleunigung
amax = rw 2 sin wt (II.57)

maximale Beschleunigung
a = rw 2
in den Totlagen

• Beispiel: An einer Schraubenfeder hangt ein Korper und schwingt in der Sekunde einmal aufund
abo Die Entfernung zwischen den auil>ersten Totpunktlagen des Korpers betragt 0,5 m.
Wie groil> ist die maximale Beschleunigung amax ?

."'sung·f_l- w. w_ 2n _ 2n . a -rw 2 ,• r-025m


<AI • -T-2n' -Y-T;' max- -,

a
max
( 1)2 9 87 -m
= r w 2 = r 2 n . I -s= ' ~

279
Mechanik

Weg5

:zeitt=~
I

Ils
:Zeitt= ~ ....3
'11

I
I
~~-he
sII
::.
8e5chleunigung a
-5 +5

Bild II.16. Weg-Zeit-, Geschwindigkeits-Zeit-


und Beschleunigungs-Zeit-5chaubild der -5 +5
Harmonischen Bewegung amm=-r·w 2

-a
Bild II.l? Lageplan der Kreuzschleife mit Geschwin-
digkeits-Weg und Beschleunigungs-Weg-5chaubild

1.3.3.2. Zeichnerische Bestimmungder Wege, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen (Bild 11.17).


Die in jedem beliebigen Zeitpunkt auftretenden Momentangeschwindigkeiten v und Beschleuni-
gungen a konnen zeichnerisch bestimmt werden: 1m Lageplan wird die Umfangsgeschwindigkeit
Vu im bestimmten M~stab auf der KurbelMP abgetragen, z.B.MB =vu. Dann ist im DreieckMCB
die Kathete Be = MB cos w t = Vu cos w t = Geschwindigkeit v eines Schieberpunktes. Mit den ge-
fundenen Strecken liillt sich das v, s-Schaubild aufzeichnen.
In gleicher Weise wird die Momentanbeschleunigung a bestimmt: 1m Lageplan die maximale Be-
schleunigung (Zentripetalbeschleunigung) am ax = rw 2 im bestimmten M~stab auf Kurbel MP
auftragen, z.B. wiederum MB = rw 2 • Dann ist im Dreieck MeB die Kathete Me die Beschleuni-
gung a eines Schieberpunktes. Mit den gefundenen Strecken Me wird das a, s-Schaubild entwickelt.
Erkenntnis: Zu gleichen Drehwinkeln gehOren Maximalgeschwindigkeit und Beschleunigung Null
bzw. Maximalbeschleunigung und Geschwindigkeit Null.
1.3.4. Schubkurbelgetriebe (Bild 11.18)
1.3.4.1. Rechnerische Bestimmung der Wege, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen. 1st Vu die
UmJangsgeschwindigkeit des Kurbelpunktes P, w die konstante Winkelgeschwindigkeit der Kurbel
MP und h der Hub des Kolbens bzw. Kreuzkopfes, so wird
rrh n Vu r w h n
Vu =rw=To
m 1 (11.58)
rrn m m
min
w= 30

280
II. Oynamik

Bild 11.18. Lageplan des Schubkurbelgetriebes zur Bestimmung des Kreuzkopf- bzw. Kolbenweges s

Aus den geometrischen Bedingungen des Bildes 11.18 HifM sich ablesen:
s = r(1- cos <,0) ± 1(1 - cos(3)
+ fiir Kolbenhingang (zur Kurbelwelle)
- fiir Kolbenriickgang (von der Kurbelwelle) mit SI und <,01

Der Weg SI (Auslenkung) beim Riickgang wird vom inneren Totpunkt T j der Kurbelseite aus ge-
messen. Mit Schubstangenverhdltnis

A= Kurbelradius r (II 59)


Lange der Schubstange I .

und rsin<,O=lsin{3 (BildII.18), sin{3= A sin <,0, cos{3=Jl-sin 2 {3=Jl-(Asin<,O)2 wird derWeg

s= r(1-cos<,O)± 1[I-Jl-(Asin<,O)2] (II.60)

Der Ausdruck Jl - (A sin <,0)2 lii~t sich als Reihe entwickeln:

Jl - (A sin <,0)2 = 1 - ~ (A sin <,0)2 - i (/\ sin <,0)4 - ...

Die Reihe konvergiert sehr schnell und man kann daher mit ausreichender Genauigkeit den Weg s
(Auslenkung) mit der Niiherungsformel berechnen:

s = r(1- cos <,0 ± ~ A sin2<,O) (II.61)

Mathematische Entwicklungen flihren zu den Gleichungen fUr die

Geschwindigkeit U = Uu (sin <,0 ± i A sin2 <,0)


(II.62)
U = r w (sin w t ± ~ /\ sin 2 w t)

maximale _
Urnax - Uu
1 2 _ .!. ,2)
(1 + 2' A ) - r w (1 + 2 1\ (11.63)
Geschwindigkeit

fUr A = ~ = 0,2 wird Urnax = 1,02 Uu = 1,02 r w bei <,0 = 79° 16' (Hingang)
bei <,01 = 100° 44' (Riickgang)

mitt . d'Igk elt


. Iere GeschWin . Urn =30
hn (II.64)

281
Mechanik
u2
Beschleunigung a = r (cos 10 ± A cos 2 10)
U (11.65)

a = r w 2 (cos w t ± A cos 2 w t)
maximale
B eschleunigung (11.66)
(in den Totlagen)

Wird das Schubstangenverhliltnis A =0 gesetzt, also die Lange der Schubstange 1=00, so ergeben
sich aus den obigen Gleichungen die Forrneln der harrnonischen Bewegung.
1.3.4.2. Zeichnerische Bestimmung der Wege, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen.
Der Weg s (bzw. Sl) und damit der Lagepunkt K (bzw. K I ) in Abhiingigkeit vom Drehwinkel 10
wird festgelegt im Lageplan (Bild 11.18) durch Kreisbogen urn Kurbelpunkt P (bzw. PI) mit der
Schubstangenlange I.

---9~~C>---.~.
K K, ----- __ _

Bild 11.20. Zeichnerische Bestimmung


der Kreuzkopf- bzw. Kolben-
beschleunigung a beim Schubkurbel-
getriebe (w = 1 gesetzt; sonst MaJ.)-
stabsumrechnung erforderlich)
Bild 11.19. Zeichnerische
Bestimmung der Kreuzkopf- bzw.
Kolbengeschwindigkeit v beim
Schubkurbelgetrie be

Zur Geschwindigkeitsbestimmung des Kolbens (Bild 11.19) wird Radius MP =der Umfangsge-
schwindigkeit Uu gemacht. Ftir jede Kurbelstellung ist dann Geschwindigkeit u = Strecke MA.
Das ergibt sich aus der Ahnlichkeit der Dreiecke KPB und MAP, worin Punkt B der ,,Momentan-
pol" ist.
Die Beschleunigung a des Kolbens ergibt sich aus der urn 90 0 gedrehten Normalbeschleunigung an
des Kurbelpunktes P (Bild 11.20). Es wird MP =an = u~/r gemacht, KP bis A verliingert, AB II KM
gezogen, BC II MA geflihrt und CD 1 KC gefallt. Strecke DM stellt dann fUr jede Kurbelstellung
den Betrag (GroBe) der Beschleunigung a des Kolbens oder Kreuzkopfes dar, jedoch nur dann,
wenn die Umfangsgeschwindigkeit Uu konstant ist.
In Bild 11.21 ist der Geschwindigkeits- und der Beschleunigungsverlauf tiber dem Hub h = 2 r auf-
getragen (u, s- und a, s-Schaubild). Maximale Geschwindigkeit und Beschleunigung Null treten in
der gestrichelt gezeichneten Schubstangenstellung auf (Tangentenstellung!). Je langer die Schub-
stange im Verhiiltnis zum Kurbelradius wird, d.h. A sehr klein, urn so mehr niihert sich die Ge-
schwindigkeitslinie einer Ellipse und die Beschleunigungslinie wird eine Gerade, wie bei harrnoni-
scher Bewegung.

282
II. Dynamik

Bild II.2l. Geschwindigkeit v und


Beschleunigung a in Abhangigkeit
vom Hub h beim Schubkurbel-
getriebe

2. Mechanische Arbeit W und Leistung P; Wirkungsgrad 'T/; Dbersetzung i


2.1. Mechanische Arbeit W
Die mechanische Arbeit Weiner den Korper bewegenden Kraft ist das Produkt aus den Wegab-
schnitten LlS und der jeweiligen Kraftkomponente Fin Wegrichtung:

(II.67)

1st Kraft F konstant, so wird mit s = ~ LlS die Arbeit W =Fs (Bild II.22). Die Arbeit ist eine skalare
GroBe. Haufig lassen sich die Verhaltnisse durch Aufzeichnung des Kraft-Weg-Schaubildes besser
tibersehen (Bilder II.23; II.24; 11.26; 11.28).
Merke: Die von der Kraft F oder dem Drehnwment M verrichtete Arbeit W entspricht immer der
Flache unter der Kraftlinie oder Momentenlinie.
Meistens laBt sich die Berechnungsgieichung ftiT die Arbeit W aus der Flachenform des Kraft-Weg-
Schaubildes entwickeln (z.B. Trapez in Bild II.26); sonst kann die Flache auch ausgezahlt oder
durch graphische Integration oder mittels Planimeter bestimmt werden (MaBstab beriicksichtigen!).
Wirken mehrere Krafte auf den Korper ein, so ist die Gesamtarbeit gieich der Summe der Einzel-
arbeiten oder gleich der Arbeit der resultierenden Kraft.
Die Einheit der Arbeit ergibt sich, wenn die Kraft F in N und der Weg s in m eingesetzt wird (ge-
setzliche und internationale Einheiten):

(W) 1) =(F) mal (s)


(W) = N mal m = Newtonmeter Nm
I Nm = 1 kgm = 1 kgm2 (II.68)
S2 S2

iK'::
Federwaage

I'-~-----'
Beachte: Die gesetzliche und SI-Einheit flir die Arbeit
W und flir die Energie E ist das Joule J (sprich dschul).
Es gilt:
kgm 2
1J = 1 Nm = 1 Ws =1 -
S2
- (II.69) Bild II.22. Arbeit Weiner konstanten Kraft F

1) Die Formelzeichen in Klammern sollen nur die Einheit der physikalischen GroBe kennzeichnen, also (W) =
Einheit der Arbeit; (F) = Einheit der Kraft usw.

283
Mechanik

2.1.1. Geradlinige Bewegung des Korpers. 1m einzelnen wird bei der Berechnung der Arbeit Weiner
Kraft F unterschieden:
2.1.1.1. Arbeit W der konstanten Kraft F (Bilder 11.23 und 11.25). Kraft- und Wegrichtung fallen
zusammen oder Fist Komponente in Wegrichtung, z.B. Vorschubkraft und Vorschubweg am
Drehbanksupport. Das Kraft-Weg-Schaubild (Bild 11.23) zeigt eine Rechteckflache.

W=Fs (11.70)
Kraftlinie
-
z1 W
~e
ll. - W=XLlW=F ,s
......
.... ll.
~ f-
ll.

Bild 11.23. Arbeit Weiner konstanten ~~


Kraft F Hings des Weges s 0 s Wegs

2.1.1.2. Arbeit W der veriinderlichen Kraft F (Bild 11.24). Kraft und Wegrichtung fallen zusammen
oder Fist Komponente in Wegrichtung:

W = ~t. W = ~F t.s ~ Flache unter Kraftlinie (11.71)

.......
ll.
ft\il'i e
C) \<.r~
~
0W,
lC'
LISt,
s
0 1--- ---='-----1 Weg s F-cos IX

Bild 11.24. Arbeit Weiner veriinderlichen Bild 11.25. Arbeit W einer schragen
Kraft F langs des Weges s Kraft F

2.1.1.3. Arbeit W der konstanten Kraft F (Bilder 11.25 und 11.23). Kraft- und Wegrichtung schlie-
Ben den Winkel O! ein:

W = Fs cosO! (11.72)

Die Kraftkomponente F sin O! bzw. allgemein alle Krafte senkrecht zur Bewegungsrichtung verrich-
ten keine Arbeit (O! = 90° ; cosO! = 0).

2.1.1.4. Arbeit W der Gewichtskraft FG =mg. Karper der Gewichtskraft FG (also konstante Kraft F)
bzw. Masse m wird urn die senkrechte H6he h gehoben ; es gilt demnach Bild II .23 und fur die
Hubarbeit wird:

W m g h
(II.73)
J =Nm kg m

2.1.1.5. Beschleunigungsarbeit W der konstanten resultierenden Kraft F; Kraft und Wegrichtung


fallen zusammen oder Fist Komponente in Wegrichtung (Bild 11.23).

284
II. Oynamik
Der Karper wird von der Geschwindigkeit VI auf V2 gleichma£ig beschleunigt (oder verzagert). Die
Entwicklung mit Hilfe des dynamischen Grundgesetzes Fr = ma ergibt sich folgenderma£en:

W= Frs= mas;

W m
W= m (v~ -vi) (11.74)
2 m
J =Nm kg

Wird der Karper von VI = 0 an beschleunigt oder auf VI = 0 verzagert, so wird die Beschleuni-
gungsarbeit

(11.75)

2.1.1.6. Verschiebung eines K6rpers der Masse m auf horizontaler Unterlage durch horizontale
Kraft F ergibt die Reibungsarbeit
WR /1 FG s m g
WR = /1 FGs
(11.76)
WR = /1mgs m
J=Nm N m kg S2

/1 Gleitreibzahl nach Tafel 1.2

2.1.1.7. Verschiebung eines K6rpers der Masse m auf schiefer Ebene mit NeigungswinkelO! durch
Kraft F parallel zur Bahn ergibt die Reibungsarbeit

WR = /1FG S cosO!
(II.77)
WR =/1mgscosO!

2.1.1.8. Elastischer K6rper wird durch Kraft F


elastisch verformt; z.B. eine Schraubenfeder
nach Bild 11.26 urn As verlangert oder verktirzt:
Formiinderungsarbeit

W;Fliiche
W= Ii;Fz. Lis
(II.78) Lis Weg s

R
N
J=Nm N m
m

Darin ist R die Federrate in N/m, d. h. die Bild II.26. Formiinderungsarbeit Wf beim
Belastung je m Verlangerung: R = F Is. Spannen einer Schraubenfeder

285
Mechanik

2.1.2. Drehung des Korpers (Bild 11.27). Der Angriffspunkt P der Tangentialkraft FT beschreibt
Kreisbogen vom Radius r, z.B. bei einer Kurbel. Das Bogenstiick Lls ergibt sich aus Drehwinkel
Ll<.p = Llslr; Lls = Ll<.pr und damit die Teilarbeit LlW = FT Lls = FTr Ll<.p.
Da F T r = M das Drehmoment der Kraft F T in bezug auf die Drehachse ist, wird mit Drehwinkel
Ll<.p = wLlt (11.39) die Arbeit des Momentes (Dreharbeit)

W= ~Ll W = ~FTr Ll<.p = ~M Ll<.p


(11.79)
W = ~M wLlt

1st FT oder M konstant, so wird W =M <.p.


1m einzelnen wird bei der Berechnung der Arbeit W eines
Drehmomentes M (Dreharbeit einer Kraft F T ) unterschie-
den: Bild II.27. Dreharbeit einer
2.1.2.1. Arbeit W des konstanten Drehmomentes M (kon- Tangentialkraft FT
stante Tangentialkraft FT)' Das Momenten-Drehwinkel-
Schaubild (Bild 11.28) zeigt eine Rechteckflache wie in
Bild 11.23 und es gilt:
Momenten/lnie
Dreharbeit W = Drehmoment M X Drehwinkel <.p ~
.... "LlW
ai
8 Llip W=LLlW=Mip ~
(11.80) ~
~
Cl
0 rp Orehwinkel if
W
Bild II .28. Arbeit eines konstanten
J=Nm Drehmomentes M (Dreharbeit) tiber
einem Drehwinkel 'P
z Anzahl der Umdrehungen

2.1.2.2. Arbeit W des vertinderlichen Drehmomentes M (veranderliche Tangentialkraft FT) ' Es gilt
Bild 11.24 mit Drehmoment M statt Kraft Fund Drehwinkel <.p statt Weg s: Dreharbeit:

W= ~ Ll W = ~M Ll<.p ~ Flache unter der Momentenlinie (11.81 )

2.1.2.3. Beschleunigungsarbeit W des konstanten resultierenden Momentes M (konstante Tangen-


tialkraft F T ); der Korper wird von Winkelgeschwindigkeit WI auf W2 gleichmaf1ig beschleunigt
oder verzogert; Entwicklung mit Hilfe des Dynamischen Grundgesetzes fUr Drehung M =J (X
(J Tragheitsmoment, (X Winkelbeschleunigung):

W2 - WI W2 + WI 2 2
W=J Llt . 2 Llt Beachte: (W2 - WI )(W2 + WI ) = W2 - WI

Nach Bild 11.15 eingesetzt ergibt sich die Beschleunigungsarbeit

W J
J
W= - (w~
2
-wD kgm2
(11.82)
J=Nm=-2-
s

286
II.Oynamik
Wird der Korper von WI = 0 an beschleunigt oder auf WI = 0 verzogert, so wird die Beschleuni-
gungsarbeit

W = !... w 2 (II.83)
2

2.2. Leistung P
Die konstante oder mittlere Leis tung P ist der Quotient aus Arbeit W und Zeit t:

w=~I:J
P= W (II.84)
t

Der Betrag der Leistung ist damit auch gleich dem in der Zeiteinheit (meist 1 s) verrichteten Ar-
beitsbetrag. Die Leistung ist eine skalare GroBe. Aus (1I.84) ergibt sich flir die Arbeit W bei kon-
stanter Leistung P:
W=Pt (11.85)
Beachte: Die gesetzliche und SI-Einheit flir die Leistung P ist das Watt (W).
1 Watt ist gleich der Leistung, bei der wahrend der Zeit 1 s die Energie 1 J umgesetzt wird:

1 W = 1 Joule J (11.86)
1 Sekunde
Da nach (1I.69) 1 J = 1 Nm = 1 Ws ist, gilt:

(11.87)

Die letzte Form ergibt sich mit 1 N = 1 kgm/S2.

2.2.1. Geradlinige Bewegung. Sind verschiebende Kraft Fund konstante Geschwindigkeit v gleich-
gerichtet, so gilt mit (11.84) flir die Leistung P:

W Fs s P F v
P = - = - = F - = Fv (11.88)
t t t m
W=Nm N
s
P=Fv

2.2.2. Drehung des Korpers. Greift die Tangentialkraft FT an einer Kurbel vom Radius r an, die
sich mit gleichbleibender Geschwindigkeit v bzw. Winkelgeschwindigkeit W dreht, so ist P = F TV =
FTrw. Mit FTr = Drehmoment M wird die Leistung
P M w FT v r
P=Mw (II.89)
W=Nm Nm 1 N ~ m
s s

Wird fill die Winkelgeschwindigkeit w = Tr n/30 eingesetzt, so ergeben sich zwei in der Technik
wichtige Zahlenwertgleichungen zur Berechnung von LeistungP oder Drehmoment M:
Mn
P= 9550 P M n (II.90)

kW Nm min-1
M=9550 ~ (11.91 )

287
Mechanik

2.3. Wirkungsgrad
Der Wirkungsgrad 11 einer Maschine oder eines Vorganges (Spannen einer Feder, Gewinnung eines
Stoffes, Umwandlung von Wasser in Dampf usw.) ist das Verhaltnis der von der Maschine oder
wahrend des Vorganges verrichteten Nutzarbeit Wn zu der der Maschine oder wahrend des Vor-
ganges zugejUhrten Arbeit Wz :
Wn
11 = -<
W
1 (11.92)
z
Ohne Beriicksichtigung der bei allen Maschinen auftretenden Formanderungsarbeiten wird als
Wirkungsgrad 11 auch das Verhaltnis der Nutzleistung P n zur zugejUhrten Leistung Pz bezeichnet:
Pn
11 = -
Pz
<1 (H.93)

Der Wirkungsgrad 11 ist stets kleiner als 1 (11 < 1) bzw. kleiner als 100 % (T/ < 100 %). Man gibt ihn
auch in Prozenten an, also statt 11 = 0,78 auch 11 = 78 %.
Den Zusammenhang zwischen Wirkungsgrad 11, Antriebsdrehmoment M I, Abtriebsdrehmoment M2
und Ubersetzung i liefert die erweiterte Gleichung (11.93) mit
Pn P2 M 2 W2
11=-=-=-_·
Pz PI Mlwl'
(11.94)
M2 1
11=-·-
MI i
In einer Maschine oder Vorrichtung sind mehrere Getriebeteile hintereinandergeschaltet, deren
jeder einen bestirnmten Wirkungsgrad T/ 1> 112,113 ... besitzt. Das gleiche gilt fUr einen in Teilvorgange
zerlegten Gesamtvorgang. Der erste Getriebeteil gibt die Nutzarbeit WI = 111 Wz an den folgenden
Teil weiter. Dieser leitet demnach
W2 =112WI = 111112 Wz weiter,so da£
W3 = 113 W2 = 111112113 W2 wird usw. bis zur Nutzarbeit Wn:
Wn = 111112113 ... Wz oder Gesamtwirkungsgrad
Wn
l1gesamt = Wz = 111112113··· (11.95)

Der Gesamtwirkungsgrad Iafbt sich als Produkt aller Einzelwirkungsgrade berechnen.

2.4. Ubersetzung (Ubersetzungsverhrutnis)


Nach DIN 868 ist die Vbersetzung i eines Getriebes das Verhaltnis von treibender Drehzahl nl zur
getriebenen n2: i = ndn2. i Jat1t sich in gleicher Weise ausdriicken durch die Winkelgeschwindigkei-
ten: i = WI/W2. Bei Zahnrad-, Riemen-Reibgetrieben u.a. sind die Umfangsgeschwindigkeiten v
sich abwruzender Kreise (Teil- oder Walzkreise) bzw. die Riemengeschwindigkeit bei schlupf-
freier Vbertragung flir beide Rader bzw. Scheiben gleich grot1. Es ist dann VI = V2 oder auch
d I 'IT nl = 'lTd2 n2, d.h. nl /n2 =d2/d I. Bei Zahnradern ist der Teilkreisdurchmesser d= Zahnezahl z
mal Modul m: d = z m; damit auch: ndn2 = Z2/ZI. Allgemein gilt demnach:
Die Baugrot1en eines Rader- oder Scheibenpaares verhalten sich umgekehrt wie die Drehzahlen
bzw. Winkelgeschwindigkeiten.
nl WI d2 Z2 M2
i= - = - = - = - =- (H.96)
n2 W2 dl Zl MI
(H.97)

288
II. Dynamik

• Beispiel: Welche Beschleunigungsarbeit W verrichtet ein Kraftwagenmotor, wenn er eine Masse von
1000 kg von 10 km/h auf 50 km/h beschleunigt. Welche mittlere LeistungPist aufzuwen-
den, wenn der Beschleunigungsvorgang 20 s dauert?
.. _m
LOsung: W-2"(V2 -VI)-
2 2 _10002 kg . Lf( 50 )2 m2 (10 )2 m2]
3,6 ~- 3,6 ~

k 2
W=92650 ~ =92650J
s

P = ~ = 92650 Nm = 4632 5 Nm = 4 633 kW


t 20 s ' s '
• Beispiel: Ein Karper der Masse m = 500 kg soll 3 m hoch gehoben werden. Es steht dazu eine Winde
mit Kurbelradius r = 300 mm zur Verfligung. Die an der Kurbel tangential angreifende
Handkraft soll 150 N betragen. Wieviel Kurbelumdrehungen z sind natig?

LOsung: W = mgh = 500 kg· 9,81!!}' 3 m = 14715 Nm


s
W=21TFT rz
W 14715 Nm
z = 21T FTr = 21T '150 N· 0,3 m = 52 Umdrehungen

• Beispiel: Welches Drehmoment M iibertragt ein Elektromotor, der bei einer Drehzahl von
1000 min- I eine Leistung von 10 kW abgibt?

LOsung' M = 9550
.
!:.n = 9550· ~
10 3
Nm = 95 5 Nm
'

• Beispiel: In ein Getriebe mit der Dbersetzung i = 25 wird ein Drehmoment M I = 5 Nm eingeleitet.
Der Getriebewirkungsgrad betragt 80 %. Wie grofl, ist das Abtriebsdrehmoment M2 ?
M
LOsung: 1/ = M 2. ~ M2 = 1/Mli = 0,8' 5 Nm' 25 = 100 Nm
I'
• Beispiel: Welche Masse m kann durch eine Handwinde mit 40facher Dbersetzung und 80 % Wir-
kungsgrad gehoben werden, wenn am Kurbelradius r = 350 mm eine Tangentialkraft
FT = 150 N angreift und die Handkurbel z = 50 mal gedreht wird?

.. Wn FGh . 2 1T r z Kraftweg
LOsung: 1/=-W = 2 F ; 1=--=
z 1T Trz h Lastweg
kgm

1/= F~= m~~m=1/FTi=0,8'150N'40=489,3 s2 =489,3kg


FTI FTI g 981~ m
, s2 s2

• Beispiel: Eine Schraubenfeder mit der Federrate R = 1540 N/m ist durch den Federweg SI = 70 mm
vorgespannt und wird beim Betrieb um..:ls = 90 mm verlangert werden. Wie grofl, sind die
Spannkrafte F I , F2 und die in der Feder gespeicherte Formanderungsarbeit!

LOsung: FI = RS I = 1540 ~. 0,07 m = 107,8 N

N
F2 =Rs 2 =R(si +..:lS) = 1540 m'0,16m=246,4N
FI + F2 (107,8 + 246,4) N
W= -2-..:ls 2 . 0,09 m = 15,94 Nm = 15,94 J

289
Mechanik
3. Dynamik der Verschiebebewegung (Translation) des starren Korpers
In der reinen Bewegungslehre (Kinematik) werden die Bewegungsvorgange ohne Beriicksichtigung
der ursachlichen Krafte behandelt. In der eigentlichen Dynamik dagegen (Kinetik) untersucht man
den Zusammenhang zwischen den wirkenden Kraften und der von ihnen bewirkten Bewegungs-
anderung der Kbrper.

3.1. Dynamisches Grundgesetz


Wirken am Kbrper mehrere Krafte F I , F 2 , F3 ... (z.B. am Auto die Triebkraft, der Luftwiderstand
und der Fahrwiderstand), und ist Fr die Resultierende der Kraftegruppe (Fr = 'LF), so erfahrt der
Kbrper eine dieser Resultierenden proportionale und gleichgerichtete Beschleunigung a:
Resultierende Kraft Fr = Kbrpermasse m X Beschleunigung a
Fr m a
Fr = ma (II.98)
N = kgm kg m
s2 s2

Bei der reinen Verschiebebewegung muE die Resultierende Fr aller angreifenden Krafte durch den
Kbrperschwerpunkt hindurchgehen; sonst zusatzliche Drehung des Kbrpers. 1st Fr konstant, so
wird der Kbrper gleichmiij3ig beschleunigt. 1st Fr = 0, so wird er nicht beschleunigt (a = 0); der
Kbrper bleibt dann in Ruhe oder in gleichfbrmiger geradliniger Bewegung (Tragheitsgesetz von
Galilei). Dbt ein Kbrper A auf den Kbrper Beine Kraft aus, so libt auch B auf A eine gleichgroBe,
entgegengesetzt gerichtete Wechselwirkungskraft auf gleicher Wirklinie aus (Wechselwirkungsgesetz:
Aktion = Reaktion).
3.1.1. Dynamisches Grundgesetz ftir Tangenten- und Normalenrichtung. Bei beliebiger krumm-
liniger Bahn des Kbrpers (Bild II.29) setzen sich Beschleunigung a und Kraft F aus den beiden senk-
recht aufeinander stehenden Komponenten zusammen:

(U.99)

FT Tangentialkraft
FN Normalkraft
aT Tangentialbeschleunigung
aN Normalbeschleunigung, auch Zentripetal-
beschleunigung genannt

Bild II.29. Kraft- und Beschleunigungsvektor und


deren Komponenten

Die Tangentialkraft FT bewirkt allein die Betragsanderung der Geschwindigkeit v (Beschleunigung


bei gleichem, Verzbgerung bei entgegengesetztem Richtungssinn). Die Normalkraft FN bewirkt
allein eine Richtungsanderung der Geschwindigkeit v. Sie ist zum Mittelpunkt M (Zentrum) hin
gerichtet und heiBt deshalb Zentripetalkraft. Die sogenannte Fliehkraft ist von gleichem Betrag
aber entgegengesetztem Richtungssinn.
FN m aN v P W
v2
FN =maN =m-=mpw 2 (II.IOO)
P N= kgm kg m m m
s2 s2

p Kriimmungsradius der Bahn, im allgemeinen veranderlich. Bei Kreisbogen ist p = Kreisbogen-


radius r = konstant einzusetzen.

290
II. Dynamik
3.1.2. Dynamisches Gmndgesetz fiir den freien Fall. Beim freien Fall des Korpers im luftleeren
Raum wirkt auf ihn lediglich die Gewichtskraft FG als resultierende Kraft (F,. = FG)'
Mit der Fallbeschleunigung g erhaIt das Grundgesetz flir Gewichtskraft FG undNormgewichtskraft
FGn die Form:

m g
(ILl 01)
N= kgm kg m
s2 s2

Gewichtskraft FG und Fallbeschleunigungg andern sich mit dem Ort und auch mit der Entfernung
vom Erdmittelpunkt, die Masse m des Korpers dagegen ist liberall dieselbe; sie wird mit der Hebel-
waage gemessen.
Die Normfallbeschleunigung gn international festgelegt:

m
gn = 9,80665"2 (II.102)
s
(gilt etwa flir 45° geographischer Breite und Meeresspiegelhohe)

Allgemein gilt flir die Fallbeschleunigung die Zahlenwertgleichung:

g = 980,632 - 2,586 cos 2.p + 0,003 . cos 4.p - 0,293 h (II.103)


g in cm/s 2 ; .p geographische Breite; h Hohe tiber dem Meeresspiegel in km

3.1.3. Dynamisches Grundgesetz fiir horizontaIe Beschleunigung mit Reibung. Soll ein Korper auf
horizontaler Ebene die Beschleunigung a erhalten, und ist FR die Reibkraft zwischen Korper und
Unterlage mit /1 als Reibzahl, so wird die erforderliche konstante Zugkraft F z (oder Bremskraft)
parallel ZUI Bahn:
F z =ma + FR =ma + FG /1 = ma + mg/1
F z =m(a±g/1) a g /1
(11.104)
+ fUr Beschleunigung a N= kgm kg m m
- flir Verzagerung a s2 s2 s2

3.1.4. Dynamisches Gmndgesetz fiir vertikale Beschleunigung ohne Reibung. Soli ein Karper durch
eine Zugkraft Fs in vertikaler Richtung die Beschleunigung a erhalten, so gilt flir die Seilkraft

Fs = m(g ± a) m g a
+ flir Beschleunigung nach oben N= kgm kg m m (II. lOS)
- flir Beschleunigung nach unten S2 s2 s2

(g + a) und (g - a) stellen praktisch die resultierende Beschleunigung flir Aufwarts- und Abwarts-
bewegung dar.
3.1.5. Beschleunigung frei mtschender Korper auf schiefer Ebene mit Neigungswinkel

,g /1
a = g sin a ohne Reibung
a=g(sina-/1cosa) mit Reibung
~
~ 1
(ILl 06)
s2

291
Mechanik

• Beispiel: Ein Kraftwagen der Masse m = 1000 kg soli aus dem Ruhezustand so beschleunigt wer-
den, da~ er innerhalb 18,5 seine Geschwindigkeit von 100 km/h besitzt. Der Fahrwider-
stand betrligt Fw = 300 N. Er wird als gleichbleibend angenommen.
Gesucht: a) die mittlere Beschleunigung a; b) die erforderliche Antriebskraft F; c) der
Anfahrweg s.

LNsung:
T " a) u = 100 h
km = 3,6S , m
100 m = 278 s 1 nac h Bild II .3)
( u, t- Sch au b'ld
m
flu 27,8 S m
a = M = 18,5 s = 1,5 ~

b) Resultierende Antriebskraft Fr = ma = 1000 kg '1,5 ~ = 1500 k~


s s
Fr = 1500 N
Antriebskraft F = Fr + F w = (1500 + 300) N = 1800 N
oder mit Gleichung (11.104):
Fw Fw 300N
F z = mea + g/J); /J=-=-= =0,03
G mg 1000kg'10~
s2

F z = 1000 kg (1,5 ~ + 10 ~. 0,03) = 1800 kg~ = 1800 N


s s s

u2 (27,8 7-)2 ut 27,8 s ' 18,5 s


m
c) S =- = = 2576 m' oder: S = "2 = 2 257 m
2a 2'15~ "
, 82

• Beispiel: Ein Kraftwagen der Masse m = 1000 kg soli bei 50 km/h Geschwindigkeit einen Brems-
weg Sb = 18 m haben.
Gesucht: a) die Bremszeit tb; b) die Bremskraft F b ; c) die Mindestreibzahl zwischen
Rlidern und Fahrbahn.
LOsung: a) Flir die gleichma~ig verzogerte Bewegung des Fahrzeugschwerpunktes gilt mit dem u, t-
Schaubild 11.5:

= 50 km = 50 m = 13 9 ~
u h 3,6 s ' s
2·18 m ..
Verzogerung flu 13,9 m 5 37 m
tb=--- a=A = - - - 2 =, "2
13 , 9~ Uot 2,59 s s
8
(3 m)2
u2 1,9 S m
tb = 2,59 s oder auch a = -2 = 2 18 = 5,37"2
sb . m s
m kgm
b) Fr = ma = 1000 kg' 5,37"2 = 5370 - 2 - = 5370 N
s s
Fb = Fr - Fw (wei! der Fahrwiderstand Fw in Richtung der Verzogerung wirkt!)
Fb = (5370 - 300) N = 5070 N, oder mit Gleichung (11.104) und /J = 0,03 (wie oben):
Fb = m(a-g/J)
m m ) kgm
Fb = 1000 kg ( 5,37"2 - 10 "2 . 0,03 = 5070 - 2 - = 5070 N
s s s

292
1I.0ynamik
c) Die Bremskraft Fb mu~ als Reibkraft FR von der Fahrbahn auf den Umfang der
gebrernsten Rader ausgeiibt werden. Es ist Reibkraft FR = J.lo FN = J.lo FG = J.lo mg
(auf ebener Bahn kann hier Normalkraft FN = Gewichtskraft FG gesetzt werden).
FR FR 5070N
Daraus Haftreibzahl J.lo ~ F. = mg = = 0,507
G 1000 kg· 10 ~
s

• Beispiel: Ein am Kransell hangender Korper der Masse m = 1000 kg soH mit einer Beschleunigung
von 1,2 m/s2 gehoben oder gesenkt werden. Sell und Trommel werden als masselos und
reibungsfrei angegeben.
Gesucht: Die im Seil auftretende Zugkraft Fs bei
a) Aufwartsbewegung; b) Abwartsbewegung

LOsung: a) Fs = m(g + a) = 1000 kg (10 + 1,2) ~ = 11200 N


s
m
b) Fs = m(g-a) = 1000kg(1O -1,2) 2" = 8800 N
s
Dbedegung: Resultierende Kraft F'r = ma = 1000 kg·l,2 m/s2 = 1200 N, die einmal zur
Gewichtskraft FG = mg = 1000 kg· 10 m/s2 = 10000 N hinzugezahlt, einmal davon abge-
zogen werden mu~ .
• Beispiel: Auf einer unter 0: = 20° geneigten Sackrutsche von 4 m Lange gleiten Fordergiiter aus
dem Ruhezustand frei abwarts. Reibzahl J.l = 0,2.
Gesucht: a) Beschleunigung a des Fordergutes; b) Endgeschwindigkeit Ve; c) Rutschzeit t.

LOsung: a) a = g (sin 0: -J.l coso:) = 10 !¥-(0,342 -0,2 ·0,94)= 1,54!¥-


s s

b) ve = V2Ils = J2 .1,54~. 4m= 3,5 ~


m
ve 3,5 S
c) t = - = - - = 2 27 s
a 154!!!.
,
'
s2

3.2. Energie, Energieerhaltungssatz


Energie nennt man die im Korper aufgespeicherte Arbeit und damit die Fahigkeit des Korpers,
Arbeit aufzubringen. Energie ist wie die Arbeit eine skalare Gro~e.
Man unterscheidet drei Arten mechanischer Energie: Bewegungsenergie (kinetische Energie),
H6henenergie im Bereich der Erdanziehung (potentieHe Energie) und Verformungsenergie des ela-
stischen Korpers. A~erdem: Warmeenergie, elektrische Energie, magnetische Energie, Strahlungs-
energie, chemische Energie u.a.

Energieerhaltun~atz
Die Energie am Ende eines Vorganges EE ist gleich der Energie am Anfang des Vorganges
E A , vermehrt urn die wahrend des Vorganges zugeflihrte Arbeit Wzu , vermindert urn die
inzwischen abgegebene Arbeit Wab .
+
Energie am Energie am . ft. (ILl 07)
_" zugeflihrte _ abge Uhrte
Ende des - Anlang des + Arbeit Arbeit
Vorganges Vorganges
Die Einheit flir Energie und Arbeit ist im Abschnitt 2.1 erlautert; siehe dort auch Gleichung (11.69).

293
Mechanik
3.2.1. Hohenenergie (potentielle Energie) ist im Bereich der Erdanziehung diejenige Arbeits-
fahigkeit, die ein Karper der Masse m in bezug auf eine urn die Hahe h tiefer gelegene Ebene be-
sitzt. Sie ist gleich der Hubarbeit W = FG h = mgh, die bei der Aufwartsbewegung aufzubringen
war (11.73): Potentielle Energie
E m g h
Epot=FGh=mgh J=Nm kg m m (11.108)
s2

Potentielle Energie ist auBerdem noch die Formanderungsenergie, z.B. die Arbeitsflihigkeit einer
gespannten Feder (siehe Festigkeitslehre) und eines komprimierten Gases.

3.2.2. Bewegungsenergie (kinetische Energie, Wucht) ist die Arbeitsflihigkeit eines mit der Ge-
schwindigkeit v bewegten Karpers der Masse m: Kinetische Energie oder Wucht

E m v
m 2
Ekin ="2 V m
(11.109)
J=Nm kg
s2

Wkin ist gleich der vom Karper aus dem Ruhezustand heraus aufgespeicherten Beschleunigungs-
arbeit W = m v 2 /2 nach (11.75).

3.3. Wuchtsatz (Arbeitssatz)


Er gibt den Zusammenhang zwischen Beschleunigungsarbeit W und Wucht Ekin :

Der Zuwachs an kinetischer Enrgie (oder der Unterschied zwischen der kinetischen Energie
EE am Ende des Weges und der kinetischen Enrgie E A am Anfang) ist gleich der von den
angreifenden Kraften F l , F 2 , F3 ... (oder deren Resultierender Fr) verrichteten Arbeit W.

m 2 m 2
W = "J:,FAs = Frs = EE - EA =2 V 2 -"2 VI
W m
W= m (v~ -vn (11.11 0)
2 m
J =Nm kg

Der Energiezuwachs ist also gleich der vom Karper aufgespeicherten Beschleunigungsarbeit nach
(11.74). Dort ist auch die Herleitung der Gleichung angegeben.
Beachte: In der Gesamtarbeit W sind gegebenenfalls die Arbeit der Schwerkrafte (Hahenenergie)
und die Arbeit der Spannkrafte (Formanderungsenergie) enthalten.
Der Wuchtsatz ist ein Sonderfall des allgemeinen Energieerhaltungssatzes (1U 07), zugeschnitten
auf die mechanischen Energieformen:

EE + Wab
Wucht am Ende Wucht am Anfang + zugeftihrte abgefiihrte
des Vorganges des Vorganges Arbeit Arbeit

(11.111)

294
II.Oynamik

• Beispiel: Ein Korper wird in horizontaler Richtung mit einer Geschwindigkeit VI fortgeschleudert.
Infolge der Erdanziehung beginnt er sofort zu fallen. Welche Geschwindigkeit V2 besitzt
der Korper, wenn er urn die Hohe h gefallen ist (ohne Luftwiderstand)?

LOsung: Nach dem Energieerhaltungssatz (11.107) ist


EE =EA + Wzu - Wab EE Energie am Ende des Vorganges
m m
"2 vi ="2 vt + mgh + 0 - 0

V2 =.Jvr + 2gh E A Energie am Anfang des Vorganges


m 2
EA=TvI+mgh

Wzu = 0 und auch Wab

• Beispiel: Ein rallender Eisenbahnwagen gelangt mit einer Geschwindigkeit v = 10 km/h an eine
Steigung von 0,3 %. Es wirkt ihm ein Fahrwiderstand Fw von 1360 N entgegen. Wagen-
masse m = 34 t. Berechne den Auslaufweg s auf der Steigung!
Losung: Energie am Ende des Vorganges EE = FG h = mgh; Energie am Anfang des Vorganges
E A =!!] v2 ; infolge des Fahrwiderstandes wird Arbeit abgefiilut Wab = Fws. Nach (II.l 07)
wird also:

EE =EA + Wzu - Wab

mgh = m
2 V2 + 0 - Fw S·, und mit tan a = 0 ,003 = sin a = !!..
s' h = s sina'.

mgSSina=; v2 -Fw s
2
34000kg'2,78 2 m2
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _-=-s_;--_ = 55,2 m
2(34000 kg ·10 ~. 3 '10- 3 + 1360 k~)
s s

• Beispiel: Am Ende einer frei herabhangenden Schraubenfeder mit Federrate R = Fls hangt ein
Korper der Masse m, der aus der ungespannten Federlage plbtzlich losgelassen wird. Welche
Geschwindigkeit v besitzt der Korper nach der Uingung Sx der Feder und wie graB ist der
maximale Federweg Smax ?

Losung: Die Energie EE des Karpers am Ende des Vorganges betragt EE = mv2 /2. Am Anfang
besitzt er die Lageenergie E A = mgs x . Abgeflihrt wird die von der Feder aufgenommene
Arbeit Wab = cs~/2 zum Spannen der Feder. Oem Karper wird keine Arbeit zugeflihrt,
also ist Wzu = O.
Damit ergibt sich:

EE=EA +Wzu-Wab

; v2 = mg Sx + 0 - ~ s~

v = y:~gS x _£
m S2
x

295
Mechanik

Die gro& Uingung Smax tritt auf, wenn die Geschwindigkeit v = 0 ist. Dann ist
2mg
Smax =T
Der gro~teFederweg ist hier also doppelt so gro~ wie bei langsamer Uingung der Feder
(smax =FG/R =mg/R).

• Beispiel: Von einer Sackrutsche mit dem Neigungswinkel a = 20° und der Lange 1= 5 m wird das
Fordergut abgelassen. Reibzahl J,1 = 0,1. Mit welcher Endgeschwindigkeit v kommt das
Fordergut unten an?
m
Losung: Energie am Ende des Vorganges E E =2" v2

Energie am Anfang E A = FG h = mgh = mgl sina


zugeftihrte Arbeit Wzu = 0
abgeftihrte Arbeit Wab = Arbeit der Reibkraft = FR 1 = FG cosaJ,1l = mg cosaJ.ll , siehe
(11.77). Damit wird
EE =E A + Wzu - Wab

; V2 = m g 1 sin a + 0 - m g cos a J,1 I


v = J2gl (sin a - J,1 coSO!) = .j2r--·1-0-=!%=--'5-m-(-0,-3-42---0-,1-'-0,-9-4) "" 5!E.
s s

3.4. Impuls, Impulserhaltungssatz


Wird das Dynamische Grundgesetz nach (11.98) in der Form Fr = ma geschrieben und werden
beide Seiten der Gleichung mit dem Zeitabschnitt t:.t = t2 - t I multipliziert, so ergibt sich:

t:.v
Fr t:.t = m a t:.t = m t:.t t:.t = m t:.v

Wird also ein Korper der Masse m wahrend des Zeitabschnittes t:.t von der Geschwindigkeit VI auf
V2 beschleunigt, so gilt

(1I.112)
m
kg

Beim Antrieb aus der Ruhe heraus wird

Fr t = mv (11.113)
Das Produkt m v aus Korpermasse m und Geschwindigkeit v hei~t Impuls oder Bewegungsgrofie.
Der Impuls ist ein Vektor. Das Produkt Fr t hei~t Kraftsto~:

Die Zunahme des Impulses eines Korpers ist gleich dem KraftstoB wahrend der bctrachteten
Zeit.

Wie die Herleitung zeigt, besteht kein physikalischer Unterschied zum dynamischen Grundgesetz
jedoch laBt sich haufig das Geschwindigkeitsgesetz der Bewegung einfacher aufstellen.

296
II. Dynamik
Bevorzugt wird dieser Satz angewendet auf den "kraftefreien" Korper, also fur den Fall Fr = O.
Dann bleibt der Impuls mv des Korpers erhalten und es gilt der Impulserhaltungssatz:

mV2 - mVi = 0
(I1.l14)
m V2 = m Vi = konstant
Sind also in einem System keine auBeren Krafte vorhanden oder ist die geometrisch addierte
Summe der vorhandenen Krafte gleich Null, so bleibt der Impuls m V des Systems nach Betrag und
Richtung (Vektor!) unverandert. Innere Krafte haben keinen EinfluB auf den Impuls des Systems.
• Beispiel: Aus einem mit Vi = 0,5 m/s Geschwindigkeit auf das Ufer zutreibenden Boot der Gesamt-
masse m 1 = 400 kg springt ein Mann der Masse m2 = 70 kg mit einer Absolutgeschwindig-
keit V2 = 2 m/s in Fahrtrichtung an Land. Mit welcher Geschwindigkeit V und in welcher
Richtung bewegt sich das Boot nach dem Absprung des Mannes?
LOsung: Wird die Fltissigkeitsreibung zwischen Bootswand ,und Wasser vemachlassigt, so gilt der
Satz (II.114), d.h. die BewegungsgroBe mi Vi muB gleich der Summe der Impulse des
leeren Bootes (mi - m2)v und des abspringenden Mannes m2V2 sein:
miVi =(mi -m2)v+m2 v2
m m
V =
mivi -m2v2 400kg'0,5 -70kg'2 s m
= 0182-
s
mi -m2 400kg-70kg , s
Das positive Vorzeichen bei V zeigt an, daB sich das Boot mit dieser Geschwindigkeit in
der urspriinglichen Richtung weiterbewegt.

• Beispiel: Zum Verschieben von Waggons wird ein Elektro-Waggondriicker verwendet, der eine
Schubkraft von 6000 N entwickelt. Es sollen 2 Waggons von je 18 t Masse mit einer Ge-
schwindigkeit von 2 m/s abgestoBen werden. Berechne die Zeit, die der Driicker wirken
muB! Reibungswiderstiinde bleiben unberiicksichtigt.
Losung: Beirn Antrieb aus der Ruhe heraus gilt (I1.l13): Fr t = m v; daraus

2·18·1Q 3 kg·2!!!.
t=mv= s
Fr 6000 kgm
s2

t= 12 s

• Beispiel: Ein Triebwagen von 10000 kg Masse flihrt mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h und
wird kurzzeitig 4 slang gebremst. Dadurch wird eine Bremskraft von 12000 N ausgelost.
Fahrwiderstand (Reibungswiderstand) bleibt unberiicksichtigt. Wie groB ist die Geschwin-
digkeit V2 nach dem Bremsvorgang?

LOsung: Gegeben: m = 104 kg', v = 30 km = 30 . .!!! = 8 33 !!!.


1 h , s
36 ' s
kgm
Fr = 12 000 -2- ; Dot = 4 s
s
Gesucht: V2
Nach (II.112) ist Fr Dot = m (Vi - V2) = m Vi - m V2 und daraus
k
mVi-FrD.!
4
10 kg'8,33 sm -1,2'104 7'
gm
4s m
v1 -- m 104 kg =353-
, s
297
Mechanik

3.5. d'Alembertscher Satz


Das Grundgesetz Fr = m a HiBt sich auch in der Form Fr - m a = 0 schreiben. Darin ist Fr die Resul-
tierende aller auBeren Krafte, m die Masse des Karpers und a die Beschleunigung in Richtung von
Fr·
Das Produkt m a bezeichnet man als Triigheitskraft
T m a
T= rna (II. II S)

womit das Dynamische Grundgesetz die Form einer statischen Gleichgewichtsbedingung erhalt.

~F=O
(II. 11 6)
Fr-T=O

Danach gilt der Satz von d'Alernbert:

Bewegt sich ein Karper unter der Einwirkung auBerer Krafte beschleunigt, so kann das
Kraftesystem trotzdem als im Gleichgewicht befindlich betrachtet werden, wenn zur Resul-
tierenden Fr eine gleichgroBe gegensinnige Tragheitskraft T = rn a hinzugeftigt wird. Innere
Krafte spielen keine Rolle.
Kiirzer:
An jedem Karper stehen die auBeren Krafte und die Tragheitskrafte im Gleichgewicht (siehe
Physik).

Beachte: Die Tragheitskraft T ist stets der Beschleunigung (oder Verzagerung) entgegengerichtet!

Arbeitsplan
Karper freimachen.
Beschleunigungsrichtung eintragen.
Tragheitskraft T = rn a entgegengesetzt zur Beschleunigungsrichtung eintragen, Gleichge-
wichtsbedingungen unter EinschluB der Tragheitskraft ansetzen.

Wie in der Statik kann jede Aufgabe dieser Art zeichnerisch oder rechnerisch gelOst werden.
Fehlerwarnung: Die Tragheitskrafte sind gedachte Hilfskriifte; sie dtirfen daher nur dann am Kar-
per angebracht werden, wenn nach d'Aiembert - also mit Gleichgesichtsansatz - gearbeitet wer-
den soil; keinesfalls also beim Grundgesetz oder beim Wuchtsatz oder beim Impulssatz!

• Beispiel: Ein Auto von 1000 kg Masse wird auf ebener StraBe so gebremst, daB es gerade ohne zu
gleiten mit einer Verzagerung von 3 m/s 2 bremst. Sein Achsabstand betragt 3 m, sein
Schwerpunkt liegt in der Fahrzeugmitte 0,6 m tiber der StraBe. Es werden nur die Hinter-
rader abgebremst. Zu berechnen sind die Sttitzkrafte an Vorder- und Hinterachse beim
Bremsen.
LOsung: Aus der Skizze des freigemachten Autos lassen sich die drei Gleichgewichtsbedingungen
der Statik ablesen (Bild 11.30):

I. ~Fx = 0 =- FR + T =- FB J.l + rna


II. ~Fy=O=-FG +FA +FB
I
III. ~M(B) = 0 =- FG 2. + FA /- Th

298
1I.0ynamik

mgl+ 2mah m(gl+2ah) r-E--;


21 21
rr---+-Ti> T=m·a
s2 3 m + 2 . 3 ~.
1000 kg (10 ~. S2 0 , 6 m)
FA = 2.3 m

FA = 5600 k~ = 5600 N
s
m kgm Bild II.30. Auto frei gcmacht
FB =FG -FA =mg-FA = 1000 kg '102"-5600-2- FA, FB Stlitzkriifte
s s FG Gewichtskraft
FB = 4400 N FR Reibungskraft

4. Dynamik der Drehung (Rotation) des starren Korpers


4.1. Dynarnisches Grundgesetz fiir die Drehung urn eine feste Achse
Das Dynamische Grundgesetz (lI.98) gilt flir jedes Massenteilchen flm des sich drehenden Korpers
(Bild II.31):
Tangentialkraft flFT = flmaT' Werden beide Seiten der Gleichung mit dem Radius r multipliziert,
so ergibt sich flFTr = flmaTr.
Darin ist flFT r (Kraft mal Hebelarm) das Teildrehmoment der Tangentialkraft flFT bezilglich der
Drehachse. Wird die Summe aller Teilmomente gebildet, so erscheint auf der linken Gleichungs-
seite das resultierende Drehmoment aller am Karper angreifenden Tangentialkrafte.

"J:,flFTr = "J:,flmaTr
Mr = "J:,flmaTr; flir aT =ca eingesetzt:
Mr = "J:,flm ca r
Mit Tangentialbeschleunigung aT = exr nach (11.47) erscheint
in der letzten Gleichung der Ausdruck LLlmr2; er heif"t
Triigheitsmoment

~ (II.ll7)
kgm21 kglm

wei! von dieser GroBe die Triigheit des Korpers gegen die Wir- Bild 11.31. Tangentialkraft AFT
und Beschleunigung aT des
kung beschleunigender und verzogernder Krafte abhangt.
Massenteilchens ciner gleich-
Filr die Drehung eines Korpers urn eine raumfeste Achse nirnmt miif'ig besch!cunigt umlaufenden
damit das Dynamische Grundgesetz fUr die Drehung die Form Kurbel
an:
Resultierendes Moment Mr = Tragheitsmoment J X Winkelbeschleunigung ex

J
(ILl 18)

1st die Winkelbeschleunigung ex konstant, dann ist die Drehung gleichmaBig beschleunigt. Es muB
dann bezilglich der Drehachse ein gleichbleibendes resultierendes Drehmoment wirken.

299
Mechanik
4.2. Tragheitsmoment I (Massenmoment 2. Grades), Tragheitsradius i
4.2.1. Deimition des Trligheitsmomentes. Das Tragheitsmoment I eines Korpers in bezug auf eine
gegebene Achse ist festgesetzt als Summe (genauer: Grenzwert der Summe) alIer Massenteilchen
Il.m, jedes malgenommen mit dem Quadrat seines Abstandes r von der Drehachse; siehe Defmitions-
gleichung (11.117). Aus dieser ergibt sich auch die Einheit fliT das Tragheitsmoment:

(11.119)

Der Zahlenwert dieses Summenausdrucks mu~ wegen r2 stets positiv sein. Er la~t sich bei geome-
trisch einfachen Korpern berechnen, bei beliebigen Korperformen zeichnerisch, durch Bremsver-
suche oder durch Schwingungsversuche am Korper oder am m~stablichen Modell bestimmen.
GegenUber der geradlinigen Bewegung kommt es bei der Drehung nicht nur auf den Betrag der
Masse an, sondern auch auf deren Verteilung urn die Drehachse. Je mehr Massenteilchen einen
gro&n Abstand von der Drehachse besitzen, urn so schwerer ist es, den Korper zu beschleunigen
(zu verzogern). FUr bestimmte Querschnittsformen lii~t sich das Tragheitsmoment I nach den in
Tafel 11.3 angegebenen Gleichungen berechnen.
4.2.2. Verschiebesatz (Satz von Steiner). Die fertigen Gleichungen nach Tafel 11.3 sind ausnahms-
los auf eine durch den Massenschwerpunkt S gehende Achse bezogen. Uegt der Schwerpunkt S
nicht auf der gegebenen Drehachse 0 und sind beide Achsen urn den Abstand I parallel verschoben,
so mu~ das Tragheitsmoment flir die Achse 0 nach dem Verschiebesatz berechnet werden:
Tragheitsmoment flir Tragheitsmoment flir Masse m mal Abstands-
gegebene parallele parallele + quadrat 12
Drechachse 0 - 0 Schwerachse S - S der beiden Achsen

10=ls+mf (11.120)
m

Eine der beiden Achsen mu~ stets Schwerachse sein und beide miissen parallel zueinander laufen.
1st der Abstand I gleich Null, so falIt das Glied m ./ 2 weg. Demnach ist das Tragheitsmoment I
mehrerer Korper oder mehrerer Teile eines Korpers in bezug auf die
gleiche gegebene Drehachse einfach gleich der Summe der Teiltragheits- oI--_.:.r_-----j
HI p
momente 11 ,12,!3 ... in bezug auf diese gegebene Achse:
1=11 +12 +13 + ... (11.121)
(gilt nur, wenn Tell- und Gesamtschwerachse zusarnmenfallen)
Herleitung des Verschiebesatzes (Blld 11.32)

10 = ~ll.mr2 = ~Il.m (l + p)2 = ~Il.m (P + 21p + p2) o


][

10 = 12~ll.m + 2/~ll.mp + ~ll.mp2; ~Il.m =Gesamtmasse m Bild 11.32. Verschiebe-


satz fliI Schwerachse S
10 = Pm + 0 + Is und gegebene paralJeJe
10 = Is + m f wie (11.120) Drehachse 0

Der Ausdruck 1:ll.m des ersten Gliedes ist die Masse m des Korpers, so da~ sich 12 m ergibt. Der
Ausdruck 1:ll.mp des zweiten Gliedes ist die Summe der Drehmomente aller Massenteilchen in be-
zug auf die Schwerachse der Masse m; der Zahlenwert mu~ daher Null ergeben; siehe dazu Momen-
tensatz der Statik. Der Ausdruck 1:ll.mp2 des dritten Gliedes ist das Tragheitsmoment der Masse m
in bezug auf die Schwerachse S: Is = 1:ll.mp2, kann also nach den Gleichungen aus Tafel 11.3
berechnet werden.

300
II.Oynamik
Tafel II.3. Gleichungen fUr Triigheitsmomente J
Art des Korpers Tragheitsmoment J (Jx urn die x-Achse; Jz urn die z-Achse); p Dichte

bei geringer Plattendicke s ist

a2
Wiirfel mit Seitenliinge a: J x = Jz = m 6"

~
x h
'1<,,--
Kreis-'r. d
zybfJder
z x
1 1 1
Jx="2m(R2 +r 2 )=/im(D 2 +d 2 )= 32 Ptrh (D 4 -d 4 )

e~
x h
1
'1",,-- Jx="2Ptrh(R4_r4)
" D=2R
1 1 1 4
Hohl- d=2r J =-m(R 2 +r2 +-h 2 )=-m(D 2 +d 2 +-h 2 )
3 16 3
zybr)(ier 1 s ... x
z 4

Zylindermantel J x =lmd2
4
=lp_d 3 hs
m 4 .. m
1 2 1 2
Jz =/im(d~ +"3h2)=/iPtrdmhs(d~ +"3 h2 )

1
Hohlzylinder mit Wanddicke s = "2 (D - d) sehr klein

im Verhaltnis zum mittleren Durchmesser d m = i (D + h)

x ~
J =l..mr 2 Kreiskegelstumpf: J x =
3
10 m
r~ - ri
KrelSkeg~
x 10 -3--3
r2 - rl
r2 Grundkreisradius
rl Deckkreisradius (siehe S. 135)

Kugel x a J % C
d=2r
A x

Hohlkugel (Kugelschale) _ _l 2 _l
J x -Jz - 6 md m - 6 ptrdms
4

1
Wanddicke s ="2 (D - d) sehr klein im Verhaltnis
. 1
zum mIttleren Durchmesser d m = "2 (D + d)

313
Jz = m(R2 +4r2)=4m(D2 +4d2) m = 2tr 2 r2Rp

Jz = 116 ptr2 Dd2 (D 2 +~d2) = ~ mD2 [1 +H~n

301
Mechanik

4.2.3. Triigheitsradius i ist derjenige Abstand von der gegebenen Drehachse, in dem man die punkt·
f6rmig gedachte Masse m des K6rpers anbringen mull>, urn das Tragheitsmoment J des K6rpers zu
erhalten. Tragheitsmoment J = Masse m X Tragheitsradius·Quadrat i 2

(11.122)

i=~ Jim
kgm2 kg m
Ii (11.123)

4.2.4. Reduzierte Masse mred. Denkt man sich die verteilte tatsachliche Masse m des K6rpers im
willktirlichen Abstand r von der Drehachse angebracht, wobei das Tragheitsmoment eingehalten
werden soli, dann spricht man von der reduzierten Masse mred. Je nach Wahl des Abstandes r erhalt
man einen anderen Wert flir mred. Jedoch laBt sich auch gerade derjenige Radius finden, flir den die
Ersatzmasse gleich der tatsachlich vorliegenden wird. Dieser Radius heiBt Triigheitsradius i:

(II.I24)

r = , / 1 =,/J=i (II.I2S)
V~ Vm
4.2.5. Reduktion von Trligheitsmomenten heiBt die Riickfilluung der Tragheitsmomente aller
Massen des betrachteten Systems, z.B. eines Radertriebes, auf eine einzige Welle.
Sind J 1 , J 2 , J 3 .•. die Tragheitsmomente der einzelnen auf Welle 1,2,3 ... drehenden Massen und
WI, W2, W3, ... ihre Winkelgeschwindigkeiten, so ist ihre gesamte Rotationsenergie

I 2 2 2 _ I 2( w~ w~
Erot=-(JIWI+J2W2+J3W3+···)--2wI J 1 +J2 - 2 +J3 - 2 + ...
)
2 WI WI

_I 2
Erot - 2" WI J red (II.126)

J2 -T;
w
WI
2
J3 -T ... sind darin die auf Welle I reduzierten (bezogenen) Tragheitsmomente
W 2

WI

Statt der Winkelgeschwindigkeiten W k6nnen auch die Drehzahlen n eingesetzt werden. Reduktion
dey Triigheitsmomente J 1,J2,J3 ... bei Getrieben

(II.I27)

Das resultierende Beschleunigungsmoment der Antriebsachse list dann nach (ILl 18)

4.3. Bewegungsenergie bei Drehung (Drehenergie oder Drehwucht)

Die Definitionsgleichung fUr die kinetische Energie Ekin =? v2 gilt auch flir die Drehung des
K6rpers mit der Geschwindigkeit v. Mit den entsprechenden Gr6Ben, insbesondere v = wr nach
(II.38) wird fiir ein Massenteilchen 11m die Rotationsenergie (Drehenergie oder Drehwucht)

E - 11m 2 _ w2 2
rot - LT(wr) - '2 LAmr (11.128)

302
II.Oynamik

Darin ist der Ausdruck 'J:.Amr2 das auf die Drehachse bezogene Triigheitsmoment J, also die
Summe der Massenteilchen, jedes malgenommen mit dem Quadrat seines Abstandes von der Dreh.
achse. Damit wird die Rotationsenergie oder Drehwucht
J W
(II.129)

E rot ist gleich der vom Korper aus dem Ruhezustand heraus aufgespeicherten Beschleunigungs.
arbeit E = J w 2 /2 nach (11.83). Die Drehwucht ist eine skalare GroBe.

4.4. Energieerhaltungssatz flir Rotation (Wucht- oder Arbeitssatz)


Er kennzeichnet den Zusammenhang zwischen Beschleunigungsarbeit W und Drehwucht E rot :

Der Zuwachs an Drehwucht (oder der Unterschied zwischen der DrehwuchtErotE am Ende
des Vorganges und der Drehwucht E rot A am Anfang) ist gleich der von den angreifenden
Drehmomenten MI. M2• M3 ... (oder dem resultierenden Drehmoment Mr) verrichteten
Arbeit W.

W = 'J:.MA'P =Mr'P = ErotE -ErotA =3 w~ -f wi


W J w
(11.130)
kgm2
J = Nm = - - kgm2
(Wuchtsatz oder Arbeitssatz) 82

Der Energiezuwachs ist also gleich der vom Korper aufgespeicherten Beschleunigungsarbeit nach
(11.82).
Der Wuchtsatz ist ein Sonderfall des allgemeinen Energieerhaltungssatzes (11.107), zugeschnitten
auf die mechanischen Energieformen:

EE EA + Wzu - Wab

J 2 J
2'WE - w2 ± Mr'P (11.131)
2 A

Drehwucht am Drehwucht zu- oder abgeftihrter Arbeit


Ende des am Anfang ± des resultierenden Dreh-
Vorganges des Vorganges moments aller Krafte

4.5. Drehirnpuls (Dran)


Werden beide Seiten des Dynamischen Grundgesetzes fUr die Drehung (11.118) Mr = J a mit dem
Zeitabschnitt At = t2 - tl malgenommen, so ergibt sich:
Aw
MrAt = JaAt = J t;tAt = JAw
Wird also ein Korper der Masse m bzw. des Tragheitsmomentes J wahrend des Zeitabschnittes At
durch ein konstantes resultierendes Drehmoment Mr von der Winkelgeschwindigkeit WI auf W2
beschleunigt, so gilt:
t J w
k 2
(II.132)
Nm= gm s
82
Beim Antrieb aus der Ruhe heraus wird Mr t = J w.
303
Mechanik

Das Produkt J w aus Tragheitsmoment J und Winkelgeschwindigkeit w heiBt Drehimpuls oder


Drall des Korpers. Er ist ein Vektor. Das Produkt Mrt heiBt Momentenstoj3 des resultierenden
Drehmomentes aller auj3eren Krafte beztiglich der Drehachse:

Die Zunahme des Drehimpulses eines Korpers ist gleich dem MomentenstoB des resultieren-
den Momentes wmrend der betrachteten Zeit.

Wie die Herleitung des Satzes zeigt, besteht kein physikalischer Unterschied zum dynamischen
Grundgesetz.
Bevorzugt wird der Satz auf den "kraftefreien" Korper angesetzt, also flir den Fall Mr = O. Dann
bleibt der Drehimpuls (Drall) des Korpers erhalten und es gilt:

JW2-JWI=0 J W2 =J WI = konstant (II.I 33)


Impulserhaltungssatz

Wirken also auf ein System keine auBeren Drehmomente oder ist deren Summe gleich Null, so
bleibt der Drehimpuls J w des Systems nach Betrag und Richtung unverandert. Innere Krafte haben
keinen EinfluB auf den Drehimpuls (Drall) des Systems.

4.6. Fliehkraft
Bei der Drehung des Korpers der Masse m urn eine nicht durch den Schwerpunkt gehende Achse
bezeichnet man die durch den Schwerpunkt gehende und vom Drehpunkt fortgerichtete Tragheits-
kraft als Fliehkraft Fz (Zentrifugalkraft). Sie ist gleichgroB gegensinnig der Zentripetalkraft FN
nach Gleichung (11.100):
w m v
(11.134)
m
kg
Darin ist rs der Abstand des Korperschwerpunktes S von der Drehachse, w die Winkelgeschwindig-
keit des Schwerpunktes urn die Drehachse und v seine Umfangsgeschwindigkeit. Die Wirklinie der
Fliehkraft geht nur dann durch den Korperschwerpunkt, wenn der Korper eine zur Drehachse paral-
lele Symmetrieachse besitzt. 1st rs = 0, d.h., geht die Drehachse durch den Schwerpunkt S des Kor-
pers, so ist die resultierende Fliehkraft gleich Null.
Beachte: Die Zentrifugalkraft oder Fliehkraft F z ist keine am sich drehenden Korper wirklich an-
greifende Kraft. Sie wird vielmehr als Hilfskraft (Tragheitskraft nach d'Alembert) nur hinzugedacht,
urn flir den freigemachten, sich gleichfonnig drehenden Korper die Gleichgewichtsbedingungen der
Statik ansetzen zu konnen.
Je nach Lage der Drehachse kann die Fliehkraft auch eine Momentwirkung erzeugen. Bild 11.33
soli das erlautern: Ein Korper dreht sich mit der Winkelgeschwindigkeit w urn die z-Achse. Die
Zentrifugalkraft !::.Fz des Massenteilchens !::.m erzeugt je ein Moment urn die
x-Achse: !::.M(x) = !::.Fz sin 0' z = !::.m r w 2 sin 0' z = w 2 Z y !::.m; (r sin 0' = y)
y-Achse: !::.M(y) = - !::.Fz cOSO'Z = - w 2 Z x !::.m; (r cosO' = x)
z-Achse: !::.M(z) = 0
Das Gesamtmoment M(x) bzw. M(y) ist die Summe aller Teilmomente.
M(x) = L!::.M(x); M(y) = L!::.M(y)
Die statischen Momente der Zentrifugalkrafte sind
M(x) = w2Lyz!::.m = w 2J yZ
(II.I 35)
M(y) = w 2 LX z !::.m = w 2 J xz

304
II. Dynamik
Die Summenausdriicke der Form L y Z 11m heiBen ZentriJugalmoment
lyz = LY Z 11m (II. 136)
Wie (II.135) zeigt, werden die Momente der Zentrifugalkrafte gleich Null, wenn lyz = lxz = 0 ist.
Das ist der Fall, wenn die Drehachse eine sogenannte Haupttragheitsachse (HTA) ist. Bei Symme-
triekorpem ist jede zur Symmetrieebene senkrechte Schwerachse eine HTA.

HTIL

'>r
Z W
/
/

/ t '"'"' ",",Drehachse
~~~~------~---+---i~=-

Bild II.33. Zentrifugalkraft tlF'z des Massenteilchens Am Bild II.34. Drehachse parallel zur
urn die z-Achse Haupttragheitsachse (HT A)

Fiir die praktische Rechnung sind folgende faile zu unterscheiden:


Fall 1: Die Drehachse ist zugleich eine durch den Schwerpunkt S des Korpers gehende HT A. Es
entsteht dann weder eine resultierende Zentrifugalkraft F z noch ein Drehmoment der Zentri-
fugalkrafte.
Fall 2: Die Drehachse (Bild II.34) liegt parallel oder senkrecht zu einer durch den Schwerpunkt S
des Korpers oder Massensystems gehende HT A (= Symmetrieachse). Es entsteht nur eine Einzel-
fliehkraft F z = mrs w 2 nach (II.l34), deren Wirklinie durch den Schwerpunkt S geht und senk-
recht zur Drehachse steht. Die Fliehkraft besitzt kein Drehmoment in bezug auf eine der Achsen.
Fall 3: Die Drehachse (Bild 11.35) geht durch den Schwerpunkt S, bildet aber mit der HT A den
Winkel 0'_ Es entsteht keine resultierende Zentrifugalkraft, sondem ein Kraftepaar, das urn die
senkrecht zur Zeichenebene stehende x-Achse dreht und von den Lagern aufgenommen werden
muE.
Das Zentrifugalmoment des Zylinders (auch Scheibe) nach Bild II.3S wird
r, h
(II.l37)
m

Die Zentrifugalkraft jeder Zylinderhalfte der Masse ml = m2 betragt FZl = Fz2 = F z =~ rsw 2 .
Sie bilden das Drehmoment M(x) = w 2 I yz = FA 1 =FBI; woraus sich die Stiitzkrafte bestimmen
lassen (hier FA = FB)' Der Hebelarm lz des Tragheitskraftepaares mit den Teilkraften F z wird nach
Bild II.3S:
m
M(x) = w2 lyz =2 F z /z = 22' rs w 2 l z und daraus

lyz
1=- (II.138)
z mrs

305
Mechanik

Sollen die Stiitzkrafte gleich Null werden, muB ein gleichgroBes, entgegengesetzes Zentrifugal-
moment angebracht werden (Massenzusatz). Dann ist die Symmetrie des Massensystems hergestellt,
die Drehachse zugleich HTA geworden (Fall I). (Dber Angriffspunkt der Zentrifugalkrafte des
Kraftepaares siehe Schleifscheibenbeispiel!).
Fall 4: Die Drehachse (Bild 11.36) geht nicht durch den Schwerpunkt S und bildet mit der HT A
den Winkel a. Es entsteht eine resultierende Einzelfliehkraft F z , die nicht durch den Schwerpunkt
geht, also auch ein Drehmoment M(x) der Zentrifugalkraft:
Einzel·Zentrifugalkraft F z = mrs w 2 ; verursacht durch die Exzentrizitat des Schwerpunktes S. Fz
greift im Schwerpunkt San.

, Drehachse

Bild II.36. Zylinder (Scheibe) mit belie big


verlaufender Drehachse
Bild 11.35. Zylinder (Scheibe); Drehachse durch
Schwerpunkt S, aber unter c< zur HTA

Das Drehmoment

M(x) = w 2 J yz = w 2 [ ; sin 2 a (r2 - J


h; ) (fill Zylinder oder Scheibe)

wird durch die Neigung der Drehachse zur HTA verursacht; M(x) dreht urn die senkrecht zur
Zeichenebene stehende x-Achse und muB von den Stiitzlagern aufgenommen werden. Einzel-
Zentrifugalkraft und Drehmoment M(x) lassen sich zu einer Resultierenden Fr zusammenfassen,
die Fr = F z = mrs w 2 ist. Ihr Angriffspunkt ist nach dem Momentensatz (U6) zu ermitteln. Mit
den Bezeichnungen in Bild 11.36 gilt:
Fz I
Fr II = 2 - M(x); mit Fr = F z und M(x) = J yz w 2

wird der Angri[[spunkt der resultierenden Zentri[ugalkra[t


I J yz w 2 __ J yz
11 =- - ----"--'---- (IU39)
2 mrs w 2 2 mrs

Die Teilmassen der Korper brauchen auch nicht - wie in Bild 11.36 - in einer Ebene zu liegen.
Soll die Welle dynamisch ausgewuchtet sein, diirfen die Lager weder Zentrifugalkrafte noch Zentri-
fugalmomente aufzunehmen haben. Auf besonderen Auswuchtmaschinen werden GroBe und Lage
solcher Unwuchten festgestellt und durch Anbringen von Zusatzmassen in geeigneten Punkten
beseitigt.

• Beispiel: Es sind die Spannungen im Schnitt A - B des mit der Winkelgeschwindigkeit w (bzw.
Umfangsgeschwindigkeit v) umlaufenden dUnnen Ringes nach Bild 11.37 zu berechnen.
Ltisung: Das innere Kraftesystem jeder Schnittstelle besteht aus der Normalkraft F z /2 = halber
Fliehkraft F z . Die Fliehkraft F z greift im Schwerpunkt der Halbkreislinie mit dem

306
II. Dynamik
Radius ran. Nach (1.41) ist rs = 2r/rr. Injedem Ringquerschnitt des SchnittesA-B treten
Norrnalspannungen a auf, die nach der ZUghauptgleichung berechnet werden konnen:
Fz mrs w 2
a=2A =~

A =Ringquerschnitt; m = rrrA p; rs =2-i


_ rrr A rspw
2 2
rrrprsw _ ..2 2 Fz
a- 2A 2 - rw p

Mit r2 w 2 = v 2 (= Umfangsgeschwindigkeit
auf mittlerem Kreisbogen mit Radius r) wird
die Normalspannung im umlaufenden Ring
a v p BUd I1.37. Berechnung der
Zugspannung im umlaufen-
N m kg (11.140)
den Ring
m2 s m3

Zahlenbeispiel: Mit Umfangsgeschwindigkeit v = 30 m/s und Dichte p =7800 kg/m 3 (Stahl) wird

a =302 m 2 . 7800 ~ = 702 .106 kgm2 = 702 .106 ~2 =7 02 .10- 3 ~2


S2 m3 ' s2m ' m ' mm

• Beispiel: Die Drehachse z der Schleifspindel in Bild 11.38 geht durch den Schwerpunkt S der schief-
sitzenden Schleifscheibe. Drehachse und Haupttriigheitsachse der Scheibe schlieBen also
den Winkel Q = 10 ein. Die Scheibe liiuft mit n = 1460 U/min urn.
Gegeben: Masse der Schleifscheibe ml =60 kg; der Welle m2 =20 kg; der Riemenscheibe
m3 = 10 kg; resultierende Riemenzugkraft Fs =700 N.
Gesucht: Sttitzkriifte FA , F B.
LOsung: Die von den statischen Lasten hervorgerufenen Sttitzkriifte FA(l> FBO werden mit Hilfe
der statischen Gleichgewichtsbedingungen berechnet:

I. ,£Fx =0
II. ,£Fy =0 =-FG1 + F AO -FG2 + FBO -
(FG3 + Fs)
III. ,£M(A)=O=+FGl ·0,15m-FG2 ·0,15m+
+ FBa ·0,35 m - (FG3 + Fs) ·0,55 m

a) Fs

t~r~aChse
z
F[;2 B Fo3
350 200

BUd 11.38. Schleifspindel mit schief


sitzender Schleifscheibe; Fall 3
a) Lageplan
b) Spindel mit Scheibe freigemacht

307
Mechanik

Fiir FG = mg eingesetzt und nach FBO aufge16st:


m2g ·0,15 m + (m3g + Fs)· 0,55 m - mlgl· 0,15 m
F BO = 0,35 m = 1086 N
Aus II. ergibt sich:
F AO =FGl +FG2 -FBO +FG3 +Fs = 514 N
Eine resultierende Einzelfliehkraft tritt nicht auf, weil die Drehachse durch den Schwer-
punkt S der Schleifscheibe geht. Da jedoch die Drehachse nicht Haupttragheitsachse ist,
tritt ein Tragheitskraftepaar mit dem Moment M(x) = w 2J yz nach (11.135) hinzu. Es dreht
urn die senkrecht zur Zeichenebene stehende x-Achse. Aus (11.137) ergibt sich mit h = 80
mm, r = 200 mm und a = 10 das Zentrifugalmoment Jyz der Scheibe zu:

0,08 2 m2 ) . 0
ml (
r -"3
h ). _60kg ( 2 2
2
J yz =""8 sm2a- -8- 0,2 m - 3 sm2

J yz = 9,92 .1O- 3 kgrn2.

Mit w 2 = 30 (7rn)2 = (7r .1460)2


30
1
= 2,34 . 104 ~ wird das Moment

2 kgm
M(x) = w J yz = 232-2- m = 232 Nm
s
Dem Drehmoment M(x) muB ein Kraftepaar aus den zusatzlichen Sttitzkraften F Az, F Bz
das Gleichgewicht halten:
_ _ M(x) _ 232 Nm _ ,
FAz - F Bz - 0,35 m - 0,35 m - 663 N.
Beachte: Das Drehmoment M(x) kann auch mit den Fliehkraften F z berechnet werden.
Die Teilkrafte des Tragheitskraftepaares greifen nicht in den Teilschwerpunkten Sb S2
der ScheibenhaIften an; vielmehr ist nach (11.138)
J yz 9,92 . 1O-3 kgm 2
I z = mrs 60kg·O,085 m = 1,943 mm ~ 2 mm

rs = ~: cosa nach (1.47) fUr die Halbkreisflache


4·200mm
rs 37r . 0,9998 = 84,8 mm ~ 0,085 m

2 rs w = 30 kg· 85 .1O- m· 2,34 .10 ~ = 5,97 .10 k'; = 5,97 .104 N


Mit F z = m 2 3 4 4
s s
ergibt sich das Moment wie oben zu:

M(x) = F z 2/z = 5,97 ·104N ·2 ·1,943 .1O- 3 m = 232 Nm

Wiirden die Fliehkrafte F z dagegen fcilschlicherweise in den Schwerpunkten S b S2 der


Scheibenhalften angebracht, so ware der Abstand

a=2 4r sina=296·1O- 3 m
37r '
und damit
F z a = 5,97 .104N ·2,96 .1O- 3 m = 177 Nm
Dieser Betrag ist urn ca. 24 % kleiner als der Wert des tatsachlichen DrehmomentesM(x).

308
II.Oynamik

• Beispiel: Wiegro~ mu~ das resultierende Drehmoment Mr sein, wenn damit ein Schwungrad mit
dem Triigheitsmoment 1 = 5000 kgm 2 in einer Minute aus dem Stillstand auf 150 U/min
gebracht werden soll?

LOsung: Nach (11.51) ist die Winkelbeschleunigung


7r Iln 7r 150 1
O! = 30 . M = 30 . 60 = 0,262 ~

Damit wird nach (11.118) das resultierende Moment:


1 kgm2
Mr = IO! = 5000 kgm2 . 0,262 2" = 1310 -2- = 1310 Nm
s s

• Beispiel: Ein Schleifstein hat eine Masse ml = 50 kg und ein Triigheitsmoment/ l =6 kgm 2. Er sitzt
auf einer Welle mit dem Zapfendurchmesser d l = 30 mm und wird mittels Riemen ange-
trieben. Die Riemenscheibe hat eine Masse m2 =8 kg, einen Durchmesser d 2 = 250 mm
und ein Triigheitsmoment 12 =0,2 kgm2. Die Zapfenreibzahl in den Gleitlagern der Welle
betriigt JJ. =0,08. Der Schleifstein soll bei Anlaufen aus der Ruhe heraus in 20 s auf
n = 300 min -I beschleunigt werden.
Wie gro~ sind a) das erforderliche Antriebsmoment, b) die dabei erforderliche Riemen-
zugkraft?
•"
......sung: a
) Wink Ib h I ' Ilw 7r n 7r' 300 1 57 1
e esc eumgung O! = t;t = 30 Ilt = 30· 20 = , ~

Gesamtgewichtskraft Stein + Scheibe: FG =FGl + Fm = 580 N


Lager-Reibmoment
MR = FG WI = 580 N . 0,08 . 0,Ql5 m ~ 0,7 Nm
Gesamtes Triigheitsmoment von Stein + Scheibe
1=/1 +12 = 6,2 kgm2
Ant riebsmoment
1 kgm
Man = Mres + MR =/O! +MR = 6,2 kgm2 '1,57 2" + 0,7 -2- m = 10,43 Nm
s s
. Man 1043 Nm
b) Rlemenzugkraft F = --r;
= 0,125 m = 83,4 N

• Beispiel: Ein Schwungrad solI beim Auslauf von n2 =400 min-I auf nl = 100 min-I eine Arbeit
W = 104 J = 104 Nm abgeben. Wie gro~ mu~ das Triigheitsmoment 1 des Schwungrades
sein?

LOsung: Nach (11.130) ist W =£2 (w~ - wD; mit w = 7rn


30
wird

_ 2W _ 2
1- ( )2 - 12,16 kgm
7r
30 (2 2)
n2 -nl

309
Mechanik

5. Gegeniiberstellung der Gesetze filr Drehung und Schiebung (Tafel 11.4)


Die allgemeinste Bewegung eines starren Karpers liiBt sich gedanklich flir jeden Augenblick zer-
legen in
a) eine reine Verschiebebewegung (Translation) mit der jeweiligen Geschwindigkeit v des Schwer-
punktes S des Karpers und in
b) eine zusiitzliche reine Drehbewegung (Rotation) mit der Winkelgeschwindigkeit w urn eine durch
den Schwerpunkt S gehende Drehachse.
Jeder dieser Bewegungsanteile kann dann ftir sich durch eine Gleichung beschrieben werden
(Tafel 11.4).

Tafel 11.4. Gegeniiberstellung einander entsprechender GraBen und Definitionsgleichungen flir


Schiebung und Drehung

Geradlinige (transiatorische) Bewegung Drehende (rotatorische) Bewegung

GroBe Definitionsgieichung Einheit GroBe Definitionsgieichung Einheit

Bogen b
Weg s BasisgroBe m Drehwinkei <p rad = 1
Radius r

Zeit t BasisgroBe s Zeit t BasisgroBe s

Masse m BasisgroBe kg Tragheits- J= J dm p2


kgm 2
moment J (= ~il.mp2)

v=~~ (=~~) W=~;(=~~)


Geschwindig- m Winkeigeschwin- rad 1
- - s
keit v s digkeit W s

a=~~(=~~)
rad
Beschieuni-
a=~~(=:n -m Winkeibeschieu-
-=-
1
gung a s2 nigung a s2 s2

Beschieuni- kgm Beschieunigungs- kgm 2


gungskraft Fr = ma N=-- Mr=Ja Nm=--
s2 moment Mr s2
Fr

Arbeit Wtrans Wtrans = Fs J=Nm=Ws Arbeit Wrot Wrot = M <p J=Nm=Ws

Leistung Wtrans J Nm Wrot J Nm


Ptrans = - t - = Fv s=-s-=W Leistung Prot Prot = - t- = M w -=-=W
Ptrans S s

m kgm 2 J kgm 2
Wucht Etrans Etrans = "2 v2 Nm=-- Drehwucht E rot
s2 Erot = 2" w 2 Nm=--
s2

Arbeitssatz m 2 2 kgm 2 Arbeitssatz J 2 2 kgm 2


(Wuchtsatz) Wtrans = "2 (V2 - VI) Nm=--
s2 (W uch tsatz) Wrot = 2"(W2 -WI) Nm=--
s2

Fr (t2 - t l ) = m(v2 - VI) M r (t2 - t l ) =J(W2 - wI)

KraftstoB = Impuisanderung MomentenstoB = Drehimpuisanderung

310
II. Dynamik

Wie ein Vergleich der Gesetze flir die Drehung des Karpers mit denen flir die Verschiebung des
Karpers oder fur die Bewegung eines Punktes zeigt, gibt es zu jeder Gleichung der einen Bewegung
eine im Wesen und Aufbau entsprechende Gleichung der anderen Bewegungsform. Dabei ent-
sprechen den Grall>en der einen Bewegungsform (z.B. Weg s) ganz bestimmte Grall>en der anderen
(z.B. Drehwinkel .p). Es geniigt daher, sich die Grall>en und Definitionsgleichungen der einen Bewe-
gungsform einzupragen und daraus die anderen zu entwickeln (TafellI.4).

6. Gerader zentrischer Sto~


6.1. StoJl,begriff, Krafte und Geschwindigkeiten beim Sto~
Man spricht vom physikalischen Vorgang Sto13, wenn sich zwei Karper wahrend eines sehr kleinen
Zeitabschnittes b.t (Millisekunden) berUhren und dabei ihren Bewegungszustand andern.
Anderung des Bewegungszustandes hei1l>t Anderung der Geschwindigkeit der Karper nach Betrag
oder Richtung oder auch nach beiden gleichzeitig.
Bei der Beriihrung wirken an den Beriihrungsflachen gleich groll>e Normalkriifte (Wechselwirkungs-
gesetz). Wahrend der Beriihrungszeit b.t erfahren also beide Karper den gleichen Kraftsto13 F b.t
(siehe 3.4). Dadurch verringert sich der Impuls m v des einen Karpers urn denselben Betrag, urn
den der Impuls des anderen Karpers zunimmt. Die Summe der Impulse beider Karper bleibt in
jedem Augenblick des Stoll>es konstant (11.114):

mivi + m2v2 = mici + m2c2


(11.141 )
~mv=~mc

m I, m2 Massen beider Karper


VI, V2 Geschwindigkeiten vor dem Stoll>
CI, C2 Geschwindigkeiten nach dem Stoll>

Da die Massen beider Karper unverandert bleiben, bedeutet das, dail> die Geschwindigkeit des einen
Karpers kleiner, die des anderen grall>er wird.
Werden die beiden Karper als ein System betrachtet, dann sind die Normalkrafte beim Stoll> innere
Krafte dieses Systems. Da wahrend des Stoll>es keine iiu13eren Krafte auf die beiden Karper wirken,
handelt es sich also urn ein kriiftefreies System nach 3.4, dessen Gesamtimpuls auch wahrend des
Stoll>es konstant bleibt (Impulserhaltungssatz).

6.2. Merkmale des geraden zentrischen StoJl,es


Durch den Beriihrungspunkt beider Karper bei Stoll>beginn wird die Tangentialebene errichtet und
darauf im BerUhrungspunkt eine Senkrechte, die Sto13normale. Sie ist die Wirklinie der beiden
Normalkrafte, die wahrend des Stoll>es zwischen beiden Karpern wirken.
Verlauft die Stoll>normale durch die Schwerpunkte beider Karper, dann handelt es sich urn den
zentrischen Sto13. Wird diese Bedingung nicht erflillt, dann liegt exzentrischer Sto13 vor.

Bild 11.39
Sfo(Jnormale
Gerader zentrischer StoJ),

311
Mechanik

Liegen die Geschwindigkeitsvektoren VI und V2 heider K6rper beirn Sto/:;beginn parallel zur Stofj-
normalen, dann handelt es sich urn den geraden Stofj. Bewegt sich einer der Korper oder auch
beide nicht parallel zur Sto/:;normalen, dann liegt schiefer Stofj vor.
Beirn geraden zentrischen Stofj verlauft die Sto/:;normale durch beide Korperschwerpunkte und
beide Korper bewegen sich in Richtung der Sto/:;normalen.
Beispiele fill geraden zentrischen Sto/:;: Zusammensto/:; von Kegelkugeln auf der Riicklaufbahn,
Schmieden mit dem Fallhammer, Einrammen von Spundbohlen, Hartepriifung nach Shore.
Beachte: Vollkommen elastische Karper, vollkommen unelastische Korper, wirkliche Korper (un-
vollkommen elastisch) verhalten sich beirn Sto/:; unterschiedlich.
Eine weitere Unterteilung der Sto/:;arten ist notwendig durch das unterschiedliche Verformungs-
verhalten der Korper, man unterscheidet daher elastischen, unelastischen und wirklichen St~/:;.
6.3. Elastischer Stoi
Elastische Korper verformen sich beirn Sto/:; federnd, nach dem Sto/:; ist die Verformung vollstandig
zuriickgegangen. Es wird also angenommen, da/:; sich keiner der Korper plastisch verformt und die
Korper sich nach dem Sto/:; vollstandig voneinander trennen, wie z.B. beim Sto/:; von Billardkugeln
oder GummibaIlen.
Zwei Kugeln bewegen sich in gleichem Richtungssinn auf gemeinsamer Bahn. StO/:;t die schnellere
Kugel mit der Masse ml und der Geschwindigkeit VI auf die langsamere Kugel mit der Masse m2
und der Geschwindigkeit V2, so wird beim Sto/:; die schnellere Kugel verzogert und die langsamere
Kugel beschleunigt.
Zur Berechnung der Geschwindigkeiten CI, C2 beider Kugeln nach dem Sto/:; wird der gesamte Stof~·
vorgang in zwei Abschnitte unterteilt (Bild H.4D).
Erster Sto~abschnitt (Zusammendriicken)
Er beginnt mit der Beriihrung der Kugeln und endet, wenn ihr Abstand ein Minimum (lmin) gewor-
den ist. Dabei verformen sich die Kugeln und die Formanderungsarbeit WI wird der kinetischen
Energie der schnelleren Kugel entzogen.
Am Ende des ersten Sto/:;abschnittes besitzen beide Kugeln dieselbe Geschwindigkeit c.
Nach dem Impulserhaltungssatz bleibt die Summe der Impulse konstant:
vor dem nach dem ersten
Sto/:; Sto/:;abschnitt

(H.l42)

Geschwindigkeit beider K6rper am Ende des ersten Stofjabschnittes

u...
;:t:
e
~
~
~~~~~~~~~~LU~~~~~ _ __ _

Verformungsweg 5
Zusammendrucken Entspannen
[ (1. SfofJabschnitt) [mln(2. StofJabschnitt) [

-atE
Bild 11.40. Die beiden StoBabschnitte

~ ~
-
beim elastischen StoB im F, s·Schaubiid

312
II. Dynamik
Zweiter Stof3abschnitt (Entspannen)
Er beginnt beim Abstandsminimum lmin der Kugelmittelpunkte und endet mit der Trennung der
Kugeln. Dabei wird die durch die Abplattung der Kugeln gespeicherte Spannungsenergie verlustlos
an die Kugel 2 abgegeben (W2 = WI)' Kugell iindert dabei ihre Geschwindigkeit von C auf CI und
Kugel 2 von C auf C2'
Beim Entspannen wirkt aufbeide Kugeln der gleiche Kraftstofll wie beim ZusammendrUcken. Folg-
lich ist fUr jede der beiden Kugeln die Geschwindigkeitsiinderung in beiden Stof3abschnitten gleich
grofll: VI - C = C - CI und C- V2 = C2 - C. Aus dieser Erkenntnis liif3t sich eine Gleichung fUr die
Geschwindigkeit CI der Kugel 1 nach dem Stofll entwickeln, und in gleicher Weise eine entspre-
chende Gleichung fUr die Kugel 2:
FUr Kugel 1 gilt:
VI - C =C - CI; daraus folgt:
mivi + m2V2 2(mlvl + m2v2) -(ml + m2) VI
cI=2c-vI=2 -VI=
ml +m2
mivi +2m2v2 -m2vI (ml -m2)vI + 2m2v2
CI =
ml +m2
(ml-m2)VI + 2m2v2
CI =
Geschwindigkeiten beider K6rper nach dem StofS (11.143)
(m2 - ml)v2 + 2mlvi
C2 =
ml +m2
Da beim elastischen StoB die von beiden Korpern aufgenommene Formiinderungsarbeit verlustlos
zuruckgegeben wird, iindert sich der Energieinhalt des Systems nicht, d.h. die Summe der kine-
tischen Energien beider Korper bleibt bei horizontaler Bewegung unveriindert:
WEnde des Stollles WAnfang des Stollles

1 2
2(mici 2)
+m2 C2
1 2
2(mlvl+~v2
2)

Mit Hilfe des Energieerhaltungssatzes und des Impulserhaltungssatzes liif3t sich nachweisen, daB
sich beim elastischen Stofll die Relativgeschwindigkeit (Differenz der Geschwindigkeiten VI und V2)
nicht geiindert: Dazu wird der umgeformte Energieerhaltungssatz durch den Impulserhaltungssatz
dividiert:
ml(vI -ci) m2(d -vn
ml(vi -CI) m2(C2 -V2)

VI + CI = C2 + V2 (I1.144)
VI - V2 = C2 - CI

Sonderfalle des geraden zentrischen Stof3es elastischer Korper:


a) Beim StoB zweier Korper mit gleichen Massen tauschen die Korper ihre Geschwindigkeiten aus.
Aus der Gleichung (II. 143)
(ml-m2)VI + 2m2v2
CI =
ergibt sich mit ml = m2 = m:
(m-m)vI +2mv2
(II.l4S)
CI = m+m
2mv2
CI =""""2m =V2 und analog C2 = VI
313
Mechanik

b) Beim Sto~ eines Korpers gegen eine starre Wand prallt er mit gleicher Geschwindigkeit zuriick:
m2 =00; V2 = 0; ml vernachliissigt
-m2VI + 2m20
CI = =-VI (II. 146)
m2

c) Beim Sto~ eines Korpers sehr gro~er Masse ml gegen einen ruhenden Korper kleiner Masse m2
erhiilt der ruhende Korper die doppelte Geschwindigkeit des sto~enden Korpers (C2 = 2 VI):

(II.147)

C2 =2vI
d) Bewegen sich die beiden Korper auf der Sto~normalen aufeinander ZU, so erhalten die Geschwin-
digkeiten VI und V2 entgegengesetzte Vorzeichen. Dadurch wird auch der Impuls des einen Kor-
pers positiv und der des anderen negativ (der Impuls ist ein Vektor!). Beim Sto~ kehrt entweder
einer der beiden Korper seine Bewegungsrichtung urn oder beide.
Auch ftir diesen Fall gelten ftir die Geschwindigkeiten c, CI und C2 die entwickelten Gleichungen.
Die Richtungsumkehr eines Korpers lii~t sich daran erkennen, d~ seine Geschwindigkeit nach
dem Sto~ ein anderes Vorzeichen hat als vor dem Sto~.

6.4. UneIastischer Sto"


Unelastische Korper verformen sich beim Sto~ plastisch, d.h. sie erleiden eine bleibende F ormiinde-
rung. Es wird also angenommen, d~ keiner der beiden Korper federt und die Korper sich nach
dem St08 nicht voneinander trennen, wie z.B. beim Fall einer Weichbleikugel auf einen Betonklotz.
Erster Sto&bschnitt
Er verliiuft wie beim elastischen St08, beide Korper besitzen am Ende des ersten Sto~abschnittes
die gemeinsame Geschwindigkeit c. Die Formiinderungsarbeit ist jedoch nicht als Spannungsenergie
gespeichert, sondern in Wiirme umgesetzt worden.
Da auch hier ein kriiftefreies System vorliegt, bleibt die Summe beider Impulse konstant, und ftir
die Geschwindigkeit c gilt dieselbe Beziehung wie beim elastischen Sto~.

s
Bild II.41. Del unelastische Sto~ im F, s-Schaubild

Zweiter Sto"abschnitt
Er entflillt, weil ohne die gespeicherte Spannungsenergie auch kein Impuls auftritt, sobald be ide
Korper die gemeinsame Geschwindigkeit c erreicht haben. Beide bewegen sich mit der Geschwin-
digkeit c weiter; d.h. beim unelastischen Sto~ wird die Relativgeschwindigkeit zu Null. Ein Teil
der kinetischen Energie wird tiber die Formiinderungsarbeit ~ W in Wiirme umgesetzt.

314
II. Dynamik
Der Energieverlust der Knrper (= Formiinderungsarbeit l:. W) wird aus dem Energieerhaltungssatz
berechnet, in den der Ausdruck fUr die Geschwindigkeit c einzusetzen ist:

~ (11.148)
J I kg I ~
Energieabnahme beim unelastischen StofS

Dieser Energie"verlust" ist fUr einige technische Anwendungsfalle, die vereinfacht als unelastischer
Sto~ angesehen werden knnnen, von gro~er Bedeutung, z.B. das Schmieden und Kaltumformen
von Werkstiicken, das Nieten und das Rammen.

6.4.1. Schmieden und Nieten mit Hiimmern. Hierbei solI die aufgebrachte Energie der Formdnde-
rung dienen. Die verbleibende kinetische Energie der Knrper nach dem Sto~ mu~ niedrig gehalten
werden. Die Erfahrung lehrt, d~ zum Nieten ein Hammer kleiner Masse und als Gegenhalter ein
Knrper gro~er Masse zweckmii~ig sind.
Beim Schmieden ist der angestrebte technische Nutzen die Formdnderung des Werkstiicks. Der
Schlagwirkungsgrad 77 ist dann also das Verhiiltnis zwischen der Formiinderungsarbeit Ll W und der
kinetischen Energie EI = ml v~ /2 des Hammerbiirs beim Sto~beginn, mit ml und VI gleich Masse
und Geschwindigkeit des Hammerbiirs. Ambo~ und Werkstiick haben die gemeinsame Masse m2
und ihre Geschwindigkeit vor dem Sto~ ist V2 = O.

Formanderungsarbeit l:. W
77 = kinetische Energie EI vor dem Sto~
mlm2(vl -V2)2
2(ml + m2) m2(VI -V2)2
77
(ml + m2)vi '
2
m2
77=---=--- Wirkungsgrad beim Schmieden (11.149)
ml + m2 ml
1+-
m2
Die Wirkungsgradgleichung zeigt: Je grb~er die Ambo~masse m2 im Verhiiltnis zur Biirmasse ml
wird, urn so grb~er wird der Wirkungsgrad.
Bei normalen Maschinenhiimmern ist die Masse der Schabotte (= Ambo~ mit Unterbau) etwa
zwanzigmal so gro~ wie die Masse des Biirs.
Tatsiichlich verformt sich der Biir elastisch. Er springt also nach dem Schlag geringfUgig zuri.ick.
Dadurch wird der Wirkungsgrad verringert. Der Schmiedevorgang ist nur also anniihernd ein un-
elastischer Sto~.

315
Mechanik

6.4.2. Rammen von Pfiihlen, Eintreiben von Kellen. Hier wird keine Formanderung angestrebt.
Vielmehr sollen beide Korper nach dem ersten Sto~abschnitt eine moglichst gro~e gemeinsame
Geschwindigkeit c besitzen, urn den Widerstand der Unterlage gegen das Eindringen zu iiberwin-
den. Die Erfahrung lehrt, d~ beim Rammen und Eintreiben ein schwerer Bar oder Hammer wirk-
samer ist als ein leichter.
Beim Rammen ist der angestrebte technische Nutzen eine moglichst groj3e kinetische Energie W2
beider Korper nach dem Sto~ (genauer: nach dem 1. Sto~abschnitt, weil der Untergrund unelastisch
nachgibt). Der Schlagwirkungsgrad 1/ ist darum hier das Verhaltnis zwischen der kinetischen Ener-
gie W2 bei Sto~ende und der kinetischen Energie WI bei Sto~beginn. Auch hier ist die Geschwin-
digkeit des einzurammenden Pfahles (Korper 2) V2 = o.
kinetische Energie E2 bei Sto~ende
1/ = kinetische Energie EI beim Sto~beginn
(ml + m2)c 2
2
1/ =--"-----
mlvi
2

1
1/ = - - - Wirkungsgrad beim Rammen (11.150)
m2
1+-
ml
Die entwickelte Gleichung zeigt, da~ der Wirkungsgrad urn so gro&r wird,je gro~er die Masse ml
des Bars oder Hammers gegeniiber der Masse m2 des Pfahles oder Keiles ist. Damit wird die prak-
tische Erfahrung bestatigt.
Tatsachlichfedern aber beide Korper beim Schlag. Dadurch wird der Wirkungsgrad kleiner.
Beachte: Das Rammen ist nur anniihernd ein unelastischer Sto~.

6.5. Wirklicher Sto~


Wirkliche Korper sind weder vollkommen elastisch noch vollkommen unelastisch, so d~ ihr Ver-
halten zwischen den beiden in 6.3 und 6.4 behandelten Grenzfallen liegt. Die Aussagen fUr elasti-
schen und unelastischen Sto~ lassen sich fUr den wirklichen Sto~ kombinieren.
Beim wirklichen Sto~ verkleinert sich die
Relativgeschwindigkeit, die Formanderungs-
arbeit wird im zweiten Sto~abschnitt nicht
vollstandig zuriickgegeben, sondern teilweise
in Warme umgewandelt. 5

Bild H.42. Del wirkliche Sto~ im F, s-Schaubild


Merkmale des wirklichen Sto~es sind dernnach:
Ein Teil der Formanderungsarbeit WI verwandelt sich infolge der inneren Reibung in Warme ~W
und wird nicht zUriickgegeben.
Es kann bleibende Formanderung auftreten (geringer als beim unelastischen Sto~).
Trennung der Korper nach dem Sto~.

316
II.Oynamik
Die fill den elastischen Stoi1 hergeleiteten Gleichungen lassen sich flir den wirklichen Stoi1 weiter-
entwickeln, wenn als Verhaltnis der Relativgeschwindigkeiten die Stoi1zahl k eingeflihrt wird.

C2 - CI
k =- --
VI -V2
Dejinitionsgleichung der 8to13zahl (II.151)

Die Stoi1zahl k hangt von der Werkstoffpaarung ab und wird durch Fallversuche ermittelt.

Beim Fallversuch faUt eine Kugel aus dem einen Werkstoff auf eine festliegende Unterlage aus dem
anderen Werkstoff. Die Geschwindigkeit der Unterlage vor und nach dem Stoi1 ist gleich Null
(V2 = 0 und C2 = 0). Die Fallhohe h und die RiicksprunghOhe h I werden gemessen und daraus wird
mit den Gesetzen des freien Falls und des Wurfs senkrecht nach oben die Stoi1zahl k berechnet:

k= fi, -
h
h Fallhohe
hi Riicksprunghohe
(II.152)

8to13zahlen: k = 1 elastischer Stoi1


k=0 unelastischer Stoi1
k = 0,35 Stahl bei 1100 DC
k = 0,7 Stahl bei 20 DC

Auch flir den wirklichen Stoi1 gilt der Impulserhaltungssatz flir kraftefreie Systeme. Wird in den
Impu!serhaltungssatz die Beziehung flir C2 eingesetzt, die aus der Definitionsgleichung fill die Stoi1-
zahl entwickelt werden kann, dann ergibt die weitere Entwicklung eine Gleichung flir die Geschwin-
digkeit CI des Korpers 1 nach dem wirklichen Stoi1.
Durch Vertauschen der Indizes wird die entsprechende Gleichung flir die Geschwindigkeit C2 des
Korpers 2 gebildet:

C2 = k (VI - V2) + CI eingesetzt ergibt:


mivi + m2v2 - m2(vl -v2)k
CI = ml + m2
. Geschwindigkeiten nach dem wirklichen 8to13 (Il.153)
ml VI + m2V2 + ml (VI - v2)k
C2 =

Wird in die so entwickelten Beziehungen fiir CI und C2 in die Gleichung flir den Energieerhaltungs-
satz des wirklichen Stoi1es E2 =EI - Ll W eingesetzt, dann erhiilt man nach einer langeren Ent-
wicklung die Gleichung flir den Energieverlust LlE beim wirklichen StoB:

E 2 =E,-LlW

:21 (ml CI2 + m2 c2)


2 _ 1
-:2 (m,vI2 + m2 v2)-
2 LlW

1 m,m2(vl -V2)2(1- k 2)
Ll W = - Energieverlust beim wirklichen 8to13 (II.154)
2 ml + m2

317
Mechanik

6.6. Obungen zum geraden zentrischen Sto~ I)


• 1. Obung: Ein beladener Waggon von 80 t Masse stO~t Gegeben: ml = 80 t; VI = 1 !!I:
s
mit einer Geschwindigkeit von 1 m/s auf einen Waggon
von 5 t Masse, der ihm mit 1,8 m/s entgegenkommt. v2=1,8 sm
Welche Geschwindigkeit c haben beide nach dem Gesucht: Geschwindigkeiten
c, CI und c2
ersten Sto~abschnitt und mit weichen Geschwindig-
keiten CI, C2 fahren sie nach dem StoB weiter, wenn
elastischer StoB angenommen wird?

Losung: Da beide Waggons sich aufeinander zu be- Die gemeinsame Geschwindigkeit C nach der
wegen, muB die eine Geschwindigkeit ein negatives ersten Stoj),periode betragt:
Vorzeichen bekommen. Wir wahlen daftir die Ge-
schwindigkeit V2 des kleineren Karpers, da die Erfah-
rung uns lehrt, daB meistens der Karper mit graBerer
Masse seine Bewegungsrichtung beibehhlt.
80 t· 1 sm + 5 t· (- 1,8 s)
m
c=
80 t + 5 t
Der Betrag fiir die gemeinsame Geschwindigkeit chat
71 m m
ein positives Vorzeichen, also gleichen Richtungssinn c= - - = 0 835-
85 s ' s
wie VI (kein Vorzeichenwechsel), aber entgegenge-
setzten Richtungssinn wie V2 (Vorzeichenwechsel).

Zur Berechnung der Geschwindigkeiten CI und C2 (ml-m2)VI +2m2v2


CI =
setzen wir in die Gleichungen aus 6.3 den Betrag
der Geschwindigkeit V2 mit negativem Vorzeichen ein.
(80 - 5) t· 1 sm + 2' 5 t (- 1,8 s)
m
Beide Geschwindigkeiten CI und C2 ergeben sich posi- cl =
80 t + 5 t
tiv, d.h. Waggon 1 beh1iJt seine Bewegungsrichtung
bei, Waggon 2 Hiuft riickwarts weiter. tm
57-
Zusammenfassend kannen wir sagen: cl =
s
sst = 0,6706 sm
Waggon 2 lauft nach dem Stoll, in entgegengesetzter (m2- m l)V2+ 2m I VI
Richtung mit erhahter Geschwindigkeit weiter, Wag- C2 =
gon 1 wird langsamer, behalt aber seine Bewegungs-
richtung beL (5 - 80) t· (-1,8
m
s) m
+ 2' 80 t· 1 S
c2 =
80 t + 5 t

c2
295 m
= ~= + 3,4706
m
s

• 2. Obung: Der Bar eines Fallhammers wiegt 1000 kg Gegeben:


und seine Schabotte 25 000 kg. Der Bar trifft mit einer Barmasse m I = 1000 kg
Geschwindigkeit von 6 m/s auf das Werkstiick. Die Schabottenmasse m2 = 25 000 kg
StoBzahl betrage k = 0,5. Auftreffgeschwindigkeit VI =6 sm
Berechne den Schlagwirkungsgrad 7J und die prozen- Stoj),zahl k = 0,5
tuale Verteilung der Gesamtenergie am Schlagende Gesucht:
auf Bar, Schabotte und Werkstiick! Die Massen von Wirkungsgrad 11, prozentuale Verteilung der
AmboB und Werkstiick kbnnen vernachlassigt werden. Energie auf Bar, Werkstiick und Schabotte.

I) Aus: Mechanik und Festigkeitslehre von A. Bage, Verlag Vieweg, Braunschweig.

318
II.Oynamik
LOsung: Den Wirkungsgrad berechnen wir aus Nutzen mlm2
und Aufwand beim Schlag. AW= 2(ml + m2) (VI -V2)2 (l-k 2 )

Der Nutzen besteht hierbei in der dem Werkstiick zu- 103 kg· 25 .103 kg m2
geflihrten Verformungsarbeit. Das ist der Energie- AW= 2.26.103 kg ·36~·0,75
verlust ~ W beim Sto~.
AW= 12980,77 Nm = 1,298.104 J
Als Aufwand setzen wir die Energie EI beider Korper
m2
unmittelbar vor dem Sto~ ein. Das ist die kinetische 1000kg·362""
m IVI2 s
Energie des Bars, da die Schabotte mit Ambo~ und EI = -2- = 2 = 1,8.104 J
Werksttick ruht.
Der errechnete Wirkungsgrad sagt aus, d~ die An- AW 1,298.104 J
fangsenergie zu 72,11 % in Verformungsarbeit um- T) = -w;- = 1,8.104 J = 0,7211
gesetzt wird. Der Rest verbleibt als kinetische Energie
nach dem Sto~ bei beiden Korpern.

Wir berechnen zunachst die Geschwindigkeiten CI mlvl + m2v2 - m2(vI - v2)k


und C2 der Korper nach dem Sto~.
Cl =
mtVt- m2 v t k
cI = ml + m2

Die Geschwindigkeit CI erh1ilt ein negatives Vorzei-


chen, d.h. sie ist der positiv in die Rechnung einge- CI =
setzten Geschwindigkeit VI entgegengerichtet (Vor- 26· 10 3 kg
zeichenwechsel =Rtickprall des Hammers). 6!!!- 75!!!
cI =
s
26
s =_2 ' 6538 !!!s

Die Geschwindigkeit C2 der Schabotte nach dem Sto~ C2 -cl c2 -cI


k= - - =-VI- ; mit V2 =0
bestimmen wir am einfachsten aus der Definitions- VI-V2
gleichung fur die Sto~zahl k.
In die Gleichung flir C2 muB CI mit seinem Minus-
Zeichen eingesetzt werden. C2 = 0 ,5 . 6 ~s + (- 2' 65 38 ~)
s
= + 0 ' 3462 ~s

mlct 103kg·(2,6538~)2
Nun konnen wir die kinetischen Energien W2B fUr W2 B=-2- = 2
den Bar und W2 s fUr die Schabotte nach dem Sto~
berechnen.
W2B = 3521,33 Nm = 3,521.10 3 J
m
25.10 3 kg· (0,3462 8'")2
m2c~
W2 S =-2-= 2

W2S = 1498,18 Nm = 1,498.103 J

Die Energiebilanz zeigt, da~ fast 20 % der aufgewen- Energiebilanz:


deten Energie durch den Rtickprall des Bars nicht in Kiirper EneIgie in J %
Verformungsarbeit umgesetzt werden, eine Folge des
Bar 3521,33 19,56
halbelastischen Sto~es mit der Sto~zahl 0,5.
Schabotte 1498,18 8,32
Der Schlagwirkungsgrad wird dadurch betrachtlich Werkstiick 12980,77 72,11
verschlechtert. El 18000,28 99,99

319
III. Statik der FlUssigkeiten (Hydrostatik)

Formelzeichen und Einheiten zur Hydrostatik und -dynamik


A m 2 ,mm 2 Fliiche, von Fliissigkeit erfiillter Rohr- oder Kreisquerschnitt
d m,mm Kolben- und Rohrdurchmesser
e m Abstand des Druckmittelpunktes vom Fliichenschwerpunkt
F N Kraft; Fb Bodenkraft, Fs Seitenkraft usw.
Fa N Auftrieb
FG,G N Gewichtskraft
m
g Fallbeschleunigung; gn = Normfallbeschleunigung
S2

h m Hohe, LagehOhe, Ortshohe


I m 4 ,mm 4 FHichenmoment 2. Grades
I m Lange, Rohrliinge
m kg Masse
kg
qrn s Massenstrom (Massendurchsatz durch Rohrleitungen o.ii.)

N
P 2 = Pa, bar Druck
m
Re Reynoldssche Zahl (Re-Zahl)
t s Zeit
V m3 Volumen
m3
qv s Volumenstrom (Volumendurchsatz durch Rohrleitungen o.ii.)
w Stromungsgeschwindigkeit, AusfluBgesch windigkeit
a DurchfluBzahl bei Blenden
~ Widerstandszahl eines einzelnen Hindemisses in Rohrleitungen
11 Wirkungsgrad
Ns kg
11 dynamische Viskositiit
m2 ms
A Widerstandszahl fill Rohrleitung
11 Reibzahl zwischen Kolben und Dichtung
11 AusfluBzahl
m2 11
v s kinematische Viskositiit; v = -
p
kg
p Dichte
m3
<P Geschwindigkei tszahl

320
III. Statik der Fliissigkeiten (Hydrostatik)

1. Eigenschaften der Fliissigkeiten und Gase


Ruhende oder sehr langsam bewegte Fliissigkeiten und Gase kannen im Gegensatz zu festen Kar-
pern nur Normalkrafte iibertragen, keine Schubkrafte. Sie nehmen ohne Widerstand jede auil>ere
Form an. Fliissigkeiten zeigen im Gegensatz zu Gasen auil>erdem groil>en Widerstand gegen Volumen-
anderung, sie lassen sich erst bei hohen Driicken geringfUgig zusammendriicken. Wird die Fliissig-
keit wieder entlastet, so nimmt sie ihr urspriingliches Volumen wieder an (Volumenelastizitat). Die
leichte Zusammendrlickbarkeit der Gase kann bei Stramungsgeschwindigkeiten bis zu etwa ~ Schall-
geschwindigkeit vernachlassigt werden. Sie werden deshalb in der praktischen Str6mungslehre wie
Fliissigkeiten behandelt.

2. Hydrostatischer Druck (Fliissigkeitsdruck, hydraulische Pressung)


Eine Fliissigkeit libertragt auf eine Flache beliebiger Lage stets nur Normalkrafte. Der hydrosta-
tische Druck - kurz Druck p - gibt die Normalkraft je Flacheneinheit an (Normalkraft geteilt
durch Flache) und steht daher ebenfalls immer senkrecht auf der betrachteten Flache.

Normalkraft FN
Druck p = Flache A

FN
P=A (III. I )

Die gesetzliche und internationale Einheit (SI-Einheit) fUr den Druck p ist das Pascal!) (Kurz-
zeichen Pa).
I Pa ist gleich dem auf eine Flache gleichmail>ig wirkenden Druck, bei dem senkrecht auf die Flache
I m 2 die Kraft IN ausgeiibt wird. Das 100 OOOfache (lOs fache) des Pa ist das Bar (Kurzzeichen
bar):

I Pa = I ~2 = 1 kgm2 = 1 k
m s2m s2m (III.2)
1 bar = 100000 Pa = lOs Pa = 0,1 MPa
Beachte: Der hydrostatische Druck p kann von auil>en auf die Fllissigkeit ausgeiibt werden, aber
auch die Schwerkraft (Gewichtskraft) der Fliissigkeit selbst erzeugt einen hydrostatischen Druck p.
Bei hohen Drucken in kleinen Fllissigkeitsmengen (hydraulische Gerate) wird der hydraulische
Druck infolge der Schwerkraft nicht berucksichtigt.

3. Druck-Ausbreitungsgesetz
Wird der hydrostatische Druckanteil infolge der Schwerkraft der Fllissigkeit vernachlassigt, so gilt
das Grundgesetz des hydrostatischen Druckes von Pascal:

Der Druck einer im Gleichgewicht stehenden abgesperrten Fllissigkeit steht liberall senkrecht
auf der Flache, auf die er einwirkt und ist an jedem Ort und in jeder Richtung gleich groil>!
Mit anderen Worten:
Der Druck, der von auil>en auf irgendeinen Teil der abgesperrten Fllissigkeit ausgelibt wird
(z.B. durch Kolbenkraft), pflanzt sich auf alle Teile nach allen Richtungen hin unverandert
fort.

1) Blaise Pascal, franz. Physiker, Mathematiker und Philosoph, 1623-1662.

321
Mechanik

4. Anwendung des Druck-Ausbreitungsgesetzes


4.1. Wanddruckkraft
Die hydrostatische Druckkraft F auf eine gekrtimmte Flache ist das Produkt aus dem Druck p und
der Projektion der Flache auf eine Ebene senkrecht zur Kraftrichtung: Wanddmckkraft

F p A
F=pA (1II.3)

Bild III.!
Druckkraft auf gekriimmte Flachen

• Beispiel: Die Projektion der gewolbten Boden des Behalters in Bild III.I ist in Richtung der Behal-
ter-Liingsachse eine Kreisflache A = 1Td 2 /4. Die Wanddruckkraft Fin dieser Richtung wird
also F=FI =F2 =pA =p1Td 2/4.
Beachte: Auf die Flanschverbindung in Bild III. I wirkt die Zugkraft F z = p 1Tdi!4.

4.2. Beanspruchung einer Kesselliingsnaht


Die Projektion der gewolbten Kesselwand ist nach Bild 111.2: A = d lund damit die Wanddmckkraft
F d, l p
F=pA=pdl (IlIA)
N m

Diese Kraft versucht bei Kessel und Rohren, die Liingsnaht in Umfangsrichtung aufzureiBen. 1st s
die Wanddicke des Rohres oder Kessels und azul die zulassige Spannung, so wird: F = d lp = 2 sl azul
und daraus die Wanddicke

s, d p, azul
~ (111.5)
2 azul
m

Bild III.2. Beanspruchung einer


Kesselliingsnaht
4.3. Hydraulische Kraftiibertragung
Die Anwendung des Druck-Fortpflanzungsgesetzes auf die in Bild 111.3 dargestellte hydraulische
Pre sse ergibt ohne Reibung an den Dichtungsstellen die Triebkraft (Kolbenkraft)

1Tdi
FI =4 p und die Last (Kolbenkraft)

Daraus folgt unter Berticksichtigung der Reibung mit dem Wirkungsgrad 1) die Last (Kolbenkraft)

(111.6)
N m
Darin ist der Wirkungsgrad
4fJ.h 2
1---
d2
fJ. Reibzahl zwischen Kolben und Dichtung (111.7)

322
III. Statik der FJUssigkeiten (Hydrostatik)

Bewegt sich der Triebkolben urn den Kolbenweg SI nach


unten, so verdrangt er das Volumen VI = A,s l • Das yom
Triebkolben verdrangte Volumen muB gleich dem yom
Lastkolben freigegebenen Raum sein, also A lSI = A 2 s2
oder auch

(II1.8)

Die Druckiibersetzung wird in der Anordnung nach den


Bildern IlIA und Il1.5: Bild IIl.3. Hydraulische Presse

(I1I.9) (Ill.l 0)

P, tfR ~~- I
-=~-=-=~"'r-
-=-:~. ~~-::-?'E
Bild 1lI.4. Druckiibersetzung nach (1lI.9) Bild III.S. Druckiibersetzung nach (III.lO)

• Beispiel: An einer hydraulischen Pre sse werden die folgenden Werte gemessen (nach Bild I1I.3):
d I =20 mm, d 2 =280 mm, Dichtungshohe hi =8 mm, h2 =20 mm. Die Reibzahl flir die
Lippendichtungen ist 0,12 . Der Pumpenkolben wird tiber dem Pumpenhebel mit einer
Kraft F I = 2000 N belastet. Sein Hub betragt S I = 30 mm.
Zu berechnen sind: a) Pressen-Wirkungsgrad; b) PreBkraft F 2 ; c) Fltissigkeitsdruck p;
d) Weg S2 des PreBkolbens je Hub des Pumpenkolbens; e) aufgewandte Hubarbeit Wa;
f) Nutzarbeit Wn je Hub; g) erforderliche Anzahl der Pumpenhtibe flir 28 mm Weg des
PreBkolbens!
LOsung: Zuerst muB der Wirkungsgrad 1) berechnet werden (111.7):

1-4·012·~
, 280
a) 71 - - - - - - ' - = 0,81
4/L h l
1+-- 1 +4 · 0 , 12 · ~
20
dl
damit kann die PreBkraft F2 bestimmt werden (111.6)

b) F2
d2
= FI ( d;
)2 71 = 2000 N· 280 mm
20 mm
2·0,81 =317520 N
F24 317520N·4 N
c) Fltissigkeitsdruck p =- - 2 = 2 2 = 51,6 · 105 - 2 = 51,6 bar
rrd 2 0,28 m ·rr m

d) Kolbenweg S2 = SI ( ~: Y=30 mm C~OO:: Y=0,153 mm


e) Hubarbeit Wa = Fis l =2000 N ·0,03 m =60 Nm =60 J
f) Nutzarbeit Wn =F2 S2 =317520 N · 0,153 .10- 3 m =48,58 Nm
28mm
g) Anzahl Pumpenhtibe = 0,153 mm = 183

323
Mechanik

5. Druckverteilung durch Gewichtskraft der Fliissigkeit


Werden die Gleichgewichtsbedingungen 'LFy = 0 auf den "erstarrten" Fliissigkeitskorper der
Gewichtskraft FG in Bild III.6 in Richtung seiner vertikalen Achse angewendet, so ergibt sich:

'LFy = 0 =- FI - FG + F2
Fiir FI =PIA; F2 =P2A; FG =mg= Vpg=-Ahpg
eingesetzt :
F2 =FI +FG ,
P2 A =P IA+Ahpg 1 fG
,~-

P2 = PI + hpg Ebene2 '


Fz={J2·A
Liegt die Oberkante des gedachten Fliissigkeitskorpers
in der Oberflache der Fliissigkeit, so ist dart der hy- Bild II1.6. Druckhiihe
drostatische Druck PI = 0 und damit der Drnck oder Pressungshiihe

P P g h
p= pgh (III. 12)
m

Der hydrostatische Druck infolge der Schwerkraft hangt demnach nur von der Niveauhohe h
(FliissigkeitshOhe oder PressungshOhe), der Fallbeschleunigung g und der Dichte p der Fliissigkeit
abo In gleicher Hohe h wirkt liberall der gleiche Druck, also auch auf die GefaBwand. Der Druck
nimmt linear von der Oberflache nach unten zu. Er steigt flir jede Uingeneinheit urn den Betrag p g
an. Gleichung (111.12) ergibt den Druck als Uberdrnck. Der absolute Druck schlieBt den auf der
Oberflache lastenden Druck Pa (z.B. den umgebenden Atmospharendruck) mit ein:
Pabs = pgh + Pa (111.13)

• Beispiel: Berechne den hydrostatischen Druck einer Fllissigkeitssaule von I mm Hohe flir Wasser
und Quecksilber!
LOsung: Flir Wasser betragt die Dichte Pw = 1000 kg/m3, flir Quecksilber ist PQ = 13 600 kg/m 3.
Damit wird (mit g = 10 m/s 2 gerechnet):
kg m _ kgm N
Pw = Pw g h = 10 3 - . 10 - . 10 3 m = 10 - - = 10 - = 10 Pa
m3 S2 s2m 2 m2
3 kg m -3 N
PQ = PQ g h = 13,6'10 -3 · 10 2" ·10 m = 136 - 2 = 136 Pa
m s m

6. Hydrostatische Krafte gegen ebene Wande offener Gefiille


6.1. Bodenkraft Fb

Die Bodenkraft Fb (Bild III.7) ist abhangig von Dichte p, der Druck-
hohe h und der gedriickten Flache A. dagegen unabhangig von der
GefaBform:

Fb P g h A
Fb = pghA (111.14) Bild Ill.? Bodenkraft Fb
kg m ist unabhiingig von der
N s2
m m2
m3 Gefiillform

324
III. Statik der Fli.issigkeiten (Hydrostatik)

6.2. Seitenkraft Fs
Die Seitenkraft Fs (Bild III.8) gegen eine symmetrische Flache A, die unter einem beliebigen Win-
kel a zur Horizontalen geneigt ist, ist abhangig von der Dichte p, dem Abstand hs des Flachen-
schwerpunktes S vom Fllissigkeitsspiegel und der gedrtickten Flache A:

Fs = pghsA
Fs = pgys sinaA (III.l5)
x
hs =Ys sina
Fs p g hs,ys A
m Bild III.B. Seitenkraft Fs und
N ~3 s2
m m2
m Druckmitte\punkt D

Die Seitenkraft Fs auf eine ebene Flache ist dernnach ebenso gro~, wie wenn der im Schwerpunkt
S der Flache wirkende hydrostatische Druck auf die Gesamtflache A wirkte. Fs ist unabhangig von
der Neigung der Flache. Der Angriffspunkt der Seitenkraft Fs hei~t Druckmittelpunkt D; erliegt
stets urn das Ma~ e tiefer als der Schwerpunkt S der gedrtickten Flache A. Der Abstand e wird be-
rechnet aus
Flachenmoment 2. Grades der gedrlickten Flache,
_ bezogen auf die Flachenschwerachse s-s
e - Flachenmoment 1. Grades der gedrlickten Flache,
bezogen auf die Achse x-x
Is
e=-- (111.16)
Ays

Ys Schwerpunktsabstand der gedrtickten Flache von der Achse x - x; bei lotrechten FIachen ist
Ys = hs· A gedrtickte Flache.
Damit wird allgemein der Abstand Yo des Druckmittelpunktes D von der Achse x - x:
Is
Yo = Ys + e = Ys + A- (III. 17)
Ys
Der Abstand e wird flir die
Is bh 3
Rechteckfiiiche e=-- = (IIU8)
Ays 12bhys
_ Is trd4 4
Kreisfiiiche e - - - - ----:--- (III.l9)
Ays - 64trd 2 ys
• Beispiel: Flir die AblaBklappe eines Wasserbehalters nach Bild 111.8 ist a = 50°; hs = 2,5 m; Rohr-
durchmesser d = 500 mm. Berechne Betrag und Angriffspunkt der auf die Klappe wirken-
den Seitenkraft Fs!

Losung: Fs = pghsA = 10 3 k~ . 9,81 ~. 2,5 m' 4!!. (0,5 m)2 = 4815 N


m s
hs 2,5 m
sma = 0766
Ys =-.- , = 3,264 m

Is d2 05 2 • m 2
e =- - = - - = ' = 4,8 mm
Ays 16ys 16'3,264m
Yo =Ys + e = 3,264 m + 4,8 mm = 3,269 m
325
Mechanik

7. Auftrieb
Der Auftrieb Fa ist die Resultierende der beiden senkrechten Krafte FI = PIA und F2 = P2A nach
Bild 111.6. Mit PI = P g h lund P2 = P g h2 wird der Auftrieb
Fa = F2 - F I = A Pg (h2 - h d
Da A (h2 - hi) = Volumen Vy ist, wird der Auftrieb
Fa Vy P g
Fa = Vypg (111.20)
m
N m3 ~ Bild III.9. Korper- und
m3 s2
Verdrangungsschwerpunkt
Vy ist das verdrangte Fltissigkeitsvolumen Sk, Sy

Der Auftrieb ist stets senkrecht nach oben gerichtet und gleich der Gewichtskraft des durch den
eingetauchten Karper verdrangten Fltissigkeitsvolumens. Der Auftrieb greift im Verdrangungs·
schwerpunkt Sy der verdrangten Fltissigkeitsmenge an. Das Gesetz gilt fur ganz und teilweise ein·
getauchte Karper. Der in Fltissigkeit eingetauchte Karper verliert an Gewichtskraft genau soviel,
wie die Gewichtskraft der von ihm verdrangten Fltissigkeit betragt: Scheinbare Gewichtskraft
(111.21)

• Beispiel: Ein Karper der Masse m = 25 kg hangt vallig in Wasser eingetaucht an einer hydrosta·
tischen Waage. Die Waage steht im Gleichgewicht bei m I = 22 kg. Wie gro~ sind Volumen
V und Dichte p des Karpers?
Losung: Der Auftrieb ist Fa =FG -FGl =mg-ml g=g(m -md
Fa gem -ml)
Volumen V = - =- - --
pg pg p

. _m_ 25 kg _ 3 kg _ kg
Dlchte p - V - -3 3 - 8,333·10 - 3 - 8333 -3
3·10 m m m

• Beispiel: Ein dtinner Holzstab der Lange 1= 500 mm und der Dichte Pk = 600 kg/m3 wird lotrecht
tiber die Wasseroberflache gehaIten und dann losgelassen. Wie weit taucht die obere Stirn-
flache des Stabes unter den Wasserspiegel (x = Tauchtiefe), wenn von Reibungswiderstan-
den abgesehen wird?
LOsung: Der EnergieerhaItungssatz (I1.l 07) in Verbindung mit (111.20) ergibt:

Energie am Ende Energie am Anfang .


des Vorganges ± zu- bzw. abgeflihrter Arbelt
des V organges
Fa l
O=FG(l+x)-T-Fa x

Beachte: Die bis zum vollstan-


digen Eintauchen des Stabes ab-
geflihrte Arbeit ergibt im Kraft-
Weg-Schaubild eine Dreieck-
Pw 05 m .100~ flache und damit WI =Fa· 1/2.
I(Pk -2) , m3 Danach ist beim weiteren Ein-
x= 400~ = 0,125 m = 125 mm tauchen Fa = konstant, also
Pw -Pk
m3 W2 = Fax.

326
III. Statik der Flussigkeiten (Hydrostatik)

8. Schwimmen
Wirken nur Gewichtskraft FG und Auftrieb Fa auf einen in der Fllissigkeit liegenden Korper, so
sind drei FaIle mogiich:
Der Korper sinkt unter, wenn Fa <FG ist; er schwebt, d.h. er bleibt an jeder beliebigen Stelle
innerhalb der Fllissigkeit, wenn Fa = FG ist, und er schwimmt an der Oberflache, wenn Fa > FG ist.
Der Korper taucht bei Gleichgewicht so weit auf, da~ der Auftrieb gieich der Gewichtskraft der
verdrangten Fllissigkeit ist.

9. Gleichgewichtslagen schwimmender Korper


Stabile Schwimmlage zeigt Bild 111.10. Auftrieb Fa und Gewichtskraft FG wirken langs der ge-
meinsamen Wirklinie W - der Korpermittellinie - in entgegengesetzter Richtung. Neigt sich der
schwimmende Korper urn Winkel <p, bleibt Lage des Korperschwerpunktes Sk (Angriffspunkt
von FG ) erhalten, jedoch wandert Verdrangungsschwerpunkt Sy nach Sy' (Angriffspunkt von Fa):
FG und Fa bilden ein Kraftepaar und damit das Wiederaufrichtmoment (Stabilitat genannt). h ist
der Hebelarm der statischen Stabilitiit.

10'1

- - - - - - - - - - - - -- h -----
- =~~
-.-=
=~- ~-; ~~~~ -=-.~ -~ -~
=--=-=---==---~ =~ ~--
BUd 111.10. Stabile Schwimmlage Bild III.Il. Labile Schwimmlage
Fa Auftrieb, in Sy angreifend; G Gewichtskraft, in Sk angreifend; W Mittellinie des Kiirpers (Schwimmachse);
Sy. Sy Verdrlingungsschwerpunkte = Schwerpunkte der yerdrangten Fliissigkeit; Sk Korperschwerpunkt;M Meta-
zentrum = Schnittpunkt der Wirklinie des Auftriebs mit der Mittellinie W; MSk metazentrische Hohe = hm;
I{J Neigungswinkel; h = MSk . sin I{J =Hebelarm der statischen Stabilitlit

Wichtig ist das Metazentrum M, der Schnittpunkt der Korpermittellinie W mit der Wirklinie des
Auftriebes. Liegt M tiber Sk, so schwimmt der Korper stabil, andernfalls labil (Bild 111.11). Das
Drehmoment aus Auftrieb und Gewicht unterstlitzt dann die Drehung des Korpers, bis er in die
stabile Schwimmlage nach Bild III. I 0 kommt. Strecke MS k hei~t metazentrische Hohe h m .
1st [min das kleinste Flachenmoment 2. Grades der Schwimmflache in bezug auf die Drehachse
durch den Schwerpunkt der Schwimmflache, V das Volumen der verdrangten Fllissigkeit, e die
Strecke SkSy, so gilt fliT die metazentrische Hohe
[min
h m =---e
V (1II.22)

Die Stabilitiitsbedingung lautet


lmin
---y->e (111.23)

327
IV. Dynamik der FlUssigkeiten (Hydrodynamik)

1. Allgemeines
Bei Stromungsvorgangen von Gasen und FIUssigkeiten sind zwei Eigenschaften wichtig: Viskositat
(Zahigkeit) und Kompressibilitat. Die reibungslose, inkompressible Fltissigkeit heif!,t ideale FlUssig·
keit.

1.1. Kompressibilitat
1st die Strdmungsgesehwindigkeit w klein gegen die Sehallgesehwindigkeit e, so spieJt die Kompres·
sibilitat fUr die Stromungsvorgange keine Rolle. Kriterium ist die Maehsehe Zahl

Ma=~ (IV.l)
e
Bis etwa Ma < 0,3 konnen die Stromungen von Gasen als inkompressibel angesehen werden, flir
Luft also etwa bis w = 100 m/s.
1.2. Viskositlit (Zlihigkeit)
Die von der Viskositat (Zahigkeit) verursachten Reibungskrlifte sind in vielen technisch wichtigen
FIUssigkeiten und Gasen sehr klein gegenUber den anderen Kraften (Schwerkraft, Druckkraft, Trag-
heitskraft). Der Reibungseinfluf!, ist jedoch immer sehr grof!, in einer dUnnen Schicht in Wandniihe
bei der Durchstromung von Leitungen (Rohre, Kanale): Grenzschicht.
Den Einfluf!, der Reibungskrafte kennzeichnet die Reynoldssehe Zahl

Re w d p 1) v
Re=wdp=wd (IV.2)
1/ v m Ns m2
m ~
m3 m2

Darin ist w mittlere Durchfluf!,geschwindigkeit, d Durchmesser bei Kreisrohren, p Dichte, v kine·


matische Zahigkeit, 1/ dynamische Zahigkeit.
dynamisehe Viskositiit
kinematisehe Viskositiit v = D' h
Ie te p

v 1) p
1)
v= - (IV.3)
p

Re stellt das Verhliltnis der Tragheits- zu den Reibkraften dar. Re -+ 00 bedeutet reibungslose Stro-
mung. Umreehnungen:

Dynamische Viskositat 1): Kinematische Viskositat v:

I N~ = 10 Poise (P) m2
1 - = 104 Stokes (St)
m s
2
1P 1St = 10-4 ~
n; :
S 2
Umrechnung aus Engiergraden in
v = (732 E - 6,31) '10- 6 in m 2
, E s

328
IV. Dynamik der Fli.issigkeiten (Hydrodynamik)

Tafel IV.I. Dynamische Viskositat 1/, kinematische Viskositat v und Dichte p von Wasser

Temperatur in °C 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

10 6 1'/ in Ns/m 2 1780 1300 1000 805 658 560 470 403 353 314 285
10 6 v in m2/s 1,78 1,31 1,01 0,81 0,66 0,56 0,48 0,42 0,37 0,33 0,30
p in kg/m 3 1000 1000 998 992 983 972 958

1.3. Laminare und turbulente Stromungen


Kleine Re-Zahlen kennzeichnen die laminare Stromung. Die Fltissigkeitsschichten gleiten mit ver-
schiedenen Geschwindigkeiten tibereinander hinweg, ohne sich zu mischen (Schichtenstromung).
Die Geschwindigkeit wist parabolisch verteilt.
Die Maximalgeschwindigkeit in Rohrmitte ist doppelt so graB wie die mittlere Geschwindigkeit,
wahrend sie bei der turbulenten Stromung von Null an der Rohrwand sehr schnell auf einen fast
gleichbleibenden Wert ansteigt.
1st w = V!A die mittlere DurchfluBgeschwindigkeit (IV.5), so wird die Geschwindigkeit Wx im Ab-
stand x von der Rohrachse

(IVA)

Grof3e Re-Zahlen kennzeichnen die turbulente Stromung. Die einzelnen Schichten werden stark
vermischt, dadurch starker Geschwindigkeitsausgleich: praktisch konstante Geschwindigkeit bis
fast zur Rohrwand. Die meisten technischen Stromungen sind turbulent.
Der Umschlag von laminarer in turbulente Stromung wird durch die kritische Reynoldszahl Rekr
bestimmt. Beim Kreisrahr ist (w d/V)kr = Rekr = 2300. Bei Re < 2300 ist dann die Stromung stets
laminar und geht wieder in laminare tiber, wenn sie vortibergehend gestort war. Bei Re > 2300
kann die Stromung laminar sein, wenn Storungen der Stromung vermieden werden. 1st eine solche
Stromung einma! turbulent, bleibt sie es auch. Bei Re > 3000 liegt praktisch immer Turbulenz vor.
Die zu Rekr gehorige Stromungsgeschwindigkeit heilit kritische Geschwindigkeit Ukr .
• Beispiel: Durch eine Rohrleitung von d = 0,5 m lichtem Durchmesser stromt Luft von 50 DC;
P = 1,06 kg/m3, mit einer mittleren Geschwindigkeit w = 10 m/s. Dynamische Zahigkeit
1/ = 19,62 . 10- 6 Ns/m 2.
Gesucht: Reynoldssche Zahl Re.
m kg kgm 2
wdp 10 -. 0,5 m .1,06 3 -3-
Losung: Re = - - = m = 0 27 .10 6 ~
1/ 1962.1O-6.Ns' kgms
, m2 s2m 2

Re = 270000

• Beispiel: Wie graB ist die kritische Geschwindigkeit Wkr flir Wasser von 20 DC, das durch eine Rohr-
leitung von 20 mm (/J flieBen soll?
Losung: Nach Tafel IV.l ist die dynamische Zahigkeit 1/ = 10- 3 Ns/m2. Mit (IV.2) wird
kgms
2 2
kgm = o, lIS!!!
= 0 , 115~ S

m3

329
Mechanik

2. Die Grundgleichungen der Stromung


2.1. Kontinuitiitsgleichung (Stetigkeits- oder Durchflu~gleichung)
Veriindert eine stromende Fltissigkeit ihr Volumen nicht (Dichte p = konstant), so mu~ durch die
verschiedenen Querschnitte A" A2 der Leitung in Bild IV.l in jeder Sekunde das gleiche Fltissig-
keitsvolumen qy (Volumenstrom = Volumendurchsatz) flie~en. Sind A I, A2 die Stromungsquer-
schnitte und WI, W2 die zugehorigen mittleren Stromungsgeschwindigkeiten,somu~nachBi1dIV.l
der Volumenstrom qy sein:
(IV.5) IA t

qy A W

Gleichung (IV.5) charakterisiert die Raumbestandig-


keit der Fltissigkeit und wird daher auch Inkompres- Bild IV.I. Kontinuitatsgieichung A I W 1 = A 2 W 2
sibilitatsgleichung genannt.
FUr zusammendruckbare Medien (z.B. Gase), in denen sich beirn Durchflu~ die Dichte p zeitlich
andert, ist die sekundlich durch einen Stromungsquerschnitt flie~ende Durchflu~menge konstant.
Der Massenstrom qm ist
W p
(IV.6)
m

• Beispiel: Eine Rohrleitung von 100 mm lichtem Durchmesser fOrdert 550 l/min SchmierOl von der
kinematischen Viskositat v = 131,6 . 10 -6 m 2 Is. Welche Stromungsform ist zu erwarten?

LOsung: Stromungsgeschwindigkeit w nach (IV.5) mit A = 0,1 2 : = 0,785 '1O- 2 m 2


4m
_ qy _ 0,55 m3 = 1 17 ~
W - A-60 s· 0,785'10 2 m2 ' s

wkr
=R eke d!!. = 2320 131,6 '10-6 _s_ = 3 OS!!!
0,1 m' s
W < wkr, also laminare Stromung

• Beispiel: Wasser von 10 °c stromt durch eine Rohrleitung von 0,5 mm lichtem Durchmesser und
250 mm Lange unter einem Oberdruck flp = 7848 Pa. Wie gro~ sind mittlere Stromungs-
geschwindigkeit W und Massenstrom qm ?

LOsung: Nach IV.28 wird mit 1/ = 1300· 10-6 N~ (Tafel IV.!)


m

N 0-6
7 84 8 """2' 0,5 . 1
2 2

W
fl d 2
= -p- =
32 I
1/
m
32 ·1300 '10- 6
N
--%.
m
0,25 m
= °189 mN 2Nm2
m =,
sm
°189 -s
2m

m 0,5 2 . 1O- 6 n 2 3 kg -6 kg g
qm =wAp=0,189 s' 4 m ·10 m3=37,1'10 8=0,0371 S

330
IV. Oynamik der FlUssigkeiten (Hydrodynamik)

2.2. Energieerhaltungssatz der Stromung (Bernoullische Druckgleichung)


In Bi!d IV.2 seien hI, h2 die Niveauhohen einer von 1 nach 2 stromenden Fltissigkeit, der bei 1 die
Druckvolumenarbeit PI VI zugeftihrt und bei 2 die Druckvolumenarbeitp2 V 2 entnommen werde.
(Mit Arbeit = Kraft F mal Weg s und F = P A kann auch geschrieben werden: Arbeit = F s = pAs =
P v.) Die Kolben brauchen dabei in Wirklichkeit gar nicht vorhanden sein; sie sollen nur die Grenz·
flachen des betrachteten Fliissigkeitsvolumens bedeuten. Die Fltissigkeit besitzt bei 1 und 2 die Lage-
energie mg h lund mg h2 und die kinetische Energie ~ wi und ~ wt mit wals Stromungsge·
schwindigkeit und m als Masse. Ein Tei! der kinetischen Energie wird infolge der Reibung in Warme
umgewandelt. Wird davon abgesehen, so gilt nach dem Energiesatz (11.107) in Verbindung mit der
Anordnung in Bild IV.2:

Energie am Ende Energie am Anfang zu- und abgeftihrte


±
des Vorganges des Vorganges Arbeit

Mit Masse m = Volumen V mal Dichte p (m = V p) wird nach Umstellung auch


wi w~
+ V p g hI + V p 2 = P2 V2 + V Pg h2 + V p 2 =konstant
Druckvolumen- Lage- kinetische
(IV.7)
arbeit (Druckenergie) energie Energie
d.h. die Summe von Druckenergie, Lageenergie und kinetischer Energie ist an jeder Stelle einer
stromenden Fliissigkeit gleich groll..
Wird die Gleichung durch das Volumen V geteilt, so ergibt sich die Energiebi!anz fill die Volumen-
einheit, bekannt als Bernoullische 1) Druckgleichung:

P p g h w (1V.8)
m
m

Darin ist P der statische Druck (Flilssigkeitsdruck),


~ w 2 der Staudruck und h die Hohe des betrachteten Bild IV.2. Energieerhaltungssatz der
Stromung (Bernoulligleichung)
Punktes tiber irgendeiner Nullebene.

Beachte: Die Gleichung gilt flir reibungslose Stromung. Die einzelnen Glieder konnen als ,,Druck"
oder auch als "Energie je Volumeneinheit" gedeutet werden, wie folgende Einheitenbetrachtung
zeigt:

~ = Druckeinheit; mit Einheit m (= Meter) erweitert:


m

-N2
. m- Nm
=- 3 = EnergIe
. (A rb'
elts-) em
. heltje
. . V0 Iumenel'nhelt
.
m'm m

1) Daniel Bernoulli, Professor der Mathematik und Physik in Basel, 1700- 1782.

331
Mechanik
Teilt man die Bernoullische Druckgleichung durch das Produkt pg, so ergibt sich:
wi P2 W~
l!.l
pg
+ hi +-2 = -
g pg
+ h2 + -2 = konstant
g
(IV.9)

Die einzelnen Glieder in (IV.9) stellen Bohen dar:


P kgm ·m 3 ·s2
- in 2 2 = m die statische Druckhohe der Fliissigkeit, d.h. die Hohe einer Fliis-
pg s·m ·kg·m sigkeitssaule, die durch ihre Gewichtskraft den Druck P erzeugt;
die Ortshohe (auch Lagehohe oder geodatische Hohe) iiber einer
h in m
beliebigen Horizontalebene.

die Geschwindigkeitshohe, d.h. diejenige Hohe, um die ein Kor-


per frei herabfallen muB, um die Geschwindigkeit w zu erhalten;

Nach der Bernoulligleichung ist demnach die Summe der Druckhohe, der Geschwindigkeitshohe
und der OrtshOhe in der gesamten Erstreckung einer Leitung konstant.
Bei einer Leitung ohne Bohenunterschiede (h I = h 2 ) vereinfacht sich die Bernoullische Druckglei-
chung (lV.8) zu
P P w
(IV.10)
m

d.h. der Gesamtdruck (statischer Druck P + Geschwindigkeitsdruck pw 2 j2 = Staudruck q) der


Fliissigkeit ist an jeder Stelle einer Horizontalleitung gleich groB.

• Beispiel: Eine Pumpe fordert stiindlich 450 m 3 Wasser durch eine Rohrleitung von 200 mm lichter
Weite. Mit welcher Geschwindigkeit flieBt das Wasser?
450 m 3 m3 n
LOsung: qy =AI WI =Aw; qy = 3600 S = 0,125 S ; A = 4" (0,2 m)2 = 0,0314 m 2

_ qy _ 0,125 m 3 _ m
w - A - 0,0314.s .m2 - 3,98 S
m3
Massenstrom qrn = qyP = 0,125 s· 1000 m-kg3 = 125 Skg

• Beispiel: Bei welcher Stromungsgeschwindigkeit wird an einer unter Wasser rotierenden Schiffs-
schraube der Dampfdruck des Wassers von 1300 Pa unterschritten? Der Luftdruck iiber
Wasser betragt 1,01 bar.
LOsung: NachIV.lOwirdmit WI = 0; PI = 1,01 bar = 1,01·lOs Pa,P2 = 1300Pa, p = 1000 k~ :
m
P 2_ P 2
PI + 2" WI - P2 + 2" W2

PI - P2 = ~ w2 ; w= V 2 (P I ; P2)

2 .99700 kgm
w= = 14 12 !!!
2 2
_ _ _ _s_mc-
1000 k g ' s
m3

332
IV. Dynamik der FlUssigkeiten (Hydrodynamik)

• Beispiel: Ein horizontal liegendes Rohr verjtingt sich von Al = 7,1 cm 2 auf A2 = 2,55 cm 2 • 1m
Querschnitt 1 herrscht der Druck PI = 1,2 bar und die Stromungsgeschwindigkeit WI = 5
m/s. Fiir das stromende Wasser ist der Druck im verjtingten Querschnitt 2 zu bestimmen.

Uisung: Mit der KontinuWitsgleichung (IV.5) ergibt sich die Stromungsgeschwindigkeit in 2 zu:

71 cm 2 m m
W2 = -Al WI =' . 5 - = 1392-
A2 2,55 cm 2 s

ZUI Bestimmung des zugehorigen Druckes wird IV.1O nach P2 aufgelost:

_ skgm skgm _ _
P2 - 1,2'10 2 2 - 0,844'10 2 2 - 35600 Pa - 0,356 bar
sm sm

3. Anwendung der Bernoulligleichung


3.1. Druckmessungen
Die Schwierigkeit jeder Druckmessung liegt in der St6rung der Stromung durch das Me~gerlit
(Sonde) gerade dort, wo gemessen werden solI. Da nach Bernoulli jede Geschwindigkeitsstorung
eine Druckstorung hervorruft, ist die Sonde so auszubilden, d~ die Stromung in unmittelbarer
Nlihe des zu messenden Punktes mOglichst wenig gestort wird.

3.1.1. Messung des statischen Druckes Ps (Bild IV.3). Die Fliissigkeit stromt durch ein horizontales
Rohr mit der Geschwindigkeit w. 1m angesetzten Steigrohr steigt sie auf die Hohe h.

Der Ansatz der Bemoulligleichung (IV.9) ergibt fur WI = 0, W2 = 0, hi = 0,


h2 =h, P2 = Luftdruck:

Pl+ 0 + 0 =P2+pgh+0
Bild IV.3. Messung des
Daraus wird der statische Druck statischen Druckes Ps

PbP2 P g h
PS=PI=P2+pgh (IV.ll)
kg m
~=Pa s2
m
m2 m3

Die Anordnung nach Bild IV.3 ist demnach ein Manometer, das den hydrostatischen Druck, Pi
m~t. Er setzt sich zusammen aus dem Luftdruck P2 und dem Druck der Fliissigkeitssliule p g h.

Praktisch ausgeftihrt wird die Messung des statischen Druckes durch eine Wandanbohrung nach
Bild IV.4. Die Fliissigkeit flie~t fast ohne St6rung iiber die feine, gratfreie Wandbohrung hinweg
und bleibt in der Bohrung selbst fast in Ruhe.

333
Mechanik

1m Innern der Stromung wird Ps mit der Drncksonde (Hakenrohr) nach Bild IV.5 gemessen. Die
Messung ist sehr empfindlich gegen Richtungsanderungen und abhangig von der Turbulenz des
Strahles.

Bild IV.4. Messung des Bild IV.S. Messung des statischen Druckes Bild IV.6. Messung des
statischen Druckes durch im Innern der Stromung mit Drucksonde Gesamtdruckes Pitotrohr
Wandanbohrung

3.1.2. Messung des Gesamtdruckes Pg. Die Summe aus statischem Druck Ps und Staudruck p /2 w 2
heilit Gesamtdruck Pg. Er laBt sich einfach durch ein vorn offenes Rohr (Pitot·Rohr) nach Bild
IV.6 messen. In der 6ffnung kommt die Fltissigkeit zur Ruhe. Dadurch entsteht nach Bernoulli
in diesem Staupunkt eine Druckerhohung urn den Staudruck q = p/2 w 2 , so daB gemessen wird:
p
Pg =Ps + "2 w 2 = Ps + q (IV.12)

3.1.3. Messung des Staudruckes q. Gebriiuch·


lichstes MeBgeriit ist das Staurohr nach
Prandtl (Bild IV.7). Es ist die Verbindung
von statischer Drucksonde und Pitot·Rohr
und vereinigt auch die Messung von Gesamt·
druck Pg und statischem Druck Ps . Nach
Gleichung (IV .12) wird der Staudrnck
p
q = Pg - Ps = {3 "2 w 2 (IV.13)

Ftir die Abmessungen nach Bild IV.7 wird


{3 "" I (bis zu einem Winkel von 17 0 zwi·
Bild IV.? Messung des Staudruckes q mit Staurohr
schen Rohrachse und Stromungsrichtung).

• Beispiel: Durch eine Rohrleitung stromt Wasser mit einer Geschwindigkeit w = I m/s. Dichte
p = 1000 kg/m3. Berechne den Staudruck!

.. p 1000 kg m 2 kgm
Losung: Staudruck q = -2 w 2 = -2- . I . -3-2- = 500 2"2 = 500 Pa
m ssm

• Beispiel: Ftir Luft bei 15 °c und 1,01 bar betriigt die Dichte p = 1,223 kg/m 3. Damit betriigt z.B.
fur P = 196,2 Pa die Stromungsgeschwindigkeit

W=1 ~ 2'196,2kgmm 3 = 17 9 ~
VP= 1,226 kg s2m 2 ' s
TafellV.2 (Seite 341) zeigt eine Gegentiberstellung des Staudruckes q und der zugehOrigen Ge·
schwindigkeit w fUr Luft und Wasser.

334
IV. Dynamik der Flussigkeiten (Hydrodynamik)

3.2. Mengenrnessungen in Robrleitungen


Es wird die Druckdifferenz PI - P2 bei Querschnittsanderungen nach Bild IV.8 gemessen. FUr die
Querschnitte AI, A 2, die mittleren Geschwindigkeiten WI> W2 und die Drucke PI, P2 ergibt die
Bernoulligleichung PI -P2 = p/2 (w; -w~). Mit der Kontinuitatsgleichung qv = wA wird nach
Umstellung der theoretische Volumenstrom

_/2(PI -P2)
qv - (1 1)
p A2 - A2
(IV.l4)

2 I

Die Gleichung ergibt theoretische Werte. Die Einfltisse der Reibung, Einschniirung des Stromungs-
querschnittes (Kontraktionszahl), Fonn des Drosselgerates (Venturirohr, Dtise oder Staurand nach
Bild IV.8) usw. lassen sich nur empirisch ennitteln und werden in der Durchflufilzahl Q zusammen-
gefafilt. Flir den Staurand (Blende) nach Prandtl ist Q =0,598 + 0,395 m 2 , worin m =A 2iA I gesetzt
ist. Staurand,Dlise und Venturirohr sindgenonnt. Zahlenwerte fUr Q in DIN 1952. Mit Querschnitts-
verhaltnis m und Durchflufilzahl Q ergibt sich aus der obigen Gleichung der Massenstrom
A2 ,.-------
qrn = Q ~ y2p(PI -P2) (IV.15)
y1-m 2

,J m$. : ~ : := §/J.~A; Z~ ~___;:~J


A
',
P1"----' r----'pz
Bild IV.B. a) Staurand (Blende), b) Diise

• Beispiel: Eine Wasser flihrende Leitung nach Bild IV.8 hat die Querschnitte AI =0,3 m 2 ,A2 = 0,1
m2 . Die Driicke betragen PI = 2,5 bar, P2 = 1,5 bar.
Wie grofil ist der theoretische Volumenstrom qv?

Losung: Mit p =1000 mk~, PI - P2 =1 bar =105 m~ =10 5 s~~


m
wird nach (lV.l4):

m3
qv= =1,5 8

3.3. Ausflufil aus einem Gef3L\


3.3.1. Geschwindigkeitszahl, Kontraktionszahl, Ausflufilzahl. Das aus einer
6ffnung ausstromende Fliissigkeitsvolumen ist immer kleiner als das sich
theoretisch ergebende, weil die mittlere Ausflufilgeschwindigkeit infolge
der inneren Fllissigkeitsreibung und der Reibung an den Gefafilwanden nicht
ganz den theoretischen Wert w = y2gh (IV.17) erreicht. Diese Tatsache
wird durch die Geschwindigkeitszahl <p beriicksichtigt. Sie ist abhangig von
der Zahigkeit der Fliissigkeit und betragt bei Wasser etwa <p = 0,97 ... 0,99.
Noch mehr wird die Ausflufilmenge verringert durch die Einschniirung
(Kontraktion) des Fliissigkeitsstrahles (Bild IV.9), infolge der plOtzlichen
Umlenkung der Strahlrichtung. Der wirkliche Strahlquerschnitt ist dann Bild IV.9
nicht ..A ", sondern "M H. Darin ist Q die Kontraktionszahl (stets < 1). Kontraktionszahl III

335
Mechanik
Das Produkt aus Geschwindigkeitszahl <p und Kontraktionszahl a heillt Ausfluj3zahl J.L = a <p. Sie ist
abhiingig von der Form der Ausflu~offnung. Drei Hauptformen mit zugehoriger Ausflul1zahl zeigt
Bild IV.lO.

Bild IV.IO. Ausfltillzahlen flir Wasser


)1=0.82 bel' 2,5 d

3.3.2. Offenes Gefiill, konstante DruckhOhe h. Bleibt die Druckhohe h in Bild lV.ll konstant oder
ist sie gro~ gegentiber der Hohe der seitlichen 6ffnung des Gefa~es, daun ist die Geschwindigkeit
WI der Teilchen bei 1 klein gegen W2 (WI = 0). Mit PI = P2 = Po ergibt die Bernoulligleichung daun

und daraus mit Geschwindigkeitszahl <.{! die Ausfluj3geschwindigkeit

w=<pV2gh
~-Itt:-g
-m
s
-m
s2
h
m
(IV.16)

Die theoretische AusfluBgeschwindigkeit ist also ebenso groB, als wenn das ausflieBende Teilchen
die Hohe h frei durchfallen ware (Summierung der Teilarbeiten der einzelnen Fli.issigkeitsteilchen).
Die Gleichung gilt fUr aile Fli.issigkeiten. Die Druckhohe h heiBt auch Geschwindigkeitshohe.
In Verbindung mit der Kontinuitatsgleichung und der Ausflu~zahl J.L
wird der Volumenstrom

qy = J.LAV2gh .c:;-

qy J.L A g h (IV.l?) 8ezugsebene


m3 m
m2 m Bild IV.11
s2
Ausfltill aus einem Gefhll

3.3.3. Geschlossenes Gefiill, konstante Druckhohe h. Nach Bild IV.ll herrscht dann an Stelle 1
der Druck Ph an der Stelle 2 der Atmosphiirendruck Po. Wird wieder vernachliissigbar kleine Ge·
schwindigkeit WI der Teilchen bei 1 angenommen, so ergibt die Bernoulligleichung mit PI - Po =
Pu (= Uberdruck tiber dem Wasserspiegel gemessen) die Ausfluj3geschwindigkeit

/(
w=<pV 2 gh+ pU P") (IV.l8)
W <.{! g h Pu P qy A
und den Volumenstrom

qy = J.LA V 2 (gh + ~u)


m m
S2
m ~=Pa
m2
kg
3 m
m3
m2
(IV.l9)

Beachte: Der Klammerausdruck (gh + Pulp) unter der Wurzel ist der Uberdruck tJ.pu, gemessen
mit einem Manometer in Niveauhohe des Austritts; es kaun dann mit (g h + Pulp) = tJ.Pu gerechnet
werden!

336
IV. Oynamik der Fliissigkeiten (Hydrodynamik)

Der Massenstrom in kgjs wird erhalten aus:


qrn =qv P (IV.20)
FlieBen unter gleichen Bedingungen zwei FlUssigkeiten oder Gase mit den Dichten PI und P2 aus
den gleichen GefaBen aus, so gilt flir die gleichen Volumenstrome mit t = AusfluBzeit:

(IV.2I)

d.h. die AusfluBzeiten verhalten sich wie die Wurzeln aus den Dichten. Damit laBt sich die Dichte
von Gasen bestimmen.
3.3.4. Offenes GefliB mit sinkendem Fliissigkeitsspiegel (Bild IV.I2). Bei der Druckhohe hi ist die
theoretische AusfluBgeschwindigkeit WI = V2g hi; bei h2 ist W2 = V2g h 2. Die Bewegung ist
gleichmliBig verzogert, so daB mit der mittleren Geschwindigkeit Wrn = WI + w.lj2 gerechnet wird.
In der AusfluBzeit t betragt dann das Ausflufivolumen
V=/JA wrnt (IV.22)
y2ghl + y2gh2 V /J A Wrn t g hb h2
V=/JAt (IV.23)
2 m m
m3 m2 m
~
Bei v611iger Entleerung des GefaBes wird h2 = 0
und damit das Ausflufivolumen
I
V=i/JAty2gh l (IV.24)

und die Ausflufizeit

t= --=-:==
2V
/JA V2ghl
(IV.25)
Bild IV.12. Ausfl~ Bild IV.l3. Ausfl~ unter
bei sinkendem Gegendruck
Fliissigkeitsspiegei
3.4. Ausfl~ unter Gegendruck (Bild IV.I3)
Es gelten die gleichen Beziehungen wie bei kleinen SeitenOffnungen (IV.I6) und (IV.l7). FUr die
Druckhohe h wird die Druckhohendifferenz h = hi - h2 eingesetzt.

• Beispiel: Ein aufrecht stehender, zylindrischer Wasserbehlilter von 5 m lichtem Durchmesser besitzt
eine Bodenoffnung von 200 mm Durchmesser und der AusfluBzahl 0,64. Das Wasser steht
im Behalter bis zur Hohe h = 4 m. Bestimme die AusfluBzeit t Ibis zur halben und t 2 bis
zur vollstandigen Entleerung!
LOsung: Gleichung (IV.23) nach t aufgelost ergibt mit

V= 1T 542m 2 . 4 m = 78,5 m 3 ., .!:::. = 39 25 m 3 • A = 1T 0,22m 2= 0 0314 m2


2 " 4 '
hl=4m; h2=2m:
V
2- 3
tl = 2 = 2·39,25m =258s=4,3min
/JA (V2gh l + V2gh2) 064·00314 m2 ·15 12!!!.
" 's
FUr t2 wird nach (IV.24):

2·78,5 m 3 = 882 s = 147 min


0,64·0,0314m2 ·8,86.r; ,

337
Mechanik

• Beispiel: Die Wasseroberflache eines Dampfkessels liegt unter einem Dberdruck von 4 bar. Das Ab-
laBrohr liegt 2,1 m unter dem Wasserspiegel und hat 60 mm lichte Weite mit der AusfluB-
zahl JJ. = 0,82. Wieviel Wasser stromt in jeder Sekunde durch das Rohr?

LOsung: Gleichung (IV.l9) ergibt flir A = 1T 0,~62 m 2 = 0,00283 m 2

kg N
Dichte p = 1000 3 ; p .. = 4 . lOs - 2
m u m

qy = JJ.A
-~
V2gh +i
m 4 . 10s kgm m3 )
qy =0,82.2,83.10- 3 m2 2 ( 9,81~·2,lm+ 1000 ·s2m2kg
m3
qy = 0,067 S
m3 kg kg
Massenstrom qm = qy p = 0,067 -s-· 10 3 m 3 = 67 S

4. Widerstande in Rohrleitungen
4.1. Druckabfall t::..p, Widerstandszahl 'A
Die Durchstromung eines geraden, horizontal liegenden Rohres vom Durchmesser d und Lange I
ist nur moglich durch einen Uberdruck am Einlauf des Rohres. Dieser raut Iangs des Rohres bis auf
den Atmospharendruck abo Beim glatten Kreisrohr ist der Druckabfall t::..p fast linear und im IlL'1li-
naren Bereich proportional der mittleren Stromungsgeschwindigkeit w:

t::..p p d w
ip
t::..p='A- w 2 (IV.26)
2d

Die Widerstandszahl 'A ist eine VerhliltnisgroBe und abhangig von der Re-Zahl und der Rauhigkeit.
Flir liberschlagige Berechnungen wird flir Luft, Wasser und Dampf empfohlen, 'A = 0,015 ... 0,02
anzunehmen.

4.2. Glattes Kreisrohr


1m geraden Rohr mit glatten Wanden verIauft bis Re = 2300 die Stromung laminar. 1m laminaren
Bereich gilt flir die Widerstandszahl

'A = 64 = t::..p 2d (IV.27)


Re w2 pi
Sind die Rohrabmessungen d, I, sowie die Stromungsgeschwindigkeit w fiir einen bestimmten Vo-
lumendurchsatz gegeben, so ist der erforderIiche Druckunterschied t::..p zwischen Rohranfang und
Ende, der Druckabfall

t::..p T/ w d
(IV.28)
m m

Dynamische Zahigkeit T/ nach (IV.3).

338
IV. Oynamik der Flussigkeiten (Hydrodynamik)

FUr den turbulenten Bereich lassen sich die Gesetze nicht mehr theoretisch aufstellen, hier gelten
vielmehr empirisch gefundene Gleichungen:

Potenzgesetz von Blasius A = 0,316' Re-O,25 (IV.29)


bis Re = 100000
Gesetz von Hermann
A= 0,0054 + 0,396 . Re-O,3 (IV.30)
bis Re = 2 000000
Forme! von Nikuradse
A = 0,0032 + 0,221' Re-O,237 (IV.31)
Re = lOs ... 3,23 .106

4.3. Rauhes Kreisrohr


1m Bereich hoher Re-Zahlen ist die Widerstandszahl A nur von der relativen Wandrauhigkeit k/d
abhangig. Flir k6rnige Rauhigkeiten (im Gegensatz zu welligen) setzt man die Widerstandszahl
1
A= 2 (IV.32)
[2Ig(~)+1,14J
d Rohrdurchmesser in mm, k absolute Wandrauhigkeit in mm nach Tafel IV.3.
GroBte Schwierigkeiten bereitet das gerade technisch interessante iibergangsgebiet zwischen lami-
narer und turbulenter Stromung. Dagegen ist man gut unterrichtet liber das Verhalten von Stahl-
rohrleitungen. Hier rechnet man mit der Widerstandszahl fUr Stahlrohrleitungen

086 .10- 3 ( Re) 7/4


A = AgJatt + ' dO,28 19 (lOs d)l,l (IV.33)

Darin ist Aglatt zu berechnen nach (IV.29, IV.30, IV.31).

4.4. Unrunde Querschnitte


Es gelten die obigen Gleichungen, wenn der Durchmesser d = 4a gesetzt wird, woin
Querschnittsflache A
a= benetzter Umfang U
ist. Flir den Kreis wird

!!. d 2
4 d
a=-;;t=4
Diese Umstellung ist auch bei der Re-Zahl erforderlich: Re = w 4A/U v.
4.5. Kriimmer und Ventile
Die Druckverluste werden hier auf den Staudruck der mittleren Stromungsgeschwindigkeit be-
zogen: Druckabfall

(IV.34)

Die Widerstandszahi ~ flir Kriirnmer und Ventile ist eine VerhaitnisgroBe; Werte siehe Tafein IY.5
und IV.6.

339
Mechanik

4.6. Verzweigungen
Verzweigt sich ein Fltissigkeitsstrom oder werden zwei Teilstrome vereinigt, so entsteht in jedem
Teilstrom ein Druckabfall. Er wird auf den Staudruck des Gesamtstromes bezogen:
Druckabfall in der Abzweigung

I1p = ~a ~ w 2 (IV.35)

Druckabfall im Gesamtstrom nach der Abzweigung

P
I1p = ~g "2 w2 (IV.36)

~ a, ~g.Werte nach Tafel IY.6. Darin ist Qa abgezweigte Menge und Q Gesamtmenge.

• Beispiel: Eine waagerecht liegende, gerade Graugu~-Rohrleitung von d = 0,3 m lichtem Durch-
messer ist I = 1200 m lang und soli 10 m 3 /min Wasser von 30°C liefem.
Gesucht: Der erforderliche Druckunterschied I1p zwischen Anfang und Ende der Rohr-
leitung.
2
LOsung: Aus Tafel IV. 1: v = 0,81 . 10- 6 ~ ; aus Tafel IV.3: k = 1,5 fUr GG, angerostet; nach (Iy'5)
wird die mittlere Stromungsgeschwindigkeit
qv 10 m 3 ·4 m .
w = A = 60 s .0,31 1Tm2 = 2,36 s; nach (IV.2) dIe Re-Zahl

Re= wd
v
2,36 m· 0,3 m s = 0,875.10 6 =875 000> Rekr, also turbulente Stromung
0,81'10 6 m 2S

relative Rauhigkeit dk- = 0,3: = 200, damit nach (IV.32) die Widerstandszahl
1,5'10 m

~ = (21g 200 + 1,14)2 = 0,0303 ~ 0,03

damit nach (IV.26) der Druckabfall (= erforderlicher Druckunterschied zwischen Anfang


und Ende)
lp 1200m'1000kg m2 N
I1p = ~ -2 d w2 = 0 '03 2 . 0,3 m m 3
. 5 6 - = 336.10 3 - 2 = 3 36 '10 5 Pa = 3 36 bar
' S2 m ' ,

• Beispiel: Eine waagerecht verlegte Stahlrohrleitung, geschwei~t, leicht angerostet, von d = 300 mm
lichtem Durchmesser und 1= 2,5 km Lange enthiilt 8 Kriimmer mit der mittleren Wider-
standszahl ~ = 0,25 und 4 Schieber. Es sollen 150 m 3 Wasser von 10 °c in der Stun de ge-
fOrdert werden. Wie gro~ ist der gesamte Druckabfall I1p?
Losung: Der Volumenstrom betriigt
150 m 3 m3
qv = 3,6.10 3 S = 0,0417 s; daraus die mittlere Stromungsgeschwindigkeit

qv 4,17·1O- 2 m 3 m
w ="A= 7,07.10-2 sm2 = 0, 59 S-
340
IV. Oynamik der Flussigkeiten (Hydrodynamik)
2
mit 1'= 1,31 '1O- 6 ~ nach Tafel IV.l wird mit (IV.2) die Re-Zahl
wd 0,59 m '0,3 m s
Re =-1'- = 1 31 '1O-6m2s = 135000; f...glatt nach (IV.31):
,
!...glatt = 0,0032 + 0,221' Re-O,237 """ 0,017 und damit nach (IV.33)
R e ) 7/4
=f...glatt + 086 .10- 3 (
f... ' 028 19 5 1 1 """ 0,0175 (f...glatt """ f..., wei! Re relativ klein)
d' (lO'd)'

Druckabfall !::..Pges = (f... ~ + 8 ~kr + 4~Sch ) iw 2 = ( 0,0175 . 2~~0: + 8· 0,25 + 4· 0,05) iw 2

!::..Pges =0,26 '10 5 2mN =0,26 bar

Tafel IV.2. Staudruck q in N/m 2 und Geschwindigkeit w in m/s flir Luft und Wasser

490
28,3

Wasser
q 980
w 1,4

Wasser
q 39200
w 8,95

Tafel IV.3. Absolute Wandrauhigkeit k

Werkstoff und Stahlrohr, neu Stahlrohr, geschweillt, Stahlrohr, geschweillt,


Zustand geschweillt leicht angerostet starkere Verkrustung
kinmm 0,05 ... 0,10 0,15 ... 0,20 ... 3,0
Werkstoff und GG, neu, innen GG, neu, nicht GG, an- Beton, neu
Zustand Zement oder ausgekleidet gerostet ohne Verputz
Bitumen
kinmm o(glatt) ... 0,12 0,25 1 ... 1,5 0,2 ... 0,8

Tafel IV.4. Widerstandszahlen ~ fUr Ventile


Reform- Koswa- Freifl;ill-
Venti!art DIN-Venti! Rhei-Venti! Schieber
Venti! Venti! Venti!

~= 4,1 3,2 2,7 2,5 0,6 0,05

Tafel IV.s. Widerstandszahlen ~ fUr plOtzliche Rohrverengung


A2
Querschnittsverhiiltnis A-; = 0,1 0,2 0,3 0,4 0,6 0,8 1,0

~ = 0,46 0,42 0,37 0,33 0,23 0,13 0

341
Mechanik

Tafel IV.6. Widerstandszahlen ~ von Leitungsteilen

d
- 1 2 4 6 10
r

KriJmmer fj = 15° 0,Q3 0,Q3 0,Q3 0,Q3 0,Q3


fj = 22,5° 0,045 0,045 0,045 0,045 0,045

~
glatt fj = 45° 0,14 0,09 0,08 0,Q75 0,Q7
fj = 60° 0,19 0,12 0,10 0,09 0,Q7
fj = 90° 0,21 0,14 0,11 0,09 0,11
rauh fj = 90° 0,51 0,30 0,23 0,18 0,20

NW 50 100 200 300 400 500


GufJkriJmmer 90° ~= 1,3 1,5 1,8 2,1 2,2 2,2

scharfkantiges Kme fj = 22,5° 30° 45° 60° 90°


glatt 0,Q7 0,11 0,24 0,47 1,13
Cl!::Ji
~=
rauh ~= 0,11 0,17 0,32 0,68 1,27

I
KmestiJck
d
- 0,71 0,943 1,174 1,42 1,86 2,56 6,28

~
glatt !'= 0,51 0,35 0,33 0,28 0,29 0,36 0,40
rauh !'= 0,51 0,41 0,38 0,38 0,39 0,43 0,45

KniestiJck ° I
d- 1,23 1,67 2,37 3,77

~
glatt ~ = 0,16 0,16 0,14 0,16
rauh !' = 0,30 0,28 0,26 0,24

Stromabzwefgung Va
(Trennung)
- 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1
V
V,w V-v" ~a = 0,95 0,88 0,89 0,95 1,10 1,28
fj = 90°

~
!'g = 0,04 -0,08 - 0,05 0,Q7 0,21 0,35
S"a = 0,9 0,66 0,47 0,33 0,29 0,35
fj = 45°
~g = 0,04 - 0,06 -0,04 0,Q7 0,20 0,33
Va

ZusammenflufJ Va
- 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1
( Vereinigung) V

~
~a = - 1,1 - 0,4 0,1 0,47 0,72 0,9
fj = 90°
~g = 0,04 0,17 0,3 0,4 0,5 0,6
~a = 0,9 - 0,37 0 0,22 0,37 0,38
fj = 45°
~g = 0,05 0,17 0,18 0,05 - 0,2 - 0,57
Va

flir Warmwasserheizungen Durchmesser d = 14 mm 20 25 34 39 49


Bogensttick 90° ~ = 1,2 1,1 0,86 0,53 0,42 0,51
Knie 90° ~ = 1,7 1,7 1,3 1,1 1,0 0,83

342
Festigkeitslehre
Alfred Sage

Formelzeichen und Einheiten


A mm 2 , cm 2 ,m 2 Flacheninhalt, Flache, Oberflache, A M Momentenflache
a mm Abstand
b mm Stabbreite
N N
R mm'm Federrate
d mm Stabdurchmesser
do mm urspriinglicher Stabdurchmesser
dl mm Durchmesser des geschlagenen Nietes = Nietlochdurchmesser
Ad mm Durchmesserabnahme oder -zunahme
N
E Elastizi ta tsmodul
mm 2
el mm Entfernung der neutralen Faser von der Druckfaser
e2 mm Entfernung der neutralen Faser von der Zugfaser
F N Kraft, Belastung, Last, Tragkraft
N
F' m Belastung der Uingeneinheit, Streckenlast

FK N Knickkraft (nach Euler)


f mm Durchbiegung
FG N Gewichtskraft
N
G Schubmodul
mm 2
H mm Gesamth6he eines Querschnittes
h mm Hohe allgemein, Stabhohe
I mm 4 , cm 4 axiales Flachenmoment 2. Grades
Ia,Ix,Iy mm 4 auf die Achse a oder x oder y bezogenes Flachenmoment 2. Grades
Ip mm 4 polares Flachenmoment 2. Grades
Ixy mm 4 Zentrifugal- oder Fliehmoment
I[,In mm 4 Hauptflachenmomente 2. Grades
Is mm 4 Flachenmoment 2. Grades, bezogen auf die Schwerachse des Querschnittes
mm Tragheitsradius
I (L) mm Stablange nach der Dehnung oder Stauchung
I (Lo) mm urspriingliche Stablange (Ursprungslange)
Al mm Uingenzunahme oder -abnahme
Ir km ReiBlange
M Nmm,Nm Drehmoment, Moment einer Kraft
Mb Nmm,Nm Biegemoment
MT Nmm,Nm Torsionsmoment
S mm 2 , cm 2 , m 2 Querschnitt, Querschnittsflache

n -1. =mm
. -I
Drehzahl 343
mm
Festigkeitslehre
p W,kW Leistung
N
p Flachenpressung
mm 2
r mm Radius
v Sicherheit gegen Knicken
s mm Stabdicke, Blechdicke
v mm 3 ,m 3 Volumen
w Nm =J =Ws Arbeit, Formanderungsarbeit
w mm 3 axiales Widerstandsmoment
mm 3 auf die x- oder y-Achse bezogenes Widerstandsmoment
mm 3 polares Widerstandsmoment fUr Kreis- und Kreisringquerschnitt
mm 3 Widerstandsmoment bei Torsion nicht kreisformiger Querschnitte

Llingen-Ausdehnungskoeffizient

Anstrengungsverhaltnis
% Bruchdehnung, Bruchstauchung

Dehnung, Stauchung, € = To
t:.l

t:.d
Querdehnung, €q =d;
T Temperatur in Kelvin
t:.T Temperaturdifferenz in Grad Celsius (I °c = 1 K)
A Schlankheitsgrad
AO Grenzschiankheitsgrad (untere Grenze)
€q
J1 Poisson-Zahl, J1 =€
v Sicherheit, allgemein bei Festigkeitsuntersuchungen
p mm Biegeradius, Kriimmungsradius der elastischen Linie

a Normalspannung allgemein azul zulassige Normalspannung


(Druck, Zug, Biegung, Knickung) (ab zub ad zub aK zub a z zul)
Zugfestigkeit Schubspannung allgemein,
Biegespannung T Tangentiaispannung
Druckspannung (Schub, Abscheren, Torsion)
N F
N
Spannung an der Ta Abscherspannung, T a =A
ElastiziHitsgrenze mm 2
mm 2 F
Knickspannung Ts Schubspannung, T s = C A
Lochleibungsdruck
Tt Torsionsspannung
Spannung an der
Proportionalitatsgrenze zulassige Schub-
Tzul
(Tangential)-spannung
Streckgrenze
o,2-Dehngrenze 'P 0, fad Biege- oder Verdrehwinkel
Zugspannung w Knickzahl

344
I. Aligemeines

I. Aligemeines

1. Aufgaben der Festigkeitslehre


Die Festigkeitslehre ist ein Teil der Mechanik. Sie behandelt die Beanspruchungen, das sind die
Spannungen und Forrnandernngen, die aU£ere Krafte (Belastungen) in festen elastischen Korpern
(Bauteilen) auslosen.
Die mathematisch auswertbaren Erkenntnisse werden benutzt zur Ermittlung der Abmessungen
der "gefahrdeten" Querschnitte von Bauteilen (Wellen, Achsen, Bolzen, Hebel, Schrauben usw.)
flir eine nicht zu tiberschreitende sogenannte zulassige Beanspruchung des Werkstoffes: Quer-
schnittsnachweis; und zur Kontrolle der im gegebenen gefahrdeten Querschnitt vorhandenen
Beanspruchungen und Vergleich mit der zulassigen Beanspruchung: Spannungsnachweis.
Dabei werden ausreichende Sicherheit gegen Bruch und zu groBe Formanderung, aber auch Wirt-
schaftlichkeit der Konstruktion erwartet.
In der Konstruktion ist es vorteilhaft, die Abmessungen der Bauteile zunachst anzunehmen. Mit
den Gesetzen der Festigkeitslehre werden dann die vorhandenen Spannungen und Formanderungen
bestimmt und mit den zuliissigen verglichen.
Die Erkenntnisse der Festigkeitslehre bauen auf den Gesetzen der Statik auf und lassen sich nur
im Zusammenhang mit den Erkenntnissen der Werkstoffkunde und -prufung anwenden.
Den Bedlirfnissen der Praxis entsprechend werden hier nur solche Probleme behandelt, die zu mog-
lichst einfachen Rechnungen ftihren, aber doch das Verhalten des Werkstoffes der beanspruchten
Bauteile gentigend genau wiedergeben.

2. Schnittverfahren
In der Statik werden die von Bauteil zu Bauteil tibertragenen inneren Krafte (innere Krafte im
Sinne einer mehrteiligen Konstruktion) durch "Freimachen" des betrachteten Bauteiles zu aufieren
Kraften gemacht und dann mit Hilfe der Gleichgewichtsbedingungen die noch unbekannten Krafte
und Kraftmomente bestimmt.
In ahnlicher Weise werden in der Festigkeitslehre durch eine gedachte Schnittebene die von Quer-
schnitt zu Querschnitt tibertragenen inneren Krafte zu aufieren gemacht. Der Ansatz der statischen
Gleichgewichtsbedingungen flir einen der beiden abgetrennten Teile liefert danach Art und GroBe
des inneren Kraftesystems. Erst damit kommt man zu einer Vorstellung tiber den Beanspruchungs-
zustand (Spannungszustand) des betrachteten Bauteiles und kann etwas tiber die Verteilung der
inneren Krafte aussagen.
Bei "statisch unbestimmten Problemen" reichen die statischen Gleichgewichtsbedingungen nicht
aus und es mtissen noch Verformungsgleichungen der Elastizitatslehre herangezogen werden (siehe
Beispiel Seite 368), damit die Summe aller verfligbaren Gleichungen mindestens gleich der Anzahl
der unbekannten Krafte und Kraftmomente ist.

2.1. Arbeitsplan zum Schnittverfahren


Der betrachtete Bauteil wird frei gemacht (siehe Statik) und alle auBeren Krafte und Kraftmomente
bestimmt;
im "gefahrdeten" Querschnitt (oder an beliebiger Stelle) wird ein "Schnitt" gelegt;
am Schnittufer eines der beiden abgetrennten Teile werden solche inneren Krafte und Kraftmo-
mente angebracht, daB inneres und auBeres Kraftesystem im Gleichgewicht stehen;
das innere Kraftesystem wird mit Hilfe der Gleichgewichtsbedingungen bestimmt.

345
Festigkeitslehre
2.2. Anwendungsbeispiel: lahn eines geradverzahnten Stirnrades
Nach Bild I.1a (Lageplan) wird der lahn durch die au1l.ere Kraft F unter dem Winkel {3 zur Senk-
rechten belastet. F wird in die Komponenten F cos {3 und F sin {3 zerlegt, weil das innere Krafte-
system dann gleich in Komponentenform vorliegt.
Durch Schnitt A-B wird ein Teil des lahnes yom Radkorper abgetrennt und durch schrittweises
Hinzuftigen geeigneter Krafte und Momente das durch den Schnitt gestorte Gleichgewicht des ab-
geschnittenen Teiles wieder hergestellt. Aus der Bedingung "'I:,Fx = 0 ergibt sich, d~ der Querschnitt
A-B eine Querkraft Fq = Fsin{3 zu tibertragen hat; ebenso aus "'I:,Fy = 0, d~ eine Normalkraft
FN = F cos{3 aufgenommen werden muB. Sind diese beiden inneren Krafte eingetragen, so erkennt
man, d~ dem Kraftepaar mit den Teilkrnften F sin {3 im Querschnitt ein inneres Moment Mb
(= Biegemoment) = F sin {3 . 1 entgegen wirken muB. Damit ist das innere Kraftesystem vollstandig
bestimmt. Der (unendlich nahe) benachbarte Querschnitt des lahnradkorpers muB das gleiche
innere Kraftesystem tibertragen, jedoch mit entgegengesetztem Richtungssinn, weil auch diese
beiden Kraftesysteme im Gleichgewicht stehen miissen.

Bild 1.1
Schnittverfahren am
Zahn eines Zahnrades
a) LagepJan,
b) inneres Kriiftesystem,
c) Spannungssystem
a. Mb F·cos(J F.sin(J./ F·cos(J F (s;n(J./.6 (Jil
dres = abd + ad = W + -5- = --;;;z + ~ = -;:;e - - e - + cos ! (Spannungsbild)
-6-

Jetzt kann das Spannungssystem (Spannungsbild 1.1 c) entworfen werden:

Querkraft F q = F sin {3 erzeugt Schubspannungen T (in der Flache liegend);

Normalkraft FN = F cos{3 erzeugt Normalspannungen a (senkrecht auf der Flache stehend), als
Druckspannung auftretend;

Biegemoment Mb = F sin {3 . 1 erzeugt Nonnalspannungen a, als Zugspannung az und Druckspan-


nung ad auftretend; sie heiBen Biegespannung ab und sind hier durch die Indexe unterschieden:
abz,abd'

Wie die Spannungen tiber dem Querschnitt verteilt sind (Spannungsbild), ist in den entsprechenden
Kapiteln erlautert (lug, Druck, Biegung). Die Herleitung der Gleichung fUr die resultierende
(groBte) Druckspannung adres ergibt sich aus dem Spannungsbild.

346
I. Aligemeines

2.3. Anwendungsbeispiel: Schwingende Kurbelschleife


Bild 1.2a zeigt das Schema eines Schubkurbelgetriebes. Die mit Winkelgeschwindigkeit w umlau-
fende Kurbel bewegt mit dem im Gleitstein 1 sitzenden Kurbelzapfen die Schwinge urn den Dreh-
punkt des Lagers A. In der gezeichneten Stellung verschiebt die Schwinge tiber den Gleitstein 2 den
horizontal gefiihrten St611el nach rechts. Das im Schnitt x-x auftretende innere Krafte- und Span-
nungssystem soli bestimmt werden. Reibung und Massenkrafte sind zu vernachlassigen.

sto(Je!
~agerB WL Fa
~8!!eifstein 2

G!eitstein 1-

a} b)

Bild 1.2. Schnittverfahren an der Schwinge eines Schubkurbelgetriebes


a) Lageplan (Schema) des Getriebes mit Schnittstelle x-x, b) Lageplan der freigemachten Schwinge mit Wirk-
linien der Krafte FA, FB, Fe (Dreikrafteverfahren), c) Krafteplan der Schwingenkriifte FA, FB, Fe, d) inneres
Kraftesystem im Schnitt x-x, e) Spannungssystem im Schnitt x-x

347
Festigkeitslehre

Nach dem Arbeitsplan wird zunachst die Schwinge frei gemacht (b). Der StaBel iibertragt iiber
Gleitstein 2 in waagerechter Richtung die aus dem Zerspanungswiderstand bekannte Kraft FB
'fon rechts nach links. Gleitstein 1 iibertragt auf die Schwinge die senkrecht zur Schwingenachse
wirkende (noch unbekannte) Kraft Fe. 1m Lagerpunkt A (zweiwertig) greift an der Schwinge die
(noch unbekannte) Stiitzkraft FA an. Zur rechnerischen (analytischen) Kraftebestimmung werden
FB und FA in ihre x- und y-Komponenten zerJegt. Bild I.2b und I.2c zeigen die zeichnerische
Lasung (3-Krafte-Verfahren). Rechnerisch ergibt sich

I. 'L.Fx = 0 = - F Bx - FAx + Fe FAx=Fe-FBx


II. 'L.Fy=O=+FBy-FAy FAy = FBy
F Bx 14
Fe=--
13
Die Gleichung flir Fe wird zur Berechnung von FAx in I. eingesetzt;FAy ist aus II. bestimmt und
damit auch FA = JFlx + Fly berechenbar (wird hier nicht gebraucht). Mit den ermittelten Kraf-
ten Fe, FAx , FAy und der bekannten Kraft F B kann nun das innere Kraftesystem im Schnitt x-x
bestimmt werden (Bild I.2d).
Die am Schwingen-Teilstiick I angreifenden Krafte stehen im Gleichgewicht, wenn der Querschnitt
x-x iibertragt (siehe auch Krafteplan):
die Normalkraft FN = F By = FAy; sie erzeugt Normalspannungen ° (als Zugspannung oz);
die Querkraft Fq = Fe - F Bx = FAx; sie erzeugt Schubspannungen 7;
das Biegemoment Mb =-Fe II +FBx 12 =-FAx 13 ; es erzeugt Normalspannungen ° (als Biege-
spannungen 0b)'
Das innere Krafte- und Spannungssystem im (unendlich) benachbarten Querschnitt des Schwingen-
Teilstiick II muB von gleicher GroBe sein, jedoch von entgegengesetztem Richtungssinn. Bild I.2e
zeigt das Spannungssystem.

3. Spannung
3.1. Spannungsbegriff
Mit Hilfe des Schnittverfahrens kann flir beliebige Querschnitte Betrag und Richtung des inneren
Kraftesystems bestimmt werden. Damit kann der Betrag der Beanspruchung des Werkstoffes be-
rechnet werden. Ein Mai?l flir den Betrag der Beanspruchung ist die Spannung. Darunter versteht
man die auf die Flacheneinheit bezogenen inneren Krafte (Bild 1.3):

S - innere Kraft F in N
pannung - Querschnittsflache S in mm 2

T= Fq in L
S = Querschnitfs fldche S mm 2
inmm 2 S =Querschnitts-
fldcheinmm 2
0v =Normalkraff in N
( ~ zum Schnitf)
Fq = Querkraff in N
\ I (II zum Schnitt)
Fldcheneinheit Fldchenelnheit
r1mm2) (1mm2)

Bild 1.3. Normalspannungen a und Schubspannungen T (Tangentialspannungen)

348
I. Aligemeines

3.2. Spannungsarten
Steht die innere Kraft senkrecht zum Querschnitt, so spricht man von einer Normalkraft F N . Liegt
sie dagegen im Schnitt selbst, wirkt sie also quer zur Uingsachse eines stabfOrmigen Korpers, so
wird sie als Querkraft Fq bezeichnet. Damit ergeben sich auch zwei senkrecht aufeinander stehende
Spannungsrichtungen, die Normalspannung
a
N (Ll)

hervorgerufen durch die senkrecht zum Schnitt stehende innereNormalkraft FN (Zug- oder Druck-
kraft) und die Schubspannung (Tangentialspannung)
7
Fq
7=- (1.2)
S

hervorgerufen durch die im Querschnitt liegende innere Querkraft Fq (Schubkraft).


Die Beanspruchungsart (Zug, Druck, Abscheren, Biegung, Torsion) wird durch einen an das Span-
nungssymbol angehangten Kleinbuchstaben (Index) gekennzeichnet: a z Zugspannung, ad Druck-
spannung, ab Biegespannung, 7 a Abscherspannung, 7t Torsionsspannung. 1m Gegensatz dazu er-
halten Spannung~renzen (Grenzspannungen), das ist der Spannungsbetrag, der am Ende eines
kennzeichnenden Zustandes auftritt, Grof3buchstaben: aE Elastizitatsgrenze, ap Proportionalitats-
grenze, aF FlieBgrenze, Rm (aB) Bruchgrenze, ebenso aD Dauerfestigkeit, aw Wechselfestigkeit,
aSch Schwellfestigkeit. Nennspannung an ist derjenige rechnerische Spannungsbetrag, der bei vor-
liegenden BaumaBen aus den bekannten auBeren Kraften flir einen betrachteten Querschnitt er-
mittelt wird.

4. Formanderung
Jeder feste Korper iindert unter der Einwirkung von Kraften seine Form. Nimmt der Korper nach
Entlastung seine urspriingliche Form wieder an, spricht man von elastischer Formanderung, behiilt
er sie bei, von plastischer Formanderung. In technischen Bauteilen sind plastische und elastische
Bereiche zu finden. Hier werden nur die elastischen Formanderungen rechnerisch behandelt.
Der auf Zug beanspruchte zylindrische Stab in Bild I.4 besitzt die Ursprungs-
liinge 10 und erfahrt eine Verliingerung (bei Druck Verkiirzung):
F
/:;.1=1-1 0 (1.3)
Die Uingenanderung, die 1 mm des unbelasteten Stabes durch die Spannung a
erfahrt, heiBt Dehnung (bei Druck Stauchung):
/:;.1 1-10
e=-=-- (I.4)
10 10 mm
Die nach dem ZerreiBversuch gebliebene Verlangerung /:;.IB , bezogen auf die
Ursprungsliinge 10 (MeBliinge) heiBt Bruchdehnung
/:;.1
A= ~100 (I.5)
% mm
Bild 1.4
Die Verlangerung nach dem Bruch MB ist abhangig von 10 • Deshalb wird diese Formanderung
durch eine Beizahl gekennzeichnet: A 10 bei 10 = lOOmm;A s bei 10 =50mm. am Zugstab

349
Festigkeitslehre

Neben der Ldngendnderung tritt bei Zug auch eine Querschnittsverdnderung auf, eine Querdeh-
nung:

(1.6)

5. Hookesches Gesetz (Elastizitatsgesetz)


Die Beziehung zwischen Dehnung E und zugehoriger Spannung a klart der Zugversuch: Bis zur
Proportionalitdtsgrenze ap (siehe Werkstoffpriifung) wachst bei vielen Werkstoffen (z.B. Stahl) die
Dehnung E mit der Spannung a im gleichen Verhaltnis (proportional). Bei doppelter Spannung
zeigt sich die doppelte Dehnung. Es gilt dann das Hookesche Gesetz

Al
a=-E=EE (1.7)
10

Damit ergibt sich die Verliingerung (Verkiirzung)

alo Flo E, a F S
A/=do = - = - (1.8)
E ES
mm N mm 2

Beachte: Gleichungen 1.7 und 1.8 gelten nur bei Spannungen a < ap! Es ist also stets zu prUfen, ob
das Hookesche Gesetz iiberhaupt gilt und ob es noch gilt!
Der Elastizitdtsmodul E (kurz: E-Modul) ist bei vielen Stoffen eine konstante GroBe (Zahlenwerte
in Tafel 1.1). Da die Dehnung eine "VerhaltnisgroBe" ist (Dimension Eins), hat der E-Modul die
Dimension einer Spannung, also "Kraft durch Flache".
Man kann den E-Modul dreifach deuten:
a) mathematisch als Proportionalitatsfaktor in der Gleichung a = EE,
b) geometrisch als ein MaB flir die Steigung der Spannungslinie im Spannungs-Dehnungs-Schaubild:
E ~ tana = alE,
c) physikalisch als diejenige Spannung, die eine VerHingerung auf die doppelte Ursprungslange her-
vorrufen wiirde (Dehnung E = 1). Das ist allerdings praktisch unmoglich, weil dieser Spannungs-
wert iiber der Proportionalitatsgrenze lage und damit (1.8) nicht mehr gilt.

Tafell.1. Elastizitatsmodul E und Schubmodul G einiger Werkstoffe

Werkstoff Stahl Stahlgtill GrauguJ, Rotgu~ AlCuMg

EinN/mm 2 2,1· 10 5 2,1.10 5 0,8.10 5 0,9' 10 5 0,72,10 5


Gin N/mm 2 0,8.10 5 0,8.10 5 0,4.10 5 0,28.10 5

6. Die Grundbeanspruchungsarten
6.1. Zugbeanspruchung (Zug)
Die auBeren Krafte ziehen in Richtung der Stabachse (Bild 1.5). Sie versuchen die benachbarten
"Schnittufer" der Teilstticke I und II voneinander zu entfernen: der Stab wird verlangert (gedehnt).
Die innere Kraft FN steht senkrecht zur Schnittflache, es entstehen Normalspannungen a z (Zug-
spannungen).

350
I. Aligemeines

6.2. Druckbeanspruchung (Druck)


Die au£eren Krafte drticken in Richtung der Stabachse (Bild 1.6). Sie versuchen, die beiden Schnitt-
ufer einander naher zu bringen: der Stab wird verktirzt. Die innere Kraft FN steht wie bei Zug senk-
recht zur Schnittflache, es entstehen wieder Normalspannungen ad (Druckspannungen). Bei
schlanken Staben besteht die Gefahr des Ausknickens: Knickbeanspruchung (Bild 1.8).

\ad=f\
F 5 /
---0FI-;:f=-II~
\
Sfabachse Sfabachse
Bild 1.5. Zugbeanspruchung Bild 1.6. Druckbeanspruchung

~
L:2J
~1~1~
F I Sfabdchse II F
Bild 1.7. Biegebeanspruchung Bild 1.8. Knickbeanspruchung

6.3. Biegebeanspruchung (Biegung)


Die au£eren Krafte ergeben ein Kraftepaar (Kraftmoment Mb = Biegemoment) und eine Querkraft
(Bild 1.7). Das Kraftepaar wirkt in einer durch die Stabachse laufenden Ebene und versucht die
Schnittufer gegeneinander schrag zu stellen: der Stab wird gebogen. Das innere Moment Mb steht
senkrecht zur Schnittflache, es entstehen Normalspannungen ab (Biegespannungen = Zug- und
Druckspannungen) .

6.4. Knickbeanspruchung (Knickung)


Die au£eren Krafte drticken wie bei Druck in Richtung der Stabachse. ,,schlanke" Druckstabe
knicken dann bei einer bestimmten Belastung pl6tzlich aus (Bild 1.8). Die Ahnlichkeit der Form
des belasteten Knickstabes mit einem gebogenen Trager darf nicht tiber grundsatzliche Unterschiede
zwischen beiden Beanspruchungsarten hinwegtauschen: Biegung ist eine Spannungsaufgabe,
Knickung dagegen eine Stabilitatsaufgabe.

6.5. Abscherbeanspruchung (Abscheren)


Die au£eren Krafte wirken senkrecht zur Stabachse (Bild 1.9). Sie versuchen die beiden Schnitt-
ufer parallel zueinander zu verschieben. Die innere Kraft Fq liegt in der Schnittflache, es entstehen
Schubspannungen T a (Abscherspannungen).

Bild 1.9. Abscherbeanspruchung BiJd !.lO. Torsion (Verdrehbeanspruchung)

351
Festigkeitslehre

6.6. Torsion (Verdrehbeanspruchung)


Die auBeren Krafte ergeben ein Kraftepaar nach Bild I.1 O. Es wirkt in einer senkrecht zur Stab-
achse stehenden Ebene und versucht die Schnittufer gegeneinander zu verdrehen: der Stab wird
verdreht (tordiert). Das innere Moment MT (Torsionsmoment) liegt in der Schnittflache, es ent-
stehen Schubspannungen Tt (Torsionsspannungen).

7. Zusammengesetzte Beanspruchung
Das gemeinsame Auftreten zweier oder mehrerer Grundbeanspruchungsarten heiBt zusammen-
gesetzte Beanspruchung. Sie kann schon durch eine Einzelkraft F allein hervorgerufen werden
(Bild I.11). Welche Beanspruchungsarten auftreten, kHirt das Schnittverfahren. Beispielsweise hat
der beJiebige Querschnitt x-x der Handkurbel in Bild I.11 zu tibertragen:
Biegemoment Mbl = F cosO' .1 1 ergibt Biegebeanspruchung
Biegemoment Mb2 = F sinO' .12 ergibt Biegebeanspruchung
Torsionsmomen t MT = FsinO'·11 ergibt Torsionsbeanspruchung
Querkraft F4 = F sinO' ergibt Abscherbeanspruchung
Normalkraft FN =FcosO' ergibt Druck- und Knickbeanspruchung
Die aus diesen flinf Grundbeanspruchungsarten resultierende zusammengesetzte Beanspruchung
hellit "Biege-Drill-Knickung". Die beiden Biegemomente Mbl und Mb2 werden geometrisch zu
einem resultierenden Biegemoment Mb zusammengefaBt.

Bild 1.11
Zusammengesetzte Beanspruchung als Folge einer
schrag angreifenden Einzelkraft F

8. Festigkeit
8.1. Begriff der Festigkeit
Allgemein wird in der Festigkeitslehre unter Festigkeit die Widerstandsfiihigkeit eines Werkstoffes
bzw. cines Bauteiles gegen Bruch bei mechanischer Beanspruchung verstanden. Es ist demnach
zwischen der Festigkeit eines Werkstoffes und der Festigkeit eines Bauteiles zu unterscheiden,
letzteres wird jedoch gesondert in der Gestaltfestigkeitslehre behandelt. Die Definition einer Festig-
~eit ist an die Versuchsausfiihrung gebunden, z.B. ob die Werkstoffprobe ruhender, stoBender
oder schwingender Belastung unterworfen wird, in welcher Weise die auBeren Krafte wirken und
welche Formanderungen hervorgerufen werden.
In den meisten Fallen werden die am Probestab ermittelten rechnerischen Festigkeitswerte auf die
UrsprungsmaBe des Prtifkbrpers bezogen, so daB es sich nur urn angenaherte Werte handeln kann.
Viele Versuchsanordnungen und -auswertungen zur Ermittlung solcher Festigkeitswerte sind ge-
normt (siehe Werkstoffprtifung).

352
I. Aligemeines
Wahrend die Festigkeit eines Werkstoffes durch die Angabe einer Grenzspannung zahlenmiiliig er-
flilit werden kann, lii~t sich die Festigkeit eines Bauteiles oder einer ganzen Tragkonstruktion viel-
fach nur durch die Angabe einer Traglast kennzeiehnen. Das gilt ftiT solche Fiille, in denen zwar
die a~eren Krafte bestimmt sind, jedoch wegen der verwiekelten Form der Konstruktion nichts
liber die Beanspruchungsart ausgesagt werden kann.

8.2. Festigkeit bei statischer (mhender, zligiger) Belastung, Dauerstandfestigkeit


Beim Zugversuch nach DIN 50145 wird der Probestab einer a1lmahlieh ansteigenden (zligigen) Zug-
beanspruchung ausgesetzt bis er bricht. Die so ermittelte rechnerische Grenzspannung hellit Bruch-
festigkeit, bei Zugbeanspmchung Zugfestigkeit Rm. In dieser Weise konnen auch die anderen
wichtigen Grenzspannungen bestimmt werden: 0E Elastizitiitsgrenze, Re oder R pO ,2 Fliej3grenze.
Naheres siehe Abschnitt Werkstoffprtifung.
Wird der Probestab bei hoherer Temperatur einer dauernden, ruhenden, unveranderten Belastung
ausgesetzt, so wachst im allgemeinen die Dehnung € bis zum Bruch. Da die Dehnung sehr langsam
fortschreitet, hellit dieser Vorgang Kriechen. Blei und Zink kriechen schon unter 0 °e. Bei Kunst-
stoffen spricht man yom "kalten Flu~", auch bei hoheren Temperaturen.
Die Dauerstandfestigkeit 00st ist diejenige (rechnerische) Grenzspannung bei ruhender Belastung,
bei der die Dehnung im Laufe der Zeit zum Stillstand kommt, also nieht mehr zum Bruch fOOrt.
00st ist temperaturabhangig, ist also auch stets mit einer Temperaturangabe verbunden. Flir Stahl
ist 00st bei ca. 650 °e nahe Null.
Nach DIN 50117 wird in einem abgeklirztem Versuch die sogenannte DVM-Kriechgrenze ermittelt
(siehe Werkstoffprtifung).

8.3. Festigkeit bei dynamischer (schwellender, wechselnder) Belastung, Dauerfestigkeit


8.3.1. Spannungen. Flir den Konstrukteur des Maschinenbaues reichen die statischen Festigkeits-
werte nicht aus, weil seine Konstruktionen meistens dynamischer Belastung unterliegen. Den all-
gemeinen Fall einer dynamischen Belastung zeigt Bild 1.12. Die Beanspruchung wechselt dauernd
periodisch zwischen einer oberen Grenzspannung 0 0 und einer unteren Grenzspannung au. Nach
Bild 1.12 ergibt sich unter Beachtung der Vorzeichen fur Zug- und Druckspannung die Mittel-
spannung
00 + 0u
Om = -2- (1.9)

Ebenso wird nach Bild 1.12 die Ausschlagspannung

(1.10)

(+) ftiT Bild 1.13d


(-) flir Bild 1.12 und 1.13b Lastspie/

Bild I.l2
Die vier moglichen Grundfalle bei dynamischer Belastung (1m Mittelspannung, (100berspannung,
zeigt Bild 1.13: (1u Unterspannung, (1a Ausschlagspannung

a) Reine Wechselbeanspruchung liegt vor bei Mittelspannung om = O. Ober- und Unterspannung


00' 0u sind von gleichem Betrag aber entgegengesetztem Vorzeiehen (z.B. Zug- und Druck-
spannung).
b) Beanspruchung im Wechselbereich liegt vor, wenn Ober- und Unterspannung 00' 0u verschie-
denen Betrag und entgegengesetztes Vorzeichen haben.

353
Festigkeitslehre

c) Reine Schwellbeanspruchung liegt vor bei Unterspannung au = 0 und Mitteispannung am =


Spannungsausschlag aa.
d) Beanspruchung im Schwellbereich liegt vor, wenn Ober- und Unterspannung ao , au unterschied-
lichen Betrag aber gieiches Vorzeichen haben. Mitteispannung am > Spannungsausschlag aa.

8.3.2. Dauerfestigkeit aD ist derjenige groJl,te Spannungsausschlag, den ein giatter, poiierter
Probestab bei dynamischer Beiastung (Bild 1.13) "dauernd" ohne Bruch oder unzuiassige Verfor-
mung aushait (siehe Dauerschwingversuch in "Werkstoffpriifung").
Nach Bach wurden friiher drei Belastungsfdlle unterschieden:

Fall I, ruhende oder statische Beiastung b

Die Beiastung steigt ziigig an bis zu einem konstant gehaitenen


Hochstwert am = a o = au und aa = O. Der entsprechende Festig-
keitswert ist die Dauerstandfestigkeit aDs!'

Fall II, schwellende Beiastung (Bild 1.13c) a)

Die Beiastung schwankt dauernd zwischen Null und einem Hochst-


wert: am = aa = ao /2; au = O. Der entsprechende Festigkeitswert
ist die Schwellfestigkeit aSch. Das ist diejenige Spannung, die ein b

schwellend beiasteter, giatter, polierter Probestab dauernd ertragt,


ohne zu brechen.

Fall III, wechseinde Beiastung (Bild 1.13a)


Die Beiastung schwankt dauernd zwischen einem gieich groBen
b)
positiven und negativen Hochstwert: lao I = la u 1= laa I; am = O. f
Der entsprechende Festigkeitswert ist die Wechselfestigkeit aw.
Das ist diejenige Spannung, die ein wechseind beiasteter, giatter, b

polierter Probestab dauernd ertragt, ohne zu brechen.


Da jede Beanspruchungsart (Zug, Druck, Biegung, Torsion) wech-
seind oder schwellend oder allgemein schwingend auftreten kann,
ist jedesmai eine genaue Kennzeichnung der betreffenden Dauer-
[)
festigkeitswerte erforderlich, z.B. Zug-Druck-Wechselfestigkeit
az,dW; Biege-Schwellfestigkeit abSch.
b
Beachte: AIle Festigkeitswerte erhalten als Index groBe Buchsta-
ben, Spannungen allgemein dagegen kieine Buchstaben: aa belie-
biger Spannungsausschlag, aA Ausschlagfestigkeit (z.B. bei
Schrauben).

8.3.3. Gestaltfestigkeit. Die Festigkeitswerte aus dem Dauer- d)


schwingversuch werden durchweg an giatten, polierten Stab en mit
7 ... 15 mm Durchmesser ermittelt. Die Dauerfestigkeit eines
Bild 1.13. Die 4 Grundfalle bci
Werkstoffes ist deshalb nicht ohne weiteres die Dauerfestigkeit dynamischer Belastung
eines Bauteiles, auf dessen Haitbarkeit meistens die Gestalt einen
wesentlichen EinfluB hat.

Die Zusammenhange zwischen der Gestalt und der Dauerfestigkeit eines Bauteiles werden in
neuerer Zeit in der Gestaltfestigkeitslehre untersucht. Nach DIN 50 100 ist Gestaltfestigkeit die
durch die Nennspannung gekennzeichnete Dauerfestigkeit eines Bauteiles beliebiger Gestalt (z.B.
einer Kurbelwelle). Da auf diesem Gebiete noch ununterbrochen geforscht wird, miissen sich Tech-
niker und Ingenieure laufend iiber die neuesten Forschungsergebnisse unterrichten.

354
I. Aligemeines

8.4. Kerbwirkung
Die meisten Bauteile weichen von der Form des Probestabes mehr oder weniger ab, hauptsachlich
durch Kerben jeder Form, wie Wellenabsatze , Keilnuten, Bohrungen, Naben und Anrisse infolge
der Bearbeitung, kurz durchjede auch noch so kleine Querschnittsanderung.
In all diesen Fallen ist die wichtigste Voraussetzung der spater entwickelten Berechnungsgleichun-
gen nicht mehr vorhanden, narnlich die gleichma~ige Verteilung der Spannung tiber dem Quer-
schnitt.

Ftir den auf Zug-Druck beanspruchten Stab nach (In =FIS (In'(<Xk- 1)
Bild 1.14 z.B. wird eine gleichma~ig tiber dem
Querschnitt verteilte Spannung angenommen,
deren Betrag sich aus der Gleichung 0= F/S ergibt F =s F
~ .-
(F Zug- oder Druckkraft, S tragender Querschnitt). - t---=- ~
Messungen zeigenjedoch, d~ die Kerbe Spannungs-
spitzen hervorruft, die ein Mehrfaches der rechne-
rischen Spannung betragen konnen. Die Spannungs- (In (In'(<Xk- 1)T/k
spitzen konnen bei Beanspruchungen im Gebiete (J2= (Jn P k
der Dauerfestigkeit des Werkstoffes durch ortliche =
(JmOK (In ' (3k' Ok
Flie~vorgange nicht abgebaut werden, weil die
BildL14. Kerbspannungen al,a2,amax
Flie~grenze (Streckgrenze) des Werkstoffes nicht
(Spannungsverlauf im gekerbten Zug-Druckstab)
erreicht wird.
Wird die rechnerische Spannung 0= F/S als Nennspallnung an bezeichnet, und berUcksichtigt man
die durch Kerben hervorgerufene SpannungserhOhung durch die Kerbformzahl ako so ergibt sich
die erhdhte Spannung

Richtwerte fUr ak siehe Bilder US ... 1.19. (1.11)

Die Nennspannung an hat dann zugenommen urn 01 - an = akOn - an = an (ak - 1).


Unter sonst gleichen Bedingungen tritt jedoch diese Spannungserhohung nicht bei allen Werkstoffen
in voller Gro~e auf. Hochlegierte und gehartete Stahle sind kerbempfindlicher aIs Graugu~ und
Leichtmetallegierungen. Diese Unterschiede werden berticksichtigt durch die Kerbempfindlichkeits-
zahl17k. Bei hochlegiertem Federstahl ist 17k = 1; sonst ergibt sich eine Spannungserhohung von
an (ak - 1) 17k, mit 17k < 1. In diesem Falle wird die Spannungsspitze 01 wieder etwas abgebaut auf

(1.12)

Der letzte Faktor hei~t Kerbwirkungszahl

Richtwerte fUr 13k siehe Tafel 1.4. (1.13)

Damit kann fur die Kerbempfindlichkeitszahl geschrieben werden:

Richtwerte fur 1)k siehe Tafel 1.5. (1.14)

Da die Riefen und Risse der Oberflache ebenfalls den Spannungsbetra beeinflussen, wird vielfach
noch die Oberf/iichenzahl Ok > 1 in die Betrachtung einbezogen. Dann ergibt sich abschlie~end
die tatsachliche Spannungsspitze
(1.15)

355
Festigkeitslehre

F
2.2
-+ ~
~" /
1.8 _ /~~
1;), J
V '"OJ+-
--
0.2 _

-
F 2.6

2,2

1.8
- r- Q "oH
). -0.?2-
/ """- ""0.3
~ V i"'"Q.45
-
~~
0,54 - I-- - t~ V 0.6
~'" 1.4
{/?-
1.0 1.4 1"'-V 1.04
15
~ 2.0 I' /
1/ II' I
F 2 3 4 2 3 4
t t
75 75-
Bild 1.15. Formzahlen "'k zugbeanspruchter Flach- Bild 1.16. Formzahlen "'k zugbeanspruchter
stabe mit Hohlkehlen in Abhangigkeit von der Rundstabe mit Umlaufkerbe in Abhiingigkeit
Kerbscharfe tip von der Kerbscharfe tip

2.6....-T....--'<CT"""- ,--,--.,.-- ,---,--.,.----..,,...---,

2.4 H rk-'-rr----">.,b--t--t-- t -+--t-- j----1


2.2~~~~rl-~~~

Bild 1.17
Formzahlen "'k biegebeanspruchter
FlachsHibe, quergebohrt, in Abhan-
1.2 t--t--+-t--t--t---"""~ t --'f"'-I-""""/
gigkeit vom Bohrungsverhiiltnis dlB
(B /h = 0 entspricht der Zugbean-
spruchung) 1.00 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0
d
B

2.2
4.0 ~--------::
~~:-H
---'
J .\'),:-
q/y
-
d -

f -
0.2
1.8

'/ 0.4 r-
1;1-
~ f-
~ 1.4 Ii ~ 0.54
/'
/1 '0
1

1/ 2.0

0.1 0.2 0.3 2 3 4


P f
{5-
d
Bild 1.18. Formzahlen "'k fUr abgesetzte Wellen Bild l.19. Formzahlen "'k fUr abgesetzte Wellen
bei Torsion bei Biegung

356
I. Allgemeines

Tafel1.2. Festigkeitswerte in N/mm 2 fUr verschiedene Stahlsorten

Elastizit1its· Re Schub-
Werkstoff Rm azSch azw abSch abW TtSch TtW
modul E R po ,2 modul G
St 37 210000 370 240 240 175 340 200 170 140 80000
St 42 210000 420 260 260 190 360 220 180 150 80000
St 50 210000 500 300 300 230 420 260 210 180 80000
St 52 210000 520 320 320 240 430 280 220 190 80000
St 60 210000 600 340 340 270 470 300 230 210 80000
St 70 210000 700 370 370 320 520 340 260 240 80000
50Cr Mo 4 210000 - 900 860 500 940 540 630 370 80000
20Mn Cr 5 210000 - 700 700 540 980 600 490 340 80000
Al CuMg 72000 420 280 190 110 270 150 130 90 28000

Tafel 1.3. Festigkeitswerte in N/mm 2 fUr verscmedene Graugutl,sorten 1)

Werkstoff Elastizitats- Schub-


modul E Rm abB adB azw abW TtW adSch modul G
GG 12 75000 120 250 550 30 50 40 140 30000
GG14 80000 140 280 650 40 60 50 170 35000
GG 18 100000 180 340 800 50 80 70 200 40000
GG22 120000 220 400 950 60 100 80 240 49000
GG 26 120000 260 460 1100 70 120 90 280 50000
GG30 120000 300 480 1200 80 140 100 320 60000
GTW35 170000 350 - 100 140 120 250 68000
GTS 35 170000 350 Rpo ,2 =190 80 120
- 100 200 68000

1) Fur 15 bis 30 mm Wanddicke; flir 8 bis 15 mm 10 % hoher, flir > 30 mm 10 % niedriger; Dauerfestig-
keitswerte im bearbeiteten Zustand; flir GuJ,haut 20 % Abzug.

Tafel 1.4. Richtwerte fUr die Kerbwirkungszahl 13k

Kerbform Beanspruchung Werkstoff 13k


Hintcrdrehung in Welle (Rundkerbe) Biegung St 37 ... 60 1,5 ... 2,2
Hinterdrehung in Welle (Rundkerbe) Verdrehung St 37 ... 60 1,3 ... 1,8
Biegung und
Eindrehung flir Sg-Ring in Welle St 37 ... 60 3 ... 4
Verdrehung
abgesetzte Welle (Lagerzapfen) Biegung St 37 ... 60 1,5 ... 2,0
abgesetzte Welle (Lagerzapfen) Verdrehung St 37 ... 60 1,3 ... 1,8
Pafl,feder - Nut in Welle Biegung St 37 ... 60 1,5
Pal>feder - Nut in Welle Biegung Cr-Ni-St 1,8
Pal>feder - Nut in Welle Verdrehung St 37 ... 60 2,3
Pafl,feder - Nut in Welle Verdrehung Cr-Ni-St 2,8
Biegung und
Querbohrung in Achse (Schmierloch) St 37 ... 80 1,4 ... 1,7
Verdrehung
Flachstab mit Bohrung Zug St 37 1,6 ... 1,8
Flachstab mit Bohrung Biegung St 37 1,3 ... 1,5
Welle an Ubergangsstellc Biegung und
St 37 ... 60 2
zu festsitzender Nabe Vcrdrehung

357
Festigkeitslehre
Tafel I.5. Kerbempfindlichkeitszahlen 7]k Tafel 1.6. Oberflachenzahlen Ok

Werkstoff Tlk Werkstoff Tlk OberfHiche Ok

St 37 0,3 ... 0,5 25 CrMo 4 0,85 geschliffene OberfHiche 1,1


St 50 0,35 ... 0,6 30 CrNiMo 8 0,93 geschlichtete Oberfliiche 1,2
St 60 0,4 ... 0,6 Federstahl 0,90 ... 1,00 Walz-, Gliih- oder Gu11haut 1,3
St 70 0,55 ." 0,65 GG-26 0,20
30 Cr4 0,55 Leichtmetalle 0,3 ... 0,7

9. ZuHissige Spannung und Sicherheit


9.1. A1Igemeines
Die zulassige Spannung ist diejenige Spannung, bis zu der ein Bauteil beansprucht werden darf.
Man unterscheidet nach den verschiedenen Beanspruchungsarten a z zul (zulassige Zugspannung),
ad zul (zulassige Druckspannung), ab zul (zulassige Biegespannung), T azul (zulassige Abscherspan-
nung), Ttzul (zulassige Torsionsspannung), alzul (zulassiger Lochleibungsdruck) usw.
1m Stahlbau. Hochbau, Kranbau. Briickenbau sind die zulassigen Spannungen azulo T zulo alzul in
den DIN-Blattern zusammengestellt und fUr Festigkeitsrechnungen behordlich vorgeschrieben. Der
Konstrukteur hat hier keine Mlihe, die zulassigen Spannungen zu ermitteln. Siehe Tafel ILlS
Seite 427.
1m Maschinenbau macht der Ansatz der zulassigen Spannung groBere Schwierigkeiten. Der umfang-
reiche WerkstoffkataIog des Maschinenbaues, die haufig recht verwickelten Kraftwirkungen und
sonstigen Betriebseinfliisse (Temperatur, Vorbehandlung, StOBe, Korrosionsgefahr) setzen griind-
liche Uberlegungen und umfangreiche Kenntnisse des Werkstoffverhaltens voraus. Zwar sind fUr
die meisten Werkstoffe die Festigkeitswerte bekannt (siehe Festigkeit), jedoch sind diese am Probe-
stab (nicht am Bauteil!) unter ideaIen Bedingungen abgenommen worden, konnen also nicht in
voller Hohe auf dasBauteil tibertragen werden. Grundlage bei der Bestimmung der zulassigen Span-
nung wird im Maschinenbau stets die Dauerfestigkeit oder das im Dauerfestigkeitsschaubild dar-
gelegte VerhaIten des Werkstoffes sein. Die aus den Dauerschwingversuchen gewonnenen Werte
werden in Dauerfestigkeitsschaubildern zusammengestellt (Tafeln I.7 bis I.9). Uber der Mittelspan-
nung am sind die Dauerfestigkeitswerte aufgetragen. Die mit I, II und III bezeichneten Linien
grenzen die drei Belastungsfalle ruhend, schwellend und wechselnd abo
Zwischen III und II liegt das Gebiet der Wechselbelastung, auf der Linie III die Wechselfestigkeit
bei einer Mittelspannung von am = O. Zwischen II und I liegt der Bereich der Schwellbelastung,
erkennbar an der in jedem Fall positiven Unterspannung au'
Nach oben sind die Kurven durch waagerechte Linien begrenzt, we1che sich durch die FlieBgrenze
der Werkstoffe ergeben.
Die Sicherheit ist das Verhaltnis einer gewahlten Grenzspannung (z.B. der Dauerfestigkeit des be-
treffenden Werkstoffes) zur tatsachlich vorhandenen Spannung, z.B. Sicherheit v = abW/aYorh,
wobei aYorh die tatsachlich vorhandene maximale Spannung sein miiBte.
Aus den obigen Hinweisen ergibt sich, daB in der Festigkeitslehre keine aIlgemeingiiltigen Angaben
tiber zulassige Spannungen und Sicherheitszahlen gemacht werden konnen. Das ist nur moglich fur
Maschinen oder einzelne Maschinenteile, fUr die geniigende Erfahrungen oder einwandfreie Messun-
gen, z.B. spannungsoptische Messungen zugrunde liegen.
Grundlage jeder Konstruktionsarbeit sind die aus der Erfahrung und den Ergebnissen der Forschung
gewonnenen Festigkeitswerte am ausgefUhrten Bauteil. Es ist unerlaBlich, eigene Erfahrung mit
ausgeftihrten Bauteilen und ganzen Aggregaten, z.B. Getrieben, zu sammeln, sie mit den verOffent-
lichten Forschungsarbeiten zu vergleichen und fUr ihre Verbreitung zu sorgen.

358
I. Aligemeines

9.2. Zulassige Spannung bei statischer Belastung


Statische, also ruhende Belastung ist im Maschinenbau selten. Soil flir statisch belastete Bauteile
die zulassige Spannung ermittelt werden, dann geht man von der Streckgrenze Re des verwen-
deten Werkstoffes aus. Bei Werkstoffen, die beim Zugversuch keine ausgepragte Streckgrcnze er-
kennen lassen, tritt an die Stelle der Streckgrenze Re die O,2·Dehngrenze R PO ,2' Die Tafel I.2 ent-
halt beide Festigkeitswerte flir verschiedene Stahlsorten und flir eine Aluminiumlegierung. Ftir wei-
tere Stahl· und Gut1eisensorten nimmt man die Streckgrenze aus den Tafeln 1.7 bis I.9 (Linie I).
Die zulassige Spannung azul muB gegentiber den Festigkeitswerten Re oder R pO ,2 gentigend klein
sein, anders gesagt, es mul1 eine gentigend groBe Sicherheit v vorhanden sein:

Re oder Rpo,z
azul = Sicherheit v "" 1,5 flir Stahl (1.16)
v

Nicht bei allen Werkstoffen laBt sich eine Streckgrenze oder O,2·Dehngrenze ermitteln, weil sie zu
sprode sind. Das gilt zum Beispiel flir normalen GrauguB (nicht KugelgraphitguB), flir Holz und
Keramik. Dann kann die zulassige Spannung nur tiber die Bruchfestigkeit Rm bestimmt werden,
nattirlich mit einer entsprechend hoheren Sicherheit:

Rm Sicherheit v "" 2 flir GG


azul =-1'- (1.17)
(Rm nach Tafel 1.3)

Kerbwirkungen brauchen bei statischer Belastung der Bauteile nicht berticksichtigt zu werden, weil
die Bruchgefahr durch Kerbwirkung nicht erhoht wird. Sie solI sogar vermindert werden, vermut-
lich durch die Sttitzwirkung weniger beanspruchter Stofftei1chen (siehe auch 8.4).
Liegen flir Scher- und Verdrehfestigkeit keine Werte vor, kann man etwa wahlen:
Tazul(Ttzul)""O,8(O,65)'azzul bei St, GS, Bz; ""O,8(O,7)·azzu l bei Al und Al-Legierungen;
"" 1,2'azzul beiGGundGT.

9.3. Zulassige Spannung bei dynamischer (schwellender und wechselnder) Belastung


1m Gegensatz zur Ermittlung der zulassigen Spannung bei statischer Belastung, bei der von der
Streckgrenze Re (oder der O,2-Dehngrenze Rpo,z) ausgegangen wird (9.2), muB man bei dynamischer
Belastung die Dauerfestigkeit aD des verwendeten Werkstoffes zugrunde legen. Da die Dauerfestig-
keitswerte am glatten, polierten Probestab ermittelt werden (siehe Abschnitt Werkstoffkunde),
das Bau teil aber selten glatt (also ohne "Kerben ") und poliert ist, sind weitere festigkeitsmindernde
Einfltisse zu berticksichtigen. Das geschieht durch die Einftihrung eines Oberflachenbeiwerts b I,
eines GroBenbeiwerts b2 (weil mit groBer werdenden Abmessungen die Dauerfestigkeit sinkt) und
der Kerbwirkungszahl ~k (siehe 8.4 und Tafel 1.4). Damit wird die zulassige Spannung azul (oder
entsprechend T zul) in Verbindung mit der Sicherheit v:

Sicherheit v "" 1,5


(aD nach Tafeln 1.2 und 1.3 oder aus den
Dauerfestigkeitsschaubildern Tafeln I.7 bis 1.9, ~(I.l8)
b l , b 2 siehe folgende Seite)

Bei praktisch kerbfreien Bauteilen, zum Beispiel bei Bauteilen mit allmahlichen Querschnittstiber·
gangen, kann ~k = 1 gesetzt werden, sonst gelten die Anhaltswerte aus Tafel 1.4.

In der Gleichung flir azul steht aD als allgemeine Bezeichnung fur die Dauerfestigkeitswerte aSch,
aw, TSch, TW USW.

359
Festigkeitslehre

Mit Gleichung I.l9 liillt =~--'----r---r--r---'--'----''----'-----'-'- poliert


sich ftiT ein Bauteil bei be-
+-~3;::t::j:R~a~u~h=ti=e~ie=R=t-I-2~/1~mt-~=~} feinstgedreht
feingeschliffen
rechenbarer (vorhandener) 4
Nennspannung ayorh die L~~. . . . .J:::=i--=:t~~4-;;t==t6~=F=l=~}
fi:: 10
feingedreht,geschabt
geschliffen,gezogen
Dauerbruchsicherheit Vo
20 } geschlichtet,gebohrt
bestimmen: j---t-~+-:;-i=-..--t.::--F""--+-=:I---l40' -"f"""i--I ge frd s t
(1.19) 1000 } geschruppt

Auch hier steht aD fUr die 0.5300 400 500


speziellen Dauerfestigkeits- Zug fes figkeit Rm (aa) in Nlmm 2
werte aSch, TSch usw. und

HrtttHM I~
die Nennspannung ayorh
fur die mit den Haupt-
gleichungen der F estigkeits-
lehre berechneten Span-
nungen a z yorh, ab yorh,
T t yorh, a y yorh (vorhandene
G '10 20 30 40 50 60 70 80 100 120
Vergleichsspannung) usw.
Bauteildurchmesser d in mm
• Beispiel: Flir die geschlichtete Achse aus St 60 mit
Nut fur einen Seegerring nach Bild I.20
solI die zuliissige Biegespannung bei
Schwellbelastung ermittelt werden. Der
Achsendurchmesser d wird VOTerst ange-
nommen mit d = 40 mm.

LOsung: Bei dynamischer Belastung und bekannter


Kerbwirkung wird nach Gleichung (1.19):

Bild I.20. Achse mit Eindrehung

Die Dauerfestigkeit aD nach Gleichung (I.l9) ist hier, wegen der vorgegebenen Schwell-
belastung, die Biegeschwellfestigkeit fUr St 60, also aD = ab Sch = 470 N/mm 2 • Das ist
der Festigkeitswert aus Tafel 1.2 oder aus dem Dauerfestigkeitsschaubild fUr Biegung
und Werkstoff St 60 nach Tafel 1.8.
Der Oberflachenbeiwert wird wegen der geschlichteten Oberflache mit b l = 0,85 ange-
nommen, der GroBenbeiwert ergibt sich aus dem oben gezeichneten Diagramm zu
b 2 = 0,85.
Flir die Kerbwirkungszahl kann man nach Tafel 1.4 fur die rechteckige Kerbe eines Seege-
rings ~k = 3 einsetzen, fUr die Sicherheit v = 1,5.
Mit diesen Werten wird die zulassige Biegespannung
N
470 --2' 0,85' 0,85 N
mm
abzul= 3'1,5 =75,5 mm2

Bild I.20 zeigt schematisch den Verlauf der Biege-Nennspannung abn (line are Spannungs-
verteilung) und die zu erwartende Spannungsverteilung mit der Spannungsspitze a max .

360
I. Allgemeines
Tafel 1.7 . Zug-Druck-Dauerfestigkeitsschaubilder fiir verschiedene Werkstoffe

1II II

In

III n
N/mm2
800 1---1----r- cff/k;;;;;!---"T"-"I--YI

Um inN/mm2

d)

In II

8/XI
~ IBCrNIB 8,=800

N/mm' /120 lin Cr 5 IL~ I--


1 /.-:;::' 15CrNiB-150

r
611J "c--r--
540 580 / I ,IBllncr;//, 61lJ
41lJV {1lJ1//N
1/'5Cr3
a) Baustahle nach DIN 17 100
~ 320V Iud ;''(/1 b) Kugelgraphitgu~ nach DIN 1693
'II ~~ V IA 300 //;1/ c) Stahlgu~ nach DIN 1681
1/11/ ,/,ifl d) Vergiitungsstahle nach DIN 17200
~ /11 l-0'1 e) Einsatzstahle nach DIN 17210
o 1/ 200 ;,'(1/400 600 81lJ
Om In N/mm2
-21lJ III 1N I
~-270~V '(IJ
~~320/ ~
e)
t:~!-
61lJ

361
Tafel 1.8. Biege-Dauerfestigkeitsschaubilder f1ir verschiedene Werkstoffe
In II I
0bS'" =520 St 70 IiJ,r 520
5fJIJ 7OOFI~--'--'~r7,r~~
Nlmm2 ~,~V
St60
1io NIIMI2
OOr- M
St50 12/ 6OOI--+--+
I St42
// / /360'

~IL V ,U St37 dL~ 'L


60V 0 ~ Il/VI rl.
1If.;:2 !I ,'\J.~ ~t'L 'L
00
I ~' IV/, '/
110
II / ;;r/ '/
~~ ~ rL
oIt' -.b. WrL.
100 ~2fO/, 300 400 500 400 500 600 700
ISminNlmm 2
110 t2' ~ rL 11m inNlmm2

1-:2 JL: L
'1JIjk2: k:::V4~ - a) b)

DlG tI~~
l0k:

,~~
m II 30CrNiMoB I
m § II 1400 T-:J Uti- 11.50
400
~
JlZ: 6S-60 0JF=400
Nlmm2
1200
~
'
Ii-V! 50crNob¥!
1250
Nlmm 2 Vii 6S-52
tf~ r-
~ !L:
~ I
MCr4 ~~k
iL1
VL 111 v.l I 1000
l-J forz rz
'6S-45 9~ 40Mn4
3aII . 3110 r-- r--
/ /': V1 GS-3B, ~~v/ BOO ~ I I
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24O~
VL 11 I/!LV
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'"
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oV I X II III
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II / l' Ii II ~
600 ~~625t"

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100~ 200 3110 400 200 400 600 BOO 1000 1200 1400
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V/ V/ ~ -200 lij 'A
r....:::1/, I
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L -15o~ ~
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-2a~~ j-- C)
4J~r- -540 d)
-240_ t- -600
IT
-300 ~

'i E 1",Ni 8 GbF ·1IJj0


1000 III I/t 20,.,"C,5 A I
Nlmm2 V;..L. 15C,Ni6 9Wr::-
600 /.//'11', 16,.,"C,5 101

f
~(/ A 770 /;V.L Ir -
$OI;%V /1 I ,I/VI
600
550
V 15C,3 '/ /
, IA' 60 II.
450 V L Ck 15 ):!--tI!!JHcfIJ-+--t--t--1 a) Baustahle nach DIN 17 100
;,: ~ t:2'
/L I~/l 'II. b) KugelgraphitguB nach DIN 1693

t
'f~: /11 ,III II c) StahlguB nach DIN 1681
I, I: ~ d) Vergiitungsstiihle nach DIN 17200
~ Ii /'iJL e) Einsatzstiihle nach DIN 17 210
I. Allgemeines
Tafel 1.9. Torsions(Verdreh)-Dauerfestigkeitsschaubilder fliI verschiedene Werkstoffe
m
300.-,--,
N/_ 2
o

N/mm~r--r~~~~~~~~
21JJ,~t==rt=~~M 250f----h'r-H-t''''''-''1'--i'oin

a) b)

m J0 30CrNiHo8
m o
250
Nlmm2
2tlJ

150 200 250 500 600 700


r", inN/mm2 t;"inNI_ 2

c) d)

a) Baustiihle nach DIN 17lO0


b) Kugelgraphitgu~ nach DIN 1693
c) StahlguB nach DIN 1681
d) Vergiitungsstiihle nach DIN 17200
e) Einsatzstiihle nach DIN 17 2lO

363
Festigkeitslehre

II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

1. Zug und Druck

1.1. Spannung 1)
Wird ein Stab von beliebigem, gleichbleibendem Querschnitt durch die auBere Kraft Finder
Schwerachse auf lug oder Druck beansprucht, so wird bei gleichmaBiger Spannungsverteilung,
also in geniigender Entfernung vom Angriffspunkt der Kraft, die Zug· oder Druckspannung
lug· oder Druckkraft F Beachte: Die Querschnittsflache erhaIt
Oz,d = Querschnittsflache S nach DIN 1304 das Formelzeichen S.

a F S
F
°z,d =S N
(ILl)
N mm 2
mm 2
(Zug- und Druck-Hauptgleichung)
Je nach vorliegender Aufgabe kann die Hauptgleichung umgestellt werden zur Berechnung des
erforderlichen Querschnittes (Querschnittsnachweis):
F
Serf = a-
zul
(II.2)

Berechnung der vorhandenen Spannung (Spannungsnachweis):


F
°vorh =S (II.3)

Berechnung der maximal zuldssigen Belastung (Belastungsnachweis):

Fmax = azul S (II.4)


Treten lug- und Druckspannungen in einer Rechnung gleichzeitig auf, werden sie durch den
Index z und d oder durch das Vorzeichen + und - unterschieden.
Bohrungen und Nietlocher sind bei Zugbeanspruchung von der tragenden Flache abzuziehen. Bei
Druck dagegen iibertragen Bolzen und Niete die Druckkraft weiter, wenn sie nicht aus weicherem
Werkstoff bestehen. Der Bohrungsquerschnitt braucht dann nicht vom tragenden abgezogen zu
werden. Schlanke Druckstabe miissen auf Knickung berechnet werden. Scharfe Querschnittsver-
anderungen, wie Kerben, Bohrungen, Hohlkehlen usw. erfordern bei Zug und Druck eine Nach-
rechnung auf Kerbwirkung, wei! im Kerbgrund u. U. auBergewohnlich hohe Spannungsspitzen auf-
treten. Die Hauptgleichung !iefert dann nur die (mittlere) sogenannte Nennspannung an. Bei ver-
anderlichem Querschnitt geh6rt zur kleineren Querschnittsflache die gr6Bere Spannung und umge-
kehrt.

• Beispiel: Hubwerkskette tragt 20000 N je Kettenstrang. Gesucht: Nenng!ieddurchmesser der Rund-


gliederkette flir 0zzul = 50 N/mm 2 •

Losung'' eSr f = o-.L = 20 000


N
N = 400 mm 2 '. S = 200 mm 2 , daraus Durchmesser d = 16 mm.
zzul 50--
mm 2
1) Rechentafel Seite 458

364
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten
• Beispiel: Welche gro~te Zugkraft Fmax kann ein durch 4 Nietlocher von d l = 17 mm Durchmesser
irn Steg geschwachtes Profit IPE 200 (Tafel 11.11) Ubertragen, wenn eine zulassige Span-
nung von 140 N/mm 2 eingehalten werden mu~?

Losung: Querschnitt S = 2850 mm 2 ; mit Stegdicke s = 5,6 mm wird der geflihrdete Querschnitt:
Sgef =S - 4d l S =2850 mm2 - 4 ·17·5,6 mm2 =2469,2 mm 2
N
darnit Fmax =SgefUzzul = 2469,2 mm 2 ·140 -mm
- 2 =345,7 kN

• Beispiel: Das Stahlseil eines Forderkorbes darf mit 180 N/mm 2 auf Zug beansprucht werden. Es
hat S = 320 mm 2 Nutzquerschnitt und wird 900 Meter tief ausgefahren. Welche Nutzlast
F darf das Seil tragen?

F+FG kg
Losung: Uz = --S-; Fmax =Uzzul S - FG ; FG =mg = Vpg; p =7850 m 3

FG =Slpg = 320 .1O- 6 m2 ·900 m· 7,85.10 3 3kg , 9,812"


m
=22178 N
m s

Fmax = 180~ ·320 mm2 - 22178 N =35 422 N =35,4kN


mm

1.2. Elastische Forrniinderung I)


1.2.1. Verliingerung Ill. Jeder auf Zug beanspruchte F
Stab verlangert sich urn einen berechenbaren Betrag 10
Ill. 1st nach Bild 11.1 die Ursprungsliinge 10 , die Lange
bei Belastung I, so ergibt sich nach dem Hookeschen F
Gesetz (1.8) die Verliingerung R-- t,1F -~ tan ex .:::0
Federrate ~
U 10 Flo
IlI= 1-/0 = do =E = ES (11.5)

III € u,E F S
Bild ILL Kraft·Verlilngerungsschaubiid
eines Zugstabes (Federungsschaubild),
mm N mm2 siehe auch Abschnitt 1.2.3

1.2.2. Reililiinge Ir ist diejenige Llinge, bei der ein frei hangender Stab von gleichbleibendem Quer-
schnitt unter dem Einflu~ seiner Gewichtskraft FG =mg= Vpg=S/rpg abrei~t. Daher wird in
der Zug-Hauptgleichung (1I.1) die Zugkraft F durch die Gewichtskraft F G ersetzt und diese
Gleichung nach Ir aufgelost:
F FG S/rpg
Uz = S = S =- S - =Ir pg
Rm
Ir = Pi

I) Rechentafel Seite 458

365
Festigkeitslehre

Eine Zahlenwertgleichung fUr schnelleres Rechnen ergibt sich, wenn die Gleichung auf die Langen-
einheit km zugeschnitten wird. Dazu ist die Umrechnung der Flacheneinheit mm2 in m 2 erforder-
lich:
kgm 3 2
T'm 's
10-6 m2 • kg' m

p g
Rm
I, = 10 3 -pg
N
km

Mit g"'" 10 ~ wird die Gleichung noch einfacher:


s
p
(11.6)
km

Beachte: Die Reil1lange I, hangt ab von der Zugfestigkeit Rm des Werkstoffes, seiner Dichte p und
der Fallbeschleunigung g; sie hangt nicht ab von Grol1e und Form des Stabquerschnitts. Man kann
also I, nicht dadurch erhohen, dar.. man den Stabquerschnitt vergroBert, weil sich damit auch die
Gewichtskraft erhohen wlirde.

1.2.3. Formiinderungsarbeit W. Am voIlkommen elastischen Stab verrichten die Zug- und Druck-
kriifte F liings des Weges Al (Yerliingerung) die Formiinderungsarbeit

W F Al a,£ V
W= FAI =a2 y (I1.7)
2 2£ N
J =Nm N m
m2
m3
(siche Bild ILl)

alo
Darin wurde nach Gleichung (II.S) eingesetzt fur Al =E / 0 = Ii fUr F = as und fUr S 10 = Yo-
lumen V.

.. . N
Beachte: Fur a und £ gIlt 1 - -
mm
2 = 1 10-N6 m2 =1
06N
2'
m

Der Formiinderungsarbeit W entspricht die Dreieckfhche im Kraft-Yerliingerungsschaubild (Bild


ILl). Die Zugkraft F wachst linear mit der Yerliingerung ,6.1; die Kraftlinie ist daher eine Gerade.

Das Yerhiiltnis aus Federkraft Fund Yerlangerung Al (= Federwegf) heiBt Federrate

R F AI,!
F F.
R = -,6./ = -! = tan O! N
(II.8)
m
N m

Der elastische Zugstab ist im weiteren Sinne demnach eine Feder; denn er hat die Fiihigkeit, poten-
tie lIe mechanische Energie aufzunehrnen, die ihrn tiber die Formiinderungsarbeit der Federkraft
vermittelt wurde.

366
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

• Beispiel: Eine Stahlstange von 16 mm Durchmesser und 80 m Lange hangt frei herab und wird am
unteren Ende mit F = 22 kN belastet.
a) Wie groB ist die Spannung am unteren und am oberen Ende?
b) Wie groB ist die Verlangerung bei geradlinig angenommener Spannungszunahme?

LOsung: a) Umin = -SF = 22000 N2 = 109,5 ~


201 mm mm
F+FG F+Slpg
umax = --S- = S

22000 N + 201 .1O-6m 2 ·80 m· 7,85.10 3 kg3 • 9,81 ~


m s
umax =--------2-0-1-·-1-0~6-m~2~----=--~~

N N
u max = 115,6.106 2 = 115,6--2
m mm

b) . =uRlin + umax =109,5 + 115,6 -.lL1 =1126-.lL1


umlttel 2 2 mm ' mm

112 6_N_. 80 ·10 3 mm


UmittellO , mm 2
6.1=-£-- --=:"--.,.,--- = 42,9 mm
21·105~
, mm 2

• Beispiel: Die ReiBllinge Ir ist zu bestimmen fUr gewohnlichen Baustahl St 37, also Rm = 370 N/mm1 ,
fUr Federstahl mit 1800 N/mm 2 Zugfestigkeit und fUr Duralumin mitRm = 250 N/mm 1
(Dichte p =2800 kg/m 3 ).
LOsung: Nach (II.6) wird fUr
Rm 370
St37: Ir =p =100· 7850 =4,713 km
Federstahl: Ir = 100· ;~~~ = 22,93 km (also groBer als bei St 37)

Duralumin: Ir = 100· ;i~ =8,929 km


Hochwertiger Stahl ist demnach trotz der hoheren Dichte auch einer festen Leichtmetall-
legierung erheblich iiberlegen.
Zweckrnii.f.l.ig werden frei herabhiingende Stangen
und Driihte absatzweise verjiingt, z.B. lange Ge-
stange in Pumpenschiichten.
Stiibe gleicher Zug- oder Druckbeanspruchung miissen bei Beriick-
sichtigung ihrer Gewichtskraft F G und der Nutzlast F nach einem
Exponentialgesetz "angeformt" werden (Bild II.2 V)
Fiir die erforderliche Querschnittsf/iiche Sx im beliebigen Abstand
x vom unteren Stabende gilt mit Dichte p und zullissiger Span- Bild 1I.2. Querschnittsgcstaltung
beim frei herabhangendcm Stab
gleicher Zugbeanspruchung in
(11.9) allen Qucrschnitten, Bclastung:
Gcwichtskraft FG und Nutzlast F

1) Hcrlcitung in A. Boge: Hohere Mathematik zur Mcchanik und Festigkcitslchrc, VcrlagVicwcg, Braunschweig.
367
Festigkeitslehre

• Beispiel: Drei symmetrisch angeordnete Gelenkstabe S I, S2, S3 aus 20 mm Rundstahl, tragen nach
Bild 11.3 eine Last F = 40 kN. Winkel a = 30°. Wie graB ist die Zugspannung in den drei
Staben?
Losung: Urn die Spannung berechnen zu kannen, miissen die Zugkrafte F 1 , F 2, F3 in den Gelenk-
staben bekannt sein. Das ist mit den beiden Gleichgewichtsbedingungen 'LFx = 0 und
'LFy = 0 des zentralen Kraftesystems allein nicht maglich (zwei Gleichungen, aber drei
Unbekannte!). In so1chen statisch unbestimmten Fallen werden die Formanderungs-
gleichungen der Elastizitatslehre hinzugezogen; hier das Hookesche Gesetz fUr Zug:
U = €E = !:lIE/lo = F/S.

Die Lageskizze des freigemachten


Knotenpunktes K zeigt:

'LFx = 0 = + F2 sina- F2 sina. Wegen


Symmetrie ist F2 = F 3.

'LFy=0=+F 1 +2F2 cosa-F; also


F = FI + 2 F2 cos a

Stab 1 veriangert sich urn !:ll, seine


Dehnung betragt also €I =!:ll/I o. Stab 2
verlangert sich urn !:ll cos a; seine
Ursprungslange ist lo/cosa, die Deh- Bild 11.3. Berechnung der Zugspannung im statisch
nung demnach: €2 =!:ll cosa cosa/lo unbestimmten System

Wahrend der (hier) geringftigigen Formanderung kann Winkel a = konstant angesehen


werden. Es ergibt sich:
!:ll !:ll cos 3 a
F=FI+2F2cosa=EIES+2E2EScosa=Z;;ES+2 10 ES

F = z;;
!:ll
ES (1 + 2 cos 3 a) und daraus

!:ll F _ _ _ _ _4_0_0_0_0_N_ _ _ _ _ = 2 64.10-4


10 N '
ES(l + 2 cos 3 a) 2,1.10 5 --2.314 mm 2 (1 + 2 cos 3 30)
mm

_ F J _!:ll _ -4 5 N _ N
s o
uJ-- --I E-2,64·1O ·2,1·10 --2
mm
-55,4--2
mm
F2 !:ll _ N N
U2 = U3 =- = - E cos 2 a = 2 64·10 4.21.10 5 --·075 = 416--
S 10 ' , mm 2 ' , mm 2

1.2.4. Formiinderung bei dynamischer BeIastung. Bei plotzlich wirkender Zug- oder Druckkraft
wird die Formanderung (Verlangerung oder Verkiirzung !:l/) groj3er als beim langsamen Aufbringen
der Last. Wird z. B. ein am Seil hangender Karper von der Gewichtskraft F G = mg urn die Hahe h
angehoben und dann frei fallen gelassen, so muB vom Seil die Arbeit W =Fe h +F G !:ll =F G (h +!:l/)
als Formanderungsarbeit W = u2 V/2 E (11.7), aufgenommen werden. Beide Ausdriicke werden
gleichgesetzt:
u2 V
Fc(h+!:l/) = 2E undmit V=SI und U=udyn

2EFc (h +!:ll) = UdynSI


2

368
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

Die Spannung bei ruhender Belastung durch die Gewichtskraft FG ist ao =FG/S. Aufilerdem gilt
das Hookesche Gesetz adyn =EEdyn =E D.l/l. Damit wird
2EFG h D.[ h
=Sl (h + M) =2Eao 1+ 2aoE z = 2Eaoi + 2aoadyn
2
adyn

a~yn - 2aoadyn - 2Eao ~=0 (quadratische Gleichung).

Daraus ergeben sich adyn (grofilte Spannung) und Edyn (grofilte Dehnung):

_
adyn - ao + Vao2 + 2 aoE Ih
, /
h, [ Edyn, Eo

VE~
(11.10)
N
Edyn = Eo + + 2 Eo ~ mm 2
rom

Bei p16tzlich aufgebrachter Last ohne vorherigen Fall (h = 0) wird

adyn= 2ao
Edyn = 2 Eo (11.11)
M dyn = 2D.[0

Die bei dynarnischer Belastung auftretenden Schwingungen haben die Anfangsamplitude

aa = adyn - ao urn die Gleichgewichtslage ao und


D.[a = D.[dyn - D.[o urn die Gleichgewichtslage D.[o

• Beispiel: Ein Stahlseil von S = 150 rom 2 tragender Querschnittsflache und 1= 3 m Lange tragt
einen Korper der Gewichtskraft FG = 10 kN.
Bestirome Spannung und Verlangerung a) bei langsam aufgebrachter Last, b) bei plotz-
lich aufgebrachter Last und c) beirn Fall aus 20 rom Hohe; alles ohne Beriicksichtigung
der Gewichtskraft des Seils.
Losung: a) bei statischer Belastung:
FG 10000N N
ao = S = 150 mm2 = 66,7 mm2

FGl 10000N·3·103 rom


D.1o= - = =0,95 rom
ES 21.105~ .150rom2
, mm 2

b) bei plotzlich aufgebrachter Last:


N N
adyn = 2 ao = 2·66,7 --2 = 133,4 --2; D.[dyn = 2 D.[o = 1,9 rom
rom mm
N
Amplituden: aa = adyn - ao = 66,7 --2; D.[a = D.[dyn - D.[o = 0,95 rom
rom
c) beirn Fall aus 20 rom Hohe:

N ( N )2 N 5 N 20 rom
adyn = 66,7 rom2 + 66,7 rom2 + 2 ·66,7 rom2 ·2,1·10 rom2 ·3000 rom
N N N
adyn = (66,7 + 437,3) --2 = 504 --2 ~ ao = 66,7 --2 !
rom rom rom

369
Festigkeitslehre

N N
Amplituden: aa = adyn - ao = (504 - 66,7) - - 2 = 437 - - 2
rom rom
t:./a = t:.ldyn - t:.lo = (7,2 - 0,95) rom = 6,25 rom
Beachte die aull.ergewohnliche Beanspruchung bei dynamischer Belastung!

1.2.5. Wlirmespannungen. Die Erfahrung zeigt, dall. sich alle festen Karper bei Erwarmung mehr
oder weniger ausdehnen und bei Abkiihlung wieder zusammenziehen. Ein Stab mit der Ursprungs-
lange 10 zeigt bei Erwarmung urn die Temperaturdifferenz t:.T = T2 - Tl die Verliingerung

t:.1, 10 (XI t:. T


(11.12)
mm K K

Darin ist (XI der Liingenausdehnungskoe!!izient des betreffenden Stoffes mit der Einheit:
~eter 1 1
«(XI) = ~eter. K =1{ = °c (l °c = 1 K)

Niiheres liber (XI im Abschnitt Warmelehre, hier nur zwei Angaben:


Flir Stahl ist (XI = 12 .10- 6 11K; fUr Quarz ist (XI = 1 .10- 6 11K.
Bei der TemperaturerhOhung stellt sich die Lange It ein:

It = 10 + t:.1 = 10 + 10 Ql t:. T = 10 (1 + Ql t:. T) (II.13)

1st durch entsprechende Einspannung eine Ausdehnung des Stabes nicht moglich, mlissen im Stab
Normalspannungen a auftreten. lhr Betrag wird genauso groll., als wenn der Stab urn t:.1 verlangert
worden ware. 1m Bereich des Hookeschen Gesetzes gilt dann mit Gleichung (11.12) fUr die Wiinne-
spannung

t:.1 10 (Xl t:.T


aT =eE=-E=---E=(Xlt:.TE (II.14)
10 10

• Beispiel: Ein an den Enden fest eingespannter Stab aus Stahl ist bei 20°C spannungsfrei und wird
gleichmiill.ig auf 120°C erhitzt.
Wie groll. ist die auftretende Druckspannung?

LOsung: ~it (XISt = 12.10-6 -K1 ; t:.T= 100°C = 100 K und E= 2,1 .10 5 mm
~ wird nach (11.14):
a = a = (X t:.TE = 12 . 10- 6
d T I
1...
K
100 K ·2,1 . 10 5 ~
mm 2
= 252 ~
mm2

In Wirklichkeit wird der Stab ausweichen und diese Spannung nicht ganz aufnehmen. Das
Beispiel zeigt jedoch deutlich die groll.e Gefahr bei Temperaturiinderung fest eingespann-
ter Stabe.

370
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

2. Biegung
2.1. Biegespannung 1)
2.1.1 . Biegungsarten, inneres Kraftesystem. Biegung tritt
auf, wenn mindestens eine der Achsen (= Biegeachse) eines
Faserschicht
festen Korpers gekriimmt wird. Wird die Biegeachse ela·
stisch gebogen, so heu:.t sie Biegelinie oder elastische Linie. einfache (gerade)
Biegung
Biegung ist nicht unbedingt an das Vorhandensein erkenn-
barer auBerer Krafte gebunden: Eigenspannungen nach der
Bearbeitung durch Temperaturunterschiede, Schrumpfung
u.a. Nach Bild IIA werden folgende Biegungsarten unter-
schieden:
Einfache (gerade) Biegung: Aile Krafte F (Belastungen)
einschlieBlich der Sttitzkrafte stehen senkrecht zur Stab-
achse . Sie liegen in einer Ebene (= Lastebene), die zugleich
Ebene einer Hauptachse ist. Symmetrische Querschnitte
werden dann nicht verdreht. Diese Biegungsart tritt im
Maschinenbau am haufigsten auf.

Schiefe Biegung: Die Lastebene schneidet zwar die Stab-


achse, [alIt aber nicht mit der Ebene einer Haupttragheits-
achse zusanunen.
Drillbiegung: Die Lastebene schneidet die Stabachse nicht; neutr. Faserschicht

auch symmetrische Querschnitte werden durch ein Drill- r==',li?r'X Drillbiegung


moment verdreht.

Reine Biegung: Das belastende Kraftesystem besteht aus


zwei Kraftepaaren, deren gemeinsame Ebene wie bei der
einfachen (geraden) Biegung mit der Ebene einer Haupt-
achse zusammenfallt. Es wirken keine Querkrafte F q, keine
Langskrafte FN und bei symmetrischen Querschnitten auch
kein Drillmoment. neutr. Faserschicht
x reine Biegung
Knickbiegung: Zug- oder Druckkraft F wirkt auBerrnittig
parallel zur Stabachse. Bei Druckkraft Knickbiegung, bei
Zugkraft Zugbiegung.

In der Praxis konnen sich die einzelnen Biegungsarten tiber-


lagern oder in mehreren Ebenen gleichzeitig auftreten. Hier
werden nur einfache und reine Biegung behandelt. Das
. Faserschicht
innere Kriiftesystem wird mit Hilfe der Schnittmethode
bestirnmt (Bild 11.5). Nach Bestimmung der Sttitzkrafte
FA, FB wird in der gewtinschten Schnittstelle (Querschnitt
x --x) dasjenige innere Kraftesystem angebracht, das einen
der beiden durch den Schnitt abgetrennten Teile I oder II
ins Gleichgewicht setzt. Nach Bild 11.5 hat der betrachtete
Querschnitt x - x zu tibertragen : Bild 11 .4. Biegungsarten

1) Rechentafel Seite 459

371
Festigkeitslehre

a) Die innere Querkraft Fq; sie ist die algebraische


Summe aller senkrecht zur Stabachse gerichteten
auBeren Krafte (einschlieBlich der Sttitzkrafte!) F
rechts oder links von der betrachteten Schnitt-
stelle.
Die innere Querkraft Fq ruft im Querschnitt
Schubspannungen 7 hervor.
b) Das inn ere Biegemoment M b ; es ist die algebraische
Summe der Momente aller au£eren Krafte (ein-
schlieBlich der StUtzkrafte!) in bezug auf den
Schnittflachenschwerpunkt S rechts oder links
von der betrachteten Schnittstelle.
Das Biegemoment Mb ruft im Querschnitt Normal-
spannungen a hervor, wie die Aufl6sung des Biege-
momentes in die beiden Teilkrafte FN des ent-
sprechenden Kraftepaares zeigt (Bild 1I.5). Die ent-
stehenden Normalspannungen sind demnach Zug- Bild II.S. Inneres Kraftesystem bei
und Druckspannungen. 1st keine besondere Unter- gerader Biegung
scheidung erforderlich, so wird ihr Gr6£twert mit
Biegespannung ab bezeichnet.

Beachte: Bei einfacher Biegung mu£ der Querschnitt eine QuerkraftFq und ein BiegemomentMb
tibertragen. Betrag und Verlauf des Biegemomentes an jeder beliebigen Balkenstelle folgt aus Seil-
eck- oder Querkraftflache.

2.1.2. Biege-Hauptgleichung. Beanspruchen die auBeren Krafte einen Trager auf Biegung, so ist flir
die in einem bestimmten Querschnitt auftretende Biegespannung 0b nicht der Betrag der Krafte,
sondern ihr Biegemoment Mb maf>gebend. Ebenso wird die Biegespannung nicht durch den Flachen-
inhalt, sondern vom axialem Widerstandsmoment W des Querschnitts bestimmt:

Biegemoment Mb
Biegespannung ub
axiales Widerstandsmoment W

Ub Mb W
Mb
Ub=-W N (IUS)
Nmm mm 3
mm 2
(Biege-Hauptgleichung)
Diese Gleichung darf nur verwendet werden, wenn Nullinie (= neutrale Achse des Querschnittes)
zugleich Symmetrieachse ist, also el = e2 = e (siehe Herleitung der Biege-Hauptgleichung in 2.1.3).
Je nach vorliegender Aufgabe kann die Biege-Hauptgleichung umgestellt werden zur Berechnung
des erforderlichen Querschnittes (Querschnittsnachweis):
M bmax
W --- (IU6)
erf - Ubzul

Berechnung der vorhandenen Spannung (Spannungsnachweis):


M bmax
°bvorh = --W- (II.17)
Berechnung der maximal zuliissigen Belastung (Belastungsnachweis):
M bmax = WUbzul (II.18)

372
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten
2.1.3. Herleitung der Biege-Hauptgleichung. Die aul.\eren Krafte biegen den Trager nach unten
durch (Bild 11.6). Die vorher parallelen Schnitte ab, cd stellen sich schrag gegeneinander: a' b' c' d'.
Dabei werden die oberen Werkstoff-Fasern verkiirzt (Stauchung -E), die unteren dagegen verIan-
gert (Dehnung + E). Dazwischen mul.\ eine Faserschicht liegen, die sich weder verkiirzt noch ver-
langert, die ihre Liinge also beibehalt. Das ist die "neutrale Faserschicht", bei der ± € = 0 ist. Diese
schneidet jeden Querschnitt in einer Geraden, die neutrale Achse des Querschnittes oder Nullinie
genannt wird (N-N in Bild 11.6). Sie geht durch den Schwerpunkt S der Querschnitte. Es wird an-
genommen, dafll die vorher ebenen Querschnitte auch nach der Biegung eben bleiben (durch Ver-
suche bestatigt). Weiterhin soli das Hookesche Gesetz gelten. Aus der ersten Bedingung folgt, dal.\
die Dehnungen € proportional mit den Abstanden y von der Nuliinie wachsen, aus der zweiten, dal.\
auch die Spannungen proportional die sen Abstiinden sind:

1m Gegensatz zur Zug- und Druckbeanspruchung sind dernnach die Spannungen linear verteilt. Die
neutrale Faserschicht ist unverformt, also auch spannungslos. Die Spannungen wachsen mit dem
Abstand y von der neutralen Faser bis zum Hochstwert ad (Druckspannung) und az (Zugspannung).

Bild 11.6
Verformungs- und Spannungsbild
bei Biegung

Verformungsbild Spannungsbild

Fiir jeden Querschnitt des Tragers miissen die statischen Gleichgewichtsbedingungen erftillt sein.
Jedes Flachenteilchen AA iibertragt die Normalkraft !:1F = a!:1A.

Nach der ersten Gleichgewichtsbedingung ist "i:.Fx = O. Da der Querschnitt keine Liingskraft zu
tibertragen hat, wird "i:.!:1F = "i:.a!:1A =O. Mit a =ad Lel wird

Der Ausdruck "i:.y AA ist das Moment der Flache A (Flachenmoment 1. Grades) in bezug auf die
neutrale Faser (Nullinie). Da es gleich Null ist, mul.\ die Nullinie zugleich Schwerlinie sein, d.h. die
neutrale Faser mul.\ durch den Schwerpunkt gehen.
Nach der zweiten Gleichgewichtsbedingung ist "i:.Fy = O. Da der Querschnitt bei Biegung auch eine
Querkraft zu tibertragen hat, flihrt diese Bedingung auf Schubspannungen T. 1st der Querschnitt im
Verhiiltnis zur Stablange klein, konnen sie vernachliissigt werden.

373
Festigkeitslehre

Nach der dritten Gleichgewichtsbedingung ist "'£M = O. Da der Querschnitt bei Biegung ein Biege-
moment Mb zu iibertragen hat (siehe inneres Kraftesystem), ergibt sich mit I1F = al1A und deren
Innenmoment I1Mj = I1Fy:

Aus der letzten Entwicklungsform wird der Ausdruck "'£y211A als rein geometrische RechengrbBe
herausgezogen und als das auf die Nullinie bezogene axiale Fliichenmoment 2. Grades I der Flache
A bezeichnet.
Die grbBten Spannungen ad und a z treten in den Randfasern auf. Deren Abstande von der Nullinie
sind e, und e2. Mit 1= "'£y211A werden diese Randfaserspannungen:

Mb
groj3te Druckspannung ad = e, I (11.19)

Mb
groj3te Zugspannung a z = e2 I (11.20)

Wird weiter das Widerstandsmoment W = lie eingeftihrt, also hier W, = lie, und W2 = Ile2, so wird
ad = Mb/W, und a z = M b /W 2 .
1st die Nullinie N-N zugleich Symmetrieachse des Querschnittes und damit e, = e2 = e, so sind
beide Randfaserspannungen gleich groB. Dann wird grundsatzlich unter ab = ad = a z die Rand-
faserspannung am ax verstanden und es ergibt sich die obige Biege-Hauptgleichung ab = Mb/W.
1m unsymmetrischen Querschnitt (Bild 11.7) sind die grofJte Druckspannung abl
Randfaserabstande e" e2 verschiedengroB. Es werden
dann zwei verschiedene Widerstandsmomente W, =lle,
und W2 =1/e2 berechnet und damit auch zwei 07
verschiedene Randfaserspannungen:

groj3te
Zugspannung
(11.21) grofJte Zugspannung ab2
groj3te Mb e, Mb
a -a ----- Bild 11.7. Spannungsverteilung im unsymmetri-
Druckspannung bi - dmax - I - W,
schen Querschnitt bei Belastung nach Bild 11.5.

2.1.4_ Voraussetzungen fur die Giiltigkeit der Biegehauptgleichung


a) Gerade Stabachse, also nicht gekriimrnte, wie z.B. beim Kranhaken;
b) die Lastebene liegt in einer Hauptachse des Querschnittes; bei symrnetrischem Querschnitt ist
das zugleich eine Symrnetrieachse;
c) die Querschnitte sind klein im Verhaltnis zur Stablange;
d) Normalschnitte bleiben nach der Belastung weiterhin senkrecht zur Stabachse und auBerdem
eben;
e) fur den Werkstoff gilt das Hookesche Gesetz;
f) der Elastizitatsmodul ist fUr Zug- und Druckbeanspruchung gleich groB, z.B. ftir Stahl;
g) die Spannungen bleiben unter der Proportionalitatsgrenze.

Scharfe Querschnittsanderungen, wie Kerben, Bohrungen, Hohlkehlen usw. erfordern eine Nach-
rechnung auf Kerbwirkung, wei! im Kerbgrund auBergew6hnlich hohe Spannungsspitzen auftreten
k6nnen. Die Hauptgleichung liefert dann nur die (mittlere) sogenannte Nennspannung an.

374
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten
2.1.5. Querschnittsgestaltung. Die Werkstoffschichten biegebeanspruchter Bauteile werden zur
Mitte zu immer weniger beansprucht. Es ist also wirtschaftlicher, sie von dort mehr nach aul?!en zu
verlagern, d.h. die grol?!ere Stoffmenge aul?!en anzubringen. Diese Dberlegung fiihrt zum Doppel-
T -prom und zum Kreisringquerschnitt.
Bei ungleicher zuliissiger Spannung fur ZugundDruck, wie z.B. bei Graugul?!mit azzul: adzul = 1: 3,
mul?! unsymmetrischer Querschnitt gewiihlt werden. FUr das Verhiiltnis der Rand!aserabstiinde el,
e2 gilt dann
el azzul 1
-=--=- (1I.22)
e2 adzul 3
Mit h Proftlhohe, el Randfaserabstand der gezogenen und e2 Randfaserabstand der gedriickten
Faser wird dann el = 0,25 h und e2 = 0,75 h.

2.2. Fliichenmomente 2. Grades lund Widerstandsmomente W ebener Fliichen, Triigheitsradius i


2.2.1. Axiales Fliichenmoment 2. Grades. Das axiale oder iiquatoriale Fliichenmoment 2. Grades I
einer ebenen Fliiche A, bezogen auf eine in der Ebene liegende Achse a-a, ist die Summe der
Fliichenteilchen M, jedes malgenommen mit dem Quadrat seines senkrechten Abstandes p von
dieser Achse (Bild II.8):

axiales Fliichenmoment I = ~ 2 ~A
bezogen auf die Achse a-a a P (I1.23)
(/a ist stets > 0)

Demgemiil?! ist fur die durch den Punkt 0 der Fliiche gehenden, senkrecht aufeinander stehenden
Achsen x und y:
Ix = ~y2 ~A Iy =~X2 M
(11.24)
(Ix ist stets > 0) (Iy ist stets> 0)

2.2.2. Polares Fliichenmoment 2. Grades. Das polare Fliichenmoment 2. Grades Ip einer ebenen
Fliiche A, bezogen auf einen in der Ebene liegenden Punkt 0, ist die Summe der Fliichenteilchen
M, jedes malgenommen mit dem Quadrat seines Abstandes r von 0 (Bild II.8):
polares Fliichenmoment Ip = ~r2 ~A
bezogen auf den Punkt (Pol) 0 (11.25)
y
(/p ist stets > 0)

2.2.3. Zentrifugalmoment. Das Zentrijugalmoment Ixy (Flieh-


moment) einer ebenen Fliiche A, bezogen auf ein in der Ebene
liegendes Achsenpaar (x,y), ist die Summe der Fliichenteilchen
~A, jedes malgenommen mit dem Produkt seiner senkrechten
Abstiinde x und y von beiden Achsen (Bild II.8):

Zentrifugalmoment
bezogen auf die Achsen Ixy = ~xy~A (II.26)
x undy (Ixy kann 1 0 sein)
Die axialen und polaren Fliichenmomente'Ix'/y'/p sind wegen a
der Abstandsquadrate stets positiv. Das Zentrifugalmoment Bild 11.8. Definition und Berechnung
Ixy kann positiv, negativ und Null werden. der Flachenmomente 2. Grades

375
Festigkeitslehre

Wird I =A i 2 festgesetzt, so nennt man i den Triigheitsradius

i=/J (II.27)

Entsprechend der Definition des Flachenmomentes list auch der Tragheitsradius i festgelegt: axial
ix =yIx/A; axial iy =yIy/A; polar ip = yIp/A.

.'.
2.2.4. Widerstandsmoment. Das Widerstandsmoment W y
einer ebenen Flache A ist gleich dem FlachenmomentI,
geteilt durch den auj),eren Randfaserabstand von der
Bezugsachse :
. Flachenmoment I
Wlderstandsmoment W = Ran d"laserab st an d e y
Bild II.9. Randfaserabstand e
Es sind zu unterscheiden (Bild 1I.9): und r

axiales Ix
W =- (II.28)
Widerstandsmoment x ex

axiales
Widerstandsmoment
Iy
Wy =-
ey

Ip
:31 I
mm4 I~ (lI.29)

polares
Wp =-
r (lI.30)
Widerstandsmoment

Auj),erdem kann das Widerstandsmoment aus den Gleichungen nach Tafel 11.1 berechnet werden.
1st die Flache unsymmetrisch (Bild 11.7), also Oberkante und Unterkante ungleich weit von der
Bezugachse entfemt (el bzw. e2), so gibt es zwei axiale Widerstandsmomente:

(II.3l)

Beachte bei Rechnungen:


a) Flachenteilchen dUrfen parallel zur Achse verschoben werden, wei! sich dabei der Abstand x
und y von der Bezugsachse nicht andert. Das Flachenmoment 2. Grades in bezug auf diese
Achse bleibt also unveriindert.
b) Die Flachenmomente 2. Grades verschiedener Teilflachen diirfen dann einfach addiert oder sub-
trahiert werden, wenn sie aile auf die gleiche Achse bezogen sind.
c) Die Widerstandsmomente sind stets aus dem Gesamtflachenmoment 2. Grades zu bestimmen.

2.2.5. Beziehungen zwischen den Flachenmomenten. 1st Ip das polare Flachenmoment der Flache
A in bezug auf den Polpunkt 0, ebenso Ix und Iy die axialen Flachenmomente in bezug auf zwei
durch 0 gehende Achsen x und y, die senkrecht aufeinander stehen, so ist das polare Flachen-
moment Ip gleich der Summe der beiden axialen Flachenmomente Ix und Iy:

(II.32)

Herleitung: Nach (11.25) wird mit den Bezeichnungen in Bild II.8, insbesondere mit r2 = x 2 + y2:
Ip = ~r2 LlA = ~(X2 + y2) LlA = ~X2 LlA + ~y2 LlA = Iy + Ix

376
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten
2.2.6. Steinersche Verschiebesatz. Das Flachenmoment fUr eine beliebige Achse (z.B. a-a in
Bild 11.8) ist gleich dem Flachenmoment 2. Grades flir die parallele Schwerachse (s-s), vermehrt
urn das Produkt aus der Flache A und dem Quadrat des Achsenabstandes (/2):
(11.33)

Besteht also eine Flache A aus mehreren Einzelflachen AI, A 2, A 3 .•. , deren Schwerpunkte die
Abstiinde 11 , /2 , /3 ••• von einer parallelen Achse a-a haben, so gilt:

(11.34)

wenn I\> 12 , 13 ••• die Flachenmomente der Einzelflachen in bezug auf ihre zu a-a parallelen
Schwerachsen s-s sind (Bild II.8).

Beachte: Der Steinersche Verschiebesatz gilt nur fUr parallele Achsen in Verbindung mit Schwer-
achsen! Er wird beim Berechnen des Flachenmomentes 2. Grades zusammengesetzter Querschnitte
benutzt. Fallen Teilschwerachsen und parallele Bezugsachse fUr das Flachenmoment zusammen,
dann sind die Abstande 11, 12 , 13 ... gleich Null. Die Glieder A 1 I; ... fallen dann weg und es wird:
I =II + 12 + 13 + ... (1I.35)
(Gilt nur, wenn Teil- und Gesamtschwerachse zusammenfallen!)
Der Verschiebesatz gilt auch fiir polare Flachenmomente 2. Grades und - sinngemaB - fiir Zentri-
fugalmomente. Bei letzteren sind die Vorzeichen der Abstande la und Ib zu beachten (siehe Beispiel).
Beachte: Bei parallelen Achsen ist das auf die Schwerachse bezogene Fliichenmoment 2. Grades
am kleinsten.
Herleitung des Verschiebesatzes (Bild 11.8): Da nach (11.23) Ia = ~ p2 ~ ist und auBerdem p =
1+1/, wird
la =~(l + 1/)2 ~ =~(l2 + 2/1/ + 1/ 2 )AA =~/2 AA + ~2/1/AA + ~1/2 AA
geordnet:
Ia =~1/2 AA + 12 A + 2/~1/AA =Is + AI2 + 0
denn ~1)2 AA = Is ist dasaufdie Schwerlinie bezogene axiale Flachenmoment 2. Grades; ~AA =A;
und ~1)AA = 0 als Moment der Fliiche A (Flachenmoment 1. Grades) bezogen auf eine Schwer-
linie (siehe Schwerpunktslehre).
Beachte for aile Rechnungen: Symmetrielinien sind Schwerlinien und zugleich Hauptachsen; das
Moment einer Flache in bezug auf eine Schwerachse ist Null; der Schwerpunkt ist flachenfest, d.h.
gegen Drehung invariant; der resultierende Schwerpunkt zweier Teilfliichen liegt auf der Verbin-
dungslinie der Teilschwerpunkte.
LlA
2.2.7. Herleitung einiger Gleichungen fUr FIachenmomente

I //
2. Grades. Axiales Fliichenmoment for Rechteckquerschnitt.
Die beiden Satze (11.33 und 11.34) geben die Moglichkeit, LlAl
Berechnungsgleichungen flir Fliichenmomente durch einfache
Summenrechnung zu entwickeln, z.B. flir den Rechteckquer- 5 --1ff---
/ So
f-- 5 .c::
schnitt nach Bild 11.1 O. Kunstgriff: Der Querschnitt wird nicht
nur in gleichdicke Flachenstreifen AA zerlegt, sondern zu- /1 "'' ' '"
~

gleich durch eine Diagonale in zwei Dreiecke zerlegt, von


a
'--
/
i a '-
denen nur das linke betrachtet wird. Nach dem Strahlensatz b
gilt:
Bild 11.10. Herieitung der Gleichung
ftir Is (Rechteckquerschnitt)

377
Festigkeitslehre

Zuerst wird das Flachenmoment Ia (bezogen auf die Achse a-a) berechnet:

Ia = ~y2 LlA = ~y2 LlAI ~ = h ~y LlAI


Der Summenausdruck ~y LlA list nach der Schwerpunktslehre (als Summe der Momente der Teil-
flachen AA in bezug auf die Achse a-a) gleich dem Moment der Gesamtflache in bezug auf die
gleiche Achse: ~y LlA 1 =Ayo. Mit Dreiecksflache A =bh/2 und Schwerpunktsabstand Yo = ~ h
wird

Nach dem Steinerschen Verschiebesatz (11.33) laBt sich nun das axiale Flachenmoment Is in bezug
auf die Schwerachse s-s berechnen (mit 1= h/2 und A = bh):
3 2 3
Is =Ia - Az2 =3bh - bh "4
h bh
=12 (siehe Tafel ILl) (11.36)

Das Widerstandsmoment Wist nach (11.28) mit e = h/2:

W= eI = bh123h2 =""""6
bh 2 .
(slehe Tafel 11.1) (11.37)

Axiales Fliichenmoment fUr Dreieckquerschnitt. Das Flachenmoment Ia flir die gestrichelte Recht-
eckflache ist nach Bild 1I.l1: Ia = bh 3 /12. Die Dreieckflache ist gleich der halben Rechteckflache,
also ist auch flir die gleiche Achse das Flachenmoment der Dreieckflache Ia = bh 3 /24. Nach dem
Verschiebesatz gilt dann flir die Schwerachse s-s (mit 1= h/6):
bh 3
bh h bh 2 3 .
Is =Ia - A 12 = 24 -"2. 36 = 36 (slehe Tafel ILl) (11.38)

x x
Bild I1.l2. Herleitung der
Gleichung flir polares und
axiales Fliichenmoment
Bild 11.11. Herleitung der Gleichung flir Is 2. Grades (Kreisquerschnitt)
(Dreieckq uerschnitt) y

Po lares und axiales Fliichenmoment fUr Kreis- und Kreisringquerschnitt. Der Kreisquerschnitt
wird nach Bild 1I.l2 in viele kleine Kreisausschnitte zerlegt, die als Dreiecke angesehen werden
konnen. Das Teil-Flachenmoment eines Dreiecks der Hohe h = r in bezug auf die Spitze (P) ist:
Alp = br 3 /4.
Die Summe alier Flachenmomente 2. Grades ist dann das polare Flachenmoment Ip des Gesamt-
querschnittes in bezug auf die gleiche Achse, hier also in bezug auf den ,,Pol" P:
br 3 1
I p =~AIp =~-=-r3~b
4 4 undmit ~b=2rrr

I
p
=!r32rrr=~r4
4 2
undmit r=r:J.
2
_ 1( 4
Ip - 32 d (siehe Tafel 11.17) (11.39)

378
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten
Nach (11.32) ist das polare Flachenmoment 2. Grades gleich der Summe der beiden axialen. Damit
wird das axiale Flachenmoment
Ip 1T
I x = I y = -2 = -64 d 4 (siehe Tafel ILl) (11040)

FUr die Kreisringflache ergeben sich die Fliichenmomente aus der Differenz der Flachenmomente
fliI beide Kreisflachen mit gleicher Bezugsachse :

I = ~ D4 - ~ d 4 = ~ (D4 - d 4) (lIAl)
p 32 32 32

I =1 =~(D4-d4) (11042)
x y 64
Die Gleichungen fliI die axialen Fliichenmomente 2. Grades in bezug auf die eigene Schwerachse
fliI verschiedene Querschnittsformen sind in Tafel 11.1 zusammengesteIlt.

2.2.8. Hauptachsen. Zwei Achsen, fliI die das Zentrifugalmoment y


Null ist, hei~en zugeordnete oder konjugierte Achsen. Stehen II
diese beiden Achsen auch noch senkrecht aufeinander (Bild 11.13),
so hei~en sie Hauptachsen I, II und die auf sie bezogenen Flachen- I
momente 2. Grades Hauptf/iichenmomente 2. Grades (meist mit
II, In bezeichnet). Das Hauptachsenpaar I, II besitzt stets das
gro~te und das kleinste axiale Flachenmoment, eben die Haupt-
flachenmomente. Jede Symmetrieachse einer Flache ist auch eine
Hauptachse.
Bild 11.13. Berechnung der
Sind fliI ein beliebiges rechtwinkliges Achsenkreuz x, y die Fliichenmomente 2. Grades
Flachen- und Zentrifugalmomente Ix, Iy,lxy bekannt, so ergibt bei Neigung der Achsen
sich der Winkel Qo, urn den das Achsenkreuz gedreht werden
mu~, damit es die Lage der Hauptachsen annimmt, aus

2Ixy
tan2ao=-- (11.43)
Iy -Ix
Die Haupt[liichenmomente 2. Grades sind

_ _ Ix + Iy 1 I. 2 2
II - Imax - - 2 - +"2 y(Iy - Ix) +4Ixy (11.44)

_ _ Ix + Iy 1 I. 2 2
In - lmin - - 2 - -"2 y(Iy - Ix) + 4Ixy (11045)

(Zeichnerische Methoden zur Berechnung der Fliichenmomente bei Neigung der Achsen:
Triigheitskreis nach Mohr-Land und Triigheitsellipse.)
Beachte: Vnter den Flachenmomenten 2. Grades sind, wenn die Angabe der Bezugspunkte bzw.
-achsen fehit, stets die auf den Schwerpunkt der Flache bezogenen Hauptflachenmomente zu ver-
stehen. Die Festlegung der Hauptachsen und der auf sie bezogenen Flachen- und Widerstands-
momente ist fUr schief belastete Trager wichtig, urn die Belastung mit der Senkrechten zur Achse
des gro~ten Widerstandsmomentes zusammenfallen zu lassen.
2.2.9. Fliichenmomente 2. Grades zusammengesetzter Fliichen. Lii~t sich der Querschnitt derart
in Teilflachen zerlegen, da~ aIle Teilschwerachsen mit der Gesamtschwerachse zusammenfallen,
dann kann das Flachenmoment des Gesamtquerschnittes aus der Summe oder Differenz der Teil-
Flachenmomente berechnet werden (11.35). Die Gleichungen fliI die auf die eigene Schwerachse be-
zogenen Flachenmomente der Teilflachen sind Tafel 11.1 zu entnehmen. Beispiele zeigt Bild 11.14.

379
Festigkeitslehre
L~t sich ein unsymmetrischer Querschnitt nicht in dieser Weise behandeln, so geht man zweck-
ma~ig nach folgendem Arbeitsplan vor:
a) Der Querschnitt wird in Teilfllichen bekannter Schwerpunktslage zerlegt;
b) die Schwerpunkte der Teilflachen werden bestimmt (siehe Schwerpunktslehre);
c) die Flachenmorqente der Teilflachen, bezogen auf ihre eigene Schwerachse, werden nach
Tafel ILl berechnet;
d) ist die Gesamtschwerachse Bezugsachse, so wird auch die Lage des Gesamtschwerpunktes be-
stimmt;
e) das Flachenmoment des Querschnittes wird nach dem Steinerschen Verschiebesatz (11.34)
berechnet.

~ 1+ I
E-
<

II
+~

12 I
=
II
-II
12

+ + D
I
f· + <

II
-m-
2.12
a-
I
=
II •/2

tt I· +1 B
I
=
11 +
~

12 + h 1 II * 12

Bild 11.14. Profile mit gieichen Teil- und Gesamtschwerachsen 50

• Beispiel: Berechne fUr den Querschnitt in Bild IUS


a) die Schwerpunktsabstande el, e2;
b) die axialen FJachenmomente Ix,ly;
x1LZz2fzziZi:=-;x~
c) die Widerstandsmomente Wxlo Wx2 , Wy !
~
LOsung: a) Ael =A 1YI-A 2Y2
A I = (80 . 50) mm1 = 4000 mm1 BildI1.15
A2 = (40' 34) mm2 = 1360 mm1
A = Al - A2 = (4000-1360) mm2 = 2640 mm1
YI =40mm; Y2 =50mm
A1YI -A 2Y2
el = A
4000 mm1 . 40 mm - 1360 mm1 . 50 mm
el = 2640 mm2
e2 = 80 mm - 34,8 mm = 45,2 mm y

380
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten
b) Ix = Ixl + Al/r -(Ix2 + A 2 Zi)
bh 3 50 mm 080 3 mm 3
Ixl = 12 = 12 213,3 0104mm4

bh 3 34 mm 040 3 mm 3
Ix2 = 12 = 12 18,13 0104mm4

II =YI-el =(40-34,8)mm= 5,2 mm


If"'=' 27 mm2
12 = Y2 - el = (50 - 34,8) mm = 15,2 mm
12 "'=' 231 mm2
Ix = 213,3 0104 mm4 + 0,40104 mm 2 027 mm 2
- 18,13 0104 mm4 + 0,136 010 4 mm 2 0231 mm 2
Ix = (224,1 0104 - 49,55 0104) mm4 = 174,6 0104 mm4
Iy=Iyl-Iy2

I = bh 3 = 80 mm 050 3mm 3 = 8330104 4


yl 12 12 ' mm

I =bh 3 =40mm 034 3 mm 3 =131 0104 4


y2 12 12 ' mm
Iy = (83,3 - 13,1) 0104 mm4 = 70,2 0104 mm4

1746 0103mm4 = 50 2 0103 3


34,8mm ' mm

Gurfplaffe 350" 15
Y
• Beispiel: Berechne flir den Querschnitt eines Blechtrligers (Bild 11.16)
unter Beriicksichtigung der Nietlbcher das axiale Fllichen-
moment Ix und das Widerstandsmoment Wx !
LOsung: IStegblech = l~ 01,5 057 3 23149 cm 4
IWinkel = 4 0394 1 576 cm 4
+ 4 029,7 025,06 2 74607 cm 4
IGurtplatten = -&. 035 0(60 3 - 57 3) 89854 cm 4
1m it Nietlocher = 189 186 cm4
Abzug fiir Nietli:icher
= 2 0-12 02,5 0(60 3 - 54,43) = 22921 cm 4
Bild 11 0160 Querschnitt
Ix = 166265 cm 4 eines Blechtragers

Beachte den hohen Anteil der Gurtplatten am gesamten Fllichenmoment 20 Gradeso Auch
der (ungiinstige) Einflu~ der Nietlbcher ist betrlichtlich ("'=' 14 %); er kann in ungiinstigen
Fallen noch erheblich wachseno
Das Widerstandsmoment Wx betrligt:

Wx = I; 16~~~~ cm4 = 5 542 cm 3


381
Festigkeitslehre

• Beispiel: Bestimme flir das ungleiehsehenklige Winkelprofil


80 . 160 . 12 mit seharfen Eeken (Bild ILl 7) die FHiehen-
und Widerstandsmomente sowie das Zentrifugalmoment
fill die Sehweraehsen x, y; die Lage der Hauptaehsen; die
entspreehenden Hauptflaehenmomente; die Tragheits-
m~n. I

LOsung: a) Sehwerpunktslage:

(1,2 ·16 ·0,6 + 6,8 ·1,2 ·3,4) em 3


xo = (1,2 ·16 + 6,8 .1,2) em2 = 1,48 em

(1,2 ·16·8 + 6,8 ·1,2 ·15,4) em 3


Yo ~'----:-:--:------=-::-:---~:---=--"---
(16 + 6,8) ·1,2 em2
= 10,2 em

Bild 11.17
b) Flaehenmomente:

I x =(1...12.163+12.16.222+1...68.123+68.12.522)em4""'724em4
12' , , 12" " ,

c) Widerstandsmomente:
_ Ix _ 724em4 _ 3. W = Ix = 724 em4 = 71 em3
Wx1 --16- - 58 -125 em , Yo 10,2 em
Yo , em x2

115 em4 _ 3. 115 em4 = 78 em 3


6,52 em - 17,7 em , 1,48 em

d) Fliehmoment:

-..- --..- ---


Ixy = [1,2 ·16· (- 2,2) . (- 0,88) + 6,8 ·1,2·5,2·3,12] em4 = 170,2 em4
-..-.'

e) Hauptaehsen:
2Ixy 2 ·170,2 em4
tan 2 CXo = Iy - Ix = (115 -724) em4

CXo = 14,6° (im II. bzw. IV. Quadranten)

f) Hauptflaehenmomente:
724 + 115 1 /,
h,n = 2 em4 ±"2 v(I15 -724)2. emS + 4 .170,2 2 ems

II = Imax = 768 em4 ; III = Imin = 71 em4


g) Tragheitsradien:
. , f4
V/li
r--72-4-em-4-
768 em4
V
Ix = A = 27,36 em2 = 5,14 em; iI =' AI =
A .
27,36 em2 = 5,3 em = Imax

115 em4 = 2 05 em.


27,36 em2 ' , ill =n= 71 em
27,36 em
4
-'--"'-'--.."
2
= 1 61 em = I.
'
.
mm

382
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten
Tafelll.1. Axiale Flachenmomente I, Widerstandsmomente W, Flacheninhalte A und Tragheits-
radius i verschieden gestalteter Querschnitte fUr Biegung und Knickung (die Gleichungen gelten fUr
die eingezeichneten Achsen)

bh 3 hb 3
Ix=U ly=U A =bh
x bh 2 hb2
Wx=T WY=T
ix = 0,289 h iy = 0,289 b

i = 0,289 h

h 3
WD = 0. 12

e "3
= =h A =ah
2

i = 0,236h

2b +b l
A=-2- h
1 = 6b 2 +6bb l +b~ h3
36(2b + b l ) 1 3b + 2b l
e = 3" 2b +b l h
W= 6b 2+ 6b b l + b~ h2
12(3b+2bd
;={f

A =!!: (D2 -d 2)
4
i = 0,25 JD2 +d 2

,~, .
lx
a
="2 A =frab

~
. b
ly = 2"
y

383
Festigkeitslehre

TafelIl.l. Fortsetzung

A = n(ah -a1bd
Ix n
Wx =-"'='-ad
a 4 f a+3b)
~
ix=/i
Ix = 0,0068 d 4 Iy = 0,0245 d 4

ix
WX1 = 0,0238 d 3 WX2 = 0,0323 d 3
Wy = 0,049 d 3 = 0,132 d
4r
el = 3; = 0,4244 r

I = 0 1098 (R 4 - r4) - 0 283 R 2r2 R - r


x , , R+r

2(D 3 -d 3 )
e 1 = 3 n (D 2 - d 2)

50 3
I =_-S4= 05413s 4
16 '
A = -...[3 S2
2
5
W = - S3 = 0625 S3
8 '
i = 0,456 S

3
I = 50 S4 = 05413 S4 A = -...[3 S2
16 ' 2

W = 0,5413 S3 i = 0,456 s

A =b(H-h)

iy = 0,289 b

1= b(h3_h~)+bl(M-hi)
12
W = b(h3_M)+bl(h~-hi)
6h i =11
384
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

Tafelll.1. Fortsetzung

BH3 + bh 3
I = 12 A =BH+bh

W =
BH3 + bh 3
6H i=vy
~wn~~
BH3 - bh 3
1= 12 A =BH-bh

~~~ W=
BH3 -bh 3
6H i=fl

A = B d + a (H - d)

el ="2·
1 aH2 + bd 2
aH+bd
i=H

I = t(Be~ -bh 3 +Ble~ -blh~)


1 aH2 + bd 2 + bld l (2H-dd A =Bd + bld l +a(h + hi)
el ="2· aH+bd+bld l
i=v1

385
Tafel 11.2. Axiale Flachenmomente /, Widerstandsmomente W und Querschnittsflachen S von
Rundstahl fUr Biegung und Knickung

Wider- Wider-
Durch· Quer· Fliichen- stands- Durch- Quer- Fliichen- stands-
messer schnitt moment messer schnitt moment moment
moment d
d S I W S I W

mm '102 mm2 '104 mm4 '103mm3 mm '102 mm2 '104 mm4 '103mm3

5 0,1964 0,00307 0,0123 35 9,621 7,366 4,21


5,5 0,2376 0,00449 35,5 9,898 7,796
6 0,2827 0,00636 0,0212 36 10,18 8,245 4,58
6,5 0,3318 0,00876 36,5 10,46 8,712
7 0,3848 0,0118 0,0337 37 10,75 9,200 4,97
7,5 0,4418 0,0155 37,5 11,04 9,707
8 0,5027 0,0201 0,0503 38 11,34 10,78 5,38
8,5 0,5674 0,0256 38,5 11,64 10,24
9 0,6362 0,0322 0,0716 39 11,96 11,36 5,82
9,5 0,7088 0,0400 39,5 12,25 11,95
10 0,7854 0,0491 0,0982 40 12,57 12,57 6,28
10,5 0,8659 0,0597 40,5 12,88 13,21
11 0,9503 0,0719 0,1307 41 13,20 13,87 6,76
11,5 1,039 0,0859 41,5 13,53 14,56
12 1,131 0,1018 0,1696 42 13,85 15,27 7,27
12,5 1,227 0,1198 42,5 14,19 16,02
13 1,327 0,1402 0,2157 43 14,52 16,78 7,80
13,5 1,431 0,1630 43,5 14,86 17,58
14 1,539 0,1886 0,2694 44 15,21 18,40 8,36
14,5 1,651 0,2170 44,5 15,55 19,25
15 1,767 0,2485 0,3313 45 15,90 20,13 8,94
15,5 1,887 0,2833 45,5 16,26 21,04
16 2,011 0,3217 0,4021 46 16,62 21,98 9,56
16,5 2,138 0,3638 46,5 16,98 22,95
17 2,270 0,4100 0,4823 47 17,35 23,95 10,19
17,5 2,405 0,4604 47,5 17,72 24,99
18 2,545 0,5153 0,5726 48 18,10 26,06 10,85
18,5 2,688 0,5750 48,5 18,47 27,16
19 2,835 0,6397 0,6734 49 18,86 28,30 11,55
19,5 2,986 0,7098 49,5 19,24 29,47
20 3,142 0,7854 0,7854 50 19,64 30,68 12,27
20,5 3,301 0,8669 50,5 20,03 31,93
21 3,464 0,9547 0,9092 51 20,43 33,32 13,02
21,S 3,630 1,049 51,5 20,83 34,53
22 8,801 1,150 1,045 52 21,24 35,89 13,80
22,5 3,976 1,258 52,5 21,65 37,15
23 4,155 1,374 1,194 53 22,06 38,73 14,61
23,5 4,337 1,497 53,5 22,48 40,21
24 4,524 1,629 1,357 54 22,90 41,74 15,46
24,5 4,714 1,769 54,5 23,33 43,31
25 4,909 1,917 1,534 55 23,76 44,92 16,33
25,5 5,107 2,076 55,5 24,19 46,57
26 5,309 2,243 1,726 56 24,63 49,28 17,24
26,5 5,515 2,421 56,5 25,07 50,02
27 5,726 2,609 1,932 57 25,52 51,82 18,18
27,5 5,940 2,807 57,5 25,97 53,66
28 6,158 3,017 2,155 58 26,42 55,55 19,16
28,5 6,379 3,239 58,5 26,88 57,49
29 6,605 3,472 2,35 59 27,34 59,48 20,16
29,5 6,835 3,718 59,5 27,81 61,5Z
30 7,069 3,976 2,65 60 28,27 63,62 21,21
30,5 7,306 4,248 60,5 28,75 65,76
31 7,548 4,533 2,93 61 29,22 67,97 22,28
31,5 7,793 4,833 61,5 29,71 70,22
32 8,042 5,147 3,22 62 30,19 72,53 23,39
32,5 8,296 5,477 62,5 30,68 74,90
33 8,553 5,821 3,53 63 31,17 77,33 24,54
33,5 8,814 6,182 63,5 31,67 79,81
34 9,079 6,560 3,86 64 32,17 82,35 25,74
34,5 9,348 6,954 64,5 32,67 84,96
Beachte: Die polaren Fliichen- und Widerstandsmomente Ip, Wp fijr Torsion sind die doppelten Betriige der
aufgeftihrten Tafelwerte; Ablesebeispiel am Tabellenende

386
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

Quer- Wider- Wider-


Durch- FJachen- Durch- Quer- FJachen-
stands- stands-
messer schnitt moment messer schnitt moment
moment moment
d S I d S I
W W
mm ·102 mm2 ·104 mm4 ·103 mm3 mm ·102 mm2 ·104 mm4 ·103mm3

65 33,18 87,62 26,96 96 72,38 416,9 86,86


65,5 33,70 90,35 96,5 73,14 425,7
66 34,21 93,14 28,22 97 73,90 434,6 89,60
66,5 34,73 96,00 97,5 74,66 443,6
67 35,26 98,92 29,53 98 75,43 452,8 92,40
67,5 35,78 101,9 98,5 76,20 462,1
68 36,32 105,0 30,87 99 76,98 471,5 95,26
68,5 36,85 108,1 99,5 77,76 481,5
69 37,39 111,3 32,25 100 78,54 490,9 98,18
69,5 37,94 114,5 100,5 79,33 500,8
70 38,48 117,9 33,67 101 80,12 510,8 101,2
70,5 39,04 121,3 101,5 80,91 521,0
71 39,59 124,7 35,14 102 81,71 531,3 104,2
71,5 40,15 128,3 102,5 82,52 541,8
72 40,72 131,9 36,64 103 83,32 552,5 107,3
72,5 41,28 135,6 103,5 84,13 563,3
73 41,85 139,4 38,19 104 84,95 574,3 110,4
73,5 42,43 143,3 104,5 85,77 585,4
74 43,01 147,2 39,78 105 86,59 596,7 113,7
74,5 43,59 151,2 105,5 87,42 608,1
75 44,18 155,3 41,42 106 88,25 619,7 116,9
75,5 44,77 159,5 106,5 89,08 631,5
76 45,36 163,8 43,10 107 89,92 643,4 120,3
76,5 45,96 168,1 107,5 90,76 655,5
77 46,57 172,6 44,82 108 91,61 667,8 123.7
77,5 47,17 177,1 108,5 92,46 680,3
78 47,78 181,7 46,59 93,31 692,9 127,1
109
78,5 48,40 186,4 109,5 94,17 705,7
79 49,02 191,2 48,40 110 95,03 718,7 130,7
79,5 49,64 196,1 110,5 95,90 731,8
80 50,27 201,1 50,27 745,2 134,3
111 96,77
80,5 50,90 206,1 97,64 758,7
111,5
81 51,53 211,3 52,17 112 98,52 772,4 137,9
81,5 52,17 216,6 112,5 99,40 786,3
82 52,81 221,9 54,13 113 100,3 800,4 141,6
82,S 53,46 227,4 113,5 101,2 814,6
83 54,11 233,0 56,14 114 102,1 829,1 145,5
835 54,76 238,6 114,5 103,0 843,7
84 55,42 244,4 58,19 115 103,9 858,5 149,3
84,5 56,08 250,3 115,5 104,8 873,6
85 56,74 256,2 60,29 116 105,7 888,8 153,2
85,5 57,41 262,3 116,5 106,6 904,2
86 .58,09 268,5 62,45 117 107,5 919,8 157,2
86,S 58,77 274,8 117,5 108,4 935,7
87 59,45 281,2 64,65 118 109,4 951,7 161,3
87,5 60,13 287,7 118,5 110,3 967,9
88 60,82 294,4 66,90 119 111,2 984,4 165,4
88,5 61,51 301,1 119,5 112,2 001
89 62,21 308,0 69,21 120 113,1 1018 169,6
89,5 62,91 315,0 120,5 114,0 1035
90 63,62 322,1 71,57 121 115,0 1052 173,9
90,5 64,33 329,3 121,5 115,9 1070
91 65,04 336,6 73,98 122 116,9 1087 178,3
91,5 65,76 344,1 122,5 117,9 1105
92 66,48 351,7 76,45 123 118,8 1124 182,7
92,5 67,20 359,4 123,5 119,8 1142
93 67,93 367,2 78,97 124 120,8 1161 187,2
93,5 68,66 375,2 124,5 121,7 1179
94 69,40 383,2 81,54 125 112,7 1198 191,7
94,5 70,14 391,5 125,5 123,7 1218
95 70,88 399,8 84,17 126 124,7 1237 196,4
95,5 71,63 408,3 126,5 125,7 1257

387
Festigkeitslehre
Tafel 11.2. Fortsetzung

Wider- Wider-
Durch- Quer- Fllichen- Durch- Quer- Fllichen-
stands- stands-
messer schnitt moment messer schnitt moment
moment moment
d S I d S I W
W
mm ·102 mm2 ·104 mm4 ·103 mm3 mm ·102 mm2 .104 mm4 ·103 mm3

127 126,7 1277 201,1 138 149,6 1780 258,0


127,5 127,7 1297 138,5 150,7 1806
128 128,7 1318 205,9 139 151,7 1832 263,7
128,5 129,7 1338 139,5 152,8 1859
129 130,7 1359 210,8 140 153,9 1886 269,4
129,5 131,7 1381 140,5 155,0 1913
130 132,7 1402 215,7 141 156,1 1940 275,2
130,5 133,8 1424 141,5 157,3 1968
131 134,8 1446 220,7 142 158,4 1996 281,1
131,5 135,8 1468 142,5 159,5 2024
132 136,8 1490 225,8 143 160,6 2053 287,1
132,5 137,8 1513 143,5 161,7 2082
133 138,9 1536 231,0 144 162,9 2111 293,1
133,5 140,0 1559 144,5 164,0 2140
134 141,0 1583 236,2 145 165,1 2170 299,3
134,5 142,1 1606 145,5 166,3 2200
135 143,1 1630 241,5 146 167,4 2230 305,5
135,5 144,2 1655 146,5 168,6 2261
136 145,3 1679 247,0 147 169,7 2292 311,9
136,5 146,3 1704 147,5 170,9 2323
137 147,4 1729 252,4 148 172,0 2355 318,3
137,5 148,5 1755 148,5 173,2 2387

Ablesebeispiel: Fiir d = 10 mm ist S = 0,7854.10 2 mm 2 ; = 0,0491'10 4 mm 4 ; W = 0,0982 .10 3 mm 3

2.3. Rechnerische Bestimmung der Stiitzkriifte, Querkriifte und Biegemomente


2.3.1. Stiitzkriifte. Die Sttitzkrafte FA, FB sind die in den Stiitzlagern (auch Auflager genannt) wir-
ken den Reaktionskrafte gegen die lotrechten Lasten oder a~eren Krafte. Nehmen die Lager des
Biegetragers nur lotrechte Lasten auf, so bezeichnet man sie als Auf/ager oder Stiitzlager. Mit Hilfe
der Gleicbgewichtsbedingungen ~Fy = 0; ~M = 0 werden die Sttitzkrafte FA, FB berechnet. Da-
bei werden die tiber der Lange I aufliegenden Streckenlasten (Gewichtskraft, gleichma~ig verteilte
Lasten, Dreieckslasten u.a.) als im Schwerpunkt der Streckenlast angreifende Einzellast behandelt.
1st F' die Belastung der Langeneinheit (z.B. in N/m, N/mm), so ergibt sich als Resultierende der
Streckenlast (Bild 11.19).

F=F'1 (II.46)

Mit den Bezeichnungen des BUdes 11.18 ist die Resultierende der Streckenlast FI = F' c
= 2000 N/m . 3 m = 6000 N. Die Momentengleichgewichtsbedingung um den Lagerpunkt A ergibt
damit:
~M(A) = 0 = - Fa - FI al + FB lund daraus

FB = Fa+F1al = 6000 N·l,5m+6000N·3,5m =5000 N


I 6m
aus ~Fy = 0 = + FA + FB - F- FI ergibt sich
FA =F+F1 -FB = 6000N +6000 N-5OO0N= 7000 N
Zur Kontrolle der Rechnung sollte ~M(B) = 0 angesetzt und daraus FA berechnet werden!

388
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten
2.3.2. Querkriifte. Die Querkrafte Fq (siehe auch 2.1.1) sind alle senkrecht (quer) zu einer Stab-
achse wirkenden Krafte und Lasten; also auch die Stiitzkrafte FA, FB . Betrag und Richtung der
Querkraft eines beliebigen Querschnittes (z.B. Querschnitt x-x im Abstand Ix vom linken Stiitz-
lager A in den Bildern IU8 und 11.19) werden am einfachsten durch Aufzeichnung der Querkraft-
f/iiche oder Querkraftlinie (= Begrenzung der Querkraftfliiche) bestimmt. Dazu "wandert" man
riickwarts gehend auf der Nullinie 0-0 (Bilder 11.18 und 11.19) vom linken zum rechten Stiitzlager
und tragt fortlaufend m~stiiblich die jeweils "sichtbaren" Querkrafte aneinander an.
FUr die Schnittstelle x-x wird in Bild 11.18: Fqx = FA und in Bild 11.19:

Fqx = FA - F'lx
Die QuerkrafUinie verlauft bei Einzellasten parallel zur Nullinie (Bild 11.18) und ist bei Strecken-
lasten eine zur Nullinie geneigte Gerade (Bild 11.19).
Beweis nach Bild 11.19: Fiir die Stelle x ist

F qx = + FA - F' Ix = E.
2 - F'Ix = F'I
2 - F' Ix

Das ist die Gleichung einer geneigten Geraden; die Neigung ist proportional der Streckenlast F' Ge
gro~er F', desto starker die Neigung und umgekehrt). Fiir Ix = 0 wird

F'I
Fq=T=FA

(in Stiitzpunkt A); fill Ix = 1/2 wird Fq = 0 (in Tragermitte).


In Bild 11.19 wurde der Beweis zeichnerisch gefiihrt (Krafteplan), indem die Teilkrafte F', jeweils
im Schwerpunkt angreifend, als Teil-Querkrafte aneinandergereiht wurden.
2.3.3. Biegemomente Mb (siehe auch 2.1.1). Das Biegemoment fill einen beliebigen Querschnitt
ist die algebraische Summe der statischen Momente aller links oder rechts vom Querschnitt angrei-
fenden a~eren Krafte (einschlie~lich der Stiitzkrafte!). Praktisch rechnet man mit der Seite, an
der die wenigsten Krafte angreifen!
Betrag und Richtung des Biegemomentes eines beliebigen Querschnittes (z.B. Querschnittx-x im
Abstand Ix vom linken Stiitzlager A in den Bildem II.18 und 11.19) werden am einfachsten durch
Aufzeichnung der Querkraftf/iiche bestimmt. Vom linken Stiitzlager A nach rechts fortschreitend
entspricht nam1ich die dabei "iiberstrichene" Querkraftf/iiche Aq dem Biegemoment des betreffen-
den Querschnittes.
Nach Bild IU8 wird darnit das Biegemoment M bx an der Schnittstelle x:

M bx == Aq = FA Ix
Viclfach wird nur das maximale Biegemoment Mbmax gebraucht. Es liegt stets dort, wo die Quer-
kraftlinie durch die Nullinie liiUft (Nulldurchgang). In einigen Fallen ist dann noch das Durchgangs-
mafl x (oder y) wie in Bild 11.18 zu bestimmen. Aus der Ahnlichkeit der Dreiecke HNE und EGD
folgt mit den bezeichneten Querkraft- und Liingenm~en das Durchgangsma/3

FA -F
x=-- c (I1.47)
Fl
Mit Hilfe der Querkraftflache in Bild IU8 ergeben sich folgende Biegemomente:

MbI = FA a = 7000 N· 1,5 m = 10500 Nm


MblI =MbI + (FA -F)(cl-a)= 10 500 Nm+ 1000N·0,5 m= 11 000 Nm

389
Festigkeitslehre

Lageplan
'Y..
F = 6000N', F' = 2000 m
F, =F'c=6000N al b1
~-~
-I- -~

a = 1,5m;b=4,5m;c=3m a I b
I
a1
et
=3,5m;b, =2,5m;/=6m
= 2 m; t:.2 = 1 m
,l F =F"e
1

Stiitzkriifte:
A I F B,
FA = lOOON; F S = 5000N ~ Ix I II III Fa
el e e2
Siegemomente:
Mb/ = FA' a = lOOON· 1,5 m = 10500Nm
Mbl/ = FA' et- F · (et- a)
= lOOON·2m-6000N·(2m-l,5m)
Mbl/ = 11000Nm
Mb/l/ =FS·C2=5000N·lm=5000Nm

Bild ILl8. Stiitzkrlifte FA, FR , Querkrafte


und Biegemomente bei Einzel- und Streck en-
f10mentenfliiehe

va
last 0 0

~"'~~
~c.<>
"'1l
~

~
.....
~ ~ ~ '"
~
0
E
~V
~

pa rab e
~ 1
C

kriifteplan
Kr. f1.: 1em!! 4000N (mK =4000-/f;,)

F'1
Querkraftfliiehe F2
V+f'jk--l- f1bm~x- Ste)le (Nulldurehgang) ---'--'-F-'-'-, 2

O~~~~~L4~~hTTn+n"HTnrO 3~--S-3----- f1
F. T 1
Fa B F'~4
J+f++--"------+-+ 4 1 5
Aql = Aq2 E f1bmax ! ~
I
f1bmax = f'.4 - 7;I = 9000 Nm ~"d+I+4----t--f-F51/ /6

F;,j;f=F'-1
III I I I---,-P-",olc-:a.:cbs"-,f-=-an,-,,d=-:Hc:..-_-3=-e-::m,,--_
Seil eekfliiehe =f10mentenfliiehe Stutzkriifte.
~ =FB =1,5cm!! 6000N
f1bmax = H·mK·Ymax·mL
dem· 4000 ffn· 0,56 em 'j c'' m
z 9000Nm

Bild II.19. Stiitzkrlifte FA, FR, Querkrlifte und Biegemomente bei Streckenlast; Streckenlast F' = 2000 N/m,
1= 6 m

390
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten
Man kann auch rein rechnerisch vorgehen (Summe aller Momente links von Schnittstelle II):
MbII =FAC1-F(cl-a)=7000N'2m-6000N'0,5m= 1l000Nm
MbIII = FBC2 = 5000 N·l m = 5000 Nm

Mbmax = FB (y + C2) - F'y ~


darin ist y = c - x und nach (11.47)
FA - F (7000 - 6000) N
x = ---p;- c = 6000 N = 0,5 m
also y = 3 m - 0,5 m = 2,5 m.

Mbmax = 5000 N (2,5 + l)m - 2000 m'


N
2,5 m '1,25 m = 11250 Nm

oder mit der Querkraftflache rechts vom Nulldurchgang:

Mbmax = FB C2 + FB ~ :, Rechteckflache + Dreieckflache = FB (C 2 + ~ )

Mbmax = 5000 N (1 + 1,25) m = 11250 Nm


Die Momentenf/iiche oder Momentenlinie entsteht, wenn die Biegemomente der einzelnen Quer-
schnitte mail.stablich als Ordinaten von einer Nullinie aus aufgetragen werden. Die Momentenlinie
ist bei Einzelkrliften eine geneigte Gerade, bei Streckenlasten eine Parabel, wie auch Bild JI.l9
zeigt. Danach wird das BiegemomentMbx an der Schnittstelle x:
_ FA + Fqx
Mbx = Trapezflache = 2

fUr FA = FB ="2F =2F'I.,.


und lUI Fqx = FA
'I
- F x eingesetzt:

F'I F'I ,
- +- - F Ix , , 2 ,
M = 2 2 I _ F I I _ F Ix = L (ll _12)
bx 2 x 2 x 2 2 x x
d.h. bei Streckenlast ist die Momentenlinie eine Parabel. Das maximale Biegemoment liegt in
Balkenmitte, also bei Ix = 1/2
F'1 2 FI
Mbmax =-8- = 8

Beachte: Die Momentenlinie gibt bei Biegetragern mit gleichbleibendem Querschnitt zugleich den
Verlauf der Randfaserspannung tiber die Balkenlange an. An der Mbmax·Stelle ist also auch die
Randfaserspannung am gr6Bten.
Zusammenfassung: Das Biegemoment Mb entspricht der Querkraftflache Aq links oder rechts von
der betrachteten Querschnittsstelle unter Beachtung der Vorzeichen der Flachen.
Das gr6Bte Biegemoment Mbmax liegt dort, wo die Querkraftlinie "durch Null" geht (Nulldurch-
gang) oder wo die Seileckflache ihre gr6Bte Ordinate Ymax besitzt.
Geht die Querkraftlinie mehrfach durch Null, mtissen zum Vergleich die Biegemomente fUr alle
Nulldurchgange berechnet werden.
Kontrolle der Querkraftflache: Die Summe aller positiven Flachenteile (oberhalb 0-0) muB gleich
der Summe alIer negativen (unterhalb 0-0) sein, also ~Aq = 0, weil entsprechend beim statisch
bestimmt gelagerten Trager die ~M = 0 sein muB.
Vereinbarung: Biegemomente sind positiv, wenn in den oberen Fasern des Biegetragers Druck- und
in den unteren Fasern Zugspannungen ausgel6st werden.

391
Festigkeitslehre

2.4. Zeichnerische Bestimmung der Stiitzkriifte, Querkriifte und Biegemomente


2.4.1. Stiitzkriifte. Die Stiitzkriifte FA, FB werden durch Krafteck· und Seileckzeichnung gefun·
den (Bilder 11.19 und 11.20); siehe auch "Statik". 1m Krdfteplan werden die Lasten F= 6000 N
und FI = F' c = 6000 N maBstablich und richtungsgemiiB aneinander gezeichnet. Mit Hilfe der
Poistrahien 0, 1, 2 ... , zum beliebigen Pol M werden die Seilstrahlen 0', 1',2' ... durch Parallelver-
schiebung gezeichnet. Die Schluj3linie S' des Seilecks wird in den Krafteplan tibertragen (S) und
schneidet dort im Teilpunkt T die Stiltzkrdfte F B, FA abo Das Krafteck der Krafte F, Fb F B, FA
muB sich schlieBen.
2.4.2. Querkriifte. Die Querkrafte Fq werden aus dem Krafteplan herUbergelotet und auf ihren aus
dem Lageplan heruntergeloteten Wirklinien aufgetragen. Damit ergibt sich die Querkraftlinie. Sie
ist bei Streckenlast eine geneigte Gerade, wie in Bild 11.19 nachgewiesen worden ist.

Lageplan
Lg.M._lcm~lm (mL= If!n)
, _ _ _ _ _ _ _ _ _I _ _ _ _ _ _ _------j
F =6000N

F~a-- '-l~I~F'c
r--_ _ _ _ _a--'-I__ I b2 I 0= F'c = 2000 %3m =6000N
: a =I,Sm; b =4,5m; c= 3m
al= 3,Sm; b1 = 2,Sm;1 = 6m
F
/
I Kriifteplan
Kr.t1_1cm ~ 4000N (mK = 4000-!/;:,)
irrT'fT1Trrrr-r+--+--~~ ---- - - - ----1----+----.,--'"
x y Z

Querkraftfliiche

t1

F' ,
F/ 0,=1,7Scm~7000N
FB = I,2Scm~ SOOON

a x- Berechnung:
~-F Fl
x c
x=(0,-F)c = 1000N-3m=05m
o 6000N'

t1bmax~ Aq2= (f +z) Fa

=(2,;m + lm)SOOON

= 112S0Nm

Biegemomenten- Verlauf
t1bmax =2,Scm4000-ffn 1,12Scm-lf!n
= 112S0Nm

Bild 11.20. Stiitzkrftifte FA, F B , Querkrafte und Biegemomente bei Einzel- und Streckenlast

392
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

Der Nulldurchgang legt die Mb max -Stelle fest. Die QuerkraftfHiche links oder rechts vom Nulldurch-
gang entspricht dem gro~ten Biegemoment:

Aql = Aq2 ~ M bmax

Die Durchgangsmaj3e x und Y konnen unter Beriicksichtigung des Langenm~stabes abgegriffen


werden (Bild IUO)_
2.4.3. Biegemomente. Die Biegemomente Mb werden zeichnerisch mit Hilfe der Seileckfliiche be-
stirumt. Die Seilstrahlen liefem mit der Schlu~linie S' die Momentenlinie. Sie ist im Bereich der
Streckenlast eine ParabeL Aus der Ahnlichkeit der schraffierten Dreiecke (Bild 11.20) im Seileck
und Krafteplan ergibt sich:
YI FA
a Ii und daraus FA a = H YI = MbI (11.48)

Nun ist aber FA a = MbI das Biegemoment an der Balkenstelle I, so d~ allgemein gilt:

Das Biegemoment Mb an einer beliebigen Balkenstelle ist gleich dem Produkt aus der Ordi-
nate Y des Seilecks und dem Polabstand H des Krafteplanes unter Beriicksichtigung von Lan-
genm~stab mL in m/cm oder cm/cm und Kraftem~stab mK in N/cm.

(11.49)
N m
Nm cm
em em

Das gro~te Biegemoment M bmax in Bild II.20 wird mit Polabstand H = 2,5 cm, Ymax = 1,125 cm,
Kraftema~stab mK =4000 N/cm und Langenm~stab mL = I m/cm
N m
M bmax = HYmax mK mL = 2,5 cm '1,125 cm ·4000 cm ·1 cm = 11250 Nm
Nach Bild 11.19 ergibt sich ebenso
N 4 m
M bmax =HYmax mK mL =3 cm '0,56 cm ·4000 cm '"3 cm = 9000 Nm
• Beispiel: Ein Holzbalken hat Rechteckquerschnitt von 200 rum Hohe und 100 rum Breite. Welches
gro~te Biegemoment kann er hochkant- und welches flachliegend aufnehmen, wenn
8 N/mm 2 Biegespannung nicht iiberschritten werden soll?
LOsung: M bmax = W Ubzu\
bh 2
W=6
Mbmax,hoeh = Whoch Ubzu\

M
b max, hoch
= 100 rum' 6(200 rum)2 .8~
2
= 5333 .10 3 Nmm
mm
M bmax , fJach = WfJach Ubzu\
200 rum' (100 rum)2 N 3
M bmax fJach
, = 6
mm = 2667·10 Nmm
. 8 --2

Mbmax,hoch = 2· Mbmax,fJach
393
Festigkeitslehre

• Beispiel: Der Freitrager nach Bild 11.21 tragt die Einzellasten 11


12
F I =15kN, F2=9kN, F 3 =20kN;
13
II = 2 m, 12 = 1,5 m, 13 = 0,8 m,
N ;; F3

I
0bzul = 120 - - 2
mm
Ermittle:
Bild 11.21
a) Mb max,
b) das erforderliche Widerstandsmoment Werf,
c) das erforderliche IPE-Profil nach Tafel ILl I ,
d) die groi!Jte Biegespannung!
LOsung: a) Mbmax = FIll + F2/2 + F3/3
Mbmax = (15·2 + 9 ·1,5 +20· 0,8)kNm = 59,5 kNm = 59,5 .106 Nmm

b) Werf = M bmax = 59,5.10 6 Nmm = 496 .10 3 mm 3


°bzul 120~
mm 2

c) IPE 300 mit 557 . 10 3 mm 3

d) = Mb max = 59 500.10 3 Nmm = 107 ~


°b vorh W 557.10 3 mm 3 mm2

• Beispiel: Das Konsolblech einer Stahlbaukonstruktion ist nach


Bild II.22 als SchweiBverbindung ausgelegt. F = 26 kN F
Hochstlast. Berechne flir a = 8 mm SchweiBnahtdicke
a) die Biegespannung 0schw b im geHihrdeten Querschnitt,
b) die Schubspannung T schw s.
LOsung: Bei allen SchweiBverbindungen wird die Nahtdicke a in die
Ebene des gefahrdeten Querschnittes hinein geklappt.
Mb =Fl
Fq =F
Bild II.22
B
------ ------
(2a +s)· (2a +h)3 -so h 3
Wx = 6(2a+h) (nachTafelll.lS.385)

H
Mb = FI= 26000 N· 320 mm
Mb = 8320.10 3 Nmm
_ 28 mm· (266 mm)3 -12 mm· (250 mm)3 _ 3 x
Wx - 6.266mm -105689mm
a 5 a
_ Mb _ 8320.10 3 Nmm - 78 7 ~
°schwb - Wx - 105,689.103 mm 3 - , mm 2

Fq Fq
b) Tschw s = A =(2a + s)(2a + h) - sh
26000N N
Tschws = 28 mm· 266 mm -12 mm· 250 mm = 5,8 mm2
394
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

2.4.4. Wandemde Last (Blld 11.23). Bei Briicken, Kranen und sonstigen Tragwerken m\£ diejenige
SteHung einer gegebenen Kriiftegruppe (F I , F 2 , F 3 ) herausgefunden werden, bei der der Balken
am stiirksten beansprucht wird. Statt nun fur verschiedene LaststeHungen auf dem festgehaltenen
Balken jewells ein neues Selleck zu zeichnen, wird einfach zu einer beliebigen LaststeHung in iiblicher
Weise Kraft- und Seileck ge-
zeichnet und der Balken rela-
tiv zum festgehaltenen Sell-
eck verschoben. Dadurch ent-
stehen immer neue Schlu~­ ~ F3 0
54

~>M
linien S b S 2, S 3 ... als einhiil-
lende Tangenten einer Parabel.
M bmax tritt hier unter der Fl
Kraft FI auf, wie das Seileck
zeigt. Die zugehorige Balken- ~ 3
steHung mit der Schlu~linie
S wird durch die Tangente an
~
die Parabel in T gefunden.
Damit ist auch der geHihrdete /1
Querschnitt bei ungiinstigster F3
LaststeHung bestimmt (M~
II)' M bmax kann zeichnerisch ~ Fa
oder rechnerisch bestimmt
werden. Nach Bild II.23 ist Bild II.23. Wandernde Last mit Lageplan, Krafteck, Seileck,
ungiinstigste Laststellung

2.5. Trager gleicher Biegebeanspruchung


Hat ein Biegetriiger durchgehend gleichen Querschnitt (besser: gleiches axiales Fliichenmoment),
so tritt nur irn gefahrdeten Querschnitt (Mb max -Stelle) die gr6Bte Randspannung auf. AIle anderen
Querschnittsstellen haben kleineres Biegemoment und deshalb kleinere Randspannung, konnten
also schwacher gestaltet werden. Das wird erreicht durchAnformung, d.h. der Querschnittsverlauf
folgt dem Gesetz a = Mb/W =konstant =azul. Damit wird das erforderliche Widerstandsmoment W
an beliebiger BalkensteHe x: Wx = Mx/azul'

• Beispiel: Konsoltriiger (Freitriiger) nach Bild 11.24 mit gleichbleibender Breite b werden der Hohe h
nach angeforrnt.
by2
Mit Biegemoment Mx = Fx und Wx = 6 folgt aus der Bedingung gleichbleibender
Biegespannung a an jeder Balkenstelle:
Mbmax Mx
Wmax = Wx ; Mbmax = FI
bh 2
Wmax =6
FI6 Fx6
y b

y=h10 Bild 11.24. Trager gleicher Biegebeanspruchung


(Konsoltriiger), siehe auch Tafel II.3

395
Festigkeitslehre
Die Begrenzungskurve ist eine quadratische Parabel. Praktisch wiihlt man als Begrenzung fUr eine
angeniiherte Form die gestrichelte Tangente. Die gro~ere Bedeutung haben die ersten ftinf Frei-
trager in Tafel II.3.

2.6. Formiinderung beim Biegen (Durchbiegung, Kriimmung)


Beim Biegetrager ktirzen sich die Fasersehichten auf der einen und liingen sieh auf der gegeniiber-
liegenden Seite. Nur die neutrale Faserschieht behiilt ihre urspriingliche Liinge bei;jedoch wird die
vorher gerade Stabachse elastisch gekriimmt. Die entstandene Kurve der Stabaehse hei~t elastische
Linie oder Biegelinie. Die geometrisehen Verhiiltnisse in Verbindung mit dem Hookeschen Gesetz
ergeben die "Gleiehung der elastisehen Linie", die Durehbiegungsgleichung.
2.6.1. Kriimmungsradius, Kriimmung (Bild 11.25). Durch die elastische Kriimmung der Stabachse
des Freitragers mit gleichbleibendem Querschnitt werden zwei (unendlich) dieht benaehbarte Quer-
schnitte 1-1' und 2-2' gegeneinander geneigt (Winkel ""). Ihre Fluchtlinien sehneiden sich im
Kriimmungsmittelpunkt 0 und ergeben den Kriimmungsradius P an dieser Balkenstelle (x). 0 ist
der Mittelpunkt eines Kreisbogenstiiekes der (ganz kurzen) I
Lange s. s ist ein (ganz kleiner) Teil der Biegelinie. Gegen-
iiber der unveranderten neutralen Faser ist die Zugfaser
gestreekt, also auch das Teilstiick s urn den Betrag t:.s. Nach
dem Strahlensatz gilt:

s + t:.s Px + e
s Px

1 + t:.s = 1 +!!.- oder auch t:.s =.!:...


s Px s Px F

Da ~s = Dehnung € ist, wird mit dem Hookeschen Ge-


setz (1.8): as = .!:... = € = aEx und daraus der Kriimmungs-
s Px
ruulUS
,_A· eE. Der K ehrwert hel",t
Px = - rummung k = - 1 = -E.
.f> K .. ax
~ ~ e
Bild 11.25. Geometrische Verhiiltnisse
Wird fUr die Biegespannung ax = Mx/W nach (11.15) einge- am einseitig eingespannten Biegetriiger
setzt und nach (II.31) fill We = Flachenmoment I, so er- (Freitriiger) mit Einzellast; Kriimmung
gibt sich: stark iibertrieben gezeichnet

EI
Px = - Px E I Mx (ll.50)
Mx
N
Mx 1 mm mm Nmm
kx = Px = EI mm 2 (II.51)

Beachte: Die Einspannstelle hat die starkste Kriimmung k max und den kleinsten Kriimmungs-
radius Pmin.

396
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

Tafel 11.3. Trager gleieher Biegebeanspruehung

Begrenzung des Gleichungen zur Berechnung


Langs- und Querschnitt des Tragers
Langsschnittes der Querschnitts-Abmessungen

Die Last F greift am Ende des


Tragers an:

obere Begrenzung:
Gerade
untere Begrenzung: 3·

Quadratisehe Parabel Durehbiegung in A: f = :; ( ~)

y = h~F x; b = 6Fl . Y = bx
azul h2 azul' 1

Gerade

*)
3

Durehbiegung in A: f = :;(

B y=V n32F x; d=V n32F1 ; Y=dl~1


azul azul ~

Kubisehe Parabel
·
Durehb legung . A
III :
f ="5.
3 Fl 3 I
EI; = nd
64
4

Die Last Fist gleichrniiliig


tiber den Trager verteilt:

b= -.-l.£L.
h2 azul'

!; (*)
Quadratisehe Parabel 3

Durehbiegung in A: f =

397
Festigkeitslehre
Tafel 11.3. Fortsetzung

Begrenzung des Gleichungen zur Berechnung


Langs- und Querschnitt des Tragers
Langsschnittes der Querschnitts-Abmessungen

Die Last F wirkt in C:

obere Begrenzung: y=
zwei Quadratische
Parabeln
YI =

6F(l-a)a
h=
blozul

Die Last F ist gleichm~ig


tiber den Trager verteilt:
3FI
h=
4b azul

obere Begrenzung:
Ellipse

• Beispiel: Eine Achse aus Stahl wird nach Tafel 11.3, dritte Zeile, mit F = 10 kN belastet. Die zu-
lassige Biegespannung betriigt 30 N/mm 2 , die Lange 1 = 350 mm.
Zu bestimmen sind a) Durchmesser d, b) Durchbiegung f, c) Durchmesser Yl,Y2 ... fur die
Lastentfernung XI = 1/81, X2 = 1/41, X3 = 1/21, X4 = 3/41, Xs = Z, jeweils in Abhangig-
keit vom Durchmesser d.

LOsung: a) d = V 32 FZ =
1f °bzul
V132 '10 30N·~
3

1f'
4
350 mm = 106 mm

mm 2

c) Lastentfernung X = 1/ lz
4
lz
2
~/
4
/
8

Wurzelfaktor =
Vf V14
0,5d=
-=05
8 '
= 0,63

0,63 d =
Vf2
0,8d=
=0,8
vr 4 = 0,91
0,91 d =
1

Durchmesser y= d= 106mm
54mm 67mm 85mm 96,5 mm

398
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

2.6.2. Allgemeine Durchbiegungsgleichung (Bild 11.26). Durch die Neigung der einzelnen Quer-
schnitte entsteht am Balkenende die Durchbiegung f. Werden in den Punkten 1 und 2 an die Biege-
linie die Tangenten angelegt, so schlietl.en sie ebenso wie der Kriimmungsradius Px den Winkel <p
ein. Die Tangenten schneiden auf der Senkrechten am Balkenende von der gesamten Durchbiegung
f das (stark iibertriebene) Stiick Af abo Es ist also f= ,£Af. Aus der Ahnlichkeit der schraffierten
Dreiecke folgt:

.!.... = Af oder Af= sx


Px x Px

Nach (11.50) Px = !~ eingesetzt ergibt Af= S~~x und damit die Durchbiegung

(11.52)

Der Ausdruck Mxs entspricht nach Bild 11.26 dem Teilstiick AAM der gesamtenMomentenf/iiche
AM, und Mxsx ist dann das Moment dieser Teilflache in bezug auf das Lastende des Balkens:
Mxsx = AAMx. Nach der Schwerpunktslehre ist aber die Summe der Momente der Teilflachen
gleich dem Moment der Gesamtflache; also '£Mxsx = '£AAMx =AMXO mit Xo = Schwerpunkts-
abstand der Gesamtflache vom Lastende. Damit wird die Durchbiegung:

(11.53)

Durchbiegung und Neigung der Biegelinie werden flir allgemeine Falle zweckmatl.iger nach 2.6.4
bestimmt (Mohrscher Satz).

Bild II.27. Durchbiegung beim Freitrager


mit Streckenlast (gleichmiillig verteilter Last)

BUd II.26
Zur Herieitung der Durchbiegungsgleichung

399
Festigkeitslehre

Eine ahnliehe Summenbetraehtung flihrt zum Neigungswinkel a der Biegelinie (Endtangente):


Da je zwei (unendlieh) dieht benaehbarte Tangenten den Winkel <.p einsehliell.en, setzen sich alle
diese Winkel zum Winkel a der Endtangente zusammen: a = 'f,<.p. Da are<.p (= Bogenmall. des Win-
kels <.p) = s /P ist, wird

s sM 1 1
area='f,p= 'f, El = El'f,Ms= El'f,/1A M

Flir kleine Winkel ist area = tana und damit die Neigung der Biegelinie in den Endpunkten:

1 f
tan a = -AM = - (II. 54)
El Xo

Mit Hilfe der vorstehenden Gleichungen und Erkenntnisse lassen sieh die in Tafel 11.4 (Seite 407)
zusammengestellten Gleichungen entwiekeln, wie die folgenden Beispiele zeigen.

2.6.3. Beispiele zur Durchbiegungsgleichung


1. Fi.ir den vorstehend behandelten Freitrager mit Einzellast (Bild 11.26) ist die Momentenflaehe
AM eine Dreieeksthehe = Mmax 4= F; l = F;2 und der Sehwerpunktsabstand dieser Flaehe Xo =
~ l. Damit ergibt sich naeh der allgemeinen Durehbiegungsgleiehung die Durchbiegung

(I1.55)

ebenso die Neigung der Biegelinie aus:

(II.56)

oder aueh aus:

f Fl 3 3 FI2 .
tan a = Xo = 3El ·21= 2El (vgl. mIt Tafel II.4)

2. Flir den Freitrager mit gleiehmall.ig verteilter Streekenlast naeh Bild II.27 ist die Momenten-
flaehe eine Parabel. 1m Absehnitt Mathematik wurde gezeigt, dall. die Parabelflaehe gleich einem
Drittel der umsehriebenen Reehteekflaehe ist und dall. der Sehwerpunktsabstand Xo = ~ 1 betragt.

Mit Mmax = ~I (halb so groll. wie bei Einzenast am Balkenende!) und

AM =} ~l 1 und Xo = ~ 1 wird naeh (II.53) die Durchbiegung

1 1 F 12 3 F 13
f= EI·"3· T .4 1= 8El (II.57)

Weiter wird die Neigung bereehnet aus

1 1 FI FI2 .
tan a = El·"3 . "2 ·1 = 6El (vgl. mIt Tafel 11.4) (11.58)

400
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten
2.6.4. Geometrisch-analytische Bestimmung der Durchbiegung. Biegemomentengleichung und all-
gemeine Durchbiegungsgleichung zeigen eine Gesetzahnlichkeit, die zur Bestimmung der Durch-
biegung von Tragern benutzt wird:

Biegemomentengleichung: Mx = Kraft F· Wirkabstand x


Durchbiegungsgleichung: Elfx = Momentenflache AM· Schwerpunktsabstand Xo (vgl. II.53).
Daraus wird der Mohrsche Satz abgeleitet:

Die EI·fachen Durchbiegungen eines Tragers sind gleich den Biegemomenten des mit der
Momentenflache AM belasteten Hilfstragers und
die EI-fachen Neigungen der Biegelinie in den Stiltzlagern sind gleich den Hilfs-Stlitzkraften
A a, A b des gleicherweise belasteten Hilfstragers.

Man denkt sich also einen Hilfstrager (Bild 11.28), be- Lageplan
I I
lastet ihn mit der Momentenflache (als "Hilfskrafte") "2 "2
und bestimmt deren "Biegemoment" an der betrachteten
Stelle. Dieser Wert wird durch EI geteilt und ergibt die Fa
Durchbiegung fx an dieser Stelle. Die maximale Durch-
biegung fmax entspricht also dem maximalen "Biege-
moment" des Hilfstragers. Sie kann ebenso wie das maxi- 0
male Biegemoment Mmax des richtigen Tragers mit Hilfe
der Querkraftflache gefunden werden (Nulldurchgang!).
Die Neigung der Biegelinie entspricht den Hilfs-Stiitz- A2=Al
kraften A a und A b.
A2=Al
I
"3 Ab

o~~~~--~--+rrnnTrrrrrO
Ab
des Hilfsfriigers

• Beispiel: Flir den Stlitztrager (Bild 11.28) mit Einzelkraft


Bild 11.28. ZUI geometrisch-analytischen
in der Mitte ist die Gleichung der elastischen Bestimmung der Durchbiegung
Linie zu entwickeln!

Lasung: a) Stiltzkrdfte FA, FB : F


Aus der symmetrischen Belastung ergibt sich FA = FB = "2 .
b) Biegemoment M: F
An der Querschnittsstelle x ist Mx = FAX = ~ .
2
c) Biegemomenten/ldche AM: F F 2
·· Querschn·Ittsste IIe x 1St
Fur x ="""2
. A x = M x"2 x x"2 = 4x

d) Hilfs-Stiltzkriifte Aa, Ab des mit der Momentenflache belasteten Hilfstragers sind


wegen Symmetrie:

Mmax I
~ = A a =A d· M
b, un mit
Fl. d
max = 4 WIT
A
a = A b = 16
Fl2
.
401
Festigkeitslehre

e) Hilfsbiegemoment an der Querschnittsstelle x ist gleich dem EI-fachen der Durch-


biegungfx:
x FI2 Fx 2 X FI2 ( 4X3) FI 3 (x 4X3)
EIfx=Aax-Ax3=16x-4'3=16 x- 3 [2 =16 [-3/ 3

FI 3 (x 4X3)
fx = 16EI [ - 3/ 3

die Gleichung der elastis'chen Linie flir diesen Trager.


" I, FI 3
Fur x = 2 wlfd fx = fmax = 48EI
Die Neigung der Biegelinie in den Stiitzlagern ergibt sich aus den Hilfsstiitzkraften:
1 1 FI2
tan 0: = EI Aa = EI'16

Meistens muB nur die groBte Durchbiegung f max bestimmt werden, Dann ergibt sich
nach Bild II.28 (Hilfstrager und Querkraftflache):
1 1
EIfmax =Aa "2- AI "6
und mit den Werten flir Aa und AI:
F 12 1 F 1 1 1 F 13
EIfmax=16 "2-4"'4'6= 48

FI 3
fmax = 48 EI

Noch einfacher wird das maximale Hilfs-Biegemoment aus der Querkraftflache abge-
, F12)
lesen ( mltAa=AI=16:

1 FI2 1
EIfmax= Aa 3=16 '3

FI 3 ,
fmax = 48EI (vgl, auch mit Tafel 11.4)

• Beispiel: Fiir den Stiitztrager (B'ild II,29) mit gleichbleibendem Querschnitt und Ix = 29210 cm4
ist die groBte Durchbiegung fmax und die Neigung der Biegelinie in den Stiitzlagern zu
bestimmen!

LOsung: a) Stiitzkriifte FA, F B:


~Y=O=FA -FI -F2 +FB
~M(A) = 0 = - FB ,10 m + F2 ' 6 m + FI ' 3 m

F = 20 '10 3 N' 6 m + 10 '10 3 N ,3 m = 15000 N


B 10m
FA = 30, 10 3 N -15' 10 3 N = 15000 N (Kontrolle mit ~M(B) durchftihren!)
b) Biegemomente M:
MI = FA ,3 m = 15000 N' 3 m = 45 000 Nm
M2 = FB ,4 m = 15000 N ,4 m = 60000 Nm

402
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

Lageplan
3m 3m 4m
FI =10000N F2 =20000N

~
cr u:> Fa

Momenfenfloche
0 0

A3
Hilfs-
froger
AI A2 A3 A4
AQ 2m I
I--
~m
I

iT
4m 1m I 5m

Kraffeck des Hilfstrogers


AQ Kr. M.: mK = 6.10 8 Ncc;:2
: I
Nulldurchgang o
A3
A4

des Hilfsfrdgers
Lg.M,·mL =200f,i;
Aa" Ab = 2,9cm
=174000Nm 2

Bild II.29. Stiitztriiger mit gleichbleibendem Querschnitt (Kraft- und Seileck werden in 2.6.5 besprochen)

c) Biegemomentenfliiche AM:

Al =M I '3m =4S000Nm·3m = 67S00Nm2


2 2

A 2 = A I = 67500 Nm2; A3 = M2 . 3 m = 60 000 Nm' 3 m = 90 000 Nm2


2 2
A4 = M 2 ' 4 m = 60 000 Nm' 4 m = 120000 Nm2
2 2

403
Festigkeitslehre
d) Hilfsstiitzkrdfte A a, A b :
~Y=0=Aa-AI-A2-A3-A4+Ab
~M(A) =0 = +Ab ·10 m-A 4 '7,33 m-A 3 '5 m-A 2 '4 m-A I ' 2 m
Ab = 173460 Nm 2 ; Aa = ~A - Ab = 171540 Nm 2
(Probe mit ~M(B) durchftihren!)

e) Das Hilfsbiegemoment an der Stelle des gefahrdeten Querschnittes (Nulldurchgang)


wird aus der Querkraftflache des Hilfstragers berechnet:
maximales Hilfsbiegemoment ~ A q ~ Durchbiegung f max E I
EIfmax = Aa' 5 m - AI' 3 m - A 2 '1 m
EIfmax = 171540 Nm 2 • 5 m - 67 500 Nm 2 • 3 m - 67 500 Nm 2 '1 m
EIfmax = 587 700 Nm 3
fmax = 587700 Nm 3 = 9,58 mm
21'lOs~'29210'104mm4
, mm 2

Die Neigung der Biegelinie entspricht den Hilfsstlitzkraften; also

tan a = -.L Aa = 1 ·171540 .10 6 Nmm 2


EI 2 l·lOs~. 29210'10 4 mm4
, mm
2

tanG' = 2,8 .10- 3 = 1 : 357

tan {3 =iI' Ab =2,84 '10- 3 = 1: 352

2.6.5. Zeichnerische Bestimmung der Durchbiegung und der Biegelinie (Bild 11.29). Es werden die
Uberlegungen aus 2.6.2-2.6.4 benutzt und die Rechnung mit der Zeichnung kombiniert. Die Seil·
eckflache kann als Momentenflache sowohl fUr die echten Balkenlasten wie auch fUr die Hilfslasten
(= Biegemomentenflachen) des Hilfstragers benutzt werden. Die Umhiillende des letzten Seilecks
ergibt die Biegelinie, d.h. die Biegelinie ist die Seilkurve der gedachten Belastung des Hilfstragers.
Die EI-fache Durchbiegung an beliebiger Balkenstelle ist dann das Produkt aus Ordinatenwert y
und Polabstand Hunter Beachtung des Langenmlillstabes mL und des Kraftema~stabes mK:

(11.59)

Beispiele:
1. Freitriiger von gleichbleibendem Querschnitt mit Einzellasten (Bild 11.29). Zunachst wird mittels
Seil- und Krafteck der wirklichen Krafte F I , F2 - oder auch durch Rechnung (wie hier) - die
Momentenflache des tatsachlichen Tragers entworfen. Die Momentenflache wird wie vorher in die
Teilflachen 1 ... 4 zerlegt und die Flacheninhalte als Hilfskrafte AI'" A4 aufgefa~t (im jeweiligen
Flachenschwerpunkt angreifend), die auf den Hilfstrager wirken. Auch bei der zeichnerischen
Methode mlissen also die Inhalte der Flachen berechnet werden. Die Schwerpunktslage wird zweck-
ma~ig zeichnerisch festgelegt. Flir den Hilfstrliger wird dann Kraft- und Seileck gezeichnet (Bild II .29
unten) und die Biegelinie eingetragen. Wahre Punkte liegen lotrecht unter den Trennlinien der

404
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten
Momentenfliiehen. 1m Seileek sind die Ordinatenwerte Y ein Mall, fur die Durehbiegungf. Die Hilfs-
Stiitzkrafte A a, A b des Hilfstragers sind ein Mall, fUr die Neigungswinkel 0: und {j. Die parallel ver-
sehobene Sehlufl,linie S' tangiert an der Ymax-Stelle (= fmax-Stelle) der gezeiehneten Biegelinie.
Wiehtig ist die Mall,stabsreehnung. In Bild 11.29 wurden gewiihlt:

Uingenmall,stab mL = 200: (= 200 emje em) und

Kriiftemall,stab m = 6 . lOs Nem 2


K em

Die Einheit Nem2 kommt aus der Flaehenbereehnung: Biegemoment (Nem) mal Lange (em) zu-
stande. Mit den aus der Zeiehnung abgegriffenen Werten Ymax = 1,65 em und H = 3 em ergibt sieh
naeh (11.59):
1
f max = EI Ymax HmL mK
1 em sNem2
f max = . 1,65 em· 3 em· 200 - . 6·10 - -
21.105~.2921O.104mm4 em em
, mm 2
em 3 103 mm 3
f max = 0,00968 - - 2 = 0,0098 2 = 9,8 mm
mm mm
Die Neigung der Biegelinie in den Stiitzlagern wird wie in den vorhergehenden Beispielen bestimmt
aus:

tan 0: = ilAa; tan{j = ilAb (Mall,stab beriieksiehtigen)

2. Stiitztriiger mit veriinderlichem Querschnitt und Einzellast (Bild 11.30). Stiitzkrafte FA , FB und
Momentenflaehe wurden hier reehneriseh bestimmt:

FA = 23400N; FB = F- FA = 36600 N; Mmax = FA ·97,5 em= 2280000 Nem


Fiir die einzelnen Quersehnittsstellen (1 ... 7) wurden die Flaehenmomente I, die Biegemomente M
und der Quotient Mjl zusammengestellt.

Zusammenstellung der Grofl,en zu Bild 11.30

Durch- Fliichen- Biege- Flache A mit


Quotient Biege-
Querschni tts- messer moment moment Flacheninhalt
Mil spannung
stelle d I M (Hilfskriifte)
incm in cm4 inNcm in N/cm 3 in N/cm 2 N/cm 2
1 10 500 - - -

10 500 352,0 1760


AI = 1320
2 175500
14 1920 92,0 640
An = 27420
14 1920 822,0 5760
3 1580000
20 8000 197,5 1980
A III = 7240
4 20 8000 2280000 285,0 2850
20 8000 149,0 1490
AIV = 6510
5 1190000
14 1920 620,0 4330
14 1920 142,5 998
Av = 9530
6 274000
10 500 548,0 2740
Avr= 2060
7 10 500 - - -

405
Festigkeitslehre

Lageplander Welle 300


mL=20~ F=60000N

4- ·

600 600
1600

i
MomenfenfUiche

l
1em E10 6Nem

I
I : '/-..
reduzierfe Momenfenfloehe
(MII- Floelle) "
1emE 400'-#;J
I

=
is A. =215em 27500 ~
Ab =2,65em =26500 ;;,.
Bild II.30. Zeichnerische Bestimmung der Durchbiegung einer abgesetzten Welle

406
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

FUr die Stellen 2, 3, 5 und 6 ergeben sieh wegen des Quersehnittssprunges zwei Flaehenmomente.
Neu gegenliber Beispiel 1 ist die Aufzeichnung der sogenannten reduzierten Momentenf/ache
(M/I-Flaehe). Das ist wegen der springenden I-Werte ni:itig. Es ergibt sich der gebroehene Linien-
zug. Die Sehwerpunkte der seehs Teilflaehen wurden zeiehneriseh bestimmt, die Flaeheninhalte
bereehnet und als Hilfskrafte auf den Hilfstrager aufgesetzt. Flir diesen werden nun Krafteek und
Seileek entwickelt und die Biegelinie eingezeiehnet. Wahre Punkte dieser Kurve liegen wieder lot-
reeht unter den Trennlinien der M/I-Flaehen. Die zur Sehlu~linie S parallele Tangente S' an die
Hilllkurve bestimmt beim vorliegenden Stlitztrager (ohne Kragarm) die f max -Stelle. Mit Berlieksieh-
tigung der Ma~stabe kann dann die gri:i~te Durehbiegung bereehnet werden:

Langenmaj3stab mL = 20 ~~, d.h. 1 em der Zeiehnung entspreehen 20 em Wellenlange.

N
2
Kraftemaj3stab (der Hilfskrafte) mK = 104~
em
Damit wird

fmax = k Ymax HmL mK, und mit den Werten aus der Zeiehnung:

I em 4 N
f max = N . 2,3 em' 2,5 em' 20 - '10 - 3
21'105-- em em
, mm 2

mm2
fmax = 5,476 em = 0,5476 mm "'" 0,55 mm

Die Neigung der Biegelinie in den Lagerstellen A und B:

N
A 27500- 1
a em 2
tan a = E = N = 0 0013 = 769;
21'10
,
5-
mm 2

407
Festigkeitslehre
Tafel 11.4: Sttitzkrafte, Biegemomente und Durchbiegungen bei Biegetragern von gleichbleibendem
Querschnitt
In der Tafel 11.4 bedeuten:
F Einzellast oder auch Resultierende der Streckenlast, F' die auf die Langeneinheit bezogene
Streckenlast, FA, FB Sttitzkrafte in den Lagerpunkten A und E, Mmax maximales Biegemoment
in den Wendepunkten der Biegelinie ist M = 0,1 axiales Flachenmoment 2. Grades des Querschnit·
tes, E Elastizitatsmodul des Werkstoffes,fDurchbiegung.
Die strichpunktierte Linie gibt den Momentenverlauf tiber der Balkenlange an. Positive Momenten·
linien laufen nach oben, negative nach unten.
F
FA = FB ="2
Mmax =Fl
Mmax = 4Fl
Fl 3
f = 3EI Fl 3
f = 48EI
Fl2 3f
tana = 16EI =T

F' FB=F=F'1 b a
FA =FT; FB =F T
111111111111111111111111[1
Fl ab

~
Mmax =2 Mmax = FT

~J f
Fa 2 b 2
= EI3l

fmax=f~
l+a· rr+;;
VTb

F'l
FB = F=2

Fl
Mmax =3

~~__ ~~~~
" f = ...J!£..
ISEI f = EI 9..;3l
Fl2 Sf
tana= 12EI = 41 flir x = O,S77l

Fl 3 a2 a)
+T
(
fe = 3 EIl2 ,1

Fal Fal Fa(21 + 3a)


tanaA = 3EI; tanaB = 6EI; tanae = 6EI

408
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

TafelllA. Fortsetzung

Mmax = Fa Fa(a+c)
tanaA = 2EI
_ FI3a2 ( 4a)
1 - 2EIl2 1- 3T
_ FI 3 a ( 4a 2 )'
tanac =tan aD = Fac
-2EI
Imax - 8Ell 1- 3/2

F'l
FA = FB = F FA =FB =4
Mmax = Fa
FI F'/2
1
1
= Fa 2
EI
(!!..+
3 2
{) "k---+-+-~..." Mmax = 6 =12
Fl 3 F'[4
Fal 2 1 = 60EI = 120EI
12 = 8EI
Fa(l+c) Fal
tanal = 2EI ; tanaA = 2EI

F'I
FA =FB=T
F'[2
Mmax =-8-

I "" 0 ,013 F[3


EI
F'[3 161
tanaA = 24EI = 51

F'[ F'[ F in Stabmitte


FA =6; FB =3 5 11
FA =T6 F ; FB=16 F
Mmax = 0,064 F'[2
5
bei x = 0,57741 M = 32 Fl
F'[4
3
1= 153,4EI x MB = 16 F[
bei y =0,51931 7FP
1 = 768EI
Imax = 48 ys EI bei x = 0,4471

409
Festigkeitslehre
Tafel 11.4. Fortsetzung

F
FA=F~:(l+;I) FA = FB =2"
FB = F-FA ~ Fl
Me= 8= MA = MB
Fa 2 b3 a)
f= 4EIl2 1 +31
(
~f=~
Fab 2 192EI
tanaA = 4 Ell

MA =Fa(~r
FA =F(l+ ~n
M B =Fb(7r
3a
FB =F 21 Fa 3 b 3
f = 3 Ell 3
MA =Fa
M - Fa
B-2

FA ~F't F't
=
8 FA =FB ="2
FB =1 F 't F'P
8 Me="24
F'/ 2 F'/ 2
Mmax=g MA =MB =12 =Mmax
F't 4 F'/ 4
fmax = 18SEI f= 384EI
flir x = 0,4215 I

410
Festigkeitslehre

TafelII.S. Biegetrager mit Axialkraft Fa

Der im Festlager A und im Loslager B gehaltene Biegetrager wird durch die im Abstand r achs·
parallel liegende Kraft Fa (Axialkraft) belastet. Gesucht ist der Verlauf des Biegemomentes iiber
der Tragerlange I.
Die Stiitzkrafte FAY, F x und F B werden in der iiblichen Weise mit den statischen Gleichgewichts·
bedingungen bestimmt.
Zur Bestimmung des Biegemomentenverlaufs legt man von links nach rechts fortschreitend die
Schnitte a, b, c, d, d e und f. Von den Schnitten aus nach links gesehen ergeben sich nach 2.1.1.b)
I,

die im jeweiligen Schnitt auftretenden Biegemomente Mb ,a' Mb,b usw. Von besonderer Bedeutung
sind die beiden Schnitte d und d ' , die ganz kurz vor und hinter dem TrageranschluB liegen. Die
Rechnung zeigt, d~ das Biegemoment zwischen d und d ' den Betrag andert und das Vorzeichen
wechselt. Da man vorher nicht erkennen kann, welches der beiden Biegemomente Mb max oder
M~max den gro~eren Betrag hat, miissen beide Biegemomente berechnet und die Betrage mitein·
ander verglichen werden (siehe Tafel 11.8). Das ist immer dann erforderlich, wenn die Axialkraft
zwischen den Lagerstellen A und B angreift (vergleiche mit Tafel 11.6).

~-o----{>Fa
~Fx = 0 = -Fx + Fa =>Fx =Fa
Triiger-
Festlager anschlufl Loslager ~Fy =O=-FAy +FB =>FAy =FB

,I~-
_ _--=---_J8-
A~-----------~A----------~~ ~M(A) =O=-Far+FBI
r
FB = FAY =Fa I

Fa 1 r 1 1
Mb,b = +FAY "5 = +Fa ['"5 = +"5 Far
....
x
~ b c d Lsd' e f 21 r
Mb,c =+FAYS=+Fa['S=+"5Far
21 2
fx=Fa Il
1/5 1/5 1/5 1/5 1/5 ~
31 r 31 3
Mb,d = +FAy S = +Fa [' S= +"5 Far
31 3 2
Mb,d' = + FAY S-Fa r = +"5Far-Far= -SFa r

41 4 1
Mb,e =+FAYS-Far=+SFar-Far=-SFar

rl
Mb,f =+FAyl-Far=+FaT-Far=O
b
~
~(+J I ~
f-L~iege.li~ ~
0
~.
'-
~
....... -.-
(-) -/ I
3
M bmax = Mb,d = S Far

V
EO
:i'
IM~maxl= IMb,d'I=~Far

411
Festigkeitslehre

Tafel 11.6. Biegetrager mit raum1ichem Kraftangriff auBerha1b der Lager (Biegemomentenverlauf)

Biegetrager dieser Art sind beispie1sweise Getriebewellen, die ein schragverzahntes Stirnrad tragen.
Man geht schrittweise vor und bestimmt die Teil-Sttitzkrafte FAY!, F By!, F Ay2, F By2 , F Az, F Bz
und Teil-Biegemomente Mbmax,a, Mbmax,b, Mbmax,c flir den Einze1-Kraftangriff in der zugeho-
rigen Ebene. In der x, y-Ebene wirkt einma1 die Radia1kraft F r , zum anderen die Axia1kraft Fa, in
der y, z-Ebene wirkt die Umfangskraft Ft. Damit ergibt sichjeweils ein 1eicht tiberschaubarer Biege-
momentenverlauf mit dem maxima1en Biegemoment ftir den Einze1-Kraftangriff.
Die Reaktionskraft der Axia1kraft Fa in der Tragerachse ist die im Festlager wirkende Lagerkraft-
komponente F x = Fa. Beide ergeben ein Kraftepaar, dem das Kraftepaar aus F Ay2 und F By2 , die
beide ebenfalls gleich groB und entgegengerichtet sind, das G1eichgewicht halt.

h Festlager
"""
Losioger
'-
~
~. Fa
F t Umfangskraft am Teilkreis
Fr Radialkraft
Fa Axialkraft
r Teilkreisradius (siehe Seite 1390)

81
ItL.:I

A~ I,
{z
'L,Fy =O=-FAy ! +FBy ! -Fr
I 'L,M(A) = 0 =FBy!/- Fr/,
I,
x,y-Ebene ~ F By ! = Fr T ; FAy! =Fay! - Fr
Mbmax.a

~YI
~YI

x,y-Ebene
'L,Fx =O=-Fx +Fa =>Fx =Fa
r. 'L,Fy =0=-FAY2 +FbY2 =>FAY2 =FBy2
i y2 'L,M(A) = 0 = F By2 /- Far
r
Fay2 FBy2 =Fa 7

'L,Fz =0 =- F Az + F Bz - Ft
'L,M(A) = 0 = F Az 1- F t 12
12
FAz = F t T; F Bz =F Az + F t
/2 ) I,
F Bz = F t ( T +1 = Ft T
Mbmax,c =Ft / 2

412
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

Tafel 11.7. Resultierende Sttitzkrafte (Lagerkrafte) und Biegemomente flir den Biegetrager
in Tafel II.6

Gesucht werden die Gleichungen fur das resultierende maximale Biegemoment Mb max und flir die
resultierenden Sttitzkrafte (Lagerkrafte) in den Lagern A und B (FAr und F Br)'
Sowohl die Sttitzkrafte als auch das Biegemoment wirken in einer Ebene senkrecht zur Tragerachse,
hier also in der y, z-Ebene, die nun Zeichenblattebene ist.
Skizziert man unmaBstablich aber richtungsgemaB Biegemomenteneck und Krafteck, dann ergeben
sich rechtwinklige Dreiecke, die mit dem Lehrsatz des Pythagoras ausgewertet werden ki:innen.
In Verbindung mit den Entwicklungen in Tafel 11.6 lassen sich auch die Gleichungen flir den Fall
entwickeln, daB die Axialkraft Fa entgegengesetzten Richtungssinn hat.

(-+Fa)
Mb max =J(Mbmax, a + Mbmax , b)2 + (Mbmax , c)2
= J(Fr12 + Far)2 + (Ft I 2)2

Bei entgegengesetztem Richtungssinn der Axialkraft Fa wird:

(Fa <-)
Mb max =J(Mbmax , a - M bmax , b)2 + (Ft I2)2
= J(Fr 12 - Fa r)2 + (Ft 12)2

(-+ Fa)
FAr =J(FAYI +FAy2 )2 + (FA.)2

(Fr !y + Fa fY+ (Ft !y Y


= YJ(Fr 12 + Fa r)2 + (Ft 12)2

Bei entgegengesetztem Richtungssinn der Axialkraft Fa wird:

~z

(-+Fa)
F Br =J(FBYi +FBy2 )2 + (FBz)2

(Fr t+Fa fY + t Y (Ft

y
= J(Fr11 + Far)2 + (Ft 1J)2

Bei entgegengesetztem Richtungssinn der Axialkraft Fa wird:

413
Festigkeitslehre

Tafel 11.8. Biegetriiger mit riiumlichem Kraftangriff zwischen den Lagern (Biegemomentenverlauf)

Wie in Tafel 11.6 ist auch hier mit den Bezeichnungen der GraBen das Beispiel einer Getriebewelle
mit einem schriigverzahnten Stirnrad gewiihlt. Das Zahnrad liegt hier jedoch zwischen den Lager-
stellen A und B.
Auch hier werden schrittweise die Teil-Stiitzkriifte FAY!, FBy !, F Ay2, F By2, F Az, F Bz und die
Teil-Biegemomente M bmax , a, M bmax , b und M bmax , c bestimmt.
Durch den Einzel-Kraftangriff der Axialkraft Fa in der x, y-Ebene ergibt sich der in Tafel 11.5 ent-
wickelte Biegemomentenverlauf mit Vorzeichenwechsel und Betragsiinderung. Also sind auch hier
die beiden maximalen Teil-Biegemomente Mb max, b und M bmax , b zu ermitteln.
Auf die Lagerkraftkomponente F x =Fa wird in Tafel 11.6 eingegangen.

z F t Umfangskraft am Teilkreis
Fr Radialkraft

x
r,.
,-- ~, Fa
Fa Axialkraft
r Teilkreisradius
"-
Fest/ager Lasloger 'iFy = 0 = FAY! - Fr + F By !
"""'
<oj

A a[7' 'iM(A) = 0 = - Fr/l + FBy!1


II 12
I II
FBy ! =FrT

FAY! =Fr-FBy ! =Fr (I-i-)


x,y-Ebene 12 ( . I II I-II 12)
FAy! =Fr T wellT-T= -1- =T

~YI
'iFx =O=Fx-Fa ~Fx =Fa
'iFy =0 =- FAY2 + F BY2 ~ FAY2 =F BY2
'iM(A) = 0 =- Far + F By2 1
x,y-Ebene r
F BY2 = Fa 1= FAY2
M rl2
bmax, b =FBy2 /2 =Fa T
M' ril
bmax, b =FAY2/I =Fa T

'iFz =0 =FAz -Ft +FBz


'iM(A) = 0 = -Ft/l + FBzI
x.l-Ebene II
FBz =Ft T
FAz=Ft-FBz=Ft (I-i-)
12 ( II 12 )
FAz =Ft T weilI-T = T' siehe oben
1112
Mbmax, c = FBz/2 = F t -1-
414
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten
Tafel 11.9. Resultierende Stiitzkriifte (Lagerkriifte) und Biegemomente fUr den Biegetriiger
in Tafel 11.8

Gesucht werden wie in Tafel 11.7 die Gleichungen flir das resultierende Biegemoment M bmax und
fUr die resultierenden Stiitzkriifte (Lagerkriifte) in den Lagern A und B.
Sowohl Stiitzkraft als auch Biegemoment wirken in einer Ebene, die senkrecht zur Achse des
Biegetragers steht. Dies ist nach den Bezeichnungen des raurnlichen Achsenkreuzes in Tafel 11.8
die y, z-Ebene, die nun zur Zeichenblattebene gemacht wird.
Mit den Teil-Biegemomenten und aus den Teil-Stiitzkraften werden die Momentenecke und Kraft-
ecke skizziert (unm~stablich, aber richtungsgemiiB). Es ergeben sich rechtwinklige Dreiecke, die
mit dem "Pythagoras" ausgewertet werden.
Die Gleichungen flir die entgegengesetzt gerichtete Axialkraft Fa ergeben sich mit dem Vorzeichen-
wechsel des Biegemoments in der Darstellung in Tafel 11.8 flir die Axialkraft Fa in der x, y-Ebene.

12 I 2 2
=[V{Frll + Far) + {Ft1d
Bei entgegengesetztem Richtungssinn der Axialkraft Fa wird:
(Fa +-)
Mb max =J(Mbmax , a +M bmax , b)2 + (Mbmax, e)2

(--+Fa)
FAr =J{FAYI -FAy2 )2 + (FAz)2
r~YI = VI(,Fr [12 - Fa 1r)2 + ( Ft 12I )2
~
~Y2~. ~l
= +J{Fr12 - Far)2 + (Ft 12)2
Bei entgegengesetztem Richtungssirm der Axialkraft Fa wird:

(Fa +-) I
FAr = 1 J{Fr 12 + Fa r)2 + {Ft 12)2

(--+Fa)
F Br =J{FBYI +FBy2 )2 + (FBz)2

, I(
II r)2 ( 11)2
= V Fr [ + Fa 1 + Ft [

= +J{Frll + Far)2 + (Ft ld2


Bei entgegengesetztem Richtungssinn der Axialkraft Fa wird:

(Fa +-) I
F Br = 1 J{Frll - Fa r)2 + {Ft 11)2
415
Festigkeitslehre

Tafel 11.10. Warmgewalzter gleichschenkliger rundkantiger Winkelstahl

a Spannungsverfeilung Beispiel fur die Bezeichnung eines Winkelstahls


bei Biegebeanspruchung und fur das Ablesen von Flachenmomenten lund
ablx '" Widerstandsmomenten W:
L40 X 6 DIN 102B - USt37·2
Schenkelbreite a = 40 mm
Schenkeldicke s = 6 mm
Fliichenmoment Ix = 6,33' 104 mm 4
Widerstandsmoment W x ! = 5,28 . 10 3 mm 3
WX2 = 2,26 . 10 3 mm 3
Oberfliiche je Meter Lange A~ = 0,16 m 2 /m
Profilumfang U = 0,16 m
Triigheitsradius ix = v'i:JS = 11,9 mm

Kun· a/s Quer· el/e2 Ix =Iy WXI =WYI WX2 =WY2 Oberflache Gewichtskraft
zeicben schnitt je Meter Liinge je Meter Lange
S A~ G'
mm mm 2 mm '104 mm4 '10 3 mm 3 '103 mm 3 m 2/m l) N/m

20 X 4 20/ 4 145 6,4/ 13,6 0,48 0,75 0,35 0,08 11,2


25 X 5 25/ 5 226 8 / 17 1,18 1,48 0,69 0,10 17,4
30X 5 30/ 5 278 9,2/ 20,8 2,16 2,35 1,04 0,12 21,4
35 X 5 35/ 5 328 10,4/ 24,6 3,56 3,42 1,45 0,14 25,3
40X 6 40/6 448 12 / 28 6,33 5,28 2,26 0,16 34,5
45 X 6 45/ 6 509 13,2/ 31,8 9,16 6,94 2,88 0,17 39,2
50 X 6 50/ 6 569 14,5/ 35,5 12,8 8,83 3,61 0,19 43,8
50X 8 50/ 8 741 15,2/ 34,8 16,3 10,7 4,68 0,19 57,1
55 X 8 55/ 8 823 16,4/ 38,6 22,1 13,5 5,73 0,21 63,4
60X 6 60/6 691 16,9/ 43,1 22,8 13,5 5,29 0,23 53,2
60X 10 60/10 1110 18,5/ 41,5 34,9 18,9 8,41 0,23 85,2
65 X 8 65/ 8 985 18,9/ 46,1 37,5 19,8 8,13 0,25 75,9
70X 7 70/ 7 940 19,7/ 50,3 42,4 21,5 8,43 0,27 72,4
70X 9 70/ 9 1190 20,5/ 49,5 52,6 25,7 10,6 0,27 91,6
70X 11 70/11 1430 21,3/ 48,7 61,8 29,0 12,7 0,27 110,1
75 X 8 75/ 8 1150 21,3/ 53,7 58,9 27,7 11,0 0,29 88,6
80X 8 80/ 8 1230 22,6/ 57,4 72,3 32,0 12,6 0,31 94,7
80X 10 80/10 1510 23,4/ 56,6 87,5 37,4 15,5 0,31 116,7
80X 12 80/12 1790 24,1/ 55,9 102 42,3 18,2 0,31 138,3
90X 9 90/ 9 1550 25,4/ 64,6 116 45,7 18,0 0,35 119,4
90X 11 90/11 1870 26,2/ 63,8 138 52,7 21,6 0,36 144,0
100 X 10 100/10 1920 28,2/ 71,8 177 62,8 24,7 0,39 147,9
looX 14 100/14 2620 29,8/ 70,2 235 78,9 33,5 0,39 201,8
110 X 12 110/12 2510 31,5/ 78,5 280 88,9 35,7 0,43 193,3
120X 13 120/13 2970 34,4/ 85,6 394 115 46,0 0,47 228,7
130 X 12 130/12 3000 36,4/ 93,6 472 130 50,4 0,51 231,0
130 X 16 130/16 3930 38,0/ 92 605 159 65,8 0,51 302,6
140X 13 140/13 3500 39,2/100,8 638 163 63,3 0,55 269,5
140X 15 140/15 4000 40,0/100,0 723 181 72,3 0,55 308,0
150 X 12 150/12 3480 41,2/108,8 737 179 67,7 0,59 268,0
150 X 16 150/16 4570 42,9/107,1 949 221 88,7 0,59 351,9
150X 20 150/20 5630 44,4/105,6 1150 259 109 0,59 433,6
160X 15 160/15 4610 44,9/115,1 1100 245 95,6 0,63 355,0
160X 19 160/19 5750 46,5/113,5 1350 290 119 0,63 442,8
180 X 18 180/18 6190 51,0/129,0 1870 367 145 0,71 476,7
180 X 22 180/22 7470 52,6/127,4 2210 420 174 0,71 575,3
200 X 16 200/16 6180 55,2/144,8 2340 424 162 0,79 475,9
200X 20 200/20 7640 56,8/143,2 2850 502 199 0,79 588,3
200 X 24 200/24 9060 58,4/141,6 3330 570 235 0,79 697,7
200 X 28 200/28 10500 59,9/140,1 3780 631 270 0,79 808,6
1) Die Zahlenwerte geben zugleich den Profilumfang U in man.

416
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten
TafelII.11. Warmgewalzte I ·Trager, IPE-Reihe

Spannungsverteilung Beispiel fur die Bezeichnung eines mittelbreiten I·Tragers mit


bei Biegebeanspruchung parallelen Flanschflachen und fur das Ablesen von Flachen·
I I I C=~:>"~~y Ubx momenten lund Widerstandsmomenten W:
IPE 80 DIN 1025 - USt37·2
Hiihe h = 80 mm
Breite b =46 mm
Flachenmoment Ix = 80,1 . 104 mm 4
x--- ·--x x--""J.wJ.JJ..I:f::h'mTTm,,-X
Widerstandsmoment Wx = 20,0' 10 3 mm 3
Profilschwerpunkt
Oberflache je Meter Lange A'o = 0,328 m 2 /m
-~ Profilumfang U= 0,328 m
vTJS = 32,4 mm
!.../ Tragheitsradius ix =

Kurz- Quer· Oberfliiche Gewichtskraft


zeichen schnitt je Meter Lange je Meter .Lange
b t h s r S I" IV" Iy IVy A~ G'
IPE mm mm mm mm mm mm 2 '104 mm4 '103 mm 3 'lo"mm4 '103 mm 3 m2/m 1) N/m
80 46 5,2 80 3,8 5 764 80,1 20,0 8,49 3,69 0,328 59
100 55 5,7 100 4,1 7 1030 171 34,2 15,9 5,79 0,400 79
120 64 6,3 120 4,4 7 1320 318 53,0 27,7 8,65 0,475 102
140 73 6,9 140 4,7 7 1640 541 77,3 44,9 12,3 0,551 126
160 82 7,4 160 5,0 9 2010 869 109 68,3 16,7 0,623 155
180 91 8,0 180 5,3 9 2390 1320 146 101 22,2 0,698 184
200 100 8,5 200 5,6 12 2850 1940 194 142 28,5 0,768 220
220 110 9,2 220 5,9 12 3340 2770 252 205 37,3 0,848 257
240 120 9,8 240 6,2 15 3910 3890 324 284 47,3 0,922 301
270 135 10,2 270 6,6 15 4590 5790 429 420 62,2 1,041 353
300 150 10,7 300 7,1 15 5380 8360 557 604 80,5 1,155 414
330 160 11,5 330 7,5 18 6260 11770 713 788 98,5 1,254 482
360 170 12,7 360 8,0 18 7270 16270 904 1040 123 1,348 560
400 180 13,5 400 8,6 21 8450 23130 1160 1320 146 1,467 651
450 190 14,6 450 9,4 21 9880 33740 1500 1680 176 1,605 761
500 200 16,0 500 10,2 21 11600 48200 1930 2140 214 1,738 893
550 210 17,2 550 11,1 24 13400 67120 2440 2670 254 1,877 1032
600 220 19,0 600 12,0 24 15600 92080 3070 3390 308 2,014 1200

1) Die Zahlenwerte geben zugleich den Profilumfang U in man.

Mechanische Eigenschaften von Schrauben

Kennzeichen 4.6 4.8 5.6 5.8 6.6 6.8 6.9 8.8 10.9 12.9
Mindest-Zugfestigkeit Rm in N/mm 2 400 500 600 800 1000 1200
Mindest..streckgrenze R.
240 320 300 400 360 480 540 640 900 1080
oder R po ,2-Dehngrenze in N/mm 2
BruchJehnung As in % 25 14 20 10 16 8 12 12 9 8

417
Festigkeitslehre
Tafel 11.12. Wanngewalzter rundkantiger U-Stahl

b Spannungsverfeilung Beispiel fiir die Bezeichnung eines U·Stahls und fiir das Ablesen
bei Biegebeanspruchung von Fliichenmomenten lund Widerstandsmomenten W:

'" U 100 DIN 1026 - USt37-2


Hohe h=100mm

i
Breite b = 50 mm
Fliichenmoment I = 206· 104 mm 4
x
Widerstandsmoment , '10 3 mm 3
W x =412
.~--.-x x x Fliichenmoment Iy = 29,3 . 104 mm 4
Profilschwerpunkf WYI = 18,9 . 10 3 mm 3
I Widerstandsmoment
s WYl = 8,49' 103 mm 3
Oberfliiche je Meter Liinge Ao
= 0,372 m 2 /m
Profilumfang U = 0,372 m
Triigheitsradius ix =ViJS=39,1 mm

Kurz- Quer- Oberflache Gewichtskraft


zeichen schnitt je Meter Unge je Meter Unge
h b s S elfe2 Ix Wx Iy WY1 Wy, A~ G'
U mm mm mm mm 2 mm '104 mm 4 'lO'mm' '104 mm 4 '10 3 mrn 3 '103 mm 3 m'/ml) N/m
30X 15 30 15 4 221 5,2/ 9,8 2,53 1,69 0,38 0,73 0,39 0,103 17,0
30 30 33 5 544 13,1/19,9 6,39 4,26 5,33 4,07 2,68 0,174 41,9
40X 20 40 20 5 366 6,7/13,3 7,58 3,79 1,14 1,70 0,86 0,142 28,2
40 40 35 5 621 13,3/21,7 14,1 7,05 6,68 5,02 3,08 0,200 47,8
50 X 25 50 25 5 492 8,1/16,9 16,8 6,73 2,49 3,07 1,47 0,181 37,9
50 50 38 5 712 13,7/7.4,3 26,4 10,6 9,12 6,66 3,75 0,232 54,8
60 60 30 6 646 9,1/20,9 31,6 10,5 4,51 4,98 2,16 0,215 49,7
65 65 42 5,5 903 14,2/27,8 57,5 17,7 14,1 9,93 5,07 0,273 69,5
80 80 45 6 lIOO 14,5/30,5 106 26,5 19,4 13,4 6,36 0,312 84,7
100 100 50 6 1350 15,5/34,5 206 41,2 29,3 18,9 8,49 0,372 104,0
120 120 55 7 1700 16,0/39,0 364 60,7 43,2 27,0 11,1 0,434 130,9
140 140 60 7 2040 17,5/42,5 605 86,4 62,7 35,8 14,8 0,489 157,1
160 160 65 7,5 2400 18,4/46,6 925 116 85,3 46,4 18,3 0,546 184,8
180 180 70 8 2800 19,2/50,8 1350 150 114 59,4 22,4 0,611 215,6
200 200 75 8,5 3220 20,1/54,9 1910 191 148 73,6 27,0 0,661 248,0
220 220 80 9 3740 21,4/58,6 2690 245 197 92,1 33,6 0,718 288,0
240 240 85 9,5 4230 22,3/62,7 3600 300 248 III 39,6 0,775 325,7
260 260 90 10 4830 23,6/66,4 4820 371 317 134 47,7 0,834 372
280 280 95 10 5330 25,3/69,7 6280 448 399 158 57,3 0,890 410,5
300 300 100 10 5880 27,0/73,0 8030 535 495 183 67,8 0,950 452,8
320 320 100 14 7580 26,0/74,0 10870 679 597 230 80,7 0,982 583,7
350 350 100 14 7730 24,0/76,0 12840 734 570 238 75,0 1,05 595,3
380 380 102 13,5 8040 23,8/78,2 15760 829 615 258 78,6 I,ll 619,1
400 400 110 14 9150 26,5/83,5 20350 1020 846 355 101 1,18 704,6

1) Die Zahlenwerte geben zugleich den Profilumfang U in man.

Niete und zugehorige Schrauben f1ir Stahl- und Kesselbau

d l inmm 11 13 (15) 17 (19) 21 23 25 28 31 (34) 37

AI in mm 2 = idi 95 133 177 227 284 346 415 491 616 755 908 1075

din mm (Rohnietdurchmesser) 10 12 (14) 16 (18) 20 22 24 27 30., (33) 36

Sechskantschraube M 10 M 12 - M 16 - M20 M22 M24 M 27 M 30 M 33 M 36

d 1 Durchmesser des geschlagenen Nietes = N ietlochdurchmesser Gro~en in ( ) moglichst vermeiden

418
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

3. Knickung
Wird ein gerader schlanker Stab von gleichbleibendem Querschnitt durch eine Druckkraft F in
Richtung der Stabachse belastet (gedriickt), so ist bei homogenem Werkstoff nur eine Kiirzung des
Stabes zu erwarten. Die Erfahrung zeigt aber, dlili der Stab seitlich "ausknickt" (Bild 11.31), sobald
die Druckkraft F einen bestimmten Wert erreicht hat. Der Stab kann "ausbiegen", obwohl die vor-
handene Druckspannung advorh noch unter der zulassigen Spannung adzul liegt (advorh < adzuD.

3.1. Herieitung der Eulerschen Knickungsgleichung


Knickkraft FK heiBt diejenige Druckkraft, bei der das Ausknicken beginnt. Sie darf deshalb im
Betrieb niemals erreicht werden.

Die elastische Linie ist eine Sinuskurve mit dem Kriimmungsradius p = ~ (in Stabmitte). An die-

ser Stelle ist das Biegemoment der Knickkraft F K : Mb = FKf. Nach (11.50) war p =
12 III
rrf
;1 b
und damit

rr2 f FKf und daraus die Knickkraft

III rr2 II I S
FK =-- FK (11.60)
S2
N
F N mm4 mm
(llulergleichung) mm 2

s freie Knickliinge

-I Fall 1 Fall 2: Grundfall Fall3 Fa/{4


[.J. 7[2 F. _ [.J 7[2 [·17[2·2 [.J 7[2·4
FK =--2- K- [2 FK = - - [ 2 - FK = - - [ 2 -
I 4·[

F
1
Bild II.3l. Zur Herieitung der
Eulerschen Knickungsgleichung
11 1J 11 Il
t
lu,-
I

, /
-

Bild II.32. Die vier Eulerschen Belastungsfiille flir Knickung

Obwohl die elastische Linie der Biegung zur Herieitung der Knickkraftgleichung benutzt wurde,
ist die Knickung von der Biegung wesensverschieden. Biegung ist eine Spannungsaufgabe, Knickung
dagegen ein Stabilitiitsproblem; der Stab versagt namlich pl6tzlich, ganz im Gegensatz etwa zur
Druck- oder Biegebeanspruchung. So kann z.B. schon ein kleiner Fingerdruck quer zur Achse aus-
reichen, urn den bereits seitlich ausgewichenen Stab (ohne VergroBerung der Druckkraft) zusam-
menbrechen zu lassen. Deshalb muB die Belastung irn Betrieb stets kleiner sein als die Knickkraft F K.
lluler entwickelte seine Gleichung je nach Beweglichkeit und Fiihrung der Stabenden flir vier ver-
schiedene Falle (Bild 11.32). In der Praxis sollte man wegen der groBeren Sicherheit stets nach dem
sogenannten Grundfa1l2 arbeiten. Ausnahme: einseitige Einspannung mit freiem Ende, Fall 1 nach
Bild 11.32. Hier wird s = 21 statt s = 1 in die Eulergleichung des Grundfalles eingesetzt.

419
Festigkeitslehre

Wie die Herleitung erkennen liiBt, gilt die Eulergleichung nur im Gtiltigkeitsbereich des Hookeschen
Gesetzes a = EE (1.8), d.h. solange die Knickspannung aK < ad P (Druck-Proportionalitatsgrenze)
ist. Man spricht dann von elastischer Knickung; bei aK > adP von unelastischer Knickung. Letztere
erfordert andere Berechnungsgleichungen.

3.2. Wichtige GroBen der Knickung


Der Knickkraft F K entspricht diejenige Spannung aK, bei der das Ausknicken gerade beginnt, die
also eben fails niemals erreicht werden darf; somit ist die Knickspannung

Knickkraft F K
aK = Querschnittsflache S (11.61)
N

Solange die auBere Belastung F(= Druckkraft F) kleiner als die Knickkraft FK ist, besteht keine
Knickgefahr und es ist die Sicherheit gegen Knicken

Knickkraft F K
v= (11.62)
Druckkraft F

Der Druckkraft F entspricht die Druckspannung ad =F/S, so daB die Sicherheit v auch ausge-
driickt werden kann durch:

FK aKS aK
v=-=--=- (11.63)
F adS ad

Die Sicherheit v beriicksichtigt u.a. Sti:iBe, Massenkrafte, Art der Verwendung, Einspannung und
Folgen eines Bruches des Knickstabes.
Das Ausknicken wird bestimmt durch das kleinste axiale Flachenmoment I des Querschnittes. Es
wird 1= i 2 S gesetzt. Daraus folgt der Tragheitsradius

i=fl (11.64)
mm

Fiir den Kreisquerschnitt betragt nach Tafel ILl das axiale Flachenmoment 1= nd 4 /64 und
Flache S = nd 2 /4, so daB sich als Tragheitsradius fur den Kreisquerschnitt ergibt:

(11.65)

Als zweckmaBige RechengroBe wird auBerdem flir den Schlankheitsgrad festgesetzt:

freie Knicklange s =i
f... = Tragheitsradius i (II.66)

420
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten
3.3. Elastische Knickung (Eulerfall) 1)
Liegt die Knickspannung noch im Giiltigkeitsbereich des Hookeschen Gesetzes (elastische Form·
anderung), so gilt die Eulergleichung (11.60). Damit konnen bei gegebener Knickkraft F K , ge·
gebener Knickkraft F K , gegebener Einspann1ange lund bekanntem E1astizitatsmodu1 E die Quer-
schnittsabmessungen bestimmt werden, und zwar iiber das erforderliche Mindest-Fliichenmoment
(axial)
Ierf v F E s
VFS2
Ierf = - - (11.67)
N
mm4 N 2
mm
mm

Aus (11.63) wurde fUr die Knickkraft FK = Sicherheit v X Be1astung F(FK = vF) eingesetzt.
Die Eulergleichung ist an das Hookesche Gesetz gebunden. Damit werden die Grenzen ihrer Giiltig.
keit festgelegt. Aus
Ehr2 1 .2 . i2 1
FK = -S2- = uKS und S
- = I SOWle - = -
S2 A2

ergibt sich die Knickspannung


E
(11.68)
N N

Danach ist die Knickspannung UK nur abhangig vom E-Modul (und dessen Giiltigkeitsbereich) und
vom Schlankheitsgrad A.
Wird UK iiber A aufgetragen, ergibt sich eine Hyperbel dritten Grades, wie Bild 11.33 fUr Stahl mit
E = 2,1'10 5 N/mm 2 zeigt. Danach ergeben kleine Schlankheitsgrade hohe Knickspannungen. Die
Eulergleichung kann natiirlich nur bis zu dem-
jenigen Grenzschlankheitsgrad Ao gelten, flir
den UK ;;; UdP ist, solange also die Knickspan·
nung UK kleiner als die Proportionalitatsgrenze
N
mm2 ,,
flir Druck ist.
500 ,,
,\
Unterer Grenzwert: 400 f ,
A . = Ao = rr
mm
VE
UdP
t5'
t::n
§ 300 ~I'....~
I',. .
\

§ I.... @/"V;
,<@I"'QO:;
....:
\
\~
'C:::::
Fiir St37 mit UdP = 190 N/mm 2 wird damit 5r 200 adP=19o~ ~~.....
<
.!:::! --~i~
21'105~ ~ 100 .8 "
~ ~ "'''6<r?1' -

AO = rr
,
___
2
m_m_ "" 105 ~41'c
a... ,_.....;;: -r-
t3~
190~2 o 20 40 60 80 100 120 140 160 180200
mm
I-unelastische Kntckung--+-elastlsche Knickung -
Je hoher die Proportionalitatsgrenze UdP liegt, Schlankheitsgrad A -
urn so kleiner ist der Grenzschlankheitsgrad AO , Bild 11.33. Euler-Hyperbel mit Grenzschlankheits-
d.h. urn so gro~er wird der Eulerbereich. grad AO

Flir die wichtigsten Werkstoffe gibt Tafel 11.12 die Grenzschlankheitsgrade zur Eulergleichung an.
Beachte: Die Eulergleichung gilt nur, solange der errechnete Schlankheitsgrad A gleich oder groper
ist als der in Tafel 11.6 angegebene Grenzschlankheitsgrad Ao. Es mu~ also sein: s/i =Avorhanden ~ Ao.

1) Rechentafel Seite 460

421
Festigkeitslehre
Tafel 11.13. Grenzschlankheitsgrad AO fUr Eulersche Knickung und Tetmajer-Gleichungen

Werkstoff Elastizitatsmodul E Grenzschlankheitsgrad AO Tetmajer-Gleichung flir Knickspannung UK


N N
in- in-
mm 1 mm 2
Nadelholz 10 000 100 UK = 29,3 - 0,194· A
GrauguJ1 100000 80 uK = 776 -12· A+ 0,053 "A2
St37 210000 105 uK = 310 - 1,14 . A
St 50 und
210 000 89 uK = 335 - 0,62 . A
St60
Nickelstahl
210000 86 uK = 470 - 2,3· A
«5%Ni)

3.4. Unelastische Knickung (Tetrnajerfall) 1)


Ergibt die Nachrechnung des Schlankheitsgrades A einen Zahlenwert. der unter dem in Tafel 11.12
angegebenen Grenzwert liegt. dann liegt unelastische Knickung VOT. In diesem Falle gelten nicht
die Eulergleichungen. sondern die Gleichungen von Tetmajer. ebenfalls aus Tafel 11.12. Mit die sen
Gleichungen k6nnen die Querschnittsabmessungen nicht unmittelbar bestimmt werden. sie dienen
nur zur Nachrechnung gegebener oder angenommener QuerschnittsmaBe.
Deshalb wird meist lerf nach Euler bestimmt. der Querschnitt danach festgelegt. A nachgepriift und
bei A kleiner als AO nach Tetmajer die Knickspannung uK berechnet. 1st die geforderte Sicherheit v
nicht erreicht. mull. der Querschnitt vergr6~ert und nochmals nachgerechnet werden.

3.5. Arbeitsplan zur Knickungsrechnung


a) Gegeben: Sicherheit v und Belastung F; gesucht: Querschnittsabmessungen.
Berechne Knickkraft FK aus Sicherheit v und Belastung F;
berechne das erforderliche Flachenmoment lerf aus der Eulergleichung;
lege die Querschnittsabmessungen (z.B. Durchmesser) nach den Gleichungen aus Tafel 11.1 fest;
berechne den Triigheitsradius i nach Tafel 11.1 oder, wenn dort nicht angegeben, nach der Gleichung
i =v'i7S;
berechne den Schlankheitsgrad A und vergleiche mit Ao aus Tafel 11.13; bei A ~ AO ist die Rechnung
in Ordnung; bei A kleiner AO mu~ mit den Tetmajergleichungen aus Tafel 11.13 die Knickspannung
UK berechnet werden. Dabei A, nicht etwa AO einsetzen!

Berechne vorhandene Druckspannung ud =FjS und bestirnme die Sicherheit v; sie mu~ gleich
oder gro~er der geforderten sein. Bei zu kleiner Sicherheit miissen die Querschnittsabmessungen
vergro~ert und die Rechnung von der A-Bestimmung an wiederholt werden. AbschlieBend mu~ die
vorhandene Druckspannung ud mit der zuliissigen udzu\ verglichen werden.
b) Gegeben: Querschnitt und Belastung F; gesucht: vorhandene Sicherheit. Berechne nach Tafel 11.1
das Fliichenmoment I und den Triigheitsradius ides Querschnittes; bestimme mit A = sji den vor-
handenen Schlankheitsgrad A und vergleiche den gefundenen Wert mit AO aus Tafel 11.12. Jetzt
tellt sich die Rechnung: Bei A ~ Ao wird die Sicherheit v aus der Eulergleichung berechnet, bei
A< AO aus einer der Tetmajergleichungen!

Beachte: A bestirnmt den Rechnungsweg (Euler oder Tetmajer), deshalb mu~ zuerst A berechnet
werden!

1) Rechentafel Seite 460

422
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten
• Beispiel: Eine VentilstoSelstange aus St 50 hat 8 mm Durchmesser und ist 250 mm lang. Welche
maximale StoSelkraft ist zulassig, wenn eine 10fache Sicherheit gegen Knicken gefordert
wird? Es liegt der Grundfall vor, also s = [.

wsung: A = ~ = 4d [ = 4.8250 mm = 125, also elastischer (Euler-) Bereich.


1 mm
Flachenmoment 1= 1T6~4 = :4 . (8 mm)4 = 201 mm 4

Knickkraft F K = E~21T2 = 6668 N. Maximale St6~ekraft F = ~K = 667 N.


• Beispiel: Die Pleuelstange eines Verbrennungsmotors (Bild 11.34) aus St 50 hat die Mal!.e: [ = 370 mm,
H = 40 mm, h = 30 mm, b = 20 mm, s = 15 mm. Sie wird durch F = 16 kN auf Knickung
beansprucht. Gesucht: vorhandene Knicksicherheit v.
wsung: Die Pleuelstange wiirde um die (senkrechte) y-Achse knicken, denn ganz sicher ist Iy =
lmin < Ix·
10 mm' (20 mm)3 + 30 mm· (15 mm)3 4
lmin = 12 = 15104 mm

(Ix = 95417 mm\ also wesentlich gro/!,er als I min!)


~(i;;:;;
i=VT 8 Schnitt A-8
S = Hb - (b -s) h [40·20 - (20 - 15)·30] mm 2
S = 650mm 2 Bild II. 34

. f¥minS
1= -=
15104 mm4
650mm
2
[ 370 mm
4,82; A = -; = 4 82
1 , mm
.
= 76,8 < Ao = 89 (TetmaJerfall):

N F 16000N N
aK = 335 - 0,62 . A = 287,4 - - 2 ; advorh = -S = 650 2 = 24,6 - - 2
mm mm mm
N
a 287,4--2
K mm
Vvorh =--= N = 11,7
advorh 246--
, mm 2

• Beispiel: Ein Knickstab von kreisfOrmigem Querschnitt ist beiderseits auf [= 500 mm Lange ge-
lenkig gelagert und wird durch eine Druckkraft F = 40 kN beansprucht. Geforderte Knick-
sicherheit v = 8. Werkstoff St 50.
Wie gro/l, mu/!' der Durchmesser ausgefUhrt werden?

Losung: Knickkraft FK = Fv = 40 kN· 8 = 320 kN, aus FK = E{21T2

wird das erforderliche Flachenmoment

I. =FK I2 = 320000 N·500 2 mm2 =386'104 mm4 I d 4 daraus


nun E 2 N ' , = 20'
1T 2 1 . 10 5 - - . 1T2
, mm l

d erf =V20Imin = 29,7mm.

Mit i=~=7,4mm wird A=f=~~==67,6«AO=89).


423
Festigkeitslehre

Demnaeh liegt also Tetmajerbereich vor und nicht, wie zunaehst angenommen wurde,
Eulerbereich, d.h. die Reehnung muB mit angenommenem Durehmesser (mit Tetmajer-
Gleichungen) wiederholt werden, bis die geforderte Sicherheit erreieht worden ist:
d = 40 mm angenommen (zweekmiiBig gegentiber derf erh6hen), neuer Sehlankheitsgrad

A= 41 = 4 . 500 mm = 50; OK = 335 ~ 0,62 A= 304 ~


d 40mm mm2

304~2
F 40000 N N OK mm
°d = S = 1257 mm2 = 31,8 mm2' Vvorh =- = N = 9,56 (> Vgef = 8)
°d 3 1 8 -2
, mm

d.h. der Durehmesser d = 40 mm kann ausgeftihrt werden.


• Beispiel: Die durehgehende Kolbenstange eines Verdiehters fur p = 6,5 bar Dberdruck ist zu be-
reehnen (Bild II.35). Werkstoff: St50. Geforderte Knicksieherheit v = 5.
wrung: Aus den physikalisehen Bedingungen ergibt sieh die Gleiehung:

rr N N
Kolbenstangenkraft F =4 (0,5 2 m 2 ~ d 2 ). 6,5.10 5 m 2 (1 bar = 10 5 """""""2 !)
m
F = (1 ,276 ~ 1,625 rr d 2) .10 5 N

J
Aus den Festigkeitsbedin-
gungen dagegen ist
FK Elrr2 8

l
F=-=--
v 12v +=.----~--
mit ~
BildII.35

Beide Ausdrtieke gleiehgesetzt, ausgereehnet (MaBe in em) und umgeformt ergibt die
biquadratisehe Gleichung:
d4 + 0,557 d 2 ~ 4360 = 0; d2 =z gesetzt ftihrt zu
Z2 + 0,557 z ~ 4360 = 0

Zl,2 =~ 0,278 ± ../0,077 + 4360 =~ 0,278 ± 66


Z2 ist negativ und hier ohne Belang.
ZI = 65,7 =d 2 , daraus Durehmesser d = 8,1 em = 81 mm
. 41 4·150 mm
Sehlankheltsgrad A = d = 81 mm "" 75 « AO = 89)
also naeh Tetmajer: OK = 335 ~ 0,62 ·75 = 288,5 ~
mm

Kolbenkraft F = ~ (0,5 2 ~ 0,0812)m2 ·6,5 .10; = 124280 N

Druek- ° =!!.. = 124280 N = 24 1 ~ Kniek- ° 288,5-2


N
= 12> 5
spannung d S 5153 mm 2 ' mm 2 sieherheit v = - K = ~_ _-,m:::m:.:.:.....
N
°d 24,1--2
mm

424
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

3.6. Knickungsberechnungen irn Stahlbau


3.6.1. Tragsicherheit einteiliger Knickstabe
Zur knicksicheren Ausbildung von Druckstliben gilt bis zur Veroffentlichung einer europliischen
Nonn (EN-) fiir Stahlbauten die Nonn DIN 18800 (Nov. 90) mit Teill, Bemessung und Konstruk-
tion, Teil 2, Stabilitlitsfalle, Knicken von Stiitzen und Stahlwerken, Teil 3, Stabilitlitsfalle, Platten-
bauten.
Nach DIN 18800, Tei12, muB unter anderem die so genannte Tragsicherheit nachgewiesen werden.
Tragsicherheit besteht dann, wenn in der Ausweichrichtung des Stabes bei planrnliBig mittigem
Druck die Bedingung in Gleichung (11.69) erfiillt ist:

~~l (11.69)
/( Fpl

(Tragsicherheits-Hauptgleichung)

F Belastung (Nonnalkraft) in Richtung der Stabachse, Fpl Nonnalkraft im vollplastischen Zustand


(Tafel 11.16), /( Abminderungsfaktor (Abschnitt 3.6.2. Arbeitsplan, Teil e).

Eine Bemessung der Stabquerschnitte ist iiber den Tragsicherheitsnachweis nicht moglich, weil die
Tragsicherheits-Hauptgleichung (11.69) keine direkte BezugsgroBe fiir einen Stabquerschnitt
enthlilt. Man nimmt daher versuchsweise einen Stabquerschnitt an und ennittelt damit der Reihe
nach die im folgenden Arbeitsplan unter 3.6.2. aufgefiihrten GroBen. 1st am Ende die Bedingung
F j( /( F pi) ~ 1 nicht erfiillt ist, muss die Rechnung mit gelinderten Annahmen wiederholt werden.

3.6.2. Arbeitsplan zurn Tragsicherheitsnachweis


Gegeben: Querschnittsabmessungen (Profil), Werkstoff, Belastung F des Druckstabes
Gesucht: Tragsicherheitsnachweis
a) ErrnittIung der Knicklange SK

(11.70)

f3 Knickllingenbeiwert nach Bild 11.36, I Systemllinge des Stabes (siehe auch Bilder 11.37 und 11.38).

Fall 1 Fall 2: Grundfall Fall 3 Fall 4


{J=2 {J=1 {J=O} {J = 0,5

Bild 11.36
KnickUingenbeiwerte f3 einfacher
Stabe mit konstantem Querschnitt

425
Festigkeitslehre

Flir das Ausknicken in der Fachwerkebene ist die Systemliinge I der geschiitzte Abstand der beiden
Anschlussverbindungen an den Stabenden (Bild 11.37). Flir das Ausknicken rechtwinklig zur Fach-
werkebene ist I der Abstand der Netzlinien (Bild 11.38).

Aus-
weirh-
rirhfung

Bild II.37 Bild II.38


Ausknicken in der Fachwerkebene Ausknicken senkrecht zur Fachwerkebene

b) Berechnung des Schlankheitsgrades AK


, _ SK
/l-K - - . - (1I.71)
I

mit dem Triigheitsradius

i=[f . I I I S
m~mm4mm2 (1I.72)

SK Knickliinge, i Triigheitsradius, I Fliichenmoment 2. Grades, S Querschnittsfliiche (i, lund S nach


den Tafeln Il.l., Il.2., Il.10. - II. 12.).

c) Berechnung des bezogenen Schlankheitsgrades IK


- AK
AK=- (I1.73)
Aa
AK Schlankheitsgrad, Aa Bezugsschlankheitsgrad
Der Bezugsschlankheitsgrad Aa errechnet sich nach

(1I.74)
1 N/mm2 N/mm2

E Elastizitiitsmodul = 210 ()()() N/mm2, Re Streckgrenze nach Tafel IV.5. im Abschnitt Werkstoff-
technik, auch in DIN 18 800, Teill, Tabellel.(siehe Tabelle lI.l4.).
Danach ergibt sich Aa flir die im Stahlbau giingigen Werkstoffe:
RSt 37-2 (S2351R) mit einer Erzeugnisdicke t ~ 40 mm zu Aa = 92,9, St 52-3 (S35512G3) mit einer
Erzeugnisdicke t ~ 40 mm zu Aa = 75,9.
Die in Klammem stehenden Bezeichnungen sind die jetzt giiltigen flir Baustahl nach DIN EN
10025, siehe Abschnitt Werkstofftechnik Tafel IY.5.

426
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

d) Ermittlung einer Knickspannungslinie


Die Knickspannungslinie muss Tafel II.15. in Abhangig yom gewiihlten Stabquerschnitt entnom-
men werden.

e) Bestimmung des Abminderungsfaktors 1C

Der Abminderungsfaktor 1Cfiir die Knickspannungslinien a, b, c und d wird mit den folgenden For-
meln berechnet:

Bereich AK ~ 0,2 Bereich AK > 0,2 Bereich AK > 3,0

1C= I I I
1C= 1C=
AK (AK +a)
k+~F +A~

k=0,5 [1+a(AK-O,2)+I~l

Der Parameter a ist abhangig yon den Knickspannungslinien:

Knickspannungslinie
a

f) Ermittlung der Normalkraft F pi


F pi ist diejenige Druckkraft, bei der im Werkstoff des Stabes yom Querschnitt S der yollplastische
Zustand erreicht wird. Ais WiderstandsgroBe kann die Streckgrenze Re oder die obere Streckgrenze
ReB eingesetzt werden:

S
(11.75)
mm 2

g) Nachweis der Tragsicherheit


Zum Abschluss der Rechnung ist mit der Tragsicherheits-Hauptgleichung (11.69) FI(1C F pl) :s; I die
zulassige Querschnittswahl nachzuweisen oder es ist mit einem anderen Profil oder mit einem
anderen Stabquerschnitt die Priifung zu wiederholen.

• Beispiel: Ein planmiiBig mittig gedriickter Stab nach Fall 2 (Bild 11.36) mit der Systemlange SK =
1,50 m wird durch die Druckkraft F = 50 kN belastet.
Querschnittsform: I-Trager IPE 80 nach DIN 1025 (Tafel II.1I)
Werkstoff: S235JR
Losung: Knicklange SK = f31 mit f3 = 1 wird sK = 1,50 m = 1500 mm

Tragheitsradius i = ~ I; 8,49.10 mm
= -'---- 2
4 4
- =10,542 mm
764mm

. sK 1500mm
Schlankheltsgrad AK = - = =142,288
i 1O,542mm

427
Festigkeitslehre

bezogener Schlankheitsgrad XK == AK mit Aa == 92,9 filr S235JR bei t ~ 40 mm


Aa
x - 142,288
92,9
K -
1,532

~ == 80 mm == 1,74> 1,2 und t == 5,2 mm < 40 mm sowie Ausweichen rechtwinklig


b 46mm
zur y-Achse ergibt nach Tafel II.l5 die Knickspannungslinie b.

Abminderungsfaktor I(fur AK == 1,532 > 0,2:


k==0,5.[ l+a(X K -0,2)+Xi]

mit a == 0,34 filr Knickspannungslinie b


k == 0,5· [ 1 + 0,34 (l, 532 - 0,2) + 1,532 2 ]
k==I,9

Abminderungsfaktor I( == 1 -~===== == 0,331


k+~k2_Ai 1,9+~ 1,9 2 -1,532 2

Normalkraft im plastischen Zustand nach Tafel 11.16


Fpl == 164kN

Tragsicherheit _F_ == 50 kN == 0,921


1(. Fpl 0,331·164 kN
Die Bedingung der Tragsicherheits-Hauptgleichung (11.69) ist erfullt.

Tafel 11.14 Festigkeitswerte fur Walzstahl (Bau- und Feinkombaustahl)

Erzeugnisdicke Streckgrenze Zugfestigkeit


Werkstoff Bezeichnung t Re Rm
mm N/mm2 N/mm2

S235JR t~ 40 240
360
Baustahl 1) S235JRGl
S235JRG2 40<t~80 215
S235JO

t~ 40 360
Baustahl 1) E295 510
40<t~80 325

t~40 360
Feinkombaustahl l ) E355 700
40 < t ~ 80 325

I) Bezeichnungen flir Baustiihle siehe Abschnitt Werkstofftechnik. Tafel IY.5

428
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

Tafel 11.15 Zuordnung der Profilquerschnitte zu den Knickspannungslinien

Ausweichen
Querschnittsformen rechtwinklig Knickspannungslinie
zur Achse

Gewalzte hlb> 1,2 und t~40mm x a


Doppel-T-Profile y b
(siehe Tafel lUI.)
hlb> 1,2 und 40 < t S; 80 mm x b
hlb ~ 1,2 und t~80mm y c

t>80mm x undy d

U-,L-, T-
Querschnitte x und y c
(siehe Tafel 11.10 und 11.12)

Tafel 11.16 Nonnalkraft Fp1 = Re S in kN

Profil S Fp1l) Fi) Profil S Fp1l) F p12) Profil S Fp1l) Fi)


mm 2 kN kN mm 2 kN kN mm 2 kN kN

L 40x 6 448 96 108 IPE 80 764 164 183 U 50 712 153 171
L 50 x 6 569 122 137 IPE 100 1000 215 240 U 80 1100 237 264
L 60x 6 691 149 166 IPE 120 1320 284 317 U 100 1350 290 324
L 70 x 7 940 202 226 IPE 140 1640 353 394 U 140 2040 439 490
L 80 x 8 1230 264 295 IPE 160 2010 432 482 U 160 2400 516 576
L 80 x 10 1510 325 362 IPE 180 2390 514 574 U 180 2800 602 672
L 90x 9 1550 333 372 IPE 200 2850 613 684 U200 3220 692 773
L100x1O 1920 413 461 IPE 220 3340 718 802 U220 3740 804 898
L 120 x 13 2970 639 713 IPE 240 3910 841 938 U240 4230 909 1015
L 140 x 15 4000 860 960 IPE 270 4590 987 1102 U260 4830 1038 1159
L 150 x 16 4570 983 1097 IPE 300 5380 1157 1291 U280 5330 1146 1279
L160x19 5750 1236 1380 IPE 360 7270 1563 1745 U 300 5880 1264 1411
L 180 x 18 6190 1331 1486 IPE400 8450 1817 2028 U350 7730 1662 1855
L200x20 7640 1643 1834 IPE 500 11600 2492 2784 U400 9150 1967 2196

1) mit Re = 215 N/mm2 gerechnet, 2) mit Re = 240 N/mm2 gerechnet

429
Festigkeitslehre

3.6.3. Tragsicherheit mehrteiliger KnicksHibe


Auch mehrteilige aus Walzprofilen zusammengesetzte Stabe konnen wie einteilige berechnet wer-
den, wenn deren Querschnitte senkrecht zur Ausweichrichtung eine Stoffachse haben wie in Bild
11.39.
Die Einzelprofile sind durch Nieten oder SchweiBen so verbunden, dass der Stab als ein Bauglied

'+'+'*'$,*,;t~J2j durchlaufend
Bild 11.39. Mehrteilige Stabe mit zwei Stoffachsen x-x und y-y

angesehen werden kann.


Mehrteilige Querschnitte nach Bild II.40 mit einer Stoffachse x-x und einer stofffreien Achse y-y
konnen senkrecht zur Stoffachse x-x wie einteilige Stabe berechnet werden.

Bild H.40. Mehrteilige Querschnitte mit stofffreier Biegeachse y-y

In Ausweichrichtung senkrecht zur stofffreien Achse y-y gelten andere Rechenvorschriften nach
DIN 18 800, Teil 2, Abschnitt 4.

Bild 11.41. Gilnstigster Querschnitt fUr Knickstabe

430
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

4. Abscheren
4.1. Spannung 1)
Die Belastung F wirkt abscherend auf den Stab, wenn sie senkrecht zur Achse wirkt und kein Mo-
ment in bezug auf den Querschnitt hat, d.h. wenn die Kraft-Wirklinie im Querschnitt liegt (Bild
11.44). 1m abgeschnittenen Teil ergibt die Untersuchung des Kriiftegleichgewichtes die innere Quer-
kraft Fq = F. Sie wirkt in der Schnittfliiche, es treten also Schubspannungen T auf. Diese sind
nicht gleichm~ig iiber dem Querschnitt verteilt, weil jede Abscherbeanspruchung in der Praxis
mit einer Biegung verbunden ist. Da die tatsiichliche Spannungsverteilung und deren Gro~twert
mathematisch schwer erf~bar sind, wird mit dem Mittelwert gerechnet:
QuerkraftF
mtt sfl"ach e S
Abscherspannung T a = Quersch'

Ta F S
F
T =- (11.80)
a S N
N mm2
mm 2

(A bscher-Hauptgleichung)
Je nach vorliegender Aufgabe kann die Abscher-Hauptgleichung urn-
gestellt werden zur Berechnung des erforderlichen Querschnittes
(Querschnittsnachweis) :
~QUerSChnitt­
._. S
Fq
f/ache S

F Bild 11.44. Scher-


Serf=-- (11.81) beanspruchter Stab
Tazul

Berechnung der vorhandenen Spannung (Spannungsnachweis):


F
Tavorh = S (11.82)

Berechnung der maximal zuliissigen Belastung (Belastungsnachweis):


Fmax = S Tazul (11.83)
Die Abscherfestigkeit von Stahl und Graugu~ kann aus der Zugfestigkeit Rm bestirnmt werden:
fdr Flu~stahl ist TaB = 0,85 Rm
(11.84)
fdr GG ist TaB = 1,1 Rm

1) Rechentafel Seite 461

431
Festigkeitslehre
Niete und Bolzen werden nach obigen Gleichungen berechnet, obwohl in der Schnittfliiche stets
noch ein Biegemoment libertragen werden mu~, wie die Untersuchung des Kraftegleichgewichtes
am abgeschnittenen Bauteil beweist (Bild lI.45). Die dadurch entstehende Unsicherheit wird durch
ein geringeres T azul berUcksichtigt. Niete werden au~er auf Abscheren noch auf Lochleibungsdruck
al berechnet (siehe Fliichenpressung).

Ef!. s)
F
Fq=innere Kraft

Mb=mneres
Moment
F
<l-- .0
$i:$
$::$-
$::$
"
F
~

Bild 11.45. Schnittuntersuchung am Niet Bild 11.46. Nietverbindung

• Beispiel: Gesucht wird die Stanzkraft F zum Stanzen eines Loches von d =30 mm Durchmesser in
s = 2 mm dickes Stahlblech mit TaB = 310 N/mm 2 .

Losung: F min = TaB S= TaB 11ds = 310 ~. 11 ·30 mm·2 mm = 58,4 kN


mm

• Beispiel: Die einreihige Doppellaschennietung ist zu berechnen (Bild lI.46)


N N N
F= 120 kN, azul = 140 - - 2 ' Tzul = 110 - - 2 ' Ulzul = 280 - - 2
mm mm mm
(zuliissiger Lochleibungsdruck). Gewiihlt: d l = 17 mm, s =8 mm, Sl =6 mm.
Losung: Die erwartete (geschiitzte) Schwiichung des Stabprofils durch die Niet16cher wird durch
Nutzquerschnitt Sn
das Verschwdchungsverhdltnis v = h .. h Q h· S berlicksichtigt. Hier
ungesc wac ter uersc mtt
wird v = 0,75 angenommen.

a) S - ~ --
f-
120000 N -- 1143 mm 2
er azzulv 140~.075

=2
mm 2 '

b) berf = S;rf = 11~3 = 142,9 mm; b = 145 mm ausgeftihrt (Normm~)


F 120000 N
c) naerf =
m
S =2,4; also na =3 Niete
Tazul 1
110 ~ ·2·227 mm2
mm 2

F 120000 N
d) nlerf = ---=--:--
alzul d S
N = 3,14; also nl = 4 Niete
l 280 - - ·17 mm· 8 mm
mm 2
In den folgenden Rechnungen mu~ demnach n = 4 eingesetzt werden.

432
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten
F 120000 N N N
e) °zvorh = s(b-nd 1 ) 8 mm(145 -4 ·17) mm = 195 mm2 > °zzul = 140 mm2
F 120000 N ' N N
f) Tavorh = --8- = N = 66 - - 2 < Tazul = 110--2
mn 1 2.4.227-- mm mm
mm 2

F 120000N N N
g) o'vorh = -d- = 4 17
n IS •
8
mm· mm
= 221--
mm2
< O,zul = 240 -mm
-2

Beachte:
zu d) 4 Niete 171/J wiirden eine groBere Breite b erfordern (Nietabstande nach DIN 1050). Ein-
facher ware es, die Niete je Seite zweireihig anzuordnen.
zu e) Die vorhandene Zugspannung ist groBer als die zulassige. Bei der unter d) vorgeschlagenen
Ausfiihrung (zweireihige Nietung) ist der Lochabzug geringer und damit die vorhandene Zugspan-
nung kleiner als die zulassige.

5. Torsion (Verdrehung)
5.1. Kreiszylinder mit gleichbleibendem Querschnitt 1)
5.1.1. Spannung. Der gerade zylindrische Stab in Bild 11.47 ist einseitig eingespannt und wird
durch das Drehmoment M belastet, dessen Ebene senkrecht zur Stabachse steht. Ein Schnitt senk-
recht zur Stabachse zedegt den Stab in die reile 1 und II. Die statischen Gleichgewichtsbedingun-
gen flir einen Stababschnitt ergeben das innere Kraftesystem:
I. 'i:.Fx = 0; keine x-Krafte vorhanden
II. 'i:.Fy =0; keine y-Kriifte vorhanden
III. 'i:.M(o) = 0 =M -MT

Bild 11.47
Torsionsbeanspruchte Welle
Mist das durch die auf.\eren
Krafte hervorgerufene
Aufl.enmoment
MT ist das durch die inneren
Krafte hervorgerufene
Torsionsmoment

1) Rechentafel Seite 462

433
Festigkeitslehre

Die Momentengleiehgewiehtsbedingung (III.) zeigt, daB der Querschnitt ein in der Fliiche liegendes
Torsionsmoment MT = M zu iibertragen hat. Es ist liings des Stabes an jeder Querschnittsstelle gleich
groB (im Gegensatz zur Biegung). Die Mantelgerade AB ist daher zur Wendel AC geworden. Die
auftretende Torsionsspannung Tt ist nur vom Betrag des zu iibertragenden Torsionsmomentes MT
und vom polaren Widerstandsmoment Wp des Querschnittes abhiingig:
Torsionsmoment MT
Torsionsspannung Tt = --::----==.:-::----::----"---=-:-
polares Wlderstandsmoment Wp

MT Tt MT Wp
Tt =- (11.85)
Wp N
Nmm mm 3
mm 2
(Torsions-Hauptgleichung)
Je nach vorliegender Aufgabe kann die Torsions-Hauptgleichung umgestellt werden zur Berechnung
des erforderlichen Querschnittes (Querschnittsnachweis):
MT
Wp erf = Tt zul (11.86)

Berechnung der vorhandenen Spannung (Spamwngsnachweis):


MT
Ttvorh = u;-p (11.87)

Berechnung der maximal zuliissigen Belastung (Belastungsnachweis):

(11.88)
Gleichungen zur Berechnung des polaren Widerstandsmomentes Wp siehe Tafel 11.17.
Wiehtige Zahlenwertgleichungen zur Berechnung des Torsionsmomentes MT = M in Nm und Nmm
aus gegebener Leistung P in kW und gegebener Drehzahl n in D/min =1 lmin =min -1 :
M P n
(11.89)
Nm kW min- 1

M P n
(11.90)
Nmm kW min- 1
5.1.2. Herleitung der Torsions-Haupt-
gleichung. Das iiuBere Drehmoment M
verdreht (tordiert) zwei dieht be·
nachbarte Querschnitte gegeneinander.
Es entstehen daher Schubspannungen T.
Wie das Verformungsbild 11.48 zeigt,
werden die Werkstoffteilchen urn so
weiter drehend gegeneinander verscho-
ben, je weiter entfernt sie von der Stab-
achse liegen: B' wandert nach C' und Verformungsbild Spannungsbild
B nach C Die stiirkste Verformung zeigt. tJb = E. zeigt:.!. = E..
. b r Lmax r
liegt am Querschnittsumfang; die Stab-
achse dagegen ist unverformt. Bild lIA8. Verformungs- und Spannungsbild bei Torsion

434
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten
Da im elastischen Bereich nach Hooke die Verformung der Spannung proportional ist, mu~ ebenso
wie die Verformung auch die Spannung mit den Abstanden p von der Stabachse wachsen. Die Span-
nungen sind demnach wie bei der Biegung linear verteilt. Die Stabachse ist unverformt, also auch
spannungslos.
Jedes Flachenteilchen .:lA libertragt die Querkraft .:IF = T.:lA (in der Flache liegend). In bezug
auf die Stabachse libertragt jedes Flachentei1chen mit dem Abstand p das kleine Innenmoment
.:lMT = .:lFp = T.:lAp.
Das Spannungsbild zeigt die Proportion: _T-
Tmax
=!!.;
r
also auch T =Tmax I!...
r
Darnit wird .:lMT = T.:lAp = Tmax ~ .:lAp = T~ax .:lAp2.
Nach den Gleichgewichtsbedingungen mutl. das gesamte Torsionsmoment MT gleich der Summe
aller kleinen Innenmomente sein, also

MT = ~.:lMT = L-r - .:lAp


T max 2
=T-max
r
- ~.:lAp 2
Der Summenausdruck ~.:lA p2 wird als rein geometrische Rechengrotl.e herausgezogen und als
polares Fliichenmoment Ip bezeichnet (siehe Flachen- und Widerstandsmomente). Wird autl.erdem
die Randfaserspannung Tmax als Torsionsspannung Tt bezeichnet, so ergibt sich die Hauptgleichung
in der Form
Ip Ip
MT = Tt r
und mit r
= polares Widerstandsmoment Wp: MT = Tt Wp

5.1.3_ Formiindemng. Die Stirnflachen des torsionsbeanspruchten Stabes (Bild 11.49) werden urn
den Verdrehwinkel «I gegeneinander verdreht.
Bei der elastischen Verformung gilt fliI aIle Beanspruchungsarten das Hookesche Gesetz: a = .:lIE/I.
Wird sinngernatl. eingesetzt: Flir die Normalspannung a die Schubspannung T, fur die Formanderung
.:ll der Bogen b und fur den Elastizitatsmodul E der Schubmodul G, so ergibt sich das Hookesche
Gesetz fur Torsion:
b
Tt =I G (11.91)
Zur rechnerischen Vereinfachung wird das Bogenstlick Be = b durch den Verdrehwinkel <p in Grad
ausgedruckt. Zwischen beiden besteht die Beziehung
\/erdrehw;nkel I{J
b __ <p_. _ b360° -t!.. 180 0
211 r - 360 0 ' «I - 211 r - r 11

Wird die nach b aufgelOste Beziehung (11.91) in die letzte Glei-


chung fur den Verdrehwinkel eingesetzt, so ergeben sich die Tor-
sions-Formanderungsgleichungen:
Tt I 180 0
«1= Gr . -11- (11.92) bel Verdrehung

MTI 180 0
«1=--.- (11.93)
Wp rG 11
MT I 180 0
«1= I G
p
.-;;r (11.94)

Tt,G I,r
I

o
Nmm Bild 11.49. Formiinderung bei
mm mm 3
Torsion

435
Festigkeitslehre

Der Schubmodul G entspricht dem E-Modul bei Normalspannungen, siehe auch Tafel 1.1. Flir Stahl
ist G = 80000 N/mm 2 • Die obigen Gleichungen zeigen, daE der Verdrehwinkel unabhiingig von der
Werkstoffgiite ist, well z.B. fUr alle Stahlsorten G gleich gro~ ist. Es ware also falsch, besseren Stahl
zu benutzen, urn den Verdrehwinkel kleiner zu halten.
5.1.4. Formanderungsarbeit. Beim Verdrehen eines zylin-
drischen Stabes steigt das Torsionsmoment MT von Null bis
zu einem Hochstwert proportional zum Verdrehwinkel an .
.....
Die im Stab gespeicherte Formiinderungsarbeit W entspricht ~
im MT , <p-Schaublld der Flache unter der MT-Linie (Bild 1I.50): e:o
e:
~
.!;!
~
(1I.95) ~
Nmm rad = I
Verdrehwinkel im Bogenman
Torsionsstabfedern werden verwendet als Autofedern, Stabili-
satoren im Fahrzeugbau, Drehmomentenschllissel und im Me~­
cp
geratebau.
Bild 11.50. Arbeitsdiagramm f1ir
Torsionsstabfeder

Die Neigung der Belastungslinie (= Federkennlinie) ist ein MaE fur die "Harte" der Feder. Sie ist
urn so harter, je steller die Kennlinie verlauft, d.h. je gro~er die Federrate R (Federsteifigkeit) ist:

MT_ R
R= -=tana
<p (1I.96)
Nmm
Nmm rad = I
rad

Flir zylindrische Stabe mit Kreisquerschnitt gilt:


rrd 3 rrd 2 d d Ttl rrd 2
MT=TtWp: WP =16=4'4=A 4 ; <p = d und 4 1= Volumen V
G-Z
Damit wird nach einigen Umformungen die Formiinderungsarbeit:
W V
(1I.97)
Nmm mm 3

5.2. Stiibe mit beliebigem Querschnitt


Bei der Verdrehung zylindrischer Stabe mit Kreisquerschnitt bleiben diese eben. Bei allen anderen
Querschnitten tritt dagegen eine Verwolbung ein. Die mathematische Behandlung flihrt auf Dif-
ferentialgleichungen (A. Foppl. L. Prandtl und C Weber). In der Praxis wird in Anlehnung an die
Torsion zylindrischer Stabe mit Kreisquerschnitt mit folgenden Gleichungen fur Torsionsspannung
Tt und Verdrehwinkel <p gerechnet:
MT
Tt = Tt,G (H.98)
Wt
MTI 180 0 N
Nmm mm 3 mm4 mm o
<p = - - . -rr - mm 2 (II.99)
GIt
Darin ist It eine Gro~e, die dem polaren Flachenmoment des Kreisquerschnittes entspricht und
nach Foppl Drillungswiderstand genannt wird. Wt entspricht dem polaren Widerstandsmoment des
Kreisquerschnittes. Gleichungen flir Wt und It siehe Tafel II.17.
436
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

Tafel II.l7. Widerstandsmoment Wp (Wt ) und Flachenmoment Ip (Drillungswiderstand It)

FJachenmoment Ip
Form des Querschnittes Widerstandsmoment Wp (Wt ) Bemerkungen
Drillungswiderstand It

_ _ 1T 3 _ d3 d4
Wt - Wp - 16 d ~ 5 It =Ip =
1T
32 d 4 "=' 10 Tmax am
Umfang
"='0,2 d 3 "='0,ld 4

Tmax am
Umfang

Tmax an den
Endpunkten
der kleinen
h Achse
-=n>1
b

Tmax an den
Endpunkten
der kleinen
Achse

Wt = 16
1T
nba3 ( 1 - a4 )

Tmax in der
Mitte der
Seiten

~= n >1 Tmax in der


b
Mitte der
langen Seiten

n I I 1,5 I2 3I 4 I 6 I I 8 10
Cl 0,208 0,346 0,493 0,801 1,150 1,789 2,456 3,123
C2 0,1404 0,2936 0,4572 0,7899 1,1232 1,789 2,456 3,123

437
Festigkeitslehre

Form des Querschnittes Widerstandsmoment Wt Drillungswiderstand It Bemerkungen

h3
Wt = 0,05 b 3 =13 Tmax in der
Mitte der
h3 2It Seiten
Wt =13=h

Wt = 0,436 rA It = 0,553 rA Tmax in der


Wt = 1,511 r3 It = 1,847 r4 Mitte der
Seiten

l
A Querschnittsflliche

Wt = 0,447 rA It = 0,520r2 A
Tmax in der
Wt = 1,481 r3 It = 1,726 r4 Mitte der
Seiten
A Querschnittsflliche

..:::<~~
Tmax in den
langen Seiten
s,
der Flansche
I,

~~~'
1
[ 1.: It! = 2/1 - Sf It = 3" (ltl si + It2 s~)
..:::< S5 - '" ~ It2 = 12 - 1,6 Sf
I: Itl =2/ 1 -1,26s f
I, I,
It2 = 12 -1,67 Sf + 1,76sf

• Beispiel: Eine Getriebewelle iibertrligt eine Leistung von 12 kW bei 460 min-I, Die zullissige Tor-
sionsspannung betrligt wegen zuslitzlicher Biegebeanspruchung nur 30 N/mm 2 ,
Berechne: a) das Drehmoment M an der Welle, b) das erforderliche Widerstandsmoment
Wp , c) den erforderlichen Durchmesser derf einer Vollwelle, d) den erforderlichen Innen-
durchmesser d einer Hohlwelle, wenn der Au~endurchmesser D = 45 mm ausgeftihrt wird,
e) die Torsionsspannung an der Wellen-Innenwand!

LOsung: a) M =9550' ~
12
M= 9550, 460 Nm =249,1 Nm
MT
b) Wperf = -T-
t zul

Wperf = 249,1'10 3NNmm =8303 mrn3


30-
mm 2
438
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

)W _1r 3
C P - 16 d

derf = V 16 W
/
rf
e =
~ /16
V 7T. 8303 mm3 = 34,8 mm
d = 35 mm ausgefuhrt
Beachte: Soil nur der Wellendurchmesser d bestimmt werden, dann wird man b) und c)
3 16Mt
zusammenfassen und derf = --- berechnen.
1rTtzul

Beachte: Wperf nach b) bleibt gleich gro~, well T und Ttzul gleich bleiben.

16WpD 4 4
1r =D - d

=11 D4 -1[
rIa
derf 16 WperfD =38,5 mm (ausgeftihrt)

e) Strahlensatz:
Tta D
-=-
Tti d
_ d _ N 38,5 mm _ N
Tti - Tta D - 30 mm2· 45 mm - 25,7 mm2

Beachte: Mit Tta =Tt zul diirfen wir nur deshalb rechnen, wei! wir den mit Tt zul = 30
N/mm 2 berechneten Innendurchmesser exakt so beibehaltenhaben. Hatten wird = 38 mm
(Normma~) ausgeftihrt, dann hatten wir die Randfaserspannung Tta = Ttvorh = T/Wp mit
dem neuen Wp berechnen miissen und erst damit Tti bestimmen k6nnen!

• Beispiel: Ein Torsionsstab-Drehmomentenschliissel soil bei einem Drehmoment von 50 Nm einen


Verdrehwinkel von 10° anzeigen. Berechne a) den Durchmesser d des Torsionsstabes bei
Ttzul = 350 N/mm 2 , b) die erforderliche Stablange I fill den geforderten Verdrehwinkel!

Uisung: a) Aus Tt =:p


ergibt sich mit Wp = I: d 3

d erf = ~16T YI6.50.103Nmm


--= "'='9mm
1rTtzul 1r. 350.Ji....
mm 2

d =9 mm ausgeftihrt
b) Mit Gleichung (11.94) und Ip =3; d 4 wird dann
1r2 • 9 4 mm4 • 8 . 10 4 ~ • 10°
mm 2
32 .180°.50.10 3 Nmm

i=180mm
439
Festigkeitslehre

• Beispiel: Ein Kurbelarm mit Rechteckquerschnitt (20 X 40) mm2 ist 250 mm lang und wird durch
ein Torsionsmoment von 80 Nm beansprucht. Berechne a) die Torsionsspannung in der
Mitte der langen Seiten, b) den Verdrehwinkel!
LOsung: a) Nach Tafel 11.17 ist mit n = ~ = 2 der Wert c 1 = 0,493 und damit Wt = c 1 b 3 = 3944 mm 3

=MT = 80 000 Nmm = 20 3 ~


Tt max Wt 3944 mm 3 ' mm2

= C3 Tt max = 0,7952· 20,3 ~ = 16,1 ~ in der Mitte der kurzen Seiten.


Tt
mm mm
b) It = C2 b = 0,4572 .20 mm = 7,3.10 mm4 und damit nach (11.99)
4 4 4 4
MT I 180 0 80000 Nmm· 250 mm 1800
cp= - . _ - = . --=01960
ItG 1r 7,3.104mm4.0,8.lOs~ 1r '
mm
6. FUichenpressung
Die Beanspruchung der Beriihrungsflachen zweier gegeneinander gedriickter Bauteile heiJ.\t Flachen-
pressung oder Pressung (bei Nieten: Lochleibungsdruck).

6_1. Fliichenpressung ebener Fliichen


Wird ein Bauteil nach Bild n.s 1 durch eine schrage Kraft F 8e/astungF
auf seine Untedage gepreBt, so ist die Fliichenpressung
Normalkraft FN
p =Beriihrungsflache A 8eruhrungsfloche A
?,:

FN P FN A
p=- (11.100) Flochenpressung p
A N
N mm 2
mm2 Bild 11.51. Fliichenpressung
(Fliichenpressungs-Hauptgleichung ) ebener Fliichen

Die Flachenpressung p steht stets senkrecht auf der Beriihrungsflache. Zur Berechnung muB des-
halb auch die senkrecht auf der Flache stehende Normalkraft FN benutzt werden. Dazu ist exaktes
Freimachen des betrachteten Bauteiles erforderlich (haufige Fehlerquelle!). Fiir die Keiiftihrung
in Bild 11.52 z.B. zeigt das Krafteck die Normalkraft FN = Flcos Q, also nicht etwa FN = F· cos Q,
wie bei fliichtiger Betrachtung die ,,zedegung" von F liefert! Die Flachenpressung p wird fUr die-
sen Fall also:
FN F F
p=-=--=
A A COSQ Aprojiziert

F F f.tana

Bild 11.52
Fliichenpressung
geneigter Fliichen

440
II. Die einzelnen Beanspruchungsarten

1m Nenner steht die Projektion der Berilhrungsf/iiche in Richtung der Wirklinie der Belastung F.
Genauer: A cosa ist die Projektion der Bertihrungsflache auf die zur Wirklinie von F senkrechte
Ebene. Man kommt dann bei geneigten Flachen ohne Umrechnung auf die Normalkraft aus:
Fliichenpressung
F
p=-- (II.lOI)
Aproj

Damit lassen sich bequeme Berechnungsgleichungen fur praktisch haufig vorkommende Falle ent-
wickeln, wie sie in Bild II .S3 zusammengestellt sind.

F F _ _ _F_ _ F f F
Kegeizapfen:p=;,-:= rr z z - rrdmllanOf Pr;smenfiihrung: p= Apro. = (b/- bZJ I = iiIiOIlii
pro) , (d/ - d 2 ) ( oder BremsnuJ J I

F F Gew;nde : p= _F_
Kegelkupplung: p = Aproj:= TCdmbs in Cl. Aproj

F
Bild 11.53. Typische technische Beispiele ftir die Verwendung der Gleichung p = ~
pro)

6.1.1. Flachenpressung im Gewinde. Ein wichtiges Beispiel der Entwickiung einer Gleichung nach
(I1 .101) ist die Berechnung der Flachenpressung in Bewegungsschrauben (meist mit Trapezgewinde
nach DIN 103), wobei es hiiufig darum geht, die erforderliche MutterhOhe m aus der zulassigen
Pressung zu bestimmen. Mit i = m/P tragenden Gangen und den Bezeichnungen aus Bild I1.S4 wird
die projizierte Flache aller Gewindegange:

und daraus die Fliichenpressung im Gewinde

(II. 102)

mm N Bild 11.54. Bezeichnungen am


Trapezgewinde

441
Festigkeitslehre

Beachte: Die Reehnung ergibt eine mittlere Fliichenpressung, weil irn Gegensatz zu den tatsiich-
lichen Verhiiltnissen eine gleichrniifiige Kraftaufnahme der einzelnen Gewindegiinge vorausgesetzt
wurde. Bei metrisehem Gewinde ist fUr t2 das MaB tl einzusetzen, siehe Maschinenelemente.

6.2. Flachenpressung gewolbter Flachen


Schwieriger als bei ebenen Fliichen sind die Pressungsverhiiltnisse an der Oberfliiche der Lager-
,zapfen, Bolzen und Niete. Die Normalkriifte auf die Beriihrungsfliiehen sind hier statiseh unbe-
stimmt. Man denkt sich deshalb nach Bild II.5S einen Mittelwert p gleichrnii~ig tiber der Fliiehen-
projektion verteilt und reehnet bei Lagerzapfen und Bolzen mit der Fliichenpressung

P F d, I
F F
p=--=- (II.! 03)
A proj d I N
N mm
mm 2

®;;.~~
proj. Fliiche proj. Fliiche
einschniffige Verbindung

Ir*f.e
s= 2 ·s 1= 2·7mm : 14mm
mehrschnitfige Verbindung
s=3· S2=3. 3,5mm=1~5mm

Bild 11.56. Nietkraft F J und kleinste Blechdickensumme s

BlId 11.55
Fllichenprojektion eines Lagerzapfens

Die Fliichenpressung am Nietschaft he~t Lochleibungsdruck al. Er wird berechnet aus: FJ Kraft,
die ein Niet zu tibertragen hat;d J Lochdurchrnesser = Durchrnesser des geschlagenen Nietes; s =
kleinste Summe aller Blechdicken in einer Kraftrichtung (Bild II.56):

(II. 104)
N mm

In Bild 11.56 ist in Kraftrichtung rechts: s = 2 Sl = 2 . 7 mm = 14 mm; in Kraftriehtung links:


s = 3 S2 = 3·3,5 mm = 10,5 mm. Es m~ also mit s = 10,5 mm gereehnet werden, weil das die
kleinste Blechdickensumme in einer Kraftrichtung ist und damit nach (11.104) den gr6~ten Loeh-
leibungsdruek ergibt!

442
III. Zusammengesetzte Beanspruchungen
• Beispiel: FUr eine zugbeanspruchte Gewindespindel mit Tr28 X 5 (Tafel VII. 10) sind zu berechnen:
a) die zullissige Hochstlast fUr azzul = 120 N/mm2, b) die erforderliche Mutterhohe m fUr
Pzul = 30 N/mm 2!

LOsung: a) Fmax =a zzulA 3

N
Fmax = 120 --2.398 mm 2 = 47 760 N
mm
Fmax P
b) merf =- - - ' - = -
rr d 2 HI Pzul
47760N·5 mm
merf = N =39,75 mm
rr· 25,5 mm· 2,5 mm· 30 --2
mm

m = 40 mm ausgeflihrt

• Beispiel: Ein Gleitlager (Bild I1.57) wird durch die Radialkraft Fr = 16 kN und die Axialkraft
Fa = 7,5 kN belastet. Das Bauverhiiltnis solI lid = 1,2 sein. Pzul = 6 N/mm 2. Gesucht:
d, D, l!

LOsung' P = ~ = ..!!... = F F
• Aproj did· 1,2 d =l,2d"2

derf =~
-1-2-- =
, Pzul
Y 16000N
12.6--
,
N
mm 2
"'" 47,2 mm

d =48 mm ausgeflihrt, daher


I = 1,2 d = 1,2· 48 mm = 57,6 mm
1= 58 mm ausgeflihrt

Bild II.57
D = -. / 4F +d 2
erf V'rr Pzul
Derf = ' / 4 · 7500NN + 2304 mm 2 =62,4 mm
V rr·6--
mm 2

D = 63 mm ausgeflihrt

III. Zusammengesetzte Beanspruchungen

Auch in einfachen praktischen Fiillen treten haufig mehrere Beanspruchungsarten gleichzeitig auf.
Sie konnen nur dann richtig erkannt werden, wenn das Schnittverfahren sicher beherrscht wird.
Man unterscheidet gleichzeitiges Auftreten mehrerer Normalspannungen (1.), gleichzeitiges Auf-
treten mehrerer Schubspannungen (2.) und gleichzeitiges Auftreten von Normal- und Schubspan-
nungen (3.).

443
Festigkeitslehre
1. Gleichzeitiges Auftreten mehrerer Nonnalspannungen
1.1. Zug und Biegung (auch exzentrischer Zug) 1)
Nach Bild 111.1 ist an einem IPE-Trager (Tafel 11.11) ein Blech von 14 mm Dicke angeschiossen,
so daE sich durch die Zugkraft Fein einseitiger Kraftangriff und damit "exzentrischer Zug" ergibt.
Nach dem Schnittverfahren wird das innere Kraftesystem fUr den Querschnitt A -B bestimmt. Der
Ansatz der statischen Gleichgewichtsbedingungen legt die yom Querschnitt zu tibertragenden
Krafte und Momente fest, und zwar:
eine senkrecht zum Schnitt stehende Normalkraft FN = F = 72,5 kN = 72 500 N. Sie ruft eine
gleichmii~ig tiber dem Querschnitt verteilte Zugspannung hervor:

F 72500 N N
°z = S = 1320 mm2 = 54,9 mm2
a~erdem wirkt ein Biegemoment Mb = Fa; hervorgerufen durch das Kriiftepaar; es erzeugt eine
Biegespannung

0b = Mb = Mb e =Fae = 72500N· 67mm· 60mm =91 ~


W I I 318·1Q4 mm 4 mm 2

Nach Bild 111.1 erhiilt man aus dem Zugspannungsbild b)


und dem Biegespannungsbild c) das Schaubild der resultie-
renden Spannung d). Die bei reiner Biegung durch den
Schwerpunkt S der Fliiche gehende Nullinie ist bei der zu- ~

sammengesetzten Spannung urn c nach links verschoben. II


I FN II
II
Das Fliichenmoment list stets auf die Schwerpunktsachse II Mb II
I
A B
zu beziehen. Yor allem bei Walzprofilen sollte man stets die e
Biegespannung mit Hilfe des Fliichenmomentes I berech-
14
nen, wei! in den promstahltabellen nicht immer das direkt
brauchbare Widerstandsmoment W enthalten ist. 0)
0
Nach dem Spannungsbild d) ergibt die Addition der Einzel-
spannungen die resultierende Gelillmtspannung: F=72,5kN

(III.l)
b)

(III.2)

Mit den berechneten Spannungen wird demnach: c)


b
6'
N N
°resZug = (54,9 + 91) --2 = 146 --2
mm mm
und ~
_ N N d) J
0resDruck - (54,9 - 91)--2 = - 36,1 --2
mm mm

Bild 111.1. Zug und Biegung

1) Rechentafeln Seiten 458 und 459

444
III. Zusammengesetzte Beanspruchungen

Eine Beziehung zur Berechnung von c wird aus dem Spannungsbild IIUd) abgelesen:

c 0z 0z FIe I
- = - ; also c = e - = - - = -
e 0b 0b AFae Aa

und mit Tragheitsradius i = v'lfS oder 1/S = i 2 :


i2
c=- (111.3)
a

Solange c = i 2 /a < e ist, treten im Querschnitt Zug- und Druckspannungen auf, bei c> e nur Zug-
spannungen.
1m Beispiel ist mit i~ =Ix/S =318.104 mm 4 /1320mm 2 =2409 mm 2 und damit c= 2409 mm 2 /
60 mm =40,2 mm. Wie die Rechnung schon bewies, treten wegen c < e, d.h. 40,2 mm < 60 mm
Zug- und Druckspannungen auf.
FUr die Bemessung eines exzentrischen Zugstabes gelten die Gleichungen (111.1), (III.2) .

• Beispiel: FUr die Schraubzwinge nach Bild III.2 sind zu berechnen: a) die hOchste zulassige Klemm-
kraft Fmax, wenn im eingezeichneten Querschnitt eine Zugspannung von 60 N/mm2 und
eine Druckspannung von 85 N/mm2 nicht Uberschritten werden sollen; b) das zum Fest-
klemmen mit Fmax erforderliche Drehmoment M (ohne Reibung zwischen Klemmteller
und Spindel; c) die erforderliche Handkraft Fh zum Festklemmen, wenn diese am Knebel
im Abstand r =60 mm von der Spindelachse angreift; e) die Knicksicherheit der Spindel,
wenn die freie Knicklange gleich 100 mm gesetzt wird! Spindelwerkstoff: St 50.

LOsung: Wie Ublich bestimmen wir die Schwerpunktsabstande el = 9,2 mm; e2 = 15,8 mm und mit
der Gleichung fUr das T -Prom. das axiale Flachenmoment
1= ~ (Be~ -bh 3 +ae~) =2,1 ·104mm4. S = 410 mm 2 ; I = 65 mm + el = 74,2 mm.
a) Wir mUssen Fmax mit den beiden Annahmen bestimmen (hier mit 0zzul f Odzul!):

F < °zzul
maxi = 1 lei
-+-
S I

1717 N
Fmaxl ;:;;; (_1_+ 74,2.9,2) _1_
410 21000 mm2

F < °dzul
max2 = le2 1
I S

85~2
mm

also ist Fmax = F max2 ;:;;; 1592 N Bild 111.2

445
Festigkeitslehre
b) M RG = Fmax r2 tan (a + pi) =M(siehe Statik, 8.7.4)

=d 2 =9,026rum=4513
r2 2 2 ' rum
P = 1,5 rum; d 3 = 8,16 rum; HI = 0,812 rum; As = 58 mm 2
P 1,5 rum
tana = -~- =2 4513 = 0,0529
.:. 1T r2 1T', mm

1800
tanp I =J.l I =0,15; p '0 =-1T-tanp I
= 8590
,

tan (a + pi) = tan 11,60 = 0,2053


M RG =M= 1592 N· 4,513 mm' 0,2053 = 1475 Nmm

c) M=Fhr

F = M = 1475 Nmm = 24 6 N
h r 60mm '

Fmax P
d) merf = - - - -
1Td 2 H I Pzul

1592 N '1,5 rum 34,6 rum


merf= N
1T'9 ,026 rum'O ,812 rum'3-
mm 2

m = 35 rum ausgeftihrt

e) A=~=4s = 400 rum =49<AO=89


I d 3 8,16 mm
also liegt unelastische Knickung vor (Tetmajerfall):
aK = 335 - 0,62 A
N
aK = 335 - 0,62 . 49 = 304,6 --2
rum
Fmax 1592 N N
adYorh = ~ = 58 rum2 = 27,4 rum2

N
aK 304,6--2
mm
SYorh = adYorh = N = 11
27,4-2
mm

1.2. Druck und Biegung (auch exzentrischer Druck) 1)


Nach Bild III.3 greift die Druckkraft F aul.\erhalb des Schwerpunktes S an. Die Schnittverfahren
und die Entwicklung der Spannungsbilder ergibt die gleichen Gleichungen wie bei Zug und Biegung.
1st die Stabllinge grol.\ im Verhliltnis zum Querschnitt, d.h. ist der Stab schlank, dann mul.\ auf
Knickung nachgerechnet werden.

1) Rechentafeln Seiten 458 und 459

446
III. Zusammengesetzte Beanspruchungen

BUd 111.4. Kernweite p und Querschnittskern


(schraffierte Fliiche) fdr Kreis, Kreisring und Rechteck

BUd II1.3. Druck und Biegung


c)

Querschnitte von Druckstaben aus z.B. Mauerwerk, stahlfreier Beton, Erdreich diirfen nur auf
Druck beansprucht werden, weil ihre Zugfestigkeit zu klein ist. Das resultierende Spannungsbild
darf also nur Druckspannungen zeigen, d.h. es m~ nach Bild 111.3 im Grenzfall auf der der Kraft
F abgewandten Seite ares Zug = 0 werden. Sind F, I, S und e konstant, so ist nur die Grof!,e von a
daflir bestimrnend, ob amin positiv (Zugspannung), negativ (Druckspannung) oder Null wird. Der-
jenige Grenzwert von a, bis zu dem der Angriffspunkt von F auswandern darf, ohne dafll es zu
Zugspannungen im Querschnitt kommt, heifllt Kernweite p. Die Kernweite P ergibt sich aus

Fpe F
-1--"8=0 zu
(I1I.4)
1 i2 W ; W Widerstandsmoment
P =Se =-e = S
wenn F auf einer Hauptachse angreift. Die von der Kernweite p begrenzte Flache hei~t Quer-
schnittskem. Solange die Druckkraft F innerhalb dieser Flache angreift, treten im Querschnitt
nur Druckspannungen ad auf. In Bild III.3c) treten schon geringe Zugspannungen auf, d.h. die
Kraft Fist schon iiber den Kernquerschnitt hinausgetreten (a > p geworden). Nach (I1I.4) wurden
die Kernweiten fur Kreis, Kreisring und Rechteck berechnet und in Bild I1I.4 dargestellt.
Berechnung der Kernweite p zu den Querschnittsflachen in Bild III.4:

_W_ 1Td 3 4_lJ.


(UI.S)
Kreis: P -S- 321Td 2 - 8

Kreisring: (I1I.6)

Wi b h 2 h W2 hb 2 b
Rechteck:Pi=S=6bh ="6; Pl=--S=6hb="6 (UI.7)

Mit d als Diagonale wird die kleinste Kernweite

bh bh
P . = =- (111.8)
mm 6Jb 2 +h 2 6d

447
Festigkeitslehre
2. Gleichzeitiges Auftreten mehrerer Schubspannungen
2.1. Torsion und Abscheren
Nach Bild 111.5 greift am Umfang eines kurzen geraden Stabes mit Kreisquerschnitt eine Kraft F
an. Nach dem Schnittverfahren hat jeder Schnitt zu iibertragen (ohne Biegung!):
eine in der Flache liegende Querkraft F q == F;
sie ruft Abseherspannungen 7a == FjS hervor;
genauer (fUr Kreisquerschnitt) Schubspan-
nungen
4F 16F .
78 == 3S == - - 2 ' ohne HerleItung.
3rrd
AuEerdem ein Torsionsmoment MT == Fr; Bild 111.5. Torsion und Abscheren
es ruft Torsionsspannungen
MT 16MT 8F
7 == - == - - == - hervor
t Wp rr
d3 rr d 2 •

In den Umfangspunkten B tritt die gr6Ete resultierende Beanspruchung auf:

16F 8F 40F F
7 max ==78 +7t == 3rrd2 + rrd2 == 3rrd 2 "'='4,24 d 2

3. Gleichzeitiges Auftreten von Normal- und Schubspannungen


3.1. Vergleichsspannung (reduzierte Spannung)
Die auftretenden Normal- und Schubspannungen lassen sich nicht so einfach algebraisch oder geo-
metrisch addieren wie in 1. und 2. Es wird deshalb eine sogenannte Vergleichsspannung uy einge-
fUhrt, die mit Hilfe von Gleichungen berechnet werden kann, die wiederum aus den verschiedenen
Bruehhypothesen entwickelt wurden. Praktische Bedeutung haben gewonnen: die Dehnungshypo-
these, die Sehubspannungshypothese und die Hypothese der groj3ten Gestaltiinderungsenergie.
Die Dehnungshypothese (von C. Bach) liefert die Vergleichsspannung

U y == 0,35 u+ 0,65 Ju 2 + 47 2 (III.9)

Diese Hypothese wurde durch Versuche nicht bestiitigt, ist aber trotzdem noch verbreitet.
Die Schubspannungshypothese von Mohr liefert die Vergleiehsspannung

(HUO)

Diese Hypothese paEt sich den verschiedenen Werkstoffen gut an und wurde durch Versuche von
Guest, v. Karman, Boeker und M ten Bosch bestatigt.
Die Hypothese der gr6Eten Gestaltiinderungsenergie liefert die Vergleichsspannung

(III. 11)

Diese Hypothese stimmt gut mit Versuchen iiberein und setzt sich allgemein durch.

448
III. Zusammengesetzte Beanspruchungen
Die drei Gleichungen gelten nur, wenn a und T durch den gleichen Belastungsfall entstehen, also
beide durch schwellende oder beide durch wechselnde Belastung hervorgerufen werden. Sind die
Belastungsflille rur a und T verschieden, so ist mit dem Anstrengungsverhiiltnis

azul
ao=-- (III. 12)
I{J Tzul

zu rechnen. Die Werte rur I{J sind fur die einzelnen Hypothesen verschieden. Es gilt dann fur die
Vergleichsspannung:

nachBach:
I
a y = 0,3S a + 0,65 va2 + 4 (aoT)2; ao =azul
-- (HU3)
1,3 Tzul
nachMohr:
I azul
ay =ya 2 +4(aoT)2; ao=-- (III. 14)
2T zul
nach der gr6j3ten Gestaltiinderungsenergie:
_ 12 ( )2. _ azul
ay-ya +3 aoT , aO- 173 (III. IS)
, Tzul

FUr die Bemessung der Querschnitte mu1' a y ~ azul sein.

3.2. Die einzelnen Beanspruchungsfiille


3.2.1. Zug (Druck) und Torsion. Das innere Kriiftesystem besteht aus einer senkrecht zum Quer-
schnitt stehenden Normalkraft FN und aus einem im Querschnitt liegenden Torsionsmoment MT •
FN erzeugt eine Normalspannung a = ± FN/S;MT erzeugt eine Torsionsspannung Tt =MT/Wp bzw.
Tt =MT/Wt ·
Beide Spannungen werden zur Vergleichsspannung a y zusammengesetzt.
3.2.2. Zug (Druck) und Schub (Abscheren). Das innere Kriiftesystem besteht aus einer senkrecht
zum Querschnitt stehenden Normalkraft FN und aus einer im Querschnitt liegenden Querkraft F q.
FN erzeugt eine Normalspannung u = ± FN/S; Fq erzeugt eine Schubspannung T =Fq/S (Ab-
scherspannung). Beide Spannungen werden zur Vergleichsspannung a y zusammengesetzt.

3.2.3. Biegung und Torsion. Das innere Kriiftesystem besteht aus einem Biegemoment Mb und aus
einem Torsionsmoment MT • Die gr61'te Bedeutung hat dieser Beanspruchungsfall fUr den Kreisquer-
schnitt (Wellen). Setzt man in die obigen Gleichungen der Vergleichsspannung fUr Ub = Mb/W und
fUr Tt = MT /Wp ein und beachtet man, da1' rur den Kreisquerschnitt Wp = 2 Wist, so ergeben sich
die folgenden Gleichungen:

( -Mb)2 + ~ao-\
MT)2 (III.16)
W W

UMohr = (III. 17)

UGestalt = (HUB)

449
Festigkeitslehre

Das Widerstandsmoment W l~t sich vor die Wurzel und dann als Faktor auf die linke Gleichungs-
seite bringen. Der dort entstehende Ausdruck avW he~t Vergleichsmoment Mv (entsprechend
Mb =ab W = Biegemoment).
Nach der Hypothese der grofl,ten Gestaltanderungsenergie ergibt sich mit Gleichung (111.18) die
Beziehung fUr das Vergleichsmoment:

(111.19)

Aus bekanntem Biegemoment Mb und Torsionsmoment MT l~t sich damit das Vergleichsmoment
Mv berechnen.
Flir das Anstrengungsverhiiltnis Qo kann man bei Wellen aus Stahl setzen:
Qo = 1 wenn ab und Tb im gleichen Belastungsfall wirken,
Qo = 0,7 wenn ab wechselnd (Belastungsfall III) und T t schwellend (Belastungsfall II) wirkt (Haupt-
fall bei Wellen).
Damit ist die erste Voraussetzung zur Bestimmung des Wellendurchmessers d gegeben, wenn mit
Mv weitergerechnet wird (Rechentafel Seite 459):

(111.20)
N
mm Nmm
mm2

Auch flir den Kreisringquerschnitt gelten die obigen Gleichungen, wenn fUr
Tr d: -di4 • •
W =32 . da emgesetzt wud.

• Beispiel: Die Welle 1 mit Kreisquerschnitt (Bild I1I.6) wird durch die Kraft F = 800 N liber einen
Hebel 2 mit Rechteckquerschnitt auf Biegung und Torsion beansprucht. MaflJe: II = 280
mm, 12 = 200 mm, 13 = 170 mm, d = 30 mm. Berechne: a) die QuerschnittsmaflJe b und h
fUr ein Verhiiltnis h/b =4 und azul = 100 N/mm 2 , b) die grofl,te Biegespannung in der
Schnittebene A-B der Welle I, c) die Torsionsspannung, d) die Vergleichsspannung!
Mb Mb Mb 24Mb
LOsung: a) ab = W = bh2 = hb 2 =~
-- --

V
6 4·6 ~

24Mb V24.800N.170mm
herf = - -= = 32 mm
abzul 100~
mm 2

gewiihlt D 32 X 8

b) a = Mb =32 ·800 N ·280 mm = 84 5 ~


bvorh !!... d 3 Tr(30 mm)3 ' mm 2
32
Bild III.6. Biegung und Torsion
) _ MT _16·800N·200mm_ 302 N
c Ttvorh - !!... d 3 - Tr(30 mm)3 - 'mm2
16

450
III. Zusammengesetzte Beanspruchungen

• Beispiel: Bine Welle tragt nach Bild III.7 fliegend das Haspelrad eines Flaschenzuges. Die Handkraft
soll F = 500 N betragen. Berechne a) das die Welle belastende Drehmomente infolge der
Handkraftwirkung, b) das maximale Biegemoment, c) das Vergieichsmoment, d) den
Wellendurchmesser flir azul = 80 N/mm2.
LOsung: a) M= Fr = 500 N· 0,12 m = 60 Nm

c) My = JM~ + 0,75 (ao MT)2

c) My = JM~ + 0,75 (ao T)2

My = J(22,5 Nm)2 + 0,75 (0,7 ·60 Nm)2 = 43 Nm

d)derf=V My =V 43 .IQ3 Nmm =17,5mm


0,1 ab zul 0 1· 80 ~
, mm 2

d = 18 mm ausgeflihrt Bild III. 7. Biegung und Torsion

• Beispiel: Ein Getriebe mit Geradzahn-

-
Stirnradern (Herstelleingriffs-
P=8kW Rad1
winkel an = 20°) soli eine Ge-
samttibersetzung n=960m;n- 1

n 960·-\
i =..!.. = mm = 20
ges n4 48 min-\

durch zwei Zalmradpaare ermog-


lichen. Die Entwurfsberechnung
ergab die Teilkreisdurchmesser: I
Rad4
d l = 48 mm }
d 2 = 240 mm i l = 5
80
d 3 = 72 mm }
i2 = 4 Bild IlL8. Getriebeskizze
d 4 = 288 mm

Es wird die Aufgabe gestellt. den Durchmesser flir die Getriebewelle II festzulegen. flir
die Werkstoff St 60 verwendet werden soll. Da der Wirkungsgrad 'T/ flir Zahnradgetriebe
sehr gut ist (hier etwa 'T/ "" 0.98), kann er bei Festigkeitsrechnungen unberucksichtigt
bleiben.

LOsung: Die zu tibertragenden Drehmomente konnen aus gegebener Antriebsleistung P = 8 kW und


Antriebsdrehzahl n = 960 min -\ berechnet werden.

M =9550~
P 8
MI = 9550 n = 9550· 960 Nm = 79,583 Nm

Mu =MI i2 = 79,583 Nm· 5 = 397,915 Nm

MIll =Mui2 = 397,915 Nm· 4 = 1591,66 Nm

451
Festigkeitslehre

Aus den errechneten Drehmomenten ergeben sich die Umfangskrafte am Teilkreisumfang:

F = 2Mn = 2· 397,915 '10 3 Nmm = 3316 N


u2 d2 240 mm

F = 2Mn = 2· 397,915 '10 3 Nmm = 11 053 N


u3 d3 72mm
Bild 111.9. Drehmoment
r---Rad1 und Umfangskraft am
Zahnrad

Rad2

Rad3

Rad4

I
Wd/zvorgang in [3 vergrorJerf
Ende des
Eingriffs

Bild 111.10. Normalkriifte F 2 , F3 und deren Tangentialkomponenten F u2 , Fu3 der Rader 2 und 3

Die Umfangskrafte F u2, F u3 sind Komponenten der in Eingriffsrichtung auf die Zabne
wirkenden Zahnkrafte F2 und F 3 .
Beachte: F3 ist die von Rad 4 auf Rad 3 ausgeiibte Kraft! Dberpriife die Kraftrichtungen
nach dem Geftihl: Zahnrad 2 muB von Rad 1 nach unten, Rad 3 dagegen von Rad 4 nach
oben gedriickt werden!
Fu2
F2 =- - = 3529 N
coscxn

FU3
F3 =- - = 11 762 N
COSCX n

Diese Zahnkrafte F2 und F3 beanspruchen die Welle II auf Torsion und Biegung: Bringe
in den Radrnittelpunkten je zwei Krafte F2 bzw. F3 an (zweite bzw. vierte statische
Grundoperation), dann ergibt sich je ein Kraftepaar (Drehmoment MIl) und eine Einzel-
kraft (Biegekraft F2 bzw. F3)'

Rad1 Blegekraft ~
~c-------.

Rad4

Bild III. I I. Rad 2 mit Welle II frei gemacht Bild 111.12. Rad 3 mit Welle II frei gemacht

452
III. Zusammengesetzte Beanspruchungen

Die Kraftepaare ergeben Momente, die gleich groB sind und sich entgegenwirken:
+ MIl - MIl = 0; Welle II wird davon auf Torsion beansprucht. Die Komponenten Fx und
F y der Biegekrafte F 2 und F 3 sind aus dem Krafteck abzulesen:

F 2y = F2 sin 40° 2268 N LagerA


F 2x = F2 cos 40° 2703 N I
F 3y = F3 sin 20° 4023 N
F 3x = F 3 cos20° = 11 053 N

Die perspektivische Belastungsskizze gibt Auf-


schlufl. tiber die Weiterentwicklung der Rech-
nung. Wir konnen mit der Belastungsskizze
leicht die statischen Gleichgewichtsbedingungen
flir die waagerechte und fUr die senkrechte
Ebene aufstellen und daraus dann die Sttitzkraft- Bild I1I.l3. Perspektivische Belastungsskizze
Komponenten FAx, FAy, F Bx, F By gewinnen: der Welle II mit Horizontal- und Vertikalkraften

waagereclzte Ebene
~M(A) = 0 = FBx ·280 mm - F 3x ·200 mm - F 2x · 80 mm

senkrechte Ebene
~M(A) = 0 =- FBy ·280 mm + F 3y · 200 mm -F2y ·80 mm

Aus den Momentengleichgewichtsbedingungen erhalten wir nun die Bestimmungsglei-


chungen fUr die Sfutzkraftkomponenten F Bx und F By , ebenso mit ~Fx = 0 und ~Fy = 0
die Komponenten FAx und FAy:

waagerechte Ebene senkrechte Ebene


:EM(A) = 0 = ... :EM(A) =0 = ...
F 2x · 80 mm + F 3x · 200 mm F 3y ·200 mm -F2y · 80 mm
F Bx = 280mm F By = 280mm
F Bx = 8667 N F By = 2226 N
~Fx =O=+FAx -F2x -F 3x +FBx ~Fy = 0 = + FAy - F 2y + F 3y - FBy
FAx = 5089 N FAy = 471 N

Die Komponenten werden geometrisch addiert:

FA = JF~x + F~y =J5089 2 N2 + 4712 N2 =5111 N

FB = JF~x + F~y = J8667 2 N2 + 2226 2 N2 = 8948 N

453
Festigkeitslehre
Zur Ermittlung der gro~ten Biegebeanspruchung werden fill die beiden Ebenen die Mo-
mentenflachen gezeichnet und zu einer resultierenden Biegemomentenflache geometrisch
addiert.

waagerechte Ebene geometrische Addition

M2x
=~x·80mm
=40,7· 10 4Nmm M3x
= FBx '80mm
=69,3·10 4Nmm

M2y=~y·80mm M3y=FBy ·80mm


senkrechfe Ebene
I =3,77·10 4Nmm = 17,8.10 4Nmm

I
resultierende Momentenfliiche

Bild III.14. Zeichnerische Darstellung der Biegemomenten-


fHichen und geometrische Addition der Biegemomente

Die gro~te Biegebeanspruchung ist bei Rad 3 vorhanden.

Mb max = Mres3 = JM~x + M~y


Mb max = J(69,3 '104 Nmm)2 + (17,8 '104 Nmm)2
Mb max = J5119 '10 8 (Nmm)2 = 71,55 '104 Nmm
Die Welle II wird beim Rad 3 be1astet durch
das Biegemoment Mb max = 71,55 .104 Nmm und
das Drehmoment MIl = 39,8 . 10 4 Nmm
Wei! das Drehmoment MIl in der Welle II von Rad 2 bis Rad 3 konstant ist, ergibt sich
der gefahrdete Querschnitt im Punkt der gro~ten Biegebeanspruchung, also bei Rad 3!
Das resultierende Moment My aus Biege- und Torsionsbeanspruchung (= Verg1eichs-
moment) betragt:

My = JM; + 0,75 (0:0 MT)2

Bei gleichb1eibender Drehrichtung liegt wechse1nde Biege- und schwellende Torsionsbe-


anspruchung vor, also 0:0 =0,7:

My = J(71,55 '104 Nmm)2 + 0,75 (0,7' 39,8 '104 Nmm)2


My =J5119 '108 N2mm2 + 582 '108 N2mm 2 = 75,5 '104 Nmm

454
IV. Beanspruchung bei Beruhrung zweier Korper

Mit dem Vergleichsmoment My und der zuliissigen Biegespannung kann der Wellendurch-
messer bestimmt werden:
My
ay =W ;;;;abzul W = 0,1 d 3 flir Kreisquerschnitt eingesetzt und nach d aufgelast:

derf = V
0,1
My ab zuI = 80 ~
mm
gewiihlt

V
ab zul

derf = 75 ,6
01,80-2
'104~mm = V 94 ,5 .1Q3 mm 3

, mm

derf = 45,55 mm; d = 46 mm gewiihlt (Normm~)


3.2.4. Biegung und Schub (Abscheren). Bei der Herleitung der Biegehauptgleichung wurden die
Querkrafte, bei der Abscherhauptgleichung die Biegemomente unbeachtet gelassen. TatsacWich
treten in beiden Beanspruchungsfallen Schub (Abscheren) und Biegung gleichzeitig auf. Bei kurzen
Stliben ist der EinfluB der Biege- und bei langen Staben der Einflu~ der Schubspannung gering. Bei
rechteckigen Querschnitten ist flir hll< 1/16 der FeWer durch VernacWassigungen der Querkflite
kleiner als 1,2 % und flir hll> 6 der FeWer durch VernacWassigen der Biegemomente kleiner als
1 %.

IV. Beanspruchung bei Beruhrung zweier Korper


(Hertzsche Gleichungen)

1. Voraussetzungen
Hertz entwickelte seine Gleichungen flir die Beriihrung zweier Karper mit gekrtimmter Oberflache
unter folgenden Voraussetzungen:
a) homogene, isotrope, vollkommen elastische Karper;
b) Gilltigkeit des Hookeschen Gesetzes;
c) die Abplattungen sind klein gegenliber den Karperabmessungen;
d) in der Druckflache treten nur Normalspannungen (Druck) auf, keine Schubspannungen.

2. Bedeutung der Formelzeichen


a Radius der kreisfarmigen oder halbe Breite der rechteckigen Druckflache in mm
F Druckkraft in N
/J. = 0,3 Poisson-ZaW fUr StaW, Verhliltnisgra~e mit Einheit 1, /J. = €q/€
r Krtimmungsradius der Kugel oder des Zylinders in mm; bei Krtimmung beider Karper
ist die Summe beider Krtimmungen einzusetzen, also l/r = l/r1 + 1/r2' Flir die ebene
Platte ist 1/r2 = 0, fliI die Hohlkugel ist 1/r2 negativeinzusetzen.
E Elastizitatsmodul in N/mm 2 ; bei unterschiedlichen E-Modul ist E = 2E 1E 2 /(E 1 + E 2 )
einzusetzen
Unge des Zylinders in mm
P Druck auf der Beriihrungsflache im Abstand p in N/mm 2
Po = Pmax Druck in der Mitte der Beriihrungsflache in N/mm 2
p veranderlicher Radius oder Ordinate in Breitenrichtung der Beriihrungsflache in mm
8 Gesamtabplattung in mm, d.h. die gesamte Nliherung der beiden Karper

455
Festigkeitslehre

3. Berechnungsgleichungen
3.1. Kugel und Ebene oder zwei Kugeln

(IV. I)

(IV.2)

(IV.3)

a2 3
[) =-= (IVA)
r
Bild IV.1. Hertzsche Pressung

3.2. Zylinder und Ebene oder zwei Zylinder

a= (IV.5)

...;;;c{J
P = Po a (IV.6)

-,/ FE 0418-,!FE= 2F (IV.7)


Po= V 27Trl(1-f..l2) , V---;[ 1Tal

(die Abplattung [) kann nach den Hertzschen Gleichungen nicht berechnet werden).

• Beispiel~ Durch die Federkraft F = 10 kN = 10000 N wird nach Bild IV.2 eine Walze auf eine
schiefe Ebene (Keil) gepre~t. Werkstoff ftir beide Teile ist Stahl. WalzenHinge 1= 30 mm,
Radius r = 10 mm, Neigungswinkel a = 20°. Wie gro~ ist die maximale Hertzsche Pressung
zwischen Keil und Walze? Welche Stahlsorte kann verwendet werden?

.. F 10000 N
LOsung: FI = - - = 094
cosa , = 10 600 N

F2 = FI sin a = 10600 N . 0,342 = 3625 N

Po = Pmax = 0,418 VIFIE


71

10600N·21·lO S ~
, mm 2 N
Pmax =0,418 -1-0-mm-.-3-0-mm--- = 1140 -mm-2

Als Werkstoff konnte z.B. C 10, einsatzgehiirtet, gewiihlt werden. Versuche haben daflir
einen zuHissigen Wert von Pzul = 1470 N/mm2 ergeben.

456
IV. Beanspruchung bei Beriihrung zweier Korper

• Beispiel: Bild IV.3 zeigt die Zahnflanken im Augenblick des Eingriffs im Walzpunkt C beim Au~en­
und beim Innengetriebe. Sind in beiden Fallen die Zahnezahlen z, der Modul m und der
Betriebseingriffswinkel (xw gleich gro~, dann gilt das auch fUr die Kriimungsradien'l und
'2. Es solI nun festgestellt werden, mit we1chem Getriebe eine gro~ere Normalkraft FN
libertragen werden kann, wenn in beiden Fallen die zulassige Flachenpressung Pzul und die
Zahnbreite b gleich groJlJ sind.
LOsung: Die beiden Zahnflanken stellen zwei Zylinder dar, fill die Gleichung (IV.7) gilt, also
Po = 0,418 YFE/rl. Darin sind einzusetzen: Po = Pzuh F = F N , 1= Zahnbreite b, , = 'A
fUr das Au~engetriebe und , ='1 fUr das Innengetriebe.
Nach den Erlauterungen unter 2. ergibt sich mit algebraischer Umstellung ftir 'A und'I:

'1'2
'A = - - - sowie 'I
'1'2
=---
'I +'2 '2 -'I
Zahrad 1
Damit wird
piul'A b
FNA 0418 2 E
='A- =
'2-'1
--
FNI = P~UI'I b ----- . ie
Tz 'ffs\IO I'
0,418 2 E fl
f.io9 ~i' i
'2--1 '" zahnr ad2
FNA'I i- 1
--=--=-- Auflengetriebe lnnengetriebe

Bild IV.3

Danach ist das Krafteverhaltnis FNNFNI unter sonst gleichen Bedingungen nur von der
Obersetzung i = Z2/Z1 abhangig. Flir i = Z2/Z1 = 80/20 = 4 ergabe sich zum Beispiel:

FNA 4 -1 3 1
FNI = 4+ 1 =5= 1,67

Das heilit, dl£ mit dem Innengetriebe eine urn 67 % gro~ere Normalkraft libertragen wer-
den darf als mit dem entsprechenden Au~engetriebe. Anders gesagt: Bei gleicher Normal-
kraft in beiden Getrieben ist die Hertzsche Pressung zwischen den Zahnflanken beim
Innengetriebe kleiner als beim Au~engetriebe.
Bei einer zulassigen Pressung von 530 N/mm 2 und der Zahnbreite b = 50 mm ergeben
sich mit (IV.7) die folgenden Betrage fUr die Normalkrafte (E = 2,1'10 5 N/mm 2 fUr Stahl):

FNmaxA =6 285 N F NmaxI = 10 473 N

457
v. Nomogramme zur Festigkeitslehre
1. Zng-, Drnck- nnd Uingeniinderung
1000a06 a08 al 0.2 2 3 5 6
/ / V
800 L L L~ IL.
Stabliinge 10 in m - - /V //L
600 L V L V/ .IlL. 3000

500
I VL ~ -L L /[&
// LIL
V V/ V VI'" IL 2000
vV /V/ V V V V/ V
300 <L L L v. V
~~
v/
/. /~

\~~
'\.
'/!,0 ~ / V
jI~ Vv

200
6
.~~ VV
~ i/ /
v~ V V
V
V/
~ I/:VV vV lL 1000
I/L L IL L IL
/
"iI>~~ / VV/ .1'/ V / V L
# ~-!::: VVY/ vl/ /'/ V V --
r;.c!; ~1'I1'I~v. v!L: ijV 17 V IL. IL~ 600
....
,\~\<:$ ~IL "..1'1 ~ ~ ~V / V V V V 500 ~
100
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~~~ ~V V 1/ V V IL' V ~
80 VVlL ~;£,,1~ ~~
/ V IL !L L IL t.flJ,.,

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t 60
VVVVV\!1.~ VI/ /
V V /,6VVVVfg ,\1'1 ,\1'1 ~
k V lL IL
V ~
......
300 <-0:-
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VV / V Vv lL 1 """
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I
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V Vv
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~
V 1/ I ~
~"" 20
V / V V/ If / V
100
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IV VV I/vVL' !/ V / V V 80 ~
1/V vv V V vv V I" V" IL lL
v:V V vv V V VI lY 1/ V V 1
:~
60 .......

10 "/1/ V~ ~ 1/ VV~ IV
I/V
V V 1 50
/ V / IY V
8 1/ VV V V 1 V V i
V tv 11 .IV V V V I! V V L
6
V:V .IV V V IY V 1 30

5 ~ 1/ /1./ / V VI V L
V / I' V 1
1/ V V -~ 11 1 20
V 1/ '/ / / :~V 11
3 / V V V IL" 1

/ V )' l.t'l fluerschnittsflache S in mm 1 - -


1
60...,I~IB,.-,O---..I(j_1J-,.---.---.--"r-2......
~0~..-<.~o--~':90---.-5_00~6~VI!_~"T~0_8~~0.......".. .,00,. .0..-,-_,.-2-r0~_V~_3r-,00_0.,.........,',(j_'OO.......5_1K(O~~000
9 10 15 20 JO 40 50 60 70 80
Stabdurchmesser d in mm ___
Ablesebeispiel
Gegeben: Stahl-Zugstab mit F = 33.10 3 N = 33000 N; 10 = 1,3 m; azzul = 120 N/mm 2
Gesucht: Durchmesser d; Uingenanderung (Verliingerung) 1J.I
L6sung: Von F = 33.10 3 N nach rechts zum Schnitt mit der Spannungslinie 120 N/mm 2 ; von dort nach unten
ergibt d = 18,7 mm. Mit d = 20 mm (gewiihlt) nach oben zum Schnitt mit der Kraftlinie F = 33.10 3 N,
dann parallel zu den Spannungslinien zum Schnitt mit der Senkrechten bei 10 = 1,3 m. Von dort nach
rechts ergibt 1J.I = 650 !tm = 0,65 mm.
Die vorhandene Spannung liegt bei etwa 106 N/mm 2 •

458
2. Biegung
50000
~fXKIO
1/ V'lI I/~ V/ ~ t/ V 17]1
30000
1/ !/ lI V VV to ~ ~ V 1/ V
V V 1/
~ ~ ~ 1/
/1/
~~ II 1/ ~~ .I'll
lIlI
20000 1/
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r7 ././ /
/ 1/ / /
/// / 1/1/ V/ / 1/ /
10000 '\. / V/ / 1/ 1,/,/ '/ 1/ V
~\~~ 17>'7" ./
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5000 ~YI/ /V/.'/ Iv: [/ / 7 r7
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L / //- / /1/ / V 17 / IV
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300
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'/ '/ '/ '/ Ii
L V /' V- I

30 '/ ,/ / / I I
II I

/
'I I

L/ :,.,.1 Widerstandsmoment W in10 3mm 3 _ _


20
2 " 5 6 8 10 20 30 40 200 300 ~OO 600 800 1000
i5 'io is 20 45 do 6'0 70 120 IZ0 160 Ilw ' 200
Stabdurchmesser d in mm - - -
-------,----~--~~--~~~~~~~~~~
IPE- Trager nach DIN 1025, BI.5 ----.--:::.:....-....-L-.:..:;;--L-T~.....,:.:::....Li::.:.....J..,=.lF+=;=:;..r..::.;rt:::..,.::~
U- Stahl nach DIN 1026 ----..:.60::....L.-..:.::..--L-==---L:.::::..-..L...:~-=....L:.:::....J...:.::..J.::.:::..L:::.:..J:~===:~=

Ablesebeispiel
Gegeben: Mb =8600.10 3 Nmm; Ubzul = 140 N/mm 2
Gesucht: Erforderliehes Widerstandsmoment W; zugehOriger Stabdurehmesser d; zugehOriges Doppel-T-Profil;
Biegespannung fUr den Fall, d~ IPE 120 gewahlt wiirde.
L6sung: Von Mb = 8600.10 3 Nmm naeh reehts zum Sehnitt mit der Spannungslinie 140 N/mm 2 ergibt unten
Werf = 61,4 .10 3 mm 3 und derf = 85,5 mm sowie das Profit IPE 140. Von der reehten Kante des
Tragerfeldes 120 naeh oben ergibt mit Mb-Linie den Sehnittpunkt auf der Spannungslinie Ubvorh =
160 N/mm 2 .

459
Festigkeitslehre
3. Knickung

,
2 25
.....
~ 1
e: a8
'"e:c:: 0,6
20
Cb
i:i
18 ~
0.4
""
c: 0.3
.S;
16 "'"
....
42 14 5:
~
~
12 !::!
-€I
-C>
.\!!
10 ...,

6
100 200 300 400 500 600 800 7000 2000 3000 4000 50006000
freie Knicklange s in mm - -

Ablesebeispiele
Gegeben: Knickkraft FK = Fv = 100 kN; freie Knickliinge s = I = 1400 mm; Werkstoff St 50
Gesucht: Erforderliches axiales Fliichenmoment I; erforderlicher Stabdurchmesser d
L6sung: Von s = 1400 mm nach oben zum Schnitt mit FK = 100 kN-Linie. Schlankheitsgrad A> 89, also
Eulerbereich, damit lerf = 9,2.104 mm4 und derf = 37,2 mm.
Gegeben: d = 13 mm; s = 350 mm; v = 4. Gesucht: Betriebskraft F
L6sung: Von s = 350 mm nach oben zum Schnitt mit der Waagerechten von d = 13 mm aUs ergibt FK = 23,7
kN (A '" 105, Eulerbereich); daraus F= FK/v = 5,93 kN = 5930 N.
Gegeben: Knickkraft FK = 2000 kN, freie Knickilinge s = 550 mm. Gesucht: ZugehOriger Bereich.
L6sung: Schlankheitsgrad A '" 45, also Tetmajerbereich.

460
4. Abscheren
1000
800
1/ 1/ /
1/ V 17
800 1/ 1,/ V 1/ 17
500 1/ V L/.: ~ r/
400 ,
].v 1/ Ihl'iV V-
i/ 1/
300
I
1./
Vv vi/ V vI;:: ~ (/V
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\~ .....
V VV V V V vv 1/ V 1/ Y 1/
V I/V YI/ I/V V 1/
8 V i/ V V
5
V'1/ l./. v/ / Yl./. v/ ' / 1/ / 1/ 11/ I
v!h t:% V V vI;:: ~ V V vV' VI V- I/ ....... 1/

~~ [/ 1/ ~ vt:: ~ r./ v i / v
V V
3 1/ I I

v~ ~ V- vV' l7V v
V '/ ~ ~ /' vV l/ V 1/
V
i/ I
2
vv v V IV V V
1/ / 1/ / 1/ 1/
1,/ / ./ ./
vi/ ./ v V 17 Ouerschnittsfliiche S in mm 2 ---- f-
V / V V 1/
20 30 ,40 50 80 ~o ,100 I
200
, 300 400 I 500 600 800 7000 2000

----
i I
6 8 9 10 12 14 16 18 I 20 : ' 50 50 70

Nietanzahl bei Rohniet-¢ 10mm ---- ---.!--L--+---,L----''---,-..L.~t..,..::..I,...L.!!,....L~.....,


12
76
20
22
24
27
30
36
Ablesebeispiel
Gegeben: Zweischnittige Nietverbindung, Fges = 124.10 3 N. T azul = 140 N/mm 2
Gesucht: Nietdurchmesser und Nietzahl
Losung: Abscherkraft je SchnittfHiche 62 . 10 3 N; also von F = 62 . 10 3 N nach rechts zum Schnitt mit der
Spannungslinic 140 N/mm2. Von dort nach unton zeigt Querschnittsflache S = 440 mm 2 . Verlan-
gerung nach unten in die Nietfelder zeigt: 5 Niete d = 10 mm oder 4 Nietc d = 12 mm oder 2 Niete
d = 16 mm; ebcnso 2 Nietc von 20 mm oder 22 mm Durchmesscr. Gcwahlt: 2 Niete mit d = 16 mm,
weil das bcste Ausnutzung ist.
461
Festigkeitslehre

5. Torsion und Verdrehwinkel


3IXJ 2IXI 100 60 60 !,() 30 20 /09876543 2

- - -Stabdurchmesser din mm zur VlflirIhwititrlermittiung / V


V ~
~[/I/
I'~
~~
/1'
1'/ /
/lXJOO 100
/ 1//
/ '/ V / /
1'/ V/' ' / VV; VI' V V
5IJJ11
1 Vh 'l, ' / V-I'l VII' / 50
400d 1 '\. ~ /// '// [h ~Vl' / / / !,()
I ~\~~> /1'11 ~ ~ ~ VlI / V 30

/
3000
VlI
I
~~~
~;, //. ~~~ ~ ~ ~V / /
/
20
I ~
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1'/ / 1/
\~97 V"~~~~~~~ V/ / L L
IIXIO
/ //'/1' ~~ ~~ ~ V / /
t 10

V / V/: :.IVV; V /' '"


77.'/ /1/. V / ~
h~/ ...S!:<:
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5
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1/ /~~ ~ ~ ~~/ IV 1/ Q:,
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I
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i5 ' io 3~' "4), do 50 70 ','0 90 '160 ' I/O
Stabdurchmesser d in mm - -

Ablesebeispiel
Gegeben: Torsionsmoment MT = 570 .10 3 Nmm; 1t zul = 80 N/mm 2
Gesucht: Wellendurchmesser d, vorhandene Torsionsspannung und Verdrehwinkel.
L6sung: Von MT = 570 . 10 3 Nmm nach rechts zum Schnitt mit Spannungslinie 80 N/mm 2 ergibt unten Wperf
= 7,125 .10 3 mm 3 und derf = 33 mm. Gewahlt wird d = 35 mm; von dort nach oben ergibt mit MT-
Linie 1t vorh =66,5 N/mm 2 .
Von oben bei d = 35 mm nach unten zum Schnitt mit Spannungslinie 66,5 N/mm 2 ergibt rechts
«J = 2,8°/m (Grad je Meter Wellenllinge).

462
Werkstofftechnik
Wolfgang Wei Bbach

I. Grundlagen
1. Allgemeines
1.1. Beanspruchungsprofil und Eigenschaftsprofil
Bauteile flir Maschinen und Gerate mlissen so entworfen, wirtschaftlich gefertigt und in Funktion
unterhalten werden, daB sie eine hohe Lebensdauer· erreichen. Dabei ist die Auswahl des Werk-
stoffes und die Verarbeitung mit Rticksicht auf seine Eigenschaften von gr6Bter Bedeutung.
Bauteile unterliegen im Betriebszustand, d.h. "in Funktion" einer Belastung. AuBere Krafte (in
Richtung, Betrag und tiber der Zeit veranderlich) versuchen zusammen mit dem Umgebungs-
medium das Bauteil auBerlich und innerlich zu schadigen. Der Werkstoff unterliegt im Bauteil
verschiedenen Beanspruchungen, zusammen ergeben sie sein Anforderungsprofil.

Tafel 1.1. Anforderungsprofil, Beanspruchungsbereiche


Wirkung der Schadensfall bei
Bereich Beanspruchung erfolgt durch
Beanspruchung Uberbeanspruchung
Festigkeits- mechanische Krafte im elastische plastische Verformung
beanspruchung Innern, ungleich tiber den Verformung Funktionsstorungen,
Querschnitt verteilt --+ Bruch

Korrosions- chemische oder elektroche- Werkstoffverlust, Leckagen, Querschnitt


beanspruchung mische Reaktionen zwischen gleichmiillig oder wird geschwacht
Oberfliichen und Umgebungs- ortlich konzentriert --+ Verformungen

medium --+ Bruch

Tribologische mechanische Kriifte auf Ober- Anderung des Blockierung von Lager-
Beanspruchung fliichenschicht (Grenzschicht) Reibverhaltens, stellen und Ftihrungen,
unter Reiativbewegungen und Verschle~, Querschnitt geschwacht
werden tiber- chem-phys. Reaktionen Erwarmung, ... Storungen
lagert durch mit Umgebungsmedium Leistungsabfall ... Bruch
thermische Betrieb bei h6heren Werkstoff verliert Schadigungen treten
Beanspruchung Temperaturen an F estigkeit, chern. frtiher ein, keine Dauer-, nur
Reaktionen verstarkt Zeitfestigkeit
Betrieb bei tiefen Tempera- Werkstoffe verlieren Verformungslose
turen ihre Zahigkeit (SprOd-)Briiche bei
StoBbelastungen

Dieses Beanspruchungsprofil muB im Gleichgewicht stehen mit dem Eigenschaftsprofil des Werk-
stoffes (Gesamtheit aller Werkstoffeigenschaften im Bauteil). Der Werkstoff ist danach auszu-
wahlen und zu behandeln. Werkstoffverbunde (z. B. Beschichtungen) oder Verbundwerkstoffe
sind vielbenutzte M6glichkeiten, das Gleichgewicht zwischen Anforderungs- und Eigenschafts-
profil fiir ein bestimmtes Bauteil herzustellen.
Ftir einen bestimmten Anwendungsfall muB ein Werkstoff eine Kombination aus folgenden Eigen-
schaften besitzen.

463
Werkstofftechnik

Tafel I.2. Eigenschaftsprofil

Eigenschaften Beispiele
mechanische Harte, Festigkeiten, Dehnbarkeit, Zahigkeit, Elastizitiitsmodul
chemische Bestandigkeit bei normalem Klimabedingungen oder in angreifenden Gasen,
Fliissigkeiten oder Schmelzen
tribologische Reibzahl, Neigung zum Kaltschweilien (Fressen), Verschleiliwiderstand
thermische Warmeausdehnung, Wiirmeleitung, Warmfestigkeit, Kaltziihigkeit
technologische Verhalten beim Gie~en, Kalt· oder Warmumformen, Zerspanen, Loten

1.2. Die Aufgaben der Werkstofftechnik


• Eigenschaftsprofile von Werkstoffen erstellen,
• MeE· und Priifverfahren flir Eigenschaftskennwerte entwickeln und nonnen,
• Eigenschaftsiindernde Verfahren auf EinfluEgroEen untersuchen und neue entwickeln,
• neue Werkstoffe und -kombinationen fUr neue Anforderungsprofile entwickeln.
Die Werkstoffkunde versucht, Eigenschaftsunterschiede der Stoffe, sowie deren Anderungen mit
Hilfe der Struktur der Stoffe begreiflich zu machen. Anderungen der Struktur - und damit der
Eigenschaften - treten als Nebeneffekt der meisten Fertigungsverfahren auf, oder werden gezielt
durch Stoffeigenschaftandern (z.B. Vergiiten) bewirkt. Hilfsmittel zur Veranschaulichung sind
Modelle der Atome und Kristallgitter, sowie Gefligeaufnahmen.

1.3. Einteilung der Werkstoffe


Fiir Werkstoffe existieren nebeneinander verschiedene Einteilungen:

Einteilungskriterium Beispiele
Verarbeitung GuBlegierungen, Knetlegierungen, Sinterwerkstoffe, Lote, Einsatz-
stahle DIN EN 10084, Automatenstahle DIN EN 10087
Anwendung Federstahle, Ventilstahle, Messerstiihle, Lagerwerkstoffe, Al-Kolben-
legierungen, Wann- und Kaltarbeitsstiihle
Eigenschaft nichtrostende Stahle DIN EN 10088, kaltzahe Stahle, korrosions-
bestiindiger StahlguB DIN EN 10283, unmagnetische Stahle
Zusammensetzung unlegierte/niedrig/hochlegierte Stahle, Cu-Zn-Legierungen

FUr die Werkstoffkunde ist eine Gliederung nach der inneren Beschaffenheit zweckmaEig, d.h.
nach der Art der kleinsten Materieteilchen (Atome, Molekiile, Ionen) und ihrer Bindung.
Schema: Grobgliederung der Werkstoffe der Maschinentechnik

Werkstoffe
I I
metallisch anorganisch organisch

Glas, Keramik, Harstoffe Holz, Kautschuk, Kunststoffe

Verbundwerkstoffe

464
I. Grundlagen

Die Einteilungskriterien beziehen sich dabei auf die chemische Bindung der Teilchen:

Metallisch: Metallbindung zwischen Metallatomen (Metalle und Legierungen),


Anorganisch: Ionenbindung zwischen Metall- und Nichtmetallionen (Oxidkeramik),
Atombindung zwischen Metall- und Nichtmetallatomen (Carbide, Nitride),
Organisch: Schwache Bindung zwischen Kohlenwasserstoffmolekillen (Kunststoffe).

Verbundwerkstoffe enthalten grundsatzlich zwei oder mehr Phasen aus Stoffen mit unterschied-
licher chemischer Bindung (z.B. anorganische Glasfasern in organischem Kunststoff).
Durch die Art der Atome (Metall/Nichtmetall) und ihre chemische Bindung sind Grundeigenschaf-
ten des Stoffes festgelegt (Abschnitt Atommodelle und Tafel I.8). Diese Abschnitte befassen sich
mit dem Bau der Atome und der chemischen Bindung, sowie weiteren Grundbegriffen der Chemie,
die fUr die Werkstoffkunde wichtig sind.
Werkstoffe sind selten reine Stoffe, d.h. chemische Elemente oder Verbindungen, sondern sind aus
mehreren Komponenten zusammengesetzt, wie sie eine chemische Analyse ermittelt. Der feste
Werkstoff besteht (bei mikroskopischer Betrachtung) aus in sich homogenen, miteinander verwach-
senen Korpern, den Phasen. Sie unterscheiden sich durch eine Grenzjldche.
Homogene Stoffe sind einphasig: Reinstmetalle, Diamant, Mischkristalle, Losungen,
heterogene Stoffe mehrphasig: Graugu~, Stahl, Glasfaserkunststoff, Hartmetalle.

1.4. Einfl~moglichkeiten auf Struktur und Eigenschaften


Durch die Wahl eines Werkstoffes sind Atomart und chemische Bindung fast immer festgelegt und
kaum beeinflu~bar. Wichtigster Gegenstand der Werkstoffkunde sind die Veranderungen der
Kristallgitter (z.B. durch Legierungselemente) und der GefUge.

Beispiel: Werkstoff Stahl

Zustand Kris tallgi tte r Eigenschaften


unlegiert, gegliiht ku bisch-raumzen triert weich, zah, magnetisch
unlegiert, gehartet tetragonal verzerrt hart, sprode, magnetisch
legiert (35 % Mn) kubisch-flachenzentriert unmagnetisch

GefUge werden bereits beim Erschmelzen (Reinheitsgrad) beeinflu~t. Die Einfllisse setzen sich in
allen Fertigungsstufen - z.T. als unerwlinschter Nebeneffekt - fort (z.B. beim Urformen: Gu~­
gefUge, SintergefUge und Umformen: Schmiedefaser) bis hin zum beabsichtigten Eigenschafts-
dndern durch z.B. Gliihen, Harten oder Vergliten.
Die folgende Dbersicht zeigt an Beispielen, wie sich durch GefUgeanderungen bestimmte Werk-
stoffkennwerte steigern lassen.

Anderung Beispiele
Mischungsverhal tnis Stahl: Harte steigt mit dem C-Gehalt (= Carbidanteil)
der Phasen Beton: Festigkeit steigt mit dem Zementanteil
Form und Gro~e Gu~eisen: Graphit in Lamellen oder Kugelform, Verfeinerung der
der Kristalle Graphitkristalle steigert die Festigkeit
Art und Form der Quarzmehl in Kunstharz steigert Harte und Warmfestigkeit. Fasern
Zusatzstoffe steigern die Zahigkeit, mindern die Warmedehnung, ergeben aber
eine Richtungsabhangigkeit der Eigenschaften

465
Werkstofftechnik

I.S Ubersicht tiber die Struktur der Werkstoffe


Mit Hilfe immer stiirker auflosender Untersuchungsmethoden (Licht- und Elektronenmikroskopie,
Mikrosonde, Spektralanalyse) kommt man vom sichtbaren Geftige bis zu den kleinsten Materie-
tei1chen (Schema):

I Geftige I Untersuchung mit Mikroskop zeigt


mit Ausrichtung ~ohne Ausrichtung
(Schmiedefaser, Textur)

IPhmC Ko'!'" (lUi"..,. Kom,<j


verschiedener Form und GroBe
I
mit Kom""nun I
Schliffbild GGG-40
Rontgen-Feinstruktur-Analyse ermittelt
I
I I
seltener ungeordnet meist geordnete Struktur

selten ohne Fehler meist mit Fehlern


I
Idealkristall

Chemische Analyseverfahren - - - - - - '

Kristallgitter mit
Elemen tarzelle

2. Bau der Atome


In der Materie lassen sich experimentell drei bestiindige, d.h. nicht zerfallende Elementarteilchen
nachweisen (Tafel I.3).

Tafel 1.3. Elementarteilchen

Name Kurzzeichen Masse in g Ladung Massenverhiiltnis

Proton p 1,672' 10-24 +e 1,007 u 1)


Neutron n 1,674. 10-24 0 1,008 u
Elektron e 0,9109 .10-27 -e 1) atomare Masseneinheit
0,000548 u
u = 1,6605 . 10- 24 g

2.1. Atommodelle
Hilfsvorstellungen tiber den moglichen Bau der nicht sichtbar zu machenden Atome (Atomdurch-
messer etwa 1 nm = 10- 3 J.lm) sollen chemische und physikalische Vorgange veranschaulichen,
ge ben aber kein wirkliches Bild dieser Vorgiinge:

Chemische Klarung von Bindung und raumlicher Struktur von Atomverbanden


Vorgange (Molektilen, Ionen)
Physikalische Aussendung von Licht, Rontgen- und Laserstrahlen, Magnetismus, Prinzip
Vorgange der Halbleiter (Transistoren)

466
I. Grundlagen

In Verbindung mit dem Periodischen System der Elemente (PSE) erklliren sie die Eigenschaften
eines Elementes durch die Struktur seiner Atome, d.h. abhiingig von Elektronenhiille und Atom-
durchmesser.
Den verschiedenen, mit dem Fortschritt der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse verbesserten,
AtornmodeUen gemeinsam ist folgende VorsteUung:
Ein positiv geladener Atomkern wird von einer negativen Elektronenhiille urngeben, so d~ das
Ganze nach auBen elektrisch neutral wirkt. Kern- und Riillendurchmesser verhalten sich wie 1 : 104 ,
dazwischen befmdet sich ein praktisch materieloser Raum. Trotzdem konnen sich Atome nur so-
weit niihern, bis sich ihre ElektronenhiiUen beriihren.

~2 '~
3
2A
,.
+ 0
Bild 1.1
Atommodell nach Bohr
1 Proton
2 Elektron
Wasserstoffatom Heliumatom 3 Neutron

Atomkem. Kompakter Korper aus den schweren Elementarteilchen (Protonen und Neutronen =
Nukleonen), der von groBen Energien zusarnmengehalten wird, die bei Spaltung oder Fusion teil-
weise freigesetzt werden (Massendefekt).
Protonen und Neutronen der Atome eines Elementes stehen nicht in festen Verhaltnissen zuein-
ander, die Zahl der Neutronen kann wechseln (Isotope).

2.2. Wichtige Begriffe zum Atom und Element


Kemladungszahl ist die Anzahl der Protonen irn Kern eines Atoms, damit auch die Anzahl der
Elektronen in der RiiUe; das Atom ist elektrisch neutral.
Ordnungszahl (= Kernladungszahl) ist die Ziihlziffer des Elements im Periodensystem (Tafel 1.6).
Massenzahl ist die Zahl der Nukleonen eines Atoms, d.h. die Summe aus Protonen und Neutronen.
Isotope sind Atomarten (Nuklide) mit gleicher Ordnungszahl aber verschiedener Massenzahl. Der
grotl.ere Teil der Elemente besteht aus mehreren Isotopen.
Reinelemente bestehen nur aus einem Nuklid, d.h. besitzen keine Isotopen. Etwa 20 der bekann-
ten Elemente wie z.B. F, Na, AI, P, AS,J, Au.
Mischelemente bestehen aus mehreren Isotopen Atomarten wie z.B. Chlor:

Massenzahl --- 37
17
CI -+ Symbo1 aus j~CI und HCI im Verhiiltnis 1: 3
Ordnungszahl ¥"
Schreibweise fliI Nuklide Zinn besitzt 10 bekannte Isotope
Relative Atommasse (Atomgewicht) ist eine experirnenteU gefundene mittlere Massenzahl. Bezugs-
grotl.e ist die atomare Masseneinheit u.
Atomare Masseneinheit u = 1,66.10-24 g =fa der Masse eines Atoms des Nuklids I~C

Die relative Atommasse ist ein Vielfaches davon. 1m Gegensatz zu den ganzzahligen Massenzahlen
sind die relativen Atommassen Dezirnalzahlen (Tafel 1.6). Die Ursachen daflir sind:
a) Die meisten Elemente sind Isotopengemische, b) der Massendefekt.
Massendefekt. Die Masse eines Atoms ist stets kleiner als die Summe seiner Elementarteilchen, d.h.
praktisch Surnme der Nukleonenmassen. Diese Differenz wird als Massendefekt bezeichnet. Man
nimmt an, daB beim Entstehen eines Atoms aus den Elementarteilchen dieser kleine Massenverlust

467
Werkstofftechnik

auftritt und sich nach dem Masse-Energie-Erhaltungssatz in einer dabei freiwerdenden Energie
auBert. Masse und Energie sind aquivalent tiber
w m c c = 2,997·10 18 !p
Masse-Energie-Xquivalent W = m c2 (Liehtgesehwindigkeit)
m
(Einstein/Hasen6hrl) Nm=J kg

Die dem Massenverlust gleichwertige Energie ist ein MaB fur die Bindung der Nukleonen in einem
Atomkem, fur ihre Spaltung ist die gleiche Energie aufzuwenden. Er ist fur die schweren Atome
klein, deshalb sind die Atome des Astatin (Nr. 85) und die folgenden radioaktiv oder leicht spalt-
bar durch BeschuB mit Neutronen.
Bei der Vereinigung von Wasserstoffatomen zu Heliumatomen (Kemfusion) wird durch den Mas-
sendefekt eine grof3e Energie frei, die in der Wasserstoffbombe unkontrolliert genutzt wurde. Die
kontrollierte Kemfusion ist noch im Stadium der Grundlagenforschung.
Chemische Reaktionen werden durch ZusammenstOBe der "Atomkugeln" eingeleitet.Dabei andern
sich nur ihre auBersten Elektronenhtillen, die Keme bleiben davon unbertihrt. Aus diesem Grunde
ist der Bau der Htille fur das chemische Verhalten maBgebend.

2.3. Elektronenhiille
Nach dem Modell von Bohr (1916) bewegen sich die Elektronen ohne Energieabgabe (Stabilitat
der Atome) auf bestimmten "Schalen" die den Kern konzentrisch umgeben. Mit steigendem Ab-
stand konnen diese mehr Elektronen fassen, gleichzeitig weisen sie noch eine Unterteilung in
"Nebenschalen" auf (Tafel 1.4).

Tafell.4. Besetzung der Haupt- und Nebeniveaus mit Elektronen


Hauptniveau p
K L M N 0 Q
(Sehale)
Hauptquanten-
1 2 3 4 5 6 7
zahl
Maximale Anzahl
1 2 3 4 5 6 7
der Nebenniveaus
Bezeiehnung der
s s p s p d s p d f s p d f (g) s P d f (9) s
Nebenniveaus
Maximale Anzahl
der Orbitale des 1 1 3 1 3 5 1 3 5 7 1 3 5 7 (9) 1 3 5 7 (9) 1
Nebenniveaus
Maximale Anzahl
der Elektronen 2 2 6 2 6 10 2 6 10 14 2 6 10 14 (18) 2 6 10 14 (18) 2
im Nebenniveau
Maximale Anzahl
der Elektronen
im Hauptniveau
zmax = 2 n 2 2 8 18 32 (50) (72)

Zeiehen in Klammern geben an, d~ diese Zustiinde bisher noeh nieht bei Atomen im Grundzustand beobaehtet
worden sind.

Weitere Forschungsergebnisse haben das Modell veriindert. Statt defmierter Umlaufbahnen wer-
den Aufenthaltsbereiche beschrieben, in denen sich das Elektron als Ladungswolke, als stehende
Welle eines elektrischen Feldes darstellt. Darin laBt sich Geschwindigkeit und Ort des Elektrons
nicht genau angeben (Heisenbergs Unschiirferelation). Jedes Elektron unterscheidet sich in der Art
seines Schwingungszustandes von seinen Nachbam (Pauli-Prinzip).

468
I. Grundlagen

Die Aufenthaltsbereiche (Orbitale) durchdringen sich gegenseitig ohne Beeinflussung. Durch


Energiezufuhr konnen Elektronen nur quantenhafte Energiebetrage aufnehrnen und in energie-
reichere Orbitale springen. Dieser angeregte Zustand wird unter Abgabe von Strahlung wieder
aufgegeben. Die Frequenzmischung der ausgesandten Strahlung (ihr Spektrum) ist typisch fliI das
jeweilige Atom und damit eine Moglichkeit zu seiner Erkennung (Spektralanalyse).
Quantenzahlen. Der Energiezustand (Schwingungszustand) eines Elektrons wird durch vier Quan-
tenzahlen beschrieben. Elektronen miissen sich in mindestens einer dieser Zahlen unterscheiden
(Pauli-Prinzip ).

Quantenzahi Veranschaulichung
Haupt- n = 1,2,3, ... ,7; n deutet den Abstand des Orbitals vom Atomkern an,
Quantenzahl n sie entspricht den Bezeichnungen K, L, M, ... , Q.
Neben- 1= 0,1, ... ,(n - 1); I deutet die Form des Orbitals an. Die raumlichen
Quantenzahl I Modelle dieser Orbitale werden mit den Buchstaben s, p, d, f benannt
(Abkiirzungen spektroskopischer Bezeichnungen) siehe Bild 1.2.
Magnet- m =-I, ... ,0, ... , + I; m deutet die Lage des Orbitals im Raum an. Der
Quantenzahl m Name ,,Magnet-" bezieht sich dabei auf das Mell.verfahren.
Spin- s =+ ~ oder -~; s deutet eine Rotation des Elektrons an, fliI die es nur
Quantenzahl s zwei Moglichkeiten gibt. In einem Orbital konnen hOchstens zwei Elek-
tronen mit gegensinnigem Spin Platz rmden.

Bild 1.2 zeigt die Modelle von s- und p-Orbitalen. Wenn aile 2p-Orbitale aufgefiillt sind besitzt das
Atom eine L-Schale mit 8 Elektronen, welche den Kern kugelforrnig umgeben, es ist das Edelgas
Neon.
Die Zustiinde d und f ergeben kompliziertere Modelle. Diese Orbitale erflillen weitere Raume
zwischen den Achsen x, y und z.

y y y y

Bild 1.2.
Modelle der
s-Orbital px-Orbital Py -Orbital pz-Orbital s- und p-Orbitaie

Hundsche Regel: Jeder Orbital wird zunachst einfach besetzt, das hinzukommende Elektron wird
in den noch unbesetzten energiearrnsten Orbital eingebaut. Tafel 1.5 zeigt die relativen Energie-
niveaus und ein Beispiel.

3. Periodensystem der Elemente (PSE)


Systematische Anordnung der chemischen Elemente in Perioden und Gruppen aufgrund chemi-
scher Ahnlichkeiten (Meyer und Mendelejeff 1869), spater berichtigt. Ordnungsprinzip ist die
Kernladungszahl. Das PSE ist damit ein Abbild der Systematik der Elektronenhiille.

3.1. Begriffe zum Periodensystem der Elemente


Periode: Waagerechte Zeile im PSE, enthalt Elemente, deren Aull.enelektronen die gleiche Haupt-
quantenzahl besitzen. Am Ende jeder Periode steht ein Edelgas (s- und p-Orbitale voll). In einer
469
Werkstofftechnik

Tafel I.5. Energieniveaus in der Elektronenhiille


I

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Elemente
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Nebenniveau ;i
Peri ode steigt die Kernladung nach rechts an, dadurch wirkt sie starker anziehend auf die Hiille -+
Atomradius sinkt. Nur das Edeigasatom hat einen gro~eren Radius. Nach jedem Edelgas mit 8 Elek-
tronen (Oktett) in der Au~enschale mu~ eine neue Periode beginnen, das nachste Element baut
eine neue Schale auf, d.h. bei ihm wird das nachste s-Orbital einfach besetzt.
Gruppe: Senkrechte Spalte im PSE, enthalt aile Elemente, deren Au~eneiektronen gleiche Neben-
quantenzahlen (Form der Orbitale) besitzen. Damit erhoht sich innerhalb einer Gruppe der Atom-
radius mit steigender Ordnungszahl.
Hauptgruppe: Enthalt Elemente, deren Atome die inneren Nebenniveaus voU besetzt haben, das
hinzukommende Elektron wird in ein s- oder p-Orbital eingebaut. Sie werden deshalb als s- oder
p-Elemente bezeichnet.
Nebengruppe: Enthalt Elemente, deren Atome die vorhandenen Nebenniveaus noch nicht voll be-
setzt haben, das hinzukommende Elektron wird in ein d- oder f-Orbital eingebaut. Sie werden des-
halb als d- oder f-Eiemente bezeichnet.

470
I. Grundlagen
3.2. Periodensystem in Verbindung mit dem Aufbau der Elektronenhiille (Tafel I.S)
Periode 1: Die Elemente Wasserstoff 1H und 2He bauen das Hauptniveau 1 (Schale K) mit max.
2 Elektronen ,auf. He hat eine abgeschlossene AuBenschale und ist ein EdelgllS.

Periode 2: Das folgende Lithium 3Limu~ ein neues Hauptniveau (Schale L) beginnen und besetzt
2S1. Es schlie~en sich 7 Atome an,
die das s- und die p-Orbitale bis.. auf 8 Elektronen auffUUen.
Am Ende steht das Edelgas Neon lONe.

Periode 3: Das folgende Natrium uNa muB ein neues Hauptniveau (Schale M) beginnen und be-
setzt 3s 1 . Es schlie~en sich 7 Atome an, die das 3s- und die 3p-Orbitale bis auf 8 Elektronen auf-
fUllen. Am Ende steht das Edelgas Argon 18Ar.

Periode 4: Zunachst kann das Hauptniveau 3 nicht weiter bis auf die maximale Zahl von 18 Elek-
tronen aufgeftillt werden. Aus energetischen Grunden (Tafel 1.5) wird beim folgenden Kalium 19K
das Elektron in 4s 1 eingebaut, beim Calcium 20Ca in 4s2. Nach diesem abgeschlossenem Neben-
niveau werden bei den folgenden 10 Elementen die 3d-Orbitale aufgefUllt (Nebengruppen-Elemente
Nr. 21 bis 30). Mit 2 Ausnahmen (Cr und Cu) haben sie zwei 4s-Elektrpnen als Valenzelektronen,
dazu noch solche der 3d-Orbitale (Tafel 1.6, Erlauterungen 10).
Bei den folgenden Hauptgruppenelementen Nr. 31 bis 36 werden die 4p-Orbitale bis auf 8 Elek-
tronen aufgeftillt. Am Ende steht das Edeigas Krypton 36Kr.

Periode 5: Hier wiederholt sich die Unregelm~igkeit der 3. Periode. Die Atome Rubidium 37Rb
und Strontium 38Sr besetzen das Ss-Orbital.
Das Niveau der nachsthoheren Energiestufe ist 4d. Es wird bei dj:n folgenden Nebengruppenele-
menten Nr. 39 bis 48 aufgeftillt. Dann erst werden in den Hauptgruppen die Sp-Orbitale auf 8 Elek-
tronen aufgefUllt. Am Ende steht das Edelgas Xenon 54Xe.

Periode 6: Mit steigender Hauptquantenzahl erhoht sich die Zahl der moglichen Nebenniveaus in
den tieferliegenden "Schalen". Nach einer Besetzung des 6s-Orbitals bei den Elementen Casium
55 Cs und Barium 56Ba sind energetisch (Tafel 1.5) die 4f-Orbitale an der Reihe. Zunachst wird
noch beim Lanthan 57 La das Elektron in Sd eingebaut. Die folgenden 14 Elemente (Lanthaniden
oder seltene Erden) Nr. 58 bis 71 fUllen die 4f-Orbitale auf, dabei haben sie gleiche 6s-AuBen-
Elektronen und sind sich chemisch sehr ahnlich.
Es folgen die Nebengruppenelemente Nr. 72 bis 80, welche die Sd-Orbitale aufflillen. Die Periode
schlie~t wie die vorigen mit 6 Hauptgruppenelementen, bei denen die 6p-Orbitale zu einer abge-
schlossenen Au~enschale vervollstandigt werden. Am Ende steht das Edelgas Radon 86Rn.
Die letzten drei dieser Periode sind bereits radioaktiv, eine Erscheinung die sich in der 7. Periode
fortsetzt.

Periode 7: Hier wiederholt sich die Systematik der 6. Periode. Zwei Hauptgruppenelemente Fran-
cium 87Fr und Radium 88Ra besetzen das Orbital 7s, das folgende beginnt zunachst 6d, dann
bricht dieses Nebenniveau ab und analog zu den Lanthaniden folgt eine Gruppe von Elementen,
bei denen das Nebenniveau Sf aufgefUllt wird. Es sind dies die Actiniden, d.h. die auf das Actinium
89Ac folgenden Elemente. Von ihnen sind Thorium, Protactinium und Uran natiirlich vorkom-
men de Elemente, die folgenden (Transurane) ktinstlich erzeugt. Das letzte dieser bisher bekannt-
gewordenen Elemente ist das erste einer Reihe von Nebengruppenelementen, bei denen wahrschein-
lich 6d aufgefUllt wird. Transurane haben sehr kleine Halbwertszeiten, so d~ ihre Untersuchung
schwierig und noch nicht abgeschlossen ist. Zudem sind sie z.T. nur in extrem kleinen Massen
verftigbar.

471
Tafel 1.6. Periodensystem der Elemente

Pe r iodensystem

Erliiuterungen:
1. Ordnungszahl
2. Atomgewicht, bezogen auf 1/12 der Masse des Kohlenstoffisolops I~C
der auf der Erde vorkommenden Isotopenmischung. _
3. Die Punkte machen Angaben iiber die Dichte der Elemente:
·: (1 < 5; .• : 5< (1 < 10; ••• : 10 < /1 < 15; . . . ·:15<(1 < 20; . ... · :20 < (1
(jeweils in kg/dmS).
4. Ein· bedeutet, daB das Element nur kiinsUich erzeugt werden kann.
5. Siedepunkt in °c
6. Schmelzpunkt in °c (As sublimiert bei 613 °c und 760 Torr)
7. 1st das Elemenlsymbol farbig eingelragen, so sind aUe Isotope radioaktiv.
8. 1st der ame des Elementes farbig gedruckt, so handel! es sich um
ein Edelmetall: (C u, Hg: Halbedelmetalle).
9. Es bedeutet:
B (B): Elemente mit ( tark ) basischen Oxiden
S (S): Elemente mit (stark) sauren Oxiden
BS : Elemente mit basischen und sauren bzw. amphoteren Oxiden
10. Die Punkte bedeulen Wertigkeilen, und zwar ein schwarzer Punkt eine Haupl-
wertigkeit, ein farbiger die wichlig Ie Werligkeil Die Siriche dienen nur
dem Abziihlen: Vom groBeren mittleren Sirich aus isl nach oben positiv, nach
unten negaliv zu zahlen.
11. Eleklronegalivitiit (nach L. Pauling)
12. ElektroneDverteilung. Sie eDlsprichl dem Grundzusland. Farbig angegebene
Eleklronen sind fiir das chemische Verhalten maBgeblich.
13. Die schwarze Linie bedeulel die Grenze zwischen Metallen und Nichtmetallen. Sie
spallel sich bei den Halbmetallen auf. Angegeben sind jeweils die wichligslen Mo-
difikalionen (z.E. gilt fiir C : Graphil: Halbmetall, Diamant: Nichtmetall).
14. Die farbige Linie bedeulet die Grenze zwischen (bei 20 0c) gasfOrmigen und feslen
Elementen (mit zwei AusDahmen: Br, Hg sind l1iissig).

. . .
I Fr t:< " Ra ~ I Ac~ ~ Th~
Francium A<:ti
nium
B
der Elemente

K 5
L
M
N
o

K 6
L
M
N
o
P

K 7
L
M
N
o
p
a

nach Rainer Engelhard


Werkstofftechnik

3.3. Periodizitlit der Eigenschaften


Nach dem Verhalten der Elektronen in den energiereichsten auBersten Niveaus (Valenzelektronen)
lassen sich die Elemente in MetaIle und NichtmetaIle einteilen (Tafel I.7).

Tafel 1.7 . GegeniibersteIlung MetaIl - NichtmetaIl

Elektronen in Bindung an Elektro-


Element Verhalten des Atoms Charakter
Au1l>enschale den Atomkern negativitat 1)

Me tall wenige, 1 ... (4) schwacher gering Abspaltung von Elektronen elektro-
und Bildung von positiven positiv
Ionen (Kationen)
Nichtmetall viele, 5 ... 7 starker hoch Anziehung vori Elektronen elektro-
und Bildung von negativ negativ
geladenen Ionen (Anionen)

1) Elektronegativitat: Empirische Skala nach Pauling, gibt das Bestreben eines Atoms an, die Elektronen eines
anderen Elementes an sich zu ziehen. Hangt mit dem Radius des Atoms zusammen, so dail> das kleinste Atom
Fluor (r'" 7,2 nm) die hochste Elektronegativitat besitzt (Tafel 1.6, Erlauterungen Punkt 11)

Die Neigung zum Abgeben oder Aufnehmen von Elektronen hangt von Kernladung und Atom-
radius abo
lnnerhalb
einer Periode: Atornradius sinkt, Valenzelektronen starker gebunden, Elektro-
negativitat steigt, NichtmetaIlcharakter wird starker.
Innerhalb
einer
Gruppe: Atomradius steigt, Valenzelektronen schwacher gebunden, Elektrone.gativitat sinkt,
Metallcharakter wird starker.
Deshalb wird das PSE durch eine diagonal verlaufende Linie in ein links und unten Uegendes Feld
der Metalle und ein rechts und oben Jiegendes der Nichtmetalle geteilt. Diese Linie-ist gespalten
und umfaBt das Feld der Halbmetalle (Tafel 1.6, Erlauterungen 6).
Den Zusammenhang zwischen Eigenschaften und Atomvolumen zeigt Bild 1.3. Jede Peri ode be-
ginnt mit einem Element von grbBtem Atomvolumen. Es sind die Alkalimetalle der Hauptgrvppe I.
Infolge des nur schwach gebundenen Valenzelektrons sind sie unbestandig und reagieren heftig mit
Wasser (vom Li ZUIll Cs zunehmend). Die zweiten Elemente jeder Periode (Erdalkalimetalle Haupt-
gruppe II) zeigen diese Erscheinung erst beim Ca, wiihrend die kleineren Be und Mg metallische
Werkstoffe sind. In den Tieflagen der Kurve sind die technisch wichtigen und hinreichend be-
standigen Gebrauchsmetalle zu finden.
Die Gruppe der Lanthaniden zeigt, daB trotz wachsender innerer Elektronenbesetzung das Atom-
volumen sinkt. eine Foige der starker werdenden Kernanziehung bei steigender Kernladungszahl.
So kommt es, daB die Dbergangselemente in den Perioden 5 und 6 fast gleiche Atomvolumina be-
sitzen, d.h. auch etwa gleiche Atomradien. Folge: Die zweiten und dritten Elemente der Neben-
gruppen sind sich chemisch sehr ahnlich.

Beispiel:
Nebengruppe AIle kristallisieren krz, Nebengruppe AIle kristallisieren hex/krz,
VIB sind starke Carbidbildner, IVB Zr und Hf sehr schwer
24 Chrom Mo kann W in Werkzeug- 22 Titan trennbar. Rein-Zr wird als
42 Molybdan stahlen ersetzen. Steigende 40 Zirkon Reaktorwerkstoff benotigt.
74 Wolfram Schmelztemperaturen. 72 Hafnium

474
I. Grundlagen

Periode Nr: : (s '

"'1-
eo 0
" eo
3 4 5 6

" 60 Rb
~
"--'--
~
eo 50
.:=0 K
~
eo
~ 40
"t 80

30

Po
20

10

03 11 20 30 3740 4750 55 60 70 Ordnungszohl

Bild 1.3. Atomvolumen in Abhangigkeit von der Ordnungszahl

4. Chemische Bindung

4.1 . Hauptbindungsarten
AuBer Edelgasen und einigen Edelmetallen kommen die Elemente in der Natur nur chemisch ge-
bunden vor, oder gehen bei Kontakt miteinander chemische Bindungen ein .
Ursache ist das Streben nach einem stabileren , d.h. energiearmeren Zustand. Nach der Elektronen-
theorie der Valenz (Kossel und Lewis, 1916) versuchen Atome ihre Elektronenhiillen dem nachst-
Jiegenden Edelgas anzugleichen , d.h. das "Oktett" von 8 Elektronen im energiereichsten Niveau
zu bilden .
Je nach Stellung im PSE (damit der Eiektronegativitat) erreichen die Eiemente das Oktett (auch
Edeigaskonfiguration genannt) auf verschiedene Weise (Tafel 1.8).
Bei Hauptgrltppenelementen andern sich dabei die Eiektronenbesetzung der auBersten Schale
(Hauptniveau mit groBter Haupt-QZ) . Diese Valenzelektronen binden die Atome zu groBeren
Atomverbanden.
Bei Nebengruppenelementen werden neben den AuBenelektronen auch einige der nachstinneren
Schale als Valenzelektronen einge,setzt.
1m PSE, Tafel 1.6 sind die moglichen Valenzelektronen markiert (Erlauterungen).
Bei allen drei Bindungsarten treten elektrisch ungleich geladene Teilchen (oder Felder) auf, die
sich nach der Coulombschen Gleichung elektrostatisch anziehen :
+ -
e 'e
Kraft F"" --2- (Produkt der Ladungen , dividiert durch Abstandsquadrat!)
a

475
Werkstofftechnik

Tafel I.8. Chemische Bindungen, Bindungsarten

Name Metallbindung Ionenbindung Atombindung

weitere Bezeichnungen metalliscire heteropolare, homoopolare,


Bindung elektrovalente B. kovalente B.,
Elektronenpaar-
bindung
Bindungspartner Metallatome Metallatome/ Nichtmetallatome
Nichtmetallatome
Elektronegativitat niedrig hoch
und deren (elektropositiv) (elektronegativ)
Unterschied klein bis Null gro1), klein bis Null
Anderung in der Abgabe der tibergang der Elektronenpaar-
Elektronenhiille, Valenzelektronen Valenzelektronen bildung durch
Aktion der zum zum Anion tiberlappung ein-
Valenzelektronen "Elektronengas" Ionenbildung fach besetzter
Orbitale
Molekiilbildung
freie Elektronen Elektronen Elektronen
ortsgebunden ortsgebunden
(lokalisiert)
Richtung der allseitig wirkend allseitig wirkend unter bestimmten Sonderfall, Elemente
Bindungskrafte Winkeln wirkend der Kohlenstoff-
gruppe IV PSE
entstehender Atom- Metallionen von positive Metall- Molekiile durch Atome durch raum-
verband platzwechselnden ionen (Kationen) schwache zwischen- lich gerichtete
Elektronen und negative molekulare Krafte Elektronenpaar-
verkniipft Nichtmetallionen zusammen- bindungen
sowie (Anionen) in gehalten zusammengehalten
regelmli1l.iger
Anordnung
Feinstruktur Metallgitter Ionengitter Molekiilgitter Atomgitter
(Riesenmolekiil) (Diamantgitter)
Aus Bindungskraften Leiter I. Klasse Leiter II. Klasse Nichtleiter Halbleiter
und Feinstruktur (Elektronenleiter) (Ionenleiter) (bei Erwarmung
sich erge bende besser)
Eigenschaften plastische Ver- keine plastische keine plastische hohe Harte, keine
formbarkeit in Verformbarkeit Verformbarkeit plastische
kaltem Zustand Verformbarkeit
hohe Schmelz- niedrige Schmelz- hohe
und Siedepunkte und Siedepunkte Schmelzpunkte
Stoffbeispiele Metalle und Oxide, Hydroxide, Kohlenstoffver- Diamant, Silicium,
Legierungen Salze bindungen, Germanium,
elementare Gase Siliciumcarbid,
(au1l.er Edelgasen) Bornitrid
Kunststoffe

Die lonen konnen in Gittem als Kugeln betrachtet werden, so d~ sich der Abstand a angeniihert
als Summe der lonenradien ergibt. Bild 1.4 zeigt schema tisch, wie in lonengittem die Anziehung
von Kation und Anionen die AbstoBung der Anionen iiberwiegt, so d~ eine starke Bindungskraft
resultiert.
Bei der Elektronenpaarbindung bildet die Vbedappungszone den negativ geladenen Bereich, der
die positiven Atomkeme bindet. Hierbei sind Tiefe der Dbedappung und damit der Grad der
Anniiherung bestimmend flir die Starke der Bindung (Bild 1.5).
476
I. Grundlagen

Uberlappungszone negativ

a1, AbstofJung)

Kerne positiv

Bild 1.4. lonenbindung NaCI Bild 1.5. Atombindung Cl2

4.2. Obergangsfonnen
Zwischen den wenigen reinen Vertretern der drei Bindungsarten existieren alle moglichen Vber-
gangsformen.
Polarisierte Atombindung: Atombindung zwischen Nichtmetallen mit unterschiedlicher Elektro-
negativitat. Das bindende Elektronenpaar verlagert sich zum negativeren Partner.
Beispiel: H = 2,1; CI = 3,0; ChlorwasserstoffHCI

-
+cS -8
H-Q] Folge: + G~
Ladung 8 "" 0,2 . e- Dipol
Die polarisierte Atombindung ist als flief.\ender Vbergang zwischen den reinen Formen der Atom-
bindung (Nichtmetallatome gleicher Elektronegativitat) und der lonenbindung (Metall- mit Nicht-
metallatom) zu betrachten.
Dipol: Molektil mit polarisierter Atombindung, bei dem die Schwerpunkte der Ladung beider
Teilchen nicht zusammenfallen, so daf.\ das Molekiil ein positives und negatives Ende besitzt.
Wichtige Dipole: Wasser H2 0, Ammoniak: NH3 (fliissig), Fluorwasserstoff HF (fliissig)
Dipole haben hohe Dielektrizitatskonstante und sind dadurch Losungsmittel fill lonenverbindungen.
Die beiden Enden eines Dipolmolektils wirken auf loneR anziehend bzw. abstof.\end. Dadurch um-
geben sich loneR mit einer Riille von Dipolen, welche die elektrostatische Anziehung der loneR
verringern. Dadurch entstehen die freibeweglichen loneR in z.B. LOsungen des Wassers ~ elektro-
lytische Dissoziation.

4.3. Wertigkeiten (PSE, Tafel 1.6, Erlauterungen 10)


Atome treten nicht nur paarweise zu chemischen Bindungen zusammen, sondern je nach Zahl ihrer
Valenzelektronen auf vielfliltige Weise. Wertigkeit oder Valenz ist eine quantitative Angabe tiber
die Anzahl der Bindungen, die ein Atom in einer Verbindung besitzt. Wir mtissen dabei unterschei-
den:
Stochiometrische Wertigkeit. Ganzzahlige Angabe tiber das Verhaltnis, mit dem Atome oder
-gruppen das Wasserstoffatom binden oder ersetzen konnen. Neben dem einwertigen Wasserstoff H
kann auch der zweiwertige Sauerstoff 0 als Bezugsgrof.\e dienen.
Ionenwertigkeit, Ladungszahl. Ganzzahlige Angabe mit Vorzeichen; kennzeichnet die Anzahl der
aufgenommenen Elektronen (Minus-Zeichen) oder der abgegebenen Elektronen (Pluszeichen).
Der Betrag der lonenwertigkeit stimmt mit der stochiometrischen Wertigkeit tiberein.

477
VVerkstofltechnik
Beispiel: Schwefelsaure H2 S04; der Saurerest (S04)2 - hat die Ladungszahl - 2 und die stOchiome-
trische Wertigkeit 2.
Bindigkeit, Bindungswertigkeit. Ganzzahlige Angabe; kennzeichnet die Anzahl der Elektronen, die
das Atom mit seinem Partner gemeinsam besitzt. Bindigkeit und Wertigkeit stimmen nicht immer
tiberein!

Beispiel: C-Atome
Methan CH4: Wertigkeit 4, Bindigkeit 4; Athen C2 H4 : Wertigkeit 2, Bindigkeit 4

Bindigkeit mit Hilfe der Elektronenformeln oder strukturformeln erklarbar.


H H H H
/
"'"/
c=c C ..
.. C
H
"'" H
Strukturformel
H H
Elektronenformel

Koordinationszahl. Angabe tiber die Zahl der unmittelbaren Nachbarteilchen im Raumgitter und
Komplex-Ionen. Sie lii~t einen Schlu~ auf die Struktur und den Modellkorper zu, den das Teilchen
mit diesen Nachbam bildet.
Bei Komplex-Ionen gibt die Koordinationszahl an, wieviele Liganden (Ionen oder Molektile) urn
das sogenannte Zentralion angeordnet sind. Es sind aile Zahlen von 2 ... 8 moglich, haufig sind die
geraden Koordinationszahlen.

Koordinationszahl Modellkiirper Raumgitterstruktur, Beispiel

4 Tetraeder Diamantgitter
6 Oktaeder kubisch-einfach, Kochsalzgitter
8 Wilrfel kubisch-raumzentriert, a-Eisen
12 Wtirfel kubisch-flachenzentriert, ,),-Eisen, Blei
12 hexagonales Prisma hexagonal-dichteste Packung, Zink, Magnesium

5_ Wichtige Gruppen der chemischen Verbindungen


5_1. Oxide
Verbindungen des Sauerstoffs (Oxygenium) mit den anderen Elementen, die aile, au~er Edelme-
tallen und Edelgasen, eine starke Affmitat zu ihm besitzen. Sie sind in der Natur weit verbreitet.
Schwermetalloxide sind Ausgangsstoffe fur die Gewinnung der reinen Metalle und werden als pul-
verformige Farbstoffe verwendet (Pigmentfarben). Leichtmetalloxide haben hohe Schmelztempe-
ratur und liefem hitzebestandige Werkstoffe (oxydkeramische Schneidstoffe). Nichtmetalloxide
sind z. T. gasformig. Nur die festen Oxide des Siliciums, Arsens und Bors kommen vor, dane ben
Wasser als Oxid des Wasserstoffs. Die Oxide des Schwefels und Kohlenstoffs sind geringe Anteile
der Luft.

5.2_ Hydroxide (Basen, Laugen)


Sie entstehen durch Einwirken von Wasser (Luftfeuchte) auf Metalloxide. Die Hydroxide der Alkali-
metalle sind wasser16slich und ergeben Laugen.

CaO +
Bildung einer Base
Metalloxid Wasser Hydroxid

478
I. Grundlagen
Regel gilt praktisch nur fur Alkali- und Erdalkalimetalle (Hauptgruppen I und II). Die Oxide drei-
wertiger Metalle sind amphoter, d.h. sie verhalten sich je nach Partner als schwache Sauren oder
schwache Basen.
Oxide, in denen die Nebengruppenelemente in h6heren Wertigkeiten auftreten, bilden mit Wasser
Sauren (Chromsaure, Mangansaure).
Hydroxide enthalten die einwertige OH-Gruppe (Hydroxyl-Gruppe). Laugen sind in Metall- und
OH-Ionen gespalten. Laugen sind seifige Fliissigkeiten, atzen die Haut und greifen Aluminium
und Blei an. Farbstoffe werden verHirbt. Darauf beruhen die Indikatoren fur basischen Charakter
einer Fltissigkeit (Lackmus wird blau).

Wichtige Laugen und basische Stoffe


Natronlauge NaOH Herstellung durch Elektrolyse von NaCI-LOsung nach
verschiedenen Verfahren. Zum Aufschlu/!' von Bauxit,
Zellstoff; flir Seifenherstellung und Beizen von Alu-
minium
Kalilauge KOH Elektrolyt in Nickel-Eisen-Akkumulatoren
Calciurnhydroxid Ca(OH}2 als Kalkwasser billige Lauge bei der Zuckerherstellung
geltischter Kalk
Calciumoxid CaO basischer Stoff flir die Neutralisation von Abfall-
gebrannter Kalk sauren und sauren Boden. Zur Entphosphorung im
Stahlwerk
Calciumcarbonat CaC0 3 Hochofenzuschlag zur Schlackenbildung und Ent-
Kalkstein schwefelung
Magnesiumcarbonat MgC0 3 basische Stoffe fill feuerfeste Auskleidungen von
Magnesit, Dolomit Ofen und Pfannen im Stahlwerk und Gie/!,erei
Natriumcarbonat, Soda Na2C03 Roheisenentschwefelung, Glasherstellung, Entfettung

Die Verbindungen der Alkali- und Erdalkalimetalle sind basische Stoffe, da sie Sauren neutralisie-
ren und saure Stoffe chemisch binden konnen.
Basisch: Eigenschaft, Sauren neutralisieren zu konnen_
5.3. Sauren
Durch Einwirken von Wasser (auch Luftfeuchte) auf Nichtmetalloxide entstehen Sauren.
S02 + H20 -+ H2S0 3
Bildung einer Saure Nichtrnetalloxid Wasser Saure
Ihre Molekiile enthalten den Siiurewassersto!! und den Siiurerest. Saurerest ist eine Atomgruppe
aus Nichtrnetall- und Sauerstoffatomen, er kann allein nicht bestehen.
Solche allein nicht bestiindigen Atomgruppen, deshalb keine Molekiile, werden als Radikale be-
zeichnet. Bekannte Radikale sind z.B.
OH =Hydroxyl, NH4 =Ammonium, CN =Cyan, CH 3 =Methyl.
Es gibt ein- und mehrwertige Saurereste, erkennbar an der Anzahl der Wasserstoffatome, z.B. HCI
einwertig, H2 S04 zweiwertig. Sauren sind Elektrolyte, sie dissoziieren in positive H-Ionen und
negative Saurerest-Ionen. Viele Metalle konnen die H-Atome ersetzen, indem sie selbst als lonen
in LOsung gehen, wahrend Wasserstoff entweicht. Dadurch "Anfressen" des Metalls durch die
Saure (siehe 5.5, Salze).
Sauren schmecken in Verdiinnung sauer, atzen die Haut und verfarben Farbstoffe. Hieraufberuht
Wirkung der Indikatoren (Lackmus wird rot).
479
Werkstofftechnik

Die vier Halogen-Elemente bilden starke Sauren direkt mit Wasserstoff. Es sind aggressive, wasser-
16sliche Gase.
Wichtige Sauren

Chlorwasserstoffsaure HCl Wasser lOst bei 15°C etwa das 450fache Volumen
SaIzsaure Chlorwasserstoff. Beizmittel zum Entzundern.
Fluorwasserstoffsaure HF Siedepunkt 19,5 °c, als 30 ... 50 %ige Saure in willi-
FluBsaure riger LOsung. Atzmittel fUr Glas.
Schwefelsaure meist verdiinnt. Konzentriert stark wasserentziehend.
Hauptverwendung zur Diingemittelherstellung, Akku-
saure, Herstellung anderer Sauren.
Salpetersaure starkes Oxydationsmittel, entziindet konzentriert
Holz, Alkohol. Dient zur Einflihrung der Gruppe
N0 2 in Kohlenwasserstoffe: Nitrierung von Glyzerin:
Nitroglyzerin.
Phosphorsaure Phosphatieren von Oberflachen.

Als saure Stoffe werden in der Hiittentechnik Schlacken und feuerfeste Stoffe bezeichnet, die iiber-
wiegend Si0 2 enthalten (Si0 2 Kieselsaure).
Sauer: Eigenschaft, Basen neutralisieren zu konnen.

5.4. PH-Wert
Der basische Charakter einer Fliissigkeit wird durch OH-Ionen bewirkt, der saure durch H-Ionen.
Reines Wasser ist sehr schwach in gleichviele H- und OH-Ionen gespalten, es ist neutral. Sauren
haben DberschuB an H-Ionen, Basen umgekehrt. Die "Starke" einer Base oder Saure ist von der
Aufspaltung in lonen (Dissoziation) abhangig. Wasserfreie Sauren sind nicht dissoziiert und weniger
aggressiv als verdiinnte Sauren.

Beispiele:
Konzentrierte (wasserfreie) Schwefelsaure kann in Behaltern aus unlegiertem Stahl gelagert werden.
Die verdiinnte Saure greift Stahl an.
Wasserfreies Chlor wird in Stahlflaschen transportiert, bei feuchtem Chlor (mit Cl-Ionen) entsteht
starke Korrosion.
Der PH"Wert gibt an, ob viel oder wenig H-Ionen in einer Lasung vorhanden sind.
PH =1 starkste Saure
PH = 7 neutral
PH =8 schwache Base
PH =6 schwache Saure PH =14 starkste Base
Messung des PH"Wertes durch elektrische Instrumente oder durch Indikatoren, die einen bestimm-
ten PH"Wertbereich durch Farbumschlag anzeigen (Tafel 1.9).
Bei vielen Reaktionen miissen bestimmte pH"Werte eingehalten werden, damit sie richtig ablaufen.
Bei galvanischen Badern und Kesselspeisewasser wird der PH"Wert standig iiberwacht.

Tafel 1.9. Indikatoren

Farbumschiag Umschlagbereich Farbumschlag Umschiagbereich


Name Name
sauer - basisch PH-Werte sauer - basisch PH-Werte
Dimethylgeib rot - geib 2,9 ... 4,0 Lackmus rot - blau 5,0 ... 8,0
Methyiorange rot - orange 3,0 ... 4,4 Phenoiphtaiein farbios - rot 8,2 ... 10,0
Methylrot rot - geib 4,2 ... 6,3 Thymoiphtaiein farbios - biau 9,3 ... 10,5

480
I. Grundlagen

5.5. Salze
Durch Einwirken von Sliuren oder Halogen·Elementen auf Metalle oder ihre Verbindungen ent·
stehen Salze.
HCI + NaOH --> NaCI + H 20
Neu tralisation
Sliure Base Salz Wasser
Werden diese Sliure und Base im Verhliltnis ihrer relativen Moleklilmassen zusammengebracht
(molare Gewichtsverhliltnisse), so entstehen neutrale Stoffe. H- und OH-Ionen treten zu ungespal-
tenen H20-Moleklilen zusammen. Na- und CI-Ionen bleiben im Wasser und reagieren weder sauer
noch basisch.
Anstelle der Base kann ein Metal!oxid ebenfalls eine Sliure neutralisieren:
2HCI + CaO
Anstelle der Base kann ein Metal! ebenfalls eine Sliure neutralisieren:
2 HCI + Zn --> ZnCI 2 + H2
Die vier Halogen-Elemente bilden direkt mit Metallen Salze:
Sn + 2CI
Durch Einleiten eines Nichtmetalloxides in eine Lauge wird diese neutralisiert, es entsteht Salz
und Wasser:
Ca(OH)2 +
L6sliche Salze sind in Wasser in Metall- und Sliurerest-Ionen gespalten und reagieren neutral. Aus-
nahmen sind solche Salze, die aus schwachen Sliuren und starken Basen bzw. aus starken Sliuren
und schwachen Basen entstanden sind. Bei der Auflosung in Wasser verlliuft ein Vorgang, der der
Neutralisation entgegengesetzt ist. Er wird als Hydrolyse, d.h. Spaltung durch das Wasser, be-
zeichnet. Die Losung solcher Salze besitzt den Charakter des stlirkeren Teils.
Soda, Natriumcarbonat Na2 C0 3 ist aus einer schwachen Sliure, der Kohlensliure H2 C0 3 und einer
starken Base, der Natronlauge entstanden. In wli!l,riger Losung tritt Hydrolyse ein, dadurch rea-
giert Sodalosung stark basisch.
basisch
Der entgegengesetzte Fall ist beim Aluminiumsulfat AI2 (S04h gegeben.
AI2(S04h + 6 H20 --> 2 AI(OHh + 3 H2S0 4 sauer
Saure Salze entstehen, wenn in einer zweiwertigen Sliure nur ein H·Atom ersetzt wird, wie z.B.
beim Natriumhydrocarbonat NaHC0 3 • Es ist im Wasser in Na-, H- und C0 3 -Ionen gespalten. Durch
die H-Ionen ergibt sich saure Reaktion.
Basische Salze entstehen, wenn in einer zWeiwertigen Base eine OH-Gruppe durch einen Sliurerest
ersetzt wird, wie z. B. beim Bleihydroxynitrat, Pb(OH)N0 3 (basisches Bleinitrat). Es ist in Losung
in Pb-, OH- und NOrIonen gespalten. Durch die OH-Ionen ergibt sich basische Reaktion.
Doppelsalze entstehen, wenn in einem sauren Salz das H-Atom durch ein anderes Metall ersetzt
wird, wie z.B. beim Alaun, Aluminiurnkaliumsulfat AIK(S04h. Als fester Stoff ist es ein homo-
gener Kristall, im Wasser in AI-, K- und S04-Ionen gespalten.
Komplexe Salze enthalten Ionen, die noch komplizierter gebaut sind als die Sliurereste. Beispiel
ist das gelbe Blutlaugensalz, Kaliumhexacyanoferrat(II), K4(Fe[CN]6). Es besteht im festen Zu-
stand aus Kristallen von 4 KCN (Kaliumcyanid) und Fe(CN)2 (Eisen [II]cyanid). In Wasser gelost
dissoziiert es in K-Ionen und das Komplex-Ion Fe(CN)6. Das Eisen ist darin nicht nachweisbar.

481
Werkstofftechnik

KristaUwasser ist H 20, welches mit den Ionen des Salzes ein Raumgitter bildet. Den Wassermole-
kiilen sind bestimmte Gitterpllitze zugeordnet. Durch Erhitzen (Calcinieren) wird dieses Wasser
ausgetrieben, die Kristalle zerfallen zu Pulver. Kristallwasser = Hydratwasser erscheint in den
Formeln mit Punkt angehlingt, wie z. B. Gips, Calciumsulfat CaS04 . 2 H2 O.
Dieser Gipsstein wird gebrannt und verliert dadurch einen Teil des Kristallwassers. Gebrannter
Gips CaS04 . ~ H20 erstarrt nach Anruhren mit Wasser wieder zu Gipsstein. Dabei wird "Anmach-
wasser" wieder in das Raumgitter eingebaut.

5.6. Weitere Metall-NichtmetaIlverbindungen


Sulfide sind Metallverbindungen des Schwefels. Sie sind in wichtigen Erzen enthalten, aus denen
die Nichteisenmetalle gewonnen werden. Diese Mineralien werden als Kies, Glanz und auch Blende
bezeichnet
Mangankies, Mangan(IV)sulfid MnS2 Zinkblende, Zinksulfid ZnS
Bleiglanz, Blei(II)sulfid PbS Silberglanz, Silbersulfid Ag2 S

Phosphide sind Metallverbindungen des Phosphors. In Metallen und Legierungen ist P stets an
Metall gebunden als Phosphid enthalten. '
Nitride sind Metallverbindungen des Stickstoffs. Sie kommen in der Natur nicht VOT. Wegen der
chemischen Trligheit des molekularen Stickstoffs entstehen sie nur unter besonderen Bedingun-
gen, z. B. beim Nitrieren zur Oberfllichenhlirtung von Stlihlen.
Carbide sind Metallverbindungen des Kohlenstoffs. Hochschmelzende Metalle ergeben sehr harte,
sprode Carbide, als Schleif- und Schneidstoffe verwendet. Die Carbide der Alkali- und Erdalkali-
metalle sind nicht bestlindig und zersetzen sich mit Wasser unter Entwicklung von Kohlenwasser-
stoffen. Sie kommen in der Natur nicht vor, sondern werden unter Energiezufuhr hergestellt.
Calciumcarbid wird im elektrischen Ofen aus Koks und gebranntem Kalk erschmolzen:
CaO + 3 C -+ CaC 2 + CO + 452 kJ
Calciumcarbid zersetzt sich mit Wasser zu Acetylen und Kalkwasser:

Die entstehende Wlirrile wird yom Wasser im Gasentwickler abgeftihrt.


Cyanide sind Metallverbindungen der Atomgruppe Cyan, CN. Diese verhlilt sich wie die Halogen-
Elemente und bildet Salze. Von ihnen haben Kalium- und Natriumcyanid in der Hartereitechnik
als Kohlungsbader Bedeutung.

5.7. Systematische Benennung chernischer Verbindungen (Anorganische Verbindungen)


Allgemeine Regeln: Grundsatzlich wird der Name des elektropositiveren Elementes (Metall) an
erster Stelle (meist unverandert) genannt. Dann wird der Name des elektronegativeren Elementes
(oder Gruppe) mit einer Endung angehangt.
Bei Verbindungen aus zwei Elementen heiBt die Endung -id.
Die Reihenfolge der Benennung wird durch die Elektronegativitatsskala nach Pauling geregelt.

K I NaBa ILiCa I Mg I Al I Zn I Si I HIP I CIS


0,8 0,9
N I CI 0I
1,0 1,2 1,5 1,7 1,8 2,1 2,1 2,5 2,5 3,0 3,0 3,5 4,0
F I I
<- elektropositiver elektronegativer -+

482
I. Grundlagen

Verbindungen des Name Verbindungen des Name


Wasserstoff -hydrid Sauerstoff -oxid
Fluor ,fluorid Schwefel -sulfid
Chlor -chlorid Stickstoff -nitrid
Brom -bromid Kohlenstoff -carbid
Jod -jodid Phosphor -phosphid

Metallverbindungen: Wenn mehrere Verbindungen des MetaUs mit einem Element (oder Gruppe)
existieren, wird zur eindeutigen Kennzeichnung die Oxydationsstufe des Metalles zwischen die
beiden Teile gesetzt:
Beispiele: Gegenbeispie/:
FeO Eisen (II)-oxid Al 20 3 Aluminiumoxid
Fe203 Eisen(III)-oxid (kein weiteres Oxid bekannt)
Verbindungen von zwei Nichtmetallen: Wenn mehrere Verbindungen zwischen beiden Elementen
existieren, wird zur eindeutigen Kennzeichnungzu einem oder auch zu beiden Teilen ein griechisches
Zahlenwort hinzugeftigt.
Grundsatz: Nur soviel Zahlworte, als zur zweifelsfreien Bezeichnung erforder- 1 mon(o)
lich! fiir das elektropositivere Element entraUt das Zahlwort ,,mono". 2 di
3 tri
Beispiele: 4 tetr(a)
CO Kohlenmonoxid Distickstofftetroxid 5 pent(a)
Schwefeldioxid Kohlendioxid 6 hex (a)
7 hept(a)
Distickstoffoxid Schwefeltrioxid
Sauren: Keine systematische Benennung, es werden Trivialnamen (gewerbliche Bezeichnungen)
verwendet.
Salze: Salznamen werden aus dem Me taU (evtl. unter Angabe der Oxydationsstufe) und dem Namen
des Saurerestes gebildet. Saure Salze, die noch Saurewasserstoff enthalten werden durch ein zwi-
schengeschaitetes -hydrogen- gekennzeichnet (siehe Tafel).
Sauren, Saurereste, Ladung und Benennung

Saure Formel Saurerest Ladung Salzname

Fluorwasserstoffsaure, Flui!.siiure HF F 1- -fluorid


Chlorwasserstoffsaure, Salzsaure HCl Cl 1- -chlorid
Bromwasserstoffsaure HBr Br 1- -bromid
Jodwasserstoffsaure HJ J 1- -jodid
Schwefelwasserstoffsaure H2 S S 2- -sulfid
Cyanwasserstoffsaure, Blausaure HCN CN 1- -cyanid
chlorige Saure HCl02 Cl0 2 1- -chlorit
Chlorsaure HCl0 3 CI0 3 1- -chlorat
Perchlorsaure HCI0 4 CI04 1- -perchlorat
Cyansaure HOCN OCN 1- -cyanat
Kieselsaure H2 Si03 Si0 3 2- -silikat
Kohlensaure H2 C0 3 C03 2- -carbonat
Phosphorsaure H3 P04 P04 3- -phosphat
HP0 4 2- -hydrogenphosphat
salpetrige Saure HN02 N02 1- -nitrit
Salpetersaure HN03 N03 1- -nitrat
schweflige Saure H2 S03 S03 2- -sulfit
Schwefelsaure H2 SO 4 S04 2- -sulfat

483
Werkstofftechnik

6. Chemische Vorgange (Reaktionen)


Chemische Vorgange lassen sich erst nach Ablauf anhand des Atom- bzw. Molekiilbaues der be-
teiligten Stoffe erklaren. Eine Voraussage ist nicht moglich, da fur den Ablauf die Reaktionsbedin-
gungen eine groBe Rolle spielen. Als solche sind wirksam: Gr6j3e und Verteilung der Stoffteilchen,
Konzentration in Losungen, Temp era tu r, Druck, Wirkung von Katalysatoren, Verunreinigungen
"technisch reiner" Stoffe, Katalysatorengifte.

6.1. Gesetze der chemischen Reaktionen


Erhaltung der Masse. Bei chemischen Reaktionen andert sich die Masse eines abgeschlossenen Stoff-
systems nicht. Masse der Ausgangsstoffe (Anzahl der Teilchen) gleich Masse der Reaktionsprodukte.
Erhaltung der Energie. Wenn bei der Bildung eines Stoffes Energie frei wird, so muB fill den um-
gekehrten Vorgang der gleiche Energiebetrag zugefuhrt werden. Die Art der Energie (Warme Elek-
trizitat) kann verschieden sein.
Gesetz der konstanten Massenverhiiltnisse. Zwei Stoffe verbinden sich chemisch in stets gleichen
Massenverhaltnissen oder ganzzahligen Vielfachen davon.

6.2. Reaktionsgleichungen
Beschreibung chemischer Vorgange in Kurzform. Die Ausgangsstoffe erscheinen auf der linken,
die neu entstehenden auf der rechten Seite. Es miissen vonjeder Atomart auf beiden Seiten gleiche
Anzahlen auftreten. Die Gleichung beschreibt die Reaktion zwischen den kleinsten Teilchen.
Elemente erscheinen unter ihren Symbolen. Verbindungen unter ihren Formeln. Es bedeuten z. B.:

Ca 1 Atom Calcium; 2 Ca 2 Atome Calcium.


H2 0 1 Molekiil Wasser; 2 H20 2 Molekiile Wasser.
2 Ca(OH)2 2 Molekiile Calciumhydroxid mit je 1 Atom Ca und 20H-Gruppen.

Beispiel: Es ist die Reaktionsgleichung fur die vollstandige Verbrennung des Athanols C2H s OH
aufzustellen.

Sauerstoffmenge noch unbekannt. Die entstehenden Oxide sind CO 2 und H2 0. Es kon-


nen rechts nur soviel C- und H-Atome erscheinen, wie links vorhanden sind. Aus den zwei
C-Atomen des A thanols werden zwei Molekiile CO 2 , die insgesamt sechs H-Atome im
A thanol verbrennen zu drei Molekiilen H 2 0. Diese Oxide enthalten 4 + 3 = 7 Atome
Sauerstoff. Da im Athanolmolekiil bereits ein Atom 0 enthalten ist, werden noch sechs
Atome 0 oder drei Molekiile O 2 benotigt. Die Gleichung fur die vollstandige Verbren-
nung des Athanols heiBt damit:

C2 H s OH+30 2 -+2C0 2 +3H 2 0

Neben der vorstehenden Form der Reaktionsgleichung mit Summenformeln gibt es weitere Schreib-
weisen, welche die Vorgange in der Elektronenhiille deutlicher machen:

/onengleichung fur Reaktionen zwischen Ionen in waBriger Losung.

Na + + Cl- + Ag+ + (N0 3 )- -+ Na+ + (N0 3 f + AgCl -I- (unloslicher Niederschlag)


Natriumchlorid + Silbernitrat -+ Natriumnitrat + Silberchlorid

484
I. Grundlagen

Reaktionsgleichung mit Elektronenformeln, AuBenelektronen als Punkte dargestellt.

2 N-Atome ..... 1 N2-Molektil mit Dreifachbindung

Reaktionsgleichung mit Elektronenformeln (Unterscheidung in gepaarte und ungepaarte AuBen-


elektronen).

H 2 +CI 2 ..... 2HCI; H:H ..... 2H: gl


Synthese von 1 H2-Molektil 1 CI2"Molektil ..... 2 HCI-Molektile
Chlorwasserstoff

6.3. Stochiometrische Rechnungen


Die Reaktionsgleichung beschreibt den chemischen Vorgang auch mengenmdj3ig, d.h. welche Stoff-
mengen miteinander reagieren.

Stoffmenge n. BasisgraBe mit der Einheit der Teilchenmenge "Mol". Kurzzeichen mol, 1 kmol =
10 3 mol.
Defmition der Einheit nach dem Einheitengesetz: 1 mol ist die Stoffmenge eines Systems, das aus
ebenso vielen Teilchen besteht, wie Atome in 0,012 kg des Nuklids 12C enthalten sind.
Teilchen im Sinne dieser Defmition sind Atome, Molektile, Ionen, Radikale, Elektronen.

Teilchenzahl N NuA r m . u atom are Masseneinheit


n= = = - mit
Avogadro-Konstan te NAN A u ArM M molare Masse

Beispiel: Welche Stoffmenge stellen 200 g Athin, C2H2 dar?

200g
Me H =(2·12+2)-g- =26~ n = 26 g·moI-I = 7,69 mol
2 2 mol mol

Avogadro-Konstante N A. Naturkonstante, Anzahl der Teilchen, die in der Stoffmenge 1 mol aller
Stoffe enthalten ist.
N A = 6,022.10 23 . mol- I

(Der Betrag dieser Konstanten wird auch als Avogadro-Zahl, vielfach auch als Loschmidtsche Zahl
bezeichnet.)

Molare Masse Mist die Masse der Stoffmenge 1 mol eines beliebigen Stoffes. Man findet sie, indem
man der relativen Atom- oder Molektilmasse die Einheit g/mol oder kg/kmol anhangt.

M = NA uA = 6 022· 10 23 _1_ . 1 66.10- 24 g. A


r, mol' r

g
1-
mol
g g
M = Ar - I flir atomare Stoffe M = Mr - I flir molekulare Stoffe
mo mo
Molare Massen verschiedener Stoffe enthalten gleichviele Teilchen, namlich 6,022 . 10 23 !
Mit diesen GraBen kann aus den Reaktionsgleichungen der Stoffumsatz berechnet werden.

485
Werkstofftechnik

Beispiel: Entwicklung von A thin (Acetylen) aus Calciumcarbid und Wasser. Wieviel Gas entsteht
aus 20 g CaC 2 bei theoretisch 100 %iger Ausbeute? Wieviel Wasser wird benotigt?
Reaktions-
gleichung -+ Ca(OH)2 +
Es reagieren: 1 mol CaC 2 + 2 mol H20 -+ 1 mol Ca(OHh + 1 mol C2 H2
molare Massen 2 I 18,015 g + 1 mol 26,031 g
1 mo I~
mol + mo mol
-+ 1 I 74,1 g
einsetzen! mo mol mo

J
64,1 g +

7f
+
Massengleichung /6,03 g -+ 26,03 g

gegebene Stoff-
masse hinschreiben
Oberlegung: Von
20,0 T'i\ x = ';,,1 =3,205
j
allen Stoffen den 20,0 g + 11,24 g -+ 23,12 g + 8,12 g
x-ten Teil nehmen:

1) Diese beiden Zeilen konnen bei praktischen Rechnungen entfallen.

Ergebnis: Zu 20 g Calciumcarbid miissen 11,24 g Wasser gegeben werden, es entstehen 8,12g Athin.
Das Volumen einer gegebenen Gasmasse kann mit Hilfe der Avogadroschen Regel bestimmt wer-
den:
Die Stoffmenge 1 kmol eines idealen Gases nimmt im Normzustand (bei O°C und 1,013 bar) ein
Volumen von 22,414 m 3 ein.
m M V
I
Molares Normvolumen Vrnn 22,414-1
mo kg
kg m3
kmol
Umrechnung m g
Masse-Volumen = M Vrnn = n Vrnn g
mol

6.4. Thermochemische Gleichungen


Sie enthalten eine Energieangabe in Joule. Ihr Vorzeichen gibt an, ob dem Stoffsystem bei der
Reaktion Warme entnommen werden kann (Minus-Zeichen, exotherm), oder zuge!ilhrt werden
mu~ (Plus-Zeichen, endotherm). Die Energie bezieht sich dabei auf die in der Gleichung angege-
benen Stoffmengen in der Einheit Mol bzw. Kilomol.
Beispiel: Oxydation des Eisens

4 Fe + 3 O 2 -+ 2 Fe2 0 3 - 1662 kJ (ex othe rm)

Diese Energie wird bei der Bildung von 2 mol Fe2 0 3 ~ 320 g Fe2 0 3 frei.
Bildungswiirme(-enthalpie) ist die Warme, die bei der Entstehung einer chemischen Verbindung
aus ihren Elementen auftritt und ist auf die Stoffmenge 1 mol bezogen. Damit betragt die Bildungs-
warme des Fe203 831 kJ/mo!.
Beispiel: Reduktion des Aluminiums

AI 20 3 -+ 2 Al + 1,5 O2 + 1671 kJ (endotherm)

Diese Energie ist zur Trennung von 1 mol AI2 0 3 ~ 102 g AI2 0 3 zuzufUhren. Nach dem Energie-
erhaltungssatz wiirde sie bei der Oxydation von 2 mol Al ~ 54 gAl entstehen.

486
I. Grundlagen

Die Bildungswarme ist ein Ma~ fUr die Starke einer chemischen Bindung. Durch Vergleich der
Werte von Fe203 und Ah 0 3 erkennt man, d~ das Fe schwiicher gebunden ist (kleinere Bildungs-
wiirme). Deshalb l~t sich das Eisen aus seinem Oxid durch Aluminium reduzieren, der umgekehrte
Vorgang ist nicht moglich. Ahnliches gilt flir andere Metallreduktionen.

6.5. Oxydation
Exotherme Reaktion eines Stoffes mit dem Sauerstoff (Oxygenium). Metalle geben dabei die
Valenzelektronen ab, damit verlieren sie den Metallcharakter. 1m erweiterten Sinn wird deswegen
Oxydation als Abgabe von Elektronen (ErhOhung der positiven Wertigkeit) aufgef~t, auch wenn
kein Sauerstoff beteiligt ist. Verbrennungswiirme der Stoffe unterschiedlich (Tafell.l 0).

Tafel 1.10. Bildungs- und Verbrennungswiirmen einiger Stoffe

Bildungswiirme Verbrennungswiirme
Element
Oxid J/m 3 Gas
(Stoff)
J/molOxid J/kg Stoff beiO°C; 1,013 bar
C CO 1,1 .10 5 9,2.10 6 -
C CO 2 3,9.10 5 32,8.106 -
CO CO 2 2,8.10 5 10,1 . 10 6 12,6.106
P P2 0 S 15,1.10 5 24,3 .10 6 -
S S02 3,0 .10 5 9,3,10 6 -
Si Si02 8,6· 105 30,6.10 6 -
Mn MnO 3,9' 105 7,0.10 6 -
Ti Ti02 9,4 .10 5 19,7.10 6 -
Al AI20 3 16,7.10 5 31,0.10 6 -
Mg MgO 6,0.10 5 24,8' 10 6 -
Ca Cao 6,4.10 5 11,3.106 -
H H 2O 2,9,10 5 142 .10 6 12,8.106
H (HF) 2,7.10 5 268 .10 6 24,1.10 6
H (CI) 0,9,10 5 91 .10 6 8,2.10 6

Oxydationsmittel sind Verbindungen, welche leicht atomaren Sauerstoff abspaiten. Sie erhOhen
die Reaktionsgeschwindigkeit. 1m erweiterten Sinn auch Stoffe, die leicht Elektronen aufnehmen,
wie z.B. die Halogen-Elemente, die nur ein Elektron zur Edelgasschale brauchen.
Wasserstoffperoxid H20 2 Kaliumchlorat KCI0 3
Ozon 03 Kaliumpermanganat KMn04
Kaliumnitrat KN0 3 Salpetersiiure HN0 3

6.6. Reduktion
Endotherme Reaktion, bei der einer Verbindung der Sauerstoff entzogen wird. Metallionen erhaiten
dabei ihre Valenzelektronen zurUck, dam it den metallischen Charakter. Deswegen Reduktion im
erweiterten Sinn als Aufnahme von Elektronen aufgef~t (Erniedrigung der positven Wertigkeit).
Zur Reduktion eines Oxides mu~ die vorher bei der Oxydation freigewordene Energie wieder zu-
geftihrt werden. Die Art der Energie brauchtnicht die gleiche zu sein, wie z.B. bei der Elektrolyse
durch elektrische Arbeit.
Reduktionsmittel sind Stoffe, welche starke Affmitiit zum Sauerstoff besitzen, ilm deswegen ande-
ren Verbindungen entreillen. 1m erweiterten Sinn alle Stoffe, die leicht Elektronen abgeben konnen.
Natrium Na Magnesium Mg Wasserstoff H Silicium Si
Kalium K Aluminium Al Kohlenstoff C Kohlenmonoxid CO

487
Werkstofftechnik

Von ihnen kommt nur der Kohlenstoff in der Natur als Element vor, die anderen sind wegen ihrer
starken Affmitiit nur als Verbindungen vorhanden, sie miissen erst hergestellt werden.
Anwendung: Desoxydation von Metallschmelzen, Reduktion der Metalle.

6.7. Redoxreaktion
Reduktion und Oxydation laufen stets gleichzeitig in einem Stoffsystem ab, da die abgegebenen
Elektronen nicht veriorengehen, sondern von einen Reaktionspartner aufgenommen werden.

Beispiel: Thermitreaktion, Aluminothermie.


Thermit ist ein Gemisch von Eisenoxid und Aluminiumgranulat. Nach Ziindung verlauft
folgende Redoxreaktion unter starker Warmeabgabe:

l
Fe203 + 2 Al

wird reduziert
-+ 2 Fe + AI 20 3 - 840 kJ
L wird oxyd~rt ~
I
Der WarmeiiberschuB von 840kJ ist die Reaktionswarme(-enthalpie). Sie errechnet sich
aus der Differenz der Bildungswarmen(-enthalpien)

Bildung von 1 mol AI 20 3 (exotherm): - 1671 kJ


Trennung von 1 mol Fe203 (endotherm): + 831 kJ
Reaktionswarme W =- 840 kJ

und bezieht sich auf die Stoffmengen der Gleichung, d.h. auf den Umsatz von 1 mol
Fe203 (160 g) mit 2 mol Al (54 g) zu 1 mol AI2 0 3 (102 g) und 2 mol Fe (112 g).

Oxydationszahl. RechengroBe zur Erfassung von Redoxreaktionen. Die Oxydationszahl ist die
gedachte Ladung eines Elementes in einer chemischen Verbindung unter der Annahme, sie wiirde
aus Ionen bestehen (auch wenn es eine Atombindung ist). Dabei sind folgende Regeln der Reihe
nach anzuwenden:
l. Aile Metalle sowie Bor und Silicium erhalten positive Oxydationszahlen.
2. Fluor, als elektronegativstes Element erhalt -1.
3. Wasserstoff erhalt + 1 und Sauerstoff - 2, soweit nicht bereits durch Anwendung von Regel 1
und 2 andere Zahlen festliegen.
Mit Hilfe der Oxydationszahlen konnen Reaktionsgleichungen nachgepriift werden unter Beach-
tung folgender Grundsatze:
Aile Elemente, auch die elementaren Gase, haben die Oxydationszahl Null.
Bei einer chemischen Verb in dung ist die Summe aller Oxydationszahlen gleich Null.

Beispiel: Oxydationszahlen des Schwefels Beispiel: Oxydationszahl des Stickstoffs im Nitrat-


Ion, Ladung - 1.
+1
H2 S fUr Schwefelwasserstoff ergibt sich - 2
-2
[N6~ J1- fill Stickstoff ergibt sich + 5
S02 fUr Schwefeldioxid ergibt sich + 4
-2
S03 fUr Schwefeltrioxid ergibt sich + 6

Bei einem Ion ist die Summe der Oxydationszahlen gleich der Ionenwertigkeit (Ladungszahi).

488
I. Grundlagen

Bei einer Reaktionsgleichung m~ die Summe der Oxydationszahlen auf beiden Seiten gleich gro8
sein. Dabei konnen die Oxydationszahlen von Elementen, die sich nicht andem, fortgelassen wer-
den. Es miissenjedoch die Koefflzienten und Multiplikatoren beriicksichtigt werden.

Beispiel: Aluminothermische Reduktion von Silicium


+4 0 +3 0
Si0 2 + Al -+ AI 2 0 3 + Si Vergleich der O-Zahlen links und rechts la8t
+4 +6 auf fehlende Koefflzienten schlie~en (Haupt-
nenner).
(Faktor 3) (Faktor 2)
3 Si0 2 + Al -+ 2 Al 2 0 3 + Si Probe auf Gleichheit der Massen ergibt restliche

I. L 4AW
3 Si
J Koefflzienten.

3 Si0 2 + 4 Al -+ 2 AI2 0 3 + 3 Si Reaktionsgleichung

6.8. Synthese
Aufbau einer chemischen VerbindungausElementen odereinfachenMolekiilen. Dei geniigender AffI-
nitat erfolgt chemische Bindung bei Raumtemperatur, wie z.B. bei der Chlorwasserstoffsynthese:
Ein Gemisch aus Chlor- und Wasserstoffgas ist wegen des molekularen Zustandes reaktionstriige.
Der Zerfall einiger Grundstoffmolekiile wird durch die zufallige Warmebewegung oder von a~en
kommende Energie (Licht) eingeleitet. Die entstehenden Gasatome konnen sich dann zur Verbin-
dung HCI zusammenschlie8en. Die dabei freiwerdende Warme spaltet weitere Grundstoffmolekiile,
die sich zu HCI-Molekiilen umsetzen -+ Kettenreaktion. Bildungswarme der HCI-Molekiile ist gro8er
als die Spaltungsenergie der H- und CI-Molekiile, dadurch Energieiiberschu8, die Reaktion ist exo-
thermo
H2 + CI 2 -+ 2 HCI- 183,4 kJ

In den meisten Fallen verlaufen die Reaktionen zu langsam oder iiberhaupt nicht von selbst. Durch
Erwiirmung wird die Reaktionsgeschwindigkeit erhOht. Meist sind Katalysatoren eingesetzt. Kata-
lysatoren sind Reaktionsbeschleuniger, die selbst keine Umsetzung dabei erfahren und z. T. nur in
Spuren vorhanden sein miissen.

6.9. Analyse
Zerlegung eines Stoffes in seine einfachsten Bestandteile. 1m engeren Sinne sind es Arbeitsverfahren
des Chemikers, urn die Zusammensetzung eines Stoffes nach Art (qualitative Analyse) oder Menge
(quantitative Analyse) der enthaltenen Grundstoffe zu bestimmen.
Fiir laufende Untersuchungen an metallischen Werkstoffen ist die Spektralanalyse iiblich.
Die chemische Analyse verwendet Reagenzien oder Indikatoren, das sind Stoffe, die die Anwesen-
heit bestimmter Elemente oder Atomgruppen anzeigen.

Beispiel: Silbernitrat AgN0 3 ist ein Reagenz auf Cl-Ionen. Befmden sich in einer Losung CI-Ionen,
so bildet sich bei Zugabe von AgNOrLOsung ein wei8er, kasiger Niederschlag, das unlos-
liche Silberchlorid AgCl.
Die Zerlegung eines Stoffes durch elektrischen Strom wird alsElektrolyse bezeichnet. Hierbei wer-
den Elemente in gro~eren Mengen aus ihren Verbindungen gewonnen.

489
Werkstofftechnik

6.10. Umkehrbare Reaktionen, Chemisches Gleichgewicht


Viele Reaktionen verlaufen nicht bis zur vollstandigen Umsetzung der Ausgangsstoffe, sondern ver·
langsamen und bleiben stehen. Dann sind Ausgangsstoffe und Reaktionsprodukte in bestimmten
Verhaltnissen vorhanden, es hat sich das chemische Gleichgewicht eingestellt. Solche Reaktionen,
die in beiden Richtungen verlaufen konnen, besitzen Doppelpfeile:

CO 2 + C "'" 2CO
I. Hinreaktion: Kohlendioxid wird reduziert CO 2 + C -+ 2 CO + 171 kJ
II. Rilckreaktion: Kohlendioxid zerfallt in C und CO 2 2 CO -+ C + CO 2 - 171 kJ
Beide Reaktionen verlaufen gleichzeitig, die Hinreaktion langsamer werdend, die Rlickreaktion
schneller. Bei konstantem Druck und Temperatur bildet sich das chemische Gleichgewicht aus,
wenn beide Reaktionen gleich schnell verlaufen.

Chemisches Gleichgewicht. Dynamischer Gleichgewichtszustand eines Stoffsystems, bei dem gleich-


viele Moleki.ile entstehen wie andererseits zerfallen. Ausgangsstoffe und Reaktionsprodukte sind in
bestimmten Massenverhaltnissen vorhanden. Das im Gleichgewicht vorhandene Massenverhaltnis
der Stoffe bleibt bestehen, solange nicht einer der drei Gleichgewichtsfaktoren geandert wird;
Temperatur, Druck oder Konzentration
Bild 1.6 zeigt das Massenverhaltnis CO/C0 2 eines abgeschlossenen Stoffsystems in Abhangigkeit
von der Temperatur.
Einfllisse auf das Stoffsystem verschieben das Gleichgewicht so, daB es versucht, dem auBeren
Zwang auszuweichen (Prinzip des kleinsten Zwanges, Le Chatelier, Braun):
a) Zufuhr von Warme beglinstigt die endotherme
~ 100
Reaktion I, es erhoht sich die Konzentration des
Kohlenmonoxides.
o
.~ 80 /v-
b) Erhohung des Drucks begiinstigt die Reaktion in ~c:: 60 2[0-[+[02 /
der Richtung, bei der Stoffe mit kleinerem Volu- ~

:3
I

40
L
men entstehen, das ist Reaktion II. Aus 2 mol CO
werden 1 mol CO 2 und fester Kohlenstoff (l mol 20
V CO2 + [-2CO

eines Gases nimmt Vo = 22,4 dm 3 ein).


o l.-/
c) Durch Zufuhr oder Wegnahme eines Stoffes andert 400 600 800
sich die Konzentration, dadurch strebt die Reak- Bild 1.6. Boudouard-Kurve,
tion wieder das Gleichgewicht an. CO/C02-Verhiiltnis bei Normaldruck

6.11. Elektrolytische Dissoziation (Aufspaltung in lonen)


Innerhalb eines Molektils ziehen sich Anion und Kation mit einer Kraft F an, die sich berechnet
nach

Coulombsche Gleichung F= e+ ~- . 1..


a Er
Darin sind e die Ladungen der lonen, a ihr Abstand und c r die Permittivitatszahl (Dielektrizitatszahl
D). Sie ist fiir den leeren Raum lund flir Wasser 80.
Geht das Moleki.il im Wasser in Losung, so wird die Anziehung auf den 80ten Tei! verringert, da-
durch lonen im Wasser frei beweglich. Die Moleki.ile sind in lonen dissoziiert.
Positive lonen = Kationen, yom Wasserstoffund den Metallen gebildet.
Negative lonen = Anionen. von Halogenen gebildet. Aile Saurereste sind Anionen.

490
I. Grundlagen

Elektrolyten sind Fliissigkeiten, die Ionen enthalten. Dadurch wird elektrische Leitfahigkeit her-
vorgerufen. Beim Anlegen einer Spannung an einen Elektrolyten wandern die Kationen an die
Kathode (Minus-Pol), die Anionen an die Anode (Plus-Pol). Elektrolyten sind die Losungen von
Sauren, Basen und Salzen.

LOsungsdruck. Die Neigung der Metalle zur Oxydation (Abgabe von Elektronen) ist verschieden
stark, wei! die Bindung der Valenzelektronen an den Atomkern untersehiedlieh ist. Sie ist am ge-
ringsten bei den Alkalimetallen, am starksten bei den Edelmetallen.

Beispiel: Ein Eisenbleeh in einer Kupfersulfatlosung CUS04 Uberzieht sieh mit einer dUnnen Kupfer-
sehicht. Eisen gibt seine Elektronen leiehter ab als Kupfer, es wird zum Ion und geht in
Losung. Die abgegebenen Elektronen nirnmt ein Cu-Ion auf und wird reduziert zum Cu-
Atom. Die Ionen-Gleichung zeigt den Austauseh der Ladungen.

Cu++ + SO;- + Fe -+ Fe++ + SO;- + Cu

Losungsdruek ist das Bestreben eines Metalles, Elektronen abzugeben und in Losung zu gehen. Er
kann als elektrisehe Spannung in Volt gemessen werden. Daraus elektroehemisehe Spannungsreihe
der Elemente aufgestellt. In dieser Reihe hat von zwei Metallen das links stehende den groBeren
Losungsdruek, es reduziert das reehts stehende und geht selbst in LOsung.

K Ca Na Mg Al Zn Cr Fe Cd Ni Sn Pb H Cu Ag Pt Au

8 HCI greift an,


Wasserstoff wird frei!
I Hel greift nicht an! EB
unedler +-> edler
Galvanische Elemente nutzen den LOsungsdruek zur elektrisehen Stromerzeugung. Sie enthalten:
• Kathode edleres Metall, in der Spannungsreihe rechts stehend, nimmt Elektronen auf (katho-
disehe Reduktion)
• Elektrolyt meist wassrige Losung von Salzen, Basen oder Sauren, enthalt Ionen
• Anode unedleres Me tall , in der Spannungsreihe links stehend, gibt Elektronen ab (anodisehe
Oxidation). (Batterieelemente, E-Teehnik, 1.4.6)

In - Becher
(unedler)

Grafifsfab Cu-Biech
(edler! ~~f--- Kafhode (edler)
1geschiifzfl

Sfromkreis kurzgeschlossen

Galvonisches Trackenelemenf BUd I. 7. Korrosionselement

Elektrochemische Korrosion entsteht, wenn ein Elektrolyt zwei versehledene Metalle, Kristallarten
oder Geftigebereiehe Uberdeekt. Bild 1.7 zeigt die Analogie zum galvanisehen Element. Das Korro-
sionselement ist standig kurzgesehlossen, dadureh gibt der unedlere Partner standig Elektronen
ab, d.h. oxidiert (siehe aueh Werkstoffkunde, IV.3.2.11).
Elektrolyse siehe E-Teehnik, 1.4.2.
491
Werkstofftechnik

II. Metallkundliche Grundlagen


1. Struktur der Metalle und Legierungen
1.1. Ubersicht: Strukturmerkmale

Gefiige Kristallgitter (oder amorph = Glaszustand)


(Grobstruktur) (Feinstruktur, Struktur der einzelnen Phasen)
optisch sichtbar gemacht an
nur modellhaft darstellbar mit Hilfe der
• Bruchflachen
• Schliffbilder Elementarzelle Bindungsart
geometrische Anordnung beschreibt Krafte und Energien
Sichtbar werden damit:
der kleinsten Teilchen zwischen den Tei1chen
• GroBe und Form der • kubisch-j1achenzentriert • Ionenbindung (Oxide)
Kation ---H- Anion
Phasen
• Korngrenzen • kubisch-raumzentriert • Atombindung (Diamant)
Elektronenpaarbindung
• eine Ausrichtung der • hexagonales • Metallbindung (Metalle)
Kation ---H--- Elektronen
Kristalle (Textur)
• Anzahl und Form der • tetragonales Gitter • Schwache zwischenmole-
kulare Bindung (z. B. Kunst-
nichtmetallischen Diese Gitter Jiegen bei den meisten
Einschliisse (Reinheit) Metallen vor (Bild 11.1) stoffe) durch Dipolkrafte
• eine Ausrichtung der
Einschliisse (Fasern) • amorph.
Ohne innere Ordnung sind die Gliiser, sie sind nicht kristallin, sondern

1.2. Metallgitter
Die technisch wichtigen Metalle (Tafel II.3) kristallisieren in Raumgittern hoher RegelmiiBigkeit,
d. h. kubisch (kfz. bzw. krz.) oder hexagonal (hex.). Das tetragonale (tetr.) ist nUT beim Zinn vertre-
ten. Die Metallbindung ist neben der dichten Packung der Atome in Schichten die Voraussetzung
fUr zwei der wichtigsten Eigenschaften, die Metalle von Nichtmetallen unterscheiden:
• Elektrische Leitfiihigkeit, hervorgerufen durchfreie Elektronen im Metallgitter.
• Plastische Verformbarkeit, d. h. dicht gepackte (Atom-)Kugelschichten konnen unter Schub-
kriiften gegeneinander abgleiten, wiihrend die freien Elektronen den Zusammenhalt der Schich-
ten bewahren.
Tafel II.I zeigt die Elementarzellen (kleinster, regelmiiBiger, sich periodisch angliedernder Aus-
schnitt aus dem Kristallgitter). Kristalle (nur in Lunkern freiwachsend) sind ungeordnet zusammen
gewachsen, auch Kristallite oder einfach Korner genannt. Sie bilden mit Korngrenzen und Verun-
reinigungen das Gefuge des Metalles, im Schlifjbild mikroskopisch vergroBert sichtbar gemacht
(Lichtmikroskop 0,5 ~m, Elektronenmikroskop bis 0,5 nm auf10sbare TeilchengroBe).
Durch riiumliches Aneinanderreihen der E-Zellen ergibt sich ein fehlerloses Kristallgitter, der
Idealkristall. Die Kristalle wirklicher Legierungen besitzen Storungen im Gitteraufbau, infolge von
Wiirmebewegung der Teilchen und schneller Kistallisation (Tafel 11.2).
Amorphe Metalle ("Gliiser") dUTCh hohe Abktihlgeschwindigkeiten (106 K/s) aus der Schmelze in
Form von Fasern oder Biindern von 20 ... 50 ~m Dicke erzeugt, auch dUTCh Aufschmelzen dtinnster
Randschichten mit Laser-Energie. Amorpher Zustand ist instabil, geht bei Temperaturen tiber
300 ... 600°C in den kristallinen tiber, d. h. keine Warmumformnung oder SchweiBen moglich.
Wesentlich hoherer Korrosions- und VerschleiBwiderstand, besondere magnetische Eigenschaften,
das Fehlen gleitfiihiger Atomschichten ergibt hohen Verformungswiderstand, d. h. Zugfestigkeit
und Hiirte. Anwendung z. B.: fUr Magnetkopfe von Bandgeriiten, Verstiirkungsfasern.

492
II. Metallkundliche Grundlagen

Die Vielfalt der Eigenschaftsprofile metallischer Werkstoffe ergibt sich aus der Kombination von
Atom-0, Gitterstruktur, EN-Zahl und Wertigkeit bei den verschiedenen Metallen und ihren Legie-
rungen Ftir Strukturwerkstoffe ist besonders die Duktilitat mit ihrem EinfluB auf Verarbeitung,
SprOdbruchverhalten und Dauerfestigkeit von Bedeutung. Sie ist mit den Gleitmoglichkeiten ver-
kntipft und unter 2.3 behandelt.

Tafel 11.1 Elementarzellen der Metallgitter und Gleitmoglichkeiten

Gleitricbtungen in dicb- Elementarzellen


test gepackten Ebenen

a [8 •
kub.-fUicbenzentriert kub.-raumzentriert Hex. dicbteste Packung

C1
:
1"908
1"9~A ~"',
-- ,/
.
?
' . . ,
2
, , 1 .
3 Gleitricbtungen kfz. hz. (mit Nebengleitebene) bdP (mit Nebengleitebene)
Hauptgleitebenen 4 TetraederfUicben 4 Flacben der Raumdiagonalen I Basisebene
Gleitricbtungen (I) FUicbendiagonale 2 x Ricbtung Raumdiagonale 3 Ricbtungen
Gleilmllglicbkeiten 3 x4 = 12 3 x4 = 12 Ix3 = 3
Duktilitat mil niedrigen Kraften mil grllileren Kraflen bocb mit niedrigen Kriiften nur
sebr bocb verformbar verformbar gering verformbar

Gleitebenen mit kleinstem Verformungsaufwand liegen zwischen den dichtest gepackten Kugel-
schichten, die nur beim kfz. und hdP-Gitter vorhanden sind. Das krz.-Gitter hat viele Gleitebenen,
aber weniger dicht gepackt und groBere Schubspannungen erfordemd. Eine Verschiebung in den
Richtungen 2 (Bild oben links) ftihrt zu Teilversetzungen und Stapelfehlem. Stapelfehler sind flachi-
ge Bereiche mit veranderter Stapelfolge vom kfz.-Gitter (ABC, ABC. ..) zum hdP-Gitter (AB, AB ... ).

1.3. Gitterfehler
Die Einteilung erfolgt nach ihrer Dimension (Tafel 11.2). Sie erhohen die Kristallenergie gegentiber
dem Idealkristall, fiihren zu Aufweitung und Verdichtung der idealen Gitterlinien und erschweren
z.T. die plastische Verformung dUTCh Erhohung des G1eitwiderstandes (kritische Schubspannung),
sind aber auch Voraussetzung ftir Diffusion und Duktilitat.

Tafel II. 2. Gitterfehler: Entstehung und Wechselwirkungen


Dimension Entstehung Reaktion mit anderen Fehlern bei Kaltumformung
Bezeiehnung oder Erwarmung (thermiseher Aktivierung)
0 Punklrehler: Unbesetzte Gillerpliitze beim Kristallisieren, Leerstellen ziehen Fremdatome an. sie sind wichtig
Leerstellen Entropiestreben, die Anzahl steigt mit der flir die Diffusion und ermogliehen das Klellern einer
Temperatur Stufenversetzung in eine parallele Gleitebene
0 Fremdatome Verunreinigungen, gezielt dureh Legieren werden von Versetzungen und Leerstellen angelOgen
1 Linienrehler: Fehlerhaftes Kristallwaehstum flihrt zu ungleiehartige Versetzungen in einer Gleitebene
Teilungsfehlern und ergibt sehlauehartige konnen sieh auslOsehen, gleiehartige sieh bloekieren.
Versetzungen Hohlriiume im Kristall (106 em/em 3).
Plastisehe Verformung erhOht die Aufspaltung in zwei Teilversetzungen (kleinere
Versetzungsdiehte (ca. 10 12 em/em 3) Gleitsehrille)
2 Flachenrehler: Bereiche mit unvollkommener Ordnung. Behindern das Wandern von Versetzungen, es kommt
Korngrenzen Bei der Kristallisation oder der Rekristallisation dort zum Stau, d. h. zu hOherer ortlieher
bei T> 0,4 Tm Versetzungsdichte
Stapelfehler fehlerhaftes Kristallwaehstum, Ansammlung unterbreehen Gleitebenen, sind selbst nieht gleitfiihig
von Leerstellen
3 Volumenrehler: Ausseheidungen in ubersiilligten Miseh-
koharente, kristallen (metastabil.) Versetzungen mussen die Teilehen abscheren oder
inkoharente Pulvermetallurgiseh oder dureh innere umgehen und bilden dabei neue Versetzungen.
Teilchen Oxidation eingebraeht

493
Werkstofftechnik

Tafel 11.3 Daten tecbnisch wichtiger Metalle


Name Sym- OZ KG Gitter-I) Radien Dichte Schmelz Leitfahigkeit fiir Warme- Elast.-
bol Konstante pm p3) punktTm Strom 2) Warme3) ausdeh- Modul
a pm Atom/Ion kg/dm 3 m/mm20 W/mK nung {J') GPa
Aluminium Al 13 kfz 404 143 51 2,7 660 40 230 23,9 55
Berylium Be 4 hdP 228/1,57 114 35 1,86 1280 36 204 11,6 293
Blei Pb 82 kfz 490 175 84 11,34 327 5,2 35 29,2 16
Cadmium Cd 48 hdP 290/1,83 149 97 8,64 321 23,5 95 29,7 63
Chrom Cr 24 krz 288 150 63 7,2 1860 6,6 94 8,4 190
Cobalt (X- Co 27 hdP 25011,62 153 72 8,9 1490 19 101 13,8 213
>417°C 13- kfz
Eisen (X- Fe 26 krz 287 124 74 7,85 1535 12 75 11,9 215
> 912°C y- kfz 365 127 64
Gold Au 79 kfz 408 144 137 19,3 1063 48 298 14,2 79
Iridium Ir 77 kfz 384 22,4 2450 21 6,5 530
Kupfer Cu 29 kfz 361 128 96 8,93 1083 64 398 16,5 125
Magnesium Mg 12 hdP 32011,62 160 66 1,75 650 25 100 25,8 45
Mangan Mn 25 kub 893 112 80 7,44 1245 22,8 201
Molybdan Mo 42 krz 315 136 70 10,2 2620 20 135 5,2 336
'Nickel Ni 28 kfz 352 - 124 69 9,9 1450 15 85 13,0 215
Niob Nb 41 krz 329 142 74 8,55 2415 7,3 160
Osmium Os 76 hdP 273/1,58 138 65 22,45 2700 11 570
Platin PI 78 kfz 392 139 80 21,4 1770 10 72 9,1 173
Rhodium Rg 45 kfz 379 12,4 1970 23 150 8 280
Silber Ag 47 kfz 409 145 126 10,5 960 67 420 19,7 81
Tantal Ta 73 krz 330 143 68 16,65 3030 8 57 6,5 188
Titan (X- Ti 22 hdP 295/1,59 148 68 4,5 1727 7 22 9,0 105
> 882°C 13- krz 332
Vanadium V 23 krz 302 131 74 5,96 1726 3,8 150
Wolfram W 74 krz 317 137 70 19,3 3400 20 173 4,4 415
Zink Zn 30 hdP 266/1,86 133 74 7,13 420 18 112 21,1 94
Zinn (X- Sn 50 diam
> 13°C 13- tetr 649 141 71 7,28 232 10 66 26,7 55
Zirkon (X- Zr 40 hdP 32311,59 162 79 6,53 1850 2 7,2 90
> 862 °C 13- krz 361

I) Bei hexagonalen Metallen ist das Verhaltnis der senkrechten Konstante c zu /a angegeben
2) bei 0 °C = 273 K
3) bei 20°C
4) 0 ... 100°C mal 10"

2. Eigenschaften ond Verhalten der Metallgitter


2.1. Anisotropie, Textur
Typische Eigenschaft aller kristallinen Stoffe, bedeutet Richtungsabhiingigkeit fast aller Eigen-
schaften (Vergleich: Holz langs bzw. quer zur Faserrichtung beansprucht, reagiert verschieden).
Dies gilt fur chemische und physikalische Eigenschaften. Gegensatz: Isotropie. Vielkristalline
Werkstoffe zeigen keine Anisotropie, wenn Kristallite mit ihren Achsen ungeordnet liegen (sie sind
quasiisotrop ).
Bei einigen Fertigungsverfahren entsteht eine teilweise Ausrichtung der Kristalle, dies wird als
Textur bezeichnet (GuB- oder Walztexturen). Folgen sind z. B. unterschiedliche Festigkeit und
Dehnung bei Blechen langs und quer zur Walzrichtung, bei Tiefziehblechen unerwiinscht, bei
Trafo- und Dynamoblechen jedoch von Bedeutung fiir magnetische Eigenschaften. Ein anisotropes
Verhalten wird auch durch gerichtete Gefiigebestandteile (z. B. Schlackenzeilen) hervorgerufen, bei
Hochleistungsbauteilen auch konstruktiv angewandt (z. B. Verstarkungsfasem).

494
II. Metallkundliche Grundlagen

2.2. Gie8en (Schmelzen ond Kristallisieren)


Zufuhr von Warme erhOht die Energie der Teilchen, damit ihre Eigenbewegung: Stoff dehnt sich aus.
Zum Schmelzen muB die Schmelzwiirme zugefiihrt werden, ohne daB bei reinen Metallen die Tempe-
ratur steigt. Weitere Erhitzung erst nach vollstiindigem Schmelzen (Haltepunkt). Technische Schmel-
zen enthalten dann noch kleinste feste Partikel, die bei der Erstarrung als Keime wirken konnen.
Zum Erstarren ist Warmeabfuhr notig. Kristallisation beginnt an klilteren Formwiinden oder an
festen Teilchen in der Schmelze, sog. Kristallkeimen. Bei Angliederung der Atome an das Gitter
wird ihre Eigenbewegung sprunghaft kleiner, die Differenz der kinetischen Energie wird als Kri-
stallisationswarme nach auBen abgegeben (Haltepunkt in Abkiihlungskurve). Damit tritt auch eine
Volumenschrumpfung ein, die bis zur Abkiihlung auf Raumtemperatur anhlilt (SchwindmaB).
Als Folg~ treten Lunker (~ IV.4.1) und Spannungen auf. Kristalle wachsen oft parallel zueinander
(GuBtextur), als Stengelkristallisation bei Walz- und SchmiedeblOcken unerwiinscht. Fiir einfache,
auf Zug hochstbeanspruchte Teile (Gasturbinenschaufeln) haben sich gerichtete Eutektika mit
parallel angeordneten Phasen bewiihrt.
Feinkomiges Gefiige entsteht bei vielen Keimen und bei schneller Abkiihlung der Schmelze unter
den Erstarrungspunkt. Diese ortliche Unterkiihlung fiihrt zu spontaner Keimbildung. Deshalb
KokillenguB feinkorniger als SandguB. Fremdkeime auch durch Schmelzzusatze in die GieBpfanne
eingebracht (Desoxidation des Stahles mit AI, oder KugelgraphitguB durch Mg-Zusatze, Na in
AlSi-GuB und seltene Erdmetalle (Ce, Y, Zr) in Mg-GuBlegierungen).

2.3. Plastische Verformong


Die rrieisten Metalle lassen sich bei Raumtemperatur plastisch verformen, ohne daB der Zusammen-
hang verlorengeht (Besonderheit der Metallbildung).
Modellvorstellung am Idealkristall: Jedes Kom verformt sich zunachst unter inneren Schubspan-
nungen, indem Kugelschichten mit dichtester Packung parallel zueinander abgleiten. Eine Tren-
nung der Schichten wiirde groBere Normalspannungen erfordem. Dieses Abgleiten (Translation) ist
nur in einigen Gleitebenen und Gleitrichtungen moglich (Gleitmoglichkeiten, Tafel 11.1) und fmdet
dort am leichtesten statt, wo die Schichten dicht gepackt und eben sind. Dann ist der Gleitwider-
stand am kleinsten.

Idealkristall;
"" / =- Versetzung
eingeschobene Kuge/schicht
Realkristall; Schritt",eises
Trans/ation ganzer Schichten k'andern von Versetzungen
Bild II.! Plastische Verformung am Ideal- und Realkristall

Modellvorstellung am Realkristall: Das Abgleiten geht nicht in ganzen Schichten vor sich, sondem
die Versetzungslinien wandem bis sie an ein Hindemis, Z. B. eine Komgrenze stoBen. Auf diese
Weise miissen jeweils nur wenige Atome zum gleichen Zeitpunkt verschoben werden, d. h. die
kritische Schubspannung, bei der die plastische Verformung beginnt, liegt niedriger als im Ideal-
kristall.

495
Werkstofftechnik

2.4. KaJtverfestigung (Verformungsverfestigung)


Eine zunehmende Umfonnung bei Raumtemperatur filhrt zu einer Erhtihung der Festigkeit und
Harte, und einer starken Abnahme der Verfonnbarkeit und Zlihigkeit bis hin zum Bruch.
Modellvorstellung am Realkristall: Versetzungslinien ktinnen zunachst nur bis zu den Komgrenzen
wandem und werden dort gestaut. Gleichzeitig entstehen wabrend des Abgleitens neue Versetzun-
gen, die sich zunehmend gegenseitig behindem (Versetzungsdichte steigt von 108 auf 1012/cm2).
Deswegen Kaltverfestigung = Versetzungsverfestigung. Wenn keine Atomreihe mehr wandem kann,
ist die totale Versprtidung erreicht.
Anwendung: Bei dUnnen Halbzeugen wie z. B. N
Blech, Band und Draht von NE-Metallen, die in mm 2 %
verschiedenen Festigkeitsstufen lieferbar sind, 400 40
\
---- Rein AI
welche durch bestimmte Kaltumfonnung beim \
\
Cr.'" - - AI f1n
letzten Walz- oder Ziehgang erzeugt werden \
~ 300 30
(Anhangesymbole, Tafel V.2). ~
Beispiel: CuZn37R61O Blech aus Cu-Zn-Legie- ....
.~
V}

rung (Messing) mit einer Zugfestigkeit von .E: 200 20


Rm = 610 N/mm2, das im weichen Zustand nur ~
etwa 300 N/mm2 aufweist.
100 10
Verfonnungsgrad [: = ~ 100 (in %).
//
/

So /

Angewandt wird oberflachliche Kaltverfesti-


of---+--+--+-='---+---+ 0
gung von dynamisch beanspruchten Teilen zur o 20 40 60 80 % 100
Erzeugung von Druckeigenspannungen, welche Verformungsgrad E:
die Dauerfestigkeit heraufsetzen (Kugelstrahlen
Bild 11.2. Zugfestigkeit, Harte und Bruchdehnung
von Fedem, Walzen von Kerben oder Uber- bei steigendem Verformungsgrad
gangsradien).
2.5. Erhtihung der Kristallfestigkeit
Die Steigerung der niedrigen Festigkeit reiner Metalle ist auf verschiedenen Wegen mtiglich. Die
vorstehend erwahnte Kaltverfestigung ist auch bei reinen Metallen anwendbar. Bei Legierungen
ergeben sich weitere Mtiglichkeiten, Legierungsatome sozusagen als Gitterfehler zur Festigkeits-
steigerung auszunutzen. Dabei ist die Anderung der Duktilitat wichtig (Bild 11.2 und Tafel IL4).
Tafel 11.4 Verfestigungsmechanismen
Mechanismus, Fehler- Strukturanderung, Hindemisse Festigkeit und Duktilitat,
technische MaBnahme Dim. gegen die schematischer Verlauf
Versetzungsbewegungen

E
Mischkristall- 0 Welligkeit der Gleitschichten durch klei-
verfestigung Punkt- nere oder groBere LE-Atome, Wirkung Jm
Legieren innerhalb der Fehler steigt mit den 0-Unterschieden und
Loslichkeit der Konzentration der LE. Grobkorn Feinkorn
0

Korngrenzen-
verfestigung
Feinkom herstellen

Teilchen-
2
Flachen-
fehler
Komgrenzen blockieren die Bewegung
der Versetzungen. Vielzahl der Komer
erhoht die Zahl der Gleitsysteme.

Behinderund durch feindisperse, kohii-


'L
~A
H~tail "10 Nlchfmefol/ %

verfestigung
• Ausharten
• Dispersionshartung
3
fremde
Partikel
rente Ausscheidungen in Mischkris-
tallen, die abgeschert werden, oder
durch inkoharente Teilchen, welche
umgangen werden miissen.
I=r~t,
welch ausgehOrtet

496
II. Metallkundliche Grundlagen

3. Verhalten bei hOheren Temperaturen


3.1. Thermische AktivieruDg
Wiirmezufuhr zu einem Stoffsystem fuhrt zu hoherer thermischer (kinetischer) Energie der Teil-
chen. Ihre gesteigert Bewegung urn die Gitterplatze fUhrt zu mehr ZusammenstOBenfleit und damit
zu mehr Platzwechseln!Zeit. Das fUhrt zu einem schnelleren Ablauf der Prozesse (~ folgende Ab-
schnitte).
Durch ZusammenstOBe konnen einzelne Atome die Aktivierungenergie Q erhalten, die notig ist, die
Bindung zur Umgebung zu lOsen und ihren Platz wechseln. Metallatome gelangen dabei in die
nachste Lucke, Nichtmetallatome auf den nachsten Zwischengitterplatz. Dabei streben die Teilchen
nach dem Gleichgewicht, einem Zustand, in dem sich das Stoffsystem nicht mehr verandert.
Streben Ziel
Energieminimum Durch Energieabgabe wird ein Zustand hoherer Stabilitat gewonnen
Entropiemaximum Durch Abbau von Ordnung wird ein Zustand hoherer thermodynamischer Wahrschein-
lichkeit erreicht

Die Anzahl der Platzwechsel/Zeit ist die Geschwindigkeit


v von Vorgangen, die thermisch aktiviert bei hOheren Tem- Geschwindigkeit von Platzwechseln
peraturen schneller ablaufen. Aussagen dariiber konnen v =Vo exp (-QIRT) =Vo • e-Q1RT;
nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gemacht wer- v: PlatzwechsellZeit; Vo Stoffkonstante;
Q: Aktivierungsenergie, Gaskonstante
den. Die Zahl der ZusammenstOBe steigt exponentiell mit
R = 8.314 Jlmol; TTemperatur
der Temperatur (T im Nenner des Exponenten).
• Beispiel: Auikohlen von Einsatzstiihlen fUr die gleiche Auikohlungstiefe in: 32 h/900 °e oder 10
h/1000 °e oder 4 h/llOO °e.
Die Aktivierungsenergie Q ist hoher ffir groBere Metallatome und fUr dichtgepackte Gitter, niedri-
ger fUr kleine Nichtmetallatome und in weniger dicht gepackten Gittem. Z. B. konnen H-Atome bei
RT im Ferritgitter diffundieren, Metallatome benotigen hohe Temperaturen.

3.2. KristallerholuDg UDd RekristallisatioD


Wird kaltverformter Werkstoff erwarmt, so bildet sich beim Erreichen der sog. Rekristallisations-
schwelle von Keimen ausgehend ein neues Gefiige, das Rekristallisationsgefiige. Als Keime wirken
die am starks ten verformten Korner, deren Teilchen, durch Wiirmebewegung begiinstigt, ein neues,
unverspanntes Raumgitter bilden. Die Rekristallisationstemperatur wird durch Legierungselemente
und Verformung erniedrigt bis auf etwa 40 % der Schmelztemperatur (in K).
In Rekristallisationsschaubildem wird die Abhangigkeit der KomgroBe des neuen GefUges von
Umformgrad und Gliihtemperatur dargestellt (Bild IV.?). Bei sehr kleiner Verformung findet nur
Kristallerholung statt, ebenso, wenn Rekristallisationsschwelle nicht erreicht wird. Dabei Abbau
innerer Spannungen und Zunahme der Dehnung bei unveranderter Komform und -groBe. Kleine
Verformungsgrade fuhren nach dem Gluhen zu Grobkom.

3.3. Kornwachstum
Die Bereiche der Komgrenzen sind weniger geordnet, energiereicher und gekriimmt. Sie besitzen
Oberfiachenenergie (Spannung durch Kriimmung), die bei groBeren Kristalliten kleiner ist. Bei
hoheren Temperaturen werden die kleineren Korner von den groBeren aufgezehrt. Das Wachstum
wird behindert, wenn bei solchen Temperaturen ungeloste Phasen (z. B. IP von AI, Mo, Nb, Ti und V
evtl. mit e und N) die Komgrenzen blockieren. Solche Stahle sind nicht uberhitzungsempfmdlich.
• Beispiele: Einsatz- und Nitrierstiihle, warm- und hitzebestandige Werkstoffe und Feinkombaustiihle.

497
Werkstofftechnik

3.4. Warmumformung FlieOspannung k,

--
Merkmale sind die theoretisch unbegrenzte plastische
Verformung bei Temperaturen zwischen unterhalb der --...., ~
400
Solidus-Linie und Rekristallisationstemperatur. Es er- -. r--
'""""- r-- a
folgt stiindige Rekristallisation und somit keine Verfe-
700 O[
r-- b
stigung. Die Gleitvorgiinge benOtigen geringere Ener-

-
300
gie, zusatzlich tritt Korngrenzengleiten auf.

--
Die Rekristallisation benOtigt Zeit, dadurch ist die zur c
plastischen Verformung erforderliche FlieBspannung
200
k f neben der Temperatur auch von der Geschwindig- ,...- a
keit abhiingig. Erlauterung zu Bild 1I.3: ",- ~ ,.- 1000 0[
b
/" c
Graph Umformgeschwindigkeit Beispiel 100 ~
!J.<pl !J.t /'
a 20/s Schmiedehammer
b lOIs mechanische Pressen
c lis hydraulische Pressen
a 0.1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6
log. Umformgrad
Superplastitzitat: ist die Fahigkeit einiger Werkstof-
Bild 11.3 FlieBkurven von Stahl C45E
fe, unter geringen Spannungen sehr groBe Umformun-
gen bis zu 1000 % ohne Einschniirung (damit ohne RiB) auszuhalten. Bedingungen sind eine Kom-
groBe unter 10 !lm, Temperatur fiber 0,5 Tm (Schmelztemp. in K), und niedrige Umformgeschwin-
digkeiten (5 % /min), damit Rekristallisation, Komgrenzengleiten und Diffusion ablaufen konnen.
Es besteht die Gefahr von Hohlraumbildung durch Leerstellenansammlung.
Anwendung: Blasformen fiir flachige Teile und Isothermschmieden fur kompaktere Teile von Trieb-
werken und -verkleidungen aus Ti- und Mg-Legierungen. Entwicklungen fiir IP wie TiAl und TiAl 3.

3.5. Diffusion in Metallen


Teilchenstrom: J =D ·l!.cll!.x;
Diffusion in Metallen ist die Wanderung von Atomen (1. Fieksehes Gesetz)
im Kristallgitter unter Wirkung eines Konzentrations-
gefaIles Ac/Ax (Antrieb ::: Entropiestreben). Zum (Atome/em 2 s = em 2/s . Atome/em 3 em)
Platzwechsel muB die Aktivierungsenergie Q aufge- mit D =Do e-Q/RT
bracht werden. Es entsteht ein Teilchenstrom 1.
In der Diffusionskonstanten D sind die Widerstiinde enthalten, die den Teilchenstrom bremsen: Atom-
groBe und Dichte des Gitters, sowie die Art der Diffusionswege fiber Leerstellen, Zwischengitterpliit-
ze, Versetzungen oder Komoberflachen. Auf Diffusionsvorgiinge beruhen zahlreiche Verfahren:
Verfahren Gliihen Liisungs- Ausscheidungen, Thermochemische Sin tern, Diffusions-
gliihen Auslagem Verfabren SchweiBen
Vorgiinge Verteilung von Losen von Abbau von Einbringen von B, C, Platzwechsel im
LE, Ausgleich sekundiiren Ubersattigung Cr, N u.a. Komgrenzenbereich
von Seigerungen Kristallen in Mischkristallen Elementen

FUr thermochemische Verfahren ist das 2. Ficksche Ge-


setz wichtig. Es verknfipft den mittleren Randabstand Wurzelgesetz
X m , bei dem die anfangliche Konzentrationsdifferenz
(C-Athmosphare - Werkstoff) auf die Hatfte abgesun-
ken ist. Daraus ergeben sich einige Abhiingigkeiten:
Beziehung Abhiingigkeit Beziehung Abhiingigkeit
Eindringtiefe x die n-fache Eindringtiefe X2 Zeit tund = DI : D2 (D enthalt 1)
II : 12
und Zeit t erfordert die n2_fache Zeit t2 Temperatur T Produkt DI = konstant !

498
II. Metallkundliche Grundlagen

4. Zweistomegierungen (binare Legierungen)


4.1. Allgemeines
Legierungen sind Stoffgemenge aus mehreren Komponenten (A, B C ... ), meist Metallen, oft sind auch
Nichtmetalle beteiligt. Sie reagieren evtl. miteinander und bilden Kristalle, die Phasen (a, ~,y ... ). Eine
Begrenzung auf zwei Komponenten - Zweistoffsysteme - ist zur Kennzeichnung der verschiedenen
Legierungssysteme erforderlich. Die Komponenten lassen sich schmelzfliissig meist beliebig mi-
schen. Nur wenige Paarungen sind unloslich, sie bilden zwei Schmelzen iibereinander (Fe-Pb, Cu-W),
andere losen sich nur teilweise, es bilden sich zwei legierte Schmelzen iibereinander (Pb-Cu). Je nach
Temperatur bestehen sie aus unterschiedlichen Phasen (Schmelze und Kristallarten), deren Konzen-
trationen und Massenverhiiltnisse sich aus den Zustands-Diagrammen ablesen lassen (--7 4.8).

4.2. Legierungsstrukturen (Zweistoffiegierungen)


Die Gefiigebildung der Legierung hangt vom Verhalten der beiden Komponenten A und B im festen
Zustand abo Es konnen die folgenden Gitterstrukturen - allein oder im Gemisch - auftreten.
Austausch-(Substitutions-) Mischkristalle (AMK.) zwischen Metallen. Die Atome B sind regellos
anstelle der A-Atome im Gitter verteilt (feste Losungen). Die LOslichkeit von B im A-Gitter hangt
von Struktur und Eigenschaften der Atome ab und liegt zwischen> 0 und 100%.
Bei bestimmten Atomverhiiltnissen und langsamer Abkiihlung entstehen Uberstrukturen mit geord-
neter Verteilung von B-Atomen, im A-Gitter. Bei Erwiirmung gehen sie in den ungeordneten Zu-
stand iiber (Entropiestreben).
Einlagerungs-(interstitielle) Mischkristalle (EMK) enthalten die Atome B auf Zwischengitterpliit-
zen (Liicken zwischen den A-Atomen). Sie entstehen, wenn Atomradius B < 0,41 Atomradius A.
Das gilt fUr die Nichtmetalle B, C, N und O. Die Gitterverzerrung ist groB, die LOslichkeit gering.
Die Hiirte wird stark auf Kosten der Duktilitiit erhoht (C-Atome im Fe, H-Atome im Hartchrom).
Tafel 11.5 Legierungsstrukturen
LE-Atome Legierungseiement ist
im Wirtsgitter Metali Nichtmetall
Austausch-Mischkristalle (a-CuZn) Einlagerungs-Mischkristalle

sind ungeordnet

liE .,", ,.. .. .~~-


Einiagerungsstrukturen
im &sisgift~r

III
Uberstrukturen, Oktaeder im WUrfei

sind geordnet

/~t:' ~>
(Gitter im Gitter) ~./(

.~ r-,..,
(Cu 3Zn) .....
k~-- ~~ ~~

vV
Intermetallische Phase, (~-CuZn)

~::~ ~r-.

kID
bilden neues,
anderes Gitter
k(
..... Ti

[u Titancarbid TiC, Titannitrid TiN

499
Werkstofftechnik

Intermetallische Phasen (IP). Komponenten mit starken elektrochemischen Unterschieden bilden


in bestimmten Mischungsverhliltnissen gemeinsam ein Gitter, das von denen beider Komponenten
abweicht. Darin sind der Metallbindung auch Anteile von Ionen- oder Atombindung tiberlagert. Die
Diffusion ist erschwert, damit das Kriechen bei hohen Temperaturen. Diese Stoffe sind harter, spro-
der und haben z.T. komplizierte Gitter ohne Gleitmoglichkeiten, aber mit hoheren E-Moduln. Eini-
ge haben hohere Schmelztemperaturen als die Komponenten, damit fUr Hochtemperaturanwendung
interessant (z. B. TiAI, Ti3AI, Ni3Al mit niedrigerer Dichte als die Superlegierungen).
Metalle konnen mit hoheren Anteilen der Nichtmetalle C, N und B chemische Verbindungen bilden.
Ihre Gitter sind Einlagerungsstrukturen, jedoch mit geordneter Verteilung der Nichtmetallatome im
Metallgitter. Carbide, Nitride und Boride zlihlen auch zu den IP. Meist sind es Hartstoffe mit hohen
Schmelzpunkten, deshalb im GefUge von Werkzeug- und warmfesten Stlihlen (Sondercarbide)
enthalten, oder sie werden als VerschleiBschutzschichten auf zlihen Baustlihlen erzeugt (Nitrieren,
Borieren) oder durch Beschichten (Plasmaspritzen, CVD- und PVD-Verfahren) aufgebracht. Sinter-
hartmetalle bestehen aus Mischkristallen von WC mit TC und TaC.

Tafel 11.6 Harte und Schmelztemperaturen von Hartstoffen (Mittelwerte)


Stoff Bornitrid Borcarbid Ti-Carbid Ti-Nitrid W-Carbid V-Carbid Korund Si-Carbid
Fonnel BN BC TiC TiN WC VC Al 20 3 SiC
HV-I 6000 3700 3500 2000 2400 2800 2800 3500
Schmelz-T. °C 2450 3140 2950 2870 2830 2050 2200

4.3. Zustandsdiagramme
Zustands-Diagramme entstehen aus den Abktihlkurven vieler Legierungen eines Systems oder
werden berechnet. Der Schmelz- bzw. Erstarrungsbereich wird durch Liquidus- (oben) und Solidus-
Linie (unten) begrenzt. Darunter liegen die Phasenfelder. Sie lassen die Phasen erkennen, aus denen
eine Legierung je nach Temperatur und Konzentration besteht. Zwischen den Phasen besteht ther-
modynamisch ein Gleichgewicht, sofem die Abktihlung sehr langsam erfolgt.
Bei schnellerer Abktihlung entstehen andere Konzentrationen und Verteilungen der Phasen (sog.
Ungleichgewichtszustande), die metastabil sind, d. h. bei Erwiirmung dem Gleichgewichtszustand
zustreben. Hierftir gelten andere Diagramme (z. B. ZTU-Diagramme).
4.4. System mit vollkommener Mischbarkeit im festeD Zustand, Mischkristallsystem
Die Komponenten mtissen die Hume-Rothery-Regeln erftillen: Gleiche Kristallgitter, Differenz der
Atom-0 < 15 %, Geringe Differenzen in EN-Zahl und Wertigkeit.

Bedingungen Gefiige Zustands-Diagramm, Merkmale Beispiele


Hauptanwendung Systeme
Homogene Gefiige aus Mischkristall-System, linsenfiirmiges Feld
Groj3e gleichen Mischkristallen zwischen Liquidus- und Solidus-L. Ag-Au
Ahnlichkeit Ag-Pt
1500
der
Komponenten
Miiglichkeit von
Kristallseigerungen beim °C I I ~
Co-Mn
Cu-Au
in Erstarren SChmeIZ~""'" Cu-Pt

4~
1300 Cu-Pd
Atom-0, Verformbarkeit hoch, f-----::; \llI'e\t Cu-PI
Gitter, stark kaltverfestigend ~I Mischkristalle a-Fe-Cr
1100
J
EN-Zabl y-Fe-Ni
Wertigkeit Knetlegierungen ~083 J a-Fe-V
iiber den ganzen Cu 100 80 60 40 20 0% Ni-Co
Mischungsbereich Ni 0 20 40 60 80 100% Ni-PI
Mo-W
Legierungen im mittleren Bereich mit breitem Erstarrungsintervall bilden in der Schmelze Primiir-
kristalle, die an kalten Formwanden kristallisieren. Die Formfiillung wird behindert.
Kristallseigerung,' Primiirkristalle haben im Kern andere Konzentration als im Rand.

500
II. Metallkundliche Grundlagen

4.5. System mit begrenzter Mischbarkeit im festen Zustand, eutektisches System


Die Komponenten haben keine oder nur geringe Mischbarkeit im festen Zustand, sie kristallisieren
jede flir sich unter gegenseitiger Behinderung der Kristallisation. Deren Beginn verschiebt sich
dadurch zu tieferen Temperaturen, bei der eutektischen Legierung zum tiefsten Schmelzpunkt.

Bedingungen Gefiige Zustands-Diagramm, Merkmale weitere


Hauptanwendung eutekt. Leg.
Geringere Heterogene Gefiige aus zwei Eutektisches System, auBen Mischkristallfelder AI-DruckguB
Ahnlichkeit Kristallarten. Restschmelze mit geringer Loslichkeit, dazwischen Mischungs- AI-Simit
der zerfallt an der Solidus-Linie liicke mit V-fOrmiger Liquidus-Linie. 12% Si

\----- +.
Komponenten bei konstanter Temperatur in
in ein Kristallgemisch. "YJ Silberlot
m Cu-Agmit
Atom-I<'- Eutektische Reaktion: ,,300 I--- 45 %Ag
Gitter, £

EN-Zahl Schmelze --t a +~


~

~ 200 r. S·a "'-- ...::?


·6 Gulleisen
Wertigkeit
! /" ".~ 6 Fe-C mit
.! 6T.S

Niedriger Schmelzpunkt, 4,3 % C


~ 100 • '6

If
seigerungsfreie Erstarrung:
1m Randbereich Knetlegie- Zn-Druckgull
0
rungen. Pb 20 '0 60 80 50 Zn-Almit
4 %Zn
Gu61egierungen fiir den Eutektikum (ca. 60 % Sn): feinkomiges Gefiige
eutektischen Bereich. aus den beiden Phasen Hartblei
Pb-Sb mit
Eutektische Legierungen lassen sich diinnwandig vergiellen, da keine Primarkristalle an den Formwanden 13 % Sb
ankristallisieren und den Schmelzflull behindem (Gegensatz zu den Legierungen mit breiten Erstarrungs-
intervall).

4.6. System mit sekundiiren Ausscheidungen


Wesentliches Merkmal ist ein Mischkristallfeld des sen begrenzende Loslichkeitslinie mit sinkender
Temperatur gegen Null zuriickgeht. Bei langsamer Abkiihlung reduziert sich die im Mischkristall
geloste Komponente durch Diffusion an die Komgrenzen und bildet dort sekundare Ausscheidungen.
Bei schneller Abkiihlung entstehen metastabile, iibersattigte Mischkristalle, welche Voraussetzung
flir das Aushiirten sind.

Bedingungen Geflige Zustands-Diagramm, Merkmale weitere


Hauptanwendung Systeme
Mischkristallfeld von Solidus- und Loslichkeitslinie
Komponenten Mischkristallgeflige mit Aus- begrenzt.
haben groJ3e scheidungen intermetallischer AI-CuMg
-. L
660 S~hmel;e
Unterschiede Phasen (IP). 600 ~ ~ AI-CuTi
in
Ausscheidungen mtissen
500 ~
.......
-;:-k f AI-MgSi
AI-ZnMg
15 451 4
Atom-0, feindispers im Miscbkristall ~ 490
Gitter, vorliegen, durch Ausharten £
...... 300 " J I Fe-C
EN-Zahl erzielt.
200
V ,,+~ ~
Wertigkeit Cu-AI
Sie steigem Festigkeit, Harte 100 I I Cu-Be
Warmfestigkeit, evtl. mag-
a I I Cu-Cr
netische Werte. AI 10 20 30 40 Cu-NiSi
Hg in Hasse-%

Aushiirtbare Legierungen Ausbartbare AI-Mg-Legierungen enthalten Mg-AI


0,5 ... 1,2 % Si zur Bildung von Mg 2Si als Ti-AIV
ausscheidende IP.

Die technisch wichtigen, aushiirtbaren Legierungen sind Drei- und Mehrstofflegierungen, die aus-
scheidenden Phasen sind komplex aufgebaut. Das vorliegende Beispiel ist vereinfacht.

501
Werkstofftechnik

4.7. Systeme mit Mischkristallen und mehreren Intermetallischen Phasen (Beispiel Cu-Zn)
Das Legierungssystem besitzt zahlreiche Sorten die ein breites Eigenschaftsspektrum uberdecken.
Das wird durch das Verhiiltnis der beiden Kristallarten a und ~, daneben durch weitere LE erreicht
(~ V.3.5). Knetlegierungen liegen im Bereich der a-Mischkristalle (kfz.). Geringe Anteile der
sproden ~-Phase verbessem die Spanbarkeit. Sorten ffir Warmumformung und die GuBlegierungen
besitzen davon hohere Gefugeanteile. Legierungen mit der sehr sproden y-Phase im Gefiige haben
keine technische Verwendung gefunden.

Bedingungen Gefiige Zustands-Diagramm, Merkmale iihnliche


Hauptanwendung Systeme
Sehr grojJe Die harte, sprOde IP-Phase System Cu-Zn, vereinfacht
Unter- steigert Harte und Festigkeit
schiede in unter Abnahme der Duktilitat An der Linie BCD finet die peritektische Reaktion AIMg
(~ Diagramm). statt (~ 4.8). AIMn
Atom-0, .[ AI-SiCu
Gitter, Legierungen fiir spanende Ar-.~ Sc"},,.,J
EN-Zahl, Bearbeitung, Cu-AI
Wertigkeit verschleiBfeste Legierungen
1000 R::-- CuSn
800 I"'~ 0
8..'1 1"""(J~
CuZn
Cu: reu = 128 pm, a-Hisch-
kristal/e
kfz, EN = 1,9 Intermetallische Phasen im 600 Ni-AI

E~\l;~
I-wertig System CuZn:
400 Ti-AI
Zn: rZn = 133 pm, p y
NO 10 20 30 4f) 50 60%Zn
hdP,EN= 1,6 Zn-% 43.8-48,2 ca. 58 %;;;;;;;1
2-wertig IP_I) CuZn Cu,Zn. 600

Bei griiBeren
Fmmel
4f)0
~nu~?' ~
~ \ If
E-Zelle krz. kub.52
Zn-Gehalten HB
(Tafel) Atome
entstehen 200 100
Inter- Um- kalt
Form- gering,
nieht
umform-
-- - -- /1
HiirfeHB
metallische 0
barkeit warm gut bar
10/} 90 811 70 60 50 40%[u
Phasen

I) Formeln geben keine stBchiometrische Zusammensetzung an, sondem den Mittelwert der Konzentrationen.

Allgemein werden heterogene Cu-Legierungen mit IP im Gefiige als Werkstoffe ffir tribologische
Beanspruchungen verwendet. Dabei gibt es zwei Moglichkeiten:
• Weichere Pb-Kristalle (Schmiertaschen) in einem hiirteren Cu-Mischkristallgefiige mit IP-Antei-
len. Weichere Lagerwerkstoffe fur ungehiirtete Reibpartner (CuPb- und CuPbSn-Legierungen) .
• Hiirtere intermetallische Phasen in Cu-Mischkristallgefiige. Hiirtere Lagerwerkstoffe fiir gehiirte-
te Reibpartner (CuSn- und CuAl-Legierungen).
Werkzeugstiihle haben eine gehiirtete Stahlmatrix mit noch hiirteren Misch- und Sondercarbiden der
Legierungselemente Cr, V, W, Mo.

4.8. Auswertung von Zustands-Diagrammen


Die Vorgiinge beim Abkuhlen einer Legierung lassen sich im Zustands-Diagramm auf einer senk-
rechten Linie verfolgen. Sie liegt entsprechend der Konzentration der Legierung L I . Yom ge-
schmolzenen Zustand aus wandert em die Legierung darstellender Punkt auf der Senkrechten ab-
wiirts, der sinkenden Temperatur entsprechend. Die Temperaturwaagerechte ergibt einen Hebel mit
Endpunkten an den Feldgrenzen. Es gilt das Hebelgesetz fiir Gleichgewicht.

Phasenanteile sind dem abgewandten Hebelarm proportional.


Ph % = Abgewandter Hebel 100 %
Konzentration einer Phase kann am Lot auf die waagerechte Gesamthebel
Achse abgelesen werden.

502
II. Metallkundliche Grundlagen

Beim Uberschreiten der Grenzlinie zwischen zwei Phasenfeldem andert sich die Zahl oder Art der
Phasen urn eins. Abweichungen von dieser Regel sind an Punkten moglich
Beispiel: Abkiihlungsverlauf einer Cu-Zn-Legierung mit 64,5 % Cu (CuZn36). Die Legierung kiihlt
aus der Schmelze abo Beim Erreichen der Solidus-Linie tritt eine zweite Phase auf, die a-Phase
(kfz. Cu-Mischkristalle), die nach und nach die Konzentration des Punktes B annehmen (67 % Cu).
Die Schmelze strebt der Konzentration des Punktes D zU.

~~~-------------------,
{I
",-Ms I Schm. Schmelze

:7i
r:x.-Ms Schmelze
• A •
50% 50%
b)
I o.-Ms
• •
(j-Ms
I
,
~
d q-Ms fJ-Ms 33% :AT. 67%
?r: c)
a-Ms'
~ .
fj-Ms

e) i
%Cu 100
64,5%Cu

Unterhalb der Liquidus-Linie iiberwiegt noch der


Anteil der Schmelze (Bildteil a). Dicht iiber der So- Peritektische Reaktion:
lidus-Linie (Bildteil b) sind bei dieser Legierung
Intermetallische Phasen konnen teilwei-
gleiche Anteile von Schmelze und a-Mischkristal-
se schinelzen und dabei eine andere Kri-
len vorhanden (gleiche Hebelarme). stallart bilden. Der umgekehrte Vorgang
An der Linie BC tritt die peritektische Reaktion ein: ist die peritektische Reaktion:

Dicht unterhalb der Linie CD (Bildteil c) liegt dann IX + Schmelze -4 p


ein Gefiige mit 1/3 a-Mischkristallen vor (mit 67,5
In dieser Form wiirde die Reaktion einer
% Cu ) und 2/3 ~-Kristallen (mit 63 % Cu). Die He- Legierung mit 63 % Cu am Punkt C ab-
belarme verhalten sich wie 2: 1. Mit weiterer Ab- laufen. Die ausgewahlte Legierung ent-
kiihlung andem sich die Konzentrationen beider halt weniger Cu, deshalb gilt hier
Phasen:
IX (B) + Schmelze (D) -4 IX (B) + P(C).
a-Mischkristalle langs der Linie BE,
Bei der Reaktion sinkt der Anteil der (1-
~-Kristalle langs der Linie CF. Mischkristalle, die von der Schmelze
z.T. nur an der Oberflache "gelost" wer-
Gleichzeitig wachst der Anteil der a-Mischkristal- den (kleinerer Hebelarm, Bildteile b)
le, jener der ~-Kristalle sinkt (Bildteil d). Beim und c». Ihr Cu-Gehalt ergibt zusammen
Erreichen der Linie BE (Bildteil e) ist der Anteil der mit der niedrigeren Cu-Konzentration
~-Kristalle auf Null gesunken (abgewandter Hebel- der Schmelze von 61,5 % die hohere der
B-Kristalle von 63 %.
arm ist Null), dadurch liegt bei RT ein homogenes
Gefiige aus a-Mischkristallen vor.

503
Werkstofftechnik

4.9. Vergleich von homogenen und heterogenen Legierungen


In dieser Zusammenfassung werden die beiden Grundgefiige gegentibergestellt und daraus auf
Eigenschaften und Verwendung geschlossen. Die Zuordnungen sind grob, in SonderfaIlen konnen
auch Abweichungen auftreten.
Homogene Legierungen Heterogene Legierungen
Zustandsdiagramm Legierungen Grundtyp I oder im Rand- In den Mischungsliicken bei teilweiser
(prinzipiell) bereich bei den meisten anderen Typen Mischbarkeit der Komponenten
Beispiele Cu-Legierungen mit geringem Gehalt Eutektische GuSlegierungen, Einsatz-
an LE, austenitische Stiihle Vergiitungs- und Werkzeugstiihle,
aushiirtbare Al-Legierungen
Gefiige homogen, eine Phase Mischkristalle heterogen, zwei Phasen bilden ein
Kristallgemisch
Fertigung durch
GieSen ungiinstig bei breitem Erstarrungsbereich, giinstig, da niedriger Schmelzpunkt,
Schwindung, Seigerung kleines SchwindmaS

Kneten giinstig aile Kristalle nehmen daran teil, RiSgefahr, wenn beide Phasen sehr
homogen verformbar unterschiedliche Verformungswider-
stiinde haben,
Spanen FlieSspan, giinstig, weichere oder sprtidere Phase
rauhere Oberfliiche kann spanbrechend wirken, glatte
Oberfliiche
vorwiegende
Verwendung Knetlegierungen GuSlegierungen
Fertigungsgiinge GuSblock -4 Umformen -4 Halbzeug -) RohguSteil -) Spanen -) Fertigteil
UmformenNerbindungen -) Fertigteil
Verlauf der

~
Eigenschaften iiber
der Konzentration Wider-

~
stand

~rmedehnUng ~
- % . - .. %

Eigenschaften liegen zwischen denen


Bei bestimmten Konzentrationen sind der reinen Komponenten
extreme Eigenschaften mtiglich (Ausnahme Schmelztemperaturen

5. Kristall- UDd GefiigeveraDderuDgeD


5.1. Polymorphie
Einige kristalline Stoffe sind polymorph (vielgestaltig), sie konnen je nach Temperatur in verschie-
denen Gitterstrukturen auftreten. Zur Anderung des Zustandes muG Energie aufgebracht werden
(Haltepunkt in der Abktihlkurve). Die Dichte iindert sich dabei ebenfalls. Durch HOchstdrticke lassen
sich dichtere ModifIkationen herstellen (Graphit ~ Diamant; hex. Bornitrid ~ kubisches Bornitrid,
eBN). Wenn bei der Abktihlung andere Kristallgitter mit geringerer Dichte entstehen, kann es zum
mechanischen Zerfall durch innere Spannungen kommen (Zinnpest, Feuerfeststoff Zirkonoxid).

Tafel IV.7 Polymorphe Stoffe, Umwandlungstemperaturen in °C


Metall Temp. Gitter Metall Temp. Gitter Metall Temp. Gitter Stoff Temp. Gitter
Zinn <13 Diamant Titan <882 hex. Cobalt <450 hex. Quarz < 573 trigonal
> 13 tetr. >882 krz. >450 krz. > 573 hexagonal

Die Gitterumwandlungen des Eisens sind unter IV. 1 behandelt.

504
II. Metallkundliche Grundlagen

5.2. Umwandlungen bei Legierungen im festen Zustand


Neben der Polymorphie einiger Metalle und den behandelten Ausscheidungen aus Mischkristallen
beim Uberschreiten der Loslichkeitslinie und langsamer Abkiihlung, oder beim schnellen Abkiihlen in
den Mischkristallen, gibt es weitere Umwandlungen im festen Zustand. Sie sind nicht auf die Stiihle
beschriinkt, fiir die sie eine besondere Bedeutung haben und dort eingehend behandelt werden.

Name Vorgiinge Anwendungen, Beispiele, Hinweise auf LB


Eutektoide Umwandlung Homogene Mischkristalle reagieren am Austenitzerfall zu Perlit (IV, 1.1.2)
(Ahnlichkeit mit Bildung eutektoiden Punkt und zerfallen dann durch oder Bainit (lV, 2.2.2)
des Eutektikums) Gitterumwandlung zu einem Kristallgemisch.
Martensitische Sehr schnelle, diffusionslose Gitterum- Hiirten von Stahl (lV, 2.2)
Umwandlungen wandlung, geloste Atome verbleiben in tritt auch auf beim Abkiihlen von:
Zwangslosung => Gitterverzerrung Co wandeIt urn von kfz in hdP,
=> Eigenschaftsiinderungen Ti wandeIt urn von krz zu hdP,
Memoryeffekt bei NiTi-Legierungen

5.3. Gefiigefehler
Seigerung ist die Entmischung einer Legierung beim Erstarren; sie tritt als Schwerkraftseigerung
bei Bleilegierungen auf, indem leichte Kristalle in einer bleireicheren Schmelze nach oben steigen.
Kristallseigerung siehe 4.1.
Blockseigerung tritt vor allem bei Legierungen auf, die groBen Abstand zwischen Liquidus- und
Soliduslinie besitzen. Der zuletzt erstarrende Teil, meist der Kern des Blockes oder Werkstiickes, ist
angereichert mit tiefschmelzenden Bestandteilen.
Diese Seigerungszone ist auch im Kern der Walzprofile vorhanden.
Mikrolunker sind mikroskopisch kleine Hohlraume zwischen den Verastelungen der Kristallite,
hervorgerufen durch die Schrumpfung des erstarrenden Stoffes. Sie konnen durch Warmum-
formung verschweiBt werden. Dadurch Verdichtung des Gefiiges (Schmiedegefiige) und bessere
Eigenschaften.
Lunker sind groBere Hohlraume infolge der Schrumpfung der Schmelze beim Erstarren. Sie treten
in den Zonen auf, die zuletzt erstarren, wenn kein fliissiger Werkstoff nachflieBen kann.
Gasblasen entstehen durch Ausscheiden gel oster Gase. Schmelze hat groBerer Losungsvermogen
fiir Gase (H2, O2, N2). Abhilfe durch Pfannenentgasung oder VergieBen unter Vakuum. Gasgehalte
dadurch auf die Hlilfte vermindert. Es erhOhen sich Festigkeit und Dehnung.
Reine Metalle meist weicher und dehnbarer als Legierungen. Geringe Anteile an unlOslichen Kom-
ponenten verandern die Eigenschaften wesentlich. Hierbei ist Grofle und Verteilung der zweiten
Kristallart von Bedeutung.

• Beispiele: EinfluB von GroBe und Verteilung einer Kristallart auf Eigenschaften

Werkstoff Zusatz/Gefiigeteil Eigenschaftsiinderung


Stahl Stickstoff > 0, I % alterungsanfallig (VersprOdung)

Kupfer
Schwefel, Phosphor> 0,2 %
Spuren von Bi } Phasen sind bei Schmiedetemperatur
fiiissig, Risse bei Warmumformung
Stahl Zementitform lamellar oder Zerspanbarkeit, Kaltformbarkeit bei
kornig korniger Form verbessert
AICuMg GroBe der sekundaren Ausscheidungen bei Uberschreiten einer kritischen
aushartbar AI2Cu TeilchengroBe keine Festigkeitssteigerung

505
Werkstofftechnik

III. Metallgewinnungsverfahren
1. Darstellung der Metalle, Ubersicht

Nur Edelmetalle kommen metallisch (gediegen) vor, die Gebrauchsmetalle als Verbindungen
(Oxide, Sulfide, Hydroxide, Karbonate) einige auch als Arsen oder Tellurverbindungen. In Erzen
sind sie untereinander und mit der Gangart vermengt. Die Zusammensetzung ist vom Fundort
abhfulgig. Durch die Erzaufbereitung nach zahlreichen Verfahren wird das Metallhaltige ange-
reichert und in eine flir die folgende Reduktion gunstige GrojJe und Form gebracht, bei mane hen
Verfahren tritt dabei bereits eine teilweise Reduktion ein.
Die Darstellung des reinen Metalles ist eine Redoxreaktion (1.6.7) und findet je naeh Metall und
gewunsehter Reinheit naeh versehiedenen Verfahren statt (Ubersicht).

Ubersicht: Mogliehkeiten der Darstellung von Metallen


Prinzip Beschreibung Technische Anwendung

Thermische Reduktion Schachtofen mit Gegenstromfiu6: Hochofenproze6 liefert Roheisen


mit Kohlenstoff bzw. Erze und Koks'von oben, Gas von (ca. 4 % C-Gehalt) mit Eisen-
Kohlenmonoxid CO unten, fiiissiger Austrag von begleitern, Hauptverfahrens-
Schlacke und Rohmetall linie zur Eisenerzeugung
dsgl. mit extern erzeugtem Schachtofen im Gegenstromfiu6, Direktreduktionsverfahren zur
Reaktionsgas (CO, Hz) Erze als Sinter oder Pellets von Erzeugung von Eisenschwamm:
aus Erdgas, Kokereigas oben, Gase von unten. Austrag Midland-Ro6-Verfahren, Purofer-
und Gichtgas von festem Eisenschwamm mit und Hyl-Verfahren - Stahl- und
ca. 70 ... 90 % Fe bei I % C Eisenpulvererzeugung
Thermische Reduktion mit pulverformige Metallverbindungen Darstellung reinster, hoch-
Wasserstoffgas werden im trockenen Wasserstoff- schmelzender Metallpulver:
strom reduziert z. B. Pt, Ir, Rh, Mo, W, Cr, Ge
Thermische Zersetzung Carbonyle sind Verbindungen von Pulver flir die Pulvermetallurgie
von Metallcarbonylen (-CO-) mit Metallen, bei Raum- Magnetwerkstoffe, Kugelnickel
temperatur fiiissig. Zerfall beim
Erhitzen zu CO und Metallpulver
Thermische Reduktion Reine Metallverbindungen reagieren Thermit-Verfahren (\.6.7)
mit Metallen mit Metallen hoher Bindungs- Krollverfahren flir Reintitan:
(Metallothermie) enthalpie: AI, Mg, Si, Ca, Na TiCI4 + 2 Mg ~ Ti + 2 MgCI4
Darstellung von V, Mo, Cr, Mn,
Zr und Desoxidation von Stahl
Schmelzfiu6-Elektrolyse geschmolzene Metallverbindungen Darstellung der Metalle AI, Mg,
(Oxide Chloride, Hydroxide) durch Na, K, Ca, Li, Be
G1eichstrom zerlegt, Abscheidung
reiner Metalle an der Kathode

Nasse Elektrolyse SalzlOsungen durch Gleichstrom Ni,Cu


(Hydrometallurgie) zerlegt, an der Kathode scheiden Meist zur Raffination von Hiitten-
reine Metalla ab, als Anode dient metallen: Cu, Zn, Au, Ag
Hiittenmetall (unrein)

506
III. Metallgewinnungsverfahren

2. Stahlerzeugung

2.1 Allgemeines

Stahl ist alles ohne Nachbehandlung schmiedbare Eisen, das einen C-Gehalt von 1,7 % im allge-
meinen nicht iibersteigt. Die Schmiedbarkeit erfordert geringste Gehalte an P und S. Durch
Frischen, d.h. Zufuhr von Sauerstoff werden C und die Eisenbegleiter oxidiert und an die Schlacke
gebunden. Dabei entsteht immer auch Fe-Oxid FeO, das in der Schmelze loslich ist. Gleichzeitig
steigt durch die C-Absenkung die Schmelztemperatur, der fliissige Stahlabstich (FluBstahl) erfor-
dert deshalb eine TemperaturerhOhung von ca. 1300 (Roheisen) auf 1650 °C (Stahl).

Ubersicht: Stahlerzeugungsverfahren

Verfahren Einsatz Sauerstoffzufuhr, Arbeitsweise Energietrager, Stahle


Herdfrischverfahren in "Wanne" mit gro6er Oberflache
Siemens- 100 % Schrott Heizgase mit OrUberschu6 streichen 01- oder Gasheizung
Martin- oder auch iiber die Schmelze, Zugabe von Eisen- Qualitats- und Edel-
Verfahren Roheisen oxid. Badbewegung durch CO-Gas aus stahle, auch niedrig
(veraltet) miiglich der Verbrennung des C-Anteils, lange legiert
Reaktionszeiten, etwa 25 t!h
Elektro- 100 % Schrott Zugabe von Fe-Oxiden als Erz, Walzen- Elektrischer Strom
Lichtbogen- Eisenschwamm, sinter, Gliihzunder, Badbewegung durch Qualitats- und Edel-
Verfahren Roheisenzugabe CO-Gas und elektromagnetische Riihr- stahle, un- und niedrig
miiglich spulen etwa 40 ... 60 t!h legiert
Sauerstoff-Aulblasverfahren in Konverter mit Sauerstofflanze
LD- und Roheisen mit Sauerstoff wird von oben auf die Oxidation der Eisen-
LDAC- ca. 35 % Schmelze geblasen, evtl. mit Kalkstaub begleiter
Verfahren Kiihlschrott zur Entphosphorung, Badbewegung Qualitats- und Edel-
durch 02-Strahl, ca. 450 ... 600 t!h stahle-, un- und niedrig
legiert
Kombinierte Blasverfahren (Auf- und Durchblasen)
Viele Ver- wie vorstehend Sauerstoff von oben und Riihrgase Wie bei Aufblas-
suche bei von unten durch die Schmelze geblasen Verfahren, C-arme
allen (Argon/Stickstoff) addiert Vorteile Stahle « 0,05 % C)
Hiittenwerken beider Verfahren: Haltbarkeit, Aus- mit kleinerem Aufwand
TBM,LBE bringen und Anpassungsflihigkeit an bei hohem Reinheitsgrad
Einsatz und Stahlsorte

LD: Linz-Donawitz (VOEST); LDAC: von ARBED abgewandeJtes LD-Verfahren; TBM: Thyssen-Blas-Metallurgie;
LBE: Lance-Bubbling-Equilibrium

Die Verbreitung eines Verfahrens hiingt von seiner Wirtschaftlichkeit ab:


• Leistung der Anlage in t Stahl/Stunde (t/h)
• Haltbarkeit der feuerfesten Auskleidung (Anzahl Chargen/Auskleidung)
• Reinheit des erschmolzenen Stahles, d. h. geringste Sulfid- und Oxidschlackengehalte
• Ausnutzung der Legierungselemente, d. h. geringe Verschlackung von Cr usw.
• Anpassungsfahigkeit des Verfahrens an wechselnden Einsatz und Stahlsorte
Deshalb sind kombinierte Verfahren von Aufblasen und Durchblasen (Spiilen) im Vordringen,
dabei metallurgische Verbesserungen, wie geringerer Abbrand von LE, geringerer Fe-Gehalt der
Schmelze, dadurch niedrigere C-Gehalte moglich, Blasverlauf ruhiger, dadurch bessere Haltbarkeit
der Lanzen und der feuerfesten Auskleidungen.

507
Werkstofftechnik

2.2 Sauerstoff-Blasverfahren (ca. 80 % der Stahlerzeugung BRD)


Chemische Reaktionen. Die intensive Verbrennung mit 0 in der Umgebung der Sauerstofflanze
(Brennfleck) erzeugt hohe Temperaturen, es bildet sich sofort eine basische Schlacke aus Kalk-
zugabe und verschlackten Eisenbegleitem. Dadurch Entphosphorung weitergehend. Das durch die
Verbrennung entstehende CO wird ganz oder teilweise im GefaB verbrannt z.T. auch aufgefangen
und zur Schrottvorwannung usw. genutzt. Die hohen Temperaturen erfordem Kiihlschrott, damit
feuerfeste Auskleidung wirtschaftliche Standzeiten erbringt (750 .. . 1000 Schmelzen). Geringste
N-Gehalte im Stahl.
LD-Verfahren (1952, VOEST, Linz und bSTERR. MONTAN-UNION, Donawitz). Konverter mit
geschlossenem Boden (Tiegel), basischem Futter und Roheiseneinsatz mit max. 0,5 % P. Wasser-
gekiihlte Lanze blast aus ca. 1 m Hohe Sauerstoff (98,5 %ig) auf das Bad. Ausbringen bis zu
500 t/h. GefiiBgroBe bis 400 t.

7 -~-
Bild III.2
LDAC-Konverter mit Sauerstofflanze in Blasstellung
I Sauerstofflanze
2 Abstichloch 6 -~iF$~
3 Tragring
4 Futter
/ ~....-\--- 2
5 Boden
6 Schutzring /
\~~WZ-:
7 Abgashaube
8 Schlackenpfanne auf Schlackenwagen
9 GieBpfanne 5

g;:~
10 Stah1entnahmewagen
(DEMAG)

- - - - -- - -- - ------------- - ---

LDAC-Verfahren. Von ARBED, Luxemburg und Centre MetaUurgiques, Ltittich abgewandeltes


LD-Verfahren ftir P-reichere Roheisensorten. Zusammen mit dem Sauerstoff wird Pulverkalk ver-
blasen. Eine Erstschlacke entfemt den grOBten TeiI des P. Die ZweitschIacke bewirkt die Fein-
entphosphorung und verbIeibt beim Abstich im TiegeI (Erstschlacke flir die folgende Charge).

2.3 Elektrostahlverfahren (ca. 20 % der Stahierzeugung BRD)


Lichtbogenofen (1899, L. HerouIt, franz. Chemiker), Bild 111.3. Neu instaUierte bfen haben ca.
120 t Abstichmasse. Drei Kohle-EIektroden von 60 em 0 erzeugen gegen die SchmeIze bzw. den
Schrott Lichtbogen, weIche hohe Badtemperaturen ermoglichen. Das OfengefaB steht auf einer
Wiege und ist mit dem DeckeI und der EIektrodentragvorrichtung verspannt. Beim Abstich werden
DeckeI und Tragvorrichtung mit gekippt. Zum Beschicken IaBt sich das OfengefaB ausfahren und
Schrott wird mit Chargierkorben eingesetzt. Diese Art der Beschickung ist am Ieistungsfahigsten
und verursacht geringste WarmeverIuste bei Schonung der AuskIeidung.

508
III. Metallgewinnungsverfahren

Bild 1I1.3
+-___ Elektroden Licbtbogenofen mit ausge-
fabrenem Deckel beim Be-
scbicken. Besc hickungskorb
Hoke HaUte im gefUllten Zu-
8 eschickungskorb -"T- ---,
I
- 1' - --,
I sland, rechl Halfte im leeren
Zusland gezeichnet (DEMAG)

Ofendeckel
Of enwanne
1+-- - Portal
Abstich

Wiege -----~.....
' -+t- - Schlackenabzug
It-- --t-f-- - Zahnst ange
r=~~s.

-+- ++- - Schlackenpfanne

Das Bild zeigt einen kippbaren Ofen, der heute mit Syphon-Abstich oder Bodenabstich ausgeriistet
ist, urn Stahl bad und Schlacke sicher zu trennen (Reinheitsgrad). Er kann mit 100 % festem Ein-
satz gefahren werden, verarbeitet etwa 50 % des Schrottaufkommens in der BRD, daneben Eisen-
schwamm und kleine Mengen Roheisen. Die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens ist eng mit dem
Strompreis gekoppelt. Durch viele MaBnahmen wurde die Leistung der bfen erhOht, Strombedarf
und Abstich-Abstich-Zeiten gesenkt (70 min.).
• UHP-bfen (Ultra-High-Power) mit hoher installierter Leistung (750 kVA/t Stahl).
• Erdgas-Sauerstoff-Brenner zum Schrotteinschmelzen, Schrottvorwiinnung.
• Wasserkiihlung in Wand und Deckel und Einschmelzen mit Schaumschlacke erhoht die Lebens-
dauer der Feuerfeststoffe (Wande 750 Schmelzen).
• Rechnergesteuerte Ofenfahrweise in Verbindung mit verbesserten MeBmethoden.
• Energieriickgewinnung aus dem Abgas zur Schrottvorwarmung.

2.4 Sekundarmetallurgie

Nach dem Frischen des Stahles hat er im Vergleich zum fertigen Stahl noch Inhaltsstoffe und
Eigenschaften, die eine metaHurgische Nachbehandlung erfordern. Diese wurde friiher im Schmelz-
aggregat durchgefiihrt (Feinung). Dabei storten Schlacke (Fe- und P-reich) und Ofenatmosphare
mit Luftzutritt. Sie verursachten Nebenreaktionen, wodurch:
• Schadstoffe aus der Schlacke wieder in die Schmelze zuriickwanderten.
• Wertvolle LE in die Schlacke oxidierten, statt den Stahl zu legieren.
• Gasgehalte konnten nicht reduziert werden (vor aHem Wasserstoff).
In modernen Anlagen sind Blaskonverter und Lichtbogenofen nur noch Frisch- bzw. Einschmelzag-
gregat mit hoher Leistung in t/h. Pfannenmetallurgie arbeitet meist mit Schutzgas (Argon) oder im
Vakuum. Dazu haben die Pfannen dichtschlieBende Hauben oder die Pfanne steht in einem ge-
schlossenen Pfannenstand. LE werden durch Vakuumschleusen eingefiihrt, Spiilgase durch porose
Bodensteine eingeblasen, reaktionsfreudige MetaHe mit Tauchlanzen tiefeingeblasen oder als Draht
eingespult.

509
Werkstofftechnik

Tabelle 3.5. Dbersicht Sekundarmetallurgie

Merkmale des Rohstahls Metallurgie Verfahrenstechnik (Kurznahmen)


Sauerstoff-, Schwefel- und Desoxidation Einblasen von reaktionsfiihigen Metallen
Phosphorgehalte zu hoch Entschwefel ung (Ca, Mg, AI, Ti und Legierungen) mit
Entphosphorung Tauchlanze auch kombiniert mit Boden-
Entsickung spiilen
Nichtmetallische Spiilverfahren Einblasen durch porose Bodensteine
Teilchen in Schwebe mit Ar, 0 und N fOrdert das Aufsteigen von Oxiden, Sulfiden
usw.; homogenisiert Temperatur und
Zusammensetzung der Schmelze
Gasgehalte zu hoch Entgasung im Vakuum Vakuum-Umlaufverfahren (RH)
(Wasserstoff, Stickstoff) (Degassing) Vakuum-Heber-Verfahren (DH)
C-Gehalte zu hoch Frischen mit Sauerstoff, Pfannenstand-Entgasung (VD)
evtl. zusatzlich Spiilen Vakuum-Frischen in Pfannen (VOD)
Vakuum-Frischen im Konverter (VODC)
Argon-Frisch-Verfahren (AOD)
LE-Gehalte ungenau Legieren und Zugabe bei fast allen Verfahren moglich
homogenisieren meist kombiniert mit Einblasen von Spiil-
gasen zur Badbewegung
Zu niedrige Temperatur chemisch heizen Al-Verbrennung mit Sauerstoff unter
Schutzgas (VOH)
elektrisch heizen Pfannenofen (LF) mit Schutzgas
(Lichtbogen) Pfannenofen (LF) mit Vakuum (VA D)

Schliissel. A: Argon; V: Vakuum; 0: Oxidation; D: Degassing, Decarburization; LF: Ladle furnace; C: Converter stall
Pfanne; H: Heizen

Verfahren der Sekundarmetallurgie

2 3 4 5 6

Bild I1I.4 Verfahren der Sekundarmetallurgie


I Abstichentgasung 2 Umlaufentgasung 3 Feststoffeinblasen 4 VAD, Vakuum-Entkohlung mit Lichtbogen-
heizung 5 VOD-Verfahren fUr C-arme Cr-Ni-Stahle (18/8), 6 ESU-Elektro-Schlacke-Umschmelzen 7 Vakuum-
Lichtbogen-Umschmelzen

Durch MeBgerate (EMK-Sonde), die mit einer Hilfslanze in die Schmelze eintauchen, kann der
O-Gehalt der Schmelze kontrolliert und Zugaben errechnet werden. Dadurch sind die Analysen und
Abstichtemperaturen genauer als friiher einstellbar, damit hahere GleichmaBigkeit und Qualitat der
Erzeugnisse.

510
III. Metallgewinnungsverfahren

2.4.1 Vakuumbehandlung
AIle Schmelzen losen Gase, die im Raumgitter nicht loslich sind. Sie reagieren z.T. zu nichtmetal-
lischen Partikeln (Oxide, Nitride) oder werden molekular (H). Dann bilden sie winzige linsen-
fOrmige Hohlraume, Flockenrisse, welche die Ziihigkeit stark senken. Unterdruck tiber der Schmelze
vermindert die Gasgehalte, vermeidet Flockenrisse. Wichtige Nebenwirkungen sind:
• Abschirmung vor Sauerstoff und Stickstoff, dadurch keine Neuoxidation.
• Abdampfen von Spurenmetallen wie z. B. Pb, Sn.
• Weiterlaufen der Kohlenstoffdesoxidation nach FeO + C ~ Fe + Co.
Nach Gesetz des kleinstens Zwanges kommt die Reaktion (Reaktionsprodukte mit groBerem
Volumen) bei konstantem Druck zum Stillstand, Reste von FeO und C verbleiben im Stahl. Durch
Vakuumbehandlung weitere Absenkung von FeO (Oxidschlacke) und C (0,003 %).

2.4.2 Umschmelzverfahren
Erkaltete BlOcke werden als Abschmelzelektrode benutzt, das jeweilige kleine Schmelzbad kann
nicht mit der (gektihlten) Tiegelwand reagieren. Umschmelzblocke bauen sich von unten nach oben
auf und haben geringe Gasgehalte, hochsten Reinheitsgrad, keine Seigerungen und GleichmaBig-
keit von Langs- und Quereigenschaften (isotrop).
ESU-Verfahren: Elektro-Schlacke-Umschmelzen mit Schutz durch synthetische Schlacke, strom-
und warmeleitend. Intensive Reaktion von Schmelztropfchen mit Schlackenbad. Verschiedene Bau-
arten je nach BlockgroBe bis zu 160 t (Block mit 2,3 m 0). Auch als Umschmelzen unter Druck mit
Stickstoff ftir austenitische Stahle (Streckgrenzenerhohung).
Vakuum-Lichtbogen-Schmelzen mit Unterdrticken bis 0,1 Pa und Ktihlung der Cu-Kokille durch
Na-K-Legierung. Anlagen bis zu 60 t. Auch zum Umschmelzen von Ti- oder Zr und deren Legie-
rungen (Schwamm aus dem Kroll-Verfahren oder Kreislaufschrott) verwandt.
Anwendung fUr Bauteile hochster Sicherheitsanforderungen und Oberflachengtite: WaIzlager, Kalt-
walzen, warmfeste Schmiedeteile fUr Kraftwerkstechnik, HSS-Stiihle, Vergtitungsstiihle fUr Flug-
zeugbau.

2.5 Vergie8en des Stahles


Standgu8: Anteil 14 % der Stahlerzeugung (1986, fallender Trend), hauptsachlich ftir groBe
Schmiedeteile. Ais OberguB (fallend) oder GespannguB von unten tiber ein Trichterrohr und
GieBlaufe in mehrere Kokillen gleichzeitig.
Stranggu8: Anteil 85 % der Stahlerzeugung (steigender Trend). Ziele sind endmaBnahes GieBen
urn Energie und Walzeinrichtungen zu sparen, ebenso niedrige Bauhohen durch Kreisbogenanlagen.
HorizontalstranggieBen (fUr GG angewandt) fUr Stahl im Versuch.
Der Stahl tritt von der GieBpfanne tiber ein Tauchrohr in ein VerteilgefaB (evtl. Schutzgas) und ein
zweites Tauchrohr in die schwingende, wassergektihlte Kokille ohne Boden, so daB der Strang,
auBerlich erstarrt, nach unten durch Sttitz- und Treibrichtrollen in Kreisbogenform abgezogen
werden kann. Danach folgt das Trennen in der Waagerechten.
Daten: Brammenformate bis 2000 x 800 mm. Kntippel von 90 bis 310 mm Vierkant, auch Achtkant
und Hohlstrange (Rohrherstellung) in Mehrstranganlagen, 2 Brammen oder bis 8 Kntippel parallel.
GieBgeschwindigkeiten bis zu 6 m/min. Wichtig ftir Strangqualitat ist schlackenfreies AbgieBen aus
der Pfanne und Einhaltung der GieBtemperatur auf 1 0c.

511
Werkstofftechnik

IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens

1. Eisen
Die Abkiih1ungskurve des reinen Eisens zeigt Umkristallisationen nach der Erstarrung (Bild IV.I).
Vorgange tiber 1300 °c sind von geringerer Bedeutung. Eisen besteht bei Temperaturen tiber 911 °c
aus kubisch.jlachenzentrierten Kristallen: 'Y-Eisen. Es ist die dichtere Kuge1packung mit bester
Verformbarkeit, unmagnetisch. Unter 911°C entsteht durch Gitterumwand1ung ein kubisch-raum-
zentriertes Gitter, weniger dieht gepackt: a-Eisen. Gitterumwand1ung deshalb mit Vo1umensprung
verbunden (Bild IV.2). Ausdehnung in der Warme beim 'Y-Eisen groBer. a-Eisen wird unterhalb
769°C magnetisch.

~I
Ubersicht tiber die Kristallarten des Eisens °C 10

1536 'S
Kristallart a-Eisen 'Y-Eisen
1392
.....<II
.!(!

Kristallname Ferrit Austenit §,


Gittertyp kubisch- kubisch- 1:1
e:c: ~
raumzentriert fliichenzentriert ;:,
I
~
Gitterkonstante (1 nrn = 10 A) 0,286 nm 0,356 nm
Verformbarkeit gut sehr gut 911
769
Ltisungsvermtigen fUr Kohlenstoff gering bis 2 %
Magnetismus magnetisch unmagnetisch
Wiirmeausdehnung kleiner grti~er

Zeit
Bild IV.l. Abkiihlungskurve
Diese Vo1umenanderung bei kristallinen Umwand1ungen wird des Reineisens
von einem MeBverfahren der thermischen Analyse benutzt, urn
bei hochschme1zenden Legierungen die Ha1te- und Knick-
punkte zu bestimmen. Dazu wird ein Stab der Legierung tiber
seiner Lange gleichmiiBig erhitzt und dabei die Liingenande- ex-Fe
rung tiber der Temperatur aufgezeichnet: Dilatometermessung
(Dilatation == Dehnung).
Ein Stoff ohne kristalline Veranderungen zeigt eine ununter-
brochen stetige Kurve. Bei Gefligeanderungen, wie z.B. Gitter-
umwand1ungen oder Ausscheidungen, wird der stetige Verlauf
unterbrochen. Eine solche Dilatometerkurve zeigt Bild IV.2. 911
Temperatur in °C
Reines Eisen wird als Eletrolyteisen oder Carbonyleisen her- Bild IV.2. Wiirmeausdehnung
gestellt und in geringen Mengen fUr physikalische Gerate, Hoch- des Reineisens
frequenzmagnetwerkstoffe und als Katalysator verwendet.
Werden zum Reineisen andere Stoffe 1egiert, treten die gleichen Gitterumwand1ungen auf, nur
finden sie bei anderen Temperaturen statt. Fremdatome im Eisen-Gitter konnen die -y-a-Um-
wand1ung zu hoheren oder tieferen Temperaturen verschieben. Je mehr Fremdatome vorhanden
sind, urn so groBer wird ihr EinfluB sein. Wichtigstes Legierungse1ement fUr Eisen ist der Kohlen-
stoff. Er ist billig und wirkt in geringen Mengen stark auf die Eigenschaften ein.

512
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens

1536~A~~~~~~~~_ _=-~ ~~ __
. __-=__ ~=:_~_==;-~__ _
~ Schmelze ~ _.__

1147
E Restschmelze
G
911

l-Mischkris toile Primiir-Zementit


in Ledeburit in Ledeburif

K
n3r-------------~------------r_--------------r_------------~
I
IPerlif+Se kundiir- Zemen tit Primiir-Zemenfit
I in Ledeburif ~ in Ledeburit

Q8 ~3 6,67%
unterperlitisch--+-- iJberperlifisch'- --+-- - untereutektisch - -to
I- - iJbereutektisch
~----~-- Stohl ------~---------

40
60
80
WO~~~~~~~~~~~~~~~~~----------------------------~
[60
Bild rv.3. Eisen-Kohlenstoff-Diagramm, metastabiles System, schematisicrt

513
Werkstofftechnik

1.1. Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (EKD, Bild IV.3)


Eine C-haltige Eisenschmelze kann auf zwei Arten erstarren:
a) Stabil. d.h. nicht mehr veranderbar, der Kohlenstoff ist als Graphit im Geflige vorhanden, wie
z.B. im GrauguB.
b) Metastabil, d.h. durch gewisse MaBnahmen (z.B. Tempern) noch veranderbar, der Kohlenstoff
ist zunachst als Eisencarbid (Fe3C) im Geflige vorhanden, wie z.B. im Stahl und HartguB. Durch
GUihen laBt sich Eisencarbid z. T. zersetzen.
Bild IV.3 zeigt das Zustandsschaubild der Legierung Eisen-Kohlenstoff, metastabiles System. Die
Linien des stabilen Systems Eisen-Graphit unterscheiden sich geringfligig. Ebenso werden durch
Eisenbegleiter Punkte und Linien verschoben.

1.1.1. GefiigebestandteiIe. 1m Laufe der Abktihlung und bei Raumtemperatur treten folgende Kri-
stallarten auf:
Ferrit: Magnetisches a-Eisen mit kubisch-raumzentriertem Gitter, geringes Losungsvermogen flir C
und N2 , weich, gut verformbar.
Zementit: Eisencarbid Fe3C mit kompliziertem Gitter, hart, nicht verformbar. Primar- und Sekun-
darzementit unterscheiden sich nur in GroBe und Anordnung der Kristalle.
"{-Mischkristalle: Tannenbaumkristalle (Dentriden) aus "{-Eisen, die in der Schmelze meist grob-
kornig wachsen.
Austenit: Geflige aus "{-Eisen mit kubisch-flachenzentriertem Gitter, sehr gute Verformbarkeit.
Raumgitter kann max. 2,06 % Kohlenstoff als Einlagerungsmischkristalle lOsen.
Perlit: Kristallgemisch aus Ferrit und Zementit in geschichteten Platten. Entsteht bei langsamer
Abkiihlung bei 723°C und enthalt dann 0,8 % C.
Ledeburit: Eutektikum der Legierung Fe-C. Besteht kurz nach Erstarrung aus Zementit und 'Y-
Mischkristallen in feiner Verteilung. Unterhalb 723°C wandeln sich "{-Mischkristalle in Perlit urn.
Bei Raumtemperatur deshalb feinkorniges Gemenge aus Perlit- und Zementitkristallen.

1.1.2. Umwandlungsvorgiinge_ Zementitausscheidung: Austenit kann bei 1145 °c bis 2,06 % C


lOsen. Losungsvermogen nimmt mit sinkender Temperatur ab (Linie ES) und betriigt bei 723°C
noch 0,8 %. Legierungen mit> 0,8 ... < 2 % C scheiden UberschUssigen Kohlenstoff aus dem Aus-
tenit aus, er setzt sich in dUnnen Schalen an den Korngrenzen ab (Korngrenzen- oder Schalen-
zementit).
Ferritausscheidung: Umwandlungspunkt A3 durch C-Gehalte erniedrigt. Stiihle mit < 0,8 % C
scheiden unterhalb der Linie GS Ferrit aus dem Austenit aus (a-"{-Umwandlung). Kohlenstoff
diffundiert aus und in den restlichen Austenit ein, der sich auf 0,8 % C anreichert.
Perlitbildung, Austenitzerfall: Umwandlungspunkt Al (Linie PSK). Hier erfolgt Umwandlung der
bis dahin mit 0,8 % C gesiittigten ,,{-Mischkristalle zur a-Form. Der Mischkristall Austenit zerfallt
in das Kristallgemisch Ferrit und Zementit = Perlit. Vorgang in zwei Phasen ablaufend. Gitterum-
wandlung erfolgt schnell. Ferritkristalle besitzen nur geringes Losungsvermogen flir Kohlenstoff,
deshalb Diffusion des Kohlenstoffs aus Ferritgitter und Zusammenballung zu Zementitplatten.
Diffusion erfordert eine gewisse Zeit. Bei schneller Temperatursenkung wird sie behindert, es ent-
stehen andere Geflige (siehe Warmebehandlung).
Perlitbildung mit der Erstarrung eines Eutektikums vergleichbar. Dabei scheiden aus der jliissigen
Losung Kristalle der Komponenten aus. Perlit ist das Eutektoid der Legierung. Hierbei scheiden
aus der festen Losung die Kristalle der Komponenten aus.

514
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens
1.2. Die Wirkung von Beimengungen und Legierungsstoffen auf Umwandlungspunkte und Eigen-
schaften der Stiihle
Die Eisenbegleiter Kohlenstoff, Silicium, Mangan, Phosphor und Schwefel sind in geringen, z. T.
wechselnden Mengen, in jedem unlegierten Stahl enthalten.
Kohlenstoff C. Mit steigendem C·Gehalt wachst der Perlitanteil am Geflige, damit Harte und Zug-
festigkeit. Es sinken Bruchdehnung und Kerbzahigkeit. Die Schmelztemperatur sinkt (Liquidus·
linie). Schmiedbarkeit und Schwejfieignung nehmen abo Hartbarkeit bei C-Gehalten ab 0,3 %.
Silicium Si. Durch Desoxydationsmittel konnen bis zu 0,5 % Si im unlegierten Stahl enthalten sein.
Mit steigendem Si·Gehalt wird Schmiedbarkeit verschlechtert, da als intermetallische Verbindung
(Eisensilicid, FeSi) im Stahl enthalten, Schwe~eignung vermindert, da Si verbrennt und als Si0 2
(Quarz, hochschmelzend) zuriickbleibt. Geringe Gehalte bis zu 2 % erhOhen Streckgrenze bei gleich·
bleibender Kerbzlihigkeit: Federstlihle.
Weichmagnetische Eisenwerkstoffe enthalten 0,4 ... 4 % Si, da es Wirbelstrom· und Ummagneti·
sierungsverluste senkt. Bearbeitbarkeit mit steigendem Si-Gehalt schwieriger, da Harte steigt und
Zahigkeit sinkt. GroBere Si·Gehalte bis zu 18 % bei saurefestem GoB.
Mangan Mn. Durch Desoxydationsmittel konnen bis zu 0,8 % im unlegierten Stahl enthalten sein.
Mn bindet Schwefel nach der Reaktion FeS + Mn =MnS + Fe. MnS verursacht im Gegensatz zu
FeS keinen Bruch beim Schmieden, da es hoheren Schmelzpunkt besitzt. Mn erhOht Festigkeit und
ve"ingert stark die kritische Abkiihlungsgeschwindigkeit. Es senkt die Umwandlungspunkte, da-
durch bei hOheren Gehalten austenitische Stahle.
Schwefel S und Phosphor P. Beide sind als Eisensulfid bzw. als -phosphid enthalten, welche mit
Eisen eine eutektische Legierung von tiefem Schmelzpunkt bilden (985°C). Infolge Seigerungen
entstehen im Kern groBere Anhaufungen dieser Eutektika, die bei Schmiedetemperatur fltissig
sind: Rotbruch. Durch P-Gehalte bis 0,2 % sinkt die Kerbzlihigkeit auf Null: Kaltbriichigkeit.
Stickstoff N 2 • Ais Eisennitrid im Ferrit gelost enthalten. Nach Kaltverformung erfolgt langsame
Ausscheidung in feinster Form. Dadurch Abnahme der Kerbzlihigkeit. Diese Erscheinung wird als
Alterung bezeichnet. Bei Desoxydation mit Al wird Stickstoff an Al gebunden. AIN ist im Ferrit
un16slich, keine Ausscheidungen.
Wasserstoff H 2 • Wasserstoff gelangt durch verrosteten Schrott (Eisenhydroxid) bei der Stahlge-
winnung und z.B. beim Beizen mit Sauren in atomarer Form in das Geflige und wird an Fehlstellen
der Kristalle molekular, d.h. gasfOrmig. Der Gasdruck erzeugt Flockenrisse, mikroskopische Gas-
blasen, die die Kerbzahigkeit mindern (BeizsprOdigkeit). Beizsprodigkeit ist durch Erwarmen auf
200°C zu beseitigen. Flockenrisse sind vermeidbar durch Vakuumgull>.
Sauerstoff 0 ist als Eisenoxid FeO enthalten, das in der Schmelze loslich ist. 1m GefUge als kleinste
Schlackeneinschltisse verteilt. O-Gehalte tiber 0,07 % == 0,3 % FeO verursachen Rotbruch. Durch
Desoxydation wird O-Gehalt auf 0,001 ... 0,Ql % gesenkt. Geringe O-Gehalte sind wichtig fUr C-
reiche und legierte Stlihle.
Zusatz von Legierungselementen in groBeren Gehalten verschiebt die Linien des EKD.
1.2.1. Elemente, die das Austenitgebiet erweitern. Die Elemente Ni, Mn, Co und N verschieben die
a-'Y Umwandlung nach tieferen Temperaturen, dadurch austenitisches GefUge bei Raumtemperatur.
Erst bei Temperaturen unter DoC erfolgt teilweise Gitterumwandlung, aber wegen gehemmter
Diffusion des C zu Martensit.
Austenitische Stahle nicht hartbar und normalisierbar. Homogenes GefUge wird erreicht durch Ab-
schrecken aus 1000°C in Wasser. Dabei keine Risse, da kfz. Gitter mit bester Verformbarkeit.
Kornverfeinerung durch Rekristallisationsgliihen nach Kaltumformung moglich (Bild IVA).

515
Werkstofftechnik

Sie besitzen niedrige Streckgrenze bei hoher Zugfestigkeit. Starke Kaltformbarkeit, dabei starke
Kaltverfestigung. Zahigkeit bei tiefen Temperaturen, unmagnetisch. Rein austenitische Stahle sind
besonders korrosionsbestiindig.
Bei niedrigeren Gehalten dieser Elemente wird die 'Y-a-Umwandlung auf etwa 200 ... 400°C ge-
senkt. Der Austenit wandelt sich dann ganz oder teilweise zu Martensit. Martensitische Stahle nur
durch Schleifen bearbeitbar, deswegen Einsatz begrenzt.

IX-Eisen

911

%Ni. Mn %Cr,Si
Bild IV.4. Stahle mit erweitertem Bild IV.S. Stahle mit abgeschniirtem
Austenitgebiet Austenitgebiet

1.2.2_ Elemente, die das Austenitgebiet abschniiren. Die Elemente Si, Cr, Al erhOhen die Tempera-
tur der a-'Y-Umwandlung und schnUren das 'Y-Gebiet abo Es ergeben sich Stahle, die mit krz. Gitter
erstarren und es bis Raumtemperatur behalten (Bild IV.5).
Fe"itische Stahle sind magnetisch, weniger gut kaltformbar, nicht hiirtbar und normalisierbar.
Komverfeinerung nur durch Warmverformung oder Rekristallisationsgliihen nach Kaltverformung
moglich. Rein ferritische Stahle sind korrosionsbestiindig.
Diese rein ferritischen bzw. austenitischen Stiihle entstehen nur bei bestimmten gro~eren Gehalten
an diesen Elementen. Bei niedrigeren Anteilen entstehen (heterogene) Geftige mit hiirtbarem Fe"it-
Pertit oder Fe"it-Austenit (nicht hiirtbar).
1.2.3. Elemente mit anderen Wirknngen_ Elemente, die in Losung gehen, senken die kritische Ab-
kiihlungsgeschwindigkeit, dadurch tiefere Einhiirtung moglich. Wichtig ftir Verglitungsstahle. Hier-
zu gehoren Ni, Mn, Si, AI, Cu, Co.
Elemente, die wegen starker Affinitiit zum Kohlenstoff harte bestiindige Carbide bilden, erhOhen
Harte und Verschleij3festigkeit sowie Warmfestigkeit. Hierzu gehOren Cr, Mo, W, V, Ti, Ta, Nb,
auch als Carbidbildner bezeichnet.
Elemente, die mit fallender Temperatur geringere Loslichkeit besitzen, geben die Moglichkeit, aus-
hartbare Stahle herzustellen. Anwendung bei Magnetwerkstoffen, hochwarmfesten Legierungen.
Hierzu gehOren W, Mo, Cu.
Die meisten Elemente verschieben die Punkte E und S nach links (Loslichkeitsgrenze des Austenits
ftir C im EKD), so d~ z.B. Uberperlitische Stahle mit Komgrenzenzementit schon bei geringeren
Gehalten als 0,8 % C auftreten.
Die Elemente Cr und Si, sowie Mo, V und W erhohen die A1-Temperatur, so d~ ftir die Wiirme-
behandlung hOhere Temperaturen notig sind.

2. Die Warmebehandlung der Stahle (Stoffeigenschaftandern)


Durch diese Verfahren sollen die Eigenschaften der Werkstoffe in gewlinschter Weise geandert wer-
den. Der Werkstoff bleibt fest, eine Formanderung ist unerwiinscht. Die WerkstUcke werden auf
bestimmte Temperaturen erwiirmt und wieder abgekiihlt. Temperatur und Geschwindigkeit der
Erwiirmung und Abkiihlung rich ten sich nach chemischer Zusammensetzung des Stahles, Wand-
dicke und beabsichtigter Eigenschaftsiinderung.

516
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens
DIN 17 014 Fachausdrlicke der Wannebehandlung, O[ ,--------;--=-----------,
DIN 17021 ... 23 Wannebehandlung von Eisenwerkstoffen:
Werkstoffauswahl; Verfahren Harten und Anlassen von
Werkzeugen; Arbeitsanweisungen fur die Warmebehandlung
(Vordrucke).

2.1. Gliihen
Gllihen ist eine Erwannung auf Temperaturen unterhalb der -,.--,,-,. ,
Soliduslinie mit nachfolgendem Abklihlen auf bestimmte -IK)
Weise. Die Teile sind langsam auf ca. 600°C, dann schneller 4-+------1
zu erwannen, legierte Stahle schlechter Wanneleitfahigkeit
0,8 2
im Ganzen langsamer. Verzunderung der Oberflache und
Bild IV.6. Wiirmebehandlungs-
Entkohlung ist durch Schutzgasatmosphare venneidbar temperaturen uniegierter Stahle
(Blankgllihen). Schutzgase enthalten kein O 2 und nur soviel 1 Diffusionsgliihen, 2 Normalgliihen,
Wasserdampf, daB ihr Taupunkt zwischen -10 ... - 40°C 3 Weichgliihen, 4 Spannungsarmgliihen
liegt, so daB bei Abklihlung kein Wasser auf den Werkstlicken
kondensiert.
2.1.1. Normalgliihen soll dem Werkstoff eingleichmiif3ig jeink6rniges Gefuge mit lamellarem Perlit
erteilen, das von der vorausgegangenen Behandlungsart unabhiingig ist. In diesem Zustand sind
mechanische F estigkeits- und Verfonnungskennwerte reproduzierbar.
Die Teile werden auf 30 ... 50 °c aber A3 (Linie GS) erwannt und bis zur vollstandigen Durch·
wannung dicker Querschnitte gehalten. Danach beschleunigte Abklihlung an der Luft bis ca. 650°C,
anschlie~end langsamer je nach Form der Teile.
Bei Erwarmung wird am Umwandlungspunkt Al (Linie PS) grobkorniger Perlit in zunachst sehr
feinkornigen Austenit umgewandelt, der mit zunehmender Temperatur den Ferritanteil eingliedert,
bei A3 ist alles Austenit, der durch Kornwachstum langsam vergrobert. Durch rechtzeitiges Senken
der Temperatur kann die momentane Austenitkorngro~e auf das entstehende Ferrit· bzw. Perlit-
korn libertragen werden. Dabei verschwinden yom Walzen und Schmieden herrlihrende Zeilengejiige.
Anwendung: Teile, die durch fehlerhafte Warmebehandlung (zu hohe Temperatur = Dberhitzen,
zu lange Gllihdauer =Dberzeiten) grobkornig geworden sind. Stahlgu~stlicke, die ein kennzeichnen-
des grobnadeliges Geftige (Widmannstattensches Geftige) besitzen. Walz- und Schmiedeteile, die bei
hohen Temperaturen umgefonnt werden und langsam abklihlen.
2.1.2. WeichgIiihen soll die Bearbeitbarkeit (spanlos und spangebend) erleichtern. Bei Werkzeug-
stahlen wird ein glinstiges Geftige ftir die anschlie~ende Hartung hergestellt. Die Teile werden dicht
unterhalb Al (Linie PS) einige Stunden geglliht, wenn sie unterperlitisch sind, aberperlitische Stahle
dicht aber AI' Pendelglilhen ist ein mehrfaches Wechseln der Temperatur urn AI' Abklihlung er-
folgt langsam im Ofen.
Der Streifenzementit im Perlit ballt sich dabei zu kleineren Kornern zusammen, bei liberperlitischen
Stahlen auch der Korngrenzenzementit evtl. durch Pendelgllihen. Das entstehende Geftige wird
k6rniger Perlit genannt.
Fur folgende Werkstoffe sind zur Zerspanung andere Zustande gunstig:
unlegierte Einsatzstlihle nonnalisiert
Cr-Mn-Mo Einsatzstlihle isotherm in Perlit umgewandelt
unlegierte Verglitungsstlihle verglitet auf 700 ... 900 N/mm 2

Weichgllihen beseitigt auch geringe Abschreckharte, die bei hartbarem Stahl an Ecken und Kanten
schnell abgeki.ihlter Teile entsteht.

517
Werkstofftechnik

2.1.3. Spannungsarmgliiben soIl innere Spannungen abbauen (ein vollstandiges Entfernen ist nicht
moglich). Sie entstehen bei Kaltverfonnung und Zerspannung durch ungleichmiipige plastische
Verformungen und bei allen Wannumfonnungen durch ungleichmiipiges Abkiihlen.
Diinne Querschnitte kiihlen schnell ab, werden starr und behindern das Schwinden der noch heitlJe·
ren Zonen des Werksttickes. Dadurch entstehen Zug· und Druckspannungen, die ein elastisches
Verfonnen bewirken. Durch spanende Bearbeitung werden spannungsftihrende Werkstoffasern
durchschnitten oder abgetragen, dadurch tritt neue Verfonnung ein (Verzug).
Die Teile werden mindestens 4 Stunden bei Temperaturen von 600 ... 650°C gegltiht und im Ofen
abgektihlt.
Bei unverfonnten Teilen tritt keine Gefiigeumwandlung ein. Bei der Gltihtemperatur liegt Streck-
bzw. Quetschgrenze niedrig, so d~ vorhandene Spannungen ein Dehnen bzw. Stauchen bewirken. In
gleichem M~e werden sie geringer und nahern sich den Werten der Flie~grenze bei Gltihtemperatur.
Bei kaltverfonnten Teilen findet Rekristallisation statt.
Anwendung: SchweitlJkonstruktionen, Schmiede- und Gu~teile vor der spanenden Weiterbearbei-
tung, Teile mit engen Toleranzen nach der Schruppbearbeitung.

2.1.4. Diffusionsgliihen soIl ungleichm~ig verteilte Legierungselemente gleichma~ig im Werkstoff


verteilen. Diffusion erfordert hohe Temperaturen und lange Gliihzeiten (20 h bei 1100 DC). Dabei
Kornvergroberung und Gefahr der Randentkohlung, wenn ohne Schutzgas gegltiht wird.
Dabei wandern Teilchen von SteUen hoher in Zonen niedriger Konzentration. Mit der Zeit wird
Konzentrationsunterschied geringer, damit die Diffusionsgeschwindigkeit. Vollstandiger Ausgleich
nicht erreichbar.
Anwendung: Ausgleich von Seigerungen, z.B. bei Automatenstahlen, Verteilung von groben Carbi-
den bei tiberkohlten Einsatzstahlen, Losungsgltihen von aushartbaren Legierungen (V.3.2), Ein-
fuhren von Fremdstoffen von a~en her in den Stahl:

Element Verfahrcn Zweck

Chrom Chromieren Korrosionsschu tz


Zink Sherardisieren Korrosionsschu tz
Aluminium Alitieren Zunderfestigkeit
Stickstoff Nitrieren Oberflachenhartung
Bor Borieren Oberflachenhartung
Kohlenstoff Einsetzen Oberflachenhartung

2.1.5. Rekristallisationsgiiiben soIl kaltverfonnte Teile, die kaltverfestigt sind, wieder neu ver-
formungsfiihig machen (Zwischengltihen).
Gltihtemperatur liegt zwischen 400 ... 650 °c je nach vorausgegangener Verfonnung (Bild IV.7).
Bei Erwannen tiber die Rekristallisationstemperatur wachsen neue Kristallite nonnaler Gestalt,
deren Korngro~e sich nach dem Schaubild ergibt. Bei schwachen Verfonnungsgraden oder zu hohen
Temperaturen ergeben sich grobkornige Gefiige.
Bei Tiefziehteilen ist Verfonnungsgrad der Stoffteile verschieden. Zonen schwacher Verfonnung
(5 ... 20 %) erhalten beim Gltihen grobkorniges Gefiige, das bei Weiterverarbeitung narbige Ober-
f/iiche und kleineres zulassiges Ziehverhaltnis fUr den Weiterschlag ergibt. Abhilfe durch Nonnal-
gltihen oder Wahl der Zwischenfonnen so, d~ kritischer Verfonnungsgrad vermieden wird.
Kritischer Verformungsgrad ist der Verfonnungsbereich, der nach dem Gltihen zu grobkornigem
Werkstoff flihrt.

518
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens
Zonen mit kritischem Verformungsgrad sind bei allen Schweif1konstruktionen aus abgekanteten
Blechen und gebogenen Profilen vorhanden. Schweif1warme bewirkt Rekristallisation, damit Grob-
korn. Abhilfe durch Verwendung von Feinkornstahlen oder abschlieBendes Normalgliihen bei hoch-
beanspruchten Teilen.

O[
500

300 "
\
~Beginn
' .........

100
" Ende
, ""'-
0,4 0,8 1,2 1,6 %[

Bild IV.S. Bereich der Martensit-


Bild IV. 7. Rekristallisationschaubild bildung bei unlegierten Stiihlen

2.2. Harten und Vergiiten


Harten ist Abschrecken von (vorwiegend) Werkzeugstahlen und Anlassen auf niedrige Tempera-
turen, urn hohe Harte zu erreichen
Vergiiten ist Abschrecken von (vorwiegend) Baustahlen und Anlassen auf hohe Temperaturen, urn
hohe Zahigkeit bei erhohter Streckgrenze zu erreichen.
Hartung erfordert Werkstoff mit iiber 0,3 % C. Durchgreifende Erwarmung auf Temperaturen iiber
GSK (genaue Temperaturen nach Kohlenstoff- und Legierungsgehalt) mit sofortigem Abschrecken
mit mehr als kritischer Abkiihlungsgeschwindigkeit Verit durch Wahl des geeigneten Abschreck-
mittels.
2.2.1. Abschreckharten, innere Vorgange. Stahl wird aus der jeweiligen Austenitisierungstempera-
tur (Temperatur, bei der das Gefiige in Austenit umgewandelt) abgeschreckt. Durch die Hysterese
werden die Umwandlungspunkte A3 und Ai zu tieferen Temperaturen verschoben. Die y-a-Um-
wandlung erfolgt schnell, die Diffusion des Kohlenstoffs ist jedoch behindert. Es entstehen yom
EKD abweichende Gefiige.
Wird verit nicht erreicht, entsteht aus dem Austenit ein Perlit, der mit wachsender Abkiihlungsge-
schwindigkeit feinstreifiger wird.
Bei Erreichen der unteren kritischen Abkiihlungsgeschwindigkeit entsteht bereits Martensit, doch
ist die Perlitbildung noch nicht vollstandig unterbunden.
(Obere) kritische Abkiihlungsgeschwindigkeit Verit ist diejenige Temperatursenkung je Sekunde,
bei der die Perlitbildung verhindert wird.
Die y-a-Umwandlung findet an einem neuen Umwandlungspunkt (Martensitpunkt) statt, der bei
unlegierten Stahlen zwischen 400 ... 100°C liegt (Bild IV8). Dann ist Diffusion der C-Atome nicht
mehr moglich. Es entsteht ein verzerrtes Raumgitter mit C in Zwangs16sung (tetragonaler Martensit)
mit nadeligem Aussehen im Schliffbild. Das Geftige besitzt sehr hohe Harte (HRC = 67), aber keine
Zahigkeit. Umwandlung des Austenits zu Martensit beginnt beim Martensitpunkt und lauft nur bei
Temperatursenkung weiter. Bei Raumtermperatur ist sie z.T. noch nicht beendet. Uberperlitische
Stahle enthalten nach Abschrecken noch nicht umgewandelten Austenit. Dieser Restaustenit ergibt
kleinere Gesamtharte.

519
Werkstofftechnik

Restaustenit laBt sich durch Tieftemperaturbehandlung, d.h. weiteres Abkiihlen auf - 80 ... -100°C
nach dem Abschrecken noch umwandeln. A~erdem zerfcillt er beim Anlassen in Zwischenstufen-
gefUge oder feinstreifiges Perlit.

2.2.2. ZTU-Schaubilder (Zeit-Temperatur-Umwandlung) lassen die Umwandlungsdauer bei ver-


schiedenen Temperaturen erkennen. Sie sind fUr alle wichtigen Bau- und Werkzeugstiihle aufgestellt
worden, siehe Atlas zur Warmebehandlung der Stahle.
ZTU-Schaubilder [iir isotherme Umwandlung. Die Kurven geben Beginn und Ende der Austenitum-
wandlung an, wenn der Stahl aus Abschrecktemperatur in ein Warmbad gebracht wird und darin
bei gleichbleibender Temperatur (isotherm) umwandelt. Die Zeiten sind auf einer Waagerechten
abzulesen (Bild IV.9a).
Stahl mit 0,45 % C wird aus 880°C in einem Bad von 500°C abgeschreckt. Umwandlung setzt
nach 2 s ein und ist nach lOs beendet. Beim Abschrecken auf 400°C ist die Umwandlung (Diffu-
sionsvorgang) verlangsamt. Sie lauft nach 6 s an und ist nach 50 s beendet.
Damit sich vollstandig Martensit bildet, muB der Temperaturbereich schneller Perlitbildung, die
Perlitstufe, schnell durchlaufen werden (600 ... 500 °c in Bild IV.9a). Unterhalb kann langsamer
abgekiihlt werden. Das Abschreckmittel ist danach abzustimmen.

;41
III I ~1 Jll 1
III I B:" )1
700 Perlit-Beginn
700 Perlit_ egmn
..... -~~
Ende
Femf-Beginn Perlit-Ende Austenit r-
-.l -.I
500 500
I~ l{3ainitstufe-Beginn
~
,..... ~ Ende
lW 1\ Baimf-
I III
~ KEnde
300 Hartensit- 300 ~ artensn~ stufe-
Beginn
100 III 100 Jill lli J
III Jill ill J
1 10 10 3 10 4 10 5 1 10 10 3 10 4 105
aJ Zeit in s bJ Zeit in s
Bild IV.9. ZTU-Schaubilder fUr isotherme Umwandlung. a) Stahl mit 0,45 % C, b) Stahl mit 0,45 % C und
3,5 %Cr

Bainit ist der Bereich zwischen Perlit- und Martensitstufe, bei legierten Stahlen starker ausgepragt
(Bild 1y'9b). Rier entsteht Bainit, ein Gefilge aus ilbersattigtem Ferrit und Carbidausscheidungen,
deren Form und GroBe von der Umwandlungstemperatur abhangen. 1m unteren Bereich bilden
sie sich feinnadelig verteilt aus. (Vergiltungsgefilge mit hoher Streckgrenze und Zahigkeit). Diese
ZwischenstuJenvergutung wird auch filr KugelgraphitguBteile angewandt (bainitisches GIS-800-8
... GJS-1400-1 in 4 Sorten).
Legierungselemente behindem die Perlitbildung, die dadurch spiiter einsetzt und liinger dauert.
Stahl mit 0,45 % C und 3,5 % Cr aus 1050 °C in einem Warmbad von 700 °C abgeschreckt bleibt 1
min austenitisch, dann erst beginnt Pertitbildung, die nach insgesamt 200 s beendet ist. Beim Ab-
schrecken auf 500°C bleibt der Werkstoff stundenlang im austenitischen Zustand, wenn diese Tem-
peratur gehalten wird (Bild 1y'9b).
Dadurch kann Abkilhlung langsamer erfolgen, ohne daB Pertit entsteht: Die kritische Abkilhlungs-
geschwindigkeit ist bei legierten Stiihlen kleiner, es kann in milderen Mittel abgeschreckt werden.

520
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens

ZTU-Schaubilder filr kontinuierliche Abkilhlung zeigen die Austenitumwandlung bei ununter-


brochener Abktihlung mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Die Umwandlung ist hier auf den
schrag verlaufendcn Kurven zu verfolgen. Die Zahlen am Ende der Kurven geben die erreichbare
Harte in Vickers-Einheiten an (Bild IV.IO).
Wird ein Stahl mit 0,45 % C aus 880°C so abgeschreckt, daB nach ca. 3 s 400°C erreicht sind, so
wird die Ferritausscheidung und Perlitbildung verhindert, es bildet sich wenig Bainit und vor-
wiegend Martensit. Harte des Gefliges HV = 540. Wird
die Abktihlung so geftihrt , daB nach ca. lOs etwa 630°C
erreicht sind, bildet sich ein ferritisch-perlitisches Ge-
~
flige mit einer Harte HV = 274.
"'-
2\
t',,1 J
\ '/
I
300 Ifh-F''-d--t---I
V

100 200 300


Abkuhlungsgeschwindigkeit °Us
100 ~-++I+-!-+-l-r540~-I:274i+-1-+t1--I-++tl
Bild IV.1I. Abkiihlwirkung verschiedencr
0.1 10 4 Abschreckmittel (Silberkugelkurven)
Zeit in s 1 Leitungswasser 20°C, 2 Wasser 20 °c
Bild IV.10. ZTU-Schaubild flir kontinuierliche mit 10 % Cyansalz, 3 Salzbad von 200°C,
Abkiihlung, Stahl mit 0,45 % C 4 ziihes Mineralol, 5 Petroleum,
6 legiertes Harteol

2.2.3. Abschreckmittel sind, nach fallender Wirkung geordnet, Wasser, Ole, Metall- und Salzschmel-
zen. Sie entziehen die Warme nicht gleichmaBig, sondern mit ausgepragten Hochstwerten bei be-
stimmten Temperaturen (Abschreckmaximum). Lage des Abschreckmaximums hangt von der
Verdampfungstemperatur des Mittels abo Messung erfolgt durch Silberkugel oder andere Priifkorper
mit eingebautem Thermoelement. Da Stahl schlechter Warmeleiter, zeigt Silberkugelkurve
(Bild IV.II) die Ktihlwirkung des Mittels an der Oberflache der Werkstlicke.
Flir doone Teile muB das Abschreckmaximum mit der Temperatur der schnellsten Perlitbildung
(ZTU-Schaubild IV.9a) zusammenfallen.
Dicke Querschnitte (60 mm 0) sind an der Obedhche bereits auf 350°C abgektihlt, wahrend der
Kern noch etwa 600°C hat. Flir solche Querschnitte muB das Maximum bei etwa 350°C liegen,
damit Warme schnell dem Kern entzogen wird und die Perlitbildung unterbleibt .
Lage des Abschreckmaximums durch Zusatze verschiebbar. Ole altern, d.h. sie andern Viskositat
und Siedepunkt durch Oxydation an den heiBen Teilen. Legierte Ole haben Zusatze, die Alterung
verhindern. Mit steigender Viskositat liegt das Abschreckmaximum bei hOheren Temperaturen.
Fiir dickere Querschnitte deshalb dilnnfliissigere Ole verwenden.
Zusatz von 10 % NaOH zum Abschreckwasser ergibt tiefere Einhartung. Durch Erwarmung dieses
Mittels auf 60°C erhalt man gleiche Hartewirkung wie mit Leitungswasser von 20°C bei kleinerem
Verzug und besserer Ktihlmoglichkeit bei Dauerbetrieb. Wegen Atzgefahr werden besser nicht-
korrodierende Salze verwendet.
Durch Bewegen des Abschreckmittels (Strahlabschreckung, Umwalzen des Bades) wird Wirkung
verstarkt, damit die Einhartung.

521
Werkstofftechnik

2.2.4. Durchhiirtung heillt den Werkstoff nicht nur in einer Randzone "einzuharten", sondern
auch irn Kern martensitisches Geftige zu erzeugen. Erreichbar durch richtiges Abschreckmitte1.
GroBere Querschnitte mlissen aus legierten Stahlen bestehen. Legierungselemente senken die kri·
tische Abkiihlungsgeschwindigkeit. Dadurch wird bei langsamer Abkiihlung irn Kern Vkr liberschrit·
ten. Besonders wirksam sind Ni, Mn, Cr, Si. Durchhartung wichtig flir auf Druck be(!nspruchte
Werkzeuge. Durchvergiltung muB bei Verglitungsstahlen erreicht werden. Hierbei ist keine Marten·
sitbildung bis zum Kern notig, es genligt die Ausbildung von Zwischenstufengeflige, da der Mar·
tensit beirn Anlassen wieder verschwindet.

2.2.5. Harteverzug, Hiirterisse. Beirn Abschrecken entstehen infolge der schlechten Warmeleitfahig·
keit (besonders der legierten Stahle) zwischen Rand und Kern groBe Temperaturunterschiede.
Der Werkstoff will sich auBen zusammenziehen, wird aber vom Kern behindert. Es konnen Zug·
risse an der Oberflache entstehen. Bei weiterer Abkiihlung will sich der Kern zusammenziehen,
wird aber vom bereits starren Rand behindert. Es konnen Schalenrisse unter der Oberflache ent·
stehen. Glinstigenfalls tritt Verzug auf, der eine Nacharbeit notig macht. Die Warmespannungen
werden liberlagert von den Spannungen, die der sich bildende Martensit mit seinem etwas groBeren
Volumen erzeugt.
Abhilfe durch zwei MaBnahmen:
a) Der groBe Temperatursprung von Abschreck· auf Raumtemperatur wird in zwei Abschnitte
unterteilt,
b) Bildung des Martensits erfolgt wahrend einer langeren Zeitspanne. Dadurch treten Warmespan·
nungen und Volumenspannungen nicht gleichzeitig auf.
Nachstehende Verfahren mindern AusschuBgefahr und Verzug, damit geringere Nacharbeit der
geharteten Teile.

2.2.6. Verzugsarme Abschreckhartung. Die Verfahren nutzen die Umwandlungstragheit des Aus·
tenits zwischen Perlit· und Martensitstufe aus. Temperaturbereich der Perlitstufe wird schnell
durchlaufen, darunter kann Abkiihlung langsamer verlaufen, da austenitischer Zustand bestandiger,
evtl. bildet sich langsam Bainit (ZTU·Schaubild IV.9). Martensit entsteht erst nach Unterschreiten
der Temperatur des Martensitpunktes.
Gebrochenes Harten. Teile werden aus Hartetemperatur in Wasser abgeschreckt und darin einige
Sekunden belassen, bis Temperatur auf 200 ... 300°C abgefallen ist, dann weitere Abkiihlung in 01.
Haltezeit im Wasser aufgrund von Erfahrung (Dunkelwerden der Oberflache, Aufhoren der Vibra·
tion).
Warmbadharten (gestuftes Harten). Teile werden aus Hartetemperatur in ein Warmbad (Salz·
schmelze oder (1) abgeschreckt, dessen Temperatur in der Nahe des Martensitpunktes liegt.
Wahrend einer Haltezeit erfolgt Temperaturausgleich zwischen Rand und Kern und Abbau der
Warmespannungen durch den zahen Austenit. Martensitbildung erfolgt im wesentlichen bei der
folgenden Abkiihlung.
Bei un· und niedriglegierten Einsatz· und Vergiitungsstahlen muB die Warmbadtemperatur unter
dem Martensitpunkt liegen (150 ... 250 °c Badtemperatur), damit die Perlitbildung unterdriickt
wird. Flir groBere Querschnitte sind nur Olbader geeignet. Hoher legierte Werkzeugstahle werden
in Salzbadern von 450 ... 550°C abgeschreckt und bis zum Temperaturausgleich gehalten.

2.2.7. Anlassen ist ein Erwiirmen nach vorausgegangenem Harten auf Temperaturen unter A 1 und
Halten auf dieser Temperatur mit Abkiihlung auf bestimmte Weise je nach Werkstoff und Zweck.
Es soli unmittelbar auf das Harten folgen.

522
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens

Gehartete Teile nach dem Abschrecken zu sprode (Glasharte), bei Raumtemperatur erfolgen noch
Umwandlungen des Restaustenits, dadurch MaBanderungen.
Anlassen von kaltverformten Federn erhoht Festigkeit, auch Dauerfestigkeit durch Alterung. Da-
durch auch Konstanz der Federkennlinie, flir MeBinstrumente wichtig.
Beim Anlassen gehlirteter Teile nimmt Harte zunachst wenig ab, Dehnung und Kerbzlihigkeit stei-
gen langsam (Bild IV.12). Zwischen 100 ... 300 °c liegt der AnlaBbereich der MeBwerkzeuge, Kalt-
arbeitsstahle und Einsatzstahle.
Bei Temperaturen urn 150°C geht die tetragonale Verzerrung des Martensitgitters zuruck in ein
verzerrtes kubisches a-Gitter, angelassener Martensit. Zugleich scheiden sich kleinste Carbidnadeln
aus. Bei tiber 200°C zerfallt der Restaustenit.
Uber etwa 300°C fallt Harte und Zugfestigkeit zunehmend ab, Dehnung und Kerbzahigkeit neh-
men starker zu (Bild IV.12).

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500 600 700
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AnlafJtemperatur in O[

r-
600 1::0 I-
-<::
..........
"'":::::= w.. 20 30 Bild IV.l3. Anlal1verhalten eines
'tn"
.!:l
V ~I
abgeschreckten Warmarbeitsstahles
bei verschiedener Anla11dauer
200 10 20
As f..--:: ~ V Av I).. I: 2h
100 300 SOO 700 900 0 [ 2: 24 h
AnlafJtemperatur 3: 100 h
Bild IV.12. Vergiitungsschaubild Stahl C 45 E 4: 1000 h

Zwischen 400 ... 650 °c liegt der AnlaBbereich der Warmarbeits- und Vergiitungsstahle.
Mit zunehmender AnlaBtemperatur und -dauer kann der Kohlenstoff besser ausdiffundieren und
zunehmend grobere Zementitkristallite bilden. Damit nahern sich Aussehen des Gefliges und Eigen-
schaften wieder dem weichgegliihten Zustand.
AnlaBschaubiid zeigt, daB bestimmte Festigkeit durch !angeres Halten auf niedrigen Temperaturen
oder kurzes Halten auf h6heren Temperaturen erreicht werden kann. Fiir Teile, die h6heren Tem-
peraturen ausgesetzt sind (Warmarbeitsstahle), muB deshalb AnlaBtemperatur 80 ... 100 °c tiber
der Betriebstemperatur liegen, damit unter der Betriebswarme kein weiteres Anlassen erfolgt
(Bild IV.13).
AnlaBtemperaturen durch AnlaBfarben feststellbar. Diese entstehen durch diinnste Oxydschichten
auf dem blanken Teil. Besser ist einsttindiges Halten auf AnlaBtemperatur in Badern oder Luftum-
walzOfen. Warmarbeitsstahle werden zweimal angelassen, die zweite Temperatur urn 30 ... 50°C
niedriger.

523
Werkstofftechnik

2.2.8. Vergiiten ist ein Abschrecken von Baustahlen und Anlassen auf hohe Temperaturen, urn
hohe Zithigkeit bei erhOhter Streckgrenze zu erhalten.
Es soll ein GefUge erzeugen, das Bestwerte von Streckgrenze und Kerbzithigkeit besitzt. Streck-
grenzenverhaltnis Re/Rm wird vergroBert, d.h. die Streckgrenze rUckt nither an die Zugfestigkeit
heran. Werkstoff ist dadurch hOher beanspruchbar. Kerbzithigkeit erreicht bei bestimmten AnlaB-
temperaturen einen Hochstwert. Werkstoff ist bei tiefen Temperaturen wesentlich zither als im ge-
gliihten Zustand (Bild IV.12).
Anwendung: Triebwerks- und Getriebeteile im Fahrzeugbau, wenn kleine Abmessungen verlangt
werden. Kurbelwellen, Pleuelstangen, Achsen, Zahnrader, KeilweUen, Kupplungs- und Gelenk-
wellenteile, Achsschenkel.
All1a6vergiitung: Beim Anlassen zwischen Temperaturen von 450 ... 650°C entstehen aus dem
Martensit die Vergijtungsge/iige. FUr dickere Querschnitte ist eine Durchhartung nicht notig, es
genUgt die Bildung von feinstreifigem Perlit im Kern, der beim Anlassen auf VergUtungstemperatur
ohnehin entsteht.
Isothermes Vergiiten: Hierbei werden die Teile nicht bis in die Martensitstufe abgeschreckt, son-
dern in Warmbadern bis zur vollstandigen Umwandlung gehalten. Bainitisieren wie bei Bild IV.9
beschrieben. Eine Abart ist das Patentieren, eine isotherme Umwandlung in der unteren PerHt-
stufe (400 ... 550 0c), Anwendung fUr Drahte und Federmaterial. Es ergibt sich ein fUr das Ziehen
gUnstiges feinkorniges Geflige.
Umwandlungsgeflige, die in der Zwischenstufe entstehen, werden auch als Bainit bezeichnet, with-
rend Sorb it und Troostit in der Perlitstufe entstehen, letztere stellen einen auBerst feinstreifigen
Perlit dar.
Austenitformhitrten: Bei legierten Stithlen ist der unterkiihlte Austenit einige Zeit bestandig
(ZTU-Bild IV.9), wenn er auf Temperaturen zwischen Ms- und Rekristallisationstemperatur ab-
geschreckt wird. Nach Verformung in diesem Bereich (Keimbildung) entsteht feinkorniges Um-
wandlungsgefUge mit erhOhter Festigkeit und Zithigkeit als beim normalen Abschrecken ohne
Verformung.

2.3. Hartung von Oberflachenschichten


Hierbei wird eine harte Randzone bei ztihbleibendem Kern gebildet. Notwendig fUr Bauteile, die
stoBunempfindlich, aber mit harter verschleiB- und druckfester Oberflache ausgeriistet sein mtissen.
Je nach Werkstoff und WerkstUckform und -groBe sind verschiedene Verfahren anwendbar. Bei
engen Toleranzen fUr MaBe und Rundlauf ist nach dem Abschreckharten ein Nachschleifen notig;
Ausnahme: nitrierte Teile.
Anwendung: Kolbenbolzen, Zahnrader hoher VerschleiBfestigkeit, Fiihrungsbahnen, Nocken- und
Kurbelwellen, Kupplungsklauen, Keilwellen- und Naben fUr Schaltgetriebe, Kurvenscheiben, Leit-
und Laufrollen sowie Kettenglieder fUr Raupenfahrzeuge, Seilrollen, Formen fUr Kunststoffspritz-
guB.
2.3.1. Einsatzhitrten. C-arme Stahle, die beim Abschrecken wenig Harte annehmen, werden in
Einsatzmitteln aufgekohlt, urn eine C-reiche, hartbare Randzone zu erhalten. Beim Abschrecken
entsteht nur dort Martensit. Kohlenstoffaufnahme durch Diffusion im austenitischen Zustand bei
900 ... 930°C. Erreichbarer C-Gehalt hangt yom Einsatzmittel abo Hohere Temperaturen ergeben
tieferes Eindiffundieren bei kUrzeren Gliihzeiten.
Pulverau/kohlung mit Granulat aus Holzkohle mit vermischten Katalysatoren (BaC0 3 , BaO,
CaC0 3 ), Kornung 3 ... 5 mm. Entwickelt CO-C0 2 -Gemisch. Nach der Reaktionsgleichung 2CO-+
C + CO 2 nimmt die Randzone C auf.

524
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens

Salzbadaufkohlung in Schmelzen von Alkalizyaniden NaCN mit Aktivatoren, welche die notwen-
digen Gltihzeiten verringern. Bei hoher Temperatur zerfallen die Zyanide und geben C und N an
das Werksttick abo Stickstoff beschleunigt C-Aufnahme und senkt Vkr' Badzusammensetzung muB
laufend nachgeprtift und durch Zugaben konstant gehalten werden. Glinstig flir kleine Teile und
geringe Kohlungstiefe. Vorwarmen der Teile vermeidet Eindringen von Feuchtigkeit (Explosions-
gefahr) in das Kohlungsbad und starke Temperaturschwankungen.
Gasaufkohlung tiber das Heizgas, dem Progan oder Butan beigemengt werden. Heizgas muB in
Generatoren von O2 , CO 2 und Wasserdampf befreit werden. Gaszusammensetzung regelbar, da-
durch ist C-Gehalt und Tiefe der Kohlungszone zu beeinflussen.
Angestrebter C-Gehalt der Randzone ist 0,65 ... 0,8 % je nach Legierungselementen. Sekundarer
Schalenzementit ist unerwlinscht, deshalb schnellere Abktihlung aus dem Einsatz bei Cr- und Mn-
Stahlen.
Harten der Einsatzstiihle ist je nach Aufkohlungsart, Werkstoff und Form der Teile auf verschie-
dene Weise moglich. Das Abschrecken des C-armen Kernes Hilnt zu schwacher Vergiitung, der
C-reiche Rand wird martensitisch hart. Die Temperaturen flir die Warmebehandlung sind verschie-
den. Einsetzen erzeugt durch Uberhitzen und Uberzeiten grobkorniges Geflige.
Direkthdrten aus dem Einsatz, bei Gas- und Badaufkohlung moglich, ist kUrzestes wirtschaftliches
Verfahren, setzt Feinkornstiihle voraus, die bei langeren Gltihzeiten nicht zu Kornwachstum neigen.
C-Gehalt der Randzone moglichst unterperlitisch, damit wenig Restaustenit entsteht.
Wird vor dem Abschrecken das Werksttick langsam von Einsetz- auf Abschrecktemperatur abge-
ktihlt (840°C) und im Warmbad abgeschreckt, ergeben sich besonders verzugsarme Werkstlicke.
Restaustenitgehalt noch geringer.
Randhdrten nach isothermer Umwandlung in der Perlitstufe. Aus dem Einsatz kurzzeitiges Halten
in einem Warmbad von 500 ... 600°C, dann Erwarmen auf Abschrecktemperatur der Randzone
und Abschrecken. Feinkornige GefUge mit besten mechanischen Eigenschaften bei geringem
Energieaufwand.
Einfachhdrten aus unterer Kernhartetemperatur. Das beim Aufkohlen grobkornige GefUge wird
dabei normalisiert, die Randzone nur gering tiberhitzt. Es entsteht ein ziiher Kern, der Rand ist
noch feinkornig. Bei Uberkohlung (C-Gehalt tiberperlitisch) entsteht Restaustenit, deshalb mild
wirkende Kohlungsmittel verwenden.
Fehler, die beim Einsatzharten auftreten konnen: Schalenbildung beim Harten, wenn C-Gehalt zu
schroff yom Rand zum Kern abfallt. Entsteht bei zu niedriger Einsetztemperatur, beim Badauf-
kohlen kalter Teile, bei sehr grobem Randgeflige.
Uberkohlung durch zu stark wirkende Kohlungsmittel bei Stahlen, die mit Carbidbildnern (Cr, Mo)
legiert sind. Hierbei treten kornige und netzartige Sekunddrcarbide auf. Beseitigung durch Diffu-
sionsgltihen (Verteilungs-) moglich.
Stellen, die weich bleiben sollen, werden mit Wasserglas, Lehm oder Pasten isoliert oder mit einem
UbermaB gefertigt und zwischen Einsetzen und Harten auf MaB bearbeitet. In Salzbadern sind als
Isoliermittel nur galvanisch aufgebrachte Cu-Schichten bestandig.
C-abgebende Salze dUrfen nicht in salpeterhaltige Salzschmelzen eingeschleppt werden, sonst
explosionsartige Oxydation. Zyansalzhaltige SpUlwasser mtissen entgiftet werden, ehe sie in das
Abwasser gelangen.
Ohne Rticksicht auf die Abschreckart werden alle Teile abschlieBend bei 170 ... 210°C in Luft-
umwiilzern oder Sa1zbadern angelassen.
2.3.2. Flammenharten (Brennharten, Autogenharten) erzeugt an normal hartbaren Stiihlen (Ver-
giitungsstiihlen) eine martensitische Randzone durch Wdrmestau und sofortiges Abschrecken. Bei
starker Erwarmung staut sich die Warme in der Randzone, ehe der Kern hohere Temperaturen an-

525
Werkstofftechnik

nimmt. Durch sofortiges Abschrecken entsteht soweit Martensit, wie das Ausgangsgeflige bereits
in Austenit umgewandelt war.
Verfahren ist energie- und zeitsparend, da bei gro~eren Teilen nicht die ganze Masse erhitzt wird.
Einziges Verfahren flir gro~e sperrige Teile, wie z.B. Zahnkriinze, Fiihrungsbahnen an Werkzeug-
maschinen, Kurbelwellen, Zahnstangen.
Wird meist auf besonderen Hiirtemaschinen durchgeftihrt mit geformten Brennem und automa-
tischem Ablaufvon Erwiirmung und Abschrecken. Heizgase sind Stadtgas oder Acetylen-Sauerstoff-
Gemisch.
Werkstoffe flir Flammenhiirtung sind: Stahle flir direkte Oberfliichenhiirtung (IV, 3.2.3); brenn-
hiirtbarer Stahlgu~ (Tafel N.9); Grau- und Tempergu~ mit iiberwiegend perlitischer Grundmasse,
Graphit mu~ in feiner Verteilung im Geflige vorliegen.
Bei gleichen Stahltypen, die aus verschiedenen Chargen stammen, kann durch wechselnden Mn-
Gehalt unterschiedliche Einhiirtung entstehen.

2.3.3. Induktionshirten beruht auf dem gleichen Prinzip wie


r:: 20
Flammenhiirtung. Erwiirmung erfolgt durch Induktionsstrome. r:: 16
Werkstiick ist Eisenkem, Randzone stellt kurzgeschlossene .S:
Sekundiirwicklung eines Trafos dar. Ais Primiirspule dient ol!! 12 1\
~
wassergekiihlter Kupferhohlkorper, der Form des Werkstiickes
~ 8
~
angep~t. Durch Skine//ekt (Hautwirkung) wird Sekundiir- .c:: [::::::,
~ 4
strom in den Rand des Werkstiickes gedriingt, deshalb nur
dort Erwiirmung. Durch nachfolgende Wasserbrause entsteht
.............
r----- t:I::-l
eine martensitische Randzone. Einhiirtetiefe ist frequenzab-
Frequenz in Hz
hiingig (Bild IV.14). Fiir kleine Querschnitte deshalb hohe
Bild IV.14. Induktionshlirten.
Frequenzen. Einhiirtetiefe au~erdem noch durch elektrische Freq uenzbereiche
Leistung und Wahl legierter Stahle zu beeinflussen. Ober-
fllichenharte HRC = 52 ... 62, je nach C-Gehalt des Stahles.
Es konnen alle unter 2.3.2 genannten Werkstoffe induktiv gehiirtet werden. Das Verfahren ist
sauber, die Anlagen raum- und energiesparend und giinstig in eine Flie~fertigung einzuordnen.

2.3.4. Laserhirten. Der kleine Brennfleck macht ein Abrastern der Oberfliiche notwendig, d.h.
es werden Spuren von 1 ... 12 mm Breite aneinandergelegt, dazwischen liegen weichere Anl~­
siiume (evtl. Schwachstellen). Giinstiger flir Iinien/6mlige Hlirtezonen (Verschlei~-, Dicht- oder
Schneidkanten). Fiir Hiirtung des Kompressionsbereichs von Zylinderlaufbuchsen in Gro~diesel­
motoren angewandt (MAN).

2.3.5. Nitrierhiirten erzeugt diinne harte Randschichten, die Nitride enthalten. Ais Nitridbildner
wirkt vor allem AI, deshalb in den meisten Nitrierstiihlen (Tafel IV.lO) enthalten, dane ben Cr, Mo
und V. Randzone 0,2 ... 0,6 mm dick, Harte HV = 900, anl~bestandig bis zu 500°C.
Gasnitrieren: Fertigteile, meist vergiitet, werden bei 500 ... 550 °c mit Ammoniak NH3 begast. Es
spaltet atomaren Stickstoff ab, der in das Geflige diffundiert und mit den Legierungselementen
harte Nitride bildet. Dadurch geringe Volumenvergro~erung, die nur bei engen Toleranzen be-
achtet werden mu~. Es entstehen Druckspannungen in der Randzone, dadurch erhoht sich die
Dauerfestigkeit der Bauteile.
Die langen Gliihzeiten (60 h flir 0,6 mm Tiefe) haben das Verfahren nicht gegeniiber dem Einsatz-
harten durchsetzen konnen. Zudem ist der Kemwerkstoff bei hohen Flachenpressungen nicht trag-
flihig genug. Hierflir nur martensitische stiirkere Randzone geeignet. Es treten keine Gefligeum-
wandlungen auf, Abkiihlung nach dem Nitrieren beliebig langsam, dadurch kein Verzug.

526
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens
Anwendung z.B. bei Werkzeugen fUr die Kunststoffherstellung, Bohrstangen, Schneckenwellen,
Maschinenspindeln.
Badnitrieren in Salzsclunelzen von Gemischen aus NaCN und NaCNO bei 550°C. Es wird atomarer
Stickstoff und Kohlenstoff abgespalten. Wegen der niedrigen Temperatur wird C kaum aufgenom-
men. Es bildet sich eine Verbindungszone, die Nitride enthalt, daneben auch Fe3C, mit einer Harte
HV = 600 ... 700 und hohem VerschleW,widerstand, Korrosionsbestiindigkeit und geringer Ver-
schweW,neigung (Fressen).
Anwendung bei Werkzeugen aus Schnellarbeitsstahl, die nach 10 ... 40 min Behandlung eine Er-
hOhung der Standzeit erfahren (3 ... 4fach).
Beim Badnitrieren von Zahnriidem und Wellen aus unlegiertem und niedriglegiertem Stahl (Weich-
nitrieren) nimmt die Oberflachenharte nur wenig zu. Dagegen wurde starke ErhOhung der Ver-
schleif3/estigkeit und Dauer/estigkeit beobachtet. Gerade bei unlegierten Stahlen erhoht sich die
Biege- und Torsionswechselfestigkeit urn 60 ... 100 %. Hierzu Behandlung 1 ... 2 h in belii/teten
Salzbadern (Tenifer-Verfahren, DEGUSSA) von 560 ... 580°C und Abschrecken der Teile in Salz-
wasser.

Ionitrieren (Glimmnitrieren). Unter Vakuum werden N-Ionen durch 300-Volt-Gleichspannung


zum Werkstiick beschleunigt und prallen mit hoher Geschwindigkeit auf. Dadurch Erwarmung auf
350 ... 580°C, Bildung einer porenfreien, einphasigen, ziihen Nitridschicht bis 30 p.m Dicke.
Schichtaufbau wiihrend der Behandlung beeinflu~bar durch Veranderung der Spannung, Tempe-
ratur, Athmosphiire und Zeit.
Anwendung: Schnecken flir Extruder und Spritzgie~maschinen die glasfasergeflillte Polyamide
verarbeiten (Vergiitungsstiihle). Grundsiitzlich sind aIle Eisenwerkstoffe geeignet.

2.3.6. Umschmelzhiirten. Schnell abgekiihltes GG oder GT bildet ledeburitisches Geflige (Hartgu~).


Das Aufsclunelzen mu~ au~erst schnell durch z.B. WIG-Brenner erfolgen (AEG-ELOWIG), so d~
Selbstabschreckung durch Werkstiickmasse ohne Abflie~en von Sclunelze erfolgt. Vorwarmen auf
400°C als Vorbeugung gegen Risse zweckmaEig.
Anwendung: Nocken und nachfolgende Teile von Ventilsteuerungen mit 55 ... 60 HRC bei 1 mrn
Dicke je nach Vorwarmung.

2.4. Ausharten
Aushartung ist eine ErhOhung von Harte, Festigkeit, Streckgrenze und magnetischen Eigenschaften
durch Ausscheidungsvorgiinge geloster Legierungselemente bei Raumtemperatur (Kaltaushiirtung).
Hierzu ist ein Losungsgliihen erforderlich, damit sich die Elemente im Austenit losen. Durch Ab-
schrecken entstehen iibersiittigte Mischkristalle, die nicht im Gleichgewicht sind. Nach einer An-
!au/zeit beginnt die Ausscheidung der im Dbersch~ gelosten Kristalle und dauert je nach Legierung
Tage bis Monate (auch als natiirliche Alterung bezeichnet). Durch Temperaturerhohung l~t sich
die Diffusion beschleunigen (kiinstliche Alterung oder Warmaushartung).
Bei Raumtemperatur ballt sich die im Dbersch~ geloste Kristallart innerhalb der Mischkristalle
zu submikroskopischen Teilchen zusammen. Sie wirken als Gleitblockierung einem Verschieben
der Gleitschichten entgegen. Dadurch erhOhen sich Streckgrenze und Harte. Bei Warmaushiirtung
entstehen sichtbare Teilchen, die mit wachsender Temperatur vergrobern und sich an den Korn-
grenzen ablagern. Dann ist keine ErhOhung der Streckgrenze mehr festzustellen.
Kaltaushartung bei unlegierten Stiihlen als Alterung unerwiinscht, da Abfall der Ziihigkeit, durch
moderne Stahlverfahren (Sekundiirmetallurgie) beseitigt.

527
Werkstofftechnik

Anwendung der Aushartung (Teilchen- oder Dispersionshartung)


Mikrolegierte Tiefziehbleche harten beim Einbrennen noch aus (Bake hardening Effekt). Mikrole-
gierte, schweiBbare Feinkombaustiihle (DIN EN 10113), Festigkeitsabfall durch Absenkung des C-
Gehaltes wird durch Ausscheidungen von Nb-Carbonitriden kompensiert.
Mikrolegierte, perlitische Stlihle, die nach gesteuerter AbkUhlung aus der Warmumformung Festig-
keiten von 840 ... 1000 N/mm2 erreichen (z. B. 49MnVS3 oder 27MnSiVS6) und eine VergUtungs-
behandlung von Kurbelwellen, Pleueln, Achsen u. a. ersparen.
Hochfeste, martensitaushartende Stahle (z. B. X3NiCoMo 18-7 -5 mit Rm = 1800 N/mm2, wa). HSS-
Stiihle, warmfeste Stahle, Magnetwerkstoffe, zahlreiche AI-Legierungen (DIN EN 573) und Cu-Le-
gierungen, niedriglegiert, fUr Federbander (DIN EN 1654).

3. Stahlsorten
3.1. Einteilung und Kennzeichnung der Stahle
Einteilung der Stahle. Die Grobeinteilung erfolgt nach den Anforderungen an die Gebrauchs-
eigenschaften und dem Gehalt an Legierungselementen LE (Tafeln IV. I und 2).

Tafel IV.l. Einteilung nach DIN EN 100 20 Tafel Iv'2. Grenzgehalte fUr unlegierte Stahle

Anforderungen an die unlegiert legiert LE ... % LE ... % LE ... %


Gebrauchseigenschaften
AL 0,10 Cr 0,30 Co 0,10
Grundstahle x - Cu 0,40 Mn 1,65 Mo 0,08
Qualitiitsstahle x x Ni 0,30 Nb 0,05 Pb 0,40
Edelstiihle x x Se 0,10 Si 0,50 Te 0,10
Unlegierte Stahle enthalten weniger als die in Tafel IY.2 Ti 0,05 Bi 0,10 W 0,10
angegebenen LE. V 0,10 Zr 0,05 Bor 0,0008

Eigenschaftsuntersehiede Beispiele
Grundstiihle Nicht flir Wlirmehehandlung auBer Si und Mn sind keine LE-GehaIte vorgesehriehen. P- und
vorgesehen 1) S :!> 0,045 %, Kerbschlagarheit bei RT gepriift (JR)
Qualitiitsstlihle hoherer Reinheitsgrad, aher noeh enthalten weniger an Legierungselementen (LE) als die Grenz-
unlegiert kein gleichmiiBiges Ansprechen gehaIte (Taf. IV.2.)
auf Wlirmehehandlungen
Sorten, die im Fertigungsgang schweiBbare Feinkomstiihle flir Stahl-, Druckhehiilter- und
nicht flir eine Vergiitung oder Rohrleitungsbau, Dualphasenstlihle,
legiert Oherfliichenhiirtung vorgesehen FJacherzeugnisse kalt- oder warmgewaIzt flir die
sind KaItumfonnung, mit B, Nb, V oder Zr legiert
Edelstlihle noch hoherer Reinheitsgrad, unlegierte Stlihle mit vorgeschriehenen max. P- und S-GehaIt
gleichmiiBiges Ansprechen auf < 0,02 % (Feder-, SchweiB- und Reifenkorddraht), Stlihle mit
unlegiert Wlirmehehandlungen, Werten der Kerbschlagarheit Av > 27 J hei - 50°C, ISO-Prohe,
bestimmte Einhiirtungstiefe beim Ferritisch-perlitische Stlihle mit> 0,25 % C, mikrolegiert filr
Oherfliichenhiirten thermomechanische Behandlung, Spannhetonstiihle
legiert aIle anderen Stiihle, welche die legierte Einsatz-, Nitrier-, Vergiitungs- und Werkzeugstiihle,
Grenzwerte iiberschreiten rostfreie und warmfeste Stlihle

I) 1m Rahmen dieser Norm werden die Gliihverfahren nieht als Wiinoebehandlung betrachtet

Die Kennzeichnung der Stahle nach DIN EN 100 27


Teill: Bezeichnungssystem fUr Stlihle, Teil 2: Nummemsystem fUr Stahle. Die Bezeichnung eines
Stahles mit Kurznamen wird durch Symbole auf 4 Positionen gebildet:
Pos. 1 + 2: Hauptsymbole fUr WerkstotTsorte nach Verwendung und Haupteigenschaft
Pos. 3: Zusatzsymbole fUr besondere WerkstotTeigenschaften und Herstellungsart
Pos. 4: Zusatzsymbole fUr das Erzeugnis (Pos. 3 und 4 nach DIN 17100-100 (IC 10».

528
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens

Tafel IV.3. Bezeichnungssystem filr Stahle


Pos.l 2 3a 3b 4
Verwendungszweck, Mechanische Zusatzliche mechanische Eignung fUr bestimmte Er-
fUr StahlguB wahlweise Haupt- Eigenschaften, Einsatzbereiche bzw. zeug-
G vorgestellt Eigenschaft Herstellungsart Verfahren nis
Kerbschlagarbeit Av C: bes. Kaltformbarkeit
Re,min D: Schmelztauchiiberzug
GS Slahlbau fUr die kleinste Av (J) 27 40 60 E: Emaillierung
Erzeugnisdicke Symbol: J K L F: Schmiedeteile Tafeln
z.B. Stahle nach H: Hohlprofile A
DIN EN 10025 Schlagtemperatur in °C L: fUr tiefe Temperaturen B
10113 Ll/L2: bes. tiefe Temperaturen C
10155 Temp. RT, 0, -20, -30, -40, -50 P: Spundwande
Symb. R 0 2 3 4 5 S: Schiffbau
T: Rohre
FUr Feinkornstahle: Syrnbole wie W: wetterfest
irn Feld darunter .I..
GP Druckbehalter c: bes. Kaltformbarkeit
z.B. Stahle nach M: thermornechanisch, L: Tiefternperatur (Ll, L2) Tafeln
DIN EN 10028 Tl ... T6, wie oben N: normalisierend gewalzt H: Hochtemperatur A
StahlguB Q: vergiitet R: Raumtemperatur B
DIN EN 10213 Tl ... T4 X: Hoch- u. Tieftemp. C
E Maschinenbau G: andere Merkmale, C: bes. Kaltformbarkeit Tafel
z.B. Stahle nach wie oben evtl. mit I oder 2 E: Schmiedeteile B
DIN EN 10025 Folgeziffern H: Hohlprofile
H Flacherzeugnisse, Re,min Herstellungsart
kaltgewalzt, aus hiiher- M: thermomechanisch
festen Stahlen zum odermit B: bake hardening D: SchmelztauchUberzUge Tafel
Kaltumformen z.B. Zeichen T P: phosphorlegiert C
Bleche + Bander nach Rm,min X: Dualphasenstahl
DIN EN 10130/10149 Y: IF, (interstitiell free)

Pos.l 2 3a 3b 4
D Flacherzeugnisse, Cnn: kaltgewalzt D: Schmelztauchen
kaltgewalzt, aus weichen Dnn: warmgewalzt, fUr EK: konv. Emaillierung
Stahlen z. Kaltumformen, unmittelbare Kaltum- ED: Direktemaillierung
z. B. Bleche + Bander nach formung H: Hohlprofile ohne Tafeln
DIN EN 10130, 10139 Xnn: nicht vorgeschrieben T: Rohre B
10142 nn: Kennzahl nach Norm G: andere Merkmale C
GC Unlegierte Stahle, E: vorgeschriebener max S-Gehalt,
nn: Kennzahl; lOO-facher R: vorgeschriebener Bereich des S-Gehaltes Tafel
Mn-Gehalt '" 1 %, facher C-Gehalt D: zum Drahtziehen, C: besondere Kalt- B
z.B. Stahle nach formbarkeit, S: fUr Federn, U: fiir Werkzeuge,
DIN EN 10083-1 W: fUr SchweiBdraht

Pos.l 2 2a 3 4
G - Niedriglegierte Stahle nn: Kennzahl; LE-Symbole nach fallenden Gehalten
mit L LE < 5 %, z.B. Einsatzstahle lOO-facher geordnet, danach Kennzahlen mit Tafeln
nach DIN EN 10084. Vergiitungs-St. C-Gehalt Bindestrich getrennt in gleicher -- A,B
DIN E 10083-2 Foige
auch unlegierte Stahle mit KennzaWen sind Vielfache der LE-%. Die Faktoren sind:
~ I % Mn, Automatenstiihle 1000 fUr Bor; 100 fUr Nichtmetalle C, Cer, N, P, S;
nach DIN EN 10087 4 fUr Mn, Si, Cr, Ni, Co, W; 10 fUr AI, Be, Cu, Mo, Nb, Pb, Ta, Ti, V, Zr
nn: Kennzahl; LE-Symbole nach fallenden Gehalten
G X Hochlegierte Stahle lOO-facher geordnet, danach die %-Gehalte der Tafeln
mitLLE>5 % C-Gehalt Haupt-LE- mit Bindestrich in gleicher A,B
Foige
HS Schnellarbeitsstahle LE-% von entfallt Tafel
W-Mo-V-Co B

529
Werkstofftechnik

Tafel IV.3. A, B, C Zusatzsymbole fUr Stahlerzeugnisse (Pos. 4) A: fUr besondere Anforderungen


Orobkornstahl +H Mit besonderer Hartbarkeit
Feinkornstahl +ZI5/25/35 Mindestbrucheinschniirung Z (senkrecht zur Oberflache) in %

B: fUr den Behandlungszustand


+A Weichgegliiht +CR Kaltgewalzt +QA Luftgehartet

+AC Aufkugelige +HC Wann-kalt-gefonnt +QO Olgehiirtet


Carbide gegliiht
+AT Losungsgegliiht +LC Leicht kalt nachgezogen/gewalzt +QT Vergiitet

+C Kaltverfestigt +M Thennomech. behandelt +QW Wassergehartet


+Cnnn Kaltverfestigt auf +NT Nonnalgegliiht und angelassen +S Behandelt auf
Rm, min = nnn MPa Kaltscherbarkeit
+N Nonnalgegliiht +T Angelassen
+Q Abgeschreckt +V Unbehandelt

C: fUr die Art des Dberzuges


+A Feueraluminiert +SE Elektrolytisch verzinnt
+AR Al-walzplattiert +T Schmelztauchveredelt mit PbSN
+AS Al-Si-Legierung +TE Elektrolytisch mit PbSn iiberzogen
+AZ AIZn-Legierung (> 50 % AI) +Z Feuerverzinkt
+CE Elektrolytisch spezialverchromt +ZA ZnAI-Legierung (> 50 % Zn)
+CV Cu-Oberzug +ZE Elektrolytisch verzinkt
+IC Anorganische Beschichtung +ZF Diffusionsgegliihte Zn-Oberziige (galvannealed)
+OC Organische Beschichtung +ZN ZnNi-Oberzug (elektrolytisch)
+S Feuerverzinnt

3.2. Stahlgu6
StahlguB hat Zusammensetzungen wie Stahle der gleichen Anwendungsgruppe und ist graphitfrei.
Er wird meist in Elektro-LichbogenOfen erschmolzen und beruhigt vergossen. SchwindmaB mit 2%
hoch, deshalb starke Lunkemeigung, der durch Setzen von Steigem begegnet werden muB. Neben
StahlguB unlegiert und niedriglegiert, schweiBgeeignet gibt es zahlreiche Sorten fur weitere Anfor-
derungen.
Tafel IV. 4. StahlguBsorten
Fiir allgemeine Verwendungszwecke DIN 1681 (in den EntwurfE DIN 17205-3 iibernommen)
Stahlsorte Rm,min RpO.2 A Av (J) Til
Kurzname Stoff-Nr. N/mm2 N/mm2 % ,.;50mm fUr 27 J Anwendungsbeispiele
0380 1.0420 380 200 25 35 - Kompressorengehause
0450 1.0446 450 230 22 27 - Konvertertragring
0520 1.0552 520 260 18 22 - Walzwerksstander
0600 1.0558 600 300 15 20 - OroBzahnrader
StahlguB mIt guter SchwelBelgnung DIN 17182 (m den EntwurfE DIN 17205 ubernommen)
017Mn5N 1.1131 430 ... 600 1
260 65 Zustand nonnalisiert
020Mn5N 1.1l20 1
500 ... 650 300 55 Zustand nonnalisiert
020Mn5V 500 ... 600 360 70 Zustand vergiitet

NonnDIN Eigenschaft. Verwendung Nonn Eigenschaft. Verwendung


EN 10213 StahlguB fUr Druckbehalter DIN 17465 Hitzebestandiger StahlguB
-1 Allgemeines. Stahlsorten fiir Verwendung DIN 17205 VergiitungsstahlguB
-2 bei Raum- u. hoheren Temperaturen, SEW 835 StahlguB fiir Flamm- und
-3 desgl. bei tiefen Temperaturen. Induktionsharten
-4 Austenitische und austenitisch-ferritische Sorten SEW 520 Hochfester StahlguB mit guter
EN 10283 KOITosionsbestandiger StahlguB SchweiBeignung

530
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens

3.3. Stahlsorten nach Gruppen geordnet


3.3.1. Warmgewalzte Erzeugnisse aus unlegierten Baustahlen DIN EN 10025 sind nach der
Streckgrenze gestufte Stahle, die als Flacherzeugnisse (Blech, Band, Breitflachstahl) oder Langer-
zeugnisse (Formstahl, Stabstahl, Walzdraht, Spundwandprofile) produziert und ohne Warmebe-
handlung weiterverarbeitet werden. Sie sind flir normale klimatische Beanspruchung geeignet. Yom
Hersteller werden bestimmte mechanische Eigenschafts-Mindestwerte gewahrleistet (Tafel IV.5).
Die nachgestellten Symbole (siehe auch Tafel IV.3 unter "Stahlbau" Pos.3a) kennzeichnen Kerb-
schlagarbeit und Schlagtemperatur. Flir die Sorten gleicher Festigkeitsstufe sind in den Zeilen nach
unten die Priifbedingungen scharfer, darnit ist die Neigung zu SprOdbriichen geringer. Stahle mit
angehangtem JR sind Grundstahle ebenso wie die drei letzten Maschinenbaustahle, die anderen
sind Qualitatsstahle.

Tafel IV.5. Baustahle DIN EN 10025


Stahisorte ReH / RpO,2 Rm Ain%
Kurzbe- Werk- Nenndicken (mm) N/mm2 Nenndicken (mm) Bemerkungen
zeichnung bisher stoff-NT. " 16 " 100 ,,200 ,,1 ... <3 ,,3...<40
SI85JR St 33 1.0035 185 - - 290,,, 510 I: 10",14 I: 18 ohne gewiihrl. Kerbschlag-
q: 16 arbeit. Bauschlosserei
S235JR St 37-2 1.0037 Ago Ain% Niet- und SchweiBkonstruk-
S235JRGI 1.0036 Iangs I Iangs I tionen im Stahlbau,
S235JRG2 St 37-2 1.0038 235 215 185 340." 470 I: 17 ". 21 I: 26 Flansche. Armaturen
S235JO 1.0114 quert quert
S235J2G3 St 37-3 1.0116 t: 15",19 t: 24 schmelzschweillgeeignet
S235J2G4 1.0117
S275JR St44-2 1.0044 Iangs I langs I FUr hOhere Beanspruchung
S275JO St44-3U 1.0143 I: 14",18 I: 22 im StahI- und Fahrzeugbau.
275 235 215 410." 560
S275J2G3 St44-3 1.0144 quert quer t Krane und Maschinen-
S275J2G4 1.0145 t: 12".20 t: 20 gestelle.
schmelzschweillgeeignet
S355JR 1.0045
S355JO 1.0153 langs I Iangs I
S355J2G3 St 52-3 ·1.0570 355 315 285 490",630 1: 14".18 1: 22 wie bei S275
S355J2G4 1.0577 quer t quer t
S355K2G3 1.0595 t: 12".16 t: 20 schmelzschweillgeeignet
S355K2G4 1.0596
E295 St 50-2 1,0050 295 255 235 550 ". 610 1: 12", 16 I: 20/t: 18 Achsen, Wellen, Zahnriider,
E335 St 60-2 1,0060 335 295 265 570".710 I: 8".12 I: I6/t: 14 Kurbeln, Buchsen, PaBfedem,
E360 St 70-2 1,0070 360 325 295 670." 830 1: 3... 7 1: 11ft: 10 KeiIe, Stifte, aile drei Sorten
sind pre6schwei6bar

Flir hohere Anforderungen des Leichtbaues wurden schweiBgeeignete Stahle mit hoherer Streck-
grenze entwickelt. Damit konnen im Stahl-, Fahrzeug- und Behalterbau die Blechdicken reduziert,
Zeit, Energie und Zusatzwerkstoff beim SchweiBen und ein Vorwarmen eingespart werden.
3.3.2. Schwei6geeignete Feinkornbaustiihle haben durch niedrige C- und kleinste LE-Gehalte
von V+Nb (mikrolegiert) auch niedrige CEV-Werte, hohe Zahigkeit bei tiefen Temperaturen, dazu
Eignung zum Kaltumformen. Ihre Festigkeit erhalten sie durch Kombination von Feinkom (Kom-
grenzenverfestigung) und Teilchenhartung (feindisperse intermetallische Phasen) Die Geflige ent-
stehen beim Walzen durch Einhaltung bestimmter Zeit-Temperaturablaufe «thermomechanische
Behandlung, Zeichen M)). Diese Sorten (M) haben kleinere C-Gehalte und CEV-Werte als die nor-
malisierend gewalzten (N). Hochfeste Sorten sind verglitet oder auscheidungsgehartet. Zahlreiche
Normen flir Verwendung im Stahlbau (S), Druckbehalterbau (P) oder flir Femleitungen (L). Zu je-
der Festigkeitsstufe (Streckgrenze) gehoren Varianten mit erhohter Kaltzahigkeit (Zusatzsymbol L,
Ll oder L2 je nach Norm), erreicht durch noch kleinere P+S-Gehalte als die jeweilige Grundsorte.

531
Werkstofftechnik

NonnDIN Beschreibung Nonnblatt, Teil Sorten


EN 10 113 Warmgewalzte Erzeugnisse aus Tl: Lieferbedingungen
schweiBgeeigneten Feinkom- T2: normalisierend gewalzt, S275N / 355 /420/460
baustiihlen T3: TM-gewalzt. In je 4 Stufen S275M / 355 /420/460
In allen Stufen kaltzahe NL / ML mit A v ,-50 = 27 J
Sorten (Symbol NL/ML)
EN 10 137 Blech und Breitflachstahl aus Bau- T2: vergiitet, in 5 Stufen; S460Q / 500 / 550 / 620 / 690
stahlen mit hi:iherer Streckgrenze fiir zu jeder 2 kaltziihe Sorten Symbole: QL / QLl: Av,_60 = 27 J
Stahlkonstruktionen im Kranbau T3: ausscheidungsgehartet, S500A /550/620/690/ 890 /
und fiir Schwerlastfahrzeuge in 5 Stufen; zu jeder 1 960; Symbole: AL: A v,.40 = 40 J
kaltzahe Sorte (AL)
EN 10 149 Wanngewalzte Flacherzeugnisse T2: TM-gewalzt in 9 Stufen S315MC / 355 /420/460/500 /
aus Stiihlen mit hoher Streckgrenze 550/600 / 650 / 700
zum Kaltumformen T3: nonnalis. gewalzt, 4 Stufen S260 NC / 315 / 355 /420
EN 10028 Flacherzeugnisse aus Druckbehalterstahlen P235GH / 265 / 295 / 355
T2: 4 unlegierte und 4 legierte warmfeste Stahle 16Mo3; 13MoCr4-5; IOCrMo9-1O;
T3: schweiBgeeignete Feinkombaustiihle normalgegliiht, 3 Stufen S275N / 355 /460/
in jeder Stufe 1 wannfeste Sorte (NH), 2 kaltziihe (NLl und NU) (siehe Tafel unterhalb)
T4: Nickellegierte, kaltziihe Stahle mit 9 Sorten von -60 ... -190°C
T5: schweiBgeeignete Feinkombaustiihle, TM-behandelt in 4 Stufen P355M / 420 / 460 / 500
in jeder Stufe eine kaltziihe Sorte (ML)
T6: Feinkombaustiihle vergiitet in 5 Stufen, in jeder Stufe eine P460Q /500 / 550 / 620 / 690
warmfeste (Symbol QH) und eine kaltziihe Sorte (Symbol QL)

3.3.3. Vergiitungsstahle sind Baustlihle mit 0,25 ... 0,5 % C DIN EN 10028 T3. Bedeutung der
und steigenden Gehalten an Cr, Mn, Mo und Ni. Dadurch las- Anhiingesymbole
sen sich auch grtiBere Querschnitte durchvergiiten. Die er- Kerbschlagarbeit Av in J
reichbare Vergutungsfestigkeit ist dickenabhiingig. Bei den Ni- liings bei Temp. °C quer
legierten Stlihlen ist bei hohen Festigkeiten die Zlihigkeit llings Sorte -50 -20 0 +20 -20
und quer zur Faserrichtung sehr gut. P ... N
- 40 47 55 20
Mn- und Cr-legierte Stahle neigen zur AnlaBsprtidigkeit, wenn P ... NH
sie von der AnlaBtemperatur langsam abkuhlen. Ursache dafiir P ... NLl 27 47 55 63 27
sind Ausscheidungen von harten Kristallarten, welche die P ... NL2 30 65 90 100 40

Kerbzlihigkeit herabsetzen. Bei schneller Abkiihlung unter-


bleibt diese Erscheinung. Kleine Gehalte an Mo oder V unterbinden diese Ausscheidungen, so daB
diese Stlihle aus der Vergiitungstemperatur langsam abkiihlen ktinnen, ohne daB die Zlihigkeit sinkt.
Wichtig fiir groBe Querschnitte.
Bei der Auswahl eines Vergiitungsstahles geht man vom Werkstiickdurchmesser und der verlangten
Mindeststreckgrenze aus (Bild IVI5). Die Zahlen in den Feldem beziehen sich auf die laufende
Nummer des Stahles in Tafel IV.6. Der Stahl mit der htiheren Nummer hat jeweils die bessere
Zlihigkeit.
3.3.4. Nitrierstahle sind Vergiitungsstlihle, die durch Nitrieren (IV, 2.4.5) eine harte Randzone er-
halten. Die Werkstiicke werden im vergiiteten Zustand nitriert. Die Stahle enthalten Al als Nitrid-
bildner, die anderen Elemente haben die gleiche Aufgabe wie in Vergiitungsstahlen (Tafel IV.7).
3.3.5. Federstahle sind Vergiitungsstlihle fiir kleinere Querschnitte, deswegen geniigen niedrige
Gehalte an Legierungselementen. Urn hohe Streckgrenzwerte zu erreichen, sind die C-Gehalte er-
htiht. Vergiitungstemperatur etwa 430 ... 520°C. Erhtihung der Dauerfestigkeit ist durch Uber-
fllichenbehandlung und nochmaliges Anlassen nach Kaltumforrnung erreichbar (Tafel IV8).

532
Durchmesserbereich d::;; 16 mm 16::;;d::;;40mm 1100
19 19
Ifd. Stahlsorte Re Rm A Z Ay Re Rm A Z Ay
Nr. N/mm2 % % J N/mm2 % J 20
'1; 1000

1 C25E 370 700 ... 550 19 45 - 320 650 ... 500 21 50 - "-
'" 17.16
17 40 370 750 ... 600 19 45 .S;
"" 14.15 18 19
2 C35E 430 780 ... 630 - - 900
3 C45E 500 850 ... 700 14 35 - 430 800 ... 650 16 40 - { 16
4 C55E 550 950 ... 800 12 25 - 500 900 ... 750 14 35 - <>: 11.13 17 18 19
5 C60E 580 1000 ... 850 11 25 - 520 950 ... 800 13 30 - 800 15
10 14-=-
6 28Mn6 590 930 ... 780 13 40 35 490 840 ... 690 15 45 40
7 38Cr2 550 950 ... 800 14 35 35 450 850 ... 700 15 40 35 9.12 15.16 18
700
8 46Cr2 650 1100 ... 900 12 35 30 550 950 ... 800 14 40 35 ~ 14 16
r--L-- 10 13
9 34Cr4 700 1000 ... 900 11 35 35 590 950 ... 800 14 40 40
6 ~12 17 :<
10 37Cr4 750 1150 ... 950 11 35 30 630 950 ... 850 13 40 35 600 5
~ 8 11
11 41Cr4 800 1200 ... 1000 10 30 30 660 1100 ... 900 12 35 35 13- ~
~4 10 13
!
12 25CrMo4 700 1100 ... 900 12 50 45 600 950 ... 800 14 55 50 :::T
500 ~ rL- :::lI
13 34CrMo4 800 1200 ... 1000 11 45 35 650 1100 ... 900 12 50 40 9
3~ ~5,12-6 ~'
14 42CrM04 900 1300 ... 1100 10 40 30 750 1200 ... 1000 11 45 35 2
1---- 8 = 12 :::T
15 50CrMo4 900 1300 ... 1100 9 40 30 780 1200 ... 1000 10 45 30 400
1 2 3 7-
16 51CrV4 900 1300 ... 1100 9 40 30 800 1200 ... 1000 10 45 30 ==
i:;'
1 2
17 36CrNiM04 900 1300 ... 1100 10 45 35 800 1200 ... 1000 11 50 40
300 < 16 > 16 >40 >100
a-
18 34CrNiM06 1000 1400 ... 1200 9 40 35 900 1300 ... 1100 10 45 45 as in mm cS'
bis 40 bis 100 bis 160 111
19 3OCrNiMo8 1050 1450 ... 1250 9 40 30 1050 1450... 1250 9 40 30
20 36NiCrMo16 1050 1450 ... 1250 9 40 30 1050 1450 ... 1250 9 40 30 Bild IV,IS, gibt eine Ubersicht tiber die Mindest- Ii'
---- ICI
werte der Streckgrenze flir verschiedene Durch- iii'
DIN EN 10083-1 enthalt die Edelstahle (P und S je 0.35 %), davon 9 unlegierte. Mit Ausnahme der CrNiMo-legierten Sorten messerbereiche. Ftir die in einem Feld angeflihr- .
C
gibt es zu jeder Sorte eine Variante mit verbesserter Spanbarkeit, z. B. C45R flir unlegierte oder 34CrMoS4 flir niedrigle- ten Sorten (Nummern nach Tafel IV.6) gilt der un- :::lI
ICI
gierte Sorten. Teil 2 enthiilt 9 unlegierte QUfJlitatsstahle (gleiche C-Gehalte, P und S je ::;; 0.45 %), Teil 3 enthalt 6 Sorten mit tere stark herausgezogene Rand als Mindest- 111
Bor-Gehalten von 0.0008 ... 0,005 %. streckgrenze :::lI
Q.
II
m
U1 :'
W :::lI
W III
Werkstofftechnik

TafelIV. 7. Nitrierstahle DIN 17211 (E DIN EN 10 085)

Stahlsortc Eigenschaften vergtitet


Werkstoff- Durchmesser- RpO.2 As Av Eigenschaften und
Kurzname HVI
Nummer bereichmm N/mm % J Anwendungsbeispiele
31CrMo12 1.8215 ... 40 850 10 warmfest. flir Teile von Kunst-
41 ... 100 800 11 35 800 stoffmaschinen
31CrMoV9 1.8519 .. , 80 800 11 35 800 ionitrierte Zahnrader hoher
81 ... 150 750 13 35 Dauerfestigkeit
15CrMoV69 1.8521 ... 100 750 10 30 800 groi>ere Nitrierhartetiefe.
101 ... 250 700 12 35 warmfest
34CrAIMo5 1.8507 ... 70 600 14 35 950 DruckgieUormen flir Al
35 CrAINi 7 1.8550 70 ... 250 600 15 30 950 flir groi>e Querschnitte

Formelzeichen: RpO.2 0.2-Dehngrenze. As Bruchdehnung. Av Kerbschlagarbeit (ISO-V-Probe)

Tafel IV.S. Federstahle


DIN-Norm Anzahl Sortenbeispiele Beschreibung
17221 2 3SSi7,54SiCr6 warmgewalzter Stahl fiir vergiitbare Blatt- u. Kegelfedern fiir Schienenfahrzeuge,
(wasserhartend) Federplatten/ringe f. Eisenbahnoberbau
4 60SiCr7,55Cr3, fUr steigende Querschnitte und Beanspruchung mit RpO.2 von 1030 ... IISO MPa
50CrV4,51CrMoV4 bei 6 % Bruchdehnung fUr Fahrzeugblatt-, Schrauben- und Drehstabfedem
(Olhartend)
17222 10 55Si7,67SiCr5, kaltgewalzte StahlbfuJder fiir Federn, ungehiirtet und vergUtet unlegiert:
(pn EN 10132-4) 15 71Si7 Ck55, C60, Ck67, Ck75, CkS5, CklOl (alte Kurznamen)
17 223 4 runder Federstahldraht in 4 Sorten A, B, S, C mit steigender Dauerfestigkeit
17224 3 XI2CrNi17-7, Federdraht und -band aus nichtrostenden Stiihlen, die Sorte X7CrNiA117-7
X5CrNiMo IS-IO ist aushartbar

3.3.6. Einsatzstahle sind Baustahle mit geringen C-Gehalten (unter 0,2 %), welehe beim Ab-
sehreeken keinen Abfall an Zahigkeit erfahren, es wird nur die Streekgrenze angehoben. Dureh Auf-
kohlung wird die Randzone hartbar. Eigensehaften und Auswahl ahnlieh den Vergiitungsstahlen.
Fiir die Direkthartung aus der Gasaufkohlungsatmosphare sind die beiden Typen auf Mo-Basis neu
in die Norm aufgenommen worden. Sie neigen nieht zu Komvergroberung und Uberkohlung, wie
z. B. die CrMn-legierten Typen (Tafel Iv'9).
Tafel IV.9. Einsatzstahle DIN EN 10 084
Stirnabschreck-
Stahlsorte HB30 versuch 1)
Werkstoff- gegltiht Harte HRC(Stirnabstand) Anwendungsbeispielc
Kurzname
Nummer G" 1,5 5 11 25 mm
"
ClOE 1.1121 131 -
kleine reile mit niedriger Kernfestig-
CI5E 1.1141 143 - keit: Bolzen, Zapfen, Btichsen, Hebel
17Cr3 1.7016 174 34 - - - desgl. hohere Kernfestigkeit
16MnCr4
20MnCr5
1.7131
1.7147
207
217
39
41
31
36
22
29
-
21 } Zahnrader und Wellen im
Fahrzeug- und Getriebebau
20MoCr4 1.7321 207 41 31 21 - besonders flir die Direkthartung
22CrMoS3-5 1.7333 217 42 37 28 22 flir groi>ere Querschnitte
2 INiCrMo2 1.6523 197 41 32 20 - Getriebeteile hochster Ziihigkcit
15CrNi6 1.5919 217 39 36 30 22 mittlere} hochbeanspruchte
Getriebeteile
17CrNiMo6 1.6587 229 40 39 36 31 groi>ere Wellen, Zahnriider

1) Mindestwerte des Streubandes (-+ Stirnabschreckversuch 14.7)

534
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens

3.3.7. Automatenstiihle mit 0,15 ... 0,4 % S als Mangansulfid ergeben beim Spanen kurze Spane,
saubere Oberflache und eine geringe Schneidenbeanspruchung, evtl auch zusatzlich mit
0,15 ... 0,35 % Pb. Automatenstiihle sind warmgewalzt und blank als Rund-, Vierkant-, Sechskant-
und Flachstahllieferbar.
Verwendung: Niedrigbeanspruchte, kleinere Teile, wie abgesetzte Wellen, Bolzen, Biichsen, Schei-
ben, Zahnrader zur Bewegungsiibertragung.

Tafel IV.10 Automatenstiihle. DIN EN 10 096


Stahlsorte Festigkeiten Hiirte Sortenmit Zustand
Kurzname Werkstoff-Nr. Rm Re HBS 0,15 ... 0,35 % Pb.
IISMn30 1.0715 IISMnPb30 1.0718
llSMn37 I 1.0736
380 ... 570
I 375 112 ... 169
IISMnPb37 I 1.0737
U

Einsatzstlihle
1.0721 IOSPb20
1.0725
Vergiilungsstlihle Ain%
35S20 1.0726 590 ... 740 380 16 35SPb20 1.0756
38SMn26 1.0760 530 ... 700 420 15 38SMnPb26 1.0761
V
44SMn28 1.0762 630 ... 800 420 16 44SMnPb28 1.0763
46S20 1.0727 590... 760 430 13 46SPb20 1.0757

Eigenschaftswerte beziehen sich auf den angegebenen Zustand im 0-Bereich 16 .. .40 mm. U: un-
behandelt, V: vergiitet

3.3.8. Stahle fUr Feinbleche zur Kaltumformung werden in groBen Mengen fiir die Karosserie-
herstellung benutzt. Es sind un- und niedriglegierte Qualitatsstiihle mit niedriger Streckgrenze und
hoher Bruchdehnung (als GleichmaBdehnung), urn starke Verformungen bei niedrigen Kraften zu er-
reichen. 1m fertigen Bauteil sollen sie hohe Streckgrenzen (Widerstand gegen Einbeulen) besitzen.
Die senkrechte Anisotropie r (Werte von 0,8 ... 2,8) kennzeichnet die Neigung zur Dickenanderung
und die ebene Anisotropie llr (Werte von 0 ... 1) die Neigung zur Zipfelbildung beim Tiefziehen.

Norm Erlauterungen Re,max Aso


Stahlsorte
OINEN 10 130 FEPOI fur einfaches Umformen (Abkanten, Sicken) ... 280 28
(DIN 1623-1) FeP03 fiir stlirkeres Umformen und griiBere Blechdicken ... 240 34
Weiche Stiihle zum FeP04 und FeP05 fiir hiichste Umformanspriiche, ... 210 38
Kaltumformen Tiefziehbleche mit n = 0,18/0,20 ... 180 40
IF-StiihJe FeP06, Sondertiefziehblech, n = 0,22 ... 180 38
mikrolegiert nach C-arm mit NBm, 6 Sorten mit S!reckgrenzen von 260 .. .460 MPa ... 340 ~20
SEW 093 Beispiel: ZStE 340
P-Iegierte Stiihle mit 0,1 % P stlirkere Kaltverfestigung, 3 Sorten mit S!reckgrenzen von 260 ... 320 ~28
SEW 094 220 ... 360MPa n=O,18 ...0,3 Beispiel: ZStE 260P
BH-Stlihle 4 Sorten mit Streckgrenzen von 180 ... 300 MPa 180... 240 ~32
SEW 094 Beispiel: ZStE 180 BH

IF-Stiihle (interstitiell free) weisen keine Atome auf Zwischengitterplatzen auf. C-Gehalt unter
0,02 %. Mikrolegierte Stahle sind C-arm mit geringen Nbffi-Anteilen, die Festigkeit wird durch
feinstverteilte, intermetallische Phasen erzeugt.
BH-Stiihle (bake-hardening) werden losungsgegliiht verformt und lagem beim Einbrennlackieren
warm aus. Die Streckgrenze steigt urn 40 Mpa.
Viele Sorten werden korrosionsgeschiitzt mit Zn, ZnAl oder AlZnSi-Uberziigen, auch mit Lack-oder
Folienbeschichtung geliefert, weiche Sorten mit Eignung zum Emaillieren (zahlreiche Normen).

535
Werkstofftechnik

3.3.9. Warmfeste Stahle sind Baustahle mit ausreichender Streckgrenze bei Betriebstemperaturen
tiber 200 °e. Durch langzeitiges Halten auf haheren Temperaturen dtirfen sie nicht versprOden, sie
mtissen aiterungsbestandig sein. Bei langzeitiger Beanspruchung unter Temperaturen im Bereich
der Kristallerholung und Rekristallisation kriecht der Werkstoff, d.h. andert plastisch seine Form
in Richtung der Beanspruchung. Es wird durch Carbide des Chrom und Molybdan in feinster Ver-
teilung behindert. Diese Stahle werden vergiitet eingesetzt. AnlaEtemperaturen Jiegen bei 700°C.
Dber 500°C sind nur austenitische Stahle (mit Ni legiert) ausreichend fest, tiber etwa 750°C spezi-
elle Nickel- oder Nickel-Kobait·Legierungen, die meist ausscheidungshartend sind.

Verwendung: Rohre und Bleche flir Kesselanlagen, Flansche, Schrauben, Turbinenteile.

Tafel IV.11. Auswahl: DIN EN 10 028 Flacherzeugnisse aus Druckbehalterstahlen, Teil 2: Unle-
gierte und legierte warmfeste Stiihle. StahlguB flir Druckbehalter DIN EN 10 213, Teil2 Raumtem-
peratursorten und warmfeste Stahle.

Stahlsorte Streckgrenze Re bei °C Zeitfestigkeiten bei °C


Nonn
450 550
DIN EN
Kurzname Stoff-Nr. 20 300 400 500 Rmj104 R m/ lO , Rm/1 0 4 R m / lO ,

P265GH 1.0425 10 028-2 250 160 120 - 92 65 - -


13CrMo4-5 1.7335 300 240 210 180 340 270 110 50

G20Mo5 1.5419 10 213-2 250 195 175 150 290 200 70 25


GX22CrMoVI2-1 1.4931 600 495 420 330 390 315 170 120

3.3.10. Hitzebestandige Stahle sind warmfeste Stahle, die zusatzlich gegen heiBe Gase bestandig
sind. Hitzebestandiger StahlguB DIN 17 465, Ventilstahle DIN EN 10090, Heizleiteriegierungen
DIN 17 470, hitzebestandige Walz- und Schmiedestiihle DIN EN 10095.
Ein Stahl ist bei der Temperatur t zunderbestandig, wenn der Massenverlust durch Verzunderung
im Mittel 1 g auf 1 m 2 Oberflache nicht tiberschreitet und bei 50°C haher nicht mehr als 2 g/m 2
betragt. Dabei wird 120 h mit vier Zwischenabkilhlungen geglilht.
Daneben sind z. T. Schweilibarkeit, Kaltumformbarkeit und Alterungsbestandigkeit erforderlich.
Diese Eigenschaften besitzen ferritische und austenitische Stahle, die umwandlungsfrei sind. Durch
den Volumensprung bei der a-'Y-Umwandlung (Bild IV.2) lockert sich eine gebildete Zunderschicht.
Verwendung: Rohre flir Kessel und Warmeaustauscher, elektrische Heizleiter, Industrieofenteile,
GlaspreBformen, Ventile flir Verbrennungsmotoren.

3.3.11. Korrosionsbestandige Stahle


Korrosion (DIN EN ISO 8044) ist die Reaktion eines metallischen Werkstoffes mit seiner Umge-
bung, die an ihm eine meBbare Veranderung, die Korrosionserscheinung, bewirkt und die Funktion
des Bauteils beeintrachtigen kann. Vorherrschend sind elektrochemische Reaktionen, daneben che-
mische (bei hohen Temperaturen) und metallphysikalische (z.E. Al-DruckguB "lOst" Oberflache der
Werkzeuge).
Bei elektrochemischer Korrosion bilden sich Korrosionselemente (1.6.11), bestehend aus dem ionen-
leitenden Stoff (Elektrolyt), sowie Anode und Kathode aus:
a) den Gefligebestandteilen heterogener Legierungen,
b) Grundwerkstoff und Deckschicht,
c) Gefligebestandteilen unterschiedlichen Zustandes (Beltiftung, Verformung, Konzentration).
Das unedlere Metall (Phase) geht mit dem Elektrolyten eine chemische Verbindung ein.

536
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens
Korrosionserscheinungen
Fliichenkorrosion tragt das Metall gleichmii£ig parallel zur Oberflache abo
Narben sind flache ortliche Abtragungen.
Lochkorrosion erzeugt ortliche Abtragungen mit steilen Wanden.
Kornzerfall, interkristalline Korrosion, ist Abtragung tangs der Komgrenzen, die in das Innere des
Werkstoffs vordringt; dadurch wird Kornzusammenhalt gelost.
Selektive Korrosion ist bevorzugte Korrosion eines Gefligebestandteiles (z.B. des {3-Messings in
einem Geflige aus (ex + (3)-Messing).
Spaltkorrosion tritt in Spalten im Metall oder zwischen zwei Bauteilen auf (punktgeschwe~te
Bleche). Unbeliiftete Teile (Sauerstoffmangel) sind unedler und korrodieren.
Kontaktkorrosion tritt zwischen Bauteilen aus verschie- 9 mm
denem Werkstoff auf, wenn ein Elektrolyt hinzutreten m2h Jahr
kann.
Spannungsrij3korrosion (R~bildung unter statischen Zug-
spannungen) tritt bei austenitischen Stahlen in Cl-haltigen
Losungen, sowie bei Messing in ammoniakalischer Um-
gebung auf.
Passiviemng: Wenn das Korrosionsprodukt auf dem an-
gegriffenen Metall festhaftet, verlangsamt sich die Kor-
rosionsgeschwindigkeit und wird zu Null. So bildet z.B.
Blei in Schwefelsiiure das fast unlosliche Bleisulfat, das
als Schutzschicht die Korrosion hemmt: Blei wird in o 20 40 60 80 100
H 2 S0 4 passiviert. Dagegen ist Blei in HN0 3 nieht be- % Schwefelsiiure---
standig, da sich keine Schutzschicht bildet. Die Passi- Bild IV.16. Bestiindigkeitsschaubild
vierung hangt yom Metall und yom Elektrolyten abo von X 5 CrNiMoCuNb 1818 in H2 S04
Durch die Schutzschicht nimmt das Metall nicht mehr (Bohler-Antinit)
aktiv an der Korrosion teil, es verhiilt sich passiv.
Korrosionsgro8en: Zum Vergleich der Korrosion von verschiedenen Werkstoffen im gleichen
Mittel sind folgende GroBen nach DIN 50905 genormt:
Uneare Abtragungs- Bestandigkeit B in lahr/mm
geschwindigkeit vL in mm/Jahr (Lebensdauer) oderh/mm
Als Ergebnis von Korrosionsversuchen sind Bestiindigkeitsschaubilder aufgestellt worden (Bild
IV.16). Danach ist die Lebensdauer eines Werkstoffes in angreifenden Mitteln von dessen Konzen-
tration und Temperatur abhiingig.
Korrosionsschutz: Durch Werkstoffwahl und Beschaffenheit. Hohere Korrosionsbestiindigkeit
durch glatte, polierte Oberflachen, Werkstoffe mit homogenem Geflige (Mischkristalle), Stahle mit
Zusiitzen, die Schutzschichten aufbauen (Cr, AI, Si, Cu).
Durch Konstruktion, wie z.B. Isolation verschiedener Werkstoffe, Verhiitung von Spaltkorrosion
durch Abdichten von engen Spalten oder konstruktiver Anderung solcher Teile.
Durch Zusiitze zum Elektrolyten wird der Angriff verlangsamt, evtl. dadurch, daB diese Stoffe
(Inhibitoren) Schutzschichten erzeugen.
Durch Uberziige, welche den Grundwerkstoff vor dem Zutritt des Elektrolyten schiitzen.
a) Chemische Oberflachenbehandlung (phosphatieren).
b) Galvanische Oberflachenbehandlung (Vemickeln, Verchromen).
c) Metallische Uberziige durch Metallspritzen oder Tauchen in Schmelzen (Feuerverzinkung).
d) Nichtmetallische Dberziige (Emaillieren).
e) Dickwandige Auskleidungen (Gummi, Kunststoffe).
537
Werkstofftechnik

Die Uberziige miissen gegen den Korrosionsangriff bestiindig, voUkommen dicht, festhaftend und
gegen mechanische Beanspruchung ausreichend widerstandsfahig sein. Voraussetzung daflir ist voU-
stiindiges Entzundern und Entfetten der Teile.
Korrosionsbestandige Stahle (Tafel IY.12) verhalten sich in Elektrolyten passiv, d.h. nehmen wie
die Edelmetalle nicht an Reaktionen teil. Es wird durch Chromgehalte von mindestens 13 % er-
reicht. Geringere Gehalte vermindern zwar die Korrosionsgeschwindigkeit, ergeben aber noch keine
Bestiindigkeit. 13 %iger Chromstahl steht in der Spannungsreihe der Elemente vor dem Platin. Das
gilt nur, wenn aUes Cr im Grundgeflige gelOst ist. Je nach C-Gehalt ergeben sich verschiedene
Geflige.

Chromstiihle

C-Gehalt unter 0,1 %: Ferritische Geflige flir spanlose Formung geeignet,


umwandlungsfrei Bleche, ProfIle
C-Gehalt etwa 0,2 %: Vergiitungsgeflige Teile mit hOherer Festigkeit
C-Gehalt etwa 0,4 %: Martensitgeflige Teile mit hOherer Hiirte, Schneidwaren

Chromstiihle mit iiber 0,1 % C sind nur im abgeschreckten Zustand korrosionsbestiindig, da sie im
gegliihten Zustand ein Geflige aus Ferrit und PerHt besitzen. Au~erdem ist ein Teil des Chroms als
Carbid gebunden.

Tafel IY.12. Rostfreie Stahle nach DIN EN 10 088, DIN 17 440 und SEW 470
Stahlsorte Bestandigkeitseigenschaften, Anwendungen
Ferritische Stahle (mit UmwandlungsgefUge)
X7Cr13 wasser- und dampfbestandig, E~bestecke, Spindeln an Armaturen
XSCrl7 tiefziehbar bis 3 mm, mit erhohter Saurebestandigkeit durch 17 % Cr fUr Haus-
halts- und Gewerbewaschmaschinen, Schanktische
X6CrMo17 bestiindiger gegen Chloride (Koch- und Streusalz) durch Mo-Zusatz, flir Kfz.-
Teile wie Zierleisten, Fensterrahmen
X90CrMoVIS hiirtbarer Werkzeugstahl fUr Messer in Nahrungsmittelmaschinen, auch flir fOst-
freie Wiilzlager
Austenitische Stahle
X5CrNi IS-I 0 Grundtyp, durch niedrige C-Gehalte interkristallin, bestandig bis 6 mm Blech-
dicke, geschweillte und Tiefziehteile aller Art
X6CrNiTilS-9 durch Ti interkristaIlin bestandig (Ti-stabilisiert, keine Carbidausscheidungen)
flir chemische Apparate gro~erer Wanddicken
X2CrNiMoIS-1O interkristaIlin bestandig ffir aile Blechdicken durch sehr kleinen C-Gehalt, mit
erhOhter Bestandigkeit durch Mo-Zusatz, Widerstand gegen Chloride, nicht-
oxidierende Sauren und Lochfr~

Die 13 %igen Cr-Stahle sind nur mit polierter Oberfliiche gegen normale Atmosphiire, Wasser,
Dampf und schwach oxydierende Siiuren bestiindig. Bei stiirkeren Chemikalien sind 17 %ige Stiihle
erforderlich. Durch 1 % Mo wird die Bestiindigkeit gegen organische Siiuren erhOht, ebenso die
Warmfestigkeit. Chromstiihle konnen durch Warmumformung und Schwe~en grobkornig werden.
Da sie umwandlungsfrei sind, ist kein Normalisieren moglich. Kornverfeinerung ist nur durch Kalt-
umformung mit Rekristallisationsgliihen moglich. Chromstiihle sind kaltsprode.
Chrom-Nickel-Stiihle vom Typ XlOCrNi18-8 haben austenitische Gefiige, wenn sie aus hoher
Temperatur abgeschreckt werden. Dann sind sie bestiindig gegen Industrieatmosphare, Seeklima,
Salze, Siiuren und Laugen niedriger Konzentration und Temperatur. Bei hoheren Temperaturen
muB der Nickelgehalt erhOht und Mo zulegiert werden. Mo verhiitet die Lochkorrosion. In Elektro-
lyten, die CI-Ionen enthalten, sind Chrom-Nickel-Stiihle durch Spannungsri~korrosion gefahrdet.

538
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens
Beim SchweW,en und Wiedererwannen der abgeschreckten austenitischen Stahle kann sich im Tem-
peraturbereich von 500 ... 700°C Chromcarbid bilden, welches sich zwischen den Kornern ablagert.
Dadurch tritt eine Verannung der Korngrenzen an Chrom ein, sie werden unedler. Bei Angriff
eines Elektrolyten geht die Korngrenze in Losung, wodurch der Zusammenhalt der Korner aufge-
hoben ist: Kornzerfall oder interkristalline Korrosion.

Verhiitung des KornzerfaUs:


a) Stahle mit niedrigem C-Gehalt verwenden (unter 0,05 %), wenn geschweW,t werden muB.
b) Teile nach dem SchweW,en erneut aus 1000 °c abschrecken. Dabei geht das gebildete Chrom-
carbid wieder in Losung.
c) Wenn, z.B. bei Blechkonstruktionen, ein Abschreckennichtmoglichist, muB stabilisierter Werk-
stoff verwendet werden. Diese Sorten enthalten geringe Anteile an Ti, Ta oder Ta-Nb, welche
den vorhandenen Kohlenstoff zu nicht ausscheidungsflihigen Carbiden abbinden. Diese Stahle
konnen geschweW,t werden und sind danach ohne Wannebehandlung korrosionsbestandig.
Austenistische Stahle sind stark kaltumfonnbar, dabei aber kaltverfestigend. Ziihigkeit ist bis
- 200°C vorhanden.

3.2.12. Werkzeugstiihle. Werkzeuge miissen im Kern ziih und in der Randschicht hart und ver-
schleif3fest sein. Diese Forderungen erfliUen unlegierte Stahle, wenn sie nicht durchharten, sondern
nur einharten. Stahle nach StEW 150-63 sind deshalb in 4 Gruppen gegliedert (Giiteklasse 1, 2
und 3, Stahle fliT Sonderzwecke S), die steigende Mn-Gehalte und damit steigende Einhiirtung auf-
weisen. Gleichzeitig steigt damit auch die Harteempfmdlichkeit an, d.h. Anderungen von Gliihzeit
und -dauer wirken sich zunehmend starker auf das Teil aus. Fiir diinne Teile miissen deshalb die
enger tolerierten Sorten der Giite 1 verwendet werden (Schalenharter) z.B. C 100 WI.

Fiir dickere Querschnitte und hohe Schnittgeschwindigkeiten oder Standmengen geniigen die un-
legierten Stahle nicht mehr, ebenso flir Einsatz bei hOheren Temperaturen. Hierfiir sind nur legierte
Stahle geeignet. Neben den Sorten der Stahl-Eisen-Werkstoffblatter (Tafel IV.13) liefert die Industrie
zahlreiche Typen, welche bei speziellen Einsatzgebieten Hochstleistungen erbringen.
DIN 17350 Werkzeugstiihle enthiilt 6 unlegierte, 13 legierte (davon 5 hoch-) Kaltarbeitsstahle und
5 Wannarbeitsstiihle (3 hochlegierte). Beiblatt mit ZTU-Schaubildem und weiteren Diagrammen.
DIN 17022 Verfahren der Wiirmebehandlung (5 Teile).
Die Standardsorten werden z.T. durch folgende MaBnahmen in ihren Leistungen erheblich verbessert:

MaEnahme Eigenschaftsverbesserung
Elektro-Schlacke- Carbidteilchen werden kleiner und gleichmiilliger verteilt, bessere Verschleili-
Umschmelzen (ESU) festigkeit.
Vakuumerschmelzung Geringere Schlackenzahl (besserer Reinheitsgrad) fUhrt zur Angleichung der
Quereigenschaften an die Langseigenschaften.
Austenitformhlirten Bei einfachgeformten Teilen wird nach der Austenitisierung zunachst warm-
verformt und erst danach abgeschreckt. Bildung eines feinkiirnigen Martensits
mit verbesserten mechanischen Eigenschaften.
Beschichtungen Nichtmetallische Uberziige mit geringerer Neigung zum Kaltschweilien durch
Nitrieren oder Abscheiden von Titancarbid (3200 HV 0,05) oder Titannitrid
(2450 HV 0,05) in Schichten urn 10 }Lm. j

Kaltarbeitsstiihle erreichen im Betrieb nur Temperaturen unter 200°C, wie z.B. in Lehren, Schnit-
ten, Stempeln, Messem, Frasern, Prage- und Tiefziehwerkzeugen, Raumnadeln, Spannzangen,
Kunststoff-Fonnen usw.

539
Werkstofftechnik

Eigenschaften der Kaltarbeitsstiihle

Widerstand gegen Eigenschaft metallurgische MaEnahme


plastische Verformung Festigkeit martensitisches Geflige, steigende Dicke -->

steigende GehaIte an Leg.-Elementen (LE)


Abrieb Verschleillfestigkeit Carbidanteil durch Carbidbildner (Mo, V, W, Cr)
erhiihen
Korngriiil>e verfeinern (Umschmelzverfahren,
Warmebehandlung)
nichtmetallische Uberziige (Nitrieren, Titan-
carbid, Titannitrid)
Kantenausbrechen Zahigkeit C-Gehalt dem Verwendungszweck angepaBt
Schneidhaltigkeit kleinerer C-Gehalt (Zahigkeit bei kleinerer
Harte) muB durch griiBeren Gehalt an LE aus-
geglichen werden. Ni als Mischkristallbildner I
steigert Festigkeit und Ziihigkeit
Ma1.\anderungen Verzugsarmut gebrochenes Harten anwenden
beim Harten LE erniedrigen die krit. Abkiihlungsgeschwin-
(Harteverzug) digkeit --> Olharter, Warmbadharter, Luftharter
mit steigendem LE-GehaIt
J
VDI 3388: Werkstoffe fiir Schneid- und Umformwerkzeuge

Tafel IV.B. Werkzeugstahle, Auswahl

Kurzname Stoffnummer Eigenschaften Verwendungsbeispiele

Unlegierte Werkzeugsfuhle nach SteW 150-63


nicht durchhartend tiber 12 mm Dicke, fiir Tiefzieh-, Flie1.\pre1l>-
C W5Wl 1.1545
und Pragewerkzeuge
Schiifte und Kiirper von Schnellstahl- und Hartmetallverbund-
C60W 1.1740
werkzeugen
im Einsatz zu hartende Werkzeuge, z. B. Kunststoffformen oder
C l5WS 1.1805
Lehren
Legierte Kaitarbeitsstahle
Hochleistungsschnittwerkzeuge fiir Blech bis 3 mm, Profilierrollen,
X2 !OCrl 2 1.2080
Gewindewalzwerkzeuge, geringer Harteverzug
wie 1.2080 bei griiil>eren Abmessungen oder harteren Blechen
X2l0CrW12 1.2436
(Si-legiertes Dynamoblech)
X165CrMoV12 1.2601 wie 1.2080, mit erhiihter Zahigkeit fiir Blech bis 6 mm
1I5CrV3 1.2210 Metallsagen, Bohrer, Stemmeisen
60WCrV7 Schnitte ftir dickere Bleche 6 ... 15 mm, Stempel zum Kaltlochen
1.2550
von Schienen und Laschen
Legierte Warrnarbeitsstiihle

45WCrV7 1.2542 Warmschnitte und -abgratwerkzeuge, Warmlochstempel


vielseitiger Hochleistungsstahl ftir Gesenkeinsatze, Druckgu1.\-
X32CrMoV3-3 1.2365 formen, Preil>matrizen flir Ne-Metalle, wenig rillempfindlich, fiir
Wasserkiihlung
flir thermische Hiichstbeanspruchung, Werkzeuge hiichster
X30WCrV9-3 1.2581
Verschleillfestigkeit, rillempfindlich bei Thermoschock

540
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens

Stahl-Eisen-Werkstoffblatter enthalten Angaben zur Wannebehandlung der Sorten mit Schaubildern


tiber die Einhartungstiefen bei verschiedenen Werksttickdurchmessern, sowie ZTU-Schaubilder flir
kontinuierliche Abktihlung.
Neben diesen Kaltarbeitsstahlen werden flir verschleiliende Werkstoffe und hOchste Standmengen
auch Schnellarbeitsstiihle und hiirtbare Sinterhartstoffe (Ferro-Titanit) eingesetzt. Gegentiber dem
Stahl 1.2080 haben letztere einen erhOhten Carbidanteil (50 ... 70 %) in einer martensitischen
Grundmasse. 1m Anlieferungszustand (gegliiht) sind sie zerspanbar und erreichen durch verzugs-
anne Hartung etwa 70 ... 72 HRC. Durch Weichgliihen wieder zerspanbar ist dieser Werkstoff mehr-
fach verwendungsfahig (Korrektur von Werkzeugen).
Auswahlgesichtspunkte: Das Werkzeug sol1 in der Herstellung billig sein (Hiirteverzug erfordert
Nacharbeit), im Einsatz ausreichende Standmenge oder Standzeit ergeben (Hiirte, Verschleilifestig-
keit) und nicht vorzeitig durch Bruch versagen (Ziihigkeit). Werkstoffauswahl ist ein KompromiB
zur Erftillung dieser Forderungen.

Einfluj3 des steigender C-Gehalt Zahigkeit steigt, Harte sinkt und mu~ durch
Kohlenstoffs Harte steigt
Zahigkeit sinkt t ~ steigende LE-Gehalte ausgeglichen werden (Mo, V, W)
sinkender C-Gehalt

Einfluj3 der LE-Gehalt niedrig LE-Gehalt mittel LE-Gehalt hoch


Legierungs- Wasserhartung Olhartung Wannbad -Lufthartung
elemente Verzug haher Verzug geringer Verzug klein
(LE)

Warmarbeitsstiihle erreichen im Betrieb hahere Temperaturen, wie z. B. als Druckgu~fonn, Strang-


pre~matrize, Gesenk, Dreh- und Hobelmeiliel.

Eigenschaften:

Wider stand gegen Eigenschaft metallurgische M~nahme

plastische Verfonnung Warmfestigkeit Durchvergiitung bedingt C-Gehalte


(hohe Temperatur) 0,3 ... 0,6 % und Chrom 1 ... 5 %
Schlag Zahigkeit C-Gehalt niedrig, F einkorn und Reinheit
(Umschmelzverfahren)
Abrieb VerschleiMestigkeit Carbidanteil so hoch wie moglich, nicht-
metallische Uberztige (Titancarbid)
Gefligeanderungen bei Anl~bestandigkeit Aushartungseffekt bei hohen Anl~-
hohen Temperaturen temperaturen durch Vanadium
wechselnde Thennoschock- Gesamtanteil der Legierungselemente
Temperaturen bestiindigkeit niedrig halten, urn Wanneleitfahigkeit zu
verbessern 1 %Mo ersetzt 2 % W

Auswahl von Warmarbeitsstahlen aus StEW 250-63, Tafel IV.l3

Bei thennischer Hachstbeanpruchung werden auch Co-Iegierte Stahle (X45CoCrWV5-5-5 Nr.


1.2678) oder martensitaushmende Stahle yom Typ X3NiCoMoTi18-9-5 verwendet.

541
Werkstofftechnik

Schnellarbeitsstiihle (HS-Stiihle) sind hoch Anwendungs-


Temperatur
mit W, Cr, Mo, V und Kobalt legierte Stahle °C
(Tafel IV.14). Gegentiber den niedrig legier-
ten Werkzeugstahlen haben sie hohere An-
laBbestlindigkeit, Schneidhaltigkeit und
Warmharte. Schnellarbeitsstahle behalten
ihre Harte von etwa HRC = 60 bis zu einer
Schneidentemperatur von 500 ... 600°C
(Bild IV.17). Dadurch lassen sie wesentlich
hohere Schnittgeschwindigkeiten zu. Diese
Eigenschaften werden durch die feinst ver- Bild IV.17. Schneidstoffe (Haupteigenschaften)
teilten Carbide der Legierungse1emente be-
wirkt. Diese sogenannten Sondercarbide
haben z.T. die 2,5fache Harte des Zementits.
Die Legierungsmetalle W, Cr, Mo und V verschieben die Punkte des EKD nach links (IV.l .2.3). Da-
durch ergeben sie bei 0,9 % C ein ledeburitisches GefUge mit eingebetteten Netzcarbiden. Durch
Schmieden und Weichgltihen wird eine kornige Form der Carbide erreicht. Zum Harten sind hohe
Temperaturen notig, urn aile Carbide in Losung zu bringen (1200 ... 1300 °C).
Durch Abschrecken erfolgt Martensitbildung. Beim Anlassen geht die Martensitharte zuruck, bei
hOheren AnlaBtemperaturen scheiden die zwangsgelosten Sondercarbide in feinster Verteilung aus,
dadurch Anstieg der Harte. Diese Sekundar- oder AnlaBharte ist bei richtiger Abschrecktemperatur
hoher als die Harte im abgeschreckten Zustand und bleibt bei Wiedererwarmung bis zur AnlaB-
temperatur (540 ... 600°C) erhalten.

Tafel IV.14. Schnellarbeitsstahle, Auswahl nach DIN 17 350

Bezeichnung Werkstoff-
Gruppe Anwendung
neu (alt) Nr.

Wolfram HSlS-I-2-5 1.3255 Schrupparbeiten, harte Werkstoffe mit grol>er Zerspan-


hoch (E lSCo 5) leistung, Hartgul>, nichtmetallische Stoffe
Wolfram HS 10-4-3-10 1.3207 Schlichtarbeiten, Automatenarbeit mit hoher Schnitt-
mittel (EW9ColO) geschwindigkeit bei bester Oberfiachengiite
Wolfram HS6-5-2-5 1.3243 flir Fraser, Bohrer und Gewindeschneidwerkzeuge
Molybdan (EMo5Co 5) hochster Beanspruchung
Molybdan HS6-5-2 1.3343 Bohrer und Gewindebohrer , Schlitzfraser und Metallsagen
hoch (DMo9) kleiner Abmessungen

Zahlen geben %-Satz der LE in der Foige W, Mo, V und Co an bei 4 % Cr und 0,8 ... 1,4 % C.

3.2.13. Schneidstoffe
Schneidstoffe sind Werkstoffe fUr Schneiden von Zerspanungswerkzeugen. Sie sind vielseitig und
hoch beansprucht:

Biegung und auch stol>artig durch Anschnitt und unterbrochenen Schnitt erfordern Ziihigkeit
Druck (Biegefestigkeit) sonst Kantenausbrechen.
Reibung und durch Relativbewegung mit hohen Kriiften zwischen Schneidstoff und Werkstiick.
Verschleil> Chemisch-physikalische Reaktionen flihren zu Schneidstoffverlust (Abrasion,
Adhasion, Diffusions- und Oxydationsverschleill .
Thermische durch Umwandlung der Reibungs- und Verformungsenergie in Warme. AbfaJJ der
Beanspruchung Harte durch Anlassen, Matrixerweichung oder Zerfall harter Phasen. j

542
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens
Schnellarbeitsstiihle (HS-Stiihle) sind vorstehend behandelt. Schwerpunkt sind massive Werkzeuge
(z.B. Verzahnungswerkzeuge). StandzeiterhOhung durch Beschichten mit TiN, TiC oder Kombi-
nationen nach dem PVD-Verfahren.
Sinterhartmetalle sind Verbundwerkstoffe von harten Carbiden (WC, TiC, TaC) in einer Cobalt-
matrix. Beim Vorsintem entstehen Rohlinge (Schneidplatten, Einsiitze), die spanend bearbeitet wer-
den konnen. Erst beim Fertigsintem (1350 ... 1700 0c) schmilzt der Co-Anteil, die Carbide bilden
Mischkristalle, danach besitzt der Werkstoff seine hohe Warmharte (Bild IV. 17). Die Biegefestig-
keit steigt mit Co-Anteil, dabei sinkt die Harte. Bestimmte Kombinationen von TiC und TaC erge-
ben MK mit hoherer Ziihigkeit.
Nach DIN 4990 sind drei Zerspanungs·Hauptgruppen genormt: (P, M, K) und Kennzahl. Steigende
Kennzahl = steigende Ziihigkeit in jeder Gruppe.

P langspanend POI . . . . . . . . . . . . . P40 hiichste Harte +-+ hiichste Ziihigkeit


(blau) Stahl GS GT
M kurz· und langspanend MIO . . . . . . . . . . . . M40 Carbide 94 % . . . . . . . . . . 85 %
(gelb) aust. Stahl Autom. Stahl
K kurzspanend
(rot)
KOI . . . . . . . . . . . . K40
Stahl gehiirtet, GT, GG, Holz
GH Keramik Plastik
..
Co-Anteil 6 % . . . . . . . . . . 15 %

Schnittgeschw. •
Vorschub, Stiifl>e

Verbesserung der Ziihigkeit durch Carbide mit Feinstkom « 0,1 J.Lm) und isostatische Nachver-
dichtung unter Gasdruck (ca. 3 kbar und 1600°C). Die VerschleilHestigkeit wird durch CVD-
Schichten aus TiN oder Ti(C,N) stark erhtiht. Auch Mehrfachschichten mit Al-Oxidnitrid als
Diffusionssperre sind erprobt (Widalon).
Cermets sind den Hartmetallen verwandt. Sie bestehen aus Nitriden, Carbonitriden des Ti in einer
Ni-Matrix. Herstellung pulvermetallurgisch wie Hartmetall. Htihere Warmfestigkeit, geringere Pre~­
schwei~neigung als Hartmetalle (z.B.: Ceratip).
Schneidkeramik hat hohere Harte und Warmharte als metallische Schneidstoffe, ebenso geringere
Neigung zum PreBschweiBen und Diffusions- und OxidationsverschleiB. Wesentlich geringer ist die
Ziihigkeit (Biegefestigkeit) und Thermoschockbestiindigkeit.
Oxidkeramik auf der Basis Al-Oxid mit Verstarkung durch Zr-Oxid (Ziihigkeit) und Ti-Carbid
(Harte) oder SiC-Whisker (Ziihigkeit), 1etztere als Oxidmischkeramiken bezeichnet (z.B. Ceradisk,
SPK-Schneidkeramik, Widalox).
Nitridkeramik auf Basis von Si-Nitrid ist zaher und thermowechselbestandiger, deshalb zum
Schruppdrehen und -frasen von GG auch mit Kiihlschmierstoff angewandt. FUr Stahl nicht ge-
eignet, starker Kolkverschlei~ durch Bildung von Fe-Si-Phasen (bei 1200°C schmelzend) (z.B.
Ekasin, Widanit).
Kubisches Bomitrid (CBN) ist der harteste kiinstliche Hartstoff durch Umwandlung bei ca.
1400°C und bis zu 70 kbar aus der hexagonalen Kristallart (wei~er "Graphit") in die dichtere
Diamantstruktur. Massive Wendeschneidplatten bis 1200°C und metallisierte Plattchen zum Auf-
ltiten (z.B. Amborite, Ambrazite, Borazon, iihnlich ist Wurbon).
Diamant (polykristallin, PKD) vielseitig als Beschichtung auf Tragerwerkzeug (HM-Platte z.B.
Syndite), Bohrkrone, Draht, Scheibe zur Feinbearbeitung und Trennung hartester und verschleis-
sender Stoffe eingesetzt. Doppelte Harte von CBN, bestiindig bis 700°C, Werkstoff darf keine
Affinitat zu C besitzen (Diffusionsverschleili).

543
Werkstofftechnik

4. Eisen-KohlenstotT-Gu8werkstotTe

4.1. Ubersicht und 8egrifTe


Die Einteilung der Fe-C-GuBwerkstoffe erfolgt nach Grundgefiige und Graphitausbildung (Regeln
fiir die Kennzeichnung der Sorten siehe 4.7).

Tafel IV.IS. GuBeisenwerkstoffe und Normen


Gu6eisensorten, Nonnen (bisherige), Beispiele
Grundgefiige
Graphit- Ferrit => Ferrit/Perlit => Perlit Bainit Austenit Ledeburit
form Ubergangsfonnen
Gu6eisen mit Lamellengraphit DIN EN 1561 Austenitisches
lamellar GJL-150 => GJL-350 Gu6eisen
(GG-15 => GG-40) (DIN 1691) DIN 1694
GGL-Sorten
flockig- Tempergu6 (weiBIschwarz) DIN EN 1562 GJMW-550-4 Temper-
(Temper- GJMW-350-4 => GJMB-650-2 GJMB-700-2, rohguB.
kohle) (GTW-35-04 => GTS-70-02 (DIN 1692) GJMB-8oo-1 graphitfrei
Gu6eisen mit Kugelgraphit DIN EN 1563 Bainitischer Austenitisches
GJS-350-22 => GJS-9OO-2 Kugelgraphitgu6 Gu6eisen
Kugelfonn (GGG-35 => GGG-70 (DIN 1693) DIN EN 1564 DIN 1694
GJS-8oo-8 => GGG-Sorten
=> GJS-14oo-1
Gu6eisen mit Vermiculargraphit
Wunnfonn GN-3oo und GN-4oo I) VDG: Verband Deutscher GieBereien
GGV-30 GGV-40 (nach VDG-W 50)
Vergiitungs- Nichtrostender Hartgu6
graphitfrei Stahlgu6 DIN 10028 (DIN 1681) u.a.
stahlguB StahlguB DIN 1695

Stahlgu8 ist jeder Stahl, der im Elektroofen ( oder anderen Aggregaten) erzeugt, in Formen gegos-
sen und einer Gliihung unterworfen wird. Er wird im Abschnitt Stahle behandelt (~ 3.2.).

Tempergu8 ist ein Fe-C-GuBwerkstoff, dessen gesamter Kohlenstoff im GuBzustand (Temperroh-


guB) als Eisencarbid (Zementit) vorliegt. Durch Gliihen zernmt der Zementit ganz oder teilweise in
Temperkohle, das ist Graphit in Flockenform.

Gu8eisen mit Kugelgraphit ist ein Fe-C-GuBwerkstoff, dessen als Graphit vorliegender Kohlen-
stoff fast vollstandig in kugeliger Form auftritt.

Gu8eisen mit Lamellengraphit ist ein Fe-C-GuBwerkstoff, dessen als Graphit vorliegender Koh-
lenstoff vorwiegend lamellare Form besitzt.

Gu8eisen mit Vermiculargraphit ist ein Fe-C-GuBwerkstoff, dessen als Graphit vorliegender Koh-
lenstoff iiberwiegend Wurmform besitzt, eine Zwischenform von Lamelle zur Kugel.

Sondergu8 sind Werkstoffe, die sich nicht in vorstehende Gruppen einordnen lassen. Es sind Werk-
stoffe mit besonderen Eigenschaften. Sie sind teilweise hochlegiert, z.B. urn austenitische Gefiige
zu erhalten.

Erstarren der Gu8werkstofTe: Durch die dichtere Packung der Teilchen im entstehenden Kristall-
gitter tritt eine sprunghafte Volumenminderung ein, die dann weiter bis zur Abkiihlung auf Raum-
temperatur anhlilt. Die gesamte Volumenabnahme wird als Schwindung bezeichnet und im Langen-
schwindmaB in Prozent angegeben. Es betriigt zwischen 1 ... 2 %. Folgen des Schwindens sind Lun-
ker und Spannungen.

544
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens

Lunker sind Hohlraume, die in einem GuBsttick dort entstehen, wo die Schmelze zuletzt kristalli-
siert, wiihrend die umgebenden Bereiche schon fest sind, so daB kein fltissiges Metall nachflieBen
kann. Abhilfe konstruktiv und durch gieBtechnische MaBnahmen (GieBereitechnik).
Spannungen entstehen durch das behinderte Schrumpfen der Bereiche mit hoherer Temperatur. Die
umgebenden, bereits kalten und starren Zonen tiben Zugkrafte auf das schwindende Material aus.
Sie konnen zu Rissen fUhren, ehe das Teil der Form entnommen ist.

4.2. Gefiigeausbildung der Fe-C-Gu6werkstotTe


4.2.1. Beeinflussung des Grundgefiiges. Fe-GuBwerkstoffe haben groBere C-Gehalte als Stahle,
dadurch niedrigere Schmelztemperaturen mit besserer GieBbarkeit. Die EinfluBgroBen auf das ent-
stehende GefUge sind bestimmte Legierungselemente und die Abkiihlgeschwindigkeit (Bild IV. 18).
Legierungselemente: Silicium und Kohlenstoff in hOheren Gehalten fOrdem die Graphitbildung,
Mangan die Zementitbildung, damit die Perlitanteile im Grundgefiige.
Abkiihlgeschwindigkeit: Langsame Abktihlung fOrdert das Entstehen der Graphitlamellen, schnel-
le Abktihlung die Ausbildung von Zementit (Perlitanteile) .
Ferritische GefUge ergeben weichere, zahe Werkstoffe geringerer Zugfestigkeit.
Perlitische GefUge ergeben hiirtere, verschleiBfestere Werkstoffe mit groBerer Festigkeit und aus-
reichender Zahigkeit. Sie konnen vergtitet und oberflachengehiirtet werden.
Ledeburitische GefUge sind sehr hart und verschleiBfest, damit sprode und schwer zu bearbeiten. Es
sind verschleiB- und z. T. korrosionsbestandige Legierungen.
Dadurch ergibt sich in einem Werksttick mit wechselnden Wanddicken eine unterschiedliche Ge-
fiigeausbildung, damit auch verschiedene Festigkeiten. Das Diagramm von Greiner-Klingenstein
stellt die Zusammenhange dar (Bild IV.I8).

?ft. 6 f-\\-~.-----i----+--I----+-----1
.s
'2 5 f--+M----+~~-+--+_
'-'
Bild IV.IS. Graphitausbildung von GuBeisen: I weiBes Eisen,
2 meliertes Eisen, 3 PerlitguB, 4 ferritisch-perlitischer GrauguB, 10 20 I,() 60
ferritischer GrauguB Wanddicke in mm

4.2.2. Graphitausbildung. Neben der Art des Grundgefiiges haben Grofle und Form der Gniphit-
teilchen einen groBen EinfluB auf Festigkeit und Dehnung. Bei groBen Lamellen ist das GefUge in-
nerlich stark gekerbt, es treten bei Zugbeanspruchung hohe Spannungsspitzen im Grundgefiige auf,
welche die FlieBgrenze tiberschreiten. Der Werkstoff bricht, obwohl die rechnerische Nennspan-
nung noch sehr niedrig ist. Druckspannungen konnen gut tibertragen werden. Durch Verfeinerung
der Graphitausbildung wachst die Zugfestigkeit. Das geschieht durch Einhalten bestimmter Analy-
sen und Zugaben in die GieBpfanne sowie Uberhitzung der Schmelze, urn Keime zu beseitigen und
eine groBere Unterktihlung zu erreichen.
Bild IY.I9 zeigt schematisch die Moglichkeiten. Die flockige Form ist hauptsachlich beim Temper-
guB anzutreffen. Bei gleichem Grundgefiige wird durch die kompaktere Graphitausbildung von
links nach rechts die Zugfestigkeit steigen.
Die Graphiteinschltisse ergeben ein sehr gutes Dampfungsvermogen gegentiber Schwingungen (am
besten in der Lamellenform), leichtes Spanen, Notlaufeigenschaften, wenn GJL als Lagerwerkstoff
verwendet wird Die Druckfestigkeit betragt je nach Graphitausbildung das 2 .. .4-fache der Zug-
festigkeit.

545
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Werkstofftechnik

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GG GG GT GGV GGG

Bild IY.19 Graphitausbildung in GuBeisenwerkstoffen

Kugelige Graphitform wird durch Pfannenbehandlung einer GuBeisenschmelze (frei von S, Ti, Pb,
und Zn) mit Mg (an Ni legiert) erreicht. WurmfOrmiger (vermicularer) Graphit entsteht bei redu-
zierten Mg-Zugaben. Die flockige Temperkohle entsteht bei entsprechender Analyse aus dem
Zementit wahrend des Gliihens.

4.3. Tempergu6
Ais Werkstoff ftir diinnwandige. verwickelte Bauteile bis zu 100 kg Masse geeignet, die stojJfest
sein mtissen. DafUr scheidet GJL als Werkstoff aus und StahlguB ist nicht dtinnwandig und in kom-
plizierten Formen schwierig lunkerfrei vergieBbar. TemperrohguB besitzt (Si+C)-Gehalte von etwa
3,9 %, ist damit gut vergieBbar, erstarrt aber ledeburitisch. Die Teile sind dann hart und sprode.
Durch Gliihen zerfallt das Eisencarbid ganz oder teilweise in Eisen und Kohlenstoff, der als Tem-
perkohle (flockiger Graphit) erscheint. Je nach Temperatur und Dauer von Gliihung und Abktihlung
enstehen verschiedene TemperguBtypen. Werkstoff ist dann zah und gut spanend bearbeitbar.

Tafel IV.16. TemperguB DIN EN 1562 (DIN 1692)


Kurzname Anwendungsbeispiele
DIN 1692 (Harte HB nur Anhaltswerte)

EN·GJMW· Entkohlend geglUhter (weiBer) TemperguB


Flir normalbeanspruchte Teile. Fiuings, Fiirderkeuenglieder,
-350-4 GTW-35-04 - max. 230
SchloBteile
SchweiBgeeignet flir Verbunde mit Walzstahl, Teile flir
-360-12 GTW-S38-12 190 max. 200
Pkw-Fahrwerk. Geruststreben
Standardwerkstoff flir dlinnwandige Teile, Schraubzwingen.
-400-5 GTW-40-05 220 max, 220
Kanalstreben. Gerustbau. Rohrverbinder
Warmebehandelt. hiihere Zahigkeit. Pkw-Anhangerkupplung.
-450-7 GTW-45-07 260 max. 220
Getriebeschalthebel
-550-4 - -- ... 340 max. 250

Weij3er TempergujJ (GJMW) entsteht durch Gltihen in oxidierender Ofenatmosphare (60 ... 90 h bei
1000 °C).Teile unter 8 mm konnen vollig entkohlt werden, bei dickeren fallt der C-Gehalt von der
Mitte zum Rand auf Null aboKern dadurch perlitisch, Randzone ferritisch. weich. Durch eine War-
mebehandlung lassen sich GefUge mit kornigem Perlit oder Bainit herstellen. Die Sorte GJMW-
360-12 ist schweiBgeignet fUr Verbunde mit Walzstahl.
Schwarzer TempergujJ (GJMB) entsteht durch Gliihen in neutraler Atmosphare (40 ... 60 h bei
950°C). Das ledeburitische Gefiige wandelt sich gleichmaBig tiber den Querschnitt in Ferrit und
Temperkohle urn und ergibt hohere Dehnung auch bei groBeren Wanddicken. (GJMB-350-10) .

546
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens

Durch bestimmte C-armere Analysen des Rohgusses und verktirztes Tempem entstehen GefUge
mit ferritisch-perlitischer oder rein perlitischer Grundmasse, die ebenfalls vergtitet werden kon-
nen (GJMB-450-6 ... 800-1).

Tafel IV.16. TemperguB (Fortsetzung)


Kurzname Anwendungsbeispiele
DIN 1692 (Hiirte HB nur Anhaltswerte)

EN-GJMB- Nicht entkohlend gegliihter (schwarzer) TemperguB


Anwendung, wenn Druckdichtbeit wichtiger als Festigkeit und
-300-6 -- - max. 150
Duktilitiitist
Seilrollen mit Gehiiuse, Mobelbeschliige, Schliissel aller Art,
-350-10 GTS-35-1O 200 max. 150
Rohrschellen, Seilklemmen, SchloBteile
-450-6 GTS-45-06 150 ... 200 Schaltgabeln, Bremstriiger, Schwerlastspreizdiibel
-500-5 -- 300 165 ... 215
Kurbelwellen, Kipphebel fijr Flammhiirtung, Federbiicke,
-550-4 GTS-55-04 340 180 ... 230
Lkw-Radnaben
-600-3 -- 390 195 ... 245
Druckbeanspruchte kleine Gehiiuse, Federauflage fijr Lkw
-650-2 GTS-65-02 430 210 ... 260
(oberfliichengehiirtet)
VerschleiBbeanspruchte Teile (vergiitet) Kardangabelstiicke,
-700-2 GTS-70-02 530 240 ... 90
Pleuel, Verzurrvorrichtung fiir Lkw, Ventilhebel
-800-1 -- 600 270 ... 310 VerschleiBbeanspruchte kleinere Teile (vergiitet)

Mechanische Werte der GuBsorten an getrennt gegossenen Probestiicken des gleichen Werkstoffs ermittelt.

4.4. Gu8eisen mit Lamellengraphit ist in 5 Sorten 350.--.--.--.--.--.---.


genormt (Tafel IV.17)

Verwendung: GJL 150 ... 200 fUr gering beanspruch-


te Teile, LagerbOcke und -Gehause, Grundplatten,
Riemenscheiben.
GJL-250 ... 350 bei hOherer oder bei VerschleiB-Be-
anspruchung. Gehause fUr Getriebe, Motoren, Turbi-
nen, Pumpen. Stander fUr Werkzeugmaschinen, Zy-
linderlaufbtichsen, Rippenzylinder, Zahnrader, Kol- EN-6JL-150
benringe.
Wanddicke mm
Bild IV.20 Beziehung zwischen Festigkeit und
Wanddicke bei GJL

Tafel IV.17. GuBeisen mit Lamellengraphit DIN EN 1561

Eigenschaft Einheit Sorte EN-GJL-


-150 -200 -250 -300 -350
Zugfestigkeit Rm Mpa 150 ... 250 200 ... 300 250 ... 350 350 ... 400 350 ... 450
0,1 %-Dehngrenze RpO.l Mpa 98 ... 165 130 ... 195 165 ... 228 195 ... 260 228 ... 285

547
Werkstofftechnik

Eigenschaft Einheit Sorte EN-GJL-


-150 -200 -250 -300 -350
Bruchdehnung A % 0,8 ... 0,3 0,8 ... 0,3 0,8 ... 0,3 0,8 ... 0,3 0,8 ... 0,3
Druckfestigkeit CTdB MPa 600 720 840 960 1080
Biegefestigkeit ObB MPa 250 290 340 390 490
Torsionsfestigkeit tiB MPa 170 230 290 345 400
Biegewechselfestigkeit Obw MPa 70 90 120 140 145

Weitere 6 Sorten werden naeh der Brinellhiirte benannt (gemessen im Wanddiekenbereieh 40 ... 80 mm):
Bezeichnung: EN GlL-HBI55/175/195/215/235/255.

4.5. Gu6eisen mit Kugelgraphit ist nach DIN EN 1563 in 9 Sorten genonnt (Tafel IV. IS).

Verwendung: Filr stoBbeanspruchte Teile, welche zlihen Werkstoff erfordern: tragende Schlepper-
und Landmaschinengehause, Stander von Kurbelpressen, Schiffsschrauben filr FluBschiffe, Kurbel-
und Nockenwellen, Zahnrader, LkW-Radnaben.

TafeIIV.IS. GuBeisen mit Kugelgraphit DIN EN 1563 (DIN 1693)


Kurzname R fIJ •2 Avl) in Hiirte- CTd ObB
DIN 1693 Bereich Grundgefiige
EN-GJS- MPa J /bei °C. HB 302) MPa MPa
-350-22-LT GGG-35.3 220 12/-40 110 ... 150 Ferrit
-4oo-1S-LT GGG-40.3 250 12/-20 120 ... 160 700 Ferrit
-400-15 GGG-4O 250 140 ... 190 700 800 ... 900 iiberwiegend Ferrit
-450-10 -- 310 Ferrit/Perlit
-500-7 GGG-50 320 700 ... 220 800 850 ... 1000 Ferrit/Perlit
-600-3 GGG-60 380 200 ... 250 870 900 ... 1100 Perlit
-700-2 GGG-70 440 230 ... 280 1000 1000 ... 1200 Perlit
-SOO-2 GGG-80 500 250 ... 330 1150 1100 ... 1300 Perlit/Bainit
-900-2 -- 600 Perlit/Bainit

I) ISO-V-Probe; 2) Hiirteangabenje naeh Wanddieke, nieht gewahrleistet, nur Anhaltswerte.

Bainitisches Gu6eisen mit Kugelgraphit mit hoher VerschleiBfestigkeit (z. B. filr achsversetzte
Kegelrader) wird durch isothenne Umwandlung bei 250 ... 400°C erzeugt. Nach DIN EN 1564
sind 4 Sorten genonnt:
GJS-SOO-S / GJS-1000-5 / GJS-1200-2 / GJS-1400-1 mit Ni, Cu und Mo legiert.

4.6. Sondergu6
Hartguj3 ist ledeburitisches weiBes Eisen von hoher Harte und VerschleiBfestigkeit, sprOde und
schwer zu bearbeiten. Schalenhartguj3 entsteht durch entsprechende Analyse der Schmelze und Ab-
guB in Fonnen mit Abschreckplatten. Die Randzone ist ledeburitisch, nach dem Kern hin Ubergang
zu perlitischem Gefilge. Anwendung filr Walzen.
Hochlegierte GuBwerkstoffe haben austenitische oder martensitische bzw. Vergiltungs-Gefilge. Die
Graphitausbildung kann lamellar oder kugelig sein.

548
IV. Technisch wichtige Legierungen des Eisens

Austenitisches GufJeisen ist nach DIN 1694 in 8 Sorten mit Lamellengraphit und 11 Sorten mit Ku-
gelgraphit genormt. Sie enthalten 12 ... 36 % Ni und sind korrosions- und hitzebestiindig bei guten
GieB- und Bearbeitungseigenschaften. Beispiel: Kaltzahe Sorte bis -196°C: EN-GJSA-XNiMn23-4.
SiliciumgufJ enthiilt 18 % Si und ist dadurch korrosionsbestiindig (besonders gegen Schwefelsaure),
sehr sprode und hart. Verwendung flir Pumpenteile und Armaturen, Anoden zum kathodischen Kor-
rosionsschutz. Beispiel: EN-GJH-X70Si15.
VerschleiBfestes GuBeisen DIN 1695 enthiilt 9 mit Cr, Mo und Ni legierte Sorten, die nach Warme-
behandlung ein martensitisches oder bainitisches Geflige mit harten Cr-Carbiden und Hartewerten
von 350 ... 850 HV30 besitzen. Beispiel: EN-GJH-X300CrNiSi9-5-2.

4.7. Bezeichnung der Gu8eisensorten nach DIN EN 1560


Kurzzeichen werden aus max. 6 Positionen gebildet: Pos. 1. EN ftir Europaische Norm, Pos. 2. GJ
ftir GuBeisen, J steht ftir I (iron), urn Verwechslungen zu vermeiden, Pos. 1,25 sind obligatorisch,
3,4 und 6 wahlfrei.
[ EN- [GJ [ 5.
Pos. 3 Zeichen ftir Graphitform Pos. 4 Zeichen flir Mikro- oder Makrogeftige
L· Lamellen- A Lamellen- Q Abschreckgefiige
s- Kugel- F Ferrit T Vergiitungsgefiige
v- Vermicular- P Perlit B nichtentkohlend gegliiht
M- Temperkohle M Martensit W entkohlend gegliiht
H- graphitfrei L Ledeburit N graphitfrei

Pos. 5. Angabe der mechanischen Eigenschaften Pos. 6 Zeichen flir zusatzliche


Anforderungen
Symbol Eigenschaft (Festigkeit in MPa) D GuBstiick im GuBzustand
GJL- Mindestzugfestigkeit oder Hiirte HB, HV H wiirmebehandelt
GJMB- Mindestzugfestigkeit - Mindestbruchdehnung (%)
W SchweiBeignung fiir
GJMW- zusiitzlich fiir die Temperatur bei Messung der
FertigungsschweiBungen
GJS- Kerbschlagarbeit -RT (bei Raumtemperatur)
oder -LT (bei Tieftemperatur) Z zusiitzliche Anforderungen nach Bestellung
oder Angabe der chemischen Zusammensetzung Anhiinger an Pos. 5 iiber Probestiicke

Bezeichnung wie bei hochlegierten Stiihlen mit _oS getrennt abgegossen,


Buchstabe X, C-Kennzahlen, Symbole der LE, danach --c dem GuBstiick entnommen,
LE-Prozente mit Bindestrich --u angegossene Probestiicke

V. Nichteisenmetalle
Geringere Vorkommen in Z. T. armen Erzen und dadurch aufwendige Verhtittung flihren gegentiber
Stahl zu hOheren Preisen fUr NE-Metalle. Ihr Einsatz ist notwendig, wenn besondere Eigenschaften
gefordert werden, die Stahle nieht erbringen.

Eigenschaften der NE-Metalle Metalle und Eigenschaften der NE-Metalle Metalleund


Legierungen Legierungen
niedrige Dichte AI, Be, Mg, Ti Korrosionsbestiindigkeit AI, Cu, Ni, Ti
niedriger Schmelzpunkt (GieBbarkeit) AI, Pb, Mg, Zn Hitzebestiindigkeit Co, Cr, Mo, Ni, W
Leitfahigkeit fiir Wiirme und Gleiteigenschaften AI-, Ph-, Cu-, Sn-Leg.
Elektrizitiit AI,Cu,Ag hohe Neutronenaufnahme Cd,Hf
geringe Neutronenaufnahme Zr

549
Werkstofftechnik

1. Bezeichnung der NE-Metalle Beispiele:


Reinmetalle werden mit den chemischen Symbolen be- Kurzzeichen Beschreibung
zeichnet, dahinter folgt der Metallgehalt in Prozent. CuCr Cu-Legierung mit Cr nach
Norm. Ohne weitere Angabe,
Legierungen werden nach DIN 1700 nach dem Basisme- da nur eine Sorte!
tall und dem Hauptlegierungselement in nachstehender
CuAllONi Cu-Legierung mit 10 % Al
Reihenfolge benannt (Chemische Symbole der Metalle). und Ni nach Norm
1. Symbol des Basiselementes, CuNi25Znl5 Cu-Legierung mit 25 % Ni und
2. Symbol des Hauptlegierungselementes, 15 %Zn
3. Prozentzahl des Hauptlegierungselementes TiAl6V4 Ti-Legierung mit 6 % Al und
4%V
Zur weiteren KUirung kannen angefiigt werden
4. Symbol des dritten Legierungselementes Beachte: Regelabweichungen sind evtl.
5. Prozentzahl des dritten LE (wenn zur Unterscheidung in den Normen flir die einzelnen NE-
von ahnlichen Sorten natig) Metalle festgelegt.

Legierungen auf der Basis von AI, Cu, Mg, Ni und Ti werden nach der Art der Verarbeitung einge-
teilt in Knetlegierungen und Guj3legierungen.
Knetlegierungen: Hauptanforderung ist gute Formbarkeit kalt oder warm. Sie sind so legiert, daB
sie Mischkristallgeflige evtl. mit kleineren Anteilen anderer Phasen besitzen. Die Erzeugnisse er-
halten dUTCh Kaltumformung hahere Festigkeiten, die beim Riickgliihen erhalten bleiben, wahrend
die Bruchdehnung steigt. Knetlegierungen lassen sich z. T. schlecht spanen, sie neigen zum
Schmieren, d. h. ergeben rauhe Oberflachen. In den Zustanden mit haherer H-Zahl (halbhart, hart)
ist die Zerspanbarkeit besser.
Fiir Teile mit groBeren Zerspanungsarbeiten sind Pb-legierte Automatenlegierungen giinstiger.
Anhiingesymbole geben bei Knetlegierungen die Werkstoffzustande der Erzeugnisse an (z. B. ge-
gliiht, kaltverfestigt, warmebehandelt). Sie sind flir Al und Cu-Legierungen unterschiedlich.
Gu6Iegierungen: Hauptanforderungen sind gute GieBeigenschaften und leichte Zerspanbarkeit. Sie
haben deshalb andere Analysen als Knetlegierungen und meist heterogene Gefiige. Die spradere
Kristallart wirkt damit von selbst spanbrechend. Die Sorten sind oft eutektisch oder naheutektisch,
mit niedriger Schmelztemperatur und Schwindung. Die GieBart beeinfluBt das entstehende Gefiige
und damit die mechanischen Eigenschaften. Gewahrleistete Abnahmewerte gel ten fiir graBere
Wanddicken. Je nach Erstarrungsbedingungen lassen sich hahere Werte erzielen. Bezeichnung nach
giiltigen DIN-Normen dUTCh vorgestellte Symbole, nach E DIN EN dUTCh nachgestellte.

GieBart ..... SandguB KokillenguB DruckguB SchleuderguB StrangguB


Symbol
bisherige G· GK- GD- GZ- GC-
EN-Norm -GS -GM -GP -GZ -GC

Kokillenguj3 erstarrt durch die bessere Warmeleitung in der Metallform schneller und feinkomiger
als SandgufJ. Durch Schleuderguj3 wird das Gefiige dichter, weil Gasblasen und Schlackenteilchen
infolge der Fliehkraft innen verbleiben (z. B. Zahnkranze). StrangguB weist ahnlich gute Werte auf.
Druckguj3 verwirbelt beim Einstramen in die Form und hat Lufteinschliisse, dadurch geringe
Bruchdehung und keine SchweiBeignung.
Neue GieBverfahren ergeben durch langsames Einstramen bessere Zahigkeit: und SchweiBeignung:
Niederdruck-GieBen, Sqeeze-Casting und ThixoguB (GieBen im halb-fest-fliissigen Zustand).

550
v. Nichteisenmetalle

2. Aluminium
2.1. Allgemeines
Gliederung der AI-Knetwerkstoffe in 8 Legierungsreihen nach der chernischen Zusammensetzung
(DIN EN 573-3). Neben den Originalsorten gibt es viele nationale Varianten, die nur in kleinen
Mengen und wenigen Erzeugnisformen geliefert werden.

Leg.· Haupt- weitereLE Sorten Leg.- Haupt- weitereLE Sorten


Reihe LE Anzahl!) Reihe LE Anzahl!)
lxxx AI AI > 99 %, unlegiert 7 (17) 5xxx Mg Mn,(Cr,Zr) 16 (45)
2xxx Cu Mg, Mn, Bi, Pb, Si, 10(17) 6xxx MgSi Mn,Cu,Pb 13 (31)
3xxx Mn Mg,Cu 5 (13) 7xxx Zn Mg, Cu, Ag, Zr 18 (27)
4xxx Si Mg, Bi, Fe, CuNi 10 (12) 8xxx Sons!. Fe, FeSi, FeSiCu 8 (11)

1) Anzahl der Originalsorten (Gesamtzahl in Klammern)

Anhiingesymbole aus Buchstaben und bis zu 2 Ziffem nach DIN EN SIS Al und AI-Legierungen,
Halbzeug, Bezeichnung der Werkstoffzustande

Symbol Zustand Bedeutung der 1. Ziffer Bedeutung der 2. Ziffer


F Herstellungs- keine Grenzwerte fur mechanische keine
zustand Eigenschaften
0 01 weichgegliiht I hocherhitzt, langsam abgekiihlt
02 2 thermomechanisch behandelt keine
03 3 homogenisiert
H kaltverfestigt 1 nur kaltverfestigt 2: I/4-hart, mittig zwischen Zustand 0 u. Hx4
2 kaltverfestigt - riickgegliiht 3: I/2-hart, mittig zwischen Zustand 0 u. Hx8
H34 3 kaltverfestigt + stabilisiert 4: 3/4-hart, rnittig zwischen Zustand Hx4 u. Hx8
4 kaltverfestigt + einbrennlackiert 8: vollhart, hiirtester Zustand gegeniiber 0
9: extrahart
W ltisungs- instabiler Zustand fur Legierungen, die nach Ltisungsgliihen sofort ausharten. Wird durch
gegliiht angehiingte Zeit fur das Kaltauslagem eindeutig (z. B. WIh)
T wanne- 1: aus Warmformtemperatur abgeschreckt + kaltausgehiirtet
behandelt 2: aus Warmformtemperatur abgeschreckt + kaltverfestigt + kaltausgehiirtet
3: ltisungsgegliiht + kaltverfestigt + kaltausgehiirtet
4: ltisungsgegliiht + kaitausgehiirtet (stabiler Zustand)
5: aus Warmformtemperatur abgeschreckt + warmausgehiirtet
6: ltisungsgegliiht + warmausgehiirtet
7: ltisungsgegliiht + iiberhiirtet stabile
8: ltisungsgegliiht + kaltverfestigt + warmausgehiirtet Zu-
9: ltisungsgegliiht + warmausgehiirtet + kaltverfestigt stiinde

Die Zustiinde T3, T4, T5, T6, T7 und T8 haben zahlreiche weitere Unterteilungen mit bis zu 3 Ziffern nach Norm.

Erhiihung der Festigkeit urn ARm im Zustand Hx8 gegeniiber Zustand 0 Beispiele:

Rm ARm Rm ARm Rm ARm H24: (H2) kaltverfestigt +


weich (0) hart Hx8 weich (0) hart Hx8 weich (0) hart Hx8 riickgegliiht, (4) auf
bis 40 55 105 ... 120 90 245 ... 280 110 3/4-hart verfestigt,
45 ... 60 65 125 ... 160 95 285 ... 320 115
H18: (HI) kaltverfestigt, (8)
65 ... 80 75 165 ... 200 100 325 ... mehr 120
vollhart
85 ... 100 85 205 ... 240 105

551
Werkstofftechnik

2.2. Unlegiertes Aluminium Reihe 1000

Al bildet wegen seiner groBen Affinitat zum Sauerstoff an der Luft eine dUnne, aber dichte, festhaf-
tende Oxidschicht, die ihr Kristallgitter auf dem des Grundwerkstoffes aufbaut (Epitaxie) und die
es vor weiterem Angriff schUtzt. Laugen und manche Sauren (HCI) und Salze (Halogenide) IOsen
sie auf. Die Oxidschicht kann durch anodische Oxidation verstarkt werden.
Verwendung des Reinaluminiums: Lager- und TransportHisser, Verpackungsmittel, Haus- und
KUchengerat, elektrische Leitwerkstoffe flir Kabel, Stromschienen und Freileitungen (hartgezogen),
Kondensatoren und Kabelmantel. Eloxierte Halbzeuge im Bauwesen und Fahrzeugbau zur Dekora-
tion und hochglanzend flir Reflektoren, Plattierwerkstoff flir AI-Legierungen,
Al ist Reduktionsmittel (Granulat) flir hochschmelzende Metalle (Thermit-Verfahren), AI-Pulver
flir Farben (Hammerschlaglack).

2.3. AI-Knetlegierungen

Die LE sollen die niedrige Streckgrenze anheben, ohne daB die Korrosionsbestandigkeit verloren-
geht. Das kfz. AI-Gitter kann nur wenige Prozente dieser LE IOsen und Mischkristalle bilden. Die
Fremdatome erhohen den G1eitwiderstand (damit die Streckgrenze) bei Erhalt der Verformbarkeit.
AI-Mischkristalle haben eine mit sinkender Temperatur abnehmende Loslichkeit. Bei der AbkUh-
lung finden sekundare Ausscheidungen statt (Segregat an den Komgrenzen). Dadurch sind einige
Legierungstypen aushartbar.
Korrosionsbestandigkeit. Das edlere Element Cu vermindert schon in Anteilen von 0,1 %0 die
gute Bestandigkeit des reinen AI. AICu-Legierungen sind deshalb nicht ausreichend witterungsbe-
standig. Sie konnen als Blech und Band mit Rein-AI plattiert geliefert werden.
Oberflachenbehandlung: Bei allen AI-Legierungen laBt sich die natiirliche Oxidschicht verstar-
ken. Sie ist elektrisch isolierend, hart und mikroporos, so daB sie Farben und Schmiermittel in ge-
ringem MaGe festhalten kann. Dekorativ wirkende Schichten (gleichmaBige Farbung und hochglan-
zend) lassen sich nur mit bestimmten Sorten erzielen (GJanzlegierungen mit 99,5 % AI, Mg und
ohne Cr), VerschleiBschutzschichten (hartanodisieren) bei allen Sorten moglich.

2.3.1. Nicht aushartbare Knetlegierungen

Diese Sorten erhalten hohere Festigkeiten durch die Mischkristallverfestigung der LE in Verbin-
dung mit der Kaltverfestigung, die sich bei der Herstellung einstellt, z. B. Kaltwalzen von Blech.
Die Festigkeiten im Halbzeug liegen zwischen 100... 310 N/mm2 je nach Legierung und dem Grad
der Kaltumformung. SchweiBen flihrt zum Festigkeitsabfall in der WEZ.
Reihe 3000 AI Mn (+Mg) mit Eigenschaften ahnlich A199,9 mit etwas hOheren Festigkeiten und
Bestandigkeit gegen Alkalien. Gut IOt-, schweiB- und kaltumformbar. Mn erhOht die Rekristallisa-
tionsschwelle und dadurch die Warmfestigkeit.
Anwendung flir Dachdeckung und Fassaden, Gerate der Nahrungsmittelindustrie, Kemwerkstsoff
von lotplattiertem Blech flir Wlirmetauscher.
Reihe 4000 AISi (+Fe, Mg, Ni). Si emiedrigt den Schmelzpunkt (bei 12,5 % eutektischer Punkt)
und ist mit 0,8 ... 13,5 % enthalten. Eine aushartbare Sorte (AI SilFe) als Blech.
Anwendung: SchweiBzusatzdrahte (wenig Si), Schmiedekolben: (4032 [AI SiI2,5MgCuNi] mit ge-
ringerWarmedehnung, Lotplattierung: 4343 [AI Si7,5] oder4045 [AI SilO] auf 3103 [AI Mnl] flir
Warmetauscherbleche.

552
V. Nichteisenmetalle

Reihe 5000 Al Mg (+ Mn) mit erhohter Korrosionsbestiindigkeit gegen Seewasser, starker verfesti-
gend als Al Mn. Gute SchweiBbarkeit bei > 2,5 %Mg-Gehalt, bei niedrigen (Mg+Mn)-Gehalten gut
kaltformbar. Anwendung: Statisch beanspruchte Konstruktionsteile im Fahrzeug- und Schiftbau
(Bootsriimpfe), Untertagegerate. Mn ergibt hohere Festigkeit bei StrangpreBprofilen und bessere
Warmfestigkeit gegeniiber AIMg-Sorten.

Tafel V.l. Auswahl von Aluminiumknetlegierungen DIN EN 573


SorteENAW- Beispiele
Stoff- Chemische Symbole mit
Nr. Zustandsbezeichnung (all)

Reihe 2000 aushfutbar Mechanische Werte jeweils fiir das Beispiel


2117 AICu2,5Mg-T4 (F31 ka) 310 12 (Driihte < 14 rom), Niete, Schrauben
2017A AICuM4MgSi-T42 390 12 Platten fiir Vorrichtungen, Werkzeuge
2024 AICu4MgI-T42 420 8 (Blech < 25 mm) Flugzeuge, Sicherheitsteile
2014 AICu4SiMg-T6 420 8 (Schmiedestiicke), Bahnachslagergehiiuse
2007 AICuMgPb-T4 (F34 ka) 340 7 Automatenlegierung, Drehteile

Reihe3000 Mechanische Werte jeweils fiir Blech 0,5 ... 1,5 rom (Aso)
3103 AIMnl-F (W9) 90 19 Diicher, Fassadenbekleidungen, Profile, Niete,
AIMnl-H28 (F21) 185 2 Kiihler, Klimaanlagen, Rohre, FlieBpreBteile
3004 AIMnIMgI-O (WI6) 155 14 Getriinkedosen, Bander fiir Verpackung,
AIMnIMgI-H28 (F26) 260 2

ReiheSOOO Mechanische Werte jeweils fiir Blech 3 ... 6 rom (Aso)


5005 AIMgI-O (WIO) 100 ... 145 22 FlieBpreBteile, Metallwaren
5049 AIMg2MnO,8-0 (WI6) 190 ... 240 8 Bleche fiir Fahrzeug- u. Schiffbau,
-H16 (F26) 265 ... 305 3
5083 AIMg4,5MnO,7-0 (W28) 275 ... 350 15 Formen (hartanodisiert), Schmiedeteile,
-H26 (035) 360 ... 420 2 Masch.-Gestelle, Tank- u. Silofahrzeuge
Reihe 6000 aushfutbar Mechanische Werte jeweils fiir das Beispiel
6060 AIMgSi-T4 130 15 StrangpreBprofile aller Art, FlieBpreBteile
6063 AIMgO,7Si-T6 280 Pkw-Riider u. Pkw-Fahrwerkteile
6082 AIMgSilMgMn-T6 310 6 Schmiedeteile, Sicherheitsteile am Kfz
6012 AIMgSiPb-T6 (F28) 275 8 Automatenlegierungen, Hydr.-Steuerkolben

Reihe 7000 aushfutbar Mechanische Werte fiir Blech unter 12 mm


7020 AIZn4,5MgI-O 220 12 Cu-frei, nach dem SchweiBen selbstaushiirtende
-T6 350 10 Legierung
7022 AIZn5Mg3Cu-T6 (F45wa) 450 8 Maschinen-Gestelle, } iiberaltert (T7) gut be-
7075 AIZn5,5MgCu-T6 (F53wa) 545 8 Schmiedeteile, standig gegen SpRK

2.3.2. Aushartbare Knetiegierungen


Reihe 2000 Al Cu (+Mg, Mn, Si, Pb). Hochfeste Legierungen mit hoher Bruchdehnung (13 %).
Sie werden kaltausgehiirtet (T4) eingesetzt, durch den Cu-Gehalt nur geringe Korrosionsbestiindig-
keit, besonders im Zustand warmausgehiirtet (T6). Verbindung durch Nieten, Druckfiigen u. a., da
beim SchweiBen eine Entfestigung eintritt. Anwendung: Hochbeanspruchte Bauteile im Fahrzeug-,
Ingenieur- und Maschinenbau, wenn die geringe Korrosionsbestiindigkeit nicht stOrt: Zahnrader,
PreBbleche, Formwerkzeuge fiir Kunststoffe (hartanodisiert), Bleche und Schmiedeteile fUr Flug-
zeugbau, Grubenstempel (Schildvortrieb).
Reihe 6000 Al MgSi (+Mn, Cu). Kalt- und warmaushiirtbare Legierungen, davon 4 fUr die E-Tech-
nik. Die Aushiirtung wird durch die Phase Mg 2Si bewirkt. Die Sorten sind schweiBbar, korrosions-
bestiindig, jedoch nicht dekorativ anodisierbar. Anwendung: Profile fUr aIle Zwecke im Bauwesen,
fUr Fahrzeug- und Schiffsaufbauten, Wiirmetauscher, RoIltore, Waggontiiren. Hockerplatten fiir
transportable Briicken.

553
Werkstofftechnik

Reihe 7000 AIZn (+Mg, Cu). Konsruktionslegierungen hochster Festigkeit mit geringerer Bestlin-
digkeit. Fur die Luftfahrt werden deshalb Bleche mit AIZn 1 plattiert.
Anwendung lihnlich wie Reihe Al Cu: Gesenk- und Frlisteiie fUr den Flugzeugbau, hartanodisierte
Formen zum Tiefziehen von AI-Blech.
2.4. Aushartung der AI-Legierungen
Wlirmebehandlung, bei der die Streckgrenze erhoht wird, ohne daB die Dehnung wesentlich sinkt.
(Kristalline Vorgange unter IV.2.4). Intermetallische Phasen entstehen, wenn Cu+Mg oder Mg+Si,
bzw. Mg+Zn enthalten sind.
Arbeitsgange beim Aushlirten: (1) Losungsbehandeln (homogenisieren) bei 480 ... 540°C. Nach
beschleunigtem Abkuhlen entstehen uberslittigte Mischkristalle. (2) Auslagem bei RT (Kaltaus-
lagem oder bei 110 ... 165°C (Warmauslagem). Unmittelbar nach der Losungsbehandlung ist der
Werkstoff noch weich, die Streckgrenze steigt langsam an (4 ... 40 h).
Al Zn4,5Mgl ist so iegiert, daB sie nach dem SchweiBen in der WlirmeeinfIuBzone ohne Nachbe-
handlung wieder aushlirtet. Selbstaushlirtung kann auch bei einigen GuBlegierungen durch be-
schleunigte Abkuhlung auftreten. Deshalb Festigkeitsproben erst nach ca. 8 Tagen nehmen.
2.5. Erzeugnisformen fUr AI-Legierungen, Normen fur mechanische Eigenschaften
Erzeugnisformen Normen Reihen Erzeugnisformen Normen Reihen
DIN ...... Sorten!) DIN ...... Sorten!)

Gesenkschmiede- EN 586-2 2000.5000 stranggepreBte prEN 755-2 auBer4000,


stiicke 1749-1 6000,7000 Stangen, Rohre. Profile 1748-1 und 8000
Drlihte, Anforderung prEN 1301-2 alle bis Bleche, Bander. EN 485-1 alle
Drahte, mech. Eig. 1790-1 auf 4000 Platten Reihen

gezogene prEN 754-2 1000,2000 Folien prEN 546-2 tOOO,6000


Stangen, 1747-1 5000,6000 Butzen zurn
Rohre 1746-1 7000 Strangpressen TL EN 570 1000,6000
Vonnaterial fUr prEN 683-2 WOO, 3000 HF~geschweiBte prEN 1592-2 3000, SOOO,
Wannetauscher 6000.8000 Rohre 1746-1 (6000),7000
Vormaterial fUr Dosen, 3000.5000, nicht fUr Kontakt mit 2.000 und 7.000 sowie Pb-,
Deckel, Verschliisse 6000,8000 Lebensmitteln geeignet Bi- und Li-haltige Sorten
I) jeweils die Hauptsorten innerhalb der Reihen

2.6. AI-Gu6Iegierungen
Kurzname GieBart GieBen
SchweiBen
Stoff-Nr. Rm RpO,2 A50mm HB Bemerkungen
Polieren
nach DIN EN 1706 Zustand Bestandigkeit
EN AC-AI Sil2(a) S F 150 70 5 50 A A D B diinnwandige, stoB-
-44200 K F 170 80 6 60 feste Teile aller Art
EN AC-AI Sil2(Cu) K F 170 90 2 55 A A C C weniger zlih und
-47000 bestandig als oa.
EN AC-AI Si9Mg S T6 230 190 2 75 A A D B Beschlage zum
-43000 K T64 250 180 6 80 AnschweiBen,
Kfz-Bremsteile
EN AC-AI Sil2CuNiMg K 75 200 185 <1 90 A A C C erhiihte Warmfestig-
-48000 keit bis 200°C
ENAC-AIMg3 S F 140 70 3 50 C/O C A A Beschlagteile f. Bau- u.
-5tOOO K F 150 70 5 50 Kfz-Technik, Schiffbau
EN AC-AI Cu4MgTi F T4 300 200 5 90 C/O C B D einf. GuBstiicke hoch-
-21000 K T4 320 220 8 90 fest und -ziih
GieBart: S SandguB; K KokillenguB, F FeinguB. Wertung: A ausgezeichnet. B gut, C annehmbar, D unzureichend

554
v. Nichteisenmetalle

3. Kupfer
3.1 Ubersicht uber die Normen fur Cu- und Cu-Legierungen
Werkstoffe aus Kupfer und seinen Legierungen waren bisher getrennt in Werkstoff- und Erzeugnis-
normen zusammengefaBt. Sie sind fast alle zuruckgezogen und durch DIN EN Normen ersetzt.
Bezeichnung DIN-Nr. (Z) Bezeichnung DIN-Nr. (Z)
Cu·Gu8legierungen Cu·Knetlegierungen
Kupfer 1708 Kupfer im Halbzeug 1787
CuSn und CuSnZn (RotguB) 1705 CuZn (Messing) 17660
CuZn und CuZn+LE 1709 Cu-Sn (Bronze) 17662
CuAI 1714 CuSnZn (NeusiJber) 17663
CuSnPb (Bleibronze) 1716 Cu-Ni 17664
Cu-GuBwerkstoffe, niedriglegiert 17655 CuAI 17665
CuNi 17658 Niedrig1egierte Cu-Werkstoffe 17666

Die EN-Normung verzichtet auf einzelne Werkstoffnormen, Mittelpunkt sind die Erzeugnisnormen.
Sie enthalten die Analysen der geeigneten Cu-Knetwerkstoffe, Lieferbedingungen und Lieferfor-
men. Alle Cu-GuBwerkstoffe sind in einer Norm DIN EN 1982 zusammengefaBt.

DIN EN Bezeichnung: - Legierungssysteme und Anzahl der Sorten


Norm/Jahr Kupfer u. Kupferlegierungen- ... CuSn Cu u.Cu- CuAI CuNi CuNi CuSn CuZn
Pb niedrig1eg. Zn (+Zn) (+LE)
Blockmetalle und Gu8stiicke
1976 - gegossene Rohformen 4 4+9 10 2 - - 12+12
1982/98 - Blockmetalle und GuBstiicke 4 5 - 6 4 - 5+9 -14
Walzprodukte
1652/98 - Platten, Bleche, Bander, Streifen und 5+6 1 4 5 5 9+7
Ronden f. allgemeine Verwendung
1653/98 - Platten, Bleche und Ronden fiir Kessel, 2 3 2 - - -4
Druckbehalter, Warmwasserspeicher
1654/98 - Biinder fUr Federn u. Steckverbinder 6 - 5 - 5 -4
Rohre
12449/99 - nahtlose Rundrohre f. allg. Verwendung 1+3 - 2 2 5 15+9
12451/99 - nahtlose Rundrohre f. Wiirmeaustauscher 1 - 1 3 - -3
12452/99 - nahtlose Rippenrohre fUr Wiirmeaustauscher 1 - - 2 - - -2
Stangen, Profile, Driihte
12163/98 - Stangen f. allgemeine Verwendung 3+11 6 2 2 4 10+10
12164/00 - Stangen f. spanende Bearbeitung 4 - - 4 4 16+7
12166/98 - Driihte f. allgemeine Verwendung 1+12 - - 7 4 16+4
12167/98 - Profile und Rechteckstangen f. aUg Verwdng. 2+9 6 - 7 2 24+12
12168/00 - Hohlstangen f. spanende Bearbeitung 1+2 - - - - 14+5
Schmiedestiicke und Schmiedevormaterial
12165/98 Vormaterial fUr Schmiedestiicke 4+9 110 2 1- - 12+12
12420/99 Schmiedestiicke 2+4 1 4 2 - - 10+4

3.2. Bezeichnung der Cu-Werkstoffe


Mit Ausnahme der unlegierten Cu-Werkstoffe gelten in den DIN EN-Normen die bisherigen Kurzna-
men aus chemischen Symbolen und Prozentzahlen. Weitere Angaben erfolgen durch Anhiingesymbole.
Tafel V.I. DIN EN 1173 Kupfer und Kupferlegierungen, Zustandsbezeichnungen. Anhiingesymbole
aus einem Buchstaben und 3 Ziffem flir bestimmte Eigenschaftswerte.
Symbol Eigenschaft Kennwert mit Beispiel Symbol Eigenschaft Kennwert mit Beispiel
A Bruchdehnung in % A005: A -5 % B Federbiegegrenze B370: O'bzul - 370 MPa
DI) Gezogen, ohne vorgeg. mech. Eigenschaften G KorngroBe
H Hiirte HB oder HV H030 HB10 oder H120 HV MIl wie gefertigt, ohne vorg. mech. Eigenschaften
R Zugfestigkeit R700: Rm = 700 MPa Y 0,2-Dehngrenze Y350: RpO.2 = 350 MPa
l) Die Buchstaben D uDd M werden ohoe weitere Bezeichnungen verwendet
555
Werkstofftechnik

DIN EN 1412 Kupfer und Kupferlegierungen, Europaisches Nummemsystem. Die Normangabe


besteht aus 6 Zeichen.
1. Zeichen C flir Kupfer I Zeichen 3 ... 5 sind Zahlziffem
2. Zeichen: Buchstabe flir die Erzeugnisform 6. Zeichen: Buchstabe flir das Legierungssystem
B B1ockform zum Umschme1zen A,B Kupfer J CuNiZn
C GuBerzeugnis C,D Cu. niedrig1egiert. L LE < 5 % K CuSn
F SchweiBzusatz. Har!lote
E,F Legierungen, L LE > 5 % L,M CuZn-Zweistoffiegierungen
R raffiniertes Cu in Rohform
S Werkstoff in Form von Schroll G CuA1 N,P CuZnPb
W Knetwerkstoffe H CuNi R,S CuZn-Mehrstoffiegierungen

3.3 Reinkupfer und niedriglegiertes Kupfer


Cu muB fUr Leitzwecke hochste elektrische Leitwerte besitzen. Flir Verwendung aIs Bedachung
und Rohrleitung muB es frei von Sauerstoff sein, damit beim Laten und SchweiBen kein Wasser-
dampf durch Reduktion des CuO durch H-haltiges Gas entsteht, der zu Rissen fUhrt (Wasserstoff-
krankheit). Die Desoxidation kann durch P-Zugabe erfolgen, die jedoch den Leitwert stark senkt.

Tafel V.2 Vergleich der Roh-Cu-Sorten DIN EN 1976 und DIN 1708 (Z)
O-ha1tiges CU O-freies Cu, O-freie Cu
nieht desoxidiert mit P desoxidiert Bedeutung der Zeichen
EN 1976 (DIN 1708) EN 1976 (DIN 1708) EN 1976 (DIN 1708)
ECu-ETPl (~) Cu-OF, (OF-Cu) CU-PHC (SE-Cu) 1: hochster e1ektr. Leitwert (58,58)
Cu-ETP, (EI-Cu58) Cu-OFEl) (~) Cu-PHCE, (~) E: (v om), e1ektro1ytisch raffiniert
Cu-FRHC (E2-Cu58) Cu-DLP (SW-Cu) E: (hinten), vakuumgeeignet
Cu-FRTP (F-Cu) Cu-DHP (SF-Cu) F: feuerraffiniert
Cu-DXP (~) LP: P-% niedrig HP: P-% hoher
1) Sorte mit gepriifter Haftung OF: Oxygen free, TP: ziihgepolt
der Zunderschicht HC: high conductivity (Leitfiihigkeit)

Tafel V.3 Kupfersorten fur Drahtbarren, WaIzplatten und Rundblocke DIN EN 1976 (ersetzt DIN 1708)
Kurzzeichen Eigenschaften und Verwendung
Cu-ETP E-Technik, E1ektronik, bei Anforderung an hochste Leitfahigkeit
Cu-FHRC wie vaT, auch flir Schmiedestticke allgemeine Verwendung
Cu-OF wie VOT, nieht desoxidiert, wasserstoffbestandig, schweiB- und IOtgeeignet. Rm = 200 Mpa, A = 35 %
-OFE frei von verdarnpfenden Elementen flir die Vakuumtechnik
Cu-PHC E-Technik, hohe Leitflihigkeit und Umformbarkeit, P1attierwerkstoff
-PHCE Freiformschmiedestticke flir allgemeine Verwendung, Vakuumtechnik
Cu-DLP Allgemeine Verwendung, flir Apparatebau, gut 10t-, schweiB- und ka1tformbar
Cu-DHP Allgemeine Verwendung, flir Rohrleitungen, Bauwesen, Apparate bei hohen Anforderungen an SchweiB-, Lot-
und Umformbarkeit, auch Schmiedetei1e Rm = 200 MPa, A = 33 %
CuAgO,1O insgesamt, 10 Ag-haltige Sorten (0,04, 0,07 und 0,1 %), an1aBbestandig, mit hoher e1ektrischer Leitfiihigkeit,
O-haltig, P-oxidiert oder O-frei
1) Halbzeugarten sind: Platten, Bleche, Bander, Rohre, Stangen, Drahte, StrangpreBprofile

3.3 Kupferlegierungen, Allgemeines


LE sollen die niedrige Festigkeit des Cu bei Erhaltung der Duktilitat und Bestandigkeit erhohen.
Dabei wirken Mischkristallverfestigung, Kaltverfestigung und Komgrenzenverfestigung durch
feinkomige Geftige gemeinsam. Bis aufNi sind die anderen LE nur zwischen 2.5 % (Be) und 37 %
(Zn) IOslich und bilden homogene Mischkristallgefiige. Bei hoheren Anteilen an LE entstehen in-
termetallische Phasen. Die Zustandschaubilder sind kompliziert mit zahlreichen Feldem und Um-
wandlungen im festen Zutand. Die zweiphasigen Geftige haben geringere Duktilitat, sind aber bes-
ser spanbar und meist warmumformbar. Dritte und vierte LE sollen bestimmte Eigenschaften ver-
bessem: Pb die Spanbarkeit, Mn die Warmfestigkeit, Ni und Al die Korrosionsbestandigkeit.
Die elektrische Leitfiihigkeit wird durch Mischkristallbildung stark gesenkt. Nur Cd, Ag und Zn
wirken gering. Fiir hohere Festigkeit und Harte (VerschleiBwiderstand) sind geringe Anteile « 1 %)
von seltenen Erden als intermetallische Phase enthalten, einige Sorten sind aushiirtbar.

556
V. Nichteisenmetalle

3.4 Niedriglegierte Cu-Sorten, (Auswahl aus 20 Sorten)


Sorte Eigenschaften, Anwendung
CuFe2P Kombination von Eignung flir Stanzen, Kalt- und Warmumformen, Loten, SchweiBen. Anlauf- und
korrosionsbestandig, hohe Leitfiihigkeit fUr Warme und Strom. Warmetauscher Rm = 200 MPa, A = 40 %
CuBel,7 warmaushiirtbar bis Rm = 1300 MPa f. Kontaktfedem, CuzBe2 f. nichtfunkende Werkzeuge
CuCrlZr warmaushlirtbar bis Rm = 470 MPa, hohe Leitfiihigkeit, Elektroden zum PunktschweiBen, Schleifringe,
Kollektorlamellen
CuNi2Si warmaushiirtbar bis Rm = 640 MPa, mittlere Leitfiihigkeit, rauchgasbestiindig, Freileitungsarmaturen

3.5 Kupfer-Zink-Legierungen (Messing)


1100
A~ Schmelze 56 Knetlegierungen, Sorten: CuZn (9), CuZnPb (24), CuZn+Zusatze (23)
1000
14 GuBiegierungen, Sorten: CuZnPb (6), CuZnAI(4), CuZnMn (2), As, Si (je I)
900 5d!me/ze ~ f::::::::..J Schmelze + !l

8\[ """'~ H MK-Gebiet bis ca. 37 % Zn mit homogenen kfz.-Knetlegierungen. Sorten rechts da-
1/
800
\ ~ von enthalten die ~-Phase (krz), harter und spriider (IP, Bild in Tafel. 11.5) gut wann-
"
,
.~ 700

1\
fonnbar bei 600 0c. Zu diesen heterogenen Sorten gehoren die GuBiegierungen und

",' ,.,
~ 600 hoherfesten Sorten mit weiteren LE. Bei Zn-Gehalten > 50 % tritt eine extrem spro-
~
>io' 500 de y-Phase auf. Diese Legierungen sind technisch nicht brauchbar. Pb (max 4%) ist

~ ~
E
unlOslich und verbleibt auf den Korngrenzen. Mit steigendem Pb-Gehalt steigt die
"" a. ~
.~

W+1 Zerspanbarkeit, die Kaltumfonnbarkeit sink!. Die weiteren LE sind in der a-Phase
300
I IOslich und verbessern Festigkeit, Korrosionsbestandigkeit und Gleiteigenschaften.
zoo
Sie engen das Mk.-Gebiet ein, wodurch bei kleineren Zn-Gehalten heterogene Gefii-
100
" Cu-Zn
90 80 60 50 <f)

Zustands-Diagramm ge mit der ~-Phase entstehen. Hierzu gehoren auch die CuZn-GuBiegierungen.

CuZn -Knetlegierungen
Kurzzeichen Zu- A Verwendungs- Kurzzeichen Nummer Zu- A Verwendung-
Nummer stand % beispiele (DIN 17675 Z stand % beispiele
CuZnlS R260 38 DruckmeBgerate, CuZn39Pb3 CW614N R380 18 Stg., Profile f. Drehteile
CW502L R350 4 HUlsen R430 10 auf Automaten
CuZn20 R270 38 Metallschliiuche CuZn40Pb2 CW617N R380 35 Profile als WarmpreB-
CW503L R400 5 R600 8 teile, Schmiedestticke
CuZn30 R280 40 Fedem, Tiefziehteile CuZn43Pb2 CW623N R430 15 dlinnwandige
CW505L R420 6 R480 5 StrangpreBprofile
CuZn33 R280 40 Drahtgeflecht, Atz- CuZn20AI2As CW702R R340 45 Rohre geglliht bestiindig
CW506L R420 6 Platten (CuZn40AI2) R390 40 g. See wasser u. SpRK
CuZn37 R300 38 Blech, Stg, Profile, CuZn31Sil CW708R R460 22 kaltformbar, Rohre
CW508L R480 3 Drlick-, Priigeteile (CuZn31Sil) R350 12 Lagerbuchsen
CuZn40 R340 33 Stg .. Profile. SchloB- CuZn38MnlAil CW716R R490 18 St!. witterungsbestiindig
CW509L R470 6 u. Beschlagteile (CuZn37All) R550 10 flir Gleitelemente
CuZn3SPbl R290 40 Blech, gut warm-, CuZn38SnlAs CW717R R340 30 Bleche, Rohrboden f.
CW600 R470 5 kaltform- und spanbar (CuZn38Snl) Kondensatoren
mechanische Werte gelten fUr Bleche bis 2,5 mm, CuZn40Mn2Fel CW723R R420 12 Stg. Profile, lotbar,
rechte Tafel fUr das jeweilige Halbzeug (CuZn40Mn2) R470 18 witt.-best. Annaturen

CuZn-Gu61egierungen
Kurzname Nummer GieBart Rm RpO.2 A HB Eigenschaften, Beispiele
(DIN 1709 Z) MPA % --; Hiirte nur Anhaltswerte
CuZn33Pb2-C CC750S -GS, 180 70 12 45 bestandig gegen Brauchwasser bis zu
(G-Cu33Pb) -GZ 50 90 'C, gut span bar
CuZnlSAs-C CC760S -GS 160 70 20 45 sehr gut lotgeeignet, meerwasserbestandig, fUr
(G-CuZnI5) Flansche u.a. im Schiffbau
CuZn16Si4-C CC761S -GS 400 230 10 100 meerwasserbestandig, dlinnwandig vergieBbar
(G-CuZnI5Si4) -GM 500 300 8 130 schweiBbar
CuZn2SAISMnFe3-C CC762S -GS 750 450 8 180 sehr hoch belastete GleitIager und Schnecken-
(G-CuZn25AI5) -GM 750 480 8 180 radkranze (niedrige Gleitgeschwindigkeit)
CuZn34Mn3AI2Fel-C CC764S -GS 600 250 15 140 mittlere Spanbarkeit, flir statisch hoch belastete
(G-CuZn34AI2) -GZ 620 260 14 150 Venti 1- und Steuerungsteile
CuZn3SMn2AIlFel-C CC765S -GS 450 170 20 110 Mittel belastete Druckmuttem, Gleit- und
(G-CuZn35All) -GC 500 200 18 120 Gelenksteine, Schiffspropeller
CuZn37AIl-C CC766S -GM 450 170 25 105 mittlere Festigkeit, nur fUr KokilienguB fUr aile
(G-CuZn37 All) Zweige
CuZn38AI-C CC767S -GM 380 130 30 75 be stan dig gegen atmospharische Korrosion,
(G-CuZn38AI) KokilienguBteile f. E-Technik u. Masch.-Bau

557
Werkstofftechnik

3.6 Kupfer-Aluminium-Legierungen
1200 9 Knetlegierungen, Sorten: CuAISi (2), CuAIFe (4), CuAINi (2)

%
Schmelze
1100 6 GuBiegierungen, Sorten: CuMnAI (I), CuAIFe (3), CuAINi (1)
A
rooo 5chmeize+ Homogene Gefiige bis 9 ca. % Al (nach Warmumformung, dariiber Anteile der
.~

!.O 900
SChme/ZE· Cl
~
Phase ~, die bei 565 DC eutektoid in ein Gemisch aus (a + y) zerfallt, bei schnel-
1; 0.+13 l3+y ler Abkiihlung auch martensitische Umwandlung. Durch die Harte des Eutek-
~ 800 F
~ toids sind nur Legierungen bis II % Al brauchbar. Die Elemente Fe, Mn, und
.. 700
a
Fe+Ni beeinflussen den ~-Zerfall zu besseren Eigenschaften und bewirken Fein-
600 kom sowie hohere Warm- und Dauerfestigkeiten, Al bewirkt hohe Korrosions-
6~
500 bestandigkeit aber schlechte Lotbarkeit durch AI-Oxidschicht. Hohe Dauer-
U+12 festigkeit auch in korrodierenden Medien. Die Dichte sinkt auf 7,6.
!'{)o
a ,
2 6 8
t1iJnen-% Ai
10 12
" GuBiegierungen mit ahnlicher Zusammensetzung fiir GuBteile hoher Zahigkeit,
Zustands-Diagramm auch bei tiefen Temperaturen (kein Steilabfall).

Cu-AI-KnetIegierungen (Auswahl)
Kurzzeichen Stoff-Nr. Zu- ~O,2 A Eigenschaften, Anwendungen
(DIN 17675 Z) stand Pa %
CuAl8Fe3 CW303G R450 200 30 Platten u. Bleche f. allg. Verwendung und f. Kessel, wannfest
(CuAI8Fe3) R480 210 30 bis 300 DC, Schmiedestiicke, korrosionsdauerfest
CuAl9Ni3Fe2 CW304G R490 180 20 sehr gut schweiBbar, warmfest, Verbunde aus GuB mit
(CuAI9Ni2) Knetwerkstoff, Platten u. Bleche fiir Kessel, Schmiedestck.
CuAllOFe3Mn2 CW306G R590 330 12 zunderfest, Stangen, Schmiedestiicke f. Maschinen,
CW306G (neu)- R690 510 6 Schrauben, Spindeln, Zahn- u, Schneckenrader
CuAllONiSFe4 CW307G R590 230 14 wannfest, kavitationsfest, Platten u. Bleche fiir Kessel,
(neu) R620 250 14 Stangen. Mech. und chern. hochbeanspruchte Teile
CuAlllFe6Ni6 CW308G R750 700 (5) Stangen f. allg. Verwendung, bOchste Festigkeit, fiir
(CuAl11Ni6Fe5) stoBbelastete VerschleiBteile, Umforrnwerkzeuge

Cu-AI-Gu6Iegierungen DIN EN 1982 (Auswahl)


SOfte Stoff-Nr. GieB- Rm R pO,2 A HB Eigenschaften, Anwendungen
(DIN 1714 Z) art MPa %
CuAllOFe2-C CC331G- -GS 500 180 18 100 bestiindig gegen Mineralsauren (nicht HN0 3)
(G-CuAll OFe) -GM 600 250 20 130
CuAII ONi3Fe2-C CC332G -GS 500 180 18 100 Wie Knetwerkstoff CW304G, HeiBdampf-
(G-CuAI9Ni) -GM 600 250 20 130 armaturen, Teile f. Lebensmittelverarbeitung
CuAllOFeSNi5-C CC333G -GM 650 280 7 150 Schiffpropeller, Stevenrohre, Laufrader u.
(G-CuAllONi) -GZ 650 280 13 150 Gehause von Pumpen f. Meerwasser
CuAlllNi6Fe6-C CC334G -GS 680 320 5 170 Gleitlager fiir StoBbelastung, Kurbel- und
(G-CuAllINi) -GM 750 380 5 185 Kniehebellager

3.7 Kupfer-Zinn-Legierungen
11 Knetiegierungen, Sorten: CuSn (5), CuSnPb (5); CuSnTe CuSnPb (4)
18 GuBiegierungen, Sorten: CuSn (2), CuSnPb(P)(2), CuSnNi (I), CuSnZn (9) l'

CuSo: Breites Erstarrungsintervall fiihrt zu starken Kristallseigerungen, SO daB ho-


mogene Cu-MK nur bis zu etwa 6 % entstehen, Dariiberhinaus enthalten die Legie-
rungen das hartere Eutektoid (a + l) mit der intermetallischen Phase l), Bei Sn-Ge-
halten von 5 ", 12 % bestehen die GuBiegierungen aus einer harten (a + l)- Matrix
mit weicheren CuSn-Mischkristallen, Diese heterogenen Gefiige haben gute Gleit-
300 r---t--t--t---tiH eigenschaften, Mit dem Sn-Gehalt steigt die Korrosionsbestandigkeit (gegeniiber

zoo ~t:::U;:::=J}tJ1
a 10 lG 30
CuZn-Sorten auch bessere Gleiteigenschaften, hOherer Preis),

CuSoZn: Zn-Zusatz, verbilligt und ergibt bessere GieBbarkeit (RotguB) durch die
Zustands-Diagramm Desoxidation mit Zn,

Cu -Sn-Knetlegierungen
Kurz- Stoff-Nr. Rm R pO,2 A Verwendung
zeichen Mpa %
CuSn4 CW450K 290 .. ,610 190 ... 520 40 ... 3 Federn, Schrauben, Bolzen, Rohre und Behalter f. chern, Industrie
CuSn6 CW452K 350 ... 630 300 ... 600 45 ... 5 Kontaktfedern, Wellrohre und Membranen, Bleche. Bander, Rohre
CuSn8 CW453K 370 ... 740 300 .. ,600 50 ... 2 wie vor, mit erhohten Festigkeits- und Gleiteigenschaften,
CuSn3Zn9 CW454K 320 .. 510 230 .. ,430 25 ... 3 Federn, Faltenbalge, Siebbleche, Gewebe

558
V. Nichteisenmetalle

CuSn-Gu81egierungen DIN EN 1982


Sorte Stoff-Nr. GieS-· Rm RpO.2 A HB Eigenschaften, Anwendungen
(DIN 1705 Z) art MPa %
CuSnlO-C CC480K -GS 250 130 18 70 Armaturen und Pumpengehiiuser, Leit-, Lauf- u.
(G-CuSnlO) -GM 270 160 10 80 Schaufelriider f. Pumpen und Wasserturbinen,
gut schweillgeeignet
CuSnllP-C CC481K -GS 250 130 5 60 besser gie8bar durch 0,5 ... 1 % P mit hoher
(-) -GC 350 170 4 85 Festigkeit bei Strang- und Schleudergull
CuSnllPb2-C CC482K -GS 240 130 5 80 hochbeanspruchte Gleitlager, -platten und
(CuSnI2Pb) -GC 280 150 5 90 -Ieisten
CuSn12-C CC483K -GS 260 140 7 80 unter Last bewegte Spindelmuttern, schnell-
(CuSnI2) -GZ 280 150 5 90 laufende Schnecken- und Schraubenradkriinze
CuSn12Ni2-C CC484K -GS 280 160 12 85 Wie vorstehend, bei hochsten Belastungen
(CuSnI2Ni) -GC 300 180 10 95

CuSnZn-Gu81egierungen DIN EN 1982


Sorte Stoff-Nr. Giell- Rm RpO,2 A HB Eigenschaften, Anwendungen
(DIN 1705) art MPa %
CuSn3Zn8PbS-C CC490K -GS 180 85 15 60 brauchwasserbestiindig, diinnwandige Armaturen
(CuSn2ZnPb) -GC 220 100 12 70 « 12 mm) bis 225°C
CuSnSZnSPbS-C CC491K -GS 200 90 13 60 lotbar, flir diinnwandige Konstruktionsteile,
(CuSn5ZnPb) (Rg 5) -GM 220 llO 6 60 Gehiiuse, Dampfarmaturen bis 225°C
CuSn7Zn2Pb3-C CC492K -GS 230 120 15 60 meerwasserbestiindig, Armaturen- u.
(CuSn6ZnNi) -GC 260 120 12 70 Pumpengehiiuse, druckdichte GuBteile
CuSn7Zn4Pb7 CC493K -GS 230 120 15 60 Lagerwerkstoff fiir mittel beanspr. Lager,
(CuSn7ZnPb) (Rg 7) -GM 230 120 12 60 gute Notlaufeigenschaften

3.8 Kupfer-Nickel-Legierungen
Zustands-Diagrarnm 115 Knetlegierungen, Sorten: CuNi (1), CuNiSn (1), CuNiFeMn (2), CuNiZn (11)
Siehe 11.4.4 4 GuBIegierungen, Sorten: CuNiFe (3), CuNiCr (1)
Zusatz yon Fe ergibt Meerwasserbestandigkeit, auch bei hohen Strtimungsgeschwindigkeiten. Zn senkt den Preis
(Neusilber) und erhtiht die Festigkeit. In aushiirtbaren Sorten ist Sn und Cr enthalten. Homogene Gefiige im
ganzen Mischungsbereich mit hoher Kaltformbarkeit und Korrosionsbestandigkeit.
CuNi: Elektrische Widerstandslegierungen, Warmetauscher und Leitungen in Schiffbau und fiir Entsalzungsanla-
gen, GuBteile fiir Lebensmittel-, Getriinke- und chemische Industrie, Miinzlegierung ist CuNi25.
CuNiZn: mit Ni steigt die Korrosionsbestandigkeit, mit Cu die Kaltformbarkeit, mit Zn die Festigkeit.

CuNi-Knetlegierungen
Kurzzeichen Zu- A Halbzeuge Kurzzeichen Zu- A Halbzeuge
Nummer stand % Nummer stand %
CuNi2S R290 40 Platte, Blech, Band, CuNilOFe1Mn R300 30 W.O., Rohre, Stangen
CW350H Ronde CW352H R320 15 Schmiedestiicke
CuNi9Sn2 R340 30 W.O., Federband CuNi30MnlFe R350 35 w.o., Rohre, Stangen
CW351H R450 4 Schmiedestiicke CW354H R410 14 Schmiedestiicke
R560 2 aushiirtbar Mechanische Werte gel ten flir die jeweiligen Halbzeuge

CuNiZn-Knetiegierungen
Kurzzeichen Stoff-Nr. Zu- A Eigenschaften, Anwendungsbeispiele
stand %
CuNi7Zn39Pb3Mn2 CW400J R600 8 warmprellbar, wenig kaltformbar, Bohr-, Friis- und Drehteile f. Optik
CuNil2Zn24 CW403J R340 45 sehr gut kaltformbar, emaillierfahig, Tafelgeriite, Bestecke, Fedem
CuNil2Zn30Pbl CW406J R420 20 gut kaltformbar und zerspanbar, Sicherheitsschliissel, Drehteile fiir die
R500 8 feinmechanische Industrie, Driihte
CuNil8Znl9Pbl CW408J R480 15 Stangen und Profile, anlaufbestiindiger, sonst wie 406J.
R530 8 Schmuckwaren, Reillzeuge, Uhrenteile
CuNil8Zn20 CW409J R500 18 Bieche, Stangen, Profile, gut kaltformbar, anlaufbestiindiger, Brillen,
R550 12 Kontaktfedern
CuNil8Zn27 CW410J R600 6 nur Biinder und Bieche, stakt kaltverfestigend, Federwerkstoff

559
Werkstofftechnik

4. Titan
Eigenschaften:
Geringe Wichte (4,5) bei Festigkeiten der unlegierten Baustiihle, kaltziih bis -200°C, bestandig
gegen LochfraB in chlorionenhaltigen Elektrolyten und gegen Spannungsr~korrosion.
Werkstoff kriecht bei Raumtemperatur, bei hOheren Temperaturen erfolgt Aufnahme von O2 und
N2 aus der Luft, dadurch Verfestigung und Abnahme der Dehnung. Schwe~en nur unter Argon,
Schutz der Nahtwurzel erforderlich. Hohe Kerbempfindlichkeit, schlechte Gleiteigenschaften.
Titan unlegiert DIN 17 850 ist in 4 Sorten genormt, die mit steigendem Sauerstoffgehalt (0,1 ... 0,3 %)
steigende Festigkeiten von 300 ... 540 N/mm2 und Bruchdehnungen von 30 ... 16 % aufweisen.

Titanlegierongen DIN 17851 sind in 12 Sorten genormt. TiA16V4 und TiAl5Sn2 haben Festig-
keiten von 790 ... 890 N/mm2 im gegliihten Zustand bei einer Bruchdehnung von 6 %. TiAl6V4 ist
aushiirtbar. Daneben hefem die Titan-Hersteller weitere legierte Sorten unter Firmennamen (Conti-
met, Tikrutan).
DIN 17 851 enthiilt 4 niedriglegierte (0,2 % Pd) und 8 hochlegierte auf der Basis TiAI mit Zusatzen
von V, Zr, Sn, Fe, Mo, Si. Sieben davon sind in DIN 17 865 flir GuBstiicke vorgesehen. DIN 17 869
Werkstoffeigenschaften von Titan und -legierungen.
Verwendung: Galvano· und Chemotechnik: Heiz· und Kiihlschlangen flir Bader, Elektrodenhalte·
rungen, Beizkorbe. Knochennagel und ·schrauben als Implantate.
Legierungen fUr hochbeanspruchte Teile an Flugkorpem, Rennwagen und -motoren, Rennfahr-
radem, Verdichterteile mit hohen Umfangsgeschwindigkeiten. Triebwerksteile mit hohen Beschleu-
nigungen (Massenkraften). Hierbei wirkt sich die niedrigere Dichte giinstig aus.

Tiduran-Verfahren: 2·stiindige Salzbadbehandlung bei 800°C. Erzeugung einer 40 ... 60 J,lm dicken
Mischkristallzone von 750 ... 850 HV 0,025 mit guten Gleiteigenschaften sowie ErhOhung der
Dauerfestigkeit.

5. Magnesium (DIN 1729, DIN EN 1753)


Eigenschaften:
Geringe Dichte 1,7 kg/dm 3 , weich, in Spanen und Stauben brennbar, bestandig gegen Laugen und
alkalische Losungen, Ole und Kraftstoffe (nicht Methanol). Sauren und Salze, auch Wasser, greifen
Mgan.
Oberflachenschutz durch Umwandlungsschichten durch Chromatisieren (DIN 50939/41), messing-
gelber Oberzug durch Reaktion mit Alkali-Dichromaten + Salpetersaure; galvanische Schichten
oder Lacke.

Verwendung: Reduktionsmittel fUr Titan-Herstellung, KugelgraphitguB, Mg-Anoden fUr katho-


dischen Korrosionsschutz.
Legierungen enthalten Al bis zu 9 %, Mn und Zn. Zn verbessert die schlechte Kaltformbarkeit des
hexagonalen Mg. GroBere Umformungen sind nur bei Temperaturen tiber 300°C moglich. Dabei
entstehen Texturen, d.h. starke Unterschiede in den Eigenschaften langs und quer zur Bearbei-
tungsrichtung. Beseitigung durch Homogenisierungsgliihen (ho).
Mg-Legierungen mtissen beim Zusammenbau mit anderen Metallen isoliert werden, urn Kontakt-
korrosion zu verhtiten.
Hochreines Mg (Hp-Sorten, high purity) mit geringsten Fe-, Ni- und Cu-Gehalten als Basis ergibt
wesentlich korrosionsbestandigere Sorten.

560
V. Nichteisenmetalle

Knetlegierungen DIN 1729, Teil 1, sind in 4 Sorten genormt.


MgMn2 Bleche, Blinder und Profile fiir Verkleidungen, Kraftstofftanks, Innenausbau von Fahrzeugen
MgAI3Zn
MgAI6Zn Rohre, Stangen, Pre6profile und Gesenkteile, hOhere Festigkeit, optische Gerate; Teile, die Fliehkraften
MgAI8Zn ausgesetzt sind

Festigkeiten zwischen 200 ... 280 (320) N/mm2 bei Bruchdehnungen von 10 ... 5 %.

Gu8legierungen DIN EN 1753, Auswahl aus 9 Sorten (Werte ffir getrennt gegossene Proben)

Kurzzeichen (Gie6arten) Zustand Rm RrIJ •2 A5 Beispiele


DINEN-1753 MPa MPa %
EN·MCAl9Znl (-GS, -GM, -GP) F 160 90 2 Getriebegehiiuse, Luftfilterabdeckung,
G-MgAl9Znlka T4 240 110 6 Teile fur elektronische Drucker- und
wa T6 240 150 2 Speicherlaufwerke, Kameragehause
EN·MCMgRE2AgIZrl (-GS, -GM) Luftfahrtlegierung, hiichste stat. u. dyn.
G-MgAg3Se2Zrl wa T6 240 175 2 Festigkeit warmfest bis 200 °C WIG-
schweiBbar, schlecht gieBbar.

Weitere Sorten enthalten Thorium, Zirkon oder seltene Erden. Sie sind schmelz- und gieBtechnisch
schwierig zu verarbeiten und erreichen nach Wiirmebehandlung hohere Dauerfestigkeiten, sind z.T.
auch kriechfest bis zu Temperaturen von 250 ... 300 °C und druckdicht.
Verwendung: Teile von hydraulischen und elektrischen Geraten im Flugzeugbau, ebenso Getriebe-
gehause, Olwannen, Radkorper- und Felgen, Gehause fUr tragbare Maschinen und Gerate.

6. Blei (DIN EN 12659, DIN 17640-1)


Eigenschaften:
Gute Bestiindigkeit gegen Schwefelsaure und Salzsaure, gut kaltformbar, lotbar.
Geringe Festigkeit, nicht kaltverfestigend, unbestandig gegen Laugen, giftig, Werkstoff kriecht bei
Raumtemperatur.
Verwendung: Chemische Industrie, Akkumulatoren, Rohre, Kabelmiintel, Uberzugsmetall (Feuer-
verbleiung), Schriftmetalle.
Zur Erhohung der Harte ist es mit steigenden Bi-, Cu- und Ag-Anteilen legiert.
Zur ErhOhung der Ziihigkeit ist in Lager- und Letternmetall Zinn und Antimon zulegiert. Legie-
rungsmetall in Bronzen, Weichloten.
Pb-DruckguB DIN 1741 in 4 Sorten genormt, mit Sb und Su-Gehalten fUr kleine, sehr maBgenaue
Teile in feinmechanischen und MeB-Geraten.

7. Zinn (DIN EN 611-1)


Eigenschaften:
Sehr dehnbar, gute Bestandigkeit gegen organische Sauren und Atmosphare, niedriger Schme1z-
punkt, lOtbar.
Unter + 18°C Umwandlung in graues kubisches Zinn, d. h. Zerfall zu Pulver (Zinnpest).
Verwendung: Uberzugsmetall fUr WeiBblech und Haushaltsgerate, Legierungselement in Bronzen,
Lagermetallen, Weichloten. Sn-DruckguB DIN 1742 in 3 Sorten genormt (Tafel V.5).

561
Werkstofftechnik

8. Zink (DIN EN 1774)


Eigenschaften:
Bestandig in feuchter und trockener Luft, Benzin, 61, Benzol unter 100°C, niedriger Schmelz-
punkt, lotbar.
Unbestandig gegen Sauren, Zinkverbindungen gesundheitsschadlich, starke Anisotropie bei Knet-
erzeugnissen, Werkstoff kriecht bei Raumtemperatur, Kaltsprodigkeit.
Verwendung: Oberzugsmetall zum Korrosionsschutz, Regenrinnen, Fallrohre, galvanische Ele-
mente, Zinkfarben (ZnO).
Legierungen enthalten AI, Cu und Mg zu Festigkeitserhohung und Schutz gegen interkristalline
Korrosion, die durch Verunreinigungen des Htittenzinks verursacht wird. Geringste Gehalte an
Zinn, Blei, Cadmium, Wismut von 0,01 % sind bereits schadlich. Zinklegierungen deshalb aus Fein-
zink (99,99 %) hergestellt. Bei ihnen sind MaBanderungen durch kristalline Ausscheidungen mog-
lich. Abhilfe durch Gltihen bei 100°C tiber langere Zeit (ktinstliche Alterung). Zinklegierungen
meist als DruckguBwerkstoff eingesetzt (Tafel V.S).

9. Werkstoffe fUr LOtungen


Weichlote flir Schwermetalle DIN EN 29453 in 34 Sorten genormt dazu 4 flir Al-Werkstoffe, Hart-
lote ftir Schwermetalle DIN EN 1044 in 35 Sorten. Die Normen geben Zusammensetzung, Arbeits-
temperatur, Dichte, bevorzugte Lotverfahren und Lieferformen an.

10. DruckguBwerkstoffe
Ftir das DruckgieBverfahren (Druck bis zu 2000 bar und ktirzeste Formftill- und Erstarrungszeiten)
mtissen Legierungen bestimmte Eigenschaften besitzen (Tafel V.5).

Werkstoffeigenschaft Auswirkung

Niedrige Schmelztemperatur geringer Verschleill der Stahlform, hohe Standmenge


Gutes FlieB- und FormfUliungsvermogen scharfe, dtinnwandige Abgtisse
kleines SchwindmaB geringe Warmrillneigung in der Form
niedrige Gasaufnahme der Schmelze geringe Porositat des Gefuges
MaB- und GefUgebestandigkeit Funktionsfahigkeit, Lebensdauer

11. Sinterwerkstoffe
11.1. Allgemeines iiber Sintertechnik/Pulvermetallurgie (PM)
Sinterwerkstoffe gehoren verschiedenen Werkstoffgruppen an. Kennzeichen ist die Pulvermetallur-
gische Herstellung, nach Giej3en die wichtigste Art des Urformens (neben dem Galvanoformen und
Sprilhkompaktieren, d.h. Formen durch thermisches Spritzen). Die Begriffe der Sintertechnik sind
nach DIN 30 900 genormt.
Arbeitsgange der Pulvermetallurgie:
• Pulverherstellung (viele Verfahren, die zu unterschiedlichen Kornformen und -graBen flihren)
und Mischen (PreBhilfsmittel, Legierungselemente).
• P~essen ~nter hohem Druck in Werkzeugen (4 ... 6 kbar, PM-SpritzguB in Erprobung) zu Fertig-
tellen mIt hoher Oberfiachengiite. Werkstiick hat dann geringe Griinfestigkeit.
• Sintern, d.h. Gliihen unter Schutzgas, evtl. Vakuum, urn festere Bindung zwischen Pulver-
teilchen herzustellen (Rekristallisation, Diffusion, Verbreiterung der Bertihrungsflachen).
• Nachverdichten (kaIt/warm), Warme- und Oberflachenbehandlungen (wahlweise).
562
Tafel V.S. DruckguBwerkstoffe
Kurzzeichen Dichte Dehn- Zug- Bruch- Brinell- Schmelz- GieB- Span- Stand- Wand- griiBte
(Handelsbez. ) grenze festigkeit dehnung harte temperatur bar- bar- menge dicke Werk-
keit keit ca. stlick- Anwendung Eigenschaften
p R{>l,2 Rm As Smin masse
glcm l N/mm2 N/mm2 % HB 10 'C 103 mm kg
Zink-Legierungen DIN EN 1774 (Auswahl aus 8 Sorten)
ZnAl4 ZL0400 Plattenteller,
6,7 160 ... 220 250 ... 300 1,5 ... 3,0 70 .. 90 380 ... 386 1 1
(Z400) 0,6 Vergasergehiluse, dekorativ galvanisierbar,
ZnAl4Cul ZL0410 500 bis 20 Pkw-Scheinwerferrahmen wenigkaltziih
6,7 180 ... 240 270 ... 320 2...3 80 ... 100 380 ... 386 1 1
(Z41O) 2 Pkw-Tlirschliisser-Griffe, Basis Feinzink 99,995
Aluminium-Legierungen DIN EN 1706 (Auswahl aus 9 Sorten)
AC-Al SiI2(Fe) hydraulische Getriebeteile, eutektische Legierung, keine
2,55 140 ... 180 220 ... 280 1 ... 3 60 ... 100 575 2 2 ... 3
(230) druckdichte Gehause Warmrisse, korrosionsbestandig
AC-Al Si9Cu3(Fe) Trittstufen f. Rolltreppen billig z. T. aus Umschmelz-
2,75 160 ... 240 240 ... 310 0,5 ... 3 80 ... 110 510 ... 620 2 2
(226) 1 E-Motoren-Gehause metall, meist verwendet
AC-Al Si12CuNi 80 bis 25 Kolben, Zylinderkiipfe,
2,65 190 ... 230 260 ... 320 1 ... 3 90 .. 120 570 ... 585 2 2...3 warmfest, Gleiteigenschafien
(239) 3 Femsehrahmen, Niihmasch.
AC-AIMg9 Gehiluse fur Haushalts-, dekorativ anodisierbar,
2,6 140 ... 220 200 ... 300 1 ... 5 70 ... 100 520 ... 620 3...4 1
(349) Blira- und optische Gerate korrosionsbestandig
Magnesium-Legierungen DIN EN 1753 (Auswahl aus 8 Sorten)
MCMgA19Znl Rahmen f. Schreibmasch.,
1,8 140 ... 170 200 ... 260 1 ... 6 65 ... 85 470 ... 600 1 ... 2 1
(AZ91) Tonbandgerate
1 Oberflachenschutz durch
MCMgAl6Mn Gehause fur tragbare
1,8 120 ... 150 190 ... 250 4 ... 14 55 ... 70 470 ... 620 1 ... 2 1 100 bis 15 Bichromatschicht erforderlich,
(AM 60) Werkzeuge und Motoren
3 sehr leicht
MCMgA14Si Kfz-Getriebegehause,
1,8 120 ... 150 200 .. 250 3 ... 12 55 ... 60 580 .. 620 2 1
(AS41) Radfelgen
!<
Kupfer-Legierungen DIN EN 1982
z
CuZn39PblAI-C 8,5 250 350 4 110 880 ... 900 3 3 2 hOhere Festigkeit und Zahigkeit, Cr
Armaturen fUr Warm-
10 bis 5 hoher FormverschleiB durch ~
und Kaltwasser 111
CuZnI6Si4-C 8,6 370 530 8 150 850 2 3 4 hohe Gie8termperatur
iii'
Zinn-Legierungen DIN 1742 111
:::I
I hiichste MaBbestiindigkeit,
3
U1 GD-Sn80Sb 7,1 115 2,5 30 250 ... 320 1 2 Teile von Me8geraten kaltformbar,
Ol korrosionsbestandig
--- .- .- L-. ___ ._- ._- - -- -
W
iiD
Werkstofftechnik

Mechanische Eigenschaften der Teile wesentlich von der Sinterdichte, diese von PreBdruck sowie
GroBe und Form der Pulverteilchen abhangig (Tafel V.S). Festigkeit und Harte steigen etwa linear
mit der Dichte, die Bruchdehnung (Ziihigkeit) exponentiell. Porenraume sind Kennzeichen der
Sinterwerkstoffe und z.T. Gegenstand der Klassifizierung (Dichteklassen nach WLB 1)). Bei Filter-
und Lagerwerkstoffen sind Poren wichtig flir die Funktion.

Obersicht: Anwendungsbereich der Sintertechnik

physikalisch-technischer
Auswirkungen Beispiele
Anl:ill PM-Herstellung
kostengtinstiges Urform- Stoff- und Energieeinsparung: Bauteile aller Art fUr Kfz.
verfahren fUr einbau- Kein Umformen und Zerspanen. Haushalt- und Elektrogerate
fertige Teile bestimmter Teile mit geringerer Dichte Filter und Gleitiager aus
Form und GroBe oder funktionellen Poren Sinterbronze, Sintereisen
Hohe Schmelztemperaturen Versagen der hochfeuerfesten Metalle wie W, Ta, Mo, sowie
einger Stoffe Formstoffe, unerwtinschtes keramische Stoffe: Silikate,
Auflegieren der Schmelze Oxide, Carbide, Nitride
Unmischbarkeit der Stoffe Schmelze wird inhomogen, die Cu-Graphit ftir Schleifring-
im fltissigen Zustand, GuBteile ebenfalls kohlen, Cu-W fUr Kontakte
auch Diamant in Schleifkorpern
begrenzte Loslichkeit Anteil bestimmter Phasen JaBt hochste Carbidanteile in
von Elementen sich nicht steigern Werkzeugwerkstoffen nur in
Sinterhartmetallen
Seigerungen von LE inhomogener Werkstoff, besitzt durch schnelle Erstarrung der
nicht tiberall gleiche Eigen- Pulverteilchen (Was server-
schaften, evtl. unbrauchbar dtisung) keine Seigerungen
Gefligeausbildung beim ungentigende Zahigkeit von Verdtisung von HSS-Stahlen
Erstarren nicht aus- hochfesten Legierungen und PM-Herstellung evtl. mit
reich end feinkornig heillisostatischem Pressen (HIP)

11.2. Sinterwerkstoffe fUr Formteile nach WLB 1)


Die Bezeichnung der Sinterwerkstoffe erfolgt nach der Dichte und der chemischen Zusammen-
setzung:
Beispiel: I Sint B 21 I Sinterstahl mit hoherem Cu- und C-Gehalt
B: Dichteklasse (Porositat nach Tafel V.6); 2: Werkstoffgruppe nach Tafel V.7, hier "Cu-Gehalt
5 %"; I: Ziihlziffer innerhalb der Gruppe, hier ,,hi:iherer C-Gehalt".
Weitere Verkleinerung der Poren erhOht die Dichte, damit Zahigkeit und Dauerfestigkeit der
Sinterteile. MaBnahmen sind HeiB- und heiBisostatisches Pressen oder Sinterschmieden.
Heillisostatisches Pressen (HIP). Die Pulver werden in gasdichten Kapseln evakuiert und kalt (KIP)
einem Fliissigkeitsdruck (allseitig!) ausgesetzt, danach bei hohen Temperaturen unter hohem Gas-
druck verdichtet (ASEA-STORA-Verfahren flir HSS-Stiihle). AbschlieBend werden die Presslinge
zum Halbzeug warmumgeformt. Werkzeuge haben ca. 1000 N/mm 2 hohere Biegebruchfestigkeit
als konventionell gefertigte HSS-Stahle.
Sinterschmieden ist Prazisionsschmieden gesinterter Vorformen ohne Grat. Wegen hoher Kosten
nur anwendbar, wenn Sinterteile der geschmiedeten Ausftihrung stark iiberlegen sind (z.B. Pleuel
flir Kfz.-Motoren in Erprobung).

1) WLB: Werkstoffleistungsblatter des Fachverbandes Pulvermetallurgie (FPM), Beuth-Verlag.

564
v. Nichteisenmetalle

Tafel V.6. Einteilung der Sinterwerkstoffe nach Dichteklassen (WLB)


Anwendungsgebiete
Werkstoff·
klasse Porositiit in % Sinterschmieden
SINT- Gleit- Form- Infil- Form- GleitJager u.
50 40 30 20 10 Filter lager teile triert teile Gleitelemente
AF I

A '""'-
B
C " "-
D
E
F
" \,
G ~
S \
50 60 70 80 90 100
Raumerftillung in %

Tafel V.7. Einteilung der Sinterwerkstoffe nach chemischer Zusammensetzung (WLB)


Zahl Sinterwerkstoffe, wesentJiche Legierungselemente (LE)
0 Sintereisen und Sinterstahl (auch mit C) bis zu 1 % Cu
1 Sinterstahl (auch mit C) mit 1 ... 5 % Cu
2 Sinterstahl (auch mit C) mit tiber 5 % Cu
3 Sinterstahl (auch mit C und Cu) mit max. 6 % anderer LE (z.B. Ni)
4 Sinterstahl (auch mit C und Cu) mit tiber 6 % anderer LE (z.B. Cr-Ni)
5 Sinterlegierungen mit tiber 60 % Cu (z.B. Sinterbronze CuSn oder -messing CuZn)
6 Sintermetalle, die nicht in Ziffer 5 enthalten sind
7 Sinterleichtmetalle (z.B. Sinteraluminium)

Tafel V.8. Sinterdichte und mechanische Eigenschaften bei Sinterstahl


Eigenschaft, Sorte Sint A 10 Sint B 10 Sint C 10 Sint D 10 Sint E 10
Dichte g/cm 3 5.6 ... 6.0 6.0 ... 6.4 6.4 ... 6.8 6.8 ... 7.2 7.2 ...
Zugfestigkeit Rm, N/mm 2 140 170 200 300 350
Bruchdehnung A, % 2 2 3 7 10
Harte HB 35 40 55 80 100
selbstschmierende Teilevom Olpumpen- Parksperren-
Anwendungsbeispiele
Lagerbuchsen Stoilodampfer Zahnrader rad (Kfz.)

12. Keramische Werkstoffe (Ingenieurkeramik)


Anorganische, nichtmetallische Werkstoffe mit Ionenbindung (Oxidkeramik) oder Atombindung
(Nitride, Carbide) mit geringem Anteil an Metallbindung (Metallcarbide). FUr die Herstellung iiber-
wiegt (wegen der hohen Schmelztemperaturen) die PreB-Sintertechnik mit Temperaturen von
1400 ... 2100°C, evtl. mit Zusatz von Sinterhilfsmitteln fUr Carbide und Nitride. Die Porositiit
wird durch Infiltration oder HeiBpressen verkleinert, damit erhOht sich die geringe Ziihigkeit
(alle Keramiken sind noch sprOder als GJL).
Die nichtrnetallische Bindung fiihrt zu hOheren Werten ffir Harte, Erweichungstemperatur, Ver-
schleiBwiderstand und Korrosionsbestiindigkeit als bei Metallen. Die Ziihigkeit (Biegefestigkeit) ist
gering « GJL) Eigenschaften tiber die Dichte stark von KorngroBe und Reinheit der Ausgangsstoffe
und Herstellung abhangig, dadurch starke Streuung, Werkstoffprtifung aufwendig. Dichte zwischen
ca. 2.7 und 5.8 g/cm 3. Wiirrneleitung und -dehnung variieren (Tafel V.9).

565
Werkstofftechnik

Keramische Stoffe werden je nach Herstellungsart durch Kurzzeichen unterschieden:


SSN Si-Nitrid, gesintert SSiC Si-Carbid, gesintert
HPSN Si-Nitrid, heillgepre~t HPSiC Si-Carbid, heillgepre~t
HIPSN Si-Nitrid, heillisostatisch gepre~t HIPSiC Si-Carbid, heillisostatisch gepre~t
RBSN Si-Nitrid, reaktionsgebunden SiSiC Si-Carbid, Si-infiltriert
PSZ Zr-Oxid, teilstabilisiert CSZ Zr-Oxid, vollstabilisiert

Tafel V.9. Keramische Stoffe fUr Bauteile, Eigenschaften im Vergleich mit Stahl
Si-Carbid Si-Nitrid
Stahl AI-Oxid Zr-Oxid SSiC HPSiC RBSN SSN HPSN AI-Titanat
Biegefestigkeit N/mm 2 550 350 450 450 600 300 450 600 40
Biegefestigkeit bei 1000 °c - 350 - 450 600 300 250 450 40
E-Modul kN/mm 2 210 360 200 400 440 150 300 320 13
Erweichungstemperatur °c 500 1200 950 1700 1400 1600 1200 l300 1400
Wiirmedehnung 10- 6 /K l3 8,0 9,8 4,0 4,1 3,4 3,4 3,2 3,0
Wiirmeleitung W/mK, 20°C 60 25 2,5 110 110 11 32 35 2,0

13. Verbundwerkstoffe
Verbunde sind allgemein Kombinationen aus Stoffen unterschiedlicher Gruppen (chemische
Bindung). Werkstoffverbunde werden z.B. durch Beschichten von Bauteilen erzeugt, wahrend
Verbundkonstruktionen aus verschiedenartigen Stoffen gefUgt sind (z.B. Al-Kolben mit Keramik-
einsa tzen).
Verbundwerkstoffe sind heterogen (zwei- oder mehrphasig), aber im Querschnitt einheitlich auf-
gebaut. Die Verbundstruktur entsteht erst bei der Formgebung aus den Komponenten. Eigen-
schaften sind deswegen stark von Einflui1grbi1en des jeweiligen Fertigungsverfahrens abhangig,
ihre Streuung macht Qualitatssicherung schwierig.
Eine "durchgehende" Phase (Matrix) sorgt flir den Zusammenhalt der Form, wiihrend die ein-
gelagerten Phasen (Verstarkung) durch besonders hohe Eigenschaftswerte (z.B. Harte, Warme-
leitung, Zugfestigkeit, Gleitfahigkeit) das Eigenschaftsprofil pragen. Anzahl der Kombinationen
von Matrix und Verstarkungsstoff sehr hoch, Anwendung im Zuwachs begriffen. Schwerpunkt
sind Faserverbunde, wobei hohe Kosten fUr Fasern und Schwierigkeiten der Qualitatssicherung
einer breiten Anwendung noch Grenzen setzen (Ausnahme GFK).

Ubersicht: Verbundwerkstofftypen und Beispiele


Typ Beispiele fUr Matrix und Verstiirkung
Faserverbund: Fasern von 1 ... 20 I'm (Festigkeiten bis zu 4000 N/mm 2 ) gleich- oder ungerich-
Kurz- oder tet zur Steigerung von Festigkeit, E-Modul, Warmfestigkeit des Matrixwerkstoffes
Langfaser aus Kunststoff, AI-, Mg- oder Ti-Legierungen. Wichtig ist die Benetzung der
Faser aus Glas, Kohlenstoff, Bor, AI-Oxid, Si-Carbid oder hochschmelzenden
MetalIen, evtl. beschichtet.
Teilchen- Hierzu gehoren die SinterhartmetalIe, Cermets (Ni-Matrix mit Carbonitriden) und
Verbund dispersionsgehiirtete Legierungen (z.B. AI-Legierungen mit AI-Oxid-Einlagerungen
zur Erhohung der Warmfestigkeit
Durchdringungs- Die porose Sintermatrix wird von einer schmelzf1iissigen Phase durchsetzt. Hierzu
verbund gehoren selbstschmierende Lager, Kontakte aus WC-Ag kombinierten Verschleill-
widerstand mit Leitfiihigkeit
Schichtverbund Fliichige Halbzeuge mit geschichtetem Aufbau (z.B. Stahl/Schaum stoff/Stahl)
zur Wiirme- und Schallisolation (BONDAL), Kunstharzpre~holz

566
VI. Kunststoffe

VI. Kunststoffe

1. Begriffe und Zusammenhiinge


Dbersicht: Entstehung von Kunststoffen

Ausgangsstoff, bestehend aus Einzelmolekiilen von ketten-


flUssig, oder ringformigen Kohlenwasserstoffen und deren Ab-

I
gasformig komrnlingen, die Cl, F, N, 0 oder S enthalten konnen
(Tafel VU).
Polykondensation
Polymerisation Tafel VI.2
Polyaddition
Feststoff Produkt, bestehend aus Makromolekiilen, in denen viele
Einzelmolekiile (ca. 500 ... 3000) in verschiedenen Struk-
Duroplast, turen durch starke Elektronenpaarbindungen verkniipft
Thermoplast, sind. Die Molekiilstruktur (3.1) bestimmt die Haupteigen-
Elastomer schaften des Polymers (Duroplast, Thermoplast, Elastoplast).
"Legierte" Kunststoffe. Das Makromolekiil besteht aus zwei
oder drei Arten Einzelmolekiilen, die regellos, geordnet
Copolymere
oder in Blocken abwechselnd verkniipft sind. Propfpoly-
(Misch-
merisate besitzen nachtriiglich eingebaute Seitenketten aus
Polymere)
anderen Monomeren. Copolymere entsprechen den Legie-
rungen aus Mischkristallen.
Zusiitze sollen die Verarbeitung erleichtern und den Form-
stoff gegen Einfliisse stabilisieren, verstiirken oder flillen.
Mischungen aus Kunststoff (evtl. Vorprodukt) und Zusiitzen
SpritzguB- in rieselfahiger Form als Granulat oder Pulver mit genorm-
und ten Verarbeitungseigenschaften. Zusiitze haben je nach An-
PreBmassen teil EinfluB auf die Eigenschaften des Formstoffes.
"Legierte" Kunststoffe aus zwei oder mehr Kunststoffen
mit Zusiitzen. 1m Formstoff liegen verschiedene Arten von
Polyblends Makromolekiilen vor, die durch schwache zwischenmole-
(Polymer- kulare Kriifte verkniipft sind. Polyblends entsprechen Legie-
Gemische) rungen aus Kristallgemischen.
SpritzgieBen, Spritzpressen, Formpressen, Extrudieren
(Strangpressen), Extrusionsblasen (Blasformen).
Werkstoff im Halbzeug oder Formteil, das aus Formmassen
hergestellt wurde: Platte, Profil, SpritzguB- oder PreBteil.

Eigenschaftspriifung der Formstoffe nach Verfahren lihnlich denen der Metalle an Probekorpern
(getrennt durch SpritzgieBen, Pressen oder zerspanend aus Halbzeug bzw. Fertigteil .gefertigt).
Zerstorungsfreie Priifungen fUr Fertigteile in DIN 53 760 zusamrnengestellt.

567
Werkstofftechnik

2. Monomere Ausgangsstoffe
Zur Bildung von Makromolekiilen sind Kohlenwasserstoffe (KW) geeignet, die reaktionsfiihige
Stellen besitzen, das sind z.B. Doppe/hindungen oder OH-Gruppen.
Das C-Atom kann 4 Elektronenpaarbindungen mit anderen Atomen eingehen, aber auch mit
gleichen C-Atomen. Die Bindungen sind tetraedrisch angeordnet, so das Kettenmolekiile nicht
gestreckt, sondern infolge der Tetraederwinkel geknickt vorliegen (Knauelstruktur). Die Bindungen
sind biege- und drehelastisch, Voraussetzung der plastischen Verformung in der Warme, dabei
erfolgt Strecken mit evtl. Orientierung der Ketten. Durch das Riickstellvermogen der Tetraeder-
bindungen entsteht Verzug beim Wiedererwarmen gespritzter Teile, die schnell abgekiihlt wurden
(Einfrieren der gestreckten Molekiilform). Anwendung z.B. bei Schrumpffolien.

Tafel VI.l: Monomere Ausgangsstoffe, Auswahl

Name Formel, Gruppe Beispiele


Kettenformige KW (Aliphaten)
Alkane, Paraffine I I I
Cn H2n+2 Propan, C3HS -C-C-C- Brenngas
gesattigt I I I
............. ........ /'
Alkene, Olefine Ethen, C2H4 "'C=C..... Propen, C3H6 ",C=C-C,.. Polyolefine
ungesa ttigt CnH2n (Ethylen) (Propylen)
Alkine, ungesa ttigt Cn H2n-2 Ethin, C2H2 -C=C- (Acetylen) Brenngas

..... I I ""
Alkadiene 2 Doppelbdg. Butadien ""C=C-C=C..... schlagzahes PS: SB, ABS
Methanol, CH30H; Ethandiol C2H4(OHh:
Alkanole, Alkohole -OH
(Methylalkohoi) (Glykoi)
Alkanale, Aldehyde -COH Methanol (Forrnaldehyd), HC~2 Harter
..... ...0
Alkensiiuren -COOH Propensiiure (Acrylsaure) ",C=C-C':OH
Vinylchlorid C2 H 3Cl .....
"'C=C.....CL
"" Monomer des Polyvinylchlorids PVC

Ringformige KW (Aromaten "Benzolring" besitzt drei nicht


I I

-0-
ortsfeste Doppelbindungen, da-
Benzol C6H6 durch ist die aromatische C-C-
Bindung starker als die "alipha-
I I tische", d. h. thermisch stabiler.
Phenol C6 HSOH OOH Monomer der Phenolharze

Styrol C6Hs-C2 H3 ..... C=C-D Monomer des Polystyrois


"" I

Terephtalsiiure C6 H4 (COOHh
HO .....
O~C
-0C~O
",OH Monomer der Polyterephtalate
PET, PBT

3. Chemische Reaktionen zur Bildung von Makromolekiilen


Tafel VI.2 zeigt die drei Moglichkeiten, nach denen Makromolekiile gebildet werden. Sie finden
sich z.T. in der Natur, wie z.B. bei Cellulose und Naturkautschuk.

568
VI. Kunststoffe
Tafel VI.2. Entstehung von Makromolekiilen
Monomer
Reaktion Reaktionsablauf Makromolekiile
(Beispiel)
Polymerisation Olefine mit Aktivierung der Einzelmolekiile Wattebauschstruktur aus linearen
Doppel- durch Katalysatoren

~
bindung

~=~ -~-~-
Athen
(Athylen)
C2 H4
Kettenbildung verzweigte Ketten, sperrig

Molekiile mit Doppelbindung


~=~r~~I~~~
l 10
verkniipfen sich nach Auf- Wiirme mu~ abgefiihrt werden, da isotaktische Molekiile
klappen der schwiicheren sie die Kettenbildung stort R I R I R I R
(1T·Bindung) zu Makromole- (Wiirmebewegung zerbricht lange
kiilen. Ketten).
I /C, I /C, I /C, I
-C I C I C I C-
Die Reaktion ist exotherm, Polymerisationsgrad: I I I I
es entsteht kein Nebenprodukt. . Einzelmolekiile ataktische Molekiile
Mlttelwert aus Makromolekiil R
R I I I
Misch- oder Copolymerisation:
I /C" I /C" I /C" I
2 oder mehr verschiedene Mono- -C I C I C C
mere ergeben gemischt aufgebaute I I I
Ketten. R R
Polymerisations-Kunststoffe
(Polymerisate)

Polykondensation Phenol, Ausgangsstoffe Lineare Kettenmolekiile, wenn die


C6 H S OH OH H H OH Monomeren nur an zwei Stellen
und
Methanal,
HCHO
=0=(8) @
@
I
®~O= I
reagieren konnen, oder durch
Reaktionsbedingungen.
Raumnetzmolekiile, wenn drei oder
mehr reaktionsfahige Stellen vor-
Vernetzung unter Abspaltung handen sind, oder durch
von Wasser Reaktionsbedingungen.
O,H O,H f;i O,H
-O-CP-O-©H~ -0
I

A-Harz (Novolacke) loslich,


Molekiile mit reaktionsfiihigen schmelzbar, zum Triinken von

-©- -©-
, I \
Schichtstoffen.

, ,,+~
Stellen verkniipfen sich zu
Makromolekiilen. Dabei wird B-Harz (Resol) unloslich, schmelzbar,
ein niedermolekulares Neben-
produkt abgestaiten, das
abgeflihrt werden mu~.
Q
OH
-©-Q-
OH I
Kondensat
aus schwach vernetzten linearen
Kettenmolekiilen, in Formmassen
mit Fiillstoffen gemischt.
Das Kondensat bremst die Reak- C-Harz (Resit) unloslich, unschmelz-
tion und mu~ deshalb von den bar, hart, aus vernetzten Ketten-
Reaktionspartnern getrennt molekiilen = Raumnetzmolekiilen
werden. bestehcnd. Zustand im fertigen
Reaktion erfolgt in drei Stufen Werkstiick oder Halbzeug.
(A, B und C) durch Temperatur
und Anteil von Methanal Polykondensations-Kunststoffe
gesteuert. (Polykondensate)

Fortsetzung -+

569
Werkstofftechnik

Monomer
Reaktion Reaktionsablauf Makromolekiile
(Beispiel)

¢
Polyaddition Cyanate CNO CNO Lineare Kettenmolekiile bei
mit zwei
reaktions-
fahigen
¢ N
./
H
Xthandiol
C 2 H4(OHh
N-H
Di-Verbindungen
Raumnetzmolekiile bei Tri- oder
hoheren Verbindungen
Gruppen
-N=C=O
II
C
I
0
• I
C -0
Vemetzungsgrad durch Mischungs-
verhliltnis einsteIIbar
Diole, II Bindungs- II

~ ~
Alkohole 0 0
mit zwei wechsel
OH-Gruppen 0 0
II II
-O-H C 0 C-O
jeweils an II I ~ I R Kohlenwasserstoffrest (Alkyl)
einem N H N-H

9"
Platzwechsel des H-Atoms der
Kohlen-

6"
OH-Gruppen, Umklappen der
wasserstoff-
DI-Cyanat Doppelbindung des N-Atoms,
rest (Alkyl)
CNO CNO dadurch Kettenbildung.
gebunden

MolekUle von zwei Monomeren mit reaktionsflihigen Gruppen verkniipfen sich durch Platzwechsel von H-Atomen
zu Makromolekiilen. Es wird kein Nebenprodukt abgespalten.

4. Struktur der Polymere


Bei Metallen ergeben sich die Eigenschaften aus der Kombination von Atomen, ihren Bindungen in
Kristallgittem mit evtl. Ausrichtungen und der Kombination mehrerer Phasen (Legieren) im Gefiige.
Polymere lassen sich auf iihnliche Weise betrachten: Gestalt der Makromolekiile, Veranderung der
Makromolekiile durch Ausrichtungen (Kristallisation), durch Legieren (Copolymerisate, Polymer-
gemische) und Gefiigeveranderungen mit Fiill-und Verstarkungsstoffen.

4.1. Gestalt der Makromolekiile


Faden-oder Kettenmolekiile Kettenmolekiile mit Vernetzungen Raumnetzmolekiile

Starke Primlirbindungen in der Kette, Kettenmolekille werden durch Pri- Engmaschig durch starke Primlir-
schwache Sekuudlirbindungen marbindungen weitmaschig ver- bindungen miteinander vemetzte
dazwischen. Wlirmebewegung netzt. Verschiebung der Ketten raumliche Molekiile. Durch Warme
lockert sie (Abstand). Die Ketten unmoglich, jedoch ein Strecken bewegung nicht verschiebbar.
sind dann gegeneinander beweglich. zwischen den Vemetzungspunkten.
Das Polymer ist plastisch verform- Das Polymer ist gummi-elastisch Das Polymer ist unschmelzbar, fast
bar, schmelz- und schweiBbar. mit hohem RiicksteIIvermogen. unlOsIich und harter.
Thermoplaste (Plastomere) Elaste (Elastomere) Durplaste (Duro mere )
Bei hOheren Temperaturen Bruch der Primarbindungen: Zersetzung in kleinere Molekiile (Gase, Verfarbung)

570
VI. Kunststoffe

4.2. Kristallisation ond Orientierong


Innerhalb der Ketten wirken starke Bindungskrlifte (Primlirkrlifte) durch Elektronenpaarbindung.
Sie sind von der Art der Monomeren abhangig.
Zwischen den Ketten wirken kleinere Sekundlirkrlifte z.B. durch Anziehung von polaren Seiten-
gruppen. Sie sind sehr stark abstandsabhangig. Eine dichte Packung der Ketten ergibt starke Sekun-
dlirkrlifte, moglich bei unverzweigten Ketten und solchen die isotaktisch gebaut sind. Sperrig ge-
baute Ketten lassen sich ebenfalls schlecht ordnen.
Kunststoffe kristallisieren teilweise, d.h. die Ketten legen sich so aneinander, daB die Seiten-
gruppen sich in Mulden des Nachbarn legen. Neben diesen kristallisierten Bereichen Iiegen unge-
ordnete, amorphe Bereiche (Bild VI.l).
Kristallisationsgrad ist der Anteil der kristallinen Bereiche am Gefiige. Er wird durch langsame
Abkiihlung nach der Formgebung erhoht.
Xnderung der Eigenschaften:

Zunahme Zugfestigkeit, Hlirte-E-Modul, Schmelztemperatur, Losungs-


Kristalli-
von: mittelbestlindigkeit.
sationsgrad ->
steigt: Abnahme Bruchdehnung, Schlagzlihigkeit, Wlirmeausdehnung, Gas- und
von: Lichtdurchllissigkeit, Dlimpfungseigenschaften.

Beispiele fUr amorphe und teilkristalline Polymere


Faltenlfette
kristallisierend amorph (sperrige Molekiile)

Polyiithylen PE [-~>~}
I I n
Polystyrol PS tt-tj
I I n

Polypropylen PP, isotaktisch


0
Polypropylen PP, ataktisch /
amorph Ansicht A
CH 3 CH3
I I I I I I I I I I I I
-c-c-c-c-c-c-
I
-c-c-c-c-c-c- Bild VI.1. Teilkristalliner Kunststoff,
I I I I I I I I schematisch. Die kristallinen Bereiche
CH 3 CH 3 CH3 CH 3 bestehen aus parallelliegenden Falten-
ketten, Ansicht A.
Polyamide PA Polyvinylchlorid PVC
Polyoxymethylen POM Polycarbonat PC
Polyterafluoriithylen PTFE
Die Kristallisation wird durch lang-
Polymethacrylat PMMA
same Abkiihlung begiinstigt.
4.3. Copolymere ond Polymergemische
Copolymere: Homopolymere bestehen aus gleichartig aufgebauten Ketten, die sich nur in der Lan-
ge und der Lage der Seitenketten unterscheiden. Copolymere bestehen aus zwei oder mehr ver-
schiedenenen Monomerbausteinen, die durch Coplolymerisation (Misch-Polymerisation) zu Ketten
verkniipft sind. Propfpolymerisate enthalten das Copolymer als Seitenkette. Damit kannen ungiin-
stige Eigenschaften des Homopolymers verbessert werden, meist auf Kosten anderer, so daB ein
drittes Monomer (Terpolymere) zur Kompensation eingebaut wird.
Beispiel: Das sprade Polystyrol, wird durch Einbau von Butadien (Kautschuk) zu SB schlagzaher,
hat aber weniger Warme- und Witterungsbestandigkeit. 1m Acrylnitril/Butadien/Styrol (ABS) liegt
ein Copolymer vor, das giinstige Verarbeitung mit Zahigkeit, Abriebfestigkeit und UV+Witterungs-
bestlindigkeit verbindet.
Deshalb sind flir die meisten der in Tafel VI.5 angefiihrten Polymere zahlreiche Copolymere ent-
wickelt worden, die auch noch mit anderen zu Poly blends gemischt werden kannen.

571
Werkstofftechnik

Polyblends sind Polymerlegierungen mit meist heterogenem Aufbau. In einer Matrix kann die an-
dere Phase als Kugel oder Stabchen eingebettet sein. Bei etwa gleichen Anteilen sind sie lamellen-
artig verschachtelt. Durch Mischungsverhaltnis und Art Komponenten (wichtig ist die Vertraglich-
keit, d. h. keine chemischen Reaktionen) werden Polyblends mit vielfaltigen Eigenschaftsprofilen
geschaffen.

4.4. Fiill- und Verstiirkungsstoffe


Polymere, insbesondere die Duroplaste, werden meist mit Zusatzen verarbeitet. Sie sollen bestimm-
te Eigenschaften bei der Fertigung und im Bauteil ergeben. Sie haben z.T. eine Mehrfachwirkung.

Funktion Full· und Verstarkungsstoff Eigenschafts· bzw. Verhaltensanderung


Chemisch Stabilisatoren, Katalysatoren Licht· oder Warrnebestandigkeit, nachtragliche
Vernetzung der Fadenmolektile
Farbend Schwerrnetallverbindungen Durchgehende Farbung der Teile
Streckend Holz- und Gesteinsmehl, Kreide, Verbilligend, anorganische erhohen Wlirrnebestandig-
Glimmerplattchen keit, -Ieitfahigkeit und erniedrigen -ausdehnung
Treibend Gasabspaltende Stoffe (CO z, NH 3 , N z) Schaumstoffe, Bauteile mit Strukturschaum (Kern zellig,
Oberflache dicht)
Verarbeitungs Gleitmittel (Wachse, Fette) Verrninderung der Reibung, besseres FlieBverhalten,
fordernd Kugeln « 50 11m), Forrntrennmittel leichteres Entfonnen
Verstarkend Natur- und Polymer (Aramid)-Fasern, Bahnen ErhOhung der Steifigkeit (E-Modul), Warrnebestlindig-
Gewebe, Strange aus Glas, Holz, Kohlenstoff, keit, Zahigkeit, Senken der Warrnedehnung
Papier, Textilien

5. Duroplastische Kunststoffe
Tafel VI.3 Typeniibersicht Duroplaste, Kurzzeichen nach DIN EN ISO 1043-1
Name Kurz- Produkte, Norrnung FM: Forrnmasse Handelsnamen (geschutzt)
name PMC: plastic moulding compound Auswahl
Phenoplaste Binder flir Schleifmittel, Bremsscheiben, Bakelite, Cibamin, Ferropreg,
Phenol-Formaldehyd, PF, SchichtpreBstoffe, PF-FM, DIN E 7708-4 Ferrozell, Pagholz, Resopal,
Kresol-Formaldehyd CF (PF-PMC ISO 14526) Rutaphen
Aminoplaste Leimharze, Schaumstoffe, SchichtpreBstoffe Kaurit
Melaminformaldehyd MF MF-FM. DIN E 7708-9 (ISO 14528) Bakelite, Cibamin, Duropal
Harnstoff-Formaldehyd UF UF-FM. DIN E 7702-3 (ISO 14527) Melopas, Resopal, Resoplan,
Malemin-Phenol-Formaldeyhd MPF MPF-FM. DIN 7708-10 (ISO 14529) Supraplast
Polyester, ungesattigt GieB- und Laminierharze, Prepegs Ampal, Ludopal, Keripol
UP UP-FM. DIN E 7708-11 (UP-PMC ISO 14530) Menzolit, Palapreg, Palatal,
Ralupol
Polyurethan, vernetzt (durop!.) Schaume und Schaumstoffe zur Schall- und Kasothan, Pagulan, Poly than,
PUR Warmedammung, Verbunde mit Rohren, Vesticoat, Vulkollan,
Drahtisolation Uraflex
Epoxidharze GieB- und Laminierharze, Prepegs Araldi t, Epikote
EP (EP-PMC ISO 15252)
Silikone SI Ole, Fette, Formtrennmittel, SchichtpreB- Wacker-Silicone
stoffe, Silikonharzmassen, Silikonkautschuk Baysilone
Polyimid PI Hochtemperaturfeste, feuerhemmende Avimid, Kinel,
SchichtpreBstoffe und Drahtisolierungen Vespel

DIN-Norm Entwurfe und DIN EN ISO Normen fUr Forrnmassen sind 2-teilig. Teil I: Bezeichnungssystem enthalt eine computerge-
rechte Codierung aus Buchstaben, die Verwendung, bestimmende Eigenschaften und Art, Form und Anteil der Zusatze erkennen laBt.
Teil 2: Herstellung von Probestaben und Bestimmung von Eigenschaften.

5.1. Formmassetypen und Halbzeuge


Formmassen sind mit Fiill- und Verstarkungsstoffen vorgefertigte rieselflihige Pulver oder Granula-
te aus warmhartbaren Harzen in einem noch schmelzbarem Zustand. Das Harz vemetzt unter Druck
und Temperatur mit dem beigemischtem Harter. Es sind die Ausgangsstoffe fiir Halbzeuge und
Formteile.

572
VI. Kunststoffe

Harzgrundlage, Norm Beschreibung, Zusatze


Phenolharz } PF 23 Typen in 5 Gruppen geordnet:
Kresolharz I allgemeine Verwendung (Holzmehl)
DIN 7708, Teil 2 II erhiihte Kerbschlagzahigkeit (Gewebe- und -Schnitzel, Strange)
III erhiihte Formbestandigkeit in der Warme (anorganische Fiillstoffe, Asbest-
fasern)
IV erhiihte elektrische Eigenschaften (geringere Wasseraufnahme)
V sonstige zusatzliche Eigenschaften, z.B. ammoniakfrei
Harnstoffharz UF 16 Typen ebenfalls in 5 Gruppen wie oben, hellfarbig, MF licht- und alterungs-
Melaminharz MF bestandig, ftir Kontakt mit Lebensmitteln geeignet
DIN 7708, Teil 3
Polyesterharze UP 4 Typen mit anorganischen Fiillstoffen und Fasern; geringere Prefl>driicke als
DIN 16 911 PF, Schwindung 6 ... 8 % rein, geflillt geringer

Phenol und Harnstofthane werden als Bindemittel in Bremsbeliigen Schleifkorpem und GieBerei
form sanden verwendet. ebenso in Holzfaser und Spanplatten. Restgehalt an Formaldehyd fill
Verwendung in Innenriiumen problematisch.
Phenoplaste: Nicht licht- und geruchsbestiindig, deshalb nur flir technische Teile geeignet: Isolier-
teile der E-Technik sind in der Wiirmebestiindigkeit den billigeren Thermoplasten iiberlegen
Aminoplaste: Elektrische Installationsteile fill den Wohnbereich, MF-Formteile fill EB- und Trink-
geschirr, Haushaltsgeriiteteile.
Polyesterharze: Als Gieft,harz zum Einbetten von Teilen, z.B. Spulen, mikroskopischen Priiparaten
(Metallschliffe), Triinken von Wicklungen, flir Modelle. Die Formmassen enthalten Glasfasem,
Gesteinsmehl nebst Hiirter und sind kalt nur ca. 6 Monate lagerfahig. Premix (BMC = Bulk Mould-
ing Compound) kann durch SpritzgieBen verarbeitet werden. Prepegs (SMC = Sheet Moulding
Compound) sind fliichige harzgetriinkte Laminate.

Halbzeuge
SchichtpreBstoffe sind Verbundwerkstoffe aus harzgetriinkten, fliichigen Verstiirkungsstoffen im
ausgehiirtenden Zustand. Verstiirkungsstoffe sind:
Cellulosepapier Holzfurniere Glasmatte
Baumwollgewebe Glasgewebe Polyesterfasergewebe

DIN EN ISO 60893 Tafeln aus technischen Schichtstoffen auf der Basis wiirmehiirtender Harze.
Teil 3 enthlilt die Anforderungen fiir die einzelnen Werkstoffe. Hauptanwendung ist die E-Technik,
daneben Vorrichtungs- und Innenausbau.
Norm Harztriiger Typen, Eigenschaften, Anwendungen Typen
Teil3 Anzahl
-2 EPEpoxyd 17 Universelle Anwendungen. Hohe Festigkeit bei miiBigen 1 EPCP, 5 EPGC,
Temperaturen. Typen mit definiertem Brennverhalten 4EPGM
-3 MFMelamin 2 Gegen Lichtbogen und Kriechwegbildung bestiindig IMFCC,
(Deko-Platten nach DIN EN 438) IMFGC
-4 PFPhenol Mechanische und elektrische A. Typen mit verbesserten 4 PF CC, 8 PF CP,
17 elekttischen Eigenschaften bei Feuchtigkeit 1 PFGC,
PF CP fUr Stanzarbeiten, PF GC wiirmebestiindiger 4PFWV
-5 UP Polyester Mechanische und elektrische A. Geringe Anderung der 5UPGM
5 elektr. Eigenschaften bei hoher Feuchtigkeit. Typen mit
erhOhter Lichtbogen- und Wiirmebestiindigkeit
-6 Si Silikon 2 Elekttische und elektronische A. in feuchter Umgebung 2SIPC
bei erhOhter Temperatur
-7 PIPolyimid I Elektrische und mechanische A. bei hohen IPIGC
Temperaturen, gedruckte Schaltungen fUr Luftfahrt

DIN EN 61212 Runde Rohre und Stiibe auf der Basis wiirmehiirtender Harze fiir elektrotechnische
Zwecke: gewickelte, formgepreBte Rohre bzw. Stiibe mit Harzen und Verstiirkungen wie bei Tafeln.

573
Werkstofttechnik

5.2. Formgebung
Die genau abgewogene Menge der vorgewannten PreBmasse wird in die ebenfalls beheizte Form
eingefiillt bzw. in Tablettenform eingelegt. Bei der Temperatur von etwa 135 ... 170°C schmilzt der
Harzanteil und wird durch den PreBstempel unter einem Druck bis zu 1000 bar in die Form gepreBt.
Gleichzeitig lauft die Polykondensation zu Ende.
Zur leichteren Verarbeitung ist die Polykondensation in ihren ersten Stufen bereits beim Hersteller
der PreBmasse erfolgt. Das Harz befindet sich in einem noch schmelzbaren Zustand und vernetzt
unter Druck und Temperatur mit dem beigemischten Harter.
Der Harztrager kann die letzten Reste des Spaltprodukts aufnehmen. Das Teil bleibt solange in der
Form, bis es ausgehartet ist (1 min/mm Wanddicke). Es bekommt eine glatte, gHinzende Ober-
fhche, die es gegen Wasseraufnahme schlitzt. Es konnen Metallteile, wie Gewinde- und Lager-
buchsen, eingepreBt werden.
Spritzgie~en (wie bei Thermoplasten) ist durch neuentwickelte Formmassen fUr Duroplaste mog-
Iich geworden und durch klirzere Taktzeiten wirtschaftlicher. Sein Anteil an der Verarbeitung
hartbarer Formmassen ist groBer als das konventionelle Pressen. Nach einer Schneckenplastifizie-
rung wird die warme, noch nicht aushartende Formmasse durch ,,kalte" Kanale in das heiBe Werk-
zeug (ca. 180°C) gespritzt. Dabei ftihren kleine Dlisenquerschnitte und hohere Drlicke (max.
2500 bar) zu kleinen Taktzeiten, bei evtl. hoherem WerkzeugverschleiB.

5.3. Faserverstiirkte Duroplaste


Zur Herstellung groBfhchiger Teile sind Harze erforderlich, die ohne hohe Temperaturen und
Drlicke ausharten. Polyester- und Epoxidharze erfUllen diese Forderung und ergeben zusammen
mit Fasern einen Verbundwerkstoff mit hervorragenden Eigenschaften. Als Fasern in Form von
Strangen, Geweben und Matten werden verwendet:

Fascrart Kohlenstoff Synthesefaser


Kurzzcichen CFK SFK

Re~liinge: Ein wichtiger Kennwert fUr Leichtbaustoffe ist der Quotient aus Zugfestigkeit und
Wichte in der Einheit km. Es ist die gedachte Lange eines Fadens von beliebigem Querschnitt,
der senkrecht aufgehangt unter Wirkung seines Eigengewichts reiBen wlirde.

EP-GF EP-CF
Werkstoff S235JR Al ZnMgCu 1,5 TiAl6V4
(Rovings)
Rei1'iange km 4,7 18,5 25,5 80 100

Durch die Fasern wird der Werkstoff anisotrop: Strange: (Rovings) ergeben hochste Festigkeiten
in Liingsrichtung mit hohen erreichbaren Glasgehalten. Gewebe: Festigkeit in zwei Vorzugsrich-
tungen groJl,er. Matten: Regellos verklebte Glasseidenabschnitte ergeben kleinere Festigkeiten, die
nach allen Richtungen gleich ist.

Glasvcrstarkung
Diehte E-Modul I Zugfestigkeit Schlagziihigkeit Wiirmedehnung
g/em 3 N/mm2 kJ/m2 J/mm 2 .10- 5

Matten 30 ... 35 % 1,5 11000 120 280 28 2,8


Gewebe 60 ... 70 % 1,88 27000 340 380 38 1,2
Strange 70 ... 75 % 1,98 30000 630 390 39 0,8

574
VI. Kunststoffe

Festigkeit steigt mit dem Glasanteil, sehr wichtig ist die gute Haftung Glas/Harz, welche nur durch
eine Oberflachenbehandlung der Faser erreicht wird.
Verarbeitung. GroBflachige Teile werden im Handaujlegeverfahren oder besser mit dem Faser-
spritzverfahren kombiniert gefertigt, wobei Glasgehalte von 25 ... 30 % moglich sind. Hohere
Glasgehalte (65 %) sind nur durch Pressen in Werkzeugen oder durch kontinuierliche Verfahren
(Platten, Profile) zu erreichen. Fiir Hohlkorper wird das Wickelverfahren angewendet. Prepegs sind
mit Harz vorgetrankte Glasseidenverstarkungen, die im PreBwerkzeug bei 130 '" 160°C vemetzen
(aushlirten). Mit ihrer Hilfe kann das aufwendige Fertigungsverfahren vereinfacht werden.
Verwendung: Als GieB-, Kleb- und Laminierharz fiir Modelle, zur Einbettung stromflihrender Teile,
Ummantelung korrosionsgeflihrdeter Metallteile, Verstarkung thermoplastischer Rohre.
UP-GF fiir Tanks, Kippermulden, Bootskorper bis zu 30 m Lange, Karosserieteile.
EP-Harze dort, wo hohere MaBhaltigkeit (keine Schwindung) und Dauerfestigkeit gefordert werden,
Basis fiir Klebstoffe.
EP-GF flir Lehren im Karosserie- und Flugzeugbau, Modelle flir GieBen und Kopierfrasen, Druck-
behalter.
EP-CF flir Flugzeugleitwerk, Kardanwellen, Blattfedem, Pleuel, Roboterarme.

6. Thermoplaste
6.1. Rohstoffe
Die polymeren Stoffe werden von den Herstellem mit verschiedenen Zusatzen ausgeriistet und als
trockenes Granulat oder Pulver unter meist geschiitzten Namen in einer Vielzahl von Typen in den
Handel gebracht.
Zusatze (4.3) haben stabilisierende Wirkung gegeniiber Einfliissen von Warme, Licht, Mikroben,
Flammen, sowie antistatische Wirkungen. Als Verstlirkung werden Kurzglasfasem, Glaskugeln,
Talkumplattchen und als Fiillstoffe z. B. RuB, Kreide, Holzmehl verwendet. Die Gleiteigenschaften
werden durch MoS 2 , Graphit oder Talkum verbessert.

Tafel VI.4 Typeniibersicht Thermoplaste, Kurzzeichen nach DIN EN ISO 1043-1


Name Kurz- PM ;:::: Fonnmassen, Produkte, Nonnen Handelsnamen
zeichen (gesehtitzt). Auswahl
Nonnen flir Formmassen Teil 1: Bezeichnungssystem und Basis flir Spezifikationen
sind zweiteilig: Teil 2: Herstellung. Von Probestiiben u. Bestimmung von Eigensehaften
Polyethylen PE PE·FM. DIN EN ISO 1872. Novolen, Lupolen,
PE-LD niedrige Diehte, Supralen, Sustylon L
PE-HD hohe Diehte
-UHMW Ultrahochmolekulare PE·FM. DIN EN ISO 11542 Tekalit
Polypropylen PP PP·FM. DIN EN ISO 1873 Elastopreg, Moplen
Polybutylen PB PB·FM. DIN EN ISO 8986 Vestolen
Polystyrol PS PS·FM. DIN EN ISO 1622 Trolitul, Vestyron
sehlagziihe PSI PSI·FM. DIN EN ISO 2897
Styrol/Butadien SB Hostyren S
Styrol!Aerylnitril SAN SAN·FM. DIN EN ISO 4894 Luran; Vestoran
Aerylnitril/Butadien/Styrol ABS ABS-FM. DIN EN ISO 2580 Lustran; Novodur,
Terluran
sehlagziihe ASA, ASA-FM. DIN EN ISO 6402 Vitar, Luran S Novo-
Aerylnitril!Styrol AES dur AES, Ultrastyr
Polyamide PA PA-FM. DIN 16773 und E DIN EN ISO 1874 Antron, Cristamid,
Folien, Fasern, Vliese Borsten, Durethan, Rlitamid,
Konstruktionswerkstoff Ultramid, Vestamid

575
Werkstofftechnik

Name Kurz- FM = Fonnmassen, Produkte. Nonnen Handelsnamen


zeichen (geschiltzt), Auswahl
Polyvinylchlorid PVC Bezeichn.-Syst., Probekorper DIN EN ISO 1060 Efroit,
Hart PVC-U weichmacherfreie PVC-U-FM. DIN EN ISO 1163 Vinnolit
weich PVC-P weichmacherhaltige PVC-P-FM. DIN EN ISO 2898 Mipolam
schlagziih PVC-HI Platten, Profile, Folien Astralon
Polytetrafluorethylen PFfE PTFE-, PEP-, PFA-FM. DIN 16782 Hostafion, Teflon,
Folien, Fasem, Schaume DIN EN ISO 12086 Reflon, Gore-Tex
Halbzeuge DIN EN ISO 13000-1,2
Polymethylmethacrylat PMMA PMMA-FM. DIN 7745 Astralon, Elvacite,
Folien, Platten Corian, Deglas,
Plexiglas, Resartglas
Polycarbonat Kondensatorfolien Bayfol, Makrofol,
DIN 7744Z PC PC-FM. DIN EN ISO 7391, Platten, Blocke, Latilon, Novarex,
Konstruktionswerkstoff Sinvet, Lexan, Lexgard,
Sparlux
Polyester, linear Amite, Ekadur, Pocan,
Polybuthylentherephtalat PBT PET und PBT-Fonnmassen, DIN 16779 Rynite, Ultradur
Polyethylentherephtalat PET Konstruktionswerkstoff Folien Hostaphan,
Polyester der Phtalsaure PTB Fasem Dacron, Trevira
Polyoxymethylen paM POM-FM. DIN 16781-1,2 und ISO 9988-1,2 Delrin, Hostafonn,
Konstruktionswerkstoff Sus tarin, Ultrafonn
Polyurethan PUR Schaume f. Bauwesen und Verbunde mit Rohren Vulkollan
linear (thennopl.) Platten zu Wiinne und Schalldammung
Polyphenylether PPE PPE-FM. ISO/FDIS 15103 (Entwurf) Folien Noryl, Lemaloy
Polyimide PI, PEl Fonnmassen, Folien, BlOcke Avimid, Kapton,
Kinel, Vespel

6.2. Verarbeitung der Thermoplaste


Die Verarbeitung der typisierten Formmassen erfolgt nach drei Verfahren.
Spritzgie8en. Das Polymer wird in beheizten Karnmem erweicht und durch Kolben oder Schnek-
ken zu einer homogenen Schmelze plastiJiziert. Wichtig sind eine genaue Kontrolle und Ftihrung
der Massetemperatur. Das Polymer darf nicht zu hoch und zu lange erhitzt werden, sonst wird der
Werkstoff geschiidigt (VersprOdung). Die Temperaturen liegen je nach Art des Polymers zwischen
180°C und 300°C. Beim FliefJen unter Druck bis zu 1200 bar wird die Masse "dtinnfltissiger" und
in diesem niederviskosen Zustand in die temperierte Form gespritzt.
Die Verarbeitungsbedingungen (Spritzdruck, Massetemperatur, Formtemperatur, Nachhaltezeit)
haben starken EinfluB auf Aussehen und Eigenschaften des Fertigteiles, insbesondere auf die
Orientierung und Kristallisation der Molekiile, Oberfliichengtite (matt, gliinzend) und innere
Spannungen.
Durch ein nachtriigliches Erwiirmen auf niedrige Temperaturen konnen innere Spannungen abge-
baut und der Kristallisationsgrad erhoht werden.
Extrudieren. Die plastifizierte Masse wird nach dem Prinzip des Fleischwolfs frei aus einer Dtise
abgezogen und ktihlt an der Luft abo Das Profil ergibt sich unter Beriicksichtigung der Strangauf-
weitung aus der Form der Dtise (Breitschlitzdtise ftir Platten, Ringschlitzdtisen ftir Schlauchfolien,
Rohre). Die Ummantelung von Kabeln und Rohren erfolgt ebenfalls auf Extrudem mit ent-
sprechenden Schriigspritzkopfen. Drahtgeschwindigkeiten von tiber 800 m/min bei Telefonadem.

576
VI. Kunststoffe

Reaktionsformen. Bei GroBteilen sind die fUr die SchlieBung der Form erforderlichen Krafte nicht
mehr beherrschbar. Hier wird die chemische Reaktion, die zu Makromolekiilen fiihrt, in die Form
verlegt ("In-situ" -Polymerisation bzw. Polyaddition).
Anwendung fUr Poly amid (GuBpolyamid) und harte oder geschaumte Polyurethane (Formschau-
men). Die monomeren Rekationspartner werden in der ben6tigten Menge gemischt und in die
Formen gebracht. Gute Formfiillung wird durch Fliehkrafte erreicht (z.B. Rotationsformgu£ von
Heiz6ltanks aus P A6).
ThermoplastschaumguB TSG mit gasabspaltenden Treibmitteln, die erst im Werkzeug wirken
(gute Auspragung bei niedrigen Driicken).
ReaktionsschaumguB RSG aus fliissigen Ausgangsstoffen (pUR-Schaum mit steuerbarer Dichte),
auch RIM (Reaktions-Inject-Moulding)-Verfahren genannt. Es arbeitet mit hohen Driicken. Nach
beiden Verfahren lassen sich groBflachige, leichte, dabei steife Formteile mit geschlossener Haut
und hart- bis weichelastischem, mikrozelligem Kern herstellen (Integral schaum oder Struktur-
schaum).

6.3. Eigenschaften der Thermoplaste


6.3.1. Thermische Eigenschaften. Bei tiefen Temperaturen unterhalb der Glastemperatur tg sind
Thermoplaste hart und spr6de. Warmezufuhr bewirkt eine Bewegung innerhalb der Kette (Dehnung
und Neigung der Glieder). Werkstoff ist dann biegeweicher und zaher. Bei kristallinen Polymeren
vollzieht sich diese Bewegung vorwiegend in den amorphen Bereichen, die kristallinen wirken ver-
steifend. Weitere Warmezufuhr fiihrt zur Verschiebung der Ketten gegeneinander (FlieBtemperatur
tF)' Werkstoff ist plastisch verformbar. Druck erniedrigt die Viskositat. Bei diesen Temperaturen
beginnt bereits die Schadigung des Werkstoffes durch Zerbrechen der Ketten (Gasblasen, Ver-
farbung) mit Abnahme der mechanischen Eigenschaften.
Die beiden Temperaturen und dazwischenliegenden Bereiche hangen von der Art des Polymers,
seinem Polymerisations- und Kristallisationsgrad sowie von Verstarkungen abo
In Bild V1.2 sind einige Polymere in zwei Schaubildem gegeniibergestellt. Bildteil a zeigt die Schub-
modul-Temperatur-Kurve aus dem Torsionsschwingversuch DIN EN ISO 6721. Der E-Modul be-
tragt etwa das Dreifache davon.

t m~2
~ 104~---4-----+-----r----+---~

~ PC-GF
!~:; f--~-+---'j-----"~--l
~
~

10
PP

o 100 50 100 -oc


a)
Temperatur - - - - b) Temperatur -
Bild VI.2. Schubmodul G und Zugfestigkeit azB einiger Thermoplaste als Funktion der Temperatur
a) Schubmodul, b) Zugfestigkeit von PE: Polyathylen; PVC: Polyvinylchlorid; PP: Polypropylen; POM: Poly-
oxymethylen; PC: Poly carbonat; PA6: Polyamid 6; PA6-GF mit 30 % Glas; PC-GF mit 30 % Glas
577
Werkstofftechnik

Die Kurven zeigen die Unterschiede auf zwischen wenig und stark kristallinen Polymeren (PE weich
und PE hart), Konstruktionswerkstoffen flir formsteife Maschinenteile (POM und PC, PA-6) und
Elastomeren PUR, sowie den EinfluB von Kurzglasfasem (PC und GF-PC).
6.3.2 Mechanische Eigenschaften. Die Kurzzeiteigenschaften werden im Zugversuch DIN EN
ISO 527 und im Schlagbiegeversuch DIN EN ISO 179 ahnlich wie bei Metallen gepriift und Eigen-
schaftswerte ermittelt. Sie haben lihnliche Definitionen, aber z.T. andere Bezeichnungen.
Streckspannung ist die Zugspannung beim ersten Maximum der cr, E-Kurve.
1 %-Dehnspannung entspricht der 0,2-Dehngrenze und ist Ersatz flir die Streckspannung bei steti-
ger cr, E-Kurve.
Dehnungen werden unter Krafteinwirkung gemessen. Die ReiBdehnung entspricht der Bruchdeh-
nung, enthalt aber auch den elastischen Anteil.
Bild VI.3 zeigt einige cr, E-Diagramme, die ftir drei Grup-
pen typisch sind.
Gruppe 1: Steiler Verlauf . ohne ReiBdehnung. Form-
steifer, harter, sproder Werkstoff wie z. B.
PMMA,PS. ziih-elastisch
Gruppe 2: Ausgepragte Streckspannung mit groBerer
Dehnung. Zah-elastischer, schlagfester Werk-
stoff flir Konstruktionsteile wie z. B. PA, PC,
POM, ABS, daneben mit kleinerer Streck-
spannung auch PE, hart und PP.
Gruppe 3: Flacher Verlauf mit sehr groBer ReiBdeh-
nung. Gummiartiger Stoff wie z.B. PE weich, Dehnung E
PUR und andere Elastomere. Bild VI.3. Spannungs·Dehnungslinien von
Kurvenverlauf hangt stark von der Belastungsgeschwin- Kunststoffen, schematisch
digkeit ab!
Biegefestigkeit nach dem Biegeversuch DIN EN ISO 178 ermittelt, bei dem ein Normstab als
Trager auf zwei Stiitzen durch eine mittige Kraft gebrochen wird. Errechnung aus dem Biegemo-
ment beim Bruch. Bei zahen Polymeren ohne Bruch wird eine bestimmte Durchbiegung erzeugt
und die dann wirkende Grenzbiegespannung errechnet.
E-Modul aus Zug-, Druck- oder Biegeversuch errechnet (DIN EN ISO 178/527/604).
Kugeldruckhiirte nach DIN EN ISO 2039. Quotient aus Priifkraft durch Oberflache des Ein-
druckes, unter Last aus der Eindringtiefe berechnet. 4 Kraftstufen (49 N; 132 N; 358 N; 961 N)
Stahlkugel von 5 mm Durchmesser mit Vorkraft Fa = 9,81 N. Einwirkzeit 10 ... 60 s. Zeit wird im
Kurzzeichen mit Schragstrich hinter der Priifkraft angegeben: H 358/10 heiBt Hartewert mit 358 N
und 10 s Einwirkdauer ermittelt.
LangzeitverhaIten der Thermoplaste unter Spannung ist durch eine stetig zunehmende Dehnung
gekennzeichnet, die nach einer Zeit zum Bruch flihrt, die spannungs- und temperaturabhangig ist.
Priifung durch Zeitstandversuch DIN EN ISO 899 bei konstanter Spannung (wie sie z. B. in einem
Ventilatorfltigel auftritt). Nach einer Anfangsdehnung beim Aufbringen der Last tritt ein Kriechen
bis zum Bruch ein. Ergebnis dieser Versuche sind die Zeit-Dehnungslinien (Bild VI.4a).
Priifung durch Spannungsrelaxationsversuch DIN 53 441 bei konstanter Dehnung (wie es z.B. bei
einem Sektkorken auftritt). Dieser Dehnung entspricht zu Beginn der Belastung eine Spannung, die
durch den Kriechvorgang kleiner wird, bis das Teil seine Funktion nicht mehr erftillt. Ergebnis die-
ser Versuche sind die Zeit-Spannungslinien (Bild VI.4b).
Eine Kombination beider Schaubilder sind die isochronen Spannungs-Dehnungslinien (Bild VIAc).

578
VI. Kunststoffe

t%1:-!!: /
/ .,- .-
tm~2 Briiche
c -'::Li
~mm21
I
w 4 :c: 80 c 80 c:: 80- 1h
4
g>
:::>
.s: 70
c:: 3 c 60
Dl
c::_
~ 60 ':!!?3
- I
~ I
\..6- °S:~ __ l __ l
I
-<:::
~ 2'50 ~_-_~L--=-
:::>
2 ~ 40
~
§r 40 ~2 I I i
tl 30
I
i'.;j

::1
~ §
§r20
i'.;j 20 ~1
10-1 10 10 2 10 3h 10-1 1 10 10 2 10 3h 2 3 4 %
a) Zeit t - - b) Zeit t - - c) Defmung
Bild VIA. Zeitstand-Zugversuch, schematische Schaubilder
a) Zeit-Dehnungslinien, b) Zeit-Spannungslinien, c) isochrone Spannungslinien

Elastizitatsmodul ist die Steigung der cr, E-Linie (Bild VI.4c). Sie ist im Kurzzeitversuch groBer
als im Langzeitversuch. Dieser zeitabhangige E-Modul wird als Kriechmodil Ec (t) bezeichnet, ist
in weiteren Schaubildem dargestellt und muB zur Berechnung von Verformungen bei langzeitiger
Beanspruchung verwendet werden. Insofem dient der in Tafeln angegebene E-Modul der Produkt-
kontrolle im Vergleich.
Der gegentiber Metallen urn etwa 100-fach kleinere E-Modul fUhrt zu entsprechenden elastischen
Verformungen, d.h. zu geringerer Formsteifigkeit von Teilen.
Anwendung: Schnappverbindungen lassen sich mit geringen Kraften schlieillen, wie bei Spielzeu-
gen, Behaltem und Abdeckkappen. Walzlagerkafige konnen mit Kugeln besttickt werden.
Bei Punkt- oder Linienbertihrung von Kunststoffteilen unter starken Kraften entsteht durch die
Abplattung eine groillere Bertihrungsflache. Dadurch sinkt ortlich die Flachenpressung gegentiber
Stahlteilen auf etwa 1/10, damit auch der Verschleiill.
Anwendung: Laufrollen, Lagerbuchsen, Kupplungsteile, Zahnrader, Walzlagerringe fliT gerausch-
arme Lager aus den zahharten Polymeren PA, POM und PUR.
Beim Ersatz von Metallteilen durch Kunststoffe sind die Wanddicken auf das 2 ... 3-fache zu ver-
starken oder es mtissen Verrippungen angebracht werden. Bei groillflachigen Teilen besteht die
Moglichkeit, Strukturschaum-Kunststoffe anzuwenden. Dabei wird die Gasentwicklung durch die
TemperaturfUhrung so gesteuert, daill die Auillenflachen glatt und porenfrei sind, nach dem Kern
hin aber zunehmende Porositat auftritt (PUR- und ABS-Strukturschaum mit Dichten von etwa
0,6 g/cm 3 ).
Anwendung: Gehause flir Tonmobel, Sportgerate, Mobelteile, Kfz-Innenteile (weiche Armaturen-
bretter).
Erhohung des E-Moduls durch Verstarkung. Durch Beimischung von Kurzglasfasern (0,2 ... 0,5 mm)
in Anteilen von 20 ... 40 Gewichtsprozenten werden gute Eigenschaftsanderungen erzielt (Bild
VI.2, Kurven PC-GF und PA6-GF).
Thermoplaste mit Glasfaserverstarkung sind vorwiegend die flir Teile des Feinmaschinenbaus und
der E-Technik verwendeten Polymere Polycarbonat PC und Polyamid PA 6. Daneben auch Poly-
propylen PP, Polyoxymethylen POM, Polyathylenterephtalat PETP und einige neue, weniger be-
kannte Polymere.

579
VVerkstofl1echnik

Tafel VI.S. Auswahl thermoplastischer Kunststoffe (Plastomere)


Kugel·
chern. Bezeichnung Handels· Gebrauchs-
Dichte· druck- E-Modul
und Kurzzeichen narnen ternperatur O°C
g/crn 3 harte N/rnrn 2
DIN 7728 (Auswahl) dauernd/kurz
H358/10
Polyviny1chlorid Hostalit 130
PVC hart Vestolit 1,36 - 30/60/70 bis 3000
schlagzah Trovidur 80
Polyetrafluorethylen Teflon
2,2 - 200/280 32 350
PTFE Hostaflon

Polyethylen 0,92 - 50/60/80 16 140


PE Hostalen
Lupolen bis bis bis
Vestolen 0,96 - 50/80/100 64 1000
Polypropylen Hostalen PP
PP Novolen 0,9 ± 0/100/140 75 1000
Vestolen P
Polystyrol Polystyrol
1,05 - 50/70/90 155 3300
PS Vestyron

schlagfestes PS:
SB Styrol-Butadien 1,05 - 50/80/90 100 2400
SAN Styrol-Acrylnitril Luran 1,08 - 50/85/95 170 3700
ABS Acrylnitril- Terluran
Butadien-Styrol Novodur 1,08 - 50/85/105 95 2400
Copolyrnerisat Lustran
glasfaserverstiirkt Luran 1,36 - 50/95/105 250 1000

Polycarbonat Makrolon 1,2 - 100/100/135 100 3000


PC Sustonat
glasfaserverstarkt Makrolon GV 1,4 - 100/110/145 150 6000

Polyoxyrnethylen Delrin 1,41 - 40/100/140 160 3000


POM Hostaforrn
glasfaserverstiirkt Ultraforrn 1,5 200 9000

Polyamide Durethan 1,01 - 40/100/160 70 1000


PA Trogarnid bis bis bis bis
Ultrarnid 1,14 - 30/120/160 160 2000

glasfaserverstiirkt 1,4 - 40/120/200 170 7000

Polyester, linear Ultradur 1,3 - 30/100/170 130 2600


PBT, PET, PBT/GF Pocan 1,5 - 30/120/200 200 10000
Polyphenylenoxid Noryl 1,1 - 40/120 90 2200
PPO, PPO-GF30 1,27 - 40/130 120 6000
Polyphenylensulfid Ryton 1,35 - 60/140 - 4000
PPS, PPS-GF 40 Tedur 1,64 - 60/220/260 - 14000

1) Tri-Trichloriithylen 2) Tetra-Tetrachlorkohlenstoff

580
V I. Kunststoffe

Zeitdehn-
Langen- unbestandig
spannung
ausdehnung gegen Eigenschaften, Verwendungsbeispiele
°1/100/ 23 ° C ' lO-StC (bedingt)
N/mm 2
Tril) hart, zah, korrosionsbestandig, selbst-
20 8 loschend, Rohre, Fittings flir Frisch- und
Tetra 2) Abwasser
korrosionsbestandig, klebwidrig, geringste
1,8 14
Reibung, Konstanz elektrischer Eigen-
schaften zwischen - 150 , .. 300°C
0,8 23 Tril) biegsam bis hart, teilkristallin,
korrosionsbestandig, kaltzah,
bis
Wasserleitungsrohre, Galvanikbehalter,
4 13 Tetra 2) Batteriekasten, Folien flir Verpackung
Halogene
wie PE, temperaturstandfester,
6 11 '" 17 Tetra 2)
weniger kaitzah, kochfest, hochkristallin
starke Sauren
Benzin glasklar, hart, sprode, geringste
20 7
Tetra 2) elektrische Verluste,
Tri I) geschaumt: Warmeisolator
(Mineralol) Gehause fiir Feingerate,
20 9 (und Fett) Tiefziehplatten, Lager und Transport-
13 7 (TrP), Tetra 2)) behalter, Batteriekasten, benzinfest

Karosserie-Innenausbau, Schutzhelme,
12 9 wie SAN
galvanisierbare Beschlagteile

geringeres Kriechen und Dehnen bei


2,4 wie SAN
Erwarmung
glasklar, kaltzah-warmhart, maj,bestandig,
18 6 ... 7 Alkalien,
Tragerteile und Gehause flir Beleuchtungs-
Org. Losungs-
korper und Mef>gerate, Schrauben fiir
40 2,5 mittel
E-Technik
kristallin, geringe Wasseraufnahme und
12
15 starke Sauren Kaltfluf>, sonst ahnlich PA, auch in
3
Anwendung; auch glasfaserverstarkt
teilkristallin, zahlhart, abriebfest, gerausch-
4 7
(Sauren) dampfend, wasseraufnehmend, dadurch
bis bis
Tril) MaJ,anderungen und Abfall der Festigkeit;
6 8
Zahnrader, Laufrollen
erhohte Maf>haitigkeit und Steifigkeit,
50 2,5
Gehause flir Handbohrmaschinen
15 6 Heilles H2O geringe Wasseraufnahme, sehr hohe
50 3 Halogen-KW Mal> bestandigkeit
17 6 chlor. wie PC und POM, thermisch und
30 3 KW chemisch stabiler; Warmeaustauscher,
20 5 konz. Spoiler, selbstloschend, Teile irn Motor-
30 3 HN03 raum im Austausch gegen Metalle.

581
Werkstofftechnik

Eigenschaften Anderung
E-Modul und Zugfestigkeit 2 ... 4fach
Dehnung und Zahigkeit sinken
Warmedehnung sinkt auf 1/3, wichtig fiir Verbund mit Metal!
Kriechneigung verringert, Zeitdehngrenzen erhiiht
Dauerwarmebestandigkeit 10 ... 30°C hiiher
FlieSfiihigkeit in der Form verschlechtert, deswegen max. 40 Gew.-% Kurzglasfasern
elektrische Eigenschaften kaum verandert (bei E-Gas)

Anwendungsbeispiele: MaBbestiindige Tei1e (Temperaturschwankung) im Schalt- und MeBgeratebau,


Iso1atoren, Spu1enkorper, Liifterrader und -gehause, Steuerscheiben fiir Haushaltsgerate, Magnet-
venti1e fUr Wasch- und Geschirrspiilmaschinen.

Weitere Normen und VDI-Richtlinien


DIN Taschenbuch 149 Thermoplastische Formmassen; DIN EN ISO 1043-1 - Kennbuchstaben und Kurzzeichen der
Kunststoffe; DIN 7724 - Gruppierung hochpolymerer Werkstoffe aufgrund ihres mechanischen Verhaltens; DIN
18820 - Laminate aus textilglasverstarkten ungesattigten Polyester- und Phenacrylatharzen fiir tragende Bauteile;
Entwurf DIN EN 13677 - Verstarkte Thermoplast-Formmassen (GMT). DIN ISO 6691 - Thermoplastische Polymere
fiir Gleitlager.
VDI-Richtlinien fiir Maschinenteile aus thermoplastischen Kunststoffen: Gleitlager 2541; Verbundlager mit Kunst-
stoff-Laufschicht 2543; Kunststoffoberflachenbehandlung 2018; Kunststoffkleben 3821; Temperatur-Zeit-Verhalten
2021; Entwicklung von Bauteilen aus Kunststoff-Faser-Verbund 2014.

VII. Prufung metallischer Werkstoffe


Die Werkstoffpriiflabors der Fertigungsbetriebe sollen feh1erhaftes Rohmaterial ausscheiden, bevor
es in den Fertigungsab1auf ge1angt. Aufgaben:
a) Ermitte1n und Nachpriifen von gewiihr1eisteten Werkstoffkennwerten, wie z.B. Zugfestigkeit,
Streckgrenze oder Bruchdehnung.
b) Nachweis von Verarbeitungseigenschaften, wie z.B. Tiefziehfahigkeit, Schmiedbarkeit, SchweiB-
barkeit.
c) Feh1ersuche an Rohlingen und Fertigteilen.
d) Uberwachung der Wiirmebehand1ung und deren EinfluB auf Gefiige und Eigenschaften des
Werkstoffes.
e) Bestimmung unbekannter Werkstoffe, Trennung von vertauschtem Material.

1. Priifung der Harte


Harte ist der Widerstand des Gefiiges gegen das Eindringen eines hiirteren Prujkorpers unter einer
Prujkraft. Am zuriickb1eibenden Eindruck wird ein MejJwert abgenommen und daraus der Harte-
wert berechnet. Nach diesem Prinzip arbeiten die drei wichtigsten Priifverfahren.

1.1. Hartepriifung nach Brinell (DIN EN 10003-1)


Eindringkorper: Hartmetal1kugeln von 1; 2,5; 5 und 10 mm Durchmesser (Zeichen HBW). Der
Kugel-0 D hiingt von der Hiirte und der Dicke s der Probe abo Die entstehende Kugelkalotte wird
vermes sen. Damit sich vergleichbare und reproduzierbare Hiirtewerte ergeben, sind bestimmte
Priitbedingungen genormt:
1 Die Hohe h der entstehenden Kuge1kalotte (= Eindrucktiefe h) solI hOchstens 1/8 der Proben-
dicke s betragen. Die Unterlage darf den FlieBvorgang beim Eindringen nicht behindem.
Mindestdicke Smin ~ 8 h! Mit der Eindrucktiefe h = (D - ....jD2 - d 2) liz.

582
VII. Prufung metallischer Werkstoffe

2 Die Kalotte darf nicht zu flach oder zu tief sein: Der Eindruck-0
d solI zwischen 0,24 D und 0,6 D liegen.
3 Die MeBwerte sind nur dann vergleichbar, wenn zwischen Prtif-
kraft Fund dem Kugel-0 D im Quadrat ein konstantes Verhliltnis
besteht. Es ist der Beanspruchungsgrad und fur 5 Werkstoffgrup-
pen festgelegt (Tafel VII. 1 rechts).

Prut'kraft: Die am Prtifgerat einzustellende Priifkraft F wird aus Ta-


bellen des Normblattes entnommen, oder es wird nach Tafel VII.2
rechts fur den vorhandenen Werkstoff und der zu erwartenden Hlirte Bild VlI.I Brinellhiirtepriifung
der Beanspruchungsgrad abgelesen und die Prtifkraft mit der Formel
fiir den Beanspruchungsgrad berechnet.

Beanspruchungsgrad ==
o' 102F
2
D2
:::::} F == - -
D 0,102

Die genormten Krafte liegen z. B. fur Stahle init dem Beanspruchungsgrad 30 zwischen 294,2 N
und29420N.

Tafeln VII.I. Brinellhlirtepriifung


Mindestdicke der Proben in Abhiingigkeit yom Werkstoffgruppen, Beanspruchungsgrad und erfaBbarer
mittleren Eindruck-0 (mm) Hiirtebereich
Ein- Mindestdicke s der Proben fUr Brinell- Beanspruchungs-
druck- Kugel-0 D in mm: Werkstoffe bereich grad
0d D= I 2 2,5 5 10 HB
0,2 0,08 Stahl, Ni, Ti 30
I 1,07 0,83 Gu8eisenl) < 140 10
> 140 30
1,5 2,0 0,92
Cuund 35 ... 200 10
2 1,67
Legierungen <200 30
2,4 2,4 1,17 < 35 2,5
3 4,0 1,84 Leichtmetalle < 35 2,5
3,6 2,68 35 ... 80 5/10/15
> 80 10/15
4 3,34
Pb,Sn 1
5 5,36
I) Nur mit Kugel 2,5; 5 oder 10 mm 0
6 8,00 Sinterformteile nach DIN EN 24 498-1

Der Kugel-0 D solI so groB wie moglich gewlihlt werden. Danach muB nach der Hlirtepriifung mit
Hilfe der Tafel VII.l festgestellt werden, ob fur den ermittelten Eindruck-0 d die Mindestdicke
kleiner ist a1s die Probendicke. Andemfalls ist die nachstkleinere Kugel zu verwenden.

Me6wert:
Am Prtifung wird der Durchmesser d der entstehenden Ka10tte (Eindruck-0) ausgemessen, bei un-
runden Eindriicken a1s Mittelwert aus zwei Durchmessem, die senkrecht aufeinander stehen. Dabei
ist eine Genauigkeit von ± 0,5 % erforderlich, damit der Hlirtewert nicht mehr als ±1 % unsicher ist.

583
Werkstofftechnik

Hartewert:
'" Priifkraft F 0,204 F HB D,d
Brmellharte HB = E'mdruck 0 berfl"ach e A
mm
Zur schnellen Ermittlung der Brinellharte werden Tabellen benutzt. Hartewerte sind nur darm
vergleichbar, wenn sie unter gleichen Priifbedingungen ermittelt wurden. Versuchsbedingungen
werden genau gekennzeichnet:
Kurzzeichen: 350 HBW 10/30: Brinellharte von 350 mit Hartmetallkugel D = 10 mm und
F = 29420 N bei der genormten Einwirkdauer von 10 ... 15 s gemessen.
120 HBS 5/250/30: Brinellharte von 120 mit Stahlkugel D = 5 mm und F = 2452 N bei 30 s Ein-
wirkdauer gemessen.
Bei Hartewerten unter 300 HB kann die Bezeichnung der Kugelart fortfallen!
Fiir unterperlitische Stiihle bestehen eine durch Versuche gefundene, angenaherte Beziehung
zwischen Brinellharte HB und der beim Zugversuch ermittelten Zugfestigkeit R m .

HB
Rm "'" 3,5 HB 10/3000

Anwendungsbereich:
a) Hartemessung an Werkstoffen mittlerer Harte bis 300 HB. Bei harteren Stoffen tritt eine Ab-
plattung der Kugel ein, wodurch ein weicherer Stoff vorgetauscht wird. Mit einer Sinterhart-
stoffkugel wird der MeBbereich auf etwa 450 HB erweitert.
b) Hartemessung an Werkstoffen mit Geftigebestandteilen von unterschiedlicher Harte. Durch die
lO-mm-Kugel wird eine mittlere Harte samtlicher Kristallarten gemessen (Lagermetalle, Grau-
guB).
c) Nachpriifung der Zugfestigkeit an warmebehandelten Werkstiicken ohne wesentliche Bescha-
digung.
Das Verfahren ist nicht geeignet zur Hartemessung an diinnen, harten Schichten.

1.2. Hartepriifung nach Vickers (DIN 50133, EN ISO 6507-2)


Eindringkorper: Vierseitige Diamantpyramide mit 136 0 Spitzenwinkel.
Priifkraft: Betrag der Kraft ohne EinfluB auf den Hartewert, wenn der Eindruck mehrere Kristalle
erfaBt. Bevorzugt angewendete Krafte sind die in Bild VII.2 angeftihrten. Fiir diinne harte Schich-
ten sind in Blatt 2 weitere 7 von 49 N ... 1,96 N angeftihrt. Damit die Schicht nicht in den Grund-
werkstoff eingedriickt wird, muE sie mindestens das 1,5fache der Eindruckdiagonale (MeBwert) an
Dicke aufweisen.
Die Priitkraft kann aus dem Diagramm Bild VII.2 abgelesen werden, wenn Dicke und zu erwartende
Harte bekannt sind.
Ablesebeispiel: Blech von s = 1 mm Dicke und einer Harte von etwa 300 HV. Der Schnittpunkt der
beiden Koordinaten im Diagramm liegt oberhalb der Kurve 2 (= 490 N), also ist eine Priitkraft
F =490 N geeignet; sie wiirde in einem weicheren Werkstoff der Dicke s = 1 mm bis herunter zu
einer Harte von 200 HV zulassig sein.
Meiwert: Mittelwert der beiden Eindruckdiagonalen. Die Ablesegenauigkeit solI 2 p.m betragen.
Je harter der Priifling, urn so geringer die Rauhtiefe der Probenoberflache.
Hartewert:
k h" HV Priifkraft F 0,189 F
= E'Indruck 0 berfl"ach e A =- d
TT'
~ IC ers arte 2

584
VII. PrUfung metallischer Werkstoffe

1,6
mm 3\ , 2\1 Kurve PrufkraftF

c:
1,4
, 1\ f\. 1
in N
980 ...,

''" "t--
2 490
~ 1,2 ",,-;==-~.p::._+'i.
J: 1,0
4
\ 3
4
5
294
196
98
..........
'-
{!l 5\ ~ r--.... 6 49

-
J
c: 0,8
\ '\ ~ ..........
r--.... r- t- r-
-
-
0,6 ..... r- ""=-'''-__ Eindruck-
"'-.......
-
OJ

~
6\
~
......... t- '- r- oberfliiche A

r--- ""'- r-- ..... r-


~ 0,4

~'" 0,2
i:
00 120 200 300 400 500 600 700 BOO 900 1000 1100 1200 1300 Bild VII.2
Vickershiirte HV HiiItepriifung nach Vickers

Kurzzeichen:
640 HV 30: Vickersharte von 640 mit F = 294 N bei 10 ... 15 s Einwirkdauer gemessen.
180 HV 50/30: Vickersharte von 180 mit F = 490 N bei 30 s Einwirkdauer gemessen.
Anwendungsbereich: Die Hartepriifung nach Vickers ist sehr genau und besitzt den breitesten Me~­
bereich. Besonders geeignet fUr doone harte Randschichten, wie sie durch z. B. Borieren, Nitrieren,
Hartverchromen oder Beschichten mit Titannitrid oder -carbid entstehen.

1.3. Hartepriifung nach Rockwell (DIN EN 10 109-1)


Der Hartewert wird direkt an einem Tiefenme~gerat (Me~uhr) abgelesen. Die Priifzeit ist kurz, das
Verfahren l~t sich automatisieren.
Eindringkorper: Diamantkegel mit 120°C Spitzenwinkel (Stahlkugel d = Yt6 Zoll).
Priifkraft: Sie ist unterteilt in eine Priifvorkraft Fo und eine Priifkraft Fl'
Meiverfahren: Der Eindringkorper ist mit einem Tiefenme~gerat gekoppelt. Er wird sto~frei unter
Wirkung der Priifvorkraft F 0 auf den Priifling aufgesetzt. Diese Stellung ist Bezugspunkt der Tiefen-
messung (M~basis Bild VII.3).

Bild VII.3. Hiirtepriifung nach Rockwell

Unter Wirkung der Priifkraft FI dringt der Eindringkorper in etwa 5 s tiefer in den Priifling ein.
Nach Stillstand der Bewegung (Flie~en des Werkstoffes) wird die Priifkraft FI abgeschaltet, der
Werkstoff federt etwas zuriick und der Eindringkorper wird wieder angehoben. Die Priifvorkraft Fo
halt ihn in Kontakt mit dem Eindruck. letzt wird abgelesen.
Meiwert, Hiirtewert: Die Me~uhr zeigt dann die bleibende Eindringtiefe tb an. Sie ist ein M~ fUr
die Rockwellharte. Fiir die Werkstoffgruppen unterschiedlicher Harte und Dicke des der Priiflinge
sind verschiedene Rockwellverfahren entwickelt worden. Tafel VII.2 zeigt die wichtigsten mit den
zugehOrigen Daten.

585
Werkstofftechnik

Tafel VI1.2. Rockwell·Verfahren

Priifverfahren mit Diamantkegel Stahlkugel


Kurzzeichen HRC HRA HR15N HR30N HR45N HRB HRF
Einheit von F N N N N N N N
Priifvorkraft F 0 98 98 29,4 29,4 29,4 98 98
Priifkraft F I 1373 490 117,6 265 412 882 490
Priifgesamtkraft F 1471 588 147 294 441 980 588
20 bis 60 bis 66 bis 39 bis 17 bis 35 bis 60 bis
Mefl>bereich 115 HRF
70 HRC 88HRA 92 HR 15N 84 HR30N 75 HR45N 100 HRB
Harteskale 0,2mm 0,2mm 0,1 mm 0,2mm 0,2mm
Werkstoffe Stahl, Wolfram- Stahl, St-Fein-
diinne Proben;;. 0,15 mm, kleine
gehartet B1eche Messing, blech,
PriiffHichen, diinne Oberflachen·
angelas- ;;. 0,4 Bronze
Messing
harteschichten
sen mm weich
Berechnung der HRC,HRA= HRB, HRF =
HRN = 100-1000 tbl)
Harte HR 100-500 tb I) 130-500 tb I)

I) Zahlenwert von tb in mm einsetzen

bleibende
Emdrmgtlefe
f
0 100 Rockwell-
harte
tb In mm 0,1 50 HRC Bild VII.4
Beziehungen zwischen Eindringtiefe und Rockwellharte
0,2 0
Die Dicke des Prtiflings soli das lOfache der bleibenden Eindringtiefe tb betragen. Die Hartewerte
der einzelnen Rockwellverfahren sind nicht miteinander vergleichbar, deshalb muB Harteangabe
immer mit Kurzzeichen des Verfahrens erfolgen (Tafel VII.2 obere Zeile).
1.4. Vergleich der Hiirtewerte
Die Umrechnung eines Hartewertes in einen der anderen Verfahren ist nicht moglich. Durch Ver-
suchsreihen wurden Beziehungen ermittelt und in den Hartevergleichstabellen DIN 50150 nieder-
gelegt (Entwurf). Sie enthalten den Vergleich der Vickersharte HV mit den Werten nach HB 30,
HRB, HRC, HRA und HRN in Spalten nebeneinander angeordnet und gelten fiir un- und niedrig-
legierte Stahle und StahlguB, jedoch nicht flir hochlegierte Stahle und kaltverfestigte Stahle aller
Art.
Angenahert bestehen die Beziehungen:
a) Zwischen Brinell- und Vickersharte: HB = 0,9 HV.
b) Flir hartere Stahle bis zu 2000 N/mm 2 Zugfestigkeit gilt: Rm = 0,34 HV (aus HV errechnet).
c) Die Rockwellharte HRC betragt im Bereich 200 ... 400 HV etwa -to dieser Werte.

2. Der Zugversuch (DIN EN 10 002)


Durch den Zugversuch werden an genormten Zugproben folgende Werkstoffkennwerte ermittelt:

Formelzeichen F ormelzeichen
Werkstoffkennwert Einheit Werkstoffkennwert Einheit
neu bisher neu bisher
Zugfestigkeit Rm azB N/mm2 Elastizitatsmodul E E N/mm 2
Streckgrenze Re as N/mm 2 Bruchdehnung A 85,10 %
0,2 Dehngrenze R pO ,2 aO,2 N/mm 2 Brucheinschniirung Z %
'"
586
VII. PrUfung metallischer Werkstoffe

2.1. Zugproben (DIN 50125)


Die Norm enthlilt Ma1l.e und Richtlinien flir die Herstellung der Proben. Sie bestehen aus einer
Versuchsliinge mit konstantem Querschnitt, an deren Enden verdickte Einspannk6pfe (Schulter-

'I E~
und Gewindekopfe, sowie Kopfe flir BeW,backen) vorhanden sind. Das Verhliltnis zwischen Mef3-
liinge Lo und Durchmesser do (Bild VII.5) ist festgelegt. L

= 5,65 $0, _ t
---8±=~~~<> -
V"hhltni" L,
Lo = 5 do .
So
Weitere Normen: GrauguB DIN EN 1561, TemperguB DIN EN 1562; 5u
DruckguB 50148. -B[--~---:F
2.2. Versuchsablauf Bild VII.5. Zugprobe nach
DIN 50125
Die Zugprobe wird biegungsfrei in die Spannvorrichtung der
Lo MefOlange, do Anfangsdurch-
Prtifmaschine eingesetzt und langsam bis zum Bruch gedehnt. messer, So urspriinglicher Proben-
Die Spannungszunahme soli 10 N/mm 2 je Sekunde nicht querschnitt, Lu MefOlange nach dem
tiberschreiten. Es werden zugeordnete Werte von Zugkraft und Bruch, Su Probenquerschnitt nach
Verllingerung gemessen. dem Bruch

2.3. Spannungs-Dehnungs-Diagramm
Aus den gemessenen Wertepaaren von Kraft und Verllingerung llil1t sich das Kraft-Verllingerungs-
Diagramm aufzeichnen. Durch Division aller Kraftwerte durch den Anfangsquerschnitt So der
Probe und aller Verllingerungswerte durch die Anfangsllinge Lo wird daraus das Spannungs-Deh-
nungs-Diagramm. Es zeigt Werte, die von der Probengrol1e unabhlingig sind. Das Diagramm flir
einen weichen Stahl (Kurve 1 in Bild VII.6) zeigt folgende Abschnitte:

Geradliniger Teil = Hookesche Gerade: Gebiete elastischer. d.h. zurtickgehender Dehnung. Span-
nung und Dehnung sind proportional, es gilt das Hookesche Gesetz

Hookesches Gesetz 0 =E € ~'


~1
~
E €

mm 2

Nach Entlastung hat die Probe ihre Anfangsllinge Lo.


Schwach gekriimmter Teil: Hier ist die Proportionalitiitsgrenze liberschritten, die zur Verllingerung
der Probe notige Kraft nimmt geringer zu. Dicht oberhalb Op liegt die Elastizitiitsgrenze, diejenige
Spannung, bis zu der bleibende Formlinderungen nicht auftreten. Die zuilissigen Spannungen lie-
gen unterhaib der Eiastizitlitsgrenze.
op und 0E sind schwierig zu ermitteln und haben fill die Technik keine Bedeutung erlangt. An ihre
Stelle tritt die Streckgrenze Re bzw. die 0,2-Dehngrenze R pO ,2'
Unstetiger Teil: Bereich stlirkerer plastischer Verformung, wobei die Kraft schwankt. Der Werk-
stoff gibt ruckartig nach, er "fliel1t". Hier ist die Streckgrenze Os liberschritten. Nach Entlastung
wiirde eine grol1ere, bleibende Dehnung auftreten.
Ansteigender Teil: Durch den Fliel1vorgang (Kaltverformung) kommt es zu wachsender Kaltver-
festigung. Flir eine weitere Verllingerung sind zunehmende Krlifte erforderlich.
Absteigender Teil: 1m Bereich des Gipfels der Kurve tritt die Einschnilrung auf. Die weitere Ver-
llingerung erfolgt nur noch in diesem Teil der Probe. Zur Dehnung des kleiner werdenden Quer-
schnittes sind abnehmende Krlifte notig, bis der Bruch erfolgt.

587
Werkstofftechnik

2.4. Werkstoffkennwerte
Mit Hilfe der Probe und des Diagramms werden folgende F",ax
Werkstoffkennwerte berechnet:
..
Zugfestlgkelt Rm =-----s;
Fmax

Fmax ist die gr6Bte Kraft, die wahrend des Versuches an


der Probe wirkte. Sie kann am Schleppzeiger des Gerates Verldngerung LlL
abgelesen werden.

Streckgrenze Re = So
Fs 0,2% Dehnung E = fL
o
Bild VII.6. Spannungs-Dehnungs-
Re Fs So Diagramm
1 ftir weichen Stahl mit deutlicher
N mm 2 Streckgrenze
2 flir hiirteren Stahl ohne erkcnnbare
Streckgrenze
Fs ist die Kraft, bei der die Kurve die erste Unstetigkeit aufweist.
Viele Werkstoffe besitzen keine ausgepriigte Streckgrenze, z. T. ist die Kurve stetig gekriimmt. Ftir
diese Werkstoffe ist die 0,2-Dehngrenze zu ermitteln. Sie wird gew6hnlich auch als Streckgrenze
bezeichnet und ist in Tafeln unter dieser Spalte zu find en.

F O,2 F O,2
O,2-Dehngrenze Rpo 2 =-S
' 0
N mm 2

F O,2 ist die Kraft, welche die Probe - nach Entlastung gemessen - urn 0,2 % von Lo bleibend ge-
dehnt hat.
Lu-L o A
Bruchdehnung A = ---s;;- . 100
% mm

Lu ist der Abstand der MeBmarken an der Zugprobe nach dem Bruch (Bild VII.5). Zur Messung
werden die Bruchstiicke sorgfaltig an der Bruchflache zusammengepaBt. Die errechnete Bruch-
dehnung ist ein Mittelwert. 1m Einschniirgebiet ist die Dehnung wesentlich gr6Ber als im zylindrisch
gebJiebenen Teil der MeBiange.

So-Su A
Brucheinscizniirung Z = ---S;-. 100
% mm 2

Su ist die Bruchflache, sie wird aus dem Mittelwert von zwei senkrecht aufeinanderstehenden Durch-
messern berechnet.

E, a Eel
Elastizitiitsmodu/ E =.!!...
Eel N
mm 2

588
VII. Prufung metallischer Werkstoffe

Zur Berechnung werden zwei zugeordnete Werte von Spannung und Dehnung irn elastischen Be-
reich eingesetzt. Die Dehnung mu~ dabei mit dem Spiegelfeinme~gerat nach Martens (DIN SO 107)
ennittelt werden. Der E-Modul ist die gedachte Spannung, die die Probe elastisch auf die doppelte
Lange, also Dehnung gleich 1, dehnen wtirde. Er wird gebraucht, urn die elastische Verfonnung der
Bauteile unter Spannung zu berechnen.
Die angeflihrten Werkstoffkennwerte werden teilweise vom Hersteller gewiihrleistet. Der Verarbei-
ter kann sie durch den Zugversuch nachpriifen.

3. Kerbschlagbiegeversuch (DIN EN 10 045, DIN 50115)


Untersuchung des Werkstoffes auf seine Verfonnungsfahigkeit unter Bedingungen, die das Flie~en
behindem:
Schlag: sehr kurze Zeit zur Verfonnung
Kerbe: kleines Volumen fUr die Verfonnung
Kerbe: mehrachsiges Spannungssystem irn Kerbgrund
Ziihe Werkstoffe zeigen dabei einen hohen Arbeitsaufwand zum Zerbrechen der Probe. Die Schlag-
arbeit KV wird gemessen und ist ein MaS fUr die Ziihigkeit.
Die MeBwerte sind stark probenabhangig, deshalb Nonnung der Proben und Angabe in Kurz-
zeichen fUr die Schlagarbeit.

Probenformen unterscheiden sich durch Lange und Art der Kerbe. DVM-Probe (Bild VII.7), Nor-
malprobe mit spitzer Kerbe fUr ziihe Werkstoffe, DVMF-Probe (Flachkerb-Probe) urn sprOdere
Werkstoffe besser unterscheiden zu konnen, sowie die DVMK-Probe (Klein-Probe), wenn wenig
Volumen zur Verfugung steht.

Hammerscheibe

)~
3
(\

Bild VII.8
J
Bild VII.? a) Nonnalprobe mit Kerbschlagbiegeversuch mit
Spitzkerb dem Pendelschlagwerk und
b) DVM-Probe (DVM) Ennittlung der Kraft F Probe

3.1. Versuchsablauf
Versuch wird auf Pendelschlagwerken DIN 51222 durchgeflihrt, in Baugrol.\en von 0,5 ... 300 J
genonnt. Probe wird irn tiefsten Punkt der Pendelbahn (Bild VII.8) als Trager auf zwei StUtzen
mittig von der Hamrnerscheibe des Pendels auf Biegung beansprucht und zerschlagen. Die Lage-
energie Wp in der Ausgangsstellung (Hohe h) wird durch die verbrauchte Schlagarbeit vermindert,
so d~ das Pendel nur bis zur Hohe hi weiterschwingt. In der Stellung 3 besitzt es die Vberschufl-
energie Wij.

589
Werkstofftechnik

3.2 Auswertung

Die Schlagarbeit KV wird aus der Differenz der Energien berechnet

Schlagarbeit KV = Wp - Wii = F(h - hI)


I I
IT, W F h, hI
I N m

Fist die Stiitzkraft bei waagerechter Stellung des Pendels gemessen (Bild 16.23b). Neben der Pro-
benform und der HammergroBe werden die MeBwerte wesentlich von der Temperatur beeinfluBt
(Bild VII.9).
Angaben der Schlagarbeit enthalten die Probenform und das Arbeitsvermogen des Hammers, das
normal 300 I (ohne Angabe) betriigt und bei Abweichungen hinter das Symbol KV (KU) gesetzt
wird.

Beispiele:
KV = 40 I ~ V: Spitzkerbprobe mit 300 I; KU 100 =40 I U ~ Rundkerbprobe mit 100 I geschlagen.

Kerbschlagarbeit-Temperaturkurve (BildVII.9) zeigt den -----------------k~


Unterschied zwischen kaltziihen, kubisch-fliichenzentrierten
und kubisch-raumzentrierten Metallen, die im Bereich der Hochlage
li
tlbergangstemperatur tii einen Steilabfall von Werten der ~ vergiitet / - - - - - - krz
I .... - - -
Hochlage zur Tieflage aufweisen. Die Lage des Steilabfalls
wird durch den Gefligezustand beeinflu~t und ist damit
:s
8"
~ I
/
'f Steilabfall
/

durch Wiirmebehandlungen verschiebbar. -e I


I I
I

~ I / ~
Tief- I I I ~
lage / :I iiberhitzt
- --/ // gealtert
Bild VII.9
___ - - - I
,
Kerbschlagarbeit-Temperaturkurve -4() -20 t'O +20 +40 O[
Temperatur

Anwendungsbereich:
a) Kontrolle der Wiirmebehandlung des Stables. Bei Uberhitzung oder AnlaBsprOdigkeit ergeben
sich niedrigere Ziihigkeitswerte.
b) Stiihle nach DIN EN 10 025 mit den Anhiinge-Symbolen IR, 10, 12 unterscheiden sich in der
Priiftemperatur, bei der die Proben geschlagen werden (Tafel IY.7), ebenso schweiBbare Fein-
kombaustiihle nach DIN EN 10 113 (kaltziihe Reihe, Liings- und Querproben bei - 60°C).
Die Ziihigkeit des Werkstoffes kann an der Bruchfliiche der Kerbschlagprobe beurteilt werden:
a) Verformungsbruch: Die Bruchflache ist zerkliiftet, an den Randern sind Stauch- und Zugzonen.
Zeichen flir ziihen Werkstoff.
b) Trennungsbruch: Die Bruchflache ist eben und zeigt glatte Randel. Zeichen flir niedrige Ziihig-
keit (Sprodbruch).

4. Priifung der Festigkeit bei hOheren Temperaturen


Flir Temperaturen liber 200 ... 350°C ist die Berechnungsgrundlage fiir den Konstrukteur die Warm-
strecktgrenze nach DIN EN 10002-5. Hierbei wird der Zugversuch an beheizten Probestiiben durch-
gefilhrt.
Wenn Bauteile bei Temperaturen liber 400 °C mechanisch beansprucht werden, so sind fiir ihre
Auslegung die Zeitfestigkeiten und Zeitdehngrenzen zugrundezulegen. Sie werden aus Langzeit-
versuchen ermittelt.
590
VII. PrUfung meta iii scher Werkstoffe

4.1. Standversuche, Zeitstandversuch (DIN 50118)


Sie geben Aufschlutl. tiber das Dehnungsverhalten bei iangzeitiger Beanspruchung. Dabei zeigen alle
Werkstoffe ein Kriechen. Damit wird eine langsame plastische Formanderung unter Last bezeich-
net, die zu Matl.anderungen der Teile und u. U. zum Bruch fUhrt, obwohl die Spannung unter der
Bruchfestigkeit des Werkstoffes liegt. Die Geschwindigkeit des Kriechens wachst mit der Tempe-
ratur.
Bei Temperaturen unter dem Bereich der Kristallerholung kann das Kriechen durch eine Kaltver-
festigung zum Stillstand kommen. Hier kann die Dauerstandfestigkeit aD ermittelt werden. Es ist
die ruhende Beanspruchung, die eine Probe unendlich lange ohne Bruch ertragen kann.
Bei Temperaturen im Bereich der Kristallerholung und Rekristallisation tritt keine Kaltverfestigung
ein, ein Kriechen ist nicht zu vermeiden. Hier ist kein Werkstoff "unendlich" lang haltbar, es gelten
die Zeitfestigkeiten.
Je niedriger die verlangte Lebensdauer des Teiles, urn so haher darf die Beanspruchung sein. Matl.-
gebend sind die Zeitstandversuche.
Zeitstandversuch: Dabei werden Probestabe bei gleichbleibender Temperatur und Belastung lang-
zeitig (bis zu lOs h "'" 15 Jahre) beansprucht und die bleibende Dehnung in Abstanden gemessen
bzw. der Bruch festgestellt. Aus vielen Proben des gleichen Werkstoffs, die bei gleicher Tempera-
tur, aber verschiedenen Beanspruchungen gemessen wurden, ergibt sich das Zeitstandfestigkeits-
schaubild (Bild VII. 10). Daraus lassen sich z.B. folgende Werte ablesen:
PriJftemperatur 550 0 [
Zeitstandfestigkeit ssORm/loOOOO = 60 N/mm 2 800
600 Zeitstand- _
oder 400
:-- <!estigkeit
Zeitstandfestigkeit ssoRm/l 000 = 180 N/mm 2 1.e:: 200 - 1%
~ 100
0,2% ~~
Zeitstandfestigkeit ist die Spannung, die nach konstanter S 60 ;,....'""
Zugbeanspruchung bei angegebener Temperatur (Index)
nach der angegebenen Zeit (Index) zum Bruch fUhrt.
b" 40

20
0,2 Zeitdehngrenze/ "
Weiter konnen die Zeitdehngrenzen abgelesen werden: 10 10 2 10 3 10 4 10 5
Zeit in h
Zeitdehngrenze sSOR pO ,2/1000 = 90 N/mm2 Bild VII.lO. Zeitstandsfestigkeits-Schaubild
Zeitdehngrenze SSORpl/lOOOO = 80 N/mm 2 des Stahles 24 CrMo V55 fUr 550°C

Zeitdehngrenze ist die Spannung, die nach konstanter Zugbeanspruchung bei angegebener Tempe-
ratur (Index) nach der angegebenen Zeit (Index) eine bestimmte bleibende Dehnung hervorruft.
Meist werden 0,2 % und 1 % Dehnung zugrunde gelegt.

5. Priifung der Festigkeit bei schwingender Beanspruchung


Dauerschwingversuch (DIN 50 100)
Bei dynamischer Beanspruchung eines Bauteiles (Begriffe siehe Festigkeitslehre) ist die Grundlage
fUr den Ansatz der zulassigen Spannung nicht mehr die Streckgrenze as, sondern die Dauerfestig-
keit der jeweiligen Beanspruchungsart. Sie wird in Dauerversuchen an Proben mit polierter Ober-
flache ermittelt.

5.1. Ermittlung der Biegewechselfestigkeit aus dem Umlaufbiegeversuch (DIN 50113)


Der Versuch ahmt die Beanspruchung einer umlaufenden, biegebeanspruchten Welle nacho Es sind
6 ... 10 Proben des gleichen Werkstoffes von gleicher Form und Bearbeitung natig. Die umlaufende

591
Werkstofftechnik

Probe wird mit einem konstanten Biegemoment belastet (Bild VII.II). Infolge der Drehung andert
sich die Biegespannung in jeder Faser sinusformig und durchlauft bei einer Umdrehung ein Last-
spiel. Der Versuch wird bis zum Bruch fortgesetzt und die Umlaufe gezahlt. 5 ... 9 weitere Proben
werden mit gestuften, kleineren Biegespannungen ebenso geprtift. Aus den MeBwerten ergibt sich
die Wohlerkurve (Bild VII.I2). Sie verlauft bei hohen Lastspielzahlen flacher und nahert sich
einem Grenzwert der Spannung, der Dauerfestigkeit, hier als Biegewechselfestigkeit UbW bezeich-
net. Es ist die Spannung, die sich aus der Wohlerkurve fUr 10 7 Lastspiele ergibt.
Fiir Stahl verlauft die Kurve ab 10 7 Lastspiele waagerecht. Bei Versuchen geniigt es, diese Grenz-
Lastspielzahl zu erreichen. Fiir Leichtmetalle betragt sie 5.10 7 . Jede andere Oberflachenbeschaf-
fenheit der Proben als "poliert" setzt die ertragbaren Lastspiele herab, d.h. senkt die Dauerfestig-
keit. Bei Versuchen unter standigem Korrosionsangriff ergibt sich ein geneigter Verlauf der Wohler-
kurve, eine Dauerfestigkeit ist dann nicht bestimmbar. Dann konnen nur Zeitfestigkeiten angegeben
werden.
Kerbwirkungszahlen lassen sich auf gleiche Weise mit gekerbten oder quergebohrten Proben er-
mitteln. Die dann ermittelten Grenzwerte der Wohlerkurven werden als Nenndauerfestigkeit be-
zeichnet. (Begriffe siehe auch Festigkeitslehre.)

Bild VILll. Umlaufbiegeversuch


,
"' --r-
'"
1 Spindel mit Aufnahmekonus
2 Probe mit aufgestecktem Lager als
Angriffspunkt der Kraft F, die das
Biegemoment im eingezogenen
Querschnitt hervorruft
o
Lastspie/e

Bild VII.12. Wohlerkurve

5.2. Andere Dauerversuche


In lihnlicher Weise werden Versuche mit schwellender oder wechselnder Belastung auf Zug-, Druck,
Biegung und Torsion durchgeftihrt. Dabei werden die Mittelspannungen ebenfalls gestuft. Aus vie-
len Wohlerkurven des gleichen Werkstoffes kann das Dauerfestigkeitsschaubild gezeichnet werden.

5.3. Dauerfestigkeitsschaubild (nach Smith)


+00
Es zeigt die ertragbare Ober- und Unterspannung fUr steigende 400
Mittelspannungen, ohne daB es zu Dauerbriichen kommt.
Da die Aufnahme eines solchen Schaubildes sehr viel Zeit be-
notigt, wird es haufig angenahert konstruiert. Es miissen vom
Werkstoff bekannt sein: Streckgrenze, sowie Schwell- und
100
Wechselfestigkeit.

Bild VII.13. Dauerfestigkeitsschaubild


Die Linie der Oberspannung zwischen aw und aSch ergibt sich aus den
Dauerversuchen als leicht gekriimmte Linie, sie wird angeniihert als Gerade
gezeichnet.

592
VII. Prufung metallischer Werkstoffe

Beispiel: Gegeben Re = 400 N/mm2; a z Sch = 400 N/mm 2 ; azw = 240 N/mm 2 . Ordinate und
Abszisse haben gleichen MaBstab. azw auf Ordinate zweimal abgetragen. azSch wird tiber
der zugehOrigen Mittelspannung (Hiilfte) eingetragen. Die Punkte k6nnen geradlinig ver-
bunden werden. Da die Oberspannung ao nicht die Streckgrenze tiberschreiten darf, wird
der Bereich der zulassigen Beanspruchung nach oben durch die Gerade begrenzt. am darf
eben falls die Streckgrenze nicht tiberschreiten (Punkt A). Die Linie fUr die Unterspannung
ergibt sich, da die Ausschlagspannung aa urn jede Mittelspannung nach oben und unten
gleich sein muB.
Bei Beanspruchungen im schraffierten Gebiet des Schaubildes treten keine Dauerbrtiche auf.

6. Untersuchung von Verarbeitungseigenschaften


Technologischer Biegeversuch DIN 50111 dient zum Nachweis der Biegbarkeit bei Raumtempe-
ratur. Die Proben von der Dicke a sollen sich urn einen Dorn von 0,5 ... 3 a Durchmesser urn 1800
falten lassen, ohne daB Zugrisse an der Oberfliiche auftreten.
Tiefungsversuch an Blechen und Bandern DIN 50101-1. Hierbei wird in einem genormten Tiefzieh-
werkzeug durch eine Kugel von 20 mm Durchmesser ein Niipfchen gezogen bis zu einer Tiefe, bei
der an der AuBenseite der erste AnriB erscheint. Der Weg der Kugel ist der Tiefungswert. FUr die
verschiedenen Feinblechgiiten sind steigende Tiefungswerte gewiihrleistet. Gleichzeitig kann die
Korngroj3e des Blechwerkstoffes beurteilt werden.
Stirnabschreckversuch nach DIN EN ISO 642 dient zur Beurteilung der Hiirtbarkeit und Durch-
hiirtung bzw. Einhiirtung. Die auf Hiirtetemperatur erhitzte Probe wird mittels einer Blende nur an
der Stirnseite abgeschreckt, so daB nach dem Einspannende hin die Hiirte nachliillt (Bild VII. 14).
Als Ergebnis der Versuche ergibt sich statt einer Kurve (Bild VII. 14) ein Band, da die Einhiirtung je
nach Analyse und Austenitisierung schwankt. Stirnabschreckstreubander sind Teil der Normen flir
Einsatz- und Vergiitungsstiihle.
Kurzangabe (Beispiel): J 35/48-15 bedeutet, daB die Hiirtewerte in einem Abstand von 15 mm
von der Stirnfliiche zwischen 35 und 43 HRC liegen soIl.
2
Aufweitversuch an Rohren DIN EN 10 234.
Ringfaltversuch an Rohren DIN EN 10 233.
Versuche an Schwei8verbindungen 93 Normen und Normentwiirfe.

Bild VII.14
Stirnabschreckprobe und -kurve
1 Stirnflliche, 2 HarteprUfeindriicke
o 20 40 60 80 mm

7. Zerstorungsfreie Werkstoffpriifung (Fehlersuche an Roh- und Fertigteilen)


Werkstoffehler wie z.B. Lunker, Gasblasen, Sandeinschltisse oder Risse in GuBteilen oder Doppe-
lungen in Walz- und Schmiedeteilen sowie Risse durch Schleifen, Harten und Schmieden mtissen
ohne Probenahme direkt am Werksttick geortet werden, ohne daB das Teil Schaden erleidet. Dafiir
sind ein- oder durchdringende Medien geeignet wie z.B. Schall, Magnetfelder oder Strahlen sehr
kurzer Wellenlaoge.
Die Verfahren haben Anwendungsgrenzen, sie tiberschneiden sich in ihren Anwendungsbereichen.
Tafel VII.3 gibt eine Gegentiberstellung.

593
Tafel VI1.3. Verfahren der zerstorungsfreien Werkstoffpriifung
(J1
co Magnetische Verfahren Ultraschall·Verfahren Durchstrahlungsverfahren, Rontgen· oder 'Y-Strahlen I
.j:::. ...~
Priifprinzip Magnetische Kraftlinien werden an quer- Schallwellen werden in Stoffen an Grenz· Kurzwellige Strahlen (Wellenlange < Atomabstand) ! ~
verlaufenden Fehlern gestort, d.h. nach f/iichen re{lektiert und laufen geschwacht durchdringen die Materie und fUhren zu verschiedenen ~
a~en gelenkt und erzeugen dort ein weiter. Ais Grenzflachen wirken innere physikalischen Erscheinungen
Streufeld. Fehler, aber auch Seigerungen und GefUge- Erscheinung Anwendung
~
CD
Wirbelstrome, die im Priifling durch eine unterschiede. Nachweis des reflektierten n
Schalls (Echo) oder Messung des geschwach- Schwachung der Grobstrukturpriifung: :::r
Spule erzeugt werden, werden von seiner :I
chemischen Zusammensetzung, dem GefUge- ten Signals und Vergleich mit fehlerfreiem Strahlen Fehlerortung
Werkstiick gleicher Dicke. ~
zustand und Fehlern beeinfl~t: Anderung Beugung der Strahlen Feinstrukturuntersuchung:
des Scheinwiderstandes der Spule. an Gitterebenen Kristallgitterbestimmung
Anregung der Atome Rontgenspektralanalyse,
zur Eigenstrahlung Strahlennachweis durch
Fluoreszens (Leuchtschirmbild)
Erzeugung des Priifling ist Teil eines magnetischen Kreises Schwingquarze (piezoelektrischer Effekt) Rontgenrohren bis 400 kV: Stahl bis 150 mm
Priifmediums (Jochmagnetisierung) oder Kern einer oder Magnetschwinger (magnetostriktiver Betatron bis 30 MeV: Stahl bis 500 mm
Spule (Spulenrnagnetisierung) Nachweis von Effekt) werden elektrisch mit 0,5 ... 25 MHz Radioisotope Co 60
Querrissen in der Randschicht. erregt. Priifkopf wird mit Pasten, ~I oder ('Y-Strahler) Cs 137 iihnlich Rontgenrohren
Priifling ist Leiter in einem Stromkreis Wasser an die Oberflache des Priiflings lr 192
(Selbstdurchflutung) und besitzt ein schrau- angekoppelt.
benformiges Feld. Nachweis von Langsrissen
in der Randzone.
Priifling liegt im Wechselfeld einer Spule
Feh1eranzeige Magnetpulver (Fe/Fe304) in ~I fliel.\t iiber Impuls·Echo- Verfahren: Priifkopf mit Filme erleiden an Fehlstellen gro1\ere Schwiirzung:
den Priifling. Am Streufeld versuchen die Schwinger ist Sender von Impulsen Abbild des Fehlers, aber keine Anzeige der Tiefenlage.
Teilchen sich den Kraftlinien auszurichten. (1 ... 10 I'S Dauer), in den Pausen Empfanger Leuchtschirmbetrachtung: Fluoreszierende Stoffe (ZnS)
Bei fehlerfreiem Priifling keine Markierung. der Signale, die von Oberf/ache, der Ruck· wandeln Rontgenstrahlen in sichtbares Licht urn.
Tastspule wird iiber die Oberfliiche gefUhrt. wand und dem Fehler mit Zeitabstand Priifling erscheint als dunkles Schattenbild (Schwachung)
Streufelder erzeugen Induktionsstrome, die reflektiert und auf Bildschirm als Zacken auf hellem Schirm. F ehler erscheint als hellere Fliichen
Ton- oder Bildschirmsignale erzeugen. abgebildet werden. Aus der Laufzeit kann darin. Priifling kann dabei bewegt werden.
Anderung der Spulendaten durch Anderung die Tiefen/age des Fehlers bestimmt werden. Rontgenbild· Verstarke"ohre macht Ferniibertragung
des Kurvenbildes am Oszillographen erkenn- Priifling braucht nur von einer Seite aus moglich, dadurch Wegfall der Strahlengefahrdung.
bar, hierzu Vergleich mit fehlerfosem Priif- zuganglich zu sein.
ling erforderlich.
Anwendungen Magnetpulverpriifung ftir Stahlteile mit Schweijlnahlpriifung (mit Winkelkopfen), /'riifung von Gujl· und Schmiedeteilen aus Stahl
blanker Oberflache, Wellen, Achsen, Priifung von Klebverbindungen, Halbzeugen (bis zu 150 mm) Aluminium (bis zu 250 mm).
Lenkungsteile auf Hiirte- und Schleif- und (Doppelungen), gro1\en Schmiede- und Schweijlnahtpriifung: Es sind die Bestimmungen des
Schmiederisse in Oberfliichen bzw. Randzone. G~teilen auf Einschliisse, Schmiede- und Strahlenschutzes einzuhalten.
Magnetinduktive Priifung ftir metallische F10ckenrisse im Innern.
Werkstoffe auf Risse, Einschliisse Porositat. Periodische Kontrolle hochbelasteter
Sortierung nach Legierungsarten (Verwechs- Maschinenteile wie z. B. Schienen, Radsiitze
lungspriifung) Wiirmebehandlung, Einhiirte- und Wellen der Bahn, Turbinenwellen und
tiefe. -gohause, Kranhaken.
Dickenmessungen an Rohren, Folien und Wanddickenmessung an korrodierten
Beschichtungen am laufenden Halbzeug. Blechen.
VII. Prufung metallischer Werkstoffe

Eindringverfahren (Penetrierverfahren). Zur Ortung von Rissen, die an der OberfHiche enden. Sie
arbeiten mit geringem Gerateaufwand und sind fUr aile Werkstoffe geeignet.
Priifprinzip: Risse saugen infolge der Kapillarwirkung Fliissigkeiten auf.
Priifmittel: Diinnfliissige Losungen zum Streichen, Spriihen oder Tauchen.
Anzeige: Nach Entfemen der iiberschiissigen LOsung yom Priifling tritt mit Hilfe eines Entwicklers
die im RiB verbliebene Fliissigkeit dunkel oder farbig, evtl. auch im UV-Licht fluoreszierend hervor
und kann fotographiert werden.

Literturhinweise
Gesamtdarstellungen der Werkstoffkunde
Askeland, D.R.: Materialwissenschaften. Spektrum Verlag 1996.
BargellSchulze (Hrsg.): Werkstoffkunde, VOl-Verlag 1988.
Bergmann, W.: Werkstofftechnik, Hanser-Verlag 1984.
Burgel, Ralf: Handbuch Hochtemperatur-Werkstofftechnik. Verlag Vieweg 1998.
Hornbogen, E.: Werkstoffe, Springer-Verlag 1987.
Ilschner, B.: Werkstoffwissenschaften, Springer-Verlag 1982.
Schatt, W. (Hrsg.): EinfUhrung in die Werkstoffwissenschaft, VEB Deutscher Verlag fUr Grundstoffindustrie,
Leipzig 1981.
Griifen, H.: VDI-Lexikon Werkstofftechnik
Weij3bach, W.: Werkstoffkunde und Werkstoffpriifung, Verlag Vieweg 2000.
WelingerlKriigeloh: Werkstoffe und Werkstoffpriifung, rororo-Technik-Lexikon, Rohwohlt 1971.

Stahlgewinnungsverfahren
Bohlbrinker, A.-K.: Stahlfibel, Beratungsstelle fUr Stahlverwendung, Verlag Stahleisen.
Zeitschrift: Stahl und Eisen, Stahleisen-Verlag, DUsseldorf.

Werkstoffeigenschaften
VDI-Berichte 600: Metallische und nichtmetallische Werkstoffe und ihre Verarbeitungsverfahren im Vergleich,
600.1: Festigkeitsverhalten, 600.2: Korrosionsverhalten, 600.3: Reibungs- und VerschleiB-
verhalten, 600.4: Hochtemperaturverhalten. VDI-Verlag.

Werkstoffe
Aluminium/Legierung: Aluminium-Taschenbuch, Aluminium-Verlag DUsseldorf.
Hartmetall: Scheder, W.: Hartmetall fUr den Praktiker, VOl-Verlag 1988.
Keramik: Salmang, H., Scholze, H.: Keramik Teil 1: Grundlagen und wichtige Eigenschaften. Teil 2: Keramische
Werkstoffe. Springer-Verlag.
Kupfer/Legierung: DKI, Deutsches Kupfer-Institut. Informationsschriften.
Pulvermetallurgie: Zapf/Dalal/Silbereisen: Die Pulvermetallurgie, Vorlesungsreihe, Fachverband Pulvermetallurgie
Stahl und Eisen: Werkstoffhandbuch Stahl und Eisen, Verlag Stahleisen.
Werkzeugwerkstoffe: VDI-Bericht 432: Stand und Entwicklung der Werkzeugwerkstoffe.
Neue Werkstoffe: Einsatzgebiete heute - Anwendungsmtiglichkeiten morgen, VOI-Bericht 670 Bde. I und II.
Verbundwerkstoffe: VDI-Bericht 563: Konstruieren mit Hybrid- und Verbundwerkstoffen.

595
Werkstofftechnik

Gu8werkstoffe

FeinguB fiir aile Industriebereiche K+G,1983/3+4 Duktiles GuBeisen, TemperguB K+G, 1983/1-2
FeingieBen, geschichtliche Entwick- SchweiBen von TemperguB, K+G,1981/2
K+G,1993/2 SchweiBkonstruktionen mit TemperguB K+G,1995/2
lung und heutige Herstellung
GuBeisen mit Vermiculargraphit K+G,1991/1
GuBeisen mit Kugelgraphit K+G,1988/1 StahlguB, Herstellung, Eigenschaften und
Bainitisches GuBeisen mit Kugelgraphit K+G,1986/4 Verwendung K+G,1988/4
Warmebehandlung von GuBeisen Austenitisches GuBeisen K+G,1993/3
mit Lamellen- oder Kugelgraphit K+G,1996/2 Niedriglegierte graphitische GuBwerkstoffe K+G,1987/1
Zeitschrift: Konstruieren und GieBen (K+G) ZGV-ZentraJe fur GuBverwendung, DUsseldorf

Kunststoffe
DIN-Taschenbuch Nr. 18 Materialpriifung.
Dominghaus, H.: Eigenschaften der Kunststoffe, Hanser-Verlag 1986.
HellerichlHarschlHaenle: Werkstoff-FUhrer Kunststoffe, Hanser-Verlag 1996.
Menges, G.: Werkstoffkunde der Kunststoffe, Hanser-Verlag 1998.
Saechtling, H.-f.: Kunststoff-Taschenbuch, Hanser-Verlag 1998.
Zeitschrift: Kunststoffe, Hanser-Verlag MUnchen.
Werkstoffpriifung
DIN-Taschenbuch 19: Materialpriifnormen fur metallische Werkstoffe.
DIN-Taschenbuch 219: Korrosion und Korrosionsschutz.
Kauczor, E.: Metall unterm Mikroskop, Springer-Verlag 1974.
Krautkriimer, f.-H.: Werkstoffpriifung mit Ultraschall, Springer-Verlag 1987.
Macherauch, E.: Praktikum in Werkstoffkunde, Verlag Vieweg 1987.
Schumann, H.: Metallographie, VEB Deutscher Verlag fur Grundstoffindustrie, Leipzig 1969.
Zeitschrift: Materialpriifung, Hanser-Verlag.

Werkstoff-Fachverbiinde (Herausgeber von Informationsschriften Uber Werkstoffe)


Name Telefon Fax e-Mail
Anschrift Internet http://www.
Alurninium-Zentrale e.V. 02 11/4796-227 02 11/4796-4 12 aluzentrale@compuserve.com
Postfach 10 12 62, 40003 DUsseldorf
DGM Deutsche Gesellschaft fiir Materialkunde 069n917750 069n91 77 33 ma@dgm.de
Hamburger Allee 26, 60486 Frankfurt dgrn.de
DECHEMA, 01. Ges. ftir chern. Apparatewesen o69n 5643 04
Postfach 150104,60061 Frankfurt/Main
Deutsches Kupfer-Institut 02 11/4 79 63 00 02 11/4 79 63 10 kupferinstitut@compuserve.com
Am Bonneshof 5,40474 Dtisseldorf kupferinstitut.de
Deutscher Verband fiir Materialpriifung o 30/8 11 93 59
Unter den Eichen, 12205 Berlin dvm-berlin.de
FPM Fachverband Pulvermetallurgie 02331/9588 17 02331/5 10 46 mschliep@wsu.de
Goldene Pforte I, 58093 Hagen
Fraunhofer-Gesellschaft 089/1205-354 089/1205-3 17
Postfach 190339,80603 Mtinchen tbg.de
Gesellschaft ftir Tribologie 02841/54213 02841/59478
ErnststraBe 12,47443 Moers gft-ev.de
Informationsstelle Edelstahl Rostfrei 02 11/8 29-5 28
Breite StraBe 69, 40213 Dtisseldorf edelstahl-rostfrei.de
Informationszentrum Technische Keramik 092 87/9 1234 09287n0492 info@keramverband.de
Postfach 1624,95090 Selb keramverband.de
Stahl-Informationszentrum 02 11/8 29-3 70 02 11/8 29-3 44
Postfach 10 48 42, 40039 Dtisseldorf stahlforschung.de
VDI -Gesellschaft Werkstofftechnik 02 11/6214160 iw@technikwissen.de
Postfach 10 II 49, 40002 Dtisseldorf technikwissen.de/iw/iw.htm
ZGV-DVG Zentrale ftir GuBverwendung 0211/6871-0 0211/687 1264 dgvgusS@t-online.de
Postfach 10 19 61, 400 10 Diisseldorf dgv.de
Zink-Beratung e.V. 02 11/35 08 67
Friedrich-Ebert-StraBe 37, 40210 Dtisseldorf
Zinn-Beratung e.V. 02 11/1 64 94 08
Friedrich-Ebert-StraBe 37, 40210 Dtisseldorf

596
Thermodynamik
Heinz Wittig

F ormelzeichen und Einheiten

J
A m2 Flache s spezifische Entropie
kgK
W
C Strahlungszahl
m 2 K4 Temperatur
T K
J (thermodynamische Temperatur)
c spezifische Warmekapazitat
kgK
t s Zeit
E J Energie U J innere Energie
H J Enthalpie J
u spezifische innere Energie
J kg
h spezifische Enthalpie
kg V m3 Volumen
W m3
k Warmedurchgangskoeffizient v spezifisches Volumen
m2 K kg
m Lange W J Arbeit

M ~ molare Masse w
J
spezifische Arbeit
kmol kg
m kg Masse
-1
01./ Liingenausdehnungskoeffizient
n Polytropenexponent K
N 1
p Pa=- Druck OI.v Volumenausdehnungskoeffizient
K
m2
W
Q J Warme 01. Warmeiibergangskoeffizient
m2 K
J
q spezifische Warme E Emissionsgrad
kg
1/ Wirkungsgrad
J spezielle Gaskonstante

"" °c
Rj Celsius-Temperatur
kgK des Stoffes i
1 Isentropenexponent
r Raumanteil W
J A Warmeleitfahigkeit
S Entropie mK
K Massenanteil
f-l
kg
p Dichte
m3

597
Thermodynamik

I. Grundbegriffe
1. Temperatur
Die Temperatur ist ein MaS fiir den Vorrat an (thermischer) innerer Energie eines thermodynami-
schen Systems. Sie ist eine physikalische BasisgroBe. Mit der Temperatur verbinden sich subjektive
Wahrnehmungen zur Beschreibung
der Warmheit eines stoffiichen Kor- T
pers (z. B. kalt, warm).
OK 273,15K 373, 15K
Das natiirliche Warmeempfinden des a) • ----
Menschen kann ilber die Rohe der
vorliegenden Temperatur keine hin- ~
reichend zuverllissige Aussage ma- -273, 15°[ OO[ 100 0 [
chen. Temperaturen werden deshalb
b) ---- •
mit geeigneten MeBgerliten gemes- 100 Temperatureinheiten
sen. Ais Basiseinheit ist im Interna- (lOOK ~ 100°[J
tionalen Einheitensystem das Kelvin absoluter Eispunkt Siedepunkt
(Kurzzeichen: K) festgelegt. Tempe- Nul/punkt des Wassers des Wassers
raturen konnen auch in Grad Celsius
(Kurzzeichen: QC) angegeben wer- Bild I.la und I.l b Temperaturskalen
den.
Die Temperatureinheiten ergeben sich aus den Temperaturskalen. Diese Temperaturskalen lehnen
sich in der Festlegung ihrer Fixpunkte an bestimmte physikalische Vorglinge an, die unter gleichen
physikalischen Bedingungen stets bei derselben Temperatur ablaufen.
Die Kelvin-Skala (Bild I.la) nach William Thomson (Lord Kelvin, England, 1824-1907) besitzt als
Skalennullpunkt den absoluten Nullpunkt. Sie wird auch als Skala der absoluten Temperaturen oder
als thermodynamische Temperaturskala bezeichnet.
Die Celsius-Skala (Bild I.1b) nach Anders Celsius (Schweden, 1701-1744) und Carl von Linne
(Schweden, 1707-1778) verwendet als Fixpunkte den Eispunkt und den Siedepunkt des Wassers.
Nullpunkt dieser Temperaturskala ist der Eispunkt des Wassers. Der durch diese Fixpunkte be-
grenzte Warmheitsbereich ist in 100 Temperatureinheiten unterteilt (1 Temperatureinheit = I Grad
Celsius = 1 QC). Celsius-Temperaturen treten je nach Warmheit als positive oder negative Zahlen-
werte auf und werden wegen des willkilrlich gewlihlten Skalennullpunktes als relative Temperaturen
bezeichnet. Sie erhalten das Formelzeichen it.
Auch die Kelvin-Skala unterteilt den Bereich zwischen Eispunkt und Siedepunkt des Wassers in
100 Temperatureinheiten (1 Temperatureinheit = 1 Kelvin = 1 K). Damit erhalten die Temperatur-
einheiten der Kelvin-Skala und der Celsius-Skala die gleiche GroBe (l K = 1 QC). Die Kelvin-Tem-
peraturen sind als Zahlenwerte stets positiv. Sie werden als thermodynamische Temperaturen be-
zeichnet und erhalten das Formelzeichen T.
Filr ein ideales Gas ergibt sich der absolute Nullpunkt bei -273,15 QC (siehe Bild 1.1).
Filr die Umrechnung von Temperaturwerten gelten die Zahlenwertgleichungen

T = {) + 273,15 (1.1)
{)=T-273,15 (1.2)

• Beispiel: Bei der Abkiihlung von Quecksilber stellt sich bei einer Temperatur von 7,22 K die Supra-
leitflihigkeit ein. Diese Temperatur solI in Grad Celsius umgerechnet werden.
Losung: {) = T - 273,15 = 7,22 - 273,15 = - 265,93 °c
598
I. Grundbegriffe

• Beispiel: 1m Verlaufe der Ladungskompression im Innern des Zylinders eines Otto-Motors wird das
eingeholte Gemisch auf eine Temperatur von 520 DC erwarmt. Diese Kompressionstempe-
ratur solI in Kelvin umgerechnet werden.
Losung: T= {) + 273,15 =520 + 273,15 =793,15 K
2. Druck
Der auf die Flacheneinheit entfallende Teil einer belastenden Kraft F wird allgemein als Druck p
bezeichnet (p =FIA, A belastete Flache).
Werden Krafte zwischen festen Korpem ausgetauscht, so tritt ein solcher Druck an der gemeinsamen
Beriihrnngsflache auf. Er wird hier als Flachenpressung bezeichnet. Flfissigkeiten fiben Krafte auf
die umgebenden GefaBwande aus und rufen so Seitendrilcke und Bodendrilcke hervor.
Der Druck ist eine besonders wichtige EinfluBgoBe bei der Betrachtung von Gaszustlinden. Gase haben
wegen der freien Beweglichkeit ihrer Molekille bzw. Atome die Eigenschaft, jeden dargebotenen
Raum gleichmliBig auszufilllen. Der gasfOrmige Stoff kann daher fiberhaupt nur durch die umge-
benden Wande eines Behlilters auf engerem Raum zusammengehalten werden. Dabei stoBen die
schwingenden Gasteilchen von innen her gegen den Behlilter und fiben dadurch kurzzeitig Krafte
auf die festen Wande aus. Diese Krafte summieren sich bei der groBen Anzahl der auftreffenden
Teilchen zu einer stetigen Krafteinwirkung und damit zum Druck des Gases gegen die Behlilter-
wande. Die GroBe des Drucks wird dabei von der Anzahl der Gasteilchen bestimmt, die pro Zeit-
einheit auf die Flacheneinheit der Wand auftreffen.
Gas- und FltissigkeitsdrUcke m~t man mit Manometem, den Druck der atmospharischen Luft
(Atmospharendruck) mit dem Barometer. Als Druckeinheit ist im Intemationalen Einheitensystem
die SI-Einheit Pascal (Kurzzeichen: Pa) festgelegt. 1 Pa ist der auf eine Flliche von 1 m 2 gleich-
miiJlJig wirkende Druck, wenn senkrecht zur Flache die Kraft 1 N ausgeiibt wird.
N kg
1 Pa = 1 - =1 - = 1 kgs- 2 m- 1
m2 s2m Druckp

Ais weitere Druckeinheit ist nach dem Einheitengesetz '"ct


A
+Pe
das Bar (Kurzzeichen: bar) zugelassen. j
<v
1 bar = lOsPa = lOS ~
m2 .l'l
c:f'
~
'"
cl' •
-Pe
Bei der Bestimmung der Druckgro~en wird zwischen cl'?
absoluten und relativen DrUcken unterschieden. '"
.l'l
c{'
Der absolute Druck Pabs (Absolutdruck) ist auf P = 0 P.obs=O
(Vakuum von 100 %) bezogen. Relative DrUcke beziehen
sich als atmospharische Druckdifferenz auf den jeweils BUd 1.2. Absolute und relative Driicke
herrschenden (veranderlichen) Atmosphlirendruck Pamb
der umgebenden Luft. Sie werden als Oberdruck Pe bezeichnet (siehe Bild 1.2).
Pe =Pabs - Pamb (1.3)
Pabs > Pamb ~ Pe > 0
(positiv)
Pabs <Pamb ~ Pe < 0 (negativ)
Pabs =Pamb ~ Pe = 0
1st der absolute Druck eines Gases kleiner als der Atmosphlirendruck Pamb der umgebenden Luft,
so spricht man in bestimmten Anwendungsbereichen (Vakuumtechnik) auch von einem Vakuum
unterschiedlicher Prozentigkeit (Vak %). Ein Vakuum von 100 % liegt dann vor, wenn der absolute
Druck gleich Null ist.

599
Thermodynamik

Pe
Vak% =---'100 (1.4)
Pamb
Yak %) (I.5)
Pabs = Pamb' ( I-~

• Beispiel: Das Manometer eines Dampfkessels zeigt einen Dberdruck von Pe = 15,3 bar an. Der
Druck der umgebenden Luft wurde mit Hilfe eines Barometers mit Pamb = 990 hPa =
990 mbar = 0,99 bar gemessen. Welcher absolute Druck herrscht im Innern des Dampf-
kessels?
LOsung: Pabs = Pe + Pamb = 15,3 bar + 0,99 bar
Pabs = 16,29 bar
• Beispiel: Ein Luftverdichter saugt Luft von Pel = - 0,147 bar (Zustand I) an und verdichtet sie auf
Pe2 = 10 bar (Zustand 2). Der Barometerstand betragt Pamb=905 hPa = 905 mbar =
0,905 bar. Wie groB sind die absoluten Driicke vor und nach der Verdichtung?
LOsung: Pabs 1 = Pel + Pamb = - 0,147 bar + 0,905 bar
Pabsl = 0,758 bar

Pabs2 = Pe2 + Pamb = lObar + 0,905 bar


Pabs2 = 10,905 bar
• Beispiel: Ein plattenformiges Werkstiick soll auf einer Flachschleifmaschine bearbeitet werden und
wird auf einer Vakuum-Spannplatte gespannt. Die Vakuumpumpe des Spanngerates er-
zeugt unter dem aufliegenden Werkstiick ein 90%iges Vakuum. Der Atmospharendruck
betragt 1010 hPa = 1010 mbar = 1,01 bar. Welcher absolute Druck herrscht unter dem
gespannten Werkstiick?
..
LOsung: Pabs = Pamb' ( I-ToO
Yak % ) = 1,01 bar' (1-
9100
0 )

Pabs = 0,101 bar

3. Volumen
Jeder feste, fliissige oder gasfOrmige Stoff wird durch seine Stoffmenge reprasentiert. Diese Stoff-
menge nimmt stets einen bestimmten Raum ein. Diesen Raum bezeichnet man als das Volumen
des Stoffes. Das Volumen V wird durch die Volumeneinheit Kubikrneter (Kurzzeichen: m 3 ) aus-
gedriickt.
1m 3 = 10 3 dm 3 = 10 6 cm 3 = 10 9 mm 3

Bei Fliissigkeiten ist als Volumeneinheit auch das Liter (Kurzzeichen: 1) zugelassen.

II = 1 dm 3
Das Volumen fester und fliissiger Stoffe hangt praktisch nur von Art und Menge des Stoffes abo
Die Stofftemperatur ist nur von geringem EinfluB und kann meist vernachlassigt werden. Der
umgebende Druck wirkt sich auf das Stoffvolumen praktisch nicht aus.
Bei den zusammendriickbaren Gasen besteht eine starke Abhangigkeit des Volumens auch von
Druck und Temperatur. Bezieht man die Rauminhalte auf gleiche Werte von Druck und Tempe-
ratur, so sind diese Gasvolumen ebenfalls nur von Gasart und Gasmenge abhangig. Ubliche Werte
von Druck und Temperatur sind die GraBen des physikalischen Normzustandes (0 °c = 273,15 K
und 1,013 25 bar). Das Volumen eines Gases im Normzustand bezeichnet man alsNormvolumen Vn ·

600
I. Grundbegriffe

Das Volumen fester und fltissiger Stoffe und das Normvolumen eines Gases sind ein MaS fUr die
jeweilige Stoffmenge.
Das massenbezogene Volumen ist das speziJische Volumen v

v =-
v m
(I.6)
m
kg

Bei festen und flUssigen Stoffen ist das spezifische Volumen praktisch nur von der Stoffart abhangig.
Bei Gasen hangt das spezifische Volumen erst dann nur von der Gasart ab, wenn es auf den Norm-
zustand bezogen wird. Diese Gro~e bezeichnet man als das spezi/ische Normvolumen vn.

Vn m
V
n
=m
- (I.7)
m3 kg
kg

Der Kehrwert (Reziprokwert) des spezifischen Volumens ist die Dichte p des Stoffes.

1 m P m V
P =- =- (I.8)
v V kg
kg
m3

Bei festen und flUssigen Stoffen ist die Stoffdichte praktisch nur von der Stoffart abhangig.
Bei Gasen hangt die Dichte erst dann nur von der Gasart ab, wenn sie auf den Normzustand be-
zogen wird. Diese Gro~e bezeichnet man als die Normdichte Pn.

1 m Pn m
P =-=- (1.9)
n Vn Vn
kg

Tafell.l. Spezifisches Volumen und Dichte von Gasen im Norrnzustand

chcmisches rn 3 kg
Gasart vnkg Pnrn3
Kurzzeichen
Kohlcndioxid CO 2 0,506 1,977
Kohlcnoxid CO 0,800 1,250
Luft - 0,774 1,293
Methan CH 4 1,396 0,717
Saucrstoff O2 0,700 1,429
Stickstoff N2 0,799 1,251
Wasscrdampf H2O 1,243 0,804
Wasscrstoff H2 11,111 0,090

Das stoffmengenbezogene Volumen ist das molar Volumen Vrn


V
Vrn V n
Vrn =- (1.10)
n m 3
kmol
kmol
Durch die EinfUhrung spezifischer und molarer GroBen werden thermodynamische Betrachtungen
von Masse und Stoffmenge und damit von der SystemgroBe unabhangig.
Spezifisches Volumen v und molares Volumen Vrn sind tiber die molare Masse M miteinander verkntipft.
Vrn=vM (l.ll)

601
Thermodynamik
Bezieht man die molaren Volumen von Gasen auf gleiche Werte von Druck und Temperatur, so
ergeben sich Zahlenwerte von annlihemd gleicher GroBe. Entsprechen die gemeinsamen Bezugs-
groBen den Werten des physikalischen Normzustandes, so gilt fUr das molare Normvolumen Vmn
aller idealen Gase

• Beispiel: Gegeben ist eine Sauerstoffmenge von 25 kg im Normzustand. Die auf diesen Zustand
bezogene Dichte des Gases betragt Pn = 1,429 kg/m 3 •
a) Wie grof!, ist das spezifische Volumen Vn des Gases?
b) Welches Volumen Vn nimmt dieses Gas ein?

m3
I ;:.
.... sung: a) vn =P-I = k b) Vn = mVn = 25 kg'0,7 kg
n 14292..
, rn 3
Vn =I7,5m3
m3
vn = 0,7 kg

• Beispiel: Gegeben sind 0,5 m 3 Acetylen (C 2 H 2 ) im Nonnzustand.


a) Wie grof!, sind das spezifische Normvolumen und die Normdichte?
b) Welche Gasmenge (ausgedriickt in kg) ist in einem Raum von 0,5 m3 enthalten?

Losung: a) Vrnn =vnM, M=26k~01

°'
rn 3
Vrnn 22,4- 3
V = - - = _ _k_rn_o_l :: 861 !!!.-
n M 26 ..!.L kg
krnol

Pn = vin = -.....:...----;:- = 1 16 kg
rn 3 ' m3
0.861 kg

Vn 0,5 m3
b) m =U = 3 = 0,58 kg
n 0861~
, kg

4. Spezitische Warmekapazitat
Die speziJische Wiirmekapazitiit c ist die massenbezogene Wiirme (oder auch Dissipationsarbeit),
die einem thermodynamischen System iiber die Systemgrenze hinweg zuzufUhren ist, urn ohne
Anderung des bestehenden Aggregatzustandes die Temperatur urn 1 K (= 1 0c) zu erhohen.
SolI die Temperatur T\ eines Systems (hier eines Stoffes) mit der Masse m auf T2 erhoht werden
(T2 > T\), dann ergibt sich die zuzufUhrende Wiirme Q aus
Q=mc(T2 -T.) Q meT {) (1.12)

J kg - = - - K
kgK kgoC

Das Produkt m c ist die Wiirmekapazitiit des Systems mit der Masse m.
Wird einem System Wiirme entzogen (Abkiihlung), dann gilt die Gieichung (1.12) sinngemiiB. Da
aber T2 < T\ ist, wird der Zahienwert fUr die abzufiihrende Wiirme dann negativ (Q < 0).

602
I. Grundbegriffe

Die Gleichung (1.12) kann in der angegebenen Form nur dann benutzt werden, wenn die spezifische
Warmekapazitat tiber den in Rechnung zu setzenden Temperaturbereich TI ... T2 bzw. ~I •.. ~2
konstant ist. 1m allgemeinen wird die spezifische Warmekapazitat mit zunehmender Temperatur
aber gro{l,er. Die Kurve C = f(~) la{l,t erkennen, dall. die spezifische Warmekapazitat bei jedem
Temperaturwert ~ eine andere Gro{l,e besitzt und unter diesen Umstanden nur in einem sehr kleinen
Temperaturintervall fl~ als praktisch konstant angesehen werden kann (siehe Bild 1.3).

c c

Bild 1.3. Angenommencr Veri auf der


spezifischcn Wiirmekapazitiit in Ab- Bild 1.4. Bestimmung der mittleren
hiingigkcit von der Temperatur spczifischen Wiirmekapazitiit

Erstreckt sich eine Berechnung tiber einen gro{l,eren Temperaturbereich ~I ••. ~2' so mu{l, mit einer
mittleren spezifischen Warmekapazitlit C m gerechnet werden. Wird die spezifische Warmekapazitat
in Abhangigkeit von der Temperatur ~ zeichnerisch dargestellt, so ergibt sich der Mittelwert C m als
Hohe eines Rechteckes, dessen Flacheninhalt dem der Flache A unter der Kurve C = f(~) entspricht
(Bild 1.4). Die Flache ist ein Mall. flir die spezifische Warme q.

Flir Oberschlagsrechnungen kann bei nicht zu gro{l,en Temperaturunterschieden mit hinreichender


Genauigkeit der arithmetische Mittelwert aus den wahren spezifischen Warmekapazitliten bei den
Grenztemperaturen ~I und ~2 eingesetzt werden.
In Tabellen wird haufig die mittlere spezifische Warmekapazitat cmo _,') zwischen 0 °c und einer
beJiebigen Temperatur ~ angegeben. Aus diesen Tabellenwerten kann die mittlere spezifische
Wiirmekapazitiit C ml-2 fUr jeden beliebigen Temperaturbereich 19, ... 19 2 ermittelt werden.

c
Herleitung (siehe Bild 1.5): 2

ql-2 = c m l-2(19 2 - ~I)


qO-1 =CmO-I(~1-0)
qO-2 = CmO-2(~2 - 0) 'i'
,-,E;
ql-2 =qO-2 -qo-I k--ttHtftlttttttlttttitftlttti
Cml-2(~2 - ~1) = Cmo-2(~2 - 0)- CmO-1 (~1 - 0)
Cml-2(f}2 - f}1) = Cm O-2 19 2 -CmO-1 f}1'

Bild 1.5. Bestimmung der mittleren


spezifischen Wiirmekapazitiit cm l_2
aus den Mittelwerten cmO-1 und cmO-2

603
Thermodynamik

Aus der Herleitung ergibt sich die mitt/ere spezi/ische Wiirmekapazitiit /iir den Temperaturbe-
reich t? I ... t?2
c
(1.13)
J _
kgK - kgoC

Die Temperaturabhangigkeit der spezifischen Warmekapazitat ist bei festen und fliissigen Stoffen
verhaltnismaBig gering. In den einschlagigen Tabellen werden daher fUr diese Stoffe Mittelwerte
(c m ) angegeben, die fUr relativ groBe Temperaturbereiche gelten (siehe Tafel I.2).

Tafel I.2. Mittlere spezifische Warmekapazitat Cm fester und fliissiger Stoffe zwischen

a °c und 100 °c in k:K (= kgJOC)


Aluminium 913 Kork 2010 Steinzcug 775
Bcton 1005 Kupfer 389 Zicgelstcine 921
Blei 130 Marmor 879 Alkohol 2428
Eichenholz 2386 Messing 385 Ammoniak 4187
Eis 2052 Nickel 444 Azeton 2303
Eisen (Stahl) 461 Plat in l34 Benzol 1842
Fichtenholz 2721 Quarzglas 724 Glyzerin 2428
Glas 795 Quccksilber 138 Maschineniil 1675
Graphit 879 Sandstein 921 Petroleum 2093
Gul.leisen 544 Schamottc 795 Schwefclsiiure l382
Kieselgur 879 Silber 234 Wasser 4187

Die einem geschlossenen System (z. B. einem Stoff) bei isobarer Erwarmung (p konstant) zuge-
fUhrte Warme dient nicht nur zur Erhohung der (thermischen) inneren Energie. Durch die mit der
Erwarmung verbundene VolumenvergroGerung (Warmeausdehnung) muG ein Teil der zugefiihrten
Warme zur Verrichtung der Volumenanderungsarbeit (als Raumschaffungsarbeit) gegen den Wider-
stand des umgebenden Drucks abgezweigt werden. Diese Arbeit wird tiber die Systemgrenze hin-
weg an die Umgebung abgegeben.
Bei festen und fltissigen Stoffen kann diese Raumschaffungsarbeit wegen der hier nur geringen
Warmedehnung vemachlassigt werden. Ftir Gase werden dagegen unterschiedliche c-Werte (cp
bzw. c y ) verwendet.
Cy spezifische Warmekapazitat bei konstantem Volumen
cp spezifische Warmekapazitat bei konstantem Druck (cp > cy )
Ftir ideale Gase gilt: cp - Cy = Ri (spezielle Gaskonstante)
cp/cy = /( (lsentropenexponent)
Das Verhaltnis /( der spezifischen Warmekapazitaten erscheint bei der Behandlung der isentropen
Zustandsanderung idealer Gase als Isentropenexponent. Das Verhaltnis ist besonders bei mehrato-
migen Gasen temperaturabhangig. Eine geringe Druckabhangigkeit besteht bei realen Gasen.

c
Tafel 1.3. Verhaltnis der spezifischen Wiirmekapazitaten ....!!... bei
Cv
a °c
Kohlenoxid co 1,402 Methan CH 4 1,32 Wasserdampf H2 O 1,33
Kohlendioxid CO 2 1,30 Sauerstoff O2 1,40 Wasserstoff H2 1,405
Luft - 1,40 Stickstoff N2 1,40

604
I. Grundbegriffe

Zur Bestimmung genauerer Zahlenwerte der spezifischen Wlirmekapazitiiten flir Gase werden Ta-
bellen fiir wahre spezifische Wlirmekapazitiiten (Tafel 104.) oder flir die mittleren spezifischen Wiir-
mekapazitiiten (Tafel 1.5.) benutzt.

Tafel 1.4. Wahre spezifische Wiirmekapazitiit bei ~ °c in k; K nach Justi und Lader

{J in °c CO CO 2 Luft CH 4 O2 N2 H2O H2
0 cp 1038 708 1005 2156 913 1038 1855 14235
Cv 741 519 716 1637 653 741 1394 10111
100 cp 1047 921 1009 2453 934 1047 1880 14444
Cv 749 733 720 1934 674 749 1419 10320
200 cp 1059 996 1026 2797 963 1055 1934 14528
Cv 762 808 737 2278 703 758 1474 10404
300 cp 1080 1068 1047 3174 996 1068 1989 14570
Cv 783 879 758 2654 737 770 1528 10446
400 cp 1105 1122 1068 3500 1026 1093 2056 14612
Cv 808 934 779 2981 766 795 1595 10488
500 cp 1130 1164 1093 3814 1051 1118 2119 14696
ev 833 976 804 3295 791 821 1658 10572
600 cp 1160 1202 1114 4086 1076 1139 2186 14779
Cv 862 1013 825 3567 816 842 1725 10655
700 cp 1181 l231 1135 4333 1089 1164 2257 14947
Cv 883 1043 846 3814 829 867 1796 10823
800 cp 1202 1256 1156 4543 1101 1181 2328 15114
Cv 904 1068 867 4024 842 883 1867 10990
900 cp l218 1277 1168 4760 1114 1202 2395 15324
Cv 921 1089 879 4241 854 904 1934 11200
1000 cp 1231 1294 1185 4945 1122 1214 2458 15533
Cv 934 1105 896 4425 862 917 1997 11409

Tafel 1.5. Mittlere spezifische Wiirmekapazitiit zwischen 0 °c und ~ °c in k J K nach


Justi und Lader g

{J in °c CO CO2 Luft CH4 02 N2 H2O H2

0 cp 1038 708 1005 2156 913 1038 1855 14235


Cv 741 519 716 1637 653 741 1394 10111
100 cp 1043 871 1009 2261 921 1043 1867 14319
Cv 745 682 720 1742 662 745 1407 10195
200 cp 1047 917 1013 2453 934 1047 1888 14403
Cv 749 729 724 1934 674 749 1428 10279
300 cp 1055 959 1022 2638 950 1051 1909 14444
Cv 758 770 733 2119 691 754 1449 10320
400 cp 1063 988 1030 2809 967 1059 1938 14474
Cv 766 800 741 2290 708 762 1478 10350
500 cp 1076 1022 1043 2956 980 1068 1972 14499
Cv 779 833 754 2437 720 770 1511 10375

Fortsetzung Seite 606

605
Thermodynamik

Fortsetzung von Seite 605

-/tin °C CO CO2 Luft CH4 02 N2 H2O H2

600 cp 1089 1051 1051 3148 992 1076 2001 14528


Cv 791 862 762 2629 733 779 1541 10 404
700 cp 1097 1072 1059 3303 1005 1084 2031 14570
Cv 800 883 770 2784 745 787 1570 10 446
800 cp 1110 1093 1072 3437 1017 1097 2068 14654
Cv 812 904 783 2918 758 800 1608 10 530
900 cp 1122 1114 1084 3571 1026 1105 2102 14696
Cv 825 925 795 3052 766 808 1641 10572
1000 cp 1130 1130 1093 3659 1034 1118 2135 14738
Cv 833 942 804 3140 775 821 1675 10 614
1100 cp 1139 1147 1101 3883 1042 1130 2168 14818
Cv 841 959 812 3366 783 833 1708 10 695
1200 cp 1151 1160 1109 3998 1051 1139 2198 14902
Cv 854 971 820 3479 791 841 1737 10 779
1300 cp 1160 1172 1118 1059 1147 2227 14986
Cv 862 984 829 800 850 1766 10 863
1400 cp 1168 1185 1126 1067 1155 2260 15070
Cv 871 996 837 808 858 1800 10 946
1500 cp 1172 1197 1134 1072 1164 2286 15153
Cv 875 1009 846 812 867 1825 11 030
1600 cp 1180 1206 1139 1076 1168 2315 15237
Cv 883 1017 850 816 871 1854 11 114
1700 cp 1185 1214 1147 1080 1176 2344 15321
Cv 887 1026 858 820 879 1884 11 198
1800 cp 1193 1222 1151 1088 1180 2369 15446
cv 896 1034 862 829 883 1909 11 323
1900 cp 1197 1231 1155 1097 1185 2394 15530
Cv 900 1042 867 837 887 1934 11 407
2000 cp 1206 1235 1160 1101 1193 2420 15614
Cv 908 1047 871 841 896 1959 11 491

Werden Systeme (z. B. Stoffe) mit unterschiedlichen Temperaturen iiber eine gemeinsame diatherme
(warmedurchllissige) Systemgrenze in Beriihrung gebracht, so findet eine Warmeiibertragung in
Richtung des Temperaturgeflilles statt. Nach erfolgtem Energieaustausch stellt sich in den beteilig-
ten Systemen die gemeinsame Mischungstemperatur 1'tM i ein (Temperaturausgleich).
Werden zwei Stoffe mit den Massen ml und m2, den spezifischen Wiirmekapazitiiten CI und C2
und den Temperaturen 19 1 und 19 2 gemischt, so ergibt sich die Mischungstemperatur (Zweistoff-
mischung)
mlcl~1 +m2c2~2 19 m c
~Mi = (1.14)
mici +mlcl
°c kg kg K - kgOC

Diese Formel wird als Mischungsregel bezeichnet und kann durch sinngemiiBe Erweiterung auch
fUr Mehrstoffmischungen verwendet werden.
Die Anwendung der Mischungsregel setzt voraus, daB wiihrend des Mischungsvorganges keine An-
derung des bestehenden Aggregatzustandes eintritt und dem Gesamtsystem Wiirme weder zuge-
fiihrt noch entzogen wird.

606
I. Grundbegriffe

Aus der Mischungsregel folgt die


Mischungstemperatur (Zweistoffmischung gleichartiger Stoffe)
~ (LIS)
°c I kg
Mischungstemperatur (Zweistoffmischung gleichartiger Stoffe mit gleichgroll>en Massen)

(U6)

• Beispiel: 1m Rauchgasvorwarmer einer Kesselanlage werden in jeder Stunde 8400 kg Wasser von
~l = 45°C auf ~2 = 110 °c vorgewarmt. Wie groll> ist die Wiirme, die in jeder Stunde vom
Rauchgas auf das Speisewasser iibergeht?

J J
c=4187-=4187--
kgK kgoC

kg J ° J
Q = 8400 -·4187 - _ . (110 -45) C = 2286.106 -
h kgoC h

• Beispiel: 6 kg Wasser von 50°C und 10 kg Wasser von 30°C sollen gemischt werden. Wie hoch ist
die sich einstellende Mischungstemperatur ~Mi?
6 kg . 50°C + 10 kg . 30°C = 350C
6kg+ 10 kg 7,.

• Beispiel: Ein gegen Warmeverluste geschiitztes Kalorimeter ist mit 800 g Wasser von 15°C geHillt.
Das Gef~ des Kalorimeters besteht aus 250 g Silber mit einer mittleren spezifischen
Warmekapazitat von 234 J /kg K. In dieses GefaflJ werden 200 g Aluminium von 100°C
eingebracht. Nach dem Warmeausgleich wird eine Mischungstemperatur von 19,25 °c ge-
messen.
Wie groll> ist die spezifische Wiinnekapazitiit des Aluminiums?

LOsung: Wird die Gleichung (U4) auf eine Dreistoffmischung erweitert und zur Unterscheidung
mit Indizes fUr SilbergefliflJ, Wasserbad und Aluminium versehen, so ergibt sich bei Auf-
losung nach ca (fUr Aluminium)
(ms C s + mw cw ) . (~Mi -~)
ca = , hierin ist ~w = ~s = ~ gesetzt
ma (~a - ~Mi)

J J J
Cw = 4187 kgK =4187 kgoC Cs = 234 -0-
kg C

_ (
0,25 kg· 234
kgC
+
+ 0,8 kg· 4187
kgC
+) .
(19,25 -15)OC

ca - 0,2 kg· (100 - 19,25) °c


J J
c a = 897 -0-= 897 k K
kg C g

607
Thermodynamik

• Beispiel: Eine Luftmenge soil bei gleichbleibendem Druck von -8 1 = 100°C auf -8 2 = 800°C vor-
gewlirmt werden. Zur Berechnung des Wlirmebedarfs soil die mittlere spezifische Wlirme-
kapazitlit flir den genannten Temperaturbereich mit Hilfe einer Tabelle flir mittlere spezi-
fische Wlirmekapazitliten (Tafel I.5.) ermittelt werden.
.. C mo - 2 -8 2 -Cmo _I -8 1
LOsung: Cm 1-2 = .0.
V2
--8
1
1
CmO-l (nach Tafel I.5.) = 1009 kg K
1
Cm O-2 (nach Tafel I.5.) = 1072 kg K

1072 _1_ . 800°C - 1009 _1_. 100°C


kgK kgK 1
C m l-2 = (800 -100) °c = 1081 kgK

5. Warmeausdehnung

5.1. Allgemeines
Filhrt man einem Stoff Energie in Form von Wlirme zu, so dehnt er sich nach allen Seiten aus. Die-
se VolumenvergroBerung ist eine Folge der VergroBerung des mittleren Abstandes der Stoffteilchen
untereinander. Bei Abkilhlung zeigt sich eine entsprechende Volumenabnahme.
Die GroBe der Wlirmeausdehnung hangt von der Art des Stoffes abo Feste Korper dehnen sich nur
wenig, Flilssigkeiten dagegen starker aus. Die groBte Ausdehnung zeigt sich bei den Gasen.

5.2. Wiirmeausdehnung fester Korper


Da die VolumenvergroBerung fester Stoffe bei Erwlirmung nur sehr gering ist, wird nur die bei
langgestreckten festen Korpern stlirker in Erscheinung tretende Wlirmedehnung in der Ungsrich-
tung bestimmt. Die Ungenzunahme wird als Ldngsausdehnung bezeichnet.

I:
Besitzt ein Korper bei der Temperatur -8 0 = 0 °c die Unge 10 ,
so zeigt sich bei Erwlirmung auf die Temperatur {) eine Ungen- fo
zunahrne I:J.I (Bild 1.6).
Die in m gemessene Llingenlinderung eines Stabes von 1 m Llinge
Bild 1.6. Uingenzunahmc
(bei 0 0c) nach Erwlirmung urn 1K = 1 °c bezeichnet man als
eines festen Kiirpers
Ldngenausdehnungskoeffizient (X/. Damit ergibt sich die nach Erwiirmung
Ltingenzunahme nach Erwdrmung I:J.I = 10 (X/ -8 (1.17)
(X/ {)
Lange nach Erwarmung 1= 10 (1 + (X/ -8) (1.18)
/j.[ °c
m
Relatil'e Langeniinderung T; = (X/ -8 K °C (1.19)

Die Volumenzunahme eines festen Korpers bei Erwlirmung ergibt sich aus der Llingenzunahme,
die in Richtung der Unge, Breite und Hohe erfolgt. Besitzt ein Korper bei der Temperatur {)o = 0 °c
das Volumen Vo, so zeigt sich bei Erwlirmung auf die Temperatur -8 eine Volumenzunahme I:J. V
(Bild I. 7).
Die in m 3 gemessene Volumenlinderung eines K6rpers von I m 3 Rauminhalt (bei 0 DC) nach Erwlir-
mung urn I K = I °c bezeichnet man als Vulumenausdehnungskoeflizient (Xv. Damit ergibt sich:

608
I. Grundbegriffe

Volumenzunahme
(1.20)
nach Erwiirmung V ay ~
Volumen nach
Erwiirmung
v = Vo (l + ay ~) m3 K- °C °c (1.21)
Relative ~V
- =ay ~ (1.22)
Volumeniinderung Vo

Eine Beziehung zwischen dem Liingenausdehnungskoeffi.


zienten at und dem Volumenausdehnungskoeffizienten ay
kann aus der Betrachtung eines WtirfelfOrmigen Korpers
nach Bild 1.7 hergeleitet werden.

Vo = 18, V = 13 , 1 = 10 + AI
V= [/0 + AI]3
V= [/0 +10 at ~]3
V= [/0 (l +at ~)]3
V =19 (l + at ~)3
V= Vo{l +3 at~+3a; ~2 +at ~3)
Bild 1.7. Volumenzunahme eines
Da at sehr klein ist, konnen die Potenzen von at vernach- festen Karpers (Wiirfel) nach
liissigt werden. Erwlirmung

Setzt man 3 at "" ay, so foIgt daraus


V = Vo (1 + ay ~), wie Gleichung (1.21).

SoH die Wiirmeausdehnung flir eine beliebige Temperaturdifferenz ~1 ••• ~2 ermittelt werden, so
kann wegen der geringen Gro~e von at ·und ay bei festen Korpern auch mit den folgenden Nahe-
rungsgleichungen gerechnet werden.

Liingenzunahme nach Erwiirmung


~1""/l at (~2 -~1) at ~ (1.23)

Liinge nach Erwiirmung m °c


K- °C
12 ""II [1 +at(~2 -~1)] (1.24)

Volumenzunahme nach Erwiirmung


AV"" VI ay (~2 -~d V Qv ~ (1.25)

Volumen nach Erwiirmung m3 °c


K= °C
V2 "" VI [1 + ay (~2 - ~d] (1.26)

Die Liingenausdehnungskoeffizienten der einzelnen festen Stoffe sind von der Temperatur ab-
hiingig. 1m unteren Temperaturbereich zwischen O°C und 100 °c kann ihre Gro~e praktisch als
konstant angesehen werden.

609
Thermodynamik

Tafel 1.6. Liingenausdehnungskoeffizient al fester Stoffe zwischen 0 °c und 100°C


in k o~
= (Volumenausdehnungskoeffizient ay ~ 3 al)

Aluminium 23,5.10-6 Jenaer Glas 4,4.10-6 PVC 78,1·10-6


Bakelite 21,9.10- 6 Kohlenstoffstahl 12,0·10-6 Quarzglas 0,6.10-6
Blei 29,2.10- 6 Kupfer 16,5.10-6 Wolfram 4,5 ·10-6
Chromstahl 11,0.10-6 Magnesium 26,0.10-6 Zinn 23,0·10-6
Glas 9,0.10-6 Messing 18,4·10-6 Zinnbronze 17,8.10-6
Gold 14,2.10-6 Nickel 14,1 . 10-6 Zink 30,1 . 10-6
GutlJeisen 9,0.10- 6 Platin 8,9 ·10-6

• Beispiel: Die Lange der Aluminiumdrahte zwischen zwei Masten einer Hochspannungsleitung be-
tragt 110 m bei einer Temperatur von 20°C. Wie lang sind die Leitungsdrahte bei den
Temperaturen +35 °c und -35°C (al = 23,5.10- 6 i =23,5.10- 6 o~).
Losung: a) 12 bei einer Temperatur von + 35°C
12 ~ Id 1 + al {t"2 -1"d]
12 ~ 110 m [1 + 23,5 .10- 6 O~ (+ 35 - 20) ocJ 12 ~ 110,039 m

b) 12 bei einer Temperatur von - 35°C


12 ~ Idl + al (1"2 -1"1)]
12 ~ 110 m [1 + 23,5 .10-6 o~ (-35 - 20) oc] 12 ~ 109,858 m

5.3. Warmeausdehnung von Fliissigkeiten


Fliissigkeiten dehnen sich im allgemeinen bei Erwarmung starker aus als feste Korper. Der Volumen-
ausdehnungskoeffizient ist nicht in allen Temperaturbereichen konstant. Er wird urn so gro~er,
je mehr sich die Temperatur dem Siedepunkt der Fliissigkeit nahert. In den unteren Temperatur-
bereichen kann die Gro~e von ay praktisch als konstant angesehen werden. Eine besonders gleich-
ma~ige Ausdehnung zeigt das Quecksilber.

Eine Ausnahme bildet das Wasser (Anomalie des Wassers). Es besitzt bei +4 °c sein kleinstes Vo-
lumen (gro~te Dichte) und dehnt sich sowohl bei Erwarmung wie auch bei Abkiihlung aus. Die
Warmedehnung verlauft hier sehr ungleichma~ig.
Die Berechnung der Volumenanderung usw. erfolgt nach den Gleichungen (1.20), (1.21), (1.22)
oder auch nach den Naherungsgleichungen (1.25) und (1.26). Reicht die Genauigkeit der Naherungs-
rechnung nicht aus, so kann die Warmedehnung flir eine beliebige Temperaturdifferenz 1"1 ... 1"2
im unteren Temperaturbereich (ay = konst.) aus dem Verhaltnis V2 /VI mit V2 = Vo (1 + ay 1"2)
und VI = Vo (1 + ay 1"1) hergeleitet werden. Es ergibt sich die Volumenzunahme nach Erwiirmung
ay (1"2 -1"1)
4lV= VI 1 +ay '<1 (1.27)
VI V ay
und das Volumen nach Erwiirmung
K °c
I + ay 1"2
V2 = VI 1 +ay .n
VI
(1.28)

610
I. Grundbegriffe

Tafel 1.7. Volumenausdehnungskoeffizient flV von Fliissigkeiten bei 18°C in l = 1-


K °c
Athylalkohol 11,0 ·10-4 Glyzerin 5,0·10-4 Schwefelsaure 5,6 ·10-4
Athyltithcr 16,3·10-4 Olivenol 7,2'10-4 Wasser 1,8 ·10-4
Benzol 12,4·10-4 Quecksilber 1,8'10-4

• Beispiel: 5000 I Benzol werden bei einer Temperatur von +8 °c abgeflillt. Wie gro~ ist der Raum-
inhalt bei 25°C (flV = 12,4 . 10- 4 11K = 12,4 . 10- 4 Itc)?
LOsung: V2 "" Vdl + flV (-&2 - -&.)]
V2 "" 5 m 3 [1 + 12,4 '10-4 o~ (25 - 8) °c ] = 5,105 m 3

5.4. Wiirmeausdehnung von Gasen


Die Warmeausdehnung ist bei Gasen bedeutend grtiBer als bei Fliissigkeiten und festen Stoffen. Die
Volumenausdehnungskoeffizienten sind bei konstantem Druck fiir alle realen Gase mit annahemd
idealem Verhalten praktisch gleich.
Ideale Gase dehnen sich bei Erwarmung urn 1 °C (bei gleichbleibendem, aber beliebig hohem
Druck) urn 1/273,15 des Volumens aus, das sie bei 0 °C einnehmen (Vo)'
Die Berechnung der Volumenanderung erfolgt nach den Gleichungen (1.20), (1.21) und (1.22). Aus
Gleichung (1.21) ergibt sich (a v hier auf 1/273 gerundet) das Gesetz von Gay-Lussac.

Herleitung: Vo = Gasvolumen bei 0 °c


VI, V2 =Gasvolumen bei -& lund -& 2
VI = Vo (1 + flV -&.) V2 = Vo (1 + flV -&2)

VI = Vo (1 + 2~; ) V2 = Vo 1 2~; )
( +
273 + -&1 273 + -&2
VI = Vo 273 V2 = Vo 273
VoTI VoT2
VI = 273 V2 = 273
VI VoTI273
-=-,-::----=-
V2 273 VoT2
Gesetz von Gay-Lussac (bei p =konst.)
VI TI
(1.29)

Bei gleichbleibendem Druck verhalten sich die Gasvolumen wie ihre therrnodynamischen Tempe-
raturen.
Volumenzunahme nach Erwiirmung

(1.30)

611
Thermodynamik

Volumen nach Erwiirmung


T2
V2 = VI TI (1.31 )

Wahrend bei gleichbleibendem Gasdruck die Gasvolumen den thermodynamischen Temperaturen


direkt proportional sind, besteht bei gleichgehaltener Temperatur umgekehrte Proportionalitat
zwischen dem Volumen und dem Gasdruck.
Gesetz von Boyle und Mariotte (bei {} = konst.)

(1.32)

6. Aggregatzustande

6.1. Allgemeines
Die unterschiedlichen auGeren Erscheinungsformen der Stoffe (fest, fliissig oder gasfOrmig) be-
zeichnet man als Aggregatzustande (Phasen). Der jeweils vorliegende Aggregatzustand wird von
der GroBe der stoffabhangigen intemen Bindungskrafte (Kohasionskrafte) bestimmt. Auch Temperatur
und Druck sind von EinfluB.
Wird einem Stoff Wlirme zugefiihrt oder entzogen, so wird die Intensitat der Wlirmebewegung der
Stoffteilchen (Molekiile bzw. Atome) verandert.
Bei standiger Zufuhr von Warme wird ein fester Stoffverband schlieBlich so weit aufgelockert, daB
die Stoffteilchen in den Bewegungsbereich benachbarter Teilchen iiberwechseln, ohne sich jedoch
aus dem Gesamtverband ganz herauslosen zu konnen. Der Stoffzusammenhang ist gelockert und
die Stoffteilchen in ihrer gegenseitigen Lage ungeordnet. Der feste Stoff ist geschmolzen, d. h. er
befindet sich im fliissigen Aggregatzustand.
Bei weiterer Warmezufuhr wird die Bewegungsenergie der Stoffteilchen so groG, daB die stoffinter-
nen Bindungskrafte iiberwunden werden und die nunmehr frei bewegJichen Teilchen sich aus dem
Stoffverband herauslOsen. Der Stoff befindet sich im gasfOrmigen Aggregatzustand.
Die Anderung des Aggregatzustandes ist ein umkehrbarer Vorgang. Die Unterscheidung zwischen
festen, fliissigen und gasfOrmigen Aggregatzustanden ist nicht immer streng durchfiihrbar. Bei
Stoffgemischen und amorphen (nicht kristallisierenden) Stoffen treten Ubergangsformen zwischen
festen und fliissigen Zustanden auf.

6.2. Schmelzen ond Erstarren


Ein Stoff schmilzt, wenn er unter standiger Warmezufuhr yom festen in den fliissigen Aggregat-
zustand iibergeht. Lauft der Vorgang in umgekehrter Richtung ab, so spricht man yom Erstarren einer
Fliissigkeit.
Chemisch reine Stoffe und Stoffgemische mit eutektischem Mischungsverhaltnis schmelzen bei
einer bestimmten, von der Stoffart abhangenden Temperatur, dem Schmelzpunkt des Stoffes. Diese
Schmelztemperatur andert sich wahrend des Schmelzvorganges nicht (Bild 1.8.). Bei nicht-eutek-
tischen Stoffgemischen erfolgt das Schmelzen innerhalb eines Temperaturbereiches.

612
I. Grundbegriffe

Tafel I.S. Schmelzpunkt fester Stoffe bei einem Druck


T
von 1,013 bar in Grad Celsius eC)

Aluminium 658 Kupfcr 1084


Blei 327 Magncsium 655
Chrom 1765 Mangan 1260
Diamant 3500 Messing 900
Eisen (rein) 1528 Platin 1770
Elektron 625 Silber 960
Gold 1063 Wolfram 3350 Schmelzzeit
Graphit 3600 link 419
Bild 1.8. Verlauf der Sehmelzkurve
Iridium 2455 linn 232
cines festen S toffes

Tafel 1.9. Erstarrungspunkt fltissiger Stoffe bei einem


Druck von 1,013 bar in Grad Celsius eC)
Benzin -150 Meerwasser - 2,5
Benzol 5,5 Quecksilber - 38,5
Glyzerin 19 Wasser 0

Die dem Stoff wahrend des Schmelzens zuzufiihrende Warme wird als Schmelzwarme (Schmelz-
enthalpie) bezeichnet. Die Schmelzwiirme qs gibt die Warme in J an, die notig ist, urn 1 kg Stoff bei
der jeweiligen Schmelztemperatur zu schmelzen. Die Schmelzwarme wird beim Erstarren der
Schmelze wieder frei (Erstarrungswarme).

Tafel 1.10. Schmelzwarme qs bei einem Druck von 1,013 bar in J/kg

Aluminium 3,94.10 5 Kupfer 1,72 .10 5 Stahl 2,51 .10 5


Blei 0,23 .10 5 Magnesium 1,97.10 5 link 1,05 .10 5
Eis 3,35.10 5 Nickel 2,34 .10 5 linn 0,59· 10 5
GrauguB 0,96.10 5 Platin 1,00.10 5

Der Schmelzvorgang ist im allgemeinen mit einer Volumenzunahme verbunden. Die Dichte p der
Schmelze ist geringer als die des festen Stoffes. Eine Ausnahme bildet das Wasser, das im erstarrten
(gefrorenen) Zustand einen grol,1,eren Raum einnimmt ("Anomalie des Wassers").
Der Schmelzpunkt steigt mit zunehmendem Druck, wenn der Schmelzvorgang unter Volumenzu-
nahme ablauft. Der Schmelzpunkt des Eises sinkt bei grol,1,er werdendem Aul,1,endruck.
• Beispiel: Welche Warme Q ist erforderlich, urn 15 kg Blei von {} = 20°C bei einem umgebenden
Luftdruck von 1,013 bar zu schmelzen?
LOsung: Das zu schmelzende Metall mul,1, zunachst von der Raumtemperatur {} = 20°C auf die
Schmelztemperatur {}s =327°C erwarmt werden. Die dabei zuzufiihrende Warme QI
betragt mit QI = m c ({}s - {}) und c = 130 J/kg K = 130 J/kg °C

QI = 15 kg' 130+(327 - 20) °c =599000 J


kg C
Nach Zufuhr dieser Warme liegt festes Blei von 327°C vor. Urn das Metall bei gleichblei-
bender Temperatur vollstandig in den fltissigen Zustand zu tiberflihren, mtissen jedem kg
Blei 0,23' 10 5 J (SchmeJzwarme) zugeflihrt werden. Darnit ergibt sich mit
Q =QI + mqs und qs = 0,23 . 105 :g die Gesamtwarme

Q = 599000 J + 15 kg' 0,23 . 10 5 :g = 944000 J


613
Thermodynamik

6.3. Siedeo oDd Verfliissigeo


Eine Fliissigkeit siedet, wenn sie bei stiindiger Wiirmezufuhr unter Bildung von Dampfblasen in
den gasfOrmigen Aggregatzustand iibergeht. Liiuft der Vorgang in umgekehrter Richtung ab, so
spricht man von einer Kondensation. Den unmittelbaren Obergang vom festen in den gasfOrmigen
Aggregatzustand bezeichnet man als Sublimation.
Das Sieden einer Fliissigkeit erfolgt bei einer bestimmten, von der Stoffart abhiingenden Tempe-
ratur, dem Siedepunkt des Stoffes. Diese Siedetemperatur iindert sich wiihrend des Siedevorganges
nicht.

Tafel 1.11. Siede- und Kondensationspunkte bei einem Druck von 1,013 bar in Grad Celsius CC)

Alkohol 78 Helium - 269 Sauerstoff -183


Benzin 95 Kohlenoxid -190 Silber 2000
Benzol 80 Kupfer 2310 Stickstoff - 196
Blei 1525 Magnesium 1100 Wasser 100
Eisen (rein) 2500 Mangan 1900 Wasserstoff - 253
Glyzerin 290 Methan - 164 Zink 915
Gold 2650 Quecksilber 357 Zinn 2200

Die dem Stoff wiihrend des Siedens zuzufiihrende Wiirme wird als Verdampfungswiirme (Verdamp-
fungsenthalpie) bezeichnet.
Die Verdampfungswiirme qv (bei Wasser auch r) gibt die Wiirme in J an, die notig ist, urn I kg Stoff
bei der jeweiligen Siedetemperatur in den gasfOrmigen Zustand zu iiberfiihren.
Die Verdampfungswiirme wird beim Kondensieren wieder frei (Kondensationswiirme).

Tafel 1.12. Verdampfungs- und Kondensationswiirme qv bei einem Druck von 1,013 bar in J/kg

Alkohol 8,79.10 5 Quecksilber 2,85.10 5 Stickstoff 2,01.10 5


Ather 3,77 .10 5 schweflige Saure 3,98.10 5 Wasser 22,57.10 5
Benzol 4,40.10 5 Sauerstoff 2,14.10 5 Wasserstoff 5,02.10 5

Das Verdampfen einer Fliissigkeit ist mit einer starken Volumenzunahrne verbunden. Die Bildung
von Dampfblasen erfordert daher eine Oberwindung des umgebenden Fliissigkeitsdruckes. Der
Siedepunkt ist also druckabhiingig und steigt (sinkt) mit zunehmendem (abnehmendem) Umge-
bungsdruck.
Ein langsamer Obergang vom fliissigen in den gasfOrmigen Zustand erfolgt auch bereits unterhalb
der Siedetemperatur durch Verdun stung. Das Verdunsten vo11zieht sich nur an der Oberfliiche der
FIUssigkeit. Die dabei verbrauchte Wiirme wird der Fliissigkeit und der Umgebung entzogen (Ver-
dunstungskiilte). Kann eine Fliissigkeit iiber den Siedepunkt hinaus erwiirmt werden ohne zu ver-
dampfen, so liegt ein Siedeverzug vor. Das Sieden erfolgt dann nach einer gewissen Verzogerung
schlagartig unter starker Dampfbildung (Gefahr flir Kesselanlagen) .

• Beispiel: 9 m 3 Wasser von 15°C so11en bei einem Druck von 1,013 bar in Dampf von 100°C ver-
wandelt werden. Als Brennstoff so11 Braunkohle mit einem spezifischen Heizwert
Hu = 188 ·lOsJ/kg verwendet werden.
Wieviel kg Brennstoff sind notig, wenn die auftretenden Wiirmeverluste unberiicksichtigt
bleiben?

614
II. Warme und Arbeit

LOsung: Das Wasser mu~ zunachst von der Raumtemperatur {} = 15°C auf die Siedetemperatur
{}s = 100 °c erwarmt werden. Die dabei zuzuflihrende Warme QI betragt:

J J
QI = mc({}s - (}); m = 9000 kg; c = 4187 - = 4187 - -
kgK kgoC

QI = 9000 kg· 4187 ~ (loa -15) °c = 32000'10 5 J


kg C
Nach Zufuhr dieser Warme liegt Wasser von 100 °c VOL Urn dieses Wasser bei gleichblei-
bender Temperatur vollstandig in den gasformigen Zustand zu iiberflihren, miissen jedem
kg Wasser qv = 22,6 '10 5 J/kg (Verdampfungswarme) zugeflihrt werden. Damit ergibt sich
folgende Gesamtwarme:
J
q v = 22 ,6 . !OS kg
-

Q = 32 000 . !OS J+ 9000 kg . 22,6 . !OS :g = 235 000 . 105 J

Die erforderliche Brennstoffmenge mb betragt:


J
H = 188 '105 -
U kg
235 000 '10 5 J
mb = J = 1250 kg Braunkohle
188 . !OS -
kg

II. Warme und Arbeit


1. Thermodynamisches System
Stoffe oder stoffdurchflossene Raume als Objekte thermodynamischer Untersuchungen werden als
thermodynamische Systeme bezeichnet.
Ein solches System wird durch eine feststehende oder bewegliche Systemgrenze von seiner Umgebung
(Umfeld auBerhalb des Systems oder benachbartes System) getrennt. Wechse1wirkungen zwischen
System und Umgebung sind tiber die Systemgrenze hinweg als Stoffaustausch und Energieaus-
tausch (Wiirme, Arbeit) grundsatzlich moglich (Bild 11.1). Fltissige und gasfOrmige Stoffe (Fluide)
bilden die wichtigsten thermodynamischen Systeme.
Geschlossene Systeme besitzen eine stoffundurchlassige (stoffdichte) Systemgrenze (z. B. einge-
schlossenes Gas). Offene Systeme (nach L. Prandtl auch:
Kontrollraum) haben dagegen eine stoffdurehlassige System- Umgebung
grenze (z. B. durehstromter Raum). Bei beiden Systemarten ist
tiber die Systemgrenze hinweg ein Energieaustausch als ver- ~rme
richtete Arbeit und als tibertragene Wiirme moglieh.
System
Sind Energie- und Stoffaustauseh mit der Umgebung nieht
Arbeit
durchfiihrbar, so liegt ein isoliertes oder abgeschlossenes Sy-
stem vor.
Adiabate Systeme besitzen eine wiirmeundurehlassige (war- Systemgrenze
medichte) Systemgrenze. Bei dieser thermiseh isolierten Sy- Bild II. I Thermodynamisches
stemart ist ein Warmeaustausch mit der Umgebung ausge- System (geschlossen)

615
Thermodynamik

schlossen. Nichtadiabate Systeme konnen praktisch als adiabat angesehen werden, wenn bei sehr
schnell ablaufenden Vorgiingen (z. B. in schnellaufenden Wiirmekraftmaschinen) trotz eines wirk-
samen Temperaturgefalles und einer wiirmedurchliissigen Systemgrenze eine nennenswerte Wiir-
metibertragung wegen der extrem kurzen Ubertragungszeit nicht stattfinden kann.
Systembezogene thermodynamische Untersuchungen beziehen sich vorwiegend auf ruhende Syste-
me. Kinetische und potentielle Energie sind als Teil der Gesamtenergie des Systems dann gleich
Null.

2. Innere Energie
Jedes thermodynamische System besitzt die Energie E, die sich aus folgenden Energieanteilen zu-
sammensetzt:
Mikroskopische kinetische und potentielle Energie U aus der Wiirmebewegung der Elementarteil-
chen des Systems (Molekularbewegung) und
makroskopische kinetische Energie Ek und potentielle Energie Ep aus makroskopischen Bewegun-
gen des Systems im Schwerefeld der Erde.
Ohne chemische und nukleare Energieanteile gilt:
E= U +Ek+Ep
Ftir ruhende Systeme ist Ek = Ep = 0 (Null)
1m Bereich (ruhender) geschlossener Systeme ist E = U. Dieser Energiebestand ist die (thermische)
inn ere Energie U des Systems.
Der Betrag der inneren Energie U hat keine praktische Bedeutung. Wiirmetechnisch wichtig ist die
Berechnung der Anderung der inneren Energie.1 U (Zu- oder Abnahme) im Verlauf von Zustands-
iinderungen im System. Ftir den willktirlich gewiihlten Bezugspunkt U = 0 bei 0 °C gilt ftir ein ideales
Gas als Systemftillung:

.1U=U 2 -U I =mc v 1J 2 -mc v 1J I


.1U=mc v (1J 2 -1J I )

U m c T
J (11.1)
J kg K
kgK
oder massenbezogen die Anderung der spezijischen inneren Energie .1u:
u c T
J (11.2)
K
kg kgK

Die innere Energie eines geschlossenen Systems kann nur durch Energietibertragung in Form von
Wiirme oder Arbeit (auch Dissipationsarbeit) tiber die Systemgrenze hinweg geiindert werden.
1m Bereich (ruhender) offener Systeme erfolgt zusiitzlich eine Energietibertragung durch StoffluB
tiber die Systemgrenze hinweg. An die Stelle der inneren Energie tritt dann die Enthalpie.

3. Warme
Eine Moglichkeit des Energieaustauschs zwischen System und Umgebung (auch zwischen benach-
barten Systemen) ist die Ubertragung von Wiirme tiber eine wiirmedurchliissige (diatherme) Sy-
stemgrenze hinweg. Die Wiirmetibertragung erfordert einen Temperaturunterschied zwischen Sy-

616
II. Wirme und Arbeit

stem und Umgebung. Sie erfolgt dann von selbst ohne Einwirkung eines iiuBeren Zwanges stets in
Richtung des vorhandenen TemperaturgefaIles.
Die Wiirme Q in J (Joule) ist die reversibel tibergehende Wiirmeenergie beim Uberschreiten der Sy-
stemgrenze. Nach erfolgtem Ubergang ist die z. B. zugeftihrte Energie ein Teil der inneren Energie
des Systems. Zugeftihrte Wiirme erhiilt ein positives (+), abgeftihrte Wiirme ein negatives (-) Vor-
zeichen (Vorzeichenkonvention nach DIN 1345).
Die massenbezogene Wiirme ist die speziJische Wiirme q in J/kg. Sie ist unabhiingig von der Masse
des Systems:

~
Qm
Q (11.3)
q=-
m ~ J kg
kg

Wird auf ein geschlossenes System durch Verrichtung von Arbeit am System (zugefiihrte Arbeit)
Dissipationsenergie tibertragen, so verhiilt sich dieser Energiezuwachs grundsiitzlich wie zugefiihr-
te Wiirme. Er erhOht die innere Energie des Systems. Die Dissipation ist jedoch nicht umkehrbar
(irreversibel). Dissipationsenergie kann dem System nur zugefiih~t werden und erhiilt somit stets
ein positives Vorzeichen.
Nach der kinetischen Wiirmetheorie (Rudolf Clausius, 1822-1888) ist Wiirme aus physikalischer
Sicht die Bewegungsenergie (kinetische Energie) der schwingenden Elementarteilchen (Molekiile
bzw. Atome) eines Stoffes. Diese Wiirmebewegung ist physiologisch wahrnehmbar. Sie bewirkt
nach erfolgter Reizaufnahme durch wiirmeempfindliche Rezeptoren der Haut (Thermorezeptoren)
eine subjektive Wiirmeempfindung (Wiirmesinn).

4. Arbeit
Eine Moglichkeit des Energieaustauschs zwischen System und Umgebung ist die Verrichtung von
Arbeit tiber die (bewegliche) Systemgrenze hinweg. Zugefiihrte Arbeit wird am System, abgegebene
Arbeit dagegen vom System verrichtet. Zugefiihrte Arbeit erhiilt ein positives (+), abgefiihrte Arbeit
ein negatives (-) Vorzeichen (Vorzeichenkonvention nach DIN 1345).
1m Bereich (ruhender) geschlossener Systeme (z. B. eingeschlossenes Gas) wird die Volumen-
iinderungsarbeit Wv verrichtet. Sie wird dem System tiber eine verschiebbare Systemgrenze (z.B.
Arbeitskolben) als Kompressionsarbeit zugefiihrt oder yom System als Expansionsarbeit abgege-
ben. Damit ist allgemein auch eine Anderung von Druck p und Temperatur T verbunden. Unter Ver-
nachliissigung dissipativer Wirkungen ergibt sich die Volumeniinderungsarbeit bei reversiblem
(umkehrbarem) ProzeBverlauf von 1 nach 2 (Bild 11.2.):

2
f
Wv =- p·dV (11.4)

oder massenbezogen die speziJische Volumeniinderungsarbeit Wv in J/kg

2 w p v
f
Wv =- p·dv J N m3 (11.5)
1 kg m2 kg

Das negative Vorzeichen (-) beriicksichtigt die Vorzeichenkonvention:


Kompression, d. h. dv negativ = Wv positiv
Expansion, d. h. dv positiv = Wv negativ

617
Thermodynamik

Die Volumenanderungsarbeit erscheint im p,v-Diagramm p


(Zustandsdiagramm) als senkrecht schraffierte Flache zwi-
schen Abszisse (v-Achse) und p,v-Linie (Bild 11.2.). dv
Wird einem adiabaten geschlossenen System Volumenande- w,
rungsarbeit zugefiihrt (bzw. entzogen), so nimmt die innere
Energie U entsprechend zu (bzw. ab). Ohne Dissipation gilt:
Wy = U2 - UI
1m Bereich (ruhender) offener Systeme (z. B. stoffdurch-
stromter Raum) wird die technische Arbeit W t verrichtet. v
Ein solches System liegt z. B. dann vor, wenn eine Wiinne- Vz

kraftmaschine bei stetiger Arbeitsabgabe von einem stoffli-


chen Arbeitsmittel (z. B. Gas) durchflossen wird. Bild 11.2. Volumenanderungsarbeit Wv
. technische Arbeit bertickslChtIgt
Ole . . bel. Arb' eltsabgabe bei Expansion yon I nach 2
(hier angenommen) neben der vom System verrichteten Vo-
lumenanderungsarbeit W y (= U2 - U I ) zusatzlich die Ver-
schiebearbeit bei P = konstant, die als Einschubarbeit PI VI beim Einschieben des Stoffes vom Sy-
stem aufgenommen und als Ausschubarbeit - P2 V2 beim Ausschieben des Stoffes vom System ab-
gegeben wird. Unter Vemachlassigung dissipativer Wirkungen und ohne Anderung der kinetischen
und potentiellen Energie des stromenden Fluids ergibt sich die technische Arbeit bei reversiblem
(umkehrbarem) ProzeBveriauf von 1 nach 2 (Bild II.3.):

~1:31 ~
2
W t =- Iv dp (II.6)
m2
oder massenbezogen die speziJische technische Arbeit WI in J/kg

W v P
N (1I.7)
kg kg m2

Die speziJische technische Arbeit erscheint im p,v-Dia- p v


gramm (Zustandsdiagramm) als waagerecht schraffierte
Flache zwischen Ordinate (p-Achse) und p,v-Linie (Bild
Il.3.).
Flir die vom System verrichtete reversible technische Ar-
beit (spezifisch) gilt auch (Bild II.3.):
PI VI - Wy - P2 V2 =- Wt
PI VI - (U2 - UI) - P2 V2 = - Wt
PI vI - u2 + UI - P2 V2 = - Wt
v
UI +PI vl-u2-P2 v2=-wt
Vz
(UI + PI VI) - (U2+P2 V2) = - WI
Wt = (U2+PZ vz) - (UI + PI VI)
Bild 11.3. Technische Arbeit w,
Die Klammerausdrticke werden zusammengefaBt zur spe- bei Expansion yon I nach 2
ziJischen Enthalpie h in J/kg.
h U P V
h=u+pv J J (II.8)
kg kg m2 kg

618
II. Wirme und Arbeit

oder fiir die Masse m die Enthalpie H in J


H U p v
H=U+pV (11.9)
J

Der Betrag der Enthalpie H hat keine praktische Bedeutung. Warmetechnisch wichtig ist die Be-
rechnung der Anderung der Enthalpie tlH (Zu- oder Abnahme) im Verlauf einer Zustandsiinderung
im System. Fiir den willkiirlich gewiihlten Bezugspunkt H = 0 bei 0 °C gilt fiir ein ideales Gas:
tlH = H 2 -H,
tlH = U2+P2 V 2 -U,-p, V,
tlH = m Cy f)-2 + m Rj T2 - m Cy f)-, + m Rj T,
tlH = m Cy (f)-2 -f)-,) + m R j (T2 - T,)
tlH = m Cy (T2 - T,) + mR j (T2 - T,)
tlH = m (cy + R j ) (T2 - T,)
H m C T
(11.10)
J kg J K
kgK
Gibt ein adiabates offenes System (Q = 0, isentrope Zustandsiinderung) technische Arbeit ab, so
nimmt die Enthalpie H des Systems entsprechend abo Ohne Dissipation gilt:
W H m C T
J (11.11)
J J kg K
kgK

Wird die von einem offenen System abgegebene technische Arbeit durch die Zeit dividiert, in der
diese Arbeit die Systemgrenze iiberschreitet, so ergibt sich die abgegebene Leistung.

5. Dissipationsenergie
Wird der kompressiblen Fiillung eines geschlossenen Systems (z. B. eingeschlossenes Gas) iiber eine
verschiebbare Systemgrenze (z. B. durch Arbeitskolben) Arbeit zugefiihrt, so dient diese Energie sowohl
der reversiblen Volumeniinderung (Kompression) des eingeschlossenen Gases als auch der Uberwin-
dung von Widerstiinden (vorwiegend Reibung) beim Zusammendriicken der fluiden Systemfiillung.
Dieser Energieanteil iiberschreitet die Systemgrenze neben der reversiblen Volumeniinderungsarbeit
Wy als irreversible Dissipationsarbeit Wd und wird erst im System dissipiert (zerstreut).
Die Dissipationsenergie (Streuenergie) ist wirkungsgleich mit reversibel zugefiihrter Warme Q und
Volumeniinderungsarbeit W y • Auch sie erhOht die innere Energie U des geschlossenen Systems.
tlU = U2 - U, = Q +W y + Wd
Dissipationsarbeit kann dem System nur zugeJuhrt werden, sie erhiilt daher stets ein positives Vor-
zeichen.
Bei offenen Systemen steht fiir die innere Energie die Enthalpie H und fiir die (reversible) Volu-
meniinderungsarbeit die (reversible) technische Arbeit Wt. Ohne Anderung der kinetischen und po-
tentiellen Energie des durchstromenden Fluids gilt sinngemiiB
tlH = H 2 -H, = Q + Wt + Wd
Dissipationsvorgiinge sind kennzeichnende Merkmale irreversibler (nicht urnkehrbarer) Prozesse.
Bei warmetechnischen Betrachtungen ist die Vernachliissigung dissipativer Einfliisse vielfach iib-
lich. Sie ermoglicht eine vereinfachte theoretische Behandlung idealisierter (reversibler) Abliiufe
(ohne Dissipation, Wd =0).

619
Thermodynamik

,1U = U z - U I = Q + Wv geschlossenes System


&I = Hz-HI = Q+WI offenes System

6. Erster Hauptsatz
Jedes thermodynamische System besitzt Energie. Dieser Energiebestand kann nur durch einen
Energieubergang in Form von Wlirme oder Arbeit (auch Dissipationsarbeit) uber die Systemgrenze
hinweg veriindert werden. Dabei wird Energie weder erzeugt noch vemichtet (Energieerhaltungs-
satz).
Der erste Hauptsatz stellt als Erfahrungssatz (Axiom) Wlirme, Arbeit und innere Energie jeweils als
Energieformen und damit als gleichartige physikalische GroBen mit der Energieeinheit J (Joule,
1 J = 1 Nm = 1 Ws) dar. Dabei sind unterschiedliche Formulierungen ublich.

• Beispiele:
• Wlirme ist ein Energieform.
• Bei geschlossenem System ergibt zu- oder abgefuhrte Wlirme und Arbeit eine aquivalente Ande-
rung (Zu- oder Abnahme) der inneren Energie des Systems.
In einer Bilanzgleichung (Energiebilanz) werden Wlirme Q, Arbeit Wv (bzw. WI) und innere Ener-
gie U (bzw. Enthalpie H) miteinander verknupft. Fur einen reversiblen Energieubergang (ohne Dis-
sipation) gilt:
geschlossene Systeme Q + Wv = Uz - U I = ,1U
offene Systeme Q + WI = Hz -HI = ,1H
(vereinfacht)
Die Umwandlung von Energie in andere Energieformen ist nicht immer uneingeschriinkt moglich.
So sind Wlirme und innere Energie (bzw. Enthalpie) nicht vollstiindig in mechanische oder elektri-
sche Energie umwandelbar (siehe 2. Hauptsatz).

7. Kreisprozesse
Wird einem thermodynamischen System Energie (Wlirme, Arbeit) zugefuhrt oder entzogen, so
iindert sich der physikalische Zustand des Systems. Solche Zustandsiinderungen sind Merkmale
thermodynamischer Prozesse. Sie werden in Zustandsdiagrammen (z. B. p,v-Diagrarnm) graphisch
dargestellt.
Die Aufeinanderfolge mehrerer Zustandsiinderungen p
derart, daB das System am Ende des gesamten Ab- 1 (p,. Vr. T,J
laufs seinen physikalischen Ausgangszustand wieder
-Expansion 1-2
erreicht, ergibt einen KreisprozejJ. Durch geeignete
ProzeBgestaltung kann dabei Wlirme in Arbeit (Wlir- t?-a"2
mekraftmaschinen) oder Arbeit in Wlirme (KaItema-
schinen, Wlirmepumpen) umgewandelt werden.

• Beispiel:
Ein reversibler KreisprozeB im geschlossenen Sy-
stem (Wlirmekraftmaschine) besteht aus zwei Zu-
standsiinderungen (Bild 11.4.). Unter Zufuhr der
Bild 11.4. KreisprozeB (reversibel)
Wlirme + QI-Z expandiert die Systemfiillung und gibt mit zwei Zustandsiinderungen
dabei die Volumeniinderungsarbeit -Wvl-Z abo In ei- (geschlossenes System)

620
II. Warme oDd Arbeit

ner anschlieBenden Kompression wird dem System die Volumenanderungsarbeit +Wv2-I zugefiihrt
und dabei die Wlirme -Q2-I entzogen.
Nach dem 1. Hauptsatz gilt:
+ QI-2 - Wvl- 2 = U2 - UI
- Q2-I + Wv2- I = UI - U2
+ QI-2 - Q2-I = (U2 - U I ) + (UI - U2) + Wvl- 2 - Wv2- I
+ QI-2 - Q2-I = + Wvl- 2 - Wv2- I
IQ = IWv = W (Nutzarbeit)
Ein reversibler KreisprozeB im offenen System ergibt sinngemaB:
IQ = IWt = W (Nutzarbeit)
Die im reversiblen KreisprozeB gewonnene Arbeit (Nutzarbeit W) ist gleich der algebraischen Summe
der zu- und abgefiihrten Volumenanderungsarbeiten (IWv ) bzw. der technischenArbeiten (IWt ). Der
Betrag der Nutzarbeit ist gleich der algebraischen Summe der zu- und abgefiihrten Wlirmen (IQ).
Verlaufen die im p,v-Diagramm graphisch dargestellten Zustandsanderungen entsprechend ihrer
Verlaufsrichtung im Uhrzeigersinn (Bild 11.4.), so liegt ein rechtsliiufiger KreisprozeB vor (Wlirme-
kraftmaschinen). Bei entgegengesetztem Verlauf ergibt sich ein linksliiufiger KreisprozeB (Kiilte-
maschinen, Wlirmepumpen).

8. Thermischer Wirkungsgrad
1m Fortgang eines rechtslaufigen reversiblen Kreisprozesses in einer Wlirmekraftmaschine soIl ein
moglichst groBer Teil der dem ProzeB zugeflihrten Wlirme in Nutzarbeit umgewandelt werden.
Zur Beurteilung der Energieumwandlung werden Nutzen und Aufwand zueinander ins Verhaltnis
gesetzt und so der thermische Wirkungsgrad 11th gebildet.
Werden zugeflihrte Wlirme mit Qzu und abgeflihrte Wlirme mit Qab bezeichnet, so gilt:

(11.12)
!lJg
TTf
Wlirde die gesamte zugefiihrte Wlirme in Nutzarbeit umgewandelt und damit die abgeflihrte Wlirme
gleich Null, so ware 11th = 1. Dieser Wert wird technisch nie erreicht.

9. Zweiter Hauptsatz
Kreisprozesse (und ihre Zustandsanderungen) werden flir eine vereinfachte theoretische Behand-
lung (Berechnung) als reversible (umkehrbare) Ablaufe angesehen. Nach dieser Annahme erreicht
das betrachtete System nach erfolgter Umkehrung ohne jede energetische Einwirkung und somit
Anderung der Umgebung seinen urspriinglichen physikalischen Ausgangszustand.
Naturliche Prozesse (und Zustandsanderungen) sind nicht umkehrbar (irreversibel). Systeminteme
Dissipations- und Ausgleichsvorgange machen die beschriebene ProzeBumkehrung unmoglich. Der
2. Hauptsatz stellt als Erfahrungssatz (Axiom) dieses Prinzip der Nichtumkehrbarkeit (Irreversibi-
litat) von Prozessen in unterschiedlichen Formulierungen dar.

• Beispiel:
• AIle narurlichen Prozesse sind irreversibel.

621
Thermodynamik

Durch Einfiihrung der Entropie (Rudolf Clausius, 1822-1888) wird das AusmaB der Nichtumkehr-
barkeit berechenbar und in Zustandsdiagrammen graphisch darstellbar.
Andere Formulierungen des 2. Hauptsatzes beziehen sich auf die auch bei reversiblen Ablaufen ein-
geschriinkte Umwandelbarkeit von innerer Energie (bzw. Enthalpie) und Wiirme in andere Energie-
formen.

• Beispiele:
• In einer Wiirmekraftmaschine wird die zugefUhrte Wiirme nur teilweise in Nutzarbeit umgewan-
delt. Der Rest durchlauft und verliiBt die Maschine ungenutzt (11th < 1).
Bei einer Wiirmeiibertragung wird stets ein System mit niedrigerer Temperatur benotigt, auf das die
Wiirme in Richtung des Temperaturgenmes selbsttatig iibergehen kann. So formulierte Clausius
1850:
• Wiirme kann nie von selbst von einem System niederer Temperatur auf ein System hOherer Tem-
peratur iibergehen.
Damit ist der unermeBliche Vorrat an innerer Energie der Umgebung technisch nicht nutzbar.

10. Entropie
Jedes System besitzt als ZustandsgroBe die Entropie S. Wird iiber die Systemgrenze hinweg Wiirme
iibertragen oder dem System Dissipationsenergie zugefiihrt, so findet immer auch (richtungsgleich,
d. h. mit gleichem Vorzeichen) ein Entropietransport statt. Die reversible Ubertragung von Arbeit
erfolgt dagegen entropiefrei.
Die mit Wiirme iibertragene Entropie (ohne Dissipation und in Differentialschreibung) ist nach

it+
Rudolf Clausius definiert als

Q T
dS= dQ (11.13)
T ~ J K
K
Dabei ist T die thermodynamische Temperatur in dem Grenzbereich des Systems, in dem die trans-
portierte Wiirme die Systemgrenze iiberschreitet. Bei groBeren Temperaturunterschieden ist die
mittlere Temperatur Trn zu setzen.
Massenbezogen gilt fiir die spezifische Entropie s:
s q T
dq
ds=- J J (11.14)
T K
kgK kg
Der Betrag der Entropie hat keine praktische Bedeutung. Wiirmetechnisch wichtig ist die Anderung
der Entropie Lis (Zu- oder Abnahme) im Verlauf einer Ubertragung von Wiirme oder Dissipations-
energie. So ist die algebraische Summe der Entropieiinderungen aller am Energieiibergang beteilig-
ten Systeme ein MaB fUr die Irreversibilitat (Nichtumkehrbarkeit) des Prozesses.
• Bei reversiblem Ablauf ist die algebraische Summe der Entropieiinderungen aller am ProzeB be-
teiligten Systeme gleich Null, d. h. die Summe der Entropien aller beteiligten Systeme iindert
sich nicht.
• Bei irreversiblem Ablauf ist die algebraische Summe der Entropieiinderungen aller am ProzeB
beteiligten Systeme groBer als Null, d. h. die Summe der Entropien aller beteiligten Systeme wird
groBer.
1m T, s-Diagramm (Zustandsdiagramm) konnen Wiirme und andere EnergiegroBen als Flachen gra-
phisch dargestellt werden. Fiir eine reversible Zustandsanderung gilt:

622
II. Wirme und Arbeit

dq T 2
ds=- ~ dq=Tds
T ds
2
- I---
q=fTds
I
q
1
Das bestimmte Integral entsprieht der senkreeht sehraf-
dq
fierten FUiehe im T,s-Diagramm (Bild 11.5.).
Ffir Fliissigkeiten (z. B. Wasser) und Dampfe (z. B. Was-
serdampf) ergeben sich die zugehOrigen Entropiebetrage S
s, LlS
aus Zahlentafeln (z. B. Dampftafel ffir Wasser) oder aus
s;
Zustandsdiagrammen (z. B. Temperatur-Entropie-Dia-
gramm fur Wasser). FUr ideale Gase sind Entropieande-
BiJd 11.5. T.s-Diagramm fiir eine
rongen (Lis) berechenbar. So gilt fur reversible Vorgange reversible Zustandslinderung
im gesehlossenen System:

dq du + P dv du P dv P Rj
ds=-= =-+-- -=-
T T T T' T v
C V dT R j dv
ds=--+--
T v
dT dv
f -T f-v
2 2
Lis = S 2 - SI =C v +R j
I I

T2 v2
s2 -sl = C v In-+Rj In- (11.15)
TI VI

P2 V2
oder S2 -sl =C v In-+c p In- (11.16)
PI VI

Bei groBeren Temperaturuntersehieden muB wegen der Temperaturabhiingigkeit der spezifisehen War-
mekapazitliten Cv und cp (Tafel 104.) mit den Mittelwerten Cvm und cpm gearbeitet werden (Tafel 1.5.).

11. Exergie und Anergie


Naeh dem 2. Hauptsatz kann nieht jede Energieform in jede beliebige andere Energieform um-
gewandelt werden. So ist z. B. die einer Warmekraftmaschine zugefiihrte Warme selbst bei rever-
siblem ProzeBablauf nur begrenzt in Nutzarbeit umwandelbar. Die Grenze wird dabei durch den
physikalisehen Zustand der Umgebung gezogen. So ist die innere Energie eines Systems im Umge-
bungszustand, d. h. bei Umgebungstemperatur Tu und Umgebungsdruek Pu, im Sinne einer Gewin-
nung von Nutzarbeit wertlos.
Naeh dem Merkmal der Umwandelbarkeit werden untersehieden:
Unbegrenzt umwandelbare Energie (mechanisehe Energie, elektrisehe Energie). Sie wird
als Exergie E bezeichnet.
Nicht umwandelbare Energie (innere Energie der Umgebung). Sie wird als Anergie B be-
zeiehnet.
Begrenzt umwandelbare Energie (innere Energie bzw. Enthalpie, Wiirme). Sie setzt sieh
aus Exergie und Anergie zusammen. Der nutzbare Anteil ist die Exergie, der nieht nutzbare
Anteil die Anergie (Energie = Exergie + Anergie).

623
Thermodynamik

Exergie EQ und Anergie BQ der Wiirme sind im T,S-Dia- T


gramm (Zustandsdiagramm) graphisch darstellbar. Sie er-
scheinen als FUichen oberhalb bzw. unterhalb der Linie
der Umgebungstemperatur Tu (waagerechte Linie in Bild
II.6.).

Ftir den 2. Hauptsatz ergeben sich daraus weitere Formu-


lierungen:
• Bei reversiblen Vorgangen bleibt die Exergie konstant.
• Bei irreversiblen (natiirlichen) Vorgangen nimmt die
Bild II.6. Exergie und Anergie der Wlinne
Exergie abo Exergie wird Z. T. in Anergie verwandelt. fUr eine beliebige Zustandslinderung
• Es ist nicht moglich, Anergie in Exergie zu verwandeln. EQI _2 + B QI _2 = QI-2

III. Zustandsanderungen idealer Gase


1. Thermische Zustandsgleichung
Die Thermodynamik entwickelt ihre GesetzmaBigkeiten mit Hilfe meBbarer GroBen, die flir den
jeweiligen Zustand eines Systems kennzeichnend sind. Die Thermodynamik verzichtet dabei auf
jede atomistische Deutung des Wesens der Wiirme, wie sie in der kinetischen Wiirmetheorie zum
Ausdruck kommt.
Die gegenseitigen Abhangigkeiten der ZustandsgroBen spezifisches Volumen (v), absoluter Druck
(P) und Temperatur (n werden durch die thermische Zustandsgleichung idealer Gase festgelegt,
die aus der Verkntipfung der Gesetze von Boyle und Mariotte und Gay-Lussac hergeleitet werden
kann.
Herleitung: Betrachtung einer allgemeinen Zustandsanderung, bei der sich Volumen, Druck und
Temperatur gleichzeitig andem.
Ausgangszustand Plo V 10 TI
Endzustand pz, vz, Tz
Zerlegung der Gesamt-Zustandsanderung in zwei Teilvorgange a und b tiber einen Zwischenzustand
mit dem spezifischen Volumen v x •
a) Druckanderung von PI auf P2 bei gleichgehaltener Temperatur TI (nach Boyle und Mariotte)

VIPI
V x =--
pz
b) Temperaturanderung von TI aufT2 bei gleichbleibendem Druckp2 (nach Gay-Lussac)

Hieraus ergibt sich ftir die allgemeine Zustandsanderung

P2V2 PIVI
--- =- - = konst. = R i (spezielle oder individuelle Gaskonstante).
Tz TI

624
III. Zustandsanderungen idealer Gase

Dieser Ausdruck ist die thermische Zustandsgleichung idealer Gase


p v T
J IJ=I Nm (III. I)
K
kgK

Die spezielle Gaskonstante R j ist eine Stofikonstante, die durch Messung der zueinandergehorenden
Werte von p, v und T bestimmt werden kann. Sie stellt die Volumenlinderungsarbeit dar, die verrich-
tet wird, wenn ein Gas mit der Masse m = I kg bei gleichbleibendem Druck urn I K erwarmt wird.

Tafel lILt. Spezielle Gaskonstante R j in k: K (1 J = I Nm)

Kohlenoxid CO 297 Methan CH 4 519 Wasserdampf H2O 462


Kohlendioxid CO 2 189 Sauerstoff O2 260 Wasserstoff H2 4126
Luft - 287 Stickstoff N2 297

Die thermische Zustandsgleichung gilt flir jeden beliebigen, durch p, V und T ausgedriickten Gaszu-
stand, also auch fur den Normzustand (Pn vnITn = Rj).
Ein Gas, das dieser thermischen Zustandsgleichung folgt, nennt man ein ideales Gas. Dieses Gas ist
ein gedachter Stoff, des sen Molekiile kein Eigenvolumen besitzen und in dem Molekularkriifte
nicht vorhanden sind. Reale Gase weichen in ihrem Verhalten urn so mehr von der Zustandsgleichung
ab, je hoher ihre Atomzahl ist und je naher die Temperatur am Verflussigungspunkt des Gases liegt.
Reale Gase werden von der van der Waalsschen Zustandsgleichung erfaBt, in der Eigenvolumen
und Kohiisionskriifte der Molekiile durch entsprechende EinfluBgroBen berucksichtigt sind.
Wird in Gleichung (111.1) v =Vim gesetzt, so ergibt sich die thermische Zustandsgleichung der Gase

p V m
_J_ K (III. 2)
kgK

An Stelle des spezifischen Volumens v kann auch die Dichte p = ltv in die thermische Zustands-
gleichung der Form (III. 1) eingesetzt werden.

• Beispiel: Welche spezielle Gaskonstante Ri ergibt sich fur Luft?


Losung: Fur den Normzustand ergibt sich aus der thermischen Zustandsgleichung:

PnUn m3
R-=--· Un = 0,774 kg nach Tafell.l.
I Tn'
N m3
1013-\05
,
-m 2 ·0774-
kg
' Nm J
273 K = 287,2 kgK = 287,2 kgK

• Beispiel: Wie gro~ ist das Volumen einer Luftmenge von 100 m 3 (im Normzustand) bei {} = 80°C
und P = 4,9 bar?
pnVn pV 5 N
LOsung·. -Tn- =T- =mR-I '- P =4 , 9 bar =49
,
-10 -m2

PnVn T 1,013.105 :2-100m3.353K


V=--= =267 m 3
TnP 273K-49.105~
, m2
,

625
Thermodynamik

2. Zustandsanderungen
Der Zustand eines Systems wird durch ZustandsgroBen bestimmt. Prozesse mit Energieaustausch
zwischen System und Umgebung verandem GroBen und Zustande. Damit werden Zustandsiinde-
rungen bewirkt. Zustande und Zustandsanderungen werden rechnerisch behandelt oder in Zustands-
diagrammen graphisch dargestellt.
Die rechnerische Bearbeitung bezieht sich meist auf reversible (d. h. dissipationsfreie) Zustands-
anderungen idealer Gase wie Isochore, Isobare, Isotherme, Isentrope und Polytrope. Eine Anwen-
dung der GesetzmiiBigkeiten auf reale Gase mit anniihemd idealem Verhalten ist technisch fast im-
mer ausreichend genau.
Zustandsdiagramme bestehen uberwiegend aus einem ebenen System rechtwinkling angeordneter
Koordinatenachsen (Abszisse, Ordinate). Zustande erscheinen als Punkte, Zustandsanderungen als
gerade oder gekrfimmte Linien (Kurven). Bei maBstiiblicher Achsenteilung konnen Zahlenwerte
gesuchter GroBen mit praktisch hinreichender Genauigkeit abgelesen werden. Diese Moglichkeit
bietet auch der Gebrauch einschlagiger Zahlentafeln (z. B. Dampftafel fUr Wasser). Die Anwendung
von Diagrarnmen und Tafeln ist dann ublich, wenn eine rechnerische Behandlung wegen kompli-
zierter Zusammenhange (z. B. bei Diimpfen) zu aufwendig ist. Wichtige Zustandsdiagramme fUr
Gase sind das p,v-Diagrarnm und das T,s-Diagramm.

p Kurve der T Kurve der


Zustandsanderung Zustandsa'Zderung 2
1/
~ 2 1~
c:r'
'"
v, V 5, S
v2 s2

Bild 111.1. Darstellung einer Zu- Bild III. 2. Darstellung einer Zu-
standsanderung im p. v-Diagramm standsanderung im T, s- Diagramm

Aus dem p,v-Diagramm la1iJt sich auch der Temperaturverlauf in Abhiingigkeit vom spezifischen
Volumen ermitteln.

Anleitung (Bild III. 3):


p
Gegeben: Zustandsanderung mit Anfangszustand 1
(p" V" T I ) und zugehoriger Kurvenverlauf.
Gesucht: Temperatur T2 im beliebigen Zwischen-
zustand 2 (M~stiibe fUr p und T so gewiihlt, d~ --....
PI =TI ist). t:: gegebene
a) Senkrechte durch Punkt 1 zeichnen, ?ustandsanderung
b) Senkrechte und Waagerechte durch Punkt 2
zeichnen (es ergibt sich Schnittpunkt A), v
c) Verbindungslinie OA zeiehnen und mit Senk-
reehte dureh Punkt 2 zum Sehnitt bringen Bild Ill.3. Aufzeichnen des Temperaturverlaufs
(es ergibt sich Schnittpunkt B), als Kurve T =/(v) aus dem p,v-Diagramm einer
d) Punkt B ist der Temperaturpunkt fUr den gegebcnen Zustandsanderung
Zwischenzustand 2.

626
III. Zustandsanderungen idealer Gase

3. Isochore Zustandsanderung
Das Gasvolumen bIeibt wiihrend der Zustandsiinderung konstant.
Aus der thermischen Zustandsgieichung p v IT =Rj foIgt

(III.3)

P T
1

Flache entspricht
Wt

2
c:t't
'i=v2=konsf v s

Bild I1I.4. Isocbore Zustandsiinderung Bild I1I.S. Isocbore Zustandsanderung


im p, v-Diagramm (bier Drucksenkung) im T.s-Diagramm (bier Drucksenkung)

Da Volumeniinderungsarbeit nicht verrichtet wird, dient die als Wiirme zugefiibrte (oder abgefiihrte)
Energie der Anderung der inneren Energie des Gases. ZugeJilhrte (oder abgefiihrte) speziJische
Wiirme:
q(u) c T
J J (IlIA)
K
kg kgK

Anderung der speziJischen inneren Energie:


(I1I.5)

Anderung der spezijischen Enthalpie !::..h:

h c T
J J (I1I.6)
K
kg kgK

';' I:
Anderung der speziJischen Entropie !::..s:

(I1I.7)
kgK
Volumeniinderungsarbeit Wv wird nicht verrichtet:
Wv =0 (I1I.S)
Die technische Arbeit ist als Differenz der Gieichdruckarbeiten PI VI und P2Vz gegeben. Die speziJi-
sche technische Arbeit WI tritt im p, v-Diagramm (Bild IlIA.) ais Flache in Erscheinung:
W V P
J m3 N 1J INm 1 Ws (I1I.9)

kg kg m2

627
Thermodynamik

• Beispiel: In einem Luftbehalter ist Luft unter einem Druck von Pabs, = 2,45 bar bei einer Tempera-
tur von it, = 15°C eingeschlossen.
a) Wie groB ist die Temperatur it2 , wenn eine spezifische Wiirme q = 251000 J/kg zuge-
ftihrt wird?
b) Wie groB ist der sich einstellende Druck P2?
c) Wie groB ist die Anderung der spezifischen inneren Energie l1u?
d) Wie groB ist die Enthalpieiinderung I1h?
e) Wie groB ist die Entropieiinderung I1s?

LOsung: a) q= clJ(T2 -T I )
J
T2 =.!L.+TI ; clJ = 736 kg K (angenommen)
CIJ

TI = ~I + 273,15 = 15 + 273,15 = 288,15 K

251000 ~
T2 = + 288,15 K = 629,18 K
J
736 kgK

~2 = T2 -273,15 =629,18 -273,15


C}2 = 356°C

b) PI = TI PI = 2,45 '10 5 ~
P2 T2 m
PI T 2 TI = 288,15 K
P2 = -T-1- T2 = 629,18 K
5 N
2,45'10 2 ' 629,18 K N
P2 = 2;,15 K = 5,35 '10 5 m2 = 5,35 '10 5 Pa = 5,35 bar

J
c) ~u= q=251000 kg

Bei konstantem Volumen dient die gesamte zugeflihrte Warme zur Erhohung der inne-
ren Energie.
J
d) ~h = Cp (T2 - II); Cp = 1025 kg K (angenommen)

~h = 1025 k: K (629,18 - 288,15)K = 350000 ~g

T2
e) I1s = clJ In TI

J 629,18 K J
~s = 736 k g Kin 288 ,15 K = 575 k g K

628
III. Zustandsinderungen idealer Gase

4. Isobare Zustandsanderung
Der Gasdruck bleibt wiihrend der Zustandslinderung konstant.
Aus der thermischen Zustandsgleichung pvtT = R j folgt

~
~IK
(III.lD)

Die als Wlirme zugefuhrte (oder abgefuhrte) Energie dient zur Anderung der inneren Energie und
zur Verrichtung einer Volumenlinderungsarbeit (hier Gleichdruckarbeit). Es ist die zugeJuhrte (oder
abgefilhrte) speziJische Wiirme
q(u) c T
(III.ll)
J J
K
kg kgK

p T
Fliiche entspricht
2
Wv .---1-----_
1 2

l v2
V s

Bild III.6. Isobare Zustandsiinderung Bild 111.7. Isobare Zustandsiinderung


im p, v-Diagramm (hier Expansion) im T.s-Diagramm (hier Expansion)

Anderung der speziJischen inneren Energie:

f).u =Cv (T2 - T1)


Anderung der speziJischen Enthalpie f).h:
h c T
J J (111.12)
K
kg kgK

';' I:
Anderung der speziJischen Entropie f).s:

(111.13)
kgK
SpeziJische Volumensiinderungsarbeit Wv wird als Gleichdruckarbeit verrichtet. Sie tritt im p, v-Dia-
gramm (Bild 111.6.) als Flache in Erscheinung:
W P V
J N m3
(III. 14)
kg m2 kg
Ein Wert fur die speziJische technische Arbeit WI tritt nicht auf:
(111.15)

629
Thermodynamik

• Beispiel: In einem Zy1inder mit verschiebbarem Ko1ben ist Luft unter einem Druck von Pabs = 24,5 bar
bei einer Temperatur von ttl = 500 °C eingesch1ossen.
Diese Luft dehnt sich unter Wiirmezufuhr bei gleichb1eibendem Druck Pabs auf den 2,5-
fachen Wert des Anfangsvo1umens VI aus.
a) Wie groB ist das spezifische Anfangsvo1umen VI?
b) Wie groB ist die Temperatur T2 nach erfo1gter Ausdehnung?
c) Wie groB ist die zuzufiihrende spezifische Wiirme q?
d) Wie groB ist die spezifische Vo1umeniinderungsarbeit w y ?
e) Wie groB ist die Anderung der spezifischen inneren Energie Au?
t) Wie groB ist die Entropieiinderung As?

J Nm
Rj =287 kgK = 287 kgK
TI = 19 1 + 273,15 = 500 + 273,15 = 773,15 K
N
P =245.10
,
5 -
m2
Nm
287 kgK ·773,15 K 3 3
---=---::-:-- = 906 . 10-4 m = 0 0906.!!!...
24 5 .10 5 ~ kg' kg
, m2
VI TI Tl VI 1
b)-=-T; v2=2,5VI; -T =-25 =-25
V2 2 2 , VI ,

T2 = TI 2,5 = 773,15 K 2,5 = 1933 K


J
c) q = Cp (T2 - T I); Cp = 1186 kgK nach G1eichung (1.13)

q = 1186 k : K (1933 -773,15)K= 1376000:g

d) Wy =P(VI -V2); V2 = 2,5 VI; Wy =p(vl-2,5vI)


Wy = - pi,S VI
N _ m3 Nm J
W = - 24 5 .10 5 - ·1,5 . 906·10 4 - = - 333 000 - = - 333 000 -
y , m2 kg kg kg
J
Cv = 899 kgK nach Cv = Cp - Rj

Au = 899 k:K (1933 - 773,15)K = 1043000 :g

T2 J 1933 K J
t) ~s = cp In TI = 1186 kiln
g77315
, K = 1087 k
gi

630
III. Zustandsanderungen idealer Gase

5. Isotherme Zustandsanderung
Die Temperatur bleibt wahrend der Zustandsanderung konstant.

T Fliiche entspricht
q
Fliiche entspricht

v s

Bild III.S. Isothenne Zustandslinderung Bild III.9. Isothenne Zustandslinderung


im p.v-Diagramm (hier Expansion) im T,s-Diagramm (hier Expansion)

Aus der therrnischen Zustandsgleichung p ~ = R i folgt


T

tlf.
N
m2
mV 3
kg

Die Kurve der Zustandsanderung erscheint im p, v-Diagramm als gleichseitige Hyperbel (pv = RiT
(III.l6)

=konst.).
Die als Wiirrne zugefiihrte (oder abgeftihrte) Energie entspricht der verrichteten Volumenanderungs-
arbeit. Eine Anderung der inneren Energie findet nicht statt. Es ist die zugefilhrte (oder abgefilhrte)
speziJische W iirme:

V2
q=RJln- T V p (lII.l7)
VI
J J
PI
q=RJln- kg kgK kg (III.l8)
P2

Anderung der speziJischen inneren Energie:

!J.u=O (III.l9)

Anderung der speziJischen Enthalpie !J.h:

!J.h = 0 (111.20)
Anderung der speziJischen Entropie !J.s:

s
(I1I.2l)
J
PI
kg K kgK kg m2
L1s=R i I n - (111.22)
P2 1 J = 1 Nm = 1 Ws

631
Thermodynamik

Die speziJische Volumeniinderungsarbeit Wv und die speziJische technische Arbeit Wt sind gleich
und entsprechen der GroBe von q:

VI
WV =RjTln- (III.23)
V2

P2
WV =RjTln- W Rj T V
(III. 24)
PI P
J J m3 N
VI - K
Wt =RjTln- kg kgK kg m2 (III.25)
V2

P2
Wt =RjTln- (III.26)
PI

• Beispiel: In einem Zylinder mit verschiebbarem Kolben ist Luft unter einem Druck von Pabsl = 24,5 bar
bei einer Temperatur von {} = 500°C eingeschlossen (siehe auch Beispiel unter 4.).
Diese Luft dehnt sich unter Wiirmezufuhr bei gleichbleibender Temperatur {} auf den
2,5fachen Wert des Anfangsvolumens VI aus.
a) Wie groB ist das spezifische Anfangsvolumen VI?
b) Wie groB ist der Druck Pabs2 nach erfolgter Ausdehnung?
c) Wie groB ist die zuzufiihrende spezifische Wiirme q?
d) Wie groB ist die spezifische Volumenanderungsarbeit w v?
e) Wie groB ist die spezifische technische Arbeit Wt?
f) Wie groB ist die Anderung der spezifischen inneren Energie !1u?
g) Wie groB ist die Entropieanderung !1s?

3 3
Losung: a) VI = 0, 0906 ~ = 906·10 -4 ~; siehe Beispiel unter 4.
kg kg
PI 2,5 VI
2,5

24 5.10 5 ~
PI ' m2 N
P2 =-=-------=-=---=98.10 5 - = 9 8.10 5 Pa = 9,8 bar
2,5 2,5 ' m2 '

24,5.10 5 ~
PI J m2 J
c) q = R j Tln- = 287--773,15 K In = 203 320 -
P2 kgK 98.105~ kg
, m2

d) Die zugefiihrte spezifische Wiirme q wird vollstandig in spezifische Volumenande-


rungsarbeit Wv umgewandeIt. Wv = - 203 320 J/kg.
e) Die spezifische technische Arbeit Wt ist gleich der spezifischen Volumeniinderungsarbeit
W v . W t = - 203 320 J/kg.

f) Da T = konst., ist!1u = O.

203 320~
q kg J
g) !1s=-= =263--
T 773,15 K kg K

632
III. Zustandsanderungen idealer Gase

6. Isentrope Zustandsanderung
Wlihrend der reversiblen Zustandsanderung wird Wiirme weder zu- noch abgefiihrt (adiabates Sy-
stem). Die Entropie bleibt konstant (lsentrope).
p
Fliiche entspricht
Wt
T
1
Fliiche entspricht
Wv

2
2
v ~1
Lls=O s
Bild III.! O. Isentrope Zustandsiinderung Bild IIUL Isentrope Zustandsiinderung
imp,v-Diagramm (hier Expansion) im T,s-Diagramm (hier Expansion)

Aus der thermischen Zustandsgleichung pvtT =Ri und den Gleichungen flir l'1u und I'1h (1. Haupt-
satz) folgt
p v T /(
(III.27)
kg
In dieser Formel ist /( das Verhliltnis der spezifischen Wiirmekapazitiiten cptc u (Isentropenexpo-
nent). Die Kurve der Zustandsanderung erscheint imp,v-Diagramm als eine ungleichseitige Hyper-
bel (Hyperbel hOherer Ordnung). Die Steilheit des Kurvenverlaufs nimmt mit grofier werdenden /(-
Wertenzu.
Eine Zufuhr oder Abfuhr von Wiirme findet nicht statt. Es ist also die zugefiihrte (oder abgefiihrte)
speziJische Wiirme:
q=0 (III.28)
Die Anderung der speziJischen inneren Energie 1'1 u entspricht dem Betrage nach der Volumenande-
rungsarbeit.
u c T
l'1u = C U (T2 - T 1) J J (1II.29)
K
kg kgK
Anderung der speziJischen Enthalpie I'1h:
.1h=c p (T2 -Td h c /( p v T (1II.30)
J J N m3
/( (-
T-2
1 K
.1h=--Plvl I) kg kgK m2 kg (111.31)
/(-1 Tl

.1h=~PIVI [
(~rr;--l
<-I 1

r -1]
/(-1 PI (III.32)

"k-~PIVI
/(-1
[( ~
V2 (1II.33)

633
Thermodynamik

Da q = 0 ist, lindert sich die Entropie nicht. Es ist also die Anderung der spezijischen Entropie:
Lis = 0 (III. 34)
Die speziJische Volumeniinderungsarbeit Vw entspricht der Anderung der spezifischen inneren
Energie:
Wy =C y (T2 -TI) W c I(
P V T (1II.35)
1 J J N
Wy =--(P2V2 -Plvd K (III.36)
I( -1 kg kgK kg

Wy = PIVI (~-l) 1J = 1Nm = 1Ws (III.37)


I( -1 TI

Wy =~[(!!.2-)I(;1
1(-1
-1] PI
(1II.38)

Wy =~[(~)I(-I
1(-1 VI
-1] (1II.39)

Die speziJische technische Arbeit WI entspricht der Anderung der spezifischen Enthalpie:

WI =c p (T2 -TI) W C I(
P V T (IIIAO)
I( J J N m3
WI =--(P2V2 -Plvd K (lIlA 1)
I( -1 kg kgK m2 kg
1J = 1 Nm = 1 Ws
WI =--PIVI
I( (T2)
--1 (IIIA2)
I( -1 TI

WI =~PIVI [ (!!.2-)---;:--1
1(-1 1 (IIIA3)
1(-1 PI

Wt =~PIVI
1(-1
[(~)I(-I
V2
-1] (IIIA4 )

(IIIA5)

• Beispiel: Ein Kompressor saugt Luft von itl = 20°C und einem Druck vonpabsl = 1,025 bar an und
verdichtet sie isentropisch auf einen Druck von Pabs2 = 5,89 bar
a) Wie groB ist die Temperatur T2 nach erfolgter Verdichtung?
b) Wie groB ist die spezifische Volumenlinderungsarbeit wy ?
c) Wie groB ist die Anderung der spezifischen inneren Energie Liu?
d) Wie groB ist die spezifische technische Arbeit Wt?
e) Wie groB ist die Anderung der spezifischen Enthalpie Lih?
f) Wie groB ist die Entropielinderung Lis?

634
III. Zustandsinderungen idealer Gase

=(2i)
IC

Losung: a) ~ IC-I PI =1,025.10 5 -


N
P2 =5,89.10 5 -
N
2
P2 T2 m2 m

TI = ~I +273,15 = 20+273,15 = 293,15 K

f']l,4
293,15 K
T 2 = ----'-----1-,4--1- = 483 K

1,025-10'
[
589.10
,
5 -
m2

b) w. =~~; [(;; f -I]


287 Nm 293,15 K
VI =--=
RjT I
PI
kg K
10 25.104 ~
= 0821 m 3
, kg
, m2
1,4-1
N m3
10 25.10 4 - 0 821-
, m2 ' kg 58,9·104 ~]l,4 -1
Wy = 1,4-1
[
10, 25.10 4 ~
m 2

Wy = 136 000 Nm =136000~


kg kg

c) Da bei einer isentropen Zustandsiinderung Wiirme weder zu- noch abgeftihrt wird,
geht die Volumeniinderungsarbeit als innere Energie auf das Gas tiber. Die Zunahme
an spezifischer innerer Energie entspricht also dem Betrage nach der spezifischen Vo-
lumeniinderungsarbeit.

dU=136000~
kg

d) WI = K'Wy = 1,4( 136 OOO~)


kg
= 191 OOO~.
kg

e) Da bei einer isentropen Zustandsiinderung Wiirme weder zu- noch abgefiihrt wird, ent-
spricht die Anderung der spezifischen Enthalpie der spezifischen technischen Arbeit.

M=191 OOO~.
kg
t) Da bei einer isentropen Zustandsiinderung Wiirme weder zu- noch abgeftihrt wird, ist
die Entropieiinderung gleich Null.

635
Thermodynamik

7. Poly trope Zustandsanderung


Die Zustandsanderung verlauft unter beliebiger Wiirmezufuhr bzw. beliebigem Wiirmeentzug. Als
Poly trope im engeren Sinne werden die Zustandsanderungen bezeichnet, bei denen Warmezufuhr
oder Warmeentzug nach der GesetzmaBigkeit pv n = konst. ablaufen. Dabei kann der Exponent n
jeden beliebigen Wert annehmen (- 00 < n < + 00).

p FIQche entspricht
WI T Fldche entspricht
1 q
..,---+-- - -----"1\

s
-LIs +LIs

Bild m.12. Poly trope Zustandsiinderung Bild m.l3. Poly trope Zustandsiinderung
im p, v-Diagramm (hier Expansion) im T,s-Diagramm (hier Expansion)
1- 2 Poly trope mit Wiirmezufuhr (n < 1<) 1 - 2 Poly trope mit Wiirmezufuhr (n < 1<)
1· -2' Poly trope mit Wiirmeentzug (n > 1<) 1 - 2' Poly trope mit Wiirmeentzl!g (11 > 1<)

FUr die poly trope Zustandsanderung gilt

(IIIA6)

Die Kurve der Zustandsanderung erscheint im p,v-Diagramm als Hyperbel hoherer Ordnung. Die
Steilheit des Kurvenverlaufes nimmt mit groBer werdenen n- Werten zu. Die als Warme zugefiihrte
(oder abgefiihrte) Energie zusammen mit der Anderung der inneren Energie des Gases entspricht
der Volumenanderungsarbeit. Es ist die zugefiihrte (oder abgefiihrte) spezijische Wiirme :

n - I( q c n(I() T
q =cv --1 (T2 - Td (111.47)
n-
kg kgK
K
A'nderung der spezifischen inneren Energie:
ilu=c v (T 2 -Td u c T (IIIA8)
J
K
kg kgK
;fnderung der spezifischen Enthalpie ilh:
K - n (2 - I()
ilh=c v 1 (T 2 -Td h c n p v T (111.49)
n-
N m3
;:;;2' K
I( -n(2-I() (T2) kg kgK kg
ilh = (n - 1)(1( -1) p,v, r;-1 (II1.50)

I(-n(2-K)
ilh = (n - 1)(K -1) p,v, [(::f~1 - IJ (IIL51 )

ilh = -
I( - n (2 - I()
(n - 1HI( - 1) , ,
p v [( ~:) n - 1_1J (III.52)

636
III. Zustandsanderungen idealer Gase

Anderung der spezijischen Entropie ~s:


s,c neT() T
n-I( T2
~s=cv --In- J (IlI.53)
n-I TI K
kgK
Die speziJische Volumeniinderungsarbeit Wy bei einer polytropen Zustandsanderung ergibt sieh aus
den entspreehenden Gleiehungen fUr die Isentrope, wenn fUr T(der Wert n gesetzt wird:
1(-1
Wy =C v - - (T2 -TI) (III. 54)
n-l
1 I( n T
Wy =--(P2V2 -Plvd W C P V (I1I.55)
n-l
J J N m3
K
Wy = PIVI (~-1) kg kgK m2 kg (III.56)
n-l TI
= 1 Nm = 1 Ws

<,v; [(;: f -,]


1J

(I1I.57)

r-1]
w.

w. "Pn'V; [(~; (I1I.58)

Die speziJische technische Arbeit WI bei einer polytropen Zustandsanderung ergibt sieh aus den ent-
spreehenden Gleiehungen fiir die Isentrope, wenn fUr T( der Wert n gesetzt wird:
n(I(-l)
WI =C v (T 2 -TI) (IlI.59)
n-l
W C I( n P V T
(IlI.60)
J J
K
kg kgK
WI n
=--PI VI (-
T -2
1) (Il1.61)
n-l TI

WI =_n PI VI
n-l
[(~) -1]
PI
n:l (I1I.62)

WI =_n PIVI
n-l
[(~)n-I
V2
-1] (I1I.63)

(I1I.64)

1st eine poly trope Zustandsanderung als Bestandteil eines Masehinendiagramms (p, v-Diagramm)
ermittelt worden, so ergibt sieh der Exponent n fiir jeden beliebigen Kurvenpunkt P (bei spezifi-
sehem Volumen v) als Verhaltnis vIs (Bild III. 14). Dabei muB die in em gemessene Subtangente s
im MaBstab des spezifisehen Volumens M v umgereehnet werden. Damit ergibt sieh der Exponent
im Punkte P einer polytropen Zustandsanderung (Bild 111.14) naeh:

V n V s Mv
n=-- (111.65)
sMv m3
m3 kg m3
kg
em --
em
=- -
kg em

637
Thermodynamik

p log P P
___ Polytrope Fliiche entspricht
Poly trope A Wt
/
Fliiche entspricht

Tangente / " 2
B
im PunktP

v v log v [ v
Bild III. 14. Ermittlung des Bild IIUS. Darstellung der Poly- Bild III. 16. Ermittlung des mitt-
Exponenten n im Punkte P trope im p. v-Diagramm mit loga- leren Exponenten n als Verhaltnis
einer Poly trope rithmisch geteilten Achsen fUr die der technischen Arbeit WI (Hache
(s =Subtangente) Ermittlung der Anderung des 12 BA) zur Volumenanderungs-
Exponenten n arbeit Wv (Hache 12 DC)

Wird das p, v-Diagramm in ein Schaubild mit logarithmisch geteilten Achsen iibertragen, so kann
man erkennen, ob n im Verlaufe der Zustandsiinderung konstant bleibt oder veriinderlich ist (Bild
111.15.; tan a!d" n).
Bei veriinderlichen Exponenten n kann ein Mittelwert (mittlerer Exponent) aus der Beziehung
WI = n Wv gefunden werden (Bild III. 16.); n = Flache 12 BA/Flache 12 DC.

Siimtliche Zustandsiinderungen konnen durch die Polytropengleichungpv n =konst. dargestellt wer-


den. Dabei ergeben sich folgende Exponenten:

n=O; p = konstant; Isobare Zustandsiinderung


n = 1; pv = konstant; Isotherme Zustandsiinderung
n= IC; pv" = konstant; Isentrope Zustandsiinderung
n = 00; v =konstant; Isochore Zustandsiinderung

p
~ ~ ~ T 4
\ \ I I
?>. \ I I
\ \ I I /
~... \ I I /
." \ I I/
\\11 !sobare(n=O) 111 !sotherme(n=1)
<J----- <J- 774??4??m'm;:~="""""",~-­
/,
/
,/ ,a Isentrope
!sochore ft'
,/ \~'
e" (n=x)
(n=oo) 'tI0~
\soc
v s
Bild III. 17 . Zustandsanderungen im p. v- Bild IIUS. Zustandsanderungen im T,s-
Diagramm als Sonderfalle der Polytrope Diagramm als Sonderf'alle der Poly trope
pvn =konst. pvn =konst.

638
III. Zustandsanderungen idealer Gase

8. Carnot-Proze8
Der Carnot-Prozej3 (KreisprozeB naeh Sadi Carnot, 1796-1832) besitzt den gtinstigsten therrnisehen
Wirkungsgrad. Der ProzeB setzt sieh aus zwei isotherm en und zwei isentropen Zustandsanderungen
zusammen (Bilder III. 19. und III.20.).

Flii.che entspricht
Arbeitsgewinn w

Bild III.I9. Camot-ProzeB im Bild 1II.20. Camot-ProzeB im


p. v-Diagramm T,s-Diagramm

a) Isotherrne Kompression von 1 naeh 2:


Volumenanderungsarbeit Wvl-2 wird als Kompressionsarbeit zugeftihrt. Die aquivalente Warrne
ql-2 wird abgegeben.
Die Temperatur Tu bleibt dabei konstant.
b) Isentrope Kompression von 2 naeh 3:
Volumenanderungsarbeit Wv2-3 wird als Kompressionsarbeit zugeftihrt. Warrne wird weder ab-
gegeben noeh zugeftihrt.
Die Temperatur nimmt von Tu auf To zu (To> Tu)'
e) Isotherme Expansion von 3 naeh 4:
Volumenanderungsarbeit wv3-4 wird als Expansionsarbeit abgegeben. Die aquivalente Warrne
q3-4 wird zugeftihrt.
Die Temperatur To bleibt dabei konstant.
d) Isentrope Expansion von 4 naeh 1:
Volumenanderungsarbeit W v 4-1 wird als Expansionsarbeit abgegeben. Warrne wird weder abge-
geben noeh zugeftihrt.
Die Temperatur nimmt von To auf Tu ab (Tu < To).
Das Verhaltnis des hierbei erzielten Arbeitsgewinns w (Q q = q3-4 - ql-2) zur zugeftihrten Warrne
q3-4 ist der maximal erzielbare thermische Wirkungsgrad 1)th max' Er ist nur von den Grenztempera-
turen To und Tu abhangig und ergibt sieh aus

w To -Tu Tu
1)thmax =--= =1-- (III.66)
q3-4 To To
Der therrnisehe Wirkungsgrad des Camot-Prozesses wird aueh als Camotfaktor 1)e bezeiehnet.
Der Camot-ProzeB laBt sieh teehniseh nieht verwirkliehen. Als IdealprozeB ist er ein Vergleiehsab-
lauf zur Bewertung anderer teehniseher Prozesse.

639
Thermodynamik

9. Drosselung
Die Drosselung ist eine Zustandsiinderung, bei der der Druck eines Gases bei gleichzeitiger Volu-
menvergroSerung abnimmt. Es erfolgt weder ein Warmeaustausch noch eine Verrichtung von Ar-
beit. Da PI VI =P2 Vz = konst., ist auch die Anderung der Enthalpie gleich Null (lsenthalpe). Bei
idea/en Gasen bleibt die Temperatur wlihrend der Drosse1ung konstant. Der Drosselvorgang ist
nicht umkehrbar (irreversibel). Ein Druckabfall durch Drosselung tritt auf, wenn in einem Rohr
eine plOtzliche Querschnittsverkleinerung vorgesehen wird (Drosselklappe, Drosselventil usw.) und
ein stromendes Gas diese Drosselstelle fiberwinden muS (Bild III.21.).

~?????az.

~P212
~????????? Bild III.21. Drosseistelle in einer Rohrieitung

Bei rea/en Gasen tritt wlihrend der Drosselung eine geringe Temperaturabnahme auf. Diese Er-
scheinung spielt bei der Verflfissigung von Gasen eine wichtige Rolle (Thomson-Joule-Effekt).

10. Gasmischungen
Die thermische Zustandsgleichung ist sinngemiill auch ffir Gasgemische (Index Mi) giiltig. Nach
dem Gesetz von Dalton verhiHt sich jedes Einzelgas mit der Masse m innerhalb der Gasmischung
so, als wfirde es das Volumen VMi des Gemisches bei der Mischungstemperatur ~Mi (TMi) allein
einnehmen. Damit stellt sich fUr jedes Teilgas ein entsprechender Teildruck P (Partialdruck) ein.
Sind n Gase an der Gasmischung beteiligt, so gilt ffir jedes der Einzelgase:

PI VMi =ml R i ] TMi


P2 V Mi = m2 Ri2 TMi usw. bis
Pn VMi =mn Rin TMi

Der Gesamtdruck PMi des Gasgemisches ist gleich der Summe der Partialdriicke PIP2 ... Pn der
Einzelgase:
(111.67)
1:21
Die Gesamtmasse mMi des Gasgemisches ist gleich der Summe der Massen m] m2 ... mil der Einzel-
gase:

I:1 (1II.68)

Das Verhaltnis der Masse des Einzelgases (z.B. m I) zur Gesamtmasse mMi der Mischung ist der
Massenanteilll (z.B. flir Gas 1):

~ (111.69)
1 I kg
Die Summe aller Massenanteile 11 ist gleich 1.
Werden die Teilgase aus der Mischung herausgelost, und bei der Temperatur ~Mi (= Mischungstem-
peratur) auf den Mischungsdruck PMi gebracht, so werden die Volumen VI V 2 ... Vn der Einzelgase
kleiner als V Mi . Die Summe dieser Einzelvolumen ergibt das Gesamtvolumen des Gasgemisches:

640
III. Zustandsanderungen idealer Gase

(111.70)
1:31
Das Verhliltnis des Volumens des Einzelgases (z.B. VI) zum Gesamtvolumen V Mi der Mischung ist
der Raumanteil r (z.B. flir Gas 1):

(I1I.71)

Die Summe aller Raumanteile r ist gleich 1.


Die spezielle Gaskonstante der Gasmischung ergibt sich durch Addition der Zustandsgleichungen
der Einzelgase:
Herleitung: PI VMi ml Ri ) TMi
+P2 VMi m2 Ri2 TMi
+Pn V Mi mn R in TMi
(ml R i ) + m2 Ri2 + ... mn R in ) TMi

mMi (ml RiJ + m2 Ri2 + ... mn R in ) TMi


mMi

PMi VMi
PMi V Mi
(I1I.72)

Die Partialdrucke PI P2 .. ·Pn ergeben sich aus dem Gesamtdruck PMi der Mischung, wenn die
Massenanteile 11 oder die Raumanteile r der Einzelgase gegeben sind. Partialdruck (z.B. filr Gas 1):
Ril P 11 Ri r
PI= III R-PMi=rIPMi (I1I.73)
iMi N J
m2 kgK
1J = 1 Nm =1 Ws

Weiterhin gelten flir die Gasgemische folgende Gleichungen. FUr die speziJische Wiirmekapazitiit
des Gasgemisches:

CpMi = III Cpl + 112 Cp2 + ... I1n Cpn (111.74)

CvMi = III Cvl + 112 Cv 2 + ... I1n Cvn (I1I.75)

Cpl ... Cpn und Cvl ... c vn sind die spezifischen Wlirmekapazitliten der Einzelgase.

Die Dichte des Gasgemisches wird:

(111.76)

PI'" Pn sind die Dichten der Einzelgase.

641
Thermodynamik

Die relative Molekiilmasse des Gasgemisches wird:

Mrl ... Mrn sind die relativen Molekiilmassen der Einzelgase.


Temperatur eines Gasgemisches siehe unter Abschnitt 104.
* 1
r
1
(111.77)

• Beispiel: Atmosphiirische Luft enthiilt etwa 23,2 Gewichtsprozente Sauerstoffund 76,8 Gewichts-
prozente Stickstoff. Dabei sind geringe Mengen Argon, Wasserdampf und Kohlendioxid
(zusammen etwa 1 %) vernachliissigt.
Die Luft steht unter einem Druck von 1,01325 bar und besitzt eine Temperatur von °e. °
a) Wie gro~ sind die Massenanteile III und 1l2?
b) Wie gro~ ist die spezielle Gaskonstante RiMi der Mischung?
c) Wie gro~ ist die wahre spezifische Wiirmekapazitiit cpMi der Mischung?
d) Wie gro~ sind die Partialdriicke PI und P2 der Teilgase?
e) Wie gro~ sind die Raumanteile rl und r2 derTeilgase und damit die Volumenprozente?
f) Wie gro~ ist die relative Molekiilmasse MrMi der Mischung?
g) Wie gro~ ist die Dichte PMi der Mischung?

LOsung: a) III (Sauerstoff) = i~ = 0,232 III (Stickstoff) = ~~~ = 0,768

b) RiMi = III Ril + 112 Ri2


J
Ri J = 260 kg K (fUr Sauerstoff)

J
Ri2 = 297 kgK (ftir Stickstoff)

R· M · =
t t,
° 232·260 _J_ + 0768.297 _J_ = 288 _J_
kgK' kgK kgK

c) cpMi = III Cpl + 112 Cp 2


J
Cpl =913 kgK

J
Cp 2 = 1038 kgK

RiJ N
d) PI = III R-PMi; PMi = 1,013 .10 5 2
iMi m
J
260 kgK N N
PI = 0,232 J 1,013 .10 5 2 = 0,212 .10 5 2 = 0,212 .105 Pa = 0,212 bar
m m
288 kgK

Ri2
P2 = Ih --PMi
RiMi

642
IV. Warmeubertragung

1
297 kgK N N
P2 = 0,768 ------'''--1- 1,013 .10 5 - 2 = 0,8 '105 2 = 0,8 .10 5 Pa = 0,8 bar
288 kgK m m

PI 0,212' 10 5:2
e) rl = - = 0,21 (21 Volumenprozente Sauerstoff)
PMi 1 013 . 10 5 N..
, m2

r2 - -
-PMi
P2
0,8' 10 5
_ _ _-=m'-- =
1013
,
N2

N..2
. 10 5 m
°'
79 (79 Vulumenprozentf: Stickstoff)

Mrl = 32, flir Sauerstoff (0 2 )


Mr2 = 28, flir Stickstoff (N 2 )
MrMi = 0,21 . 32 + 0,79 ·28
MrMi = 28,8
g) PMi =rl PI +r2 P2
PI = 1,429 kgjm 3 , fiiI Sauerstoff bei O°C und 1,01325 bar
P2 = 1,251 kgjm 3 , fliI Stickstoff bei O°C und 1,01325 bar
PMi = 0,21 . 1,429 kgjm 3 + 0,79 . 1,251 kgjm 3
PMi = 1,288 kgJm 3

IV. Warmeubertragung
1. Allgemeines
Nach dem Zweiten Hauptsatz kann Energie in Form von Wiirme nur dann von einem kiilteren auf
einen wiirmeren Stoffbereich libergehen, wenn dieser Vorgang durch mechanische Arbeit erzwun-
gen wird. Eine selbsttiitige Wiirmeubertragung kann nur von einer Zone hoherer Temperatur ausge-
hen und in Richtung auf weniger warme Bereiche ablaufen. Voraussetzung flir jede selbsttiitige
Wiirmelibertragung ist also das Vorhandensein eines TemperaturgeJiilles. Der Energieaustausch
zwischen Stoffen verschiedener Temperatur ist beendet, wenn sich ein energetischer Gleichge-
wichtszustand eingestellt hat und nach dem Wiirmeaustausch liberall die gleiche Temperatur herr-
scht (Temperaturausgleich).
Energie in Form von Wiirme wird durch Wiirmeleitung, Wiirmeubergang (Wiirmekonvektion) oder
W iirmestrahlung libertragen.

2. Warmeleitung
Unter Wiirmeleitung versteht man den Energietransport innerhalb eines Stoffes. Dieser Wiirmestrom
kommt in der Weise zustande, daB starker erwiirmte Stoffbereiche so lange Energie an benachbarte
und nicht so warme Stoffteilchen abgeben, bis sich nach erfolgtem Energieausgleich liberall die
gleiche Temperatur einstellt.
Das Wiirmeleitvermogen der einzelnen Stoffe ist unterschiedlich. Es wird ausgedriickt durch die
Wiirmeleitfiihigkeit A. Die Wiirmeleitflihigkeit wird experimentell flir die verschiedenen Stoffe
ermittelt und ist von der Temperatur abhangig. Bei Gasen zeigt sich auBerdem eine Druck-
abhiingigkeit.

643
Thermodynamik

Flir eine ebene Wand (Bild IV. 1.) mit der Flache A und der Dicke s (Leitweglange) ergibt sich bei
einer Temperaturdifferenz ~I - ~2 in der Zeit t folgende, durch Warmeleitung iibertragene Wiirme
A Q/ A A s ~ t
Q/=As(~I-~2)t (IV. I)
W
J
mK
m2 m °c s
Temperaturverlauf
Temperatur-
verlauf t.

Bild IV.l. Wiirmeleitung Bild IV.2. Wiirrneleitung


durch eine ebene Wand durch ein dickwandiges Rohr

Bei dickwandigen Rohren mit den Durchmessern d und D (Bild IY.2.) und einer Unge L ergibt
sich bei einer Temperaturdifferenz ~l - ~2 in der Zeit t folgende, durch Warmeleitung iibertragene
Wiirme
L,D,d
(IV.2)
W
J mK m s

Diinnwandige Rohre konnen wie ebene Flachen behandelt werden. Als Flache ist hier die innere
Mantelflache drrL in Rechnung zu setzen.
Stoffe mit geringem elektrischen Widerstand, d.h. gutem elektrischen Leitvermogen, sind auch gute
Warmeleiter. Sie erwarmen sich schnell und ktihlen ebenso schnell wieder abo Gute Warmeleiter sind
aile Metalle. Das Warmeleitvermogen von Glas und porosen Stoffen ist nur gering. Luft und Wasser
sind, wie aile Gase und Fllissigkeiten, schlechte Warmeleiter, wenn eine Zirkulationsbewegung inner-
halb des Stoffes verhindert wird. Der beste Warmeisolator ist das Vakuum.

• Beispiel: We1che Warme wird in I Minute durch eine Alurniniumplatte hindurchgeleitet, wenn die
Plattenflache A = 3 m 2 und die Materialdicke s = 12 mm betragt? Der Temperaturunter-
schied zwischen den beiden Plattenflachen ist 350°C =350 K.

Losung: A 209 :K
=

A W 3m 2
Q/=A S (~1-~2)t = 209 mK . 0,012m· 350K· 60 s= 1,1.109 J

644
IV. Wirmeubertragung

TafeIIV.1. Warmeieitfahigkeit A fUr feste, fliissige und gasfOrmige Stoffe bei 20°C
W J
- --
mK hmK

Aluminium 209,3 753624


Beton 1,28 4605
Erde (trocken) 0,349 1256
Erde (feucht) 0,465 ... 0,698 1675 ... 2512
Glas 1,16 4176
Glaswolle 0,035 ... 0,046 126 ... 167
GuBeisen 40,71 ... 63,97 146 538 ... 230274
Holz (quer zur Faser) 0,093 ... 0,163 335 ... 586
Holz (langs zur Faser) 0,349 1256
Kesselstein 0,465 ... 2,33 1675 ... 8374
Kupfer 407,1 1465380
Luft 0,026 92
Mauerwerk 0,698 ... 0,872 2512 ... 3140
Messing 93,0 334800
Ole 0,128 ... 0,174 461 ... 628
Papier 0,139 502
Porzellan 0,930 ... 1,05 3349 ... 3768
Quecksilber 9,30 33480
Silber 418,7 1507248
Stahl (0,1 % C) 53,50 192 593
Stahl (0,6 % C) 41,87 150725
V2A-Stahl 15,12 54428
Wasser 0,581 2093
Zink 112,8 406120
Zinn 66,29 238648

• Beispiel: Wie groB ist die Warme, die stiindlich durch jedes Quadratmeter einer 38 cm dicken, un-
verputzten AuBenwand aus Ziegeisteinen hindurchgeieitet wird, wenn die Temperatur
auf der lnnenflache der Wand 22°e und auf der AuBenflache -20 °e betragt (Warme-
leitfiihigkeit A = 0,872 W/mK)?

Losung: Q/ =A 1(til - tl2) t til - tl2 = 22 °e - (- 20 °e) =42 °e =42 K


W 1m2
Q/ = 0,872 mK . 0,38 m . 42 K . 3600 s = 0,347 . 10 6 J.

3. Wiirmeiibergang (Wiirmekonvektion)
Vnter Wiirmeiibergang versteht man den Energietransport zwischen verschiedenen Stoffen mit unter-
schiedlicher Temperatur. Die Energieiibertragung findet in der Beriihrungszone der beiden Stoffe
statt und setzt ein TemperaturgefaUe voraus. Nach erfolgtem Warmeaustausch besitzen beide Stoffe
in der Beriihrungszone die gleiche Temperatur tI (Bilder IV.3. und IVA.).
Bei Fliissigkeiten oder Gasen (Fluide) wird die Energieiibertragung durch Stromungsvorgange unter-
stiitzt. Werden z. B. Fliissigkeits- oder Gasteilchen an der heiBen AuBenflache eines festen Korpers
erwarmt, so dehnen sie sich aus und erfahren einen Auftrieb (Bild IVA.). Auf der Gas- oder Fliissig-
keitsseite setzt im Bereich der heiBen Wand eine Auftriebsstromung ein, bei der die durch Warme-
leitung iibertragene Energie mitgefiihrt wird (Mitfiihrung =Konvektion). Durch diesen Stromungs-
vorgang werden immer wieder neue Fliissigkeits- oder Gasteilchen mit der mittleren Temperatur
itm an die heiBe (it) AuBenflache des festen Korpers herangefiihrt und damit das Temperaturgeflille

645
Thermodynamik

~ {} an der Obergangsflliche dauemd wirksam. Wird die Zirkulation und Konvektion durch geeignete
MaBnahmen verhindert, so wirken Fitissigkeiten und Gase wegen ihres geringen Warmeleitvermo-
gens als Warmeisolatoren. Der Wlirmetibergang kann verstlirkt werden, wenn man die Stromungs-
bewegung durch ein Druckgefalle erzwingt.

Beruhrungsfliiche der Stoffe Beruhrungsfliiche der Stoffe


~St~t'f '1
0-."- (AI)
St~ff20
(A z ) //.
"-" " '"
vester Stoff Flussigkeit oder Gas

o
----c>
Wiirmestrom
Bild IV.3. Wanneiibergang zwischen zwe i Bild IV.4 . Wiirmeiibergang von einem festen
festen Stoffen Stoff auf eine Fliissigkeit oder ein Gas

Betrligt die Temperatur an der Au~enwand eines festen Korpers 11 Grad und ist 11m die mittlere
Temperatur des Gases oder der Fliissigkeit, so ergibt sich bei einer Bertihrungsflliche A in der Zeit t
folgende iibergehende Warme
A t
Qu = o:A (11 - 11m) t (IV.3)
W
j s

In dieser Gleichung ist 0: der Wanneiibergangskoeffiziellt.


Oer Wlirmeiibergangskoefftzient fa1't eine Reihe von Einfliissen zusammen, die von der Wlirme-
leitung und von der Wlirmekonvektion her den Wlirmeiibergang beeinflussen. Hierbei wirken sich
neben der Temperaturdifferenz insbesondere die Stromungsgeschwindigkeit und die Art der Stro-
mung (laminar oder turbulent) aus. Auch die Lage der Obergangsflliche zur Stromungsrichtung der
Fliissigkeit oder des Gases ist von Einflu~ .
Die Bestimmung des Wlirmeiibergangskoeffizienten 0: erfolgt entweder durch Rechnung mit Hilfe
empirischer Formeln, oder unter Verwendung ausfUhrlicher Tabellen, in denen die versuchsmli~ig
ermittelten Einflu~gro~en zusammengetragen sind. Beispielsweise gelten fUr den Wlirmeiibergang
zwischen einer Metallwand und Luft oder Wasser fUr 0: die Mittelwerte in Tafel IV.2.

TafeIIV.2 . Wlirmeiibergangskoefftzienten 0: (mittlere Werte) zwischen einer Metallwand und Luft


bzw. Wasser

W J
m2 K hm 2 K

Ruhende Luft 5,82 ... 9,30 20934 ... 33494


Bewegte Luft mit Stromungsgeschwindigkeit
10 m/s 46,52 .. . 69,78 167472 ... 251 208
20 m/s 93,04 .. . 116,3 334944 ... 418680
40 m/s 157,0 ... 191 ,9 565218 ... 690822
50 m/s 174,5 ... 209,3 628200 ... 753624
Ruhendes Wasser 581,5 2093400
Bewegtes Wasser mit Stromungsgeschwindigkeit
bis zu I m/s 1744,5 ... 3721 ,6 6280200 ... 13397760

646
IV. Warmeubertragung

4. Warmedurchgang
Sind Fllissigkeiten oder Gase von unterschiedlicher Temperatur durch eine feste Wand voneinander
getrennt, so findet eine Energielibertragung statt, die sich aus Wlirmeleitung und Wlirmelibergang
zusammensetzt. Diese kombinierte Form der Wlirmelibertragung wird als Wiirmedurchgang
bezeichnet.
Betragen die mittleren Temperaturen der Fliissigkeiten oder Gase zu beiden Seiten der Trennwand
~I und ~2' so ergibt sich bei einer ebenen Wandflliche A in der Zeit t folgende durchgehende
Wiirme
k A t
(IV.4)
W
J s
m2 K
In dieser Gleichung ist k der WiirmedurchgangskoeJJizient (kurz: k-Wert).
Der Wlirmedurchgangskoeffizient k wird aus den Wlirmelibergangskoeffizienten a und der Wlirme-
leitfahigkeit A des festen Stoffes berechnet.
Flir eine einschichtige, ebene Wand (Bild IV.5.) gilt:
Herleitung:
Flussigkeit
Dbergehende Wlirme von Stoff 1 auf Wand oder Gas 2
QI-W =aIA(~1 - ~wdt Temperatur-
verlauf
durchgeleitete Wlirme durch Wand
A
QW=AS(~WI-JJw2)t

libergehende Wlirme von Wand auf Stoff 2 o 0


QW-2 =a2A(~W2 -~2)t
---C>
Die Wlirmemengen sind untereinander gleich Wiirmestrom
(QI-W = Qw = QW-2 = Qd). Bild IV.S. Warmedurchgang durch eine
einschichtige, cbene Wand
Qd
~I-~I = alAt

Qd
~W2 - ~2 = a2 At
~d~=~1 -JJwl +JJwl -JJwz +~W2 -~2 =~1-~2
Qd
~d~ = ~l - ~2 = At

Aus dieser Herleitung folgt der Wlirmedurchgangskoeffizient flir eine einschichtige, ebene Wand
k,a A
(IV.S)
W W m
m2 K mK

647
Thermodynamik

Setzt sich die ebene Wand aus mehreren Schichten mit unterschiedlichem Wiirmeleitvermogen
zusammen, so kann die Berechnungsgleichung fur k entsprechend erweitert werden. Wird die
Trennwand aus zwei Schichten gebildet (Bild IV.6.), so
feste Wande
folgt der Wiirmedurchgangskoeffizient fur eine zweischich-
FliJssigkeit
tige, ebene Wand
oder Gas2

(IV.6)

k, a " s
W W
m2K mK m
----t>
Wiirmestrom
Diese Gleichung kann durch Hinzufligen weiterer Glieder
sf" (im Nenner) auf eine beliebige Schichtanzahl erwei- Bild IV.6. Wiirmedurchgang durch eine
zweischichtige, ebene Wand
tert werden.
Betragen die mittleren Temperaturen der Fllissigkeiten oder Gase auf der Innen- oder Auf.\enseite
eines Rohres ~i und ~a, so ergibt sich bei einer Rohrliinge L in der Zeit t folgende durchgehende
Warme
k L t
(IV.7)
W
J
mK
m s

In dieser Gleichung ist k der auf 1 m Rohrliinge bezogene Wiirmedurchgangskoeffizient.


Der Wiirmedurchgangskoeffizient k wird aus den Wiirmelibergangskoeffizienten a und der Wiirme-
leitfahigkeit " des festen Rohrwerkstoffes berechnet.
Flir ein einschichtiges Rohr (Bild IV.7.) gilt:

Herleitung:
Obergehende Wiirme von Stoff 1 (innen) auf Rohrwand

QI-R =aiA(~i - ~Ri)t Rohr


(A)
QI-R =aidrrL(~i - ~Ri)t
durchgeleitete Wiirme durch Rohrwand

QR " 2rrL
=- V (~Ri - ~Ra)t
In d
libergehende Wiirme von Rohrwand auf Stoff 2 (aufilen)
QR-2 = aa A (~Ra - ~a) t Bild IV.7. Warmedurchgang durch ein
QR-2 = aa D rr L (~Ra - ~a)t einschichtiges Rohr

648
IV. Warmeubertragung

Die Wiirmemengen sind untereinander gleich


(QI-R = QR = QR-2 = Qd)
Qd
{j. - {jR· = ---
I I ajd 11 Lt

D
Qd lnd
{jRj - {jRa = ,,\ 2 11 Lt

Qd

Qd Qd
{jj - {ja = -----11---- = L-t-k
Lt-l--l~-D-~I~
-+-In-+--
aj d 2A d aa D

Aus dieser Herleitung folgt fUr den Wiirmedurchgangskoeffizienten fUr ein einschichtiges Rohr
11 k a D,d
k= l I D 1 (IV.8)
ajd + 2,,\ In d + aaD
W W
m
mK m2 K

Setzt sich das Rohr aus mehreren Schichten mit unter-


schiedlichem Wiirmeleitvermogen zusammen, so kann
die Berechnungsformel fUr k entsprechend erweitert wer-
den. Wird das Rohr aus zwei Schichten gebildet (Bild
IY.8.), so folgt fUr den Wiirmedurchgangskoeffizienten fUr
ein zweischichtiges Rohr

11
k= lId 1 E.a. 1 (IV.9)
IXid j + 2"\1 In d j + 2"\2 In d + aada

k a d
W W W
mK m2 K m mK Bild IV.S. Warmedurchgang durch cin
zweischichtiges Rohr

• Beispiel: Ein Biiroraum besitzt ein Fenster von 3 m 2 Glasfliiche. Die Lufttemperatur im Innern des
Raumes betriigt {jl = 22°C. Temperatur der AullJenluft {j2 =-10 °C.
Welche Wiirme tritt in jeder Stunde durch dieses Fenster hindurch, wenn der Wiirmedurch-
gangskoeffizient k =5,81 W/m 2 K betriigt?
Losung: Qd = kA ({jl -1'12 ) t 1'1 1 -1'12 = 22°C - (-10 0c) = 32°C = 32 K

Qd ~
=5 ,81 m 2 K
·3 m 2 ·32 K . 3600 s

Qd = 2008000J = 2008kJ

649
Thermodynamik

• Beispiel: Wie grol!, ist der Warmedurchgangskoeffizient fUr eine 38 em dicke Ziegelstein-Au&n-
wand (.,1 2 = 0,872 W/mK), die innen und aul!,en mit einer Putzschicht von je 1,5 em Dicke
versehen ist (InnenputzAl = 0,697 W/mK; Aul!,enputz A3 = 0,872 W/mK).
Warmeiibergang innen al = 8,14 W/m 2K
Warmeiibergang aul!,en a2 = 23,2 W/m 2K
I;:' k _ _ _--=-1 _ _ __
LAlsung: = 1 SI S2 S3 1
-+-+-+-+-
al AI A2 A3 a2

k= ----:I,...---.".0";::0O"C1S=-m--+---,,0-=,3"'"8-m----=0:-:0~1-=-S-m------:-l--- = 1,56 -mW-2-K


w + ' w w + ' w +-~w-
8,14 m 2 K 0,697 mK 0,872 mK 0,872 mK m-2 -K
23,2-

• Beispiel: Durch ein 20 m langes Stahlrohr von d = 100 mm lnnendurchmesser und 5 mm Wand-
dicke stromt Dampf mit einer mittleren Temperatur von ~i = 180°C.
Die mittlere Temperatur der umgebenden Luft betragt ~a = 20°C.
a) Welche Warme tritt in 1 Stunde von innen durch die Rohrwand hindurch nach aul!,en?
ai = 1,163' 104 W/m 2 K
AI = 48,9 W/mK
aa = 12,8 W/m 2 K
b) Welche hindurchtretende Warme ergibt sich, wenn das Rohr aul!,en durch eine 50 mm
dicke Kieselgurschicht (A 2 = 0,1 W/mK) isoliert ist?
aa = 10,48 W/m 2 K
Losung: a) Qd = kL (~i - ~a) t
'IT
k= liD 1
-+-In-+--
aid 2Al d aaD

k= _____~--------~3~,~14~--~~------~----- 4,41 mK W
_ _ _--=-:,;-;--_ _ + _--=-1--=:-. In 0,11 m + 1
1,163 '10 4 m~K' 0,1 m 2' 48,9 m~ 0,1 m 12,8 m~K '0,11 m

W
Qd = 4,41 mK' 20m' 160K· 3600s

Qd = 50,8' 10 6 J

3,14
k
_ _ _--=-:,;:--_ _ + .In 0,11 + .In 0,21 + _ _....",:_ __
1163'104~.0Im
, m 2K '
2'489~
, mK
0,1 2'01~
' mK
011 10,48-W
m2 K
- -.0,21m

k = 0,852 mK_W-

W
Qd = 0,852 -K' 20 m . 160 K· 3600 s = 982 . 10 6 J
m '
650
IV. Warmeubertragung

5. Warmestrahlung
Zwischen Korpern verschiedener Temperatur wird Wiirme nicht nur durch Wiirmeleitung oder
Wiirmekonvektion, sondern stets auch gleichzeitig durch Wiirmestrahlung iibertragen. Uberall dort,
wo Vorgange der Wiirmeiibertragung ablaufen, wird die Bewegungsenergie der Stoffteilchen zum
Teil auch in Strahlungsenergie umgewandelt und abgestrahlt. Der Anteil der Strahlungsiirme an der
gesamten Energieiibertragung ist bei niedrigen Temperaturen gering.
Die Wiirmestrahlen gehoren zu den elektromagnetischen Wellen und liegen nur bei hohen Tempe-
raturen im sichtbaren Frequenzbereich. Ausbreitung, Reflexion und Brechung erfolgen nach den fur
Lichtstrahlen geltenden Gesetzmiilligkeiten.
Die auf einen bestrahlten Korper auftreffende Strahlungsenergie kann absorbiert, reflektiert oder
hindurchgelassen werden. Der absorbierte Teil der Strahlungsenergie wird wieder in Bewegungs-
energie der Teilchen umgewandelt und erwiirmt den angestrahlten Korper, der darnit in verstarktem
MaBe zu einer Quelle eigener Ausstrahlung (Emission) wird.
Ein Karper, der die gesamte auftreffende Strahlungsenergie absorbiert, wird absolut schwarzer
Korper genannt. Absorption und Emission sind hier am groBten.
Die von einem absolut schwarzen Korper mit der Flache A in der Zeit t ausgestrahlte Wiirme Qs ist
von der Korpertemperatur T abhangig und ergibt sich aus dem Gesetz von Stefan und Boltzmann:

Q (J' A T t €
(IV. 10)
J s

In dieser Formel ist (J' die Stefan-Boltzmann-Konstante. Sie betragt 5,67 . 1O-s W m-2 K-4.

Den absolut schwarzen Korper gibt es in Wirklichkeit nicht. Die Warme Qs wird nur durch Hohl-
raumstrahlung annahernd erreicht. Das AusstraWungsvermagen wirklicher Korper ist geringer und
wird durch den Emissionsgrad € ausgedruckt. Damit ergibt sich die abgestrahlte Wiirme eines wirk-
lichen Korpers
Q=€Q. (IV.ll)

Der Emissionsgrad « 1) ist von der Stoffart und der Temperatur des strahlenden Korpers, sowie
von seiner Oberflachenbeschaffenheit abhlingig. Er wird bei Metallen mit zunehmender Temperatur
groi)er und ist bei nichtmetallischen Stoffen irn allgemeinen etwas kleiner.
Das Strahlungsvermogen und das Absorptionsvermogen wirklicher Korper stehen zu den Werten
des absolut schwarzen Korpers im gleichen Verhaltnis (Kirchhoffsches Gesetz). Der Emissions-

TabeUe IV.3. Emissionsgrad €

€ €

Absolut schwarzer Karper 1 Ole 0,82


Aluminium (unbehandelt) 0,07 ... 0,09 Porzellan (glasiert) 0,92
Aluminium (poliert) 0,04 Stahl (poliert) 0,28
Glas 0,93 Stahlblech (verzinkt) 0,23
Gutl.eisen (ohne Gutl.haut) 0,42 Stahlblech (verzinnt) 0,06 ...0,08
Kupfer (poliert) 0,045 Dachpappe 0,91
Messing (poliert) 0,05

651
Thermodynamik

grad kennzeichnet deshalb nicht nur das Ausstrahlungsvermagen, sondern auch die Absorptions-
fahigkeit eines angestrahlten Karpers. Liegt ein Emissionsgrad E = 0,28 vor, so werden 28 % der
auftreffenden Strahlung absorbiert und 72 % reflektiert.
Wirkliche Karper mit dunklen und matten Oberflachen absorbieren den graB ten Teil der auftref-
fenden Strahlungsenergie und sind selbst auch entsprechend strahlungsintensiv. Der Emissionsgrad E
ist hier also relativ groB. Karper mit hellen und glatten Oberflachen zeigen nur ein geringes Ab-
sorptions- und Emissionsvermagen.
Findet zwischen zwei sich gegentiberstehenden Korpern 1 und 2 mit den Temperaturen TI und
T2 « T I ) ein Energieaustausch dUTch Warmestrahlung statt, so ergibt sich flir zwei parallel gegen-
iiberliegende ebene Flachen gleicher GroBe A in der Zeit t in Richtung des Temperaturgefalles
folgende dUTch Warmestrahlung ausgetauschte Wiirme Q1,2

ausgetauschte Wiirmemenge Q U =Q,-2 -Q2-1


=~~~ Korpe~ 2(Tz)

absorbiert ~"----------tt-71-A=:::¢===;;:::~~ emittiert


refiektiert-?tT--

--ffi~ reflektiert

emittiert --,.,r----=--v----(..L------------,.,~ absorbiert

Bild IV.9. Schematische Darstellung dcr Wiirmestrahlung zwischen zwei paraiIelen ebenen Fliichen bei
EI = E2 = 0,28 und TI> T2

Herleitung: Gesamtstrahlung von Karper 1 nach Korper 2

QI-2 =QI +Qrl =QI +(1-EI)Q2-1

QI-2 = QI + (I - EI) [Q2 + (I - (2) QI-2]

Auflosung nach QI-2 ergibt


QI + (I - Ed Q2
QI-2 = EI +E2 -EIE2

Gesamtstrahlung von Korper 2 nach Korper 1


Q2+(1-E2)QI
Q2-1 = EI + E2 -EIE2

durch Warmestrahlung ausgetauschte Warme


E2QI -EIQ2
QI,2 = QI-2 - Q2-1 = E] + E2 - E] E2

mit Q I = E] Qsl und Q2 = E2 Qs2 erhalt man


E2EIQSI -E]E2Qs2 EI E2(Qsl -QS2)
QI,2= E]+E2- E ]E2 EI+E2- E I E2

652
IV. Warmeubertragung

In dieser GIeichung ist der erste Faktor die Strahlungsaustauschzahl C1 ,2

(IV.12)

damit ergibt sich fur die ausgetauschte Warme

Q C A T E
(IV.I3)
J K

• Beispiel: Zwei verzinkte Stahibleche mit gleichen Flachen von je 2,5 m2 stehen sich parallel gegen·
tiber. Die Bleche sind unterschiedlich warm. Die Temperatur des hei/.)eren Bleches (1) be-
tragt 80°C, die des weniger warmen Bleches (2) 10 °c.
Welche Warme wird in 30 min zwischen den beiden Blechen durch Warmestrahlung aus-
getauscht?

LOsung: Q1,2 = Ci,2 A (Ti - Ti) t Tl = 353 K, T2 = 283 K


567 '10- 8 ~
, m 2 K4
1 1
--+---1
0,23 0,23

C1 2
,
= 0,74 . 10- 8 m 2WK 4

Q 1 ,=
2,
~
074 . 10- 8 m2 K4
·2 ' 5 m 2 . [353 4 - 283 4 ] K4 ·1800 S

Qi,2 = 303 468 J

653
Thermodynamik

Literatur
Baehr. H.D.: Thermodynamik. Springer Verlag Berlin
Cerbe. G.lHoffmann. H.-J.: Einfiihrung in die Thermodynamik. Verlag Carl Hanser Miinchen
Dietzel. F.: Technische Wlirmelehre. Vogel Verlag Wiirzburg
Geller. w.: Thermodynamik fiir Maschinenbauer. Springer Verlag Berlin
Herr. H.: Wiirmelehre. Verlag Europa-Lehrmittel Haan
Langeheinecke. K.lJany. P.I Sapper. E.: Thermodynamik fiir Ingenieure, Verlag Vieweg Braunschweig/Wiesbaden

DIN-Normen
DIN 1304 Formelzeichen,
Allgemeine Formelzeichen
DIN 1341 Wiirmeiibertragung,
Begriffe, KenngriiBen
DIN 1345 Thermodynamik,
Grundbegriffe

654
Elektrotechnik
Karl-Heinz Röthke, Gert Böge

Formelzeichen und Einheiten

J
c spezifische Wärmekapazität
kgK

f ~=Hz Frequenz
s
A Momentanwert des Wechselstromes
n min- 1 Drehzahl
p Polpaarzahl
q (oder S) mm 2 Querschnittsfläche, Querschnitt (Leitungsquerschnitt)
u V Momentanwert der Wechselspannung
A mm2,cm2,dm2,m2 Flächeninhalt, Oberfläche
B T= Vs Flußdichte des magnetischen Feldes, Induktion
m2
As
C F=-,.uF, pF Kapazität eines Kondensators
V
C ~ spezifische elektrolytische Stoffmenge
Ah
C As
D elektrische Flußdichte
m2 = m 2
V
Ef Feldstärke des elektrischen Feldes
m
Ev Ix Beleuchtungsstärke
F N= kgm Kraft
S2
A magnetische Feldstärke
H
m
I A elektrischer Strom
Iv cd Lichtstärke
A
J elektrische Stromdichte
mm2
L H= Vs Induktivität
A
cd
Lv m2
Leuchtdichte

N Windungszahl, Anzahl
p W=VA,kW elektrische Leistung, Wirkleistung
Q var = VA, kvar elektrische Blindleistung
Q,Qe C =As, Ah elektrische Ladung
V
R u=- elektrischer Widerstand
A
A
Rm magnetischer Widerstand
Vs
655
Elektrotechnik

Rf) n=~ Widerstand bei Betriebstemperatur


A
S VA elektrische Scheinleistung
S mm 2 Querschnittsfläche, Querschnitt (Leitungsquerschnitt)
U V elektrische Spannung
Ug V Gegenspannung
Uq V Quellenspannung
We Ws, Wh,kWh elektrische Arbeit
Wm Nm mechanische Arbeit
X Q=~ elektrischer Blindwiderstand
A
Z Q=~ elektrischer Scheinwiderstand
A
er 1
-=-
oe K
Temperaturkoeffizient des Widerstandes

r=-p1 m Sm
Qmm 2 - mm2 ' Qcm
elektrische Leitfähigkeit

As F
E --=- Permittivität
Vm m
As F
EO --=- elektrische Feldkonstante
Vm m
Er 1 Permittivitätszahl
TJ Wirkungsgrad
Im
l1La Lichtausbeute
W
{j °C,K Temperatur
Vs
11 Permeabilität
Am
Vs
110 magnetische Feldkonstante
Am
JJ.r 1 Permeabilitätszahl
1 Qmm 2
p=- ---m,Qm spezifischer elektrischer Widerstand
r
g kg
Pm Dichte der Masse
cm 3 ' dm 3
cp V elektrisches Potential
cp rad 1 = Phasenwinkel
1
w Kreisfrequenz
s
w sr =1 Raumwinkel
e A elektrische Durchflutung, magnetische Gesamtspannung
A VS=H Kernfaktor der Induktivität
A
cl> Wb=Vs magnetischer Fluß
cl>v Im Lichtstrom
If' C=As elektrischer Fluß

656
11. Anwendungen

I. Grundlagen
1. Elektrischer Stromkreis

1.1. Elektrische Ladung


Ursprünglicher Sitz der Elektrizität ist das Atom. Das Wasserstoffatom z.B. besteht aus einem Pro-
ton als Kern und einem Elektron, das diesen Kern auf einer bestimmten Bahn umkreist. Das Proton
bezeichnet man als elektrisch positiv, das Elektron als negativ geladen. Zwischen beiden befindet

0
sich die "Elektrizität" in Form eines besonderen Raumzustandes,
der als elektrisches Feld bezeichnet wird. Normalerweise erscheint
ein Stoff nach außen hin elektrisch neutral, weil ebenso viele posi- Elektron
tive wie negative Ladungen in ihm enthalten sind. elektr.Feld
+ Proton
Kraftwirkungsregel bei elektrischen Ladungen Elektronenbahn
Ungleichnamige elektrische Ladungen ziehen sich an, gleich-
namige stoßen sich ab. Bild 1.1. Elektrische Ladungen
im Wasserstoffatom

Der elektrische Leiter hat die Eigenschaft, daß in ihm elektrische Ladungen frei verschiebbar sind.
Der metallische Leiter enthält frei bewegliche Elektronen (Leitungselektronen), die nicht an be-
stimmte Atome gebunden sind (alle Metalle). Der Flüssigkeitsleiter (elektrolytischer -) hat positive
und negative Ladungsträger, die in der Flüssigkeit frei verschoben werden können (Säuren, Laugen,
Salzlösungen, siehe 1.4.2).

Im Nichtleiter dagegen ist jedes Elektron an einen ganz bestimmten Atomkern gebunden und da-
her nicht ohne Gewalt verschiebbar (Beispiele: Porzellan, Glas, Glimmer, Öl usw.).
Halbleiter (z. B. Silizium, Germanium) mit ihren 4 festen Bindungselektronen (Valenzelektronen)
leiten weniger gut als Leiter aber besser als Nichtleiter (Isolatoren). Gegenüber den Metallen besit-
zen Halbleiterkristalle keine freien Ladungsträger (Atombindung). Bei Licht- oder Wärmezu-
führung zerreißen jedoch diese Bindungen und es bilden sich frei bewegliche Elektronen.
Am ursprünglichen Sitz der Elektronen sind Defektelektronen (Löcher) entstanden, die immer posi-
tiv geladen sind. Diese Löcher werden wiederum durch Elektronen geschlossen, wobei wieder
Löcher entstehen. Durch diesen Austauschkreislauf entsteht eine sehr kleine Eigenleitung des Kri-
stalls, die von der Temperaturhöhe abhängt. Schon bei Zimmertemperatur ist diese hier unerwünsch-
te Art der Leitfähigkeit vorhanden.
Zur Herstellung von Halbleiterbauelementen braucht man Material, das temperaturunabhängig ist
und eine hohe Leitfähigkeit besitzt. Das wird durch Hinzufügen (Dotieren) von Fremdatomen mit
entweder 5 Bindungselektronen (z. B. Arsen) oder 3 Bindungselektronen (z. B. Indium) erreicht.
Fügt man Siliziumkristallen Arsen zu, wird der regelmäßige Kristallaufbau gestört (Störstellen). Es
entsteht ein Überschuss freier Elektronen, das Material ist N- (negativ) leitend. Wird dem Silizium-
kristall Indium zugefügt, entsteht ein Löcherüberschuss, das Material ist P- (positiv) leitend. Diese
Arten der Leitfähigkeit werden als Störstellenleitung bezeichnet.
Die eigentliche Schaltzone eines Halbleiters ist die VerbundsteIle der beiden eng zusammengefüg-
ten P- und N-Materialien. Die Löcher im P-Material wandern (diffundieren) in das N-Material, die
Elektronen im N-Material wandern in das P-Material (PN-Übergang). Löcher und Elektronen ver-
einigen sich (rekombinieren) und es entsteht ein Zone ohne frei bewegliche Elektronen, durch die
kein Strom fließen kann (Sperrschicht).

657
Elektrotechnik

In dieser Schicht wird durch die Wanderung der Ladungsträger das P-Material negativ und das N-Ma-
terial positiv. Die dadurch entstandene Spannung (Diffusionsspannung) verhindert die weitere Aus-
breitung der Sperrschicht. Verbindet man nun den positiven Pol einer Spannungsquelle mit dem P-
Material und den negativen Pol mit dem N-Material, wird die Sperrschicht abgebaut und es kann
Strom fließen. Das Bauelement ist in Durchlassrichtung (Flussrichtung) geschaltet. Bei umgekehr-
ter Polung ist das Bauelement in Sperrrichtung geschaltet. Es fließt kein Strom. Das einfachste
Bauelement hierfür ist die Diode, denn sie besitzt nur einen PN-Übergang.

1.2. Elektrische Spannung


Jede Art von Elektrizitätserzeugung beruht auf der Störung des im Atom vorhandenen elektrischen
Gleichgewichts. Trennt man ein Elektron von seinem Atomkern, dann entsteht zwischen beiden
ein elektrischer Spannungszustand, der bestrebt ist, das Gleichgewicht wiederherzustellen, d.h. das
Elektron wieder auf seine Bahn um den Kern zurückzubringen. Die Spannung wird um so höher,
je weiter man die Ladungen voneinander entfernt.

~ Elektron
",§,o,

~~s'V~O'
~r;;
7--.. .
( + \
/ \
Bild 1.2. Elektrische Spannung als Folge
\ ;' der Trennung eines Elektrons von seiner Bild 1.3. Spannung einer
' .... __ , / positiven Ladung Spannungsquelle

Als elektrische SpannungsqueUe kommt vorwiegend der Generator in Frage. Dieser enthält eine
Wicklung aus Kupferdraht, auf deren frei verschiebbare Elektronen beim Antreiben der Maschine
eine Kraft F ausgeübt wird (siehe I.7.1). Durch die Kraft werden die Elektronen im unteren Teil
der Wicklung zusammengedrängt (Elektronenüberschuß, Minuspol), im oberen Teil entsteht Elek-
tronenmangel (Pluspol). Zwischen beiden Polen liegt eine elektrische Spannung:
Die elektrische Spannung U ist der Elektronendruckunterschied zwischen zwei Punkten.
Zur Fortleitung eines elektrischen Spannungszustandes, z. B. vom Generator zur Steckdose, sind
zwei Drähte nötig: Elektronenüberschuß- und Elektronenmangelleiter.
Die Einheit der elektrischen Spannung U ist das Volt V (I V = I liAs = 1 kgm 2/(s3 A).

G,,,,,ro@r~ . . . ::.
1.3. Elektrischer Strom
Überbrückt man die Klemmen einer
Spannungsquelle mit einem Leiter (z.B. ')-Leiter
Drahtbügel), dann sucht sich das ge-
stärte elektrische Gleichgewicht wie-
derherzustellen, indem die überschüs- (Elektronen-
sigen Elektronen des Minuspols durch Bild 1.4. Elektrischer Strom bewegung)
den Leiter hindurch zum Pluspol flie-
ßen. Zur Widerherstellung des Gleichgewichts kommt es jedoch nicht, weil der Generator die am
Pluspol ankommenden Elektronen immer wieder zum Minuspol drückt, so daß ein dauernder Elek-
tronenkreislauf entsteht.
Als elektronischen Strom I bezeichnet man die Bewegung elektrischer Ladungen.
Volt V ist die elektrische Spannung U zwischen zwei Punkten eines Leiters, in dem bei einem
Strom von 1 Ampere A die Leistung I Watt W umgesetzt wird.

658
I. Grundlagen

Die technische Stromrichtung wurde entgegen der Elektronenbewegungsrichtung festgesetzt:


Der Strom f fließt außerhalb einer Spannungsquelle vom Pluspol zum Minuspol.
Die Einheit des elektrischen Stroms f ist das Ampere A.
Ein Ampere ist die Stärke eines zeitlich unveränderlichen elektrischen Stromes durch zwei geradli-
nige, parallele, unendlich lange Leiter, die einen Abstand von einem Meter haben und zwischen de-
nen im leeren Raum je ein Meter Doppelleitung eine Kraft von 2 . 10-7 N wirkt.
Als elektrische Stromdichte J bezeichnet man den Quotienten aus der Stromstärke f in A und der
Querschnittsfläche S eines Leiters in mm2 : J = fIS in Nmm 2 ; sie ist ein wichtiges Maß für die Be-
lastbarkeit elektrischer Leitungen.

1.4. Elektrischer Widerstand Werkstoffkonstante p

W'dero~nd ~ ~
Beim Strömen tritt zwischen den Elektronen und
dem Leitermaterial Reibung auf; das ist der elek-
R : LEnge I
trische Widerstand R. Dieser ist um so höher, je
größer der spezifische elektrische Widerstand p
Querschnittsfläche S
und die Leiterlänge I sind. R ist um so kleiner, je
größer die Querschnittsfläche S des Leiters ist. Bild 1.5. Elektrischer Widerstand

R p S r
pi I
R = S=ys (1.1)
~=n
A
Der Kehrwert des spezifischen Widerstandes p ist die elektrische Leitfähigkeit r = IIp in
m/(n mm 2). Statt r(Gamma) wird auch der griechische Buchstabe 1C(Kappa) verwendet.
Die Einheit des elektrischen Widerstandes ist das Ohm n. Es ist: 1 n = 1 VIA, d.h. wenn die Span-
nung 1 V den Strom 1 A treibt, dann hat der Widerstand 1 n .
Der spezifische elektrische Widerstand p gibt an, wieviel n Widerstand ein Draht von 1 m Länge
und I mm 2 Querschnitt aus einem bestimmten Material besitzt. Anstelle von p wird auch die elek-
trische Leitfähigkeit r = 11P gebraucht. (Tafel 1.1).
Temperaturabhängigkeit des Widerstandes: p und damit auch R ändern sich mit der Temperatur.
Bei reinen Metallen nimmt p mit steigender Temperatur zu, bei Kohle und einigen Legierungen so-
wie Flüssigkeitsleitern dagegen ab. Der Widerstand R{} bei der Betriebstemperatur {} läßt sich errech-
nen aus der folgenden Gleichung, die in ihrem Aufbau der Längenausdehnungsformel entspricht:
RtJ,R 20 QL /).{J
(1.2)

(gilt im Temperaturbereich von etwa - 50 ... + 150°C)


Darin ist aL der Längenausdehnungskoeffizient des Materials und 11{} die Temperaturdifferenz, bei-
des bezogen auf 20 oe. Bei Temperaturen> + 150 oe nimmt der Widerstand stärker zu, als die obige
Gleichung angibt.
Bei einigen Stoffen sind die Werte sehr stark abhängig von Reinheitsgrad, Wärmebehandlung und
mechanischer Vorbehandlung. Die dafür gemachten Angaben sind grobe Richtwerte.
• Beispiel: Eine Spule enthält 320 m Kupfer-Lackdraht von 0,3 mm 0 (blank).
a) Welchen Widerstand hat sie bei 20 Oe?
b) Wie groß ist ihr Widerstand bei 95 Oe?

pi 0,ü178 ---rn-- .
nmm 2
320 m
Lo··sung· a) R - - - = 80 6 n
. - S - 0,0707 mm 2 '

659
b) RtJ = R 20 (1 + QL/).{J) = 80,6 n· (1 + 0,0039 !e .7S oe) = 104 n
Elektrotechnik

Tafel 1.1. Leiterwerkstoffe. Zusammensetzung, spezifischer Widerstand p, elektrische Leitfähig-


keit y und Längenausdehnungskoeffizient aL der verschiedenen Leiterwerkstoffe. Die angegebe-
nen Werte gelten bei einer Temperatur von 20 oe.
I aL
P Y=-
p
Zusammen- nmm 2 m 1
Leiterwerkstoff
setzung -m- nmm 2 °c
Silber Ag 0,016 62,5 0,0038
Kupfer Cu 0,0178 56 0,0039
Aluminium Al 0,0286 35 0,0038
Wolfram W 0,055 18 0,0041
Zink Zn 0,063 16 0,0037
Messing Cu, Zn "" 0,08 "" 12,5 0,0015
Nickel Ni '" 0,1 "" 10 '" 0,005
Platin Pt '" 0,1 '" 10 '" 0,0025
Zinn Sn 0,11 9,1 0,0042
Eisen (WM 13) Fe '" 0,13 7,7 '" 0,005
'"
Blei Pb 0,21 4,8 0,0042
Quecksilber Hg 0,95 1,05 0,00092
Neusilber (WM 30) Cu, Ni, Zn 0,30 3,3 0,00025
Gold-Chrom Au,Cr 0,33 3,0 0,000001
Manganin (WM 43) Cu, Mn, Ni 0,43 2,3 ± 0,00001
Konstantan (WM 50) Cu, Ni,Mn 0,50 2,0 - 0,00003
Chromnickelstahl (WM 100) Cr, Ni, Fe 1,0 1,0 0,00025
Chromnickel (WM 110) Ni, Cr, Mn 1,1 0,91 0,0001
Chromnickel (WM 120) Ni, Cr, Mn 1,2 0,83 0,0001
Stahlchromaluminium (WM 140) Fe, Cr, Al 1,4 0,71 0,0002
Kohle C 50 ... 100 0,02 ... 0,01 "" -0,0005
Silit (Siliciumcarbid) Sie 1000 0,001 '" -0,0005

1.5. Ohmsches Gesetz


Für den Zusammenhang zwischen den elektrischen Größen Stromstärke I, Spannung U und dem
materialabhängigen elektrischen Widerstand R gilt in dem Stromkreis nach Bild 1.6. das Grundge-
setz der Elektrotechnik bei Gleichspannung, das Ohmsche Gesetz:

U=RI U 1 R
V 1
A 1
Q (1.3a)
Spannungsmesser
(Ohmsches Gesetz)
Bei Wechselspannung gilt mit Z = Schein- Spannungs- +
widerstand: quelle U Widerstand R
(Verbraucher)
U = Z1 U 1
1 1 Z (I3b)
V A Q "-
Ist im Ohmschen Gesetz der Quotient
R = VII konstant, wird der Widerstand R 1
als ohm scher Widerstand bezeichnet. Bild 1.6. Schaltbild eines elektrischen Stromkreises

• Beispiel: Ein elektrischer Heizofen hat einen Widerstand von 36 n. Welcher Strom fließt, wenn er
an eine Spannung von 220 V geschaltet wird?

" I U 220 V 6 1 A
L osung: =R = 36 n = ,

660
I. Grundlagen

Als Spannungsfall bezeichnet man die von einem Strom an einem Widerstand hervorgerufe-
ne Spannung. Der Spannungsfall ergibt sich aus der Auflösung des Ohmschen Gesetzes nach
U=IR.

• Beispiel: Ein Strom von 0,3 A fließt durch einen Widerstand von 200 O. Welcher Spannungsfall
entsteht dadurch am Widerstand?
Lösung: U = I R = 0,3 A . 200 0 = 60 V. Das ist genau die gleiche Spannung, die nötig ist, um
durch einen Widerstand R = 200 0 einen Strom I = 0,3 A zu treiben.
Der elektrische Widerstand läßt sich auch ausdrücken als Quotient aus Spannung und Strom.
Fließt trotz großer Spannung wenig Strom, ist der Widerstand groß. Das gleiche ergibt sich aus der
Auflösung des Ohmschen Gesetzes R = U/I.

• Beispiel: Durch einen Widerstand fließt bei einer angelegten Spannung von 6 V ein Strom von
0,5 A. Wie groß ist der Widerstand?

Lösung: R=~=~= 120


I 0,5A

1.6. Reihenschaltung
Bei der Reihenschaltung von Spannungsquellen (Bild I.7) verbindet man den Minuspol der einen
mit dem Pluspol der nachfolgenden Spannungsquelle. Dabei drücken beide in der gleichen Rich-
tung, so daß sich bei Reihenschaltung die Gesamtspannung Uges als Summe der Einzelspannungen
ergibt:
Uges = U I + U2 + ... gilt für beliebig viele
Die Reihenschaltung von Spannungsquellen wird angewendet, wenn mehr Spannung erforderlich
ist, als die Einzelquelle hat.

• Beispiel: Beim 6-V-Akkumulator sind 3 Einzelreihen zu je 2 V in Reihe geschaltet, d. h. der Minus-


pol der einen ist jeweils mit dem Pluspol der nachfolgenden Zelle verbunden. Die Ge-
samtspannung beträgt 3 . 2 V = 6 V.

Die Gegeneinanderschaltung von Spannungsquellen


ergibt sich aus der Reihenschaltung, wenn gleichna- I
I
I
mige Pole zweier aufeinanderfolgender Quellen mit-
einander verbunden werden. Da die Quellen in diesem (l)'
Fall gegeneinander drücken, erhält man die Gesamt-
spannung bei Gegeneinanderschaltung als Differenz Bild I. 7. Reihen- Bild 1.8. Reihen-
der Einzelspannungen: schaltung von schaltung vo n
Spannungsquellen Widerständen
Uges = U I - U2 (I.5)
Reihenschaltung von Widerständen liegt vor, wenn nach Anlegen einer Spannung derselbe Strom I
der Reihe nach durch beide hindurchfließt.
Bei Reihenschaltung addieren sich die Widerstände. Gesamtwiderstand (Ersatzwiderstand R ges) bei
Reihenschaltung:
Rges = R I + R2 + ... gilt für beliebig viele (1.6)

Beispiel:R I =3 0 undR 2 = 6 0 in Reihe ergibt Rges = 3 0 + 6 0 =9 0


661
Elektrotechnik

1.7. Parallelschaltung
Bei der Parallelschaltung von Spannungsquellen sind die gleichnamigen Pole der verschiedenen
Quellen miteinander verbunden. Sie wird angewendet, wenn mehr Strom erforderlich ist, als die
Einzelquelle hergeben darf. Die gesamte Strombelastbarkeit ist gleich der Summe der Belastbar-
keiten der Einzelquellen. Parallelschaltung ist nur bei gleichen Spannungsquellen zweckmäßig, da
bei ungleichen Quellenspannungen ein nutzloser Ausgleichsstrom fließt. Bei gleichen Spannungs-
quellen ist die Spannung der Parallelschaltung gleich der Spannung der Einzelquelle.

• Beispiel: Eine normale Taschenlampenbatterie von 4,5 V Spannung darf mit höchstens 0,3 A be-
lastet werden. Wenn z.B. ein Widerstand von 10 n angeschlossen werden soll, reicht ihre
Strombelastbarkeit nicht aus, denn es ist
U 4,5 V
1 = R = 10 n = 0,45 A> 0,3 A

Schaltet man zwei gleiche Batterien parallel, beträgt ihre gemeinsame Spannung ebenfalls
4,5 V. Der erforderliche Strom I = 0,45 A verteilt sich dann je zur Hälfte auf beide Batterien:

I2 = 0,452
A = 0 225 A< 0 3 A
' ,

R Bild 1.9 Bild 1.10


Parallelschaltung von Parallelschaltung von

-
I
Spannungsquellen Widerständen

Parallelschaltung von Widerständen liegt vor, wenn sie an derselben Spannung U liegen und der
Strom unter Verzweigung in Teilsträme alle gleichzeitig durchfließt. Dabei ergibt sich deren elektri-
scher Gesamtleitwert G ges als Summe der Einzelleitwerte (Leitwert G = l/Widerstand = l/R in l/n
= S (Siemens).
Gesamtleitwert bei Parallelschaltung:

I =1.- + 1.- + ... G ges


-R = GI + G2 + ... gilt für beliebig viele (I.7)
ges R l R2
Gesamtwiderstand (Ersatzwiderstand) bei Parallelschaltung:

Rges = R l R2 gilt nur für zwei Widerstände! (I.8)


R] +R 2

• Beispiel: R 1 =3 n und R 2 =6 n parallel ergibt R ges = 3 ~.~ n = 2 n


1.8. Stromverzweigung, 1. Kirchhoffsches Gesetz
Bei einer Parallelschaltung (Bild 1.11) verzweigt sich der Gesamtstrom 1 in den Knotenpunkten in
die Teilströme 11 und 12 , Dabei gelten die folgenden allgemeinen Strömungsgesetze:
Summe der zufließenden Ströme = Summe der abließenden Ströme.
Die Ströme verhalten sich umgekehrt wie die Widerstände.
Ströme bei Parallelschaltung (1. Kirchhoffsches Gesetz):
1] R2
hier 1 = 1] + 12 : allgemein L/zu = I.1ab und - = - (1.9)
/2 R]
662
I. Grundlagen

• Beispiel: An eine Spannung U = 6 V werden nach Bild 1.11 die Widerstände R 1 = 3 n und
R 2 = 6 n geschaltet. a) Wie groß sind die Teilströme hund 12 ? b) Wie groß ist der Ge-
samtstrom I? c) Für die Ergebnisse von a) und b) sind geeignete Proben zu machen!
U 6V
Lösung: a) I I = ~ = ~ ~ = 2 A; 12 = - = - = lA
R 2 6U

1= RU
ges
I R ges = 2 U aus 1.1.7, zweites Beispiel Bild 1.11. Stromverzweigung

1=6V=3A
2U

1.9. Spannnngsbilanz im Stromkreis, 2. Kirchhoffsches Gesetz


Bei einer Reihenschaltung (Bild 1.12) erzeugt der Strom an den Widerständen die Spannungsfälle
U = IR. Dabei gelten die folgenden allgemeinen Strömungsgesetze :
Summe der Quellenspannungen = Summe der Spannungsfälle.
Die Spannungsfälle verhalten sich wie die Widerstände.
Spannungen bei Reihenschaltung (2. Kirchhoffsches Gesetz):

hier Uq1 + Uq2 = I R 1 + I R 2


allgemein ~Uq = ~/R (1.10)

und

Man unterscheidet demnach die Spannungen nach ihrer Herkunft in Quellenspannungen Uq und
Spannungsfälle U. Uq ist auch dann vorhanden, wenn kein Strom fließt, während U = IR erst durch
den Strom an einem Widerstand entsteht. Sowohl Uq als auch U sind Elektronendruckunterschiede
zwischen zwei Punkten und werden beide in Volt gemessen.

I
• Beispiel: An zwei in Reihe geschaltete Spannungsquellen Uql = 10 V
und Uq2 = 8 V werden nach Bild 1.12 die beiden Widerstände R 1 = 3 n
und R 2 = 6 n geschaltet. a) Wie groß ist der Strom I? b) Wie groß
sind die Spannungsfälle U I und U2 , die der Strom an R I und R 2 er-
zeugt. c) Für die Ergebnisse von a) und b) sind geeignete Proben zu
machen.

.. Uqges Uq1 +Uq2 lOV+8V 18V Bild 1.12. Spannungsbilanz


Losung: a)/=--= = =--=2A im Stromkreis
R ges R 1 +R 2 3U+6U 9U
b)UI =IR 1 =2A'3U=6V; U2 =IR 2 =2A'6U=12V
c) Uq1 + Uq2 =U I +U2 ; 10V+8V=6V+12V; 18V=18V

1 1
2 2

663
Elektrotechnik

2. Leistung, Arbeit, Energieumrechnungen elektr: Leistung zB Wärmeleistung


P hinein heraus
2.1. Elektrische Leistung
Ein elektrischer "Verbraucher" setzt elektrische u V ~/
R
Energie in eine andere Form um, z. B. in mecha-
nische Energie oder in Wärme. Die zugeführte
elektrische Leistung P ist das Produkt aus der
wirksamen Spannung U in Volt und dem
fließenden elektrischen Strom I in Ampere:
Elektrische Leistung P Bild 1.13. Elektrische Leistung

P= UI wat:=w I~ I~ (1.11)

Die Einheit der elektrischen Leistung ist das Watt: I W = I V· I A = I VA = I l = 1 Nm = 1 kg~2.


s s S

• Beispiel: Ein elektrischer Heizofen nimmt bei 220 V Spannung einen Strom von 13,64 A auf. Wie
groß ist seine Leistungsaufnahme?
Lösung: P = UI = 220 Y . 13,64 A = 3000 W = 3 kW
Aus Strom und Widerstand R ergibt sich die Leistung P, indem man P = UI für die Spannung
U = IR einsetzt. Leistung P aus Strom und Widerstand:

:1 ~ I ~ (1.12)

• Beispiel: Ein elektrischer Heizofen hat einen Widerstand von 16,13 Q und nimmt einen Strom von
13,64 A auf. Wie groß ist seine Leistung?
Lösung: P = 12 R = 13,642 A2. 16,13 Q = 3000 W = 3 kW
Aus Spannung und Widerstand ermittelt man die Leistung P, indem man in P = UI für den Strom
einsetzt I = UIR. Leistung P aus Spannung und Widerstand:

(Ll3)

• Beispiel: Ein elektrischer Heizofen hat den Widerstand 16,13 n. Welche Leistung nimmt er bei der
Spannung 220 Y auf?
U2 220 2 y 2
Lösung: P = R = 16 ,13 n = 3000 W = 3 kW

2.2. Elektrische Arbeit


Bei gegebener Leistung P läßt sich die Arbeit W ermitteln nach dem Satz:
Arbeit W = Leistung P . Zeitdauer t der Leistung
w= Pt= UIt (1.14)

• Beispiel: Eine 100-W-Lampe brennt 24 Stunden. Welche elektrische Arbeit wird von ihr dabei um-
gesetzt?
Lösung: W = Pt = 100 W ·24 h = 2400 Wh = 2,4 kWh (Kilowattstunden)

664
I. Grundlagen

Die Stromkosten K (ohne Grundgebühr) werden vom E-Werk für die gelieferte elektrische Arbeit
Werhoben:

K k W
K=kW DM (1.15)
DM kWh
kWh

• Beispiel: Welche Stromkosten sind beim vorigen Beispiel zu zahlen, wenn der
StromtariJ k = 0,20 DM(kWh beträgt und die Grundgebühr unberücksichtigt bleibt?

Lösung: K = kW = 0,2 ~~ . 2,4 kWh = 0,48 DM. Die wirklichen Kosten liegen wegen Grund-
gebühr und der Steuern höher.

2.3. Energieformen und Umwandlungen


Energie ist das Vermögen eines Körpers, Arbeit zu verrichten (siehe Physik, Abschnitt 11. Mecha-
nik, Abschnitt 11.2. und Wärmelehre, Abschnitt 1.5. und 1.6.)
Wärme Q, Arbeit W und Energie E sind gleichwertige physikalische Größen. Je nach Herkunft un-
terscheidet man mechanische Energie E mech (potentielle Energie Epo ! und kinetische Energie E kin ),
elektrische Energie Ee1 und Wärme Q. Jede Energieform kann in eine andere umgewandelt werden.
Wegen der Gleichartigkeit haben alle Arbeits- und Energieformen im Internationalen Einheitensy-
stem (SI-System) die gleiche Einheit, das Joule (J), und es gilt die Eins-zu-Eins-Beziehung:
1 J = 1 Ws = 1 Nm = 1 kgm2/s 2 für Arbeit W und Energie E
1 J/s = 1 W = 1 Nm/s = I kgm 2/s 3 für Leistung P
Für die Umwandlung von elektrischer Energie Ee1 in mechanische Energie gelten u. a. die Gleichun-
gen
Ee1 = Epo! = m g h (1.16)
Ee1 = Ekin = mv 2/2
Für die Umwandlung von elektrischer Energie Ee1 in Wärme Q gilt u.a. die Gleichung
E e1 = ßQ = meßT = m c ß{j (1.17)
Für die Berechnungen muß meist der Wirkungsgrad 11 berücksichtigt werden (siehe Mechanik, Ab-
schnitt 11.22.).
Beachte: Da 1 K = 1 °C ist, sind die Temperaturdifferenzen gleich: ßT in Kelvin K = ß{j in °C.
Bei elektrischen Maschinen und Geräten unterscheidet man zwischen der Leistungsaufnahme (An-
schlußwert) und der Leistungsabgabe. Bei Elektromotoren wird die Leistungsabgabe in kW als
Nennleistung auf dem Typenschild angegeben, d.h. dem Motor darf für die entsprechende kW-Zahl
mechanische Leistung an seiner Welle abgenommen werden.
Bei Haushaltsgeräten wird nur die Leistungsaufnahme (Anschlußwert) angegeben. Bei Elektro-
werkzeugen gibt man sowohl die Leistungsabgabe als auch die Leistungsaufnahme an.

• Beispiel: Welche mechanische Leistung in Nm/s darf man einem Motor von 2,2 kW Nennleistung
an seiner Welle entnehmen und wieviel Watt nimmt er dabei aus dem Netz auf, wenn der
Motorwirkungsgrad 0,8 beträgt.

Lösung: Pnenn = 2200 W = 2200 ~m darf man dem Motor an seiner Welle entnehmen.

P = P nenn = 2,2 kW = 2 75 kW nimmt der Motor bei Nennlast aus dem Netz auf.
1/ 0,8 '

Die Motorzuleitung ist nach dieser Aufnahmeleistung bei Nennlast zu bemessen.


665
Elektrotechnik

• Beispiel: 2 I Wasser sollen in 7,5 min von 10 oe auf 60 oe erwärmt werden.


a) Welche elektrische Arbeit muß der Tauchsieder dabei umsetzen bei 93 % Wirkungsgrad?
b) Welchen Anschlußwert muß er haben?

Lösung: a) Wnutz = cm.6.rJ = 4188-J0- ·2 kg· 50 °e


kg e
Wnutz = 418 800 J müssen dem Wasser zugeflihrt werden

W = Wnutz = 418800 J = 450 323 J = 450 323 Ws


7) 0,93

W = 450323 Ws = 0 125 kWh sind einschließlich Verluste zur Erwärmung des Was-
6 Ws '
3,6 ·10 kWh sers notwendig

b) P = ~ = 0,125 kWh = 1 kW; Anschlußwert des Tauchsieders


t 22. h
60

3. Grundschaltungen der Praxis


3.1. Schaltung von Verbrauchern

Normalerweise sind Elektrogeräte für eine bestimmte Spannung gebaut und werden alle parallel an
das Netz geschaltet: Parallelspeisung. Entnommener Gesamtstrom I ges = L Einzelströme.

Nur selten werden Verbraucher in Reihe geschaltet. Ihre Stromaufnahme muß in diesem Fall gleich
sein (Beispiel: Christbaumbe1euchtung). Erforderliche Gesamtspannung Uges = L Einzelspannungs-
fälle.

220 V

Bild I.14.
Parallelspeisung von Verbrauchern
220V 220V 220V
Lampen Ofen Motor

3.2. Vorwiderstand
Ein Vorwiderstand R y wird angewendet, wenn man einen Verbraucher betreiben will, der für eine
niedrigere Spannung gebaut ist als die vorhandene. Er hält den Spannungsüberschuß vom Verbrau-
cher fern. Nachteil: R y erzeugt nutzlos Wärme (Verluste).

666
I. Grundlagen

• Beispiel: (Bild 1.15) Eine Lampe ftir 60 V 40 W soll über einen


Vorwiderstand an der Netzspannung 220 V betrieben
werden. Welchen Ohmwert muß der Vorschaltwider-
stand haben?

I = Pnenn = 40 W = 0 667 A
Uy U nenn 60 V '
Lösung: R y = T
Uy = Uq - U = 220 V - 60 V = 160 V
160 V Bild l.15. Schaltung eines
R y = 0,667 A = 240 n müssen vorgeschaltet werden Vorwiderstandes

3.3. Belastbarkeit eines Widerstandes


Die thennische Belastung eines Widerstandes wird durch die elektrische Verlustleistung P v hervor-
gerufen, die in ihm in Wänne umgesetzt wird. Die Belastung eines Widerstandes wird daher in Watt
angegeben. Sie ergibt sich als Produkt aus Spannungsfall Uv am betreffenden Widerstand und der
Stromstärke I. Die Baugröße des Widerstandes muß so gewählt werden, daß er bei der Belastung Pv
auch im Dauerbetrieb nicht zu heiß wird.
Die Belastbarkeit wird aus Sicherheitsgründen etwas höher gewählt als die Belastung.

• Beispiel: Welcher Belastung ist der Vorwiderstand nach Bild 1.15 ausgesetzt?
Lösung: R y wird von der Verlustleistung Py = Uyl = 160 V· 0,667 A = 107 Werwärmt. Er muß
also so groß gebaut sein, daß er mindestens 107 W in Wärme umsetzen kann, ohne daß er
im Dauerbetrieb zu heiß wird. Gewählt: 120 W Belastbarkeit.

3.4. Nebenwiderstand
Ein Nebenwiderstand wird angewendet, wenn man Verbraucher mit ungleicher Stromaufnahme in
Reihe schalten will. Er wird dem Verbraucher mit der kleineren Stromaufnahme parallelgeschaltet
und leitet die überschüssige Stromstärke um diesen herum.
Nachteil: Rn erzeugt ebenso wie R y nutzlos Wärme
(Verluste ).

• Beispiel: (Bild 1.16) Zwei Lampen, 110 V 60 Wund


110 V 40 W, sollen in Reihe an der Netz-
spannung 220 V betrieben werden.
a) Welchen Ohmwert muß der Nebenwider-
stand haben?
b) Mit wieviel Watt wird er belastet?
Iz=O,364A
U2nenn U2nenn = 110 V Bild l.16. Schaltung eines Nebenwiderstandes
Lösung: a) Rn = ~I~-
n In = 11 - 12
11 = PI nenn = 60W =0545A
U, nenn 110 V '

= 608 n I2=P2nenn = 40W =0364A


U2nenn 110 V '

In = 0,545 A - 0,364 A = 0,181 A


b) Pn = U2 nenn In = 110 V· 0,181 A = 19,9 W "'" 2 0 W

667
Elektrotechnik
3.5. Spannungsteiler
Ein Spannungsteiler wird angewendet, wenn man von einer vorhanden Spannung Uges einen Teil
U abgreifen will. Der Querstrom Iq erzeugt am Teilwiderstand R 2 den gewünschten Spannungs-
fall U. Der als Spannungsteiler verwendete Widerstand hat drei Anschlüsse (Bild 1.17). Nachteil:
Der Querstrom erzeugt an R ges nutzlos Wärme (Verluste).
Bei Belastung des Teilers mit einem Verbraucherwiderstand R sinkt die Spannung auf den Wert U'.
Damit die Spannung bei Belastung nicht zu stark zurückgeht, macht man Rges ::; 2 R.

Bild I.l7
Schaltung eines Spannungsteilers

3.6. Innenwiderstand einer Spannungsquelle


Bei Belastung einer Spannungsquelle geht deren Klemmenspan-
nung U um den inneren Spannungsfall Ui = IR i zurück. Grund: Die R
strömenden Elektronen reiben sich auch im Inneren der Quelle an
a}
deren Innenwiderstand Ri , wobei dort der innere Spannungsver-
lust Ui auftritt (Bild 1.18a).
I
Im Ersatzschaltbild (Bild 1.18b) denkt man sich die Quellenspan- I------~

I
nung Uq (Urspannung) mit dem Innenwiderstand Ri in Reihe ge- I
schaltet. Eine nach dem Ersatzschaltbild aufgebaute Ersatzschal- I
I R;
tung würde die gleichen Eigenschaften zeigen wie die wirkliche I
I R
Schaltung (a). Klemmenspannung bei Belastung einer Spannungs-
I
quelle: I
I
(1.18) IL ______ -1

Bei Leerlauf der Spannungsquelle ist IR i = 0 und daher U = Uq . b}

Bei Belastung mit dem Verbraucher Rist U< Uq um den inneren Bild l.1S. Innenwiderstand einer
Spannungsfall Ui' Spannungsquelle
a) Schaltung
Bei Kurzschluß (R '" 0) ist U '" 0 und daher h '" UqlR i • b) Ersatzschaltbild

• Beispiel: Ein Generator nach Bild 1.18 hat 25 V Quellenspannung und 0,5 n Innenwiderstand.
a) Wie groß ist seine Klemmenspannung im Leerlauf?
b) Wieviel Spannung geht im Innern des Generators bei Anschalten eines Verbrauchers
von 12 n Widerstand verloren?
c) Welche Klemmenspannung gibt er an den Verbraucher ab?
d) Welche Leistung geht dabei im Innern des Generators verloren?
e) Welche Leistung gibt er dabei an den Verbraucher ab?
f) Wie groß wird der Kurzschlußstrom beim Kurzschließen der Generatorklemmen mit
einem Draht von vernachlässigbar kleinem Widerstand?
Lösung: a) U = Uq -IR i 11 = 0; weil kein Strom entnommen wird (Leerlauf!)
U = Uq = 25 V Leerlaufspannung

668
I. Grundlagen

I1= RUq ges


Uq 25 V
= R+R j = 1211+0,511=2A

Uj = 2 A· 0,5 11 = I V Spannungsrückgang bei dieser Belastung


c) U = Uq - Uj = 25 V - I V = 24 V Klemmenspannung bei dieser Belastung
d) Pi = Ui I = I V' 2 A = 2 W innere Verlustleistung erwärmen den Generator
e) P= UI = 24 V' 2 A = 48 W gibt der Generator an den Verbraucher ab
Uq 25 V
f) I k ~ ""jf: = 0 5 11 = 50 A Kurzschlußstrom
I ,

3.7. Leitungswiderstand
Bei Belastung einer Leitung ist die Spannung U an ihrem Ende um den Spannungsfall ll.U kleiner
als die Speisespannung Uges am Anfang. Grund: Beim Durchfließen des Leitungswiderstandes R[
tritt dort durch Reibung der Elektronen am Leitermaterial der elektrische Spannungsverlust ll.U auf.
An jeder Leitungsader tritt dabei der halbe Spannungsfall ll.U/2 auf (Bild I.I9a).

----
IJU/2 ..
Rt =2·Ra I

c::=J

E-Werk Leitung Verbraucher


u~,t IJU

~lu
a) b)

Bild 1.19. Leitungswiderstand. a) Schaltung, b) Ersatzschaltbild

Im Ersatzschaltbild (b) denkt man sich beide Aderwiderstände Ra zum gesamten Leitungswider-
stand R[ zusammengefaßt. Spannung am Leitungsende bei Belastung:

U= Uges - ll.U= Uges - IR 1 (1.19)

• Beispiel: Eine zweiadrige Leitung nach Bild 1.19a hat 0,5 11 Widerstand je Ader. Sie wird mit 230 V
gespeist und ist am Ende mit einem Widerstand von 22 11 belastet.
a) Wie groß ist bei dieser Belastung der Spannungsfall auf der Leitung?
b) Welche Spannung erhält der Verbraucher?
c) Welche Leistung geht auf der Leitung verloren?

Lösung: a) ll.U= IR 1 R 1 = 2 Ra = 2 . 0,5 11 = 1 11

I = Uges = Uges = 230 V = 10 A


R ges R + R 1 22 11 + 1 11
ll. U = 10 A ·1 11 = 10 V gehen bei dieser Belastung auf der Leitung verloren, je Ader
also 5 V.
b) U = Uges - ll. U = 230 V - 10 V = 220 Verhält der Verbraucher
c) Pv = ll. U/ = 10 V . 10 A = 100 W Verlustleistung erwärmen die Leitung

669
Elektrotechnik

4. Elektrochemie 1Elektron fehlt 1 Elektron zuviel

)-
4.1. Ionen
Löst man Salze, Säuren oder Basen in Wasser, dann
gehen Sie aus dem molekularen Zustand in den
I
I

'--/
G; '
~ EI,kl"",,

ionisierten über. Das Wasser spaltet die elektrisch [f--Ion


neutralen Moleküle (z. B. HCl) auf in elektrisch po- Bild 1.20. Ionen
sitiv geladene Teilchen (H+), denen ihre zugehörigen
Elektronen fehlen, und negative (Cn, die diese Elektronen als Überschuß-Ladungen mit sich
führen. Dabei entstehen stets ebenso viele positive wie negative Ionenladungen. Mehrwertige Atome
bilden mehrwertige Ionen (z.B. Cu++, S04-, Al+++).

Ionenladungsregel
Metalle und Wasserstoff bilden positive, Nichtmetalle, Säurereste und die OH-Gruppe negative
Ionen.

Wasser selbst ist fast gar nicht ionisiert, sondern existiert in Form von H20-Molekülen.

4.2. Elektrolyse
Als Elektrolyse bezeichnet man die Trennung chemischer Verbindungen auf elektrischem Wege.
Die wässerige Elektrolyse nimmt folgenden Verlauf:
Das Wasser spaltet die Säuren, Basen oder Salze physikalisch auf in elektrisch geladene Teilchen
(Ionen). Man bezeichnet diesen Vorgang als Dissoziation.
Der elektrische Strom zerlegt die Verbindung chemisch in ihre Bestandteile, indem er die Ionen in
Atome umwandelt. Die positiven Ionen (H+) wandern zur Katode (-), weil +- und -Ladungen ein-
ander anziehen. Dort entnimmt jedes H+ -Ion dem Elektronenüberschuß der - Elektrode ein Elektron
und wird dadurch wieder zurückverwandelt in ein neutrales H-Atom. Die CI--Ionen wandern nach
+, geben dort ihren Elektronenüberschuß an die Anode ab und werden damit zu neutralen Cl-Ato-
men. An der Anode steigen Chlorgas-, an der Katode Wasserstoffbläschen auf. Die Gleichspan-
nungsquelle drückt die vom Cl- abgelieferten Elektronen zur Katode, wo sie von den H+-Ionen auf-
genommen werden.
In den Drähten des Stromkreises fließt der Strom I als normaler Elektronenstrom, im elektrolyti-
schen Bad dagegen in Form von zwei sich gegen sinnig bewegenden Ionenströmen, wobei der elek-
trolytische Leiter durch den elektrischen Stromfluß chemisch verändert wird. Die Lösung wird im-
mer ärmer an HCI.
Gegenstand - + Cu-Anode
Katode- + Anode

---H+

I Bild 1.21
Elektrolytische Zerlegung
von Salzsäure

Bild 1.22. Verkupfern eines


Elektronen Metallgegenstandes

670
I. Grundlagen

4.3. Galvanische überzüge


Galvanische Überzüge werden durch elektrolytische Zerlegung von Metallsalzlösungen hergestellt.
Beispiel: Ein Kupferüberzug auf einem Metallgegenstand läßt sich herstellen, indem man den
Gegenstand als Katode in eine Kupfersulfatlösung hängt und als Anode eine Kupferplatte verwen-
det. Die Cu ++-Ionen gehen zum negativ geladenen Gegenstand und bilden dort den Überzug, wäh-
rend die Säurerest-Ionen S04"- aus der Cu-Anode neue Cu ++-Ionen herauslösen, so daß die Konzen-
tration der Lösung erhalten bleibt. Die Strom dichte muß genügend klein gehalten werden, weil
sonst der Cu-Überzug porös und schwammig wird.
Elektrolytkupfer wird in gleicher Weise durch elektrolytische Raffination (Reinigung) des Hütten-
Rohkupfers hergestellt.
Für Überzüge aus anderen Metallen verwendet man in ähnlicher Weise entsprechende Salze und
Anoden. So lassen sich Überzüge herstellen aus Gold, Silber, Nickel, Chrom, Zink, Kadmium, Zinn,
Blei und sogar Messing und Bronze.

4.4. Schmelzflußelektrolyse
Die Schmelzflußelektrolyse wird angewendet zur Herstellung von Kalium, Natrium und Alumini-
um. Bei diesen Stoffen ist wässerige Elektrolyse nicht möglich, weil entweder das hergestellte
Metall sofort mit H 2 0 chemisch reagieren würde (K, Na), oder das Ausgangsmaterial nicht in Was-
serlöslich ist (Al). Man schmilzt das Ausgangsmaterial (KOH, N aOH, Kryolith + Tonerde) bei hoher
Temperatur, wobei die Wärme die Moleküle in Ionen aufspaltet. Der über Elektroden in die
Schmelze eingeführte Strom trennt die betreffende Verbindung chemisch.

4.5. Elektrolytische Mengenrechnung, Faradaysches Gesetz


Die elektrolytisch abgeschiedene Stoffrnasse m ist um so größer, je höher die zur Umwandlung
von Ionen in Atome verbrauchte Ladung (Elektrizitätsmenge) Q = It in Ah und je größer die Stoff-
konstante C ist, die angibt, welche Stoffrnasse in g von einer Ah abgeschieden wird (Tafel 1.2).

m = CQ = Clt (1.20)

(Faradaysches Gesetz)

In der Praxis ergibt sich bei einigen Stoffen weniger Menge, als nach dem Faradayschen Gesetz
errechnet wird. Grund: Unerwünschte Zersetzungen. Dies läßt sich berücksichtigen durch Multi-
plikation der rechten Gleichungsseite mit der Stromausbeute 7].
Tafel 1.2. Durch I Ah elektrolytisch abgeschiedene Stoffrnasse C
Stoff Silber Gold Kupfer Nickel Chrom Zinn Zink
Zeichen, Wertigkeit Ag 1 Au3 Cu 2 Ni2 Cr 3 Sn 2 Zn2
Cing/Ah 4,025 2,445 1,185 1,095 0,647 2,214 1,22
Stoff Cadmium Aluminium Blei Wasserstoff Sauerstoff
Zeichen, Wertigkeit Cd 2 Al3 Pb 2 Hl 02
C ing/Ah 2,096 0,335 3,863 0,0375 0,299

• Beispiel: Ein Metallgegenstand von 250 cm 2 Gesamtoberfläche soll mit einer 0,1 mm dicken Silber-
schicht überzogen werden. Die zulässige Stromdichte beträgt bei Silber 0,5 A/dm 2 , die
Stromausbeute "'" 100 %.
a) Wie groß darf die Stromstärke höchstens gewählt werden?
b) Wie lange muß der Teller im Bad hängen?

671
Elektrotechnik

Lösung: a) 1= SA = 0,5 \ . 2,5 dm 2 = 1,25 A sind zulässig, ohne daß die Silberschicht porös
wird. dm
b) m = CIt
g
m = V Pd = 250 cm2 . 0,01 cm '10,5 -3 = 26,25 g
m cm
t= CI
C = 4,025 .! aus Tafel 1.2

t= 26,25 = 5,22 h muß der Gegenstand im Bad hängen.


g
4,025 Ah . 1,25 A

4.6. Batterie-Elemente
Die Quellenspannung eines Batterie-Elementes kommt dadurch zustande, daß die verschiedenen
Stoffe ein mehr oder weniger starkes Bestreben haben, in Lösung zu gehen. Als Beispiel das am
häufigsten verwendete Trocken-, Leclanche- oder Braunsteinelernent: Bei diesem befindet sich ein
Kohlestab in einem Beutel, der mit einem Gemisch aus Braunstein und Kohlepulver gefüllt ist.
Beide stecken in einem Becher aus Zink, der einen eingedickten Elektrolyten enthält. Das Zink hat
ein starkes Lösungsbestreben und schickt soviele Zn ++-Ionen in die Flüssigkeit, bis es sich gegen-
über dieser auf etwa - 0,77 V aufgeladen hat. Diese Aufladung entsteht durch die von den Zn ++-
Ionen zurückgelassenen Elektronen. Die Zn++-Ionen verdrängen die (NH 4 f-Ionen aus der Lösung.
Von diesen zieht die Kohle soviele an sich, bis sie sich auf etwa + 0,73 V gegenüber der Flüssigkeit
aufgeladen hat. Die beiden in Reihe geschalteten Berührungsspannungen des Zinks (-0,77 V) und
der Kohle (+ 0,73 V) ergeben die Quellenspannung Uq der Batterie von etwa 1,5 V.
Bei Belastung des Elements schickt der Strom laufend Zn H-Ionen in Lösung, wodurch sich der
Zinkbecher allmählich auflöst. Dabei wird der Elektrolyt in ZnCl 2 verwandelt, so daß auch er sich
erschöpft. Der Braunstein verhindert, daß sich auf der Kohle eine Wasserstoffhaut bildet, die die
Klemmenspannung stark herabsetzen würde (polarisation; Braunstein = Depolarisator). Eine nen-
nenswerte Wiederaufladung ist nicht möglich.
Die Spannungsreihe gibt die Berührungsspannungen an, auf die sich ein Metall gegenüber einer
Flüssigkeit auflädt. Je unedler das Metall ist, desto stärker ist sein Lösungsbestreben und seine
negative Berührungsspannung.

Tafel 1.3. Reihe der


Berührungsspannungen
Kohle +
in V (Spannungsreihe)

Kalium - 2,9
"" ~~~f--vergunmasse
Natrium - 2,7
Magnesium - 1,55
Aluminium - 1,28 Elektrolyt
Zink - 0,77 NH4 CI + HzO+ Gelatine
Eisen - 0,44
Cadmium - 0,40
Nickel - 0,25 Braunstein und
Zinn - 0,14 Kohlepulver
Blei - 0,13
Wasserstoff ± 0,00
Kupfer +0,34
Silber + 0,81
Quecksilber +0,86
Gold + 1,38 Bild 1.23. Trockenelement einer Taschenlampen-
batterie

672
I. Grundlagen

4.7. Blei-Akkumulator
Beim Blei-Akkumulator befinden sich Blei- als Minusplatten und Bleisuperoxyd- als Plusplatten in
einem Isoliergefaß, das mit verdünnter Schwefelsäure gefiillt ist. Die Quellenspannung Uq von
etwa 2 V je Zelle ist wieder durch die Verschiedenartigkeit der Stoffe gegeben (siehe 1.4.6).
Bei Entladung bildet sich aufbeiden Plattenarten Bleisulfat, wobei Schwefelsäure verbraucht wird:
der Elektrolyt wird leichter. Der Ladezustand der Batterie läßt sich aus der Säure dichte bestimmen.
Bei 1,83 V Zellenspannung (unter Last gemessen) ist mit der Entladung aufzuhören.
Zur Ladung wird der Sammler an ein Ladegerät angeschlossen, dessen Spannung höher sein muß
als die der Batterie, so daß wegen der Gegeneinanderschaltung (+ an +, - an -, siehe 1.1.6) ein Strom
in umgekehrter Richtung wie bei Entladung hindurchgetrieben wird: Ladestrom. Das Bleisulfat
wird wieder in Blei bzw. Bleisuperoxyd zuriickverwandelt, die Säure schwerer. Die Akkumulatoren
lassen sich also wieder aufladen. Bei 2,7 V Zellenspannung ist mit der Ladung aufzuhören.
Die Kapazität eines Sammlers ist das Produkt aus Nennstrom mal Entladedauer It in Ah. Als Nenn-
dauer der Entladung werden meist 3, 10 oder 20 Stunden angegeben. Die entnehmbare Kapazität
hängt von der Entladedauer (und damit auch vom Entladestrom) ab nach:

Tafel 1.4. Entnehmbare Kapazität eines Bleisammlers

Entladedauer tin h 20 10 7,5 5 3 1 0,5


Zulässige Entnahme ltin% 110 100 95 85 75 50 40
der 10stdg. Kapazität

Der Innenwiderstand des Bleisammlers ist sehr niedrig (etwa 0,15 nAh je Zelle). Bei Kurzschlüs-
sen ergeben sich daher gefahriich hohe Ströme (siehe 1.3.6).
Infolge Selbstentladung verliert die Batterie durch chemische Umwandlung der Plattenmasse in
Bleisulfat im Laufe einiger Monate ihre Ladung. Um Sulfatieren der Platten zu vermeiden (nimmt
dann keine Ladung mehr an), ist alle 4 bis 8 Wochen nachzuladen, auch wenn die Batterie nicht be-
nutzt wird.
Nur destilliertes Wasser nachfüllen (mit sauberen Glasgefäßen), weil sonst durch fremde Ionen
starke Selbstentladung eintritt: Batterie hält Ladung nur kurze Zeit.
Der Wirkungsgrad (Wh-Wirkungsgrad) liegt bei 75 %, der Gütegrad (Ah-Wirkungsgrad) bei 90 %.
Das Speichervermögen des Bleisammlers beträgt bei ortsfesten Batterien 10 Wh/kg, bei Fahrzeug-
batterien 20 ... 30 Wh/kg.

4.8. Nickel-Akkumulator
Die alkalischen Sammler (Nickel-Eisen, Nickel-Cadmium) enthalten als +-Platten Nickel und als
--Platten Eisen bzw. Cadmium. Diese befinden sich in einem Stahlblechgefäß mit Kalilauge, deren
Dichte (1,2 g/cm 3) nicht vom Ladezustand abhängt.
Vorteile gegenüber dem Bleisammler: Unempfindlich, lange Lebensdauer, geringe Selbstentladung,
Stehen im leeren Zustand schadet nicht, keine Säuredämpfe, gasdichte Bauart bei kleinen Zellen
möglich.
Nachteile gegenüber dem Bleisammler: Niedrigere Zellenspannung (= 1,2 V), stärkerer Spannungs-
rückgang bei Entladung (1,4 ... 1 V), Wh-Wirkungsgrad 50 %, Ah-Gütegrad 70 %, Innenwider-
stand größer, teurer in der Anschaffung.
Das Speichervermögen ist nur wenig größer als das von Bleisammlern, so daß ein alkalischer
Sammler kaum leichter ist als ein Bleisammler gleichen Wh-Inhalts.

673
Elektrotechnik

5. Magnetismus
5.1. Magnetfeld
Das Magnetfeld ist ein besonderer Zustand des Raumes, der sich in Kraftwirkungen äußert, so daß
Eisenfeilspäne sich zu Linien zusammenketten und Magnetnadeln (Kompasse) sich in einer be-
stimmten Zeigerichtung innerhalb dieser Linien einstellen. Der Raum in und um einen Magneten ist
lückenlos mit Linien- und Zeigerichtung durchsetzt: Magnetfeld = Vektorfeld. Hängt man einen
Magneten so auf, daß er sich in einer horizontalen Ebene drehen kann, dann zeigt das eine Ende un-
gefähr zum geographischen Nordpol der Erde, das andere zum Südpol. Das nach Nord zeigende
Ende nennt man Nordpol, das andere Südpol.

Magnetische Zeigerichtungsregel
Laut Festsetzung zeigt das Magnetfeld
außerhalb eines Magneten von dessen
Nordpol zu dessen Südpol.
... N

Die magnetischen Feldlinien sind in sich ge-


schlossen. Sie zeigen demnach im Inneren des S
N Magnet-
Magneten vom Süd- zum Nordpol. Obwohl der
N nadeln
Raum lückenlos mit Linien- und Zeigerichtung s -----
durchsetzt ist, bedient man sich zur Veranschau- Bild 1.24. Magnetfeld eines Stabmagneten
lichung des Magnetfeldes einzelner Feldlinien.
Überlagern sich mehrere Magnetfelder, so ad-
dieren sich ihre Feldlinien wegen des Vektor-
charakters der Linien geometrisch zu einem re-
sultierenden Feld.
<J---- ------[::>
Anziehung Abstoßung
Magnetische Kraftwirkungsregel
Ungleichnamige Pole ziehen sich an, Bild 1.25. Gegenseitige Kraftwirkung zweier Magnete
gleichnamige stoßen sich ab.

5.2. Magnetismus in Eisen und Stahl


Das Zustandekommen der besonderen magnetischen
Eigenschaften der sogenannten ferromagnetischen Werk-
stoffe Eisen, Stahl, Nickel und Kobalt kann man sich a)

auf grobe Weise durch das Vorhandensein von "Mole-


kularmagneten" erklären. Nach dieser Theorie bildet
jeder aus einigen Millionen Atomen bestehende Mikro- N

kristall einen winzigen Magneten, der unter Reibung im


Gefüge drehbar gelagert ist. Im nicht magnetisierten
Zustand (Bild I.26a) liegen diese Molekularmagnete wirr
durcheinander, so daß der von Natur aus im Material
steckende Magnetismus nicht nach außen in Erscheinung b)

tritt. Im magnetisierten Zustand (Bild I.26b) zeigen die Bild 1.26. Molekularmagnete
Molekularmagnete überwiegend in die gleiche Rich- in Eisen und Stahl
tung, so daß magnetische Feldlinien aus dem Material a) im nicht magnetisierten
austreten. b) im magnetisierten Zustand

674
I. Grundlagen

Man unterscheidet magnetisch weichen Stahl, hier kurz "Eisen" genannt, und magnetisch harten
Stahl, hier kurz "Stahl" genannt. Eisen bleibt nur solange magnetisiert, wie ein äußeres Richtfeld
die Molekularmagnete ausgerichtet hält. Nach Fortfall dieses äußeren Feldes verliert Eisen seinen
Magnetismus sofort wieder. Stahl dagegen behält einen großen Teil des Magnetismus auch nach
Fortfall des Richtfeldes. Grund: Die Gefügereibung, die beim Ausrichten der Molekularmagnete
überwunden werden muß, ist in Stahl groß, in Eisen klein. Die Molekularmagnete fallen bei Stahl
also nicht von selbst wieder in die wirre Lage zurück.
Für Elektromagnete und elektrische Maschinen verwendet man ein magnetisch möglichst weiches
Eisen, für Dauermagnete dagegen einen magnetisch möglichst harten Stahl.
Die Stärke des Magnetismus hängt vom Grad der Ausrichtung der Molekularmagnete ab. Bei voll-
ständiger Ausrichtung spricht man von magnetischer Sättigung, das Material läßt sich nicht stärker
magnetisieren.

5.3. Magnetfeld eines Leiters, Rechtsschraubenregel


Ein stromdurchflossener Leiter umgibt sich in Ebenen senkrecht zur Stromrichtung mit kreisförmi-
gen magnetischen Feldlinien (Bild I.27).

Rechtsschraubenregel
Strom- und Magnetfeldrichtung bilden eine Rechtsschraube.

Die Stärke des Magnetfeldes ist proportional der Stromstärke und umgekehrt proportional dem Ab-
stand r vom Leiter.
Die Ursache jedes Magnetfeldes ist eine Bewegung elektrischer Ladungen. Im stromdurchflossenen
Leiter z. B. bewegen sich Elektronen und verursachen durch ihre Bewegung den Magnetismus um
den Draht herum. Beim Dauermagneten wird jeder Molekularmagnet in einer bestimmten Ebene
von Elektronen umkreist, die seinen Magnetismus erzeugen. Auch das magnetische Feld der Erde
wird durch positive elektrische Ladungen, die die Erdkugel umkreisen, herbeigeführt.

Ursache des Magnetfeldes


Bewegte elektrische Ladungen (z.B. Elektronen) umgeben sich in Ebenen senkrecht zur Be-
wegungsrichtung mit einem Magnetfeld.

Spule im Schnitt
r

Windungen Magnetfeld

.......~~~~~~~~~~t=='~-l heraus

Ebene
senkrecht I

Bild 1.27. Magnetfeld eines stromdurchflossenen Bild 1.28. Magnetfeld einer stromdurchflossenen
geraden Leiters Spule

675
Elektrotechnik

5.4. Magnetfeld einer Spule


Wickelt man einen Leiter als Spule N-mal um den zu magnetisierenden Raum, dann wird dieser bei
Stromfluß von der N-fachen Elektronenmenge pro Zeit umkreist, und man erhält im Inneren der
Spule einen Magnetismus von N-facher Stärke (Bild I.28).
Die Stärke des Magnetfeldes einer Spule ist proportional ihrer Amperewindungszahl NI (Durch-
flutung). Bei Niederspannung erzeugt man die erforderliche AW-Zahl mit wenigen Windungen
dicken Drahtes bei großer Stromstärke, bei hoher Spannung mit vielen Windungen dünnen Drahtes
bei kleinem Strom.
5.5. Spule mit Eisenkern
Durch Einführung eines Eisenkerns in eine stromdurchflossene Spule wird der erzeugte Magnetis-
mus erheblich verstärkt. Der durch die Spule fließende Strom erzeugt ein Raumfeld, das auch den
Eisenkern durchsetzt und dessen Molekularmagnete ausrichtet (Ausrichtung = Polarisation). Da-
durch kommt der von Natur aus im Eisen steckende Magnetismus als kräftiges Polarisationsfeld zu-
sätzlich zur Wirkung. Polarisationsfeld und Raumfeld ergeben zusammen das starke Gesamtfeld.
Das Magnetfeld ist umso stärker, je vollständiger der Eisenschluß des Feldlinienweges ist. Man
macht aus diesem Grunde bei Elektromagneten und Maschinen den Luftspalt so klein wie möglich.

Raum feld }
Polarisations- Gesamffeld
feld
Bild 1.29
Spule mit Eisenkern

5.6. Magnetischer Kreis


Man spricht vom "Magnetkreis", weil die Feldlinien des Magnetfeldes in sich geschlossen sind.
Die rechnerische Behandlung des Magnetfeldes ähnelt formal stark der des elektrischen Stromkrei-
ses. Obgleich es beim Magnetfeld keine Strömung magnetischer Teilchen gibt, die mit der Elektro-
nenströmung beim Stromkreis vergleichbar wäre, gelten doch die allgemeinen Strömungsgesetze,
wie z. B. das Ohmsche und die Kirchhoffschen Gesetze. Formal sieht es so aus, als ob die "magne-
tische Gesamtspannung" e = NI (Durchflutung = Amperewindungszahl) den "magnetischen Fluß"
IP durch den Kreis mit dem "magnetischen Widerstand" Rm triebe (siehe 1.5.7).

5.7. Größen des Magnetfeldes


Entsprechend dem Vergleich mit dem elektrischen Stromkreis (siehe I.5.6) unterscheidet man ma-
gnetische Fluß-, Spannungs- und Widerstandsgrößen.
a) Magnetische Flußgrößen
" h er FI uß n-.
M agne t1SC 'V. 1 I .30"1st
N ac h B"ld n-.
'V =-magnetische
-=----- Gesamtspannung
--"----=- e-
magnetischen Widerstand R m

e
NI
IP=-=-
e=NI
(I.21)
Rm Rm Vs A
A
Vs
(Ohmsches Gesetz des Magnetkreises)
676
I. Grundlagen
Dem magnetischen Fluß cP entspricht im elektrischen Stromkreis der Strom I. Der magnetische
Fluß cP hat die Einheit
I Voltsekunde (Vs) = 1 Weber = 1 Wb
Die Einheit Voltsekunde ergibt sich aus dem Induktionsgesetz (siehe 1.6.1).
[
Windungszahl N

[
\
magn. Quellen-
- spannung N· [
R Bild I.30
t1agneffluß ~
Magnetischer Kreis
magn. Widersfand Rm und elektrischer
(Eisenkern ) Stromkreis

t1agneffluß q,

m-""g~fQ",,,,h,;1I
,,+-
~
Windungszahl N
/~ \
!
/ / I I
~ magn. Flußdichte B
[
-magn Gesamfspannung
G=NI
A
mittl. Feldlinienlänge
I =dm · 7[

Bild 1.31. Magnetischer Fluß <P und Bild 1.32. Magnetische Spannung e und Feldstärke H
magnetische Flußdichte B

Magnetische Flußdichte B. Bild 1.31 stellt einen Ausschnitt aus dem Ring von Bild 1.30 dar. Dem-
nach ist:
magnetischer Fluß cP
magnetische Flußdichte B = - - - = - - - - - - -
Magnetquerschnitt A
B A
cP
B=- (1.22)
A ~2 = 1 T Vs= 1 Wb
m

Die magnetische Flußdichte B wird als magnetische Induktion bezeichnet. Sie ist vergleichbar mit
der Stromdichte J des elektrischen Stromkreises (siehe 1.1.3). B hat die Einheit:
Vs
1- = 1 Tesla = 1 T
m2

b) Magnetische Spannungsgrößen
Magnetische Gesamtspannung e (Durchflutung). Nach Bild 1.32 ist:
magnetische Gesamtspannung e = Amperewindungszahl

e=NI eiN I 1
(I.23)
A I A

677
Elektrotechnik

Magnetische Feldstärke H. Nach Bild 1.32 ist:


. .. magnetische Spannung (N l)
magnetische Feldstarke H = . I"ange I
F eIdl'lmen

H N I
H=NI (1.24)
I A
m
A m

Die magnetische Feldstärke H ist vergleichbar mit der elektrischen Feldstärke Ef im elektrischen
Stromkreis (siehe 1.8.2). H stellt die magnetische Spannung dar, die auf ein Feldlinienstück von
1 m Länge entfällt. H hat die Einheit:

1 Amperewind ung pro Meter ( ~ )

c) Magnetische Widerstandsgrößen
Magnetischer Widerstand Rm . Entsprechend dem elektrischen Widerstand R = !/(yA) ist der magne-
tische Widerstand

I A
R =.- (1.25)
m IlA A Vs
Vs m Am

Der magnetische Widerstand R m entspricht dem Widerstand R des elektrischen Stromkreises und R m
hat die Einheit ANs.

magn. Widerstand mittl. Länge 1= dm . 7(


(z.B. EisenringJ Bild 1.33
Magnetischer Widerstand R m
~-+-Querschnitt A und Permeabilität IJ.

Die Permeabilität 11 ist die magnetische Leitfähigkeit eines "Leiters" magnetischer Feldlinien. Ihr
entspricht im elektrischen Stromkreis die elektrische Leitfähigkeit y(siehe 1.1.4).

Permeabilität
Il, Ilo Ilr
Il = Ilo Ilr (1.26)
Vs
Am

Die magnetische Feldkonstante Ilo (Induktionskonstante) ist das Verhältnis der im leeren Raum
erzeugten Flußdichte B o zur erregenden Feldstärke 1I:

Bo Ilo Bo H
llo=l1 Vs Vs A (1.27)
Am m2 m

Ihre Größe ist Ilo = 1,256 ,10-6 Vs/Am, d.h. die Feldstärke H = 1 A/m erzeugt im Vakuum die
Flußdichte B o = 1,256 ,10-6 Vs/m 2 = 1,256' 10-6 T.

678
I. Grundlagen

Die Permeabilitätszahl J.!r ist das Verhältnis der im Stoff erzeugten Flußdichte B zur Flußdichte
B 0 im leeren Raum:

B J.!r B,B o
J.!r = B o (1.28)
gleiche Einheit

Für Vakuum und Luft ist J.!r "'" 1, d.h. die im Stoff "Luft" erzeugte Flußdichte B ist ebenso groß
wie B 0 im leeren Raum.
Bei den ferromagnetischen Werkstoffen ist J.!r ~ 1, d.h. die in diesen Stoffen erzeugte Flußdichte B
ist wegen der Ausrichtung der Molekularmagnete viel größer als B o, das erzeugt würde, wenn der
gleiche Raum nicht mit polarisierbarem Stoff ausgeftillt wäre (siehe 1.5.5).

5.8. Magnetisierungskurven
Die Permeabilität der ferromagnetischen Werkstoffe ist nicht konstant, so daß man deren magne-
tische Eigenschaften durch Magnetisierungskurven angibt. Diese stellen die Abhängigkeit der im
Stoff erzeugten Flußdichte B von der erregenden Feldstärke H dar. Sie sind je nach Material ver-
schieden. Die Magnetisierungskurve für
magnetisch weiches Eisen (Bild 1.34) zeigt, Bin T

-
daß man im Berich von 0 bis etwa 1,2 T
mit wenigen Amperewindungen/m bereits
große B-Werte erzielen kann. Oberhalb 1,5
V-
dieses sogenannten "Knicks" der Magneti-
sierungskurve ist ein erheblicher Aufwand
an Amperewindungen (elektrische Lei- 1.0 I
L Dynamoblech I
stung, Spulenerwärmung) erforderlich, um (= Weicheisen=StahlgufJJ
B noch ein wenig höher zu treiben. Aus 0,5
diesem Grunde wählt man bei Weicheisen
B selten höher als 1,5 T. Die Magnetisie-
rungskurven werden meist so benutzt, daß
man ihnen für die gewählte Flußdichte B 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000
HinA/m
die erforderliche Feldstärke H = notwen-
dige Amperewindungszahl je m Feldlinien- Bild 1.34. Magnetisierungskurve von Dynamoblech I
länge entnimmt.
• Beispiel: Der in den Bildern 1.32 und I.33 dargestellte Ring besteht aus Weicheisen. Er hat d m =
318 mm mittleren Durchmesser, einen Querschnitt von SO mm· SO mm und trägt eine
Spule von N = 800 Windungen.
a) Welche magnetische Feldstärke ist erforderlich, um den Ring auf 1,2 T zu magneti-
sieren?
b) Welche Amperewindungszahl (magnetische Gesamtspannung) muß dafür aufgewendet
werden?
c) Welcher Strom muß fließen?
d) Wie groß ist der im Ring erzeugte Magnetfluß?
e) Wie groß ist die Permeabilitätszahl des Eisens bei dieser Flußdichte?
Lösung: a) Aus der Magnetisierungskurve von Weicheisen (Bild 1.34) ergibt sich für B = 1,2 T:
H = 500 Alm erforderliche Feldstärke.

b) H = ~ I; NI = H 1= 500 ~. 0,318 m· 1f = 500 A erforderliche AW-Zahl

679
Elektrotechnik

c) 1= ~ = 5~~OA = 0,625 A erforderliche Stromstärke

A ; cP=BA= 1,2 m
d) B = cP Ys2 . 25 '1O- 4 m 2 = 3 '1O- 3 ys

e) J1 r = ~ I B o = J1 H aus GI. (1.27)


0

Vs
B 1,2 m2
J1 =- = = 1910
r J10 H 1 256 .10- 6 ~ . 500 ~
, Am m

d.h. bei Ausfüllung des Spuleninneren mit dem Eisenring ergibt sich bei 1,2 Teine
1910ma! so große Flußdichte wie bei leerer Spule.

5.9. Magnetische Zugkraft


Die Zug- bzw. Haltekraft F eines Magnetpols ist um so höher, je stärker die magnetische Flußdichte
B im Luftspa!t und je größer der Polquerschnitt A ist:

Magnetische Zugkraft
F J10 B A
F=_l_ B 2 A (1.29)
2 J10 WS =N Vs Vs = T
m Am
m 2
m2

~ FI"ßdi"" 8

LUftspalt~ Zugkraft F

ITP'IQ~,,,,rnff A
Bild 1.35
Zugkraft eines Magnetpols

CJ~I~~[~~~~~I~I~:~ Magnetkörper
Wicklung (Gußstahl)
(Alu,eloxierf J

Abdeckplatte (Manganstahl,
unmagnetischJ
Bild 1.36
Sfahlblock Runder Lasthebemagnet

• Beispiel: Welche Tragkraft entwickelt der skizzierte Lasthebemagnet von 1 m Außendurchmesser,


wenn seine Pole je 1000 cm 2 Querschnitt haben und im Luftspalt zwischen Magnet und
Block eine Flußdichte von 1,2 T herrscht?

680
I. Grundlagen

Lösung: F =_1_
2110
B2 A I A =2A po1 = 2 ·1000 cm2 =2000 cm2 =0,2 m2
F= 1 v. lY y 2 : 2 ·0,2 m2 = 114650 Ws = 114650 N
2 ·1 256.10- 6 -2.. m m
, Am

Das entspricht einer Tragfähigkeit von 11,5 t bei 1 m Außendurchmesser.

6. Induktion und Kraftwirkung im Magnetfeld


6.1. Induktion durch Bewegung, Induktionsgesetz
Bewegt man einen Magneten in eine Spule hinein oder heraus, dann beobachtet man am Span-
nungsmesser während der Dauer der Relativbewegung zwischen Magnet und Spule eine Spannung
Ug• Diese ist um so höher, je stärker der Magnet und je rascher die Bewegung ist. Bei "heraus" ist
die Polarität von Ug umgekehrt wie bei "hinein" (Bild 1.37).

Induktionsregel
Ändert sich in einer Spule der Magnetfluß 4J, dann wird in ihr während der Dauer der Flußän-
derung eine elektrische Spannung induziert.

Die Größe der induzierten Spannung U g ist proportional der Spule Magnet
Spulenwindungszahl N und der Änderungsgeschwindigkeit ~
/).4J//).t des Magnetflusses:

+
U =-N /).4J (1.30) (-)
g ll.t

Spannungsmesser mit
(Induktionsgesetz bei Flußänderung) Nullpunkt in der Mitte
Bild 1.37. Induzierung einer Spannung
/).4J = 4Jend - 4J anfang Magnetflußänderung; /).t zur Magnet- durch Relativbewegung zwischen
flußänderung /). 4J gehörende Zeitspanne. Magnet und Spule

• Beispiel: Ein Magnet wird in 0,5 s aus einer Spule mit 200 Windungen herausgezogen. Er induziert
dabei eine mittlere Spannung von 80 mY. Wie groß ist der Fluß 4Jdes Magneten?

. Lösung: Ug = _ N /).4J = _ N 4Jend - 4Janfang


/).t M
4Jend = ° weil, Magnet draußen
4Janfang = 4J weil, Magnet drinnen
/).t = t
U=-N- 4J
g t

U t 80 . 10-3 Y . 0 5 s
4J=-g-= ' =02·1O-3 ys
N 200 '
d.h. der Magnet ist so stark, daß er beim Herausziehen in 1 s in jeder einzelnen Windung
der Spule eine Spannung von 0,2 mY während dieser Sekunde induziert (Einheit "Yolt-
sekunde" des Magnetflusses!).
Angewendet wird die Induktion durch Bewegung beim Generator. Bei diesem wird eine Spule im
Magnetfeld oder ein Magnet in einer Spule so gedreht, daß sich der Magnetfluß in der Spule ändert
(siehe I.8.l).

681
Elektrotechnik

6.2. Gegenseitige Induktion Spule 1 Spule 2


Eisenkern
Zwei Spulen sind elektrisch voneinander isoliert,
jedoch magnetisch miteinander gekoppelt, d. h. das
Magnetfeld, das die stromdurchflossene Spule (I)
erzeugt, durchsetzt auch die andere (2). Der ge-
meinsame Eisenkern ergibt eine besonders feste
magnetische Kopplung. Läßt man den Strom 1 in
Spule I durch Stellen am Widerstand R zu- oder
abnehmen, dann ändert sich der Fluß <P in gleicher
Weise. Da <P auch Spule 2 durchsetzt, induziert die
Flußänderung in ihr die Spannung Ug , deren Pola-
rität verschieden ist je nach Zu- oder Abnahme von
<P (Wechselspannung!). I zu-bzwlabJnehmend

Angewendet wird die gegenseitige Induktion z. B. Bild 1.38. Gegenseitige Induktion


beim Transformator, der zum Umspannen von
Wechselspannungen benutzt wird (siehe 11.4).

6.3. Selbstinduktion, Induktivität


Beim Einschalten der Spannung an einer Spule erzeugt der Strom 1 in ihr einen Magnetfluß, der
vom Wert Null auf <P ansteigt. Die dadurch bedingte Flußänderung induziert in der Spule eine Span-
nung U g , die der angelegten U entgegengerichtet ist (Gegeneinanderschaltung, siehe I.l.6).1 und <P
steigen verhältnismäßig langsam an, weil im ersten Augenblick U g = U und daher 1 = (U - U g)/
Rspule = 0 ist. 1 und <P steigen so langsam an, daß U g =
-N!!<P/11t im ersten Augenblick nach dem Einschalten Eisenkern
nicht größer als U wird. Je mehr sich 1 und <P ihren End- aus Blechen
werten nähern, desto kleiner wird ihre Änderungsge- zu-bzw
schwindigkeit und die davon abhängige Selbstinduktions- (abJnehmend
+
spannung Ug • Wenn 1 und <P ihren Endwert praktisch er-
reicht haben, ändern sie sich nicht mehr, es wird U g = 0
und 1 = UlRspule'
Beim Ausschalten gehen 1 und <P sehr rasch auf Null,
!!<P/11t ist dabei sehr groß und induziert kurzzeitig eine (AusJ
sehr hohe Abschaltspannung U g' Diese kann so hohe
Werte annehmen, daß die Spulenisolation durchschlägt,
besonders, wenn die Spule auf einem dicken geblechten +
Eisenkern sitzt und viele Windungen hat. u
Als Induktivität L bezeichnet man die Fähigkeit einer Bild 1.39. Ein- und Ausschaltung einer
Selbstinduktionsspule
Spule, auf Strom änderungen mit Selbstinduktionsspan-
nung Ug zu reagieren. Je höher Ug bei gegebener Stromänderungsgeschwindigkeit !!1/11t ist, desto
größer ist L. Bei Stromänderungen gilt:

L I t
U =-L M (I.31 )
At
g
v Vs
A
=H A

(Induktionsgesetz bei Stromänderung)

AI = I end - Ianfang Stromänderung; At zur Stromänderung AI gehörende Zeit.

682
I. Grundlagen
Die Größe der Induktivität L läßt sich aus der Windungszahl N der Spule und dem magnetischen
Widerstand R m (siehe 1.5.7) bzw. dem magnetischen Leitwert A = I/R m ihres Feldlinienweges
ermitteln:

L
A Vs (1.32)
Vs =H
A Vs A

Die Einheit der Induktivität L ist das Henry (H): I H = I Vs


A

• Beispiel: Ein aus Blechen bestehender ringförmiger Eisenkern (vgl. Bilder 1.32 und 1.33) hat 100 mrn
mittleren Durchmesser und 8 cm2 Eisenquerschnitt (Material: Dyn.BLI). Er trägt eine
Spule von 2200 Windungen und 14 n Widerstand, die an einer Spannung von 1 V liegt.
a) Wie groß ist die Induktivität L der Spule, wenn die Flußdichte im Eisenkern 1,2 T be-
trägt?
b) Wie groß wird die Selbstinduktionsspannung beim Abschalten, wenn der Strom in 1/100 s
auf Null absinkt?

N2
Lösung: a) L = R
m
IR m =
Il
Al = ~A aus (1.25) und (1.26)
Ilollr

L =N 2 • Ilo . Ilr . A Bo B B
Ilollr = H . B o = Haus (1.27) und (1.28)
I

darin H= 500~ für B = 1,2 T


aus Magnetisierungskurve Bild 1.34
12 '1O-6~
, 2 V
Ilollr ____m_ = 2400 '1O-6--.!..
500~ Am
m
2200 2 . 2400 '10- 6 ~. 8 . 1O-4 m 2
L= Am = 29,6 H beträgt die Induktivität der Spule
0,314 m
U IV
b)U =_L I1I
I1f = feod - fanfang fanfang = R = 14 n
g I1t
[anfang = 0,0715 A
111= 0 -0,0715 A = - 0,0715 A
Vs -0,0715 A
Ug = - 29,6 A' 0,01 s = 212 V Abschaltspannung

Angewendet wird die hohe Abschaltspannung einer Selbstinduktionsspule z. B. bei der Kraftfahr-
zeugzündung (Zündspule). Beim Öffnen des Unterbrecherkontakts entsteht eine Zündspannung
von etwa 15000 V.
Bei Wechselstrom wirkt die Selbstinduktionsspule als "Drosselspule". Der langsame Stromanstieg
bewirkt, daß der Strom I wegen des raschen Wechselns der Polarität nicht auf seinen Endwert an-
steigen kann. I bleibt daher stets unter dem Wert UlRspule, d. h. die Spule hat bei Wechselspannung
scheinbar einen höheren Widerstand als bei Gleichspannung. Sie wirkt auf den Wechselstrom
"drosselnd" (siehe I.8.5).

683
Elektrotechnik

6.4. Induktionsstrom, Lenzsche Regel


Bewegt man einen Magneten in einer kurzgeschlossenen (oder mit einem Verbraucher belasteten)
Spule, dann treibt die induzierte Spannung einen Strom I (Induktionsstrom). Dieser erzeugt eben-
falls ein Magnetfeld, den Spulenfluß cPsp •
Beim Hineinbewegen (Bild I.40a) steigt der Magnetfluß in der Spule durch das Eindringen von cPm
an. Der vom Induktionsstrom erzeugte Spulenfluß cPsp ist ein Gegenfluß, der entgegengesetzt zum
eindringenden Fluß cPm zeigt. Der Gegenfluß sucht die Induktionsursache, das Ansteigen des
Magnetflusses zu behindern.
Beim Herausbewegen (Bild I.40b) geht der Magnetfluß in der Spule durch das Herausnehmen von
cPm zurück. Die Polarität der induzierten Spannung und damit die Richtung des Induktionsstromes I
und des Spulenflusses cPsp kehren sich um. cPsp wird dadurch zum Mitfluß, der ebenso zeigt wie der
herausbewegte Fluß cPm . Der Mitfluß sucht die Induktionsursache, den Rückgang des Magnetflus-
ses, zu behindern.

---
hinein ~m heraus

~
JYj=

.fN---st-
sp
MitflUfJ! Bild I.40. Induktionsstrom bei Induktion
durch Bewegung
---I'-...'-... / /---/ a) beim Ansteigen
Spule kurzgeschlossen! b) beim Rückgang des Magnetflusses
~ &
Behinderungsregel (Lenzsehe Regel)
Induzierte Größen suchen ihre Ursache, d. h. den Flußanstieg bzw. -rückgang, zu behindern.

Die Behinderungsregel gilt wegen des Energieprinzips: bei Unterstützung statt Behinderung würde
Energie aus dem Nichts entstehen!
Bei gegenseitiger Induktion nach Bild I.38 würde bei kurzgeschlossener Spule 2 von der induzierten
Spannung Ug ebenfalls ein Induktionsstrom I getrieben, der den Flußanstieg bzw. ·rückgang durch
Bildung eines Gegen- bzw. Mitflusses behindern würde.
Als Wirbelstrom bezeichnet man einen Induktionsstrom, der durch Magnetflußänderung in einer
geschlossenen Metallmasse entsteht. Wenn z.B. eine von Wechselstrom durchflossene Wicklung
(Spule 1) einen massiven Eisenkern magnetisiert, dann induziert die dauernde Änderung des Ma-
gnetflusses cP_ in dem als kurzgeschlosse-
ne Spule 2 wirkenden Eisenkern einen Spule 1
starken Wirbelstrom Ij, der das Eisen er- / erforderliche Blechungsrichfung
wärmt und somit Verluste hervorruft.
Spule 2 (massiver Eisenkern)
Durch Zusammensetzen des Kerns aus
einzelnen durch Papier oder Lack elek-
trisch voneinander isolierten Blechen
(Bild 1.41) wird die Wirbelstrombahn un-
terbrochen und die Wirbelstromverlust-
leistung auf etwa I/N2 herabgesetzt (N
Blechanzahl). Genormte Blechstärken
sind 1,0; 0,75; 0,5 und 0,35 mm. Eine
weitere Herabsetzung der Wirbelströme in Wechselspan-
nungsquelle
Eisen wird durch Legierung mit Silicium
erreicht (Dyn.Bl.II ... IV). Bild 1.41. Wirbelstrom in einem massiven Eisenkern

684
I. Grundlagen

Durch Si wird außerdem das dauernde Umklappen der Molekularmagnete erleichtert, das bei
Wechselstrom ebenfalls Verluste und Erwärmung hervorruft (Geftigereibung, siehe 1.5.2).
Angewendet wird der Wirbelstrom z. B. bei der induktiven Erwärmung (Induktionsofen). Das zu
erwärmende Metall wird in ein Magnetfeld von höherer Frequenz (z. B. 1000 kHz) gebracht, das in
ihm starke Wirbelströme induziert und das Metall erhitzt. Bei kurzer Aufheizdauer und sofortiger
Abschreckung ist Oberflächenhärtung möglich, weil der Wirbelstrom praktisch nur in der Ober-
flächenzone fließt und diese zuerst erwärmt (Stromverdrängungseffekt).

6.5. Spannungserzeugung im geraden Leiter

Regel: Kraftwirkung zwischen Magnetfeld und bewegter elektrischer Ladung


Auf jede elektrische Ladung (z.B. Elektron), die quer zum Magnetfeld bewegt wird, übt das
Feld eine Kraft aus, die senkrecht auf der Bewegungs- und der Magnetfeldrichtung steht.

Bewegt man einen geraden Leiter durch ein Magnet- kleine Elek-
/ ' tronendichfe
feld von der Flußdichte B mit der Geschwindigkeit v,
// . x -bewegter
dann tritt zwischen seinen Enden eine elektrische
Spannung Ug auf. Grund: Die im Leiter vorhandenen Ug
N/' ~v
/. •
Leiter

~fJY
Leitungselektronen nehmen an der Bewegung des
Leiters teil, wobei auf sie vom Magnetfeld eine Kraft
F senkrecht zur Bewegungs- und Magnetfeldrichtung, / s
also in Längsrichtung des Leiters, ausgeübt wird. Da große Elek-
die Elektronen im Leiter frei verschiebbar sind, wird tronendichte
die Elektronendichte an dem einen Leiterende größer, Bild 1.42. Spannungserzeugung
am anderen kleiner: Spannung Ug • im geraden Leiter

Regel: "Feldlinienschneiden"
"Schneidet" ein Leiter magnetische "Feldlinien", dann wird in ihm eine Spannung induziert.

"Feldlinienschneiden" bedeutet: Bewegung durchs Magnetfeld senkrecht zu dessen Linienrichtung.


B v
Ug =Blv (I.33)
!!!
V m s

(Induktionsgesetz beim "Feldlinienschneiden ")


I wirksame Länge des Leiters im Magnetfeld; v Relativgeschwindigkeit zwischen Feld und Leiter.

• Beispiel: Ein Leiter befindet sich auf einer Länge von 60 cm in einem Magnetfeld von der Fluß-
dichte 1,2 T. Er wird mit einer Geschwindigkeit von 5 mls senkrecht zur Feldrichtung
bewegt. Welche Spannung entsteht dabei im Leiter?

Lösung: Ug =Blv = 1,2 V~


m
. 0,6 m . 5 !p = 3,6 V Spannung zwischen den Leiterenden.
Angewendet wird das Induktionsgesetz in dieser Form z. B. beim Gleichstromgenerator, bei dem
die Ankerdrähte von der Länge I mit der Geschwindigkeit u im Magnetfeld B gedreht werden, wo-
bei die Spannung Ug induziert wird (siehe 11.5.1).

685
Elektrotechnik

6.6. Kraft auf geraden Leiter im Magnetfeld, Feldlinienballung


Bewegt man die Elektronen in einem ruhenden Leiter durch ein Magnetfeld, indem man einen
Strom I hindurchschickt, dann übt das Feld auf jedes bewegte Elektron eine Kraft senkrecht zur
Bewegungs- und Feldrichtung aus. Da die Elektronen
den Leiter nicht quer zu dessen Längsachse verlassen
können, drücken sie alle zusammen auf die Leiterwand ,uhend..
mit der Gesamtkraft F. Kraft F auf stromdurchflos-
Leifer\
~
~ektronenbeWegUng
v
senen geraden Leiter im Magnetfeld:

F=Bl/ (1.34) ~r:O·;~O~l


5I
F B I

m A Bild 1.43. Kraft auf stromdurchflossenen


geraden Leiter im Magnetfeld

I wirksame Länge des Leiters im Magnetfeld; F Kraft zwischen Leiter und Feld.

• Beispiel: Ein Leiter befindet sich auf einer Länge von 60 cm in einem Magnetfeld von der Fluß-
dichte 1,2 T. Er wird vom Strom 25 A durchflossen. Wie groß ist die Kraftwirkung zwi-
schen Feld und Leiter?

Lösung: F= B l/= 1,2 V~ . 0,6 m' 25 A = 18 N


m
Angewendet wird diese Kraftwirkungsgleichung z. B. beim Gleichstrommotor, bei dem die Kraft F auf
die vom Strom I durchflossenen Ankerdrähte von der Länge I im Magnetfeld B ausgeübt wird. Aus
Kraft F und Hebelarm (Wirkabstand) r ergibt sich das Drehmoment M = Fr des Motors (siehe 11.6.1).

Die Richtung der Kraft ergibt sich aus der Strom- und der Magnetfeldrichtung nach der

Ballungsregel
Der stromdurchflossene Leiter sucht der Feldlinienballung auszuweichen.

N N Feldlinien- Bild 1.44


Flußdichte Bm ................,....~ r::,:,llußdichte B{ F
....
ballung der Kraftrichtung aus Feldlinienballung
f---"---'--; \!!J; des Leifers <l-~r:.:.~
des Magneten Gesamffluß- a) Feld des Magneten allein
5 dichte Bges b) Feld des Leiters allein
a) b) c) c) Gesamtfeld mit Ballung

Das Feld des Magneten (a) und das Feld des stromdurchflossenen Leiters (b) setzen sich zusammen
zum resultierenden Gesamtfeld (c), das rechts vom Leiter Feldlinienballung zeigt. Der Leiter sucht
nach links auszuweichen.
Das gleiche Ergebnis liefert die

Rechtehandregel
Hält man die rechte Hand so, daß die Magnetfeldlinien in ihre Innenfläche eintreten und der
abgespreizte Daumen in Stromrichtung zeigt, dann geben die gestreckten Finger die Richtung
der Kraft an.

686
I. Grundlagen

7. Elektrisches Feld
7.1. Kondensator, Kapazität
Ein Kondensator besteht im einfachsten Fall aus zwei voneinander isolierten Metallplatten, die ein-
ander gegenüberstehen (Bild 1.45).
a) Im ungeladenen Zustand haben beide Platten gleiche Elektronendichte.
b) Die Aufladung erfolgt durch eine Batterie, die das elektrische Gleichgewicht zwischen beiden
Platten stört, indem sie Elektronen von der einen in die andere Platte drückt. Der Ladestrom hört
auf, wenn die Kondensatorspannung U gleich der Quellenspannung Uq geworden ist.
c) Im geladenen Zustand speichert der Kondensator elektrische Energie, weil der Elektronendruck-
unterschied U = Uq zwischen beiden Platten sich wegen der Isolation nicht ausgleichen kann.
d) Die Entladung erfolgt z. B. über einen Kurzschluß. Die Überschußelektronen der Minusplatte
strömen wieder zurück, bis beide Platten wieder gleiche Elektronendichte haben.

Elektronen- E/ektronen-
strom strom

~bO
-i~~-- N.ll Bild 1.45
Kondensator bei Gleichspannung

U--
-U+
a) ungeladen
_Ug + b) Aufladung

-
c) geladen
Enfladesfrom I d) Entladung
Ladestrom I
a) b) c) d)

Als Kapazität C eines Kondensators bezeichnet man den Quotienten aus der elektrischen Ladung Q
und der elektrischen Spannung U:

Q It C Q U I
C=-=-
U U ~=F As V A
v
Q = It ist die elektrische Ladung (= Elektrizitätsmenge), die von der einen in die andere Platte ge-
schoben wird.

Die Einheit der Kapazität C ist: 1 ~ = 1 Farad = 1 F.


V

• Beispiel: Bei einem Kondensator fließt ein Ladestromstoß von 24 /J.As, wenn eine Spannung von
6 V angelegt wird.
a) Welche Kapazität hat der Kondensator?
b) Welche elektrische Energie speichert er dabei?

.. Q 24 . 10-6 As
Lösung: a) C= U= 6V = 4 ·10-6 F = 4 /J.F Kapazität

b) W = U mittel I t
6
I
Umittel =!f:
weil die Spannung bei der Entladung vom
Anfangswert U auf Null absinkt
W = 2" V· 24·10-6 As = 72 . 10-6 Ws = 72 /J.Ws gespeicherte Energie bei 6 V Spannung

687
Elektrotechnik

Bei Parallelschaltung von Kondensatoren ist die Gesamtkapazität C ges gleich der Summe der Ein-
zelkapazitäten:
Cges = Cl + C 2 + ... beliebig viele (1.36)
Bei Reihenschaltung von Kondensatoren ist der Kehrwert l/Cges der Gesamtkapazität gleich der
Summe der Kehrwerte der Einzelkapazitäten:

-C1 = -C 1 +... bel'leb'Ig Vle


1 + C- . 1e (1.37)
ges I 2

Gesamtkapazität bei 2 Kondensatoren in Reihe:


CI C2
Cges = CI + C2 (1.38)

Bei Reihenschaltung verhalten sich die einzelnen Spannungsfälle umgekehrt wie die Kapazitäts-
werte, d. h. am kleinsten Kondensator liegt der größte Teil der Gesamtspannung.

Plattenabstand
7.2. Größen des elektrischen Feldes I
Das elektrische Feld ist ein Zustand des Raumes Feldstärke Ef ------h
zwischen den beiden Platten eines geladenen Kon-
densators, der sich z. B. durch Kraftwirkungen auf Verschiebungs -
elektrisch geladene Teilchen äußert. Zwischen den dichte D -----.--.....:.""'-" Verschiebungs-
positiven Ladungen der +-Platte und den negativeQ 1fluß 1/1
der --Platte verlaufen "elektrische Feldlinien", d.h.
der Raum ist lückenlos durchsetzt mit Linien- und
Feldraumquer-
Zeigerichtung (vgl. Magnetfeld 1.5.1). Elektrisches schn it t AI-----ir-------1
und magnetisches Feld sind von völlig verschiede- + U
ner Art. Sie haben jedoch formal große Ähnlichkeit
miteinander (siehe 1.5.1 und 1.5.7).
Der elektrische Fluß 'P läßt sich als "Gesamtzahl
aller elektrischen Feldlinien" zwischen den von-
einander getrennten elektrischen Ladungen auf- (Q=[. t)
fassen. Seine Größe läßt sich angeben durch die Bild 1.46. Elektrische Feldgrößen am Beispiel des
Anzahl der verschobenen Elektronen, d.h. durch Plattenkondensators
die Größe der elektrischen Ladung Q =I t:

Elektrischer Fluß 'P = verschobene elektrische Ladung Q

'PI Q It
'P=Q=It (1.39)
As
Die Einheit der elektrischen Ladung ist das Coulomb C : 1C = lAs.
Die elektrische Flußdichte D läßt sich als "Anzahl der elektrischen Feldlinien je m 2 Feldraum-
querschnitt" auffassen.
' h FI ßd' ht D = elektrischer Fluß 'P
EI ekt nsc e u lC e Fläche A

'P D 'P A
D=- (1.40)
A As
As m2
m2
688
I. Grundlagen

Die elektrische Feldstärke Er läßt sich als "elektrische Spannung je m Feldlinienweg" auffassen.
. " Spannung U
ElektrIsche Feldstarke = F eldl"lmenI"ange I

U
Er =-
I IR:
vr U
-rn V m
I (1.41)

I Feldlinienlänge = Abstand der Plattenoberflächen.


Die Permittivität E verknüpft Feldstärke und elektrische Flußdichte:
elektrische Flußdichte D = Permittivität E • Feldstärke E f

D E, Eo Er Ef
D = E Er = Eo Er Er (1.42)
As As V
rn 2 Vrn rn

Die elektrische Feldkonstante Eo (Infiuenzkonstante) ist das Verhältnis der elektrischen Fluß-
dichte D o im leeren Raum zur Feldstärke Er:

= D o = 8 86 . 10- 12 ~
Eo Er' Vm

Die Permittivitätszahl Er ist das Verhältnis der elektrischen Flußdichte D in Material und Raum zu
D o im leeren Raum:

Er = ~ (reine Vergieichszahl)

Eine Gegenüberstellung der elektrischen und der magnetischen Feldgrößen zeigt die formale Ähn-
lichkeit beider Feldarten:
elektrischer Fluß P inAs lP in Vs magnetischer Fluß

elektrische Flußdichte . As-


D m . Vs-
B m magnetische Flußdichte
m2 m2
. V
E In
elektrische Feldstärke r m H'lll-
A
m
magnetische Feldstärke

As Vs Permeabilität
Permittivität E in- /! in-
Vm Am
As Vs magnetische Feldkonstante
elektrische Feldkonstante Eo in Vm /!o in Am
As Vs Permeabilitätszahl
Permittivitätszahl Er in Vm /!r in-
Am
C. As L . Vs
Kapazität lll-y lllA Induktivität

Beispiel für Größen des elektrischen Feldes siehe 1.7.3.

7.3. Kapazität in Abhängigkeit von lsoIiermaterial und Baugröße


Im Isoliermaterial ruft die elektrische Feldstärke eine Ausrichtung der "molekularen Dipole" (Teil-
chen mit +- und --Pol) hervor, die der Ausrichtung der Molekularmagnete im Magnetfeld ent-
spricht. Diese als "elektrische Polarisation" bezeichnete Erscheinung geht ebenfalls unter Gefüge-

689
Elektrotechnik

reibung vor sich (vgl. 1.5.2). Bei Wechselspannung verursacht dies Erwärmung durch die sogenann-
ten "dielektrischen Verluste" (vgl. Verluste durch dauerndes Umklappen der Molekularmagnete,
1.5.2).

Tafel 1.5. Permittivitätszahl Er und Durchschlagsfestigkeit Efmax von Isolierstoffen (mittlerer Wert
bei 50 Hz)

Efmax Efmax
Stoff Er kV Stoff Er kV
- -
mm mm

Aluminiumoxid 8,5 1000 Papier, getränkt


Aceton 21 - für Kondensatoren 2 ... 5 20 ... 200
Clophen 5 20 Trolitax 5 15
Epsilan bis 7000 - Polystrol
Glas 6 20 ... 40 (Styroflex) 2,4 100
Glimmer 7 25 Porzellan 6 32
Hartgewebe 6 18 Schellack 3 -
Kondensa C und F 70 15 Silicone 3 ... 9 -
Kondensa N 40 - Steatit 6 25
Luft 1 3 TempaS 15 15
Mineralöl 2,2 8 Vakuum 1 -
Wasser desto 80 -

Durch Ausfüllen des Feldraumes zwischen den Kondensatorplatten mit Isoliermaterial (statt Luft)
ergibt sich eine größere Kapazität bei gleicher Baugröße, weil die Isolierstoffe höhere Permitti-
vitätszahlen Er haben als Luft. Außerdem wird die zulässige Spannung höher, weil die Isolierstoffe
eine größere Durchschlagsfestigkeit Efmax haben als Luft.

Die Kapazität C eines Kondensators ist um so größer, je größer seine Plattenfläche A, je kleiner
sein Plattenabstand I und je größer die Permittivität E seines Isoliermaterials ist (siehe Bild 1.46);
sie hängt also von Baugröße und Isoliermaterial ab:

C EO
As (1.43)
AS=F m
V Vm

A Plattenfläche = Feldraumquerschnitt zwischen den Platten; I Plattenabstand = Abstand der Plat-


tenoberflächen.

• Beispiel: Ein Kondensator besteht aus zwei Metallfolien von je 4,5 m Länge und 40 mm Breite, die
durch zwei Lagen mit Clophen getränkten Papiers von je 8 Jlm Dicke getrennt sind (Wickel-
kondensator , siehe I.7 .4).
a) Wie groß ist die Kapazität des Kondensators, wenn die Permittivitätszahl des Papiers
Er = 5 beträgt?
b) Wie groß ist die elektrische Beanspruchung des Papiers, wenn 160 V Gleichspannung
angelegt werden?
c) Welche elektrische Flußdichte und welcher elektrischer Fluß stellen sich bei dieser
Spannung ein?
d) Welche Kapazität ergibt sich aus elektrischem Fluß und Spannung?

690
I. Grundlagen

€o€r A A = 2 . 4,5 m ' 0,04 m = 0,36 m2 (Faktor 2 wegen beidseitiger


Lösung: a) C = - Z - Ausnutzung der Plattenflächen beim Wickel!)

886·
, ~ • 5 ·036
10- 12 V ' m2
C= m 6 = I . 10- 6 F = IIlF Kapazität
16 · 10- m
U 160 V kV kV .
b) E f = -= 6 10- 6 = 1000 - = 10 - elektnsche Beanspruchung = Feldstärke
I' m m mm

c) D = €o €
r
~ • 5 . 1000· 103 y...
E f = 8 ,86· 10- 12 Vm m

D = 443 . 10- 6 A~ elektrische Flußdichte


m
D= p. P = DA = 443 . 10- 6 As . 0 36 m2
A' Vm '
P = 0,16 . 10-3 As elektrischer Fluß = verschobene Ladung

d) C= %I Q= P=0,16·1O- 3 As

C = 0,16' 10- 3 As = I '10- 6 As = I"F Kapazität wie bei a)


160V V t"

7.4. Wickelkondensatoren
Der Papierkondensator mit Metallfolien (gewöhnlicher Papierkondensator) wird als Wickelkonden-
sator aus zwei dünnen Aluminiumfolien hergestellt, die durch mindestens je zwei Lagen Isolier-
papier getrennt sind. Das Papier ist mit Öl, Clophen oder Wachs getränkt (höhere Durchschlags-
festigkeit, größeres €). Papier-Doppellagen wegen FehlersteIlen des Papiers. Für größere Kapa-
zitätswerte werden mehrere Wickel parallelgeschaltet und in einem gemeinsamen Metallbecher un-
tergebracht. Angewendet wird der Papierkondensator bei Gleich- und Wechselspannung (siehe 1.8.8
und 11.10.3). Zu beachten ist, daß bei Wechselspannung 50 Hz nur etwa ein Drittel der angegebenen
Betriebsgleichspannung zulässig ist.
Metallfolie 2 Anschluß 2 Wickel

je 2Lappen - - - :S;:-I---::-::::::;:,;:;~-­
lsolierpopier -
Bild 1.47
Wickelkondensator
Metallfolie 1

Der MP-Kondensator (Metallpapier-K.) hat keine Metallfolien, sondern der Metallbelag wird durch
eine nur etwa 0,07 Ilm dicke Zinkschicht gebildet, die auf das lackierte Isolierpapier im Vakuum
einseitig aufgedampft ist. Durch Aufeinanderwickeln zweier metallisierter Papierbahnen wird meist
unter Zwischenlegen einer oder mehrerer Lagen metallfreien Papiers ein Wickel ähnlich Bild 1.47
hergestellt. Der Hauptvorteil des MP-Kondensators ist seine "Selbstheilung" ,d.h. bei einem Durch-
schlag brennt die äußerst dünne Metallschicht rund um die Durchschlagsstelle weg, so daß kein
Kurzschluß zurückbleibt und der Kondensator weiterhin einwandfrei ist. Ein Metallfolienkondensa-
tor dagegen hat nach einem Durchschlag Kurzschluß und ist damit unbrauchbar. Der MP-Konden-
sator verträgt bei Wechselspannung 50 Hz knapp die Hälfte der angegebenen Betriebsgleichspannung.
Anwendung, wenn es auf hohe Betriebssicherheit ankommt .

691
Elektrotechnik

Beim ML-Kondensator (Metall-Lack-K.) wird der eine Belag durch eine beidseitig lackierte Alumi-
nium-Trägerfolie gebildet. Auf die Lackschichten sind wie beim MP-Kondensator dünne Metall-
schichten aufgedampft, die miteinander verbunden den zweiten Belag bilden. Vorteile: selbstheilend,
hohe zeitliche Konstanz des Kapazitäts- und Isolationswertes, Baugröße nur etwa ein Drittel von MP.
Der Kondensator mit KunststoffisoIation hat anstelle von Papierbahnen solche aus Polystyrol
zwischen den Aluminiumfolien. Vorteil: besonders hoher Isolationswiderstand und kleine dielek-
trische Verluste (siehe 1.7.3). Angewendet bei hochohmigen Schaltungen und höheren Frequenzen.

7.5. Elektrolytkondensatoren
Beim Elektrolytkondensator werden zwei Aluminiumfolien aufgewickelt, zwischen denen je eine
Bahn verhältnismäßig dicken saugfähigen Papiers liegt. Das Papier ist mit einer elektrolytisch lei-
tenden Flüssigkeit getränkt. Bei Anlegen einer Gleichspannung bildet sich auf der positiven Folie
eine sehr dünne Aluminiumoxidschicht (AI 2 0 3), die eine hohe Durchschlagsfestigkeit (1000 kV /mm)
und eine große Permittivität (€r = 8,5) hat (siehe Tafel 1.5). Die Isolierschicht wird dabei nicht
durch das (elektrolytisch leitende) Papier gebildet, sondern durch die sehr dünne Al 2 0 3 -Schicht
mit großem €: große Kapazität bei kleiner Baugröße. Beim Anschließen ist die Polarität zu beach-
ten, sonst Zerstörung des Kondensators! Beim bipolaren Elektrolytkondensator ist die Polari-
tät gleichgültig. Der sogenannte NV-Elko (Niedervolt-Elektrolytkondensator) wird bis etwa 100 V_,
der HV-Elko (Hochvolt-) bis etwa 550 V_hergestellt. Anwendung, wenn billiger Kondensator
hoher Kapazität bei kleiner Baugröße erforderlich ist. Für Wechselspannung nur in Ausnahme-
fällen und bei sehr niedriger Spannung brauchbar. Der Tantal-Kondensator ist ebenfalls ein Elektro-
lytkondensator, bei dem Tantal anstelle von Aluminium verwendet wird. Noch erheblich kleiner,
aber viel teurer.

Bild 1.48 Isolierschichten Alz 03


Anordnung der Folien beim
Elektrolytkondensator
Papier mit Elektrolyt getränkt
7.6. Sonstige Kondensatoren
Keramische Kondensatoren bestehen aus Scheiben, Röhrchen oder Töpfen aus einer keramischen
Masse, die auf beiden Seiten je einen Silberbelag tragen. Die Massen haben entweder kleine dielek-
trische Verluste bei niedrigeren €-Werten (Tempa, Calit) oder große €-Werte bei höheren Verlusten
(Kondensa, Epsilan), so daß mit ihnen entweder besonders verlustfreie Kondensatoren oder solche
besonders kleiner Baugröße hergestellt werden können. Anwendung in der Hochfrequenztechnik.
Als einstellbare Kondensatoren werden Drehkondensatoren zur Kapazitätsänderung im Betrieb,
und Trimmerkondensatoren zur einmaligen Einstellung mittels Werkzeug verwendet.

7.7. Körper-, Leitungs- und Wicklungskapazität


Jeder Körper hat eine Kapazität gegen Erde, Zimmerwände usw. Eine Metallkugel z. B. hat eine
Kapazität gegen Erde, die um so höher ist, je größer die Kugel und je näher sie der Erde (Fußboden,
Wasserleitung usw.) ist. Kapazität bedeutet auch hier, daß man je Volt angelegter Spannung eine be-
stimmte Elektronenmenge (Ladung Q) auf die Kugel bringen oder von ihr abziehen kann (-- bzw.
+-Ladung).
Die Adern einer Leitung haben gegeneinander und gegen Erde eine bestimmte Kapazität. Sie wir-
ken wie die voneinander isolierten Platten eines Plattenkondensators: Leitungskapazität. Man kann
eine nicht belastete Leitung mit einer Spannung aufladen. Sie hält diese Ladung je nach Güte ihrer
Isolation mehr oder weniger lange (Vorsicht: abgeschaltete Leitung kann noch geladen sein!).
Die Drähte einer Spule haben ebenfalls gegeneinander eine Kapazität, die sich jedoch meist erst bei
höheren Frequenzen bemerkbar macht.

692
I. Grundlagen

8. Wechselstrom
8.1. Erzeugung einer sinusförmigen Wechselspannung
Eine Wechselspannung hat die Eigenschaft, daß sie dauernd ihre Polarität ändert. Bei der perio-
dischen Wechselspannung sieht der nächste Kurvenzug wieder genau so aus, wie der vorhergehende.
Die sinusjörmige Wechselspannung wird in der Praxis am häufigsten verwendet, weil sie die gering-
sten Verluste in elektrischen Maschinen und Transformatoren hervorruft.

w=konst~ 00
w· t I- <P
q>=p,
A i Pges (BhomogenJ u ""ges
·[oswt

90 0 N 270 0

\
180 0
a) bJ

Bild 1.49. Theoretische Erzeugung einer sinusförmjgen Wechselspannung


a) Schnittbild einer im Magnetfeld gedrehten Spule, b) Magnetfluß- und Spannungsverlauf in der Spule

Dreht man eine Spule von der Fläche Ages nach Bild I.49 im homogenen Magnetfeld B, dann ändert
sich der von der Spule umfaßte Teil (/J des Gesamtflusses (/Jges cosinusförmig mit dem Drehwinkel
rot, weil die Projektionsfläche A = Ages cos rot und BA = BA ges cos rot = (/Jges rot ist. Bei Drehung
mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ro induziert die cosinusförmige Magnetflußänderung in der
Spule die sinusförmige Wechselspannung u = a sin rot. Bei 90° Drehwinkel ist die Flußabnahme
I'!.(/J/M am größten, die induzierte Spannung u hat dabei ihren Scheitelwert + a. Bei 270° maximaler
Zunahme von (/J, daher - a. Bei 0°, 180° und 360° ist I'!.(/J/M = 0 (horizontaler Flußverlauf) und
daher u = O.
Bei Drehung einer Spule im Magnetfeld wird in denjenigen Stellungen die höchste Spannung indu-
ziert, in denen der Magnetfluß in der Spule durch Null geht. Dort werden die meisten Feldlinien ge-
schnitten.

8.2. Frequenz und Drehzahl


Frequenz j= Periodenzahl pro Sekunde (Bild I.50)

Einheit: I Periode = 1 Hertz = 1 Hz = -.L


Sekunde s
Gebräuchliche Frequenzen der Elektrotechnik:
16~ Hz ftir elektrische Bahnen; 50 Hz für Licht- U,I 3 Perioden
und Kraftnetze; 50 Hz ... 20 kHz tonfrequente / ~
Wechselströme; 100 kHz ... 100 MHz Funksen-
der; 100 MHz bis über 30000 MHz ftir Fern-
t
sehen, drahtloses Fernsprechen, Radar usw.
Günstigste Frequenz für Licht- und Kraftnetze:
Bei der Frequenz 50 Hz des technischen Wech- 1Sekunde
selstroms läßt sich die elektrische Energie am Bild 1.50. Sinusförmiger Verlauf mit der
wirtschaftslichsten übertragen. Frequenz 3 Hertz

693
Elektrotechnik

Für die praktische Erzeugung sinusförmigen Wechselstroms verwendet man die schematisch darge-
stellten Wechselstromgeneratoren. Ein über Schleifringe mit dem Erregergleichstrom le erregtes
Polrad wird in der Ständerwicklung durch mechanischen Antrieb gedreht. Dadurch wird in dieser
die Wechselspannung U mit der Frequenz f induziert.
Zwischen der Drehzahl n und der Frequenzfbesteht bei Wechselstrom die konstante Beziehung:
60-s-. f n f p
nun
n=--- (1.44)
p

(gilt für Wechsel- und Drehstrommaschinen)


p Poipaarzahl der Maschine

Die Maschine mit p = I (Bild 1.51a) muß als Generator mit n = 3000 I/min angetrieben werden,
wenn sie die Frequenz f= 50 Hz liefern soli, die mit p = 2 (Bild 1.51b) mit n = 1500 I/min ftir
f= 50 Hz. Bei Verwendung als Motoren liefern diese Maschinen Drehzahlen von 3000 bzw. 1500
I/min, wenn sie in das Wechselstrornnetz von der Frequenz 50 Hz angeschlossen werden. Dreh-
zahlreihe normaler Wechsel- und Drehstrommaschinen beif= 50 Hz: 3000, 1500, 1000,750,600,
500 I/min usw .je nach Polpaarzahl.

Sfänder (Dyn. BI)

Polrad (6S. Dyn. BI.)


Ständer wicklung (Cu)

Erreger wicklung ([uJ

0) b)
u u
f f
Bild 1.51. Schematischer Aufbau von Wechselstromgeneratoren
a) Maschine mit I Polpaar, b) mit 2 Polpaaren

83. Effektivwert u.i ü,t (Scheitelwerte)


Da sich die Momentanwerte u, i bei Wechselstrom
dauernd ändern zwischen den Scheitelwerten ± u, U,I (Effektivwerte)
± i, gibt man die Volt- bzw. Amperezahl für den
Effektivwert U, I an.
Der Effektivwert ist der Wirkungs- oder Leistungs-
mittelwert (quadratischer Mittelwert). Eine Wech- Bild 1.52. Bezeichnungen von Wechselstrom- und
selspannung bzw. -strom vom Effektivwert U bzw. Spannungsgrößen
I übt auf einen Ohmschen Verbraucher die gleiche
Wirkung aus wie eine Gleichspannung bzw. -strom U_ bzw. L von gleicher Volt- bzw. Amperezahl.
Beispiel: Brennt eine Glühlampe bei der unbekannten Wechselspannung U genauso hell wie z.B.
bei 220 V Gleichspannung, dann ist der Effektivwert dieser Wechselspannung U = U_ = 220 V. Ent-
sprechendes gilt für 1. Effektivwert und Scheitelwert bei Sinusverlauf:
u = ..J2 U bzw. { = ..J2I (1.45)
..J2 Scheitelfaktor der Sinuskurve.
694
I. Grundlagen

• Beispiel: Wie groß ist der Scheitelwert einer Wechselspannung von 220 V?
Lösung: u=V2 u =V2' 220 V =310 V Scheitelwert bei 220 V Effektivwert und sinusförmigem
Verlauf.

8.4. Zeigerdiagramm
Anstelle des Sinusdiagramms wird in der Wechselstromtechnik meist das Zeigerdiagramm zur Dar-
stellung sinusförmiger Verläufe benutzt. Man denkt sich dabei den Zeiger von der Länge a(bzw. f)
mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit w entgegem dem Uhrzeiger kreisend. Die Projektion
a
des Zeigers auf die u-Achse ergibt im Sinusdiagramm die jeweiligen Momentanwerte u, die über
dem Drehwinkel wt aufgetragen werden. Anstelle von a und fbenutzt man fast immer die Effektiv-
werte U und I (Maßstabsänderung um den Faktor '>/2).

----
w=konsf
u
u=u· sin wt

270 360 wto

\J Bild 1.53. Zusammenhang zwischen


Zeiger- und Sinusdiagramm

Die Winkelgeschwindigkeit w (Kreisfrequenz), mit der der Zeiger kreist, ist proportional der Fre-
quenz!,

W=211f (1.46)

Der vom Zeiger in I s überstrichene Winkel (Winkelgeschwindigkeit w) beträgt also f mal 2 1C.

• Beispiel: Wie groß ist die Kreisfrequenz bei f= 50 Hz?

Lösung: w = 2 11 f= 211' 50 Hz = 314 1. = 314 rad (siehe Mechanik 1I.1.3).


s

8.5. Wechselstromwiderstände
Bei Wechselstrom gibt es außer dem Wirkwiderstand R (z.B. Ohmscher Widerstand wie Glühlam-
pe, Heizofen u. dgl.) noch den induktiven Blindwiderstand XL (Spule) und den kapazitiven Blind-
widerstand Xc (Kondensator). Die Zusammenschaltung von X und R ergibt den Scheinwiderstand Z.
Beim Wirkwiderstand R sind Spannung und Strom in Phase, d. h. beide gehen im gleichen Augen-
blick gleichsinnig durch Null. Der Wirkwiderstand gibt alle aufgenommene elektrische Leistung in
einer anderen Energieform wieder ab, z. B. als Wärme, Licht oder mechanische Energie.
Beim induktiven Blindwiderstand XL eilt der Strom der Spannung um den Phasenwinkel q> = 90°
nach (Nacheilung: + 90°), d. h. der Strom geht um 90° später gleichsinnig durch Null als die Span-
nung. Der Blindwiderstand gibt die aufgenommene elektrische Energie nicht in anderer Form wie-
der ab, sondern speichert sie nur in der einen Viertelperiode, um sie in der nächsten wieder als
elektrische Energie an das Netz zurückzuliefem. Der induktive Blindwiderstand speichert in Form
von magnetischer Energie, die beim Flußrückgang über den Induktionsvorgang wieder in elektrische

695
Elektrotechnik

Energie zurückverwandelt wird. Die induktive Phasenverschiebung ist bedingt durch das Indukti-
onsgesetz (1.30). Zwischen dem cosinusförmig verlaufenden Magnetfluß <P und der induzierten si-
nusförmigen Spannung e liegt ein Winkel unterschied von q> = 90° (Bild 1.49b).
Der Betrag des induktiven Blindwiderstandes XL ist das Produkt aus der Kreisfrequenz co und der
Induktivität L der Spule.

(1.47)

XL steigt mit wachsender Frequenz (co = 2 re/, siehe GI. (1.46».

--I

cD"
a) b)

Bild 1.54. Spannungs- und Stromverlauf beim Wirkwiderstand R


c)

a) Schaltbild, b) Sinusdiagramm, c) Zeigerdiagramm

--I

a) c)

Bild 1.55. Spannungs- und Stromverlauf beim induktiven Blindwiderstand XL


a) Schaltbild, b) Sinusdiagramm, c) Zeigerdiagramm

-I

j
a) c)

Bild 1.56. Spannungs- und Stromverlaufbeim kapazitiven Blindwiderstand Xc


a) Schaltbild, b) Sinusdiagramm, c) Zeigerdiagramm

696
I. Grundlagen

• Beispiel: Wie groß ist der induktive Blindwiderstand einer Spule von 3 H Induktivität
a) bei 50 Hz, b) bei 250 Hz?

Lösung: a)XL=wL I w=2rrf=2rr.50Hz=314~


1 Vs
XL = 314 -·3 - = 942
s A
n Blindwiderstand bei 50 Hz

b) w=2rr·250Hz=1570 sI
XL = 1570! ·3 Vs = 4710
s A
n Blindwiderstand bei 250 Hz

Beim kapazitiven Blindwiderstand Xc eilt der Strom der Spannung um den Phasenwinkel cp = 90°
voraus (Voreilung: - 90°), d. h. der Strom geht um 90° früher gleichsinnig durch Null als die Span-
nung. Als Blindwiderstand speichert der Kondensator die aufgenommene elektrische Energie in
Form von elektrischer Feldenergie und gibt sie in der nächsten Viertelperiode beim Rückgang der
Netzspannung wieder als elektrische Energie an das Netz zurück. Die kapazitive Phasenverschie-
bung kommt dadurch zustande, daß der Kondensatorstrom immer dann seinen Höchstwert i hat,
wenn die Spannung sich am stärksten ändert, also in den Nulldurchgängen von u (Bild I.56b).
Der Betrag des kapazitiven Blindwiderstandes Xc ergibt sich aus der Kreisfrequenz w und der Ka-
pazität C des Kondensators:

Xc w C
1
X c--wC
- (I.48)
F = As
V

Xc nimmt mit wachsender Frequenz ab (w = 2 7rf, siehe GI. (1.46)).

• Beispiel: Welchen Blindwiderstand hat ein Kondensator von 8 J,1F


a) bei 50 Hz, b) bei 250 Hz?

Lösung: a) Xc = wlC I w = 314 ~ (siehe voriges Beispiel)


1
Xc = "" 400 n Blindwiderstand bei 50 Hz
314l. 8 .10-6 As
s V

b) w = 1570 ~ (siehe voriges Beispiel)

Xc = 1 "" 80 n Blindwiderstand bei 250 Hz


1570 l. 8 . 10-6 As
s V ----I

Bei Reihenschaltung eines Blindwiderstandes X (z. B.


induktiv) und eines Wirkwiderstandes R erzeugt der
gemeinsame Strom I an X den Blindspannungsfall Ub
und an R den Wirkspannungsfall U w . Nach Bild I.57b
addieren sich beide geometrisch zur Gesamtspannung
if ~ b)
Bild 1.57. Scheinwiderstand bei Reihenschaltung
(1.49) von XL und R a) Schaltbild, b) Zeigerdiagramm

697
Elektrotechnik

Entsprechend den Spannungen addieren sich auch der Wirkwiderstand R und der Blindwiderstand
X geometrisch zum Scheinwiderstand Z:

Z=)R 2 +X 2 (1.50)
• Beispiel: Ein Ohm scher Widerstand von 40.Q und ein Blindwiderstand (z.B. induktiv) von 30 .Q
liegen in Reihe an 100 V Wechselspannung.
a) Wie groß ist der Scheinwiderstand der Reihenschaltung?
b) Wie groß sind Wirk- und Blindspannungsfall an den Einzelwiderständen ?

Lösung: a) Z = )R 2 + Xl = J40 2 + 30 2 .Q = 50 .Q Scheinwiderstand (nicht 70 D!)

b)/=!:!= 100 V =2A


Z 50.Q
Uw = IR = 2 A ·40 .Q = 80 V Wirkspannungsfall
Ub = IX L = 2 A . 30 .Q = 60 V Blindspannungsfall
Probe: U= JU?;. + U6 = J80 2 + 602 V = 100 V Gesamtspannung (nicht 140 V!)

Bei Parallelschaltung eines Blindwiderstandes X (z.B. kapazitiv) und eines Wirkwiderstandes R


treibt die gemeinsame Spannung U durch X den Blindstrom I b und durch R den Wirkstrom lw. Nach
Bild I.58b addieren sich beide geometrisch zum Gesamtstrom I:

I=J/~+/~ (1.51 )
Entsprechend den Strömen addieren sich auch der
Wirkleitwert l/R und der Blindleitwert I/X geome-
u
trisch zum Scheinleitwert 1/Z:

(1.52)
Bild 1.58. Scheinwiderstand bei Parallelschaltung
• Beispiel: Ein Ohmscher Widerstand von 40 .Q und ein
von Xc und R
Blindwiderstand von 30.Q liegen parallel an 120 V
a) Schaltbild, b) Zeigerdiagramm
Wechselspannung.
a) Wie groß ist der Scheinwiderstand der Parallelschaltung?
b) Wie groß ist der Gesamtstrom?
c) Wie groß sind Wirk- und Blindstrom?

.. 1,/(1)2 (1)2 ,/1 11


Lösung: a) Z = VI R + X = V402 + 302 = 0,0417
I
n
Scheinleitwert n
Z = 1 1 = 24 .Q Scheinwiderstand
0,0417 n
U 120V
b) 1 = Z = 24.Q = 5 A Gesamtstrom

U 120 V .
c) I w = R = 40.Q = 3 A Wukstrom

1 = ~ = 120 V = 4A Blindstrom
b Xc 30.Q

Probe: 1 = JIJ, + 16 = )3 2 + 4 2 A = 5 A wie unter b) (und nicht 7 A!)


698
I. Grundlagen
8.6. Leistung bei Wechselstrom
Entsprechend dem Widerstandscharakter des Verbrauchers unterscheidet man bei Wechselstrom die
Wirkleistung, die vom Verbraucher restlos in eine andere Energie verwandelt und nach außen abge-
geben wird, die Blindleistung, die nur während einer Viertel periode gespeichert und in der nächsten
wieder als elektrische Energie an das Netz zurückgeliefert wird, und die Scheinleistung, die sich
aus bei den geometrisch zusammensetzt.
Die Wirkleistung P ist nach Bild 1.57 bei Reihenschaltung P = V wl bzw. nach Bild 1.58 bei Parallel-
schaltung P = VI w . Bei Reihenschaltung ist meist nur die Gesamtspannung V gegeben, bei Parallel-
schaltung nur der Gesamtstrom I. Aus den Zeigerdiagrammen Bild 1.57b bzw. 1.58b ergibt sich, daß
V w = V cos cp bzw. Iw = I cos cp ist. Nach Einsetzen in die Gleichungen für P erhält man für die
Wirkleistung P bei Wechselstrom:

P= VIcos<.p P I V I I Icos<.p (I.53)


W VAl
V Gesamtspannung am Verbraucher;! Gesamtstrom durch den Verbraucher; cos <.p Leistungsfaktor
des Verbrauchers (siehe I.8.7).
Die Einheit der Wirkleistung P ist: 1 Watt = I W= 1 V . I A.
Die Blindleistung Q ist nach Bild 1.57 bzw. 1.58 Q = Vb I bzw. Q = Ulb. Setzt man nach den Zei-
gerdiagrammen Vb = V sin cp bzw. I b = I sin cp ein, so erhält man für die Blindleistung Q bei Wech-
selstrom:

Q = VI sin<.p Q I I Isin<.p
V I (I.54)
varVA 1
sin<.p Blindfaktor des Verbrauchers.
Die Einheit der Blindleistung Q wird willkürlich anders bezeichnet als die der Wirkleistung. Sie ist:
1 Voltampere-Reaktanz = 1 var = 1 V . 1 A.
Die Scheinleistung S ergibt sich sowohl bei Reihen- als auch bei Parallelschaltung zu:

S= VI (I.55)

Die Einheit der Scheinleistung S wird ebenfalls willkürlich anders bezeichnet als die der Wirklei-
stung. Sie ist: I Voltampere = 1 VA .

• Beispiel: Nach Bild 1.58 liegen ein Wirkwiderstand von 40 n und ein kapazitiver Blindwiderstand
von 30 n parallel an der Wechselspannung l20V.
a) Welche Wirkleistung, b) welche Blindleistung, c) welche Scheinleistung nimmt die
Schaltung auf, d) wie groß ist ihr Leistungsfaktor, e) wie groß ihr Blindfaktor?

Lösung:a)P=VIw I I
w
=!!.=120V=3A
R 40n
P = 120 V . 3 A = 360 W Wirkleistung

b) Q= VIb I=~=120V=4A
b Xc 30 n
Q = 120 V ·4 A = 480 var Blindleistung
c)S=VI I I=.JI;'+l~=.J32+42A=5A
S = 120 V' 5 A = 600 VA Scheinleistung
Probe: S = .Jp2 + Q2 = .J360 2 + 480 2 VA = 600 VA

699
Elektrotechnik

d)P= UIcos<{!
P P 360W .
cos<{! = UI = S = 600 VA = 0,6 LeIstungsfaktor
e) Q = UI sin<{!
. Q Q 480 var .
sm<{! = UI = S =600 VA = 0,8 Bhndfaktor

8.7. Leistungsfaktor cos<{!


Nach Bild 1.58b und 1.57b ist der Leistungsfaktor

Wirkleistung
cos rp= -=-=-=-
Scheinleistung s I U z
Der Leistungsfaktor cos rp ist das Verhältnis der Wirkleistung zur Scheinleistung
(allgemein: des Wirkanteils zur Gesamtgröße).

cos rp = 0,8 bedeutet demnach: Von je IAGesamtstrom sind 0,8 A Wirkanteil. Die restlichen 0,6 A
sind Blindanteil, denn:

I=JI!;. +16 =JO,8 2 + 0,6 2 A = IA


Nicht verwechseln darf man:
Wirkleistung abgegebene Wirkleistung
und
cos<{! = Scheinleistung 7) = zugeführte Wirkleistung
Der Leistungsfaktor eines Motors ist normalerweise kleiner als I, weil der Motor außer der von ihm
umgesetzten Wirkleistung zu seiner Magnetisierung eine zwischen Netz und Maschine hin- und her-
pendelnde Blindleistung benötigt. Im vereinfachten Ersatzschaltbild 1.59a kann man den Motor
als Parallelschaltung eines konstanten Magnetisierungsblindwiderstandes XL und eines mit wachsen-
der Last kleiner werdenden Wirkwiderstandes R auffassen (kleineres R nimmt größeren Wirkstrom
I w auf!). Das Zeigerdiagramm I.59b zeigt, daß der Leerlaufwirkstrom I wo nur klein und daher der
Leerlauf-Gesamtstrom 10 stark induktiv verschoben ist: Winkel rp groß, cos rp klein bei Leerlauf
eines Motors! Bei Vollast (Bild 1.59c) ist die Wirkstromaufnahme I w bei gleich großem Magnetisie-
rungsstrom h groß und damit der Winkel rp klein, der cos rp groß bei Voll ast.
Der auf dem Typenschild eines Motors angegebene Leistungsfaktor cos rp gilt nur für Vollast. Bei
Leerlauf oder Teillast ist der cos rp eines Motors erheblich schlechter.

u u

0)
------
[
b) c)
h=konsf

Bild 1.59. Leistungsfaktor eines Motors


a) vereinfachtes Ersatzschaltbild, b) Zeigerdiagramm bei Leerlauf, c) bei Vollast

700
I. Grundlagen
8.8. Phasenkompensation
Bei schlechtem Leistungsfaktor nimmt ein Verbraucher mehr Strom auf, als für seine Leistungs-
abgabe erforderlich wäre (Gesamtstromaufnahme I, dagegen für Leistungsabgabe nur I w erforder-
lich). Durch den Blindstrom werden im Generator und auf dem Übertragungsweg der elektrischen
Leistung (Leitungen, Transformatoren) zusätzliche Verluste hervorgerufen, die vermeidbar sind.
Zur Vermeidung der Zusatzverluste durch Blindstrom veranlaßt das E-Werk seine Abnehmer durch
Vorschriften oder Einbau von Blindstromzählern, den Übertragungsweg von Blindstrom freizu-
halten. Der Abnehmer wird also vom E-Werk dazu veranlaßt, den Leistungsfaktor seines Verbrauchs
ungefähr auf cos<p = 1 zu bringen, weil er sonst hohe Blindstromgebühren bezahlen müßte oder
ihm der Strom gesperrt würde.
Zur Phasenkompensation (Leistungsfaktorverbesserung) wird meist ein Phasenschieberkondensa-
tor parallel zum Verbraucher geschaltet. Die Kapazität C dieses Kondensators wird so groß gewählt,
daß seine Aufnahme an voreilendem Blindstrom I bc ebensogroß ist, wie die Aufnahme des Motors
an nacheilendem Ibm (Bild I.60b). Der Kondensator gibt in derjenigen Viertelperiode Blindleistung
zurück, in der der Motor solche aufnimmt und umgekehrt. Die zur Magnetisierung des Motors er-
forderliche Blindleistung pendelt also nur noch auf der kurzen Verbindungsleitung zwischen Motor
und Kondensator hin und her, so daß die lange Zuleitung vom E-Werk frei bleibt von Blindstrom.

'-':
Leifungs- Ibm
strom=Iw

Generator Phasenschieber- Motor


max 10A kondensator coscp=O,B
a) b)

Bild 1.60. Phasenkompensation bei einem Motor mittels Phasenschieberkondensator


a) Schaltbild, b) Zeigerdiagramm bezogen auf die Leitung

Diese Leitung fUhrt nur noch den Wirkstrom I w (Bild I.60a und b). Der Leistungsfaktor der ge-
samten Anlage (Motor + Kondensator) ist cos <Pges = l. Zur Einsparung an Kapazität begnügt man
sich in der Praxis mit cos <P ges "'" 0,95.
Die Phasenkompensation bewirkt entweder eine Verringerung der Verluste auf dem Über-
tragungsweg oder eine bessere Ausnutzbarkeit der Leitungen, Transformatoren und
Generatoren .

• Beispiel: Der Motor nach Bild I.60 hat bei 10 AStromaufnahme einen Leistungsfaktor von 0,8.
Durch Phasenschieberkondensator wird der Blindstrom von 6 A von der Leitung fernge-
halten, so daß auf ihr nur der Wirkstrom von 8 A fließt. Die Leitung hat 1 n Widerstand.
a) Welche Verlustleistung ergibt sich auf der Leitung bei nichtkompensiertem Verbraucher?
b) Welche ergibt sich bei Phasenkompensation?
c) Aufwieviel % ist die Verlustleistung zurückgegangen infolge Kompensation?
d) Mit welchem Wirkstrom könnte der Generator bei Kompensation zusätzlich belastet
werden, wenn er mit max. 10 A belastet werden darf?
Lösung: a) Pv = 1 2 • R z = 102 A2 ·1 n = 100 W Verlustleistung ohne Kompensation
b) P~ = I?;. . R z = 8 2 A2 • 1 n = 64 W Verlustleistung mit Kompensation
c) Die Verlustleistung ist nach a) und b) auf 64 % zurückgegangen
d) ,6.1 = I m.x - Iw = 10 A - 8 A = 2 A zusätzliche Belastung zulässig

701
Elektrotechnik

9. Drehstrom (Dreiphasenwechselstrom)

9.1. Erzeugung von Drehstrom

Der Drehstromgenerator ist ebenso aufgebaut wie der Wechselstromgenerator (Bild I.51), hat je·
doch drei gleiche Wicklungen, die gegeneinander um 120 0 versetzt sind. In diesen induziert das
Polrad drei Wechselspannungen gleicher Größe und Frequenz, die gegeneinander um 120 0 phasen-
verschoben sind. Bild I.61 b zeigt den zeitlichen Verlauf der Spannungen, aufgetragen über der Ab-
wicklung der Maschine (Ständer aufgeschnitten und geradegebogen). Bei Verkettung der drei Wick-
lungen in Stern CA) oder Dreieck (6) entsteht Drehstrom. Die Vorteile des Drehstroms sind Trans-
formierbarkeit (siehe 11.1.4), Leitungsmaterialerspamis bei Verkettung in A (siehe 11.1.3) und Dreh-
felderzeugung im Motor (siehe 11.7.1).

I
I 90 /U .
180 \270 3fO
"

.......: ,_/
: \
I
I

VI W2 VI V2 WI V2
0 ::::: 0 () 0
J
(~

ll--v
\~)

Abw;e",,,,

Klemmbretf
a) b)
Bild 1.61. a) Aufbauschema und Klemmbrett eines Drehstromgenerators. b) Spannungsverlaufüber der Abwick-
lung der Maschine aufgetragen

9.2. VerkettungsartenJ.. und f':,

Der Drehstromanschluß besteht aus den drei Außenleitern LI, L2 ; L3 und dem Neutralleiter N.
Bild I.62 zeigt, wie die drei Wicklungen eines Drehstromgerätes am Klemmbrett in J.. oder f':, ver-
kettet werden und wie sie dabei geschaltet sind. Die zyklische Vertauschung W2/U2/V2 gestattet
eine kreuzungsfreie Verkettung in f':,.
Bei Drehstrom unterscheidet man Leiter- und Stranggrößen (Bild 1.62). Die Leitergrößen (U, I) be-
ziehen sich auf die drei Leitungsadern Ll1L21L3. Die Leiterspannung U ist die Spannung zwischen
zwei Leitungsadern, der Leiterstrom I der Strom in einer Ader. Die Stranggrößen (Ustn I str ) beziehen
sich auf die drei Stränge (Wicklungen) des Gerätes.

702
I. Grundlagen

1
Ul
1
u-----o.:
I
U

L2
Wl
L2-------:..~
L3-----~------~
I
I L3----------------~
N-------1
I
~

LI L2 L3 N L1 L2 L3
Bild 1.62
a) Sternverkettung eines
IJI VI WI Drehstromgerätes
b) Dreiecksverkettung eines
W2 U2 V2 Drehstromgerätes

01 bJ

Die Strangspannung Ustr ist die Spannung zwischen Anfang und Ende einer Wicklung, der Strang-
strom I str der Strom in einer Wicklung des Gerätes. Zwischen den Leiter- und Stranggrößen be-
stehen je nach Verkettung folgende Beziehungen:

Spannung und Strom bei A


U= .J3 Ustr 1= I str (1.57)

Spannung und Strom bei 6.


U = Ustr 1= .J3 I str (1.58)

Der Verkettungsfaktor --13 des Drehstromes ergibt sich aus der geometrischen Aneinandersetzung
zweier gleicher Stranggrößen unter einem Winkel von 120°.

• Beispiel: Bei einem Drehstromgenerator liefert eine Wicklung eine Spannung von 220 V. Welche
Leiterspannung ergibt sich a) bei Stern-, b) bei Dreiecksverkettung der Wicklungen?

Lösung: a) U = .J3 Ustr = .J3. 220 V = 381 V Leiterspannung (verkettete Spannung) bei A
b) U = Ustr = 220 V Leiterspannung bei 6.

Die erforderliche Verkettungsart ftir ein Drehstromgerät richtet sich nach der Spannung U des
Netzes und der Spannung Ustr , die ftir eine Wicklung des Gerätes zulässig ist. Bei der üblichen Netz-
spannung 220/380 V muß ein Gerät, dessen Nennspannung a) mit 220/380 V (oder 220 V 6.) ange-
geben ist, in A ans Netz geschaltet werden, ein Gerät b) mit der Angabe 380/660 V (oder 380 V 6.)
dagegen in 6.. Im Fall a) wird es bei 6. überlastet, im Fall b) gibt es bei A nur ein Drittel der Lei-
stung (Heizgerät) bzw. darf nur mit etwa 60 % der Nennleistung belastet werden (Motoren).

703
Elektrotechnik

9.3. Leistung bei Drehstrom


Bei beliebiger Belastung ergibt sich die Wirkleistung P bei Drehstrom als Summe der einzelnen
Strangleistungen:

P = Pstrl + Pstr2 + Pstr3


(1.59)
Pstr = Ustr I str cos .,ostr

Bei symmetrischer Belastung (gleiche Belastung jedes Stranges) ist die Drehstrom-Wirkleistung

P =..[3 UI cos.,o P I U I I I cos.,o (1.60)


W VAl

U Leiterspannung = Spannung zwischen zwei Außenleitern; I Leiterstrom = Strom auf einem


Außenleiter; cos.,o Leistungsfaktor des Verbrauchers.
Die Gleichung gilt unabhängig davon, ob der Verbraucher in J..oder I::J. geschaltet ist. Die Größe der
Leistung ist bei A- oder I::J.-Schaltung desselben Verbrauchers jedoch verschieden (siehe zweites
Beispiel).

• Beispiel: Ein Drehstrommotor für 380 V hat 11 kW Nennleistung bei einem Wirkungsgrad von 0,87
und einem Leistungsfaktor von 0,84. Wie groß ist der Strom, der in jeder seiner drei Zu-
leitungsadern fließt?
Lösung: P = ..[3 UI cos.,o

1= P Pnenn 11 kW .
P = -T/- = 0,87 = 12,64 kW Lelstungsaufnahme
..[3. U· cos.,o

1= 12640 W =22,9 A entnimmt der Motor jeder Ader


..[3·380 V· 0,84

• Beispiel: Die drei Heizwendeln eines Drehstromheizgerätes haben je 38 n Widerstand.


a) Welche Leistung nimmt das Gerät bei I::J.-,
b) welche beiJ..-Schaltung an 380 V auf?
c) In welchem Verhältnis stehen die beiden Leistungen zueinander?
Lösung: a) Pt. = v'3 UIcos.,o 1= ..[3Istrt. nach Bild 1.62b und GI. (1.58)
. U 380V
dann: Istrt. = R = 38 n = 10A

1= ..[3·lOA = 17,3A
cos .,0 = 1 weil Heizwendel rein ohmsch
Pt. = ..[3. 380 V ·17,3 A . 1 = 11 400 W = 11,4 kW bei I::J.
b) P).. = ..[3 UI cos .,0 I = I str).. nach Bild 1.62a und GI. (1.57)
. Ustr 220 V
dann: Istr).. = T= 38 n = 5,78 A = I

P).. =..[3. 380V· 5,78 A·l = 3800 W = 3,8 kWbei),.


c) Pt.: PA = 11,4 kW : 3,8 kW = 3: 1
In I::J. nimmt ein Ohmscher Verbraucher die dreifache Leistung auf wie inJ...

704
11. Anwendungen

1. Verteilung der elektrischen Energie


1.1. Berechnung des Leitungsquerschnitts
Der Querschnitt S (oder q) einer Leitung muß so groß gewählt werden, daß die Leitung erstens kei-
nen zu hohen Spannungs- bzw. Leistungsverlust verursacht und zweitens nicht zu heiß wird. Als
Leitermaterial wird fast immer Kupfer, bei Freileitungen auch Aluminium verwendet. Die Leitun-
gen werden in 3 Gruppen eingeteilt: Bei Gruppe 1 handelt es sich um Rohrdrähte oder Rohrver-
legung (bis zu 3 Drähte in einem Rohr), bei Gruppe 2 um Kabel oder kabelähnliche Leitungen,
bei Gruppe 3 um einadrige Leitungen (frei in Luft). Die genormten Querschnitte q, ihre zugeord-
neten Sicherungen und die zulässigen Stromstärken [zul für Dauerbetrieb sind zusammengestellt in
TafeIII.1.

Der Bau von elektrischen Leitungen setzt die Kenntnis der Vorschriften VDE 0100 voraus.

Bei zweiadrigen Leitungen für Gleich- oder Wechselstrom (cos Cf> "" 1) wird der erforderliche Quer-
schnitt q entweder auf zulässigen Spannungsfall /l,.U (siehe 1.3.7) berechnet (bei längerer Leitung)
oder nach Tafel II. 1 auf zulässige Stromstärke [zul gewählt (bei kurzen Zuführungskabeln).

Tafel 11.1. Leitungsquerschnitte q. Der Praxis folgend wird hier der Buchstabe q statt S verwen-
det, siehe DIN 1304, Nr. 1.17.

Kupfer (Cu) Aluminium (Al)


Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3
q Izul Sich. I zu1 Sich. Izul Sich. Izul Sich. I zul Sich. Izul Sich.
mm 2 q q q q q q q q q q q q

0,75 - - 12 6 15 10 - - - - - -
1 11 6 15 10 19 10 - - - - - -
1,5 15 10 18 10 24 20 - - - - - -
2,5 20 16 26 20 32 25 15 10 20 16 26 20
4 25 20 34 25 42 35 20 16 27 20 33 25
6 33 25 44 35 54 50 26 20 35 25 42 35
10 45 35 61 50 73 63 36 25 48 35 57 50
16 61 50 82 63 98 80 48 35 64 50 77 63
25 83 63 108 80 129 100 65 50 85 63 103 80
35 103 80 135 100 158 125 81 63 105 80 124 100
50 132 100 168 125 198 160 103 80 132 100 155 125
70 165 125 207 160 245 200 - - 163 125 193 160
95 197 160 250 200 292 250 - - 197 160 230 200
120 235 200: 292 250 344 315 - - 230 200 268 200
150 - - 5 250 391 315 - - 263 200 310 250
185 - - 382 315 448 400 - - 301 250 353 315
240 - - 453 400 528 400 - - 357 315 414 315
300 - - 504 400 608 500 - - 409 315 479 400
400 - - - - 726 630 - - - - 569 500
500 - - - - 830 630 - - - - 649 500

705
Elektrotechnik

Längere Leitung auf Spannungsfall (Bild II.l)

2p q p I f:..U
q = - Il (II.!)
f:..U A m V

p
q Querschnitt einer Leitungsader; f:.. U = Uges - U = 100 Unenn Spannungsfall auf der Leitung;

p prozentualer Spannungsfall bezogen auf die Nennspannung; I Leitungslänge =Länge einer Ader.

Pnenn
O-------,,\-q- - - - -
Speise-
spannung Uges ju (u~"")
q
Q-_ _ _....t....-_ _ _ - - _ _ _ _ _---0

Leitungslänge I Bild 11.1


Zweiadrige Leitung mit einem
Speisepunkt Leitung Verbraucher Speisepunkt und einem Verbraucher

Aus dem errechneten Querschnitt wählt man nach Tafel 11.1 den nächsthöheren genormten und ver-
gewissert sich, ob dessen zulässige Stromstärke ausreicht.
Kurze Leitung auf zulässige Stromstärke:
q gewählt nach Tafel II.l für

Izul>I= U
P I,I zul IP I U (II.2)
A W V

Im Zweifelsfall prüft man die als "länger" angenommene Leitung auf zulässige Stromstärke, die als
"kurz" angenommene auf zulässigen Spannungs fall. Als zulässig betrachtet man im allgemeinen
3 ... 5 % Spannungsfall (entsprechend 97 ... 95 % Übertragungswirkungsgrad der Leitung) .

• Beispiel: Ein 120 m entfernter Verbraucher soll über eine zweiadrige Leitung bei der Nennspan·
nung 220 V_ mit 4kW gespeist werden. Welcher Kupferquerschnitt q ist erforderlich,
wenn der zulässige Spannungsfall 5 % beträgt?
Lösung: Die Leitung wird als länger betrachtet und auf Spannungsfall berechnet:

I = f = 4000 W = 18 2 A
U 220 V '
p 5
f:..U= 100· Unenn = 100· 220V = II V
nmm 2
2·0,0178 -m- ·18,2 k120 m
q = 11 V = 7,06 mm 2 rechnerischer Querschnitt

Gewählt werden nach Tafel 11.1 zwei Adern zu je 100 mm 2 Kupfer, die nach Gr. 2 mit
l zul = 61 A (> 18,2 A) belastbar sind.

• Beispiel: Ein Heizofen 220 V 3 kW soll zweiadrig über ein 4 m langes Zuführungskabel angeschlos·
sen werden. Welcher Kupferquerschnitt q ist zu wählen?

706
11. Anwendungen

Lösung: Die Leitung wird als kurz betrachtet und auf zulässige Stromstärke gewählt.
I=!.. = 3000W = 13 6A
U 220 V '
Gewählt werden nach Tafel II.I zwei Adern zu je I mm 2 Kupfer, die nach Gr. 2 mit
I zu1 = 15 A (> 13,6 A) belastbar sind.

Längere Drehstromleitungen werden meist auf zulässigen prozentualen Leistungsverlust Pp be-


rechnet (seltener auf Spannungsfall):
q p P Pp U cos.p
100 plP
q= (II.3)
Pp U 2 cos 2 <p m W % V
P -P
q Querschnitt einer Ader; I Länge einer Ader; Pp = zu P ab 100 % prozentualer Leistungsverlust;
zu
cos.p Leistungsfaktor des Verbrauchers.
Die Gleichung gilt nur fur rein ohmsche Leitung.
Kurze Drehstrom-Zuleitungen werden ebenfalls auf zulässige Stromstärke gewählt:
q gewählt nach Tafel II.1 für
P I, I zul cos<p
Izu1>I=. M (11.4)
v3 U cos.p A
Im Zweifelsfall wieder auf zulässige Stromstärke oder Spannungsfall prüfen .

• Beispiel: Ein Drehstromverbraucher 500 V, 20 kW, cos.p = 0,8 soll über eine 150 m lange Leitung
angeschlossen werden. Der zulässige Leistungsverlust beträgt 5 %. Welcher Kupferquer-
schnitt q ist zu verlegen?
Lösung: Die Leitung wird als länger betrachtet und auf Leistungsverlust berechnet:
2
100plP 100'0,0178 nmmm 150m·20000W
q = ----------=----::-----=----- = 6,7 mm2
PpU 2 COS 2 tp 5 ·S002V 2 ·0,g2
Gewählt werden nach Tafel 11.1 drei Adern zu je 10 mm2 Kupfer, die nach Gr. 2 mit
l zu1 = 61 A belastbar sind. Der auf der Leitung fließende Strom beträgt:

1= P 20000 W = 29 A <I
-J3 U cos.p v'3' 500 V' 0,8 zul

• Beispiel: Ein Drehstrommotor 380 V 11 kW hat den Wirkungsgrad 0,87 und den Leistungsfaktor
0,84. Er soll über eine kabelähnliche Leitung von 12 m Länge angeschlossen werden.
Welcher Kupferquerschnitt q ist erforderlich?
Lösung: Die Leitung wird als kurz betrachtet und auf zulässige Stromstärke gewählt:
P = .J3 UI cos.p
1= P Pnenn 11 kW .
P =-1/- = 0,87 = 12,64 kW Leistungsaufnahme
-J3 U cos.p
12640W
I = = 22,9 AStromaufnahme des Motors
-J3 .380 V . 0,84
Gewählt werden nach Tafel 11.1 drei Adern zu je 2,5 mm 2 Kupfer, die nach Gr. 2 mit
l zu1 = 26 A (> 22,9 A) belastbar sind.

707
Elektrotechnik

1.2. Gleichstrom-DreiIeiternetz
Licht- und Kraftnetze werden in der Praxis meist 3- oder 4adrig verlegt, fast nie 2adrig. Das
Mehrleiternetz erfordert trotz höherer Leiteranzahl geringeren Kupferaufwand als das gleichwerti-
ge Zweileiternetz.
Beim Gleichstrom-Dreileiternetz sind zwei Generatoren von z. B. 220 V Nennspannung in Reihe
geschaltet und nach Bild H.2 an drei Leitungsadern angeschlossen, von denen der Mittelpol geerdet
ist. Der Vorteil dieser Schaltung liegt darin, daß man die elektrische Leistung bei doppelter Span-
nung überträgt, ohne daß in der Lichtanlage (z. B. Haushalt) die nach VDE höchstzulässige Span-
nung von 250 V überschritten wird (sonst Lebensgefahr). Man legt die Lichtverbraucher an 220 V
(zwischen L+ und N oder L- und N). Wegen der Erdung von N tritt auch gegenüber Erde keine
höhere Spannung als 250 V (hier 220 V) auf. Die Kraftverbraucher schaltet man zwischen L+ und
L- an die volle Spannung 440 V, weil in Kraftanlagen höhere Spannungen zulässig sind. Bei höhe-
rer Spannung und gegebener Leistung ist der Strom auf der Leitung (und damit der erforderliche
Leitungsquerschnitt) kleiner, wie das Leistungsgesetz zeigt: P = UI = niedrige Spannung X großer
Strom = hohe Spannung X kleiner Strom. Bei doppelter Spannung ist der für gegebene Leistung er-
forderliche Strom halb so groß. Bei halbem Strom und gegebenen prozentualem Spannungsfall be-
trägt der erforderliche Aderquerschnitt q nur \-4 desjenigen, der bei lfacher Spannung nötig wäre
(siehe Beispiel).

+ L+ positiver Außenleiter
- - - - - - -----oQ--....,
PEN Mittelleiter mit Schutzfunktion I p
,-----Q----- - - - - - -
t
--:~:-_=-=~;;:-=---Q
Motor

IN t
+
L- negativer Außenleiter
--r-o----- - - -- -------0------
Lichfanschlüsse Kraftanschluß
/Erdung l je 220V 440 V

E-Werk Leitung Verbraucher


Bild Il.2. Gleichstrom-Dreileiternetz 220/440 V

Bei symmetrischer Belastung (Lichtverbraucherleistungen auf beide Netzhälften gleichmäßig ver-


teilt) heben sich die beiden Lichtströme I p und IN auf dem Mittelleiter auf, so daß dann auch die
beiden Lichtverbrauchergruppen in Reihe an 440 V liegen. Bei Unsymmetrie fließt nur der kleine
Differenzstrom I p - IN auf N, so daß PEN dünner mitgeführt werden kann als L+ oder L-. Eine
möglichst symmetrische Verteilung der Lichtlasten erreicht man dadurch, daß man z.B. bei Ein-
familienhäusern abwechselnd das eine an L+ und PEN, das nächste an L- und PEN anschließt usw.
In größeren Häusern legt man das eine Stockwerk an L+ und PEN, das nächste an L- und N usw.
Die Kraftanschlüsse (zwischen L+ und L-) sind bereits in sich symmetrisch.

• Beispiel: Eine gegebene Leistung von 25 kW soll über 400 m Entfernung bei der für Lichtanlagen
zulässigen Nennspannung von 220 V übertragen werden. Der zulässige Spannungsfall
beträgt 3 %, die Belastung ist symmetrisch.
a) Wie groß ist der erforderliche Gesamt-Kupferquerschnitt beim Zweileiternetz 220 V?
b) Wie groß ist er beim gleichwertigen Dreileiternetz 220(440 V?
c) Wieviel % Kupfer lassen sich durch das Dreileiternetz einsparen, wenn PEN voll mitge-
führt wird?

708
11. Anwendungen
2p
Lösung: a) q = !::.U Il !::.U=~ Unenn = 1~0 '220V=6,6V
I=!.. = 25 000 W = 114A
U 220V
nmm 2
2·00178 - - . 114A ·400 m
q =' m = 246 mm 2 rechnerischer Aderquerschnitt
6,6V
qges = 2 A = 2 . 246 mm 2 = 492 mm 2 Gesamtquerschnitt beim Zweileiternetz

b) Bei symmetrischer Belastung kann man das Dreileiternetz wie ein Zweileiternetz
doppelter Spannung berechnen:
2p 3
q = !::.U Il !::.U= 100' 440V = 13,2 V 1= 25 OOOW 57 A
440 V
nmm 2
2·00178 - - . 57 A· 400 m
q =' 1~,2 V = 62 mm 2 rechnerischer Aderquerschnitt

qges = 3A = 3 . 62 mm 2 = 186 mm 2 Gesamtquerschnitt beim Dreileiternetz,


PEN voll mitgeführt
) Pa 496 mm 2 - 186 mm 2
C = 496 mm 2 . 100 % "" 60 % (Mindestkupferersparnis durch Dreileiternetz)

1.3. Drehstrom-Vierleitemetz
Beim Drehstrom-Vierleiternetz sind an den in A geschalteten Generator oder Transformator vier
Leitungen angeschlossen: die drei Außenleiter LI, L2, L3 und der geerdete Neutralleiter N (siehe
1.9.2). Drehstrom hat gegenüber Gleichstrom den Vorteil, daß er transformierbar ist (siehe II.1.4).
Daher ist das Drehstrom-Vierleiternetz 220/380 V das am meisten verbreitete Licht- und Kraftnetz,
während das Gleichstrom-Dreileiternetz zur Licht- und Kraftübertragung kaum noch verwendet
wird. Die Lichtanschlüsse werden an 220 V Wechselstrom geschaltet, die Kraftanschlüsse in A oder
/::, an 380 V Drehstrom. Für die Wirkungsweise und die Kupferersparnis gilt sinngemäß das ent-
sprechende wie beim Gleichstrom-Dreileiternetz (siehe II.1.2).

L1
9-"""'---- - - - - - ---<;>-------,
Motor

L2
-O'f----- - - --- --t-Q----t-'--:--\6'~

E::~~_~L2.3 _____ --+--+-0--------1


je 220 V

Lichtanschtüsse
je 220V
E-Werk Leitung Verbraucher

Bild 11.3. Drehstrom-Vierleiternetz 220/380 V

709
Elektrotechnik

1.4. Hochspannungs-Fernleitung
Eine Fernübertragung elektrischer Leistung ist nur bei Hochspannung möglich wegen P = VI =
hohe Spannung· kleiner Strom. Bei kleinem Strom ergeben sich technisch und wirtschaftlich trag-
bare Leitungsquerschnitte (siehe Beispiel).
Das Kraftwerk steht möglichst dort, wo Energieträger vorhanden sind (Kohle, Wasserkraft). Die elek-
trische Energie wird bei etwa 10 kV Spannung erzeugt und in der Umspannstation des Kraftwerks auf
eine Spannung von 60 ... 380 kV hochgespannt, bei der die Leistung über die Fernleitung geschickt
wird. In der Bezirks-Umspannstation werden die 60 ... 380 kV der Fernleitung heruntertransformiert
auf 6 ... 30 kV für die Bezirksleitungen, die zu den einzelnen Orten und Fabriken führen. Dort werden
die 6 ... 30 kV der Bezirksleitung im Orts- oder Werkstransformator herabgesetzt auf 220/380 V für
das Drehstrom-Vierleiternetz, das zu den einzelnen Verbrauchern führt (siehe 11.1.3).

• Beispiel: Die Leistung 10 MW soll bei Drehstrom über eine Entfernung von 200 km übertragen
werden. Welcher Kupferquerschnitt ist erforderlich, wenn 5 % Leistungsverlust zulässig
ist und der Leistungsfaktor 0,85 beträgt:
a) bei Hochspannung 100 kV, b) bei Niederspannung 380 V?

.. 100plP
Losung: a) q = 2 2
PpV cos cp
q = 98,5 mm2

Gewählt werden 3 Adern zu je 120 mm 2 Kupfer.


nmm 2
100·00178
, --·200
m .10 3 m ·10 .10 6 W
b)q=--------~~--~~------
5 ·380 2 V2 • 0,85 2
q = 6,82 .10 6 mm2 =6,82 m2 !
Bei Niederspannung 380 V müßte jede Ader etwa 7 m 2 Querschnitt haben: Technisch und
wirtschaftlich unmöglich.

1.5. Hausinstallationsschaltung
Bild 11.4 zeigt die übliche Schaltung
Wohnungs- Abzweig-
einer Hausinstallation für 220 V Zähler sicherung (6A) dose Lampe
Wechselspannung, die aus dem
Drehstrom-Vierleiternetz 220/380 V
gespeist wird (siehe 11.1.3). Die ~~~~-Q====:J
®l
I I I
Sicherungen liegen nur im Außen- I I I
220~
leiter, damit nach einem Kurzschluß
die Anlage nicht nur stromlos, son-
Steigleitung I
I Aus-Schalter

OJ
dern auch spannungslos wird (gegen Außenleiter
Erde) und auch ein Erdschluß durch (Phase) " vNeutralleiter
die Sicherung abgeschaltet wird. Schuko-Steckdose
Die Schalter sind je nach Verwen- Hauptsiche-: f ]
rung (25A)l
dungszweck verschieden: Aus-, Se-
L1--~~-------­
rien-, Wechsel- und Kreuzschalter.
L2===t=======
Die Lampen sollen direkt am Mit- 'J----~--------
Drehstrom-Vierleiternetz 2201380 V
telleiter liegen, der Außenleiter soll
über den Schalter geführt werden, Bild II.4. Allpoliges Schaltbild einer Hausinstallation mit
damit bei "Aus" keine Spannung Brennstelle in Aus-Schaltung und Steckdose

710
11. Anwendungen

zwischen Lampe und Erde liegt (sonst Elektrisieren möglich). Am Zähler läßt sich die verbrauchte
Wirkarbeit in kWh ablesen. Zur Prüfung, welche Ader einer Anlage Außenleiter, geschalteter
Außenleiter oder Neutralleiter ist, dürfen nur Spannungsmesser oder 2-polige Spannungsprüfer ver-
wendet werden. Beim nicht erlaubten einpoligen sogenannten "Phasenprüfer", fließt ein sehr ge-
ringer Strom über den Menschen. Steht dieser auf einer gut isolierten Unterlage, ist es möglich, daß
trotz vorhandener Spannung keine Anzeige erfolgt. Für die Hausinstallation gelten die VDE-Vor-
schriften 0100.

2. Beleuchtungstechnik
2.1. Lichttechnische Größen
Der Gesamtlichtstrom C/>y ges ist die gesamte optisch wirksame Strahlungsleistung, die von einer
Lichtquelle ausgestrahlt wird. Für elektrische Lampen wird lPVges in Tabellen angegeben (siehe
II.2A und II.2.5). Der Lichtstrom lPv ist ein Teil von C/>yges' z. B. der Teil, der die Fläche Ader
Zeichnung trifft (Bild II.5). Die Einheit des Lichtstromes ist das Lumen (Im).
Der Raumwinkel w wird von den äußersten Strahlen eines Lichtbündels beliebiger Form begrenzt,
das von einer in seinem Scheitelpunkt sitzenden punktförmigen Lichtquelle ausgeht. w wird an
der Kugel in ähnlicher Weise definiert, wie der ebene Winkel 0' = Bogenlänge/Radius am Kreis:
Raumwinkel
w
(II.S)
sr
A von wausgeschnittener Teil der
Lampe strahlt Gesamtlicht-
Kugeloberfläche, wobei der Scheitel- __ strom ~esnach allen Seiten
punkt von w in der Kugelrnitte
liegt; r Radius dieser Kugel.
Die Einheit des Raumwinkels ist Raumwinkel w
der Steradiant sr. w = 1 sr schnei-
det auf der Einheitskugel die Kugel- Lichtstrom C/>V
schalenfläche 1 m 2 aus.
Der Wert des vollen Raumwinkels Lichtstärke Iv
ist 4 Ir sr, entsprechend dem Voll- in Richtung auf
die Zeichnung
winkel 2 Ir rad in der Ebene.
Die Lichtstärke Iv gibt an, wieviel
Lichtleistung auf die verschiedenen
beleuchtete Beleuchtungsstärke E.
Strahlrichtungen entfällt (Lichtver- Fläche A mit dieC/>v in A erzeugt
teilungskurve einer Lampe). Ihre verschiedenem
Einheit ist die Candela (cd). Licht- Rückstrahlvermögen 9
stärke Iv als Lichtstromdichte im
Bild n.s Lichttechnische Größen und Begriffe
Raumwinkel:
C/>y Iv w
Iv =- (Il.6)
())
cd sr

lP Lichtstrom, der auf den Raumwinkel ()) entfällt.


Lichtstärke und Leuchtdichte:
Iv Lv A cosß
Iv =LvA cosß (11.7)

711
Elektrotechnik

L y Leuchtdichte der selbstleuchtenden oder fremdbeleuchteten Fläche A (siehe GI. (11.10) und
(11.11 )); ß Strahlungswinkel gemessen gegen das Flächenlot.
Die Beleuchtungsstärke Ey wird vom Lichtstrom 4Jy in einer beleuchteten Fläche A erzeugt. Ihre
Einheit ist das Lux (Ix). Beleuchtungsstärke E als Lichtstromdichte in einer Fläche:
(/Jv
Ey =- (11.8)
A

A Kugelschalenfläche mit Lichtquelle als Mittelpunkt, bei genügendem Abstand jedoch"'" ebene
Fläche.
Beleuchtungsstärke E aus Lichtstärke und Abstand:
I y cos i Ey
Ey =0 -/-2- (11.9)
Ix m

I y cos i Lichtstärke, die senkrecht auf die beleuchtete Fläche trifft; i Inzidenzwinkel =0 Lichtein·
fallswinkel gemessen gegen das Flächenlot; / Abstand der Fläche von der Lichtquelle.
Die Leuchtdichte Lv einer fremdbeleuchteten Fläche ergibt sich aus der Beleuchtungsstärke E y
mal dem Reflexionsvermögen p dividiert durch n.
Die Einheit der Leuchtdichte ist die Candela pro m2 (cd/m 2).
Leuchtdichte Ly einer fremdbeleuchteten Fläche:

Ey p Lv Ev p
Lv =0 -1[- (11.10)
Ix

Bei einer selbstleuchtenden (auch fremdbeleuchteten) Fläche kann man die Leuchtdichte L y auffas-
sen als Flächen-Lichtstärkedichte.
Leuchtdichte Lv als Lichtstärkedichte einer Fläche:

I YE A COSE
L =0-- (I1.1l)
Y A cos E cd
cd

I VE Lichtstärke, die in Betrachtungsrichtung ausgesendet wird (aus Lichtverteilungskurve);


A leuchtende (oder fremdbeleuchtete ) Fläche; E Betrachtungswinkel gemessen gegen das Flächenlot.

2.2. Erforderliche Beleuchtung


Zum Lesen und Arbeiten muß der Arbeitsplatz eine ausreichende Beleuchtungsstärke E v erhalten:

Tafelll.2. Erforderliche Beleuchtungsstärken E y , Richtwerte nach DIN 5035

zusätzliche
Allgemeinbeleuchtung
Ansprüche, Arbeit Arbeitsplatzbeleuchtung
Ey mittel in Ix
Ey in Ix

sehr gering, - 30 -
gering, grob 60 -
mäßig, mittelfein 120 250
hoch, fein 250 500
sehr hoch, sehr fein 600 1000 ... 4000

712
11. Anwendungen
Die Werte der zusätzlichen Arbeitsplatzbeleuchtung gelten rur ein Arbeitsgut mittlerer Helligkeit
und mittleren Kontrastes.
Die Beleuchtungsstärke E v trifft auf Stellen mit verschieden großem Rückstrahlverrnögen p
(schwarzer Buchstabe oder weißes Blatt, Bild 11.5):

Tafel 11.3. Rückstrahlverrnögen p (ungefähre Werte)

Silber, poliert 0,9 Anstrich, weiß 0,75


Aluminium, poliert 0,7 Anstrich, gelb 0,5
Messing, poliert 0,6 Anstrich, schwarz 0,05
Emaille, weiß 0,7 Papier, weiß 0,75

Als Berechnungsgrundlage wird meist ein mittlerer Reflexionsgrad von 0,25 bis 0,3 angenommen.
Auf dem beleuchteten Papier entstehen je nach Rückstrahlverrnögen der getroffenen Stellen ver-
schieden große Leuchtdichten Lv (Leuchtdichteunterschied = Kontrast):

Tafel 11.4. Erforderliche Mindestleuchtdichte

Arbeit grob mittel fein sehr fein


bei mittlerem Kontrast des Arbeitsgutes
.cd
Lv 1ß m2 10 20 40 80

Zum Vergleich die Leuchtdichte von Lichtquellen:

Tafelll.S. Ungefahre Leuchtdichte von Lichtquellen

Glimm- Leuchtstoff- Glühlampe


Mond Kerze
Quelle lampe lampe matt

Leuchtdichte LV in ~ 200 2500 2000 ... 5000 7500 (5 ... 40).10 4


m

Glühlampe Glühlampe
Quelle Bogenlampe Sonne
klar rur Projektor

Leuchtdichte LV in ~ (8 ... 17).106 30.106 150.106 1000.106


m

• Beispiel: Auf einer Arbeitsfläche von 25 % mittlerem Reflexionsvermögen soll die nach Tafel 11.4
erforderliche Mindestleuchtdichte von 80 cd/m2 mit einer Glühlampe erzeugt werden, die
50 cm über der Fläche angebracht ist. Der Reflektor der Leuchte verstärkt den in Rich-
tung Arbeitsfläche ausgestrahlten Lichtstrom um 30 %. Welche Leistung muß die zu
wählende Glühlampe haben, wenn der Lichteinfali gegen das Flächenlot um 30° geneigt
ist?

Evp Lv.n 80~ ·n


Lösung: Lv = -n- ; Ev = --p- = 0 25 ~ 1000 Ix erforderliche Beleuchtungsstärke
, in der Arbeitsfläche
Iv cos i
Ev = --[2-
E v ['2 1000 Ix ·0 52 m 2
Iv -
- -
cos-i -- o,86~ = 289 cd muß die Leuchte in Richtung
Arbeitsfläche ausstrahlen

713
Elektrotechnik

Iy 289 cd
IYmittel =D =I T = 222 cd mittlere Lichtstärke, die die Lampe nach
aUen Seiten abstrahlen müßte
lP y ges
IYmittel = w-
ges
lP Yges =IYmittel w ges = 222 cd, 41T
lP Yges = 2788 Im Gesamtlichtstrom, den die Lampe geben muß. Nach Tafel II.6 muß eine
Glühlampe von 200 W Leistung mit 2950 Im Gesamtlichtstrom gewählt werden.

• Beispiel: Welche Beleuchtungsstärke erzeugt eine Leuchtstofflampe von 65 W Leistung, wenn sie in
2 m Höhe senkrecht über einem Arbeitsplatz hängt?
Lösung: Nach Tafel II.7 gibt die 65-W-Röhre den Gesamtlichtstrom lP Yges = 4000 1m
lP y ges 4000 Im
IYmittel =- -=
w ges 41T = 318 cd mittlere Lichtstärke, die die Lampe nach
aUen Richtungen ausstrahlt
I y cos i
Ey = --/2- cos i = I weil LichteinfaU senkrecht (i = 0° gegen das Flächenlot )

E
y
= 318 cd . 1 = 79 5 I
22 m 2 ,x Beleuchtungsstärke am Arbeitsplatz,
nach Tafel II.2 ausreichend für grobe Arbeit

2.3. Lampen und Leuchten


Am häufigsten angewendet werden Glühlampen und Leuchtstofflampen bis 220 V Nennspannung.
Außerdem werden Hochspannungs-Leuchtröhren (z. B. Lichtreklame), Quecksilberdampflampen
(bläulich-grünes Licht auf Straßen und Plätzen z. B.) sowie Natriumdampflampen (gelbes Licht)
verwendet.
Bei der Glühlampe wird ein dÜllnerWolframdraht durch Strom zum Glühen gebracht (um 2500 Oe).
Dabei entsteht viel Wärme, so daß die Lichtausbeute nicht sehr hoch ist.

Bei der Niederspannungs-Leuchtstofflampe erzeugt eine Glimm-


entladung in einem Gemisch aus Quecksilberdampf und Edel-
gas hauptsächlich ultraviolettes Licht, das nicht sichtbar ist.
Dieses UV-Licht regt die innen auf der Rohrwand sitzende
Leuchtstoffschicht zu optisch wirksamem Licht an, das von
der Lampe abgestrahlt wird. Dabei entsteht weniger Wärme
als bei Glühlampen, so daß die Lichtausbeute von Leuchtstoff-
lampen höher ist.

Bild II.6. Schaltung einer Nieder-


spannungs-Leuchtstofflampe

Tafel 11.6. Normale Glühlampen für 220 V, Gesamtlichtstrom und Lichtausbeute

Leistung P in W 15 25 40 60 75 100 150 200 300 500 1000 2000


Gesamtlichtstrom lPy ges
inlm
120 220 400 730 950 1380 2100 2950 4800 8300 18500 38400

Lichtausbeute '7La
8 8,8 10 12,2 12,7 13,8 14 14,7 16 16,5 18,5 19,2
in lm/W

714
11. Anwendungen
Tafel 11.7 . Leuchtstofflampen 220 V, Gesamtlichtstrom und Lichtausbeute

Leistungsaufnahme
PinW 10 16 20 25 40 65
der Lampe allein
Leistungsaufnahme
einschl. Drossel
PinW 13 20 25 31 49 75

390 730 770 1150 1850 3100


Lichtstrom <P y ges in Im
440 820 950 1300 2400 4000
30 37 31 37 38 41
Lichtausbeute TlLa in Im / W
34 40 38 42 49 53

Die Leuchten dienen zur Aufnahme der Lampen. Sie haben den Zweck, das Licht unter Vermei-
dung von Blendung dorthin zu werfen, wo es gebraucht wird. Man unterscheidet die Leuchten
nach der Art der Lichtverteilung: direkt, vorwiegend direkt, gleichförmig, vorwiegend indirekt und
indirekt. Bei den Direkt-Leuchten gibt es solche ftir Breit-, Weit-, Tief-, Schräg- und Flutlichtstrah-
lung.
Die Leuchte zur Aufnahme einer Leuchtstofflampe enthält eine Vorschaltdrossel L, einen Glimm-
zünder G, einen Phasenkompensationskondensator ep (siehe 1.8.8) und einen Funk-Entstörkonden-
sator es. G und es sind meist vereinigt zum auswechselbaren Starter St. G. L und die in beiden
Lampenenden angebrachten Heizfaden F dienen zum Zünden der Röhre. Im Betrieb begrenzt L den
Strom durch die Lampe, der sonst zu hohe Werte annehmen und die Lampe zerstören würde.

3. Elektrische Unfälle und Schutzmaßnahmen


3.1. Elektrisieren
Man kann sich elektrisieren, indem man nach Bild 1I.7a beide Adern einer unter Spannung stehen-
den Leitung berührt, oder nach Bild 1I.7b an den Außenleiter (Li, L2 oder L3) kommt und gleich-
zeitig Erdberührung hat z. B. durch nasse Schuhe oder Anfassen einer Wasserleitung. Der elektri-
sche Schlag ist um so stärker, je größer der Strom ist, der dabei durch den Körper fließt. Die Stärke
des Elektrisierungsstromes l e hängt nach dem Ohmschen Gesetz von der berührten Spannung U
und dem Widerstand Rmensch des menschlichen Körpers ab:

I =_U_ (11.12)
e Rmensch

Der elektrische Widerstand Rmensch des menschlichen Körpers ist um so kleiner, je größer und
feuchter die Berührungsflächen sind. Als grobe Richtwerte können gelten (gemessen zwischen bei-
den Handflächen): Rmensch trocken'" 10 kQ; Rmensch naß", 2 kQ. Als lebensgefährlich gilt ein Elek-
trisierungsstrom von

Ie > 100 mA (grober Richtwert!)

Bild 11.7
Elektrisieren
0)

715
Elektrotechnik

• Beispiel: Welcher maximale Elektrisierungsstrom fließt durch den Körper, wenn man mit beiden
Handflächen die Netzwechselspannung 220 V berührt
a) bei trockenen, b) bei nassen Händen?
y'2·220V
Lösung: a) [e =-::-_-,u,,--_ _ 10 kr2 = 31 mA kräftiger Schlag
Rmensch trocken

- u y'2·220V
b) i e = R = 2 kn = 155 mA lebensgefahrlicher Schlag!
mensch naß

3.2 . Gehäuseschluß (Masseschluß)


Gehäuseschluß oder Körperschluß liegt vor, wenn die Arbeitswicklung eines Elektrogerätes infolge
schadhafter Isolation das Metallgehäuse berührt. Im Bild ist das Metallgehäuse des Gerätes über
den Schluß mit dem Außenleiter verbunden, so daß die Spannung U zwischen Gehäuse und Erde
auftritt. Bei Berühren des Gerätes erhält man einen elektrischen Schlag (Bild 11.8). Um zu vermei-
den, daß ein Gerät das Herstellerwerk mit Gehäuseschluß verläßt, prüft man es, indem man eine
Prüfspannung (z. B. 1500 V) zwischen Arbeitswicklung und Gehäuse liegt. Wenn die Isolation in
Ordnung ist, fließt dabei kein Strom.

L1fL+)
-:"=~>-'-~.:---
:":-=';-=-'-T';;;.o;~=:::!!==~~

Bild 11.8
N
Gehäuseschluß eines
Elektrogerätes
%
----- ----- - - - - - - - - - - - - -

3.3 Schutzmaßnahmen
Nach den VDE-Bestimmungen (DIN VDE 0100) sind zur Vermeidung elektrischer Unfälle unter
anderem folgende Schutzmaßnahmen erlaubt:
Schutz durch Schutzleiter PE (protect earth): Der Schutzleiter PE führt eigenständig, am Zähler
vorbei, durch die gesamte Anlage . Nur im Fehlerfall führt er Strom. Dieser ist dann so groß , daß
der Überstromschutz (Sicherung) anspricht. Die zulässigen Abschaltzeiten sind in VDE 0100, Teil
410, vorgeschrieben, z. B. 0,2 s für Steckdosenstromkreise bis 35 A Nennstrom.
Wirkungsweise: Das Metallgehäuse eines Gerätes wird z. B. über die Schuko-Steckvorrichtung mit
dem Schutzleiter PE verbunden , der wiederum mit dem Neutralleiter N verbunden ist.
Bei Masseschluß führt nun der Schutzleiter PE zwischen Gehäuse und Erde zu einem Kurzschluß.

p E.-Werk Hausanschlun

:PfN: ---f1E::::H------ ~
....----------------~-----L1
. . . .---------~r_--L2
....------------4-~-- L3
.- - .- -- ._ - -H-- N

~
PE

Bild 11.9a Bild 11.9b


a) Schutz durch Schutz leiter PE im TN-S-Netz
b) Schutz durch Schutzerdung im TT-Netz

716
11. Anwendungen

Im TN-S-Netz (Bild II.9a) wird immer der unabhängige Schutzleiter PE mitgeführt.


Die Leitungen bei Wechselstrom bestehen aus drei Adern, die beim Dreiphasenwechselstrom aus
fünf Adern.
Schutz durch Schutzerdung: Hierbei werden die Schutzkontakte der Steckdose nach Bild II.9b mit
Erde verbunden. Als Erder ist die Wasserleitung nicht mehr zulässig. Vielmehr ist ein besonderer
Erder z.B. in Form eines in die Erde eingegrabenen verzinkten Stahlbandes erforderlich. Der
Erdungswiderstand bei Schutzerdung muß genügend klein sein, damit die Sicherung bei Gehäuse-
schluß auslöst oder zwischen Gehäuse und Erde keine höhere Spannung als 65 V auftritt. Bis zu
16 A Sicherungs-Nennstrom genügen etwa 2 n Erdungswiderstand. Bei größeren Strömen wäre eine
umfangreiche und teure Erdungsanlage erforderlich, so daß stattdessen eine andere Schutzmaß-
nahme, z.B. der Fehlerstrom-Schutzschalter gewählt wird.
Die Wirkungsweise beider Schutzarten beruht darauf, daß ein Gehäuseschluß zum Kurzschluß
fUhrt. Die Sicherung löst aus und trennt das schadhafte Gerät vom Außenleiter.

3.4. Sonstige Schutzmaßnahmen


Die Fehlerspannungs-Schutzschaltung hat den Vorteil, daß sie auch bei unzureichender Erdung
(bis 800 n Erdungswiderstand) ein Gerät mit Gehäuseschluß allpolig abschaltet. Bei einem solchen
Schluß tritt an der Auslösespule A eine Spannung auf (Fehlerspannung). Wenn diese einen be-
stimmten Wert übersteigt, wird der Schalter S elektromagnetisch geöffnet.

Fehlerspannungs-Schutzschalter (FU) Gerät

L1

N
Bild 11.10
FU-S chutzschaltung

2 dung

Fehlerstrom-Schutzschalter (F lJ Gerät

Bild 11.11
FI-Schutzschaltung

~rdung

Die Fehlerstrom-Schutzschaltung hat ebenfalls den Vorteil, daß sie auch bei unzureichender Erdung
(bis 800 n) ein Gerät allpolig abschaltet, wenn Gehäuseschluß auftritt. Solange kein solcher Schluß
vorliegt, fließt durch die beiden gegensinnigen Primärspulen des Differential-Stromwandlers D der
gleiche Strom I hin und zurück. In der Sekundärspule wird dabei keine Spannung induziert, weil
717
Elektrotechnik

die Magnetflächen der Primärspulen sich kompensieren. Bei Schluß dagegen fließt ein Teil des zu-
fließenden Stromes über Erde ab. Die im N-Zweig liegende Wicklung von D erhält weniger Strom,
so daß in der Sekundärspule eine Spannung induziert wird. Diese wird der Auslösespule A zuge-
fUhrt, die den Schalter S allpolig öffnet.
Bei Schutzisolierung kann kein Gehäuseschluß auftreten, weil das Gehäuse nicht aus Metall, son-
dern aus Isolierstoff besteht.
Beim Trenn- und beim Schutztransformator wird der Verbraucher über einen Transformator
(siehe HA) angeschlossen, dessen Sekundärwicklung nicht geerdet und gegen die Primärwicklung
(Außenleiter) besonders zuverlässig isoliert ist. Der Trenntransformator übersetzt im Verhältnis I : I
(z. B. 220/220 V), der Schutztransformator setzt die Netzspannung herab auf eine Kleinspannung
von maximal 42 V.

3.5. Unfall durch Verbrennung


In Anlageteilen, die mit besonders starken Sicherungen abgesichert sind (z.B. 600-A-Sicherung), ist
das Hantieren nicht nur wegen des Elektrisierens gefährlich, sondern auch wegen der Möglichkeit
von Verbrennungen durch Lichtbögen (sogen. Stichflammen). Diese können als Folge eines Kurz-
schlusses entstehen, z.B. durch unbeabsichtigtes Überbrücken zweier blanker Leitungsadern mittels
Metallwerkzeug. Besonders gefährlich ist das Arbeiten in Mittelspannungsanlagen, bei denen
sowohl Spannungen als auch Ströme groß sind. Man unterlasse daher jegliches Arbeiten an Anla-
gen, die unter Spannung stehen, sowohl wegen der Elektrisierung- als auch wegen der Verbren-
nungsgefahr!
Für die Schutzmaßnahmen gegen elektrische Unfälle gelten die VDE-Vorschriften 0100.

4. Transformatoren
Transformatoren dienen zur Wandlung von Spannungen und Strömen auf höhere oder niedrigere
Werte. Sie entsprechen den Getrieben der Mechanik, die Drehmomente und Drehzahlen herauf-
oder herabsetzen. Ebenso wie dasselbe Getriebe sowohl zur Über- als auch zur Untersetzung ver-
wendet werden kann, läßt sich derselbe Transformator sowohl zum Herab- als auch zum Herauf-
spannen benutzen. Der Wirkungsgrad liegt bei 95 %.

4.1. Leerlauf eines Transformators


Schaltet man die Primärwicklung mit der Windungszahl NI an die Wechselspannung Vb dann fließt
in ihr der Leerlaufstrom 10 , Dieser erzeugt in dem geblechten Eisenkern (siehe 1.604) den magneti-
schen Wechselfluß <P, der auch die Sekundärwicklung mit der Windungszahl N 2 durchsetzt und dort
die Spannung V 2 induziert (siehe 1.6.2). Dabei entsteht sowohl in NI als auch in N 2 die gleiche
Spannung pro Einzelwindung (Windungsspannung), so daß sowohl die primäre Gegenspannung VI
(siehe 1.6.3) als auch die Sekundärspannung U2 jeweils die Summe der einzelnen Windungsspan-
nungen von NI bzw. N 2 darstellt. Es gilt daher das Verhältnis der Spannungen beim leerlaufenden
Transformator:
VI NI (1I.13)
V2 N2
Beim Transformator verhalten sich die Spannungen wie die Windungszahlen.

• Beispiel: Bei einem Kleintransformator für 220 V Primärspannung mißt man im Leerlauf 6,3 V
Sekundärspannung. Eine Zählung der Windungszahi der außen liegenden Sekundärwick-
lung ergibt 27 Windungen.
a) Wie groß ist die primäre Windungszahl NI?
b) Wie groß ist die Windungsspannung Vw ?

718
11. Anwendungen

UI NI U I-N- = 220 V·27 = 943 W·Ind ungen h at d·Je p. .. . kl ung


2
Lösung: a) U2 = N2 ;
NI = - nmarWJC
U2 6,3 V
U2 6,3 V
b) U2 =N2 Uw ; Uw = N 2 =""""27" =0,233Vje Einzelwindung

Bild 11.12. Wirkungsschema eines Bild 11.13. Wirkungsschema eines Transformators


Transformators bei Leerlauf bei Belastung

4.2. Belastung eines Transformators


Bei Belastung entnimmt der Verbraucher R dem Transformator den Sekundärstrom 12 und damit
die Leistung P2 = U2 I 2 • Nach dem Energieprinzip muß er eine entsprechende Primärleistung
PI = UII I aus dem Netz aufnehmen (Blindleistung vernachlässigt), d.h. seine Stromaufnahme
steigt von 10 auf I I.
Bei Belastung eines Transformators steigt dessen Stromaufnahme aus dem Netz.
Verhältnis der Ströme beim belasteten Transformator:
11 N2
(I1.l4)

Beim Transformator verhalten sich die Ströme umgekehrt wie die Windungszahlen.
Dabei sind Blindleistung und Verluste vernachlässigt'
Für die Belastung eines Transformators ist die Schein1eistung S des Verbrauchers maßgebend, weil
die Größen der Ströme, die den Transformator erwärmen, von S abhängen. Die Belastung wird
daher in VA angegeben.

• Beispiel: Einem Transformator 220/24 V werden bei 24 V 5 A entnommen.


a) Wie groß ist der Primärstrom, wenn Blindleistung und Verluste des Transformators ver-
nachlässigt werden?
b) Wie groß ist die Belastung des Transformators?
c) Was ist über die erforderlichen Drahtquerschnitte für die Primär- und Sekundärwick-
lung zu sagen?

11 N2
Lösung: a) I; = NI ;

11 = 5 A ·0,109 = 0,545 A Primärstrom mindestens


b) S = U2 I 2 = 24 V· 5 A = 120 VA Belastung (übertragene Scheinleistung)
c) Der Drahtquerschnitt der Primärwicklung wird wegen des niedrigeren Stromes (0,545 A)
kleiner gewählt als der der Sekundärwicklung (für 5 A).

719
Elektrotechnik

4.3. Bauformen von Transformatoren


Bei Einphasen-Transformatoren werden hauptsächlich UI-, Mantel- und EI-Kerne (ähnl. Mantel-)
verwendet. Daneben kommen auch Ring- und Schnittbandkerne vor. Sie werden zur Verringerung
der Ummagnetisierungsverluste aus legierten Blechen (mit Si, siehe 1.6.4) aufgeschichtet.
Die Wicklung wird meist als Röhrenwicklung ausgeführt (primär 1, sekundär 2), die beim UI-
Schnitt in je zwei in Reihe geschaltete Hälften aufgeteilt wird (weniger Kupfer, höherer Wirkungs-
grad). Die Scheibenwicklung hat besonders geringe magnetische Streuung und wird bei besonders
harten Transformatoren angewendet (hart: Spannung geht bei Belastung nur wenig zurück). Bei
Transformatoren für höhere Spannung wird die Oberspannungs-Röhrenwicklung meist in Schei-
benspulen aufgeteilt (keine Scheibenwicklung!).

~
-
12 21
Bild II.14
Bauformen von Transformatoren
a) VI-Kern (hier mit Röhrenwicklung)
l:; --- --
b) Mantelkern (hier mit Scheibenwicklung)
a) b)

4.4. Drehstromtransformator
Bild II.14a zeigt den Kern eines Drehstrom-Kerntransformators mit Röhrenwicklung. Für jede
Phase L1, L2, L3 ist je eine Primär· bzw. Sekundärwicklung (1 bzw. 2) vorhanden. Bild II.14b zeigt
einen Transformator, der die Mittelspannung der Bezirksleitung (siehe II.1.4) umspannt in die Nie-
derspannung für das Drehstrom-Vierleiternetz (siehe II.I.3). Die Stern-Zickzackschaltung dient
dazu, die unvermeidbaren Unsymmetrien der Lichtverbraucher ftir die Primärseite zu symmetrie-
ren. Die Leerlaufspannung 231/400 V wird zur Deckung des Spannungsfalls auf der Leitung höher
gewählt als die Nennspannung 220/380 V.
Die Kühlung erfolgt bei kleineren Typen mit Luft, bei größeren mit Öl oder Clophen (nicht brenn-
bar).
L1 L2 L3

a)

Bild 11.15 L3
:::. :::. i :::. :::.
Drehstromtrans-
Mitte/span- ~
"'" ~"'" <:>
<:> %
formator L2 Drehstrom-
~ ~

a) Aufbau, nungsnetz :::. :;: :::. Vier/eiternetz


b) Schaltbild eines
10kV "'"
~
<:>
<:>
~
L1
2201380 V
in Stern-Zickzack :; :::.
geschalteten Vertei- ~ PEN
lungstransformators
zur Speisung des
Drehstrom-
b)
Vierleiternetzes

720
11. Anwendungen
4.5. Spartransformator
Der Spartransformator bringt bei kleinen Unterschieden zwischen Primär- und Sekundärspannung
(z. B. 250/220 V) große Ersparnisse an Baugröße, Eisen und Kupfer. Seine Wicklung besteht aus
einem Teil mit dickem Querschnitt (zwischen a und b) und einem Teil mit schwächerem Draht
(zwischen bund c). Der Hauptnachteil des Spartransformators besteht darin, daß der Sekundärkreis
nicht vom Außenleiter getrennt ist.

Z.aa2:-rt---:;2:V
~c
'---o---_---o~
c
hinauf _______
--hinab }
Bild II.16. Spartransformator Bild 11.17. Stelltransformator
(hier in SparschaItung)

4.6. Stelltransformator
Der Stelltransformator gestattet eine fast stufenlose Änderung von Null bis Uges , auch über die
Primärspannung U 1 hinaus. Ähnlich wie beim Schiebewiderstand gleitet ein Schleifer auf der blank
gekratzten Wicklung. Wenn Trennung vom Außenleiter erforderlich ist, verwendet man anstelle des
im Bild dargestellten billigeren Spartransformators einen solchen mit getrennter Primär- und Sekun-
därwicklung.

4.7. Streufeldtransformatoren

Im Gegensatz zum Normaltransformator, bei dem man belastungsabhängige Spannungsverluste durch


Belastungszunahme vermeiden möchte, sollen beim Streufeldtransformator möglichst starke Streufel-
der auftreten, um den Innenwiderstand zu vergrößern; denn das ist die Vorraussetzung für eine unbe-
dingte Kurzschlussfestigkeit. (Kurzschlussspannung Uk% ~ 100 %). Im Kurzschlussfall und bei großer
Belastung fließen nur kleine Ströme. Dadurch wird eine Zerstörung des Transformators unterbunden.
Mit Hilfe eines Streujochs besteht die Möglichkeit, die Höhe der Kurzschlussspannung einzustel-
len.
Anwendung finden Streufeldtrafos als Klingel,- Spielzeug,- Schutz- und Zündtransformator.
Außerdem werden sie wegen der erforderlichen Hochspannung für Leuchtröhrenanlagen einge-
setzt. In der Praxis sind das meist Streufeldtransformatoren für 7500 V, mit geerdetem Mittelpunkt
2 x 3750 V. Hier haben sie auch die Aufgabe, nach der Röhrenzündung den Strom zu begrenzen.
Prinzip des Streufeldtransformators:
Kleine Streuung, hohe Lastspannung, großer Laststrom.
Große Streuung, kleine Lastspannung, kleiner Laststrom.

721
Elektrotechnik

4.8. Meßwandler
Der Spannungswandler (Bild I1.l8) trennt den Meßkreis von der Hochspannung. Er erzeugt se-
kundär die Meßspannung (max. 100 V), die proportional der zu messenden Hochspannung ist. Der
Meßkreis muß geerdet sein, damit gefahrloses Hantieren am Instrument gewährleistet ist.

L1--------------------- L1---------------------

r@f '- - '


L2----------1----------- L2--------------~~--
K L 50A
L3--u~Ir-1-0-k-v~~v---------- L3~ O~----~---
Strom wandler
Spannungswandler I k' 10: 1
100.1
u~'~ A !
__ I
0!) 1rdung I 5A ~rdung!

Bild lL18. Spannungswandler Bild II.19. Stromwandler

Der Stromwandler (Bild 11.19) kann zur Trennung des Meßkreises von Hochspannung und zur
Herabsetzung sehr hoher Ströme (auf max. 5 A) verwendet werden. Auch hierbei muß der Meßkreis
geerdet sein. Beim Auswechseln des Instrumentes muß der Stromwandler sekundär kurzgeschlossen
werden, weil er sonst zu heiß wird.
Die besonderen Eigenschaften, die ein Wandler haben muß, sind:
I. Möglichst kleiner Betragsfehler, d.h. konstantes und genau bekanntes Übersetzungsverhältnis bei
allen Spannungen bzw. Strömen.
2. Möglichst kleiner Winkelfehler, d.h. kein Phasenunterschied (bzw. genau 180 Verschiebung)
0

zwischen Primär- und Sekundärspannung bzw. -strom.

S. Gleichstrommaschine als Generator


5.1. Spannungserzeugung in der Gleichstrommaschine
Die Gleichstrommaschine (Bild I1.20a) ist eine Außenpolmaschine, bei der die Ankerwicklung im
Magnetfeld der feststehenden Pole gedreht wird (Generatorbetrieb) oder sich dreht (Motorbetrieb).
Dieselbe Maschine ist zugleich Generator als auch Motor.
Die Gleichspannung Ug an den Bürstenklemmen Al, A2 (Bild 11.20b) kommt folgendennaßen zu-
stande: In der Ankerwicklung wird durch Drehung im Magnetfeld eine Wechselspannung induziert
(siehe 1.8.1). Diese wird durch den Stromwender (Kollektor, Kommutator) in Bezug auf die Bür-
sten gleichgerichtet, indem sich die Stege des Stromwenders jeweils in dem Augenblick unter die
andere Bürste schieben, in dem die Spulenwechselspannung Ugsp ihre Polarität ändert (Bild H.20c).
Dadurch entsteht an den Bürstenklemmen Al, A2 die Gleichspannung Ug , die bei einem Anker mit
nur einer einzigen Spule allerding sehr stark pulsiert.
Zur Verringerung des Pulsierens bringt man auf dem Anker viele Spulen unter und gibt dem
Stromwender entsprechend viele Stege. Die Ankerspulen werden alle in Reihe geschaltet, indem
das Ende der einen und der Anfang der nächsten gemeinsam an den gleichen Stromwendersteg
gelötet werden.

722
11. Anwendungen
Antrieb w= konst
Ständer (GS)

Anker (Dyn. BI.)


Pole (GS, Dyn. BI.)
Ankerwicklung (Cu), meist N>1

Erregerwicklung (Cu)
--r---+..1t--Stromwender und Bürsten b)
(Cu/Kohle)
E

Klemmbrett

"
90 180 270 360 w-fO
\ '_.I-V
a) (01,C1) (02, (2) c) gsp

Bild 11.20. Gleichstrommaschine. a) Aufbauschema, b) Wirkungsschema, c) Spannungsverlauf

Die Größe der induzierten Spannung Ug hängt ab von der Ankerwindungszahl N der Maschine, ihrer
magnetischen Erregung 4> und ihrer Drehzahl n:
Ug = kg 4>n
(Generatorgleichung)

k g Generatorkonstante der Maschine (abhängig von Ankerwindungszahl und Bauabmessungen der


Maschine).
Die Spannungseinstellung im Betrieb erfolgt durch Ändern der Erregung 4>, indem man den Erreger-
strom durch einen Feldstellwiderstand ändert (siehe Bild 11.21).
J U
A1

C2 C1
Verbrau-
cher n=konst

A2
lnenn J

a) b)

Bild 11.21. Fremderregter Generator. a) Schaltbild, b) Belastungskennlinie

5.2. Fremderregter Generator


Beim fremderregten Generator (Klemmenbezeichnung Al, A2, Cl, C2) wird die Erregerwicklung
von einer besonderen Erregerspannungsquelle (z.B. Batterie, Gleichstromnetz oder Erregermaschine)
magnetisch erregt (Bild 1I.21a). Die Erregerwicklung muß für die Erregerspannung Ue bemessen
sein.
Bei Belastung der Maschine bis zum Nennstrom I nenn sinkt ihre Klemmenspannung U nur wenig
ab (Bild II.21b). Dieser Spannungsrückgang läßt sich am Feldsteller durch Erhöhen des Erreger-
stromes I e wieder ausgleichen. Angewendet wird die Fremderregung dort, wo Unabhängigkeit der
Erregung von der Belastung erwünscht ist (siehe 11.5.3 und 11.5.6).
723
Elektrotechnik

5.3. Nebenschluß.{;enerator
Beim Nebenschluß·Generator (Klemmen Al, A2, EI, E2) ist die hochohmige Erregerwicklung
EI, E2 (viele Windungen, dünner Draht) über einen Feldsteller an die Bürstenklemmen Al, A2 der
Maschine gelegt. Die Gleichspannung U der Maschine wird also zur Selbsterregung benutzt. Diese
kommt dadurch zustande, daß die Ankerwicklung beim Antreiben des Generators zunächst im Rest-
magnetismus des Stahlgußständers gedreht wird. Die dabei induzierte kleine Spannung verstärkt
die Erregung, so daß der Generator auf die Klemmenspannung U kommt.

~u-~~18t~
eher -

A2
E2 E1 n=konst.

[nenn [
a) b)

Bild 11.22. Nebenschluß-Generator. a) Schaltbild, b) Belastungskennlinie

Bei Belastung geht die Klemmenspannung U stärker zurück als bei Fremderregung, weil der Erre-
gerstrom le von U abhängt und somit bei Belastung auch die Erregung etwas geschwächt wird. Aus-
gleich des Spannungsrückganges ist wieder durch den Feldsteller möglich. Angewendet wird der
Nebenschlußgenerator bei kleinen bis mittleren Leistungen (z. B. Auto-Lichtmaschine, Erreger-
maschine für fremderregten Generator).

5.4. Reihenschluß-Generator
Beim Reihenschluß.{;enerator (Klemmen Al, A2, DI, D2) sind Anker· und Erregerwicklung in
Reihe geschaltet mit dem Verbraucher. Der VerbraucherstromI dient gleichzeitig zur Erregung der
Maschine. Die Erregerwicklung DI, D2 ist niederohmig (wenige Windungen dicker Draht), damit I
an ihr nur wenig Spannungsfall verursacht. Die Selbsterregung tritt beim RS-Generator erst nach
Anschluß eines Verbrauchers auf. Ohne Belastung wird in der leerlaufenden Maschine vom Rest-
magnetismus nur die sehr geringe Spannung UD induziert.

--- [ U

0
A1

- J
02 1j
01 U rv-'u-
eher

A2

a) b)

Bild 11.23. Reihenschluß-Generator. a) Schaltbild, b) Belastungskennlinie

Bei Belastung steigt die Klemmenspannung U sehr stark an, weil der Verbraucherstrom I die Ma-
schine erregt. Wegen des starken Spannungsanstiegs bei Belastung wird die Reihenschlußerregung
beim Generator nur selten allein angewendet. Sie kommt jedoch häufig in Verbindung mit der Ne-
benschluß-Erregung vor (siehe 11.5.5).

724
11. Anwendungen
5.5. Doppelschluß-Generator
Beim Doppelschluß-Generator (Klemmen Al, A2, DI, D2, EI, E2) werden NS- und RS-Erregung
gleichzeitig angewendet (Verbundmaschine). Die RS-Wicklung gleicht bei Belastung den Spannungs-
rückgang der NS-Kennlinie wieder aus, so daß die Klemmenspannung U praktisch unabhängig ist
von der Belastung I (Bild II.24b). Der Feldsteller dient zur Festlegung der richtigen Größe von U.
Angewendet wird der DS-Generator dort, wo die Spannung trotz starker Belastungsschwankungen
konstant bleiben soll (Gleichstromnetze) oder wo kurzzeitige Überlastungen vorkommen (Speisung
der Gleichstrommotoren fiir Walzenantriebe ).

I
u
---
~-------------'-DS
--_ I
--+--(NS)
n=konst. I
I
Verbrau- I
cher ---+-(RS)
.,.-..------ I

a) b)

Bild 11.24. Doppelschluß-Generator. a) Schaltbild, b) Belastungskennlinie

5.6. Gleichstrom-Schweißgenerator
Beim Gleichstrom-Schweißgenerator kann man die Fremderregung mit einer Gegen-Reihenschluß-
erregung verbinden (Klemmen Al, A2, DI, D2, Cl, C2). Dadurch erreicht man, daß der Schweiß-
strom begrenzt wird, auch wenn man die Schweißelektroden beim Ziehen des Lichtbogens kurz-
schließt. Je stärker der SchweißstromI ist, desto mehr schwächt er durch die WicklungDI, D2 die
Fremderregung der Maschine. Dadurch ergibt sich ein starkes Absinken der Klemmenspannung U
bei Belastung (Bild II.2Sb). Am Feldsteller läßt sich die gewünschte Schweißstromstärke einstellen.
Die Drossel erleichtert das Ziehen des Lichtbogens.
I
U
- v
80

j~ 60
40
20

100 200 300 I


A
b)

Bild 11.25. Gleichstrom-Schweißgenerator. a) Schaltbild, b) Belastungskennlinie

6. Gleichstrommaschine als Motor


Dieselbe Maschine, die bei mechanischem Antrieb als Generator elektrische Leistung abgibt, liefert
als Motor bei Anschluß an eine Spannungsquelle mechanische Leistung. Aufbau der Gleichstrom-
maschine siehe Bild II.20a.

725
Elektrotechnik

6.1. Wirkungsweise eines Motors


Das Drehmoment M kommt beim Motor folgendermaßen zustande: Man schickt Strom durch die
Ankerwicklung, die sich dadurch mit magnetischen Feldlinien umgibt. Diese erzeugen in Bild 1I.26a
zusammen mit denen des Erregerfeldes ClJ links oben und rechts unten Ballung (siehe 1.6.6). Auf
die stromdurchflossenen Ankerdrähte wird vom Erregerfeld das Kräftepaar F ausgeübt, das ein
linksdrehendes Moment M ergibt und den Anker mit der Winkelgeschwindigkeit w treibt. Der
Stromwender bewirkt eine fortlaufende Drehung des Ankers, indem er den Strom in den Anker-
drähten jeweils im richtigen Augenblick umpolt. Wenn nur eine einzige Ankerwicklung vorhanden
ist, dann pulsiert das Drehmoment sehr stark (Bild II.26b). Das Pulsieren von M wird wieder durch
Anordnen vieler Spulen auf dem Anker und entsprechende Unterteilung des Stromwenders ver-
ringert (siehe 11.5.1).

Bild 11.26
Gleichstrommotor
a) Wirkungsschema
90 180 270 360 w· fO b) Verlauf des Drehmoments

a) b)

Die Größe des Drehmoments M hängt ab von der Ankerwindungszahl N der Maschine, ihrer magne-
tischen Erregung ClJ und dem Ankerstrom I:
M=k m ClJI
(Motorgleichung)

km Motorkonstante der Maschine (abhängig von Ankerwindungszahl und Bauabmessungen).


Die Belastung eines Motors ist gegeben durch das Drehmoment, das man an seiner Welle abnimmt.
Je größer das Drehmoment ist, das dem Motor von der anzutreibenden Arbeitsmaschine abgefordert
wird, desto größer muß nach GI. (11.15) seine Stromaufnahme 1 sein.

6.2. Anlassen eines Motors


Beim Anlassen werden Motoren von mehr
als 2 kW Nennleistung über einen Anlaß-
--I

+
widerstand Rv ans Netz geschaltet. Bei ---==--u
Direkt-Einschaltung (ohne R v ) würde die
Sicherung durchschmelzen, weil der Ein-
schaltstrom wegen des niedrigen Ankerwider- A2
standes R j der Maschine sehr groß wäre. Bei Bild 11.27. Anlassen eines Gleichstrommotors
Einschaltung über den Anlasser R v wird die
Höhe des Einschaltstromes begrenzt und der Motor läuft an, ohne daß die Sicherung auslöst oder
die Netzspannung zu stark ab sinkt (Lichtschwankungen!). Wenn der Motor läuft, dann wird in
seiner Ankerwicklung genau wie beim Generator die Spannung Ug induziert. Diese ist der an-
gelegten Spannung U entgegengerichtet und wird daher als innere Gegenspannung Ug bezeich-
net. Je schneller der Motor läuft, desto höher wird die Gegenspannung Ug, desto kleiner die

726
11. Anwendungen
Spannungsdifferenz U - Ug (Gegeneinanderschaltung!) und desto kleiner die Stromaufnahme des
Ankers. Ankerstrom I a eines Motors:
U-[J
I = --g- (II.l7)
a R j +R y

U angelegte Netzspannung; Ug im Motor induzierte Gegenspannung; R j Widerstand des Anker-


stromzweiges; R y Anlaßwiderstand.
In Betrieb wird der Anlaßwiderstand Ry kurzgeschlossen (R v = 0), so daß der Motor dann direkt
am Netz liegt. Bei Leerlauf steigt die Drehzahl auf einen Wert no an, bei dem Ug "" U und damit 10
sehr klein wird. Bei Nennlast bremst die angetriebene Maschine den Motor, so daß seine Drehzahl
und seine Gegenspannung etwas zurückgehen und die Stromaufnahme auf I nenn ansteigt. Bei
Überlastung (zuviel Drehmoment abgefordert) sinken n und Ug zu stark, so daß I zu groß und die
Wicklung zu heiß wird.
Der Anlasser besteht meistens aus mehreren in Reihe geschalteten Einzelwiderständen, die über
Schaltkontakte geschaltet werden. Zur Steuerung der Drehzahl darf der normale Anlasser nicht
verwendet werden, weil er zu heiß wird. Für diesen Zweck ist ein Steueranlasser mit besonders
großer Kühlfläche zu verwenden. Auch flir häufiges Schalten reicht der normale Anlasser nicht aus.

6.3. Nebenschlußmotor
Beim Nebenschlußmotor (AI, A2, EI, E2) ist die hochohmige Erregerwicklung EI, E2 über den
Anlasser an die Netzspannung U angeschlossen (Bild II.28a). Diese treibt einen kleinen Erreger-
strom durch EI, E2, der nicht von der Belastung des Motors abhängt. Die Erregung ist also kon-
stant.

Netz U=konst.
U

A2 Mnenn M
a) L+ L- b)

Bild 11.28. Nebenschlußmotor. a) Schaltbild, b) Belastungskennlinie

Bei Belastung bis zum Nennmoment geht die Drehzahl nur wenig zurück, weil die Erregung kon-
stant bleibt (Bild 1I.28b). Angewendet wird der Nebenschlußmotor dort, wo die Drehzahl unabhän-
gig von der, Belastung sein soll, z. B. bei Werkzeugmaschinen.
Zur Drehzahlsteuerung ist der Nebenschlußmotor besonders geeignet (siehe 11.11.2). Die voll-
kommenste Steuerung von Drehmoment und Drehzahl ermöglicht der Gleichstrom-Nebenschluß-
motor in Verbindung mit einer Steuerung der Gleichstromversorgung (siehe 11.11.3).

6.4. Reihenschlußmotor
Beim Reihenschlußmotor (AI, A2, DI, D2) wird die niederohmige Erregerwicklung Dl, D2 vom
Motorstrom I durchflossen. Dieser hängt von der jeweiligen Belastung des Motors ab (siehe 11.6.2)
und erzeugt eine lastabhängige Erregung. Dadurch sinkt die Drehzahl mit wachsender Belastung
stark ab (Bild II.29b). Bei niedriger Drehzahl ergibt sich ein kräftiges Drehmoment (siehe GI. 11.15),

727
Elektrotechnik

weil dann sowohll als auch cP groß sind. Angewendet wird der Reihenschlußmotor als Fahrzeug-
und Bahnmotor wegen seines weiten Drehzahlbereichs und seines kräftigen Anfahrmoments. Bei
Leerlauf geht der Reihenschlußmotor durch!

Netz
U

A2
a) L+ L- b)

Bild 11.29. Reihenschlußmotor. a) Schaltbild, b) Belastungskennlinie

n \
~
--------(NS)
\
\
Netz "-
U
"""- "- DS

...................... (RS)
+---------------~---
""nenn ""

a) L+ L- bl

Bild 11.30. Doppelschlußmotor. a) Schaltbild, b) Belastungskennlinie

6.5. Doppelschlußmotor
Beim Doppelschlußmotor (Al, A2, Dl, D2, El, E2) werden NS- und RS-Erregung gleichzeitig an-
gewendet (Verbundmaschine). Die RS-Wicklung liefert bei Belastung des Motors eine stärkere Er-
regung, so daß die Drehzahl etwas stärker zurückgeht. Gleichzeitig wird das Anlaufdrehmoment
verbessert. Angewendet wird der Doppelschlußmotor dort, wo kurzzeitige überlastungen mit Leer-
lauf abwechseln, wie z.B. beim Antrieb von Walzen. Bei überlastung zieht der Motor wegen der
RS-Erregung kräftig durch, bei Leerlauf geht er wegen der NS-Erregung nicht durch.

6.6. Umkehr der Drehrichtung


Netz
Zur Umkehr der Drehrichtung polt man die Bür-
stenklemmen Al, A2 um, ohne daß die Erregung
umgepolt wird. Bei Vertauschen der Netzan-
schlüsse würde der Motor die gleiche Drehrichtung
beibehalten. L+ L-
Bild 11.31. Umkehr der Drehrichtung beim
Gleichstrommotor
6.7. Ankerriickwirkung
Als Ankerriickwirkung bezeichnet man bei allen elektrischen Maschinen (Gleichstrom-, Wechsel-
strom-, -motor, -generator) die magnetische Rückwirkung des stromdurchflossenen Ankers (Anker-
querfeld) auf das Gesamtfeld der Maschine. Bei der Gleichstrommaschine verursacht die Anker-
rückwirkung unter anderem ein starkes Feuern der Bürsten (starker Verschleiß). Beim Generator
ergibt sich außerdem ein stärkerer Spannungsrückgang.

728
11. Anwendungen

Zur Verringerung der Ankerrückwirkung bzw. ihrer unerwünschten Folgen wendet man bei
kleineren Maschinen und konstanter Last die Bürstenverschiebung an, bei der die Bürsten um einen
bestimmten Winkel verdreht werden, beim Generator in Drehrichtung, beim Motor entgegen.
Bei größeren Maschinen und veränderlicher Last
ordnet man zur Aufhebung der AnkeITÜckwirkung
Wendepole an. Diese sitzen in den Lücken zwischen A1
den Hauptpolen und tragen niederohmige Wick-
lungen aus wenigen Windungen dicken Drahtes, Netz
die vom Ankerstrom durchflossen werden. Der U
Wickelsinn der Wendepole ist entgegengesetzt wie E2 E1
der des Ankers, so daß bei Gleichheit beider AW-
Zahlen das Ankerquerfeld vom Wendepolfeld auf-
gehoben wird. Ähnlich wirkt auch eine Kompen-
L+ L-
sationswicklung, die in Nuten der Erregerpole liegt.
Das Vorhandensein von Wendepolen erkennt man Bild 11.32. Gleichstrom-Nebenschlußmotor
daran, daß in der Klemmenbezeichnung irgendwo mit Wendepolen
der Buchstabe BI oder B2 auftaucht.

7. Drehstrommaschine als Motor

7.1. Drehfeld
Der Ständer des normalen Drehstrommotors ist der gleiche wie der beim Drehstromgenerator be-
schriebene (siehe 1.9.1). Schaltet man die drei Ständerwicklungen in A. oder /:). an das Drehstrom-
netzt, dann erzeugen die drei um 1200 phasenverschobenen Ströme in den drei um 1200 versetzten
Wicklungen ein Drehfeld. Dieses hat in jedem Augenblick die gleiche Größe (ist also ein Gleich-
feid), ändert aber seine Lage in der Maschine mit der synchronen Drehzahl ns. (In GI. (1.44) setze
man n == ns). Die Drehung kommt bei den verschiedenen Drehstrommotoren dadurch zustande, daß
deren Läufer vom Drehfeld mitgenommen werden, beim Synchronmotor mit der gleichen Dreh-
zahl, mit der das Drehfeld umläuft, beim Käfig-, Stromverdrängungs- und Schleifringläufer etwas
langsamer (Asynchronmotoren).

7.2. Synchronmotor L1-------,~--u

Als Synchronmotor wird dieselbe Maschine verwendet, die in


1.9.1 als Drehstromgenerator beschrieben worden ist (Bild 1.6la).
Verkettet man deren Wicklungen in )... oder ~ und schaltet die L 2 ----\---{
Wicklungsanfange UI, VI, WI an das Drehstromnetz, dann ent-
steht im Ständer ein Drehfeld (Bild 11.33), das das Polrad mit-
nimmt, nachdem dieses irgendwie auf die synchrone Drehzahl ge-
bracht worden ist. Das Polrad läuft dann "synchron", d.h. seine
L3---=====:::t
Bild 11.33. Ständer einer
Drehzahl ist gleich der des Drehfeldes. Der Synchronmotor läuft Drehstrommaschine
nicht von selbst an. Er muß daher ohne Belastung von einer be-
sonderen Antriebsmaschine auf die synchrone Drehzahl gebracht werden, z.B. dadurch, daß man
seine angeflanschte kleine Erregermaschine über Gleichrichter aus dem Drehstromnetz als Motor
betreibt und damit die Hauptmaschine hochfahrt. Bei größeren Maschinen ist zur Vermeidung von
Kurzschlüssen eine besondere Synchronisierschaltung erforderlich, die den richtigen Augenblick für
das Anschalten des Ständers an das Drehstromnetz anzeigt. Selbstanlaufende Synchronmotoren ha-
ben in Nuten des Polrades einen sogenannten Dämpferkäfig, mit dem sie asynchron hochlaufen (wie

729
Elektrotechnik

Käfigläufer) und dann von selbst in Synchronismus fallen. Der Käfig dämpft zugleich Drehschwin-
gungen des Polrades, die bei plötzlicher Laständerung auftreten können.
Der Synchronmotor hat eine völlig belastungsunabhängige Drehzahl, die ebenso konstant ist wie
die Netzfrequenz. Bei Überlastung fällt er "außer Tritt" und bleibt stehen. Durch Übererregen des
Polrades nimmt er kapazitiven Blindstrom aus dem Netz und läßt sich daher zur Phasenkompensa-
tion benutzen (siehe I.8.8). Angewendet wird er dort, wo es auf besonders starre Drehzahl ankommt
oder wo bei konstanter mechanischer Dauerlast gleichzeitig Phasenkompensation für andere Ver-
braucher erzielt werden soll.

7.3. Käfigläufer
Beim Käfigläufer wird als Läufer ein in sich kurzge-
L1----r----{
schlossener Käfig aus Kupfer (Messing) oder Alumi- Ständer
nium (eingegossen) verwendet, der in Nuten des aus
Blechen bestehenden Läufereisens liegt. Das Drehfeld Läufer
cI>dreh läuft durch diesen Kurzschlußkäfig hindurch
und induziert darin den Läuferstrom I, (Induktions- UhlI=--f--Käfi9
L2--+---r
motor). cI>dreh übt auf I, ein Drehmoment aus, das den
Läufer in Drehrichtung des Feldes mitnimmt (siehe
I.6.5 und I.6.6). Die Läuferdrehzahl n ist dabei stets
L3---------~
etwas niedriger als die Drehfeldzahl n s (Schlupf). Ohne
Schlupf würde cI>dreh den Läufer nicht überholen. Bild II.34. Aufbau- und Wirkungsschema des
könnte dann auch keinen Strom induzieren und kein Käfigläufers
Drehmoment auf ihn ausüben (siehe GI. (11.15)).
Schlupf s eines Asynchronmotors:
n s -n
s= - - '100% (11.18)
ns
Je stärker der Motor belastet wird, desto größer sind Schlupf, induzierter Strom und Drehmoment.
Bei Nennlast liegt der Schlupf zwischen 10 % (bei kleinen) und 3 % (bei großen Maschinen). Die
Nenndrehzahlen von Asynchronmotoren liegen daher etwas unter den Drehzahlen der Reihe 3000,
1500 und 1000 l/min usw. Wegen des nur geringen Drehzahlrückgangs bei Belastung gilt als Be-
lastungskennlinie des Asynchronmotors etwa die des G1eichstrom-Nebenschlußmotors (siehe Bild
lI.28b). Man spricht daher vom Nebenschlußcharakter der Asynchronmotoren.
Man kann den Käfigläufermotor als sekundär kurzgeschlossenen Transformator betrachten, dessen
Sekundärwicklung der Flußänderung ausweichen kann, indem sie mitläuft. Bei Belastung geht die
Läuferdrehzahl etwas zurück (größerer Schlupf), das Drehfeld überholt rascher und induziert stär-
keren Strom im Läufer (Sekundärwicklung), und der Ständer (Primärwicklung) nimmt mehr Strom
aus dem Netz.
Die Hauptvorteile des Käfigläufers sind niedriger Preis und hohe Betriebssicherheit (keine Schleif-
ringe). Nachteilig ist der hohe Einschaltstrom, sowie bei Motoren über 2,2 kW, die über A,6. ange-
lassen werden müssen, das geringe Anlaufmoment (siehe 1I.7.5). Diese sind höchstens für Halblast-
Anlauf geeignet.
Einfachkäfigläufer bei Direktanlauf: bei.J... Ll-Anlauf:

lein "" 7 Inenn lein"" 2,31nenn


M anl "" 1,5 M nenn M anl "" 0,5 M nenn

Anwendung des Käfigläufers überall dort, wo ein Motor mit lastunabhängiger Drehzahl bei Leicht-
anIauf (unter 2,2 kW auch bei Vollastanlauf) gebraucht wird.

730
11. Anwendungen

7.4. Stromverdrängungsläufer
Die Stromverdrängungsläufer haben einen kleineren Einschaltstrom als der Einfach-Käfigläufer.
Sie unterscheiden sich von diesem durch die Anordnung bzw. die Form der Käfigstäbe.
Beim Doppelkäfigläufer befinden sich zwei Kurzschlußkäfige im Läufer, innen der Arbeitskäfig
mit dicken Stäben, außen der Anlaufkäfig mit dünnen Stäben.
Bei Anlauf tritt der Stromverdrängungseffekt auf, der bewirkt, daß der Strom fast nur im außenlie-
genden Anlaufkäfig mit verhältnismäßig hohem Widerstand fließt und daher klein bleibt (gute
Anlaufeigenschaften). Bei Betrieb verteilt sich der Strom mit gleicher Dichte über beide Käfige
(niedriger Widerstand, hoher Wirkungsgrad).

Bild 11.35
Läufer von Stromverdrängungsläufermotoren
a) a) Doppelkäfigläufer, b) Hochstabläufer

Doppelkäfigläufer bei Direktanlauf: bei J... 6-Anlauf:

lein""" 5 I nenn lein""" 1,7 I nenn


Man! """ 2,3 M nenn Man! """ 0,75 Mnenn

Der Doppelkäfigläufer ist für mittelschweren Anlauf und Hochfahren kleinerer Schwungmassen
geeignet.
Auch beim Hochstabläufer (Tiefnut-, Wirbelstromläufer) tritt die Stromverdrängung auf (I fließt bei
Anlauf häuptsächlich in den äußeren Stabteilen), so daß er ähnliche Anlaufeigenschaften hat wie
der Doppelkäfigläufer.
Hochstabläufer bei Direktanlauf: bei J... 6-Anlauf:

lein""" 4,8/nenn lein""" 1,6 I nenn


Man! """ 1,5 M nenn Man! """ 0,5 Mnenn

7.5. Stem-Dreieck-Anlauf
In Lichtnetzen schreiben die E-Werke bei Einfachkäfigläufern von 2,2 ... 4 kW und bei Stromver-
drängungsläufern von 4 ... 5,5 kW das Anlassen über Stern-Dreieckschalter vor. Bei noch größeren
Leistungen ist ein Statoranlasser oder ein Anlaßtransformator vorgeschrieben. Der Grund für diese

Wicklung ist für


380 V bemessen

L1 L1
~ ~

~ ~
L2 L2
Bild 11.36
Stern-Dreieck-Anlauf
L3 L3
a) Anlaßschaltung Stern
Netz 2201380 V b) Betriebsschaltung
Motor 3801660 V b)
a) Dreieck

731
Elektrotechnik

Vorschriften liegt darin, daß die hohen Einschaltstromstöße der Käfigläufermotoren (siehe 11.7.3
und 11.7.4) kurzzeitige Spannungsschwankungen im Lichtnetz verursachen würden und dadurch
die Helligkeit des Lichts schwankte.
Für AL,.-Anlauf muß die Nennspannung des Motors eine Gruppe höher gewählt werden
als die des Netzes, z.B. Motor 380/660 V für Netze 220/380 V.

Zum Anlaufen wird der Motor in A ans Netz gelegt (Bild II.36a). Jede seiner Wicklungen, die z.B.
fUr 380 V bemessen sind, erhält dabei nur 220 V, so daß der Motor mit verringerter Spannung
(U/{3) und kleinerem Einschaltstrom (IeiJ3) anläuft. Nachteilig ist dabei der Rückgang des An-
laufdrehmoments Manl auf ein Drittel.

Zum Betrieb wird der Motor mit dem A L,. -Schalter auf L,. umgeschaltet und erhält damit die volle
Spannung, so daß er dann voll belastet werden darf.

7.6. Schleifringläufer
Beim Schleifringläufer liegt auch in den Läufernuten eine meist dreiphasige Wicklung, die in Stern
geschaltet ist. Die Anfänge uI, vI, wl dieser Wicklung sind an Schleifringe gefuhrt, die über die
Bürsten mit einem dreiphasigen Anlaßwiderstand verbunden sind.

Der Läuferstrom wird wie beim Käfigläufer vom Drehfeld induziert (Induktions-, Asynchronmotor).
Beim Anlaufen sind die drei ohmsehen Widerstände R voll in den Läuferstromkreis eingeschaltet,
so daß der Einschaltstrom klein bleibt. R kann so groß gewählt werden, daß lein = lnenn wird und
damit kein hoher Einschaltstromfluß auftritt. Trotzdem ist dabei Manl = Mnenn , so daß der Motor für
Vollastanlauf geeignet ist. In Betrieb ist der Anlasser kurzgeschlossen, so daß der Läufer auch beim
Schleifringläufer im Kurzschluß arbeitet. Er verhält sich daher in Betrieb genauso, wie der Kä-
figläufer (Nebenschlußcharakter). Für Dauerbetrieb werden die drei Wicklungen mittels Hebels
oder Fliehkraftschalters im Läufer kurzgeschlossen und die Bürsten abgehoben. Angewendet wird
der Schleifringläufer dort, wo entweder Vollastanlauf bei größeren Leistungen vorliegt (Manl bis
2,5 Mnenn ) oder weiches Anfahren erwünscht ist (großer Anlaßwiderstand) oder große Schwung-
rnassen hochgefahren werden müssen oder häufig geschaltet wird (Anlaufwärme tritt außerhalb des
Motors im Anlasser auf). Anwendungsbeispiele: Lastaufzug, Kran, Kolbenpumpe (Vollastanlauf);
Fahrstuhl (weiches Anfahren); Zentrifuge, Gebläse (große Schwungrnassen); Fahrstuhl, Kran (häu-
figes Schalten). Der Hauptnachteil des Schleifringläufers ist der Anlaßvorgang von Hand oder über
eine Automatik sowie sein höherer Preis.

Bild 11.37
Schleifringläufer
a) Aufbauschema
b) Schaltbild des
Läuferstromkreises

732
11. Anwendungen

7.7. Umkehr der Drehrichtung


Zur Umkehr der Drehrichtung vertauscht man am Klemmbrett des Ständers zwei Leitungsan-
schlüsse nach Bild 11.38.

L1

Bild II.38
L2---r-o. L2 Anschaltung des Ständers
a} bei Rechtslauf
b} bei Linkslauf eines
Drehstrommotors
L3--------~ L3 _ _~===::::=J....>

a) b)

8. Einphasen-Wechselstrommotoren

8.1. Einphasen-Reihenschlußmotor
Der Einphasen-Reihenschlußmotor ist eine Kollektormaschine und ist ebenso geschaltet, wie der
für Gleichstrom (Bild II.29). Sein Ständer besteht jedoch nicht aus Gußstahl, sondern zur Verringe·
rung der Wirbelströme aus Dynamoblechen. Angewendet wird er bei kleinen Leistungen als Uni·
versalmotor (=) z.B. flir Haushaltsgeräte (Staubsauger), und bei großen Leistungen z.B. als Loko-
motivmotor (meist für 16~ Hz).

Der Repulsionsmotor ist ähnlich aufgebaut und hat ebenfalls Reihenschlußcharakter. Er unter·
scheidet sich vom Reihenschlußmotor dadurch, daß nur seine Erregerwicklung am Netz liegt, seine
Bürsten kurzgeschlossen und gegenüber dem Kollektor verdrehbar sind.

8.2. Einphasen-Käfigläufer

Beim Einphasenkäfigläufer mit Hilfswicklung befindet sich im Ständer die Hauptwicklung W, U2


und die dagegen um 90° versetzte Hilfswicklung Z1, Z2. Diese wird mit dem Hilfsstrom /2 gespeist,
der mit Hilfe eines zusätzlichen Schaltelernents (meist Kondensator, aber auch Drossel oder ohm-
scher Widerstand) gegenüber dem Hauptstrom /1 um möglichst 90° in der Phase verschoben wird.
Dadurch bildet sich ein Drehfeld, das den
Käfig mitnimmt. Der Kondensator kann in
Anlauf· und Betriebskondensator unterteilt
sein (siehe 11.8.3), wobei der Anlaufkonden·
sator im Betrieb abgeschaltet werden muß.
Die Hilfswicklung muß bei manchen Motoren
in Betrieb abgeschaltet werden (wenn ihr rv
L
Drahtquerschnitt nur für den kurzen Anlauf-
vorgang bemessen ist). Der Motor läuft dann
trotzdem weiter, weil das übrigbleibende
Wechselfeld als Resultierende aus zwei gegen-
sinnig umlaufenden Drehfeldern aufgefaßt
werden kann, wovon das eine den Läufer LI N
mitnimmt. Bild II.39. Einphasenkäfigläufer

733
Elektrotechnik

Beim Anwurfmotor (ohne Hilfswicklung) muß der Läufer in der gewünschten Drehrichtung ange-
worfen werden, weil er nicht von selbst anläuft. Er wird dann von dem in Anwurfrichtung laufen-
den Drehfeld mitgenommen. Umkehr der Drehrichtung beim Motor mit Hilfswicklung durch Ver-
bindung von Z2 mit V2 und VI mit ZI über Kondensator. Beim Spaltpol-Motor, der für kleinste
Leistungen (unter 100 W) angewendet wird, sind die Erregerpole gespalten und zur Hälfte mit
Kurzschlußringen aus Kupfer umgeben, mit deren Hilfe ein Drehfeld erzeugt wird. Als Läufer dient
ebenfalls ein Käfig. Die Eigenschaften der Einphasen-Käfigläufer sind ebenso wie beim entspre-
chenden Drehstrommotor (siehe II.7.3). Angewendet werden sie bei kleineren Leistungen am Ein-
phasenwechselstromnetz (z. B. Haushaltsgeräte).

8.3. Einphasenbetrieb von Drehstrommotoren


Die normalen Drehstrommotoren lassen sich nach Bild 11040 am einphasigen Wechselstromnetz
betreiben, indem man den Strom in einer Wicklung durch einen Betriebskondensator C b in seiner
Phasenlage verschiebt, so daß ein Drehfeld entsteht. Der Motor darf dabei bis zu 80 % seiner Dreh-
stromnennleistung abgeben. Bei Vollastanlauf ist ein Anlaufkondensator Ca erforderlich, der in Be-
trieb abgeschaltet werden muß. Als Richtwert für die erforderlichen Kapazitätswerte gilt:
bei 220 V 50 Hz Cb "" 75 pF je kW Drehstrom-Nennleistung
bei 380 V 50 Hz Cb "" 25 pF je kW Drehstrom-Nennleistung

Als Anlaufkondensator nimmt man Ca = 2 Cb . Die Betriebsspannung der Kondensatoren muß


1,25 V sein. Drehrichtungsumkehr durch Vertauschen der Zuleitungen an VI und W 1. Anwendung
bei Geräten, die vorwiegend für Drehstrom ausgelegt werden, bei denen aber auch einphasiger An-
schluß vorkommen kann.

U1 U1

220 V
220V

Motor 127/220V
Q) L1 N b) L1 N
Bild 11.40. Einphasenbetrieb von Drehstrommotoren
a) in Sternschaltung, b) in Dreieckschaltung

9. Wechselwirkung zwischen Elektromotor und Arbeitsmaschine


9.1. Drehmomentenkennlinien von Motoren
Beim Elektromotor hängt das entwickelte Drehmoment Me von seiner jeweiligen Drehzahl n ab.
Nebenschlußcharakter (Bild 11041) haben der Gleich- und Drehstromnebenschlußmotor, alle Käfig-
und der Schleifringiäufer. Bei steigender Drehzahl nimmt dabei das Drehmoment vom Anlauf-
moment Manl (bei n = 0) zunächst zu bis zum Kippmoment M kipp ("" 2 ... 2,5 Mnenn ), und sinkt
dann steil ab über das Nennmoment Mnenn (bei nnenn) auf Me =0 (bei n = n s , Reibungsverluste
ve rnachlässigt ).
Reihenschlußcharakter (Bild 11041 b) haben der Gleich-, Wechsel- und Drehstrom-Reihenschluß-
motor sowie der Repulsionsmotor. Bei diesen ist das Anlaufmoment Manl am größten ("" 3 M nenn ).
Me nimmt mit steigender Drehzahl ab, wobei n-t OO geht (theoretisch), d. h. der Motor geht im Leer-
lauf durch (Zerstörung des Motors, weil die Ankerwicklung durch Fliehkraft herausfliegt).

734
11. Anwendungen

M M
Manl
MkiPP
Bild H.41
Manl Drehmomentenkennlinien
von Elektromotoren
Mnenn a) Nebenschlußkennlinie
(eines Käfigläufers)
b) Reihenschlußkennlinie

a) b)

9.2. Drehmomentenkennlinien von Arbeitsmaschinen


Bei jeder Drehzahl gleichbleibendes Antriebsmoment (Bild 1I.42a) ist erforderlich bei Aufzügen,
Kranen, Kolbenpumpen und Getrieben sowie bei Hobel-, Dreh- und Fräsmaschinen bei konstan-
tem Spanquerschnitt und Drehdurchmesser. Das Antriebsmoment Mt setzt sich zusammen aus dem
Reibungsmoment Mr und dem Nutzmoment MI. Das Reibungsmoment wird bei Anlauf von der
Ruhereibung bestimmt (MrO ) und ist größer als in Betrieb. Die erforderliche Antriebsleistung P
steigt bei diesen Maschinen linear mit der Drehzahl n.

Mit der Drehzahl quadratisch ansteigendes Antriebsmoment (Bild II.42b) ist erforderlich bei Lüf-
tern, Gebläsen, Kreiselpumpen und Rührwerken sowie beim Luftwiderstand von Fahrzeugen,
Bahnen und Fördermaschinen hoher Geschwindigkeit. Das Antriebsmoment Mt für diese Maschi-
nen setzt sich zusammen aus dem drehzahlunabhängigen Reibungsmoment Mr (bzw. Mro ) und
einem Moment MI '""' n 2• Die erforderliche Antriebsleistung P steigt bei diesen Maschinen mit der
dritten Potenz der Drehzahl n.

Mit der Drehzahl linear abnehmendes Antriebsmoment ist erforderlich bei Wickelantrieben, bei
denen Materialzug und -geschwindigkeit konstant gehalten werden, sowie beim Plandrehen mit
konstantem Spanquerschnitt. Die erforderliche Antriebsleistung P bleibt dabei konstant.

M M

Mt~-----------r------

(Mro )
------ ---- Mr +-----------------------
n n
Q) b)

Bild 11.42. Drehmomentenkennlinie von Arbeitsmaschinen


a) erforderliches Antriebsmoment unabhängig von der Drehzahl
b) erforderliches Antriebsmoment steigt mit n 2

9.3. Anlaufvorgang
Bei Leeranlauf wird das ganze vom Motor entwickelte Drehmoment dazu benutzt, die Schwung-
massen des Motors zu beschleunigen. Die Motordrehzahl steigt dabei rasch auf die Leerlaufdreh-
zahl, der Anlaufvorgang mit seinem hohen Anlaufstrom dauert nur kurze Zeit und im Motor ent-
steht nur wenig Wärme.

735
Elektrotechnik

Beim Hochfahren einer Arbeitsmaschine mit konstantem Antriebsmoment (Bild II.43a) wird der
Motor schon im Stillstand mit dem vollen Drehmoment Mt belastet. Die Differenz Mb zwischen
dem vom Motor entwickelten Moment Me und dem von der anzutreibenden Maschine geforderten
Moment Mt dient zur Beschleunigung der Schwungmassen von Motor und Maschine. Wegen des
kleineren Beschleunigungsmoments Mb und der zusätzlichen Schwungrnassen der Maschine dauert
der Anlaufvorgang länger und der Motor wird daher wärmer als bei LeeranIauf. In Betrieb stellt
sich diejenige Betriebsdrehzahl n ein, bei der Me =Mt ist.)... b.-Anlaufwäre im dargestellten Falle
(etwa Vollastanlauf) nicht möglich, weil der Motor in A (gestrichelte Drehmomentenkennlinie)
nicht genügend Anlaufmoment entwickelt. Wenn das erforderliche Antriebsmoment der Maschine
quadratisch mit n ansteigt (Bild II.43b), ist bei niedrigen Drehzahlen das beschleunigende Diffe-
renzmoment Mb größer. Bei nicht zu großen Schwungmassen dauert der Anlaufvorgang nicht zu
lange, so daß der Motor nicht zu heiß wird. AuchA b.-Anlauf ist dabei möglich. Die Betriebsdreh-
zahl n ergibt sich wieder bei Me = Mt.

"",=""/
/

\
",,/ \I

n n n n
a} b}

Bild H.43. Anlaufvorgang in den Drehmomentenkennlinien


a) Käfigläufer und Arbeitsmaschine mit konstantem Antriebsmoment
b) Käfigläufer und Arbeitsmaschine mit quadratisch ansteigendem
Antriebsrnoment

9.4_ Verhalten im Betrieb


Die Größe des von einem Motor abgegebenen Drehmoments wird nur von der angetrie-
benen Arbeitsmaschine bestimmt.
Das Drehmoment, das zum Betrieb der Arbeitsmaschine erforderlich ist, wirkt auf den Motor
bremsend. Dadurch geht die Drehzahl zurück, und das damit verbundene Absinken der inneren
Gegenspannung (siehe 11.6.2) verursacht eine erhöhte Strom- und Leistungsaufnahme.
Beim Motor mit Nebenschlußverhalten (Bild 1I.44a) ist der Drehzahlrückgang bei Belastung nur
gering, bei Reihenschlußverhalten dagegen zeigt sich bei gleicher Laständerung ein starker Dreh-
zahlrückgang. Stromaufnahme und Leistung steigen dabei nicht so stark an wie bei Nebenschluß-
charakter.
Bei Überlastung des Motors (z. B. mit 1,75 Mnenn ) bleibt dieser nicht stehen, sondern gibt (bis
zum Kipprnoment) das geforderte Überlastmoment an die angetriebene Maschine ab. Er nimmt
dabei mehr Strom auf, als für seine Wicklungen zulässig ist und wird dadurch im Dauerbetrieb zu
heiß (Wicklungsisolation wird zerstört). Um zu starke Erwärmung der Motoren infolge mechani-
scher Überlastung zu vermeiden, werden sie über Motorschutzschalter angeschlossen, die genau auf
den zulässigen Dauerstrom [nenn des Motors eingestellt werden. Bei länger andauernder Überschrei-
tung von [nenn wird z. B. ein Bimetallstreifen so stark aufgeheizt, daß er infolge seiner Durchbie-
gung den Schalter allpolig öffnet. Dieser läßt sich erst nach einiger Zeit wieder einschalten, wenn
Bimetall und Motor sich genügend ab,gekühlt haben.

736
11. Anwendungen

M M

(1, 75· Mn• nn )

Mn• nn 1--------""'"-

0,25· Mn• nn I---------:-tt_ ~~-_+---~==--~oo


n
weiter Drehzahl-
geringe Dreh- bereich
zahländerung
a} b}

Bild 11.44. Betriebsverhalten von Motoren bei verschiedenen Belastungen


a) Motor mit Nebenschlußcharakter, b) mit Reihenschlußcharakter

9.5. Bremsung
Die Stillsetzung von Motor und Arbeitsmaschine erfolgt am einfachsten durch Abschalten des Mo-
tors. Das Aggregat läuft dann von selbst aus. Wenn besonders rasches Stillsetzen erwünscht ist,
kann elektrisch gebremst werden, wobei allerdings meist der letzte Rest mechanisch weggebremst
werden muß, weil die Wirksamkeit der elektrischen Bremsung mit fallender Drehzahl abnimmt
(Induktionsvorgang). Folgende Arten des elektrischen Bremsens sind gebräuchlich:

Widerstandsbremsen: Gleichstrommotoren werden vom Netz getrennt und auf Lastwiderstände ge-
schaltet. Die kinetische Energie der Schwungmassen treibt die Maschine dabei als Generator an.
Die mechanische Energie wird unter Abbremsung der Massen in elektrische verwandelt, die den
Lastwiderstand erwärmt. Beispiel: Straßenbahn.
Drehstrommotoren (z.B. Käfigläufer) werden vom Drehstrornnetz getrennt und ihre Ständerwick-
lung wird an Gleichspannung gelegt. Das dabei entstehende magnetische Gleichfeld induziert im
Käfig Wirbelströme, die die kinetische Energie aufzehren und im Läufer in Wärme verwandeln.

Gegenstrombremsen: Der Motor wird vom Netz getrennt, auf Drehrichtungsumkehr geschaltet
und unter Einschaltung eines Vorwiderstandes (beim Schleifringläufer in den Läuferkreis) wieder
ans Netz gelegt. Das Gegendrehmoment des Motors wirkt dabei bremsend. Beispiele: Gegenstrom-
bremsen bei Straßenbahn, Senkbremsen bei Hebezeugen.

Nutzbremsen: Kollektormotoren (für Gleich-, Wechsel- und Drehstrom) werden durch die kine-
tische Energie der abzubremsenden Massen auf eine Drehzahl gebracht, bei der die elektromoto-
rische Gegenspannung höher ist als die angelegte Netzspannung. Die Stromrichtung kehrt dabei
um und die Maschine liefert als Generator elektrische Energie ins Netz zurück. Beispiel: Talfahrt
von Bahnen.
Asynchronmotoren werden mit übersynchroner Drehzahl von den Massen angetrieben und wirken
dabei unter Rücklieferung von elektrischer Energie als Asynchrongeneratoren. Diese Art der Nutz-
bremsung wird häufig bei polumschaltbaren Motoren (siehe 11.11.4) angewendet, indem man sie
fortlaufend auf die nächst niedrigere Drehzahlstufe schaltet und somit durch die abzubremsende
Arbeitsmaschine übersynchron antreiben läßt. Beispiel: Stillsetzen von Zentrifugen.

737
Elektrotechnik

9.6. Betriebs- und Schutzarten, Kühlung und Baufonnen


Dauerbetrieb DB: Die Betriebsdauer bei Nennleistung ist so lang, daß der Motor auf seine zulässige
Endtemperatur kommt.
Kurzzeitbetrieb KB: Die Betriebsdauer bei KB-Nennleistung ist so kurz, daß die zulässige Endtem-
peratur nicht erreicht wird. Die Pausen zwischen den Einschaltungen sind so lang, daß der Motor
sich wieder auf die Temperatur seiner Umgebung (Lufttemperatur) abkühlt.
Aussetzbetrieb AB: Die Betriebsdauer bei AB-Nennleistung ist so kurz, daß die zulässige Endtem-
peratur nicht erreicht wird. Die Pausen sind ebenfalls kurz, so daß die Maschine sich nicht auf die
Umgebungstemperatur abkühlen kann.
Durchlaufbetrieb mit Kurzzeitbelastung DKB: Der Unterschied zu KB liegt darin, daß die Maschine
in den Pausen nicht abgeschaltet ist, sondern leerläuft. Sie kühlt sich in den Pausen auf ihre Leer-
lauftemperatur ab.
Durchlaufbetrieb mit Aussetzbelastung DAB: Der Unterschied zu AB liegt ebenfalls im Leerlauf
während der Belastungspausen.
Für KB, AB, DKB und DAB kann die Maschine kleiner gebaut werden als für DB.
Die prozentuale Einschaltdauer (ED in %) bezieht sich nonnalerweise auf eine Spieldauer von 10min.
ED = 40 % bedeutet dabei: Die Maschine oder das Gerät darf höchstens 4 min eingeschaltet und
muß anschließend mindestens 6 min ausgeschaltet bleiben. Bei großen Maschinen kann die maxi-
male Spieldauer länger, bei sehr kleinen Geräten auch kürzer sein.
Für den Schaltbetrieb, bei dem sehr häufig ein- und ausgeschaltet wird, muß die Maschine größer
bemessen werden, als ihrer DB-Nennleistung entsprechen würde.
Die Schutzarten gegen Berührung gefährlicher Spannungen und gegen Eindringen von Fremdkör-
pern (Staub, Wasser) sowie Explosions- und Schlagwetterschutz sind nach DIN 40050 genormt.
Die Kühlung erfolgt als Selbstkühlung (kein Lüfter) oder Mantelkühlung (bei geschlossenen Bau-
arten), besser und häufiger jedoch durch Eigenbelüftung (eigener Lüfter) oder Fremdbelüftung
(besonderes Lüfteraggregat).
Die Bau/armen der Motoren (Art der Befestigung, der Lager, der Anordnung) sind nach DIN IEC
34 T 7 genonnt.

10. Stromrichter
Stromrichter gibt es als Gleichrichter, Wechselrichter und Umrichter. Gleichrichter fonnen Wechsel-
oder Drehstrom in Gleichstrom um. Wechselrichter formen Gleichstrom in Wechsel- oder Dreh-
strom um. Umrichter( -schaltungen) erzeugen aus einem vorhandenem Wechselstromsystem ein an-
deres mit gleicher oder geänderter Phasenzahl, Frequenz und Spannung.

10.1. Halbleiterbauelemente
10.1.1. Diode
Dieses Bauelement hat als Anschlüsse Anode und Kathode. Die Diode besitzt einen PN- Übergang
und kann Strom nur in einer Richtung übertragen (Ventilwirkung).
Wird an die Anode eine positive und an die Kathode eine negative Spannung angelegt, ist die Diode
in Durchflussrichtung geschaltet. Bei Umpolung der angelegten Spannung ist sie in Sperrrichtung
geschaltet (siehe Halbleiter S. 657). Eingesetzt wird die Diode z. B. in Stromrichterschaltungen und
Transistorschaltungen. Sie wird auch als Gleichrichter oder Überspannungsschutz verwendet. Die

738
11. Anwendungen

gebräuchlichsten Gleichrichterschaltungen sind Einweg,- Mittelpunkt- und Brückenschaltung für


kleinere Leistungen und Sechsphasenschaltung für größere Leistungen. Bei der Einwegschaltung
pulsieren die Momentanwerte u_ der gleichgerichteten Spannung mit der Netzfrequenz/zwischen
Null und u (Scheitelwert). Der Mittelwert U_ der Gleichspannung ist dabei U_ = 0,45 U_ .
Bei der Brückenschaltung und der Mittelpunktschaltung pulsiert u_ mit der doppelten Netzfrequenz
2f Der Mittelwert ist U_ = 0,9 U_ (0,45 und 0,9 sind Tabellenwerte nach DIN VDE 0558).
Bild 1I.45b zeigt die Wirkungsweise dieser Schaltung, die auch als Grätz-Schaltung bekannt ist. Die
beiden in den Bildern 1I.45a und II.45b angegebenen Grundschaltungen lassen sich entsprechend
auch bei Drehstrom anwenden.

~=:JI - - :::,'

u_ +

Stromrichtung
o
u Bild lI.4S
Beispiele für Gleichrichter..
schaltungen und Verlauf der
\
gleichgerichteten Spannung
I
\ / a) Einphaseneinwegschal ..
\ .../ tung
b) Brückenschaltung
al bl

10.1.2. Transistor
Gegenüber einer Diode ist ein Transistor (transfer-übertragen, resistor-Widerstand) über die Basis
(B) steuerbar. Der Emitter (E) sendet die Ladungsträger und der Kollektor (C) sammelt sie.
Bipolare Transistoren haben 2 PN-Übergänge und arbeiten nur mit Gleichstrom. Zwischen Basis
und Emitter wird der PN-Übergang in Durchlassrichtung und der zwischen Basis und Kollektor in
Spemichtung geschaltet.
Berechnungen: JE = JB+ Je
UeE = UeB+U BE
B (Gleichstromverstärkung) =Je / JB
In der Leistungselektronik, in der mit Hilfe von Halbleiterbauelementen Ströme gesteuert, geschal-
tet und umgeformt werden, wird der NPN-Transistor (Silizium) hauptsächlich als schneller Schalter
genutzt, da er mit einem geringen Steuerstrom einen sehr großen Strom steuern kann. Mit einem
schwachen Steuerstrom kann man Stromdurchgang oder Sperrzustand hervorrufen (JB steuert Je):
Keine Spannung zwischen Basis und Emitter ~ großer Transistorwiderstand ~ Transistor als
Schalter geöffnet. Spannung zwischen Basis und Emitter ~ minimaler Widerstand ~ Schalterzu-
stand geschlossen.
Verstärkerverhalten: Ein kleiner Basisstrom führt zu einem hohen Kollektorstrom (Schaltströme
bis 500 A). Die jeweiligen Kenndaten entnimmt man aus den mitgelieferten Datenblättern.
Von den drei Transistorgrundschaltungen (Basis-, Emitter-, Kollektorschaltung) wird die Emitter-
schaltung (Bild 11.46) am häufigsten gebraucht. Der Emitter liegt gemeinsam an Ein- und Ausgang.
Spannung-, Strom- und Leistungsverstärkung sind sehr hoch.
Außerdem ist der Transistor in dieser Schaltung der einfachste Inverter (Wechselrichter).

739
Elektrotechnik

.. U8E
.. U[8
.. -U8E
.. -U[8

~ Basis
W~ 18 ~ B
~~
- -
18

- -
P E N E
J(ollektor N
E [ P
Emitfer

-IE I[ IE -Ir
.. UrE
.. -UrE

NPN-Transistor PNP-Transistor

Eingang

Basis

Emitfer
J(ollektor

Ausgang Bild II.46 Emiuerschaltung

10.1.3. Thyristor
Das steuerbare Halbleiterbauelement Thyristor hat mindestens 4 unterschiedliche Halbleiterzonen
und damit 3 PN-Übergänge (Sperrschichten). Am häufigsten wird der PNPN-Thyristor wegen seiner
Leistungsstärke (Schalten von Strömen bis 1000 A) gebraucht. Thyristoren können als Wechsel-,
Gleich- und Umrichter genutzt werden.
Soll z. B. ein Gleichstrommotor mit Drehstrom gespeist werden, können Thyristoren die Steuerung
und das Gleichrichten übernehmen.
Rückwärtssperre: 2 PN-Übergänge in Sperrrichtung geschaltet.
Vorwärtssperre: 1 PN-Übergang in Sperrrichtung geschaltet.
Funktionsweise: Liegt am Gate keine Spannung (Steueranschluss offen), zündet der Thyristor bei
der Nullkippspannung U(BO)O. Mit Steuerspannung zündet er vor U(BO)O. Steuerstrom und Steuer-
spannung sind abhängig von der Spannung UAK (Bild 11.48).

Durchlaßstrom IF
Anode

Kathode
Sfeuerelektrode
(Gafe)
P-Gafe Thyristor Kippspannung

Bild I1.47 Thyristoraufbau Bild II.48 Thyristorkennlinie

Zündung: Ohne Steuerstrom sperrt der Thyristor. Liegt aber eine Steuerspannung am Gate, be-
kommt der mittlere PN-Übergang durch den Steuerstrom soviel freie Ladungsträger, dass die Sperr-
schicht abgebaut wird und der Thyristor zünden kann. Er sperrt erst wieder, wenn der entstandene
Haltestrom I H unterschritten wird oder bei Wechselstrom während jeder negativen Halbperiode.
Erst bei erneuter Zündung kann die Sperrung aufgehoben werden und auch wieder Strom fließen.
Ein Thyristor kann durch Gleich- und Wechselstrom und durch Impulse gezündet werden. Nur bei
Impulszündung arbeitet er exakt.

740
11. Anwendungen

10.1.4. Triac (Zweirichtungsthyristor)


Zwei gegeneinander parallel geschaltete Thyristoren erge-
ben einen Triac (lliode ac - Triodenwechselstromschal- Haupfanschluß At

ter). Der Triac kann im Gegensatz zum Thyristor in beiden


Richtungen zünden (vorwärts und rückwärts).
Die negative Halbperiode wird also auch durchgelassen. N
Die Zündung erfolgt mit positivem oder negativem Gate-
strom. Kein Steuerstrom ergibt eine Sperrung in beiden
Schaltzeichen HaIerialanordnung
Richtungen. Verwendung z. B. beim Dimmer und bei der
Leistungssteuerung von Motoren.

11. Steuerung von Drehzahl und Drehmoment bei Motoren


11.1. Steueranlasser
Eine Herabsetzung der Drehzahl läßt sich am einfachsten durch einen Anlaßwiderstand erreichen,
der so groß gebaut sein muß, daß er während der Dauer der Drehzahlverringerung nicht zu heiß
wird: Steueranlasser. Beim Gleichstrommotor wird dieser nach Bild 11.28 und 11.29 in den Anker-
stromkreis eingeschaltet. Die Spannung am Anker ist dabei um den Spannungsfall am Anlaßwider-
stand geringer als die Netzspannung, so daß innere Gegenspannung und Drehzahl kleiner sind als
bei voller Spannung. Beim Käfigläufer wird ein dreiphasiger Steueranlasser im Ständerstromkreis
verwendet, der den Schlupf des Läufers (siehe 11.7.3) bei Belastung vergrößert. Schlupfsteuerung.
Auch beim Schleifringläufer kann man eine Schlupfsteuerung durch Steueranlasser im Läufer-
stromkreis erzielen. Die Vorteile des Steueranlassers sind: kleiner Aufwand und niedriger Preis. Als
Nachteile ergeben sich schlechter Wirkungsgrad durch Erwärmung des Anlassers und starke Last-
abhängigkeit der Drehzahl.

11.2. Feldstellwiderstand
Eine Erhöhung der Drehzahl ist beim Gleich-
strommotor durch Schwächung der Erregung
mittels Feldstellwiderstand zu erreichen. Bei
verringerter Erregung muß der Motor schneller Netz
laufen, damit seine elektromotorische Gegen- Feld- U
steiler
spannung wieder ungefähr gleich der angelegten
Netzspannung wird. Bei Nennlast läßt sich auf
diese Weise die Drehzahl etwa zwischen 0,9 ...
1,2 nnenn steuern. Bei geringer Belastung oder
L+ L-
gar Leerlauf läßt sich n auf ein Mehrfaches von
Bild II.49. Gleichstrom-Nebenschlußmotor mit
nnenn bringen, weil das Drehmoment dabei trotz FeldsteIlwiderstand
Erregungsschwächung noch ausreicht. Beim
Gleichstrom-Reihenschlußmotor wird der Feld-
steiler parallel zur Erregerwicklung Ei, E2 ge-
schaltet.

11.3. Gleichstrom-Nebenschlußmotor mit gesteuerter Gleichstromversorgung


Der Gleichstrom-Nebenschlußmotor (oder fremderregte Maschine) bietet besonders in Verbindung
mit einer Steuerung der Gleichstromversorgung eine sehr weite Steuermöglichkeit der Drehzahl.
Der Motor wird dabei aus dem Wechsel- oder Drehstromnetz entweder über Gleichrichter oder über
Umformer gespeist. Dabei sind folgende Steuerungsarten der Stromversorgung gebräuchlich:

741
Elektrotechnik

Steuertransformatoren (Bild 11.50) versorgen sowohl den Anker- als auch den Feldgleichrichter mit
je einer getrennt einstellbaren Wechselspannung Ua _ bzw. Ue -. Dadurch entstehen hinter den be-
treffenden Gleichrichtern die Anker- und die Erregergleichspannung Ua_ bzw. Ue _, die in einem
starren Verhältnis zu den angelegten Wechselspannungen stehen (siehe 11.10.3). Der Ankergleich-
richter gestattet ähnlich wie der Steueranlasser (siehe 11.11.1) eine Herabsetzung der Drehzahl
unter nnenn (Ankersteuerbereich), vermeidet jedoch dessen Nachteile (den schlechten Wirkungs-
grad und die starke Lastabhängigkeit der Drehzahl). Der Feldgleichrichter steuert ähnlich wie der
Feldstellwiderstand (siehe 11.11.2) oberhalb nnenn durch Feldschwächung (Feldsteuerbereich).

Ankergleich-
richter
AI
+

EI Bild II.50.
CI
Prinzipschaltbild für den Betrieb

I eines drehzahlgesteuerten Gleichstrom-


Nebenschlußmotors über Gleichrichter
FeldgleIch- \ LI N aus dem Wechselstromnetz
richter Steuertrans-
formatoren

Transduktoren werden oft anstelle der Steuertransformatoren zur Versorgung der Gleichrichter
mit steuerbaren Wechselspannungen Ua- bzw. Ue- verwendet. Die Wirkungsweise des Transduktors
ist die einer Eisenkerndrossel (Blind-Vorwiderstand XL), deren Induktivität L (und damit auch XL)
mit einem schwachen Hilfsgleichstrom durch Vormagnetisierung des Eisenkerns gesteuert wird
(auch automatisch bei Regelschaltungen).

Gesteuerte Gleichrichter werden mit festen Wechselspannungen Ua- bzw. Ue- gespeist. Gesteuert
wird dabei die Durchlaßdauer der Gleichrichter, so daß die Mittelwerte der Gleichspannungen Ua_
bzw. U e_ mehr oder weniger hoch sind. In Gebrauch sind gesteuerte Halbleitergleichrichter (Thyri-
storen), bei denen die Dauer der Durchlässigkeit durch eine Spannung an einer dritten Elektrode ge-
steuert wird. Mit gesteuerten Gleichrichtern lassen sich bei konstanter Ankerspannung lastunabhän-
gige Drehzahlkennlinien verschiedener Höhe einstellen (z. B. für Werkzeugmaschinen), bei konstan-
tem Ankerstrom auch drehzahlunabhängige Drehmomentenkennlinien (z. B. für Wickelantriebe).

Bei der Leonard-SchaItung treibt ein beliebiger Antriebsmotor 1 (meist ein Drehstrommotor) den
kleinen Erregergenerator 2 (Nebenschlußmaschine) und den Generator 3 (fremderregte Maschine).
Dieser versorgt den Motor 4 (Nebenschluß- oder fremderregte Maschine) mit der Ankergleichspan-
nung Ua . Der Feldstellwiderstand Rg des Generators kann eine Mittelanzapfung haben, so daß sich
damit nicht nur die Größe, sondern auch die Richtung des Generator-Erregerstromes leg verändern
läßt. Dadurch ändern sich Größe und Polung der Ankerspannung Ua und damit auch Drehzahl und
Drehrichtung des Motors 4 (Ankersteuerung). Eine Drehzahlerhöhung über nnenn hinaus ergibt sich
durch Feldschwächung mittels Feldstellwiderstand Rm des Motors (Feldsteuerung). Die Größe der
Erregerspannung Ue wird am Feldstellwiderstand Re des Erregergenerators eingestellt. Für selbst-
tätige Regelung der Drehzahl läßt sich als Erregergenerator eine Amplidyne-(Verstärker-)Maschine
verwenden, deren Hilfswicklung zur Regelung herangezogen wird.

742
11. Anwendungen

~ ~ _~..a _ _
+I:
-;.-
---~

4 2

+ Bild 11.51
Leonard-Schaltung

L1 L2 L3
11.4. Polumschaltbare Motoren
Eine stufenweise Drehzahlsteuerung ist bei polumschaltbaren Motoren möglich. Diese sind Dreh-
strom-Käfigläufer mit mehreren Ständerwicklungen je Strang, die so verkettet werden, daß sich ein
oder mehrere Polpaare im Ständer bilden (siehe GI. (I.44)). Bei der Dahlander-Schaltung lassen
sich folgende Drehzahlstufen des Drehfeldes mit je zwei Ständerwicklungen erreichen (in U/min):
a) 500-1000-1500, b) 750-1000-1500, c) 1000-1500-3000, d) 500-750-1000-1500. We-
gen des Schlupfes liegen die Nenndrehzahlen etwas darunter. Polumschaltbare Motoren haben meist
schlechteren Wirkungsgrad und Leistungsfaktor als andere.

11.5. Drehstrom-Kommutatormaschinen
Eine stufenlose Drehzahlsteuerung ist bei den Drehstrom-Kommutatormotoren möglich. Diese
haben im Ständer eine dreiphasige Wicklung und im Anker eine Gleichstromwicklung, die an einen
Kollektor angeschlossen ist. Auf dem Kollektor schleifen 3 oder 6 Bürsten, die zwecks Anlauf und
Drehzahlsteuerung gegenüber dem Kollektor verdrehbar angeordnet sind. Der Drehstrom-Reihen-
schlußmotor hat Reihenschlußcharakter wie die entsprechende Gleichstromtype, der Drehstrom-
Nebenschlußmotor hat Nebenschlußcharakter (siehe II.9.1). Angewendet werden sie dort, wo eine
gute Steuerbarkeit der Drehzahl erforderlich ist und andere Steueranordnungen (gesteuerte Gleich-
richter oder Maschinensätze) noch teurer wären als die an sich schon nicht besonders billigen
Kommutatormaschinen.

12. Sondererscheinungen der Elektrizität


12.1. Thermoelektrizität
Thermoelektrizität tritt auf, wenn sich 2 verschiedene Leiterwerkstoffe berühren und zwischen der
Berührungsstelle (z. B. verlötet, verschweißt) und den Anschlußpunkten ein Temperaturunterschied
herrscht. Die Größe der Thermospannung U hängt ab von dieser Temperaturdifferenz und von der Art
der Leiterwerkstoffe. Die gebräuchlichsten Werkstoffkombinationen für Thermoelemente sind
Kupfer-Konstantan (bis 400°C), Eisen-Konstantan (bis 700 0c), Nickelchrom-Nickel (bis 1000°C)
und Platinrhodium-Platin (bis 1300 Oe). Bei den drei erst- +
genannten beträgt die Thermospannung etwa 5 mV/I 00 K, __,,0---,
beim letztgenannten etwa Ylo davon.
Ein Kühl-Effekt tritt an der Berührungsstelle auf, wenn man
I
einen Strom in der gleichen Richtung durch ein Thermoele-
I
ment schickt, wie er bei heißer Berührungsstelle und Bela- I
I
stung mit einem Widerstand fließen würde. Anwendung beim heiß kalt
Halbleiter-Kühlelement zur Kühlung auf kleinem Raum.
Bild 11.52. Thermoelement

743
Elektrotechnik

12.2. Optoelektronische Bauelemente


12.2.1. Fotowiderstand
Eine spezielle Halbleiterschicht ennöglicht diesem Bauelement, das im Gegensatz zu Fotoelemen-
ten eine Außenspannung benötigt, bei Lichteinfall seinen Widerstand zu ändern: Mit wachsender
Beleuchtungsstärke E nimmt der Widerstand ab. Trifft Licht (UV bis IR-Bereich) auf das Halblei-
tennaterial, zerreißen die festen Bindungen im Kristallgitter. Dadurch entstehen frei bewegliche La-
dungsträger (Elektronen und Löcher), die zur Erhöhung der Leitfähigkeit beitragen. Da sie inner-
halb des Materials bleiben, wird dieser Vorgang auch innerer Fotoeffekt genannt.
Genutzt werden diese Eigenschaften beim lichtabhängigen Steuern, z. B. Ein-Aus-Transistorschal-
tungen und Dämmerungsschalter. Vorteilhaft ist die sehr hohe Lichtempfindlichkeit, nachteilig das
träge Verhalten bei Helligkeitsänderung. Fotowiderstände werden auch als LDR (Light Dependant
Resistor -lichtabhängiger Widerstand) bezeichnet.
U
Ip

\\ ~
I
A K Bild 11.53
~ [>I Schaltung und
Forowiderstand • Fotoelement Wirkungsweise einer
ILDRI UR
ISoIarzellel Fotozelle
Folodiode

12.2.2. Fotodiode, Fotoelement, Solarzelle


Der Aufbau der Fotodiode ähnelt dem nonnaler Halbleiterdioden. Fällt Licht auf die Sperrschicht,
entstehen frei bewegliche Ladungsträger (Elektronen und Löcher). In Sperrrichtung betrieben er-
folgt eine starke Erhöhung des Sperrstroms. Dieser Fotostrom I p verhält sich annähernd proportio-
nal zur Beleuchtungsstärke E. Vorteilhaft ist das schnelle Reagieren bei Helligkeitsänderungen im
Gegensatz zum Fotowiderstand UR. Nachteilig sind die geringe Lichtempfindlichkeit und die Ab-
hängigkeit des Fotostroms von der Temperatur der Sperrschicht.
Als Fotoelement wird eine Fotodiode ohne Außenspannung bezeichnet. Lichtenergie wird in elektri-
sche Energie umgewandelt. Trifft Licht auf die N-dotierte Schicht des Bauteils, zerreißen feste Bin-
dungen im Kristallgitter. Es entstehen frei bewegliche Elektronen und Löcher. Die Diffusionsspannung
treibt die Elektronen zur N-Schicht (Material ist negativ aufgeladen) und die Löcher zur P-Schicht
(Material ist positiv aufgeladen). Dadurch entsteht zwischen den Anschlüssen der Diode eine Span-
nung. Spannung und Stromstärke sind abhängig von der Beleuchtungsstärke. Durch Zusammenschal-
ten mehrerer Fotoelemente erhält man eine Solarzelle, z. B. zur Energiegewinnung aus Sonnenlicht.

12.3. Kristallelektrizität
An einigen Kristallen (z.B. Quarz und Seignettesalz) treten bei mechanischem Druck, Zug oder
Biegung elektrische Ladungen an gegenüberliegenden Flächen auf (Piezo·Effekt). Bei wechselndem
Druck, Zug oder Biegung lassen sich zwischen den me-
Kristall Silbersc:hic:hten
tallisierten Flächen Wechselspannung und -strom abneh- Druc:k-
men (kapazitiver Generator). Entnahme von Dauer- (Zug-) Kra_ft_F-C>l
gleichstrom ist nicht möglich, da der Innenwiderstand - +
des Kristalls unendlich groß ist (theoretisch). Anwendung +
als mechanisch elektrischer Druckwandler für Steuer- +
und Regelschaltungen, für Tonabnehmer und Mikrofone. u +
Der Piezo-Effekt ist umkehrbar: Bei Anlegen einer Span- (+J (-J
nung verformt sich der Kristall (Kristall-Lautsprecher). Bild 11.54 Kristallelektrizität

744
11. Anwendungen
13 . Elektrische Meßgerä te

13.1. Allgemeines über elektrische Meßgeräte

Ein Meßgerät besteht aus dem eigentlichen Meßwerk und den Zusatzeinrichtungen (Vor- und
Nebenwiderstände, Meßbereichschalter usw.). Die meisten elektrischen Meßwerke arbeiten nach
dem Prinzip der Federwaage. Ein von den zu messenden elektrischen Größen Strom oder Spannung
abhängiges Drehmoment wird durch eine Drehmomenten-Federwaage ausgewogen und angezeigt.

Die Angaben auf der Skala eines Meßgerätes kennzeichnen a) die Art des Meßwerks durch ein Sinn-
bild (Drehspul-, Dreheisen- usw.), b) die Gebrauchslage durch ein Zeichen (senkrecht, waagerecht,
schräg usw.), c) die Güteklasse durch Angabe der prozentualen Meßunsicherheit bezogen auf Voll-
ausschlag (± 0,1 ... ± 2,5 %), d) die Prüfwechselspannung in kV in einem Stern (ohne Zahl 500 V,
sonst Angabe 2 ... 50 kV).

0,1 1

1 nLJO 0,2 1,5


0,5 2,5 W Bild 11.55
a) b) c) d) Angaben auf der Skala eines Meßgerätes

13.2. Drehspul-Meßgerät

Beim Drehspulmeßwerk wird eine drehbare Spule bei Stromfluß im Felde eines Dauermagneten
abgelenkt. Den Aufbau zeigt Bild II.56, das Sinnbild zeigt Bild II.55a links. Die Eigenschaften des
Drehspul-Instruments sind: nur für Gleichstrom und -spannung; geringer Eigenverbrauch; sehr
empfindlich und sehr genau herstellbar; Skala linear geteilt. Angewendet wird es zur Gleichstrom-
und -spannungsmessung sowie unter Vorschaltung eines Gleichrichters auch zur Wechselstrom- und
-spannungsmessung (Gleichrichterinstrument). Die sehr verbreiteten Vielfach-Instrumente enthalten
ein Drehspulmeßwerk und einen Gleichrichter, Vor- und Nebenwiderstände (siehe II.14.1 und 2),
sowie einen Meßbereichumschalter, mit dem die verschiedenen Gleich- und Wechselstrom- und
-spannungsmeßbereiche eingestellt werden.

/""---'y Spulenkasten
Dauermagnet
I -- Spule ICu)
Drehspule (Cu) I I /'v___\''',"-----l.
r ' feststehendes Eisen
auf Spulenrahmen (AI)
\ \
drehbares Eisen
\

----
Magnetfeld
\. '---1+--- Spiralfeder (Bz)
Spiralfedern (Bz)
feststehender Eisenkern

Bild 11.56. Aufbau eines Drehspulmeßwerks Bild 11.57. Aufbau eines Dreheisen-Meßwerks

745
Elektrotechnik

13.3. Dreheisen-Meßgerät
Beim Dreheisenmeßwerk stoßen sich ein feststehendes und ein drehbares Eisen in einer feststehen-
den Spule ab. Den Aufbau zeigt Bild 11.57, das Sinnbild zeigt Bild 1I.55a rechts. Die Eigenschaften
des Dreheisen·Instruments sind: für Gleich- und Wechselstrom und -spannung; billig herstellbar;
mechanisch und elektrisch besonders robust; größerer Eigenverbrauch; geringere Empfindlichkeit;
Skala quadratisch geteilt. Angewendet wird es wegen seiner Überlastbarkeit und seines niedrigen
Preises als Betriebs- und Schalttafelinstrument, aber auch als genaues Laborinstrument.

13.4. Elektrodynamisches Meßgerät


Beim Dynamometer wird eine drehbare Spule im Magnetfeld einer feststehenden Spule abgelenkt.
Den Aufbau und das Sinnbild zeigt Bild 11.58. Die Schaltung als Leistungsmesser wird in 11.14.4
erläutert. Die Eigenschaften des Dynamometers sind: für Gleich- und Wechselstrom, -spannung und
-leistung; Produktenmeßwerk (multipliziert z.B. Ul, daher als Leistungsmesser geeignet); größerer
Eigenverbrauch und geringere Empfindlichkeit; sehr genau herstellbar; Skala bei U- und I-Messung
quadratisch, bei P-Messung linear. Angewendet hauptsächlich als Leistungsmesser bei Gleich- und
Wechselstrom, aber auch als Strom- und Spannungsmesser.

_,.,..,..,..p'alf.-~--;:;"",,:o---- feststehende
Spule (Strompfad)

a) b)

1 Bild II.58
P(R)~ Elektrodynamisches Meßwerk
a) Aufbau und Schaltung
Verbraucher
als Leistungsmesser
b) Sinnbild

13.5. Sonstige Meßwerke


Beim elektrostatischen Meßwerk (Bild 1I.59a) wird bei angelegter Spannung eine bewegliche
Kondensatorplatte von einer feststehenden angezogen. Eigenschaften: Echtes Spannungsmeßgerät
(kein Umweg über Strommessung, siehe 11.14.2); kein Stromverbrauch bei Gleichspannung. Ange-

,
wendet besonders bei hohen Gleich- und Wechselspannungen, aber auch als Sonderausführung für
niedrige Spannungen.

Bild II.59. Sinnbilder von Meßwerken


....L
T
al
0bl cl
~
dl
a) elektrostatisches Meßwerk
b) Induktionsmeßwerk
c) Hitzdrahtmeßwerk
d) Kreuzspulmeßwerk

Beim Induktionsmeßwerk (Bild 1I.59b) wird eine Aluminiumscheibe oder -trommel durch ein Dreh-
feld abgelenkt (U-, 1-, P-Meßgeräte) oder angetrieben (Zähler), das von zwei um 90° versetzten
Spulen erzeugt wird. Eigenschaften: nur für Wechselstrom, -spannung und -leistung (Produkten-
meßwerk). Angewendet hauptsächlich beim Wechselstromzähler (Induktionszähler).

746
11. Anwendungen
Beim Hitzdrahtmeßwerk (Bild 11 .59c) verlängert sich ein vom Meßstrom durchflossener Draht durch
Stromwärme. Besonders schlechte Eigenschaften, daher selten verwendet.

Beim Kreuzspulmeßwerk (Bild 1I.59d) befinden sich zwei von Gleichstrom durchflossene Spulen
im Feld eines Dauermagneten. Haupteigenschaft und -anwendung: Quotientenmeßwerk (bildet
z. B. Quotienten U:l), daher besonders geeignet zur Widerstandmessung (R = U:l).

14. Elektrische Messungen


14.1. Strommessung
Zur Strommessung wird der Verbraucherstromkreis aufgetrennt und ein Strommesser mit dem
Verbraucher in Reihe geschaltet (Bild 1I.60a).
Der Strommesserwiderstand muß so klein wie möglich sein.
Wenn der Strommesserwiderstand r nur etwa 1 % des Verbraucherwiderstandes R beträgt, wird
der Strom bereits um etwa 1 % zu klein gemessen!
Zur Meßbereicherweiterung (Bild 1I.60b) wird bei Strommessern meist ein Nebenwiderstand Rn
verwendet (siehe 1.3.4). Nebenwiderstand Rn zur Erweiterung des Strommeßbereichs:

Rn = I . (II.l9)
max -Zmax

Rn Nebenwiderstand zur Meßbereicherweiterung; r Widerstand des Meßwerkzweiges;Imax Höchst-


strom des gewünschten Meßbereichs; i max Vollausschlagstrom des Meßwerks.

Bild II.60
2
o a) Schaltung zur Strommessung
b) Meßbereicherweiterung bei
Strommessung
a)

• Beispiel: Ein Meßwerk hat r = 50 n Widerstand und schlägt bei i max = 3 mA voll aus. Sein Meß-
bereich soll auf I max = 5 A erweitert werden. Welcher Nebenwiderstand Rn = ? ist zu
verwenden.

-::--_im_a_x_r_ = 0,003 A· 50 n "" 0 03 n


Lösung: Rn =I '
max -Zmax
4,997 A '

Bei Wechselstrom wird der Meßbereich auch oft durch Stromwandler erweitert (siehe
11.4.8).

14.2. Spannungsmessung
Zur Spannungsmessung wird der Spannungsmesser an die beiden Meßpunkte angelegt, zwischen
denen die Spannung gemessen werden soll (Bild 1I.61a).

Der Spannungsmesserwiderstand muß so groß wie möglich sein.

Bei zu kleinem Spannungsmesserwiderstand Ru geht die zu messende Spannung U zurück infolge


zu starker Stromentnahme durch das Voltmeter, und der angezeigte Wert ist zu niedrig.

747
Elektrotechnik

i 1 ~ax
1--

Bild II.61
a) Schaltung zur Spannungsmessung
b) Meßbereicherweiterung bei
r Spannungsmessung
2
a) b) 2

Als Spannungsmesser werden meist Strommeßwerke mit kleinem Stromverbrauch verwendet, die
über einen größeren Vorwiderstand R y an die zu messende Spannung angelegt werden (Bild II.61 b).
Nach dem Ohmschen Gesetz ist die angezeigte Stromstärke i = U/(R y + r), so daß das Meßgerät
direkt in Volt geeicht werden kann. Der Vorwiderstand R y (siehe 1.3.2) wird zur Meßbereicherwei-
terung beim Spannungsmesser verwendet. Vorwiderstand Ry zur Erweiterung des Spannungsmeß-
bereichs:
Umax
Ry=-.---r (1I.20)
lmax

R y Vorwiderstand zur Meßbereicherweiterung; Umax Höchstspannung des gewünschten Meßbe-


reichs; r Widerstand des Meßwerks; i max Vollauschlagstrom des Meßwerks .

• Beispiel: Ein Strommeßwerk mit r = 60 n Widerstand und i max = 1 mA Vollauschlagstrom soll


mittels Vorwiderstand zur Spannungsmessung bis Umax = 150 V eingerichtet werden.
Welcher Vorwiderstand muß verwendet werden?

Lösung: R v = ~max - r = 01 5000 1VA - 60 n = 149940 n


lmax ,

Bei Wechselspannung wird der Meßbereich auch oft durch Spannungswandler erweitert
(siehe 11.4.8).

Die Größe des Spannungsmesserwiderstandes R u ist abhängig vom jeweils eingestellten Meßbereich
U max . Sie ergibt sich aus dem flir das betreffende Voltmeter angegebenen Wert r u in Ohm pro Volt,
der flir alle Meßbereiche gleich ist. Spannungsmesserwiderstand

(1I.2I)

Ru Gesamtwiderstand des Spannungsmessers; Umax Höchstspannung des eingestellten Meßbereichs;


r u Widerstand pro Volt Meßbereich.

• Beispiel: Ein Spannungsmesser wird mit 1000 n/V angegeben. Wie groß ist sein Widerstand Ru
beim Meßbereich Umax = I50V?

Lösung: Ru = Umax r u = 150 V ·1000 ~ = 150000 n

14.3. Widerstandsmessung
Bei der Strom-Spannungsmethode (Bild II.62a) legt man den zu messenden Widerstand R x an die
Spannung U und mißt diese sowie den dabei fließenden Strom I. Bei kleinen Widerständen R x legt
man den Spannungsmesser an Meßpunkt 1, bei großen an Punkt 2 (bei 1 : Voltmeterstrom mitge-
messen, bei 2 : Amperemeterspannungsfall). In bei den Fällen ergibt sich die Größe des zu messen-
den Widerstandes zu R x '" U/I.

748
11. Anwendungen
Bei der Widerstands-Meßbrücke (Wheatstone-, Schleifdrahtbrücke) gleicht man z. B. durch Verschie-
ben eines Schleifers auf einem Schleifdraht von der Länge a + b den Strom i, der durch das Null-
instrument fließt, auf Null ab (Bild I1.62b). Bei abgeglichener Brücke gilt R x =RN . alb. Bei han-
delsüblichen Brücken wird der Schleifdraht als Dreh-Spannungsteiler ausgeführt und in Verhältnis-
werten alb geeicht. Der Normalwiderstand RN ist dekadisch umschaltbar (z.B. 1,10,100,1000 S"l),
so daß sich der Wert R x aus dem abgelesenen Verhältnis alb mal dem eingestellten RN ergibt.

Bild II.62
Widerstandsmessung
a) nach der Strom-
2 spannungsmethode
b) mit der Meßbrücke
ai

Beim Ohmmeter wird R x als zusätzlicher Vorwiderstand zu einem Drehspulspannungsmesser ein-


geschaltet. Dadurch geht der Strom, der durch das Anzeigeinstrument fließt, zurück und es zeigt
weniger an. Die Skala ist dabei in Ohm geeicht, so daß R x direkt abgelesen werden kann.
Bei der Stromvergleichsmethode wird der Strom IN, der durch einen veränderbaren geeichten Nor-
malwiderstand RN fließt, durch Einstellen von RN und Ablesen eines Strommessers auf den
gleichen Wert Ix eingestellt, der bei Einschaltung von R x anstelle von RN fließt. Wenn IN = Ix
eingestellt ist, dann ist R x = RN, d.h. ebenso groß wie der abgelesene Ohmwert des Normalwider-
standes.

14.4. Leistungsmessung
Bei Gleichstrom läßt sich die Leistung P entweder durch Strom- und Spannungsmessung nach
P = U I bestimmen oder durch einen elektrodynamischen Leistungsmesser (vgl. auch Bild II.58a),
der selbsttätig U mit I multipliziert und damit P anzeigt (Schaltung entsprechend Bild 11.63).

Verbraucher
Z
R
Bild II.63
Schaltung zur Wirk- und Scheinleistungs-
Wirkleistung P messung bei Wechselstrom

Bei Wechselstrom (Bild II.63) ergibt das Produkt aus Spannungs- und Strommessung die Schein-
leistung S = Ul in VA. Zur Messung der Wirkleistung P in Watt verwendet man einen elektrodyna-
mischen Leistungsmesser, der selbsttätig die Spannung U mit dem Wirkstrom I cos cp multipliziert
und damit P anzeigt. Dabei wird U an den Spannungspfad gelegt (drehbare Spule) und I durch den
Strompfad geschickt (feststehende Spule) (siehe Bild II.58a). Auch der Leistungsfaktor cos cp läßt
sich nach Bild II.63 aus der Wirk- und der Scheinleistungsmessung bestimmen zu
P P
coS<p = S = UI

749
Elektrotechnik

14.5. Arbeitsmessung
Zur Messung der elektrischen Arbeit werden Zähler verwendet. Diese registrieren auf einem Zähl-
werk die Arbeit We = Pt, indem sie die Leistung P = U_ L bzw. P = U I cos<p mit der Zeit t mal-
nehmen. Der Zähler hat wie das elektrodynamische Meßwerk einen Strom- und einen Spannungs-
pfad und wird daher ebenso geschaltet, wie der in den Bildern 1I.58a und 11.63 gezeigte Leistungs-
messer. Die Wirkungsweise der am häufigsten verwendeten Wattstundenzähler beruht darauf, daß
auf den Läufer des Zählers ein Triebmoment Mt ausgeübt wird, das proportional der Leistung P
des Verbrauchers ist. Der Läufer wird durch eine Wirbelstrombremse mit dem Bremsmoment
Mb - n gebremst, so daß er jeweils diejenige Drehzahl n annimmt, bei der Mb = Mt ist. Damit ist
auch n - P, und die ausgeführte Anzahl z der Umdrehungen ist - Pt bzw. - We . Die vom Ver-
braucher entnommene elektrische Arbeit We läßt sich am Zählwerk ablesen oder bei kleineren
Beträgen aus der Anzahl z der Zählerscheibenumdrehungen und der Zählerkonstante C ermitteln.
Elektrische Arbeit We aus Zählerkonstante

~ (11.22)
kWh I ~ 1 1

C Zählerkonstante = Anzahl der Umdrehungen, die die Zählerscheibe bei 1 kWh macht.
Beim Gleichstrom-Motorzähler wird das Triebmoment wie bei einem Gleichstrommotor erzeugt,
wobei der Strompfad des Zählers die feststehende Erregerwicklung und der Spannungspfad die
drehbare Ankerwicklung darstellt, die über Kollektor und Bürsten mit Strom versorgt wird. Das
für n - Perforderliehe Bremsmoment wird durch eine Wirbelstrombremse (Aluminiumscheibe im
Feld eines Dauermagneten) erzeugt.
Beim Wechselstrom-Induktionszähler wird das Triebmoment ähnlich wie beim Käfigläufermotor
durch ein Drehfeld erzeugt, das eine drehbare Aluminiumscheibe (statt Käfig) mitnimmt (Induk-
tionsmotor). Das Bremsmoment wird auch hier durch Wirbelströme geliefert, die ein Bremsmagnet
in der gleichen Aluminiumscheibe erzeugt. Der Induktionszähler läßt sich so schalten, daß er ent-
weder nur die Wirkarbeit Pt in kWh registriert, oder nur die Blindarbeit Qt in kvar (sogenannter
"Blindstromzähler").
Bei Drehstrom wird ebenfalls der Induktionszähler verwendet, indem man entweder nur ein Trieb-
werk (bei symmetrischer Last) oder zwei Triebwerke (Aron-Schaltung bei unsymmetrisch belaste-
ten Dreileiteranlagen) oder aber meist drei Triebwerke (bei unsymmetrischer Last und Drei- oder
Vierleiteranlagen) verwendet. Bei mehreren Triebwerken wirken diese alle auf die gleiche Welle;
das Zählwerk ist dann in Gesamtarbeit aller drei Stränge geeicht.

Literatur
[I] Herhahn / Wink/er, Elektroinstallation nach DIN VDE 0100, Vogel 1998

[2] Krämer, Elektrotechnik im Maschinenbau, Vieweg 1991


[3] Reth, Kruschwitz, Grundlagen der Elektrotechnik, Vieweg 1989

[4] Zastrow, Elektrotechnik, Vieweg 1997

750
Spanlose Fertigung
Wolfgang Böge/Ulrich Borutzki

I. Urformen

Unter Urformen versteht man das Fertigen eines festen Körpers aus formlosem Stoff.
Formlose Stoffe sind Gase, Flüssigkeiten, Pulver, Granulate und Späne.
Einzelne Urformverfahren:
Gießen: Stoff in flüssigem oder breiigem Zustand wird in eine geometrische
Form gebracht.
Sintern: Formloser Stoff in festem Zustand (Pulver) wird gemischt und durch
(Pulvermetallurgie) Pressen und nachfolgende Wärmebehandlung in eine geometrische
Form gebracht (s. Werkstoffkunde, Abschnitt V.11).

1. Gießverfahren
Beim Gießen wird ein Hohlraum - die Form - mit flüssigem oder teigig-plastischem Metall
gefüllt. Der Hohlraum entspricht in allen Einzelheiten der beabsichtigten äußeren
Körperform des Gußstückes. Um das zu erreichen, ist zu beachten:
a) Das flüssig vergossene Metall zieht sich beim Erkalten zusammen, es schwindet. Deshalb
muß die Form um die Abkühlungsschwindung größer sein als das kalte Werkstück
(Tafel 1.1).
b) Flächen des Gußteiles, die nachfolgend spangebend zu bearbeiten sind, erhalten eine
Bearbeitungszugabe (Tafel 1.2).
c) Wanddicken des Gußteiles sollen so gleichmäßig dick gewählt werden, daß eine
gleichschnelle Abkühlung des Werkstückes an allen Stellen gewährleistet ist. Bei
ungleichmäßiger Abkühlung können erhebliche Spannungen und Hohlstellen (Lunker)
im zuletzt abgekühlten Teil entstehen.
d) Die Form muß steigend zu füllen sein, denn bei Kaskadensprüngen zerstört das fallende
Metall die Formwandungen.
Die formbildende Masse kann mineralisch (Sandform) oder metallisch (Kokille) sein.
Die gießfertige Form wird gefüllt:
a) Beim Standguß durch die Schwerkraft des flüssigen Metalls,
b) beim Schleuderguß durch die Fliehkraft des flüssigen Metalls,
c) beim Druckguß durch äußeren Druck auf das flüssige oder teigige Metall.

751
Span lose Fertigung

Tafel 1.1. Abkühlungsschwindung gegossener Metalle

Gußwerkstoff Abkühlungsschwindung in % Gießtemperatur in °C

GG 1 1300 ... 1500


GGG ungeglüht 1,2 1300 ... 1450
GGG geglüht 0,5 1300 ... 1450
GS 2 1500 ... 1700
G-AI 0,5 ... 1,3 650 ... 830
G-Mg 0,4 ... 1,4 620 ... 740
G-Zn 0,5 ... 1,2 390 ... 430
G-Cu 1 ... 2 920 ... 1300

Tafel 1.2. Bearbeitungszugaben für Gußstücke

Zugabe in rnrn zum


Werkstoff Drehen, Fräsen
Schleifen an Gußstücken in der Größe
bis 800 rnrn über 800 rnrn
GG 0,1 ... 1 2 ... 5 6 ... 20
GT 0,3 ... 1 2 ... 3 - 1)
GS - 3 ... 8 3 ... 30
MetalIguß 0,3 2 ... 3 4 ... 10

1) Zusätzlich sind die Maßabweichungen nach Tafel 1.4 zu berücksichtigen

2. Modelle und Kokillen


Modelle werden aus leicht bearbeitbaren Werkstoffen hergestellt. Sie sollen glatte
Oberflächen mit Aushebeschrägen haben und müssen als Modell erkennbar sein
(DIN 1511). Diesen Anforderungen genügen:
Gipsmodelle für ein- bis dreimaliges Einformen mittelgroßer Teile oder für wiederholtes
Einformen kleiner Massenteile.
Holzmodelle, je nach Modellqualität bis zu 50 Einformungen ohne Instandsetzung.
Metallmodelle für häufig wiederholtes Einformen (Serienfertigung).
Styropormodelle für Einzelabguß. Der Formwerkstoff verbrennt beim Einguß ohne
Rückstand.
2.1. Holzmodelle
Verwendete Hölzer sollen gesunden Wuchs mit wenig Ästen haben. Mittlere Holzqualität
ist ausreichend, wenn Härteunterschied zwischen Frühjahrs- und Herbstringen klein ist.
Vor dem Verleimen soll das Holz auf 6 ... 10 % Feuchtigkeitsgehalt getrocknet sein.
2.1.1. Holzmodellbau. Die Auswahl der Holzqualität und fasergerechtes Verleimen
bestimmen die Modellgüteklasse. DIN 1511 unterscheidet drei Güteklassen:
Güteklasse I: Sehr gute Holzmodelle für serienweise Abgüsse
Güteklasse 11: Gute Holzmodelle für 10 ... 30 Abgüsse
Güteklasse 111: Brauchbare Holzmodelle für 1 ... 5 Abgüsse
Dicke Holzklötze bekommen beim Austrocknen Schwindrisse, deshalb werden dickwandi-
ge Modelle abgesperrt verleimt. Einzelbrettdicke abgesperrter Klötze 12 ... 40 mm. Im
Modell ist so viel Hohlraum vorzusehen, wie die Festigkeit des Modells zuläßt.

752
I. Urformen

Abzurundende Körperkanten lassen sich gut einformen, deshalb werden am Modell alle
scharfen Übergänge gerundet. Hohlkehlen bis R =8 mm lassen sich billig aus Kitt
herstellen, Hohlkehlradien R = 8 ... 12 mm formt man am Modell durch Leder- oder
Kunststoffeinlagen. Hohlradien R ~ 12 mm lassen sich nur durch Holzleisten formen; sie
sollten wegen der hohen Herstellungskosten für das Modell möglichst vermieden werden.

Bild 1.1 Geteiltes Kernmodell


a) Werkstattzeichnung
b) Modellaufriß
Teilfuge liegt außerhalb der Scheibenmitte, Rippen ver-
stärken den Flansch der unteren Modellhälfte

Nach der Werkstattzeichnung wird ein Modellaufriß gefertigt (Bild 1.1), aus dem die
Modellteilung und der Verleimungsaufbau ersichtlich sind.
Es wird unterschieden nach Naturmodell und Kernmodell.
Ein Naturmodell gleicht dem Gußkörper. Es ist nur um die Abkühlungsschwindung und die
Bearbeitungszugabe größer.
Hohlräume im Gußkörper werden durch Kerne geformt. Kernmodelle können ungeteilt
oder geteilt (Bild 1.1) ausgeführt sein.

2.2. Kerne

r;;t;:l
Zylindrische Kerne werden von langen, auf einer
Kerndrehmaschine hergestellten Kernstangen ab-
geschnitten (billigstes Herstellverfahren). Nicht
zylindrische Kerne, auch solche, die nur einen
dünneren Teil haben, müssen im Kernkasten a)
geformt werden. Für jeden nicht zylindrischen
Hohlraum im Gußtei! ist ein besonderer Kernka-
sten zu bauen.

2.3. Schablonen
Rotationssymmetrische Körper oder lange Körper
gleichen Querschnittes werden mit profilierten
Brettern - Schablonen genannt - eingeformt, um
teuere Modelle zu sparen. Bild 1.2 zeigt die Form-
herstellung eines rotationssymmetrischen Körpers
mittels Schablone, die an einer Säule (Rohr oder
Stahlwelle ) drehbar befestigt ist. Zur Herstellung
langer Körper gleicher Querschnitte wird die
Schablone - hier Ziehbrett genannt - an Ziehlei-
Bild 1.2 Schablonenformerei für Rota-
sten geführt (Bild 1.3). Werden statt der geraden tionskörper. a) Werkstattzeichndung,
Ziehleisten gebogene verwendet, können auch b) mit Schablone I geformte Innenkon-
Rohrkrümmer oder ähnliche Formen aus der tur im Unterkasten , c) mit Schablone 11
Formmasse herausgearbeitet werden. geformte Außenkontur im Oberkasten

753
Spanlose Fertigung

a)
~:H--.. - '500 ------tt.J V
Randscheibe

b) Formbreft Sandleiste

Ziehbrett 11 für Innenform


Ziehbreft - -

L.4-11!1rir-.Ziehleiste
Formkasfen

Formbreff Einguß Formbreft


c)

Bild 1.3 Schablonenformerei mit Ziehleisten.


a) Werkstattzeichnung
b)Einformen der Außenkonturen mit Ziehbrett I, Ziehleisten und Randscheiben
c) Einformen der Innenkonturen mit Ziehbrett II, Ziehleisten und Randscheiben

Vorgesehene Verrippungen müssen mit Hilfsmodellen -- das sind keine vollen Modelle -
von Hand eingeformt werden.
2.4. Metallmodelle
Metallmodelle werden nach Muttermodellen aus Holz oder Gips gegossen und allseitig auf
Modellmaß mit Bearbeitungszugabe spangebend bearbeitet, damit das Tochter- oder
Arbeitsmodell den Einformforderun-
gen in allen Einzelheiten entspricht.
Bei der Herstellung der Muttermodel-
le ist die Schwindung des Modellwerk-
stoffes und die Schwindung des Ferti-
gungsgusses zu berücksichtigen. verlorener_ -==v::r-,
Kopf
Für die Modellherstellung sind alle
gießbaren Metalle geeignet. Bevorzugt
werden Aluminium-Gußlegierungen, Stahlkokille ==llH++-1~

die für alle Modellgrößen geeignet Werkstück - --M- Formkasfen


sind. Sie sind leicht, stabil, gut bear-
beitbar. Grauguß wird verwendet für
kleine Modelle, wenn die Modellober-
flächen maschinell zu bearbeiten sind,
Stahlguß für Maschinenformerei grö- Sfohlkokille-,--=-:,~~~~~~t.;;;;:~'-Herd
freistehend Formkasten
ßerer Modelle.
Kern -----+~~Mti~~~~~++ Einguß
2.5. Kokillen Werksfück -j.-~""-I....o~

Kokillen eignen sich gut zur Hartguß-


herstellung, weil die Gießmasse außen Schnitt A-A
schnell abkühlt. Bild 1.4 zeigt die Her- Bild 1.4 Kokillenguß, Stahlkokille für eine Hartgußwalze

754
I. Urformen

stellung einer Hartgußwalze in einer Stahlkokille, meist wassergekühlt. Auch ohne


Wasserkühlung bildet sich eine dünne, harte Haut am Gußstück, die durch nachträgliches
Erwärmen und anschließende langsame Abkühlung normalisiert werden muß, falls sie die
weitere Bearbeitung stört.
Vorteile des Kokillengusses: Maßgenaue Werkstücke mit kleinen Bearbeitungszugaben,
glatte saubere Oberflächen ohne anhaftende Sandkörner, wichtig für hydraulische
Bremsanlagen z.B. im Kraftfahrzeug.

3. Formerei
Die in der Formerei hergestellte Sandform muß standfest gegen den Druck des flüssigen
Metalles, beständig gegen die hohen Gießtemperaturen, gasdurchlässig für die Luft aus
dem Formraum und sich entwickelnde Gase sein.
Zur Formherstellung werden Form- und Formhilfsstoffe zum Modellsand (Formmasse)
gemengt. Der Modellsand soll bildsam und feinkörnig sein. Bildsamer Modellsand paßt sich
gut der Modellform an, feinkörniger Modellsand liefert glatte Gußstückoberflächen
(Korngröße 0,5 mm für allgemeine Zwecke; 0,2 mm und kleiner für glatte Gußstückober-
flächen). Kernsand für Hohlräume muß den Anforderungen wie Modellsand entsprechen
und zusätzlich nach dem Guß rieselförmig zerfallen.
Formstoffe sind: feuerfester Sand (Quarzsand), Ton und Lehm. Formhilfsstoffe sind:
Steinkohlenstaub, Holzkolbenstaub, Graphit und Formpuder.
Zum Modellsand der Graugießerei wird 35 % Neusand, 8 ... 30 % Ton, 5 ... 15 %
Steinkohlenstaub, Rest aufbereiteter Altsand, mit Wasser erdfeucht angemengt.
Für Kleinteile wählt man Modellsand mit Tongehalt bis 15 % und gießt, wenn die Form
noch feucht ist, Guß in grüne Formen oder Naßguß. Formen für große Gußstücke müssen
wegen des hohen Tongehalts trocken sein: Trockenguß. Die normale Trockenzeit von
8 ... 10 Tagen wird auf 4 ... 6 Stunden abgekürzt durch Trocknen in Trockenöfen oder
mittels Warmluft. Beim schnellen Trocknen wird die Form rissig und gasdurchlässig, behält
aber ihre Standfestigkeit.
Herdformerei zum Einformen einteiliger Modelle für Gußstücke mit untergeordnetem
Verwendungszweck z.B. Roststäbe in Großkesseln, Maschinenfundamentplatten, Aus-
gleichsgewicht u.a.
a) Offene Herdformerei. Das Modell formt man in der Formsandaufschüttung (bis 1,5 m
hoch) auf dem Fußboden der Gießerei, dem Herd ein, formt von Hand einen Einguß und
Überlauf und gießt. Die Oberfläche der Gußstücke kühlt an der Luft schnell ab, wird dabei
hart, blasig und uneben.
b) Geschlossene Herdformerei. Die im Herd eingedrückte Form wird mit einem
sandgefüllten Kasten abgedeckt. Das Gußstück kühlt gleichmäßig ab, die Gußstückoberflä-
che wird brauchbar, enthält aber Blasen.
Vorteil der Verfahren a) und b): billige Gußstücke.
Kastenformerei zum Einformen geteilter Modelle mit und ohne Kerne, für saubere
Abgüsse, bequemer durchführbar als Herdformerei.
Formkästen sind Rahmen ohne Deckel und Boden aus Grauguß gegossen oder aus
Stahlblech gefertigt, in Sonderfällen auch Holzrahmen (Brandgefahr). Sandleisten halten
die Formmasse im Kasten fest. Für jede Modellhälfte ist ein Formkasten nötig, weil die
Modellteilfuge in der Trennebene der Kästen liegen muß. Das Einformen von Einguß,
Steiger und Schlackenfang bedingt zusätzliche Formerarbeit (Bild 1.3).

755
Spanlose Fertigung

Gußputzerei. Von den ausgepackten Gußstücken werden in der Gußputzerei Steiger und
Einguß abgeschlagen; anhaftender Formsand und vorhandener Gießgrat wird entfernt.
3.1. Zementformerei
Der Modellsand wird aus Quarzsand und 12 % Portlandzement unter Zugabe von etwa
10 % Wasser erdfeucht angemengt. Diese Formmasse trägt man etwa 3 cm dick auf das
Modell auf. Die Former müssen mit Gummihandschuhen arbeiten, weil Zement ätzt.
Vorteile der Zementformerei: Die Gußstücke haben sehr glatte, sandfreie Oberflächen,
modellgetreue Maße, die Bearbeitungszugaben können kleiner gehalten werden als beim
Sandformguß (Zementmasse legt sich gut an das Modell, quillt wenig auf) . Schadstellen der
Form lassen sich leichter ausbessern als bei Sandformen, Füllsand braucht nicht
aufgestampft werden, Mischen der Formmasse dauert nur 5 Minuten.
3.2. Maskenformerei (Croning-Verfahren)
Wird angewendet, wenn bei Serienabgüssen hohe Anforderungen an die Werkstückober-
fläche bezüglich Gestalttreue und Oberflächengüte gestellt werden oder wenn kleine
Bearbeitungszugaben und kleine Maßtoleranzen einzuhalten sind, Z.B. bei Werkzeugma-
schinengehäusen, BremstromrneIn für Kraftfahrzeuge, Armaturengehäuse, Kühlrippen-
zylinder für Motoren.
Um eine Formmaske herzustellen (Bild 1.5), sind
Metallmodelle nötig, die mit den Einlaufkanälen
auf eine metallische Modellplatte festverschraubt
sind (bei kleinen Modellen wird die Modellplatte
mit Einlaufkanälen und Modellen aus einem ~~~~~~~~- Formmaske
Stück gearbeitet). Mittels Preßstempel und Preß-
rahmen wird die Formmaskenmasse - das ist Bild 1.5 Herstellen einer Formmaske.
Modell und Modellplatte müssen heizbar
feingemahlener Quarzsand mit feinkörnigem sein .
Kunststoff - fest gegen die beheizte Modellplatte
gedrückt. Infolge der Wärmewirkung verklebt die Kunststoffmasse den Quarzsand zu einer
scharf ausgeprägten, formhaltenden Schicht von etwa 5 mm Dicke zur Formmaske. Nicht
verklebte Formmaskenmasse wird vor dem Herausnehmen der Formmaske aus dem
Preßrahmen abgeschüttet und wieder verwendet. Die verklebte Formmaske wird in Öfen
getrocknet, damit die Kunststoffmaske feuerfest gasdurchlässig wird.
Soll das Gußstück in einem allseitig maskengeformten Hohlraum gegossen werden, sind
mindestens zwei Formmasken nötig. Hohlräume im Gußstück können durch Formmasken-
kerne gestaltet werden.
Es lassen sich kleine Bearbeitungszugaben « 1 mm) und enge Maßtoleranzen einhalten
(± 0,5 mm bei Teilen bis etwa 100 mm Länge).

4. Herstellung der Schmelze


Um eine Schmelze in geforderter Zusammensetzung zu erhalten, werden die Feststoffe für
die Beschickung des Schmelzofens gattiert (art- und mengenmäßig ausgewählt). Beimen-
gungen der Feststoffe (z.B. Phosphor und Schwefel im Roheisen oder Aschenteile im
Koks), die nicht in die Schmelze gelangen dürfen, werden im Ofen abgebaut (sie
verbrennen) oder gebunden . Sie schmelzen und sammeln sich als flüssige Schlacke auf dem
geschmolzenen Metall oder gehen in die Ausmauerung des Ofens über.
Für die Gießereien verwendet man folgende Schmelzöfen:

756
I. Urformen

Kupolöfen (Bild 1.6) sind einfache, feuerfest ausgemauerte Schachtöfen mit Koks- oder
Ölfeuerung. Zusätzliche Luftvorwärmung oder Vorherd erhöhen die Leistung.
Elektroöfen mit Widerstandserwärmung (Bild 1.7). Elektroden (große Kohlestäbe, an
denen eine elektrische Spannung liegt) ragen in die Füllmasse (Charge) des Ofens
(Roheisen, Stahlschrott und Gangarten, das sind erdige Silicium- und Manganverbindun-
gen).
Der von Elektrode zu Elektrode fließende elektrische Strom findet in der Füllmasse
großen Widerstand, so daß die elektrische Energie in Wärme umgewandelt wird. Der
Strom bleibt so lange eingeschaltet, bis die ganze Ofenfüllung geschmolzen ist.
Elektro-Lichtbogen-Ofen (Bild 1.8). Unter elektrischer Spannung stehende Kupfer-Gra-
phitstäbe (Elektroden) berühren die Füllmasse des Ofens. Durch vorsichtiges Abheben der
Elektroden wird ein Lichtbogen zwischen Füllmasse und Elektrode gezogen, in dessen
hoher Temperatur die Füllmasse nach und nach schmilzt. Der Lichtbogen wird durch
Nachschieben der Elektroden gehalten, bis die Füllmasse restlos geschmolzen und die
Gießtemperatur erreicht ist.

Beschicköffnung feuerfestes Futter


(Roheisen, Koks, Kalk) (Teer-Dolomit)
~-===t==::::IIIfj1w Gichfbühne Transport- und
Schwenkzapfen

Fundament
Bild 1.7 Elektroofen mit Widerstandserwärmung

~pWt
(kalt oder
vorgewärmt)

Bild 1.6 Kupolofen ohne Vorherd Bild 1.8 Elektro-Lichtbogen-Ofen

Hochfrequenz-Elektro-Ofen (Bild 1.9). Durch eine


Kupferdrahtspule fließt ein Wechselstrom hoher P71'''''''''''''''''I'7.V'feuerfester Schmelztiegel
Frequenz. Jede Spannungsänderung in der Spule Hochfrequenzspulen
erzeugt in der Ofenfüllmasse eine Spannung, die Schmelzbad
einen Stromfluß innerhalb der Füllmasse hervor-
ruft. Es treten Wirbelströme auf, deren elektrische
Energie in Wärme umgesetzt wird. Hochfrequenz- Bild 1.9 Hochfrequenz-Elektro-Ofen

757
Span lose Fertigung

Elektro-Öfen eignen sich besonders zum Schmelzen feinkörniger Füllmassen (Grauguß-


späne, Granulat).
Tiegelöfen werden hauptsächlich zum Schmelzen von Qualitätsguß eingesetzt. Die
Füllmasse wird in Tiegeln (erdige, feuerfeste, etwa eimergroße Gefäße) eingesetzt. Koks-,
Gas- oder Ölbrenngase streichen an den verdeckelten Tiegeln vorbei und erwärmen die
Füllmasse auf Gießtemperatur. Man erhält eine besonders schwefelarme Schmelze, weil
die Heizgase mit dem Schmelzgut nicht in Berührung kommen. Der Wirkungsgrad dieser
Öfen ist schlecht, so daß überhöhter Brennstoffverbrauch nötig ist.

4.1. Grauguß
Ausgangswerkstoff: Mit Zuschlägen gattiertes Hütten- oder Koksroheisen.
Zuschläge: Gußbruch, Stahlschrott, Ferrosilicium, Ferromangan, Spiegeleisen u.a.
Schmelzöfen: Kupolöfen mit Koksheizung, heute Hochfrequenz-Elektro-Öfen zum
Schmelzen von Graugußspänen.
Die Schmelze erstarrt in der gießfertigen Form normalerweise unter lamellenartiger
Ausscheidung des Kohlenstoffs. Soll der Kohlenstoff Kugelgraphit im Grauguß bilden
(Sphäroguß), wird die Schmelze nach dem Abstich in der Gießpfanne geimpft (Magnesium-
zusatz).
Zur Erzielung von blasenfreiem und gefügedichtem Guß setzt man Ferrosilicium und
Ferromangan erst in der Gießpfanne zu und schüttelt anschließend den Inhalt der Pfanne
gut durch. Während des Schüttelvorganges verbrennen die Zusätze unter starker
Wärmeentwicklung. Die Schmelze kocht brodelnd dabei, wird gut durch ge mischt und
völlig gasfrei.

4.2. Stahlguß
Ausgangswerkstoffe: Stahlschrott, Stahlroheisen.
Schmelzöfen: Meist Elektro-Öfen mit Widerstands- oder Lichtbogenerwärmung, seltener
werden Tiegelöfen eingesetzt.
Beim Schmelzen brennt der Kohlenstoff um etwa 5 % ab. Unerwünschte Beimengungen in
der Füllmasse mindern die Qualität des Stahlgusses erheblich. Um die Verunreinigungen
und die gelösten Gase aus der Schmelze zu treiben, muß sie brodelnd kochen. Dies tritt ein,
wenn Silicium und (oder) Aluminium zugesetzt werden. Die Schmelze ist dann beruhigt.
Die hohen Gießtemperaturen des Stahles verlangen besonders hitzebeständige Formen.
Abweichend vom Grauguß wird die Formmasse für Stahlguß aus reinem Quarzsand mit
frischem Ton oder Lehm und Graphit oder Kaolin (Porzellanerde) als Magerungs- und
Bindemittel hergestellt. Kein Kohlezusatz, da Gefahr der Aufkohlung.
Gute mechanische Eigenschaften bei feinkörnigem Gefüge im Stahl erzielt man durch
gesteuerte Abkühlung.
Steiger- und Eingußquerschnitte sind 15 ... 25 mal so groß auszubilden wie beim Grauguß,
weil Stahl stark nachzieht. Durch die 5 %ige Erstarrungsschwindung des Stahles entstehen
in den gegossenen Wandungen Hohlräume (Lunker), die durch nachfließenden Stahl
gefüllt werden müssen. Im Steiger muß Stahl noch flüssig sein, wenn Gußwandung schon
erstarrt ist.
In den Oberflächen der Stahlgußteile eingebettete Sandkörner, erhebliche Unebenheiten
der Stahlgußflächen und das Einebnen der Steiger- und Eingußtrennflächen (Brennschnitt-
flächen) verteuern die spangebende Bearbeitung der Stahlgußstücke.

758
I. Urformen

Soll der aufgenommene Wasserstoff schnell aus dem Gußstück entfernt werden (wenn die
natürliche Alterung zeitlich nicht abgewartet werden kann), muß man bei 100 ... 400°C
künstlich altern (glühen).

4.3. MetalIguß
Alle Nichteisen- und Leichtmetalle sind sowohl in Sand als auch in Kokillen gieß bar.
Gießtemperaturen: Messing 1000 ... 1050 °C, Bronze (Rotguß) 1100 ... 1200 °C; Alumi-
nium-Legierungen 680 ... 780 °C; Neusilber (Cu-Ni-Zn) 1200 ... 1250 °C.
Die Metalle werden in Tiegelöfen oder in Elektroöfen mit induktiver Erwärmung (z.B.
Hochfrequenz-Elektro-Öfen) geschmolzen.
Die Schmelzvorgänge sind für die einzelnen Legierungen unterschiedlich. So können
schwer schmelzende Legierungsbestandteile vor dem Einbringen des übrigen Metalls im
Schmelzofen oder in einem Sonderofen geschmolzen werden, die Oxydationszugaben
müssen der Legierung angepaßt sein. Phosphorbronze ist z.B. eine mit Phosphor
desoxydierte Bronze. Der Phosphor verbrennt restlos in der gießfertigen Schmelze, bringt
sie zum brodelnden Kochen, wobei alle Verunreinigungen an die Oberfläche der Schmelze
steigen und die eingeschlossenen Gase entweichen.
Die Oxidhäute der fertigen Gußstücke beizt man mit Salpeter- oder Schwefelsäure ab
(Blankbrennen); sie würden die nachfolgende spangebende Bearbeitung empfindlich
stören. Die Beizgase sind gesundheitsschädlich (Lungengifte ).

4.4. Temperguß (GT)


Zum Tempern - das ist eine Warmbehandlung zur Verbesserung der Werkstoffeigenschaf-
ten - eignen sich nur solche Graugußstücke, deren Werkstoffgefüge weiß erstarrt ist, also
ohne Graphitausscheidungen. Soll weiß erstarrtes Gefüge erzielt werden, muß die
Schmelze vorwiegend aus Temperroheisen gattiert sein. Werden weiß erstarrte Grauguß-
stücke nach dem Erkalten langzeitig (4 ... 6 Tage) bei 850 ... 1000 °C geglüht (getempert),
steigert sich die Dehnfähigkeit des Werkstoffes. Der Werkstoff kann dann Zug- und
Biegespannungen aufnehmen und ist in geringen Grenzen sogar schmied- und kaltformbar.
4.4.1. Weißer Temperguß (GTW). Zum Glühvorgang werden die weiß erstarrten
Graugußstücke in Sauerstoff abgebende Glühmittel (Erze) eingepackt und 4 ... 6 Tage auf
Glühtemperatur gehalten. Der vom Glühmittel abgegebene Sauerstoff verbindet sich mit
dem ausscheidenden kristallinen Kohlenstoff zu gasförmigem Kohlenoxid oder -dioxid.
Die Gase müssen entweichen können. Nur kristall in gebundener Kohlenstoff - nicht der als
Graphit ausgeschiedene - verbindet sich mit dem Sauerstoff des Glühmittels. Die
Entkohlung beginnt an der Werkstückoberfläche und dringt langsam zur Mitte vor. In der
Mitte dicker Wandungen (bei dünnwandigen, wenn der Glühvorgang vorzeitig abgebrochen
wurde) ist unzerlegtes Ledeburit (Gußgefüge) vorhanden, das an der großschuppigen
Bruchfläche zu erkennen ist. Um diesen Kern hat sich ein Mantel aus Perlit mit
Temperkohle ausgebildet, sein Bruchgefüge sieht grau aus. Die weiß schillernden
Außenränder zeigen deutlich den ferritischen Gefügeaufbau.
Dünnwandige Werkstücke mit reinem ferritischen Querschnitt sind schweißbar.
4.4.2. Schwarzer Temperguß (GTS). Die weiß erstarrten Graugußstücke werden in
neutralen Sand eingepackt, 4 ... 6 Tage geglüht. Während des Glühens spalten sich die
harten Eisencarbide (Fe3C) in Eisen-(Fe2) und Kohlenstoffmoleküle (Cz). Der gesamte
Kohlenstoff verbleibt im Gefüge. Die Bruchflächen des schwarzen Tempergusses sind über
den ganzen Querschnitt gleichbleibend schwarz, aber feinkörnig. Aus der Struktur der

759
Span lose Fertigung

Bruchflächen des GTS kann man nicht in allen Fällen eine sichere Grundlage für
Beanstandungen herleiten.
GTS ist nicht schweißbar, da beim Erwärmen auf Schweißtemperatur die Temperkohle
ausfällt, d.h. die Temperkohle wandert, bedingt durch die sehr hohen Temperaturen, an die
Korngrenzen, kristallisiert dort lammellar aus oder oxydiert unter Luft- oder Schweißsau-
erstoffaufnahme.
GTW und GTS sind vergütbar. Erreichbare Grenzwerte: Bruchfestigkeit R m = 600 N/mm2 ,
Dehnung Ö = 5 ... 30 %, von der Wanddicke abhängig. Genaue Angaben enthält DIN 1692.
Konstruktionsmerkmale für Tempergußstücke. Nach dem Ergebnis einer sorgfältig durch-
geführten Festigkeitsberechnung entwirft man unter Berücksichtigung der gießtechnischen
Belange. Blasenfreies Füllen der Form muß gewährleistet sein, die Aushebeschräge und die
Kerne müssen so ausgebildet werden, daß keine unterschiedlichen Wanddicken auftreten
können und die Mindestwanddicke - allgemein 5 mm - nicht unterschritten wird. Zu
fordern sind möglichst dünnwandige Gußstücke unter Vermeidung einseitiger Massenan-
häufung und scharfer Übergänge.
Dünnwandige Stücke von gleicher Wanddicke erhalten in kurzer Glühzeit ein einwandfrei-
es Tempergefüge, für das eine hohe zulässige Spannung in die Festigkeitsrechnung
aufgenommen werden darf. Große Abrundungen und große Hohlkehlen an Stelle scharfer
Übergänge mindern die Riß bildung beim Anwärmen zum Glühen.
Modelle und Kerne, die diesen Anforderungen entsprechen, sind oft erheblich teurer als
für einfache Abgüsse. Auch die Kosten für das Tempern sind schon bei der Konstruktion
zu berücksichtigen (koksbeheizte Glühöfen verbrauchen das 1,2 ... 1,8fache Gewicht des

Tafel 1.3. Maßabweichungen für Tempergußstücke

Toleranz- Maßgruppe Nennmaß in mrn


gruppe bis 6 6 ... 18 18 ... 50 50 ... 180 180 ... 500 über 500
A Außen maße - + 2 ... -1 + 3 ... -2 + 5 ... - 3,5 + 7 ... - 5 + 9 ... -7
Innenmaße - + 1 ... -2 + 2 ... -3 + 3,5 ... - 5 + 5 ... -7 + 7 ... -9
Mittenabstände
Dicken der Wände, ± 1,5 ± 2,5 ± 3,5 ± 4,5 - -
Rippen und Stege

B Außenmaße - + 1,2 ... - 1 + 2 ... -3 + 4 ... - 2,5 + 6 ... - 3,5 + 8 ... - 5


Innenmaße - +1 ... -1,2 + 1,5 ... - 2 + 2,5 ... - 4 + 3,5 ... - 6 + 5 ... -8
Mittenabstände
Dicke der Wände, ±1 ±2 ± 2,5 ± 3,5 - -
Rippen und Stege

bis 18 18 ... 30 50 ... 80 120 ... 200 über 200


C Außenmaße - + 0,9 ... - 0,7 + 1,1 ... -1,8 + 1,5 ... -1,2 +2,1 ... -1,9 + 3,8 ... - 3
Innenmaße - + 0,7 ... - 0,9 + 0,8 ... -1,1 + 1,2 ... -1,5 + 1,9 ... -2,1 + 3 ... - 3,8
Mittenabstände
Dicke der Wände, + 0,9 ... - 0,8 + 1,4 ... - 1,1 + 1,7 ... - 1,3 - - -
Rippen und Stege

Unebenheiten, Unrunden und Verzug der Tempergußstücke sollen innerhalb dieser Abweichungen liegen.
Toleranzgruppe A: Nach Holzmodellen der Güteklasse II handgeformte Gußstücke.
Toleranzgruppe B: Nach Holzmodellen der Güteklasse I oder nach Metallmodellen hand- oder maschinengeformte Gußstücke.
Toleranzgruppe C: Nach besten Metall- oder Kunststoffmodellen maschinell geformte Massenteile unter Verwendung von
te uren Sonderformmitteln.
Die Toleranzen verlangen genaue Nennmaßkennzeichnung nach DIN 1511, ob Aushebescräge positiv, negativ oder gemittelt
zum Nennmaß liegen soll.

760
I. Urformen

eingesetzten Graugusses an Koks, für gasbeheizte Glühöfen rechnet man: erforderliches


Gasgewicht etwa Einsatzgewicht des Graugusses. Die Tempergußstücke weichen beacht-
lich von den SolImaßen ab, vgI. Tafel 1.3.

5. Strangguß
Mit Strangguß bezeichnet man die Herstellung von profiliertem Stangenmaterial aus
flüssigem Metall durch Gießen.
5.1. Stahlstrangguß (Lotrechguß). Stranggießbar sind nur beruhigte Stähle. Bei unberuhig-
ten Stählen treten während des Stranggießens Lunker im Inneren des Werkstoffes und
Blasen an den Werkstückoberflächen auf.
Ablauf des Verfahrens (Bild 1.10). Aus einer 10 ... 100 t fassenden Gießpfanne wird
flüssiger Stahl in einen ZwischenbehäIter gegossen und fließt von dort durch die eigene
Schwere formgebenden Kokillen zu. Da gleichmäßiger Durchsatz in den Kokillen
einzuhalten ist, arbeitet man auch mit 2 ZwischenbehäItern oder 2 Stopfen pfannen auf
Dreh- oder Schiebevorrichtungen. Die wassergekühIten Kokillen bewegen sich sehr schnell
auf und ab, um Haften des Stranges an den Kokillenwänden zu verhindern. Bis zu 8
Kokillen können nebeneinander angeordnet sein. In den Kokillen erstarrt eine etwa 20 mm
dicke Randschicht, während das Innere noch flüssig ist. Unter den Kokillen durchlaufen die
Stahlstränge eine 2 ... 10 m hohe Kühlkammer, in der sie durch Wasserbrausen entspre-
chend den Abkühlungsgesetzen für Stahl bis zum völligen Erstarren abkühlen . Stützrollen
führen den rotwarmen Strang unter Verhinderung jeglichen Verzuges, damit keine inneren
Strangschäden auftreten können. Außerhalb der Kühlkammer sorgt ein Rollengang für
gleichmäßige und richtige Stranggeschwindigkeit. Die rotwarmen Stränge werden mittels
Trennvorrichtung (Pendelsäge, Brennschneidmaschine o.a.) abgelängt. Dem Gießen kann
sich sofort der erste Walzvorgang anschließen.

Zwischenbehälter -

Koki//e(oszi//iert) - -
Kühlkammern _ _

Trennvorrichtung ~
I
Bild 1.10

I
abgetrennter
Schematische Darstellung
einer Strahlstrang-Gießanlage

Stahlstrang

761
Span lose Fertigung

Stranggegossene Stahlstäbe haben Rechteckquerschnitt von maximal 140 x 250 mm. Diese
Vorbrammen, 500 ... 1500 mm lang, verarbeitet man auf Feinstahlstraßen, in Großschmie-
den oder in Strangpreßwerken.
Dieses Verfahren hat das Blockgießverfahren fast völlig verdrängt. Es hat folgende
Vorteile: geringerer Abstand während der Weiterverarbeitung (95 % statt etwa 85 %),
geringerer Energieaufwand, steuerbare Abkühlungsgeschwindigkeit, Kokillenverschleiß
ist billiger als Blockwalzenverschleiß, größerer Werkstoffdurchsatz, der den Stoßbetrieb
des Stahlwerkes glatt auffängt, Personaleinsparung.
5.2. Graugußstränge (Horizontalguß), Bild 1.11. Zur Herstellung langer Graugußstangen
gleichbleibender Qualität fließt aus einem Warmhalteofen flüssiges Gußeisen durch zwei
kurze wassergekühlte Kokillen. Der Warmhalteofen wird alle 20 min mit flüssigem
Gußeisen nachgefüllt und durch eine Heizanlage auf gleicher Temperatur gehalten. Die
Kokillen formen volle Querschnitte der Stränge (meist rund oder quadratisch, in
Sonderfällen auch beliebig), dabei wird der Werkstoff auf 900 oe abgekühlt. Die Stränge
werden mit einem Rollengang oder durch Zangen aus den Kokillen herausgezogen, um
einen gleichmäßigen und schnellen Gießfluß einzuhalten. Gießgeschwindigkeit bei 25 mm
Stangendurchmesser etwa 50 m/h, bei dem
z.Z. größten gießbaren Durchmesser 205 mm
etwa 6 mlh. Hohlprofile können noch nicht
stranggegossen werden (Kühlungsschwierig-
keiten bei den innenformgebenden Werkzeu-
gen).
Die Stränge werden in gewünschter Stangen-
länge (meist 4 m) ohne Unterbrechung des
Gießvorganges abgetrennt.
Die harten Außenwandungen der runden Triebrollen
Stangen werden vom Stangenhersteller abge- Bild 1.11 Schematische Darstellung einer
schält, quadratische oder beliebig geformte Horizontal·Gießanlage
Stangen gehobelt oder gefräst.
Maßabweichungen der gegossenen Stangen ± 1 mm, der geschälten oder gefrästen Stangen
± 0,05 mm vom Sollmaß. Diese kleinen Abmaße gewährleisten sicheres Spannen in den
Spannzeugen der Stangenautomaten.
Werkstoffqualität der Graugußstangen: Zu~festigkeit 320 N/mm 2 ; Biegefestigkeit 560
N/mm 2 ; Härte 210 ± 20 HB; E-Modul1 ,3 . 10 N/mm 2; Durchbiegung 14 mm des 600 mm
langen Stabes von 30 mm Durchmesser; im Querschnitt und in der Länge der Stange
gleichbleibend.

6. Schleuderguß
Schleudergießbar sind alle in feste Formen gießbaren Metalle, wenn der zu gießende
Körper einen rotationssymmetrischen Hohlraum hat, der den Einguß des flüssigen Metalls
gestattet. Rotationssymmetrische Körperform ist anzustreben, aber nicht Bedingung für
die Schleudergießbarkeit des Werkstückes. Nur für Massenteile wirtschaftlich. Hergestellt
in Schleuderguß werden aus Grauguß: Versorgungsrohre für Be- und Entwässerungsnetze
bis 200 mm Innendurchmesser, Zylinder für Kraftfahrzeugmotoren und Kompressoren mit
und ohne Kühlrippen, Kolbenringe, Seil- und Bremstromrnein.
Stahl: Radkörper für Zahn- und Kegelräder.

762
I. Urformen

NE-Metall: Buchsen, Lagerschalen, Schneckenräder und Schneckenradkränze.


Ablauf des Verfahrens: In eine rotierende Kokille mit waagerecht oder senkrecht
angeordneter Rotationsachse wird flüssiger Werkstoff eingegossen. Durch die Reibung an
der glatten Kokillenwand wird der Werkstoff nach und nach auf die Drehfrequenz der
Kokille beschleunigt. Bei waagerecht angeordneter Rotationsachse muß die Fliehkraft des
rotierenden flüssigen Metalls größer sein als die Erdanziehung (Gewichtskraft), sonst
tropft in der höchsten Stellung Werkstoff aus. Waagerecht angeordnete Kokillenachsen
sind für lange Gußkörper günstig, weil sich eine gleichmäßige Wanddicke von selbst
einstellt. Dabei ist zu beachten, daß beim Rotieren schlanker Massen dynamische
Unwuchten besonders stark hervortreten, zu deren Dämpfung sehr kräftig ausgebildete
Gießmaschinen nötig sind. Schematische Darstellung einer Schleuderkokille mit waage-
rechter Achse zeigt Bild 1.12.
In Kokillen mit senkrecht angeordneter Rotationsachse steigt das rotierende flüssige
Füllgut an der glatten Kokillenwand hoch, wodurch im Freischleuderverfahren nach oben
dünnerwerdende Wanddicken entstehen.
Im Begrenzungsschleuderverfahren geWährleisten
Steigbegrenzer eine Mindestwanddicke des obe-
ren Werkstoffrandes. Schleudergegossene Werk-
stücke haben keine Lunker (sie werden durch die
Fliehkraft der Werkstoffteilchen zugedrückt) und
keine Schlackeneinschlüsse (die leichtere Schlak-
ke wird zum Innenradius zurückgedrängt, wo sich
eine dünne Schlackenhaut bildet). Eine dünne
Schlackenhaut auf den Innenwandungen schleu- Gientänge lmax=6m
dergegossener Rohre ist dann erwünscht, wenn
hohe Korrosionsbeständigkeit gefordert wird. Im Bild 1.12 Schleudergießverfahren mit
Schleudergußverfahren können Gußstücke bis zu waagerechter Rotationsachse
einer Masse von 5000 kg gefertigt werden.
Bei zu erwartenden großen Unwuchten schleudert man mit der Drehfrequenz Olmin' bei
der Austropfen sicher vermieden wird:
g r
Ol mm -~
. -
r
Olmin

1 m m
s s2
g Fallbeschleunigung, rInnenradius
Wenn möglich, schleudert man mit großer Drehfrequenz, um dichte Gußgefüge mit
feinkörniger, korrosionsbeständiger und verschleißfester Außenhaut zu bekommen.

Beispiel: Welche kleinste Drehfrequenz Olmin ist zum Schleudergießen von Graugußroh-
ren mit 180 rnrn Innendurchmesser bei waagerecht angeordneter Kokillenachse
erforderlich?

Lösung: Olmin = ~= 10 m/s2 = 1O,sl '" 630 min -1.


0,09 m s

6.1. Schleuderverbundguß dient zum Ausgießen von vorgefertigten Lagerschalen (meist


aus Stahl) mit Lagermetall.

763
Span lose Fertigung

:8. ., ,· , " '"


Das Lagermetall wird in Lagerschalen ohne Haltenuten oder Schwalbenschwänze
a) bei großer Drehzahl der vorgewärmten
zylindrischen Lagerkörper im flüssigen Zu-
stand eingegossen oder I " '" .P. ",)i- Brause
Isolierun!
b) als feste Metallzugabe (Granulat, also
Metall in Körnerform) vor dem Schleudern in = = n
die Lagerschale gegeben (Bild 1.13). Die La - ':~~enpaCkUng
?
DiCht:::;' ._, _.
gerschale und mit ihr das Granulat erwärmt
man während des Schleuderns mittels Bren- Grundkörper
ner oder elektro-induktiv. Ist das Lagerme- Gasbrenner
tall geschmolzen, wird die Wärmezufuhr un- !
terbrochen und so lange geschleudert, bis Bild I.l3 Schleuderverbundguß mit Granalien-
Erstarrung eintritt. packung

In beiden Fällen kann das Lagefutter sehr dünn gehalten werden (3 mm). Das Lagermetall
ist durch den Schleudervorgang besonders verschleißfest geworden und so fest mit dem
Grundmetall verbunden, daß es auch bei starken, betriebsverursachten Formänderungen
nicht reißt oder ausbröckelt. Das Verfahren verlangt viel Erfahrung, so daß es ratsam ist,
mit der Ausführung Hersteller zu beauftragen, die über entsprechende Sonderwerkstätten
verfügen.

7. Druckguß
Beim Druckguß- Verfahren wird flüssiges Metall unter hohem Druck in geteilte Metallfor-
men gedrückt, wobei während des Erstarrungsvorganges des gegossenen Metalls der Druck
aufrechterhalten bleibt. Durch dieses Verfahren können dünnwandige Werkstücke mit
komplizierten Formen mit hoher Oberflächengüte und engen Toleranzen hergestellt
werden.
Das Spritzguß-Verfahren ist dem Druckguß-Verfahren sehr ähnlich. Hier wird jedoch
Kunststoff unter Druck gegossen (siehe Werkstoffkunde, Abschnitt 6.2).
Druckgußwerkstoffe siehe Werkstoffkunde, Abschnitt V.lO.
Druckgußteile können nach dem Warmkammer- und dem Kaltkammerverfahren herge-
stellt werden.
Beim Warmkammerverfahren befinden sich Preßkolben und Zylinder in dem mit flüssigem
Metall gefüllten Werkstoffbehälter.
Fertigungsdaten:
Arbeitsdruck (100 ... 3500) bar
Einströmquerschnitt (0,5 ... 8) mm
Strömungsgeschwindigkeit (10 .. . 70) m/s
Formfüllzeit (0,1 .. . 0,3) s

Mit Hilfe dieses Verfahrens können nur solche Materialien gegossen werden, die
Preßkolben und Zylinder nicht angreifen, also z.B. Magnesium-, Zinn- oder Zinklegierun-
gen.
Beim Kaltkammerverfahren befinden sich Preß kolben und Zylinder außerhalb des mit
flüssigem Metall gefüllten Werkstoffbehälters.

764
I. Urformen

Fertigungsdaten:
Arbeitsdruck (20 ... 100) bar
Einströmquerschnitt (0,1 ... 1) mm
Strömungsgeschwindigkeit (12 ... 70) mls
Formfüllzeit (0,05 ... 0,2) s
Mit Hilfe dieses Verfahrens können nun solche Materialien gegossen werden, die
Preßkolben und Zylinder angreifen würden, also z.B. Aluminium- und Kupferlegierungen.
Guß teile aus Aluminiumlegierungen können bis zu einer Masse von ca. 45 kg hergestellt
werden. Bei anderen Werkstoffen liegt die wirtschaftliche Obergrenze bei ca. 25 kg.
Konstruktionshinweise für Druckgußteile: Wanddicken sollten zwischen 0,5 mm und 4 mm
ausgelegt werden (Tafel 1.4). Übergänge werden zur Vermeidung von Kerbrissen
abgerundet (R ... 1 ... 1,5 mm). Hinterschneidungen sollten ganz vermieden werden. Zur
Stabilität von Druckgußteilen können Verrippungen eingeplant werden. Kerne, die für den
Mitguß von Bohrungen eingearbeitet werden, müssen einen Mindestdurchmesser von
1 mm (Zink), 2 mm (Mg-Leg.) oder 2,5 mm (Al-Leg.) haben.
Vorteile der Druckgußfertigung:
- große mengenmäßige Leistung
- wirtschaftliche Ausnutzung des Werkstoffes
- gute Maßhaltigkeit

Tafel 1.4. Toleranz- und Wanddickenrichtwerte

Legierung kleinste Toleranz für kleinste Bohrungs-


Festigkeit im Teil Wanddicke die Wanddicke durchmesser d kleinste Gewinde
Gießtemperatur inmm Maßtoleranz größte Tiefe t außen innen
der Längen bei Grundlöchern
Blei 0,7 ... 5mm
R m =50N/mm2 0,7 ... 2 .. 0,005 mm d = 0,6 mm M5 M12
=260 oe über5mm t= 3 d
=0,1 %
Zinn 0,5 ... l0mm
D Sn Al4 0,5 ... 2 =0,005 mm d = 0,6 mm
M5 M12
R m = 250 N/mm 2 über 10mm t=3d
=400 oe = 0,05 %
Aluminium 0,8 ... 15 mm
DIN 1725 (T2) 0,8 ... 3 = 0,03 mm d=2mm
M 12 M20
R m = 250 N/mm 2 über 15 mm t= 3 d
.. 700 oe .. 0,2%
Magnesium
DIN 1729 (T2) 0,8 ... 12mm
R m = 140 ... 170 =0,02mm d=2mm M10 M 15
0,8 ... 3
N/mm 2 über 12mm t=3 d
(Elektron) = 0,15 %
=770 oe
Kupfer
Rm abhängig 1,5 ... 15 mm
von der 1,5 ... 4 = 0,15 mm d=4mm ver-
M 15
Kaltverfestigung über 15 mm t= 2 d meiden
= 1000 oe .. 0,4 %
(teigig)

765
Spanlose Fertigung

- geringe Bearbeitungszugaben
- sehr gute Oberflächen
- durch große Stückzahlen geringe Herstellungskosten
Nachteile der Druckgußfertigung:
- kleine Lufteinschlüsse im Abguß sind unvermeidlich
- Lebensdauer der Druckgußformen ist durch starke Erosion begrenzt
- Schwingungsbeanspruchung während des Abgusses kann zu einer größeren Sprödigkeit
der Druckgußwerkstücke führen

8. Feinguß (Schalenformverfahren)
Modellherstellung: Die verlorenen Modelle für den Feinguß bestehen aus Wachs oder
Thermoplasten und werden im Spritzgußverfahren hergestellt. Sehr kleine Modelle werden
zu Modelltrauben zusammengesetzt (Bild 1.14).
Fertigungsablauf" Das Modell wird in eine zähflüssige keramische ~
Masse mit Äthylsilikat getaucht und sofort anschließend besandet.
Dieser Vorgang wird solange wiederholt, bis sich eine selbsttragen-
de Keramikform gebildet hat. Anschließend wird die Wachs- oder Hodellersfellung
Kunststoffmasse mit Heißdampf bei einer Temperatur von 170 oe
und einem Druck von ungefähr 6 bar ausgeschmolzen. Nach dem
Brennen der Form bei 1000 oe (Brennzeit ca. 10 .. . 12 h) muß sie
eventuell durch Hinterfüllen mit Sand oder Zement verstärkt
werden.
Die so entstandene Form wird meistens durch statisches Gießen
(Gießen unter Schwerkraft) ausgegossen. Zur Steigerung des Hodellmonlage
Formfüllungsvermögens und zur Vermeidung gasförmiger Ein - und Tauchen

t
schlüsse kann auch bei Unterdruck oder im Vakuum gegossen
werden.
Nach der Abkühlung des Metalls wird die Form zerstört und die
Gußwerkstücke vom Speisungssystem durch Schleifen abgetrennt.
Grenzen und Genauigkeiten des Verfahrens: Abmessungen der
Gußwerkstücke bis zu 500 mm, bei Teilen aus Leichtmetall bis
I
Schalenbildung durch
800 mm. Gießmassen sind von 0,5 g bis 50 kg möglich. Die Maßab- Tauchen und Besanden
weichungen sind für gegossene Werkstücke sehr gering (Tafel 1.5).

Tafel 1.5. Toleranzen von Feingußwerkstücken


Nennmaß in mm Maßabweichung in %
bis 10 ±1 Wachs ausschmelzen
bis 100 ± 0,6
bis 500 ± 0,4

Als Gußwerkstoffe können alle Werkstoffe mit einer genügend


hohen Fließfähigkeit verwendet werden. Beispiele hierfür sind
unlegierte und legierte Vergütungs- und Werkzeugstähle, Kupfer- Helall gießen
legierungen und Leichtmetallegierungen auf Magnesium-, Alu- Form abklopfen
minium- oder Titanbasis.
Bild 1.14
Anwendungsbeispiele für Feingußteile sind Dampfturbinenschau- Fertigungsablauf
feln, Turboladerrotoren, medizinische Geräte, Werkzeugbau, Luft- von Feinguß-
und Raumfahrt. Werkstücken

766
11. Trennen und Umformen

11. Trennen und Umformen

Aus den Halbzeugen Blech und den ähnlichen Halbzeugen Blechband und Flachmaterial
lassen sich vielgestaltige Maschinen- und Gerätebauteile herstellen. Die gewünschte Größe
der Bauteile erhält man durch Zerteilen (Trennen). Man zerteilt durch: Scherschneiden,
Keilschneiden mit den Untergruppen Messerschneiden und Beißschneiden, Reißen,
Brechen (Tafel 11.1). In der industriellen Fertigung wird Scher- und Messerschneiden zum
Abschneiden mit offener Schnittlinie, Auschneiden, Lochen mit geschlossener Schnittlinie
am häufigsten angewendet. Durch Umformen werden Form, Oberfläche und Werkstoffei-
genschaften eines Werkstücks gezielt verändert. Dabei bleiben Masse und Stoffzusammen-
hang bestehen (Übersicht über Umformverfahren in Tafel HA).
DIN 8588 1) legt fest: Scherschneiden (kurz Schneiden) ist Zerteilen von Werkstoff
zwischen zwei Schneiden, die sich aneinander vorbeibewegen und bei dem der Werkstoff
voneinander abgeschert wird. Messerschneiden ist Keilschneiden mit einer Schneide, deren
Keil den Werkstoff auseinanderdrängt.

1. Trennverfahren
Tafelll.1. Übersicht über Trennverfahren (Auszug)

Hauptgruppe 3
Trennen
I
Guppe 3.1
Zerteilen
DIN 858 (6.85)

Untergruppe 3.1.l1luntergru pp e 3.1.21Iuntergruppe 3.1.31Iuntergruppe 3.1Alluntergru pp e 3.1. 5 1 1Untergruppe 3.1.6


Scherschneiden Messerschneiden Beißschneiden Spalten Reißen Brechen

~ 6 cf ~ ~ ~
1.1. Abschneiden
Abschneidbar sind: Pappe, Papier, Leder, Textilien, Dichtungsstoffe, alle gewalzten
Halbzeuge der Metalle und Kunststoffe. Größte schneidbare Stahlblechdicke 120 mm,
größte schneidbare Walzdicke 230 mm im Quadrat, schneidbare Qualitäten bis R m = 1200
N/mm 2 .

1) Entsprechend DIN 8588 sind alle Begriffe am Werkzeug mit Schneid. alle Begriffe am Werkstück mit
Schnitt bezeichnet.

767
Span lose Fertigung

Abschneiden ist vollständiges Trennen des Werkstückes vom Rohteillängs einer offenen
(d.h. einer in sich nicht geschlossenen) Schnittlinie. Die Schnittlinie braucht nicht gerade zu
sein. Die Schnittflächen sind uneben, schuppig und wenig maßhaltig (kleinste Maßtoleranz
± 0,2 mm), die Werkstücke durch den Schneidvorgang verbogen.
1.1.1. Der Schneidvorgang. Durch Druck auf den Werkstoff werden so hohe Scherspannun-
gen im Werkstoff erzeugt, daß ein Quetschriß eintritt. Diese Scherspannungen lassen sich
nicht auf die Trennlinie begrenzen, sondern pflanzen sich, schnell abnehmend, einige
Millimeter tiefer in den Werkstoff fort. Scharfe Schneiden halten den Streifen erhöhter
Scherspannungen schmal. Das ist wichtig, weil erhöhte Scherspannungen Werkstoffver-
sprödungen hervorrufen.
1.1.1.1. Schneiden mit Keilmesser (Messerschneiden) zum Trennen weicher Werkstoffe wie:
Pappe, Papier. Textilien Dichtungsstoffe oder dünn ausgewalztes Metall in Form von
Blei-, Aluminium-, Zinn- oder Messingfolien.
Beim Messerschneiden wird der ideale Spannungszustand nahezu erreicht (d.h. die
Scherspannungen treten nur in der Scherebene auf), wenn die Schneidkeilmitten senkrecht
zur Werkstoffoberfläche angeordnet sind.
1.1.1.2. Scherschneiden zum Trennen von Blechen und Profilen aller knetbaren Metalle,
Platten und Stangen aus Kunststoff mit hoher Dehnung (in besonderen Fällen kann
Erwärmen der Werkstoffe nötig sein).
Beim Scherschneiden erzielt man im Werkstoff einen technisch günstigen Spannungsver-
lauf dadurch, daß nicht die Keilmitte - wie beim Messerschneiden - sondern eine
Schneidfläche (meist die Druckfläche im Bild 11.3) senkrecht in den zu trennenden
Werkstoff eindringt. Dabei bildet sich eine Ebene maximaler Scherspannungen heraus, die
schräg zur Werkstückoberfläche liegt. Die Schräglage dieser Ebene größter Scherspannun-
gen ist von der Kaltverformbarkeit und der Dicke des Werkstoffes, sowie von der Güte der
Schneiden abhängig. Die Lage der Ebene größter Scherspannungen bestimmt die Größe
des Schneidspalts u zwischen unterer und oberer Schneide.
Zum Schneiden mittelharter und weicher Stähle wählt man:

Schneidspalt u '" Blechdicke '" ~ Blechdicke in mm


25 25

-;5

Spalt u richtig zu klein zu groß

Bild 11.1 Einfluß des Schneidspalts u Bild II.2 Spannungsfelder im Werkstoff


der Schneiden auf die Güte der Schnitt- a) im weichen Stahl, b) im harten Stahl
flächen

768
II.Trennen und Umformen

IXFreiwinkel 0 ... 6°
~ Keilwinkel 77 ... 85°
Y Druckwinkel 0 ... 10°
entspricht dem Spanwinkel der
spangebenden Fertigung

Bild II.3 Winkel am Schneidmesser, IX + ~ + y = 90°

Die Größe des Schneidspalts ist richtig gewählt, wenn die von beiden Schneiden
ausgehenden Quetschrisse in einer Ebene liegen (stulpenfreie Schnittflächen), Bild 11.1.
Die Schnittkräfte F s (Bild 11.2) rufen im gedrückten Werkstoff Spannungsfelder hervor.
Diese Spannungsfelder sind klein, aber aus großen Spannungen aufgebaut in harten
Werkstoffen; groß, aber aus kleinen Spannungen aufgebaut in weichen Werkstoffen.
Je größer der Druckwinkel y gewählt wird, um so eindeutiger bildet sich die Trennbruch-
oder Scherbene heraus bei schmaler Spannungs-(Versprödungs-)zone. Keilwinkel ß so
groß wie möglich gewählt, ergibt kräftige Schneidwerkzeuge für große Schnittkräfte und
lange Standzeiten der Schneide.
Schnittkraft beim Schneiden: Das bewegliche Messer einer Schere wird durch die
Schnittkraft F s belastet. Ihre erforderliche Größe wird bestimmt durch die Größe des
Schnitt-Querschnitts S und der größten Scherfestigkeit 'taB max des zu trennenden Werk-
stoffes:
Fs S 'tab max
F s := S 'taB max
N (11.1)
N mm2
mm 2
Schnitt-Querschnitt S ist:
a) ein Rechteck, wenn die Schneidkanten parallel sind (Bild 11.4)
S si
:= (11.2)
b) ein Dreieck, wenn die Schneidkanten einen Öffnungswinkel A bilden und große Längen
zu schneiden sind (Bild 11.5), und beim Schneiden mit Rollenscheren (Messer sind
kreisförmig, vereinfachte Berechnung, Bild 11.6).

S cot A
(11.3)
mm 2 1

gräßte Werkstücklänge
Werkstück länge beliebig
=/'1esserlänge
Bild II.4 Trennen mit paral- Bild II.5 Die Schneiden bilden den Messeröffnungs-
lelen Schneiden winkel A, der Schnitt-Querschnitt ist ein Dreieck

769
Span lose Fertigung
c) ein Trapez, wenn die Schneidkanten einen Öffnungswinkel A. bilden und kurze Längen
(Flachstahl) zu schneiden sind (Bild 11.7)

S tan A.
S =si - 0,5 P tan A. (11.4)
mm 2 1
Der Schnitt-Querschnitt ist ein Trapez für die Schnittlänge
I < s cot A. (11.5)

bst b7
"',-
Werkstück

Einzelheit A

Bild 11.6 Trennen mit kreisförmigen Schneiden (Rollenscheren) Streifen- Bild 11.7 Die Schneiden
breite bst ' Abfallbreite b1 ... einstellbar durch Verschieben der Rollen- bilden den Messeröff-
messer. Schnitt-Querschnitt S = sll2 vereinfacht als Dreieck angenom- nungswinkel A.. der Schnitt-
men. Querschnitt ist ein Trapez

Diese Werte schwanken um ± 15 % je nach Walzhärte und Oberflächenbeschaffenheit. Sie


gelten nur für scharfe Schneiden.
Scherfestigkeit 'taB max bezeichnet die Scherfestigkeit der am schwersten zu trennenden
Werkstoffteile, die beim Schneiden sicher getrennt werden müssen.

Tafelll.2 Richtwerte für Scherfestigkeit verschiedener Werkstoffe beim Zerteilen

taB max taBmax


Werkstoff Werkstoff
N/mm 2 N/mm 2
Stahl St 34, St 37 300 Cu, weich 250
St 42 350 Pb, weich 25
St 52 (0,2 % C) 400 AI-Cu-Legierungen 250
St 50 (0,3 % C) 450 AI-Mg-Legierungen 200
St 60 550 AI 99,5, weich 80
St 70 650 AI 99,5, hart gewalzt 150
hart gewalzt Pappe, weich 20
mit 0,8 % C 900 Pappe, hart, holzfrei 40
nicht rostend Papier in 20 Lagen 20
weich 550 in 10 Lagen 25
Ms58,weich 280 in 5 Lagen 50
Ms63, weich 400 in 1 Lage 150

770
11. Trennen und Umformen

Es ist zu unterscheiden zwischen der garantierten Scherfestigkeit 'taB für Festigkeitsberech-


nungen und der größten Scherfestigkeit 'taB max für Schneiden und Trennen. Größenanga-
ben für 'taB max sind selten in Normen und Lieferbedingungen aufgeführt.
Tafel II.2 enthält Richtwerte der Scherfestigkeit 'taB max, die aus Schnittkraftversuchen
ermittelt wurden.

Beispiel: Zwischen parallelen Messern soll Flachstahl 5 mm dick, 32 mm breit aus St 34


senkrecht zur Walzrichtung geschnitten werden. Zu ermitteln ist die erforderliche
Schnittkraft F s'
Lösung: Schnitt-QuerschnittS = si = 5 mm ·32 mm = 160 mm 2•
Mit 'taB max = 300 Nimm 2 aus Tafel II.2 ist die erforderliche Schnittkraft
2 2
F s = S 'taB max = 160 mm . 300 Nimm = 48 000 N.

Beispiel: Auf einer Tafelschere, deren Messer einen Messeröffnungswinkel von 4° bilden,
soll 6 mm dickes Stahlblech der Qualität St 60 geschnitten werden. Zu ermitteln
ist die erforderliche Schnittkraft F s'
Lösung: Schnitt-Querschnitt S = 0,5 s2 cot A. = 0,5 . 62 mm 2 • cot 4° = 258 mm 2.
Mit 'taB max = 550 Nimm 2 aus Tafel II.2 ist die erforderliche Schnittkraft
F s = S 'taB max = 258 mm . 550 Nimm = 142000 N.
2 2

Beispiel: Der Öffnungswinkel der Schermesser einer Handhebelschere beträgt 10°. Die
Schere ist für eine maximale Schnittkraft von 62 000 N ausgelegt. Auf dieser
Schere soll Flachstahl 8 mm dick der Qualität St 50 verschiedener Breiten
geschnitten werden. Bis zu welche Breite ist ein sicheres Trennen möglich?
Lösung: Für Stahl St 50 ist nach Tafel 11.2: 'taB max = 450 Nimm 2. Damit wird der trennbare
Schnitt-Querschnitt

S = ~ = 62 000 N = 138 mm 2
'taBmax 450~
mm 2

Ist der Schnitt-Querschnitt ein Dreieck entsprechend Bild 11.5, so ergibt sich für die
gegebenen geometrischen Bedingungen:

S = 0,5 s2 cot A. = 0,5 . 82 mm 2. cot 10° = 181,5 mm 2.

Eine Dreieckfläche ist zu groß, folglich liegen die Schnittbedingungen nach Bild 11.7 vor
(Trapez). Die größtmögliche Schnittlänge I ist nach Umstellen von (1104):
2
s s 2S = 8mm ± 64mm 2 2.138 mm 2
112 =--± -----
. tan A. tan2 A. tan A. tan 10° tan 2 10
0 tan 10°

11 = 67,6 mm; 12 = 23,2mm.


Welche der beiden Längen schneidbar ist, ergibt sich nach (II.5):
I < s cot A. < 8 mm . cot 10° < 45,4 mm.
Danach ist die größte schneidbare Breite der Flachstähle 23,2 mm.

771
Span lose Fertigung

1.2. Ausschueiden und Lochen


Zum Ausschneiden und Lochen eignen sich alle Werkstoffe, die durch Zerteilen (hier
vorwiegend Scher- und Messerschneiden) trennbar sind. Größte Werkstoffdicken: Lochen
bis 45 mm Walzstahldicke, aber nicht dicker als Schneidstempeldurchmesser; Auschneiden
bis 15 mm Walzstahldicke, wenn Schneidstempel und Schneidplatte ausreichend stabil
gebaut werden können.
Ausschneiden und Lochen ist Schneiden in einem beliebig geformten aber geschlossenem
Linienzug, Ausschneiden dient zur Herstellung der Außenform am Werkstück, Lochen zur
Herstellung der Innenform am Werkstück.
Vorteile des Ausschneidens gegenüber dem Abschneiden: Der Schnittgrat liegt nur auf
einer Seite des Schnitteils, das Schnitteil nimmt die Oberflächengüte der Druckfläche des
Schneidstempels an.
Nachteile: Es entsteht höherer Werkstoffverschnitt, das ist der durch den Ausschnittrand
bedingt Werkstoffverlust (Bild 11.8). Für Ausschneiden und Lochen benötigt man ein
Schneidwerkzeug (früher Schnitt genannt, z.B. Plattenführungsschnitt). Schneidwerkzeuge
sind nur zur Herstellung des Werkstückes verwendbar, für das sie gebaut sind; sie können
aber zum gleichzeitigen Ausschneiden und Lochen eingerichtet sein.

[[[ Bild n.8


Werkstoffverlust durch Ausschnittrand

Die Schneiden eines Schneidwerkzeuges können ausgeführt sein in:


a) Parallelanschliff (Bild 11.9). Die Schneiden des Schneidstempels sind denen der
Schneidplatte parallel. Häufigste Ausführungsart, da Herstellung und Nachschliff einfach
sind; die Presse wird stoß artig belastet.
Beim Ausschneiden und Lochen mit Parallelanschliff ist die Größe des Schnitt-
Querschnitts S abhängig vom Umfang U des oder der Schneidstempel und von der
Werkstoffdicke s.
Schnitt-Querschnitt
S s, U Fs 'taB max
S =sU (11.6)
mm2 mm N N
mm 2
Schnittkraft für Parallelanschliff
(11.7)
b) Schräganschliff der Schneidplatte (Bild 11.10). Die größte erforderliche Schnittkraft sinkt
auf etwa 0,7 der Schnittkraft für Parallelanschliff.
Schnittkraft für Schräganschliff
F ss = 0,7 sU'taB max (11.8)
Das Schneidwerkzeug schneidet weich an, die Presse wird geschont, aber die gelochten
Streifen sind verbogen, deshalb nur für Ausschneiden geeignet.

772
11. Trennen und Umformen

c) Schräganschliff der Schneidstempeldruckfläche (Bild 11.11). Die erforderliche Schnittkraft


erhält man durch (11.8). Die herausfallenden Butzen sind verbogen, deshalb nur für Lochen
geeignet.

--
~
I ~
a)

Bild 11.9 Schneidwerk- Bild 11.10 Schneid- Bild 11.11 Schneidwerkzeug mit
zeug mit Parallelanschliff werkzeug mit Schräg- Schräganschliff des Schneidstempels
anschliff der Schneid- a) Hohlanschliff eines
platte runden Schneidstempels

Tafelll.3. Schneidspalte bei Schneidwerkzeugen (2 x u, Bild 11.12)

Stahlblech
Werkstoffdicke Kupfer Stahlblech Stahlblech Aluminium-
s Messing mittelhart hart Aluminium legierungen
weich
mm mm mm mm mm mm
0,25 0,01 0,015 0,02 0,02 0,02
0,5 0,025 0,03 0,035 0,05 0,08
0,75 0,04 0,045 0,05 0,07 0,1
1,0 0,05 0,06 0,07 0,1 0,15
1,25 0,06 0,075 0,09 0,12 0,18
1,5 0,075 0,09 0,1 0,15 0,2
1,75 0,09 0,1 0,12 0,17 0,3
2,0 0,1 0,12 0,14 0,2 0,35
2,5 0,13 0,15 0,18 0,25 0,4
3,0 0,15 0,18 0,21
4,0 0,2 0,24 0,28
5,0 0,25 0,3 0,36

stempel
mit Freiwinkel gerade

Ebene größter
Scherspannungen

a)

Bild 11.12 Schneiden mit Schneidwerkzeugen IX Freiwinkel im Schneidplatten- }


a) vor dem Schnitt, b) nach dem Schnitt durchbruch 0,5 ... 2·
d. Schneidstempelmaß (Durchmesser) IX. Freiwinkel am Schneidstempel

d m Maß des Schneidplattendurchbruchs (Durchmesser) d b Butzenmaß (Durchmesser)


u Schneids palt d[ Lochmaß (Durchmesser)
d m =d. + 2u s S d. 000

773
Span lose Fertigung

Schneidplattendurchbruch und Schneidstempel (Bild 11.12).


Zwischen den Schneiden von Schneidplatte und Schneidstempel muß ein Schneidspalt u
vorhanden sein, dessen Größe bestimmt wird von der zu trennenden Werkstoffsorte
(Richtwerte siehe Tafel 11.3) und seiner Dicke.

1.3. Autbau der Schneidwerkzeuge


Die Schneidwerkzeug-Ober- und Unterteile werden für die verschiedenen Schnittaufgaben
unterschiedlich aufgebaut. Ihre Bauelemente sind genormt.
Einspannzapfen DIN 9859; Stempelköpfe (Einspannzapfen mit Kopfplatte, Druckplatten
und Stempelplatten) DIN 9866; Runde Schneidstempel, Seitenschneider und Anschläge
dazu, runde Suchstifte DIN 9861 ... 9864; Schneidkästen DIN 9867 (dort als Schnittkästen
bezeichnet); Säulengestelle DIN 9812 ... 9825. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick
über gebräuchliche Werkzeug-Werkstoffe:

Werkstoffe für Schneidplatten und -stempel

Werkstoff- Werkstoff Arbeits-


einsetzbar für
Gruppe Bezeichnung härte (HRC)

100 Cr6 Stempel, Schneidplallen, schlanke Lochstempel,


90 Mn Cr V8 54 ... 62 Suchstifte, Schneiden von AI- und Cu-Legierungen
105 W Cr6 bei kleinen Fertigungsmengen
ölhärtende
Stähle 60 W CrV7 50 ... 58 wie oben, aber größere Zähigkeit
für das Schneiden großer Wanddicken
X45 Ni Cr Mo4 48 ... 55 für sehr große Wanddicken
X210 CrW 12 58 ... 63 zusammengesetzte Stempel und Schneidstempel,
Chrom- Kaltfließpreßwerkzeuge hohe Verschleißfestigkeit,
stähle geringer Maßverzug beim Härten
X155 CrVMo121 56 ... 62 wie X210 Cr W 12, aber mit größerer Zähigkeit
Schnell- S 6-5-2 60 ... 66 Kaltfließpreßstempel, dünne Lochstempel,
arbeits- S 18-1-2-5 hohe Verschleißfestigkeit und Zähigkeit,
stähle S 18-1-2-15 für Feinschneiden geeignet
GT20 1100 ... Hochleistungs-Stanztechnik für große Serien mit
Hart- GT30 1400 HV hartmetalltauglichen Pressen
metalle GT40 Stahl bis 3 mm Blechdicke ohne Schnillschlag-
dämpfung schneidbar
sehr hohe Verschleißfestigkeit, geringe Zähigkeit

1.3.1. Messerschneidwerkzeuge (Bild 11.13) zum Ausschneiden und Lochen von Pappe,
Papier, Dichtungsstoffen, Gummi, plastischen Kunststoffen, Textilien, Metallfolien.
Messerschneidwerkzeuge können für Lochen, Ausschneiden und Lochen mit Ausschnei-
den gebaut sein.
1.3.2. Freischneidwerkzeuge (Bild 11.14) zum Ausschneiden und Lochen von Papier in
dickeren Lagen, starker Pappe, Kunststoffen und Metallen.
Kleinste erreichbare Maßabweichungen ± 0,2 mm vom Nennmaß der Lochweiten und
Außenlängen.

774
11. Trennen und Umformen

3
5
a)

b)
~: Bild 11.13
Aufbau der Messerschneidwerkzeuge
a) für Lochen
b) für Ausschneiden
c) für Ausschneiden und Lochen
1 Stempelkopf
2
2 StempelplaUe
3 3 Schneidstempel für Lochen
~ __~~~~__---4 4 Schneidstempel für Ausschneiden
5 5 Auswerfer für Lochen
6 Auswerfer für Ausschneiden
'-=J..LI1:J-- - -6 7 und 8 Auswerferfedern
9 Schneidplatte (Hartpappe, Vulkanfiber)

Freischneidwerkzeuge können nur in Pressen verwendet werden, deren Stößel eng geführt
sind und deren Rahmen sich unter der Wirkung der Schnittkraft nur wenig aufbiegen.
Entspricht die Presse diesen Anforderungen nicht, kann der Schneidstempel auf die
Schneidplatte aufsetzen, wobei der Schneidstempel, die Schneidplatte oder beide ausbrök-
keIn (Totalverlust des Werkzeuges).
Freischneidwerkzeuge sind mit Auswerfern und Abstreifern (Bild 11.14) auszurüsten.
1.3.3. Plattenführungsschneidwerkzeuge (Bild 11.15) zum Ausschneiden und Lochen von
Kunststoffen und Metallen. Kleinste erreichbare Maßabweichungen ± 0,1 mm vom
Nennmaß der Lochweiten und Außenlängen.
Die geschlossene Bauweise der Schneidkästen läßt keine Beobachtung der Schneidkanten
zu. Schneidkästen sind jedoch unfallsicher. In Plattenführungsschneidwerkzeugen können
nur zugemessene Blechstreifen oder -band verarbeitet werden.
1.3.4. Säulenführungsschneidwerkzeuge. Schnittaufgaben und erreichbare Maßgenauigkeit
wie bei Plattenführungsschneidwerkzeugen.
Das Auswechseln der Schneidelemente und ihre Funktionsprüfung kann außerhalb der
Presse vorgenommen werden. Säulengestelle verlangen keine genauen Stößelführungen.

775
Span lose Fertigung

8
9
10
4
7- --11-,--1-

Bild II.l4 Aufbau eines Freischneidwerkzeuges Bild 11.15 Aufbau eines Schneidkastens
a) mit federbelastetem Abstreifer für Plattenführungsschneidwerkzeug
b) mit festem Abstreifer 1 Schneidstempel (bleibt beim Schneiden
lEinspannzapfen, 2 KopfplaHe, 3 Druckplatte. in 2 geführt), 2 Führungsplatte, 3 kurze
4 Stempelplaue, 5 Abstreiferfeder, 6 Schneids tempel, Zwischenlage. 4 lange Zwischenlage,
7 federbelasteter Abstreifer, 8 fester Abstreifer. 5 Schneidplatte, 6 Einspannplatte,
9 SchneidplaHe, 10a Spannring oder lOb Spannmutter. 7 Aunageblech, 8 eingegossene Schneid-
11 Einspannplatte stempelführung (nur für große Stück-
zahlen wirtschaftlich), 9 Innensechskant-
schraube. 10 Stift

1.4. Mehrzweckschneidwerkzeuge
Setzt man mehrere Schneid- und Biegestempel in Platten- oder Säulenführungsschneid-
werkzeuge ein, wird je Pressenhub ein Werkstück gelocht, ausgeschnitten und geformt.
Man unterscheidet Folge- und Gesamtschneidwerkzeuge.
1.4.1. Folgeschneidwerkzeuge führen in zwangsweiser Folge zuerst das Lochen, dann das
Ausschneiden und zuletzt das Verformen, meist nur Biegen, aus. Lochen und Biegen kann
in mehrere Stufen aufgeteilt sein. Getrennt gefertigte Lochgruppen können sowohl
gegeneinander als auch gegenüber dem Werkstoffrand um die Vorschubtoleranz versetzt
sein (kleinste Maßtoleranz ± 0,1 mm). Vorschubbegrenzung ist durch Einhängestifte
(Bild 11.16), Seitenschneideranschläge (Bild 11.17), oder Suchstifte (Bild 1I.18), möglich.

2 3 6 3 4

7 5
4

2 4
Bild 11.16 Vorschubbegrenzung durch Ein- Bild 11.17 Vorschubbegrenzung durch
hängestift Seitenschneider
1 Schneidplatte, 2 Schneidstempel, 3 Loch- 1 WerkslÜckausschnitt. 2 Vorlochung,
stempel, 4 Einhängestift, 5 Führungsplatte, 3 Seitenschneider. 4 FührungsplaHe,
6 Anschlagsteg für Vorschubbegrenzung, 5 Blechstreifen , 6 Seitenschnittanschlag
7 Blechstreifen

776
11. Trennen und Umformen

Die Stempel köpfe dürfen beim Schneiden nicht


einseitig belastet werden, um den Einspannzapfen 2
nicht auf Biegung zu beanspruchen.
7
1.4.2. Gesamtschneidwerkzeuge. Lochen und Aus-
schneiden wird im Gesamtschneidwerkzeug ohne
Vorschub des Streifens an gleicher Stelle ausge-

f·--$-$(-4
führt, um gen aue Lage der Lochungen zueinan-
der und im Stück zu bekommen. Die MaßtoIeran-
zen sind kleiner als 0,05 mm.

1.5. Sonderschneidverfahren Bild 11.18 Vorschubbegrenzung durch


Suchstift
1.5.1. Trennschneiden mit Schneidwerkzeugen
1 Schneidplatte, 2 Lochstempel, 3 Schneid-
(Bild 11.19). Anwendbar zum gleichzeitigen Lo- stempel, 4 Suchstift, 5 Einhängestift zur
chen und Trennen solcher Werkstücke aus Blech- ungefähren Vorschubbegrenzung, 6 Füh-
band oder flachen Walzprofilen, deren Seiten- rungsplatte, 7 Blechstreifen, 8 Werkstück
kanten roh bleiben können.
1.5.2. Beschneiden (Bild 11.20). Durch Beschneiden wird überschüssiger Werkstoff an
Biege- oder Tiefziehteilen abgetrennt. Die Lage des Werkstückes im Werkzeug bestimmt
eine Ziehkante oder eine Lochung.
1.5.3. Feinstanzen (Bild 11.21). Durch Feinstanzen erhält man Schnittflächen mit hoher
Oberflächengüte (Profilrauhtiefe R z '" 3 jlm).

-J-._ - - 2

Bild II.19 Trennschneiden mit Schneidwerk- Bild 11.20 Beschneiden von Werkstücken
zeug im Folgeschneidwerkzeug 1 Schneidplatte, 2 Schneidstempel, 3 Werkstück-
1 Schneidplatte, 2 Lochstempel, 3 Trenn- zentrierung, 4 Auswerfer, 5 Werkstück (Tiefziehteil)
stempei, 4 Führungsplatte, 5 Werkstoff-
streifen, 6 Werkstück, 7 Anschlag

Bild 11.21 Feinstanzen


1 Schneidstempel
2 Druckring
3 Werkstoffstreifen
4 Werkstück Bild 11.22 Durchsetzen
-+-- - - - 5 5 Gegendruckstempel mit Schneidstempel
zugleich Auswerfer und Schneidplaue

777
Span lose Fertigung

Der Streifen oder das für ein Werkstück zugeschnittene Rohteil wird durch einen
Druckring mit so großer Kraft auf die Schneidplatte gedrückt, daß der Werkstoff
kaltverfestigt wird. Die Kaltverfestigung wirkt sich günstig auf die Oberflächengüte der
Schnittkanten aus.
Die Pressen müssen mit Zusatzeinrichtungen für die Druckringbetätigung ausgerüstet sein.
Die erforderliche Schnittkraft muß 2,5 ... 3 so groß sein wie beim herkömmlichen
Ausschneiden. Feinstanzen eignet sich gut für das Durchsetzen, also Werkstoffverlagerung
ohne Trennung mittels Stempel (Bild 11.22).
1.5.4. Nachschneiden (Bild 11.23) ist ein spangebendes Fertigungsverfahren mit Schneid-
werkzeug (auch Schaben genannt).
Mit geringem Übermaß (etwa 10 % der Werkstoffdicke) ausgeschnittene Werkstücke oder
entsprechend kleiner gelochte werden durch die Schneidkanten des Stempels oder der
Schneidplatten auf genaues Maß geschnitten.
1.5.5. Einschneiden (Bild 11.24) für nachfolgendes Verformen (Biegen).

Bild 11.23 Nachschneiden einer


2 Bohrung mit Schneidstempel
5 1 Schneidplatte 11~

:f;?
11 ,
2 Schneidstempel

~
3 3 Werkstückaufnahme
(beweglich. arretierbar)
4 4 Einspannplatte ,I ,
5 Werkstück 11-'

6 Span Bild 11.24 Einschneiden zum


Biegen

2. Umformverfahren

Tafelll.4. Übersicht über Umformverfahren (Auszug)

Hauptgruppe 2
Umformen
I
I I I I I
Gruppe 2.1
Druckumformen
I Gruppe 2.2
Zugdruckumformen
Gruppe 2.3
Zugumformen
Gruppe 2.4
Biegeumformen
ISchubumformen
Gruppe 2.5 I
I I I I I
Flachwalzen Durchziehen Streckrichten Freibiegen Verschieben
Gewindewalzen
Schmieden:
Tiefziehen
Drücken
Weiten mit
Gummi oder
Gesenkbiegen
Schwenkbiegen
I Verdrehen
I
Stauchen Knickbauchen Druckflüssigkeit Rollbiegen
Recken Tiefen z.B. durch Walzbiegen
Gesenkformen Streckziehen oder
Strangpressen Sicken
Fließpressen

Die Unterteilung der Umformverfahren in den Gruppen 2.1 bis 2.5 ergibt sich aus den in der Umformzone
überwiegend wirksamen Spannungen.

778
11. Trennen und Umformen

Zum Umformen auf Preßmaschinen eignen sich alle plastisch verformbaren Metalle und
Kunststoffe.
Werkstoffumformungen mittels Ober- und Unterstempel ist nach DIN 6932 mit Stanzen zu
bezeichnen.
Die erforderliche Zuschnittlänge (gestreckte Länge) umzuformender Werkstücke wird für
einfache Ausführungen berechnet, für genaue Ausführungen (Längentoleranzen ~ ± 0,2 mm)
durch Versuche ermittelt. Beschneiden auf Maß wird wegen der hohen Kosten selten
angewendet.

2.1. Biegen und Abkanten


Je nach Härte des Werkstoffes wendet man freies, halbfreies oder zwangsweises Biegen an.
Gebogene Werkstücke federn zurück. Anhaltswerte für die Rückfederung gibt Tafel 11.5.

Tafel 11.5. Rückfederung nach dem Kaltbiegen zum Winkel von 90 0

Rückfederung bei einem


Werkstoff
Innenradius r =
Werkstoffsorte Werkstoffdicke s s 1 ... 5 s über 5 s
inmm in 0 in 0 in 0

Stahlblech 0,5 5 6 8
bis Rm = 400 N/mm2 1 3 4 7
1,5 2 3 6
2 2 2 4
2,5 1 2 4
3 1 1 3
4 0 1 3
5 0 1 3
Stahlblech 0,5 6 9 12
Rm = 400 ... 550 N/mm 2 1 5 7 9
1,5 4 5 7
2 3 5 7
2,5 2 4 6
3 2 4 6
4 2 3 4
5 2 3 4
Messingblech Ms 63 0,5 4 5 6
weich geglüht 1 2 4 5
1,5 2 3 4
2 2 3 4
2,5 1 2 3
3 1 2 3
4 0 1 2
5 0 1 2

Löcher in Nähe der Abkantung - Entfernung etwa r + s/2 - werden elliptisch mit großer
Achse senkrecht zur Biegelinie.
a) Biegestanzen. Abkantungen bis 200 mm Länge biegt man in Biegewinkel von 0 ... 179 0
im Stanzwerkzeug (Bild 11.25). Beim Biegen unter hartem Schlag (mit Exzenter-,
Kniehebel- oder hydraulischen Pressen) ist für die Auswahl der Preßmaschinengröße die
Größe der gepreßten Fläche, nicht die erforderliche Biegekraft nach (11.17) maßgebend.

779
Span lose Fertigung

b) Abkanten. Die Herstellung von Abkantungen über 200 mm bis 6 m Abkantlänge wird
auf Abkantbänken (Handbetätigung für Blechdicken bis 1 mm und Abkantlängen bis 1 m)
und Abkantmaschinen (elektrischer Antrieb für Blechdicken bis 20 mm und Abkantlängen
bis 6 m) ausgeführt.

Einzelheit A
Bild 11.25
Einzelheit A Biegestanze und Ausführung
der Einlaufkante bei A
a) Einlaufkante für Biegewin-
kel ~S a
b) Einlaufkante für Biegewin-
kel ~ > a
a} b} a = 30 ... 45°

2.1.1. Berechnung der Zuschnittlänge. Die Schicht im Werkstoff, die beim Biegen weder
gereckt noch gestaucht wird, heißt neutrale Faser. Sie ist nicht immer die Schwerachse des
Werkstückquerschnitts, weil beim Biegen in kleinen Radien plastische Werkstoffe mehr
gereckt als gestaucht werden. Dieses Verhalten des Werkstoffes muß man beim Bemessen
der Zuschnittlängen berücksichtigen.
a) Einfache Winkel. Nach Bild 11.26 ist Zuschnitt-
länge L, Bogenlänge Ib und Fertigungsradius rf
L =11 + Ib + 12 (11.9)
",...t--'-"",,:+ neutrale
(11.10) - Fase-r-

rf =r + X (11.11)
Bild 11.26 Zuschniulänge L für Biege-
teile

11, 12 gegebene Fertigungslängen; x Abstand der neutralen Faser vom Innenradius; x = s/2,
wenn Biegewinkel <X ~ 30°; x = s/3, wenn Biegewinkel <X > 30°; rlnnenbiegeradius ;;::
Blechdicke s; ßInnenwinkel = 180° - <x.
Wenn die Bemaßung vom Winkelscheitel bis zu den Werkstückenden (Bild 11.27)
angegeben ist, wird die Zuschnittlänge
L =13 + 14 - VI (11.12)
13,14 gegebene Fertigungsmaße vom Winkelscheitel bis Werkstückenden; VI Verkürzung
der gegebenen Maß summe 13 + 14 ,

VI = 2(r + s) -1tr ( 1 - - - ßO) (11.13)


tan (1312) 180°
Fertigungsradius rf nach (11.11), x = s/2, wenn ß;;:: 150 0 ;x = s/3, wenn ß< 150°.
Wenn die Bemaßung von den Bogentangenten bis zu den Werkstückenden (Bild 11.28)
angegeben ist, wird die Zuschnittlänge
L = 15 + 16 - ~ (11.14)

780
11. Trennen und Umformen

Bild 11.27 Biegeteil Bild II.28 Biegeteil


mit Maßangabe mit Maßangabe
bis Winkelscheitel bis Bogentangente

15,16 gegebene Fertigungsmaße von den Bogentangenten bis zu den Werkstückenden; ~


Verkürzung der gegebenen Maßsumme 15 + 16 ,

V2 = 2(r + s) -1trc (1-L)


180°
(11.15)

Fertigungsradius rf nach (11.11), x =s12, wenn ß ~ 150°; x =s13, wenn ß < 150°.
b) Doppelbiegeteil (U-Stanzen). Nach Bild 11.29 beträgt die Zuschnittlänge
(11.16)

17 , 18,19 gegebene Fertigungslängen; I b1 Länge des Bogens 1; Ib2 Länge des Bogens 2.
Bogenlänge Ib nach (11.10), Fertigungsradius rf nach (11.11), aber x = s13, wenn ß> 90°;
x = s14, wenn ß s: 90°.

Beispiel: Für das skizzierte Biegeteil nach Bild 11.30, ist die ZuschnittIänge L zu
berechnen.

Lösung: Es liegt ein einfaches Biegeteil mit einem Biegewinkel a = 180° - 45° = 135° vor.
Die neutrale Faser liegt sl3 vom Innenradius entfernt, weil a > 30° ist.
Nach (11.11) wird Fertigungsradius rc = r + x = r + s/3 = (12 + 9/3) rnrn = 15 rnrn.
Die Bogenlänge Ib wird nach 11.10:

- 1t rc aO _
Ib-~~- 1t . 15 rnrn . 135° -- 35 ,rnrn
4
180° 180°
und die Zuschnittlänge nach (11.9):
L = /1 + Ib + 12 = (40 + 35,4 + 60) rnrn = 135,4 rnrn.

Bogen 1 Bogen 2

Bild 11.29 Doppelbiegeteil Bild II.30 Biegeteil

781
Span lose Fertigung

Beispiel: Das skizzierte Biegeteil im Bild 11.31 ist vom Winkelscheitel bis zu den
Werkstückenden bemaßt. Zu berechnen ist die Zuschnittlänge L.
Lösung: Aus der Bemaßung ist zu schließen, daß die Lage des Biegeteils zum
Winkelscheitel wichtig ist, folglich muß nach (11.12) gerechnet werden. Die
neutrale Faser liegt in s13, da ß< 150°. Nach (11.11) wird der Fertigungsradius
rf =r +x =r + sl3 = (12 + 9/3) mm = 15 mm.
Nach (11.13) ist die Verkürzung VI = 2 (r + s) - 1trf (1 -
tan (ß/2) 180°
= L)
= 2 (12 mm + 9 mm) 1t 15 mm (1 - 45° ) = 65,8 mm.
tan (135°/2) 180°
Zuschnittlänge L = /4 + /5 - VI = (90,6 + 110,6 - 65,8) mm = 135,4 mm.
Beispiel: Zu berechnen ist die Zuschnittlänge L für das im Bild 11.32 dargestellte Biegeteil.
Lösung: Die Bemaßung ist von den Bogentangenten ausgehend vorgenommen, diese
Maße sind unbedingt einzuhalten. Es muß nach (11.14) gerechnet werden. Die
neutrale Faser liegt, da der Innenwinkel ß< 150° ist, im Abstand sl3 vom
Innenradius. Nach (11.11) wird der Fertigungsradius
rf = r + sl3 = (12 + 9/3) mm = 15 mm.
Nach (11.15) wird die Verkürzung Vz = 2 (r + s) -1tr f
180°
= (1 - L)
= 2 ·21 mm 15 mm 1 - -
-1t .
180°
( 450) = (42 - 35,4) mm = 6,6 mm.
L = /5 + /6 - Vz = (61 + 81 - 6,6) mm = 135,4 mm.

Bild 11.31 Biegeteil Bild 11.32 Biegeteil

Beispiel: Welche Zuschnittlänge L ist für das U-


Stanzteil des Bildes 11.33 erforderlich?
Lösung: Da beide Biegewinkel 90° sind, liegt die
neutrale Faser im Abstand sl4 vom Innenra-
dius. Die beiden verschiedengroßen Ferti-
gungsradien rfl und rf2 ergeben sich nach
(11.11) Bild 11.33 U-Stanzteil

782
11. Trennen und Umformen

für Bogen 1:

rfl f
= rl + = (3 + 1~6) mm = 3,4 mm;
für Bogen 2:

rf2 f
= r2 + = (4+ 1~6) mm = 4,4 mm.
Nach (11.10) erhält man
für Bogen 1:

1bl -- 1t rfl U O _ 1t •
--- -
3,4 mm . 90 0 _
-
5 ,34 -- 5, 3 mm,.
1800 180 0
für Bogen 2:

1b2 -- 4,4 mm . 90 0 6 , 92 -- 6, 9 mm.


O
1t rf2 U _ 1t . -
--- - -
1800 1800

L = 17 + Ib1 + 18 + Ib2 + 19 = (8 + 5,3 + 5 + 6,9 + 10) mm = 35,2 mm.


2.1.2. Berechnung der Biegekräfte. Mit den Bezeichnungen nach Bild 11.34 wird die
Biegekraft

(11.17)
N
N mm 1
mm 2

Der Beiwert E berücksichtigt die Wirksamkeit des Schlages. Man wählt E = 2,5 beim Biegen
von Werkstücken mit geringen Dickentoleranzen (± 0,1 mm) und E = 3,5 beim Biegen
warmgewalzten Flachmaterials oder bei abgenutzten Werkzeugen zum Biegen maßhaltiger
Stücke.

Bild II.34 Die Größen für


die Berechnung der Biege-
kraft F b
Rmin = r + s, r min = S Bild II.35 Biegeteil

Beispiel: Zu berechnen ist die erforderliche Pressenkraft für das Biegen des im Bild 11.35
dargestellten Blechwinkels aus 1,5 mm dickem Ziehblech mit R m = 330 N/mm2 in
einer vorhandenen Biegestanze mit einer Auflageweite la von 30 mm.

783
Span lose Fertigung

Lösung: Die Dickenabweichung des Ziehbleches wird


zu ± 0,1 mm angenommen. Dieser Wert ist
den Lieferbedingungen zu entnehmen. Dann
ist nach (11.17) mit E = 2,5:
2
F _ 2/b s RmE
b - 31
a

2 . 25 mm . 1, 52 mm 2 . 330 ~2 . 25
'
mm = 1031 N
3· 30mm
Bild 11.36 Rollstanzen im
Nach Tafel 11.5 sind 3° Aufbiegung zu erwar-
Werkzeug-Unterteil
ten.

2.2. Rollen (Bild 11.36)


Blechkanten werden gerollt, wenn man einen verstärk-
ten Rand oder ein Scharnierauge fertigen will. Vor dem
Rollen soll die Rollkante angekippt sein.
Die neutrale Faser liegt in der Mitte des gerollten
Teiles. Die Zuschnittlänge des Rollrandes wird nach
(11.10) ermittelt. Die Größe des Biegewinkels ermittelt
man nach genauer Zeichnung oder durch Versuche.
2.3. Durchziehen (Bild 11.37) Bild 11.38 Durchziehen ohne
Lochung, d j Innendurchmesser,
Weiche Werkstoffe (Stahl bis 500 N/mm 2 Zugfestigkeit) d z Durchzugdurchmesser,
werden zum Einschneiden von Gewinde oder zur s Werkstoffdicke
Ausbildung einer Lagerstelle mit kleinem Durchmesser
vorgelocht und dann der überschüssige Werkstoff aus
der Blechebene herausgezogen. . rtI---Stempet
-LU
_1_
Durchziehen ohne Vorlochen ist möglich (Bild 11.38). Blege-

Durchzugsfempel 0.65s
~k ,r~
Maid"

Lochsfempel
Bild 11.37 Durchziehen nach dem Lochen
d[ Lochdurchmesser, d j Innendurchmesser
= Stempeldurchmesser, d z Durchzugdurch-
messer = dj + 2 . 0,65 s, s Werkstoffdicke
--
• c
Bild 11.39 Stechen von Verbin-
dungslappen und Verbinden
zweier Bleche durch Lappen

2.3.1. Stechen (Bild 11.39). Beim Stechen wird mit einseitig abgeschrägtem Schneidstempel
das Blech in einem nicht geschlossenen Linienzug getrennt. Meist führt der Stempel
gleichzeitig die Verformung des ausgetrennten Steges durch. Das Werkstück ist gegen

784
11. Trennen und Umformen

Verschieben beim Schnitt zu sichern. Der Stempel muß sehr eng geführt sein, wenn ein
Ausweichen, besonders bei dünnen Stempeln vermieden werden soll.

2.4. Falzen (Bild 11.40)


Falzen ist das Verbinden dünner Bleche durch Ineinanderhaken umgebogener Ränder.
Falzbar sind alle Bleche von 0,28 ... 1,25 mm Dicke, deren Werkstoff um 1800 ohne
Rißbildung zu biegen ist. Dabei darf der Abkantknick bei Zink- und Elektronblechen nicht
parallel zur Walzrichtung liegen, bei Stahlblechen kann er beliebig zur Walzfaser liegen.
Falzverbindungen sind staub- und regenwasserdicht (Dacheindeckungen). Durch Löten
des fertigen Falzes oder durch Dichtungszwischenlagen aus Gummi oder Papier wird die
Falzverbindung so dicht, daß sie höchsten Ansprüchen auf Luft- und Wasserdichtheit
genügt (Konservendosen).
Falzverbindungen kann man von Hand, maschinell oder vollautomatisch herstellen.

~nahf
~~_-Blech
a)
Formklofz
/IlIiä! __ Dichfung
b)

Bild 11.40 Falzverbindung


a) mit Lötnaht, b) mit Bild H.41 Streckziehen
eingelegter Dichtung (schematisch)

2.5. Streckziehen (Bild 11.41)


Aus Blech zu formende Großteile geringer Stückzahl (etwa 200 im Monat) sind durch
Streckziehen wirtschaftlich herstellbar (Lastwagenkotflügel bis 2 mm Blechdicke ).
Das in Klauen eingespannte Blech wird durch den Formklotz gestreckt, wenn er mit der
Streckziehkraft Fz nach oben bewegt wird. Beim Strecken paßt sich das Blech den
erhabenen Formen des Formklotzes an. Den Vertiefungen des Formklotzes wird das
Blech durch Nachstrecken von außen oder durch Einpoltern von Hand angeformt.
Streckziehanlagen sind billig. Formklötze aus druckfestem Holz (Buche, Nußbaum),
Einspannklauen und Aufspannrahmen können in einfach eingerichteten Werkstätten
gefertigt werden, während man für die Erzeugung der Streckziehkraft handelsübliche
Hydraulikzylinder und -pumpen mit Hand-, Fuß- oder elektrischem Antrieb verwendet.
Es ist jedoch zu empfehlen, Streckzieharbeiten von geschulten Fachkräften ausführen zu
lassen. Gute Schmierung zwischen Formklotz und Blech muß die Reibung niedrig halten,
sonst reißt das Blech in den Zonen der größten Streckung.
Streckziehen wird in der Großserienfertigung auf Doppelpressen durchgeführt (Kraftwa-
genkarosserieteile). Die Einspannklauen sind hier durch Halteränder ersetzt (Bild 11.42).

Bild II.42
Halteränder zum Streckziehen in der Großserienfertigung

785
Spanlose Fertigung

2.6. Tiefziehen
Durch Tiefziehen werden Blechzuschnitte aller Metalle, Plattenzuschnitte aus plastischen
oder thermoplastischen Kunststoffen, Papier oder Pappe zu Hohlkörpern mit prismati-
schen Wandungen geformt (Bild 11.43).
Tiefziehen ist nur für Großserien (etwa ab 1000 Stück) wirtschaftlich, weil immer ein
Ziehsatz nach Bild 11.44 erforderlich ist. Tiefgezogenen Körpern gibt man durch
Ausbauchen und Einziehen (Abschnitt 2.7) der prismatischen Wandung zweckvollere
Formen.
Bei jedem Tiefziehen ist das Zieh- oder Schlagverhältnis einzuhalten, dessen Größe von der
Ziehfähigkeit des Werkstoffs abhängt (Größe der Ziehverhältnisse siehe Tafel 11.6). Der
erste Umformvorgang eines ebenen Zuschnitts zu einem Topf heißt: Anschlagzug; die
weiteren Umformungen zu Töpfen mit kleinerem Durchmesser, aber größerer Wandhöhe:
Weiterzug oder -schlag.
Das Ziehverhältnis m für den Anschlagzug wird als Quotient "neuer Durchmesser" d zu
"Ausgangsdurchmesser" D ausgedrückt:
d
m=- (11.18)
D

ohne mif
Falfenhalfer
Bild II.43 Tiefziehteile Bild 11.45 Weiterzug eines gezogenen Topfes,
ohne und mit Faltenhalter
Zentrierung: ohne Faltenhalter im Ziehring,
mit Faltenhalter durch den Faltenhalter

7--~~~=t~~ml~ !
177;"71-- ]

~~~--+--,tB~W- 8
Absfreifkanfe
Bild 11.44 Aufbau eines Ziehsatzes
1 Ziehstempel aus gehärtetem Stahl, selten aus Hart-
metall, 2 Faltenhalter aus Stahl, 3 Ziehring aus ge-
härtetem Stahl oder Hartmetall, 4 Aufnahme, 5 Aus-
futterung, 6 Spannring mit Schrauben oder 7 Spann-
ring als Spannringmutter, 8 Einspannplaue (Frosch) Bild 11.46 Luftkissen für konstante Falten-
aus Baustahl oder Grauguß haltekraft
1 Traverse für Ziehstempel und Luftkissen-
zylinder, 2 Luftkissen, 3 Luftkissenkolben,
4 Rückholbund, 5 Faltenhalter, 6 Werk-
stück, 7 Aufnahme, 8 Ziehring

786
11. Trennen und Umformen

Bild 1I.47 Werkstoffverdickung während


des Zuges I..
8J3 i
0 .1
s Ausgangswerkstoffdicke,
sI Werkstoffverdickllng im Ziehbogen, Bild 1I.48 Zuschnittberechnllng für verlustloses
sI ~ 1,5 ... 1,66 s Tiefziehen

Das Weiterschlagverhältnis m1 kann für alle Durchmesserverkleinerungen gleichgroß


angenommen werden (in Wirklichkeit wird das Weiterschlagverhältnis nach jeden Schlag
größer und nähert sich dem Wert 1) und durch den Quotienten "neuer Durchmesser" zum
"zugehörigen Ausgangsdurchmesser" ausgedrückt werden:
dl d2 d3 d4
ml =-= - = - =-= ... (11.19)
d dl d2 d3
Weiterzüge können mit und ohne Faltenhalter erfolgen (Bild 11.45).
Um die Faltenhaltekraft Fr über den gesamten Ziehweg konstant zu halten, verwendet man
öldruck- oder luftkissengesteuerte Faltenhalter (Bild 11.46).
Die drei Tiefziehverfahren
a) Das Topfziehen oder verlustlose Tiefziehen. Die gezogene Topfwandung hat die Dicke
des Ausgangswerkstoffes (Bild 11.47), dadurch ergibt sich für das Topfziehen:
Oberfläche des Rohteils = Oberfläche des Fertigteils.
Für einen Topf mit zylindrischer Hohlwandung nach Bild 11.48 errechnet sich der
Zuschnittdurchmesser D für die Ausgangsronde (kreisrunde Blechscheibe ) zum Ziehen
eines Topfes mit dem Fertigdurchmesser d f und der Fertighöhe h f zu:

D = ,jd~ + 4d rh r (11.20)
Die Zahl der erforderlichen Züge beeinflußt die Zuschnittberechnung nicht.
Die Größe der Ziehpresse bestimmt man nach überschlägig errechneter Zugkraft Fz und
der ebenso bestimmten Faltenhaltekrafl Fr:
Fz s, V Rm Kz
F z '" sV R m K z (11.21)
N
N mm 1
mm 2

V s ist die in Umformung befindliche Fläche, vereinfacht aus Stempelumfang V und


Blechdicke s ermittelt; R m Zugfestigkeit; K z Tiefzieh-Korrekturfaktor, siehe Tafel 11.7.

Fr'" ArP P (11.22)


N
N
mm 2

787
Span lose Fertigung
A f niederzuhaltende Fläche in mm 2, für den Anschlagzug 1t/4 (D 2 - d 2 ); D Rondendurch-
messer, d Durchmesser des 1. Topfes; p Faltenhalterdruck in N/mm 2 . Werte für psiehe
Tafel 11.6.

Tafel 11.6. Tiefziehverhältnisse und Faltenhalterdruck für Bleche bis 2 mm Dicke und
Tiefziehen mit Faltenhalter

Anschlagzug- Weiterzug- Anzuwendender


verhältnis verhältnis Faltenhalterdruck
d dj d2 P
m=- I1Ij =- = -.
D d dj NImm 2
Karosserieblech 0,55 0,75 2
Tiefziehblech 0,58 0,78 2,5
Ziehblech 0,6 0,8 2,8
Stahlblech bis R m = 500 N/mm 2 0,6 - 3
nichtrostender Stahl mit 12 ... 14 % Cr 0,55 0,8 3
Weißblech 0,6 0,88 3
Kupferblech, weich 0,5 0,85 2
Messingblech Ms 63 0,55 0,8 2
Messingblech Ms 67 0,63 0,75 1,8
Zinkblech 0,65 0,85 1,5
Zink-Legierung Zn-Cu 0,6 0,85 1,5
Aluminium 99,5 % 0,53 0,8 1,2
AI-Cu-Legierungen 0,55 0,9 1,5
AI-Mg-Legierungen 0,5 0,8 1,2

Zugkraft F z und Faltenhaltekraft Ff ergeben die von der Presse aufzubringende


Gesamtziehkraft
Fges = F z + F f (II.23)
Die Gesamtziehkraft Fges wirkt nur während des Nutzhubes der Presse, also nur dann,
wenn die Wandhöhe h geformt wird. Daraus ergibt sich die annähernd aufzubringende
Nutzarbeit W zu:
w (II.24)
Nm
K p Umform-Korrekturfaktor ist vom Zieh-
Tafel 11.7. Tiefziehkorrekturfaktoren für
verhältnis m abhängig, Werte für Kp siehe
die Tiefziehverhältnisse mund ml
Tafel II.7.
Für bestimmte Ziehaufgaben kann es nötig Tiefzieh- Tiefziehfaktor Umform-
sein, den erforderlichen Kraftaufwand ge- verhältnis faktor
111 oder 1111 Kz Kp
nau zu kennen, z.B. bei der Klärung von
Beanstandungen nach aufgetretenen Bo- 0,5 1 0,8
denreißern. In solchen Fällen setzt man 0,55 0.9 0,8
Meßdosen zwischen Ziehstempel und Pres- 0,6 0,83 0,8
0,65 0,7 0,74
senstößel, die die Stößelkraft genau anzei- 0,7 0,6 0,7
gen. 0,75 0,5 0,67
0,8 0,4 0,65
0,9 0,2 0,64
1,0 0,1 0,64

788
11. Trennen und Umformen

Beispiel: Zu berechnen ist der Zuschnittdurchmesser D der Ausgangsronde für verlustlo-


ses Tiefziehen eines Topfes aus 0,8 rnrn dickem Tiefziehstahlblech mit dem
Fertigungsdurchmesser df = 40 rnrn und der Fertighöhe hf = 60 rnrn.
Lösung: Nach (11.20) ist unter Vernachläs-
sigung der geringen Wanddicke
s=0,8rnrn:

D = ,jdi + 4d r h r

= ,j (402 + 4 . 40 . 60) rnrn 2


D = 105,8rnrn
Auszuführen ist der Zuschnittdurchmesser D = 106 rnrn.

Beispiel: Aus 1 rnrn dicken Ziehblech mit R m = 320 N/rnrn 2 Festigkeit sollen Töpfe mit
einem Fertigdurchmesser d f = 25 rnrn und einer Fertighöhe h f = 50 rnrn tiefgezo-
gen werden. a) Wieviel Züge (Schläge) sind erforderlich? b) Welche Stößelkraft
F ges muß die Presse haben?
Lösung: a) Zur Ermittlung der Anzahl der Züge muß der Ausgangsdurchmesser D der
Ronde bekannt sein, er errechnet sich nach (11.20) zu:

D = -J dr + 4d rh r = -J (25 2 + 4 . 25 . 50) rnrn 2 = 75 rnrn


Für den Anschlagzug kann nach Tafel 11.6 für Ziehblech m = 0,6 gewählt werden.
Damit wird der Topfdurchmesser d des Anschlagzuges nach (11.18):
d = mD = 0,6 . 75 rnrn = 45 rnrn
Für die Weiterzüge ist aus Tafel 11.6 mit dem für Ziehblech angegebenen
Weiterzugverhältnis ml = 0,8 gerechnet. Damit ergeben sich nach (11.19):
d 1 = ml d = 0,8 . 45 rnrn = 36 rnrn
d 2 = ml d 1 = 0,8 . 36 rnrn = 28,8 rnrn
d 3 = m1d z = 0,8' 29 rnrn = 23,2 rnrn
Der geforderte Fertigdurchmesser d f ist in vier Zügen zu fertigen mit den
gerundeten Ziehdurchmessern 45, 36, 30, 25 rnrn.
b) Die aufzubringende Gesamtziehkraft F ges ist nach (11.23): F ges = F z + Fr. Die
Ziehkraft F z wird nach (11.21) ermittelt, der fehlende Tiefzieh-Korrekturfaktor K z
für das angewendete Anschlagziehverhältnis m = 0,6 aus Tafel 11.7 entnommen
zu: K z = 0,83
N
F z '" USRmK z = 45 rnrn . 1t. 1 rnrn ·320 --·0,83 = 37 600 N
rn rn 2
Nach (11.22) wird die Faltenhaltekraft Fr'" ArP ermittelt. Die niederzuhaltende
Fläche beträgt Ar = 1t/4 (D 2 - d 2 ) = 1t/4 (7,52 - 4,52) crn 2 = 28,3 crn 2• Der Falten-
halterdruck ist in Tafel 11.6 für Ziehblech mit P = 2,8 N/rnrn 2 ausgewiesen. Mit
diesen Werten ergibt sich die Faltenhaltekraft

Fr'" ArP = 2830 rn rn 2 . 2,8 ~ = 7920 N und


rnrn 2
F ges = F z + Fr = 37 600 N + 7920 N = 45 520 N

789
Span lose Fertigung
Für die Herstellung der verlangten Töpfe im Tiefziehverfahren ist eine
Ziehpresse mit 50 000 N Stößelkraft einzusetzen.

b) Polierziehen wird angewendet, um im Tiefziehverfahren geformte Hohlwandungen zu


glätten und maßhaltige Oberflächen zu bekommen. Die polierten Außenoberflächen der
Hohlwandungen erhält man, wenn ein Ziehsatz verwendet wird, dessen Ziehspalt genau
der Ausgangswanddicke des Werkstoffes entspricht.
c) Tiefziehen mit Wandschwächung. Aus gut ziehfähigen Metallen (Stahlblech in Tiefzieh-
oder Karosseriegüte; Aluminium; weiches Messing, Kupfer) wird im verlustlosen Tiefzie-
hen ein dickwandiger Topf mit niedriger Wandhöhe hergestellt. Die niedrige Wandhöhe
zieht man durch einen Ziehsatz, dessen Ziehspalt kleiner als die Wanddicke s ist. Hierbei
kann man beim ersten Zug die Wanddicke um 30 %, bei allen Weiterzügen um 25 %
vermindern.

Fehler beim Tiefziehen

Fehler Ursachen Änderungsvorschlag


Doppelungen im Oxid· oder SandeinschlOsse Vor dem Umformen Ultraschallprüfung
Werkstoff im Werkstoff durchführen. Blechqualität verbessern.
Betonte Walzstruktur Walzen des Bleches ergibt Normalgliihen des Bleches bei 900 ... 950 oe
(Textur) führt zu Zeilenstruktur. Mechanische ergibt sehr feines Gefiige. Walzstruktur geht
Zipfelungen Eigenschaften des Werk- verloren. Die mechanischen Eigenschaften
stoffs stark abhängig von des Werkstoffs sind nach dem Glühprozeß
der Walzrichtung. richtungsunabhängig.
Blechdicken- Abgenutzte Walzen Gewünschte maximale Blechdicken-
abweichungen abweichung vorschreiben
Bodenreißer Ziehverhältnis zu groß Zugabstufung wählen: Durch größere Anzahl
(häufiger Fall) der Züge vermindert sich der Verformungs-
grad pro Zug! Blechqualität verbessern.
Bodenabriß Ziehwerkzeug falsch Werkzeuggestaltung generell überarbeiten.
(seltener Fall) ausgelegt
Ziehriefen in der Ober- Übermäßiger Verschleiß Hartverchromen der dem stärksten Ver-
fläche des Ziehteils des Ziehwerkzeugs schieiß ausgesetzten Werkzeugoberflächen
(Stempel, Matrize).

2.7. Ausbauchen und Einziehen


Die Hohlwandungen tiefgezogener Töpfe werden durch Ausbauchen oder Einziehen von
der geraden Ausbildung in beliebige Gebrauchsformen gebracht.
Man baucht aus mit Gummikissen oder Druckflüssigkeit (Bild 11.49) oder mit Spreizwerk-
zeugen (Bild 11.50). Man zieht ein mit Stempel und Einziehringen (Bild 11.51). Die
formgebende Matrize ist geteilt, um das Auspacken der fertigen Werkstücke zu
ermöglichen oder zu erleichtern. Ausbauchmatrizen sollen wegen des häufigen Bewegens
von Hand so leicht wie möglich sein. Eingezogene Wandungen steigen am Einziehring hoch
und vergrößern die Wandhöhe.

790
11. Trennen und Umformen

Spreizdorn

Matrizen-
oberteil
1~lml (Verschluß)
It ~;2;7;~71-- Gummi
(Flüssigkeit J
Matrizen-
unterfeil
vor nach
dem Ausbauchen

Bild 11.49 Ausbauchen mit Gummikissen oder


Druckflüssigkeit

vor nach
dem Spreizen

Bild 11.50 Ausbauchen mit Spreizkernen

2.8. Drücken
Durch Drücken können nur kreisrunde, in Ausnah-
mefällen ovale, Rotationskörper aus tiefziehfähi-
gem Stahl- oder Weißblech (bis 1 mm dick), Alumi-
niumblech (bis 4 mm dick), Kupfer-, Messing- oder Einziehring
Zinkblech (bis 2 mm dick) hergestellt werden.

2.9. Sicken
Aufnehmer
Eine Sicke soll die Steifheit eines ebenen Bleches
erhöhen. Sicken werden auf Sickenmaschinen ein- vor nach
gewalzt (gesickt). Breite und Höhe der Sicken paßt dem Einziehen
man dem Verwendungszweck und der Dehnung des Bild 11.51 Einziehen tiefgezogener
Werkstoffes an. Töpfe

2.10. Fließpressen
Beim Fließpressen wird Werkstoff unter hohem Druck zum Fließen gebracht und durch
eine vom Preßstempel und Werkzeug gebildete Öffnung gepreßt.
Kaltfließpressen liegt vor, wenn die Umformung unterhalb der Rekristallisationstempera-
tur stattfindet. Dabei verzerren sich die einzelnen Kristalle. Der Formänderungswiderstand
des Werkstoffs vergrößert sich.
Warmfließpressen liegt vor, wenn die Umformung oberhalb der Rekristallisationstempera-
tur stattfindet. Dabei verzerren sich die Kristalle nicht und der Formänderungswiderstand
bleibt gleich.

791
Span lose Fertigung

2.10.1. Fließpreßverfahren
Beim Rückwärtsfließpressen - auch indirektes Fließ-
pressen genannt - fließt der Werkstoff gegen die
Bewegungsrichtung des Stempels (Bild 11.52). Er
wird in Form einer Platine in das Werkzeugunterteil
gelegt. Während der Stempel auf die Platine drückt,
steigt der Werkstoff in entgegengesetzter Richtung
empor. Die so erreichbaren Wanddicken sind im
Verhältnis zum Durchmesser sehr klein.
Beim Vorwärtsfließpressen - auch direktes Fließ- Bild 11.52 Rückwärtsfließpressen
pressen genannt - fließt der Werkstoff in Richtung
der Stempelbewegung. Als Rohling ist ein Napf
erforderlich. Der Stempel drückt auf die Stirnseite
des Napfes und preßt den Werkstoff durch die
Matrizenöffnung (Bild 11.53).
Das Koldflo-Verfahren ist eine Kombination aus
direktem und indirektem Fließpressen. Hier bewe-
gen sich zwei Stempel gegeneinander. Als Rohlinge
werden Näpfe eingelegt. Dieses Verfahren wird
häufig beim Fließpressen von Stahl eingesetzt
(Bild II.54).
Beim hydrostatischen Fließpressen wird grundsätz- Bild 11.53 Vorwärtsfließpressen
lich vorwärts gepreßt. Die Druckkraft wird über
eine Flüssigkeit (Hydrauliköl in besonderer Zusam-
mensetzung) auf das Werkstück übertragen.
Vorteile gegenüber einer mechanischen Kraftüber-
tragung: Geringere Reibung zwischen Werkstück
und Werkzeug. Durch kleinere Matrizenöffnungs-
winkel verläuft der Umformprozeß gleichmäßiger.
Es können Rohlinge mit einem größeren Verhältnis
von Länge zum Durchmesser umgeformt werden.
Nachteilig können sich die Abdichtungsschwierig-
keiten an den Stempelführungen infolge der hohen
Preßdrücke auswirken.
Müssen spröde Werkstoffe wie Z.B. Chrom, Molyb-
dän oder Beryllium verarbeit werden, kann hydro-
statisch mit Gegendruck fließgepreßt werden. Da
hier der Flüssigkeitsdruck allseits auf das Werkstück
wirkt, ist die Gefahr des Aufreißens während des Bild 11.54 Fließpressen nach
Umformvorganges geringer als beim normalen hy- dem Koldflo-Verfahren
drostatischen Fließpressen.
Gegenüber der mechanischen Kraftübertragung macht die Bestimmung der erforderlichen
Fließpreßkraft große Schwierigkeiten. Die Druckflüssigkeit muß für jeden Fließpreßvor-
gang neu eingefüllt werden und der Umformvorgang selbst läuft sehr langsam ab.

792
11. Trennen und Umformen

Bild II.55 Hydrostatisches Fließpressen

2.10.2. Fließpreßbare Werkstoffe Mafrizenhalter


Alle Werkstoffe mit einem guten Formänderungsvermö-
gen sind zum Fließpressen geeignet. Neben den Nichtei- Zwischenstück
senmetallen lassen sich auch bestimmte Stahlsorten
fließpressen. In der Praxis wird für jeden Werkstoff eine
Gegenstempel
Fließkurve ermittelt. Als Kriterien werden neben der
Härte, der Streckgrenze und der Bruchdehnung vor Bild II.56 Hydrostatisches
allem die Fließspannung k f und der Umformgrad <p Fließpressen mit Gegendruck
herangezogen (Bild 11.57).
In einem Werkstoff wird die Fließ-

I'"
spannung k f erreicht, wenn eine blei-
1200
bende Formänderung erzielt wird: <:: ~ Sfahlwerksfoffe 0,39%[
F .<::: 1000 t----+----+---=.......,'f---+-----1
k f =- (11.25) .,;:- 0,21%[
A g> 800 0,15%[
§ Q~%[
kf F A '"
5}-
600 t-:t-:7'f----:7''"'--t-=-T'---+----j
~

N .'!! 400 f-'-7'r--:7"f-----+


N mm2 Li::
mm 2 200~-~--r-----1---+_--~

Der Umformgrad <p - auch logarith- o 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0
mische Formänderung genannt - logarithmische Formänderung cp
ergibt sich aus dem logarithmischen
Verhältnis der Ausgangs- zur Au- Bild 1I.57 Fließkurven einiger Werkstoffe bei 20 oe
genblickshöhe:
h
<p = ln-1 (11.26)
ho
Grenzen des Verfahrens: Werkstoffe, bei denen die größte Formänderung unter 25 % liegt,
sollten nicht fließgepreßt werden. Werkstoffe, die Fließpreßwerkzeuge mit einer Flächen-
pressung > 2500 N/mm 2 belasten würden, sollten nicht fließgepreßt werden, da die
Wirtschaftlichkeit dieser Werkzeuge nicht mehr gegeben ist.

793
Span lose Fertigung
I

!
I
.r::.c
!
.r::.-
Bild 11.58
Stauchvorgang
\
gestauchtes Werkstück

2.10.2.1. Nichteisenmetalle
Das Fließpressen von NE-Metallen ist problemlos und sehr weit verbreitet. Hauptsächlich
werden Werkstoffe wie Aluminium, Kupfer, Blei, Zinn, Zink und deren Legierungen
verarbeitet.
2.10.2.2. Eisenmetalle
Stahl kann unterhalb der Rekristallisationstemperatur (kalt) fließgepreßt werden, wenn die
einzelnen Kristallite bei der auftretenden Druckbeanspruchung gleiten können, ohne daß
der Zusammenhang der gleitenden Schichten verlorengeht. Spröde, also für das Fließpres-
sen ungeeignete Werkstoffe lassen sich durch Kegelstauchproben aussondern.
Die chemische Zusammensetzung des Stahles hat einen großen Einfluß auf seine
Kaltverformbarkeit. Mit steigendem Kohlenstoffgehalt und zunehmenden Legierungsbe-
standteilen nimmt das Formänderungsvermögen ab. Die Umformgrenze liegt bei einem
Kohlenstoffgehalt von 0,45 %.
Bei warmfließpreßbaren Stählen wird die Warmformänderungsfähigkeit durch den
gleichen Versuchsablauf wie bei den kaltfließpreßbaren Stählen festgestellt: Stauchprobe,
Warmfließkurve und Analyse der chemischen Zusammensetzung. Niedriglegierte Nickel-
und Manganstähle sowie Stähle mit geringem Kohlenstoffgehalt haben gegenüber
hochlegierten Stählen eine gute Warmformbarkeit.
2.10.3. Rechnerische und praktische Fließkraftermittlung
Eine rechnerische Kraftermittlung ist nur bei sehr einfachen Fließvorgängen möglich. Für
kompliziert geformte Fließpreßteile werden auf Versuchsmaschinen Kraft-Weg-Diagram-
me erstellt und ausgewertet.
2.10.3.1. Rechnerische Kraftermittlung
Fließpreßkraft für das Rückwärtsfließpressen (siehe Bild 11.52):

F
F -- A dktq>rm
l-- (H.27)
l1F N
N
mm 2

Fließpreßkraft für das Vorwärtsfließpressen (siehe Bild II.53):


von Voll körpern von Hohlkörpern

ktq>g
F=Adl-- (II.28) (II.29)
l1F

794
11. Trennen und Umformen

<i>g logarithmische Formänderung


A dt
<i>g= l n - (11.30)
Ad
<i>rm mittlerer radialer Formänderungsgrad
do
<i>rm = In - - - 0,16 (11.31)
dt - d

<i>F Formänderungswirkungsgrad
für Rückwärtsfließpressen llF = 0,3 ... 0,7
für Vorwärtsfließpressen llF = 0,4 ... 0,6

2.10.3.2. Praktische Kraftermittlung


Zunächst muß der für die Fertigung eines bestimmten Fließpreßwerkstücks zweckmäßigste
Pressentyp festgelegt werden. Anschließend wird die maximal auftretende Fließpreßkraft
und ihr Kraftangriffspunkt auf dem Stempelweg ermittelt. Die so aufgenommenen Werte
werden mit der Preßkraftkennlinie der vorher festgelegten Presse überlagert.
Das beispielhafte Kraft-Weg-Diagramm (Bild 11.59)
zeigt, daß die maximale Preß kraft innerhalb der
Grenzkurve der Pressenkennlinie liegt. Da jedoch fflax. Preßkraff d Maschine
ungefährt 50° vor dem unteren Totpunkt des Stem- ;t:
tI
pels eine Kraftspitze auftritt, die über die Grenzkur- ~~
tI E
ve der Presse hinausgeht, kommt eine Verwendung .~~
dieses Pressentyps nicht in Betracht. ~:S
L--9~O~o--~5~O~o~40~o~~U~TL
<l---
Grad Kurbelwinkel
2.10.4. Werkzeugkonstruktion
Bild 1I.59 Pressenkennlinie und
2.10.4.1. Werkzeug-Werkstoffe

"': ,-
Fließpreßkraft
Beim Fließpressen mit den unter 2.10.2
beschriebenen Werkstoffen ist eine Druck- -----r-----~7
spannung O"d zul S 2500 N/mm 2 zulässig. ',- .,
r!----l
. _-.//

Diese zulässige Druckspannung kann noch I

erhöht werden, wenn durch Preßvorgänge ,


I
I
I
1 I
I

wie Setzen, Stauchen oder Kalibrieren r-+--I/ I


I
.
rl-----=I
I
-' r----
I I I
eine Verfestigung der Werkzeug-Werk- : :' :
stoffe auftritt.
Auswahl geeigneter Werkzeug-Werkstoffe:
Stempel druckplatte X21OCr12
Fließpreßstempel X210Cr46
Preßbüchse X210Cr46
oder 50NiCr13
Gegenstempel X21OCr46
Preßbüchsen-Druckplatte X145Cr6
2.10.4.2. Stempel- und Matrizenkonstruktion
Durch hohe Druckkräfte besteht für den
Stempel Knickgefahr. Deshalb sollte die Bild 1I.60 Stempel- und Matrizenkonstruktion

795
Span lose Fertigung

Napftiefe oder die abzustreckende Länge nicht größer als das 2,5 ... 3fache des Stempel-
durchmessers sein. Der zylindrische Teil des Stempels wird beim Rückwärtsfließpressen
möglichst kurz gehalten und geht über einen Kegel in den Schaft über (Bild 11.60).
Beim Vorwärtsfließpressen werden Stempel und Schaft getrennt gefertigt, da der Stempel
als eigentliches Verschleißteil sehr oft ausgewechselt werden muß. Um ein optimales
Fließen des Werkstoffes erreichen zu können, beträgt der Preßbüchsenwinkel mindestens
45°. Für beide Verfahren wird die Preßbüchse mit ungefährt 30' konisch geschliffen, um
Armierungen besser aufpressen zu können.
2.10.4.3. Vorspannung von Fließpreßwerkzeugen
Bei der Umformung durch Fließpressen treten sehr hohe Drücke in axialer und in radialer
Richtung auf. Der axiale Druck wird von der Presse aufgenommen, der radiale Druck wirkt
auf die Preßbüchse. Bei schwer preßbaren Werkstoffen wird die nach außen wirkende
positive Radialspannung so groß, daß eine entgegengesetzt gerichtete negativ wirkende
Radialspannung geschaffen werden muß. Die Resultierende beider Spannungen darf
während des Fließvorganges eine positive Radialspannung von 2500 N/mm 2 nicht

PressenstCißel

Druckplatte

Druckplatte

Stempel

Druckplatte

Bild 11.61
Fließpreßwerkzeuge mit Armierun-
gen

796
11. Trennen und Umformen

überschreiten. Eine negative Radialspannung (Vorspannung) kann durch Teilung der


Matrize und Aufschrumpfen äußerer Ringe auf die Preßbüchse erreicht werden (Bild 11.61).
2.10.5. Schmierung
Der Schmierung kommt beim Fließpressen große Bedeutung zu. Günstige Schmierverhält-
nisse lassen die Umformkräfte sinken, die Standzeit vergrößern und die Oberfläche des
Werkstückes verbessern. Normale Öle und Fette können nicht verwendet werden, weil die
große Flächenpressung den ÖI- oder Fettfilm abquetscht, so daß sich die Wirkflächen
berühren können. Auch Ölzusätze, meist Sulfid-, Phosphid- oder Nitridverbindungen, die
bei hohen Temperaturen Salze bilden und so ein Verschweißen von Metallen verhindern,
sind nicht sehr wirkungsvoll.
Molybdändisulfid MoS2 ist eine chemische Verbindung von Molybdän und Schwefel. MoS 2
wird wegen seiner besonders guten Schmiereigenschaften auch beim Fließpressen von
Stahl verwendet.

2.11. Schmieden
Durch Schmieden können Werkstücke getrennt, umgeformt und auch gefügt werden.
Zum Trennen gehören die Verfahren Abschneiden, Lochen, Abschroten, Einschroten und
Schlitzen.
Durch Dorne, Durchlochen, Hohldornen oder Massivlochen werden Hohlräume erzeugt.
Querschnittsveränderungen erreicht man durch Recken, Breiten, Stauchen oder Anstau-
chen.
Mehrere Schmiedeteile einer Baugruppe können durch Schrumpfen oder Schweißen
gefügt werden.
Beim Warmschmieden werden die Rohteile so weit erwärmt, daß nach dem Schmieden
keine bleibende Verfestigung des Werkstoffs auftritt. Bei Stahl muß bis oberhalb der
Rekristallisationstemperatur (850 ... 1200 oe) erwärmt werden.
Kaltgeschmiedet wird beim Kalibrieren, Prägen oder Stauchen. Die Umformung von meist
kleineren Teilen aus Stahl oder Nichteisenmetallen findet bei Raumtemperatur statt.
2.11.1. Freiformschmieden
Frei geformte Schmiedewerkstücke haben sehr große Fertigungstoleranzen und müssen
meist spanend nachbearbeitet werden. Durch das Freiformen werden nur einzelne
Werkstücke hergestellt oder Gesenkschmiedeteile vorgeformt. Freiformschmiedeteile
können Massen zwischen 1 kg und 250 t haben.
2.11.2. Gesenkschmieden
Beim Gesenkschmieden wird der Werkstoff über
mehrere Stufen in eine allseitig geschlossene
Form geschlagen. Die Form besteht aus einem
Ober- und einem Untergesenk (Bild 11.62).
Der auf Schmiedetemperatur erwärmte Werk-
stoff des Rohlings wird umgeformt und fließt in
die Richtung der Gratbahn. In der Gratbahn Bild 11.62 Ober- und Untergesenk
kühlt er sehr schnell ab. Dadurch wird verhindert,
daß weiterer Werkstoff nachfließen kann. Also erhöht sich in der letzten Umformphase
der Druck im Gesenk sehr stark und es können die letzten Feinheiten wie z.B. kleinere
Radien ausgeformt werden.

797
Span lose Fertigung

Die Umformung kann durch Stauchen oder Rohlinge im Gesenk


Steigen des Werkstoffs erfolgen (Bild 11.63).
2.11.3. Stauchkraft und Staucharbeit
Eine der wichtigsten Größen zur Ermittlung
der für die Umformung erforderlichen Stauch-
kraft und Staucharbeit ist die Fließspannung k f
(siehe Abschnitt 2.10.2). Sie ist beim Schmie-
den abhängig vom Werkstoff des Schmiede-
teils, der Umformtemperatur und der Werk-
zeuggeschwindigkeit

k f = km (~r (11.32)

Stauchen Steigen
Bild 11.63 Füllvorgänge beim Gesenkschmie-
kfo km v h1 n
den
N m m 1
mm 2 s

km Fließspannung bei festgelegten Umformtemperaturen nach Tabelle 11.8


v Werkzeuggeschwindigkeit (entspricht Umformgeschwindigkeit)
h1 Endhöhe des Schmiedeteils nach der Stauchung
n Formänderungsexponent

Tabelle 11.8. Fließspannung kfO und Verformungsexponent n

Fließspannung km in ~ von e45 für ~ = 1 s-1 bei veränderlicher Temperatur in oe


mm 2 ho
cp 700 oe 750 oe 800 oe 900 oe 1000 oe 1100 oe
0,05 250 180 179 106 79 56
0,1 252 209 203 132 95 66
0,2 256 239 234 160 108 74
0,3 255 251 249 173 111 76
0,4 259 256 249 174 109 76
Formänderungsexponent n bei veränderlicher Temperatur in oe
0,05 0,078 0,102 0,08 0,089 0,1 0,175
0,1 0,085 0,103 0,082 0,103 0,125 0,168
0,2 0,086 0,099 0,086 0,108 0,128 0,167
0,3 0,083 0,097 0,083 0,11 0,162 0,18
0,4 0,083 0,103 0,105 0,134 0,173 0,188

Wie die Tabelle 11.8 zeigt, ist kfO abhängig von der Größe der Formänderung q>
(Abschnitt 2.10.2). Die Fließspannungen für unterschiedliche Werkstoffe weichen stark
voneinander ab. Deshalb können die Werte für C45 nicht auf andere Stähle übertragen
werden.

798
11. Trennen und Umformen

Stauchkraft für einen kreisförmigen Querschnitt

F er! = S km (~)n (1
hl
+.1 Jld l )
3 hl
(11.33)

Stauchkraft für einen rechteckförmigen Querschnitt

Ferf = bIll km (~)n


h1
(1 + .1~)
3 h1
(11.34)

S Bild II.64 Stauchen eines Rohlings mit


Rechteckquerschnitt
N
m 1
mm 2
F er! Stauchkraft
S Querschnittsfläche des Werkstücks,
v Werkzeuggeschwindigkeit
hl Höhe nach dem Stauchvorgang
Durchmesser nach dem Stauchvorgang
Breite nach dem Stauchvorgang
Länge nach dem Stauchvorgang
n Formänderungsexponent
/.l Gleitreibzahl
Bild 11.65 Stauchen eines Rohlings mit
Staucharbeit für das Stauchen eines prismatischen Kreisquerschnitt
Körpers mit Kreisquerschnitt

Werf = (v km
hl l
~ (dh i _ hdo)]
~)n lln hh o + 4,5
l o
(11.35)

v v Jl,n

N m
Nmm m 1
mm 2 s

Beispiel: Ein zylindrisches Werkstück aus C45 soll durch Hammerschmieden von einer
Ausgangshöhe von 13,5 cm auf eine Endhöhe von 10 cm gestaucht werden. Der
Durchmesser des Rohlings beträgt 10 cm. Bei Stauchbeginn beträgt die Schmie-
detemperatur 900°C. Um die für diesen Schmiedevorgang erforderliche Preß-
maschine auswählen zu können, müssen folgende Fragen gelöst werden:
1. Mit welcher Fließspannung muß bei einer Auftreffgeschwindigkeit von 5 m/s
des Hammers und gleichbleibender Umformtemperatur gerechnet werden?
2. Wie groß ist die mittlere Werkzeuggeschwindigkeit bei einer Werkstückhöhe
von 11,75 cm?
3. Welche erforderliche Umformarbeit ist bei einer geschätzten Reibzahl Jl = 0,35
für den Stauchvorgang aufzubringen?
4. Wie groß wird die erforderliche Stauchkraft?

Lösung: 1. Fließspannung k f

799
Span lose Fertigung

Fließspannung k f nach (II.32) bei v = 5 m/s und gleichbleibender Umform-


temperatur:

k f = kro(~J
mit kro = 173 N/mm 2 nach Tabelle 11.8
bei<p = In (holh 1 ) = In 1,35 = 0,3001 und 1'} = 900 oe
Formänderungsexponent n =0,11 bei <p =0,3

kf = 173 ~. ( 5 m/s )0.11 = 257,4 ~


mm 2 0,135 m mm
2. Mittlere Werkzeuggeschwindigkeit vm bei h = 11,75 cm

<p = In 13,5 cm = 0,1388


11,75 cm

km = 140 N/mm 2 bei <p = 0,1388 und 1'} = 900 oe aus Tabelle 11.8.
2 2
kf =257 NImm + 140 NImm =208 NImm 2
173 N/mm 2

In vm = In k f - In kro =3,59905
h n

v
~ = 36,56354 m/s; Vm = 4,3 m/s
h

3. Umformarbeit Werf nach (11.35)

Werf = V k)ln h + o ~ (d 1 _ do)]


l h1 4,5 h j ho
Volumen des Schmiedeteils V = S h o =78,54 cm 2 . 13,5 cm = 1060,3 cm 3. Die
Grundfläche SI des Werkstücks nach dem Stauchvorgang ergibt sich aus
SI = Vlh i = 106,03 cm 2. Damit läßt sich der dann wirksame Durchmesser d l
berechnen:

Mit diesen Werten kann nun die erforderliche Umformarbeit errechnet werden:

Werf = 1060,3 cm 3.25740 N/cm 2. [In 13,5 cm + 0,35. (1l,62cm 10 cm )J


10 cm 4,5 10 cm 13,5 cm
Werf = 9,085 . 106 Ncm = 9,085 . 104 Nm = 9,085 . 104 J

800
11. Trennen und Umformen

4. Stauchkraft F erf nach (1133)

F erf = Slkro (1 + 2. 11 d 1)
3 h1

F erf = 106,03 cm 2 . 25740 N/cm 2 . (1 + 0,35 . 11,62 cm ) = 3,84 . 106 N


10cm

2.11.4. Konstruktionshinweise
Stark unterschiedliche Wandstärken sollten vermieden werden, da sonst bei Abkühlung
Spannungsrisse auftreten können.
Um Kerbrisse ausschließen zu können, müssen scharfe Übergänge vermieden werden.
Schmiedewerkstücke mit Rippen oder geringen Wanddicken können nur im Gesenk
geschmiedet werden.
Gesenkschmiedewerkstücke müssen nach DIN 7523 mit Aushebeschrägen versehen
werden.
Hinterschneidungen wegen der erheblichen höheren Werkzeugkosten vermeiden.
2.12. Oberflächenbehandlung von Umformwerkzeugen
Beim Umformen tritt Reib- und Adhäsionsverschleiß auf. AufWerkzeugen und Werkstük-
ken bilden sich Riefen. Die Riefenbildung kann verzögert werden, wenn das Werkzeug mit
einer verschleißfesten, eisenfreien Schicht überzogen wird. Je höher der Schmelzpunkt und
die Härte der Schicht, desto geringer ist der abrasive Verschleiß bzw. die Neigung zur
Riefenbildung.
Nitrieren Bildung der Nitrierschicht bei 450 ... 550°C
(Gasnitrieren) Schichtdicken liegen zwischen 50 11m und 150 11m
Härte der Nitrierschicht: 1000 ... 1400 HV 0,05
Vorteile: Durch engen Verbund der Nitrierschicht mit dem Grundwerk-
stoff können auch Werkzeuge mit engen Radien oder Kanten behandelt
werden. Nitrieren ist ein billiges Beschichtungsverfahren.
Nachteile: Änderungen oder Reparaturen an nitrierten Werkzeugen
sind nur unter erhöhtem Aufwand möglich, z.B. muß nach Schweiß ar-
beiten am Werkzeug nachnitriert werden.
Hartverchromen Bildung der Chromschicht bei 50°C
Schichtdicken liegen zwischen 30 J.lffi und 40 11m
Härte der Chromschicht: 1100 HV
Vorteile: Beim Hartverchromen treten keinerlei Gefüge- oder Maßver-
änderungen auf. Das Verfahren ist fast unabhängig von der Größe und
der Geometrie des Werkzeugs.
Nachteile: An kleinen Radien oder scharfen Kanten kann die Chrom-
schicht abblättern. Nach Reparaturen oder Änderungen am Werkzeug
kann - nach einer Entchromung - wieder verchromt werden.
Das Verfahren ist ungefähr 60 % teurer als das Nitrieren.
Titancarbid- Bildung der TiC-Schicht bei 1100 °C
beschichtung Schichtdicken liegen zwischen 6 J.lffi und 12 11m
Härte der TiC-Schicht: 4100 HV 0,05
Vorteile: Sehr gute Haftung am Grundwerkstoff des Werkzeugs. Der
Verschleiß ist durch die große Härte von Titancarbid sehr gering.

801
Span lose Fertigung

Nachteile: Es können nur kleine Werkzeuge oder Werkzeugeinsätze


beschichtet werden (Ofengröße).
Nach Reparaturen oder Werkzeugänderungen kann nicht nachbe-
schichtet werden; eine Neuanfertigung ist erforderlich.
Das Verfahren ist ungefähr 300 % teurer als das Nitrieren.

3. Stahlbleche und ihre Verarbeitung


3.1. Abmessungen der Stahlbleche
3.1.1. Walzdicke der Stahlbleche. Die drei Gütegruppen der Stahlbleche sind: Grobbleche
(4,76 mm dick oder dicker), Mittelbleche (3 ... 4,75 mm dick), Feinbleche (unter 3 mm
dick). Bleche unter 3 mm Dicke mit Walzmustern (Riffeln, Tonnen, Warzen) und
bearbeitete Bleche (gepreßte Böden, Rauchrohrböden und sonstige Teile für den Kessel-
und Behälterbau) gelten als Mittelbleche.
3.1.2. Tafelgrößen der Stahlbleche. Stahlbleche mit und ohne Oberflächenschutz (verzinnt,
verzinkt) werden in Lagergrößen (Lagerformaten) und in festen Maßen geliefert.

l
Lagergrößen der Stahlbleche
530 mm· 760 mm für Qualitäts- und Weißbleche ab 0,18 mm Dicke
500 mm ·1000 mm
600 mm . 1200 mm nach Anfrage lieferbare Zwischengrößen
700 mm . 1400 mm
800 mm . 1600 mm für Blechdicken bis 0,75 mm
1000 mm . 2000 mm für Blechdicken 0,5 mm und darüber (Normalformat)
1250 mm . 2500 mm für Blechdicken 0,75 mm und darüber (Mittelformat)
1500 mm . 3000 mm für Blechdicken 1,0 mm und darüber (Großformat)
Bleche in festen Maßen werden vom Hersteller auf Bestellung zugeschnitten.
3.2. Blechaufteilung
Für die Herstellung von Werkstücken aus Blech werden die Blechtafeln in Streifen
aufgeteilt.
Aufteilung der Blechtafeln in lange Streifen ist wirtschaftlicher als in kurze, weil weniger
Scherenarbeit nötig ist und das Ausschneiden auf Pressen flüssiger abläuft.
Zu beachten ist, daß in Stahlblechen die Walzfasern parallel zur langen Tafelkante
verlaufen.
Werkstücke aus Blech sind wirtschaftlich günstig gefertigt, wenn die größte Stückzahl bei
geringstem Blechverbrauch, den niedrigsten Werkzeug- und Lohnkosten erreicht wird.
Das Gewicht der Tafeln und die Länge der Streifen erschweren die Scherenarbeit.
Zweckmäßig werden zwei Mann als Bedienung für die Tafelschere eingeteilt zum
Schneiden vor:
a) Blechtafeln über 3 mm dick in Streifen über 1 m lang,
b) Blechtafeln unter 0,5 mm dick in Streifen über 1,4 m lang.
Für Massenteile aus Blech wird kaltgewalztes Blechband bevorzugt, wenn die höheren
Kosten für das Blechband durch Automatisierung des Fertigungsverfahrens auszugleichen
sind. Über Lieferbedingungen (Preis, Breiten- und Dickenabweichungen, Oberflächengü-
te, Werkstoffeigenschaften(am Bandanfang und am Bandende) geben die Bandhersteller
Auskunft.

802
11. Trennen und Umformen

3.2.1. Verwendung der Reststreifen von Blechtafeln. Anfallende Reststreifen aus der
Blechaufteilung oder herausfallende Ausschnittstücke beim Ausschneiden sind vor dem
Entstehen in die Fertigung einzuplanen und sofort zu verarbeiten. Wenn aus der sofortigen
Verarbeitung des Abfalls kein wirtschaftlicher Nutzen erzielt werden kann, ist es ratsam,
die Reststreifen, Ausfallteile und Streifenreste sofort aus dem Betrieb zu entfernen
(Schrottverkauf).
3.2.2. Werkstücke im Blechstreifen. Mehrere Werkstückreihen im Blechstreifen sind
vorteilhaft in bezug auf die Höhe des Verschnitts, aber die Streifenbreite bst (Ab-
schnitt 3.2.3) darf nicht zu groß gewählt werden, sonst wird die Weiterverarbeitung der
Streifen durch schwierige Handhabung und große Werkzeuge verteuert.
Man unterscheidet:
1-Lochstreifen (Bild 1I.66); 2-Loch- oder Wendestreifen (Bilder 11.67 und 1I.68), -
Wendestreifen sind solche Streifen, die nach dem Ausschneiden der ersten Lochreihe
gewendet werden müssen (umgeschlagen wie eine Buchseite), zum Ausschneiden der
zweiten Werkstückreihe -; 3-Lochstreifen (Bild 11.69). Streifen für mehr als drei Werk-
stückreihen (Mehrlochstreifen) werden wegen ihrer schwierigen Verarbeitung selten
verwendet.

Bild 11.66 I-Lochstreifen für Ronden


Ist Streifenlänge
Iw Länge des Werkstücks
Bild II.67 2-Lochstreifen für Ronden
I t anteilige Streifenlänge für ein Werk-
Ist ,It , b" bs ' bz , bst ' siehe Bild 11.66
stück =Iw + b z
12t anteilige Streifenlänge für zwei
b r Randstegbreite
Werkstücke
bs Seitenstegbreite
b z Zwischenstegbreite d + bz
b st Streifenbreite
hz = - - {3 = Zwischenhöhen der
2
Werkstückreihen

Voraussetzung für einen wirtschaftlich arbeitenden Stanzereibetrieb sind ausschneidege-


recht konstruierte Werkstücke, wobei oft die spätere Verwendung zu beachten ist, Bild
11.70.
3.2.3. Streifenbreite. Aus der Lage der Werkstücke im Blechstreifen, der Breite der Stege
zwischen den Werkstücken und den Rändern sowie zwischen den Werkstückreihen ergibt
sich die Streifenbreite bst '
Für Überschlagsrechnungen setzt man: b r = bs = bz = b (Bild 11.71).
Stegbreite für bst ~ 70 mm b = 0,4 s + 0,8 mm (11.36)
beis~0,5 mm

Stegbreite für b st S 70 mm b =2mm-2s (11.37)


beis<0,5mm

803
Spanlose Fertigung

Bild II.68 2-Loch-Wendestreifen


Zeichenerklärung siehe Bild II.66 und II.67
h w Werkstückhöhe

Bild II.69 3-Lochstreifen für Ronden

««
Zeichenerklärung siehe Bild II.66, 131
anteilige Streifenlänge für drei Werk-
stücke hz = (d + bz) {3 = Zwischenhöhe
der äußeren Werkstückreihen

a} b} c} d}

Bild II.70 Fertigung von Eckenwinkel für


Fensterrahmen
a) ungünstig; teures Werkzeug, viel Werk-
stoffverschnitt
b ) möglichst vermeiden; scharfe Ecken be-
günstigen Härterisse in der Schneidplatte
c) günstig
d)besonders günstig für den Verbraucher,
weil die Oberfräse der Tischlerei die Bild 11.71 Streifenbreite b SI und
innere Winkelkante scharfkantig aus- Stückzahl pro Streifen n sl
schneidet Isl , Iw , br , bs ,bz siehe Bild II.66
h w Werkstückhöhe
b 1 Trennsteglänge, wichtig für Bemes-
sung von b z

Stegbreite für bst > 70 mm b = 1,5 (0,4 s + 0,8 mm) (II.38)


beis ~0,5 mm
Stegbreite für bst > 70 mm b = 1,5 (2 mm - 2 s) (II.39)
beis < 0,5 mm
3.2.4. Anzahl der Werkstücke je BIechstreifen. An einem Blechstreifen der Länge Ist lassen
sich n st Werkstücke von der anteiligen Streifenlänge für 1 Werkstück It = Iw + b
ausschneiden (Bild 11.71). Anzahl der Werkstücke je Streifen

Werkstücke (11.40)
Streifen mm

Die anteilige Streifenlänge I t für ein oder bei Wendestreifen für zwei und mehr Werkstücke
läßt sich durch Rechnung oft sehr schwer bestimmen. In solchen Fällen empfiehlt es sich,
sie aus einer genauen Skizze in möglichst großem Maßstab abzumessen (Bild 11.72).

804
11. Trennen und Umformen

Niederhalter

Scheren tisch
Unter-
messer

Bild II.72 Anteilige Streifenlänge für zwei Werk-


stücke Ist nach Zeichnung ermittelt
Bild II.73 Niederhalterabstand e bei
Tafelscheren

3.2.5. Anzahl der Blechstreifen je Blechtafel. Zum Ausschneiden von Werkstücken, die
länger als breit sind, kann man eine Blechtafel mit oder ohne Anschnitt - Geradeschneiden
der meist rauhen Blechkante - entweder in lange schmale, in lange breite, in kurze schmale
oder in kurze breite Streifen aufteilen. Sind die zu schneidenden Streifen schmaler als der
Niederhalterabstand e der Tafelschere (Bild 11.73), bleibt von jeder Blechtafel ein nicht
verwendbarer Reststreifen übrig, dessen Breite zwischen e und e + b st liegt.
Bei einer Aufteilung in lange schmale
Streifen nach Bild 11.74 erhält man die
Anzahl der Streifen je Blechtafel
-<::l"j.
t
(11.41) DDDD=- .Ci
DDDD.t? -
~

DDDDD=---
0000
lw
-- Abfall
Reststreifen
Streifen
mm
Blechtafel Bild 11.74 Blechtafel in lange schmale Streifen geteilt

Anschnittbreite ba nur einsetzen, wenn die Blechtafel mit Anschnitt verarbeitet wird.
Niederhalterabstand e der Tafelschere darf nur berücksichtigt werden, wenn die Streifen-
breite bst < eist.
Soll eine Blechtafel in eine andere Streifenart geteilt werden, verfährt man sinngemäß
unter Ansatz der zugehörigen Maße.
3.3. Materialverschnitt bei Blechtafelaufteilungen
Blechtafelverschnitt ist nicht mehr verwendbarer Abfall in Form von Reststreifen, kleinen
Abfallstücken und Ausfallteilen. Auf die hergestellten Werkstücke einer Blechtafel oder
eines Auftrages wird zur Deckung der eigenen Werktoffkosten der Anteil des Verschnitts
prozentual aufgeschlagen. Bei gleicher Blechdicke erhält man den Materialverschnitt

m v = Bruttofläche - Nettofläche . 100'In 0/


/0 (11.42)
Nettofläche

mv = AA A
Brutto -
Netto
Netto . 100 = (AA
Brutto _
Netto
1) . 100 in %

805
Spanlose Fertigung

111. Verbindende Verfahren


Einzelteile werden zu Baugruppen lösbar oder unlösbar gefügt. Zum lösbaren Fügen erforderliche
Verbindungsmittel wie Schrauben, Bolzen oder Keile sind im Abschnitt Maschinenelemente erläu-
tert. In der Regel lassen sich lösbare Verbindungen ohne Schädigung der Einzelteile oder der Ver-
bindungsmittel wiederholt trennen und fügen.
Durch Schweißen, Löten, Kleben, Nieten oder Falzen entstehen unlösbare Verbindungen, deren
Trennen das Zerstören der Einzelteile oder Verbindungsmittel erfordert.

1. Schweißen
Beim Schweißen wird mit oder ohne Anwendung von Schweißzusätzen ein stofflicher Zusammen-
halt geschaffen, der dem Fügeteilwerkstoff vergleichbare mechanische Gütewerte aufweist. Nach
dem physikalischen Ablauf beim Schweißen unterscheidet DIN 1910 das Schmelzschweißen und
das Pressschweißen.

1.1. Schmelzschweißen
1.1.1. Grundlagen
1.1.1.1. Wärmewirkung und Schweißnahtbildung
Durch Erwärmen der Fügestelle werden die Schweißteilkanten auf- und dann ineinander geschmol-
zen. An der Fügestelle erfolgt das Einformen des flüssigen Schweißgutes durch Oberflächenspan-
nung, Schlacke oder Zwangsformung zur Schweißnaht, die vom festen Werkstoffufer ausgehend
durch Kristallisation entsteht. Gleichzeitig mit der Nahtbildung bewirkt der Wärmeabfluss aus dem
Schweißgut eine starke Wärmebeeinflussung des angrenzenden Grundwerkstoffs. Dadurch werden
Eigenschaftsänderungen in dieser Wärmeeinflusszone verursacht, von denen die Gussstruktur und
die Komvergröberung zu den unerwünschten Erscheinungen zählen (Bild III.l). Auch können Koh-
lenstoffgehalte über 0,22% bei den unlegierten Stählen in Verbindung mit raschem Auskühlen der
Fügestelle zu erhöhtem Martensitanteil und damit zu verschlechterten Zähigkeitswerten führen.

Schmelzgut (Gussstruktur) T.... > Liquidustemperatur


1500 Unvollst:Jndige Schmelze

1300 Kornvergr6berung
~
.!;; 1100

~ 900
Kornverfeinerung (Normalisieren)
~
~
Unvollst:Jndige Rekristallisation
700 Bild lll. l Gefügeaufbau einer
Kristallerholung einlagigen Schweißnaht an unlegiertem
Stahl mit ca. 0,2 % Kohlenstoff

Unbeeinflusste Walzsfrukfur

Gefogeaufbau

806
111. Verbindende Fertigungsverfahren

Hinweise zur Schweißeignung ausgewählter Baustähle nach DIN EN 10025 enthält der Abschnitt
Werkstofftechnik, Tafel IV.5. Die mit dem Kristallisieren und Abkühlen der Schweißnähte einher-
gehende Schrumpfung wird durch angrenzende Werkstoffbereiche behindert. Auf diese Weise stel-
len sich in der Schweißnaht erhebliche Zug-
spannungen ein (Bild 111.2). Schweißgeeignete
Werkstoffe bauen die Spannungen teilweise
durch plastische Verformung ab. In dünnwan-
digen, schmelzgeschweißten Konstruktionen
t--~---' [AJ UJngsspannung
(Blechmiffe)

können die entstehenden Schrumpfspannungen


erhebliche Verwerfungen bewirken. Mit der ~ UJngsspannung
(Blechenden)

m
Wahl der Querschnittsform (z. B. X-Naht statt h-:~~_.rl
V-Naht), zweckmäßigem Nahtaufbau oder Zugspannungen
durch festes Einspannen beim Schweißen (pla-
stischer Spannungsabbau) lassen sich die
Schrumpfungen kontrollieren. Durch Richten
können Verformungen korrigiert und durch
C Druckspannungen

Wärmebehandlung die beim Schweißen auftre-


tenden Gefügeveränderungen eingeschränkt Bild III.2 Längsspannungen an einer Stumpfnaht
oder beseitigt werden.
Die sich in der Stumpfnaht einstellenden Zugspannungen rufen im angrenzenden Werkstoff Druck-
spannungen längs und quer zur Schweißnaht hervor. Im Bild m.2 sind nur die Längsspannungen
dargestellt. Die auch vorhandenen Dickenspannungen sind vemachlässigbar klein.

1.1 .1.2. Schweißnahtvorbereitung


Das vollständige Durchschweißen stumpf gestoßener Bleche ist mit Verfahren geringerer Leistungs-
dichte (G, E) nur möglich, wenn die zu fügenden Werkstückkanten vollständig über die gesamte
Blechdicke angeschmolzen werden. Wünschenswert ist das Schweißen einer I-Naht, weil dann oft
ohne zusätzlichen Schweißzusatz und mit geringerer Wärmeeinbringung gearbeitet werden kann.
Reicht die Prozessenergie für das Durchschweißen nicht aus, müssen die Werkstückkanten, auch Fu-
genflanken genannt, eine spezielle Form erhalten (Tafel m .l) und die Schweißnaht wird in mehreren
Lagen gefertigt. Weitere Einzelheiten zur Wahl der Fugenformen enthält die DIN EN 29692.

Tafel 111.1 Fugenformen zum Schmelzschweißen von Stahl


Blechdicke 1
Bezeichnung Symbol Schweißverfahren Darstellung
inmm
1 ~4 G,E, WJG
[ /2~"'3
I-Naht II IS8 MIG,MAG
I< 20 /100 La/EB ~
3;:: I;:: 10 G, WIG
V-Naht V f2u~
3 ;::/;::40 M1G,MAG
DV-Naht X I> 10 E,MJG,MAG f2?7...8~""'9

1.1.1.3. Energiequellen zum Schweißen


Beim Gasschweißen wird heute fast ausschließlich als Brenngas Acetylen (C 2H 2) und als Oxidati-
onsmittel Sauerstoff genutzt. Gelegentlich empfohlene andere Brenngase (H2 , Propan, Butan,
Stadtgas und Gemische) haben punktuell Zweckmäßigkeit bewiesen, sich aber in der Breite nicht

807
Spanlose Fertigung

durchgesetzt. Alle Gase werden an Kleinabnehmer in Druckgasflaschen geliefert. Großabnehmer


beziehen Acetylen in Flaschenbündeln oder Gascontainern, den Sauerstoff in flüssiger Form (Ver-
gasung beim Nutzer).
Für das Lichtbogenschweißen werden Wandler benötigt, die aus der Netzenergie die hohen Spannun-
gen und niedrigen Ströme zu schweißtechnisch geeigneten Kleinspannungen bei hohen Schweißströ-
men formen. Für das Wechselstromschweißen verwendet man fast ausschließlich Transformatoren,
für das Gleichstromschweißen Transformatoren mit nachgeschaltetem Gleichrichter, als Kom-
pakteinheit auch als Schweißgleichrichter bezeichnet. Das Steuern des Schweißstromes kann durch
primär- oder sekundärseitig vom Transformator geschaltete Leistungstransistoren erfolgen (primär
oder sekundär getaktete Schweißstromquellen). Die jüngste Generation am Markt, Inverterstrom-
quellen, nutzen das in der Elektrotechnik bekannte Umrichterprinzip (Bild 111.3).

][
A Schweißtransformator
A 8 Einfacher Schweißgleichrichter
[ Sekundar getakfete Stromquelle
Inverter stromquelle

][ -t>-
Iprimar gefakfetJ
B Bild 111.3 Stromquellen für das
Lichtbogenschweißen
I Transformator
2 Gleichrichter
3 Schalttransistoren (bis 200kHz)
4 Glättungsdrossel
5 Schweißlichtbogen

---
6 Werkstück
4

1.1.2. Gasschmelzschweißen (G)


Ve~ahrensprinzip

Beim Gasschmelzschweißen erwärmt eine Brenngas-Sauerstoffflamme die zu schweißenden Werk-


stoffe bis auf Schmelztemperatur und schützt gleichzeitig die Schweißzone vor dem Zutritt der at-
mosphärischen Gase Stickstoff und Sauerstoff (Bild 1II.4). Als Brenngas wird vorzugsweise Acety-
len (C 2H2 ) verwendet. Beide Gase werden erst im Schweißbrenner zu einem brennbaren Gemisch
zusammengeführt. Die Ausströmgeschwindigkeit des zündfahigen Gemisches aus der Düse des
Orockmind.,.,

Scllu.ißrusa!r Scllu.ißbr."""r Bild 1II.4 Gasschmelzschweißen


Das Acetylen ist in gelben und der Sauerstoff in
BrMngarflascht! blauen Gasflaschen gespeichert. Rückschlagsi-
S"""rrltffflarcht! cherungen in den Gasleitungen verhindern mög-
' \
WerkrlOck
liche Flammenrücktritte aus dem Brenner über die

g%J?K~\%j*JI Schläuche bis zu den Gasflaschen. Der Zusatz-


werkstoff (Schweißzusatz) wird manuell zuge-
führt.

808
111. Verbindende Fertigungsverfahren

Bild III.5 Aufbau eines Injektorbrenners


Das Sauerstoffventil wird zur Inbetrieb-
nahme des Brenners zuerst geöffnet. Der
aus der Druckdüse austretende Gasstrahl
erzeugt einen Unterdruck und saugt das
Acetylen an. Dann wird der Brenner ge-
zündet. Das Schließen der Ventile erfolgt
in umgekehrter Reihenfolge.
l'1ischdOse Oruckdo~

Schweißeinsatzes (Bild 111.5) muss größer als die Zündgeschwindigkeit eingestellt sein, um so das
Zurückschlagen der Flamme in den Schweißbrenner zu unterbinden. Das Mischen von Acetylen
und Sauerstoff zu etwa gleichen Teilen ergibt eine chemisch neutrale Flamme, die sich besonders
zum Schweißen von Stahl und Stahlguss sowie zum Löten und Wärmebehande1n eignet. Mit re-
duzierender Atmosphäre (Acetylenüberschuss) schweißt man Aluminium und Grauguss und die
oxidierende Flamme (02-Überschuss) kann beim Werkstoff Messing vorteilhaft sein.

Anwendungsbereich
Abmessungen: maximale Blechdicke s = 6 mm (bis 10 mm möglich, aber unwirtschaftlich)
Werkstoffe: unlegierter und niedrig legierter Stahl, Stahlguss, Grauguss, Nichteisenmetalle
Erzeugnisse: Dünnblechschweißen, Reparatursektor, Rohrleitungsbau, Installationstechnik,
Baustellenarbeiten

Arbeitstechnik - Leistungskennwerte
Das Gasschweißen wurde aus wirtschaftlichen Gründen von neueren Schweißverfahren im Anwen-
dungsumfang zurückgedrängt. Wesentliche Gründe dafür sind auch die mit der erheblichen Wärme-
einbringung verbundene Grobkombildung, der Verzug der Werkstücke und die geringe Schweißge-
schwindigkeit Vs (Tafel 111.2).

Tafel III.2 Leistungsdaten beim Gasschweißen


Blechdicke s in mm 2 4 6
Fugenform (nach Tafel m.l) 1- Naht V - Naht V - Naht
Vs in cm/min 8,5 5,6 4,3
Abschmelzleistung an Stahl 0,3 kg I h

1.1.3. Lichtbogenhandschweißen (E)


Verjahrensprinzip
Zwischen einer abschmelzenden Elektrode und dem Werkstück brennt ein elektrischer Lichtbogen,
dessen Wärmeentwicklung die Elektrode ab- und die zu fügenden Werkstücke anschmilzt (Bild
III.6). Das aus Werkstück- und Elektrodenwerkstoff gebildete Schweißgut kristallisiert beim Erkal-
ten zur Schweißnaht. Das Lichtbogenhandschweißen wird fast ausschließlich manuell und überwie-
gend mit Gleichstrom ausgeführt, Wechselstromschweißen ist beim Verwenden geeigneter
Schweißelektroden möglich. Zum Zünden des Lichtbogens wird die Elektrode kurzzeitig am An-

809
Spanlose Fertigung

Schweißsfromqueile

Elektrodenhalter
Lichtbogen
16V
1UUA

B Bild 111.6 Lichtbogenhandschweißen

fang der Schweißnaht auf das Werkstück "getupft". Dabei sinkt im Kurzschluss die Spannung auf
nahe Null ab und es fließt der Kurzschlussstrom. Alle Schweißstromquellen gestatten diesen Kurz-
schlussbetrieb zum Zweck des Zündens. Nach dem Abheben der Elektrode bildet sich der elektri-
sche Lichtbogen aus. Die Höhe des einzustellenden Stromes wird hauptsächlich von der zu
schweißenden Blechdicke und der konkreten Schweißaufgabe bestimmt. Kleinere Ströme stellt
man bei dünnen Blechen, Wurzel-, Heft- und Zwangslagenschweißungen ein, höhere Werte gelten
für dickere Bleche, Füll- und Decklagen oder für das Auftragsschweißen. Die Fülllagen können
auch zur Wärmebehandlung genutzt werden. So kann Z.B. die nächste Lage das Gefüge der vorher-
gehenden verfeinern (Bild 111.7). Der Werkstoffübergang erfolgt grundsätzlich von der Elektrode

Decklagen __________

HitteIlagen
(FolllagenJ
~_...- _-
.......
Bild III.7
Lagentechniken beim Schmelzschweißen

-------
aJ Str;chraupen
Wurzellagen
-------
bJ Lagenraupen

zum Werkstück (auch beim Überkopfschweißen). Die Tropfengröße und damit die Feinschuppig-
keit der Naht steigt mit der Stromstärke an und wird darüber hinaus sehr stark von der chemischen
Charakteristik der Elektrodenumhüllung und deren Dicke beeinflusst. Es werden vier Elektroden-
grundtypen unterschieden (TafellII.3):

Tafel 111.3 Eigenschaften von Stabelektrodentypen


Elektrodentyp
Merkmal (A) (R) (B) (C)
sauer umhüllt I) Rutil umhüllt basisch umhüllt Zellulose umhüllt
sehr klein (d) klein (d) mittel
Tropfengröße mittelgroß
bis klein (m) bismittel(m) bis groß
Schlackenentfembarkeit sehr gut leicht gut keine Schlacke
Schweißguteigenschaft mittel gut sehr hoch gut
gering überwölbt,
Nahtschuppung glatt, feingezeichnet glatt (d) deutlich
mitteJschuppig
schnell fließend zähflüssig mittel
Werkstofftluß geringer als A
("heißgehend") ("kaltgehend") bis zähflüssig
Stromart / Polung = (+,-)/- = (. )/- =(+) =(+.-)/-
leichte Handhabung bei Universalelektroden mit rissfeste, kaltzähe Nähte
Vorzugseignung Kehlnähten in guter Abschmelz- im Kessel-, Behälter- Fallnahtschweißung
w-Position charakteristik und Pipeline bau
(m) mitteldick umhüllt, (d) dick umhüllt, I) werden als reiner A-Typ nicht mehr angeboten

810
111. Verbindende Fertigungsverfahren

I. Sauer umhüllte Elektroden (Kennzeichnung A)


sind durch sehr dünnflüssiges Schweißgut und hohe Abschmelzleistungen gekennzeichnet. We-
gen der nur mäßigen Gütewerte des Schweißgutes und der Warmrissempfindlichkeit werden sie
kaum noch angewendet.
2. Rutil umhüllte Elektroden (Kennzeichnung R)
Ausgezeichnete Schweißeigenschaften bei zufrieden stellenden mechanischen Gütewerten.
Allzweckelektrode.
3. Basisch umhüllte Elektroden (Kalk: B)
Beste mechanische Gütewerte. Aufwändigere Verarbeitung.
4. Zellulose umhüllte Elektroden (C)
Gute Spaltüberbrückbarkeit, spezielle Fallnahtelektrode.

Anwendungsbereich
Abmessungen: Blechdicke s = 2 bis 100 mm
Werkstoffe: un-, niedrig und hoch legierter Stahl, Stahlguss, Grauguss, bedingt Nichteisen-
metalle
Erzeugnisse: Verbindungs-, Auftrags- und Reparaturschweißungen in allen Bereichen der
Metallverarbeitung

Arbeitstechnik - Leistungskennwerte
Das Lichtbogenhandschweißen wird heute vorzugsweise beim Schweißen hoch legierter Stähle an-
gewendet. Es ist nach dem Metall-Schutzgasschweißen das wichtigste Schweiß verfahren in der in-
dustriellen und besonders der handwerklichen Fertigung. Größere Anwendungsfelder sind der
Schiffbau (Hellingfertigung), der Rohrleitungsbau (Pipelinebau), der Stahlbau (hohe Verfahrens-
flexibilität) und der Energieanlagenbau. Lichtbogenhandschweißen wird auch häufig dann bevor-
zugt, wenn auf der Baustelle Spalte zu überbrücken sind oder wenn verschlissene Schichten aufge-
tragen werden sollen (Auftragsschweißen).

Tafel 111.4 Leistungsdaten beim Lichtbogenhandschweißen


Blechdicke s in mm 2 5 10
Fugenform (nach Tafel III.l) 11 V - Naht V - Naht
Anzahl der Lagen (nach Bild 111.7) I 2 3
Vs in cm/min 28 l6') 3 1)
Abschmelzleistung an Stahl bis maximal 4,0 kg I h

1) Mittelwert aus den Lagenschweißungen

1.1.4. Schutzgasschweißen (SG)


Bei den Schutzgasschweißverfahren übernimmt ein Gas oder ein Gasgemisch den Schutz von Vorder-
und ggf. auch Rückseite der SchweißsteIle vor den Wirkungen der Atmosphäre (Stickstoffaufnahme,
Oxidation). Verschiedene Gaszusammensetzungen sowie die Art der Schweißelektrode und die Bren-
nerkonstruktion führten zur Entwicklung sehr leistungsfähiger Schweiß verfahren (Bild 111.8).
5chutzgasschweinen (56)

HelilIHMrfg/...St/"M.if]M WoIfr_lnerlg.,·SrtMeif]en (WolframI PI.",,~SttMeif].n


IHIGI lW/GI (WPI

Bild III.8 Einteilung der Schutzgasschweißverfahren (vereinfacht nach DIN 1910 T4)

811
Spanlose Fertigung

1.1.4.1. Metall-Schutzgas-Schwejßen (MSG)


VeTjahrensprinzip
Beim Metall-Schutzgas-Schweißen (Bild III.9) besteht der Schweißzusatz aus einem auf Korbspu-
len aufgewickelten Schweißdraht, den ein Vorschubmechanismus mit konstanter Elektrodenvor-
schubgeschwindigkeit VE dem Lichtbogen zuführt. Unmittelbar vor dem Lichtbogen wird über ei-
nen Schleifkontakt (1) der Schweißstrom in den Schweißdraht geleitet. Typische Drahtdurchmesser
sind d E = 0,8 - 1,6 mm (2). Die konzentrisch zum Draht angeordnete Düse gewährleistet den
Schutzgaskegel (3), vorzugsweise aus CO2+Ar-Mischgas, über dem Lichtbogen und dem Schweiß-
bad (4) sowie über den schützenswerten Werkstückbereichen (5). Im Bild nicht dargestellte Prozess-
einrichtungen wie Stromquelle oder Gasversorgung sind mit dem Schweißbrenner über Schutzgas-
zufuhr (6), Kühlwasserzu- und -abfuhr (7), Steuer- und Messleitungen (8), Schweißstromzufuhr
(9), Prozess START/STOP (10) und Polklemme (11) verbunden. Wegen der bei einer Drahtvor-
schubgeschwindigkeit VE um 9 m/min kurzen Verweilzeit des Drahtes im Bereich der stromdurch-
flossenen freien Elektrodenlänge IE ("stick out") ist dessen Erwärmung gering. Die dadurch mögli-
chen hohen Schweißströme gestatten größere Abschmelzleistungen und ein tieferes Eindringen des
Lichtbogens in das Werkstück als beim E-Schweißen. Das Schutzgas kann völlig oder in seiner we-
sentlichen Wirkung inert sein (MIG) oder mit dem Werkstoff reagieren (MAG). Aktive Gaskompo-
nente ist vorzugsweise CO2 . Der OrAnteil im Schutzgas führt zur Oxidation von Legierungsele-
menten. Dieser Verlust wird durch entsprechend hohe Legierungsgehalte im Schweißdraht kom-
pensiert. Zum Schutzgasschweißen bewährte Gase und Gasgemische und ihre Wirkung beim
Schweißen sind in DIN EN 439 aufgeführt.

Bild III.9 MAG-Schweißen


Dargestellt ist das teilautomatische Schweißen,
bei dem der Schweißbrenner von Hand geführt
wird. Das Verfahren wird verbreitet auch mit
Schweißrobotern praktiziert.

VE - Vorschubgeschwindigkeit Schweiße/ektrode
VA - Abschmelzgeschwindigkeil der Schweiße/ektrode

Anwendungsbereich MAG
Abmessungen: Blechdicke s =0,8 bis 20 mm
Werkstoffe: un- und niedrig legierte Stähle, Kessel-, Röhren und Schiffbau stähle , bedingt
hoch legierte Stähle, keine Nichteisenmetalle
Erzeugnisse: Gegenwärtig universellstes Schweißverfahren mit größtem Anwendungsumfang.
Mit der Kurzlichtbogentechnik können Karosseriebleche repariert, mit der Im-
pulstechnik Maschinenbauteile, Fahrzeugrahmen oder Stahlbauten spritzerfrei
geschweißt werden. Mit dem Hochleistungsschweißen lassen sich wirtschaftlich
dicke Bleche z.B. für Erdbaumaschinen, Chemieanlagen oder Meerestechnik ver-
binden.

812
111. Verbindende Fertigungsverfahren

Anwendungsbereich MIG
Abmessungen: Blechdicke s =3 bis 20 mm
Werkstoffe: niedrig und hoch legierte Stähle, Aluminium, Magnesium, Kupfer, Nickel und
andere Nichteisenmetalle
Erzeugnisse: Charakteristisches Verfahren für Hochleistungsschweißungen an Leichtmetall-
konstruktionen im Schienenfahrzeug- und Schiffbau
Arbeitstechnik - Leistungskennwerte
Aus dem Schutzgasschweißen ging eine Vielzahl von Verfahrensvarianten mit ganz speziellen An-
wendungsbereichen hervor. Dazu zählen:
Kurzlichtbogentechnik (MAG) für das Schweißen dünner Bleche (s = 0,8 - 3 mm), Wurzel- und
Zwangslagenschweißen. Ein stetiger Wechsel von Kurzschluss und Lichtbogenausbildung gestattet
einen stabilen Lichtbogen bei Arbeitswerten bis herunter zu 19-17 V und 100-70 A.
Impulstechnik (MAG und MIG) nutzt einen geringen Grundstrom, kombiniert mit überlagerten
Schweißstromimpulsen. Wichtigste Ziele der Impulstechnik sind das spritzerfreie Schweißen und
ein gesteuerter Wärmeeintrag. Die Impulstechnik erfordert spezielle Schweißstromquellen.
"T.l.M.E. "-Schweißen (MAG) ist ein patentiertes Verfahren, bei dem die Elektrodenvorschubge-
schwindigkeit bis 45 m/min gesteigert wird und der Lichtbogen mit Schweißstromstärken I s über
400 A und Schweißspannungen Us > 40 V unter Verwendung spezieller Mischgase (Ar-He-COr 0 2)
brennt. Das sehr leistungsfähige Verfahren empfiehlt sich für dicke Bleche an Maschinen-, Schiff-
und Stahlbaukonstruktionen.
Fülldrahtschweißen (MAG) nutzt mit Pulver gefüllte Schweißdrähte. Die Pulver übernehmen den
Umhüllungen beim E-Schweißen vergleichbare Funktionen. Eine neuere, zukunftsträchtige Varian-
te ist das Fülldrahtschweißen ohne Schutzgas (selbstschützende Drähte). Das Schweißen ohne Gas-
versorgung ist vor allem auf Baustellen von Bedeutung.

Tafel 111.5 Leistungsdaten beim MAG-Schweißen von Stahl


Blechdicke s in mm 2 5 10
Fugenform (nach Tafel III.l) 11 11 V - Naht
Anzahl der Lagen (nach Bild 111. 7) 1 1 2
Vs in cm/min 40 100 16 1)
Abschmelzleistung an Stahl bis maximal 4,0 kg / h

1) Mittelwert aus den Lagenschweißungen

1.1.4.2. Wolfram-Inertgas-Schweißen (WIG)


Verjahrensprinzip
Beim Wolfram-Inertgas-Schweißen (Bild III.10) brennt ein elektrischer Lichtbogen unter inertem
Gasschutz zwischen einer nichtabschmelzenden Wolframelektrode (5) und dem Werkstück (7). Der
Lichtbogen schmilzt die zu schweißenden Werkstückkanten auf und den ggf. seitlich zugeführten
Schweißzusatz (6) ab. Das Inertgas (2) zum Schutz von Wolframelektrode und Schweißnaht ent-
strömt einer konzentrisch um die Elektrode angeordneten Düse und wird dem Brenner über ein
Schlauchpaket ebenso zugeführt wie Kühlwasser (3) und Schweißenergie (4). Ist die Elektrode ver-
schmutzt oder angeschmolzen, wird sie gewechselt (1). Zuverlässiges befÜhrungsfreies Zünden des
Lichtbogens erreicht man durch dem Schweißprozess überlagerte Hochspannungsimpulse und
Elektroden mit geringem Thoriumoxidgehalt (radioaktiv). Die DIN EN 26848 enthält thoriumfreie
Wolframelektroden mit vergleichbaren Schweißeigenschaften.

813
Spanlose Fertigung

Das WIG-Schweißen wird mit Gleichstrom (Stahlschweißung) oder Wechselstrom (AI, Mg) ausge-
führt. Manuelles Schweißen und maschinelle Techniken sind in Gebrauch.

Anwendungsbereich
Abmessungen: Verbindungsschweißen an Blechen mit s = 0,5 bis 10 mm, Wurzelschweißen an
dicken Blechen
Werkstoffe: un-, niedrig und hoch legierte Stähle, AI, Mg, Cu, Ni, Ti und andere NE-Metalle
Erzeugnisse: Verfahren für Präzisionsschweißungen in allen Bereichen der MetaUverarbeitung,
Luft- und Raumfahrt, Schienen- und Straßenfahrzeuge, Behälterbau, Schankanla-
gen, Elektroanlagen, Haushaltgeräte

Bild III.lO WIG-Schweißen


Dargestellt ist das manuelle Schweißen, bei
dem der Schweißbrenner von Hand geführt
wird. Die Zufuhr des Schweißzusatzes erfolgt
von der Seite. Maschinelle Brennerführung und
Zufuhr des Schweißzusatzes werden bei langen
Schweißnähten und Präzisionsschweißungen
praktiziert.

Arbeitstechnik - Leistungskennwerte
1. Schweißen von AI, Mg und deren Legierungen
Diese Werkstoffe sind wegen der ihrer Oberfläche stets anhaftenden Oxidschicht für die Licht-
bogenausbildung nicht hinreichend leitfähig. Erforderlich ist daher
- vorherige mechanische und/oder chemische Oxidbeseitigung,
- spezielle Fugen- und Elektrodenform,
- Schweißen mit Wechselstrom.
Beim Wechselstromschweißen reißen die aus dem Schmelzbad austretenden Elektronen während
der positiven Halbwelle die Oxidhäute auf, belasten dabei aber thermisch die Elektrode. Diese ist
daher nicht spitz, sondern abgerundet (Bild lII.ll). Geschweißt wird mit einfach aufgebauten
Schweißtransformatoren (preiswert) oder transistorisierten Stromquellen (Abschnitt 111.1.1.3)
mit rechteckförmigem Stromverlauf und ggf. einstellbarer Phasenbalance, die kleinere positive
Halbwellen ermöglicht. Dadurch können die thermische Elektrodenbelastung gesenkt und der
Schweißprozess stabiler geführt werden.
Vereinzelt wird auch mit Gleichstrom unter Helium als Schutzgas geschweißt. Wegen dessen
höherer Ionisationsspannung wird der Lichtbogen heißer und die Oxidhaut thermisch zerstört.
Die schwierigere Prozessführung begrenzt das Verfahren auf das mechanisierte Schweißen.
2. Schweißen von hoch legiertem Stahl
Zum Schweißen hoch legierter Stähle, vorzugsweise der Chrom-Nickel-Stähle, ist das WIG-
Schweißen seit seiner Entwicklung das prädestinierte Verfahren. Der inerte Argonschutz, verbun-
den mit zusätzlichem Schutz der Nahtrückseite (Wurzel) ermöglicht in weiten Grenzen anlauffar-
benfreie Schweißnähte. Geschweißt wird mit Gleichstrom, Elektrode am Minuspol.

814
111. Verbindende Fertigungsverfahren

Stromart und Polung der Elektrode beim WlG-Schweißen


Gleichstrom INechselstrom
INerltstofl + Pol -Pol
Stahl (un- und niedrig legiert) 0 2
Rost-, säure- und hitzebeständige Stähle 0 2 (+ )

/~
Kupfer und Kupferlegierungen 0 2
Nickel und NickeYegierungen 0 2
Aluminiumbronze 0 2 I ,

Aluminium und Aluminiumlegierungen) (1) 0 2


Magnesium und Magnesiumlegierungen) (1) 0 2
2 - gut gee;gnet 1 - bedingt """"",dbar; () • bis max O,Smm; O· mellt geeignet Einbrandpolung Reinigungspolung Wechselstrom

Fugenvorbereitung beim WlG-Schweißen Arbeitstechnik


von AI und Aluminiumlegierungen
Falsch: Nach-tinks-Schweißen
Die in der Schweißfuge haftenden beim VIIIG-Verfahren
Oxidschichten werden nicht voll-
ständig ausgeschwemmt und bilden
eine WUrzelkerbe

Richtig:
Angefaste Kanten /Ohren zur korrek-
ten Ausbildung der NahtrOckseite

Bild m . ll Technologische Angaben zum WIG-Schweißen

Zumischen von Wasserstoff mit 2 % bis 5 % wird in einigen Fällen des maschinellen Schweißens
praktiziert. Wasserstoff wirkt als Wärmeträger, fördert die Benetzung und damit das zuverlässige
Schweißen dünner Bleche (z. B. beim Längsnahtschweißen dünnwandiger Rohre) und gestattet
metallisch blanke Nähte durch seine reduzierende Wirkung.
3. Schweißen weiterer NE-Metalle
Nichteisenmetalle und ihre Legierungen, die schmelzmetallurgisch hergestellt wurden, lassen
sich in der Regel auch mit dem WIG-Verfahren schweißen. Zu diesen Werkstoffen zählen Cu und
seine Legierungen, Ni und Legierungen, Titan und Tantal. Dabei gilt, dass der inerte Gasschutz
besonders bei den reaktionsfreudigen Werkstoffen durch zusätzliche Maßnahmen sicher gewähr-
leistet werden muss. Das können Vor- und Nachlaufbrausen, gasdurchströmte Vorrichtungen,
Schweißzelte oder Vakuumkammern sein, die nach dem Evakuieren mit dem Schutzgas gefüllt
werden. Das Beschicken der Kammern erfolgt durch Schleusen und das Schweißen über Mani-
pulatoren.
Die Geräteentwicklung zum an sich sehr einfachen Verfahren hat heute ein Anspruchsniveau, zu
dem folgende Merkmale zählen:
- wahlweise HF- oder Liftarc-Zündung (HF: Hochfrequente Hochspannungsimpulse zünden
berührungsfrei, Liftare: selbständiges Zurückziehen der Elektrode bei Kurzschlusszündung)
- programmierbare Schweißparameter
Startstromwahl mit Anstieg zum Nennstrom (Up-Slope-Zeit)
Absenkstrom bei Schweißende zur Kraterfüllung (Down-Slope-Zeit)
Gasvor- und -nachströmzeit (Schutz von Werkstück und Elektrode)
Kontrolle weiterer Prozessfunktionen
Schutzgaswahl und Durchflusskontrolle
Kühlwasserüberwachung

815
Spanlose Fertigung

Tafel 111.6 Leistungsdaten beim WIG-Schweißen von Stahl


Blechdicke s in mm 2 5 10
Fugenform (nach Tafel 111.1) 11 11 V
Anzahl der Lagen ( Bild m.7) I I 3
Vs in cm/min 20 12 2')
Abschmelzleistung an Stahl bis maximal 0,5 kg I h

,) Mittelwert aus den Lagenschweißungen

1.1.4.3. Plasmaschweißen (PI)


Verjahrensprinzip
Wird ein elektrischer Lichtbogen in den Randzonen gekühlt, verliert er dort seine Leitfahigkeit, der
Strompfad wird eingeschnürt und der Lichtbogen nadelförmig. In der Schweißtechnik bezeichnet
man dieses Phänomen als Plasmalichtbogen. Er erzeugt beim Schweißen sehr schmale Nähte. Bild
III.l2 zeigt schematisch die konstruktiven Details des Plasmabrenners. Die Wolframelektrode sitzt
hinter der Plasmadüse (3) und zwischen beiden brennt permanent ein Hilfslichtbogen kleiner Ener-
gie. Dieser erzeugt ein Hilfsplasma, welches durch das Plasmagas aus der Düse gedrückt wird und
die Lichtbogenstrecke vorionisiert. So kann das Arbeitsplasma durch Zuschalten des Haupt-
schweißstromes jederzeit berührungsfrei gezündet werden. Als Plasmagas wird Argon verwendet.

I
2
Bild m .12 Plasmaschweißen
,
3
I Wolframeiektrode
5 2 Kanal für Plasmagas
6 3 Plasmadüse
4 Kanal für Fokussier-/Schutzgas
5 Schutzgasdüse
8
6 Wasserkühlung
7 Plasmastrahl
8 Schweißnaht im Werkstück

Das Fokussierungsgas, das gleichzeitig den Schutz der Schweißstelle übernimmt, kann bei der
Stahlschweißung ein Ar+HrMischgas sein. Andere Brennerkonstruktionen und Gaskompositionen
sind in Gebrauch. Das Plasmaschweißen wurde aus dem WIG-Verfahren heraus entwickelt und ge-
stattet schmalere Schweißnähte und höhere Schweißgeschwindigkeiten.Wegen der hohen Präzision
und den hohen Schweißgeschwindigkeiten wird überwiegend maschinell geschweißt.
In der Regel kommt das Plasmaschweißen ohne Zusatzwerkstoff aus, die Fugenflanken werden als
I-Naht vorbereitet. Das Verwenden von Schweißzusatz, z. B. zum Ausgleich von Toleranzen, ist
möglich.

Anwendungsbereich
Abmessungen: =
Verbindungsschweißen an Blechen mit s 0,1 bis 10 mm
Werkstoffe: un-, niedrig und hoch legierte Stähle, Cu, Ni, Ti und andere NE-Metalle, Al, Mg
und deren Legierungen ungebräuchlich
Erzeugnisse: Längs- und Rundnahtschweißungen an Rohren und Blechsektionen, Behälterbau

816
111. Verbindende Fertigungsverfahren

Arbeitstechnik - Leistungskennwerte
Der Plasmalichtbogen lässt sich mannigfaltig variieren. So gingen aus dem klassischen Verfahren
Varianten hervor wie

Mikroplasmaschweißen
Beim Mikroplasmaschweißen lassen stabile Lichtbögen von lA Stromstärke Präzisionsschweißun-
gen an Feinblechen und Folien bis unter O,1mm Dicke zu. Mit dem Verfahren werden Hüllrohre für
Kernbrennstäbe oder Schlitzrohre mit 0,15 mm Wanddicke geschweißt sowie Wellrohrkompen-
satoren und Druckmessdosen hergestellt. Ferner können auch Erzeugnisse aus Draht wie Zahnpro-
thesen, Drahtnetze (Papierindustrie ) oder Thermoelemente mit dem Verfahren gefertigt werden.

Plasmaschweißen mit Bogenablenkung


Der Plasmalichtbogen übt bei steigender Energie, die für höhere Schweißgeschwindigkeiten ge-
braucht wird, auch einen höheren Druck auf das Schmelzbad aus und durchbricht dieses. Um das zu
vermeiden und bei hohen Geschwindigkeiten dünne Bleche zu schweißen, lenkt man den Lichtbo-
gen in Schweißrichtung magnetisch aus (Schweißen von Blechsektionen im Schienenfahrzeugbau).

Plasmaschweißen mit Stichlocheffekt


Ab etwa 3 mm Blechdicke kann durch Energiesteigerung der Plasmastrahl das Werkstück durchste-
chen, es bildet sich ein schlüssellochförmiger Durchbruch, der mit dem Plasmastrahl in Schweiß-
richtung wandert und hinter dem die Fugenflanken zusammenfließen. Die Wärme wird vom Plas-
mastrahl nicht an die Blechoberfläche, sondern an die Stichlochflanken abgegeben. Dadurch kann
die Schweißgeschwindigkeit gegenüber dem Wärmeleitungsschweißen (WIG, Mikroplasma) deut-
lich gesteigert werden.

Plasmaauftragsschweißen
Durch seitlich zugeführten Schweißdraht oder direkt durch den Brenner geförderte Pulver lassen
sich verschlissene Schichten auftragen oder spezielle Hartstoffschichten (Ni-Basis mit Cr, Co, W
oder Wolframcarbid) erzeugen.

Tafel m.7 Leistungsdaten beim Plasmaschweißen


Blechdicke s in mm 2 5 10
Fugenfonn (nach Tafel 111.1) 11 11 11
Anzahl der Lagen (nach Bild III.7) 1 1 2
Vs incmlmin 90 50 40 1)
Abschmelzleistung an Stahl 2) bis maximal 0,5 kg I h

1) Mittelwert aus den Lagenschweißungen


2) bei Kaltdrahtzufuhr, Steigerung durch Heißdraht möglich

1.1.4.4. Laserschweißen (La)


Veifahrensprinzip
Beim Laserschweißen wird die in einem Lasermedium (Kristall, Gasentladung, Halbleiter) erzeug-
te energiereiche Strahlung durch ein Linsensystem auf die SchweißsteIle gebündelt. Das Laserlicht
ist monochromatisch, kohärent und parallel und gestattet daher bei seiner Fokussierung Energie-
dichten über 1()6 W/cm2• Damit können alle technischen Werkstoffe geschmolzen oder verdampft
werden. In jedem Fall muss die Energie des Laserstrahis zunächst einmal als elektrische Energie
dem Lasergenerator zugeführt werden. Im Fall des Festkörperlasers (Bild III.13) erfolgt die erste

817
Spanlose Fertigung

,--- - 1

3 Bild m.13 Laserschweißen

4
I elliptische Reflektoren
2 Blitz- oder Bogenlampen strahlen die Energie als
5 anregendes Licht in den Resonator
3 in den Laserkristall eingestrahltes Licht
7 4 Laserstab (Nd:YAG-Kristall)
5 halbdurchlässiger Auskoppelspiegel
6 hinterer Resonatorspiegel
7 ausgekoppelter Laserstrahl
(vor der Optik noch ungebündelt)

Umwandlung in Licht über die Blitzlampen und schließlich die zweite Umwandlung in das Laser-
licht. Die bei diesem Vorgang entstehende erhebliche Verlustwärme muss durch ein wirksames
Kühlsystem abgeführt werden und ist Ursache für den durchweg sehr schlechten Verfahrenswir-
kungsgrad aller Laser. Während bislang die geometrischen Abmessungen der Laserresonatoren
vom klassischen Kristallstab beim Festkörperlaser (rund) oder Entladungsrohr (rund) beim Gasla-
ser bestimmt waren, gewinnen kompakte Konstruktionen, genannt Slab-Laser (Slab = Platine, Plat-
te), an Bedeutung.
Von den heute existierenden zahlreichen Lasertypen werden zum Schweißen COz-Gaslaser, Neo-
dym: YAG-Laser und Halbleiterlaser verwendet. Diese drei Lasertypen haben außerordentlich ver-
schiedene Eigenschaften, woraus auch ganz spezifische Einsatzfelder resultieren (Tafel 1II.8). We-
gen der hohen Präzision des Laserstrahis wird das Verfahren fast ausschließlich mechanisiert ausge-
führt, andere Entwicklungen (Kehlnahtschweißen mit hand geführtem Schweißkopf an Leichtbau-
profilen oder manuelles Laserpunktschweißen in der Dentaltechnik) sind bekannt.

Tafel 111.8 Ausgewählte Verfahrensmerkmale von Laserschweißverfahren


Arbeitsgröße Einheit Diodenlaser Nd:YAG COrGaslaser
Wel1enlänge mm 0,32 ... 32 1,06 10,6
max. Ausgangsleistung kW 4 6 25
max Vs m/min 1 5 10
Energieübertragung - Lichtwellenleiter Lichtwellenleiter Spiegelsystem
schweißbare Blechdicke
mm I 4 ,0 10
am Beispiel CrNi-Stahl

Anwendungsbereich
Abmessungen: Verbindungsschweißen an Blechen mit s = 0,1 bis 10 mm
nach oben gegenwärtig durch Laserleistung und die damit verbundenen Anlagen-
kosten begrenzt
Werkstoffe: un-, niedrig und hoch legierte Stähle, Mg, Cu, Ni, Ti und andere Nichteisenme-
talle. Metall-Keramik-Verbindungen. Für Al, Mg und deren Legierungen nach
jüngsten Erkenntnissen besonders geeignet
Erzeugnisse: Präzisionsschweißungen im Feingerätebau, Maschinenbauteile, Behälter- und An-
lagenbau, Straßen- und Schienenfahrzeugbau, neuerlich auch Stahl- und Schiffbau
mit dem Schweißen von Dickblechen und Schweißnahtlängen über 10 m

818
111. Verbindende Fertigungsverfahren

Arbeitstechnik - Leistungskennwerte
Die Anwendungsgrenzen für das Laserschweißen sind wegen der noch immer im Fluss befindli-
chen Geräteentwicklung unscharf. Bei Präzisionsbauteilen ist das Verfahren meist durch mechani-
sche Grenzwerte eingeschränkt. So beträgt die zulässige Abweichung von der spaltfreien Anlage
beim Stumpfschweißen etwa 10 % der Blechdicke, das sind bei einem 0,1 rum dicken Blech 10 ~m.
Im oberen Leistungsbereich beträgt die maximale Schweißgeschwindigkeit etwa 10 m/min (Tafel
III.9).

Diodenlaser
Das schon seit längerem bekannte Prinzip des Diodenlasers konnte erst Ende der 90er Jahre zu nen-
nenswerten Ausgangleistungen geführt und damit für schweiß- und schneidtechnische Aufgaben
nutzbar gemacht werden. Der große Brennfleck von 2 mm x 4mm schränkt seine Verwendbarkeit
für Präzisionsaufgaben ein, die erzielbare Energiekonzentration von 5 . 105 W/cm2 ist aber für das
Schweißen vieler Aufgaben vollkommen ausreichend. Der Diodenlaser ist für das Kunststoff-
schweißen besonders geeignet, obgleich einige Kunststoffe (amorphe) von dem nahe dem Infrarot
liegenden Strahl durchdrungen werden. Der Diodenlaser ist besonders klein und kompakt (so erzielt
man 2 kW Strahlleistung aus einem 30 cm x 18 cm x 13 cm Gehäuse) und ist daher problemarm im
technologischen Prozess integrierbar. Auch sein elektrischer Wirkungsgrad von 40-50 % (Nd:YAG
3 %) weist neue Wege in der Laserschweißtechnologie.
Anwendung: Kleinteileschweißen, Schankanlagen, CrNi-Stahlbleche, Elektroblech, Behälter aus
chromatiertem Al.

Nd:YAG-Festkörperlaser
Der YAG-Laser erfordert im Gegensatz zum COz-Laser kein Arbeitsgas und sein Licht lässt sich
durch Lichtwellenleiter (LWL) an die Schweißstelle führen. Das Licht des YAG-Lasers mit 1,06 ~m
Wellenlänge wird von metallischen Werkstoffen wesentlich besser absorbiert als das des COz-La-
sers und präferiert ihn daher vor allem wegen des günstigen Strahlhandlings durch LWL, für das
Schweißen an kleineren Bauteilen bei geringstem Wärrneeintrag. Sein Wirkungsgrad ist wegen des
lichtgepumpten Kristalls gering.

COrGaslaser
Der COz-Laser gestattet wegen seiner energetisch günstigsten Konstruktion die höchsten Aus-
gangsleistungen. Das umgewälzte und zu kühlende Prozessgas muss anteilig erneuert werden, der
Verbrauch beträgt z. B. bei einem 8 kW-Laser 60 l/h (80 % He, 26 % N2 , 2% CO2). Hinzu kommt
technologisch bedingtes Gas zum Schutz der Schweißstelle. Da der COz-Laserstrahl nicht über
LWL geführt werden kann, sind aufwändige Spiegelsysteme erforderlich. Zum Schweißen von
Dicken über 5 mm ist der COz-Laser gegenwärtig die einzige lasertechnische Lösung (Tafel III.9).
Trotz des günstigeren elektrischen Wirkungsgrades ist der Gesamtwirkungsgrad auch einer COz-
Laserschweißanlage gering. So werden für 6 kW Laserstrahlleistung etwa 100 kW Anschlusslei-
stung benötigt.

Tafel III.9 Leistungsdaten beim Laserschweißen


Blechdicke s in mm 2 5 10
Fugenfonn (nach Tafel m.l) II II II
Anzahl der Lagen (nach Bild III.7) I I 1
Vs in cm/min 750 100 1000
Abschmelzleistung an Stahl I ) bis maximal 0,5 kg / h

I) Bei Kaltdrahtzufuhr, Steigerung durch Heißdraht möglich

819
Spanlose Fertigung

1.1.4.5. Weitere Schmelzschweißverjahren


Für besondere Bauteilgeometrien, z. B. sehr dick oder dünn, für spezielle Werkstoffe oder zum
Schweißen mit besonders hoher Produktivität werden weitere Schme1zschweißverfahren in der in-
dustriellen und handwerklichen Praxis eingesetzt (Tafel m.IO).

Tafel 111.10 Weitere Schmelzschweißverfahren (Auswahl)


Verfahren Prinzip Anwendung
Aluminothermes Schweißen Chemische Reaktion Gieß·Schweißverfahren zum Schweißen von Schienen und Massiv-
(AS) zwischen Al und Eisen- profilen. In den mit speziellen Formteilen modellierten Schweißstoß
oxid fließt im Schmelztiegel erzeugter Stahl.
Elektroschlackeschweißen Stromdurchflossene s ~ 12 mm, alle Stähle und Stahlguss, steigende Nähte an Dick-
(ES) Schlacke schmilzt Draht blechen im Stahl-, Behälter- und Schiffbau.
und Werkstoff auf
Elektronenstrahlschweißen Freier Elektronenstrahl Wenige 11m ~ s ~ 100 mm. Alle Stähle, NE-Metalle außer solche
(EB) trifft im Vakuum auf mit Verdampfungsneigung (Zink). Höchste Präzisionsschweißungen
Werkstück auch an sehr dicken Bauteilen. Werkstücke müssen in eine Vakuum-
kammer. Einziges Verfahren zum Al-Schweißen bis 100 mm Dicke.
Magnetisch bewegter Licht- Lichtbogen zwischen s ~ 2 mm, alle Stähle. Cu und seine Legierungen. Spezielles Verfah-
bogen (MBS) Werkstück und ren für das Schweißen von Massenteilen aus Dünnblech, Automa-
Hilfselektrode tischer Prozeß bei sehr kurzer Schweißzeit.
Unterpulverschweißen Lichtbogenschutz unter s =2 bis 100 mm, alle Stähle und Stahlguss, höchste Abschmelz-
(UP) einer Pulverschicht leistung aller Schweißverfahren, hoch produktiv bei dicken Blechen
und Schweißnähten über 100 cm Länge.

1.2. Pressschweißen

1.2.1. Widerstandspunktschweißen (RP)


Verjahrensprinzip
Das Widerstandspunktschweißen wird vorzugsweise zum Verbinden von überlappt angeordneten
Blechen und auch Drähten genutzt (Bild m.14). Zwei mechanisch betätigte Elektroden (2) pressen
die Bleche (1) aufeinander, bis ein definierter Widerstand erreicht ist. Über diesen erzeugt ein kurzer
Stromimpuls an der SchweißsteIle die Widerstandswärme (Joulesehe Wärme), die durch Wärmestau
vorwiegend zwischen den Blechen entsteht und dort zum Ausbilden der Schweißlinse (3) führt.
Hinreichend große Elektrodenkräfte halten die Bleche bis zum Erkalten und Verfestigen der
Schweißlinse unter Druck. Der Schweißstrom in Höhe mehrerer kA wird den beweglichen Elektro-
den über flexible Kupferbänder (4) zugeführt.
Bei wachsender Bedeutung der Gleichstrom-
zum Netz 5 schweißung wird heute noch fast ausschließlich
7--+-& mit Wechselstrom geschweißt, der von speziel-
len einphasig angeschlossenen Schweißtransfor-
2 ----+ L...-_""'-- matoren bereitgestellt wird.
Der Verlauf von Schweißstrom I s und Elektro-
2----t denkraft FE beim Einzelpunktschweißen ist in
Bild IIUS (oben links) dargestellt. Zum
Schweißen werden stationäre Maschinen, pro-

3~
zum Steuerteil zessintegrierte Schweißstationen oder mobile
6 Schweißzangen, besonders robotergeführte, be-
nutzt. Die Schweißelektroden bestehen aus här-
tegesteigerten Cu-Legierungen (CuCrZr) und
Bild III.14 Widerstandspunktschweißen werden wassergekühlt.

820
111. Verbindende Fertigungsverfahren

CD V,yhalfezNJ
® sct..eif}zNJ
Cl>
j~-E~~ii~lj
Narhhallezeif
50-75:t:
von 2s _
FE
--..;...............- -...........- Zeit df ... wirksamer flektrodendurchmesser

ArbeitS'Nert für hoch legierten Stahl unlegierten Stahl AI und Legierungen


dE in mm 4{S 5{S 1r>1s
's in kA 8{S 10s 30s Bild 111. 15
ts in Perioden 5{S 8s 7s ArbeitsgröBen beim
Wide rslandspunkl-
FE in kN 5s 2.5s 2s schweißen

Anwendungsbereich
Abmessungen: s = 0,4 bis 4 (8) mm Einzelblechdicke, Stumpf- oder Kreuzdrahtschweißungen
mit Durchmessern von 3 bis 10 mm
Werkstoffe: Stahl und Nichteisenmetalle, sehr viel Werkstoffkombinationen, unverträgliche
Werkstoffe lassen sich mit zwischengelegter Folie schweißen
Erzeugnisse: Fahrzeug- und Flugzeugbau, Universalverfahren in der Blechbearbeitung, Haus-
haltgeräte, Kreuzdrahtschweißen von Bewehrungsstahl im Bauwesen

Arbeitstechnik - Leistungskennwerte
Neben dem klassischen Punktschweißen mit gegenüberliegenden Elektroden sind bauteilbedingt
Sonderkonstruktionen in Gebrauch, z. B. das einseitige Punktschweißen (Bild I1I.16) oder das Kon-
densatorimpulsschweißen. Die hohen Schweißströme (1 . .. 1000 kA) werden heute überwiegend
primärseitig durch Thyristoren geschaltet, beim Gleichstromschweißen wird das Umrichterprinzip
angewendet (siehe Abschnitt Elektrotechnik). Die Schweißspannungen im Bereich von 3 ... 10 V
bleiben aus Sicherheitsgründen klein und werden als Einstellgröße nicht verändert. Die Schweiß-
zeit, allgemein in Perioden der Netzfrequenz (Per) angegeben, wird sehr kurz eingestellt. Dadurch
kann die Wärme aus der Schweißzone nicht abwandern und die Elektrodeneindrücke bleiben klein.
Neben dem zuverlässigen Einstellen der Elektrodenkräfte, blechdickenabhängig sind 0,5 ... 10 kN
erforderlich, ist das Nachsetzverhalten der meist pneumatischen Kraftsysteme eine ganz wesentli-
che Maschineneigenschaft. Zu geringe Elektrodenkräfte oder zu langsames Nachsetzen führen zu
ausspritzendem Werkstoff. Zu große Elektrodenkräfte bewirken anwachsende Eindrücke der
Schweißelektroden. Saubere Werkstückoberflächen und gleichbleibende Werkstoffqualität sind Vor-
aussetzung für eine hohe Schweißpunktqualität. Die Werkstücke müssen frei von Oxidschichten
und Verunreinigungen sein, sonst besteht die Gefahr des Klebens (Anschweißen) der Elektroden an
der Werkstückoberfläche. Weitere Verfahrensmerkmale zeigt Bild 111.16. Um das Abfließen des
Schweißstromes über benachbarte Schweißpunkte (Nebenschluss) einzuschränken, sind Mindest-
abstände erforderlich. Punktschweißverbindungen werden überwiegend technologischen Prüfun-
gen unterzogen, zu denen die so genannte "Ausknöpfprobe" zählt (ISO 1044). Über Abrollvorrich-
tungen oder mittels Meißel wird die Punktschweißung einer Schälbeanspruchung unterworfen.
Knöpft dabei der Schweißpunkt aus einem Blech aus, so gilt die Verbindung als gut. Punkt-
schweißverbindungen sollen vorzugsweise auf Schub, nicht auf Zug und niemals auf Abschälen be-
ansprucht werden.

821
Spanlose Fertigung

Einseffiges Punktschweißen

bei Stahl
bei AI. Cu

Beanspruchungsarten

Bild III.16
Verfahrensmerkmale beim Widerstands-
Kopfzug
punktschweißen

Tafel 111.11 Leistungsdaten beim Widerstandspunktschweißen


unlegierter Stahl rost- und säurebeständi-
Werkstoff Aluminimum
C<0,2 % ger Stahl
Blechdicke s in mm 0,4 3 0,4 3,0 0,5 3
Elektrodenkraft in kN I 7,5 1,6 12 2,25 6,6
Schweißzeit in Per 4 21 4 17 6 11
Schweißstrom in kA 5 19 2,8 18 27 49

1.2.2. Widerstandsbuckelschweißen (RB)


Verjahrensprinzip
Das Widerstandsbuckelschweißen (Bild m.l7) wurde aus dem Widerstandspunktschweißen ent-
wickelt. Der Schweißstrom wird an Stelle der punktförmigen Elektroden durch Plattenelektroden
(1) vergleichbaren Werkstoffs dem Bauteil zugeführt und über im Bauteil ausgeprägte Buckel (2)
auf mehrere SchweißsteIlen gleich verteilt. Die gleichzeitig zu schweißenden Buckel erfordern ent-
sprechend höhere Ströme und Elektrodenkräfte bis zu 40 kN. Die Buckel werden beim Schweißen
in die Bleche zurückgedrückt, daher sind hohe Anforderungen an trägheitsarme Elektrodenkraftsy-
steme (4) zum raschen Nachsetzen der Elektroden zu stellen. Der Schweißablauf wird über Prozess-
steuerungen (5) koordiniert und über-
wacht. Für den Buckelabstand und
den Randabstand der Buckel zur
Werkstückkante gelten dem Punkt-
schweißen vergleichbare Regeln
(DVS-Merkblatt 2902).

Bild m .17 Buckelschweißen

Anwendungsbereich
Abmessungen: s = 0,5 bis 5 mm Einzelblechdicke, Anschweißen massiver Teile an dünnere Bleche
Werkstoffe: vorzugsweise Stahl und Aluminium, andere Werkstoffe möglich
Erzeugnisse: Blechkonstruktionen, Anschweißteile im Fahrzeugbau

822
111. Verbindende Fertigungsverfahren

Arbeitstechnik - Leistungskennwerte
Die Schweißbuckel (DIN 8519) werden in vorgelagerten umfonntechnischen Arbeitsgängen herge-
stellt oder sind bei Zulieferteilen, z.B. Anschweißmuttern, Bestandteil der Teilegeometrie. Neben
dem wirtschaftlichen Vorteil, dass
beim Buckelschweißen der Vor-
Rundblicke! L~ngbucke! AnKhweiIJmutfer
schub von Punkt zu Punkt entfällt
~ und die Buckel gleichzeitig ge-

1-·_·_·. ----·-1 ~----- -I schweißt werden, sind auch beson-


ders günstige Konstruktionen mög-


Versch/ussverS(hr~ubllngen Naberwerstarkung an gesfanzf~m Ketfenbl~ft lich (Bild m.18). Ausrüstungen zum
in dOnnwandigen BehJItern (oben Vorbereitung, unten Fertigtei/J Teilehandling, koordiniert durch
rriJnk5,Si/ni(arfechnilr,
Bassins, F~sser. Olwannenl ~ übergeordnete Prozesssteuerungen,
--- - - - -
------------------
>==~>ö:::3:'::;'=>
CI;::;I:;I CI; : J ;I komplettieren Buckelschweißmaschi-
==== -;, - ;-. - - ===
- - -- nen zu hocheffektiven Fertigungsein-
I

I
richtungen. Buckelschweißen wird
I auch an beschichteten Blechen
durchgeführt, sofern die Beschich-
Bild I1L 18 Konstruktionsformen beim Buckelschweißen tung leitfahig ist.

Tafel 111.12 Leistungsdaten beim Buckelschweißen


Blechdicke s in mm I 3 5
Buckelhöhe in mm 0.75 1,25 1,75
Elektrodenkraft in kN 1,05 3,0 5,8
Schweißstrom in kA 5,5 10 14
Schweißzeit in Per 8 25 40

1.2.3. Weitere Pressschweißverfahren


Das elektrische Widerstandsschweißen hat von allen Fügeverfahren die breiteste Variation erfahren
und reicht vom Mikrokontaktieren (Bonden) in der Elektronik bis zum Abbrennstumpfschweißen
von Ankerkettengliedern. Darüber hinaus sind auch die Grenzen zu anderen Fertigungsverfahren
fließend. So bildet sich z. B. beim Aufschweißen elektrischer Silberkontakte auf kupferne Schalt-
messer ein Eutektikum, das unter dem Schmelzpunkt beider Partner liegt. Definitionsgemäß ist dies
ein eutektisches Löten und kein Schweißen. Den Anwendungsbereich weiterer Pressschweißver-
fahren mit nennenswerter praktischer Bedeutung für Bleche mit s > Imm zeigt Tafel m.13.

Tafel 111.13 Weitere Pressschweißverfahren


Verfahren Prinzip Anwendung
Preßstumpfschweißen StoßsteIle elektrisch oder Bedeutung hat nur noch das elektrische Stumpfschweißen, bei dem
durch Gasflamme erwärmt die Erwärmung über einen Lichtbogen erfolgt; Anwendung:
und durch Druck gefügt 1. Anschweißen von Bolzen mit und ohne Gewinde
2. Fügen von Hohl· und Vollprofilen
Kaltpreßschweißen Fügen nur durch Druck Verfahren zum Herstellen schwieriger Werkstoffkombinationen, z. B.
ohne jegliche Wärme von Al·Cu· Verbindungen; Schweißen von Drähten in Drahtzieh·
anlagen und Fügen von Fahrleitungsdrähten
Reibschweißen Erwärmung durch rotie· Hochproduktives Verfahren in der Massenfertigung von rotations·
rende und aneinander symmetrischen Teilen, z. B. geschmiedeter Gabelkopf mit Gelenkwelle,
reibende Werkstücke Redu zierung der Zerspanungsarbeit an Rundteilen
Ultraschallschweißen Fügen ohne Wärme nur Anwendbar für Metalle und Kunststoffe (viele Werkstoffkombinationen),
durch Ultraschallschwin· für kleinere Teile wegen begrenzter Energie, sehr verbreitet für
gungen Kunststoffteile, keine Beeinträchtigung der Werkstückoberfläche

823
Spanlose Fertigung

2. Thermisches und nichtthermisches Schneiden


2.1. Grundlagen
Alle Schmelzschweißverfahren können bei zweckentsprechender Parameterwahl den Werkstoff
auch trennen. Aus dieser Tatsache heraus wurden durch spezielle Geräteentwicklungen die thermi-
schen Schneidverfahren geschaffen. Nachfolgend wird auf die wesentlichsten Verfahren zum ther-
mischen Schneiden nach DIN 2310-6 eingegangen.
Werkstoffe lassen sich thermisch trennen, indem gesteigerte Wärmezufuhr die strukturellen Bin-
dungskräfte aufhebt. Die Prozessenergie kann durch das Verbrennen des zu trennenden Werkstoffs
gewonnen werden (Gasbrennschneiden) oder sie wird von außen zugeführt (Plasma- oder Laser-
schneiden). Neben der thermischen Energie ist bei allen thermischen Schneidverfahren die mecha-
nische Energie eines Gasstrahis erforderlich, um die abgetrennten Werkstoffpartikel aus der
Schnittfuge zu treiben. Wird die mechanische Strahlenergie drastisch erhöht, so kann ohne nen-
nenswerte Wärmewirkung ebenfalls sehr effektiv geschnitten werden. Industriell genutzt wird die-
ses Prinzip beim Wasserstrahlschneiden (Abschnitt III.2.5).

2.2. Autogenes Brennschneiden


Veifahrensprinzip
Beim Gasbrennschneiden (autogenes Brennschneiden) wird der Werkstoff zunächst durch eine
Acetylen-Sauerstoffflamme auf Entzündungstemperatur vorgeheizt. Ein zusätzlicher Sauerstoff-
strahl aus der Zentrumsboh-
rung (Bild III.19) trifft auf
das Werkstück, verbrennt
den Werkstoff und treibt die
Verbrennungsprodukte aus
der Schnittfuge. Im weiteren
Prozessablauf übernimmt
die aus der Verbrennung
freigesetzte Wärme über-
wiegend das Vorheizen.
Wird die Schneidgeschwin-
digkeit größer als der Wär-
mevorlauf, ist die Leistungs-
grenze des Verfahrens er-
Bild IlI.19 Autogenes Brennschneiden reicht.

Das Verfahren setzt folgende Eigenschaften des zu schneidenden Werkstoffs voraus:


1. Der Werkstoff muss brennbar sein
2. Entzündungstemperatur < Schmelztemperatur
3. Schmelztemperatur des Oxids< Schmelztemperatur des Werkstoffs
4. Möglichst große Verbrennungswärme
5. Möglichst kleine Wärmeleitfähigkeit

Anwendungsbereich
Abmessungen: Blechdicke s > 5 mm (nach oben unbegrenzt)
Werkstoffe: un- und niedrig legierter Stahl, Stahlguss
Erzeugnisse: Schrott- und Qualitätsschnitte in allen Bereichen der Metallverarbeitung, Schweiß-
kantenvorbereitung

824
111. Verbindende Fertigungsverfahren

Arbeitstechnik - Leistungskennwerte
Brennschneiden wird manuell, mechanisiert und auf CNC-gesteuerten Brennschneidmaschinen aus-
geführt. Beim Zuschneiden großer Blechtafeln gewährleisten Brennschneidpläne (Bild III.20) maxi-
male Werkstoffausnutzung und maßgenaue Teile durch Berücksichtigung des Wärmeverzugs. Die
dabei erreichbaren Schnittqualitäten werden durch Riefennachlauf (0,3 ... 25 mm), Riefentiefe (0,1
.. , 2 mm), Unebenheit der Schnittflächen (0,1 .. , 3 mm) und den Radius der angeschmolzenen
Schnittkante (0,2 ... 4) mm beschrieben und in Gütestufen nach DIN EN 13920 klassifiziert.
Werden die Grenzen der Schneideignung
nach Tafel III.14 überschritten, können
.... - .. , .... -
- ,.... - ........
.
, ... - " , , ... , , ,
, , ,, , ,, ,, Werkstoffe ggf. noch getrennt werden, in-
.
,,
, ,,
-
,
.... - ' .... -. , '-- ..... - . , ,
dem mit Hilfe spezieller Schneidbrenner

...
dem Sauerstoffstrahl mineralische Pulver
,, ,,, , : oder Eisenpulver beigemischt werden.
, .. __ ..
:
' .- " , Diese unterstützen thermisch oder mecha-
nisch den Trennvorgang und erweitern so
,. Schnlft'"'~ lilfIJI~ mit schrumpf iJl'mM
k'erkstlJckb",./Chen verbindM
"Schnltt'"'~ seilen loieN "'" df!m
t1.rerialresl filll.n
den Einsatzbereich des Verfahrens.
2. ZUSilmmenhilfigond•• steif. f1.t~ridl­ 5. k'~,,"e g/ticMJflig in d.,. r.fel
,.r!~ font.,.n d~ Gen.uigktit v.,.ttilM
3. Rdd~n t."",,~;ilI .nsrhnticJM 6. Einstechen '1f!rmeiJen Bild III.20 Brennschneidplan

Tafel 111.14 Grenzwerte für das autogene Brennschneiden von Stahl


Schneideignung
Werkstoff gut bedingt nicht Bemerkung
schneidgeeignet schneidgeeignet schneidgeeignet

C-Stähle rnax.0,3 % C von 0,3-2 % C )* über 3 % C )* Vorwärmen 250-400 °C, Normalglühen


Mn-legierte
Stähle
rnax. 1,3 % C
rnax. 13 % Mn
rnax. 1,3 % C
13-18 % Mn )* über 1,3 % C
über 18 % Mn
)* Vorwärmen auf 300°C
Si-legierte
Stähle
rnax. 0,2 % C
rnax. 2,5 % Si
rnax. 0,4 % C
rnax. 3,8 % Si
)* rnax. 0,4 % C
über 3,8 % Si
)* Verringern der Schneidgeschwindigkeit
Ni-legierte
max.7 % Ni
rnax. 0,3 % C
)* über 0,3 % C )* Vorwärmen auf 260°C bis 315 °C
Stähle rnax. 35 % Ni über 35 % Ni Wärmenachbehandlung

Cr-Iegierte
max. 1,5 % Cr über 1,5 % Cr )* über 8 % Cr )* Vorwärmen auf 300°C und Wärmen aeh-
Stähle bis 10 % Ni behandluung, Cr-Stähle härten leicht

Tafel 111.15 Leistungsdaten beim autogenen Brennschneiden


Blechdicke s in rnrn 3 5 10 300
Schneidgeschwindigkeit in rn/rnin 0,8 0,8 0,70 0,1
AcetyJenverbrauch in rn 3jh 0,4 0,4 0,4 0,9
Heizsauerstoffverbrauch in rn 3jh 0,5 0,5 0,5 1,1
Schneidsauerstoffverbrauch in rn 3jh 0,4 0,5 1,2 33
Schnittfugenbreite in rnrn 0,8 0,9 2,0 6,0

2.3. Plasmaschneiden
Verjahrensprinzip
Beim Plasmaschneiden schmilzt ein gebündelter elektrischer Lichtbogen den zu schneidenden
Werkstoff auf. Der aus dem Plasmabrenner zentrisch austretende Gasstrahl bläst das Schmelzgut
aus der Schnittfuge. Mit dem Plasmaschneiden lassen sich alle elektrisch leitfahigen Werkstoffe

825
Spanlose Fertigung

trennen. Die an der Werkstückoberfläche durch den Plasmabogen entwickelte Wärme wird durch
den Gasdruck in die Schnittfuge getrieben und mit deren Tiefe zunehmend an die Fugenflanken ab-
gegeben. Dadurch ist beim Schneiden dickerer Bleche die Winkligkeit der Schnittfuge charakte-
ristisch, Bild III.21. Als Plasmagas wird bei hoch legierten Stählen vorzugsweise Argon, beim
Schneiden von allgemeinen Baustählen und Aluminium Luft verwendet. Unter Anwesenheit von
Luft verschleißen Plasmadüse und Kathode stärker als unter Argon und werden daher aus Kupfer
gefertigt und leicht auswechselbar gestaltet.

1
J Bild IIl. 21 Plasmaschneiden
1 Wolframelektrode
2 Plasmagaskanal
3 Gasdüse
4 Wasserkühlung
5 5 Plasmastrahl
(eingeschnürter Lichtbogen)
-.."1+-- - - 6
6 Plasmadüse
(auswechselbares Verschleißteil)
7 winklige Schnittkanten mit
Kantenradius

Anwendungsbereich
Abmessungen: Blechdicke s = 1 bis 100 mm
Werkstoffe: un-, niedrig und hoch legierter Stahl, Stahlguss, Grauguss, Nichteisenmetalle
Erzeugnisse: Schrott- und Qualitätsschnitte in allen Bereichen der Metallverarbeitung, Schweiß-
kantenvorbereitung, einziges Schneidverfahren für Al und CrNi-Stahl bei Dicken
über 20 mm
Arbeitstechnik - Leistungskennwerte "
Lichtbogenenergie und Gasausströmgeschwindigkeit sind beim Plasmaschneiden hoch und Lärm,
UV-Strahlung sowie Gase, Rauche und Dämpfe wirken umweltbelastend. Daher werden industriell
die zu schneidenden Bleche oft auf wassergefluteten Schneidtischen einige Zentimeter unter der
Wasseroberfläche bearbeitet und derart die Schadstoffe sowie Strahlung und Lärm gebunden. Das
zunächst für nicht autogen schneidbare Werkstoffe genutzte Plasmaverfahren wird heute auch für
dünnere unlegierte Stahlbleche wegen der gegenüber dem Gasbrennschneiden deutlich höheren
Schneidgeschwindigkeit eingesetzt. Dem Gasbrennschneiden unterlegen ist die Schnittqualität des
Plasmaverfahrens. Für die meisten Zuschnitte, besonders im Dünnblechbereich, kommt man je-
doch ohne spanende Nachbearbeitung bei hinreichender Schnittqualität aus.

Tafel 111.16 Leistungsdaten beim Druckluft-Plasmaschneiden an Baustahl, 40 kW Strahlleistung


Blechdicke s in rnrn 3 5 8 10
Schneidgeschwindigkeit in rn/rnin 5 4 3,5 3,0
Schnittfugenbreite in rnrn 3,5 4,5 5,5 6,5

2.4. Laserschneiden
Verjahrensprinzip
Zum Schneiden werden Halbleiter-, Festkörper- und Gaslaser verwendet. Großtechnisch genutzt
wird jedoch vorzugsweise der CO2 -Gaslaser, weil nur dieser gegenwärtig die zum Schneiden dicke-
rer Bleche erforderlichen Leistungen ermöglicht. Zum Weiterleiten des CO 2-Laserstrahles erfor-

826
111. Verbindende Fertigungsverfahren

dem CO 2-Laserschneidanlagen einen


beträchtlichen mechanischen Aufwand
für die mit den Vorschubmechanismen
fO,-liasl..., ---+~
zu führenden Spiegelsysteme, Bild
m.22. Der Laser schmilzt und ver-
dampft den Werkstückwerkstoff und
ein Gasstrahl bläst die Schnittfuge frei .
Als Schneidgas ist Sauerstoff ge-
bräuchlich, weil durch die exotherme
Reaktion die Schneidgeschwindigkeit
Roxibl. 00.,. mlglw.rrd.
MJdeckum;M d~i L~r­ sich beträchtlich steigern lässt. Der
stroh/, .,. ge""'" Gasstrahl hat ferner die Aufgabe, die
SIrolII"""",
sehr empfindliche Laseroptik vor Sprit-
zern und Metalldampf zu schützen.
Sollen die Schnittkanten oxidfrei sein,
müssen Edelgase oder Stickstoff als
Schneidgas eingesetzt werden. Das so
genannte Sublimierschneiden, bei dem
5clrn.iddU,.
der Werkstoff vom festen Zustand un-
mittelbar in den dampfförmigen über-
geht, wird vorzugsweise beim Bearbei-
ten von Kleinstbauteilen oder zum
~.,t::::~~~:'r
1.I1~·J Oplilr
--••~ Bohren bei impulsförmigem Energie-
eintrag genutzt.
Bild II1.22 Laserschneiden

Anwendungsbereich
Abmessungen: Blechdicke s =0,1 bis 20 mm
Werkstoffe: Metalle, Nichtmetalle, Gläser, Kunststoffe, textile Werkstoffe
Erzeugnisse: Präzisionsschnitte in allen Industriebereichen

Arbeitstechnik - Leistungskennwerte
Mit dem Laserstrahl lassen sich die meisten Konstruktionswerkstoffe schneiden. Einschränkungen
bestehen bei einzelnen Kunststoffen, Natursteinen und Baustoffen sowie bei beschichteten und ex-
trem wärmeempfindlichen Werkstoffen. Der universellen Nutzung stehen nur die hohen Anlagen-
kosten und gegenwärtig noch ab etwa 20 mm Blechdicke aufwärts die Leistungsgrenze des Laser-
strahis entgegen. Das Laserschneiden wird fast ausnahmslos auf CNC-Anlagen ausgeführt, die
technologische Kopplung mit mechanischen Trenn- und Umformverfahren (Stanzen, Nibbeln, Bie-
gen) in Bearbeitungszentren ist gebräuchlich und gestattet die Komplettbearbeitung von Blechtei-
len auf einer Anlage. Geringe Schnittfugenbreite, hohe Schnittqualität und Schneidgeschwindigkeit
favorisieren das Laserschneiden fast immer bei hohen Stückzahlen und dünnen bis mitteldicken
Blechen gegenüber allen anderen Schneidverfahren.

Tafel 111.17 Leistungsdaten beim Laserstrahlbrennschneiden an Baustahl, 1500 W Strahlleistung


Blechdicke s in rnrn 1 3 5 10
Schneidgeschwindigkeit in rn/rnin 10 5 3 1
Schnittfugenbreite in rnrn 0,1 0,25 0,4 0,6

827
Spanlose Fertigung

2.4. Wasserstrahlschneiden
Ver,(ahrensprinzip
Wasserstrahlen, die bei Drücken bis 4000 bar aus einer Schneiddüse mit einem Durchmesser von 0,3
mm und Förderströmen von 4 Vrnin austreten, zerstören technische Werkstoffe am Auftreffpunkt mit
scharf abgegrenzten Konturen. Bewegt man den Strahl über das Werkstück hinweg, so entstehen präzi-
se Schnittfugen mit etwa 1,2 mm Breite (Bild m.23). Der Primärdruck einer Ölhydraulik (1) von etwa
200 bar wird im Druckübersetzer (2) auf den Arbeitsdruck gebracht. Der Druckspeicher (3) formt den
diskontinuierlichen Druck aus dem Kolbenverdichter zu einem weitgehend stoßfreien Arbeitsdruck
um. Üblich sind bewegte Schneidköpfe (4), die den
4.1 Strahl entlang der Werkstückkontur führen. Kunst-
stoffe werden mit reinem Wasser geschnitten. Zum
Schneiden von Metallen erfolgt das Zumischen von
abrasiv wirkenden Pulvern (4.1). Das hochverdichte-
te Wasser (4.2) wird von der Schneiddüse (4.3) zum
Strahl geformt, der in einer Mischkarnmer (4.4) nach
dem Injektorprinzip das Abrasivmittel ansaugt und
sich mit diesem zum Abrasivstrahl vereinigt (4.5).
Ein Fokussierröhrchen (4.6) bündelt schließlich den
Abrasivstrahl auf das Werkstück.
Bild m.23 Wasserstrahlsclmeiden

Anwendungsbereich
Abmessungen: Blechdicke s = I bis 40 mm an Stahl
s = I bis 100 mm an Aluminium
Werkstoffe: Metalle, Nichtmetalle, Gläser, Kunststoffe
Erzeugnisse: Präzisionsschnitte an wärmeempfindlichen Werkstücken
Arbeitstechnik - Leistungskennwerte
Das Wasserstrahlschneiden ermöglicht an Metallen ein grat- und anlauffarbenfreies Schneiden mit
nahezu rechtwinkligen Schnittkanten bis etwa s =10 mm. Beim Schneiden mit Abrasivstrahlen sind
die Schnittflächen charakteristisch rauh jedoch eben.
Neben dem ,,kalten Schnitt" ermöglicht das Verfahren scharfe Außenkonturen (kein Anschmelzen
schmaler Kanten) und das verzugsfreie Schneiden gehärteter Werkstoffe.
Problematisch beim Wasserstrahlschneiden ist der entstehende Schneidschlamm, der sich im Ar-
beitstisch ansammelt und mit Umweltauflagen entsorgt werden muss. Neuere Anlagen verfügen
über Schneidstoffaufbereitungseinrichtungen, die aus dem Schneidschlamm bis zu 80 % des Abra-
sivmittels zurückgewinnen und dem Prozess direkt wieder zuführen. An der Wasseraufbereitung
mit dem Ziel geschlossener Prozesskreisläufe wird derzeit gearbeitet.
Im Vergleich zu den thermischen Schneidverfahren hat das Wasserstrahlschneiden nur eine geringe
Schneidleistung. An einem 10 mm dicken Baustahlblech lassen sich beim Trennen etwa 15 cm/min
erzielen. Ist das Ziel ein nacharbeitsfreier Qualitätsschnitt, so sinkt die Schneidgeschwindigkeit auf
5 cm/min (Tafel m.18).

Tafel 111.18 Leistungsdaten beim abrasiven Wasserstrahlschneiden


Blechdicke s in rnrn 1 3 5 10
Schneidgeschwindigkeit in rn/rnin 0,5 0,3 0,2 0,15
SchniUfugenbreite in rnrn 1 1,0 1,2 1,2

828
111. Verbindende Fertigungsverfahren

3. Löten
3.1. Grundlagen
Löten ist das Fügen von Werkstoffen durch ein Lot, dessen Schmelztemperatur unterhalb derjenigen
beider Grundwerkstoffe liegt. Die zum Löten erforderliche Energie wird der Lötstelle von außen zuge-
führt oder durch Widerstandserwärrnung an
200
m8 der Lötstelle erzeugt. Während der schmelz-
flüssigen Phase des Lotes bilden sich durch
Diffusion von Lot- und Grundwerkstoffbe-
!: tOll standteilen neue Legierungen im Lötspalt. Auf
! diese Weise kann die Festigkeit der Lötverbin-
dung deutlich über der des Lotes liegen und
beim Hartlöten jene des Grundwerkstoffs er-

M_
-- --
0.1 0,2 0,.
reichen. Voraussetzung für einen sachgerech-
ten Lötvorgang ist das zuverlässige Benetzen
U5Cspalbreite beim Weich- und Hattl6ten
<3<_ SnPt>t.ol des Bauteilwerkstoffs durch das Lot. In Folge
..... <.......",
O'o& ~ O,20 mm 0,0$· 0.1$ mm 0,10.0,30 mm O.05 - 0.20mm der Benetzung breitet sich das Lot aus, dringt
-~"J 0.10 · 0,25 mm 0,'0 - 0.20 mm
IM'!O. tO - 0.36 O.10 - 02 5mm
vollständig in die Lötspalte ein und haftet an
Cuu CU-Letg 0,05 • 0,20 mm 0,05 - 0,26 mm
Hartm.... O.JO · O~mm O.30·().$Omm der Werkstoffoberfläche.
Bild III.24 Lötspalte Neben dem richtigen Bemessen der Lötspalte
(Bild III.24) sind für das Benetzen metallisch
reine Oberflächen (frei von Fetten und anderen Ablagerungen) sowie das Auflösen von Oxidschich-
ten und das Absenken der Oberflächenspannung durch Flussmittel unerlässlich. Bei richtiger Kombi-
nation von Lot und Grundwerkstoff lassen sich fast alle metallischen Werkstoffe, auch Aluminium,
löten. Typische Kombinationen sind in Tafel III.19 aufgeführt, Einzelheiten zu Loten für das Hart-,
Weich- und Fugenlöten enthält DIN EN 677. Die DIN 8505 unterscheidet bei den Lötverfahren nach
geometrischen, thermischen und technologischen Merkmalen. Die Unterscheidung nach der Löttem-
peratur in Weichlöten (::; 450°C), Hartlöten (> 450°C) und Hochtemperaturlöten (~ 1200 0c) orien-
tiert sich dabei an charakteristischen Werkstofftemperaturen des Stahls.

3.2. Weichlöten
Umfangreich genutzt wird das Weichlöten in der Elektrotechnik und der Elektronik. Für die Mas-
senfertigung gibt es automatisierte Verfahrensabläufe auf erzeugnisspezialisierten Anlagen. Hoch-
effiziente Technologien wie die SMD-Technik (surface mounted devices) zur Bestückung von
Leiterplatten sind ebenso in Anwendung wie das traditionelle Kolbenlöten, vorzugsweise auf dem
Reparatursektor. Weichlötverbindungen übertragen nur geringe Kräfte, sind bedingt temperatur-
beständig und neigen unter Last zum Kriechen.
Tafe1Iß.19 Lote zum Hart- und Weichlöten
Kombination von Grundwerkstoff I flußmittel I Lot zum Fügen von Metallen
Lotgrundtyp ~ Zinnlot Silberlot Phosphorlot Messinglot
Lot ~ LSn50 LAg40Cd20 LCuPB LMs60
geeignet für:
Stahl I Hartmetall + + - +
ICu + + - +
I Ms + + - -
Kupfer I Kupfer + + + +
I Ms + + + -
I Nickel + + - +
Ms /Ms + + + -
I Nickel + + - -
829
Spanlose Fertigung

Wegen der einfachen Handhabung und der geringen Arbeitstemperatur ist das Weichlöten in der In-
stallationstechnik (Wasserleitungen) und bei Klempnerarbeiten (Titanzink) ebenso verbreitet wie in
der Dentaltechnik, bei der Herstellung von Schmuck und beim Bau wissenschaftlicher Geräte.

3.3. Hart- und Hochtemperaturlöten


Beim Löten über 450 oe muss die Löttemperatur besonders sorgfältig auf den Grundwerkstoff ab-
gestimmt werden, da mit einer signifikanten Gefügebeeinflussung zu rechnen ist. Mit dem Hartlö-
ten werden Festigkeftswerte erzielt (Bild 3.25), die denen des Schweißens vergleichbar sind. Die
mit dem Hochtemperaturlöten ausgeführten Verbindungen (Verwendung von Nickelbasisloten) sind
zudem warmfest.
Werden Flussmittel eingesetzt, so ist beim Hartlöten deren durchgängig korrodierende Wirkung zu
beachten. Rückstände dieser Flussmittel müssen nach dem Löten durch geeignete Nachbehandlung
entfernt werden. Techniken dazu sind Bürsten, Waschen in warmem Wasser oder Beizen in 5-1O%iger
Schwefelsäure bei Schwermetallen bzw. in lO%iger Salpetersäure bei Leichtmetallen. Flussmittelher-
steller bieten zu diesem Zweck auch Reinigungsmittel an.
Unabhängig von Lot, Grundwerkstoff und Lötverfahren ist folgender Ablauf beim Löten charakte-
ristisch:
1. Vorbereiten der Werkstücke (Rauheit, Lötspalt)
2. Säubern der Werkstücke von Fremdschichten (mechanisches Säubern, Bad- oder Dampfreini-
gen, Ultraschallbäder)
3. Fixieren der Werkstücke (Lagefixierung und Lotdeponie)
4. Erwärmen der Werkstücke auf Arbeitstemperatur
5. Aktivieren der Lötstelle durch Flussmittel
6. Zuführen, Fließen und Binden des Lotes
7. Abkühlen der Lötstelle (erschütterungsfreies Kristallisieren des Lotes)
8. Nachbehandein und ggf. Prüfen

Als Wärmequellen werden zum Löten die klassische Gasflamme sowie Widerstands- und Induk-
tionslötgeräte, Lötöfen, Lötbäder und zunehmend der Laserstrahl genutzt.

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L·CuZn-olO 000 SSO-S70 41 • n,b. 201).240 ...eh• .

Bild 111.25 Konstruktive Empfehlungen für Hartlötverbindungen

Literatur
Schuler, V: Schweißtechnisches Konstruieren und Fertigen. Vieweg Verlag, Braunschweig, 1992.
Behnisch, H.: Kompendium der Schweißtechnik. DVS-Verlag. Düsseldorf 1997.
Richter, H. : Fügetechnik-Schweißtechnik. DVS-Verlag, Düsseldorf 1995.

830
Zerspantechnik
Wolfgang Böge

I. Drehen und Grundbegriffe der Zerspantechnik1)

1. Bewegungen
Bei allen Zerspanvorgängen (Drehen, Hobeln, Fräsen ... ) sind die Bewegungen Relativ-
bewegungen zwischen Werkstück und Werkzeugschneide. Man unterteilt in Bewegungen, die
unmittelbar die Spanbildung bewirken (Schnitt-, Vorschub- und resultierende Wirk-
bewegung), und solche, die nicht unmittelbar zur Zerspanung führen (Anstell-, Zustell- und
Nachstellbewegung). Alle Bewegungen sind auf das ruhend gedachte Werkstück bezogen
(Bild I.1). Schnitt- und Vorschubbewegung können sich aus mehreren Komponenten
zusammensetzen, z.B. die Vorschubbewegung beim Drehen eines Formstückes aus Längs-
und Planvorschubbewegung.

Richtung der Wirk- Richtung der Scmiffbewegung


bewegung (SchniffrichfungJ
(WirkrichfungJ

Bild 1.1. Bewegungen, Geschwindigkeiten und


Kräfte beim Drehen; Größenverhältnisse will-
kürlich angenommen; Kräfte in bezug auf das
Werkzeug
F Zerspankraft
Fa Aktivkraft Drehachse
Fe Schnittkraft
Ff Vorschubkraft
F p Passivkraft
U c Schnittgeschwindigkeit
ur Vorschubgeschwindigkeit
U e Wirkgeschwindigkeit
f Vorschub
a p Schnittiefe
Kr Einstellwinkel
(jl Vorschubrichtungswinkel
(beim Drehen 90°)
1) Wirkrichtungwinkel

Bei einem Einstellwinkel Kr =45° ist das Verhältnis der Kräfte etwa Fe: Fp : Fr = 5: 2:1.

1) Begriffe der Zerspantechnik in DIN 6580, DIN 65581, DIN 6584.

831
Zerspantechnik

Beim Drehen führt die umlaufende Bewegung des Werkstückes zur Schnittbewegung, die
geradlinige (fortschreitende) Bewegung des Werkzeuges zur Vorschubbewegung. Die
resultierende Bewegung aus Schnitt- und Vorschubbewegung heißt Wirkbewegung: sie führt
zur Spanabnahme, beim normalen Drehen zur stetigen Spanabnahme. Die eingestellte
Schnittiefe a p bleibt dann bei einem Arbeitsvorgang konstant; damit auch der eingestellte
Spanungsquerschnitt A = apf (Bild 1.2). Diese günstigen Schnittbedingungen führten zu
umfangreichen Forschungsergebnissen, die zum großen Teil auch auf andere Zerspan-
vorgänge übertragen werden können. Drehen wird deshalb hier ausführlich behandelt.

"""'W,k 1-
Schnittbogenläryge Is
K--__+-----'~+Rth
52
=Br

Bild I.2. Schnittgrößen


und Spanungsgrößen
f Vorschub
ap Schnittiefe
b Spanungsbreite
h Spanungsdicke
A Spanungsquerschnitt
Werkzeug ls Schnittbogenlänge
( Drehmeißel) m Bogenspandicke
= Vor5chubge5chwli7digkeit Vf =fn Rth theoretische Rauhtiefe

Mit Hilfe der Anstellbewegung wird der Drehmeißel vor dem Zerspanen an das Werkstück
herangeführt, durch die Zustellbewegung wird vor dem Schnitt die Dicke der abzunehmen-
den Werkstoffschicht festgelegt. Durch die Nachstellbewegung lassen sich die während des
Schnittes auftretenden Veränderungen korrigieren (z.B. Werkzeugverschleiß, zu groß oder
zu klein gewordene Schnittiefe usw.).
Entsprechend der Schnitt-, der Vorschub- und der Wirkbewegung wird auch zwischen den
zugehörigen Geschwindigkeiten unterschieden:
Die Schnittgeschwindigkeit V c ist die momentane Geschwindigkeit des betrachteten Schnei-
denpunktes in Schnittrichtung (Bild 1.1). Beim Drehen ist V c die Umfangsgeschwindigkeit
eines Punktes am Werkstückumfang. Mit Werkstückdurchmesser d und Drehzahl n wird:
Vc d n
Vc = d 1C n (U)
m
m min-1
min
Die Vorschubgeschwindigkeit Vf ist die momentane Geschwindigkeit des betrachteten
Schneidenpunktes in Vorschubrichtung. Beim Drehen stehen Vf und V c senkrecht auf-
einander. Der Vorschubrichtungswinkel ist dann <p = 90° (Bild Ll). Mit Vorschub fund
Drehzahl n wird
f n
(I.2)
mm mm
min U
Die Wirkgeschwindigkeit Ve ist die momentane Geschwindigkeit des betrachteten Schneiden-
punktes in Wirkrichtung: sie ist die resultierende Geschwindigkeit aus Schnitt-und Vor-

832
I. Drehen und Grundbegriffe der Zerspantechnik

schubgeschwindigkeit. In den meisten Fällen ist (wie beim Drehen) das Verhältnis ur/ue so
klein, daß U e = U e angesehen werden kann. So ist z.B. bei U e = 50 mlmin und Ur = f n = 0,1
mm/U . 500 min-1 = 0,050 mlmin der Wirkrichtungswinkel Tl = 3' (mit tan Tl = ur/ue = 0,05150
= 0,001). Das Beispiel gilt für Drehen, also für cp = 90°, sonst siehe GI. (IV.1).

2. Zerspangeometrie
Wichtigste Bezugsebene für die Zerspangeometrie ist die sogenannte Arbeitsebene (Bild 1.1).
Es ist diejenige gedachte Ebene, die Schnitt- und Vorschubrichtung des betrachteten
Schneidenpunktes enthält. In ihr vollziehen sich alle an der Span bildung beteiligten
Bewegungen. Alle in der Arbeitsebene liegenden Kraftkomponenten der Zerspankraft F sind
an der Zerspanleistung beteiligt (siehe Zerspanleistung).

2.1. Schnitt- und Spanungsgrößen


Schnittgrößen sind z.B. Vorschub fund Schnittiefe ap, also solche Größen, die zur Span-
abnahme unmittelbar oder mittelbar eingestellt werden müssen.
Spanungsgrößen sind z.B. Spanungsbreite b, Spanungsdicke hund Spanungsquerschnitt A. Im
Gegensatz dazu nennt man diejenigen Größen, die die Abmessungen der tatsächlich
entstehenden Späne enthalten: Spangrößen.
Spanungsquerschnitt A, Schnittiefe ap , Vorschub f, Spanungsdicke h, Spanungsbreite bund
Einstellwinkel Kr der Hauptschneide hängen nach Bild 1.2 beim Drehen in folgender Weise
voneinander ab:
A=apf=bh=mls (1.3)
A f ap ' h, b, m, ls ~
h =fsinKr (lA)
ap mm
b=-.-
sm ~
mm2
U I mm ° (1.5)

Der Spanungsquerschnitt A ist der Querschnitt des abzunehmenden Spanes senkrecht zur
Schnittrichtung.
Die im Schnitt befindliche Schnittbogenlänge ls ist angenähert:
a
I =f+-P- (1.6)
s sin Kr
Denkt man sich die Schnittbogenlänge ls einschließlich des Schneidenbogens mit Radius r
gestreckt, so läßt sich ein rechteckiger Spanungsquerschnitt vorstellen, dessen Länge ls und
dessen Breite die sogenannte Bogenspandicke m ist (Bild 1.2):

m =-A =-apf.m mm 2 Spanungsquerschnitt


---'------'''---'~--- (1.7)
ls Is mm Schneidenlänge
Anders aufgefaßt ist die Bogenspandicke m = Alls in mm2/mm die von 1 mm Schneidenlänge
abgespante Fläche, vorstellbar als spezifische Schneidenbelastung. Nomogramm zur Ermitt-
lung der Bogenspandicke in A WF 12l.
Beispiel: Berechne die Spanungsdicke hl, h2 für Vorschub f = 1 mm/U und Krl = 60°,
Kr2 = 10°.

Lösung: h 1 = f sin Kr1 = 1 mUm . sin 60° = 0,866 mm

h 2 = fsin Kr2 = 1 ~ . sin 10° = 0,174 mm


833
Zerspantechnik

Beachte: Das axiale Widerstandsmoment W des Spanungsquerschnittes wächst mit der


Spanungsdicke h quadratisch (W = b h 2/6; siehe Festigkeitslehre ), d.h. bei 3fachem h entsteht
9facher Aufbiegungswiderstand!

Beispiel: Berechne die Bogenspandicke m für Einstellwinkel Kr1 = 90°, Kr2 = 45°, Kr3 = 5° bei
Vorschub f = 1 mmlU und Schnittiefe ap = 3 mm.
ap 3mm
Lösung: 11 =f+--=lmm+--=4mm
s sin K r1 sin 90°
3mm
Is2 = 1 mm+---=5,24mm
sin 45°
3mm
1 3 = 1 mm + - - = 35 4 mm
s sin 5° '
Bogenspandicke m = ~ = 3 mm2 = 075 mm 2 Spanungsquerschnitt
1 Is1 4 mm ' mm Schneidenlänge

m 2 = ~ = 3 mm2 057 mm2 Spanungsquerschnitt


Is2 5,24 mm ' mm Schneidenlänge

m = ~ = 3 mm2 = 0 0847 mm2 Spanungsquerschnitt


3 I s3 35,4 mm' mm Schneidenlänge
Wird 0,75 mm2/mm = 100 % gesetzt, so ergibt sich für 0,57 mm 2/min = 76 % und für
0,0847 mm 2/min = 11,3 %, d.h. die spezifische Schneidenbelastung sinkt mit ab-
nehmendem Einstellwinkel Kr.

2.2 Schneiden, Flächen und Winkel am Drehmeißell )


Die geometrische Grundform der Schneide an spanenden Werkzeugen ist der Keil. Er
erscheint sowohl bei Haupt- als auch bei Nebenschneiden. Schneiden und Flächen sind in
Bild 1.3 dargesellt.
Hauptschneide ist jede Schneide, deren Wirk-Freiwinkel (siehe unten) bei Vergrößerung des
Vorschubes und damit Vergrößerung des Wirkrichtungswinkels 11 (Bild I.1) kleiner wird.
Der Keil der Hauptschneidet weist während des Schnittes etwa in Richtung der Vorschub-
bewegung (Ausnahme z.B. beim Gleichlauffräsen).
Nebenschneide ist jede Schneide, die nicht Hauptschneide ist. Grenze zwischen Haupt- und
Nebenschneide bei gekrümmter Schneide liegt dort, wo der Einstellwinkel Kr gegen Null
geht.
Spanfläche ist die Fläche am Schneidkeil, über die der Span abläuft. Die Breite der
Spanflächenfase wird mit bfy bezeichnet (Bild 1.3).
Freiflächen sind die Flächen am Schneidkeil,
die den entstehenden Schnittflächen zuge-
Spanfläche
kehrt sind. Die Breite der Freiflächenfase
wird mit bf a bezeichnet (Bild 1.3). Spanflächenfase Hauptschneide
An der Schneidenecke treffen Haupt- und NebenschneIde FreifI äche der
Nebenschneide zusammen. Sie ist bei Dreh- Hauptschneide
Freiflöchenfase ----__freiflächenfase der
meißeln meist mit Radius r gerundet (Bild der Neben- Hauptschneide
1.4). Die Winkel an der Schneide müssen in schneIde
zwei verschiedenen Bezugssystemen gemessen Freifläche der ~Schneidenecke
Nebenschneide
werden. Man unterscheidet danach:
Bild 1.3. Bezeichnung der Schneiden und Flächen
an einem Drehmeißel
1) Nach DIN 6581.

834
I. Drehen und Grundbegriffe der Zerspantechnik

Wirkwinkel (im Wirk-Bezugssystem gemessen), die von der Stellung Schneidwerkzeug zu


Werkstück, von den Schnittgrößen und von der geometrischen Form des Werkstückes
abhängig sind. Sie sind für die Beurteilung des Zerspanvorganges wichtig.
Werkzeugwinkel (im Werkzeug-Bezugssystem gemessen), die maßgeblich sind für Her-
stellung und Instandhaltung der Schneidwerkzeuge.

Bild 104. Lage der Werkzeugwinkel


an einem Drehmeißel ohne Fase
- - Werkzeug.·Bezugsebene (a)
-.-.- Werkzeug-Schneidenebene (b) Werkzeug-
---- Werkzeug-Orthogonalebene (c) '------+- Schneidenebene
der Hauptschneide

Das Wirk-Bezugssystem hat als Hauptachse die Wirkrichtung (Bild 1.1) und besteht aus den
drei senkrecht aufeinander stehenden Ebenen:
Wirk-Bezugsebene steht senkrecht zur Richtung der Wirkbewegung (Bild 1.1).
Schnittebene ist die Tangentialebene an die momentan entstehende Schnittfläche,
z.B. Hauptschnittfläche in Bild 1.1.
Wirk-Meßebene steht senkrecht auf den beiden anderen Ebenen.
Das Werkzeug-Bezugssystem hat als Hauptachse die Schnittrichtung (Bild 1.1) und besteht aus
den drei senkrecht aufeinander stehenden Ebenen:
Werkzeug-Bezugsebene steht senkrecht zur Richtung der Schnittbewegung (Bilder
I.1 und 1.4); bei Dreh- und Hobelmeißeln liegt sie parallel zur Auflagefläche der
Werkzeuge, bei Fräsern und Bohrern geht sie durch die Drehachse und den
betrachteten Schneidenpunkt, bei Räumwerkzeugen senkrecht zur Längsachse des
Werkzeuges; in anderen Fällen muß sie bezüglich der zu erwartenden Schnitt-
richtung besonders festgelegt werden.
Werkzeug-Orthogonalkeilweinkelebene ßo steht senkrecht auf den beiden anderen
Elementen.
Die Werkzeugwinkel an einem Drehmeißel ohne Fase zeigt Bild 1.4. Werte für Wirkwinkel
können nicht allgemeingültig angesehen werden. Richtwerte aus AWF-Betriebsblatt 158 oder
nach den Angaben der Werkzeughersteller oder aus neuesten Forschungsarbeiten.
Die folgenden geometrischen Angaben beziehen sich auf die Werkzeugwinkel (Lage der
Winkel) nach Bild 1.4, die physikalischen (technologischen) Hinweise dagegen auf die
Winkel als Wirkwinkel:
Orthogonalfreiwinkel ao (Bild 1.4) - weiterhin Freiwinkel genannt - ist Winkel zwischen der
Freifläche und der Werkzeug-Schneidenebene, bestimmt in der Werkzeug-Orthogonalebene.
Er muß als Wirkwinkel stets positiv sein und beeinflußt die Reibung zwischen Schnittfläche
am Werkstück und Freifläche am Werkzeug. Er ist um so größer zu machen, je sauberer die

835
Zerspantechnik

Schnittfläche sein soll, desgleichen bei weichen, plastischen Werkstoffen, und je größer
Drehdurchmesser d und Vorschub f sind. <lo,: 4 ... 6° für Hartmetall und 6 ... 8° für
Schnellschnittstahl (bei Stahlbearbeitung).
Orthogonalkeilwinkel ßo (Bild 104) -~eiterhinkeilwinkel genannt - ist Winkel zwischen
Frei- und Spanfläche, gemessen~ der Werkzeug-Orthogeftalebene. Er beeinflußt die
Schneidfähigkeit der Werkzeugschneide. yroßer Keilwinkel für spröde Werkstoffe und
dicke Späne. Kleinerer Keilwinkel ergibt geringere Zerspankraft (Keil dringt leichter ein),
schlechtere Wärmeabfuhr (Wärmestau) und damit höhere Schneidentemperatur und
geringere Standzeit, Schneide haKt leichter ein. Deshalb ßo = 40 ... 50° für weiche, dehnbare
Werkstoffe; ßo = 55 ... 75° für zähfeste Werkstoffe (Baustahl); ßo = 75 ... 85° für spröde,
hochfeste Werkstoffe. Richtwerte für verschiedene Werkstoffe siehe A WF-Blatt 158.
Orthogonalspanwinkel Yo (Bild 104) - weiterhin Spanwinkel genannt - ist Winkel zwischen
der Spanfläche und der Werkzeug-Bezugsebene, bestimmt in der Werkzeug-Orthogonal-
ebene. Er ist der wichtigste Winkel an der Schneide und beeinflußt den Spanablauf und die
Spanbildung (Reißspan, Fließspan) und die Zerspankraft. Je größer Yo, um so besser läuft der
Span ab (vibrieren wird vermieden) und um so geringer ist die Zerspankraft. Kleine Yo
ergeben mehr schabende Wirkung, verringern aber die Bruchgefahr an der Schneidenecke.
Negative Spanwinkel nach Bild 1.5 (nur an Hartmetallschneiden!) sind bei hohen Schnitt-
geschwindigkeiten und sogenanntem unterbrochenen Schnitt (z.B. bei Gußhaut) und bei
festen Werkstoffen wie Mangan-Hartstahl oder Hartguß günstig. Sie erhöhen in diesen Fällen
die Standzeit u.U. erheblich, setzen jedoch starre, kräftige Maschinen mit hoher
Antriebsleistung voraus.

Bild 1.5. Positiver und negativer


Spanwinkel 10
(schematisch dargestellt)

Wie die schematische Darstellung in Bild 1.5 zeigt, trifft der Span bei - Yo die Spanfläche in
größerer Entfernung von der Schneidenspitze. Eine mögliche Auskolkung K ist weniger
gefährlich.
Für die Werkzeug-Winkel <lo, ßo, Yo gilt stets: ao + ßo + Yo = 90°.
Eckenwinkel Er (Bild 104) ist Winkel zwischen zwei zusammengehörigen Haupt- und Neben-
schneiden, bestimmt in der Werkzeug-Bezugsebene. Er beeinflußt die Standzeit. Bei kleinem
Er kann die Wärme nicht genügend gut nach hinten abfließen, weil der Querschnitt zu klein
ist. Die Temperatur der Schneidenecke kann unzulässig hoch ansteigen. Er = 90° hat sich bei
Vorschüben f< 1 mmJU bewährt. Bei größerem f kann Er entsprechend größer gewählt wer-
den.
Schneidenwinkel 'lfr ist Winkel zwischen der Werkzeug-Schneidenebene und der Hauptachse
des Werkzeuges.
Einstellwinkel Kr ist Winkel zwischen der Arbeitsebene und der Schnittebene, bestimmt in
einer Ebene senkrecht zur Schnittrichtung (Bild 1.1). Beim Einstechmeißel ist Kr = 0°. Es
beeinflußt die Verteilung der Zerspankraft-Komponente in der Ebene senkrecht zur
Schnittrichtung (Bild 1.1), die Spanform und damit die Standzeit. Bild 1.6 soll schematisch,
ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Kraftgrößen, in Verbindung mit dem folgenden
Beispiel die Verhältnisse erläutern.
836
I. Drehen und Grundbegriffe der Zerspantechnik

Bild 1.6. Vorschubkraft Ff und Passivkraft Fp in Abhängigkeit vom Einstellwinkel Kr (schematisch dargestellt)

Beispiel: Gegeben: Schnittiefe ap = 3 mm, Vorschub f = 1 mm/V; damit Spanungsquerschnitt


A = a p f = 3 mm 2 = konstant für die drei Fälle des Bildes I.6. K r 1 = 90°, K r 2 = 45°,
K r 3 = 15°.
Gesucht: Spanungsdicke h, Schnittbogenlänge Is , Bogenspandicke m, Spanungs-
breite bund Widerstandsmoment W für die drei Spanungsquerschnittsformen.
Lösung: h 1 = fsin JC,.1 h2 = fsin JC,.2 h 3 = fsin Kr3
=lmm·sin90° = 1 mm . sin 45° = 1 mm . sin 15°
=lmm = 0,7fJ7 mm =0,258mm
ap ap a
Is1 =f+-.-- Is2 =f+-.-- 1 =f+-- P-
sm Kr1 sm Kr2 s3 sin JC,.3
3mm 3mm 3mm
=lmm+-- =lmm+-- =lmm+---
sin 90° sin 45° sin 15°
=4mm =5,24mm = 12,6mm
A mm2 A mm2 A mm2
m 1 =1=0,75-- m2 =-=057-- m 3 =-=024--
s1 mm Is2 ' mm Is3 mm
a ap ap
b1 =-.-P-=3mm b2 = -.-- = 4,24 mm b3 = - . - - = 11,6 mm
sm Kr1 sm JC,.2 sm JC,.3
b1 hi: 3 b2ht 3 b3h~ 3
W 1 =-6-= 0,5 mm W 2 = -6- = 0,35 mm W3 =-6-= 0,13 mm

Angenommen: 0,5 mm3 = 100 %, dann sind 0,35 mm3 = 70 % und 0,13 mm3 = 26 %.
Zusammenfassung (Bild I.6).
Kr = 90°: Span ist dick und schmal, Schnittbogenlänge Is klein, Widerstandsmoment W sehr
groß und damit Verformungswiderstand groß, d.h. auch große Reibung auf der Spanfläche,
hohe Erwärmung und geringere Standzeit. Da Passivkraft Fp = 0 ist (keine durchbiegende
Komponente!) wählt man große Einstellwinkel für dünne bzw. dünnwandige Werkstücke, die
sich leicht durchbiegen, jedoch nur für solche Fälle. Der Werkstattbrauch, immer mit großem
Kr ZU arbeigen, führt zu hohen Werkzeugkosten, weil die spezifische Schneidenbelastung bei
lCr =90° am größten ist!
Kr = 15°: Span ist dünn und breit, Schnittbogenlänge Is also groß, Widerstandsmoment W klein
(nur 26 % von Kr = 90°) und damit Verformungswiderstand klein, d.h. geringere Reibung und
Erwärmung und größere Standzeit. Durch die größere Trennlänge wird jedoch die Zer-
spankraft erhöht. Kleine Einstellwinkel deshalb z.B. für das Schruppdrehen von Hart-
gußwalzen (Kr'" 5°). Die Passivkraft F p wird groß, dadurch größere Durchbiegung des
Werkstückes möglich, eventuell Maßungenauigkeit, Rattermarken.
837
Zerspantechnik

Beachte: Nicht dargestellt und berücksichtigt wurde die Veränderung der Zerspankraft und
damit der Schnittkraft, die ebenso wie die Passivkraft mit kleiner werdendem Kr ansteigt. Die
Vorschubkraft wird zwar mit kleiner werdendem Kr ebenfalls kleiner, sinkt aber nicht ganz
auf Null ab. Vorteilhaft sind Einstellwinkel Kr = 45 ... 75°.
Neigungswinkel As ist Winkel zwischen der Hauptschneide und der Werkzeug-Bezugsebene
(Bild 1.4), bestimmt in der Werkzeug-Schneidenebene. As ist positiv, wenn die Schneidenecke
der Hauptschneide in Schnittrichtung vorauseilt, anderenfalls negativ. Eine geneigte
Schneide beeinflußt die Spanablaufrichtung und vermindert durch Entstehung eines zie-
henden Schnittes die Belastung des Schneidkeils.
Bei spanender Bearbeitung mit unterbrochenem Schnitt ist ein negativer As sinnvoll, weil der
immer wiederkehrende Anschnitt dann nicht an der Schneiden ecke erfolgt.
Geneigte Schneiden bewirken bei positivem As eine Verringerung und bei negativem As eine
Vergrößerung der Passivkraft F p •

2.3. WerkzeugsteIlung und Wirkwinkel


Gegenüber der Normalstellung verändert jede andere Stellung des Werkzeuges die Schnei-
denwinkel. Bild 1.7 zeigt den Einfluß einer Schneidenüberhöhung h auf Freiwinkel Uo und
Spanwinkel 10 beim Außendrehen (beim Innendrehen sind die Verhältnisse umgekehrt):
Meißelstellung über Mitte:
Wirk-Freiwinkel u~ = Uo - cp T
N'
und 10 = 10 + cP
Meißelstellung unter Mitte:
Wirk-Freiwinkel u~ = ao + cP
N
und 10 = 10 - cP

Bild I.7
Einfluß der Schneiden überhöhung h auf Freiwinkel ao
und Spanwinkel Yo

Beachte: Der über die Hauptschneide hinaus verlängerte Radius, die Normale N (bzw. N'),
bildet mit der zugehörigen Tangente T (bzw. T) immer einen Winkel von 90°, der die Winkel
Uo + Po + 10 = 90° einschließt. Beim Innendrehen gilt: Meißel über Mitte: u~ größer, 10
kleiner; Meißel unter Mitte: u' kleiner, i größer.

Beispiel: Bei welcher Schneidenüberhöhung h wird der Wirk-Freiwinkel u~ = 0°, wenn der
Winkel Uo = 5° in Normalstellung beträgt und Durchmesser d = 15 mm ist?
Lösung: Bei u~ = 0° ist Winkel cp = Winkel ao und damit

h =2smuo=--2-·sln
d . 15 mm . 5° =,
065 mm

Meistens wird h = 1 bis 2dl100 gemacht (über Mitte) und damit Uo um 1° bis 2° verkleinert
und 10 um 1° bis 2° vergrößert. Beim Ein-und Abstechen ist die Schneide genau auf Mitte zu
stellen.
Bei Schrtigstellung des Drehmeißels nach Bild 1.8 ändern sich die Wirkwinkel trotz genauer
Mittenstellung der Schneide in der angegebenen Weise.

838
I. Drehen und Grundbegriffe der Zerspantechnik

\ ,
IX e> IXe

Bild I.8. Einfluß der Schrägstellung des Drehmeißels auf


Freiwinkel ao und Spanwinkel 10
Bild I.9. Winkel an einer
Hartmetallschneide
2.4. Winkel an der Hartmetallschneide
Mit zunehmendem Spanwinkel 10 nehmen Schnittkraft und damit Antriebsleistung beträcht-
lich ab. Andererseits wird die Standzeit kleiner. Zur Standzeiterhöhung trotz größerer
Spanwinkel wird deshalb der eigentliche Schneidkeil an der Spitze durch eine Fase verstärkt
(Bild I.9). Es wird 1fO < 10 gemacht; bei zerspantechnisch schwierigen Arbeiten wird 1fO = 0°
oder sogar negativ empfohlen, ebenso {XfO< {Xo; gewöhnlich wählt man die 90°-Fase mit
{XfO = 0° und 1fO = 0°. Die Fase wird zweckmäßig geläppt. bf =0,5 ... 2f; {Xf etwa 2° kleiner als
a.
{Xo. Für das Nachschleifen der Freifläche {X1O '" 2° größer als (Xo.

3. Kräfte und Leistungen1)


Die beim Schnitt auftretenden Widerstände (Verformung, Reibung) erzeugen die Zerspan-
kraft F, die nach Bild I.l in Richtung auf das Werkzeug wirkend betrachtet wird.
Jede in einer beliebigen Richtung oder in einer beliebigen Ebene (Arbeitsebene, Wirk-
Bezugsebene ... ) gesuchte Komponente der Zerspankraft F ergibt sich durch Projektion von
F auf diese Richtung oder auf diese Ebene. Für die Praxis sind besonders von Bedeutung die
Komponenten in der Arbeitsebene und in der Ebene senkrecht zur Schnittrichtung (Bild
1.1): Schnittkraft Fe, Vorschubkraft Ff und Passivkraft F p • Beim Drehen ist Fe meist groß
gegenüber Ff und F p• Die Schnittkraft Fe wird mit Schnittkraftmeßgeräten bestimmt und
daraus für Vergleiche die spezifische Schnittkraft ke angegeben. ke ist hauptsächlich abhängig
vom Vorschub f, wie Bild UD zeigt. Siehe auch AWF 158.
6 ·103
1
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;::: Spezifische Schnittkraft
E k c einiger Werkstoffe in
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Al-Guß .......;;:;::::~::=:1:;:::::::::===+====~ Abhängigkeit vom Vor-
~ schub fund einem Ein-
stellwinkel Kr =45° (nach
Vi
~ 1.10
3
r---,.~~I---==::::=t=====t====~
I Mg-Leg.
Prof. Dr.-Ing. 0. Kienzle
5\- und AWF 158)
o 0.1 0.16 0,4 0,63
Spanungsdicke n in mm ..

1) Siehe auch DIN 6584.


839
Zerspantechnik

Die Kurven gelten genau nur für ganz bestimmte Verhältnisse. Sie sind daher mit Vorsicht zu
verwerten. Das Studium der laufend veröffentlichten Versuchsergebnisse ist unerläßlich.
Die spezifische Schnittkraft k e ist diejenige Schnittkraft, die erforderlich ist, um einen Span
mit der Spanungsdicke h abzuheben.
Daraus läßt sich mit k e und Spanungsquerschnitt A die Schnittkraft Fe berechnen:

(I.8)

k e wächst mit der Festigkeit des Werkstoffes (Bild 1.10), bei Stahl also mit zunehmendem C-
Gehalt. Phosphor und Schwefel dagegen verringern k e (Automatenstähle!).
Von größtem Einfluß ist die Form der Schneide: Großer Spanwinkel '{o setzt k e stark herab,
Verringerung des Einstellwinkels Kr vergrößert k e wegen der wachsenden Trennlänge.
Zunehmende Schnittgeschwindigkeit verringert k e etwas bis zu einem Grenzwert, umge-
kehrte Veränderung nur bei Magnesium- und Zinklegierungen.
Schmiermittel setzen k e herab, im Gegensatz zu Kühlmitteln. Mit wachsendem Spanungs-
querschnitt (Vorschub) fällt k e bei den verschiedenen Werkstoffen verschieden stark ab
(Bild 1.10). Auch das Verhältnis f/ap beeinflußt k e: Je kleiner f/a p ist, um so größer wird k e.
Beachte: Die angegebenen Veränderungen setzen voraus, daß alle anderen Einflußgrößen
konstant gehalten werden.
Nach der allgemeinen Leistungsdefinition ist Leistung P = Kraft F mal Geschwindigkeit u.
Damit ergibt sich für den Zerspanvorgang mit Schnittgeschwindigkeit U e die Schnittleistung
Feu e
Pe Fe Ue kc A
Pe = 60000
m (1.9)
keAu e N
P=-- kW N mm2
e 60000 min mm2
Ist die Motorleistung Pm in kW angegeben, so rechnet man unter Berücksichtigung des
Wirkungsgrades 11 der Drehmaschine (11 = 0,6 ... 0,95) mit der zugeschnittenen Größen-
gleichung: k A
e ue
P=--- A d n
m 6000011
(1.10)
m
kW m
min
Beachte: Die sich als Produkt aus Vorschub kraft Ff und Vorschubgeschwindigkeit Uf = fn
ergebende Vorschubleistung Pf ist wegen der geringen Vorschubgeschwindigkeit Uf vernach-
lässigbar klein (siehe Beispiel).

Beispiel: Welche Schnittiefe ap kann maximal eingestellt werden, wenn auf einer Dreh-
maschine mit Pm = 5,5 kW Antriebsleistung bei 80 % Wirkungsgrad mit einer
Schnittgeschwindigkeit von 140 mJmin und einem Vorschub f = 0,16 mm/U eine
Welle aus St70 und d = 180 mm Durchmesser bearbeitet werden soll?
Lösung: Die an der Maschine einstellbare Drehzahl deckt sich meistens nicht mit der zur
gewählten Schnittgeschwindigkeit gehörigen Drehzahl. Hier ist

n=~= 140m = 248 min-1


rcd min· rc . 0,18 m

840
I. Drehen und Grundbegriffe der Zerspantechnik

Eingestellt wird die nächstniedere Drehzahl n = 224 min-1 (Lastdrehzahlen siehe


Abschnitt Werkzeugmaschinen). Damit wird die tatsächlich vorhandene Schnitt-
geschwindigkeit
Uc =1tdn =1t . 0,18 m . 224 min-1 =127 mlmin
Die spezifische Schnittkraft beträgt nach Bild 1.10: k e '" 4300 N/mm 2.
Mit Spanungsquerschnitt A = apfwird nach GI. (I.l0) die Schnittiefe
a =PT\ 60 000 mm =5,5 . 0,8 . 60 000 mm =3 mm
p ke · uc · f 4300 ·127·0,16
Beispiel: Es wird angenommen, daß im vorhergehenden Beispiel die Vorschubkraft Fretwa
50 % der Schnittkraft Fe beträgt. Zu berechnen ist die Vorschubleistung Fr.
Lösung: Mit k e = 4300 N/mm 2 , ap = 3 mm, f = 0,16 mmlU, n =224 min-1 wird die Schnittkraft
Fe =k e apf = 4300 N/mm2 • 3 mm . 0,16 mm =2064 N.
Vorschubkraft Fr = 0,5 Fe = 1032 N.
Vorschubleistung Pr =Fr· Ur =1032 N . 224 min-1 ·0,16 mmlU =36 987 Nmmlmin
Pr = 0,00062 kW
Die Vorschubleistung ist demnach vernachlässigbar klein.

4. Wahl der Schnittgeschwindigkeit


Die Vielzahl der Einflußgrößen macht es unmöglich, allgemeingültige Angaben über die
"richtige" Schnittgeschwindigkeit vorzulegen. Richtwerttafeln über einzustellende Schnitt-
geschwindigkeiten sind nur mit größter Umsicht auszuwerten, weil sie nur für ganz be-
stimmte Fälle gelten. Zu empfehlen sind die in AWF-Schriften niedergelegten Richtwerte
(siehe Tafel 1.1), die für die verschiedenen Werkstoffe nach Vorschub gestufte Mittelwerte
ohne Kühlung (keine Bestwerte) angeben. Darüber hinaus sollten die Richtwerttafeln der
Schneidstoffhersteller ausgewertet werden, z.B. für Hartmetall-Schneidstoffe die Angaben
der Firma Friedr. Krupp Widia-Fabrik Essen.
U c 60 ist Schnittgeschwindigkeit bei 60 min Standzeit, entsprechend U e 240 für 240 min Stand-
zeit. Man wählt U e60 für einfache, leicht auswechselbare Drehmeißel; U e240 für einfache
Werkzeugsätze mit gegenseitiger Abhängigkeit (z.B. auf Revolvermaschinen); Uc480 für kom-
pliziertere Werkzeugsätze, deren Auswechseln wegen der gegenseitigen Abhängigkeit und
Genauigkeit der Schneiden längere Zeit erfordert (z.B. auf Vielschnittmaschinen, Dreh-
automaten). Gleiche Überlegungen gelten im Hinblick auf die Instandhaltung der Werk-
zeuge. Für Transferstraßen sind u.U. noch höhere Standzeiten vorteilhaft. Allgemein gilt:
Höhere Schnittgeschwindigkeit gibt zeitgünstiges, niedrigere Schnittgeschwindigkeit gibt
kostengünstigeres Zerspanen.
4.1. Einflüsse auf die Schnittgeschwindigkeit Uc

Standzeit T ist die Zeitspanne in Minuten, in der die Schneide Schnittarbeit verrichtet, bis
zum nötigen Wiederanschliff. Sie hat größte wirtschaftliche Bedeutung. T ist bei gleichem
Werkstoff um so kleiner, je höher Ue gewählt wird, z.B. nur wenige Minuten bei U e '" 2000
mlmin. Verschiedenartige Werkstoffe erfordern zu gleicher T verschiedene Ue. Alle Betrach-
tungen dieser Art setzen voraus, daß die übrigen Schnittbedingungen konstant gehalten
werden (Werkstoff-, Werkzeug- und Einstellbedingungen). Ändert sich auch nur eine der
Bedingungen, muß auch Ue geändert werden, um zur gleichen T zu kommen. Deshalb haben
nur solche Schnittgeschwindigkeitstabellen einen Sinn, aus denen möglichst sämtliche
Schnittbedingungen ersichtlich sind (siehe AWF Richtwerttabellen).
841
Tafell.l. Richtwerte für Schnittgeschwindigkeit '\)c in m/min beim Drehen mit Schnellschnittstahl (SS) und Hartmetall
(Auszug aus VDF 8799, Gebr. Boehringer GmbH, Göppingen)
OJ N
+:0- Zugfestigkeit Vorschub f in mm/U und Einstellwinkel Kr 1) 2) CI)
N Schneid-
Werkstoff N 0,063 0,1 0,16 0,25 0,4 0,63 1 1,6 2,5
R m in mm 2 stoff 31
45' 60' 90' 45' 60' 90' 45' 60' 90' 45' 60' 90' 45' 60' 90' 45' 60' 90' 45' 60' 90' 45' 60' 90' 45' 60' 90'
~CI
5t34 55 50 40 31,5 45 35,5 28 35,5 28
22,4 28 22,4 18 25 20 16 20 16 12,5 16 12,5 10
C22
~:~~ bis 500 Pl0 ~SO 236 224 224 212 200 200 190 180 180 170 160 60 150
140 140 132 125 125 118 112 112 106 100 ~:r
55 45 35.5 28 355 28 22 28 224 18 25 20 16 20 16 12 16 125 10 125 10 8 ::J
5tSO C35 500 ... 600
P10 ~4 212 200 200 190 180 180 170 160 160 150 140 140 132 125 125 118 112 112 106 100 100 95 90 ~
55 355 28 224 28 224 18 25 20 16 20 16 125 16 125 10 125 10 8 10 8 63
5t6O C45 600 ... 700
Pl0 12 200 190 190 180 170 170 160 150 150 140 132 132 125 118 118 112 106 106 100 95
5t70 700 ... 850 55 28 224 18 25 20 16 20 16 12,5 1~~ c-1?,5 10 12,5 10 8 10 8 6, 8 6,3 5
C60
Pl0 180 170 160 160 150 140 140 132 125 125 118 112 106 100 95 95 90 85 85 80 75
.~ 55 25 20 16 20 16 12, 16 125 10 12,5 10 8 11 9 7 9 7 5,6 7,5 6 4/~
Mn-,CrNi-, 700 ... 850
P10 80 170 160 160 ISO 140 140 132 125- 125 118 112 106 100 95 95 90 85 85 80 75
5S 20 16 12,5 16 12,5 10 12,5 10 8 10 8 63 8 6,3 5 71 5,6 4, 5,6 4,5 3~
CrMo- u.a. 850 ... 1000
P10 140 132 125 125 118 112 100 95 90 90 85 80 71 67 63 63 60 56 56 53 50
leg.5töhle 1000 ... 1400 55 14 11 9 11 9 7 9 7 56 7 56 45 5,6 45 3 45 36 2.1 3,6 28 2~
Pl0 80 75 71 71 67 63 63 60 56 56 53 50 50 475 45 45 425 40 35,5 335 31
Nichtrost. 51. 600 ... 700 Pl0 80 75 71 71 67 63 56 53 50 50 475 45 45 425 40 355 335 315 315 30 28
Werkz.-St. 1500 .. 1800 5S 9 7 5,6 56 45 3 4 32 25
-p~
45 425 40 40 37,5 35,5 355 33,5 31,5 28 265 25 25 236 22 22 21 20 18 17 16
Mn-Hortstohl Pl0 355 33,5 31 31 30 28 28 265 25 22 21 20 20 19 18 18 17 16
55 45 35,5 28 35,5 28 22 315 25 20 25 20 16 20 16 12, 16 12,5 10 12,5 10 8
G5-45 300 ... 500 Pl0 ISO 140 132 118 112 106 106 100 95 95 90 85 85 80 75 75 71 67 67 63 60
55 28 22 18 25 20 16 20 16 12,5 16 12,5 10 125 10 8 11 9 7 9 7 5,~
G5-52 500 .. .700 Pl0 106 100 95 95 90 85 85 80 75 75 71 67 67 63 60 60 56 53 53 50 47,5
HB ... 2000 5S 45 40 31,5 31,5 28 22 22 20 16 18 16 12,5 12,5 11 9 11 10 8 9 8 6"
GG-15
K20 125 118 112 112 106 100 1eO 95 90 90 85 80 75 71 67 67 63 60 60 56 53 53 SO 47,t
HB 55 28 25 20 20 18 14 14 125 10 11 10 8 9 8 6, 7,5 6,7 5, 6 5,3 4,2t
GG-25 2000 .. :2500 KlO 95 90 85 85 80 75 75 71 67 67 63 60 60 56 53 53 50 47,5 47,5 45 42 42,5 40 37,t
GT5-35 5S 375 35 335 28 265 25 22 21 20 18 17 16 12,5 12 11 11 10 10 9 8,5 8
GTW-40 Kl0/P10 95 90 85 85 80 75 75 71 67 67 63 60 60 56 53 53 50 475 47,5 45 42.5 42,5 40 37,
Hortguß RC420 ... 570 KlO 19 18 17 17 16 15 15 14 132 13,2 125 1U 118 112 106 106 10 95 9 8,5 8 8 7,5 7,1
Gußbronze 55 53 50 47,5 47,5 45 42 425 40 375 375 35,5 335 315 30 28 28 26,5 25 25 23,6 22,~
DIN 1705 K20 ß15 300 280 280 265 2SO 2SO 236 224 224 212 200 200 190 180 180 170 160 160 1SO 140 140 132 125
Rotguß 5S 75 71 67 63 60 56 SO 475 45 40 375 355 315 30 28 28 26,5 25 25 23,6 22.~
DIN 1705 K20 25 400 375 400 375 355 355 335 315 335 315 300 000 280 265 265 250 236 250 236 224 ~36 224 212
Messing HB 5S 112 106 100 92~ 85 80 67 63 60 SO 475 45 375 35,5 33,5 265 25 23,../
DIN 1709 800 ... 1200 K20 500 475 450 475 450 425 450 425 400 400 375 355 ßs5 335 315 335 315 300 300 280 265 1280 265 250
AI-Guß SS 125 118 112 100 95 85 75 71 67 56 53 50 425 40 375 315 30 28 25 23,6 22,4
300 .. .420
DIN 1725 K20 'SO 236 224 224 212 200 200 190 180 180 170 160 160 150 140 140 132 125 125 118 112 118 112 106 100 95 90
Mg-Leg. 55 85C 800 750 800 7SO 710 750 710 670 670 630 600 ~O 600 560 600 560 530 600 560 530 ~60 530 500 P30 500 475
DIN 1729
~
1320 1250 1250 n80 1120 1120 1060 1000 000 9SO 900 900 850 800 800 7SO 710 10 670 630 ~ 600 560
-
K20 ,600 1500 1400 1400

1) Die eingetragenen Werte gelten für Spanungstiefe a p bis 2,24 mm. Über 2,24 mm bis 7,1 mm sind die Werte um 1 Stufe der Reihe RlO um angenähert 20 % zu kOrzen.
Üher 7,1 mm bis 22,4 mm sind die Werte um 1 Stufe der Reihe R5 um angenähert 40 % zu kOrzen. Richtwerte aus A WF 158 und
2) Die Werte 1), müssen beim Abdrehen einer Kruste, Gußhaut oder bei Sandeinschlüssen um 30 ... 50 % verringert werden. Thiele-Staelin Betriebstechnisches Praktikum
3) Standzeit th für Hartmetall PlO, KlO, K20 = 240 min; für Schnellstahl 5S = 60 min. abgeleitet.
I. Drehen und Grundbegriffe der Zerspantechnik

Werkstoff' Bei bestimmter Standzeit ändert sich U c für jeden Werkstoff in Abhängigkeit vom
Spanungsquerschnitt verschieden. Eine Verdoppelung des Spanungsquerschnittes setzt
z.B.bei Messing U c stärker herab als bei Grauguß. Schnittgeschwindigkeitstabellen für ver-
schiedene Werkstoffe ohne Angabe der zugehörigen Spanungsquerschnitte sind also nutzlos.
Schneidstoff: Bei bestimmter Standzeit kann U c vergrößert werden, wenn der Schneidstoff
eine höhere zulässige Schneidentemperatur besitzt. Stufung: Werkzeugstahl, Schnellstahl,
Hartmetall, Diamant. Siehe Werkstoffkunde.
Spanungsquerschnitt A: Die Schnittgeschwindigkeit wird sowohl von der GrOße als auch von
der Form (Verhältniss f/a p ) des Spanungsquerschnittes beeinflußt. Je größer A, um so kleiner
muß U c werden, bei gleicher T. Je kleiner f!a p , um so größer kann bei gleicher T die
Schnittgeschwindigkeit U c sein. Mit f/a p hängt der Einstellwinkel Kr zusammen. Bei gleicher
T kann U c um so größer sein, je kleiner Kr ist. Trotzdem wird häufig mit Kr = 90 0 gearbeitet,
was zu hohem Schneidstoffverbrauch führt. Kr = 90 0 ist nur dann zulässig, wenn bei kurzer
Drehlänge anschließend ohne Umspannen plangezogen werden soll. In Richtwerttafeln
werden die Schnittgeschwindigkeiten in Abhängigkeit vom Vorschub f aufgetragen, weil die
Schnitttiefe im allgemeinen die U c- Werte weniger beeinflußt.
Maschinenleistung: Sie kann um so eher ausgenutzt werden, je niedriger U c und je größer A
gewählt wird, weil der geringeren U c ein größerer A entspricht, der außerdem wegen der
absinkenden spezifischen Schnittkraft kc noch weiter vergrößert werden kann.
Kühlung und Schmierung erhöhen bei gleicher T die Schnittgeschwindigkeit unter Umstän-
den erheblich.
a) Schneidenkühlung mit Kühlmittel wie Soda- und Seifenwasser sowie Bohrölemulsionen
(bis 1:10 verdünnt, Menge ca. 10 11min) nach DIN 6558, erhöhen die Standzeit (5... lOfach)
oder U c (um 40 %) durch Einhaltung bestimmter Schneidentemperaturen; besonders
beim Schruppen mit Schnellstahl zweckmäßig. Bei Hartmetallen besteht Gefahr der
Rißbildung infolge ungleichmäßiger Abkühlung der Schneidflächen.
b) Schmierung und Kühlung mit Schneidölen (Rüböl, Sonderöle usw. nach DIN 6557)
verringern den Kraftbedarf und den Verschleiß an der Schneide, erhöhen die Ober-
flächengüte, schützen Werkstück und Maschine gegen Rosten, besonders zu empfehlen
für harte und zähe Werkstoffe, für Schlichtarbeiten, für das Drehen mit Formstählen, für
das Gewindeschneiden, für die Zahnflankenbearbeitung und für Arbeiten auf Auto-
maten und Revolverdrehmaschinen.
Beachte: Unterbrochene Schnitte haben auch Kühlwirkung. Öle begünstigen die Bildung der
Aufbauschneide. Für Kupfer und Kupferlegierungen dürfen wegen der hierbei auftretenden
Fleckenbildung keine mit Schwefel behandelten Öle verwendet werden. Bei Magnesium-
legierungen. darf wegen der Brandgefahr kein Wasser verwendet werden.

5. Berechnung der Hauptnutzungszeit th L


Die Hauptnutzungszeit ist reine Schnitt-
zeit; Rücklaufzeiten werden als Neben- I",
zeiten berücksichtigt.
Hauptnutzungszeit th beim Langdrehen --.------"1:) -----t---I-
15 =Q. cot X r
(Bild 1.11) --+H-~
tu
L.
th=-l (1.11) - -------- jl
nf
(1.12) Vf =nf <Jo-
Bild 1.11. Zur Berechnung der Hauptnutzungszeit
berrn Langdrehen
843
Zerspantechnik

Hauptnutzungszeit th beim Plandrehen


(Bild 1.12) Bild 1.12
th=~i (U3) Zur Hauptnutzungszeit-
nf berechnung beim
Plandrehen
Da-D; d 1 -d2
L=-2 -=-2 - + Ia +1s +1u.. (114)
.

d, dl Außendurchmesser mm L Vorschubweg mm
d2 Innendurchmesser mm la Anlaufweg mm
Uc Schnittgeschwindigkeit m/min lü Überlaufweg mm
n Drehzahl = 318 . uc/D a min-1 Is Schneidenzugabe mm
f Vorschub mm/V Anzahl der Schnitte mm

Beispiel: Eine Welle aus St70 mit I w = 350 mm, d = 90 mm soll mit Einstellwinkel Kr = 60°,
Vorschub f = 0,63 mm/V, Schnittiefe a p = 5 mm mit Hartmetallwerkzeug P10 in
einem Schnitt langgedreht werden. Der Wirkungsgrad sei 11 = 0,8.
Gesucht: Schnittgeschwindigkeit U c 240, einzustellende Drehzahl n, spezifische
Schnittkraft k e , Schnittkraft Fe, erforderliche Antriebsleistung Pm, Haupt-
nutzungszeit th.
Lösung: Schnittgeschwindigkeit Ue240, 1( = 60' nach Tafel I.1 Ue 240 = 90 m/min
. Ue240 90 m
Emzustellende Drehzahl n = -- = = 318 min- 1
red min· 0,09 m· re
eingestellt n e = 315 min-1 nach Maschinenkarte.
Spezifische Schnittkraft k e = 2700 N/mm 2 nach Bild 1.10
Schnittkraft Fe = ke . ap . f = 2700 N/mm2 . 5 mm . 0,63 mm
Fe = 8505N
keapf U c
Erforderliche Antriebsleistung Pm = 11 60000
keapfdre ne 2700·5·063·90· re· 315
P = =' kW
11.60000. 1000
m 0,8·60000· 1000
Pm = 15,781 kW
.
HauptnutzungszeIt L.
th = - ! =
Is + la + Lw + lü.! = (3 + 4 + 350 + 3 . 1) mm
nf nes 315 ·0,63
th = 1,81 min
Beispiel: Ein Flansch von 850 mm Außen- und 200 mm Innendurchmesser soll mit einer
Drehzahl n = 15 min-1 und mit einem Vorschub f =0,25 mm/V plangedreht werden.
Die Schnittiefe beträgt a p = 3 mm, der Einstellwinkel Kr = 45°. Bestimme die
Hauptnutzungszeit th für la =5 mm und lü =3 mm!
d 1 -d2
L = - 2 - + la + Is + lu

L = (850; 200 + 5 + 3 + 3) mm = 336 mm

th = L.I = (336
-f . 1)'
mln = 896 .
, mm
n 15·0,25

844
11. Hobeln und Stoßen

11. Hobeln und Stoßen

1. Bewegungen!)
Im Gegensatz zum Drehen ist die Schnittbewegung bei Maschinen mit hin- und hergehender
Bewegung nicht gleichftJrmig (Hobel-, Stoß- und Räummaschinen). Die mittlere Rücklauf-
geschwindigkeit U mr ist meist größer als die mittlere Geschwindigkeit beim Arbeitshub U ma '
z.B. beim Antrieb durch schwingende Kurbelschleife (um: U ma etwa 1,4 ... 1,8). Außerdem
sind die Geschwindigkeiten in Hubmitte größer als gegen Ende des Hubes. Beschleunigung
und Verzögerung durch Umsteuern und An- und Auslauf sind besonders bei kleinen
Hublängen zu berücksichtigen. Es wird mit der mittleren Geschwindigkeit Um gerechnet:

(11.1)

Mit n = Anzahl der Doppelhübe je min (DH/min) und L == Hublänge in mm ergeben sich
außerdem die zugeschnittenen Größengleichungen:
2Ln
um = 1000 Um L n
Um 1000 m (11.2)
n= mm min-1
2L min

Herleitung der Gleichung: Mit ta =Zeit für einen Arbeitshub in min, t r =Zeit für einen
Rückhub in min, tL = Zeit für einen Doppelhub in min, L = Hublänge in mm wird:
L L 2L
ta = - - ; tr = - ; tL = - ; tL = ta + tr
u ma U mr um

Beispiel: Bestimme die mittlere Geschwindigkeit Um einer Langhobelmaschine, wenn für


einen Doppelhub eine Zeit von 14,6 s mit der Stoppuhr gemessen wurde (Zeit für
einen Arbeitshub, einen Rücklauf und zwei Umsteuerungen). Hublänge L = 2200
mm.
Lösung: tL = 1;06 min = 0,243 min

U =~= 2·2200 ~=18,1~


m tL 1000 0,243· lQOO min min
Beispiel: Bestimme die mittlere Geschwindigkeit Um, wenn mit der Stoppuhr die Anzahl der
Doppelhübe in einer Minute aufgenommen wurde: n = 4,1 min-l, L = 2200 mm.

Lösung: U =2Ln = 2· 2200·4,1 m = 18~


m 1000 1000 min min

1) Siehe allgemeine Hinweise über Bewegungen, Geschwindigkeiten, Schnitt- und Spanungsgrößen beim Drehen

845
Zerspantechnik

2. Zerspangeometrie1)
Die Spanabnahme ist beim Drehen, Hobeln und Stoßen gleichartig, es gelten daher die im
entsprechenden Kapitel für Drehen gemachten Angaben. Zweckmäßige Winkelwerte: Frei-
winkel !Xo::: 8°; Spanwinkel 10 meist 20°, Neigungswinkel Äo::: 10°. Vorschübe beim
Schruppen bis 3 mmlDH (bei SS-Stahl höher), beim Breitschlichten bis 10 mmlDH.
Hartmetalle müssen beim Rückhub angehoben werden.

3. Kräfte und Leistungen!)


Es gelten die entsprechenden Angaben unter I. Drehen.

4. Wahl der Schnittgeschwindigkeit


Es gelten die entsprechenden Angaben unter I. Drehen. Mit den üblichen Bauarten der
Hobelmaschinen sind höhere Werte als U c ::: 60 ... 80 m/min nicht erreichbar; bei Waagerecht-
und Senkrechtstoßmaschinen etwa U c ::: 25 ... 30 mImin.

5. Berechnung der Hauptnutzungszeit th

.. ---
Werkzeug
Vorschub'
I I ~
I
I Rückhub Arbeishub I I
I I
Bild 11.1 I ~
I
+ij
Kenngrößen zur
\
J " ) 0"- ; I"
Hauptnutzungszeit- Werkstück 15 b
5

berechnung lü I" 10 bü b bo
L 8

2LB . B.
th l:::-l la ::: (10 ... 30) mm
1000um f nf
a tan Ä.
I:::P fürÄ<00
• sin Kr •

1.:::0 fürÄs~O°
ba ::: (3 ... 5) mm

L Hublänge mm
B Hobelbreite (Vorschubweg) mm
ap Schnittiefe mm
f Vorschub mmlDH
n Anzahl der Doppelhübe je min (min-1).
bei Stoßmaschinen gleich Drehzahl der Antriebskurbel
Um mittlere Geschwindigkeit des Tisches oder Stößels m/min
Uma mittlere Geschwindigkeit beim Arbeitshub m/min
Umr mittlere Rücklaufgeschwindigkeit m/min
Anzahl der Schnitte

1) Siehe allgemeine Hinweise über Bewegungen. Geschwindigkeiten. Schnitt· und Spanungsgrößen. Kräfte und
Leistungen beim Drehen.

846
111. Räumen

Beispiel: Auf einer Langhobelmaschine wird eine rechteckige Platte aus St50 bearbeitet.
B = 1000 mm. Hublänge des Tisches mit An- und Überlauf L = 2200 mm. Vorschub
f= 1,5 mmlDH, mittlere Arbeitsgeschwindigkeit 'U ma = 12 m/min, mittlere Rück-
laufgeschwindigkeit 'U mr = 36 m/min, Schnittiefe ap = 10 mm, Schnittzahl i = 2. Be-
stimme Schnittkraft, Schnittleistung und Hauptnutzungszeit.
Lösung: a) Schnittkraft Fe wie beim Drehen aus der spezifischen Schnittkraft k e und
Spanungsquerschnitt
A = apf; k e = 2 . 103 N/mm2 (geschätzt aus weitergeführter Kurve in Bild 1.10),
Spanungsquerschnitt A = apke = 10 mm . 1,5 mm = 15 mm2
Schnittkraft Fe = ke A = 2 . loJ N/mm2 . 15 mm2 = 30 . loJ N = 30 kN
b) Schnittleistung Pe aus der Schnittkraft Fe und der mittleren Geschwindigkeit
'Um:
• . .. 'U ma 'U mr
mIttlere Geschwmdigkeit 'Um = 2----
'Uma + 'Umr

'U =2 12·36 ~=18~


m 12+36 min min

Schnittleistung Pe = Fe 'Um = 30 . 103 N . 18 m


60 s

.
H auptnutzungszeit 2LB. 2·2200·1000 2 .
th = f! = . mm
1000 'Um 1000 . 18 . 1,5
th = 326 min

111. Räumen

1. Bewegungenl )
Verzahnte stangenförmige (Innenräumer, Räumnadel) oder plattenförmige (Außenräumer)
Werkzeuge, deren Zähne vom Anschnitt nach hinten ansteigen, werden durch die Bohrung
des Werkstückes gezogen oder gestoßen oder an der Außenfläche des Werkstückes vorbei-
bewegt. Dadurch wird am vorgearbeiteten Werkstück das gewünschte Innen- oder
Außenprofil mit vorgeschriebener Maßtoleranz (meist ISO-Qualität 7) und Oberflächengüte
hergestellt. Die Vorschubbewegung entfällt, sie liegt durch die Konstruktion des Werkzeuges
fest. Das Profil wird meist in einem Hub gewonnen; nur bei sehr großer Spantiefe wird die
gesamte Zerspanarbeit auf mehrere Werkzeuge aufgeteilt.

1) Siehe allgemeine Hinweise über Bewegungen, Geschwindigkeiten, Schnitt- und Spanungsgrößen, Kräfte und
Leistungen beim Drehen.

847
Zerspantechnik

Bei schraubenförmigem Profil (Steigungswinkel = 45 ... 90°) kreist Werkzeug oder Werkstück
beim Durchziehen. Bei Steigungswinkel = 45 ... 70°) ist zwangsläufige Drehung erforderlich,
darüber hinaus kann ohne zwangsläufige Drehung geräumt werden.

2. Zerspangeometrie1)
Eine Rliumnadel mit festen Zähnen nach DIN 1415 zeigt Bild III.1. Das Werkzeug wird am
Schaft vom Zugorgan der Räummaschine aufgenommen und in der Ringnute verriegelt. Der
Zubringerkopf der Maschine nimmt das Endstück auf. Die Aufnahme am Werkzeug soll das
Werkstück zentrieren, das Führungsstück führt es beim Durchgang der letzten Schneiden.

Führungsstück Bild 111.1. Räumnadel


Endstück =-i
Kali- Schneidenteil Schaff (schematisch) nach DIN 1415
brierteil schneidet und Aufnahme
glättet schabt

Bild III.2. Zähne der Räumnadel


t Zahn teilung
I Räumlänge
h Spanungsdicke
fz Fase
IIp Schnittbreite
Räumnadel

Die Zähne der Räumnadel sind wie Fräserzähne ausgebildet (Bild III.2); ebenso wie dort
müssen große, gut gerundete Spankammern die Aufnahme des Spanvolumens ohne Zwängen
sichern, da freier Spanablauf selten möglich ist. Das Spanvolumen ist mindestens dreimal so
groß wie das Ursprungsvolumen.
Die Zahnteilung t ist außer vom Werkstoff, Profil und Zahntiefe hauptsächlich von der
Räumlänge 1 abhängig. Erfahrungswert: t =(1,7 ... 1,8) f[; sonst t =3 "l hx mit h Spanungs-
dicke in mm/Zahn, Räumlänge 1 in mm und Werkstoffaktor x = 3 ... 5 für bröckelige Späne,
x = 5 ... 8 für langspanenden Werkstoff. Außerdem sollen mindestens zwei Zähne im Eingriff
sein, u.U. werden mehrere Werkstücke hintereinander gespannt, jedoch steigt die Durch-
zugskraft mit der Zähnezahl. Schräg zur Zugrichtung verlaufende Zähne arbeiten ruhiger.
Spannuten bei breiten Zähnen teilen die Späne auf. Beim Schruppen soll Zahnteilung
gleichmäßig sein, beim Schlichten um ± 20 % schwankend.
Freiwinkel IXO wird beim Schruppen 2 ... 3°, beim Schlichten 0,5° und für zylindrische End-
zähne (Kalibrierzähne) ebenfalls 0,5° gewählt. Span winkel 10 siehe Tafel III.1.
Die Fasenbreite fz für Schruppen 0 ... 0,1 mm, für Schlichten 0,1 mm, für zylindrische End-
zähne 0,2 ... 0,3 mm.

1) Siehe allgemeine Hinweise über Bewegungen, Geschwindigkeiten, Schnitt- und Spanungsgrößen, Kräfte und
Leistungen beim Drehen.

848
111. Räumen

Tafel 111.1. Mittelwerte für Räumen

Spanung!\dicke h in mm/Zahn für Schnitt- spezifische


geschwindig- Schnitt-
Schlicht- Schrupp- Spanwinkel
Werkstoff Räumen räumen räumen keit in kraft k c in
m/min N/mm2
St 40 ... 60 O,O25 ... 0,~ 0,004 ... 0,015 bis 0,1 4 ... 8 15 ... :wo 4000
St 60 ... 85 0,03 ... O,~ 0,004 ... 0,015 bis 0,12 3 ... 6 12 ... 15° 5000
GG12 ... 30 0,05 ... 0,12 0,004 ... 0,015 bis 0,25 4 ... 8 4 ... SO 2300
Messing 0,03 ... 0,1 0,004 ... 0,015 bis 0,2 5 ... 10 0 ... 5° 2000
AI-Leg. 0,025 ... 0,1 0,004 ... 0,015 bis 0,2 8 ... 15 15 ... 25° 1160

3. Schnittkraft (Räumkraft)
Die Schnittkraft Fe wird um so größer, je größer Spanungsquerschnitt A und spezifische
Schnittkraft k e sind. ke-Werte in Tafel III.1.
Mit Spanungsdicke h (je Zahn), Schnittbreite b der Spanschicht und Anzahl der im Schnitt
stehenden Zähne Ze = l/t (= Räumlänge [treilung t) wird der Spanungsquerschnitt

A = bhz = bh {
e t
A l b , h, [, t
mm2 mm
I z
1
(III.1)

Damit ergibt sich die Schnittkraft

Fe = Ake = bhze ke
(III.2)
[
Fe=bhke -
t
Die erforderliche Durchzugskraft F max der Maschine ist um den Faktor 1,3 (für Fasenrei-
bung) größer. Ergibt sich durch Kraftmessung ein größerer Faktor, so ist das Werkzeug zu
schärfen.
(III.3)
Der gefährdete Querschnitt Agef des Räumwerkzeuges wird auf Zug beansprucht. Mit
erz =Fma/Agef und Fmax =1,3 bhze ke wird die Zugspannung

b, h, [, t Z

(IIIA)
mm 1

Da die Zahnteilung t = l/z ist, wird auch


bhke [
t erf = 1 , 3 - - - - (III.5)
A gef erz zul

4. Wahl der Schnittgeschwindigkeit


Die Schnittgeschwindigkeit uc ist wegen des schwierigen Zerspanvorganges bei allen Werk-
stoffen niedrig und zwar um so niedriger, je geringer die Zerspanbarkeit des Werkstoffes ist,
je verwickelter das zu räumende Profil und je größer die Räumlänge [ ist. Richtwerte aus
Tafel III.1.
849
Zerspantechnik

Standzeit und Oberflächengüte werden durch geeignete Schneidflüssigkeit stark beeinflußt:


Erprobung ist zweckmäßig. Schneidöle lassen höhere Standzeit, Emulsionen bessere Ober-
fläche erwarten. Für schwierige Profile und Werkstoffe werden geschwefelte Schneidöle
empfohlen.
Räumwerkzeuge besitzen gegenüber anderen Zerspanwerkzeugen höhere Standzeit und
Lebensdauer wegen der niedrigeren Schnittgeschwindigkeit und wegen des geringeren
Arbeitsaufwandes je Zahn.

s. Berechnung der Hauptnutzungszeit th

Mit Hublänge L und mittlerer Geschwindigkeit Um wird die Hauptnutzungszeit

m (III.6)
min mm
min
Ermittlung von Um siehe Hobeln und Stoßen.

Beispiel: Die Innennute einer GG-Buchse (Schnittbreite b = 12 mm, Tiefe 3,7 mm, Länge
1 = 100 mm) wird auf einer Waagerecht-Räummaschine hergestellt. Hublänge
L = 1000 mm, U a = 3 mImin, Ur = 4 mlmin.
Bestimme spezifische Schnittkraft k e, Zahnteilung t, Schnittkraft Fe, Durchzugs-
kraft Fmax und Hauptnutzungszeit th!
Lösung: a) Spezifische Schnittkraft k e = 2300 N/mm 2 nach Tafel III.1
b) Spanungsdicke h = 0,12 mm nach Tafel III.1
c) Zahnteilung t= 3 'Ihlx = 3 '10,12 mm ·100 mm· 4 - 20,8 mm
d) Zähnezahl zeje Räumlänge 1: ze = {= 100 mm 4
t 20,8mm
e) Spanungsquerschnitt A = bhze = 12 mm· 0,12 mm· 4 = 5,76 mm2
f) Schnittkraft Fe = A k e = 5,76 mm2 . 2300 N/mm 2 = 13,2 . loJ N
g) Durchzugskraft Fmax = 1,3 Fe = 1,3 . 13,2· loJ N = 17,2· 103 N
h) Mittlere Geschwindigkeit des Räumwerkzeuges
ua ur 3·4
Um = 2 - - - = 2 . - 34 mlmin = 3,43 mlmin
u a + Ur +
1·) H . 2L 2 ·1000 . 059·
auptnutzungszelt th =Um 1000 3,43 . 1000 mm = , mm

IV. Fräsen

L Bewegungenl )
Es gelten die unter I. Drehen dargelegten Grundbegriffe der Zerspantechnik in Verbindung
mit den Bildern IV.l, IV.2 und IV.6. Beim Fräsen führt die umlaufende Bewegung des
Werkzeuges (des Fräsers) zur Schnittbewegung mit der Schnittgeschwindigkeit U e und die

1) Siehe allgemeine Hinweise Uber Bewegungen, Geschwindigkeiten, Schnitt- und Spanungsgrößen unter I.
Drehen.

850
IV. Fräsen

geradlinige (fortschreitende) Bewegung des Werkstückes (des Tisches) zur Vorschub-


bewegung mit der Vorschubgeschwindigkeit Ufo Die resultierende Bewegung ist wieder die
Wirkbewegung mit der Wirkgeschwindigkeit U e (Bild IV.6); sie führt zur Spanabnahme und ist
die momentane Geschwindigkeit des betrachteten Schneidenpunktes in Wirkrichtung.
Im Gegensatz zum Drehen mit <p = 90° ändert sich beim Fräsen der Vorschubrichtungswinkel
<p während des Schneidvorganges des einzelnen Zahnes laufend (Bilder IV.1 und IV.2). Beim
Gegenlauffräsen ist <p < 90°, beim Gleichlauffräsen dagegen ist <p > 90°, wie Bild IV.6 deutlich
zeigt. Der Wirkrichtungswinkel TI ist wieder der Winkel zwischen Wirk- und Schnittrichtung.
Im allgemeinen Falle (<p <90°), wie beim Fräsen ist
tan TI = sin <p
Uc (lV.1)
-+cos<p
uf

Bild IV.1. Walzen mit Walzenfräser,


dargestellt in der Arbeitsebene
Mi M 2 ergibt Zahnvorschub I.
hm Mittenspanungsdicke beim halben
Vorschubrichtungswinkel !fI/2
Oe Schnittiefe
le Schnittvorschub
=====lC>Vf
Vorschubgeschwindigkeit

Bild IV.2. Stirnen mit Walzen-


stirnfräser bei symmetrischer
Gebiet des gegen- Einstellung des Werkzeuges

I
läufigen Prdsens IIp Schnittiefe
Oe Schnittbreite

~7~lco/nä'(;,7gen
I

!fI Vorschubrichtungswinkel
)Präsens 1)e Schnittgeschwindigkeit
ur Vorschubgeschwindigkeit
~-,----~,-.~~~
B

851
Zerspantechnik

Beim Drehen ist <p = 90° und damit tan 1'\ = ur/uc (siehe Drehen). Auch beim Fräsen ist in den
meisten Fällen das Verhältnis ur/uc so klein, daß mit U e = U c gerechnet werden kann.
Mit Fräserdurchmesser d, Fräserdrehzahl n und Vorschub ije Fräserumdrehung, Zahn-
vorschub fz und Zähnezahl z werden Schnitt- und Vorschubgeschwindigkeit errechnet:

Uc d n
(IV.2)
m
m min-1
min

ur n f fz z
(IV.3)
mm min-1 mm mm
-- 1
min U Zahn

2. Zerspangeometrie1)
Es gelten grundsätzlich die beim Drehen angegebenen Begriffsbestimmungen. Wichtigste
Bezugsebene ist auch hier die Arbeitsebene, in der sich alle an der Spanbildung beteiligten
Bewegungen vollziehen.
Sowohl beim Walzen (mit Walzen-. Scheiben-, Schaft- und Formfräsern) als auch beim
Stirnen (mit Walzstirnfräsern und Messerköpfen) wird die Zerspanarbeit durch die Um-
fangszähne aufgebracht, die Stirnzähne reiben und glätten nur. Walzenfräsen mit scheiben-
artigen hartmetallbestückten Messerköpfen wird deshalb auch als Umfangsfräsen bezeichnet.
Beim Walzen (Bild IV.I) entsteht ein kommaförmiger Span mit ungleichförmiger Quer-
schnittsbelastung der Schneide. Der Schnittwiderstand wächst im Gegensatz zum Drehen von
Null bis auf einen Höchstwert und fällt dann plötzlich wieder auf Null ab, entsprechend dem
laufend veränderten Vorschubrichtungswinkel <p (beim Drehen ist <p = 90° = konstant). Die
Schnittkraftschwankungen werden vermindert durch schräge Zähne, wenn zugleich mehrere
Zähne im Eingriff stehen und Zähnezahl z, Fräserdurchmesser d und Neigungswinkel As im
bestimmten Verhältnis zur Schnittbreite a p stehen. Der Neigungswinkel läßt sich bestimmen
aus:

(IV.4)

Allgemein gilt:
Für harte Werkstoffe und Schlichten kleinerer Schneidenwinkel und feinere Zahnteilung,
für Maschinenbaustähle bis 700 N/mm2 Zugfestigkeit größere Schneidenwinkel und größere
Zahnteilung,
für Leichtmetalle große Schneidenwinkel und große Zahnteilung.
Beim Gegenlauffräsen reibt der Zahn vor dem Eindringen in den Werkstoff, wodurch er
leichter abstumpft. Die während des Reibweges entstehende erhebliche Wärmemenge muß
durch reichliches Kühlen abgeführt werden.
Beim Gleichlauffräsen dringt der Zahn sofort in das volle Material ein. Moderne
Walzfräsmaschinen arbeiten im Gleichlauf, besonders Verzahnungsmaschinen. Über Kräfte
beim Gegen- und Gleichlauffräsen orientiert Bild IV.6.

1) Siehe allgemeine Hinweise über Bewegungen, Geschwindigkeiten, Schnitt- und Spanungsgrößen unter I.
Drehen.

852
IV. Fräsen

Der Vorschubrichtungswinkel <p beim Walzfräsen (Bild IV.I) läßt sich bestimmen aus:
d/2- ae 2ae
cos <p=~=I-d (IV.5)
oder mit Hilfe der geometrischen Beziehung
. <p -/ae(d - ae)
sm - =--r=======~
2 ",fae(d-aJ+(d-a ? e
und nach einigen Umformungen aus

sin!f=f!j (IV.6)
Für <p S 60° ergibt er sich auch aus

<po = 360° . Fe (IV.7)


1t ~d
Beim Stirnen (Bild IV.2) ist der Spanungsquerschnitt wie beim Drehen ein Rechteck oder
Parallelogramm. Auch der Schlankheitsgrad des abgenommenen Spanes ist ähnlich, so daß
wesentliche Erkenntnise vom Drehen übernommen werden können. Allerdings ändert sich
beim Stirnfräsen wie beim Walzfräsen der Schnittvorschub fe fortlaufend; beim Stirnfräsen
jedoch geringfügiger als beim Walzfräsen. Daher ist beim Stirnen die Querschnittsbelastung
der Schneide gleichmäßiger als beim Walzen.
Infolge des größeren Vorschubrichtungswinkels <p sind beim Stirnfräsen mehr Zähne im
Eingriff. Die spezifische Spanungsleistung ist größer als beim Walzfräsen; Stirnen ist daher
wirtschaftlicher.
Die Entscheidung zwischen Gegen- und Gleichlauffräsen ist beim Stirnfräsen nicht nötig,
weil nach Bild IV.2 im gleichen Schnitt sowohl gegen- als auch gleichläufiges Fräsen auftritt,
jedenfalls solange die Fräserachse zwischen Eintritts- und Austrittsebene (A-B) liegt.
Der Vorschubrichtungwinkel <p beim symmetrischen Stirnfräsen läßt sich bestimmen aus:
• <p ae/2 ae
sm 2 = d/2 =d (IV.8)

2.1. Schnitt- und Spanungsgrößen


Zu den beim Drehen gemachten Angaben kommen noch folgende Begriffsbestimmungen
hinzu:
Zahnvorschub fz ist der Vorschubweg zwischen zwei unmittelbar nacheinander entstehenden
Schnittflächen, also der Vorschub je Zahn oder je Schneide (Bild IV.1).
Mit z Anzahl der Zähne des Fräsers und f Vorschubweg je Fräserumdrehung ist der Zahn-
vorschub
f z
fz =Lz (IV.9)
mm mm
1
Zahn U
Der Schnittvorschub fe ist der Abstand von zwei unmittelbar nacheinander entstehenden
Schnittflächen, gemessen in der Arbeitsebene und senkrecht zur Schnittrichtung (Bilder IV.1
und IV.2).
Annähernd wird mit Zahnvorschub fz und Vorschubrichtungswinkel er der Schnittvorschub
fc = f z . sin er (IV. 10)
Beim Drehen und Hobeln war <p = 90° und damit auch fe =fz und mit GI. (IV.9) mit z =1 auch
fc=fz=f
853
Zerspantechnik

Schnittiefe ap bzw. Schnittbreite ae ist die Tiefe bzw. Breite des Eingriffs der Hauptschneide
senkrecht zur Arbeitsebene gemessen (Bilder IV.1 und IV.2). Arbeitsebene ist die gedachte
Ebene, die Schnitt- und Vorschubbewegung des betrachteten Schneidenpunktes enthält
(Bilder IV.1 und IV.6).
Beim Walzenfrlisen entspricht ap der Breite des Eingriffs (Schnittbreite) nach Bild IV.2.
Beim Stirnfrlisen entspricht ap der Tiefe des Eingriffs (Schnittiefe ) nach Bild IV.2.
Schnittbreite ae ist die Größe des Eingriffs der Schneide (des Zahnes) je Umdrehung,
gemessen in der Arbeitsebene und senkrecht zur Vorschubrichtung (Bilder IV.1 und IV.2).
Spanungsquerschnitt A ist der Querschnitt des abzunehmenden Spanes senkrecht zur
Schnittrichtung. In den meisten Fällen gilt
A =ap ' f e = bh, b Spanungsbreite, h Spanungsdicke. (IV.11)
Beachte: Der Spanungsquerschnitt A ergibt sich stets als Produkt aus der Schnittiefe bzw.
Schnittbreite ap und dem Schnittvorschub fe. Da fe in der Arbeitsebene (bzw. parallel zu ihr)
gemessen wird, muß die Schnittiefe senkrecht zur Arbeitsebene gemessen werden. Die
Schnittbreite darf nicht mit der Schnittiefe verwechselt werden; sie steht senkrecht zur
Schnittiefe und senkrecht zur Vorschubrichtung (siehe Bild IV.2).
Wichtige Bezugsgröße für die mittlere spezifische Schnittkraft k e ist die sogenannte
Mittenspanungsdicke hm (Bild IV.1). Für Walz- und Stirnfräsen gilt bei aeld ~ 0,3

hm =fz ~.
d Sill Kw hm , ae,d fz uf n z Kw
mm mm
h =Uf~.
mm min-1 1 °
- - Sill Kw Zahn min
m nz d
Darin ist beim Walzfräsen K w = 90° - As , mit A s = Neigungswinkel.
Der Begriff Mittenspanungsdicke ist in DIN 6580 nicht enthalten, läßt sich jedoch mit
GI. (IV.10) als Schnittvorschub fe berechnen, wenn für <p der maximale Vorschubrichtungs-
winkel eingesetzt wird (Bild IV.l):
h m = Je
1"
sm Kw = fz 'sm :2
<P Sill
• Kw

Beispiel: Walzfräsen im Gleichlauf mit Fräserdurchmesser d = 110 mm ergibt nach


Tafel IV.3 die Zähnezahl 8. Für eine Schnittbreite ap = 60 mm ergibt sich aus

cot\ = apz = 60 mm· 8 = 1,4 ein Neigungswinkel As '" 350.


dre 110 mm . re
Tafel IV.2 gibt für Stahl den Zahnvorschub fz = 0,1 ... 0,25 mm an; gewählt für
Schnittiefe a e = 4 mm wird Zahnvorschub fz = 0,2 mm/Zahn.
Lösung: Mittenspanungsdicke

hm = f z ~ d .
. Ja: Sill K w = 0,2 mm
A / 4mm
V 110 mm sin 55° =0,0312 mm

Vorschubrichtungswinkel

<P = 360° . Ja: =360° A / 4 mm '" 220; aus cos en


2ae
= 1--= 0' 927', en = 22°
re ~ d reV 110mm 'Y d 'Y

Vorschubweg je Fräserumdrehungf = f z . z = 0,2 mm . 8 = 1,6 mm

Spanungsquerschnitt bei r: A
U
=ap ' f e = ap ' hm =60 mm· 0,031 mm = 1,86 mm2
854
IV. Fräsen

2.2. Flächen und Winkel am Fräserzahn


Es gelten die unter 1.2.2 dargelegten Begriffe.
Beim Stirnfräsen lassen sich die Begriffe vom Drehmeißel leicht auf die Schneide des Zahnes
übertragen.
Grundsätzlich wird nach Bild IV.3 unterschieden zwischen Fräsern mit geschliffener oder
gefräster ,Freifläche und Fräsern mit hinterdrehter Freifläche (Formfräser). Letztere haben
vielfach Spanwinkel von 0°, der beim Scharfschleifen eingehalten werden muß, weil sonst
Profilverzerrung auftritt.
SteigungshtJhe h beim Formfräser ist die Höhe der Hinterdrehkurve, die wegen konstantem
Steigungswinkel logarithmische Spirale ist. Nach Bild IV.3 ergibt sich aus dem Dreieck
ABC: tan <Xo = hzldx und daraus
x d tan <Xo
h= (IV.14)
z

gut ausgerundete 0.03 rSchneidfase)


Zahnform bei allen
bei 10> 0° ist
mehrschneidigen Korrektur _____

t----
Werkzeugen erforderlich 10

geschliffene Freifläche hinterdrehte Freifläche

Bild 1V.3
Fräser mit geschliffener und hinterdrehter Freifläche

r---)t---
, '
1

,/
t'
I 1
II
I
I, I
" ,
1 I

1I '
1
1

Bild IV.4. Neigungswinkel A. und Steigungs- Bild IV.5. Freiwinkel a und Spanwinkel y
winkel K w beim schrägverzahnten Fräser (Werkzeugwinkel) im Normal- und Stirnschnitt

855
Zerspantechnik

Beim schrägverzahnten Walzenfräser sind die Zähne um den Neigungswinkel As gegenüber


der Fräserachse geneigt. Steigungswinkel K w = 90 As . Das Abwicklungsdreieck in Bild IV.4
0
-

zeigt
h h
cotAs = - (IV.15) tan K w = - (IV.16)
d1t d1t
Wegen der Neigung der Zähne ist zwischen den Schneidwinkeln im Normalschnitt (Index n)
und im Stirnschnitt (Index s) zu unterscheiden (Bild IV.5). Für Spanwinkel 'Y und Freiwinkel
U gilt:
tan 'Yn = tan 'Ys cos As
tan U s
tan u n = - - , - (IV.17)
cos "-s
Bei Fräsern mit geraden Zähnen ist As = 0°.
2.3. Wahl der Werkzeugwinkel
Freiwinkel Uo und Span winkel 'Yo hängen vom zu bearbeitenden Werkstoff und Fräserart ab.
Wirtschaftlich ist bei SS-Werkzeugen Beschränkung auf Freiwinkel Uo = 5° ... 8° und Span-
winkel 'Yo = 10° ... 15° für GG, GT, GS, Bz und St bis R m = 900 N/mm 2. Beim Gleichlauffräsen
etwa doppelt so große Werte.
Formfräser werden normal mit Spanwinkel 'Yo = 0° ausgeführt. Zerspanungstechnisch besser
ist wenigstens kleiner positiver Spanwinkel 'Yo = 2° ... 5° bei entsprechend korrigiertem Profil.
Spanwinkel 'Yo *" 0° müssen auf dem Fräser vermerkt und beim Scharfschleifen eingehalten
werden, um Profilverzerrungen zu vermeiden. Formfräser können so oft an der Spanfläche
nachgeschliffen werden (Bild IV.3), solange sie festigkeitsmäßig den Schnittwiderstand
aufnehmen.
Neigungswinkel As = 20° ... 40°, je nach Werkstoff.
Für Messerköpfe mit Hartmetallschneiden Uo = 3 0 8°, 'Yo = 6° ... 15°, Schneidenneigungs-
•••

winkel As =7° für leicht und 12° für schwer bearbeitbare Stähle.
Richtwerte für Zahnvorschub fz siehe Tafel IV.2, für Zähnezahl z siehe Tafel IV.3. Je kleiner
die Fräserzähnezahl, um so kleiner ist der Kraftaufwand, um so größer ist der Zahnvorschub
fz und um so niedriger ist spezifische Schnittkraft.

3. Kräfte und Leistungen!)


Bild IV.6 zeigt die in der Arbeitsebene liegenden Geschwindigkeiten und Kräfte am
einzelnen Fräserzahn beim Gegenlauf- und Gleichlauffräsen mit Walzenfräser. Die Kräfte
sind in bezug auf das Werkzeug eingetragen. Ein Vergleich mit Bild 1.1 zeigt den Unterschied
zwischen Drehen und Fräsen. Beim Drehen ist der Vorschubrichtungswinkel <p = 90° =
konstant und damit die Stützkraft Fst identisch mit der der Schnittkraft Fe. Beim Fräsen
dagegen ist <p < 90° beim Gegenlauffräsen, <p > 90° beim Gleichlauffräsen. Bei einem
Zahneingriff ändert sich <p laufend während des Schneidens. Es erscheint die Stützkraft Fst
als Projektion der (meist räumlich liegenden) Zerspankraft F (siehe Bild 1.1) auf eine in der
Arbeitsebene liegende Senkrechte zur Vorschubrichtung und die Schnittkraft Fe als
Projektion von F auf die Schnittrichtung. Die Resultierende von Stütz- und Vorschubkraft ist
die Aktivkraft Fa. Sie ist zugleich die Projektion der Zerspankraft F auf die Arbeitsebene.
Die Wirkkraft Fe ist die Projektion der Zerspankraft F auf die Wirkrichtung, d.h. auf die in
der Arbeitsebene liegende Wirklinie der Wirkgeschwindigkeit ue, Fe und Fe sind zugleich

1) Siehe auch DIN 6584

856
IV. Fräsen

Komponenten der Aktivkraft Fa (Bild IV.6). Die Stützkraft F st versucht beim Gegenlauffräsen
das Werkstück von seiner Unterlage abzuheben ("Ansaugen" des Fräsers), beim Gleichlauf-
fräsen dagegen preßt die Stützkraft Fst das Werkstück auf den Tisch und den Tisch auf seine
Führung. Der Fräser versucht dabei auf das Werkstück zu "klettern". Vorsicht bei dünn-
wandigen oder schlecht zu spannenden Werkstücken!

Arbeitsebene

Bild IV.6. Kräfte, Leistungsflächen und Geschwindigkeiten in der Arbeitsebene beim Walzenfräsen im Gegen-
und Gleichlauf; Kräfte in bezug auf den Fräser; Größenverhältnisse willkürlich angenommen; Pe Wirkleistung,
Pe SchniUleistung, Pe Vorschubleistung

Die Vorschub kraft Fewirkt beim Gegenlauffräsen der Vorschubrichtung entgegen, beim
Gleichlauffräsen dagegen in Vorschubrichtung. Die Wirkleistung Pe ist damit auch beim
Gegenlauffräsen gleich der Summe aus Schnittleistung Pe und Vorschubleistung Pe; beim
Gleichlauffräsen dagegen ist die Wirkleistung Pe die Differenz der beiden Leistungen (Bild
IV.6). Das ergibt beim Gleichlauffräsen eine Ersparnis bis etwa 15 % von der Gesamt-
leistung. Der gleiche Richtungssinn von Vorschubkraft und Vorschubgeschwindigkeit beim
Gleichlauffräsen macht spielfreie Anordnung der Tischvorschubspindel und wegen
Keilwirkung ("Klettern" des Fräsers) sicheres Festspannen von Werkstück und Spann-
vorrichtung erforderlich.
Zur Bestimmung der Kräfte werden Vorschubkraft Fe und Stützkraft Fst mit Meßgeräten
bestimmt. Sie können zur resultierenden Aktivkraft Fa zusammengesetzt werden:
(IV.18)
Obwohl der Betrag der Komponenten gemessen werden kann, ist der Angriffspunkt der
Schnittkraft noch nicht bekannt. Dazu wird das Drehmoment M gemessen. Daraus ergibt sich
mit dem Fräserdurchmesser d die mittlere Schnittkraft Fe (= Umfangskraft) zu

F =2M
e d
Fe I
M
N Nmm
Imm
d (IV.19)

857
Zerspantechnik

Aus der Schnittleistung Pe und der Schnittgeschwindigkeit Ue läßt sich Fe ebenfalls be-
rechnen:

m (IV. 20)
N kW
min
Damit läßt sich auch die auf den Fräsermittelpunkt M wirkende Radialkraft Fr berechnen (in
Bild IV.6 nicht eingetragen):
(IV.21)
Bei Fräsern mit Neigung der Schneiden ergibt sich die

~
F Fc
Zerspankraft F aus den drei Komponenten in Rich-
tung des räumlichen Achsenkreuzes As Neigungs-
wmkel
F = .j Fs~ + Ff + F; (IV.22) p. =fc-tan

Die Passivkraft Fp (siehe Bild I.1) ist nach Bild IV.7 Bild IV.7. Passivkraft Fp (Axialkraft)
aus der Schnittkraft Fe und dem Neigungwinkel As und Neigungswinkel A. beim Fräser mit
bestimmt: schrägen Zähnen
Fp = Fe tanB (IV.23)
Die mittlere Schnittleistung Pe an der Frässpindel ist abhängig von der spezifischen Schnitt-
kraft k e (Bild IV.8), von Schnittbreite a e und Schnittiefe a p sowie von der Vorschub-
geschwindigkeit Uf:

mm (IV.24)
kW mm
min
Die Antriebsleistung Pm ist um den Wirkungsgrad Tl größer als Pe. Tl = 0,6 ... 0,9; Pm = PclTl.
Die spezifische Schnittkraft k e ist abhängig vom zu fräsenden Werkstoff, von der Zerspan-
geometrie und von der Mittenspanungsdicke h m • Richtwerte siehe Bild IV.8.

5 -103.---...::::----------,---------.------,--------, 5 - 10 3
1
'" 4 -10 3 t - - - - = _ = - - + - - - - - - " ' _ ; ± - - - - - - t - - - - - - t - - - - - - - - i 4 - 10 3
e:
~
C!:
-s
.:oe"

0.063 0.1 0.16 0.25 0.4 0.63


Spaoongsdicke h in mm - - _
Bild IV.8. Spezifische SchniUkraft k c in Abhängigkeit von der Spanungsdicke h

858
IV. Fräsen

Es ist hm = fz,j aeld d.h. je größer d, um so kleiner h m , damit aber auch k e größer, also
ungünstiger.
Eine vereinfachte Berechnung der Schnittleistung Pe ist möglich mit Richtwerten für das
spezifische (zulässige) Spanungsvolumen Vspez in cm3/kW min. V spez ist dasjenige Spanungs-
volumen in cm3, das mit 1 kW Leistung in einer Minute erzielt werden kann:

(IV.25)
-cm
--
3
mm mm kW
kWmin min
Darin ist das Spanungsvolumen V je Minute:

(IV.26)

und damit die Schnittleistung

P=~
e V
(IV.27)
spez cm3
kW ---
kWmin
Richtwerte für das spezifische Spanungsvolumen Vspez siehe Tafele IV.4.

4. Wahl der Schnittgeschwindigkeit und Grundregeln für Fräsen


Richtwerte siehe Tafel IV. 1 mit Bemerkungen. Durch zu hohe Schnittgeschwindigkeit V e
werden die Schneiden übermäßig erwärmt und Standzeit vermindert.
Grundregeln: Schnittgeschwindigkeit V e beim Schruppen klein, beim Schlichten größer
(siehe Tafel IV.1); Vorschubgeschwindigkeit Vf beim Schruppen stabiler Werkstücke durch
Maschinenleistung und zulässige Schnittkräfte, beim Schlichten durch Oberflächengüte
begrenzt, siehe Tafel IV.2; Walzen möglichst vermeiden, Stirnen ist wirtschaftlicher, dem
Drehen ähnlich; auf guten Rundlauf der Fräser achten; Fräser dicht am Spindelkopf oder am
Fräsdornstützlager befestigen; mit Kühlflüssigkeit "schwemmen"; möglichst kleiner Fräser-
durchmesser und großer Fräsdorndurchmesser; Schneidenwinkel richtig wählen; Fräser oft
schärfen.
Beispiel: Es soll Werkstoff St60 mit Walzenfräser von 110 mm Durchmesser, z = 8 Zähne
(Tafel IV.3) gefräst werden. Gewählt:
v
e
= 16 ~
mm
(Tafel IV.1), f =0,25 mm
Z Zahn
(Tafel IV.2)

Schnittiefe ae = 3 mm, Schnittbreite ap = 120 mm.

Fräserdrehzahl n =-v = 16m 463'


, mlll-1
e
Lösung:
ltd min . 1t . 0,11 m
eingestellt n = 45 min-1
Vorschub je Fräserumdrehung f =fz z =0,25 . 8 mm = 2mm
Vorschubgeschwindigkeit v f =fn =2 . 45 mm
m~ =90 ~
mm
eingestellt
mm
v f = 90 -.-
mm

Mittenspanungsdicke h m =f z ~ =0,25 . .y 1io mm


hm =0,0412 mm ~ 0,040 mm
859
Zerspantechnik

Mittlere spezifische Schnittkraft k e = 4,4 . 1tr N 2


mm
4400 . 120· 3 . 90 kW = 297 KW
60 . 106 . 0,8 '
QpQe ur
- - =3 ·120·90 cm =32,4--
cm 3 3
Spanungsvolumen V =-
1000 1000 min min
3
Spezifisches Spanungsvolumen Vspez = 14 cm. (Tafel IVA)
kWmm
Schnittleistung Pe =V V =3~44 kW =2,31 kW
spez

Antriebsleistung Pm =Pe =2,31 kW =2,9 kW


TI 0,8
Mittlere Schnittkraft Fe =6 . 104 Pe =6 . 104 . 2,31 N =8680 N
TI 16

Tafel IV.I. Richtwerte für Schnittgeschwindigkeiten Ue in mJmin mit Schnellarbeitsstahl und


Hartmetall beim Gegenlauffräsen

Werkstoffe
Werkzeug Stahl GG Al-Leg. ausgehärtet Mg-Leg.
Walzen- und Walzenstirnfräser 10... 15 10 ... 22 150 ... 350 300 ... 500
hinterdrehte Formfräser 15 ... 24 10 ... 20 150 ... 150 300 ... 400
Kreissägen 35 ... 40 20 ... 30 200 ... 400 300 ... 500
Messerkopf mit SS 15 ... 30 12 ... 15 200 ... 300 400 ... 500
Messerkopf mit HM 100 ... 200 30 ... 100 300 ... 400 800 ... 1000

Niedere Werte für Schruppen; für Stirnfräser etwas höhere Werte als für Walzenfräser zulässig; Frästiefe 3 mm
bzw. 5 mm bei Walzen- bzw. Stirnfräser, bei Messerkopf bis 8 mm. Höhere Werte für Schlichten. Für
Gewindefräsen: Langgewinde 1,3 x Wert für hinterdrehte Formfräser, Kurzgewinde 1,5 x Wert für hinterdrehte
Formfräser. Für Gleichlauffräser Werte x 1,75.

Tafel IV.2. Richtwerte für Zahnvorschub fz in mm/Zahn für Schnellarbeitsstahl und Hart-
metall beim Gegenlauffräsen

Werkstoffe
Werkzeug Stahl GG Al-Leg. ausgehärtet Mg-Leg.
Walzen- und Walzenstirnfräser 0,1 ... 0,25 0,1 ... 0,25 O,05 ... 0,ffi 0,1...0,15
hinterdrehte Formfräser 0,03 ... 0,04 0,02 ... 0,04 0,02 0,03
Messerkopf mit SS 0,3 0,1 ... 0,3 0,1 0,1
Messerkopf mit HM 0,1 0,15 ... 0,2 0,06 0,06

Werte gelten für Frästiefen: 3 mm bei Walzenfräsern, 5 mm bei Walzenstirnfräsern, bis 8 mm bei Messerköpfen,
bei Kreissägen für 3 mm Blattbreite bei 10 mm Schnittiefe, Werte für Messerköpfe mit HM bei St und GG
verdoppeln, wenn Maschinenleistung hoch genug ist.

860
IV. Fräsen

Tafel IV.3. Richtwerte für Zähnezahlen an Schnellstahlfräsern

Fräserdurchmesser d in mm
Werkzeug 10 40 50 60 75 90 110 130 150 200 300
Walzenfräser 6 6 6 6 8 8 10 10
Walzenstirnfräser 8 8 8 10 12 12 14 16
Scheibenfräser 8 8 10 12 12 14 16 18
hinterdreht Formfräser 8 10 10 10 12 14 16 18
Schaftfräser 4 6
Messerköpfe 8 10 10 12 16

Zähnezahlen gelten für normale Werkstoffe. Bei zähen und harten Werkstoffen obige Werte etwa x 1,5; bei Leicht-
metallen etwa x 0,8

Tafel IV.4. Richtwerte für spezifisches Spanungsvolumen Vspez

Werkstoff v.: . cm
3
Werkstoff Yapez
. cm3
In - - . -
spez ID kW min kWßlln

St50 14 ... 18 GG-26 20 ..• 30


St60 12 ... 16 Sphäroguß 20 ..• 25
St70 10 ... 12 Messing 35 ... 50
Cr-Ni-Stahl 10 ... 12 Duralumin 45 ... 65

5. Berechnung der Hauptnutzungszeit th

5.1. Walzfräsen und Stirnfräsen Oe Schnittiefe mm


L. L. ap Schnittbreite mm
th=-l=-l (IV.28)
uf nf d Fräserdurchmesser mm
h Werkstoffzugabe mm
uf =nj i Anzahl der Schnitte mm
f=fzz La Fräseranschnittweg mm
Zü Fräserüberlaufweg mm
i =.!!.. beim Walzen L Arbeitsweg = La + Z+ Zü mm
ae
n Fräserdrehzahl min-1
(IV.29) f Vorschub mmlU
i =!!.. beim Stirnen fz Zahnvorschub mm/Zahl
ap Uf Vorschubgeschwindigkeit mm/min
Uc U c Schnittgeschwindigkeit m/min
n=318 lI z Zähnezahl des Fräsers

La="/ae(d-ae) (IV.30)
für Walzen nach Bild IV.9
La ~ O,5(d -.j d 2 _a; (IV.31)
für Stirnen
Bild IV.9
Fräseranschnittweg la
L
beim Walzenfräsen

861
Zerspantechnik

5.2. Nutenfräsen
t L.
tn=-+-l (IV.32) Nutenlänge (Außenmaß) mm
ufl u f2
Ufl Tiefenvorschubgeschwindigkeit
mm/min
Uf2 Längsvorschubgeschwindigkeit
L =l-d (IV.33) mm/min
Nutentiefe mm
(IV.32) und (IV.33) für Schaftfräser,
sonst wie beim Walzen

5.3. Rundfräsen ae Schnittiefe mm


ae 1td1 (1,2 ... 1,25) 1td1 Ufl Radialvorschubgeschwindigkeit
th = - + - ' " (IV.34) mm/min
Ufl U f2 U f2
Uf2 Rundvorschubgeschwindigkeit
la = J ae (d - ae ) (IV.36) (= Umfangsgeschwindigkeit
des Werkstücks) mm/min
für tangentialen Anschnitt d1 Werkstückdurchmesser mm
la Fräseranschnittweg mm
5.4. Gewinde-und Schneckenfräsen d Fräserdurchmesser mm
5.4.1. Langgewinde mit Scheibenfräser
L d1 Gewindedurchmesser
th =-u g (IV.37) (genauer mit d2 = Flankendurch-
f
messer) mm
1t d1l
L=- (IV.38) g Gangzahl des Gewindes
h h Steigung mm
für kleine Steigung Gewindelänge (Zeichnungsmaß) mm
Uf Umfangsvorschubgeschwindig-
1t d1l I ..;'1?"""--'d1"2-+"""h"'-2
L=-- (IV.39) keit am Durchmesser d mm/min
cosClh h L Arbeitsweg (Länge der
für große Steigung Schraubenlinie) mm
Cl Steigungswinkel der Schraubenlinie
tanCl=~ (IV,40)
d l 1t

5.4.2. Kurzgewinde mit Rillenfräser


L Arbeitsweg = 7/6 mal Schraubgang-
th_Formel wie oben
länge bei Berücksichtigung des
L =3,7 dl (IV,41) Anschnittes mm
5.5. Zahnradfräsen
5.5.1. Teilverfahren, wie Langfräsen
5.5.2. Wälzfräsverfahren (wie Bild IV.lO)
t _ Lz _ Li d Fräserdurchmesser mm
h - fng - fn (IV,42)
g Gangzahl des Fräser
la = lh(d - h) h Zahnhöhe mm
(IV,43)
I Breite des Zahnrades mm
Uc la Fräseranschnittweg mm
n = 318(i (IV,44)

862
IV. Fräsen

L Arbeitsweg des Wälzfräsers


in Zahnrichtung mm
m Modul des Zahnrades mm
n Fräserdrehzahl min-1
-" f Vorschub je Zahnrad-
umdrehung mm/U
i = zlg = Übersetzungsverhältnis
-" Werkstück
von Zahnradrohling/
Frässchnecke
Bild IV.IO. Fräseranschnittweg la beim U e Schnittgeschwindigkeit des
Abwälzfräsen Wälzfräsers m/min
Z Zähnezahl des Zahnrades
5.6. Schneckenradfräsen (Wälzverfahren)
5.6.1. Radialfräsen (Tauchfräsen) g Gangzahl des Wälzfräsers
fa Axialvorschub je Radumdrehung
afZ
t --- (IVA5) mm/U
h- frng Ir Radialvorschub je Radumdrehung
5.6.2. Axialfräsen mm/U
af Radialzustellung mm
aw Axialzustellung mm
(IVA6)
la Fräseranschnittweg mm

Beispiel: Eine Fläche von 600 mm Länge und 180 mm Breite (Fräsbreite) soll mit Stirn-
messerkopf von 200 mm Durchmesser in drei Schnitten gefräst werden. Werkstoff
GG-26. SS-Werkzeug. Schnittiefe a p = 5 mm. Gesucht: Hauptnutzungszeit th und
erforderliche Schnittleistung Pe überschlägig.

Lösung: Schnittgeschwindigkeit u e =20 ~ nach Tafel IV.l


mm
mm
Zahnvorschub f z =0,2 Zahn nach Tafel IV.2

Drehzahl des Messerkopfes n =318 :e = 318 . ~O~ min-1 =31,8 min-1

Zähnezahl des Messerkopfes Z = 12 nach Tafel IV.3

Vorschub je Fräserumdrehung f= fzz = 0,2.12~ = 2,4 ~

Vorschubgeschwindigkeit u f = nf =31,8·2,4 mm
~ =76,3 m~
mm
=0,5(d -,,; d 2 - a;) =0,5· (200 - ";2002 -18()2) mm =56,5 mm
~~------.,-

Fräseranschnittweg la
Arbeitsweg L =la + l + lü =56,5 mm + 600 mm + 3,5 mm =660 mm
. t =-
H auptnutzungszelt L.660 ·
I =-- . 3 mm =
26'mm
h
uf 76,3
cm3
Spezifisches Spanungsvolumen v.spez =30 - - . - nach Tafel IVA
kWmm
cm 3 5· 180· 763 cm 3 cm 3
Spanungsvolumen V = - . = 1000' . =68,7 - .
mm mm mm
Schnittleistung Pe = VlVspez = (68,7/30) kW =2,28 kW
863
Zerspantechnik

V. Bohren
1. Bewegungen1)
Die umlaufende Bewegung des Werkzeuges führt zur Schnittbewegung, seine in Achsrichtung
fortschreitende Bewegung ergibt die Vorschubbewegung. Beide Bewegungen stehen wie beim
Drehen unter dem Vorschubrichtungswinkel q> = 90° (Bild V.I). Beide Bewegungen ergeben
wieder die unter dem Wirkrichtungswinkel TI zur Schnittrichtung geneigte Wirkbewegung.
Entsprechend der Schnitt-, Vorschub- und Wirkbewegung ist auch hier zu unterscheiden
zwischen Schnittgeschwindigkeit U e, Vorschubgeschwindigkeit Uf und Wirkgeschwindigkeit U e .
Mit Bohrerdurchmesser d, Drehzahl n und Vorschub f wird

d n s (V.I)
Ur = ns m mm mm
m
min min U
Bei dem meist sehr kleinen Verhältnis uclu e kann auch hier U e = U e gesetzt werden.
Alle Bewegungen liegen wiederum in der sogenannten Arbeitsebene (Bild V.I).
Bohren ist auch der Sammelbegriff für Senken, Reiben, Gewindeschneiden, Bohren mit
Drehmeißel u.a., so daß eine Vielzahl von Werkzeugen und Maschinen zu diesem Zer-
spanvorgang gehören, z.B. Ständer-, Reihen-, Radial-, Koordinaten-, Gelenkspindel-,
Vielspindel-, Sonderbohrmaschinen, Horizontalbohrwerke, Lehrenbohrwerke, Tiefloch-
bohrmaschinen, CNC-Fräsmaschinen.
. 1)
2. Zerspangeomet ne
Das Bohren mit dem Spiralbohrer ist Schruppen mit der Stirnseite eines zweischneidigen
Werkzeugs (z = 2); daher sind nur geringe Anforderungen an Formgenauigkeit und Maß-
haltigkeit der Bohrungen und an die Oberflächengüte möglich. Höhere Oberflächengüte wird
durch anschließendes Reiben erreichbar.
Die Bezeichnungen und Lage der Schneiden, Flächen, Werkzeugwinkel, Geschwindigkeiten
und Kräfte zeigt Bild V.1. Der Zerspanvorgang an den beiden Hauptschneiden ähnelt dem
Drehen. Jede Hauptschneide wird bei vertikal stehendem Werkzeug schräg nach unten (in
Wirkrichtung) unter dem Wirkrichtungswinkel TI vorgeschoben.
Mit Vorschub f und Werkzeug-Durchmesser d wird tanTl =jI(drc). Der Werkzeug-Span-
winkel "(0 des Spiralbohrers liegt durch den Neigungswinkel fest. Da dieser nach der
Bohrermitte hin abnimmt, wird auch "(0 zur Seele hin kleiner. Der Wirk-Span winkel hängt
außerdem vom Wirkrichtungswinkel TI ab, wie bei jedem Zerspanvorgang. Mit kleiner
werdendem Durchmesser d (nach Bohrermitte zu) wird TI immer größer. Dadurch verändern
sich Wirk-Freiwinkel Uo und Wirk-Span winkel "(0. Sollen beide Winkel an jeder Durch-
messerstelle gleich groß sein, so muß der Hinterschliffwinkel an der Freifläche zur Mitte zu
größer werden. Üblich ist ein Hinterschliffwinkel von 6° am Außendurchmesser, zur Spitze
zu auf über 20° ansteigend. Exakte Ausführung ist daher nur auf Spiralbohrer-Schleif-
maschinen möglich, nicht von Hand.
Spitzenwinkel und Neigungswinkel sind für die verschiedenen Werkstoffe aus der Erfahrung
heraus festgelegt worden, z.B. für Stahl cr = 118° Spitzenwinkel. Der Querschneidenwinkel \jI
ist abhängig von der Art des Hinterschliffes. Günstig ist ein Winkel \jI = 55°. Jede andere Lage
der Querschneide vergrößert die Vorschubkraft Fr, ohne das Drehmoment wesentlich zu
verändern.
1) Siehe auch allgemeine Hinweise beim Drehen, ebenso DIN 6580.
864
V. Bohren

betrachteter
Schneidenpunkt

Schnittiefe ap = 1

//
/
('
\
\
\
\
\ ,
Werkzeug - ~ ./
Orthogonal- 'y.//
ebene ' v "- , /'
< Werkzeug-
..;,- ;/" Orthogonal-
ebene
Bild V.i. Flächen, Schneiden, Werkzeugwinkel, Geschwindigkeiten und Kräfte am Spiralbohrer
cp Vorschubrichtungswinkel, 11 Wirkrichtungswinkel, U e Schnittgeschwindigkeit, Ur Vorschubgeschwindigkeit,
u e Wirkgeschwindigkeit

Die ungünstigen Zerspanverhältnisse unter der Querschneide (mehr "Reiben" als "Schnei-
den") erfordern bei Stahl und zähen Werkstoffen Ausspitzen der Bohrerspitze, so daß die
Querschneide verkürzt wird. Dadurch kann die Vorschubkraft Fr (Axialkraft) bis auf ein
Drittel verringert werden.
Für zähe und harte Werkstoffe ist Verjüngung des Bohrers nach dem Schaft zu nötig, etwa
0,1 ... 0,15 mm auf 100 mm Länge, sonst besteht Gefahr des Anfressens der Fasen, der Bohrer
knirscht
Der Spanungsquerschnitt A für eine Hauptschneide ergibt sich auch beim Bohrern aus
Schnittiefe a p und Vorschub f:
A =ap t.s =~2 . L =df
2 4
(V.3)

Die obige Gleichung ergibt sich wieder aus der für alle Zerspanvorgänge gültigen
Begriffsbestimmung der Schnittiefe als derjenigen Tiefe des Eingriffes der Hauptschneide,
die senkrecht zur Arbeitsebene gemessen wird. Nach Bild V.l ist demnach a p = d12, und mit
fs = fz sin <p (GI. (IV.lO» wird bei <p = 90°,fc = fz = fl2 (siehe unter Fräsen). Für beide
Hauptschneiden wird dann 2A = dfl2.
Der Spanungsquerschnitt A je Hauptschneide ergibt sich auch aus der Berechnung des
minutlich gebohrten Spanungsvolumens V. Mit Vorschubgeschwindigkeit uf = nfund Boh-
rerdurchmesser d ist das Spanungsvolumen
d 21t d 21t
V=Tut=Tnf (VA)

865
Zerspantechnik

Außerdem ist V auch das Produkt aus dem je Hauptschneide erzeugten Spanungsquerschnitt
A und der am halben Bohrerdurchmesser herrschenden Schnittgeschwindigkeit U em:
d 1tdn
V =2A uem =2A 2 1tn u em =-2- (V.5)

Werden beide Gleichungen gleichgesetzt, so ergibt sich für den Spanungsquerschnitt A je


Hauptschneide:
1td 2 d A=df
-nf=21tA-n
4 2 4
In Bild V.1 wurden von der die Hauptschneide und die Bohrerachse enthaltenden Werkzeug-
Bezugsebene ausgehend die Ansichten des Werkzeuges in den anderen Ebenen entwickelt.
Siehe auch Bild 1.4 und Erläuterngen unter I. Drehen.

3. Kräfte und Leistungen


Für das Bohren ins Volle mit ausgespritzen Spiralbohrern geben die Bohrmaschinen-
hersteller die Bohrleistungen und Kräfte an. Drehmomente und Vorschubkräfte werden mit
Hilfe besonderer Meßeinrichtungen durch Versuche bestimmt. Der Berechnung liegen
folgende vom Drehen hergeleitete Überlegungen zugrunde.
Mit der spezifischen Schnittkraft k e beim Bohren wird wie beim Drehen die Schnittkraft
Fe = 2A k e = 2 ~f k e und daraus

mm N (V.6)
N mm
U mm2
Werte für die spezifische Schnittkraft k e beim Bohren können mit ausreichender Genauigkeit
Bild 1.10 entnommen werden.
Die Vorschubkraft Ff läßt sich nicht in gleicher Weise wie die Schnittkraft Fe bestimmen, weil
der Spanungsquerschnitt unter der Querschneide geometrisch schwer zu erfassen ist und F f
stark von der Geometrie der Querschneide abhängt. Man rechnet deshalb mit versuchsmäßig
aufgestellten Gleichungen, z.B. für St 50 in Abhängigkeit vom Bohrerdurchmesser d in mm
nach (GI. (V.11), siehe unten): Ff =108 d Vd.
Greift die Schnittkraft Fe nach Bild V.1 je zur Hälfte an der Mitte der Hauptschneiden an, so
ergibt sich das für die Schnittleistung Pe maßgebende Drehmoment (Bohrmoment):
Fe d Fed
M=-·-=-
2 2 4
(V.7)
F =4M
e d

Mit GI. (V.6) ergibt sich auch


df d d 2 kJ
M=2k<~-=-8- (V.8)

866
V. Bohren

Aus der allgemeinen Beziehung: Leistung P = Drehmoment M x Winkelgeschwindigkeit Ol


kann die zugeschnittene Größengleichung für die Schnittleistung Pe entwickelt werden:

m (V.9)
kW Nmm min-1 N
min
Die Vorschubleistung Pr ergibt sich aus der Vorschubkraft Fr und der Vorschubgeschwin-
digkeit Ur = nfzu
f
mm (V. 10)
kW
U
Da die Vorschubgeschwindigkeit Ur = nfmeist sehr klein ist, kann die Vorschubleistung Pr
vernachlässigt werden. Die Antriebsleistung kann dann unter Berücksichtigung des Wir-
kungsgrades " allein aus der Schnittleistung berechnet werden.
Da die Schnittkraft von vielen Faktoren abhängt, insbesondere von der noch nicht genügend
erforschten spezifischen Schnittkraft, werden nachstehend einige empirisch gewonnene
Gleichungen zur Berechnung der Kräfte, Momente und Leistungen angegeben (M in Nmm,
Fr in N, Pe in kW, d in mm):
M=44d 2 Vd (für St 50)
M=21 Vd d2 (für GG)
Fr =108 dVd (für St 50)
(V.ll)
Fr=49 dVd (für GG)
Pe = 0,052 d Vd (für St 50)
Pe =0,018 d Vd (für GG)
Eine Übersicht über die prozentualen Anteile von Drehmoment Mund Vorschubkraft Ff
gibt die folgende Zusammenstellung:

Anteil in % mit steigendem Vorschub


M Fe
Hauptschneiden 70 ... 90 50 ... 40
Querschneiden 10 ... 5 45 ... 58
Fasen- und Spanreibudng 20 ... 5 5 ... 2

Der erhebliche Anteil der Querschneide an der Vorschubkraft muß durch Ausspitzen oder
Vorbohren vermindert werden.

4. Wahl von Schnittgeschwindigkeit und Vorschub


Richtwerte für allgemeine Bohrarbeiten werden folgender Tafel V.1 entnommen.

867
00
Cl
00

Tafel V.l. Richtwerte für allgemeine Bohrarbeiten (Werkzeuge aus Schnellarbeitsstahl)


i
Vorschübe tin mmIU
i
:::s
~
Schnitt- Werkzeugdurchmesser in mm
Werkstoff Arbeitsstufe Art des geschwin-
Werkzeuges digkeit U c 5 6,3 8 10 12,5 16 20 25 31,5 40 50 63 80
in m/min
Orauguß Bohren ins Volle Spiralbohrer 28 ... 18 0,16 0,18 0,2 0,22 0,25 0,28 0,32 0,36 0,4 0,45 0,5 0,56 0,63
bis Senken Senker 20 ... 16 0,25 0,28 0,28 0,32 0,32 0,36 0,36 0,4 0,4 0,45 0,45 0,5 0,5
0022 Abflächen Abflächmesser 12,5 ... 10 0,05 0,056 0,06 0,07 0,08 0,09 0,1 0,11 0,12 0,14 0,16 0,18 0,2
oder Zapfensenker
Reiben Reibahle 12,5 ... 10 0,8 0,8 0,9 0,9 1,0 1,0 1,12 1,12 1,25 1,25 1,4 1,4 1,6
Ausbohren, Schruppen Bohrstange 20 - - - - - - - - 0,28 0,32 0,32 0,36 0,36
Ausbohren, Schlichten mit eing. Stählen 25 - - - - 0,18 0,2 0,22 0,25 0,28 0,32 0,36 0,4 0,45
Feinbohren 31,5 - - - - 0,16 0,18 0,18 0,2 0,2 0,22 0,22 0,25 0,25
St60 Bohren ins Volle Spiralbohrer 28 ... 25 0,11 0,12 0,14 0,16 0,18 0,2 0,22 0,25 0,28 0,32 0,36 0,4 0,45
Senken Senker 22,4 0,36 0,36 0,4 0,4 0,45 0,45 0,5 0,5 0,56 0,56 0,63 0,63 0,7
Abflächen Abflächmesser 12,5 ... 10 0,05 0,056 0,06 0,07 0,08 0,09 0,1 0,11 0,12 0,14 0,16 0,18 0,2
oder Zapfensenker
Reiben Reibahle 8 ... 6,3 0,4 0,45 0,5 0,56 0,63 0,71 0,8 0,9 1,0 1,1 1,25 1,4 1,6
Ausbohren, Schruppen Bohrstange 31,5 - - - - - - - - 0,28 0,32 0,32 0,36 0,36
Ausbohren, Schlichten mit eing. Stählen 40 - - - - 0,14 0,16 0,18 0,2 0,22 0,25 0,28 0,32 0,36
Feinbohren 50 - - - - 0,12 0,14 0,16 0,18 0,2 0,22 0,22 0,25 0,26
Messing, Bohren ins Volle Spiralbohrer 56 ... 35,5 0,12 0,14 0,16 0,18 0,2 0,22 0,25 0,28 0,32 0,36 0,4 0,45 0,5
Rotguß, Senken Senker 31,5 0,36 0,36 0,4 0,4 0,45 0,45 0,5 0,5 0,56 0,56 0,63 0,63 0,7
Kupfer, Abflächen Abflächmesser 25 ... 20 0,05 0,056 0,06 0,07 0,08 0,09 0,1 0,11 0,12 0,14 0,16 0,18 0,2
Bronze oder Zapfensenker
Reiben Reibahle 14 0,8 0,8 0,9 0,9 1,0 1,0 1,12 1,12 1,25 1,25 1,4 1,4 1,6
Ausbohren, Schruppen Bohrstange 50 - - - - - - - 0,28 0,28 0,32 0,32 0,36 0,36
Tafel V.I. (Fortsetzung)

VorschUbe lin mmlU

Schnitt- VVerkzeugdurchmesser in mm
Art des geschwin-
VVerkstoff Arbeitsstufe
VV erkzeuges digkeit \Je 5 6,3 8 10 12,5 16 20 25 31,5 40 50 63 80
in mlmin

Leicht- Bohren ins Volle Spiralbohrer 160 ... 125 0,16 0,18 0,2 0,22 O,2S 0,28 0,32 0,36 0,4 0,45 0,5 0,56 0,63
metall, Senken Senker 80 ... 63 0,25 0,28 0,28 0,32 0,32 0,36 0,36 0,4 0,4 0,45 O,4S 0,5 0,5
Al-Leg. Abflächen Abflächmesser 50 ... 28 0,05 0,056 0,06 0,08 0,09 0,1 0,11 0,12
Om 0,14 0,16 0,18 0,2
oder Zapfensenker
Reiben Reibahle 25 0,8 0,8 0,9 0,9 1,0 1,0 1,12 1,12 1,25 1,25 1,4 1,4 1,6
Ausbohren, Schruppen Bohrstange 140 ... 125 - - - - - - 0,25 0,25 0,28 0,28 0,32 0,32 0,36
Ausbohren, Schlichten mit eing. Stählen 80 •.. 63 - - - - 0,14 0,16 0,18 0,2 0,22 0,25 0,28 0,32 0,36
Feinbohren 140 ... 125 - - - - 0,12 0,14 0,16 0,18 0,2 0,2 0,22 0,22 0,22
-~

Bei der Drehzahlermittlung sind für die kleinen Bohrerdurchmesser die hohen, für die großen Bohrerdurchmesser die niedrigen Schnitt-
geschwindigkeiten zugrunde zu legen.
Beim Bohren tiefer Löcher sind die Vorschübe nach folgender Aufstellung herabzusetzen.

Bohrerdurchmesser Bohrtiefe bis zum Bohrtiefe vom Bohrtiefe Uber


bis 20 mm = Sfachen Bohrerdurchmesser 5 ... 8fachen Bohrerdurchmesser 8fachen Bohrerdurchmesser
bis 32 mm = 4fachen Bohrerdurchmesser 4 ... 6,3fachen Bohrerdurchmesser 6,3fachen Bohrerdurchmesser
bisSOmm = 3,15fachen Bohrerdurchmesser 3,15 ... 5fachen Bohrerdurchmesser Sfachen Bohrerdurchmesser
bis80mm = 2,5fachen Bohrerdurchmesser 2,5 ... 4fachen Bohrerdurchmesser 4fachen Bohrerdurchmesser
(lfacher Vorschubwert) (O,8facher Vorschubwert) (O,5facher Vorschubwert)
---------- - - ---- :<
~
::r
00
Ol CiJ
(0 ~
v. Bohren
5. Berechnung der Hauptnutzungszeit th (Maschinenlaufzeit)
L. L. L Arbeitsweg = La + Lw + Lü mm
th=-I=-I (V.12)
uf nf (einschließlich An- und Oberlauf)
n Drehzahl min-1
für gestufte Drehzahlreihe
f Vorschub mmlU
th = dx . L i Ue Schnittgeschwindigkeit mIm in
(V.13)
ue f d Bohrerdurchmesser m
Schnittzahl
für stufenlosen Antrieb Uf Vorschubgeschwindigkeit mmlmin

Stoff CI Kr cot Kr La = apcot Kr

Stahl und GG 118° 59° 0,6 ~(d-d0


Alu-Leg. 140° 700 0,365 ~ (d - di)
Mg.-Leg. 100° 500 0,839 ~ (d - di)
Marmor 800 40" 1,192 ~(d - tl;)
Hartgummi 300 15° 3,732 2 (d-d0
Bild V.2

Zur Bestimmung des Arbeitsweges L sind folgende Zuschläge für An- und Oberlaufweg bei
durchgehenden Bohrungen zu machen:

Arbeitsvorgang An- und Überlaufweg


Bohren mit Spiralbohrer ins Volle ~Bohrerdurchmesser + 2 mm
Senken oder Aufbohren io Werkzeugdurchmesser + 2 mm
Reiben mit Maschine Länge des Führungsteiles der Reibahle
Gewindeschneiden mit Maschine Länge des Gewindeteiles des Bohrers
Ausbohren mit Meißel 3 ... 4mm

Beispiel: Es ist ein Sackloch von 30 mm Durchmesser und 45 mm Tiefe aus dem Vollen in
GG zu bohren. Hauptnutzungszeit und Schnittleistung sind zu bestimmen.
mm
Lösung: Vorschub f = 0,4 U' nach Tafel V.1

Schnittgeschwindigkeit u e =22 ~ , gewählt nach Tafel V.1


mm
Drehzahl n = 318 :e = 318 . ~~ min-1 = 233 min-l, einstellbar

n = 250 min-1 nach Drehzahlreihe


Arbeitsweg L = la + lw + lü = 10 mm + 45 mm + 2 mm = 57 mm

Hauptnutzungszeit th = !:... = 57 min = 0,57 min '" 0,6 min


nf 0,4· 250
Schnittleistung Pe = 0,018 d Vd = 0,018·30· '..f3OkW = 1,68 kW
Bohrmoment M = 21 d 2 Vd = 21 .302 • V30 Nmm = 58727 Nmm
Vorschubkraft Ff = 49 d Vd = 49 . 30 . V30 N = 4567 N

870
VI. Schleifen

VI. Schleifen
1. Bewegungen
Ähnlich wie beim Fräsen führt auch beim Schleifen ein umlaufendes Werkzeug (die Schleif-
scheibe) die Schnittbewegung aus. Viele am Umfang der Scheibe verteilte, geometrisch nicht
bestimmbare Schneiden (die Ecken der Schleifkörner) nehmen dabei vom Werkstück kleine
kommaförmige Späne ab. Schleifen ist daher mit Fräsen vergleichbar. Tiefenzustellung und
Vorschubbewegung werden je nach Bauart der Maschine vom Werkstück oder Werkzeug
ausgeführt. Aufbau, Form der Schleifwerkzeuge, Körnung, Bindemittel und Kennzeichnung
sind den Katalogen der Herstellerfirmen zu entnehmen.

2. Zerspangeometrie
Vereinfacht kann die Spanbildung nach Bild VI.1 er-
klärt werden. Die Schleifscheibe läuft mit der Dreh-
zahl n s , das Werkstück mit n w um. Das momentan
schneidende Umfangskorn der Scheibe besitzt die
Umfangsgeschwindigkeit U c (Schnittgeschwindigkeit).
Es tritt im Punkt E (Bild VI.1) in das Werkstück ein
und verläßt es bei A wieder. In der gleichen Zeit ist
Punkt A nach R gewandert. Der abgeschliffene Span
hat angenähert die Form ARE. Er wird um so feiner
sein, je höher die Schleifscheibengeschwindigkeit u c, je
niedriger die Werkstückgeschwindigkeit U w und je
kleiner die Schnittiefe (Zustellung) a e ist (Bild VI.1).
Wichtig beim Schleifen ist demnach das Geschwindig-
keitsverhältnis q = uJuw •
Der momentane Spanungsquerschnitt A wächst beim
Rundschleifen mit steigendem Längsvorschub f/ (Sei-
tenvorschub), mit steigender Zustellung ae, mit wach- Bild VI.1. Spanbildung beim Rundschleifen
sender Umfangsgeschwindigkeit des Werkstückes U w (schematisch)
und mit fallender Umfangsgeschwindigkeit U c der
Schleifscheibe:
Uw A
A=aef/- (VI.1)
Uc mm2 mm mm m
U s
3. Schleifkraft und SchleiDeistung
Bestimmende Größe ist die Tangentialkraft Ft an der Schleifscheibe. Sie wird aus der spezi-
fischen Schleifkraft kc in N/mm 2 und dem Spanungsquerschnitt A in mm2 bestimmt:
Uw
Ft =kcA =kcaeft- (VI.2)
U c

Die spezifische Schleifkraft kc 1) in N/mm 2 läßt sich aus den folgenden Versuchsgleichungen
berechnen:
kc = 8,55 'ts A -0,55 für Schleifscheibe 80 K
k c = 12 'tsA-O,6 für Schleifscheibe 60 L (VI.3)
kc = 18 't s A-O,73 für Schleifscheibe 46 L
1) Nach E. Sa/je: Kennzahlen und Gesetzmäßigkeiten beim Schleifen, Forschungsbericht aus dem Institut fUr
Werkzeugmaschinen und Betriebslehre der Technischen Hochschule Aachen.
871
Zerspantechnik

Darin ist 'ts die Schubfestigkeit des Werkstoffes in N/mm 2 und Ader Spanungsquerschnitt in
mm 2 nach GI. (VI.I).
Die Schnittleistung Pe ergibt sich damit aus der Zahlenwertgleichung:

m (VIA)
kW N
s

4. Wahl von Geschwindigkeit, Vorschub und Zustellung


Die Umfangsgeschwindigkeit 'U e der Schleifkörper ist wegen der Unfallgefahr nach oben be-
grenzt nach den Richtlinien des Deutschen Schleifscheibenausschusses (DSA). Richtwerte
siehe Tafel VI.1. Allgemein gilt: Außenrundschleifen von Stahl mit 'U e = 35 mls, bei Grauguß
zu hohes 'U e unnötig, daher 'U e = 25 m/s. Bei Innenrundschleifen wird 'U e begrenzt durch
höchstmögliche Drehzahl der Schleifspindel, was ungünstige Verhältnisse ergeben kann.
Höchstzulässige Umfangsgeschwindigkeit kann mit Genehmigung des DSA überschritten
werden. Schleifkörper muß dann festgelegten Vermerk tragen.
Mit wachsendem 'U e wirkt jede Schleifscheibe härter, umgekehrt wirken harte Scheiben mit
sinkender 'U e weicher. Abnutzungsgrad und Schleifscheibengeschwindigkeit müssen daher
aufeinander abgestimmt werden (Drehzahl ändern).
Die Umfangsgeschwindigkeit 'U w des Werkstückes ist beim Außenrundschleifen und
Schrupparbeiten möglichst hoch zu wählen; Zustellung ae kann dann klein sein. Richtwerte
siehe Tafel VI.2.
Der Längsvorschub fl (Seitenvorschub ) richtet sich nach der Schleifscheibenbreite b:
für Schruppen (0,6 ... 0,75) b; für Schlichten (0,25 ... 0,5) b.
Längsvorschub ft, Tischgeschwindigkeit 'Ut und Werkstückdrehzahl n w sind voneinander
abhängig: fl = 'Utlnw.
Die Schnittiefe (Zustellung) ae je Längshub oder je Umdrehung wird je nach Stabilität des
Werkstückes, Körnung der Scheibe und geforderter Oberflächengüte und Passung aus-
gewählt:
für Schruppen 10 ... 30 j.lm; für Schlichten 5 ... 25 j.lm.
Tafel VI.I. Richtwerte für Schleifscheibengeschwindigkeit 'U e
(Schnittgeschwindigkeit) in mls
Schleifart Stahl Grauguß Hartmetall Leichtmetall
Außenschleifen 30 25 8 35
Innenschleifen 25 25 8 20
Flächenschleifen 25 20 8 25
Werkzeugschleifen 25 22 von Hand
12 maschinell

Tafel VI.2. Richtwerte für Werkstückgeschwindigkeit 'U w in mlmin


Stahl
Schleifart weich hart eingesetzt legiert GG Ms Alu
Rundschleifen
Schruppen 12 ... 15 14 ... 18 15 ... 18 14 ... 18 12 ... 15 18 ... 21 30 ... 40
Schlichten 8 ... 12 8 ... 12 10 ... 13 10 ... 14 9 ... 12 15 ... 18 24 ... 30
Innenschleifen 18 ... 21 21...24 21...24 20 ... 25 21...24 21...27 30 ... 40
Flächenschleifen 6 ... 40 15 ... 40

872
VI. Schleifen

Zu großes a e gibt größeren Verschleiß der Scheibe. Bei grober Körnung der Scheibe und
hartem Werkstoff kann großes a e zum Ausbrechen der Körner führen. Große Werk-
stückdurchmesser erfordern wegen der größeren Flächenberührung kleineres ae •

5. Oberflächen-Rauhtieren
Durch die Fertigungsverfahren Drehen,
Hobeln, Räumen, Fräsen, Bohren und
Schleifen lassen sich unterschiedliche Ober-
flächen-Rauhtiefen erreichen.
Unter Rauhtiefe R t in 11m versteht man den Bezugsstrecke
Abstand zwischen der Hüllinie und der
Grundlinie innerhalb einer festgelegten Be- Bild VI.2. Rauhtiefe arn Profilausschnitt
zugsstrecke (Bild VI.2).

Tafel VI.3. Richtwerte der Zuordnung von ISO-Toleranzreihe, Bearbeitungsverfahren und


Rauhtiefe R t
etwa erreichbare Rauhtiefe
ISO·Toleranzreihe (11) Bearbeitungsverfahren
in J.U1l
IT4 Feinstläppen, Schwingziehschleifen 0,06
IT5 Polieren 0,06
IT6 Läppen, Ziehschleifen, Feinstschleifen 0,12
IT7 und Rollieren, Feinziehen, Schleifen,
!T8 Diarnantdrehen, Feinräumen, Reiben 0,5 ... 1,0

IT8und IT9 Feindrehen, Feinstfräsen, Ziehen, Kaltwalzen 1,0 ... 2,0


IT10 Drehen, Fräsen, Räumen 4,0
ITll Schaben, Prägen 7,0 ... 9,0
IT 12 und Hobeln, Senken, Sandstrahlen, Warmwalzen,
IT13 Genauschmieden, Bohren 12,0

!T14 Pressen 24,0

6. Berechnung der Hauptnutzungszeit th (Maschinenlaufzeit)

6.1. Längsschleifen (Außen- und Innenrundschleifen)


1 .
th=--l (Vl.S) th Hauptnutzungszeit min
nw !' lleSchnittiefe mm
. z b Schleifscheibenbreite mm
l=-
2ae (VI.6)
d Werkstückdurchmesser mm
Anzahl der Schnitte
t _ lz Arbeitsweg (Werkstücklänge) mm
h- (VI.7)
2ae nw!' nw Werkstückdrehzahl min-1
tl w !I Längsvorschub
nw =318-
d (VI.8) (Seitenvorschub ) mmlU
!t Tauchvorschub mmlmin
z Schleifzugabe im Durchmmeser mm
B Schleifbreite mm
n Anzahl Doppelhübe min-1

873
Zerspantechnik

6.2. Rundschleifen (Einstechen) 6.3. Flachschleifen, längs


z B
th =2ft (VI.9) th = -
nft (VI.10)

Da das System WerkzeuglMaschine nicht starr ist, muß Oberflächengüte und Genauigkeit des
Werkstückes durch "Ausfeuern" verbessert werden, d.i. Schleifen ohne Zustellung. Für
Ausfeuerhübe ist deshalb ein Zuschlag von 10 ... 20 % zu th zu machen.

Beispiel: Längsschleifen eines Bolzens (t s = 500 Ntmm2) von 250 mm Länge und 80 mm
Durchmesser mit Schleifscheibe 80 K von 40 mm Breite bei Schnittiefe (Zustel-
lung) a e = 20 11m, Schleifscheibengeschwindigkeit U e =25 mts und Werkstück-
geschwindigkeit U w = 10 mImin, Schleifzugabe z = 0,8 mm.
Gesucht: Schleifkraft (Umfangskraft), Schleifleistung, Hauptnutzungszeit.

Lösung: Längsvorschub f1 = 0,6 b = 0,6 . 40 ~m = 24 ~

Spanungsquerschmtt A
.
=ae ft u
Uw
=0,02 . 24 mm2 25.1060mlmin
mlmin
3
3,2 . 10' mm2
e

1000)0,55 N
Spezifische Schleifkraft ke = 8,55 t s A ..0,55 = 8,55 . 500 ( - - = lOS - -
3,2 mm2
Schleifkraft Ft = ke A = 105 . 3,2 . 10-3 N = 320 N

Ftu e 320·25
Schleifleistung Pe = 1000 = 1000 kW = 8 kW

Anzahl der Schnitte i = 3... = 0,8 mm = 20


2ae 2 . 0,02 mm

Werkstückdrehzahl n w = 318 U; = 318 . ~~ min-1= 40 min-1


. t = -1.
H auptnutzungszeltt -, = -250
- . 20'
mm = 53 .
, mm
h
nwft 40·24
Zuschlag für Ausfeuern '" 10 %, damit th '" 6 min

Literatur
Betriebshütte, 6. Auflage, Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin.
M. Kronenberg: Grundzüge der Zerspanungslehre; Springer-Verlag.
H. Klein: Das Fräsen; Werkstattbücher, Springer·Veriag.
Betriebsblatt AWF 158 (Arbeitsausschuß für wirtschaftliche Fertigung, e.V.), Beuth-Vertrieb, Berlin.
F. Riegel: Rechnen an spanabhebenden Werkzeugmaschinen; Springer·Veriag.
DIN 6580, Begriffe der Zerspantechnik, Beuth·Vertrieb, Berlin.
DIN 6581 und 6584.

874
Werkzeugmaschinen
Walter Schlemmer, Wolfgang Böge

I. Werkstück- und Werkzeugträger


Begriffsbestimmung: Träger nehmen das Werkstück oder das Werkzeug auf und vennitteln ihm die
für die Bearbeitung erforderlichen Bewegungen.

1. Spindeln
Anwendungsbeispiele: Sie sind Werkstückträger an Dreh- und Rundschleifmaschinen, Werkzeug-
träger an Bohr-, Fräs- und Schleifmaschinen.
Aufbau: Werkstück- und Werkzeugspindeln sollen statisch und dynamisch starr sein, denn Form-
änderungen und Schwingungen im Betrieb vermindern Genauigkeit und Oberflächengüte des Werk-
stücks. Statische Starrheit (geringe Formänderung unter der Einwirkung der Betriebskräfte) wird
durch großes Trägheitsmoment und kleine Länge erreicht. Arbeitsspindeln sind darum immer
wesentlich dicker als die Getriebewellen. Dynamische Starrheit (Unempfindlichkeit gegen Schwin-
gungen) erfordert darüber hinaus möglichst kleine Masse. Darum sind z.B. die Arbeitsspindeln von
Drehmaschinen hohl.
Der Spindelkopf ist der Teil der Spindel, der aus dem Spindelkasten herausragt. Er nimmt ent-
weder das Werkzeug oder einen Werkzeug- bzw. Werkstückspanner auf. Die Abmessungen der
Spindelköpfe sind weitgehend genormt, damit Werkzeuge und Spanner für eine Maschinenart
möglichst auswechselbar sind.
Die Spindel wird von einem meist sehr großen Stirnrad (,,Bodenrad") oder einer Riemenscheibe
angetrieben. Mitunter gebraucht man auch beide Möglichkeiten; dann überträgt das Bodenrad
die niedrigen Drehzahlen, die ruhiger laufende Riemenscheibe die hohen (bei Schlichtarbeiten mit
kleinen Zerspankräften). Die Spindel läuft noch ruhiger, wenn die Riemenscheibe im Spindelkasten
gesondert gelagert ist, denn dann wird die von den Riemenzugkräften verursachte Wechselbiege-
belastung von der Spindel ferngehalten (siehe Bild III.8).

Bild 1.1. Arbeitsspindel einer Spitzendrehmaschine

Drehspindeln übertragen die drehende Schnittbewegung auf das


Werkstück. Sie haben eine durchgehende Bohrung mit großem Durch-
messer, die häufig Teile von hand- oder kraftbetätigten Spannein-
richtungen aufnimmt und durch die bei Stangenarbeit der Werkstoff Bild 1.2. Drehspindelkopf
nach DIN 800
zugeführt wird (Bild 1.1). Die Spindelkopfabmessungen sind genormt.
1 Führungszapfen
Bei der älteren Ausführung nach DIN 800 (Bild I.2) wird das Spann-
2 Gewindezapfen
futter auf den Gewindezapfen 2 aufgeschraubt und durch den zylin- 3 Morsekegel
drischen Führungszapfen 1 zentriert. Nachteile sind das unvermeid- 4 Anlagebund fUr
bare Spiel in der Zentrierung und der Umstand, daß schwere Futter Futterflansch

875
Werkzeugmaschi nen

beim Bremsen vom Gewinde ablaufen können. Die Ausführung nach DIN 55022 (Bild 1.3) vermei-
det diese Nachteile. Die Stehbolzen 6 des Futterflansches 5 werden durch die Bohrungen im Spin-
delflansch 2 und die Schlitze in der Bajonettscheibe I durchgesteckt, die Bajonettscheibe um einen
kleinen Winkel gedreht und die Bundmuttern 7 festgezogen. Dadurch wird der Futterflansch 5 spiel-
frei auf dem Kurzkegel 4 (Kegel 1 : 4) zentriert und zugleich axial festgelegt. Das Drehmoment
wird durch den Mitnehmer 3 auf den Futterflansch übertragen, wenn der Kurzkegel über 60 mm
Durchmesser hat. Weitere Normen.: DIN 812 (Spindelflansche) und DIN 55021 (Spindelkopf mit
Zentrierkegel und Flansch). Mitunter findet man auch die amerikanische Form mit Kurzkegel und
Carnlock-Spannung rur den Futterflansch (Bild 1.4). Hier sind die Stehbolzen 4 des Futterflansches
2 segmentförmig angefräst. In diese Anfräsungen fassen Exzenterbolzen 3 im Spindelflansch und
ziehen das Spannfutter auf den Kurzkegel.

1 SpindcInansch
2 Futterllansch
3 Exzente r-
Spannbolzen
4 Stehbolzen des
8 Futt erllansches

Bild 1.4. Spannprinzip rur Spindelkopf


nach Camlock

Bild 1.3. Drehspindelkopf nach DIN 55 022


1 Bajonettscheibe, 2 Spindeillansch, 3 Mitnehmer,
4 Kurzkegel zum Zentrieren des Futlerflansches,
5 Futterflansch, 6 Stehbolzen, 7 Bundmutter,
8 Führungsbuchse rur Bajonettscheibe

Drehspindeln nehmen im Kopf die Drehspitze auf (Bilder 1.1 ... 1.3). Aus diesem Grunde ist die
Spindelbohrung im Kopfteil kegelig (Morse- oder metrischer Kegel). Werden Spannzangen verwen-
det, dann ist (meist zusätzlich) eine kurze Kegelbohrung mit größerem Kegelwinkel vor dem Morse-
kegel angeordnet.

Bohrspindeln übertragen die drehende Schnitt- und die geradlinige Vorschubbewegung auf das
Werkzeug.
In Säulen- und Ständerbohrmaschinen werden sie in einer Bohrspindelhülse (Pinole) oder einem
Bohrspindelschlitten gelagert (Bild 1.5). Der Hülse 4 (oder dem Schlitten) mit der Bohrspindel 5
wird über die Zahnstange 6 die Vorschubbewegung erteilt. Die Drehbewegung erhält nur die Spin-
del 5 vom Zahnrad 3 über ihren langen genuteten Zapfen 1, der während der Vorschubbewegung
in der Buchse 2 gleitet. Von Sonderausführungen abgesehen haben Bohrspindeln im Kopf eine
Kegelbohrung 9 (Morsekegel) rur den Bohrerschaft oder den Kegeldorn des Bohrfutters. Für den
Kegelaustreiber ist ein Querschlitz 8 vorhanden. Bei dieser und der Anordnung nach Bild 1.6 ist
die Spindel schlank, weil der Hülsendurchmesser mit Rücksicht auf die Abmessungen der Maschine
nicht zu groß werden darf.

876
I. Werkstück- und Werkzeugträger
In Bohrwerken erhält die axial nicht verschiebbare Bohrspindelhülse 1 (Bild 1.6) den Drehantrieb
vom Bodenrad 3. Die Bohrspindel 4 wird über die Federn 2 mitgenommen. Die Vorschubspindel 7
bewegt über die Mutter 6 die Buchse oder den Schlitten 5, in dem die Bohrspindel 4 drehbar ge-
lagert ist, und schiebt sie in der Bohrspindelhülse vor.
Am einfachsten ist die überlagerung der beiden Bewegungen bei den
Bohreinheiten gelöst (Bild 1.7). Hier kann die Bohrspindel 1 mitsamt
Motor 3, Getriebe und SpindeIkasten 2 von einem außen angeordneten
Hydraulikkolben 4, einer Zahnstange oder einer Gewindespindel längs- 2
verschoben werden. Die Bohrspindel ist bei dieser Anordnung kurz und
gedrungen und dadurch sehr starr.

Frässpindeln übertragen die drehende Schnittbewegung auf das Werk-


zeug. An manchen Fräsmaschinen muß sich die Spindel zusätzlich axial
bewegen können. Dann ist sie wie eine Bohrspindel in einer Hülse ge-

Bild 1.5. Bohrspindel einer Säulenbohrmaschine


I genuteter Antriebszapfen, 2 Führungsbuchse, 3 Zahnrad, 4 Bohrspindelhülse
(Pinole), 5 Bohrspindel, 6 Zahnstange an der Pinole, 7 Vorschubritzel, 8 Aus-
treiberschlitz, 9 Aufnahmekegel

5 6 7

Bild 1.6. Spindel eines Waagerecht-Bohr· und Fräswerkes


I Bohrspindelhülse (Traghülse), 2 Zapfenfedern zur Mitnahme der Bohrspindel, 3 Bodenrad, 4 Bohrspindel,
5 Vorschubbuchse, 6 Vorschubmutter, 7 Vorschubspindel

Bild I. 7. Bohrspindel einer Bohreinheit


1 Bohrspindel, 2 Spindelk asten,
3 Motor, 4 Hydraulikkolben

877
VVerkzeugrnaschinen
lagert. Frässpindeln haben eine durchgehende Längsbohrung von wesentlich geringerem Durchmes-
ser als Drehspindeln (Bild l.8). Durch diese Bohrung wird von hinten die Spannstange 2 hindurchge-
fuhrt, die den Spanner fest auf oder in den Spindelkopf 3 zieht. Die in Bild l.8 dargestellte Spindel
hat die ältere Kopfform nach DlN 2201. Der Innenmorsekegel 6 nimmt Schaftfräser oder Fräser-
dorne auf. Zwischen zwei parallelen Flächen 5 wird der Messerkopfmitnehmer mitgenommen.
Messerköpfe nimmt der Außenkegel 4 (Kegel 3 : 10) auf. Bild l.9 zeigt die neuere Form des Fräs-
spindelkopfes nach DlN 2079. Der Morsekegel ist durch den Steilkegel 5 (ISO-Kegel 3,5 : 12 nach
DlN 729) ersetzt. Die Kegelschäfte der Dorne und Werkzeuge lösen sich dadurch leichter beim
Werkzeugwechsel. Messerköpfe werden gegen die Stirnfläche des Spindelkopfes geschraubt (Ge-
windelöcher 2) und außen auf dem Spindelkopf bei 3 oder mit einem Kegeldorn von innen zen-
triert. Die beiden Mitnehmersteine 4 sind in Radialnuten der Stirnfläche eingeschraubt und fassen
in Schlitze am Messerkopf oder Werkzeugkegelschaft. Sie übertragen das Drehmoment von der
Spindel auf das Werkzeug.

Bild 1.8. Frässpindel mit Kopf nach


DIN 2201
1 Frässpindel, 2 Spannstange, 3 Spindel-
kopf, 4 Aufnahmekegel für Messerköpfe,
5 Mitnehmerflächen, 6 Morsekegel zur
Aufnahme von Schaftfräsern und Fräser-
dornen, 7 Antriebsriemenscheibe

z 3

Bild 1.9. Frässpindelkopf nach DIN 2079


1 Spindelkopf, 2 Befestigungslöcher für
Messerkopf, 3 Zentrierzylinder für Messer-
kopf, 4 Mitnehmersteine, 5 ISO-Steilkegel
nach DIN 729 für Fräser- und Fräserdorn-
schaft

Schleifspindeln übertragen die drehende Schnittbewegung auf das Werkzeug. Sie haben meistens
einfache Formen (Bild 1.10). Zum Spindelantrieb ist gewöhnlich kein Stufengetriebe erforderlich.
Das führt zu kleinen Spindelstock-
abmessungen und entsprechend
kurzen, kräftigen, schwingungsstei-
fen Spindeln. Unwuchten werden 2 3
dadurch weitgehend vermieden, daß
die Spindel frei von Nuten und Aus-
sparungen ist und Schleifscheibe
und Antriebsriemenscheibe auf je
einem Kegelzapfen zentriert wer-
den. Schleifspindelköpfe sind nach
Bild 1.10. Schleifspindel einer Rundschleif-
DlN 6375 genormt mit dem Kegel- maschine mit Kopf nach DIN 6375
zapfen 2 (Kegel 1 : 5) und dem Ge- 1 Gewindezapfen, 2 Kegelzapfen, 3 Schleif-
windezapfen 1 ftir die Anzugmutter. scheibe, 4 Antriebsriemenscheibe

878
I. Werkstück· und Werkzeugträger

Werkstückspindeln an Rundschleifmaschinen haben eine durchgehende Längsbohrung ftir Teile der


Spanneinrichtungen. Eine Kegelbohrung im Kopf nimmt den Werkstückspanner auf. Die Antriebs-
riemenscheibe ist gesondert im Spindelstock gelagert (ähnlich Bild III.8) und treibt den Werkstück-
mitnehmer an. Zum Schleifen mit drehenden Spitzen wird die Spindel mit dem Mitnehmer ge-
kuppelt. Zum Schleifen zwischen "toten" Spitzen kann die Spindel stillgesetzt werden.

2. Werkstücktische
Anwendungsbeispiele: Die Werkstückträger von fast allen Werkzeugmaschinen sind Tische (nicht
bei Dreh- und Rundschleifmaschinen). Bei Pressen nimmt der Tisch auch das Werkzeugunterteil
mit dem Werkstückrohteil auf.

Aufbau und Wirkungsweise: Abmessungen und Aufbau der Tische sind je nach Maschinenart und
-type sehr unterschiedlich. Sie haben jedoch eine Reihe gemeinsamer Merkmale. Die Aufspann-
fläche für das Werkstück ist viereckig oder rund und soll eben und sorgfältig bearbeitet sein. Fast
immer hat sie sehr genau gearbeitete T-Nuten nach DIN 650, die parallel oder bei runden Tischen
auch radial verlaufen und in denen mit Spannschrauben entweder Vorrichtungen, Maschinen-
schraubstöcke oder andere Spanner ftir das Werkstück (Spanneisen usw.) befestigt werden.

Bild 1.11. Drehtisch eines Waagerecht-Bohr- und


fräswerkes (Unteransicht)
(Wotan-Werke, Düsseldorf)

Der Tisch muß die Bearbeitungskräfte und die Werkstückgewichtskraft auf dem Gestell abstützen
und soll sich dabei möglichst wenig verformen. Wo mit periodisch schwankenden Bearbeitungs-
kräften zu rechnen ist (z.B. an Fräsmaschinen), soll er aber auch schwingungssteif, d.h. möglichst
leicht sein. Er hat darum oft einen kastenförmigen, innen verrippten Hohlquerschnitt (meist aus
GG, seltener aus Stahl geschweißt), (Bild I.11). Es gibt feste, verstellbare und bewegliche Tische.
Verstellbare und bewegliche Tische haben auf ihrer Unterseite Führungsbahnen und meist auch
Antriebsteile.

Feste Tische sind fest mit dem Maschinengestell verbunden, z.B. an Räummaschinen, Radialbohr-
maschinen, Scheren und Pressen. Das Werkstück wird von Hand in die richtige Lage zum Werkzeug
gebracht. Diese Arbeit wird häufig durch Anschläge oder vorher eingerichtete Vorrichtungen er-
leichtert und beschleunigt.

VersteUbare Tische. Das Werkstück wird auf der Aufspannfläche befestigt und erst dann mit dem
Tisch in die richtige Lage zum Werkzeug gebracht (eingerichtet). Der Tisch kann dabei senkrecht
oder waagerecht verschoben oder um eine senkrechte oder zwei waagerechte Achsen gedreht wer-
den (Bild I.12). Das Werkstück kann um so leichter eingerichtet werden,je mehr Verstellmöglich-
keiten der Tisch hat. Das erreicht man durch Anordnung mehrerer Tischschlitten übereinander.

879
Werkzeugmaschinen

In nur einer Richtung (1,2 oder 3 nach Bild 1.12) sind manche Pressentische verschiebbar. Auf
Drehtischen (4) können mehrere Werkstücke gleichzeitig gespannt und nacheinander in Arbeits-
steIlung gedreht werden. Zwei Verstellrichtungen haben Tische von Säulenbohrmaschinen (1 + 4),
drei (I + 2 + 3) manche Ständerbohrmaschinentische.

6
Bild I.12. Bewegungsmöglichkeiten von Werkstücktischen

Im einfachsten Falle wird der Tisch unmittelbar mit der Hand verstellt, z.B. bei vielen Säulenbohr-
maschinen. Die meistens vorhandenen Verstellantriebe mit Gewindespindel, Zahnstange oder Hy-
drozylinder ermöglichen genauere und feinfühligere Verstellung. Das Werkstück wird sauberer und
genauer bearbeitet, wenn die beweglichen Teile des Tisches nach dem Einrichten gegeneinander
festgeklemmt werden. Das geschieht mit Klemmschrauben und -hebeln oder Keilen mechanisch
oder hydraulisch.

Bewegliche Tische flihren während der Bearbeitung mit dem Werkstück die Schnitt- oder die
Vorschubbewegung aus. Dazu allein genügt eine der Bewegungsmöglichkeiten nach Bild 1.12,

Bild I.13. Werkstücktisch einer


Waagerecht-Stoßmaschine
(Klopp-Werke, Solingen)
1 Führungsbahn am Gestell ftir
den Senkrechtschlitten, 2 Auf-
spanntisch, 3 Senkrechtschlitten
("Support"), 4 Führungsbahn am
Support ftir den Aufspanntisch,
5 Tischvorschubspindel, 6 Höhen-
spindel ftir den Senkrechtschlitten

880
I. Werkstück- und Werkzeugträger

z. B. (2) bei Hobel- und bei Langfräsmaschinen oder (4) bei Senkrechtdreh- und Rundtischfräs-
maschinen. Meistens sind die Tische aber zum genauen Einrichten zusätzlich in einer oder mehre-
ren Richtungen verstellbar. Zwei Bewegungsrichtungen haben sie z. B. an Waagerecht-Stoßmaschinen
(1 + 2), (Bild 1.13) und Flächenschleifmaschinen (2 + 3, "Kreuztisch"), drei an Konsolfräsmaschi-
nen (1 + 2 + 3), Waagerecht-Stoßmaschinen (1 + 2 + 5, "Schwenktisch"), Senkrecht-Stoßmaschinen
und Waagerecht-Bohr- und Fräswerken (2 + 3 + 4, "Kreuz- und Drehtisch"). In vier Richtungen
kann der Tisch der Universal-Fräsmaschine bewegt werden (1 + 2 + 3 + 4), (Bild 1.14). Tische von
Werkzeugfräsmaschinen haben oft alle sechs Bewegungsmöglichkeiten.
Die beweglichen Tische werden mit Zahnstange, Gewindespindel oder Hydrozylinder angetrieben.

Bild 1.14
Werkstücktisch einer Universal-Fräsmaschine
1 Konsole (auf und ab)
2 Querschlitten (vor und zurück)
3 Drehteil
4 Aufspanntisch oder Längsschlitten
(links und rechts)

3. Werkzeugschlitten
Anwendungsbeispiele: Werkzeugschlitten sind die geradlinig verschiebbaren Werkzeugträger der
Dreh-, Hobel-, Räummaschinen und Scheren. Spindelschlitten sind verschiebbare Spindelkästen an
Ständer- und Radialbohrmaschinen, Senkrecht- und Langfräsmaschinen, Waagerecht-Bohr- und
Fräswerken und Schleifmaschinen.

Aufbau und Wirkungsweise: Der Werkzeugschlitten stützt die am Werkzeug wirkenden Bearbeitungs-
kräfte am Maschinengestell ab. Er muß darum wie der Tisch starr sein. Er muß außerdem mit dem
fest eingespannten Werkzeug die notwendigen Einstell- und Arbeitsbewegungen ermöglichen.

Eine Bewegungsrichtung haben die Werkzeugschlitten von Scheren und Räummaschinen, weil bei
beiden der Arbeitsvorgang nur eine einzige Bewegung des Werkzeuges gegen das Werkstück erfor-
dert. Am einfachsten sind die Messerschlitten der Scheren aufgebaut. Sie sind platten- oder balken-
förmig und werden auf Leisten gefUhrt, die ganz außen auf der Rückseite angeschraubt sind. Das
Obermesser wird auf die Vorderseite geschraubt. An zwei weit außen liegenden Punkten wird der
Messerschlitten mit einem Kurbel- oder Kniehebelgetriebe angetrieben.

881
Werkzeugmaschi nen

Den Schlitten einer Senkrecht-Außenräummaschine zeigt Bild 1.15. In der senkrechten Nut der
Aufspannfläche wird das Werkzeug ausgerichtet, die flache Quernut stützt über eine Paßfeder die
Schnittkräfte ab. Das Werkzeug wird in den querliegenden T -Nuten festgeschraubt. Der Schlitten
muß das Werkzeug auf seiner ganzen Länge unterstützen und ist darum sehr lang.
Innenräummaschinen brauchen wegen ihrer Ar-
beitsweise zwei Werkzeugschlitten, einen vor und 1 --- ---[
einen hinter dem Werkstück. Beide sind verhält-
nismäßig kurz und einfach gebaut. Sie werden ge-
I
.. .. I

trennt hydraulisch oder mit einer Gewindespindel


.. .
.. . ,
angetrieben. Der Zufiihrungsschlitten vor dem
Werkstück trägt in seinem Haltekopf die Räum- j

.. •
I
nadel an ihrem Endstück vor Beginn des Arbeits-
hubes. Er führt sie mit ihrem Schaftende durch
die Werkstückbohrung hindurch bis in den Zieh-
kopf des Ziehschlittens hinein. Dieser zieht dann .. ..
die Nadel ganz durch das Werkstück hindurch und
der Zuführungsschlitten gibt sie frei, damit nach .. • ••
.. • l
~

dem Hub das Werkstück entnommen werden kann.


I

• I
j

.. ~l
. .. .
Bild 1.15


Eo-~~ ~.==::3- :
Werkzeugschlitten einer Senkrecht-Außenräummaschine
(Karl Klink, Niefern)
1 Halteplatte
j
2 Spritzschutz
3 Räumschlitten
4 Aufspannplatte
5 Paßfeder zum Abstützen der Längskraft zwischen
Räumschlitten und Aufspannplatte
6 Hydraulikkolben
7 Hydraulikzylinder
8 Kunststoff-Führungsplatte

Mehrere Bewegungsrichtungen haben die Werkzeugschlitten ("Supporte") der Hobel- und Dreh-
maschinen. Bild 1.16 zeigt den Querbalkensupport einer Hobelmaschine . Der Grundschlitten 1
gleitet auf dem Querbalken 2 in Vorschubrichtung. Der Oberschlitten 9 kann rechtwinklig dazu
im Drehteil 7 verschoben werden. Dieses ist um den Hohlzapfen 3 schwenkbar, so daß auch schräg
gehobelt werden kann. Es wird mit Schrauben in der Ringnut 6 festgeklemmt. Auf dem Ober-
schlitten sitzt der Klappenhalter 10, der um den Zapfen 12 geschwenkt werden kann. Er trägt die
Meißelklappe 11. Sie wird beim Rücklauf des Tisches um den Bolzen 13 nach oben geschwenkt
und hebt dadurch den Meißel vom Werkstück ab. Bei einer anderen Ausführung wird der Meißel
auf einen Schlitten gespannt, der bei jedem Rückhub selbsttätig nach oben gleitet.
Die Querbewegung erhält der Grundschlitten 1 über die Gewindespinde1 5. Die obere Spindel treibt
den zweiten Querbalkensupport an. Der Oberschlitten 9 wird von der genuteten Welle 4 über Kegel-
räder und Gewindespindel 8 angetrieben. Wird der Grundschlitten beim Arbeitshub automatisch
auf dem Querbalken festgeklemmt, dann vermindert das die Schwingungen und verbessert die
Arbeitsgüte.

882
I. Werkstück- und Werkzeugträger

Ständersupporte sind genauso aufgebaut, nur werden ihre Grundschlitten an den senkrechten Ma-
schinenständern gefUhrt. Mit ihnen werden die Seitenflächen des Werkstückes bearbeitet.

Bild 1.16
Querbalkensupport einer
Zweiständer-Hobelmaschine
(Boehringer, Göppingen)
1 Grundschlitten
2 Querbalken
3 Hohlzapfen
4 Schaftwelle für 2
Senkrecht-Vorschub
5 Quervorschubspindel
6 Ringnut
7 Drehteil
4
8 Senkrecht-Vorschub-
spindel
9 Oberschlitten 12 -~:gIIj'''' 5
10 KlappenhaIter
11 Meißelklappe
12 Schwenkzapfen
13 Klappenbolzen 7 6

Auf der Drehmaschine fUhrt das Werkstück wie bei der Hobelmaschine nur die Schnittbewegung
aus. Die Werkzeugschlitten müssen darum bei beiden Maschinenarten die gleichen Bewegungsmög-
lichkeiten haben. An Senkrecht-Drehmaschinen ähnelt der Schlitten dem der Hobelmaschine. Der
Oberschlitten, oft als "Stößel" bezeichnet, ist nur erheblich länger, weil er den Längsvorschub aus-
fUhren muß, und an die Stelle der Meißelklappe tritt meist ein Revolverkopf.

Der Werkzeugschlitten der Spitzendrehmaschine (Bild 1.17) liegt mit seinem Bettschlitten I auf den
Führungsbahnen des Bettes auf. Die weit nach beiden Seiten ausladenden Führungsholme sichern
eine einwandfreie GeradfUhrung und verringern den Winkel, um den der ganze Schlitten "ecken"
kann. Im Bettschlitten 1 wird der Planschlitten 2 rechtwinklig zur Werkstückachse verschoben. Er
trägt das Drehteil 3, mit dem der Meißel in beliebigem Winkel gegen das Werkstück angestellt wer-
den kann. Im Drehteil wird derOberschlitten 4 mit dem Meißelhalter 5 durch die Gewindespindel6
verschoben.
Vorn unter dem Bettschlitten sitzt der Schloßkasten 8 mit dem Bettschlittengetriebe. Es überträgt
die Bewegung der Zugspindel 11 auf das Zahnstangenritzel 9 ftir den Längsvorschub oder auf die
Gewindespindel 7 ftir den Planvorschub. Das Ritzel wälzt sich auf der Zahnstange am Maschinen-
bett ab und nimmt dabei den Werkzeugschlitten in Längsrichtung mit. Beim Gewindeschneiden
wird der Schlitten von der Leitspindel 10 (Gewindespindel mit sehr genauer Steigung) über die
Schloßmutter angetrieben.

Die Werkzeugschlitten der Vielmeißel-, Kopier- und Kopf- oder Plandrehmaschinen sind gleich oder
ähnlich in Aufbau und Antrieb. Kopierschlitten werden jedoch oft in einer oder beiden Vorschub-
richtungen (längs und plan) hydraulisch angetrieben. Die Schlitten der Drehautomaten fUhren ge-
wöhnlich nur Planbewegungen aus.

Revolverdrehmaschinen haben längsbewegliche Bettschlitten und darin drehbar gelagert den Revol-
ver, der mehrere Werkzeuge ftir aufeinander folgende Arbeitsgänge aufnehmen kann. Oft sitzt er
auch auf einem zusätzlichen Planschlitten. Beim Zurückziehen des Schlittens wird der Revolver
geschwenkt und dadurch das nächste Werkzeug in Arbeitsstellung gebracht.

883
Werkzeugmaschi nen

T
2 Bild 1.17. Werkzeugschlitten einer Leit- und Zugspindel-
Drehmaschine (Heyligenstaedt, Gießen)
1 Bettschlitten
2 Planschlitten
3 Drehteil
4 Oberschlitten
5 Herzklauen-Meißelhalter
6 Oberschlitten-Spindel
7 Planvorschubspindel
8 Schloßkasten
9 Zahnstangenritzel ftir Längsvorschub
10 Leitspindel
11 Zugspindel

\,,=-&~--=...,I;:=~~;;;~~~~~~~~=f=:t~-~~!j
2

Bild 1.18. Revolverschlitten (Heidenreich und Harbeck, Hamburg)


1 Revolver, 2 Vorschubschlitten, 3 Bettschlitten, auf dem Bett festklemmbar, 4 Antriebsstirnrad ftir selbsttätigen
Vorschub, 5 Handrad ftir Handvorschub, 6 Vorschubritzel, 7 Zahnstange im Bettschlitten, 8 Anschlagwalze,
9 Klemmstücke

884
I. Werkstück- und Werkzeugträger

Der Sternrevolver wird mit senkrechter oder waagerechter Schwenkachse ausgeftihrt (Bild 1.18). Er
nimmt die Werkzeuge auf seiner Mantelfläche sternförmig auf. Die Achse des Trommelrevolvers
liegt immer parallel zur Werkstückachse. Die Werkzeuge werden in der ebenen Stirnfläche aufge-
nommen. Bei dem in Bettmitte laufenden Trommelrevolver ohne Planschlitten liegt das obere
Werkzeugloch immer genau in Spindelhöhe. Zwei Werkzeuglöcher sind zu einem Langloch ver-
einigt. Längere Werkstücke werden beim Abstechen durch dieses Loch hindurchgesteckt. Die Plan-
bewegung wird durch Drehen des Revolverkopfes um seine Achse erreicht.

Spindelschlitten sind Spindelkästen, die aus verschiedenen Gründen verschiebbar sein müssen. Mit
wenigen Ausnahmen haben sie nur eine Verschieberichtung. Soll der Schlitten nur eine Zustell-
oder Einstechbewegung ausfUhren wie bei der Rundschleifmaschine, dann genügt ein kleiner Ver-
schiebeweg. Sind größere Unterschiede in den Werkstückhöhen auszugleichen, wie bei der Ständer-
bohrmaschine, dann müssen längere Verschiebewege möglich sein. Auf Radialbohrrnaschinen,
Langfräsmaschinen und Bohr- und Fräswerken muß die Spindel mit dem Werkzeug an beliebige
Bearbeitungsstellen eines meist großen Werkstückes herangefahren werden können. Hier sind große
Verschiebewege erforderlich. In manchen Fällen ist der Spindelkasten dann zusätzlich auf einer
Platte schwenkbar , damit z. B. schräge Flächen gefräst oder Löcher mit schräger Achse gebohrt
werden können.

4. Stößel
Anwendungsbeispiele: Stößel sind die Werkzeugträger der 1
1
i
Senkrecht- und Waagerecht-Stoßmaschinen und der Pressen.
Sie fUhren in stetigem, raschem Wechsel Arbeits- und Rückhübe 1· 1
5
aus und unterscheiden sich dadurch von den Werkzeugschlitten.
1
II fl
Aufbau und Wirkungsweise: An der Senkrecht-Stoßmaschine
ist der Stößel ein langer, schmaler gußeiserner Hohlkörper Ii
(Bild 1.19). Er ist durch Innenrippen versteift, weil er von der
exzentrisch angreifenden Zerspankraft biegebeansprucht wird. 1 1
Seine seitlichen Führungsleisten 7 gleiten in Führungsbahnen
am Maschinenständer , die mitunter zum Schrägstoßen um - -+
einen kleinen Winkel nach vom und nach bei den Seiten ge- ~-+'=
:t -~~
schwenkt werden können. ~ 6

In den senkrechten Nuten der Vorderfläche des Stößels 3 wird


entweder der Meißelhalterkopf 2 oder ein Stoßmeißelhalter <;'
7

~
befestigt. Der Meißel kann durch Schwenken der Meißelhalter- 1 _ -- 3
klappe 1 beim Rücklauf abgehoben werden.
.. . / 5
Der Stößel nach Bild 1.19 wird hydraulisch angetrieben. Hub- . ,.......- 6
länge und -lage werden auf der Leiste 5 mit Anschlägen 6 ein-
7
gestellt, welche die Bewegung selbsttätig umschalten. An klei-
nen Maschinen wird auch die Schubkurbel (siehe IV.2.3), an Bild 1.19. Stößel einer Senkrecht-
großen die umlaufende Kurbelschleife als Stößelgetriebe ver- Stoßmaschine
(Klopp-Werke, Solingen)
wendet. Die Hublänge ist dann von der einstellbaren Kurbel-
1 Meißelhalterklappe, 2 Meißel-
exzentrizität abhängig. Die Hublage wird mit einer Gewinde- halterkopf, 3 Stößel, 4 Hydro-
spindel verstellt, die den Stößel auf der festklemmbaren kolben, 5 Anschlagleiste, 6 An-
Stößelmutter verschiebt wie in Bild 1.20. schläge, 7 Führungsleisten

885
Werkzeugmaschi nen
An der Waagerecht-Stoßmaschine greift die Zerspankraft noch weiter außerhalb der Stößelachse an.
Das größere Biegemoment erfordert hier höhere Stößelquerschnitte. Die Flach- oder Schwalben-
schwanz-Führungsbahnen liegen auf der Unterseite des Stößels 1 (Bild 1.20). An der Stirnseite trägt
der Stößel einen Support, der wie ein Hobelsupport aufgebaut ist und deshalb auch die gleichen
Meißelbewegungen zuläßt. Auf einem kurzen Zylinder am Stößelkopf kann das Drehteil 3 nach
einer Winkelteilung um 45° bis 60° nach beiden Seiten geschwenkt werden. Im Drehteil wird der
Senkrechtschieber 4 durch die Spindel 8 verschoben. Auf dem Schieber ist der Klappenhalter 5 fest-
geschraubt. Er kann im Bogenschlitz zusätzlich geschwenkt werden. Die Meißelklappe 6 wird beim
Rücklauf um den Klappenbolzen 7 geschwenkt und hebt dadurch den Meißel vom Werkstück ab.
Der Waagerecht-Stößel wird von einer schwingenden Kurbelschleife angetrieben, deren Kulissen-
hebel die Stößelmutter 2 bewegt. Auch der Hydrozylinder wird als Getriebe verwendet. Hublänge
und -lage werden wie beim Senkrecht-Stößel verstellt. Der Vorschub des Senkrechtschiebers wird
entweder mit dem obenliegenden Handrad 9 betätigt oder durch die Drehachse des Drehteils hin-
durch über die Welle 11 und ein Kegelräderpaar in die Spindel 8 eingeleitet.

Schnitt A-B

Bild I.20. Stößel einer Waagerecht-Stoßmaschine (Klopp-Werke, Solingen)


1 Stößel, 2 Stößelmutter, 3Drehteil, 4 Senkrechtschieber, 5 Klappenhalter, 6 Meißelklappe, 7 Klappenbolzen,
8 Senkrecht-Vorschub spindel, 9 Handrad, 10 Exzenterbolzen zum Einkuppeln des Kegelrades, 11 Senkrecht-
Vorschubwelle, 12 Hublagen-Stellspindel, 13 Sperrad und -hebel zum Antrieb des selbsttätigen Senkrechtvor-
schubes, 14 Meißelabhebeeinrichtung

Bei Pressenstößeln wechseln je nach Größe der Maschine (Preßkraft) und Antrieb
(hydraulisch oder mechanisch) die Formen und vor allem die Abmessungen in sehr
weiten Grenzen. Im einfachsten Falle ist der Pressenkolben zugleich Antriebsglied
und Stößel (z.B. an kleineren hydraulischen Richt- und Prägepressen, Bild I.21), der
nur im Zylinder geftihrt ist. Dann werden aber nur bei genau mittig angreifender
Stempelkraft die Kolbendichtungen nicht zusätzlich belastet. Bei außermittig be-
lastetem Stößel erzeugen die Betriebskräfte große Momente, die von den Führungen
aufgenommen werden müssen. Die Beanspruchung der Führungsbahnen kann durch 2
große Führungslänge vermindert werden. Breite Stößel von schweren Pressen werden
aus dem gleichen Grunde an zwei oder vier Punkten aufgehängt und angetrieben, die
möglichst weit außen liegen (Zwei- bzw. Vierpunktpressen).

Bild I.21. Stößel einer hydraulischen Tischpresse fUr 100 kN Preßkraft (Hyprema, Ingelheim)
1 Kolben, 2 Stößel, 3 Stößelbohrung rur Werkzeugzapfen 3

886
I. Werkstück- und Werkzeugträger
Die Werkzeuge (Schnittstempel, Obergesenke) werden auf der unteren Stößelfläche in einer Boh-
rung (nach DIN 810) oder in T-Nuten so befestigt, daß die resultierende Stößelkraft möglichst
in Stößelmittel wirkt.
Die Stößel der hydraulischen Pressen werden von einem oder mehreren Kolben angetrieben. Hub-
länge und -lage können durch verstellbare Steueranschläge für die Kolbenbewegung verändert wer-
den. An mechanischen Pressen sind für den Stößelantrieb Gewindespindeln, Exzenter- und Schub-
kurbelgetriebe üblich. Zwischen Kurbel und Stößel sind mitunter noch Kniehebel, Schwinghebel
oder andere Hebelsysteme eingebaut. Die Hublänge wird durch Verändern der Kurbelexzentrizität
eingestellt, die Hublage mit einer Stellspindel, die in die Schubstange eingeschraubt ist (Bild 1.22).
An Spindelpressen wird der Hub nicht verstellt. Bild 1.23 zeigt den Oberbalken einer Abkantpresse.
Er ist eine Stahlplatte, deren große Höhe die Durchbiegung verringern soll. Er wird an zwei Punk-
ten mit je einer Kurbel oder einem Hydrozylinder angetrieben. Das Werkzeug wird an der unteren
Stirnseite in einer hakenförmigen Nut aufgenommen und mit einer Schiene festgeklemmt.
Weil in der äußeren Totlage ihres Stößels die
Preßkraft unzulässig groß werden kann, haben
Kurbel- und Exzenterpressen eine Überlastsiche-
rung in Form eines mit einem Überdruckventil 1
abgesicherten Ölpolsters oder einer Brechplatte, A ·
welche die Schubstangenkraft auf den Stößel
überträgt und beim Überschreiten einer be-
stimmten Kraft abgeschert wird (Bild 1.22).

Bild 1.22
Stößel einer Exzenterpresse für 150 kN Preß kraft
(Eisenwerk Hensel, Bayreuth)
1 Stößel, 2 Stellspindel zum Einstellen der Hub-
lage, 3 Kugeldeckel, 4 Kugelpfanne, 5 Scher-
platte, 6 Brechplatte, 7 Klemmplatte für den
Werkzeugzapfen

Bild 1.23
Oberbalken einer Abkantpresse
(Brück KG., Düren) ~@M---2
1 Stellspindel Schnitt A-B
2 Oberbalken

~' l
' c
3 Auflageflächen flir
die Führungsleisten
4 Klemmschiene B ( . . Jt.
5 Abkantwerkzeug
c:$===============::~ . . 5

5_ Bäre
Anwendungsbeispiele: Als Bäre bezeichnet man die Werkzeugträger der Hämmer.
Aufbau und Wirkungsweise: Der Bär nimmt beim Schlag große Kräfte auf und wird deshalb aus
hochwertigem Schmiedestahl, z. T. vergütet, oder aus Sonderstahlguß hergestellt.
Die Schlagenergie zum Verformen des Werkstückes bringt der Hammerbär durch freien Fall aus
einer bestimmten Höhe auf (beim Fallhammer), oder er wird beim Fall durch Druckluft oder

887
Werkzeugmaschi nen

Dampf zusätzlich von oben angetrieben. Er hat je nach Hammergröße 50 ... 5000 kg Masse, bei sehr
kleinen Hämmern auch weniger, bei schwersten bis 10000 kg. Fallhammerbäre haben die Form
eines prismatischen Klotzes (Bild 1.24). An der Oberseite wird das Hubelement (Riemen, Kette,
Brett, Blattfeder beim mechanischen, dünne Kolbenstange beim ölhydraulischen Fallhammer) be-
festigt, Lufthammerbäre haben Zylinderform mit oben angesetztem flachem Kolben ("Plungerbär"),
(Bild 1.25). Bei Luftgesenkhämmern geht der Zylinderschaft nach unten in einen prismatischen
Kopf über, der in einem Korb geführt wird (Bild 1.26). Schmiedesättel und Gesenkoberteile wer-
den in der schwalbenschwanzähnlichen Fuge auf der unteren Stirnseite des Bäres mit zwei Keilen
befestigt. Große und breite Bäre haben eine Aufspannfläche mit T -Nuten.

Bild 1.26. Oberbär eines


Bild 1.24 Gegenschlag-Gesenkhammers
Bär eines Riemen-Fallhammers (Beche & Grohs, Hückeswagen)
(Beche & Grohs, Hückeswagen)
I Hubriemen mit Befestigungskeilen
2 Bär
3 Fuge mit Werkzeug
Bild 1.25. Schnitt durch den Plungerbär
eines Lufthammers
(Beche & Grohs, Hückeswagen)

Plungerbäre haben am Schaft eine, zwei oder vier Flächen zur Führung und Sicherung gegen Ver-
drehen (Bild 1.25). Prismatische Bäre werden in Ein- oder Mehrfach-V-Bahnen auf beiden Seiten
geführt, oder die Führungsflächen liegen an zwei gegenüberliegenden oder an allen vier Ecken
(Bilder 1.24 und III.2l). Um den Verschleiß zu vermindern, werden die Führungsflächen auch
oberflächengehärtet oder hartverchromt. Gute Führung ist vor allem bei Gesenkhämmern wichtig,
weil Ober- und Untergesenk bei jedem Schlag genau aufeinanderpassen müssen.

11. Werkstück- und Werkzeugspanner

Begriffsbestimmung: Spanner verbinden das Werkstück oder das Werkzeug mit dem Werkstück-
oder Werkzeugträger während der Bearbeitung. Oft stützen sie nicht nur die Bearbeitungskräfte ab,
sondern bringen außerdem das Werkstück oder Werkzeug selbsttätig beim Spannvorgang in eine
bestimmte, zur einwandfreien Bearbeitung erforderliche Lage, sie "bestimmen" oder "zentrieren"
es. Ein Spanner ist stets für verschiedene Formen und Abmessungen von Werkstücken oder Werk-

888
11. Werkstück- und Werkzeugspanner

zeugen innerhalb eines bestimmten Bereiches verwendbar. Spanneinrichtungen, die nur flir eine
bestimmte Werkstückform mit immer gleichen Abmessungen bestimmt sind, heißen "Vorrichtun-
gen". Eine klare Trennung hinsichtlich der Form und des Aufbaues ist zwischen Werkstück- und
Werkzeugspannern nicht möglich, wohl aber mit wenigen Ausnahmen zwischen umlaufenden und
festen Spannern.

1. Umlaufende Werkstückspanner
1.1. Spitzen
Anwendungsbeispiele: Zwischen zwei Spitzen werden beim Drehen, Außenrundschleifen und bei
manchen Teilkopfarbeiten solche Werkstücke gespannt, die im Verhältnis zu ihren Querschnitts-
abmessungen lang sind. Die Spannkraft wirkt axial auf beide Werkstückstirnflächen, die Zentrier-
bohrungen (nach DIN 332) haben müssen, in denen sie von den Spitzen aufgenommen werden.

Aufbau und Wirkungsweise: Die einfache Spitze (Bild 1I.2a) wird mit ihrem Kegelschaft oder mit
einer Einsatzhülse in den Spindelkopf eingesetzt und durch Reibung mitgenommen. Bei Rund-
schleifmaschinen wird sie mitunter in einer spannzangenähnlichen Hülse gespannt. Der Spitzen-
winkel beträgt 60° (DIN 806). Die Gegenspitze hat die gleiche Form. Sie wird in der Pinole 2 des
Reitstockes aufgenommen (Bild 11.1) und zur groben Einstellung auf die Werkstücklänge mit dem
Reitstock auf seiner Führung oder auf dem Tisch verschoben. Der Reitstock wird dann mit dem
Querhaupt 8 auf seiner Bettftihrung festgeklemmt. Mit Handrad 6 und Spinde14 wird die Pinole 2
mit der Spitze 1 so weit verschoben, daß das Werkstück mit der erforderlichen Kraft zwischen bei-
den Spitzen eingespannt ist. Damit die Pinole während der Arbeit nicht zurückweicht, wird sie mit
dem Hebel 3 in ihrer Führung festgeklemmt. Die Schraube des Hebels 3 drückt dabei über den
Kolben 11 auf das Gummi- oder Kunststoffpolster 12. Dieses weicht nach beiden Seiten aus und
verschiebt die linke Klemmbacke 13 nach rechts und die rechte über die Zugstange 10 nach links.
Auf der Führungsleiste 9 kann das Reitstockoberteil zum Drehen schlanker Kegel quer zur Bett-
achse verschoben werden. Hydraulisch oder pneumatisch betätigte Pinolen spannen schneller und

2 I. 5

cl
Bild lU. Reitstock. a) normal, flir Drehmaschinen, b) mit konstanter Spannkraft flir Rundschleifmaschinen,
c) mit wälzgelagerter Spitzenaufnahme
I Spitze, 2 Pinole, 3 Klemmhebel, 4 Spindel, 5 Mutter, 6 Handrad, 7 Querhaupt flir zusätzliche Reitstockklem-
mung, 8 Querhaupt flir Reitstock-5chnellklemmung, 9 Querflihrungsleiste, 10 Zugstange, 11 Klemmkolben,
12 Kunststoffpolster, 13 Pinolen-Klemmbacken, 14 Reitstock-Klemmhebel

889
VVerkzeugrnaschinen
halten die für jeden Bearbeitungsgang genau einstellbare Spannkraft konstant, auch wenn das
Werkstück sich infolge Erwärmung dehnt oder die Spannung nachzulassen droht, wenn die Spitze
nach einiger Zeit in der Zentrierbohrung eingelaufen ist ("nachfassende" Spannung). Dieselbe Wir-
kung hat eine in die Pinole eingebaute Feder (Bild 11.1 b). Bei hohen Drehzahlen und großen
Schnittkräften erwärmt sich die feststehende Reitstockspitze stark. Sie verschleißt dann vorzeitig
oder die Zentrierbohrung im Werkstück läuft aus und die Arbeit wird ungenau.

Die mitlaufende Spitze vermeidet diesen


Nachteil (Bild II.2c). Sie kragt jedoch wei- -<EE'- '- 'B- ~. _._.=a
ter aus als die einfache Spitze und biegt a) bJ
sich infolgedessen unter Belastung stärker
durch. Auch der selbst bei guter Lagerung
unvermeidbare Rundlauffehler ist ein
Nachteil. Beides wird aber z. T. ausge-
4+-----8-
dJ
glichen, wenn die Wälzlagerung für die
Spitze von vornherein in die Pinole ein-
gebaut ist (Bild 1I.lc).
Die federnde Spitze in der Spindel wird
dann verwendet, wenn das Werkstück
eJ
auch axial bestimmt werden muß, wie
beim Kopierdrehen. Mit der einfachen Bild II.2. Spitzen. a) einfache Spitze (Körnerspitze) nach
DIN 806, b) Spitze mit Abdrückmutter, c) mitlaufende
Spitze ist das nicht möglich, weil die Zen- Spitze, d) halbe Spitze, e) federnde Spitze
trierbohrungen unterschiedlich tief sind
und die Werkstücke infolgedessen ver-
schieden weit auf die Spitze geschoben werden. Das Werkstück wird von der Reitstockpinole so
weit gegen die Spindel geschoben, daß es an der Stirnfläche der Anschlaghülse anliegt (Bild II.2e).
Dabei schiebt es die Spitze gegen die einstellbare Federkraft in die Hülse und bleibt zuverlässig
zentriert.
Die halbe Spitze im Reitstock (Bild II.2d) wird benutzt, wenn die Stirnfläche des Werkstücks bis
an die Zentrierbohrung mitbearbeitet werden muß.
Zwischen Spitzen kann ein Werkstück nur axial und radial festgelegt werden. Die Drehbewegung
überträgt ein Mitnehmer.
Einfache Mitnehmer bestehen aus zwei getrennten Teilen. Die Mitnehmerscheibe, meist mit ein-
gesetztem Mitnehmerbolzen, wird auf den Spindelkopf aufgeschraubt und der Mitnehmer mit einer
oder mehreren Schrauben auf der Mantelfläche des Werkstücks festgeklemmt. Der Bolzen über-
trägt das Drehmoment zwischen beiden Teilen. Bild lI.3a ... c zeigt einige einfache Mitnehmer-
formen. Für hohe Drehzahlen werden die Formen b) und c) wegen ihrer geringeren Unwucht vor-
gezogen.
Selbstspannende Mitnehmer (Bild ll.3d) spannen schneller, weil zum Spannen keine Schrauben
angezogen werden müssen. Der Mitnehmerkörper 1 ist auf dem Spindelflansch befestigt. Drei
Backen 2 sind, um je einen Zapfen 3 drehbar, auf dem Schwebering 4 gelagert, der nur axial fest-
gelegt ist, sich aber frei drehen und in gewissen Grenzen radial bewegen kann. Das Werkstück wird
zwischen Spitzen zentriert. Dann wird der Schwebering 4 nach rechts gedreht, bis die Backen am
Werkstück 5 anliegen. Das erreicht man durch Drehen der Backenverkleidung 6 oder eines Spann-
kranzes auf dem Mitnehmerkörper. Das Drehmoment der Spindel wird über die Mitnehmerbolzen
7 auf die Spannbacken übertragen. Dabei stellt sich im Lauf die Spannkraft selbsttätig in Abhän-
gigkeit vom Drehmoment ein. Bei einer anderen Bauform sind die Backen im Mitnehmerkörper
gelagert. Sie werden durch Fliehkörper unabhängig voneinander an das Werkstück gepreßt. Bei

890
11. Werkstück- und Werkzeugspanner
beiden Bauformen passen sich die Backen der Werkstückform an, so daß auch rohe Schmiede-
stücke gespannt werden können_ Jeder Spannbackensatz spannt nur einen bestimmten Durchmes-
serbereich_ Mit auswechselbaren Backensätzen wird der Mitnehmer auf verschiedene Spannbereiche
umgestell t.

2 J 4

2 J 4 7 2 J

e)

Bild 11.3. Mitnehmer


a) Drehherz; 1 Spindelkopf, 2 Mitnehmer, 3 Drehherz, 4 Werkstück
b) Mitnehmerring; 1 Mitnehmerflansch, 2 Mitnehmerbolzen, 3 Mitnehmerring, 4 Werkstück
c) Klemmbackenmitnehmer (Dubied, Neuchatel); 1 Sicherheits-Mitnehmerflansch, 2 Klemmbacken
d) Selbstspannender Mitnehmer (G. Fischer, Schaffhausen); 1 Mitnehmerkörper, 2 Spannbacke, 3 Zapfen,
4 Schwebering, 5 Werkstück, 6 Backenverkleidung, 7 Mitnehmerbolzen
e) Stirnseitenmitnehmer; I Mitnehmerkörper, 2 Mitnehmerschneiden, 3 federnde Drehspitze

Stimseitenmitnehmer (Bild II.3e) werden verwendet, wenn das Werkstück auf seiner ganzen Länge
in einer Aufspannung bearbeitet werden soll. Um es beim Arbeiten sicher mitzunehmen, muß es
von der Reitstockspitze mit einer bestimmten Kraft auf die Mitnehmerschneiden gedrückt werden.
Stirnseitenmitnehmer sind deshalb nur gemeinsam mit einem Reitstock verwendbar, dessen Pino-
lenkraft pneumatisch, hydraulisch oder mechanisch genau eingestellt und selbsttätig konstant ge-
halten werden kann. Die Spitze federt beim Andrücken des Werkstückes gegen die Schneiden zu-
rück. Sie muß aber durch eine Feder oder andere Vorrichtung so stark gegen die Zentrierbohrung
gedrückt werden, daß sie die Querkräfte bei der Arbeit aufnimmt, ohne auszuweichen.

1.2. Spanndome
Anwendungsbeispiele: Auf Dornen werden beim Drehen und Außenrundschleifen Werkstücke in
ihrer vor- oder fertigbearbeiteten Bohrung gespannt. Die Spannkraft wirkt radial von innen nach
außen.

Aufbau und Wirkungsweise: Einfache Drehdome sind nach DIN 523 genormt. Sie haben einen
schwach kegeligen Schaft, auf den das Werkstück so weit aufgeschoben wird, bis es festsitzt. Da-
durch ergibt sich ftir jedes Werkstück beim Spannen eine andere axiale Lage und eine begrenzte
Rundlaufgenauigkeit. Jeder Dorn ist nur ftir einen bestimmten Durchmesser verwendbar. Er wird
mit dem Werkstück zwischen Spitzen gespannt ("Spitzendorn").

891
Werkzeugmaschi nen

Spreizdome sind durchbohrt und mehrfach geschlitzt. Der vordere Teil der Bohrung ist kegelig
und nimmt den Spannbolzen auf (Bild 1I.4a). Das Werkstück wird bis zum Anschlag aufgeschoben
und der Spannbolzen mit einer Spannstange (siehe 1.6) in die Kegelbohrung gezogen. Die Lappen
des Dornes spreizen sich auseinander und spannen das Werkstück radial, ohne es axial zu verschie-
ben. Der Spannbolzen kann auch von vorn eingeschraubt oder -geschlagen werden. Spreizdorne
werden meist mit einem Kegelzapfen in die Spindelbohrung eingesetzt oder mit einem Flansch auf
den Spindelkopf geschraubt.
Bei einer anderen Bauart nimmt eine von beiden Seiten ge- 2 J I, 5 6
schlitzte Hülse das Werkstück auf, die von einer Spannmutter
auf den kegeligen Spannzapfen geschoben wird und sich da-
durch an beiden Enden aufspreizt (Bild lI.4b) . Solche Dorne
sind für Hülsen verschiedenen Außendurchmessers verwend-
bar. Sie legen aber das Werkstück axial nicht fest.
Der Spreizdorn nach Bild II.4c wird zwischen Spitzen ge-
spannt. Die Axialkraft der Reitstockspitze spreizt den zylin-
drischen Teil des Dorns, so daß das Werkstück an beiden
Bohrungsenden gespannt wird.

Bild 11.4. Spreizdorne


a) mit Spannboizen; I Spannstange, 2 Spindelkopf, 3 Überwurf-
mutter, 4 Dornkörper, 5 Spannboizen, 6 Werkstück
b) mit Spreizhülse (Tobler, Berlin); 1 Spindelkopf, 2 Kegeldorn 1 2 J I,

~1r-
(Kegel 1 : 10), 3 Spreizhülse, 4 Werkstück ,1 J(

~
c) Spitzen-Spreizdorn ; 1 Drehspitze, 2 kegelige Werkstückauf- j
nahme, 3 geschlitzte zylindrische Werkstückaufnahme,
4 Werkstück, 5 Reitstockspitze :

Dehndome wirken ähnlich wie Spreizdorne, haben aber größere Rundlaufgenauigkeit. Die Spann-
kraft wirkt radial gleichmäßig nach allen Seiten. Dadurch werden auch dünnwandige Teile sicher
aufgenommen, ohne daß sie verspannt werden. Die zylindrischen Spannkörper haben vor dem
Spannen einen kleineren Durchmesser als die Aufnahmebohrung des Werkstückes. Sie werden hy-
draulisch oder mechanisch gleichmäßig nach allen Seiten radial aufgeweitet und zentrieren und
spannen das Werkstück auf ihrer ganzen Länge. Da hierbei nur elastische Verformung zulässig ist,
beträgt der maximale radiale Spannweg nur etwa zwei Tausendstel des Spanndurchmessers.
Je nach Bauart und Spanndurchmesser des Dorns müssen darum die Toleranzen der Aufnahme-
bohrungen der Werkstücke innerhalb IT 11 bis IT 6 liegen. Die durch Reibung übertragbaren Dreh-
momente genügen den Anforderungen der Feinbearbeitung. Alle Bauarten werden als fliegende
Dorne mit Kegelzapfen oder Flansch und als Spitzendorne gebaut.

Der Ho[er-Dorn ist ein hydraulischer Dehndorn. Er hat eine geschlossene dünnwandige Spann-
buchse, die flir abgesetzte Bohrungen auch abgestufte Durchmesser haben kann (Bild II.5a). Zum
Spannen wird die Mutter 6 angezogen. Sie preßt den Kolben 5 auf die eingeschlossene plastische
Masse 4 (einfacher abzudichten als Öl!), und diese weitet die Spannbuchsen 2 auf.

Der Stieber-Dorn hat einen Dornkörper, der mechanisch gedehnt wird (Bild I1.5b). In seiner kege-
ligen Bohrung (Kegel 1 : 50) ist der Spannkegel 2 auf mehreren Reihen von Stahlrollen 3 gelagert ,
die in einem Käfig geflihrt werden und deren Achsen um 10 10' gegen die Dornachse geneigt sind.

892
11. Werkstück- und Werkzeugspanner

Dadurch schraubt sich beim Rechtsdrehen der Spannkegel 2 in den Dornkörper 1 hinein und weitet
ihn über die Rollen gleichmäßig radial auf. Infolge der rollenden Reibung kann man mit kleinen
Drehmomenten sehr große Spannkräfte erzielen und die Spannung ist ebenso leicht und schnell
wieder zu lösen. Sonderausflihrungen können mit Kraftspannantrieben betätigt werden (siehe 1.6).

Der Ringspann-Dorn (Bild 1I.Sc) nimmt das Werkstück mit einem Paket von sechs bis zwölf Ring-
spannscheiben 2 auf. Sie sitzen spielfrei unter Spannung auf dem Grunddorn S und stützen sich an
ihrer Bohrung axial gegen den Schulterring 1 ab. Der Grunddorn kann innerhalb eines bestimmten
Bereiches Scheibensätze mit beliebigem Außendurchmesser aufnehmen. Zieht man die Mutter an,
dann drückt der Druckring 3 das Scheibenpaket flach und dadurch vergrößert sich dessen Außen-
durchmesser. Dabei wird das Werkstück gespannt und gleichzeitig gegen den Schulterring gezogen.
Lange Werkstücke werden von je einem Scheibenpaket an beiden Bohrungsenden aufgenommen,
die auch unterschiedliche Durchmesser haben dürfen. Die Scheiben müssen stets so auf dem Grund-
dorn sitzen, daß sie sich weder beim Spannen noch beim Lösen auf ihrem Sitz verschieben. Zum
Lösen darf es auch nicht erforderlich sein, daß die Scheiben am Werkstück gleiten, weil sonst die
Spannung nur mit Gewalt gelöst werden kann. Ringspann-Dorne können auch mit Zugstange von
Hand oder mit Kraftspannantrieben gespannt werden (siehe 1.6). Für größere Spanndurchmesser
bis 300 mm sind Ringspann-Flachdorne geeignet (Bild II.5d). Der Spannkörper 2 ist ähnlich wie
die Ringspannscheiben von innen und außen her radial geschlitzt. Er stützt sich mit seinem Rand
auf der Aufnahme 1 ab. Wird das Druckstück 3 nach rechts verschoben, verformt sich der Spann-
körper 2 kegelig und vergrößert dabei seinen Außendurchmesser.

Der Spieth-Dorn besteht aus dem Grundkörper 1, der Spannhülse 2 und der Spannmutter 4 (Bild
1I.Se). Die Spannhülse ist ein Hohlzylinder mit ebenen Stirnflächen und tiefen, breiten radialen

2 J ~

al

1 J ~

cl el
Bild 11.5. Dehndorne
a) Hofer-Dorn; 1 Dornkörper, 2 Spannbuchsen, 3 Werkstück, 4 plastische Masse, 5 Kolben, 6 Spannmutter
b) Stieber-Dorn; 1 Dornkörper, 2 Spannkegel, 3 Stahlrollen, 4 Käfig
c) Ringspann-Dorn ; 1 Schulterring, 2 Ringspannscheiben, 3 Druckring, 4 Werkstück, 5 Grunddorn
d) Ringspann-Flachdorn; 1 Aufnahme rur den Spannkörper, 2 Spannkörper, 3 Druckstück, 4 Werkstück
e) Spieth-Dorn; 1 Grundkörper, 2 Spannhülse, 3 Werkstück, 4 Spannmutter
(Bei c, d und e zeigt die obere Hälfte den entspannten, die untere Hälfte den gespannten Zustand des Dornes)

893
Werkzeugmaschinen

Einstichen von innen und außen. Wird sie von der Spannmutter axial zusammengepreßt, dann
wird infolge der elastischen Verformung ihr Außendurchmesser größer und der Innendurchmesser
kleiner. Auch diese Dorne werden für Hand- und Kraftspannung gebaut.

Bild 11.6. Lamellen-Spanndorn


(Schüder, Gerlingen)
1 Dornkörper mit Flansch
2 Spannlamellen
3 Spannkegel
4 Haltefeder
5 Lamellenkopf
6 Werkstück
7 Zwischenflansch
8 Spindelkopf
9 Zugstange

Lamellen-Spanndome (Bild 11.6) haben einen größeren Spannbereich als Dehndorne (bis 8 mm).
Der Lamellenkopf 5 hat mehrere gleichmäßig am Umfang verteilte Längsschlitze, in denen keil-
förmige, flache Spannkörper 2 radial gefUhrt sind. Der Spannbolzen 3 wird zum Spannen nach
links verschoben und drückt mit seinem Kegel die Spannkörper nach außen. Auch hier ist Hand-
und Kraftspannung möglich.

1.3. Spannzangen
Anwendungsbeispiele: Spannzangen werden auf kleineren Drehmaschinen, auf Revolver-, Kopier-
drehmaschinen und Drehautomaten sowie auf Rundschleifmaschinen verwendet. Bei Dreharbeiten
von der Stange werden sie bevorzugt eingesetzt. Kurze Werkstücke werden fliegend gespannt ,
längere mit der Reitstockspitze zusätzlich an der freien Stirnfläche abgestützt . Sie werden für
Spanndurchmesser von ca. 0,5 ... 80 mm gebaut.
Aufbau- und Wirkungsweise: Spannzangen sind das Gegenstück zu den Spreizdornen. Die Spann-
kraft wirkt radial von außen nach innen, das Werkstück wird auf der Mantelfläche gespannt.
Die Zug-Spannzange hat einen kegeligen Kopf mit drei Längsschlitzen und einen dünnwandigen
zylindrischen Schaft mit einem Gewindeansatz für die Zugstange (Bild 11.7a). Die Spannflächen
sind glatt oder gezahnt. Zum Spannen wird die Zugstange von Hand über einen Hebel oder mit
einem Kraftspannantrieb betätigt. Sie zieht die Zange in die Kegelbohrung der Spindel. Die Spann-
backen werden nach innen gedrückt und spannen das Werkstück. Der Spannweg ist klein und es
können nur Durchmesserunterschiede von wenigen Zehntelmillimetern gespannt werden. Die
Spannflächen der Werkstücke müssen also vorbearbeitet, gezogen oder geschält sein. Beim Schlie-
ßen der Backen nimmt die Zug-Spannzange das Werkstück axial um einen kleinen Weg mit, dessen

1 3 t.

0)

Bild 11.7. Spannzangen-Grundformen


a) Zugspannzange ; 1 Zugstange, 2 Spindel, 3 Verdrehsicherung, 4 Spannzange
b) Druckspannzange ; 1 Druckhülse, 2 Spannzange, 3 Schulterring, 4 Spindelkopf

894
11. Werkstück- und Werkzeugspanner

Betrag vom Werkstückdurchmesser und von der Zugstangenkraft abhängt. Der Spannkegelwinkel
wird zwischen 16° und 40° ausgeführt. Dann löst sich die Zange selbsttätig, wenn die Zugkraft
nicht mehr wirkt (Kegelwinkel > 2· Reibwinkel). Es gibt auch Ausftihrungen mit Morsekegel, die
nicht selbst öffnen. Ist eine bestimmte Zugstangenkraft vorgegeben (z. B. bei Handbetätigung),
dann spannt die Zange umso fester, je kleiner ihr Kegelwinkel ist. Spannzangenkörper mit aus-
wechselbaren Einsatzbacken können für verschiedene Durchmesser und Spannquerschnittsformen
verwendet werden.

Die Druck-Spannzange (Bild 1I.7b) liegt mit einer Schulter gegen den Schulterring 3, der auf den
Spindelkopf aufgeschraubt ist. Die Druckhülse I umschließt die Zange 2 und wird beim Spannen
nach rechts verschoben. Infolge der Reibung an der Schulter spannt sie bei gleicher Längskraft nicht
so fest wie eine Zug-Spannzange. Sie läuft wegen des Spieles zwischen Druckhülse und Bohrung
auch nicht so genau rund. Daflir wird das Werkstück beim Spannen aber nicht wie bei der Zugspann-
zange axial verschoben.

Sonderbauformen. Von den vielen Sonderformen zeigt Bild 1I.8a


und beine Spannzange mit vergrößertem Spanndurchmesser, aber
kleiner Einspanntiefe, und eine Stufenspannzange flir flache Werk·
stücke, die flir mehrere Spanndurchmesser geeignet ist.

Die kraftbetätigte Spannzange nach Bild II.9a hat einen Backenhub


von fast 5 mm und schon beinahe die Form eines Futters. Die Backen
gleiten in zylindrischen Bohrungen, deren Achsen die Spindelachse
schneiden. Auswechselbare Backeneinsätze vergrößern den Spann-
durchmesserbereich. Der größte Spanndurchmesser beträgt ISO mm.
Die Lamellen- oder Segmentspanner (Bild 1I.9b) stehen ebenfalls auf
der Grenze zwischen Zange und Futter. Beim Spannen wird die Spann-
büchse 3 nach links gezogen. Der Zangenkörper 2 drückt dabei die
Lamellen 5 (bis 24 Stück) in den Schlitzen des Spannkorbes 4 nach
Bild 11.8
innen. Der größere Spannhub der Lamellen gestattet größere Tole-
a) Zugspannzange für großen
ranzen des Spanndurchmessers am Werkstück als bei normalen Spann- Spanndurchmesser
zangen. Auswechselbare Spannkörbe vergrößern den Durchmesser- b) Stufenspannzange rur
bereich des Lamellenspanners. mehrere Spanndurchmesser

Bild 11.9
a) Sonderspannzange für Kraftspannantrieb (Forkardt KG., Düsseldorf)
1 Spindelkopf, 2 Spannzangenkörper , 3 Spannbacken, 4 auswechselbare Spanneinsätze, 5 Werkstück
b) LameIlen-Spannzange (Schüder, Gerlingen)
1 Spindelkopf, 2 Zangenkörper, 3 Spannbüchse, 4 Spannkorb, 5 Lamelle, 6 Deckscheibe, 7 Schutzhaube,
8 Feder

895
Werkzeugmaschi nen

1.4. Spannfutter
Anwendungsbeispiele: Mit Spannfuttern spannt man Werkstücke einseitig ("fliegend") auf Dreh-,
Tiefbohr- und Schleifmaschinen und bei Teilkopfarbeiten.
Aufbau und Wirkungsweise: Die Futterkörper sind meistens aus Stahl, mitunter aus Grauguß und
für hohe Drehzahlen auch aus Leichtmetall. Die Backen und gleitenden Teile sind aus gehärtetem
Stahl. Spannfutter spannen das Werkstück meist auf der Mantelfläche, Drei-, Vierbackenfutter und
Planscheibe auch in der Bohrung. Bei allen Backenfuttern wirkt die Spannkraft radial, bei den
Magnetfuttern axial und bei der Planscheibe radial und axial.

Das Zweibackenfutter (Bild 11.10) besteht


aus dem zylindrischen Futterkörper 1,
den Grundbacken 3 und der Spindel 2
mit je einem Rechts- und Linksgewinde.
Beim Spannen werden von der Gewinde·
spindel beide Backen gleichzeitig nach
innen gezogen und das Werkstück wird
zentriert und gespannt. Das Gewinde ist
selbsthemmend, so daß sich die Spannung
nicht löst. Auf die Grundbacken 3 wer·
den auswechselbare Aufsatzbacken 4 ge·
schraubt, deren Form dem Werkstück an- 3
gepaßt ist. Mit Zweibackenfuttern werden
vorwiegend unrunde, aber symmetrische
Teile gespannt, wie Vier- und Sechskant-
stangen und Armaturen. Kraftbetätigte
Zweibackenfutter werden nach Bild 11.15
ausgeführt.

Das Dreibackenfutter ist am weitesten ver- Bild 11 .10. Handbetätigtes Zweibackenfutter


breitet. Bei den handbetätigten Bauarten (Forkardt KG., Düsseldorf)
sind drei verschiedene Backenantriebe ge- 1 Futterkörper, 2 Backen-Antriebsspindel, 3 Grund-
bräuchlich. Alle drei Antriebe bewegen backen, 4 Aufsatzbacken, 5 Spindelhalter
die Backen gleichzeitig und zentrieren das (ln der Hauptansicht sind die Aufsatzbacken 4 nicht
mitgezeichnet)
Werkstück selbsttätig.
Das Planspiralfutter (Bauart Cushman) ist das älteste und am weitesten verbreitete Dreibackenfutter
(Bild 11.11). Das Ritzel 4 ist im Mantel des Futterkörpers 1 gelagert und wird zum Spannen mit
einem Vierkantschlüssel gedreht. Es überträgt die Drehbewegung auf die Spannscheibe 2, die auf
der Rückseite als Kronen- oder Kegelrad ausgebildet ist und auf der Stirnseite eine Spiralnut trägt.
In diese Nut fassen die Backen 3 mit kammähnlichen "Fingern" hinein. Sie werden bei drehender
Spannscheibe nach innen oder außen bewegt. Die Spirale hat kleinen Steigungswinke1 und wirkt
selbsthemmend, so daß die Backen sich nicht von selbst lösen können. Der gesamte Spannbereich
des Futters kann schnell durchfahren werden, ohne daß die Backen umgesetzt werden müssen. Da
die Spannspirale veränderlichen Krümmungsradius hat, die Backenfinger aber mit einer bestimmten
Krümmung ausgeführt werden müssen, wird zwischen beiden Teilen die Spannkraft nur durch
Linienberührung übertragen. Das erhöht den Verschleiß und mindert die Spanngenauigkeit mit
fortschreitender Betriebsdauer.
Das Plankun1enfutter (Bauart Herbert) (Bild 11.12) hat diesen Nachteil nicht. Die selbsthemmende
Schnecke 7 treibt den Spannring 2, der auf seiner Stirnseite drei kreisbogenförmige Nuten oder

896
11. Werkstück- und Werkzeugspanner

Bild 11.11. Planspiralfutter,


Bauart Cushman
(Röchling-Buderus, Wetzlar)
1 Futterkörper
2 Spannscheibe mit Planspirale und
Verzahnung
3 Spannbacken
4 Spannritzel (3 Stück am Umfang)

Bild 11.12. Plankurvenfutter,


Bauart Herbert
1 Futterkörper
2 Spannring
3 Grundbacke
4 Aufsatzbacke, auf der Grundbacke
versetzbar
5 Gleitstein
6 Abdeckplatte (drei sektorförmige
Teilstücke)
7 Schnecke
8 Futterflansch
9 Spindelkopf
10 Spannkurve

Stege (Spannkurven) mit versetzten Mittelpunkten trägt. In jede Nut greift eine Backe 3 mit einem
passenden Gleitstein 5, der auf der Backenrückseite auf einem Zapfen drehbar ist. Da die Krüm-
mungsmittelpunkte der Spannkurven 10 nicht auf der Achse des Futters liegen, bewegen sich die
Backen radial, wenn sich der Spannring dreht. Der Backenhub ist aber nur klein und bei größeren
Unterschieden der Spanndurchmesser müssen die Aufsatzbacken auf den Grundbacken versetzt
werden (siehe Bild 11.14). Dieses Futter wird deshalb vorwiegend in der Mengenfertigung verwen-
det, wo die Spanndurchmesser rur große Stückzahlen gleich bleiben.

Beim Keilstangenfutter (Bauart Forkardt) (Bild 11.13) verschiebt die im Futterkörper 1 gelagerte
Gewindespindel 6 eine Keilstange 5, die schrägliegende Zähne auf der Stirnseite hat und ebenfalls
im Futterkörper geruhrt ist. Die Backe 7 faßt mit einem Gegenprofil in diese Zähne und wird da-
durch radial in ihrer Führung verschoben. Jede der drei Keilstangen hat auf ihrer Rückseite einen
flachen, zylindrischen Zapfen 3. Dieser faßt in einen Gleitstein 4, der in einem Radialschlitz des
Treibringes 2 beweglich ist. Der Treibring wird von der angetriebenen Keilstange auf der Nabe des
Futterkörpers gedreht und überträgt die Bewegung auf die beiden anderen Keilstangen. Flächen-
pressung und Verschleiß sind wegen der großen, ebenen Kraftübertragungsflächen gering. Der
Spannhub der Backen ist zwar klein, aber die Backen können schnell auf einen anderen Spann-
durchmesserbereich versetzt werden. Dazu wird die Gewindespindel 6 bis zum Anschlag nach links
gedreht. Dann ist die Verzahnung außer Eingriff und man kann die Backen um einen Zahn oder
mehrere Zähne verschieben. Zum Innenspannen können sie umgedreht werden.

897
Werkzeugmaschi nen

6 12345678 5
6

Bild 11.13. Keilstangenfutter , Bauart Forkardt


(Forkardt KG., Düsseldorf)
Mitte: Längsschnitt; links: Ansicht von vorn auf Keilstangen mit Ge-
windespindel, Gleitsteinen und Treibring (d ie dünn gezeichneten Backen
liegen vor der Zeichenebene); rechts oben : Rückansicht ohne Deckel
und Treibring; rechts unten: Längsschnitt durch die Antriebskeilstange
1 Futterkörper, 2 Treibring, 3 Zapfen an der Keilstangen-Rückseite,
4 Gleitstein, 5 Keilstange, 6 Gewindespinde l, 7 Grundbacke, 8 Aufsatzbacke

Die beschriebenen Dreibackenfutter können 2


mit verschiedenen Arten von Spannbacken
ausgertistet werden. Harte (gehärtete) Backen
sind zum Spannen auf rohen Guß- oder
Schmiede flächen geeignet und meistens an
den Spannflächen gezahnt. Sie werden als
ungeteilte oder geteilte Stufen backen (be-
stehend aus harten Grund- und Aufsatz- ,
backen) ausgeflihrt (Bild 11.14). Sofern sie 1-----------
nicht umgedreht werden können, braucht
man zwei Sätze: "Drehbacken" mit derhöch-
sten Stufe außen und "Bohrbacken" mit der 0} 0i1::mm.1 bl W::mml cl CL]
höchsten Stufe innen. Weiche Backen ver- Bild 11.14. Spannbackenformen
wendet man zum Spannen auf vorbearbeite- a) ungeteilte harte Stufenbacke
ten Flächen. Sie werden als Aufsatzbacken b) geteilte Stufenbacke; 1 harte Grundbacke,
auf die harten Grundbacken aufgeschraubt 2 harte Aufsatzbacke
und genau der Form der Spannstelle am c) geteilte Backe ; 1 harte Grundbacke,
2 weiche Aufsatzbacke
Werkstück entsprechend im gespannten Zu-
stande ausgedreht bzw. -geschliffen. Dadurch
verteilt sich die Spannkraft auf große Flächen, man schont die Werkstückoberfläche und erzielt
größere Rundlaufgenauigkeit.

Bei den kraftbetätigten Dreibackenfuttern gebraucht man zwei verschiedene Backenantriebe :


Das Winke/hebel-Futter zeigt Bild 11.15. Die Spannmuffe 2 wird von der Zugstange 1 nach links
gezogen. Über den Winkelhebel3 angetrieben bewegen sich die Backen 4 radial nach innen.
Das Keilkolbenfutter (Bild 11.16) hat im zylindrischen Kolben 1 drei schräge Führungsflächen 2,
auf denen je eine Gegenfläche der Grundbacken 3 gleitet. Der Kolben wird vom Spannantrieb nach
links gezogen und die Backen bewegen sich dadurch radial nach innen.

898
11. Werkstück- und Werkzeugspanner

Bild II.16. Keilkolbenfutter (Forkardt KG., Düsseldorf)


1 Spannkolben, 2 Führungsfläche, 3 Grundbacke
(Aufsatzbacke ist nicht gezeichnet)

Bild II.15. Dreibacken-Winkelhebelfutter


1 Spannstange, 2 Spannmuffe, 3 Winkel-
hebel, 4 Grundbacke, 5 Aufsatzbacke,
6 Futterkörper

Beide Bauarten haben nur einen kleinen Backenhub. Zum Anpassen an verschiedene Spanndurch-
messer werden die Aufsatzbacken 5 auf der Stirnverzahnung der Grundbacken versetzt.

Das Vierbackenfutter wird seltener verwendet. Es gleicht in Aufbau und Wirkungsweise den Drei-
backenfuttern. Bei manchen Bauarten können je zwei gegenüberliegende Backen gemeinsam zen-
trisch verstellt werden, bei anderen Bauarten werden alle vier Backen gemeinsam verschoben und
sind außerdem einzeln einstellbar.

Die Planscheibe (Bild 11.17) ähnelt den Backenfuttern. Im Gegensatz zu diesen kann man damit
aber Werkstücke beliebiger Form spannen. Da die Planscheibe das Werkstück nicht selbsttätig zen-
triert, ist das Spannen und Ausrichten oft sehr umständlich und zeitraubend. Der auf der Rückseite
verrippte Scheibenkörper ist aus Grauguß oder Stahlguß. Die Aufspannfläche ist sorgfaltig eben
bearbeitet und hat außer den Klauenftihrungen Radialnuten, in denen das Werkstück zusätzlich mit
Spanneisen axial gespannt werden kann (siehe 3.4). Die Klauen (Backen) sind flir Innenspannung
umkehrbar, auswechselbar und können auch ganz herausgenommen werden. Große Planscheiben
haben häufig Klauenkästen, die zum groben Einstellen auf die Werkstückabmessungen von Hand
oder mit steilgängigen Gewindespindeln verschoben werden. Gespannt wird dann mit feingängigen
Spindeln, welche die Klauen in den Kästen verschieben. Die Planscheibe wird auf dem Spindel-
flansch befestigt. Ihre Mittelbohrung läßt die Drehspitze frei, so daß sie auch als Mitnehmer ge-
braucht werden kann, wenn große Werkstücke zwischen Spitzen gedreht werden. Sie wird an Leit-
und Zugspindeldrehmaschinen und an Plandrehmaschinen gebraucht aber auch die runden Auf-
spanntische der Senkrecht-(Karussell-)Drehmaschinen werden als Planscheiben bezeichnet. Die
Planscheibe des Waagerecht-Bohr- und Fräswerkes ist kein Werkstückspanner, sondern ein Werk-
zeugträger. Sie ist auch anders aufgebaut.
Weil die Unwucht bei unsymmetrisch gespannten Werkstücken sich auch durch aufgespannte
Gegengewichtskörper nicht ganz beseitigen läßt, wird von den Herstellern flir jede Planscheibe nur
eine bestimmte Höchstdrehzahl zugelassen.

899
Werkzeugmaschi nen

2 J

Bild ILl7. Planscheibe (Werner-Werke KG., Dillenburg)


1 Planscheibe, 2 äußeres Spindellager , 3 Gewindespindel, 4 Spannklaue, 5 inneres Spindellager
(in der Vorderansicht sind in der linken und der unteren Klauenflihrung die Klaue bzw. Klaue und Gewinde-
spindei nicht gezeichnet)

Schrumpffutter werden rur dünnwandige Werkstücke verwendet, die nicht verspannt werden dürfen,
und wenn besonders hohe Rundlaufgenauigkeit erreicht werden soll. Sie wirken wie die Dehndome
und haben auch die gleichen Anwendungsgrenzen, nur werden ihre Spannkörper außen abgestützt
und verformen sich nach innen. Bild 11.18 zeigt ein Stie ber- und ein Ringspannfutter . Zum Spannen
wird beim Stieberfutter der Spannring, beim Ringspannfutter die Spannmutter gedreht. Schrumpf-
futter werden auch nach den Systemen Hofer und Spieth gebaut (siehe 1.2).

2 Bild 11 .18. Schrumpffutter


a) Stieber-Spannfutter
1 Spindelflansch, 2 Futter-
flansch, 3 Spannring, 4 Spann-
rolle, 5 Spannkörper, 6 Werk-
stückaufnahme
b) Ringspann-Futter
1 Futterhülse, 2 Anschlag-
ring, 3 Ringspannscheiben,
4 Spannmutter, 5 Druckring,
6 Werkstück
01 L--JL..._ - ' -....

Magnetfutter sind runde, auf dem Spindelkopf befestigte Magnetspannplatten. Sie werden nur bei
kleinen Bearbeitungskräften verwendet (Schleifen, Feindrehen). Aufbau und Wirkungsweise
siehe 3.3 .

900
11. Werkstück- und Werkzeugspanner

1.5. Teileinrichtungen
Anwendungsbeispiele: Teileinrichtungen stehen auf der Grenze zwischen den Werkstückträgern
und den Werkstückspannern. Wenn sie nicht fest mit der Maschine verbunden sind, werden sie auf
dem Maschinentisch befestigt und nehmen auf oder in ihrer Spindel den eigentlichen Werkstück-
spanner auf. Sie werden flir Arbeiten auf Fräs-, Schleif-, Bohr- und Stoßmaschinen gebraucht, bei
denen am Werkstück genaue Teilungen auszufUhren sind, d.h. wenn das Werkstück nach einem
Werkzeugdurchlaufzum Weiterbearbeiten um einen bestimmten Winkel weitergedreht werden muß,
ohne daß es dabei ausgespannt wird (z.B. Zahnräder fräsen und schleifen, Lochteilungen bohren,
KeilnutprofIle stoßen). Mit manchen Teileinrichtungen kann man während der Bearbeitung das
Werkstück zusätzlich zur Längsbewegung drehen und dadurch schraubenförmig umlaufende Nuten
herstellen.

1.5.1. Teilscheibe
Aufbau und Wirkungsweise: Die Teilscheibe nach Bild II.19 besteht
aus der Grundscheibe 1, die auf der Spindel befestigt ist, der Rasten-
scheibe 3 mit dem Mitnehmerbolzen 4 flir das Werkstück und dem
Sperriegel 2. Die Rastenscheibe hat auf ihrem Umfang gleichmäßig
verteilt 12 (oder 24) Rasten. Während der Arbeit ist der Sperriegel in
eine Raste eingelegt. Zum Teilen wird er zurückgeschwenkt und die
Rastenscheibe von Hand um die erforderliche Anzahl Rasten weiter-
gedreht. Mit solchen Teilscheiben kann man die Teilungen 2, 3,4,6 Bild 11.19. Teilscheibe
und 12 (8, 24) ausfUhren. 1 Grundscheibe, 2 Sperriegel,
3 Rastenscheibe, 4 Mitnehmer-
bolzen
1.5.2. Universal-Teilkopf
Aufbau und Wirkungsweise: Bild 11.20 zeigt einen Universal-Teilkopf und sein Antriebsschema.
Zum Teilen wird mit der Kurbel 7 über das Stirnräderpaar 5 und das Schneckengetriebe 1- 2 die
Teilkopfspindel 4 gedreht, auf der das Werkstück mit Spitze und Mitnehmer, Spannzange, Dorn,
Zwei- oder Dreibackenfutter gespannt ist. Die Stirnradübersetzung ist 1 : I, die Schneckenüber-
setzung 40: 1, selten 60: 1. Die Teilgenauigkeit beträgt 45" ... 90". Fest auf der Teilkopfspindel

Bild 11.20. Der Universal-Teilkopf und sein Antriebsschema


1 Schnecke, 2 Schneckenrad, 3 Teilscheibe zum unmittelbaren Teilen, 4 Teilkopfspindel, 5 Stirnräder (i = 1: 1),
6 Kegelräder rur Lochscheibenantrieb (i =1: 1), 7 Teilkurbel, 8 auswechselbare Lochscheibe mit mehreren Loch-
kreisen, 9 Wechselräder, 10 Ausgleichteilbolzen

901
Werkzeugmaschi nen

sitzt die Teilscheibe 3 mit 24 Rastlöchern und häufig einer 360o -Winkelskala zum Teilen beliebiger
Winkel von Hand (Teilgenauigkeit "'" 3'). Der Ausgleichteilbolzen 10 wird nur beim Ausgleichteilen
in die Teilkopfspindel eingeschraubt, damit die Wechselräder 9 ftir den Lochscheibenantrieb auf-
gesteckt werden können. Je nach auszuftihrender Teilung werden verschiedene Teilverfahren an-
gewendet.
Zum unmittelbaren Teilen braucht man keine Wechselräder und die Schnecke muß ausgeschwenkt
werden. Die Teilkopfspindel wird mit der Teilscheibe 3 um die erforderliche Lochzahl weiterge-
dreht und der Raststift in das entsprechende Rastloch eingeschoben. Scheibe, Spindel und Werk-
stück können sich dann nicht mehr drehen. Dieses Verfahren ist auf die Teilungen 2, 3, 4 , 6,8, 12
und 24 beschränkt, wenn die Teilscheibe 24 Löcher hat.
Zum Einfachteilen wird der Raststift der Teilscheibe gelöst und die Schnecke wird eingeschwenkt.
Auf der Außenfläche der Kegelradnabe , die sich frei auf der Kurbelwelle drehen läßt, wird eine
Lochscheibe mit mehreren Lochkreisen befestigt und durch einen Haltestift am Gehäuse festge-
halten. Die Teilbewegung wird mit der Kurbel über das Schneckengetriebe ausgeftihrt (Bild 11.21).
Die Gesamtübersetzung zwischen Kurbel und Teilkopfspindel ist 40: 1. Folglich sind 40 Kurbel-
umdrehungen ftir eine Werkstückumdrehung erforderlich. Für t Teilungen am Werkstück muß das
Schneckenrad mit Teilkopfspindel und Werkstück ftir jeden Teilschritt nw = Ilt Umdrehungen aus-
fUhren . Mit Schneckenübersetzung i s = Kurbeldrehzahl nk: Werkstückdrehzahl 11 t wird die Kurbel-
drehzahl ftir einen Teilschritt
(11.1)

Bild 11.21. Getriebeplan des Teilkopfes beim Einfachteilen


1 Teilkopfspindel, 2 Werkstück (fest auf Spindel), 3 Reitstock
Bewegungsfluß : Teilkurbel-Stirnräderpaar-Schneckengetriebe-Teilkopfspindel
mit Werkstück. Lochscheibe und Kegelräder stehen still.

• Beispiel: Ein Zahnrad mit 37 Zähnen soll im Teilverfahren gefräst werden. Wieviele Kurbelum-
drehungen sind ftir den Teilschritt erforderlich?
Lösung: Die Kurbeldrehzahl ist nach (11.1)
is 40 3
nk = t= 37 =1 37 Umdrehungen.

Es wird also eine Lochscheibe mit 37er Lochkreis verwendet, die Kurbel nach Lösen des
Kurbelstiftes um eine Umdrehung und drei Löcher weitergedreht und der Stift dort wie-
der eingerastet.
• Beispiel: Es soll eine 2Ser Teilung ausgefUhrt werden.
i 40 1S 9 12 18
Lösung: nk = ts = 2S = 1 2S = 1 15 = 1 20 = 1 30
Diese Teilaufgabe ist mit mehreren Lochkreisen ausfUhrbar. Man kann in vielen Fällen auf
eine oder mehrere vorhandene Lochkreiszahlen kürzen oder erweitern.

Die Zahl der ausfUhrbaren Teilungen hängt beim Einfachteilen nur von der Anzahl der vorhandenen
Lochkreise ab. Die meisten Teilköpfe haben 3 Lochscheiben mit 1S bis 24 Lochkreisen. Es können
nicht nur gleichmäßige Umfangsteilungen, sondern auch beliebige Winkelteilungen im Einfachteil-
verfahren ausgefUhrt werden.

902
11. Werkstück- und Werkzeugspanner

Das Ausgleichteilen wird angewendet, wenn bei großen Teilzahlen, insbesondere Primzahlen, das
Einfachteilen versagt. Der Haltestift für die Lochscheibe wird gelöst, weil sie sich beim Teilen mit-
drehen muß (Bild 11.22). Man wählt eine in der Nähe der auszufUhrenden Teilung liegende Hilfs-
teilzahl x und berechnet damit wie beim Einfachteilen die Kurbeldrehzahl nkx und den Lochkreis,
d.h. es wird nkx = iglx. Tatsächlich ist aber für den Teilschritt die Kurbeldrehzahl nk = islt erfor-
derlich. Der entstehende Fehler wird dadurch ausgeglichen, daß sich die Lochscheibe, über die
Wechselräder angetrieben, während des Teilvorganges um die Differenz n/ = nk - nkx dreht. Die
Teilkopfspindel dreht sich um nw = 1ft. Die Kegelräder vor der Lochscheibe sind gleich groß, so
daß die Wechselräderübersetzung i w = nw ln/ = Ilt n/ ist. Mit iw =Z2Z4/Z 1 Z3 und n/ =is/t - islx
wird ZIZ3/Z2Z4 = t(islt - is/x) = (isx - ist)/x, und daraus ergibt sich die Wechselrädergleichung
für das Ausgleichteilen
Z 1 Z3 is
- =- (x-t) (II.2)
ZZZ4 x
Bei x > t muß sich die Lochscheibe mit der Kurbel, bei x < t gegen die Kurbel drehen (Zwischen-
rad erforderlich!).

Bild 11.22. GetriebepIan des UniversaIteilkopfes beim


Ausgleichteilen
1 ... 4 Wechselräder ftir Lochscheibenantrieb
Bewegungsfluß: T eilk urbel-S tirnräderpaar-S chnecken-
getriebe- (hier teilt sich der Bewegungsfluß) nach rechts:
Teilkopfspindel mit Werkstück, nach links: Wechselräder-
Kegelräderpaar-Lochscheibe

• Beispiel: Die Teilung 83 soll ausgefUhrt werden. Ein 83er Lochkreis ist nicht vorhanden.
Lösung: Hilfsteilzahl x =85 gewählt. Dann ist die erforderliche Kurbeldrehzahl nkx =is/x =40/85
= 8/17, d.h. die Kurbel muß auf dem 17er Lochkreis um 8 Löcher weitergedreht werden.
Nach (II.2) sind die Zähnezahlen der Wechselräder
ZI Z 3 =!!. (x_t)=40(85_83)=80=8·10=40·50
Z2Z4 x 85 855·1725·85
d.h. es müssen Wechselräder mit den Zähnezahlen ZI =40, Z2 = 25, Z3 = 50 und Z4 = 85
Zähne aufgesteckt werden. Ein Zwischenrad ist nicht erforderlich. (Weiteres über Wechsel-
räder siehe IV. 1.2.2.1.)
Nach dem Ausgleichteilverfahren lassen sich alle praktisch vorkommenden Teilungen ausfUhren.
Drallfräsen, Spiralfräsen, Rundschalten. Darunter versteht man
die Verwendung des Universal-Teilkopfes zum Werkstückantrieb
beim Fräsen schraubenförmiger Nuten. Zwischen Vorschubspin-
del des Fräsmaschinentisches und Kegelradwelle des Teilkopfes
werden Wechselräder eingebaut. Der Raststift der Lochscheibe
wird gelöst und der Kurbelstift in ein Loch der Lochscheibe ein-
gerastet (Bild 11.23). Abhängig vom Tischvorschub wird über

Bild 11.23. Getriebeplan des UniversaIteilkopfes beim DraIlfräsen


1 ... 4 Wechselräder zwischen Tischvorschubspindel und Kegelradwelle
des Teilkopfes
Bewegungsfluß : Tischspindel-Wechselräder-Kegelräder-Lochscheibe-
Teilkurbel-Stirnräder-Schneckengetriebe-Teilkopfspindel

903
Werkzeugmaschi nen

Wechselräder (Übersetzung i w ), Kegelräder (Übersetzung 1: 1), Lochscheibe, Kurbel und Schnek-


kengetriebe (Übersetzung i s ) das Werkstück gedreht. Bezeichnen ny die Drehzahl und h v die Ge-
windesteigung der Vorschubspindel, n w die Drehzahl des Werkstückes und hw die Steigung der zu
erzeugenden Schraubenlinie, dann ist die Gesamtübersetzung iges = iwi s = nv/n w = hw/h y. Setzt
man wieder fiir iw die Zähne zahlen der Wechselräder, so wird die Wechselrädergleichung für das
Drallfräsen
Z\Z3 hy
--=i - (II.3)
Z2 Z4 s hw
Damit die Schraubenlinie an der Arbeitsstelle genau in Vorschubrichtung verläuft, muß beim Arbei-
ten mit Scheibenfräsern der Tisch mit Teilkopf und Werkstück um den Tischverstellwinkel A (Kom-
plementwinkel des Steigungswinkels a am Werkstück) geschwenkt werden. Er wird bei unbekann-
tem Steigungswinkel aus Werkstückdurchmesser d und Werkstücksteigung h w berechnet (bei kege-
ligen Werkstücken ist fiir d der mittlere Kegeldurchmesser zu setzen):
rrd
tan A = h = cot a (HA)
w

Sind mehrere Schraubennuten mit gleichmäßiger Umfangsteilung am Werkstück herzustellen, dann


ist das nur möglich, wenn im Einfachteilverfahren geteilt werden kann.
• Beispiel: In den Mantel eines Zylinders sollen t = 7 flache schraubenförmige Nuten mit einem Stei-
gungswinkel a = 72°48' und einem Flankendurchmesser d = 50 mm gefräst werden. Die
Steigung der Vorschubspindel ist hy = 6 mm. Mit welchem Lochkreis ist zu teilen? Welche
Wechselräder werden benötigt? Um welchen Winkel Amuß der Tisch geschwenkt werden?
Lösung: Kurbeldrehzahl für Einfachteilen nach (IU)

nk = ti s = ""7
40 5 15
= 5 "7 = 5 2I Umdrehungen, d.h. es müssen 5 ganze Umdrehungen und

15 Löcher auf dem 21er Lockreis geteilt werden.

Werkstücksteigung nach (1104)


d 50mm
h w = rr - - = rr 0 ' = 507,44 mm.
cota cot7248

Wechselräder nach (1I.3)

Z1 Z 3 ish y 40·6mm 8·240mm 1920 40·48


Z2 Z 4 = hw = 507,44 mm (= 0,47296) = 8·507,44 mm = 4059,5 ~ 52.78 (= 0,47337),

d.h. die Wechselräder erhalten ZI = 40, Z2 = 52, Z3 = 48 und Z4 = 78 Zähne.


Die Wechselräderübersetzung weicht von der erforderlichen um rund 0,087 % ab. Die
wirklich ausgeführte Steigung beträgt

Z2 Z 4 52 ·78
h w = ish y - - = 40·6 mm· 40 • 48 = 507,00 mm
Z\Z3

und der ausgeführte Steigungswinkel nach (HA)

rrd rr·50mm 8
cota = hw = 507 mm = 0,309 2;
a=72 0 47'9,2"

Tischverstellwinkel A = 90° - a = 90° -72°47 ,I5' = 17° 12,85'


Größere Steigungs- und Steigungswinkelgenauigkeit kann mit drei (statt zwei) Wechsel-
räderpaaren erreicht werden.

904
11. Werkstück- und Werkzeugspanner

1.5.3. Optischer Teilkopf


Die Teilkopfspindel wird mit der Kurbel unmittelbar über das Schneckengetriebe angetrieben. Loch-
scheiben und Wechselräder sind nicht erforderlich, denn die Einstellung wird mit einem Mikroskop
auf einer genauen Winkelteilung im Innern des Gehäuses auf etwa 30" genau abgelesen. Der op-
tische Teilkopf ist nicht zum Drallfräsen geeignet.

1.5.4. Elektrisch-automatischer Teilkopf


Statt der Lochscheibe werden nur Wechselräder verwendet. Der Teilvorgang wird durch einen Druck-
knopf oder Endschalter ausgelöst. Der elektrisch-automatische Teilkopf ist vor allem zur Verwen-
dung auf programmgesteuerten Maschinen bestimmt.

1.5.5. Rundtisch
Aufbau und Wirkungsweise: Rundtische sind entweder fest in die Maschine eingebaut, oder sie
werden auf dem Maschinentisch festgeschraubt. Sie sind für unmittelbares Teilen mit Rastenscheibe
oder Winkelskala und für Einfachteilen mit Lochscheibe, Kurbel und Schneckengetriebe eingerich-
tet. Das Schneckenrad hat 90 oder 180 Zähne, die Schnecke ist eingängig. (Berechnung siehe 1.5.2,
Einfachteilen.) Während der Bearbeitung des Werkstückes wird die Aufspannplatte, in deren T-
Nuten das Werkstück gespannt ist, auf dem Tischkörper festgeklemmt, um das Schneckengetriebe
zu entlasten und eine starre Abstützung der Bearbeitungskräfte zu erreichen.
Statt mit Lochscheibe und Kurbel wird auch mit Handrad und Teiltrommel mit 240 Teilstrichen
geteilt. Bei 180 Zähnen am Schneckenrad entspricht ein Teilstrich einem Winkel von 30". Der
Nonius hat 30 Striche auf 29 Teilstriche der Teiltrommel. Ein Noniusstrich entspricht also einer
Tischdrehung von 1". Es gibt auch optische Rundtische, bei denen die Kreisteilung eines Teilringes
auf einen Bildschirm projiziert wird und die TischsteIlung mit 1" Genauigkeit abgelesen werden
kann. Die Teilgenauigkeit der Rundtische beträgt etwa 5".

1.6. Kraftspannantriebe
Anwendungsbeispiele: An Dreh· und Rundschleifmaschinen werden Winkelhebel-, Keilkolben- und
Fingerfutter, Spannzangen, Spreiz- und Dehndorne mit Kraftspannantrieben betätigt.
Aufbau und Wirkungsweise: Der Druckölzylinder (Bild 11.24) wird mit dem Flansch 6 auf dem
hinteren Ende der Arbeitsspindel 7 befestigt und läuft mit ihr um. In die kurze Stange 4 des Flach-
kolbens 3 wird die Zugstange 5 eingeschraubt, die den Spanner (z.B. Futter) betätigt. Das Drucköl

Bild II.24. Druckölzylinder (nach Forkardt)


1 Ölzuführung (Gehäuse läuft nicht mit um), 2 Zylinder, 3 Kolben, 4 Kolbenstange, 5 Zugstange zum Spannfutter,
6 Flansch, 7 Arbeitsspindel, 8 Spindelkopf, 9 Futterflansch, 10Kraftspannfutter, 11 Öleintritt, 12 Leckölaustritt,
12 Ringkanäle für Ölzufuhr
905
Werkzeugmaschi nen

(15 ... 25 bar) wird mit zwei Schläuchen in die nicht mit umlaufende Ölzuflihrung 1 geleitet und
gelangt von da über Ringkanäle und Bohrungen vor oder hinter den Kolben 3, der nach beiden
Seiten mit fast der gleichen Kraft auf die Kolbenstange wirken kann. Ein mechanisch oder elektro-
magnetisch betätigter Vierwegehahn leitet jeweils in den einen Schlauch das Drucköl und verbindet
den anderen mit dem Auslaß. Die gebräuchlichen Kolbendurchmesser liegen zwischen 75 mm und
200mm.
Der Preßluftzylinder ist genauso aufgebaut. Der geringere Druck der Preßluft (6 bar Überdruck) er-
fordert für gleiche Spannkraft aber größere Kolbendurchmesser als beim Druckölzylinder (bis
400 mm) oder Tandemzylinder mit zwei hintereinander angeordneten Kolben. Dadurch wird das
Schwungmoment größer (größere Bremszeit!). Deswegen und wegen der unvermeidbaren Unwucht
sind bei Preßluftzylindern die zulässigen Drehzahlen bei gleicher Spannkraft kleiner als beim Druck-
ölzylinder.

Bild 11.25. Elektrospanner (Forkardt KG., Düsseldort)


1 Spannmotor, 2, 3,4 Stirnräder, 5 Innenzahnkranz der Überschnappkupplung, 6 Überschnappkupplung, 7 Spann-
mutter (Kupplungsscheibe), 8 Gewindespindel, 9 Zugstange zum Werkstück- oder Werkzeugspanner, 10 Schwanz-
ende der Arbeitsspindel, 11 Zwischenflansch, 12 Druckstift flir Überschnappkupplung, 13 Tellerfederpaket,
14 Schleifring, 15 Stromzuflihrung, 16 feststehender Schild, 17 Scheibe zum Einstellen des Federdruckes (Dreh-
momentbegrenzung)

Beim Elektrospanner (Bild 11.25) treibt der Spannmotor 1 über die Stirnräder 2, 3,4 auf den Innen-
zahnkranz 5 der Überschnappkupplung 6. Diese wird mit einstellbarer Federkraft gegen die Spann-
mutter 7 gedrückt und nimmt sie mit ihren Kupplungszähnen mit. Dadurch wird über die Gewinde-
spindei 8 die Zugstange 9 axial bewegt. Die Kupplung schnappt über, wenn eine bestimmte Spann-
kraft in der Zugstange erreicht ist. Da das Spannergehäuse mit der Spindel umläuft, muß der Strom
über Schleifringe zugeflihrt werden.

2. Umlaufende Werkzeugspanner
2.1. Kegel
Anwendungsbeispiele: Unmittelbar am Kegelschaft werden Bohrer ("" ab Ij) 10 mm), Senker, Reib-
ahlen, Schaft- und Nutenfräser gespannt.
Aufbau und Wirkungsweise: Kegelschäfte an Werkzeugen sind metrische (1: 20) oder Morse-Kegel
("" I : 20) nach DIN 228. Sie zentrieren das Werkzeug in der Spindelbohrung und infolge ihrer
Selbsthemmung übertragen sie das Drehmoment durch Reibungsschluß. Gegen den Austreiblappen
des Bohrerschaftes (Bild II.26a) drückt der Kegelaustreiber, wenn er zum Lösen des Kegels in den

906
11. Werkstück- und Werkzeugspanner

Querschlitz der Bohrspindel eingetrieben wird. Fräserschäfte haben stattdessen ein Anzuggewinde
für die Spannstange, die den Fräser fest in die Kegelaufnahme der Spindel zieht (Bild II.26b). Zum
Austreiben des Kegels genügt ein Schlag gegen das Ende der Spannstange.

Bild 11 .26. Werkzeugkegel Bild 11.27. Werkzeug-Einziehkeile


a) Morse- bzw. metrischer Kegel mit a) mit Ringmutter (Scharmann & Co., Rheydt);
Austreiblappen nach DIN 228 1 Ringmutter, 2 Querkeil, 3 Spindel,
b) derselbe Kegel mit Anzuggewinde 4 Werkzeugkegel, 5 Austreibschlitz
nach DIN 228 b) mit Anzugschraube (Wotan-Werke, DüsseldorD;
c) ISO-Steilkegel mit Anzuggewinde 1 Spindel, 2 Werkzeugkegel, 3 Klemmhebel,
und Flansch nach DIN 2080 4 Keilstück, 5 Anzugschraube

Bei großen Drehmomenten sichern Mitnehmerflächen an Spindelkopfund Kegel (Bilder II.26b und
I.8) oder ein Querkeil die Verbindung gegen Lösen. Nach Bild II.27a wird der Querkeil zur Scho-
nung der Spindel nicht eingeschlagen, sondern mit einer Ringmutter verschoben. Beim Einziehkeil
nach Bild II.27b wird mit der Anzugschraube 5 das Keilstück 4 nach innen gezogen. Dadurch
schwenkt der Klemrnhebel3 aus und drückt den Kegelschaft in die Aufnahme.
Fräserschäfte werden auch mit dem nicht selbsthemmenden und darum leicht lösbaren ISO-Steil-
kegel 3,5: 12 nach DIN 729 ausgeftihrt. Er muß stets mit einem Anzuggewinde axial gehalten wer-
den. Das Drehmoment wird von den Mitnehmersteinen des Spindelkopfes auf Schlitze im Flansch
des Werkzeugkegels übertragen (Bild II.26c).
Mit Reduzierhülsen kann man kleine Kegelschäfte in größeren Kegelbohrungen oder Morse- und
metrische Kegel in ISO-Steilkegelbohrungen aufnehmen. Ihr Außenkegel paßt zur Aufnahmeboh-
rung der Spindel, ihre Bohrung zum Kegelschaft des Werkzeuges.

2.2. Dome
Anwendungsbeispiele: Dorne werden an Fräsmaschinen und Bohr- und Fräswerken verwendet.
Als Dorne kann man auch die Aufsteckhalter für Senker und Reibahlen ansehen.
Aufbau und Wirkungsweise: Auf dem Fräserdom mit Morsekegel oder ISO-Steilkegel (DIN 2081
... 87, 6062, 6354/55/60) werden Walzen- und Scheibenfräser gespannt (Bild 1I.28a). Die Spann-
stange zieht den Aufnahmekegel in die Spindelbohrung. Die Mitnehmersteine des Spindelkopfes
übertragen das Drehmoment auf die Nuten des Dornflansches. Der Fräser wird auf den Dorn auf-

907
Werkzeugmaschi nen

geschoben und von einer Paßfeder mitgenommen. Seine axiale Lage wird mit Ringen verschiedener
Breite bestimmt. Es können auch mehrere Fräser gleichzeitig aufgenommen werden (Satzfräser).
Mit einer Mutter werden Ringe und Fräser axial gespannt. Die Laufbüchse stützt den Fräserdorn
im Gegenhalterlager ab.

ti~-~
aJ 1 Z J I.

bJ

Bild 11.28. Dorne


a) Fräserdorn; 1 Spindelkopf, 2 Aufnahmekegel (ISO), 3 Mitnehmerstein,
4 Dornflansch, 5 Fräser, 6 Distanzringe, 7 Laufbuchse, 8 Gegenhalter-
lager, 9 Spannmutter
b) Aufsteckfräserdorn; 1 Spindelkopf, 2 Radialnut f1ir Mitnehmerring,
3 Fräser, 4 Spannschraube
c) Messerkopf-Zentrierdorn; 1 Spindelkopf, 2 Zentrierdorn, 3 Mitnehmer-
stein, 4 Messerkopf

Bild 11.29. Aufsteckhalter ftir Reibahlen und Senker nach DIN 217
1 Morsekegelschaft, 2 Spindelkopf, 3 Mitnehmer, 4 Aufnahmekegel
(Steigung 1: 30),5 Aufstecksenker

Auf dem Aufsteckfräserdom (DIN 886, 2087, 6360/61) werden Stirn- und Walzenfräser aufge-
steckt und mit einer Spannschraube axial gespannt. Der Dorn wird fliegend in die Spindel gespannt.
Der Mitnehmerring oder die Paßfeder übertragen je nach Fräserform das Drehmoment auf den
Fräser (Bild 1I.28b).
Mit dem Zentrierdom (Bild 11.28c) werden Messerköpfe zentriert. Der Messerkopf wird gegen die
Stirn fläche des Spindelkopfes geschraubt. Das Drehmoment übertragen die Mitnehmer im Spindel-
kopf.
Der Dehndom wird anstelle des Aufsteck- oder des Zentrierdornes verwendet. Der Fräser wird
durch radiales Aufweiten des Dornes gespannt und dabei auch selbst gedehnt. Da er meist durch-
gehärtet und kerbempfmdlich ist, soll er keine Nuten haben und auch nicht zu kurz sein. Die
großen Drehmomente können nicht mit Sicherheit durch Reibung an der Spannstelle übertragen
werden. Man benutzt deshalb zusätzlich Mitnehmerringe entsprechend Bild II.28b. Aufbau und
Wirkungsweise siehe 1.2.
Bild 11.29 zeigt einen Aufsteckhalter (DIN 217) für Senker mit Morse- oder metrischem Kegel-
zapfen für die Bohrspindel und einem Kegelzapfen für das Werkzeug. Das Drehmoment überträgt
der Mitnehmer auf zwei Radialnuten des Senkers.

908
11. Werkstück- und Werkzeugspanner

2.3. Spannzangen
Anwendungsbeispiele: Mit Spannzangen werden Schaftfräser mit zylindrischem Einspannschaft bis
30 mm Durchmesser gespannt. Spannzangen[utter werden ftir Bohrer verwendet.
Aufbau und Wirkungsweise: Zug-
Spannzangen werden unmittelbar oder
mit einer Zwischenhülse in die Spindel-
bohrung eingesetzt und mit der Spann-
stange gespannt (siehe auch 1.3). Das
Spannzangenfutter nach Bild 11.30
wird mit dem Kegel 1 in die Bohrspin- BildII.31
del eingesetzt. Zum Spannen wird die a) Zweibacken-Bohrfutter
b) Zweibacken-Bohrfutter mit Dreh-
Überwurfmutter 4 gedreht und da- z moment-Übertragung am Mitnehmer-
durch die Spannzange 3 in ihren Kegel- lappen des Bohrerschaftes
sitz hineingedrückt. Spannzangenfutter 3
ftir Fräser haben lediglich andere, dem
Frässpindelkopf entsprechende Kegel- 1 Werkzeugkegel
abmessungen. 1+-- - - 5 2 Bohrspindel
3 Druckspannzange
Bild II.30 4 Überwurfmutter
Spannzangenfutter 5 Werkzeugschaft
2.4. Spannfutter
Anwendungsbeispiele: Mit Spannfuttern spannt man Bohrer auf Bohrmaschinen, im Drehmaschi-
nenreitstock und im Revolverkopf von Drehautomaten, sowie Fräserdorne.
Aufbau und Wirkungsweise: Zweibacken-Bohrfutter (Bild 11.31). Seine Backen sind an den V-
förmigen Spann flächen wechselseitig ausgefräst, so daß sie wie Zähne ineinander greifen können.
Sie werden mit einer Gewindespindel verstellt (Unwucht!) und übertragen das Drehmoment durch
Reibung. Bei Ausftihrung b) wird der Bohrer an seinem Mitnehmerlappen zusätzlich mitgenommen.
Das Dreibacken-Bohrfutter (Bild 11.32) hat schrägliegende zylindrische, an den Spannflächen keil-
förmig abgefräste Backen 6 mit Gewinde auf einem Teil ihrer Außenfläche. Die Spannhülse 3 mit
der innen liegenden Mutter 5 wird von Hand oder mit einem Schlüssel an ihrem Zahnkranz gedreht
und verschiebt über das konische Muttergewinde die Backen.

Bild 11.32. Dreibacken-Bohr-


futter mit Zahnkranz
1 Bohrfutterk egel
2 Futt ~rkörp er
3 Spannhülse
4 ei ngepreß ter Mitnehmer
5 Spannmutter mit Zahnkranz bJ
6 Backe
7 Bohrer

Bild H.33. Schnellwechscl-Bohrfutter


a) mit Rollenbacken
5 1 Rollenbacke, 2 Futterkörper,
6 3 Spannring, 4 Bohrerschaft
b) mit Wechselhülse
7 1 Mitnehmerstift (fest im Futterkörper),
2 Wechselhülse, 3 Futterkörper, 4 Sperr-
Schnitt A-B
kugeln , 5 Kugelhaltering, 6 Bohrerschaft

909
Werkzeugmaschi nen

Im SchneUwechsel-Bohrfutter kann der Bohrer bei laufender Spindel gewechselt werden. Bei der
Ausführung a) nach Bild 11.33 werden die drei Rollenbacken 1 in Schlitzen des Futterkörpers 2
gefUhrt und vom Spannring 3 umschlossen. Eine Feder verbindet den Spannring mit dem Futter-
körper und dreht ihn nach rechts, bis seine inneren Kurvenflächen die Backen an den Bohrerschaft
andrücken. Mit zunehmendem Drehmoment spannt das Futter selbsttätig fester. Beim Lösen wird
der Spannring mit der Hand festgehalten und die Kurven geben die Backen frei. Eine andere Bau-
art wirkt ähnlich wie der selbstspannende Mitnehmer nach Bild Il.3d. Beim Futter nach Bild 1I.33b
wird der Bohrer in die Hülse 2 eingesteckt, die vom Querstift I mitgenommen wird. Zum Wechseln
wird bei laufender Spindel der Ring 5 so weit angehoben, bis die Sperrkugeln 4 nach außen aus-
weichen können. Dann kann man das Werkzeug mit der Hülse leicht herausziehen und eine andere
Hülse einsetzen.
Schrumpffutter der Bauart Stieber (Bild 11.18) verwendet man in Verbindung mit einem Schnell-
wechsel-Fräserdorn. Das Futter wird im Frässpindelkonus aufgenommen und spannt den Fräser-
dorn in der bekannten Weise auf einem zylindrischen Zapfen. Eine Quernut am Grunde der Futter-
bohrung überträgt das Drehmoment auf einen Mitnehmerlappen an der Stirnseite des Fräserdorn-
Spannzapfens.

2.5. Bohrstangen
Anwendungsbeispiele: Mit Bohrstangen werden vorgebohrte oder gegossene Löcher ausgebohrt.
Man verwendet sie auf Bohrwerken, Radialbohrmaschinen und mit kleineren Abmessungen auch
auf Drehmaschinen.
Bild II.34. Kopfbohrstange
a) mit doppelseitig schnei-
dendem Bohrmeißel und
mehreren Werkzeugauf-
nahmen (Raboma, Berlin);
1 Spannschraube, 2 Meißel,
3 Bohrstange, 4 Werkzeug-
aufnahme, 5 Bohrspindel
b) mit einseitig schneidendem
Meißel ftir durchgehende
Bohrungen
c) mit feinverstellbarem
Meißel für Sacklöcher

Aufbau und Wirkungsweise: Die Koptbohrstange nach Bild 11.34 wird mit dem Kegelschaft fliegend
in die Spindel eingesetzt. Der Bohrmeißel ist in der Querbohrung mit einer Schraube festgeklemmt.
Bei manchen AusfUhrungen kann er mit einer Schraube feinverstellt werden. Man kann auch meh-
rere Bohrungen gleichzeitig mit hintereinander angeordneten Meißeln bearbeiten. Die Meißel müssen
aber in einer gemeinsamen Ebene liegen, weil die Bohrstange sonst bei ungleichmäßigem Spanquer-
schnitt abgedrängt wird . Auch Schruppen und Schlichten in einem Durchgang ist möglich, wenn
beide Meißel nicht gleichzeitig, sondern nacheinander arbeiten.
Die geführte Bohrstange ist mit ihrem freien Ende im Setzstock (Gegenständer des Waagerecht-
Bohr- und Fräswerkes) gelagert. Sie ist besonders zum Bearbeiten mehrerer hintereinander liegen-
der Bohrungen geeignet, die genau miteinander fluchten müssen.
Der Bohrkopf nimmt beim Ausbohren großer Durchmesser den Meißel auf. Er wird auf der Bohr-
stange festgeklemmt (fester Bohrkopf, Bild II.35a). Mit dem Vorschub-Bohrkopf (Bild II.35b und
1I.35c) können sehr lange Bohrungen mit großem Durchmesser bearbeitet werden. Er wird auf der
Bohrstange von einer Vorschubspindel selbsttätig axial verschoben, die ihren Antrieb von einem
Schaltstern oder einem Planetengetriebe erhält.

910
11. Werkstück- und Werkzeugspanner

10 11 678

Bild 11.35. Bohrköpfe


a) fester Bohrkopf
b) Vorschub-Bohrkopf mit Planetengetriebe; 1 Bohrspindel, 2 Antriebszahnkranz, 3 Zahnrad, 4, 5 Wechselräder
zum Verändern des Vorschubes, 6 Sonnenrad, 7 Planetenrad, 8 Vorschubspindel, 9 Getriebegehäuse (mit
Anschlag festgehalten), 10 Spindelmutter, 11 Bohrkopf
c) Vorschub-Bohrkopf mit Schaltsternantrieb (Raboma, Berlin) ; 1 Schaltstern, 2 Anschlag, 3 Bohrstange, 4 Vor-
schubspindel, 5 Spindelmutter, 6 Bohrkopf

2 3
2.6. Schleifscheibenaufnahmen
Aufbau und Wirkungsweise: Kleine Schleifscheiben mit
kleiner Bohrung werden auf einen Bleiring aufgeschoben,
der auf dem zylindrischen Spindelzapfen sitzt, und zwi-
schen zwei gleich großen Stahlflanschen mit einer Mutter
axial festgespannt. Zwischen Flansche und Schleifscheibe
werden Pappscheiben oder andere weiche Zwischenlagen
gelegt, damit die Spannkraft sich gleichmäßig auf die
ganze Fläche verteilt und örtliche hohe Pressungen ver- al bl
mieden werden (Bild II.36a) . Größere Scheiben werden Bild II.36. Schleifscheibenaufnahmen
außerhalb der Maschine zwischen Aufnahmeflansch 1 a) einfache Schleifscheibenaufnahme
und Gegenflansch 2 einer Schleifscheibenaufnahme (DIN 1 Flansche, 2 Schleifscheibe, 3 Papp-
6375) gespannt (Bild I1.36b) und mit Hilfe der Aus- scheiben, 4 Bleiring
wuchtkörper 3 ausgewuchtet, die in den Ringnuten der b) Schleifscheibenaufnahme nach DIN
6375 (Karstens, Ruit); 1 Aufnahme-
beiden Flansche festgeklemmt werden. Dann erst wird
flansch, 2 Gegenflansch, 3 Auswucht-
die Scheibe mit der Mutter auf den Kegelzapfen der körper, 4 Schleifscheibe, 5 weiche
Schleifspindel gespannt. Zwischenlagen

911
VVerkzeugrnaschinen
3. Feste Werkstückspanner
3.1. Setzstöcke
Anwendungsbeispiele: Mit Setzstöcken (Lünetten) werden lange, dünne, zwischen Spitzen gespannte
Werkstücke auf Dreh- und Rundschleifmaschinen abgestützt.
Aufbau und Wirkungsweise: Der feste Setzstock (Bild II.37) wird mit einer Spannpratze auf den
Bettführungsbahnen festgeklemmt und ändert seine Stellung während der Bearbeitung des Werk-
stückes nicht. Er hat drei einzeln verstellbare Pinolen mit eingesetzten Gleit- oder Rollenbacken,
die an das Werkstück angestellt werden und es
abstützen. Sein Oberteil ist aufklappbar. Für Rund-
schleifmaschinen wird er auch offen ähnlich
Bild 11.38 ausgeführt.

Bild 11.37. Fester Setzstock Bild 11.38. Mitgehender Setzstock mit drei Gleitbacken
1 Pinole, 2 RoUenbacke, 3 aufklappbares
Oberteil, 4 Pinolen-Klemmschraube,
5 Unterteil, 6 Spannpratze

Der mitgehende Setzstock (Bild 11.38) wird auf den Werkzeugschlitten aufgeschraubt und geht
beim Arbeiten mit ihm mit. Er ist auf der Werkzeugseite offen, damit das Werkzeug möglichst dicht
an die Stützbacken herangebracht werden kann.

3.2. Spannstöcke
Anwendungsbeispiele: Spannstöcke (Maschinenschraubstöcke) benutzt man auf Bohr-, Fräs-,
Schleif- und Waagerecht-Stoßmaschinen.
Aufbau und Wirkungsweise: Maschinenschraubstöcke spannen das Werkstück zwischen einer festen
und einer beweglichen Backe, die mit einer Gewindespindel betätigt wird. Das Unterteil wird mit
Spannschrauben in den T-Nuten des Maschinentisches festgespannt. Die Bearbeitungskräfte sollen
das Werkstück gegen die feste Backe drücken . Die bewegliche Backe soll möglichst lang geführt sein,
damit sie unter der Wirkung der Spannkraft nicht kippt. Aus dem gleichen Grunde liegt die Spindel
des Maschinenschraubstockes in Bild 11.39 in Höhe der Spannbacken. Dadurch erhält aber der
feste Backenkörper ein Biegemoment. Dieser Schraubstock ist auf seiner Grundplatte um 3600
schwenkbar. Universal-Spannstöcke können um eine weitere, waagerechte Achse geschwenkt wer-
den. Beim Unterzug-Spannstock zieht die Spindel die ihr abgewandte Backe gegen die feste Backe.

912
11. Werkstück- und Werkzeugspanner
1 3 4

Bild 11.40. Tiefspannbacken

Bild II.39. Maschinenschraubstock (Gack, Mühlacker)


1 Spindel, 2 Spindelmutter , 3 bewegliche Backe, 4 feste Backe

Tief oder Niederspannbacken sind zweiteilig (Bild 11.40). Die senkrechte Komponente der Normal-
kraft auf den Keilflächen schiebt beim Spannen die Innenbacken nach unten und drückt dadurch
das Werkstück auf die Unterlage.
SchneUspannstöcke sollen die Spannzeit verkürzen. Es gibt zahlreiche Ausflihrungen davon. Allen
gemeinsam ist der meist sehr kleine Backenhub. Zum Anpassen an größere Unterschiede in den
Werkstückabmessungen werden die Backen entweder versetzt oder mit einer Gewindespindel ver-
schoben, wie beim Preßluft-Spannstock nach Bild 11.41. Den Spannhub von 5 ... 10 mm betätigt
hier ein Preßluftkolben.
2 3 4 5 6

Bild H.41. Preßluft-Spannstock


1 Preßluftkolben, 2 Kolbenstange,
3 feste Spannbacke, 4 Werkstück,
5 bewegliche Spannbacke,
6 Gewindehülse zum Einstellen
der Spannweite

3.3. Magnetspanner
Anwendungsbeispiele: Sie werden vorwiegend an Flächenschleifmaschinen gebraucht, manchmal
auch an Fräs-, Hobel- oder Stoßmaschinen. Ohne Zusatzgeräte kann man auf ihnen nur ferromagne-
tische Werkstücke spannen. Besonders gut geeignet sind sie für flache, ebene Werkstücke, die in
anderen Spannern leicht verspannt werden können.
Aufbau und Wirkungsweise: Magnetspanner sind rechteckige oder runde Platten.
Elektro-Magnetspanner werden am meisten verwendet. Die in das Gehäuse eingebetteten Erreger-
wicklungen werden von Gleichstrom (24, 110 oder 220 V) durchflossen und erzeugen magnetische
Felder, welche die Polplatte abwechselnd in Nord- und Südpole unterteilen. Die Pole sind durch
eingelegte Messingstreifen voneinander getrennt (Bild 11.42). Legt man ein Werkstück auf zwei oder

913
Werkzeugmaschi nen

Schnitt A-B
2 3

~;
. .:
'
Schnitt C- O Bild 11.42
Prinzip der Elektromagnet-
S SpannplaUe mit Pendel-
polteilung
(Binder Magnete KG., Villingen)
1 Südpolteil der Polplatte
2 Nordpolteil der PolplaUe
3 unmagnetische Zwischenlagen
aus Messing Bild 1I.43. Polteilungsarten der
3 0,2 und 3 bilden gemeinsam Magnetspannplat ten
die Polplatte) (Binder Magnete KG., Villingen)
4 4 Magnetgehäuse
1 Längs-, 2 Quer-, 3 Pendel-, 4 Ring-,
~~~~~ . .~- 5 5 Erregerwicklung
5 Radial-, 6 Sternpolteilung

mehrere ungleichnamige Pole auf, so wird es von den magnetischen Kraftlinien durchflossen und
fest auf die Polplatte gezogen. Nach dem Abschalten muß mit einem Umpolschalter die Stromrich-
tung kurzzeitig umgekehrt werden. Dadurch verschwindet der Restmagnetismus und das Werkstück
kann abgenommen werden. Das Werkstück kann in einem besonderen Gerät entmagnetisiert wer-
den, das durch Wechselstrom Magnetfelder mit ständig wechselnder Richtung erzeugt.
Rechteckige Spannplatten haben Längs-, Quer- oder Pendelpolteilung (Bild 11.43). Längspolteilung
kann mit kleinstem Polabstand ausgefuhrt werden (ca. 4 mm) und ist dadurch für kleine Werkstück-
abmessungen geeignet. Pendelpolteilung ergibt größte Haltekraft. Die Haltekraft hängt aber auch
von Werkstoff, Oberflächenbeschaffenheit, Dicke und Größe des Werkstückes und seiner Auflage-
fläche im Verhältnis zur Polteilung ab. Sie ist bei Grauguß kleiner als bei Kohlenstoffstählen, noch
kleiner ist sie bei legierten Stählen. Je rauher die Auflagefläche, je dünner und kleiner das Werk-
stück und seine Auflagefläche im Verhältnis zur Polteilung ist, desto kleiner wird die Haltekraft.
Die Platten werden mit Spannschrauben oder Spanneisen in den Tischnuten befestigt. Bei größeren
Bearbeitungskräften parallel zur Aufspannfläche können die Werkstücke zusätzlich mit Anschlag-
leisten abgestützt werden, die auf die Stirnseite der Spannplatte geschraubt werden.
Elektro-Magnetspannblöcke haben zwei Polplatten, von denen die eine den Block auf dem Tisch
festhält und die andere das Werkstück spannt.
Permanent-Magnetspannplatten spannen mit eingebauten Dauermagneten, brauchen also keinen
Gleichstromanschluß. Die Spannkraft ist kleiner als bei Elektro-Magnetplatten. Zum Lösen des
Werkstückes wird die Platte mit einem Hebel "ausgeschaltet", der die Magnete im Innern verschiebt
und dadurch kurzschließt.

3.4. Spanneisen
Anwendungsbeispiele: Sie können auf allen Maschinentischen mit T-Nuten verwendet werden . Man
benutzt sie besonders zum Aufspannen großer Werkstücke und in der Einzelfertigung, wenn sich
eine Vorrichtung nicht lohnt.
914
11. Werkstück- und Werkzeugspanner

~CP Sbti?
b,f+' ~ c,f·=E3fD- dJEI cP 1}3-
Bild 11.44. Spanneisen
a) Gabelspanneisen; 1 Spannunterlage (kleiner Treppenbock), 2 Gabel-
spanneisen, 3 Spannschraube, 4 Werkstücktisch, 5 Werkstück
b) flaches Spanneisen, c) gekröpftes Spanneisen, d) doppelt gekröpftes
Spanneisen, e) Spannklaue

~~~~~,l 2 J
2
3
I.
5
6

Bild 11.45. Stufenpratze Bild Il.46. Preßluft-Spanneisen (links: gespannt, rechts: gelöst)
(Feinmechanik GmbH., Weilheim) 1 Kolbenstange, 2 Spannhebel, 3 Schwenkhebel, 4 Schwenkbolzen,
1 Spannschraube, 2 Spanneise n 5 Feder, 6 Kolben
3 Spannunterlage, 4 Feder,
5 Gewindehülse, 6 Unterteil

Aufbau und Wirkungsweise: Spanneisen sind genonnt, werden aber auch in vielfach abgewandelter
Fonn verwendet (Bild 11.44).
Gabelspanneisen (DIN 6315) sind leichter, steifer, billiger und schneller zu handhaben als flache
Spanneisen (DIN 6314). Einfach gekröpfte Spanneisen (DIN 6316) sind zweckmäßig, wenn die
Spannmutter nicht nach oben überstehen darf, doppelt gekröpfte (DiN 6317) zum gleichzeitigen
Spannen nebeneinander liegender Werkstücke. Die Spannklaue benötigt flir kleine Spannhöhen
keine Spannunterlage. Die Spannschrauben mit Vierkant- oder Rundkopf mit Schlüsselflächen
(DiN 787) sind wegen der starken Beanspruchung aus hochfestem Stahl. Aus dem gleichen Grunde
sind die Spannmuttern sehr hoch.
Die Stufenpratze (Bild 11.45) vereinigt Spanneisen, -schraube und -unterlage miteinander. Auf der
schraubenfönnigen Rastentreppe des Unterteiles 6 stützt sich die Spannunterlage 3 ab, in deren
Schlitz das Spanneisen 2 verschoben werden kann. Die Feder 4 drückt beide nach oben . Die Spann-
höhe läßt sich auf der Treppe feinstufig einstellen. Zum Spannen wird die Spannschraube 1 in die
Gewindehülse 5 eingeschraubt, deren unteres Ende als Nutenstein ausgebildet ist. Der Verstell bereich
beträgt je nach Größe 30 mm bis 120 mm, die größte Spannhöhe 320 mm .
Das Preßluft-Spanneisen (Bild 11.46) wird auf dem Tisch festgespannt. In der gelösten Stellung
drückt die Feder 5 den Schwenkhebel3 zurück. Der Schwenk bolzen 4 liegt in der Raste der Kolben-
stange I. Beim Spannen drückt die Preßluft den Kolben 6 nach oben, der Schwenkbolzen 4 wird
aus der Raste geschoben und richtet den Schwenkhebel 3 auf, der dadurch den Spannhebel 2 über
das Werkstück schwenkt. Dann erst spannt der Spannhebel das Werkstück nach unten. Mit einem
gemeinsamen Steuerhahn können beliebig viele Spanneisen gleichzeitig bedient werden. Der Spann-
mechanismus verklemmt leicht durch Späne.
915
Werkzeugmaschi nen
3.5. Spannunterlagen
Anwendungsbeispiele: Mit Spannunterlagen
werden Spanneisen und Werkstücke beim
Spannen auf Maschinentischen abgestützt.
Aufbau und Wirkungsweise: Bild 11.47 zeigt
einige stufenweise verstellbare Spannunterlagen.
Der Treppenbock ist nach DIN 6318 in mehre-
ren Größen bis 365 mm Höhe genormt . Jede
Größe hat sechs Stufen mit einem Höhenunter-
schied von je 7,5 mm. Der Zahnbock ist in Bild 11.47. Spannunterlagen
feineren Stufen verstellbar. Stufen-Spannunter- a) Treppenbock; b) Zahnbock (Maier, Fellbach);
lagen sind in verschiedenen Formen in Ge- c) Stufen·Spannunterlage
brauch.
Verstellbare Spannunterlagen nach DIN 6326
bestehen aus Unterteil und Oberteil, die beide
auf ihrer Schrägfläche unter 3,5 0 zur Waage-
rechten verzahnt sind. Das Oberteil kann belie-
big versetzt und außerdem verschoben werden.
Mit drei verschieden hohen Unterteilen und
zwei Oberteilen lassen sich alle Spannhöhen von
25 ... 145 mm stufenlos einstellen (Bild 1I.48a).
Mit dem ebenfalls stufenlos verstellbaren
Schraub bock werden meistens Werkstücke ab·
gestützt.
Bild 11.48
3.6. Kloben
Stufenlos versteUbare
Anwendungsbeispiele: Mit Kloben werden auf Spannunterlagen
bj
Tischen gespannte Werkstücke zusätzlich gegen a) versteUbare Spannuntcrlagc
Verschieben gesichert. Flache Werkstücke spannt b) Schraub bock
man damit, wenn kein Spanner von oben ange-
bracht werden kann.
Aufbau und Wirkungsweise: Spannkloben
(Bild 1I.49) sind Stahlklötze mit einer waage-
rechten Spannschraube. Sie werden mit ihrem
Fuß einfach in die Tischnut eingesetzt. Nur hohe
Spannkloben spannt man fest. Die Spannkraft
wirkt parallel zur Tischebene und beansprucht
infolgedessen - besonders bei hohen Kloben -
den Tisch auf Biegung. Anschlagkloben (Bild
11.49) bilden die Gegenlager der Spannkloben.
Sie werden in der Tischnut festgespannt.
aj

Bild II.49. Kloben


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~f"'='----~~f dtlc' I
r~
a) niedriger und hoher Spannkloben;
1 Spannkloben, 2 Werkstück, 3 Tisch
b) Anschlagkloben bj
$ I H$fl I
916
11. Werkstück- und Werkzeugspanner

4. Feste Werkzeugspanner
4.1. Drehmeißellialter
Herzklauen-Meißellialter (Bild 1I.50a) gehören zur Normalauscüstung vieler Spitzendrehmaschinen.
Die Meißelhalterschraube 3 sitzt fest im Oberschlitten 5. Der Meißel 2 wird mit Unterlegblechen
auf die Werkstückmitte eingerichtet, die Herzklaue 1 mit der Stellschraube 4 auf die Meißelhöhe
eingestellt und dann mit der Mutter festgezogen.
Doppel-Spanneisen (Bild 11.50b) sind ftir schwere Schrupparbeiten auf Hochleistungsdrehmasclü-
nen geeignet.
Einfach- und Doppelmeißellialter nach Bild 11.51 werden mit Spannschrauben in den T-Nuten des
Supportes festgeklemmt. Der Meißel wird mit mehreren Spannschrauben festgespannt und kann
mit einer Schraube feinflihlig längsverstellt werden.
Meißellialter mit HöheneinsteDung (Bild 11.52) stellen den Meißel ohne Unterlagen auf die richtige
Höhe. Bei den Ausflihrungen a) und b) wird der Keil verschoben und dabei der Meißel gehoben
oder gesenkt. Nach c) wird der Meißel mit einer Segmentscheibe geschwenkt. Dadurch werden
aber Frei- und Spanwinkel verändert.

Bild lI.5i. Meißelhalter mit Längs-Feinverstellung


a) einfach, b) doppelt

01 bl
Bild 11.50
a) Herzklauen-Meißelhalter
1 Herzklaue, 2 Drehmeißel, 3 Meißelhalterschraube,
4 Stellschraube, 5 Oberschlitten
b) Doppel·Spanneisen
1 Spanneisen, 2 Drehmeißel 3 Meißelhalterschraube,
4 Oberschlitten

'--L..i.r--TöT.r- J
Bild 11.52. Meißelhalter mit Höhenverstellung
a) mit Keil (G. Boley, Eßlingen)
1 Höhenstellkeil 2 Höhenfeinstellschraube
b) mit Keil und zusätzlicher Längs-Feinverstellung (Gildemeister, Bielefeld)
1 Höhenstellkeil (durch Gewinde auf der Unterseite verschiebbar),
2 Längs-Feinstellschraube, 3 Höhen-Feinstellschraube (im Meißel-
halterkörper drehbar, aber nicht verschiebbar)
c) mit Segmentscheibe (G. Boley, Eßlingen); 1 Segmentscheibe

917
VVerkzeugrnaschinen
2 3 I, 5 6

a)
Bild 11.53. SchnelIwechsel-Meißelhalter
a) mit drei Werkzeughalteraufnahmen (Hamül, Marktredwitz) ; 1 Grundkörper, 2 Zuganker, 3 Spannexzenter,
4 Konterschraube, 5 Höheneinstellmutter, 6 Werkzeughalter, 7 Meißel, 80berschlitten, 9 Meißelhalter-
schraube
b) mit einer Werkzeughalteraufnahme;
1 Werkzeughalter, 2 Höheneinstellschraube ,
3 Meißelhalterschraube 4 feststehende Säule,
5 schwenkbarer Spannbügel 6 Spannbolzen

SchneUwechsel-Meißelhaiter (Bild II.53a). Der


Grundkörper 1 wird auf dem Schlitten festge-
spannt. Auf seine seitlichen Führungen werden
auswechselbare Werkzeughalter 6 mitsamt dem
gespannten Werkzeug rechtwinklig oder parallel
zur Werkstückachse von oben aufgeschoben. Mit
einem Schlüssel wird über einen Exzenter 3 im
Grundkörper der Zuganker 2 nach innen ge-
zogen und der Werkzeughalter festgeklemmt.
Die Höhe des Meißels wird mit der Mutter 5
beim Einrichten ftir das erste Werkstück einge-
stellt.
Andere Bauarten haben andere Führungs- und
Zugankerformen, mitunter auch nur eine oder
zwei Werkzeughalteraufnahmen (Bild 1I.53b).
Bild 11.54. Schwcnk-Meißelhalter
Schwenk-Meißelhaiter (Bild 11.54) sind dann (Hamül , Marktredwitz)
zweckmäßig, wenn flir die Bearbeitung in einer 1 Schwenkkörper mit 4 Meißelaufnahmen, 2 Klemm-
Aufspannung nicht mehr als vier Meißel ge- mutter, 3 Meißelhalterschraube, 4 Indexbolzenhebel,
braucht werden. Der Spannkörper kann um 5 Ritzel zum Anheben des Indexbolzens beim
Schwenken, 6 federnder Indexbolzen mit kurzem
einen Zapfen geschwenkt und wieder festge- Außen-Zahnstangenprofil, 7 feststehender Mittelzapfen,
spannt werden. In den vier Stellungen wird er 8 Indexlöcher (4 Stück) in der Grundplatte des Mittel-
durch einen Indexbolzen, bei größerer Um- zapfens

918
11. Werkstück- und Werkzeugspanner
schlaggenauigkeit mit einer Stirnverzahnung festgelegt. Es gibt auch Schwenk-Meißelhalter mit
waagerechter Schwenkachse.
Auf Revolver- und Automaten-Drehmaschinen gebraucht man überwiegend Sonder-Meißelhalter in
vielfaltigen Formen.

4.2. Hobelmeißelhalter
Gewöhnlich wird der Hobelmeißel mit zwei bügelförmigen Meißelhaltern auf die Meißelklappe des
Hobelschlittens gespannt. Mit Doppel-Meißelhaltern kann man zwei Meißel nebeneinander spannen.
Beide Halterfonnen werden mit ihren T-Füßen in die Spannuten der Meißelklappe eingeftihrt und
durch das Spannen des Meißels in den Nuten festgezogen. Für große Schnittkräfte werden Spann-
eisen verwendet (Bild II.55).

Bild 11.55. Hobelmeißelhalter. a) Bügelmeißelhalter; b) Doppelmeißelhalter; c) Spanneisen


R
cl

4.3. Stoßmeißelhalter
An Waagerecht-Stoßmaschinen verwendet man die gleichen Bügel-
Meißelhalter wie an Hobelmaschinen (siehe 4.2). Für kleine Schnitt-
kräfte wird auch der Meißelhalter nach Bild 11.56 gebraucht. Die
Schraube spannt den Meißel 2 auf die Unterlage 3, die geriffelt ist,
damit der Meißel besser festgehalten wird. An Senkrecht-Stoßma-
schinen kann der Meißel nur dann mit Bügelhaltern unmittelbar auf
den Stößel gespannt werden, wenn das Werkstück den Stößel nicht
beim Hub behindert. Sonst wird der Meißel in starre Vierkant- oder

~~
Rundmeißelhalter ähnlich den Bohrstangen (siehe 2.5) gespannt, die
in der Länge verstellbar und z. T. auch drehbar sind. Sie werden mit
Spanneisen oder Bügelhaltern auf dem Stößelkopf festgespannt.
1 Z 3 4
4.4. Werkzeugspanner an Scheren, Pressen und Hämmern Bild 11.56. Meißelhaiter
einer Waagerecht-8toß-
Ober- und Untennesser der Schere werden unmittelbar am Messer-
maschine
balken (Schlitten) bzw. an der hinteren Tischkante festgeschraubt.
1 Meißelhaiter, 2 Meißel,
Kleine und mittlere Pressen haben in der Aufspannfläche des Stößels 3 Unterlage, 4 Meißel-
eine zylindrische Bohrung flir den Einspannzapfen des Werkzeuges halterklappe
(DIN 810) und eine Klemmplatte (Bild 11.57). Auf mittleren und

919
Werkzeugmaschinen

großen Pressen werden Ober- und Unterwerk-


zeuge mit Spannschrauben oder Spanneisen in
den T-Nuten von Tisch und Stößel gespannt. In
einer hakenförmigen Nut nimmt der Abkant-
pressenstößel den Stempelfuß auf (Bild l.23).
Bär und Schabotte des Hammers haben eine
breite , nach innen erweiterte Nut ("Fuge"), in
der das Werkzeug mit Keilen befestigt wird
(Bild 1.25).

Bild II.57. Werkzeugbefestigung an Pressen


(Eisenwerk Hensel, Bayreuth)
1 Stößel, 2 Klemmplatte, 3 Einspannzapfen
des Werkzeuges, 4 Stößelbohrung

111. Spindellagerungen und Geradführungen

1. Spindellagerungen
Begriffsbestimmung: Spindellagerungen stützen die
Werkstück- und Werkzeugspindeln gegen die radi-
alen und axialen Betriebskräfte ab. Sie sollen mög-
lichst fehlerfreien Rundlauf der Spindeln gewähr-
leisten und sie gegen axiale Verschiebung in beiden
Richtungen sichern.

1.1. Spindellagerungen mit Gleitlagern


Anwendungsbeispiele: Reine Gleitlagerungen sind
an Schleifmaschinen weit verbreitet. Sie sind sel-
tener an kleinen Feindrehmaschinen und Fräs-
maschinen kleiner Leistung zu finden.
z 3 4 z
Aufbau und Wirkungsweise:
Die ungeschlitzte einteilige Gleitlagerbuchse aus
Bronze oder Rotguß ist die einfachste GleitIager-
form und mitunter im HauptIager von Drehma-
schinen zu finden (Bild I11.1 a). Sie ist außen zylin-
drisch und hat eine Kegelbohrung. Zum Ein- und
Nachstellen des Lagerspieles wird entweder die
Buchse mit Hilfe der beiden Nutmuttern oder die b}
Spindel axial verschoben. Axialkräfte werden nicht
Bild m.l. Einteilige Gleitlagerbuchse
in der Kegelbohrung, sondern wie bei den meisten
a) ungeschlitzt; 1 und 4 Nutmuttern, 2 Lager-
Spindellagerungen in gesonderten Axiallagern auf-
buchse, 3 Spindelstock, 5 Spindelflansch
genommen. Bei dieser Bauart wird das Radialspiel b) geschlitzt; 1 und 4 Nutmuttern, 2 Keil-
vom Axialspiel beeinflußt. schraube, 3 Lagerbuchse

920
111. Spindellagerungen und Geradführungen

Die geschlitzte einteilige Gleitlagerbuchse, häufig an Schleifmaschinen eingebaut, hat eine zylin-
drische Lauffläche und kegeligen Mantel (Bild III.l b). Zum Nachstellen werden die Mutter I und
die Keilschrauben 2 gelöst. Mit der Mutter 4 wird die Buchse 3 in die Kegelbohrung des Spindel-
stockes gezogen und dadurch ihre Bohrung radial verengt. Dann werden die Keilschrauben im
Schlitz der Buchse fest angezogen, so daß die Buchse wieder gleichmäßig gegen die Kegelbohrung
gepreßt wird, und schließlich wird die Mutter 1 angezogen.
Das Mackensen-Lager (Bild IIl.2b) hat eine infolge der tiefen Längsnuten sehr elastische Lager-
buchse, die sich beim Einziehen in die kegelige Aufnahmebohrung verformt. Dadurch bilden sich
zwischen den Stegen drei Taschen, in denen sich beim Umlauf ein Schmierkeil bildet, der selbst-
tätig Schmiermittel (Spindelöl oder Petroleum) nachsaugt und die Spindel zentriert, so daß ein
Radialspiel von etwa 3 tIm erreicht wird. Es ist nur für geringe Belastung und kleinen Drehzahl-
bereich geeignet und wird nur an Schleifmaschinen verwendet.
Auch das Precifilm-Gleitlager (Bild 111.3) wird nur an Schleifmaschinen verwendet. Es hat drei
Lagerbacken, die sich auf je zwei Kugelflächen radial und tangential so abstützen, daß sich zwischen
Backe und Spindel im Betrieb ein Schmierkeil bildet. Zwei Backen liegen radial fest, mit der dritten
wird mit Hilfe einer Druckschraube das Radialspiel eingestellt. Die Backen passen sich der Biege-
linie der Spindel an. Dadurch vermeidet man Kantenpressung im Lager. Das Lager wird mit Druck-
öl geschmiert und ist nur ftir eine Drehrichtung geeignet.

2 J

Bild 111.2 Bild 111.3. Precifilm-Gleitlager


a) VDF-Spindellager f1ir Drehmaschinen 1 Spindelstock, 2 feste Lager-
(Heidenreich .& Harbeck, Hamburg) backe, 3 Schleifspindel, 4 ein-
b) Mackensenlager f1ir Schleifmaschinen stellbare Lagerbacke, 5 Druck-
schraube, 6 Konterschrauben

Gleitlager laufen geräuschlos und schwingungsfrei und haben hohe Lebensdauer. Sie werden des-
halb besonders da verwendet, wo es auf hohe Maß- und Formgenauigkeit und Oberflächengüte der
Werkstücke ankommt. Ihr größter Nachteil ist jedoch das unvermeidbare Lagerspiel, das bei jedem
Betriebszustand je nach Maschine 5 ... 10 ... 15 tIm betragen soll. Spindel und Lagerbuchse er-
wärmen sich jedoch während des Betriebes, und zwar um so mehr,je größer die Verlustleistung im
Lager (proportional der Schnittleistung!) ist. Die Spindel dehnt sich aus, die Buchse wird dar an
aber von dem starren Spindelkasten gehindert und wächst nach innen : das Lagerspiel wird zu klein,
wenn es nicht im kalten Zustande genügend groß eingestellt wurde . Das bedeutet aber, daß es bei
kleiner Schnittleistung (z.B. beim Schlichten) zu groß ist, um eine gleichbleibend gute Arbeit zu
gewährleisten. Darüber hinaus fallen Spindel- und Lagerachse nicht zusammen und ihre Lage zuein-
ander ändert sich in Abhängigkeit von der Belastung. Die beschriebenen Lager findet man deshalb
nur dort, wo die Schnittleistung annähernd konstant ist oder keine allzu großen Ansprüche an die
Arbeitsgüte gestellt werden.

921
Werkzeugmaschi nen

Bei den beiden folgenden Ausdehnungsgleitlagern ist das Lagerspiel praktisch temperaturunab-
hängig.

Das VDF-Spindellager von Heidenreich & Harbeck (Bild III.2a), an Drehmaschinen verwendet,
liegt in der Bohrung des Spindelstockes nur mit drei schmalen Stegen an. Zwischen ihnen kann
sich die Buchse frei dehnen, wenn sie sich erwärmt. Die Aussparungen der schwach kegeligen Lauf-
fläche an den Stegen vermeiden, daß die bei Erwärmung größer werdende Spindel an diesen Stel-
len frißt. Sie bilden keilförmige Schmierspalte, in denen sich ein hoher Öldruck aufbaut, der die
Spindel beim Lauf zentriert. Durch geeignete Werkstoffwahl für Spindel und Buchse bleibt das
Lagerspiel im Betriebstemperaturbereich praktisch konstant.

Das FAG-Hydrolager (Kugelfischer) hat eine kegelige Lauffläche, die nicht geschlossen ist, sondern
aus mehreren "Gleitkufen" gebildet wird. Zwei solche Lager werden durch Tellerfedern axial gegen-
einanderverspannt. Im Betrieb stellt sich ein von derVorspannkraft abhängiges sehr kleines radiales
und axiales Lagerspiel ein, das sich auch bei Erwärmung wegen der elastischen Vorspannung prak-
tisch nicht verändert.

Bild 1II.4. GleitJagerung der Werkstückspindel einer Rundschleifmaschine (Karstens, Ruit)


1 Stützlager, 2 Mutter zum Einstellen des Axialspieles, 3 Laufring, 4 Hauptlager, 5 Spindelbund

Die Axialkräfte werden bei Gleitlagerungen an den Stirnflächen des Hauptlagers oder von einem
Axialgleitlager zwischen den beiden Radiallagern aufgenommen. Bild III.4 zeigt als Beispiel die
reine Gleitlagerung der Werkstückspindel einer Rundschleifmaschine mit zwei nachstellbaren
Mackensenlagern I und 4. Das Axialspiel wird mit der als Ölspritzscheibe ausgebildeten Mutter 2
zwischen dem Laufring 3 und dem Spindelbund 5 eingestellt. Bei größeren Axialkräften unter-
stützen Keiltaschen in den Laufflächen die Bildung eines tragfähigen Schmierfilmes.

1.2. Spindellagerungen mit Wälzlagern


Anwendungsbeispiele: Der weit überwiegende Teil aller Drehspindeln, fast alle Bohr- und Frässpin-
deln und viele Schleifspindeln laufen in Wälzlagern.

Aufbau und Wirkungsweise: Der entscheidende Vorteil gegenüber den Gleitlagern ist die durch ge-
ringere Reibung bedingte geringere Erwärmung und Formänderung im Betrieb. Wälzlager gewähr-
leisten gleichbleibend genauen Lauf der Spindel selbst bei sehr unterschiedlichen Schnittleistungen.
Es werden nur Genauigkeitslager (z.B. nach der C-KlassifIkation) verwendet.

922
111. Spindellagerungen und Geradführungen

Mit Lagerspiel eingebaute Wälzlager, insbesondere Kugel-


lager, verformen sich unter Last stärker als Gleitlager. Man
verwendet deshalb überwiegend vorgespannte Zylinderrol-
lenlager oder Kegelrollenlager. Vor allem die ersteren sollen
hinsichtlich Verformung unter Last und Schwingungsdämp-
fung einem guten Gleitlager gleichwertig sein. Radial- und
Axiallagerfunktion werden meist getrennt. Dann können die
Spiele bzw. Vorspannungen in beiden Richtungen unabhän-
gig voneinander eingestellt werden und sie beeinflussen sich
nicht gegenseitig. Für die Anordnung der einzelnen Lager
gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die statisch bestimmte
zweifache Radiallagerung mit dem Hauptlager am Spindel-
kopf und dem Stützlager am Schwanzende der Spindel wird
jedoch der statisch unbestimmten dreifachen Lagerung mei-
stens vorgezogen.
Die zweifache Lagerung mit AxiaUager vorn wird in Bohr-
maschinen bevorzugt und ist auch an Dreh-, Flächenschleif-
und Fräsmaschinen zu finden. Bei der Bohrspindellagerung
nach Bild III.5 sind Haupt- und Stützlager wegen der kleinen
Radialkräfte Rillenkugellager . Die Axialkraft wird von einem
Axial-Rillenkugellager weit vorn aufgenommen, damit die
Spindel nicht knickbeansprucht wird.
Die zweifache Lagerung mit Axiallager hinten wird vorwie-
gend an Drehmaschinen, aber auch an manchen Fräs- und
Flächenschleifmaschinen verwendet (Bild 111.6). Die Vor-
spannung in den beiden Zylinderrollenlagern wird einzeln
mit den Muttern I und 3 eingestellt, die Vorspannung flir
beide Axial-Rillenkugellager gemeinsam mit der Mutter 2.
Die dreifache Lagerung von Dreh- und Frässpindeln verrin- Bild 111.5. Spindellagerung einer
gert die Durchbiegung der Spindel. Sie läuft dadurch ruhiger. Säulenbohrmaschine
1 Stützlager, 2 Pinole, 3 Vor-
Die beiden Stützlager 3 der Frässpindel nach Bild UI.7 neh-
schubritzel, 4 Axiallager,
men als Schrägkugellager Radial- und Axialkräfte auf und 5 Hauptlager
werden gemeinsam mit der hinteren Mutter 4 eingestellt. Es
werden aber auch getrennte Axiallager vorn oder hinten,
seltener in der Mitte, verwendet.

Bild III.6. Zweifache Wälzlagerung einer Drehspindel mit Axiallager hinten (Heyligenstaedt, Gießen)
1 Einstellmutter für Stützlager, 2 für Axiallager, 3 fUr Hauptlager

923
VVerkzeugn1aschinen

Bild m. 7. Dreifache Wälzlagerung einer Fräsmaschinenspindel (Wanderer-Werke, Haar)


1 Hauptlager, 2 Einstellmuttern ftir Hauptlager, 3 Stützlager, 4 Einstellmuttern ftir beide Stützlager

Bild m.8. Kegelrollenlagerung der Spindel einer Spitzendrehmaschine mit gesonderter Lagerung der Riemen-
scheibe zur Entlastung der Spindel von den Riemenzugkräften
1 Einstellmutter, 2 Stützlager, 3 Antriebs-Hohlwelle, 4 Hauptlager

Zylinderrollenlager mit konischer Bohrung (Bilder III .6 und III.7) werden vorgespannt, so daß sie
sich unter Last nicht so stark verformen. Wenn sich die Spindel in folge Erwärmung verlängert, ver-
schieben sich Laufring und Rollen im Lager zwangfrei gegeneinander, ohne daß das Radialspiel
dadurch beeinflußt wird.
Kegelrollenlager gestatten einen sehr einfachen Lageraufbau (Bild m.8). Radial- und Axialvorspan-
nung werden mit einer einzigen Mutter eingestellt. Beide beeinflussen sich jedoch gegenseitig, und
wenn Spindel und Lager sich erwärmen, kann sich die Vorspannung ändern. Deshalb werden beide
Kegelrollenlager auch als Hauptlager mit kurzem Abstand eingebaut und am hinteren Spindelende
ein gesondertes Stützlager vorgesehen.

Gamet-Lager sind Kegelrollenlager mit durchbohrten Laufrollen (Bild III.9). Wie jedes Kegelrollen-
lager pumpt es durch Fliehkraftwirkung das öl vom inneren zum äußeren Laufdurchmesser. Der
besondere Effekt dieses Lagers besteht darin, daß das Öl dabei die Rollen nicht nur von außen,
sondern auch in ihren Bohrungen durchspült und sie dadurch intensiver kühlt.

Schrägkugellager (Bild III.7) (z. T. speziell als Spindellager konstruiert) werden zur Radial- und
Axiallagerung dann verwendet, wenn bei hohen Drehzahlen die Kugeln der Axial-Rillenkugellager
infolge der Fliehkraft nicht mehr einwandfrei laufen oder Kegelrollenlager sich durch die Reibung
der Rollen an der Schulter des Innenringes zu stark erwärmen würden.
Axial-Schrägkugellager sind für doppelt so hohe Drehzahlen geeignet wie Axial-Rillenkugellager.

924
111. Spindellagerungen und Geradführungen

Bild IlI .9. Spindellagerung einer Waagerecht-Fräsmaschine (Union, Oldentrup)


1 Gametlager als Hauptlager, 2 EinsteUmutter ftir Radial- und Axialspiel, 3 Stützlager

Radial-Rillenkugellager erwärmen sich im Betrieb wegen ihrer geringen Reibung am wenigsten. Sie
verformen sich unter Last aber stärker als Rollenlager und werden deshalb vorwiegend in Bohr-
und Schleifspindellagerungen eingebaut, wo die Radialkräfte klein sind. An Schleifspindeln erübrigt
sich meistens eine zusätzliche Axiallagerung. Hier bilden manchmal drei bis vier solcher Lager das
Haupt- bzw. Stützlager und machen dadurch die Spindel sehr starr.

1.3. Spindellagerungen mit Gleit- und Wälzlagern


Anwendungsbeispiele: Diese Bauform trifft man fast nur an Drehmaschinen an.
Aufbau und Wirkungsweise: Das Hauptlager ist ein Gleitlager in einer der Ausführungen nach 1.1.
Das Stützlager ist meistens ein Zylinderrollenlager. Die Axialkräfte werden von zwei Axial-Rillen-
kugellagern am hinteren Spindelende aufgenommen. Selten sind die Axiallager vorn, weil dann der
Aufbau des Hauptlagers komplizierter wird. Bild III.I0 zeigt die bevorzugte Ausflihrung mit kege-
liger Hauptlagerbohrung. Wegen der axialen Festlegung hinten dehnt sich die Spindel nach vorn,
wenn sie sich erwärmt. Das Spiel im Hauptlager würde dadurch größer werden. Die radiale Dehnung
der Spindel bewirkt aber eine Verkleinerung des Spieles, so daß sich beide Einflüsse praktisch aus-
gleichen.

Bild 111.1 O. Drehspindel mit Gleit- und Wälzlagerung (Boehringer, Göppingen)


1 Einstellmutter ftir Stützlager, 2 hinteres Axiallager, 3 Stützlager, 4 vorderes Axiallager, 5 EinsteUmuttern ftir
Axiallager, 6 und 8 Einstellmuttern ftir Hauptlager, 7 ungeschlitzte einteilige Gleitlagerbuchse als Hauptlager

925
Werkzeugmaschinen

2. Geradführungen
Begriffsbestimmung: Geradflihrungen sind diejenigen Flächen, auf denen Werkstück· und Werk-
zeugträger bzw. ihre Teile oder Teile des Maschinengestells (Ständer, Betten) gegeneinander gerad-
linig verschoben werden. Sie sollen die Gewichts- und Bearbeitungskräfte formschlüssig auf dem
Gestell abstützen und unabhängig von Betrag und Richtung dieser Kräfte die Lage des geführten
Maschinenteiles in jedem Punkte seiner Bewegungsbahn möglichst eindeutig bestimmen.

2.1. Gleitflihrungen
Anwendungsbeispiele: Gleitführungen werden an allen Werkzeugmaschinenarten verwendet.

2.1.1. Grundformen
Die ftinf Grundformen der Führungsbahnquerschnitte zeigt Bild III.II. Gleitflihrungen haben zwei,
seltener drei oder vier Führungsbahnen mit gleichen oder verschiedenen Querschnittsformen, die
nach folgenden Gesichtspunkten ausgewählt sein können .

•••
Der geringste Reibungswiderstand ergibt sich, wenn
die Wirkebene der Resultierenden aller Betriebs-
kräfte senkrecht auf beiden Führungsbahnen steht

,.
und die Richtführung - das ist die Führungsbahn,
welche die seitlichen Kraftkomponenten aufnimmt al bl cl
- möglichst lang ist. Je länger die Richtführung,
um so kleiner wird auch der Winkel, um den sich
das bewegte Teil schrägstelIen ("ecken") kann.
Durch Verschleiß vergrößert sich bei manchen
Querschnittsformen das Führungsspiel, bei man- Bild HU1. Grundformen der Führungsbahn-
chen nicht. Er verursacht außerdem eine Verlage- querschnitte
rung des geflihrten Teiles, die je nach der Form a) Flachftihrung, b) Dachftihrung,
des Führungsquerschnittes die Arbeitsgenauigkeit c) V-Führung, d) Schwalbenschwanzftihrung,
e) Zylinderftihrung
mehr oder weniger beeinträchtigt.

Die Flachftihrung ist einfach herzustellen und nachzuarbeiten. Für Kraftkomponenten parallel
zur Hauptführungsebene sind seitliche Führungsflächen vorhanden. Das Führungsspiel muß ein-
bzw. nachgestellt werden. Wie bei allen Führungen mit Spiel ist die Bahn des bewegten Teiles
nicht eindeutig bestimmt.
Die Prismenftihrung wird als Dach- oder V-Führung ausgeführt. Beide sind selbstnachstellend, d.h.
der Verschleiß hat keinen Einfluß auf den spielfreien Gang der Führung. Die Prismenflihrung be-
stimmt die Bewegungsbahn eindeutig. Vom Dachprisma gleiten Späne nach außen ab, aber auch
das Schmiermittel. Beim V-Prisma sammeln sich beide innen. Es muß deshalb besonders sorgfältig
vor Verschmu tzung geschützt werden, ist aber ftir Druckölschrnierung besser geeignet als jede andere
Querschnittsform. Prismenflihrungen sind schwieriger nachzuarbeiten als Flachflihrungen.
Die Schwalbenschwanzftihrung kann beliebig gerichtete Kräfte aufnehmen. Sie wird deshalb auch
oft für senkrechte Führung verwendet. Sie ist niedrig und darum besonders geeignet, wenn mehrere
Führungen für verschiedene Richtungen übereinander angeordnet sind. Das Spiel muß ständig sorg-
fältig nachgestellt werden, weil sie sonst leicht verklemmt. Sie ist schwierig herzustellen und nach-
zuarbeiten.
Die Zylinderführung kann einfach und sehr genau hergestellt werden. Sie nimmt beliebig gerichtete
Kräfte auf. Dennoch wird sie nur beschränkt verwendet, denn große Kräfte quer zur Achse und

926
111. Spindellagerungen und Geradführungen

große Führungslängen erfordern große Durchmesser, damit die Durchbiegung des Zylinders klein
bleibt. Das Spiel ist ein· und nachstellbar. Die Führungszylinder können mit geringstem Aufwand
genau nachgearbeitet oder ausgewechselt werden.

2.1.2. Maßnahmen zur Verringerung des Verschleißes


Lange und breite Führungsbahnen haben geringe Flächenpressung und dadurch auch geringen Ver-
schleiß. Die gebräuchlichen Werte für die Flächenpressung liegen bei 0,3 ... 0,6 N/mm2 , in Aus-
nahmefällen bis herab auf 0,1 N/mm2 , bei Druckölumlaufschmierung bis 1,5 N/mm 2 •
Die Werkstoffpaarung beeinflußt den Verschleiß mehr als die Wahl eines bestimmten Werkstoffes
an sich. Gleicher Werkstoff gleicher Härte für beide Führungsflächen ergibt großen Verschleiß.
Man vermeidet diese Paarung; und wenn gleicher Werkstoff verwendet wird, dann mit unterschied-
licher Härte (z.B. feste Führung: GG mit H B = 2100 N/mm2 , bewegliche Führung: GG mit H B =
1800 N/mm 2 ). Grauguß für beide Bahnen ist am häufigsten, denn die meisten Maschinengestelle
und Werkstück- bzw. Werkzeugträger sind daraus hergestellt und die Führungsbahnen meist un-
mittelbar in die Teile hineingearbeitet. Man führt bei der Paarung die feste Führung so aus, daß sie
weniger verschleißt als die bewegliche, weil sich diese einfacher nacharbeiten läßt. Nach Bild III.12
ist auf die Flachführungsbahn ein auswechselbares, kaltgewalztes Federstahlband mit Deckleisten

Bild III.l2. Bettflihrungsbahn eines Waagerecht-Bohr- und Fräil-


werkes mit aufgelegtem Federstahlband und Deckleisten
(Scharmann & Co., Rheydt)

aufgeschraubt, nach Bild IIU5 sind gehärtete und geschliffene Stahlleisten in das Bett eingelegt.
Die Führungsbahnen des geführten Teiles werden bei starkem Schmutz- und Staub anfall (an
Schmiedepressen) manchmal mit Bronzeplatten ausgekleidet. In zunehmendem Maße werden an
schweren Maschinen Preßstoffplatten aus Textilgewebeschnitzeln mit Phenolharz oder Polyamiden
aufgeklebt, verschraubt und anschließend geschabt. Diese Platten haben während der Einlaufzeit
den gleichen, später aber wesentlich geringeren Verschleiß als ungehärtete GG-Führungen. Sie ver-
mindern den Verschleiß der festen Führungsbahn erheblich, haben ausgezeichnete Notlaufeigen-
schaften, wirken schwingungsdämpfend und haben mit GG oder St eine kleinere Reibzahl als
Metalle.
Oberflächen- und Wärmebehandlung können den Verschleiß ebenfalls beeinflussen. Ungehärtete
GG-Führungen werden meistens geschabt, damit sie auf der ganzen Fläche gleichmäßig tragen.
Harte Führungsbahnen verschleißen weniger als weiche. Deshalb werden häufig die Führungsbahnen
von GG-Betten gegen Kokillen gegossen. Auch induktions- oder flammengehärtete Führungsbahnen
sind nicht selten, erfordern aber entsprechenden Werkstoff (z.B. Perlit-, Sphäro-, Stahlguß). In
einzelnen Fällen werden an Hämmern hartverchromte Stahlführungsleisten verwendet. Gehärtete
Führungsflächen werden geschliffen.
Zur Schmierung der Führungsbahnen wird Öl verwendet. Ausreichende Schmierung ist wichtig,
weil besonders stark belastete Flächen bei Ölmangel trotz bester Oberflächengüte, Härte und
günstigster Werkstoffpaarung leicht fressen. In die Führungsbahnen des bewegten Teiles sind mei-
stens ölnuten und -taschen eingearbeitet. Die Gleitgeschwindigkeit ist gewöhnlich zu klein für das
Zustandekommen flüssiger Reibung. Nur an Flach- und V-Führungen ist in manchen Fällen eine
Druckölurnlaufschrnierung vorhanden. Solche Führungen verschleißen kaum. Bei den anderen
Querschnittsformen ist das ablaufende Öl schwierig aufzufangen. An hydraulisch angetriebenen

927
Werkzeugmaschi nen

Schleifmaschinen wird mitunter das Hydraulik-Rücköl zur Schmierung verwendet. V- und Flach-
bahnen werden auch mit Tauchrollen (Bild III.l3) geschmiert, die in Ölkästen laufen und von einer
Feder gegen die Führungsbahn gedrückt werden. In den übrigen Fällen ist meistens die Docht-
schmierung zu finden (Bild 111.14). Der Docht saugt öl aus einem Vorratsbehälter und benetzt
damit die Gleitflächen. Der Behälter wird von einer mechanisch angetriebenen oder handbetätig-
ten Pumpe nachgefüllt. Schließlich kann mit Ölpresse und Schmiernippel von Hand geschmiert
werden.
2

Bild 111.14. Dochtschmie-


rung (SIG, Neuhausen,
Schweiz)
Bild m.13. Tauchrollenschmierung 1 Schauglas, 2 Ölbehälter,
3 Docht
I Tauchrolle, 2 Feder, 3 Ölkasten

Bild 111.16. Abstreiferbauarten


a} einfacher Vulkollanabstreifer mit
Deckplatte; b) kombinierter Abstreifer
Bild III.lS. Zum Schutz gegen Späne am Bettschlitten eines Waagerecht-
herun tergezogene Führungsbahnen Bohr- und Fräswerkes; 1 Kunststoff-
mit Stahlftihrungsleisten am Bett einer abstreifer, 2 Stahlblechabstreifer,
Drehmaschine (IWK, Karlsruhe) 3 Federstahlband (s. Bild 111.12) b}

Schutz gegen Späne, Staub und Schmutz kann den Verschleiß ebenfalls verringern. Ziehharmonika-
ähnliche Faltenbälge aus Leder oder Kunststoff auf beiden Seiten des geführten Teiles dichten
sehr gut ab, werden aber von eingeklemmten scharfkantigen Spänen leicht beschädigt. Sie sind des-
halb vorwiegend an Schleifmaschinen zu finden und an Fräsmaschinen, wo wegen der geringen
Vorschubgeschwindigkeiten die Späne entfernt werden können, bevor sie eingeklemmt werden.
Unempfindlicher gegen Späne sind Teleskopbleche, die genau wie Faltenbälge den ganzen offenen
Raum zwischen den Führungsbahnen zu beiden Seiten des beweglichen Teiles abdecken. Einfacher
sind Schürzen aus Leder oder Kunststoffen, z. T. mit Stahlleisten verstärkt. Sie sind an beiden Stirn-
seiten des geführten Teiles befestigt und hängen zu beiden Seiten über die Führungsbahn herab. Sie
bedecken ebenfalls die ganze Führungsbreite oder nur eine einzelne Führungsbahn. In ähnlicher
Weise werden dicht auf der Führungsbahn aufliegende Federstahlbänder wie ein endloses Band um
die Enden der festen Führung herumgeführt und auf beiden Seiten des bewegten Teiles befestigt.
Bettschlitten an Drehmaschinen haben auf der Spindelstockseite starre Abdeckungen, die nur den
Teil der Führungsbahn schützen, der gerade durch fallende Späne gefährdet ist.
Besonders wirksam sind die Führungsbahnen dann geschützt, wenn sie so angeordnet sind, daß
Späne sie nicht erreichen können (Bild 111.15). Späne, die trotz der Schutzmaßnahmen auf die
Führungsbahnen gelangen, werden von Abstreifern entfernt, bevor sie zwischen die gleitenden
Teile gelangen. Das sind Filz- oder Vulkollanplatten, die mit einer Metallplatte gegen die Stirnseite
des bewegten Teiles geschraubt werden. Auch Abstreifer aus Federstahl oder Messing werden ver-
wendet. Bild III.16 zeigt eine Kombination von Blech- und Kunststoffabstreifern an einem Waage-
recht-Bohr- und Fräswerk.

928
111. Spindellagerungen und Geradführungen

2.1.3. Maßnahmen zum Ausgleichen des Verschleißes


Der unvermeidbare Verschleiß der Führungsbahnen vergrößert bei Flach-, Schwalbenschwanz- und
Zylinderftihrungen das ursprünglich eingestellte Führungsspiel. Arbeitsgüte und -genauigkeit der
Maschine hängen aber auch von diesem Spiel ab. Es muß darum nachgestellt werden können.
Prismatische Nachstelleisten (Bild I1I.17a und b) werden mit Druckschrauben eingestellt. Es ist
schwierig, sie so einzustellen, daß sie auf der ganzen Länge gleichmäßig tragen. Sie nutzen sich
infolgedessen auch ungleichmäßig ab.

a)

Bild II1.l7. Nachstelleisten an Führungen


a) und b) prismatische Nachstelleisten mit Druckschrauben, c), d), e) Keilleisten

Keilleisten (Bild HI.l7 c ... e) sind einfacher einzustellen und tragen gleichmäßig, wenn sie genau
hergestellt wurden. Sie werden mit einer oder zwei Schrauben verstellt. Beim Nachstellen wird die
ursprüngliche Lage des geführten Teiles gegenüber dem festen einseitig geändert. Ist dies nicht zu-
lässig, sind Nachstelleisten auf beiden Seiten vorhanden. Mit Keilen quer zur Führungsrichtung
werden häufig die in den Maschinenständer eingesetzten Bärftihrungsleisten an Hämmern nach-
gestellt (Bild I1I.2l). In anderen Fällen werden die Ständer mit Keilen verschoben.
Mit geschlitzten Hülsen ähnlich Bild III.l kann das Spiel in Zylinderführungen nachgestellt werden.

2.1.4. Die gebräuchlichen Gleitftihrungsbauarten


Eine Gleitftihrung besteht meist aus zwei Führungsbahnen. Soll die Bewegungsbahn des geführten
Teiles nicht überbestimmt sein, dann dürfen die Seitenkräfte nur von einer Führungsbahn, der
R ich tftihrung, aufgenommen werden. Die andere Bahn ist eine reine Tragführung, d.h. sie stützt
nur Normalkräfte ab . Sehr breite Schlitten und Tische haben mitunter drei Führungsbahnen, aber
auch nur eine RichtfUhrung, die möglichst lang und schmal sein soll.
Die zweüache Flachflihrung (Bild HU8) wird überwiegend ftir Verstellbewegungen verwendet, bei
denen nur Gewichtskräfte von schweren Maschinenteilen oder Werkstücken abzustützen sind, z.B.
an Waagerecht-Bohr- und Fräswerken für Tisch-, Ständer- und Spindelschlitten. An Hobel- und
Fräsmaschinen ist sie zu finden, wenn die Seitenkräfte klein gegenüber den senkrechten Kräften
sind. Die Messerschlitten der Scheren laufen meist in einer zweifachen Flachftihrung.

Bild 111.18. Querschlittenftihrung des Tisches eines


Waagerecht-Bohr- und Fräswerkes (Collet & Engelhard, Offenbach)

929
Werkzeugmaschi nen

Die zweifache Dachführung (Bild III.19) wird fast ausschließlich nir den Bettschlitten der Spitzen-
drehmaschine verwendet. Sie ist zwar statisch überbestimmt. Unter normalen Betriebsbedingungen
ist jedoch das vordere Prisma eindeutig die Richtftihrung. Der Hauptanteil der Betriebskräfte ver-
teilt sich auf die hinteren Schrägflächen beider Prismen. Flächenpressung und Verschleiß und die
dadurch verursachte waagerechte Abweichung des Schlittens von der geradlinigen Bahn sind ge-
ringer als bei nur einem Prisma oder der senkrechten Führungsfläche einer Flachftihrung. Besonders
diese waagerechte Abweichung verursacht aber bei dem in Längsrichtung unvermeidbar ungleich-
mäßigen Verschleiß einen ungleichmäßigen Werkstückdurchmesser.

Bild II1.19. Bettschlittenflihrung einer Spitzendrehmaschine


(Boehringer, Göppingen)

Die zweifache V-Führung (Bild III.IS) hat die gleichen Eigenschaften. Manche Dreh-, Schleif- und
Hobelmaschinen sind mit ihr ausgestattet.
Die V· bzw. Dachform wird an Pressen und Hämmern fast ausschließlich zur Führung der Stößel
und Bäre verwendet. Gewichts- und Bearbeitungskräfte wirken hier zwar paral1el zur Führung.
Außerhalb der Wirklinie der resultierenden Antriebskraft wirkende ("exzentrische") Verformungs-
kräfte verkanten den Werkzeugträger aber und belasten die Führungsbahnen mit Kräften, die nach
Betrag und Richtung schwer bestimmbar sind. Bei den oftmals breiten Werkzeugträgern kommt es
deshalb hier besonders auf lange Führungsbahnen an, um die Führungskräfte beim Verkanten klein
zu halten. Bild III.20 zeigt die Ecke eines Pressenstößels mit schräger, nachstel1barer Führungs-
leiste . Je zwei dieser Leisten bilden in jeder Richtung ein V. Die auswechselbaren Führungsleisten
der Hammerbärftihrung nach Bild III.21a werden mit Querkeilen nachgestel1t. Die Führungsflächen
der Ausftihrung b) bilden ebenfalls nach jeder Richtung ein V. Sie liegen aber in zwei Ebenen, die
durch die Bärachse gehen. Die Wärmedehnung des Bäres kann sich dadurch nicht auf das Führungs-
spiel auswirken.

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Bild III.20. Nachstellbare Stößelflihrung


an einer Zweipunkt-Doppelständerpresse
(Krupp, Essen)
1 Stößel, 2 Führungsleiste, 3 Ständer

Bild III.21. Hammerbärflihrungen


a) Auswechselbare Führungsleisten mit
Nachstellkeilen an einem Kettenfall-
hammer (Eumuco, Leverkusen);
b) durch die Bärachse gehende Führungs-
ebenen an einem Gegenschlaghammer
(Beche & Grohs, Hückeswagen)

930
111. Spindellagerungen und Geradführungen

Die zweifache Zylinderfiihrung ist ebenfalls überbestimmt. Sie wird überwiegend für senkrechte
Bewegungen verwendet. Pressenstößel werden mitunter auch auf vier Zylindern (Säulen) geftihrt.

Die Flach-Dach-Führung (Bild 1Il.22a) ist statisch be-


stimmt. Das Dachprisma ist RichtfUhrungsbahn, die Flach-
bahn ist TragfUhrung, also ist auch die Bewegung eindeu-
tig bestimmt. Man verwendet sie vorwiegend für den
Drehmaschinenreitstock. Wird der Bettschlitten der
Drehmaschine damit gefUhrt, dann liegt die Prismenbahn
vorn und ist meist unsymmetrisch ausgefUhrt. Damit soll
vermieden werden, daß der Schlitten unter der Wirkung
großer Seitenkräfte auf seiner Führungsbahn "klettert",
d.h. sich seitlich nach oben schiebt. Wenn nicht große
Gewichtskräfte der gefUhrten Teile in jedem Betriebs-
zustand eine sichere Auflage auf den Führungsbahnen
gewährleisten, sind Unterleisten als Abhebesicherung
vorgesehen. Bild III.22
a) Bettschlittenführung einer
Die Flach-V-Führung (Bild 1I1.22b) wird an Hobel- und Spitzendrehmaschine ;
Schleifmaschinentischen bevorzugt. Wo nur kleine Sei- b) Tischflihrung einer Außenrund-
tenkräfte auftreten, kann das Prisma sehr flach ausge- schleifmaschine
fUhrt werden. (Schaudt, Stuttgart)

Die Flach-Schwalbenschwanzflihrung wird vor allem dann gebraucht, wenn das bewegte Teil nicht
unterstützt, sondern an einer Seitenfläche einseitig "aufgehängt" wird, wie der Hobelsupport
(Bild 1.16) oder der Tisch der Waagerecht-Stoßmaschine. Der Schwalbenschwanz sichert gegen
Abheben und gestattet einfaches Nachstellen in waagerechter und senkrechter Richtung.

2.2. Wälzflihrungen
Anwendungsbeispiele: Wälzflihrungen sind fast nur an Schleifmaschinen zu finden. An anderen
Maschinen werden sie vereinzelt nur dann verwendet, wenn eine spielfreie RichtfUhrung oder klein-
ster Verschiebewiderstand für genaueste Einstellbewegungen erforderlich ist, z.B. an Bohrwerks-
tischen und Kopierfrässchlitten.
Aufbau und Wirkungsweise: Die Grundformen der Führungsflächen und ihre Eigenschaften sind
die gleichen wie bei den Gleitflihrungen. Die Flächen berühren sich aber nicht, sondern rollen über
Kugeln, Rollen oder Nadeln aufeinander ab. Mitunter treten an die Stelle der einen Führungsfläche
normale Wälzlager. Der Rollwiderstand ist klein und in Ruhe und Bewegung gleich groß. Man kann
infolgedessen wälzgeftihrte Schlitten und Tische aus der Ruhe heraus um kleinste Wege genau ver-
stellen, weil hier der "stick-slip"-Effekt der GleitfUhrung, der auf dem Unterschied zwischen Haft-
und Gleitreibung beruht, nicht auftreten kann. Die Führungsflächen sind gehärtet, der Verschleiß
daher gering und die Lebensdauer groß. Voraussetzung dafür sind allerdings sehr genau hergestellte
Führungsbahnen und Wälzkörper , deren Durchmesser nur um wenige ~m voneinander abweichen,
damit alle gleichmäßig tragen. Kugelflihrungen können wegen der Punktberührung nur wesentlich
kleinere Kräfte aufnehmen als Rollen- und NadelfUhrungen.

2.2.1. Wälzlagerführung
Kugel- oder Rollenlager am festen oder gefUhrten Teil rollen auf der Führungsbahn des anderen
Teiles ab (Bild 111.23). Sind sie auf Exzenterbolzen gelagert, dann kann die Führung spielfrei ein-

931
Werkzeugmaschi nen

gestellt oder vorgespannt werden. Meist werden die Lager mit senkrechter Achse als Richtführung
eingebaut, auch in Verbindung mit Gleit-TragfUhrungen. Die WälzlagerfUhrung kann nur verhältnis-
mäßig kleine Kräfte aufnehmen, weil sich sonst die wenigen belasteten Wälzkörper zu sehr verfor-
men und die Genauigkeit der Führung darunter leidet.

2 J

Bild III.23. Wälzlager mit exzentrischem Lagerzapfen als


Richtftihrung an einem Bohrwerkstisch (Scharmann & Co., Rheydt)
1 Feststellschraube, 2 Exzenterbolzen, 3 Tisch, 4 Pendel-
kugellager, 5 Führungsschiene

Bild III.24
a) Kugelftihrungsschienen im Tisch einer
Flächenschleifmaschine (Blohm, Hamburg);
b) Nadelflihrungsschienen im Regelscheiben-
schlitten einer spitzenlosen Rundschleif-
5 6 7 8 maschine (Herminghausen, Hannover);
c) auf losen Kugeln geflihrter Tisch einer
Läppmaschine (Wolters, Mettmann)
1 Führungsschiene, 2 Tragflihrungsbahn,
3 Tisch, 4 Richtftihrungsbahn, 5 Einstell-
schraube, 6 FÜhrungsprisma, 7 Führungs-
schiene, 8 Schlitten
b)

2.2.2. Gerade Führungsschiene


Sie ist ein langer, starrer Käfig, der die Wälzkörper so fUhrt, daß sie sich nicht gegenseitig berühren.
Die Schiene wird in die Führungsbahn des festen Teiles eingelegt und das geführte Teil wird aufge-
setzt oder -geschoben (Bild III.24). Sie bewegt sich halb so schnell wie das gefUhrte Teil mit hin
und her. Wenn sie in keiner Stellung überstehen soll, muß sie also kürzer sein als die Führungsbahn.
Der Schlitten kragt infolgedessen immer über den letzten Wälzkörper nach einer oder beiden Seiten
aus und die Länge der festen Führung wird nur zum Teil als Stützlänge ausgenützt. Sind Führungs-
schiene und untere Führungsbahn gleichlang, dann fahrt die Schiene bei jedem Hub mit einem Teil
der Wälzkörper aus der unteren Führung aus und die Stützlänge ist die gleiche wie bei einer Gleit-
fUhrung. Manchmal laufen die Wälzkörper auch ohne Käfig lose zwischen den Führungsbahnen
(Bild III.24c).

2.2.3_ Umlaufende Führungskette


Die Wälzkörper laufen einzeln in Käfiggliedern, die gelenkig miteinander zu einer endlosen Kette
verbunden sind. Ähnlich wie die Wälzlager unter 2.2.1 wird die Umlaufschiene der Kette am festen
oder arn beweglichen Maschinenteil befestigt, für das sich dann eine besondere Führungsbahn er-
übrigt (Bild III.2S). Die Stützlänge ist immer gleichbleibend wie bei den Wälzlagerführungen, es

932
IV. Getriebe

Bild III.25. Schlittenftihrung mit KreuzroUenketten (nach Schneeberger, Roggwyl, Schweiz)


1 Kreuzrollenkette, 2 Umlaufschiene, 3 gerade Schiene, 4 Führungsbahn, 5 Rücklaufbahn, 6 Einstellschiene

sind aber höhere Belastungen zulässig, weil mehr Wälzkörper tragen. Die Rollenachsen der darge-
stellten Kreuzrollenkette sind abwechselnd um 90° versetzt, so daß auch Abhebekräfte aufgenom-
men werden. Die Kette wird mit einer Umlenkrolle gespannt, über welche die Rollen unbelastet
auf die Rücklaufbahn laufen.
2 3
2.2.4. Kugelbüchse
Sie wird in Zylinderftihrungen verwendet. Eine gehärtete,
zum Einstellen des Spieles oder zum Vorspannen geschlitzte
Stahlhülse enthält mehrere Käfige, in denen Kugeln lose um-
laufen (Bild III.26). Hülse und Käfig sind so gestaltet, daß
die Kugeln nur dann am Führungszylinder tragen, wenn sie
in der Tragbahn der Büchse laufen. In der Rücklaufbahn sind
sie durch die Käfigwand vom Zylinder getrennt.
Bild 111.26. Kugelbüchse (Deutsche Star
Kugelhalter, Schweinfurt)
1 Käfig, 2 Hülse, 3 Haltering (in der Mitte
ist der hinter dem Führungszylinder
liegende Käfig mit gezeichnet)
IV. Getriebe

Begriffsbestimmung: Getriebe übertragen die Leistung des Antriebsmotors auf Werkstück- und
Werkzeugträger oder bewegliche Teile des Gestelles und erteilen ihnen die ftir die Bearbeitung er-
forderlichen Bewegungen.

1. Getriebe für Drehbewegungen


Drehbewegungen benötigt man an den Arbeitsspindeln, aber auch an den Antriebsgliedern der
meisten Getriebe rur geradlinige Bewegungen (siehe 2). Liefert das Getriebe bei konstanter Antriebs-
drehzahl an seiner Abtriebswelle nur eine einzige Drehzahl, dann ist es einstufig. Stufengetriebe
haben mehrere Abtriebsdrehzahlen ("Stufen"), und mit stufenlosen Getrieben können alle Dreh-
zahlen innerhalb eines Drehzahlbereiches eingestellt werden. Die Leistung wird mit Zahnrädern,
Riemen, Ketten, Reibrädern oder durch Drucköl übertragen.

1.1. Einstufige Getriebe

1.1.1. Zahnrädergetriebe
Anwendungsbeispiele: Es wird verwendet im Bettgetriebe der Hobelmaschinen, im Vorschubge-
triebe von Hobel- und Stoßmaschinen, zum Antrieb der Kurbelwelle an Scheren und Pressen, als
Zwischengetriebe an Fall- und Lufthämmern.

933
Werkzeugmaschi nen

Aufbau und Wirkungsweise: Die meisten Werkzeugmaschinengetriebe müssen zwei Hauptbedin.


gungen erflil.len: Sie sollen klein sein, weil oft nur wenig Raum zur Verftigung steht, und sie sollen
- vor allem bei zerspanenden Werkzeugmaschinen - ruhig und schwingungsfrei laufen, damit eine
saubere Werkstückoberfläche erzielt wird. Für Zahnräder und Wellen werden deshalb hochwertige
Stähle verwendet und die Zahnflanken werden meistens gehärtet und geschliffen. Außerdem ver·
meidet man Räderpaare mit großer Übersetzung (imax = 4 : 1, weil sonst das Getriebe zu sperrig
wird) und möglichst auch Übersetzungen ins Schnelle (unruhiger Laut). Beim einstufigen Getriebe
stehen die Räder ständig im Eingriff. Sie werden deshalb häufig schrägverzahnt (größere Laufruhe).
In der Hauptsache soll das einstufige Getriebe die Motordrehzahl übersetzen. Für Übersetzungen
über 4: 1 erhält es zwei oder mehrere hintereinandergeschaltete Räderpaare. Bei großen Über·
setzungen wird es auch hinter einem Riemengetriebe angeordnet, weil ein zweites Riemengetriebe
bei den kleineren Drehzahlen der zweiten Welle zu große Abmessungen erhalten müßte (siehe
1.1.2).

1.1.2. Riemengetriebe
Anwendungsbeispiele: Man findet es an Werkzeugmaschinen aller Art.
Aufbau und Wirkungsweise: Das Riemengetriebe wird mit Flach· oder Keilriemen ausgeführt. Da·
mit der Riemen gespannt werden kann, ist der Motor auf seiner Grundplatte verschiebbar, oder er
steht auf einer Wippe, oder es ist eine Spannrolle vorhanden. Das Riemengetriebe überbrückt
größere Abstände zwischen An· und Abtriebswelle, es läuft leise und dämpft Stöße und Schwin·
gungen. Besonders an Feinbearbeitungsmaschinen wird es deshalb bevorzugt.
Wegen der relativ kleinen Riemenzugkräfte können große Leistungen aber nur bei hohen Riemen·
geschwindigkeiten übertragen werden. Das erfordert große Scheibendurchmesser, die bei Werkzeug·
maschinen oft nicht möglich sind, oder hohe Drehzahlen. Das Riemengetriebe wird deshalb meist
im Bereiche der hohen Drehzahlen verwendet, z.B. zur Übertragung der Schlichtdrehzahlen auf
Arbeitsspindeln oder ftir die erste übersetzung zwischen Antriebsmotor und nachgeschaltetem
Rädergetriebe .

1.1.3. Kettengetriebe
Anwendungsbeispiele: Das Kettengetriebe ist an Werkzeugmaschinen nicht so verbreitet wie Zahn·
radgetriebe oder Riemengetriebe. Es wird als Hauptspindelgetriebe an Drehautomaten und Gewinde·
schneidmaschinen eingebaut, ferner zur Ableitung der Antriebsbewegung vom Hauptgetriebe zum
Vorschubgetriebe an Produktionsdrehmaschinen und Fräsmaschinen und zum Antrieb der Regel·
scheibe an spitzenlosen Rundschleifmaschinen verwendet.

Aufbau und Wirkungsweise: Es werden nur Rollen· oder Zahnketten in Werkzeugmaschinen ein·
gebaut, weil sie geräusch· und reibungsarm laufen und einen guten Wirkungsgrad haben. Die Rollen·
kette wird vorgezogen, denn sie ist leichter, weil ihre Laschen nur zugbeansprucht, die der Zahn·
kette hingegen biegebeansprucht sind. Die Ölfilme in den vielen Gelenken dämpfen Stöße. Das
Spiel in diesen Gelenken beeinträchtigt allerdings die Gleichförmigkeit der Übersetzung, zumal die
Ketten mit Laufspiel (also ohne Vorspannung) eingebaut werden müssen, damit sie nicht heißlau·
fen und vorzeitig verschleißen.
Der Hauptgrund ftir die Verwendung des Kettengetriebes in der Werkzeugmaschine liegt darin, daß
man größere Wellenabstände überbrücken und wegen der großen Belastbarkeit der Kette auch bei
kleinen Kettengeschwindigkeiten und geringem Raumbedarf größere Leistungen übertragen kann
als mit dem Riemengetriebe. Allerdings ist hier die Geschwindigkeit nach oben begrenzt (~ 15 m/s),
weil sonst die Zugspannung infolge der Fliehkraft beim Umlenken zu groß wird.

934
IV. Getriebe

Die Kette läuft über das Kettenrad wie über ein Vieleck (Bild IV.I). Dadurch schwankt die Ketten-
geschwindigkeit mit jedem neuen Zahneingriff zwischen zwei Grenzwerten. Sie übersetzt also nicht
gleichförmig. Außerdem schwingt das Kettentrum ständig quer zur Laufrichtung um daß Maß x.
Die Ungleichförmigkeit nimmt mit zunehmender Zähnezahl des Kettenrades ab. Größere Zähne-
zahl verringert auch den Verschleiß der Kettengelenke, denn bei jedem Auf- und Ablauf am Ketten-
rad schwenkt das Gelenk um einen Winkel, der mit zunehmender Zähnezahl abnimmt.
Die Kette muß genau rechtwinklig zu beiden Wellen laufen und darf nicht
in sich verdreht werden. Sonst entstehen Kantenpressungen und starker
Verschleiß in den Gelenken. Die Wellen müssen also genau parallel sein,
die Kettenräder miteinander fluchten und weder axiales Spiel noch axialen
Schlag haben. Auch radialer Schlag vergrößert durch schwankende Ketten-
spannung den Verschleiß. Verschlissene Ketten sollen stets gemeinsam mit
beiden Kettenrädern ausgetauscht werden.

Bild lVI. Vieleckeffekt


am Kettenrad

1.1.4. Reibradgetriebe
Anwendungsbeispiele: Es ist der übliche Antrieb der Spindelpressen. Außerdem wird es an einigen
Fräs- und Waagerecht-Stoßmaschinen anstelle eines Riemengetriebes zwischen Antriebsmotor und
Hauptgetriebe verwendet.
Aufbau und Wirkungsweise: Das Reibradgetriebe besteht aus Reibrad und Gegenrad, die gegenein-
andergepreßt werden. Sie übertragen die Leistung durch Reibung. Ein Reibbelag (Bandage) auf
einem der beiden Räder erhöht die Reibzahl. Dadurch werden Anpreßkraft, Lagerkräfte und Ver-
schleiß geringer, der Wirkungsgrad entsprechend besser.
Die gebräuchlichen Prinzipien der Anordnung beider Räder an Spindelpressen zeigt Bild IV.2. Bei
Ausführung a) sitzt die Schwungscheibe (Reibrad) auf der senkrechten Gewindespindel, die sich
im Muttergewinde des Ständers auf- oder abwärts bewegt, wenn sie gedreht wird. Die beiden Seiten-
scheiben werden mit ihrer gemeinsamen Welle über ein Riemengetriebe angetrieben. Beim Auf- und
beim Abwärtsgang des Stößels werden sie wechselweise gegen das Reibrad gepreßt. Dabei bewegt
sich das Reibrad radial über die Planfläche der Seitenscheibe, so daß sich die übersetzung während
der Bewegung ändert. Das ist beim Abwärtsgang vorteilhaft, denn der Stößel tritt mit größter Ge-
schwindigkeit auf das Werkstück. Beim Aufwärtsgang dagegen verursacht es größeren Verschleiß.

al

Bild IV.2. Reibradantrieb an einer a) Dreischeiben-, b) Vincent-, c) Einscheiben-Spindelpresse

935
VVerkzeugrnaschinen
Bei den AusfUhrungen b) und c) ist das Muttergewinde im Stößel. Die Übersetzung ist konstant,
weil sich die Spindel nicht axial bewegt. Ihre Drehrichtung wird bei b) durch wechselweises An-
pressen der seitlichen Kegelreibräder umgekehrt, bei c) wird der Motor umgepolt.

An zerspanenden Werkzeugmaschinen nutzt man vor allem den ruhigen Lauf des Reibradgetriebes
und den Umstand, daß auch übersetzungen über 4 : I auf kleinem Raum ausgefUhrt werden können.
Die erforderlichen Anpreßkräfte sind jedoch erheblich größer als beim Riemengetriebe. Um aus-
reichende Leistungen übertragen zu können, werden darum im Rahmen der zulässigen Drehzahlen
größtmögliche Umfangsgeschwindigkeiten angestrebt. Das Reibradgetriebe ist deshalb unmittelbar
am Motor angeordnet.

Alle elastischen Reibbeläge verformen sich in der Belastungszone, und die Formänderungsarbeit
setzt sich im Belag in Wärme um, die den Verschleiß fördert. Wird die zulässige Anpreßkraft oder
die zulässige Drehzahl überschritten (= größeres Ausmaß oder häufigerer Wechsel der Verformung
= größere Formänderungsarbeit), so kann das durch die größere Wärmeentwicklung zu vorzeitigem
Verschleiß fUhren. Aber auch bei niedriger Anpreßkraft darf die Drehzahl nicht beliebig erhöht
werden, weil durch die Fliehkraft zu hohe Zugspannungen im Reibbelag entstehen. Andererseits
darf man auch bei niedrigen Drehzahlen die Anpreßkraft nicht beliebig vergrößern, denn zu hohe
Druckspannungen zerstören den Belag ebenfalls.

Das Getriebe wird deshalb meist so angeordnet, daß die Anpreßkraft selbsttätig vom Abtriebsdreh-
moment gesteuert wird (Bild IV.3). Das Reibrad 2 wird im Leerlauf mit der Federkraft F so gegen
das Gegenrad I gedrückt, daß dieses sicher von der Reibung mitgenommen wird. Dann sind Ge-
wichtskraft G, Federkraft F, Anpreßkraft Fa und Umfangsreibkraft FR im Gleichgewicht. Wird
das Gegenrad 1 von der Abtriebsseite her durch ein größeres Drehmoment belastet, dann wird die
Umfangsreibkraft größer und schwenkt die Wippe mit dem Motor nach links. Dadurch wird die An-
preßkraft Fa größer - bis wieder Gleichgewicht herrscht - so daß nun bei Bedarf wieder eine
größere Reibkraft aufgebracht werden kann. Das Gegenrad wird dann bei allen Belastungen gleich-
mäßig sicher bei kleinstmöglicher Anpreßkraft mitgenommen, wenn die Verbindungsgerade Wippen-
drehpunkt-Berührungspunkt mit der Wirklinie der Anpreßkraft ungefähr den Reibwinkel p ein-
schließt. Unnötig große Anpreßkraft vergrößert auch die Lagerkräfte und verschlechtert dadurch
den Wirkungsgrad, der je nach Reibzahl der Scheibenpaarung und Verhältnis zwischen erforder-
licher und vorhandener Anpreßkraft zwischen 0,75 und 0,95 schwankt.

Bewegungsverhältnisse: Reibradge-
triebe mit elastischem Belag laufen mit
Schlupf, denn unter der Wirkung der
Umfangskraft "kriecht" der Belag auf
der Gegenradlauffläche. Außerdem be-
wegt sich die Berührungsfläche des
Reibrades beim Abrollen mit Um- Bild IVA. Geschwindig-
keiten am Reibgetriebe
fangsgeschwindigkeiten zwischen VI
und v;(Bild IVA), und die Umfangs-
1 Reibrad mit elastischem
Belag, 2 Gegenrad
geschwindigkeit V2 des Gegenrades liegt
zwischen beiden Werten. Die Über-
setzung kann also nur annähernd aus Bild IV.3. Selbsttätige
den Durchmessern von Reib- und Anpassung der Anpreßkraft
an das Drehmoment
Gegenrad ermittelt werden.
1 Gegenrad, 2 Reibrad

936
IV. Getriebe

1.2. Stufengetriebe

1.2.1. Allgemeines
1.2.1.1. Drehzahlbereich und Stufenzahl. Auf fast jeder zerspanenden Werkzeugmaschine muß mit
unterschiedlichen Schnittgeschwindigkeiten gearbeitet werden. Sie werden u.a. bestimmt vom
Werkstoff des Werkstückes und des Werkzeuges sowie vom Spanungsquerschnitt (siehe Zerspan-
technik). Das erfordert Hauptgetriebe, die mit mehreren Abtriebsdrehzahlen einen Drehzahl-
bereich überdecken. An Maschinen mit drehender Schnittbewegung ist der erforderliche Bereich
wegen der wechselnden Werkstück- bzw. Werkzeugdurchmesser z. T. noch erheblich größer als
an gradlinig zerspanenden Maschinen. So ist bei Hobelmaschinen der Drehzahlbereich
B = nz/n 1 = 6: 1...10: 1 (n z größte Drehzahl bei z Drehzahlstufen, nl kleinste Drehzahl), bei
Konsolfräsmaschinen (10 ... ) 50: 1, bei Spitzendrehmaschinen 50 ( ... 200) : 1. Ständer- und Säulen-
bohrmaschinen kommen wegen des kleineren Durchmesserbereiches mit B = 5 : 1 ... 25 : 1 aus. An
Radialbohrmaschinen findet man Bereiche bis 150: 1, an Bohr- und Fräswerken gar bis 400: 1. Je
größer der Drehzahlbereich, desto größer ist der Arbeitsbereich der Maschine hinsichtlich Schnitt-
geschwindigkeit und Arbeitsdurchmesser.
Für den wirtschaftlichen Einsatz einer Maschine ist jedoch in gleichem Maße die Anzahl der Dreh-
zahlstufen (= einstellbare Drehzahlen) entscheidend. Je größer die Stufenzahl z, desto näher kommt
man im Durchschnitt aller Bearbeitungsfälle der wirtschaftlichen Schnittgeschwindigkeit. Das Ge-
triebe ist dann aber auch größer und teurer. Säulen- und Ständerbohrmaschinen haben je nach
Durchmesserbereich 3 ... 9 Stufen, Stoßmaschinen 4 ... 12, Hobelmaschinen 6 ... 9, Werkstückspin-
deln an Rundschleifmaschinen 8 ... 10, Dreh- und Fräsmaschinen 12 ... 18, Radialbohrmaschinen
und Bohr- und Fräswerke bis zu 36 Stufen.

1.2.1.2. Drehzahlstufung. Die Lastdrehzahlreihen an Werkzeugmaschinen sind in der Regel geome-


trisch gestuft. Nach DIN 804 ist die Grundreihe der Lastdrehzahlen die Normzahlreihe R 20 mit
dem Stufensprung <{J= 2VW=I,122018 ... Rl l,12. Alle Zahlen dieser Reihe sind "Normdreh-
zahlen" (Tafel IV.1). Eine derart eng gestufte Drehzahlreihe fmdet man aber an keiner Werkzeug-
maschine, weil die dafür erforderlichen Getriebe zu aufwendig sein würden. Bei einem Drehzahl-
bereich von 50 : 1 wären beispielsweise 35 Stufen erforderlich, bei 400 : 1 gar 55 Stufen (vgl. mit
den üblichen Stufenzahlen in 1.2.1.1). Die Maschinen haben gröber gestufte Drehzahlreihen, die
dadurch entstehen, daß nur jedes 2., 3.,4. oder 6. Glied aus der Grundreihe ausgewählt wird. Diese
Reihen heißen abgeleitete Reihen. TafelIV.1 zeigt die Grundreihe und alle daraus ableitbaren Rei-
hen mit dem 2., 3., 4. oder 6. Glied. Nach DIN 804 sollen die abgeleiteten Reihen aber so gebildet
werden, daß sie die Zahlen 1400 oder 2800 enthalten, weil dies die Nenndrehzahlen der meisten an
Werkzeugmaschinen verwendeten Drehstrommotoren sind. Diese Drehzahlreihen sind in Tafel IV.l
durch den Raster hervorgehoben. Für den Einsatz der Maschine in der Fertigung und die Berech-
nung und die Konstruktion des Getriebes ist diese Forderung der Norm jedoch ohne Bedeutung,
und deshalb weichen Werkzeugmaschinenhersteller nicht selten von DIN 804 ab und ziehen eine
andere abgeleitete Normzahlreihe vor (in TafeIIV.1 nicht hervorgehoben). Die Normzahlen der
Reihe R 20 sind aus den Genauwerten der geometrischen Reihe auf- oder abgerundet. Die Stufung
erscheint darum an einigen Stellen arithmetisch, z.B .... 140-160-180-200 .... Auch die Stufen-
sprünge sind gerundete Werte. Sie können nur als Wurzeln oder mit Hilfe ihrer Logarithmen exakt
dargestellt werden.
Der Logarithmus des Stufensprunges der Grundreihe R20 ist Ig<{JR20 = 210 IglO = 0,05. In den ab-
geleiteten Reihen sind dann die Logarithmen der Stufensprünge 2-, 3-, 4- bzw. 6mal so groß. Das
ist besonders für die genaue Berechnung der Übersetzungen wichtig (siehe 1.2.1.4).

937
Werkzeugmaschi nen
Tafel IV.1. Zahlenreihen für die Stufung von Drehzahlen und Vorschüben an Werkzeugmaschinen

Grundreihe R20. Stufensprung cp = ~ = 1,122018 ... ~ 1,12; 19cp =0,05


10-11,2-12,5 -14-16-18 -20-22,4 -25 -28 -31,5 - 35,5 -40-45 -50-56-63-71-80-90-100-
112-125 -140-160-180-200-224-250-280-315 -355 -400 -450-500-560-630-710-800-
900 -1000 -1120 -1250 -1400 -1600 -1800 -2000 -2240 -2500-2800- 3150- 3550-4000 -4500-
5000-5600-6300-7100 -8000-9000-10000

Abgeleitete Reihen R 20/2. Stufensprung cP = ~ = 1,258925 ... ~ 1,25; 19 cP =0,1


10-12,5 -16-20-25 -31,5 -40-50-63 -80-100-125 -160-200-250-315 -400-500-630-800-
1000-1250-1600- 2000 - 2500 - 3150 -4000-5000- 6300 -8000 -10000
oder
11,2 -14-18 -22,4-28 - 35,5 -45 -56-71-90-112 -140 -180-224 -280-355 -450-560-710-
900-1120-1400-1800 - 2240 - 2800 -4500 -5600 -7100 -9000 -11200

Abgeleitete Reihen R20/3. Stufensprung cP = ~ = 1,412537 ... ~ 1,4; 19cP =0,15


10-14-20-28-40-56-80-112-160-224-315-450-630-900-1250-1800-2500-3550-5000-
7100-10000
oder
11,2-16-22,4-31,5 -45 -63 -90-125 -180 -250-355 -500-710-1000-1400-2000-2800-
4000-5600-8000-11200
oder
12,5 -18 -25 -35,5 -50-71-100-140-200-280-400 -560-800-1120 -1600-2240-3150-4500-
6300-9000-12500

Abgeleitete Reihen R 20/4. Stufensprung cP = vw = 1,584893 ... ~ 1,6; 19 cP =0,2


10-16 - 25 -40 -63 -100-160- 250 -400 -630 -1000 -1600 -2500 -4000 -6300 -10000
oder
111,2 -18 -28-45 -71-112 -180 -280-450 -710 -1120-1800-2800-4500-7100 -11200
oder
12,5 -20-31,5 -50-80-125 -200-315 -500-800-1250-2000-3150-5000-8000-12500
oder
114 -22,4-35,5 -56-90-140-224 -355 -560-900-1400-2240 -3550-5600-9000-14000

Abgeleitete Reihen R 20/6. Stufensprung cP =\%(i6 = 1,995262 .. , ~ 2; 19cp =0,3


10- 20-40 -80 -160 -315 -630 -1250 - 2500 -5000 -10000
oder
111,2-22,4-45 -90-180-355 -710-1400-2800-5600-11200
oder
12,5 -25 -50-100-200-400-800-1600-3150-6300-12500
oder
14-28-56-112-224-450-900-1800 -3550-7100-14000
oder
16 - 31,5 -63 -125 -250 -500 -1000 -2000 -4000 -8000 -16000
oder
18-35,5 -71-140-280-560-1120-2240-4500-9000-18000

Alle diese Reihen können nach oben oder unten erweitert werden, wenn man die Zahlen mit 10 oder 100 multi-
pliziert oder durch 10 oder 100 dividiert.

938
IV. Getriebe

Für Säulen- und Ständerbohrmaschinen haben die Drehzahlreihen meistens den Stufensprung 2
oder 1,6, für die Werkstückspindeln der Rundschleifmaschinen 1,4, für Drehmaschinen 1,4 oder
1,25, flir Fräsmaschinen 1,25. Feiner sind die Reihen selten gestuft, und zwar nur bei sehr kleinem
Drehzahlbereich B oder sehr großer Stufenzahl z.

1.2.1.3. Vorschubstufung. Die Vorschub reihen sind nach DIN 803 genormt. Grundreihe ist wie bei
den Lastdrehzahlreihen die Normzahlreihe R 20. Abgeleitete Reihen werden auch bei den Vor-
schüben aus jedem 2., 3., 4. oder 6. Glied der Grundreihe gebildet. Geometrisch gestufte Vorschub-
reihen können aus TafeIIV.l gewonnen werden, wenn man die Zahlenwerte durch 10, 100 oder
1000 dividiert. Nach DIN 803 sind aber nur diejenigen Reihen genormt, die den Zahlenwert 1
(in mm/Umdr., mrn/Hub oder mm/min) enthalten. Um solche Reihen zu verwirklichen, müssen
die Vorschubgetriebe an ihren Abtriebswellen geometrisch gestufte Drehzahlen liefern. Die Stufen-
zahl und damit der Umfang des Getriebes hängen von der Maschinenart ab. Säulen- und Ständer-
bohrmaschinen haben 3 ... 8, Radialbohrmaschinen 6 ... 18, Fräsmaschinen 8 ... 24 Vorschübe. Bei
Drehmaschinen varüert die Anzahl der Vorschübe je nach Bauart in weiten Grenzen. Produktions-,
Revolver- und Plandrehmaschinen kommen meist mit weniger als 10 Vorschüben aus. Senkrecht-
drehmaschinen haben 10 ... 20 Vorschübe. Das umfangreichste und komplizierteste Vorschub-
getriebe haben die Leit- und Zugspindel-Drehmaschinen. Hier sind 24 ... 66 normale Vorschub-
stufen die Regel. Hinzu kommen die Steigungsvorschübe für das Schneiden der verschiedenartigen
Gewinde, die nicht über die Zugspindel, sondern über Leitspindel und Schloßmutter auf den Werk-
zeugschlitten übertragen werden.

1.2.1.4. Germar-Schaubild. Die Gesamtübersetzung von der Motordrehzahl zur kleinsten Drehzahl
der Abtriebswelle des Getriebes ist häufig sehr groß. Bei einer Motordrehzahl von 1400 min- 1 und
einer Abtriebsdrehzahl von 11,2 min-1 beträgt es z.B. 125: 1. Es muß in mindestens vier Teilüber-
setzungen aufgeteilt sein, wenn keine größer als 4 : 1 sein darf. Das ergibt vier hintereinanderlie-
gende Getriebegruppen mit fünf Wellen. Hat jede Gruppe zwei Räderpaare mit verschiedenen Über-
setzungen, so vervielfacht sich die Anzahl der möglichen Drehzahlen von Welle zu Welle mit dem
Faktor 2, und an der fünften Welle stehen 24 = 16 Drehzahlstufen zur Verfügung. Da die Drehzahl-
reihe geometrisch gestuft ist, nehmen die Gesamtübersetzungen mit jeder nächst größeren Abtriebs-
drehzahl im Verhältnis des Stufensprunges ab, d.h. es ist die größte Gesamtübersetzung i 1 = i 2 1{)1 =
i 3 1{)2 =... =izl{)z-l. Jede dieser übersetzungen entsteht durch Hintereinanderschalten von vier der
acht Räderpaare. Deren Einzelübersetzungen müssen so gewählt sein, daß sich in den 16 möglichen
Schaltkombinationen der Räderpaare 16 Gesamtübersetzungen ergeben, welche die obige Forde-
rung genau erflillen. Es gibt für diese Aufgabe viele Lösungen, die jedoch mathematisch schwer zu
ermitteln sind. Die Germar-Schaubilder (Drehzahlbild und Aufbaunetz) erleichtern diese Arbeit
sehr und vermitteln mit geringem Aufwand einen Überblick über alle möglichen Lösungen. Beim
Entwurf eines Getriebes sind sie darum eine unentbehrliche Grundlage, und der Getriebeaufbau
läßt sich mit ihnen einfach erläutern.

Im Drehzahlbild stellt die Abszissenachse die Abtriebswelle des Getriebes dar (Bild IV.5). Sie wird
in beliebigem Maßstabe logarithmisch geteilt. Markiert man entsprechend diesem Maßstabe auf die-
ser "Welle" ihre Drehzahlen (z.B. 4, 8, 16,32 min- 1 ), so haben die Drehzahlpunkte gleiche Ab-
stände, weil die Drehzahlen eine geometrische Reihe darstellen. Der Abstand des Drehzahlpunktes
nl vom Nullpunkt ist dann gleich 19nt. der Abstand der Drehzahlpunkte voneinander ist gleich
19l{), denn wenn nach dem Gesetz der geometrischen Reihe n2/nl =I{) ist, dann ist auch

939
Werkzeugmaschi nen

Ign2 -lgnl = 19'i'. Die Antriebswelle (und alle übrigen


Getriebewellen) werden als Geraden mit beliebigem Ab-
stand parallel zur Abtriebswelle eingezeichnet und ihre
Drehzahlen werden ebenfalls als Punkte markiert (z.B.
na =64 min- I in Bild IV.5). Der Teilungsnullpunkt und
-maßstab ist flir alle Wellen gleich, so daß gleiche Dreh-
zahlen auf verschiedenen Wellen senkrecht übereinander
stehen. Die Gerade 1-2 von n a nach nl stellt das Räder-
paar 1-2 dar, das die Übersetzung der Drehzahl n a der
Bild IV.5. Drehzahlbild (nach Germar)
Welle I in die Drehzahl nl der Welle 11 bewirkt.
Aus dem Schaubild kann man ablesen, daß 19 n a -lg n I =4lg 'i' =19 'i'4 ist. Entlogarithmiert ergibt
sich na/ni ='i'4. Das ist aber die Übersetzung i l - 2 des Räderpaares 1-2. Die Projektion einer
Räderlinie (1-2,3-4,5-6,7-8) auf die Abtriebswelle des Drehzahlbildes ist also der Logarith-
mus der Übersetzung des Räderpaares. Nach Bild IV.5 ist folglich i 3 - 4 = 'i'3, i 5- 6 = 'i'2 und
i7 _ 8 = 'i'1. Ist die Antriebsdrehzahl niedriger als eine Abtriebsdrehzahl, so ist z. B. nach Bild IV.6b
die Übersetzung des Räderpaares 7-8: i7 _ 8 = n a/n4' folglich auch 19 i 7 _ 8 = 19 n a -lg n4 = - 1,51g 'i'
= Ig'i'-1,5 , und damit i 7 -8 = 'i'-1,5 . Man erhält die Übersetzung eines Räderpaares aus dem Dreh-
zahlbild, wenn man die Projektion seiner Räderlinie auf die Abtriebswelle in Stufensprüngen aus-
zählt und dann den Stufensprung 'i' mit dieser Zahl potenziert. Der Exponent erhält positives Vor-
zeichen, wenn ins Langsame, negatives wenn ins Schnelle übersetzt wird.
In der Praxis sind die Lage des Teilungs-Nullpunktes
und der Teilungs-Maßstab ohne Bedeutung. Man
zeichnet einfach eine Schar paralleler Drehzahllinien
mit beliebigem, aber gleichem Abstand und recht-
winklig dazu die Geraden flir die Wellen. In dieses
Netz werden die Räderlinien eingezeichnet (BildlY.6a).
Stellt man sich nun die Räderlinien als Gummibänder
vor, und wandert man mit der Antriebsdrehzahl nach n/ n2 nJ n4 n/ n2

links bis in die Mitte zwischen größter und kleinster aJ bJ


Abtriebsdrehzahl, dann entsteht ein symmetrisches Bild IV.6
Bild, das Aufbaunetz (Bild IV.6b). Beim Getriebeent- a) Praktisch übliche Darstellung des
wurf wird umgekehrt vorgegangen: erst wird das Auf- Drehzahlbildes nach Bild IV.5 und
baunetz gezeichnet und daraus das Drehzahlbild ent- b) Aufbaunetz dazu
wickelt.

Bild IV.7 zeigt das Aufbaunetz und zwei Drehzahlbilder eines 12-stufigen Vierwellengetriebes
(IV-12-Getriebe; darin bedeuten IV die Wellenanzahl und 12 die Stufenzahl). Die Getriebegruppe
1-11 hat die drei Räderpaare 1-2,3-4 und 5-6, die Gruppen II-III und III-IV je zwei Räder-
paare 7-8 und 9-10 sowie 11-12 und 13-14. Zu beachten ist, daß nicht nur das ganze Aufbau-
netz symmetrisch in bezug auf die senkrechte na-Linie ist, sondern auch jede Getriebegruppe ein
symmetrisches Teil-Aufbaunetz haben muß (dicke Linien). Die Räderlinien der nachfolgenden
Gruppen II-III und rn-IV erscheinen entsprechend ihrer Verwendung in den verschiedenen
Schaltkombinationen mehrfach im Aufbaunetz. Aus dem Aufbaunetz können beliebig viele Dreh-
zahlbilder entwickelt werden. Man braucht sich dazu wieder nur die Räderlinien als Gummibän-
der, die Wellen I, 11 und III als waagerecht verschiebbare Schienen vorzustellen, auf denen die
Bänder mit den im Aufbaunetz festgelegten Abständen befestigt sind. Zunächst muß die Welle I
so weit verschoben werden, bis ihr Drehzahlpunkt n a auf der Drehzahllinie der Antriebsdrehzahl
des Getriebes liegt. Im Beispiel nach Bild IV.7 ist na = n12'i'2. Die Gesamtübersetzungen sind dann
na/ni = 'i'13 bis n a /nl2 = 'i'2. Die Zwischenwellen 11 und III kann man nun beliebig verschieben und

940
-ar"---'----Ir------"-
IV. Getriebe
rp5 rp' rp'
r--~ rp2-J
1 I ~=n;.~2
~-+--t-1--+--~n~·+-~~--+-~-4-1 -r-r-+-+-+~--r-r-~+-1--r-r~1

IV
n, n2 nJ n, n5 ns n7 n8 ng n,o n71 n,2
rp6 rpJ
I· -I·
rp'
"r -I
n.
I

Bild IV.7 ID
Ein Aufbaunetz und zwei Drehzahlbilder
für ein zwölfstufiges Vierwellengetriebe
IV
nl n2 nJ n, n5 ns n7 nn ng nlO n11 nl2
dadurch die größte Gesamtübersetzung nach Wunsch aufteilen. Damit sind dann aber die Über-
setzungen für alle Räderpaare festgelegt. Teilt man sie gleichmäßig auf die drei Getriebegruppen
auf (hier also «J4'/3 «J4'/3 «J4'/3), dann erhält man theoretisch kleinste Wellenabstände und kleinste
Gesamtzähnezahl für das Getriebe. Die erste Aufteilung nach Bild IV.7 («J4«J4<(JS) ergibt in der
letzten Gruppe für das Räderpaar 13-14 eine Übersetzung ins Schnelle. Die zweite Aufteilung
(<(J3 «J4 «J6) vermeidet dies, hat aber eine größere Übersetzung für das Räderpaar 11-12. Außerdem
erhalten die Wellen 11 und III höhere Drehzahlen, dadurch kleinere Drehmomente und möglicher-
weise geringere Durchmesser. Diese Einflüsse gegeneinander abzuwägen und die optimale Lösung
für das Getriebe zu suchen, ist die Aufgabe des Konstrukteurs.

1.2.2. Zahnrad-Stufengetriebe
1.2.2.1. Wechselrädergetriebe
Anwendungsbeispiele: Am bekanntesten ist das Wechselrädergetriebe als Zwischengetriebe zwischen
Haupt- und Vorschubgetriebe an der Leit- und Zugspindeldrehmaschine. Es wird aber auch verwen-
det zum Hauptspindelantrieb an Revolverdrehmaschinen, Ein- und Mehrspindelautomaten und
Planfräsmaschinen, zum Vorschub antrieb an kleinen Fertigdrehmaschinen, Ein- und Mehrspindel-
automaten, Hinterdreh- und Planfräsmaschinen, zum Steuerwellenantrieb an Drehautomaten und
als Teilgetriebe an Teilköpfen und Verzahnmaschinen.
Aufbau und Wirkungsweise: An- und Abtriebswelle haben einen bestimmten, festliegenden Ab-
stand. Die Wechselräder werden auf beide Wellen aufgesteckt und verbinden sie dann miteinander.
Die Übersetzung zwischen beiden Wellen wird durch Auswechseln der Räder geändert. Bei gleichem
Modul können nur Räder mit gleicher Zahnsumme verwendet werden, denn es ist der Wellenab-
stand
d 1 d2 d 3 d4 m m m m
I=T+T=T+T=· .. = ZI 2+ Z2 2=Z3 2+ Z4 2='"
(d Teilkreisdurchmesser, Z Zähnezahl, m Modul).
941
Werkzeugmaschi nen

Daraus folgt die Zahnsummenbedingung: Zahnsumme

S= ZI + Zz = Z3 + Z4 = ... = konstant (IV.1)

Die Anzahl der möglichen Übersetzungen ist begrenzt und ihre Beträge liegen durch die Zahn-
summe von vornherein fest.
Die Wechselräderschere (Bild IV.8) vermeidet diesen
Nachteil. Sie ist um die Abtriebswelle III schwenkbar.
In ihrem geraden Schlitz kann eine kurze Zwischen-
welle II (Räderbolzen) an beliebiger SteHe festge-
klemmt werden. Die Welle II erhält entweder ein
Zwischenrad oder zwei Räder, so daß die Übersetzung
von Welle I nach Welle III mit zwei Teilübersetzungen
ausgefUhrt wird . Dadurch wird die Zahnsummenbe-
dingung umgangen und die Anzahl der möglichen
Übersetzungen vergrößert. Bild IV.S. Wechselräderschere

Bewegungsverhältnisse: Bei konstanter Antriebsdreh-


zahl nl ändert sich die Abtriebsdrehzahl nz beim
Räderwechsel im umgekehrten Verhältnis der Über-
setzungen. Es ist die Wechselräderobersetzung Wechsel-
'++

3
'
1
~1~He~u~w~e~~7m~/~t~nl~·~Htrl
Hauptspindeldrehzahl

nl Zz Z4
räder o leitspindel mit Drehzahl n2
i =-=_.- (IV.2) ' ... 4
W nz ZI Z3
21
~+r~I~~H-H~~--~
Daraus folgt die Abtriebsdrehzahl

Bild IV.9. Wechselrädergetriebe beim Gewinde-


(lV.3) schneiden ohne Gewindegetriebe

Wird beim Gewindeschneiden auf der Drehmaschine die Leitspindel unter Umgehung des Vorschub-
und Gewindegetriebes unmittelbar von den Wechselrädern angetrieben, dann erhält das Werkstück
die gleiche Gewindesteigung wie die Leitspindel, wenn die Gesamtübersetzung zwischen Hauptspin-
del und Leitspindel i = 1 ist. Soll die Steigung am Werkstück kleiner sein, dann muß sich die Leit-
spindel im Verhältnis der beiden Steigungen langsamer drehen, d.h. es ist die

Gesamtübersetzung i = Werkstückdrehzahl nl : Leitspindeldrehzahl nz


= Leitspindelsteigung h z : Steigung am Werkstück h I'

In der SchaitsteHung rur Normalgewinde ist die Übersetzung zwischen Hauptspindel und WeHe I
("HerzweHe") i 1 = 1: 1 (Bild IV.9), so daß also Wechselräderübersetzung i w = Gesamtübersetzung
i = hz/h 1 = ZZZ4/Z1Z3' Daraus ergeben sich die erforderlichen Zähnezahlen der Wechselräder
ZIZ3 hl
(IV.4)

Die Räder 2 und 3 dürfen nicht zu groß sein, weil sonst die Wellen III bzw. I beim Einbau im Wege
sind. Als Faustregel gilt, daß die Räder eingebaut werden können, wenn ZI + Zz >Z3 + 15 und
Z4 + Z3 > Zz + 15 .

• Beispiel: Auf einer Drehmaschine mit h z = 12 mm Leitspindelsteigung soll Whitworthgewinde


1~" geschnitten werden (7 Gang auf 1 Zoll). Die \\'echselräder sind zu berechnen.

942
IV. Getriebe

Lösung: Nach (IV.4) ergeben sich die Zähnezahlen


111
ZI Z 3 hl ;:; 1·25,4mm 2·12,7 20 127
Z2 Z 4 h2 12mm= 7·12mm =~=70·120·
Für ~" wird zunächst 25,4 mm/7 gesetzt, dann 25,4 durch 2 ·12,7 ersetzt (weil der Wech-
selrädersatz fUr diesen Fall ein Rad mit 127 Zähnen enthält), und schließlich werden die
beiden Teilbrüche so erweitert, daß im Zähler und im Nenner Zähnezahlen stehen, die im
Rädersatz vorhanden sind.
Da 20 + 70 < 127 + 15 ist, wird beim Einbau des Rades 3 die Welle I im Wege sein. Die
beiden Räder im Zähler werden darum vertauscht, und damit wird ZI = 127 Zähne,
Z2 = 70 Zähne, Z3 = 20 Zähne, Z4 = 120 Zähne.

Auf den meisten modemen Leitspindeldrehmaschinen werden solche normalen Gewindesteigun-


gen aber mit dem Vorschub- und Gewindegetriebe geschaltet, und die Wechselräder werden nur
dann ausgewechselt, wenn eine Steigung nicht mit dem Gewindegetriebe ausgeführt werden kann.
Es wird dann eine Steigung im Getriebe geschaltet, die in der Nähe der gewünschten Steigung liegt.
Das Zähnezahlverhältnis der aufgesteckten Normalwechselräder (zwei Räder mit Zwischenrad)
wird mit dem Verhältnis der gewünschten Steigung h l zur eingestellten Steigung h~ multipliziert.
Aus dem so gewonnenen Quotienten werden die neuen Wechselräder wie oben ermittelt.

• Beispiel: Es soll ein Gewinde mit h I = 15 mm Steigung geschnitten werden. Mit dem Gewinde-
getriebe können h~ = 14, 16, 18 ... mm eingestellt werden. Die Normalwechselräder auf
Welle I und III haben je 71 Zähne, Welle 11 trägt ein Zwischenrad mit beliebiger Zähne-
zahl.
Lösung: Am Gewindegetriebe wird die Steigung h~ = 16 mm eingestellt. Der erforderliche Wechsel-
räderquotient ist dann
ZlZ3 71 h l 71 15mm 71·7571·75
Z2 Z 4 =71·h'l =71·16mm=71·80=80·71'

d.h. die beiden Normalwechselräder bleiben als Räder 1 und 4 unverändert, und das
Zwischenrad wird ersetzt durch die Räder 2 und 3 mit 80 und 75 Zähnen.

1.2.2.2. Schieberäder- und Kupplungsgetriebe


Anwendungsbeispiele: Sie sind die am weitesten verbreitete Bauart der Zahnrad-Stufengetriebe
und an fast allen zerspanenden Werkzeugmaschinen als Haupt-, an vielen auch als Vorschubgetriebe
zu finden.
Aufbau und Wirkungsweise: Das Getriebe
enthält in einer oder mehreren hintereinan-
der angeordneten Gruppen für jede Teilüber-
1

r
setzung ein Räderpaar. i!!.

Im Schieberädergetriebe sind die treibenden ~"'O! .sr'""'ri!


oder die getriebenen Räder einer jeden Ge-
triebegruppe zu einem oder zwei, selten mehr, 1
~
Räderblöcken zusammengefaßt (Bild IVJOa). nl~
Beim Schalten wird der Block verschoben . . B 6
und das jeweils benötigte Räderpaar in Ein- 2 4
griff gebracht. Es sind also immer nur die zur bj
Leistungsübertragung benötigten Zahnräder Bild IV.I0
im Eingriff. Das Getriebe ist einfach und er- a) Getriebeplan eines Schieberädergetriebes
fordert außer der Schmierung keine Wartung. b) Getriebeplan eines Kupplungsgetriebes

943
Werkzeugmaschi nen

Es darf aber nur im Stillstand oder im Auslauf geschaltet werden, und das bedeutet Zeitverlust,
wenn während des Arbeitsablaufes die Drehzahl gewechselt werden muß (z.B. bei Automaten).

Im Kupplungsgetriebe sind alle Räderpaare ständig im Eingriff (Bild IV.1 Ob). Die treibenden oder
die getriebenen Räder jeder Gruppe laufen lose auf ihrer Welle. Beim Schalten wird eines der losen
Räder mit einer Kupplung (meist mechanische oder elektromagnetische Mehrscheibenkupplung,
selten Klauenkupplung) mit seiner Welle gekuppelt. Die Klauenkupplung ist einfach, kann aber
nur im Stillstand oder Auslauf geschaltet werden. Mit Mehrscheibenkupplungen wird das Getriebe
komplizierter und die Kupplungen müssen von Zeit zu Zeit nachgestellt werden. Das Getriebe
kann aber unter Last geschaltet werden, wenn die Kupplungen ausreichend bemessen sind.
Manche Getriebe enthalten sowohl Schieberäder als auch Kupplungen.
Die Anzahl der hintereinander liegenden Getriebegruppen und damit der Wellen und der Räder-
paare hängt von der größten Gesamtübersetzung und der Stufenzahl ab (siehe 1.2.1.4). Jede Gruppe
kann zwei bis vier Räderpaare haben. Nur selten - besonders in Vorschubgetrieben - sind es mehr,
vor allem dann, wenn sich die Übersetzungen der nebeneinander liegenden Räderpaare nur gering-
ftigig voneinander unterscheiden.

Zweiwellengetriebe sind selten, denn ihre größte Gesamtübersetzung ist nur 4: 1 (siehe 1.1.1), und
sie haben selten mehr als vier Drehzahlstufen. Mit einem polumschaltbaren Motor - d.h. also mit
zwei oder drei Antriebsdrehzahlen - kann die Stufenzahl allerdings verdoppelt oder verdreifacht
werden.

Dreiwellengetriebe entstehen, wenn 2 Zweiwellengetriebe als Getriebegruppen so hintereinander-


geschaltet werden, daß die Abtriebswelle der ersten Gruppe zugleich Antriebswelle der zweiten
Gruppe ist. Die Stufenzahl ist das Produkt der Stufenzahlen beider Gruppen. Die Gesamtüber-
setzungen sind die Produkte der hintereinander liegenden Einzelübersetzungen. Dreiwellengetriebe
sind als III4-, III-6-, III-8- und III-9-Getriebe gebräuchlich (III = Anzahl der Getriebewellen, 4, 6,
8,9 = Stufenzahl).
Das III-4-Getriebe ist aus zwei II-2-Getrieben aufgebaut. Die beiden Aufbaunetze nach Bild IV.11
lassen erkennen, daß die Drehzahlen n2 und n3 durch verschiedene übersetzungspaarungen erreicht
werden können: n2 über die Räderpaare 1-2/7-8 und n3 über 3-4/5-6, oder n2 über 3-4/5-6
und n3 über 1-2/7 -8. Jede dieser Schaltfolgen ergibt ein Aufbaunetz.

na
na----r++---------
J 111'
" nar ~
J
.........:r-+--t-l:r+ JJ ..;<0 ~
...> JJ
1 Bild IV.Il. Das III4-Getriebe
~~~~m m a) Getriebeplan des III4-Getriebes
n. n, nl nJ n. b) und c) die beiden Aufbaunetze
a) e) des Getriebes

Das III-6-Getriebe wird häufig als Grundgetriebe in Verbindung mit einem Vorgelege (siehe 1.2.2.3)
ftir 12 Stufen verwendet. Es ist aus je einem II-2- und II-3-Getriebe aufgebaut. Die beiden Getriebe-
gruppen können auch umgekehrt angeordnet sein. Dadurch ergeben sich hier vier verschiedene
Aufbaunetze (Bild IV.12). Die Netze d) und f) werden oft vorgezogen, weil die übersetzungen
der ersten Gruppe enger beieinander liegen und dadurch die Drehzahlen der Welle 11 meistens
höher liegen können, ohne daß in der zweiten Getriebegruppe ins Schnelle getrieben werden muß.

944
IV. Getriebe

na
na I I I

U U U

n,s
m nl
nl n2 n3 n4 ns nl n3 n. ns
a) c) d)

' na
n. I I

U U
2

nl n2 n3 n4 nS nl n2 nJ n. nS
b) e) f)

Bild IV.12. Das III-6-Getriebe. a) und b) die beiden Getriebepläne des III-6-Getriebes; c) ... t) die vier Aufbau-
netze des Getriebes

~--++~------~~

~~~~~~~~ ~~~~~~~~ ~~~~~~~~m


0~~~~%~~0~~~~~~~0~~~~%~~
a) 6 cl d) el

na-!-R---+4+------1

----"---t+--t+-m
n1.8 n7 n1 nJ n. nS ns n7 n8 n7 nl nJ n. nS ns n7 n8 nl n2 nJ n4 nS ns n7
b) 12 f) g) h)
/0

Bild IV.13. Das III-8-Getriebe. a) und b) die beiden Getriebepläne des III-8-Getriebes; c) ... h) die sechs Aufbau-
netze des Getriebes

Im III-8-Getriebe bilden ein 11-2- und ein 114-Getriebe in dieser Reihenfolge oder umgekehrt die
beiden Getriebegruppen. Die Schieberäder der vierstufigen Gruppe werden meist zu 2 zweirädrigen
Blöcken zusammengefaßt, weil das Getriebe dann erheblich kürzer wird als mit einem Viererblock.
Für dieses Getriebe sind sechs Aufbaunetze möglich (Bild 1V.13).

945
VVerkzeugrnaschinen
Das III-9-Getriebe entsteht aus zwei hintereinanderliegenden 11-3-Getrieben. Hier sind nur zwei
Autbaunetze möglich (Bild IV.14). Die häufig unerwünschte übersetzung ins Schnelle ist beim
III-9- und beim III-8-Getriebe nur zu vermeiden, wenn der Stufensprung nicht größer als 1,25 ist.
Lediglich bei III-8-Getrieben nach den Aufbaunetzen c und g in Bild IV. 13 ist das auch noch mit
dem Stufensprung 1,4 möglich.
III-12-{= 11-3 + II-4-)Getriebe und III-16-{= 11-4 + 11-4-)Getriebe sind zwar theoretisch möglich,
werden aber wegen der unvermeidbaren Übersetzungen ins Schnelle nicht gebaut.

n
n" --H+t---~-

++--++-++-++-1-+--8
6
------'-++-+HH-m
0) 10 8 b) c)

Bild IV.14. Das III-9-Getriebe. a) Getriebeplan des III-9-Getriebes; b) und c) die heiden Aufbaunetze des Ge-
triebes

Gebunde Dreiwellengetriebe. Im normalen, "ungebundenen" Getriebe hat jedes Rad nur ein Gegen-
rad. Im gebundenen Getriebe sind ein oder zwei Abtriebsräder der ersten Getriebegruppe zugleich
Antriebsräder der zweiten Gruppe. Sie haben also zwei Gegenräder. Beim einfach gebundenen Ge-
triebe hat ein Zahnrad diese Doppelfunktion, beim doppelt gebundenen zwei Zahnräder (Bild IV15) .
Dadurch werden Zahnräder eingespart und das Getriebe wird kürzer. Die Bindungsräder werden
aber stärker beansprucht. Bei großem Stufensprung und hoher Antriebsdrehzahl ergeben sich große
Zähnezahlen und übersetzungen ins Schnelle. Einfach gebundene Dreiwellengetriebe werden häu-
figer verwendet, doppelt gebundene sind seltener zu finden .

n. I

8 8
7
1
6 10"""
, --'t'--....,
m n,., m
n".
ID
870
a) b)
Bild IV.15
a) Einfach gebundenes Dreiwellengetriebe im Hauptgetriebe
einer Hochleistungs·Spitzendrehmaschine (Bindungsrad 4)
b) Doppelt gebundes Dreiwellengetriebe im Hauptgetriebe
einer Radialbohrmaschine (Bindungsräder 2 und 4)

Zwei- und Dreiwellengetriebe werden wegen ihrer geringen Stufenzahl und der kleinen Gesamt-
übersetzungen und Drehzahlbereiche nur in Säulen- und Ständerbohrmaschinen und Stoßmaschinen
verwendet. In Hobelmaschinen werden sie zwischen Motor und Bettgetriebe angeordnet. Dreh- und
Fräsmaschinen mit ihren großen Stufenzahlen für Spindel und Vorschub benötigen umfangreichere
Getriebe.

946
IV. Getriebe
Mehrwellengetriebe ist die Sarnmelbezeichnung ftir diese Getriebe. Mit jeder zusätzlichen Welle
kann die größte Gesamtübersetzung theoretisch auf das Vierfache vergrößert werden. Will man nur
das erreichen und werden nicht mehr als neun Drehzahlstufen gebraucht, dann genügt es, dem Drei-
wellengetriebe eine oder mehrere Getriebegruppen mit je einem nicht schaltbaren Räderpaar vor-,
zwischen- oder nachzuschalten. Zur Vergrößerung der Stufenzahl werden zweistufige Zweiwellen-
getriebe als Gruppen angehängt (Bild IV.7). In erster Linie wird der Umfang eines Zahnräder-
Stufengetriebes also von der Stufenzahl und der größten Gesamtübersetzung bestimmt. Darüber
hinaus spielen aber auch die Bewegungsverhältnisse innerhalb des Getriebes eine Rolle: Übersetzun-
gen ins Schnelle beeinträchtigen die Laufruhe und werden bei Feinbearbeitungsmaschinen mög-
lichst vermieden. Sie ergeben sich jedoch zwangsläufig in vielen Fällen aus Aufbaunetz, Antriebs-
und Abtriebsdrehzahlen und sind dann oft nur durch zusätzliche Wellen und Räderpaare zu ver-
meiden.
Bewegungsverhältnisse: Wenn ftir das Getriebe ein Aufbaunetz, die Antriebs- und Abtriebsdreh-
zahlen festgelegt sind, dann sind seine Bewegungsverhältnisse schon weitgehend bestimmt. Nach
1.2.1.4 kann beim Entwickeln des Drehzahlbildes nur noch die Übersetzung für ein Räderpaar in
jeder Getriebegruppe gewählt werden. Der Spielraum hierftir ist aber eng begrenzt. Denn keine
Einzelübersetzung soll größer als 4: 1 sein, und die festliegende größte Gesamtübersetzung muß
erreicht werden. Ist der Spielraum für die Beeinflussung der Bewegungsverhältnisse zu klein, so daß
z. B. Übersetzungen ins Schnelle nicht vermeidbar sind, dann kann er nur durch eine oder mehrere
zusätzliche Getriebegruppen erweitert werden. Nach dem Drehzahlbild werden die erforderlichen
Übersetzungen ftir alle Räderpaare berechnet. Meist wird die größte Gesamtübersetzung nach gan-
zen oder halben Stufensprüngen auf die Getriebegruppen aufgeteilt, und es ergeben sich alle Einzel-
übersetzungen als einfache Potenzen des Stufensprunges, z.B. «J0's, «JI, «Jl,S, «J2 usw. Sie sind also
irrationale Zahlen, die sich durch die (ganzen) Zähnezahlen der Räderpaare nur annähernd darstel-
len lassen. Überdies muß ftir die Räderpaare jeder Getriebegruppe die Zahnsummenbedingung
(GI. IV.l) eingehalten werden, sofern die Verzahnung nicht korrigiert wird. Hat man ftir eine Über-
setzung eine günstige Zähnezahlpaarung gefunden, so liegt damit die Zahnsumme für die ganze
Gruppe fest, und man kann nur noch diese Zahnsumme entsprechend den geforderten Übersetzun-
gen auf die übrigen Räderpaare der Gruppe aufteilen. Aus der Übersetzungsgleichung i =Z2/Z I er-
gibt sich Z2 =Z I i. Setzt man diesen Wert in die Zahnsummengleichung S =Z I + Z2 ein, dann wird
S = ZI (1 + i), und die Zähnezahl des treibenden Rades

(IV.5)

und die Zähnezahl des getriebenen Rades


(IV.6)
Infolge der Auf- oder Abrundung auf ganze Zahlen können erhebliche Abweichungen der tatsäch-
lichen Übersetzungen von den erforderlichen auftreten. Als Folge davon weicht die tatsächliche
Drehzahlreihe eines Zahnrad-Stufengetriebes von der theoretischen ab. DIN 804 läßt für die Nach-
rechnung des Getriebes Abweichungen von ± 2 % von den Genauwerten der Normzahlreihen zu
(Tafel IV.l, Grenzwerte für mechanische Toleranz). Als Motor-Lastdrehzahlen müssen dabei 710,
1410 oder 2820 min -I in die Rechnung eingesetzt werden. Die im Betrieb unter voller Last an der
Arbeitspindel gemessenen Drehzahlen müssen innerhalb der Grenzwerte der letzten beiden Spalten
(mechanische + elektrische Toleranz) liegen.
• Beispiel: Die Arbeitsspindel einer Leit- und Zugspindeldrehmaschine soll 12 Drehzahlstufen zwischen
nl = 11,2 und n12 =500 min- I erhalten. Der Antriebsmotor wird an die erste Getriebe-
welle angeflanscht und hat eine Lastdrehzahl n a "" 1400 min- I . Die Anzahl der erforder-
lichen Getriebegruppen und die Zähnezahlen aller Zahnräder sollen berechnet werden.

947
VVerkzeugrnaschinen
Lösung: Für 12 Drehzahlstufen braucht man ein Mehrwellengetriebe mit mindestens drei Getriebe-
gruppen, z.B. 11-2 + 11-3 + 11-2 = IV-I2. Die größte Gesamtübersetzung beträgt

i - na _I400min- 1 -1 .
gmax - - 11 2 . -1 - 25. 1.
nl • mm

Die größte übersetzung für jede der drei vorgesehenen Getriebegruppen wäre dann bei
gleichmäßiger Aufteilung

i max = 025 =5: 1, es ist also zu groß.


Es ist eine vierte Getriebegruppe notwendig, die aber nur ein Räderpaar zu haben braucht,
weil die Stufenzahl bereits ausreicht. Sie wird als letzte Gruppe vorgesehen und treibt von
der Welle IV auf das Bodenrad der Hauptspindel V. Diese beiden Räder werden nicht ge-
schaltet, können also schrägverzahnt werden (größere Laufruhe!). Bei gleichmäßiger Auf-
teilung der größten Gesamtübersetzung ergibt sich jetzt für jede Gruppe

i max =V'i25 =3,35: 1.


Der Stufensprung der Reihe ist nach dem Gesetz der geometrischen Reihe für z Glieder

z-~ jn; = 12-1 500 min- 1 = IV44 6 = I 4125


<{J
=
Vn; ll,2 rnin- 1 ,..

es ist also die Lastdrehzahlreihe R20/3 (nach Tafel IV.I) vorzusehen.


Nun wird das Aufbaunetz festgelegt. Man erweitert dabei einfach die bekannten Netze
der Dreiwellengetriebe. Nach der oben gewählten Reihenfolge der Gruppen werden an das
Aufbaunetz d) nach Bild IV.l2 eine zweistufige und eine einstufige Gruppe angehängt
(Bild IV.l6). Im Drehzahlbild können nun Drehzahlreihe und Antriebsdrehzahl auf den
Wellen V und I eingetragen werden. Da n a /nl2 = 1400 rnin -1/500 min- 1 = 2,8 ~ 1,43 ist,
liegt der Antriebsdrehzahlpunkt drei Stufensprünge über n12' Die größte Gesamtüber-
setzung wird mit <{J14 ausgezählt. Teilt man sie gleichmäßig auf die vier Gruppen auf, dann
ist die größte übersetzung in den Gruppen i max = <{J3,5 , und die größte Drehzahl der Welle
IV ist n a<{J°,5 = 1660 min-1, also größer als n a . Will man das vermeiden, darf die letzte
übersetzung i 15 -16 höchstens <{J3 sein. Die Restübersetzung wird nach Bild IV.I6 aufge-
teilt: die Gruppen III und 11 erhalten die Höchstübersetzung <{J4, und für Gruppe I bleibt
<{J3 übrig. Es ist klar, daß die übersetzung ins Schnelle unvermeidbar ist, denn in der
III. Gruppe besteht keine Möglichkeit ftir eine günstigere Aufteilung.

,
I
tr
...' .,..,
o
<,-v ~...
Vv ~~
">~
/ / / ~ /' >( , ~ N'
t-::::: ....... ~K
DJ

,
- v
nl2 = 500 min-I

Bild IV.16. Aufbaunetz und Drehzahlbild eines V-12-Getriebes

948
IV. Getriebe

Aus dem Drehzahlbild werden die Übersetzungen der Räderpaare bestimmt:


i l - 2 = I{J3 = 2,82; i 3 - 4 = I{J2 = 2; i 5 - 6 = I{J4 = 3,98; i7 - 8 = I{J2 = 2; i9 - 10 = I{J0 = 1;
i l1 - 12 = I{J4 = 3,98; i 13 - 14 = I{J-2 = 0,5; i 15 - 16 = I{J3 = 2,82.
Damit kann man die Zähnezahlen festlegen, und zwar wegen der Zahnsummenbedingung (GI. IV.l)
für jede Getriebegruppe gesondert.
I Gruppe: Man sucht mit dem Rechner ein Zahlenpaar, dessen Quotient gleich der Übersetzung
i l - 2 ist. Man findet z.B. 59/21 ~ 62/22 ~ 2,82. Das erste Paar ergibt als Zahnsumme 80, das
zweite 84 Zähne. Nach (IV.5) erhält das treibende Rad des Räderpaares 3-4

Z3 =1 +~3-4 18+°2 = 26,67 Zähne bzw. Z3 = 18+\ = 28,0 Zähne.

Die Übersetzungen der I. Gruppe können also mit der Zahnsumme 84 genauer dargestellt werden
als mit 80 Zähnen. Es wird festgelegt für ZI = 22, Z2 = 62, Z3 = 28 und Z4 = 56 Zähne.
11 Gruppe: Die übersetzung 3,98: 1 läßt sich erst mit Zahnsummen um 250 genau verwirklichen
(z. B. 199: 50). Bei den üblichen Zahnsummen (bis ~ 100) wird sie 4 : 1 ausgeführt. Wählt man für
Zs = 18 Zähne, dann wird Z6 = 4 ·18 = 72 Zähne und die Zahnsumme S = 90 Zähne. Es ergeben
sich weiter
Z7 = 1 ~ = 19+°2 = 30 Zähne und Zs = S - Z7 = 60 Zähne, sowie
+ /7-8

Z9 =1 ~
+ /9-10
= 19+°1 = 45 Zähne und Z 10 =S- Z9 = 45 Zähne.

I/I. Gruppe: Wie in der H. Gruppe erhält das erste Räderpaar Zu = 18 Zähne und ZI2 =72 Zähne.
Die Zahnsumme ist also ebenfalls 90.
Daraus ergibt sich
S 90
Z13= 1 +i I3 - 14 = 1 +0,5 =60 Zähne und ZI4 =S - ZI3 =30 Zähne.

IV. Gruppe: Die Zähnezahlen werden wieder mit ZIS = 22 Zähnen und ZI6 = 62 Zähnen festgelegt,
mit denen die geforderte übersetzung 2,82 : 1 recht genau verwirklicht wird.
Abschließend sind die wirklichen Drehzahlen so zu berechnen, wie sie sich mit den ermittelten
Zähnezahlen ergeben. Es ist

_ ZI Zs Zu ZIS 1410 22 ·18 ·18 ·22 . -I -1111 ' - 1


nl-naZ2Z6~~= 62.72'72'62 mm - , mm

Z 3 Z S Zu Z IS 28 . 18 . 18 . 22 I I
n2 = na - - - - = 1410 min- = 15,64 min- usw.
Z4 Z 6 Z 12 Z 16 56·72'72'62

Es ergeben sich weiter für


n3 = 22,19 min- I n6 = 62,54 min- I n9 = 177,5 min- I
n4 =31,27 min- I n7 = 88,77 min- I nlO = 250,2 min- I
ns =44,38 min- I ns = 125,1 min- I nu = 355,1 min- I
nl2 = 500,3 min- I

Diese Drehzahlen sollen nach DlN 804 nicht mehr als ± 2 % von den Genauwerten der Reihe R 20
abweichen. Diese Bedingung ist hier erfüllt.

949
Werkzeugmaschi nen

Wenn eine Werkzeugmaschine voll ausgenutzt werden soll, müssen die Leistungen und Drehmomente
bekannt sein, die an der Abtriebswelle des Hauptgetriebes zur Verfügung stehen. Die verfügbare
Leistung hängt von der Motorleistung ab und ist P = P mot 7/ (P maximale Leistung an der Abtriebs-
welle, P mot Leistung des Antriebsmotors, 7/ Getriebewirkungsgrad). Sie ist für alle Abtriebsdreh-
zahlen konstant, das Drehmoment jedoch nicht. Es ergibt sich aus der Beziehung M = 9550 P/n
(M Drehmoment in Nm an der Abtriebswelle bei der Drehzahl n in min -1, P Abtriebsleistung in kW).
Es ist also bei der kleinsten Drehzahl am größten uf,d fällt mit zunehmender Drehzahl nach dem
Gesetz der Hyperbel ab. Ist das Getriebe für dieses maximale
Drehmoment berechnet, dann stehen an der Abtriebswelle kon-
stante Leistung und die Drehmomente entsprechend den dicken
Linien in Bild IV.I7 zur Verfügung. Um kleinere Abmessungen
_____ 1 ____ _
für das Getriebe zu erhalten, wird in vielen Fällen das maximale
Drehmoment auf einen kleineren Wert begrenzt. Die Drehzahl,
bei der dieses maximale Drehmoment bei Ausnutzung der vollen
Leistung abgegeben wird, heißt die Vollastdrehzahl (Kenndreh- M
zahl) n y = 9550 P/Mmax . Bei den kleineren Drehzahlen darf nur
das maximale Drehmoment abgenommen werden. Das bedeutet,
n, .n,,
Drehzahl n
daß die Leistung an der Abtriebswelle unterhalb der Vollastdreh- Bild IV.I? Leistungs- und
zahl proportional mit der Drehzahl abnimmt (dünne Linien in Drehmoment-Kennlinien des
Bild IV.l7). Zahnrad-S tufengetrie bes

1.2.2.3. Vorgelege
Anwendungsbeispiele: Das Vorgelege findet
man vorwiegend im Hauptgetriebe von Dreh-,
Fräs- und Bohrmaschinen.
Aufbau und Wirkungsweise: Es ist ein Drei-
wellengetriebe, dessen Abtriebswelle in Verlän-
gerung der Antriebswelle liegt (Bild IV.I8). Das aJ 2
einfache Vorgelege hat je ein Räderpaar zwischen
beiden Wellenpaaren. Ein Räderpaar (zweck-
mäßigerweise das le tzte) ist ständig im Eingriff.
Mit dem Schiebeblock wird entweder das andere
Räderpaar geschaltet oder die Antriebswelle
mit der Abtriebswelle gekuppelt. Die Abtriebs-
welle hat also zwei Drehzahlstufen. bJ
Das seltenere doppelte Vorgelege hat neben der Bild IY.I8. a) Einfaches und b) doppeltes
Kupplung zwei schaltbare Räderpaare und dem- Vorgelege mit Drehzahlbildern (K Kupplung)
zufolge drei Drehzahlstufen.
Vorgelege werden nicht als selbständige Getriebe verwendet, sondern nur als letzte oder vorletzte
Gruppe eines Zahnrad-Stufengetriebes oder hinter einem Stufenscheibengetriebe.
Bewegungsverhältnisse: Die Antriebswelle des Vorgeleges ist letzte Welle des vorgeschalteten Stu-
fengetriebes und hat mehrere Drehzahlen. Diese Drehzahlreihe wird entweder über Kupplung un-
verändert auf die Abtriebswelle geleitet oder durch die Vorgelegeräder übersetzt, so daß die Stufen-
zahl der Abtriebswelle verdoppelt bzw. verdreifacht wird. Die Gesamtübersetzung des einfachen
Vorgeleges muß i y = <p Z / 2 sein, wenn eine ununterbrochene Abtriebsdrehzahlreihe mit z Stufen
und dem Stufensprung <p entstehen soll. Beim doppelten Vorgelege sind die Gesamtübersetzungen
<p Z / 3 und <p 2Z / 3 (Bild IV.18). Mit der größten zulässigen Einzelübersetzung von 4: 1 ist eine Vor-
gelegeübersetzung bis 16: 1 möglich.

950
IV. Getriebe

1.2.2.4. Getriebe mit Windungsstufen


Anwendungsbeispiele: Es wird als Hauptgetriebe in Fräsmaschinen verwendet, ist jedoch viel sel-
tener als die Schieberäder- und Kupplungsgetriebe und Vorgelege.

A ujbau und Wirkungsweise: In Bild IV.19 ist ein sechsstufiges Getriebe mit zwei Windungsstufen
dargestellt. Es hat zwei Wellen, zwei Kupplungen und vier Räderpaare. Die Räderblöcke 1,7 und
4,6,8 laufen lose auf den Wellen und sind axial festgelegt. Rad 2 und Block 3, 5 werden auf Keil-
wellen verschoben.

Bild IV.19. Getriebe mit zwei Windungsstufen


im Hauptgetriebe einer Werkzeugfräsmaschine
(Deckel, München).
1, 7 und 4, 6, 8 lose auf der Welle laufende,
nicht verschiebbare Räderblöcke, 2, 3,5 Schiebe-
räder, K, und K 2 Kupplungen

Bewegungsverhältnisse: Die vier hohen Drehzahlen n3 ... n6 werden durch die vier Räderpaare un-
mittelbar von Welle I auf Welle 11 erreicht: na-K, -1-2-n3' na-3-4-K2-n4' na-5-6-K2-ns und na-K ,-
7-8-Krn6. Bei den beiden niedrigen Drehzahlen läuft die Bewegung von Welle 11 zurück zur Welle I
und dann erneut zur Welle 11: na-3-4-8-7-1-2-n, und na-5-6-8-7-1-2-n2. Auf diese Weise können
zwischen zwei Wellen übersetzungen über 4: 1 verwirklicht werden, ohne daß eine Einzelüber-
setzung größer als 4 : 1 ist. Die Stufenzahl des Getriebes hängt von der Anzahl der Räderpaare ab.
Jedes zusätzliche Räderpaar auf den Blöcken 3, 5 und 4, 6, 8 vergrößert sie um zwei Stufen. Ist r
die Anzahl der Räderpaare, dann ist die Stufenzahl des Getriebes mit Windungsstufen
z=2r-2 (IV.7)

Die Stufenzahl wird oft durch einen polumschaltbaren Motor vergrößert. Dann läßt sich aber nicht
immer eine durchgehende Lastdrehzahlreihe nach Tafel IV.l erreichen.

1.2.2.5. Nortongetriebe
Anwendungsbeispiele: Das Nortongetriebe ist Teil des Vorschub- und Gewindegetriebes an vielen
Leit- und Zugspindeldrehmaschinen.

Aujbau und Wirkungsweise: Bild IV.20 zeigt das Nortongetriebe einer Leit- und Zugspindeldreh-
maschine. Die Antriebswelle trägt nur das Zahnrad 1. Die elf Gegenräder sind dicht nebeneinander
zu einem Räderkegel zusammengebaut, der sich auf Welle C frei drehen kann. Beim Schalten der
Stufen wird die Nortonschwinge mit dem Antriebsrad 1 in die Schaltstellung verschoben und so
weit nach oben geschwenkt, daß der Haltebolzen in das Rastloch einschnappt. Dann ist Rad 1 über
das in der Schwinge gelagerte Schwenkrad 2 mit einem der Räder 3 ... 12 des Kegels verbunden. In
der äußersten linken Schaltstellung sind die Räderpaare 1-2 und 13-14 in Eingriff. Das Getriebe
ist leicht zu bedienen und zwischen den zwei Wellen kann eine große Zahl von übersetzungen auf
kleinem Raum untergebracht werden. Das Gehäuse ist aber wegen der Schwinge schlecht abzudich-
ten, und der Zahneingriff des Rades 2 mit den Rädern des Kegels ist mangelhaft, weil durch die
Schwingenkonstruktion die Wellenabstände nicht genau eingehalten werden können. Das Getriebe
kann deshalb nur kleine Leistungen übertragen.

951
Werkzeugmaschinen

A++--t---+lH-t- Ht=-t- H-II -t+1I--+-lHtH f-I-t-_---ir-'-IV---C.


leitspindel
f-+-H-_ -+___~V...;Z,::;;
ugspindel

letztes 8-1-1=~:#ltltt9vttJ:;ttt1
Wechselrad

Bild IV.20. Nortonkasten einer Leit- und Zugspindeldrehmaschine (Boehringer, GÖppingen).


1 Schieberad, 2 und 13 Schwenkräder, 3 .. . 12 Räderkegel (l ... 14 bilden das Nortongetriebe), IS ... 22 Erweite-
rungsgetriebe, d ... f Umwandlungsgetriebe und g ... I Ergänzungsgetriebe ftir metrische Gewinde

Bewegungsverhältnisse: Das Nortongetriebe ist das Kernstück des Gewindegetriebes. Die Gewinde-
steigungen sind nicht geometrisch gestuft. In Tafel IV.2 sind die gebräuchlichen Gangzahlen der
Zollgewinde zusammengestellt.

Tafel IV.2. Gangzahlen der Zollgewinde (Gg./")

Übersetzung im
Gangzahl
Erweiterungsgetriebe

2 2!
4
2~
8
2!2 218 2~4 228 3 3!4 3!
2 1: 1
4 4! 4~4 S S!4 S! S~ 6 6!2 7 2 :1
2 2 4

8 9 9!
2 10 lOi 11 11i 12 13 14 4 :1
16 18 19 20 21 22 23 24 26 28 8:1

Ha t die Leitspindel (Welle IV) i" Steigung (= 2 Gg./"), dann erhält das Werkstückgewinde dieselbe
Steigung, wenn Leitspindel- und Hauptspindeldrehzahl gleichgroß sind. Die Übersetzung von der
Hauptspindel zur Norton-Antriebswelle ist I : 1. Infolgedessen muß auch die Übersetzung des Rä-
derpaares 1-12, das für 2 Gg.j" geschaltet wird, gleich 1 : 1 sein. Die Übersetzungen der weiteren
Räderpaare - und damit also die Zähnezahlen der Räder 11 ... 3 - müssen nun proportional mit
den Gangzahlen steigen. Bei 32 Zähnen fur die Räder 1 und 12 sind das 36, 38,40,42,44,46,48,
52 und 56 Zähne. Damit können alle Gangzahlen der ersten Zeile der Tafel IV.2 verwirklicht wer-
den. Die Gangzahlen der drei unteren Zeilen ergeben sich, wenn man die Werte der vorhergehenden
Reihe verdoppelt. Dem Nortongetriebe wird ein vierstufiges Erweiterungsgetriebe mit dem Antriebs-
rad 14 und den Übersetzungen 1 : 1, 2 : 1, 4 : 1 und 8 : 1 nachgeschaltet und damit die gesamte
Steigungsreihe der TafellV.2 verwirklicht.
Für die Zollsteigungen wird die Drehzahl des letzten Wechselrades 1: 1 auf die Antriebswelle
des Nortongetriebes übersetzt. Die fUr metrische Steigungen erforderlichen Zusatzübersetzungen
werden mit dem Umwandlungs- und dem Ergänzungsgetriebe erzielt, die zwischen den Wechsel-
rädern und Welle I des Nortongetriebes liegen.

952
IV. Getriebe

1.2.3. Stufenscheibengetriebe
Anwendungsbeispiele: Es wird als Hauptgetriebe in kleinen Fertigdreh-, Schleif- und Säulenbohr-
maschinen verwendet. In Verbindung mit nachgeschaltetem Vorgelege, Schieberäder- oder Kupp-

ffi
lungsgetriebe wird es an Dreh-, Bohr- und Fräsmaschinen gebraucht.
Aufbau und Wirkungsweise: Antriebs- und Abtriebswelle
tragen je eine Stufenscheibe, d. h. eine abgesetzte Flach-
oder Keilriemenscheibe mit 2 bis 5 verschiedenen Durch- I
f8j-
I
J 5

na
na
I
messern. Oft haben beide Scheiben gleiche Abmessungen , I '\ ü'
I , , J 4 \
(Bild IV.21). Der Riemen läuft auf einem Scheibenpaar und
wird von Hand auf ein anderes Paar umgelegt, wenn die u f: f i k : ,,"" U
Drehzahl gewechselt werden soll. Das ist umständlich und
n,] n, n2 n]
zeitraubend. Steife und nicht zu breite Flachriemen werden
f. 6
auch mit Hilfe von mechanischen Umlegevorrichtungen mit 2
Hebelbedienung umgelegt. Die Anzahl der Drehzahlstufen Bild IV.21. Getriebeplan und Auf-
ist gleich der Stufenzahl der Scheiben. Sie kann mit einem baunetz eines dreistufigen Flachriemen-
polumschaltbaren Motor verdoppelt oder verdreifacht wer- Stufenscheibengetriebes
den.
Bewegungsverhältnisse: Grundlage zur Untersuchung der Bewegungsverhältnisse sind Aufbaunetz
und Drehzahlbild (siehe 1.2.1.4). Sie gleichen denen der entsprechenden Zweiwellen-Zahnrad-
Stufengetriebe (Bild IV.21). Werden gleiche Stufenscheiben verwendet, dann liegt mit der Dreh-
zahlreihe zugleich die Antriebsdrehzahl fest, denn die gleichen Abmessungen ergeben spiegelgleiche
übersetzungen ins Langsame und ins Schnelle. Liegen Antriebs- und Ab trieb sdrehz ahlen von vorn-
herein fest, dann sind die Stufenscheiben meistens ungleich groß.
Der Riemen soll in allen Lagen gleichmäßig gespannt sein. Das bedeutet, daß die erforderliche Rie-
menlänge flir alle Durchmesserpaarungen gleich ist. Das ist dann annähernd der Fall, wenn die
Durchmessersumme der miteinander laufenden Scheibenpaare konstant ist:
Durchmessersumme der Scheibenpaare
S = d 1 + d2 = d3 + d4 = ds + d6 ••• = konstant. (IV.8)

Außerdem darf der Umschlingungswinkel in allen Riemenlagen nur wenig von 180 0 abweichen.
Diese Bedingung ist erflillt, wenn der Abstand der beiden Stufenscheiben mindestens das Zehnfache
der Differenz zwischen größtem und kleinstem Scheibendurchmesser beträgt.
• Beispiel: Die Spindel einer Säulenbohrmaschine wird mit einem Keilriemen-Stufenscheibengetriebe
angetrieben und soll mit den Drehzahlen 355! 71O! 1400 und 2800 min- 1 laufen. Beide
Stufenscheiben sollen gleiche Abmessungen haben und der kleinste Scheibendurchmesser
mindestens 50 mm betragen. Welche Drehzahl muß die Antriebswelle haben, und wie
groß sind die Scheibendurchmesser?
Lösung: Bild IV.22 zeigt den Getriebeplan a und das Aufbaunetz b, das wegen der gleichen Schei-
benabmessungen zugleich Drehzahlbild ist. Die Antriebsdrehzahl ist danach n a = nl <pI ,5 .
Die Drehzahlreihe ist mit <p = 2 nach Tafel IV.! gestuft. Folglich ist die Antriebsdrehzahl
n a = 355· 2 1 ,S min- I = 1000 min- I .
Aus dem Drehzahlbild ergeben sich die übersetzungen der Scheibenpaare mit

il- = <p1,s = 2,82; i3- = <p0's = 1,41; . -os 1 . -I 5 1


2 4 15-6 = <p ' = 1,41 ' h-8 =<p ' =2,82'
Daraus ergeben sich die Scheibendurchmesser. Es ist
d 2 = d 1 i l - 2 = 50 mm' 2,82 = 141 mm. Hierflir wird der genormte Keilriemenscheiben-
Durchmesser d 2 = 140 mm gewählt (DIN 2217).
Die Durchmessersumme ist S = d 1 + d 2 = 190 mm.
953
VVerkzeugrnaschinen
Sie wird nun im Verhältnis der übersetzung i 3 - 4 aufgeteilt
entsprechend (IV.5):

d3 = 1 +S13-4
. = 190mm
1 + 1,41
= 79 mm, und

d4 =S - d3 = 190 mm -79 rum = 111 mm.


Genormte Scheibendurchmesser sind d 3 = 80 mm und d 4 =
112 mm. Man hat nun die Wahl, die genormten Werte aus-
zufUhren und damit den Riemen in den verschiedenen Lagen
unterschiedlich zu spannen, oder mit d 4 = 110 mm bei
gleichmäßiger Riemenspannung einen nicht genormten
Scheibendurchmesser zu verwenden.
Für die beiden übrigen Scheibenpaare wiederholen sich die
Durchmesser in umgekehrter Reihenfolge:
d s =d 4 , d 6 =d 3 , d 7 =d 2 , ds=d l · Bild IV.22
Vierstufiges Keilriemen-
Die Nachrechnung der wirklichen Abtriebsdrehzahlen ergibt: S tu fenscheibengetrie be

=T
nad
= 1000 mm·
. -I 50 mm
= 357 ,mm,
1 ·-1
l
nl 140 mm

_ 1000 . -I. 140 mm - 2800 ·-1


n3 -- 1000 mm
. -I. 112 mm -- 1400 mm,
80 mm ·-1
n4 - mm 50 mm - mm.

Alle Drehzahlen liegen innerhalb des Toleranzbereichs von ± 2 % von den Genauwerten
der Reihe.
• Beispiel: Welche Scheibendurchmesser muß das oben berechnete Getriebe erhalten, wenn die An-
triebsstufenscheibe wie üblich auf der Motorwelle sitzt? Die Motordrehzahl ist 1400 min -I.
Lösung: Bild IV.22c zeigt die neuen Übersetzungen, die sich ergeben, weil die Antriebsdrehzahl
jetzt gleich n 3 ist. Es sind
il - 2 = <{!2 = 3,98: 1; i3 - 4 = <{!I = 2: 1; iS - 6 = <{!o = 1: 1; i7 -- 8 = <(!-I = 1: 2.
Danach wird der Scheibendurchmesser

d 2 = d l i l - 2 = 50mm ·3,98 = 199 rum ~ 200 mm, und die Durchmessersumme


S = d l + d 2 = 250 mm.
Daraus erhält man nun Hir
250mm
1+2 = 83,33 mm und d 4 =S - d3 = 166,67 mm.
Die genormten Durchmesser 80 mm und 160 mm können nicht ausgeführt werden, weil
ihre Durchmessersumme zu klein ist. Es wird also festgelegt:

d3 =83 mm und d 4 = 167 mm.


Für die dritte übersetzung wird d s = d 6 = 125 mm(is-6 = 1), und in der vierten Stufe
ergeben sich die gleichen Durchmesser wie in der zweiten in umgekehrter Reihenfolge:
d 7 = 167 mm und d s = 83 mm.

Die Nachrechnung der wirklichen Drehzahlen ergibt 352,5,700,8,1410 und 2837 min-I.

954
IV. Getriebe

Die übertragbare Leistung wird durch die Riemenzugkraft begrenzt


(siehe DIN 2218 fur Keilriemen und Angaben der Riemenhersteller).
Für die an Werkzeugmaschinen üblichen Riemengeschwindigkeiten
kann man mit etwa gleichbleibender zulässiger Riemenzugl\raft rech-
nen. Das bedeutet auch konstante Umfangsreibkraft an der Riemen-
scheibe. Daraus folgt, daß die Leistung mit wachsender Riemenge-
schwindigkeit nach der Beziehung P = Fu = Frrdn a bei steigender
Abtriebsdrehzahl proportional mit dem Antriebsscheibendurchmesser
zunimmt (Bild IY.23). Das Abtriebsdrehmoment ändert sich propor- Drehzahl n
tional mit dem Abtriebsscheibendurchmesser, da M =Fd/2 (P Ab- Bild IV. 2 3. Leistungs-
triebsleistung, M Abtriebsdrehmoment, F Umfangsreibkraft, u Rie- und Drehmoment-Kenn-
linien des Stufenscheiben-
mengeschwindigkeit , d Scheibendurchmesser, n a Antriebsdrehzahl). getriebes

1.3. Stufenlose Getriebe


1.3.1. Allgemeines
Für jeden Bearbeitungsfall gibt es optimale Arbeitsbedingungen, die von der Werkzeugmaschine
möglichst genau eingehalten werden sollen. Dazu gehören Schnitt- und Vorschubgeschwindigkeiten
sowie Spantiefen an den zerspanenden Maschinen, Stößelgeschwindigkeiten an Pressen. Im Gegen-
satz zu Stufengetrieben, die sich innerhalb ihres Bereiches nur stufenweise anpassen können, kann
man mit stufenlosen Getrieben die optimalen Bedingungen in jedem Falle erftillen. Ihr Drehzahl-
bereich liegt meist zwischen 3: 1 und 10 : 1. Mit zusätzlichen Stufengetrieben wird er in vielen Fällen
erweitert.
Fast alle stufenlosen Getriebe übertragen die Leistung kraftschlüssig, und zwar mechanisch durch
Riemen, Kette oder Reibrad oder hydraulisch durch Öl und andere Hydraulikflüssigkeiten. Auch
die elektrischen Antriebe mit stufenlos verstellbarer Drehzahl sollen hier betrachtet werden, ob-
wohl sie keine Getriebe sind.

1.3.2. Stufenlose Riemengetriebe

Anwendungsbeispiele: Man gebraucht sie zum Spindelantrieb an


Bohr- und Kopierfräsmaschinen und als Regelscheibengetriebe an
spitzenlosen Rundschleifmaschinen.

Aufbau und Wirkungsweise: Der Kegel mit veränderlichem Lauf-


durchmesser ist Grundprinzip der Drehzahlverstellung an mecha-
nischen stufenlosen Getrieben. Das stufenlose Riemengetriebe hat
eine geteilte Keilriemenscheibe, deren Hälften axial gegeneinander
verschiebbar sind (Bild IV.24). Die Scheibenhälften haben auf
ihren Kegelflächen breite radiale Öffnungen, damit sie ineinander- Bild IV.24. Spreizscheibe
eines stufenlosen Riemen-
geschoben werden können. Eine Feder drückt die Scheibenhälften getriebes
zusammen und erzeugt die Anpreßkraft am Riemen. Zur Drehzahl- (Berges, Marienheide)
verstellung wird der Antriebsmotor auf einem Schlitten oder mit
einer Wippe verschoben. Dabei ändert sich der Wellenabstand und der Riemen wird mehr oder
weniger tief in die Spreizscheibe hineingezogen. Erhalten beide Wellen je eine Spreizscheibe, dann
ist eine Scheibe federbelastet, und die Hälften der anderen werden mechanisch axial verstellt.

955
VVerkzeugrnaschinen
Die Bauarten mit geschlossener Riemenlauffläche auf den Kegeln, deren Spreizscheiben nicht in-
einander geschoben werden können, haben einen Breitkeilriemen, weil der Verstellbereich sonst zu
klein wäre. Rillen auf der Riemenunterseite erhöhen die Biegsamkeit und verringern die Walkarbeit
und die Erwärmung im Betrieb. Die Bauarten mit Breitkeilriemen unterscheiden sich nur durch die
Art der Scheibenanpressung voneinander.
Bewegungsverhältnisse: Sitzt die Spreizscheibe auf der Antriebswelle und die feste Scheibe auf der
Abtriebswelle, dann wird beim Verstellen mit zunehmendem Achsabstand und abnehmendem Lauf-
durchmesser auf der Spreizscheibe die Riemengeschwindigkeit kleiner: die Abtriebsdrehzahl sinkt.
Sind die Scheiben umgekehrt angeordnet, bleibt die Riemengeschwindigkeit konstant, und mit
abnehmendem Laufdurchmesser auf der Abtriebsseite steigt
die Drehzahl der Abtriebswelle. Man kann bei beiden Anord-
nungen durch entsprechende Wahl der Scheibendurchmesser
ins Langsame oder ins Schnelle übersetzen. Der maximale Ver-
stellbereich (Drehzahlbereich) ist etwa 3 : 1.
Bei Getrieben mit zwei Spreizscheiben sinkt die Riemenge-
schwindigkeit mit abnehmendem Antriebsdurchmesser eben-
falls. Gleichzeitig wird der Abtriebsdurchmesser größer: die
Drehzahl fällt. Der Verstellbereich ist etwa 10: 1. Es muß ins
Langsame und ins Schnelle getrieben werden, weil eine über-
setzung 10: 1 zu kleinen Umschlingungswinkel oder zu großen stufenloses
) Getriebe
Achsabstand zur Folge hätte. Mit einem polumschaltbaren Mo-
tor oder einem Stufenrädergetriebe kann der Drehzahlbereich ---;!;6fhf:>bbI7I1>-
erweitert werden (Bild IV.25). Das stufenlose Getriebe liegt 1Stufen-
dann vor dem Zahnrad-Stufengetriebe, also im Bereich der
hohen Drehzahlen, denn mit abnehmender Drehzahl läßt es <?-.<...U.~~"""'.J..J..J..J...J..<~ J Getriebe
sich schwerer und langsamer verstellen und die übertragbare
Leistung sinkt. Das Getriebe kann nur im Lauf verstellt wer-
den.
Bild IY.25. Vergrößerung des
Setzt man eine über den ganzen Verstellbereich konstante zu- Drehzahlbereiches eines stufen-
lässige Riemenzugkraft voraus - was den praktischen Verhält- losen Getriebes
nissen annähernd entspricht - so ist bei Getrieben mit fester oben: durch polumschaltbaren
Motor,
Abtriebsscheibe das Drehmoment an der Abtriebswelle kon-
unten: durch Anhängen eines
stant. Mit zunehmender Drehzahl steigt dann die Leistung Zahnrad -S tufengetrie bes
proportional nach der Beziehung P = Mn/9550 (Bild IV.26a).
Bei Belastungsstößen zieht sich der Riemen in die Spreizscheibe am Antrieb ein, die Abtriebsdreh-
zahl fällt und das Getriebe regelt erst bei abnehmendem Drehmoment wieder auf die alte Drehzahl
zurück: es regelt "weich".
Sitzt die feste Scheibe auf der Antriebswelle, dann ist die Leistung konstant und das Drehmoment
fällt mit steigender Drehzahl nach der BeziehungM = 9550 P/n (Bild IV.26b). Die Kennlinien sind

/ Bild IV.26
M ,/" Leistungs- und Drehmoment-Kenn-
," linien des stufenlosen Riemengetriebes
,,
~/
a) feste Scheibe auf Abtriebswelle,
, ,- Spreizscheibe auf Antriebswelle;
/ b) feste Scheibe auf Antriebswelle,
Spreizscheibe auf Abtriebswelle ;
Drehzahl n Drehzahl n Drehzahl n c) Spreizscheiben auf An- und
al bl cl Abtriebswelle

956
IV. Getriebe

denen des Zahnrad-Stufengetriebes ähnlich (Bild IV.l7). Bei Belastungsstößen zieht sich der Rie-
men in die Spreizscheibe am Abtrieb ein. Dadurch steigt die Drehzahl. Gleichzeitig fallt die Motor-
drehzahl infolge der größeren Leistungsabgabe : das Getriebe regelt schnell und ,,hart" auch bei
steigender Belastung auf die eingestellte Drehzahl zurück.
Bei Getrieben mit zwei Spreizscheiben steigt mit zunehmender Drehzahl die Leistung infolge der
wachsenden Riemengeschwindigkeit. Gleichzeitig sinkt das Drehmoment infolge des abnehmenden
Abtriebsscheibendurchmessers. Leistung und Drehmoment sind direkt bzw. indirekt proportional
der Quadratwurzel aus dem zugehörigen Drehzahlverhältnis (Bild IV.26c) .

1.3.3. Stufenlose Kettengetriebe


Anwendungsbeispiele: Sie werden im Hauptgetriebe von Dreh-, Bohr-, Kreissägemaschinen, im
Vorschubgetriebe von Revolverdreh-, Langfräs-, Tiefbohrmaschinen und Waagerecht-Bohr- und
Fräswerken und zum Regelscheibenantrieb an spitzenlosen Rundschleifmaschinen verwendet.
Aufbau und Wirkungsweise: Stufenlose Kettengetriebe sind die P.I.V.-Getriebe, System A und RH .
Ihre Verstellelemente sind zwei gleichgroße , geteilte , flache Kegelscheiben, deren Hälften über
ein Gestänge gleichzeitig auf ihren Wellen axial verschoben werden können (Bild IV.27).
Beim System A haben die Kegel auf ihren Laufflächen flache, radial verlaufende Zähne , und zwar
so, daß sich Zahn und Lücke auf beiden Hälften gegenüberstehen . Die Leistungen von 0,8 kW bis
20 kW werden von einer Lamellenkette übertragen (Bild IV .28) . Jedes Kettenglied enthält in einem
Blechkäfig 1 eine Anzahl dünner, verschiebbarer Stahllamellen 2. Wenn die Kette auf die Scheibe 3
aufläuft, wird von jedem Zahn ein Teil der Lamellen in die gegenüberliegende Zahnlücke gescho-
ben . Die Dicke des "Lamellenzahnes" paßt sich so der Zahnteilung an . Das Getriebe scheint form-
schlüssig zu sein, läuft aber dennoch mit einem geringen Schlupf. A-Getriebe werden nur mit
waagerechten Wellen gebaut und können nur im Lauf verstellt werden .
P.IV.-Getriebe, System RH, haben glatte Kegelscheiben. Die Leistungen von 5,5 kW bis 175 kW
werden mit einer Zylinderrollenkette übertragen . Jede Kettenlasche enthält zwei frei drehbare ,
flache Rollen, die sich beim Auflaufen der Kette auf die Kegelscheibe rollend zwischen die Schei-
benhälften einziehen und dabei sehr große Normalkräfte erzeugen. Beim Ablaufen lösen sie sich
leicht wieder aus der Keilrille (Bild IV.29) . RH-Getriebe werden mit waagerechten oder senkrech-
ten Wellen eingebaut und können auch im Stillstand verstellt werden .

2 J Bild IV.28. Lamellen- 1 J


Gliederkette des P.I.V.-
Getriebes, System A
I Blechkäfig
2 Stahllamellen
3 Kegelscheibe

Ein1iehen liJsen

"''''
Bild IV.27 . P.I.V.-Getriebe, Schema
IStellspindel, 2 Spannspindel, 3 Kegelscheiben

Bild IV.29. P.I.V.-Zylindcrrollcnkette, System RH

957
Werkzeugmaschinen
Bewegungsverhältnisse: P .l.V .-Getriebe treiben wegen ihrer gleichen Scheibendurchmessser ins
Langsame und ins Schnelle. Getriebe nach dem System A haben einen Verstellbereich bis B = 6: 1,
nach dem System RH bis B = 10: 1. Die größte Übersetzung ins Langsame ist i max = v'B: 1, die
größte ins Schnelle imin = 1 :.Jlj. Die Antriebsdrehzahl ist das geometrische Mittel der größten
und der kleinsten Abtriebsdrehzahl:

(lV.9)
Bei den meisten P.I.V.-Getrieben ist die zulässige Antriebsdrehzahl kleiner als die Motordrehzahl.
Dann wird zwischen Motor und P.I.V.-Getriebe ein einstufiges Getriebe angeordnet. Der Drehzahl-
bereich wird häufig mit Stufen- oder Planetengetrieben erweitert.

• Beispiel: Ein Waagerecht-Bohr- und Fräswerk hat den Getriebeplan nach Bild IV.30. Der Antriebs-
motor hat die Lastdrehzahl na = 940 min- I . Er ist an die Antriebswelle des P.I.V.-Getriebes
angeflanscht, dessen Verstellbereich 4,5:1 ist. Zur Erweiterung des Drehzahlbereiches ist
ein vierstufiges Vierwellengetriebe hinter dem P.I.V.-Getriebe angeordnet. Welcher Dreh-
zahlbereich kann an der Antriebswelle stufenlos eingestellt werden?
Vorschub-
Ableitung \ I na I
I' Bild IV.30
/9 11
D
11
P.I. v.- D Getrie beplan und Drehzahlbild rur
6etriebe das Hauptgetriebe eines Waagerecht-
DI DI Bohr- und Fräswerkes mit einem
stufenlosen Drehzahlbereich 185 : I
IV Zahnrad- IV (Collet & Engelhard, Offen bach)
Stufengetriebe
1, 2, 3,4 Drehzahlbereiche in den vier
V V SchaItstellungen des Stufengetriebes
Bohrspindel
Zahlen an den Zahnrädern sind Zähne-
80 zahlen

Lösung: Die größte Übersetzung des P.I.V.-Getriebes ins Langsame ist

i max = ..jii: 1 = -J4,5 ,",2,12.


Der Drehzahlbereich, der in jeder Schaltstellung des Stufengetriebes mit dem P.I.V.-Ge-
triebe eingestellt wird, ist
11
B= max =4,5.
lImin

Mit den Zähnezahlen des Stufengetriebes ergeben sich folgende Grenzdrehzahlen ftir die
vier Bereiche:

flir Schaltstellung 1 :
. _ 940 min -I . 19 . 20 . 16 _ . -I
nimm - 2,12 63.64.80 - 8,35 mm

nl max =Bnlmin = 4,5·8,35 min- I = 37,6 min- I

flir Schaltstellung 2:
940min- 1 19·63·16 ·-1
n2min = 2,12 ·63.45.80 = 37,4 mm

n2 max = B n2 min = 4,5· 37,4 min- I = 168,4 min- I

958
IV. Getriebe

für Schaltstellung 3:
_ 940 min- I 19·20·64 _ . -I
n3min - 2,12 ·63 .64.36 - 74,2 mm

n3max =Bn3min = 4,5 · 74,2 min- I = 334,1 min- I

fur Schalt stellung 4:


. _ 940 min- I . 19 ·63·64 _ . -I
n4rrun - 2,12 63 .45 .36 - 332,6 mm

n4max = Bn4min = 4,5·332,6 min- I = 1497 min- I

Die Bereiche überdecken sich so, daß alle Drehzahlen zwischen 8,3 und 1500 min -I stufen-
los eingestellt werden können (Bild IV.30).

1.3.4. Stufenlose Reibradgetriebe


Anwendungsbeispiele: Sie werden nur ftir Leistungen bis etwa 3,5 kW im Hauptgetriebe von Dreh-,
Bohr-, Fräs-, Schleif-, Hon- und Sägemaschinen und als Regelscheibengetriebe an spitzenlosen
Rundschleifmaschinen verwendet.

1.3.4.1. Reibgetriebe mit kegeligem Reibring


Aufbau und Wirkungsweise: Die Hauptteile des Prym-PK-Getriebes sind Antriebskegell, elastischer
Reibring 2 und Schwinge 3 mit dem einstufigen Zahnradgetriebe 4 (Bild IV.31). Der Antriebskegel
sitzt auf der Motorwelle I. Die als Getriebegehäuse ausgebildete Schwinge ist um die Abtriebswelle
III schwenkbar und stützt sich einerseits mit dem Lager auf der Welle I1I, andererseits mit dem
Reibring auf dem Antriebskegel ab. Dieser ist als Lüfter ausgebildet, um die Wärme abzuftihren,
die durch die ständige Verformung im Reibring entsteht. Zur Drehzahlverstellung wird der Motor
mit dem Antriebskegel axial verschoben. Dadurch schwenkt die Schwinge mehr oder weniger weit
um die Welle I1I, und der Berührungskreis des Reibrings am Kegel wird kleiner oder größer. Im
Stillstand wird der Reibring nur durch die Gewichtskraft der Schwinge an den Kegel ge preßt.

2 I.

Bild IV.31
Reibradgetriebe mit kegeligem Reibring
(PK-Getriebe, Prym, Stolberg)
1 Antriebskegel, mit Motor axial
verschiebbar
2 Reibring mit schmaler, elastischer
-tt-- -H--t- I/l
n... Kegellauffläche
3 Schwinge, um Abtriebswelle III
schwenkbar
4 einstufiges Zahnradgetriebe

Wird im Betrieb die Welle III mit dem Abtriebsdrehmoment belastet, dann versucht das Ritzel der
Welle 11 wie ein Planetcnrad um das Abtriebsrad herumzulaufen und die Zahnkraft preßt den Reib-
ring zusätzlich an den Antriebskegel. Die Anpreßkraft paßt sich also mit der wechselnden Zahn-
kraft selbsttätig dem Abtriebsdrehmoment an. Die Drehrichtung des Motors darf selbstverständlich
nicht umgekehrt werden.

959
Werkzeugmaschinen

Das SH-Getriebe hat zwei hintereinander liegende Reibradpaare . Abtriebsreibring des ersten und
Antriebskegel des zweiten Paares sind exzentrisch in einer drehbaren Trommel gelagert. Sie sind
durch eine Gewindespindel mit steilem Rechts- und Linksgewinde miteinander verbunden, die sie
im Lauf mit einer vom Drehmoment abhängigen Kraft auseinander drückt. Die Trommel kann mit
einem Handrad von außen gedreht werden. Infolge ihrer exzentrischen Lagerung verschieben sich
dabei die beiden inneren Reibkörper und verändern die Laufdurchmesser beider Reibradpaare. Das
SH-Getriebe kann in beiden Richtungen laufen und auch im Stillstand verstellt werden.
Bewegungsverhältnisse: Beide Getriebe übersetzen nur ins Langsanle, weil der Durchmesser des
Antriebskegels kleiner ist als der des Reibringes. Der Verstellbereich des PK-Getriebes ist bis 5: 1,
der des SH-Getriebes bis 10 : I.
Die übertragbare Leistung wird begrenzt von der höchstzulässigen Anpreßkraft. Das maximale
Drehmoment am Reibring des PK-Getriebes ist infolgedessen für alle Abtriebsdrehzahlen konstant
(Bild IV.32), und die Leistung steigt proportional mit der Drehzahl. Das Getriebe wird immer un-
mittelbar hinter dem Motor angeordnet, um bei hohen Drehzahlen die größtmögliche Leistung zu
übertragen. Rädergetriebe zur Vergrößerung der Übersetzung oder zur Erweiterung des Drehzahl-
bereichs liegen hinter dem PK-Getriebe.

'" '" Bild IV.33 . Reibradgetriebe mit ebenem Reibring (EL-Getriebe)


'" '"
< im Hauptgetriebe einer Ständerbohrmaschine (Webo, Düsseldorf)
1 Antriebskegel
2 Reibring mit ebener,
elastischer Lauffläche
3 Abtriebsscheibe
4 schrägverzahntes Stirnräderpaar
Drehzahl (1 5 Anpreßfeder

Bild IV.32. Leistungs- und Dreh-


moment-Kennlinien von stufenlosen
Reibradgetrieben

1 3 5 2

III.-_IT'-r-' D

b)

Bild IV.34. Heynau-Getriebe (Heynau, München)


a) Schnitt, b) Kräfte am Reibring
1 fester und 3 verschiebbarer Kegel, 2 Reibring, 4 Schiebehülse,
5 Verstellritzel, 6 Verspannvorrichtung

1.3.4.2. Reibgetriebe mit ebenem Reibring


Aufbau und Wirkungsweise: Antriebs- und Abtriebswelle sind um einen kleinen Winkel gegenein-
ander geneigt. Der Kegelwinkel des Antriebskegels 1 beträgt fast 180 0 • Die Abtriebsscheibe 3 trägt
einen elastischen Reibring 2, der mit seiner ebenen Stirnfläche von einer Schraubenfeder gegen den

960
IV. Getriebe
Antriebskegel 1 gedrückt wird (Bild IV.33). Ein unmittelbar nachgeschaltetes schrägverzahntes
Stirnräderpaar 4 steuert im Betrieb mit seiner Axialkraft die Anpreßkraft der Scheibe in Abhängig-
keit vom Abtriebsdrehmoment. Es ist darum nur eine Drehrichtung möglich. Die Drehzahl wird
durch radiale Verschiebung des Motors verstellt.
Bewegungsverhältnisse: Der Durchmesser des Antriebskegels ist etwas größer als der des Reibrings.
Deshalb treibt das Getriebe mit einer kleinen übersetzung ("'" 1: 1,3) ins Schnelle und mit einer
größeren ins Langsame, und zwar innerhalb eines maximalen Verstellbereiches von 5: 1. Für die
übertragbaren Leistungen und Drehmomente gilt dasselbe wie beim PK-Getriebe (Bild IV.32).

1.3.4.3. Ganzstahl-Reibgetriebe
Aufbau und Wirkungsweise: Die Hauptteile des Heynau-Getriebes ("H-Trieb") sind je ein Kegel-
paar auf An- und Abtriebswelle und ein Stahlring, der beide Kegelpaare umschließt (Bild IV.34).
Die beiden Kegel 1 sind im Gehäuse, die Kegel 3 in axial verschiebbaren Führungshülsen gelagert.
Eine Verspannvorrichtung verbindet die Kegel 3 miteinander und drückt sie gegen den Stahlring 2,
der dadurch den notwendigen Reibungsschluß erhält. Infolge der reinen Abwälzbewegung der Teile
läuft das Getriebe fast geräuschlos. Zur Drehzahlverstellung wird mit einem Handrad die obere
Hülse mit ihrem Kegel verschoben, über die Verspannvorrichtung nimmt sie die untere Hülse in
gleicher Richtung mit. Dadurch wird der Laufdurchmesser auf einem Kegelpaar kleiner und auf
dem anderen größer: die übersetzung ändert sich. Die Reibkräfte, welche die Drehmomente an
den Berührungsstellen des Ringes erzeugen, ziehen ihn in die Keilrille zwischen den Kegeln hinein.
Mit zunehmendem Drehmoment wird hierdurch die Anpreßkraft selbsttätig vergrößert. Ring und
Kegel laufen im Ölbad. Sie können auch im Stillstand verstellt werden. Infolge der hohen Pressung
an den Obertragungsstellen sind die Laufflächen gegen Stöße empfindlich. Das Getriebe hat des-
halb eine Rutschkupplung als überlastungssicherung.
Bewegungsverhältnisse: Da beide Kegelpaare gleiche Abmessungen haben, treibt das Getriebe mit
gleichen übersetzungen ins Schnelle und ins Langsame. Der Verstellbereich ist 9: 1. Für die Bezie-
hungen zwischen Antriebsdrehzahl und Abtriebsdrehzahlen gilt GI. (IV.9). Das Getriebe ist für eine
Antriebsdrehzahl von 1400 min -1 ausgelegt und kann über den ganzen Drehzahlbereich mit kon-
stanter Leistung betrieben werden. Das ergibt mit steigender Drehzahl abnehmendes Drehmoment
entsprechend Bild IV.26b.

1.3.5. Hydrostatische Getriebe


Anwendungsbeispiele: Sie werden selten angewendet und sind im Hauptgetriebe von Drehmaschinen
und im Vorschubgetriebe von Fräs-, Schleif- und Tiefbohrmaschinen zu finden.

1.3.5.1. Allgemeines
Aufbau und Wirkungsweise: In hydraulischen Getrieben wird die Leistung durch Flüssigkeiten -
meistens mineralische Hydrauliköle - übertragen. Hydrodynamische Getriebe nutzen dabei die
Wucht des mit großer Geschwindigkeit strömenden Öles, hydrostatische Getriebe den Druck des
langsamer fließenden Öles zur übertragung aus. In Werkzeugmaschinen werden nur hydrostatische
Getriebe verwendet. Sie bestehen aus Hydropumpe und Hydromotor. Beide sind meistens gleich-
artig aufgebaut und durch eine Ölleitung miteinander verbunden. Sie können in einem gemeinsamen
Getriebegehäuse untergebracht oder voneinander getrennt als Einzelaggregate eingebaut sein. Im
offenen Kreislauf fließt das öl vom Hydromotor in den Ölbehälter zurück und wird dann von der
Hydropumpe wieder angesaugt. Ein geschlossener Kreislauf entsteht, wenn das Öl vom Hydromotor
über eine Rücklaufleitungder Pumpe unmittelbar wieder zufließt. In diesem Falle werden die Leck-
ölverluste von einer Hilfspumpe ausgeglichen, oder die Hydropumpe saugt ihren zusätzlichen Ölbe-
darf automatisch über ein Rückschlagventil in der Rücklaufleitung an.

961
Werkzeugmaschi nen
Bewegungsverhältnisse: Ein Elektromotor treibt die Hydropumpe mit konstanter Drehzahl an. Sie
fördert bei jeder Umdrehung eine bestimmte Ölmenge, das ,,Hubvolumen" Vp . Läuft sie mit n p
Umdrehungen je Minute um, dann ist der Volumenstrom

V = Vp n p
v Vp np
(IV. 10)
min- I
min

Der Hydromotor hat ein Hubvolumen Vm und die Drehzahl n m . Also ist sein Volumenstrom
(IV.1l)
Sieht man von Leckölverlusten ab, dann muß der Hydromotor den gleichen Volumenstrom auf-
nehmen, den die Hydropumpe abgibt. Da also Vp n p = Vm n m ist, wird an der Hydromotorwelle
die Abtriebsdrehzahl
Vp
nm = n p V.
m
(IV.l2)

Die Leckölverluste verringern jedoch den Volumenstrom auf dem Wege zum Hydromotor, und die
tatsächliche Abtriebsdrehzahl ist kleiner.
Ist das Hubvolumen der Hydropumpe oder des Hydromotors oder sind beide verstellbar, dann
kann die Abtriebsdrehzahl verstellt werden.

1.3.5.2. F/ügelzellengetriebe
Aufbau und Wirkungsweise: Das Boehringer-Sturm-Ölgetriebe ist innen beaufschlagt, d.h. das öl
wird der Hydropumpe und dem Hydromotor von innen durch die Leitachse 6 zugeführt (Bild IV.3S).
Die Kolbentrommel 4 der Pumpe sitzt fest auf der Antriebswelle 1. In ihren tiefen Axialschlitzen
sind die Flügel 3 radial frei beweglich. Sie werden vom Umlaufgehäuse 2 der Pumpe umschlossen,
das im Schlitten 5 drehbar gelagert ist. Dieser kann mit einem Handrad oder einem anderen Ver-
stellantrieb von außen quer zur Getriebeachse verschoben werden. Die Kolbentrommel 4 um-
schließt die Leitachse 6, die sich nicht mit dreht und deren Kanäle 7 und 8 die Pumpe mit dem
Motor verbinden. Dieser ist etwas größer als die Pumpe, hat aber denselben Aufbau.

Bild IV.35 . Boehringer-Sturm-Ölgetriebe (Boehringer, GÖppingen) . 1 Antriebswelle der Hydropumpe, 2 Pumpen-


Umlaufgehäuse, 3 Flügel, 4 Kolbentrommel der Pumpe, 5 Verstellschlitten, 6 Leitachse, nicht mitdrehend,
7,8 Ölkanale der Leitachse, 9 Radialbohrungen der Kolbentrommel, 10 Abtriebswelle des Hydromotors

962
IV. Getriebe

Die Antriebswelle dreht die Kolbentrommel der Pumpe, die Flügel werden von der Fliehkraft nach
außen gedrückt und außerdem durch Abstützringe außen gehalten und bilden dadurch die Zellen.
Die Reibung an den äußeren Flügelenden nimmt das Umlaufgehäuse in Drehrichtung mit. Steht
das Umlaufgehäuse exzentrisch zur Kolbentrommel, dann ändert jede Zelle während des Umlau-
fes ihr Volumen. Bei rechtsdrehender Pumpe nach Bild IV.35 wird im oberen Teil der Umlaufbahn
infolge der Zunahme des Zellenvolumens Öl aus dem Rücklaufkanal 7 durch die Radialbohrungen 9
der Kolbentrommel in die Zellenräume gesaugt. In der unteren Hälfte der Umlaufbahn verkleinert
sich das Zellenvolumen wieder, und das Öl wird nun durch die gleichen Radialbohrungen in den
Druckkanal zum Motor gedrückt. Dort gelangt es durch die Radialbohrungen der Kolbentrommel
in die unteren Zellenräume und verursacht mit seinem Druck auf die Flügel Tangentialkräfte an
der Motor-Kolbentrommel. Da jede Zelle von zwei ungleich großen Flügelflächen begrenzt wird,
muß sich die Kolbentrommel in Richtung der größeren Fläche in Bewegung setzen. Sind Motor
und Pumpe in der gleichen Richtung exzentrisch verstellt, so dreht sich der Motor also links herum.
In der oberen Umlaufhälfte wird dann das Öl infolge der kleiner werdenden Zellenräume wieder
durch den Rücklaufkanal zur Pumpe zurückgefUhrt, und der Kreislauf ist geschlossen .
Das Forst-Enor-Druckölgetriebe (Bild IV.36) ist außen beaufschlagt, d.h. das Öl fließt der Pumpe
und dem Motor von außen zu. Sein Kreislauf ist ebenfalls geschlossen. Antriebs- und Abtriebswelle
sind im Getriebegehäuse 4 gelagert. Die beiden Kolbentrommeln I und 3 haben ein gemeinsames
Verstell gehäuse 2, das nicht mit umläuft. Zur Verringerung der Reibung sind aber die Flügel seit-
lich mit Gleitsteinen in umlaufenden Ringen gefUhrt, welche die Fliehkräfte aufnehmen. Die Zellen-
räume werden mit dünnen, in die Flügelstirnseiten eingelegten Dichtungsbändern abgedichtet. Die
Wirkungsweise ist ähnlich wie beim Boehringer-Sturm·Ölgetriebe .

Bild IV.36. ENOR-Druckölgetriebe


(Forst, Solingen)
1 Kolbentrommel des Hydromotors
2 Verstellgehäuse
3 Kolbentrommel der Pumpe
4 Getriebegehäuse
5 Gleitsteine der Flügel

Bewegungsverhältnisse: Beim Boehringer-Stunn-Ölgetriebe wird mit beiden Schlitten 5 (Bild IV.35)


die Exzentrizität der beiden Kolbentrommeln verstellt, und zwar bei der Pumpe aus der Mitte nach
beiden Seiten, beim Motor nach einer Seite. Dadurch ändert sich das Hubvolumen und nach Gi.
(IV.l2) die Abtriebsdrehzahl. Die größte Drehzahl wird erreicht, wenn die Pumpe größte Exzentri-
zität (größtes Hubvolumen = größter Volumenstrom) und der Motor kleinste Exzentrizität (klein-
stes Hubvolumen) hat. Man kann die Exzentrizität des Motors aber nicht beliebig verkleinern, um
etwa noch höhere Drehzahlen zu erreichen. Sein Wirkungsgrad geht sonst gegen Null, weil das vom
Öldruck verursachte Drehmoment kleiner wird als das zur Eigenbewegung notwendige Leerlauf.
drehmoment. Um die Drehzahl zu verringern, wird zuerst die Motorexzentrizität bis auf ihren
Höchstwert vergrößert. Infolge des größeren Hubvolumens nimmt er den konstant bleibenden

963
Werkzeugmaschi nen

Volumenstrommit weniger Umdrehungen auf. Verkleinert man anschließend die Exzentrizität der
Pumpe, dann wird ihr Hubvolumen und damit ihr Volumenstrom kleiner: die Drehzahl des Hydro-
motors nimmt weiter ab. Steht die Pumpe konzentrisch, dann werden Volumenstrom und Abtriebs-
drehzahl bei unverändert weiter laufenden Antriebsmotor Null. Wird nun das Pumpengehäuse in
entgegengesetzter Richtung verstellt, dann kehrt der Ölstrom seine Richtung um, und der Hydro-
motor läuft wieder mit zunehmender Drehzahl, aber umgekehrter Drehrichtung. Die Höchstdreh-
zahl wird schließlich wieder erreicht, wenn der Hydromotor in seine kleinste Exzentrizität verscho-
ben wird.
Das Getriebe übersetzt ins Langsame. Nur die kleinen Baugrößen übersetzen auch bis 1 : 1,2 ins
Schnelle. Theoretisch ist der Verstellbereich unendlich groß. Drehzahlen unter 30 ... 60 min- 1 an
der Abtriebswelle werden aber wegen des schlechten Wirkungsgrades und des ungleichmäßigen
Laufes vermieden, so daß der praktisch ausnutzbare Verstellbereich zwischen 25 : 1 und 30: 1 liegt.
Für den Hauptspindelantrieb an zerspanenden Werkzeugmaschinen wird er noch weiter verkleinert.
Der Drehzahlbereich und die übersetzungen werden dann mit einem Stufengetriebe vergrößert.

Die übertragbare Leistung steigt mit dem Öldruck und dem Volumenstrom der Pumpe. Sie ist das
Produkt aus der Kraft F und der Geschwindigkeit v, mit welcher der Ölstrom bewegt wird, also
P= Fv. Die Förderkraft F ist das Produkt aus Öldruck p und Leitungsquerschnitt A, so daß
P = pA v. Setzt man hierin für v = slt, worin s die Länge der geförderten Ölsäule und t die Förder-
zeit 1 min ist, dann wird P = pA slt. A s ist aber das geförderte Ölvolumen und A slt der Volumen-
strom V der Pumpe je Minute. Damit ist also P = P V. Setzen wir in dieser Gleichung den Druck p
in N/m 2 = Pa und den Volumenstrom Vin m 3 /min ein, dann ergibt sich ftir die LeistungP die Ein-
heit Nm/min. Zur Umwandlung in Watt = Nm/s muß der Zahlenwert des Produkts p V durch 60
dividiert werden: P = P V/60. Wird jetzt der Druck p in bar = lOS Pa und der Volumenstrom V in
I/min = 10- 3 m 3 /min eingesetzt, so muß der Zahlenwert zusätzlich mit lOS '10- 3 = 102 multipli-
ziert werden: P = 102 p V/60. Zur Umwandlung in kW muß dieser Quotient noch durch 10 3 divi-
diert werden, und man erhält die endgültige Form der Gleichung für die Leistung der Hydropumpe

P p
(IV.13)
kW bar min

In der Nullstellung (Pumpengehäuse konzentrisch) ist die Leistung Null. Wird die Pumpe verstellt,
dann steigt sie bei konstantem Öldruck (ca.16 bar bei Flügelzellengetrieben) proportional mit der
Abtriebsdrehzahl, bis die Pumpe den maximalen Förderstrom liefert. Wird anschließend der Motor
verstellt, dann bleibt die Leistung konstant (Bild IV.37a). Das Abtriebsdrehmoment hängt von der
Umfangskraft im Motor ab. Es bleibt kon-
stant, solange er nicht verstellt wird, also im
unteren Drehzahlbereich, wenn mit der
Pumpe verstellt wird. Wird im oberen Dreh-
zahlbereich die Exzentrizität des Motors
verkleinert, dann verringert sich die Diffe-
renz der Flügelflächen in den Zellen und
damit auch die Umfangskraft: das Drehmo-
ment nimmt ab. Wird das Getriebe bei nie-
drigen Drehzahlen mit höherem Öldruck ge- a} Orehzahl n b} Orehzahl n
fahren, dann ergibt sich in diesem Bereich Bild IV.37. Leistungs- und Drehmoment-Kennlinien
ein größeres Drehmoment und ein steilerer für Flügelzellengetriebe.
Leistungsanstieg (Bild IV.37a, dünne Linien). a) bei getrennter Verstellung von Pumpe und Motor,
b) bei gleichzeitiger Verstellung

964
IV. Getriebe

Der Wirkungsgrad erreicht in einem großen Drehzahlbereich etwa 75 %. Er hängt von verschiedenen
Einflüssen ab: Die Leckverluste innerhalb des Ölkreislaufes verursachen einen Drehzahlabfall.
Außerdem entstehen Reibungsverluste im Öl und mechanische Reibungsverluste (Erwärmung!).
Bei niedrigen Drehzahlen sinkt der Wirkungsgrad ab, das volle Drehmoment bleibt jedoch bis zur
Abtriebsdrehzahl Null erhalten.

Beim Enor-Getriebe (Bild IV.36) ist die gezeichnete Nullstellung der Pumpe die Grenzstellung des
Getriebes: die Abtriebsdrehzahl ist Null. Wird mit dem Handrad das Verstellgehäuse nach rechts
verschoben, dann nimmt die Exzentrizität der Pumpe zu, die des Motors wird kleiner. Die Abtriebs-
drehzahl steigt. Die Drehrichtung kann nur durch Umpolen des Antriebsmotors geändert werden .

Da Hydropumpe und Hydromotor gleichzeitig in Richtung auf höhere Drehzahl verstellt werden,
steigt die Drehzahl schneller als die Leistung. Dadurch ergibt sich die Kennlinie nach Bild IV.37b .
Das Drehmoment ist in der Nullstellung am größten und nimmt mit steigender Drehzahl ab.

1.3.5.3. Radialkolbengetriebe
Aufbau und Wirkungsweise: Das Pittler-Sterngetriebe nach Bild IV.38 ist ähnlich wie das Boehrin-
ger-Sturm-Ölgetriebe aufgebaut. Pumpe und Motor sind gleich groß. Sie sind durch zwei Ölkanal-
paare 2 und 3 im feststehenden Mittelzapfen 1 miteinander verbunden. Die Zylindersteme 4 sitzen
fest auf An- und Abtriebswelle und haben zylindrische Radialbohrungen 5. Darin gleiten kleine
Kolben 6. Sie stützen sich mit je einem Rollenpaar 7 auf den Laufringen der mitlaufenden Trom-
meln 8 ab. Die Trommeln sind in zwei quer verschiebbaren Schlitten 10 drehbar gelagert, mit denen
durch ein Handrad die Exzentrizität verstellt wird. Die Fliehkraft treibt die Kolben der laufenden
Pumpe nach außen, so daß die Rollen an den Laufringen anliegen. Bei Rechtslaufvergrößern sich
nach Bild IV.38 in der oberen UmJaufhälfte die Zylinderräume und die Kolben saugen Öl aus den
oberen Kanälen an. In der unteren Hälfte drücken es die Kolben mit einem Druck von 70 ... 90 bar
durch die unteren Kanäle zum Hydromotor. Dort entstehen in der unteren UmJaufhälfte Druck-
kräfte, welche die Kolben nach außen drücken. Die Rollen setzen sich dadurch auf den Laufringen
wie auf einer schiefen Ebene nach rechts in Bewegung und nehmen den Zylinderstern im Links-
drehsinne mit. In der oberen UmJaufhälfte wird das Öl in die oberen Kanäle zurückgedrückt.

Bewegungsverhältnisse: Für Drehzahlverstel-


lung, Leistungs- und Drehmomentverhalten
gilt dasselbe wie ftir das Boehringer-Sturm-
Ölgetriebe (siehe 1.3 .5.2).

Bild IV.38. Pittler-Sterngetriebe


(Hanauer Pumpen- und Getriebebau, Hanaul
I Mittelzapfen
2 ..
3 Olkanalpaare im Mittelzapfen
4 Zylinderstern
5 Zylinderbohrung
6 Kolben
7 Stützrollen
8 umlaufende Trommel
9 Laufring
10 Verstellschlitten

965
Werkzeugmaschi nen

1.3.5.4. Axialkolbengetriebe
Aufbau und Wirkungsweise: Pumpe und Motor gleichen sich auch bei diesen Getrieben. Sie sind
aber fast immer voneinander getrennt und arbeiten mit offenem Kreislauf. Auf der Antriebswelle 1
der Pumpe sitzt der Antriebsflansch 2 (Bild IV.39). In seiner Stirnfläche sind die Kugelköpfe der
Kolbenstangen 3 gelagert. Die Kolben 5 gleiten in den Bohrungen des Zylinderkörpers 6, der über
das Kreuzgelenk 4 vom Antriebsflansch angetrieben wird. Die Zylinderräume 7 stehen über bogen-
förmige Kanäle im Boden des schwenkbaren Steuerkörpers 8 je nach ihrer Stellung in Verbindung
mit der Saug- oder Druckölleitung, die durch die Schwenkzapfen des Steuerkörpers herausgeftihrt
werden. Wird der Antriebsflansch gedreht, dann führen die Kolben auf ihrem Wege aus der unteren
in die obere Stellung einen Saughub , bei der nächsten halben Umdrehung einen Druckhub aus (bis
ca. 180 bar). Im Hydromotor drückt das Öl auf die Kolbenflächen . Die Kolben weichen unter der
Druckkraft aus und nehmen dabei die Abtriebsscheibe mit .

Bild IV.39. Axialkolbenpumpe


I Antriebswelle
2 Antriebsflansch
3 Kolbenstange
4 Kreuzgelenk zum Antrieb
des Zylinderkörpers
5 Kolben
6 Zylinderkörper
7 Zylinder
8 schwenkbarer Steuerkörper

Bewegungsverhältnisse: Die Drehzahl wird durch Schwenken des Steuerkörpers verstellt. Bei maxi-
malem Schwenkwinkel a liefert die Pumpe den größten Volumenstrom. Er nimmt mit kleiner wer-
dendem Schwenkwinkel ab und erreicht bei a = 0 den Wert Null. Damit wird auch die Hydromotor-
drehzahl Null. Wird über die Nullstellunghinausgeschwenkt, dann kehren sich Förder- und Abtriebs-
drehrichtung um. Die Drehzahl kann aber auch gemeinsam oder allein mit dem Steuerkörper des
Ölmotors verändert werden. Für das Leistungs- und Drehmomentverhalten gilt dasselbe wie ftir
das Boehringer-Sturm-Ölgetriebe (1.3.5.2) .

2. Getriebe für geradlinige Bewegungen


Geradlinige Bewegungen ftihren die Tische, Schlitten, Stößel und Bäre, aber auch viele Bohr- und
Frässpindeln aus. Soll die Geschwindigkeit in Stufen oder stufenlos verändert werden, werden ent-
sprechende Getriebe mit drehender Abtriebsbewegung vorgeschaltet.

2.1. Zahnstangengetriebe
Anwendungsbeispiele: Es wird als Tischgetriebe an Hobelmaschinen und Bohr- und Fräswerken,
als Schlittengetriebe an Zugspindeldreh- und Tiefbohrmaschinen und fUr den Spindelvorschub an
Bohrmaschinen verwendet.

Aufbau und Wirkungsweise: Die Zahnstange ist fest mit dem bewegten Machinenteil verbunden,
das Ritzel im feststehenden Teil gelagert, oder umgekehrt.

966
IV. Getriebe

Das Tischgetriebe der Hobelmaschine hat wegen der größeren Laufruhe meist Schrägverzahnung
und ein Ritzel mit großer Zähne zahl. In Vorschubgetrieben werden wegen der kleinen Vorschub·
geschwindigkeiten oft Ritzel mit sehr kleiner Zähnezahl verwendet, die dann mit Profilverschiebung
ausgeftihrt werden, um Unterschneidung zu vermeiden und die Eingriffsverhältnisse zu verbessern.
Zum Umsteuern der Bewegungsrichtung sind besondere Einrichtungen erforderlich (Wendernotar,
·kupplung, ·getriebe). Bei kleinen Geschwindigkeiten muß die große Übersetzung zwischen An t~iebs­
motor und Zahnstange durch mehrere Räderpaare oder Schneckengetriebe überbrückt werden.
Bewegungsverhältnisse: Abgesehen vom An- und Auslauf ist die Geschwindigkeit u der Zahnstange
konstant. Sie ist gleich der Umfangsgeschwindigkeit Uu im Teilkreis des Ritzels (Bild IV.40):
u = Uu = rrdn/lOOO. Setzt man für den Teilkreisdurchmesser d = Zähne-
zahl z mal Modul m, dann ist die Geschwindigkeit der Zahnstange

rrzmn (IV.l4)
u = 1000

Ist das Zahnstangenritzel nur ein Zwischenrad, dann können in diese


Gleichung Zähnezahl, Modul und Drehzahl des Rades eingesetzt werden,
welches das Ritzel antreibt. Bild IV.40 . Geschwindig-
keiten am Zahnstangen-
getriebe

2.2. Schraubgetriebe
Anwendungsbeispiele: Mit dem Schraubgetriebe werden die Schlitten von Räum- und Tiefbohr-
maschinen, die Stößel der Spindelpressen, die Werkzeugschlitten von Hobel-, Leitspindel- und Senk-
rechtdrehmaschinen und die Werkstücktische von Stoß- und Fräsmaschinen angetrieben.
Aufbau und Wirkungsweise: Die Trapezgewindespindel ist im Maschinengestell gelagert und ver-
schiebt durch ihre Drehbewegung die Mutter mit dem beweglichen Maschinenteil (z.B . Leitspindel),
oder die Mutter ist fest am Gestell und die Spindel schraubt sich mitsamt dem beweglichen Teil
hindurch (z.B. Pressenspindel). Soll das Spiel zwischen Mutter und Spindel einstellbar oder zum
Ausgleichen des Verschleißes nachstellbar sein, oder muß es wie beim Gleichlauffräsen ganz aus-
geschaltet werden, dann besteht die Mutter aus zwei axial gegeneinander verschiebbaren Teilen
(Bild IV.41a und b). Der Leitspindelantrieb von Drehmaschinen hat eine längsgeteilte "Schloß-
mutter", deren Hälften auseinandergeklappt oder -geschoben werden (Bild IV.41c).

2 J ,

Bild IV.4l. Schraubgetriebe mit geteilter Mutter


a) Tischvorschubmutter einer Universalfräsmaschine (Reckermann, Solingen)
1 Mutter, fest im Querschlitten 2, 3 Einstellmutter, verschiebbar in 1 durch Schrauben 4
b) Planvorschubmutter im Werkzeugschlitten einer Spitzendrehmaschine (Heyligenstaedt, Gießen)
1 und 3 Mutterhälften, gegeneinander verschiebbar mit Einstellschraube 2, 4 Planschlitten
c) Schloßmutter einer Leit- und Zugspindeldrehmaschine (Heyligenstaedt, Gießen)
1 Antriebsscheibe mit zwei Bogenschlitzen, 2 Schloßkasten, 3 und 4 Mutterhälften, radial verschiebbar

967
Werkzeugmaschinen

Die Verschiebewege können genauer als beim Zahnstangengetriebe begrenzt werden. Zum Um-
steuern der Bewegungsrichtung sind besondere Einrichtungen notwendig (siehe 2.1). Der Wirkungs-
grad der Schraubspindel ist schlecht. Hochbelastete Spindeln laufen deshalb im Ölbad. Die Dreh-
federung sehr langer Spindeln kann - besonders bei schwankendem Drehmoment - ungleich-
mäßigen Vorschub verursachen (ungiinstig beim Gewindeschneiden!) Diesen Nachteil vermeidet die
Schneckenzahnstange, die z.B. zum Antrieb des Tisches von Langfräsmaschinen und des Bettschlit-
tens von langen Drehmaschinen verwendet wird. Die lange Zahnstange ersetzt die Mutter und die
kurze Schnecke die Spindel. Das Spiel wird mit zwei axial gegeneinander verschiebbaren Schnecken
eingestellt. Die Kugelspindel vermeidet Gleitreibung und ist für feinfühlige und genaueste Verstel-
lung geeignet (Koordinatenbohrwerke, numerisch gesteuerte Maschinen).
BewegungsJ'erhältnisse: Bei einer Spindel- bzw. Schneckenumdrehung wird als Weg die Gewinde-
ganghöhe h zurückgelegt. Bei n Umdrehungen in der Minute ergibt sich die Geschwindigkeit am
Schraubgetriebe
U h n
U = hn (IV.15)
rnrn mm min- 1
rnin

2.3. Schubkurbelgetriebe
Anwendungsbeispiele: Es wird verwendet als Messergetriebe an Scheren, Stößelgetriebe an Pressen,
Senkrechtstoß- und Kegelradhobelmaschinen, als Schlittengetriebe an Bügelsägemaschinen.
Aufbau und Wirkungsweise: Die gleichförmig umlaufende
Kurbelscheibe 1 trägt den Kurbelzapfen 2. Die Schubstange 1 3
3 verbindet den Kurbelzapfen mit dem Stößel 4, der mei-
stens gerade gefUhrt ist. Muß die Hublänge verstellbar sein,
dann kann der Kurbelzapfen mit einer Gewindespindel in
einer Radialnut 5 der Kurbelscheibe verschoben werden
(Bild IV .42). An Exzenterpressen wird die Hublänge durch
Drehen der Exzenterbuchse verstellt. Kurbelpressen haben
unveränderliche Hublänge. Bild IV.42. Verstellbare Schubkurbel
1 Kurbelscheibe, 2 Kurbelzapfen,
Die Bewegungsrichtung wechselt selbsttätig ohne besondere 3 Schubstange, 4 Stößel, 5 Stellnut
Einrichtungen. Die Umkehrpunkte werden bei jedem Hub
sehr genau eingehalten.
Bewegungsverhältnisse (siehe auch Abschnitt Mechanik): Die Stößelbewegung ist ungleichmäßig
beschleunigt bzw. verzögert. Die Stößelgeschwindigkeit hängt ab von der Kurbelumlaufgeschwin-
digkeit uu , vom Kurbelwinkel '-P und vom Schubstangenverhältnis A= Kurbelradius r: Schubstan-
genlänge I (Bild IV.43). Es ist die Augenblicksgeschwindigkeit des Stößels

U = Uu (sin '-P + ~ A sin 2 '-P ) (IV.16)

Die größte Stößelgeschwindigkeit tritt in Nähe der Hubmitte auf. Sie ist

Urnax -_ Uu ( 1 + 2"
1A 2) (IV.17)

Aus.Hublänge hund Kurbeldrehzahl n ergibt sich die mittlere Stößelgeschwindigkeit

hn
Um = 500 (IV.l8)

968
IV. Getriebe

Bild IV.43 zeigt den Geschwindigkeits- und Beschleunigungsverlauf über dem Stößelweg, aufgetra-
gen flir ein Schubstangenverhältnis A= 1:3,2. Mit zunehmender Schubstangenlänge wandert der
Vmax -Punkt immer mehr zur Hubmitte und der Scheitelpunkt der Beschleunigungskurve rückt
näher zum inneren Totpunkt. Er erreicht ihn bei A = 1: 3,8.
Der Leerlaufanteil ist groß, denn Vor- und Rücklaufzeit sind gleich und vom Vorlauf kann bei
Schnittbewegungen wegen des ungleichförmigen Bewegungsverlaufes nur ein Teil zur Arbeit aus-
genutzt werden.

Bild IV.43. Bewegungsverhältnisse am


Schubkurbelgetriebe
a) Getriebeschema,
b) Geschwindigkeits-Weg-Schaubild
(positiv aufgetragene Geschwindigkeiten
sind am Stößel nach rechts gerichtet),
c) Beschleunigungs-Weg-Schaubild
(positiv aufgetragene Beschleunigungen
sind nach rechts gerichtet)
(Die eingezeichnete Geschwindigkeit v und Beschleunigung a
gelten für die unter a) gezeichnete Kurbelstellung)

Bild IV.44
a) Kniehebelkurbel zum Antrieb eines Pressenstößels
1 Kurbelzapfen, 2 Schubstange, 3 SchwinghebeI, 4 Druckstange
b) Kurbelschwinge als Stößelgetriebe an einer Senkrecht-Stoßmaschine
1 Kurbelscheibe, 2 Schwinge, 3 Schwingenwelle, im Maschinen-
gestell gelagert, 4 Stößelmutter

Sonderbau[ormen sind die Kniehebelkurbel als Pressenstößelgetriebe und die Kurbelschwinge als
Stößelgetriebe flir Senkrecht- und Zahnradstoßmaschinen (Bild IV.44).

2.4. Schwingende Kurbelschleife


Anwendungsbeispiele: Sie wird als Stößelgetriebe an Waagerecht- und Zahnrad-Stoßmaschinen
verwendet.
Aufbau und Wirkungsweise (Bild IV.45): Das Kulissenrad 2 trägt den Kurbelzapfen 3. Dieser greift
in die Bohrung des Schiebers 4, der in der Führung 5 des Kulissenhebels 6 (Schwinge) gleitet. Am
oberen Ende ist der Kulissenhebel an den Gewindebolzen der Klemmutter 1 angelenkt. Das untere
Ende gleitet zum Längenausgleich auf der Gleitbuchse 7, die sich um den Schwenklagerzapfen dreht.
Die Stößelhublänge wird verstellt, indem man den Kurbelzapfen mit einer Gewindespindel in einer
Führung im Kulissenrad radial verschiebt. Die Bewegungsrichtung wechselt selbsttätig ohne beson-
dere Einrichtungen. Die Umsteuerpunkte werden bei jedem Hub genau eingehalten_

969
Werkzeugmaschinen

Bild IV,45
a) Schwingende Kurbelschleife als Stößelgetriebe an einer
Waagerecht-Stoßmaschine (Klapp, Solingen)
1 Klemmutter, 2 Kulissenrad, 3 Kurbelzapfen,
4 Schieber, 5 Kulissenführung, 6 Kulissenhebel
("Schwinge"), 7 Gleitbuchse mit Schwenklager
b) cl d) andere Möglichkeiten für den Längenausgleich

Bewegungsverhältnisse: Das Kulissenrad wird vom vorgeschalteten Stufengetriebe gleichförmig an-


getrieben. Der Kurbelzapfen bewirkt über den Schieber am Kulissenhebel eine ungleichförmige
Pendelbewegung um das Schwenklager (Bild IV .45a). Der Kulissenhebel erteilt dem Stößel über die
Klemmutter eine ungleichförmige, hin- und hergehende Bewegung. Die mittleren Stößelgeschwin-
digkeiten sind von den Winkeln Cl! und ß abhängig, die der Kurbelradius während des Arbeits- bzw.
Rückhubes überstreicht. Es ist cot (ß/2) = h/2 I und Cl! = 3600 - ß (h Hublänge, I Höhe des Kulis-
senhebelgelenks über dem Schwenklager). Mit n als Kulissenraddrehzahl ist die mittlere Arbeits·
geschwindigkeit
h n a,ß
(IV. 19)
m
min
und die mittlere Rücklaufgeschwindigkeit
360 0 h n (IV.20)
V rm = ß
Bei größtem Stäßelhub ist das Verhältnis vrm/v am = 1,4 ... 2.
Die größte Geschwindigkeit hat der Stößel in der Hubmitte. Es ist die größte Arbeitsgeschwindig-
keit
I h sinf Vamax , vrmax I, h n ß
vamax = 211n ß (IV.21)
21 + h sinT m o
m
min
und die größte Rücklaufgeschwindigkeit

I h sin~
Vrmax = 211 n ß (IV.22)
21- h sin:f
2.5. Hydrozylinder
Anwendungsbeispiele: Mit Hydrozylindern werden Pressenstößel, Räumschlitten und Schleif-
maschinentische und -schlitten bewegt. Auch der Vorschubantrieb von Drehautomaten, Kopierdreh-,
Vielspindelbohr- und Kreissägemaschinen, der Stößelantrieb an Waagerecht-Stoßmaschinen und
der Tischantrieb mancher Hobelmaschinen werden mit Hydrozylindern betätigt. Die Bäre von
Luft- und Dampfhämmern werden von luft- oder dampfgetriebenen Kolben bewegt.

970
IV. Getriebe
Aufbau und Wirkungsweise: Der Zylinder ist am feststehenden, der Kolben am beweglichen Teil
befestigt oder umgekehrt. Ölleitungen (bei Pressen auch Wasserleitungen) verbinden die Zylinder-
räume vor und hinter dem Kolben mit dem Flüssigkeitskreislauf. Eine Pumpe wird von einem Elek-
tromotor angetrieben und fördert Drucköl in den Kreislauf. Durch Steuerventile und -schieber wird
es abwechselnd vor und hinter den Kolben geleitet und bewirkt dadurch eine hin- und hergehende
Kolbenbewegung. Dabei muß die Ölsäule, die der Kolben im Zylinder vor sich herschiebt, über die-
selben oder andere Ventile in die Rückölleitung abgeftihrt werden. Entsprechend dem Arbeitswider-
stand F entsteht im Zylinder der Druck p =F/A (A Kol-
ben fläche ), der die Ölsäule zwar geringftigig, aber doch 2 J
meßbar zusammendrückt, und zwar um so mehr, je
länger die Ölsäule ist. Wird der Arbeitswiderstand
plötzlich kleiner, dann sinkt der Druck, die Ölsäule
dehnt sich aus und der Kolben "springt" ein kleines
Stück nach vorn . Deswegen ist der Hydrozylinder für
Arbeiten mit stark schwankenden Betriebskräften
(z.B. Fräsmaschinenvorschub ) ungeeignet . Dieser Effekt
wird gemildert, wenn das Öl nicht drucklos, sondern
über ein Gegendruckventil in die Rücklaufleitung ab-
fließt. Das verschlechtert aber den Wirkungsgrad. 8 --_--J~

Die Kolbengeschwindigkeit wird von der zuströmenden


Ölmenge bestimmt, die mit einem Drosselventil oder ,-'/t-- -t-;:- - 6
einer Verstellpumpe verändert wird.

Beim Kreislauf mit Drosselsteuerung (Bild IV.46) saugt


Bild IV.46. Schema eines einfachen
eine Pumpe 6 mit gleichbleibendem Volumenstrom durch
Kreislaufes mit Drosselsteuerung
die Leitung 9 öl aus dem Behälter an und fördert es in
1 angetriebener Maschinentisch
die Druckleitung 10 zum Drosselventil 8, das nur die 2 Hydrokolben, 3 Hydrozylinder ,
eingestellte ölmenge durchfließen läßt. Die überschüs- 4 Steuerschieber ftir die Bewegungs-
sige ölmenge strömt durch das überdruckventil 7, an umkehr, 5 Gegendruckventil,
dem der gewünschte öldruck eingestellt wird, in den Be- 6 Pumpe mit konstantem Volumen-
hälter zurück. Vom Drosselventil 8 gelangt das Drucköl strom, 7 Überdruckventil, 8 Drossel-
ventil , 9 ... 15 Ölleitungen
durch die Leitung 11 zum Steuerschieber 4, der es über
die Leitung 12 zur Vorderseite des Kolbens 2 leitet. Die-
ser wird nach rechts verschoben und drückt das öl von 2 J
seiner Rückseite durch die Leitung 13 zum Steuerschie-
ber 4 . Von da gelangt es über die Leitung 14 zum Gegen-
,
I
I
druckventil 5, öffent es gegen die einstellbare Federkraft I
I
und fließt drucklos über die Leitung 15 in den Behälter
r-f-----
ab. Wird der Steuerschieber 4 nach links verschoben, I I I.
I 11 I 6
dann werden die Leitungen 11 und 13 sowie 12 und 14 I

l :'
I 1- _____ , ___ -' :'
miteinander verbunden und die Bewegungsrichtung des
JIL::, : /1
Kolbens kehrt sich um. Drossel-, überdruck- und Gegen-
druckventil verursachen hohe Verluste (starke Ölerwär-
---~ ' !i
mung!). Die Drosselsteuerung ist aus diesem Grunde nur 6
ftir kleine Leistungen zweckmäßig.
Bild IV.4 7. Schema eines einfachen Kreis-
Im Kreislauf mit Pumpensteuerung (Bild IV.4 7) wird das laufes mit Pumpensteuerung
öl von einer Pumpe mit verstellbarem Volumenstrom 5 1 Zylinder, 2 Kolben, 3 Überdruckventil,
(beschrieben unter 1.3 .5) durch die Leitung 7 angesaugt 4 Steuerschieber, 5 Verstellpumpe, 6 Über-
und über Druckleitung 8, Steuerschieber 4 und Leitung 9 druckventil, 7 ... 11 Ölleitungen

971
Werkzeugmaschinen

zur Kolbenoberseite geführt. Das Überdruckventil 3 begrenzt den Arbeitsdruck. Das Rücköl ge-
langt über Leitung 10, Steuerschieber 4 und Rückölleitung 11 in den Behälter zurück. Damit auch
beim Rückhub der Höchstdruck nicht überschritten wird, ist die Leitung 10 durch ein Überdruck-
ventil 6 abgesichert.
Außer diesen einfachsten Kreisläufen werden oft wesentlich kompliziertere, z.T. mit mehreren
Pumpen, Ventilen und Schiebern, angewendet, mit denen man die Laufeigenschaften des Getriebes
in bestimmter Weise beeinflußt.
Bewegungsverhältnisse: Der in einer Minute in den Zylinder geförderte Volumenstrom V ist das
Produkt aus der Kolbenfläche A und dem in einer Minute zurückgelegten Kolbenweg (Kolbenge-
schwindigkeit). Daraus ergibt sich die Kolbengeschwindigkeit

lOV v V A
v=-- (lV.23)
A ..!!!.. cm 2
min min

Kolben mit beiderseits gleichen Flächen (Bild IV.46) haben also bei konstantem Volumenstrom flir
Vor- und Rücklauf gleiche Geschwindigkeit. Ungleiche Kolbenflächen (Bild IV.47) führen zu un-
gleichen Geschwindigkeiten. Das nutzt man häufig ftir einen schnelleren Rückhub aus. Gemeinsam
mit der Geschwindigkeitsverstellung durch den Volumenstrom ergeben sich nicht selten stufenlose
Geschwindigkeitsbereiche über 100: 1. Der Hydrozylinder läuft erschütterungsfrei und steuert in
den Endpunkten stoßfrei und sehr schnell um, weil keine rotierende Massen abzubremsen und zu
beschleunigen sind. Die Umsteuergenauigkeit beträgt bei kleineren bewegten Massen und ent-
sprechenden Maßnahmen im Steuerungssystem an Schleifmaschinen etwa 0,01 mm, bei Hobel-
maschinen mit schweren Lasten ± 5 mm.
Der Öldruck im Zylinder steigt automatisch mit dem Arbeitswiderstand. Dadurch verringert sich
die Druckdifferenz an der Drossel und ihre Durchflußmenge wird kleiner. Das bedeutet, daß bei
unveränderter Drosselstellung die im Zylinder nutzbare Ölmenge mit zunehmendem Arbeitswider-
stand abnimmt, d.h. die Kolbengeschwindigkeit ändert sich in Abhängigkeit vom Arbeitswiderstand.
Auch die Öltemperatur beeinflußt die Kolbengeschwindigkeit: mit zunehmender Temperatur
(= abnehmender Viskosität) fließt durch die Drossel bei unveränderter Einstellung mehr Öl.
Bei Verstellpumpen wachsen mit zunehmendem Druck die Leckölverluste. Dadurch nimmt der
nutzbare Volumenstrom im Zylinder ab, und die Geschwindigkeit sinkt ebenfalls. Es entspricht
also bei beiden Verstellprinzipien einer bestimmten Stellung der Verstellorgane nicht auch eine
bestimmte, unter allen Betriebsverhältnissen konstante Kolbengeschwindigkeit.

3. Stufenlose elektrische Antriebe


Anwendungsbeispiele: Sie werden verwendet für Haupt- und Vorschubantriebe an numerisch ge-
steuerten Werkzeugmaschinen, Kopier- und Wälzfräs-, Rund- und Flächenschleifmaschinen.
Aufbau und Wirkungweise: Die bisher beschriebenen Getriebe verändern die Abtriebsdrehzahl
stufenlos bei konstanter Drehzahl des Antriebsmotors. Bei den stufenlosen elektrischen Antrieben
wird die Drehzahl des Antriebsmotors stufenlos verändert. Sofern noch ein dahinter angeordnetes
mechanisches Getriebe nachgeschaltet werden muß, ändert sich die Abtriebsdrehzahl proportional
zur Drehzahl des Antriebsmotors.
Der Käfigläufermotor arbeitet mit Drehstrom. Er eignet sich ftir den Hauptantrieb an allen Werk-
zeugmaschinen. Eine Drehzahländerung wird durch die Regelung der Ständerfrequenz über Um-
richter erreicht. Umrichterschaltungen wandeln ein vorhandenes Wechselstrom- oder Drehstrom-
system in ein anderes Wechselstromsystem mit anderer Frequenz, Phasenzahl oder Spannung um.
Die Drehmomenten-Drehzahlkurve des Käfigläufermotors kann damit stufenlos parallel zur Dreh-

972
IV. Getriebe

zahlachse verschoben werden. So wird bei konstan-


tem Magnetfluß über den gesamten Drehzahlbereich
(nmax /nrnin = 25) ein gleichbleibendes Drehmoment
erreicht (Bild IV.48).
Die größte Stromaufnahme liegt ungefähr 30 % über
dem Nennstrom bei einem Leistungsbereich zwischen
4 kW und 200 kW.
Der Schleifringläufermotor arbeitet ebenfalls mit
Drehstrom. Bei kleinen Anlaufströmen und großen
Anlaufdrehmomenten eignet er sich für Haupt-
antriebe von Werkzeugmaschinen mit Leistungsan-
forderungen bis zu 30 MW. Der Schleifringläufer-
motor wird häufig als Antrieb für schwere Pressen
Drehzahl n
mit Schwungrädern eingesetzt, weil bei einem Abfall
Bild IV.48. Drehmoment-Kennlinien eines
der Motordrehzahl die gespeicherte Energie im
Käfigläufermotors im Umrichterbetrieb
Schwungrad genutzt werden kann.
Der Drehstrom-Nebenschlußmotor eignet sich für Antriebsleistungen bis 100 kW. Seine Drehzahl
bleibt bei Belastungsänderung nahezu konstant. Das Anzugsdrehmoment kann bis zum 2,5fachen
des Nenndrehmomentes betragen. Der Einschaltstrom ist beim Anfahren auf die niedrigste mög-
liche Drehzahl gering. Auch das Drehmoment ist über den gesamten Verstellbereich (nmax/nrnin =
3 ... 20) annähernd konstant. Regelbar sind Drehzahlen im Bereich von 80 min -1 bis 1600 min -1.
Der Drehstrom-Reihenschlußmotor kann für Nennleistungen bis zu 600 kW eingesetzt werden .
Der Drehzahlverstellbereich beträgt nmax /nrnin = 3. Bei hohem Anzugsdrehmoment ist dieser
Motortyp nur für Maschinen geeignet, die keine völlige Entlastung während des Arbeitsprozesses
zulassen. Drehstrom-Reihenschlußmotore werden in Pressenantrieben eingesetzt.
Der Drehstrom-Asynchron-Linearmotor wird in Vorschubantrieben, Koordinaten-Meßgeräten
und Plasma-Schweißanlagen eingesetzt. Es sind Positionierungen bis zu ± 0,005 möglich.
Bauarten: Einzelkamm-Linearmotore (Bild IV.49) bestehen aus einem Blechpaket mit Drehstrom-
wicklung (Primärteil) und dem Kurzschlußkäfig mit Eisenkern (Sekundärteil).

Bild IV.49.
Einzelkamm-Linearmotor
1 Schlittenführung
2 Sekundärteil
3 Primärteil
4 Kabelschlepp
5 Lineares Wegmeßsystem mit
6 Lesekopf

973
Werkzeugmaschinen

Diese Motore können Spitzen schubkräfte von bis zu 40 kN/m 2 Eisenfläche aufbringen. Die aktive
Eisenfläche ergibt sich aus der Grundfläche des Primärteils. Geschwindigkeits- und lagegeregelte
Antriebe werden über Mikrorechner und Pulsumrichter verwirklicht (Bild IV.50).

Sollwerte Mikrorechner
Transistor
Führungs-
~
Pulsumrichter
system
Steuersignale

Lagesignal Bild IV.50.


Steuerungssystem für Geschwindigkeits-
oder Lageregelung
Primärteil
2 Sekundärteil
3 Lineares Wegmeßsystem mit
4 Lesekopf
---+--2

/
~ 3

Doppelkamm-Linearmotore haben zwei sich gegenüberliegende Primärteile und ein dazwischen


liegendes Sekundärteil. So ergibt sich die doppelte Eisenfläche und damit auch eine Verdoppelung
der Schubkraft gegenüber dem Einzelkamm-Linearmotor. Diese Motorbauart wird in Schwingungs-
erregern und flir zwangsgekoppelte oszillierende Vorschubachsen eingesetzt.
Der Gleichstromnebenschlußmotor wird für Wellenleistungen von 25 W bis 1 MW gebaut. Strom-
richter ermöglichen die stufenlose Regelung der Drehzahl und des Drehmomentes. Der Verstell-
bereich liegt bei nmax/nmin > 50. Bei niedrigen Drehzahlen ist wegen der starken Erwärmung des
Motors Fremdkühlung erforderlich.
Der Gleichstrom-Stellmotor wird in Vorschub antrieben eingesetzt. Eine Drehzahländerung wird
durch die Änderung der Ankerspannung erreicht. Der Verstellbereich beträgt nmax/nmin = 1000;
dabei ist die kleinste Drehzahl bis auf 1 min -1 regelbar.
Bauarten: Langsamläufer haben hohe Polzahlen bei Drehzahlen zwischen 1 min -1 bis 1400 min -1.
Sie eignen sich flir direkte Vorschubantriebe ohne Zwischenschaltung eines mechanischen Getrie-
bes.
Stabläufer sind Schnelläufer mit Drehzahlen bis zu 5000 min -1. Ein mechanisches Getriebe muß
nachgeschaltet werden.
Wegen der sehr geringen Drehzahlabweichungen im Nennlastbereich sind Gleichstrom-Stellmotore
für Vorschub antriebe in bahngesteuerten CNC-Maschinen einsetzbar.
Der Schrittmotor arbeitet ebenfalls mit Gleichstrom. Er führt Winkel- oder Wegschritte mit Schritt-
weiten ab 0,01 mm aus. Schrittmotore übertragen nur geringe Drehmomente « 300 Nmm). Sind
größere Drehmomente erforderlich (bis 60 Nm), müssen hydraulische Drehmomentverstärker ein-
gesetzt werden.
Bauarten: Bei Permanentmagnet-Schrittmotoren befindet sich ein Permanentmagnet im Rotor-
körper. Dieser Motortyp hat einen großen Wirkungsgrad und kann für Schrittwinkel in den Be-
reichen von 1,8°-2,5 ° und 15 ° _30° eingesetzt werden.
Der Drehfeld-Schrittmotor hat einen Rotor aus Magnetweicheisen. Sein Wirkungsgrad ist gering.
Die Schrittfrequenz ist gegenüber dem Permanentmagnet-Schrittmotor wesentlich größer. Typische
Schrittwinkelliegen in den Bereichen 7,5°, 15° und 30°.

974
v. Gestelle
v. Gestelle
Begriffsbestimmung: Gestelle nehmen die Werkstück- und die Werkzeugträger mit ihren Lagerungen,
Führungen und Getrieben in oder an sich auf. Sie verbinden alle Baugruppen zu einem Ganzen,
stützen die Gewichtskräfte der Baugruppen und der Werkstücke auf den Fundamenten ab und
sollen den Fluß der Bearbeitungskräfte zwischen Werkzeug und Werkstück möglichst innerhalb der
Maschine so schließen, daß die Verformung der Gestellteile klein bleibt.

1. Allgemeines
1.1. Grundformen
Form und Abmessungen eines Gestells hängen von den Abmessungen des größten zu bearbeiten-
den Werkstückes und von der Art der Bearbeitung ab. Die Grundformen sind das Bett (flaches, lie-
gendes Maschinenunterteil), der Ständer (aufrecht stehend), die Säule (stehend, zylindrisch), der
Rahmen (stehend, mit Arbeitsöffnung zwischen den Seitenteilen), die Konsole (senkrecht an Stän-
der verschiebbar, mit obenliegenden Tischftihrungsbahnen), der Ausleger (an Ständer oder Säule
senkrecht verschiebbar, um Säule auch drehbar, mit seitlichen Schlittenftihrungsbahnen), der Quer-
balken (zwischen zwei Ständern senkrecht verschiebbar), die Traverse (festes Verbindungsstück
zur Versteifung zweier Ständer) (Bild V.1).

aJ

{r
eJ fJ gJ
Bild V.I. Grundformen der Gestelle
hJ

a) Bett, b) Ständer, c) Säule, d) Rahmen, e) Konsole, 0 Ausleger, g) Querbalken, h) Traverse (Joch)

1.2. Werkstoffe
Der meistverwendete Werkstoff ist Grauguß, weil daraus die meist verwickelten Gestellformen am
einfachsten hergestellt werden können. Die Schwingungsdämpfung, die der Graphit - insbesondere
in lamellarer Form - bewirkt, ist an Werkzeugmaschinen erwünscht. Die angegossenen Führungs-
bahnen haben gute Gleiteigenschaften, und sie können gegen Kokillen gegossen werden, wenn sie
härter als die übrigen Gestellteile sein sollen. Oberflächengehärtete Führungsbahnen setzen perli-
tischen Grauguß voraus. Auch legierter Grauguß wird verwendet.
Aus Stahlguß sind Pressenständer , wenn sie möglichst leicht sein sollen. Die Betriebskräfte rufen
aber hohe Spannungen und entsprechend große Verformungen hervor. Die Arbeitsgenauigkeit ist
infolgedessen geringer. Auch die Ständer von Gesenkhämmern, bei denen mit großen Stoßbelastun-
gen bei Prellschlägen gerechnet werden muß, sind häufig aus Stahlguß. Stahl wird für Scheren- und
Pressengestelle wegen seiner großen Festigkeit verwendet. In den wenigen Fällen, in denen Gestelle
von zerspanenden Maschinen aus Stahl hergestellt werden, will man durch geringere Masse eine
größere dynamische Starrheit erreichen.
975
VVerkzeugnnaschinen
1.3. Anforderungen
Die meisten Gestelle haben große Querschnittsabmessungen und sind durch Rippen, Zwischen·
wände oder Zellen versteift, denn die Hauptforderung, die sie erftillen müssen, ist möglichst kleine
Verformung unter allen Betriebsbedingungen. Jede Verformung verändert die Lage der Führungs-
bahnen. Werkstück, Werkzeug oder beide weichen von der vorgeschriebenen Bewegungsbahn ab,
und die Folge sind Maß- und Formfehler am Werkstück. Je größer die von der Maschine verlangte
Arbeitsgenauigkeit ist, desto starrer müssen ihre Gestellteile sein. Es wird auch hier zwischen sta-
tischer und dynamischer Starrheit unterschieden.
Die statische Starrheit kennzeichnet das Verhalten des Gestelles gegenüber einer gleichbleibenden
Kraft. Vergleichswert ist der statische Starrheitsgrad, das ist diejenige Kraft in N, die eine Verfor-
mung von 1 J.l.m hervorruft (z.B. Drehmaschinenbett 250 ... 500 N/J.l.m).
Dynamisch starr ist ein Gestell, wenn es sich durch periodisch schwankende Kräfte, z.B. Schnitt-
kräfte beim Walzenfräsen, nicht zum Mitschwingen anregen und wenn es durch den Bearbeitungs-
vorgang aufgezwungene Schwingungen rasch wieder abklingen läßt, sie also "dämpft" (auch Schwin-
gen ist Formänderung!).

---1---
L.L...J--I--~---

cl

Bild V.2. Lage der Bearbeitungskräfte in bezug auf das Gestell (vereinfachte
Darstellung)
a) am Querbalken einer Zweiständer-Hobelmaschine,
b) am Ausleger einer Radialbohrmaschine,
c) am Bett einer Spitzendrehmaschine,
d) am Ständer einer Universal-Fräsmaschine

Statisch werden die meisten Gestelle auf Biegung beansprucht, viele zusätzlich auf Verdrehung.
Nennenswerte Zugbeanspruchung tritt bei Pressen und Hämmern auf. Bild V.2 zeigt schematisch
und vereinfacht die Lage der Bearbeitungskräfte am Werkzeug in bezug auf die Gestelle verschie-
dener Maschinen. Jede der drei Schnittkraftkomponenten verbiegt das Gestell, zwei bzw. eine von
ihnen wirkt außerdem verdrehend. Am größten werden die Biegemomente, wenn das Gestell als
Freiträger angesehen werden kann. Durch eine zweite Abstützung können sie in manchen Fällen
bei unveränderten Bearbeitungskräften beträchtlich verkleinert werden. In Bild V.3 sind mehrere
Möglichkeiten hierzu schematisch dargestellt. An Waagerecht-Konsolfräsmaschinen wird beim
Arbeiten mit Walzenfräsern der Gegenhalter mit der Konsole durch eine Schere verbunden, so daß
ein geschlossener Rahmen aus Gegenhalter, Ständer, Konsole und Schere entsteht (Bild V.3a). An

976
V. Gestelle

bl L -_ _ _ _ _ _-....::l cl
Bild V.3. Zusätzliche Abstützung zur Verringerung der Biegemomente durch a) Schere an Konsolfräsmaschine,
b) Setzstock an Bohr- und Fräswerk, c) Traverse und zweiseitige Querbalkenfiihrung an Bettfräs- und Hobel-
maschine

Waagerecht-Bohr- und Fräswerken wird die Bohrstange an ihrem fliegenden Ende im Setzstock ge-
lagert (Bild V.3b). An Zweiständer-Bettfräs- und -Hobelmaschinen werden die Ständer am Kopf
durch eine Traverse miteinander verbunden, und der Querbalken wird an beiden Ständern geftihrt
(Bild V.3c).
Die statische Starrheit eines Gestells ist um so größer, je größer die axialen Trägheitsmomente seines
Querschnittes in den verschiedenen Biegeebenen und sein Drillungswiderstand sind (der Drillungs-
widerstand nichtkreisförmiger Querschnitte entspricht dem polaren Trägheitsmoment des kreis-
förmigen Querschnittes). Die großen Höhen vieler Gestellquerschnitte sollen also die Biegesteifig-
keit vergrößern. Die Verdrehsteifigkeit hängt entscheidend davon ab, daß der Querschnitt auf der
ganzen Länge des Gestells geschlossen ist, eine Forderung, die praktisch kaum zu erftillen ist. Bei
der Drehmaschine der herkömmlichen Bauart z.B. muß das Bett Durchbrüche zum Abfuhren der
Späne haben, Fräsmaschinenständer brauchen öffnungen zur Montage der Getriebe.
Dynamische Beanspruchungen haben ihre Ursache in schwankenden Schnittkräften, ungleichför-
migem Lauf der Getriebeteile und auch im Spiel der Lager und Führungen. Die Gestelle sollen eine
gute Dämpfung besitzen. Sie ist nicht allein vom Werkstoff, sondern auch von der Konstruktion
abhängig. Man erreicht sie durch Verwendung von Grauguß oder durch Scheuerplatten (Bild V.lO),
die fest aufeinandergepreßt zusammengeschweißt sind und deren Oberflächen beim Schwingen auf-
einander reiben und dadurch dämpfen. Die dynamische Starrheit wächst mit zunehmender Eigen-
schwingungszahl des Gestells. Das ist gleichbedeutend mit abnehmender Masse. Durch hohe Eigen-
schwingungszahl werden Resonanzschwingungen vermieden. Das kann aber auch mit sehr niedriger
Eigenfrequenz - also mit großer Masse - erreicht werden. In der Praxis benutzt man beide Wege:
Schleifmaschinengestelle werden z.B. meistens sehr schwer und aus Grauguß hergestellt, mitunter
aber auch als sehr leichte, geschweißte Stahlzellenkonstruktion. Der Einfluß der Fiihrungsspiele
wird durch Klemmvorrichtungen ausgeschaltet, die möglichst alle Baugruppen und Teile der Ma-
schine gegeneinander festklemmen, die sich bei der Bearbeitung nicht gegeneinander bewegen
müssen. Die Reibung an den Klemmstellen wirkt wie zwischen Scheuerplatten schwingungsdäm-
pfend.
Auch äußere Einflüsse können die Genauigkeit der Maschine beeinträchtigen. Viele Maschinen-
gestelle werden auf dem Fundament ausgerichtet und durch Steinschrauben fest mit ihm verbun-
den. Verlagert oder verzieht sich das Fundament im Laufe der Zeit, dann wird das Gestell verformt.
Sehr lange Betten und Gestelle von Maschinen hoher Arbeitsgenauigkeit werden deshalb auf ver-
stellbare Keile gesetzt und von Zeit zu Zeit neu ausgerichtet.
Bei solchen Maschinen muß auch der Einfluß ungleichmäßiger Erwärmung beachtet werden. Heiße
Späne müssen schnell abgeftihrt, die Gestelle dürfen nicht als Behälter ftir Hydrauliköl verwendet
werden. Selbst einseitige Sonnenbestrahlung kann die Lage der Führungsbahnen unzulässig ver-
ändern.

977
VVerkzeugrnaschinen
2. Gegossene Gestelle
2.1. Offener Träger
Der offene Träger ist überall dort geeignet, wo nur Biege-
momente und keine oder nur verhältnismäßig kleine
Torsionsmomente wirken, wie beim Bett der Hobel-, der
Langfräs- und der Schleifmaschine. Obwohl ein beträcht-
liches Torsionsmoment aufzunehmen ist, wird aber auch
das Bett der Drehmaschine herkömmlicher Bauart noch
in vielen Fällen als offener Träger gebaut, denn die Späne
müssen zwischen den Wangen nach unten durchfallen
können (Bild VA). Die Diagonalrippen der Peters-Ver-
rippung versteifen den Träger gegen die Biegebeanspru-
chung infolge der Passivkraft und gegen die Torsions- Bild V.4. Drehmaschinenbett
beanspruchung. Rippen rechtwinklig zu den Wangen als offener Träger mit Diagonal-
sind unzweckmäßig, weil sie keinen Einfluß auf die Ver- rippen (Peters-Verrippung)
drehsteifigkeit haben. Außerhalb des Spänebereiches
werden auch diese Betten als Kastenträger ausgebildet.
Der Hammerständer nach Bild V.5 ist biegesteif in beiden senk-
rechten Ebenen, in denen bei Eckschlägen Biegemomente auf-
treten. Mögliche Torsionsmomente bleiben klein, weil die Wirk- fI.l .i 4l
linien der Führungskräfte, durch die sie hervorgerufen werden, 11
nur kleinen Abstand vom Schwerpunkt des Ständerquerschnit-
li
@. ~
tes haben.
2.2. Kastenträger
Der Kastenträger ist die Grundform der meisten Gestelle. Durch
den großen Abstand der Werkstoffquerschnitte von seinen
Schwerachsen ist er biegesteif in beiden Richtungen. Der ge-
schlossene Außenmantel macht ihn zusätzlich außerordentlich
verdrehsteif. Die Vorderwange 1 des Drehmaschinenbettes
nach Bild V.6a ist ein Kastenträger. Die Hinterwange 3 hat
mehrere rechteckige Durchbrüche 2 flir die Späne. Sie ist mit
der Vorderwange durch dachförmige Rippen 4 verbunden, auf . .i. .
'----+--' ' ...............
denen die Späne in die Ausfallöffnungen rutschen. Das Bett
der automatischen Drehmaschine nach Bild V.6b hat auch diese
Öffnungen nicht mehr. Der Kasten ist auf der ganzen Länge
geschlossen und innen mit schräg zur Bettachse liegenden
Rippen zusätzlich versteift. Die Späne fallen vor dem Bett nach
unten.
Am Ausleger der Radialbohrmaschine nach Bild V.7 kann Bild V.5 . Ständer eines Gesenk-
man an der Form deutlich erkennen, fUr welche Beanspruchun- schmiedehammers, als offener.
Träger ausgeruhrt
gen er konstruiert wurde. Der hohe Querschnitt ist sehr starr
gegenüber dem Biegemoment, das von der Vorschubkraft am
Bohrer herrührt. Das ist notwendig, weil das Biegemoment
beim Bohren mit großer Ausladung sehr groß wird (Freiträger!).
Der zweifach geschlossene Kastenquerschnitt ist im recht-
eckigen Teil doppelt diagonalverript. Das deutet auf die hohe
Torsionsbeanspruchung hin, die ebenfalls von der Vorschub-

978
V. Gestelle

a)

Bild V.6. Kastenträger als


MaschinengesteU
a) Bett einer Hochleistungs-
Spitzendrehmaschine
(Heyligenstaedt, Gießen)
1 Vorderwange, 2 Durch-
bruch ftir Späne, 3 Hinter·
wange, 4 dachförmige
Querrippen
b) Bett einer automatischen
Produktionsdrehmaschine Bild V.7. Schnitt durch den Aus-
leger einer Radialbohrmaschine
kraft verursacht wird, da sie (Raboma, Berlin)
außerhalb der Schwerachse
des Auslegers wirkt. Beim
Arbeiten mit großer Ausla-
dung würde der Verdrehwin-
kel des Auslegers zu groß wer-
den, wenn der Ausleger nicht
verdrehsteif genug wäre.
Bild V.8 zeigt den Ständer
eines Waagerecht-Bohr- und
Fräswerkes als typisches Bei-
spiel eines verrippten Kasten-
trägers. Die Außenwand ist
völlig geschlossen, wie das
Querschnittsbild zeigt, und
dadurch verdrehsteif. Die Rip-
pen vergrößern besonders die
Biegesteifigkeit in beiden
Richtungen, weil hier Biege- Bild V.S. Ständer eines Platten-
Bohr- und Fräswerkes mit
momente in beiden Ebenen
geschlossenem Kastenquerschnitt
auftreten können. Nur selten (Scharmann & Co., Rheydt)
ist aber eine so günstige Form
möglich, denn häufig müssen
in den Ständern Getriebe und
Bedienungseinrichtungen un-
~~~
tergebracht werden. Dann
müssen fur Montage und War-
tung öffnungen vorhanden
sein, welche die Verdrehstei-
figkeit verringern.
979
VVerkzeugrnaschinen
3. Geschweißte Gestelle
3.1. Zellenbauweise
Die Zellenbauweise, flir Gestelle mancher zerspanender
Werkzeugmaschinen angewendet, baut sehr leicht. Die
Außenwand wird aus 5 ... 10 mm dicken Stahlplatten
zusammengeschweißt. Der Innenraum wird, soweit mög-
lich, mit eingeschweißten 3 .. . 5 mm dicken Blechen in
Zellen aufgeteilt. Auf diese Weise entstehen außerordent-
lich biege- und verdrehsteife Kastenträger mit sehr kleiner
Masse, d.h. also sehr hoher Eigenschwingungszahl. Sind
Führungen aus Stahl mit in das Gestell eingeschweißt,
dann werden sie gehärtet. Es werden aber auch aufge-
schraubte GG-Führungen verwendet. Bild V.9 zeigt in Bild V.9. In Zellenbauweise geschweißte
Zellenbauweise geschweißte Gestellteile einer Flächen- Gestellteile einer Flächenschleifmaschine
schleifmaschine .

3.2. Plattenbauweise
Sie wird flir Pressen- und Scherengestelle angewendet. Der Pressenständer nach Bild V.lOa wird
von der StößeIkraft zug- und biege beansprucht. Die vordere Ständerplatte erhält die Höchstspan-
nung (größte resultierende Zugspannung) und ist deswegen am dicksten. Bei der Scheuerplatten-
bauweise c) werden mehrere Bleche aufeinander geschichtet und an allen Außen- und Durchbruchs-
kanten miteinander verschweißt. über die ganze Platten fläche verteilt werden Bolzen eingepreßt
und mit den äußeren Blechen verschweißt. Durch die Schrumpfspannungen in den Schweißnähten
werden die Einzelplatten mit großer Kraft aufeinander gepreßt. Wird nun die Schichtplatte gebogen,
verdreht oder in Schwingungen versetzt, dann behindert die Reibung zwischen den Schichten die
Formänderung. Auf diese Weise werden Schwingungen viel stärker gedämpft als bei einer gleich
dicken massiven Platte. Diese Wirkung unterstützen noch die Bolzen, die beim Verformen Schub-
spannungen aufnehmen. Bei geschickter Ausnutzung dieser Reibwirkung können höhere Däm-
pfungswerte erreicht werden als bei massiver GG-Bauweise .

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Bild V.l O. Geschweißte Gestelle in Plattenbauweise. a) an einer Einständer-Exzenterpresse, b) an einer Tafel-
schere, c) als Scheuerplattenkonstruktion an einer Zweiständer-Kurbelpresse

980
Betriebswirtschaftslehre
Karl-Heinz Degering, Siegfried Rackwitz

I. Betriebsorganisation

1. Übersicht
Unter Betriebsorganisation versteht man die planmäßige Gestaltung der Arbeitsabläufe (Ablauf-
organisation) und das geregelte Zusammenwirken der SteHen eines Betriebes (Aufbauorganisation).
Organisieren heißt also: Ordnen und Festlegen oder auch Plan und Regel schaffen. Dabei kann
zuviel (Überorganisation) oder zuwenig (Unterorganisation) getan werden.
Wird ein Organisationsplan festgelegt, so sind neben der Betriebs- oder Fabrikationsart auch die
beteiligten Menschen zu berücksichtigen. Es ist dabei zu überlegen, ob sie bezüglich ihrer Aus-
bildung, Fähigkeiten, Fertigkeiten usw., auch den zu erwartenden Anforderungen gewachsen
sind. Bei Betriebswachstum oder -rückgang muß der Organisationsplan den neuen Bedingungen
angepaßt werden.

2. Merkmale der Gliederung von Aufbauorganisationen


Mittels der Aufbauorganisation wird die Gesamtaufgabe eines Betriebes auf verschiedene SteHen
aufgeteilt und die Zusammenarbeit dieser SteHen geregelt. Bild 1.1 zeigt die Gliederung einer
Aufbauorg;misa ti on.

/
1---;1 Stabsarbeiten t-I- - - I
/
/
/
/ .....
/ ..........
,..---0-- --J- ..........
I

Personalwesen Fertigungs-Planung Fertigungs-Steuerung


Personalplamng Konstruktion von Auftrags-1KIdStoff- A,8,C usw.
{jehalts -und Erzeugnissen und Vordisposition Teifeherstel- Yv.!reneln-
Lohnbiiro Betiebsmittel Termin-u.8ereitstel- lung,Monta!J!, gang u.
Fertigungsvorbereitung lungsiJberwachung Ausbildung Fabrikation
'--------'

Bild I.l. Gliederung der Autbauorganisation eines Betriebes

981
Betriebswi rtschaftslehre
2.1. Systeme zur Gliederung der Organisation nach Rangordnung
Abhängig von der Art der Kommunikation der Betriebsstellen untereinander, ergibt sich eine Rang-
ordnung. Stellen sind Instanzen mit Entscheidungs- und Anordnungsrecht, für das sie die Ver-
antwortung tragen.
Grundsatz: Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung jeder Stelle müssen einander entsprechen
und eine Einheit bilden.
Bild 1.2 zeigt drei Möglichkeiten der Gliederungen nach Rangordnung.

Liniensystem Funktionssystem Stabliniensystem


Delegieren von:

Aufgaben.
Kompetenz und
Verantwortung

bis zur letzten


Stelle

Bild 1.2. Systeme zur Gliederung der Organisation nach Rangordnung

2.1.1. Liniensystem. Die Aufgabenverteilung erfolgt von oben nach unten. Informationen und
Anfragen fließen liniengemäß von unten nach oben, also unter "Einhaltung des Dienstweges".
Vorteile: Straffe Aufgabendurchführung mit klarem Anordnungsrecht und geregelter Verant-
wortung.
Nachteile: Langwierige Wege und Arbeitsverdichtung in den oberen Instanzen.
2.1.2. Funktionssystem. Jeder Mitarbeiter erhält von mehreren Funktionsmeistern (Spezialisten)
seine Weisung. Der Informationsaustausch auf gleicher Ebene ist möglich und erwünscht.
Vorteile: Große Beweglichkeit und Anpassungsfahigkeit.
Nachteile: Kompetenzüberschneidungen und mangelhafte Information der leitenden Stellen führen
zu Reibungen.
2.1.3. Stabliniensystem. Den leitenden Stellen werden zur Beratung Stabsstellen angegliedert. Im
Einzelfall können den Stabsstellen rur Spezialaufgaben auch zeitlich befristete Anordnungsbefug-
nisse erteilt werden.

2.2. Grundsätze der Organisationsgestaltung


Die betriebliche Organisation ist aufgrund der verschiedenartig zu erftil1enden Aufgaben, natur-
gemäß in jedem Betrieb anders. Man sollte jedoch bei der Analyse und Synthese einer Organisation
die nachfolgenden vier Grundsätze beachten:
1. Zweckmäßigkeit: Die Organisation muß dem Unternehmensziel entsprechen.
2. Wirtschaftlich: Mit möglichst geringem Aufwand eine hohe Wirtschaftlichkeit und Rentabilität
erreichen.
3. Gleichgewicht: Eine Organisation darf nicht zu starr sein, sie muß sich den jeweiligen Verhält-
nissen anpassen. Ebenso schädlich wie ein Zuviel an Organisation ist aber auch ein Zuwenig an
Organisation, das der Improvisation zu weiten Spielraum läßt.
4. Koordination: Durch das Abstimmen der Teilaufgaben ist eine möglichst störungsfreie Zusam-
menarbeit der Stellen eines Betriebes anzustreben.

982
11. Aufgaben der Betriebsabteilungen

11. Aufgaben der Betriebsabteilungen


1. Materialwirtschaft
Die Begriffe Beschaffung, Einkauf, Logistik und Materialwirtschaft kennzeichnen bestimmte Funk·
tionen im Organisationsplan eines Unternehmens.
Die Beschaffung als betriebliche Grundfunktion bedeutet: Versorgung des Unternehmens mit
Kostengütern. Das sind Roh·, Hilfs· und Betriebsstoffe, Teile, für den Absatz bestimmte Handels-
waren, Energien, Anlagegüter, Fremdleistungen, Kapital, Informationen und Rechte.
Der Einkauf umschließt alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, dem Unternehmen alle zur
Erftillung seiner Aufgaben benötigten, aber nicht selbst erzeugten Sachgüter, Energien und Lei-
stungen aus den Beschaffungsmärkten zu den wirtschaftlichsten Bedingungen verfügbar zu machen.
Zur Logistik gehören alle planenden, steuernden und durchflihrenden Tätigkeiten. Diese dienen
einer bedarfsgerechten, nach Art, Menge, Raum und Zeit abgestimmten Bereitstellung von Mate-
rialien und Erzeugnissen, zur Erfüllung der betrieblichen Produktions- und Absatzaufgaben.
Die Materialwirtschaft erftillt die Funktionen: Einkauf, Bevorratung, Bereitstellung und Ent-
sorgung aller zum Erreichen des Unternehmenszweckes notwendigen Güter, Leistungen und
Energien.

1.1. Betriebswirtschaftliche Bedeutung der Materialwirtschaft


Drei Kostenkategorien im Unternehmen werden durch die Materialwirtschaft bestimmt.
a) Materialkosten
Dies sind die Kosten für die Beschaffung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Halb- und Fertig-
fabrikaten einschließlich der Bezugskosten. Sie bilden in der verarbeitenden Industrie den größten
Kostenblock innerhalb der Materialwirtschaftskosten.
Der Ergebniseinfluß der Materialwirtschaft ist in einem Unternehmen umso größer, je höher der
Materialkostenanteil ist (Bild 11.1).

Umsatz

Materialaufwand
Ergebnis vor Liefer-
Zinsen u. Steuern bereitschaft

Flüssige Mittel

Debitoren

Lieferanten-
Anzahlungen
Nettoumlauf-
Gebundenes vermögen
Vorräte
Kapital
Anlagever-
mögen
Kreditoren

Kundenan-
zahlungen
Bild II.l. Rentabilitätseinflüsse

983
Betriebswi rtschaftslehre

b) Kapitalbindungskosten
Diese umfassen vor allem die Zinsen für das in den Beständen gebundene Kapital sowie Abschrei-
bungen für Wertberichtigungen auf Lagergüter, sowie Kosten der Lagerhaltung.
c) Gemeinkosten
Hierbei handelt es sich um KostensteIlenkosten aller Teilbereiche innerhalb der Materialwirtschaft
einschließlich Transportkosten und Verpackungsmittel, EDV-Kosten und Entsorgungskosten.

2. Absatz und Erzeugnislager


Die Absatzvorbereitung besteht aus Marktanalyse, Werbung, Statistik der Bestelleingänge und dem
Zusammenstellen des Fertigungsprogrammes unter Berücksichtigung kommender Aufträge.
Kundenabnahmeschwankungen sind durch Vorratsaufträge abzufangen (Bild 11.2) und Kunden-
Gemischtbestellungen sind in artgleiche Sammelaufträge zu wandeln (Bild 11.3). Eine rationelle
Erzeugung setzt eine gleichmäßig hohe Abnahme ohne Sonderwünsche voraus, mit Lieferterrninen,
die der normalen Betriebskapazität angepaßt sind.
Die Versandau[gaben sind: Erzeugnis-und Ersatzteillagerverwalten, sowie Verpackungs- und Rech-
nungsabteilung fUhren.

Kalenderzeit -
Bild 11.2. Bildung des Fabrikationsprogrammes

Bild 11.3. Bildung von Sammelaufträgen

3. Betriebliches Rechnungswesen
Die Hauptaufgabe des Rechnungswesens ist es, dem betrieblichen Zweck zu erfiillen und die ge-
setzlichen Bestimmungen einzuhalten. Dies erfolgt durch:
1. Chronologisches, sachlich gegliedertes und richtiges Erfassen aller werteverändernden betrieb-
lichen Vorgänge.
2. Periodisches Zusammenstellen der erfaßten Zahlen als Bilanz und/oder als Betriebsabrechnung.
Es werden hierbei die Bestände und Erfolge ermittelt, um die Wertbewegung und -veränderung
zu überwachen.
3. Bildung von Planungsgrundlagen (Kennzahlen). Sie dienen zur Preisbildung und -prüfung,
Kostenplanung und -überwachung sowie Wirtschaftlichkeits- und Investitionsrechnungen.
Um eine hohe Aussagefahigkeit und Vergleichbarkeit zu erreichen, muß die "Erfassung - Zuord-
nung - Weiterbildung - Auswertung" der Daten "genau - vollständig - einmalig - stetig - ein-
heitlich - übersichtlich - wirtschaftlich - nachweisbar" sein.
Bild 11.4 zeigt die Gliederung des betrieblichen Rechnungswesens und die Aufgaben der Betriebs-
buchhaltung.

984
11. Aufgaben der Betriebsabteilungen

Betriebliches
Rechnungswesen
I
~ 1
Ejn~n!:. ~df!!. Qe~häf~b.!:!...chh'!!..t'!!!fl !ie0.e!!..sbucJ!.~~'!fl
Sie erfaßt, prüft und verarbeitet die Sie erfaßt, prüft und verarbeit die
Wertebewegungen des Betriebes zur Außenwelt. Wertebewegungen aller innerbetrieblichen
Vorgänge.
Ergebnis: Bilanz Ergebnis: Betriebsabrechnung einschließlich
(siehe Buchungskreislauf - Bild 1/.5) Auswertung

J
I I I
Betriebsabrechnung als Periodenrechnung nach: Kosten träger- Kostenstatistik und
Kostenarten Kostenstellen Kosten träger rechnung Kostenplanung

Welche Wo Wo für Vor- und Nach- Kontrolle und Bildung


Kosten sind sind die Kosten sind die Kosten kalkulation und von Kenn- oder Plan-
angefallen? ange fallen? ange fallen? Selbstk osten- zahlen, Vergleichs-
ermittlung rechnungen

Bild II.4. Gliederung des betrieblichen Rechnungswesens

Gewinn-und Verlustrechnung

Geschlossener Buchungskreis
einer Periode (Jahr J ~ f lti:
Aufwand Ertrag
Liffle u. Gehalter Ausweispflichtiger
gesetzL soziale Hohertrag
Eröffl/lJngs - Bilanz (1.1.19.. ) Aufwendungen Ertrapeaus
Beteiligungen
Aktiva (Vermögen) Passiva (Kap/~a/) Abschreibungen
linsertrage
1. Ausstehende Einlagen ,_ Grundkapital Steuern
auf das Grundkapital Auflerordentliche
2.Rücklagen (offene) zur Siehe- ~ß:ewinr(~ Erträge
2.Anlagenvermögen rung u. Stiirkung des Eigenkapi-
Grundstücke u Gebäude.Be- tals(AG:It.Gesetz 5% v.Heingew} Summe = Summe
triebsmillel,Anla!l.en. Paten- 3. Wertberichtigungen Schlunstein (sa~':J~~ein!J
te,Lizenzen, Bete/ltgungen, zu Posten d. Anlagevermögens
Wertpapiere usw. !,.Rückstellungen für Verbind-
3. Umlaufvermögen 9 Abschlullkonten
liehkeiten ungewisser Höhe wie I
Ausgangsstoffe,halbfert/ge Pension, Garantieverpflichtungen... 8 Absatz-u.Er!ösko{J1en
u.fertigeErzeugnisse, For- 5. Verbindlichkeiten I
derungen,Wechsel,Scheck, aus:Anleihen,Hypotheken,An- Konten für Halb-u.
~
Bargeld,Bankgu/haben usw. zahlungen von Kunden usw. 7 Fert/~erzeug,msse
1,. Abgrenzungsposten 6.Abgrenzungsposten I
Haben 6 Herstellkonten
Summe = Summe ( S o/~ I
(zur Ifd Buchung auf Konten der Verrechnungskonten
Grundstein Klassen 0... 9 des Kontenrahmens ) I
Konten der Kostenarten

T
I
Grundlagen des
Betr.
0)-------(

Anlagen-und
r-----~2~----------(
Abgrenzungs-
r= Kostenstel/en
Kapitalkonten Finanzkonten konten Stoftkonten Kosten-
arten
B'MA B
I 1 I
Bild II.5. Buchungsperiode der Konto-Korrent-Buchftihrung

985
Betriebswirtschaftslehre
Aufgabe der Finanzbuchhaltung ist es, den Kapitaleinsatz so rentabel wie möglich zu gestalten. Sie
registriert deshalb laufend alle Geschäftsvorgänge, die Vermögens- und Kapitalveränderungen be-
wirken. Bild 11.5 zeigt den abgeschlossenen Buchungskreis eines Jahres. Er beginnt mit der Bilanz
zur laufenden Buchung (Konto-Korrent) und endet mit der Gewinn- und Verlustrechnung.
Bei der Eröffnung der laufenden Buchhaltungsperiode übergibt das Kapitalkonto das Vermögen
den verschiedenen Einzelkonten. Beim Abschluß sammelt es das Vermögen wieder ein und über-
nimmt gleichzeitig den Gewinn oder Verlust, der sich im Laufe des Jahres ergeben hat.
Der Betriebsbuchhaltung obliegt die Selbstkostenermittlung und Kostenüberwachung. Die Auf-
gaben sind je nach der Betrieb sart , Kostenstruktur oder erforderlichen Genauigkeitsgrad, mehr
oder weniger umfangreich.

4. Soziale Leitung und Personalwesen


Neben der Behandlung juristischer Fragen tritt die Pflege und Abstimmung der zwischenmensch-
lichen Beziehungen in den Vordergrund. Auf die Personalplanung, also auf Einstellungen und Ent-
lassungen, sowie den Lohneinstufungen wird von hier aus in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat
beratend eingewirkt.
Bezüglich Gehalts- und Lohnzahlung ist das Personalwesen selbst an die Finanzrechnung ange-
schlossen.

5. Arbeitsvorbereitung - AV (Fertigungsorganisation)
Um die Ziele eines Betriebes zu erreichen, muß die Fertigung entsprechend organisiert sein. Diese
Aufgabe übernimmt die Arbeitsvorbereitung (Fertigungsorganisation). Der Verband tUr Arbeits-
studien REFA e.V. defmiert: Die Fertigungsorganisation umfaßt die Datenermittlung und Gestal-
tung der Arbeitssysteme, die Material-, Informations-, Kapazitäts- und Ablaufplanung sowie das
Veranlassen, Überwachen und Sichern der Programm- und Auftragserfiillung. Ob die Arbeitsvor-
bereitung zu einer Stab- oder Linienstelle, mit den nachfolgenden Abteilungen wird, bleibt dem
jeweiligen Betrieb überlassen.
Die Fertigungsplanung umfaßt alle einmalig zu treffenden Maßnahmen, die beim Rationalisieren,
Neuentwickeln und Ändern notwendig werden und sich beziehen auf: das Gestalten der Erzeug-
nisse (Konstruktionsbüro mit Versuchswerkstatt), die Fertigungsvorbereitung (Arbeits-, Fristen-,
Transport- und Lagerplanung), das Planen und Gestalten sowie Herstellen oder Beschaffen und
Bereitstellen der nötigen Betriebsmittel und schließt mit der Freigabe der Fertigung ab.
Die Fertigungssteuerung umfaßt alle bei jedem Los oder bei der fließenden Fertigung periodisch
wiederkehrenden Maßnahmen, die zur Durchfiihrung der Aufträge im Sinne der Fertigungsplanung
notwendig werden. Dazu gehört:
Zeichnungen, Stücklisten und Auftragspapiere vervielfältigen und bereitstellen, Pläne tUr die Stoff-
beschaffung erstellen und die Stoffbereitstellung veranlassen, die Stoffbewegung bzw. den Arbeits-
durchlauf mittels Termin- und Belegungsplänen regeln und dabei Menge, Art und Güte der Erzeu-
gung sowie Termine, Zeiten und Kosten überwachen.

6. Werkstätten
Einzelteilwerkstätten und Montagen sollen nicht nur Geplantes verwirklichen, sondern auch mit-
helfen, bessere Wege zu fmden, denn am ,,grünen Tisch" sieht alles anders aus als in der Praxis.

986
111. Kosten- und Preisermittlung
7. Kontrollen
Die Wareneingangs- und die Fabrikationskontrolle sind fachlich der Qualitätssicherung zugeordnet,
somit der Unternehmensleitung. Mit zunehmender Vereinheitlichung internationaler, den Qualitäts-
begriff betreffende Normen, haben sich Inhalt und Ausmaß einzelner Begriffe sehr verändert. So
wird vom Qualitätsmanagement statt der bisher üblichen Qualitätssicherung gesprochen. Nach DIN
ISO 8402 ist das Qualitätsmanagement als übergeordneter Begriff der Qualitätssicherung zu verste-
hen. Zufrieden stellende Qualität als das erstrebenswerte Ziel einer rationalen Arbeit anzusehen, ist
eine Voraussetzung für jedes Unternehmen.

111. Kosten- und Preisermittlung


1. Zweck
Sowohl für künftige, als auch für ausgeführte Betriebsleistungen werden zur Festsetzung von
Preisen oder zur Bewertung von Leistungseinheiten Kostenkalkulationen durchgeführt. Sie dienen
zur Vorkalkulation oder zur Nachkalkulation.
Die Grundformel für eine Kostenkalkulation lautet:
Kosten ~ Kosten
Einheit ~ Einheiten
Voraussetzung ist: Die Einheiten sind einander gleich und erfordern jeweils den gleichen Ferti-
gungsaufwand, d.h. daß sich Kosten und produzierte Einheiten proportional zueinander verhalten.
Sind diese Bedingungen gegeben, dann kann mit der Divisionskalkulation gerechnet werden.
Kommen weitere abgewandelte Produkte zum Fertigungsprogramm hinzu, so wird die Propor-
tionalität gestört und die Grundformel ist nicht mehr anwendbar. Da der Grund für die Störung
bei den Einheiten zu suchen ist, wird zur Wiederherstellung der Proportionalität die Äquivalenz-
ziffer eingeftihrt und damit kalkuliert.
Treten weitere Störungen auf, wird das angewendete Kalkulationsschema immer so erweitert, bis
eine annehmbare Proportionalität wiederhergestellt ist.
Im Bild I1I.1 ist die Entwicklung als Systematik wiedergegeben.

Ver- Divisionskalkulation (meist ohne BAB) Zuschlagskalkulation (ein Bstriebsabrechnungsbogen ist erforderlich)
fahren einfache mit Aquivalenzzahlen normale mit Maschinen - Stunden - Sätzen

Rang A B C D ... Z
Rech- Kosten/Periode Kosten/Periode Kosten zerlegt in: Erweiterte Kostenzerlegung
k~
nung Menge/Periode k - Aquivalenzmenge/Periode MK + FK + VVGK ~ SK nach dem Verursacherprinzip

Produzierten Verschiedene Sorten einer Der unterschiedliche Mechanisierung oder Automatisierung


Sach· Einheiten (Stück) Erzeugnisart sind ähnlich, Kostenaufbau der Produkte der Fertigung, für Produkte mit unter-
lage können als gleich aber nicht mehr gleich. zwingt zur Kosten- schiedlichem Kostenaufbau, zwingt
gelten. zerlegung. zur weiteren Kostenzerlegung.

Oie Kosten ver- Oie gestörte Proportionalität Zerlegt man die Selbst- Unterschiedlich kapitalintensive
Erklä- halten sich zu den wird durch Aquivalenzzahlen kosten {SK) in Material- Betriebsmittel machen es erforderlich,
rung produzierten Ein- ausgeglichen. kosten (MK), Fenigungs- daß wesentliche Kosten wie:
und heiten propor- kosten (FK) und Ver· Maschinen-, Werkzeug-, Vorrichtungs-
Bemer- tional. waltungs- und Vertriebs- und sonstige Kosten, aus den Ferti-
kungen gemeinkosten (VVGK), gungsgemeinkosten soweit herausge-
so wird gruppenweise die nommen werden, daß die verbleiben-
nötige Proportionalität den Resrgemeinkosten (RGK) .;;; 300 %
wieder hergestellt. der Fertigungslohnkosten (FLK) sind.

Bild III.l. Kalkulationsverfahren - in Rangordnung des nötigen Berechnungsaufwandes

987
Betriebswi rtschaftslehre

Anwendungsbeispiele (Bild m.l)

A. Einfache Divisionskalkulation
A.l. Divisionskalkulation als Gesamtkalkulation
(oft ohne besonderen Betriebsabrechnungsbogen - BAB)
Fallbeschreibungen:
a) In einem Betrieb wird nur ein Erzeugnis in M Mengeneinheiten (ME = hl, kg, Stunden usw.) je
Periode (Periode = Monat, Quartal, Jahr) hergestellt.

Hierbei entstehen K = P D.Md Kosten.


eno e
Es sind dann die

K ~
K M
Kosten je ME: k = M "" k Plankosten je ME
DM DM ME
ME Periode Periode

Anmerkung: Weil bei einer Division oft lange oder unendliche Dezimalzahlen entstehen, und die
Berechnung von Monat zu Monat zwar ähnliche, aber doch andere Werte ergibt, rechnet man bei
der Anwendung mit gerundeten durchschnittlichen Kosten. Diese nennt man, wenn es zur Unter-
scheidung nötig ist, auch Plankosten. Die Kostensymbole werden als Plankosten mit dem Kopf-
zeichen ~ (sprich: "Tilde" oder "Plan") versehen.

b) In einer Brauerei werden M = 15000 Mhl t Bier gebraut. Hierbei fallen K = 1 200000 MDM
Kost en an. ona onat

Es sind damit die

1200 000 DM
Kosten je ME: k=K = Monat =8000 DM =080 DM
M 15 000~ , hl ' 1
Monat

Die Kosten rur eine Flasche Bier mit V = 0,5 - F1 hl Inhalt sind also:
asc e
1 DM DM
Kosten je Flasche: kFI = V' k = 0,5 - Fh l ' 0,80 -1- = 0,40 - Fhl
asc e asc e

c) In einer Gießerei werden ähnliche Gußstücke mit etwa gleichem Schwierigkeitsgrad gegossen.

Dabei sind beim Gießen vonM= 100000 Mkg ,K = 210000 MDM Kosten angefallen.
onat onat
Es sind also die

210 000 DM
Kosten je ME: k = K = Monat = 2 10 DM
M l00000~ , kg
Monat

Die Kosten für ein Gußstück mit G = 5 S~gk


tuc
Gewicht sind demnach:

kg DM DM
Kosten je Gußteil: k G = G' k = 5 Stück' 2,10 kg = 10,50 StUck

988
111. Kosten- und Preisermittlung
A.2. Divisionskalkulation als Teil einer Kalkulation
(z.B. bei der Stundensatzermittlung)
In den Betrieben wird mit zwei verschiedenen Zeitarten gerechnet:
Lohnarbeit mit IST-Zeiten (Ti), also mit Stunden (h) oder Minuten (min), die der Uhrzeit ent-
sprechen.
Akkordarbeit mit SOLL-Zeiten (1), d.h. mit Vorgabestunden (Vh) oder Vorgabeminuten (YM),
zu denen dann periodisch der
. ~T Vorgabezeit je Periode Vh .
Zeltgrad Z = ~'1' = b h Ze·· P . dca. 1,2 ... 1,25 -h = 120 ... 125 % errechnet WIrd.
~~ i ver rauc te It Je eno e
Bei einschichtiger Arbeit ergibt sich damit eine durchschnittliche monatliche Beschäftigung, der
sogenannten Planbeschä[tigung von
- YM Vh h Tage
MR;12000-
Mona t = 2 0 0 -t=160 ... 1 7
Mona M0 -t=20 ... 2M
1 -t
ona ona
Fallbeschreibungen:
In dem Betrieb, fur den der im Bild 1II.4 aufgezeigte Betriebsabrechnungsbogen (BAB) geführt
wurde, werden verschiedene Kostensätze durch Division ermittelt. Gegeben sind die Kosten fUr
Maschine oder Arbeitsplatz (KM), die Fertigungskosten (Fk), die Menge (M) und die Vorgabe-
stunden (Vh). Man ermi ttelt die:
Kostenje Vhjrir Maschine oder Arbeitsplatz:

KM m. DM
Mona-t
-
kM = . Vh R; kM (Plankosten je Vh)
Mm--
Monat
Fertigungskosten je Vh:

D'K.I nDM
r. --
Fk = . M:at R; ik (Fertigungsplankosten je Vh)
Mm Mona-t
Ein Auszug aus dem Betriebsabrechnungsbogen (Bild III.4), ist mit Ergänzungen, als Beispiel der
Stundensatzberechnung, in Bild III.2 wiedergegeben.

a) Die durch Division ermittelten Stundensätze werden dann wie folgt in der Auftragskalkulation
verwendet:
Die Fertigungskosten (FK) rur einen Auftrag, der M = T = 6 AVhft Montagearbeitszeit erfor-
u rag
dert, sind in der "Schlosserei und Montage"

- DM Vh DM
FK = Fk· T = 25,00 Vh ·6 Auftrag = 150,00 Auftriig

Die Maschinenkosten (KM) fUr den gleichen Auftrag, der M = T = 10 A ';; Maschinenarbeits-
zeit in der "Mechanischen Werkstatt" erfordert, sind u rag

- DM Vh DM
KM = kM· T = 12,00 Vh . 10 Auftrag = 120,00 Auftriig

989
Betriebswi rtschaftslehre
b) In gleicher Weise wie in Bild III.2 lassen sich die Kosten je Vh für Werkzeuge und Vorrichtungen
(kWV) des in Bild IIIA dargestellten Betriebsabrechnungsbogens (Zeile 1.5) für die Kostenstellen
"Mechanische Werkstatt" und "Schlosserei und Montage" berechnen.
Mechanische Werkstatt:
1590 DM
kWV=KWV= Monat =0312 DM ~031 DM =kWV(Plankosten)
M 51OO~ , Vh ' Vh
Monat
Schlosserei und Montage:
7760 DM
KWV Monat DM DM-
kWV = - - = = 0,521 Vh ~ 0,52 Vh = kWV (Plankosten)
M 14900~
Monat

c) Die Kosten je Monat für die "Arbeitsvorbereitung" (KVA = 20000 :a~t ) werden fiir die bei-
den Kostenstellen "Mechanische Werkstatt" sowie "Schlosserei und Montage" einheitlich auf
die Summe der Vorgabe stunden ( "EM = 5 100 + 14900 = 20000 MVh t) umgelegt. Es ergeben
sich durch Division dann die ona
Kosten je Vh für die Arbeitsvorbereitung:

20000 DM
kAV= KAV = Monat = 1,00 DM ~ kVA (Plankosten)
"EM 20oo0~ Vh
Monat
Vh DM DM
Mechanische Werkstatt: KA V = M· kA V = 5100 Monat . 1,00 Vh = 5 I 00 ~

Vh DM DM
Schlosserei und Montage: KA V = M· kA V = 14900 Monat ·1,00 Vh = 14900 Monat

B. Divisionskalkulation mit A'quivalenzzahlen


In einer Abfiillanlage wurden in drei verschieden große Flaschen (oder Sorten) Getränke abgefüllt.
Hierbei entstanden 20000 MDM t an Kosten. Die Aufteilung dieser Kosten soll nach dem Verur-
ona
sacherprinzip erfolgen. Es sollen nicht die Flascheninhalte, sondern die durch eine Zeitaufnahme
ermittelten Abfüllzeiten fiir die Anlagennutzung, als Wertgröße (WG) verwendet werden.
Im Bild 11.8 sind zunächst im oberen Tabellenteil die technischen Daten zusammengefaßt, im unte-
ren Tabellenteil wird dann gezeigt, wie nach dem Eintragen der monatlichen Kosten (K) und nach
dem übertragen der erzeugten Mengen (M) sowie der gewählten Wertgröße (WG), die Kostenauf-
teilung schrittweise erreicht und kontrolliert wird.
Bei der Kostenzerlegung wird in folgenden Schritten vorgegangen:
1. Schritt: Äquivalenzzahl ermitteln.
Äquivalenzzahl (AZ) Wertgröße (WG) Bezugsgröße (BG)
A·z= WG Äquivalenzeinheit (AE) Werteinheit (WE) Werteinheit (WE)
BG
Herstelleinheit (HE) Herstelleinheit (HE) Äquivalenzeinheit (ÄE)
Dabei ist die Bezugsgröße (BG) so zu wählen, daß möglichst einfache Äquivalenzzahlen (AZ) ent-
stehen.

990
111. Kosten- und Preisermittlung

2. Schritt: Äquivalenzmenge ennitteln und addieren.


Äquivalenzmenge (AM) erzeugte Menge (M) Äquivalenzzahl (ÄZ)
ÄM = M . ÄZ Äquivalenzeinheiten (ÄE) Herstellmenge (HE) Äquivalenzeinheit (ÄE)
Periode Periode Herstelleinheit (HE)
3. Schritt: Kosten je Äquivalenzeinheit und Herstelleinheit errechnen.
.. K
Kosten je AE-kÄ =AM kÄ K ke
DM DM DM
Kosten je HE - k e =ÄZ· kÄ
ÄE Periode HE
Damit ist in vielen Fällen schon das Ziel der Rechnung erreicht. Man muß nur noch kontrollieren
und evtl. Fehler, die durch das Runden entstehen, ausgleichen.
4. Schritt: Kosten je Periode und Sorte (K 1... K 3) zwecks Kontrolle und Rundungsfehlerausgleich
nach zwei Möglichkeiten ermitteln.
Es müssen gleich sein: K 1 ... 3 = MI ... 3· ke 1 ... 3 und K 1 ... 3 =ÄM1 •.. 3· kÄl ... 3
Ein Rundungsfehlerausgleich wird meist dann notwendig, wenn die Äquivalenzzahlen (Ä·Z) undl
oder die Kosten je Äquivalenzeinheit (kÄ) gerundete Zahlen sind. Im Beispiel (Bild III.3) entfallt
dieser Vorgang.

c ... Z. Normale und erweiterte Zuschlagskalkulation


Die im Bild 111.5 als Ergänzung zu Bild III.1 aufgeführte Kostengliederung erfordert:
• bei der normalen Zuschlagskalkulation die Ermittlung der Gemeinkostensätze g für den Material-
bereich gM , den Eertigungsbereichg F sowie den yerwaltungs- und yertriebsbereich gvv.
• bei der erweiterten Zuschlagskalkulation die Berechnung der Kostensätze, also die Kosten je
Mengeneinheit k, wie z.B. die Stundensätze fur Maschine oder Platz kM, ~erkzeuge und Yor-
richtungen kWV und evtl. auch fur die &rbeitsyorbereitung kA V. Weiterhin die Ermittlung der
Gemeinkostensätze g für die Restgemeinkosten zum Fertigungsbereichg RFGK sowie die weitere
Aufgliederung des Verwaltungs- und Vertriebsbereiches in den yel1Yaltungsbereich gvw und
Vertriebsbereich gVt.
Weil die Gemeinkosten (GK), im Gegensatz zu den Einzelkosten (EK), nur in größeren Zeiträumen
(Periode = Monat, Quartal, Jahr) korrekt erfaßt und überwacht werden können, ist die periodische
Aufstellung eines ~etriebs-Abrechnungs-~ogen (BAB) erforderlich. Der Betriebsabrechnungsbogen
wird zwar überwiegend nach den "Zahlen der Buchhaltung" aufgestellt, unterliegt aber nicht den
finanzamtlichen Vorschriften der Steuerbemessung, die bei der Bilanz zu beachten sind. Er dient
als innerbetrieblicher Rechenschaftsbericht in erster Linie zur Erforschung des Kostenverhaltens.
Das im Bild 1II.4 gezeigte BAB-Modell, hat folgende Spalten und Zeilen:
Spalten fur die Kostenbereiche (AH-BELA), mit den vorhandenen KostensteIlen (a ... h):
® Allgemeiner Bereich, zur Umlage der Kosten auf alle übrigen
a) Bereiche wie Grundstück und Gebäude (GG), Versorgungsanlagen fur Strom, Gas, Preßluft,
Wasser und Heizung sowie soziale, sanitäre und sicherheitstechnische Einrichtungen.
® Hilfsbereiche der Fertigung, zur Kostenumlage auf den Fertigungsbereich (F1 und F2).
b) Werkserhaltung (WE) mit Werkzeugausgaben usw. sowie
c) Arbeitsvorbereitung (A V) mit Arbeitsstudium, Fertigungsplanung und -steuerung.
® Beschaffungs- oder Materialbereich (M)
d) Einkauf, Eingangsprüfung, Lagerung und Bereitstellung des Materials.

991
Betriebswirtschaftslehre

® Erzeugungs- oder Fertigungsbereich (F1 und F2)


e) Mechanische Werkstatt (Fl) oder Dreherei, Fräserei, Stanzerei usw. sowie
f) Schlosserei (Tischlerei, Klempnerei usw.) und Montageabteilungen (F2).
CD Leitung des Unternehmens mit Verwaltungsbereich (Vw)
g) Finanzplanung, Personalwesen und allgemeine Verwaltung einschließlich Buchhaltungen.
@ Absatz- oder Vertriebsbereich (Vt)
h) Marktforschung und Werbung, Vertreternetz, Fertiglager und Versand der Erzeugnisse.
Zeilen für die Gruppen 1 ... 3 der Kostenarten und der unter 4. aufgefiihrten Auswertung.
CD Grund-Gemein-Kosten (GGK =,,KREIS")
Eine Abgrenzung ist nur für die "erweiterte Zuschlagskalkulation" erforderlich. Es wird eine
getrennte Berechnung der .Kosten für Maschine oder Platz KM vorgenommen, die im Bedarfs-
fall auch auf die .Kosten für ~erkzeuge KW und/oder VorrichtungenKVbzw. KWV, sowie auf
die Kosten der Arbeitsyorbereitung KA V, ausgedehnt werden kann, die aber dann den Grund-
gemeinkosten zugeschlagen werden müßten. Im Fertigungsbereich wird der wirkliche, also der
Real- oder Ist-Verbrauch (~l = GGK) dem Plan- oder Soll-Verbrauch ~l =M· k) gegenüber-
gestellt und die Soll-Ist-Abweichung als ± Kostenübertrag den Restgemeinkosten zugeschlagen.
Der Soll-Verbrauch ist das Ergebnis der vom Lohnbüro festgestellten Zeit (Menge) M in Stun-
den, multipliziert mit den, entweder über die KostensteIlenrechnung ermittelten, oder auch
frei kalkulierten Stundensätzen k in DM/Stunde.

1.1.@apitalkosten sind Annuitäten (Jahreskosten) für die Abschreibung und Verzinsung des An-
lagenkapitals. Die Abschreibung bezieht sich auf die technische Veralterung und den Ver-
schleiß. Sie ist im BAB eine Rücklage für die Erneuerung der Anlagen, um sie nach der jeweils
abgelaufenen Lebensdauer in Jahren L, wiederbeschaffen zu können. Der Wiederbeschaffungs-
wert W, der jährlich neu zu berechnen ist, dient dabei als Grundlage.
1.2. @aumkosten-Umlage oder Miete für Grundstücke und Gebäude, unter Einschluß der dazuge-
gehörigen Nebenkosten für Dienstleistungen von Pförtner, Werkschutz, Feuerwehr, Gärtner
usw. sowie der sanitären Einrichtungen, Kantine, Treppenhäuser, Fahrstühle, Parkplätze usw.
Als Umlagebasis sollte dabei die vorhandene Menge M in m 1 der Fläche bzw. des Raumes für
Büro-, Lager- und Fabrikationsräume dienen. Der Raumkostensatz im Betriebsabrechnungs-
bogen (Bild 1II.4) wurde zur Kostenaufteilung wie folgt berechnet:
Raumkosten 14000 DM
KR Monat
Raum-Kostensatz kR =- =----===---_=_ ___ M_o-;na;-t = 7 00 DM
M Menge des Raumes in m2 2000 m 2 ' m2 • Monat

Weil zu einem Raum (Büro-, Lager- oder Fabrikationsraum) jeweils ein anderer Kostensatz
gehört, ist es manchmal sinnvoll, die Berechnung der Raumkosten-Umlage über die !quivalent-
m 2 -Menge (AM in Äm 2 ) mittels geschätzter Äquivalenzzahlen (A·Z) vorzunehmen, so wie es
in Bild 111.6 gezeigt wird.
1.3.@nergiekosten für Strom, Kohle, Gas, Preßluft usw. Hierbei sind die verschiedenen Vertrags-
abschlüsse (Nachtstrom usw.) zu beachten. Bei Eigenerzeugung ist eine besondere Kostenstelle
zu bilden, deren Kosten nach einem Verbraucherschlüssel umzulegen sind.
1.4.C!>zstandhaltekosten-Umlage. Sie wird nach Auftragsbelegen vorgenommen und zwar für die
Pflege, die Reparatur und die oft nötige Anpassung der Anlagen an den technischen Fort-
schritt. Für die Erledigung dieser Arbeiten wird entweder eine eigene Betriebsabteilung (Werks-
erhaltung) oder eine fremde Firma beauftragt.

992
Zeile T- , = GG K T-K = FK Umlagebasis Kosten für Maschine oder Arbeitsplatz (KM) Fertigungskosten (FK)
Bemerkung
DM DM Ober- oder DM DM Ober- oder
und Rech- IST-Kosten IST-Kosten Vorgabezeit Stundensätze Vh Plankosten Monat Stundensätze Vh Plankosten Monat
Unterdeckung Unterdeckung
nung DM _ Vh KM _
FK DM ';K DM FK - DM
KM--=K M=T-- kM=M~kM KM=kM·M Fk=M~Fk FK=Fk·M
I Kostenstelle Monat Monat Monst Monat Monat

8. Mechanische WerkstBtt I 60600 185900 5100 1/,88 ~ 12,00 61200 +600 36,45 ~ 36,50 186150 +250
f. Schlosserei und Montage I 59760 372100 14900 4,01 ~ 4,00 59600 - 160 24,97 ~ 25,00 372500 +400

Bild lJI.2, Auszug aus dem BAB (Bild I1IA) mit Ergänzungen Hir die Stundensatzberechnung

FI.""h.ngräß, oder Sorton·Nr. (0 Wird als Indtlx lIerwtlndBt:


® 0
FI.,chfm FIIIICh,n Flißch'n
Toch· AbfüllmlHlflO " M " (FllISChen j. Monet) M, - 200 000 Mon.t M.rkttlbhiinf/;g. "erzeugte M.nge "
M2 - 180000 Mon., M3 - 100000 Monet
nlschll
Oll'ttn Ut.r Litrlr L i ter
F,..ch.nlnh.'t" V " (Liter ~ FIesehe) V I - 0,33 FllISCh, V2 - 0,50 A;;;i; p,.lswirkum. Gräßo
V3 - 1,0 FIB"'he

Minuttln Minuten Minuten


Abfiil/z,iten " t, " (Minuten;' FI,sche) t. t · 0.04 FIMChfl Kostenwirkum. ,Iso " W,ngrlJßo "
'.2 - 0,05 Flaehe t.3 - O~08 Flach"
; ;
I . Schritt: AZ 1 2 . Schritt: AM 1 2
3. Schritt: k, 1 4. Schritt: Kotten K .tmirtrlln und Rundung.fehIBfBUSf/I.iehen
WG I BG = AZ M ;
AZ AM AZ kA = k. M k, = K oder AM kA K
~ WIII'rr- Bezugs· Aqu;~1l18nz· ~rz.ugre MIIßgtI Aqui.,lIlfmzmenge
-
~ Aqu;v". Aquiv.- Kosten Kostln IIrzllUgte M,nge KOlten Kosten A4u;v",nzm,ngtl Kasten Kmtff)
größ. gr6ßo zoh! Periode I,nzza/fl Periode IlInzzllhl AE"" HE Period. HE Pt"iod. Period, AE P.riod.
t
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t. HE AE HE P.,iod, HE p'rlod. HE AE HE Periode HE ~riod, Periode AE Periode
I 0.04 0,8 200000 0.8 160000 0,8 0,032 200000 0.032 6400 160000 6400
2 0.06 0.05 1.0 180000 1,0 180000 1,0
r---
0,040 180000 0,04() 7200 180000 0,04 7200
1
3 0.08 1,6 100000 1.6 160000 1,6 0.064 100 000 0. 064 6400 160000 6400

® DM
Kosten K - 20 000 Period. ( geteilt )
durch
l:AM 5()(jooo j kA
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- 0,04
DM
AE
SUmm. ® - 20000 - Summ. ® - J 20000

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W Bild IlI.3. Technische Daten und die Zerlegung der Kosten je Periode oder Monat mittels Äquivalenzzahlen
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1400 700 2100 4200 4200 700 100
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2.4. (§j.hi /r." GK-Löhntl und Lohnn.Mnkotrtn 1.. 3880
.,f '6399 ~ '5950 8501 54199 '304'3 33903 22593
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2.6 . @IIU;'bI- und BÜrom.~,i-' "tw. ) 200 i 9342 ' 050 290 14010 17040 3000 3510
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1:G • 1:, .,. 1:2 · geSMn@ a.mllin-KOIl#fl IGK) ~ 223100 '23340 40580
l. ~ \... ~ 12000 8 '34900 @
- - FK ((J)
[Q) ~I ..d" . MIJr.ria/.Einu/.K _I .. _ +/"'. Fllrt;gungs·LohnTK _ ... + h " • H"ntl'lJkolntn 250000 51000 '49000 BiOroö~ 820000' e
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~,., 0 l:G/@ 0 4,8 ~ (MEK) 264.5 ~ (FLK) 149.7'" (FLK) 15,O~ (HK) 4.9~ (HK)
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4 . ' . G~".,.jflktnNt1 ·Slu. B.zugskMfM J 4. '.2. I , (k"kul.torilCh ~fllndttttJ iM - s", (MEK) 'in - 265'" (FLK) in 0 15() ~ (FLK) ivw . 75" (HK) 'iv, 0 5,.. (HK)

KOlrwt 4.2. 1. K.lkul.tqri$C.h" Kon.n(dfICkungJ K -(!TII. @ - 12500 135 15() 223500 123000 41000
4.2.
v.fgl.ich 4.2.2. Abw.khung: (+) O/Jluddung. (-J u",.td«:kung t- + ,130DM/Mon. +5()0 + 250 +400 - 340 + 420
ZuJlulich. 4.3. 1. R•• r-Ftlrtigungr-Gtlm.,nkcnm",.,z - gRFGK · RFGK/ FLK .. iRFGK ~ 1,445 " 145. 1,091 .. 110'" 4.3.3 I gVV - VVGK / HK
4.3 .
Au.......rrun' 4.3.2. F~nJgungJkOftlln ' fStundlm ,jS.u - kF - FKI M ,. kF DM/Mon. 36,45 .. 36.50 24.91 - 25,00 ivv " 20,.. (HK)
4.4. Auf.nl/ung th, Z,lu~mkOltrm im K.lkul.tiMrschMn. G~/nn· adtlr V,rlu,rtmn/rdc""
Nr. s.o. Z,JI. KOrt.nb.~lch. Mf Ko.t:rm.rrwn DM/ Mon. DM/Mon. W,.npOliten DM/Mon.
3 M.t.ri."inz"IIcostrm MEK 250000
I d l:3 M,r.,.i,JlcOJt8't1 MK
t;" "".mi.fgerNinkosrt'n MGK 12000 262000 Erl6, othr En~ E 1200000
3 F.nigungskOlrtJfI FK F.,rigungllohnlcasntn "LI( 51000
l:3 {MflCh~nflCh" Wilrk.t.ttl
• ~ F.rtJgungl~m.lnko.r.n FGK 134 900 185900 - 5Mb,dto.ttn SI( 983920
11
, 3 F.rf;gu~ko,"n FK hrrigungsJohnkosrf'n "LK 149000
l:3 (SchIOsM,*i + Monml/fl)
~ F,nJvun"",m,fnko,r.n FGI( 223100 312 100 - Gl'Wlnn od.r V.rlu,t t G' +216080
111 g/h 3 H""r.flkosr.n HK - MK + FK(.I + FK (tl - 820000
tt • E M.hnwtur.u.t - 132000 Mt dM FlnM'lzMnt
.1,
IV g/h l:3 +- V.rw.Jtuflf/S" und V.rtt;.t,,-G.m.'nlcOl'c .n VVGK 163920
.bgoliihn
V g/h 6/1 - S.Ib,t:kentrm SI< - HK + VVGK - 983920

4.5 . o.r BAB Im SY'N'ffl d.r K.Jlwl.rion"rc.n

("'riod.n) Kosren ® od" ZeitQ) (Vorhor)


~ ~
Zeitraum Er.e 0, Budgft T Netz· o . Frl$t.npl.n Vorkalkulation
Z VK "",n.r.tr."d wirr! di. V"kniipfung d~r KOJmn·
(Zuschf.,. Imnirt.ln DA8 I (Sch'r,un. RKhn.,,~ V,~/lIkh.,,) tJd.r Z./rk"kul.r'on,.rt~n d."PtIr,lfr. InrHIm.lb
0 , K.Jk.·8R" bilcUn) V. rt"'".11
ihr, dir Bllrrllb.s-Abrechnun~ - BAB .in.
v.". ZKNK - Z.It'-1m-KOI~n-NKhk~kul"ion f.u.
(Lo, o. Objo/<,.) .A(I~OI 1/ ,...-1'.4 1-1fI:/~ItI~tu"i. '''chh.r)
Auftrags- J(ofiM·/(ontroII-R«hg, I Z.iNCo;;'roll. Rchfl. Nachka(kulation
A H
(Anw.ndungl K06~n.tudill Z. ltsrudl. (/(o"rlO#. u. U"c.tl.gtIIJ sch.ff.,,)
I
Bild 111.4. Modell eines Betriebs-Abreehnungs-Bogens (BAB) mit seiner Darstellung im System der KalkulationsarIen

(0
(0
U1
<0
<0 OJ
a>
~
.
CD'
C-
'"~
ä'
Cl
::r
Kostenarten der Auftragskalkulation 11, b, ... I, 11, ... Weitere wahlweise Aufgliederung dar Kosten 11, b, ... I, 11, .. • III

I Materilll·Kosten /I Fartigungs-KosttJn a-m


11) Mllterial-Einzel-Kosten (Bezugskosten) MEK a) Fertigungs-Lohn·K osten (Bezugskosten ) FLK ::r
b) Material·Gemein·K osten - 9M ' MEK = MGK 1 b) Kosten für Maschine odar PlalZ KM eil
c) Kosten für Warkzeuge KW
/I Fertigungs-K ostan }I (KWV)! {
d) Kosten für Vorrichtungen KV
a) Fertigungs-Lohn·Kosten (Bezugskosten) FLK a) Kosten für Arbeits· Vorberei tung KAV
b) Fertigungs-Gemein·Kosten =9F ' FLK - FGK cb- f) Rest-Fertigungs·Gemein·Kosten 2..
111 Herstell-Kosten (Bezugsk osten f. VVGK) HK - 9RFGK ' FLK - RFGK 1c1Ll
IV Verwaltungs- und Vertriebs·Gemain· VI Verwaltungs- und Vertriebs- I
Kosten - gVV ' HK - lm!I - Gemein·Kosten I
V Sondar-Einzelkosten a) Verwaltungs·Gemein -K osten - 9Vw . HK - VwGK
11) b) Vertriebs' Gemein-Kosten - gVt ' HK - VtGK
Sonder-Einzelkosten der Fertigung SEF I~
b) Sonder-Elnzelkosten der Herstellung SEH Anm.: Die VwGK können evr/. euch auf die FK bezogen werden!
c) Sonder-Elnzelkosten des Vertriebes SEV ~ .... D ie Sonder-Einzelkosten (SE) _rdan als Selbsdcosren bartlChnet für:
VI Selbst·K osttJn (Bezugskosten f. Gewinn) SK a) Fertigung: Spezia/vorrichtungen, ·werkzeuge U$W.
VII ka/ku/at. Gewinnzusch/ag = gz - SK = G b) Herstellung: zusiirz/. Entwicklung, Neukonstrukrion
VIII c) Vertrieb: Verpackung, ZustellgebührfJn usw.
Erlös oder Nettopreis E
/X Mehrwertsteuer =" l1!i E = 11 Die Mehrwertsteuer (" l1!i E) wird nur vom Verbreucher bezahlt. In allen
rB!I Zwischenstationen liegt die WarfJ zum Nettopreis auf L8fI8r, denn dia
X Verbrllucherprais (Angebotspreis) P
Mehrwertsteuer wird hier m i t dem Finanzamt zurückverrfJchnet.
-
Sorte ,;, Raumkosten über M (m 2 ) Berechnung der AM Raumkosten über AM (Am 2 ) kRa-h =
Spalte, Kostenstelle Ma-h kR = KRa-h Ma-h . AZ = AMa_h AMa-h . kRA = KRe-h 6,25· AZ

b Werkserhaltung 200 1400 200 1,15 230 230 1437,50 7,1875


c Arbeitsvorbereiwng 100 700 100 1,00 100 100 625,00 6,25
.1 Büroräume { 80 1,00 80 80 500 } 6,25
d Beschaffung I .. 300 2100 1600,00
Lagerraume 220 0,80 176 176 1100 5,00
e Mechenische Werkstett 600 4200 600 1,25 750 750 .~ 4687,50 7,81
f Schlosserei und Montage 600 8 4200 600 1,20 720 720 4500,00 7,50
g Verwalwng, Büroräume 100 700 100 1,00 100 100 625,00 6,25
IBüroräume 20 1,00 20 20 125 } 6,25
h Vertrieb
I Lagerräume 100 700 { 80 0,80 64 64
'7; 400
525,00
5,00
a :E aller Gebäuderäume 2000 14000 2000 (1,12) 2240 2240 14000,00 7,00

Raum·K ostensatz der KR Raum-Kosten/Mon. 14000 DM/Mon. wirksamer


= AM= Aquivalenzmenge = = B6,25 DM
Aquivalenzmenge 2240Am 2 Am2 . Mon. Kostensatz ~
--_.-
8 ~
Bild III.6. Berechnung der Raumkostenumlage über "M" und "AM" in Gegenüberstellung ~ .
C
::::I
c..
"1:1
...
CD
üö·
CD
...
3
<0
a
c
<0 i
-...J
Betriebswirtschaftslehre

1.5.@onstige Kosten für universelle ~erkzeuge und Vorrichtungen (KWV), die auch getrennt er-
faßt und kalkuliert werden können. Die Kosten für spezielle Werkzeuge und Vorrichtungen
werden meist als ~onder-!~:inzelkosten der fertigung (SEF) in Rechnung gesetzt.
kl = Summe der Grundgemeinkosten als Ist-Verbrauch. Wird die Summe der Grundgemeinkosten,
wie in BAB (Bild IIIA) getrennt ermittelt, so wird sie gegenübergestellt und verglichen mit der
k 1 = Summe des Plan- oder Soll- Verbrauchs der FertigungskostensteIlen Fl und F2.
CD Rest-Gemein-Kosten (RGK =..SARG-AB'j
Dies sind alle noch nicht erfaßten Gemeinkosten, die für die Ermittlung der gesamten Gemein-
kosten, den Kostenstel1en noch zugeschlagen werden müssen. Mit ihnen können die Best-
fertigungs-Qemein-Kostensätze gRFGKI und gRFGK2 in Spalte e und f ermittelt werden.
2.1.@01l-Ist-Abweichung als ± Kostenübertrag, die durch Methoden- oder Beschäftigungsgrad-
änderung, durch Runden und Durchschnittswertbildung und auch durch Fehleinschätzung,
entsteht.
2.2. (J)rbeits- Vorbereitungs-Kosten (KA V), die als Umlage für die Kosten der technischen Leitung,
mit der Planung und Steuerung der Arbeit, auf die Summe der Fertigungsstunden (M = T in
Vh/Monat) bezogen werden.
2.3.@isiko fiir Betriebsleistungen. also für Planung, Beschaffung, Erzeugung und Vertrieb. Erfaßt
werden sollen die angefallenen "Mehrkosten" für falschen Einkauf, Fehler der Arbeitsvorbe-
. reitung, Ausschuß und Nacharbeit im Betrieb, Garantieleistungen, nicht absetzbare Erzeug-
nisse, nicht oder nur teilweise zalIlende Kunden usw.
2.4.@ehälter, Gemeinkostenlähne und Lohnnebenkosten, die meist;;;' 50 % der Löhne und Ge-
hälter sind. Sie setzen sich zusammen aus den Arbeitgeberbeiträgen für Renten- und Arbeits-
losenversicherung, Krankenkasse und Berufsgenossenschaft mit der Unfall- und Ausgleichs-
kasse, Urlaubs-, Feiertags- und Weihnachtsgelder (13. Monatsgehalt), Überstundenzuschläge,
Kantinen- und Fortbildungszuschüsse usw.
2.5. @usgaben für Steuern, Reisen, Telefon, Beiträge für Berufsverbände und Vereine, Werbung,
Vertreternetz, Verpackung und Zustellgebühren. Verpackung und Zustellgebühren werden
häufig als ~onder-~inzelkosten des Yertriebes (SEV) gesondert berechnet.
2.6.@etriebs- und Büromaterial einschließlich der sofort abschreibbaren Ausstattungen.
k2 = Summe der Rest-Gemein-Kosten (RGK) für die evtl. Berechnung der Best-fertigungs-
Qemein-Kosten gRFGKl und gRFGK2 der FertigungskostensteIlen Fl und F2 in Spalte e und
f. Diese Gemeinkostensätze werden nur in der erweiterten Zuschlagskalkulation benötigt.
kG = k 1 + k2 = Gesamte Gemein-Kosten (GK) , als Umlagesumme in den Spalten a ... c, sowie
zur Berechnung der Gemeinkostensätze in den Spalten d ... h.
CD Bezugs-Kosten (BK). Das sind die Kosten, auf die die Gemeinkosten in den Spalten d ... h be-
zogen werden. Im einzelnen sind es die
• Materialeinzelkosten (MEK - Spalte d) = Summe der von der Materialbuchhaltung, durch
Addition der bewerteten Materialentnahmescheine, ermittelten Kosten.
• Fertigungslohnkosten (FLK - Spalte e und t) = Summe der Kosten, die von der Lohnbuch-
haltung, durch Addition der laut Lohn- und Akkordscheine angefallenen Fertigungslohn-
kosten, ermittelt werden.
• Herstellkosten (HK - Spalte g und h) =Materialkosten (Materialeinzelkosten + Materialge-
meinkosten) plus Fertigungskosten (Fertigungslohnkosten + Fertigungsgemeinkosten).
kK = Gesamten Kosten (Spalten d ... h) sind: Spalte d die Material-Kosten, in Spalte e und f die
Fertigungskosten der Kostenstellen Fl und F2 und in Spalte g und h die Summe der Verwal-
tungs- und Vertriebsgemeinkosten.

998
111. Kosten- und Preisermittlung

@ Auswertung zur Gemeinkostenberechnung, -bewertung und -überwachung.


Sie dient zunächst der Berechnung der Gemeinkostenzuschlagssätze g in %. Weiterhin werden
die Kostensätze in k (z.B. in DM/Stunde) ermittelt. Die errechneten Daten werden mit den
früheren Durchschnittswerten bzw. marktorientierten Sätzen veIglichen. über eine Vergleichs-
oder Kontrollrechnung wird dann die ±-Kostenabweichung, die durch Anwendung dieser Sätze
eingetreten ist, festgestellt und beurteilt.

Als Grundlage der Zuschlagsermittlung dient der

Gemeinkostenzuschlagssatz g = ~: ~ g Gemeinkostenplansatz
als Verhältniszahl oder als

g
Gemeinkostenprozentsatz g % =~: . 100 % = % Gemeinkostenplansatz in %

GK Gemeinkosten in periOd~!er Los


BK Bezugskosten in P .od D~ L
en e 0 er os
Periode Monat, Quartal oder Jahr
Los Teilmenge bis Gesamtauftrag

4.1. Ermittlung der Gemeinkostensätze


GK Zeile ~G . .
g =BK = Zeile 3 un BAB (Bild III.4).

Zu den KostensteIlen der nachfolgend aufgeführten Spalten werden folgende Gemeinkosten-


zuschlagssätze errechnet:
Spalte -cl: Einkauf und Stoffiager als KostensteIle des Beschaffungs- oder Materialbereiches (M).
Materialgemeinkosten (MGK) - Zeile ~G
MGK-Zuschlagssatz: gM
Materialeinzelkosten (MEK) - Zeile 3

12000 DM
Monat
gM ----D:;::-;-:M:- =0,048 =4,8 % ~ 5 % als Plansatz
A

250000- Monat

Spalte e: Mechanische Werkstatt als KostensteIle im Fertigungsbereich (FI)


Fertigungsgemeinkosten 1 (FGK 1) - Zeile ~G
FGK-Zuschlagssatz: gFl = Fertigungslohnkosten 1 (FLK 1) - Zeile 3

134900 DM
Monat
gFI = DM =2,645 =264,5 % R< 265 % als Plansatz
A

51000-Monat

999
Betriebswi rtschaftsleh re
Spalte f: Schlosserei und Montage als Kostenstelle im Fertigungsbereich (F2).
Fertigungsgemeinkosten 2 (FGK 2) - Zeile l:G
FGK-Zuschlagssatz: gF2
Fertigungslohnkosten 2 (FLK 2) - Zeile 3

223100 DM
Monat _
M = 1 ,497 = 149,7 %::::: 150 % als Plansatz
gF2 = -----''-'Dc:..=:..:..
1490oo-
Monat

Spalte g: Planung und Buchhaltung als Kostenstelle des Verwaltungsbereiches (Vw).


Verwaltungsgemeinkosten (VwGK) - Zeile l:G
VwGK-Zuschlagssatz:gvw = Hers t eHk ost en (u'K)
n. - el e 3
Z'l

123340 DM
Monat _
gvw = ----D-M- = 0,15 = 15 %::::: 15 % als Plansatz
820000-
M t ona

Anmerkung: Teilweise werden auch die Fertigungskosten als reale Kostenverursacher der Ver-
waltungsgemeinkosten verwendet.

Spalte h: Versand. Lager und Werbung als Kostenstelle des Vertriebsbereiches (Vt).
Vertriebsgemeinkosten (VtGK) - Zeile l:G
VtGK-Zuschlagssatz: gVt = Herste llk osten (u'K)
n. -
Ze'l
1e
3

40580 DM
Monat _
gVt = DM = 0,049 = 4,9 % ::::: 5 % als Plansatz
820000-
Mona t

4.2. Durchjührnng des Kostenvergleiches mit der zu beurteilenden Berechnung der ± Abweichung
der Gemeinkosten:
± I1GK = Plangemeinkosten - Istgemeinkosten
± I1GK=K'BK-GK

oder im einzelnen zu den Kostenstellen in den Spalten d ... h = Material (M), Fertigung (Fl
und F2), Verwaltung (Vw) und Vertrieb (Vt).

M :t::.MGK = KM' MEK - MGK = 0,05' 250000 - 12000 = + 500 MDM


onat
-
Fl : t::.FGKl = gFI . FLKl - FGKl = 2,65 ·51000 - 134900 = + 2 5 ~-
M0
onat

- ~
F2 : t::.FGK2 = gF2 . FLK2 - FGK2 = 1,50' 149000 - 223100 = + 400 Monat

Vw: t::. VwGK = KVw' HK - VwGK = 0,15 '820000- 123340 =- 340 MDM
onat

Vt : t::. VtGK = KVt . HK - VtGK = 0,05 ·820000 - 40 580 = + 420 MDM


onat

1000
111. Kosten· und Preisermittlung
4.3. In einer zusätzlichen Auswertung werden rur die erweiterte ZuschlagskaIkulation außerdem
folgende Sätze ermittelt:
ßest-fertigungs-{jemein-Kostensatz (gRFGK)
Restfertigungs-Gemeinkosten (RFGK) _
gRFGK Fertigungslohnkosten (FLK) "'" gRFGK als Plansatz

Im einzelnen rur die Fertigungskostenstellen Fl und F2


RFGKl (Zeile ~l)
F1: gRFGKl = FLKl (Zeile 3)

73700 DM
gRFGKl = ---D:"="M~ = 1,445 =• 145 % (auch als Plansatz)
Monat

51000 Monat
RFGK2 (Zeile ~l)
F2: gRFGK2 = FLK2 (Zeile 3)

163500 DM
Monat _
gRFGK2 = DM = 1,097 = 110 % (auch als Plansatz)
149OO0-
Monat

Fertigungskosten-Stundensatz (kF)
Fertigungskosten (FK) -kF al Pl
kF = Menge (M) "'" sansatz

Im einzelnen rur die Fertigungskostenstellen Fl und F2:


FKl (Zeile ~K)
F1: kF, = Ml (Kopfzeile)
DM
185900 Mörurt DM
kF, = St d = 36,45 "'" 36,50 St d als Plansatz
5 100 un en un en
Monat
FK2 (Zeile ~K)
F2: kF1 = Ml (Kopfzeile)
DM
372100-
Monat DM
kF2 = DM = 24,97 "'" 25,00 St d als Plansatz
14900 _ _ un en
Monat
Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkostensatz (gvv) wird auf die Herstellkosten bezogen
Verwaltungs- u. Vertriebsgemeinkosten (VVGK) - Zeile ~K
VVGK-Zuschlagssatz: gvv = Herstellkosten (HK) - Zeile 3

163920 DM
Monat •
gvv = DM =0,199 = 20 % (auch als Plansatz)
820000-
Monat

1001
Betriebswi rtschaftslehre
4.4. Die Aufstellung der Zeitraumkosten im Zuschlagsschema mit der Gewinn- oder Verlustermitt-
lung, bringt eine leicht vergleichbare monatliche Übersicht. Zu beachten ist hierbei, daß der
wirkliche, reale oder Rein-Gewinn (G '), der sich aus der Differenz zwischen Erlös (E) und
Selbstkosten (SK) errechnet, nicht übereinstimmt mit dem kalkulatorischen Gewinn
G = gz . SK in der Zuschlagskalkulation, obwohl letzterer auch nur im Hinblick auf den nach
Angebot und Nachfrage sich ergebenden Erlös gewählt werden konnte.
Grund: der Verbrauch an Material und Zeit wurde falsch eingeschätzt, die Gemeinkosten ver-
änderten sich
• in der Fertigung (FGK) durch Ausschuß und/oder Nacharbeit, andere Beschäftigungsgrade
bzw. Nutzung der Betriebsmittel, d.h. ein Beschäftigungs-Gewinn oder -Verlust tritt auf.
• im Vertrieb (VtGK) durch Garantieleistung, nicht verkaufte oder nicht bezahlte Waren.
4.5. Den Verbrauch an Kosten oder Zeit kann man rur einen Zeitraum (Periode = Tag, Woche,
Monat, Jahr) oder einen Auftrag (Los oder Objekt) vor- oder nachkalkulieren. Als Orientie-
rungshilfe zu diesen Kombinationsmöglichkeiten ist deshalb, teilweise im Vorgriff, das "System
der Kalkulationsarten " schematisch dargestellt.

Kostenstudie mittels Kostenanalyse


Vor- und Nachkalkulation dienen immer dem SOLL-IST-Vergleich zur Studie des Kosten- und/
oder Zeitverhaltens. Die dabei entdeckten Fehler werden behoben und entsprechende Verbesse-
rungsvorschläge erarbeitet. Weil die Gemeinkosten einen erheblichen Anteil der Selbstkosten
bilden, werden sie immer häufiger vorkalkuliert, d.h., es wird ein Etat, Budget oder Haushaltsplan
aufgestellt und in einer zusätzlichen Spalte je Kostenstelle, neben den ermittelten Ist-Gemein-
kosten, als Soll-Gemeinkosten aufgeführt.
Beim SOLL-IST-Vergleich ist zu beachten, daß sich die Kosten, zerlegen lassen in:
• Proportionale Kosten, wie z.B. Kosten rur Stückzeiten, Energie, Material, Verschleiß usw.
• Feste oder fixe Kosten, das sind meist Kosten rur Abschreibung und Verzinsung des Anlagen-
kapitals.
• Progressive Kosten, es steigen oft die Lagerhaltungskosten pro Erzeugnis mit größer werdender
Auflage.
• Degressive Kosten, die Ausgangsstoffe können z.B. in größeren Mengen billiger eingekauft
werden.
• Regressive Kosten, fIXe Kosten können kleiner werden, wenn mit der Erhöhung des Beschäf-
tigungsgrades eine Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit eintritt.

5. Bestimmen der "Optimalen Losgröße m o"


Auf der Beschaffungs- und Absatzseite des Betriebes sowie auch oft zwischen den Arbeitsgängen
sind Lager vorhanden. Die Kosten für das Lagern steigen oft proportional zur Losgröße m (Teilauf-
tragsmenge ) an.
Für die Lagerung und den Zinsdienst (gebundenes Kapital) werden die Kosten meist in p % oder
mit p = 160 ~ (als Verhältniswert) zum Wert des Lagergutes ermittelt.

Wie Bild II I. 7 zeigt, ist die

durchschnittliche Lagermenge = f' m Einheiten


wobei fur den Losfaktor f = 0,5 ... 0,6 je Los zu setzen ist. Meist wird der zu beurteilende Sicher-
heitsbestand vernachlässigt und es wird rur f= 0,5 je Los eingesetzt.

1002
111. Kosten- und Preisermittlung

Damit sind die proportional zur Losgröße wachsenden


jährlichen Lagerkosten = m . f . pEinstandsdaten je Einheit
und wenn man, n = Lagerumsatz in Einheiten je Jahr setzt, werden die

. E·zn h·
L agerk ostenJe m· f· p E·lnstan dskos t enJe
elf =--n--· . E·lnhel·t

.
.CI
C
::;:

,jL------ 1 Jahr ~ n Einheiten I Jahr - - - - - - - - . j ' Zeit

Bild III.7. Lagerbewegung

Mit zunehmender Losgröße (Menge) werden aber andererseits die Einstandskosten je Einheit klei-
ner. Es sind

Einstandskosten je Einheit = F k
·m
k Kosten je Einheit, ohne den Anteil einmaliger Kosten je Los.
F Losfixe Kosten wie z.B.: Kosten fur den Bestellvorgang, einschließlich Kosten fur An-
nahme und Einordnen in das Lager oder
Rüstkosten in der Fertigung, also das Einrichten des Arbeitsplatzes.

Weiterhin sind die


Gesamtkosten Einstandskosten Lagerkosten
Einheit Ke = Einheit + Einheit

e
F
K =k+-+--- k+-
m
mIP(
n
F)
m

Geordnet ergibt sich:

p·f·F k·p·f F
Ke = k+--n- + m ·-n-- + m

- - - - t.... ~
gleichbleibend steigend
\--.
fallend

1003
Betriebswi rtschaftslehre
Differenziert man diese Gleichung, so erhält man die Gleichung zur Ermittlung der "Optimalen
Losgröße" :

m -
0-
~ 'n
-----
k'p'f

Einheiten
mo Optimale Losgröße in
Los

F Losfixe Kosten in ~M
os
Ke~~~____~K~os~t~en~g~le~i~Ch_h~e~it______________~~ 3.L
3 Einheiten
n Lagerumsatz in
Jahr

k Kosten (ohne F) in E?~


In e1
't
Kemin~--~t---~~~~------~. 2 1
P Lagerumsatz = 0,1... 0,3 Jahr

f Losfaktor = 0,5 ... 0,6 in ~


os

~-+-+----4L--------~--------~o

To Bild III.8. Darstellung der Gleich ung für K e


m

Weil mo . k . P . f
n
=L
mo
ist (Bild III.8), wird das Minimum der Gesamtkosten je Einheit)

pIF F
. =k+--+2--
K emm n mo

Die Gleichung der Gesamtkosten K e vereinfacht sich, wenn man rur m = x mo einsetzt. Es wird

pIF k·p·f F
K =k+----- +xm .----- +---
e nOn xmo

p' f'F + ( x+- --


K =k+-----
e n
F 1)
x mo
Das heißt aber auch, wenn man von mo abweicht, wird die Kostenzunahme

. ..
H1enn mo I m
1st x = --m oder -
x
= --
mo

1004
111. Kosten- und Preisermittlung

Den Rechnungsgang zeigt das folgende Beispiel:


DM
Gegeben: F = 405,00 Los ; n = 2400 ~:~k
DM 1
k = 2,50 Stück ; p = 0,2 Jahr
1
f= 0,6 -L
os
tüCk (Monatsbedarf).
Nach einer Faustregel ist m = 200 SL
os

, ~ 405 . 2400 = 1800 Stück


1. Schritt:
mo = VJC:P7 = 2,5 . 0,2' 0,6 Los

p-j-F F
2. Schritt: K e ou'n = k + - - + 2 -
n mo

K . = 2 50 + 0,2 . 0,6 . 405 + 2 405 = 2 97 DM


e mm, 2400 1800' Stück

3. Schritt: Bei m = 200 wird

IlK (x
= + !x - 2 ) E
mo IlK
405 DM
=(9 + 0,11- 2) 1800 = 1,60 Stü;;k
4. Schritt: Entscheidung treffen.

Da die Losgröße infolge des flachen Verlaufs der Summenkurve in einem gewissen Streubereich
liegt (Bild III.8), wird häufig folgende Faustformel verwendet:

Die gewählte Losgröße sollte nicht kleiner als die halbe und nicht größer als die doppelte rechne-
risch ermittelte optimale Losgröße sein.
Schwierig wird die Ermittlung der optimalen Losgröße bei Eigenfertigung dann, wenn viele Arbeits-
vorgänge mit sehr unterschiedlichen Rüstzeiten erforderlich sind. Wenn keine Zwischenlagerung
erfolgt, kann entweder ein bestimmter charakteristischer Arbeitsvorgang ausgewählt werden, der
dann die Daten fur die Rechnung mit der Losgrößenformel liefert, oder es wird die Summe der
anfallenden Rüstkosten zur Ermittlung verwendet. Häufig sind vor allem bei der Eigenfertigung
noch ganz andere Gesichtspunkte für die Bildung der Losgrößen ausschlaggebend.
Deshalb kann das Ergebnis der Berechnung der optimalen Losgröße nicht mehr als eine Entschei-
dungshilfe sein.

1005
Betriebswi rtschaftslehre

IV. Rationalisierungsaufgaben

1. Sinn und Ziel der Rationalisierung


Die Wirtschaftsunternehmen und -betriebe haben als Teil der Gesarntwirtschaft die Aufgabe, Sach-
und Dienstleistungen zur volkswirtschaftlichen Bedarfsdeckung zu erbringen. Im Rahmen dieser
Aufgabe und aufgrund der Konkurrenz auf dem Absatzmarkt sind die Betriebe gezwungen, laufend
zu rationalisieren. Dies bedeutet, daß der Betrieb wirtschaftlich zu gestalten ist, dabei aber der Ge-
sichtspunkt der Humanisierung nicht außer Ansatz bleiben darf. Die Rationalisierung darf auf
keinen Fall eine Kostensenkung um jeden Preis bezwecken. Sie soll durch technische und organi-
satorische Maßnahmen die Arbeit fiir den Menschen erleichtern.

2. Rationalisierung durch Nonnung, Typen- und Sortenbeschränkung


Normung heißt, weitgestufte geeignete gleiche Lösungen rur sich wiederholende Aufgaben zu suchen.
Ziele der Normung sind:
• Begriffe defmieren
• Ordnungsrichtlinien aufstellen (z.B.: Symbole, Kennzeichnungs-, Nummern- und Buchstaben-
systeme)
• Auf wenige Größen beschränken
• Kombinier- und Austauschbarkeit
anstreben
Die Typisierung ist eine Fort-
setzung, manchmal aber auch eine
Vorstufe, der Normung innerhalb 3
einer Produktionsgemeinschaft. Sie
bezieht sich auf Art, Sorte und
Größe der Erzeugnisse. Unter 2
Typenbeschränkung versteht man
eine verdichtete Gestaltung des
Sortiments. Denn ein zu großes
Sortiment fUhrt zur Selbstkonkur-
renz und verhindert damit die
Wirksamkeit von Rationalisierungs-
maßnahmen. Im Bild IV.l ist das
Streu volumen mit den Koordinaten 2 3 Gröne
- Größe, Form und Farbe - eines Bild IV.l
Sortimen ts veranschaulicht.
Durch eine Sortimentsbeschränkung erhöht sich die Zahl der gleichartig herzustellenden Erzeug-
nisse. Damit verbunden ist in den meisten Fällen eine Wirtschaftlichkeit, das heißt, es tritt eine
Kostensenkung durch eine entsprechende Serien- oder Massenfertigung ein.
Trotzdem können die Erzeugnisse aus verschiedenen Bauteilen mittels eines Baukastensystems so
zusammengesetzt werden, daß sie der Vielfalt der Kundenwünsche entsprechen. Nach dem Bau-
kastensystem konstruieren heißt, die vom Kunden gewünschte Erzeugnisvielfalt dadurch zu er-
reichen, daß man mit Hilfe eines Anschlußrnaßsystems, sich häufig wiederholen kann, kombinier-
bare und austauschbare Bauteile oder Baugruppen schafft.

1006
V. Organisation des Arbeitsablaufes

Eine in wohlabgewogenem Maße durchgeführte Normung ist Schrittmacher und Wegbereiter der
Rationalisierung. Denn durch eine Beschränkung auf wenige Erzeugnisse innerhalb eines Sortiments,
die ihrerseits wiederum nach dem Baukastensystem aus typisierten oder genormten Bauteilen zu-
sammengesetzt sein sollten, gelangt man von der Einzelfertigung zur rationellen Serien- oder Mas-
senfertigung.

3. Schwerpunktsaufgaben der Betriebe


Will man einen Betrieb beurteilen oder rationalisieren, so sollte man sich erst darüber klar sein,
welche Kostenart (Stoff-, Arbeits- oder Anlagekosten usw.) am stärksten hervortritt. Diese Kosten-
art ist dann unter anderem rur die Wahl der richtigen Organisationsform und der vordringlichen
Rationalisierungsmaßnahmen entscheidend.
Diesbezüglich gruppiert man die Betriebe in:

3.1. Stoffbedingte Betriebe


mit überwiegendem Stoffkostenanteil. Schwerpunkte: Wirtschaftliche Stoffausnutzung und gut
organisierte Beschaffung preisgünstiger Stoffe in optimalen Bestellosen.

3.2. Arbeitsbedingte Betriebe


mit hohem Lohnkostenanteil. Schwerpunkte: Wirtschaftliche Arbeitsgestaltung und Einsatz von
Arbeitskräften zu niedrigen Tarifen.

3.3. Anlagenbedingte Betriebe


mit sehr hohen Kapitalinvestierungen. Schwerpunkte: Gute Betriebsmittel und zeitlich sowie tech-
nisch wirtschaftliche Anlagennutzung bei niedrigen Amortisationskosten durch die Beschaffung
langfristig zu tilgender Kredite und niedrigen Zinssätzen.

3.4. Absatzbedingte Betriebe


mit überwiegendem Vertriebskostenanteil. Schwerpunkte: Absatzplanung mittels Marktanalyse
und wirksamer Werbung und gut aufgebautem Vertreternetz. Geordnete Lagerhaltung und wirt-
schaftliches Versandwesen .

v. Organisation des Arbeitsablaufes


1. Anstoß zur Fertigung
Die Herstellung von Erzeugnissen können veranlassen:
Der Betrieb selbst, und zwar bei allgemein gebräuchlichen Erzeugnissen wie: Auto, Rundfunkgerä-
ten, Haushaltgeräten usw.
Der Kunde, er wünscht ein Angebot, z.B. die Projektierung einer Anlage, die seinen Verhältnissen
angepaßt ist.
Gibt der Betrieb den Anstoß zur Produktion, so kann er auch Konstruktion, Betriebsmittel, Typen-
zahl und Termine frei und rationell selbst wählen; die Käufer muß er jedoch erst durch Werbung
rur die Erzeugnisse interessieren und gewinnen. Sein Rationalisierungsziel ist die Massenfertigung
weniger Typen mit Spezial-Betriebsmittel und schnellem Stofffluß. Der anzustrebende Endzustand
ist die automatische Fabrik.

1007
Betriebswi rtschaftslehre
Wünscht der Kunde eine Spezialanfertigung, so werden Konstruktion und Änderungen, sowie Ter-
mine vom Kunden diktiert. Der Betrieb versucht diese Wünsche zu erfüllen, auch wenn er dadurch
gezwungen wird, aufgrund von Engpässen auf unwirtschaftliche Herstellverfahren oder auch auf
übergroße und teure Werkstoffe auszuweichen. Um trotzdem rationell arbeiten zu können, müssen
hierftir universell verwendbare Vorrichtungen und Werkzeuge geschaffen werden, wie: verstellbare
Bohrvorrichtungen, Schnitt- und Ziehringsätze usw. Desgleichen sind in größeren Mengen herstell-
bare Bauelemente zu schaffen, aus denen dann das Erzeugnis, den Wünschen des Kunden ent-
sprechend zusammengesetzt werden kann.
Das Angebot sollte klar die durch Sonderwünsche entstandenen Mehrkosten erkennen lassen. Mit
kaufmännischem Geschick muß darüber hinaus versucht werden, diese Sonderwünsche auf ein
Mindestmaß einzuschränken, denn nur ein möglichst gleichmäßiger Fertigungsrhythmus entlastet
und gibt den nötigen Ansporn zur weiteren Rationalisierung.
Um Klarheit ftir die Planung der Fertigung zu schaffen, stellt man sich zweckmäßig folgende sechs
"W -Fragen".

Die 6 vorbereiteten W-Fragen Verursacher


1. Was und für wen soll gefertigt werden? Erzeugnis und Kunde
2. Wie und wieviel soll gefertigt werden? Verfahren und Stückzahl
3. Wann und wie lange soll gefertigt werden? Termin und Zeit
4. Wer soll fertigen? geeignete Mitarbeiter
5. Wo und womit soll gefertigt werden? Räume und Mittel
6. Woraus soll gefertigt werden? Stoff bzw. Material

2. Gestaltung eines Erzeugnisses


Die Gestaltungsart (Konstruktionsbüro) und die Wahl des dazugehörigen wirtschaftlichsten Ferti-
gungsverfahrens (Fertigungsvorbereitung) ist abhängig von:
dem Verwendungszweck, der Beanspruchung usw.;
der Mode, bzw. der inneren Einstellung der Verbraucher zum Erzeugnis, angepaßt an Fortschritt
und neuen Erkenntnissen;
der Fertigungsstückzahl, abhängig von Marktlage, Reklame usw. sowie von den vorhandenen Be-
triebsmitteln, den Fähigkeiten der Werker usw.
und soll sein: fertigungs-, transport-, lager-, kosten- und verkaufsgerecht.

In diesem Punkte müssen Konstruktionsbüro, Fertigungsvorbereitung und Vertrieb (Erfahrungen


des Kundendienstes) Hand in Hand und nicht gegeneinander arbeiten. Bei gänzlich neuen Erzeug-
nissen sollten, vor endgültiger Festlegung der Arbeitspläne, die Erprobungsergebnisse der Abteilung
Versuch abgewartet werden. Aber auch während der schon laufenden Produktion sollten Verbes-
serungsvorschläge der Werkstatt bzw. aller Betriebsstellen geprüft werden, ob ihre sofortige oder
spätere Einführung wirtschaftlich ist (Umstellungen kosten auch Geld!), oder ob diese ftir ähnliche,
später vorkommende Fertigungen vorgemerkt werden sollen. In allen nutzbringenden Fällen soll-
ten als Anreiz Prämien gezahlt werden.
Die in Bild VI gezeigte Griffmutter könnte z.B. wie folgt hergestellt werden.

1008
V. Organisation des Arbeitsablaufes
a) Aus dem Vollen durch Zerspannung;
hoher Stoffverlust,
Rohteil: 50 X 75 X 180 mm.
b) Flügel an Rundstahl anschweißen;
Gefugeveränderungen und Span-
nungen müßten evtl. durch Glühen
beseitigt werden.
c) Von Hand schmieden;
Rohling: 50 X 50 X 75 mm.
d) Im Gesenk schmieden; nur bei
Massenfertigung wirtschaftlich. Bild V.I. Griffmutter

3. Gliederung des Fertigungsauftrages


Der Fertigungsauftrag wird in Bereitstell-, Bearbeitungs-, Förder- und Zusammenbau-Aufträge
unterteilt. Der Begriff Auftrag schließt die Mengengröße q = HE/Los (HE Herstelleinheiten) mit
ein. Der Arbeitsablauf eines Fertigungsauftrages kann betrachtet werden unter den Gesichtspunk-
ten der 3 M (Mensch, Mittel, Material) und fuhrt, im arbeitstechnischen Sinne gesehen, zur Bestim-
mung der Methode, der Arbeitsform oder des Arbeitsgeschehens; also was und wie etwas zu tun ist
und im organisatorischen Sinne studiert, zur Festlegung des zeitlichen und örtlichen Hinter- und
Nebeneinander; also was, in welcher Reihenfolge, wo und wann zu tun ist.
Der Begriff Arbeitsfolge schließt nur das Hinter- und Nebeneinander der Ablaufabschnitte ein.
Gliederung und Aufteilung der Arbeit für den Arbeitsablauf eines Erzeugnisses:

Ablaufabschnitte : Teile eines Arbeitsablaufes; wobei man unterscheidet:


Gesamtablauf: Gesamter Arbeitsablauf, der zur Herstellung eines Erzeugnisses erforderlich ist.
Teilablauf: Mehrere Ablaufstufen.
Ablaufstufe: Folge von Vorgängen.
Vorgang: Abschnitt eines Arbeitsablaufes, der in der Ausfiihrung an einer Mengenein-
heit eines Arbeitsauftrages besteht.
Teilvorgang: Mehrere Vorgangsstufen .
Vorgangsstufen: Abschnitte eines Teilvorganges.
Vorgangselemente : Teile einer Vorgangsstufe, die weder in ihrer Beschreibung noch in ihrer zeit-
lichen Erfassung weiter unterteilt werden können.

4_ Art- und Mengenteilung der Arbeit


Die Möglichkeiten der Arbeitsteilung zwecks Rationalisierung und Terminhaltung sind: Artteilung
(Teilarbeit): Mehrere Arbeiter erledigen hintereinander je einen Arbeitsvorgang an der gesamten
Menge (Auftragsstückzahl).
Mengenteilung (Teilmenge): Mehrere Arbeiter erledigen parallel, d.h. meist gleichzeitig, jeweils
die gesamte Arbeit an einer Teilmenge (Teilstückzahl).
Erzeugungsart und Auftragsgröße, Werkstattgröße und Einrichtungen sowie Betriebsorganisation
und sonstige Einflüsse bestimmen, ob es rationell ist, eine Mengenteilung, eine Artteilung oder eine
Kombination beider Teilungsarten vorzunehmen. Sache des Arbeitsgestalters ist es, nachfolgend
aufgefiihrte Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen.

1009
Betriebswi rtschaftslehre
4.1. Vorteile der Artteilung (entsprechen den Nachteilen der Mengenteilung)
a) Der begrenzte, kleine Arbeitsinhalt der Arbeitsvorgänge (wenige Griffe) fUhrt bei Hilfskriiften
zu kurzen Einarbeitungszeiten bzw. zur größeren Routine (kurze Griffzeiten), zur schnelleren
Körpergewöhnung und geistigen Entlastung, denn es ist keine körperliche und gedankliche Um-
stellung auf andere Arbeitsverrichtungen nötig.
b) Beim Arbeitseinsatz kann die Veranlagung des Menschen, besonders beim Einsatz von Hilfs-
kräften (niedrige Lohngruppe) besser beriicksichtigt werden, denn Anlernzeit und Einarbeitungs-
zeit verkürzt sich.
c) Betriebsmittel, Arbeitsplatz und Arbeitsablauf können speziell und besser gestaltet und damit
Qualität und Gleichmäßigkeit der Arbeit gehoben werden.

4.2. Nachteile der Artteilung (entsprechen den Vorteilen der Mengenteilung)


a) Durch die Gleichförmigkeit, Eintönigkeit (Monotonie) der Arbeit werden besonders Fachkräfte
einseitig beansprucht, deshalb tritt schnellere Ermüdung von Körper und Geist ein, die zur Gleich-
gültigkeit und damit zur Qualitätsminderung fuhren kann. Ferner wird das Umstell- und Anpas-
sungsvermögen des Arbeiters geringer.
b) Zusätzliche Griff- und Förderzeiten entstehen durch häufIgeres in die Hand nehmen. Zusätz-
liche Zwischenkontrollen können nötig werden um den Verursacher von Fehlarbeit feststellen zu
können.
c) Der Aufwand an Auftrags- und Lohnscheinen und die damit verbundenen Kostenermittlungs-
arbeiten können größer werden.
d) Terminüberwachung sowie Lohn- und Auftragsabrechnung vereinfachen sich, weil alle Arbeiter
die gleiche Stückzahl abliefern.

Zum besseren Verständnis dient das in Bild V.2 gezeigte Beispiel.

L
Routine =[inarbei[ Au/trag: 3000 laschen I, x 1,0 x 100 fertigen

~
1. Bohren 2x 1..5'
Arbeitsinhalt { 2. Senken 2 x für'" 6
3. Gewinde schneiden 2 x ,.,6
Arbeitsinhalt Arbeitsinhalt
Mengenteilung (Paral/elfertiguflj) (Reihenfertigung) Artteilung
1000 laschen + 10lXJ laschen + 1000 laschen l8Dhren + 2.Senken + 1:'

F.H~
3000
laschen {3ooo
- - .... laschen
Arbeiter fertig
C
3000 laschen fertig

Bild V.2. Beispiel zur Mengen- oder Artteilung der Arbeit

1010
V. Organisation des Arbeitsablaufes

5. Arten der Arbeitsplätze


Arbeitsplatz = Platz an dem der Arbeitende mit Hilfe der ihm zur Verfiigung gestellten Betriebs-
mittel seine Arbeit ausführt.
Man unterscheidet:
Ortsfeste Arbeitsplätze: Betriebsmittel bzw. Maschinen sind fest am Platz gebunden, das trifft
also auch bei der Mehrmaschinenbedienung zu.
Ortsverändernde Arbeitsplätze: Der Arbeitsplatz verschiebt sich am großen Arbeitsgegenstand wie
z.B. beim Streichen einer Zimmerwand, Pflastern einer Straße usw.

6. Prinzipien der Arbeitsplatzanordnung


6.1. Verrichtungsprinzip (Werkstättenfertigung)
Arbeitsplätze werden gruppiert in: Dreherei, Fräserei, Stanzerei usw.
Die Voraussetzungen sind hierfür gegeben, wenn:
a) verschiedene Werkstücke mit verschiedenen Arbeitsläufen zu fertigen sind;
b) ausgesprochene Einzelfertigungen oder Einzelreparaturen vorliegen;
c) gleichartige Arbeitsvorgänge besonderen Kontrollen (Spezialisten) unterstehen müssen, also
Spezialarbeiten wie Optiken usw.;
d) mit großem Aufwand errichtete technische Einrichtungen nicht mit einem Erzeugnis ausgela-
stet sind (Schweißanlagen, besondere Bohrstraßen usw.);
e) Arbeitsvorgänge aus Belästigungsgründen räumlich abgetrennt sein müssen, wie Schmiede (Lärm,
Hitze), Härterei (Gase), Sandstrahlerei (Staub) usw.
Vorteile: Krisen und Schwankungen der Fertigung werden besser ausgeglichen. Bei Personalausfall
kann ein eiliger Auftrag besser auf einen anderen Mitarbeiter übertragen werden.

6.2. Flußprinzip (Fließfertigung)


Arbeitsplätze werden in der Reihenfolge der auszuführenden Arbeiten angeordnet. Ein Fließband
als Fördermittel ist nicht unbedingt erforderlich.
Das Flußprinzip ist der Idealfall rur die Massenfertigung und sollte deshalb angestrebt werden.
Vorteile:
a) Es werden geringe Durchlaufzeiten der Werkstücke durch kleine Liege- und Förderzeiten er-
zwungen. Der schnelle Stofffluß verringert Umlaufkapital und damit den Zinsdienst. Der Raum-
bedarf wird durch geringe Zwischenlagerung kleiner.
b) Die Zwangsläufigkeit zwingt alle Beteiligten ohne Aufpasser zur Mitarbeit.
e) Weitgehende Arbeitsunterteilung und Bestgestaltung des Arbeitsplatzes wird dadurch möglich,
daß nur ein und derselbe Arbeitsweg vorhanden ist und dadurch Fehler und sonstige Zusammen-
hänge besser erkannt werden können.

1011
Betriebswi rtschaftslehre
Meist ist die teilweise Durchführung beider Prinzipien wirtschaftlich. In Bild V.3 wird die teil-
weise Umstellung einer Fabrikation vom Verrichtungsprinzip auf das Flußprinzip gezeigt.

Verrichtungsprinzip teilweise FluDprinzip


Stanzerei Bohrerei Friiserei Montage Stanzerei Fluflprinzip Montage

Bild V.3. Beispiel zum Verrichtungs- und Flußprinzip

Erst durch Takten (Abstimmen) wird die Fließfertigung vollkommen. Nötig ist dazu: straffe Organi-
sation, gründliche Arbeitsvorbereitung, und hierfür wiederum: große Stückzahl auf lange Sicht,
damit sich der Aufwand lohnt. In der ProbiergIeichung:

tägI. Arbeitszeit
Taktzeit = t"gI S lIrn = Zeit des längsten Arbeitsvorganges (Engpaß)
a . 0 enge

läßt sich beeinflussen: die tägl. Sollmenge durch Werbung, die tägI. Arbeitszeit durch Mehr- oder
Kurzarbeit, auch durch zeitweilige Außerbetriebnahme der Taktstraße.

Die Art- und Mengenteilung der Arbeitsabläufe muß unter BeIÜcksichtigung der nötigen Verteil-
und Erholzeiten sowie der verschiedenen Leistungen der Arbeiter (Leistungsgrade) so vorgenom-
men werden, daß die DurchfUhrzeit fiir die Arbeitsvorgänge ganzzahlig, d.h. 1,2,3, ... mal Takt-
zeit ist. Dies kann erreicht werden durch:
a) Erhöhung oder Verminderung der Arbeitsinhalte der Arbeitsvorgänge, evtl. auch Änderung des
zeitlichen Ablaufes.
b) Mehrfache Besetzung von Arbeitsplätzen, d.h. Mengenteilung durch parallelgeschaltete Arbeits-
plätze.
c) Arbeitszeitverkürzung durch bessere Betriebsmittel.
(Zeitverkürzung an Engpaßstellen bewirkt eine Zeit- 1---,---,.---.---,---, J x Taktzeit
einsparung bei allen Arbeitsvorgängen.)
d) Einsetzen eines Arbeiters mit der zum Arbeits- 1--i- -t7ffl?:t- --i;:;=;:;1- 2 x Taktzeit
inhalt passenden d.h. größeren oder kleineren lei-
stung (Leistungsgrad). 1W-~--I~'Stt~~~SI!- 1 x Taktzeit

e) Konstruktive Änderung des Werkstückes so, daß Takt-Nl


ein Takten möglich wird. Arbeitsvorgänge ----

Diese Leistungsabstimmung (Bild VA) stellt hohe An- Bild V.4. Leistungsabstimmung der
Arbeitstakte
forderungen an den Arbeitsgestalter.

1012
V. Organisation des Arbeitsablaufes
I
, , ,
Benennung lchg.-Nr. 13 12 11 10 9 8 Termingru~ /T6 J
6 5 l 3 2 I I 0
Ofenrohr -Kniest ückfl8i OK9 ,.- A 1 IY~
T-Stück IIB} OK9-A ,.- A I ~
Rohr IETi IOIf9- AI ~ A I 2 3 4 ~ I
1fT! OK9-A2 ~ A 1 2 3 4 ~
, Y.
Ejlr!f ,
~& I I
I Deckel IIBI OK9-B ,.- A
Deckelronde 1fT! OK9-BI A 2 3 ~
I larqe Im OK9-B2 I 2 3 4 ~ i.
M02 ..........
leichenerkliirun9. '{1i I. .......... i
f"'-,.. I
a./zu den Fristen: Fr 6
........... Cl, I
Stoff bereitsteHen ~oi I f"'....'~'l'" !
l1li (oder stapelnl ~Oo 12
"""",-'.1'~ '.
~Mo16 ~C'.f
~Mi18 I
rn Auftra9 in den
Betrieb geben
iJ', Fr 20
oi 21.
..........
...........
I
I
Arbe/~saus(ijh - 0026 ........... i
[]] rung der Arbeits· r- 11030 ...........
vorgiinge ' ... 1. Mi 2
.......... I
-- -- ~r:!f!p'e d~!fert!J.u ~-
-
Fr l ~ - -
~ prüft
Kontrolle
oi 8
........... I
r-
-~""
~Oo 1
lum Versand '?!.Mol
r-.. :~ Ser/e I

-
!Q) lertigmac/len I~Mil
-"",;,:,,'SQftciC,f
~
~Fr 18
-.. --..
--r- I

-
b./ Sonstige : ~oi 21
...........
I 0024
Mo28
.?~.
-....:.~.,UQ
__ ~.f
" -....
Z8 =Zusammenbau

-
...........

-
i
(Montagel _ Mi30
Fr /
t--. -.... ....... -.... r-
Er = Einzeltelle- ~Oi 5 .......
fertigung '?!. 00 7 r-.. .1 Se .
-..:.. )7e'la
.......;; 17 SI."
--r!:.:...f
-
1!.Moll

-
T6 = Termingruppe ~Mi 13
...... 1--.
~Fr /5 -.. I--.
oi 19 -.... r- ...... -....

Bild V.5. Fristenplan ftir Reihen- oder Serienfertigung eines Ofenrohrkniestücks OK 9

Stoff Auftrag Arbeitsvorgänge im Betrieb fertig


Kontrolle Versand
Benennung Zchg.-Nr. bereit- i. Betrieb
fertig fertig
stellen geben 1 2 3 4
Ofenrohr-
Kniestück (ZB) OK9 _. 4.11. 5.11. - - - 6.11. 7.11.
T·Stück (ZB) OK9·A - 30.10. 31.10. - - - 1.11. -
Rohr (ET) OK9·Al 21. 10. 22.10. 23. 10. 24.10. 25.10. 28.10. 29.10. -
Abzweig (ET) OK9·A2 21.10. 22.10. 23. 10. 24.10. 25.10. 28.10. 29.10. -
Decke/ (ZB) OK9·B - 30.10. 31. 10. - - - 1. 11. -
Oecke/ronde (ET} OK9-BI 22.10. 23. 10. 24.10. 25. 10. 28. 10. - 29.10. -
Zarge (ET) OK9·B2 21.10. 22. 10. 23.10. 24.10. 25.10. 28. 10. 29.10. -
Bild V.6. Terminliste zum üfenrohrkniestück OK 9. Serie 2

1013
Betriebswirtschaftslehre
7. Fristen-, Termin- und Betriebsmittelbelegungsplan
Durch zuverlässige Tenninhaltung wird außerhalb des 8r--.--.--.--,---,-~
Betriebes eine Werbewirkung und innerhalb des Be-
7r--+--1---r--+--~~
triebes ein geordneter Arbeitsablauf dann erreicht,
wenn die Durchlauffristen mit den Maschinen-Bele-
gungsplänen gut abgestimmt sind. Während man unter
Termin einen Zeitpunkt, Tag oder Stunde versteht,
stellt die Frist eine Zeitspanne, von ... bis, dar.
In Bild V.5 wird ein Fristenplan für Reihen- oder
Serienfertigung dargestellt, aus dem sich dann der
Terminverfolger eine Terminliste erstellt (Bild V.6).
Die hier aufgeführten Termine sind Endpunkte der
jeweiligen Fristen. Die Bildung von Termingruppen
(TG) soll durch Zusammenfassung von Terminen Kalenderzeit in Mon. - - -
eine Vereinfachung der Terminverfolgung bringen. Bild V.7. Belegungsplan für die
Mittels eines Werkstatt- oder besser eines Platz- Abteilung Dreherei
Belegungsplanes (Bild V.7) kann man im voraus
Terminschwierigkeiten erkennen und die erforder-
lichen Maßnahmen zu ihrer Behebung rechtzeitig
treffen.

VI. Zeit und Menge im betrieblichen Arbeitsablauf

1. Zeiten des Betriebes


Alle Zeitbetrachtungen werden hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Menschen, das Betriebs-
mittel und den Arbeitsgegenstand und deren möglichst verlustlosen Zusammenwirken im Betrieb
und innerhalb des Auftrages angestellt. Aufgabe der Betriebsleitung ist es, durch entsprechende
Maßnahmen zu erreichen, daß die Aktionszeiten von Mensch und Betriebsmittel möglichst so groß
werden wie die Schichtzeit des Betriebes.

2. Zeitermittlung (Grund-, Verteil- und Erholungszeiten)


Es gibt Zeiten, die man fiir den Auftrag direkt ermitteln kann, das sind die Grundzeiten, also Zei-
ten die beim Auftrag planmiißig auftreten. Weiterhin gibt es Zeiten, die man nur in einem großen
Zeitraum (z.B. Woche oder Monat) vollständig erfassen kann, die Verteilzeiten, die beim Auftrag
unplanmäßig auftreten.
Aus dem Verhältnis dieser beiden fiir einen Monat ermittelten Zeitgruppen erhält man dann den
min VM
. . Vertellzeiten V Mon _ t v HE
Vertellzeltzuschlag Zv = Grundzel'ten =-G min = VM
Mon tg HE

oder die Vertellzeit t v = Zv' t g in :

1014
VI. Zeit und Menge im betrieblichen Arbeitsablauf

Die unterschiedlichen Symbole sollen sicherstellen, daß man klar zwischen Verteilzeiten (V) oder
Grundzeiten (G) in Minuten/Monat und Verteilzeiten (t v ) oder Grundzeiten (t g ) in Vorgabeminu-
ten/Herstelleinheiten, alS auf den Auftrag bezogene Zeit, unterscheiden kann.
Erholungszeiten benötigt der Mensch, um die durch seine Tätigkeit aufgetretene Ermüdung abzu-
bauen. Im Rahmen der Verteilzeitaufnahme kann man die vom Mitarbeiter beanspruchten Erho-
lungszeiten (Er) mit feststellen und den Erholungszeitzuschlag wie folgt errechnen:

m:
min VM
Er M t er HE
Erholungszeitzuschlag Zer = == -vM"
G Mon t g HE
Diese Vorgehensweise kann jedoch sehr ungenau sein und man hat deshalb folgende Ermittlungs-
methoden entwickelt:
• Feststellen des Kalorienbedarfs durch Messen des 02-Verbrauchs oder anhand von Kalorienver-
brauchstabellen. Die für den Arbeitseinsatz normal geltenden 8373600 Joule/Tag = 1046700
Joule/Stunde werden aber meist nur bei körperlicher Schwerstarbeit überschritten, so daß ein
Erholungszeitzuschlag ermittelt werden kann.
• Messen der Pulsfrequenz und Feststellen der Arbeitspulse: Arbeitspulse = gemessene Pulse -
Ruhepuls.
• Beurteilen der analytisch festgestellten Teilbelastung mit der Zusammenfassung zum Erholungs-
zeitzuschlag Zer. Der jeweils endgiiltig ermittelte Erholungszeitzuschlag Zer sollte mit dem Be-
triebs- oder Personalrat und dem Mitarbeiter besprochen werden.

2.1. VerteiIzeitaufnahme
Vor der Aufnahme ist zu klären, welche und wieviel Arbeitskräfte beobachtet werden sollen. Es
sind genau die Arbeitsbedingungen einschließlich Betriebsmittel, die Abteilung, in der die Auf-
nahme durchgeführt wird, die Mitarbeiter, sowie Tag und Stunde des Aufnahmebeginns, zu be-
schreiben. Mitarbeiter, Meister und Betriebsrat sind vor dem Vorhaben in Kenntnis zu setzen.
Es ist dabei die gesamte gesetzlich und tariflich festgelegte Arbeitszeit, also ohne die nicht bezahl-
ten Pausen (P) als
Aufnahmezeit AZ =G +Er + (Vsv + Vsk + V p ) +N + F={ ~STz-~iten
Je eltraum
zu erfassen.
G Grundzeiten, das ist die Summe aller während der Aufnahmezeit angefallenen Zeiten für die
Ausführung planmäßiger Ablaufabschnitte.
Er Erholungszeiten, das ist die Summe aller während der Aufnahmezeit angefallenen, vom Mit-
arbeiter beanspruchten Zeiten für Erholen.
Vsv sachliche, variable Verteilzeiten, das ist die Summe aller während der Aufnahmezeit angefal-
lenen oder festgesetzten Zeiten für die Ausführung auftragsabhängiger Ablaufabschnitte. Es
handelt sich hierbei um die Ablaufarten "zusätzliche Tätigkeiten" und "störungsbedingtes
Unterbrechen". Beispiele: Kurze Störungen an Betriebsmitteln, Werkzeuge und Einrichtungen
beseitigen, kurze Dienstgespräche und Wartezeiten, Behinderung durch Mitarbeiter.
Vsk sachliche, konstante Verteilzeiten, das ist die Summe aller während der Aufnahmezeit ange-
fallenen oder festgesetzten Zeiten für die Ausftihrung auftragsunabhängiger, schicht- oder
wochenkonstanter Ab laufab schnitte. Es handelt sich auch hier um die Ablaufarten "zusätz-
liche Tätigkeiten" und "störungsbedingtes Unterbrechen". Beispiele: Arbeitsplatz schicht-
bedingt vorbereiten und räumen, Anlaufzeit der Betriebsmittel bei Arbeitsbeginn und nach
Pausen, planmäßiges Abschmieren und Warten der Betriebsmittel.

1015
Betriebswirtschaftslehre

V p persönliche Verteilzeiten, das ist die Summe aller während der Aufnahmezeit angefallenen
oder festgesetzten Zeiten fiir persönlich bedingtes Unterbrechen. Beispiele: Austreten und
andere persönliche Verrichtungen, Heizung, Belüftung oder Beleuchtung regeln, gegebenen-
falls Beschaffen von Speisen und Getränken. Trinken, sofern dies nicht Erholungszeit ist.
Lohn empfangen und priifen sind auch schichtbedingte Zeiten.
N nicht zu verwendende Zeiten, das ist die Summe aller während der Aufnahmezeit angefallenen
Zeiten fiir durch die Arbeitsperson verursachten zusätzlichen Tätigkeiten und fiir willkürliches
persönliches Unterbrechen der Tätigkeiten. Beispiele: Nichteinhalten der Arbeitszeit, selbst
verschuldete Mehrarbeit, Privatgespräche und sonstige Untätigkeit.
F fallweise auftretende Zeiten, das ist die Summe aller während der Aufnahmezeit angefallenen
Zeiten fiir zusätzliche Tätigkeiten und fiir außer Einsatz infolge länger dauernder, außerge-
wöhnlicher Störungen des Ablaufes. Beispiele: Lange Wartezeiten bei Störungen aller Art so-
wie alle nach Tarifverträgen oder Gesetz anfallenden Ausfa11zeiten.

Die Aufteilung der Verteilzeit V in Vsv, Vsk und Vp ist nach REFA notwendig, um genaue Zu-
schlagssätze zu erhalten. Während Vsv sich proportional zu den ermittelten Grundzeiten verhält,
sind Vsk und Vp schichtabhängig. Wir müssen daher immer fragen, wie wäre die größtmögliche
Grundzeit gewesen, wenn keine N- und F-Zeiten angefallen wären.

Es ist die

größtmögliche Grundzeit G' = G +N + F = AZ - V - Er


und man errechnet den

sachlich variablen } Vsv • 100 %


Verteilzeitprozentsatz Zsv = G (arbeitsabhängig)

sachlihk
c .onst ant en } z = Vsk· 100 % (schichtabhängig)
Verteilzeltprozentsatz sk AZ - (V +Er)

persönlichen } _ Vp . 100 % hi ht bhän .


Verteilzeitprozentsatz zp - AZ _ (V +Er) (sc c a gig)

Damit ist der Verteilzeitprozentsatz

Zv =Zsv +Zsk +zp

2.2. Gekürztes Beispiel einer Verteilzeitermittlung

Arbeitsaufgabe : Grundplatte 905 montieren und schweißen.


Arbeitsbedingungen: Kleine Teile beanspruchen die Augen und große Fingerfertigkeit.
Betriebsmittel: Schweiß- und Montagevorrichtung sowie eine kleine elektrische Schweiß-
anlage.
Abteilung: Montage 703
Mitarbeiter: Herren Meyer, Schrnidt, Aue, Schulze; schon 3 Jahre mit ähnlichen Arbeiten
beschäftigt.
Aufnahmezeit: Alle 20 Arbeitstage im Monat Februar 19 .. , täglich von 7.30 Uhr bis
16.00 Uhr.

1016
VI. Zeit und Menge im betrieblichen Arbeitsablauf

Fortschritts- Einzelnit
Sonier-Spalten der Zeit.rten
Nr. Vorgangsfolge ZIIitin in BefTlflrkung
Minuten MinutBn G (P) Vsk 11,. Vp Er F N
1 Verspäteter Beginn Istatt 7.301 2,0 2,0 2,0
2 Arbeitsplatz vorbereiten 5,0 3,0 3,0 SchichtaM.
3 montiBffln und schweißen 40,5 35,5 35,5
4 kurztl En rspannung 42,5 2,0 2,0
5 Fenster öffnen zum Lüften 44,0 1,5 1,5
6 monrieffln und schweißen 60,0+ 5,0 21,0 21,0
7 Schweißbrille putun 7,5 2,5 2,5 Funk.nlChmuu
8 Meister hat eine Rückfrage 12,0 4.5 4,5
9 montieren und IChweiBen 28,0 16,0 16,0
10 WlfflinbartB. Hände wlI8Chen 30,0 2,0 2,0
11 Frühsriickspause 19.00 bis 9.151 45,0 15,0 15,0
12 montieren und schweifllln 60,0+ 3,0 18,0 18,0
13 Zigarette rauchen 10,0 7,0 7,0
14 montieren und schweißen 30,0 20,0 20,0
15 SchweiBelllktrodB reparieren 35,0 5,0 5,0
16 geht austreten 41,0 6,0 6,0
17 montieren und schW8ißen 60,0+ 2,0 21,0 21,0
18 Gespräch über Fußball 9,0 7,0 7,0
19 montieren und schweißen 40,0 31,0 31,0
20 Fenner schließen fes wird kalt) 41,5 1,5 1,5
21 kurze Entspannung 43,0 1,5 1.5
22 montiflffln und schweißen 60,0+ 15,0 32,0 32,0
23 kurze Entspannung 17,0 2,0 2,0
24 Putzlappen empfangen 19,0 2,0 2,0 wöchentlich
25 montieren und schweißen 51,0 32,0 32,0
26 kurztJ Entspannung 53,0 2,0 2,0
27 Teilekästen in Ordnung bringen 58,0 5,0 5,0
28 WJfflinbarr.es Hände waschen 60,0+ 0,0 2,0 2,0
29 Mittagspause 112.30 bis 13.001 30,0 30,0 30,0
30 Betriabsversammlung Ibis 13.301 60,0+ 0,0 30,0 30,0 monatlich
31 montieren und schweißen 39,5 39,5 39,5
32 kUfZB Entspannung 42,0 2,5 2,5
33 montienm und schweißen 60,0+22,5 40,5 40,5
34 Zigalette rauchen 29,5 7,0 7,0
35 montieren und schweißen 60,0+ 7,0 37,5 37,5
36 kurze Enrspannung 9,0 2,0 2,0
37 montieren und schweißen 39,0 30,0 30,0
3B TlI[J8sabsrechnung machen 42,0 3,0 3,0 täglich
39 Arbeitsplatz räumen 45,0 3,0 3,0 mglich

40 Summe sm ,. Tag 17.30 bis 16.151 - 525,0 374,0 45,0 11,0 21,0 23,0 12,0 30,0 9,0 -
41 Obertrag weiterer 19 Tage - 9975,0 7539,0 855,0 199,0 329,0 233,0 384,0 45,0 391,0 -
42 Monatssumme Februar 19 .. - 10500,0 7913,0 900,0 210,0 350,0 256,0 396,0 75,0 400,0 -

Bild VI.1. Verteilzeitaufnahme mit Sortierspalten der Zeitarten

1017
Betriebswi rtschaftslehre
Auswertung:

. AZ = 20 -
1 Au f nahmezeIt Tage
- . 8 Stunden . 60 Minuten = 9 600 Minuten
· Monat Tag Stunde Monat

2 Sachlich variabler } = Vsv • JOO % 350· 100 % =4 42 %


· Verteilzeitprozentsatz Zsv G 7913 ' 0

Sachlich konstanter} . 100 % 210 ·100 %


3
· Verteilzeitprozentsatz
Zsk = AZVsk- (V +Er) = 8388 =2 ' 50 %
4 Persönlicher } Vp • 100 % 256 . 100 %
· Verteilzeitprozentsatz zp AZ - (V +Er) 8388 = 3,05 %

5. Verteilzeitzuschlagssatz
Zy =Zsv + Zsk + zp =4,42 % + 2,50 % + 3,05 % =9,97 %"." 10 %
6. Den Erholungszeitzuschlag sollte man hierbei zur Kontrolle immer mitberechnen, wenn er auch
durch eine besondere Berechnung ermittelt wird.

Erholungszeit- }z =Er' 100 % = 396 ·100 %= 5,00 %


zuschlagsprozentsatz er G 7913

3. Menschlicher Leistungsgrad
Weil bei der Zeitaufnahme (ZA) nur selten mit der Normalleistung gearbeitet wird, obliegt es dem
Arbeitsstudienmann, die jeweilige beobachtete Istleistung prozentual zur Normalleistung zu beur-
teilen. Mit diesem Wert, dem sogenannten menschlichen
. beobachtete Leistung
Lezstungsgrad L = Normalleistung

wird die Istgrundzeit in die Normalgrundzeit gewandelt. Zu beachten ist dabei, daß der Arbeits-
ablauf nicht immer die volle Leistungsentfaltung des Arbeiters zuläßt. Der Arbeiter muß, z.B.
wenn die Maschine mit automatischem Vorschub läuft, oft ablaufbedingt warten oder kann wäh-
rend dieser Zeit nur eine geringere Leistung als normal (100 %) vollbringen. Diese dann vom Arbeits-
ablauf dem Arbeiter aufgezwungene Minderleistungszeit, das ist eine Wartezeit die einen Erholwert
besitzt, wird nach REF A zugunsten des Arbeiters mit dem Normal-Leistungsgrad LN = 100 % =
1,0 VM/rnin abgegolten, d.h. es ist die Warte-Normalzeit oder kurz

Wartezeit t w =LN twi =twi =Warte-Istzeit


(Arbeiter A arbeitet während der Wartezeit genauso schnell wie Arbeiter B!)

Daraus folgt, daß eigentlich nur die Tätigkeits-Istzeit tti, das ist eine Zeit mit freier Leistungsent-
faltung (L ~ 100 %) oder eine Zeit mit im Arbeitszwangslauf höher als normal geforderten lei-
stung (L ~ 100 %) mit dem Leistungsgrad korrigiert werden muß. Um herauszustellen, daß bei
gleicher Arbeit für Arbeiter A und Arbeiter B auch die gleiche Normalzeit ermittelt werden soll,
schreibt man: Tätigkeits-Normalzeit oder kurz

Tätigkeitszeit tt = LA ttiA = L B ttiB = konstant bei gleicher Arbeit


'-.- --.--
Arbeiter A Arbeiter B

Hierbei wird vernachlässigt, daß auch einem guten Leistungsgrad-Beurteiler eine Beurteilungstole-
ranz von ± 5 % zugebilligt werden muß.

1018
VI. Zeit und Menge im betrieblichen Arbeitsablauf

3.1. Leistungsgrad-Beurtellen
Mittels Synthese verschiedener Beobachtungserkenntnisse, die sich nicht in einer mathematischen
Beziehung ausdrücken lassen, wird der Leistungsgrad bestimmt. Um hierbei subjektive Einflüsse
möglichst auszuschalten, sollen Erfahrungen, die durch häufiges üben, Kontrollieren und Berich-
tigen gewonnen werden, schließlich ein objektives Urteil ermöglichen.
Aufgrund der menschlichen Unzulänglichkeit ist erst durch Mittelwertbildung von mehr als 5 Lei-
stungsgrad-Beurteilungen ein befriedigendes Urteil zu erwarten. Voraussetzung hierfür ist zunächst
die Kenntnis der Merkmale des menschlichen Leistungsgrades (Bild V1.2) und die Kenntnis der
Bezugsgröße "Normalleistung" , die man wie folgt definieren kann:

Menschl. Lelsfungsgrad L
Kurzzeichen: Zusammenwirken von W+ {/ =EJ bzw. Auswirkung von
Kö'nnen und FI eifl unter be t rie b s übl ich en
ZA Zeitaufnahme Bedingunolft und Berücksichtigung der auftretenden Behinrle-
® normal rungen li/erstände und Veränderungen im Arbeitsablauf
@)Liegt LM in den 8eurteilungs~nzen?
® Steigerbarkeitf3F =3A} zur Arbeitsgüte abwägen
(Mindestmafl) --®-- (Höchstmafl)
Leistung: ausreichemI. befriedigend. gut und sehr gut

~zum~
Ganzen
Wirksamkeit Intensität =Einsatz
Zusammenwirken der 3F~HEß Auswirku!!l Zusammenwirken der 3A Fleifl=Her-
eies Könnens, Streben zur optimalen Arbeits gabe der.Kriilte. Wollen.lnteresse.Zielstre-
~lse im Arbeitsmethoden -Spielraum bigkeit Uberwindung inner. u. äufl.Hemmnisse
I (f)lJualital des Arbeitsvollzuges ® lJuantität des Arbeitsvollzuges
{stockt} --®-- {/ließt} (bremst) --®--- (hetzt)
Während der ZA meist konstant -.. wa'hrend der ZA meist schwankend
c::

~ ~~
~~ ~
Fiihikeiten
=HtQeI rachtes
Fachkö'nnen Fertigkeiten
Intelligenz +
=Erlemtes
AusbIldung
=Routine
Einarbeit+
-1&'1....1
"''''
~~
a;.~
Arbeitstempo
Anstrengung
sichtbare
Ausdauer
spürbare Energievorrat
c!::~ Geschwindigkeit Vitalität Regenerierfähigkeit
Geschick +Erfahrung Gewö7mung
~ ® Bewegungs- @Anspannung (J)ErrrNidtJngsstamJ
(f)Anlagen @Ausbildung @Einarbeit
<--(fJ)--.. c--@--.. <--®--.. vom 11 f<~;' <--®---.. c--<Bi-- >-
Einzelnen
geeignet geübt eingearbellet relativ zur von Körper im Tageslauf
Arbeitsart undGeist Konstitution usw.
Bild VI.2. Merkmale des menschlichen Leistungsgrades

3.2. Normalleistung
ist diejenige befriedigende Arbeitsleistung des Menschen, die unter betriebsüblichen Bedingungen
von jedem Mitarbeiter mit normaler Wirksamkeit (Können) und normaler Intensität (fleiß) er-
reicht werden kann, der die Arbeitszeit so ausnutzt, daß er unnötige Arbeitsverzögerungen und
-unterbrechungen vermeidet, aber innerhalb der Vorgabezeit notwendige Verteil- und Erholzeit
findet, um seine Arbeitskraft ohne Gesundheitsschädigung voll zu erhalten. Normale Wirksamkeit
wird von jedem normal geeigneten, geübten und eingearbeiteten Arbeiter erreicht; normale Inten-
sität setzt voraus, daß Arbeitstempo, Anstrengung und Ausdauer normal sind.

1019
Betriebswi rtschaftslehre
Die normale Wirksamkeit bezieht sich auf die normal zu erwartende Routinebildung und ändert
sich deshalb mit der Losgröße oder Auftragsmenge q und mit der Häufigkeit und Folgedichte
gleicher oder gleichartiger Aufträge. Als Faustformel gilt, daß die auftragseigene normale Wirksam·
1
keit nach Erledigung von der Losmenge (qj3) eingetreten ist. In Bild VI.3 wird veranschaulicht,
daß es richtig ist, etwa bei qj3 Zeitaufnahmen durchzuflihren.
Zeitabfall
Routinebildung

t
.'!:::
~'----------':~----'-----:-----'--
'!!.
Menge oder Zeit 1... q2
3 ... QI'" T Q2

Bild VI.3. Routinebildung und Zeitbedarf


fortschreitende Menge - - -

Eine normale Intensität wird vom Beobachter mitempfunden, wenn der Arbeiter mit optimalem
Wirkungsgrad 7/0 arbeitet und die Ausdauer durch evtl. notwendiges Einschalten kurzer Erholpausen
vergrößert. Bild VI.4 soll diese Beziehungen darstellen.

viele /(urzpausen
haben grollten
[rho/wert

1] = Leistungsergebnis
leistJJngshergabe

leistungshergabe Intensität Erholzeit


Bild VI.4. Der optimale Wirkungsgrad des Menschen und die Pausenwirkung

Als grobe Richtlinie dient die in Tafel VI.1 gezeigte Leistungsgrad-Beurteilungstabelle.

Tafel VI.i. Leistungsgrad-Tabelle

Leistungsstufe (begrifflich) Leistungsgrad


äußerst hoch, nicht lange Zeit durchhaltbar 140 % ~ 1,4 VM/min
sehr hoch, kaum dauernd durchhaltbar 130 % ~ 1,3 VM/min
hoch, frisch, noch dauernd möglich 120 % ~ 1,2 VM/min
gut, besser, freudig fließend, bejahend 110 % ~ 1,1 VM/min
normal, befriedigend, noch steigerungsfähig 100 % ~ 1,0 VM/min
mäßig, unbefriedigend, schwach 90 % ~ 0,9 VM/min
sehr schwach, langsam, uninteressiert 80 % ~ 0,8 VM/min

1020
VI. Zeit und Menge im betrieblichen Arbeitsablauf

Um das Leistungsgrad-Beurteilen so objektiv wie möglich zu gestalten, werden bei REFA-Übungen


mit Sondierungsfragen zunächst die Leistungsmerkmale einzeln überprüft. Es wird dabei jeweils
erwogen, ob die Merkmale kleiner oder größer als normal zu werten sind. Über die gruppenweise
Zusammenfassung der Ergebnisse sucht man dann ein (gefiihlsmäßiges, kein rechnerisches) Gesamt-
urteil zu fmden, das wiederum überprüft
wird, ob Steigerbarkeit bezüglich Arbeits-
giite möglich ist und ob der vorliegende Fehler %
~--r--.-----,+ 30%t-'-'=r~,-------r---.--
Leistungsgrad auch in den Beurteilbar- ~~~--+-~+2~k~~---+--~--~-
keitsgrenzen liegt. +10%
H. Dauber hat die in der Praxis vorkom-
""""""+---+-~-10%
menden Abweichungen untersucht und
+-~r--+--~-M%~~---+--~~~~
das von ihm gefundene Ergebnis mit dem
+---+---+-~-30%+-~~~---+---+~
in Bild VI.5 wiedergegebenen Schaubild
in den REFA-Nachrichten 1958, Heft 5, 60010 70% 60% 9~1o 100% 110% 120% 130% 140%
veröffentlicht. Bild VI.5. Streubereich der Leistungsgrad-Beurteilung

3.3. Täuschungsmöglichkeiten

Sie können auftreten bei


1. Wirksamkeit: Bedächtiges, zielbewußtes Arbeiten wird meist unterschätzt.
2. Intensität: Der Einfluß von Art, Form, Größe, Gewicht, RaumIage und Stoffart von Arbeits-
gegenstand und Wirkmittel, sowie Art und Gleichmäßigkeit des Arbeitsablaufes fördern oder hem-
men die individuellen Bemühungen bezüglich:
a) Arbeitstempo: Geschwinde Bewegungen können ,,Fummeleien" sein, behutsame können z.B. in
der Feinmechanik wegen der erforderlichen Präzision nötig sein und schließlich kann z.B. beim
Hämmern erst ab einer bestimmten Geschwindigkeit ein wirksamer Schlag erreicht werden usw.
b) Anstrengung: Quälend erscheinende Kraftanspannung wird oft überschätzt, spielend erschei-
nende unterschätzt. Geistige Anspannung wie Aufmerksamkeit, Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit, Vor-
sicht, Umsicht, Mitdenken und Selbständigkeit werden oft zu wenig beachtet.
c) Ausdauer: Verkrampftes Arbeiten erweckt den Eindruck, daß große Erholzeiten, gelockertes
Arbeiten, daß keine Erholzeiten erforderlich seien.

3.4. Leistungsgradschwankungen durch Mensch, Arbeit und Umwelt


Mensch: Entwicklungs-, Ausbildungs-, Gesundheits- und Emäherungszustand verändern Wollen
und Können in großen Zeiträumen; die inneren Vorgänge wie Verdauung, Ermüdung (Verschlak-
kung) und Erholung (Regenerierung) verursachen kurzzeitige Leistungsschwankungen, wie die in
Bild VI.6 gezeigte Tageslaufkurve veranschaulicht.

v= zunehmende
Übung
E=ErfßÜdung
Bild VI.6
Die Tagesleistungskurve des Menschen
Tageszeit -

1021
Betriebswi rtschaftslehre

Arbeit: Monotonie oder Vielgestalt beeinflussen Arbeitslust und Routinebildung. Störungen oder
Änderungen im Arbeitsablauf beeinflussen die Anforderungen an den Menschen durch Ungleich-
heit von Stoff und Mittel, Ergreifbarkeit, Schneidhaltigkeit und Maßhaltigkeit. Simultaneinflüsse
bei Mehrglieder- z.B. 2-Hand-Arbeit, sowie bei Mehrmann- oder Gruppenarbeit, lassen Engpässe
zum Schrittmacher werden.
Umwelt: Betriebsklima, Beleuchtung, Hitze, Kälte, Schmutz, Lärm, Unfallgefahr usw. fördern oder
hemmen die Entfaltung der inneren Antriebe des Menschen.
Der ruhende Pol der Leistungsgrad-Beurteilung während der Zeitaufnahme ist im allgemeinen, bis
auf gewisse Störungen, die Wirksamkeit. Der Arbeitsstudienmann kann sich also dadurch entlasten,
daß er die Wirksamkeit als Ausgangsbasis vorher beurteilt, und sich während der Zeitaufnahme
hauptsächlich auf die meist schwankende Intensität konzentriert.

4. Zeitgrad des Menschen


Der Zeitgrad Z (meist in % angegeben), ist im Gegensatz zum Leistungsgrad L, der eine momen-
tane, beurteilte Leistung darstellt, die errechnete und bezahlte Durchschnittsleistung im Abrech-
nungszeitraum (Woche oder Monat):
Auftrags-Vorgabezeiten im Abrechnungszeitraum M VM
Z= on
Akkordarbeitszeiten im Abrechnungszeitraum M min
on
Auf diese Durchschnittsleistung können sich neben Wirksamkeit und Intensität noch auswirken:
a) Dispositions- und Organisationsgabe, z.B.: während Wartezeiten werden am gleichen oder ande-
ren Auftrag, Entgrate- oder ähnliche Arbeiten durchgeführt; der Gang zur Werkzeugausgabe wird
nicht nur dann erledigt, wenn sie frei ist, sondern auch gleichzeitig mit einem anderen Weg (z.B.
persönl. Bedürfnisse) verbunden usw.
b) Übersteigerter Fleiß fUhrt zum Verzicht auf persönliche Bedürfnisse und Erholung, zur Ver-
kürzung von Pausen, zur Mißachtung von Unfallverhütungsvorschriften usw.
c) Falsche Vorgabezeiten und genauere oder ungenauere ArbeitsausfUhrung als vorgesehen ver-
ändern den Zeitgrad.
d) Der Arbeitsablauf kann durch zwangsläufig eingeschlossene Wartezeiten den Arbeiter daran
hindern, immer seine volle Leistung zu entfalten.
Im Bild VI.7 werden die beiden Ansichten zur Wartezeitbewertung mit LN = 100 % und mit dem
Durchschnittsleistungsgrad L</> gegenübergestellt und ihr Einfluß auf den Mischungs- und Zeitgrad
ZMi gezeigt.

L = Häufigkeit

liDo;.

Bild VI. 7. Mischungszeitgrad und Wartezeitbewertung

1022
VI. Zeit und Menge im betrieblichen Arbeitsablauf

Der Zeitgrad dient ferner als Grundlage der betrieblichen Leistungsstatistik (Bild VI.8).

~I Übersicht der leitgr~de bJ Hiufigkeitswert der leitg~de


~ r--.--r--.--r--r-.
lohn woche
Name
2 3 I. 5 6 usw. Wr--r--+--+--~-;--~
Schmidt 115 177 771. 116 119 118
Krüger 130 133 132 135 136 131.
Schulze 121. 723 122 125 121. 122
cl Durchschnittliche leitgr~dl! der Belegschaft

I: -
tJ

--
~ 10
'2
.."...., ......
"./ l"- r-- c::.
ii O,......~....
10 -
t;
uu
1 2 3 I. 5 6 7 8 9 10 11 leitgrade I - - - -
lohnwoche - - -

Bild VI.8. Betriebliche Leistungsstatistik

5. Gliederung der Auftragszeit


Die Auftragszeit T setzt sich zunächst aus der Rüstzeit t r und der AusfUhrungszeit t a zusammen,
wobei die Ausfuhrungszeit t a = m' t e ist.

Man kann daher folgende Gleichung aufstellen:

VM VM VM HE HE
Los Los Los Los HE

Dazu folgende Rundungsregeln:


t r und t a sollten immer ganze VM/Los sein.
t e sollte auf ± 1 % gerundet werden, alle Vorgängerzeiten (t er , t v , t g , tt, tw ) werden nicht gerundet.

Die im Bild IV.9 verwendeten Einheiten bedeuten folgendes:


VM Vorgabeminuten: Eine Vorgabeminute ist die Arbeitseinheit, die der Mitarbeiter bei Bezugs-
leistung (z. B. REF A-Normalzeit) erledigt.
Los Teilauftragsmenge, bei sich laufend wiederholenden Aufträgen (z.B. Serienaufträgen).
HE Herstelleinheit, die nach Fertigstellung des Auftrages m-mal abgeliefert wird.

Die Anwendung der weiteren Zeitgliederung (Bild VI.9) wird an nachfolgenden Beispielen erläutert :
1. Die Zeit je Einheit t e ist fiir den Arbeitsvorgang ,,Bolzen drehen" zu ermitteln.
Aus Planzeittafeln wurde festgestellt, daß die Zeit fiir Spannen, Span anstellen und Messen, als
Tätigkeitszeit tt = 0,8 VM/HE ist.

1023
Betriebswi rtschaftslehre

A us"··h . .In
u rungszelt VM
Los

R .. . . VM
ustzelt In Los

} {
VM VM
Rüsterholzeit in Los Erholzeit in HE

VM VM
Rüstverteilzeit in Los Verteilzeit in HE

VM . . VM
Grundzelt
Rüstgrundzeit in Los In HE

Wartezeit, . VM
- -- m -
ablaufbedingte HE
Leistungsgrad,
Rüstistzeit in m in vereinbarter
Los L' = 1,0 nach REFA
(gemessene Zeit)

Rüstvorgi!!!g, er tritt im Auftrag Durch Messen bei der Zeitaufnahme gewonnene Zeiten.
einmal auf und setzt sich aus Arbeitsvorgänge, sie treten im Auftrag m-mal auf und
Auf- und Abrüsten zusammen wiederholen sich zyklisch.

Bild VI.9. Gliederung der Auftragszeit

Die Prozeßzeit wurde mittels Hauptzeitgliederung th = L/n· s, als arbeitsablaufbedingte Warte-


zeit t w = 2,7 VM/HE, errechnet. Die berechneten oder vereinbarten Zuschläge sind Zer = 5 % =
0,05 und Zy = 10 % = 0,10, bezogen auf die Grundzeit.
a) Errechnung der Grundzeit t g
VM
Tätigkeitszeit tt = 0,8 HE

+ arbeitsablaufbedingte Wartezeit t w = 2,7 ~


VM
= Grundzeit t g = 3,5 HE
b) Errechnung der Zuschläge

VM
Erholungszeit t er =Zer· t g =0,05 ·3,5 HE =0,175 VM
HE

VM VM
Verteilzeit ty =Zy· t g =0,10·3,5 HE =0,350 HE

c) Errechnung der Zeit je Einheit t e


Zeit je Einheit t e = t g + t y + t er
VM VM VM VM VM
te = 3,5 HE + 0,35 HE + 0,175 HE = 4,025 HE "" 4,03 HE
1024
VI. Zeit und Menge im betrieblichen Arbeitsablauf

2. Die Auftragszeit T ist rur 100 Gleitsteine - G 7711 zum Arbeitsvorgang "Gleitsteine fräsen"
zu ermitteln. Die dazu durchgeführte Zeitaufnahme lieferte folgende Zeitmeßwerte:

Prozeßzeit bei selbständigem Vorschub, also Warteistzeit twi = 4,89 min/HE. Handzeiten, rur
die ein durchschnittlicher Leistungsgrad von L = 110 % == 1,1 VM/min festgestellt wurde, also
mittlere Tätigkeitszeit tti = 1,8 min/HE und als Rüstzeit tri = 26,0 rnin/l.os.

a) IST- in SOLL-Zeiten umwandeln


min YM YM
= twi' L =4,89 HE =4,89
I
Wartezeit tw . 1,0 rnin HE

min YM YM
Tätigkeitszeit t t = tti . L = 1,80 HE
I
. 1,1 rnin = 1,98 HE

Rüstgrundzeit trg = tri' L' =23,7 Lmin . 1,1 ~ = 26,07 YMl.o


os rmn s

b) Berechnung der Zeit je Einheit

Grundzeit tg = tw + tt =4,89 + 1,98 =6,87 YM


HE

+ Erholungszeit t er =Zer' t g =0,05 . 6,87 =0,3435 ~~

+ Verteilzeit ty = Zy' tg =0,10 . 6,87 =0,687 YM


HE

VM
=Zeit je Einheit t = t g + t er + t
e y = 7,9005 R: 7,9 HE

c) Berechnung der Rüstzeit


YM
Rüstgrundzeit trg = 26 ,0 7 -
Los

+ Rüsterholungszeit t rer =zrer' trg =0,05 ·26,07 = 1,3035 LYM


os
YM
+ Rüstverteilzeit t rv =Zrv • trg =0,10 . 26,07 =2,607-
Los

YM
= Rüstzeit t r = 29 9805
, R: 30 -Los

d) Berechnung der Au!tragszeit T


YM HE VM YM
T=tr+m' t e =30 Los + 100 Los ·7,9 HE = 820 Los
1025
Betriebswi rtschaftslehre

VII. Arbeitsgestaltung, Zeit- und Lohnermittlung

1. Gestaltung der Arbeit


Eine Zeit· oder Kostenermittlung wird erst möglich, wenn Klarheit über die Gestaltung der Arbeit
besteht. Arbeit gestalten heißt, einen Bestzustand anstreben. Dabei kann es sich um eine Arbeits-
neugestaltung oder um eine rationalisierende Arbeitsumgestaltung handeln. Während bei der
Arbeitsneugestaltung nur ein rationeller Arbeitsablauf mit den dazugehörigen Arbeitsfolgen,
Arbeitsvorgängen und Arbeitselementen entwickelt werden braucht, muß bei der Arbeitsumgestal·
tung nach dem Grundsatz "Durch Klarheit zur Wahrheit" in vier Stufen vorgegangen werden.

1.1. Vier-Stufen-Methode der Arbeitsumgestaltungi)


Stufe 1: Istzustand bzw. bestehende Arbeitsmethode 2) festhalten. Jeder Teilvorgang usw. ist zu
notieren, während die Arbeit beobachtet wird. Dann sind alle Mängel, also Störungen und Schwierig·
keiten festzustellen: am Arbeitsverfahren oder an der Arbeitsmethode, an der Art der Arbeits-
teilung, an dem Prinzip der Arbeitsplatzanordnung, am Betriebsmittel und am Arbeitsgegenstand.
Ferner sind Arbeitsanforderungen, Umgebungseinflüsse und Organisationstypus festzustellen und
aufzuschreiben. Unter Umständen sind Arbeitsplatz-, Betriebsmittel-, Werkstoff- und Bewegungs-
studien durchzuflihren.
Stufe 2: Kritik des Istzustandes mit Folgerungen für den anzustrebenden Sollzustand unter Aus-
schöpfung aller betrieblichen Möglichkeiten.
Es ist zu fragen:
1. Was wird getan? Warum? Wozu? Ist das nötig?
2. Wann und wo könnte man das besser tun? Warum dann? Warum dort?
3. Wer könnte das besser tun? Warum?
4. Womit und wie könnte man das besser tun? Warum?
Es ist mit Tatsachen, Erfahrungen, Ursachen und Gründen zu arbeiten und nicht mit Meinungen,
Schein wirkungen usw.
Stufe 3: Sollzustand entwickeln und verbesserte Arbeitsmethode festlegen. Gefundene Einfälle
kritisch durchdenken, brauchbare auswerten, überflüssig gewordene Teilarbeiten ausschalten, nötige
Arbeiten richtig aufteilen und vereinfachen. Dann verbesserte Arbeitsmethode gründlich erproben,
begutachten lassen und schriftlich festlegen.
Stufe 4: Einführung der verbesserten Arbeitsmethode. Das ist die schwerste aber auch wichtigste
Stufe 3), die sehr viel Diplomatie erfordert, denn die meisten betroffenen Mitarbeiter sträuben sich
gegen Neuerungen 4). Es sind deshalb brauchbare Vorschläge der Mitarbeiter zu verwenden und
unbrauchbare besonders eingehend begriindet abzulehnen. Ferner ist der Erfolg der neuen Arbeits·
methode durch griindliche und richtige Arbeitsunterweisung zu sichern, sowie der Erfolgsnachweis
schriftlich niederzulegen.

1) REFA schlägt eine ,,6-Stufen-Methode der Systemgestaltung" vor, die sich allerdings in der Praxis noch nicht
voll durchgesetzt hat.
2) Arbeitsmethode, das ist eine schriftlich oder nach "Brauch und Sitte" festgelegte Art der Arbeitsausführung,
im Gegensatz zur Arbeitsweise, das ist die innerhalb des verbleibenden Spielraums dem Arbeiter eigene,
individuelle Art der Arbeitsausftihrung.
3) Der Aufwand für eine Arbeitsuntersuchung rechtfertigt sich nur, wenn die gefundenen Verbesserungen auch
eingeführt werden.
4) Weitere Gründe siehe Zeitaufnahme.

1026
VII. Arbeitsgestaltung, Zeit- und Lohnermittlung
Bei der Ermittlung von Verbesserungen sollte berücksichtigt werden:
Der Mitarbeiter. Ist er für diese Arbeit geeignet? Ist er an ihr interessiert? ,,Kann" er die Arbeit?
Hat er genügend Erfahrung und übung? Ist er vollständig unterwiesen? Versteht er den Zweck
seiner Arbeit? Stehen ihm nötige Arbeitsschutzmittel zur Verfügung?
Das Arbeitsverfahren. Sind alle Unfallschutzvorschriften berücksichtigt und bekanntgegeben? Kann
ohne Kraftverschwendung und mit bei den Händen gleichzeitig gearbeitet werden? Wird die Arbeit
in günstiger Höhenlage, möglichst im Sitzen und ohne Unterbrechung des Bewegungsflusses aus-
gefiihrt? Können Rückstände, Engpässe und Doppelarbeit vermieden werden? Kann die fertige
Arbeitsmenge leicht übersehen und erfaßt werden?
Die Werkzeuge und Maschinen. Wird von technischen Hilfsmitteln genügend Gebrauch gemacht, um
Handarbeit einzusparen und unnötige Ermüdung zu vermeiden? Sind Werkzeuge, Vorrichtungen
sowie Bedienungselemente der Maschine übersichtlich und griffgerecht angeordnet?
Der Arbeitsplatz. Ist der Arbeitsplatz übersichtlich, hygienisch, freundlich und richtig beleuchtet,
oder wird der Arbeitserfolg durch Umwelteinflüsse wie Zugluft, Lärm, Temperatur usw. beeinträch-
tigt? Ist der Arbeitsplatz so gestaltet, daß nicht ein Arbeiter den anderen behindert und ist das
Arbeits- und Sehfeld des Menschen genügend berücksichtigt?
Der Transport. Sind die Transportmittel den örtlichen und räumlichen Verhältnissen angepaßt,
zweckmäßig und unfallsicher? Können Wartezeiten der Fördermittel und Förderwege verkürzt
werden? Wird Handtransport und rückläufiges Fördern vermieden? Ist das Fördermittel verschleiß-
fest, schont es das Fördergut und ist seine Geschwindigkeit an den Arbeitstakt angepaßt? läßt
sich häufiges Umladen etwa dadurch vermeiden, daß auf dem Fördermittel gearbeitet werden kann?
Die Werkstoffe bzw. der Arbeitsgegenstand. Kann der Abfall verringert oder notwendiger Abfall
produktiv wiederverwendet werden? Sind leichter verarbeitbare, billigere und leichter beschaffbare
Stoffe verwendbar? Können Beschädigungen durch bessere Lagerung vermieden werden?

1.2. Die Arbeitsunterweisung


Ist ein weiteres Mittel zur Arbeitsbestgestaltung; sie kann schriftlich oder mündlich gegeben wer-
den. Weil eine Unterweisung immer etwas zu Lernendes vermitteln soll, heißt es das Lernen so zu
leiten, daß der erstrebte Lernerfolg richtig, sicher, möglichst einfach und planmäßig erreicht wird.
Man unterscheidet folgende drei Lernformen:
Neulernen: Erlernen einer neuen Einzelarbeit oder eines neuen Berufes. Hierbei sind Angehörige
fremder Berufe oft besser geeignet als Angehörige verwandter Berufe, denn sie lernen von Grund
auf neu und müssen sich alte Gewohnheiten nicht erst abgewöhnen.
Zulernen: Beherrschen lernen eines zusätzlichen Arbeitsgebietes oder durch Arbeitsverfahrens mit
anderen Hilfsmitteln oder anderen Werkstoffen.
Umlernen: Erst nachdem alte Gewohnheiten zerstört wurden, kann neu aufgebaut werden. Um-
lernen ist deshalb oft schwieriger als Neulernen, denn es besteht die Gefahr des Halblernens.

2. Vorkalkulation der Arbeitszeit durch Schätzen, Vergleichen und Rechnen


Für alle betrieblichen Planungen muß man die benötigte Zeit schon vor der Arbeitsausfiihrung
kennen. Ermittlungsverfahren und zu erreichende Genauigkeit sind abhängig von den vorhandenen
Kalkulationsunterlagen und vom vertretbaren Zeitaufwand des Kalkulators, der sich wiederum
richtet
a) nach dem Verwendungszweck; Planungszeiten brauchen nicht so genau zu sein wie Vorgabe-
zeiten zum Zwecke der Entlohnung.
b) nach der Auftragsmenge; mit steigender Fertigungsmenge vervielfacht sich der begangene Fehler
und damit steigt das Kalkulationsrisiko.

1027
Betriebswirtschaftslehre
Als Grundverfahren, die bei der Zeit-Vorkalkulation von Arbeitsvorgängen meist gemischt ange-
wendet werden, gelten:
Schätzen, d.h. Vergleichen und Abwägen nach Erinnerungswerten:
a) erlebnisbedingt und damit subjektiv. Der Schätzer erlebt den Arbeitsablauf in seiner Vorstellung
mit und überlegt, wieviel er selbst zu dieser Arbeit Zeit benötigen würde, oder zu einem früheren
Zeitpunkt benötigt hat. Dabei kann ihm der Fehler unterlaufen, daß er die Arbeit, die ihm selbst
nicht liegt, überschätzt, oder umgekehrt, ihm leichtfallende Arbeit unterschätzt.
b) kenntnisbedingt, d.h. der Schätzer hat sich aufgrund der bei seiner Tätigkeit gemachten Erfah-
rung ein Zahlengedächtnis angeeignet, das er laufend auf Objektivität kontrolliert und dadurch
mit genügender Sicherheit anwendet.
Vergleichen und Interpolieren, d.h. Bilden von Vergleichs- oder auch Zwischenwerten nach vor-
handenen Aufzeichnungen (Vergleichswertkarteien) oder Zeitnormen für form- und arbeitsähnliche
Teile.
Rechnen mit Erfahrungswerten, die in Zeitermittlungsformeln eingesetzt werden.
Neben der summarischen sich auf den ganzen Arbeitsvorgang beziehenden Zeitermittlung durch
Schätzen oder Vergleichen wird das Zusammensetzverfahren angewendet. Dieses Verfahren sieht
zunächst die Zerlegung des Arbeitsvorganges in solche Ablaufabschnitte vor, die man leicht und
sicher schätzen oder berechnen kann, oder in solche, zu denen Vergleichsunterlagen, die sich mög-
lichst auf frühere Zeitaufnahmen stützen, vorhanden sind. Es endet mit der Addition der meist
nach verschiedenen Grundverfahren (Schätzen, Vergleichen oder Rechnen) ermittelten Zeit-
elemente. Beachten muß man hierbei jedoch, daß die so zusammengefügten Zeitelemente sich
nicht gegenseitig überschneiden oder zwischen ihnen Lücken entstehen oder gar ganze Zeitelemente
vergessen werden. Man hofft ferner, daß sich die Fehler durch zu große und zu kleine Teilzeiten
gegenseitig ausgleichen.
Das Zusammensetzen der Zeitelemente, das gleichzeitig zum genauen Durchdenken des Arbeits-
ablaufes zwingt, kann erfolgen:
chronologisch, d.h. genau im zeitlichen Ablauf oder
gruppiert nach rechenwirtschaftlichen Gesichtspunkten. Es werden gleichartig zu ermittelnde Teil-
vorgänge zusammengefaßt, wie z.B. bei der Hauptzeit: "i" Schnitte, bei der Nebenzeit: "i"-mal
Tisch oder Support bewegen, sowie sonstige begrifflich und organisch zusammengehörige Einleite-
und Ausleitearbeiten wie: Ein- und Ausspannen, Maschine aus- und einrücken, Auf- und Abrüsten
usw.

2.1. Arbeitszeitermirtlung durch Schätzen


Bezüglich Genauigkeit und Zeitaufwand unterscheidet man:
Gesamtschätzen (Zeiten schießen).
Unterteiltes Schätzen (Zusammensetzverfahren).
Kontrolliertes Schätzen; das durch "Unterteiltes Schätzen" gefundene Ergebnis wird mit dem am
besten vorher gesamtgeschätzten (geschossenen) Wert verglichen und anschließend durch Abwägen
der Fehlermöglichkeiten ein endgültiges Ergebnis gefunden.
Beispiel: Zeitermittlung durch ,,Kontrolliertes Schätzen".
a) Arbeitsgegenstand: Winkel (Bild VII.I), Zeichnungs-Nr.: W 30-8, Losgröße: 20 Stück.
b) Ausgangsstoff- Flachstahl 30 . 3, St34, Einsatzgewicht: 45 gJWinkel.
c) Arbeitsplatz: Bauschlosserei, hier werden immer ähnliche Arbeiten verrichtet.

1028
VII. Arbeitsgestaltung, Zeit- und Lohnermittlung
d) Arbeitsbedingungen: Bohrer bis 12 mm (f) gehören zum Werkzeugsatz des Arbeitsplatzes, Auf-
tragspapiere und Zeichnungen werden übergeben. Werkzeug- und Stoffausgabestelle sowie Ab-
gabestelle und Kontrolle sind etwa 50 m entfernt. Bohrmaschine, Schere usw. befinden sich
im Umkreis von etwa 5 m.
e) Arbeitsvorgang: Zuschneiden, Biegen, Bohren und Fertigstellen.
f) Gesamtschätzung (zur Kontrolle des Ergebnisses): T =t r + 20 t e "" 120 VM/Los.
g) Unterteilte Schätzung: Arbeitsunterteilung f rg VM/Los f g VM/HE

1. Rüsten allgemein:
a) Zeichnung lesen, Akkordschein
ausfüllen
b) Werkzeug besorgen und abgeben
c) Stoff besorgen, Teile abgeben 11
2. Zuschneiden (Anschlag einstellen) 4 0,1
3. Richten und entgraten 3 1,0
4. Anreißen zum Biegen 2 0,1
5. Im Schraubstock biegen 3 1,0
6. Löcher anreißen und ankörnen 2 0,3
Bild VII.l 7. Bohren 2 mal 10 mm C/J 3 1,0
Winkel W 30-8 8. Löcher entgraten (Spitzsenker) 1 0,5
Summe der Grundzeiten 29 4,0
h) Vorgabezeiten bei Verteilzeitzuschlag Zy = 10 % =0,1
Rüstzeit: t r =(l + Zy) trg = 1,1· 29"" 32 VM/Los (auf volle VM gerundet)
Zeit/flE: t e =(1 + Zy) t g = 1,1· 4,0 =4,4 VM/He (± 1 % gerundet)
Auftragszeit: T = t r + 20 t e =32 + 20 ·4,4 = 120 VM/Los (auf die VM genau)
i) Gesamtschätzung und "Unterteilte Schätzung" sind gleich!

2.2. Arbeitszeitermittlung durch Vergleichen (Einflußgrößenrechnung)


Zum Vergleichen dienen Aufzeichnungen, meist Auszüge wiederkehrender Zeitelemente in Tabel-
lenform, die der planmäßig arbeitende Kalkulator sich laufend aus einer großen Zahl von Zeit-
aufnahmen und sonstigen gen auen Zeitermittlungen erarbeitet und so nach Teilefamilien ordnet,
daß sie als Richtwerte oder zur Richtwertbildung dienen können.
Ein Zeitvergleich kann sich beziehen auf Vorgabezeiten ganzer Erzeugnisse oder Erzeugnisteile,
auf Vorgabe- oder Grundzeiten von Arbeitsvorgängen sowie auf Normalzeiten von Teilvorgängen
oder Arbeitselementen. Vergleichen kann man aber auch Kalkulationsgrundwerte wie Emaillier-
kosten je m 2 , Fertigungskosten je kg Guß, die Grundwerte der Kostenanalyse in der Betriebsab-
rechnung also Bereitschaftskosten je Stunde oder Stück oder auch sonstige Versuchsergebnisse in
Abhängigkeit von ihren Einflußgrößen.
Der Vergleich fußt auf der Annahme, daß sich die Zielgröße (Zeit, Kosten usw.) meist proportional
bzw. linear aber bestimmt funktional mit ein oder zwei EinflußgIÖßen (Länge, Gewicht usw.)
ändert. Man spricht von einer
Interpolation, wenn die gebildeten Zwischenwerte innerhalb bekannter Punkte liegen (hohe Sicher-
heit) und von einer
Extrapolation, wenn man Außenwerte zur Punktwolke, analog dem Funktionsverlauf bildet, die
aber noch innerhalb der Gültigkeitsgrenzen liegen müssen.
Die Gültigkeitsgrenzen kann nur der Fachmann bestimmen, der die noch zulässige Ungenauigkeit
durch Störungseinflüsse, abwägen kann und weiß wo durch Methodenänderung sich der Funktions-
verlauf oft sprunghaft ändert, wie z.B. beim Spannen: mit Pinzette, von Hand oder mit einem
zweiten Mann (Bild VII.7).
1029
Betriebswirtschaftslehre
Das Inter- oder Extrapolieren kann wiederum geschehen durch Schätzen oder auch geflihlsmäßiges
Abwägen und Rangieren, durch Rechnen, unter der Annahme, daß eine lineare Beziehung vorliegt,
oder durch Zeichnen von Schaubildern. Das Schaubild macht die funktionalen Beziehungen sicht-
bar und erleichtert die richtige Beurteilung sowie das Ausgleichen der vorhandenen Streuungen,
die auch den durch Zeitaufnahmen gewonnenen Zeiten aufgrund des beurteilten Leistungsgrades
(± 5 %) anhaften.
Jede Richtwerttafel sollte graphisch überprüft und von unlogischen Streuungen befreit werden,
wobei Arbeitsinhalt und Anwendungsbereich genau abgegrenzt sein müssen. Durch Zusammen-
fassen von Spalten oder Zeilen zu je einer Funktionslinie, erfaßt man die dabei auftretende zweite
Veränderliche mittels Linienschar in einer sogenannten Parameterdarstellung.
Beispiele:
1. Inter- und Extrapolieren der Vorgabezeit für das Drehen von Ansatzbolzen.
a) Durch-Schätzen (Bild VII.2), Voraussetzung: Dld und d !ll I = d2il2 =d 3 /1 3 = konstant.

4 VM ? VM 6 VM Interpolation te2 =5 VM
? VM 5 VM 6 VM Extrapolation let =4 VM Bild VII.2
4 VM 5 VM ? VM Extrapolation t eJ =6 VM Inter- und Extrapolieren durch Schätzen

b) Durch einfache graphische Darstellung (Bild VII.3), nur der Zapfendurchmesser d gilt als Ein-
flußgröße, die Vorgabezeit t e (VM/HE) als Zielgröße. Dazu die lineare Funktion:

allgemein y =ax + b
und zum Bild V.3 te = tepd + tef 8

5 9z

t ~I-----~-'- t4
4t--------::.."q<'''--r
~3
::;: 9/
~2
0 d/ dz dJ

Bild VII.3. Zeichnerisches Inter- und Extrapolieren Bild VII.4. Graphische Parameterdarstellung

t ep proportionale Zeitanteile/HE, das sind größen abhängige Zeiten wie Zerspanen usw.
tef fixe Zeitanteile/HE, z.B. Zeitanteile der Arbeitselemente: Spannen, Maschine ein- und
ausrücken, Span anstellen, Messen usw.
c) Durch graphische Parameterdarstellung (Bild VII.4). Bei nicht konstantem Verhältnis dll, wird
die zweite Veränderliche I durch eine Linienschar zum Ausdruck gebracht. Im Schaubild,
Bild VII.4, stellen gl und g2 die Grenzlinien der Gültigkeit dar, denn außerhalb dieser Grenzen
ändert sich die gewählte Arbeitsmethode. So könnte Z.B. unterhalb gl der Zapfen durch Ein-
stechen (Formdrehen) und nicht durch mehrfaches Langdrehen usw. erzeugt werden, und
oberhalb g2 könnte durch Überschreiten des Verhältnisses lid;;;' 10 (unstabiI) das Arbeiten mit
Reitstockspitze und evtl. sogar mit Lünette erforderlich werden.

1030
VII. Arbeitsgestaltung, Zeit- und Lohnermittlung

Anmerkung zu la ... c): Nur zwei Angaben (Funktionspunkte) täuschen immer einen linearen, d.h.
geraden Verlauf der Funktionslinie vor, lassen Plus- und Minusabweichungen unerkannt bleiben
und sind deshalb unsicher. Für viele Beziehungen dürfte jedoch die Zerlegung in feste und propor-
tionale Zeitanteile richtig sein. Um die Ablesegenauigkeit zu erhöhen sollte nur der im Unter-
suchungsbereich liegende Schaubildausschnitt, dafiir aber recht groß, gezeichnet werden.
2. Ausgleichen und Beurteilen der Gesetzmäßigkeiten der durch Zeitaufnahmen gewonnenen Zeit-
elemente.
Neben dem schon im ersten Beispiel gezeigten proportionalen bzw. linearen Funktionsverlauf
können sich mit zunehmender Zahl von Einflußgrößen die in den Bildern VII.5 ... VII.8 gezeigten
lrurvenformen ergeben.
Streuungen können hervorgerufen sein durch individuell andere Arbeitsweisen verschiedener Arbei-
ter, die vom Arbeitsstudienmann nicht richtig mit dem l.eistungsgrad ausgeglichen wurden, oder
von Gütetoleranzen die beim Werkstoff, Werkzeug usw. auftreten können.

I t
Einflullgriille - -
Bild VII.5. Progressiver KurvenverJauf der Bild VII.6. Degressiver Kurvenverlauf der
Zeitfunktionen Zeitfunktionen

t
5kg Gewicht - -
~IL---_~_'
~_~_b_g_~~
Einflul1grö!Je - - -
Bild VII.7. Unterbrochener Kurvenverlauf bei Bild VII.8. Parameterkurven oder Kurvenschar ftir
Änderung der Arbeitsmethode z.B. beim verschiedene Feilarten bzw. Genauigkeitsgraden
Spannen oder Bewegen gro1\er Teile mi ttels Kurve I: Schruppen
Hebezeuge oder durch zwei Mann Kurve II: Schlichten
Kurve III: Feinschlichten

2.3. Arbeitszeitvorrechnung
Unter Arbeitszeitvorrechnung versteht man die Vorausbestimmung der Vorgabezeit mittels der
drei Grundverfahren Schätzen, Vergleichen und Rechnen, meist auf einem entsprechenden Zweck-
vordruck ausgefUhrt. Arbeitsrechtlich gesehen muß jede ermittelte Zeit rekonstruierbar sein, d.h.
es müssen auf der Arbeitszeitvorrechnung verwendete Kalkulationsunterlagen z.B. Richtwerttafeln,
Drehzahlen usw. sowie das Ermittlungsverfahren angegeben sein.

3. Technik und Auswertung der Zeitaufnahme


Die Zeitaufnahme ist das praxisnahe Bindeglied, das die Grundlage aller Zeitermittlungserkenntnisse
vermittelt. Sie dient zur Zeitermittlung in der Massenfertigung, zur Schaffung von Kalkulations-
unterlagen und zur Klärung von Akkordstreitigkeiten.

1031
Betriebswirtschaftslehre

3 .1. Voraussetzung für die Zeitaufnahme


Der Arbeitsstudienmann darf sich nicht mit der vorgefundenen Arbeitsausfuhrung zufrieden geben,
er muß vielmehr den Arbeitsvorgang erst nach den Regeln der Arbeitsgestaltung durchdenken,
bestgestalten und die gefundene Arbeitsmethode schriftlich festlegen. Dies hat folgende Gründe:
a) ist es unwirtschaftlich, halbe Arbeit zu leisten,
b) erschüttern zu oft erforderliche Zeitaufnahmen das Vertrauen und
c) ist eine einmal gemachte Zeitaufnahme fur beide Teile verbindlich und kann eigentlich nur wie-
derholt werden, wenn Fehler nachgewiesen werden oder sich die Arbeitsmethode geändert hat.

3.2. Menschliche Probleme bei der Zeitaufnahme


a) Der Arbeiter fürchtet eine Beschneidung seiner Freiheit während der Zeitaufnahme sowie eine
Schmälerung der Verdienstchancen und zwar auch dadurch, daß Neuerungen eingeftihrt werden
sollen.
b) Der Betriebsvorgesetzte argwöhnt. daß seine Leute unzufrieden werden, seine eigene Handlungs-
freiheit durch straffe zeitliche Erfassung eingeschränkt wird und er manches tun muß, was seine
Bequemlichkeit stört.
c) Die Kollegen des Arbeiters bangen um den Besitzstand guter Vorgabezeiten.
d) Der Betriebsrat, der ftir die Akkord- und Lohngestaltung ein Mitbestimmungsrecht besitzt, kann
auf Grund mangelnder Sach- und Fachkenntnisse ungeschickt eingreifen und weitere Spannungen
erzeugen.

3.3. Hilfsmittel bei der Zeitaufnahme (Bild VII.9)


Fremdaufschreibung. Bei Fremdaufsehreibungen verwendet man in der Regel Zeitmeßgeräte mit
l~-Minutentei1ung (emin). Es werden in diesem Rahmen Einzelstoppuhren mit Sehleppzeiger zur
Fortsehrittszeitmessung oder Mehrfaehuhrensysteme zur Einzelzeitmessung verwendet.

I Geräte zum Erfassen von


Zeiten und anderen Daten
I
I I
Fremdaufschreibung Selbstaufschreibung
Beobachter betätigt Mitarbeiter oder Betriebsmittel
dezentral das Meßgerät betätigen dezentral das selbst-
registrierende Meßgerät

I I
I I 1
Zen tral registrierende Dezentral registrierende
Selbsttätig Bei Stoppuhren Meßgeräte: Meßgeräte:
registrierende registriert Bandschreiber WDO), Nutzungsschreiber (VDO),
Meßgeräte der Beobachter Produktograph, Zeit·Mengenschreiber,
Centralograph usw. Pro·Data-Dezentral usw.

I
Fortschrittszeitmessung Einzelzeitmessung
Eine Uhr mit oder ohne Einuhren· bis
Schleppzeiger Vieruhrensysteme

Bild VII.9. Geräte zum Erfassen von Daten

1032
VII. Arbeitsgestaltung, Zeit- und Lohnermittlung
Weiterhin benötigt man folgende Schreibutensilien : Geeignete Vordrucke als Beobachtungsbogen,
Schreibunterlage (meist mit Uhrenbefestigung und Traggurt) und einen urkundenechten Stift
(Kugelschreiber, Füller oder Kopierstift). Meßgeräte wie Metermaß, Schiebelehre, Tourenzähler
usw. werden zur Feststellung der Maschinendaten und Werkstückabmessungen benötigt.

Selbstaufschreibung. Uhrensysteme können auch vom arbeitenden Menschen oder vom Betriebs-
mittel über Druckknöpfe, lichtschranken usw. betätigt werden. Die dadurch ausgelösten Impulse
können entweder dezentral im Gerät oder durch eine zentrale Leit- oder überwachungsstelle
registriert werden.

3.4. Arten von Zeitaufnahmen


Abhängig von der im Bild VII.lO gezeigten Verkettung der Arten der Arbeitsabläufe mit der
Paarung von Arbeiter und Stellenzahl, unterscheidet man:
Vorausbestimmbare ein- oder mehrgliedrige Zeitaufnahmen und nicht vorausbestimmbare ein- oder
mehrgliedrige Zeitaufnahmen.

Msthodtl b8dingt den Mensch oder Mitte' (Platz, Maschine, WerkztlUg UM.) Materia' al,
Arbeitsablauf Arbeiter(·Gruppe) (Arbeits·) Stellen Arbeitsgegenstand

in Abschnitten Arbeitrtlorgang
(TeilvorginfIB) oder Teilvorgang
wirktBUf:

mehrstBllige Gruppenameit

Bild VILIO. Verkettung der Arbeitsablauf- und Bearbeitungsarten mit der Paarung von Mitarbeiter- und Stellenzahl

Bei vorausbestimmbaren Zeitaufnahmen ist eine gute Vorbereitung mit kleinsten Arbeitselementen
möglich. Dagegen muß man sich bei den teilweise bis gesamt nicht vorausbestimmbaren Arbeits-
abläufen (z.B. Reparaturarbeiten) mit der Unterteilung in größere Elementgruppen zufrieden
geben, weil sonst durch den Arbeitsstudienmann eine zwischenzeitlich notwendige Beschreibung
der Arbeit nicht möglich ist. Bei mehrgliedrigen Zeitaufnahmen werden gleichzeitig mehrere Mit-
arbeiter oder Arbeitsstellen beobachtet. Es sind also mehrere gleichzeitig auszuftillende Beobach-
tungsbogen erforderlich.
Bei den Arbeiten die innerhalb eines Arbeitsvorganges oder Teilvorganges gleichzeitig auf mehrere
(q) Arbeitsgegenstände wirken, muß bei der Auswertung die registrierte Zeit tiq auf die Herstell-
einheit (HE) bezogen werden.
Es ist dann: q
=q
tiq
IST-Zeit je HE ti
rnin HE
Paket Paket

Beispiele: In Paketen werden q Arbeitsgegenstände gebohrt, gehobelt oder gefräst; eine Tafel wird
erst in Streifen (platten pakete ) und dann in Platten (HE) geschnitten usw.

1033
Betr iebswi rtschaftslehre
3.5. Reproduzier- und Vergleichbarkeit von Zeitaufnahmen
Um eine Zeitaufnahme nachprüfbar zu machen, müssen ihre Ablaufabschnitte für ähnliche Arbeits-
vorgänge verwendbar oder vergleichbar sein. Um dies zu erreichen, ist eine genaue Beschreibung
der sieben Systembegriffe : Mensch und Betriebsmittel, Arbeitsaufgabe, Arbeitsablauf und Umwelt-
einflüsse sowie der Eingabe und erzielten Ausgabe des Arbeitssystems (Bild VII.! I ) erforderlich.

Verwirklichung der durch


Planen bestimmten Arbeitssystem
Betriebs-Einzelziele

Anmerkung:
Einflüsse wie: Mund B sind die beiden
Kapazitäten des
Störungen und Hemmnisse
oder Antriebe durch gute
Arbeitssvstems
Arbeitsbedingungen

Mensch Betriebsmittel
Obungsgrad (MengeneinflußJ, Nutzungsgrad der
Ermüdung und Erholung, Vielseitigkeit und der
Leisrungsgrad beurteilen, technischen Möglich-
Arbeitsanforderung er- keiten
mitteln und in die richtige
Lohngruppe einstufen

Oberwachen von Güte und Menge der Arbeit,


.&-----.., der Humanität sowie Sicherheit und Erhaltung von Mund B I Q - - - - D t

Bild VII.! 1. Das Arbeitssystem eines Arbeitsplatzes

3.6. Ablauf einer vorausbestimmbaren eingliedrigen Zeitaufnahme mit Einzelstoppuhr


Nach einer gründlichen Beschreibung des Arbeitssystems, auf der Vorderseite des Beobachtungs-
bogens, wird auf der Rückseite die eigentliche Zeitaufnahme (Bild VII.12) wie folgt durchgeführt:
a) Markante Kurzbeschreibung, der durch akustische oder visuelle Meßpunkte abzugrenzenden
Teilvorgänge, auf dem Beobachtungsbogen notieren.
b) Die mittels abgestoppten Schleppzeiger angezeigten Fortschrittszeiten F, sind fur mindestens
5 ... 20 Teile aufzuschreiben. Dabei ist gleichzeitig der Leistungsgrad L zu beurteilen und ein-
zutragen. Unplanmäßig auftretende Zeiten, wie z.B. Verteilzeiten, sind als Unterbrechungen
zu notieren. Dem Mitarbeiter ist ferner die zu registrierende Aufnahmezeit, also Beginn und
Ende der eigentlichen Zeitaufnahme, bekanntzugeben.

1034
1. Teil 2. Teil 3. Teil
Aufteilung der Zeitaufnahme (ZA) I
Zy-Nr. 1 2 3 4 S 1 2 3 4 S 1 2 3 4 S

Lfd. Arbeitsablauf in Teil-Nr. 46 47 48 49 50 101 102 103 104 105 206 207 208 209 210 Summe LI) Soll-Zeit
Nr Teilvorgängen Zy-Nr_ 1 2 3 4 S 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 ti Anzahl t VMIHE Art

R14 6
Teil einlegen,
L 110 115 120 120 125 130 120 120 120 % I
Gewindebohrer 420
a 0.36 II
einführen ti @ 31 29 - 30 29 28 32 31 29 30 30 29 32 1·14
und schalten
®
F 33 82 127 - 221 391 436 484 533 579 701 747 794 941 989
I
R14 F2
Gewinde M 8 X 10
L (100 %)
vollautomatisch
b
schneiden, mit: ti 18 16 17 18 17 @> @) 17 17 16 17 18 16 17 238 1·14 0,17 Iw
n = 200; s = 1,25 u. 1=40 /
F 51 98 144 191 239 408 452 502 550 596 717 764 812 957 1006

Nach je S Stück
<
Gewindebohrer L 110 110 110 110 %
c
zum Entleeren ti 81 78 81 240 3·5 0,176 II I ..,»
ein~ und ausspannen e-
(1)
F 362 674 1087
~.

Lfd. Zy- ce
Zeitaufnahme I am: 20/8. .. durch: John Nr. Nr. Unterbrechungen von bis Summe 0,706 tg ~
Abteilung: 703 bei: Müller, Gerd 703-25 a 4 Stoppen verpaßt 144 191
/< 47 + 10 % tg 0,0706 tv
Iit
;:;
c
Teil- I Beginn I 10 10 10 18 10 28 c 5 Nase gepulzt 320 362 42 + 3,3% tg 0,0233 ter I ~
I !fI
ZA Ende 1014 1021 1032 Summe 0,7999 te
I I I I
N
(1)
K on trollbefund: i.O. 21/8.... Siegmann Komrollsumme = letzte F-Zeit 1087 Vorgabe '" 0,8 te I
~.

z = Rsltz = 5,7/47 = 12,1 % RS 5 6 6 I; = 17 RS= I;R5Ik=17/3=5,7 c


~
v = sitz = 2,14/47 = 4,6 % AO 16 0 1 0 1 1 9 9 1 1 16 0 1 4 4 0=64 s = ../64/14 = 2,14 C-
I
..!.'= 2,0 % I€z = 2,9 %3)ln' '" 29 tz 2) 47 @ 47 48 46 48 46 @ 47 48 45 @ I;" 705 tz = I;tzln = 705/15 = 47 ; o
® ® ® ::r
~
(1)
1) Gewogener Mittelwert. 2) Zykluszeit tz wurde nur für die Teilvorgänge "a" und ,,b" ermittelt. 3) €z ist zu z ermittelt_
3
..... Bild VIJ_12. Abgekürzte Form einer dreiteiligen Zeitaufnahme mit statistischer Auswertung zur Zykluszeit t z ~
o c
w
(.TI
~
ce
Betriebswi rtschaftslehre
c) Weil die Routinebildung, besonders bei Handarbeiten, auf die gemessene Zeit einen Einfluß hat,
ist in der oberen Zeile des Beobachtungsbogens, die während der Zeitaufnahme gefertigte Teil-Nr.
anzugeben. Die mittlere Routinezeit liegt bei etwa ~ der Auftragsmenge m. Um die nachteilige
Wirkung einer Klumpenstichprobe zu mindern, sollte jede Zeitaufnahme dreiteilig sein. Bei der
Zeitaufnahme Bild V.l2 wurden z.B. die Teile-Nr.: 46 ... 51, 101 ... 105 und 206 ... 210 aufge-
nommen.
d) Die Auswertung der Zeitaufnahme soll in einer anderen Farbe, meist rot, durchgeführt werden.
Es werden zunächst die einzelnen Istzeiten ti als Differenzbetrag der Fortschrittszeiten F er-
mittelt. Danach wird aus den Ist-Zeiten ti jedes Teilvorganges der auf die Herstelleinheit HE
bezogenen arithmetische Mittelwert ti (sprich: ti quer) gebildet. Dieser Wert multipliziert mit
dem durchschnittlichen Leistungsgrad I (sprich: L quer), ergibt den jeweiligen Teil (tt oder
t w ) der Sol1- bzw. Grundzeit. Bei Mehrfach- oder Paketzeiten tiq (Teilvorgang c - Bild VII.l2)
darf nicht vergessen werden, durch die Mehrfach- oder Paketmenge q zu teilen. Die Prüfung auf
Additionsfehler wird in der Summenspalte gezeigt. Es muß die Summe der Ist-Grundzeiten plus
Unterbrechungszeiten, gleich letzte Fortschrittszeit sein. Addiert man zur Summe der Sol1-
Grundzeiten t g , noch die Verteilzeit t v und Erholungszeit t er , so erhält man die Zeit je Einheit
t e . Diese auf ± 1 % gerundet, wird dann als Vorgabezeit verwendet.
e) Für die während der Zeitaufnahme durchgefiihrten Arbeiten ist ein Kontrollbefund einzuholen.
Der Kontrollierende muß dann die ordnungsgemäße Arbeitsausfiihrung auf dem Beobachtungs-
bogen bestätigen, in dem er z.B. ,)n Ordnung" mit Datum und Unterschrift einträgt.

3.7. Statistische Priifung der durch die Zeitaufnahme gefundenen Zeiten


Die durch Zeitaufnahmen ermittelten einzelnen Istzeiten ti streuen um ihren arithmetischen Mit-
telwert ti. Die Streuungsursachen sind: Stoppfehler (Beobachter und Uhr), Förderwege, Störungen
b.eim Spannen (Späne, Vorrichtung klemmt, Spanngriff in verschiedener Lage), verschiedene An-
und überlaufwege, Rohzustand der Arbeitsgegenstände in Form und Oberfläche (Toleranzen) oder
Bearbeitbarkeit (Härte, Lunker).
Die Streuungen der einzelnen Istzeiten tj, der Teilvorgänge "a" und "b" der Zeitaufnahme
(Bild VII.12), sowie der Zykluszeit t z , sind in Histogrammen (Bild VII.l3), als Spannweite R zur
auftretenden Häufigkeit, dargestellt.
Die Spannweite R ist, als Differenz zwischen dem Maximal- und Minimalwert, ein Maß für die
absolute Streuung einer Stichprobe. Durch die verschiedenen Markierungen der drei Zeitaufnahme-
teile wird erkennbar, daß mit zunehmender Anzahl der Beobachtungen (Stichprobengröße n), sich
das Bild der Histogramme dem der Gaußschen Normalverteilung nähert.
Die (Gaußsche) Normalverteilung wird deshalb zur Beurteilung aller möglichen (Meß-)Stichproben
herangezogen. Die Einflußgröße wird hier mit "x" bezeichnet und damit ist der

=L
n Xi
arithmetische Mittelwert Xi n
(sprich: x quer) i =I

Als Beurteilungsgröße dient die

Standardabweichung s = y'n ~ 1 ""'-7-


3R s

mit der

L
n
Quadratsumme Q= (Xi - X)2
(der Abweichungen von x) i =I

1036
Histogramme (Häufigkeitsschaubilder) Gaußsche Normalverteilung
zur Zeitaufnahme Bild V. 12 für Stichproben

Teilvorgang tTVj .. 6" TV ",b" Zyklus m i t TeilvorgBng ... + b " Sranderdsbwe/chung Wahrlcheinlichktl;t -
erfsSm GBuSfilichB
CD) - Dichr.mi ftB @ - häufigstBr Wen ~ .. 3 R51
I S _ ,V;;-:-;- 7 Bemich P
6 I 6 6
• x ~ s 68.3 I\;
5 ~ 5 5 Ousdrs r.·$umme

'0;
-4
• 0;
4


6
'0;
-
4
0 - L
n
(xi-iP
x . 7,96. 95, 0 1\;
i. 3 . 99,7 1\;
3 0 3 0 3 0 0 f-© p Zentr.
• / ~ ~ ZentrBJ
wen • . • V WB" i- 7
'"
~ ~ ~ D=C
2 0 0 2 0 0 2 0 )f-" 0
./ •
...:x:" ~ ~ ~ I~
7 0 x x x 0 X 7 X X 7 0 X X X X
• • • • •
27 28 29 30 37 32 33 Zeir 76 77 43 44 45 46 47 48 49 50 57
IZeit I. IZeit ...»C"
® CD
;;-
@ ® @ @@ @ ® @ • ~
min max min min ms CD

I-- Spannweite R- 6 _ _ Spannwei r. R - 8


...'"
111
;:;
c:
:::I
~
N
Symbole für die Zeitaufnahme· Teile: 1. Teil X, 2. Teil 0 und 3. Teil. CD
~.

Bild VII.l3. Histogramme (Häufigkcits·Schaubilder) der Istzeiten ti der Teilvorgänge "a " und "b" und ihrer Zykluszeit t z im Vergleich zur c:
:::I
Ga ußsehen Normalverteilung mit der Unbekannten x für ti oder ti usw . 0.
r-
0
:::I"
:::I
CD
...
3
;:ö:
~
~
o c:
w :::I
ce
'"
Betriebswirtschaftslehre

Der arithmetische Mittelwert von mindestens 3 ... k Fünfer-Spannweiten R s , ist die Spannweite
R = x max - xmin von fünf Meßwerten, die in einer zufällig und repräsentativ vorgenommenen Rei-
henfolge festgestellt wurden.
Man nennt diesen Mittelwert

- ~ Rs
mittlere Fünfer-Spannweite R 5 = L k
3

Anwendungsbeispiele zu t z aus der Zeitaufnahme (Bild VII.12)

- _Itz _51+47+46+ ... +49_705_ 470 .


1. tz - n - 15 - 15 - , cmm

2. Q =I (tz - tz )2 = 16 + 0 + 1 + ... + 4 = 64,0 cmin 2

3. s = V~ = V156~
n 1 1 = 2,14 cmin

- - IR s - 5 + 6 + 6 - 5 7
4. R .
5- k - 3 - , cmm

Die Wahrscheinlichkeit P (dargestellte Graufläche) zeigt an, ob eine Stichprobe in bestimmten


Grenzen liegt, nämlich im Wahrscheinlichkeitsbereichx~~f:n = xoben ... Xunten, der durch die Stan-
dardabweichung s gegeben ist (Tabelle im Bild V.13).
Zur Zykluszeit t z der Zeitaufnahme (Bild VII. 13 ) ist z.B. bei P = 95 %, der
Wahrscheinlichkeitsbereich x~~ = t~~n = t z ± 1,96 s =47,0 ± 1,96' 2,14 =43 ... 51 cmin
Es ist also t z max = t z ob und t z min = t z un. Man kann also feststellen, daß das tz-Histogramm genau
im Bereich der Wahrscheinlichkeit P = 95 % liegt.
Bei statistischen Auswertungen setzt man voraus, daß die Normalverteilung der Stichprobe, ähnlich
der Normalverteilung der Grundgesamtheit ist, die zur insgesamt möglichen Menge N gehört.

Es ist dann der


N x.
Mittelwert der Grundgesamtheit J.1 = I ;
i =1

und die

Standardabweichung der Grundgesamtheit a =

Die unterschiedlichen Mittelwerte t z der drei Zeitaufnahmeteile: 47,8;46,8 und 46,4 cmin, sowie
der Mittelwert der gesamten Zeitaufnahmen t z =47,0 cmin, lösen die Frage aus, welcher Wert als
Mittelwert der Grundgesamtheit J.1 vorzugeben ist.
Diese Frage wurde 1908 von W. S. Gosset durch das Aufstellen der t-Verteilung beantwortet. Zu
dieser t-Verteilung gehört die
-
Prüfgröße t = Z±~: v'ii
die von n und P abhängig ist und deshalb in Tabellen angegeben wird (Bild VII.14).

1038
VII. Arbeitsgestaltung, Zeit- und Lohnermittlung

Löst man diese Gleichung nach fJ. auf, so erhält man die Grenzen zum

Mittelwert der Grundgesamtheit fJ. = ± s x :rn == fJ.~~


als Vertrauensbereich.
Man kann auch für den
t
absoluten Fehler =± s ..jii =±€ ·x
setzen und erhält so die gesuchte Gleichung für den

relativen Fehler ± € = ± ~ . ~ ~ als Verhältniszahl


x yn
oder den

relativen Fehler ± € = ± 100 % ~ . ~ ~ = v . 1(0) als Prozentzahl


x yn

In der obigen Gleichung ist ferner die Funktion von n und P = 1(0) = t/..jii (in der Tabelle -
Bild V.14 - für 95 % angegeben) und die Variationszahl v = 100 % s/x, als Streuungskennzahl der
Stichprobe.
z
Zwischen der Variationszahl v = s/x und der mittleren Streuzahl = Rs, besteht fiir n = 15 ... 00
die Beziehung v ~ Z . ~. Es wird also die

Genauigkeit € =1(0) • v ~ 1(0) . z. ~ = TCo • z


D.h., es ist TCo ~ 1(0) • ~ und kann in Tabellen (Bild V.14) angegeben werden.
Für kleinere Stichproben mit n = 5 ... 14 Beobachtungen, hat man zur einfachen Streuzahl z = R/x
ebenfalls Näherungswerte für den Faktor k 0 ermittelt, die in der Tabelle - Bild V.14 - wiederge-
geben sind.
Man kann also rechnen:
relativer Fehler oder Genauigkeit ± € = Z . TCo (für n = 15 ... 00)
oder ± € = Z • k o (für n = 5 ... 14)

Anwendungsbeispiele zur Zeitaufnahme (Bild VII.12)


z
1. Für die Zykluszeit t z wurde ermittelt: = 12,1 % und v = 4,6 %. Gesucht ist € und der Vertrau-
ensbereich fJ.~~ zur Sicherheit bzw. Wahrscheinlichkeit von P= 95 %.

Lösung: € ~ TCo = 12,1 %·0,24 = 2,9 %
0b =
fJ. un X +- € . X = 47 ,0 +- 0 ,029 ·47 ,0
= 41,0 ± 1,36 = 45,64 ... 48,36 cmin

2. Für den Teilvorgang "a" ist bekannt: R 14 = 6 cmin und ~ = 30 cmin. Wie groß ist €?
R~ 6
€= k o ·z= ko • T =0,17· 30 =0,034=3,4%

Nach dem Fehlerausgleichsgesetz ist der


relativer Fehler bei ti 34%
relative Fehler bei t z ~ = ' PI = 2,4 %
"'Anzahl von ti in t z y 2 --

Es war zu erwarten, daß € beim Teilvorgang "a" größer ist, als beim Zyklus mit den Teilvor-
gängen "a und b", denn die vorhandenen Fehler gleichen sich zum Teil gegenseitig aus.

1039
-> O::J
o.j:>. Normalverteilung der StiChprobengröße "n" Streuungs·Kennzahlen
o s
..,~
Beliebige Spannwei/11 R '" x max - xmin CD'
v= =. 100 % Variationszahl
9596·Spannweire R95 96 ~ xob - x un ,; X t 1,96 s x tT

k R ~
z= -=. 100 96 einfache Streuzahl ~.
mittlere Fünfer'Spannwei/11 I R5 '" R5i1k x
('j
L _ R5 '";:,-
i = 1 Dl
z= -=- . 100 % mittlere Srreuzahl
Fünfer·Gruppenzahl k = 3 ..... x ;::r
C>--1 j r ~ ~ t>:; fxf CD
'";:,-
~ ) ~ X Schluß vom Mittelwert x ...
Wahrscheinlichkeitsbereich t 1,96 s CD
Ix~~ ~ x
auf den wahren Mitt61w6rt "
mit P % Wehrscheinlichk6i t

t· Verteilung (für die Lage aller Mittelwerte zu x)


e relativer Fehler oder Genauigkei t
e = f(n) ' v für n = 2 ... ..
mit der Prüfgröße oder I" = t t I e = k n ' z für n = 5 ... 14
x S ..;n
e = k n · Z für n = 15 ... ..
r---------------~
,,= xil N I '" Mittelwert der Grundgesamtheit
t 1 k I 1,96 { P = 95 %
i 1
f= f(n} = ..;n "" :3 n '" ~ zu n = 4 ... ..
N Größe der Grundgesamtheit (a1l6 möglichen M6ßwerte)
t (n, 95 96) = Tebellenwert für n = 2 .. , .. und P = 95 96
(}-----j Ist erforderl. Geneuigkeit e' < e,
so ermitre/t man die
t
Vertrauensbereich - 6rforderl. Stichprobengroße n '
"un
ob = "un ..• "ob = x -+~=xts
x ..;n
n' = (n - 2,5) (ele')2 +2,5

P 2 3 4 5 6 1 8 9 10 11 12 13 14 15 40 120 00
@ 20 25 30 35 50 60

t 12.1 4,3 3,18 2.18 2.57 2,45 2,36 2,31 2,26 2,23 2,20 2,13 2,16 2.13 2,09 2.06 2.05 2,03 2.02 2.01 2.00 1,98 1,96
J5 f(n) 9,00 2,49 1,59 1,24 1.06 0,95 0.85 0,77 0.11 0.68 0.64 0.61 0.58 0.56 0,47 0,41 0,31 0,34 0,32 0,28 0,25 0.18 1,961.Jn - 2,5
% kn (0.53) (0,31 ) 0,24 0,20 0.18 0,16 0.15 0,14 0,12 0,11 0,08 0.84/~
kn - - - 0,53 0,40 0,33 0,29 0,26 0,23 0,21 0,19 0,18 0.11 (0, 16) - - - - - - - - -
Erforderliche Genauigkeit e' bei: Massenfertigung e' .; 3 %, Großserie e' = 3 ... 5 % und Kleinserie e' = 5 ... 10 %

Bild VII.14. Zusammenstellung der Gesetzmäßigkciten von Normal· und t-Verteilung mit der zugehörigen Tabelle für t, f(n) ' k n und k n
VII. Arbeitsgestaltung, Zeit- und Lohnermittlung

3. Man will flir den Teilvorgang "c" mit n =3 Beobachtungen, € ermitteln, so muß man rechnen:
Quadratsumme Q=I+4+1=6cmin

Standardabweichung s =V ~ =V ~
n 1 3 1 = 1,73 cmin

Varia tionszahl v= K
s 1,73
= 80 = 0,022 = 2,2 %
Damit ist die
Genauigkeit € = V • f(n) = 2,2' 2,49 = 5,5 %
Schlußfolgerung: Je kleiner n ist, um so größer wird €.

Die in Tabelle (Bild VII. 14 ) angegebene Bedingung, daß die erforderliche Genauigkeit €' .::;; 3 % sein
soll, ist bei t z erfüllt. Es könnten aber tarifvertragliche bzw. betriebliche Regelungen bestehen, daß
€' .::;; 2 % sein soll. Um das zu erreichen, muß man die erforderliche Stichprobengröße n' ermitteln.
Dies ist möglich, wenn man davon ausgeht, daß die Variationszahl v in der Stichprobe genau so
groß ist wie in der Grundgesamtheit und wenn man flir
f'
J (n) "'" vn 1,96
_2,5 setzt

Es wird dann:

1,96 d' 1,96


€=v' un € =v'
.../n - 2,5 .../n' - 2,5
oder nach v aufgelöst,

~ ,~
v = €. 196
, = €. 1,96
Löst man nun die beiden letzten Gleichungsteile nach n' auf, so erhält man die
2
erforderliche Stichprobengröße n' = (n - 2,5) . (;, ) + 2,5

Anwendungsbeispiel zur Zykluszeit t z der Zeitaufnahme (Bild VII.I2)

r
Es sind: n = 15 Beobachtungen, € =2,9 % und es wird €' ::; 2,0 % gefordert. Wie groß ist n'?

Erforderliche Stichprobengröße n' = (n - 2,5) . (;, + 2,5

= (15 - 2,5) . G:~r + 2,5 = 29 Beobachtungen


Um diese Forderung zu erfilllen, sind also nochmals drei Teil-Zeitaufnahmen mit je fünf Beobach-
tungen, also zusammen 15 Beobachtungen, bei gleicher Arbeit, durchzuführen. Wegen der Fünfer-
Gruppen werden n' = 30 Beobachtungen nötig.
z
Würde sich wiederum eine mittlere Streuzahl von = 12,1 % bei n' = 30 Beobachtungen ergeben,
so wäre die

Genauigkeit ± € = z· kn = 12,1' 0,16 = 1,936 % < 2,0 %


D.h., es ist nunmehr auch diese Forderung von €' ::; 2,0 % erfill1t.

1041
Betriebswi rtschaftslehre

Ee E oderE' v ZoderZ
n oder n' p%= ~,100% rn% rn% rn% rn%
N 0 50 50 40
90
40 40 80
4
6 6 30 30
o::lrx 60
.2 20 50
~
~
N
;! "'c 40

"'c
10
30
10

20
15

-
10
3
11
20

IN
'0
§

;2
40
8
40 ~ 0,8
c"
0,6
120) 50
60
0,4
70
0,3
80 50
90
0,2
100

120

150 0,1
0,08
200
0,06
250 60 0,05

Beispiele, CD n =15 und z= 12,1% - E = 2,9%


® z=12,1% und E'=2%_n'=30Igewöhlt)
® p=10% und E=2,9%-E e =2,75%

Bild VII.l5, Leitertafel zur Ermittlung der Genauigkeit E und oe

Ist die insgesamt herzustellende Menge, also die Menge der Grundgesamtheit N im Verhältnis zur
Stichprobengröße n sehr klein, so ist die ermittelte Grundgenauigkeit noch mit dem

Endlichkeitsfaktor = V
1- !Ji
1042
VII. Arbeitsgestaltung, Zeit- und Lohnermittlung
zu korrigieren. Es ist dann die
endlichkeitsbezogene Genauigkeit Ce ~C V~1- = C ~
Die Verhältniszahl p = n/N kann auch als Prozentzahl p % = 100 % n/N angegeben werden. Beispiel:
10 % der Erzeugnisse zu prüfen. Es ist dann p = p %/100 % = 10 %/100 % = 0,1.

Anwendungsbeispiel für die Zykluszeit t z zur Zeitaufnahme (Bild VII.12)


Wäre die insgesamt herzustellende Menge (Auftragsgröße ) N = 150 Stück und die mittels Zeitauf-
nahme beobachtete Menge n = 15 Stück, für die eine Genauigkeit von c = 2,9 % errechnet wurde,
so ist die
endlichkeitsbezogene Genauigkeit Ce =c Vl-!Ji = 2,9 V1-l1;0 = 2,75 %

Nachdem man v, Z oder z auf dem Zeitaufnahmebogen berechnet hat, muß man zur weiteren Er-
mittlung der Genauigkeit c, aus Tabellen die Faktoren!(n), k n oder k n entnehmen. Man kann sich
aber die weiteren Rechnungen ersparen, wenn man statt dieser Tabellen gleich die im Bild V.15
gezeigte Leitertafel verwendet. Das auf dieser Leitertafel eingetragene Ablesebeispiel entspricht
den hier für t z durchgerechneten Anwendungsbeispielen.

4. Lohn und Entlohnungssysteme


Lohn ist Zeit mal Geldfaktor.
Man unterscheidet bezüglich der Zeit:
den Zeitlohn (gebrauchte Zeit wird bezahlt), den Akkordlohn (Vorgabezeit wird bezahlt),
und bezüglich des Geld!aktors:
die Ausbildungsentlohnung, je nach der Ausbildung (ungelernt, angelernt, gelernt oder hochquali-
fIZiert) wird dem Arbeiter ein Geldfaktor tariflich zugeordnet;
die Lohngruppenentlohnung. je nach Anforderungen (Fachkönnen, Belastung, Verantwortung und
Umgebungseinflüsse) die die Arbeit an den Arbeiter stellt, wird die jeweilige Arbeit einer Lohn-
gruppe (LG) zugeordnet, zu der dann ein tariflich vereinbarter Geldfaktor gehört.
Durch das Lohngruppensystem soll erreicht werden: im Betrieb, die arbeitswertmäßige Lenkung
der Arbeit; beim Arbeiter, das Streben zur Weiter- und Fortbildung.
Zusätzlich können in allen Entlohnungssystemen noch Prämien gewährt werden für Einsparung
von Kohle, Öl, Strom und sonstige Verbrauchsstoffe ; für Vermeidung von Ausschuß und Abfällen
sowie für Verbesserungsvorschläge usw.

5. Anwendung der Vorgabezeiten im Betrieb


Die mit erheblichem Zeitaufwand vorausbestimmten Vorgabezeiten müssen, ohne sie zu verwässern,
so in die Wirklichkeit umgesetzt werden, daß sie zur vollen Leistungsentfaltung des Arbeiters fUh-
ren. Dabei sind folgende Gefahrenquellen zu beachten:
a) Die Bekanntgabe gerecht empfundener Vorgabezeiten und Lohngruppen, mit klar und eindeutig
umrissenem Arbeitsumfang, muß vor Beginn der Arbeit erfolgen.
b) Lohn- zwischen Akkordarbeit sollte vermieden oder scharf abgegrenzt werden.
c) Beantragte einmalige Zuschläge für härteren oder größeren Werkstoff, kleinere Losgröße, lei-
stungsschwächere Betriebsmittel, Einstellen- statt Mehrstellenarbeit, Einarbeitung, schlechtere
Vorarbeit u.ä. sind genauso gewissenschaft wie die Vorgabezeiten zu bearbeiten und mittels
Mehrkostenscheine auf die Gemeinkosten zu verrechnen.

1043
Betriebswi rtschaftslehre

d) Reklamierte Vorgabezeiten sind nicht ohne Prüfung zu erhöhen, sondern der Arbeiter ist bezüg-
lich ArbeitsausfUhrung bestgestaltend zu beraten und zu untelWeisen, sowie an Hand von Ka1lm-
lationsunterlagen oder wenn dieselben ungenügend sind, durch eine Zeitaufnahme (Bilden von
Kalkulationsunterlagen) von der Richtigkeit der Vorgabezeit zu überzeugen. Ein Festhalten an
fehlerhaft kurzen Vorgabezeiten aus Prestigegründen ist zu verwerfen.
e) Das Risiko fiir selbstverschuldete Fehlarbeit (Ausschuß oder Nacharbeit) kann durch die Diffe-
renz vom Stunden- zum Akkordlohn oder in manchen Fällen durch höhere Verteilzeiten als
abgegolten betrachtet werden, wenn nicht aus sozialen Gründen (Aufsichtspflicht des Betriebs-
vorgesetzten) Mindestlohn gezahlt wird. Unverschuldete Fehlarbeit wird bezahlt, sofern sie nicht
mit der Verteilzeit abgegolten wurde.

Literatur
Grundlagen des Arbeits- und Zeitstudiurns, earl Hanser Verlag, München
Band I: Einführung in das Arbeits- und Zeitstudium (Börs/Bramesfeld/Euler/Pentzlin).
Band 2: Die betriebswirtschaftlichen Grundlagen und die Grundbegriffe des Arbeits- und Zeitstudiums (Euler).
Band 3: Praktisch-psychologischer und arbeits-physiologischer Leitfaden für das Arbeitsstudium (Bramesfeld /
Graf).
Band 4: Arbeitsrationalisierung (Pentzlin).
Band 5: Arbeitsablauf- und Bewegungsstudien (Kaminsky/Schmidtke).
Band 6: Entwicklung Verfahren und Probleme der Arbeitsbewertung (Wibbe).
Band 7: Statistische Verfahren für das Arbeitsstudium (Kregeloh).
Band 8: Beiträge zur Frage des Leistungsgrades und der Vorgabezeit (Kupke).
Band 9: Arbeitsstudium bei Fließarbeit (Faensen/Hofmann).

REFA - Methodenlehre des Arbeitsstudiums, earl Hanser Verlag, München


Teil I: Grundlagen
Teil 2: Datenermittlung
Teil 3: Kostenrechnung, Arbeitsgestaltung
Teil 4: Anforderungsermittlung (Arbeitsbewertung)
Teil 5: Lohndifferenzierung
Teil 6: Arbeitsunterweisung

REFA - Methodenlehre der Planung und Steuerung, earl Hanser Verlag, München
Teil 1 : Grundlagen
Teil 2: Planung
Teil 3: Steuerung

S. Rackwitz: Betriebsorganisation - Teil I: Grundlagen, earl Hanser Verlag, München, Wien 1976

1044
Kraft- und Arbeitsmaschinen
Wolfgang Böge I Manfred Ristau

Formelzeichen und Einheiten

A m 2 , mm 2 Fläche, Querschnitt s m,mm Wanddicke, Kolbenhub


a I Hubverhältnis Tc K Verdichtungsendtemperatur
B kg/h Kraftstoffverbrauch t oe Temperatur
herr g/kWh spezifischer Kraftstoffverbrauch t Ventilöffnungszeit, Unterbrecher-
c kJ/kgK spezifische Wärmekapazität kontakt-Schließzeit
c m/s Wassergeschwindigkeit u m/s Umfangsgeschwindigkeit
d mm ZylinderdurcIunesser (Kreisbahn)
V cm 3 Volumen
f I/min Zündfunkenfrequenz
Fallbeschleunigung V ne/s Volumenstrom, Durchsatz
g m/s 2
Vc cm 3 Verdichtungsraum
Ho,Hu kJ/kg Verbrennungswärme, unterer
Heizwert Vh cm 3 Zylinderhubraum
H,h m Fallhöhe Vb cm 3 Verbrennungsraum

"k kJ/kg spezifische Enthalpie VH cm 3 Motorhubraum


kJ/m 2 hK Wännedurchgangskoeffizient u m 3 /kg spezifisches Volumen
L m 3 /kg Luftbedarf um m/s mittlere Kolbengeschwindigkeit
Lr kg/m 2 h Rostbelastung w m/s relative Geschwindigkeit
I nun Kanalllöhe, radiale Schaufelllöhe z I Anzahl, Stückzahl, Zylinderzalll
M kg/kmol Molekülmasse z I/min Schmieröl- oder Kühlwasser-
umlaufzalll
M Nm Motordrelunoment
Cl! Winkel
111 kg Masse, Ladungsmasse
Cl! kJ/m 2 h K Wärmcübergangskoeffizient
111 kg/s Massenstrom, Ladungsdurchsatz
lila kg/h Brennstoffdurchsatz ß Winkel
T Zündabstandswinkel
11 Polytropenexponent, Luftüber-
schußzalll 11 Wirkungsgrad, Uefergrad
m 3 /kg Sauerstoffmindestbedarf l1err Nutzwirkungsgrad
Onlln
P kW,W Leistung l1g Gütegrad
PH kW/dm 3 Hubraumleistung 11 m mechanischer Motorwirkungsgrad
Pa, bar Druck l1i indizierter Wirkungsgrad
P
Perr bar
bar
effektiver Kolbendruck
indizierter Druck
"

Adiabatenexponent
Verdichtungsverhältnis
Pi
Q kJ,J Wärmemenge A Luftverhältnis
Q kJ/s, W,kW Wärmes trom A kJ/m 2 hK Wärmeleitfähigkei t
kJ/m 2 h Rostwärmebelastung 1Tc I Ladedruckverhältnis
qr
<{, kJ/kg Wärmcmengenverbrauch
qf kJ/m 3 h Feuerraumwärmebelastung
0 TllOmasche Kavitationszalll
r kJ/kg spezifische Verdampfungswärme
I{J Düscnreibwert
r ffi,lnm Kurbelradius
Entropie I{J Kanal- odcr Schaufelreibwcrt
S kJ/K
s kJ/kgK spezifische En tropie

1045
Kraft- und Arbeitsmaschinen

I. Feuerungstechnik

1. Brennstoffe
Brennstoffe werden fest, flüssig und gasförmig genutzt. Festbrennstoffe werden gefunden als Holz,
Torf, Braun- und Steinkohle, Flüssigbrennstoff als Erdöl und Gasbrennstoff als Erdgas.
Aus diesen natürlichen Brennstoffen lassen sich durch Veredelung hochwertigere Brennstoffe er-
zeugen.

1.1. Feste Brennstoffe


Feste Brennstoffe enthalten neben den brennbaren Elementen Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H)
und Schwefel (S) die unbrennbaren Balaststoffe Wasser und Asche. Durch Elementaranalysen,
deren Untersuchungsmethoden nach DIN 51 701 bis 51 729 genormt sind, können die brennbaren
und unbrennbaren Massenanteile fester Brennstoffe ermittelt werden.
Kohle wird im Feuerraum erwärmt. Feuchtigkeit und flüchtige Bestandteile entweichen, wobei
sich Form und Zustand des Kohlekörpers verändern. Es entsteht so die Schrumpfung, Aufblähung,
Zusammenbacken und Kokung. Steinkohlen werden nach dem Gehalt an flüchtigen Bestandteilen
im Brennbaren in zehn Klassen unterteilt.

Klasse 0 1 2 3 4 5 1 6 1 7 1 8 1 9
fl.B.% 0 ... 3 3 ... 10 10 ... 14 14 ... 20 20 ... 28 28 ... 33133 ... 41 133 ... 44135 ... 50 142 ... 50
gering- mittel-
Meta
Benen· Anthra- Mager- bitumi- bitumi-
Anthra- hochbituminöse Kohle
nung zit kohle nöse nöse
zit
Kohle Kohle
(früher) Anthrazit Mager- Eß- Fett- Gas- I Gasflammkohle

Mittelwerte von Asche- und Feuchtigkeitsgehalt einiger Kohlensorten zeigt Tafel!.l.

Tafel 1.1. Feste Brennstoffe

Brennstoff hat Brennstoff hat


Sorte Asche % Wasser % Sorte Asche % Wasser %
Anthrazit 3 ... 6 1 ... 3 Gas- und Gasflammkohle 8 ... 10 1 ... 3
Magerkohle 8 ... 10 1 ... 3 Koks 7 ... 11 3 ... 8
Eßkohle 8 ... 10 1 ... 3 Braunkohle 3 ... 8 45 ... 60
Fettkohle 8 ... 10 1 ... 3 Brikett 5 ... 11 15

Bei der Braunkohle unterscheidet man zwischen Rohkohle und Brikett. Briketts sind wasserärmer
und aschereicher als Rohbraunkohle.

1.2. Flüssige Brennstoffe


Das Rohöl (Erdöl, Teer u.a.) wird gereinigt und durch Destillation in Benzine (bis 180°C), Leucht-
öle (ISO ... 300 0C), Gasöle (300 ... 350 0c) und Heiz- und Schweröle (über 300°C) getrennt.
Sie sind Gemische aus Kohlenwasserstoffmolekülen, d.h. Verbindungen der Elemente Kohlen-
stoff (C) und Wasserstoff (H). Reihen sich die Kohlenstoffatome eines Kohlenwasserstoffmoleküls
kettenförmig aneinander, spricht man von Paraffinen (Methan CH 4 , Äthan Cl H6 , usw.). Sind da-
gegen die Kohlenstoffatome eines Moleküls ringförmig angeordnet, wie z.B. beim Benzol C6 H6 ,
spricht man von Aromaten (vgl. Werkstoffkunde, Grundlagen der Kohlenstoffchemie).

1046
I. Feuerungstechnik

Große Paraffin- und Aromatenmoleküle werden durch das Cracken in kleinere Moleküle "zerbro-
chen". Beim Cracken verarbeitet man vorwiegend mittelschwere und schwere Destillate, z.B. Heiz-
öle, durch Behandlung bei erhöhter Temperatur und erhöhtem Druck zu Benzinen.
Flüssige Brennstoffe werden unter Zerstäubung in den Feuerraum eingebracht. Hierftir ist die Dichte
und die Zähigkeit des Brennstoffes maßgebend. Durch die Feuerraumwärme wird der zerstäubte
Brennstoff verdampft, mit Luft vermischt, gezündet und verbrannt. Kennzeichnend ftir die Brenn-
eigenschaften flüssiger Brennstoffe sind die Siedeverläufe und die Flammpunkte.
Tafel 1.2 zeigt in einer übersicht die Mittelwerte von Elementanteilen und die Eigenschaften der
wichtigsten flüssigen Brennstoffe.

Tafel 1.2. Flüssige Brennstoffe

Gasöl Heizöl L HeizölM Heizöl S


Benzin
(Diesel) (leicht) (mittel) (schwer)

Elemente e 86 87 86 ... 87 85 ... 87 84 ... 88 %


H 14 13 13 ... 14 12 ... 13 11 ... 12 %
O+N - - - 1 ... 2 1 ... 3 %
Zähigkeit bei 20 oe - 2 ... 10 10 ... 17 - - cSt I)
bei 50 oe - - - 20 ... 75 80 ... 700 eSt I)
Siedeverlauf
ErwäImung bis: 200 350 300 300 300 oe
bringt Destillatmenge: 95 95 90 70 ... 85 40 ... 70 Vol.-%
Flammpunkt 20 55 ... 60 55 ... 70 65 ... 80 65 ... 100 oe
Die Heizöle Mund S erfordern VorwäImung.
I) eSt = Zentistokes (kinematische Viskosität) nach D1N 51603

1.3. Gasförmige Brennstoffe


Als natürliches Gas wird Erdgas oft bei Erdölbohrungen mit erbohrt. Durch Entgasung wird aus
Kohle Schwelgas, Stadtgas und Koksofengas gewonnen. Durch Vergasung von Koks, Halbkoks,
Anthrazit, wird je nach Vergasungsmittel Luftgas, Generatorgas und Wassergas hergestellt. Beim
Hochofenbetrieb entsteht Gichtgas. Gase sind Mischungen aus Wasserstoff (H), Kohlenoxid (CO),
schweren Kohlenwasserstoffen (CnH m ), Kohlendioxid (C0 2 ), Sauerstoff (0 2 ) und Stickstoff (N 2 ).
Davon ist CO 2 , O2 und N2 Ballast. Tafel!.3 zeigt die Zusammensetzungen der technisch wichtig-
sten Gase.

Tafel 1.3. Gasbrennstoffe

Raumprozente
Gasart CO H2 CH 4 C2 H6 C2 H4 CO 2 (0 + N)

Erdgas - - 93 ... 96 1 ... 4 - - 2 ... 6


Koksofengas 5,5 57 24 - 1,5 2 10
Mischgas 22 51 17 - 2 4 4
Wassergas 40 50 - - - 5 5
Generatorgas 29 11 - - - 5 55
Gichtgas 31 2 - - - 9 58

1047
Kraft- und Arbeitsmaschinen

2. Verbrennungswärme (Heizwert) und Verbrennungsluft


2.1. Verbrennungswärme und unterer Heizwert
Die Verbrennungswärme Ho (oberer Heizwert) ist die Wärme (Wärmemenge), die bei einer voll-
ständigen Verbrennung von 1 kg Brennstoff unter Abkühlung der entstehenden Brenngase auf
Ausgangstemperatur abgegeben wird.
Die Bestimmung der Verbrennungswärmen verschiedener Brennstoffe erfolgt im Kalorimeter.
Da jedoch bei der Verbrennung Wasserdampf entsteht, der mit .den Abgasen entweicht, muß zur
Ermittlung der tatsächlich verwertbaren Wärme die Verbrennungswärme Ho um die Verdampfungs-
wärme r des Wasserdampfes gekürzt werden. Die Verdampfungswärme von 1 kg Wasserdampf bei
20°C Bezugstemperatur beträgt r = 2450 kJ/kg. Hat der Brennstoff h % Wasserstoff, so entstehen
daraus bei der Verbrennung 9 h % Wasserdampf und w % Feuchtigkeit (Wasser). Damit ergibt sich
der untere Heizwert Hu für feste und flüssige Brennstoffe aus

Hu =Ho - r(w + 9 h)
kJ
(U)
kg
%

Verbrennungswärme Ho und Heizwert H u gasförmiger Brennstoffe errechnen sich als Summe der
Heizwertanteile H~ der im Gasgemisch enthaltenen Gassorten. Alle Verbrennungswärme- bzw.
Heizwertangaben von Gasen beziehen sich auf das Normvolumen 1m 3 (0 °C; 1,01325 bar nach
DlN 1343). Damit ergibt sich der untere Heizwert H u aus

(1.2)

Verbrennungswärmen Ho und untere Heizwerte H u einiger fester, flüssiger und gasförmiger Brenn-
stoffe sind in Tafel 1.4 zusammengefaßt.

Tafel 1.4. Verbrennungswärme Ho und unterer Heizwert H u in kJ/kg bzw. kJ/m 3

Feste Flüssige Gasförmige


Ho Hu Ho Hu Ho Hu
Brennstoffe Brennstoffe Brennstoffe

Anthrazit 33,4.10 3 32,5.10 3 Benzin 46,1.10 3 43,5 .10 3 Erdgas 40,2.10 3 36,4.10 3
Magerkohle 32,2.10 3 31,4 .10 3 Gasöl (Diesel) 44,8.10 3 41,9.10 3 Koksofengas 18,8.10 3 16,7.10 3
Eßkohle 32,2.10 3 31,2.10 3 Heizöl (leicht) 44,8.10 3 41,9.10 3 Mischgas 17,4.10 3 15,5.10 3
Fettkohle 32,1· 10 3 31,0.10 3 Heizöl (mittel) 44,0.10 3 41,0.10 3 Wassergas 11,6.10 3 10,5.10 3
Gasflamm- Heizöl (schwer) 43,1 .10 3 39,8.10 3 Generator-
31,1.10 3 29,9.10 3 5,2.10 3 4,9.10 3
kohle gas
Koks 28,4.10 3 28,1· 10 3 Gichtgas 4,3.10 3 4,2.10 3
Braunkohle 10,7.10 3 9,8.10 3
Brikett 21,4.10 3 20,1 . 10 3

2.2. Verbrennungsluft
Die Verbrennung ist die vollständige Oxydation der Elemente Kohlenstoff(C), Wasserstoff(H)
und Schwefel (S). Die Oxydationsvorgänge werden durch die Verbrennungsgleichungen (GI. (1.3»
deutlich gemacht.

1048
I. Feuerungstechnik

Die Rechnungen werden über die Mengeneinheit kmol durchgefiihrt. Die eingesetzten Zahlenwerte
stehen rur das Molvolumen in m 3 bei Gasen bzw. die Atom- oder Molekülgewichte in kg bei festen
Stoffen. Für C, S, H2 und O2 gelten abgerundet (vgl. Werkstoffkunde, Abschnitt 1.2):

Me = 12 kg; M s =32 kg; M h =2 kg; Mo =32 kg; Molvolumen rur Sauerstoff V Mo =22,4 m 3 •
C + O 2 =CO 2 ~ 12 kg C + 22,4 m 3 O2 = 22,4 m 3 CO 2
S + O2 = S02 ~ 32 kg S + 22,4 m 3 O2 = 22,4 m 3 S02 (1.3)
H2 + 0 =H20 ~ 2 kg H2 + 22,4 m 3 O2 = 22,4 m 3 H20

1 kg C verlangt demnach U
224
m 3 = 1,87 m 3 Sauerstoff
224
1 kg S verlangt demnach 32 m 3 = 0,7 m 3 Sauerstoff

224
1 kg H verlangt demnach ---:- m 3 =5,6 m 3 Sauerstoff

Damit benötigt 1 kg Brennstoff zur Verbrennung seiner Anteile C %, H %, S % und 0 % den Sauer-
stoffmindestbedarf

0min = 1,87 C % + 5,6 H % + 0,7 S %- 0,70 % (I.4)

Wird als Verbrennungsluft trockene Luft normaler Zusammensetzung mit 21 Vol.-% Sauerstoff
vorausgesetzt, ergibt sich rur 1 kg Brennstoff der Luftmindestbedarf

(1.5)

In der Praxis reicht der Luftrnindestbedarf zur vollständigen Verbrennung des Brennstoffes nicht
aus, da es je nach Verbrennungsart mehr oder weniger schwierig ist, Brennstoff und Verbrennungs-
luft optimal miteinander zu vermischen. Der Luftrnindestbedarf Lmin muß also noch mit der Luft-
überschußzahl n multipliziert werden. Dann ergibt sich der tatsächliche Luftbedarf

(1.6)

Richtwerte rur die Luftüberschußzahl n sind


bei Handfeuerung n = 1,5 ... 1,8;
bei mechanischer Rostfeuerung n = 1,4 ... 1,6;
bei Kohlenstaub- und Ölfeuerungen n = 1,2 ... 1,4;
bei Gasfeuerung n = 1,1 ... 1,2;

1049
Kraft- und Arbeitsmaschinen

3. Verbrennungskontrolle
Die beste BrennstoffnutzuIig erfolgt dann, wenn mit dem kleinsten Luftüberschuß alles Brennbare
des Brennstoffs vollständig verbrannt wird. Dies erkennt man an den Abgasen. Sie sollen kein
brennbares Hr oder CO-Gas enthalten. Durch genügend Luftüberschuß wird dies erreicht. Noch
größerer Luftüberschuß vergrößert die abziehende Abgasmenge und dadurch auch die darin ent-
haltene Wärmeenergie. Außerdem sinkt die Verbrennungstemperatur. Man mißt die Gasanteile im
abziehenden Schornsteingas mit Orsatapparat oder besser mit selbstanzeigenden Zeigergeräten. Es
sollen die CO % und die H2 % Nullwert sein. Bei diesem Nullwerteintritt hat dann der CO 2-Gasan·
teil seinen Größtwert und der Sauerstoffanteil seinen Kleinstwert (kleinster Luftüberschuß). Bei
derartiger vollkommener Verbrennung mit Luftüberschuß läßt sich die Zusammensetzung der ab·
ziehenden Rauchgase aus den Verbrennungsgleichungen und dem Luftbedarf errechnen. Kohle-
und Schwefelgehalt des Brennstoffs erzeugen CO 2- und S02-Gas. Ihr Molvolumen ist
VM=22,26 m3 für CO 2 und VM=21,89 m 3 fiir S02-Gas. Die Feuchtigkeit des Brennstoffs und
sein Wasserstoffgehalt erzeugen Wasserdampf, der VMd = 22,4 m 3 und Md = 18,016 kg hat. Ge-
bundener Stickstoffgehalt im Brennstoff wird durch die Verbrennung gasförmig frei und hat
VMn =22,4 m 3 mit Mn =28,016 kg. Jedes kg Brennstoff erzeugt bei Vollverbrennung den Rauch-
gasanteil

, VM V~ VMn VMd VMd


VR=TC%+TS%+-M N%+-M H%+-M F%
c s n h d

(1.7)
~

trockenes Rauchgas Wasserdampf

Insgesamt entweicht bei Vollverbrennungje kg Brennstoff das Rauchgasvolumen

(1.8)

Es enthält den überschüssigen Sauerstoff O2 =(n -1) 0min und den Stickstoffanteil der Luft
N2 =0,79 L in m3 /kg. (Genauere Anteile sind: 78,05 % Stickstoff, 0,92 % Argon und 0,03 %
Kohlendioxid.) Alle Gasanteile können in % vom Rauchgasvolumen VR umgerechnet werden.
Da bei Überwachungsmessung der Rauchgase die Gasprobe abkühlt, zeigt die Messung nur die
Prozentwerte des trockenen Rauchgases, also ohne den Wasserdampfanteil von vi. Bei Messung
mit dem Orsatapparat wird wegen der gleichzeitigen Absorption des S02-Gases mit dem CO 2-Gas
ihr gemeinsamer Prozentanteil vom trockenen Rauchgas gemessen.
Sinkt die Temperatur der Heizgase unter den Taupunkt, so schlägt sich der Wasserdampf an den
Heizflächen nieder und bildet u. U. konzentrierte Säurelösungen bei Schwefelgehalt im Brennstoff,
die starke Korrosionswirkung zur Folge haben. Deshalb ist die Mindesttemperatur der Heizgase
während des Heizganges zu beachten und zu überwachen.

1050
I. Feuerungstechnik

4. Feuerungsarten
Die Brennstoffe verbrennen im Feuerraum. Man unterscheidet liegende Verbrennung auf Rostan-
lagen für stückige Festbrennstoffe oder schwebende Verbrennung bei Kohlenstaub, Öl und Gas.

4.1. Rostanlagen
Die tragende Rostfläche Ar wird von auswechselbaren Roststäben gebildet. Sie liegen mit Spalt-
abstand nebeneinander und bilden eine Stabgruppe, mehrere Stabgruppen ergeben den Rost. Durch
die Spaltabstände entsteht die Spaltfläche A s für die Unterluftzufuhr. Die Roststäbe sind genormt
nach DIN 2911 und können Plan- oder Formstäbe sein (siehe Bild 1.1). Die Spaltlänge beim Form-
stab ist größer als seine Stablänge, so daß bei kleiner Spaltweite doch ausreichende Spaltfläche
entsteht, wodurch feinkörnige Brennstoffe ohne großen Durchfallverlust getragen werden können.
Das Spaltverhältnis Ag/Ar kennzeichnet die Zufuhr der Unterluft. Auf der Rostfläche Ar werden
stündlich mB kg Brennstoff vom Heizwert H u kJ/kg verbrannt. Die Rostbelastung L r = mB/Ar
in kg/m 2h und die Rostwärmebelastung qr = mB Hu/A r in kJ/m 2h kennzeichnen die Leistung
einer Rostanlage.

Stabbreite

QO----@)13j ~gE~'-~~~iii 13
$:3---- ~ ____
___ _

--- -
Planstab
~
l:
~
'10-

15
~
"'~----
-- -----
- --
- - -- - -

Formstab
t#
Bild LI. Roststäbe

4.2. Planrost im Flammrohr


Nach Bild 1.2 liegen die Stabgruppen
im vorderen Teil eines gewellten
Flammrohres zwischen der Schürplatte
und der Brücke, die den Rost und den
Aschenraum nach hinten begrenzt und
abschließt. Der Brennstoff wird ent-
weder von Hand oder durch Wurf-
schaufelmechanik mit Motorantrieb
zugefiihrt. Die Rostbelastung ist 80 ...
100 kg/m 2 h und das Spaltverhältnis
je nach Brennstoffart 0,2 ... 0,5 m2 /m 2 •
Die Rostbreite ist vom genormten
Flamrnrohrdurchmesser (siehe DIN-
Blatt 2904) abhängig. Roststabgrup-
pen werden meist nicht mehr als drei
hintereinander im Flammrohr gebaut. Bild 1.2. Planrost im Flammrohr

1051
Kraft- und Arbeitsmaschinen

4.3. Unterschubrost
Er besteht aus Mittel- und Seitenrostflächen. Sie werden von schmalen Rostplatten gebildet, die
mit senkrechtem Spaltabstand unter gegenseitiger Stufenüberdeckung liegen. Die waagerechten
Luftspalte können weit gebaut werden, große Spaltflächen sind möglich. Nach Bild 1.3 wird der
Brennstoff durch eine Konusschnecke mit Motorantrieb unter die Mittelrostglut geschoben, wo
seine Entgasung sofort beginnt. Diese Gase durchströmen mit der zugeführten Brennluft die dar-
über liegende Glutschicht und werden dadurch sicher gezündet. Durch den nachfolgenden Brenn-
stoffschub quillt der fast entgaste Brennstoff auf die schwach geneigten Seitenrostflächen, wo er
schließlich als Koksrest ausbrennt. Die Rostbelastung ist bei Flammrohranlagen ähnlich wie beim
Planrost. Bei Anlagen mit größerem Feuerraum kann sie aber je nach Brennstoffart bis zu 250 kgj
m 2 h gesteigert werden, weil die waagerechte Luftspaltart großes SpaltverhäItnis bis 0,7 m 2 /m 2 und
damit große Unterluftzufuhr ftir dicke Brennstoffschichten zuläßt.

Seitenrost Mittelrost
Feuerraum

Antrieb

Bild 1.3. Unterschubrost

· - · - · - · -·- -·-- - -·--T·

Hydraulik-
zylinder für
Sfiißelonfrieb

Bild 1.4. Gegenschubrost

1052
I. Feuerungstechnik
4.4. Gegenschubrost
Ein Gegenschubrost besteht aus zwei parallelen Rostplattenreihen. Eine Rostplattenreihe bewegt
sich zum Rostende hin, die andere bewegt sich in Gegenrichtung. Der Antrieb erfolgt über beweg-
liche Rostrahmen, die sich auf Kugellagern abstützen . Durch die Gegenschubbewegung wird eine
sehr gute Schürwirkung erreicht. Der Raum unter dem Rost ist in mehrere, voneinander getrennte
Zonen unterteilt, um - je nach Abbrand - mehr oder weniger Verbrennungsluft zugeben zu
können. Als Brennstoffe werden Braunkohle (Bild 1.4), Holzabfälle, Torf oder Müll eingesetzt.

4.5. Zonenwanderrost
Die Flanken seiner Roststäbe sind gerillt, damit große Kühlfläche entsteht. Die Stabgruppen bilden
aneinandergekettet ein endloses Band (siehe Bild 1.5). Das Oberband trägt auf Schienen laufend
den Brennstoff in den Feuerraum. Ein Motorantrieb wirkt auf die Vorderwelle, deren Kettenräder
das Rostband bewegen. Am hinteren Umlenkende des Bandes oft keine Welle mit Radkörper, son-
dern nur eine Umlenkbahn der Laufschienen. Die Stabgruppen klaffen hier auseinander, Schlacken-
und Aschenreste fallen ab (u.U. Abklopfer). Das Staupendei am Feuerbahnende staut den Brenn-
stoff und zwingt zum Ausbrand. Der Schuppenwanderrost hat kippbare Rostplatten, die schuppen-
artig mit Luftspalt einander überdecken. Am Umlenkende kippen sie auseinander und werfen die
Rückstände ab. Lange Rostbahnen verlangen Unterluftzufuhr, aufgeteilt in Zonen rur unterschied-
liche Unterluftmenge, die dem Brennablauf bei der Schichtwanderung angepaßt wird. Zonenwan-
derrost. Die einzelnen Zonen werden durch seitlich austragende Transportschnecken von Asche
entleert. Auf Wanderrosten können mindere wie auch hochwertige Brennstoffe verbrannt werden.
Die Rostwärmebelastung beträgt je nach Brennstoffgüte qr = (2,9 ... 5,9)' 10 9 kJjm 2 h =
=(0,81 ... 1,64) '10 9 Wjm 2 •
Für mittel- und hochflüchtige Kohlensorten mit hohem Feinkornanteil werden Wanderrostfeue-
rungen mit Wurfbeschickung gebaut. Die Wurfbeschickung sorgt bei sonst gleicher Bauweise des
Rostes rur eine wesentlich größere Laststeigerungsgeschwindigkeit als bei der herkömmlichen
Bauweise.
Roststab

llIWij/I/IJWP D- Staudruck
Kühlrillen
t
Feuerraum
Zone 2

Brennstoffschicht
Schuppenrost
Rostplatte (drehbar gelagert)

PIaffenträger
Bild 1.5 . Zonenwanderrost

1053
Kraft- und Arbeitsmaschinen

4.6. Kohlenstaubfeuerung
Der Brennstoffstaub verbrennt schwe-
bend im Feuerraum V f ohne Rost.
Die Feuerraum-Wärmebelastung qf =
mB HufVf in kJ 1m 3 drückt die Anlage-
leistung aus. Richtwerte sind qf =
(0,63 ... 1,2) 10 9 kJ/m 2 h = (0,18 ...
0,33) 10 9 W/m 2 • Der Feuerraum ist
mit senkrechten Wasserrohrwänden
ausgekleidet, die von der frei brennen-
den Flamme bestrahlt und nicht be-
rührt werden (vgl . Strahlungskessel).
Braunkohle wird nach Bild 1.6 durch
schnelläufige Einblasmühlen (Schlag-
rad mit Ventilator) gemahlen, durch
rückgesaugtes Rauchgas getrocknet
(Mahltrocknung), gesichtet, eingebla-
sen und mit vorgewärmter Zweitluft
verbrannt. Zündluftzugabe zur Mühle
sichert die Staubzündung beim Eintritt
in den Feuerraum. Steinkohle wird
Bild 1.6. Kohlenstaubfeuerung
ähnlich verarbeitet. Langsame Trom-
mel- und Kugelmühlen verlangen stärkere Windleistung ftir Trägerluft zum Staubtransport. Bei
wasserreichem Brennstoff wird in einem Zwischenbunker der Brüden abgesogen , damit das Staub-
Luftgemisch zündfahig wird. Die Asche sinkt aus der Flamme teigig (oder als Tropfen) nach unten ,
wird von den unteren Wasserrohrwänden abgeschreckt und sammelt sich im Aschentrichter des
Feuerraums (vgl. Bild 11.10).

4.7. Schmelzfeuerung
Bei hoher Feuerraumtemperatur
wird die Schlacke flüssig in einer
Strahlungsraum
Schmelzkammer gesammelt. Sie be-
steht aus bestifteten Wasserrohren
mit Schamottenmantel und ist
gegen den Hauptfeuerraum durch
einen Fangrost aus Stiftrohren ab-
gegrenzt. Die Kammertemperatur
liegt über Aschenschmelzpunkt, so

o
daß sie hier größtenteils flüssig ab-
geschieden wird. Am Fangrost
Schamottemantel
bleibt der letzte Rest hängen und
tropft in den Schlackensumpf. Bei Wasser
der Zyklonfeuerung wird in eine
, , I
Schmelzkammer tangential einge- Stifte
blasen, wodurch ein langer Spiral-
weg der Flamme mit guter Wand-
berührung entsteht und 80 % flüs-
sige Schlacke bereits hier, der Rest
Schlackenabfluß
im Fangrost abgeschieden wird. Das
Bild 1.7. Zyklonfeuerung
Bild I. 7 zeigt diese Bauart.
1054
I. Feuerungstechnik

4.8. Druckölfeuerung
Das über Vorwärmer erwärmte Heizöl wird unter Druck der verschiebbaren Drucköllanze zugeführt
(Bild 1.8). Hier wird das öl vernebelt, mit der Verbrennungsluft verwirbelt und gezündet. Es ent-
steht ein Feuerwirbel in Form eines Kegelmantels.
Die Rauchgase konzentrieren sich im Innern des Wirbels und werden aus dem Feuerraum ab-
gesaugt.

Zündbrenner ye.!:E!.:.~~~~ 1 Heizöl

Bild 1.8 . Druckölbrcnncr (VKW)

4.9. Wirbelschichtfeuerung
Beim Wirbelschichtverfahren (Bild 1.9) strömt Verbrennungsluft über eine Verteilerplatte in die
Breunkammer und verwirbelt das Bettmaterial aus Kohlenstoff, Asche und Kalkstein. Die Kohlen-
stoffkonzentration liegt unter 1 %. Im Wirbelbett reagiert der Kohlenstoff der eingebrachten
Kohle mit dem Sauerstoff der Verbrennungsluft. Die Temperatur im Wirbelbett wird zwischen
800 und 900 oe gehalten. In das Wirbelbett tauchen Wärmetauscher ein, die einen großen Teil
der freiwerdenden Wärme aufnehmen. Konvektive Heizflächen werden nachgeschaltet, um die
Rauchgastemperatur zu senken.
Rauchgas
Als Brennstoffe kommen Kohlenarten ge- t
ringer Qualität mit hohem Asche- und
Schwefelgehalt, Ölschiefer, Petrolkoks und
Abfälle in Frage. Durch die niedrige Ver-
brennungstemperatur entsteht kein Stick-
oxid (NO,,) und die meisten Schadstoffe
Kalkstein Kohle
bleiben in der Achse enthalten.
~ ~;;:;?.
Dampf-
Wird die Luft mit Kohlenstaub durchsetzt, Erzeuger _
erhält man Kombinationsbrenner flir Staub-
Öl-Feuerungen. Werden die Rohr- und
Düsenquerschnitte flir Gasbrennstoff und
~
--
Förder/uft
seinen Betriebsdruck umgestaltet (ver-
Verbrennungsluft
größert), so arbeitet diese Brennart als
Gasbrenner flir Gasfeuerungen . Bild 1.9. Wirbelschichtfeuerung

1055
Kraft- und Arbeitsmaschinen

11. Dampferzeugung

Im Dampferzeuger (Dampfkessel) wird Wasser durch die heißen Feuergase auf Siedetemperatur
erwärmt und verdampft. Es entsteht Sattdampf, der sich im Dampfraum über dem siedenden Was-
ser sammelt. Die Siedetemperatur ist vom Druckzustand abhängig. Der eingeschlossene Dampf
hat überdruck und damit Druckenergie.

1. Dampfarten
Die Vorgänge bei der Dampferzeugung gliedern sich in Wassererwärmung auf Siedetemperatur im
Wasservorwärmer, Verdampfung im Kessel und danach Erwärmung über Siedetemperatur im Über-
hitzer. Die VDI-Wasserdampftafeln geben eine Übersicht der Zusammenhänge von Siededruck,
Siedetemperatur, Wärmeaufwand, Dichte und Wichte von Wasser und Dampf bei der Dampferzeu-
gung. Die TafellI.1 ist ein Auszug daraus mit abgerundeten Werten. Neben Siededruck und -tem-
peratur ist das spezifische Volumen und der Wärmeinhalt oder die Enthalpie des Sattdampfes ange-
geben. Dieser Wärmeinhalt enthält die Wasserwärme h' und die Verdampfwärme r. Sattdampf hat
die Enthalpie h" = h' +r in kJ/kg. Meist durchströmt der erzeugte Sattdampf die beheizten Rohre
eines überhitzers, wo er bei gleichbleibendem Druck über Siedetemperatur erwärmt und als über-
hitzter Dampf oder Heißdampf entnommen wird. Sein Wärmeinhalt ist um h ü auf den Wert
hh =h" + h ü angestiegen. Diese Werte sind in den VDI-Tafeln enthalten und auch in Tafel II.1 auf-
geführt. Bei Wärmeverlust wird Sattdampf durch Teilkondensation seiner Moleküle feucht und
heißt dann Naßdampf. Dies geschieht meist bei gleichbleibendem Druck ohne Temperaturver-
änderung. Ist pro kg Sattdampf der Wärmeverlust h v , so hat der entstandene Naßdampf die Ent-
halpie h n = h" - h v in kJ/kg. Die Wärmemenge h v wurde der Verdampfwärme r entzogen. Also ist
der Feuchtigkeitsanteil im Dampft =hv/r oder in Prozent ausgedrückt: t% =(hv/r) 100.

2. Kesselwirkungsgrad, Verdampfziffer
Verarbeitet eine Kesselfeuerung den Brennstoffdurchsatz mB in kg/s und hat der Brennstoff den
unteren HeizwertHu in kJ/kg, so entsteht die Feuerwärme mB .H u in kJ/s (kW).
Sie erzeugt aus Wasser vom Wärmeinhalt hw die Dampfmenge mo in kg/s bei dem Betriebsdruck p
in bar meist als Heißdampf vom Wärme inhalt hh. Damit wird der Anlage die Nutzwärme
mo (hh - hw ) in kJ/s (kW) entnommen. Aus dem Verhältnis Nutzen/Aufwand erhält man den
Kesselwirkungsgrad

(11.1)
kg kJ
kg

Die pro kg Brennstoff erzeugte Dampfmenge ist die Bruttoverdampfziffer d = mO/mB der Anlage.
Sie kennzeichnet die Betriebsart unter bestimmten Betriebsbedingungen. Zum Vergleich der An-
lagen untereinander wird auf Normaldamptbetrieb bezogen. Darunter versteht man Sattdampf-
erzeugung bei 1 bar Betriebsdruck aus Eiswasser von 0 oe mit dem Wärme inhalt h" = 2675 kJ/kg.
Wird diese Dampfart erzeugt, so ergibt das die Nettoverdampfziffer d N= mON /mB' Jedes kg
Brennstoff erzeugt die Nutzwärme d(hh - hw ) =dN . 2675; also gilt auch als Wirkungsgrad
d(hh - hw ) d N 2675
1/K =

1056
Tafel 11.1. Dampftafel (Auszug)

Sattdampf Heißdampf (h h in kJ jkg)


p t h' r h" v"
oe kJjkg m 3 jkg 0 0 0 0 0 0 0 0
bar kJ/kg kJ/kg 250 e 290 e 330 e 370 e 400 e 420 e 440 e 460 e 480°C 500°C
1 99,1 415 2257 2675 1,725 2973 3052 3132 3211 3274 3316 3358 4000 3442 3483
2 120 502 2202 2705 0,902 2968 3048 3128 3211 3274 3312 3354 4000 3442 3483
3 133 557 2165 2721 0,617 2964 3048 3128 3207 3270 3312 3354 3396 3437 3483
4 143 599 2135 2734 0,471 2964 3044 3123 3207 3270 3312 3354 3396 3437 3479
5 151 636 2110 2747 0,382 2960 3040 3123 3207 3266 3308 3349 3396 3437 3479
6 158 666 2089 2755 0,321 2956 3040 3119 3203 3266 3308 3349 3391 3437 3479 '
7 164 691 2068 2759 0,278 2952 3035 3119 3203 3266 3308 3349 3391 3433 3479
8 170 716 2051 2768 0,245 2948 3031 3115 3199 3262 3303 3349 3391 3433 3475
9 175 737 2035 2772 0,219 2948 3031 3115 3199 3262 3303 3345 3387 3433 3475
10 179 759 2018 2776 0,198 2943 3027 3111 3195 3257 3303 3345 3387 3429 3475
11 183 779 2001 2780 0,181 2939 3023 3111 3195 3257 3299 3345 3387 3429 3475 i
14 194 825 1964 2788 0,144 2927 3014 3102 3190 3253 3295 3341 3383 3425 3471 !

21 214 917 1884 2801 0,0968 2901 2998 3086 3178 3241 3287 3329 3375 3416 3463 I
26 225 963 1838 2801 0,0785 2885 2981 3077 3165 3232 3278 3324 3366 3412 3458 I
30 233 1005 1800 2805 0,0680 2860 2968 3065 3161 3228 3274 3316 3362 3408 3454 :
35 241 1043 1758 2801 0,0582 2834 2952 3056 3149 3220 3266 3312 3358 3404 3446 i
40 249 1080 1721 2801 0,0508 - 2931 3040 3156 3211 3257 3303 3349 3395 3442 :
50 263 1147 1645 2793 0,0402 - 2897 3015 3119 3195 3241 3291 3337 3383 3433
60 274 1206 1578 2784 0,0331 - 2847 2985 3098 3174 3228 3278 3324 3370 3421
70 284 1260 1511 2772 0,0279 - 2800 2956 3077 3157 3211 3262 3312 3362 3408 :-
80 294 1311 1449 2759 0,0240 - - 2918 3052 3140 3195 3245 3295 3349 3396
cCl
90 302 1357 1390 2747 0,0210 - - 2885 3027 3119 3178 3232 3283 3337 3387 3
100 310 1398 1327 2726 0,0185 - - 2839 3002 3098 3161 3216 3270 3324 3375
"S.
CI)

0,0107 -
...
N
150 341 1599 1017 2617 - - 2839 2981 3061 3132 3195 3257 3316 CI)
C
200 364 1809 632 _2441, O,QO~~ - - 2554 _ 2835 2939 3031 3111 3182 3253 co
-- - - _ .. _.- _._-
....o
(J'1
C
::I
-..J co
Kraft- und Arbeitsmaschinen

3. Heizteile Rauchgase

t t
Fünfrohrschicht
Dampferzeugung aus Wasser ~ ~ t r------A-----.
gliedert sich in WassereIWär-
mung, Verdampfung und
I@~~
überhitzung. Deshalb ist eine
Kesselanlage in mehrere Heiz- Sechsschichtblock
teile aufgeteilt. Der Wasser- (30 Rippenrohre )
vOIWärmer eIWärmt das Was-
ser auf fast Siedetemperatur.
Er besteht aus Blöcken in
Reihe geschalteter Wasser-
rohre mit oder ohne Rippen,
durch die das Wasser gegen
Bild 11 .1. Wasservorwärmer
Betriebsdruck gepumpt wird
und die von außen durch die
Feuergase turbulent berührt
und beheizt werden . Bild 11.1
zeigt ein Baubeispiel. Aufhängung

Im Verdampfer, der Haupt-


heizfläche, wird das Wasser
unter Betriebsdruck bei Siede-
temperatur verdampft und im
Dampfraum der Dampf ge-
sammelt. Im überhitzer wird
der entstandene Sattdampf
auf Heißdampftemperatur er- ~RaUChgaS
wärmt. Er besteht aus Grup-
--
Entwässerung
pen paralleler Rohrschlangen,
wie Bild 11.2 als Baubeispiel Bild 11.2. Dampfliberhitzer
zeigt. Sie werden vom Dampf
durchströmt und durch die
Feuergase beheizt. Verdam-
pfer und Überhitzer werden ~RaUChgaS
je nach Feuerungsanlage mit
Berührungs- oder Strahlungs-
heizung betrieben.
Der LuftvoIWärmer nutzt den
letzten Teil der Feuerwärme
aus und eIWärmt die Brenn-

---
luft. Er besteht meist aus
Gruppen paralleler Blech-
kanäle von schmalem Recht-
eckquerschnitt, die mit Be-
rührungsheizung unter Kreuz-
strömung von Luft und Feuer-
gas betrieben werden . Bild 11.3
zeigt als Beispiel den Platten-
~RaUChgaS Luftkanäle

lufterhitzer. Bild 11.3. Luftvorwärmer

1058
11. Dampferzeugung
4. Wänneaustausch
Energie (Wärme) kann durch Wärmeleitung, Wärmeübergang oder Wärmestrahlung übertragen
werden.

Wärmeleitung kennzeichnet den Energietransport (Wärmestrom) innerhalb eines Stoffes mit unter-
schiedlichen Temperaturen (vgl. Wärmelehre, IV. Wärmeübertragung).
Wärmeleitfähigkeit A in J/hmK oder in W/(m' K) für einige feste, flüssige und gasförmige Stoffe
siehe Wärmelehre, Tafel IV.I.
Wärmeübergang kennzeichnet den Energietransport zwischen verschiedenen Stoffen mit unter-
schiedlichen Temperaturen (vgl. Wärmelehre, IV. Wärmeübertragung).
Wärmeübergangskoeffizienten a in J/hm2 K und in W/(m2 • K) für Dampferzeuger bei normalen Be-
triebsbedingungen sind in Tafel 11.2 zusammengefaßt.

Tafelll.2. Wärmeübergangskoeffizienten a

-J2- -W-
hm K m K
2

Wasservorwärmer:
zwischen Feuergas und Rohrwand 6,3 ... 12,6'104 17,5 ... 35
zwischen Rohrwand und Wasser 2,1 ... 3,3· 10 7 5830 ... 9170
Verdampfer:
zwischen Feuergas und Wand 8,4 ... 20,9· 104 23 ... 58
zwischen Wand und Wasser 2,1 ... 4,2· 10 7 5830 ... 11 700
Überhitzer:
zwischen Rohrwand und Feuergas oder Dampf 12,6 ... 20,9' 104 35 ... 58
Lufterhitzer:
zwischen Blechwand und Luft oder Feuergas 4,2 ... 8,4· 104 12 ... 23

Weitere Mittelwerte für den Wärmeübergangskoefflzienten a siehe Wärmelehre, Tafel IV.2.


Wärme durchgang kennzeichnet den Energietransport von durch Wände getrennten Flüssigkeiten
oder Gasen unterschiedlicher Temperatur. Bei Heizwandoberflächen als Trennwände wird die
Energie zwischen dem Heiz- und dem Wärmgut durch Wärmeleitung und Wärmeübergang transpor-
tiert (vgl. Wärmelehre, IV. Wärmeübertragung).
Wärmedurchgangskoefflzient k wird aus dem Wärmeübergangskoefflzienten a und der Wärmeleit-
fähigkeit A bestimmt. Mit der Dicke S für eine einschichtige, ebene Trennwand wird k:

k,a S
(11.2)
J J
m
hm 2 K hmK

Sind die Heizwände auf der Heizseite durch Asche, Flugkoks und Ruß oder auf der Wasser- bzw.
Dampfseite durch Kesselstein verschmutzt, treten mehrere Leitvorgänge auf. Der Wärmedurchgang
wird schlechter als bei reiner (einschichtiger) Heizwand, weil nun die Energie durch mehrere Wand-
schichten transportiert werden muß und Ruß, Kohle und Kesselstein schlechte Wärmeleiter sind.
Für mehrschichtige Trennwände wird k = I/(1/al + I/a2 + "'1;S/A).

1059
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Tafelll.3. Wärmedurchgangskoeffizient k

-W-
]
--
hm 2 K m2 K
Wasservorwärmer 4,1 ... 12,6.104 11,4 ... 35
Verdampferheizfläche 8,4 ... 20,9.10 4 23,3 ... 58
Überhitzer 8,4 ... 25,1.104 23,3 ... 69,7

Die Größe der Heizflächen eines Dampferzeugers läßt sich aus der Wärmeleistung Q (Wärmemenge/
Zeit), dem Wärmedurchgangskoeffizienten k und der Temperaturdifferenz Ilt errechnen. Die Heiz-
fläche A ergibt sich aus der Gleichung:
A k
A=~
kilt W
(11.3)
kW K

Die gesamte Wärmeleistung teilt sich auf in die Wasservorwärmleistung Qvw, die Verdampfer-
wärmeleistung Qv und die Überhitzerwärmeleistung Qü.
Die Teilwärmeleistungen errechnen sich aus
Qvw = mo (h' - hw ) h', h", hw , hh, r
Qv = mo r kJ
(H.4)
~=kW
Qü = mo (hh - h") s kg

5. Kesselbauarten
Von den heute noch häufig anzutreffenden Großwasserraum-Kesseln wie den Flammrohr-, Heizrohr-
und Rauchrohrkesseln wird nur noch der Dreizugkessel als Kombination aus Flamm- und Rauch-
rohrkessel gebaut. Daneben kommen Naturumlauf- und Zwangsumlaufkessel zur Anwendung. Die
wichtigsten Bauformen sind:

5.1. Dreizugkessel
Der Dreizugkessel (Bild H.4) setzt sich zusammen aus dem Grundrahmen mit Kesselstühlen, Öl-
oder Gasbrenner mit Verbrennungsluftgebläse, Flammrohren und Rauchrohren, hinterer und
vorderer Wendekammer und dem Überhitzer.
Das Flammrohr als Brennkammer hat gewellte oder glatte Rohre und eignet sich gut zum Einbau
von Drucköl- oder Gasbrennern. Es ist im unteren Teil des Wasserraumes untergebracht. Dadurch
werden Wärmeaustausch und Wasserumlauf gefördert.
Kesselleistungen über 9 MW erfordern den Einbau von zwei Flammrohren.
In der hinteren Wendekammer werden die Rauchgase umgelenkt und auf die Rauchrohre des
zweiten Kesselzuges verteilt. Das gleiche geschieht in der vorderen Wendekammer, die die Rauch-
gase vom zweiten in den dritten Kesselzug umleitet.
Im Überhitzer wird die vom Betriebsdruck abhängige Sattdampftemperatur bis auf maximal
450 oe erhöht. Die Lage des Verdichters richtet sich nach der erforderlichen Dampftemperatur.
Möglich ist der Einbau des Überhitzers in der vorderen Wendekammer, in einem vergrößerten
Rauchrohr des zweiten Kesselzuges (Bypass-Überhitzer) oder direkt hinter dem Flammrohr.
Dreizugkessel werden eingesetzt zur Erzeugung von Warm- oder Heißwasser und in Heizkraft-
werken zur Erzeugung von Heißdampf.

1060
11. Dampferzeugung

F/ammrohr - - - - - - - ----------l ' - - - - - - - (jrundrahmen

Bild II.4. Dreizugkessel (Omnical)

5.2. Naturumlauf-Dampferzeuger
Bei dem natürlichen Umlauf des
Wassers bilden sich in den beheiz-
ten Siederohren Dampfblasen . Die
Dichte des Wasser-Dampfgemisches
sinkt gegenüber der Wasserdichte in
den Fallrohren. Deshalb entsteht
am unteren Ende der Fallrohre ein
Überdruck, der das Wasser-Dampf-
gemisch in den Siede rohren nach
oben drückt.
5.2.1. Steilrohrkessel. Die Wasser-
rohre münden in eine Obertrommel,
in der sich der aufsteigende Dampf
sammelt und in eine unbeheizte,
durch das Wasser der Fallrohre ge-
flillte Untertrommel (Bild 11.5).
Überhitzer-, Wasser- und Luftvor-
wärmer liegen in den Temperatur-
zonen der Brenngase. Die Trommeln
sind unbeheizt, aber gegen Wärme-
verlust isoliert. Bild 11.5. Steilrohrkessel

1061
Kraft- und Arbeitsmaschinen

5.2.2. Strahlungskessel. Der Feuerraum ergibt durch großflächige Rostanlagen eine starke Strah-
lungswirkung. Deshalb wird er mit Wasserrohrwänden ausgekleidet, die, wie die nachgeschalteten
Verdampferheizflächen des Strahlraumes, ihre Wärme hauptsächlich durch Strahlung aufnehmen.
Der Überhitzer wird als Strahlungs- und Berührungsheizteil ausgefUhrt. Dazwischen ist eine Wasser-
einspritzung zur Temperaturregelung des Heißdampfes vorgesehen.
Strahlungskessel werden als Einzug-, Eineinhalbzug- und Zweizugdampferzeuger gebaut. Bei Zwei-
zugdampferzeugern (Bild 11.6) befindet sich der Rauchgasaustritt unten. Sie benötigen mehr Platz
als Einzugdampferzeuger , bauen jedoch niedriger.
Naturumlauf-Dampferzeuger erreichen Dampfleistungen bis zu 380 kg/s bei Dampfdrücken bis zu
195 bar. Als Brennstoffe werden Steinkohle, Braunkohle, Gicht- und Erdgas und Schweröl ein-
gesetzt.

10 9

Bild 11.6. Naturumlaufkessel mit Schwerölfeuerung (VKW)


1 Ölbrenner, 2 StrahJteil, 3 KesseJtrommel, 4 Schottenüberhitzer, 5 Endüberhitzer, 6 Vorüberhitzer, 7 Speise-
wasservorwärmer, 8 Wassereintritt, 9 Heißdampfaustritt, 10 Einspritzkühler, 11 Frischluftgebläse, 12 Regene-
rativluftüberhitzer

1062
11. Dampferzeugung

5.3. Zwangsdurchlauf-Dam pferzeuger


Bei einem Dampfdruck über 100 bar wird der Unterschied zwischen Dampf- und Wasserdichte so
gering, daß der natürliche Wasserkreislauf träge wird. Dann werden Umlaufpumpen zwischen die
Fall- und Steigrohre gesetzt, die das Wasser durch die Steigrohre pumpen. Nun können auch
engere Wasserrohre (32 mm Innendurchmesser) verwendet werden. Steigrohre können in starken
Windungen auf- und abwärtsgeftihrt werden. Man spricht dann von einer Mäanderbandwicklung.

Bild 11.7. Bensonkessel mit Schwerölfeuerung (VKW)


1 Druckölbrenner, 2 Verdamp fe r, 3 Vorüberhitzer, 4 Endüberhitzer,
5 Vorüberhitzer, 6 Speisewasservorwärmer, 7 Luftvorwärmer, 10
8 Frischluftgebläse, 9 Einspritzkühler, 10 Kamin , 11 Feuerraum-
boden

1063
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Die bekannteste Bauart ist der Bensonkessel (Bild 11.7). Er hat keine Dampfscheidetrommel,
sondern man schaltet nach dem strahlungsbeheizten Verdampfer einen Nachverdampfer in den
Kreislauf, der vor der Dampftiberhitzung liegt. Die Speisepumpen drücken das Kondensat durch
den Wasservorwärmer zum Verdampfer bis zum Nachverdampfer. Die Pumpen arbeiten gegen den
Betriebsdruck und müssen auch die beträchtlichen Strömungswiderstände überwinden. Da bei
Dampflastabnahme die Strömung in allen Heizteilen abnimmt, muß die Heizwärme durch Brenn-
stoffregelung angepaßt werden.
Bensonkessel erreichen Dampfleistungen bis 550 kg/s und Dampfdrücke von 220 bar. Die Brenn-
stoffe entsprechen denen der Feuerungen von Naturumlaufkesseln.

5.4. Dampferzeugung durch Müllverbrennung


Der Abfall wird auf Rostfeuerungen (Walzen- oder Treppenroste) verbrannt. Die starke Verschmut-
zung der Roste wird durch große Ausbrandräume vermindert. Der Dampferzeuger im Bild 11.8 ist
ein Steilrohr-Strahlrohrkessel mit natürlichem Wasserumlauf. Die Dampfleistung der Anlage be-
trägt 8 kg/s bei einem Dampfdruck von 49 bar und einer Dampftemperatur von 450 oe.
Der erzeugte Dampf von Müllverbrennungsanlagen wird meistens in das Dampfnetz von Kraft-
werken eingespeist.

Bild 11.8. Müllverbrennungsanlage Hameln (VKW)


1 Fahrzeugschleuse, 2 Sperrmüllschere, 3 Müllbunker , 4 Müllkran, 5 Müllaufgabetrichter, 6 Walzenrost, 7 Dampf-
erzeuger, 8 Entschlacker, 9 Aschebunker, 10 Saugzug, 11 Elektro-Entstauber

1064
111. Dampfturbinen

11,1. Dampfturbinen

1. Erzeugung der kinetischen Energie


1.1. Dampfgeschwindigkeit
Der im Dampferzeuger unter Druck stehende Dampf besitzt potentielle Energie. Dieser Dampf
strömt unter Druckminderung durch düsenförmige Leiteinrichtungen, wobei die potentielle Energie
des Dampfes in kinetische Energie umgesetzt wird. Die Druckminderung von PI auf P2 entspricht
einer Enthalpieänderung von t:..h = h l - h2 in kJ/kg. Aus der Beziehung E pot = Eldn erhält man
mit m = 1 kg die Gleichung t:..h = c~ /2 und daraus die theoretische Dampfgeschwindigkeit am
Düsenaustritt C s = "';2 t:..h in m/s. Die Reibung des Dampfes an den Düsenwandungen verringert
die Dampfgeschwindigkeit. Düsenreibzahl .p =0,93 ... 0,98. Zusarnmengefaßt wirkt am Düsenaus-
tritt die Dampfgeschwindigkeit

C
C = .p"';2 ·t:..h (I1I.1)

Die Enthalpiewerte h l und h 2 entnimmt man


der Dampftafel (Tafel 11.1), nämlich h l für

1
K -1

PI, TI und h 2 für P2, T 2 = TI (Pt/P2) K •


Einfacher wird das Energiegefälle t:..h aus der
Entropietafel (Tafel 111.1) als Differenz
zwischen den beiden Drucklinien PI und P2
abgelesen, beginnend mit der Temperatur t l
und dem Druck PI, wie auch Bild IIL 1 zeigt.
Die Dampfreibung innerhalb der Düse be-
deutet Erwärmung und damit Entropiezu-
nahme des Dampfes, wodurch sich die Ent-
halpiedifferenz t:..h um h r = (1- I,i) t:..h ver-
kleinert und das Nutzgefälle t:..h c =.p2 t:..h ist
(Bild 111.1). I I
Entropie S ~

Bild III.l. Energiegefälle I:t.h

1.2. Kritisches Dmckgefälle


Solange die Dampfströmung in der Düse nicht die Schallgeschwindigkeit für Dampf erreicht, darf
der Düsenkanal stetige Querschnittsverkleinerung bis zum Dampfaustritt aufweisen, wie im Bild
IIL2 für Einfachdüsen dargestellt ist. Bei großem Energiegefälle wird aber die Schallgrenze über-
schritten, Dann muß eine erweiterte Düse (Lavaldüse) angewandt werden, deren Erweiterungswin-
kel höchstens 10° sein soll (siehe Bild IIL2; Lavaldüse). Bis zum engsten Querschnitt Amin wird
das kritische Druckverhältnis Pk /p I verarbeitet und danach im Erweiterungsteil das restliche Druck-

1065
Kraft- und Arbeitsmaschinen

gefälle von Pk auf P2' Das kritische Druckverhältnis ist für Heißdampf 0,546 und für Sattdampf
0,577. Man erkennt, daß Lavaldüsen nötig sind, wenn das verarbeitete Druckverhältnis PJ/P2 bei
Heißdampf größer als 1,83 ist.

Bild III.2. Düsenarten

Einfachdüse Lavaldüse

1.3. Düsenquerschnitt
Düsenkanäle haben meist Rechteckquerschnitt und werden nebeneinander als Düsensegment in die
Gehäusewand der Turbine vor dem Laufrad eingebaut. Das Bild 111.3 läßt erkennen, wie die mittlere
Bogenstrecke B des Segmentes durch z Kanäle in die Teilungsstrecke t = B/z aufgeteilt ist. Der
Dampfeintritt in die Kanäle erfolgt unter 90° zur Gehäusewand ( ... axial). Die Kanalverengung ent-
steht durch Abwinkelung der Kanalwände auf den Austrittswinkel Ql (15° ... 22°). Unter diesem
Winkel strömt der Dampf gegen die Schaufeln des Laufrades. Er gilt daher auch als Zuströmwinkel
Ql. Mit der Kanalwanddicke s entsteht am Düsenende die Austrittweite b a = t sin Q 1 - s. Bei einer

Kanalhöhe 1 ergeben z Düsenkanäle den Austrittsquerschnitt

A = lbaz A 1I 1 b a 1z (III.2)
mm2 mm mm 1
Bogenstrecke B mit z Kanälen

Wanddicke s

Bild III.3
Einfachdüsensegment

1066
Tafel m.l. Entropietafel für Wasserdampf

3600

3200

1
~
;::,; 3000
..::c
.1;

""
.!!!
.s-
o
S
~

2800

2600

2200

.
5,0 6,0 7.0 IW
Entropie 5 in kJ/kg K
Kraft- und Arbeitsmaschinen

1.4_ Düsenbauart
Düsensegmente werden gegossen oder bei großem Druckgefälle aus Düsenbogen, Deckbogen und
Anpreßbogen zusammengebaut. Im Düsenbogen sind die Kanäle aus dem Vollen herausgefräst,
so daß die Kanalwände stehen bleiben, die der Deckbogen abdeckt. Düsen- und Deckbogen werden
in die Gehäusewand vom Anpreßbogen durch Preß schrauben dampfdicht eingebaut. Das Bild lIlA
zeigt diese Bauart als Lavaldüsen mit Kleinstweite b min und dem Erweiterungswinkel.

Anpreßbogen

Bild IlIA
Lavaldüsensegment
(dreiteilig)

Da Düsensegmente nur einen Teil des Laufradumfangs mit Dampf beströmen, spricht man von
Teilbeaufschlagung. Ihr Nachteil ist, daß die nicht beströmten Schaufeln den Umgebungsdampf
verwirbeln und Verlustarbeit entsteht (Ventilationsverluste). Wenn irgend möglich, sollen lauf-
räder vollbeaufschlagte Dampfströmung erhalten. Erreichbar ist dies, indem sich mehrere Einzel-
bögen zum Vollumfang ergänzen, beispielsweise durch acht Einzelbögen zu je 45° Bogenwinkel. Bei
unterkritischem Druckgefälle sind Einfachdüsen auf dem Vollumfang angeordnet, die dann auch
Leitkanäle in den Zwischenböden mehrstufiger Turbinen genannt werden (vgl. Zoellyturbinen).
Als Kanalwände dienen hier eingegossene Ni-St-Bleche zwischen Innen- und Außenring des Zwi-
schenbodens oder eingesetzte ProfIlschaufeln mit Fuß. Um bei der Endrnontage die Turbinenwel1e
mit den Laufrädern einlegen zu können, werden alle vollbeaufschlagten Düsenwände und Zwischen-
böden zweiteilig ausgeführt und in die beiden Gehäusehälften der Turbine eingebaut.

1.5. Dampfdurchsatz
Der Austrittsquerschnitt bestimmt mit der Dampfgeschwindigkeit das sekundlich durchströmende
Dampfvolumen V= Ac, in m 3 js. Hat der Da.'l1pfbeim Ausströmdruckp2 das spezifische Volumen
u, so ist die sekundlich verarbeitete Dampfrnasse mo = Vs/u in kg/s. Man erhält pro Stunde den
Dampfdurchsatz

mOh A c, u
. 3600Ac,
mOh = u kg m m3
(III.3)
h
m2 kg

1068
111. Dampfturbinen

2. Nutzung der kinetischen Energie


Der aus den Düsen austretende Dampf strömt auf die Schaufeln des Laufrades. Die Schaufeln bilden
gekrünunte Kanäle mit konstanter Kanalweite, in denen die durchströmende Dampfmasse abgelenkt
wird. Um konstante Kanalweite zu erhalten, werden ProfIlschaufeln verwendet, wie es in Bild 111.5
dargestellt ist. Der erzeugte Ablenkdruck wirkt als Triebkraft F am Radumfang und treibt die Rad-
schaufeln mit der Umlaufgeschwindigkeit u an, wodurch sich die Triebleistung P = Fu ergibt. Der
Druckzustand des Dampfes ist vor und hinter dem Laufrad gleich groß. Das Laufrad arbeitet als
Gleichdruckrad, die Turbine gilt als Gleichdruckturbine. Der im Bild III.5 aufgezeigte Geschwindig-
keitsverlauf der Dampfströmung im Radkanalläßt die Energienutzung erkennen.

Radkana/ Dampfeintritt e •
Bild III.5
Dampfaustritt a 0
Energienutzung im Radkanal

2.1. Dampfeintritt
Vor dem Radkanal hat der Dampf die Geschwindigkeit CI und den Zuströmwinkel 0:1 zur Umlauf-
richtung der Radkanäle, deren Eintrittskanten (Schaufelkanten) die Umlaufgeschwindigkeit u
haben. Aus beiden Geschwindigkeiten ergibt sich die relative Geschwindigkeit WI unter dem Rich-
tungswinkel ßb die der Dampf gegenüber der umlaufenden Eintrittskante des Radkanals hat. Die
Kanalwand (Schaufelwand) muß baumäßig diesen Richtungswinkel ß\ am Kanalanfang haben,
damit der Dampf ohne Strömungsstörung an die Wand mit W\ angleitet und stoßfreier Dampfein-
tritt in den Radkanal erfolgt.

1069
Kraft- und Arbeitsmaschinen

2.2. Dampfaustritt
Im umlaufenden Radkanal wird der Dampf durch die WandkrümJnung abgelenkt. Während dieser
Ablenkung sinkt die relative Dampfgeschwindigkeit durch Reibung der Dampfmoleküle auf
W2 = 1P w" Schaufelbeiwert 1P =0,95 ... 0,8 Ge nach Größe des Ablenkungsgrades). Mit dieser
Geschwindigkeit W2 verläßt der Dampf die
umlaufende Kanalwand unter Wandneigungs- Tafel m.2. Schaufelbeiwerte
winkel ß2' Da die Kanalwand die Geschwin- 1,0
digkeit u hat, entsteht aus W2 und u hinter
dem Radkanal die absolute Dampfgeschwin-
0,9
0,8 --- I'--
digkeit C2 unter dem Abströmwinkel Q2 zur
Umlaufrichtung geneigt, wie es die Austritt-
seite am Laufrad im Bild III.5 zeigt. Tafel 111.2
0,7
0,6 " ~ .
9- 0,5
zeigt Reibzahlwerte 1P abhängig vom Ab-
lenkgrad.
0"
I
I
~
J. 732
15" 30"
Ablenkgrad
45"60" 75° 90" 105"12O"135"liO"165"1800
2.3. Triebkraft und Leistung am Radumfang
Die Geschwindigkeiten am Ein- und Austritt des Radkanals zeigen zwei Geschwindigkeitsdreiecke,
die zusammengefaßt den Geschwindigkeitsplan der Energienutzung ergeben, der im Bild III.6 dar-
gestellt ist, wobei oft beide Dreiecke nebeneinander gezeichnet werden. Betrachtet man in die-
sem Plan die Komponenten der Dampfströmung in Radlaufrichtung, so ist vor Radkanal
Cl u = CI COSQI und nachher C2u = C2 COSQ2 als Komponente zu erkennen. Die in Radlaufrichtung
wirkende Triebgeschwindigkeit des Dampfes nimmt während der Ablenkung im Radkanal um
~cu = Cl u - C2u ab. Damit entsteht der Triebimpuls Ft = m ~cu in Ns und mit der sekundlich
durchströmenden Dampfrnasse mD ist am Radumfang die Triebkraft

(III.4)
kg m
N

Bei der Umlaufgeschwindigkeit u


des Radkanals (Schaufel) ist dann
als sekundliche Triebarbeit des
Dampfes am Radumfang die
Umfangsleistung

Pu =Fu = mD u (Cl u -C2u)


(111.5)

kg m
W

Bild 111.6. Geschwindigkeitsplan

1070
111. Dampfturbinen

2.4. Turbinengleichung, Bestnutzung


Jedes kg Dampfmasse gibt im Radkanal den EnergiebetragE = U(Cl u - C2u) in J/kg an das Laufrad
der Turbine ab. Diese Gesetzmäßigkeit wird als allgemeine Turbinengleichung E =U (CI COSOt:I ±
C2 COS0t:2) bezeichnet. Hierbei ist zu beachten, daß die Komponenten Cl u und C2u gleiche oder
gegensinnige Richtung haben, denn ihr Änderungsbetrag bestimmt die Größe des Triebimpulses
und damit Radtriebkraft und Radleistung. Die beste Energienutzung am Laufrad entsteht dann,
wenn der Zuströmwinkel Ot:1 möglichst klein gehalten wird und der Abströmwinkel Ot:z =90° be-
trägt, damit der Abströmdampf keine Rotationsenergie enthält. Setzt man vereinfacht Wz = WI
und baut gleiche Wandwinkel ßI =ß2, so erreicht man 90° Abströmwinkel, wenn U = Wz COSß2 =
COSßI WI ist. Dann wird auch Cl u = 2u, wie es im Bild III.7 der Geschwindigkeitsplan flir Best-
nutzung zeigt. Man erkennt, daß daflir die Umlaufgeschwindigkeit U =cl u /2 =(ctl2) COSOt:I die
Bestlaufbedingung ist.

"', "cosß/=w2 " cosß2 =u; c'u =2 "u

Iu =1"cos (x, I Bild III. 7. Bestlaufregel

COS
C =U ( 1+ - - -
ß, )
lu I(J "COsßz

Unsymmetrische SChaufel
(/32 kleiner /3 t>

2.5. Schaufelprofde
Durch die Dampfreibung im Radkanal wird Wz < W I. Soll der Abströmwinkel 90° erreicht werden,
so baut man vielfach unsymmetrisches SchaufelprofIl mit ßz < ßI, um gute Laufbedingung Cl u =
U [1 + cosßtI( 1/1 cosßz)] zu erhalten, wie es Bild 111.8 erkennen läßt. Hierbei wirkt die Bahnkraft F b

1071
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Bild 111.9
Symmetrische Schaufel
(ß2=ßIl

cosß = C!u - U =(Os(3 =_ u_, ~=~ ~1


I "'I z I{J-~' u I{J

I u= clu ~

unter Winkelneigung (ßI - ß2)/2 zur Radlauf-


richtung und hat neben der Triebkompo-
nente F eine kleine Axialkomponente
Fa = Ftan [(ßI - ß2)/2j.

Diesen Nachteil vermeidet man bei symme-


trischem SchaufelprofIl mit ß I = ß2 nach
Bild 111.9. Der dort aufgestellte Geschwin-
digkeitsplan zeigt, daß dann für Bestnutzungs-
la~f die Umlaufgeschwindigkeit
sem muß.
U =Clu l/I! 1

Eine weitere Maßnahme fur Bestnutzung ist Pz > p/ erzeugt


bei vollbeaufschlagten Rädern die Anwen- Axialschub

dung eines kleinen DruckgefaIles im Lauf- F" =(pz-p;'JAR


mit
radkanal, dessen Energiebetrag gerade die 1r Z Z
AR= t;(OK-d J
Reibverluste aufhebt, wodurch W2 = WI
erhalten wird und mit Symmetrieschaufel
(ßI = ß2) nach Bild 111.7 die Umlaufgeschwin-
digkeit U = (cd2)cOSQ, sein muß. Derartige
Radkanäle haben Düsenform mit Verengungs-
kanal, das Rad hat Überdruckschaufeln, wie
es Bild III.l 0 zeigt. Der Schaufelkranz des
10'2
Rades erhält dann Labyrinthdichtung gegen
Gehäusewand durch Laufkärnme am Deck- geradflankig
band, damit der am Rad wirkende Überdruck Bild 111.10. Überdruckschaufel (b I größer b 2 )

1072
111. Dampfturbinen

sich dort nicht ausgleicht (Spaltverluste werden klein gehalten). Der Überdruck auf die Radfläche
AR erzeugt eine Axialkraft Fa = (P2 - p;) AR, die zu berücksichtigen ist. Die Radkanalhöhe
(Schaufellänge I) muß am Dampfaustritt größer als am Eintritt sein, da bei p; das spezifische
Volumen v;größer als V2 beim Druckzustand P2 ist und die sekundlich durchströmende Dampf·
masse (vgl. GI. III.3) mo = Vse /V2 = Vsa/v; beträgt. Mit der Radkanalzahl z und WI = W2 muß dann
bill b 2 12 12 blv;
- - =-,- sein und demnach das Höhenverhältnis -I = -b-' Am Dampfaustritt sorgt das gerad-
V2 V2 I 2V2

flankige Kanalende rur gute Dampfabströmung unter dem gewollten Wandwinkel.

3. Geschwindigkeitsstufung (Curtisrad)
Die Umlaufgeschwindigkeit bestimmt die Fliehkraftwirkung auf die Schaufeln und deren Festig-
keitsbeanspruchung. Für bestes Schaufelmaterial gilt als erträglicher Höchstwert u = 300 m/s. Da-
fiir kann die Dampfgeschwindigkeit CI = 2u = 600 m/s durch ein Energiegeflille l:!.h =(600 2 /2) =
180 kJ /kg in der Düse erzeugt werden. In Lavaldüsen werden aber meist mehr als 419 kJ /kg als
Energiegefalle verarbeitet, dessen Energiebetrag dann nur mehrstufig am Rad ausgenutzt werden
kann. Man verwendet ein mehrkränziges Laufrad, das Curtisrad (Curtisturbine). Praktisch werden
hauptsächlich zweikränzige Räder (2C-Räder) angewandt, selten dreikränzige. Zwischen den bei-
den Radkränzen greift der am Gehäuse befestigte Leitschaufelkranz ein, dessen Kanäle den Aus-
trittsdampf des ersten Radkranzes wieder in Laufrichtung zum zweiten Radkranz umleiten. Als
Nachteil entsteht in drei Kanälen mehr Reibverlust als bei einstufiger Energienutzung, wodurch
Curtisräder schlechten Wirkungsgrad aufweisen. Es treten drei verschiedene Kanalreibzahlen 1/J',
1/Jm und 1/J" auf, deren Gesamtprodukt 1/J g = 1/J' 1/Jm 1/J" ist. Für Symmetrieschaufeln erhält man
durch ähnliche Überlegungen wie am Einkranzrad nach Bild III.9 hier beim 2C-Rad die Bestlauf-
bedingung Clu!U =[(1/J', 1/J", 1/Jg). Vorläufig geschätzte Reibzahlen bestimmen nach dieser Best-
laufbedingung die Umlaufgeschwindigkeit des 2C-Rades rur dessen Betriebswerte mo,
l:!.h, <P, O!I .
Die Schaufelprofile der Kränze werden unter Beachtung der wirklichen Kanalreibzahlen durch den
Geschwindigkeitsplan ermittelt und festgelegt und der Strömungsverlauf im 2C-Rad erkannt. Das
Beispiel vom Bild rn.11 (Kleinturbine ; n = 6000 U/min) zeigt die Anwendung der erkannten Zu-
sammenhänge.

3.1. Übungsbeispiel (2C-Rad)


Betriebswerte :

Dampfmenge je Sekunde am Düsenausgang


3
mo = 1 kgS
Spezifisches Volumen v = 0,9 ~g

Enthalpiedifferenz l:!.h = 419 ~


Lavaldüsen mit Düsenreibzahl <p =0,95
Zuströmwinkel O!I = 17°
Drehzahl n = 6000 min- I

Düsensegment: 3

Ausströmvolumen je Sekunde V = mo v = 0,9 ~


Düsenaustrittsgeschwindigkeit CI = <p '1./2 l:!.h = 869 !!!
. s
Gesamte Düsenaustrittsfläche A d =..f
CI
= 1035 mm2
1073
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Düsenzahl z = 15 }( ählt)
Kanalwanddicke s = 2 mm gew
Ad
Kanalquerschnitt Z = 69 mm2; Kanalhöhe ld = 7,2 mm
Kanalweite b a = 9,6 mm
ba + S
Düsenteilung t =-0-- = 39,8 mm
sm al
Bogenlänge B =z t = 597 mm (vgl. Bilder UI.3 und IIIA)

Laufkranz I:
Zuströmgeschwindigkeit c~= 869 ~s = Düsenaustrittsgeschwindigkeit CI
Umlaufkomponente c~u = C'I cosa~ = 831 ~

AXl°alkomponente cla
" =CI smal = 254 s
0 m ,

Kanalreibzahl der Laufkränze (geschätzt) l/I' = 0,8, l/I" = 0,9


Kanalreibzahl im Leitkranz l/I m =0,85

Umlaufgeschwindigkeit u =[(l/I'~~u", l/Ig) mit l/Ig = l/I'l/Im l/I" und

[(l/I', l/I", l/Ig) = 5,35


u = 155 sm
Umfang U = nu = 1,55 m; Laufdurchmesser D =;
U
11 =0,494 m
Beaufschlagung ~ = °i~:57 = 0,385 == 38,5 %
Proftlwinkel (Symmetrieschaufel) ß~ =ß; aus tanß~ =,.:1-
, 254 , ° Clu-U
tanßI =831 _ 155 =0,376; ßI = 20,6

Proftlwinkel ß~ =ß; = 20,6° ergibt mit Urnlenkung um 139,2° nach Tafel IIIo2 die Kanalreibzahl
l/I' =0,8 (wie geschätzt)

Relative Geschwindigkeiten w~ = oC~a, = 721 !!!


smßI s
W2
, =WI" l/I = 577-
m
s
"
UmIau fk omponente C2u ,
= W2 COS ß2 - U
m
= 385 -
s
, , w; sinß~ =0,53;
Abströmwinkel a2 aus tana2 = , a; =28°
C2u
Ab st romgeschwmd°gk
00
1 elt
0 0
C2,
= -C2u
- , = 436 -m
cosa2 s
Triebkraft F' = mD (c~u - C2u) = 446 N
Ablenkbreite a = 10 mm, Kranzbreite k = 1,1 a = 11 mm (gewählt) 0

U 4 U sinß cosß
Schaufel- bzw Kanalzahl z =- = =204 3 gewählt
0

t a ' ,
z' = 205 mit t' = ~ = 7,56 mm Teilung
z

1074
111. Dampfturbinen

r= al2 . (2 'f)=_r_ .
cosß' sinß'
k=1,1a; 'ö =r -(b'.s)

Laufkranz [

Bild 111.11. Zweikränziges Curtisrad zum Obungsbeispiel


- -- ....._- Entropie

Kanaleintritt:
","oI,intritt",uen,hnitt '(Ji) =21,16 mm 2

w, t'
Kanalhöhe I; = 8 rnrn, Kanalweite b' = 2,65 mm, Endwanddicke s = 0,3 mm

KanaIaustritt: ,
Kanalhöhe I; =I; (:;) (~) =11 mm

1075
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Leitkranz:
Profilwinkel ßm = a~ = 28° ergibt mit Umlenkung um 124° nach Tafel III.2 Kanalreibzahl
1/Im = 0,85 (wie geschätzt)
Zuströmgeschwindigkeit ce = c~ = 436 ~

Abströmgeschwindigkeit Ca = 1/Im Ce = 370 ~


Schaufelzahl Zm = [(U, ßm, a) = 257,3, gewählt zm = 250 mit t m = 6,2 mm Teilung

Kanaleintritt :
Kanalhöhe 11m = 11,8 mm, Kanalweite bm = 2,65 mm, Endwanddicke Sm = 0,5 mm

1 I;: )(~,')
Kanalaustritt:
Kanalhöhe 2m =( = 14,3 mm
3 3
V' = 0,99 ~ am Eintritt nimmt durch Erwärmung zu auf V" = 1,015 ~

Laufkranz 11:
Zuströmgeschwindigkeit c;' = Ca = 370 ~
Zuströmwinkel a~ = o:~ = 28°
UmIaufkomponente Clu" "
= CI " = 327 8
cosal m

Axialkomponente " =CI11."


cla m
smO:I = 174 8
"
'
ProfiIwinkel 2 aus tanßI"=
ß"I = ß" c-,-,
1- a- = 1,01 ; ß"I = 45° ergt'b t mit AbIen ku ng von 90° nach
Clu -u
Tafel III.2 die Kanalreibzahl 1/1" = 0,915 (statt wie geschätzt 1/1" = 0,9!)

Relative Geschwindigkeiten w~ = sm,c~ß'a"I


= 246!!! und w~ = 1/I"w;' = 225!!!
S S

Umlaufkomponente c~u = w;' cos ß;' - u = 4,07 ~ (gegen Triebrichtung)


"
Abweichwinkel Lla von 90° aus tanLla = ,~~u " = 0,026, Llo: = 1,5°
W2 smß2
Abströmwinkel a;' = 90° - Lla = 88,5°
" hwm' d'gk
"
Ab stromgesc I el't"
C2 = ~C2u = 157 -m
sml.1a s
Triebkraft F" = mD (c~u -c~u) = 331 N
Schaufelzahl z" = [(u, ß", a) = 310 mit t" = 5 mm Teilung
Kano1ointri'''qu,,,,,hnitt ,.(~) = 34,6 mm'
WI t"

Kanaleintritt:
Kanalhöhe I;' = 15 mm, Kanalweite b" = 2,3 mm, Endwanddicke s = 0,9 mm
1076
111. Dampfturbinen
Kanalaustritt:
Kanalhöhe l~' = 16,4 mm
. m3
Austrittsvolumen Va = 1,02 -
s 3
Spezifisches Volumen Va = 1,02 ~g
.
leistung Pu = (
F '+ " Nm
F )u = 120435 -s- =120,44 kW

3.2. Wirkungsgrad
Die Dampfleistung wird ohne Berücksichtigung von Wärmeverlusten nach der Gleichung Po =
mo t::..h = (m o /2)c5 ermittelt. Hinter der Düse ergibt sich die tatsächliche Dampfleistung aus
PI =(mo/2)d. Daraus läßt sich der Düsenwirkungsgrad 71d = Pt/Po =(Ct/CO)2 =",2 bestimmen.
Ebenso läßt sich der Kanal· oder Schaufelwirkungsgrad festlegen:
71.
(111.6)
kg m
W

Das Produkt beider Einzelwirkungsgrade ergibt den Gesamtwirkungsgrad am Radumfang, den


Umfangswirkungsgrad 71u = Pu/Po = Pu/ri'lo t:..h. Teilbeaufschlagte Räder haben Leistungsverluste
Pv durch Ventilation, die durch Schutzringe (vgl. Bild III.13) gering gehalten werden können. Voll-
beaufschlagte Räder mit überdruckwirkung in den Kanälen (vgl. Bild III.10) haben Spaltverluste
Ps, weil Dampf durch die Laufspalte an den Kranzkanälen vorbeiströmt. Die Leistungsverluste Pv,s
betragen 3 ... 5 % von Po und verschlechtern den Umfangswirkungsgrad auf den Innenwirkungsgrad
1/i = (0,95 ... 0,97) 1/ u .

4. Druckstufung (Zoellyturbine)
Hohe Dampfgeschwindigkeit und großer Ablenkgrad im Radkanal erzeugt große Reibverluste und
schlechten Wirkungsgrad (siehe 2C-Rad). Wird großes Energiegefälle in mehrere Teilgefälle unter-
teilt verarbeitet, so erhält man kleinere Dampfgeschwindigkeiten, kleinere Reibverluste und bes-
seren Wirkungsgrad. Derartige Energieverarbeitung heißt Druckstufung. Sie findet Anwendung in
der Zoellyturbine, die als Reihenschaltung mehrerer Gleichdruckturbinen angesehen werden kann.
In jeder Stufe wird möglichst das gleiche Teilgefälle t:..h verarbeitet, das in den düsenförmigen Leit-
kanälen des Zwischenbodens Energie erzeugt, die im nachfolgenden Gleichdruckrad triebmäßig
ausgenutzt wird. Die Leitkanäle jeder Folgestufe verarbeiten als Düse ihr Druckgefälle und die un-
genutzte Abströmenergie der vorhergehenden Stufe. Bei gleichem Energierestbetrag in jeder F olge-
stufe ist die erzeugte Energie in diesen Folgestufen gleich groß. Abströmverlust erhält nur die letzte
Stufe. Ein übungsbeispiel nach Bild 111.12 zeigt die Zusammenhänge.

4.1. Obungsbeispiel (5 Gleichdruckstufen)


Betriebswerte :
. kg
Damp f menge je Sekunde mo = 20-s-

Summe der Teilenergiegefälle t:..h g = 419 ~~


Teilenergiegefälle t:..h = 83,8 ~~ (5 Stufen)
Turbinendrehzahl n = 3000 min- I

Düsenreibzaltl '" = 0,96 bei einem Zuströmwinkel (XI = 17°

1077
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Anfangs- Folgestufe Entropie


stufe
Bild III.12. Fünfstufige Gleichdruckturbine

Anfangsstufe:
Düsenaustrittsgeschwindigkeit CI =<{J.J2 !!.h = 394 ~
m
Umlaufkomponente Cl u = Cl cosal = 376 S

Axialkomponen te Cl a =CI sin al = 115 ~


Profilwinkel ßI mit ~,
u< C2lU und mit tanßI =Cl U
ßI = 30° (gewählt)
u

Umlaufgeschwindigkeit U =Cl u - CIßa = 176!!!


tan I s
U
Laufdurchmesser D = - = 1,12 m
1tn
Kanalreibzahl 1/1 =0,83 (geschätzt)
COSßI U
Profilwinkel ß2 aus COSß2 = t/I( _) 0,918, ß2 = 23° (Bestlaufregel nach Bild 111.8)
Cl u U
Ablenkung 127° nach TafelllI.2 flir 1/1 = 0,83

Relative Geschwindigkeiten w 1 = ~laß = 230!!!, W2 = 1/1 WI = 191 !!!


sm 1 s s
Abströmgeschwindigkeit C2 = U tanß2 = 75 ~
Abströmwinkel a2 = 90°
. C~ kJ
Restenergie hr = 2" = 2,81 kg (aus C2 =..J2hr)
mn
= Cl u = 7520 N
Triebkraft F I
Umfangsleistung Pul = F I U = 1323520 W

1078
111. Dampfturbinen
Folgestufen:
Austrittsgeschwindigkeit an der Zwischenbodendüse c~ = tp Y2(fl.h + h r ) = 400!!!
s
Umlaufkomponente c;u = 382 ~ (0:1 = 17°)

Axialkomponente c;a = 117 ~

Umlaufgeschwindigkeit u' =Cl u - t C1ßa, = 179!!! (ß~ =30°)


an 1 s
Laufdurchmesser D' =1ru'n = 1,14 m
Profilwinkel ß;=23° nach f(ß~, 1/1, u, Cl u )
Relative Geschwindigkeiten w~ = :~ßa, = 234!!!, w; = 1/1 w~ = 194!!!s
sm 1 s
Abströrngeschwindigkeit c; =utanß; =76 ~ bei 0:; =90°
Triebkraft Fn = c~u mD = 7640 N
Umfangsleistung Pull =F n u = 1367560 W
. , C;2 kJ
Restenergle h r = 2 = 2,888 kg
Austrittsgeschwindigkeit aus der folgenden Zwischendüse c;' = tp V2(fl.h + h;) = 4oo!!!s
In den folgenden Stufen ergeben sich die gleichen Geschwindigkeiten!

4.2. Wirkungsgrad
Der Wirkungsgrad der Zoellyturbine wird anhand der im Übungsbeispiel ermittelten Werte be-
stimmt. Die Anfangsstufe hat den Umfangswirkungsgrad 1)u
Pul Cl u U
1)u = mD fl.h = fl.h =0,79
Injeder Folgestufe beträgt der Umfangswirkungsgrad 1)~
, c~uu'
1)u = t:h = 0,816
Für alle Stufen erhält man den gesamten Umfangswirkungsgrad 1)ug

= fl.h(0,79 + 4 '0,817) = 0 8107


1)ug fl.h g '

Für Spalte und Radscheiben werden Leistungsverluste von 3 % ... 4 % geschätzt, so daß mit einem
Innenwirkungsgrad 1)ig =0,78 gerechnet werden kann. Zum Vergleich beträgt für das 2C-Rad
(Übungsbeispiel 3.1) der Innenwirkungsgrad 1)i =0,54. Darnitist erwiesen, daß durch Druckstufung
eine bessere Energienutzung als bei Geschwindigkeitsstufung möglich ist. Allerdings ist der Bau-
aufwand der Druckstufung gegenüber C-Rädern wesentlich größer.

5. überdmckstufung
Durch genügend große Stufenzahl wird der Druckunterschied an den Zwischenböden klein (ca.
20 ... 30 N/mm 2 ). Dann können die Düsenkanäle ähnlich wie die Leitkanäle beim mehrkränzigen
Curtisrad gebaut werden. Als düsenförmige Leitkränze greifen sie zwischen die Laufschaufelkränze,
die alle auf einem gemeinsamen Trommelkörper sitzen.

1079
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Die Zwischenböden mit ihren Labyrinthdichtungen werden ebenso wie die vielen Radscheiben
eingespart, wie es das Bild III.13 zeigt. Der kräftige Trommelkörper gestattet kleine radiale Lauf-
spalte der Leit- und Laufschaufeln, deren Enden ohne Abdeckband zugeschärft werden, damit
beim möglichen Anstreifen an Gehäuse- oder Trommelumfang nur geringer Abschliff entsteht.
Zweckmäßig wird in den Laufschaufelkränzen ebenfalls Druckgefalle verarbeitet, wodurch eine
mehrstufige Überdruckturbine entsteht, die bei mehrteiligen Turbinenanlagen als Parsonsteil be-
zeichnet wird. Das Energiegefalle wird meist im Leit- und Laufkranz gleich groß, als Reaktionsgrad
(vgl. Wasserturbinen) also r =0,5 festgelegt. Als Bestlaufregel gilt für Überdruckturbinen u =(0,8
... l)CI U • Die Durchrechnung der StufenprofIle und Geschwindigkeitspläne ist ähnlich wie im
Druckstufungsbeispiel 4.1, jedoch wird oft auf Abströmwinkel Q2 =90° verzichtet und ß2 =Q,
sowie ß, =Q2 angestrebt.

Bild 1II. 13. Trommelturbine


(Oberdruckstufung)

Entwässerung

5.1. Ausgleichkolben
Der an jeder Laufkranzringfläche Ar wirkende Überdruck t::.p erzeugt eine Kraft in Richtung des
Druckgefalles. Die Summe dieser Kräfte und der Dampfkraftunterschied F t auf die Ringflächen
des Trommelkörpers wirken an der Welle als AxialkraftFa = F t + L t::.p Ar. Diese Kraft wird durch
einen Ausgleichkolben aufgehoben , dessen Labyrinthdichtung meist das ganze Überdruckgefalle
(P - Pa) absperrt. Seine wirksame überdruckfläche A k wird so bemessen , daß die Kolbenkraft
F k = (p - Pa)Ak die Axialkraft Fa aufuebt, wie es im Bild III.l3 angedeutet ist. Vor dem Parsons-
teil arbeitet ein teilbeaufschlagtes 2C-Rad, dessen Ventilationsverluste durch einen Schutzring ge-
mildert werden.

6. Labyrinthdichtung
Der Laufspalt zwischen Welle und Gehäuse (Zwischenboden) verlangt Abdichtung durch Labyrinth-
kammern. In die Welle werden Blechstreifen eingestemmt (Stemmdraht), deren zugeschärfte
Kammschneiden in Ausdrehungen der Gehäusewand (oder Stopfbuchsenwand) hineinragen oder
umgekehrt. Es entstehen viele Spaltkammern mit DichtsteIlen. Aus dem Vollen hergestellte Dicht-
steIlen sind sehr wirksam, aber teuer. Zwischenböden erhalten meist eingesetzte Kammschneiden
gegenüber der glatten Laufradnabe. Kondensatorseitige Labyrinthdichtung wird mit Sperrdampf
beschickt, der Außenluft nicht eintreten läßt (Vakuumhaltung des Kondensators). Das Bild III.l4
zeigt die wichtigsten Dichtungsbauformen.

1080
111. Dampfturbinen

Zwischenboden

Welle Laufradnabe
Gehäuseeinsatz (Büchse)

~
Bild 111.14
Labyrinthdichtungen

Wellenbunde
(massiv)

7. Regelung
Konstante Drehzahlhaltung bei Laständerung verlangt Regelung der Energiezufuhr. Man unter·
scheidet Mengen· und Drosselregelung. Drosselung ist Dampfdruckabfall ohne Enthalpieänderung
(vgl. Wärmelehre). Der Druckabfall entsteht in einem Drosselventil. Das Bild IIUS zeigt den Vor·
gang als waagerechte Verlaufslinie in der i, s·Tafel. Das Energiegefille der Turbine wird verkleinert,
weil tlh' < tlh wird. Sie ist unwirtschaftlich, denn der Energienutzungsgrad wird schlechter
(17th =tlh'/h 1 < tlh/h 1 ). Bei der Mengenregelung (Füllungsregelung) sind die Eintrittsdüsen in
mehrere Kammern angeordnet, die ihre Dampfzufuhr je über ein Kammerventil (Düsenventil) er·
halten, wie es Bild 111 .16 zeigt. Bei Vollast sind alle Ventile offen (voller Dampfdurchsatz), bei
Teillast nur soviel, daß die zur Teilleistung erforderliche Dampfrnasse zuströmen kann. Mit vier
Kammerventilen kann in Stufen zu je ~ Vollast heruntergeregelt werden. Kleinere Lastschwankun·
gen zwischen den Laststufen werden von einem der Kammerventile als Drosselventil geregelt. Die
Steuerung der Kammerventile geschieht hydraulisch.
Schließfeder (abgestimmt)
Drosselung
I • I

Entropie - - --
Bild 111.15. Drosselungsvorgang
im i, s-Diagramm

Bild 111.16. Düsenkammem mit RegeJventiien

1081
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Bei plötzlicher Entlastung (Elektrizitätswerke) verhütet ein Sicherheitsregler unzulässige Drehzahl-


zunahme. Ein Fliehkraftbolzen (oder Ring) entriegelt die Sperrung des Hauptventils der Dampf-
zufuhr, das dann durch Federkraft zuschlägt, wie Bild III.l7 erkennen läßt.

Bild III . l? Sicherheitsregelung


mit Schnellschlußventil

8. Radialturbinen
Die Dampfströmung ist radial senkrecht zur Welle gerichtet. Die mehrstufige Arbeitsart kann
Gleichdruckstufung sein, ist aber meist als Überdruckstufung ausgeftihrt, weil dann die Zwischen-
böden fortfallen . Die Einfach-Radialturbine (Siemens) hat feststehende Leitkränze, die zwischen
die Laufradkränze greifen. Die Durchströmung ist wechselnd innen- und außenläufig. Durch vor-
geschaltetes Gleichdruckrad (oder 2C-Rad) kann kleiner Betriebsdruck im Turbinengehäuse er-
reicht werden. Die Doppelt-Radialturbine (Ljungström) arbeitet mit gegenläufigen Radscheiben,
deren Kränze gegenseitig ineinandergreifen. Beide Kranzgruppen sind gleichartig. Die Laufschaufeln
einer Radscheibe sind gleichzeitig die Leitschaufeln fur die andere Radscheibe . Durch den Gegen-
lauf der Scheiben verarbeiten zwei aufeinander folgende Kränze soviel Energiegefalle, wie sonst in
vier Laufradkränzen üblicher Überdruckstufung verarbeitet werden. Man erkennt den wesentlichen
Bauvorteil. Das Bild HUS zeigt beide Bautypen.

Einfach -Radialturbine Doppelt-Radialturbine


Bild Hl.l8. Radialturbinen

1082
IV. Wasserturbinen

9. Turbinenanlagen
Großturbinen der Kraftwerke (Elektrizitätserzeugung) bestehen meist aus Hoch-, Mittel- und Nieder-
druckteil mit Kondensatoranlage und verarbeiten großes Energiegefalle. Erreicht der Dampf 8 %
... 10 % Dampfnässe, so muß vor weiterer Nutzung Zwischenüberhitzung einsetzen. Sie erfolgt in
einem mit Frischdampf beheizten Zwischenüberhitzer neben der Turbine oder im Zwischenüber-
hitzer des Kessels, wozu Hin- und Rücklaufrohre des Dampfes zwischen Turbine und Kessel erfor-
derlich sind (Nachteil). Kondensatoranlagen entziehen durch Wasserrohrkühlung dem Abdampf
die Verdampfwärme bei Unterdruck (Vakuum). Das entstehende Kondenswasser wird dem Dampf-
erzeuger wieder zugefiihrt (Kreislaufbetrieb ). Die Kühlwassermassen werden bei Frischwasserküh-
lung einem Flußlauf (oder Brunnen) entnommen. Ihre Kühlwirkung erreicht bis 0,03 bar Abdampf-
druck im Kondensator. Bei Frischwassermangel muß das Kühlwasser in Kühltürmen rückgekühlt
werden, wobei nur bis ca. 0,1 bar Abdampfdruck im Kondensator erreicht werden kann.
Für Industriezwecke sind Gegendruck-, Entnahme- und Abdampfturbinen gebräuchlich. Gegen-
druckturbinen verarbeiten nur das obere Energiegeflille, der Rest dient anderen industriellen Heiz-
und Wärme zwecken. Bei Entnahmeturbinen wird vor dem Mittel- oder Niederdruckteil Dampf-
strömung für andere Zwecke abgezweigt. Abdampfturbinen werden mit Abdampf niederen Druckes
anderer Energie- oder Industriedampfanlagen gespeist.

IV. Wasserturbinen

1. Stau anlagen
Gestaut wird durch Wehr oder Staumauer, wodurch nutzbarer Höhenunterschied der Energielage
des Wassers entsteht. Diese Höhendifferenz wirkt als Wasserdruckgeflille in der Turbinenanlage.

1.1. Niederdruckanlage
Flußanlagen haben meist kleine Höhendifferenz und sind daher Niederdruckanlagen. Das Wasser
fließt vom Einstaugebiet oberhalb des Wehrs durch den Obergraben zur Turbine und danach in den
Untergraben ab. Bei natürlichen Gräben wird je nach Bodenbeschaffenheit 0,2 ... 1,0 m/s Zulauf-
geschwindigkeit im Obergraben gewählt. Gemauerte oder betonierte Kanäle gestatten größere
Werte, jedoch ist dann der größere Fallhöhenverlust zu beachten. Rechen und Kiesfang sorgen für
Wasserreinheit. Überläufe (Übereich) vermeiden Überschwemmung bei Hochwasseranfall. Turbine
und Obergraben können für Reparatur oder Kontrolle durch Haupt- und l.eerlaufschütze wasser-
frei gemacht werden. Das Bild IV.! zeigt ein Anlagebeispiel.
Bei Flußanlagen im Flachgelände liegt die Turbinenkammer direkt am Wehr ohne Obergraben.
Wenn nötig, erhalten die Stauanlagen eine Schleusenkammer für den Schiffsverkehr mit Ober- und
Unterkanal, wie im Anlagebeispiel vom Bild IV.2 zu erkennen ist.

1083
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Bild IV.I. Niederdruckanlage mit Obergraben

100 200 300m

Bild IV.2. Niederdruckanlage am Wehr

1.2. HochdruckanIage
Anlagen mit Staumauer als Talsperre erschaffen einen Stausee. Solche Stauseeanlagen haben große
Höhendifferenz und gelten als Hochdruckanlagen. Vom Stausee fuhrt ein Kanal oder Stollen das
Wasser zum Wasserschloß. Von diesem fließt das Wasser durch Rohrleitungen zur Turbine und da-
nach in den Untergraben ab. Das Bild IV.3 zeigt eine derartige Anlage . Absperrorgane der Rohr-
leitungen sind Absperrschieber. Der Rohrquerschnitt wird rur I ... 3 mls Wassergeschwindigkeit
ausgelegt, wobei für lange Rohrstrecken der auftretende Strömungswiderstand (Verlusthöhe) zu
beachten ist. Die Rohrwandstärke wird für den auftretenden Wasserdruck bemessen.

1084
IV. Wasserturbinen

Gute Lagerung, Bettung und Verankerung der Rohre ist erforderlich, besonders an Steilhängen mit
großem Baugefälle. Die Linienfuhrung der Rohrstrecke soll möglichst gerade sein. Längenänderun-
gen an langen Rohrsträngen durch Temperaturschwankungen werden von Rohrstopfbuchsen auf-
gefangen .

Berglandschaft

2. Durchfluß, Höhenwerte
Wasserturbinen sind als Strömungsmaschinen
dadurch gekennzeichnet, daß bei Betrieb die u.w.
Schaufelkanäle des Triebrades stetig vom Treib-
wasser durchströmt werden. Nach DlN 4323 Bild IV.3. Ho chdruckanlage
gelten nachfolgende Begriffe und Bezeich-
nungen_
Das sekundlich durch die TUrJline strömende
Wasservolumen heißt Durchfluß oder Wasser-
strom Vund wird in m 3 /s gemessen.
Die Fallhöhe H ergibt sich aus der Bernoullischen Druckhöhengleichung (vgl. Mechanik, Dynamik
der Flüssigkeiten)

p c z g p
(IV.l)
m
m

Nach Bild IVA errechnet sich die


Fallhöhe H(P1 = P2) aus

H=z I +-
d d
2g -z 2 -2g
-

H=z 1 -z 2 + -2g
d-d
--

Bild IV.4. Turbine mit offenem


Ober- und Unterwasserspiegel 0- . __ ~z..ugse~~ ___ _ - - -0

1085
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Für die Spiralturbine nach Bild IV.5 errechnet sich die Fallliöhe H(P1 i:P2) aus
PI ci d
~-jt----
H=z + - + - - z - -
I pg 2g 2 2g

PI d-d
H=z -z + - + - - -
1 2 pg 2g
I
I
I
I
I
Q'I~I
I
I
I
I
I
I

Bild IV.5
Spiralturbine mit Rohrzufluß o-_··~_· __ · __ ·-_· __ · -0

3. Freistrahlturbinen
Sie arbeiten an Hochdruckanlagen mit großer Fallhöhe. In den Rohranlagen wirkt am unteren
Rohrende die ganze Energiehöhe als Druckenergie auf den Rohrabschluß. Die dort angebaute Düse
wandelt Druckenergie in Strömungsenergie um. Die Energie des so erzeugten freien Wasserstrahls
wird durch Ablenkung an der umlaufenden Radschaufel ausgenutzt. Die Turbine arbeitet als Gleich-
druckturbine, weil das Wasser vor und hinter der Schaufel gleichen Druck hat. Die Beaufschlagung
ist partiell, weil nur einige Schaufeln vom Strahl gleichzeitig getroffen werden. Mehrdüsige Bauart
ist möglich, wodurch größere Drehzahl und Beaufschlagung erhalten wird.

3.1. Turbinenleistung
Im Bild IV.6 ist die Betriebs-
1
~It---
lage der Turbine zwischen
Ober- und Unterwasserspiegel
dargestell t. i
Aus der Fallhöhe H und dem
Durchfluß Verhält man die I
~I
~I""I
0..0.1
theoretische Wasserleistung
Pth=VHpg in Watt. Der
'" I I
\. I I
Turbinenwirkungsgrad be-
rücksichtigt auftretende Ver·
V'-.L. 1---+---111--
luste. I
1

Bild IV.6 _ _ _ _ ---.!c2 }


Freistrahlturbine o - - .=-:--=----=-=0 -

1086
IV. Wasserturbinen

Damit ist die Turbinenleistung an der Welle

P v p H
P=rd'Hpg (IV.2)
W m

3.2. Düse, Düsennadel


Verarbeitet die Düse die Druckhöhe h n =p/pg, so entsteht nach dem Energiesatz mit der Ge-
schwindigkeitszahll{) =ca. 0,98 die Strahlgeschwindigkeit

c, g hn I{)

(IV.3)
m m
~ m

Nach dem Strömungsgesetz wird mit dem Durchfluß V der Strahlquerschnitt

V A, V c,
A,=- (IVA)
Cl m3 m
m2 s

Aus A, = d? 1T /4 erhält man den Strahldurchmesser d ,. Die Düse enthält die Düsennadel. Sie regelt
bei Lastschwankungen die Turbinenleistung und verhütet unzulässigen Drehzahlanstieg. Die An-
ordnung der Nadel in der Düse zeigt das Bild IV.7 im Längsschnitt ebenso wie die Profllierung von
Nadel und Düsenwand. Wird die Nadel vorgeschoben, so verkleinert sich der Austrittsquerschnitt
des Wassers am Düsenmund und damit auch der Strahlquerschnitt. Der Durchfluß wird kleiner
und dadurch die Leistung durch Mengenregelung der Last angepaß t. Bei Vollöffnung fiir Volleistung

Bild IV.7
Düsen- und Nadelprofil
einer Freistrahlturbine

ragt die Nadelspitze aus den Düsenmund, so daß ringförmiger Austrittsquerschnitt vorliegt und
der Strahldurchmesser d, bei Vollast immer kleiner als Munddurchmesser d o ist. Düsenwand- und
NadelkopfprofIl sind so gefonnt, daß bei allen Nadelstellungen des Regelhubes in der Düse der
Querschnitt in Fließrichtung abnimmt, das Wasser also stets beschleunigt wird. Die Nadelspitze
hat meist Kegelform. Ihr größter Kegeldurchmesser d k muß größer als der Munddurchmesser d o
sein, dann sind obige Arbeitsbedingungen der Nadel erflillt. Der Spitzenwinkel des WandprofIls
beträgt ca. 60 ... 80°. Die Betätigung der Nadel erfolgt durch hydraulische Kräfte, die durch einen
Fliehkraftregler eingeleitet und gesteuert werden.

1087
Kraft- und Arbeitsmaschinen

3.3. Radschaufel
Der freie Wasserstrahl trifft die umlaufende Radschaufel. Sie hat Doppelschalenform mit Trenn-
schneide und wird auch Doppellöffel, Doppelbecher genannt. Der Strahldurchmesser d I bestimmt
die Schaufelgröße. Richtwerte sind: Breite b = Länge I"" (3 ... 4) d I; Tiefe t"" (0,9 ... I ,O)d I;
Ausschnittbreite a"" 1,2 d I. Die Schneide teilt den Strahl beim Wassereintritt. Das Bild IV.8 zeigt
den dadurch auftretenden Geschwin- I
digkeitswinkel ßI beim Wassereilltritt,
der je nach Schneidenschärfe 6 ... 8° - I
beträgt. Die Schaufelkriimrnung er-
zeugt Wasserumlenkung. Wegen der - I -
nachfolgenden Schaufel am Rad wird c::r
nur auf 180° - ß2 umgelenkt. Der
Winkel ß2 wird je nach Bedarf 8 ... 15° ,
jedoch so klein wie möglich gestaltet.

°1 Strahlkreisdurchmesser
d1 Strahldurchmesser
a Strahlausschnitt
Bild IV.8
.. 80 b Schaufelbreite
Radschaufel der Freistrahlturbine I Schaufellänge
Schaufeltiefe

3.4. Energienutzung
Der Geschwindigkeitsplan im Bild IV.9 zeigt die Verhältnisse der Energienutzung. Der Wasserein-
tritt hat den ZuströmwinkelO!I = 0° und den kleinen Ablenkwinkel ßI durch die Schneidenschärfe.
Die Schaufelschneide und das Strahlwasser haben gleiche Bewegungsrichtung. Das Wasser verläßt
die Schalenwand mit kleinem Winkel ß2 gegen u-Richtung. Die Komponenten wUl und w u 2 unter-
scheiden sich wenig von WI und W2' Vereinfacht betrachtet wird dann WI = CI - u und mit WI = W2
(ohne Reibzahl 1/1) auch C2 = U - WI = CI - 2wI'
Wassereintritt • ® Wasseraustritt 0 @

Bild IV.9. Geschwindigkeitsplan


der Freistrahlturbine

1088
IV. Wasserturbinen

Die beste Energienutzung entsteht dann, wenn (vereinfacht) w = u = CI /2 wird mit C2 = 0 (genauer
mit C2 als Kleinstwert bei Winkel 0:2 = 90°). Wie bei Dampfturbinen wird im Geschwindigkeitsplan
die Komponentendifferenz ßc u =Cul - Cu2 in Triebrichtung erkannt und mit der sekundlichen
Durchflußrnasse erhält man die Radtriebkraft

F V p .:lc u
(IV.5)
m
N

*F
Mit der Umlaufgeschwindigkeit u ist in allgemeiner Form die Radleistung

u F u
Pu =Fu (IV.6)
W N !!!.
s

Die Radscheibengröße wird durch den Strahlkreisdurchmesser D I festgelegt. Als Kleinstwert hier-
für kann D 1 min ~ IOd I gebaut werden. Im Geschwindigkeitsplan gilt als Umlaufgeschwindigkeit
der Schaufel u =D I 11 n/60 bei der Raddrehzahl n.

3.5. Strahlablenker
Im Bild IV.lO ist die Wirkungsweise der Strahlablenker dargestellt. Bei plötzlicher Entlastung auf
Leerlauf darf die Düsennadel nicht schlagartig den Durchfluß sperren, da hierdurch Wasserdruck-
stöße im Zuflußrohr und Düse entstehen und sie gefahrden. Der sofort einschwenkende Ablenker
leitet den Strahl (oder Teilstrahl) aus seiner Richtung derart ab, daß die Schaufeln nicht mehr ge-
troffen werden. Nachfolgend regelt die Nadel langsam auf Neulast ein, wobei der Strahl allmählich
vom Ablenker wieder frei gegeben wird. Nadel und Ablenker sind mechanisch oder hydraulisch
gekoppelt und aufeinander abgestimmt.

einschneidender Ablenker (Teilstrah{ ) drückender Ablenker


(Total wirkung)
Bild IV.IO. Strahlablenker der Freistrahlturbine

3.6. Betriebsverhalten
Jede Ent- oder Überlastung der Turbine bei Vollstrahlbetrieb erzeugt eine Drehzahländerung und
damit schlechtere Energienutzung des Strahlwassers am Rad. Bei Kleinturbinen rur mechanische
Arbeitsleistung wird dieser Nachteil manchmal geduldet und nur für längere Minderlastfahrt die
Wassermenge durch Handverstellung der Nadel der Last angepaßt. Bei Großanlagen, vor allem bei
Elektrizitätserzeugung, muß gleichbleibende Drehzahl bei Laständerung gehalten werden .

3.6.1. Regelbetrieb. Die Mengenregelung des Strahlwassers hält die Turbine rur jede Last zwischen
Leerlauf und Voll ast auf konstanter Drehzahl. Die Strahl- und Umlaufgeschwindigkeit bleibt dabei
erhalten, so daß im Geschwindigkeitsplan bei bester Energienutzung auch die Komponentendiffe-
renz ßc u gleich bleibt. Die Triebkraft am Radumfang F = V p ßc u nimmt nur proportional mit

1089
Kraft- und Arbeitsmaschinen

dem Durchfluß V ab. Die Regelung


zeigt Triebmomentanpassung bei
gleichbleibender Winkelgeschwin- 1,0
digkeit. Da hierbei kein zusätzlicher
0,8
Energieverlust des Wassers auftritt,
I=:'
haben Freistrahlturbinen über wei- -g 0,6
ten Lastbereich einen guten, fast '-
~
t:l\0,4
gleichbleibenden Wirkungsgradver-
§
lauf, wie das Beispiel in Bild IV.ll
erkennen läßt. ~ 0,2

3.6.2. überlastung.,Bei Überlastung 0,251; 0,51; 0,751; I;rvollastJ


Durchfluß 1;---
durch größeres Lastmoment M' als
Bild IV. I I. Wirkungsgradverlauf der Freistrahlturbine
das Vollastmoment M sinkt die
Drehzahl und die Leistung. In der
Schaufel entsteht nicht mehr beste - u
c1--2u-Lic
Über/ostung
Energienutzung. Das austretende ®
Wasser hat noch Bewegungsenergie, w'
I u' w'=2u-u'
c; hat keinen Kleinstwert, wie der ~

c;;;t
vereinfachte Geschwindigkeitsplan Ci Q u'
im Bild IV.12 erkennen läßt. Das Licu '=2w'
Verhältnis Überlast- zu Vollastmo-
ment M'IM entspricht dem Treib-
kraftverhältnis F'IF und dem Ver-
hältnis der Komponentendifferenz
~c~/~cu im Geschwindigkeitsplan.
Mit dieser vereinfachten Betrach- En/astung
tung (W2 = w,und ß, = ß2 = 0) er-
hält man für das Drehzahl- und Lei-
stungsverhältnis in Abhängigkeit
vom Momentverhältnis nach Bild Auswertung:
IV.13 die Gesetzmäßigkeiten:
Bild IV.12. Geschwindigkeitsplan für ungeregelte Über- und
n' M'
n =2- M (IV.7a)
Entlastung einer Freistrahlturbine

f= M'M( 2-!'){lV.7b)
2
nd ..... berechnet
Man erkennt, daß bei zweifachem
15 ..... -..;: n'
-=f- (M')
Vollastmoment Drehzahl und lei- , wir. kl'/C h n M
stung Null wird. Praktisch tritt die-
ser Stillstand bereits bei M' IM = 1,9
ein.

3.6.3. Durchgangsdrehzahl. Wird


die Turbine ohne Regelung en tlastet,
so entsteht Drehzahlanstieg mit 0,5 1,5 1.9 2
M'
Leistungs- und Triebmomentab- 11-
nahme. Die Strahlenenergie wird Bild IV.13. Schaubild ftir ungeregelte Über- und Entlastung
nur teilweise am Rad ausgenutzt, einer Freistrahlturbine

1090
IV. Wasserturbinen

das vom Rad ablaufende Wasser hat noch Bewegungsenergie. Die Betriebsverhältnisse und deren
Gesetzmäßigkeiten sind hierbei ähnlich wie bei Überlastung, wie in den Bildern IV.12 und IV.13
mit dargestellt wird. Die bei ungeregelter Entlastung auftretende Höchstdrehzahl heißt Durchgangs-
drehzahl nd. Sie liegt praktisch bei 1,9 facher Vollastdrehzahl, rechnerisch nach den vereinfachten
Gesetzmäßigkeiten bei zweifachem Wert. Aus Sicherheitsgründen muß die Turbine (und der Gene-
rator) diese Drehzahl ertragen können, auch wenn eine Regelanlage vorhanden ist.
3.6.4. Abschaltdruck. Jede Durchflußänderung
der Wasserströmung erzeugt Druckänderung im
Wasser. Beim Abschaltvorgang entsteht Druck-
anstieg. Der übergang vom Strömungsdruck-
zustand Pe bis zum Ruhedruckzustand PeO ver-
läuft als Druckschwingung, wie es Bild IV.14
darstellt. Der größte hierbei auftretende Ab-
schaltdruck Pe max ist rur Rohr- und Düsenfestig- <:>

keit maßgebend. r:::...'" Ausgleichszeit c:t


~---=--------~

3.7. Übungsbeispiel (Freistrahlturbine)


Betriebswerte: 3
Zeit---
Wasserdurchfluß -er = 18 ~ über 6 Düsen Bild IV.14. Druckverlaufbei Abschaltung
einer Freistrahlturbine
Druckgefälle in den Düsen 54 bar
Drehzahl des Laufrades n = 360 min- I

Düsenwerte: . 3
. V m
Wasserstromje Düse VI = 6= 3 S
Düsenreibzahl .p = 0,97
Strahlgeschwindigkeit CI = .p V2g ho = 0,97 V19,6 . 540!f = 100!f
VI
Strahlquerschnitt A I =- = 30 000 mm , Strahldurchmesser d I = 196 mm
2
CI

Laufradwerte :
CI m
Umlaufgeschwindigkeit u = "2 = 50 S
Strahlkreisdurchmesser D I = 2,653 m
Löffelbreite b = 3,5 d l = 686 mm
Außenranddurchmesser Da = D I + I = 3339 mrn Cl = b)

Radleistung:
Relative Geschwindigkeiten WI = (CI - u) sin82° = 50,5 ~ CßI = 8°)
W2 = .p'WI = 49,5 ~ (.p' = 0,98)

wu2 = W2 COSß2 = 48,8 ~ (ß2 = 10°)


m
Umlaufkomponente c u2 = u - wu2 = 1,2 S
m
Umlaufkomponentendifferenz Ac = CI -c u2 =98,8 S
Leistung am Radumfang Pu = mAcu = -er p Acu
Pu = 18000· 98,8' 50 W = 88920000 W
Pu
Wirkungsgrad 77 =. = 0,933
Vpgh o
1091
Kraft· und Arbeitsmaschinen
4. Francisturbinen
Sie arbeiten an Hoch· und Niederdruckanlagen bis zu kleinen Fallhöhen herunter (H = I ... 400 m)
bei großem Durchfluß V. An Hochdruckanlagen mündet der Rohrzufluß im Spiralgehäuse der
Turbine, bei Niederdruck ist meist offener Zufluß, wie im Bild IV.IS dargestellt wird (vgl. auch
Bild IV.4).
4.1. Leitrad
Vor dem Laufrad durchströmt das
Wasser drehbare Leitschaufeln, die
fur die Zuströrnrichtung unter Win·
kel (}:I sorgen und zur Regelung der
Durchflußmenge V dienen. Ihre
Kanäle zeigen schwache Düsenform,
um den Fallhöhenanteil h l in Strö·
mungsenergie umzuwandeln (co =
..J2g hd. Die Zuströmung ist voll·
beaufschlagt.
4.2. Laufrad
Im Laufrad wird der größere Fall·
höhenanteil h ü verarbeitet. Die
Laufradschaufeln bilden düsenför·
mige Strömungskanäle mit Ablenk·
krümmung, so daß gleichzeitig Ener· \
\
gie erzeugt und genutzt wird. Am
Laufrad wirkt Überdruck, der den Bild IV.15. Francisturbine, Langsamläufer
Fliehkraftdruck überwindet und
Energiezunahme um Vp/2(w~ - wf) erzeugt. Das Verhältnis hü/H heißt Reaktionsgrad. Die Tur-
bine arbeitet als Überdruckturbine.
4.3. Saugrohr
Durch das Saugrohr kann die Turbine über den Unterwasserspiegel hochgesetzt werden, ohne daß
wirksame Fallhöhe verloren geht. Es dient auch zum Rückgewinn hoher Austrittsenergie des Lauf·
radwassers. Das Wasser wird von C3 auf C4 verlangsamt, indem der Rohrquerschnitt von A 3 auf A 4
erweitert wird. Für gute Strömung und gute Rückgewinnwirkung muß der Erweiterungswinkel klei·
ner als 12 0 sein. Große Querschnittsänderung A 4 /A 3 = C3/C4 verlangt dann große Baulängen des
Rohres, wodurch bei kleiner Saughöhe abgekrümmte Rohre mit langem waagerechten Auslaufteil
notwendig sind, wie es das Baubeispiel im Bild IV.16 aufzeigt. Als Saughöhe Hs gilt die Entfernung
vom Unterwasserspiegel bis Leitradunterkante oder bis Mitte vom Spiralgehäuse.

Bild IV.16
Abgekrümmtes Saugrohr

1092
IV. Wasserturbinen
4.4. Energienutzung, Turbinengleichung
Im Bild IV.17 ist ein Laufradkanal mit den Verhältnissen der Wasserströmung dargestellt. Der Was-
sereintritt am Rad erfolgt mit Cl unter den Zuströmwinkel a:1' Stoßfreier Wassereintritt verlangt
Winkel ß1 bei Umlaufgeschwindigkeit U1 (vgl. III. Dampfturbinen). Am Wasseraustritt wird wieder
optimale Energienutzung erreicht, wenn das Wasser mit einem Kleinstwert C2 unter dem Winkel
a:2 = 90° austritt. Winkel ß2 ist ca. 20° ... 30° bei normaler Bauart.

Bild IV.17
Geschwindigkeitsplan der
Francisturbine (Langsamläufer)

Die im Radkanal zwischen Ein- und Austritt auftretenden Energiedifferenzen der sekundlichen
Wasserrnasse ergeben summiert die Radleistung Pu, Es gilt:

Pu =; . [(ci -cD + (ui -uD + (w~ -wi)1

oder umgestellt

Pu =;. [(ci +ui -wi)-(d


Eintritt
+u~ -wD1
Austritt

Das Austrittsdreieck zeigt d + u~ - w~ = 0; am Eintrittsdreieck ist nach dem Cosinussatz


ci + ui - wi =2U1C1 COSa:1; dann ist mit Cl COSa:1 = cul eingesetzt die Radleistung

(IV.8)
kg m Nm

Wird Pu und 'TIPth gleichgesetzt, so ist mU1 Cut = mgH'TI und gekürzt entsteht die allgemein ge-
bräuchliche Turbinengleichung

H g Ut.Cul 'TI
gH'TI=U1 Cul (IV.9)
m m
m s2 s

1093
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Sie zeigt, daß bei vorliegender Fallhöhe H um so größere Umlaufgeschwindigkeit am Rad auftritt,
je kleiner der Wert Cul = CI COSO'I wird. Dies erreicht man durch kleine Druckhöhe h I im Leitrad
und großen Überdruck h ü im Laufrad. Man erkennt: Überdruck erzeugt Schnelläufigkeit der Tur-
binen. Ist am Wasseraustritt der Abströmwinkel nicht 90°, so entsteht die Geschwindigkeitskom-
ponente Cu2 und es gilt als Turbinengleichung g h TI = U I cul - U2 Cu2' Für die Durchströmung im
Rad gilt V = AI Cml = A 2 Cm2, wobei A I und A 2 der Eintritts- bzw. Austrittsquerschnitt des Rades
ist und Cml bzw. Cm2 die radialen Geschwindigkeitskomponenten (d.h. in Meridianrichtung) von
CI und C2 sind. Bei Abströmwinkel 0'2 = 90° wird Cm2 = C2 und Cu2 = O.

4.5. Radformen
Je näher die Schaufelflächen zur Radmitte gebaut werden, um so größere Raddrehzaill kann er-
reicht werden. Man unterscheidet drei Typen. Liegen die Flächen nur im radialen Strömungsgang,
so spricht man vom Langsamläufer. Hier ist D I größer als D 2 , wie es Bild IV.IS bereits aufzeigt
und wie auch im Bild IV.18 dargestellt ist. Beim Normalläufer liegen die Schaufelflächen im Um-
lenkteil der Strömung mit radialer Zuströmungsebene zur Eintrittskante der Schaufel (Cml) und
mit axialer Abströmung Cm2 von der Austrittskante.

Die Raddurchmesser D I, D 2 und D 3 sind annähernd gleich groß. Die Schaufelflächen sind doppelt
gekrümmt, also schwerer herstellbar als beim Langsamläufer. Wird nur der untere Umlenkteil der
Strömung durch Schaufelflächen besetzt, so entsteht der Schnelläufer. Die Eintritts- und Austritts-
kante der Schaufelflächen haben fast gleichen mittleren Durchmesser Dm. Sämtliche drei Bautypen
sind im Bild IV.18 zum Vergleich dargestellt.

Wird bei den Rädern der Austrittsquerschnitt A 2 klein gestaltet, so erhält man kleine Raddurch-
messer und damit hohe Drehzaill der Turbine. Aus A 2 = V/C m 2 oder bei 0'2 = 90° auch A 2= V/C2
folgt, daß man kleine Durchmesser durch große c2-Werte erreichen kann. Deshalb wird die Aus-
trittsenergie des Wassers relativ groß gewählt, die dann im Saugrohr durch Verlangsamen wieder-
gewonnen wird. Richtwerte sind: d/2g = HIIO fur Normalläufer, d/2g = HIS fur Schnelläufer
und d/2g = HI20 fur Langsamläufer.

Schaufelfläche
Eintritt

Langsamläufer

Eintritt

~~!!9====;6::==~~'; Schaufelfläche

Bild IV.l8
Normalläufer Schnelläufer Radformen der Francisturbinen

1094
IV. Wasserturbinen

4.6. Regelung
Die Verdrehung der Leitschaufeln verkleinert den Austrittsquerschnitt des Leitrades und damit
auch den Durchfluß V= coA o. Hierdurch entsteht Mengenregelung fur die Lastanpassung. Dabei
wird die Richtung von Cl zum Laufrad geändert und am Wassereintritt entsteht bei gleicher Rad-
drehzahl (U1 =konstant) eine kleinere Relativgeschwindigkeit w~ mit Stoßkomponente ws, die
entweder Bremswirkung hat oder Turbulenz im Radkanal erzeugt. Auch der Wasseraustritt erfolgt
unter anderem Winkel 0:;,
wodurch c;
eine Rotationskomponente C~2 erhält. Diese Rotations-
energie des Austrittswassers läßt sich
im Saugrohr nicht zuriickgewinnen
und ist Energieverlust. Das Bild IV.19
zeigt obige Folgeerscheinungen der
Regelung. Die Nachteile sind: Stoßein-
tritt und Turbulenz oder Bremswir-
kung, größere Austrittsverluste durch
Rotationsenergieminderung, Wirkungs-
gradverschlechterung der Turbine.
-'---~t-...., c2 (8estwerf;IX2=900j
I
4.7. Betriebsverhalten I
I
Lastschwankungen im praktischen Be-
trieb verlangen Regelung der Turbine
fur konstante Betriebsdrehzahl. Die Bild IV.19. Geschwindigkeitsplan der Francisturbine bei
geschilderten Regelungsnachteile er- Regelung fUr konstante Drehzahl
geben einen schlechteren Wirkungs-
gradverlauf bei Francisturbinen als bei
Freistrahlturbinen. Das Bild IV.20 1,0
zeigt das Betriebsverhalten bei Durch- t
flußregelung zwischen Leerlauf bis 0,8
1,5 fachen Vollastdurchfluß bei n = I'::"
1::J 0,6
konstant. Man erkennt einen brauch- ~
baren Wirkungsgradverlauf im Regel- sr 04
bereich von 0,6 ... 1,4 V(VVollast- §"'" I
~ 02 I
durchfluß mit Bestnutzung). Für die- ~' I
sen Leistungsbereich werden Francis-
turbinen vorausgeplant und gebaut. v V 1v \/ .2\/ 3·
:zV
Außerhalb dieses vorgesehenen Lei- "4 "2 4 4
stungsbereichs muß der schlechtere Durchfluß V -
Wirkungsgrad geduldet werden. Bild IV.20. Wirkungsgrad verlauf der Francisturbine

4.8. übungsbeispiel (Francisturbine)


Betriebswerte: 3
. m
Wasserdurchfluß V = 2 -s-
Druckgefälle 14 bar, Turbinendruckhöhe h = 140 m
Drehzahl des Turbinenrades n = 750 min- 1

Laufradurnrisse:
Wand winkel am Wasseraustritt ß2 = 26° (gewählt)
c2
Wasseraustrittsgeschwindigkeit C2 =";0,08 g h = 10,5 !!!
s
(aus 2~ = 0,04 h)
g

1095
Kraft- und Arbeitsmaschinen
C2 m
Umlaufgeschwindigkeit U2 = tan ß2 = 21,5 S

Laufraddurchmesser D 2 =~
rrn
=0,548 m, gewählt D 2 = 550 mm mit
m m
U2 = 21,6 sund C2 = 10,54 s
Wasseraustrittsquerschnitt A 2 = C2Ti" = 0,189 m 2
1,15A 2 • •
Austrittshöhe der Radkanäle b 2 =-D-- =0,126 m, mit 15 % Schaufelwandemfluß aus
1,15A 2 =D2 rrb 2 ermittelt 2 rr

Relative Geschwindigkeit W2 = .C2ß = 24,1 ~


sm 2 s
Geschwindigkeitszahl für die Leit- und Laufradkanäle .p = 0,93 (gewählt)
Umlaufgeschwindigkeit UI mit ßI = 90° und UI = Cul nach der Turbinengleichung UI Cul =.p2 g h
UI = 34 , 5 ~
s
Laufraddurchmesser D 2 = 0,878 m
Cml
Zuströmwinkel al = 16,8° nach Cml = C2 und tanal =~
..
Wasseremtnttsgesc hwm
. d'gk .
I eIt CI =-.--
Cml = 363
,-m
smal s
Relative Geschwindigkeit WI = cml = 10,5 ~
D
Eintrittshöhe der Radkanäle b l = b 2 D I2 =79 mm

Leistung am Radumfang:
Pu = mUI Cul = 2380500 W
Pu
Wirkungsgrad am Radumfang 17 = - . - - = 0,867
Vpgh

Saugrohr:
Saugrohr durchmesser D 3 = 500 mm (gewählt) mit A 3 = 0,196 m 2
Saugrohrquerschnitt A 4 = 1 m 2 (gewählt)

Saugrohrgeschwindigkeiten C3 =ATi3" = 10,2 Sm


A3 m
C4 = C3 -A4 = 2 -s (ohne Saugrohrwirkungsgrad)

S. Kaplanturbinen
Um den nachteiligen Stoßeintritt und die Rotationskomponente Cu 2 der Francisturbine bei Rege-
lung zu vermeiden, werden die Schaufeln des Laufrades verstellbar gebaut. Hohe Drehzahl des Lauf-
rades erreicht man mit großer Austrittsenergie des Wassers aus dem Laufrad (vgl. Abs. 4.5). Es wird
d/2g = 0,3 ... 0,4H gewählt, wodurch fiir Verlangsamung des Wassers große Baulängen des Saug-
rohres auftreten können.

1096
IV. Wasserturbinen
5.1. Leitrad
Das Leitrad hat gleiche Bauart und Regelwirkung wie bei Francisturbinen. Die Leitschaufeln flihren
das Wasser tangential in den schaufelfreien Urnlenkraum, wo es zusätzliche Fallströmung erhält.
Das Bild IV.2I läßt den Umlenkraum vor dem Laufrad erkennen.

O.w,
-
-----
--------

Leitschaufel

Saugrohr Bild IV.21. Kaplanturbine

5.2. Laufrad
Die flügelförmigen Schaufeln sind drehbar in der Radnabe gelagert. Ihr Verstelltrieb wird durch die
hohle Radwelle zugeflihrt. Die Gehäusedurchmesser sind meist fast gleich dem Saugrohrdurchmes-
ser D 3 - D2 - D J • Der Nabendurchmesser ist Dn =0,3 ... 0,5 D k , worin Dk = Kugeldurchmesser
des mittleren Gehäuseteils ist.

5.3. Doppelregelung
Bei der Mengenregelung ftir Lastanpassung mit konstanter Drehzahl werden Leit- und Radschaufeln
gleichzeitig verstellt. Der geringere Durchfluß V' verlangt am Rad bei konstantem u kleinere Werte
c:U und c;, weil V' =A J c:U =A 2 c; kleiner ist als V = Al C ml = A 2 C2 ' Hierbei soll der Abström-
winkel 0!2 = 90 0 erhalten bleiben, wie es im Bild IV.22 dargestellt ist, damit im Saugrohr das Was-
ser keine Rotationsenergie aufweist, weil diese dort nicht zurückgewonnen werden kann. Die ge-
naue Abstimmung bei der Schaufelverstellungen auf diese guten Austrittsbedingungen ist anzu-
streben.
Ringfläche A2 =f (Off -0;)
O2

!
I UJ..~a.J...L~C2
'-- Rmgvolumen Li.......J
bei Vol/ast

~IIIII~II~ ~llllWlllt,
Bild IV.22
I Radschaufelverstellung
bei Regelung
Rmgvolumen V'
bei Halblast der Kaplanturbine

1097
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Durch diese Doppelregelung wird über weitem Lastbereich ein guter Wirkungsgradverlauf erzielt
ähnlich wie bei Freistrahlturbinen. Das angeführte Beispielim Bild IV.23 zeigt zwischen 0,3 ... 1,6 V
brauchbaren Regelbereich mit guten Wirkungsgraden.

1,0
t
0,8
I'::"
1:l 0,6
'-
~
~0,4
Bild IV.23 ~ 0,2
Wirkungsgradverlauf der Kaplanturbine

V V 3·
"2 -V
2
5.4. Übungsbeispiel (Kaplanturbine) Durchfluß V---
Betriebswerte: 3
. m
Wasserdurchfluß V = 67 -s-
Nutzgef:ille h = 3,5 m

Laufradumrisse:
Wasseraustrittsgeschwindigkeit C2 = YO,8g h = 5,24!!! (aus 2C2 = 0,4 h)
s g
Wasseraustrittsquerschnitt A 2 = C2V = 12,79 m2
Bauverhältnisse D 1 =D 2 =D 3 =Dk,D n =0,444D 3 (gewählt)
,~
Gehäusedurchmesser D 3 = V~ = 4,5 m (aus A = 4 (D~ - D~» 2
1f

Nabendurchmesser D n = 0,444 D 3 = 2 m
D 3 -D n
Flügellänge Ir = 2 = 1,25 m
Querschnittserweiterung auf A 3 = 15,9 m 2 über Baulänge In = 2,2 m
Saugrohrgeschwindigkeiten C3 =AV =4,21 !!!, C4 =2!!!s (gewählt)
3 s
Saugrohraustrittsquerschnitt A 4 = C4V =33,5 !!!s

Geschwindigkeiten in Flügelmitte :
D 3 +Dn
Mittlerer Laufdurchmesser D = 2 = 3,25 m
Flügelwinkel ß2 = 24° (gewählt)

Umlaufgeschwindigkeit u = RC2 . = 11,78 m (aus tan ß2 = C2 )


tann s u
Raddrehzahl n = 1f~ = 69 min- 1

Geschwindigkeitszahl <p =0,95 (gewählt)

1098
IV. Wasserturbinen

Umlaufkomponente Cu l = 3~,9 = 2,62 ~ aus der Turbinengleichung

=1{J2 g h = 30,9 2m
2
UC u l
s

Zuströmwinkel III = 63,5 0


nach Cm l = C2 und tanlll =Cml
C l
u

..
Wasseremtnttsgesch wm
. d'Igk elt
. CI Cm l
=-.-- = 5 ,85 -ms
smlll
o Cm l
Flügelwinkel ßI = 30 (nach tanßI =- - = 0,572)
U -Cul

. Gesch'
Re1atlve wm d'gk .
1 elten WI =~ß
Cm l m,
= 10,5 - W2
C2 = 12,9-
=-'-ß- m
sm I s sm 2 s

Leistung am Radumfang:
Pu = mucul = 2067861 W
Pu
Wirkungsgrad am Radumfang TI = - . - - = 0,899
Vpgh

6. Spezifische Drehzahl
Die Turbinenarten unterscheiden sich hauptsächlich durch die Radschaufelfonnen, die als Doppel-
schalen, einfach oder doppelt gekrümmte Blattflächen und als Flügel auftreten. Zur Kennzeich-
nung der Turbinenart benutzt man diejenige Drehzahl der Turbine, die an 1 m Fallhöhe mit einem
Durchfluß V= I m 3 /s arbeiteL Diese Drehzahl heißt spezifische Drehzahl n q . Räder ftir andere
Fallhöhen und anderen Durchfluß sirld fonnähnlich, haben aber andere Abmessungen und andere
Drehzahl. Ihr Zusammenhang mit der spezifischen Drehzahl zeigt das Ähnlichkeitsgesetz, dem
folgende überlegungen zugrunde liegen. Mit Abnahme der Fallhöhe H auf 1 m nimmt bei gleich-
bleibender Leitradöffnung der Turbine der Fallhöhenanteil h l proportional mit H auf h~ = hdH
ab. Der Geschwindigkeitsplan im Bild IV.24 läßt erkennen, daß dadurch alle Geschwindigkeits-
werte im Verhältnis 1 : ..jii abnehmen und die Turbinendrehzahl auf n' = nl..jii absinkt.

Bild IV.24. Geschwindigkeitsplan


einer Francisturbine bei Fallhöhen-
änderung mit Bestnutzung

Der Durchfluß sinkt ebenfalls auf V' = VI$, weil Cm auf c:U = Cm /$ abnimmL Die Leistung
ändert sich ebenfalls und ergibt sich aus p' = PI...[iF. Soll nun an 1 m Fallhöhe bei gleichem c:U
der Durchfluß V' auf den Wert Vq = 1 m 3 /s abnehmen, müssen die Strömungsquerschnitte geän-

1099
Kraft- und Arbeitsmaschinen

dert werden. Für den Wassereintritt wird A o= V'/c'm auf Aoq = Vq/c'm verändert. Aus Ao/A oq =
D 2/D~ = n~/n'2 folgt n q = n/$ sowie V' = v/Vii Eingesetzt ergibt sich daraus das Ähnlichkeits-
gesetz ~ nq,n H V
Tl q =_ ~'H ~'H.
_ m3 (IV.lO)
yn yn min- 1 m
Richtwerte sind:
Freistrahlturbine, 1 Düse n q = 0 ... 9; H = 2000 m
4 Düsen n q = 9... 18;
Francisturbine, Langsamläufer n q = 15 ... 45; d/2g =H/20
Francisturbine,Normalläufer n q = 45 ... 75; cV2g=H/I0
Francisturbine, Schnelläufer n q = 75 ... 120; d/2g =H/4
Kaplanturbine n q = 130 ... 300; d/2g =H/2

7. Kavitation
An kleinen Fallhöhen erhöht Saugwirkung die Strömungsgeschwindigkeit, so daß kleiner Bauquer-
schnitt mit hoher Turbinendrehzahl erreicht wird. Für 2 m Fallhöhe ist ohne Saugwirkung
v = y2g2 =6,3 m/s, kann aber theoretisch auf v' = y2g(2 +B) = y2g(2 + 10) = 15,5 m/s gestei-
gert werden, wenn der Luftdruck 1 bar beträgt.
Ausnutzungsgrenze der Saugwirkung ist der Dampfdruck PD des Wassers, der von der Wassertem-
peratur abhängig ist.

Übersichtstabelle :
Temperatur i} in oe 50
Dampfdruck Po in Pa 12340

Sinkt durch Saugwirkung der Wasserdruck unter Dampfdruck, so entstehen Dampfblasen, die nach-
folgend an Stellen mit höheren Druck in der Strömung schlagartig kondensieren und zusammen-
brechen (Schlaggeräusch!). Diese Erscheinung heißt Hohlraumbildung oder Kavitation. Sie erzeugt
Energieverlust und Wandzerstörung.
Die Stelle kleinsten Druckes in der Strömung liegt meist am Laufradaustritt. Hier muß der Druck
noch so groß sein, daß sich die Strömung nicht von der Schaufel- oder Führungswand ablöst, weil
sonst Kavitation (Hohlraum) entstehen würde. Dieser sogenannte Haftdruck h o wird tUr die Tur-
binenarten durch Versuch ermittelt. Auf 1 m Fallhöhe umgerechnet erhält man die Thomasche
Kavitationszahl a = ho/H.

Übersichtstabelle (Richtwerte):
Spezifische Drehzahl n q in min- 1 270
Kavitationszahl a 1,2
Mit dem Luftdruck PL, dem Saugdruck Ps und dem Dampfdruck Po wird am Laufradaustritt der
kleinstmögliche Druck a Pmin =PL - Pg H s - p g hD • Daraus ergibt sich die anwendbare Fallhöhe
aus H = PL /p g - H s - h o . Bei einem mittleren Luftdruck PL = 1 bar und h o sehr klein wird ange-
nähert a H = 10 - H s . Daraus folgt, daß schnelläufige Turbinen mit großer Kavitationszahl nur fiir
kleinere Fallhöhen geeignet sind.

Beispiel: Kaplanturbine mit nq = 150 min -1, a =0,4 und H s =0 kann mit maximal H =!J = 25 m
Fallhöhe arbeiten. Durch die Saughöhe H s verringert sich die maximale Fallhöhe weiter.
- - -

1100
V. Windkraftanlagen

v. Windkraftanlagen

1. Nutzung der kinetischen Energie


Windkraftanlagen können bei Windgeschwindigkeiten ab 5 mls Strom erzeugen. Die Nennleistung
wird bei Windgeschwindigkeiten in Nabenhöhe von 12 ... 16 mls erreicht, was ungefahr der Wind-
stärke 7 entspricht.
Probleme ergeben sich durch stark wechselnde Windgeschwindigkeiten. Dadurch ist das Energie-
angebot so unterschiedlich, daß die durch den Wind produzierte Energie meist nur in das vorhan-
dene Stromnetz eingespeist werden kann. Ein gleichmäßigeres Energieangebot kann durch Zusam-

550
500
~ 450
~
Cl.. 400 / --...... -
t>\
c::
.... 350 /
'"
.!:2 /
<lJ
-.J 300
<lJ
-c:: 250 J
'"'
.!:2
c:: 200 /
Cl
-c::
'E:<lJ"' 150 /
/
100
50 /
/
o 4 8 12 16 20 24 28 32 36
v (m/51
Bild V.l. Windgeschwindigkeit in Nabenhöhe

menfassung von Windkraftanlagen zu Windparks erreicht werden. Durch den Einfluß von Sturm-
winden oder Böen können Windkraftanlagen schwer beschädigt werden. Deshalb erfolgt bei ca.
16 mls ein Strömungsabriß an den Rotorblättern (Bild V.l). Bei ca. 25 mls wird der Rotor abge·
schaltet. Die maximale Sicherheitsgeschwindigkeit der Winkraftanlage liegt bei ca. 60 mls Wind·
geschwindigkeit.

2. Aufbau einer Windkraftanlage

2.1. Rotor
Bild V.2 zeigt den Aufbau der Gondel, die den gesamten Triebwerkskopf aufnimmt.
Die Rotoren werden meist immer als Dreiblatt·Luvläufer ausgelegt. Bei Luvläufern befindet sich
der Rotor - in Richtung des anblasenden Windes gesehen - vor dem Turm der Anlage. Bei drehen-
dem Wind erfolgt die Nachftihrung des Rotors automatisch.

1101
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Bild V.2 . Gondel einer Windkraftanlage (MAN)

Die Rotordurchmesser sind abhängig von der geplanten Nennleistung und den durchschnittlichen
Windgeschwindigkeiten. Anhaltswerte flir Rotordurchmesser zeigt Bild V.3.
Die Leistungsregelung erfolgt über die Verstellung der Rotorblätter.
Werkstoffe für Rotoren sind glasfaser- oder kohlefaserverstärkte Kunststoffe .

2.2. Bremse
Die Rotorbremse begrenzt eine mögliche Rotor-Überdrehzahl z.B. durch Sturm oder durch Last-
abwurf bei Netzstörungen. Sie wirkt über zwei voneinander unabhängig arbeitende hydraulische
Bremssysteme.

--..
.§.
40

V--
~
/
/'
10
/ Bild V.3
Rotordurchmesser in Abhängigkeit von der
Nennleistung

100 200 300 400 500 (kW)


Nennleistung P

1102
V. Windkraftanlagen
2.3. Getriebe und Generator
Bei den Getrieben werden zwei- oder dreistufige Planetengetriebe mit elastischen Kupplungen zur
Generatorseite hin eingesetzt. Bei den Generatoren handelt es sich hauptsächlich um asynchrone
Wellengeneratoren, die bei Nennleistungen über 200 kW auch hintereinander geschaltet werden,
um - je nach Windstärke - einen breiteren Leistungsbereich abdecken zu können.

Bild V.4. Windkraftanlage mit einer Nennleistung von 400 kW (Dorstener)

1103
Kraft- und Arbeitsmaschinen

VI. Verbrennungsmotoren

1. Grundlagen
Verbrennungsmotoren sind Wärmekraftmaschinen, die als Energiequelle Flüssigkraftstoff oder Gas
verwenden. Die Umsetzung der im Kraftstoff enthaltenen chemischen Wärmeenergie wird durch
Verbrennung im Zylinderraum vor dem Kolben vorgenommen (innere Verbrennung) und durch
Expansion sofort über ein Kurbeltriebwerk in mechanische Energie umgesetzt. Die expandierten
Verbrennungsgase werden durch Frischgase ausgetauscht (Ladungswechsel) und der Prozeß
zyklisch fortgeführt. Wegen des kürzeren Energieweges vom Kraftstoff bis zur Triebwerkswelle ,
der hohen Prozeßtemperaturen und Druckverhältnisse, arbeiten Verbrennungsmotoren mit bes-
serem thermischen Wirkungsgrad als andere Wärmekraftmaschinen.
Die Ausführungsformen und Bauarten der Verbrennungsmotoren sind vielfältig. Sie lassen sich
nach verschiedenen Kriterien einteilen:
nach der Art des Ladungswechsels (Zweitakt-, Viertaktmotoren)
nach der Gemischbildung (Ottomotoren-äußere, Dieselmotoren-innere)
nach der Verbrennungseinleitung des Kraftstoff-Luft-Gemisches (Ottomotor-Fremdzündung,
Dieselmotor-Selbstzündung)
nach der Anordnung der Motorzylinder (Reihen-, V-, Boxer-, Gegenkolben-, Sternmotoren)
nach der Kühlung (Flüssigkeits-, Luftkühlung)
nach dem Bewegungsablauf (Hubkolben-, Kreiskolbenmotor, Gasturbine)
nach der Drehrichtung
nach dem Drehzahlbereich
nach der Frischgaszufuhr (Saug-, Ladermotoren)

1.1. Thermodynamische Grundlagen


Während eines Arbeitsspiels durchläuft der Gasinhalt des Zylinders immer wieder dieselben thermo-
dynamischen Zustandsänderungen (Kreisprozeß).
Für Ottomotoren kann dazu als Idealprozeß der Gleichraumprozeß (Bild VI.1a) mit adiabatischer
(isentroper) Verdichtung, isochorer Wärme zufuhr Qz, adiabater Expansion und isochorer Wärme-
abgabe Qa herangezogen werden. Für Dieselmotoren wird als Idealprozeß der Gleichdruckprozeß
(Bild VI.lb) mit adiabater Verdichtung und Expansion, isobarer Wärmezufuhr Qz und isochorer
Wärme abgabe Qa, verwendet.
In der Praxis arbeiten weder der Ottomotor, noch der Dieselmotor nach diesen Idealprozessen, da
die Verbrennung des eingespritzten Kraftstoffes im Dieselmotor nicht bei gleichbleibendem Druck
erfolgt und auch die beim Gleichraumprozeß vorausgesetzte, unendlich große Verbrennungs-
geschwindigkeit nicht auftritt.
Der Seiligerprozeß (Bild VI.1c), als Überlagerung von Gleichdruck- und Gleichraumprozeß, berück-
sichtigt noch am besten die realen Arbeitsprozesse von Otto- und Dieselmotor.
Die thermodynamische Wärmebilanz der Vergleichsprozesse zeigt den theoretisch erreichbaren
Idealwirkungsgrad T1 v des vollkommenen Motors. Mit den im Bild VI.1 gezeigten Idealdiagrammen
werden die Idealwirkungsgrade :
!1t a
TI = I - - rur den Gleichraumprozeß (VI.1)
v !1t z
!1t a
T1 v =l- K !1t rur den Gleichdruckprozeß, KAdiabatenexponent (VI.2)
z

rur den Seiligerprozeß (VI.3)

1104
VI. Verbrennungsmotoren

Gleichdruckwärme
Gleichraumwörme

a) Gleichraumprozeß b) Gleichdruckprozeß

Bild VI.1
Vergleichsprozesse
Vh = Zylinderhubraum
Ve =Verdichtungsraum
geteilte Wörmezufuhr rSeiligerprozeß) PI =Anfangsdruck
TI =Anfangstemperatur
Lt~ =~ -~;
7 1
Lttz:z =~2 -Tz Pe = Verdichtungsenddruck
Te =Verdichtungsendtemperatur
P~ = Druck nach Wännezufuhr Qz
Tz =Temperatur nach Wärmezufuhr Qz
Ta = Temperatur bei Wärmeabgabe Qa
tu z =Temperaturerhöhung durch Wärme-
zufuhr Qz
il. t a =Temperaturverringerung durch
~~~----------------~ Wärmeabgabe Qa
Qa = Wärmeabgabe
v" Qz =Wärmezufuhr
cl Seiligerprozeß

Der innere (indizierte) Wirkungsgrad 'l'/i des wirklichen Motors ist jedoch geringer, da Strömungs-
und Ladungsverluste, unvollkommene Verbrennung und Wärmeverluste an den Wandungen auf-
treten.
Der Gütegrad 'l'/g kennzeichnet das Verhältnis des praktischen zum idealen Wirkungsgrad 'l'/v
'l'/i
'1'/=-- (VI.4)
g 'l'/v

Richtwerte: 'l'/g ~ 0,7 ... 0,9


Durch die Berücksichtigung der mechanischen Reibungsverluste im Motor (Triebwerk, Öl-, Wasser-
pumpe, Generator, Gebläse usw.) ergibt sich der mechanische Motorwirkungsgrad
Peff Peff Effektivleistung (Kupplungsleistung)
TIm =p,
1 Pi Innenleistung
(V1.5)

Richtwerte: für Ottomotoren 'l'/m ~ 0,8 ... 0,9


für Dieselmotoren TIm ~ 0,75 ... 0,85

1105
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Die Innenleistung Pi unterscheidet sich von der Effektivleistung P eff durch die Reibleistung
Pr (Pi =Peff + Pr)'
Der effektive- oder Nu tz wirkungsgrad T)eff des Verbrennungsmotors beträgt
T)eff = T)i T)m oder T)eff = T)v T)g T)m (VI.6)

1.2. Grundlegende Berechnungen und Bezeichnungen am Hubkolbenmotor


Mit dem Zylinderdurchmesser d und dem Kolbenhub s errechnet sich der Hubraum V h eines
Zylinders
d 2 1TS
Vh = - - (VI.7)
4

Mit z Zylindern beträgt der Motorhubraum


VH = Vhz (VI.8)
Der Raum über dem Kolben im oberen Totpunkt (einschließlich der Nebenbrennräume bei Diesel-
motoren) ist der Verdichtungsraum Vc .
Das Verhältnis von Verbrennungsraum Vb = Vh + Vc zum Verdichtungsraum Vc ist das Ver-
dichtungsverhältnis I:
Vh + Vc
1:= (VI.9)

Richtwerte: für Ottomotoren I: = 7 ... 11


für Dieselmotoren I: = 14 ... 24
I:ist ein wichtiger Kennwert für Leistung und thermischen Wirkungsgrad eines Motors. Verdich-
tungserhöhung ergibt höheren Arbeitsdruck und höhere Motorleistung.
Grenzen der Verdichtungserhöhung sind durch die thermische Belastung und die Klopffestigkeit
des Kraftstoffes gegeben.

OT Oberer Totpunkt
UT Unterer Totpunkt
or E Einlaßventil
A Auslaßventil
Vc Verdichtungsraum
p

±
Innendruck

Bohrung iJ
Kolben
ur

Pleuel

Bild VI.2
Kurbel Bezeichnungen am Zylinder

1106
VI. Verbrennungsmotoren

Der Verdichtungsenddruck Pe der Luft oder des Kraftstoff-Luft-Gemisches ergibt sich mit dem
Ausgangsdruck der Zylinderftillung Po, dem Verdichtungsverhältnis E und dem Polytropenexpo-
nenten n (1,35 ... 1,38 für Luft).

Pe=POE n Pe I Po I E (V1.10)
bar bar 1
Richtwerte: für Ottomotoren Pe = 10 ... 15 bar
für Dieselmotoren Pe = 24 ... 50 bar
Die Verdichtungsendtemperatur Te ergibt sich mit der Ausgangstemperatur T o der Luft oder
des Gemisches
I I
To Te E
(VI.11)
KlKTl
Richtwerte: mit t e = Te - 273,15 K für Ottomotoren t e = 400 ... 500 oe
für Dieselmotoren t e = 700 ... 900 oe
Das Hubverhältnis
s
a=- (VI.12)
d

kennzeichnet die Motoren als Kurzhub- (a< 1), Langhub- (a> 1) oder Quadrathubmotoren
(a = 1). Übliche Werte bei Otto- und Dieselmotoren liegen bei a = 0,75 ... 1,25.
Aus Kurbelwellendrehzahl n und dem Kolbenhub s wird die mittlere Kolbengeschwindigkeit um
nach der Zahlenwertgleichung
Um S n
(VI.13)
m/s m l/min
Die maximale Kolbengeschwindigkeit umax beträgt ca. 1,62 um bei einem Pleuelstangenverhältnis
APL =0,25 nach Gleichung (VI.28).
Richtwerte: für Ottomotoren um = 9 ... 15 m/s
für Dieselmotoren um = 8 ... 14 m/s

Der Lie[ergrad AL kennzeichnet das Verhältnis der angesaugten Ladung m z zur theoretisch mög-
lichen Ladung mth

(V1.14)
kg kg
Richtwerte: für Saugmotoren AL = 0,7 ... 0,9
für Ladermotoren AL = 1,2 ... 1,6
Die angesaugte Gemischmasse und damit die Größe von AL ist abhängig von der Drosselung und
Erwärmung beim Ansaugen und von der Motordrehzahl. Durch Aufladung (Kap. VI.I3), Mehr-
ventiltechnik und lange Ventilöffnung kann AL verbessert werden. Beim Arbeitshub wirkt am
Kolben der Expansionsdruck P und die Kolbenkraft F K = pA (Bild VI.3). Während des Hubes s
ändern sich P und damit auch die Kolbenkraft F K ständig.
Man rechnet mit einem mittleren Kolbendruck
Summe (Pül ... Püz)
Pm = Teilzahl z

1107
Kraft- und Arbeitsmaschinen

t;
es'" E
Pz

Dehnungsverlauf
P
Diagrammfläche AEFD
inhaltsgleich der
Rechteckfläche ABCD
r:fi: B [

1
~LT--~Arl-~-r~~~~~--~~--~~r"
Bild VI.3
Dehnarbeit am Kolben
I--v....._o---+------~~----__ Volumen

Innen- Fläche A Gegendruck


druck
p
Kolben l>
F" =pA

Die Kolbenarbeit während des Hubes


beträgt W = PmAs = Pm Vh, die im Nutzarbeit
Druckverlaufsdiagramm als Rechteck-
fläche inhaltsgleich der Diagrammfläche
erscheint. Der Verdichtungshub benötigt
einen Teil dieser Dehnarbeit, der Rest
wirkt als Nutzarbeit am Kolben. Durch
einen Indikator (Druckschreiber) wird
der Druckverlauf im Zylinder während
eines Arbeitsspiels (4 oder 2 Takte)
aufgezeichnet. Dieses Indikatordia-
gramm zeigt die innere Nutzarbeit am
Kolben als Diagrammfläche. Der sich
daraus ergebende mittlere Nutzdruck
heißt indizierter Druck Pi (Bild VIA)
Bild VI.4. Indikatordiagramm
Diagrammfläche A D
Pi = Diagrammlänge s X Druckrnaßstab f

Die Diagrammfläche wird mit dem Planimeter ausgemessen oder durch Streifenrechnung ermittelt.
Den Druckrnaßstab liefert die Indikatorfeder (1 mm Diagrarnmhöhe entspricht f bar). Die durch
den Gasdruck Pi an den Kolben abgegebene Leistung ist die indizierte Leistung Pi (Innenleistung).
Setzt man in P =F u für F =APi und für u die mittlere Kolbengeschwindigkeit um =sn/30, so
wird Pi = APi sn/30. Bei z Zylindern und unter Berücksichtigung, daß beim Viertaktmotor jeder

1108
VI. Verbrennungsmotoren

vierte, beim Zweitaktmotor jeder zweite Takt ein Arbeitstakt ist, beträgt die indizierte Leistung
eines Motors
ASZPi n Pi A S Pi n Z
p.=-- für Viertaktmotoren
1 2
N 1 (VI.15)
W m2 m
Pi =ASZPi n für Zweitaktmotoren m2 s

Als Zahlenwertgleichung:
AszPi n Pi Z
p.=-- (VI.16)
1 x
kW
x = 12 000 fUr Viertaktmotoren und x = 6000 fUr Zweitaktmotoren
Faßt man Asz zum Motorhubraum V H in dm3 zusammen, so ergibt sich
n
(VI.16a)
l/min
y = 1200 für Viertaktmotoren und y = 600 für Zweitaktmotoren
Die Nutzleistung oder Effektivleistung Peff eines Motors wird durch Bremsmessungen auf dem
Motorenprüfstand (Wasserwirbelbremse oder elektrische Bremse) ermittelt. Sie ist um die Reib-
leistung Pr geringer als die Innenleistung Pi' Den Unterschied drückt der mechanische Wirkungs-
grad 'l'/m = Peff/Pi aus, siehe Gleichung (VI.5).
Aus dem Motordrehmoment M und der Winkelgeschwindigkeit w der Kurbelwelle wird die effek-
tive Leistung Peff = M w. Gebräuchlich ist die Zahlenwertgleichung mit der Motordrehzahl n:
Mn M n
Peff = 9550 (VI.17)
kW Nm l/min
Aus dieser Leistung kann durch Umstellen von (VI.16a) mit geänderten Indizes der mittlere
effektive Kolbendruck Peff berechnet werden. Er wird häufig als Vergleichsgröße zur Motoren-
beurteilung herangezogen.
yPeff Peff n
Peff = VHn (VI.l8)
bar l/min
y = 1200 für Viertaktmotoren, y = 600 für Zweitaktmotoren
Ein weiterer Motorvergleichswert ist der spezifische Kraftstoffverbrauch beff, der die leistungs-
und zeitbezogene Kraftstoffverbrauchsmenge angibt. Mit dem Kraftstoffverbrauch B und der
effektiven Leistung Peff wird
B
b e f_BI000
f---- (VI.19)
Peff -g- kg
kW
kWh h
Wird die Nutzleistung mit dem Wärmeenergieaufwand verglichen, der in dem zugeführten Kraft-
stoff enthalten ist, so erhält man für den Nutzwirkungsgrad

3600Peff
'l'/eff = kg kJ (VI.20)
BHu kW
h kg
Für H u wird der spezifische Kraftstoffheizwert eingesetzt.
1109
.....
.....
.....
o "D1;;t
c
::;,
Co

Tafel VI.1 Auslegungswerte und Anwendungsgebiete für Verbrennungsmotoren (Kolbenschmidt) ..,»


mittlere i;::0:
Mitteldruck
Kolben-
Anwendungs- Hubraum- geschwindigkeit Verdichtungs- '"3
Arbeitsverfahren I) Zylinder-rp Leistung Drehzahl Pm Zünddruck 111
gebiet leistung verhältnis
Um bar n
'"::r
d Peff n PH m/s e Px :j'
mm kW min- I kW/dm 3 bei Peffmax 1 bar CD
::;,
2-T 0 40 ... 80 5 ... 40 5000 ... 12000 50 ... 150 10 ... 20 5 ... 10 7 2) 40
Motorrad
4-T 0 40 ... 80 5 ... 80 5000 ... 10000 50 ... 100 15 ... 20 7 ... 12 3) 9 ... 11 70
4-TO 60 ... 100 30 ... 180 5000 ... 7000 40 ... 60 3) 9 ... 15 7 ... 113) 8 ... 11 70
Personenwagen
4-T IDI (ATL) 80 ... 95 30 ... 85 4000 ... 5000 25 (31) 11 ... 14 6 ... 7 (8,5) 20 ... 23 85 (120)
Lieferwagen 4) 4-T IDI/DI(ATL) 80 ... 110 30 ... 75 2200 ... 4500 15 ... 25 (31) 7 ... 13 7 (10) 20 (16) 85 (120)
Lastwagen 5) 4-T DI (A TL/LLK) 90 ... 150 75 ... 300 2000 ... 4000 15 ... 20 (25) 7 ... 12 6 ... 9(14)S) 17 (15) 95 (140)
Lokomotive/
2/4-T DI ATL/LLK 140 ... 280 500 ... 5000 1000 ... 2000 10 ... 33 7 ... 12 13 ... 25 12 ... 15 140
Schnellboot 6)
Seeschiffe/ 4-T DI ATL/LLK 250 ... 620 ... 11000 400 ... 1000 7 ... 15 8 ... 10 15 ... 23 10 ... 12 140
Kraftstationen 2-T DI ATL/LLK 400 ... 1000 ... 40000 60 ... 300 2 ... 5 5 ... 7 12 ... 18 12 120
---_._._- - -- ---

I) Abkürzungen: 2-T = Zweitakt, 4-T = Viertakt, 0 = Otto, IDI = Kammerdiesel, DI = Direkteinspritz-Diesel, ATL = Abgasturboaufladung (wenn eingeklammert: häufig,
aber nicht grundsätzlich eingesetzt), LLK = Ladeluftkühlung.
2) Effektives Verdichtungsverhältnis bei Zweitaktmotoren (entspricht 10 ... 14 geometrischem Verdichtungsverhältnisje nach Steuerzeiten).
3) Hohe Werte gelten für 4-Ventil-Motoren.
4) Große Spanne für Auslegungsdaten, da Lieferwagenmotoren von PKW- oder LKW-Motoren abgeleitet sein können.
S) Bei M max bis zu 20 % (Höchstleistungsmotoren) bzw. 50 % (Konstantleistungsmotoren) Pm-Überhöhung gegenüber Wert bei Peff max'
6) Große Spanne für Auslegungsdaten je nach Wartungsanspruch, Lebensdaueranforderung usw.
VI. Verbrennungsmotoren

Mit dem spezifischen Kraftstoffverbrauch b eff wird


b eff Hu 17eff
3600·1000
17 eff = _g_ kJ (VI.21)
beffHu
kWh kg

Richtwerte: für Ottomotoren 17 eff = 0,2 ... 0,28, b eff = 250 ... 380 k~

für Großdiesel 17eff = 0,36 ... 0,43, - g


beff - 210 ... 250 kWh

g
für Fahrzeugdiesel 17 eff = 0,27 ... 0,34, b eff = 240 ... 290 kWh

Als Motorvergleichswert wird oft die Hubraumleistung P H (Literleistung) verwendet.


PH P eff VH
(VI.22)

• Beispiel: Von einem 6-Zylinder Viertakt-Dieselmotor für einen LKW sind folgende Daten bekannt:
Bohrung 98 mm, Hub 127 mm, Vc =56,3 cm 3 (durch Auslitern ermittelt), mittlerer
innerer Kolbendruck (aus Indikatordiagramm ermittelt) Pi = 8,4 bar, mechanischer
Wirkungsgrad (mittlerer Wert angenommen) 17m = 0,87, Motomenndrehzahl n = 2660
l/min, spezifischer Kraftstoffverbrauch beff = 230 gJkWh bei der Nenndrehzahl.
Zu ermitteln sind:
a) Zylinderhubraum
b) Motorhubraum
c) Verdichtungsverhältnis
d) mittlere Kolbengeschwindigkeit
e) mittlere Kolbenkraft bei Pi
f) Motorinnenleistung Pi
g) Motornutzleistung P eff
h) Verlustleistung Pr
i) Motordrehmoment bei Nenndrehzahl
j) Hubverhältnis
k) Nutzwirkungsgrad
I) Innenwirkungsgrad

Lösung:
d 2 rr s (9,8 cm)2 . rr . 12,7 cm
a) Vh =-4- = 4 =957,47 cm3 Zylinderhubraum

b) V H = Vhz =957,47 cm 3 . 6 Zyl =5744,92 cm 3 Motorhubraum

= Vh +V Vc =957,47 56,3
cm + 56,3 3
cm = 18 gesch· 3
c) € 3 ne ben 18 : 1
c cm
d) = sn =0,127·2660 = 11 26!!!.
Um 30 30 's
(Mittlere Kolbengeschwindigkeit bei der Nenndrehzahl)

1111
Kraft- und Arbeitsmaschinen

981 N/cm 2 (9 ,8 cm? 1T


e)MitF=PiAwirdF=' bar '8,4bar' 4 =6225,24N

f) p . = VHPi n = 5,74' 8,4' 2660 = 106 88 kW


'1200 1200 '
P
g) Mit (VI.5) 11 m = wird Peff = Pi 11 m = 106,88 kW . 0,87 = 92,99 kW
;ff
,
h) Da Pi = P eff + Pr (VI.5) ist, wird Pr = Pi - Peff = 106,88 kW - 92,99 kW = 13,89 kW
. Mn. Peff 9550 92 99 ·9550
I) Aus (VI.l7) Peff = 9550 wird M = n = '2660 = 333,85 Nm

j) a = -!t = 192;:: = 1,29 (typischer LKW-Langhubmotor)

k) Aus (VI.2I) wird mit dem gewählten Heizwert (Diesel) Ru = 42000 ~~


3600' 1000 . .
1I eff = 230 . 42 000 = 0,37 - em sehr guter WIrkungsgrad

1) . = 1I eff = 0,37 = 0 43
11, 11 m 0,87 '

2. Bauteile der Verbrennungsmotoren


Verbrennungsmotoren bestehen aus den
Hauptbaugruppen Motorgehäuse, Kurbe/-
triebwerk und Motorsteuerung. Hinzu
kommen die Baugruppen und Aggregate,
die ftir den Betrieb erforderlich sind, wie
Kraftstoffsystem, Abgasanlage, Mo tor-
elektrik, Kühl- und Schmiersystem.
-%W~~,.4--Zylinderkopf
Motorgehäuse bestehen aus dem Zylinder-
block oder aus Einzelzylindern, dem
Zylinderkopf, der Zylinderkopfhaube,
der Zylinderkopfdichtung und der Öl-
wanne.
Zylinder ftihren den Kolben, leiten die
Verbrennungswärme ab und nehmen den
Verbrennungsdruck auf. Das Kurbel-
gehäuseoberteil mit der Kurbelwellenlage- ~.Jb)-_____~iitZ:.=.- Zylinderblock
rung wird bei wassergekühlten Motoren
mit dem Zylinderblock in einem Stück
gegossen. Es dient als Anbauteil flir die
Motoraufhängung und die Nebenaggre- ' - - - - - Ölwanne
gate (Starter, Generator usw.). Die
verschraubte Ölwanne bildet den unteren
Abschluß. Nach oben bildet der Zylinder-
kopf mit dem Zylinder den Verbrennungs-
raum. Einzelzylinder von luftgekühlten
Motoren sind mit Kühlrippen versehen Bild VI.5. Motorgehäuse (Opel)

1112
VI. Verbrennungsmotoren

und werden mit dem Kurbelgehäuse Küh lwasser Kühlwasser


einzeln verschraubt. Als Werkstoff wer-
den entweder Al-Legierungen (z.B.
GK-AlSi17Cu4Mg) verwendet, oft mit
spezieller Laufflächenbehandlung (hart-
verchromt) oder eingegossenen Buchsen
(Alfin, Rauguß) oder Gußeisenwerk-
stoffe.
Zylinderblöcke (Gußeisen- oder Al-
Legierungen) haben eingearbeitete Boh-
rungen, und nasse oder trockene Lauf- a) b)
buchsen. Nasse Laufbuchsen (Wand-
Bild VI.6. Zylinderlaufbuchsen
dicke 5 ... 8 mm) werden direkt vom a) nasse Laufbuchse, b) trockene Laufbuchse
Kühlwasser umspült und sind bei Lauf-
flächenverschleiß ohne Motorausbau
leicht zu wechseln (Bohrung fertig bearbeitet). Die Abdichtung zum Wasserraum erfolgt über
Gummidichtringe, zum Zylinderkopf über die Zylinderkopfdichtung (Buchsenüberstand
0,05 ... 0,1 mm).
Trockene Laufbuchsen (Wand dicke 1,5 ... 2 mm) werden in die Zylinderbohrung eingepreßt und
sind nicht vom Kühlwasser umspült. Die Lauffläche muß oft noch bearbeitet werden. Als Werk-
stoff wird Schleuderguß verwendet. Durch Honen der Laufflächen werden Motoreinlaufzeit und
Verschleiß verringert.
Die Kurbelgehäuseentlüftung führt die an den Kolben vorbei streichenden Verbrennungsgase und
Öldämpfe zum Zylinderkopf. Dort werden sie mit der Ansaugluft gemischt und der Verbrennung
zugeführt .
Die Ölwanne nimmt beim Viertaktmotor die Ölfüllung auf und bildet den unteren Abschluß des
Kurbelgehäuses. Sie wird aus Stahlblech oder Al-Guß hergestellt. Bei Zweitaktmotoren bildet sie
den Vorverdichtungsteil.
Der Zylinderkopf enthält bei Ottomotoren die Zündkerzen, die Ein- und Auslaßventile (Viertakt)
mit den Ventilsteuersystemen und bei Dieselmotoren Vor- oder Wirbelkammer, Glühkerzen und
Einspritzdüsen. Er bildet den oberen Teil des Verbrennungsraumes, enthält die Gaswechselkanäle
und trägt durch die Brennraumgestaltung entscheidend zur Verbrennungsbeeinflussung und
Gemischbildung bei. Brennräume werden kugel-, keil- oder wannenförmig ausgebildet (von der
Ventilanordnung abhängig). Beim Heron-Brennraum befindet sich der größte Brennraumteil in
einer Kolbenmulde (gute Gemischverwirbelung). Beim Querstromzylinderkop[ liegen Ein- und
Auslaßkanal einander gegenüber, der Kopf wird quer durchströmt.
Beim Gegenstromzylinderkop[ liegen Ein- und Auslaß auf derselben Kopfseite untereinander
(kurze Gaswechselwege ). Als Werkstoffe werden bei Otto- und PKW-Dieselmotoren wegen der
besseren Wärmeleitfähigkeit und der geringeren Masse vorwiegend Al-Legierungen, bei LKW
Grauguß, verwendet.
Die Zylinderkop[dichtung verhindert Brennraum-Druckverluste sowie Schmier- und Kühlmittel-
verluste. Sie wird aus Meta1I-Asbest-Geweben gefertigt. Metalleinfassungen verstärken die Durch-
gangsöffnungen für Brennraum, Wasser- und Ölkanäle und Verschraubungen .
Das Kurbeltriebwerk besteht aus Kolben, Kolbenringen, Kolbenbolzen, Pleuelstange und Kurbel-
welle mit Lagern und Schwungrad. Das Triebwerk formt die hin- und hergehende Kolbenbewegung
in eine Drehbewegung an der Kurbelwelle um.

1113
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Kräfte und Bewegungsverhältnisse am Kurbeltriebwerk


Durch den Verbrennungsdruck p (veränderlich mit der ~ Kolbenringe
KolbensteIlung) wird die sich ständig ändernde Kolbenkraft
F K erzeugt. Mit dem mittleren effektiven Druck Peff wird
die mittlere Kolbenkraft berechnet: ~ Kolben
T K"benb"Zen
(VI.23) ~Pleuelstange
N
N
cm 2 ~ ~.~\~'
Sie wird über den Kolbenbolzen in eine Pleuels tangen kraft
F s und eine senkrecht zur Zylinderwand wirkende Kolben-
seitenkraft F N zerlegt. Mit dem Kurbelwinkel a und dem
Pleuelstangenwinkel ß wird
~- -Pleuellager-
FK ~ schale
F s = cosß (VI.24a)
1!
FN=FKtanß
I
(VI.24b)
Bild VI. 7. Kurbelgetriebe (Opel)
Die Pleuelstangenkraft F s greift am Pleuelzapfen der
Kurbelwelle an und kann in die Tangentialkraft F T und die
Radialkraft FR zerlegt werden . or

sin(a+ß)
FT -F
- K cos ß und mit F s
(VI.25)
F T =Fs sin(a + ß)
sowie:

F - F cos (a + ß) und mit F s ur


R - K cosß (VI.26)

FR =Fs cos(a + ß)

Die Tangentialkraft F T erzeugt am Pleuelzapfen der Kur-

L.
belwelle das Motordrehmoment

(VI.27)
\ .. ~' Fs
~'/
Mit dem Pleuelstangenverhältnis ApL = rll ur I w=2TCn
(Richtwerte: PKW-Motoren ApL = 0,2 ... 0,3
Bild VI.8. Kräfte am Kurbeltrieb
LKW-Motoren APL = 0,25 ... 0,33)
p = Verbrennungsdruck
kann aus dem jeweiligen Kurbelwinkel ader Pleuelstangen- r = Kurbelradius
winkel ß berechnet werden: 8 =Kolbenhub (8 = 2r)
I = Pleuelstangenlänge
Ci =Kurbelwinkel = wt
sin ß = ApL sina (VI.28) {3 = Pleuelstangenwinkel
8K = Kolbenweg
cosß = JI- (APL sin a)2 (VI.29) n = Kurbelwellendrehzahl

1114
VI. Verbrennungsmotoren

Der jeweils zurückgelegte Weg sK kann mit einer Näherungsformel berechnet werden:
SK =r(I-coso:)±I(I-cosß) + Kolbenbewegung von OT nach UT
sowie:
sK =r (1 - cos 0: ± i APL sin 2 0:) - Kolbenbewegung von UT nach OT
(VI.30)

Die Kolbenbewegung ist ungleichmäßig beschleunigt und verzögert. Die Kolbengeschwindigkeit u


ergibt aus w = 21rn =konst. (Winkelgeschwindigkeit des Kurbelzapfens), Kurbelwellendreh-
zahl n und Umfangsgeschwindigkeit der Kurbelwelle Uu = rw

u =Uu (sin 0: ± i APL sin 20: ) sowie mit 0: = wt

i
(VI.31)
u =r . w (Sin w ± t ApL sin 2 w t) t Zeit in s

Für Überschlagsrechnungen verwendet man die mittlere Kolbengeschwindigkeit um =s n/30


(VI.13).
Die Kolbenbeschleunigung a beträgt:

a= ru~ (coso: ± APL COS 20:) a Uu r w t

sowie m (VI.32)
m s
a=r w 2 (cos w t ± APL COS 2wt) s

Der Kolben überträgt den Druck des Arbeitsgases auf das Triebwerk. Er steuert beim Zweitakt-
motor den Gaswechsel und trägt bei 0110- und Dieselmotoren durch die Einbeziehung als Brenn-
raumbestandteil wesentlich zur Gemischaufbereitung und zum Verbrennungsablauf bei.

5 ~~---.---r---.------~----~
V Kolbenhub
Q
v Kolbengeschwindigkeit
a Kolbenbeschleunigung
°kW Grad Kurbelwinkel

Bild VI.9
Verlauf von Kolbenweg s, Kolbengeschwindigkeit v
und Kolbenbeschleunigung a über dem Kurbelwinkel a
or 90 0 ur 270 0 Ot °KW or (Kolbenschmidt)

Anforderungen an den Kolben: Geringe Masse (Trägheitskräfte ), bei gleichzeitig hoher Belastbar-
keit, gute Abdichtung, geringer Verschleiß und Ölverbrauch, geringe Reibung.
Den Kolbenaufbau, eingeteilt nach Bauzonen, zeigt Bild VI.10.
Auf dem Kolbenboden sind neben Kolbendurchmesser und Einbauspiel auch die Einbaurichtung
eingeschlagen.

1115
Kraft- und Arbeitsmaschinen

0) b) c) d) e)
Bild V1.10. Kolben eingeteilt nach Bauzonen
a) Kolbenboden, b) Feuersteg, c) Ringzone, d) Kolbenboizennaben, e) Kolbenschaft

Kolbenbauarten
Eine Auswahl oft verwendeter Kolbenbodenformen zeigt Bild Vl.ll. Die erste Reihe zeigt Kolben
für Ottomotoren, die zweite für PKW- und LKW-Dieselmotoren.
Gegossene Einmetallkolben aus eutektischen AlSi-Legierungen, auf die oft eine 0,02 mm Eisen-
oder Chromschicht aufgebracht wird (anschließend verzinnt), werden für Ottomotoren mit Al-
Zylindern verwendet . Für höchste Beanspruchungen werden im Warmtließpreß-Verfahren her-
gestellte Kolben eingebaut.
Zur Erfüllung der Forderungen nach geringem Gewicht, geringer Reibung und geringem Ölver-
brauch, werden Regelkolben eingesetzt. Sie erhalten eingegossene Stahlstreifen im Bolzenaugen-
bereich oder eingegossene Stahlringe im Schaftbereich (Bild VI.l2). Dadurch gelingt es, die durch
hohe Temperaturen in Laufrichtung auftretenden Ausdehnungen zu verringern und in Richtung
der Bolzenachse umzulenken. Weiterhin erzielt man durch besondere Kolbenforrngebung (Kopf
konisch, Schaft ballig, Durchrnesserforrn oval) wesentlich kleinere Laufspiele als bei ungeregelten
Kolben.

3.-+1 4

5 1

Bild Vl.1l. Kolbenbodenformen


1 ... 4 flir Ottomotoren, 5 und 6 flir PKW-Dieselmotoren, 7 und 8 rur NKW-Dieselmotoren (Kolbenschmidt)

1116
VI. Verbrennungsmotoren

a) b)

cl d)

Bild V1.l2. Regelkolben (Kolbenschmidt)


a) Geschlitzter Ringstreifenkolben (Ottomotor)
b) Segmentstreifenkolben mit eingegossenem Ringträger (Dieselmotor)
c) Ungeschlitzter Ringstreifenkolben (Ottomotor)
d) Segmentstreifenkolben mit nicht angeschnittenem Segmentstreifen (Ottomotor)

Gegen die hohen mechanischen und


thermischen Beanspruchungen im Kolben-
bodenbereich wird bei hochbelasteten
Dieselmotoren ein Ringträger aus auste-
nitischem Gußeisen (Niresist) eingegossen
und die Kolbenkühlung durch Küh/kanal-
kolben mit Ölspritzdüsen vorgenommen
(Bild VI.13).
Insbesondere während der Start- und Bild V1.1 3. Kühlkanalkolben (Daimler-Benz)
Warmlaufphase kommt es oft zu Misch-
reibungszuständen zwischen Kolben und Zylinderwand. Notlaufeigenschaften erhalten Kolben
durch dünne (l ... 10 J.lß1) Beschichtungen (verbleien , verzinnen, phosphatieren, graphitieren).
Neuere Entwicklungen verwenden Kolben mit Klopfschutzschichten für Ottomotoren, und mit
Verstärkungen aus Aluminiumoxid-Fasern für Kolbenboden und Ringpartie. Für Dieselmotoren
werden Kolbenbodeneinsätze aus Keramik oder Aluminiumtitanat verwendet.

1117
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Bild VI.l4
Temperaturfelder ("C) eines NKW-Kolbens mit (links)
und ohne Kühlkanal (rechts) bei gleicher Belastung
(Kolbenschmidt)

Kolbenringe sollen die Gas- und Ölabdichtung des Verbrennungsraumes gegenüber dem Kurbel-
gehäuse (Kompressionsringe), das Abstreifen des Schmieröls von den Laufflächen (Ölabstreifringe),
sowie den Wärmetransport vom Kolben an die gekühlte Zylinderwand vornehmen. Die Ringe liegen
unter radialer Vorspannung an der Zylinderwandung an. Zum Dehnungsausgleich muß im ein-
gebauten Zustand ein Stoßspiel von 0,2 ... 0,7 mm vorhanden sein. Zweitaktmotoren mit Mischungs-
schmierung erhalten keine Ölabstreifringe .
In der ersten Kolbenringnut werden meist Rechteck- oder Minutenringe (Bild VI.lS) eingesetzt,
die oft mit beschichteten Laufflächen (Molybdän, verchromt, phosphatiert, ferrooxidiert) ver-
sehen sind. Als Werkstoff verwendet man Gußeisen oder hochlegierten CrMo-Stahl. Für den
zweiten Ring werden unbeschichtete Trapez- oder Nasenminutenringe verwendet. Als Ölabstreif-
ringe kommen Dachfasen-, Ölschlitz-, Schlauchfeder- und Lamellenringe zum Einsatz. Die Öl-
abstreifringnut ist mit Bohrungen versehen, durch die das öl auf die Kolbenschaftinnenseite
gedrückt wird (Kolbenbolzenschmierung).

-=="~--' Stegbreite
Ölabstreif-
ring steg-
abstand

al bJ
Bild VI.l5 Kolbenringanordnungen
a) PKW-Ottomotor b) NKW-Dieselmotor
(Kolbenschmidt)

Kolbenbolzen übertragen die Kräfte vom Kolben auf das Pleuel. Sie werden auf Flächenpressung,
Biegung und Ovalverformung (Durchmesservergrößerung quer zur Belastungsrichtung) beansprucht.
Nach der Bolzenlagerung unterscheidet man Klemmpleuel und schwimmende Lagerung, bei der
der Bolzen sich frei in der Bolzenaugen- und Pleuelbohrung drehen kann. Sicherungs- oder Draht-
sprengringe sichern in aixaler Richtung (Bild V1.l6a). Die Lagerung ist freßsicher und verschleiß-
arm . Die Schmierung erfolgt über die Ölbohrung im Pleuel.
Beim Klemmpleuel (Bild V1.16b) sitzt der Kolbenbolzen mit Schrumpfsitz in der Pleuelstange und
hat eine Spielpassung in der Bolzennabe. Axiale Sicherungselemente können entfallen. Zur Ver-
ringerung ihrer Masse werden Kolbenbolzen hohl ausgeftihrt (Ausnahme: bei Zweitaktmotoren
zur Vermeidung von Spülverlusten, einseitig oder mittig geschlossen). Werkstoffe: Einsatz- und

1118
V I. Verbrennungsmotoren

Bild V1.16 . Kolbenbolzenlagerung (Spiel übertrieben dargestellt)


a) Schwimmende Lagerung
b) Klemmpleuel (Kolbenschmidt)

Bild V1.1 7. Pleuelstange (Porsche)

Nitrierstähle (z .B. 15Cr3; 41CrAIMo7), die nach dem Oberflächenhärten durch Schleifen und
Kurzhubhonen (Superfinish) feinbearbeitet werden.
Die Pleuelstange (Bild Y1.17) wird durch den Yerbrennungsdruck auf Knickung und Druck,
durch die Massenträgheitskräfte des Kolbens im oberen Totpunkt auf Zug und durch die Flieh-
kräfte bei höheren Drehzahlen auf Biegung beansprucht. Sie besteht aus dem Pleuelkopf mit
Gleitlagerbuchse flir den Kolbenbolzen (bei Zweitaktmotoren meist Nadellager), I-förmigem
Pleuelschaft und dem gerade- oder schräg geteilten (große Diesel) Pleuelfuß mit Pleueldeckel.
Ungeteilte Pleuel werden flir Einzylindermotoren mit zusammengesetzter Kurbelwelle verwendet.
Sie erhalten Nadellagerbuchsen .
Die Schmierung der Pleuelbuchse wird entweder durch Tropföl über eine Senkung im Pleuelauge
oder , bei Hochleistungsmotoren , durch Druckölschmierung über längsdurchbohrte Pleuel oder
Ölspritzdüsen ausgeführt.
Der Pleuellagerdeckel wird mittels Paßdehnschrauben, Dehnschrauben und Paßhülsen oder durch
Kerbverzahnung zwischen Lagerdeckel und Pleuelfuß paßgenau verschraubt. Als Werkstoffe wer-
den überwiegend im Gesenk geschmiedete Yergütungsstähle oder Temperguß und Kugelgraphitguß
verwendet.
Dehnschrauben an Zylinderköpfen, Pleuel- und Kurbelwellenlagern werden nach dem Streck-
grenzverfahren (Drehmomentschlüssel) oder Drehwinkelverfahren angezogen.
Die Kurbelwelle ist im Kurbelgehäuse gelagert. Die Gestalt wird von der Zylinderanordnung
(Reihen-, Y-, Boxermotor), der Zylinderanzahl, der Lage- und Anzahl der Hauptlager, vom Kolben-
hub und der Zündfolge (Einspritzfolge) des Motors bestimmt. Kurbelwellen werden auf Torsion,
Biegung (Massen trägheits- und Pleuelstangenkräfte ) und durch Wechselbeanspruchung der mecha-
nischen Drehschwingungen beansprucht. Diese setzen sich aus den umlaufenden Massenkräften
von Kurbelwange und Kurbelzapfen , den oszillierenden Massenkräften des Kolbens und der
Pleuelstange und durch den Pleuelstangenanteil an den rotierenden und oszillierenden Massen-
kräften zusammen.
Die Größe der verbleibenden Massenkräfte und -momente ist von der Anordnung der Kurbel-
wellenkröpfungen und der Zündabstände abhängig. Ein vollkommener Massenausgleich ergibt sich
bei 6-Zylinder-Reihen-, 6-Zylinder-Boxer- und YI2-Yiertaktmotoren .

1119
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Kurbelwellen von 4-Zylinder-Reihenmotoren sind durch die um 1800 Kurbelwinkel versetzten


Kröpfungen und durch die Ausgleichsgewichte mit statischer und dynamischer Auswuchtung für
Kräfte und Momente 1. Ordnung ausgeglichen .
Es treten jedoch noch Massenkräfte 2. Ordnung auf. Sie werden durch die oszillierenden Massen
des Kurbeltriebwerks und durch die ungleichförmigen Gaskräfte des Viertaktverfahrens hervor-
gerufen . Die Massenkräfte 2 . Ordnung laufen mit der doppelten Kurbelwellendrehzahl um und
können nicht durch Auswuchten oder Ausgleichsgewichte an der Kurbelwelle beseitigt werden.
Abhilfe schaffen hier vereinzelt verwendete Ausgleichssysteme mit zwei Ausgleichswellen, die mit
doppelter Kurbelwellendrehzahl umlaufen (Lanchester-Ausgleich).
Kurbelwellenlager liegen bei Otto- und Dieselmotoren meist hinter jeder Kurbelwellenkröpfung.
Die Kurbelwangen können so angeordnet sein, daß für jeden Zapfen ein- oder zwei Gegengewichte
vorhanden sind (Bild VI.18). Zur Ölversorgung sind Pleuellagerzapfen und Kurbellagerzapfen
durch diagonale Bohrungen miteinander verbunden .

Zonen der Oberflächenhärtung

Bild VI.l8
Kurbelwelle eines Vierzylinder-
Ottomotors mit zwei Ausgleichs-
gewichten pro Kurbelzapfen
(Daimler-Benz)

Zur Dämpfung der sich überlagernden schädlichen Dreh- und Biegeschwingungen werden auf der
dem Schwungrad gegenüberliegenden Seite Drehschwingungsdämpfer angeordnet, die als Viskose-,
Feder- oder Gummidämpfer in Riemenscheibe oder Steuerzahnrad integriert sind.
Statisches- und dynamisches Auswuchten der Kurbelwelle erfolgt durch Anbohren der Ausgleichs-
gewichte . Die Lagerzapfen werden induktiv oberflächengehärtet und geschliffen. Die Radien
zwischen Lagerzapfen und Kurbelwangen, werden zur Erhöhung der Gestalt- und Dauerfestigkeit
durch Rollieren oberflächen verdichtet. Kurbelwellen werden im Gesenk oder durch Freiform-
schmieden (günstiger Faserverlauf) hergestellt. Als Werkstoff wird Vergütungsstahl oder Nitrier-
stahl (z.B. 40CrNiM04 oder 36CrAlM07) verwendet. Gegossene Kurbelwellen werden aus Kugel-
graphitguß (Schwingungsdämpfend) hergestellt. Kurbelwellen von Einzylindermotoren werden oft
aus Einzelteilen gefügt (Schrumpfverbindungen oder Hirth-Verzahnung).
Während eines Arbeitsspiels treten an der Kurbelwelle ungleichförmige Geschwindigkeiten durch
Überwindung der Totpunktlagen und Leertakte auf, die durch das Schwungrad als Energiespeicher
gemindert werden. Es dient weiter zur Aufnahme der Kupplung und des Starterzahnkranzes und
enthält meist Markierungen für die Motorsteuerung (Totpunktlagen, Zündungs- oder Förderbeginn).
Die Einbaulage ist durch Paßstifte fixiert. Massenausgleich erfolgt durch gemeinsames Auswuchten
mit der Kurbelwelle.
Für Kurbelwellen- und Pleuellager werden bei Viertakt-Otto- und Dieselmotoren geteilte Axial-
und Radialgleitlager verwendet. Axiallager (paß- oder Führungslager) mit seitlichen Anlaufscheiben
oder Bund übernehmen die Axialkräfte, die durch Kupplungsbetätigung auftreten. Radial- und
Axiallager werden meist als Dreischicht-Gleitlager ausgeführt. Aufbau: Stützschale aus Stahl,
Tragschicht aus CuSn-Legierung (ca. 0 ,3 ... 0,7 mm) mit Notlaufeigenschaften, Laufschicht aus
Weißmetall (pbSn-Legierung , ca. 0,1 mm) . Zur Vermeidung von Diffusion ist zwischen Trag- und

1120
VI. Verbrennungsmotoren

Laufschicht eine Nickelschicht (0,001 mm) aufgalvanisiert. Lagerschalen erhalten Haltenasen als
Verdrehsicherung. Kurbelwellenlager besitzen Ringnuten zur Ölaufnahme und Ölbohrungen zum
Öltransport in das Lager.

Motorsteuerung der Viertaktmotoren


Die Motorsteuerung vollzieht die Gaswechselsteuerung der Frischgase und Abgase. Sie besteht aus
den Ein- und Auslaßventilen mit Federn, den Betätigungselementen und der Nockenwelle mit
Übertragungsteilen (Bild VI.20). Nach der Ventil-Schließbewegung unterscheidet man oben-
gesteuerte (Bild VI.19b-f) und untengesteuerte Motoren (Bild VI.19a).

d} e} f}

Bild V1.19. Bauarten der Motorsteuerung (Opel)

Nach der Lage der Nockenwelle:


a) sv-Motoren (side valve) - untengesteuert, mit stehenden Ventilen; ist nicht mehr gebräuchlich
b) ohv-Motoren (over head valves) - mit untenliegender Nockenwelle und Stößelstangen zu den
Kipphebeln (Nutzfahrzeug-Dieselmotoren und ältere Ottomotorkonstruktionen)
c) und d) ohc-Motoren (over head camshaft) - mit obenliegender Nockenwelle und Ventilbetäti-
gung über Schwinghebel (c), Kipphebel (d) oder Tassenstößel- durch geringe Massenbeschleuni-
gungen schnelle Betätigung möglich
e) dohc-Motoren (double overhead camshaft) - mit je einer Nockenwelle ftir Ein- und Auslaß-
ventilreihe, direkte Ventilbetätigung über Tassenstößel, flir Hochleistungsmotoren (auch für
Drei- oder Vier-Ventiltechnik pro Zylinder)
f) cih-Motoren (cam in head) - mit seitlich im Zylinderkopf gelagerter Nockenwelle

1121
Kraft- und Arbeitsmaschinen

1 Kipphebel
2 Ventilstößel
3 Ventilfeder
4 Nockenwelle
5 Tellerventil
6 Zylinderkopfhaube
7 Zahnrad des Steuer-
getriebes
8 Zylinderkopf
9 Zylinderblock
10 Kolben
11 Kolbenbolzen
12 Pleuelstange
13 Kurbelwelle
14 Ölwanne
Bild VI.20. Bauteile der Motorsteuerung (Opel)

Die Nockenwelle bestimmt Öffnen und Schließen der


Ventile zum richtigen Zeitpunkt, die Dauer der Öffnung
und den Öffnungshub (Bild VI.21).
Sie läuft bei Viertakt Otto- und Dieselmotoren mit der
halben Kurbelwellendrehzahl um und besitzt entsprechend
der Zündfolge angeordnete Ein- und Auslaßnocken.
Untenliegende Nockenwellen enthalten Antriebsexzenter,
oder Ritzel zum Antrieb von Kraftstofförderpumpe,
Zündverteiler, Ölpumpe und Diesel-Einspritzpumpe. Der
Antrieb von der Kurbelwelle erfolgt über Steuerzahnräder
(ohv). Einfach· oder Doppelrollenketten (Bild VI.20) mit
Kettenspannern (hydraulisch oder federbelastet) oder
Zahnriemenantrieb(geräuscharm)ftir obenliegende Nocken-
wellen. Nockenwellen sind zur Ölversorgung ihrer Lager-
stellen (Gleitlager) längsdurchbohrt. Sie werden aus
legiertem Stahl geschmiedet oder aus Schalenhartguß,
Temperguß und Kugelgraphitguß hergestellt. Lagerstellen
und Nocken sind oberflächengehärtet. Von der Nocken-
form werden der Ventilhub und die Steuerung der öff-
nungs- und Schließvorgänge bestimmt. Harmonische,
Bild V1.2l. Zylinderkopf mit Nocken·
flache Nocken ergeben langsame Ventilbetätigungen bei welle und Ventiltrieb für einen PKW-
kürzeren Öffnungszeiten (Normalmotoren), Tangenten- Dieselmotor (Volkswagen)

1122
VI. Verbrennungsmotoren

nocken ergeben lange Ventilöffnungszeiten und gute Zylinderflillungen bei hoher Ventilbeschleuni-
gung (Hochleistungsmotoren).
Die Bauteile der Ventilsteuerung zeigt Bild VI.20. Das Öffnen der Ventile erfolgt, über die Nocken-
welle gesteuert, durch Schwinghebel, Kipphebel oder Tassenstößel. Geschlossen werden die Ventile
kraftschlüssig durch eine oder zwei Ventilfedern . Jeder Zylinder ist mit je einem Ein- und Auslaß-
ventil versehen (bei Hochleistungsmotoren zunehmend je zwei Ventile), deren Anordnung ent-
scheidend die Brennraumform beeinflußt. Austauschbare Ventilfiihrungen aus CuZn-Legierungen
werden in AI-Zylinderköpfen eingepreßt und ermöglichen eine gute Wärmeableitung. Eine Ventil-
schaftabdichtung verhindert zu großen Öltransport in den Verbrennungsraum.
Einlaßventile (Betriebstemperatur ca. 500 oe)
werden meist als Einmetallventil aus hochlegier-
a) b)
ten CrSi-Stählen mit gehärteten Sitzflächen und
Schaftenden hergestellt. Der Tellerdurchmesser
ist größer als bei Auslaßventilen (bessere Zylin-
derftillung). Auslaßventile werden thermisch
hoch belastet (Betriebstemperatur ca. 800°C) Natrium
und sind als Bimetallventile (Kopfstück warm- -.J

fester CrMn-Stahl mit Schaft aus CrSi-Stahl


stumpf verschweißt) oder als innengekühlte,
natriumgeflillte Hohlventile ausgefUhrt. Die ge-
-
schmolzene Natriumfiillung senkt durch Wärme- -
transport die Betriebstemperatur um ca. 100°C . ..-/"-..
Auslaßventil-Sitzflächen werden oft mit Hart-
L o J
metall gepanzert. Der Ventilsitzwinkel beträgt
45°, selten 30°. Ventilteller sollen so groß wie Bild V1.22. Ventile
möglich gestaltet werden, um die Gasdurchtritts- a) Einmetallventil
geschwindigkeit niedrig zu halten und die Füllung b) Hohlventil mit Natriumflillung
zu verbessern. Bei ca. 70 m/s tritt merkliche (Daimler-Benz)
Drosselung des Gasstromes ein .
Nach der Kontinuitätsgleichung berechnet sich mit der Kolben fläche A, der mittleren Kolben-
geschwindigkeit um und der Ventilöffnungsfläche A v , die mittlere Gasgeschwindigkeit im Ventil-
querschnitt
A,A v
AUm
uG=-- m (VI.33)
Av
s
Richtwerte für mittlere Gasgeschwindigkeiten: Einlaßventil uG "'" 70 m/s
Auslaßventil uG "'" 110 m/s
Für Entwurfsberechnungen kann zur Berechnung des Ventilöffnungsquerschnitts A V näherungs-
weise mit dem Ventiltellerdurchmesser danstatt des Gaskanaldurchmessers gerechnet werden
(Bild VI.23). Mit dem Ventilhub 1(0,1 ... 0,25 d) und dem Ventilsitzwinkel a wird näherungsweise
der Ventilöffnungsquerschnitt

A v ""'d1T/sina Av 1 d 1 I (VI.34)
cm2 cm cm
Die Ventilsitzfläche wird je nach Betriebstemperatur breiter oder schmaler ausgeführt. Schmale
Flächen (Einlaßventil) ergeben dichten Sitz (hohe Flächenpressung), aber geringere Wärmeablei-
tung als breite Yen tilsitze (Auslaß ven til).

1123
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Bild VI.23
Ventil und Ventilsitz

Auslaß Einlaß

Ventilsitzringe aus Gußeisen oder Sintermetall, werden in Al-Zylinderköpfe eingeschrumpft.


Ventilfedern müssen die Ventile bei Unterdruck (Ansaugen ca. 0,9 bar) dicht schließen, die Reibung
des Stößels beim Schließen überwinden und während der Ventilöffnungszeit die Trägheitskräfte
der beschleunigten Ventil- und Steuerungsteilmassen abfangen. Die maximale Federkraft F max
wird mit der Masse m von Ventil- und Steuerungsteilen sowie der Ventilbeschleunigung a max
berechnet:

F max = 1 ... 1,5 ma max (VI.35)


N kg

Die Ventilbeschleunigung hängt von der Nockenform ab. Federschwingbruch wird durch veränder-
liche Federsteigung vermieden.
Die Steuerzeiten werden als Öffnungs- und Schließwinkel der Ventile, bezogen auf die Totpunkte,
im Steuerdiagramm dargestellt.
Der Zündzeitpunkt, die Öffnungs- und Schließpunkte der Ventile, sowie beim Dieselmotor der
Förderbeginn, werden in Grad Kurbelwinkel CkW) angegeben und als Steuermarkierung auf
Schwungrad oder Riemenscheibe eingeschlagen. Nach Bild VI.24 errechnet sich
der Öffnungswinkel QE des Einlaßventils:
(VI.36)

"'ü Ventilüberschneidung
AÖ Auslaß öffnet
AS Auslaß schließt
EÖ Einlaß öffnet
ES Einlaß schließt
OT oberer Totpunkt
UT unterer Totpunkt
Z Zündzeitpunkt

Bild VI.24
Steuerdiagramm des Viertaktmotors

1124
VI. Verbrennungsmotoren

der Öffnungswinkel aA des Auslaßventils:

aA = AÖ o + 180° + ASo (VI.37)

und der Ventilüberschneidungswinkel aü:

aü =EÖ o + ASo (VI.38)

Der Abstand IB der Markierungspunkte auf der Schwungscheibe von OT beträgt

(VI.39)

Die Öffnungszeit t der Ventile ist abhängig vom öffnungswinkel 0: und von der Motordrehzahl n:
a
~
n
a60
t=-- (VI.40)
n 360° s _1_. °kW
mm

Im Betrieb dehnen sich die Ventile aus. Mit der Temperaturdifferenz {}, der Ausgangslänge 10 und
dem Ausdehnungskoeffizienten ades Ventilwerkstoffes beträgt die Längenausdehnung

t:.l, 10 a {}
1 (VI.4l)
mm K
K
Damit sicheres Schließen gewährleistet wird,
muß die Längenänderung durch ein Ventil-
spiel oder durch hydraulischen Spielausgleich
kompensiert werden.
Ist das Ventilspiel zu klein, so schließt das
Ventil nicht bei Betriebstemperatur (Leistungs-
verlust, Verbrennen des Ventiltellers, Ver-
gaserbrand).
Ist das Ventilspiel zu groß, so wird infolge ,
5
3
kürzerer Öffnung die Füllung verschlechtert 2
6 1
(Leistungsverlust, geräuschvoller Lauf). Das
Ventilspiel wird durch Einstellschrauben
(Schwing- und Kipphebelbetätigung) oder
Ausgleichsscheiben zwischen Tassenstößel und
Nockenwelle, eingestellt.
Ventilstößel werden durch seitliches Ver-
setzen von Nocken- und Stößelmitte in
geringe Drehung versetzt (gleichmäßige Be-
lastung). Stößelstangen (Stahlrohr) sind am
Ende als Kugelkopf (Stößel) und als Kugel-
pfanne (Kipphebel), ausgebildet. Bild V1.25. Tassenstößel mit hydraulischem Ventilspiel-
Hydraulische Stößel (Bild V1.25) ermöglichen ausgleich (Porsche)
eine spielfreie Ventilsteuerung ohne Ventil- 1 Stößel 4 Hochdruckraum
spielnachstellen und sie gleichen die Längen- 2 Kolben 5 Vorratsraum
ausdehnung selbsttätig aus. Hydrostößel, 3 Rückstellfeder 6 Rückschlagventil

1125
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Hydrotassenstößel und Spielausgleichselemente sind an den Motorölkreislauf angeschlossen und


gleichen über ein Öldrucksystem mit Spielausgleichsfeder das Spiel aus. Kipp- und Schwinghebel
werden aus Stahlblech oder Leichtmetall gepreßt oder geschmiedet. Tassenstößel aus Stahl werden
durch Kalt- oder Warmfließpressen hergestellt. Ventildrehvorrichtungen versetzen Ventile bei jeder
Betätigung in eine kleine Drehung. Die thermische Belastung sinkt, Ablagerungen durch Ver-
brennungsrückstände (Öl, Kraftstoff) werden vermindert.

3. Kraftstoffe
Verbrennungsmotoren beziehen ihre Energie aus der chemischen Energie des Kraftstoffes. Neben
Otto· und Dieselkraftstoff werden heute Alkohole, Flüssiggase und Wasserstoff als alternative
Kraftstoffe verwendet. Die herkömmlichen Kraftstoffe sind Kohlenwasserstoffverbindungen und
werden fast ausschließlich aus Erdöl hergestellt.
Anforderungen an die Kraftstoffe: Einfache und schnelle Bildung eines brennbaren Gemisches,
schnelle und sichere Zündung, rückstandsfreie Verbrennung, hoher Heizwert und sichere Transport·
möglichkeiten.
Ottokraftstoffe bestehen aus Kohlenwasserstoffen mit 4 ... 11 C-Atomen im Siedebereich zwischen
30 ... 215°C. Für den motorischen Betrieb sind Klopffestigkeit, Flüchtigkeit (Siedeverhalten),
Reinheit (Wassergehalt, feste Fremdstoffe ), Kraftstoffzusammensetzung und Zusätze von Bedeu-
tung.
Die Klopffestigkeit wird durch die Oktanzahl ausgedrückt und kennzeichnet die Widerstands-
fähigkeit gegenüber Selbstentzündung. Unter klopfender Verbrennung (Bild V1.26) versteht man
die ungesteuerte Zündung im verdichteten,
aber noch nicht brennenden Gemischrest.
Der Druck steigt schlagartig steil an. Das p(bar)
Gemisch hat eine hohe Verbrennungs-
geschwindigkeit (300 ... 500 mls gegenüber
20 m/s). Folge: Hohe thermische und
mechanische Triebwerksbelastung. Unter-
schieden werden Beschleunigungsklopfen
und Hochgeschwindigkeitsklopfen. Die
Oktanzahl wird in einem Prüfmotor durch
Vergleichen des Kraftstoffes mit einem
Bezugsgemisch aus Iso-Octan Cs HIs
(Oktanzahl = 100) und n-Heptan C7 H16
(Oktanzahl = 0) bis zur Klopfgrenze, durch Grad Kurbelwinkel
fortlaufendes Verändern der Verdichtung Bild V1.26. Verbrennung im Ottomotor (Shell)
gemessen.

Tafel VI.2. Oktan- und Cetanzahlen einiger Kraftstoffe

Kraftstoff OZ Kraftstoff CZ
Normalheptan 0 Schwelöl 45
Benzin aus Erdöl 70 Großdieselöl 45
Normbenzin - unverbleit 91 Fahrzeugdieselöl 55
Superkraftstoff - unverbleit 95 Synthetisches Gasöl 90
- verbleit 98 Cetan 100
Oktan 100

1126
VI. Verbrennungsmotoren

Ermittelt wird nach der ROZ (Research·Methode, n = 600 I/min, keine Gemischvorwärmung) und
der MOZ (Motor·Methode, n = 900 I/min, Gemischvorwärmung 150°C), vorgenommen. Nach der
Klopffestigkeit werden Normal· und Superkraftstoffe unterschieden. Wegen des Einsatzes von
Abgaskatalysatoren werden verbleite und unverbleite Versionen hergestellt. In der Bundesrepublik
wird seit dem 1.1.1988 nur unverbleiter Normalkraftstoff abgegeben.
Dieselkraftstoffe bestehen aus Kohlenwasserstoffen mit 11 ... 18 C·Atomen im Siedebereich von
170 ... 370°C. Für den Einsatz in Verbrennungsmotoren sind insbesondere Zündwilligkeit, Kälte·
verhalten, Reinheit und Schwefelgehalt von Bedeutung. Die Zündwilligkeit kennzeichnet beim
Dieselmotor die Kraftstoffgüte. Sie ist die Bereitwilligkeit des Kraftstoffes zur Selbstentzündung
während der Einspritzung in den Brennraum. Als Maß für die Zündwilligkeit wird die Cetanzahl
CZ in Prüfmotoren festgestellt. Dies geschieht durch Messen des Zündverzugs (Zeit zwischen Ein·
spritzung und Verbrennungsbeginn ca.
0,001 s) gegenüber einem Bezugsgemisch.
Dieselmotoren verlangen einen leicht sieden· p(bar)
den, zündwilligen Kraftstoff. Bei großem
Zündverzug ist bereits eine größere Menge
Kraftstoff eingespritzt, die dann unter
großer Triebwerksbelastung verbrennt. Da·
mit sind Verbrauchserhöhung, Leistungs·
einbußen und große Geräuschemission, ver·
bunden (Bild VI.27). Cetanzahl CZ und
Oktanzahl OZ laufen in ihrer Wirkung
einander entgegen. Sie können berechnet
werden mit:
OZ = 120 - 2CZ (VI.42)
Der für den Betrieb in Verbrennungsmotoren
verwendete Bereich liegt zwischen 45 ... 55 Grad Kurbelwinkel
CZ. Verringert man beispielsweise das
Verdichtungsverhältnis um eins, so sinkt die
=
ZV Zündverzug OT ;'Oberer Totpunkt

erforderliche Oktanzahl eines Ottomotors Bild V1.27. Verbrennung im Dieselmotor (Shell)


um 15, bei einem Dieselmotor steigt die
Cetanzahl um 10.
Für den Winterbetrieb ist das Kälteverhalten von Dieselkraftstoff von Bedeutung, da Paraffinaus·
scheidungen zu Filterverstopfungen führen können. Winterdiesel ist bis -15°C (Superdiesel bis
-22°C) filtrierbar. Sommerdiesel nur bis 0 °C. Bei tieferen Temperaturen ist für den ungestörten
Betrieb der Zusatz von Fließverbesserern, Benzin oder Petroleum erforderlich. Diese Mischungen
setzen meist die Zündwilligkeit herab.

Alternative Kraftstoffe
Flüssiggas (Autogas) ist ein Gemisch aus den bei der Erdölverarbeitung anfallenden Gasen Butan
und Propan, die bei 5 ... 15 bar flüssig werden. Für den Betrieb in Vergaser·Ottomotoren kann
Flüssiggas neben dem Benzinbetrieb verwendet werden. Flüssiggas ist hochkopffest (ROZ > 100)
und verbrennt sehr schadstoffarm. Gegenüber Benzin etwas erhöhter Verbrauch bei geringerer
Leistung. Flüssiggas wird oft als Kombination mit Benzinbetrieb verwendet (von Gas auf Benzin
umschaltbarer Betrieb).
Methanol (Methylakohol) und Äthanol (Ä thylalkohol aus pflanzlichem Material) kann aus kohlen·
stoffhaltigen Rohstoffen einfach hergestellt werden. Methanol besitzt im Vergleich zu Benzin eine
hohe Klopffestigkeit, geringe Schadstoffemissionen, jedoch nur einen geringen spezifischen Heiz·

1127
Kraft- und Arbeitsmaschinen

wert H u (ca. 49 % von Benzin). Nachteilig wirken sich der niedrige Dampfdruck, der höhere Siede-
punkt und Korrosionsprobleme gegenüber bestimmten Legierungen aus. Großversuche wurden
bereits mit Fahrzeugen im Mischkraftstoffbetrieb (Benzin/Methanol - 85 %: 15 %) durchgefUhrt.
Wasserstoff ist als Kraftstoff technisch bereits erprobt, die Herstellung ist jedoch nur mit schlech-
tem Wirkungsgrad möglich. Für den Transport besteht die Möglichkeit, Wasserstoff an Metall-
legierungen (TiFe oder Mg) gebunden als Metallhydrid zu speichern, da das MitfUhren von ver-
flüssigtem Wasserstoff in Fahrzeug-Druckbehältern (-250 Oe) schwierig ist.

4. Kraftstoff-Förderanlage
Die Kraftstofförderanlage hat den Vergaser oder die Einspritzanlage mit Kraftstoff zu versorgen.
Sie besteht aus Kraftstoffbehälter , Kraftstofförderpumpe, Leitungen und Kraftstoffilter. Kraft-
stoffbehälter werden aus korrosionsbeständig behandeltem Stahlblech oder aus Kunststoff her-
gestellt. Sie sind mit einem Be- und Entlüftungssystem ausgestattet. Verdampfende Kraftstoff-
anteile werden bei Motorstillstand oft in einen Aktivkohlebehälter geleitet, wo die gasförmigen
Kohlenwasserstoffe festgehalten werden. Bei laufendem Motor werden die Dämpfe abgesaugt
und dem Vergaser zugeführt.
Kraftstoffilter sind meist Papierfilter , die vor der Schwimmerkammer des Vergasers, oder der
Druckregeleinrichtung der Einspritzanlage angebracht sind. Als Kraftstofförderpumpen werden
mechanisch, elektrisch oder pneumatisch angetriebene Pumpen verwendet.
Mechanische Membranpumpen mit Siebfilter, werden von der Motornockenwelle angetrieben.
Elektrische Rollenzellenpumpen für Einspritzanlagen werden als Inline- oder Intankpumpe ein-
gesetzt. Pneumatische Pumpen werden durch die Druckdifferenz im Kurbelgehäuse von Zwei-
taktmotoren zwischen Vorverdichten und Überströmen angetrieben.

5. Luftfilter
Die im Verbrennungsmotor benötigte Luft kann mit Staub anteilen von unterschiedlicher Kon-
zentration belastet sein. Richtwerte: 1 mg Staub/m 3 Ansaugluft im Straßenbetrieb, bis 35 mg/m 3
in Baumaschinen und Mähdrescher.
Dieser Staubanteil würde den Verschleiß von Kolben und Zylinder erheblich erhöhen. Luftfilter
übernehmen neben der Ansaugluftreinigung die Dämpfung der Ansauggeräusche sowie die Regu-
lierung der Ansauglufttemperatur (Bild VI.28). Trockenluftfilter haben auswechselbare Papier-
Feinfilterpatronen.
Mit zunehmender Verschrnutzung steigt der Durchflußwiderstand, so daß die Standzeit von den
Einsatzbedingungen abhängt. Für Nutzfahrzeuge werden bei hohem Staubanteil Zyklon- Vorab-
scheider vorgeschaltet. Die angesaugte Luft wird durch Leitbleche in Drehung versetzt und die

1= Unterdruckdose Bild VI.28


mit PKW-Trockenluftfilter mit Ansaug-
Warmluftklappe luftvorwärmung (Mann)
Pneumatische Regulierung mit Einfach-Bimetallregler

1128
VI. Verbrennungsmotoren

staubsammel-
behälter

Bild VI.29
Luftfilter mit Zyklon-Vor-
abscheider fUr Nutzkraft-
Luftfiltereinso tz wagen (Mann)

gereinigte
Luft

schweren Staubteilchen durch die Fliehkraft entweder ins Freie oder in einen Staubsammel-
behälter getragen (Bild VI.29). Kombinationsluftfilter (Vorabscheider und Feinfilterpatrone in
einem Gehäuse) erreichen auch bei hohem Staubanteil gute Standzeiten (Nutzfahrzeuge, Schlepper,
Mähdrescher). Sie sind oft mit einer Sicherheitspatrone versehen. Sie soll Staubeintritt während
des Filterwechsels oder bei beschädigtem Hauptfilter vermeiden.
Beim Ölbadluftfilter (für Nutzfahrzeuge meist in Verbindung mit Zyklon-Vorabscheider) strömt
die angesaugte Luft über ein Ölbad, wird umgelenkt und durch Fliehkraftwirkung vorgereinigt.
Die aufwärtsströmende Luft reißt Öltröpfchen mit, die den Filtereinsatz benetzen und damit den
Staub binden. Die gesättigten Tropfen fallen in das Ölbad zurück. Der Staub sinkt als Schlamm ab.
Zur Wartung muß der Filtereinsatz in Kraftstoff ausgewaschen und die Ölflillung erneuert werden.
Ölbadluftfilter werden zunehmend durch die wartungsfreundlicheren Trockenluftfilter verdrängt.
Naßluftfilter werden bei geringem Staubanteil (z.B. für Stationärmotoren und Schiffsdiesel) ver-
wendet. Die Luft durchströmt einen ölbenetzten Einsatz aus Metallwolle oder Naturfasern, an dem
sich die Staub teilchen ablagern .

6. Vergaseranlagen
6.1. Arbeitspiel des Otto-Viertaktmotors
Das Arbeitspiel des Viertaktmotors umfaßt zwei KW-Umdrehungen oder vier Kolbenhübe (Takte).
Beim Zweitaktmotor eine KW-Umdrehung und zwei Kolbenhübe. Im ersten Takt saugt der Kolben
durch Bewegung von OT nach UT Gemisch an. Um eine gute Füllung zu erreichen (Liefergrad),
öffnet das EV bereits 10 ... 30° vor OT und schließt erst ca. 30 ... 60° nach UT. Im zweiten Takt
wird die Zylinderflillung auf 10 .. , 16 bar verdichtet, wodurch die Temperatur auf 400 .,. 500 oe
ansteigt. Etwa 40 ... 0° vor OT wird das Gemisch gezündet. Der Verbrennungsdruck steigt bis ca.
60 bar an. Es wird eine Verbrennungstemperatur von ca. 2500 oe erreicht. Durch die Expansion
im dritten Takt wird Arbeit verrichtet. Bereits 40 '" 60° vor UT öffnet das AV und läßt die Abgase
mit hoher Strömungsgeschwindigkeit und ca. 600 ... 900 oe in das Auspuffsystem ausströmen
(Voröffnung vermeidet Staudruck in UT). Im vierten Takt ist zum Ausschieben der Abgase
zwischen UT und OT nur noch ein geringer Spüldruck notwendig. Das Auslaßventil schließt erst
5 ... 30° nach OT. Dies ergibt eine Ventilüberschneidung durch gemeinsame Öffnung von EV und
AV zwischen dem vierten und ersten Takt.

6.2. Gemischbildung
Das Gemischbildungssystem des Ottomotors soll für zündfähiges Kraftstoff-Luft-Gemisch sorgen.
Ein zündfahiges Gemisch ist nur innerhalb bestimmter Mischungsverhältnisse zu erzielen.

1129
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Die vollständige Verbrennung von 1 kg Kraftstoff (Normalbenzin) erfordert 14,7 kg Luft (stöchio-
metrisches Verhältnis)
Das Luftverhältnis A kennzeichnet das Verhältnis des tatsächlichen zum theoretischen Luftbedarf

A=
zugeführte Luftmenge
=-
L AlL, L min (V1.43)
theoretischer Luftbedarf L min
1 kg
A = 1 -+ stöchiometrisches Verhältnis
A< 1 -+ fettes Gemisch, weniger Luftanteil
A> 1 -+ mageres Gemisch, Luftüberschuß
Zum Kaltstart wird ein sehr fettes Gemisch (Anreicherung), im Teillastbereich ein mageres Ge-
misch (für geringen Verbrauch) benötigt. Vollast und Leerlauf erfordern ein fettes Gemisch. Die
Abhängigkeit der Schadstoffemissionen, der Leistung und des spezifischen Kraftstoffverbrauchs
zeigt Bild V1.30. Da kein Luftverhältnis in der Lage ist, alle Faktoren zu optimieren, muß man ver-
suchen, über eine genau dosierte Kraftstoffmenge und eine genaue Mengenermittlung der Ansaug-
luft, den für die Praxis zweckmäßigsten Wert (A = 0,9 ... 1,1) in engen Grenzen einzuhalten. Es
werden Vergaser und Einspritzsysteme verwendet. Beim Vergaser wird das Gemisch durch Zer-
stäubung im Saugrohr des Vergasers gebildet. In den gasförmigen Zustand gelangt der Kraftstoff
durch Verwirbe1ung im Zylinder während der Verdichtung und durch die Wandungswärme von
Saugrohr und Zylinder. Beim Einspritzsystem wird der Kraftstoff von einem Einspritzventil fein
zerstäubt vor das Einlaßventil (K-, L-Jetronic) oder vor die Drosselklappe (Mono-Jetronic) ge-
spritzt.

eS
z
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Ö
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fett mager
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Cl
c:
CD
::;;
0.8 1.0 1,2 CD
>
~
Luftverhältnis A Gi
er.
0.6
Bild VI.30. Einfluß des Luftverhältnisses auf Leistung, Verbrauch
und Abgaszusammensetzung (Hosch) Luftverhältnis A

Ansaugluftvorwärmung (Bild V1.28) und Saugrohrbeheizung durch Abgaswärme oder Wasser-


beheizung ermöglicht nach dem Kaltstart eine kürzere Warmlaufphase bei besserem Motorlauf
und geringerem spezifischen Kraftstoffverbrauch. Elektrische Heizelemente im Saugrohr oder
Vergaser oder auch Kombinationen beider Systeme ergeben temperaturkonstante Ansaugluft.

6.3. Vergaserbauarten
Nach der Strömungsrichtung des Kraftstoff-Luft-Gemisches unterscheidet man Fall-, Flach- und
Steigstromvergaser. Motoren mit hohem Leistungsniveau werden mit Doppel. und Mehrfach·
vergasern oder Register (Stufen)- und Doppelregistervergasern ausgestattet. Membranvergaser
und Schiebervergaser werden bei Zweitakt-Kleinmotoren verwendet.

1130
VI. Verbrennungsmotoren

2 ---ml~~~
4 · ttr~-19
~~~----m~~~
3 1I-,......,,~- 20

7
~~=irl:1- 21
9
~~~- 22
:-IH!I~- 23
~=~
31
30
Bild Vl.31. Hauptschema eines
Fallstromvergasers (Pierburg)
29 27 26 25
1 Vergasergehäuse 12 Zusatzkraftstoff-Luftdüse 22 Pumpenfeder
2 Vergaserdeckel 13 Mischrohr flir Zusatzgemisch 23 PumpensaugventiI
3 Vergaserdeckeldichtung 14 Starterklappe 25 Drosselklappe
4 Kraftstoffanschluß 15 Vorzerstäuber 26 Übergangsbohrungen
6 Schwimmerhebel 16 Hauptgemischaustritt 27 Leerlaufgemischaustritt
7 Drahtbügel 17 Spritzrohr 28 Leerlaufabschaltventil
8 Schwimmernadelventil 18 Pumpendruckventil 29 Grundleerlauf-Gemischregulier-
9 Schwimmer 19 Pumpenstößel schraube
10 Leerlaufkraftstoff-Luftdüse 20 Pumpenkolben 30 Zusatzgemisch-Regulierschraube
11 Luftkorrekturdüse mit Mischrohr 21 Pumpenmanschette 31 Hauptdüse

Fallstromvergaser (Bild V1.31)


Schwimmereinrichtung
Über die Kraftstofförderpumpe gelangt der Kraftstoff zum Schwimmergehäuse . Der Zufluß und
damit das Kraftstoffniveau in der Schwimmerkammer wird durch den Schwimmerauftrieb und das
Schwimmernadelventil gesteuert. Über die Hauptdüse fließt der Kraftstoff in den Mischrohrschacht
und füllt ihn im Normalbetrieb bis auf Schwimmerkammerniveau. Durch die Schwimmerkam-
merinnenbelüftung wird ein Druckausgleich zwischen Mischrohr und Schwimmergehäuse erreicht.
Starteinrichtung
Der kalte Motor benötigt zum Start ein sehr fettes Gemisch, da sich ein Teil des Kraftstoffes an
den kalten Wandungen niederschlägt. Die Starteinrichtung sorgt für dieses fette Gemisch über die
Starterklappe, die manuell über einen Seilzug oder als Startautomatik über eine Bimetallfeder
selbsttätig bewegt wird. Durch Fahrpedalbetätigung wird die Bimetallfeder entriegelt. Sie zieht
sich zusammen und schließt die Starterklappe je nach Außentemperatur. Gleichzeitig wird die
Drosselklappe etwas geöffnet (Drosselklappenspalt) . Beim Anlassen wird durch den Unterdruck
Kraftstoff angesaugt. Nach dem Starten wirkt der erhöhte Unterdruck über die Unterdruckleitung
auf die Pulldown-Membran, die über ein Gestänge die Starterklappe etwas aufzieht, um ein über-
fetten zu verhindern. Der kalte Motor läuft mit erhöhter LeerJaufdrehzahl. Mit zunehmender
Motorerwärmung wird die Starterklappe über die sich aufrollende Bimetallfeder langsam geöffnet.

1131
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Das Gemisch magert langsam ab, bis die Starterklappe senkrecht steht. Damit gelangt auch die
Drosselklappe in ihre Normalstellung. Die Bimetallfeder ist über das Gehäuse an den Kühlmittel-
kreislauf angeschlossen oder wird elektrisch beheizt. Eine Kombination beider Heizungsarten wird
auch verwendet.
Beim Leerlauf ist die Drosselklappe fast geschlossen. Das Leerlaufgemisch wird aus dem Grund-
leerlaufgemisch und dem Zusatzgemisch gebildet, da der Unterdruck nicht ausreicht, um aus dem
Hauptdüsensystem anzusaugen. Der Kraftstoff wird über den Leerlaufgemischaustritt dicht unter
der Drosselklappe angesaugt. Die Leerlaufdrehzahl kann mit der Zusatzgemisch-Regulierschraube
eingestellt werden. Mit dem Leerlaufabschaltventil wird nach Ausschalten der Zündung ein Nach-
laufen des Motors verhindert.
Übergangssystem
Beim übergang von Leerlauf auf Teillast wird die Drosselklappe über das Fahrpedal etwas geöffnet,
so daß die übergangsbohrungen frei werden (Bypass-Bohrungen) und zusätzlich Kraftstoff aus den
Bypass-Bohrungen angesaugt wird, bis bei weiterer Drosselklappenöffnung das Hauptdüsensystem
wirksam wird. Der Kraftstoff tritt nun aus dem Hauptgemischaustritt aus (Unterdruck geringer
als im Leerlaufsystem), der Leerlauf- und übergangsgemischaustritt an der Drosselklappe wird
unterbrochen. Bei zunehmender Drosselklappenöffnung sorgt eine unterdruckgesteuerte Teil-
lastanreicherung für den erhöhten Kraftstoftbedarf.
Beschleunigungseinrichtung
Beim Beschleunigen muß dem Motor zusätzlich Kraftstoff über die Beschleunigungspumpe zu-
geführt werden. Die mechanisch betätigte Beschleunigungspumpe wird als Kolbenpumpe (Bild
V1.31) oder als Membranpumpe ausgeführt. Sie leitet über das Spritzrohr zusätzlich Kraftstoff
zu. Bei hoher Teillast oder bei Vollast (Drosselklappe ganz geöffnet) sorgt ein zusätzliches Voll-
lastanreicherungsrohr für zusätzliche Kraftstoffanreicherung. Die Teillastanreicherung ist gleich-
zeitig mit dem Hauptsystem in Betrieb.
Vergaserzusatzeinrichtungen sind Höhenkorrektur (luftdruckabhängige Kraftstoffdrosselung
durch eine Druckdose) und Gemischvorwärmung (gegen Vereisung). Durch Schubabschaltung
erfolgt Kraftstoffersparnis durch Schließen der Drosselklappe im Schiebebetrieb (über die
Zündung gesteuert).
Sind der Hubraum Vh eines Zylinders, die maximale Motordrehzahl n und die Zylinderanzahl
bekannt, so kann der erforderliche Vergaserdurchmesser d (Saugrohrdurchmesser) berechnet
werden (Solex):

d =k-./Vh n (V1.44)

mit k =0,0026 für 1 bis 4 Zylinder je Vergaser


k =0,031 für 6 Zylinder je Vergaser
k = 0,036 für 8 Zylinder je Vergaser

Fallstrom-Registervergaser
Der Register(Stufen)-Vergaser verfügt über zwei Mischkammern, die zwei verschiedene Quer-
schnitte aufweisen und in ein gemeinsames Ansaugrohr münden. Stufe I arbeitet als Vergaser mit
den zuvor beschriebenen Teilsystemen für Kaltstart, Teillast, Teillastanreicherung und Beschleu-
nigungseinrichtung. Die zweite Vergaserstufe (größerer Querschnitt) wird über ihre Drosselklappe
belastungsabhängig durch eine Unterdruckdose zugeschaltet, damit im oberen Teillast- und Voll-
lastbereich eine größere Gemischmenge zur Verfügung steht. Es werden Vergaser mit einem oder
zwei Schwimmersystemen gebaut. Einsatz in Motoren mit großem Drehzahlbereich und gehobenen
Leistungsanforderungen meist mit Startautomatik und Schubabschaltung.
1132
VI. Verbrennungsmotoren

Doppelregistervergaser werden für 6 .. . 8-Zylindermotoren verwendet. Hierbei sind zwei Register-


vergaser zu einem Vergaser mit meist gemeinsamer Schwimmerkammer in einer Baugruppe vereint.
Die Drosselklappen der I. Stufen sind mechanisch miteinander verbunden, die 11. Stufen werden
mechanisch oder unterdruckgesteuert zugeschaltet . Je eine 1.- und II.-Stufe versorgt die Hälfte
der Zylinder.
Doppelvergaser verwenden zwei Mischkammern gleichen Querschnitts. Die Drosselklappen werden
gemeinsam betätigt. Je eine Mischkammer versorgt die Hälfte der Zylinder. Es wird nur eine
Schwimmerkammer, eine Start- und Beschleunigungseinrichtung verwendet (flic Motoren mit
großem VH ) .
Flachstrom-Gleichdruckvergaser arbeiten mit konstantem Unterdruck in der Mischkammer. Mit
nur einem variablen Düsensystem im Zusammenwirken mit dem Luftsteuerkolben, wird der
Gemischbedarf stufenlos von Leerlauf bis Vollast geregelt. Die Kolbensteuerung und die Steue-
rung des Nadeldüsenquerschnittes, erfolgt durch Unterdruck in Abhängigkeit von der Drossel-
klappensteIlung, der Motordrehzahl und der Motorbelastung.

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1 Multifunktioneller Katalysator
2 Elektronisches Steuergerät
3 Lambda-Sonde
4 Temperaturftihler (Kühlmittel)
5 Heizwabe
6 Luftfilter
7 Vergaser
8 Drosselklappenpotentiometer
9 Vordrosselsteller
4 10 Drosselklappenansteller
Bild V1.32. Elektronischer Vergaser (Pierburg)

1133
Kraft- und Arbeitsmaschinen
Der elektronisch geregelte Vergaser (Bild VI.32) ist ein elektronisches Gemischbildungssystem.
Er besteht aus einem bis auf seine Grundsysteme reduzierten Vergaser (Fallstrom-Register) mit
Stellelementen, einem elektronischen Steuergerät und Sensoren zur Meßwerterfassung. Das Steuer-
gerät verarbeitet Signale der DrosselklappensteIlung, der Kühlmitteltemperatur, der Motordreh-
zahl, der Lambdasonde, der Klimaanlage und dem automatischen Getriebe.
Die Signale werden vom Steuergerät verarbeitet und kennfeldgesteuert als Steuergrößen den
Vergaseranbaukomponen ten zur Gemischbeeinflussung zugeführt.
Das System bietet die Möglichkeit der Selbstdiagnose, indem Abweichungen während des
Betriebes erfaßt, gespeichert und aus dem Fehlerspeicher , abgerufen werden können. Die Bei-
behaltung der Vergasergrundfunktionen ermöglicht bei einem Ausfall der Motorelektrik Not-
laufeigenschaften.
Die herkömmlichen Vergasereinrichtungen rur Start, Warmlauf, Beschleunigung und Anreiche-
rung entfallen und werden durch elektronisch beeinflußte Stellglieder ersetzt.
Vergaseranbaukomponenten des elektronischen Vergasers
Das Drosselklappenpotentiometer erfaßt die Stellungen und Bewegungsabläufe der Drosselklappe
und meldet sie als Signal dem Steuergerät. Der Vordrosselschalter (Stellmotor) steuert über die
Vordrosselklappe und die Leerlaufkorrekturdüse, das Mischungsverhältnis bei Kaltstart, Warmlauf,
Beschleunigung, Lambda-Regelung und Überdrehzahlschutz. Der Drosselklappenansteller beein-
flußt elektropneumatisch die Stellung der Drosselklappe zur Füllungssteuerung bei Leerlauf,
Start, Warmlauf, Schubabschaltung und Motorstop.

7. Benzineinspritzung
Durch Benzineinspritzsysteme werden die Anforderungen an geringe Schadstoffemissionen durch
genaue Kraftstoffzumessung (geringe Abweichungen von A = 1) erfüllt. Darüber hinaus werden bei
geringerem spezifischem Kraftstoffverbrauch ein höheres Motordrehmoment bei niedriger Dreh-
zahl und größere Hubraumleistungen erzielt.
Die K-Jetronic ist als ein mechanisch arbeitendes Einspritzsystem gebaut worden, bei dem der
Kraftstoff in Abhängigkeit von der angesaugten Luftmenge kontinuierlich eingespritzt wird. Der
Kraftstoff wird von der elektrisch betriebenen Rollenzellenpumpe aus dem Kraftstoffbehälter
angesaugt und über Druckspeicher , Filter und Kraftstoffmengenteiler zu den Einspritzventilen
an jedem Zylinder geleitet, die kontinuierlich vor die Einlaßventile Kraftstoff zerstäuben. Der
Kraftstoffdruck wird im Kraftstoffmengenteiler durch den Systemdruckregler konstant gehalten.
Zuviel geförderter Kraftstoff geht in den Tank zurück. Nach Abstellen des Motors hält der Kraft-
stoffspeicher das System unter Druck, um einen erneuten Start zu erleichtern. Die Kraftstoff-
pumpe läuft aus Sicherheitsgründen nur bei Starterbetätigung. Die Einspritzventile arbeiten als
federbelastete, schwingende Nadelventile, die ab 3,3 bar Öffnungsdruck selbsttätig öffnen und
den Kraftstoff fein zerstäuben. Der Gemischregler besteht aus dem Luftmengenmesser und aus
dem Kraftstoffmengenteiler. Die vom Motor angesaugte Luft strömt durch den Trichter und hebt
die über einen Hebel bewegliche Stauscheibe an. Die Stauscheibenbetätigung wird über den Hebel
auf den Steuerkolben des Mengenteilers übertragen. Der Steuerkolben öffnet je nach Stellung die
Steuerschlitze rur jeden Zylinder des Motors. Über je ein Differenzdruckventil gelangt der Kraft-
stoff zum Einspritzventil.
Die Gemischanpassung an verschiedene Betriebszustände erfordert Zusatzeinrichtungen. Zur
Erleichterung des Kaltstarts wird über das Kaltstartventil (elektropneumatisch betätigt) zusätz-
lich Kraftstoff in das Sammelsaugrohr eingespritzt und so das Gemisch angereichert (A < 1 = fettes
Gemisch). Der Thermozeitschalter begrenzt in Abhängigkeit von der Motortemperatur , der Um·
gebungstemperatur und der Eigenheizung die Einspritzzeit. In der Warmlaufphase erfolgt eine

1134
VI. Verbrennungsmotoren

Bild VI.33. K-Jetronic-Anlagenschema (Bosch)

1 Kraftstoffbehälter 8 elektrisches Startventil 13 Thermozeitschalter


2 Elektrokraftstoffpumpe 9 Gemischregler 14 Zündverteiler
3 Kraftstoffspeicher 9a Kraftstoffmengenteiler 15 Zusatzluftschie ber
4 Kraftstoffilter 9b Systemdruckregler 16 Drosselklappenschalter
5 Warmlaufregler 10 Luftmengenmesser 17 Steuerrelais
6 Einspritzventil lOa Stauscheibe 18 Steuergerät
7 Sammelsaugrohr 11 Taktventil 19 Zünd-Start-Schalter
12 Lambda-Sonde 20 Batterie

Gemischanreicherung durch den Warmlaufregler. Die erhöhte Leerlaufdrehzahl wird in der Warm-
laufphase durch den Zusatzluftschieber erzielt, der unter Drosselklappenumgehung eine Zusatz-
luftmenge für den einwandfreien Motorlauf zuflihrt.
Zum Betrieb eines Dreiwege-Katalysators ist das mechanische System nicht genau genug. Ein
elektronisches Steuergerät, dessen wesentliches Eingangssignal von der Lambdasonde kommt,
steuert über das Taktventil den Differenzdruck über den Steuerschlitzen und damit die Einspritz-
menge (Luftkraftstoff-Verhältnis nur gering von A = 1 abweichend).
Die KE-Jetronic ist die Weiterentwicklung der K-Jetronic. Das mechanisch-hydraulische Grund-
prinzip der K-Jetronic bleibt erhalten. Zur Verbesserung der Gemischanpassung, insbesondere
während der Warmlaufphase und beim Lastwechsel werden von einem elektronischen Steuer-
gerät zusätzliche , von Sensoren erfaßte Daten verarbeitet.
Der wesentliche Unterschied besteht im Wegfall des Warmlaufreglers. Dessen Aufgabe und zu-
sätzliche Steuerfunktionen übernimmt der elektrohydraulische Drucksteller. Das Steuergerät
verarbeitet die Signale, die von der Zündung (Motordrehzahl), Motortemperaturflihler, Stau-
scheiben-Potentiometer (angesaugte Luftmenge), Drosselklappenschalter (GaspedalsteIlung),

1135
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Starterschalter und Lambda-Sonde kommen und gibt sie als Steuersignale an den elektrohydrau-
!ischen Drucksteller weiter. Damit können neben Start-, Vollast- und Beschleunigungsanreiche-
rung, Schubabschaltung, Drehzahlbegrenzung, Lambdaregelung und Höhenkorrektur verwirk-
licht werden_
Die L-Jetronic ist eine elektronisch gesteuerte Benzineinspritzung mit Luftmengenmessung und
intermittierender Einspritzung (Bild VI.34).
Der Kraftstoff wird von der Pumpe aus dem Tank gesaugt und über das Filter und dem Verteiler-
rohr dem Druckregler zugeführt. Der sorgt ftir gleichmäßigen Kraftstoffdruck (2,5 bar) an den
elektromagnetisch betätigten Einspritzventilen. Jeder Zylinder ist mit einem Einspritzventil ver-
sehen, die alle gleichzeitig, unabhängig von der EinlaßventilsteIlung, je Kurbelwellenumdrehung
einmal betätigt werden (intermittierend). Die Einspritzmenge wird über die Öffnungsdauer der
Einspritzventile vom Steuergerät beeinflußt. Die Ansaugluft bewegt eine federbelastete Stauklappe
im Luftmengenmesser. Die WinkelsteIlung der Stauklappe wird über ein Potentiometer als Signal
an das Steuergerät weitergeleitet. Vom Steuergerät werden weiterhin die Ansauglufttemperatur

BOSCH

Bild VI.34. L-Jetronic-Anlagenschema (Bosch)


1 Kraftstoffbehälter 9 Leerlaufdrehzahl-Einstell- 15 Motortemperaturftihler
2 ElektroJaaftstoffpumpe schraube 16 Thermozeitschalter
3 Kraftstoffilter 10 Drosselklappenschalter 17 Zündverteiler
4 Verteilerrohr 11 Drosselklappe 18 Zusatzluftschieber
5 Druckregler 12 Luftmengenmesser 19 Leerlaufgemisch-Einstell-
6 Steuergerät 13 Relaiskombination schraube
7 Einspritzventil 14 Lambda-Sonde 20 Batterie
8 Kaltstartventil 21 Zünd-Start-Schalter

1136
VI. Verbrennungsmotoren

im Luftmengenmesser , die Motordrehzahl und der Einspritzzeitpunkt über die Zündanlage, die
Motortemperatur über den Temperaturfühler und die Stellung der Drosselklappe über den Drossel-
klappenschalter (Belastungssignal), verarbeitet. Die Funktionen des Zusatzluftschiebers, des
elektrischen Kaltstartventils und des Thermozeitschalters, entsprechen denen bei der K-Jetronic
beschriebenen.
Als weitere Funktionen sind Schubabschaltung im Schiebebetrieb, sowie Drehzahlbegrenzung bei
maximaler Motordrehzahl möglich . Die Signale der Lambda-Sonde werden vom Steuergerät zur
Gemischänderung über die Öffnungsdauer der Einspritzventile verarbeitet.
Die LH-Jetronic ist die Weiterentwicklung der L-Jetronic. Zur Messung der angesaugten Luftmenge
wird statt des Klappen-Luftmengenmessers ein Hitzdraht-Luftmassenmesser verwendet. Die An-
saugluft wird über einen beheizten Platindraht geleitet, der auf konstanter Temperatur gehalten
wird. Die Veränderung des Heizstromes zur Temperaturkonstanthaltung wird als Maß für die an-
gesaugte Luftmasse verwendet.
Das digitale Steuergerät steuert das Gemisch über ein Last-Drehzahl-Motorkennfeld. Gemisch-
beeinflussender Faktor ist die Einspritzdauer der Einspritzventile. Statt des Zusatzluftschiebers
besitzt die LH-Jetronic einen Leerlaufsteller, mit dem eine Leerlauffüllungsregelung zur Regelung
und Stabilisierung der Leerlaufdrehzahl erreicht wird.
Die Zentraleinspritzung (Bild VI.35) ist eine elektronische Einspritzanlage, die im Gegensatz zur
K- und L-Jetronic nur ein Einspritzventil zur intermittierenden Einspritzung (synchron zum An-
saugtakt) vor der Drosselklappe verwendet (Mono-Jetronic). Durch die hohe Luftgeschwindigkeit

Bild VI.35 . Zentraleinspritzung Mono-Jetronic (Bosch)


1 Kraftstoffbehälter 6 Luft-Temperaturflihler 11 Motor-Temperaturflihler
2 Elektrokraftstoffpumpe 7 Steuergerät 12 Zündverteiler
3 Kraftstoffilter 8 Drosselklappenstellmotor 13 Batterie
4 Systemdruckregler (1 bar) 9 Drosselklappenpotentiometer 14 Zünd-Start-Schalter
5 Einspritzventil 10 Lambda-Sonde 15 Relais
1137
Kraft- und Arbeitsmaschinen

und die Spritzkegelausformung wird eine gute Gemischaufbereitung erzielt. Die Gemischver-
teilung erfolgt wie beim Vergaser über das Saugrohr zu den einzelnen Zylindern.
Das digitale Steuergerät mit Mikrocomputer und Kennfeldspeicher, verarbeitet Signale des Luft-
temperaturfühlers, des Drosselklappenpotentiometers, des Motortemperaturfühlers, der Lambda-
Sonde, sowie der Zündung und berechnet hieraus die Einspritzdauer des zentralen Einspritzventils
als Maß für die jeweilige Gemischzusammensetzung.
Hauptsteuergrößen sind die DrosselklappensteIlung und die Motordrehzahl. Zur Kaltstartanreiche-
rung und zum Warmlauf erfolgt Mehreinspritzung. Leerlauf-Drehzahlsteuerung erfolgt über den
Drosselklappenstellmotor (Mehrluftmengenzufuhr). Teillast, Vollast, Beschleunigung und Schiebe-
betrieb werden aus dem Drosselklappensignal erkannt und auf die Einspritzdauer umgerechnet.
Die K- und L-Jetronic-Systeme, einschließlich der Zentraleinspritzung optimieren im weitesten
Sinne nur die Gemischzusammensetzung.
Die Motronic verbindet die Einzelsysteme der Benzineinspritzung und der elektronischen Zündung
zu einem digitalen Motorsteuerungssystem.
Diese Steuerung basiert auf gespeicherten Kennfeldern (Zünd-, Einspritz-, Schließwinkel-, Lambda-
regelungs- und Warmlaufkennfeld), deren Parameter z.B. abhängig von Drehzahl, Belastung und
Batteriespannung sind.
In einem Mikrocomputer werden die durch Sensoren übermittelten Daten in Steuergrößen für den
günstigsten Zündzeitpunkt (Zündwinkel, Schließwinkel), die optimale Kraftstoffeinspritzmenge
(A. = I-Regelung über Einspritzdauer) und Leerlaufregelung (Leerlaufsteller) umgerechnet und
über Leistungsendstufen verstärkt an die entsprechenden Stellglieder angelegt (Bild VI.36). Der
Mikrocomputer kann die Einspritzmenge und den Zündzeitpunkt genau an die verschiedenen
Betrie bszustände anpassen. Vorteil: Geringe Schadstoffemission , geringer Kraftstoffverbrauch
und hohe Hubraumleistung.

Geber
'-_._.=--1
Steuergerät Stellglieder

Drehzahl Zündspule
Bezugs· Einspritz·
marke ventile
Luftmenge Relais
Temperatur Leerlauf·
Schalter steiler
Bild VI.36
Lambda· und
Sonde weitere Steuergrößen des Motronic-Steuergerätes (Bosch)
und
weitere

Die Motronic ermöglicht die Eigendiagnose , indem die im Fahrbetrieb gespeicherten Daten
beim Service ausgegeben werden können. Bei Bedarf werden Drehzahlbegrenzung, Klopfrege-
lung, Ladedruckregelung bei Turbomotoren, Start-Stop-Betrieb, Getriebesteuerung bei Auto-
matikgetrieben, Zylinderabschaltung und Geschwindigkeitsregelung mit der Motronic realisiert.

1138
VI. Verbrennungsmotoren

5 e

Bild VI.3 7. Kennfelder des Motronic-Systems (Bosch).


1 Zündwinkel, 2 Schließwinkel, 3 Lambda-Kehrwert, 4 Öffnungsverhältnis des Leer-
laufstellers, 5 VentilsteIlung der Abgasrückflihrung, 6 Beschleunigungsanreicherung

8. Dieselmotoren
Fahrzeug-Dieselmotoren arbeiten nach dem Viertaktverfahren, Großdiesel (Schiffsdiesel) vor-
wiegend nach dem Zweitaktverfahren. Der Dieselmotor arbeitet mit innerer Gemischbildung und
Selbstzündung. Er saugt im ersten Takt über den Luftfilter Luft an und verdichtet sie im zweiten
Takt mit € = 14 ... 24 auf 28 ... 50 bar, wobei sie sich auf 750 .. . 900°C erwärmt. Etwa 15 ... 30°
vor OTwird mit einem Druck von 100 ... 150 bar (Vor- und Wirbelkammermotoren) und 200 ... 350
( ... 1000) bar (Direkteinspritzung) in die verdichtete Luft Kraftstoff eingespritzt. Der Einspritz-
vorgang endet 5 ... 20° nach OT . Die Zeit, in der sich der Kraftstoff dabei mit der Luft vermischt,
verdampft und dann selbstentzündet, wird als Zündverzug bezeichnet. Er beträgt ca. 0,001 s_ Er
ist abhängig von der Cetanzahl, der Lufttemperatur und der Zerstäubungsintensität. Größerer
Zündverzug ist unerwünscht und macht sich als harte, geräuschvolle Verbrennung (oft als Nageln
bezeichnet-Kaltstart) bemerkbar. Der Druck steigt im Arbeitstakt auf 60 ... 80 bar an, wobei die
Verbrennungstemperatur 2000 ... 2500 °c erreicht. Durch die Gasexpansion wird Arbeit verrichtet .
Dieselmotoren arbeiten mit Direkteinspritzung (luftverteilende und wand verteilende Einspritzung)
und mit indirekter Einspritzung nach dem Vor- und Wirbelkammerverfahren.

1139
Kraft· und Arbeitsmaschinen

Bei der luftverteilenden Direkteinspritzung wird der Kraftstoff


über eine Mehrlochdüse direkt in den durch Kolbenmulde und
Zylinderkopf gebildeten Brennraum gespritzt. Die Luft wird
durch den drallförmigen Einlaßkanal und die Kolbenmulden·
form in Drehung versetzt (gute Gemischbildung, geringer
spezifischer Kraftstoffverbrauch, gutes Kaltstartverhalten),
Einsatz in den meisten LKW·Motoren. Die wandverteilende
Direkteinspritzung nach dem MAN·M·Verfahren (Bild VI.38),
ist gekennzeichnet durch den kugelförmigen, im Kolbenboden
eingelassenen Brennraum, in den der Kraftstoff eingespritzt
wird. Nur etwa 5 % des Kraftstoffs zerstäuben und zünden
(Zündstrahl); 95 % treffen auf die Brennraumwand, wo sie als
Kraftstoffilm schichtweise abdampfen, sich mit der Luft ver-
mischen und vom Zündstrahl entzündet werden (weiche , zeitlich
kontrollierte Verbrennung, geringer Kraftstoffverbrauch). Beide
Direkteinspritzverfahren benötigen keine Kaltstarthilfen durch Bild VI.38. Direkteinspritzung
nach dem MAN·M-Verfahren
Glühkerzen.
(MAN)
Vorkammerverfahren: Der Kraftstoff wird mit einer Zapfendüse
(100 ... 130 bar) in die durch Bohrungen (Schußkanäle) mit dem
Brennraum verbundene, Vorkammer eingespritzt. Durch die
geringe Luftmenge in der Kammer (0,3 Vc ) verbrennt nur ein
kleiner Kraftstoffanteil.

Bild VI.39 . Vorkammerverfahren (Daimler-Benz) Bild VI.40. Wirbelkammerverfahren


(Opel)
1 Düsenhalter, 2 Abdichthülse, 3 Gewindering,
4 Vorkammereinsatz, 5 Dichtplatten, 6 Glühkerze,
7 Zylinderkopf, 8 Zylinderkopfdichtung

Durch den Druckanstieg wird verdampfender Kraftstoff mit hoher Geschwindigkeit in den Ver·
brennungsraum gedrückt, wo er sich mit der Luft mischt und verbrennt.
Wirbelkammerverfahren: Der Kraftstoff wird über eine Zapfendüse (110 ... 130 bar) in eine, mit
dem Zylinder durch einen großen tangentialen Schußkanal verbundene, kugelförmige Wirbel-
kammer (0,5 Vc ) gespritzt. Er entzündet sich an der stark verwirbelten Luft. Die Verbrennung
geht in den Hauptbrennraum über.

1140
V I. Verbrennungsmotoren

Kraflsloff - Slufenfiller
Entlüftungs-
Einsprilzdüse
-
Überslrömleilung

schraube ::r::a..i~:5::~i-=::il-=:l---=r~--=-,

Bild VI.41
übersicht über den Kraftstoffumlauf in
einer Diesel-Einspritzanlage (Hosch)

Gereinigter Kraftsloff ohne Gas-und Luftblasen Überlauf


_ Ungereinigler Kraflsloff mil Gas-und Luftblasen

Kennzeichen: Hohe Drehzahlen möglich, Einsatz in PKW-Motoren, Starthilfe durch Glühkerzen


nötig, relativ weicher Motorlauf.
Die Komponenten einer Dieseleinspritzanlage zeigt Bild VI.41.
Die Kraftstofförderpumpe fördert den Kraftstoff aus dem Tank durch ein Vorreinigungssieb über
das Filter zur Einspritzpumpe. Bei Falltankanlagen kann die Förderpumpe entfallen. Je nach
Förderleistung werden einfach- oder doppeltwirkende Kolbenförderpumpen verwendet , die meist
an der Reihen-Einspritzpumpe befestigt sind. Über einen Exzenter werden sie von der Einspritz-
pumpennockenwelle angetrieben. Förderhub und Fördermenge stellen sich je nach Druck in der
Förderleitung über die Kolbenfeder von selbst ein . Die Handpumpe dient zum Füllen und Ent-
lüften der Einspritzanlage.

Bild VI.42
Dieselkraftstoffilter (Mann)
a) Wechselfilterelement
b) Doppelfilter (Stufenfilter mit Vor-
filterstufe (1) und Feinfilter (2)

1141
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Als Kraftstoffilter für Dieselmotoren werden Wechselfilter oder Filtereinsätze aus Filz, meist aber
Papier verwendet (Filterbox mit Filterdeckel). Filterdeckel können mit einer Handpumpe versehen
sein. Einspritzpumpenelemente und Einspritzdüsen sind mit hoher Genauigkeit gefertigt. Hohe
Filterqualität (Filtrierfähigkeit 0,015 mm) und Einhaltung der Wechselintervalle tragen entschei-
dend zur Funktionsfähigkeit und Lebensdauer der Einspritzanlage bei. Eine Überströmdrossel am
Filter sichert einen gleichbleibenden Druck im Saugraum der Einspritzpumpe und entlüftet gleich-
zeitig den Filter und den Saugraum der Einspritzpumpe. Filterdeckel können mit Einrichtungen
zur Kraftstoffvorwärmung (gegen Paraffinausscheidung) versehen werden .

Einspritzpumpe
In der Einspritzpumpe wird der Kraftstoff belastungs- und drehzahl abhängig auf den Einspritz-
druck verdichtet. über die Einspritzleitungen wird er zu den Enspritzdüsen gefördert, die ihn in
den Verbrennungsraum einspritzen. Ver-
wendet werden Reihen- und Verteiler-
einspritzpumpen, sowie Pumpen flir
Vielstoffmotoren. Die Reiheneinspritz-
pumpe wird über Zahnräder, Zahn-
riemen oder Steuerketten mit Nocken-
wellendrehzahl (Viertaktmotor) von der
Kurbelwelle angetrieben. Zur Schmie-
rung der Pumpennockenwelle ist ent-
weder eine eigene Ölversorgung oder der
Anschluß an den Motorölkreislauf vor-
gesehen.
Aufbau: Die Reiheneinspritzumpe
(Bild VI.43) hat flir jeden Zylinder des
Motors ein Pumpenelement, das aus
einem Pumpenzylinder (meist Zweiloch-
element mit Zulauf- und Steuerbohrung)
und einem Pumpenkolben besteht. Der KolbenffJder
Kolben wird durch einen Nocken der
Pumpennockenwelle über Rollenstößel FfJdert8//er
gehoben und durch eine Feder gesenkt. Einste//lChreube
Der Kolben ist mit ca. 0,003 mm Spiel mit Gegenmutter

ohne Dichtelement in den Zylinder


eingepaßt. Feinabdichtung und Schmie-
rung erfolgt nur durch den Kraftstoff.
Da der Kolbenhub unveränderlich ist,
wird die Fördermenge durch Drehen des
Kolbens verändert_ Die über das Fahr-
pedal betätigte Regelstange verdreht
über einen Zahnkranz und eine Regel-
hülse alle Kolben der Einspritzpumpe.
Der Kolben ist mit einer Längsnut und K raMoff-FlJrderpumpe
einer schrägen Steuerkante versehen.
Durch die Längsnut ist der Druckraum
über dem Kolben mit dem Raum
unterhalb der Steuerkante verbunden Bild VI.43. Reiheneinspritzpumpe ftir einen 4-Zylinder-Motor
(Bild VI.44). (Bosch)

1142
VI. Verbrennungsmotoren

Val/ost Teillost Nultfo'rderung


Zylinder Sieufffbohrung Kolben Steuerkante Liingsnut Ringnul Zulaufbohrung

unterer Totpunkt Fö'rderbeginn Forderende Foroerbeginn Fi:irderende keine Förderung

Bild VI.44 , Kraftstoffregelung durch Drehkolben (Bosch)

Sobald die Kolbenoberseite die Zulaufbohrung verschließt, beginnt die Förderung. Sie endet,
wenn die Steuerkante die Steuerbohrung freigibt. Je nach Drehung des Kolbens (FahrpedalsteIlung)
geschieht dies früher oder später (Teillast oder Vollast). Förderbeginn ist immer im gleichen
Zeitpunkt, das Förderende ist variabel. Das Abstellen des Motors (Nullförderung) wird durch
Kolbenverdrehung in die Stellung vollzogen, in der
die Längsnut vor der Steuerbohrung steht. Ein
Regelstangenanschlag begrenzt den Weg der Regel-
stange und damit die Vollastmenge. Um bei För-
derende ein schnelles Schließen der Einspritzdüse zu
erreichen und ein Nachtropfen von Kraftstoff in den
Verbrennungsraum zu verhindern, muß der Druck in
der Druckleitung etwas sinken. Das Druckventil
schließt bei Förderende den Druckraum gegenüber
der Einspritzleitung ab und sorgt für ein sicheres
Schließen der Einspritzdüse ohne Nachtropfen.

Drehzahlregler
Dieselmotoren sollen entweder eine bestimmte 0) geschlossen b) bei Förderung
Drehzahl unabhängig von der jeweiligen Belastung
einhalten oder einen Drehzahlbereich nicht über-
oder unterschreiten. Die Anforderung wird durch
Verändern der Einspritzmenge mittels Regel-
stangenverschiebung erftillt. In Fahrzeugmotoren
(PKW, LKW) dient der Regler zur Sicherung der ~::~~-~nlilkegel
Leerlauf und Höchstdrehzahl. Alldrehzahlregler 'r---;~-Entloslungs­
wirken über den gesamten Drehzahlbereich (Schlep- kolben

per, LKW mit Nebenantrieben, Schiffsantriebe). Ringnut

Fliehkraftregler arbeiten drehzahlabhängig, pneu- I+-+- - -Schoft


- Liingsnulen
matische Regler sind Alldrehzahlregler und arbeiten
in Abhängigkeit vom Unterdruck im Ansaugrohr. Bild VI.45, Druckventil (Basch)

1143
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Elektronische Rege/einrichtungen ver- Klappen- Start- und


arbeiten in einem Steuergerät mehrere stutzen saugrohr Abstellknopf

Eingangssignale und wandeln diese


kennfeldgesteuert in Regelstangenver-
schiebungen um.

Beim Pneumatikreg/er (Bild VI.46)


wird über ein Venturirohr (Klappen-
stutzen) mit Drosselklappe im Ansaug-
Verstell hebel
rohr ein belastungsabhängiger Unter-
E~,*--- Luftfilter
druck zu einem Membranblock an der ...->'=<::E=<"'E3:::Ea'-,]JgJ7 Verbi nd u ngsschlauch
Einspritzpumpe geflihrt. Die Regel- :==E~~{~.-i'rJ~-=-=-=- Regelfeder
Unterdruck -Kammer
stange ist mit einer Membran verbun-
den, die von einer Regelfeder auf ~~~===tt;.~--- Membran
' - - - - Atmosphärendruck-Kammer
Vorspannung gehalten wird. Die Rege- ' -- - - Vollastanschlag
lung wird wirksam, sobald der durch
die Motordrehzahl hervorgerufene
Unterdruck die Regelfederspannung
Einspritzpumpe Membranblock
überwinden kann und umgekehrt.
Bild VI.46 . Pneumatikregler. Funktionsschema in Ruhelage
Der Fliehkraftregler wird von der (Bosch)
Pumpennockenwel1e angetrieben (Bild
VI.47). Er besitzt zwei umlaufende
Fliehgewichte, die über ein Hebel-
system mit der Regelstange verbunden 15 14 13
sind. Jedes Fliehgewicht arbeitet gegen
eine Leerlauf- und Endregelfeder
(Regelfedern). Zwischen den Grenz-
drehzahlen wird die Regelstange nur 12
über das Fahrpedal verschoben. Bei
Erreichen der Höchstdrehzahl wird die
Regelstange über das Hebelsystem 2 ~.r-r--- 11
unabhängig von der Fahrpedalstel1ung
~~--7f---"..-- 10
in Richtung Stop verschoben (Flieh- 3 - --
gewichte in äußerster Stel1ung). 4 - ---.;H+t8 --\\-- -t-- 9

Spritzversteller verlegen den Einspritz-


beginn drehzahlabhängig bis 16 °KW
vor, um den leistungsmindernden
ZÜlldverzug besonders bei höheren
Drehzahlen auszugleichen. Dazu wird
die Pumpennockenwel1e durch Exzen-
ter-Spritzverstel1er (fliehkraftge-
steuert) verdreht. 6 7 B
Die Verteilereinspritzpumpe verteilt
Bild VI.47. Fliehkraftregler (Bosch)
über ein einzelnes Pumpenelement den
1 Verstellhebel, 2 Regelhebel, 3 Kulissenstein, 4 Lenkhebel,
Kraftstoff auf die Zylinder. Verwen-
5 Gleitstein, 6 Führungsbolzen, 7 Verstellbolzen, 8 Winkelhebel,
dung in PKW, Schleppern und leichten 9 Fliehgewichte, 10 Regelfedern, 11 Einstellmutter, 12 Regel-
Nutzfahrzeugen. Schmierung und Küh- stange, 13 Spielausgleichsfeder, 14 Federteller, 15 Gelenkgabel

1144
VI. Verbrennungsmotoren

2 3 Magnetventil
(Abstellventil)
2 Überströmdrossel
3 Regelfeder
4 Verstel1hebel
5 Reglergruppe
6 Fliehgewichte
7 Förderpumpe
(Flügelzel1enpumpe)
8 vom Filter
9 Drucksteuerventil
10 Reglerantrieb
11 Klauenkupplung
12 Rol1enring
13 Hubscheibe
14 Spritzverstel1er
15 Regelschieber
16 Kolbenrückholfeder
17 Verteilerkolben
18 Druckventil
18 17 16 14 13 12 11 10 19 zur Einspritzdüse
15 20 Überstromleitung
21 zum Tank
Bild VJ.48. Verteilereinspritzpumpe mit Fliehkraftregler (Volkswagen)

lung erfolgt nur durch Kraftstoff. Die Baugruppen zeigt Bild VI.48. Die Kraftstofförderpumpe
(Flügelzellenpumpe) ist im Gehäuse der Verteilerpumpe untergebracht. Sie fördert den Kraftstoff
in den Pumpeninnenraum. über ein Drucksteuerventil wird der Pumpeninnendruck drehzahlabhän-
gig reguliert und nicht benötigter Kraftstoff zum Tank zurück befördert. Vereinzelt wird zusätzlich
eine Vorförderpumpe (Membranpumpe von Motornockenwelle angetrieben) eingesetzt. An der
angetriebenen Hubscheibe ist der Verteilerkolben befestigt. Die Nockenanzahl der Hubscheibe
entspricht der Zylinderzahl. Die Nocken wälzen sich auf dem Rollenring ab und bewirken über
eine Dreh-Hubbewegung des Verteilerkolbens, die Verteilung und Förderung des Kraftstoffs zu
den einzelnen Einspritzdüsen. Der Verteilerkolben besitzt Verteilernuten (Anzahl = Zylinderzahl),
der Verteilerkopf Auslaßbohrungen, die zu den Druckventilen führen. Während der Dreh-Hub-
bewegung überschneiden die Verteilernuten während des Druckhubs die Auslaßbohrungen (Förder-
beginn). Das Förderende und damit die Einspritzmenge wird durch die Stellung des beweglichen
Regelschiebers bewirkt, der die Absteuerbohrung freigibt.
Die Verteilerpumpe ist mit einem Fliehkraftregler (Leerlauf-Enddrehzahlregler oder Alldrehzahl-
regler) ausgerüstet, der von der Antriebswelle über einen Zahntrieb angetrieben wird. Die Flieh-
gewichte verschieben über einen federbelasteten Hebelmechanismus die Position des Regelschiebers
auf dem Verteilerkolben. Motorabstellen erfolgt entweder durch ein Magnetventil (Kraftstoff-
zufuhr sperren) oder durch einen mechanischen Absteller (Regler betätigen). Der hydraulische
Spritzversteller verdreht in Abhängigkeit vom Pumpeninnendruck mit steigender Drehzahl den
Rollenring entgegen der Hubscheibendrehrichtung auf Früheinspritzung.
Durch die Einspritzdüse wird der Kraftstoff fein zerstäubt und gerichtet im Brennraum verteilt.
Über den Düsenhalter wird die Einspritzdüse im Zylinderkopf befestigt. Er besitzt Anschlüsse für
den Zulauf (Pumpe) und Rücklauf (Lecköl). Über den Druckbolzen wird die Düsennadel mit
einer vorgespannten Druckfeder (Vorspannung bestimmt Öffnungsdruck) gegen die Dichtfläche
des Düsenkörpers gepreßt.
Einspritzbeginn: Die Düsennadel hebt gegen den Federdruck von ihrem Sitz ab.
Förderende: Die Federkraft übersteigt die Druckkraft an der Düsennadel und schließt das Ventil.
Der Düsenöffnungsdruck wird durch Ausgleichsscheiben oder Einstellschrauben eingestellt.
1145
Kraft- und Arbeitsmaschinen

2
3
T=~~~ 4
:-1II~- 5

~~~OO~6 Zapfendüse Drosseldüse Lochdüse

~I~II= ; Bild VI.49. Einspritzdüsen


a) Düsenhalter mit Einspritzdüse (Daimler-Benz),
9 b) Einspritzdüsen-Bauarten (Ope!)
1 Leckölanschluß, 2 Zulaufbohrung mit Stabfilter, 3 Haltekörper, 4 Ausgleichs-
;n;rn-- 10 scheibe (DruckeinsteUung), 5 Druckfeder, 6Düsenspannmutter, 7 Druckbolzen,
8 Zwischenscheibe, 9 Düsenkörper, 10 DüsennadeJ , a Kraftstoffzulauf,
a) b Leckkraftstoff-Rücklauf

Lochdüsen werden für Direkteinspritzmotoren (Öffnungsdruck 175 ... 250 bar) , Zapfendüsen für
Vor- und Wirbelkammermotoren (Öffnungsdruck 110 .. . 140 bar) verwendet.
Sonderbauarten von Dieselmotoren können als Mehrstoffmotoren (Benzin , Petroleum usw.) be-
trieben werden . Zusatzeinrichtungen schaffen die Anpassung an die jeweilige Betriebsart.
Kaltstarthilfen für Dieselmotoren
Bei niedrigen Temperaturen reicht die Verdichtungswärme zur Kraftstoffselbstentzündung nicht
aus (Wärmeleitverluste). Motoren mit Direkteinspritzung zeigen ein besseres Kaltstartverhalten
als Vor- und Wirbelkammermotoren.
Starthilfseinrichtungen ftir Direkteinspritzmotoren
Ein Heizjlanschelement mit elektrisch beheizten Drähten (900 ... 1100 °C) im Saugrohr zwischen
Luftfilter und Zylinderkopf erwärmt die beim Start angesaugte Luft.
Bei Flammstartanlagen wird die Ansaugluft durch Verbrennen von Kraftstoff erwärmt . Der Kraft-
stoff wird vom Filter- oder dem Einspritzpumpenrücklauf über ein Magnetventil einer Flammglüh-
kerze im Ansaugrohr zugeführt. Hier verdampft er an einem Verdampferrohr, entzündet sich an
einem Glühstift und wärmt die Ansaugluft an. Zur Verbesserung der Warmlaufeigenschaften wer-
den Einrichtungen mit temperaturgesteuertem Nachflämmen verwendet.
Starthilfseinrichtungen ftir Vor- und Wirbelkammermotoren
Bei Vor- und Wirbelkammermotoren werden Glühkerzen (Draht-, Stiftglühkerzen) verwendet,
die in den Nebenbrennraum ragen, die Luft darin erwärmen und beim Startvorgang den auf sie
gespritzten Kraftstoff verdampfen und entzünden. Selbstregelnde Stiftglühkerzen erreichen die
Entflammungstemperatur bereits nach 5 .. . 10 s (Heizwendel in der Spitze aus CrAIFe-Legierung,
Regelwendel aus Nickel in Reihe geschaltet) ohne die maximal zulässige Temperatur zu über-
schreiten. Durch Nachglüheinrichtungen in Abhängigkeit von der Motortemperatur werden die
Warmlaufeigenschaften verbessert.
Stiftglühkerzen sind einpolig und parallel zueinander geschaltet (Drahtglühkerzen in Reihe) . Der
Vorglühvorgang wird durch Relaisschaltungen oder elektronisch gesteuert. Die Startbereitschaft
wird nach dem Vorglühen durch eine Kontrollampe angezeigt .
Zündwilliger Kraftstoff, der in das Ansaugrohr gesprüht wird, ergibt eine sichere Starthilfe für
alle Dieselmotorbauarten (Startpilot).

1146
VI. Verbrennungsmotoren

9. Zweitaktmotoren
Zweitakt·Ottomotoren werden als Einzylindermotoren für Zweiräder, Bootsmotoren, Rasenmäher
und Kettensägen, als Mehrzylindermotoren in Krafträdern, selten in PKW verwendet. Groß-
motoren werden als Zweitakt-Dieselmotoren gebaut.
Zweitakt-Ottomotoren arbeiten ohne Ventilsteuerung. Der Gaswechsel erfolgt durch Einlaß-,
Auslaß- und Überströmkanäle in den Zylinderwandungen. Bei Zweitakt-Dieselmotoren werden
zur Abgassteuerung Ventile verwendet.
Das Arbeitsspiel umfaßt eine Kurbelwellenumdrehung oder zwei Kolbenhübe. Während des
Kolbenhubes nach UT gibt der Kolben den Rand der Auslaßschlitze A (Bild V1.50) frei. Die
Expansion wird unterbrochen und ein plötzlicher Druckabfall (Vorauspuff) entsteht. Ist der
Druck auf den Spüldruck abgesunken, gibt der Kolben die Überströmkanäle Ü (Spülkanäle) frei.
Im Kurbelgehäuse vorverdichtetes Gemisch strömt in den Zylinder und spült durch eine gerichtete
Strömung die Abgase über die Auslaßschlitze heraus. Die Spülung dauert über UT hinweg solange
an, bis bei der Bewegung des Kolbens in Richtung OT zuerst die Überströmschlitze Ü und danach
die Auslaßschlitze A geschlossen werden und die Verdichtung beginnt. Im Kurbelgehäuse ent-
steht unterhalb des Kolbens durch Volumenvergrößerung ein Unterdruck.
über den sich öffnenden Einlaßkanal E strömt ein Kraftstoff-Luftölgemisch in das Kurbelgehäuse
(Mischungsschmierung). Kurz vor OT erfolgt die Fremdzündung des Gemisches (Ottomotor) über
eine Zündkerze oder Selbstzündung (Dieselmotor) des eingespritzten Kraftstoffes. Der Kolben
bewegt sich von OT nach UT, verrichtet Arbeit und verdichtet gleichzeitig das im Kurbelgehäuse
befindliche Gemisch.
Der Zweitaktmotor hat im Gegensatz zum Viertaktmotor einen offenen Gaswechsel, d.h. es treten
Frischgasverluste und Vermischungen von Frisch- und Abgas auf, was den Wirkungsgrad beträcht-
lich mindert. Der Spülgrad AS beeinflußt die Leistung des Zweitaktmotors. Er errechnet sich als
m m
Verhältnis der Frischladung z im Zylinder zur gesamten Ladungsmasse (Frischgase z + Rest-
m
gase r ) zu
mz mr AS
mz
AS =.m . kg kg (VI.45)
z +m r
s s

Bild VI.50
Steuerdiagramm des Zweitaktmotors
AÖ Auslaß öffnet
AS Auslaß schließt
EÖ Einlaß öffnet
ES Einlaß schließt
OT Oberer Totpunkt
UT Unterer Totpunkt
Oö Oberströmkanal öffnet
Os Oberströmkanal schließt
o Oberströmschlitz
A Auslaßschlitz
E Einlaßschlitz
Z Zündzeitpunkt

1147
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Bei günstigen Spülverhältnissen lassen


sich Spülgrade von AS = 0,8 ... 0,9 bei Verbrennungsgase
Ottomotoren und AS = 1 bei Diesel-
motoren mit Spülgebläsen (Rootsgebläse)
erzielen .
Die Art des Spülverfahrens beeinflußt
die Verluste. Man unterscheidet Gleich-
stromspülung mit gleicher Strömungs- Roofs-Gebläse
richtung von Frisch- und Abgas durch
den Zylinder (nur bei Zweitakt-Diesel-
motoren - ergibt unsymmetrisches
Steuerdiagramm) und Gegenstrom-
spülung mit unterschiedlicher Strö-
Bild VI.51. Zweitakt-Dieselmotor mit Aufladung (Opel)
mungsrichtung innerhalb des Zylinders.
Hierbei werden Querstrom- und Um-
kehrspülung unterschieden.
Bei der Gleichstromspülung mit gesteuertem Auslaßventil (Bild VI.51) und Roots-Spülgebläse an
einem Zweitakt Dieselmotor bildet sich durch tangentialen Spülstromeintritt eine rotierende
Strömung aus. Eine Nachexpansion wird durch Schließen der Auslaßventile vor den Einlaßschlitzen
vermieden. Durch Gleichstromspülung beim Doppelkolbenmotor mit gabelförmiger Pleuelstange,
wird durch Voröffnung des Auslaßschlitzes Vorexpansion erzielt. Durch spätes Schließen des
Einlaßschlitzes wird gute Füllung erreicht. Bei der Querstromspülung liegen Überström- und
Auslaßschlitz einander gegenüber (Bild VI.52). Die Frischgase werden durch einen Nasenkolben
abgelenkt und strömen quer durch den Zylinder. Hoher Restgasanteil, hoher Kraftstoffverbrauch .
Bei der Umkehrspülung sind die Auslaßschlitze auf derselben Zylinderseite über den Einlaßschlitzen
untergebracht (Bild VI.53 - Prinzip MAN-Umkehrspülung, Nachladeschieber im Auslaßkanal- für
Dieselmotoren) oder die Einlaß- bzw . Überstromschlitze liegen versetzt (90 ... 110°) am Umfang
des Zylinders in gleicher Höhe (Prinzip-Schnüde Umkehrspülung) . Hoher Spülgrad, geringer Kraft-
stoffverbrauch, meist angewendetes Verfahren .
Die Gaswechselsteuerungen mittels Kolben ergeben symmetrische Steuerdiagramme (Steuerwinkel
für Einlaß-, Auslaß und Überströmen liegen symmetrisch zu OT bzw. UT (s. Bild VI.50)) . Unsym-
metrische Steuerdiagramme ergeben eine Überschneidung von Überströmwinkel und Auslaß. Da-
durch hoher Spülgrad und geringer spezifischer Kraftstoffverbrauch. Moderne Zweitaktmotoren
verwenden kolbenunabhängige Membransteuerungen (Flatterventile) oder von der Kurbelwelle
angetriebene Platten- oder Walzendrehschieber-Steuerungen (gesteuertes Öffnen und Schließen
des Einlaßkanals).

\ :.
I

Nachladeventil
Bild V1.52 . Querstromspülung Bild V1.53. Umkehrspülung

1148
VI. Verbrennungsmotoren

10. Motorschmierung
Das Motoröl hat die Aufgabe:
die Reibung und den Verschleiß zwischen den bewegten Motorteilen zu verringern,
die Reibungswärme der Lager und ein Teil der Verbrennungswärme abzuführen,
die Feinabdichtung zwischen Kolben, Kolbenringen und Zylinderwandung vorzunehmen,
den Motor vor Korrosion zu schützen,
metallische Abriebteile von den Lagern abzuführen,
Ruß und Fremdstoffe in Schwebe zu halten.
Die Viskosität (Zähflüssigkeit) des Schmiermittels ist für die Wirksamkeit der Schmierung von
Bedeutung. Das öl darf bei niedrigen Temperaturen nicht zu zähflüssig sein (hoher Startwider-
stand), bei hohen Temperaturen jedoch noch zähflüssig genug sein, damit der Schmierfilm nicht
unterbrochen wird. Nach ihrer Viskosität werden Motor- und Getriebeöle von der SAE (Society
of Automotive Engineers) in Viskositätsklassen eingeteilt:

Tafel VI.3. Beispiele für SAE-Viskositätsklassen von Motoröl (Aral-Ölfibel)

kinematische Viskosität bei 100 oe


SAE-Viskositätsklasse Einsatz in mm 2 /s
min max
SAE 5W Einbereichswinteröl 3,8 -
SAE 10W (Zusatz W = flir 4,1 -
SAE 15 W Winterbetrieb geeignet) 5,6 -
SAE 20W 5,6 -

< 9,3
SAE
SAE
20
30 } Einbereichssommeröl 5,6
9,3 < 12,5
< 12,5
SAE
SAE
10 W-30
15 W-40 } Mehrbereichsöl 4,1
5,6 < 16,3

Mehrbereichsöle decken mehrere Viskositätsbereiche ab. Das öl SAE 15 W-40 erfüllt bei -18°C
die Viskositätsanforderung des Einbereichsäls SAE 15 W und bei 100°C die Viskosität des Ein-
bereichsöls SAE 40). Sie gewinnen daher als ganzjährig zu verwendendes öl immer mehr an· Bedeu-
tung.
Neben der SAE-Klasseneinteilung werden Motorenöle durch das API-Klassijizierungssystem
(American Petroleum Institute) nach ihrer Einsatzart gekennzeichnet.
Beispiele:
von Klasse API-SA bis z.B.API-SE: Service Klasse E für Ottomotoren ab
API-SF (S = Service Klasse, Baujahr 1972, höherer Schutz gegen Temperatur-
überwiegend für ablagerungen und Korrosion als in den Klassen
Ottomotoren) SC oder SD.
oder API-CA bis z.B.API-CC: Commercial Klasse C für leicht aufge-
API-CD (C = Commercial ladene Dieselmotoren mittlere bis schwere Be-
Klasse, überwiegend triebsbedingungen oder Ottomotoren mit schweren
für Dieselmotoren) Betriebsbedingungen.
Die zugesicherten Anforderungen steigen von der Klasse SA bis SF bzw. CA bis CD an.

Schmiersysteme
Die Druckumlaujschmierung ist die meistverwendete bei Viertaktmotoren. Das öl wird von der
Ölpumpe über den Ölsaugkorb aus der Ölwanne angesaugt. Das Überdruckventil innerhalb des
Pumpengehäuses begrenzt den maximalen Öldruck (4 ... 8 bar) und leitet das überschüssige öl in

1149
Kraft- und Arbeitsmaschinen

11
11 13

13 ~~
17

Bild V1.54. Druckumlaufschmierung für einen 4-Zylinder-Ottomotor mit 16 Ventilen (Daimler-Benz)

1 Ölsaugkorb 7 Luftölkühler 13 Nockenwelle-Einlaß


2 Ölpumpe 9 Kettenspanner 14 Umlenkrad
3 Ölüberdruckventil 10 Nockenwellenrad-Auslaß 15 Zwischenradwelle
4 Thermostat im Filtergehäuse 11 Nockenwelle-Auslaß 16 Öldruckanzeige
5 Ölfiltereinsatz 12 Nockenwellenrad-Einlaß 17 Öltemperaturanzeige
6 Umgehungsventil

den Ansaugkanal der Pumpe zurück . Das Öl gelangt zum Ölfiltergehäuse. Wenn das System mit
thermostatisch gesteuertem Ölkühler (Luftölkühler oder Kühlwasserwärmetauscher) versehen ist,
so leitet der Thermostat bei zu warmen öl zunächst zum Ölkühler um, bevor der Filter durch-
laufen wird. Wenn infolge Filterverstopfung oder zu kaltem öl der Differenzdruck zwischen Filter-
zulauf und -ablauf zu groß wird, öffnet das Umgehungsventil und leitet das öl unter Filter-
umgehung zum Ölhauptkanal im Motorgehäuse. Hier ist ein öldruckschalter angebracht , der
abfallenden öldruck über eine Warnleuchte anzeigt oder ein Öldruckgeber gibt über eine öldruck-
anzeige den öldruck an . Vom Hauptkanal gelangt das öl durch Querbohrungen zu den Kurbel-
wellenhauptlagern und über die Kurbelwellen-Schrägbohrungen zu den Pleuellagern. Hier tritt
das öl meist seitlich aus und das Schleuderöl schmiert die Zylinderwandungen und die Kolben-
bolzenlager. Hochleistungsmotoren erhalten längs durchbohrte Pleuel (Bild VI.54) oder Ölspritz-
düsen (Bild VI.55), die ftir die Schmierung und die Kolbenkühlung sorgen.
Vom Hauptölkanal führt ein Ölkanal zum Zylinderkopf und schmiert dort die Nockenwellen-
lagerstellen und die Stößel (Hydrostößel) oder Kipphebellagerstellen . Ventile und Ventilführungen
werden durch Spritzöl der Nockenwellenschmierung versorgt. Vom Steigkanal werden öl ströme
für die Kettenspanner Steuerketten oder Steuerräder abgezweigt.

1150
VI. Verbrennungsmotoren

Reiheneinspritzpumpen von Diesel-


motoren und Abgasturbolader sind
meist in den Kreislauf einbezogen. Ein
Kugelrückschlagventil im Steigkanal
verhindert Ölrückfluß nach dem Motor-
abstellen.
Bei der Trockensumpfschmierung be-
findet sich das öl in einem separatem Haupföl-
kanal
Öltank außerhalb des Motors. Durch
eine Rückförderpumpe wird das von
Ventil
den Schmierstellen zurückfließende öl (öffnet
sofort in den Tank geleitet. Eine ab 1.5bar)
Druckölpumpe saugt aus diesem Be-
hälter an und arbeitet weiter wie
bei der Druckumlaufschmierung. Ver- Ölsprilz-
wendung bei Sportwagen und Gelände- düse
fahrzeugen, um bei schnellen Kurven-
fahrten oder starker Schräglage des
Motors ausreichende Schmierung zu Bild VI.55. Ölspritzdüse zur Kolbenkühlung für einen auf-
geladenen PKW-Dieselmotor (Daimler-Benz)
gewährleisten.
Mischungsschmierung wird bei Zweitaktmotoren durch den Zusatz von Schmieröl zum Kraftstoff
im Verhältnis 1: 25 ... 1: 50 verwendet. Im Vergaser entsteht ein Kraftstoff-Luft-älgemisch . Das Öl
benetzt die Zylinderwandungen und die Motorteile im Kurbelgehäuse. Nachteil: Umweltbelastung
durch unverbranntes Öl, hoher Ölverbrauch.
Frischölautomatik: Kraftstoff und Öl befinden sich in getrennten Behältern. Das Öl wird im Ver-
gaser, direkt nach der Hauptdüse, durch eine Dosierpumpe, drehzahl- und lastabhängig, dem Kraft-
stoff Luftgemisch zugeführt. Der Schmierölverbrauch wird bei Zweitaktmotoren dadurch beträcht-
lich gesenkt.
Ölpumpen dienen zur Förderung des Ölstroms und zum Aufbau des Öldrucks im Motorschmier-
system. Die Fördermenge der Ölpumpen liegt je nach Motorgröße zwischen 8 ... 60 kg/min, bei
mittlerer Motordrehzahl.
Die Fördermenge meiner Motorölpumpe wird mit der Ölfüllmenge V des Motors, der Dichte p
des Öls und der Zeit t für einen Schmierölumlauf:
m V P
60 Vp
m=-- kg kg (VI.46)
t dm 3
min dm 3
Die Umlaufzahl z des Schmieröls gibt an , wie oft der gesamte Motorölinhalt pro Minute umgewälzt
wird
z m V p
m
z=- kg kg (VI.47)
Vp dm 3
min min dm 3
Richtwerte: z = 2,5 ... 5 l/min
Der Schmierölverbrauch Es eines Verbrennungsmotors wird durch Fahrversuche oder auf dem
Prüfstand ermittelt.

1151
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Der spezifische Schmierälverbrauch b s ist die leistungs- und zeitbezogene, verbrauchte Schmier-
ölmenge:
bs Vp P Peff tp
VpP
bs = - - (VL48)
Peff tp -g- kW h
kWh

Richtwerte: Otto-Viertaktmotoren: 1,1 ... 2,0 g/kWh


Otto-Zweitaktmotoren: 4,2 ... 6,5 g/kWh
Diesel-Viertaktmotoren: 1,4 ... 3,2 g/kWh

Vp ist die verbrauchte Ölmenge, p die Öldichte, Peff die Motornutzleistung und tp die Prüfzeit des
Versuchsmotors .

• Beispiel: Die Ölfüllmenge eines 66 kW PKW-Dieselmotors beträgt 5,5 Liter (p Öl = 0,91 kg/dm 3 )
Der Motor verbraucht bei einem 30 Minuten Vollast-Testlauf (mit Nennleistung) 72 cm 3
Öl. Zu ermitteln sind:
a) Die Fördermenge der Ölpumpe
b) Die Zeit ftir einen Schmierölumlauf, wenn das öl ca. 4,5 l/min umgewälzt werden soll
c) Der spezifische Schmierölverbrauch
• kg kg
wsung: a) m = z V p = 4,5 l/min . 5,5 dm 3 ·0,91 - - 3 = 22,52-.
dm mm

b) = 60 V p = 60·5,5 ·0,91 = 1333


t m 22,52 ' s
Vp p 72 cm 3 • 0,91 g/cm 3 g
c)bs=p--=
eff tp
66kW.05h
,
=1,99 kWh

Ölpumpen bauarten
Zahnradpumpen werden über Ketten oder Stirnräder von der Kurbelwelle angetrieben. Das Öl wird
durch die Rotation der Zahnräder in den Zahnlücken an der Gehäusewand entlang von der Saug-
zur Druckseite befördert. Die Berührungslinie der Zahnflanken bildet die Abdichtung zwischen
Saug- und Druckraum. Einfacher, preiswerter Aufbau, meist verwendete Bauart.
Zahnradsichelpumpen besitzen ein innenverzahntes Zahnrad, das mit einem exzentrisch ange-
ordneten außenverzahntem Zahnrad arbeitet. Dieses wird über die Kurbelwelle angetrieben. Der
Saug- und Druckraum wird durch eine sicheiförmige Gehäusescheibe getrennt. In den Zahnlücken
ober- und unterhalb der Sichelscheibe wird das Öl transportiert. Geräuscharmer Lauf und hohe
Förderleistung schon bei niedrigen Drehzahlen.
Rotorpumpen. Im Gehäuse arbeitet ein angetriebener, exzentrischer Außenrotor mit einem Innen-
rotor zusammen, der einen Zahn weniger als der Außenrotor aufweist. Rotorpumpen arbeiten
geräuscharm und sind ftir hohe Drücke geeignet.
ölfIlter entfernen Metallabrieb, Verbrennungsrückstände und Verunreinigungen aus dem Ölstrom.
Nach der Anordnung der Filter im Ölstrom unterscheidet man zwischen Hauptstrom-, Nebenstrom-
sowie Kombinationen von Haupt- und Nebenstromfiltern (Bild VL56).
Hauptstromfilter filtern den gesamten von der Ölpumpe kommenden Ölstrom bei jedem Umlauf.
Sichere und am häufigsten angewendete Filteranordnung mit mittelfeiner Filterwirkung. Um-
gehungsventil notwendig.

1152
VI. Verbrennungsmotoren
Motor- SchmiersteIl en Motor-Schmierstellen
,---- -- --, / --- --- - -- -,
Regulierventil Regulierventil

Neben-
strom-
Filter
Übersfröm-

;r;
Ventil

p:mp:

---
- - ----- - - - -
-
- -- - -- ---
0) -- - - -- -- - - b) ----- - ------

Bild VI.56. Ölfilteranordnung (Mann)


a) Hauptstromfilter
b) Haupt- und Nebenstromfilter

Nebenstromfilter filtern nur etwa S ... lS % der umlaufenden Ölmenge. Der Rest geht ungefiltert
zu den Schmierstellen. Das gesamte Öl wird erst im Verlauf mehrerer Umläufe gefiltert, daher ist
sehr feine Filterung möglich.
Kombinationen von Haupt- und Nebenstromfiltern werden gerade im Nutzfahrzeugbereich ver-
wendet und erzielen die beste Filterwirkung.
Ein Teil des Ölstroms wird vor dem Hauptstromfilter abgezweigt und durch das als Feinfilter
arbeitende Nebenstromfilter geleitet. Bei mehreren Umläufen wird das gesamte öl feingefiltert.
Ölfilter-Bauarten: Zur Anwendung kommen hauptsächlich
Wechselfilter im Hauptstrom (Bild VI.S7), bei denen Filter-
gehäuse und Filterpatrone fest miteinander verbunden sind .
Siebfilter und Spaltfilter werden im Fahrzeugbau nur noch selten
verwendet.
Freistrahlzentrifugen werden als Nebenstromfilter in Nutzfahr-
zeugen bei schweren Belastungen verwendet. Der Öldruck versetzt
den Rotor in Drehung. Die im Öl enthaltenen schwereren Schmutz-
teile setzen sich an der Rotorwandung ab.
Mit Permanentmagnet versehene Ölablaßschrauben ftir magne-
tischen Metallabrieb dienen zur Unterstützung der vorhandenen
Filterelemente.
Ölkühler haben die Aufgabe, bei thermisch hochbelasteten
Motoren (z.B. mit Abgasturbolader), ftif die Erhaltung der Schmier-
fähigkeit durch ausreichende Kühlung zu sorgen . Im Normalfall
ist die Ölwanne durch ihre Anordnung im Fahrtwind zur Kühlung
ausreichend.
Ölkühler werden als Luftälkühler (Öffnung ftir Öldurchlaß zum
Kühler ab ca. 100°C) thermostatisch geregelt (Bild VI.S4) oder Bild VI.57. Ölfilter-Wechsel-
als Wärmetauseher (Kühlwassergekühlt) gebaut. Hier wird meist patrone (Mann)

1153
Kraft- und Arbeitsmaschinen

keine thermo statische Regelung verwendet und das Öl ständig durch den Ölkühler gedrückt. In
der Warmlaufphase wird dadurch die Betriebstemperatur des Motors schneller erreicht. Nach
Öffnung des Kühlwasserthermostates findet eine Umkehrung des Wärmeaustausches (Kühlung des
Schmiermittels durch das Kühlmittel) statt.
Kontrolleinrichtungen: Zur Kontrolle der ausreichenden Ölmenge werden Peilstäbe oder in der
Ölwanne angebrachte elektrische Ölstandsgeber verwendet (Schwimmer mit Permanentmagnet
öffnet bei Minimalstand einen Reedkontakt, der eine Kontrolleuchte schaltet).
Der Öldruck wird entweder über einen Öldruckmesser angezeigt oder über einen öldruckschalter
in Verbindung mit einer Kontrolleuchte überwacht.
Die Öltemperatur kann über einen Temperaturfühler (NTe-Widerstand) an einem Meßinstrument
angezeigt werden.

11. Motorkühlung
Die Motorkühlung hat die Aufgabe, einen Teil der Verbrennungswärme abzuführen, um die
Schmierfähigkeit des Öls zu erhalten, die Warmfestigkeit der Motorbauteile nicht zu überschreiten
und um den Verbrennungsprozeß kontrolliert ablaufen zu lassen. Durch die Notwendigkeit der
Prozeßkühlung werden ca. 28 ... 34 % (f= 0,28 ... 0,34) der im Kraftstoff enthaltenen Energie
abgeführt. Die Wärme wird entweder indirekt über eine Wasserkühlung oder direkt an die Außen-
luft abgegeben. Die im Motor erzeugte Wärmemenge <I> berechnet sich mit dem Kraftstoffver-
brauch B und dem spezifischem Heizwert des Kraftstoffes H u :
<I> B Hu
kJ kg kJ (V1.49)
h h kg
Mit dem spezifischen Kraftstoffverbrauch b eff und der Motornutzleistung P eff wird
<I> b eff Hu Peff

kJ _g_ kJ (V1.50)
kW
h kWh kg
Von dieser erzeugten Wärmemenge wird unter Berücksichtigung des Wärmeflußfaktors
f(f= 0,28 ... 0,34) die über den Kühler abzuführende Wärmemenge:
<l>ab <I> f
kJ kJ (V1.51)
h h
Der Kühlflüssigkeitsdurchsatz mist die auf die Leistung bezogene, zeitabhängige Kühlflüssigkeits-
menge, die notwendig ist, um die Wärmemenge über den Kühler abzuleiten.
Mit der abzuführenden Wärmemenge <l>ab, der Temperaturdifferenz !J.T zwischen Kühltempe-
ratur-Eintritt (Tl) und -Austritt (T2 ) und der spezifischen Wärmekapazität c des Kühlmediums
(Wasser-Frostschutz-Mischungen), wird
m !J.T c
• <l>ab
m=-- kJ kJ (V1.52)
!J.Tc ~ K
h kg·K h
Richtwerte: !J.T = 5 ... 10 K

1154
VI. Verbrennungsmotoren

Die Kühlmittel-Umlaufzahl z gibt an, wie oft die vorhandene Kühlmittelmenge mK je Zeiteinheit
umzuwälzen ist, um die erforderliche Wärmemenge <J>ab abzuführen:
z <J>ab t:..T c m
1 kJ kJ kg (VI.53)
K kg
h h kgK h
Mit t = 60jz ergibt sich die Zeit für einen Kühlmittelumlauf in Minuten .

• Beispiel: Ein PKW-Ottomotor hat bei einer Nennleistung von 74 kW einen mittleren spezifischen
Kraftstoffverbrauch b = 310 gjkWh. Für den Wärmeflußfaktor wird als mittlerer Wert
f = 0,31 gewählt. Für H u ist 42 000 kJ jkg und für die spezifische Wärmekapazität des
Wassers c = 4,18 kJjkgK anzunehmen. Zu ermitteln sind:
a) Die über den Kühler abzuführende Wärmemenge
b) Die Kühlf1üssigkeitsmenge m,
die für eine Abkühlung von t:..T = 7 K notwendig ist .
c) Die Anzahl der Kühlwasserumläufe je Stunde, bei 8 Liter Kühlsysteminhalt.

Lö· . ) <J> ="'f= beffHu Pefr! =310·42000·74· 0,31 =298 678 8 kJ


sung. a ab 'i' 1000 1000 ' h

• <J>ab 298678,8 kJjh kg


b) m =t:..Tc =7 K. 4,18 kJjkgK = 10207,75 h
c) z
m = 10 2078 ,75
=-mK k
kgjh
= 1275,97 Kühlwasserumläufe pro Stunde
g

Wasserkühlung: Zylinderblock und Zylinderkopf sind gießtechnisch mit Hohlräumen versehen,


durch das Kühlwasser zur Wärmeabfuhr geleitet wird. Bei der pumpenlosen Wärmeumlau[kühlung
(Thermosyphon-Kühlung) wird der Strömungsvorgang durch den Dichteunterschied des wärmeren
Kühlwassers gegenüber dem abgekühlten Kühlwasser hervorgerufen. Wegen des langsamen Umlaufs
und der erforderlichen Kühlergröße keine Bedeutung mehr.
Bei der Pumpenumlau[kühlung (Bild VI.58) wird das Kühlwasser von der meist riemengetriebenen
(Keil- oder Zahnriemen) Kühlwasserpumpe. thermostatisch gesteuert, in zwei Kreisläufen um-

4
- 6

t ~t
§] Kühlerbetrieb

o Kurzschlußbetrieb

D Heizbetrieb

-
5 11
C
Bild V1.58. Pumpenumlaufkühlung (Porsche)
1 Wasserpumpe, 2 Kurbelgehäuse, 3 Zylinderkopf, 4 Thermostat (öffnet bei
10 9 83°C), 5 Kühler, 6 Wärmetauscher (Wagenheizung), 7 Ausgleichsbehälter,
8 Einftillstutzen mit Ventil, 9 Aufftilleitung, 10 Entlüftungsleitung, 11 Rück-
lauOeitung, ARelais (T) ftir Elektrolüfter , B Elektrolüfter, C Temperatur-
schalter ftir Elektrolüfter (z.B. Ein 92~~ °C/Aus 89~~ °C)

1155
Kraft- und Arbeitsmaschinen

gepumpt. Damit der kalte Motor schnell seine Betriebstemperatur erreicht, wird das Wasser unge-
kühlt nur innerhalb des Motors umgepumpt (Kurzschlußkreislauf). Das Thermostatventil schließt
den Kühlerzulauf solange ab, bis das Wasser die Betriebstemperatur (~80 °C) erreicht hat. Dann
öffnet sich das Ventil langsam und gibt den Kühlerkreislauf frei. Bei vollständiger Öffnung ist der
Kurzschlußkreislauf geschlossen. Als Kühler verwendet man Lamellen- oder Röhrenkühler (CuZn-
Rohre mit Kühlrippen aus Cu- oder Al-Legierungen, Wasserkästen aus Stahlblech oder Kunststoff).
Bei Querstromkühlern fließt die Flüssigkeit nicht von oben nach unten (Normalfall), sondern
durch waagerechte Röhren zu den seitlichen Wasserkästen. Der Kühlerverschlußdeckel ist zum
Druckausgieich mit einem Überdruck- (höhere Wassertemperaturen) und Unterdruckventil
(Abkühlungsausgieich) ausgestattet.
Thermostatventile enthalten Dehnstoffelemente oder sie werden als Faltenbalgthermostate (nicht
für überdrucksysteme geeignet) gebaut.
Der übliche Regelbereich (Öffnungsbereich) der Kühlwasserthermostate liegt bei 10 ... 15 °c.
Geschlossene Kühlanlagen haben einen im Nebenstrom angeordneten Überdruckausgieichsbehälter
(Bild VI.58), um Ausdehnung ohne Wasserverluste und die Entlüftung des Kühlsystems zu ermög-
lichen. Durch den Überdruck wird die Siedetemperatur des Wassers heraufgesetzt. Die Kühl-
wirkung wird wesentlich von der den Kühler durchströmenden Luftmenge bestimmt. Starr ange-
triebene Lüfter sind meist auf der Wasserpumpenwelle befestigt. Energieverlust (ca. 5 %) und oft
zu große Kühlwirkung bei hoher Drehzahl, bringen zuschaltbare Lüfter zum Einsatz, die neben
dem Leistungsgewinn die Betriebstemperatur schneller erreichen lassen.
Lüfter mit thermostatisch geregelter Ein- und Ausschaltung werden als Elektromotor-Lüfter oder
als Lüfter mit elektromagnetischer Lüfterkupplung gebaut. Thermostatisch geregelte, stufenlose
Lüfterleistung wird durch Lüfter mit Viskose-Kupplung erzielt.

Luftkühlung
Bei der Luftkühlung wird die Wärme an die den Zylinder umströmende Luft direkt abgegeben.
Hierzu wird die Oberfläche von Zylinderkopf und Zylinder durch Kühlrippen vergrößert. Durch
Verwendung von Werkstoffen mit großer Wärmeleitfähigkeit wird die Wärme ab führung verbessert.
Der Luftstrom kann durch Fahrtwind (Zweiräder) oder durch Gebläse an den Zylinder herange-
führt werden. Bei der Gebläsekühlung (Leistungsaufwand ca. 5 ... 7 % der Motorleistung) führen
riemengetriebene Radial- oder Axialgebläse die Kühlluft über Leitbleche zu den einzelnen Zylin-
dern. Um schneller die Betriebstemperatur zu erreichen, kann die Luftzufuhr thermostatisch
geregelt verändert werden. Dies wird über Drosselringe oder durch Regelung der Gebläseleistung
über eine hydraulische Strömungskupplung (Nutzfahrzeuge), vorgenommen.
Nachteile der Luftkühlung: Größere Geräuschentwicklung, höhere Motortemperaturen, schwan-
kende Betriebsbedingungen, daher meist Ölkühler erforderlich.
Vorteile: Einfacherer Aufbau, große Betriebssicherheit und Unempfindlichkeit in unterschied-
lichen Klimazonen.

12. Abgasanlagen
Bei der motorischen Verbrennung der Kraftstoffe (CH-Verbindungen) beinhalten die Abgase neben
unschädlichem Wasserstoff, Kohlendioxid und Stickstoff auch Schadstoffe, die bei der unvoll-
kommenen Verbrennung im Motor entstehen.
Dies sind beim Ottomotor Kohlenmonoxid (CO), unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC) und
Stickoxide (NOx)' Aus Kraftstoffzusätzen kommen Bleiverbindungen.
Da Dieselmotoren mit Luftüberschuß arbeiten, ist der CO-Gehalt sehr gering, Blei überhaupt nicht
vorhanden und die HC-Werte gering. Andererseits fällt außer den Stick-Oxiden eine nicht uner-
hebliche Rußemission durch unvollständige Verbrennung an.

1156
VI. Verbrennungsmotoren

Die Verminderung der Abgasschadstoffe bei Ottomotoren und die dabei zugelassenen Grenzwerte
für Abgasemissionen, sind durch gesetzliche Regelungen der verschiedenen Länder gekennzeichnet.
In den USA und Japan bestehen sei Mitte der 70-er Jahre strenge Abgasnormen . Für einige euro-
päische Länder sind ebenfalls strenge Abgasvorschriften erlassen worden.

Maßnahmen zur Verminderung der Abgasschadstoffe


Bei Vergasermotoren wird dies durch die Herstellung eines gleichbleibend günstigen Kraftstoff-
Luft-Gemisches mittels Zusatzeinrichtungen für Leerlauf- und Schiebebetrieb (Schubabschaltung)
angestrebt. Aus Bild VI.33 ist zu ersehen, daß für günstigen Kraftstoffverbrauch und geringe HC-
und CO-Werte t.. = 1,1 günstig wäre, die NO x Werte hier aber ihr Maximum aufweisen . Im Fahr-
betrieb stellen sich zur Belastungsanpassung t..-Werte zwischen 0,8 und 1,15 ein .
Motoren mit Benzineinspritzung erreichen hierbei eine günstigere Betriebsanpassung. Konstruk-
tive Maßnahmen wie Brennraumgestaltung und Ansaugrohranordnung ergeben wegen der inten-
siven Gemischverwirbelung günstigere Abgaswerte .
Auch Maßnahmen wie Verändern des Zündzeitpunktes, der Ventilsteuerzeiten und des Verdich-
tungsverhältnisses erreichen jedoch keinen so hohen Reinigungsgrad wie die Verringerung der
Schadstoffe durch Abgaskatalysatoren.

Katalysatortechnik
Durch den Katalysator im Abgassystem werden vereinfacht gesehen Kohlenwasserstoffe und
Kohlenmonoxid durch Oxidation umgewandelt,
2 CO + O 2 ..... 2 CO 2
2 C 2 H6 + 7 O 2 ..... 4 CO 2 + 6 H 2 0
während die Beseitigung der Stickoxide durch Reduktion über das CO als Reduktionsmittel er-
folgt: 2NO + 2CO ..... N 2 + 2C0 2 •

Beschichtung, 3-Wege-Katalysator :
Platin, Rhodium
zur Umwandlung von CO HC und NO x
in C02, H20 und N2

Trägerkörper - - - - - . /
Keramik oder Metall

Chemische Reaktion - - - - - -/
2CO + 02 ~ 2C02
2C2H6 + 702 ~ 4C02 + 6H20
2NO+2CO ... N2+2C02

Bild VI.59. Wirkungsweise des Katalysators (Ope!)

Von den technisch ausgeführten Katalysatorsystemen (Bild VI.60) stellt der Dreiwege-Katalysator
(Dreiweg, weil alle drei Schadstoffgruppen verringert werden) in Verbindung mit einer t.. = 1
Regelung, das wirksamste System dar, das jedoch nur mit unverbleitem Kraftstoff betrieben wer-
den darf. Die Schadstoffreduzierung, als Wirkungsgrad des Katalysators bezeichnet, kann bis 90 %
betragen (Bild VI.62).

1157
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Der Keramik-Monolith-Katalysator
(von allen europäischen Herstellern
verwendet), besteht aus einem
Blechgehäuse und dem zylin- HC,CO Einbeff-
drischen oder ovalen Körper aus ~ ~I-----.~ Oxidations-
hochtemperaturbeständigem MgAl- Katalysator
Silikat (z.B. 2Mg0 2 Ab 0 3 5 Si0 2 )
der in Strömungsrichtung von paral-
lelen Kanälen durchzogen ist (Bild
V1.61). Die katalytisch wirkende
Beschichtung des Trägerkörpers be-
steht aus Platin und Rhodium, die Doppelbett-
Katalysator
auf einer Zwischenschicht (wash-
coat) aus Al 2 0 3 eingebettet ist, um
eine größere spezifisch wirksame
Oberfläche (Vergrößerungsfaktor
~ 7000) zu erhalten. Platin ist für
die Oxidation der CO und HC-Kon- NOx , HC, CO Einbett-
zentration, Rhodium für die NO x - [liiiJ1---•• Dreiwege -
Reduktion erforderlich. Schüttgut- Katalysator
oder Granulat Katalysatoren , sowie Bild V1.60. Katalysatorsysteme (Ope!)
Metall-Monolith Katalysatoren sind
ohne Bedeutung. Wichtigste Vor-
aussetzung für den Wirkungsgrad
des Dreiwege-Katalysators ist die
Einhaltung einer Gemischzusam-
mensetzung, die eng um A= I liegt
~"8000Z_
(Bild VI.62). Die Einhaltung dieses Abdichfung I1efallge w e b e .
Wärmeschutz
engen Bereiches (schraffierte Kotolysator
Fläche), wird durch den Lambda- C y
Regelkreis realisiert, bei dem durch
~u. __ __ ~ ~~ X
die Messung des Restsauerstoffge-
haltes im Abgas mittels Lambda- Bild VI.61. Aufbau des Keramik-Monolith·Katalysators (Opel)
Sonde, die Kraftstoffzufuhr ständig
angepaßt wird.
Die in die Abgasleitung vor dem
Katalysator eingebaute Sonde arbei- Arbeitsbereich CO
tet nach dem Prinzip einer galva- 100
1:1 HC
nischen Sauerstoffkonzentrations-
zelle mit einem Festkörperelektro-
e 80
~
Ol
lyten (Zirkonoxid) und ist beid- c:
~ 60
seitig mit porösen Platinelektroden
~
versehen. Eine Seite befindet sich
't. 40
im Abgasstrom, die andere Seite
steht mit der Außenluft in Verbin- 20
dung (Bild VI.63). Die Differenz
des O2 -Partialdrucks an den bei den
Elektroden erzeugt ein Spannungs- 13: 1 14: 1 14,6: 1 15: 1 16:1
signal, das als Regelimpuls an das Lu ftlKraffstoffverhätfnis
Steuergerät einer elektronischen Bild V1.62. Wirkungsgrad des Dreiwege-Katalysators (Ope!)
1158
VI. Verbrennungsmotoren

2 3 1 Sondengehäuse
2 keramisches Stützrohr
3 Anschlußkabel
4 Schutzrohr mit Schlitzen
5 aktive Sondenkeramik
6 Kontaktteil
7 Schutzhülse
8 Heizelement
9 Klemmanschlüsse rur
Heizelement
4 5 6 7 8
Bild V1.63. Beheizte Lambda-Sonde (Bosch)

Einspritzanlage oder eines elektronisch geregelten Vergasers weitergegeben wird. Von dort wird es
als Signal zur Gemischanfettung bzw. -abmagerung verarbeitet. Unter 250°C Sondentemperatur
werden keine Signale abgegeben. Die erforderliche Arbeitstemperatur liegt bei ca. 600°C. Um die
ungeregelte Zeit (Motorwarmlaufphase) zu überbrücken, werden beheizte Sonden verwendet, die
bereits 20 ... 30 s nach dem Kaltstart des Motors eine Regelung zulassen.
Ungeregelte Katalysatoren, die keine Einwirkungsmöglichkeit auf die Gemischzusammensetzung
haben, weisen nur etwa 50 % Schadstoffreduzierung auf.

Abgasriickflihrung
Die NOx-Emission kann durch Senkung der Verbrennungstemperaturen reduziert werden (bis
zu 60 %). Dies wird durch die Rückftihrung von ca. 15 % der Abgasmenge in das Ansaugsystem
des Motors über ein Abgasrückftihrungsventil erreicht. Durch Steuergeräte muß das Aufschalten
des Ventils den Betriebsbedingungen angepaßt werden (sonst schlechter Motorlauf, hoher Ver-
brauch usw.).

Magermotorkonzepte verfolgen das Ziel, durch extreme Abmagerung des Gemisches (bis A = 1,2),
die Schadstoffemissionen ohne Katalysator zu reduzieren.

Schalldämpferanlage
Die Abgasanlage (auch Schalldämpfer genannt) soll die austretende Gasströmung bei geringstem
Leistungsverlust (Strömungswiderstand) auf einen geringen Schallpegel dämpfen. Die üblichen
Schalldämpfer beruhen auf der Absorption (Schallschlucken) oder der Reflexion (Schallbrechen).
Beim Absorptionsdämp[er wird der Schall durch Reibung an schallabsorbierenden, wärmebestän-
digen Stoffen, auf Silicium- oder Metallbasis in Wärme umgewandelt. Absorptionsdämpfer sind
rur hohe Schallfrequenzen geeignet (> 500 Hz).
Beim Reflexionsdämp[er wird der Schall ohne Wärmeerzeugung durch in Reihe oder seitlich
angeordnete Schallwellenwiderstände gedämpft. Reihenwiderstände dämpfen die Schallfrequenzen
oberhalb ihrer Eigenfrequenz und lassen die tiefen Frequenzen durch. Abzweigfilter (seitlich)
dämpfen den Schall in seinem Eigenfrequenzbereich und lassen die hohen Frequenzen durch.
Die Kfz-Schalldämpferanlagen bestehen oft aus kombinierten Absorptions-Reflexions-Schall-
dämpfern, welche die Vorzüge der einzelnen Systeme in sich zu vereinen suchen. Mehrzylinder-
Viertaktmotoren besitzen meist Zweitopfanlagen mit Vorschalldämpfer (für Leistungsabstimmung
des Motors) und Hauptschalldämpfer (Schalldämpfung) . Als Werkstoffe werden Al-beschichtete,
verzinkte oder nichtrostende CrNi-Stähle verwendet.
Leistungsverluste treten bei Mehrzylindermotoren durch Strömungsverluste (ca. 4 %), bei Ein-
zylinder-Zweitaktmotoren durch Strömungs- und Trägheitswiderstände (ca. 2 % bei richtigem

1159
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Gegendruck, sonst Spülverluste ) auf. Bei richtiger Abstimmung der Abgasanlage herrscht ein
Schwingungsunterdruck in der Abgasleitung, der bis zu 5 % Leistungsgewinn durch Unterstützung
der Zylinderentleerung ergibt.

13. Aufladung von Verbrennungsmotoren


Leistungssteigerung von Verbrennungsmotoren
Nach GI. (VI.16a) Pi = VHPi n/y ist die Innenleistung eines Verbrennungsmotor proportional
zum mittleren indizierten Druck, zum Hubraum und zur Motordrehzahl.
Eine Leistungserhöhung durch Erhöhung der Motordrehzahl hat gleichzeitig eine Erhöhung der
mittleren Kolbengeschwindigkeit um zur Folge. Durch die damit steigende Triebwerksbelastung
(Massenkräfte, Drosselverluste, Verschleiß) sind jedoch Grenzen auferlegt (um max ca. 16 mfs).
Eine Hubraumvergrößerung führt zu größeren und damit teureren Motoren. Die Erhöhung des
mittleren indizierten Druckes Pi kann durch die Erhöhung des Verdichtungsverhältnisses € (Gren-
zen durch klopfende Verbrennung beim Ottomotor und zulässige Spitzendrücke beim Diesel-
motor) oder durch die Erhöhung der Zylinderfüllung mittels Aufladung erzielt werden. Durch
Füllung des Zylinders mit Ladeluft (Gemisch) vom Ladedruck P größer als Atmosphärendruck,
wird die Fülluftmasse vergrößert. Die Ladeluftmasse m = V p ist größer als die Ansaugluftmasse
mb = Vb P mit Atmosphärendruck. Der Liefergrad AL =m/mb (größer 1) kennzeichnet die
Verbesserung. Im Zylinder steht mit größerer Luftmasse auch mehr Sauerstoff zur Verfügung,
kann mehr Kraftstoff verbrannt werden und die Leistung wird gesteigert.
Mit dem Ladedruckverhältnis
P2
1f=- (VI.54)
e PI
bar
(Index 2 = Ladedruck, Index 1 = Atmosphärendruck, 1fe -Werte bis 3,5 möglich) steigen beim Ver-
dichten auch die Lufttemperaturen, die wiederum den Liefergrad verschlechtern und die thermische
Motorbelastung steigern. Die Verdichtung führt zu einem Anstieg der Ladelufttemperatur auf
P2) (n -l)/n
T2 = Tl ( - (VI.55)
PI
mit Tl der Atmosphärenlufttemperatur, T 2 der Ladelufttemperatur, PI dem Atmosphärenluft-
druck, P2 dem Ladeluftdruck und n dem Polytropenexponent (1,3 ... 1,7 für Luft).
Bei 1f e -Werten > 1,3 ... 1,5 wird durch Ladeluftkühler hinter dem Verdichter die Ladeluft zurück-
gekühlt. Damit wird eine zusätzliche Leistungssteigerung durch Dichterückgewinn, eine Kraftstoff-
verbrauchssenkung und eine Minderung der thermischen Belastung durch Innenkühlung, erzielt.
Man unterscheidet Fremdaufladung und Selbstaufladesysteme. Bei der Fremdaufladung wird der
Verdichter nicht vom Motor selbst angetrieben. Praktisch keine Bedeutung.
Bei der Selbstaufladung wird die Aufladeleistung vom Motor erzeugt. Es wird Abgasturboauf-
ladung, mechanische- und Druckwellenaufladung unterschieden.
Abgasturbolader bestehen aus dem Verdichter und der Gasturbine, die auf einer Welle mit der
gleichen Drehzahl rotieren. Die Gasturbine setzt die Strömungsenergie der Abgase in Rotations-
energie um und treibt den Verdichter an, der Gemisch oder Frischluft ansaugt und vorverdichtet
zu den einzelnen Zylindern fördert.
Bei der Stauaufladung werden die Abgase aller Zylinder zu einem Sammelrohr geleitet, von wo
aus sie mit nahezu konstantem Druck die Turbine antreiben. Bei der Stoßaufladung werden die
Abgase der einzelnen Zylinder durch getrennte Leitungen oder je nach ZÜlldfolge zusammen-
ge faßte Leitungen (6-Zylinder und mehr), zur Turbine geführt, wodurch die Abgasenergie durch

1160
VI. Verbrennungsmotoren

Bild VI.64
Funktionsschem a der Abgasturboautladung
für einen Ottomotor (BMW)
1 Luftfilter
2 Luftmengenmesser
3 Verdichter
4 Ladeluftkühler
5 Drosselklappe
6 Luftverteiler
7 Auspuffkrümmer
8 Abgast urbine
9 vordere Auspuffrohre
10 Ladeluftregelventil
11 Steuerleitung
12 Abgas-Bypassleitung
13 Umluftventil
14 Umluft-Bypassleitung

c n m e k

f n o h

Bild V1.65. KKK-Abgasturbolader mit Ladedruckregelventil für einen PKW-Dieselmotor (Daimler-Benz)

a Ladedruckregelventil Turbinenrad A F rischlufteintritt (vom Luftfilter)


c Verdichtergehäuse j Membranfeder B Verdichtete Luft (zum Motor)
d Verdichterrad k Membran C Bypasskanal/ Ladedruckregelve n til
e Steuerleitung I Ventil D Abgaseintritt
f Axiallager m Ladergehäuse E Abgasaustritt
g Lagerbuchse n Welle H Motorölzulauf
h Turbinengehäuse J Ölablauf
K Steuerdruck
1161
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Druckwellenbildung besser ausgenutzt wird. Da mit steigender Turbinendrehzahl (n bis 150000


l/min) auch der Ladedruck ansteigt, kann bei steigenden Motordrehzahlen der Ladedruck durch
ein Ladedruckregelventil (Diesel maximal 0,7 bar, Ottomotor maximal 1,9 bar) konstant gehalten
werden. Dabei wird ein Teil des Abgasstroms (Ladedruck öffnet Regelventil) an der Turbine
vorbei geleitet (Bild VI.64). Als weitere Sicherheitseinrichtung befindet sich am AnsaugkrÜffimer
ein Abblasventil, das bei Überschreiten des Ladedruckes öffnet und Ansaugiuft zur Ansaugseite
des Laders zurückführt . Das Turbinenrad wird aus einer hochwarmfesten Ni-Legierung, die Welle
aus Vergütungsstahl und das Verdichterrad aus einer Al-Legierung hergestellt. Die Laufeinheit
wird in schwimmenden Gleitlagerbuchsen gelagert, die Schmierung erfolgt durch Anschluß an
den Motorölkreislauf. Verdichtergehäuse werden aus Al-Legierungen, Turbinengehäuse aus GGG
hergestellt .
Eine größere Leistungssteigerung läßt sich erreichen , wenn die verdichtete Luft (ca. 110 °C) in
einem, meist luftgekühlten Ladeluftkühler , auf ca. 50 °c abgekühlt wird . Wird die abgekühlte Luft
vor Motoreintritt in Resonanzrohre oder -kammern geleitet, so werden infolge periodischer Er-
regung durch die Ansaugtakte im Resonanzsystem periodische Druckschwingungen erzeugt.
Diese führen zu einer weiteren Ladungserhöhung in einem bestimmten Drehzahlbereich (z .B.
zur Drehmomentsteigerung bei LKW-Dieselmotoren).
Bei mechanischen Aufladesystemen wird der Lader über Riemen- oder Zahntrieb über ein festes
Übersetzungsverhältnis vom Motor angetrieben (Leistungsverlust, vereinzelt bei Dieselmotoren).
Es werden Sternkolbengebläse, Drehkolbengebläse (Rootsgebläse, KKK-Ro-Lader) und Verdränger-
lader (VW-G-Lader) verwendet.
Vorteil: Einfacher Aufbau ohne Eingriff in das Abgassystem.
Bei der Druckwellenaufladung (Comprex-Lader) wird der mit hoher Geschwindigkeit pulsierende
Abgasstrom in ein von der Kurbelwelle angetriebenes Zellenrad geleitet, das viele achsparallele,
wabenförmige Schächte enthält, die von den seitlichen Kapselwänden abwechselnd geöffnet und
verschlossen werden. Der Abgasstrom reflektiert mehrfach an der einströmenden Frischluft und
verdichtet sie dabei.
Vorteil: Hohes Drehmoment bei niedriger Drehzahl.
Nachteil: Aufwendiger und teurer als Abgasturbolader.

Bild VI.66
Comprex-Lader (Opel)
1 walzenförmiges Zellenrad
2 Rotorantrieb
6 3 pulsierende Auspuffgase
4 verdichtete Frischladung
5 unverdichtete Ansaugluft
6 Abgasleitung

1162
VI. Verbrennungsmotoren

14. Zündanlagen
Bei Ottomotoren muß die Verbrennung des verdichteten Kraftstoff·Luft·Gemisches durch Fremd-
zündung über einen Zündfunken eingeleitet werden. Der Zündfunken muß von hinreichender
Temperatur und Brenndauer und zum richtigen Zeitpunkt von der Zündanlage bereitgestellt wer-
den (um Klopfen zu verhindern , Kraftstoffverbrauch und Schadstoffemissionen gering zu halten
und um eine hohe Leistung zu erzielen (Bild VI.67)).

bar l--:v~o;rCOiTT-:::;;~+::::::O~naiäcCih1iOOTT-'
E
:::J
l'! 40
c:
c:
35 Bild VI.67

~ 20 Druckverlauf im Brennraum bei unterschiedlicher
~
o
Frühzündung (Bosch)
1 Zündung (Za) im richtigen Zündzeitpunkt
0~~~-7=-~~~~~~~ 2 Zündung (Zb) zu früh
75° 5QO 25° 00 - 25° - 50° - 75° 3 Zündung (Zc) zu spät
ZOndwinkel C(Z

+ 0-
150 I
R v fl 4
LJ

711 11
Bild VL68. Funktionsschema und Schaltplan einer Spulenzündanlage (Bosch)
1 Batterie, 2 Zünd-Start-Schalter, 3 Zündspule, 4 Zündverteiler, 5 Zündkondensator, 6 Unterbrecher, 7 Zünd-
kerzen, R v Vorwiderstand zur Startspannungsanhebung (nicht generen eingebaut)

Konventionelle Spulenzündanlage (Bild V1.68)


Bei betätigtem Zünd-Startschalter und geschlossenem Unterbrecherkontakt wird durch den
Batterie- oder Generatorstrom in der Primärwicklung der Zündspule ein starkes Magnetfeld auf-
gebaut. Der Primärstromkreis wird zum Zündzeitpunkt durch Öffnen des Unterbrecherkontaktes
unterbrochen. Das Magnetfeld induziert in der Sekundärwicklung der Zündspule einen Hoch-
spannungsimpuls, der als Zündspannung über den Verteiler zur jeweiligen Zündkerze geleitet wird .
Durch den erzeugten Zündfunken sinkt die Sekundärspannung rasch auf Null ab . Der Unter-
brecherkontakt schließt wieder, lädt die Zündspule erneut auf und der sich drehende Verteiler-
läufer überträgt entsprechend der Motorzündfolge einem anderen Zylinder (Zündkerze) die Zünd-
energie. Um zu verhindern , daß am sich öffnenden Unterbrecherkontakt ein Lichtbogen entsteht
(Abbrand), wird ein Zündkondensator parallel geschaltet, der durch den Primärstrom aufgeladen
wird .
1163
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Aufgaben und Aufbau der Bauteile


Die Zündspule besitzt einen Eisenkern mit aufgewickelter Sekundärwicklung (10000 ... 30000
Windungen). Darüber ist im Windungsverhältnis von ca. 1: 100 die Primärwicklung (100 ... 300
Windungen) aufgebracht. Je ein Ende ist miteinander verbunden und als Anschluß an den Unter-
brecherkontakt gelegt.
Das freie Ende der Sekundärwicklung wird zum Hochspannungsanschluß an den Zündverteiler,
das der Primärwicklung an den Eingangsanschluß gefUhrt. Zur Isolierung der Wicklungen unter-
einander ist die Zündspule ausgegossen.
Hochleistungszündspulen sind für höhere Zündspannungen ausgelegt als Standardspulen (15 ... 25
kV). Vorwiderstände zur Start-Spannungsanhebung werden beim Starten überbrückt, so daß
trotz vorübergehenden Absinkens der Batteriespannung eine ausreichende Zündspannung ansteht.
Der Zündverteiler für Mehrzylindermotoren besteht aus dem Verteilerläufer, der Verteilerwelle
(von Nockenwelle angetrieben) mit Unterbrechernocken, dem Unterbrecherkontakt, dem Flieh-
kraft- und Unterdruckversteller, dem Zündkondensator und der Verteilerkappe mit Anschlüssen
für die Hochspannungsleitungen.
Der Unterbrecherkontakt wird vom Unterbrechernocken (Nockenzahl = Zylinderzahl) betätigt.
Er unterbricht und schließt den Primärstromkreis.

Bild V1.69
Unterbrecherkontakt
a Kontaktabstand
Cl! Schließwinkel
ß Öffnungswinkel
Unferbrechernocken -r Zündabstandswinkel
(Nockenanzahl= n v Verteilerwellendrehzahl
Zylinderanzahl ) Z Zündzeitpunkt

Der Schließwinkel a gibt den Verteilerwellendrehwinkel mit geschlossenem, der Öffnungswinkel ß


den Verdrehwinkel mit geöffneten Kontakten an. Der Abstand zwischen zwei Zündungen ist der
Zündabstandswinkel 'Y der Verteilerwelle :
'Y=a+ß (VI.56)
Bei Viertaktmotoren erfordert ein Arbeitsspiel zwei Kurbelwellenumdrehungen (7200 ) und eine
Verteilerwellenumdrehung (3600 ). Mit z Zylindern wird der Zündabstand der Verteilerwelle:
360 0
'Y=-z- (VI.57)

Der Schließwinkel a wird auch in Prozent von 'Y als relativer Schließwinkel angegeben ('Y = 100 %):

a%=100%·za
(VI.58)
360 0

1164
VI. Verbrennungsmotoren

IT
Die erforderliche Funkenanzahl f pro Minute, ist abhängig von der Zylinderzahl z und Verteiler-
wellendrehzahl n y :
,n y z

_1_ 1 (V1.59)
min
Bei Viertaktmotoren: n y = 0,5 n (Motordrehzahl); bei Zweitaktmotoren: n y = n. Der verstellbare
Kontaktabstand a beeinflußt Schließwinkel a und Zündabstand:
Vergrößerung von a -+ a kleiner, Zündzeitpunkt später
Verkleinerung von a -+ a größer, Zündzeitpunkt früher
Die Schließzeit t des Unterbrecherkontaktes ist vom Schließwinkel a und der Motordrehzahl n
abhängig. Aus t = 2 a 60/n 3600 wird nach dem Kürzen die Zahlenwertgleichung

li
für Viertaktmotoren
n1 (V1.60)
s -
für Zweitaktmotoren min

• Beispiel: Für einen 4 Zylinder Viertaktmotor sind für die Motornenndrehzah1 n = 5280 l/min und
einem Schließwinkel a = 54 0 folgende Werte zu ermitteln.
a) Der Zündabstand 'Y der Verteilerwelle,
b) öffnungswinkel ß,
c) Funkenfrequenz f,
d) Schließzeit t in s,
e) relativer Schließwinkel a in %.
360 360
0 0
Lösung: a) 'Y =-z- =-4- = 90 0

b) ß ='Y - a
= 90 54 = 360
-
0 0

c) f= nyz = 0,5 n . 4 = 5280 l/min' 0,5' 4 = 10 560 l/min


a 54 0
d) t =-3°n =3 = 0 ' 0034 s
0 ·5280

) a % = 100 % . z a = 100 % . 4 . 54 = 60 %
0

e 360 0 360 0
Zündversteller sorgen für die belastungsabhängige (Unterdruckversteller) und drehzahlabhängige
(Fliehkraftversteller) Verstellung des Zündzeitpunktes in bezug auf den OT, gemessen in Grad
Kurbelwinkel C KW); Frühzündung liegt vor OT, Spätzündung nach OT.
Fliehkraftversteller verdrehen drehzahlabhängig über Fliehgewichte den Unterbrechernocken in
Drehrichtung der Verteilerwelle. Der Verdrehwinkel entspricht der Zündzeitpunktvorverlegung.
Unterdruckversteller verdrehen belastungsabhängig (Saugrohrunterdruck wirkt auf eine oder zwei
Membrandosen) die Unterbrecherscheibe mit Unterbrecherkontakt gegen die Drehrichtung der
Verteilerwelle .
Unterdruck· und Fliehkraftversteller arbeiten unabhängig voneinander.
Die Verteilerwelle wird meist über ein Schneckenrad oder eine Kupplung direkt von der Motor-
nockenwelle angetrieben. In der Verteilerkappe wird die Zündspannung durch eine gefederte
Schleifkohle (Mittenanschluß) über den von der Verteilerwelle angetriebenen Verteilerläufer
(Läuferelektrode ), auf die Festelektroden geführt. Von hier werden über Zündleitungen die Zünd·
kerzen versorgt.
1165
Kraft- und Arbeitsmaschinen

1---+
2 - --+l1l:::X

3
Bild VI.70
4 Aufbau der Zündkerze (Bosch)
1 AnschlußmuUer
2 Anschlußgewinde
3 Kriechstrom barriere
4 Isolator (A12 03)
5 elektrisch leitende Glasschmelze
6 Anschlußbolzen
7 Stauch- und Warmschrumpfzone
8 unverlierbarer äußerer Dichtring (bei Flachdichtsitz)
9 Isolatorfußspitze
10 Mittelelektrode
11 Masseelektrode

Zündkerzen (Bild VI.70) zünden das Gemisch im Verbrennungsraum durch Funkenübersprung an


den Elektroden (U> 10000 V). Sie sind im Betrieb hohen elektrischen, thermischen und mecha-
nischen Belastungen ausgesetzt. Die Werkstoffauswahl für die hochbelasteten Teile trägt diesen
Beanspruchungen Rechnung. Der Isolator besteht aus AlO und die Elektroden aus Nickel-, Silber-
legierungen oder Platin, oft mit Kupferkern zur besseren Wärmeableitung. Der Wärmewert einer
Zündkerze ist ein Vergleichswert (Wärmewertkennzahl) ftir die thermische Belastbarkeit. Elektro-
den und Isolatorfuß müssen im Betrieb die Selbstreinigungstemperatur (400 ... 850 °C) erreichen,
um Verbrennungsrückstände (Ölkohle, Ruß) auf dem Isolatorfuß wegbrennen zu können . Ober-
halb 850°C können Glühzündungen auftreten. Hohe Wärmewertkennzahlen bedeuten großes
Wärmeaufnahmevermögen und geringe Wärmeableitung. Niedrige Kennzahlen bedeuten großen
Widerstand gegen Glühzündungen (großes Wärmeableitungsvermögen).
Mehrbereichskerzen mit Mittelelektroden aus Platin oder Nickel mit Kupferkern passen sich unter-
schiedlichsten Betriebsbedingungen auch bei mageren, zündunwilligen Gemischen besser an .
Die elektrische und mechanische SchaItleistung der Unterbrecherkontakte (Verschleiß durch
Abbrand mit Zündzeitpunktverstellung) in der konventionellen Spulenzündung ist den hohen
Anforderungen bezüglich Zündenergie und Hochspannung in modernen Motoren nicht mehr
gewachsen.
Als Leistungsschalter zur Primärstromunterbrechung werden an statt des Unterbrechers daher
Transistoren (Transistorzündung) oder Tyristoren (Hochspannungs-Kondensatorzündung) ver-
wendet.

Transistorzündanlagen
Kontaktgesteuerte Transistorzündanlagen werden zur Nachrüstung von konventionellen Spulen-
zündanlagen verwendet .
Der Unterbrecher schaltet hier nicht mehr den großen Primärstrom (I ca. 9 A), sondern einen
geringen Steuerstrom (I ca. 0,5 A) ftir den Transistor, über den der PrimärstromIcreis fließt. Da-
durch wird der Abbrand am Unterbrecherkontakt und die damit verbundene Zündzeitpunkt-
verstellung sehr klein. Der Kondensator kann entfallen.

1166
VI. Verbrennungsmotoren

Kontaktlose Transistorzündungen (TSZ) ersetzen den nockenbetätigten Unterbrecher, durch


kontaktlos arbeitende (verschleißfrei), elektronische Zündauslöser. Es werden erheblich höhere
Zündspannungen und Zündenergien erreicht, die über die Endstufen des Steuergerätes verschleiß-
frei geschaltet werden. Schließwinkelregelung und Primärstrombegrenzung werden in Abhängig-
keit von der Batteriespannung und der Motordrehzahl durchgeführt. Nach der Steuergeräte-
ansteuerung unterscheidet man Anlagen mit induktiver (TSZ-I)-Auslösung und Anlagen mit
Auslösung nach dem Hallprinzip (TSZ-H). Fliehkraft- und Unterdruckverstellung bleiben erhalten.
Transistorzündung mit Induktionsgeber (TSZ-I)
Der Induktionsgeber ist entweder im Verteiler (Bild VI.71) oder am Schwungrad des Motors
untergebracht (vgl. Motronic). Durch Drehung des Rotors (Impulsgeberrad) auf der Verteiler-
welle, wird der Luftspalt zwischen dem Rotor und dem Stator mit Induktionswicklung periodisch
verändert. Die magnetische Feldänderung induziert eine einphasige Wechselspannung in der In-
duktionswicklung (Bild VI.71), deren Scheitelspannung von der Drehzahl abhängt (U= 0,5 ...
100 V). Der Spannungsimpuls wird vom Steuergerät zur kontaktlosen Zündungsauslösung ver-
arbeitet. Entfernen sich Rotor und Stator voneinander, so wechselt die Spannung sprunghaft
ihre Richtung (= Zündzeitpunkt). Die Frequenz der Spannung entspricht der Funkenzahl pro
Minute (VI.59).

Bild VI.71
Zündverteiler mit Induktionsgeber (Bosch)
a) Funktionsprinzip
a) 1 Dauermagnet
2 Induktionswicklung mit Kern
3 unveränderlicher Luftspalt
4 Rotor
b) Verlauf der Induktionsspannung

b) tz Zeit-

Transistorzündung mit Hallgeber (TSZ-H)


Der von der Verteilerwelle angetriebene Blendenrotor bewegt sich durch eine feststehende Magnet-
schranke mit Hall-Ie. Durch das Ein- und Austauchen der Blende in die Magnetschranke, werden
Spannungsimpulse erzeugt. Taucht die Blende in den Luftspalt ein, fließt der Primärstrom, ver-
läßt die Blende den Luftspalt, so wird der Primärstrom unterbrochen (= Zündzeitpunkt).
Das erzeugte Geberspannungssignal wird im Steuergerät zur Primärstromschaltung und damit
zur Zündungsauslösung verwendet. Die Steuergeräte sind meist in Hybridtechnik aufgebaut
(geringe Abmessungen und Gewicht) und werden zur Kühlung direkt an die Karosserie oder
am Zündverteiler angebaut.
Elektronische Zündanlagen werden zusammen mit elektronischen Benzineinspritzanlagen ein-
gesetzt und ersetzen die fliehkraft- und unterdruckgesteuerte Zündzeitpunktverstellung durch
Signalgeber für die Drehzahl (induktiv am Schwungrad) und die Motorbelastung (Saugrohrdruck).

1167
Kraft- und Arbeitsmaschinen

a) Bild VI.72
4 2
Zündverteiler mit Hallgeber (Bosch)
a) Funktionsprinzip
1 Blende mit Breite b
i....- ~ 2 weichmagnetische Leitstücke.mit Dauermagnet
3 Hall-le
4 Luftspalt
b) Verlauf der Geberspannung UG (umgeformte
Hallspannung)
b)

Diese Signale werden im Steuergerät kennfeldgesteuert in die erforderlichen Impulse zur Zünd-
zeitpunktverstellung umgewandelt.
Weitere Signale sind die DrosselklappensteIlung, die Motor- und Ansauglufttemperatur und die
Batteriespannung. Zur Vermeidung von Motorklopfen kann auch eine Klopfregelung über einen
Klopfsensor realisiert werden. Der Hochspannungsverteiler (nur noch ein Verteilerläufer vor-
handen) wird meist direkt von der Nockenwelle angetrieben.
Bei dem System Motronic werden Einspritzsystem und elektronische Zündung zentral gesteuert.
Bei voUelektronischen Zündanlagen entfällt der Verteilerläufer. Die Hochspannungsverteilung
wird elektronisch vorgenommen. Verwendet werden Zweifunkenspulen, die je zwei Zylinder mit
einer Zündspule versorgen oder Systeme mit je einer Zündspule und Endstufe pro Zündkerze.
Die Hochspannungs-Kondensatorzündung (HKZ-Tyristorzündung) wird für hochdrehende Hoch-
leistungsmotoren verwendet. Die Zündenergie wird im elektrischen Feld eines Kondensators
gespeichert. Der Kondensator wird durch ein Ladeteil mit 400 V aufgeladen. Im Zündzeitpunkt
entlädt sich der Kondensator, vom Tyristor als Leistungsschalter angesteuert, schlagartig in die
Primärwicklung des Zündtransformators, wodurch in der Sekundärwicklung eine hohe Zünd-
spannung induziert wird. Ist der Kondensator entladen, sperrt der Tyristor und der Kondensator
wird wieder aufgeladen.
Merkmale: Sehr kurze Funkendauer (0,1 ... 0,3 ms), unempfindlich gegen Nebenschluß im Zünd-
kreis.
Magnetzündanlagen erzeugen den Zündstrom unabhängig von Batterie oder Generator selbst.
Verwendung in Zweitakt- und Viertakt-Ottomotoren flir leichte Zweiräder, Rasenmäher, Boots-
motoren, Kettensägen.
Eingesetzt werden Magnetzünder-Generatoranlagen mit kontaktgesteuertem und kontaktlos
gesteuertem Zündimpulsgeber. Ein umlaufendes Polrad, mit Permanentmagneten an der Kurbel-
welle befestigt, dient gleichzeitig als Teil der Motorschwungmasse. Die feststehende Ankerplatte
enthält den Zündanker (mit Primär- und Sekundärwicklung), den Generatoranker, sowie Konden-
sator, Unterbrecher und Hochspannungsanschluß. Durch den Polradumlauf wird in der Primär-
wicklung des Zündankers eine Spannung induziert, die bei geschlossenen Unterbrecherkontakten
ein wechselndes Magnetfeld erzeugt. Wenn das Magnetfeld sein Maximum aufweist, unterbricht

1168
VI. Verbrennungsmotoren
der Unterbrecherkontakt. Durch die schneIle Feldänderung wird in der Sekundärwicklung eine
hohe Spannung induziert, die den Zündfunken auslöst. Zur Lichtstromerzeugung wird ein zu-
sätzlicher Generatoranker (Wechselstromerzeugung) eingebaut. Es sind auch Anlagen mit Zünd-
anker, Generatoranker und außenliegender Zündspule üblich. Zum MotorabsteIlen dient ein
Kurzschlußschalter.
Kontaktlose Magnet-Hochspannungs-Kondensatorzündanlagen oder kontaktlose Magnet-Transistor-
zündanlagen werden bei größerer Lichtleistung, Batteriebetrieb und zusätzlich aufgeschaIteten
Verbrauchern verwendet.

15. Generator
Verbrennungsmotoren benötigen zu ihrem Betrieb eine Stromversorgung, die beim Start von der
Batterie (Starterbatterie als Blei-Schwefelsäure-Akkumulatoren) und bei laufendem Motor von
dem angetriebenen Generator geliefert wird. Der Generator lädt gleichzeitig die Batterie auf.
Früher verwendete Gleichstromgeneratoren sind durch leistungsfähigere Drehstromgeneratoren
abgelöst worden. Merkmale : Leistungsabgabe schon bei Leerlaufdrehzahl, verschleißarm, kleines
Leistungsgewicht, elektronische Gleichrichtung durch Dioden.
Der Generator wird über Keilriemen von der MotorkurbelweIle angetrieben, oft gemeinsam mit
der Wasserpumpe. Da Generatoren Wechselspannungen erzeugen, muß diese durch Gleichrichter
und Regler auf eine drehzahlunabhängige, konstante Gleichspannung gebracht werden, damit
die Batterie aufgeladen werden kann . Es werden Klauenpol-Synchrongeneratoren (ftir PKW und
LKW) (Bild V1.73) und Einzelpolgeneratoren (für Großfahrzeuge mit hohem Leistungsbedarf)
ftir 12 V und 24 V Bordnetzspannungen gebaut.

1 10

9 1 Schleifringlagerschild
2
2 Gleichrichter
3 Leistungsdiode
3 B 4 Erregerdiode
5 Regler, Bürstenhalter
und Kohlebürsten
4 6 Ständer
7 Läufer
7 8 Lüfter
9 Riemenscheibe
5 6 10 Antriebslagerschild

Bild VI. 73 . Drehstromgenerator (Bosch)

Aufbau und Funktion des Drehstromgenerators: In dreiphasigen, um 1200 versetzten Ständer-


wicklungen (Stern- oder Dreieckschaltung), wird bei Drehung des Läufers ein Dreiphasen-Wechsel-
strom (Drehstrom) induziert. Der Läufer trägt die Antriebsriemenscheibe und das Lüfterrad und
ist mit Magnetpolen, der Erregerwicklung und zwei Schleifringen ftir die Erregerstromzufuhr ver-

1169
Kraft- und Arbeitsmaschinen
sehen. Ein Teil des erzeugten Drehstroms wird abgezweigt (Erregerstromkreis), über Erregerdioden
gleichgerichtet und durch Kohlebürsten über die Schleifringe zur Erregerwicklung geführt
(Regelung der induzierten Wechselspannung).
Beim Anlauf muß über die Ladekontrollampe mit Batteriestrom erst vorerregt werden (Vorerreger-
stromkreis; nach Verlöschen der Lampe Selbsterregung). Der Hauptstromanteil wird durch die
Leistungsdioden gleichgerichtet und in das Bordnetz ftir Batterie und Verbraucher abgegeben.
Die Generatorspannung ist von der Erregerstromhöhe, der Drehzahl und der Belastung durch
Verbraucher abhängig.
Durch die Regelung des Erregerstromes (Ein- und Ausschalten über Z-Dioden, Steuer- und Leistungs-
transistor), wird die Generatorspannung drehzahl- und belastungsunabhängig gleich hoch gehalten,
der Ladestrom dem Ladezustand der Batterie angepaßt und der Generator vor Überlastung
geschützt.
Als Regler werden elektronische Feld- oder Transistorregler, selten Kontaktregler verwendet.

16. Starter
Verbrennungsmotoren können nicht aus eigener Kraft anlaufen (innere Reibung , Verdichtungs-
widerstände ). Sie benötigen eine Startanlage , um die Mindeststartdrehzahl (Ottomotor 60 ... 110
l/min, Dieselmotor 70 ... 200 ljmin) zu erreichen . Kleinere Motoren werden mittels Seilzug oder
Hebeleinrichtungen, größere Motoren (Kraftfahrzeuge, Eisenbahn- und Kleinschiffsdiesel) durch
elektrische Startermotoren und Großdieselmotoren (Schiffsanlagen) durch direkte Druckluft-
beaufschlagung gestartet.

3 ------------~~~~

4 ------------~~·~\

5------r

9
10----=:::0-
11- - - - - - "

Bild V1.74. Schub-Schraubtrieb-Starter (Bosch)


1 Haltewicklung 9 Ankerwelle 18 Kommutatorlage
2 Einzugswicklung 10 Anschlagring 19 Bürstenhalter
3 Rückstellfeder 11 Steilgewinde 20 Kohlebürste
4 Einrückhebel 12 Führungsring 21 Kommutator
5 Einspurfeder 13 Elektrischer Anschluß 22 Pohlschuh
6 Mitnehmer 14 Kontakt 23 Anker
7 Rollenfreilauf 15 Kontaktabschaltfeder 24 Polgehäuse
8 Ritzel 16 Kontaktbrück e 25 Erregerwicklung
17 Einrückrelais
1170
VI. Verbrennungsmotoren

Startermotoren arbeiten wegen des hohen Anlaufwiderstand-Drehmomentes als Gleichstrom-


Reihenschluß- oder Doppelschlußmotoren mit 12 V (selten 6 V) bei PKW Anlagen. LKW und
Busse arbeiten mit 24 V, Bahn- und Schiffsdieselanlagen bis 110 V Nennspannung.
Bei Betätigung des Startschalters führt ein Einspursystem das Starterritzel in den Zahnkranz des
Schwungrades (i = 9: 1 ... 18: 1), um das Anlaufdrehmoment und die Startdrehzahl aufzubringen.
Da nach dem Anspringen des Motors mit eingespurtem Ritzel der Läufer mit hoher Drehzahl
angetrieben werden würde, schützt ein Frei/aufsystem den Startermotor vor Zerstörung. Nach
öffnen des Startschalters wird das Ritzel durch Federkraft aus den Zahnkranz gespurt. Nach der
Art des Einspursystems werden Starteranlagen unterschieden in
Schraubtriebstarter für Motorräder. Das Ritzel wird über ein Steilgewinde mit voller Drehzahl
eingespurt. Kein Freilauf, Ausspuren erfolgt über das Steilgewinde.
Schub-Schraubtriebstarter für PKW und kleine Nutzfahrzeuge, mit und ohne Planetenvorgelege
zur Drehmomenterhöhung. Das Ritzel wird durch ein Einrückrelais (Magnetschalter) bei gleich-
zeitiger Schraubbewegung über ein Steilgewinde in den Zahnkranz geschoben (Schub-Schraub-
Bewegung). Erst nach dem Einspuren erfolgt volle Ankerdrehung. Rollenfreilauf als Überlastungs-
schutz, Rückstellen von Anker und Ritzel erfolgt über Rückstellfeder und Steilgewinde.
Schubankerstarter für LKW und Busse. Das Ritzel wird über das Einrückrelais mit dem Anker
langsam drehend in den Zahnkranz eingespurt, bevor der Starter durchdreht. Lamellenkupp-
lung als Freilauf, Rückspuren erfolgt über eine Feder.
Schubtriebstarter für große Leistungen (6 ... 21 kW) mit mechanischer- und elektrornotorischer
Ritzelverdrehung, Einspuren über Einrückrelais bei langsamer Ankerdrehung zur Einspurerleichte-
rung bevor der Starter durchdreht. Lamellenkupplung als Freilauf.
Bei Kleinrnotoren mit Magnetzündanlage werden Starter-Generator-Kombinationen verwendet, die
direkt an die Kurbelwelle angeflanscht sind (Seilzug- und Kickstarter).

17. Alternative Verbrennungsmotoren


Gasturbinen sind wegen des schlechten Wirkungsgrades und des hohen Kraftstoffverbrauchs,
besonders im Teillastbereich, im Vergleich zu den Hubkolbenmotoren, kaum für den Einsatz im
Fahrzeugbereich geeignet. Ihr Einsatz erfolgt vorwiegend für große Triebwerksleistungen (Flugzeug-
und Schiffsantriebe).
Während beim Hubkolbenmotor der Kreisprozeß im Zylinder zeitlich nacheinander abläuft, laufen
die Zustandsänderungen bei der Gasturbine räumlich getrennt gleichzeitig ab. Bei der Zweiwellen-
Fahrzeuggasturbine (Bild VI.75) wird die Luft vom Radialverdichter angesaugt und in die Brenn-
kammer geleitet (3 ... 5 bar). Dort wird kontinuierlich eingespritzter Kraftstoff verbrannt. Die
heißen Gase werden mit hoher Geschwindigkeit auf die Turbinenschaufeln geleitet, die in Drehung
versetzt werden. Die Verdichterturbine zum Verdichterantrieb und die Antriebsturbine zum Fahr-
zeugantrieb sind nicht durch Wellen verbunden (n Antrieb bis 50 000 ljmin).
Die Abgase werden einem Wärmetauscher zugeführt, in dem die angesaugte Luft vorgewärmt und
damit der Wirkungsgrad erhöht wird. Die Antriebsdrehzahl wird in einem Zwischengetriebe unter-
setzt. Durch die über das Fahrpedal verstellbaren Leitschaufeln kann im Teillastbereich der Ver-
brauch gesenkt werden.

Kreiskolbenmotor
Der Wankel-Kreiskolbenmotor arbeitet nach dem Viertaktprinzip und hat keine hin- und her-
gehenden Massen. Ein exzentrisch gelagerter Kreiskolben übernimmt die Funktion des Hubkolben-
Kurbeltriebwerks beim Ottomotor.
Die Steuerung des Gaswechsels geht im Vergleich zum Hubkolbenmotor einfacher vor sich. Wäh-
rend der einzelnen Arbeitstakte bewegt sich die Gasfüllung im Gehäuse und kommt ständig mit

1171
Kraft- und Arbeitsmaschinen

,
Zündkerze
Brennstoffdüse Brennkammer

Luft-E

- -- - II----Anfriebsfeil - - --

Bild V1.75. Schnitt durch eine Gasturbine (Opel)

1-4 _ 5-7 IB 8-10 _ 11-1 . .


Ansaugen Verdichten Arbeitshub Ausschieben
Zündung fVerbrennung)

Bild V1.76 . Wirkungsweise des Kreiskolbenmotors

1172
VI. Verbrennungsmotoren

gekühlten Wandungsflächen in Berührung (geringe Klopfneigung). Der Läufer (Kreiskolben) hat


die Querschnittsform eines Bogendreiecks. Er ist auf einer Exzenterwelle gelagert und rotiert mit
2/3 der Wellendrehzahl in entgegengesetzter Richtung, also mit 1/3 der Wellendrehzahl bezogen
auf das feststehende Gehäuse. Hierdurch ergeben sich geringere Gleitgeschwindigkeiten. Bei der
Drehbewegung bleiben die drei Dichtkanten (A, B, C) dauernd mit der Wand des bogenförmigen
Gehäuses (Epitrochoide) in Berührung und erzeugen dabei Hubräume wechselnder Größe für die
einzelnen Arbeitstakte. Ein vollständiges Viertakt·Arbeitsspiel ergibt sich bei einer Kreiskolben-
drehung oder drei Exzenterwellenumdrehungen. Durch Aneinanderreihen der Kreiskolben und
Gehäusemantelteile (durch Zwischenteile getrennt) auf einer verlängerten Exzenterwelle lassen
sich Mehrscheibenmotoren bauen.

Arbeitsweise
Das Volumen 1 wächst während des Ansaugens in der LäufersteIlung 2 bis 3, wobei der Ansaug-
kanal geöffnet ist. In Stellung 4 ist der Ansaugtakt beendet. Anschließende Verdichtung erfolgt
in den Stellungen 5, 6 und 7. In Stellung 7 wird das Gemisch gezündet. Die Arbeitsabgabe an die
Welle geschieht während des Ausdehnungshubes in Stellung 8, 9 und 10. Der Auslaßkanal wird
bei 10 geöffnet. Das Ausschieben der verbrannten Gase erfolgt während der Stellung 11 bis 12.
Bei 1 beginnt das Arbeitsspiel wieder.
Neuere Konzeptionen verwenden zwei nebeneinander liegende Zündkerzen. Elektronische Benzin-
einspritzung, Dreiwege-Katalysator und Abgasturboaufladung sind genauso üblich wie bei Hub-
kolbenmotoren.
Vorteile: Gedrungene, leichte Bauweise, wenig Bauelemente, ruhiges schwingungsarmes Lauf-
verhalten.
Nachteile: Höherer Kraftstoffverbrauch, höherer Bauaufwand und ungünstige Brennraumform.
Der Stirlingmotor (Heißgasmotor) ist ein Hubkolbenmotor. Er arbeitet in einem geschlossenen
Kreisprozeß (Sterling), da das Arbeitsmedium (Wasserstoff oder Helium) ständig im Kreislauf
verbleibt. Dem Arbeitsgas wird über die äußere Verbrennung eines Kraftstoff-Luft-Gemisches
Wärme zugeführt, wodurch es sich ausdehnt und über einen Arbeitskolben Arbeit an das Kurbel-
triebwerk abgibt. Durch den Verdrängerkolben wird das Arbeitsgas zyklisch über Kühler und
Regenerator in den Erhitzer zurückbefördert. Arbeitskolben und Verdrängerkolben sind über
einen Rhombentrieb zwangsgesteuert.
Vorteil: leiser Lauf, hoher Wirkungsgrad.
Nachteil: aufwendige Bauweise.

;::::::l.. /Brenner
//11\\"'<-..
Erhitzerrohre

Regenerator
Kühler
Bild VI.77
Prinzip des Stirlingmotors (Ope!)

1173
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Arbeitsweise
l. Der Verdrängerkolben bleibt in OT-Lage, der Arbeitskolben verdichtet durch Bewegung nach
oben kaltes Gas.
2. Der Arbeitskolben bleibt stehen, der Verdrängerkolben schiebt das Gas über Kühler, Regenera-
tor und Erhitzer in den heißen Raum.
3. Das Gas expandiert und schiebt den Verdichter- und Arbeitskolben nach unten, wobei Arbeit
aufgebracht wird.
4. Der Verdrängerkolben bewegt sich nach oben (Arbeitskolben bleibt unten) und schiebt das
heiße Gas über Erhitzer, Regenerator und Kühler in den kalten Raum. Der Prozeß beginnt neu.
Beim Dampfmotor wird durch ein kontinuierlich verbrennendes Kraftstoff-Luft-Gemisch in einem
Boiler Heißdampf (ca. 350 oe) erzeugt, der einen Mehrzylinder-Kolbendampfmotor antreibt. Der
Abdampf wird in einem Kondensator heruntergekühlt und zum Dampferzeuger zurückgeführt.
Nachteil: Schlechter Wirkungsgrad, zu große Anlagenmasse.
Der Hybridantrieb ist eine Mischantriebsart, bei der zumeist die Kombination Elektromotor-
Verbrennungsmotor zum Antrieb von Fahrzeugen verwendet wird. In Nutzfahrzeugen wird z.B.
im Stadtbereich und zum Anfahren Elektrobetrieb über Batteriepakete und bei Überlandfahrt
Verbrennungsmotorbetrieb eingesetzt. Der Verbrennungsmotor lädt hier gleichzeitig die Batterien
auf (E-Motor als Generator betrieben). Das umweltfreundliche Konzept scheitert an zu großer
Batteriemasse und der vergleichsweise geringen Speicherkapazität der Batterieblöcke.

Literatur
Kalide, w., Kolben- und Strömungsmaschinen, Hanser-Verlag, München 1974
KraemerjJungbluth, Bau und Berechnung von Verbrennungsmotoren, Springer-Verlag, Berlin 1983
Kraftfahrtechnisches Taschenbuch, Robert Bosch GmbH, Vertrieb: VDr-Verlag, Düsseldorf 1985
Küttner, K. H., Kolbenmaschinen, Teubner-VerJag, Stuttgart 1984
Staudt, w., Kraftfahrzeugtechnik, Vieweg-Verlag, Braunschweig/Wiesbaden 1988
Schriftenreihe Technische Unterrichtung, Hrsg. Robert Bosch GmbH, Stuttgart, div. Jahrgänge
Wagner, H., Strömungs- und Kolbenmaschinen, Vieweg-Verlag, Braunschweig/Wiesbaden 1986
WaldmannjSeidel, Kraft- und Schmierstoffe, Sonderdruck der ARAL-AG Bochum aus dem Automobiltech-
nischen Handbuch, de Gruyter-Verlag, Berlin 1979

1174
VII. Pumpen

VII. Pumpen

Pumpen fördern Flüssigkeiten auf ein höher gelegenes Niveau. Pumpen sind Arbeitsmaschinen,
weil ihnen mechanische Energie zugeflihrt wird. Diese mechanische Energie wird umgewandelt in
Druck- und kinetische Energie.

1. Fördermenge, Förderhöhe
Als Fördermenge (Förderstrom, Durchsatz) wird nur das nutz-
bare Flüssigkeitsvolumen je Zeiteinheit V in m 3 /s bezeichnet.
Entlastungs-, Leck- und entnommene Kühlflüssigkeiten fiir die
Pumpenanlage zählen nicht zum Förderstrom.
Die Förderhöhe h in m (Bild VII. I) wird als Nutzförderhöhe
bezeichnet. Zunächst muß in der Saugleitung durch die Pumpe
ein Unterdruck erzeugt werden, damit die Flüssigkeit aus der
Lage Z I über die Saugleitung bis zur Pumpe gelangen kann.
Dann wird ein überdruck erzeugt, damit die Flüssigkeit über
die Druckleitung auf die Lage Z2 transportiert werden kann
(Bild VII.I).
Die Nutzförderhöhe setzt sich zusammen aus der Saughöhe h s
und der Druckhöhe hd :
Bild VII. 1. Pumpenanlage
h = h s + hd (VII. I)

Ausschlaggebend fiir die Saugwirkung ist bei allen Pumpen der atmosphärische Druck bei offenem
Saugbehälter oder der Druck PI bei geschlossenem Saugbehälter. Bei einem atmosphärischem Druck
von ca. 1 bar könnte theoretisch die Saughöhe fiir Wasser als Förderflüssigkeit 10 m betragen. Die
praktisch erreichbare Saughöhe ist allerdings wesentlich geringer, da der tatsächliche Barometer-
stand, die Wassertemperatur und die am Ende der Saugleitung vorhandene Geschwindigkeitsenergie
des Wassers berücksichtigt werden muß. Durch diese Umstände läßt sich fiir Wasser eine nutzbare
Saughöhe von maximal 7 m erreichen.
Bei Wassertemperaturen über 70 oe muß auf das Ansaugen ganz verzichtet werden; man läßt in
diesem Fall das Wasser der Pumpe zulaufen.
Neben der nutzbaren Saughöhe h s und der Druckhöhe hd müssen noch sämtliche Widerstände in
der Saug- und Druckleitung, in Armaturen, Krümmern, Meßgeräten und Filtern überwunden wer-
den. Widerstände treten auch durch Geschwindigkeitsänderungen infolge Querschnittsunterschie-
den in den Leitungen auf.
Daraus ergihLsich die erforderliche Förderhöhe herf (h erf > h):

-P
h P2 1
C 2 _C 2

erf = +---+---+
21
h h (VII.2)
pg 2g v
m

d-cr
h nutzbare Förderhöhe Geschwindigkeitshöhe
2g
Druckhöhe Widerstandshöhe

1175
Kraft- und Arbeitsmaschinen

2. Pumpenleistung und Wirkungsgrad


Die Nutzleistung einer Pumpe ergibt sich aus der Fördermenge V und der Förderhöhe herf:
Pn V herf p g
(VII.3)
m

Die Wellenleistung Pa an der Kupplung muß größer sein, da Leck-, Wirbel-, Radreibungs-, Gleit-
flächen- und Spaltverluste auftreten können (Pa> Pn)'
Durch das Verhältnis von Pa zu Pn wird der Wirkungsgrad 1)p bestimmt:

(VII.4)

1)p ist außerdem das Produkt aus mechanischem Wirkungsgrad 1)m und hydraulischem Wirkungs-
grad 1)h:

1)p = 1)m 1)h (VII.5)

Der Gesamtwirkungsgrad 1)ges ergibt sich als Produkt der Wirkungsgrade des Antriebsmotors 1)mot,
der Steigleitung 1)/ und der Pumpe 1)p:

1)ges = 1)mot 1)/1)p (VII.6)

Der hydraulische Wirkungsgrad 1)h schwankt je nach Druckhöhe in der Saug- und Druckleitung
zwischen 1)h = 0,82 bei niedrigen und 1)h = 0,97 bei hohen Drücken:
Der Wirkungsgrad des Antriebsmotors 1)mot ~ 0,84 ... 0,95,je nach Antriebsart.
Der Wirkungsgrad der Saug- und Druckleitung 1)/ berücksichtigt die Widerstandshöhe h v :

(VII.7)

3. Kolbenpumpen
Die Saug- und Druckwirkung der Kolbenpumpen beruht auf dem Verdrängungsprinzip. Bild VII.2
zeigt schematisch den Aufbau einer einfachwirkenden Druckpumpe mit Tauchkolben in liegender
Bauweise.
Der Tauchkolben drückt beim Druckhub das Wasser durch das selbsttätig öffnende Druckventil (5)
hindurch in die Druckleitung. Es wird nur bei jedem zweiten Hub (Druckhub) Wasser gefördert.
Beim Saughub wird das Wasser infolge des atmosphärischen Druckes durch das sich selbsttätig öff-
nende Saugventil (7) dem Pumpenkolben nachgedrückt. Die durch die hin- und hergehende Bewe-
gung des Tauchkolbens auftretende pulsierende Förderung kann durch Anordnung von mehreren
phasenversetzt arbeitenden Tauchkolben weitgehend ausgeglichen werden. Bei Dreifachwirkung
(mit 1200 Phasenversetzung an der Kurbel) wird ein praktisch konstanter Förderstrom erzielt.
Zum Ausgleich der Bewegungen der Druckwasser- und der Saugwassersäule dienen jedoch vor allem
die Druckwindkessel (3) und Saugwindkessel (10). Der zum Teil mit Luft geftillte Druckwindkessel
nimmt beim Druckhub Wasser auf. Dabei wird die Luft zusammengedrückt; Wasserstand und Druck
im Kessel steigen an. Bei Abnahme der Wassergeschwindigkeit und während des Hubwechsels gibt
der Druckwindkessel wieder Wasser ab; Wasserstand und Druck sinken.

1176
VII. Pumpen

Bild VII.2. Schematischer Aufbau einer einfachwirkenden


Druckpumpe mit Tauchkolben in liegender Bauweise

---
1 Manometer 8 Ej ektor
2 Druckluftzufuhr 9 Filterventil
3 Druckwindkessel 2
10 Saugwindkessel
4 Sicherheitsventil 11 Wasserstandsmesser
5 Druckventil 12 Vakuummeter
6 Tauchkolben 13 Schnüffelventil
7 Saugventil

Das Luftkissen des Druckwindkessels wird vom


Druckwasser laufend aufgezehrt und muß von
Zeit zu Zeit ergänzt werden. Dies kann mit Hilfe
des Schnüffelventils (13) geschehen. Bei För-
derdrücken über 15 bar wird der Betrieb mit
dem Schnüffelventil aber unwirtschaftlich. Der
Druckwindkessel muß dann über einen ent-
sprechenden Anschluß (2) immer wieder mit
Druckluft aufgefüllt werden. Der unter dem ~.---.:. ~

-_
Saugventil liegende Saugwindkessel (10) dient
--~~~
ebenfalls als Ausgleicher.
Mit Hilfe eines Ejektors (8) kann die Luft aus
Saugwindkessel und Saugleitung abgesaugt wer-
1~_-_-_= =g~t -~-_-_-
----- - -----
den, so daß die Pumpe auch trocken ansaugen
kann. Zur Drucküberwachung sind am Saug-
----l--~---
-=-=-=-~-=-
-- -
-----
-
=-_
-
---=~
--
- ---
9

windkessel ein Vakuummeter und am Druck- ~--t=~~~-


windkessel ein Manometer angebracht. Die
Sicherheitsventile (4) schützen die Pumpe vor
zu hohem Druckanstieg: Würde z.B. ein in der
Druckleitung befmdliches Absperrorgan ver-
sehentlich abgesperrt und die Pumpe weiter angetrieben, so könnte der entstehende hohe Druck
die Pumpe sprengen. Auch der Druck im Saugwindkessel könnte beim Füllen mit Wasser unzulässig
hoch ansteigen.
Die theoretische Fördermenge Vth in m 3 /s kann ermittelt werden aus der Kolbenfläche A, dem
Kolbenhub s und der Drehzahl n der Kurbelwelle:

. Asn Vth Asn


vth =60 (VII.8)

Aus GI. (VII.8) geht hervor, daß die Veränderung des Förderstromes am einfachsten über die Rege-
lung der Drehzahl möglich ist.

3.1. Schwungradlose Pumpen


In wärmewirtschaftlichen und in explosionsgefahrdeten Betrieben werden häufig schwungradlose
Pumpen, Simplex- und Duplexpumpen verwendet. Sie zeichnen sich durch Anspruchslosigkeit,
geringen Raumbedarf, niedrige Anschaffungskosten und einfache Regelbarkeit aus. Bei diesen
Pumpen, die durch Dampf oder Druckluft angetrieben werden, ist der Kolbenhub nicht zwangs-
läufig festgelegt; er wird durch besondere Steuerungen begrenzt. Bei den einachsigen Simplexpum-
pen wird der antreibende Dampf-(Druckluft-)Zylinder von seiner eigenen Kolbenstange gesteuert.

1177
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Duplexpumpen (Bild VII.3) sind Zwillingspumpen, bei denen Antriebs- und Pumpenkolben durch
eine Kolbenstange verbunden sind und bei denen die Kolbenbewegung der einen Maschinenseite
jeweils die Kolbenbewegung der anderen steuert. Simplex- und Duplexpumpen eignen sich auch
zur Förderung von kalten und heißen Ölen sowie leicht verdampfenden Flüssigkeiten, besonders
in gestängeloser Bauform, bei der die Steuerschieber durch Dampfdruckimpulse betätigt werden.
Bild VII.3 zeigt eine stehende Duplex-Dampfpumpe (Ruhrpumpen GmbH, Witten-Annen), die
direkt und vierfach wirkend arbeitet. Die Pumpe ist mit einer außenliegenden Gelenksteuerung
ausgerüstet. Als Steuerungse1ement dienen Dampfschieber, die als Flachschieber ausgebildet sind.
Die übereinanderliegenden Saug- und Druckventile der Pumpe (l9 und 23) sind federbelastete
Tellerringventile.

Bild VIJ.3
Stehende Duplex-Dampfpumpe
Typ RDV, Ruhrpumpen GmbH,
Witten-Annen
4'1f I

1 Kolbenring
2 Dampfkolben
3 Dampfzylinder
4 Stopfbüchsdeckel mit Grundbüchse
5 Stopfbüchspackung für Dampfkolbenstange
6 Stopfbüchsbrille
7 Dampfkolbenstange
8 Kupplungsflansch
9 Kreuzkopf
10Steuerbolzen
11 Pumpenkolbenstange
12 Stopfbüchsdeckel mit Grundbüchse
13 Stopfbüchspackung ftir Pumpenkolbenstange
14 Laufbüchse
15 Pumpenkolben
16 Canvasring
17 Pumpen zylinder
18 Pumpenzylinderdeckel
19 Saugventil
20 Andrückflansch
21 Steuerstrebe
22 Steuerbockdeckel
23 Druckventil
24 Ventilkastendeckel
25 Ventilkasten
26 Steuerbock
27 Schmierpumpe
28 Lenkstange mit Büchse
29 Gabelkopf
30 Gewindebüchse mit Vierkantmutter
31 Schieberstange
32 Stopfbüchsbrille
33 Stopfbüchse mit Schieberstange
34 S topfbüchspackung für Schieberstange
35 Grundbüchse
36 Schieberkastendeckel
37 Stangenkopf
38 Gleitstück mit Feder
39 Flachschieber
40 Dampfzylinderdeckel
41 Kompressionsventil

1178
VII. Pumpen

3.2. Membranpumpen
Die Membran- oder Diaphragmapumpen, die ähnlich wie die Kolbenpumpen arbeiten, besitzen an
Stelle des Kolbens eine Membrane (Diaphragma) aus Gummi oder Kunststoff, die am äußeren Um-
fange dicht mit dem Pumpengehäuse verbunden ist. Die Membrane wird durch eine Kolbenstange
auf und nieder bewegt und so die Verdrängungswirkung hervorgerufen. Die Membranpumpen wer-
den sowohl als Saugpumpen wie auch als Druckpumpen gebaut. Die Maschinenteile kommen mit
der Förderflüssigkeit nicht in Berührung, so daß ein Verschleiß und ein Verstopfen der Pumpe ver-
mieden werden. Die Membranpumpen eignen sich daher besonders für die Förderung sand- und
schlammhaltigen Wassers. Durch die gute Abdichtung der Pumpe können Saughöhen bis zu 7 m
erreicht werden.

3.3. Schraubenspindelpumpen
Bei diesen werden durch zwei oder mehr ineinandergreifende Schraubenspindeln, die gegenein-
ander und gegen das Gehäuse abdichten, Kammern gebildet, die das Fördergut aufnehmen und in
axialer Richtung bewegen. Die Schraubenspindelpumpen können mit hohen Drehzahlen gefahren
werden und eignen sich daher für den direkten Antrieb durch schnellaufende Antriebsmaschinen.
Anwendung : Kühlmittel- und Schmierölpumpen sowie als Druckölpumpen für ölhydraulische
Antriebe (Bild VII.4).

Bild VII.4. Schraubenspindelpumpe

Bei der Mohno-Pumpe (Pumpen- und Maschinenbau Abel KG) dreht sich der als eingängige Schnecke
ausgebildete Läufer aus Spezialstahl in einem aus Gummi gefertigten, feststehenden Stator, der die
Form einer zweigängigen Schnecke besitzt. Die Pumpe eignet sich besonders für die Förderung
von aggressivem und schlammhaltigem Wasser. Die Schraubenspindelpumpen sind selbstansaugend.

3.4. Zahnradpumpen
Zahnradpumpen sind ebenso wie die Kolbenpumpen Verdrängerpumpen. Sie werden entweder als
einfache Zahnradpumpen mit einem ineinandergreifenden Zahnrad paar oder als Mehrfach-Zahnrad-
pumpen mit außen- und innenverzahnten Rädern sowie als Zahnringpumpen gebaut. Im Saugraum
der Pumpe werden die Zahnlücken mit der Förderflüssigkeit geftillt; sie fördern entlang der Ge-
häusewand die Flüssigkeit auf die Druckseite , wo durch das Ineinandergreifen der Zähne die eigent-
liche Drucksteigerung erfolgt. Die Zahnradpumpen eignen sich ftir die Förderung von Drucköl,
Schneid- und Bohröl und als Hydraulikpumpe.

1179
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Bild VII.5 zeigt eine Präzisions-Hochdruck-Zahnradpumpe der Firma Plessey Maschinen Elemente,
Neuß /Rhein, die in verschiedenen Größen hergestellt wird: Förderströme 1,2 ... 19 I(min bei
1000 I/min, maximale Antriebsdrehzahl bis 3500 I(min, maximaler Betriebsdruck je nach Größe
105 ... 175 bar. Die Pumpe besitzt Leichtmetallgehäuse und selbstnachstellende Wellenlager , die
durch eine Niederdruckschmierung mit Drucköl versorgt werden.

1918

Bild Vl1.5. Hochdruckzahnradpumpe, Plessey (Deutschland) GmbH, Neuß/Rhein


1 Wellendichtring 6 Deckelmutter 11 Gehäuse 16 O-Ring (innerer)
2 Sicherungsring 7 Deckel 12 Einlaßöffnung 17 O-Ring (äußerer)
3 Sicherungsblech 8 O-Ring (äußerer) 13 unteres Lager 18 Flansch
4 Welle nmutter 9 O-Ring (innerer) 14 getriebenes Zahnrad 19 Schraube
5 Federring 10 Zentrierhülse 15 oberes Lager 20 Antriebszahnrad X-Type

3.5. Axialkolbenpumpen
Je nach der Art der Erzeugung der Kolbenbewegung unterscheidet man Taumelscheibenpumpen,
Schwenktrommelpumpen (Schrägtrammelpumpen), Schrägscheibenpumpen.
Bei der Taumelscheibenpumpe (Bild VII.6) sind die Kolben im feststehenden Pumpengehäuse ge-
lagert und erhalten durch eine Taumelscheibe den Arbeitshub. Die Druckflüssigkeit wird beim
Rückwärtshub der Kolben angesaugt. Beim Vorwärtshub schließt der Kolben mit seiner Oberkante
seinen Füllraum und drückt die Flüssigkeit über das Druckventil in die Druckleitung. Die Taumel-
scheibenpumpe ist dem Aufbau nach die einfachste unter den Axialkolbenpumpen. Die hat einen

1 Radial-Dichtring
2 Befestigungsflansch
3 Bohrungen ftir Schmierung
und Kühlung
4 Kolben
5 Ring-Abdichtung des Gehäuses
6 Ringkanal(Saugraum)
7 Ringnut
8 Steuerkan te
9 Kolben-Hubraum
10 Druckraum
11 Antriebswelle
12 Gehäuse
13 Lagerraum
14 Taumelscheibe
15 Druckscheibe
16 Pumpenkörper
17 Kolbenfeder
18 Druckventil
19 Anschlußplatte
Bild VII.6 Taumelscheibenpumpe, Bosch, Hildesheim 20 Abdichtung des Saugstutzens

1180
VII. Pumpen

guten Wirkungsgrad und erreicht Drücke bis zu 250 bar. Die Fördermenge ist bei konstanter Dreh-
zahl unveränderlich. Die Pumpe kann in beliebiger Richtung angetrieben werden, ohne daß sich die
Richtung des Förderstromes ändert. Die Taumelscheiben-Axialkolbenpumpen können in ent-
sprechender Bauweise auch als Motor verwendet werden.
Die Schwenktrommelmaschinen (Bild VI!.7) sind ebenfalls sowohl als Pumpe als auch als Motor
verwendbar (siehe auch Abschnitt Werkzeugmaschinen). Hier werden die Kolben samt der Schwenk-
trommel von der Triebscheibe über die Kolbenstangen mitgenommen und erzeugen auf diese Weise
die Pumpbewegung.

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Bild VII.? Schwenktrommelpumpe, Stahlwerke Brüninghaus, Horb/Neckar


I Triebflansch 4 Triebflanschlager 7 Kolbenstange 10 Zylinderblock
2 Stützlager 5 Axial-Zylinderrollenlager 8 Kolben 11 Steuerfläche
3 Lagerflansch 6 Schwenklager 9 Zylindergehäuse 12 Gehäuse

Gewöhnlich wird der Förderstrom bei dem größten Ausschwenkwinkel - im allgemeinen a rnax = 25°
- (siehe Bild VII.8) angegeben. Dann ergibt sich der Förderstrom bei einem beliebigen Schwenk-
winkel a:
. . sin a
V= Vrnax--:--250 (VII.9)
sm

Wird die Trommel nach beiden Seiten aus der Mittellage geschwenkt, so wird auch die Richtung
des ölstromes dabei umgekehrt. Die Schwenktrommelpumpe erzeugt Drücke bis zu 350 bar und
wird in der Öl-Hydraulik angewendet.

1181
Kraft- und Arbeitsmaschinen


I
i

Bild VII.8
Schwenktrommelpumpe -
Veränderung des Förder·
strom es

Auch mit der Schrägscheibenpumpe (Bild VIL9) können Drücke bis 300 bar bei sehr guten Wir·
kungsgraden erreicht werden. Ihre Wirkungsweise beruht darauf, daß die Kolben axial in einer
Zylindertrommel angeordnet sind, die mit der Welle rotierL Die aus der Trommel herausragenden
Kolbenstangenenden werden auf einer zur Welle schräg gestellten, nicht rotierenden Ebene geführt.
Dadurch fUhrt jeder Kolben bei einer vollen Umdrehung der Zylindertrommel einen Hin- und Rück-
hub aus, dessen Länge von der Schrägstellung der Ebene (bis 17°) und seinem Abstand von der
Welle abhängt. Werden die Kolben in die Zylinderbohrung hineingedrückt, fördern sie die Flüssig-
keit durch die nierenförmige Öffnung des Steuerspiegels in die Druckleitung, werden die Kolben
auf der anderen Seite unter dem in der Rückflußleitung herrschenden Druck (Speisedruck) heraus-
gedrückt, so lassen sie durch die zweite nierenförmige Öffnung (Saugseite) des Steuerspiegels Flüs-
sigkeit aus der Rückflußleitung in die Zylinderbohrungen einströmen. Durch Schwenken der Ebene
in die zur Welle senkrechte Stellung können die Kolbenhübe auf Null gebracht werden und durch
Schwenken in die entgegengesetzte Schräglage Saug- und Druckseite vertauscht werden. Während
bei Pumpen die Schwenkung der Ebene nach bei den Seiten erfolgen kann, wird bei Schrägscheiben-
einheiten, die als Motor arbeiten sollen, die Schrägebene meist starr angeordnet.

Bild VII.9
Schrägscheibenpumpe
1 An trie bswelle
2 Steuerspiegel
3 Leckölanschluß
4 Zylinderkörper
5 Rollenlager
6 Kolben
7 schräge Hubplatte

1182
VII. Pumpen

3.6. Radialkolbenpumpen
Bei Radialkolbenpumpen sind die Zylinderbohrungen radial angeordnet. Durch eine Exzentrizität
der Innentrommel gegenüber der Außen trommel wird eine Hubbewegung der Kolben in den radialen
Zylinderbohrungen bewirkt. Eine Änderung der Exzentrizität hat bei konstanter Antriebsdrehzahl
eine stufenlose Mengenregelung zur Folge. Bei manchen Ausftihrungen wird der Förderstrom von
einem zentralen Steuerkörper, um den sich der Läufer dreht und der gleichzeitig die Saug- und
Druckkanäle aufnimmt, geregelt.

3.7. Drehflügelpumpen (Flügelzellenpumpen)


Bild VII. 10 zeigt den Aufbau einer Drehflügelpumpe. Da-
nach ist das wesentliche Konstruktionsmerkmal dieser
Pumpen der zylindrische, mit radial liegenden Schlitzen
versehene Rotor, der in einer mit zwei sich gegenüber-
liegenden Erhebungskurven versehenen feststehenden
Hubscheibe umläuft. In den Rotorschlitzen befmden
sich Flügel, die sich auf der Hubkurve, von der Flieh-
J
kraft nach außen gedrückt, abstützen. In den den Arbeits-
raum in axialer Richtung abschließenden Seitenscheiben
sind Steuerschlitze angeordnet, durch die das Öl ange- Bild VILlO. Drehflügelpumpe,
saugt und ausgepreßt wird. Die bei den Druck- und Saug- Aufbau-Schema
räume liegen einander diametral gegenüber, so daß sich
die Radialdruckkräfte gegenseitig aufheben. Die Flügel-
zellenpumpen werden für Förderströme bis 60 1Imin und kurzzeitig zulässige Spitzend rücke von
150 bar gebaut. Die Vorteile dieser Pumpenbauart liegen in ihren kleinen Abmessungen bei ver-
gleichsweise hohen Förderleistungen, äußerst pulsationsarmen Förderströmen und einer weit-
gehenden Unempfindlichkeit gegen Schmutz und Fremdkörper.
3.8. Schwimmerpumpen
Schwimmerpumpen arbeiten als periodisch wirkende Druckluftpumpen nach dem Verdränger-
prinzip. Bei der in Bild VII. I 1 gezeigten Saug- und Druckpumpe mit Magnetsteuerung wird das
Wasser mit Hilfe eines Injektors in den Pumpenkessel gesaugt. Das einströmende Wasser hebt den
Schwimmer und damit den Steuerhebel an. In der höchsten Schwimm erlage wird der Steuerhebel

Bild VILll. Saug- und Druckpumpe, F . Gründer, Essen

1183
Kraft- und Arbeitsmaschinen

schlagartig vom Magnetsystem angezogen, wodurch die Entlüftungsleitung abgesperrt, die Druck-
luft in den Pumpenkessel geleitet und Wasser in die Steigleitung gedrückt wird. Mit fallendem Was-
serspiegel wird in der tiefsten Schwirnmerlage der Steuerhebel durch das Schwimmergewicht vom
Magnetsystem abgerissen. Dadurch wird die Entlüftung mit Hilfe des Injektors eingeleitet und
wieder Wasser in den Kessel gesaugt.

3.9. Strahlpumpen
Bei Strahlpumpen erzeugt nach Bild VII.12 aus der Treibdüse (T) austretender Treibmittelstrahl
vor der Mündung der Druck- oder Fangdüse (D) einen Unterdruck. Durch diesen Unterdruck wird
dem Saugrohr (S) das Fördergut angesaugt und in der Mischkammer (M) mit dem Treibmittelstrahl
vereinigt. Dabei gibt der Treibmittelstrahl einen Teil seiner Energie an das Fördergut ab. Das Ge-
misch aus Treibmittel und Fördergut verläßt durch den Diffusor (D i ) die Strahlpumpe.

Treibmittelstrahl ~T
~ ~ Gemisch
~ E_· -t--~_·-t-_·~-+-- ..---
,., D·
/
Bild VII.12
S
Schema einer Wasserstrahl-
pumpe
Fördergut

Nach der Art des verwendeten Treibmittels unterscheidet man Wasserstrahlpumpen, Luftstrahl-
pumpen und Dampfstrahlpumpen. Bei den Dampfstrahlpumpen werden Ejektoren (Ausspritzer)
und Injektoren (Einspritzer) unterschieden. Sie werden als Injektoren in mehrstufIger Bauart zur
Förderung des Speisewassers in Dampfkessel benutzt.
Die stoßweise arbeitenden Wasserstrahlpumpen (Stoß-
heber oder hydraulische Widder) fördern durch Ausnut-
zung der Strömungsenergie einen Teil der Flüssigkeit auf Wasserluftgemisch
größere Höhen. /
Die Strahlpumpen arbeiten mit verhältnismäßig gerin-
gen Wirkungsgraden (bis ca. 35 %), sie bieten aber als Druckluft
Vorteile: geringe Anschaffungskosten, Wartungslosigkeit
und Unempfmdlichkeit gegen verschmutzte und sand-
haltige Saug-Flüssigkeiten.

3.10. Mammutpumpen (Mischluftwasserheber) - -- - ~o~-


_ -- 0;;1-

Durch diese können sehr große Wassermengen gefördert


werden. Die Mammutpumpe besteht nach Bild VII. 13 o D

aus einem weiten Förderrohr, das in das Wasser eintaucht -,


o

und einem paralle1laufenden engeren Luftrohr , das etwas


über dem unteren offenen Ende des Förderrohres in die-
ses einmündet. Die eindringende Druckluft mischt sich
mit dem Wasser. Das Wasserluftgemisch, das spezifIsch
leichter ist als das Wasser, steigt in dem Förderrohr hoch.
Die zu erreichende Förderhöhe wird durch die Eintauch-
tiefe und durch die Menge der zugefuhrten Druckluft be-
stimmt. Bild VII.13. Schema einer Mammutpumpe

1184
VII. Pumpen

Mit Rücksicht auf die Reibungsverluste soll die Strömungsgeschwindigkeit in der Förderleitung
2 mls nicht überschreiten. Der Wirkungsgrad der Mammutpumpen, der je nach Eintauchtiefe und
Förderhöhe zwischen 5 % und 20 % liegt, läßt die Verwendung der Mammutpumpe fur ständige
Wasserförderung nicht zu . Die Pumpen sind fur die Förderung von verschmutztem und sandhaItigern
Wasser gut geeignet; sie werden deshalb auch zur Sümpfung im Bergbau, bei Gründungsarbeiten
und zur Kiesgewinnung aus Wasserläufen verwendet.

4. Kreiselpumpen
Bei Kreiselpumpen treten mit umgekehrtem Vorzeichen die gleichen Bewegungsverhältnisse wie
bei Francisturbinen auf (vgl. Abschnitt IVA, Wasserturbinen). Bei Francisturbinen wird die kine-
tische Energie des Wassers in mechanische Energie umgewandelt; bei Kreiselpumpen wird die zu-
gefuhrte mechanische Energie in Druckenergie und kinetische Energie umgewandelt. Auch bei
Kreiselpumpen unterscheidet man je nach Konstruktionsmerkmalen der Räder in Langsamläufer,
Normalläufer und Schnelläufer .
Bild VII.14 zeigt den Aufbau einer Niederdruckkreiselpumpe mit Spiralgehäuse und einseitigem
Einlauf. Bei dieser Pumpe tritt das Wasser axial in das Laufrad der Pumpe ein, durchströmt in folge
der Fliehkraftwirkung nahezu radial von innen nach außen die Schaufelkanäle des Rades und wird
am äußeren Umfang abgeschleudert.
Das vom Laufrad mit hoher Geschwindigkeit abgeschleuderte Wasser wird im Leitrad oder im
Spiralgehäuse (Diffusor) verzögert. Hierdurch wird Geschwindigkeitsenergie in Druckenergie ver-
wandelt. Für die Aufrechterhaltung der Strömung in Pumpe und Leitung behält das Wasser aber
noch einen Rest an Geschwindigkeitsenergie.

5 4 2
Bild VII.l4 . Niederdruckkreiselpumpe mit Spiralgehäuse, einflutig
1 Saugdeckel, 2 Laufrad, 3 Spiralgehäuse, 4 Lagerstuhl, 5 We\1e

1185
Kraft- und Arbeitsmaschinen

4.1. Strömung im Laufrad


Die im wesentlichen radial verlaufenden Schaufelkanäle des Laufrades werden gegenseitig durch
die Laufschaufeln abgegrenzt. Bei den Schaufeln sind die Eintritts- und Austrittskanten zu unter-
scheiden: Am Eintritt sind die Schaufeln so gekrümmt, daß sie beim Lauf des Rades im vorgesehenen
Drehsinn in das zuströmende Wasser einschneiden. An der Austrittsstelle können die Schaufelenden
grundsätzlich radial verlaufen (I), vorwärts gekrümmt (11) oder rückwärts gekrümmt (III) seil)
(Bild VII.15).

Bild VII.15
Laufradform und Geschwindigkeitsparallelogramm

Mit den im Bild VII.l5 dargestellten Geschwindigkeitsverhältnissen und nach Abschnitt IVAA
errechnet sich die theoretische Förderhöhe h th aus der Gleichung

u~-ur +wr -w~ +d-ci


hth =- - - - - 2 - g - - - - -

Mit Hilfe des Cosinussatzes ergibt sich aus den Geschwindigkeitsdreiecken am Radeintritt und
Radaustritt (Bilder VII.1 7 und VII.15):

Daraus folgt die Hauptgleichung der Kreiselpumpe

(VII.IO)

Die Gestaltung der Schaufelaustrittseite hängt von der Wahl des Winkels ß2 ab (Bild VII.l5):

I. ß2 = 90° Schaufelenden verlaufen radial,


11. ß2 > 90° Schaufelenden sind vorwärts gekrümmt,
III. ß2 < 90° Schaufelenden sind rückwärts gekrümmt.

Aus dem Geschwindigkeitsdreieck rur den Laufrad-Austritt geht hervor, daß bei gleichbleibenden
Werten für U2 und W2 die absolute Austrittsgeschwindigkeit C2 bei ß2 > 90° am größten, für
ß2 < 90° am kleinsten wird. Man erreicht also mit Laufrädern, die vorwärts gekrümmte Schaufel-
enden besitzen, eine größere Förderhöhe als bei Rädern mit rückwärts gekrümmten Schaufelenden.

1186
VII. Pumpen

Da aber bei Schaufelwinkeln ß2 > 90° die Stromfiihrung in den Laufkanälen verschlechtert und
die Wirbelungs- und Reibungsverluste durch die Zunahme der absoluten Austrittsgeschwindigkeit
erhöht werden, sinkt bei diesen Rädern der Wirkungsgrad. In der Praxis werden daher die Pumpen
mit rückwärts gekrümmten Schaufelenden bevorzugt. (Übliche Werte: ß2 = 20 ... 40°.)

4.2. Drosselkurve und BetriebsverhaIten


Kreiselpumpen zeigen bei konstanter Drehzahl einen veränderlichen, mit zunehmender Förderhöhe
abnehmenden Förderstrom. Dieses Verhalten wird durch die Drosselkurve (V, h-Linie) dargestellt.
Diese Kennlinie, die graphisch die Abhängigkeit der Förderhöhe h von der Fördermenge V bei
konstanter Drehzahl n zeigt, wäre unter der Voraussetzung einer reibungsfreien Strömung und fiir
stoßfreien Eintritt des Förderstromes in die Verschaufelung eine waagerechte Gerade. Für ß2 < 90°,
d.h. bei rückwärts gekrümmten Schaufelenden, fallt diese Gerade mit zunehmenden Werten rür V
ab (Bild VII.l6).

Bild VII.I6
Förderhöhen in Abhängigkeit vom Förderstrom V bei rückwärts
gekrümmten Schaufeln, stoßfreiem Laufrad-Eintritt und reibungs-
freier Strömung

Zur Berücksichtigung der Kanalreibung sind die entsprechenden Verlusthöhen abzuziehen. Sie stei-
gen annähernd mit dem Quadrat der Geschwindigkeit, also mit dem Quadrat der Fördermenge
(Bild VII.l 7).
h I

h / / /
/ /
0,8;:, /
0,7/
4.6
0,5

V
Bild VII.I7. Entstehung der Drosselkurve Bild VII,IS. Kennfeld einer Kreiselpumpe für
verschiedene Drehzahlen

Stoßfreier Eintritt in das Laufrad bzw. Verringerung der Stoßverluste auf ein Minimum liegt nur
bei tangentialer Einströmung vor. Dieser stoßfreie Eintritt ist nur fiir eine bestimmte Fördermenge
V gewährleistet. Jede Abweichung von dieser Fördermenge läßt auch die Stoßverluste mit dem
Quadrat der Änderung des Förderstromes anwachsen. Die entsprechenden Verlusthöhen sind eben-
falls in Abzug zu bringen. Die sich so ergebende Drosselkurve der Kreiselpumpe ist eine Parabel.
Die gleiche Kreiselpumpe liefert bei verschiedenen Drehzahlen verschiedene Drosselkurven. Zeichnet
man die Drehzahllinien in das Diagramm ein und verbindet außerdem die Punkte gleichen Wirkungs-
grades durch entsprechende Kurven, so erhält man das Kennfeld der Kreiselpumpe (Bild VII.l8).

1187
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Zeichnet man zur Kennlinie einer Kreiselpumpe in gleicher Darstellungsweise die Kennlinie der
zugehörigen Rohrleitung, so erhält man mit dem Schnittpunkt der bei den Kennlinien den Betriebs-
punkt der Pumpe. Eine engere Rohrleitung oder eine Verengung der Rohrleitung durch ein in die
Leitung eingebautes regelbares Drosselventil ergibt bei kleineren Fördermengen größere Widerstände
und damit steiler verlaufende Rohrleitungskennlinien.

Zwischen den Drosselkurven einer Kreiselpumpe, die verschiedenen Drehzahlen entsprechen, be-
steht eine Ähnlichkeit, die durch die Beziehungen zwischen den Größen V. hund n gekennzeichnet
ist:

VI nl hl ni PI ni
- = - ', - = - ' (VII. I I)
V2 n2 h2 n22 ' P2 n~

Diese Beziehungen gelten stets gleichzeitig und erlauben bei Vorliegen einer Kennlinie fur eine
Drehzahl n I die Ableitung der Kennlinien fur andere Drehzahlen n2, n3 usw.

Der vom Scheitelpunkt S nach links abfallende Teil der Kennlinie (Bild VII.I9) ist labil und ist da-
durch gekennzeichnet, daß hier bereits geringe Druckschwankungen unter Umständen große Ände-
rungen und Schwingungen des Förderstromes bis zum Aussetzen der Förderung nach sich ziehen
können. Der Betriebspunkt B der Pumpe (Schnittpunkt der V, h-Linie mit der Rohrleitungskenn-
linie ) sollte im stabilen Bereich, also rechts vom Scheitelpunkt S liegen. Die zu überwindende För-
derhöhe besteht aus dem statischen, von der Fördermenge V unabhängigen Anteil h und der mit
dem Quadrat der Fördermenge ansteigenden Widerstandshöhe h y (Verlusthöhe). Arbeitet die
Pumpe gegen einen veränderlichen statischen Druck, fördert sie also z. B. in einen Druckkessel. so
wandert die Rohrleitungskennlinie bei zu geringer Entnahme aus diesem Kessel immer höher und
tangiert schließlich in einem Punkte die V, h-Linie (Punkt P). Hier setzt die Förderung der Pumpe
aus und das Rückschlagventil hinter der Pumpe schließt sich. Sie arbeitet im toten Wasser leer wei-
ter. Der gleiche Betriebszustand kann aber auch bei einem Absinken der Betriebsdrehzahl eintreten:
Die Pumpe fallt dann ab und fördert nicht mehr, weil der Leitungsdruck den Pumpendruck über-
steigt.

Bild VI1.19. Labiler und stabiler Betriebsbereich Bild V 11.20. Drosselregelung

Der Einfluß der Betriebsbedingungen auf Fördermenge und Förderhöhe soll nachstehend an einigen
wichtigen Betriebsfällen gezeigt werden:

4.2.i. Regelung der Fördermenge durch Drosselung (Bild VII.20). Jeder Stellung des Drosselschie-
bers der Rohrleitung entspricht eine neue Kennlinie der Rohrleitung. Damit ergibt sich bei gleich-
bleibender Drehzahl auch jeweils ein neuer Betriebspunkt. Eine zunehmende Drosselwirkung kann
auch durch Inkrustierung der Rohre entstehen, was eine Abnahme der Fördermenge zur Folge hat.

1188
VII. Pumpen

4.2.2. Drehzahlregelung (Bild VII.21). Den Schnittpunkten der V, h-Linien für die verschiedenen
Drehzahlen mit der Rohrleitungskennlinie entsprechen die einzelnen Betriebspunkte (B I , B 2 , B 3):
Der Betriebspunkt wandert bei Drehzahländerung auf der Rohrleitungskennlinie.

4.2.3. Änderung der Förderhöhe bei flacher und bei steiler V, h-Linie (Bild VII.22). Flach verlau-
fende V, h-Linien bedingen, daß bei Schwankungen der Förderhöhe die Fördermenge stark schwankt
Bei steilen V, h-Linien können dagegen schwankende Förderhöhen nur geringe Veränderungen
der Fördermenge nach sich ziehen. Die V, h-Linie einer Pumpe ist um so flacher, je geringer ihre
spezifische Drehzahl ist (siehe Abschnitt 4.3).

}<1h __
---
Bild VII.2I. Drehzahlregelung Bild VII.22. Flache und steile V, h- Linie

4.2.4. Parallelschaltung mehrerer Kreiselpumpen (Bild VII.23). Wenn mehrere Kreiselpumpen in


die gleiche Rohrleitung fördern, ist aus den V, h-Linien der einzelnen Pumpen zunächst die "ge-
meinsame" V, h-Linie zu bilden: Man addiert dazu die Fördermengen der einzelnen Pumpen bei
jeweils konstanter Förderhöhe. Der Schnittpunkt der "gemeinsamen" V, h-Linie mit der Rohr-
leitungskennlinie ergibt den Betriebspunkt (B).

Kreiselpumpe

Kolbenpumpe

V
Bild VII.23. Parallelschaltung mehrerer Bild VII.24. Parallelschaltung von Kolben-
Kreiselpumpen und Kreiselpumpe

4.2.5. Parallelschaltung von Kolbenpumpe und Kreiselpumpe (Bild VII.24). Die Kennlinie der
Kolbenpumpe in V, h-Diagramm ist eine Parallele zur h-Achse. Die "gemeinsame" V, h-Linie wird
hier wieder durch Addition der zur gleichen Förderhöhe gehörenden Fördermengen der beiden
Pumpen gefunden.

1189
Kraft- und Arbeitsmaschinen

4.2.6. Parallelschaltung von mehreren Rohrleitungen (Biid "I "vI


VII.25). Wenn eine oder mehrere Pumpen in zwei oder mehr h ~I
~ ~/
parallel geschaltete Rohrleitungen fördern, ist aus den ein· / ~/
zeinen Rohrleitungskennlinien zunächst die "gemeinsame"
Rohrleitungskennlinie zu bilden: Man addiert die Förder-
mengen der einzelnen Rohrleitungen bei jeweils gleicher
Widerstandshöhe. Der Schnittpunkt der "gemeinsamen"
Rohrleitungskennlinie mit der V. h-Linie ergibt den Betriebs-
punkt (E).

4.3. Spezifische Drehzahl


Zur Kennzeichnung der Pumpentypen benutzt man diejenige Bild VII.25. Parallelschaltung von
Drehzahl einer der aufgeftihrten Pumpe geometrisch ähn- mehreren Rohrleitungen
lichen ideellen Pumpe, die in einer Stufe auf 1 m Förderhöhe
V = 1 m 3 /s liefert. Diese Drehzahl heißt spezifische Dreh-
zahl I1 q der Pumpe.

Die spezifische Drehzahl folgt aus den Daten des ausgefuhrten Pumpenlaufrades:

(VII.12)

Zwischen den verschiedenen Laufradtypen und den spezifischen Drehzahlen besteht folgende
Zuordnung:

Hochdruckräder nq = 25... 90 min- 1


Mitteldruckräder nq = 40 ... 145min- 1
Niederdruckräder nq = 70 ... 225 min- 1
Schraubenräder nq = 150 ... 565 min- 1
Propellerräder nq = 300 ... 1100 min- 1

Wasserhaltungs- und Kesselspeisepumpen werden vorwiegend als radiale Pumpen ausgefiihrt, Pro-
pellerräder zeigen dagegen ein stark labiles Betriebsverhalten und sind daher als Kesselspeisepumpen
ungeeignet.
Die spezifische Drehzahl beeinfluß t die V, h- Linie: Sie wird um so steiler, je größer die spezifische
Drehzahl ist.
Auch der erreichbare Wirkungsgrad ist stark von der spezifischen Drehzahl abhängig: Der Wirkungs-
grad steigt mit zunehmender spezifischer Drehzahl. Im Interesse eines wirtschaftlichen Betriebes
sind daher Pumpen mit extrem niedrigen spezifischen Drehzahlen zu vermeiden; dies fuhrt zur
Wahl mehrstufiger Pumpen.

4.4. Aufbau der Kreiselpumpen


4.4.1. Niederdruckpumpen. Bild VII.26 zeigt den Aufbau einer einstufigen Niederdruck-Kreisel-
pumpe in einflutiger Bauart mit Lagerbock. Das fliegend auf der Welle angeordnete und sorgfältig

1190
VII. Pumpen

2 4

Bild VI1.26
Einstufige, einflutige Kreiselpumpe mit Lagerbock
(Normpumpe 50 nach DI 24 255)
1 Gehäuse 4 WeUe
2 Laufrad 5 WeUenschuuhiilse
3 Packung 6 Spaltringe

ausgewuchtete Laufrad (2) ist durch Ausgleichbohrungen hydraulisch entlastet, wodurch der Axial-
hub ausgeglichen wird. Die Pumpe hat keine Innenlager, die Welle ist so ausgeführt, daß der Läufer
selbst bei den hierbei üblichen Drehzahlen bis 3500 min- l vibrationsfrei bleibt. Die Abdichtung
im Gehäuse erfolgt durch auswechselbare Spaltringe (6). Die Sperringbuchse kann mit Druckwas-
ser, Fremdwasser oder Sperrfett beaufschlagt werden, um den Laufradraum vom Eindringen der
Luft abzuriegeln, während gleichzeitig die Wellenschutzhülse an der Packungsstelle geschmiert
wird. Niederdruckpumpen dieser Bauart sind für einen Druckbereich bis etwa 100 m und je nach
Größe fur Fördermengen von 100 .. . 20000 1Imin zu verwenden; die erforderlichen Antriebslei-
stungen liegen zwischen 0,07 kW und 160 kW. Der weitgesteckte Bereich der Daten ermöglicht
eine vielseitige Verwendbarkeit der Niederdruckpumpen, allerdings sind dabei Grenzen gesetzt
hinsichtlich der zulässigen Temperatur, der Drücke, der Wellenabdichtung und der Art des Förder-
gutes.
Einstufige Kreiselpumpen, die bei großer Fördermenge einen möglichst hohen Wirkungsgrad be-
sitzen und weitgehend axialschubfrei arbeiten sollen, werden in zweiflutiger Bauart ausgefUhrt.

4.4.2. Hochdruck-Kreiselpumpen. Bei Hochdruck-Kreiselpumpen wird der zu erzeugende Druck


durch die Hintereinanderschaltung mehrerer Laufräder erreicht. Nach jedem Laufrad ist ein Nach-
leitapparat mit Rückflihrschaufeln angeordnet, durch die das Wasser radial nach innen, bis zum
folgenden Laufradeintritt, geleitet wird. Durch diese mehrstufige Bauweise können Hochdruck-
pumpen mit verhältnismäßig kleinen Durchmessern und nicht allzu hohen Drehzahlen gebaut wer-
den. Der Axialschub wird entweder durch eine Entlastungsscheibe ausgeglichen oder durch eine
hydraulische Entlastung mittels Bohrungen in den Laufrädern. Um bei Höchstdrücken und bei
großen Saughöhen eine sichere Abdichtung zu erzielen, werden die Stopfbüchsen auf der Druck-

1191
Kraft- und Arbeitsmaschinen

seite entlastet und auf der Saugseite mit einem Druckwasserverschluß versehen. Auch die Zwischen-
gehäuse sind beim Durchgang der Welle durch auswechselbare Drosselbüchsen abgedichtet. Die
mehrstufigen Pumpen werden heute auch in zweiflutiger Bauart ausgefuhrt.

4.4.3. Sonderbauarten. Unterwasserpumpen sind vertikale Kreiselpumpen, die mit dem Unterwas-
sermotor, einem wasserfesten Drehstrom-Kurzschlußmotor, gekuppelt sind. Das gesamte Aggregat
hängt an der Steigrohrleitung und arbeitet unterhalb des Wasserspiegels. Der Motor erhält seine
Energie durch ein Unterwasser-Spezialkabel, das am Steigrohr befestigt wird. Bei dem mit einem
"Naßläufer" arbeitenden Motor wird auf jede Schutz einrichtung gegen das Eindringen von Wasser
in den Motor verzichtet. Der Motor wird vor dem Einsetzen des Pumpen-Aggregates in den Brun-
nen mit sauberem Wasser gefullt. Die Spezialgleitlager werden durch dieses Wasser geschmiert, und
die Wicklung mit nicht alternder, wasserabweisender Isolation wird von dem gleichen Wasser ge-
kühlt. Verunreinigungen werden durch wartungslose, dauerhafte Vorrichtungen vom Motorinnern
ferngehalten .
Da die Pumpe unter dem Wasserspiegel arbeitet, läuft ihr das zu fördernde Wasser zu, so daß Saug-
schwierigkeiten vermieden werden. Die Pumpe arbeitet praktisch wartungsfrei, da sie wasserge-
schmierte Lager besitzt und keine Stopfbuchse benötigt.
Die Unterwasserpumpen fmden vor allem dort Verwendung, wo unter Berücksichtigung der Was-
serspiegelabsenkung die zulässige Saughöhe normaler Kreisel- oder Kolbenpumpen nicht mehr
ausreicht. Sie dienen daher vornehmlich zur Wasserförderung aus tiefen Brunnen und können dank
ihrer schlanken Bauweise auch in enge Bohrbrunnen eingesetzt werden.
Heute ist auch die einstufige, einflutige Kreiselpumpe ein vielseitiges Förderelernent, das in vielen
Fällen vor völlig verschiedenartige Aufgaben gestellt wird. Durch besondere Gestaltung des Lauf-
rades wird die Pumpe den Verhältnissen angepaßt. Bild VII.27 zeigt einflutige Laufräder mit ver-
schiedenen Schaufelformen.

Bild VII.27. Einflutige Laufräder mit verschiedenen Schaufelformen


a) Mehrschaufeliges Laufrad zur Förderung reiner und leicht verschmutzter Flüssigkeiten;
b) Spiralschlauchrad mit freiem Durchgang rur Spinn- und Faserstoffe, rur Flüssigkeiten mit größeren Festteilen,
z.B. Zuckerrüben;
c) beiderseits offenes, halbaxiales Schraubenrad rur große Mengen reiner und leicht verschmutzter Flüssigkeiten;
d) Einkanalrad mit großem Durchgang flir stark verunreinigte Flüssigkeiten;
e) Zweikanalrad flir verunreinigte und viskose Flüssigkeiten;
f) Dreikanalrad rur verunreinigte und viskose Flüssigkeiten, flache Kennlinie;
g) beiderseits offenes Kanalrad mit reduzierter Schaufelzahl rur gashaltige und breiartige Stoffe.

1192
VIII. Verdichter

5. Vergleich zwischen Kolben- und Kreiselpumpen


Kolben- und Kreiselpumpen weisen grundlegende Unterschiede in ihren Betriebseigenschaften auf,
wodurch sich verschiedene Verwendungsgebiete fiir die eine oder andere Pumpenart ergeben:
Bei Kolbenpumpen ist der Förderstrom pulsierend und begrenzt auf V ~ 0,055 m 3 /s; sie erreichen
auch bei großen Förderhöhen einen hohen Wirkungsgrad, der von dem Verhältnis V/h praktisch
unabhängig ist; ihre Drehzahlen sind niedrig (bis 300 l/min) was bei der Auswahl des Antriebes
berücksichtigt werden muß, ebenso die Tatsache, daß ihr Anfahrmoment fast ebensogroß wie das
Betriebsdrehmoment ist; sie können selbst ansaugen; die Förderhöhe paßt sich selbständig dem
herrschenden Gegendruck an und ist unabhängig von einer Veränderung der Fördermenge.
Bei Kreiselpumpen erzielt man einen gleichbleibenden Förderstrom, der praktisch in der Größe
nicht begrenzt ist; die Förderhöhe dagegen ist von der Drehzahl abhängig und nur mit größeren
Stufenzahlen sind große Drücke erreichbar; dabei ist der Wirkungsgrad der Pumpe stark von För-
derhöhe und Fördermenge abhängig: Bei kleinem Verhältnis V/h sind nur geringe Wirkungsgrade
erreichbar; V und h beeinflussen sich wechselseitig (Kennlinie); bei normaler Bauweise kann die
Luft aus der Saugleitung nicht abgesaugt werden und die Saugleitung muß vor der Inbetriebnahme
entlüftet oder aufgefiillt werden; das Anfahrmoment ist gering und die Bauweise ermöglicht auch
bei großen Leistungen die Verwendung von leichten, platzsparenden und relativ billigen Einheiten.

VIII. Verdichter

Verdichter fördern im Gegensatz zu den "Flüssigkeitspumpen" Gase, d.h. kompressible Medien;


dabei ist eine Drucksteigefung der Gase mit einer Temperaturerhöhung oder einer Wärme abgabe
sowie mit einer Volumenverringerung verbunden.
Da Gase im Vergleich mit Flüssigkeiten eine weitaus geringere Wichte besitzen, können die Gas-
geschwindigkeiten bei den Verdichtern viel höher liegen (bis ca. 100 m/s) als die Wassergeschwin-
digkeiten in Pumpen (bis ca. 2 m/s).
Theoretische Grundlagen über Zustandsänderungen von Gasen (isotherme, adiabatische, polytro-
pische Verdichtung usw.) werden vorausgesetzt (vgl. Technische Wärmelehre).

1. Mehrstufige Verdichtung und Kühlung


Um die isothermische Verdichtung zu erreichen, muß die Verdichtungsarbeit als Wärme abgefiihrt,
d.h. die Maschine gekühlt werden. Die unvollkommene Kühlung der Kompressoren (kleine Wärme-
übertragungsflächen, Schnelläufigkeit) bewirkt, daß sich die Verdichtung der Adiabate nähert.
Eine Verringerung der hierdurch entstehenden adiabatischen Mehrarbeit kann durch stufenweise
Verdichtung mit Zwischenkühlung erreicht werden.
Beispiel: Zweistufige Luftkompression (Bild VIII.1).
Die Luft wird in der ersten Stufe von PI auf den Zwischendruckpz adiabatisch verdichtet. Dabei
steigt ihre Temperatur von TI auf T2 • Im Zwischenkühler wird die Luft bei nahezu konstant blei-
bendem Zwischendruck pz abgekühlt - im Idealfall bis auf die Anfangstemperatur TI' In der zwei-
ten Stufe erfolgt die wiederum adiabatische Verdichtung vom Zwischen druck pz auf den End-
druck P2'

1193
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Durch mehrstufige Verdichtung mit Zwischenkühlung kann mit zunehmender Unterteilung des
Verdichtungsvorganges dieser dem isothermischen Prozeß genähert werden.
Außer der Verringerung der adiabatischen Mehrarbeit bietet die zwei- oder mehrstufige Verdich-
tung mit Zwischenkühlung den Vorteil einer Erniedrigung der Endtemperatur der Luft. Endtempe-
ratur möglichst nicht über 200 oe!
Für den mehrstufigen Verdichter wird der p
Arbeitsbedarf am geringsten, wenn das
Druckverhältnis in allen n-Stufen gleich groß
gewählt wird:

(VIII. I)

PI Anfangsdruck, P2 Zwischendruck (zwi- ~-r----------~~


schen Stufe 1 und 2), P Enddruck, n Stufen-
zahl.
v
Bei Hochleistungsverdichtern bleibt man im
Bild VIII. I. Zweistufige Kompression mit
allgemeinen mit dem Verdichtungsverhältnis Zwischenkühlung
in einer Stufe unter ~; d .h. P2/P I =3.
Bei der Erzeugung von Druckluft ist die Feuchtigkeit der angesaugten atmosphärischen Luft zu
berücksichtigen: Während der Verdichtung verringert sich die relative Feuchtigkeit der Luft infolge
der starken Temperaturerhöhung. Bei der Abkühlung kann die relative Feuchtigkeit jedoch stark
ansteigen und der Taupunkt überschritten werden. Zwischen- und Nachkühler sind daher mit Ent-
wässerungseinrichtungen zu versehen.
Die Kühlung der Luft - insbesondere im Nachkühler - verfolgt deshalb auch den Zweck, die er-
zeugte Druckluft zu entwässern bzw. zu trocknen.

2. Verdichterleistung und Wirkungsgrad


Die theoretische Verdichterleistung ergibt sich bei isothermischer bzw. adiabatischer Verdichtung
aus der Gleichung

P is/ 3d V Wt is/ad
Pis/ad = VW t is/ad m3 Nm
(VIII.2)
kW
m3

Der mechanische Wirkungsgrad 11m eines Verdichters vergleicht die innere Leistung Pi mit der zu-
geftihrten Leistung Pe und berucksichtigt Leistungsverluste durch Reibung an den Gleitflächen:
Pi
11m = Pe (VIII.3)

Der isothermische Wirkungsgrad lIis vergleicht die theoretisch optimale Leistung Pt>. mit der An-
triebsleistung des Verdichters Pe:
Pis
lIis = Pe (VII.4)

1194
VIII. Verdichter

3. Kolbenverdichter
Nach den Druckbereichen werden unterschieden:
Kompressoren mit Enddrücken bis ca. 10 bar überdruck,
Hochdruckverdichter mit Enddrücken über 10 bar Überdruck,
Vakuumpumpen; ihr Ansaugedruck liegt unter 1 bar absolutem Druck.
Die mehrstufige Kompression bedingt eine Mehrzylinderbauweise. Bei dieser setzt sich, insbeson-
dere bei kleinen Maschinen, immer mehr die V- und W-Bauart gegenüber der Reihenmaschine durch.
Die früher üblichen langsamlaufenden, liegenden Großkolbenmaschinen flir große Liefermengen
werden immer stärker durch schneller laufende, kleinere Maschinen in L- und Boxer-Bauart ver-
drängt (Bild VIII.2).

~
a)
f--f~
b)
"
" d)
Bild VIII.2. Gegenüberstellung verschiedener Triebwerksformen von Kolbenverdichtern
a) luftgekühlte Kolbenverdichter in W- oder V-Bauart
b) Kolbenverdichter in liegender, einkurbelliger Bauart
c) Kolbenverdichter in doppelter Boxerbauart
d) Kolbenverdichter in doppelter Winkelbauart

3.1. p, ,,-Diagramm (Indikatordiagramm)


Der Druckverlauf im Zylinder eines Kolbenverdichters während eines Arbeitsspieles wird durch
einen Indikator in Abhängigkeit vom Hub aufgezeichnet. Dieses Indikatordiagramm oder p, v-Dia-
gramm (Bild VIII.3) zeigt: '-
,g
Die Ansauglinie; sie liegt infolge der Druckver- 1Il
luste in den Saugleitungen und in den Ventilen
unter dem Druck des Saugraumes bzw. der freien
Atmosphäre. 3

11 Die Kompressionslinie (Adiabate bzw. Polytrope, 2


im "Idealfall" eine Isotherme).

III Die Ausschublinie; sie liegt entsprechend den zu


überwindenden Leitungswiderständen über dem
Druck des Leitungsnetzes bzw. des zu flillenden
Druckluftbehälters.

IV Die Rückexpansionslinie ; sie zeigt die Rückexpan-


sion der im "schädlichen Raum" befindlichen s
Luft auf den atmosphärischen Druck. (schädl. Raum) (Hubvolumen)
Bild VIII.3. p. v-Diagramm (Indikatordiagramm)

3.1.1. Volumetrischer Wirkungsgrad T/v. Das auf den Zustand des Saugraumes bezogene Ansaug-
volumen Va ist kleiner als das Hubvolumen Vh . Dies ist bedingt durch
a) die Rückexpansion der im schädlichen Raum verdichteten Restluft,
b) die Unterexpansion der Luft während des Ansaugens,
c) die Erwärmung der Luft während des Ansaugens durch die heißen Zylinderwände.

1195
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Das Verhältnis des Ansaugvolumens Va zum Hubvolumen Vh nennt man den volumetrischen Wir-
kungsgrad oder Füllungsgrad 'T/y :

(VIII.5)

Nach den VDI-Verdichterregeln kann der volumetrische Wirkungsgrad aus dem Indikatordiagramm
eines Kolbenverdichters bestimmt werden:
SI
'T/y =--; (VIII.6)

Der volumetrische Wirkungsgrad kann zur Berechnung der angesaugten Luftmenge Va benutzt wer-
den:

v.a = 'T/y A60sn i A Kolbenfläche in m2


Hub in m (VIII.8)
n Drehzahl in min- I
Zylinderanzahl
m3
Va Luftmenge in -s-

3.1.2. Liefergrad X. Die auf den Ansaugezustand bezogene tatsächliche Fördermenge eines Kolben-
verdichters Veff ist infolge der Undichtheiten (Kolben, Ventile usw.) geringer als die angesaugte
Luftmenge.
Mit dem Liefergrad X gilt:

Veff = X Vh s n (VIII.?)
V. - XA sn i
eff - 60 m2 m min- I

3.2. Aufbau der Kolbenkompressoren


Der Aufbau der Kolbenverdichter hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Bei den Klein-
kolbenverdichtern trat an Stelle der Reihenbauweise die V- und W·Bauart; bei den Großkolben-
verdichtern haben die schnellaufenden L- und Boxermaschinen die langsamlaufenden, liegenden
Maschinen abgelöst. Als Vorteile bieten die schnellaufenden Maschinen ein günstigeres Leistungs-
gewicht, geringere freie Massenkräfte und damit leichtere Fundamente, eine Verringerung der er-
forderlichen Grundfläche und einen geringeren Anschaffungspreis.
Die Luftkühlung setzt sich, auch bei größeren Aggregaten, immer mehr durch. Ihr Hauptvorteil
liegt in der geringeren Störanfälligkeit (keine Frostschäden, einfachere Wartung, kein Heißlaufen
bei warmer Witterung).
Beim Kolbenkompressor Er 6 (Atlas Copco) erfolgt die Regelung in drei Stufen durch Entlastungs-
kolben, die die Saugventile offen halten (Leerlauf-Halblast-Vollast). Die von dem Kühlgebläse
des Zwischen- und Nachkühlers gelieferte Warmluft (ca. 50°C) kann ftir Heizzwecke benutzt wer-
den. Der Kompressor wird durch thermostatregulierte Öldruckschalter geschützt: Bei zu niedrigem
Öldruck oder zu hoher Drucklufttemperatur wird der Kompressor automatisch stillgesetzt. Er lie-
fert ca. 30 m 3 /min Druckluft von 7 bar Überdruck - höchster Betriebsdruck 8,8 bar -, seine Dreh-
zahl liegt bei 485 l/min, die erforderliche Antriebsleistung beträgt 160 kW.

1196
VIII. Verdichter

Bild VIII.4 zeigt die schematischen Darstellungen der wichtigsten Bauarten der Hubkolbenverdichter.

Bild VIII.4. Schematische Darstellungen der wichtigsten Bauarten der Hubkolbenverdichter


1 einfachwirkender Hubkolbenverdichter 2 doppeltwirkender Hubkolbenverdichter mit Stufenkolben
3 doppeltwirkender Hubkolbenverdichter mit Scheibenkolben und Kreuzkopf 4 Membrane-Kolbenverdichter

33. Regelung der Kolbenverdichter


Ein konstanter Betriebsdruck im Druckluftnetz oder Druckluftbehälter, der aus betrieblichen Grün-
den angestrebt wird, bedingt bei konstanter Liefermenge des Kompressors eine gleichbleibende
Entnahme . Da in den meisten Fällen aber die Entnahme unregelmäßig erfolgt, muß die Liefermenge
des Kompressors geregelt werden. Dies kann erfolgen durch:
a) Drehzahlregelung: Ist nur bei hierflir geeigneten Antriebsmaschinen (z. B. Kolbenkraftmaschinen,
regelbare Gleichstrommaschinen) möglich.
b) Stillsetzung: Wird meist bei elektrischen Antrieben in Verbindung mit einer Automatik verwen-
det, die den Kühlwasserstrom ab- und wieder anstellt und ein unbelastetes Anfahren des Ver-
dichters durch Anheben der Saugventile ermöglicht.
c) Leerlaufregelung:
Durch Offenhalten der Saugventile (angesaugte Luft wird wieder ausgeschoben).
Durch Absperrung der Saugleitung (Kompressor arbeitet im Vakuum).
d) Zu schaltung von "schädlichen Räumen".
e) Stufenlose Mengenregelung: Die Saugventile werden über das Hubende hinaus während einer
beliebig einstellbaren Zeit offen gehalten. Dadurch wird ein Teil der angesaugten Luft wieder
in die Saugleitung zurückgeschoben. Die Regelung der Liefermenge kann bis auf den Leerlauf
hinunter erfolgen (gänzliches Offenhalten der
Saugventile). Die Betätigung der Saugventile
kann dabei durch Drucköl, Druckluft oder elek-
tromagnetisch erfolgen.

3.4. Drehkolbenverdichter
Man unterscheidet einwellige und zweiwellige
Drehkolbenverdichter .
Einwellige Drehkolbenverdichter. Bei diesen bil-
den die in einer exzentrisch gelagerten Walze ver-
schiebbar angeordneten Schieber oder Lamellen
einzelne Kammern, die bei der Walzendrehung ihr
Volumen verändern (Bild VIII.5). Die Verdichter
besitzen ein kleines Schwungmoment und eignen
sich daher besonders zur Ausrüstung mit selbst-
tätigen Anlaß- und Stillsetzvorrichtungen. Bild VIlI.5. Drehkolbenverdichter, einwellige Bauart

1197
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Zweiwellige Drehkolbenverdichter. Das Roots-Gebläse (Bild VIII.6) arbeitet nach dem Prinzip einer
Zahnradpumpe. Die als Lemniskaten ausgebildeten gegenläufigen Rotoren werden zwangsläufig
durch ein außerhalb des Druckraumes befindliches Zahnradpaar gefUhrt. Die beiden Lemniskaten
bewegen sich mit engem Spiel im Gehäuse und berühren sich gegenseitig gasdicht.
Ebenfalls nach dem Verdrängungsprinzip arbeiten die Kapselgebläse, bei denen ein Drehkörper
das Drehmoment überträgt, der andere gegenläufige Drehkörper nur steuert.

Bild VIII.6. Drehkolbenverdichter, Roots·Gebläse; a) Querschnitt durch ein Drehkolbengebläse, b) Ablauf- und
Auflaufspiel der Drehkolben

Die Schraubenverdichter (Bild VIII.7) sind besonders ftir die ölfreie Verdichtung von Gasen aller
Art geeignet. Da bei leichten Gasen die untere Grenze des Anwendungsbereiches von Turbomaschi-
nen über V= 2,8 m 3 /s liegt und Kolben- und andere Rotationsverdichter nonnalerweise das Förder-
medium mit Schmieröl in Verbindung bringen, bilden die Schraubenverdichter eine notwendige
Ergänzung der Verdichterbauarten. Fördermengen liegen zwischen 0,14 m 3 /s und 7,5 m 3 /s.

Bild VIII .7. Schraubenverdichter, Ein· und Auslaßquerschnitte

Beim LysholmSchraubenverdichter besitzt der Hauptläufer vier, der Nebenläufer sechs Zähne. Der
Synchronlauf wird durch ein Zahnradpaar mit entsprechendem Übersetzungsverhältnis erreicht.
Das Gas tritt von unten in das Gehäuse und strömt axial in die Lückenräume ein. Mit der Drehung
der Läufer öffnen sich die Zahnlückenräume fortschreitend von der Saugseite nach der Druckseite
hin. Dieser Vorgang gleicht dem Saughub des Kolbenverdichters. Nach Füllung der Zahnlücken
wird durch weitere Drehung der Läufer der Ansaugraum abgeschlossen, die eingeschlossene Luft
wandert weiter bis zur Oberseite der Stirnwand des Gehäuses. Durch den jetzt beginnenden Ein-
griff der Zähne werden die Zahnlückenräume verkürzt und das eingeschlossene Gas verdichtet.
Diese Verdichtung hält an bis die Zahnspitzen und Zahnflanken die Steuerkanten am Druckstutzen
überstreichen. Von da an wird das Gas durch weitere Verkürzung der Zahnlückenräume restlos
durch den Druckstutzen ausgeschoben. Dieser Vorgang wiederholt sich in jeder aufeinanderfolgen-
den Zahnlücke der beiden Läufer.

1198
VIII. Verdichter

4. Kreiselverdichter (Turboverdichter)
Bei Kreiselverdichtern wird der Welle Energie zugeführt und über die Beschaufelung an das strö-
mende Medium übertragen. Dementsprechend ähneln die Bauformen der Kreiselverdichter denen
der Kreiselpumpen.
Nach dem erreichbaren Druck unterscheidet man:
a) Kompressoren: Vielstufige Verdichter mit hohen Enddrücken.
b) Gebläse: Sie erreichen mittlere Enddrücke und sind ein- bis dreistufig ausgefUhrt.
c) Ventilatoren oder Lüfter: Sie dienen der Förderung sehr großer Luftmengen bei kleinen Druck-
steigerungen, die meist nur die Strömungswiderstände überwinden sollen.
Im Gegensatz zu der unmittelbaren Drucksteigerung der nach dem Verdrängerprinzip arbeitenden
Kolbenverdichter arbeiten die Turboverdichter mit einer doppelten Energieumwandlung:
1. Die an der Verdichterwelle zugefUhrte mechanische Energie wird im Laufrad teils als Druck-
energie infolge der Fliehkraftwirkung, teils als Geschwindigkeitsenergie auf das Gas oder die
Luft übertragen.
2. In der dem Laufrad nachgeschalteten Leitvorrichtung wird die Geschwindigkeitsenergie in
Druckenergie umgesetzt.
Infolge der doppelten Energieumwandlung haben die Turbokompressoren größere Verluste und
schlechtere isothermische Wirkungsgrade als die Kolbenverdichter. Die Turboverdichter sind fur
große Fördermengen besonders gut geeignet, weniger flir die Erzielung hoher Drücke.

4.1. Radialverdichter
Der Aufbau der Radialverdichter entspricht dem der Kreiselpumpen. Die zur Druckerzeugung not-
wendigen hohen Umfangsgeschwindigkeiten erfordern hohe Drehzahlen. Dabei haben hochtourige
Läufer mit entsprechend geringen Durchmessern den Vorteil, daß sie geringeren Fliehkräften aus-
gesetzt sind. Sie werden meist mit Schaufeln, die aus dem vollen Laufradmaterial herausgefräst
sind, versehen; hierdurch lassen sich besonders steife Läufer bauen, die unter Umständen unter-
kritisch laufen können.
Die theoretisch erreichbare Förderhöhe und Drucksteigerung ist aus der Hauptgleichung der
Strömungsmaschinen zu errechnen, vgl. GI. (VII. 10).
Bei drallfreiem Eintritt in das Laufrad ist Cl radial gerichtet, also al = 90° bzw. cosal = 0:
g
(VIII.9)
m
m

Radiale Schaufeln werden nur auf Zug beansprucht; es können Umfangsgeschwindigkeiten bis
400 mfs erreicht werden. Dabei wird wegen der hohen Fliehkräfte vielfach die Deckscheibe der
Laufräder weggelassen, was allerdings an dem zwischen Verschaufelung und Gehäuse bestehenden
Spalt zu Leckverlusten und Rückströmung vom Druckraum zum Saugraum fUhren kann. Rein radiale
Schaufeln werden bei Fahrzeugverdichtern, z.B. Flugmotorenaufladern, wo es auf hohe Drücke
und geringe Abmessungen ankommt, verwendet.
Die Luft wird im Verdichter einmal "adiabatisch" (bzw. polytropisch), entsprechend dem Ver-
dichtungsvorgang erwärmt, zum anderen aber auch durch die Wärme, die durch die Strömungs-
verluste (Luft- und Radreibung) erzeugt wird. Diese Wärme erhöht unmittelbar, noch während der
Zustandsänderung, die Temperatur der Luft und vergrößert ständig das zu verdichtende Volumen.
Hierdurch wird die erforderliche Antriebsleistung erhöht. Will man die Verdichtung dem isother-
mischen Vorgang annähern, so ist eine weitaus stärkere Kühlung als bei den Kolbenkompressoren
erforderlich.

1199
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Als Richtwerte können für den notwendigen Kühlwasserverbrauch bei Verdichtung von I bar auf
6 bar gelten:
Kolbenkompressor: ca. 3000 I Kühlwasser je 1000 m 3 Luft
Turboverdichter: ca. 10000 I Kühlwasser je 1000 m 3 Luft

Entsprechend der relativ geringen Drucksteigerung in einer Stufe erfordert der Turboverdichter
eine höhere Stufenzahl als der Kolbenkompressor. Um z.B. von PI = I bar auf Pe =6 bar zu ver-
dichten, muß der Turbokompressor bereits mit vier Stufen arbeiten, wenn die Umfangsgeschwindig-
keiten begrenzt bleiben sollen. Die mehrstufige Bauart erfordert hinter jeder Stufe eine Umlenkung
des Fördermittels, was eine Verringerung des Wirkungsgrades zur Folge hat.
Die Kennlinie des Radialverdichters - im Prinzip gleicht sie der Kennlinie einer Kreiselpumpe (vgl.
Bild VII.17) - verläuft flach; bei Rädern mit radial verlaufenden Schaufeln ist sie flacher als bei
Rädern mit rückwärts gekrümmten Schaufeln.
Die flache Kennlinie des Radialverdichters ergibt einen größeren stabilen Betriebsbereich, allerdings
bei mäßigeren Wirkungsgraden als beim Axialverdichter, der eine steilere Kennlinie, kleineren sta-
bilen Betriebsbereich und höheren Wirkungsgrad besitzt. Ob danach in einem Bedarfsfalle die radiale
oder axiale Bauart vorteilhafter ist, hängt von dem Verlauf der Betriebswiderstandslinie (vgl. Rohr-
leitungskennlinien der Kreiselpumpenanlagen), dem erforderlichen Regelbereich und von den Her-
stellungskosten der verschiedenen Verdichter ab. Dabei ist zu beachten, daß mit wachsendem An-
saugvolumen der Kapitalaufwand für den Axialverdichter im Vergleich zu dem für den Radialver-
dichter geringer wird.
Die mechanischen Reibungsverluste der Radialverdichter sind, wie bei allen Turboverdichtern, sehr
gering; sie erreichen einen hohen mechanischen Wirkungsgrad (bis 99 %).
Der isothermische Wirkungsgrad, der wie bei den Kolbenverdichtern das Verhältnis der isother-
mischen Kompressorleistung zur tatsächlichen Antriebsleistung darstellt, ist wegen der hohen Rad-
reibungs und Wirbelungsverluste in der Luft schlechter als bei Kolbenverdichtern. Je nach Größe
und Ausflihrung der Maschine kann mit Tjis =0,6 ... 0,73 gerechnet werden.
Bei niedrigen Druckverhältnissen - bis 1: 3 - werden Radialkompressoren auch als ungekühlte
Maschinen gebaut. Als Vergleich dient dann der adiabatische Wirkungsgrad, der je nach Größe und
Ausführung der Maschine Tjad =0,75 ... 0,9 beträgt.

4.1.1. Regelung. Bei der Regelung der Turboverdichter wird in den meisten Fällen ein gleichblei-
bender Betriebsdruck angestrebt, da zum Betrieb von Druckluftwerkzeugen und Maschinen ein
möglichst gleichbleibender Luftdruck erwünscht ist.
Drehzahlregelung. Bei veränderlicher Fördermenge kann der Druck durch entsprechende Verände-
rung der Drehzahl konstant gehalten werden. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß mit zunehmen-
der Fördermenge die Luftgeschwindigkeit wächst und der Rohrleitungswiderstand mit dem Quadrat
der Strömungsgeschwindigkeit zunimmt. Der Verdichter muß also mit zunehmender Fördermenge
einen höheren Druck liefern, was auch mit einer Drehzahlerhöhung und daher mit einer Einengung
des Regelbereiches verbunden ist. Die Drehzahlregelung erfordert Antriebsmaschinen mit veränder-
licher Drehzahl. Sie ist dann eine sehr einfach und wirtschaftlich durchführbare Regelungsart.
Drosselregelung. Von ihr wird Gebrauch gemacht, wenn mit Rücksicht auf den Antrieb eine Dreh-
zahlregelung nicht möglich ist. Man drosselt entweder in der Saug- oder in der Druckleitung. Die
Drosselregelung ist unwirtschaftlicher als die Drehzahlregelung, da eine Drosselung stets mit Ener-
gieverlusten verbunden ist, die bei der Drosselung der Saugleitung allerdings geringer sind, als bei
der Drosselung der Druckleitung.

1200
V I". Verd ichter

Aussetzerregelung. Der Verdichter wird bei steigendem Druck selbsttätig abgeschaltet und bei ab-
gesunkenem Druck wieder eingeschaltet. Dabei lassen sich kleinere oder größere Druckschwan-
kungen nicht vermeiden; ihre Größe und Dauer hängt von der Speicherfahigkeit des Netzes und der
Größe der Veränderung der Entnahme ab. Die Druckschwankungen sind um so kleiner, je flacher
die Verdichterkennlinie verläuft. Die Aussetzer- oder Leerlaufregelung wird oft bei Turbokom-
pressoren, die an der Pumpgrenze arbeiten, angewendet.
Abblaseverfahren. Dabei wird die zuviel erzeugte Druckluft durch ein von Hand betätigtes oder
druckgesteuertes Ventil ins Freie abgeblasen, wenn durch Absinken des Druckluftverbrauches die
Gefahr eintritt, daß die Pumpgrenze unterschritten wird. Da das Verfahren durch den Verlust der
überschüssig erzeugten Druckluft unwirtschaftlich ist, sollte es nur dort angewendet werden, wo
die Pumpgrenze tief liegt und entsprechend den Betriebsverhältnissen mit einem nur kurzzeitigen
Absinken des Luftverbrauches unter die Pumpgrenze zu rechnen ist.
4.1.2. Aufbau. Turbokompressoren erfordern fur höhere Drücke, insbesondere bei leichten Gasen,
höhere Stufenzahlen . Bei großen Stufenzahlen werden die Tuboverdichter auch mehrgehäusig ge-
baut. Der einseitige Einlauf ergibt einen Axialschub, der ausgeglichen oder durch entsprechende
Lager aufgenommen werden muß. Der Ausgleich des Axialschubes kann durch einen Ausgleich-
kolben, der auf der Innenseite unter dem Druck der letzten Stufe, auf der Außenseite unter dem
Atmosphärendruck steht, erfolgen. Die von Stufe zu Stufe dichtere Luft bedingt, daß die Lauf-
räder ebenfalls von Stufe zu Stufe schmaler ausgefuhrt sind. Auch die Raddurchmesser der letzten
Stufen werden verringert, um die Radreibung der in der hochverdichteten Luft laufenden Räder
zu verkleinern.
Turboverdichter mit durchgehender Laufradwelle ergeben bei höheren Enddrücken nur dann gün-
stigere Wirkungsgrade, wenn sie fur große Fördermengen ausgelegt sind. Bei kleineren Fördermen-
gen ergeben die mit gleicher Drehzahl laufenden Räder der mehrstufIgen Verdichter mit durch-
gehender Laufradwelle in den letzten Stufen ungünstige Strömungsverhältnisse. Dieser Nachteil
wird durch abgestufte Drehzahl der Laufräder der einzelnen Stufen vermieden, wie dies z.B. bei
dem vierstufigen Getriebe-Turboverdichter der DEMAG (Bild VIII.8) der Fall ist. Hier werden die
erforderlichen hohen Drehzahlen durch eine Rädervorlage erzielt, wobei die Ritzel der 1. und 2.
Stufe eine kleinere Drehzahl der Laufräder, die Ritzel der 3. und 4. Stufe eine größere Drehzahl
bewirken. Die vier Laufräder sind fliegend eingebaut, wodurch ein strömungstechnisch günstiger
Einlauf erzielt werden kann . Durch die paarweise entgegenwirkenden Laufräder wird deren Axial-
schub aufgehoben . Die Verdichterspiralgehäuse dienen der Druckumsetzung hinter den Laufrädern.
Wegen des großen Verdichtungsverhältnisses der einzelnen Stufen ist nach jeder Stufe ein Zwischen-
kühler angeordnet; Zwischenkühler bilden mit Kompressor und Getriebe eine Baueinheit.
Der vierstufige DEMAG-Getrieb~
Turboverdichter wird serien-
mäßig zur Verdichtung von Luft 2
und ähnlichen Gasen, wie z.B.
Stickstoff, gebaut. Durch elf
geometrisch gestufte Baugrößen
wird ein Ansaugemengenbereich
zwischen 2,7 m 3 /s und 27 m3 Js
überdeckt, wobei die Enddrücke
zwischen 5 bar und 10 bar be-
tragen. Der Verdichter kann
direkt mit dem Elektromotor
gekuppelt werden.

Bild VlJI.8. Schema eines vierstufigen DEMAG-Getriebe-Turboverdichters

1201
Kraft- und Arbeitsmaschinen

4.2. 1lx~verdichter

Beim Axialverdichter verläuft die Strömung hauptsächlich parallel zur Welle des Laufrades.
Jede Stufe des Axialverdichters besteht aus einer
Laufschaufelreihe und einer Leitschaufelreihe
(Bild VIII.9). In der Laufschaufelreihe wird die
Strömung in Umfangsrichtung abgelenkt in der
Leitschaufelreihe wird diese Ablenkung wieder
zurückgeführt. Im Laufrad wird die Relativ-
strömung, im Leitrad die Absolutströmung ver-
zögert und dadurch eine Drucksteigerung be-
wirkt. Da die Druckerzeugung nur durch Um-
lenkungen hervorgerufen wird, treten Verluste
nur vor der ersten Stufe als "Zuströmverluste"
und hinter der letzten Stufe als "Austrittsver·
luste" auf. u
u
Die in einer Stufe erreichbare Druckerhöhung
ist beim Axialverdichter nur gering: Aus der
Hauptgleichung der Strömungsmaschinen folgt
die in einer Stufe bei verlustloser Verdichtung Bild VIII.9. Axialverdichter: Beschaufelung
theoretisch erreichbare Druckhöhe: (schematisch) und Geschwindigkeitsdreiecke

Um
h th = g(c 2 U -c\u) oder

Dm (VIII.10)
hth = W 2g (C2U - c\u) m m
m

Zur Erzielung höherer Drücke müssen daher viele Stufen vorgesehen werden. Dabei wirkt sich, im
Gegensatz zum Radialverdichter, die Zwischenkühlung nachteilig aus. Mit jeder Zwischenkühlung
wird die axiale Strömung unterbrochen und der Wirkungsgrad durch die zusätzlichen Ein- und Aus-
trittsverluste verschlechtert. Der Nutzen einer mehrfachen Zwischenkühlung wird durch die mehr-
fachen Ein- und Austrittsverluste zum großen Teil wieder aufgezehrt. Diese Verluste können nur
durch eine mehrgehäusige Bauart mit strömungsgünstig gestalteten Stutzen verringert werden.
Der ungekühlte Axialverdichter ist dem Radialverdichter im Wirkungsgrad überlegen. Die Abmes-
sungen des Gehäuses des Axialverdichters sind nur wenig größer als der äußere Durchmesser des
Laufrades. Dadurch sind die Abmessungen des Axialverdichters sowie sein Gewicht und sein Preis,
insbesondere bei großem Ansaugevolumen, günstiger als bei der radialen Bauart. Die höhere Dreh-
zahl ermöglicht als Antrieb schnellaufende Turbinen, die ebenfalls kleiner und billiger sind. Axial-
verdichter werden daher insbesondere für größere Ansaugevolumen (ab. ca. 5,5 m 3 /s) gebaut.
Die Axialverdichter werden mit verschiedenen Schaufelwinkeln ausgeführt, die eine unterschied-
liche Aufteilung der Druckerhöhung auf Laufschaufelkranz und feststehenden Leitschaufelkranz
bedingen. Diese Aufteilung ist durch den Reaktionsgrad gekennzeichnet, d.i. das Verhältnis der
Druckerhöhung im Laufrad zur Druckerhöhung der aus Lauf- und Leitrad gebildete Stufe.
Die verschiedenen Bauarten unterscheiden sich auch durch die weiteren wichtigen Kennzahlen der
Verdichter:
a) die Umfangsgeschwindigkeit der Laufschaufeln Uj, bezogen auf den Nabendurchmesser D j ;

b) die Durchflußzahl v =A V (V sekundliehe Durchflußmenge ; A Durchflußquerschnitt) ;


Uj

1202
VIII. Verdichter

c) die Druckzahl J1 =

d) den Wirkungsgrad.
~
Uj
;

-N
radial

1\\
Durchflußzahl und Druckzahl bestimmen
die Kennlinie des Verdichters.
Die Kennlinie des Axialverdichters zeigt die 1,0
Abhängigkeit des Förderdruckes h vom För- II:J \
I><
dervolumen V. 115'
1-
Die Kennlinie des Axialverdichters verläuft 0,5
steiler als die des Radialverdichters; demzu-
folge ist der stabile Arbeitsbereich gering
(Bild VIILl 0). o 20 40 60 80 100 120%
v---
Bild VIII. 1O. Kennlinien des Axial- und
des Radialverdichters

Arbeitet der Verdichter mit einem Ansaugvolumen, das unter dem Auslegungspunkt liegt, so tritt
ein Ablösen der Strömung von der Proftloberfläche der Schaufel ein. Diese Erscheinung kann beim
Axialverdichter bereits bei einer Verminderung des Fördervolumens auf ca. 90 % des Auslegungs-
wertes auftreten. Die Folge hiervon können Schaufelbriiche und die Zerstörung des Verdichters
sein. Die Ablösung der Strömung tritt dann ein, wenn der relative Anstellwinkel der Strömung zum
Flügelproftl zu groß wird. Diese Vergrößerung des Anstellwinkels a folgt aus der Verzögerung der
Fördermenge und der sich daraus ergebenden Verkleinerung der Axialgeschwindigkeit (Bild
VIIl.ll). Die Abreißgrenze macht sich durch plötzliches Absinken der Förderhöhe und des Wir-
kungsgrades bemerkbar (Bild VIII. 12).
I
I

~ ______________JC
p
,
I
'~
q;
I
.~
@
A .~
l(' u- -- - I'"
/ ... Ablösung bei
Anstellwinkel er

Bild VIII.Il. Anströmung des Schaufelprofils bei v----


verschiedenen Durchsatzmengen Bild VJII.12. Axialverdichter: Abreißgrenze

Eine größere Verringerung der Fördermenge sollte beim Axialverdichter daher nur durch Änderung
der Drehzahl vorgenommen werden.
Die Steilheit der Kennlinie des Axialverdichters hängt von der Druckzahl J1 ab: Je kleiner diese ist,
um so steiler verläuft im Bestpunkt die Kennlinie . Eine Erhöhung der Druckzahl und damit flachere
Kennlinie kann durch eine stärkere Wölbung der Schaufelproflle erreicht werden.

1203
Kraft- und Arbeitsmaschinen

Der steile Kennlinienverlauf kann allerdings nicht als grundsätzlicher Nachteil des Axialverdichters
angesehen werden : In Sonderfalien kann es nämlich erwünscht sein, daß die Änderung des Gegen-
druckes nur kleine Änderungen der Fördermenge nach sich zieht .
4.2.1. Regelung. Wegen der steilen Kennlinie und der hohen Pumpgrenze eignet sich der Axialver-
dichter nur in einem sehr engen Bereich zur Mengenregelung, insbesondere bei konstanter Antriebs-
drehzahl, z.B. bei elektrischem Antrieb. Bei niedriger Entnahme kann man sich dann durch Ab-
blasen der überschüssigen Luftmenge helfen, deren Energie in Expansionsturbinen genützt werden
kann.
Eine ideale Regelung des Axialgebläses mit konstant bleibender Antriebsdrehzahl wird durch die
Ausftihrung mit verstellbaren Leitschaufeln erzielt.
4.2.2. Aufbau. Bei der mehr stufigen Bauweise besteht der Axialverdichter aus dem Rotor, der die
Laufschaufeln trägt und dem Stator, der zu jeder Laufschaufelreihe eine Leitschaufelreihe besitzt.
Am Eintritt wird der ersten Laufschaufelreihe eine Leitschaufelreihe vorgeschaltet.
Bild VIII. 13 zeigt das Schnittbild eines BBC-Axialgebläses mit verstellbaren Leitschaufeln in allen
Reihen.

Bild VIII.l3. BBC-Axialgebläse mit verstellbaren Leitschaufeln in allen Reihen


1 Gehäuseunterteil 4 Diffusor 7 Laufschaufel
2 Ölabstreifbleche 5 Gehäuseoberteil 8 Welle
3 Kannenlager 6 verstellbare Leitschaufel 9 Traglager

Literatur
Baehr, H. D.: Thermodynamik, Verlag Springer, Hamburg.
Schneider, G.: Verbrennungsmaschinen, Verlag Hanser, München 1967.
Winter, F. W.: Technische Wärmelehre, Verlag Girardet, Essen 1967.

1204
Fordertechnik
Johannes Sebulke

F ormelzeichen und Einheiten

A m 2, cm 2, mm 2 Flăche kg kg t
N
m -
s ' h 'h
Forderstrom
(Massendurchsatz)
E Elastizitătsmodul
m2 = Masse pro Zeiteinheit
kg t
F N Kraft m' m'm Masse pro Lăngeneinheit
G N Gewichtskraft
n min- 1 Drehzahl
J kgm 2 Trăgheitsmoment
(Massenmoment 2. Grades) p Polpaarzahl

L h Lebensdauer r m,cm,mm Radius


s m,cm,mm Weg
M Nm Drehmoment
s,h Zeit
p W,kW Leistung
tk m,mm Kettenteilung
s N Seilzugkraft
m km
V Geschwindigkeit
T s Periodendauer s' h
V m 3, cm 3, mm 3 Volumen w Widerstandsbeiwert
w J =Nm =Ws Arbeit, Energie X m WeggroBe
m
a s2
Beschleunigung a
o
Steigungswinkel r'
F orderrichtunt,
d m,cm,mm Durchmesser
E Dehnung
f -1 Frequenz Wirkungsgrad
s 11
m Il 1 Reibz~hl
g Fallbeschleunigung
~ kg
p Dichte
Obersetzung m3'm3
m,cm,mm Lănge <P Stufensprung, Beiwert
m kg, t Masse, Fordermenge 1/J Beiwert

1. Oberblick liber das Gesamtgebiet der Fordertechnik

1. Begriffsbestimmung und Abgrenzung


Die Fordertechnik befaBt sich mit allen Fragen innerbetrieblicher Materialtransporte sowie mit der
Organisation des gesamten betrieblichen Materialflusses. Die Hebetechnik ist ein Teilgebiet der
Fordertechnik. Die MaterialfluBtechnik in der Produktion und die eng damit verbundene Waren-
lager- und -verteiltechnik (auch Kommissionier- oder Distributionstechnik genannt) sind wichtige
Teilgebiete. Die Umschlagtechnik in Hăfen und Giiterbahnhofen sowie die Beforderung von Eerg-
bauprodukten auf Forderbăndern manchmal liber mehrere 100 Kilometer sind weitere Bcispiele.

1205
Fordertechnik

Tafell.l. Gliederung der Fordertechnik und angrenzende Bereiche


.---------------,
: Transporttechni k :
L------~-------...J
r,------'-· ..,
Nerkehrstechnikl Fărdertechnik
~----,-----~~----------~----------~~--------~
l Personen- 1Guter- 1Komponententechnik Anlagentechnik Systemtechnik
verkehr verkehr 1 Fbrdertechnische Bausteine Gesomtheitd. Fărdermittel Planung u.Ausfuhrung
1 1 lf-----------l komplexer Gesamtanlăgen
1 l 1 Krane Materialfluntechmk
1 1 1 Bauelemente
~ 1--H-a_n_g_e-ba_h_n_e_n----l
1
ill r - - - - - - - - - 1
1 ~ Organisationstechnik
'O f---------1
1 1 Lastaufnahme- o
~
.>!' Rega 1fărd e r zeuge ~ Operat ions research
1 1 einrichtungen
1 1 lf---------1 âJ Flurfărderer
o<Il Datentechnik
Ui
1 1 1 Antriebe :§ J - - - - - - - - - 1
1 1 1 -- Verladeanlagen Proze nsteuerungen
1 1 ~~----------~
1 1 Ubersetzungs-
1 Bandfărderer
~ ~~~~~~~R~~~~~en
: 1 1 getriebe ·g. Automat.Materialflun
1 1 ~~----------~ Becherwerke
~ f---------1
Jl systeme in d.Fertigung
1 - Flughafen-Gepăck-
1 l Bremsen 'E Rutschfărderer
-"' transportsysteme
1 1 1 .E f---------1
1 1 :r-------------_, d
.>!' Pneu mat. Rirderer ~ Paketsortieranlagen
1 1 1 Hebezeuge "'r--------1 'E
o
: 1 1 U1 Rollenfărderer .>:: Containerterminals
L-- ___ j_- - - _JL-----------'---'--'----------1--'--.L.-------.....J

Nicht mehr zur Fordertechnik gehoren die auf.)erbetriebliche GiiterbefOrderung, wie z.B. durch
Eisenbahn und Lkw, sowie die gesamte PersonenbefOrderung (Tafel 1.1).
Die Abgrenzungen sind jedoch flief.)end, und es gibt Oberschneidungen, wie z.B. die Aufzugstech-
nik oder ein sogenanntes "integriertes Transportsystem", d.h. die Verwendung von genormten
Behăltem ("Containem") und entsprechende organisatorische Maf.)nahmen, um diese auf Schiff,
Bahn, Lkw und innerbetrieblich gleich rationell verwenden zu konnen.
Der allgemeine Fortschritt der Technik, der Zwang zur Rationalisierung, Automatisierung und
die stăndig steigenden Personalkosten der Untemehmen eroffnen der Fordertechnik stets neue
Aufgaben.

2. Einteilung der Fordermittel


a) Nach der zeitlichen Arbeitsweise der Fordermittel unterscheidet man:
aussetzend arbeitende Forderer (Unstetigforderer), wie z.B. Krane, Bagger;
stetig arbeitende Forderer (Stetig- oder DauerfOrderer), z.B. Forderbănder.
b) Nach den bedienten F reiheitsgraden unterscheidet man:
linienbedienend.e Fordermittel (l Freiheitsgrad), z.B. SchachtfOrderanlage, Forderbănder,
Kreisforderer, Hăngebahn;
flăchenbedienende Fordermittel (2 Freiheitsgrade), z.B. Elektrokarren (waagerechte Flăche),
Regalforderzeuge (senkrechte Flăche);
raumbedienend.e Fordermittel (3 Freiheitsgrade), z.B. Laufkrane mit Katze, Turmdreh- und
-wippkrane, Gabelstapler.
c) Nach Lastweg und Forderrichtung unterscheidet man irn Bergbau:
waagerechte (sohlige) und schwach geneigte Forderer;
stark geneigte Forderer;
senkrechte (seigere) Forderer oder Hubforderer.

1206
1. Oberblick uber das Gesamtgebiet

Nach Umfang und Schwierigkeitsgrad unterscheidet man nach Tafell.l:


Komponenten (Bauteile oder Baugruppen flir Fordermittel, die in Serie hergestellt werden konnen,
aher flir sich allein meist noch keine F orderaufgaben erftillen konnen;
Anlagen (gro~e, umfangreiche Fordermittel, wie z.B. Verladeanlagen, die nicht mehr in Serie ge-
fertigt werden konnen);
Fordertechnische Systeme (umfangreiche Fordermittel, bei denen neben dem reinen Fordervor-
gang eine organisatorische Funktion - z.B. Sortieren, Verteilen, Kommissionieren, Lagern von
Stiickgut eine m~gebliche Bedeutung hat). Bei Fordersystemen ist praktisch immer vorab eine
Untersuchung des Materialflusses und der jeweiligen Zusatzfunktionen erforderlich, um das ge-
eignetste Fordermittel oder die giinstigste Kombination von Fordermitteln zu finden.

3. Transportarbeit, Transportleistung
3.1. Physikalische Transportarbeit
Mit Transportarbeit W wird diejenige Arbeit bezeichnet, die aufzuwenden ist, um eine bestimmte
Last von einem Punkt im Raum zu einem an de ren zu bewegen:
p
W=Fs=Fvt
Nm =W
s

Fiir die Leistung gilt entsprechend:


w
P=-=Fv
t
Die Kraft F setzt sich zusammen aus
a) der Kraft FR zur Oberwindung der Roll- und Gleitreibung

FR = mgJJ. cosa
b) der Kraft FH fli.r die Dberwindung von Steigungen

FH = mgsina

a> O Steigung; a= O Ebene; a< O Gefalle; a= 90°, d.h. sin a= 1 SenkrechtfOrderung


c) der Beschleunigungskraft

Fs =ma

Die Transportleistung P wird dann

In der Regel sind die drei Kraftanteile wiihrend des Fordervorganges nicht konstant. So tritt z.B.
die Beschleunigungskraft nur beim Anfahren und Bremsen auf. Dann kann man ftir iiberschlligige
Rechnungen die Forderstrecke in Abschnitte aufteilen, fur die man die Teilkrlifte kennt, und die
Transportarbeit bzw. -leistung stiickweise ermitteln. Oft iiberwiegt auch eine Teilkraft so stark, d~
man die anderen vernachllissigen kann.

1207
Fordertechnik

3.2. Technische Transportleistung


Bei stetigen und unstetigen Fordermitteln wird unter Transportleistung meist diejenige Menge an
Fordergut verstanden, die das Fordermittel unter den vorgesehenen Betriebsbedingungen umschla-
gen bzw. befOrdern kann, z.B. t/h bei Gurtforderern oder Verladeanlagen. Anstelle der Fordergut-
menge konnen auch andere charakteristische GroBen treten, z.B. Paletten/h (Rollenforderer),
Arbeitsspiele/h (Krane, RegalfOrderzeuge).

3.3. Arbeitsphysiologische Transportarbeit


Arbeitsphysiologische Transportarbeit ist die bei Handtransporten vom Korper aufzuwendende
Energie. Bei der Schaufelarbeit haben z.B. die Einsticharbeit, die Beschaffenheit des Schaufelgutes
und die Wurfhohe den groBten EinfluB.
Hand transporte sind in Industrielăndern weitgehend auf Lasten unter 1O kg und kurze Wege
beschrănkt. Beispiele dieser Handtransporte sind das Einspannen von Werkstiicken in Werkzeug-
maschinen, das Heben von Kisten auf Werktische und das Verladen und Verpacken von Kartons,
soweit dieser Bereich durch Kleinhebezeuge, Manipulatoren oder Industrieroboter noch nicht
mechanisiert oder automatisiert ist.

11. Die Baukastensystematik in der Fordertechnik

1. Begriffsbestimmungen
In der Fordertechnik wird kaum ein groBerer Einsatzfall so dem anderen gleichen, daB man zwei
Anlagen nach denselben Zeichnungen fertigen kann. Konstruktionszeiten, Riist- und Umstellungs-
zeiten der Fertigung sind hoch; der Kunde muB bei Einzelanfertigung lange Lieferzeiten in Kauf
nehmen. In der Fordertechnik haben sich daher Baukastenprinzip, Standardisierung und die Kon-
struktion von Erzeugnisreihen weitgehend durchgesetzt.
Baukastenprinzip heiBt, daB ein Erzeugnis so lange nach Bild 11.1 in Baugruppen, Untergruppen
und Einzelteile "aufgelost" wird, bis die Erzeugnisteile geniigend oft verwendet und daher in Serie
gefertigt werden konnen. Natiirlich miissen die einzelnen Baugruppen miteinander kombinierbar
sein. Der Konstrukteur kann dann die vom Kunden gewiinschte Losung weitgehend aus vorhan-
denen "Bausteinen" zusarnmensetzen.
Standardisierung von Erzeugnissen oder Bauteilen bedeutet, daB man nicht mehr das Erzeugnis
oder das Bauteil flir jeden speziellen Einsatzfall neu auslegt, sondern das Erzeugnis nur in einigen
hăufig vorkommenden, oft genormten GroBen fertigt. Der Kunde kann sich dann z.B. ein kosten-
giinstiges, in Serie gefertigtes Laufrad nach Liste aussuchen, und braucht sich kein teures in Einzel-
fertigung "maBschneidern" zu lassen.
Eine Reihenbildung von Erzeugnissen oder Bauteilen liegt vor, wenn die Standardisierung in gesetz-
măBigen Abstufungen erfolgt (Bild 11.2). Der Faktor, mit dem man die maBgebliche GroBe (z.B.
HauptrnaBe, Drehmomente, Leistungen) einer Stufe multiplizieren muB, um die năchste Stufe zu
erhalten, heiBt Stufensprung <{J. Als Zahlenwerte flir den Stufensprung nimmt man Normzahlen
nach DIN 323.

1208
11. Die Baukastensystematik in der Fordertechnik

Bau- Unter- Einzelteile


Erzeugnis gruppe gruppe erzeugnis-
spezifisch genormt

Auflosun

Bild II.!. Aufli:isung eines Kranes in Baugruppen, Untergruppen und Einzelteile


(Mannesmann Dematik)

Bild II.2.
Kopftrăgerreihe fiir Laufkatzen und Laufkrane;
Stufensprunge (/Jk und (/J 1
(Mannesmann Dematik)

Getriebe:
1 Stufe

2. Nutzen des Baukastenprinzips fiir die Betreiber und Hersteller


fOrdertechnischer Anlagen
Der Betreiber bekommt eine auf seinen Bedarf zugeschnittene Anlage, deren Bauteile aber in der
Serie erprobt und bewăhrt sind. Die Ersatzteilhaltung ist wegen hoher Mehrfachverwendbarkeit
der Bauteile geringer, die Austauschbarkeit ist groBer, Kundendienst und Reparatur werden ein-
facher.

1209
Fordertechnik

Anwendungsbeispiel fur einen fordertechnischen Baukasten:


Das Bild Vl.3. zeigt Baugruppen eines Elektrozugbaukastens, die sich zu den verschiedensten
kundenspezifischen Elektroziigen zusammensetzen Iassen. Die Baugruppen selbst sind wieder in
einfache Wiederholteile aufgelăst.

3. Komponenten der Fordertechnik


Dem Baukastenprinzip eng verwandt ist das Arbeiten mit Komponenten. Komponenten sind in
der Fordertechnik maschinenbauliche und elektrotechnische Bauteile und Baugruppen, die der
Hersteller fărdertechnischer Anlagen komplett beziehen und flir seine speziellen Zwecke einsetzen
kann.
So kănnen z.B. Hersteller von Kranen oder sonstigen schienenbeweglichen Fărdermitteln den Fahr-
antrieb nach Bild 11.3, bestehend aus speziell fur Fahrantriebe ausgelegtem Motor und Getriebe,
komplett beziehen und einfach auf die Laufradwelle aufflanschen.
Fiir eine Greifer-Umschlagsanlage konnen der Greifer, Umlenkrollen, das komplette Hubwerk und
die Fahrantriebe als Komponenten bezogen werden. Der Anlagenhersteller konzentriert sich in
diesem Fali auf kundenspezifische Auslegung, Konstruktion und Lieferung der neuen Gesamtanlage
und kann sicher sein, daB alle Komponenten seit langem bewăhrt sind.

OrehmomenfsfiJfze

Radsafz Moforen Radsafz


angefrieben nichf angefrif?ben

Bild II.3. Beispiel eines kompletten Fahrantriebes, der in einer gestuften Baureihe zum Einbau in beliebige
fOrdertechnische Anlagen zur Verftigung steht.
(Mannesmann Dematik)

1210
III. Bauelemente der Fordertechnik

III. Bauelemente der Fordertechnik

Es sind dies im wesentlichen Elemente der Seiltriebe, der Kettentriebe und Lastaufnahmeeinrich-
tungen.
Sei/e und Ketten konnen nur Zugkrăfte aufnehrnen. In den meisten Făllen wăhlt man als Zugorgane
Seile wegen ihrer hohen Zugfestigkeit, Preisgiinstigkeit und Sicherheit gegen plotzlichen Bruch.
Ketten kommen als Huborgan wegen ihres hohen Eigengewichts nur fur begrenzte Hubhohen (bis
ca. 10 m) in Frage. Man verwendet sie, wo Seile zu empfindlich sind (z.B. beim Eintauchen von
Lasten in Băder, bei starker Verschrnutzung wie in KettenkratzfOrderern), ader wo es auf geringe
Urnlenkradien ankommt (kompakte Kleinhebezeuge). Das Hauptanwendungsgebiet der Ketten in
der F ordertechnik ist die Zugtibertragung beim Antrieb von F ordermaschinen (z. B. KreisfOrderer,
Plattenforderer).

1. Bauelemente der Seiltriebe


1.1. Seile
Die Sicherheit gegen Lastabsturz, ein storungsfreier Betrieb und eine befriedigende Aufliegezeit
(= "Lebensdauer") der Seile setzen sachgemăEe Behandlung, sorgfaltige Pflege und regelmăEige
Dberwachung voraus. Nach Moglichkeit werden alle schădlichen Einwirkungen, wie z.B. Wasser,
Dămpfe, Săuren, von den Seilen ferngehalten.

Konstruktion der Drahtseile


In den DIN 3051-3071 sind alle Normen liber Drahtseile zusammengefaBt. Die Normen gelten ftir
Hebezeuge und Fordermittel, ftir die Schiffahrt und ftir den Bergbau (auBer Forderseile).
Die Bruchkrăfte und die zulăssigen Zugkrăfte werden mittels verschiedener empirisch festgestellter
Faktoren vom Seildurchmesser abgeleitet.
Die Normen "Drahtseile aus Stahldrăhten" sind in folgender Weise gegliedert.
DIN 3051 Teil 1 gibt eine Ubersicht liber die genormten Sei1e und ihre Aufteilung auf die einzelnen
Normblătter.

DIN 3051 Teil 2 erlăutert die Seilarten und die in der Seiltechnik vorkommenden Begriffe.
In DIN 3051 Teil 3 sind die Berechnungsgrundlagen sowie die anzuwendenden Faktoren zusam-
mengestellt. Es sind die Faktoren des metallischen Querschnitts (Flillfaktor), ftir den Verseilverlust
(Verseilfaktor) und flir das Seilgewicht (Gewichtsfaktor) angegeben, getrennt nach Seilkonstruk-
tionen sowie danach, ob die Seile eine Faserseele ader eine Stahleinlage haben.
DIN 3051 Teil 4 enthălt die Technischen Lieferbedingungen flir Drahtseile.
Die Normen DIN 3052 bis DIN 3071 sind die MaBnormen der Seile; sie enthalten die Seil-Nenn-
durchrnesser, die Seilgewichte, die rechnerischen Bruchkrăfte und die Mindestbruchkrăfte. Die
rechnerische Bruchkraft ist auf Draht-Nennfestigkeiten von 1570 N/mm2 und 1770 N/mm 2
bezogen. Es konnen auch nichtgenormte Sonderseile angefertigt und geliefert werden. Eine Uber-
sicht liber vorwiegend gebrăuchliche Seilkonstruktionen, Normen, wesentliche Merkrnale und
Durchrnesser gibt Tafel III.l. Die wichtigste Gruppe sind Rundlitzenseile, bei denen die aus
Stahldrăhten gefertigten Litzen links- ader rechtsgăngig um eine in Fett getrănkte Fasereinlage

1211
Fordertechnik

Tafel III.l. Dbersicht liber gebrăuchliche Seilkonstruktionen, Norrnen, wesentliche Konstruktions-


merkmale und Seildurchmesserbereiche nach DIN 3051

Anzahl Se il·
Bezeichnung Neon·
der der aller
Seilarten DIN der Verseilungsart Art der Einlage durch- Bild
Litzen Driihte Drahte
der Litzen messer 111.3
in
1 Litze von bis Nr.

Spiralseile
3052 - - 7 - - 0,6 16 1
3053 - - 19 - - 1 25 2
(Rundlitzen) -
3054 - - 37 - 3 36 3
3055 6 7 42 - 1 F aser· oder 1 S tahleinlage 2 40 4
3056 8 7 56 - 1 Faser- oder 1 Stahleinlage 4 24 5
3057 6 19 + 6 F 114 Filler 1 Faser- oder 1 Stahleinlage 8 44 6
3058 6 19 114 Se ale 1 Faser- oder 1 Stahleinlage 6 36 7
3059 6 19 114 Warrington 1 Faser· oder 1 Stahleinlage 6 36 8
3060 6 19 114 Standard 1 Faser· oder 1 Stahleinlage 3 56 9
3061 8 19 + 6 F 152 Filler 1 Faser· oder 1 Stahleinlage 10 56 10
Einlagige
3062 8 19 152 Seale 1 Faser- oder 1 Stahleinlage 10 44 11
Rundlitzenseile
3063 8 19 152 Warrington 1 Faser· oder 1 Stahleinlage 10 44 12
3064 6 36 216 Warrington-Seale 1 Faser· oder 1 Stahleinlage 12 56 13
3065 6 35 210 Warrington gedeckt 1 Faser· oder 1 Stahleinlage 8 56 14
3066 6 37 222 Standard 1 Faser- oder 1 Stahleinlage 6 64 15
3067 8 36 288 Warrington-Seale 1 Faser· oder 1 Stahleinlage 16 68 16
3068 6 24 144 Standard 7 Fasereinlagen 6 56 17
Mehrlagige 3069 18 7 126 drehungsarm 1 Faser· oder 1 Stahleinlage 4 28 18
Rundlitzenseile 3071 36 7 252 1 Faser- oder 1 Stahleinlage 12 40 19
Flachlitzenseil 3070 10 10 100 drehungsfrei 1 Faser- oder 1 Stahleinlage 12 32 20

Bild III.l Bild III.2


Gleichschlagseil, rechtsgăngig Kreuzschlagseil, rechtsgăngig

geschlagen werden. Haben die Drăhte in den Litzen dieselbe Schlagrichtung wie die Litzen im Seil,
nennt man das Seil Gleichschlagseil (Bild 111.1), bei entgegengesetzter Schlagrichtung Kreuzschlag-
seil (Bild III.2).

Das Seil wird handelstiblich blank in Kreuzschlag (K) und rechtsgăngig (Z) geliefert. Wird das Seil
verzinkt, irn Gleichschlag (G), linksgăngig (S) oder spannungsarrn benotigt, so muB das in derBe-
stellung angegeben werden.

Gleichschlagseile sind biegsamer und liegen in den Rillen der Rollen und Trommeln besser auf. Die
Flăchenpressung ist deshalb geringer, die Aufliegezeit gr6Ber. Da aber das Gleichschlagseil sich in
belastetem Zustand leichter aufdreht, wird es nur flir geftihrte Lasten (z.B. Aufzug) verwendet. Im
Kranbau werden Kreuzschlagseile - in der Rege! rechtsgăngig - verwendet.

Es stehen mehrere Seilmacharten zur Verfligung, insbesondere Filler (= Ftilldraht)·, Seale-, War-
rington- und Standardmachart (Bild III.3). Die Skizzen in Bild 111.3 Nr. 1- 20 sind in Tafel 111.1,
Zeile 1- 20 beschrieben und erlăutert.

1212
III. Bauelemente der Fordertechnik

2 3 4

5 6 7 8

9 10 11 12

13 14 15 16

17 18 19 20

Bild III.3. Obersicht zu găngigen Seilkonstruktionen nach DIN 3051{feil 1


Fillermachart Nr. 6-10, Sealemachart Nr. 7 und Il , Warringtonmachart Nr. 8, 12, 14, Standardmachart Nr. 9, 15, 17
Weitere Erlăuterungen siehe Tafel III.!, Zeile 1-20.

1213
Fordertechnik

Die Konstruktion eines Drahtseiles wird im allgemeinen durch eine Kurzbezeichnung entsprechend
den Haupttiteln der Normen DIN 3052 bis DIN 3071 beschrieben, die folgende Angaben enthălt:
a) Seilart (z.B. Rundlitzenseil).
b) Produkt aus Anzahl der Litzen im Seil und Anzahl der Drăhte in einer Litze (z.B. 6 X 19).
c) Bezeichnung der Verseilungsart der Litzen, soweit erforderlich (z.B. Seale).
d) Hinweis auf besondere Eigenschaften, soweit zutreffend (z. B. drehungsarm).
e) Hinweis auf Art und Anzahl der Einlagen, soweit erforderlich (z.B. + 7 Fasereinlagen).

1.2. Seilrollen und Seiltrommeln


Seilrollen (Tafeln III.2 und III.3) dienen zum Leiten und Umlenken der Seile. Die Rillenprofile
sind nach DIN 15061 Teil 1 genormt.
Geschmiedete oder gegossene Seilrollen werden in Baureihen (siehe 11.1) serienmăBig hergestellt.
Sie haben fast ausschlieB!ich Wălzlagerung . GeschweiBte Seilrollen in Ronden-(A) oder Speichen-
ausfiihrung (B) werden, mit Gleit- oder Wălzlagerung, hauptsăchlich fiir Sonderkonstruktionen
verwendet.

Tafelll1.2 Seilrollen in GrauguBausfiihrung mit Rillenkugellager (Beispiele)

Ausftihrung d d, 1 1,
d2
' Seil-i>
30 112 131 20 20 3,5 - 6,5 -
45 160 186 32 34,5 3,5 4,8 6,5 9
A
50 225 263 43 43 4,8 6,8 9 l3
60 280 328 48 48 6,8 8,4 13 16
B 70 355 415 65 65 8,4 16

Tafellll.3 Aus-
Seilrollen in SchweiBausfiihrung d d, d2 1, ,') Seil-i>
ftihrung
mit Rillenkugellager (Beispiele) 70 355 410 100 9 14 ... 17
70 400 460 100 10 16 ... 19
80 450 520 105 11 18 ... 21
90 500 575 110 12,5 20 ... 24
A A
100 560 640 120 14 22 ... 27
140 560 640 120 14 22 ... 27
110 630 715 130 16 26 ... 30
150 630 715 125 16 26 ... 30
120 710 800 135 18 30 ... 34
170 710 800 140 18 30 ... 34
130 800 905 135 20 32 ... 38
180 800 905 145 20 32 ... 38
B
200 900 1020 155 22,5 37 ... 43
220 1000 1135 165 25 40 ... 48
240 1120 1255 165 25 40 ... 48
8 260 1250 1385 190 25 40 ... 48

1) Kranz, kalibriert, daher Radius ma!Ohaltig und geglăttet

1214
III. Bauelemente der Fordertechnik
Seiltrommeln dienen dem Antrieb und dem Speichern des Seils. In die Trommel sind in der Regel
Rillen nach DIN 15061 Teil 2 zur besseren Fiihrung und Schonung des Seils eingefrăst (Bild IV.3).
Die Trommel wird also nur in einer Lage bewickelt. Ausnahmen bilden nur Handwinden, Schrapper
oder sonstige Maschinen, bei denen eine geringe Aufliegezeit des Seils in Kauf genommen wird.
Berechnung von Trommeln nach III.l.4.

1.3. Seilverbindungen
Fiir die Verbindung zweier Drahtseilenden oder das AnschlieBen eines Drahtseiles an ein festes
Konstruktionsteil wurden im Hebezeugbau unterschiedliche Seilverbindungen entwickelt. Die ălte­
ste Artist das SpleiBen, die einfachste Artist das Zusammenklemmen mit Drahtseilklemmen.

A ! Schnitt A-A
~
i

Bild 111.5. SeilschloB mit Keil


SeilschloBmantel Diese Klemme verhindert den Ver-
Bild 111.4. GespleiBtes Seilende 2 Klemmkeil Iusi des Klemmkeils und damit das
mit SpleiBiăngen nach DIN 655 3 Seil Losen der Klemmverbindung,
und DIN 656. s Seildurchmesser 3a Lasi tragendes Seilende wenn das Seilende 3a auf Grund
3b loses Seilende von Betriebsstorungen einmal ohne
(Mannesmann Dematik)
4 Sicherheitsklemme Verspannung sein sollte.
(Mannesmann Dematik)

Beide Arten werden jedoch nur flir untergeordnete Einsătze verwendet. Meist kommt es aufhohe
Festigkeit an, auf schnelle und leichte Losbarkeit der Verbindung, auf gleichmăBige Krafteinleitung
und auf Rollengăngigkeit der Verbindung. In diesen Făllen sind KeilschloB- und VerguBbirnen-
verbindungen vorteilhaft.
KeilschloB (Bild III.S). Mit dem KeilschloB werden Seile mit tragenden Konstruktionsteilen ver-
bunden. Unter Belastung zieht sich das um den Keil geflihrte Seil in die Tasche hinein und ergibt
eine feste Verbindung. Durch einfaches Herausschlagen des Keils kann diese Verbindung wieder
gelost werden.

1215
Fordertechnik
Vergujbimen. In VerguBbimen werden 2
die Seilenden nach von den Herstellern
genau angegebenen Verfahren aufgefachert
und mit Spezialmaterial vergossen. Die
VerguBbirnen zweier Seilenden werden
mit Seilschăkeln nach Bild III.? verbun-
den und so ausgelegt, daB die Verbindungs-
stelle auch iiber Seilrollen laufen kann
(Bild III.6).

Bild IIL7. Schăkel fiir Seilverbindung mit VerguBbirnen


1 Biigel, 2 SchăkelschloB mit Federmutter
a, b, c, d, e.[, g, h, k BaumaBe nach Herstellertabelle fiir
verschiedene Seilrollendurchmesser r
Bild III.6. Rollengăngige Seilverbindung mit (Mannesmann Dematik)
VerguBbirnen und Schăkel
(Mannesmann Dematik)

1.4. Berechnung von Seiltrieben

1.4.1. Flaschenzugiibersetzung. Ein Flaschenzug besteht aus einer


Kombination "fester" und ,)oser" Rollen, wobei die festen Rollen
zur "festen Flasche" und die losen Rollen zur "losen Flasche"
zusammengefaBt werden.
Bild III.S. Doppelflaschenzug,
Wesentlich ist, daB die Last an mehr Strangen hangt, als ange-
bestehend aus zwei jeweils
zogen werden (Bild III.8). Die Flaschenzugiibersetzung errechnet 6-străngigen Flaschenziigen n = 6
sich abhangig von der Lastaufhangung zu mit je drei losen Rollen, je zwei
festen Rollen, je einer Trommel
nL Anzahl der Strange, an denen die Last hiingt sowie einer fes ten Ausgleichsrolle
iFt = - = ----...,..-,--=-.:._----..,.. -----=- zwischen den beiden Flaschenziigen.
nA Anzahl der angezogenen Strange Zwischen Trommel und Flaschen-
zug befindet sich hier keine feste
Ein Beispiel zeigt Bild III.8. Seilrolle (i = 0)
Die erforderliche Geschwindigkeit der Zugseile betragt: i = Last an 12 Străngen = !3. = 6
FI 2 angezogene Strănge 2
oder je Einzelflaschenzug:
. 6 6
vA Geschwindigkeit der angezogenen Seile, uH Geschwindigkeit 1 Ft = I =
des Hakens. (Mannesmann Dematik)

1216
III. Bauelemente der Fordertechnik

Die Seilzugkraft F der angezogenen Seile betrăgt, wenn G die Gewichtskraft an der Unterflasche
aus deren Eigengewicht sowie der Nutzlast ist,

F=G·_!_
IFJ TIS
Tls ist der nach DIN 15020 Blatt 1 zu errechnende Wirkungsgrad des Seiltriebes. Nach dieser
Norm gilt:
· · 1 1 - (TIR)n
Tls = (TIR) 1 • TIF = (TIR) 1 • fi. 1- TIR

i Anzahl der festen Seilrollen zwischen Seiltrommel und Flaschenzug bzw. Last (z.B. bei Hub-
werken von Auslegerkranen)
n Anzahl der Seilstrănge in einem Flaschenzug. Ein Flaschenzug ist die Gesamtheit aller Seil-
strănge und Seilrollen ftir ein auf eine Seiltrommel auflaufendes Seil (siehe Bild III.8).
TIF Wirkungsgrad des Flaschenzuges
1 1 - (TIR)n TIR Wirkungsgrad einer Seilrolle
TIF = -n .
1-TIR Tls Wirkungsgrad des Seiltriebes

Der Wirkungsgrad einer Seilrolle ist aufl.er von der Art ihrer Lagerung (Gleitlagerung oder Wălz­
lagerung) auch vom Verhăltnis Seilrollendurchmesser:Seildurchmesser (D :d), von der Seilkon-
struktion und der Seilschmierung abhăngig. Sofern keine genaueren Werte durch Versuche nach-
gewiesen sind, soli gerechnet werden
bei Gleitlagerung mit TIR = 0,96
bei Wălzlagerung mit TIR = 0,98
Mit diesen Werten sind die Wirkungsgrade nach Tafel III.4 errechnet.
Ftir Ausgleichrollen braucht kein Wirkungsgrad beriicksichtigt zu werden.

Tafel III.4. Wirkungsgrad von Flaschenziigen


n 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
11F Gleitlagerung 0,98 0,96 0,94 0,92 0,91 0,89 0,87 0,85 0,84 0,82 0,81 0,79 0,78
Wiilzlagerung 0,99 0,98 0,97 0,96 0,95 0,94 0,93 0,92 0,91 0,91 0,90 0,89 0,88

Soli die Nutzlast mit einer Hubgeschwindigkeit v angehoben werden, so ist die an den angezogenen
Seilen aufzubringende Leistung
P G v Tls
P=_!_·G·v
Tls W=Nm N m
s s

Um die erforderliche Motorleistung zu ermitteln, ist diese Leistung noch durch die Wirkungsgerade
von Trommel und Getriebe zu dividieren und mit einem Sicherheitsfaktor ftir dynamische Bean-
spruchungen zu multiplizieren.
1.4.2. Berechnung der Seiltriebe nach DIN 15020. Der folgende Rechengang gilt ftir Krane und
Serienhebezeuge aller Art, bei denen die Seile liber Seilrollen geftihrt und auf Seiltrommeln aufge-
wickelt werden. Ftir besondere Betriebsverhăltnisse (z. B. Baggerbetrieb, Aufzlige, Schiffskrane,
Bergwerke, Abspannseile) gelten besondere Rechenvorschriften.
Die Einzeldrăhte der Seile werden bei der Herstellung und im Betrieb auf Zug, Biegung und Ver-
drillung (Torsion) beansprucht. Die Berechnungsverfahren haben sich aus Versuchen und aus der
Praxis entwickelt.

1217
Fordertechnik

Tragkraft und Aufliegezeit von Drahtseilen hăngen im wesentlichen ab


1. von der Zugfestigkeit der Einze1drăhte,
2. von der Betriebsweise des Seiltriebes,
3. von dem Durchmesser der Seiltromme1n, Seilrollen und Ausg1eichsrollen,
4. von der Bemessung der Seilrillen.
Die Lebensdauer der Seile hăngt ferner ab von der Anzahl der Biegewechsel. Ein Biegewechse1
liegt vor, wenn das Seil einma1 von der Geraden in eine gekriimmte Bahn gelenkt wird und um-
gekehrt, z.B. Auflauf des Seiles auf eine Seilrolle = 1 Biegewechse1, Ablauf des Seils von einer
Seilrolle = 1 Biegewechsel.
Zu 1: Die Zugfestigkeit der Einzeldrăhte von in der Fordertechnik verwendeten Seilen ist in
Tafel III.5 angegeben. Die Zugfestigkeit der Fordersei\e betrăgt wegen Biegungen und Quetschun-
gen nur etwa 90 % der genannten Werte.
Zu 2: Der erforderliche Seildurchmesser errechnet sich zu

d c Fs
mm
mm N
vN
d Seildurchmesser, c Beiwert flir die Betriebsweise, Fs Seilzugkraft

Die Triebwerksgruppe wird nach Tafel III.6 abhăngig von der mitt1eren Laufzeit pro Tag (Zeile 2)
und der durchschnittlichen Be1astung (= Lastkollektiv) ermittelt. Man erkennt, daB ein Triebwerk,
daB z.B. nur ca. 2 ... 4 Std. am Tag in Betrieb ist und nahezu stăndig die hochstzulăssige Last trans-
portiert, in die gleiche Triebwerksgruppe 3 m eingestuft wird, wie ein Triebwerk, was viellănger in
Betrieb ist (z.B. 8 ... 16 Std.), aber daflir nur selten Hochstlast transportiert.
Mit dem aus Tafel 111.6 ermittelten Triebwerksgruppenwert kann man aus Tafel III.5 den Beiwert
c ftir verschiedene Seile entnehmen und daruit den Seildurchmesser nach obiger G1eichung be-
rechnen.
Zu 3: Eine ausreichende Aufliegezeit des Seils wird erreicht, wenn Seiltrommeln, Seilrollen und
Ausgleichsrollen zumindest den Durchmesser haben:

mm

Dmin Rollen- und Trommeldurchmesser


h1 Beiwert nach Tafel III. 7, abhăngig von der Machart des Seils und von der Triebwerksgruppe
h2 Beiwert, abhăngig von der Anordnung der Seiltriebe; h2 = 1 ftir Seiltrommeln, h2 = 1 ... 1,25
ftir Flaschenztige je nach Anzahl und Gegen- oder Gleichsinnigkeit der Umlenkrollen. Ftir
Seilrollen in Greifern und Serienhebezeugen kann stets h 2 = 1 gesetzt werden
dmin Seildurchmesser

Zu 4: Der Seilril\enradius r sol\ dem Seildurchmesser d moglichst gut angepaBt sein; empfohlen
wird die Berechnung durch die Gleichung

r d
r = 0,525 d
mm mm

1218
III. Bauelemente der Fordertechnik
Tafel III.S. Beiwerte c zur Berechnung des zulăssigen Seildurchmesser nach DIN 15 020

c in mm/.../N flir
Trieb- fibliche Transporte und gefăhrliche Transporte2) und
werk· drehungsfreie nicht 1 drehungsfreie
gruppe nicht drehungsfreie Drahtseile bzw odrehungsarme drehungsfreie bzw odrehungsarme
1
Drahtseile 1) Drahtseile Drahtseile 1)
Nennfestigkeit der Einzeldrăhte in N/mm2
1570 1770 1960 21603) 24503) 1570 1770 1960 1570 11770 11960 1570 11770 lt960
lEm - 0,0670 0,0630 0,0600 0,0560 - 0,0710 0,0670 - -
lDm - 0,0710 0,0670 0,0630 0,0600 - 0,0750 0,0710 - -
lCm - 0,0750 0,0710 0,0670 - 0,0800 0,0750 - -
IBm 0,0850 0,0800 0,0750 - 0,0900 0,0850 0,0800 - -
lAm 0,0900 0,0850 - 0,0950 0,0900 0,0950 0,106
2m 0,0950 - 0,106 0,106 0,118

3m 0,106 - 0,118 0,118 -


4m 0,118 - 0,132 0,132 -
5m 0,132 - 0,150 0,150 -

Bei den Triebwerksgruppen 1Em, 1Dm und 1Cm ist durch Auflegcn entsprechender Seile daflir zu sorgen, d~
zusătzlichdas Verhăltnis der rechnerischen Seilbruchkraft zur rechnerischen Seilzugkraft nicht kleiner ist als 3,00

1) Bei Serienhebezeugen diirfen flir drehungsfreie bzwo drehungsarme Drahtseile die gleichen Beiwerte c benutzt
werden wie flir nicht drehungsfreie Drahtseile, wenn durch die Wahl der Seilkonstruktion eine ausreichende
Aufliegezeit erreicht wirdo
2) Zo B Befi:irdern feuerfliissiger Massen, Befi:irdern von Reaktor-Brennelementeno
Bei Serienhebezeugen kann auf diese Einstufung verzichtet werden, wenn unter Beibehaltung von Drahtseil-,
Seiltrommel- und Seilrollen Durchmesser die Seilzugkraft auf j des Wertes flir iibliche Transporte herab-
gesetzt wird o
3) Besonders Drahtseile von 2160 und 2450 N/mm 2 Nennfestigkeit miissen von solcher Konstruktion sein, dill
sic ftir den vorliegenden speziellen Anwendungsfall geeignet sindo

Tafe1 III.6. Triebwerkgruppen nach Laufzeitklassen und Lastkollektiven nach DIN 15 020

Lauf- Kurzzeichen Voo6 Vo12 Vo2s Vos VI v2 Va V4 Vs


zeit· mittlere Laufzeit je Tag in h, Uber 0,125 Uber 0,25 Uber 0,5 Uber 1 Uber 2 Uber 4 Uber 8
klasse bis 0,125 Uber 16
bezogen auf 1 J ahr bis 0,25 bis 0,5 bis 1 bis 2 bis 4 bis 8 bis 16
Nro Benen-
Erklărung Triebwerkgruppe
nung
geringe
HiiufJgkeit
1 leicht lEm lEm lDm ICm IBm lAm 2m 3m 4m
der griil>ten
Last- Last
kollektiv etwa gleiche
HiiufJgkeit
2 mittel von kleinen, lEm IDm lCm IBm lAm 2m 3m 4m 5m
mittleren und
grol>ten Lasten
nahezu stiindig
3 schwer lDm ICm IBm lAm 2m 3m 4m 5m 5m
grol>te Lasten

Bei einer Dauer eines Arbcitsspieles von 12 Minuten odcr mehr darf der Seiltricb um 1 Triebwerkgruppe nicdriger
gegcniiber der Triebwerkgruppe eingestuft werden, die aus Laufzeitklasse und Lastkollektiv ermittelt wirdo

1219
Fordertechnik

Tafel 111.7. Beiwerte h 1 zur Berechnung von Mindestrollen- und -trommeldurchmessern flir Seil-
triebe nach DIN 15 020

h 1 ftir
Trieb- Seiltrommel und Seilrolle und Ausgleichsrolle und
werk- nicht drehungsfreie bzw. nicht drehungsfreie bzw. nicht drehungsfreie bzw.
gruppe drehungsfreie drehungsarme l) drehungsfreie drehungsarme 1) drehungsfreie drehungsarme 1)
Drahtseile Drahtseile Drahtseile Drahtseile Drahtseile Drahtseile

lEm 10 11,2 11,2 12,5 10 12,5


lDm 11,2 12,5 12,5 14 10 12,5
lCm 12,5 14 14 16 12,5 14
lBm 14 16 16 18 12,5 14
lAm 16 18 18 20 14 16
2m 18 20 20 22,4 14 16
3m 20 22,4 22,4 25 16 18
4m 22,4 25 25 28 16 18
5m 25 28 28 31,5 18 20

Seilrollen in Greifern diirfen unabhangig von der Einstufung des iibrigen Seiltriebes nach Triebwerkgruppe lBm
bemessen werden.
') Bei Serienhebezeugen diirfen flir drehungsfreie bzw. drehungsarme Drahtseile die gleichen Beiwerte h 1 be-
nutzt werden wie fiir nicht dehnungsfreie Drahtseile, wenn durch die Wahl der Seilkonstruktion eine aus-
reichende Aufliegezeit erreicht wird.

2. Bauelemente fiir Kettentriebe


Ketten haben den Vorteil der Handlichkeit, Beweglichkeit und Anpassungsf!ihigkeit nach allen
Richtungen. Als Nachteil stehen gegentiber: grof.)es Gewicht, geringe Elastizităt, Empfindlichkeit
gegen Stof.) und Schlag. Man unterscheidet Rundgliederketten und Gelenkketten.

2.1. Rundgliederketten (Bild III.9)


Tafel III.8 gibt eine Obersicht der wichtigsten Normblătter.
Werkstoff" Ketten der Normalgtite aus St 35.2 und St 35.2 E (einsatzgehărtet in verschleilifester
Ausftihrung). - Vergtitete Ketten aus St 35.2 H.- Hochfeste Ketten aus Stăhlen mit Zusătzen von
Mangan, Chrom, Nickel, Molybdăn, Vanadin. - Ketten mit besonderen Werkstoffeigenschaften
aus Sonderstăhlen (z.B. săure-, hitze-, korrosionsbestăndig, antimagnetisch).

Bild III.9
Kenngriif.\en des Kettengliedes
b Breite, d Drahtdurchmesser, fK Teilung

Berechnung des Kettengliedes: Jedes Kettenglied wird liber seinen ganzen Umfang durch einen
mehrachsigen Spannungszustand beansprucht, da es nicht nur aus geraden, sondern auch aus ge-
bogenen Abschnitten besteht.
Ăhnlich wie bei den Drahtseilen wurden daher die zulăssigen Beanspruchungen in Forschung und
Praxis ermittelt und als Erfahrungswerte in den DIN festgelegt.

1220
III. Bauelemente der Fordertechnik

Tafel 111.8. Ubersicht iiber die wichtigsten Normblătter fiir Rundstahlketten


DIN Verwendungsart

685 Rundstahlketten, Richtlinien fiir die Anforderungen


766 Rundstahlketten fiir allgemeine Zwecke und Hebezeuge
5684 hochfeste Rundstahlketten fiir Hebezeuge
762 Rundstahlketten fiir Stetigforderer- langgliedrig
764 Rundstahlketten fiir StetigfOrderer- halblanggliedrig
22252 hochfeste Rundstahlketten fiir Bergbau
5685 Rundstahlketten: Handelsgilte
691 Spannketten
695 Hefenketten, Ringketten (Anschlagketten)

Kettencharakteristik (Bild 111.10). Fiir die Beurteilung einer Kette werden folgende Kriterien her-
angezogen:
Recklast. Das Kraft-Verlăngerungsschaubild lăBt durch den Knick in der Kraftkurve die Kraft F R
ablesen, mit der Ketten nach dem Vergiiten belastet werden, damit sie maBhaltig bleiben. Bis zu
dieser Belastung ist die Kette auch bei wiederholten Belastungen praktisch nur elastisch verformbar.
Bruchdehnung. Die Bruchdehnung ist die relative Verlăngerung A l/l der Kette, bei der sie bricht.
Verfestigungsfdhigkeit. Sie driickt sich im Bereich der plastischen Verformung durch den Anstieg
der Kraft von F R auf F B aus.
In Bild III.lO ist eine Kette von 17 mm Rundstahldurchmesser und 840 mm Lănge mit einer Reck-
last von FR = 206 kN wiedergegeben, bis zu der sie sich nur elastisch verformt. Năherungsweise
gilt in diesem Bereich das Hookesche Gesetz, d.h. mit Einflihrung eines ideellen Moduls der Kette
EK kann gesetzt werden:
€ Dehnung
Al Il./ Verlăngerung
a= eEK = - EK
lo 1o Ausgangslănge der Kette
Die Grenze der elastischen Verformung ist von der Recklast abhăngig, an den folgenden Ent-
lastungskurven kann man erkennen, da.B der Bereich der elastischen Verformung durch Erhi:ihung
der Recklast z.B. auf F 1 = 220 kN bzw. auf F 2 = 332 kN erhi:iht wird.

---
I,()OkN

Fa
~ ~")
300
V ~,,

~6kN ~-~
C" Fi.J
V 1/ 1/
,,

!;, 1 1

o 10
~ 20 30 40 50
1/
60
r;
70 00 90 mm
Bild III.lO
Kraft-Ver!ăngerungsschaubild
einer 17 -mm-Rundstahlkette
Verlăngerung .11

1221
Fordertechnik
Die Bruch\ast betrăgt F 8 = 338 kN und a\s Bruchdehnung wird bei der Einspannlănge von
10 = 840 mm, 8 = l::.l/10 = 70/840 = 0,083 = 8,3 % ermittelt.
In den DIN wurden die Anforderungen, denen Rundstahlketten in bezug auf Werkstoffe, Bruch-
dehnung, Bruchkraft, Oberflăchenhărte und M~haltigkeit geniigen miissen, festgelegt.
Die Aufliegezeit (= Lebensdauer) wird durch die hochstzulăssige Lăngung durch Verschleill be-
grenzt. Diese betrăgt z.B. fUr Hebezeugketten maxirnal 5% iiber eine Teilung tK nach DIN 685
und maxima! 2 % iiber eine Lănge von 11 tK bei motorischem Antrieb, bei Handantrieb 3 %.
2.2. Gelenkketten (Bilder 111.11 und 111.12)
Die Gelenk- oder Laschenketten werden nach ihrem Erfinder auch Gallsche Ketten genannt. Gall-
Ketten nach DIN 8150. Sie werden aus geraden oder gekropften Laschen gefertigt, die durch Bol-
zen gelenkig miteinander verbunden sind (Bild 111.11 ). Die Bo1zen sind an beiden Enden abgesetzt
und werden entweder vemietet oder versplintet. Sie laufen auf verzahnten Kettenrădem.

Bild III.l1
Gallkette nach DIN 8150,
90 mm Teilung

garan- Mindest- Teilung lichte Bolzen- Zapfen- Breite iiber Breite Platten- Platten- Anzahl
tierte Bruch- Weite (/) (/) Verb in- iiber breite stărke der
Trag- kraft dungs- Niet- Platten
kraft tk b dl d2 bolzen bolzen gl s pro
el e2 Glied
kN kN mm mm mm mm mm mm mm mm
150 750 90 70 40 36 199 183 70 7 6

Bild III.l2
Buchsenkette \
gerades Verbindungs- gekropffes Verbin-
nach DIN 8164,
glied fur gerade dungsglied fur un-
90 mm Teilung gerade Gliederzah/
Gliederzahl

Mindest- Te il ung lichte Buchsen- Bolzen- Breite iiber Breite Platten- Platten-
Bruch- Weite (/) (/) Verbin- iiber breite stărke
kraft dungs- Niet-
t b dl d2 bolzen bol zen gl s
el e2
kN mm mm mm mm mm mm mm mm
400 90 80 50 36 160 144 85 12

1222
III. Bauelemente der Fordertechnik

Forderketten im schweren Einsatz bediirfen einer sorgfăltigen Wartung und Verschle~kontrolle.

Eine mindestens 5fache Sicherheit wird bei der angegebenen Tragkraft garantiert. Kettengeschwin-
digkeiten von 0,3 m/s bis 4,0 m/s, je nach Kettentyp.
Als Krafti.ibertragungsketten flir hOhere Geschwindigkeiten (v > 4 m/s) sind Stahlge1enkketten in
der Form von Buchsenketten nach DIN 8164 und Rollenketten nach DIN 8180 und DIN 5188
verfligbar.
d
2.3. KettenroUen und Kettentrommeln
Kettenrollen flir unkalibrierte Gliederketten
werden unverzahnt ausgeftihrt, wenn sie zor
Umlenkung dienen. Der Rollendurchmesser
- von Mitte bis Mitte Kette gemessen - be-
trăgt D = 20-25 d (d Kettendrahtdurch-
messer). Die kalibrierten Ketten erfordern
verzahnte Antriebsrollen, deren Durchmesser
klein gewăhlt werden konnen, jedoch soll
die Zăhnezahl mindestens 5 betragen. a} b}
Bezeichnet tk die Teilung, z die Zăhnezahl, Bild III.13. Ausflihrung von Kettenrollen
d die Kettendrahtdurchmesser, dann wird a) als Umlenkrolle, b) als Umlenkrolle und
der Teilkreisdurchmesser D: als Antriebsrolle

mm

Bei z ~ 6 und d ~ 16 mm kann das zweite Glied unter der Wurzel vernachlăssigt werden.
Kettentrommeln flir Gliederketten haben nur eine untergeordnete Bedeutung. Die Oberflăche er-
hălt eingedrehte Rillen flir einlagiges Aufwickeln. Zwei Sicherheitswindungen mi.issen zusătzlich
Platz haben. Werkstoff ist Graugu~. seltener Stahlgu~ oder St37 flir geschweilite Ausftihrungen.

3. Lastaufnahmeeinrichtungen und Ladehilfsmittel


Hier werden alle Konstruktionsteile, Hilfsgerăte oder Hilfsmitte1 zusammengefaBt, die der geeig-
neten Verbindung des Transportgutes mit dem Fordemmitte1 und der guten Transportierbarkeit
dienen.
Der Begriff "Lastaufnahmeeinrichtungen" ist in DIN 15 003 festge1egt. Die Lastaufnahmeeinrich-
tungen gliedem sich danach in Tragmitte1, Lastaufnahmemitte1 und Ansch1agmittel.
Tragmittel sind zum Hebezeug gehtirende Hubeinrichtungen zum Aufnehmen der Last einsch1ieB-
1ich der Sei1- und Kettentriebe, wie z. B. Lasthaken, Unterflasche, Sei1e.
Lastaufnahmemittel sind nicht zum Hebezeug gehorende, zum Aufnehmen der Last dienende Ein-
richtungen, die ohne besondere Um- oder EinbaumaBnahmen mit dem Tragmittel verbunden wer-
den konnen, wie z. B. Magnete, Greifer, Zangen oder Ki.ibel.
Anschlagmittel sind nicht zum Hebezeug gehtirende, die Verbindung zwischen Tragmitte1 und
Nutzlast herstellende Einrichtungen, wie z. B. Ansch1agsei1e, -ketten oder -gurte.
Ladehilfsmittel sind Einrichtungen, mit deren Hi1fe besonders Sti.ickgut zu transportfreundlichen,
meist genormten Ladeeinheiten zusammengefaBt werden kann, wie z.B. Paletten, Container.

1223
Fordertechnik

Von der zweckmliliigen Konstruktion der Lastaufnahmeeinrichtungen und Ladehilfsmittel fur die
jeweiligen Einsatzfalle hăngt die schonende Behandlung des Transportgutes, die Sicherheit und die
Wirtschaftlichkeit der Fordereinrichtung weitgehend ab. Bei der Konstruktion sind Art, Form,
GroBe , Gewicht, Oberflăchenbeschaffenheit des Gutes bzw. der Verpackung von besonderer Be-
deutung, auBerdem die Lagerung (stehend - liegend - geordnet - ungeordnet- verpackt -in
Behăltern) und die Umschlagmenge.
Die Last wird durch KraftschluB oder FormschluB aufgenomrnen, gelegentlich auch durch Haft-
schluB.
Beirn KraftschluB werden Klemm- oder Spreizkrăfte erzeugende Gerăte benutzt. Beim Anheben
der Last schlieBen sich die Backen des Gerătes fest um das Gut. Sobald der Gegenstand abgesetzt
wird, Offnen sich die Backen. Beirn FormschluB wird das Gut allein durch Auflegen oder Anschla-
gen aufgenomrnen, wobei die Aufnahmemittel der jeweiligen Form weitgehend angepaBt sein
mtissen 1). Bei den Haftgerăten handelt es sich um Lasthebemagnete und Vakuumheber. Bei Hebe-
magneten werden die Haftkrăfte elektro-magnetisch erzeugt, beim Vakuumheber pneumatisch.

3.1. Lasthaken
Eine einfache und schnelle Lastaufnahme geschieht durch Einhăngen der Lasthaken in 6sen der
Anschlagmittel oder der zu transportierenden Gliter. Anschlagketten in der Ausflihrung als Ring-,
Haken-, Kranz- oder Spreizketten sind dabei gebrăuchliche Hilfsmittel , ebenso werden Anschlag-
seile aus Stahldraht als 6se-, Haken- oder Schlingseile verwendet. Abmessungen flir Einfach- und
Doppelhaken, 6senhaken und Haken fiir Lastketten, sowie Angaben liber Beanspruchung, Werk-
stoffe und Priifungen siehe DIN 15401-15407.
Berechnungsgrundlage: Der Haken wird im Zapfenquerschnitt auf Zug, in den stark gekriimmten
Teilen auf Biegung und Zug berechnet. Der Hakenquerschnitt wird als Trapez mit abgerundeten
Ecken ausgeflihrt. Der Haken ist drehbar gelagert. Als Gewinde wăhlt man Rundgewinde, Săgen­
oder Trapezgewinde. Die Hakenmutter ist zu sichern.
Um bei etwaiger Schlaffseilbildung ein Herausspringen der Anschlagseile aus dem Haken zu ver-
meiden, kann dieser karabinerartig mit einer Sperrklinke versehen werden.
Bei Lasten liber 15 t liberwiegen Doppelhaken. In Verbindung mit einem Flaschenzug nimmt mao
Hakengeschirre oder Hakenflanschen (Bild III.14).

Bild 111.14
Vierrollige Unterflasche ftir
Einfach- oder Doppelhaken
ftir 40 .. . 160 t. Seildurch-
messer s 22 .. . 48 mm,
Rollendurchmesser d3
575 ... 1385 mm . Buch-
staben sind kennzeichnende
Abmessungen nach Hersteller-
tabelle ftir die verschiedenen
GroBen der Baureihe.

(Mannesmann Dematik)

') Unter Anschlagen versteht man die Tatigkeit, mit normalen oder speziellen Anschlagmitteln die zu transpor-
tierende Last sicher an die Hebemaschine anzuhăngen .

1224
III. Bauelemente der Fordertechnik

Tafel 111.9. Ausftihrungen von Lasthaken

a) MaBe ftir den einfachen Haken nach DIN 15 401 (MaBe in mm)

Traglast
(Masse) Schaftdurchmesser Maul- Querschnitte
in weite
t= 103 kg d di dz a h bi bz h' b'i b'z fi iz f
5 45 48 53 90 90 78 30 75 60 30 85 55 200
7,5 58 60 65 100 110 95 40 95 75 45 105 70 245
10 64 67 72 120 130 110 45 110 90 55 115 75 260
15 70 73 78 140 160 135 50 140 110 60 130 80 315
20 83 86 95 160 170 145 55 150 120 65 150 95 370
25 96 98 105 180 190 160 65 165 135 75 160 110 410
30 103 106 116 200 205 170 70 180 145 80 170 115 430
40 118 120 130 220 230 200 70 205 170 90 210 130 500
50 128 130 140 240 255 220 80 225 190 160 220 145 525

c) Haken mit Abweiser

b) MaBe ftir den Doppe1haken nach DIN 15 402 (MaBe in mm)

a) Traglast Schaft-
(Masse) Maul-
durch-
weite
in messer
t = 103 kg d3 a h bi bz h' b'i b'z
5 53 80 89 60 25 70 55 25
7,5 65 95 103 70 30 80 65 30
10 72 110 116 90 35 90 80 35
15 78 130 143 100 40 115 95 40
20 105 150 158 110 45 120 105 45
25 115 160 180 130 50 140 115 50
30 125 180 194 140 55 150 125 55
40 140 200 218 150 60 170 135 60
50 155 220 244 170 65 190 150 65
60 170 240 268 185 75 210 165 75
75 195 270 306 215 85 240 185 85
100 225 300 345 240 100 270 210 100
Maf>e d, d i, d 2, f. fi, iz wie beim einfachen Haken

1225
Fordertechnik

Schăkel (Bild Ill.lS). Fiir groBere Lasten (m :2: 50 t) werden auch geschlossene Lastbiigel (Schăkel)
benutzt, die entweder aus einem Stiick geschrniedet oder aus Zugbăndern mit Querstiick zusammen-
gesetzt sind. Alle Schăkel erschweren das Anschlagen der Last durch Seile oder Ketten, daflir
haben sie den Vorteil, daB sie bei gleicher Tragkraft leichter sind als Haken.

Bild lll.l5
Ausfiihrungen von Schăkeln
a) einfacher Lastbiigel
b) mehrteiliger Lastbiigel a)

3.2. Anschlagmittel, Brooken, Zangen


Anschlagmittel sind Anschlagseile (DIN 3088) und -ketten. Zangen, Kiibel, Gehănge sind einfache
Lastaufnahmemittel. Diese gibt es in den verschiedensten Formen. Fiir Behălter und Kiibel eignen
sich selbstzentrierende Gehănge. Gehănge mit beweglichen Greifarmen werden oft mit einem An-
trieb zur Ausfiihrung der Greifbewegung gebaut.
Bei den Klemmen und Zangen wirken die Klemmkrăfte zwischen zwei gegeneinander beweglichen
Arben, an denen Klemmbacken angebracht sind. Fiir ein sicheres Arbeiten ist ein geniigend groBer
Reibwert zwischen Klemmbacken und Last erforderlich, dieser Wert Jl. kann durch entsprechende
Reibbelăge verbessert werden. Durch das Gewicht der Zange schlieBen sich die Backen, und durch
das Gewicht der Last werden sie liber eine Hebeliibersetzung fest an das Fordergut gepreBt. Es ist
moglich, durch Einrasten die geOffnete Maulstellung festzusetzen. Fiir die verschiedenen Industrie-
zweige gibt es Spezialausftihrungen, so daB fiir jeden Transportfall die optimale Konstruktion aus-
gewăhlt werden kann.

JA!
b)

Bild lll.l6. Gehănge zur Lastaufnahme


a) Anschlagketten; b) Anschlagseile; c) Anschlagkette, Anschlagband, Netzbrooke; d) Zangen

1226
III. Bauelemente der Fordertechnik

3.3. Greifer
Greifer dienen dem Umschlag von Schlittglitern. Sie lassen sich auf Grund ihrer Wirkungsweise in
zwei Hauptgruppen einordnen.
a) Einseilgreifer hăngen nur an einem Seil an einer Eintrommelwinde. Das Offnen und Schlie~en
erfolgt mit einem im Greifer eingebauten Motor (Motorgreifer).
b) Mehrseilgreifer haben getrennte Schlie~- und Halteseile, die eine Winde mit zwei Seiltrommeln
erfordern.
Ein bestimmtes Mindestgewicht des Greifers darf nicht unterschritten werden, damit der Greifer
das Fărdergut beim Aufsetzen noch trennen kann. Die erforderliche Schlie~kraft - die von der
Schalenschneide ausgelibte Horizontalkraft - wird vom Trennwiderstand und der Verlagerungs-
arbeit des Gutes im Greifer bestimmt. Wăhrend des Fiillens bleibt der Schlie~widerstand, den das
aufzunehmende Gut den Schalen entgegengesetzt, nicht konstant: bei Beginn des Schlie~vorganges
ist eram kleinsten, mit zunehmender Flillung wird er gră~er.
- ~ ~ -
Die Greifer werden nach ihrem Verwendungszweck in vier Baureihen aufgeteilt (Tafel III.l 0).
Das Fiillgewicht der genormten Greifer aller Baureihen ist ungefăhr gleich dem Greifereigenge-
wicht.
Die ărtlichen Verhăltnisse machen es notwendig, daB der Greifer entweder in Richtung des Ausle-
gers oder quer dazu ăffnet. Mit Riicksicht auf eine ausreichende Standfestigkeit wird eine tiefe
Schwerpunktslage angestrebt, daher schwere Greiferschalen und groBe Greiferbreite. Der Zwei-
schalengreifer ist der ideale Mehrzweckgreifer fiir alle Schlittgliter.
Im Entladen von Schiffen hat sich der Trimmgreifer bewăhrt. Fiir den Umschlag von gestapeltem
Rundholz, Getreide, Schrott usw. sind Sondergreifer entwickelt worden. Mehrschalengreifer werden
z. B. fiir Stahlspăne und Miill eingesetzt.

Bild III.17
Motorgreifer mit Spindelantrieb
1 Greiferkopf
2 Aufhăngung
3 Verschiebelăufer-Motor
4 Schale
5 Rohr mit Trapez-Innengewinde
6 Getriebekasten
7 Spindelwelle

Motorgreifer benătigen kein zweites Schlie~seil, sondern lediglich eine Stromzuflihrung. Motor-
greifer kănnen daher mit Kranen oder Elektroziigen betrieben werden. Der Motorgreifer (Bild III.17)
wird am Greiferkopf in den Lasthaken gehăngt. Gehoben und gesenkt wird der Greifer durch das
vom Eintrommelwindwerk ablaufende Hubseil, geăffnet und geschlossen durch den eingebauten
Motor. Die Schlie~kraft des Motorgreifers ist nicht wie bei den Mehrseilgreifern von der Seilkraft
und damit vom Greifergewicht abhăngig, sondern allein von der Motorkraft. Die Kraft vom Motor
zu den Greiferschalen kann liber eine Flaschenzugwinde, liber eine Spindel oder hydraulisch liber-
tragen werden.

1227
Tafel 111.10. Beispiel von Baureihen von Zweischalen-Stangengreifern (Mannesmann Dematik)
_.
N Fassungsvermogen (V 1 + V 2 ) in m3
N
co 0,63 0,8 1 1,25 1,6 1,75 2 2,25 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5 7 8 10 12,5 14
~

.5 Baureihe I - 1,35 1,4 1,65 1,7 1,75 1,95 2,05 2,1 2,3 2,4 2,8 - 4,25 - 4,5 - - 4,85 6,5 8,0 9,0
.Eu - - 4,95 5,2 7,8 8,5 - -
Baureihe II 1,5 1,8 2,05 2,25 2,3 2,4 3,4 3,55 3,9 4,35 6,7 8,0 - -
-~
<l) - - - - - - - - - - - -
>o Baureihe III 1,8 - 2,6 - 4,0 5,0 6,3 7,3 9,5 -
0:
<l)
>o Baureihe IV - - - 4,5 5,5 - 6,5 - 8,1 9,75 - - - - - - - - - - - -
iîi - - -- -- -

Schiittgewichte von Massengiitern flir Baureihe II

Material tfm3 Material t/m3


Schiittgewichte von Massengiitern flir Baureihe I
Sand und Kies 1,6 ... 1,8 Gips 1,25
Material t/m 3 Material t/m3 Kalkstein, kleinstiickig 1,6 ... 2,0 Steinsalz,
Kohle 0,8 Braunkohle - Briketts 0,8 bis 30 mm Iose geschiittet 1,2
Fein- und Nlilikohle 0,85 ... 1,0 Holzkohle 0,2 Zement 1,7 Rohphosphat 1,5
Schlammkohle, 1,0 Koks, bis Faustgro11e 0,45 Zement-Klinker 1,8 Amoniak 0,9
Iose und trocken Koksasche 0,7 ... 0,9 Kalk, gebr. stiickig 1,2 Kali 1,2
Lignit und Braunkohle 0,75 Kesselasche 1,0 Kalk , geloscht 1,2 Soda 1,0
Staubkohle 0,7 Schlackensand 0,9 Formsand 1,6 Kunstdiinger 1,0
L___ ___ ___

u.a. bis zu einem Schiittgewicht von ca. 1,2 t/m3 u.ă. bis zu einem Schiittgewicht von ca. 2,0 t/m3

Schiittgewichte von Massengiitern flir Baureihe III Schiittgewichte von Massengiitern flir Baureihe IV

Material t/m3 Material t/m3 Material t/m3 Material t/m3

Minette 1,8 Martinschlacke ohne Eisen 2,1 Erze schwer 2,5 ... 3,5 Magnesit 2,2
Erze fein bis mittelgrob 2,0 ... 2,5 Kalkstein liber 5 O mm 2,0 Schwefelkies, grob 3,5 Schwerspat 2,5 ... 3,0
Steinschotter 1,8 Gipsstein 1,9 Basaltsplit 3,2 Zinkblende 1,8 .. . 2,0
Basaltschotter 2,0 Quarz 1,8 ... 2,4 Kalkstein, grob 2,0

u.ă. bis zu einem Schiittgewicht von ca. 2,6 tfm3 u.ă. bis zu einem Schiittgewicht von ca. 4,0 t/m3
III. Bauelemente der Fordertechnik
3.4. Lasthebemagnete
Zum Heben und Bewegen von Stahl- und Eisenteilen bieten sich die Lasthebemagnete als selbst-
tătige Lastaufnahmemittel an. Zeitraubendes Anschlagen entnillt. In Walz- und Htittenwerken und
in der Maschinen- und Stahlindustrie werden Lasthebemagnete fur Umschlagarbeiten auch groBerer
und sperriger Stticke verwendet. Auch zur Forderung von Spănen sind Magnete gut geeignet.
Bauarten: Rundmagnet mit 700 ... \JOOO mm 1/> mit einer Traglast von 4 ... 30 t. Zum Transport von
Blechen werden 2 ... 50 Kleinmagn'ete in 1-, 2- oder 3teiliger Anordnung an entsprechende Tra-
versen gehăngt. HeiBe Stahlstticke werden noch bis 500 °C aufgenommen, bei 700 °C ist Stahl
nicht mehr magnetisierbar, ebenfalls nicht kalter Stahl mit 7 % Mn-Gehalt.

Bild III. l8
Lasthebemagnet (schematisch)
l lnnenpol
2 Aul.\enpol
3 Abdeckplatte
4 Spule
5 Gehăuse
IFe Eisenlănge
IL Luft spaltlănge

Die Leistungsfahigkeit von Lasthebemagneten hăngt nicht nur


2
von der gemessenen AbreiBkraft, sondern auch stark vom Luft-
spalt zwischen Magnet und Last, und damit von der Art und der
Zusammensetzung des Fordergutes ab (z.B. Bleche, Rohre,
Schrott, Kleineisen, GuBtrauben). l Kranausleger
2 Fedcrkabel-
Einzelmagnete und Magnettraversen konnen an jeden Elektrozug 3 trommel
oder Kran mit ausreichender Tragfăhigkeit angehăngt werden 3 Gummi-
(Bild 111.19). sch lauch-
leitung
4 Kabel-
3.5. Vakuumheber Zugentlastung
5 Schutz·
Vakuumheber (= Saugheber) sind Haftgerăte, bei denen die Haft- sch lauch
krăfte pneumatisch erzeugt werden. Im Heber wird durch eine 6 Lasthebe-
magnet
Pumpe ein Vakuum zwischen Saugteller und Last erzeugt. Der Magnet-
atmosphărische Druck bewirkt dann, daB der Heber gegen das beruhigung
Gut gepreBt wird.
Vakuumheber sind besonders zur Aufnahme von Glas, Holzplatten
und Kunststoffen geeignet, aber auch flir Metalle, die durch 7
Magnete nicht aufnehrnbar sind.
6
Eine exakte Aussage, ob ein bestimmtes Gut, z. B. Schaumgummi,
durch Vakuumheber aufgenommen werden kann, ist nur nach
Bild lll.l9. Anordnungsschema
Probeversuchen moglich. ftir einen Lasthebemagneten
am Kranausleger
3.6. Frachtbehălter, Paletten, Container
Seit langem werden Schtittgtiter und fliissige Stoffe in genormten Behăltern, wie z.B. Făssern,
transportiert.
Man ist aber auch bestrebt, auch Sttickgtiter der verschiedensten Arten in oder auf genormten
Ladehilfsmitteln zu transportieren. Die Ladeeinheit soli sich flir den innerbetrieblichen Transport,

1229
Fordertechnik
flir die Lagerung und flir den au&rbetrieblichen Transport auf Lkw, Bahn oder Schiff eignen.
K.leinere Ladeeinheiten sollen rniteinander zu groBeren kombinierbar sein (Modulsystem). Forder-,
Transport- und Umschlagseinrichtungen braucht man dann nicht mehr fiir die sehr vielen verschie-
denen Fordergtiter zu konzipieren, sondem nur noch flir die genau festgelegten BehăltergroBen .
Man erzielt dadurch einen groBen Rationalisierungseffekt und eine Vereinfachung und Beschleu-
nigung aller Lager- und Transportvorgănge.
Man kann die Behălter unterteilen in
Stapelbare Behălter fur Stiickgut, Paletten, Container, Schiittgutbehălter.
Stapelbehălter sind so konstruiert, daB sie formschliissig aufeinander gestellt werden konnen.
GroBere dienen in der Fertigung dem Transport und der Lagerung von K.leinteilen
Stapelbehălter
(Zahnrăder, Wellen, Rohteile u.a.). Die Behălter werden von Gabelstaplem oder Kranen aufge-
nommen und von einer Bearbeitungsstelle zur anderen transportiert.
Paletten (Bild 111.20) sind Plattformen genormter GroBen (DIN 15141 bis 15 155), die stapelbare
Gtiter aufnehmen konnen. Paletten haben stets FiiBe mit einer Hohe von ca. 100 mm, so daB sie von
den Gabeln von Flurforderzeugen, Krangehăngen oder Regalforderzeugen leicht unterfahren und
angehoben werden konnen. Die hăufigsten GrundflăchenmaBe von Paletten sind 800 x 1000 mm,
800 x 1200 mm und 1000 x 1200 mm.

Bild III.20
Flachpalette; dargeslelll isi eine "Vierwegpalette", die ihren Namen
daher hal, da6 sie von allen vier Seilen durch die Gabeln eines
Forderzeuges aufgenommen werden kann, im Gegensalz zur
"Zweiwegpalette"

Die Gro& 1000 X 1200mm paBt am besten in den meisten bisher gebauten Transport- und Lager-
systeme sowie in die Verkehrstrăger Bahn-, Lkw und Schiff.
Flachpaletten lassen sich in beladenem Zustand nur dann aufeinanderschichten, wenn das Fordergut dem Druck
dcr dariibergestapelten Paletten standhălt, ansonsten werden sie zweckmiillig in Regalen untergebracht.
Sonderpaletten (DIN 15145, Nr. 17 - 23) sind solche mit Zusatzeinrichtungen, wie z.B. Seitenwănden flir nicht
stapelfahige Kleinteile, Stahlrungen flir Stangenmaterial oder Spezialhalterungen z.B. fiir die Aufnahme von Pkw-
Austauschmotoren. Sonderpaletten werden meist stapelbar ausgeflihrt. Paletten sind meist aus Holz, oft aber
auch aus Stahl, Aluminium, Prei\pappe oder Kunststoff.

Container sind GroBfrachtbehălter, die in allen Einzelheiten und Abmessungen den ISO-Empfeh-
lungen entsprechen, und in der Reihe 1 der DIN 15190, Blatt 1-102, in Bezug auf ihre Abmes-
sungen und die konstruktive Ausftihrung festgelegt wurden. Der groBte Container hat die AuBen-
maBe b · /· h = 2435 X 12190 X 2435 mm und 30,48 t zulăssige Bruttomasse. Der năchstkleinere
Container hat 25,4 t zulăssige Bruttomasse und den gleichen Querschnitt 2435 X 2435 mm; er ist
aher nur halb so lang, so daB zwei kleinere Container den gleichen Platzbedarf haben wie ein groBer.
Container sind robust gebaut und geniigend widerstandsfahig, um wiederholte Verwendung durch
mehrere Verkehrs- und Fordermittel ohne Umladen des Inhalts zu gestatten. Sie haben Einrich-
tungen zum leichten Umschlagen von einem Beforderungsmittel in das andere.
Fiir bestimmte Fordergtiter gibt es Spezialcontainer, so z.B.
Isoliercontainer mit wărmedămmenden Schichten an den Wănden, jedoch ohne Kiihlaggregat.
Kiih/container mit ein· oder angebauten Kiihlaggregaten mit eigenem Antrieb.
Open-Top-Container, oben offener Container zum Beladen mit schwerem Stiickgut von oben. Er kann mit Planen
abgedeckt werden.
Pa-Behălter sind Container, die auch ohne Krane durch Rollbiicke umgesetzt und verladen werden kiinnen. Sie
eignen sich besonders flir den kombinierten Verkehr Bahn-Lkw.
Tank-Container zum Transport von Fliissigkeiten odcr Gasen.

1230
IV. Antriebe

IV. Antriebe

Alle Antriebsarten, wie


Handantrieb Hydraulische Antriebe
Elektromotoren Verbrennungsmotoren
Pneumatische Antriebe Dampfmaschinen

werden in der Fordertechnik verwendet. Ihre Auswah\ richtet sich nach den jeweiligen Betriebs-
bedingungen und den lokalen Moglichkeiten (z.B. Stromanschlu~).
Zwischen Antriebsmotor und der angetriebenen Welle ist in der Rege! ein mechanisches Getriebe
oder ein hydraulischer Drehmomentwandler zwischengeschaltet, um die Drehzahl zu mindern und
das Antriebsmoment zu erhohen (Hand-, Elektro-, Verbrennungsmotor-, pneumatische Antriebe).
Bei Verbrennungsmotoren mu~ zusătz\ich eine betriebsmă~ig losbare Kupplung zwischengeschaltet
werden, da diese Motoren nicht aus dem Stand heraus unter Last anlaufen konnen. Dampfmaschinen
arbeiten in der Rege! direkt auf die anzutreibende Welle. Bei hydrostatischen Antrieben sind die
drehzahl- und drehmomentwandelnden Systemteile (Regelpumpe, Hydraulikleitungen, Ventile)
vor dem eigentlichen Hydraulikmotor angeordnet.

1. Handantrieb
Handantrieb wird bei seltenem Betrieb
und bei kleinen Betătigungskrăften
bzw. -momenten verwendet.
Typische Anwendungen sind Lauf- und
Hubwerksantriebe von Kleinhebezeu-
gen und Antriebe von Winden und
Hebebocken.
Handantriebselemente sind Kurbeln,
Ratschen, Handrăder und ftir liber Flur
befindliche Fordergerăte Haspelketten.
Die aufzubringende Handkraft an der
Kurbel oder Haspelkette soli 350 N
nicht tiberschreiten. Bild IV.l zeigt
ein Kettenhebezeug mit Handantrieb
(siehe auch Bild V1.2).
Bild IV.l. Kettenhebezeug fiir Traglasten bis 10 t;
Hub- und Fahrantrieb durch Haspelketten (GEDI)

2. Elektrische Antriebe
Elektromotoren sind einfach, robust und betriebssicher. Energiezufuhr und Steuerung ist meist
durch Kabel leicht moglich. Elektromotoren kann man wirtschaftlich als Einzelantriebe einsetzen,
d.h. Laufrăder, Drehwerk und Hubwerke erhalten separate Motoren. E-Motoren sind besonders
umempfindlich gegentiber dem in der Fordertechnik hăufigen Aussetzbetrieb, konnen gut regelbar
hergestellt werden und konnen unterschiedliche, flir die jeweiligen Einzsatzfalle besonders geeignete
Drehzahl-Drehmoment -Charakteristiken erhalten.

1231
Fordertechnik

Der E-Motor ist stets sofort betriebsbereit. Er ist leicht umsteuerbar und hat einen guten Wirkungs-
grad in allen Lastbereichen. Der E-Motor lăil>t sich einfach mit anderen Funktionselementen, wie
Bremsen oder Getrieben, kombinieren.
In der Fordertechnik verwendet man Drehstrom-Motoren mit und ohne Schleifringlăufer, Gleich-
strom-Reihenschluil>motoren und Gleichstrom-N ebenschluil>motoren.
Nach Măglichkeit wird der Drehstrom-Asynchronmotor mit Kurzschluil>lăufer eingesetzt, da dieser
am einfachsten gebaut ist und das fur ihn erforderliche Drehstromnetz fast liberali zur Verfligung
steht.
Ein geeigneter Antrieb flir schwere Hubwerke ist der Gleichstrom-Reihenschluil>motor, da dieser
seine Drehzahl der Momentenbelastung selbsttătig anpail>t. Der Antrieb ist aber nur wirtschaftlich,
wenn sich wegen einer groil>eren Anzahl von Gleichstromverbrauchern der Aufbau eines eigenen
Gieichstromnetzes lohnt (Hi.itten- und Walzwerke, Groil>hăfen).

2.1. Drehstrom-Asynchronmotoren
Drehstrommotoren haben eine feste Nenndrehzahl, die von der Netzfrequenz und der Polpaarzahl
des Motors abhăngt
60f
nn = p
--
min- 1 Hz

nn Nenndrehzahl, f Frequenz, p Polpaarzahl


Drehstrommotoren kănnen polumschaltbar gemacht werden, wodurch man verschiedene Abtriebs-
drehzahlen erhălt.
Die wirkliche Drehzahlliegt um den Schlupf unter der Nenndrehzahl. Oieser betrăgt, abhăngig vom
Motormoment, bis etwa 7 %.
Beim Einschalten haben die Motoren eine sehr hohe Stromaufnahme. Das Anzugsmoment betrăgt
dann etwa das 1,5 ... 3,5fache des Nennmoments. Bei i.ibersynchronen Drehzahlen infolge durch-
ziehender Last wirkt der Motor als Bremse. Drehstromasynchronmotoren werden i.iberall eingesetzt,
wo es nicht auf eine feine Drehzahlregelung ankommt, und wo die Drehzahl unabhăngig vom ab-
verlangten Moment konstant sein soli. Beispiele sind der Aufzugbau, Antrieb von Stetigfărderern,
Elektrozi.igen, Kranfahrantrieben.
Oft ist es wirtschaftlicher, ein unter Umstănden storendes ruckartiges Anlaufverhalten durch mecha-
nische Maschinenelemente (Rutschkupplungen, Beschleunigungsmassen) auszugleichen, als teurere
Regelantriebe zu verwenden.
Bei Drehstromasynchronmotoren mit Schleifringlăufern kann die Drehzahl-Momentenkennlinie
durch abgestufte Widerstănde verăndert werden. Der Motor kann weich anlaufen und ist ăhnlich
robust wie der Kurzschluil>lăufer, er ist daher als Fărdermittelantrieb sehr umfassend verwendbar.

2.2. Gleichstrommotoren
Beim Gleichstrom-Reihenschluj3motor ist die Drehzahl stark vom abverlangten Moment abhăngig:
hohes Moment ergibt niedrige Drehzahl,
kleines Moment ergibt hohe Drehzahl.
(Bei văllig fehlender Momentenbelastung wird die Drehzahl theoretisch oo, d.h. der Motor "geht
durch".)
Der Gleichstrom-Reihenschluil>motor wird dort eingesetzt, wo dieses Regelverhalten erwi.inscht ist.
Bei Hafenkranen z.B. werden durch einen Gleichstrom-Reihenschluil>motor leichtere Lasten schnel-
ler gehoben, die Spielzeit verki.irzt sich.

1232
IV. Antriebe

Wo es auf momentunabhăngige Geschwindigkeiten ankommt, oder wo eine bestimmte Drehzahl


nicht iiberschritten werden soll, kann der Gleichstrom-ReihenschluBmotor nur mit zusătzlichen
Regel- bzw. SicherheitsmaBnahmen betrieben werden.
Beim Gleichstrom-Nebenschluj3motor bleibt die Drehzahlănderung auch bei gri:iBeren Schwankun-
gen des abverlangten Momentes klein. Der Motor kann nicht unzulăssig hohe Drehzahlen annehmen
("durchgehen"). Der Motor wird ebenfalls mit Widerstănden geregelt.
Die Drehmoment-Drehzahlcharakteristik ist dem oberen Ast der Kennlinie des Drehstrom-Asyn-
chronmotors ăhnlich.
Anwendung findet der Gleichstrom-NebenschluBmotor in Făllen, bei denen es auf eine mi:iglichst
momentunabhăngige gleichmăBige Drehzahl ankommt, wie z.B. bei Einzelfahrantrieben von Kranen
in Werken mit Gleichstromnetz.

2.3. Getriebemotoren
Elektromotoren, besonders die hăufigen Drehstrom-Asynchronmotoren, geben bei wirtschaftlicher
Auslegung nur ganz bestimmte, eng begrenzte Drehzahlen und Drehmomente an den Motorwellen
ab. Der Motor wird daher oft mit einem Zahnradgetriebe und gegebenenfal\s auch mit einer Bremse
zu einer kompletten Einheit kombiniert.
Als Bremse empfiehlt sich eine Kegelreibungsbremse oder eine elektrisch geliiftete Scheiben- oder
Doppelbackenbremse.
Die Hersteller bauen Getriebe- und Getriebebremsmotore nach der Baukastensystematik. Dem
Konstrukteur fi:irdertechnischer Maschinen steht auf diese Weise eine variantenreiche Vielzahl an
Antriebseinheiten zur Verftigung, aus der er entsprechend dem speziellen Einsatzfall die geeignetste
nach
- Motor- und Getriebetyp
- Leistung, Einschaltdauer und Betriebsverhăltnissen
- Drehmoment und Drehzahl
- Konstruktions- und Befestigungselementen (FiiBe, Flansch u.a.)
auswăhlt.

3. Pneumatische Antriebe
Druckluftantriebe werden in zwei Formen in der Fi:irdertechnik eingesetzt.
a) Druckluft dient als Fi:irdermedium (siehe VIII.6), d.h. sie wird in feinki:irniges Fordergut (z.B.
Getreide) eingeblasen, um dieses fliefWihig zu machen. Das Luft-Fi:irdergutgemisch wird dann
durch Rohre geleitet, wodurch ein schneller und sauberer Umschlag erzielt wird.
b) Druckluft dient nur zur Energieiibertragung und treibt liber Turbinen Fi:irdermaschinen flir viel-
faltige Zwecke an.
Der Antrieb erfolgt weich; die Antriebsmaschinen sind sehr kompakt. Pneumatische Antriebe
werden bevorzugt in explosionsgefahrdeten Răumen eingesetzt, wo man Elektromotoren z.B.
wegen der Gefahr der Funkenbildung bei Beschădigung der Stromleitungen vermeiden mi:ichte,
wie z.B. im Bergbau oder beim Umgang mit geflihrlichen Chemikalien.

4. Hydrostatische Antriebe
Hydrostatische Antriebe bestehen aus einer Hydraulikpumpe (die von einer nicht hydraulischen
Kraftmaschine angetrieben werden muB), den Dbertragungsleitungen und dem eigentlichen Hy-
draulikmotor. Hydrostatische Antriebe sind feinfiihlig regelbar. Die Motore sind sehr kompakt.

1233
Fordertechnik
Die Leitungen lassen sich leicht verlegen, die Pumpe kann, wo gerade Platz ist, angeordnet werden.
Rticklaufventile in den Leitungen ersparen separate Standbremsen. Nachteilig sind Dichtungs-
probleme und der gegentiber einfachen Elektromotoren erhohte Aufwand bei der Fertigung, bei
den Anschaffungskosten und bei der Wartung.
Hydrostatische Antriebe treten oft an die Stelle mechanischer Krafttibertragungssysteme mit
Getrieben und Kardanwellen, wie z.B. bei hydrostatischen Fahrantrieben von Baggem und Auto-
kranen.
Hydraulikzylinder werden eingesetzt wo die ForderhOhen nochmit diesen bewiiltigtwerdenkonnen
(Hubtische,Hubstapler,kleine Autokrane), oderwo die feinflihlige Regelbarkeit den Ausschlag gibt.

5. V erbrennungsmotoren und Dampfmaschinen


Dampfmaschinen werden wegen der Nachteile, Unsauberkeit, lange Anlaufzeit, grof.\er Raum-
bedarf, kaum verwendet. Ausnahmen sind, wo Kohle billig zur Verfligung steht, wo die Arbeits-
krăfte billig sind, oder wo Mangel an sonstigen Energiequellen dazu zwingt..
Verbrennungsmotoren werden hauptsăchlich in mobilen Fordergerăten eingebaut, die unabhiingig
von ortsgebundenen Energiequellen arbeiten sollen (Autokrane, mobile Forderbănder). Wegen
ihrer schlechten Regelbarkeit (Gefahr des Abwtirgens) werden Verbrennungsmotoren bei groBe-
ren Fordergerăten oft nur zum Antrieb von Hydraulikpumpen oder Generatoren eingesetzt, die
dann besser regelbare hydraulische oder elektrische Einzelantriebe mit Energie versorgen.

V. Bremsen und Rucklaufsperren


Bremsen sind in der Fordertechnik Gerate zur Reduzierung der Fordergeschwindigkeit. In Hebe-
zeugen haben Bremsen z. B. die Aufgabe, die Senkgeschwindigkeit der Last auf den gewiinschten
Wert zu vermindem (Stillstand oder begrenzte Senkgeschwindigkeit), wenn der Antrieb abgeschaltet
wird. Rticklaufsperren haben die Aufgabe, ein Riickdrehen der Sperrwelle gegen Antriebsrichtung
von vornherein auszuschlieBen.

1. Reibungsbremsen
Nach dem Verwendungszweck unterscheidetman Regelbremsen, Haltebremsen und Stoppbremsen,
nach der Bauart Trommelbremsen, Bandbremsen, Scheibenbremsen und Lamellenbremsen. Brem-
sen bilden einen wichtigen Bestandteil aller Fordermaschinen und sind besonders sorgfliltig zu
entwerfen und auf Sicherheit zu berechnen, um Unflille im Betrieb zu vermeiden.

1.1. Trommelbremsen (Bild V.l)


Trommelbremsen werden in der Fordertechnik mit aull,enliegenden Bremsbacken gebaut. Die
Bremsbacken sind mit einem meist aufgeklebten Bremsbelag {ţt"" 0,3 ... 0,4) flir eine zulăssige
Temperatur von mindestens 150 °C ausgertistet.
Die Konstruktion der Norm-Bremsen erlaubt die Kombination mit allen auf dem Markt befind-
lichen Bremsliiftgerăten. Die Bremskraft wird durch eine Feder - innen- oder aull,enliegend -
hervorgerufen. Beim Liiften heben sich die Bremsbacken um einen Liiftweg von der Bremsscheibe
ab. Beim Abschalten des Bremsliifters schliefl,t die Bremse wieder selbsttătig.
Meistens werden Trommelbremsen mit elektrohydraulisch arbeitenden Bremsliiftgerăten ( "Eldro-
gerăten") eingesetzt (Bild V.l).

1234
V. Bremsen und Rucklaufsperren

2 3

1 Bremstromme1
2 Zugstab
3 Bremsfeder
4 Brems1iiftgerăt
Buchstaben:
Konstruktionsm~e nach
untenstehender Tabelle
bzw. Herstellertabelle
4
Oberkanle Anschlun -
konsfrukfion

Bild VLI. Trommelbremse nach DIN 15 434 mit au6enliegenden Bremsbacken und selbsttătigenBremsbelag-
verschlei6-Nachstellung fiir Fiirdereinrichtungen. (Siegerland-Bremsen)

Alle M~einmm Momente in Nm

Bremsmomente bei
Bremstrommel- einem Reibwert von
durchmesser Hebellăngen Umrillmaf.\e J.lo ""0,3

d, h2 h3 h4 e4 Amax Hmax B M Ma
585
200 125 230 49 218 ... 475 160 120 o ... 155
608
689 520 160
250 150 274 42 218 ... ... ... 135 o ... 325
703 580 190
240 780 565 160 o ... 250
315 185 ... 48 245 ... ... ... 185
308 817 615 190 100 ... 700
276 55 907 645 190
400 230 ... ... 280 ... ... ... 230 100 ... 1420
415 70 967 800 216
1109
500 283 340 61 318 ... 780 225 285 300 ... 2850
1132
1295
630 354 425 69 348 ... 960 265 345 700 ... 5000
1302
1420
710 398 478 73 375 ... 1072 300 390 800 ... 5720
1427

1235
Fordertechnik

Das Gerăt besteht im Prinzip aus der Bremsfeder, die die Bremse im Ruhezustand geschlossen hălt,
sowie einem gegen die Federkraft arbeitenden Hubkoiben mit zugehoriger Fliehkraftpumpe mit
eiektrischem Antriebsmotor. Nach Einschalten des Motors drlickt die Pumpe das liber dem Hub-
koiben befmdliche OI unter den Koiben. Sobaid die hydraulische Druckkraft am Koiben groEer
geworden ist als die Kraft der Bremsfeder, hebt sich der Koiben und Iliftet liber das Bremsgestănge
die Bremse. Wird der Motor abgeschaltet, gleitet der Koiben in seine Ausgangsstellung zuriick. Das
OI flieEt wieder zuriick und dămpft dabei den Rlickgang des Koibens so, daB die Bremse zwar sofort,
aber sanft und stoBfrei schlieBt.

Berechnung von Doppelbackenbremsen (Bild V.2)


Stets muB das abzubremsende Moment MB an
der Welle kleiner sein als das groBtmogliche
Bremsmoment:
d
MB<2FB2JJ. = FBdJJ.

/2
FB =FH /;

/4
FH =Fz
/3 Bild V.2. Berechnungsskizze fiir Trommelbremsen
daraus
MB l l, /3 Ms abzubremsendes Moment; F 8 , FN, Fz Krafte;
F>-·-·-·- /1. /2, /3, /4 Hebellangen; d Bremsscheibendurchmesser
z d JJ. 12 /4

N 1 m

Fz erforderliche Kraft der Bremsfeder; MB abzubremsendes Moment an der Bremswelle, JJ. Reib-
zahl (JJ."" 0,3 ... 0,4 bei der PaarungBremsbelag-Stahl); /1,2, 3 , 4 Hebellăngen nach Bild V.2.
Das abzubremsende MomentMB muB aus den statischen und dynarnischen Krăften und Momenten
der Forderanlage oder -maschine berechnet werden.
Nach DIN 15 434 Teil1 sind ferner nachzupriifen
die Fiăchenpressung p an den Bremsbeiăgen,
- die Gieitgeschwindigkeit u1 an den Bremsbeiăgen,
- der im speziellen Einsatzfall erreichbare Reibwert JJ..
Alle drei GroEen werden zum Parameter (p u, JJ.)zul zusammengefaEt. Als Richtwert gilt nach
DIN 15434:

Bremsscheibendurchmesser Zulăssiger Wert (p V! !l)zui


d 1 inmm .J'i.__~ ·1=~
mm 2 s mm 2

200 0,75
250 0,8
315 0,9
400 1,0
500 1,1
630 1,25
710 1,35

1236
V. Bremsen und Ri.icklaufsperren

• Beispiel: Fiir eine Forderanlage wird eine Trommelbremse nach DIN 15 434 mit aufl>enliegenden
Bremsbacken mit elektrohydraulischer Bremsbeli.iftung (Eldrogerăt) flir ein Brems·
moment von 4000 Nm benotigt. Reibwert p. = 0,3. Technische Da ten nach Bild V.1.
Frage: 1. Welcher Bremsscheibendurchmesser wird benotigt?
2. Welche Bremskraft mufl> die im Brernsliiftgerăt eingebaute Bremsfeder mindestens
haben?
Losung: Nach der Leistungstabelle Bild V.l mufl> zur Dbertragung eines Bremsmomentes von
4000 Nm ein Bremsscheibendurchmesser von 630 mm gewăhlt werden. Dann gilt mit
den Bildern V.1 und V.2 flir die Bremsfederkraft F 2 :
11 = h 2 = 354mm
12 = h2 + h 3 = 354 + 425 = 779 mm
/3 = h4 69 mm
/4 = e4 = 348 mm
4000 1 0,354 0,069
F2;:;;;. 0630. Q3. 0779.0348 = 1906N"" 2000N
' ' ' '

Die Bremsfeder muB also fiir eine Zugkraft von mindestens 2000 N ausgelegt sein.
Die Losekraft des Eldrogerătes muB ca. 20 % liber der max. Bremsfederkraft liegen.
Das fiir eine Fordermaschine erforderliche Bremsmoment ist sorgfăltig entsprechend dem jeweili-
gen Einsatzfall aus Lastmoment und Verzogerungsmomenten nach DIN 15 434 Teil1 zu berechnen.
Es gilt
Mserf =ML +MR +MT
Mserf• erforderliches Bremsmoment in Nm; ML Moment der ruhenden Last und der Widerstănde,
z.B. aus Reibung (-) und Wind (+), bezogen auf die Bremswelle, in Nm; MR, MT, Verzogerungs-
momente aus umlaufenden Massen (Rotation) und aus geradlinig bewegten Massen (Translation)
inNm.
Bei Hubwerksbremsen gilt fiir das Lastmoment
S dT1J
ML=~
mit

S Summe der an der Seiltrommel angreifenden Seilkrăfte nach DIN 15 020 Teil 1
(vgl. Bild III.8), in N
dT Trommeldurchmesser in m
Gesamtiibersetzung zwischen Bremse und Trommel; sind Trommel und Bremse auf derselben
Achse fest verbunden, gilt i = 1
11 mechanischer Wirkungsgrad des Getriebes zwischen Trommel und Bremse. Der Wirkungsgrad
steht im Zăhler und vermindert das rechnerische Lastmoment, da die durch den Wirkungs-
grad beriicksichtigten Widerstănde beim Bremsen helfen.
Fiir das Verzogerungsmoment MR fiir die rotierenden Massen und MT fiir die geradlinig bewegten
Massen gilt:

MR = "J:,J. ~w
ts
S ~V . dT . !J.
MT = g. ts 2 i

1237
Fordertechnik

mit
"i:,J Summe der Trăgheitsmomente aller rotierenden Massen, die mit abzubremsen sind, reduziert
auf die Bremsenwelle in kgm 2 (siehe Teil Mechanik, Reduktion von Trăgheitsmomenten).
Âw, Winkelgeschwindigkeitsdifferenz in 1/s bzw. Hubgeschwindigkeitsdifferenz in m/s vor und
Âv nach dem Bremsvorgang. Bei Brernsungen bis zum Stillstand ist flir Âw die Winkelgeschwin-
digkeit der Bremstrommelwelle bei Beginn des Bremsvorganges und fur Âv die Senkgeschwin-
digkeit der Last einzusetzen.
t8 Bremszeit in s. Man erkennt, dafl, das Verzogerungsmoment M R um so groBer ist, je ktirzer
die zulăssige Bremszeit ist.
Eine fur den Bergbau interessante Sonderkonstruktion einer elektrohydraulisch arbeitenden Backen-
bremse ist die ortsfest angeordnete Forderwagenbrernsanlage. Arbeitsschema nach Bild V.4.
Das elektrohydraulische Aggregat besteht aus Elektromotor (1) und Zahnradpumpe (2), dem ela-
stischen Speicher (3), dem Vierwege-Steuerschieber (4), dem Oberdruckventil (5), dem Minimal-
Maximaldruckschalter (6) und den Arbeitszylindern (7). Bei Inbetriebnahme flillt das Pumpen-
aggregat ( 1 und 2) den Hydrospeicher (3) iiber Riickschlagventile und Vierwege-Steuerschieber ( 4)
bis zu einem bestimmten Fahrdruck auf. Die Kolbenstangen der Arbeitszylinder (7) fahren aus und
schlieBen die Bremse.
Aus Sicherheitsgriinden laufen die Forderwagen in die geschlossene Bremse ein, die nur flir den
Moment des Ablaufs geoffnet wird. Bei geschlossener Bremse liegt iiber Steuerschieber (4) der voile
Speicherdruck auf den Kolbenflăchen. Die einlaufenden Forderwagen driicken die Bremse auseinan-
der. Dabei wird ein Teil des Druckmittels aus den Zylindern gleichzeitig iiber den Steuerschieber (4)
und die Entlastungsleitung (8) in den Speicher (3) gedrăngt, der durch seine Stickstoftblase den StoB
elastisch aufnimmt. Zu hohe StoBspitzen werden durch das Oberdruckventil (5) abgefangen.

Bremse in geschlossenem Zustand

Bild V.3
Arbeitsschema einer elektro-
8
hydraulischen F orderwagen-
bremse
6 1 Elektromotor
t----1 11'1~-1: Minimal
2 Zahnradpumpe
3 Speicher
Maxima/ 4 Vierwege.Steuerschieber
5 t.iberdruckventil
6 Minimai-Maximal-
Druckschalter
2 7 Arbeitszylinder
8 Entlastungsleitung

1238
V. Bremsen und Rucklaufsperren

Durch Umsteuern des Schiebers (4) wird die Kolbenringflăche vom Speicherdruck beaufschlagt und
die Kolbenseite mit dem Riicklauf verbunden; die Bremse offnet sich. Sinkt durch den Olverbrauch
der einzelnen Spiele der Druck auf den eingestellten Minimalwert, so schaltet der Druckschalter (6)
das Pumpenaggregat ( 1 und 2) wieder und und fOrdert, bis der eingestellte Betriebsdruck erreicht ist.

1.2. Bandbremsen
Bandbremsen sind weich steuerbar und
einfach im Aufbauo Ihr Nachteil ist
eine Biegebelastung der Welleo Band-
bremsen werden hauptsăchlich als
Haltebremsen eingesetzto Als Betriebs-
bremse wird meist die Scheibenbremse a)
eingesetzt, die eine bessere Abflihrung
der Reibungswărme ermoglichto
Der Bandzug vergro~ert sich, wie in
Bild Vo4a dargestellt, liber den Um-
schlingungswinkel von F 1 auf F 2 o Fiir GriifJe des
die Zugkrăfte F 1 und F 2 gelten die Bandzuges
Beziehungen
2M8
F1 = d e )La - 1)
o (

2 Ms ella
F2 = - - o ---'--- b)
d (ella-1)

F 1, F2 1 Ma 1 d 1 e,M 1 a
N Nm m 1 rad

Ma abzubremsendes Moment
e Basis der natiirlichen Logarithmen
(e = 2,718)
tL Reibzahl
a Umschlingungswinkel im c)

Bogenm~

Werte ftir e!La siehe Abschnitt Mechanik


(Statik)
Aus dem Momentengleichgewicht um
den Drehpunkt P ergibt sich ftir die
Zugkraft Fz am Handhebel
2Ma 1 a
Fz= -d-ol;O (e!La_ 1)(13 +xell)

mit x =O ftir Bild V.4a, (-) Minuszei- Bild V.4o Skizzen verschiedener Bandbremsen
chen ftir Bild V .4b und ( +) Pluszeichen a) einfache Bandbremse
b) Differentialbandbremse
ftir Bild V .5 co
c) drehrichtungsunabhăngige Bandbremse
Fz Handzugkraft, d Bremsscheiben- Ma abzubremsendes Moment; a Umschlingungswinkel;
durchmesser, 14 , ! 3 , x Hebellăngen F 1o F 2 Bremsbandzugkrăfte; F 3 Handhebelzugkraft ;
nach Bild V.4o d, l3, l4, x geometrische Abmessungen

1239
Fordertechnik

Man kann den Abstand x nach Bild V.4b so grotl. wăhlen, datl. die Bremse selbsttătig sperrt, ohne
datl. noch eine Zugkraft Z aufgebracht werden mutl..
Wenn die Bremse in beiden Drehrichtungen gleich gut arbeiten soli, so wird eine Anordnung nach
Bild V.4c mit x = 13 gewăhlt, bei der F 1 und F 2 an gleichen Hebelarmen angreifen.

1.3. Kegelbremsen, Scheibenbremsen (Bild V.S}


Bei diesen Bremsen werden stets drehende, mit der Bremswelle drehfest verbundene Bremsscheiben
axial gegen stehende, mit dem Gehăuse verbundene Gegenflăchen gedriickt. Bei Kegelreibungs-
bremsen wird die Welle samt Bremsteller axial verschoben und in einen Innenkegel gepretl.t. Die
Kegelreibungsbremse erreicht bei sonst gleichen Abmessungen ein grotl.eres Bremsmoment als eine
Flachscheibenbremse, da der Kegelwinkel die axiale Bremskraft verstărkt.

BremsWftzylinder

Bremsdruckfeder

Welle

Bremsscheibe
Bremszange E/ektromofor, dessen konischer Laufer beim
Einschalfen des Hofors gegen die Bremsfeder
axial angezogen wirdunddie Bremse dadurch luffet.
Bild V.5. Berechnungsskizze flir Scheiben- und Kegelreibungsbremsen

Bei Scheibenbremsen wird eine mit der Bremswelle fest verbundene Scheibe durch eine oder meh-
rere Bremszangen gehalten. Die Bremszangen werden zweckmătl.ig symmetrisch angeordnet, um die
Welle nicht mit Biegemomenten zu belasten. Scheibenbremsen sind vergleichsweise unempfindlich,
einfach in ihrem Aufbau und haben eine grotl.e, die Reibungswărme ableitende Flăche. Sie eignen
sich daher auch zum Betrieb im Freien und zu Dauerbremsungen.
Die axiale Anpretl.kraft F, die durch die Bremsfedem z zwischen Bremsbelăgen und Reibflăchen
erzeugt wird, mutl. sein:

F d
1 M8 1 1 ~. n 1 a
N Nm m 1 o

M8 abzubremsendes Gesamtmoment
d mittlere Reibflăchendurchmesser
~ Reibzahl an den Bremsflăchen
n Anzahl der Reibflăchen; bei Scheibenbremsen n = 2 je Bremszange, bei Kegelreibungs-
bremsen stets n = 1
a Kegelwinkel; a= 90°, sin a= 1 bei Scheibenbremsen; a""' 20°, sin a""' 0,34 bei Kegel-
reibungsbremsen

1240
V. Bremsen und Rucklaufsperren

2. Riicklaufsperren
Riicklaufsperren sind mechanische, selbsttătig eingreifende Maschinenteile, die ein Zurtickdrehen
der Sperrwelle unter dem EinfluB eines Lastmomentes verhindem, wenn der Antrieb abgeschaltet
oder unterbrochen wird. Nach ihrer Wirkungsweise unterscheidet man Zahn(Klinken-)-Gesperre
und stufenlos arbeitende Freilăufe.
Die Zahngesperre haben besonders geformte Zahnrăder, in deren Liicken die Sperrklinke ein-
rastet. Zahngesperre arbeiten forrnschliissig, aber naturgemăB nicht stufenlos. Weiterhin verur-
sachen sie wăhrend der gesamten Leerlaufzeit ein stărendes Klickergerăusch. Sie werden daher nur
flir Handantriebe sowie ftir langsame untergeordnete Einsatzfille verwendet.
Bei den reibschliissigen Riicklaufsperren unterscheidet man Klemmkărperfreilăufe (Bild V.6) und
Rollenfreilăufe (Bild V.7).

Bild V.6. Klemmkorper-Freilauf als Riicklaufsperre Bild V. 7. Rollenfreilauf als Riicklaufsperre


flir Fordereinrichtungen flir Fordereinrichtungen
Auf>enring (drehfest mit dem Gehăuse des 1 A~enring
Getriebes oder der Fordereinrichtung 2 Klemmrollen
verbunden)
3 Innenring mit Klemmrampen (Innenstern)
2 Klemmkorper; die Klemmkorper sind in Leer-
4 Klemmrampen
laufposition gezeichnet, bei der sie unter Ein-
a) gesperrte Drehrichtung
wirkung der Fliehkraft vom stillstehenden
b) freie Drehrichtung
Au~enring abheben. Bei Stillstand gelangen sie
unter der Einwirkung der nicht gezeichneten (RINGSPANN)
Anfederung wieder in Eingriff, so da~ ein
Zuriickdrehen der Welle in Richtung a aus-
geschlossen ist.
3 Innenring, mit der zu sperrenden Welle verbunden
a) gesperrte Drehrichtung
b) freie Drehrichtung
(RINGSPANN)

Die Klemmkărperfreilăufe werden aus den konzentrisch angeordneten Innen- und AuBenringen
und den dazwischen befindlichen, leicht angefederten Klemmkărpern gebildei. Letztere gleiten bei
"Freilaufbetrieb" auf dem Innenring. Im "Mitnahmebetrieb" verklemmen sie sich zwischen Innen-
und AuBenring, so daB Drehmoment iibertragen werden kann.
Damit der Freilauf auch klemmt und nicht durchrutscht, muB der Tangens des Abstiitzwinkels der
Klemmkărper ( "Klemmwinkel e") stets kleiner sein als der Reibwert J.l.

tan E < J.1

1241
Fordertechnik

Da Riicklaufsperren an Fordereinrichtungen den groflten Teil ihrer Betriebszeit in Freilaufrichtung


laufen, spielen die MaBnahmen zur Vermeidung von VerschleiB und damit zur Erhohung der
Lebensdauer eine grafle Rolle . Bei Riicklaufsperren ist meist Fliehkraftabhebung moglich. Man
unterscheidet:
Fliehkraftabhebung bei umlaufendem Auflenring. Der Schwerpunkt der Klemmkorper ist so
gelegt, daE sie unter der Einwirkung der Fliehkraft vom stillstehenden Innenring abheben.
Dadurch wird GleitverschleiE unterbunden.
Fliehkraftabhebung bei umlaufendem Innenring (Bild V.6). Die Klemmkorper laufen mit dem
Innenring um und stiitzen sich an einem speziell ausgebildeten Kăfig so ab, daE sie vom still-
stehenden AuEenring abheben. Diese Konstruktion ermoglicht eine elegantere Bauweise, da der
drehende Innenring direkt mit der Welle und der stehende AuEenring direkt mit dem Gehăuse
verbunden werden kann.
Wo Fliehkraft, z.B. wegen geringer Drehgeschwindigkeit im Leerlauf, nicht angewandt werden
kann, ist P-Schliff angebracht. Hierbei wird der Auflenring nicht rund, sondern leicht polygonal
geschliffen. Die Klemmkorper stehen dadurch bei ihrem langsamen Wandern am Umfang manch-
mal "steiler", manchmal "flacher". Die Beriihrungslinie wandert dadurch auf dem Klemmkorper,
das VerschleiBvolumen wird groEer, die Lebensdauer erheblich lănger.
Bei Rollenfreilăufen verklemmt sich eine Rolle zwischen dem runden AuEenring und dem mit
"Klemmrampen" versehenen Innenring ( "lnnenstern") (Bild V.7). Klemmrollenfreilăufe werden
eingesetzt, wenn Fliehkraftabhebung nicht moglich ist, ader wenn umfangreiche Branchenerfah-
rungen mit dieser Bauart vorliegen.

Vberdruck-
venfil

Bild V.8. Riicklaufsperre als Au6ensperre


mit Abstiitzhebel fiir das Ri.ickdrehmoment.
Die Sperre kann je nach Betriebsdrehzahl mit
fliehkraftabhebenden Klemmkorpem (untere
Bildhalfte) oder in Rollenbauart mit lnnenstern
anzeige (obere Bildhălfte) geliefert werden.
(RINGSPANN)

1242
VI. Hebezeuge

VI. Hebezeuge

1. Handhebezeuge
Unter dem Sammelbegriff "Handhebezeuge" werden solche Kleinhebezeuge zusammengefaBt,
die meist Handantrieb haben, aher auch mit Motorantrieb ausgeftihrt sein konnen. Handhebezeuge
erftillen vielfatige Aufgaben in Montage, Reparatur und in Făllen, wo groBe Lasten nur selten
zu heben sind (vgl. IV.I).

Die gebrăuchlichsten Kleinhebezeuge einfacher Art sind Winden:


Zahnstangenwinden- genormte Bauweise fiir 1,5 t, 3 t, 5 t, 10 t, 15 tund
25 t Tragfc:ihigkeit (Bilder VI.!).
Schraubenwinden - die Last wird durch eine Schraubenspindel gehoben.
Die Betătigung erfolgt mit einem Handhebel, oft unter Zwischenschal-
tung einer Ratsche. Bei Teleskopwinden sind mehrere Schraubenspindeln
ineinandergebaut. Die Tragfahigkeit betrăgt bis ca. 6000 kg.
HebebOcke- fiir schwere Lasten von 20 ... 300 t. Die Last wird hydrau-
lisch oder durch Spindeln angehoben bei Hubhohen bis zu ca. 3 m.
Handhebezeuge sind femer Kettenhebezeuge mit Flaschenziigen nach
Bild VI.2. In allen Făllen, in denen Kettenhebezeuge hăufiger gebraucht
werden, werden Elektroantriebe verwendet.

Bild VI.I
Zahnstangenwinde fiir 1.5 ... 10 t Traglast. Hub ca. 300 ... 350 mm,
Kurbeldruck 250 N, bei 101 Traglast 500 N, g, k, l, t , r Abmcssungen
je nach BaugroBe der Baureihen
(Gebr. Dickertmann)

1243
6 12 A

Schnitt A - A

Bild Vl.2. Kettenzug mit Handantrieb


1 Lasttragende Baugruppe, bestehend aus: tung gedreht. Das Lastdruckgewinde wird dadurch
2 oberer Aufhangehaken etwas gelost. lst der Druck an den Reibbelligen
3 kugelgelagertes Kettenrad ftir Rundstahlkette dad urch so gering geworden, daB das Gesamtreib-
4 lasttragende Rundstahlkette moment kleiner ist als das Lastmoment, so dreht
5 Lasthaken mit Axialkugellager, damit sich die das Lastmoment "nach", - wobei die Last sinkt,
Last frei drehen kann, ohne die Rundstahlkette bis das Reibmoment wieder gleich oder groBer
zu verdrillen. wie das Lastmoment ist.
6 Baugruppe mit Haspelantrieb und Lastdruck- 12 Planetengetriebe zur Erzielung hoher Ober-
bremse, mit : setzungen bei geringem Raumbedarf mit:
7 Abtriebskettenrad flir Haspelkette 13 Antriebwelle mit Antriebsritzel
8 Haspelkette flir Heben und Senken von Hand 14 Abtriebshohlwelle mit Kettenrad 3
9 Klinkenrad mit Sperrklinke 15 Planetenradtrăger, drehfest mit der Abtriebs-
1O Reib belage hohlwelle verbunden.
11 Lastdruckgewinde. lm Ruhezustand erzeugt das 16 Sonnenrad, mit dem Gehăuse drehfest verbunden.
Lastmoment durch das Gewinde einen last- 1 7, 18 Planetenrăder
abhangigen Druck auf die Reib bellige 1O und das Bei Verdrehung des Planetenrades 17 durch das
gesperrte Klinkenrad 9. Dadurch wird die Last Antriebsritzel 13 muB sich das Planetenrad 18
gehalten. am stillstehenden Sonnenrad 16 abwălzen. Dabei
Beim Heben dreht sich das Klinkenrad 9 mit, die wird der Planetenradtrăger 15 mit dem Last-
Sperrklinke ratscht durch. kettenrad 3 verdreht. Die Răder 17 und 18
Beim Senken wird das Haspelrad gegen das Reib- laufen also um ("Planetenrăder").
moment am gesperrten Klinkenrad in Senkrich- (Yale, Velbert)

1244
VI. Hebezeuge

2. Elektroseilztige
Elektroseilziige sind Hebemaschinen nach Bild VI.3, bei denen die Baugruppen Seiltrommel,
Getriebe, Antriebsmotor und Bremse in einer kompakten Einheit kombiniert sind. Elektroziige
werden durchweg nach dem Baukastenprinzip in vielen Varianten hergestellt (Bild VI.4) und
werden angepaBt an die geforderte Traglast, Hubgeschwindigkeit und die Betriebsbedingungen
geliefert (vgl. VI. 2.2).
Der Elektrozug wird flir Traglasten von 160 .. . 80 000 kg hergestellt. Er kann auch mit einem
Feingang ausgeriistet werden .

9 2 7 8 11 10 5 6 9 14 12 13 16 1517 Bild VI.3. Prinzipskizze eines Elektroseilzuges


(Mannesmann Dematik)
1 Getriebegehăuse
2 Antriebswelle
3 Getrieberăder
4 Hohlwelle
5 Seiltrommel
6 Trommelstege
7 Drahtseil
8 Seilflihrung
9 Tragflansche mit Fii1.\en
10 Mantel
11 Mantelseiltaschen mit Seilkeil
12 Stănder mit Wicklung
13 Verschiebelăufer
14 Bremsfeder
15 Brems- und Liifterscheibe
16 Lagerschilde
17 -Bremshaube
18 Dreh- und axialelastische Kupplung


Befestigungstlansch Befestigungsflansch
Getriebe Trommel Motor

m
Getriebeseite Motorseite

8m/min&
m Bit ~
10m/rrin & Q tfl\\\R-
Mantel
~
12m/min&
~ B ~
E3
• •
Feinhub

BB
15m/min&
t ·i
Bild VI.4. Verschiedene, jeweils miteinander kombinierbare Baugruppen eines Serienelektrozugs, die eine gute
Anpassung des Hebezeuges an die jeweiligen Einsatzfălle ermoglichen.
(Mannesmann Dematik AG)

1245
Fordertechnik

GroBere Elektroziige werden liber Schtitze gesteuert. Sie sind das Herzsttick vieler Anlagen, wie
z.B. Standard-Laufkrane, Hiingekrane und Hăngebahnen.

2.1. Prinzip eines Elektroseilzuges (Bild VI.3)


Der Antrieb ist a1s Aggregat aus Elektromotor und Bremse nach dem Verschiebelăufer-Prinzip gebaut.
Im abgeschalteten Zustand (untere Hălfte) drtickt die Bremsfeder (14) den konischen Verschiebe-
lăufer ( 13) mit der Kegelbremsscheibe ( 15) gegen die Bremshaube ( 17), im eingeschalteten Zustand
(obere Bildhălfte) bewirkt die Axialkraft des Lăufers eine Ltiftung der Bremse. Die Rippen des
Gehăuses werden von der Bremsscheibe, die hier gleichzeitig als Ltifter ausgebildet ist, angeblasen,
um die entstehende Wărme nach auBen abzuftihren.
Die kegelige Bremsscheibe ist durch Verzahnung mit der Motorwelle verbunden. Das Drehmoment
des Elektromotors wird durch eine axialelastische Kupplung {18) auf das Getriebe tibertragen. Ein
geschlossenes Getriebegehăuse {1) nimmt alle Zahnrăder auf, die im Olbad laufen. Die Getriebe-
stufen sind teilweise schrăgverzahnt. Die tragende Verbindung zwischen Motor und Getriebe wird
durch Trageflansche und ein Mantelgehăuse aus Stahlblech {10) hergestellt.
Der Elektrozug kann auch mit einem Feingang nach Bild VI.3 ausgertistet werden. In diesem Fall
wirkt die Bremse des Haupthubmotors a1s Kupplung zum Feingang.
Eine aus dem Getriebe herausgeftihrte Hohlwelle (4) treibt die Seiltrommel ( 5) an. Durch verschie-
dene Seilablăufe kann der Elektrozug praktischen Betriebsfallen angepaBt werden.
Als Hubmotor fiir Elektroztige im unteren Traglastbereich wird vorwiegend der Drehstrom-Asyn-
chron-KurzschluBlăufer verwendet. Ober etwa 10 kW Nennleistung werden die Elektroziige oft mit
Schleifringlăufermotoren ausgestattet, um das Strornnetz nicht durch zu hohe Anlaufstrome zu
belasten.

2.2. Eintellung der Elektroseilziige nach FEM und DIN 1S 020 1 )


Die FEM (Federation Europeene de la Manutention) ist eine Vereinigung europăischer Hersteller
von Elektrohebezeugen, die u.a. durch die Erarbeitung gemeinsamer Berechnungsregeln flir Herstel-
lung und wirtschaftlichen Einsatz von Elektrohebezeugen Bedeutung erreicht hat.
Die Berechnungsregeln bezwecken eine Dimensionierung aller Bauteile nach der spiiteren betrieb-
lichen Beanspruchung, die durch Traglast und Laufzeit charakterisiert wird.
Diese wichtigen Einfltisse auf die Nutzungsdauer, mittlere Traglast und Laufzeit, mtissen daher so-
wohl bei der Herstellung als auch bei der Auswahl durch den Betreiber berticksichtigt werden. Nur
so erhălt man flir den jeweiligen Einsatzfall den wirtschaftlichsten Elektrozug mit ausreichender
Sicherheit und Lebensdauer.
Harter Dauereinsatz - schwerer Elektrozug; seltener, leichter Einsatz - leichter Elektrozug.
Derartige ,,Betriebsfestigkeitsilberlegungen" sind fiir die gesamte Fordertechnik van Bedeutung.
Zwischen den wichtigsten Einfltissen auf die Lebensdauer besteht năherungsweise folgender rech-
nerischer Zusammenhang
L q t
h
Jahre kg Jahr

L Lebensdauer, q mittlere Belastung, t Laufzeit pro Jahr

1) DIN 15 020 - Berechnung von Seiltrieben, und FEM - Elektrozug-Regeln machen vergleichbare Aussagen.
DIN 15 020 erfaJ.\t zusiitzlich noch landwirtschaftliche und sonstige Winden, wiihrend die FEM-Regeln nicht
nur die Seiltriebe, sondern den gesamten Elektrozug behandeln.

1246
VI. Hebezeuge

Ein Elektrozug, der jedes Jahr nur die halbe Zeit t irn Einsatz ist als ein anderer, wird also auch
entsprechend weniger verschleilien und kann also bei gleicher Lebensdauer (L = 1O) entsprechend
leichter konstruiert und damit billiger sein. Andererseits braucht man die rnittlere Belastung q nur
um 20% (d.h. auf das 0,8-fache) zu senken, um einen sonst gleichen Zug doppelt solang beni.itzen
zu konnen (0,8 3 = 0,5).

Definition der Elektroseilzuggruppen nach Laufzeitklassen und Belastungsarten (= Lastkollektiven),


vgl. Tafel 111.6
Laufzeitklassen V0 , 25 ... V5. Tafel VI.l zeigt in den einzelnen Spalten, welche Zeit ein Elektroseil-
zug im Mittel je Tag, Jahr oder 10-Jahres-Zeitraum laufen muB, um der entsprechenden Laufzeit-
klasse zugeordnet zu werden. Meist wird die mittlere Laufzeit je Tag geschătzt und danach die
Laufzeitklasse bestimmt.
Belastungsarten. lleicht - 2 mittel - 3 schwer (Tafeln VI.2 und VI.3).
Leicht: Elektroseilzi.ige, die selten die hOchstzulăssige Last, und meistens kleinere Lasten heben,
z.B. im Kraftwerks· oder Montagebetrieb (Belastungskennzahl k < 0,53).
Mittel: Elektroseilzi.ige, die etwa gleichmăBig die hochste Traglast sowie gr6Bere und kleinere
Traglasten heben, beispielsweise im Sti.ickgutbetrieb (0,53 < k < 0,67).
Schwer: Elektroseilzi.ige, die hauptsăchlich Lasten in der Năhe der hochstzulăssigen Last (Traglast)
heben, beispielsweise Greiferbetrieb (0,67 < k).

Tafel VI.l. Bestimmung der Laufzeitklasse flir Serienhebezeuge

Laufzeitklasse Vo,2s Vo,s VI v2 v3 v4 Vs


mittl. Laufzeit 0,5 1 2 4 8
je Tag (Stunden) bis bis bis bis bis bis liber
0,5 1 2 4 8 16 16
Rechenwert 0,32 0,63 1,25 2,5 5,0 10 20
mittl. Laufzeit
80 160 320 630 1250 2500 5000
je Jahr (Stunden)
Laufzeit in
800 1600 3200 6300 12500 25000 50000
10 Jahren (Std.)

Tafel VI.2. Gruppenstufung der Triebwerke von Elektroseilzi.igen


nach DIN 15 020
Belastungs- Laufzeitklasse
kollektiv
Vo,2sl Vo,sJ V1 l V2j V3 J V4 lVs

mittlere Laufzeit je Tag in Stunden


kubischer
Mittelwert k .;; 0,5 .;; 1 <;;2 <;;4 <;;8 .;; 16 > 16

1 k.;; 0,53 Ib Ia II III IV


2 0,53 < k.;; 0,67 Ib Ia II III IV V
3 0,67 < k .;; 0,85 Ib Ia II III IV V V

1247
Fordertechnik

Tafel VI.3. Beispiel eines Elektroseilzugprogramms aus 8 Baureihen


(Mannesmann Dematik)

Die Baugro& ist bestimmt durch die Belastungsart, mittlere Laufzeit, Traglast und Einscherungsart.
Belastungsart:
lleicht 2 mittel 3 schwer 4 sehr schwer
Hubwerke, die selten die Hubwerke, die etwa Hubwerke, die haupt- Hubwerke, die nur Lasten
hochste Traglast und gleichm~ig die hOchste săchlich Lasten in der der hOchsten Traglast mit
meistens kleinere Teil- Traglast sowie grof.\ere Nlihe der hochsten sehr grof.\er Totlast heben.
lasten heben. und kleinere Teillasten Traglast heben.
heben

Aus Laufzeit und Belastungsart wird die Gruppe bestimmt.


Belastungsart Mittlere Laufzeit je Arbeitstag in Stunden
1 leicht bis 2 2-4 4-8 8-16 iiber 16 -
2 mittel.,. bis 1 1-2 2-4 4-8 8-16 iiber 16
3 schwer bis 0,5 0,5-1 1-2 2-4 4-8 8-16
4 sehr schwer (FEM) bis 0,25 0,25-0,5 0,5-1 1-2 2-4 4-8
Gruppe nach FEM/DIN 15020 IBm 11Am 2m 3m 4m 5m
Einscherungsart 1) bei einrilliger Trommel Baureihe Elektroseilzug-Baugroi'len
1/1 2/1
Traglast in kg
4/1. 6/1 8/1
1 '
160 320 630 - - 1 p 116
200 400 800 - - 1 p 120
250 500 1000 - - 1 p 125
320 630 1250 - - 1 p 132 P203
400 800 1600 - - P:140 P204
100 p 150 1 P205
500 1000 2000 - - 1
630 1250 2500 - - 1 P206 P406
800 1600 3200 - - P1208 P408
1000 2000 4000 6300 8000 200 P210 1 P410 P610
1250 2500 5000 8000 10000 p 212 1 P412 P612
1600 3200 6300 10000 12500 P1416 P616 p 1016
2000 4000 8000 12500 16000 400 P420 1 P620 p 1020
2500 5000a 10000 16000 20000 P425 p 1025 p 1225 p 1625
--- ~625
p 1032 p 1232 p 1632
3200 6300 12500 20000 25000 600 P632
4000 8000 16000 25000 32000 p 1040 p 1240 p 1640 P2040
5000 10000 20000 32000 40000 1000 p 1050 p 1250 p 1650 P2050
6300 12500 25000 40000 50000 1200 p 1263 p 1663 p 2063
8000 16000 32000 50000 63000 1600 p 1680 P2080
- 20000 40000 63000 80000 2000 P2100

1) Der Fachbegriff "Einscherungsart" sagt aus, an wieviel Seilen die Last hăngt, und wieviel Seile durch ein Hub-
werk direkt angezogen werden. So sagt beispielsweise die Einscherungsart 4/1 aus, dai'l die Last an 4 Seilen
hăngt, wovon eines motorisch angezogen wird. Die Traglast ist also 4 mal so grof.\ wie bei Einscherungsart 1/1,
die Hubgeschwindigkeit aber nur 1/4 derjenigen bei Einscherungsart 1/1.

1248
VI. Hebezeuge

Kann man die Belastungsart nicht schătzen , so muE man aus MeEwerten das "Lastkollektiv" des
entsprechenden Einsatzfalles ermitteln und daraus die Belastungskennzahl k (kubischer Mittelwert
der Belasţung) errechnen. Ein Lastkollektivdiagramm gibt an, wie hăufig , verteilt auf die gesamte
Laufzeit, die Belastung des Hebezeugs mit Hochstlast, mittlerer bzw. kleiner Last ist.
Elektroseilzugruppen (FEM-Gruppen). Mit den nunmehr ermittelten Laufzeitklassen bzw. Bela-
stungsarten kann man nach Tafel VI.2 die Elektroseilzeug-Gruppe bestimmen. Die Hersteller
geben ftir jeden Elektroseilzugtyp die zulăssigen Traglasten in den einzelnen Gruppen an . Die
Betreiber sind in der Lage, je nach Laufzeit und Betriebsbedingungen den jeweils wirtschaftlich-
sten aus dem Programm auszuwăhlen (Tafel Vl.3).

2.3. Windwerke
Windwerke sind Hebemaschinen nach Bild VI.S bei denen die Hauptbaugruppen Antriebsmotor -
Bremse - Getriebe - Seiltrommel nicht in einer Maschine kombiniert , sondern "offen" hinter-
einander geschaltet sind. Windwerke werden nicht serienmăEig hergestellt, sondern stets ftir Sonder-
fălle gebaut, die in bezug auf Traglast, Hubgeschwindigkeit, Hakenweg oder Lebensdauer von den
Elektroseilztigen nicht abgedeckt werden (Bild VI.6).

1 5

10

Bild VI.5
7
10 13 Laufkatze mit offenem
10 Windwerk
12 12 1 Haupthub, z.B. 30 t
2 Hilfshub, z.B. 10 t
11 6
3 Unterflaschen
4 Oberflaschen
5 5 Seiltrommeln
6 Trommellager
4 7 Hubgetriebe
8 Doppelbackenbremsen
9
9 9 Hubmotore
1 O Katzlaufrăder
11 Fahrmotore
11 12 Fahrschiene
7
13 Krantrăger
12 12
(Mannesmann Dematik)
13 10

70 4 6 8

1249
Fărdertechnik

Bild Vl.6 zeigt die Traglastbereiche Einscherung


abhiingig von der FEM-Gruppe, die
a) von Elektroseilziigen E-Zyg 211
1 f
411
FEH-Gruppe

b) von Elektroseilzugdoppelhub- Windwerk 412 812 Ib Ia II III IV V


werken 2 4
c) von Windwerken 3,2 6,3
4 8
iiberstrichen werden. 5 10
6 12,5
Im Oberschneidungsbereich sind bei
normalen Einsatzfallen meist Elek-
Trag- 8
făhig- 10
16
20 1--
-
troseilziige wirtschaftlicher. Es kon- keif 12,5 25 r---
- - r-- 1--t--
mt 16

r
nen aher auch hier besondere Einsatz- 32
20 40
bedingungen, wie Mehrseilgreifer- 25 50
betrieb, den Einsatz eines Wind- 32 63 r---
werkes erzwingen. Die Baugruppen 40
50
80
100
-
eines Windwerks sind: 125 ab 12r ode,1612 rschrng
160-
Hubmotor. Als Hubmotor des Wind- 200
werkes wird bevorzugt ein Dreh- Elektrozug-Bereich
strom-Schleifringliiufermotor ver- E-Zug-Doppelhubwerk-Bereich
wendet. Bei Antriebsleistungen liber Windwerk-Bereich
20 kW ist deren Einsatz aus Griinden
der Netzbelastung (niedrigere An- Bild Vl.6. Traglastbereiche fiir Elektroseilziige in den
laufstrome) unvermeidlich. Der Vor- einzelnen FEM-Gruppen und fiir Windwerke
teil des Windwerkes liegt aher auch (Mannesmann Dematik)
darin, daf1 alle anderen Bauarten von
Elektromotoren eingesetzt werden
konnen, z.B. Gleichstrommotoren.

Hubgetriebe. In der Regel sind alle Getriebestufen im gemeinsamen Gehiiuse im Olbad zusarnmen-
gefa11t. Das Hubgetriebe ist i.iber eine Kupplung mit Bremse und Motor verbunden. Es liillt einen
weiten Spielraum bei der Auswahl der gewiinschten Hubgeschwindigkeiten durch verschiedene
Obersetzungsverhiiltnisse der Getriebestufen und manchmal auch durch fernbetiitigte Urnschalt-
stufen zu.
Hubwerksbremse. Die Hubwerksbremse ist meist eine Doppelbackenbremse mit elektromechani-
schem oder elektrohydraulischem Bremsliiftgeriit (vgl. V.l.l).
Bei einigen speziellen Bedarfsfallen wird aus Sicherheitsgriinden die Forderung nach Einbau einer
zweiten Bremse erhoben, z.B. beim Heben feuerfliissiger Massen. Diese Bremsen miissen unabhangig
voneinander wirken und die Last aus der Aufwiirtsbewegung stof.\frei abfangen konnen.
Seiltrieb. Dieser besteht aus Trommel und Trommellagerung, Rollen (Unter- und Oberflaschen)
und Drahtseil mit verschiedenen Einscherungen.
Die Seiltrommel kann dem speziellen Einsatzfall hinsichtlich besonders gro~er Hakenwege, mehr-
rilliger Ausftihrung flir das Anhăngen von Traversen oder auch Mehrseilgreifern und iihnlichen
Lastaufnahmemitteln angepaf1t werden.

Literatur
Martin Scheffler. Grundlagen der Fordertechnik,- Elemente und Triebwerke -. Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesell-
schaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden, 1994. ISBN 3-528-06558-3.
Martin Scheffler, Klaus Feyrer, Karl Matthias. Fordermaschinen,- Hebezeuge, Aufzlige, FlurfOrderzeuge. Friedr.
Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden, 1998. ISBN 3-528-06626-1.

1250
Maschinenelemente
Alfred Băge/Wolfgang Băge

1. Normzahlen, Toleranzen, Passungen


Normen (Auswahl)
DIN 323 Normzahlen, Hauptwerte, Genauwerte, Rundwerte
DIN 3141 Oberflăchenzeichen in Zeichnungen, Zuordnung der Rauhtiefen
DIN 3142 Kennzeichnung von Oberflăchen in Zeichnungen durch Rauhheitsmall.e
DIN 4760 Begriffe flir die Gestalt von Oberflăchen
DIN 4761 Begriffe, Benennungen und Kurzzeichen flir den Oberflăchencharakter
DIN 4766 Herstellverfahren und Rauhheit von Oberflăchen, Richtlinien ftir Konstruktion
und Fertigung
DIN 5425 Toleranzen ftir den Einbau von Wălzlagern
DIN 7150 ISO-Toleranzen und ISO-Passungen
DIN 7151 ISO -Grundtoleranzen
DIN 7154 ISO-Passungen ftir Einheitsbohrung
DIN 7155 ISO-Passungen ftir Einheitswelle
DIN 7157 Passungsauswahl, Toleranzfelder, AbmaBe, PaBtoleranzen
DIN 7182 Toleranzen und Passungen, Grundbegriffe
DIN 7184 Form- und Lagetoleranzen; Begriffe, Zeichnungseintragungen
DIN 58700 Toleranzfeldauswahl ftir die Feinwerktechnik

1. Nomtzahlen
Vor allem wegen der Kosten ist es sinnvoll, sich beim Festlegen von Ma:Ben aller Art aufVorzugs-
zahlen zu beschrănken (BaugroBen, Drehzahlen, Drehmomente, Leistungen, Drucke usw.). Man
verwendet dazu eine geometrisch gestufte Zahlenfolge (siehe Abschnitt Mathematik).
Bild l.l zeigt, daB bei der geometrischen Stufung die Werte im unteren Bereich fein, im oberen
grob gestuft sind. Das ist nicht nur technisch sinnvoll.
Bei den Normzahlen (DIN 323) sind die Dezimalbereiche nach vier Grundreihen geometrisch
gestuft. Der Stufensprung q ist das konstante Verhăltnis einer Normzahl zur vorhergehenc!en.
Der Buchstabe R weist auf Renard hin, der die Norrnzahlen entwickelt hat.

Tafel 1.1. Stufensprung der vier Grundreihen

Rechen-
Reihe Stufensprung wert
Genauwert Mantisse

R5 qs = 00 1,58 1,5849 ... 200


R10 4'10= !Via
10 1,26 1,2589 ... 100
arithmetische Stufung geometrische Stufung R20 q20 =
2z;-10 1,12 1,1220 ... 050
Bild 1.1. Schematische Darstellung von
arithmetischer und geometrischer Stufung
R40 q4o = 4 Z/W 1,06 1,0593 ... 025

1251
Maschinenelemente

Tafel 1.2. Normzahlen

Reihe R5 1,00 1,60 2,50 4,00 6,30 10,00


Reihe R10 1,00 1,25 1,60 2,00 2,50 3,15 4,00 5,00 6,30 8,00 10,00
Reihe R20 1,00 1,12 1,25 1,40 1,60 1,80 2,00 2,24 2,50 2,80 3,15 3,55
4,00 4,50 5,00 5,60 6,30 7,10 8,00 9,00 10,00
Reihe R40 1,00 1,06 1,12 1,18 1,25 1,32 1,40 1,50 1,60 1,70 1,80 1,90
2,00 2,12 2,24 2,36 2,50 2,65 2,80 3,00 3,15 3,35 3,55 3,75
4,00 4,25 4,50 4,15 5,00 5,30 5,60 6,00 6,30 6,70 7,10 1,50
8,00 8,50 9,00 9,50 10,00

Die Zahlen sind gerundete Werte. Die Wurzelexponenten 5, 10, 20, 40 geben die Anzahl der Glieder
im Dezimalbereich an, z.B. hat die Reihe R5 (Wurzelexponent 5) flinf Glieder: 1 1,6 2,5 4,0 6,3.
Flir Dezimalbereiche unter 1 und liber 1O wird das Komrna jeweils urn eine oder mehrere Stellen
nach links oder rechts verschoben, z.B. ftir die Reihe R5: 0,01 0,016 0,025 0,04 0,063 0,1
oder 10 16 25 40 63 100.

2. ISO- Passungen

2.1. Grundbegriffe

Bezeichnungen: -o
NNennmaB, G0 HochstmaB, Gu MindestmaB,
1 IstmaB, A 0 oberes GrenzabmaB, Au unteres
GrenzabmaB, T MaBtoleranz, P5 Spiel, P0 ObermaB,
Spielpassung,allgemein
P0 Hochstpassung, Pu Mindestpassung. z.B E9/f7
Bild 1.2. Darstellung der wichtigsten
Passungsgrundbegriffe

Berechnungen oberes GrenzabmaB HochstmaB NennmaB


Ao Go N
unteres GrenzabmaB MindestmaB NennmaB
Au Gu N
Hochstpassung HochstmaB Bohrung MindestmaB Welle
Po Gol GuA
Po A oi AuA
Mindestpassung MindestmaB Bohrung - HochstmaB Welle
Pu Gul GoA
Pu = Aui AoA
Spiel P8 (positive Passung) liegt vor, wenn die Differenz der MaBe von Innen- und
AuBenpaBflăche positiv ist (siehe Beispiel1).
DbermaB P0 (negative Passung) liegt vor, wenn die Differenz der Ma& von Innen-
und AuBenpaBflăche negativist (siehe Beispiel1 b ).

1252
1. Normzahlen, Toleranzen, Passungen
2.2. Toleranzsystem
2.2.1. Toleranzeinheit. Ein genaues Einhalten des NennmaEes ist aus Herstellungsgrtinden nicht
moglich und meistens auch nicht erforderlich. Die To1eranzgroEe (Qualităt) ist abhăngig von der
Abmessung des Werksttickes und dem Verwendungszweck und ist ein Vielfaches der Toleranz-
einheit i:
i = 0,45 Vi5 + 0,001 D ~ (1.1)
D=yD1·D2 ţ.tm 1 mm
D geometrisches Mittel des NennmaBbereiches nach Tafel 1.3.
Nach DIN 7151 sind 20 ISO-Qualităten vorgesehen: IT 01 (k1einste Toleranz = gr6Bte Genauigkeit)
bis IT 18 (gr6Bte Toleranz = kleinste Genauigkeit ), IT = ISO-Toleranz.
Jeder Qualităt entspricht eine bestimmte Anzahl Toleranzeinheiten, deren Zunahme ab IT 5 nach
der geometrischen Reihe R5 mit dem Stufungsfaktor q 5 ""' l ,6 erfolgt (Tafel 1.3).
Beispiel: NennmaEbereich 50 mm bis 80 mm

D =yD 1 • D 2 =y(50 · 80)mm = 63,245 ... mm


i = 0,45 · Vi5 + 0,001 · D = (0,45 · t'63,245 ... + 0,001· 63,245 ... ) J-!m
i = 1,856 ... ţ.tm

Grundtoleranz T flir IT 10: T = 64 · i = 64 · 1,856 ... ţ.tm = 118,793 ... ţ.tm


T "'=' 120 ţ.tm (siehe Tafel1.3)

Tafell.3. Grundtoleranzen der NennmaBbereiche in J-!ID

NennmaBbereich in mm Tale-
ISO iiber iiber iiber iiber iiber iiber iiber iiber iiber iiber iiber iiber ran-
Qua- Tole- 1 3 6 10 19 30 50 80 120 180 250 315 400 zen
litat ranz bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis in i
3 6 10 18 30 50 80 120 180 250 315 400 500
01 IT 01 0,3 0,4 0,4 0,5 0,6 0,6 0,8 1 1,2 2 2,5 3 4
o ITO 0,5 0,6 0,6 0,8 1 1 1,2 1,5 2 3 4 5 6
1 ITI 0,8 1 1 1,2 1,5 1,5 2 2,5 3,5 4,5 6 7 8 -
2 IT 2 1,2 1,5 1,5 2 2,5 2,5 3 4 5 7 8 9 10 -
3 IT 3 2 0,5 2,5 3 4 4 5 6 8 10 12 13 15 -
4 IT4 3 4 4 5 6 7 8 10 12 14 16 18 20 -
5 IT 5 4 5 6 8 9 11 13 15 18 20 23 25 27 "' 7
6 IT6 6 8 9 11 13 16 19 22 25 29 32 36 40 10
7 IT 7 10 12 15 18 21 25 30 35 40 46 52 57 63 16
8 IT 8 14 18 22 27 33 39 46 54 63 72 81 89 97 25
9 IT 9 25 30 36 43 52 62 74 87 100 115 130 140 155 40
10 IT 10 40 48 58 70 84 100 120 140 160 185 210 230 250 64
11 ITll 60 75 90 110 130 160 190 220 250 290 320 360 400 100
12 IT 12 90 120 150 180 210 250 300 350 400 460 520 570 630 160
13 IT 13 140 180 220 270 330 390 460 540 630 720 810 890 970 250
14 IT 14 250 300 360 430 520 620 740 870 1000 1150 1300 1400 1550 400
15 IT 15 400 480 580 700 840 1000 1200 1400 1600 1850 2100 2300 2500 640
16 IT 16 600 750 900 1100 1300 1600 1900 2200 2500 2900 3200 3600 4000 1000
17 IT 17 - - 1500 1800 2100 2500 3000 3500 4000 4600 5200 5700 6300 1600
18 IT 18 - - - 2700 3300 3900 4600 5400 6300 7200 8100 8900 9700 2500

1253
Maschinenelemente
2.2.2. Lage der P~toleranzfelder. Die Pa~toleranzfeldlage wird durch Buchstaben gekennzeichnet:
Gro~e Buchstaben flir lnnenma~e, kleine Buchstaben fi.ir Au~enmaBe.

Fi.ir Bohrungen: A B C D E F G H 1 J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z ZA ZB ZC
Fi.ir Wellen: abcdefghijklmnopqrstuvwxyz za zb zc

Nach Bild 1.3 haben die A(a)-Felder bzw. Z(z}-Felder den groBten Abstand zur Nullinie, wobei flir
Bohrungen das A-Feld oberhalb, das Z-Feld unterhalb der Nullinie liegt. Die Toleranzfelder flir
Wellen liegen entsprechend umgekehrt.
Die Abstănde der PaBtoleranzfelder von der Nullinie sind nach DIN 7150 festgelegt. Eine Auswahl
nach DIN 7157 zeigt Tafell.4.

rr-- nN/n
z
~
o o Bild 1.3
z "'e:c: Lage der P~toleranzfelder
c: a) bei Bohrungen
~
a) b)
b) bei Wellen

2.3. Pa&ysteme Einheitsbohrung und Einheitswelle


2.3.1. Einheitsbohrung. Im Pa~system Einheitsbohrung (EB) ist das untere Abma~ aller Bohrun-
gen gleich Null (Aui = 0}.
Die verschiedenen Passungen ergeben sich durch die Wahl verschiedener Toleranzfeldlagen der
Wellen und der oberen Abma~e der Bohrungen (A 01 ).
Passungsbeispiele: H7 /s6, H8/f7, H8/e8.
Beachte: EB ist erkennbar am Buchstaben H; die untere Begrenzung des PaBtoleranzfeldes der
Bohrung deckt sich mit der Nullinie.

o o

Bild 1.4. P~toleranzfeldlagen im P~system Bild 1.5. P~toleranzfeldlagen im P~system


Einheitsbohrung Einheitswelle

2.3.2. Einheitswelle. Im Pa~system Einheitswelle (EW) ist das obere Abma~ aller Wellen gleich
Null (AoA = 0}.
Die verschiedenen Passungen ergeben sich durch die Wahl verschiedener Toleranzfeldlagen der
Bohrungen und der unteren AbmaBe der Wellen (AuA).
Passungsbeispiele: G7/h6, F8/h6, DIO/h9.
Beachte: EW ist erkennbar am Buchstaben h; die obere Begrenzung des Toleranzfeldes der Welle
deckt sich mit der Nullinie.

1254
1. Normzahlen, Toleranzen, Passungen
Bild 1.6
Toleranzfeldauswahl flir
Einheitsbohrung, dargestellt
flir das Nennmaf.\ 50 mm

3. Ma~toleranzen

Grundsătzlich lăll.t sich jedes Mall. mit einem Passungskurzzeichen versehen. Dies ist jedoch un-
zweckmăll.ig bei Mall.en, die keine groll.e Genauigkeit erfordern, in keiner Beziehung zu anderen
Teilen stehen oder sich mit Rachenlehren oder Grenzlehrdornen nicht messen lassen. In diesen
Făllen werden Mall.toleranzen vorgesehen. Hierbei werden zum Nennmall. die Grenzabmall.e in mm
hinzugefiigt. Beispiele zeigt Bild 1.7. Mall.e ohne Toleranzangabe unterliegen den Vorschriften nach
DIN 7168 liber Freimall.toleranzen.

so·o.2 SO.o.1 Bild 1.7


1· ·1 Eintragung von Grenzabm~en
so:g.t 50~0.1

so:&? so:S:Si
·1 ·1

Bild 1.8. Eintragung von ISO-Pa~toleranzfeldkurzzeichen

4. Eintragung von Toleranzen in Zeichnungen


Die Mall.eintragung in Zeichnungen ist in DIN 406 festgelegt:
1. Grenzabmall.e und ISO-Pall.toleranzfeldkurzzeichen sind hinter der Mall.zahl des Nennmall.es ein-
zutragen (Bilder 1.7 und 1.8).
2. Bei Grenzabmall.en steht das obere Grenzabmall. hăher, das untere Grenzabmall. tiefer als das
Nennmall..
3. ISO-Pall.toleranzfeldkurzzeichen flir Innenmall.e stehen liber denen flir Aull.enmall.e.
1255
Maschinenelemente

Tafel 1.4. Pa~toleranzfelder und Grenzabma~e (in J.Lffi) ftir das System Einheitsbohrung (H)

Nennma1\- ~)
bereich H7 H8 H9 Hll za6 za8 z6 z8 x6 x8 u8 s6 r6
mm 16
ilber 1 + 10 + 14 + 2S + 60 + 38 -
+ 32 + 40 + 26 + 34 + 24 + 20 + 16
-
bis 3 o o o o + 32 + 26 + 26 + 20 + 20 + 18 + 14 + 10
ilber 3 + 12 + 18 + 30 + 7S + so + 43 + S3 + 36 + 46 + 31 + 27 + 23
- -
bis 6 o o o o + 42 + 3S + 3S + 28 + 28 + 23 + 19 + IS
ilber 6 + IS + 22 + 36 + 90 + 61 + 74 + SI + 64 + 43 + S6 + 37 + 32 + 28
-
bis 10 o o o o + S2 + S2 + 42 + 42 + 34 + 34 + 28 + 23 + 19
ilber 10 + 7S + 91 + 61 + 77 + SI + 67
~+ 18 + 27 + 43 +IlO + 64 + 64 + so + so + 40 + 40 + 44 -
+ 39 + 34
ilber 14 o o o o + 88 + 104 + 71 + 87 + S6 + 72 + 33 + 28 + 23
bis 18 +77 + 77 + 60 + 60 + 4S + 4S
ilber 18 + 131 + 86 + 106 + 67 + 87 + S4 -
bis 24 + 21 + 33 + S2 + 130 + 98 + 73 + 73 + S4 + S4 + 41 + 48 + 41
-
~ o o o o +ISI + 101 + 121 + 77 + 97 + S4 + 81 + 3S + 28
bis 30 + 118 + 88 + 88 + 64 + 64 + 41 + 48
ilber 30 + 187 + 128 +ISI + 96 + 119 + 64 + 99
bis 40 + 2S + 39 + 62 + 160 + 148 + 112 + 112 + 80 + 80 + 48 + 60 + S9 + so
-
~ o o o o + 219 -
+ 175 + 113 + 136 + 70 + 109 + 43 + 34
bis SO + 180 + 136 + 97 + 97 + S4 + 70
ilber SO +272 + 218 + 141 + 168 + 8S + 133 + 72 + 60
+ 30 + 46 + 74 + 190 + 172 + 122 + 122 + 66 + 87 + S3 + 41
~ o o o o - ~
+ 320
-
+ 2S6 + 16S + 192 + 94 + 148 + 78 + 62
bis 80 + 274 +210 + 146 + 146 + 7S + 102 + S9 + 43
ilber 80 + 389 + 312 +200 + 232 + 113 + 178 + 93 + 73
+ 220 + 33S + 2S8 + 178 + 178 + 91 + 124 + 71 + SI
~ + 3So
iiber 100
+ S4
o
+ 87
o o - -
+ 364 + 232 + 264 + 126 + 198 + 101 + 76
bis 120 - + 310 +210 + 210 + 104 + 144 + 79 + S4
ilber 120 +428 +273 + 311 + 147 + 233 + 117 + 88
+ 365 + 248 + 248 + 122 + 170 + 92 + 63
~
iiber 140 + 40 + 63 + 100 + 2SO +478 +30S + 343 + IS9 + 2S3 + 12S + 90
o o o o - - -
+41S +280 + 280 + 134 + 190 + 100 + 6S
~
iiber 160 + 33S + 373 + 171 + 273 + 133 + 93
-
bis 180 +310 + 310 + 146 + 210 + 108 + 68
iiber 180 +379 +422 + 19S + 308 +ISI + 106
+350 + 3SO + 166 +236 + 122 + 77
~ + 46
iiber 200 +72 +liS + 290 +414 +4S7 + 330 + IS9 + 109
- - - -
bis 22S o o o o +38S + 38S --
+2S8 + 130 + 80
~ +4S4 +497 + 356 + 169 + 113
bis 2SO +42S +42S + 284 + 140 + 84
ilber 2SO + S07 +SS6 +396 + 190 + 126
+ S2 + 81 + 130 + 320 +47S +47S +31S + IS8 + 94
~
ilber 280 o o o o - - - - + SS7 +606
-
+431 + 202 + 130
bis31S + S2S +S2S + 3SO + 170 + 98
ilber 31S +626 + 679 + 479 +226 + 144
+ S7 + 89 + 140 +360 + S90 + S90 + 390 + 190 + 108
~
iiber 3SS o o o o - - -
+696
-
+ S24 +244 + ISO
-
bis400 +660 +43S +208 + 114

1) u 6 bei Nennma1\ bis 24 mm. t 6 dariiber

1256
1. Normzahlen, Toleranzen, Passungen

Tafell.4. (Fortsetzung)

Nennmai\-
p6 n6 k6 j6 h6 h8 h9 hll f7 e8 d9 a Il bll c Il bereich
mm
+ 12 + 10 + 6 + 4 o o o o - 6 - 14 - 20 - 270 - 140 - 60 iiber 1
+ 6 + 4 o - 2 - 6 - 14 - 25 - 60 - 16 - 28 - 45 - 330 - 200 - 120 bis 3
+ 20 + 16 + 9 + 6 o o o o - 10 - 20 - 30 - 270 - 140 - 70 iiber 3
+ 12 + 8 + 1 - 2 - 8 - 18 - 30 - 75 - 22 - 38 - 60 - 345 - 215 - 145 bis 6
+ 24 + 19 +10 + 7 o o o o - 13 - 25 -40 - 280 - 150 - 80 uber 6
+ 15 + 10 + 1 - 2 - 9 - 22 - 36 - 90 - 28 - 47 - 76 - 370 - 240 - 170 bis 10
iiber 10
+ 29 + 23 + 12 + 8 o o o o - 16 - 32 - 50 - 290 - 150 - 95 bis 14
+ 18 + 12 + 1 - 3 -Il - 27 - 43 -110 - 34 - 59 - 93 -400 - 260 - 205 iiber 14
bis 18
iiber 18
+ 35 + 28 + 15 + 9 o o o o - 20 - 40 - 65 - 300 - 160 - 110 bis 24
+ 22 + 15 + 2 - 4 - 13 - 33 - 52 -130 - 41 - 73 -117 - 430 - 290 - 240 iiber 24
bis 30
- 310 - 170 - 120 iiber 30
+ 42 + 33 + 18 + Il o o o o 25 50 - 80 - 470 - 330 - 280 bis 40
+ 26 + 17 + 2 - 5 - 16 - 39 - 62 -160 - 50 - 89 -142 320 180 130 iiber 40
- 480 - 340 - 290 bis 50
- 340 - 190 - 140 iiber 50
+ 51 + 39 + 21 + 12 o o o o - 30 - 60 -100 - 530 - 380 - 330 bis 65
+ 32 + 20 + 2 - 7 - 19 - 46 - 74 -190 - 60 -106 -174 360 200 150 iiber 65
- 550 - 390 - 340 bis 80
- 380 - 220 - 170 iiber 80
+ 59 + 45 + 25 + 13 o o o o - 36 - 72 -120 - 600 - 440- 390 bis 100
+ 37 + 23 + 3 - 9 - 22 - 54 - 87 -220 - 71 -126 -207 410 240 180 iiber 100
- 630 - 460 -400 bis 120
- 460 - 260 - 200 iiber 120
- 710 - 510 - 450 bis 140
+ 68 + 52 + 28 + 14 o o o o - 43 - 85 -145 520 280 210 iiber 140
+ 43 + 27 + 3 -Il - 25 - 63 -100 -250 - 83 -148 -245 - 770 - 530 - 460 bis 160
580 310 230 iiber 160
- 830 - 560 - 480 bis 180
- 660 - 340 - 240 iiber 180
- 950 - 630 - 530 bis200
+ 79 + 60 + 33 + 16 o o o o - 50 -100 -170 740 380 260 iiber 200
+ 50 + 31 + 4 - 13 - 29 -72 -115 -290 - 96 -172 -285 -1030 - 670 - 550 bis 225
820 420 280 iiber 225
-1110 - 710 - 570 bis 250
- 920 - 480 - 300 iiber 250
+ 88 + 66 + 36 + 16 o o o o - 56 -110 -190 -1240 - 800 - 620 bis280
+ 56 + 34 + 4 - 16 - 32 - 81 -130 -320 -108 -191 -320 1050 540 330 iiber 280
-1370 - 860 - 650 bis 315
-1200 - 600 - 360 iiber 315
+ 98 + 73 +40 + 18 o o o o - 62 -125 -210 -1560 - 900 ·- 720 bis 355
+ 62 + 37 + 4 - 18 - 36 - 89 -140 -360 -119 -214 -350 1350
-1710 -18~ -~ ii~er 3~~
bis400

1257
Maschinenelemente
Tafeli.S. Passungsauswahl, empfohlene PaBtoleranzen, Spiel-, Obergangs- und ObermaBtoleranz-
felder in IJ.ffi

~
H8/x8 H7 H7 H7 H7 H7 H7 H8 H 11 Hll G7 H7
- u8 s6 r6 n6 k6 j6 h6 h9 h9 hll h6 g6
m 1)
- 6 - 4 o + 6 + 12 + 16 + 39 + 85 + 120 + 18
tiber 1 bis 3 - 34 - 20 - 16 - 10
-
- 4 o o o o + 2
- 10 - 7 - 3 + 4 + 13 + 20 + 48 + 105 + 150 + 24
tiber 3 bis 6 - 46 - 27 - 23 - 16
-
- 7 o o o o + 4
- 12 - 8 - 4 + 5 + 14 + 17 + 24 + 58 + 126 + 180 + 29
tiber 6 bis 10 - 56 - 32 - 28 -19 - 10 - 7 o o o o + 5

iiber 10 bis 14
- 13
- 67 - 10 - 5 + 6 + 17 + 21 + 29 + 70 + 153 + 220 + 35
- 18 - 39 - 34 - 23 -12 - 8 o o o o + 6
tiber 14 bis 18 - 72

iiber 18 bis 24
- 21
- 87 - 14 - 7 + 6 + 19 + 25 + 34 + 85 + 182 + 260 + 41
- 15 - 48 - 41 - 28 -15 - 9 o o o o + 7
tiber 24 bis 30 - 81

iiber 30 bis 40
- 21
- 99 - 18 - 9 + 8 + 23 + 30 + 41 + 101 + 222 + 320 + 50
- 31 - 59 - 50 - 33 - 18 -11 o o o o + 9
tiber 40 bis 50 -109

iiber 50 bis 65
- 41 - 23 - 11
-133 - 72 - 60 + 10 + 28 + 37 + 49 + 120 + 264 + 380 + 59
iiber 65 bis 80
- 56 - 29 - 13 -39 -21 -12 o o o o + 10
-148 - 78 -- 62

tiber 80 bis 100


- 70 - 36 - 16
- 178 - 93 - 73 + 12 + 32 + 44 + 57 + 141 + 307 + 440 + 69
- 90 - 44 - 19 -45 -25 - 13 o o o o + 12
tiber 100 bis 120 -198 -JOI - 76

-107 - 52 - 23
tiber 120 bis 140 -233 -117 - 88
- 127 - 60 - 25 + 13 + 37 + 51 + 65 + 163 + 350 + 500 + 79
iiber 140 bis 160 -253 - 125 - 90 -52 -28 - 14 o o o o + 14

tiber 160 bis 180


-147 - 68 - 28
- 273 -133 - 93

iiber 180 bis 200


-164 - 76 - 31
-308 -151 -106
tiber 200 bis 225
-186 - 84 - 34 + 15 + 42 + 59 + 75 + 187 +405 + 580 + 90
-330 -159 -109 -60 -33 - 16 o o o o + 15

iiber 225 bis 250


-212 - 94 - 38
-356 -169 -113

tiber 250 bis 280


-234 - 106 - 42
-396 -190 -126 + 18 +48 + 68 + 84 + 211 +450 + 640 + 101
tiber 280 bis 315
-269 -118 - 46 -66 -36 - 16 o o o o + 17
-431 -202 -130

iiber 315 bis 355


-301 -133 - 51
-479 -226 -144 + 20 + 53 + 75 + 93 + 229 + 500 + 720 + 111
iiber 355 bis 400
-346 - 151 - 57 -73 -40 -18 o o o o + 18
-524 -244 -150

1) bis Nennm~ 24 mm: x 8; iiber 24 mm Nennm~: u 8


1258
1. Normzahlen, Toleranzen, Passungen
Tafel 1.5. (Fortsetzung)

H7 F8 H8 F8 H8 E9 H8 010 Hli 010 Cli Cli Hli Ali Hli


f7 h6 f7 h9 e8 h9 d9 h9 d9 hli h9 hli eli hll ali

+ 26 + 28 + 30 + 47 + 42 + 64 + 59 + 85 + 105 + 120 + 145 + 180 + 390


+ 6 + 6 + 6 + 6 + 14 + 14 + 20 + 20 + 20 + 20 + 60 + 60 + 270
+ 34 + 36 + 40 + 58 + 56 + 80 + 78 + 108 + 135 + 153 + 175 + 220 + 420
+ 10 + 10 + 10 + 10 + 20 + 20 + 30 + 30 + 30 + 30 + 70 + 70 + 270
+ 43 + 44 + 50 + 71 + 69 + 97 + 98 + 134 + 166 + 188 + 206 + 260 + 460
+ 13 + 13 + 13 + 13 + 25 + 25 + 40 + 40 + 40 + 40 + 80 + 80 + 280

+ 52 + 54 + 61 + 86 + 86 + li8 + 120 + 163 + 203 + 230 + 248 + 315 + 510


+ 16 + 16 + 16 + 16 + 32 + 32 + 50 + 50 + 50 + 50 + 95 + 95 + 290

+ 62 + 66 + 74 + 105 + 106 + 144 + 150 + 201 + 247 + 279 + 292 + 370 + 560
+ 20 + 20 + 20 + 20 + 40 + 40 + 65 + 65 + 65 + 65 + liO + liO + 300

+ 342 + 440 + 630


+ 75 + 80 + 89 + 126 + 128 + 174 + 181 + 242 + 302 + 340 + 120 + 120 + 310
+ 25 + 25 + 25 + 25 + 50 + 50 + 80 + 80 + 80 + 80 + 352 + 450 + 640
+ 130 + 130 + 320

+ 404 + 520 + 720


+ 90 + 95 + 106 + 150 + 152 + 208 + 220 + 294 + 364 +410 + 140 + 140 + 340
+ 30 + 30 + 30 + 30 + 60 + 60 + 100 + 100 + 100 + 100 + 414 + 530 + 740
+ 150 + 150 + 360

+ 477 + 610 + 820


+ 106 + li2 + 125 + 177 + 180 + 246 + 261 + 347 +427 +480 + 170 + 170 + 380
+ 36 + 36 + 36 + 36 + 72 + 72 + 120 + 120 + 120 + 120 + 487 + 620 + 850
+ 180 + 180 + 410

+ 550 + 700 + 960


+ 200 + 200 + 460
+ 123 + 131 + 146 + 206 + 2li + 285 + 308 +405 +495 + 555 + 560 + 710 + 1020
+ 43 + 43 + 43 + 43 + 85 + 85 + 145 + 145 + 145 + 145 + 210 + 210 + 520
+ 580 + 730 + 1080
+ 230 + 230 + 580

+ 645 + 820 + 1240


+ 240 + 240 + 660
+ 142 + 151 + 168 + 237 + 244 + 330 + 357 +470 + 575 + 645 + 665 + 840 + 1320
+ 50 + 50 + 50 + 50 + 100 + 100 + 170 + 170 + 170 + 170 + 260 + 260 + 740
+ 685 + 860 + 1400
+ 280 + 280 + 820

+ 750 + 940 + 1560


+ 160 + 169 + 189 + 267 + 272 + 370 +401 + 530 +640 + 720 + 300 + 300 + 920
+ 56 + 56 + 56 + 56 + liO + 110 + 190 + 190 + 190 + 190 + 780 + 970 + 1690
+ 330 + 330 + 1050

+ 860 + 1080 + 1920


+ 176 + 187 + 208 + 291 + 303 +405 +439 + 580 + 710 + 800 + 360 + 360 + 1200
+ 62 + 62 + 62 + 62 + 125 + 125 + 210 + 210 + 210 + 210 + 900 + li20 + 2070
+ 400 + 400 + 1350

1259
Maschinenelemente
5. Verwendungsbeispiele fiir Passungen

Passungs·
Kennzeichnung, Verwendungsbeispiele, sonstige Hinweise
bezeichnung

UbermaLţ und Obergangstoleranzfelder

H8/x8 Prej3sitz: Teile unter gro~em Druck mit Presse ader durch Erwărmen/Kiihlen fi.igbar;
H7/s6 Bronzekrănze auf Zahnradkorpern, Lagerbuchsen in Gehăusen, Radnaben, Hebel-
H7/r6 naben, Kupplungen auf Wellenenden; zusătzliche Sicherung gegen Verdrehen nicht
erforderlich.

H7/n6 Festsitz: Teile unter Druck mit Presse fligbar;


Radkrănze auf Radkorpern, Lagerbuchsen in Gehăusen und Radnaben, Laufrăder
auf Achsen, Anker auf Motorwellen, Kupplungen und Wellenenden; gegen Verdrehen
sichern.

H7/k6 Haftsitz: Teile leicht mit Handhammer fligbar;


Zahnrăder, Riemenscheiben, Kupplungen, Handrăder, Bremsscheiben auf Wellen;
gegen Verdrehen zusătzlich sichern.

H 7/j 6 Schiebesitz: Teile mit Holzhammer oder von Hand fligbar;


flir leicht ein- und auszubauende Zahnrăder, Riemenscheiben, Handrăder, Buchsen;
gegen Verdrehen zusătzlich sichern.

Spieltoleranzfelder

H7/h6 G/eitsitz: Teile von Hand noch verschiebbar;


H8/h9 flir gleitende Teile und Fiihrungen, Zentrierflansche, Wechselrăder, Reitstock-Pinole,
Stellringe, Distanzhillsen.

H 7/g6 Enger Laufsitz: Teile ohne merkliches Spiel verschiebbar;


G7/h6 Wechselrăder, verschiebbare Răder und Kupplungen.

H7/f7 Laufsitz: Teile mit merklichem Spiel beweglich;


Gleitlager allgemein, Hauptlager an Werkzeugmaschinen, Gleitbuchsen auf Wellen.

H 7/e8 Leichter Laufsitz: Teile mit reichlichem Spiel;


H 8/e8 mehrfach gelagerte Welle (Gleitlager), Gleitlager allgemein, Hauptlager flir Kurbel-
E 9/h9 wellen, Kolben in Zylindern, Pumpenlager, Hebellagerungen.

H 8/d9 Weiter Laufsitz: Teile mit sehr reichlichem Spiel;


F 8/h9 Transmissionslager, Lager flir Landmaschinen, Stopfbuchsenteile, Leerlaufscheiben.
D 10/h9
D 10/h 11

1260
III. Klebverbindungen

11. Festigkeit und zuUissige Spannung


Die Begriffe Festigkeit, Dauerfestigkeit, Gestaltfestigkeit und Kerbwirkung werden ausftihrlich im
Abschnitt Festigkeits1ehre behandelt, ebenso die Errnitt1ung der zulăssigen Spannung ftir ruhende
( statische) und schwingende ( dynamische) Be1astung ( siehe I.8 und 1.9 im Abschnitt Festigkeits1ehre).
Dort sind auch Festigkeitswerte fiir verschiedene Werkstoffe und Anhaltswerte ftir Kerbwirkungs-
zahlen zu finden.
Zusătzliche Informationen zum Thema Festigkeit und zulăssige Spannung bringt der Abschnitt
Werkstoffkunde - Priifung metal1ischer Werkstoffe -, zum Beispie1 liber Zugversuch, Spannungs-
Dehnungs-Diagramm, Werkstoffkennwerte, Kerbschlagversuch, Dauerschwingversuch und Dauer-
festigkeitsschaubild.

III. Klebverbindungen
Normen (Auswahl)
DIN 16920 Klebstoffe
DIN 53281 Tl Behand1ung der Klebflăchen
T2 Herstellung der Proben
T3 Kenndaten des Klebvorganges
DIN 53282 Tl Winkelschălversuch
DIN 53283 Tl Zugscherversuch
DIN 53284 Tl Zeitstandsversuch
DIN 53285 Tl Dauerschwingversuch
DIN 53286 Tl Temperaturabhăngigkeit
DIN 53287 Tl Bestăndigkeit gegeniiber Fliissigkeiten
DIN 53288 Tl Zugversuch
DIN 53289 T1 Rollenschălversuch
DIN 54452 Tl Druckschălversuch
DIN 54455 Tl Torsionsschălversuch

1. Allgemeines
Unter Kleben versteht man das Verbinden von Teilen aus g]eichen oder verschiedenartigen Werk-
stoffen mit nichtmetallischen Klebstoffen. Normalerweise entsteht eine Klebverbindung bei
Raumtemperatur ohne Druckeinwirkung. Die Verarbeitung einiger Klebstoffe setzt jedoch auch
hohere Driicke und Temperaturen bis ca. 150 °C voraus.
Die Festigkeit einer Klebverbindung wird durch die Haftung eines Klebstoffes an der Werkstiick·
oberflăche (Adhăsion) und seine Bindekrăfte zwischen den Klebstoffmolekillen (Kohăsion) be·
stimmt.
Durch Entwicklung von Klebern hoher Bindefestigkeit wird das Kleben als Verbindungselement
im zunehmenden Ma!l.e verwendet, insbesondere irn Leichtmetallbau, im Flugzeugbau fiir Trag-
flăchen, Rumpfblechversteifungen, Tiir· und Fensterrahmen, in der Elektrotechnik fiir magne-
tische Spannplatten, Transformatoren- und Statorbleche, Gerăte und Apparate, im Kraftfahrzeug-
bau fiir Reibbelăge bei Kupplungen und Bremsen, ferner in der Kunststoffindustrie, bei Spiel·,
Leder- und Verpackungswaren und im Bauwesen fiir Wand- und Fu!l.bodenp1atten.

1261
Maschinenelemente

Vorteile gegentiber anderen Verbindungselementen: Verbinden verschiedenartigster Werkstoffe;


keine Werkstoffbeeinflussung; keine Schwăchung der Bauteile durch Niet- oder Schraubenlocher.
Nachteile: Geringere spezifische Festigkeit gegentiber SchweiBen oder Nieten; geringe Schălfestig­
keit; Stumpfstt>Be kaum moglich; teilweise lăngere Aushărtungszeiten.

2. Klebstoffe
Klebstoffe werden hauptsăchlich auf Kunstharzbasis in der Form von Phenol- und Epoxyd-
harzen oder auf Kautschukbasis als Losungsmittelklebstoffe hergestellt. Nach DIN 16920 und der
VDI-Richtlinie 2229 teilt man sie nach der Art des Abbindens ein:
Physikalisch abbindende Klebstoffe sind Klebstoffe mit Losungsmitteln, die vor dem Fiigen oder
Erstarren der Klebstoffschmelze zum groBten Teil abltiften (verdunsten). Diese Klebstoffe sind zur
Verbindung von Metallen mit porosen Werkstoffen wie z.B. Kork, Holz, Leder oder auch durch-
lăssigen Kunststoffen geeignet. Zu den physikalisch abbindenden Klebstoffen gehoren Kontakt-
Schmelzklebstoffe sowie Plastisole.
Kontaktklebstoffe (Basis Kautschuk) werden beidseitig auf die zu klebenden Flăchen aufgetragen,
abgeltiftet und unter kurzem starken Druck gefiigt.
Schmelzklebstoffe werden auf ca. 150 °C erhitzt und in geschmolzenem Zustand vor dem Er-
starren des Klebstoffes gefiigt.
Plastisole (Basis Polyvinilchlorid) sind losungsmittelfrei und werden in teigigem Zustand aufge-
tragen. Sie binden bei Temperaturen zwischen 140 °C und 200 °C ab.
Chemisch abbindende Klebstoffe (Reaktionsklebstoffe) sind Klebstoffe auf Kunstharzbasis, die
nur durch geeignete Reaktionsstoffe (Katalysatoren) hohe Haftfestigkeit und innere Festigkeit
erreichen. Sie werden auch als Zwei-Komponenten-Klebstoffe (Bindemittel-Hărter) bezeichnet.
Abbindereaktionen werden durch den Hărter, erhohte Temperaturen, Luftfeuchtigkeit oder
Entzug von Sauerstoff (anaerob) herbeigeftihrt. Da bei chemisch abbindenden Klebstoffen oft
groBe Abbindezeiten (bis zu mehreren Tagen) einzuhalten sind, wird als dritte Komponente viel-
fach ein Beschleuniger zur Verktirzung der Abbindezeit zugegeben.
Es gibt kalt- und warmabbindende Klebstoffe. Kalthărtende Klebstoffe (Kalthărter) hărten bei
Raumtemperatur oder erhohten Temperaturen aus. Warmhărtende Klebstoffe (Warmhărter)
hărten nur bei erhohten Temperaturen aus. Tafel 111.1 zeigt eine Zusammenstellung einiger kalt-
und warmabbindender Klebstoffe.

3. Herstellung der Klebverbindung


3.1. Vorbehandlung
Nur wenn die zu verklebenden Flăchen sauber und fettfrei sind, kann eine Klebverbindung die
erforderliche Festigkeit und Bestăndigkeit erreichen.
Săubern von Schmutz, Farbresten, Oxidschichten usw. geschieht meist mechanisch durch Btirsten,
Schmirgeln oder Strahlen.
Entfetten von 01-, Fett- oder Wachsresten erfolgt durch organische Losungsmittel wie Perchlor-
ăthylen, Methylchlorid oder Aceton.
Beizen (Ătzen) vor allem von Metallklebeflăchen in verdtinnter Schwefelsăure und -bei Leicht-
metallen- nachfolgende anodische Oxidation.

1262
III. Klebverbindungen

Tafel 111.1. Auswahl von Kalt- und Warmklebern

Zugscher- tempera tur-


Kalthiirter Basis Aushărtung festigkeit bestăndig Anwendung
tKB in N/mm 2 bis

20°C ... 24h Stahl,


Agomet M Acrylharz 22 ... 32 80°C Leichtmetalle
50°C ... 1h
Hartkunststoffe
20°C ... 30h Metalle, Glas,
Araldit
Epoxydharz l20°C ... 1 h 22 ... 32 60°C Keramik,
AV138
150°C ... o,s h Duroplaste

23 oc Metalle,
Sicomet 85 Cyanacrylat 18 ... 26 l10°C nich tporose
5 s ... 5 min
Stoffe
20 oc
Bostik 788 Polyesterharz 15 ... 18 80°C Metalle
48h ... 170h

Zugscher- tempera tur-


Warmhiirter Basis Aushărtung festigkeit bestăndig Anwendung
tKB in N/mm 2 bis

Metalle,
110 oc ... 30 h Keramik. Glas,
Araldit ATl Epoxydharz 17 ... 32 150 oc
200 oc ... 0,5 h gehărte
Kunststoffe
Phenolharz/
145 oc ... 0,5 h Metalle,
Redux64 Polyvinyl- 30 ... 40 300°C
180 oc ... 0,1 h Bremsbelăge
formal

Metalle,
Scotch Keramik, Glas,
Nylon- 175 oc ... 1 h
Klebefilm 13 ... 30 12ooc glasfaserver-
Epoxydharz 230°C ... 30s
AF42 stărkter
Kunststoff

Der Umfang der erforderlichen Oberflăchenbehandlung richtet sich nach der Beanspruchung der
Klebverbindung:
Niedrige Beanspruchung fi.ir Zugscherfestigkeit bis 5 N/mm 2 • Kein Kontakt mit Wasser; Einsatz
in geschlossenen Răumen. Anwendungsgebiete: Modellbau, Mobelbau, Elektrotechnik/Elektronik.
Mittlere Beanspruchung fi.ir Zugscherfestigkeit bis 10 N/mm 2 . Kontakt mit OI und Treibstoffen
zulăssig. Anwendungsgebiete: Maschinen- und Fahrzeugbau.
Hohe Beanspruchung fi.ir Zugscherfestigkeit liber 10 N/mm 2 . Kontakt mit Losungsmitteln, Olen
und Treibstoffen zulăssig. Anwendungsgebiete: Schiffbau, Behălterbau, Flugzeugbau.
Vorschlăge fi.ir Oberflăchenbehandlungen verschiedener zu klebender Werkstoffe nach Tafel 111.2.

3.2. Klebvorgang
Beim Auftragen des Klebstoffes mi.issen Herstellerangaben genau eingehalten werden. Wichtig ist
ein gleichmă~ig dicker Auftrag mit Pinsel oder Zahnspachtel auf die Klebflăchen.

1263
Maschinenelemente

Tafel 111.2. Vorbehandlung von Klebflăchen

Behandlungsfolgen fiir
Werkstoff niedrige mittlere hohe
Beanspruchung Beanspruchung Beanspruchung

Reinigen, Schleifen, Reinigen, Strahlen,


Reinigen, Entfetten,
Stahl Entfetten, Spiilen, Entfetten, Spiilen,
Spiilen, Trocknen
Trocknen Trocknen

Reinigen, Entfetten, Reinigen, Entfetten, Reinigen, Entfetten,


Stahl, verzinkt
Spiilen, Trocknen Spiilen, Trocknen Spiilen, Trocknen
Reinigen, Schleifen, Reinigen, Strahlen,
Reinigen, Entfetten,
Titan Entfetten, Spiilen, Entfetten, Spiilen,
Spiilen, Trocknen
Trocknen Trocknen
GuBeisen GuBhaut entfemen Schleifen, Biirsten Strahlen
Reinigen, Beizen, Reinigen, Strahlen,
Aluminium- Reinigen, Entfetten,
Schleifen, Spiilen, Beizen, Spiilen,
legierung Spiilen, Trocknen
Trocknen Trocknen
Reinigen, Entfetten, Reinigen, Strahlen,
Reinigen, Entfetten,
Magnesium Schleifen, Spiilen, Entfetten, Beizen,
Spiilen, Trocknen
Trocknen Spiilen, Trocknen
Reinigen, Schleifen, Reinigen, Strahlen,
Kupfer- Reinigen, Entfetten,
Entfetten, Spiilen, Entfetten, Spiilen,
legierung Spiilen, Trocknen
Trocknen Trocknen

Bei LOsungsmittelklebstoffen ist der richtige Zeitpunkt des Ftigens unter Druck nach dem Ver-
dunsten des Lăsungsmittels und Abbinden des Klebstoffes entscheidend flir die Festigkeit der
Verbindung.
Bei Reaktionsklebstoffen wird nur eine der Klebflăchen durch Streichen, Spachteln, Aufstreuen
oder Auflegen von Klebefolien beschichtet. Danach kănnen die Teile sofort gefligt werden.

4. Berechnung
Eine Klebverbindung sollte nur auf Schub und/oder Druck beansprucht werden (Bild III.l).
Biege- und Zugbeanspruchungen sollten vermieden werden. LăBt sich eine Schălbeanspruchung
nicht vermeiden, kann durch zusătzliches Nieten, PunktschweiBen oder Falzen eine Abschwăchung
der Schălbeanspruchung erreicht werden.
Die wichtigste KenngrăBe zur Berechnung von Klebverbindungen ist die Bindefestigkeit TKB
(Zugscherfestigkeit). Sie wird an Priifkărpern (Bild III.2) mit einschnittiger O'berlappung in Ab-
hăngigkeit vom Klebstoff, der Klebschichtdicke und Oberflăchen- oder Temperatureinfltissen
errnittelt.

(111.1)
N
rnm2 N mm 2 mm

1264
III. Klebverbindungen

F lu=10

.---'+---11....__1_'-~,"1
F
Zugbeanspruchung
(ungiJnstigJ

Bild III.2. Priifkorper zur Ermittlung der Bindefestigkeit


F

;:==))
~------------~~
F

Schd.lbeanspruchung
(sehr ungiJnstigJ
K/ebef/d.che

F
F

Scherbeanspruchung
(giJnstigJ

Bild III.l.
Beanspruchungsarten von Klebverbindungen
Bild 111.3. Torsionsbeanspruchung der Klebschicht

Zugscherfestigkeiten einiger Klebstoffe nach Tafel Ill.l. Mit der Sicherheit v ergibt sich als zulăs­
sige Spannung

TKB
TKzul =--V- (III.2)
N N
mm 2 mm 2
v "'=' 4 ... 5 bei wechselnder Beanspruchung
v "'=' 3 bei schwellender Beanspruchung
v "'=' 2 bei ruhender Beanspruchung
Die maximale Scherkraft ergibt sich nach Bild 111.2 aus

TK zul b, lu
N (III.3)
N mm 2 mm
mm 2
Das maximale Torsionsmoment nach Bild Il1.3 aus

MTmax TKzul b, d
(III.4)
N
Nmm mm
mm 2

1265
Maschinenelemente
• Beispiel: Zwei mit Araldit AV 138 verklebte Stahlrohre (Bild III.4) tibertragen wechselnd ein Tor-
sionsmoment MT max = 32 Nm Im Betrieb tritt hăchstens eine Umgebungstemperatur von 25 °C
auf. Es soli nachgerechnet werden, ob die vorgesehene Oberlappungslănge b = 25 mm ausreicht.

Gegeben:
OberlappungsHinge b = 25 mm
Torsionsmoment MT = 32 Nm
Rohrdurchmesser d =30 mm
Bindefestigkeit 7'KB = 18 N/mm 2 (gewăhlt nach Tafel Ill.l)
Sicherheit bei wechselnder Beanspruchung v = 4 (gewăhlt)

LOsung: Zulăssige Spannung nach Gleichung (III.2)

_ 7'KB _ 18 N/mm 2 _ 4 5 N/ 2
7'K zul - v - 4 - , mm

b ::;;. MTmax 32 000 Nmm = 5 03 mm


""' 0,57Td 2 7'Kzul 0,5 · 1T • 302 mm 2 • 4,5 N/mm 2 '

Die Oberlappungslănge b = 25 mm kann also noch reduziert werden, wenn nicht andere Grtinde
dagegen sprechen.

b=25

Bild 111.4. Verdrehbeanspruchte, geklebte Rohrverbindung

5. Gestaltungshinweise
Eine klebgerechte Konstruktion soli te sich nach folgenden Gestaltungsregeln richten:
Stumpfstă~e kănnen wegen der zu kleinen Klebflăche nicht angewendet werden. Eine geschăftete
Verbindung ist măglich, aber teuer in der Herstellung.
Gentigend gro~e Klebflăchen erhălt man durch Oberlappungsverbindungen. Dabei sind gefalzte
oder doppelte Oberlappungen der einfachen oder abgesetzten Doppellaschenverbindung vorzu-
ziehen.
Bei Rohrverbindungen sollten die Rohre ineinandergesteckt oder mit Muffen versehen werden
(gră~ere Klebflăche ).

1 Bild 111.5

stumpfer Stofl (ungiinstig} schrager Stofl (Schdftung J besser


nur bei dicken Bauteilen

1266
IV. lotverbindungen

abgesetzte
Doppe//aschenverbindung doppelte Vberlappung
(ungunstig) (besser)

Bild III.6

einfache Uber/appung gefalzte Uber/appung (besser)

Vberlappsto!l mit Au!lenmuffe Uberlappsto!l mit aufgeweitetem


Rohr

EE3ftEJ
Vberlappsto!l mit Innenmuffe Vberlappsto!l mit eingezogenem
Bild III.?

Rohr

IV. Lotverbindungen
Dber Lotarten, Lotverfahren, Festigkeitseigenschaften und die Gestaltung von Lotverbindungen
wird ausflihrlich im Abschnitt Spanlose Fertigung- Verbindende Fertigungsverfahren- berichtet.
Weitere Angaben liber Late sind im Abschnitt Werkstoffk.unde zu finden.

1267
Maschinenelemente

V. SchweiBverbindungen

Normen (Auswahl)
DIN 1910 Schweillen; Begriffe, Einteilung der Schweillverfahren
DIN 1912 Tl Zeichnerische Darstellung, Schweitl.en, Loten; Begriffe und Benennung ftir
Schweitl.stotl.e, -fugen, -năhte
T2 Zeichnerische Darstellung, Schweitl.en, Loten; Schweillpositionen, Nahtneigungs-
winke1, Nahtdrehwinkel
T 3 Metallschweillen; Schmelzschweillen, Auftragsschweillen
T 5 Zeichnerische Darstellung Schweillen, Loten; Grundsătze flir Schweill- und
Lotverbindungen, Symbole
T6 Zeichnerische Darstellung; Schweitl.en, Loten, Grundsătze ftir die Bematl.ung
DIN -Taschenbuch, Band 8: Schweilltechnik 1 sowie Band 65: Schweilltechnik 2,
Beuth-Vertrieb GmbH, Berlin/Koln/Frankfurt

1. Schweillnahtarten
1.1. Stumpfnaht
Die Bauteile stotl.en stumpf gegeneinander. Stumpfnăhte sind bei gleicher Dicke den Kehlnăhten tiber-
legen, besonders bei dynamischer Belastung: Glatter Kraftflutl. und bessere Prtifungsmoglichkeiten
z.B. durch Ultraschall oder Rontgenstrahlen. Die Nahtform richtet sich nach der Dicke der Bauteile,
z.B. Bordelnaht (Bild V.la), und 1-Naht (Bild V.lb) ftir Blechdicken bis 4mm; V-Naht (Bilder V.1c
und V.1d) bei 5 ... 12 mm Dicke; X- und U-Naht (Bilder V.1e und V.lf) liber 12 mm Dicke.

Bild V.l. Schweillnahtarten und -formen; a) Bi:irdelnaht, b) I·Naht, c) und d) V-Nahte, e) X-Naht, f) U-Naht,
g) Vollkehlnaht (Wi:ilbnaht), h) Flachkehlnaht, i) Hohlkehlnaht, k) Ecknaht, 1) Oberlappungsnaht, m) Flanken-
kehlnaht, n) Stirnnaht

1.2. Kehlnaht
Anwendung bei T -formig gegeneinander stotl.enden Bauteilen. Hăufigste Nahtform ist die Flachkehl-
naht (Bild V.lh). Die Vollkehlnaht oder Wolbnaht (Bild V.lg) ist ungtinstig und zu vermeiden.
Festigkeitsmătl.ig am besten ist die Hohlkehlnaht (Bild V .li) durch gtinstigen Kraftflutl. und beson-
ders bei nachtrăglicher Bearbeitung.

1.3. Stirnnaht
Verwendung bei dtinneren, btindig aufeinanderliegenden Blechen (Bild V.1n).

1.4. Nahtdicke
Die Nahtdicke a ist bei durchgeschweillten Stumpfnăhten gleich der Dicke des dtinnsten ver-
schweitl.ten Bleches: a= smin (Bild V.ld).
Bei Kehlnăhten setzt man allgemein a"" 0,7 smin (Bilder V.lg, V.1h, V.l.i).
1268
V. SchweiBverbindungen

2. Schwe~verbindungen im Stahlbau
2.1. Allgemeine Richtlinien
M~gebende Richtlinien enthalten DIN 1050 (Stahl im Hochbau), DIN 4100 (Geschwe~te Stahl-
bauten) und DIN 4101 (Geschwei~te stăhleme Str~enbriicken).
Erlaubt sind nur zum Schmelzschwe~en geeignete Stăhle, besonders St37 und St52 als beruhigte
Stăhle, wie RSt37-2 und St52-3.

2.2. Berechnung der Schwe~verbindungen


2.2.1. Beanspruchung auf Zug, Druck oder Schub. Fiir zug-, druck- oder schubbeanspruchte Nlihte
(Bilder V.2a und V.2b) gilt ftir die vorhandene Spannung in der Naht
a, l,L
Uw } F F {Uwzul
(V.l)
Tw =Aw =~(al) ~ Twzul
N mm 2 mm

F Zug-, Druck- oder Schubkraft ftir die Naht; Aw =~(al) rechnerische, nutzbare Schwe~naht­
flăche; a Nahtdicke, siehe 1.4; l rechnerische, nutzbare Nahtlănge, die allgemein der Gesamtlănge
der Schwe~naht entspricht; bei Stumpfnlihten gilt: Nahtlănge L gleich Breite b der Bauteile, wenn
kraterfreie Ausflihrung der Nahtenden gewlihrleistet; bei Flankenkehlnlihten von Stabanschliissen
sind ftir die Einzellăngen einzuhalten: l ~ lOOa allgemein bei Anschliissen aller Art, l;?: 15a bei
alleinigen Flankennlihten, l;?: IOa bei zusătzlichen Stirnnăhten; zulăssige Schwe~nahtspannung
a(r)wzul nach Tafel V.l. Index w von englisch: to weld (schweifilen).

2.2.2. Beanspruchung auf Biegung. Bei vorwiegend biegebeanspruchten Schwe~verbindungen


(Bild V.2c) ergibt sich die Biegespannung in der Naht

(V.2)
Nmm mm 3

Mb Biegemoment flir die Naht; Ww rechnerisches, nutzbares Widerstandsmoment der Naht (gege-
benenfalls Endkrater beachten!), ftir dieumlaufende Naht (Bild V.2c) ist Ww = (b 1 • M- b 2 h~)/6 h 1•
Nahtdicke a wird in die Anschlul.\ebene geklappt; Uwzul nach Tafel V.l.

F
b

L S=Q

-~
F
1

a)
W«J +Endkrafer
As
b c)
~
Bild V.2. Berechnung der Schwe~năhte, a) zugbeanspruchte Stumpfnaht-Verbindung, b) schubbeanspruchte
Kehlnaht-Verbindung, c) biege-und schubbeanspruchte Kehlnaht-Verbindung

1269
Maschinenelemente

Tafel V.l. Zulăssige Spannungen in N/mm 2 flir Schwe~verbindungen im Stahlbau


(Auszug aus DIN 4100)

Stahlsorte
St 37 St52
Zelle Nahtart Nahtgiite Spannungsart
Lastfall Lastfall
H HZ H HZ
1 Stumpfnaht, K-Naht alle Nahtgiiten Druck u. Biegedruck 160 180 240 270
t - - - mit Doppelkehlnaht
(durchgeschwe~te Freiheit von Rissen,
Wurzel), Binde- und Wurzel-
2 K-Stegnaht mit 160 180 240 270
fehlern
Doppelkehlnaht, Zug und Biegezug
nachgewiesen
quer zur Naht-
t - - - HV-Naht mit Kehl-
naht (gegen- Nahtgiite nicht richtung
3 135 150 170 190
geschwe~te Kapplage) nachgewiesen

Druck und Biege-


HV-Stegnaht mit
druck, Zug und
4 Kehlnaht, 135 150 170 190
Biegezug,
Kehlnaht alle Nahtgiiten
Vergleichsspannung

5 alle Năhte Schub 135 150 170 190

Die Spannungen nach Zelle 2 sind nur dann zulassig, wenn der Nachweis der fehlerfreien Ausflihrung erbracht
ist, d.h. wenn die Nahte in ihrer Gesamtliinge durchstrahlt und ggf. ausgebessert sind.

2.2.3. Beanspruchung auf Biegung und Zug (Druck). Bei dieser zusammengesetzten Beanspruchung
darf die resultierende Spannung in der Naht die zulăssige nicht iiberschreiten:

Owmax = Owb + Uwz(d) :5 Uwzul (V.3)

2.2.4. Beanspruchung auf Biegung und Schub. Neben der Biegebeanspruchung tritt fast immer
eine zusătzliche Schubbeanspruchung auf, die jedoch hăufig vernachlăssigbar klein ist. Wird in der
AnschluBnaht des Konsolbleches (Bild V.2c) der Abstand l der Kraft F sehr klein, so werden Biege-
moment und damit Biegespannung relativ zur Schubspannung ebenfalls klein. Die Schubspannung
kann nicht mehr vernachlăssigt werden. Ftir so beanspruchte Năhte, z. B. bei Konsol- oder Trăger­
anschliissen, miissen ftir die vorhandene Vergleichsspannung awv und Schubspannung Tw folgende
Bedingungen erftillt sein:

1. Uwv =../a~ + T~ :5 Uwzul (V.4)

F F Uw,Tw F Aw a, l
2. Tw =Aw = "I;(al) :5 Twzul
N
(V.S)
N mm 2 mm
mm 2

awb vorhandene Biegespannung, T w Schubspannung in der Naht; zulăssige Spannungen awzul und
Twzul nach Tafel V.l.

1270
V. SchweiBverbindungen

3. SchweiBverbindungen im Maschinenbau
Die schweiBgerechte Konstruktion ist irn Maschinenbau in vie1en Făllen wichtiger a1s die Berechnung
der Verbindung, die dann meist als Nachpriifung konstruktiv gestalteter Năhte durchgeftihrt wird.

3 .1. Beanspruchung auf Zug, Druck, Schub, Biegung


Zug·, druck- und schubbeanspruchte Năhte werden nach G1eichung (V.l), biegebeanspruchte nach
G1eichung (V.2) berechnet. Wegen der zu1ăssigen Schweillnahtspannungen siehe 3.3.

3.2. Beanspruchung auf Biegung und Verdrehung

5't+
Bei zusammengesetzter Beanspruchung auf Biegung und
Torsion, wie bei der Naht des geschweiBten Wellenzapfens
(Bild V.3), muB die Vergleichsspannung sein:
d a
o
Uwv = Ja;b + 3(ao rwd ~ Uwzul (V.6)
Bild V.3. Geschweillter Wellenzapfen
bei Biege- und Torsionsbeanspruchung
awb =Mb/Ww vorhandene Biegespannung in der Naht,
ftir die Naht, Bild V.3: Mb = Fl, Ww ""(D 4 -d 4 )/10D.
T wt = T/Wwp vorhandene Torsionsspannung in der Naht (T=Torsionsmoment =M = Drehmoment);
ftir die Naht, Bild V.3: Wwp ""(D" -d")/5 D.
a 0 ist das Anstrengungsverhăltnis, siehe Festigkeits1ehre Abschnitt III.3.1.
Man setzt a 0 = a 0 /(1 ,7 r 0 ), mit a0 und r 0 nach 3.3.
Zu1ăssige (Biege-)Spannung flir die Naht nach G1eichung (V.7).

3.3. Zulăssige SchweiBnahtspannung


Bei der im Maschinenbau tiberwiegend auftretenden dynamischen Be1astung wird die zulăssige
Nahtspannung in Abhăngigkeit von der Dauerfestigkeit a0 und r 0 des geschweiBten Bauteiles an-
gesetzt. Alle die Festigkeit der Naht beeinflussenden GroBen, wie Nahtform, Beanspruchungsart,
Kerbwirkung und dergleichen werden durch den Minderungsbeiwert b 1 (Tafe1 V.2), a11e die Gtite
der SchweiBnaht betreffenden Voraussetzungen durch den Gi.itebeiwert b 2 beri.icksichtigt. Gi.ite-
k1asse 1: b 2 = 1 (hochste Anforderungen, Naht geprtift), Giitek1asse Il: b 2 = 0,8 (normale Anfor-
derungen, Naht nicht gepriift), Gtitek1asse III: b 2 = 0,5 (geringe Anforderungen). Die zu1ăssige
SchweiBnahtspannung wird damit:

(V.7)

a0 , r0 bedeutet die Dauerfestigkeit des Grundwerkstoffes; entsprechend der Beanspruchungs- und


Be1astungsart setzt man UzSch• abw• TtSch usw. aus den Dauerfestigkeitsschaubildem (Abschnitt
Festigkeits1ehre, Tafe1n 1. 7 bis 1.9). Je nach Hăufigkeit der Hochstlast wăhlt man ftir die Sicherheit v:
bei 100% v"" 2,5, bei 50% v"" 2, bei 25 % v"" 1,5.
Bei g1eichzeitigem Auftreten mehrerer Beanspruchungen wird der zur tiberwiegenden Beanspruchung
gehorende a0 (r 0 )- und b 1 -Wert gewăhlt.

1271
Maschinenelemente

Tafel V.2. Minderungsbeiwerte b 1 zur Ermittlung der zulăssigen Spannung flir Schweill.verbindungen
im Maschinenbau

a) bei vorwiegend dynamischer Belastung

Beiwert b 1 (dynamisch)
Schub
~ Zug
Nahtart Nahtform Nahtbild Biegung Ver-
"
N Druck
drehung
f22???24S$SSS J
1 1-Naht 0,45 0,55 0,4
~
2 ~ V- und HV-Naht 0,55 0,65 0,5
f'll?Z2mS\SS\i
..s
Il.
3 e X-Naht ~~~ 0,65 0,75 0,55
.s
CI)
W/~~
4 Y- und U-Naht 0,6 0,7 0,55
~m~

5 einseitige Flachkehlnaht ~am 0,35 0,2 0,35

6 einseitige Hohlkehlnaht ezvz~zm 0,4 0,2 0,4

7
~. zweiseitige (auch umlaufende Flachkehlnaht) ~-83 0,55 0,7 0,55
..5
8 .=
"
;:.(
zweiseitige (auch umlaufende Hohlkehlnaht)
~-83 0,65 0,8 0,65

9 HV- und K-Naht


rzL ~ 0,7 0,9 0,7

10 Ecknaht (ăuf>ere Kehlnaht)


mzzzzzz~ 0,35 0,2 0,35

11 zweiseitige Ecknaht
~ZZ2~ 0,55 0,7 0,55

Bei eingeebneten und allseitig bearbeiteten Naht- und Bauteiloberflăchen kann b 1 um"" 10% erhoht werden, eben-
sobei Stumpfnăhten (z.B. V- und U-Năhten) mit Kapplage.

b) bei vorwiegend statischer Belastung

Beiwert b 1 (statisch)
Schub
Nahtart, Nahtform Zug Druck Biegung
Verdrehung
alle 0,75 0,85 0,8 0,6

4. Gestaltung der Schwe~verbindungen


4.1. Allgmeine Richtlinien
Wichtig ist die schweiflgerechte Ausfiihrung einer Konstruktion: Nachahmungen genieteter oder
geschraubter Konstruktionen vermeiden; einfache Bauelemente {Flach- und Profilstăbe, Bleche
und dergleichen) verwenden; Stumpfnăhte gegeniiber Kehlnăhten bevorzugen (glatter Kraftfl~!);
Nahtanhăufungen vermeiden; dynamisch belastete Kehlnăhte als Hohlnăhte ausftihren; Nahtwurzeln
nicht in Zugzonen legen; Năhte gut zugănglich anordnen; geringe Nahtlăngen (Heftschweill.ung)
anstreben.

1272
V. SchweiBverbindungen

Tafel V.3. Darstellung der Nahtformen (Auszug aus DIN 1912) und Kennzahlen ftir SchweiB- und
Lotverfahren (DIN 4063)
Oarstellungsweise

bildlich sinnbild/ich bildlich sinnbildlich


Benennung Benennung
Ansicht/Schnitt Ansicht/Schnitt Ansicht/Schnitt Ansicht/Schnitt

~ Ejr 1Ejt~
Bdrdelnaht
_)\_ ))))))))))) Jlllllllllll

HV-Naht

1Ejr Bl tS~
V
JJJJJJJJJIJIJ

1-Naht

Bl ~~ 1~t
11 Y-Naht
y ))1))1)))))))

1~t 1~J-'-
HY-Naht
))))))))))))) r )JIIIJIJJIIJJ

EH 6t
V-Naht

1~t
V U-Naht
y )))))))))))))

Kehlnaht

b,.

Ooppel-
Dl GJl~
Punktnaht

o
Elf EJt
~l (iJJr
V-Naht

~ ~~
Kehlnaht mit
Gegenlage llllllllllll
~ a4
g
Doppel- Ooppel-

~
~t* ~r-
U-Naht V-Naht
11111111111111
lllllllllllllj X
X IX-Naht)

Kennzahl Verfahrcn Kennzahl Verfahren


1 Lichtbogenschmelzschweif>en 24 Abbrennstumpfschweiloen
11 Metallichtbogcnschwcif>en 25 Pref>stumpfschwei!Oen
111 LichtbogenhandschweiBen 3 Gasschmelzschwcif>en
12 Unterpulverschweif>en 311 Gasschweif>en mit Sauerstoff-Acetylcn-Flamme
13 Metall-Schutzgasschweif>en 4 Pref>schweif>en
131 Metall-Inertgasschweif>en 41 Ultraschallschweif>en
135 Metall-AktivgasschweiBen 42 Reibschweif~en
141 Wolfram-Inertgasschwei!Oen 751 LascrstrahlschweiBen
2 WiderstandsschweiBen 76 Elektronenstrahlschweiloen
21 WiderstandspunktschweiBen 91 Hartloten
22 RollennahtschweiBen 94 Wcichliiten
Maschinenelemente

4.2. Darstellung der Năhte


Ftir die Darstellung, Kennzeichnung und Bema~ung ist DIN 1912 ma~gebend . Năhte bildlich oder
durch Sinnbilder (Tafel V.3) darstellen. Ma~e direkt oder in Kurzform eintragen . Schwei~verfahren
durch Kennzahlen fur Schwei~verfahren nach DIN ISO 4063 angeben. Angabe der Gtiteklasse:
Gtiteklasse Il setzt sorgfaltige , fachgerechte Schwei~ung durch geprtifte Schwei~er voraus, Gtite·
klasse 1 zusătzlich den Nachweis fehlerfreier Ausftihrung (z .B. durch Rontgenprtifung).

4.3. Gestaltungsbeispiele (siehe Tafel V.4)

Tafel V.4. Gestaltungsbeispiele ftir Schweilikonstruktionen

Zelle 1 ungUnstig besser Hinweise

1
~c~
a)
rr rrrr
b) el dl e) fJ
Eckstofte: Bei a) ist die Nietverbindung
nachgeahmt. DUnne Bleche abkanten und
stumpf verschweii\en (0

~l ~L
2
Vorarbeiten (Abschrăgungen usw.) einsparen

al bl el dl

~ ~
,
3
Ausflihrung a) ist festigkeitsmai\ig ungilnstig,
rechte Naht ist schlecht zugănglich
al b)

1 1 l ~lt
al b) el d) el f) g)
Randversteifungen: Auch hierbci nicht die
Nietkonstruktion als Vorbild wăhlen

~ ~
5

,,
Nahtanhăufungen vermeiden ,
Rippen aussparen

~ tW~W~
6
Gabelkopfe: Ausflihrung a) ist falsch ,
die Nă hte sind kaum zugănglich

1ml-al cJ

L
d) el

~l
7 Hebel: Ausflihrung a) ist festigkeitsmai\ig
gut, aber teuer; b) ist schwei1\gerecht
ausgefiihrt, billig und einfach

m~ ~ mă
a) b)

~
8 Radkorper: Vorarbeiten (Abdrehen der
Naben bei a) und c) einsparen. Zentrierung
der Nabe bei b) ist schwierig, ferner ist die
al b) el d) e) Bohrung durch Fuge unterbrochen

1274
V. SchweiBverbindungen

• Beispiel: Ein gebrochener Wellenzapfen aus St 50 ist durch einen neuen geschweiliten Zapfen ersetzt
worden (Bild V.4). Gewahlt ist eine Hohlkehlnaht a= 6 mm, bearbeitet und spannungsfrei gegltiht.

m
Giiteklasse II. Lagerkraft F = 22000 N, zu iibertragendes DrehrnomentM = 1,1 ·106 Nmm (schwel-
lend). Hăufigkeit der Hochstbelastung 50%. Die Naht ist nachzupriifen.
M=T
o

:r~~-
~ - BildV.4
-

Bild V.5
Geschweill.ter Wellenzapfen Nahtflache

Losung: Die Schweilinaht wird durch die Lagerkraft F wechselnd auf Biegung und Schub, durch
das Drehrnoment M = Torsionsmoment T schwellend auf Torsion beansprucht. Schub kann erfah-
rungsgemăB vernachlăssigt werden. Es liegt also dynamische Belastung vor. Nachpriifung nach
Gleichung (V.6):
Owv = ..Ja~b + 3 (ao Twt) 2 ::; Owzul
Vorhandene Biegespannung awb = Mb/Ww; Mb = F l = 22 000 N · 30 mm = 660 · 103 Nmm. Fiir die
Kreisringflăche (Bild V.5) ist das axiale Widerstandsmoment

D 4 -d 4 72 4 mm4 - 60 4 mm4
Ww = lOD "'=' 19000mm3
10·72mm
660·10 3 Nmm ""' 35 ~
damit awb = 19000mm3 mm 2
Vorhandene Torsionsspannung Twt = T/Wwp; T =M = 1,1 ·10 6 Nmm (gegeben). Fiir die Kreisring-
ist das polare Widerstandsmoment
flăche

r., = D4 -d4 = 724 mm4- 604 mm4 = 38 ·103 3 ')


rvwp 5D 5·72mm mm (Wwp=2Ww·

damit 1 ,1 . 106 Nmm = 28 95 l'i._ ""' 29 l'i._


Twt = 38 ·10 3 mm 3 ' mm 2 mm 2
In der Gleichung ftir die Nahtspannung Owv steht das Anstrengungsverhăltnis a 0 . Nach 3.2 ist
a 0 = a 0 /(1,7 r 0 ). a0 entspricht hier der Biegewechselfestigkeit abw = 260N/mm 2 .nach Tafel 1.8
(Festigkeitslehre). r 0 entspricht der Torsionsschwellfestigkeit Ttsch = 210N/mm 2 . Damit wird

ao 260 _lL
mm2
ao = ----'=---,N- = 0,73
1,7 · r 0 1,7·rtSch 1,7 · 210 mml

uud es wird

""" = 1 (35 ,::,) +3 (o,73 · 29 !•)' = m':' 50,7


Die zulăssige SchweiBnahtspannung ist nach Gleichung (V.7) Owzul = a0 b 1 b 2 /v.
Mit Sicherheit v = 2, b 1 = 0,8 + 10% = 0,88, b 2 = 0,8 wird

260 __li_ · O 88 · O 8 N
nnn2 ' '
Owzul = 2 = 91,5 - - 2
mm
Damit ist Owv = 50,7 N/mm 2 < Owzul = 91,5 N/mm 2 , die Naht ist dauerbruchsicher. Es ist zu
priifen, ob mit Nahtdicke a = 5 mm die Bedingung Owv ::; Owzul erreicht werden kann.

1275
Masch inenelemente

VI. Nietverbindungen

1. Allgemeines
Nietverbindungen sind unlosbare Verbindungen von Bauteilen aus beliebigen Werkstoffen. Je nach
Verwendungsart unterscheidet man: feste Verbindungen(Stahlbau), feste und dichte Verbindungen
(Kesselbau) und dichte Verbindungen (Behălterbau). Au~er im Leichtmetallbau werden heute
Nietverbindungen hăufig durch Schweillverbindungen ersetzt.
Vorteile, besonders gegentiber dem Schweillen: Keine Werkstoffbeeinflussung; kein Verzug der
Bauteile; Verbindungen von Teilen aus verschiedenartigen Werkstoffen; leichte Herstellung auf
Baustellen; sichere Kontrollmoglichkeiten. Nachteile: Schwăchung der Bauteile durch Niet-
lOcher, dadurch gro~ere Querschnitte; keine StumpfstO~e sondem nur Dberlappungs- oder Laschen-
verbindungen; im allgemeinen hoherer Arbeitsaufwand.

2. Nietformen
Man unterscheidet die Niete nach ihrer Kopfform: Halbrundniete, Senkniete, Linsenniete usw.
(Tafel Vl.l). Sonderformen wie Sprengniete oder Blindniete werden dort verwendet, wo die Niet-
stelle schwer oder nur von einer Seite zugănglich ist.

Tafel VI.l. Die gebrăuchlichen Nietformen

Abmessungen
Bild Bezeichnung DIN Verwendungsbeispiele
inmm

{~
Halbrundniet 123 d=10 ... 36 Kessel- und Gro~behălterbau
D""1,8d
124 d =10 ... 36 Stahlbau
D"" 1,6d

o~
660 d = 1 ... 9 Blechschlosserei,
D"" 1,75 d Leichtmetallbau

orJk
Senkniet 302 d = 10 ... 36 Stahlbau, Kesselbau,
D"" 1,Sd Behălterbau
661 d = 1 ... 9 Blechschlosserei,
D"" 1,1Sd Leichtmetallbau

ornk
Linsenniet 662 dl = 1,7 ... 8 fiir Leisten, Beschlage, Schilder,
D =2dl als Zierniet, im Leichtmetallbau

Flachrundniet 674 dl = 1... 8 ftir Beschlage, Feinbleche,


D"'2,2Sdl Leder, Plaste, Pappen

3. Nietwerkstoffe
Im Stahlbau werden Niete aus USt36-1 ftir Bauteile aus St37 und Niete aus RSt44-2 ftir Bauteile
aus St52 verwendet. Im Kesselbau sind je nach Blechwerkstoff die Nietstăhle USt36-1, RSt36-1
und RSt44-2 vorgesehen. Festigkeitseigenschaften und chemische Zusarnmensetzung der Nietstăhle
nach DIN 17110.
A~er Stahl kommen als Nietwerkstoffe noch Kupfer, Aluminium und deren Legierungen in Frage.

1276
VI. Nietverbindungen
4. Herstellen der Nietverbindungen
Niete im Stahl- und Kesselbau werden bei Hellrot- bis Wei.ll.glut geschlagen; dadurch fast voll-
kommene Lochausfâllung und hoher Reibungsschlu~ zwischen den Bauteilen nach Erkalten und
Schrumpfen der Niete. Stahlniete unter 8 ... 10 mm Durchrnesser und solche aus Nichteisenmetal-
len werden kalt geschlagen; dabei nur geringer Reibungsschlu~ erreichbar. Niete werden dann im
wesentlichen auf Abscheren und Lochleibungsdruck beansprucht (ungtinstig bei dynamischer
Belastung).
Die Rohniet-Schaftlănge l ist abhăngig von den Dicken s der vernieteten Bauteile, vom Nietdurch-
messer d und der Form des Schlie~kopfes (Bild VI.l):

(VI.l)
Oberstand lu ""=' 1,4 ... 1,6 d fiir Halbrundkopf; lu ""=' 0,6 ... 1 d ftir Senkkopf. Die hi:iheren Werte ftir
lu bei gri:i~eren Klemmlăngen ~s. Als endgiiltige Schaftlănge ist die năchstliegende Normlănge zu
wăhlen (Tafel VI.2).

1
~ ~


1
1
1

~
1

••
1
1
1
1
1

Bild VI.l. Rohnietlangen 1 r


a) b) c)

Bild VI.2. Uberlappungsvernietungen


a) eirneihig, b) zweireihig-parallel, c) zweireihig zick-zack

Kraftf/ufJ Lasche

. . 7~--r~
~ ~ d
Bild VI.3. Laschennietungen, a) einseitig, einreihig, b) einseitig, zweireihig, c) Doppellaschen, zweireihig

5. Verbindungsarten, Schnittigkeit
Man unterscheidet Uberlappungsnietungen (Bild VI.2), angewendet vorwiegend im Stahlbau, und
Laschennietungen (Bild VI.3) hauptsăchlich ftir Kessel- und Behălterbau. Fi.ir die Berechnung ist
die Anzahl der krafti.ibertragenden Nietreihen wichtig, worunter man die senkrecht zur Kraftrich-
tung stehenden versteht. Sie sind sicher mit Hilfe des "Kraftflusses" zu erkennen: Bild VI.3b ist
danach eine zweireihige (nicht vierreihige) Verbindung, d.h., die Kraft wird von zwei (nicht von
vier) Reihen i.ibertragen.
Ferner ist die Schnittigkeit zu beachten. Das ist die Anzahl der von einem Niet beanspruchten
Querschnitte. Die Nietverbindung in Bild Vl.2 ist damit einschnittig, die in Bild VI.3c ist zwei-
schnittig. Angenommen, jede Nietreihe habe flinf Niete, so tragen in der Verb ind ung (Bild VI.3 c)
zwei Reihen mit je ftinf zweischnittigen Nieten also 20 Nietquerschnitte.

1277
Maschinenelemente
6. Nietverbindungen im Stahlbau
6.1. Allgemeine Richtlinien
Fiir Berechnung und Konstruktion sind im Stahlhochbau die Richtlinien nach DIN 1050, flir den
Kranbau die nach DIN 15 018 und flir den Briickenbau nach DIN 1073 und 1079 maJ.l,gebend.
Fiir die Lastannahme sind die Lastfiil/e H und HZ vorgesehen: Lastfall H erfaJ.l,t die Summe aHer
Hauptlasten, das sind stăndige Last (Eigengewichtskraft), Verkehrslast, Schneelast, Lagerstoffe,
Massenkrăfte von Maschinen. Lastfall HZ erfaJ.l,t Haupt· und Zusatzlasten wie Windkrăfte, Wărme­
wirkungen und Bremskrăfteo
MaJ.l,gebend ist der Lastfall, der die gro~ten Stabquerschnitte ergibto Er ist durch Proberechnungen
zu ermitteln, wenn er nicht schon erfahrungsgem~ erkannt wird:

FH FHz FHz FH
Lastfall H, wenn - - > - - ; Lastfall HZ, wenn - - - > --
UHzul UHzzul aHzzul UHzul

Zeiger H und HZ kennzeichnen die dem betreffenden Lastfall zugeordneten Gro~en. Belastungs-
ănderungen, Sto~e und dergl. werden durch ErhOhung der ău~eren Lasten um Sto~zahlen (zwischen
1,1..0 2) und Schwingungsbeiwerte (zwischen 1,02 ... 1,64) berticksichtigt. Die zulăssigen Span-
nungen bleiben unverănderto

6.2. Berechnung der Niete


6.2.1. Nietdurchmesser. Bei Form- und Stabstăhlen, wie L-, U-, I-Stăhlen usw. ist der Niet-
durchmesser d nach DIN 997 zu wăhlen. Bei Blechen und Breitflachstăhlen rechnet man erfah-
rungsgem~: d ""'vfsOs -2 in mm, oder bei mittleren Dicken s""" 5ooo10mm: d ""'s+800010mm
(siehe auch Tafel VI.2)o

Tafel VI.2. Niete flir Stahl- und Kesselbau nach DIN 124 und DIN 123
Rohniet-
durchmesser d mm 10 12 (14) 16 (18) 20 22 24 27 30 (33) 36
Durchmesser des
geschlagenen Nietes,
Nietlochdurch-
messer d 1 mm 11 13 15 17 19 21 23 25 28 31 34 37
Nietquerschnitt
di 1T
A! =-4- mm 2 95 133 177 227 284 346 415 491 616 755 908 1080
Blechdicken s mm 4 000 6 > 6 000 8 > 8 00012 > 12 000 18 > 18
zugehOrige Sechs-
kantschrauben
nach DIN 7990 M10 M12 - M16 - M20 M22 M24 M27 M30 M33 M36

Gro~en in ( ) moglichst vermeiden


Stufung der Nietlănge /: 10 12 14 uswo bis 40, dann 42 45 48 50 uswo bis 80, dann 85 90 95 uswo bis 150 mm

1278
VI. Nietverbindungen

6.2.2. Nietzahl. Die Niete werden auf Abscheren und Lochleibungsdruck berechnet, da der
Reibungsschlu~ zwischen den Bauteilen nicht sicher ist. Unter der Annahme einer gleichrnăBigen
Kraftverteilung auf alle Niete mu~ flir die Nachpriifung einer Nietverbindung (Bild V1.4) die
vorhandene Scherspannung sein:
F F n,m
Ta = A - - - ~ Tazul (V1.2)
1 nm N
mm 2
und der vorhandene Lochleibungsdruck

a,= d-- ~ alzul


F a, n
(VI.3)
1 sn N
N mm
mm 2

F von der Nietverbindung aufzunehrnende Kraft; A 1 =di rr/4 Nietquerschnitt (siehe auch Tafel
V1.2); n Nietzahl; m Schnittigkeit; d 1 Durchrnesser des geschlagenen Nietes gleich Lochdurch·
messer (Tafel Vl.2); s Dicke des spezifisch am stărksten beanspruchten Bauteiles, bei einschnittigen
Verbindungen Dicke des schwăchsten Bauteiles.
Tazul• alzub zulăssige Scherspannung und zulăssiger Lochleibungsdruck nach DIN 1050 und
DIN 15 018 (siehe Abschnitt Festigkeitslehre, Tafel 11.15).

Anschtun-
ebene

4-+
.J.. Schwerachse
A

t-------
T ""'T 8 des Doppel-
sfabes
An
Bild VI.4
Fuffersfilck _
Mittig angeschlossene
Schwerachse 1 Zugstiibe

~t An Schwerachsen
F rzalm~ F
der Einzelsfăbe
2

Aus den Gleichungen (VI.2) und (V1.3) ergibt sich nach Umformen die erforderliche Nietzahl auf
Grund der zultissigen Scherspannung
F F 1"azul m
n = ---- (V1.4)
a AlTazulm mm2 N
N 1
mm 2

und die erforderliche Nietzahl auf Grund des zuliissigen Lochleibungsdruckes

(V1.5)
N
N mm
mm 2
Es ist die aus beiden Gleichungen sich ergebende gro~ere, stets aufzurundende Nietzahl zu wăhlen.
Je Stabanschlu~ sind sicherheitshalber mindestens zwei Niete vorzusehen. In Kraftrichtung hinter-
einander sollen nicht mehr als ftinfNiete gesetzt werden, weil sonst die Kraftverteilung zu ungleich-
măBigwird.

1279
Maschinenelemente

6.3 Berechnung genieteter Bauteile


6.3.1. Mittig angeschlossene Zugstăbe. Die Schwerachse des Stabes geht durch die AnschluBebene
hindurch oder falit nur wenig aus dieser heraus wie bei Flachstahlanschltissen oder Doppelstăben
(Bild VI.4). Seitliches Ausbiegen der Stăbe ist vemachlăssigbar klein oder wird durch Futterstticke
oder Laschen verhindert. Beanspruchung praktisch nur auf Zug.
Ftir den geschwăchten Querschnitt A- B mull. die vorhandene Zugspannung sein

F
Uz= A=:; Uzzul N
(VI.6)
n
mm 2

F Zugkraft; An =A - (d 1 s z) nutzbarer Stabquerschnitt, A ungeschwăchter Stabquerschnitt,


d 1 Lochdurchmesser, s Stabdicke, z Anzahl derden Querschnitt schwăchendenLi:icher; Uzzul zu-
lăssige Zugspannung, siehe Abschnitt Festigkeitslehre.
Ftir die Vorwahl des Stabes wird der erforderliche Querschnitt ermittelt aus A =F/(u Uzul);
u"" 0,8 Verschwăchungsverhăltnis zur Berticksichtigung der zunăchst nicht erfall.baren Schwăchung
des Querschnittes durch Nietli:icher.
6.3.2. Aull.ermittig angeschlossene Zugstăbe. Bei diesen fallt die Stab-Schwerachse erheblich aus
der Anschlull.ebene heraus wie bei einseitig angeschlossenen Profilstăhlen (Bild Vl.S). Durch
Moment Mb =Fe biegt der Stab seitlichaus. Neben Zugspannung
F
entsteht zusătzliche Biegespannung. Die maximale Zugspannung e
tritt in der Biegezugfaser auf, in der sich Zugspannung und Biege-
zugspannung addieren.
Es ist nachzuweisen, dall. die maximale resultierende Spannung F
1
F Fe 2 li,
Umax = az + ab = -An + -I- <- Uzul (Vl.7) 1
1
a e I Druck-
faser
11~
li Hl~X X
N
N mm 2 mm mm4 !i Schwerachse
mm 2
1r-- Zugfaser
e Schwerachsenabstand von der Zugfaser; 'li
I Flăchenmoment 2. Grades ftir die Biegeachse x -x. 1

Vorwahl des Stabes wie bei rnittig angeschlossenen jedoch


Stă ben,
i
F Bild VI.S
mit Verschwăchungsverhăltnis u ::::e 0,5 ... 0,6 (siehe Abschnitt
Festigkeitslehre II.4.l). AuJl.ermittig
angeschlossener
6.3.3. Druckstăbe. Berechnungnachdem w-Verfahren(siehe Ab- Zugstab
F
schnitt Festigkeitslehre II.3 .6).

6.4. Gestaltung der Nietverbindungen


Darstellung der Niete in Zeichnungen durch Sinnbilder nach DIN 407.
Bei Proftlstăhlen ist die Anordnung der Niete nach DIN 997 bis DIN 999 zu wăhlen oder auch der
Tafel Vl.3 zu entnehmen.
Bei Stabfachwerken sollen sich die Netzlinien (Systemlinien) mit den Schwerachsen der Stăbe
decken (Bild VI.7). Nur bei kleineren Fachwerken ki:innen die Netzlinien mit den Lochrill.linien
zusammenfallen, wodurch sich gtinstigere Knotenpunktgestaltungen ergeben.

1280
VI. Nietverbindungen
Tafel VI.3. Richtwerte flir Niet-(und Schrauben-)Abstănde im Stahlbau (Bild V1.6)
M~einmm

..; Randabstand Nietabstand a bei


""...~ ~ senk·
Kraftnieten Heftnieten (max. Abstand)
in der 1 recht
"e "e zur max.
...:::1<.l -5...:::1
..c: bei Blechen mit Dicke
Kraft· Ab· bei
-o -o richtung iiblich stand Stă ben > > > F
.i -5 4 ... 6 6 ... 8 8 ... 12 12 ... 18
z 3 el e2

10 11 25 20 35 80 130 120 - - -
12 13 30 20 45 100 150 120 - - -
16 17 35 25 55 135 200 120 150 200 -
20 21 45 35 65 165 250 - 150 200 250
22 23 50 35 70 180 270 - - 250 270
24 25 50 40 75 200 300 - - - 300
27 28 60 45 85 220 330 - - - 330
30 31 60 45 95 245 370 - - - -
36 37 75 55 115 300 440 - - - -

Bild VI.6. Anordnung der Niete

• Beispiel: Der Stab S 1 eines Hochbau-Fachwerkes hat eine Zugkraft F 1 = 104 000 N (Lastfall H)
aufzunehmen (Bild VI.7). Bauteile aus St52. Zu berechnen: a) erforderlicher ungleichschenkliger
Winkelstahl flir Stab S 1 ; b) Vernietung des Stabes mit dem 8 mm dicken Knotenblech.
L08ung: a) Der Stab wird auf Zug und wegen einseitigen Anschlusses zusătzlich auf Biegung
beansprucht; es handelt sich also um einen auBerrnittig angeschlossenen Zugstab.
Vorwahl des Stabes mit A R< Fd(uzzul v); Uzzul = 240 N/mm 2 fiir St52, Lastfall H; Verschwă­
chungsverhăltnis v = 0,5 geschătzt {Festigkeitslehre 11.4.1), darnitA R< 104 000 N/(240 N/mm 2 • 0,5)
A R< 870mm 2 • Hierfur wird zunăchst gewăhlt: L 100 X 50 X 6 mit A= 873 mm 2 {fehlende Gro-
Ben siehe Festigkeitslehre und "Arbeitshilfen ... " Band 1).
Der Winkel wird nun nach Gleichung (V1.7) auf Zug und Biegung nachgepriift.
F1 F 1 e2
Umax = Uz + ub = A + -~- ::::; Uzul
n

Nutzbarer Stabquerschnitt An =A -d 1 s; flir die Schenkelbreite 100mm- der breite Schenkel


wird zweckmăBig angeschlossen, um die Biegung klein zu halten- wird gewăhlt: Nietdurchmesser
d = 22 mm, Lochdurchmesser d 1 = 23 mm; mit s = 6 mm wird An = 873 mm 2 - 23 mm · 6 mm =
735 mm 2 • Randabstand e ~ ey = 10,4mm. Flăchenmoment I ~ly = 15,3 ·104 mm4 •
Damit wird
104 000 N 104 000 N · (10,4 mm) 2 N N
------~ + --------~~~~~ 141,5 -2 + 73,5 - 2
735 mm 2 15,3 · 104 mm4 mm mm
N N
- 2<
= 215 mm Uzul = 240 mm
- 2

Damit wird endgtiltig gewăhlt: L 100 X 50 X 6.

1281
Maschinenelemente

Bild VI.?. Knotenpunkt Bild VI.8. Lagerbleche


eines Traggeriistes flir eine Seilrolle

Bild VI.9.
Krăfte am Lagerblech

b) Nietdurchmesser bereits unter a) gewăhlt: d = 22 mm, d 1 = 23 mm. Erforderliche Nietzahl


auf Grund der zulăssigen Scherspannung nach Gleichung (VI.4):

F,
n =----
a A, Tazul m

Querschnitt des geschlagenen Nietes nach TafelVI.2: A 1 =415mm 2 ; Tazut=210N/mm 2 und


m = 1, da Verbindung einschnittig, daruit
104 000 N
na= N 1,19
415 mm 2 · 210-- · 1
mm 2
Erforderliche Nietzahl auf Grund des zu1ăssigen Lochleibungsdruckes nach Gleichung (VI.S):
F,
nl=---
d, S UJzul
Durchmesser des geschlagenen Nietes d 1 = 23 mm; Dicke des schwăchsten Bauteiles gleich Stab-
dicke s = 6 mm; UJzul = 420 N/mm 2 ; daruit

ni= 104000N = 18
N ,
23 mm·6mm·420--
mm2
gewăhlt werden 2 Niete mit d = 22 mm.

• Beispiel: Zur Vernietung der Lagerbleche einer Urnlenk-Seilrolle an der Săule eines Wanddreh-
kranes sind je vier Niete d = 16 mm vorgesehen (Bild VI.8). Hochste Seilzukraft Fx = Fy = 22000 N.
Bauteile aus St37.

1282
VI. Nietverbindungen
Losung: Die Nietverbindung ist exzentrisch belastet, d.h. die ăuBere Kraft geht nicht durch den
Schwerpunkt der Nietverbindung, die damit auf Biegung (Drehung) und Schub beansprucht wird.
An Stelle von Fx und Fy wird mit deren Resultierenden Fres• angreifend im Mittelpunkt A der
Rollenachse, gerechnet. Die Nietkrăfte mtissen F res das Gleichgewicht halten (Bild V1.9).
Fi.ir ein Lagerblech wird Fres =Fx 1 .J2 = 11 OOON ·..Ji""' 15 560N.
Der Schwerpunkt des Nietsystems liegt im Punkt D in Bild Vl.9. Dazu hat die Wirklinie der Resul-
tierenden F res den Wirkabstand 11 • Aus dem gleichschenkligen Dreieck DAB erkennt man

1 _ _ 1_ _ 340mm _ 240
1- .J2 - .J2 - mm.

Ebenso ergibt sich aus den gleichschenkligen Dreiecken am Punkt D


12 = 40mm ·..,fi = 56,6 mm.
Die NietkraftF 1 kann nun aus der Momentengleichgewichtsbedingung berechnet werden
~M(o) = O = 4F 1 12 - Fres 11
4F,I2 = Fresl,

F, =Fresl, = 15560N·240mm= 16495 N.


412 4 · 56,6 mm
Aus der Bedingung 'LF =O folgt, daB an jedem Niet noch die Kraft Fres/4 = 15 560 N/4 = 3890 N
entgegen Fres angreifen muB. Die groBte resultierende Nietkraft ergibt sich, wie aus Bild Vl.9
ersichtlich, flir den rechten oberen Niet
F
F = F 1 + 4res = 16495N+3890N= 20385N.

Mit A 1 = 227 mm 2 nach Tafel Vl.2 wird die vorhandene Abscherspannung flir den rechten oberen
Niet

= .!._ = 20 385 N = 89 8 JL
Ta A, 227mm 2 ' mm2 •

Fi.ir den angenommenen Lastfall H betrăgt die zulăssige Abscherspannung Tazui = 112 N/mm 2
(siehe Festigkeitslehre Tafel 11.16). Es ist also
N N
Ta= 89,8 - 2
mm
< Tazul = 112 - 2 •
mm
Mit d 1 = 17 mm und s = 7,5 mm Stegdicke flir den Profllstahl U 160 wird der vorhandene Loch-
leibungsdruck
F, 20385N N
a,=~= 17mm·7,5mm = 160 mm 2 "
Da der zulăssige Lochleibungsdruck a1 = 280 N/mm 2 betrăgt, ist auch hier
N N
a,= 160 -
mm
2 < a1zu1 = 280 - 2 •
mm

1283
Maschinenelemente

VII. Schraubenverbindungen

Normen (Auswahl) und Bezugsliteratur


DIN 13 Metrisches ISO-Gewinde DIN 103 Metrisches ISO- Trapezgewinde
DIN 74 Senkungen DIN 259 Whitworth-Rohrgewinde
DIN 78 Gewindeenden, Schraubeniiberstănde DIN 475 Schliisselweiten
[ 1] VDI- Richtlinie 2230; Systematische Berechnung hochbeanspruchter Schraubenverbindungen.
VDI-Verlag GmbH, Dtisseldorf
[2] Kilbler, K.-H.: Vereinfachtes Berechnen von Schraubenverbindungen. Mitteilung aus den
KAMAX-Werken, "Verbindungstechnik" (1978)
[3] Illgner, K.-H. und Blume, D.: Schraubenvademecum. Bauer & Schaurte Karcher GmbH,
NeuB 1980
[4] Galwelat, M. und Beitz, W.: Gestaltungsrichtlinien flir unterschiedliche Schraubenverbindun-
gen. Konstruktion 33 (1981) Heft, 6, S. 213-218

1. Allgemeines
Einteilung der Schrauben nach ihrem Verwendungszweck in Befestigungsschrauben flir lăsbare
Verbindungen von Bauteilen, Bewegungsschrauben zur Umwandlung von Drehbewegungen in Lăngs­
bewegungen, Dichtungsschrauben flir Ein- und Auslaufăffnungen, z.B. bei Olwannen, Einstell-
schrauben, Spannschrauben u.a.

2. Gewinde
Die Gewinde werden durch ihr Profil (Dreieck, Trapez), die Steigung, Gangzahl (ein- oder mehr-
găngig)und den Windungssinn (rechts- oder linkssteigend) bestimmt. Die gebrăuchlichsten Profll-
formen zeigt Bild VII.l.

2.1. Gewindearten
Metrisches ISO-Gewinde, DIN 13 Blatt 1; Gewindedurchmesser von 1 mm bis 68 mrn; Anwendun-
gen flir Befestigungsschrauben und Muttem aller Art; Abmessungen siehe Tafel Vll.7.
Metrisches/SO-Feingewinde, DIN 13, Blătter 2 bis 12; Gewindedurchmesservon 1 mrn bis 300 mm;
Anwendung als Befestigungsgewinde, als Dichtungsgewinde, flir MeB- und Einstellschrauben.

a) b) c) d) e) f)

Bild VII.l. Grundformen der gebrăuchlichsten Gewinde, a) metrisches Regelgewinde, b) metrisches Feingewinde,
c) Whitworth-Rohrgewinde, d) Trapezgewinde, e) Săgengewinde, f) Rundgewinde

1284
VII. Schraubenverbindungen

Metrisches JSO- Trapezgewinde, DIN 103; Gewindedurchmesser von 8 nun bis 300 nun; Anwendung
als Bewegungsgewinde bei Spindeln an Drehmaschinen, Schraubstocken, Ventilen, Pressen usw.;
Abmessungen siehe Tafe1 VII.8.
Whitworth-Rohrgewinde, DIN 259 und DIN 2999; Flankenwinkel55°; Anwendung nur als
Dichtungsgewinde bei Rohren und Rohrteilen; Bezeichnung nach Nennweite (Innendurchmesser)
des Rohres, auf das das Gewinde als AuBengewinde vorgesehen ist.
Rundgewinde, DIN 405; Anwendung als Bewegungsgewinde bei rauhem Betrieb, z.B. Kupplungs-
spindeln.
Metrisches Săgengewinde, DIN 513; Anwendung als Bewegungsgewinde bei hohen einseitigen
Belastungen, z.B. bei Hubspindeln.

2.2. Gewindeabmessungen
Aus der Abwicklung eines Gewindeganges (Bild VI1.2) ergibt sich der Steigungswinkel a , bezogen
auf den Flankendurchmesser d 2 aus dem rechtwinkligen Dreieck:
p 1
tana = - - (VII.l) ! ' ',
d2 1f
L ,.,:. - ~a
P Gewindesteigung, ftir die bei mehrgăngigem Gewinde

rl
p
P = z P zu setzen ist. Dann ist P die Gewindeteilung
(Abstand zweier Gănge im Lăngsschnitt), z Gangzahl l '.' 'tzc:l na 1
(siehe Tafel VI1.8). dz dz7r

Bild Vll.2. Entstehung der Schraubenlinie


3. Schrauben und Muttern

3.1. Schraubenarten
Unterscheidung hauptsăchlich durch die Form ihres Kopfes. Ausflihrliche Dbersicht siehe DIN-
Taschenbuch 10 des Deutschen NormenausschuB. Gebrăuchliche Schraubenarten siehe Bild VII.3
Hauptabmessungen von Sechskantschrauben siehe Tafel VII.12.
Sechskantschrauben, DIN 558, 601 , 931, 7990, sind die am hăufigsten verwendeten; Ausflihrung
mit metrischem Regelgewinde, teilweise auch mit metrischem Feingewinde. Innensechskant-
schrauben, DIN 912, 6912; platzsparend durch versenkten Kopf mit Innensechskant; geflilliges
Aussehen; Ausftihrung vielfach aus hochfesten Stăhlen. Halbrund-, Senk-, Zylinder- und Linsen-
schrauben mit Schlitz oder Kreuzschlitz werden vielseitig im Maschinen-, Fahrzeug-, Apparate-
und Gerătebau verwendet. Stiftschrauben, DIN 833 bis 836 und DIN 938 bis 940 dienen
vorwiegend zu Verschraubungen von Gehăuseteilen bei Getrieben, Turbinen, Motoren, usw.;

b}
1J1J
cJ dJ e} fJ

Bild VII.3. Schraubenarten, a) Sechskantschraube, b) Innensechskantschraube, c) Halbrundschraube,


d) Senkschraube, e) Zylinderschraube, f) Linsensenkholzschraube mit Kreuzschlitz, g) Gewindestift
mit Kegelkuppe, h) Stiftschraube (Einbauspiel)

1285
Maschinenelemente

Einschraubende b 1 richtet sich nach dem Werkstoff, in den dieses eingeschraubt ist: b 1 "'=' d bei St,
GS und Bz, b 1 "'=' 1,25 d bei GG, b 1 "'=' 2d bei Al-Legierungen, b 1 "'=' 2,5 d bei Weichmetallen.
Gewindestifte mit Zapfen, Ringschneide, Spitze oder Kegelkuppe werden zum Befestigen von
Naben, Buchsen, Radkrănzen und dergleichen verwendet.

3.2. Mutterarten
Einige gebrăuchliche Arten zeigt Bild VII.4. Am hăufigsten verwendet werden Sechskantmuttern
mit normaler Hohe (m "'=' 0,8 d), DIN 555 und 934; flache Sechskantmuttern(m "'=' 0,5 d), DIN 439
und 936, bei kleineren Schrauben und metrischem Feingewinde. Vierkantmuttern , DIN 557
und 562, werden vorwiegend mit Flachrundschrauben (SchloBschrauben) zum Verschrauben von
Holzteilen verwendet. Hutmuttern, DIN 917 und 1587, schiitzen das Schraubengewinde vor
Beschădigungen und verhiiten Verletzungen. Nut- und Kreuzlochmuttern, DIN 1804 und 1816,
mit Feingewinde dienen vielfach zum Befestigen von Wălzlagem auf Wellen. Schlitz- und Zweiloch-

m
muttern werden als Senkmuttem verwendet . Kronenmuttern, DIN 936, Sicherungsmuttern und
selbstsichernde Muttern dienen der Sicherung von Schraubenverbindungen, siehe auch 4.2.

101 l .. ~

a) b) c)
(W.n
d) e) f) g)

Bild VII.4. Muttern, a) Sechskantmutter, b) Vierkantmutter, c) Hutmutter (hohe Form), d) Nutmutter,


e) Kronenmuttern, f) Schlitzmutter, g) Zweilochmutter

3.3. Ausfiihrung und Werkstoffe


Fiir MaBgenauigkeit, Oberflăchenbeschaffenheit, Werkstoffeigenschaften und Priifung sind die
Bedingungen nach DIN 267 maBgebend.
Toleranzklassen: fein (f) flir groBe Genauigkeit bei geringem Spiel, mittel (m) flir normale Ver-
wendung, grob (g) flir rauhen Betrieb. Die Toleranzklasse m braucht bei Bestellungen nicht an-
gegeben zu werden .
Als Werkstoff kommen insbesondere Stahl, Messing und Al-Legierungen in Frage. Bezeichnungen
und Festigkeitseigenschaften der Schraubenstăhle siehe Tafel VII.l . Werkstoff.Kennzeichen z.B.
5.8 bedeutet: 5 Kennzahl der Mindestzugfestigkeit (500 N/mm 2 ); 8 Kennzahl fiir das Verhăltnis
(Re /Rm) · 10. Hochfeste Schrauben (und Muttern) ab 6.6 sind auf dem Schraubenkopf ent-
sprechend gekennzeichnet , einschlieB!ich Firmenzeichen .

Tafel VII.l. F estigkeitseigenschaften der Schraubenstăhle

Kennzeichen 4.6 4.8 5.6 5.8 6.6 6.8 6.9 8.8 10.9 12.9
Mindest-Zugfestigkeit Rm in N/mm 2 400 500 600 800 1000 1200
Mindest-S'treckgrenze Re
240 320 300 400 360 480 540 640 900 1080
oder Rp 0 ,2-Dehngrenze in N/mm 2
Bruchdehnung A 5 in % 25 14 20 10 16 8 12 12 9 8

1286
VII. Schraubenverbindungen

4. Schraubensicherungen
4.1. Kraft-(reib-)schliissige Sicherungen
Gebrăuchliche Sicherungen siehe Bilder VII.5a bis VII.Sf. Fedming, DIN 127 und 7980; Făcher­
scheibe, DIN 6798; Zahnscheibe, DIN 6797 und Federscheibe, DIN 137, erzeugen teils durch
ihre Federwirkung hohe Reibung im Gewinde und an der Auflageflăche, teils durch Eindri.icken in
die Oberflăchen noch zusătzlichen FormschluB. Zu beachten ist, daB damit wohl die Mutter, aber
nicht unbedingt die Schraube und damit die Verb ind ung ausreichend gesichert ist. Reine ReibschluB-
sicherungen sind die Gegenmutter, heute meist durch die wirksamere und platzsparende Sicherungs-
mutter , DIN 7967, ersetzt; ferner die selbstsichernde Mutter, DIN 985 und 986, mit einem sich in
das Schraubengewinde einpressenden Fiber- oder Kunststoffring und die geschlitzte Mutter, bei der
die an der Schlitzstelle, versetzten" Gewindegănge beim Aufschrauben sich federnd in das Schrau-
bengewinde pressen.

Bild VII.5. Schraubensicherungen . a) Federring, b) Făcherscheibe , c) Zahnscheibe, d) Federscheibe , e) Schnorr-


Sicherung, f) selbstsichernde Sechskantmutter. g) Sicherungsmutter, h) Spring-Stopp Sechskantmutter, i) TEN-
SILOCK Sicherungsschraube , k) Kronenmutter mit Splint, 1) Sicherungsbleche, m) Drahtsicherung , n) Kunststoff-
sicherungsring (Dubo-Sicherung)

4.2. Formschliissige Sicherungen


Als hăufigste Sicherung gegen Losen und Verlieren dient die Kronenmutter, DIN 935, 937 und
979, mit Splint (Bild VII.5k), bei der Schraube und Mutter gleichzeitig gesichert sind . Sicherungs-
bleche verschiedener Ausfi.ihrung (Bild VII.S/) sind als Muttersicherung nicht unbedingt ausreichend
flir die ganze Verbindung. Dicht zusammensitzende Schrauben konnen gegenseitig durch Draht-
biigel gesichert werden . Hochfeste Schraubenverbindungen ( ab Festigkeitsklasse 8.8) erhalten
keine Sicherungen.

5. Scheiben
Sie sollen nur dann verwendet werden, wenn die Oberflăche der verschraubten Teile weich oder
uneben ist oder auch zum Beispiel poliert ist und nicht beschădigt werden soli.
1287
Maschinenelemente

6. Berechnung von Befestigungsschrauben


6.1. Krăfte und Verfonnungen in vorgespannten Schraubenverbindungen bei axial wirkender
Betriebskraft FA (Verspannungsschaubild)
Bine Schraubenverbindung besteht aus der Schraube, der Mutter und den aufeinanderzupressenden
Teilen (Platten), zurn Beispiel zwei Flanschen. Diese Verbindung kann im Betrieb eine axial wir·
kende Betriebskraft FA oder eine Querkraft Fo oder beide gemeinsam aufzunehmen haben.
Beispiele: Die Schraubenverbindungen am Zylinkerkopf haben eine in Achsrichtung wirkende
Betriebskraft FA aufzunehmen, hervorgerufen durch den Gasdruck im Zylinder. Die Schrauben·
verbindung am Tellerrad des Ausgleichsgetriebes dagegen muB ein Drehmoment iibertragen, dessen
Krăftepaar quer zur Schraubenachse wirkt.
Das Krăftespiel mit den Formănderungen bei axial wirkender Betriebskraft FA macht man sich mit
dem Verspannungsschaubild klar (Bild Vl1.6). Es entsteht, wenn iiber den elastischen Formănde­
rungen (Verlăngerung und Verkiirzung) der Schraube und der verspannten Teile die axial wirkenden
Krăfte aufgetragen werden.

F ( Zugkraft) F ~ 1Druckkraft) F
A
~--~----------------

e;_
it
::>
~
~=>
i'ii"
c=t>

o f 1Verli:ingerung) f ( VerkiJrzung) O o f
a) b) ~
Bild VII.6. Verspannungsschaubilder a) der Schraube, b) der Platten (der verspannten Teile),
c) der Schraubenverbindung

Das Anziehen der Schraubenverbindung bewirkt eine Zugkraft F in der Schraube und eine gleich-
groBe Druckkraft in den Flanschen. Die Schraube verlăngert sich wie eine Zugfeder entsprechend
dem Hookeschen Gesetz (siehe Festigkeitslehre 1.5). Zugleich verkiirzen sich die Platten wie eine
Druckfeder. Beim Erreichen der Vorspannkraft F v nach dem Anziehen hat sich die Schraube um fs
verlăngert, die Platten haben sich um[p verkiirzt. Das zeigen die Verspannungsschaubilder VI1.6 a)
und b ). Die "Druckflăche" der Platten ist groBer als die ,,Zugflăche" in der Schraube, daher ist
stets [p <fs und {3p > f3s. Man kann auch sagen: Die "Zugfeder Schraube" ist weicher als die
"Druckfeder Platten". Es fordert das Verstăndnis flir die Formănderungsvorgănge, wenn man sich
die Schraube als Schraubenzugfeder, die Platten als Schraubendruckfeder vorstellt, die beide
parallelgeschaltet ineinander greifen {Federmodell der Verbindung, siehe auch IX.2.4). Das iibliche
Verspannungsschaubild einer Schraubenverbindung {Bild VI1.6c) entsteht durch Zusammenftigen
der beiden Schaubilder a) und b) flir Schraube und Platten. Die Winkel (38 und (3p sind die Nei-
gungswinkel der beiden Kennlinien (Federkennlinien, siehe Abschnitt IX.2).
Nach dem Anziehen der Schraubenverbindung wirkt die Vorspannkraft Fv als Zugkraft in der
Schraube, als Druckkraft in den verspannten Platten {Flanschen). Im Betrieb hat die Verbindung
die axiale Betriebskraft FA aufzunehmen, hervorgerufen beispielsweise durch den ansteigenden
Druck der Verbrennungsgase im Zylinder eines Verbrennungsmotors. Sie bewirkt folgendes
(Bild VII.7): Die Schraube wird zusătzlich zugbelastet und urn den Lăngenbetrag tlf verlăngert.

1288
VII. Schraubenverbindungen
Dabei steigt die Zugkraft in der Schraube von der Vorspannkraft Fy {Punkt A) liings der Schrau-
benkennlinie auf die Schraubenkraft Fs an {Punkt B). Wenn die Schraube urn .1fverliingert wird,
konnen sich die Platten um den gleichen Liingenbetrag wieder ausdehnen (Vorstellung: Feder-
modell). Dabei sinkt die Druckkraft in den Platten vom Betrag der Vorspannkraft Fv {Punkt A)
liings der Plattenkennlinie auf die theoretisch iibrig bleibenden Klemmkraft F K1 (Punkt C). Sinkt
nun die axiale Betriebskraft auf Null ab, dann stellt sich der urspriingliche Kraft-Verformungs-
zustand wieder ein (Punkt A).
Die Oberfliichenrauhigkeiten der zusammengepre~ten Flii- F
chen einer Schraubenverbindung (Gewindegiinge, Kopf- und
Mutterauflage, Trennfugen der Platten) verformen sich schon
beim Anziehen plastisch {bleibend). Dieses "Setzen" ver-
rnindert die elastische Liingeniinderung fs + fp um den
Setzbetrag f z, auch wenn es sich nur um wenige Jlill handelt.
Darnit verrnindert sich auch die tatsiichlich wirksame Vor-
spannkraft Fv um die Setzkraft F z (Bild VII. 7). lm Betrieb 'kr
steht dann auch nicht mehr die theoretische KlemmkraftFKl
f
zur Verfligung, sondem die Klemmkraft FK=FK1 -Fz,
fs
zum Beispiel als Dichtkraft.
f------ !~-=--
Vorspannkraft der Schraube FpA Axialkraftanteil der verspannten Teile
axiale Betriebskraft fs Verlăngerung der Schraube nach der Montage
Klemmkraft (Dichtkraft) {p Verkiirzung der verspannten Teile nach der Montage
theoretische Klemmkraft fSA•fPA entsprechende Formănderungen nach Aufbringen
Vorspannkraftverlust durch Setzen wiihrend der der Betriebskraft FA
Betriebszeit fz Setzbetrag (bleibende Verformung durch "Setzen")
Fs Schraubenkraft 11{ Liingenănderung nach dem Aufbringen von FA
FsA Axialkraftanteil (Betriebskraftanteil) der Schraube Ps. Pp Neigungswinkel der Kennlinie

Bild VII. 7. Verspannungsschaubild einer vorgespannten Schraubenverbindung nach dem Aufbringen der axialen
Betriebskraft FA

Im allgemeinen Betriebsfall wird die axiale Betriebskraft nach Bild VII.8 bis zu einem Maximal-
wert FAmax aufgebaut und fâllt dann auf den kleineren Wert FAmin ab und so fort tdynamisch
schwellende Belastung). Die Schraubenbelastung schwingt also mit der Ausschlagkraft F8 urn eine
gedachte Mittelkraft Fm.
FsAmax und FsAmin sind die Axialkraftanteile in der Schraube.

Bild VII.8. Ausschnitt aus dem


Verspannungsschaubild

1289
Maschinenelemente

6.2. Herleitung der Krăfte- und Formiinderungsgleichungen


Zur Herleitung der Gleichungen ftir die Berechnung einer Schraubenverbindung bei axial wirkender
Betriebskraft wird das Verspannungsschaubild VII.9 ausgewertet. Die Betriebskraft FA ist durch
die Betriebsbedingungen bekannt (z.B. liber den Oldruck in einem Hydraulikzylinder). AuJ!,erdem
muJ!, eine Mindestklemmkraft FKerf bekannt sein oder angenommen werden, zum Beispiel als
erforderliche Dichtkraft.
Betriebskraft FA und erforderliche Klemmkraft FKerf sind daher die AusgangsgroJ!,en fiir die
Berechnung vorgespannter Schraubenverbindungen.

Bild VII.9
Verspannungsschaubild der vorgespannten
und durch eine axial wirkende Betriebs-
kraft FA belasteten Schraubenverbindung

Zunăchst wird als HilfsgroJl,e die Nachgiebigkeit 8 (Delta) defmiert: Sie ist das Verhăltnis der
Lăngenănderung (Verlăngerung, Verkiirzung) zur jeweiligen Zug- oder Druckkraft und damit zu-
gleich der Kehrwert der Federsteifigkeit C = 1/8 (friiher: Federrate C, siehe auch IX.2.2). Es gilt
also ftir die Schraube os =fs/Fv und 8p =[p/Fv. Dieser Quotient ist in den rechtwinkligen
Dreiecken, O, E, A und A, D, B sowie E, F, A und A, C, D der Kotangens (= 1/Tangens) der
Neigungswinkel ~s und ~P· Damit lassen sich Gleichungen flir die Nachgiebigkeiten os und op auf-
stellen:

8s = fs = 1::..[ = __!_ (VII.2) (V11.3)


Fv FsA Cs
Nachgiebigkeit der Schraube Nachgiebigkeit der Platten
nach Aufbringen der Vorspannkraft Fy

Beide Gleichungen konnen nach !:::..[ aufgelost und gleichgesetzt werden. Daraus lăfl,t sich eine
Gleichung flir den Axialkraftanteil F SA in der Schraube entwickeln:
!:::..[ = 8s FsA = 8p(FA - FsA)
8s FsA = 8p FA -8p FsA
FsA(8s +Op) = 8p FA

8p
FsA = FA und mit
8p + 8s
Axialkraft in der Schraube (VII.4)

1290
VII. Schraubenverbindungen

Der Quotient Op/(op +os) aus den Nachgiebigkeiten spielt als Kenngrotl.e bei Schraubenberech-
nungen eine Rolle. Nach Gleichung (VI1.4) ist er das Verhăltnis des Axialkraftanteils FsA zur
Axialkraft (Betriebskraft) FA. Er heitl.t daher Kraftverhăltnis 1> (Phi):
Op FsA
1>=--=- Kraftverhliltnis der Schraubenverbindung (VII.S)
0p+Os FA (siehe auch 6.3.3)

Das Verspannungsschaubild zeigt FpA =FA- FsA· Nach Gleichung (VII.S) ist FsA =FA 1>. Das
ergibt eine Gleichung flir denAxialkraftanteil FpA in den verspannten Platten (Flanschen):
FpA = FA (1 -1>) Axialkraftanteil in den Platten (VII.6)
Die Neigungswinkel ~s und ~P der Kennlinien treten auch in den beiden kleinen rechtwinkligen
Dreiecken mit der Setzkraft F z auf. Analog zu den Gleichungen (V11.2) und (VI1.3) wird dam it:
fsz hz
os = Fz und Op = Fz =C> fsz = os Fz und /pz = op Fz

Die Summe der beiden Teilsetzbetrăge ist gleich dem Setzbetrag F z, also wird
fz fsz + fpz
fz = os Fz +Op Fz = Fz (op +os)

Die Summe der Nachgiebigkeiten (op +os) kann nach Gleichung (VII.S) durch op/1> ausgedrtickt
und daruit eine Gleichung flir die Setzkraft Fz entwickelt werden. Die Setzkraft Fz ist der Vor-
spannungskraftverlust durch Setzen wăhrend der Betriebszeit:
1>
Fz = f z - Setzkraft (VII.7)
Op
Nach Bild VII.9 ist die Klemmkraft FK =Fv- Fz- FPA· In Verbindung mit Gleichung (VI1.6)
wird dann:
Klemmkraft (VI1.8)
Kann die Klemmkraft als bekannt vorausgesetzt werden, zum Beispiel durch die Annahme einer
notwendigen Dichtkraft, dann lătl.t sich die Vorspannkraft Fv ermitteln:
Fv =Fz+FK+FA(l-1>) Vorspannkraft (VI1.9)

Zur Bestimmung der grotl.ten Zugbeanspruchung in der Schraube wird die grotl.te Zugkraft, die
Schraubenkraft Fs, gebraucht. Unter Zuhilfenahme des Verspannungsschaubildes VII.9 und der
Gleichungen (VII.4) und (V.9) ergibt sich:
Fs Fv + FsA (VII.lO)
Fs = Fv + <PFA (VII.ll)

Vorspannkraft Fy

---·
Fs = Fz + FK + (1 -<I>)FA + <PFA (VII.12)
Schrauben- Setz- Klemm- Axialkraft- Axialkraft-
kraft kraft kraft anteil der anteil der
verspannten Schraube
Teile
axiale Betriebskraft FA
In dynamisch schwellend belasteten Schraubenverbindungen mutl. die Dauerfestigkeit der
Schraube bestătigt werden. Ausgangsgrotl.e flir diese Berechnungen ist die Ausschlagkraft F;.,

1291
Maschinenelemente

die um die Mitte/kraft Fm schwingt. lm Hinblick auf die axiale Betriebskraft FA konnen zwei
unterschied.liche Betriebsbedingungen auftreten:
Fălit die Betriebskraft FA immer wieder auf den Wert Null zuriick, dann gilt nach Bild VII.9 in
Verbindung mit Gleichung (VII.4):
FsA
Fa = - - (VII.13)
2
Ausschlagkraft
cf>
Fa =-FA (VII.14)
2
Fm = Fv +Fa Mittelkraft (VII.lS)
Schwankt die axiale Betriebskraft dagegen zwischen einem Gro~twert FAmax und einem Kleinst-
wert FAmin =/=-O, dann lăilJt sich aus Bild VII.8 ablesen:
F. = FsAmax- FsAmin
a 2 (VI1.16)

NachGleichung(VII.4)ist FsA =cf>FA.Folglichgilt auch FsAmax =cf>FAmax und FsAmin =cf>FAmin·


Dies in Gleichung (VI1.16) eingesetzt und das Kraftverhăltnis cf> ausgeklammert ftihrt zu

Fa = 2cf> (FAmax - FAmin) Ausschlagkraft (VI1.17)

Mittelkraft (VI1.18)

6.3. Berechnung der Nachgiebigkeiten o und des Kraftverhăltnisses cf>


Fiir die elastische Formănderung von Zug- und Druckstăben gilt das Hookesche Gesetz, also auch
flir die Schraube und die Platten (Flansche) einer vorgespannten Schraubenverbindung (siehe
Festigkeitslehre, 11.1.2.1). Schreibt man das Hookesche Gesetz in der Form 111/F = 10 /(A E) und
setzt anstelle der allgemeinen die speziellen Bezeichnungen flir die Schraubenverbindung ein, dann
erhălt man zwei Gleichungen flir die Nachgiebigkeiten os und op:

a= eE F Zug- oder Druckkraft ~ Fv


A Zug- oder Druckflăche ~ As undAp
f.. = 111 E
t.l elastische Verlăngerung oder Verkiirzung ~ fs undfp
A lo
E Elastizitătsmodul
111 lo
10 federnde Lănge ~ ls und lp
F = AE =o
fsv ls Nachgiebigkeit (allgemein)
os = - = - - der Schraube (VII.l9)
Fv AsEs
/pv lp Nachgie bigkeit (allgemein)
op = - = - - der Platten (VII.20)
Fv ApEp

Die Gleichungen flir die Nachgiebigkeiten os und op enthalten noch Gro~en, die eine genauere
Betrachtung erfordern. Das soll flir Schraube und Platten gesondert geschehen.

6.3.1. Nachgiebigkeit os der Schraube


An einer Sechskantschraube (Bild VII.lO) gibt es die Dehnlănge / 1 mit dem Schaftquerschnitt A
und die Dehnlănge /2 mit dem Spannungsquerschnitt As nach Tafel VII.7. Als zusătzliche Dehn-
lănge im Mutter- und Kopfbereich legt man aus der Erfahrung heraus /3 = 0,4 d fest und als
zugehorigen Querschnitt vereinfachend den Spannungsquerschnitt As.

1292
VII. Schraubenverbindungen

Das entsprechende Federmodell besteht also aus drei hintereinander


geschalteten Zugfedern, deren Einzel-Nachgiebigkeiten sich addieren:
lis= lis 1 +lls 2 + 2 ·lis 3 . Entsprechend Gleichung(VII.l9) ist lis 1 = 11/(A Es),
lis 2 =12/(AsEs) und lis 3 =213/(AsEs)=2·0,4d/(AsEs). Damit kann
eine zusammenfassende Gleichung ftir die Nachgiebigkeit lis ftir die
Sechskantschraube entwickelt werden.
lis = list + lis2 + 2 · lis3
lis =-1_1_+_1_2_+ 2· 0,4d
AEs AsEs AsEs

t-
Bild VII.lO. Dehn-
+ /~ A,As Es
querschnitte und
Dehnlangen an der
(VII.21) Sechskantschraube
Es mm mm2 N
mm
N mm2
Nachgiebigkeit einer
Sechskantschraube

Die Nachgiebigkeit einer Dehnschraube wird auf die gleiche Art ermittelt. Konstruktionsformen,
Verhalten, Vor- und Nachteile von Dehnschrauben werden eingehend in der Bezugsliteratur [3]
behandelt.

6.3.2. Nachgiebigkeit der Platten (Flansche) ~


Die federnde Lănge 1p der druckbelasteten Plattenzonen ist die Klemm- i --

d
(
~
lănge 1K der Schraubenverbindung (lp = 1K). Nicht so einfach ist es, die
Druckflăche A p des federnden Druckki:irpers in den Plat ten zu finden. \ Da
Bei der Schraube sind die federnden Teile eindeutig begrenzte Kreis- l 11
zylinder, innerhalb der Platten dagegen sind die Druckzonen tonnen- T

fi:irmig nicht eindeutig erfaBbar (Bild VII.ll). ~


d [K
a+a
Ersatzweise arbeitet man daher mit der Vorstellung von einem Ersatz-
Hohlzylinder, dessen Kreisringquerschnitt als ErsatzquerschnittA p =A ers Bild VII.ll. Druckkiirper
bezeichnet wird. Nach Forschungsergebnissen gilt heute mit den Bezeich- und Ersatz-Hohlzylinder in
nungen in Bild VII.ll: den Platten

ftir Stahl a = 10
flirGGa= 8 (VI1.22)
fiir Al-Legierung a= 6
Ersatzquerschnitt der Platten
(Flansche)

da A\iliendurchmesser der Kopf- oder Mutterauflage nach Tafel VII.S


Ds Durchmesser der Durchgangsbohrung nach Tafel VII.S
IK Klemmlange
a Werkstoffkennwert

Nach Gleichung (VI1.20) kann nun mit den Bezeichnungen 1p = 1K und Ap =Aers die Gleichung
zur Berechnung der Nachgiebigkeit lip der Platten (Flansche) geschrieben werden:
1K
lip = - - - Nachgiebigkeit der Platten (Flansche) (VII.23)
AersEP
Mit den beiden Nachgiebigkeiten lis und lip, der Vorspannkraft Fv und der axialen Betriebs-
kraft FA liilit sich das Verspannungsschaubild maBstăblich aufzeichnen.

1293
Maschinenelemente

6.3.3. Berechnung des Kraftverhăltnisses <1>


Mit den Gleichungen flir die Nachgiebigkeiten und flir den Ersatzquerschnitt (VI1.21), (VI1.22)
und (VII.23) lă~t sich eine Gleichung entwickeln, die zur direkten Berechnung des Kraftverhălt­
nisses <1> flir Sechskantschrauben nach Bild VII.lO verwendet werden kann (siehe auch 6.5.6):
Op FsA
<1> =-- =- (VII.24)
op +os FA
1K

(VII.25)

(!..!._ + 12 + 0,8 d)
A As

1K Klemmlănge nach Bild VII.lO Da Durchmesser der Durchgangs-


Ep Elastitizătsmodul der Platten bohrung nach Tafel VII.S
(siehe Festigkeitslehre Tafel 1.2) 11> 12 Teillăngen der Schrau be
Es Elastizitătsmodul der Schraube nach Tafel VII.S
flir Stahl ist Es = 21 · 104 N/mm 2 d Gewindenenndurchmesser
d 8 A~endurchmesser der Mutter- ader nach Tafel VII. 7
Kopfauflage nach Tafel VII.S A Schaftquerschnitt der Schraube
a Werkstoffkennwert nach nach Tafel VII. 7
Gleichung (VII.22) As Spannungsquerschnitt der Schraube
nach Tafel VII. 7

6.3.4. Berechnungsbeispiele fiir das Kraftverhăltnis <1>

1. Fiir eine bereits ausgelegte Schraubenverbindung (Gewinde M12) soli das Kraftverhăltnis <1>
berechnet werden.
Gegeben: /K = 60 nun /150 nun
Ep = Es = 21·104 N/nun 2 1210 nun
d8 19nun d 12 nun
a=IO A=113mm 2
Da = 13,5 mm As = 84,3 mm 2
LOsung: Da die Elastizitătsmoduln gleich gro~ sind (Ep = Es = 21 · 104 N/mm 2 flir Stahl), konnen
die beiden Gro~en in Gleichung (VII.25) gekiirzt werden:

<1> = ----~--------~----~~----------------------
1 + 1T[(19 mm+ 60 1~my -l3,S 2mm 2] ( SOmm + 10mm+0,8·12mm)
4 ·.60mm 113mm 2 84,3mm 2

<1> = 0,204
1294
VII. Schraubenverbindungen

2. Das Kraftverhăltnis <P soli flir den Fall berechnet werden, dl~E die Flansche der Schrauben-
verbindung aus GG bestehen (Ep = 10 5 N/mm 2 ).
Losung: Mit den geănderten Gr6Ben Ep = 105 N/mm 2 und a= 8 flir GG erhălt man
<P = 0,314 > 0,204
Das ist bei GG-Flanschen grăBer als bei Stahlflanschen. Da <P einerseits das Ver-
Kraftverhăltnis
hăltnis FsAIFA ist, andererseits aber die Ausschlagkraft Fa= FsA/2 ist, bedeutet ein grăBeres
Kraftverhăltnis auch eine gr6Bere Ausschlagkraft Fa. Das lăBt sich am Verspannungsschaubild
erkennen (Bild VII.8). Die Sicherheit gegen Dauerbruch wird kleiner.

3. Es soll untersucht werden, wie sich das Kraftverhăltnis <P gegenliber dem Ergebnis im Beispiel 1
ăndert, wenn eine Schraube mit dem Gewinde M10 unter sonst gleichen Bedingungen verwendet
wird.
Losung: Flir die Schraube mit dem Gewinde M10 lassen sich folgende GrăBen ermitteln:
d 10mm da 17mm
A = 78,5 mm 2 DB = 11 mm
As = 58 mm 2
Die Rechnung ergibt
<P = 0,165 < 0,204
Das Kraftverhăltnis <P =FsA!FA ftir die Schraube mit dem Gewinde M10 ist dernnach kleiner als
im Beispiel1 mit M12, weil die Dehnquerschnitte A und As kleiner sind und damit die Nachgiebig-
keit cSs grăBer wird. Die Kennlinie der Schraube ist flacher geneigt. Nach den Erlăuterungen im
Beispiel 2 wird die Sicherheit gegen Dauerbruch hier gr6Ber.

6.4. Krafteinleitungsfaktoren n (Tafel VII.2) und Kraftverhăltnis <Pn


Bei der Besprechung der Krăfte und Formănderungen in einer vorgespannten Schraubenverbindung
(Abschnitt 6.1) war stillschweigend angenommen worden, dl~E die axiale Betriebskraft FA unter
dem Schraubenkopf und in der Mutterauflageflăche angreift. Das Verspannungsschaubild VII.7
zeigt die dadurch hervorgerufene Lăngenănderung !::if, um die sich die Schraube zusătzlich dehnt.
Um den gleichen Betrag kănnen sich die zusammengedrlickten Platten wieder entspannen, und
zwar auf der gesamten Klemmlănge lK.
Untersuchungen an ausgeftihrten Schraubenverbindungen zeigen dagegen, dl~E die BetriebskraftFA
hăufiger zwischen zwei Punkten innerhalb der Klemmlănge lK angreift, wodurch sich die Kraft-
und Formănderungsverhăltnisse ăndem. Tafel VII.2 zeigt schematisiert vier angenommene Fălle
flir die Einleitung der Betriebskraft FA (I, II, III und IV).
Im Unterschied zum Einleitungsfall I, bei dem sich die Platten liber der ganzen Klemmlănge lK
entspannen, federn sie in den anderen Făllen nur in den lăngsgestrichenen Bereichen der Klemm-
lănge zurlick (Bilder in der Tafel VII.2). Diese Teillănge wird mit /K 1 = n lK bezeichnet, wobei n
der Krafteinleitungsfaktor ist. Er ist stets kleiner als Eins (n < 1, z.B. n = ~ im Einleitungsfall III).
Im Bereich der quergestrichenen Plattenzonen dagegen bewirkt die dort eingeleitete Betriebs-
kraft FA kein Entspannen, sondern ein weiteres Zusammenpressen.
Daraus folgt:
Der Schraube sind beim allgemeinen Krafteinleitungsfall (II, III oder IV) federnde Plattenzonen
vorgeschaltet. Ein entsprechendes Schraubenfedermodell besteht aus zwei hintereinandergeschal-
teten Schraubenfedern, die die gleiche Kraft zu libertragen haben, die Betriebskraft FA, allerdings
einmal als Druckkraft (in den quergestrichenen Plattenzonen) und einmal als Zugkraft (in der

1295
Maschinenelemente

Schraube). Der ,,Zugfeder" Schraube ist eine "Druckfeder" entsprechend den quergestrichenen
Plattenzonen vorgeschaltet. Im Abschnitt IX.2.4. wird nachgewiesen, dafll zwei hintereinander-
geschaltete Federn "weicher" sind als jede der beiden Einzelfedern. Die Kennlinie eines solchen
Federsystems verlăuft flacher, weil bei gleicher Belastung der Federweg grofiler ist. Im Verspannungs-
bild in der Tafel VII.2 ist das an der gestrichelten Kennlinie erkennbar. Die Nachgiebigkeit o
zweier hintereinandergeschalteten Federn, das heifllt nach Gleichung (VII.2) die Verlăngerung je
Krafteinheit (f/F), ist also in den Făllen II, III, IV grofiler als im Einleitungsfall 1. Man nennt die
Nachgiebigkeit unter diesen Betriebsbedingungen die Betriebsnachgiebigkeit os 8 . Gegeni.iber dem
Krafteinleitungsfall 1 mit der Nachgiebigkeit Os ist also stets os 8 > o8 .
Fi.ir die lăngsgestrichenen Plattenzonen (Tafel VI1.2), die sich beim allgemeinen Krafteinleitungs-
fall teilweise entspannen, ist die federnde Lănge ki.irzer als im Einleitungsfall 1 mit den Angriffs-
punkten unter dem Schraubenkopf und der Mutterauflage (n !K < !K). Nach Gleichung (VII.20)
ergibt diese Ănderung auch eine Verringerung der Nachgiebigkeit der Platten. Es ist also stets die
Betriebsnachgiebigkeit OpB < Op. Im Verspannungsschaubild verlăuft die Kennlinie der Platten
steiler. Es gilt die gestrichelte Linie im Verspannungsschaubild in Tafel VII.2. Die Verănderung
o88 >os der Schraube flihrtzu fsB > fsv· Entsprechend folgtaus Op8 <op der Plattenfp8 </py.
Abschliefilend ist darauf hinzuweisen, dafll die Betriebskrăfte in Schraubenverbindungen ebenso wie
in anderen technischen Bauteilen nie punktformig angreifen. Vielrnehr werden sie durch ein
răumliches Spannungs- und Formănderungssystem in den Teilen weitergeleieitet.

Mit dem Krafteinleitungsfaktor n < 1 wird die Klemrnlănge /K entsprechend den Bildern in
Tafel VI1.2 aufgeteilt

in die Teillănge /K 1 = n !K flir die Plattenzonen, die durch die axiale Betriebskraft etwas
entlastet werden und
in die restliche Teillănge /K 2 ftir die Plattenzonen, die noch stărker zusammengedri.ickt
werden, als sie es nach dem Anziehen schon waren.

Die Summe beider Teillăngen ergibt die Schraubenklemrnlănge /K = /K 1 + !K 2. Daraus folgt mit
/Kl = n IK
IK2 = IK ~ n IK (VII.26)

(VII.27)

Wie die Gleichungen (VII.19) und (VII.20) zeigen, ist die Nachgiebigkeit o von Zug- oder Druck-
federn bei sonst gleichbleibenden Grofllen der federnden Lănge proportional (grofilere Federlănge
ergibt groBere Nachgiebigkeit und umgekehrt).
Fi.ir die Betriebsnachgiebigkeit Op 8 der entlasteten Plattenzonen mit der federnden Lănge /K 1 = n IK
gilt daher die Proportion

(VII.28)

Fi.ir die Betriebsnachgiebigkeit OpB rest der restlichen Plattenzonen mit der federnden Lănge
lK2 = (1- n) IK wird

(1 ~ n) [K ==C> OpB rest = (1- n) Op (VII.29)

1296
VII. Schraubenverbindungen
Tafel Vll.2. Krafteinleitungsfaktoren n
Kraffeinleifungs fali l Il III IV
enflasfefe
Klemmliinge

Kraffeinleifung
Durr:hsteckschraube

~
Kraffeinleifung
---,;-----
Kopfonziehschraube

schematisierfes
Konsfrukfions - selfener Fali
beispiel

Kraffverhalfnisse
~n= f1·~

Verspannungs -
Schaubilder
ohne Beriick -
sichtigung der
Setzkraft

C58 Betriebsnochgiebigkeif der


spannenden Tei/e
CPB Betriebsnachgiebigkeif der
durch die Betriebskraft
enflasfeten Teile

Die gesfrichelfen Kennlinien fiir


Schroube und Teile kennzeichnen
die Kraffeinleifungsfiil/e
fiir n < 1

Lăngen ­
ănderungen f

Anmerkung : Das Produkt n · /K gibt an, in welchem Klemmlăngenanteil die verspannten Teile
von der Axialkraft entlastet sind. Im Fali III beispielsweise ist die Hălfte der Flanschendicke ent-
lastet, d.h. der Abstand der axialen Betriebskrăfte betrăgt n = /K/2.
Die tatsăchliche Lage der Krafteinleitungsebenen kann nur durch Messungen an der ausgeftihrten
Konstruktion ermittelt werden . Zur Berechnung einer Schraubenverbindung wird n =~ empfohlen.
Vorteilhaft sind Konstruktionen mit Krafteinleitungsebenen, die in Hohe der Trennebene liegen
(Fali IV). Weitere Gestaltungsrichtlinien in (4].
1297
Maschinenelemente

Die Betriebsnachgiebigkeit 5 88 der Schraube ist die Sumrne aus der Nachgiebigkeit c'ls der
Schraube nach Gleichung (VII.21) und der Betriebsnachgiebigkeit c5 PB rest, weil sich die Nach-
giebigkeiten hintereinandergeschalteter Federn addieren (siehe Federn, Abschnitt 2.4):
c'lss = c'ls + c'lps rest
c'lss = c'ls +(1-n)c'lp (VII.30)

Das Betriebskraftverhiiltnis <1>0 flir den allgemeinen Krafteinleitungsfall wird aus den Betriebs-
nachgiebigkeiten 5 88 und Ops ermittelt, wie das bereits flir den Einleitungsfall 1 in Gleichung
(VII.S) geschehen ist:

(VI1.31)

Mit Hilfe der Gleichungen (VI1.28) und (VII.29) erhălt man a~erdem eine Beziehung zwischen
dem Betriebskraftverhăltnis <1>0 und dem Kraftverhăltnis <1> nach Gleichung (VI1.5):
n Op nc'>p
nop+Os+(l-n)c'lp n c'>p +Os+ c'lp- n c'>p
c'lp FsA
<1> 0 = n - - - = n <1> = - (VII.32)
c'lp+Os FA
Aus der vorstehenden Gleichung lăBt sich in Verbindung mit dem gestrichelt gezeichneten Ver-
spannungsschaubild in Tafel VII.2 ablesen:
Je kleiner der Krafteinleitungsfaktor n wird, um so kleiner wird auch das Kraftverhăltnis FsAIFA,
das ist das Verhăltnis der zusătzlich von der Schraube aufzunehmenden Kraft (Axialkraftanteil)
zur axialen Betriebskraft FA. Im Falle n =O hat die Schraube iiberhaupt keine Zusatzkraft FsA
aufzunehmen, wenn die Betriebskraft wirkt. Die hăchste Zugkraft in der Schraube, die Schrauben-
kraft Fs, ist dann gleich der Vorspannkraft Fv =F8 . Krafteinleitungsfaktor n =O bedeutet, daB
die Krafteinleitungsebenen mit der Teilungsebene der Flansche (Platten) zusammenfallt. In diesem
Sinne sind die Konstruktionsbeispiele in Tafel VII.2 zu verstehen. Allerdings liegen noch keine
Untersuchungsergebnisse vor, die zur Berechnung der Lage der Krafteinleitungsebenen flihren
konnten. In der Bezugsliteratur [3] wird empfohlen, mit dem Krafteinleitungsfaktor n =! zu
rechnen.

6.5. Zusammenstellung der Berechnungsformeln fiir vorgespannte Schraubenverbindungen


bei axial wirkender Betriebskraft FA
Die Schraubenverbindung hat ăuBere Krăfte aufzunehmen, die zu einer statisch oder dynamisch
auftretenden Betriebskraft FA in der Schraube flihren. Die Betriebskraft wirkt als Schraubenlăngs­
kraft (axial). Die Verbindung wird mit einer Montagevorspannkraft FvM angezogen, die in der
Schraubenachse wirkt. Die Funktion der Verb ind ung soli d urch eine erforderliche Klemmkraft FK erf
sichergestellt werden. Eine senkrecht zur Schraubenachse wirkende Querkraft FQ (Betriebskraft)
tritt nicht auf.

Gegebene Grofien: axiale Betriebskraft FA


erforderliche Klemmkraft F K erf
Festigkeitsklasse der Schraube

Die zu wăhlenden oder anzunehmenden GroBen werden in den folgenden


Abschnitten besprochen.
Bild VII.12

1298
V 11. Schraubenverbindungen
6.5.1. SpannungsquerschnittAs und Festlegen des Gewindes
Beim Anziehen wird die Schraube durch die Vorspannkraft Fv auf Zug, durch das Gewindereib·
moment MRG auf Torsion beansprucht. Beide GroBen konnen erst spăter berechnet werden. Aus
diesem Grund wird zunăchst reine Zugbeanspruchung angenommen, hervorgerufen durch die Zug·
kraft (Schraubenkraft) Fs = F K erf +FA (siehe Verspannungsschaubild Tafel VII.2).
Die zulăssige Zugspannung Uzzul setzt man gleich dem v-fachen (mit v < 1) der 0,2-Dehngrenze
des Schraubenwerkstoffes ( Uzzul = v RP 0 ,2 ). Die Zug-Hauptgleichung
F CFKerf +FA)
Uz =A = As = v Rp 0,2

flihrt dann mit dem Anziehfaktor aA zu der Gleichung flir den erforderlichen Spannungsquer-
schnitt As der Schraube:
Aserf FKerf,FA aA,v Rpo,2
QA (FK erf +FA)
Aserf = vR mm 2 N .1L_ (VII.33)
p 0,2 mm2
Aserf erforderlicher Spannungsquerschnitt nach Tafel VII.7
"'A Anziehfaktor
FKerf erforderliche Klemmkraft (zum Beispiel Dichtkraft)
FA axiale Betriebskraft
v Ausnutzungsbeiwert fiir die Streckgrenze Re oder fiir die 0,2-Dehngrenze Rp 0 , 2 , zweckmiiliig wird
v = 0,6 ...0,8 gesetzt (Erfahrungswert)
Rp o,2 0,2-Dehngrenze nach Tafel VII.l

Mit dem Anziehfaktor aA wird die Streuung der Vorspannkraft bei den verschiedenen Anzieh-
verfahren berticksichtigt. In der Bezugsliteratur werden Richtwerte angegeben:
aA = 1 bei genausten Anziehverfahren (geringste Streuung des Anziehdrehmomentes MA)
wie beim Winkelanziehverfahren (Drehwinkel ist MaB ftir Schraubenverlăngerung)
aA = 1,25 .. .1 ,8 beim Anziehen mit Drehmomentschltissel 1 ) oder Drehschrauber
aA = 1,6 ...2 beim Anziehen mit Schlagschrauber mit Einstellkontrolle 1 )
aA = 3 ...4 beim Anziehen mit Schlagschrauber ohne Einstellkontrolle
1) kleinere Werte Îlir kleinere, groll>ere Werte fiir groll>ere Reibzahlen

Aus der Gewindetafel VII.7. wăhlt man das metrische ISO-Gewinde mit einem Spannungs-
querschnitt, der annăhernd so groB ist wie der berechnete erforderliche Spannungsquerschnitt
(As, Tabelle ""As erf). Nach der Festlegung des Gewindes sollten alle GroBen aus den Tafeln VII.S
und VII.7 zusammengestellt werden, die flir die weiteren Berechnungen erforderlich sind. Dazu
kann man nach der folgenden Aufstellung vorgehen:

6.5.2. Zusammenstellung geometrischer Gro&n der Schraube


Aus Tafel VII.5 Aus Tafel VII. 7
Bezeichnung der Schraube Gewinded urchmesser d
AuBendurchmesser der
Mutter- oder Kopfauflage da Flankend urchmesser d2
Schraubenlănge Steigungswinkel Q

Gewindelănge b Spannungsquerschnitt As
Durchgangsbohrung Da Schaftquerschnitt A
Kopfauflageflăche AP polares Widerstandsmoment Wps

1299
Maschinenelemente

6.5.3. Nachgiebigkeit lis der Schraube


Zur Berechnung der Nachgiebigkeit lis einer Sechskantschraube wird die in 6.3.1 hergeleitete
Gleichung (VII.21) verwendet:

Es A,As
mm N mm2 (VI1.34)
mm
N mm 2

Es Elastizitătsmodul des Schraubenwerkstoffes nach Abschnitt


Festigkeitslehre, Tafel I.2 (Estahl = 21·10 4 N/mm 2 )
Schaftquerschnitt der Schraube nach Tafel VII. 7
Spannungsquerschnitt nach Tafel VII. 7
federnde Teillăngen an der Schraube nach Tafel Vll.5

Mit den Angaben in Tafel VII.S gilt flir Durchsteckschrauben:


li = 1- b und 12 = lK - li

6.5.4. Querschnitt Aers des Ersatz-Hohlzylinders der Platten


Bild VII.l3. Schraubenlăngen
(Flansche) und Schraubenq uerschnitte
Fiir den Ersatzquerschnitt Aers• der zur Berechnung der Nach-
giebigkeit lip der Platten gebraucht wird, steht die in 6.3.2
hergeleitete Gleichung zur.Verfligung:

Aers =~[(da+ l:Y -D~J (VII.35)

da AuJJ.endurchmesser der Kopf- oder Mutterauflage nach Tafel Vll.5


DB Durchmesser der Durchgangsbohrung nach Tafel VII.S
IK Klemmlange
a= 10 fiir Stahl, a= 8 flir GrauguJl>, a= 6 ftir AL-Legierungen Bild VII.l4. Geometrische
Groll.en am Ersatz-Hohlzylinder
der Platten (Flansche)
6.5.5. Nachgiebigkeit lip der Platten (Flansche)
Es gilt die in 6.3.2 hergeleitete Gleichung ftir die Nachgiebigkeit lip der aufeinandergepre~ten
Flansche:

(VII.36)
mm N mm2 mm
N mm 2

Ep Elastizitătsmodul der verspannten Teile (siehe Abschnitt Festigkeitslehre, Tafeln I.2 und I.3)
IK Klemmlănge

Aers Querschnitt des Ersatz-Hohlzylinders

6.5.6. Kraftverhăltnis <1> und <l>n = n <1>

lip
n Krafteinleitungsfaktor nach Tafel VII.2 (VII.37)
empfohlener Richtwert: n = 0,5
<l>n = n <1>
Zur Kontrolle des Kraftverhăltnisses <1> kann flir Sechskantschrauben auch die in 6.3.3
hergeleitete Gleichung (VII.25) verwendet werden. Mit dieser Gleichung wurden die folgenden

1300
VII. Schraubenverbindungen

Dberschlagswerte fi.ir Stahlflansche mit Ep = 21 ·104 N/mm 2 und GG 30-F1ansche (Klammerwerte)


mit Ep = 12 ·10 4 N/mm 2 in Abhăngigkeit von /K/d berechnet:

IK/d = 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
0,21 0,23 0,22 0,20 0,19 0,18 0,16 0,15 0,14 0,13
<t>=
(0,31) (0,32) (0,30) (0,28) (0,26) (0,24) (0,22) (0,20) (0,19) (0,17)

IKfd = 11 12 13 14 15 16 17 18 20
0,12 0,11 0,10 0,097 0,091 0,086 0,081 0,076 0,068
<t>=
(0,16) (0,15) (0,14) (0,13) (0,12) (0,11) (0,105) (0,099) (0,088)

Berechnet nach Gleichung (VII.25} mit den Vereinfachungen: d 3 = 1,6 d; D 8 = 1,1 d;


ds = 0,85 d (ftir A 8 ); /1 = 0,7 IK; /2 = 0,3 IK

6.5.7. SetzkraftFz
Es gilt die in Abschnitt 6.2 hergeleitete Gleichung (VII.7). Mit dem Setzbetragiz (bleibende Ver-
formung durch Setzen), dem Kraftverhăltnis <1> und der Nachgiebigkeit bp der Platten wird die
Setzkrait Fz (Vorspannkraftverlust durch Setzen):
<1>
Fz =lip iz (VII.38)

Richtwerte ftir den Setzbetrag iz in mm in Abhăngigkeit vom Klemmlăngenverhăltnis IK/d sind


zum Beispiel in der Bezugsliteratur [2] fi.ir drei bis sieben Trennfugen zu fmden:
/Kfd= 1 2,5 5 10
fz = 0,003

6.5.8. Montagevorspannkraft FvM


Wie das Verspannungsschaubild VII.9 zeigt, ist die Vorspannkraft Fv die Summe aus der Setz-
kraft Fz, der Klemrnkraft FK und dem Axialkraftanteil FpA =FA (1 - <1>) nach Gleichung (VII.6}.
Es ist also Fv =Fz +FK +FA(1-<I>). DieMontagevorspannkrait FvM istgegeni.iberder(theo-
retischen) Vorspannkraft Fv um den Anziehiaktor o:A > 1 gri:ill>er (FvM = o:A Fv ), um bei den
unterschiedlichen Anziehverfahren sicher zu gehen, dai1 die gewi.inschte Vorspannkraft tatsăchlich
erreicht wird. Entsprechend den Erlăuterungen in Abschnitt 6.4 in Verbindung mit Tafel VII.2
mull> anstelle des Kraftverhăltnisses <1> mit dem Kraiteinleitungsiaktor n gerechnet werden, also
mit <l>n = n <1>:
FvM = o:A[Fz+FKerr+FA(1-n<l>)] (VII.39}
aA Anziehfaktor nach 6.5.1 einsetzen
n Krafteinleitungsfaktor nach Tafel VII.2; empfohlen wird n = 0,5.

6.5 .9. Schraubenkraft F s


Die Schraubenkraft Fs ist die gri:ill>te Zugkraft in der Schraube (siehe Verspannungsschaubild VII.9
und andere}. Sie ist um den Axialkraftanteil FsA = <1> FA gri:ill>er als die Montagekraft Fv (siehe
Gleichungen (VII.4) und (VII.12}). Gleichung (VII.39), flir die MontagevorspannkraftFvM, mull>
daher ebenfalls den Summanden n <1> FA= FsA erhalten:
FsA
(VII.40)

(VII.41}

1301
Maschinenelemente

6.5.10. Kriiftevergleich Fs .;;;; Fo;2


Zur ersten Festigkeitskontrolle wird die gro1,1,te Schraubenzugkraft, die Schraubenkraft Fs, der
Streckgrenzkraft F 0 ,2 gegentibergestellt. Das ist diejenige Zugkraft in der Schraube, bei der die
Zugspannung Uz im SpannungsquerschnittAs gerade die StreckgrenzeRe oder die 0,2-Dehngrenze
RP 0 ,2 nach Tafel VII.l erreicht. Mit F 0 ,2 =As RP 0 ,2 mul,1, dann gewăhrleistet sein:
Fs .;;;; As RP 0,2 (VII.42)
As Spannungsquerschnitt nach Tafel VII.7
Rp 0,2 0,2-Dehngrenze nach Tafel VII.l

Ist diese Bedingung nicht erfli.llt, mul,1, die Rechnung mit dem năchstgrăl,1,eren Schraubendurch-
messer d wiederholt werden.

6.5.11. Anziehdrehmoment MA
Um die Montagevorspannkraft FvM nach Gleichung (VII.39) aufzubringen, ist es erforderlich,
zum Beispiel mit dem Drehmomentenschltissel ein entsprechendes Anziehdrehmoment MA einzu-
leiten. Die Gleichung flir MA wird irn Abschnitt Mechanik I.8.7 .4 eingehend hergeleitet.

MA FvM d2, d llA


(VII.43)
Nmm N mm
FvM Montagevorspannkraft
d2 Flankendurchmesser am Gewinde nach Tafel VII. 7
d Gewindedurchmesser nach Tafel VII. 7
a Steigungswinkel am Gewinde nach Tafel VII. 7
p' Reibwinkel am Gewinde
Il-A Gleitreibzahl der Kopf- oder Mutterauflageflăche nach Abschnitt Statik, Tafel 1.2
Il-A"' 0,1 fllr St/St, trocken ("" 0,05 geolt)
11-A "'0,15 fllr St/GG, trocken ("" 0,05 geolt)

Richtwerte ftir Reibzahlen Il' und Reibwinkel p' flir metrisches ISO-Regelgewinde

~ rt

ohne Nachbehandlung
e trocken
11-'

0,16 90
p'
geschmiert
11-'

0,14
p'

go
MoSrPaste
11-' p'

phosphatiert 0,18 10° 0,14 go


galvanisch verzinkt 0,14 go 0,13 7,5° 0,1 60
galvanisch verkadmet 0,1 60 0,09 50

6.5.12. Montagevorspannung avM


Beim Anziehen der Schraubenverbindung tritt irn SpannungsquerschnittAs die Montagevorspan-
nung avM auf. Sie ist der Quotient aus der Montagevorspannkraft FvM und dem Spannungs-
querschnitt As :

FvM As
(VII.44)
N
N mm 2
mm 2

1302
VII. Schraubenverbindungen

6.5.13. Torsionsspannung Tt
Das Anziehdrehmoment MA nach Gleichung (VII.43) setzt sich zusammen aus dem Gewindereib-
momentMRG =FvM d2 tan(a+p')/2 und dem MutterauflagereibmomentMRA =FvM f.J.A · 0,7 d
( siehe Abschnitt Mechanik 1.8. 7.4). Das Gewindereibmoment M RG ruft in der ,Schraube die
Torsionsspannung Tt hervor:
MRG
Tt = - -
Wps

FvMd2 tan(a+p') Tt FvM d2 Wps


Tt = (VI1.45)
2 Wps N mm3
mm 2
N mm
MRG Gewindereibmoment
d2 Flankendurchmesser

Wps = 1: d; polares Widerstandsmoment der Schraube


d8 Durchmesser des Spannungsquerschnittes As nach Tafel VI1.7
a Steigungswinkel des Gewindes aus tan a =Plrrd 2
P Gewindesteigung
p' Reibwinkel nach 6.5

6.5.14. Vergleichsspannung Ured (reduzierte Spannung)


Das beim Anziehen in der Schraube auftretende răurnliche Spannungssystem wird ersetzt durch
die Vergleichsspannung ared entsprechend der Hypothese der gro~ten Gestaltănderungsenergie
( siehe Abschnitt Festigkeitslehre III.3 .1):

Ured = ya~M + 3 Tf .;;;; 0,9 · Rp o,2 (VII.46)


Rp 0,2 0,2-Dehngrenze nach Tafel Vll.l

Ist die Bedingung ared .;;;; 0,9 · Rp 0 ,2 nicht erftillt, mu~ die Schraubenberechnung mit einem
gro~eren Schraubendurchmesser d oder mit einer hoheren Festigkeitsklasse wiederholt werden.

6.5.15. Ausschlagkraft Fa
Zur Ermittlung der bei dynamisch wirkender Betriebskraft FA in der Schraube auftretenden Aus-
schlagspannung a 8 wird die Ausschlagkraft F8 gebraucht. Hierzu konnen die in Abschnitt 6.2
entwickelten Gleichungen verwendet werden:
FsAmax - FsAmin
(VII.47)
2
FsA .
2 bel FsAmin = O (VII.48)

Beachte: Nach Gleichung (VII.40) ist F SA = n 4> FA.

6.5.16. Ausschlagspannung a8
Die Ausschlagspannung a 8 ist der Quotient aus der Ausschlagkraft F8 und dem Spannungsquer-
schnitt As. Sie soll gleich oder kleiner sein als 90% der Ausschlagfestigkeit aA des Schrauben-
werkstoffes:

(VII.49)

1303
Maschinenelemente

Ausschlagfestigkeit ±aA in N/mm 2


Gewinde
Festigkeitsklasse <M8 M8 ... M12 M14 ... M20 >M20

4.6 und 5.6 50 40 35 35


8.8 bis 12.9 60 50 40 35
10.9 und 12.9
schlui\gerollt 100 90 70 60

Eingehende Betrachtungen und Untersuchungen zur Dauerhaltbarkeit von Schraubenverbindungen


in [3].

6.5.17. Fliichenpressung p
In der Kopf· und Mutterauflagefliiche tritt Fliichenpressung auf. Daher ist der Nachweis erforder-
lich, daE die Fliichenpressung p in der gepre~ten Auf/agefliiche Ap (Tafel VII.S) gleich oder
kleiner ist als die Grenzfliichenpressung PG. Ma~gebend ist die gră~te Zugkraft in der Schraube,
die Schraubenkraft F s :
Fs Fs
P ";;;; PG (VII.50)
Ap mm2
mm2
N

Richtwerte flir die Grenzfliichenpressung PG

Grenzflachenpressung PG in N/mm 2 bei Werkstoff der Teile


Stahl,
St37 St50 Stahl, einsatz- GG-25
Anziehart St42 St60 C45 vergiitet gehiirtet GG-30 GK-AISiCu

motorisch 200 350 600 - - 500 120


von Hand 300 500 900 ca.1000 ca.1500 750 180
(drehmoment-
gesteuert)

6.6. Berechnungsbeispiel einer dynamisch belasteten Flanschverschraubung mittels Schaftschraube


Die beiden Flansche einer dynamisch axial belasteten, vorgespannten Schraubenverbindung sollen
mit Durchsteckschrauben verbunden werden (Schaftschrauben mit metrischem ISO- Regelgewinde ).
Die Berechnung soli dem Arbeitsplan nach 6.5 folgen.

Gegeben: axiale Betriebskraft


FAmin =O
Mindestklemrnkraft FKerf = 6 kN
Belastungsart dynamisch schwellen
Krafteinleitungsfaktor n = 0,5 (angenommen)
Festigkeitsklasse 8.8
Flanschwerkstoff GG30 mitE p 12 · 104 N/mm 2
Klemmliinge lK = 40 mm
Anziehen der Schraube mit Drehmomentenschltissel
(Anziehfaktor cxA = 1,4 angenommen),
Gewinde ohne Nachbehandlung, trocken.

1304
VII. Schraubenverbindungen

Losung:
1. Erforderlicher Spannungsquerschnitt A ser[ und Gewindedurchmesser d
cxA(FKerf +FA)
A s err = ---=-='-'-::-.:.:.:...,__......:..:"" cxA = 1,4 (angenommen)
vRpo,2
FA =6000N

A -- --'1,'-4_,_(6_0_00_N_+---:c60".-0_0-"N) FKerf = 6000 N


Serf - 0 7 · 660 JL v = 0,7 (gewăhlt)
' mm 2
RP 0 ,2 = 660 N/mm2 nach Tafe1 VII.l
Aserf = 36,4 mm 2
Nach Tafe1 VII.7 wird das Gewinde M8 gewăhltmitAs = 36,6mm2 "='Aserf = 36,4mm2 •
2. Zusammenstel/ung geometrischer GrojSen der Schraube (Tafe1n VII.S und Vl1.7)
Gewindedurchmesser d = 8mm Bezeichnung der Schraube: M8 x 50DIN 931-8.8
F1ankendurchrnesser d 2 = 7 ,188mm Durchrnesser der Kopfauflage da = 13 mm
Steigungswinke1 cx = 3,17° Schraubenlănge (gewăhlt) l = 50 mm
SpannungsquerschnittAs = 36,6mm2 Gewinde1ănge b = 22 mm
Schaftquerschnitt A = 50,3 mm 2 Durchgangsbohrung D 8 = 9 mm
po1ares Widerstands- Kopfauflageflăche AP = 69,1 mm 2
moment Wps = 62,46mm 3

3. Nachgiebigkeit 88 der Schraube


11 12+0,8d
A+ As
8s = Es /1= 1- b = (50- 22)mm = 28 mm
/2 = IK -/1=(40- 28)mm = 12 mm
28mm + 12mm + 0,8 · 8mm
50,3 mm 2 36,6mm2 A =50,3 mm 2
21 . 104 .1L2 As = 36,6 mm 2
mm Es = 21 · 104 N/mm 2
8s = 5 . w-6 mm
N

4. Querschnitt Aers des Ersatz-Hohlzylinders der Flansche

Aers =~ [(da+~)2 -n~] da= 13 mm


IK =40 mm
Aers = ~ [(13 mm + 40 ~) -(9 mm)
2 2] a=8flirGG
Ds =9mm
Aers = 191 mm 2

5. Nachgiebigkeit 8p der Flansche


IK 40mm 1,75 · 10-6 mm
8p = AersEP N
191 mm2 • 12 · 104 - N
mm 2
6. Kraftverhiiltnis <1>

8 1 75 . 10-6 mm
<1> = __
P- = ' N = 0,259
8p + Bs (1,75 + 5) · 10-6 ~m

<I>n = n <1> = 0,5 · 0,259 = 0,123


1305
Maschinenelemente

7. Setzkraft F z
<1> 0,259
Fz = fz u~P = 0,006mm 1 75 w-6 mm Fiir IK/d =40mm/8mm = 5 ist nach 6.5.7
der Setzbetrag fz =0,006 mm.
o

' N
Fz = 888 N

8. Montagevorspannkraft FvM

FvM = aA[Fz + FKerf +FA (1- n <1>)]= 1,4[888N + 6000N + 6000N(1- 0,5 ·0,259)]
FvM = 16955N ~ 17 kN

9. Schraubenkraft F s
Fs = FvM + n <1> FA= 16955 N + 0,5 · 0,259 · 6000N
Fs = 17732N ~ 17,7kN

1 O. Kriiftevergleich F s .;;;, F 0,2

F 0 ,2 =As Rpo,2 = 36,6mm2 · 660 m: 2 = 24156N ~ 24,2kN


Fs = 17,7kN < 24,2kN (Bedingungerfiillt)

11. Anziehdrehmoment MA

MA = FvM [ ; tan(a + p') + IJ.A · 0,7 d] d 2 = 7,188 mm


a=3,17°
MA= 16955N[7 ' 18~mmtan(3,17°+9°)+0,1·0,7·8mm] p' =90
/J.A =0,1
MA = 22 636 Nmm ~ 22,6 Nm d=8mm

12. Montagevorspannung a VM

a - - - 16 955N = 463 ~
- FvM
VM - As - 36,6mm2 mm2

13. Torsionsspannung T t
FvM d 2 tan(a + p') 16955N·7,188mm tan(3,17°+9°) N
= 2W = 210-
Tt
pS 2 · 62,46 mm 3 mm 2

14. Vergleichsspannung ared

2 2

ared = yatM+3r; = (463!2) +3(21om:2) = 589m:2

ared = 589 N 2 < 0,9 Rp 0 2 = 0,9 · 660 N 2 = 594 N 2 (Bedingung erftillt)


mm ' mm mm

1306
VII. Schraubenverbindungen
15. Ausschlagkraft Fa

FsA = n ci> FA nach Gleichung (VII.40)

Fa = 0,5 · 0,25~ · 6000 N = 389 N

16. Ausschlagspannung aa
389 N N
10,6-2
36,6 mm 2 mm

aa = 10,6 N 2 < 0,9 aA= 0,9 · 50 N 2 = 45 N 2 (Bedingung erflillt)


mm mm mm

17. Flăchenpressung p
Fs 17732N N
p =- = = 257-
Ap 69,1 mm 2 mm2
N
p = 257-2
mm
< PG 750 N 2 (Bedingung erflillt)
mm

6.7. Berechnung vorgespannter Schraubenverbindungen


bei Aufnahme einer Querkraft
Die Schraubenverbindung iibertrăgt die gesamte statisch
oder dynamisch wirkende Querkraft FQ ges allein durch
ReibungsschluB: Reibkraft FR =FQges· Die erforderliche
Vorspannkraft Fv (Schraubenlăngskraft) setzt sich zusam-
men aus der erforderlichen Klemmkraft FKerf und der
Bild VII.l5. Querbeanspruchte
Setzkraft F z. Eine axiale Betriebskraft FA tritt nicht auf
Schraubenverbindung
(FA= 0).

6.7 .1. Erforderliche Klemmkraft FKe1de Schraube


Die Reibkraft FR zwischen den verspannten Platten (Flansche) mufl, gleich oder groBer sein a1s
die gesamte Querkraft FQges• die von der Verbindung zu iibertragen ist (FR ~ FQges). Ist n die
Anzahl der Schrauben, dann hat jede Schraube FQges/n aufzunehmen. Die dazu erforderliche
Reibkraft ist das Produkt aus der Normalkraft (hier Vorspannkraft Fv) und der Reibzahlţ.t (siehe
Mechanik 1.8). Wie das Verspannungsbild VII.7 zeigt, setzt sich bei FA =O die Vorspannkraft Fv
aus der Klemmkraft F K und der Setzkraft F z zusammen. Diese lăfl,t sich aher erst ermitteln, wenn
der Gewindedurchmesser und die Nachgiebigkeit 5p der Platten bekannt sind, wie Gleichung
(VII.38) zeigt. Daher wird zunăchst nur die erforderliche Klemmkraft FKerf berechnet und auch
zur Ermittlung des erforderlichen Spannungsquerschnittes Aserf verwendet (6.7 .3). Als Reibzahl
wird zur Sicherheit mit der Gleitreibzahl Il A zwischen den Bauteilen gerechnet.
Mit FKerr IJ.A ~ FQgesfn ergibt sich die erforderliche Klemmkraft FKerf:

FQges
FKerf ~ n ILA (VII.51)
N
IJ.A nach Tafel 1.2 im Abschnitt Statik
n Anzahl der Schrauben

1307
Maschinenelemente
Hat die Schraubenverbindung ein Drehmoment M zu iibertragen (siehe Berechnungsbeispiel6.8),
so gelten die gleichen physikalischen Dberlegungen wie bei der Herleitung der Gleichung (VII.l).
Dariiber hinaus hilft die Vorstellung weiter, daJl. das Drehrnoment M durch die am Lochkreis
tangential wirkende Querkraft FQges weitergeleitet wird. Der Wirkabstand ist der Lochkreisradius
'L = dL/2 und damit M = FQges dLf2. Lost man diese Gleichung nach FQges auf und setzt den
gefundenen Ausdruck in Gleichung (VII.Sl) ein, so erhălt man auch flir den Fali der Drehmomen-
teniibertragung eine Gleichung flir die erforderliche Klemmkraft FKer(

(VII.52)
N Nmm mm

6.7.2. Spannungsquerschnitt As und Festlegen des Gewindes


Grundsătzlich gelten die im Abschnitt 6.5 .1 angestellten Dberlegungen und damit auch die Glei-
chung (VI1.33), wenn beriicksichtigt wird, daJl. bei der vorliegenden Schraubenverbindung keine
axiale Betriebskraft auftritt (FA = 0). Damit ergibt sich ftir den erforderlichen Spannungsquer-
schnitt Aserr=

Aserr (VII.53)

Erlăuterungen und Tafelhinweise in Abschnitt 6.5 .1.

6.7 .3. Fortgang der Berechnung


Die gewăhlte Schraube (Gewindenenndurchmesser d und Festigkeitsklasse) wird nun nach Ab-
schnitt 6.5 iiberpriift. Wegen der fehlenden axialen Betriebskraft gelten die Gleichungen mit FA =0.
Beispielsweise wird die Montagevorspannkraft nach Gleichung (VII.39): FvM = aA (Fz + FKerr);
siehe auch Berechnungsbeispiel6.8.

6.8. Berechnungsbeispiel einer querbeanspruchten Schraubenverbindung


Das Tellerrad an einem Ausgleichsgetriebe soli mit Schaftschrauben mit metrischem ISO-Regel-
gewinde befestigt werden. 1 )

Gegeben:
zu iibertragendes Drehmoment M = 2300 Nm
Lochkreisdurchmesser dL = 130 mm
Anzahl der Schrauben n = 12 (angenommen)
Klemmlănge /K = 20 mm
Festigkeitsklasse 12.9
Werkstoff der verspannten Teile StahlguB
Anziehen der Schrauben von Hand mit Drehrnomentenschliissel
Gesucht sind alle wichtigen GroBen der vorgespannten Schrau-
benverbindung unter der Bedingung, daB eine axial wirkende
Betriebskraft nicht auftritt (FA = 0). Bild VII.16. Tellerradverbindung
am Kraftfahrzeug

1) Aufgabe entnommen: A. Bage, Arbeitshilfen und Formeln ftir das technische Studium, Band 2, Konstruktion,
Vieweg 1983.

1308
VII. Schraubenverbindungen

Losung:
1. Erforderliche Klemmkraft FK erf je Schraube
F _ 2M M = 2300 · 103 Nmm
Kerf - n JlA dL n = 12
dL = 130mm
F = 2·2300·10 3 Nmm= 29490 N
Kerf 12 · 0,1 ·130mm JlA = 0,1 ftir St/St (angenommen)

2. Erforderlicher Spannungsquerschnitt A seif und Schraubendurchmesser d


aA FKerf
AS erf ;;;. __:_:.........;:.:.=:._ aA = 1,6 nach6.5.1
vRpo,2
RP 0 ,2 = 1100 N/mm 2 (Tafel VII.l)
Aserf;;;. 1,6·29490N =71,5mm2 v = 0,6 nach 6.5.1 (angenommen)
o6. 1100 _IL2
' mm
Nach Tafel Vll.7 wird das Gewinde M12 gewăhlt mit As= 84,3 mm 2 > Aserf = 71,5 mm 2 •

3. Nachgiebigkeit lis der Schraube


!..!_ + 12 + 0,8 d 11 = 15 mm (angenommen)
A As !2 = 5 mm
Es A= 113mm 2
15mm +5mm+0,8·12mm
113 mm 2 84,3 mm 2 146 ·10-6 mm
21 ·104 _IL2
, N
mm

4. Querschnitt Am des Ersatz-Hohlzylinders

Aers = ~ [(da+ Z:J- D~J = ~ [(19 mm + 2 ~~m)2 - 13,5 2 mm 2] = 203,2 mm 2

Zu den eingesetzten GroBen siehe 6.5 .4.

5. Nachgiebigkeit lip der verspannten Teile

liP -
lK 20mm
= o 4 7 · 10-6 -mm
- AersEp = 203 2mm 2 ·21·104 _IL ' N
' mm 2

6. Kraftverhăltnis <1>

lip O•47 ·10-6 mm


N
<1> = -- = = 0,244
lip+ lis (0,47 + 1,46). 10-6 m;

1309
Masch inenelemente

7. Setzkraft F z
<1>
Fz = f z -
8p
Iz in Abhăngigkeit von /Kfd nach 6.5.7

0,244 20mm
Fz = 0,004mm · 6 mm - - = 17 =>fz ""'O 004mm
0,47 ·10- N 12mm ' '
Fz=2077N

8. Montagevorspannkraft FvM
FvM = aA + Fz + (1 - n <I>)FA]
[FKerf
Beachte: FA= O!
FvM = 1,6 · (29 490N + 2077N) = 50 507N

9. Schraubenkraft Fs
Fs = FvM + n <1> FA mit FA= O wird daraus
Fs = FvM =50507N

1 O. Kraftnachweis zur ersten Kontrolle


Mit Fs =FvM sowie Rpo,2 = 1100N/mm2 erhăltman:
N
F 0 ,2 = AsRpo,2 = 84,3mm 2 • 1100 mm 2 = 92730N

Fs = FvM = 50507N < F 0 ,2 = 92730N


Die Rechnung zeigt, dai!. die groBte Schraubenzugkraft Fs = FvM kleiner ist als die Streck-
grenzkraft F 0 ,2 fUr die Festigkeitsklasse 12.9 der Schraube. Das gewăhlte Gewinde M12 kann
also beibehalten werden.

11. Erforderliches Anziehdrehmoment MA

MA =FvM[; tan(a+p')+p.A·0,7d]

MA = 50 507 N [ 10 •86; mm · tan (2,94° + 9°) + 0,1 · 0,7 ·12 mm] = 100 436 Nmm
MA""' 100Nm

12. Spannungen und Fliichenpressung


Die folgenden GroBen werden wie im Beispiel6.6 berechnet. Man erhălt:
N
Montagevorspannung avM = 599 - 2 Torsionsspannung Tt = 266 N 2
mm mm
N N
Vergleichsspannung ared = 756 - 2 < 0,9 Rp 02 = 990 - 2
mm ' mm
N N
Flăchenpressung p = 361 -
mm
2 < PG = 500 mm
- 2

Die Rechnung zeigt, dai!. unter den gegebenen Bedingungen die gewăhlte Schraube M12 bei-
behalten werden kann.

1310
VII. Schraubenverbindungen

7. Berechnung der Bewegungsschrauben

7 .1. Oberschlăgige Berechnung


Ftir kurze Bewegungsschrauben (Spindeln) mit iiberwiegender Zug· oder Druckbeanspruchung
ergibt sich der erforderliche Kernquerschnitt

F Uz(d)zul
A3 = - - - (VII.54)
Uz(d)zul N
mm 2 N
mm 2
F Zug-(Druck-)kraft in der Spindel;
Oz(d)zul zulăssige Zug-(Druck-)spannung.

Man setzt
Re
bei vorwiegend ruhender Belastung Uz(d)zul "" 1,5

bei Schwellbelastung Uz(d)zul

Uz(d)W
bei Wechselbelastung Uz(d)zul "" - 2-

Bei langen druckbeanspruchten Spindeln, bei denen die Gefahr des Ausknickens besteht, ergibt sich
aus der Euler-Knickformel der erforderliche Kerndurchmesser
4
F E V
(VII.SS)
N
mm N
mm 2
F Druckkraft
v ""8 .. .10 Sicherheit
lk freie Knicklănge, je nach knickfall, siehe Festigkeitslehre Il.3
E Elastizitătsmodul des Spindelwerkstoffes (flir St: E ""21 · 104 N/mm 2 )

7 .2. Spannungsnachweis
Die mit den Gleichungen (VII.54) und (VII.SS) berechneten Schrauben (Spindeln) sind auf Zug
oder Druck und Torsion nachzupriifen. Es ist nachzuweisen, daE die Vergleichsspannung

(VII.56)

Oz(d) = FjA3 vorhandene Zug-(Druck-)spannung


Tt = T/Wp vorhandene Torsionsspannung mit T=MRG nach6.5.13 und Wp ""0,2dt
azul zulăssige (Normal-)Spannung, bei iiberwiegend ruhender Belastung wird azul ""R 0 /1,5;
bei Schwellbelastung Ozul ""azSch/2; bei Wechselbelastung Ozul "'Oz(d)w/2

7 .3. Nachpriifung auf Knicksicherheit


Lange, knickgefahrdete Spindeln sind zusătzlich aufKnicksicherheit zu priifen (siehe auch Kapitel
Knickung im Abschnitt Festigkeitslehre). Fiir den elastischen Knickbereich, d.h. fur den Schlank-
heitsgrad A> 1OS ftir St37 und A> 89 fiir StSO ist die Knickspannung nach Euler

(VII.57)

1311
Maschinenelemente

A=lKfi, mit Trăgheitsradius i=..jj[A; wird, ftir /=7Tdj/64 und A3 = di1T/4 gesetzt, der
Schlankheitsgrad flir Spindeln

(VII.58)

Die vorhandene Knicksicherheit v soli sein

v = ~KV ""' 3 ... 6 mit zunehmendem Schlankheitsgrad A (VII.59)

Fiir den unelastischen Knickbereich ergibt sich ftir St37 bei A< 105 und fiir St50 bei A< 89
die Knickspannung nach Tetmajer
aK = 310-1,14 A (flirSt37) (VII.60)
aK = 335- 0,62 A (fUr StSO)

Vorhandene Knicksicherheit nach Gleichung(VII.59) soli hier v""' 4 ... 2 mit abnehmendem A sein.

7 .4. Spindelfiihrung
Die Liinge der Spindelfiihrung ergibt sich auf Grund einer zulăssigen Flăchenpressung der Gewinde-
flanken aus

l 1 -_ FP Pzu!
(VII.61)
Pzul d2 1T H, N
mm N
mm 2
F Lăngskraft in der Spindel

P Gewindeteilung (Steigung bei eingăngigem Gewinde)


Pzul zulăssige Flăchenpressung nach Tafel VII.3: d2 Flankendurchmesser
H1 Tragtiefe des Gewindes bei ISO-Regelgewinde und ISO-Trapezgewinde (Tafeln VII.7 und VII.8)

Tafel VII.3. Richtwerte flir die zulăssige Flăchenpressung bei


Bewegungsschrauben

Werkstoff Pzulin
Schraube (Spindel) Mutter (Spindelflihrung) N/mm 2
Stahl Stahl 8
Stahl Gufl,eisen 5
Stahl CuZn und CuSn-Legierung 10
Stahl, gehărtet Cu Zn und Cu Sn- Legierung 15

Tafel Vll.4. Reibungszahlen und Reibungswinkel flir Trapezgewinde


trocken geschmiert
Gewinde p.' p' p.' p'

Spindel aus Stahl, Mutter aus Gui\eisen 0,22 12°


Spindel aus Stahl, Mutter aus CuZn- und CuSn-Legierungen 0,18 10°
Aus vorstehenden Werkstoffen - - 0,1 60

1312
V 11. Schraubenverbindungen

7.5. Berechnungsbeispiel einer Bewegungsschraube


Die Spindel der Handspindelpresse (Bild VII.17) ist zu be-
rechnen, die Lănge der Fiihrungsmutter festzulegen. Maxi-
male Druckkraft F = 120 000 N, Spindellănge l = 1250 mm.
Material: St50 ftir die Spindel, CuZn-Legierung ftir die
Fiihrungsmutter.

Losung: Die Spindel soli ein nichtselbsthemmendes, mehr-


găngiges metrisches ISO-Trapezgewinde erhalten. Die Vor-
wahl des Gewinde·Kerndurchmessers der auf Druck und F
A
daruit auch auf Knickung beanspruchten Spindel erfolgt
nach Gleichung (VI1.55):

Bild VII.l7. Handspindelpresse

Mit Sicherheit v=9, Knicklănge /K "=' 0,75/ = 0,75 ·1250mm=937,5 mm, E= 21·10 4 N/mm 2 wird

64 · 9 ·120000N · 937,5 2 mm 2
..::....:.........::.--==.:--=--=-";-;-'--::....::...:..L:.~=- = 55 mm
21 . 104 .lL.
2
7T 3
mm

Nach Tafel VII.8 hat der năchstliegende Kerndurchmesser d 3 = 54mm bei einem Gewinde-
durchmesser d = 65 mm, die Bezeichnung: Tr65 X 30Pl0 bei dreigăngigem Gewinde, Kernquer-
schnitt A 3 = 2290mm 2 •
Der Spannungsnachweis wird mit Gleichung (VII.56) geftihrt:

F 120000N N . .
ad =A- = 2 "" 52,4 - 2 1st d1e vorhandene Druckspannung,
3 2290mm mm
M
Tt = WRG die auftretende Torsionsspannung. Das Gewindereibmoment nach Gleichung (VII.45)
p
errechnet sich mit d 2 = 60mm, a= 3 · 3,04° = 9,12° (bei drei Găngen) und p' = 6° nach Tafel
VII.4 zu: MRG = Fr 2 tan(a + p') = 120000N · 30mm · tan 15,12° = 972 703 Nmm und das
polare Widerstandsmoment zu WP ""0,2 d~ = 0,2 · 54 3 mm 3 = 31493 mm 3 ; damit

972703 Nmm
"" 31 1!._
Tt = 31493 mm 2 mm2

Bei i.iberwiegend ruhender Belastung wird

3oo.lL
Uzul 1,5
mm2 = 200 N 2
mm
> ared

1313
Maschinenelemente

Die Nachpriifung auf Knicksicherheit beginnt mit der Berechnung des Schlankheitsgrades der
Spindel nach Gleichung (VII.58). Danach ist
A = 4/K = 4 · 937,5 mm ""' 69
d3 54mm
Fi.ir St50 betrăgt der Grenzschlankheitsgrad Ao =89. Da A< Ao, handelt es sich um unelastische
Knickung, die Knickspannung ist nach Tetmajer (Gleichung (VII.60)) zu ermitteln. Damit wird

aK = 335 - 0,62 A = (335 - 0,62 · 69) ..lL_ = 292 ..lL_


mm 2 mm 2
und nacli Gleichung (VII.59) die vorhandene Knicksicherheit

292..1L2
mm
-7-5-'N::::=- = 3,89
mm 2

Nach Gleichung (VI1.59) soli die Knicksicherheit um unelastischen Bereich v ""'4 ... 2 betragen.
Diese Forderung ist erflillt und damit konnen die vorgewăhlten Spindeldaten als endgtiltig ange-
sehen werden.
Die Berechnung der Lănge 11 der Ftihrungsmutter erfolgt nach Gleichung (VII.61)
l _ FP
,-Pzuld2nH,

Fi.ir eine CuZn-Legierung betrăgt die zulăssige Flăchenpressung bei Bewegungsschrauben nach
Tafel VII.3 Pzul ""' 10 N/mm 2 , Flankendurchmesser d 2 = 60mm, Tragtiefe H 1 = 5mm, damit wird
120 OOON ·lOmm
1, = 127mm
10 ..lL2 · 60 mm · 1r • 5 mm
mm

gewăhlt: / 1 = 130 mm.

1314
VII. Schraubenverbindungen

Tafel VII.S. Geometrische GroBen an Sechskantschrauben


Bezeichnung einer Sechskantschraube M10, Lănge 1 =90 mm,
Festigkeitsklasse 8.8:
Sechskantschraube MlO X 90 DIN 931-8.8

MaBe in mm, Kopfauflageflăche Ap in mm 2

l·Bereich b Ds Ap
Gewinde da~ s k
4) 5)
') 2) 3) ~fein mittel

M5 8 3,5 22 ... 80 16 22 5,3 5,5 26,5 30


M6 10 4 28 ... 90 18 24 6,4 6,6 44,3 41
M8 13 5,5 35 ... 110 22 28 8,4 9 69,1 64
MlO 17 7 45 ... 160 26 32 10,5 11 132 100
M12 19 8 45 ... 180 30 36 13 13,5 140 93 ') gestuft: 18, 20, 25, 28, 30, 35, 40,
M14 22 9 45 ... 200 34 40 15 15,5 191 134
2) flir l ";;, 125 mm
M16 24 10 50 ... 200 38 44 17 17,5 212 185
3) ftir l > 125 mm ... 200 mm
M18 27 12 55 ... 210 42 48 19 20 258 244
4) ftir Sechskantschrauben
M20 30 13 60 ... 220 46 52 21 22 327 311
M22 32 14 60 ... 220 50 56 23 24 352 383 5) ftir lnnen-Sechskantschrauben
M24 36 15 70 ... 220 54 60 25 26 487 465
M27 41 17 80 ... 240 60 66 28 30 613 525
M30 46 19 80 ... 260 66 72 31 33 806 707

Anmerkung: Die Kopfauflageflăche Ap fiir 4) wurde als Kreisringflăche berechnet mit Ap = rr/4 (di- mitte1), D1
ftir 5) aus den MaJl>en nach DIN. Aussenkungen der Durchgangsbohrungen (Ds) verringern die Auflageflăche Ap
unter Umstănden erheblich.

Tafel VII.6. MaBe an Senkschrauben mit Schlitz und an Senkungen ftir Durchgangsbohrungen

Bezeichnung einer Senkschraube M10


Lănge 1 = 20 mm, Festigkeitsklasse 5.8:
Senkschraube M10 X 20 DIN 963-5.8
Bezeichnung der zugehorigen Senkung der
FormA mit Bohrungsausftihrung mittel (m):
Senkung Am 10 DIN 74

MaBe in mm

Gewinde- 10 12 16 20
d=M ... 1 1,2 1,4 1,6 2 2,5 3 4 5 6 8
durchmesser

kmax 0,6 0,72 0,84 0,96 1,2 1,5 1,65 2,2 2,5 3 4 5 6 8 10
d3 1,9 2,3 2,6 3 3,8 4,7 5,6 7,5 9,2 Il 14,5 18 22 29 36
t2 max 0,3 0,35 0,4 0,45 0,6 0,7 0,85 1,1 1,3 1,6 2,1 2,6 3 4 5
s 0,25 0,3 0,3 0,4 0,5 0,6 0,8 1 1,2 1,6 2 2,5 3 4 5

dl 1,2 1,4 1,6 1,8 2,4 2,9 3,4 4,5 5,5 6,6 9 11 14 18 22
d2 2,4 2,8 3,3 3,7 4,6 5,7 6,5 8,6 10,4 12,4 16,4 20,4 24,4 32,4 40,41
tl 0,6 0,7 0,8 0,9 1,1 1,4 1,6 2,1 2,5 2,9 3,7 4,7 5,2 7,2 9,2j

1315
Maschinenelemente

Tafel VII.7. Metrisches ISO-Gewinde nach DIN 13


Bezeichnung des metrischen Regelgewindes z.B.
1 MI21 Gewinde-Nenndurchmesser d =D = 12 mm

Ma~einmm

Flanken- Schaft-
Gewinde- Steigungs- Spannungs- polares Wider-
Steigung durch- Kerndurchmesser Gewindetiefe 1) quer-
Nenndurchmesser winke1 querschnitt standsmoment
messer schnitt
d=D p Dl Hl As A
"' d2 =D2 d3 h3 Wps
Reihe 1 Reihe 2 in Grad mm 2 mm3 mm2

3 0,5 3,40 2,675 2,387 2,459 0,307 0,271 5,03 3,18 7,07
3,5 0,6 3,51 3,110 2,764 2,850 0,368 0,325 6,78 4,98 9,62
4 0,7 3,60 3,545 3,141 3,242 0,429 0,379 8,73 7,28 12,6
4,5 0,75 3,40 4,013 3,580 3,688 0,460 0,406 11,3 10,72 15,9
5 0,8 3,25 4,480 4,019 4,134 0,491 0,433 14,2 15,09 19,6
6 1 3,40 5,350 4,773 4,917 0,613 0,541 20,1 25,42 28,3
8 1,25 3,17 7,188 6,466 6,647 0,767 0,677 36,6 62,46 50,3
10 1,5 3,03 9,026 8,160 8,376 0,920 0,812 58,0 124,6 78,5
12 1,75 2,94 10,863 9,853 10,106 1,074 0,947 84,3 218,3 113
14 2 2,87 12,701 11,546 11,835 1,227 1,083 115 347,9 154
16 2 2,48 14,701 13,546 13,835 1,227 1,083 157 554,9 201
18 2,5 2,78 16,376 14,933 15,294 1,534 1,353 192 750,5 254
20 2,5 2,48 18,376 16,933 17,294 1,534 1,353 245 1082 314
22 2,5 2,24 20,376 18,933 19,294 1,534 1,353 303 1488 380
24 3 2,48 22,051 20,319 20,752 1,840 1,624 353 1871 452
27 3 2,18 25,051 23,319 23,752 1,840 1,624 459 2774 573
30 3,5 2,30 27,727 25,706 26,211 2,147 1,894 561 3748 707
33 3,5 2,08 30,727 28,706 29,211 2,147 1,894 694 5157 855
36 4 2,18 33,402 31,093 31,670 2,454 2,165 817 6588 1020
39 4 2,00 36,402 34,093 34,670 2,454 2,165 976 8601 1190
42 4,5 2,10 39,077 36,479 37,129 2,760 2,436 1120 10574 1390
45 4,5 1,95 42,077 39,479 40,129 2,760 2,436 1300 13222 1590
48 5 2,04 44,752 41,866 42,587 3,067 2,706 1470 15899 1810
52 5 1,87 48,752 45,866 46,587 3,067 2,706 1760 20829 2120
56 5,5 1,91 52,428 49,252 50,046 3,374 2,977 2030 25801 2460
60 5,5 1,78 56,428 53,252 54,046 3,374 2,977 2360 32342 2830
64 6 1,82 60,103 56,639 57,505 3,681 3,248 2680 39138 3220
68 6 1,71 64,103 60,639 61,505 3,681 3,248 3060 47750 3630

1) H 1 ist die Tragtiefe zur Berechnung der F1achenpressung im Gewinde

1316
VII. Schraubenverbindungen
Tafel VII.8. Metrisches ISO-Trapezgewinde nach DIN 103

Bezeichnung fiir
a) eingăngiges Gewinde z.B.
1 Tr75 X 10 J

Gewindedurchmesser d = 75 mm,
Steigung P = 1O mm = Te il ung

b) zweigăngiges Gewinde z.B.


1 Tr75 X 20P1:Qj
Gewindedurchmesser d = 75 mm,
Steigung Ph = 20 mm
Bolzengewinde
//////// Teilung P = 1O mm
Steigung Ph 20 mm
Gangzahl z = Te1.1ung p = -10 mm = 2

Gewinde- Steigung Steigungs- Tragtiefe Flanken- Kern- Kern- po1ares Wider-

*
durchrnesser winkel durchmesser durchmesser querschnitt standsrnoment
d p a HI D 2 =d2 d3 A3 = ~ d~ Wp = d~
in Grad HI = 0,5P D 2 =d-H 1 mm2 mm3
8 1,5 3,77 0,75 7,25 6,2 30,2 46,8
10 2 4,05 1 9 7,5 44,2 82,8
12 3 5,20 1,5 10,5 9 63,6 143
16 4 5,20 2 14 Il ,5 104 299
20 4 4,05 2 18 15,5 189 731
24 5 4,23 2,5 21,5 18,5 269 1243
28 5 3,57 2,5 25,5 22,5 398 2237
32 6 3,77 3 29 25 491 3068
36 6 3,31 3 33 29 661 4789
40 7 3,49 3,5 36,5 32 804 6434
44 7 3,15 3,5 40,5 36 1018 9161
48 8 3,31 4 44 39 1195 11647
52 8 3,04 4 48 43 1452 15611
60 9 2,95 4,5 55,5 50 1963 24544
65 10 3,04 5 60 54 2290 30918
70 10 2,80 5 65 59 2734 40326
75 10 2,60 5 70 64 3217 51472
80 10 2,43 5 75 69 3739 64503
85 12 2,77 6 79 72 4071 73287
90 12 2,60 6 84 77 4656 89640
95 12 2,46 6 89 82 5281 108261
100 12 2,33 6 94 87 5945 129297
110 12 2,10 6 104 97 7390 179203
120 14 2,26 7 113 104 8495 220867

1317
Maschinenelemente

VIII. Bolzen, Stiftverbindungen und Sicherungselemente

1. Allgemeines
Bolzen und Stifte dienen der gelenkigen oder festen Verb ind ung von Bauteilen, der Lagesicherung,
Zentrierung, Ftihrung usw. Bei losen Verbindungen miissen die Bolzen, Stifte oder Bauteile gegen
Verschieben gesichert werden, z.B. durch Stellringe, Splinte und Querstifte. Formen und Ab·
messungen dieser Verbindungselemente sind weitgehend genormt.

2. Bolzen
2.1. Fonnen und VeiWendung
Bolzen ohne Kopf, DIN 1433, Bolzen mit kleinem oder gro1,l,em Kopf, DIN 1434 bis 1436, werden
als Gelenkbolzen verwendet, zum Beispiel bei Laschenketten, Stangenverbindungen und Ketten.

E·-·-·3
a)
&=·-·-·1
b) cJ d)
Bild VIII.l. Bolzen. a) BolzenohneKopf(mitSplintlăchem) b) BolzenmitKopf c) BolzenmitGewindezapfen
d) Senkbolzen mit Nase

Bolzen mit Gewindezapfen, DIN 1445 (Bild VIII.lc), und Senkbolzen mit Nase (Bild Vlll.ld),
werden als festsitzende Lager· und Achsbolzen z.B. bei Laufrollen und Tiirschamieren benutzt.
Fiir die Bolzen wird als Toleranz h 11, flir die Bohrung H 8 bis H 11 empfohlen, andere Toleranzen
sind jedoch flir besondere Fiille zulăssig.

2.2. Berechnung der Bolzenverbindungen


Bolzenverbindungen werden normalerweise auf Biegung und
Flăchenpressung berechnet, die Abscherbeanspruchung ist
meist vernachlăssigbar klein.
Im gefâhrdeten Querschnitt A-B des Bolzens (Bild Vlll.2)
mufi, die vorhandene Biegespannung sein:

(VIII.1)
Bild VIII.2. Kraftwirkungen
am Bolzen

Mb maximales Biegemoment flir den Bolzen, das sich im vorliegenden Fali bei Streckenlast ergibt
aus Mb = F/2(s/2 + l/4); W = 1r d 3/32 axiales Widerstandsmoment; abzul zulăssige Biegespannung
(siehe Festigkeitslehre 1.9).
Ferner darf die vorhandene Flăchenpressung die zulăssige nicht iiberschreiten:

p F Aproi
F
P = ;t--: ~ Pzul
proJ
N mm 2

1318
VIII. Bolzen, Stiftverbindungen und Sicherungselemente

Tafel VIII.l. Richtwerte flir


zulăssige Beanspruchungen bei Bolzen- und Stiftverbindungen bei
annăherndruhender Beanspruchung (Werte gelten ftir nicht gleitende Flăchen ader nur geringe
Bewegungen)

Werkstoff Art des Bolzens, Stiftes, Bauteils zulăssige Beanspruchungen in N/mm 2


Pzul Ubzul Tazul
St37 ·-- 50, 9S 20K Kegel-, Zylinderstifte, Bolzen, Wellen 160 130 90
St60, St 70, 6.8 Bolzen, Kerbstifte, Wellen 240 200 140
Federstahl Spannstifte, Spiralstifte - - 300
GS Naben 120 - -
GG Naben 90 - -

F Stangenzug-(druck-)Kraft; Aproj projizierte Bolzenflăche, ftir den Stangenkopf: Aproj = d l, fiir


die Gabel: Aproj = 2 d s, fur die Nachpriifung ist die kleinere Flăche ml!Egebend; Pzul zulăssige
Flăchenpressung nach Tafel VIII.l ader Tafel XLI.

Bei Schwellbelastung sind die Werte mit"'=' 0,7, bei Wechselbelastung mit"'=' 0,4 malzunehmen. Fiir
gleitende Flăchen siehe Tafel XIII.8.

3. Stifte

3 .1. Kegelstifte
Kegelstife, DIN 1 (Bild VIII.3a), werden hauptsăchlich zur Lagesicherung und Zentrierung von
Bauteilen, zum Beispiel im Vorrichtungsbau verwendet. Die Verbindung ist form- und reibschliissig.
Sie ist teuer, da Lăcher aufgerieben und Stifte eingepall.t werden miissen, hat aher den Vorteil, dl!E
auch bei hăufigem Ausbau die Lagezentrierung wieder genau hergestellt wird.
Kegelstifte mit Gewindezapfen und Lăsemutter, DIN 7977 (Bild VII.3b), werden bei Sacklăchern
verwendet. Werkstoffnormal StSOK ader 9S20K.

Bild VIII.3
Kegel- und Zylinderstifte
a) Kegelstift
b) Kegelstift mit Gewindezapfen
c) bis e) Zylinderstifte

a) b) c) d) e)

3.2. Zylinderstifte
Zylinderstifte werden ăhnlich wie Kegelstifte verwendet. Ungehărtete Stifte, DIN 7 (Bilder VIII.3c
bis VIII.3e), sind mit Toleranz m6 ftir feste Verbindungen, mit h8 und hll ftir Iose Verbindungen
vorgesehen (beachte Kuppenform!). Gehărtete Zylinderstifte, DIN 6325, mit Toleranz m6 werden
hauptsăchlich bei hochbeanspruchten Teilen im Werkzeugmaschinen- und Vorrichtungsbau ver-
wendet. Werkstoffe wie ftir Kegelstifte: StSOK ader 9S20K.

1319
Masch i nenelemente

3.3. Kerbstifte, Kerbnăgel


Kerbstifte haben am Umfang mehrere Wu\stkerben und ermoglichen dadurch einen festen Sitz
auch in normal gebohrten Lochern. Verschiedene Ausflihrungen zeigen die Bilder VIII.4a bis
VIII.4e. Anwendung wie Kegel· und Zylinderstifte bei geringeren Anspriichen an Genauigkeit, viel-
fach auch als Lager- und Gelenkbolzen.

Bild VIII.4. Kerbstifte und Kerbnăgel


a) Kegelkerbstift DIN 14 71
b) P:illkerbstift DIN 14 72
c) Zylinderkerbstift DIN 14 73
d) Steckkerbstift DIN 14 74
e) Knebelkerbstift DIN 1475

-$-a)
f) Halbrundkerbnagel DIN 14 76
g) Senkkerbnagel DIN 1477 b) d)
c) e) f) g)

Kerbnăgel Bilder Vlll.4 f und VIII.4g) dienen zur einfachen und schnellen Befestigung von
Teilen wie Rohrschellen und Schilder.
Als Werkstoffist ftir Kerbstifte der Schraubenstahl6.8, ftir Kerbnăgel4.6 vorgesehen.

3.4. Spannstifte
Spannstifte (Spannhiilsen), DIN 1481 (schwere Ausftihrung) und DIN 7346 (leichte Ausftihrung),
sind lăngsgeschlitzte Hiilsen aus Federstahl (Bild VIII.5 a) und ergeben durch gro~eres Oberm~
(""' 0,2 ... 0,5 mm) einen krăftigen Festsitz in normalen Bohrungen. Anwendung ăhnlich wie Kerb-
stifte, besonders zur Aufnahme hoher Scherkrăfte.

Bild VIII.5. Spannstifte. a) Spannstift, b) Connex·Stift, c) Spiral-Stift

Sonderformen stellen der Connex-Spannstift 1 ) (Bild VIII.5b ), der sich durch hărtere Federung
auszeichnet und der Spiral-Stift 2 ) (Bild VIII.5c) dar, der sich durch seine Federeigenschaften zur
Aufnahme hoher dynamischer Sto~belastungen eignet.

4. Bolzensicherungen
Sicherungsringe fur Wellen, DIN 471, und ftir Bohrungen, DIN 472 (Bilder VIII.6a und VIII.6b),
dienen zur Sicherung von Bautei\en gegen axiales Verschieben, z.B. von Wălzlagern, Naben und
Buchsen. Durch ihre besondere Form bleiben die aus Federstahl bestehenden Ringe beim Einbau
(Auf- oder Zusammenbiegen) rund und pressen sich in die Nutengleichm~ig fest ein. Wegen hoher
Kerbwirkung durch die Nuten moglichst nur an Bolzen- oder Wellenenden anordnen.
Sprengringe, DIN 5417 (Bild VIII.6c), werden dort verwendet, wo ein gleichbleibender Ring-
querschnitt aus Einbaugriinden erforderlich ist, z.B. bei Kugellagerau~enringen (Bild VIII.11).
Bei kleinen Bolzen in der Feinmechanik werden Sicherungsscheiben, DIN 6799 (Bild VIII.6d),
bevorzugt, z.B. bei Plattenspielern.
Splinte, DIN 94 (Bild VII1.6e), werden besonders bei losen Bolzenverbindungen und zur Sicherung
von Kronenmuttern verwendet.

1) Hersteller: Gebr. Eberhardt, Ulm


2) Hersteller: W. Prym GmbH, Stollberg (Rhld.)

1320
VIII. Bolzen, Stiftverbindungen und Sicherungselemente

a)
G!
b)
1
:.:
el
Bild VIII.6. Sicherungselemente. a) A~ensicherung, b) innensicherung, c) Sprengring,
@
(00~
d)

el
$ ~

d) Sicherungsscheibe, e) Splint

Stellringe, DIN 705 (Bild VII1.7), sollen das axiale


Spiel von Bolzen und Wellen begrenzen oder
bewegliche Teile (Hebel, Răder) seitlich fiihren.
Befestigung durch Gewindestift oder bei schweren
Ringen durch Kegelstift.
Achshalter, DIN 15 058,sichernAchsen und Bolzen
gleichzeitig gegen Verschieben und Drehen a) b)

(siehe Bild VIII.8). Bild VIII. 7 Stellringe


a) Stellring mit Gewindestift, b) mit Kegelstift

5. Gestaltung der Bolzen- und Stiftverbindungen


Rollenlagerung (Bild VIII.8): Bolzensicherung durch beidseitige Achshalter, entgegen der Kraft-
i.ibertragungsstelle angeordnet. Toleranzen z.B.: Bolzen d9, Bohrungen H8.
Hebellagerung (Bild VIII.9): Bolzensicherung durch Stellringe mit Kegelstift. Der Bolzen sitzt in
beiden Teilen lose. Passung z.B. H9/hll.
Laufradlagerung (Bild VIII.lO): Der Knebelkerbstift sitzt fest in der Nabenbohrung und lose in
der Gabel. Alle Bohrungen kănnen ohne Nacharbeit mit Spiralbohrer gebohrt werden.
Wălzlagerung (Bild VIII.ll): Der Sprengring sichert das Kugellager gegen axiales Verschieben im
Gehăuse. Der Innenring ist auf der Welle durch einen Sicherungsring festgelegt.

Bild VIII.lO.
Bild VII1.9. Hebellagerung
Laufradlagerung

Bild VIII.8. Gleitlagerung Bild VIII.ll.


einer Seilrolle Wălzlagerung

1321
Maschinenelemente

IX. Federn

Normen (Auswahl) und Richtlinien


DIN 2088 Zylindrische Schraubenfedern aus runden Drăhten und Stăben, Berechnung und
Konstruktion von Drehfedern (Schenk:elfedern)
DIN 2089 Zylindrische Schraubenfedern aus runden Drăhten und Stăben, Berechnung und
Konstruktion von Druck- und Zugfedern
DIN 2090 Zylindrische Schraubendruckfedern aus Flachstahl, Berechnung
DIN 2091 Drehstabfedern, Berechnung und Konstruktion
DIN 2092 Tellerfedern, Berechnung
DIN 2093 Tellerfedern, M!!Ee und Giiteeigenschaften
DIN 2095 Zylindrische Druckfedern aus Runddraht, kaltgeformt
DIN 2097 Zylindrische Zugfedern aus Runddraht
VDI-Richt-
linie 2005 Gestaltung und Anwendung von Gummifedern, VDI-Verlag GmbH, Diisseldorf

1. Allgemeines
Mit Federn werden elastische Verbindungen hergestellt. Sie verformen sich unter Einwirkung ău~e­
rer Krăfte, speichern dabei Energie und geben diese bei Entlastung durch Riickfederung wieder ab.
Anwendung als Arbeitsspeicher, zur Sto~- und Schwingungsdămpfung, als Riickholfedern, zur Kraft-
messung und als Spannelemente. Nach iluer Gestalt unterscheidet man z.B. Blatt-, Schrauben-,
Teller-, Stab-, Spiral-, Ring-, Hiilsen- und Scheibenfedern, nach der Beanspruchung unterteilt man
in Zug-, Druck-, Biege- und Drehfedern.

2. Kenngro:Ben an Federn
2.1. Federkennlinien
Die Federeigenschaften werden nach Kennlinien beurteilt. Diese zeigen die Abhăngigkeit des
Federweges f (oder des Verdrehwinkels .,o) von der Federkraft F ( oder dem Federdrehmoment M)
und konnen progressiv (ansteigend gekriimmt), gerade oder degressiv (abfallend gekriimmt) ver-
laufen (Bilder IX.l und IX.2). Bei torsionsbeanspruchten Federn (z.B. Drehstabfedern irn Fahrzeug-
bau) entspricht der Federkraft F das Federdrehrnoment M und dem Federweg f der Verdreh-
winkel .,o.
Federn aus Werkstoffen, flir die das Hookesche Gesetz gilt, zeigen bei reibungsfreier Federung
lineare (gerade) Kennlinien; Federweg f und Federkraft F sind proportional (siehe Festigkeits-
lehre II.l.2).
Die Flăche unter der Kennlinie stellt die Federungsarbeit W dar.

1322
IX. Federn

F progressive M progressive
Kennlinie
(c tkonstantJ
gerade
/ Kennlinie
(cţkonstantJ

Kennlinie

IJM

F Federkraft, f Federweg M Federdrehmoment, 'P Verdrehwinkel

Bild IX.l. Federkennlinien und Bild IX.2. Federkennlinien und


Federungsarbeit W von zug-, druck- Federungsarbeit Wt von torsions-
oder biegebeanspruchten Federn beanspruchten Federn

2.2. Federsteifigkeit c (Federrate), Fedemachgiebigkeit 8 und Federungsarbeit W


Das SteigungsmaE der Federkennlinie ist der Tangens ihres Neigungswinkels a, also der Quotient
aus der Federkraft F (oder dem FederdrehmomentM) und dem Federweg f (oder dem Verdreh-
winkel tp). Ftir Fedem mit gerader Kennlinie gilt daher: tana =F/f=Fdf1 =F2/f2 oder
tan a= M/tp = MJ!tp 1 = M 2/tp 2 (siehe Bilder IX.l und IX.2). Dieser QuotientheiBtFedersteifigkeit c
(nach DIN 2089 Federrate c). Sie hat die Einheit N/mm oder N/m.
Der Kehrwert der Federsteifigkeit wird als Nachgiebigkeit 8 = 1/c bezeichnet; sie hat daher die
Einheit mm/N.
F FI F2 F2 -FI 11F
c = (IX.l)
f fi f2 f2 -f2 !1f

1 L fi f2 f2 -fi 11f
[j =- = (IX.2)
c F FI F2 F2 -FI 11F
c Federsteifigkeit (Federrate)
o Federnachgiebigkeit fiir Zug-, Druck- und Biegefedern

M MI M2 M2 -MI 11M
Ct
tp
(IX.3)
<Pl <P2 1/)2 <Pl /1tp

1 tp <Pl 1/)2 <P2 - <Pl /1tp


[jt = - (IX.4)
C1 M MI M2 M2 -MI I1M

Ct Federsteifigkeit (Federrate)
ot F edernachgiebigkeit fiir Drehfedern

DefinitionsgemăB gibt die Federsteifigkeit c an, welche ăuBere Belastung (Federkraft F oder
Federdrehmoment M) ftir eine bestimmte Formănderungsdifferenz (Federweg f oder Verdreh-
winkel tp) zwischen zwei Angriffsstellen der Belastung erforderlich ist.
Beispielsweise bedeutet c = 50 N/mm, daB sich eine zug-, druck- oder biegebeanspruchte Feder bei
einer Federkraft F = 50 N um f= 1 mm zwischen zwei Kraftangriffsstellen verformt.

1323
Maschinenelemente

Von zwei Federn mit den Federsteifigkeiten c 1 = 50N/mm und c2 = 20N/mm ist die erste
Feder ,,hărter" (steilere Kennlinie), die zweite Feder "weicher" (flachere Kennlinie). Es ist hier
c 1 = tana 1 > c 2 = tana 2 .
Die Federungsarbeit W entspricht der Flăche unter der Federkennlinie (Bilder IX.l und IX.2).
Sie ist ein Mafl. ftir das Vermogen der Feder, mechanische Arbeit aufzunehmen oder abzugeben. Fiir
die Federungsarbeit zwischen zwei Belastungszustănden (F 1 und F 2 oder M 1 und M 2 ) liilit sich
dann ftir die in Bild IX.l schraffierte Trapezflăche ablesen:
Fi +F2
w= !::..f
2
eingesetzt:
w= c fi + c f2 (!2 -fi)
2

und wegen (!2 +f 1)(!2 - f 1), siehe Mathematik 11.5.2.1:


w [J,f2
(IX.5)
Nmm mm
Federungsarbeit einer Zug-, Druck-
oder Biegefeder
Entsprechend ergibt die Entwicklung nach Bild IX.2:
Ct 2 2 Wt Ct
Wt = l(IP2 -IP1) (IX.6)
N Nmm
mm rad rad
Federungsarbeit einer Drehfeder

Soli die Federungsarbeit W vom entlasteten Federzustand aus berechnet werden, dann vereinfach-
en sich die Gleichungen. Die Flăche unter der Kennlinie ist dann eine Dreieckflăche:

W = Ff = F2 = E_ f2 (IX.7)
2 2c 2
M1ţ1 M2 Ct
=-= _lţ12 (IX.7)
2 2 Ct 2

2.3. Nutzungsgrad TlA der Feder


Im Abschnitt Festigkeitslehre 11.1.2.3 wird ftir Zug- oder Druckstăbe die Gleichung fur die Form-
ănderungsarbeit W = o 2 V/2 E hergeleitet. Sie gilt allgemein ftir Stăbe mit gleichmăj3iger Span-
nungsverteilung in den Querschnitten der federnden Lănge. Entsprechend gilt fur Zug- und Druck-
federn mitgleichmăj3iger Spannungsverteilung ftir die Federungsarbeit W:
o2 V
W = 2E Federungsarbeit fiir Zug- und Druckfedern (IX.9)

Auf dem gleichen Wege wie ftir Zug- und Druckstăbe wird im Abschnitt Festigkeitslehre 11.5.1.3
T;
die Gleichung W = V/4 G fur torsionsbeanspruchte Stăbe mit Kreisquerschnitt hergeleitet. Die
Torsionsspannung ist nicht gleichmăBig liber dem Querschnitt verteilt, sondern linar (Festigkeits-
lehre 11.5.1.2). Im Nenner der Formănderungsarbeit W erscheint hier eine 4 anstelle der 2 in
Gleichung (IX.9) ftir Stăbe mit gleichmăBiger Spannungsverteilung im Querschnitt. Solche Ab-
weichungen von Gleichung (IX.9) ergeben sich auch bei Federn anderer Gestalt, zum Beispiel
Dreieckblattfedern.

1324
IX. Federn

Zum Federvergleich hat man daher als Kenngro~e den Nutzungsgrad TIA (Ausnutzungsgrad) defi-
niert und schreibt die Gleichungen fur die Federungsarbeit flir Federn mit ungleichmăj3iger Span·
nungsverteilung iiber den Querschnitten und der federnden Lănge in der Form:
a2 V
W =TIA Federungsarbeit fiir Biegefedern (IX.lO)
2E
Tt2 V
Wt = TIA Federungsarbeit fiir Drehstabfedern (IX.ll)
2G

In den vorstehenden Gleichungen ist a die Normalspannung (Zug-, Druck- oder Biegespannung),
Tt die Torsionsspannung, V das Volumen der Feder, E der Elastizitătsmodul, G der Schub-
modul und TIA der Nutzungsgrad (nach DIN 5485).
Fiir Zug- und Druckfedern nach Gleichung (IX.9) ist der Nutzungsgrad TIA = 1.
Als weitere Kenngro~e zum Vergleich von Federn verwendet man die volumenbezogene Federungs-
arbeit:
w a2 w, W1 V a, r 1 TIA
V= TIA 2E
N
(IX.l2)
Nmm mm 3
mm 2
2
wt Tt
= TIA (IX.13)
V 2G

2.4. Resultierende Federsteifigkeit c 0 und Fedemachgiebigkeit 8 0 bei parallel- und


hintereinandergeschalteten Fedem
Bei bestimmten federungstechnischen Aufgaben kann es zweckmă~ig sein, zwei oder mehr Federn
parallel- oder hintereinanderzuschalten (meist Schraubenfedern). Die Kennlinien in den Bildern IX.3
und IX.4 lassen erkennen, wie aus den gegebenen Federsteifigkeiten c 1 und c2 zweier Federn die
resultierende Federsteifigkeit c 0 einer gedachten "Ersatzfeder" ermittelt werden kann. Wie in der
Statik die resultierende Kraft, hat hier die Ersatzfeder die gleiche Wirkung wie die Einzelfedem
zusarrunen.

/
"
...." ........
" resultierende
]
-.-t------!:>--->5---n Federkennlinie
ci::
w:-"
"
~~~7L+-Lf_L_, _ _ _ _~-,

Bild IX.3. Federnkennlinien von zwei Bild IX.4. Federkennlinien von zwei
parallelgeschalteten Federn und deren hintereinandergeschalteten Federn und
Ersatzfeder deren Ersatzfeder

1325
Maschinenelemente

Beim Federsystem aus zwei parallelgeschalteten Federn (Bild IX.3) ist die resultierende Feder-
kraft F 0 die Summe der Einzelfederkrăfte, alsa F 0 =F 1 + F 2 Dagegen sind die Federwegef1
o

und f 2 fUr die beiden Einzelfedern und der Federweg fo der gedachten Ersatzfeder gleich graB:
fo = f 1 = f 2 o Mit diesen Bedingungen wird die resultierende Federsteifigkeit c 0 mit Gleichung
(IXo1): F0 F 1 + F2 F1 F2
Co = - = - - - = - + - = CI + C2
fo fo f1 f2
c 0 = c 1 + c2 = tana 0 (IXo14)

Demnach ist die resultierende Federsteifigkeit c 0 die Summe der Einzelfedersteifigkeiteno Parallel-
geschaltete Federn wirken alsa ,,hărter" als die hărteste der beiden Einzelfederno
Werden mehr als zwei Federn parallelgeschaltet, dann gilt in Erweiterung van Gleichung (IX.14):
Co = C1 + C2 + ooo + Cn (IXo15)

Mit 8 = 1/c nach Gleichung (IX02) wird fUr die resultierende Federnachgiebigkeit [j 0 van zwei
parallelgeschalteten Fedem:

ader (IXo16)

(IX017)

Beirn Federsystem aus zwei hintereinandergeschalteten Fedem (Bild IX.4) ăndert sich der physika-
lische Sachverhalt. In jedem Schnitt senkrecht zur Federachse wirkt die resultierende Federkraft
F 0 =F 1 = F 2 , wăhrend der Federweg fo der Ersatzfeder die Summe der Einzelfederwege ist:
fo = f 1 + f 2 o Die resultierende Federsteifigkeit c 0 ergibt sich daher aus:
Fo Fo 1 f1 + f2 f1 f2
co = - = - - - =--- =- +-
fo f1 + f2 co Fo F1 F2
1 1
-1 = - +C
- ader (IX018)
Co C1 2
CI C2
Co = c 1 +c 2 = tana 0 (IX019)

Da 1/c = 8 ist, wird mit Gleichung (IX018) die resultierende Federnachgiebigkeit 8 0 hinterein-
andergeschalteter Federn:
8o = 81 + 82 (IXo20)
Werden mehr als zwei Federn hintereinandergeschaltet, dann gilt in Erweiterung van Gleichung
(IX020):
(IXo21)

Beim parallelgeschalteten Federsystem war die resultierende Federsteifigkeit c 0 die Summe der
Einzelsteifigkeiten (c 0 = c 1 + c 2 + 000 cn)o Im Unterschied dazu ist beim hintereinandergeschalteten
Federsystem die resultierende Federnachgiebigkeit 8 0 die Summe der Einzelnachgiebigkeiten
(8 0 = 8 1 + 82 + 000 8n)o Nach Bild IX04 wirken hintereinandergeschaltete Fedem "weicher" als die
weichste Einzelfeder alleino
Eine Analagiebetrachtung zeigt formale Ubereinstimmung der Gleichungen (IX014) und (IX018)
mit den Gleichungen ftir kapazitive Widerstănde in der Elektrotechnik, Die Gleichungen (IXol6)
und (1Xo20) dagegen mit den Gleichungen flir ahmsche Widerstăndeo
Die Gleichungen (IX.18) und (IXo21) werden bei denFormănderungsbetrachtungen an vorgespann-
ten Schraubenverbindungen gebraucht (Abschnitt VIIIo6o2)0

1326
IX. Federn

3. Federwerkstoffe
Federwerkstoffe sind meist hochlegierte Stăh1e, DIN 17 221 bis DIN 17 225, DIN 2076 und
DIN 2077, DIN 1570 und DIN 4620, siehe Tafe1 IXol.
Nichteisenmetal1e nur bei besonderen Anforderungen, zum Beispie1 an Korrosionsbestăndigkeit
oder magnetische Eigenschaften, DIN 17 741 (Ni-Be-Legierung), DIN 17 600 bis 17 663 (Cu-
Legierungen)o Nichtmetallische Federn, hauptsăchlich aus Gummi, zur Schwingdămpfung, als
Kupp1ungsglieder oder in Schnittwerkzeugeno

4. Zug- und druckbeanspruchte Metall-Fedem


4ol. Zug- oder Druckstăbe
Mit dem Hookeschen Gesetz (Festigk:eits1ehre 1.5) 1l&t sich eine G1eichung flir die Federsteifigkeit c
von Zug- oder Druckstăben entwicke1n:
F t::.l A E
a =eE- - =- E (Hookesches Gesetz)
A 10
lo Federliinge /, t;./ Federwegf N
mm
AE mm 2
c =- (IXo22)
/

Dain ist A Federquerschnitt, E E1astizitătsmodu1 (fur Stahl ist E =21 o104 N/mm 2 ) und l Feder-
1ăngeo
Wegen der sehr gro~en Federsteifigkeit werden Zug- oder Druckstăbe als Federn nur in wenigen
speziellen Făllen verwendeto

4o2. Ringfederu
Ringfedern bestehen aus abwechselnd zug- und druckbeanspruchten Ringen mit konischen Pre~­
flăcheno Info1ge der e1astischen Verformung schieben sich die Ringe ineinander, wobei im Au~en­
ring Zugspannungen, im Innenring Druckspannungen auftreteno Info1ge der Reibungsarbeit beim
Aufeinandergleiten der Ringe ist die Dămpfung sehr gro~ (bis 70 %)0
Die Kennlinie verlăuft als Gerade, aher bei Be1astung anders als bei Ent1astungo Die Riickfederung
beginnt erst bei einer bestimmten Federkraft FE o Die Berechnung erfo1gt zweckml&ig nach
Herstellerangabeno Wegen der hohen Dămpfung sind Ringfedern besonders als Pufferfedern und
zur StoMămpfung bei Pressen geeigneto

1
+
\Reibungsarbeif (vernichfef)
Enflasfungsarbeif (abgegeben)

Bild IXoSo Ringfeder


a) unbelastet
b) belastet, mit Kennlinie

1327
Maschinenelemente

5. Biegebeanspruchte Metall-Fedem
5.1. Rechteck- und Dreieckfedem
Die einfache Rechteckfeder wird als Freitrăger mit Hăchstbeanspruchung an der Einspannstelle
betrachtet. Die Werkstoffausnutzung ist schlecht. Anwendung als Kontakt- oder Rastfeder usw. Die
Dreieckfeder als Trăger gleicher Spannung (siehe irn Abschnitt Festigkeitslehre 11.2.5 und Tafel 11.3)
bietet bessere Werkstoffausnutzung, li&t sich aber praktisch schlecht ausflihren; besser ist die Tra-
pezfeder und die aus dieser entwickelte Mehrschicht-Blattfeder. Die Kennlinie ist eine Gerade.

Berechnung: Ftir die Federn nach Bild IX.6 gilt fur die Biegespannung

ab F l, b, h
(IX.23)
N
mm2 N mrn

Durchbiegung f bei Federkraft F und maximale Durchbiegung fmax ergeben sich aus

13 F f, l, b, h F E, ab q,, q2
f = q, b h3 E (IX.24)
N
mm N
mm 2
12 ab
fmax = q 2 hE (IX.25)

Die maximale Federungsarbeit wird

a~ V ab E Q3
w = Q3 VE
N N
(IX.26)
mm 3
mm 2 mm 2

2 1
FtirRechteckfeder: q, =4, Q2 =3, Q3 = 18 ;

1
ftir Dreieckfeder: q, =6, Q2 = 1, Q3 =6;

3 2 3
flir Trapezfeder: q,""' 4 2+b'/b;q 2 ""'32+b'/b;

1. Jl
1 3 1
q 3 ""'92+b'/b 1+b'/b;

l Federlănge, h Federb1attdicke, E Elastizitătsmodu1 des a)


Federwerkstoffes nach Tafe1 IX.1; V= b h l, V= b h l/2,
V=! b h l (1 + b'/b) Federvolumen flir Rechteck-, Dreieck-
bzw. Trapezfeder nach Bild IX.6. abzul zulăssige Biege-
spannung nach Tafel IX.l.

0:
b)

Bild IX.6. Blattfedern


a) Rechteckblattfeder
b) Dreieck- (Trapez-)blattfeder

1328
IX. Federn

Tafel IX.l. Festigkeits-Richtwerte von Federwerkstoffen in N/mrn 2

Werkstoff und E-Modul statische dynamische


Federart
Behandlungszustand G-Modul Festigkeitswerte Festigkeitswerte
Blattfedern Federstahl, DIN 17 221, E-Modul 210 000 Rm Re am± a A
gehărtetund angelassen
51Si7, 65Si7 1300 ... 1500 1100
Walzhaut abo = 500 ± 120 ... 300
Walzhaut entfernt, vergtitet abo = 500 ± 300
geschliffen abo = 500 ± 400
Ubzul"' 0,7 Rm Ubzul"' a;"+ 0,75 a A
Drehfedern Federstahldraht A, B, C, II, E-Modul 210 000 abhăngig vom Draht· nach Angaben der
(Schenkelfedern) DIN 2076, Federstahl durchmesser Ubzul Hersteller
DIN 17 223, Nichtrostender siehe Bild IX. 7
Stahl DIN 17 224 200 000
Spiralfedern Federstahl, DIN 17 222, E·Modul 210 000 Rm Re nach Angaben der
(Uhrwerksfedern) gehărtet und angelassen 1800 ... 2400 1700 Hersteller
MK 101,71 Si 7 1900 ... 2400 1800
Ubzul siehe 5.4
Drehstabfedern Federstahl, DIN 17 221, G-Modul 80 000 Ts rs Tm ±TA
gehărtet und angelassen
66 Si 7 bei d < 25 850 ... 950 700 TtD = 500 ± 150
67 SiCr 5 900 ... 1000 800
bei d < 40 Tm = 500 ± 200
50CrV4 800 ... 1000 700
Tt zul "' 0,5 Ts Ttzul"' 500 + 0,75 TA
Schraubenfedern Federstahldraht, DIN 2076; G·Modul 83 000 abhăngig vom
Zugfedern Federstahl, DIN 17 223 Drahtdurchmesser
Tj zul s. Bild IX.14
Druckfedern Tizul siehe T t zul siehe Dfkt.·
Bild IX.15 Schaubilder IX.1 7,
IX.18 und IX.19
unmagnetische NiBe 2 DIN 17 741 E-Modul 200 000 Rm 1500 ... 1800 nach Angaben der

}.. ""'
Federn (Nickel-Beryllium-Legierung) G-Modul 75 000 a zul> T zul nach An· Hersteller
gaben der Hersteller
Messingfedern CuZn 37 (Ms 63) 1) E-Modul 100 000

Bronzefedern
DIN 17 660
CuSn 6 Zn (MSnBz 6) 1) G-Modul 35000 Ubzul"' 250""' schwellend wechselnd
Ubzul "'150 80
Ttzul "' 150 Ttzul "' 80 40
DIN 17 662
korrosions- CuNi 18 Zn 20, DIN 17 663 E-Modul 120 000 Rm "'620 schwellend wechselnd
bestăndige Federn (Neusilber) G-Modul 45 000 Ubzul"' 350 Ubzul"' 250 100
Ttzul "'250 Ttzul "' 150 80
Gummifedern Weichgummi, E-Modul2 ... 8 Rm 5 ... 30 Uzzul "'0,5 ... 1
Shore-Hărte 40 ... 70 G-Modul 0,4 ... 1,4 Uzzul "'1 ... 2 Udzul"' 1 ... 1,5
Udzul"' 3 ··· 5 T zul "' 0,3 ... 0,8
Tzul"' 1 ... 2

1) bisherige Bezeichnungen in ( )

1329
Maschinenelemente

5 .2. Mehrschicht-Blattfedem
Die Entwicklung aus der doppelseitigen Trapezfeder zeigt Bild IX.7. Die Feder wird in gleichbreite
Streifen zerlegt, diese werden aufeinandergeschichtet und in der Mitte durch Spannbiigel, Bunde
ader ăhnliche Elemente zusammengehalten. Verwendung hauptsăchlich zur Federung von Kraft-
und Schienenfahrzeugen.
Die Kennlinie ist wegen der Reibung zwischen den Blăttern nur angenăhert eine Gerade. Die
abgegebene Arbeit ist kleiner als die aufgenommene (Dămpfung!).
Eine genaue Berechnung ist wegen der kaum erfaEbaren Reibung zwischen den Blăttern nicht
moglich. Unter Vernachlăssigung der Reibung wird die Breite der Mehrschichtfeder b0 = b/z,
worin b die maximale Breite der Trapezfeder, z die Blattzahl bedeuten. ErfahrungsgemăB ist
jedoch die tatsăchliche Tragkraft je nach Blattzahl ~ 2 ... 12% hoher als die rechnerische.

Bild IX.?. Mehrschicht-Blattfeder. Entwicklung aus der Trapezfeder Bild IX.8. Drehfeder

5.3. Drehfedem (Schenkelfedem)


Verwendung vorwiegend als Riickhol- ader Andriickfedern in der Feinmechanik (Bild IX.8). Die
Kennlinie ist eine Gerade.
Das Moment soli so wirken, daE sich die Windungen zusammenziehen. Dabei verăndern sich Win-
dungszahl, Federdurchmesser und Schenkelstellung. Unter Beriicksichtigung der Spannungser-
hohung durch Drahtkriimmung und Schenkeldurchbiegung gelten bei eingespannten Federenden
ftir die Biegespannung und den Verdrehwinkel

kMb kFr
ab =w ~ 0, 1 d3::::; Ubzul F r, d,Dm a E (IX.27)

o 180o Mbl N N
FrDmir N mm o
a =-1T-· EI ~3700 Ed4 mm 2 (IX.28)

Die gestreckte Lănge der Windungen ergibt sich

1, s, Dm ir
(IX.29)
mm
Die Lănge des unbelasteten Federkorpers ist LK ~ (irs) + d.
1330
IX. Federn

F Federkraft; r Hebelarm der Federkraft; d Drahtdurchmesser;Dm mittlerer Windungsdurchmesser;


ir Anzahl der federnden Windungen; s Windungssteigung; E Elastizitătsmodul des Federwerkstoffes
nach Tafel IX.l; zulăssige Biegespannung abzul nach Schaubild IX.9; k Beiwert zur Beriicksich·
tigung der SpannungserhOhung durch die Drahtkriimmung nach Bild IX.18.

2000
l\
"'e: 1800 \
~ 1\
<: 1\
.s 1600 1\ ~ III
~ 1400 1\
t:S' \!"\
g> 1200 1"'-
:::. [",
§ 1000
CI ,...
1... ~
r... r--.a
51-
CII 800 r--- r--. t- [
~ t- ~ Al- ~ 8
ii3 600
o 2 4 6 8 10 12 14 16
Durchmesser d in mm
Bild IX.9. Zulăssige Biegespannung flir kaltgeformte
Drehfedem (Schenkelfedem) aus Federstahldraht Il,
Bild IX.l O. Spiralfeder
A, B und C nach DIN 2076 und iilvergiitetem
Federstahl (Kurve a) nach DIN 717 223

5.4. Spiralfedem
Die meist aus rechteckigem Federstahl hergestellten Spiralfedern (Bild IX.1 O) werden hauptsăchlich
als Riickstellfedern bei lnstrumenten, als Uhrwerkfedern und bei drehelastischen Kupplungen
verwendet.
Berechnung ăhnlich wie bei Drehfedern. Fiir die Biegespannung und den Verdrehwinkel gelten

Mb 6Fra
ab = W = bh2 $; Ubzul ab F Ta, b, h, 1 E Q (IX.30)
N N o
o 180° Mb 1 Fral N mm
Q =-·-,..690-- mm 2 mm 2 (IX.31)
1T EI Ebh 3

Bei iiberall gleichem Windungsabstand w, dem ău~eren Radius 'a und inneren Radius ri wird die
gestreckte Federlănge

• 1T (r~- rţ)
1 R; h+w (IX.32)

Die von der Feder aufzuspeichernde maximale Federungsarbeit ist


2
w =.!. vab (IX.33)
6 E

V= b h 1 Federvolumen; zulăssige Biegespannung Ubzul "'=' 1100 N/mm 2 bei h $; 1 mm; "'=' 950
N/mm 2 bei h "'=' 1 ... 3 mm, "'=' 800 N/mm 2 bei h > 3 mm.

1331
Maschinenelemente

5.5. Tellerfedem
Tellerfedern sind scheibenformige Biegefedern (Bild IX.ll). Abmessungen sind nach DIN 2093
genormt. Auszug aus SCHNORR·Handbuch flir Tellerfedern siehe Tafel IX.2.
Der Verlauf der Kennlinien ist weitgehend vom Verhălt­
nis h : s abhăngig und kann degressiv und progressiv sein.
Harte Federn mit h : s""' 0,4 und weiche Federn mit ·f [ 2/ a
D, "j
~~ 1"':l ~
. .
1
h : s ""'0,75 nach DIN 2093 zeigen angenăhert gerade r o'
Kennlinien.
Bild IX.ll. Tellerfeder

Einzelne Federn reichen flir die gestellten Forderungen meist nicht aus; man schichtet sie daher zu
Federpaketen (gleichsinnig geschichtet) oder Federsăulen (gegensinnig geschichtet) zusammen,
wodurch sich Federkraft und Federweg weitgehend beeinflussen lassen (Bild IX.l2).

..._ n=2
:::::
~ ~Th~~----;-----;-----~
~
~ n =1

a) Federweg f b) Federweg f

Bild IX.l2. Kennlinien geschichteter Tellerfedern a) Federpaket, b) Federsăule

Tellerfedern sind geeignet fur groBe Federkrăfte bei kleinen Federwegen, z.B. zur Wegbegrenzung
bei Pressen, Stanzen usw. Einbau moglichst unter Vorlast von "'=' 15% der Hochstlast, um ein Ver-
rutschen der Teile zu verhindern.
Berechnung: Federkraft Fund Federweg f fur Einzelfedern nach Tafel IX.2. Ohne Berticksichti-
gung der Reibung ergeben sich flir ein Federpaket von n Einzelfedern die Gesamtfederkraft Fges
und der Gesamtfederweg /ges:
Fges = nF (IX.34) und /ges =f (IX.35)
Fiir eine Federsăule von i Einzeltellern werden
Fges = F (IX.36) und /ges = if (IX.37)

Bei wechselsinniger Schichtung von i F ederpaketen aus je n Einzelfedern sind

Fges = nF (IX.38) und /ges = if (IX.39)


Bei Federpaketen wird durch die Reibung zwischen den Tellern (Schmierung!) die tatsăchliche
Federkraft gegeniiber der rechnerischen je Schicht bei Belastung um "'=' 2,5 % hoher, bei Entlastung
entsprechend geringer, wenn gleiche Federwege erreicht werden sollen. Um die Reibung klein zu
halten,soll die Lănge der Federsăule bzw. des Federpaketes moglichst klein, der Tellerdurchmesser
D 3 moglichst groB sein. Richtwert flir die Lănge der unbelasteten Federsăule:
L 0 =i(h+ns)::s;3D 3 (IX.40)

1332
IX. Federn
Tafel IX.2. Normen der Original-SCHNORR-Tellerfedern

flir harte Federn: ~ ""'0,4 und weiche Federn: ~ ""'0,75

Federkraft Fin N, Federweg fin nun und Spannung o in N/mm2

Da
Gro6e
Di s h h +s
h
s F f a,
bei[= 0,75 h
ou F f
beif=h
a, ou
8 4,2 0,3 0,25 0,55 0,833 120 0,187 2364 1312 144 0,250 2943 1625
8 4,2 0,4 0,20 0,60 0,500 212 0,150 2188 1199 273 0,200 2796 1516
10 5,2 0,4 0,30 0,70 0,150 212 0,225 2335 1286 260 0,300 2923 1598
10 5,2 0,5 0,25 0,15 0,500 330 0,187 2197 1185 424 0,250 2796 1502
12,5 6,2 0,5 0,35 0,85 0,700 295 0,262 2109 1143 366 0,350 2659 1399
12,5 6,2 0,7 0,30 1,00 0,428 665 0,225 2266 1174 863 0,300 2904 1496
14 7,2 0,5 0,40 0,90 0,800 283 0,300 2011 1109 342 0,400 2522 1373
14 7,2 0,8 0,30 1,10 0,315 804 0,225 2021 1074 1050 0,300 2600 1379
16 8,2 0,6 0,45 1,05 0,150 414 0,337 2041 1117 501 0,450 2560 1388
16 8,2 0,9 0,35 1,25 0,389 1025 0,262 2041 1086 1334 0,350 2629 1391
18 9,2 0,7 0,50 1,20 0,115 514 0,315 2060 1125 709 0,500 2590 1399
18 9,2 1,0 0,40 1,40 0,400 1275 0,300 2060 1097 1654 0,400 2659 1399
20 10,2 0,8 0,55 1,35 0,690 758 0,412 2080 1128 942 0,550 2619 1411
20 10,2 1,1 0,45 1,55 0,409 1536 0,337 2060 1103 1991 0,450 2649 1409
22,5 11,2 0,8 0,65 1,45 0,813 716 0,487 2031 1089 865 0,650 2541 1364
22,5 11,2 1,25 0,50 1,75 0,400 1942 0,375 2060 1066 2541 0,500 2649 1360
25 12,2 0,9 0,70 1,60 0,778 869 0,525 1962 1030 1060 0,700 2453 1280
25 12,2 1,5 0,55 2,05 0,367 2943 0,412 2158 1100 3855 0,550 2786 1409
28 14,2 1,0 0,80 1,80 0,800 1118 0,600 2011 1099 1354 0,800 2511 1355
28 14,2 1,5 0,65 2,15 0,433 2874 0,487 2099 1115 3728 0,650 2698 1419
31,5 16,3 1,25 0,90 2,15 0,720 1933 0,675 2168 1197 2394 0,900 2737 1482
31,5 16,3 1,75 0,70 2,45 0,400 3924 0,525 2060 1107 5101 0,700 2659 1412
35,5 18,3 1,25 1,00 2,25 0,800 1717 0,750 1962 1079 2090 1,000 2462 1333
35,5 18,3 2,00 0,80 2,80 0,400 5258 0,600 2119 1139 6847 0,800 2727 1452
40 20,4 1,5 1,15 2,65 0,767 2649 0,862 2099 1148 3237 1,150 2629 1387
40 20,4 2,25 0,90 3,15 0,400 6553 0,615 2099 1125 8535 0,900 2717 1435
45 22,4 1,75 1,30 3,05 0,744 3679 0,975 2148 1158 4513 1,300 2698 1434
45 22,4 2,5 1,00 3,50 0,400 7799 0,150 2050 1068 10144 1,000 2639 1362
50 25,4 2,0 1,40 3,40 0,700 4807 1,050 2119 1148 5965 1,400 2668 1431
50 25,4 3,0 1,10 4,10 0,367 12106 0,825 2158 1142 15794 1,100 2796 1464
56 28,5 2,0 1,60 3,60 0,800 4513 1,200 2011 1099 5445 1,600 2521 1355
56 28,5 3,0 1,30 4,30 0,433 11527 0,975 2099 1115 14931 1,300 2698 1419
63 31 2,5 1,75 4,25 0,700 7259 1,312 2080 1099 8996 1,750 2619 1371
63 31 3,5 1,40 4,90 0,400 15206 1,050 2050 1059 19718 1,400 2639 1350
71 36 2,5 2,00 4,50 0,800 6798 1,500 1962 1060 8240 2,000 2453 1318
7l 36 4,0 1,60 5,60 0,400 20797 1,200 2109 1119 26978 1,600 2717 1427
80 41 3,0 2,30 5,30 0,767 10644 1,725 2099 1148 13008 2,300 2629 1429
80 41 5,0 1,70 6,70 0,340 34041 1,275 2158 1143 44537 1,700 2796 1467
90 46 3,5 2,50 6,00 0,715 14421 1,875 2060 1118 17756 2,500 2590 1403
90 46 5,0 2,00 7,00 0,400 31784 1,500 2060 1097 41398 2,000 2649 1399
100 51 3,5 2,80 6,30 0,800 13224 2,100 1933 1060 16030 2,800 2423 1313
100 51 6,0 2,20 8,20 0,367 48560 1,650 2158 1152 63373 2,200 2796 1476
112 51 4,0 3,20 7,20 0,800 17952 2,400 2011 1167 21778 3,200 2511 1355
112 51 6,0 2,50 8,50 0,417 44145 1,875 2011 1065 57389 2,500 2580 1356
125 64 5,0 3,50 8,50 0,700 30411 2,625 2129 1246 37572 3,500 2678 1445
125 64 8,0 2,60 10,60 0,325 87113 1,950 2148 1138 114188 2,600 2786 1461
140 72 5,0 4,00 9,00 0,800 28253 3,000 2011 1197 34237 4,000 2521 1357
140 72 8,0 3,20 11,20 0,400 86328 2,400 2178 1171 112325 3,200 2806 1494
160 82 6,0 4,50 10,50 0,150 41594 3,375 2041 1197 50816 4,500 2560 1388
160 82 10,0 3,50 13,50 0,350 140283 2,625 2227 1186 183055 3,500 2874 1517
180 92 6,0 5,10 11,10 0,850 38063 3,825 1903 1128 45617 5,100 2374 1289
180 92 10,0 4,00 14,00 0,400 127138 3,000 2060 1097 165495 4,000 2659 1399
200 102 8,0 5,60 13,60 0,700 77499 4,200 2129 1226 95746 5,600 2668 1430
200 102 12,0 4,20 16,20 0,350 185409 3,150 2060 1091 242307 4,200 2649 1396

1333
Maschi nenelemente

• Beispiel: Fiir eine Druckkraft F 2 ""45 000 N und einen Federwegf2 ""20 mm ist eine Federsăule
aus Tellerfedern zu berechnen. Fiir den Fiihrungsbolzen ist ein Durchrnesser d = 30 mm vorgesehen.

LOsung: Fiir Bolzendurchmesser d = 30 mm kommen nach Tafel IX.2 in Frage: Harte Feder mit
Da=63mm, Di=31mm, F=15206N, f=1,05mm oder weiche Feder mit Da=63mm,
Di = 31 mm, F = 7259 N,f= 1,312 mm.
Kraft F 2 = 45 000 N kann nur durch ein Federpaket erreicht werden. Es werden harte Tellerfedern
unter f= 0,75 h gewăhlt, um moglichst wenige Federn zum Paket zusammenschichten zu mtissen.
Anzahl der Einzelteller nach Gleichung (IX.34):n =F2 /F= 45 OOON/15206N = 2,96,gewăhlt n = 3.
Ohne Beriicksichtigung der Reibung wird die Kraft je Einzelteller: F 1 = F 2 /n = 45 OOON/3 = 15 OOON.
Der Federweg f des Einzeltellers gleich Federweg des Paketes [ges ergibt sich aus F/f= Fdf~>
[ 1 = fges = Fd/F = 15 000 N · 1,05 mm/ 15 206 N = 1 ,04 mm. Unter Beriicksichtigung der Reibung
wiirde dieser Federweg durch eine Kraft erreicht, die um"" n · 2,5%"" 3 · 2,5 % = 7,5% gr6Ber als
F 2 ist. Da F 2 = 45 000 N nicht iiberschreitet, wird der Federweg entsprechend kleiner:
f~es = [ges- 0,075 · [ges = 1,04 mm- 0,078 mm = 0,96 mm

Hiermit wird die Anzahl der wechselsinnig geschichteten Federpakete ermittelt, um den verlangten
Federweg [ 2 = 20 mm zu erreichen nach Gleichung (IX.39):

i=_h_ = 20 mm ,." 21
f~es 0,96 mm
Lănge der unbelasteten Federsăule nach Gleichung (IX.40):
L 0 =i(h + ns) = 21 (1,4mm + 3 · 3,5 mm) = 250 mm
Lănge der belasteten Federsăule:

L2 =L0 - [2 =250 mm- 20 mm = 230 mm

6. Drehbeanspruchte Metall-Federn
6.1. Drehstabfedem
Drehstabfedern sind gerade, aufTorsion(Verdrehung)beanspruchte Stăbe mit meist rundem, seltener
quaratischem Querschnitt oder auch Biindel von Federbăndern. Verwendung bei Kraftfahrzeugen
zur Achsfederung (Bild IX.l3), flir Drehrnoment-Schraubenschliissel und zur Drehkraftmessung.

unbelastet

~
1::1
--"'"
1111
~
- r--·
1::1!·
1
1
1
\
dz \
lk=2 d, Kerbverza
1

Bild IX.l3. Drehstabfedern mit allgemeinen Mai.\en

1334
IX. Federn
Berechnung: Genormt nach DIN 2091. Fiir die durch ein Torsionsmoment T beanspruchte
Stabfeder mit Durchmesser d nach Bild IX.13 gilt fur die Torsionsspannung

Tt T d
T T
Tt = W =O 2 d3 :$; "Ttzul N
(IX.41)
p ' Nmm mm
mm 2

im Abstand 1 ergibt sich ein Verdrehwinkel

a T 1,d G
(IX.42)
o N
Nmm mm
mm 2

Zulăssige Torsionsspannung Ttzul und Schubmodul G siehe Tafel IX.l. Mit T =Fr ergibt sich
ein Federweg gleich der von F beschriebenen Bogenlănge f = r a, worin a= T 1/(lp G).
Fiir die Federsteifigkeit c gilt bei Drehstabfedern c =T/a .

6.2. Schraubenfedern
6.2.1. Allgemeines. Schraubenfedern, als Zug- und Druckfedern, sind die am meisten verwendeten
Federn. Sie sind als schraubenftirmig gewundene Drehstabfedern aufzufassen, meist aus Rund-,
seltener aus Quadrat- oder Rechteckstăben hergestellt.
Verwendete Federstăhle siehe Tafel IX.l. Drahtdurchmesser nach DIN 2076: d =0,5 0,56 0,63
0,7 0,8 0,9 1,0 1,25 1,4 1,6 1,8 2,0 2,25 2,5 2,8 3,2 3,6 4,0 4,5 5,0 5,6 6,3 7,0 8,0
9,0 10 11 12,5 14 16 mm fur kaltgeformte Federn; nach DIN 2077: d = 16 18 20 22,5 25
28 32 36 40 45 50 mm ftir warmgeformte Federn.
Anwendung sehr vielseitig, z.B. als Ventilfedern, Spannfedern, Achsfedern bei Fahrzeugen, Polster-
federn usw.

6.2.2. Ausflihrung der Schraubenfedern mit Kreisquerschnitt


Zugfedem, Richtlinien ftir die Ausflihrung nach DIN 2097. Zugfedern werden allgemein rechts-
gewickelt und bis d = 17 mm kaltgeformt mit aneinanderliegenden Windungen (Vorspannung!).
Federn mit d > 17 mm werden warmgeformt, wobei die Windungen einen vom Wickelverhăltnis
w =Dm/d abhăngigen Abstand haben. Osenformen nach DIN 2097; die gebrăuchlichste "ganze
deutsche Ose" zeigt Bild IX.14.

Bild IX.14
Ausflihrung einer
Schrauben- Zugfeder
La

1335
Masch inenelemente

Tafel IX.3. Ermittlung der Summe der Mindestabstănde nach DIN 2095
bei kaltgeformten Druckfedern

x-Werte in 1/mm
Drahtdurchmesser d Berechnungsformel ftir Sa
bei Wickelverhăltnis w
inmm inmm
4 ... 6 >6 ... 8 >8 ... 12 > 12
0,07 ... 0,5 Sa= 0,5 ·d +x· d 2 · ir 0,50 0,75 1,00 1,50
liber 0,5 ... 1,0 0,4·d+x·d 2 ·ir 0,20 0,40 0,60 1,00
liber 1,0 ... 1,6 0,3 · d + x · d 2 · ir 0,05 0,15 0,25 0,40
liber 1,6 ... 2,5 0,2·d +x · d 2 · ir 0,035 0,10 0,20 0,30
liber 2,5 ... 4,0 1 + x · d2 · ir 0,02 0,04 0,06 0,10
liber 4,0 ... 6,3 1+x·d 2 ·ir 0,015 O,Q3 0,045 0,06
liber 6,3 ... 10 1 + x · d 2 · ir O,Ql O,Q2 0,030 0,04
liber 10 ... 17 1 + x · d 2 · ir 0,005 0,01 0,018 0,022

Bild IX.15. Ausftihrung einer


Schrauben- Druckfeder

Druckfedern. Ausftihrungsrichtlinien flir kaltgeformte Federn (d ~ 17 mm) nach DIN 2095, fiir
warmgeformte nach DIN 2096. Druckfedern werden normal rechtsgewicke\t. Die Drahtenden
werden bei d > 0,5 mm plangeschliffen (Bild IX.15). Die Windungssteigung ist so zu wăhlen, daE
auch bei Hăchstlast noch ein Mindestabstand zwischen den Windungen vorhanden ist, der vom
Drahtdurchmesser d und Wickelverhăltnis w abhăngig ist. Die Summe der Mindestabstănde Sa er-
rechnet sich bei kaltgeformten Federn nach Tafel IX.3, bei warmgeformten Druckfedern betrăgt
die Sumrne der Mindestabstănde nach DIN 2096 Sa""' 0,17 d ir.
Fiir die Festlegung der Bauabmessungen ist die Lănge der Feder bei aneinanderliegenden Windun-
gen, die Blocklănge L 81 und die Lănge der unbe\asteten Feder L 0 wichtig. Bei kaltgeformten
Federn mit plangeschliffenen Enden betrăgt:

(IX.43)
mm
Bei warmgeformten Federn, deren Enden ausgeschmiedet und geschliffen werden, ist:
L 8" d ir, ig
LBI ""'(ir + 1)d + 0,2d ""'(ig -0,3)d (IX.44)
mm
ig Gesamtzahl der Windungen:
ftir Gleii:hung (IX.43) ig = ir + 2, fli{ Gleichung (IX.44) ig = ir + 1,5
Lo, LBI, fn, Sa
(IX.45)
mm
Unter fn ist der Federweg zu verstehen, der zur maximalen Federkraft Fn gehărt.

1336
IX. Federn
6.2.3. Berechnung der Schrauben-Zugfedern. Die Berechnung ist nach DIN 2089 genormt. Ohne
Beriicksichtigung der SpannungserhOhung durch die Drahtkriimmung ergibt sich die idee/le Torsions-
spannung
1400
BFDm "'e:
Tj = --:;;J3 ~ Tj zul (IX.26)
~
<:: 1200
.5;
~
F ~ 1000 ~

N P" l'\ ~Il

N mm g> 1~1'\
mm 2 :;:, 800
1'
__ a
c:
c: 1\.~
Dm mittlerer Windungsdurchmesser "'
CI. 600 1" r--o ~t-. ,.....
t'--::-
Ti zul zulăssige ideelle Torsionsspannung ~ r"'-r-- [
nach Schaubild IX.l6. .§ --A t:: 8
~ 400
~
Uberschlăgige Ermittlung des Drahtdurch-
2 4 6 8 W U ~ M
messersd nach Leiter, Bild IX.23.
Durchmesser d in mm
Bei Federn, die ohne innere Vorspannung
Bild IX.l6. Zulassige Torsionsspannung flir kaltgeformte
gewickelt sind, ergibt sich der Federweg Zugfedern aus Federstahldraht Il, A, B und C nach
DIN 2076 und olvergiitetem Federstahl (Kurve a) nach
DIN 17223

F G
(IX.47)
mm N

ir Anzahl der federnden Windungen; G Schubmodul des Federwerkstoffes nach Tafel IX.l.
Bei Federn mit innerer Vorspannung ist flir F die Differenz F-F0 zu setzen. Die zum Offnen der
aneinanderliegenden Windungen bei vorgespannten Federn erforderliche innere Vorspannkraft
ergibt sich aus

F 0 ,F G
(IX.48)
N nun

Hiermit ist nachzupriifen, d~ die innere Torsionsspannung

(IX.49)
N mm
Werte flir Twzut nach Tafel IX.4.

Tafel IX.4. Richtwerte flir die innere Torsionsspannung Tiozui ftir Federstahldraht
nach DIN 2076 und ălvergiitetem Federstahl nach DIN 17223

Wickelverhaltnis
Dm Dm
Herstellungsverfahren w = d=4 ... 10 w = d iiber 10 ... 15

auf Wickelbank 0,25 Tjzul 0,14 Tizul


kaltgeformt
auf Automat 0,14 Tizul 0,07 Tjzul

1337
Maschinenelemente
Die Federsteifigkeit c ergibt sich aus

F F-Fo Gd 4
c F, F 0 f, d,Dm G
c=-=--=--- (IX.SO)
f f 8D~ if N
N mm
mm
Die Gesamtzahl der Windungen bei Federn mit aneinanderliegenden Windungen wird

. LK
l
g
=--1
d (IX.Sl)
mm
LK Unge des unbelasteten Federkorpers.
Bei Federn ohne bzw. mit innerer Vorspannung ist die Federungsarbeit

Ff (F+F0 )f Wf F,Fo f
Wf=Ţ bzw. Wf= 2 (IX.52)
Nmm N mm
Die vorstehende Berechnung gilt ftir vorwiegend ruhend belastete, kaltgeformte Federn. Bei warm-
geformten Federn soll Tizui "." 600 N/mm 2 nicht iiberschreiten. Schwingend belastete Zugfedern
sind zu vermeiden, da deren Dauerfestigkeit weitgehend von der Osenform und deren Dbergang
zum Federkorper abhangt und nur schwer zu erfassen ist.
6.2.4. Berechnung der Schrauben-Druckfedern. Die Berechnung ist wie die der Zugfedern nach
DIN 2089 genormt. Es gelten die gleichen Berechnungsgleichungen, da Zug- und Druckfedern im
Federungs- und Festigkeitsverhalten weitgehend iibereinstimmen. Jedoch liegen ftir Druckfedern
umfangreiche Dauerfestigkeitswerte vor. Die im folgenden benutzten Formelzeichen stimmen mit
denen flir die Berechnung der Zugfedern iiberein.
Fiir iiberwiegend ruhend belastete Druckfedern gilt flir die idee/le Torsionsspannung
FDm
T; R< 0, 4 d 3 ~ Tizul (IX.53)

Werte flir T; zul nach Schaubild IX.l7. tlberschlăgige Ermittlung des Drahtdurchmessers d nach
Leiter Bild IX.23.
Bei iiberwiegend schwingend belasteten Federn wird unter Beriicksichtigung der durch die Draht-
kriimmung entstehenden SpannungserhOhung die
FDm
Torsionsspannung Tk "." k 04d3 ~ Tkzul (IX.54)
,
und die
Hubspannung (IX.SS)

Beiwert k beriicksichtigt die SpannungserhOhung durch die Drahtkriimmung; Werte, abhangig


vom Wickelverhiiltnis w = Dm/d nach Schaubild IX.l8. Werte flir Tkzul und TkH nach Dauer-
festigkeitsschaubildern IX.l9 bis IX.21.
Der Federweg f, die Federsteifigkeit c und die Federungsarbeit W ergeben sich aus:

8D~ ifF
!= Gd4 (IX.56)

F ilF Gd 4
c=-=-=--- (IX.57)
f ilf 8D~ if
W=Ff (IX.58)
2

1338
IX. Federn

1400 1,5
"'e: 1\ 1\
~
<::
1200 1\\ 1,4
.!;:
~ ->:
1,3
\II ......
'- r\
1000
~-
~
1~ ~ " "'
:l:
'Qj 1,2 1"
g> !'. co t--
800 1' '~ 1,1

_
;::,
c:
c:
..... i'.j t'.:_ ţ:o.,. .......
o .....;.....: r-: :::.r:::,
oi' t-... ..... a
~ 600 2 4 6 8 10 12 14
V)
c: t- -r- r- c
-!2 r- 8 Wickelverhd ltnis w= 0m
V)
A d
c.. 400
~ Bild IX.18. Beiwert k in Abhăngigkeit

200 vom Wickelverhăltnis w


O 2 4 6 8 W U U M
Ourchmesser din mm 1000
1
Bild IX.17. Zullissige Torsionsspannung flir
kaltgeformte Druckfedern aus Federstahldraht II,
800
r-/-1/ / 1 ~
c,'l:
"'e: ~e"
A, B und C nach DIN 2076,
olvergiitetem Federstahl (Kurve a) und olvergiitetem ~ /~ 5
3
(J_
Ventilfederdraht (Kurve b) nach DIN 17 223
<::
.!;:
600
~.._o
/
V
/
V 1/ 'V~IS~ ~~~

/
o
~ // //
g>
;::,
c:
c: 400
~/
1/" ~..."
o
V ~
V
1200
/ ./ v1 ~
c..
"' 200

1/v
"'e: 1000 ./ / V 2~<;:-
~
V
~
<::
.!;: 800
~~ - / 3 ~(1-q,__
/4 ~~~<;
5 ~ o
V
o
."
/ / 'V~IS
200 400 600 800 1000
~
g> 600 / / V Unferspannung Tku in Nlmm 2
;::,
c: 1/ ./ / Bild IX.20. Dauerfestigkeitsschaubild flir
c:
o 400 ~ -~"'
1/<.'1-\) kaltgeformte Druckfedern aus olvergiitetem
~
c.. / Federstahldraht nach DIN 17 223
"'
.Q
<:::> 200
nicht gestrahlt (ausgezogene Linien)
V gestrahlt (gestrichelte Linien)

V 1000
o 200 400 600 800 1000 1200
Unferspannung Tku in Nlmm 2 ·-- 1-
"'e: // //
.,(~c,ci
v5
~ 800
Bild IX.19. Dauerfestigkeitsschaubild flir <:: ~.._o,L... V
kaltgeformte Druckfedern aus Federstahldraht C .!;: ./ 17 3 ~e
~iJ~
nach DIN 2076 o
~->"" 600 /
/
l/ 1 ~~"
nicht gestrahlt (ausgezogene Linien)
gestrahlt (gestrichelte Linien
i v V 'V~IS

o
~ 400
V
V
c.. "'
~
v~,.\)
1:
<:::>
[7
Bild IX.21. Dauerfestigkeitsschaubild fiir 200
kaltgeformte Druckfedern aus olvergiitetem 1/
Ventiifederdraht nach DIN 17 223
nicht gestrahlt (ausgezogene Linien)
o
V 200
gestrahlt (gestrichelte Linien) 400 600 800 1000
Unferspannung <ku in Nlmm 2
1339
Maschinenelemente
Bei lăngeren Federn ist die Knicksicherheit zu priifen. Ein seitliches Ausknicken tritt nicht ein,
wenn die Kurven irn Schaubild IX.22 nicht iiberschritten werden. M~gebend sind der Schlankheits-
grad L 0 /Dm und die Federung fmax/Lo 100 in%.
Lăngere Federn sind in einer Hiilse oder auf einem Dorn zu ftihren.

• Beispiel: Es ist eine zylindrische Schrauben-Druckfeder (Ventilfeder) mit unbegrenzter Lebens-


dauer aus olvergiitetem, gestrahltem Ventilfederdraht nach DIN 17 223 fur die Federkrăfte
=
Fi= 350 N, F 2 = 700 N, bei einem Hub h t:.[= 12 mm, zu berechnen. Der innere Windungs-
durchmesser Di darf 20 mm nicht unterschreiten.
Losung: Berechnung auf Dauerfestigkeit, Belastung: allgemein dynamisch, schwellend. Bei der
Betrachtung des Dauerfestigkeitssschaubildes IX.21 stellt man fest, d~ die ertragbare Hubspannung
rkH nahezu konstant und von der Vorspannung Tkt ~ rkv fast unabhăngig ist. TkH ""'500N/mm 2 ,
gewăhlt: rkHzul = 325 N/mm 2 , die Wahl des Wickelverhăltnisses w ist fur die Gro~e der Spannungs-
erhohung an der Innenseite durch den Faktor k entscheidend; w = Dm/d = 6 ~ k = 1,27 nach
Bild IX.18.
Mit diesen Voraussetzungen l~t sich der Drahtdurchmesser d nach den Gleichungen (IX.54) und
(IX.55) wie folgt berechnen:
FDm t:.FDm t:.F6d
Aus Tk ""'k - -3 wird Tkh ""'k ---""' k - - -3 < TkH 1
0,4 d 0,4 d 3 0,4 d -

t
zu

(700 N- 350 N) · 6
d""' 1,27 N = 4,53 mm, gewăhlt: d = 4,5 mm
04·325-
, mm 2
Dm =6d=6· 4,5 mm =27mm, Di =Dm -d= 27 mm-4,5 mm = 22,5 mm
Vberpriifung auf Dauerhaltbarkeit:

r ""' 1 27 350 N. 27 mm = 329 3 ..li._


kl ' 0,4 · 4,5 3 mm 3 ' mm 2

F2 N 700N N
Tk2 = Tkt . Fi = 329,3 mm2 350 N = 658,6 mm2

N N N
Tkh = Tk2 - Tkt = 658,6 - -2 -329,3 - -2 = 329,3 - -2
mm mm mm

nach Bild IX.21 liegen alle Werte irn zulăssigen Bereich.


Festlegung der Federsteifigkeit c, der federnden Windungen ir und der Gesamtwindungszahl ig.
Nach Gleichung (IX.57) ist:
t:.F
c------· Gd 4 700N-350N = 2917 .1!_
- t:.f- 8D~ ir' 12mm ' mm

216,2 J!_
. Gd4 83 000 · 4,5 4 mm4 N

:m
c1r= 8 D 3 = =216,2-· .
lr= mm = 74
,
m 8·27 3 mm 3 mm'
29,17

gewăhlt: ir = 7,5 und damit ig = ir + 2 = 7,5 + 2 = 9,5 Windungen nach Gleichung (IX.43).

216,21'!..
Cvorh =-.....,..--m_m_ = 28 831'!_
7,5 ' mm

1340
IX. Federn
100
80
,a
60

~~~~ 40 "'"' b ' ' '\.


1\.
~ 20 ~

~
&' 0o 2 4 6 8
Schlankheitsgrad = ~;

Bild IX.22. Ausknickung


von Schrauben- Druckfedern
Kurve a: Fiir Federn mit
geftihrten Einspannenden
Kurve b: Fiir Federn
mit verănderlichen
Auflagebedingungen

Gegeben: Fn, Ti
Gewăhlt: Dm

Linie (1) von Dm zu Fn ergibt


Schnittpunkt auf Zapfenlinie.
Linie (2) durch diesen Schnitt-
punkt zu Ti ergibt d.
Beispiel: Fn = 600 N,
Ti= 700 N/mm 2 ,
Dm = 25 mm
Linie (1) von 25 mm zu 600 N,
Linie (2) durch Schnittpunkt
der Linie (1) mit Zapfenlinie
zu 700 N/mm 2 ergibt
d"' 3,8 mm

Bild IX.23. Leitertafel zur Entwurfsberechnung zylindrischer Schraubenfedern

1341
Maschinenelemente

die endgiiltigen Federwege betragen:


F, 350Nmm F2 700Nmm
/, = - - = 28 83 N = 12,1mm, / 2 = - - = 28 83 N = 24,3 mm
Cvorh , Cvorh ,

At~ 12,2mm
Die Blocklănge der Feder wird nach Gleichung (IX.43): LB! ~ ig d = 9,5 · 4,5 mm = 42,8 mm. Un-
ter Beriicksichtigung eines Mindestabstandes zwischen den einzelnen Windungen wird die Lănge
der unbelasteten Feder: L 0 =LBI + / 2 +Sa; Sa nach Tafel IX.3:
Sa~ 1 +xd 2 ir= 1+0,015·4,5 2 ·7,5 =3,3mm,
L0 ~ 42,8 mm + 24,3 mm + 3,3 mm, L 0 ~ 70,0 mm

Abschliefl.end ist die Knicksicherheit zu priifen:


. Lo 70mm
Schlankhe1tsgrad Dm = 27 mm = 2,6

!2 24,3 mm
Federung Lo 100% = 70 mm ·100% = 35%

mit diesen Werten wird keine der Kurven in Bild IX.22 erreicht, d.h., die Feder ist knicksicher.

1342
X. Achsen, Wellen und Zapfen

X. Achsen, Wellen und Zapfen

Normen (Auswahl)
DIN 509 Freistiche
DIN 668, 670, 671 Blanker Rundstahl
DIN 669 Blanke Stahlwellen
DIN 748 Zylindrische Wellenenden
DIN 1448, 1449 Kegelige Wellenenden mit AuBen-, Innengewinde
DIN 59 360, 59 361 Geschliffen -polierter Rundstahl

1. Allgemeines
Achsen dienen zum Tragen und Lagern von Laufrădern, Seilrollen, Hebeln usw. und werden
hauptsăchlich auf Biegung beansprucht. Sie iibertragen kein Drehmoment. Feststehende Achsen
werden nur ruhend oder schwellend auf Biegung beansprucht, sind also festigkeitsmăBig giinstiger
als umlaufende Achsen, bei denen die Biegung wechselnd auftritt. Wellen laufen ausschlieBlich um.
Sie iibertragen liber Riemenscheiben, Zahnrăder, Kupplungen usw. Drehmomente, werden also auf
Verdrehung und meist zusătzlich auf Biegung beansprucht.
Zapfen sind die zum Tragen und Lagern, meist abgesetzten Achsen- und Wellenenden oder auch
Einzelelemente (Spurzapfen, Kurbelzapfen).
Alle Grundlagen zur Berechnung von Achsen, Wellen und Zapfen sind im Abschnitt Festigkeitslehre
ausftihrlich behandelt, einschlieBlich desMohrschen Verfahrens zur Bestimmung der Durchbiegung.
Vor allem konnen die umfangreichen Tafeln alle erforderlichen Rechnungen iibersichtlicher und
einfacher machen. Fiir Entwurfsrechnungen geben die Nomogramme im Abschnitt V. (Festigkeits-
lehre) eine gute Hilfe.

2. Werkstoffe, Normen
Fiir normal beanspruchte Achsen und Wellen von Getrieben, Hebezeugen, Werkzeugmaschinen usw.
werden die Baustăhle, DIN 17100, z.B. St50 und St60, verwendet; flir hăhere Beanspruchungen,
bei Kraftfahrzeugen, Motoren, Turbinen, schweren Werkzeugmaschinen usw., die Vergiitungsstăhle,
DIN 17210, z.B. C15, 18CrNi8. Gegebenenfalls sind bei der Werkstoffwahl noch zu beachten:
SchweiBbarkeit, Schmiedbarkeit, Korrosionsverhalten, magnetische Eigenschaften und Lieferform
(Blocke, Stangen). Siehe auch Abschnitt Werkstoffkunde.
Normen: Rundstăhle nach DIN 668 mit Toleranz h11, nach DIN 670 mit Toleranz h8 und
DIN 671 mit Toleranz h9; Oberflăche kaltgezogen und geschălt oder geschliffen. Stahlwellen,
DIN 669, mit Toleranz h9, Oberflăche kaltgezogen und poliert. Bei anderen Toleranzen und teils
unbearbeiteter Oberflăche wird warmgewalzter Rundstahl, DIN 1013, verwendet.
Achsen und Wellen groBerer Abmessungen oder besonderer Formen, zum Beispiel Achsen von
Kraftfahrzeugen oder Kurbelwellen, werden gepreBt, vorgeschmiedet oder auch gegossen.

1343
Masch inenelemente
3. Berechnung der Achsen
Beanspruchung auf Biegung; zusătzliche Schubbeanspruchung ist meist gering und wird vernach-
Fiir die vorhandene Biegespannnung ab gilt
lăssigt.

(X.l)
Nmm mm 3

Mb Biegemoment; W axiales Widerstandsmoment; mit W "'=' 0,1 d 3 wird der erforderliche Durch-
messer d ftir Vollachsen:
d
(X.2)
N
mm Nmm
mm 2

Zulăssige Biegespannung abzul je nach Belastungsfall, siehe Festigkeitslehre 9.

4. Berechnung der Wellen


4.1. Torsionsbeanspruchte Wellen
Reine Torsionsbeanspruchung tritt selten auf, z.B. bei direkt mit Motor gekuppelten Wellen von
Liiftem oder Kreiselpumpen. Vorhandene Torsionsspannung
Tt T Wp
T
Tt = W::;
p
Ttzul
N
(X.3)
mm 2
T zu iibertragendes Torsionsmoment; bei gegebener Leistung P in kW und Drehzahl n in min _, ist
T = 9,55 ·10 6 P/n, WP polares Widerstandsmoment. Mit WP "'=' 0,2 d 3 wird der erforderliche
Wellendurchmesser
d T Ttzul

d ~ Vo,2~tzul mm Nmm
N
(X.4)
mm 2
Zulăssige Torsionsspannung r 1 zut je nach Belastungsfall, siehe Festigkeitslehre 1.9.

4.2. Torsions- und biegebeanspruchte Wellen


Gleichzeitige Torsions- und Biegebeanspruchung
liegt bei Wellen am hăufigsten vor, z.B. bei Wellen
mit Zahnrădern, Riemenscheiben, Hebeln u.dgl.
Durch die Zahn-, Riemenzug- und sonstigen Krăfte
treten Biegespannungen und noch meist vernach-
lăssigbar kleine Schubspannungen auf (Bild X.l ).
Hăufig ist das Biegemoment vorerst nicht bekannt.
Der Wellendurchmesser wird dann iiberschlăgig Bild X.l. Welle mit gleichzeitiger Torsions- und
berechnet aus Biege beanspruchung

n
(X.5)
mm Nmm kW

1344
X. Achsen, Wellen und Zapfen

Beiwerte c 1 und c2 abhăngig von der zulăssigen Torsionsspannung; man setze: c 1 =0,69 bzw.
c2 = 146 bei St37, St42, c 1 =0,625 bzw. c2 = 133 bei St50, St60 und jeweils vergleichbaren
Stăhlen, c 1 =0,58 bzw. c2 = 123 flir Stăhle htiherer Festigkeit.
Nach Berechnung nach (X.5) lassen sich die erforderlichen Abmessungen (Radab-
iiberschlăgiger
stănde, Lagerabstănde usw.) geniigend genau festlegen, und darnit die Biegemomente und Biege-
spannungen ermitteln. Die Welle wird dann aufBiegung und Torsion nachgepriift.
Dabei mu~ die Vergleichspannung av sein:

(X.6)

ab vorhandene Biegespannung, Tt vorhandene Torsionsspannung; Anstrengungsverhăltnis

a0 = 1 ;;zul . Man setzt a0 R< 1,0 wenn ab und Tt im gleichen Belastungsfall (z.B. beide wech-
, Ttzul
selnd) auftreten, a 0 R< 0,7 wenn ab wechselnd und Tt schwellend oder ruhend auftritt (hăufigster
Fall). abzul zulăssige Biegespannungje nach Belastungsfall, siehe Abschnitt Festigkeitslehre 1.9.
Sind Torsionsmoment und Biegemoment bekannt, dann l~t sich der Wellendurchmesser mit dem
Vergleichsmoment Mv berechnen:
Mv,Mb,T ao
(X.7)
Nmm
Mit Mv ergibt sich der Wellendurchmesser
d Mv Ubzul
(X.8)
N
mm Nmm
mm 2

4.3. Lange Wellen


Bei langen Wellen, zum Beispiel bei Transmissionswellen und Fahrwerkwellen von Kranen ist meist
die Formiinderung ftir die Berechnung m~gebend. Erfahrungsgem~ soll der Verdrehwinkel
cp = 0,25 ... 0,5° je m Wellenlănge nicht iiberschreiten. Ein gro~erer Verdrehwinkel ergibt eine
kleine kritische Drehzahl und fiihrt damit leicht zu Schwingungen. Aus der Berechnungsgleichung
ftir den Verdrehwinkel
= 180° . !..!.!_ <O 25 o (X.9)
cp 1T rG - '
ergibt sich flir cp =0,25°, l = 1000 mm, r =~, Tt =O,;d 3 und G =80 000 ~ 2 der Wellendurch-
messer

aR< 2,33 vr R< 13o v 1i


~/P
d

mm
n

min- 1
(X.10)

T zu iibertragendes Torsionsmoment; P zu iibertragende Leisung; n Drehzahl der Welle. Die mit


Gleichung (X.1 O) berechnete Welle ist zweckm~ig auf Festigkeit mit den Gleichungen {X.3) bzw.
(X.6) zu priifen je nach vorliegender Beanspruchung.
Beachte: Die Verwendung eines Stahles hoher Festigkeit zum Erreichen eines kleinen Verdreh-
winkels bringt keinen Gewinn, da die Forrnănderung vom Schubmodul G abhăngig ist, der flir alle
Stăhle annăhernd gleich gro~ ist. Der Lagerabstand bei langen Wellen wird erfahrungsgemă~ ge-
wăhlt: 18 R< 300 Vd in mm, d Wellendurchmesser in mm.

1345
Maschinenelemente
5. Auszufiihrende Achsen- und Wellendurchmesser
Die endgiiltigen Durchmesser der nach vorstehenden Gleichungen
berechneten Achsen und Wellen sind nach Normzahlen (Tafel 1.2)
festzulegen. Dabei sind genormte Abmessungen von Lagern, Stell·
ringen, Dichtungen usw. sowie etwaige Nuten, Eindrehungen und
sonstige Querschnittsverminderungen zu berticksichtigen.
Der endgtiltige Durchmesser ist so zu wăhlen, daB nach Abzug der zu- rechneri scher
gehorigen Nut- und Eindrehungstiefen der berechnete Durchmesser als Durchmesser
"Kerndurchmesser" iibrigbleibt (Bild X.2). Wellennuttiefe t 1 nach d
Tafel XI.6. Bild X.2. Rechnerischer
Wellendurchmesser

6. Berechnung der Zapfen


6.1. Achszapfen
Achszapfen werden auf Biegung beansprucht, und zwar Lagerzapfen umlaufender Achsen wechselnd,
Tragzapfen feststehender Achsen ruhend oder schwellend. Zapfendurchmesser werden meist kon-
struktiv festgelegt und dann nachgeprtift. Fiir den gefâhrdeten Querschnitt A -B (Bild X.3) muiJ
die Biegespannung ab sein:

p!.. ab F l, d1
Mb 2
ab =w= O 1 d3
, 1
:::; abzul
N
N mm
(X.11)
mm 2

zulăssige Biegespannung ab zul je nach Belastungsfall, siehe Abschnitt Festigkeitslehre 1.9.

Bild X.3. Achszapfen Bild X.4. Wellenzapfen. a) biegebeansprucht, b) torsions- und


biegebeansprucht, c) torsionsbeansprucht

6.2. Wellenzapfen
Die zur Lagerung dienenden Wellenzapfen (Lagerzapfen, Bild X.4a) werden fast ausschlieB!ich
wechselnd auf Biegung beansprucht; Berechnung wie Achszapfen nach (X.11). Antriebszapfen
nach Bild X.4b werden auf Biegung und Verdrehung beansprucht; flir den gefâhrdeten Querschnitt
A-B ist die Vergleichspannung sinngemăB nach (X.6) nachzuprtifen. Antriebszapfen nach Bild
X.4c iibertragen nur ein Drehmoment; gefăhrdete Querschnitte sind A-B und C-D; Nachpriifung
auf Verdrehung sinngemăB nach (X.3) praktisch nur ftir nutgeschwăchten Querschnitt C-D;
beachte "Kerndurchmesser" (Bild X.2).
Normen: Zylindrische Wellenenden nach DIN 748; kegelige Wellenenden mit langem Kegel (1: 10)
und Gewindezapfen nach DIN 749, mit kurzem Kegel und Gewindezapfen nach DIN 1448
(Tafel X1.3).

1346
X. Achsen, Wellen und Zapfen

7. Gestaltung
7 .l. Allgemeine Richtlinien
Gedrăngte Bauweise mit kleinen Rad- und Lagerabstănden anstreben, dadurch kleine Biegemomente
und kleinere Wellendurchmesser.
Zapfentibergănge gut runden: r ""'d/10 ... d/20 (Bild X.Sa). Nu ten nicht bis an Ubergănge heran-
ftihren (Kerbwirkung!). Festigkeitsmăf1ig am gtinstigsten sind Korbbogen-Ubergănge: r ""'d/20,
R""' d/5 (Bild X.Sb). Bei geschliffenen Flăchen Freistiche vorsehen (Bilder X.Sc und X.Sd).

~~\~ BildX.S
cJ ~ Gestaltung der
Zapfeniibergange
a) normaler Ubergang

d) ~
Nut fur Panteder b) Korbbogeniibergang
O) c) und d) Freistiche

Răder und Scheiben gegen axiales Verschieben durch Distanzhillen oder Wellenschultern sichern
(Bilder X.6a und X.6b), nicht durch Sicherungsringe (Kerbwirkung!). Nuten immer ktirzer als
Naben (Abstand a), wegen Ausgleich von Einbauungenauigkeiten und im Zusammenfallen der
"Kerbebenen" zu vermeiden.
Moglichst Fertigwellen verwenden (siehe unter 2.), um Bearbeitung zu ersparen.

Kugelgelenk

b) ~
richfig

cJ

Bild X.6. Festlegung von Radern und Scheiben Bild X.7. Gelenkwelle, a) mit Kugelgelenken, b) Kreuzgelenk,
a) durch Distanzhiilsen, c) falsche und richtige Anordnung der Gelenke
b) durch Wellenschultern

2 3

Zwischenglied

.
-

Bild X.8. Doppel-Gelenk Bild X.9. Biegsame Welle mit Metallschutzschlauch

1347
Maschinenelemente

7 .2. Sonderausftihrungen
Gelenkwellen: Anwendung zum Verbinden von nicht fluchtenden, in der Lage verănderlichen
Wellenteilen, z.B. bei Frăsmaschinen, Mehrspindelbohrmaschinen, Kraftfahrzeugen. Fiir kleinere
Drehmomente Ausf\ihrung mit Kugelgelenken (Bilder X.7a und X.7b). Richtige Anordnung der
Gelenke beachten (Bild X.7c), um ungleichfcirmigen Lauf der Abtriebswelle zu vermeiden.
Zum Verbinden zweier zueinander geneigter Wellen dienen Doppelgelenke (Bild X.8). Das Zwischen-
glied hat dabei die Funktion der Zwischenwelle.
Normen: Einfach- und Doppel-Kreuzgelenke, DIN 7551, mit Ablenkwinkel bis 45° bzw. 90° ftir
allgemeine Zwecke; Wellengelenke, DIN 808, vorwiegend ftir Werkzeugmaschinen. Ausflihrung
ăhnlich den in Bild X.7 dargestellten.

Biegsame Wellen: Anwendung hauptsăchlich zum Antrieb ortsverănderlicher Elektrowerkzeuge mit


kleineren Leistungen (Bild X.9). Schraubenformig in mehreren Lagen gewickelte Stahldrăhte (1)
sind vielfach noch durch gewundenen Flachstahl (2) verstărkt und von beweglichem Metallschutz-
schlauch (3) umhiillt.
Normen: Biegsame Wellen, DIN 44 713; Anschliisse (Lotmuffen), DIN 42 995.

• Beispiel: Der Durchmesser der Antriebswelle


eines Becherwerkes, Bild X.1 O, ist zu berech-
nen.
Antriebsleistung P = 6,6 kW
Drehzahl n = 80 min- 1
Gurtscheibendurchmesser Ds = 800 mm
Lagerabstand la = 580 mm
Zugkraft im aufsteigenden Trumm
FI = 12 000 N
Zugkraft im absteigenden Trum
F 2 = 10000N Bild X.lO. Antriebswelle eines Becherwerkes
Welle aus St50K

LOsung: Welle wird schwellend auf Verdrehung und wechselnd auf Biegung beansprucht. Dreh-
moment und Biegemoment konnen bestirnmt werden, Berechnung daher mit Vergleichsmoment
nach (X.7):

Mv = )M~ + 0,75 (a 0 T) 2
Maximales Biegemoment tritt in Mitte Gurtscheibe auf.
Scheibenkraft F = F 1 + F 2 = 12 000 N + 10 000 N = 22 000 N;
Lagerkrăfte FA =F8 =F/2= 11 OOON(BildX.11).
Hiermit Mb =FA la/2 = 11 000 N · 290 mm = 319 · 104 Nmm.
Drehmoment M= 9,55 · 10 6 Pjn = 78,8 · 104 Nmm = Torsionsmoment T.
Anstrengungsverhăltnis a 0 ""0,7 ftir Mb wechselnd und T schwellend, siehe zu Gleichung (X.6).
Damit wird
Mv = )(319 ·104 Nmm) 2 + 0,75 (0,7 · 78,8 ·10 4 Nmm) 2 = 323,5 ·104 Nmm
Hiermit Wellendurchmesser nach Gleichung (X.8):
Mv
d =
0,1 ab zul

1348
X. Achsen, Wellen und Zapfen

Zulăssige Biegespannung bei dynamischer Belastung und bekannter Kerbwirkung, siehe Abschnitt
Festigkeitslehre 1.9.

Bild X.11. Krăfte an der Antriebswelle ~ ~---------~~a------~~

Ftir St50 nach Dauerfestigkeitsschaubild: abw = 260 N/mm 2 ; Sicherheit v = 1,5 gewăhlt; Ober-
flăchenbeiwert flir gezogene (entspricht etwa geschliffene) Oberflăche: b 1 "'=' 0,9; Gri:i~enbeiwert
flir geschătzten Durchmesser "'=' 80 mm: b 2 "'=' 0,75; Kerbwirkungszahl flir P~federnut: f3k""' 1,7;
damit wird

260~2
mm N
Obzul = 1,7 . 1,5 · 0,9 · 0,75 "'=' 68 ~ und hiermit

d =V 323,5 ·104 N~m = t/476,4 ·103 mm3 ""'78 mm


01·68-
, mm 2
Unter Berticksichtigung der Nuttiefe wird nach Gleichung (X.5) gewăhlt: d = 90 mm. Hierflir
betrăgt die Nuttiefe nach Tafel Xl.4: t 1 = 9 mm. Der "Kerndurchmesser" wird damit

d - t 1 = 90 mm - 9 mm = 81 mm > 78 mm ( rechnerischer Durchmesser)

Tafel X.l. Zylindrische Wellenenden nach DIN 748

M~einmm

Durchmesser d 6 1 7 8 1 9 10 l11 12 114 16119 20 1 22 1 24 25 28


lang 16 20 23 30 40 50 60
Lănge 1
kurz 15 18 28 36 42
Toleranz 1) k6
Rundungsradius r 2) 0,6 1
Durchmesser d 30 1 32 351 38 401 42 45148 50 155 60 1 65 1 70 75 80
lang 80 110 140 170
Uinge 1
kurz 58 82 105 130
Toleranz k6 1
m6
Rundungsradius r 1 1,6

1) Die Rundungsradien sind maximale Werte; an Stelle der Rundungen konnen auch Freistiche nach DIN 509
vorgesehen werden.
2) Andere Toleranzen sind in der Bezeichnung anzugeben.

Bezeichnung eines Wellenendes mit d = 40 mm Durchmesser und 1 = 110 mm Lănge: Wellenende 40 X 110
DIN 748 oder z. B. Wellenende 40 r6 X 110 DIN 748

1349
Maschinenelemente
Tafel X.2. Sicherungsringe flir Wellen und Bohrungen

Ma fJe filr den Sicherungsring Bezeichnung eines Sicherungsringes flir


Wellendurchmesser d = 50 mm und
Dicke s 1 = 2 mm:
Sicherungsring 50 X 2 DIN 471
Bezeichnung eines Sicherungsringes flir
Bohrungsdurchmesser d = 50 mm und
Dicke s 2 = 2 mm:
Sicherungsring 50 X 2 DIN 4 72
Der Nutgrund ist schartkantig auszuflihren
MafJe fur die Nuf

MaBeinmm

gro~te
S1 1 $2 b1 b2 n1 1 n2 Axialkraft 1)
d d1 d2
(h11) (Hl3) m1min m2min inkN
"' "' (Welle) (Bohrung)
10 9,6 10,4 1,8 1,4 0,6 0,6 1,5 1,6
12 11,5 hl1 12,5 Hl1 1 1,8 1, 7 1,1 0,75 0,75 2,3 2,4
1 1,1
15 14,3 15,7 2,2 2 - 1,1 1,1 4 4,2
-
20 19 21 2,6 2,3 1,5 1,5 7,7 7,8
1,2 f------ 1,3 -
25 23,9 26,2 3 2,7 1, 7 1,8 10,6 12
- 1,2 - 1,3
30 28,6 31,4 3,5 3 2,1 2,1 16,2 13,7
1,5 1 - - - 1,6 -
35 33 37 1,5 3,9 3,4 1,6 3 3 26,7 26,9
40 37,5 42,5 4,4 3,9 18,1 40,5
1,75 1,75 1,85 1,85 3,8 3,8
45 42,5 47,5 4,7 4,3 43 43,1
50 47 53 5,1 4,6 57 60,7
55 52 58 2 2 5,4 5 2,15 2,15 63 63,5
h12 H12
60 57 63 5,8 5,4 69 62,1
4,5 4,5
65 62 68 6,3 5,8 75 78,2
70 67 73 6,6 6,2 80,5 84,2
2,5 2,5 2,65 2,65
75 72 78 7 6,6 86 90
80 76,5 83,5 7,4 7 107 112
90 86,5 93,5 8,2 7,6 5,3 5,3 121 126
3 3 3,15 3,15
100 96,5 103,5 9 8,4 135 140
110 106
r--- 114 9,6 9 170 176
120 116 124 10,2 9,7 6 6 185 192
140 136 144 11,2 10,7 4,15 4,15 217 223
h13 H13 4 4
160 155 165 12,2 11,6 310 319
180 175 185 13,5 13,2 7,5 7,5 345 345
200 195 205 14 14 319 325

1) flir schwellende Belastung (ohne Sicherheit), scharfkantig anliegendes Bauteil und Wellen- oder Bohrungswerkstoff mit
Re ;;. 300 N/mm2

1350
X. Achsen, Wellen und Zapfen

Tafel X.3. Zusammenstellung wichtiger Normen fUr den Konstruktionsentwurf einer


Getriebewelle

DIN3760 DIN933 DIN127 DIN13 DIN336 DIN 471 DIN 1448 DIN 125

*) 6308 und 6409 sind die Bezeichnungen flir die Wălzlager

DIN 13 Teil1 Metrisches ISO -Gewinde, Regelgewinde


DIN 76 Teil1 Gewindeauslăufe; Gewindefreistiche fUr Metrisches ISO-Gewinde
DIN 116 Antriebselemente ; Scheibenkupplungen, MaBe, Drehmomente, Drehzahlen
DIN 125 Scheiben
DIN 127 Federringe
DIN ISO 273 Durchgangslocher fl.ir Schrauben
DIN 336 Teil 1 Durchmesser fUr Bohrwerkzeuge flir Gewindekernlocher
DIN 471 Tei11 Sicherungsringe fUr Wellen
DIN 509 Freistiche
DIN 611 Wălzlagerteile, Wălzlagerzubehor und Gelenklager
DIN 931, DIN 933 Sechskantschrauben
DIN 1448 Teil 1 Kegelige Wellenenden mit AuBengewinde
DIN 3760 Radial- Wellendichtringe
DIN 6885 Teil 1 PaBfedem , Nu ten

1351
Maschinenelemente

XI. Nabenverbindungen

1. Ubersich t

Die Hauptaufgabe einer Welle ist das Weiterleiten von Drehmomenten. Das geschieht iiber auf-
gesetzte Maschinenelemente wie Zahnrăder, Riemenscheiben, Kupplungsscheiben, Hebel aHer Art
und andere Bauteile. Das Verbindungssystem zwischen der Welle und dem angeschlossenen Maschi-
nenelement zur Weiterleitung des Drehmoments heilit Nabenverbindung. Die Nabe ist der Teil des
Zahnrades, der Scheibe oder des Hebels, der die Drehmomenteniibemahme von der Welle zu gewăhr­
leisten hat. Technische Bauteile konnen Krăfte und Drehmomente durch den Reibungseffekt zwi-
schen festen Korpem, durch das Ineinandergreifen der beteiligten Bauteile oder durch einen ver-
bindenden Stoff erhalten (Klebstoffe aHer Art). LăBt man die Klebverbindungen auBer acht, dann
kann man die Vielzahl der inzwischen găngigen Elemente zum Verbinden von Welle und Nabe in
zwei Gruppen einteilen.
Die eine Gruppe umfaBt alle Nabenverbindungen, die durch Haftreibung zwischen Welle und Nabe
das zu iibertragende Drehmoment weiterleiten. Das sind die kraftschlilssigen oder reibschliissigen
Verbindungen. Zur zweiten Gruppe gehoren diejenigen Nabenverbindungen, bei denen Welle und
angeschlossenes Bauteil ineinandergreifen. Das sind die formschlilssigen Verbindungen.
Die bekanntesten kraftschlilssigen Nabenverbindungen sind: zylinderische oder keglige PreB-
verbindungen (PreBsitzverbindungen), Klemmsitzverbindungen, Keilsitzverbindungen und Spann-
verbindungen.
Zu den formschlilssigen Nabenverbindungen gehoren: Stiftverbindungen, PaBfederverbindungen
und Profllwellenverbindungen.
Eine Obersicht mit Anwendungsbeispielen geben die Tafeln XI.l und XI.2.

1352
Tafel XLI. Kraftschliissige (reibschliissige) Nabenverbindungen (Beispiele)

Hauptvorteil: Spielfreie Obertragung wechselnder Drehrnomente

Vorwiegend flir nicht zu losende Verbindung und zur Aufnahrne


gro~er, wechselnder und sto~artiger Drehrnomente und Axial-
lcrăfte.
Verbindungsbeispiele: Riemenscheiben, Zahnrăder, Kupplungen,
Schwungrăder, im Gro~maschinenbau, aber auch in der Feinwerk-
technik.
Ausflihrung als Lăngs- und Querpre~verband (Schrumpfverbindung).
zylindrischer Besonders wirtschaftliche Verbindungsart.
Pre~verband

Leicht losbare und in Drehrichtung nachstellbare Verbindung auf


dem Wellenende zur Aufnahrne gro~er, wechselnder und sto~artiger
Drehrnomente.
Verbindungsbeispiele: Wie beim zylindrischen Pre~verband, au~er­
dem bei Werkzeugen und in den Spindeln von Werkzeugmaschinen
und bei Wălzlagem mit Spannhiilse und Abziehhiilse.
Wegen der Herstellwerkzeuge und der Lehren moglichst genormte
kegliger Pre~verband Kegel verwenden (siehe keglige Wellenenden mit Kegell: 10 nach
(Wellenkegel) DIN 1448).
Die Naben werden durch Schrauben oder Muttem aufgepre~t, die
Werkzeuge durch die Axialkraft beim Fertigen (zum Beispiel
Bohrer). Kegelbuchsen sind meist geschlitzt.

kegliger Pre~verband
(Kegelbuchse)

Leicht losbare und in Lăngs- und Drehrichtung nachstellbare Ver-


bindung zur Aufnahme wechselnder kleinerer Drehrnomente. Bei
gro~erer Drehrnomentenaufnahrne werden zusătzlich Pdfedern
oder Tangentkeile angebracht.
Verbindungsbeispiele: Riemen- und Gurtscheiben, Hebel auf
glatten Wellen. Die Nabe ist geschlitzt oder geteilt.

geteilte Nabe

LOsbare Verbindung zur Aufnahrne wechselnder Drehrnomente.


Kleinere Drehrnomentaufnahrne beirn Flach- und Hohlkeil, gro~e
und sto~artige Drehrnomentenaufnahrne beim Tangentkeil. Die
Keilneigung betrăgt meistens 1 : 100.
Verbindungsbeispiele: Schwere Scheiben, Răder und Kupplungen,
im Bagger- und irn Landmaschinenbau, insgesamt bei schwererem
und rauhem Betrieb.
Einlegekeil Die Verbindung mit dem Hohlkeil ist nachstellbar.

Leicht lăsbare und in Lăngs- und Drehrichtung nachstellbare


Verbindung zur Aufnahrne groBer, wechselnder und stof.artiger
Drehrnomente.
Das iibertragbare Drehmoment ist abhăngig von der Anzahl der
Spannelemente. Hierzu sind die Angaben der Herstellerfirmen zu
beachten, zum Beispiel Fa. Ringfeder GmbH, Krefeld-Uerdingen.

Ringfederspannelement
1353
Maschinenelemente
Tafel Xl.2. F ormschliissige Nabenverbindungen (Beispiele)
Hauptvorteil: Lagesicherung

Losbare Verbindung zur Aufnahme meist richtungskonstanter


kleinerer Drehmomente.
Verbindungsbeispiele: Bunde an Wellen, Stellringe, Radnaben,
Hebel, Buchsen.
Verwendet werden Kegelstifte nach DIN 1 mit Kegel 1 : 50,
oo Zylinderstifte nach DIN 7, ftir hochbeanspruchte Teile auch
t::
Querstiftverbindung .g gehărtete Zylinderstifte nach DIN 6325.
t::
~ Hinzu kommen Kerbstifte und Spannhiilsen .
.,
>
~
.....
Cll

Lăngsstiftverbindung

Leicht lăsbare und verschiebbare Verbindung zur Aufnahme


richtungskonstanter Drehmomente.
Verbindungsbeispiele: Riemenscheiben, Kupplungen, Zahnrăder.
Gegen axiales Verschieben ist eine zusătzliche Sicherung vorzu·
sehen (Wellenbund, Axialsicherungsring).
Gleitpaj3federn werden zum Beispiel bei Verschieberădem in
EinlegepafJ.feder
Getrieben verwendet.

Profilwellenverbindungen sind FormschlufJ.verbindungen ftir hohe


und hochste Belastungen.
Das Polygonprofil ist nicht genormt. Hierzu sind die Angaben der
Hersteller zu verwenden, zum Beispiel: Fortuna-Werke, Stuttgart-
Bad Cannstadt oder Fa. Manurhin, Miihlhausen (ElsafJ.).
Das Kerbzahnprofil ist nach DIN 5481 genormt. Die Verbindung
Polygonprofil ist leicht !osbar und feinverstellbar. Verwendung zum Bt ispiel bei
Achsschenkeln und Drehstabfedern an Kraftfahrzeugen.
Ein Sonderfall ist die Stirnverzahnung (Hirthverzahnung) als Plan-
Kerbverzahnung. Hersteller: A. Hirth AG, Stuttgart-Zuffenhausen.
Das Vielnutprofil ist als "Keilwellenprofil" genormt. Die Bezeich-
nung "Keilwellenprofil" ist irreftihrend, weil die Wirkungsweise
der PafJ.federverbindung (FormschlufJ.) entspricht, nicht aber der
Kerbzahnprofil Keilverbindung. Die Verbindung ist leicht losbar und verschiebbar.
Verwendung zum Beispiel bei Verschieberădergetrieben, bei
Kraftfahrzeugkupplungen und Antriebswellen von Fahrzeugen.

1354
XI. Nabenverbindungen
2. Zylindrische Pre~verbănde
Normen (Auswahl)
DIN 7190 Berechnung und Anwendung von Pref!Jverbănden
DIN 4768 Ermittlung der Rauhheitsmef!Jgrof!Jen Ra, Rz. Rmax
2.1. Begriffe an Pretl,verbănden

Pref!Jverband ist eine kraftschltissige (reibschltissge) Nabenverbindung ohne zusătzliche Bauteile wie
Paifedern und Keile.
AuBenteil (Nabe) und Innenteil (Welle) erhalten eine Prej3passung, sie haben also vor dem Ftigen
immer ein ObermaB Pu. Nach dem Ftigen stehen sie unter einer Normalspannung a mit der Fugen·
pressung PF in der Fuge.
Preipassung ist eine Passung, bei der stets ein Obermaf!J Pu vorhanden ist. Das HochstmaB der
Bohrung G0 ist also stets kleiner als das MindestmaB der Welle Gu (G 0 < Gu). Zur PreBpassung
zăhlt auch der Fall Pu =O.

Herstellen von Pretl,verbănden (Ftigeart)

1
durch Einpressen (Lăngseinpressen des Innenteils): Lăngspretl,verband
durch Erwărmen des Auf!Jenteils (Schrumpfen des Auf!Jenteils)
durch Unterktihlen des lnnenteils (Dehnen des lnnenteils) QuerpreBverbănde
durch hydraulisches Fiigen und Losen (Dehnen des AuBenteils)
Durchmesserbezeichnungen und Fugenlănge /p
dF Fugendurchmesser
(ungefâhr gleich dem Nenndurchmesser der Passung)
dli Innendurchmesser des Innenteils 1 (Welle)
dia AuBendurchmesser des Innenteils/, dia ""'dF
d Aa AuBendurchmesser des AuBenteils A
dAi Innendurchmesser des AuBenteilsA (Nabe),
dAi <:::ldF
IF Fugenlănge (/F < 1,5 dF)
Durchmesserverhăltnis Q

Ubermai Pu ist die Differenz des AuBendurchmessers des Innenteils 1 und des lnnendurchmessers
des AuBenteils A :
Pu =dia -dAi
Glăttung G ist der ObermaBverlust ÂPu =G, der beim Ftigen durch Glătten der Ftigeflăchen auftritt:
G ""' 0,8 (RzAi +Rzia) Rz gemittelte Rauhtiefe nach DIN 4768 Teill
Wirksames UbermaiZ (HaftmaB) ist das um G =M'u verringerte ObermaB, also das ObermaB
nach dem Ftigen:
Z=Pu -G
Fugenpressung PF ist die nach dem Ftigen in der Fuge
auftretende Flăchenpressung.
Fasenlănge le und Fasenwinkeli.(J
3-
le = VdF
1355
Maschinenelemente

2.2. Zusammenstellung der Berechnungsformeln fiir zylindrische PreEverbănde


2.2.1. Erforderliche Fugenpressung Pp
Die Fugenpressung PF zwischen Aull.enteil (Nabe)
und Innenteil (Welle) ist gleichmăll.ig iiber der Fugen-
flăche A F = 1T d F lF verteilt. Wie bei der Flăchen­
pressung p (Festigkeitslehre Il.6) ergibt sich die Normal-
kraft FN =pFAF =pF 1rdF lF. Im Hinblick auf die
Haftkraft FH kann sie an jedem beliebigen Punkt des
Kreisumfangs angesetzt werden, beispielsweise so, wie es
das Bild zeigt.
Als Reibkraft ist die Haftkraft FH = FN JJ. = PF 1rdF lFJJ. M Drehmoment, MH Haftmoment
FN Normalkraft, FH Haftkraft (Reibkraft)
(siehe Statik 1.8).
Das Haftmoment ergibt sich aus MH = FH dF/2. Es wirkt dem eingeleiteten Drehmoment M
entgegen und mull. mindestens gleich dem zu iibertragenden Drehmoment sein (MH ;;;, M). Zusam-
menfassend fiihrt diese Entwicklung zu einer Gleichung ftir die erforderliche Fugenpressung PF:

MH = FH z = 2PF dF IF p;;;,M
dF 1T 2

2M ___. M
PF ;;;, 2 l """p zu1 (XI.l)
d
1T F F JJ. N
Nmm mm
mm 2

Das Drehmoment M in Nmm kann aus der Wellenleistung P in kW und der Wellendrehzahl n
in min- 1 berechnet werden. Die zulăssige Flăchenpressung Pzul wird aus der Elastizitătsgrenze Re,
der 0,2 -Dehngrenze RP 0 ,2 oder der Zugfestigkeit Rm ermittelt. Sie kann ebenso wie der Haft-
beiwert JJ. den folgenden Zusammenstellungen entnommen werden:

Anhaltswerte fur Pzul Haftbeiwert JJ. und Rutschbeiwert JJ.e (Mittelwerte)


Der Rutschbeiwert JJ.e wird zur Berechnung der Ein-
Belastung Stahl GrauguJl.
prell.kraft Fe gebraucht.
ruhend Re Rm
und Pzul = 1,5 Pzul = -3- Lăngsprefiverband
schwellend
Werkstoffe Haftbeiwert 1J. (Rutschbeiwert IJ.e)
wechselnd Re Rm Welle/Nabe trocken geschmiert
und Pzul = 2,5 Pzul =4
sto~artig St/St
0,1 (0,1) 0,08 (0,06)
St/GS
Re ( oder Rp 0 ,2 ) sowie Rm aus den
St/GG 0,12 (0,1) 0,06
Dauerfestigkeitsschaubildern
St/G-A!Si12 O,Q7 (0,03) 0,05
(Festigkeitslehre Tafell.7)

Querpreflverband

Werkstoffe, Fiigeart, Schmierung Haftbeiwert IJ.

St/St hydraulisches Fiigen, Minerală! 0,12


hydraulisches Fiigen, entfettete Fiigeflăchen,
St/St 0,18
Glyzerin aufgetragen
St/St Schrumpfen des Au~enteils 0,14
St/GG hydraulisches Fiigen, Minerală! 0,1
St/GG hydraulisches Fiigen, entfettete Fiigeflăchen 0,16

1356
XI. Nabenverbindungen
2.2.2. F ormănderungs- Hauptgleichung fiir Pre~verbănde
Die folgende Gleichung beschreibt die Formănderung von zwei Hohlzylindern unterschiedlicher
Werkstoffe (Hohlwelle und Nabe ), die durch PreBsitz miteinander verbunden sind. Sie kann hier
nur angegeben werden. Die Entwicklung dieser Gleichung ist zum Beispiel in dem Buch "Festig-
keitslehre" vonM. M. Filonenko-Boroditsch (Verlag Technik, Ausgabe 1952, Band 2) zu finden.

Z = PFdF [ E1 + Qi +vA) + E1 (1--2-vr


(1---2 + Qf )] (XI.2)
A 1- QA I 1-Qr

Z, dF PF• EA, Er QA, Qr. vA, vr


N
mm
mm 2

z wirksames Obermaf> nach dem Fiigen (auch Haftmaf> genannt)


PF Fugenpressung (FHichenpressung in den Fiigeflăchen)
/F Fugenlănge
EA, EI Elastizitătsmoduldes Au:fl.enteils A (Nabe) und des Innenteils I (Welle)
VA, VJ Querdehnzahl des Au:fl.enteils A (Nabe) und des Innenteils I (Welle)
QA,Q! Durchmesserverhăltnis: QA =dFfdAa < 1 Qr =dufdF < 1

Die Querdehnzah1 v ist das Verhăltnis der Quer· Elastizitătsmodu!E und Querdehnzahl v
dehnung €q eines zugbeanspruchten Stabes zur (Mi ttel werte):
Lăngsdehnung € (v = €q/€) und hat somit die Ein- El as tizi tăts- Querdehnzahl v
heit 1 (siehe Festigkeitslehre 1.5). Die Querdeh- Werkstoff
modulE Einheit 1
nung ist stets kleiner als die Lăngsdehnung, folg- N
lich ist stets v < 1 (Beispiel: vstahi "'=' 0,3). Nach mm 2
DIN 1304 steht der griechische Buchstabe J.1. so-
Stahl 210 000 0,3
wohl flir die Querdehnzahl als auch flir die Rei- GG-20 105 000 0,25
bungszahl an erster Stelle. Zur Unterscheidung GGG-50 150 000 0,28
wird hier der Buchstabe v flir die Querdehnzahl Bronze, Rotgu:fl. 80 000 0,35
verwendet. Er wird in DIN 1304 als zweites For- Al-Legierungen 70 000 0,33
melzeichen vorgeschlagen.

2.2.3. Formănderungsgleichungen ftir Pre~verbănde mit Vollwelle


Setzt sich der PreBverband aus Vollwelle und Nabe zusammen, dann wird das Durchmesserverhălt­
nis Q 1 =du/dF =O, weil der Innendurchmesser dn des Innenteils (Welle) gleich Null ist. Bei unter·
schiedlichen Werkstoffen beider Verbindungselemente vereinfacht sich G1eichung (XI.2) mit
Qu =O und man erhălt ftir das wirksame iibermaj3 Z die Form:

z 1
= PFdF [ EA
(1 + Qi ) 1
1-Qi +VA + Er (1-vr) J (XI.3)

Z,dF PF,EA,Er QA,vA,vr


N
mm mm 2

Bestehen Vollwelle und Nabe aus gleichelastischen Werkstoffen, zum Beispiel aus Stahl, dann sind
die Elastizitătsmoduln gleich groB (EA= E 1 =E) und die Formănderungs-Hauptgleichung (X1.2)
ftir das wirksame iibermaj3 Z vereinfacht sich weiter:

z N
(XI.4)
mm
mm 2

1357
Maschinenelemente

2.2.4. Oberma~ Pu und Glattung G


Mit den Gleichungen (XI.2) bis (XI.4) kann je nach vorliegendem Fali das ObermaB Z errechnet
werden, mit dem die zur Drehmomenteniibertragung erforderliche Fugenpressung PF erreicht wird.
Nun wird beim Einpressen (Fiigen) der beiden Fiigeteile die Oberflăche von Welle und Naben-
bohrung geglăttet, was zu einem ObermaBverlust AP0 fiihrt. Diese nur schătzbare Glăttung G muB
also dem gewiinschten wirksamen ObermaB Z hinzugezăhlt werden, wenn man das erforderliche
Ubermaf3 P6 haben will:
z + G (X1.5)
gemessenes wirksames Glăttung

ObermaJ1 vor ObermaJ1 + (Ubermal>verlust ~Pu


dem Fiigen (HaftmaJl,) beim Fiigen der Teile)

Rz gemittelte Rauhtiefe nach DIN 4768 Teill (XI.6)

Beispiele fiir G (Mi ttelwerte) :


polierte Oberflăche G 0,002 mm = 2 J.lill
feingeschliffene Oberflăche G 0,005 mm = 5 J.lm
feingedrehte Oberflăche G 0,010 mm = 10 J.lm

2.2.5. Einpre~kraft Fe
Beim Fiigen des Pre:Bverbandes mu:B die Reibung FR zwischen Innen- und Au:Benteil iiberwunden
werden. Die Gleichungen fiir die Fugenflăche A F und ftir die Reibkraft F R wurden bereits in Ab-
schnitt 2.2.1 hergeleitet. Damit wird ftir die Einprej3kraft Fe:
Fe PFg dF, ZF J.le
(XI.7)
N
N mm
grol> te vorhandene Fugenpressung mm 2
Fugendurchmesser
Fugenlănge
Rutschbeiwert nach 2.2.1

Herleitung der Gleichung:


FR = FN J.le; FN = PFgAF
AF = rrdF lF
Fe = FR = PFg rrdF IF J.le

2.2.6. Spannungsverteilung und Spannungsgleichungen


Das Spannungsbild zeigt die tatsăchliche und die vereinfachte Spannungsverteilung im Innen- und
Au:Benteil eines Pre:Bverbandes aus Hohlwelle und Nabe. Fiir Oberschlagsrechnungen reicht es aus,
eine gleichmăBige Spannungsverteilung liber den Querschnitten anzunehmen.

1358
XI. Nabenverbindungen

Tangentialspannung Radia/spannung

Spannungsbild
eines Pre~verbandes

vereinfachte Spannungsverteitung wirkliche Spannungsverteilung

azmA mittlere tangentiale Zugspannung im A~enteil


adml mittlere tangentiale Druckspannung im Innenteil
Fs Nabensprengkraft
atA Tangentialspannung im Atillenteil ar A Radialspannung im A\illenteil
ati Tangentialspannung im Innenteil ar 1 Radialspannung im Innenteil

Tangentialspannung at Radialspannung ar
Au~enteil Innenteil Au~enteil Innenteil

1 +QĂ 2
UtAi =pF Ut!i=PF - - arAi =pF Urii= O
1-QĂ 1-Ql
2QĂ 1 + Ql (XI.8)
UtAa=PF -- UtJa = PF UrAa =O Urla= PF
1-QĂ 1-Q,2

2.2.7. Mittlere tangentiale Zugspannung UzmA und Druckspannung admi


Bei Annahme einer gleichmăBigen Spannungsverteilung gilt die Zug- und die Druck-Hauptgleichung.
Mit den Gleichungen flir den jeweiligen Querschnitt und der Nabensprengkraft Fs =PF dF IF
ergeben sich die folgenden Spannungsgleichungen:
Fs PF dF IF
Uz mA
ANabe (dAa -dAi) IF
PFdF PFdF
Uz mA (XI.9)

Fs PF dF IF
Ud mi
Awelle (dF -du) IF

PFdF
adml (XI.10)
dF -dn

Fiir die Vollwelle gilt mit dli = 0:


PFdF
Ud mi = dF -O = PF (XI.11)
1359
Maschinenelemente

202080 Fiigetemperatur !lt flir Schrumpfen

Pu GrăllJtiibermallJ in mm
P8 erforderliches Fiigespiel in mm (XI.12)
a Uingenausdehnungskoeffizient des Werkstoffes:
dF a<stahl = 11 . 10- 6 1/"C
P :;;.-- (XI.13)
s ""'" 1000 aGG = 9 · 10- 6 1/"C

Herleitung einer Gleichung:


Mit dem Lăngenausdehnungskoefftzienten a in m/(m °C) = ItC betrăgt die Verlăngerung 111 eines
Metallstabes der Ursprungslănge 10 bei seiner Erwărmung um die Temperaturdifferenz 11t:
111 = a l1t 10 o

Fiir das AuBenteil (Nabe) eines PreBverbaodes ist 111 = Pu + P8 und /0 = dF o Damit wird analog zu
111 = a 11t 10 :
Pu + P 8 =a 11t dF
und daraus die obige Gleichung fiir 11t.
2o2o9. Fesdegen der Preipassung
Bei Einzelfertigung kann mao die Nabenbohrung ausfiihren
und nach deren IstmaB die Welle ftir das errechnete Ober-
maB Pu fertigeno Bei Serienfertigung miissen groBere Tole-
ranzen zugelassen werden. Man muB also eine PreBpassung O.."
festlegeno Eine Auswahl der ISO-Toleranzlagen und -Quali-
tăten zeigt Tafel1.4 ftir das im Maschinenbau iibliche System
der Einheitsbohrungo
Da sich kleinere Toleranzen bei Wellen leichter einhalten
lassen als bei Bohrungen, wăhlt mao zweckmăBig:
Bohrung H7 mit Wellen der Qualităt 6
Bohrung H8 mit Wellen der Qualităt 7 usw.
Hat mao sich flir ein Toleraozfeld fiir die Bohrung entschieden, zum Beispiel Bohrung H7, daon
fmdet mao das Toleraozfeld fur eine Welle folgendermaBen:
Mao setzt das errechnete ObermaB gleich dem KleinstiiberrnaB Pu und addiert die Toleranz der
Bohrung Ta o Damit hat man das vorlăufige un tere AbrnaB AuA der Welle:
AuA =Pu +Ta Pu =Pu
Mit diesem Wert geht mao in der Tafel 1.4 in die Zeile flir den vorliegenden NennmaBbereich und
wăhlt dort ftir die vorher festgelegte Qualităt ein Toleranzfeld fur die Welle, bei dem das aogegebene
untere AbmaB dem errechneten am năchsten kommt (siehe Beispiele)o

• Beispiel:
NennmaBbereich 35mm
Toleranzfeld fiir die Bohrung H7
Qualităt fiir die Welle 6
Toleranz der Bohrung Ta =25Jlm
errechnetes ObermaB Pu = 60 Jlm =Pu
unteres AbmaB der Welle: AuA =Pu +Ta= 60 Jlm + 25/lm =85Jlm
Toleranzfeld der Welle: x6 mit AuA= 80 Jlm und AoA = 96/lm
Damit konnen die HochstpassungP0 und die MindestpassungPu berechnet werden:
P0 =Aui -AoA = 25/lm-80 Jlm =- 55Jlm
Pu =Aoi- AuA= O -96/lm =-96/lm
1360
XI. Nabenverbindungen
2.3. Berechnungsbeispiel eines zylinderischen PreBverbandes
In einem Getriebe sollen Vollwelle und Zahnrad als LăngspreBverband gefligt werden. Der Kon-
strukteur soll dazu die erforderliche PreBpassung festlegen. Es ist schwellende Belastung zu erwarten.
Die Rechnungen werden nach Abschnitt 2.2 durchgeftihrt.

Gegeben:
Wellendrehmoment M= 2000Nm
Fugendurchmesser = 63 mm dF
Fugenlănge lF = 50mm
AuBendurchmesser des AuBenteils dAa = 160mm
Wellenwerkstoff: St50
Zahnradwerkstoff: Einsatzstahl Ck 15
Fiigeflăchen mit den gemittelten Rauhtiefen RzAi =Rzla = 6 J.l.ill
~Geradverzahnung
Losung:
1. Erforderliche Fugenpressung PF
M = 2000 Nm = 2 ·10 3 Nm
2M ";::: M = 2·10 6 Nmm
PF = d2 l "" Pzul
7r F F J.l dF = 63 mm
IF = 50 mm
J.l.St/St = 0,08 angenommen nach 2.2.1 ftir geschmierte Oberfliichen

300~
= Re(StSO) = mm = 200 JL
Pzul,StSO mm 2
1,5 1,5
2 ·2 ·10 Nmm 6 N
PF --=-:::::.......::-=:--::..:..:.:..:=--- = 80 2 -
1r · 63 mm
2 2 • 50mm · 0,08 ' mm 2

N N
PF = 80,2
mm
--2 < Pzul 'StSO = 200 --2
mm

2. Durchmesserverhăltnis QA

63mm
160 mm = 0,394 "" 0,4

3. Wirksames Ubermaj3 Z (nach Gleichung (X1.4))

2 · 80 2 .lL.2 · 63 mm
' mm
0,057 mm 57 J.lill

4. Ubermaf3 Pu
Das erforderliche DbermaB Pu setzt sich zusammen aus dem wirksamen DbermaB Z und der Glăt­
tung G:
Pu =Z+G G = 0,8 (RzAi + Rzla) = 0,8 (6 J.lill + 6 ţ.tm)
Pu = 57 ţ.tm + 10 ţ.tm = 67 J.l.ID G = 9,6 ţ.tm "" 10 J.lill

1361
Mas ehi nenelemente

Sind alle in den Rechnungen gegebenen und angenommenen GroBen tatsăchlich vorhanden, vor
allefi auch der Haftbeiwert IJ., dann wiirde der PreBverband das Drehfiofient M = 2000 Nfi iiber-
tragen konnen, wenn vor
defi Fiigen das OberfiaB Pu = 67 IJ.fi vorliegt.

Nach den Erlăuterungen in Abschnitt 2.2.9 wird aus Tafel 1.4 die PreBpassung H7 /x6 gewăhlt:

Aui =O AuA= 122 /).fi


Aoi = 30 /).fi AoA = 141 /).fi

Dafiit ergeben sich:


Mindestpassung Pu =Aui -AoA =0-141 /J.fi=-141 /).fi
Hochstpassung P0 =A oi -AuA = 30 /J.fi - 122 IJ.fi = - 92 /).fi

Die Hochstpassung P0 = 92 IJ.fi liegt Ufi ca. 37% liber defi errechneten OberfiaB Pu = 67 IJ.fi.
Folglich kann bei Vorliegen der Hochstpassung der PreBverband das Drehfiofient M = 2750 Nfi
iibertragen, ififier vorausgesetzt, alle Annahfien waren richtig.

6. Spannungsnachweise (siehe 2.2.6. Spannungsbild)


Den hier verwendeten Formănderungsgleichungen (XI.2) und (XI.4) liegt das Hookesche Gesetz
a= eE zugrunde. Sie gelten alo nur im sogenannten elastischen Bereich. Die groBte vorhandene
Norfiaispannung avorh darf also die Proportionalitătsgrenze nicht iiberschreiten. Praktisch kann
als Grenzspannung die Streckgrenze Re oder die 0,2-Dehngrenze Rpo, 2 (bei Werkstoffen ohne aus-
geprăgte Streckgrenze, z.B. bei Vergiitungsstăhlen) herangezogen werden. Fiir die Werkstoffe St50
f\ir die Welle und Ck 15 f\ir die Nabe (Zahnrad) zeigen die Dauerfestigkeitsschaubilder gleiche
Werte an:
N N
Re(Stso) = 300 mm2 Re(CklS) = 300 fifi
- 2

AusgangsgroBen flir die Berechnung der vorhandenen Spannungen sind das groBte wirksame Ober-
fiaB Zg und die sich dabei einstellende groBte Fugenpressung PFg·

6.1. Grăj3tes wirksames Ubermaj3 Zg


Zg =Pu- G = 141 IJ.fi -10 IJ.fi = 131 IJ.fi = 0,131 fifi

6.2. Grăj3te Fugenpressung PFg

_ ZgE(l- Ql) Zg= 0,131 mm


PFg - 2dy
E=210 000 N/mm 2
QA =0,394
0,131 mm · 210000 ::!h
mm
·(1- 0,394 2) dy =63 mm
PFg
2 · 63 mm

N
PFg 184 --2 < Pzul 200 1L
mm2
fim

1362
XI. Nabenverbindungen
6.3. Tangentialspannungen at urui Radialspannungen ar

1+QĂ_ N 1+0,394 2 N Kon trollrechnung:


UtAi = PFg ---2 = 184 --2 . = 252 - -
1- QA mm 1-0,394 2 mm 2 UtAi - OtAa = PFg
2 (siehe Spannungsbild)
= 2 QA = 184 _B_ . 2 · 0,394 2 = 68 ~
OtAa PFg 1-QĂ mm2 1-0,3942 mm2 (252-68)_B_= 184 _B_
mm 2 mm 2
2 2 N N N
= PFg - -2 = PFg 1 _O = 2 PFg = 2 · 184 - 2 = 368 - -2 > Re(I) = 300 - 2
1-Q1 mm mm mm
2
_ 1 + Qr 1 +O N
aua - PFg 1- Qr2 = PFg 1- O= PFg = 184 mm2

N N
GrAi = PFg = 184 --2 OrAa =O Urii =O Urla = PFg = 184 --2
mm mm

6.4. Mittlere tangentiale Zugspannung UzmA

184 .J:L2 · 63 mm
mm
160mm-63mm
120 1L
mm 2

6.5. Mittlere tangentiale Druckspannung admi

N
Odml = PFg = 184 --2
mm

7. Spannungsvergleiche urui festigkeitstechnische Anmerkungen


a) Die groEten Tangentialspannungen treten an den Innenseiten der Fiigeteile auf:
tangentiale Zugspannung N
atAi= 252--2 > OtAa = 68 - -2
N
mm mm
_ N N
tangentiale Druckspannung am - 368 mm 2 > Oua = 184 mm 2 .

b) Die Spannung aui ist groEer als die Streckgrenze Re = 300N/mm2 fUr die Werkstoffe von Welle
und Nabe. Die Werkstoffteilchen in den entsprechenden Ringzonen der Fiigeteile verformen
sich also nicht mehr nach dem Hookeschen Gesetz elastisch sondern plastisch.
c) Die hier errechneten Spannungen treten bei GroEtiibermaE auf. In diesem Falle sind Oberschrei-
tungen der Streckgrenze zulăssig, solange der Werkstoff in diesen Ringzonen nicht geschădigt
wird. Das ist hier nicht der Fall, denn es ist

am < Rm "" 500 N 2 (Zugfestigkeit der Werkstoffe).


mm

8. Grăj3te Einprej3kraft Fe

Fe = PFg rrdF IF JJ.e PFg = 184 N/mm 2


dF= 63 mm
N IF= 50 mm
184- ·rr · 63mm · 50mm ·O 06
mm 2 ' !le= 0,06 (nach 2.2.1 fiir St/St, geschmiert)

Fe 109252N""109kN

1363
Masch inenelemente

3. Keglige PreBverbănde (Kegelsitzverbindungen)

Normen (Auswahl)
DIN 254 Kegel
DIN 1448, 1449 Kegelige Wellenenden
DIN 7178 Kegeltoleranz- und Kegelp<ilisystem
ISO 3040 Eintragung von M<ilien und Toleranzen fiir Kegel

3.1. Begriffe am Kegel

KegelmaEe:
Kegel im technischen Sinne sind kegelige Werkstticke mit Kreisquerschnitt (spitze Kegel und Kegel-
sttimpfe).
Bezeichnung eines Kegels mit dem Kegelwinkel a= 30° : Kegel 30°
Bezeichnung eines Kegels mit dem Kegelverhăltnis C = 1 : 1O: Kegel1 : 1O

d1, d2 Kegeldurchmesser

d = d 1 + d2 mittlerer Kegeld urchmesser


m 2
Kegellănge

"' Kegelwinkel
2"' Einstellwinkel zum Fertigen und Priifen
des Kegels

Kegelverhăltnis C:
d! -d2
C=--
l
1 Das Kegelverhaltnis C wird in der Form
C=1=x=:x C = 1 : x angegeben, zum Beispiel C = 1 : 5

Kegelwinkel a und Einstellwinkel a/2:


Aus dem schraffierten rechtwinkligen Dreieck lăBt sich ablesen:
a dl-d2 a
tan - = - - - "* C = 2 tan -
2 21 2

arctan
c
2
a = 2 arc tan 2
c

1364
XI. Nabenverbindungen

Vorzugswerte flir Kegel:


Kegelverhiiltnis Kegelwinkel a Einstellwinkel ~
C= 1 :x

1 : 0,2886751 120° 60°


1:0,5 90° 45°
1: 1,8660254 30° 15°
1: 3 18°55 '29" "" 18,925° 9°27'44"
1:5 11°25'16" ""11,421° 5°42'38"
1: 10 5°43'29" "" 5,725° 2°51'45"
1: 20 2°51'51""" 2,864° 1°25'56"
1:50 1° 8'45""" 1,146° 34'23"
1: 100 34'22""" 0,573° 17'11"

Werkzeugkegel und Aufnahmekegel an Werkzeugmaschinenspindeln, die sogenannten lllorsekegel


(DIN 228), haben ein Kegelverhăltnis von ungefâhr 1 =20.

3.2. Zusammenstellung der Berechnungsfonneln flir keglige PreSverbiinde


Die erforderliche Fugenpressung PF wird durch das Anziehen der Mutter hervorgerufen. Fiir qie
Untersuchung des Krăftegleichgewichts in der PreBverbindung ist es erlaubt, sich einen einzigen
Angriffspunkt A an der Welle oder an der Nabe herauszugreifen, weil auch die Reibkraft F R = FN 1J.
von Gri:iBe und Form der Beriihrungsflăche unabhăngig ist (siehe Statik 1.8). Es sind zwei Zustănde
zu untersuchen: Beim Aufpressen der Nabe auf das keglige Wellenende, bei dem sich am frei-
gemachten Wellenteilchen W das Krăftesystem an der schiefen Ebene einstellt (siehe Statik 1.8.6)
und der Betriebszustand, bei dem die Reibkraft F Ru = F R in tangentialer Richtung wirkt.

F,.

Krăftesystemund Krafteck beim Einpressen Reibkraft FRu im


(Pe Reibwinkel) Betriebszustand
Kegliges Wellenende

Das am Wellenteilchen W angreifende zentrale Krăftesystem beim Einpressen besteht aus der
Normalkraft FN, der Reibkraft FR, der Radialkraft Fr und der EinpreBkraft Fe. Aus den recht-
winkligen Dreiecken im Krafteck ki:innen die Beziehungen abgelesen werden:

sin(~+ Pe) = ~: =C> Fe = Fres sin(~+ Pe)

Mit der Einsetzungsmethode erhălt man daraus:

1365
Maschinenelemente

Fiir den Betriebsfall wiirde an Stelle des Rutschbeiwertes IJ.e der Haftbeiwert p. wirksam. Sicher-
heitshalber wird aher auch hier mit dem Rutschbeiwert IJ.e gerechnet, also mit F R = FN P.e·
dm dm 2M
M = FR -2 = FNP.e -2 =b-FN
P.e dm

2M sin(r+Pe)
F =--
e p.e dm COS Pe

Fiir iibliche Reibwinkel Pe wird cos peR; 1, so daB vereinfacht werden kann:

F
e
=- 2M- · sm
P.e dm
. (a-+p
2 e
)
Mit der Fugenpressung PF und der Fugenflăche A F wird die Normalkraft F N =PF A F. Die Fugen-
flăche A F kann nach der Guldinschen Regel ausgedriickt werden durch

dm [F 1rdm [F
AF=2n2
cos(r) cos(r)

Bringt man aull,erdem FN =2 M/P.e dm ein, dann ergibt sich:


2M PF 1rdm lF
- - =.::....::..-...:.::....-=.
P.e dm cos(r)

und daraus die Gleichung fur die Fugenpressung


2Mcos(r)
PF =
1r P.e d?n lF

Beachte: Fiir den Fall cos (a/2) =O liegt der zylindrische Prell,verband vor. Dann ergibt sich mit
cos 0° = 1 und dm =dF die Gleichung (XI.I).
Die Herleitung ergibt die folgenden Gleichungen zur Berechnung von kegligen Prefl,verbănden:
Erforderliche Einprell,kraft F e

F
e
= dm
-2M
-·sm
lle
. (a-+p
2
) e
p
(XI.14}
N Nmm mm kW min- 1 .1L
p mm 2
M= 9 55 · 106 - (XI.15)
' n
vorhandene Fugenpressung PF

2M cos(r)
PF = d2 l ~ Pzul (X1.16)
1r P.e m F

Einprell,kraft Fe flir eine bestimmte Fugenpressung PF

Fe = 1r PF dm lF. sin(i +Pe) (Xl.l7)


M Drehmoment Pe Reibwinkel aus tan Pe= J.le IF Fugenlănge
p Wellenleistung Pe= arc tan J.le Pzul nach 2.2.1
n Drehzahl J.le Rutschbeiwert aus 2.2.1
Q

2 Einstellwinkel dm mittlerer Kegeldurchmesser

1366
XI. Nabenverbindungen
3030 Berechnungsbeispiel eines kegligen Pre~verbandes

Die skizzierte Kege1verbindung eines Zahnrades mit dem Wellenende einer Getriebewelle ist zu
berechneno Es ist schwellende Be1astung anzunehmeno
Gegeben:
Wellendrehmomen t M = 2000Nm
Wellendurchmesser d 1 = 63 mm
Fugenlănge IF = 50 mm
Wellenwerkstoff Ck45
Zahnradwerkstoff Ck15
Kege1verhăltnis c = 1:10
Las ung:
lo Wellendurchmesser d 2

1
d2 = d 1 -CI= d 1 -CIF = 63 mm- 10 o50 mm
d 2 =58mm
20 Mittlerer Kegeldurchmesser dm
d1 +d2 63mm+58mm
dm = - 2- = 2 = 60,5mm

30 Einstellwinkel ~

2a = arc tan 2
C = arc tan 10 1o2 = 2,86 2 405 226° = 2°51'45"

40 Einprefikraft Fe

F. = -2M
e
- s m -+p
dm /J.e 2 e
o (a ) Fiir den Rutschbeiwert IJe wird nach 2o2o1 festgelegt: IJe = 0,1
Damit wird der Reibwinkel Pe ermittelt:
Pe= arctan!Je =arctan0,1 =5,7°
2 o2000 o103 Nmm o o o
Fe = 60,5 mm o0,1 osm(2,9 + 5,7 )

Fe = 98 866 N = 98,9 kN (Ausgangsgrofl.e zur Berechnung des Anziehdrehmomentes MA


flir die Mutter)

50 Fugenpressung PF
2M cos(I) =
PF = rr /J.e d?n
2 o2000o10 3 Nmm ocos 2,9° 69 5 ~
IF rr o0,1 o60,5 2 mm 2 o50 mm ' mm 2

60 Pressungsvergleich
Der Werkstoff mit der niedrigeren Streckgrenze Re oder 0,2-Dehngrenze Rpo, 2 ist hier der Zahn-
radwerkstoff Ck 15 mit Re = 300 N/mm 2 (siehe Dauerfestigkeitsschaubild flir Zug-Druck-Bean-
spruchung in Abschnitt Festigkeitslehre, Tafel I. 7)o
Die zu1iissige F1iichenpressung wird nach 202.1 fur schwellende Be1astung angenommen:
300.1L
Re,CklS
Pzul, Ck 15 = --5- = mm 2 = 200 N 2 ; fo1glich ist
1' 1,5 mm

PF = 69 ' 5 mm2
N < Pzul = 200 .E_
mm2
1367
Maschinenelemente
Tafel XI.3. Ml!Ee fi.ir keglige Wellenenden mit Au~engewinde

Bezeichnung eines langen kegligen Wellenendes


mit Pl!Efeder und Durchmesser di = 40 mm:
Wellenende 40 X 82 DIN 1448

Ml!Eeinmm

Durchmesser d i 6 1 1 1 sj 9 10 1 11 12 14 16 19 20 1 22 24 25 28
Kegel· Jang 10 12 15 18 28 36 42
lănge li kurz - - - - 16 22 24
Gewindelănge l2 6 8 8 12 14 18
Gewinde M4 M6 MSX 1 M10X 1,25 M12 X 1,25 M16 X 1,5
Pa1Uederi) bXh 2X 2 3 X3 4X4 5 X5
Nut· Jang - 1,6 1,7 2,3 2,5 3,2 3,4 3,9 4,1
tiefe ti kurz - - - - 2,2 2,9 3,1 3,6 3,6
Durchmesser d i 30 1 32 1 35 1 38 40 1 42 45 48 50 55 60 1 65 70 75 80
Kegel· Jang 58 82 105 130
lănge li kurz 36 54 70 90
Gewindelănge l2 22 28 35 40
Gewinde M20X 1,51 M24X 2 1 M30 X 2 1 M36X 3 M42X 3 M48X 3 M56X 4
PaJl.feder bXh 5X5 6X6 10 X 8 1 12 X 8 14 X 9 16 X 10 18X 11 20 X 12
Nut· lang 4,5 5 7,1 7,6 8,6 9,6 10,8
tiefe ti kurz 3,9 4,4 6,4 6,9 7,8 8,8 9,8

i) PaJl.feder nach Tafel XI.6.

Tafel XI.4. Richtwerte ftir Nabenabmessungen

Nabendurchmesser d Aa
Nabenlănge 1
Verbindungsart Naben aus
GG St oder GS GG St oder GS
zylindrische und keglige PreJl.verbănde und Spannverbindungen 2,2 ... 2,6 d 2 ... 2,5 d 1,2 ... 1,5d 0,8 ... 1 d
Klemmsitz- und Keilsitzverbindungen 2 ... 2,2d 1,8 ... 2d 1,6 ... 2 d 1,2 ... 1,5d
Keilwelle, Kerbverzahnung 1,8 ... 2di 1,6 ... 1,8 di 0,8 ... 1 di 0,6 ... 0,8 di
Mfederverbindungen 1,8 ... 2d 1,6 ... 1,8 d 1,8 ... 2 d 1,6 ... 1,8 d
lăngsbewegliche Naben 1,8 ... 2d 1,6 ... 1,8 d 2 ... 2,2d 1,8 ... 2 d
Iose sitzende (sich drehende) Naben 1,8 ... 2d 1,6 ... 1,8 d 2 ... 2,2d
d Wellendurchmesser

Die Werte flir Keilwelle und Kerbverzahnung sind Mindestwerte (d i "Kerndurchmesser"). Bei grof.\eren Scheiben oder
Rădern mit seitlichen Kippkrăften ist die Nabenlănge noch zu vergroJl.ern.

Allgemein gelten die grof.\eren Werte bei Werkstoffen geringerer Festigkeit, die kleineren Werte bei Werkstoffen hOherer
Festigkeit.

1368
XI. Nabenverbindungen
4. Klemmsitzverbindungen

-r-~-

Klemmsitzverbindungen werden mit geteilter oder mit geschlitzter Nabe hergestellt.


Mit Schrauben, Schrumpfringen oder Kegelringen werden die beiden Nabenhălften so auf die Welle
gepref.l.t, daf.l. ohne Rutschen ein gegebenes Drehmoment M iibertragen werden kann. Die dazu er-
forderliche Verspannkraft wird hier Sprengkraft Fs genannt. Die in der Fugenflăche entstehende
Flăchenpressung he~t Fugenpressung PF· Der errechnete Betrag ist mit der zulăssigen Flăchen­
pressung flir den Werkstoff mit der geringeren Festigkeit zu vergleichen.
Die beiden folgenden Gleichungen gel ten unter der Annahme, daf.l. die Spannungsverteilung bei der
Klemmsitzverbindung die gleiche ist wie beim zylindrischen Prell.verband. Insbesondere wird von
einer gleichmăll.igen Verteilung der Fugenpressung in der Fugenflăche ausgegangen. Die Berech-
nungsgleichungen ergeben sich dann aus der Herleitung in 2.2.1 in Verbindung mit der Gleichung
fiir die Nabensprengkraft in 2.2.7.
Vor allem bei der geschlitzten Nabe ist eine gleichmăll.ige Verteilung der Fugenpressung kaum zu
erzielen. Die zulăssige Flăchenpressung Pzul sollte daher kleiner angesetzt werden a1s beim zylin-
drischen Prell.verband.
Sicherheitshalber ist in der G1eichung flir die Sprengkraft Fs der Rutschbeiwert IJ.e (siehe 2.2.1)
zu verwenden, der kleiner ist als der Haftbeiwert /J., der in den Gleichungen ftir den zylindrischen
Prell.verband verwendet wird.
Sprengkraft Fs (gesamte Verspannkraft):

F -~ Fs M dF, [F p n (XI.18)
S - 1T /J.e dF PF,Pzul /J.e
p N min- 1
M = 9 55 ·106 - N Nmm mm kW (X1.19)
' n mm 2
Vorhandene Fugenpressung PF:
Fs
PF = dF lF ,;;;; Pzul (XI.20)

2M ~
PF d2 l ""' Pzul (XI.21)
1T /J.e F F
Zulăssige Flăchenpressung Pzul:

Rp,o,z
flir St-Nabe: oder (Xl.22)
3

flir GG-Nabe: (Xl.23)


1369
Maschinenelemente

S. Keilsitzverbindungen
Keilsitzverbindungen werden in der Praxis nicht berechnet, weil die Eintreibkraft, von der die
Zuverlăssigkeitdes Reibschlusses abhăngt, rechnerisch kaum erfaEt werden kann.
Fiir bestimmte Wellen· und Nabenabmessungen sind die Abmessungen der Keile den Normen zu
entnehmen, die in der folgenden Darstellung angegeben sind. Die PaEfeder ist hier zur Vervoll-
stăndigung noch einmal aufgenommen worden:

PafJfeder DIN 6885 Kei/ DIN 6886 Nasenkeil DIN 6887

Flachkeil DIN 6883 Nasenflachkeil DIN 6884 Hohlkeil DIN 6881 Nasenhohlkei/ DIN 6889

J~~~
b

6. Ringfederspannverbindungen
Ringfederspannverbindungen werden in der Praxis nicht berechnet. Die Hersteller liefern Tabellen
fiir die Abmessungen und die iibertragbaren Drehmomente, die aus Versuchsergebnissen zusammen-
gestell t worden sind.
Man verwendet Ringfeder-Spannelemente und -Spannsătze. Die Kraftumsetzung von Axial- in
Radialspannkrăfte an den keglig aufeinandergeschobenen Ringen erfolgt wie bei Keilen. Die Nei-
gungswinkel der kegligen Flăchen sind so groB, daE keine Selbsthemmung auftritt. Wird die Ver-
bindung geli:ist, lăBt sich die Spannverbindung leicht ausbauen.

6.1. Einhau und Einbaubeispiel flir Ringfederspannverbindungen


Ringfeder-Spannelemente bestehen aus den Spannelemen-
ten 1, das sind keglige Stahlringe, dem Druckring 2, den
Spannschrauben 3 und den Distanzhiilsen 4. Welle und
Nabe brauchen eine zusătzliche Zentrierung Z. Zum Aufein-
anderschieben der kegligen Spannelemente (Ringpaare) ist
ein ausreichender Spannweg s vorzusehen. Er wird in den
Tabellen der Herstellerfirmen angegeben.
Wegen der exponential abfallenden Wirkung ki:innen nur bis
zu n =4 Spannelemente hintereinandergeschaltet werden.
Spannsătze bestehen aus dem AuBenring 1, dem Innenring 2,
den beiden Druckringen 3 und den gleichmăBig am Umfang
verteilten Spannschrauben 4, mit denen die Druckringe 3
axial verspannt werden. Dadurch wird der Innenring ela-
stisch zusammengepreBt (Wellensitz), der AuBenring ge-
dehnt (Nabensitz). Auch ftir Spannsătze ist eine zusătzliche
Zentrierung von Welle und Nabe erforderlich.

1370
XI. Nabenverbindungen
Tafel XI.S. Ringfederspannverbindungen, MaBe, Krăfte und Drehmomente
(nach Ringfeder GmbH, Krefeld-Uerdingen)

Spannelement Mat>e Krăfte Drehmoment Spannweg s


dX D It 12 Fo Fooo) Fax(IOO) Mooo) in mm bei n
mm mm mm kN kN kN Nm 1 2 3 4
10 X 13 4,5 3,7 6,95 6,30 1,40 7,0 2 2 3 3
12 X 15 4,5 3,7 6,95 7,50 1,67 10,0 2 2 3 3
14 X 18 6,3 5,3 11,20 12,60 2,80 19,6 3 3 4 5
16 X 20 6,3 5,3 10,10 14,40 3,19 25,5 3 3 4 5
18 X 22 6,3 5,3 9,10 16,20 3,60 32,4 3 3 4 5
20 X 25 6,3 5,3 12,05 18,00 4,00 40 3 3 4 5
22 X 26 6,3 5,3 9,05 19,80 4,40 48 3 3 4 5
25 X 30 6,3 5,3 9,90 22,50 5,00 62 3 3 4 5
28 X 32 6,3 5,3 7,40 25,20 5,60 78 3 3 4 5
30 X 35 6,3 5,3 8,50 27,00 6,00 90 3 3 4 5
35 X 40 7 6 10,10 35,60 7,90 138 3 3 4 5
40 X 45 8 6,6 13,80 45,00 9,95 199 3 4 5 6
45 X 52 10 8,6 28,20 66,00 14,60 328 3 4 5 6
M(loo)ist das von einem 50 X 57 10 8,6 23,50 73,00 16,20 405 3 4 5 6
Spannelement iibertragbare 55 X 62 10 8,6 21,80 80,00 17,80 490 3 4 5 6

~
Drehmoment bei p = l 00 mm 60 X 68 12 10,4 27,40 106,00 23,50 705 3 4 5 7
63 X 71 12 10,4 26,30 111,00 24,80 780 3 4 5 7
Flăchenpressung. Entsprechendes 65 X 73 12 10,4 25,40 115,00 25,60 830 3 4 5 7

gilt fiir F(loo) und Fax(IOO)· 70 X 79 14 12,2 31,00 145,00 32,00 1120 3 5 6 7
75 X 84 14 12,2 34,60 155,0() 34,40 1290 3 5 6 7
Ermittlung der Anzahl hinter- 80 X 91 17 15 48,00 403,00 45,00 1810 4 5 6 8
einandergeschalteter Elemente 85 X 96 17 15 45,60 216,00 48,00 2040 4 5 6 8
in 6.2. 90 X 101 17 15 43,40 229,00 51,00 2290 4 5 6 8
95 X 106 17 15 41,20 242,00 54,00 2550 4 5 6 8
100Xll4 21 18,7 60,70 317,00 70,00 3520 4 6 7 9

Dreh·
Mat>e Kraft moment Fliichenpressung Schrauben DIN 912
Spannsătze dXD It 12 1 Fax M Pwelle PNabe An- Gewinde MA
mm mm mm mm kN Nm N/mm2 N/mm2 zahl dt Nm
30 X 55 20 17 27,5 33,4 500 175 95 10 M 6 X 18 14

t-~f+-+-·
h-J
..;-1
~
35 X 60
40 X 65
20
20
17
17
27,5
27,5
40
46
700
920
180
180
105
110
12
14
M 6 X 18
M 6 X 18
14
14
45 X 75 24 20 33,5 72 1610 210 125 12 M 8 X 22 35
~ 50 X 80 24 20 33,5 71 1770 190 115 12 M 8 X 22 35
55 X 85 24 20 33,5 83 2270 200 130 14 M 8 X 22 35
12 60 X 90 24 20 33,5 83 2470 180 120 14 M 8 X 22 35
l::J 24 20 93 3040 190 130 16 M 8 X 22 35
Q 65 X 95 33,5
70 X 110 28 24 39,5 132 4600 210 130 14 MlO X 25 70
L_ _ _ _ _

75 X 115 28 24 39,5 131 4900 195 125 14 M10 X 25 70


It 80 X 120 28 24 39,5 131 5200 180 120 14 MlO X 25 70
85 X 125 28 24 39,5 148 6300 195 130 16 MlO X 25 70
90 X 130 28 24 39,5 147 6600 180 125 16 MlO X 25 70
Bei zwei Spannsătzen ver· 95 X 135 28 24 39,5 167 7900 195 135 18 MlO X 25 70
doppeln sich die Betrăge 100 X 145 30 26 44 192 9600 195 135 14 M 12 X 30 125
des iibertragbaren Dreh- 110 X 155 30 26 44 191 10500 180 125 14 Ml2 X 30 125
momentes M und der liber· 120 X 165 30 26 44 218 13100 185 135 16 Ml2 X 30 125
130 X 180 38 34 52 272 17600 165 115 20 M 12 X 35 125
tragbaren Axialkraft Fax

1371
Maschinenelemente

6.2 Ennittlung der Anzahl n der Spannelemente und der axialen Spannkraft Fa
Anzahl n fiir gegebenes Drehmoment M in Nm:
M M( 100) iibertragbares Drehoment M in Nm nach
n = fpfn M.(lOO) Tafe1 XI.5 flir ein Spanne1ement und eine (X1.24)
F1iichenpressung von p = 100 N/mm 2
fp Pressungsfaktor nach G1eichung (Xl.25)
fn Anzah1faktor, abhiingig von der Anzahl der
hintereinandergeschalteten Elemente:
ftirn=2 ist fn=1,55,
fiir n = 3 ist f n = 1,85 und
fiir n = 4 ist fn = 2,02.
Pressungsfaktor [p:
Pw Grenzwert der F1iichenpressung flir den
Pw N
P(lOO) = 100 --2 Wellen- oder Nabenwerkstoff (XI.25)
P(lOO) mm Pw = 0,9 Re (oder Rp 0,2) flir St und GS
Pw = 0,6 Rm flir GG
Re Streckgrenze, Rpo,2 0,2-Dehngrenze
Rm Zugfestigkeit
alle Werte aus den Dauerfestigkeitsschaubildern
Anzahl n ftir gegebene Axialkraft Fax in kN:
F Fax(lOO) Axialkraft in kN nach Tafel XI.5
n=fpfn - - fiir ein Spannelement und eine (XI.26)
Fax(lOO) Flăchenpressung von p = 100 N/mm2
fp Pressungsfaktor nach G1eichung (Xl.25)
fn Anzahlfaktor, abhăngig von der Anzahl der
hintereinandergeschalteten Elemente:
fiir n = 2 ist fn = 1,55.
ftir n = 3 ist fn = 1 ,85 und
fiir n = 4 ist In = 2,02.
Erforderliche axiale Gesamtspannkraft Fa in kN:
F o axia1e Spannkraft in kN nach Tafe1 XI.5 zur
tiberbriickung des Passungsspiels bei h6/H7 (XI.27)
und einer gemittelten Rauhtiefe R, "'6 jlffi
F(lOO) axiale Spannkraft in kN nach Tafe1 XI.5 bei
einer F1iichenpressung p = 100 N/mm 2
fp Pressungsfaktor nach G1eichung (XI.25)
7. Lăngsstiftverbindung
B~.uverhăl tnisse (Anhaltswerte):
ds
d = 0,13 ... 0,16

1
d = 1,0 ... 1,5 l Naben1iinge

Nabendicke s' in mm (M in Nm einsetzen):


s' = (3,2 .. .3,9) W fiirGG-Nabe
s' = (2,4 ... 3,2) W flir St- und GS-Nabe
p
M = 9550 ;z
Obertragbares Drehmoment M:
ds d ls M d 8 ,d, ls Pzul
M ".:;, -4--Pzul(Nabe) (XI.28)
N
Nmm mm
Pzul nach 8., ls Stift1iinge mm 2

1372
XI. Nabenverbindungen
8. Querstiftverbindung

Bauverhăl tnisse ( Anhal tswerte):


ds
d = 0,2 ... 0,3

da
d = 2,5 ftir GG-Nabe

= 2,0 ftir St- und GS-Nabe

Obertragbares Drehmoment M:
d d~ 1T M d, ds, S Tazulo Pzul P n
M ~ - 4-razul (XI.29)
N
Nmm mm kW min- 1
M ~ dss(d+s)Pzui(Nabe) mm 2 (XI.30)
M = 9 55 · 106 ţ__
' n

Obertragbare Lăngskraft F 1:
1T d~
F1 ~ - 2- Tazul (XI.31)

Zulăssige Beanspruchungen:
N
Pzut(Nabe) = (120 ... 180) - -2 fiir St und GG
mm
N
= (90 ... 120) -2 fiirGG
mm
N ftir St 37 ... StSO, 9S 20K der Kegel- und
7azul = (90 ... 130) - -2 Zylinderstifte
mm
N
= (140 ... 170) -2 Îlir St60 und St70 der Kerbstifte
mm
bei Schwellbelastung 70 %, bei Wechselbelastung 50% der zulăssigen Beanspruchung ansetzen.

1373
Maschinenelemente

Tafel XI.6. M~e flir zylindrische Wellenenden mit P~federn und iibertragbare Drehmomente

lp Bezeichnung der Paf.\feder Form A


flir d = 40 mm, Breite b = 12 mm
Hohe h =8 mm, Paf.\federlănge /p = 70 mm:
1 1

~ _, __ --------
Pa~feder A 12 X 8 X 70 DIN 6885

FormA
Bezeichnung eines zylindrischen Wellenendes
von d = 40 mm und 1 = 110 mm:
Forma Wellenende 40 X 110 DIN 748

Ma~e in mm

Richtwerte flir das


Wellen- Tale- Pall.federmall.e 1)
1 iibertragbare Drehmoment M
durchmesser ranz- Breite mal
Wellennut- Nabennut- inNm
d kurz lang feld Hohe
tiefe ft tiefe t 2 reine Torsion und
bXh
Torsion 2) Biegung3)
6 - 16 - - - 1,7 0,7
10 15 23 4X4 2,5 1,8 7,9 3,3
16 28 40 5 X5 3 2,3 32 14
20 36 50 6 X6 3,5 2,8 63 26
25 42 60 k6 120 52
- 8 X7 4 3,3
30 58 80 H7 210 89
35 58 80 10 X 8 5 3,3 340 140
40 82 110 12 X 8 5 3,8 500 210
45 82 110 720 300
14 X 9 5,5 3,8
50 82 110 980 410
55 82 110 16 X 10 6 4,3 1,3. 10 3 550
60 105 140 18 X 11 7 4,4 1,7-10 3 710
70 105 140 20 X 12 7,5 4,9 2,7. 10 3 1,1 . 10 3
80 130 170 22 X 14 9 5,4 4. 10 3 1,7. 10 3
90 130 170 25 X 14 9 5,4 5,7. 10 3 2,4. 10 3
100 165 210 28 X 16 10 6,4 7,85. 10 3 3,3. 10 3
m6
120 165 210 H7 32 X 18 11 7,4 13,6. 10 3 5,7. 10 3
140 200 250 36 X 20 12 8,4 21,5. 10 3 9,1 . 10 3
160 240 300 40 X 22 13 9,4 32,2. 10 3 13,5. 10 3
180 240 300 45 X 25 15 10,4 45,8. 103 19,2. 10 3
200 280 350 50 X 28 17 11,4 62,8. 10 3 26,4. 10 3
220 280 350 83,6. 10 3 35,1 . 103
56 X 32 20 12,4
250 330 410 123. 103 51,6. 10 3

1) Pafl>federHinge /pin mm: 8/10/12/14/16/18/20/22/25/28/32/36/40/45/50/56/63/70/80/90/100/110/125/140/


160/180/200/220/250/280/315/355/400
T T
2) berechnet mit M= 7,85 · 10- 3 · d 3 aus =- = l = Tt zul = 40 N/mm 2
(.,.. 16)d 3
Tt
Wp
M M
3) berechnet mit M = 3,3 · 10- 3 · d 3 aus Ub = W= (11"/ ) d 3 = ab zul = 70 N/mm 2 sowie mit
32
M = Mv = JM~ + O, 75 · (O< o T) 2 fUr O<o = O, 7 und Mb = 2 T (Biegemoment = 2 X Torsionsmoment)

1374
XI. Nabenverbindungen
9. PafUederverbindungen (Nachrechnung)
Die beiden letzten Spalten der Tafel XI.6 enthalten Richtwerte flir das iibertragbare Drehmoment.
Im Normalfall ist das zu iibertragende Drehmoment M bekannt oder kann liber die gegebene
Leistung P und die Wellendrehzahl n errechnet werden. Mit dem Drehmoment M werden der
Wellendurchmesser d und die zugehorige Pa1l.feder (b X h) festgelegt.
Abgesehen von der Gleitfeder mulll die Palllfederlănge lp etwas kleiner sein als die Nabenlănge 1.
Werden flir die Nabenlănge 1 die in Tafel XI.4 angegebenen Richtwerte verwendet, dann eriibrigt
es sich, die Flăchenpressung p zu iiberpriifen (p ~Pzu1 ). Nur bei kiirzeren Naben ist die folgende
Nachrechnung erforderlich.
Vorhandene Flăchenpressung Pw an der Welle:
_ 2M ~ p M p n
Pw - d It ti"" Pzul (X1.32)
J::L_ Nmm mm kW
p mm 2
M = 9 ,55 ·10 6 -n
Vorhandene Flăchenpressung PN an der Nabe:
Wellendurchmesser
d
t1Wellennuttiefe
It
tragende Liinge an der P!ilifeder
It = lpbei den P!ilifederformen A und B flir die
Wellennut
It = lp- b bei P!ilifederform A flir die Nabennut

Zulăssige Flăchenpressung Pzul


Mit Sicherheit v8 gegeniiber der Streckgrenze Re oder RP 0 ,2 (0,2-Dehngrenze) und vB gegeniiber
der Bruchfestigkeit Rm des Wellen- oder Nabenwerkstoffes setzt man je nach Betriebsweise (StoB-
anfall):
Pzul vs flir St und GS mit "S = 1,3 ... 2,5

Pzul flir GG mit "B = 3 .. .4

Herleitung der Gleichungen flir die Flăchenpressung Pw, PN:

Nabe

- M + Fuw ( ~- i) =O
d
M-FuN ( 2+-
2-
h-tl) =O
M M
Fuw = --;;--t; d h- ti
2-2 -+--
2 2

Fuw Fuw = FuN = FuN


Pw =Aw
-=--
It t 1 PN AN lt(h-tt)

Pw
2M "", __
2M
PN -:-:-----:----:--'72:...:M':-----:- "" -:-:-.:::.,27
M:.__....,
(d- tt) It t1 d It t 1 (d+h-tt)lt(h-tt) dlt(h-tt)

1375
Masch inenelemente

10. Keilwellenverbindung
NennmaEe flir Welle und Nabe
(Auswahl aus DIN 5461: Keilwellenverbindung mit geraden Flanken, Obersicht)

Innend urchmesser Aufl>endurchmesser Anzahl der Keile Keilbreite


d! d2 z b
mm mm mm
18 22 6 5
21 25 6 5
23 28 6 6
26 32 6 6
28 34 6 7
32 38 8 6
36 42 8 7
42 48 8 8
46 54 8 9
52 - - -
62 72 8 12
82 - - -
92 102 10 14
102 112 10 16
112 125 10 18

Nabendicke s in mm (M in Nm einsetzen):
s = (2,6 ... 3,2){;M flirGG-Nabe
s = (2,2 ... 3) w fUr St- und GS-Nabe
p
M = 955on

Nabenliinge 1 in mm (M in Nm einsetzen):
l = (4,5 ... 6,5) w flirGG-Nabe
l = (2,8 .. .4,5) w ftir St- und GS-Nabe
Flăchenpressung p:
p M z
2M
p --------o--,-- ~ Pzul N (XI.34)
0,75 z h1 ldm Nmm mm
mm 2
dz -d 1
h! = 0,8 - 2 - Faktor 0,75 (nach Versuchen tragen nur
etwa 75 % der Mitnehmerflachen)
d! +d 2
2
Zulăssige Flăchenpressung Pzul:

Re(Nabe) _ Rm(Nabe) Re (Rpo,2) und Rm aus den


Pzul = S Pzul S Dauerfestigkeitsschau bildern
fiir St-Nabe fiir GG-Nabe
fiir stoBfrei wechselnde Betriebslast wird bei Befestigungsnaben: S = 2,5 (1 ,7)
ftir unbelastet verschobene Verschiebenaben: S = 8 (5)
ftir unbelastet verschobene Verschiebenaben S = (15) flir St-Nabe und (3) ftir GG-Nabe
Klammerwerte bei gehărteten oder vergtiteten Sitzflăchen der Welle
1376
XII. Kupplungen

XII. Kupplungen

Normen und Richtlinien


DIN 115 Schalenkupplungen
DIN 116 Scheibenkupplungen
DIN 740 Nachgiebige Wellenkupplungen
DIN 43 648 Elektromagnetkupplungen und Elektromagnetbremsen (Kenngri:iJ!,en)
VDI-Richtlinie 2240: Wellenkupplungen, systematische Einteilung nach ihren Eigenschaften,
VDI-Verlag, Diisseldorf

1 . Allgemeines
Hauptaufgabe der Kupplungen ist das Weiterleiten von Rotationsleistung P = M w. Als Zusatz-
aufgabe kann das Schalten des Drehmoments M hinzukommen oder es sollen bestimmte dynami-
sche Eigenschaften verbessert werden. Diesen Aufgaben entsprechend unterteilt man die Kupplungen:
Feste Kupplungen (drehstarrke K.) dienen der starren, fluchtenden Verbindung von Wellen und
anderen Getriebeelementen.
Bewegliche Kupplungen (drehelastische K.) verbinden die Elemente elastisch oder unelastisch,
ki:innen Fluchtfehler ausgleichen und stol!,- und schwingungsdămpfend wirken.
Schaltkupplungen ermi:iglichen durch Unterbrechung und Wiederherstellung der Verbindung das
Schalten des Drehoments.
Sicherheitskupplungen unterbrechen die Verbindung bei Uberlastung.
Anlaujkupplungen werden an schwer anlaufende Maschinen eingesetzt.
Freilauf- und Uberholkupplungen verbinden die Elemente nur bei Gleichlauf und lbsen die Verbin·
dung, wenn das antreibende Element langsamer als das getriebene urnlăuft.
Steuerbare Kupplungen ermi:iglichen Drehmoment- und Drehzahlănderungen wăhrend des Betriebs.

2. Feste Kupplungen
2.1. Scheibenkupplung
Anwendung und Ausfilhrung: Zur starren Verbindung von Wellen zu langen, durchgehenden
Wellenstrăngen, zum Beispiel Transmissionswellen, Fahrwerkwellen von Kranen. Geeignet fUr ein-
seitige und wechselseitige Drehomente.
Beide Scheiben werden mi:iglichst durch Pal!,schrauben reibschli.issig verschraubt. Nach DIN 116
sind Bohrungsdurchmesser, Lănge und Ausftihrungsform genormt: FormA mit Zentrieransatz (1),
bei der zum Li:isen der Verbindung die Wellen axial verschoben werden mi.issen (Bild XII.1a).

1377
Maschinenelemente

Form B ermi:iglicht nach Herausnehmen der zweiteiligen Zwischenscheibe (2) ein Li:isen ohne
Axialverschiebung der Welle (Bild XII.lb). Befestigung auf Welle bei einseitigen Drehmomenten
durch Pal.)feder, bei wechselseitigen durch Keil.

L
a) b)

Bild XII.l. Scheibenkupplungen nach DIN 116


a) FormA mit Zentrieransatz, b) Form B mit zweiteiliger Zwischenscheibe. Abmessungen siehe Tafel XII.l

Vorteile gegeniiber Schalenkupplungen: Bei gleicher Nenngri:ifl>e (Bohrungsdurchmesser) gri:ifl>ere


und auch wechselhafte Drehmomente iibertragbar;Nachteile: Ein- und Ausbau schwieriger, geteilte
Lager, Riemenscheiben u. dgl. erforderlich.
Werkstoffe: Im allgemeinen GG, in Sonderfallen auch GS.
Berechnung: Drehmoment soli durch ReibungsschluB der Scheibenflăchen iibertragen werden.
Reibungsmoment MR ~ Drehmoment M. Mit Reibungskraft FR, angreifend am Lochkreis Ds
(gleich mittlerer Reibungsflăchendurchmesser), wird nach Bild Xll.2:

Anprefl>kraft FN =Fsn gesetzt, ergibt das


iibertragbare Drehmoment

FsnfJDs
M=-----'- (XII.l)
2
M Fs n, fJ Ds
Bild XII 2. Berechnung der Scheibenkupplungen
Nmm N mm

Fs = Anprefl>kraft gleich Zugkraft einer Schraube, n Schraubenzahl; fJ Reibungszahl, sicherheits-


halber Gleitreibungszahl einsetzen (siehe Abschnitt Mechanik).

2.2. Schalenkupplung
Anwendung und Ausfiihrung: Verwendung wie Scheibenkupplungen, jedoch vorwiegend bei ein-
seitigen Drehmomenten.

1378
XII. Kupplungen
Schalen werden auf Wellenenden geklemmt, so d~ Drehrnoment durch Reibungsschlu~ iibertragen
wird. Meist zusiitzliche Sicherung durch P~feder, nicht durch Keil, da Keilkrăfte der Klemmkraft
entgegenwirken.
Einfacher Ein- und Ausbau ohne gleichzeitigen Ausbau von Wellenteilen. Genormt sind nach DIN
115 Bohrungsdurchrnesser, Lănge und Form. Gegen Unfalle Ausflihrung hăufig mit Schutzmantel
(Bild XII.3).

Schufzmanfel

Bild XI1.3
Schalenkupp1ung nach DIN 115
Abmessungen siehe Tafe1 XII.1

Berechnung: Die Verbindung entspricht der Klemmverbindung einer geteilten Scheibennabe. In


Abwandlung der Gleichung (XI.l) ergibt sich das ilbertragbare Drehmoment

M Fs n, p. D
M=Fsnp.D (XII.2)
Nmm N mm

Fs, n, p. wie zu (XII.1), D Bohrungsdurchrnesser. Ubertragbare Drehrnomente meist nach Angabe


der Hersteller, siehe Tafel XII.l.

Tafel XII.l. Hauptabmessungen und iibertragbare Drehrnomente von festen Kupplungen


(nach Flender, Bocholt)

a) Scheibenkupplungen nach Bild XII.l b) Schalenkupplungen, Bild XII.3

M Gewichtskraft M Gewichts-
D in Da D1 a b L LI 1 FormA FormB D in Da L kraft
mm 104 Nmm mm mm mm mm mm mm mm N N mm 104 Nnur mm mm N
25 4,75 125 58 101 110 50 43 55 20 2,5 85 110 19
30 9 125 58 31 16 101 110 50 42 53 25 4 100 130 45
35 15 140 72 121 130 60 59 73 30 5,8 100 130 42
40 24,3 140 72 121 130 60 56 70 35 8 110 160 65
45 36,5 160 95 141 150 70 97 115 40 10,2 110 160 62
50 53 160 95 34 141 150 70 93 110 45 12,5 120 190 85
55 15 180 110 16 171 180 85 140 160 50 15 130 190 90
60 100 180 110 37 171 180 85 135 155 55 50 150 220 130
60 85 150 220 125
70 175 200 130 41 201 210 100 210 240 65 125 170 250 185
80 272 224 145 18 221 230 110 280 320 70 170 170 250 170
90 412 250 164 54 241 250 120 410 450 80 250 190 280 270
100 600 280 180 261 270 130 530 580 90 380 215 310 410
110 850 300 200 281 290 140 680 730 100 540 250 350 630
125 1280 335 225 60 311 320 155 910 980 110 750 250 390 700
140 1950 375 250 70 18 341 350 170 1300 1350 125 1100 275 430 960
160 3070 425 290 15 401 410 200 1900 2000 140 1500 325 490 1600
160 2300 365 560 2550
180 4620 450 325 451
80 20 501 460 225 2500 2650 180 3200 420 630 3200
200 6300 500 360 510 250 3350 3500 200 4000 500 700 5500

1379
Maschinenelemente
3. Bewegliche, unelastische Kupplungen 2 2
Verwendung dort, wo mit axialen, radialen oder wink-
ligen Wellenverlagerungen gerechnet werden muilL Die
bekanntesten dieser drehstarren Kupplungen sind die
Bogenzahnkupplungen. Bild XII.4 zeigt die Bowex-
Kupplung (Hersteller: F. Tacke KG ., Rheine/Westf.).
Kupplungshtilse (1) hat zwei lnnenverzahnungen, in die
ballige Zăhne der Naben (2) eingreifen; dadurch al\seitige
Beweglichkeit. Htilse besteht aus Kunststoff (Polyamid),
Naben werden wahlweise aus Kunststoff oder Stahl aus-
geftihrt.

Bild XII.4 . Bo-Wex-Bogenzahnkupplung


4. Elastische Kupplungen
4.1. Anwendung
Elastische Kupplungen dienen zur stoil.- und schwingungsdămpfenden Verbindung bei Antrieben,
z. B. von Motor- und Getriebewelle, Getriebe- und Maschinenwelle oder auch direkt von Wel\e und
Riemenscheibe, Zahnrad o.dgl. Die meisten Bauarten konnen gleichzeitig k\einere radiale, axia\e
und winklige Wellenverlagerungen ausgleichen.

4.2. Elastische Stahlbandkupplung (Malmedie-Bibby-Kupplung)


Die Bibby-Kupplung ist eine nicht dămpfende Ganzmetal\kupplung (Bild XII.S). Kupp\ungsnaben
(1 und 2) sind durch schlangenformig gewundenes Stahlband (4) verbunden. Bei Normallast liegt
Band auil.en an den sich nach innen erweiterten Nuten an. Mit wachsendem Drehmoment ver-
drehen sich die Kupp\ungshălften gegeneinander, die Bandan\age verschiebt sich nach innen, wo-
durch Stiitzweite der Feder verringert und Federung hărter wird (Bild XII.Sb). Kupplung zeigt
damit eine progressive Federkennlinie (siehe IX.2). Anwendung fur Antriebe mit starken Dreh-
momentschwankungen, z. B. Walzwerkantriebe.

b}

Bild X11.5. Malmedie-Bibby-Kupplung (Werkbild Malmedie & Co.)

1380
XII. Kupplungen

4.3. Elastische Bolzen-


kupplung
Allgemein gebrăuchlichste
elastische Kupplung flir An-
triebe aller Art. Die RUPEX-
Kupplung hat als Dămp­
fungsglieder , auf Stahlbolzen
sitzende Kunststoffbuchsen
(Perbunan i:ilfest). Sie sind
zur Erhi:ihung der Elastizităt
und Winkelbeweglichkeit bal- Bild XII.6. RUPEX-Kupplung (Werkbild Flender, Bocholt)
lig ausgebildet (Bild XII.6).
Tafel XII.2. Hauptabmessungen und tibertragbare Drehmomente von e\astischen Kupplungen
(RUPEX-Kupplung nach Bild XII.6, Flender, Bocholt)
max. Nenn- Trăgheits- Ge-
Bauart Bohrungen Ma11e Dreh- Dreh- moment wichts-
REWN von bis zahl moment kraft
n, D2 Da D3 D4 L N N, p s n Mmax J G
Gr610e mm mm mm mm mm mm mm mm mm mm mm min- 1 ·10 3 Nmm kgm 2 N
0,6 14 25 30 96 44 50 35 24 18 25 2 ... 6 7200 43 0,0018 18,0
1 14 30 38 104 52 60 40 24 18 25 2 ... 6 6600 72 0,0028 23,0
1,6 20 35 42 112 62 68 45 24 18 25 2 ... 6 6100 115 0,004 30,0
2,5 20 40 48 125 65 75 50 28 20 30 2 ... 6 5500 180 0,0068 42,0
4 25 45 55 140 76 88 55 28 20 30 2 .. . 6 4900 290 0,0115 58,0
6,3 25 50 60 160 85 95 60 38 22 35 2 ... 6 4300 450 0,023 85,0
10 30 60 70 180 102 112 70 38 22 35 2 ... 6 3800 720 0,0405 125 ,0
14 35 70 80 200 120 128 80 38 22 40 2 ... 6 3400 1000 0,0728 170,0
20 40 80 90 225 134 144 90 42 28 40 4 ... 10 3000 1440 0,1235 240,0
28 45 90 100 250 154 164 100 42 28 40 4 ... 10 2700 2000 0,2025 330,0
40 50 100 110 285 166 176 110 54 35 50 4 ... 10 2400 2900 0,375 460,0
56 55 110 120 320 190 195 125 54 35 50 4 ... 10 2100 4000 0,65 650,0
80 65 120 130 360 205 210 140 68 44 60 6 ... 14 1900 5800 1,2 900,0
110 75 130 140 400 218 230 160 80 52 75 6 ... 14 1700 7900 2,025 1250,0
160 85 140 160 450 240 260 180 80 52 75 6 .. . 14 1500 11500 3,375 1700,0
220 95 160 180 500 270 290 200 102 62 90 6 ... 14 1350 15800 6,125 2450,0

3 2 4
4.4. Hochelastische Kupplungen
Bei diesen ist Gummi der vorherrschende Werkstoff
der Verbindungsglieder zwischen den Kupplungs-
hălften. Anwendung dort, wo starke stofl.artige Be-
\astungen gedămpft werden mtissen, z.B. bei Antrie-
ben von Hobel- und Stofl.maschinen, Kranhubwerken
u.dgl.
Bei der Radaflex-Kupplung Bild XII. 7 werden beide
Kupplungshălften (1) durch zweiteiligen Gummirei-
fen (2) mit den Metalltrăgern (4) mit Schrauben (3)
verbunden. Kupplung dadurch leicht einzubauen und
Verbindung der Wellen ohne Axialverschiebung durch
Abschrauben des Reifens leicht zu li:isen.
Diese Kupplung ist ftir Drehmomente von 1,6 · 104 ... Bild XII.7. Radaflex-Kupplung
100 ·104 Nmm ausgelegt. (Werkbild Bolenz & Schăfer)

1381
Maschinenelemente

5. Schaltkupplungen 2 5 3 4

5.1. Mechanisch betătigte Schaltkupplungen


Eine im Stillstand schaltbare Formschluj3kupplung
ist die Zahnkupplung (Bild XII.8). Beide Kupp·

+-E:::=:==::=::ttt-E:=:=:=:::=:=3
lungsnaben (I und 2) haben AuBenverzahnungen,
die liber eine Innenverzahnung der Htilse (3) ver-
bunden werden. Einkuppeln durch Verschieben
der Htilse (im Bild nach links) mittels Schaltring (4).
Zăhne werden durch Schmierkopf (5) mit Fett ge-
schmiert. Anwendung z. B. zum Kuppeln von
Zahnrădern in Werkzeugmaschinen und Kfz-Ge-
trieben.
Bild XII.8. Schaltbare Zahnkupplung

Wăhrend des Betriebes ein- und ausschaltbar sind die Reibungskupplungen. Bei der ALMAR-Kupp-
lung (Bild XII.9) wird Drehmoment liber mehrere im Mitnehmerring (3) sitzende Reibkl6tze (23)
libertragen, die zwischen zwei mit Kupplungsteil (I) durch Gleitfeder (19) verbundene Druckringe
(4 und 5) gepreBt werden. Auskuppeln durch Verschieben des Schaltringes ( 6) mit Schaltmuffe (7)
nach links. Dadurch wird Winkelhebel (10) frei, und beide Druckringe werden durch Druckfedern
(18) auseinandergedrtickt, so daf!, Reibungsschluf), und damit Verbindung der beiden Kupplungs-
naben (1 und 2) gelost sind. Verwendung flir hăufig ein- und ausschaltbare Antriebe, z.B. von
Forderelementen.

Kupplungsteil
2 Mitnehmerteil
3 Mitnehmerring
4 Zwischenring
5 Druckring
6 Schaltring
7 Schaltmuffe
8 Zentrierzapfen
9 Nachstellring
10 Winkelhebel
11 Gewindestift
12 Zentrierung a
13 Zentrierung b
14 Anschlag
15 Rolle mit Bolzen
16 Bolzen
17 Druckstiick
18 Druckfeder
19 Gleitfeder
20 Fcststellschraube
21 Innensechskantschraube
22 Kugellager (Zentrierung)
23 Reibklotz

Bild XII.9. ALMAR-Kupplung (Werkbild Flender, Bocholt)

1382
XII. Kupplungen

Eine hăufig verwendete Bauforrn scha\tbarer Reibungskupp\ungen ist die dem Prinzip der Schei-
benkupplung entsprechende Lamellenkupplung. Eine der bekanntesten dieser Art ist die Sinus-
Lamellenkupplung (Bild XII. !O). Die auf treibender Wel\e sitzende Nabe (1) trăgt Aufl.enverzah-
nung, in die die Zăhne der gewellten "Sinus"-lnnenlamel\en (3) eingreifen. Die p\angeschliffenen
Aufl.enlamel\en (4) greifen mit Aufl.enzăhnen in die lnnenverzahnung des Mantels der Nabe (2)
ein. Einkuppeln durch Verschieben der Schaltmuffe (5) nach links, wodurch Winke\hebe\ (6) die
ruda\ verschiebbaren Federstahl-Lamellen aufeinanderpressen. Weiches Anlaufen durch allmăhliche
Abflachung der Lamellen bis zur Plananlage. Beirn Ausschalten (Verschieben der Schaltmuffe nach
rechts) federn Lamellen durch ihre Wellenform von se\bst auseinander. Anprei!Jkraft und damit
tibertragbares Drehmoment durch Ringrnutter (7) einstel\bar, so dafl. Kupplung auch als Sicher-
heitskupp\ung verwendbar ist.

2 7 6 3 4

,.Sinus"- Lamel/en entkuppe/f

.. Sinus"- Lamel/en gekuppe/t

Bild XII.lO. Sinus-Lamellenkupplung (Werkbild Ortlinghaus-Werke GmbH)

Lamel\enkupplungen zeichnen sich durch kleinen Baudurchmesser aus und sind besonders zum
Einbau in Trommeln, Riemenscheiben u. dgl. geeignet.

5.2. Elektrisch betătigte Schaltkupplungen


Vorteile gegentiber mechanisch geschalteten: Kleinere Bauabmessungen bei gleichem Drehmoment;
Fernschaltung moglich, Schaltgestănge und Verschleilistellen entfallen; einfache Steuerung durch
Endschalter oder Schaltwalzen. Nachteile: Dauernder Stromverbrauch wăhrend des Betriebes;
Leistungsverlust durch Reibungs- und Stromwărrne.
Anwendung vorwiegend bei Werkzeugrnaschinen.

1383
Maschinenelemente

• Beispiel: Elektromagnetische Einscheiben- 5 9 2 3 70 7 8 6 7 4 71


kupplung (Bild XII.11 ). Dber Schleifringe (9)
wird der Spule (3) Gleichspannung zugeflihrt.
Durch magnetisches Kraftfeld wird die auf
abtriebsseitige Nabe (4) axial verschiebbare
Ankerscheibe (1) mit Reibbelag (6) ange-
zogen; wird Strom unterbrochen, dri.icken
Federn (11) die Ankerscheibe zuri.ick.

1 Ankerscheibe
2 Spulenkorper
3 Spule
4 abtriebsseitige Nabe
5 antriebsseitige Nabe
6 Reibbelag
7 Nutmutter
8 Reibring (verstellbar)
9 Schleifringkorper
1O Einstellkeil
11 Abdriickfeder

Bild XII.11. Elektromagnetische Einscheibenkupplung


(Werkbild Stromag)

5.3. Hydraulisch und pneumatisch betlitigte Schaltkupplungen


Vorteile gegentiber mechanisch oder elektrisch geschalteten: Dbertragbares Drehmoment durch
Ăndern des OI- ader Luftdruckes leicht zu variieren; Nachstellen bei Verschleili entf::illt, da Aus-
gleich durch grăBere Kalbenwege. Nachteile: Besondere Pumpen- und Steuerungsanlagen sind er-
forderlich; Gefahr van Druckverlusten durch Undichtigkeiten.
Anwendung hauptsăchlich bei Werkzeugmaschinen.

• Beispiel: Druckăl-(oder druckluft-) ge-


schaltete Lamellenkupplung (Bild
XII.12). Das durch Welle zugeflihrte
Treibmittel tritt durch Bohrung (3) in
Druckraum (4) und schiebt Kolben (5)
mit Bolzen (6) gegen Lamellen (7),
wadurch Kupplungsteile (1 und 2) reib-
schltissig verbunden werden. Hărt
Druckwirkung auf, so wird Kolben
durch Feder (8) wieder abgedri.ickt
und Verbindung gelăst.

2 3
Bild XII.12. Druckol-(oder druckluft) gesteuerte Lamellenkupplung
(Werkbild Stromag)

1384
XIII. Lager

XIII. Lager

Normen (Auswahl) und Richtlinien


DIN-Taschenbuch 24: Wălzlager-Normen, Beuth-Vertrieb GmbH, Berlin
DIN 622 Wălzlager, Tragfâhigkeit und Lebensdauer
DIN 1850 Buchsen fi.ir Gleitlager
DIN 31652(Entwurf) Hydrodynamische Radial-Gleitlager im stationăren Betrieb
DIN51519 ISO-Viskositătsklassifikation fi.ir fltissige lndustrieschmierstoffe
DIN 51563 Bestimmung des Viskosităt-Temperatur-Verhaltens
VDI-Richtlinie 2202: Schmierstoffe und Schmiereinrichtungen fi.ir Gleit- und Wălzlager,
VDI-Verlag, Dtisseldorf
VDI-Richtlinie 2203: Gestaltung von Lagerungen, Gleitwerkstoffe, VDI-Verlag, Dtisseldorf
VDI-Richtlinie 2204: Gleitlagerberechnung, VDI-Verlag, Dtisseldorf

1. Allgemeines
Man unterscheidet nach Art der Bewegungsverhăltnisse
Gleitlager, bei denen eine Gleitbewegung zwischen
Lager und gelagertem Teil stattfindet und Wiilzlager,
bei denen die Bewegung durch Wălzkorper tibertragen
wird. Nach der Richtung der Lagerkraft unterteilt
b)
man in Radiallager (Querlager) und Axiallager (Lăngs­
lager), Bild XIII.l. Bild XIII.l. Grundformen der Lager
a) Radiallager, b) Axiallager

2. Wălzlager

2.1. Eigenschaften, Verwendung


Wălzlager zeichnen sich durch kleines Anlauf-Reibungsmoment, geringen Schmierstoffverbrauch
und Anspruchslosigkeit in Pflege und Wartung aus. Nachteilig ist die Empfindlichkeit gegen St6Be
und Erschtitterungen sowie gegen Verschmutzung; die Hohe der Lebensdauer und der Drehzahl ist
begrenzt. Verwendung flir moglichst wartungsfreie und betriebssichere Lagerungen bei normalen
Anforderungen, z.B. bei Werkzeugmaschinen, Getrieben, Motoren, Fahrzeugen, Hebezeugen u.dgl.

2.2. Bauformen
Rillenkugellager, DIN 625 (Bild XIII.2a): Radial und axial in beiden Richtungen belastbar, bei
liegenden Wellen und hohen Drehzahlen flir Axialkrăfte sogar besser geeignet als Axialrillenkugel-
lager. Es erreicht von allen Lagern die hochsten Drehzahlen und ist von allen belastungsmăBig ver-
gleichbaren das billigste.
Einreihiges Schriigkugellager, DIN 628 (Bild XIII.2b ): Ftir groBere Axialkrăfte in einer Richtung
geeignet; Einbau nur paarweise und spiegelbildlich zueinander.
Zweireihiges Schriigkugellager, DIN 628 (Bild XIII.2c): Entspricht einem Paar spiegelbildlich zu-
sarnmengesetzter einreihiger Schrăgkugellager; radial und axial in beiden Richtungen hoch belast-
bar.
Schulterkugellager, DIN 615 (Bild XIII.2d): Zerlegbares Lager mit abnehmbarem AuBenring mit
ăhnlichen Eigenschaften wie das einreihige Schrăgkugellager.

1385
Maschinenelemente

ai b) el d) ei

Bild XIII.2. Kugellager. a) Rillenkugellager, b) einreihiges und c) zweireihiges Schrăgkugellager,


d) Schulterkugellager, e) Pendelkugellager

Pende/kugellager, DIN 630 (Bild XIII.2e) : Durch kugelige Au~enringlaufbahn unempfindlich gegen
winklige Wellenverlagerungen; radial und axial belastbar; dort verwendet, wo mit unvermeidlichen
Einbauungenauigkeiten gerechnet werden mu~.
Zylinde"ollenlager, DIN 5412 (Bild XIII.3): Wegen linienformiger Bertihrung zwischen Rollen
und Laufbahnen radial hoch, axial jedoch nicht oder nur sehr gering belastbar. Nach Anordnung
der Borde unterscheidet man Bauarten N und NU mit bordfreiem Au~en- bzw. Innenring und NJ
und NUP als Ftihrungslager zur axialen Wellenftihrung.
Nadellager, DIN 617 (Bild XIII.4): Zeichnet sich durch kleinen Baudurchmesser aus; nur radial
belastbar; unempfindlich gegen sto~artige Belastung. Verwendung vorwiegend bei kleineren Dreh-
zahlen und Pendelbewegungen (Pleuellager, Kipphebellager).

b) ci d) eJ

Bild XIII.3. Zylinderrollenlager Bild XIIL4


a) Bauart N (lnnenbordlager) Nadellager
b) Bauart NU (Au~enbordlager)
c) Bauart NJ (Stiitzlager)
d) Bauart NUP (Fiihrungslager)
a) e) Bauart NJ mit Stiitzring (Fiihrungslager)

Kegelrollenlager, DIN 720 (Bild XIII.5): Radial und axial hoch belastbar; Einbau nur paarweise
und spiegelbildlich zueinander; Lagerspiel kann ein- und nachgestellt werden. Verwendung ftir
Radlagerungen bei Fahrzeugen, Seilrollenlagerungen, Spindellagerungen.
Tonnen- und Pendelrollenlager, DIN 635 (Bild XIII.6): Ermoglichen durch kugelige Au~enring­
laufbahnen und tonnenformige Wălzkorper den Ausgleich von winkligen Wellenverlagerungen.
Anwendung wie Pendelkugellager bei hochsten Radialkrăften, Pendelrollenlager auch bei hohen
Axialkrăften.

1386
XIII. Lager

Bild XIII.5. Kegelrollenlager Bild XIII.6. Tonnenlager


a) Tonnenlager, b) Pendelrollenlager

aJ

Bild XIII.8. Axial-Pendelrollenlager

Bild XIII. 7. Axial-Rillenkugellager


a) einseitig wirkend
b) zweiseitig wirkend

b}

Axial-Rillenkugellager, DIN 711 (Bild XIII.?) nehmen nur Axialkrăfte bei mi:iglichst senkrechten
Wellen auf, zweiseitig wirkende iibertragen Krăfte in beiden Richtungen.
Axiai-Pendelrollenliiger, DIN 728 (Bild XIII.8) sind Fluchtfehler ausgleichende Axiallager; tonnen-
formige Wălzkorper iibertragen die Kraft unter ""'45° zur Lagerachse auf bei de Scheiben.

2.3. Bau~e, Kurzzeichen


Jeder Lagerbohrung sind mehrere Aull>endurchmesser (Durchmesserreihen O, 2, 3 und 4) und
Breiten (Breitenreihen O, 1, 2 und 3) zugeordnet, um moglichst groBen Belastbarkeitsbereich bei
Lagern gleicher Bohrung zu erreichen. Das Lagerkurzzeichen setzt sich aus Ziffern oder Buch-
staben und Ziffern zur Kennzeichnung der Bauform, Breitenreihe und Durchmesserreihe zusam-
men. Die letzte Zifferngruppe stel\t die Bohrungskennziffer dar. Bei Bohrungen ~ 20 mm ergibt
sich deren Gri:ill>e durch Multiplikation der Kennziffer mit 5.
Bezeichnungsbeispiel: 2 2 3 16 (!ies: zweihundertdreiundzwanzig- sechszehn)
111 LI6XS=80mmBohruns
Durchmesserreihe 3
Breitenreihe 2
Pendelrollenlager
Die wichtigsten Lagerabmessungen enthalten die Tafeln XIII.9 bis X.III.19 . 1)

1) Sămtliche Angaben in den Tafeln zur Wălzlagerbestirnrnung wurden mit Genehmigung der FAG Kugelfischer
Georg Schăfer & Co., 8720 Schweinfurt 2, dem Katalog FAG Standardprogramm Supplement 41 ST 500 D
entnommen.
1387
Maschinenelemente
2.4. Berechnung umlaufender Wălzlager
Die Berechnung ist genormt in DIN 622, Teil1: Tragfahigkeit von Wălzlagem; Begriffe, Tragzahlen,
Berechnung der ăquivalenten Belastung und Lebensdauer.

2.4.1. Dynamisch iiquivalente Lagerbelastung. Unter dynamisch ăquivalenter (gleichwertiger)


Lagerbelastung versteht man die rein radiale, bei Axiallagern axiale Belastung, die das Lager unter
den tatsăchlich vorliegenden Betriebsverhăltnissen auch erreicht.
Wird das Radiallager allein durch eine Radialkraft Fr belastet, wird die dynamisch iiquivalente
Lagerbela stung
p = Fr ~ (XIII.l)
NTN
Fiir radial mit einer Radialkraft Fr und axial mit einer Axialkraft Fa belastete Radiallager betrăgt
die dynamisch iiquivalente Lagerbelastung
P =X Fr + Y Fa P,Fr,Fa 1 X, Y (Xll1.2)
N 1
Fiir nur axial belastete Axial-Rillenkugellager und Axial-Pendelrollenlager wird P =Fa. Fiir radial
und axial belastete Axial-Pendelrollenlager ist
P = Fa+ 1,2 Fr ftir Fr ~ 0,55 Fa (Xlll.3)
Fr Radialkraft; Fa Axialkraft; X Radialfaktor, beriicksichtigt Verhăltnis Radial- zur Axialkraft;
Y Axialfaktor zum Umrechnen der Axialkraft in eine gleichwertige (ăquivalente) Radialkraft;
Werte ftir X und Y siehe Tafel XIII.2.

2.4.2. Lebensdauer, dynamische Tragzahl. Die Lebensdauer eines Lagers ist die Anzahl der
Umdrehungen oder Stunden, bevor sich erste Anzeichen einer Oberflăchenbeschădigung (Risse,
Poren) bei Wălzki:irpern und Rollbahnen zeigen. Da die Werte in weiten Grenzen schwanken, ist ftir
die Berechnung die nominelle Lebensdauer m~gebend, die mindestens 90% einer groBeren Zahl
gleicher Lager erreichen oder tiberschreiten.
Die dynamische Tragzahl C ist die Belastung, die eine nominelle Lebensdauer L =106 Umdrehungen
bzw. Lh = 500 h bei n =33 'i min- 1 erwarten lă~t.
Die Lebensdauer eines Lagers ergibt sich aus
c fL dynamische Kennzahl
fL = -pfnft (Lebensdauerfaktor) (XIII.4)
f n Drehzahlfaktor
(siehe Tafeln XIII. 7 und XIII.8)
ft Temperaturfaktor
(siehe Tafel XIII.1)
Tafel Xlll.2. Radial- und Axialfaktoren flir
Tafel XIII.l. Temperaturfaktor ft Rillenkugellager
Betriebs- Temperatur- Fa/Co e Fa!Fr.;; e FafFr > e
temperatur faktor
oc ft X y X y

< 150 1,0 0,025 0,22 1 o 0,56 2


200 0,73 0,04 0,24 1 o 0,56 1,8
250 0,42 O,Q7 0,27 1 o 0,56 1,6
300 0,22 0,13 0,31 1 o 0,56 1,4
0,25 0,37 1 o 0,56 1,2
0,5 0,44 1 o 0,56 1

Die statische Tragzahl C0 wird der Tafel XIII.9


flir Rillenkugellager entnommen.
1388
XIII. Lager
2.4.3. Hochstdrehzahlen. Vorstehende Berechnungsgleichungen gelten ftir "normal" ausgeftihrte
Lager, solange bestirnrnte Hăchstdrehzahlen nicht iiberschritten werden. Hăhere Drehzahlen ftih-
ren zu Schwingungen und gefahrden durch zu hohe Fliehkrăfte das einwandfreie Abwălzen der
Wălzkărper.

2.5. Berechnung stillstehender oder langsam umlaufender Lager


Die Berechnung gilt flir Wălzlager im Stillstand, bei Pendelbewegungen oder bei kleinen Drehzahlen
etwa n ..;;; 20 min- 1 •

2.5.1. Statisch ăquivalente Lagerbelastung. Die statisch ăquivalente Lagerbelastung ist die radiale,
bei Axiallagern axiale Belastung, die an Rollbahnen und Wălzkărpem die gleiche Verformung
hervorruft, wie sie bei den vorliegenden Verhăltnissen auch auftritt.
Fiir ein- und zweireihige Rillenkugellager gilt ftir die statisch ăquivalente Lagerbelastung P 0 :
Fa
r\Îr if ..;;; o,8 (XIII.5)
r

Fa
Po = 0.6 · Fr + 0,5 ·Fa ftir F > 0,8 (XII1.6)
r

Fiir die anderen Wălzlagerarten sind die Gleichungen in den Tafeln XIII.lO, XIII.l2, XIII.14,
XIII.16, X.III.18 und XIII.l9 zu verwenden.

2.5.2. Statische Tragzahl. Die statische Tragzahl ist die rein radiale, bei Axiallagern axiale Lager-
belastung, die bei stillstehenden Lagern eine bleibende Verformung von 0,01% des Wălzkărper­
durchmessers an der Beriihrungsstelle zwischen Wălzkărper und Rollbahn hervorruft.
Unter Beriicksichtigung der Betriebsverhăltnisse ergibt sich die statische Hăchstbelastung

Co
Po=- (XIII.7)
fs
N

Hieraus die erforderliche statische Tragzahl

Co = Pofs (X.III.8)
fs Betriebsfaktor; man setzt fs ;;;. 2 bei StoBen und Erschiitterungen, fs = 1 bei normalem
Betrieb, fs = 0,5 ... 1 bei erschiitterungsfreiem Betrieb. Werte ftir C0 siehe Wălz1agertafeln XIII.9
und folgende.

2.6. Gestaltung der Lagerstellen


2.6.1. Passungen. Fiir die Wahl der Passung zwischen Innenring und Welle bzw. AuBenring und
Gehăuse sind GroBe und Bauform der Lager, Belastung, axiale Verschiebemăglichkeit bei Los-
lagern (siehe 2.6.2) und besonders die Umlaufverhăltnisse entscheidend. Hierunter versteht man
die relative Bewegung eines Lagerringes zur Lastrichtung. Man unterscheidet
Umfangslast, bei der der Ring relativ zur Lastrichtung umlăuft, und Punktlast, bei der der Ring
relativ zur Lastrichtung stillsteht.
Einbauregel: Der Ring mit Umfangslast muB festsitzen, der Ring mit Punktlast kann lose (ader
auch fest) sitzen.
Geeignete Passungen ftir hăufig vorkommende Betriebsfalle siehe Tafe1n XIII.4 und XIII.5.

1389
Maschinenelemente

2.6.2. Ein- und Ausbau. Bei mehrfacher Wellenlagerung darf insbesondere wegen verspannungs-
freien Einbaues und Wărmedehnungen nur ein Lager, das Festlager (2), die Welle in Lăngsrich­
tung ftihren, die anderen Lager, die Loslager (1), miissen sich axial frei einstellen konnen (siehe
Bild XIII.l3).
Moglichkeiten des Einbaues von Innen- und Au1l,enring bei Festlagern zeigen die Bilder XIII.9
und XIII.1 O. EinbaumaEe flir Rillenkugellager nach Tafel XIII.3.

lb&&
.
- ""._,.
. . - - . .

b) el d) el

Bild XIII.9. Befestigung der Lager auf Wellen


a) durch Spannhiilse b) durch Abziehhiilse c) durch Spannscheibe d) durch Sicherungsring e) durch Pre~sitz

Bild XIII.10. Befestjgung von A~enringen


in Gehăusebohrungen
a) durch Zentrieransatz des Lagerdeckels
b) durch Ringnut und Sprengring
al b)

Tafel Xlll.3. EinbaumaEe in mm flir Kugellager


(Kantenabstănde nach DIN 620, Teil 6, Rundungen
und Schulterhohen nach DIN 5418)

Kantenabstand Hohlkehlenradius Schulterhohe


'smin 'gmax hmin
Lagerreihe
618 62
160 63
161 42
60 43

0,15 0,15 0,4 0,7


0,2 0,2 0,7 0,9
0,3 0,3 1 1,2
0,6 0,6 1,6 2,1
1 1 2,3 2,8
1,1 1 3 3,5
1,5 1,5 3,5 4,5
2 2 4,4 5,5
2,1 2,1 5,1 6
3 2,5 6,2 7
4 3 7,3 8,5
5 4 9 10

1390
XIII. Lager

FUr den Ausbau der Lager sind, besonders bei ungeteilten Lagerstellen, geeignete konstruktive
Mafl.nahmen zu treffen, z.B. Vorsehen von Gewindelăchern flir Abdriickschrauben. Bei schweren
Lagern mit Kegelsitz (Spannhiilse) hat sich der hydraulische Ausbau bewiihrt.

2. 7. Schmierung der Wălzlager


Allgemein wird Fettschmierung bevorzugt. Sie erfordert nur geringe Wartung und schiitzt gleich-
zeitig gegen Verschmutzung. Verwendet werden Wălzlagerfette (kein Staufferfett!). Die Lager selbst
werden eingestrichen und der Gehăuseraum etwa zur Hălfte gefUllt, um Walkarbeit und Erwărmung
zu vermeiden. Eigenschaften und Verwendung der Wălzlagerfette nach Empfehlung der Hersteller.
Olschmierung kommt nur bei sehr hohen Drehzahlen und dort in Frage, wo 61 zur Schmierung
anderer Elemente, z. B. der Zahnrăder in Getriebegehăusen ohnehin vorhanden ist. 6lgeschmierte
Lager erfordern einen hăheren Aufwand an Dichtungen als fettgeschmierte. Verwendet werden
Minerală le von ~ 6 ... 20 eSt Viskosităt.

2.8. Lagerdichtungen
Dichtungen sollen in erster Linie die Lager gegen Eindringen von Schmutz schiitzen, zum anderen
das Austreten des Schmiermittels verhindern.
2.8.1. Nicht schleifende Dichtungen. Bei diesen wird die Dichtwirkung enger Spalten ausgenutzt.
Sie arbeiten verschle~frei und haben dadurch eine fast unbegrenzte Lebensdauer.
Spaltdichtungen werden vorwiegend bei fettgeschmierten Lagern verwendet und vielfach bei star-
kem Schmutz- und Staubanfall den spaltlosen, schleifenden Dichtungen vorgeschaltet.
Bei geringer Verschmutzungsgefahr geniigen einfache Spalt- oder Rillendichtungen Bilder XIII.lla
und XIII.llb ). Am wirksamsten sind die Labyrinthdichtungen, deren Gănge meist noch mit Fett
gefUllt werden. Bei ungeteilten Gehăusen mu:B das Labyrinth axial (Bild XIII.llc) gestaltet werden,
bei geteilten wird die radiale Labyrinthdichtung (Bild XIII.lld) bevorzugt, die das Fett besser hălt.

a) b) cJ d)

Bild XIII.ll. Nichtschleifende Dichtungen (nach Kugelfischer)


a) einfache Spaltdichtung, b) Rillendichtung, c) axiale Labyrinthdichtung, d) radiale Labyrinthdichtung

2.8.2. Schleifende Dichtungen. Diese schlie~en das Lager spaltlos ab. Sie haben dadurch eine bes-
sere Dichtwirkung als Spaltdichtungen und sind bei Fett- und 6lschmierung gleich gut geeignet.
Schleifende Dichtungen erfordern sorgfâltig bearbeitete Gleitflăchen; sie haben wegen des Ver-
schle~es jedoch eine begrenzte Lebensdauer.

In vielen Făllen geniigt der Filzring, DIN 5419 (Bild XIII.12a), der vielfach auch als Feindichtu:ng
hinter Labyrinthen verwendet wird. Am hăufigsten wird der Radialdichtring eingesetzt. Die
Ausftihrung mit Gehăuse, DIN 6503, wird bevorzugt, wenn der Ring von au~en zum Beispiel in
einen Lagerdeckel eingeftihrt wird (Bild XIII.12b ).

1391
Maschinenelemente

a) b) C} d}

Bild Xlll.12. Schleifende Dichtungen


a) Filzring, b) bis d) Radialdichtringe verschiedener Form (L Lager-Innenraum)

2.9. Einbau-Beispiele
Lagerung einer Schneckenwelle (Bild XIII.13): Es treten Radialkrăfte und eine hohe Axialkraft
auf. Bei Ausflihrung a) nimmt das zweireihige Schrăgkugellager (2) als Festlager sowohl die Radial-
kraft als auch die Axialkraft auf, das Rillenkugellager als Loslager nur die Radialkraft.
Bei Ausflihrung b) reichen Radiallager zur Aufnahme der Axialkraft nicht mehr aus. Es wird dann
ein Zylinderrollenlager ( 4) mit einem zweiseitig wirkenden Axialrillenkugellager (3) kombiniert
und mit dem Pafl.ring (5) spielfrei eingestellt. In Bild Xlll.13b zeigt die obere Hălfte den axialen
Kraftflu~ von links nach rechts, die untere den Kraftflu~ von rechts nach links. Geschmiert wird
mit Fett. Der Filzring verhindert das Eindringen von Abriebteilchen in das Gehăuseinnere .

4 3 5

b)

Bild XIII.13. Lagerung einer Schneckenwelle (nach Kugelfischer)

Vorderradlagerung eines Kraftwagens (Bild XIII.14 ): Aufzunehmen sind hohe Radial- und normale
Axialkrăfte .Ausflihrung mit spiegelbildlich zueinander eingebauten Kegelrollenlagern, die durch
Kronenmutter (K) ein- und nachgestellt werden. Es liegt hier ,,Punktlast flir den Innenring" vor,
daher sitzen Innenringe Iose und verschiebbar auf Achse. Vorratsschmierung mit Fett; Abdichtung
durch Radial-Dichtring.

Normal.Stehlager (Bild XIII .IS) : Es treten Radial- und normalerweise geringere Axialkrăfte auf.
Gehăuse ist geteilt und fast nur mit Pendelkugellager mit Spannhiilse ausgeflihrt. Das Bild zeigt
Ausbildung als Festlager; bei Loslager werden Futterringe (F) weggelassen, Au~enring ist dann frei
verschiebbar. Vorratsschmierung mit Fett.

1392
XIII. Lager

Bild XIII.l4. Vorderradlagerung eines Bild XIII.lS. Normal-Stehlager


Kraftwagens (nach Kugelfischer)

2.1 O. Berechnungsbeispiele fur Wălzlager 1 )

• Beispiel l: Ftir das Festlager einer Kegelradwelle wird entsprechend dem vorher ermittelten
Wellendurchmesser d = 45 mm das Rillenkugellager 6209 vorlăufig festgelegt. An der Lagerstelle
wirken die Sti.itzkrăfte: Radialkraft Fr = 2200N und Axialkraft Fa= 1400N. Die Wellendrehzahl
betrăgt n = 260 min- 1 . Die Betriebstemperatur liegt unter 150 °C.
Es ist zu prtifen, ob das Lager ftir eine geforderte Lebensdauer von Lh ;;;;. 20 000 h ausreicht.
Losung: Ftir das gewăhlte Lager 62091iest man aus Tafel XIII.9 ab:
dynamische Tragzahl C = 32,5 kN = 32 500 N
statische Tragzahl C0 = 17,6 kN = 17 600 N
Zur Bestimmung der Faktoren X und Y mu~ nach Tafel XIII.2 vorgegangen werden:
Fa 1400 N
C0 17 600 N = 0 '0795
Der năchstliegende Tafelwert in Tafel XIII.2 ftir e betrăgt e = 0,27.
Nun wird der Quatient Fa/Fr· berechnet und mit dem Wert e = 0,27 verglichen:
Fa 1400 N
F = 2200 N = 0,636 > e =0,27.
r

Ftir den Radialfaktor X und ftir den AxialfaktorY ergeben sich nach Tafel XIII.2 die Werte:
Radialfaktor X = 0,56
Axialfaktor Y = 1,6
Damit kann die dynamisch ăquivalente Lagerbelastung P errechnet werden:
P = X Fr + Y Fa = 0,56 · 2 200 N+ 1,6 · 1400 N
P = 3472 N = 3,472 kN

1) Entnommen aus: A. B6ge, Arbeitshilfen und Formeln flir das technische Studium, Band 2 Konstruktion,
Vieweg Verlag.
1393
Maschinenelemente

Es sind nun alle GroBen zur Berechnung der dynamischen Kennzahl h bekannt. Nach Gleichung
(XIII.4) gilt:
c
fL = pfn C= 32,5 kN
P= 3,472 kN
32,5 kN fn = 0,504 nach Tafel XIII.? ftir n = 260 min- 1
h = 3 472 kN · 0,504 = 4,72
'
Nach Tafel XIII.7 betrăgt flir h = 4,72 die nominelle Lebensdauer Lh "'=' 53 OOOh. Diese
Lebensdauer ist allerdings nur dann zu erwarten, wenn nicht andere EinfluBgroBen dagegen spre-
chen, zum Beispiel Wellendurchbiegung und Fremdstoffe irn Lagerbereich. Da die Betriebstempera-
tur unter 150 °C liegen soll, ist eine Verkleinerung der nominellen Lebensdauer nicht erforderlich
(siehe Tafel XIII.1).
• Beispiel 2: Die Festlagerstelle einer Schneckenradwelle wird durch die Radialkraft Fr = 1340 N
und durch die Axialkraft Fa = 4300 N belastet. Die Wellendrehzahl betrăgt n = 750 min- 1 ,
die Betriebstemperatur liegt unter 150 °C.
Es ist anzunehmen, daB die relativ hohe Axialkraft von einem Rillenkugellager mit zweckmăBigem
Wellendurchmesser nicht aufgenommen werden kann. Deshalb wird zunăchst ein zweireihiges
Schrăgkugellager vorgesehen, und zwar ftir eine Lebensdauer von Lh;;;. 15 000 h.

Losung: In der Tafel XIII.l O sind ftir die dynamisch ăquivalente Lagerbelastung jeweils zwei
Gleichungen flir die Druckwinkel von 25° und von 35° angegeben. Entscheidet man sich flir die
Standardausftihrung B mit Polyamidkăfig und dem Druckwinkel o: = 25°, dann gelten die beiden
ersten Gleichungen. In beiden Făllen ist zunăchst das Verhăltnis Fa/Fr zu bestirnmen:
Fa 4300N
Fr = 1340N = 3 •2 > 0 •68

Zu verwenden ist also die Gleichung


P = 0,67 Fr + 1,41 Fa
P = 0,67·1340N+1,41·4300N
P = 6961 N = 6,96kN
Nun kann mit der Gleichung nach Tafel XIII.10 weitergerechnet werden. Sie wird zur Berechnung
der erforderlichen dynamischen Tragzah1 Cerf umgestellt:

C Cerr=Ph
fL = pfn fn
Die dynamische Kennzahl h betrăgt nach Tafel XIII.7 ftir die geforderte Lebensdauer Lh >15 000 h:
h = 3,11.

Ebenfalls aus Tafel XIII. 7 wird der Drehzahlfaktor fn = 0,354 abgelesen. Damit kann die erforder-
liche dynamische Tragzahl berechnet werden:
IL 3,11
Cerf = P fn = 6,96 kN · 0,354 = 61,1 kN

Geht man nun in der Tafel XIII.l1 die Spalte flir die dynamische Tragzahl C von oben nach
unten durch, dann erkennt man als erstes Lager, mit dem die Bedingung Cerf ~ C erflillt werden
kann, das zweireihige Schrăgkugellager 3308B mit C = 62kN und mit dem Wellendurchmesser
d =40mm.
Im Hinblick auf die nominelle Lebensdauer gelten auch hier die Anmerkungen am SchluB von
Beispiel 1.

1394
XIII. Lager
Tafel XIII.4. Wellentoleranzen

Radiallager mit zylindrischer Bohrung


Wellen· Verschiebbarkeit
Belastungsart Lagerart Toleranzfeld
durchmesser Belastung
Punktlast flir Kugellager, alle GrollJen Loslager mit g6 (g5)
den Innenring Rollenlager verschiebbarem Innenring h6 (h5)
und Schragkugellager und Kegelrollen- h6 (j6)
Nadellager !ager mit angestelltem Innenring
Umfangslast flir Kugellager bis40 mm normale Belastung j6 (j5)
den Innenring bis 100 mm ldeine Belastung j6 (j5)
oder
normale und hohe Belastung k6 (k5)
unbestimmte
Last bis 200 mm kleine Belastung k6 (k5)
normale und hohe Belastung m6(m5)
iiber 200 mm normale Belastung m6 (m5)
hohe Belastung, StollJe n6 (n5)
Rollenlager bis60 mm kleine Belastung j6 (j5)
und normale und hohe Belastung k6 (k5)
Nadellager
bis 200 mm kleine Belastung k6 (k5)
normale Belastung m6(m5)
hohe Belastung n6 (n5)
bis 500 mm normale Belastung m6 (n6)
hohe Belastung, StollJe p6
iiber 500 mm normale Belastung n6 (p6)
hohe Belastung p6

Axiallager
Wellen- Betriebs-
Belastungsart Lagerart Toleranzfeld
durchmesser bedingungen
Axiallast Axial-Rillenkugellager alle GrollJen j6
Axial-Rillenkugellager alle GrollJen k6
zweiseitig wirkend
Axial-Zylinderrollenlager oder alle GrollJen h6 (j6)
Axial-Nadelkranz
mit Wellenscheibe
Axial-Zylinderrollenkranz alle GrollJen hlO
oder Axial-Nadelkranz
mit Lauf- oder Axialscheibe
Axial-Zylinderrollenkranz alle GrollJen h8
oder Axial-Nadelkranz
Kombinierte Axial-Pendelrollenlager alle GrollJen Punktlast j6
Belastung flir die
Wellenscheibe
Umfangslast
bis 200 mm j6 (k6)
flir die
iiber 200 mm Wellenscheibe k6 (m6)

1395
Masch inenelemente

Tafel XIII.S. Gehăusetoleranzen

Radiallager
Verschiebbarkeit
Belastungsart Betriebsbedingungen Toleranzfeld
Belastung

Punktlast fiir Loslager mit Die Qualităt der Toleranz H7 (H6)


den Atillenring leicht verschiebbarem Auf>enring richtet sich nach der not-
wendigen Laufgenauigkeit
Atillenring meist verschiebbar, hohe Laufgenauigkeit H6 (16)
Schrăgkugellager und Kegelrollen- notwendig
!ager mit angestelltem Auf>enring normale Laufgenauigkeit H7 (17)
Wărmezufuhr van der Welle G7

Umfangslast flir kleine Belastung Bei hohen Anforderungen K7 (K6)


den Atillenring normale Belastung, Stof>e an die Laufgenauigkeit K6, M7 (M6)
ader hohe Belastung, Stof>e M6, N6 und P6 N7 (N6)
unbestimmte Las!
hohe Belastung, starke Stiif>e, P7 (P6)
diinnwandige Gehăuse

Axiallager

Belastungsart Lagerart Betriebsbedingungen Toleranzfeld

Axiallast Axial-Rillenkugellager normale Laufgenauigkeit EB


hohe Laufgenauigkeit H6
Axial-Zylinderrollenlager H7 (K7)
oder Axial-Nadelkranz
mit Gehăusescheibe
Axial-Zylinderrollenkranz Hll
ader Axial-Nadelkranz
mit Lauf- ader Axialscheibe
Axial-Zylinderrollenkranz HlO
ader Axial-Nadelkranz
Axial-Pendelrollenlager normale Belastung EB
hohe Belastung G7
kombinierte Belastung Axial-Pendelrollenlager H7
Punktlast flir die
Gehăusescheibe

kombierte Belastung Axial-Pendelrollenlager K7


Umfangslast ftir die
Gehăusescheibe

1396
XIII. Lager
Tafel XIII.6. Richtwerte fur die dynamische KennzahlfL (Lebensdauerfaktor)

anzu- anzu-
Einbaustelle strebender Einbaustelle strebender
fL-Wert fL-Wert
Kraftfahrzeuge Werkzeugmaschinen
Motorrader 0,9 ... 1,6 Drehspinde1n, Frasspindeln 3 ... 4,5
Leichte Personenwagen 1,4 ... 1,8 Bohrspindeln 3 ... 4
Schwere Personenwagen 1 ... 1,6 Schleifspindeln 2,5 ... 3,5
Leichte Lastwagen 1,8 ... 2,4 Werkstiickspindeln von
3,5 ... 5
Schwere Lastwagen 2 ... 3 Schleifmaschinen
Omnibusse 1,8 ... 2,8 Werkzeugmaschinengetriebe 3 ... 4
Verbrennungsmotor 1,2 ... 2 Pressen/Schwungrad 3,4 ... 4
Pressen/Exzenterwelle 3 ... 3,5
Schienenfahrzeuge Elektrowerkzeuge und Druckluft-
2 ... 3
Achslager von werkzeuge
Forderwagen 2,5 ... 3,5
Strai\enbahnwagen 3,5 ... 4 Holzbearbeitungsmaschinen
Reisezugwagen 3 ... 3,5 Frasspindeln und Messerwellen 3 ... 4
Giiterwagen 3 ... 3,5 Sagegatter/Hauptlager 3,5 ... 4
Abraumwagen 3 ... 3,5 Sagegatter/Pleuellager 2,5 ... 3
Triebwagen 3,5 ... 4
Lokomotiven/ Aull>enlager 3,5 ... 4 Getriebe im Allg. Maschinenbau
Lokomotiven/Innenlager 4,5 ... 5 Universalgetriebe 2 ... 3
Getriebe von Schienenfahrzeugen 3 ... 4,5 Getriebemotoren 2 ... 3
Groll>getriebe, stationăr 3 ... 4,5
Schiffbau
Schiffsdrucklager 3 ... 4 Fordertechnik
Schiffswellentraglager 4 ... 6 Bandantriebe/Tagebau 4,5 ... 5,5
Groll>e Schiffsgetriebe 2,5 ... 3,5 F orderbandrollen/Tage bau 4,5 ... 5
Kleine Schiffsgetriebe 2 ... 3 Forderbandrollen/allgemein 2,5 ... 3,5
Bootsantriebe 1,5 ... 2,5 Bandtrommeln 4 ... 4,5
Schaufelradbagger/Fahrantrieb 2,5 ... 3,5
Landmaschinen Schaufelradbagger/Schaufelrad 4,5 ... 6
Ackerschlepper 1,5 ... 2 Schaufelradbagger/Schaufelradantrieb 4,5 ... 5,5
selbstfahrende Arbeitsmaschinen 1,5 ... 2 Forderseilscheiben 4 ... 4,5
Saisonmaschinen 1 ... 1,5
Pumpen, Geblase, Kompressoren
Baumaschinen Ventilatoren, Geblase 3,5 ... 4,5
Planierraupen, Lader 2 ... 2,5 Kreiselpumpen 4 ... 5
Bagger/Fahrwerk 1 ... 1,5 Hydraulik-Axialkolbenmaschinen und
1 ... 2,5
Bagger/Drehwerk 1,5 ... 2 Hydraulik-Radialkolbenmaschinen
Vibrations-Strai\enwalzen, Unwuchterreger 1,5 ... 2,5 Zahnradpumpen 1 ... 2,5
Riittlerflaschen 1 ... 1,5 Verdichter, Kompressoren 2 ... 3,5

Elektromotoren Brecher, Miihlen, Siebe u.a.


E-Motoren flir Haushaltsgerate 1,5 ... 2 Backenbrecher 3 ... 3,5
Serienmotoren 3,5 ... 4,5 Kreiselbrecher, Walzenbrecher 3 ... 3,5
Groll>motoren 4 ... 5 Schlagermiihlen 3,5 ... 4,5
Elektrische Fahrmotoren 3 ... 3,5 Hammermiihlen 3,5 ... 4,5
Prallmiihlen 3,5 ... 4,5
Walzwerke, Hiitteneinrichtungen Rohrmiihlen 4 ... 5
Walzgeriiste 1 ... 3 Schwingmiihlen 2 ... 3
Walzwerksgetrie be 3 ... 4 Mahlbahnmiihlen 4 ... 5
Rollgange 2,5 ... 3,5 Schwingsiebe 2,5 ... 3
Schleudergiell>maschinen 3,5 ... 4,5

1397
Maschinenelemente

Tafel XIII.7. Lebensdauer Lh, Lebensdauerfaktor h und Drehzahlfaktor fn ftir Kugellager

A -Werte ftir Kugellager


Lh h Lh h Lh h Lh h Lh h
h h h h h

100 0,585 420 0,944 1700 1,5 6500 2,35 28000 3,83
110 0,604 440 0,958 1800 1,53 7000 2,41 30000 3,91
120 0,621 460 0,973 1900 1,56 7500 2,47 32000 4
130 0,638 480 0,986 2000 1,59 8000 2,52 34000 4,08
140 0,654 500 1 2200 1,64 8500 2,57 36000 4,16
150 0,669 550 1,03 2400 1,69 9000 2,62 38000 4,24
160 0,684 600 1,06 2600 1,73 9500 2,67 40000 4,31
170 0,698 650 1,09 2800 1,78 10000 2,71 42000 4,38
180 0,711 700 1,12 3000 1,82 11000 2,8 44000 4,45
190 0,724 750 1,14 3200 1,86 12000 2,88 46000 4,51
200 0,737 800 1,17 3400 1,89 13000 2,96 48000 4,58
220 0,761 850 1,19 3600 1,93 14000 3,04 50000 4,64
240 0,783 900 1,22 3800 1,97 15000 3,11 55000 4,79
260 0,804 950 1,24 4000 2 16000 3,17 60000 4,93
280 0,824 1000 1,26 4200 2,03 17000 3,24 65000 5,Q7
300 0,843 1100 1,3 4400 2,06 18000 3,3 70000 5,19
320 0,862 1200 1,34 4600 2,1 19000 3,36 75000 5,31
340 0,879 1300 1,38 4800 2,13 20000 3,42 80000 5,43
360 0,896 1400 1,41 5000 2,15 22000 3,53 85000 5,54
380 0,913 1500 1,44 5500 2,22 24000 3,63 90000 5,65
400 0,928 1600 1,47 6000 2,29 26000 3,73 100000 5,85

fn·Werte flir Kugellager


n fn n fn n fn n fn n fn
min- 1 min- 1 min- 1 min- 1 min- 1

10 1,49 55 0,846 340 0,461 1800 0,265 9500 0,152


11 1,45 60 0,822 360 0,452 1900 0,26 10000 0,149
12 1,41 65 0,8 380 0,444 2000 0,255 11000 0,145
13 1,37 70 0,781 400 0,437 2200 0,247 12000 0,141
14 1,34 75 0,763 420 0,43 2400 0,24 13000 0,137
15 1,3 80 0,747 440 0,423 2600 0,234 14000 0,134
16 1,28 85 0,732 460 0,417 2800 0,228 15000 0,131
17 1,25 90 0,718 480 0,411 3000 0,223 16000 0,128
18 1,23 95 0,705 500 0,405 3200 0,218 17000 0,125
19 1,21 100 0,693 550 0,393 3400 0,214 18000 0,123
20 1,19 110 0,672 600 0,382 3600 0,21 19000 0,121
22 1,15 120 0,652 650 0,372 3800 0,206 20000 0,119
24 1,12 130 0,635 700 0,362 4000 0,203 22000 0,115
26 1,09 140 0,62 750 0,354 4200 0,199 24000 0,112
28 1,06 150 0,606 800 0,347 4400 0,196 26000 0,109
30 1,04 160 0,593 850 0,34 4600 0,194 28000 0,106
32 1,01 170 0,581 900 0,333 4800 0,191 30000 0,104
34 0,993 180 0,57 950 0,327 5000 0,188 32000 0,101
36 0,975 190 0,56 1000 0,322 5500 0,182 34000 0,0993
38 0,957 200 0,55 1100 0,312 6000 0,177 36000 0,0975
40 0,941 220 0,533 1200 0,303 6500 0,172 38000 0,0957
42 0,926 240 0,518 1300 0,295 7000 0,168 40000 0,0941
44 0,912 260 0,504 1400 0,288 7500 0,164 42000 0,0926
46 0,898 280 0,492 1500 0,281 8000 0,161 44000 0,0912
48 0,886 300 0,481 1600 0,275 8500 0,158 46000 0,0898
50 0,874 320 0,471 1700 0,27 9000 0,155 50000 0,0874

1398
XIII. Lager
Tafel XIII.8. Lebensdauer Lh, LebensdauerfaktorfL und Drehzahlfaktor fn ftir Rollenlager und
Nadellager
fL -Werte fiir Rollenlager und Nadellager
Lh IL Lh IL Lh IL Lh IL Lh IL
h h h h h
100 0,617 420 0,949 1700 1,44 6500 2,16 28000 3,35
110 0,635 440 0,962 1800 1,47 7000 2,21 30000 3,42
120 0,652 460 0,975 1900 1,49 7500 2,25 32000 3,48
130 0,668 480 0,988 2000 1,52 8000 2,3 34000 3,55
140 0,683 500 1 2200 1,56 8500 2,34 36000 3,61
150 0,697 550 1,Q3 2400 1,6 9000 2,38 38000 3,67
160 0,71 600 1,06 2600 1,64 9500 2,42 40000 3,72
170 0,724 650 1,08 2800 1,68 10000 2,46 42000 3,78
180 0,736 700 1,11 3000 1,71 11000 2,53 44000 3,83
190 0,748 750 1,13 3200 1,75 12000 2,59 46000 3,88
200 0,76 800 1,15 3400 1,78 13000 2,66 48000 3,93
220 0,782 850 1,17 3600 1,81 14000 2,72 50000 3,98
240 0,802 900 1,19 3800 1,84 15000 2,77 55000 4,1
260 0,822 950 1,21 4000 1,87 16000 2,83 60000 4,2
280 0,84 1000 1,23 4200 1,89 17000 2,88 65000 4,31
300 0,858 1100 1,27 4400 1,92 18000 2,93 70000 4,4
320 0,875 1200 1,3 4600 1,95 19000 2,98 80000 4,58
340 0,891 1300 1,33 4800 1,97 20000 3,02 90000 4,75
360 0,906 1400 1,36 5000 2 22000 3,11 100000 4,9
380 0,921 1500 1,39 5500 2,05 24000 3,19 150000 5,54
400 0,935 1600 1,42 6000 2,11 26000 3,27 200000 6,03

fn·Werte fiir Rollenlager und Nadellager

n fn n fn n fn n fn n fn
min- 1 min- 1 min- 1 min- 1 min- 1

10 1,44 55 0,861 340 0,498 1800 0,302 9500 0,183


11 1,39 60 0,838 360 0,49 1900 0,297 10000 0,181
12 1,36 65 0,818 380 0,482 2000 0,293 11000 0,176
13 1,33 70 0,8 400 0,475 2200 0,285 12000 0,171
14 1,3 75 0,784 420 0,468 2400 0,277 13000 0,167
15 1,27 80 0,769 440 0,461 2600 0,271 14000 0,163
16 1,25 85 0,755 460 0,455 2800 0,265 15000 0,16
17 1,22 90 0,742 480 0,449 3000 0,259 16000 0,157
18 1,2 95 0,73 500 0,444 3200 0,254 17000 0,154
19 1,18 100 0,719 550 0,431 3400 0,25 18000 0,151
20 1,17 110 0,699 600 0,42 3600 0,245 19000 0,149
22 1,13 120 0,681 650 0,41 3800 0,242 20000 0,147
24 1,1 130 0,665 700 0,401 4000 0,238 22000 0,143
26 1,08 140 0,65 750 0,393 4200 0,234 24000 0,139
28 1,05 150 0,637 800 0,385 4400 0,231 26000 0,136
30 1,03 160 0,625 850 0,378 4600 0,228 28000 0,133
32 1,01 170 0,613 900 0,372 4800 0,225 30000 0,13
34 0,994 180 0,603 950 0,366 5000 0,222 32000 0,127
36 0,977 190 0,593 1000 0,36 5500 0,216 34000 0,125
38 0,961 200 0,584 1100 0,35 6000 0,211 36000 0,123
40 0,947 220 0,568 1200 0,341 6500 0,206 38000 0,121
42 0,933 240 0,553 1300 0,333 7000 0,201 40000 0,119
44 0,92 260 0,54 1400 0,326 7500 0,197 42000 0,117
46 0,908 280 0,528 1500 0,319 8000 0,193 44000 0,116
48 0,896 300 0,517 1600 0,313 8500 0,19 46000 0,114
50 0,885 320 0,507 1700 0,307 9000 0,186 50000 0,111

1399
Maschinenelemente

Tafel XIII.9. Rillenkugellager, einreihig, MaBe und Tragzahlen

d Wellendurchmesser C dynamische Tragzahl


D LagerauBendurchmesser Co statische Tragzahl
B Lagerbreite
r8 Kantenabstand *)

Tragzahlen in kN Tragzahlen in kN
M~einmm Kurz- M~einmm Kurz-
dyn. stat. dyn. stat.
zeichen zeichen
d D B 'smin c Co d D B Ysmin c Co
3 10 4 0,15 0,71 0,23 623 25 37 7 0,3 3,8 2,45 61805
4 9 2,5 0,15 0,64 0,2 618/4 25 47 8 0,3 7,2 4,05 16005
'
4 13 5 0,2 1,29 0,41 624 25 47 12 0,6 10 5,1 6005
4 16 5 0,3 1,9 0,59 634 25 52 15 1 14,3 6,95 6205
5 16 5 0,3 1,9 0,59 625 25 62 17 1,1 22,4 10 6305
5 19 6 0,3 2,45 0,9 635 25 80 21 1,5 36 16,6 6405
6 13 3,5 0,15 1,06 0,38 618/6 30 42 7 0,3 4,15 2,9 61806
6 19 6 0,3 2,45 0,9 626 30 55 9 0,3 11,2 6,4 16006
30 55 13 1 12,7 6,95 6006
7 14 3,5 0,15 0,88 0,36 618/7 30 62 16 1 19,3 9,8 6206
7 19 6 0,3 2,45 0,9 607 30 72 19 1,1 29 14 6306
7 22 7 0,3 3,25 1,18 627 30 90 23 1,5 42,5 20 6406
8 16 4 0,2 1,6 0,62 618/8 35 47 7 0,3 4,3 3,25 61807
8 22 7 0,3 3,25 1,18 608 35 62 9 0,3 12,2 7,65 16007
9 24 7 0,3 3,65 1,43 609 35 62 14 1 16,3 9 6007
9 26 8 0,6 4,55 1,7 629 35 72 17 1,1 25,5 13,2 6207
10 19 5 0,3 1,83 0,8 61800 35 80 21 1,5 33,5 16,6 6307
10 26 8 0,3 4,55 1,7 6000 35 100 25 1,5 55 26,5 6407
10 28 8 0,3 5 1,86 16100 40 52 7 0,3 4,65 3,8 61808
10 30 9 0,6 6 2,24 6200 40 68 9 0,3 13,2 9 16008
10 35 11 0,6 8,15 3 6300 40 68 15 1 17 10,2 6008
12 21 5 0,3 1,93 0,9 61801 40 80 18 1,1 29 15,6 6208
12 28 8 0,3 5,1 2,04 6001 40 90 23 1,5 42,5 21,6 6308
12 30 8 0,3 5,6 2,24 16101 40 110 27 2 63 31,5 6408
12 32 10 0,6 6,95 2,65 6201 45 58 7 0,3 6,4 5,1 61809
12 37 12 1 9,65 3,65 6301 45 75 10 0,6 15,6 10,6 16009
15 24 5 0,3 2,08 1,1 61802 45 75 16 1 20 12,5 6009
15 32 8 0,3 5,6 2,36 16002 45 85 19 1,1 32,5 17,6 6209
15 32 9 0,3 5,6 2,45 6002 45 100 25 1,5 53 27,5 6309
15 35 11 0,6 7,8 3,25 6202 45 120 29 2 76,5 39 6409
15 42 13 1 11,4 4,65 6302 50 65 7 0,3 6,8 5,7 61810
17 26 5 0,3 2,24 1,27 61803 50 80 10 0,6 16 11,6 16010
17 35 8 0,3 6,1 2,75 16003 50 80 16 1 20,8 13,7 6010
17 35 10 0,3 6 2,8 6003 50 90 20 1,1 36,5 20,8 6210
17 40 12 0,6 9,5 4,15 6203 50 110 27 2 62 32,5 6310
17 47 14 1 13,4 5,6 6303 50 130 31 2,1 86,5 45 6410
17 62 17 1,1 23,6 9,65 6403 55 72 9 0,3 9 7,65 61811
20 32 7 0,3 3,45 1,96 61804 55 90 11 0,6 19,3 14,3 16011
20 42 8 0,3 6,95 3,55 16004 55 90 18 1,1 28,5 18,6 6011
20 42 12 0,6 9,3 4,4 6004 55 100 21 1,5 43 25,5 6211
20 47 14 1 12,7 5,7 6204 55 120 29 2 76,5 40,5 6311
20 52 15 1,1 17,3 7,35 6304 55 140 33 2,1 100 53 6411
20 72 19 1,1 30,5 12,9 6404

*) siehe Tafe1 XIII. 3 Fortsetzung-+

1400
XIII. Lager

Tragzahlen in kN Tragzahlen in kN
Maf>e in mm Kurz- MaEe inmm Kurz-
dyn. stat. dyn. stat.
zeichen zeichen
d D B 'smin c Co d D B 'smin c Co
60 78 10 0,3 9,3 8,15 61812 105 160 18 1 54 46,5 16021
60 95 11 0,6 20 15,3 16012 105 160 26 2 71 56 6021
60 95 18 1,1 29 20 6012 105 190 36 2,1 132 90 6221
60 110 22 1,5 52 31 6212 105 225 49 3 173 127 6321
60 130 31 2,1 81,5 45 6312 110 140 16 1 24,5 24,5 61822
60 150 35 2,1 110 60 6412 110 170 19 1 57 49 16022
65 85 10 0,6 11,6 10 61813 110 170 28 2 80 62 6022
65 100 11 0,6 21,2 17,3 16013 110 200 38 2,1 143 102 6222
65 100 19 1,1 30,5 22 6013 110 240 50 3 190 143 6322
65 120 23 1,5 60 36 6213 120 150 16 1 25 26 61824
65 140 33 2,1 93 52 6313 120 180 19 1 61 56 16024
65 160 37 2,1 118 68 6413 120 180 28 2 83 68 6024
70 90 10 0,6 12,5 11,2 61814 120 215 40 2,1 146 108 6224
70 110 13 0,6 28 22 16014 120 260 55 3 212 163 6324
70 110 20 1,1 39 27,5 6014 130 165 18 1,1 32,5 34 61826
70 125 24 1,5 62 38 6214 130 200 22 1,1 78 71 16026
70 150 35 2,1 104 58,5 6314 130 200 33 2 104 86,5 6026
70 180 42 3 143 88 6414 130 230 40 3 166 127 6226
75 95 10 0,6 12,9 12 61815 130 280 58 4 228 186 6326
75 115 13 0,6 28,5 23,2 16015 140 175 18 1,1 34 36,5 61828
75 115 20 1,1 40 30 6015 140 210 22 1,1 80 76,5 16028
75 130 25 1,5 65,5 42,5 6215 140 210 33 2 108 93 6028
75 160 37 2,1 114 67 6315 140 250 42 3 176 143 6228
75 190 45 3 153 98 6415 140 300 62 4 255 212 6328
80 100 10 0,6 12,9 12,5 61816 150 190 20 1,1 42,5 44 61830
80 125 14 0,6 32 27,5 16016 150 225 24 1,1 91,5 86,5 16030
80 125 22 1,1 47,5 34,5 6016 150 225 35 2,1 122 108 6030
80 140 26 2 72 45,5 6216 150 270 45 3 176 146 6230
80 170 39 2,1 122 75 6316 150 320 65 4 285 260 6330
80 200 48 3 163 108 6416 44 61832
160 200 20 1,1 48
85 110 13 1 18,3 16,3 61817 160 240 25 1,5 102 100 16032
85 130 14 0,6 34 29 16017 160 240 38 2,1 140 122 6032
85 130 22 1,1 50 37,5 6017 160 290 48 3 200 176 6232
85 150 28 2 83 55 6217 160 340 68 4 300 280 6332
85 180 41 3 125 76,5 6317 22 1,1 54 58,5 61834
170 215
85 210 52 4 173 118 6417 260 28 1,5 122 118 16034
170
90 115 13 1 21,6 19,3 61818 170 260 42 2,1 170 150 6034
90 140 16 1 41,5 34,5 16018 170 310 52 4 212 196 6234
90 140 24 1,5 58,5 43 6018 170 360 72 4 325 315 6334
90 160 30 2 96,5 62 6218 225 22 1,1 56 63 61836
180
90 190 43 3 134 88 6318 31 140 129 16036
180 280 2
90 225 54 4 196 140 6418 6036
180 280 46 2,1 186 170
95 120 13 1 22 20,4 61819 180 320 52 4 224 212 6236
95 145 16 1 40 35,5 16019 180 380 75 4 355 355 6336
95 145 24 1,5 60 46,5 6019 73,5 61838
190 240 24 1,5 67
95 170 32 2,1 108 71 6219 16038
190 290 31 2 150 146
95 200 45 3 143 98 6319 6038
190 290 46 2,1 196 186
100 125 13 1 23,6 22,8 61820 190 340 55 4 255 245 6238
100 150 16 1 44 39 16020 190 400 78 5 375 380 6338
100 150 24 1,5 60 47,5 6020 1,5 76,5 61840
200 250 24 68
100 180 34 2,1 122 80 6220 34 170 166 16040
200 310 2
100 215 47 3 163 116 6320 51 2,1 212 208 6040
200 310
200 360 58 4 270 270 6240

1401
Maschinenelemente

Tafel XIII.lO. Schrăgkugellager, zweireihig, ăquivalente Belastung

dynamisch ăquivalente ftir Druckwinkel a= 25° (Standardausftihrung B):


Lagerbelastung P Fa
P =Fr + 0,92 Fa ftir F ";; ; 0,68 Fr Radialkraft
r
Fa Axialkraft
. Fa
P= 0,67 Fr + 1,41 Fa fur F. > 0,68
r

ftir Druckwinkel a= 35°:


F
P=Fr + 0,66Fa ftir F.a ";;;; 0,9 5
r

. Fa
P = 0,6 Fr + 1,07 Fa fur F >0,95
r

statisch ăquivalente ftir Druckwinkel a= 25°: fUr Druckwinkel a= 35°:


Lagerbelastung P0
Po =Fr + 0,76 Fa Po=F.+0,58Fa

Tafel XIII.ll. Schrăgkugellager, zweireihig, MaBe und Tragzahlen

d Wellendurchmesser C dynamische Tragzahl


D LagerauBendurchmesser C0 statische Tragzahl
B Lagerbreite
r5 Kantenabstand *)

Tragzahlen in kN Tragzahlen in kN
Mal>e in mm Kurz. Mal>e in mm Kurz·
dyn. stat. dyn. stat.
zeichen zeichen
d D B 'smin c Co d D B 'smin c Co

10 30 14 0,6 7,8 3,9 3200B 60 110 36,5 1,5 69,5 72 3212


12 32 15,9 0,6 10,6 5,1 3201B 60 130 54 2,1 114 112 3312
15 35 15,9 0,6 11,8 6,1 3202B 65 120 38,1 1,5 73,5 83 3213
15 42 19 1 16,3 8,65 3302B 65 140 58,7 2,1 129 129 3313
17 40 17,5 0,6 14,6 7,8 3203B 70 125 39,7 1,5 81,5 91,5 3214
17 47 22,2 1 20,8 10,6 3303B 70 150 63,5 2,1 143 146 3314
20 47 20,6 1 19,6 10,8 3204B 75 130 41,3 1,5 85 98 3215
20 52 22,2 1,1 23,2 12,9 3304B 75 160 68,3 2,1 163 166 3315
25 52 20,6 1 21,2 12,7 3205B 80 140 44,4 2 95 110 3216
25 62 25,4 1,1 30 17,3 3305B 80 170 68,3 2,1 176 186 3316
30 62 23,8 1 30 18,3 3206B 85 150 49,2 2 112 132 3217
30 72 30,2 1,1 41,5 24,5 3306B 85 180 73 3 190 200 3317
35 72 27 1,1 39 25 3207B 90 160 52,4 2 125 146 3218
35 80 34,9 1,5 51 30 3307B 90 190 73 3 216 240 3318
40 80 30,2 1,1 48 31,5 3208B 95 170 55,6 2,1 140 163 3219
40 90 36,5 1,5 62 39 3308B 95 200 77,8 3 220 245 3319
45 85 30,2 1,1 48 32 3209B 100 180 60,3 2,1 160 196 3220
45 100 39,7 1,5 71 67 3309 100 215 82,6 3 240 280 3320
50 90 30,2 1,1 51 36,5 3210B 105 190 65,1 2,1 176 208 3221
55 100 33,3 1,5 54 58,5 3211 110 200 69,8 2,1 190 228 3222
55 120 49,2 2 98 95 3311 110 240 92,1 3 280 345 3322

*) siehe Tafel XIII.3

1402
XIII. Lager
Tafel XIII.12. Pendelkugellager, ăquivalente Belastung

Fa Fr Radialkraft
dynamisch ăquivalente P=Fr + YFa flirF.o;;;;e
Lagerbelastung P r Fa Axialkraft
Fa Y, Yo Axialfaktoren
P= 0,65 · Fr + YFa flir F.
r
>e nach Tafel XIII.13
e siehe Tafel XIII.13
statisch ăquivalente
Po =Fr + YoFa
Lagerbelastung P0

Tafel XIII.13. Pendelkugellager, M~e. Tragzahlen und Faktoren


d Wellendurchmesser C dynamische Tragzahl
D Lagerau~endurchmesser Co statische Tragzahl
B Lagerbreite Y, Y 0 Axialfaktoren
'• Kantenabstand •)

Tragzahlen C, Co in kN und Faktoren


Fa Fa Kurz-
~einmm dynamische -.;e ->e statische
Fr Fr zeichen
d D B 'smin c e y y Co Yo
5 19 6 0,3 2,5 0,35 1,8 2,8 0,62 1,9 135
6 19 6 0,3 2,5 0,35 1,8 2,8 0,62 1,9 126
7 22 7 0,3 2,65 0,33 1,9 3 ().,73 2 127
8 22 7 0,3 2,65 0,33 1,9 3 O,?J 2 128
9 26 8 0,6 3,8 0,32 2 3 1,06 2,1 129
10 30 9 0,6 5,5 0,32 2 3 1,53 2,1 1200
10 30 14 0,6 7,2 0,66 1 1,5 2,04 1 2200
10 35 11 0,6 7,2 0,34 1,9 2,9 2,08 1,9 1300
12 32 10 0,6 5,6 0,37 1,7 2,6 1,66 1,8 1201
12 32 14 0,6 7,5 0,58 1,1 1,7 2,24 1,1 2201
12 37 12 1 9,5 0,35 1,8 2,8 2,8 1,9 1301
15 35 11 0,6 7,5 0,34 1,9 2,9 2,28 1,9 1202
15 35 14 0,6 7,65 0,51 1,2 1,9 2,4 1,3 2202
15 42 13 1 9,5 0,35 1,8 2,8 3 1,9 1302
15 42 17 1 12 0,51 1,2 1,9 3,75 1,3 2302
17 40 12 0,6 8 0,33 1,9 3 2,65 2 1203
17 40 16 0,6 9,8 0,51 1,2 1,9 3,15 1,3 2203
17 47 14 1 12,5 0,32 2 3 4,15 2,1 1303
17 47 19 1 14,3 0,53 1,2 1,8 4,55 1,2 2303
20 47 14 1 10 0,28 2,2 3,5 3,45 2,4 1204
20 47 18 1 12,5 0,5 1,3 2 4,3 1,3 2204
20 52 15 1,1 12,5 0,29 2,2 3,4 4,4 2,3 1304
20 52 21 1,1 18 0,51 1,2 1,9 6,1 1,3 2304
25 52 15 1 12,2 0,27 2,3 3,6 4,4 2,4 1205
25 52 18 1 12,5 0,44 1,4 2,2 4,65 1,5 2205
25 62 17 1,1 18 0,28 2,2 3,5 6,7 2,4 1305
25 62 24 1,1 24,5 0,48 1,3 2 8,5 1,4 2305
30 62 16 1 15,6 0,25 2,5 3,9 6,2 2,6 1206
30 62 20 1 15,3 0,4 1,6 2,4 6,1 1,6 2206
30 72 19 1,1 21,2 0,26 2,4 3,7 8,5 2,5 1306
30 72 27 1,1 31,5 0,45 1,4 2,2 11,4 1,7 2306
35 72 17 1,1 16 0,22 2,9 4,4 6,95 3 1207
35 72 23 1,1 21,6 0,37 1,7 2,6 8,8 1,8 2207
35 80 21 1,5 25 0,26 2,4 3,7 10,6 2,5 1307
35 80 31 1,5 39 0,47 1,3 2,1 14,6 1,4 2307

*) siehe Tafel XIII.3 Fortsetzung -+

1403
Maschinenelemente

Tragzah1en C, Co in kN und Faktoren


Fa Fa Kurz-
Mai!>einmm dynamische Fr < e ->e statische
Fr zeichen
d D B 'smin c e y y Co Yo
40 80 18 1,1 19,3 0,22 2,9 4,4 8,8 3 1208
40 80 23 1.1 22,4 0,34 1,9 2,9 10 1,9 2208
40 90 23 1,5 29 0,25 2,5 3,9 12,9 2,6 1308
40 90 33 1,5 45 0,43 1,5 2,3 17,6 1,5 2308
45 85 19 1,1 22 0,21 3 4,6 10 3,1 1209
45 85 23 1,1 23,2 0,31 2 3,1 11 2,1 2209
45 100 25 1,5 38 0,25 2,5 3,9 17 2,6 1309
45 100 36 1,5 54 0,43 1,5 2,3 22 1,5 2309
50 90 20 1,1 22,8 0,2 3,1 4,9 11 3,3 1210
50 90 23 1,1 23,2 0,29 2,2 3,4 11,6 2,3 2210
50 110 27 2 41,5 0,24 2,6 4,1 19,3 2,7 1310
50 110 40 2 64 0,43 1,5 2,3 26,5 1,5 2310
55 100 21 1,5 27 0,19 3,3 5,1 13,7 3,5 1211
55 100 25 1,5 26,5 0,28 2,2 3,5 13,4 2,4 2211
55 120 29 2 51 0,24 2,6 4,1 24 2,7 1311
55 120 43 2 75 0,42 1,5 2,3 31,5 1,6 2311
60 110 22 1,5 30 0,18 3,5 5,4 16 3,7 1212
60 110 28 1,5 34 0,29 2,2 3,4 17,3 2,3 2212
60 130 31 2,1 57 0,23 2,7 4,2 28 2,9 1312
60 130 46 2,1 86,5 0,41 1,5 2,4 37,5 1,6 2312
65 120 23 1,5 31 0,18 3,5 5,4 17,3 3,7 1213
65 120 31 1,5 44 0,29 2,2 3,4 22,4 2,3 2213
65 140 33 2,1 62 0,23 2,7 4,2 31 2,9 1313
65 140 48 2,1 95 0,39 1,6 2,5 43 1,1 2313
70 125 24 1,5 34,5 0,19 3,3 5,1 19 3,5 1214
70 125 31 1,5 44 0,27 2,3 3,6 23,2 2,4 2214
70 150 35 2,1 75 0,23 2,7 4,2 37,5 2,9 1314
70 150 51 2,1 110 0,38 1,7 2,6 50 1,7 2314
75 130 25 1,5 39 0,17 3,7 5,7 21,6 3,9 1215
75 130 31 1,5 44 0,26 2,4 3,7 24,5 2,5 2215
75 160 37 2,1 80 0,23 2,7 4,2 40,5 2,9 1315
75 160 55 2,1 122 0,38 1,7 2,6 56 1,7 2315
80 140 26 2 40 0,16 3,9 6,1 23,6 4,1 1216
80 140 33 2 51 0,25 2,5 3,9 28,5 2,6 2216
80 170 39 2,1 88 0,22 2,9 4,4 45 3 1316
80 170 58 2,1 137 0,37 1,7 2,6 64 1,8 2316
85 150 28 2 49 0,17 3,7 5,7 28,5 3,9 1217
85 150 36 2 58,5 0,26 2,4 3,8 32 2,5 2217
85 180 41 3 98 0,22 2,9 4,4 51 3 1317
85 180 60 3 140 0,37 1,7 2,6 68 1,8 2317
90 160 30 2 57 0,17 3,7 5,7 32 3,9 1218
90 160 40 2 71 0,27 2,3 3,6 39 2,4 2218
90 190 43 3 108 0,22 2,9 4,4 58,5 3 1318
90 190 65 3 153 0,39 1,6 2,5 76,5 1,7 2318
100 180 34 i.l 69,5 0,18 3,5 5,4 41,5 3,7 1220
100 180 46 2,1 98 0,27 2,3 3,6 55 2,4 2220
100 215 47 3 143 0,23 2,7 4,2 76,5 2,9 1320
100 215 73 3 193 0,38 1,7 2,6 104 1,7 2320
110 200 38 2,1 88 0,17 3,7 5,7 53 3,9 1222
120 215 42 2,1 120 0,2 3,2 4,9 72 3,3 1224
130 230 46 3 125 0,19 3,3 5,1 76,5 3,5 1226
140 250 50 3 163 0,21 3 4,6 100 3,1 1228
150 270 54 3 183 0,22 2,9 4,4 118 3 1230

1404
XIII. Lager

Tafel XIII.14. Zylinderrollenlager, ăquivalente Belastung

dynamisch ăquivalente
P=Fr Fr Radialkraft
Lagerbelastung P

statisch ăquivalente
Lagerbelastung P0

Tafel XIII.lS. Zylinderrollenlager, einreihig, M~e in Tragzahlen

d Wellendurchmesser C dynamische Tragzahl


D Lagerau~endurchmesser C0 statische Tragzahl
B Lagerbreite

Tragzahlen in kN Tragzahlen in kN
Mafl>einmm Kurz· Mafl>einmm Kurz-
dyn. stat. zeichen dyn. stat.
zeichen
d D B c Co d D B c Co
15 35 11 9 6,95 NU202 70 125 24 120 137 NU214E
17 40 12 17,6 14,6 NU203E 70 150 35 204 220 NU314E
17 47 14 25,5 21,2 NU303E 70 180 42 224 232 NU414
20 47 14 27,5 24,5 NU204E 75 130 25 132 156 NU215E
20 52 15 31,5 27 NU304E 75 160 37 240 265 NU315E
25 52 15 29 27,5 NU205E 75 190 45 260 270 NU415
25 62 17 41,5 37,5 NU305E 80 140 26 140 170 NU216E
25 80 21 52 46,5 NU405 80 170 39 255 275 NU316E
30 62 16 39 37,5 NU206E 80 200 48 300 310 NU416
30 72 19 51 48 NU306E 85 150 28 163 193 NU217E
30 90 23 71 64 NU406 85 180 41 290 325 NU317E
35 72 17 50 50 NU207E 85 210 52 335 355 NU417
35 80 21 64 63 NU307E 90 160 30 183 216 NU218E
35 100 25 75 69,5 NU407 90 190 43 315 345 NU318E
40 80 18 53 53 NU208E 90 225 54 365 390 NU418
40 90 23 81,5 78 NU308E 95 170 32 220 265 NU219E
40 110 27 93 86,5 NU408 95 200 45 335 380 NU319E
45 85 19 64 68 NU209E 95 240 55 390 430 NU419
45 100 25 98 100 NU309E 100 180 34 250 305 NU220E
45 120 29 106 100 NU409 100 215 47 380 425 NU320E
50 90 20 64 68 NU210E 100 250 58 440 490 NU420
50 110 27 110 114 NU310E 110 200 38 290 365 NU222E
50 130 31 129 124 NU410 110 240 50 440 510 NU322E
55 100 21 83 95 NU211E 110 280 65 540 610 NU422
55 120 29 134 140 NU311E 120 215 40 335 415 NU224E
55 140 33 140 137 NU411 120 260 55 520 600 NU324E
60 110 22 95 104 NU212E 120 310 72 670 780 NU424
60 130 31 150 156 NU312E 130 230 40 360 450 NU226E
60 150 35 166 170 NU412 130 280 58 610 720 NU326E
65 120 23 108 120 NU213E 130 340 78 815 930 NU426
65 140 33 180 190 NU313E
65 160 37 183 186 NU413

1405
Maschinenelemente
Tafel Xlll.16. Kegelrollenlager, einreihig, ăquivalente Belastung

dynamisch ăquivalente
Fr Radialkraft
Lagerbelastung P
Fa Axialkraft
Fa Y, Y o Axialfaktoren
P= 0,4Fr + YFa flir p: >e nach Tafel Xlll.1 7
r

statisch ăquivalente
Lagerbelastung P0

Po =0,5 Fr + YoFa

Tafel XIII.17. Kegelrollenlager, einreihig, M~e. Tragzahlen und Faktoren

d Wellendurchmesser c dynamische Tragzahl


D Lageraull.endurchmesser Co statische Tragzahl
Bi Breite des Innenrings Y, Yo Axialfaktoren
Cl 'l:l
Ba Breite des AuBenrings '& '&
B Lagerbreite

Tragzahlen in kN und Faktoren


M~einmm Kurz·
dynamische statische
zeichen
d D Bi Ba B c e y Co Yo
15 35 11 10 11,75 12 0,46 1,3 12 0,7 30202
20 47 14 12 15,25 26,5 0,35 1,7 29 0,9 30204A
25 47 15 11,5 15 25 0,43 1,4 34,5 0,8 32005X
30 55 17 13 17 36 0,43 1,4 46,5 0,8 32006X
35 62 18 14 18 36 0,42 1,4 50 0,8 32007XA
40 68 19 14,5 19 50 0,38 1,6 69,5 0,9 32008XA
45 75 20 15,5 20 57 0,39 1,5 85 0,8 32009XA
50 80 20 15,5 20 58,5 0,42 1,4 93 0,8 32010X
55 90 23 17,5 23 15 0,41 1,5 118 0,8 32011X
60 95 23 17,5 23 76,5 0,43 1,4 122 0,8 32012X
65 100 23 17,5 23 78 0,46 1,3 127 0,7 32013X
70 110 25 19 25 98 0,43 1,4 160 0,8 32014X
75 115 25 19 25 100 0,46 1,3 166 0,7 32015X
80 125 29 22 29 129 0,42 1,4 212 0,8 32016X
85 130 29 22 29 134 0,44 1,4 228 0,7 32017X
90 140 32 24 32 156 0,42 1,4 260 0,8 32018XA
95 145 32 24 32 163 0,44 1,4 280 0,7 32019XA
100 150 32 24 32 166 0,46 1,3 290 0,7 32020X
105 160 35 26 35 193 0,44 1,4 335 0,7 32021X
110 170 38 29 38 228 0,43 1,4 390 0,8 32022X
120 180 38 29 38 236 0,46 1,3 425 0,7 32024X
130 200 45 34 45 315 0,43 1,4 570 0,8 32026X
140 210 45 34 45 325 0,46 1,3 610 0,7 32028X
150 225 48 36 48 365 0,46 1,3 695 0,7 32030X

1406
XIII. Lager
Tafel XIII.18. Axial-Rillenkugellager, einseitig wirkend

d Wellendurchrnesser C dynarnische Tragzahl 00


D Lageraull>endurchrnesser C 0 statische Tragzahl
H Lagerhăhe
Anmerkung: Die dynarnisch und die statisch ăquivalente
Belastung ist gleich der Axialkraft:
P=F. und P 0 =F.

Tragzahlen in kN Tragzahlen in kN
Mal>e in mm Kurz- Mal>einmm Kurz-
dyn. stat. dyn. stat.
zeichen zeichen
d D H c Co d D H c Co

10 24 9 10 11,8 51100 65 90 18 38 85 51113


10 26 11 12,7 14,3 51200 65 100 27 64 125 51213
12 26 9 10,4 12,9 51101 65 115 36 106 186 51313
12 28 11 13,2 16 51201 65 140 56 224 390 51413
15 28 9 10,6 14 51102 70 95 18 40 93 51114
15 32 12 16,6 20,8 51202 70 105 27 65,5 134 51214
70 125 40 137 250 51314
17 30 9 11,4 16,6 51103
70 150 60 240 440 51414
17 35 12 17,3 23,2 51203
75 100 19 44 104 51115
20 35 10 15 22,4 51104
75 110 27 67 143 51215
20 40 14 22,4 32 51204
75 135 44 163 300 51315
25 42 11 18 30 51105 75 160 65 265 510 51415
25 47 15 28 42,5 51205
80 105 19 45 108 51116
25 52 18 34,5 46,5 51305
80 115 28 75 160 51216
25 60 24 45,5 57 51405
80 140 44 160 300 51316
30 47 11 19 33,5 51106 80 170 68 275 550 51416
30 52 16 25,5 40 51206X
85 110 19 45,5 114 51117
30 60 21 38 55 51306
85 125 31 98 212 51217
30 70 28 69,5 95 51406
85 150 49 190 360 51317
35 52 12 20 39 51107X 85 177 72 320 655 51417
35 62 18 35,5 57 51207
90 120 22 45,5 118 51118
35 68 24 50 75 51307
90 135 35 120 255 51218
35 80 32 76,5 106 51407
90 155 50 196 390 51318
40 60 13 27 53 51108 90 187 77 325 695 51418
40 68 19 46,5 83 51208
100 135 25 61 160 51120
40 78 26 61 95 51308
100 150 38 122 270 51220
40 90 36 96,5 143 51408
100 170 55 232 475 51320
45 65 14 28 58,5 51109 100 205 85 400 915 51420
45 73 20 39 67 51209 51122
110 145 25 65,5 186
45 85 28 75 118 51309
110 160 38 129 305 51222
45 100 39 122 186 51409
110 187 63 275 610 51322
50 70 14 29 64 51110 110 225 95 465 1120 51422
50 78 22 50 90 51210
120 155 25 65,5 193 51124
50 95 31 88 146 51310
120 170 39 140 335 51224
50 110 43 137 216 51410
120 205 70 325 765 51324
55 78 16 30,5 63 51111 120 245 102 520 1320 51424
55 90 25 61 114 51211
130 170 30 90 255 51126
55 105 35 102 176 51311
130 187 45 183 455 51226
55 120 48 166 265 51411
130 220 75 360 880 51326
60 85 17 41,5 95 51112 130 265 110 570 1400 51426
60 95 26 62 118 51212
140 178 31 98 285 51128
60 110 35 102 176 51312
140 197 46 190 475 51228
60 130 51 200 325 51412
140 235 80 400 1020 51328
140 275 112 585 1560 51428

1407
Maschinenelemente
Tafel XIII.19. Axial-Rillenkugellager, zweiseitig wirkend

d Wellendurchmesser C dynamische Tragzahl


D Lageraufl.endurchmesser C 0 statische Tragzahl
H Lagerhohe
Anmerkung: Die dynamisch und die statisch ăquivalente
Belastung ist gleich der Axialkraft:
P=Fa und Po =Fa

Tragzahlen in kN Tragzahlen in kN
M~einmm Kurz- M~einmm Kurz-
dyn. stat. dyn. stat.
zeichen zeichen
d D H c Co d D H c Co
10 32 22 16,6 20,8 52202 55 100 47 64 125 52213
15 40 26 22,4 32 52204 55 115 65 106 186 52313
15 60 45 45,5 57 52405 55 105 47 65,5 134 52214
20 47 28 28 42,5 52205 55 125 72 137 250 52314
20 52 34 34,5 46,5 52305 55 150 107 240 440 52414
20 70 52 69,5 95 52406 60 110 47 67 143 52215
25 52 29 25,5 40 52206X 60 135 79 163 300 52315
25 60 38 38 55 52306 60 160 115 265 510 52415
25 80 59 76,5 106 52407 65 115 48 75 160 52216
30 62 34 35,5 57 52207 65 140 79 160 300 52316
30 68 44 50 75 52307 65 170 120 275 550 52416
30 68 36 46,5 83 52208 70 125 55 98 212 52217
30 78 49 61 95 52308 70 150 87 190 360 52217
30 90 65 96,5 143 52408 70 180 135 325 695 52418
35 73 37 39 67 52209 75 135 62 120 255 52218
35 85 52 75 118 52309 75 155 88 196 390 52318
35 100 72 122 186 52409 80 210 150 400 915 52420
40 78 39 50 90 52210 85 150 67 122 270 52220
40 95 58 88 146 52310 85 170 97 232 475 52320
40 110 78 137 216 52410 95 160 67 129 305 52222
45 90 45 61 114 52211 95 190 110 275 610 52322
45 105 64 102 176 52311 100 170 68 140 335 52224
45 120 87 166 265 52411 100 210 123 325 765 52324
50 95 46 62 118 52212 110 190 80 183 455 52226
50 110 64 102 176 52312 110 225 130 360 880 52326
50 130 93 200 325 52412

1408
XIII. Lager
3. Gleitlager
3.1. Eigenschaften, Verwendung
Gleitlager sind wegen groBer, dămpfender Trag- und Schmierflăche unempfindlich gegen StăBe und
Erschiitterungen; gerăuscharmer Lauf; unempfindlich gegen Verschmutzung; unbegrenzt hohe
Drehzahlen; irn Gebiet der Fliissigkeitsreibung praktisch verschleiBfreier Lauf und unbegrenzte
Lebensdauer. Nachteilig sind hohes Anlaufmoment wegen anfangs trockener Reibung, hoher
Schmierstoffverbrauch und laufende Dberwachung.
Verwendung: Bei hohen Drehzahlen und Belastungen fUr "Dauerlăufer", z.B. Wasser- und Dampf-
turbinen, Generatoren, Kreiselpumpen; flir einfache, billige Lagerungen bei geringen Anspriichen,
z.B. Haushalts- und Biiromaschinen, Klein-Hebezeuge, Winden, Landmaschinen.

3.2. Schmierungs- und Reibungsverhăltnisse


Die Gleitflăchen sollen durch zusammenhăngende Schmierschicht voneinander getrennt sein. Vor-
aussetzungen hierflir sind nach der hydrodynamischen Schmiertheorie:
1. Ein in Bewegungsrichtung sich verengender Spalt,
2. relative Bewegung der Gleitflăchen zueinander,
3. Haftfahigkeit des Schmiermittels zu den Gleitflăchen.

Bild XIII.l6.
Oldruckverlauf im
Radial-Gleitlager
a) ungesti:irt
b) durch Nut gesti:irter
Druckverlauf
c) im Lăngsschnitt

Im Radial-Gieitlager entsteht ein keilfărmiger Spalt durch die exzentrische Lage e des Zapfens in
der Bohrung (Bild XIII.16). Beim Anlauf ist noch kein Schmierfilm zwischen den Gleitflăchen
wirksam, es liegt Trockenreibung vor (Festkărperreibung). Bei steigender Drehzahl geht diese in
Mischreibung liber; die Gleitflăchen werden teilweise durch eine Fliissigkeitsschicht getrennt. Bei
weiter steigender Drehzahl wăchst der Fliissigkeitsdruck im Spalt und hebt den Lagerzapfen an, bis
bei der Vbergangsdrehzahl nu die Gleitflăchen vollkommen getrennt werden: Flilssigkeitsreibung
(Schwimmreibung). Die Lagerreibung ist am geringsten, nimmt aher dann wegen innerer Fliissig-
keitsreibung wieder langsam zu.
Den Druckverlauf bei Fliissigkeitsreibung zeigt Bild XIII.16. Hi:ichster Oldruck herrscht kurz vor
dem engsten Spalt h 0 , dessen Weite mindestens gleich der Summe der Oberflăchenrauhtiefen sein
muB. Der gleichmăBig um die belastete Lagerhălfte verteilt gedachte Druck ist der mittlere Lager-
druck, die mittlere Flăchenpressung. Sie wird als spezifische Lagerbelastung p bezeichnet.
Eine in der belasteten Lagerhălfte angebrachte Nut start den Druckverlauf erheblich. An der
Nutstelle fălit der Druck praktisch auf Null ab, da das OI in der Nut ausweichen kann und wegen
des geringen Widerstandes (Abstand a im Bild XIII.16c) seitlich ausstrămt. Der Lagerdruck sinkt
auf p', die Tragfăhigkeit wird geringer, die Schwimmreibung kann in Mischreibung iibergehen.

1409
Maschinenelemente

3.3. Gleitlagerwerkstoffe
Als Wel/enwerkstoffkommt praktisch nur Stahl in Frage: Allgemeine Baustăhle, Vergiitungsstiihle
und Einsatzstiihle je nach Anforderung und Beanspruchung. Der Wellenwerkstoff soll immer har-
ter sein als der Lagerwerkstoff, damit die Welle nicht angegriffen wird und sich in den Lagerwerk-
stoff einbettet.
Die Lagerwerkstoffe sind wegen der vielseitigen Anforderungen sehr verschiedenartig hinsichtlich
ihrer stofflichen Zusammensetzung, Eigenschaften und Verwendung. Tafel XIII.20 gibt einen
Oberblick liber die wichtigsten Eigenschaften gebrauchlicher Lagerwerkstoffe. Hiernach kann
hiiufig schon eine Werkstoffauswahl getroffen werden (siehe auch Abschnitt Werkstoffkunde).

Tafel XID.20. Eigenschaften gebrauchlicher Gleitlagerwerkstoffe

Gleit/agerwerkstoffe und ihre Eignung


GufJ-Zinn- 8/ei-Zinn-
Sinter- GufJ-8/ei- Kunst- Koh/e
Forderung nach GufJeisen bronzen/ Lager- Holz Gummi
metal/ bronzen stoffe Graphit

• • • • • •
RotgufJ metal/

t) t) e
• • •
Gleiteigenschaften

o o
e;t) e e !)

•• •
Notlaufeigenschaften

VerschleifJfestigkeit t) o t) !) t) !) !)
stat Tragfăhigkeit t) o o
e !) !) !) !)
e !) o o o
e !) !) !)

• •
dyn. 8e/astbarkeit

hoher Gleitgeschwindigkt !) o o o o
e;~ e
Unempfindlichkeit
o o e e • • e • t)

• o o o•
gegen Kantenpressung

8ettungsfăhigkeit o o e e e e e
t) t) e t) ~ e
• • o o oo o oo •
Wărmeleitfăhigkeit

kleiner Wărmedehnung
e t) t) ~
gegen
8estăndigkeit
t) t) t)

•o •o •o •o •o •• •• • ••
hohe Temperaturen

ăt-(Fett-J Schmierung t)

o o o o o • o o •
Wasserschmierung

Trockenlauf

• sehr guf e gut () ausreichend ~ măfJig O mangelhaft

Grauguft GG-15 und GG-20 ist nur flir geringe, GG-25 und GG-30 fur hOhere Belastungen und
Gleitgeschwindigkeiten geeignet. Verwendung flir gering beiastete Transmissionsiager, Haushalts-
maschinen, einfache Lagerungen.
Sintereisen, Sinterbronze haben gute Notiaufeigenschaften. Feinporiges Geflige nimmt bis 25%
seines Voiumens OI auf und flihrt es infoige Erwarmung und Saugwirkung den Gieitflachen zu.
Bei Stillstand nehrnen die Poren das OI wieder auf. Verwendung bei Haushaitsmaschinen, Btiro-
maschinen, Pumpen, Piattenspieier, Tonbandgeraten.

1410
XIII. Lager
Tafel XIII.21. Gleitlagerwerkstoffe; Normen, Belastungswerte, Verwendung

Quetschgrenze adF Schmierung


Bezeichnung allgemeine Hinweise,
DIN in N/mm 2 , sonstige
Kurzzeichen Wellen Verwendungsbeispiele
Belastungswerte
GuBeisen 1691 adB OI, Fett Lager mit geringen Anspriichen an
GG-15, GG-20 500 ... 700 miiglichst Gleiteigenschaften: Transmissions-
GG-25 800 ... 900 gehărtet, !ager, Hebezeuge, Landmaschinen
feinbearbeitet
Sintermetall - Pzul "" 10 N/mm 2 iilgetrănkt Lager mit kleineren Gleitgeschwindig-
Sintereisen, (v < 0,5 m/s) miiglichst keiten (v < 3 m/s); Haushalts- und
Sinterbronze Pzul ""3 N/mm2 gehărtet Biiromaschinen, Ventilatoren,
(v > 0,5 m/s) und feinst- Pumpen, Plattenspieler,
bearbeitet Tonbandgerăte

GuB-Zinnbronze 1705 OI, Fett


G-CuSn12Pb 140 hoch, stoBartig beanspruchte Lager,
GZ.CuSn12 Pb guter Notlauf; Kurbel- und Knie-
hebellager, Spurlager, Spindelmuttern
RotguB 1705 OI, Fett
G.CuSn10Zn 130 măBige Beanspruchung, meerwasser-
bestăndig;Druckringe
GZ-CuSn7Pb 130 hochbeanspruchte Lager, verschleilllfest;
Buchsen, Schalen, Kurbel· und
Kniehebellager, Gleitleisten
GuB-Zinn-Bleibronze 1716 OI
GuB-Bleibronze
G-CuPb15Sn 100 hochbeanspruchte Lager, guter Notlauf,
GZ.CuPb15 Sn 110 unempfindlich gegen Kantenpressung;
Verbundlager (Motoren),
Kolbenbolzenbuchsen
G-CuPb20Sn 90 hohe Gleitgeschwindigkeit, guter Notlauf;
Verbundlager, Wasserpumpen, Miillerei-
maschinen
G.CuPb22Sn ""50 besonders gute Gleit· und Notlaufeigen-
(nicht schaften; Verbundlager, Kurbelwellen-
gewăhrleistet) und Pleuellager
Blei-Zinn-Lagermetall 1703 OI
LgPbSn10 ""60 normalbeanspruchte Lager; gut liitbar
mit St und GS
LgSn80 ""70 hiihere Gleitgeschwindigkeit und
Belastung, geringe StoBbeanspruchung;
geeignet ftir SchleuderguB
LgSn90 ""70 ftir hohe Anforderungen an Gleit- und
(Werte nicht Notlaufeigenschaften, auch StoB-
gewăhrleistet) belastungen; Dampf- und Wasserturbinen,
Kreiselpumpen
GuB-Sondermessing 1709 OI, Fett
G .CuZn 25 Al15 450 hochbeanspruchte Lager bei geringer
GZ.CuZn 25 A115 480 Gleitgeschwindigkeit; Spurplatten,
Schwing- und Kipphebellager,
Axial-Druckringe 1)

1411
Masch inenelemente

Tafel XIII.21. Fortsetzung

Quetschgrenze a dF Schmierung
Bezeichnung allgemeine Hinweise,
DIN in N/mm 2, sonstige
Kurzzeichen Wellen Verwendungsbeispiele
Belastungswerte
Polyamid - statische Hochst· OI, Fett, Lager flir Biiromaschinen, Ventilatoren,
(Ultramid, Sustamid, belastung Wasser, Wasserpumpen, Plattenspieler, Ton·
Durethan u.a.) Pmzul"" 25 N/mm 2 Trocken· bandgerăte; sehr guter Notlauf;
Je nach Schmierung: schmiermittel Tempera tur bis "" 80 ac, Lagerspiel
(pm · V)zul"" moglichst "" 0,4 ... 0,6 % des Wellendurchmessers
0,04 ... 0,5 2) gehărtet und
geschliffen
Kunststoff. - Welle St ungehărtet: trocken nicht zu schmierende Lager bei Text il·,
Verbundlager (pm · v)zul"" 0,45) 3) St, GG, Al Druckereimaschinen, Haushalts·
DU-Trockenlager 2) Welle St gehărtet: (keine Bronze) maschinen, Ziindverteiler, Kiihlwasser·
(Fiillstoff CuSn) (pm · v)zul"" 0,7) 3) geschliffen pumpen, Lichtmaschinen, Spur-
stangenlager; Lagertemperatur
""- 200 ... + 250 °C

1) Hersteller: CARO-Werk, Wien. 2) Lieferer: Karl Schmidt GmbH, Neckarsulm.


3) Pm in N/mm 2, vin m/s; genauere Werte durch Berechnung bzw. nach Angaben der Hersteller.

Guj3-Zinnbronzen, Guj3-Bleibronzen, Blei-Zinn-Lagermetalle sind hochwertigste Lagerwerkstoffe


mit besten Gleiteigenschaften. Geeignet flir hăchste Anforderungen bei Hebezeugen, Motoren,
Turbinen, Pumpen, Werkzeugmaschinen.

Kunststoffe haben gute Notlaufeigenschaften, Ausftihrung meist als Kunststoff-Verbundlager mit


Stiitzschale aus St, GG oder Bz, Zwischenschicht aus Zinnbronze und Uberzug aus Kunststoff als
Laufschicht, z. B. Polytetrafluorăthylen (Teflon) mit eingelagertem pulverformigen Fiillstoff
(z.B. Zinnbronze). Sie laufen als "Trockenlager" u.U.lăngere Zeit ohne Schmierung. Verwendung
bei Haushalts- und Biiromaschinen, Textilmaschinen und sonstige schwer zugăngliche, nicht zu
schmierende Lagerungen.

Gummi hat sich bei wassergeschmierten Lagern z. B. in Pumpen bewăhrt.

Kohle, Graphit sind flir selbstschmierende Lager bei hohen Temperaturen und aggressiven Fliissig-
keiten (Săuren, Laugen) geeignet.

1412
XIII. Lager
3.4. Zusammenstellung der Berechnungsformeln ftir hydrodynamisch tragende Radialgleitlager
Die folgende Zusammenstellung ist zugleich der Arbeitsplan fUr die Ermittlung der Daten des
Radialgleitlagers. Damit wird auch die Aufstellung eines Rechnerprogramms erleichtert (siehe
Berechnungsbeispie13.9).

3.4.1. Gegebene oder angenommene Gro&n

Wellendrehzahl Lagerwerkstoff siehe 3.4.3


dynamische
. p Ns
Viskosităt 11 m as =2 Umgebungstemperatur
m
des
(Zăhigkeit)
verwendeten 01s
Lagerkraft Fin N
. J w
Wărmeabfuhrzahl
am m 2 sK =m2 K
(siehe Absehnitt Wiirmelehre IV.3)
Wărmeabfuhrzahl flir ca. W N
Lagerbreite binm 1,25 m/s Geschwindigkeit a = 20 ~K = 20 ~K
m sm
der umgebenden Luft
Lagerdurchmesser d in m (1 K = 1 °C)

3.4.2. Viskosităt des 01s. Wenn bei der Berechnung hydrodynamisch tragende G1eitlager (Radial-
und Axial1ager) von der "Viskosităt" oder ,,Zăhigkeit" des 01s gesprochen wird, dann ist stets die
dynamische Viskosităt T/ des Ols gemeint. Sie ist stark von der Temperatur abhăngig und nimmt
mit abnehmender Temperatur zu. Bestimmungen liber das Viskosităt-Temperaturverhalten (V-T-
Verhalten) enthălt DIN 51 563.
Die SI-Einheit der dynamischen Viskosităt ist Pas (Pascal-Sekunde). Mit 1 Pa= 1 N/m 2 gilt also
1 Pas= 1 Ns/m 2 • Beziehungen zu anderen Einheiten (Poise P und Zentipoise cP) und zwischen
der dynamischen Viskosităt 11 und der kinematischen Viskosităt v =11/p sind:
fiir die dynamische Zăhigkeit 11 dasPoise (P):
1 Ns2 = 1OP (Poise)
m
= 1000 cP (Zentipoise) Umreehnungen °E in eSt

1P = 0,1 Ns2 = 100 cP (Zentipoise) OE eSt OE eSt


m
1 1 4,5 33,4
ftir die kinematische Zăhigkeit v das Stokes (St): 1,5 6,25 5 37,4
2 11,8 5,5 41,4
1s
m 2
= 104 St (Stokes) 2,5 16,7 6 45,2
2 3 21,2 6,5 49,0
1 St = 10-4 ~ = 100 eSt (Zentistokes) 3,5 25,4 8 60,5
4 29,6 10 76,0
N·s kg
1 P = 0,1 Pa· s = 0,1 m2 = 0,1 m:g
m2
Umreehnung aus Englergraden in-8- :
1Pa·s = 10P 1 eP = 10- 3 N . s
m2
V = (7,32 E- 6,31tE) 10-6 in ~ 2

3.4.3. Spezifische Lagerbelastung p. Die spezifisehe Lagerbelastung p ist die mittlere F1ăehen­
pressung, hervorgerufen in der Lagerflăehe dureh die Lagerkraft F (siehe 3.2 und Abschnitt Festig-
keitslehre 11.6.2).
F b, d p, Pzul
F ~
P = bd ""Pzul N
(XIII.9)
N m m2

1413
Maschinenelemente

Richtwerte fiir die zulăssige spezifische Lagerbelastung Pzul:


Langenausdehnungs-
Pzul in N/m 2 koeffizient "'L Temperaturgrenze E-Modul
Lagerwerkstoff ()in N/mm 2 in 1/K = 1/"C in °C inN/m 2

Lg Pb Sn 10 12,5 ·10 6 24 ·10- 6 110 3,1 ·10 10


(12,5)
G-CuSn5 Zn7 20. 10 6 17 ·10- 6 250 9 ·10 10
(20)
G-CuSn10 25. 10 6 17 ·10- 6 250 10,5 ·10 10
(25)

3.4.4. Relative Lagerbreite (3. Der Wellen- b


durchmesser d ist aus der vorausgegan-
genen Festigkeitsberechnung bekannt. Die
Lagerbreite b wird aus derrelativenLager-
breite (3 (Bauverhăltnis) festge1egt; man
wăhlt (3 = b/d ""=' 0,5 ... 1.
Verhăltnisse b/d < 0,5 sind ungiinstig, da
die Seitenstromung zu groB wird und der Pmax
hydrodynamische Druck sinkt; b/d> 1 ist Bild XIII.17. Berechnung der Radiallager
wegen der Gefahr zu groBer Kantenpres-
a) Flachenpressung, Bauverhăltnis, b) Kantenpressung
sung zu vermeiden (Bild XIII.17):

(3 = db = 0,5 ... 1 (XIII.lO)

3.4.5. Umfangsgeschwindigkeit v des Lagerzapfens


v = 1rdn V (XIII. li)
!!!
s

3.4.6. Wărmeabgebende Oberflăche AG des Lagergehăuses. Durch die Reibung im Lager erh6ht
sich die Lagertemperatur ~L in Abhăngigkeit von der auftretenden Reibleistung PR nach Glei-
chung (XIII.25). Die wărmeabgebende Oberflăche AG des Lagergehăuses kann bei der Nachrech-
nung eines Radialgleitlagers aus der Konstruktionszeichnung entnommen werden, zum Beispie1
durch ausplanimetrieren. Bei Entwurfsrechnungen wird sie aus den Richtwerten fUr die Oberflă­
chenAL undAw ermittelt:

(XIII.12)

AL wiirmeabgebende Oberflăche des Lagers


A w wiirmeabgebende Oberflăche der Welle

Richtwerte
AL Aw

d.;;;; 0,1 m (25 ... 20) d b (15 ... 10)d 2


d > 0,1 m (20 ... 15)db (10 ... 5)d 2

1414
XIII. Lager
3.4.7. Mittleres relatives Betriebslagerspiel 1/Js. Bei der effektiven Schmierstofftemperatur ~eff
stellt sich das Lagerspiel P8 s ein. Als Kenngro~e fi.ir weitere Rechnungen hat man das mittlere
relative Lagerspiell/Ja definiert. Es ist das auf den Lagerdurchmesser d bezogene Lagerspiel:
V
(XIII.l3)
m
m
s
Als erste Annahme rechnet man mit der Zahlenwertgleichung nach Vogelpohl:
1/Ja = 0,8 yv · 10-3
4-
(XIII.14)
Danach ist 1/Ja abhăngig von der Umfangsgeschwindigkeit v nach Gleichung (XIII.l1).
Die bestimmten relativen Betriebslagerspielen entsprechenden Passungen fUr verschiedene Lager-
durchmesser sind dem Diagramm zu entnehmen:

e: 200
e: "J."'- ."l'- .'l~ ""-
""""'
.!:;
150
100 ~~ r-.-'&~ ~}'
~~
i ~~
,..._, ~
"tJ
"'"'- ~
~ "'O
~

' ['_'
1'
' ' ' ,,, ' ' ' '
~

-
~
50
40
t'.,
""" ~ ~ ['_~

~
~ 20
30
' '
""-'~
~)_7~
Pc-- ~ ~~
~

~
""
:.o
""' % "
~c9
"<'j,""«

~ 15 ""-"" "~"
""-""- ~ "'1-.."'-
§\
_, 10
0,2 0,3 0,4 0.5 0.6 0.8 1
""" """'
1.5 2
relafives Lagerspiell{f in 111000
~~~
3 '
4 5 6 7 8 1'-10·""""' 15

3.4.8. Lagerspiel Psa bei Betriebstemperatur


Psa = 1/Ja d (XIII.15)

3.4.9. Richtungskonstante m. Im Viskosităt-Temperatur-Schaubild haben die verschiedenen


Schmierole unterschiedlich geneigte Gerade mit unterschiedlichen Richtungskonstanten m. Sie
wird als Kenngro~e fUr die Berechnung des Hilfsfaktors Wx nach Gleichung (XIII.l9) gebraucht.

Richtwerte fur ISO-Schmierole nach DIN 51519, giiltig flir den Viskositătsindex VI= 50
und Dichte p = 900 kg/m 3 bei 50 °C:

VG2 VG3 VG5 VG7 VG10 VG15 VG22 VG32 VG46 VG68
m 3,723 3,941 4,065 4,136 4,084 4,076 4,026 4,064 4,072 4,048
11 •10-3 Ns 1,67 2,35 3,26 4,63 6,59 9,46 13,5 18,7 25,8 36,7
rn2

VG100 VG150 VG220 VG320 VG460 VG680 VG1000 VG1500


m 3,996 3,920 3,872 3,806 3,776 3,735 3,710 3,684
w10-3 Ns 51,9 75,2 106 150 208 297 420 606
rn2

Ablesebeispiel: Fi.ir die Olsorte ISO-VG 100 DIN 51 519 betrăgtdie Richtungskonstante m = 3,996
und die Viskosităt 17 bei 50 °C:

17 = 519·10- 3 Ns
, m2

1415
Maschinenelemente

3.4.10. Hilfsfaktor WM. Mit der nach 3.4.9 ermittelten Viskosităt TI wird der Hilfsfaktor WM
ermittelt (Zahlenwertgleichung). Er wird in der Zahlenwertgleichung (XIII.19) gebraucht. Index M
siehe 3.4.12.

WM = lg lg (* ·10 6 + 0,8) Tl
p =
siehe Richtwerte ftir 50 °C in 3.4.9
900 kg/m 3 (Dichte des Ols bei 50 °C)
(XIII.l6)

3.4.11. Sommerfeldkonstante Cs 0 • Mit der nach Gleichung (XIII.9) berechneten spezifischen


Lagerbelastung p, dem mittleren relativen Lagerspiell/1 8 nach Gleichung (XII1.14) und der noch zu
berechnenden Winkelgeschwindigkeit w wird die Sommerfeldkonstante Cs0 ermittelt:

w=21rn w, n Cso P l/ls (XIII.17)

c = p l/1~ 1
s=s
-1 Ns
m2
N
m2 (X111.18)
So w

Fiir die nun folgenden Rechnungen muB eine Betriebstemperatur t}eff angenammen werden, zum
Beispiel t}eff = 60 °C. Kommt am SchluB der Rechnung keine annăhernde Ubereinstimmung zu-
stande, muB die Rechnung von hier ab wiederholt werden, bis sich diese gewiirlschte Ubereinstim-
mung ergibt. Eine solche Wiederholung nennt man Iteratian, die Wiederholungen selbstlteratians-
schritte (siehe auch Berechnungsbeispiel3.9).

Erster Jterationsschritt:

3.4.12. Hilfsfaktor Wx. Die Gleichung fur den Hilfsfaktor Wx ist eine von Ubbelohde und
Walther empirisch ermittelte Zahlenwertgleichung zur Beschreibung des V-T -Verhaltens (Viskosităt­
Temperatur-Verhalten) des Schmierăls. Der Index M kennzeichnet die gemessene GrăBe, der
Index X die gesuchte GrăBe.
Wx = m (lg T M -lg T x) + WM m Richtungskonstante nach 3.4.9 (XIII.l9)
TM = 50 °C + 273,15 K = 323,15 K
Tx = >'ieff + 273,15 K (bei Iterationsbeginn
>'ieff"' 60°C annehmen)
WM siehe 3.4.10

3.4.13. Effektive Viskosităt Tleff des Ols


Tletr P
Tletr = P [10(10WX)- 0,8] · 10-6 p = 900 kg/m 3 (XIII.20)
(Dichte des Ols Ns kg
m2 m3
bei 50 °C)

3.4.14. Sommerfeldzahl So. Die Gleichung fur die Sommerfeldzahl erfaBt insbesondere die
Zusammenhănge von Belastung und Reibungsverhalten (siehe auch 3.4.15). Mit der Sommerfeld-
zahl kann man die Lager dem Schnelllaufbereich (Sa ~ 1) und dem Schwerlastbereich (Sa > 1)
zuordnen.
Cso Sa Cso 'Tietr p l/ls w,n F b,d
Sa (XIII.21)
Tleff Ns Ns N ! N m
m2 m2 m2 s

p l/1~ Fl/1~ Fl/1~ So .;; 1 : Lager liegt im


Sa Schnellaufbereich (XIII.22)
Tleff W b d T/etr W 2 7r n b d Tletr
So > 1: Lager liegt im
Schwerlastbereich

1416
XIII. Lager

3.4.15. Reibzahl Jl. Mit der Sommerfeldzahl So als Kenngri:iil>e und mit dem nach Gleichung
(XIII.13) ermittelten relativen Betriebslagerspiell/l 8 wird die Reibzahl J1 berechnet:
k 1/JB Gestaltfaktor
So ~ 1: J1 =Sa k (Xlll.23)
k = 3 als Mittelwert (nach Vogelpohl)
flir voll umschlossene Lager
So > 1: (XIII.24)

Zur Kontrolle kann der berechnete Wert mit den Werten in der folgenden Tabelle verglichen
werden.

Erfahrungswerte ftir G1eitlager-Reibzahlen J1

Lagerart Werkstoff von mittlere Werte flir IL


und Schmierung Welle Lager Anlaufreibung Mischreibung Fliissigkeitsreibung

Radiallager
Fett GG, G-SnBz, Rg 0,12 0,05 ...0,1 -
OI GG, G-SnBz, Rg 0,14 0,02 ...0,1 0,003 ...0,005
OI LgPbSb, LgSn 0,24 - 0,002 ...0,003
OI St Prell.stoff 0,14 O,ol ... O,Q3 0,003 ...0,006
OI Sintermetall 0,17 - 0,002 ... 0,014
trocken Kunstharz- bei Gleitgeschwindigkeit < 0,1 m/s: 0,05 ... 0,1
verbund 0,2 ... 6 m/s: 0,1...0,16
Axiallager
Spurlager
Fett GG, G-SnBz 0,15 - -
OI St LgSn 0,25 O,Q3 -
Segmentlager
OI LgSn 0,25 - 0,002

3.4.16. Wănnestrom PR (Reibleistung). lm Betriebszustand tritt im Lager Reibung auf(siehe 3.2).


Die Reibkraft F R ist das Produkt aus der Lagerkraft F und der Reibzahl J1 (F R = F J1), die ent-
sprechende Reibleistung ist das Produkt aus der Reibkraft F R und der Umfangsgeschwindigkeit v.
Diese Reibleistung wird als Wărmestrom PR bezeichnet:

1 W= 1Nm/s= 1J/s (Xlll.25)


W N !!!
s

3.4.17. Lagertemperatur t}L· Die Lagertemperatur t}L entspricht der mittleren Temperatur, die
sich im Lager einstellt, wenn der thermische Gleichgewichtszustand erreicht ist, also das Gleich-
gewicht zwischen entstehender und abgeftihrter Wărme. Sie ist die ftir den gesarnten bisherigen
Rechnungsgang wichtigste Kenngri:iil>e, denn sie darf den ftir Lagerwerkstoff und Schmierstoff zu-
lăssigen Wert nicht iiberschreiten. Geht man davon aus, dai!> die gesarnte entstehende Wărme durch
Wărmeiibergang (Wărmekonvektion) vom Lagergehăuse an die umgebende Luft iibertragen wird,
dann gelten die Gesetze des Wărmeiibergangs nach Abschnitt IV.3. Wărmelehre, mit Gleichung
(IV.3). An die Stelle des dort eingeftihrten Wărmeiibergangskoefflzienten tritt hier die Warme-
abfuhrzahl a (siehe 3.4.1). Es gilt dann mit Gleichung (IV.3):
PR = cxAG (t}L- t}u) (XII1.26)
AG ist die wărmeabgebende Oberflăche des Lagergehăuses nach 3.4.6, t}L die Lagertemperatur
und {} 0 die Temperatur der umgebenden Luft.

1417
Maschinenelemente

Gleichung (XIII.26) kann nun nach f}L aufgeli:ist werden:


PR f}L, f}u PR Aa
f}L = f}u + aAa {Xlll.27)
w w
m2"c
Die Umgebungstemperatur kann mit f}u = 20 °C angenommen werden, die Wărmeabfuhrzahl mit
a= 20 W/{m 2 °C). Diese Annahme gilt fur eine Luftgeschwindigkeit wLuft = 1,2 m/s (Windstărke
Null). Fiir andere Luftgeschwindigkeiten kann nach Tafel IV.2 im Abschnitt Wărmelehre vor-
gegangen werden.

3.4.18. Temperaturvergleich. Den Rechnungen ab 3.4.12 lag die Annahme zugrunde, da1ll der
Schmierstoff eine effektive Temperatur von f}eff = 60 °C annimmt (siehe Gleichung (XIII.19)).
Folglich m~ nun die nach Gleichung {Xlll.27) berechnete Lagertemperatur f}L mit f}eff vergli-
chen werden, weil es nur bei annăhernder Obereinstimmung beider Werte sinnvoll ist, die Rechnung
weiterzuflihren. Sonst ist die Rechnung ab 3.4.12 mit dem zweiten Iteratinnsschritt zu wieder-
holen {siehe Berechnungsbeispiel 3.9). Die Rechnung kann erst dann nach 3.4.20 fortgesetzt
werden, wenn der Betrag der
Temperaturdifferenz t:.f} = 1f}L - {}eff 1 .;;;;; 2 °C {Xlll.28)
ist. Ist der Betrag der Temperaturdifferenz gri:iBer als 2 °C, ist vor Iterationsbeginn nach Gleichung
{Xlll.28) die neue effektive Schmierstofftemperatur f}eff,neu zu ermitteln {siehe Berechnungs-
beispiel3.9).

3.4.18. Neue effektive Schmierstofftemperatur f}eff· Man berechnet die neue effektive Schmier-
stofftemperatur f}eff,neu als arithmetisches Mittel aus der zu Beginn des ersten lterationsschrittes
angenommenen effektiven Schmierstofftemperatur f}err= f}eff,alt und der mit Gleichung {Xll1.27)
ermittelten Lagertemperatur f}L:
f}eff,alt + f}L
11eff,neu = 2 {XIII.29)

Mit f}eff,neu ist die Iteration ab 3.4.12 aufzunehmen, bis die Bedingung
f:.f} = 1f}L- f}eff,neu 1.,;;;; 2 °C erftillt ist.

3.4.19. Kleinste Spalthohe h 0 (Schmierspalthohe). Die kleinste Spalthi:ihe (kleinste Schmier-


schichtdicke) wird nach empirischen Gleichungen in Abhăngigkeit von der Sommerfeldzahl nach
3.4.14 ermittelt:

flir So.;;;;; 1: Psa [l _ So . 1 + (3 J ho ,Psa {3,So


{XIII.30)
ho = >homin
2 2 2 (3 m
Psa 2 (3
flir So > 1: ho = 4 So . 1 + (3 > ho min (XIII.31)

Die rechnerisch ermittelte kleinste Spalthi:ihe h 0 soli gri:iBer sein als ein bestimmter Grenzricht-
wert homin und mindestens gleich der Summe der Oberflăchenrauhtiefen Rtw und RtL flir Welle
und Lager {h 0 ;;;;. Rtw + Rtd· Siehe dazu Beispiel2 in 3.9.

Grenzrichtwerte hozul in pm = 10-6 m in Abhăngig­ v in m/s


keit vom Wellendurchmesser d und von der Um- d inmm
.;;1 >1...3 > 3 .. .10 > 10 ...30
fangsgeschwindigkeit v des Lagerzapfens:
20 ...60 3 4 5 7
> 60 ... 160 4 5 7 10
> 160...400 6 7 10 13

1418
XIII. Lager
3.4.20. Erforderlicher Schmierstoffdurchsatz V8 • Nach 3.2 wird durch die Relativbewegung zwi-
schen Welle und Lager der Schrnierstoff unter Druckaufbau durch den Schrnierspalt geprefl>t. Der
Durchsatzquerschnitt ist das Produkt aus Lagerbreite b und kleinster Schrnierspalthohe h 0 (Recht-
eckquerschnitt b h 0 ). Oberschlăgig ist dann:
V <ţ) (XIII.32)
<P Durchsatzfaktor m3
<P ""0,75 setzen s m ~
3.4.21. Erforderlicher Kiihloldurchsatz Vk. Bei schnellaufenden, hochbelasteten Lagern konnen
sich Lagertemperaturen ~L ~ 80 °C ergeben. Dann ist zusătzliche Kiihlung erforderlich, zum Bei-
spiel durch Umlaufschrnierung. Vernachlăssigt man in diesen Făllen die Wărmeabgabe durch das
Lagergehăuse, dann wird der thermische Gleichgewichtszustand durch die Gleichung beschrieben:

entstehende Wărme abzuflihrende Wărme


(Wărmestrom PR)

(XIII.33)

Vk Kiihldurchsatz; P6! Dichte des ăls; c51 spezifische Wărmekapazităt des ăls (siehe auch Ah·
schnitt Wărmelehre 1.6); ~ 1 , ~ 2 Ein- und Austrittstemperatur des ăls.
Das Produkt Vk P6! ist der Massendurchsatz m51. Der Punkt liber dem Formelzeichen fUr die
physikalische Grofl>e bedeutet, dafl> es sich um die zeitbezogene Grofl>e handelt, also Vk in m 3 /s
und m61 in kg/s.
Gleichung (XIII.33) kann nun nach dem Kiihlăldurchsatz Vk aufgelost werden:

Vk =
PR
----=-=-:----:--:-
vk PR Ct)! P61 ~~.~2
(XIII.34)
c6! P61 (~2- ~~) m3
s
W= Nm=l.
s s
_J_ kg
m3
oc
kgK
(12- (Il = 15 °C

Beachte: 1 K = 1 °C
Die Temperaturdifferenz Il~= ~ 2 - ~ 1 so1115 °C nicht liberschreiten, um Viskositătsănderungen
des Schmierstoffes in Grenzen zu halten. Die spezifische Wărmekapazităt des ăls kann den Tafeln
im Abschnitt Wărmelehre entnommen werden, zum Beispiel ist fur Maschinenol c5 1=167 5 J /(kg K),
die Dichte des ăls kann mit P6! = 900 kg/m 3 angesetzt werden.
3.4.22. Ubergangsdrehzahl nu (nach Voge/pohl)
1'/eff nach 3.4.13 Tleff V
n·· = 10- 7 _f__ (XIII.35)
u Tleff V V=trd 2 b/4 Ns
(Lagerzapfenvolumen) min- 1 N m2

Bei nu geht Fltissigkeitsreibung in Mischreibung liber. Die Betriebsdrehzahl n soll mindestens


zwei- bis dreimal grofl>er sein als die Dbergangsdrehzahl: n = (2 ... 3) nu.

3.4.23. Hertzsche Pressung p 0 . Wird das Lager auch im Stillstand mit der Lagerkraft F telastet,
dann ist die Hertzsche Pressung p 0 (Walze gegen Walze) zu bestimrnen und mit Pzu! fUr den Lager-
werkstoff nach 3.4.3 verglichen. Năherungsweise gilt:
p nach 3.4.3 (XIII.36)
Po = 0,591 .JE p 1/JB
WB nach 3.4.7

EL, Ew Elastizitlitsmodul von Lagerwerkstoff (nach 3.4.3)


und Wellenwerkstoff (bei Stah!Ew = 21 ·10 10 N/m 2 )

Der maximale Fllissigkeitsdruck kann das zwei- bis vierfache der mittleren Flăchenpressung Pm
betragen (ortlich bis zum zehnfachen).
1419
Maschinenelemente

Tafel XIII.22. Spiel- und Toleranzberechnungen

Spielănderung 11Ps durch


p, - d ( AL EL llL /1~L +Ac EG llG /1~G )
Wărmedehnung im Betrieb 11s- awl1~w- ALEL+AGEG
(nach Gersdorfer)
11Ps d Il M A E

oc oc
1 mm2 N
mm mm mm2
1

d Wellendurchmesser; "'W· "'L• "'G Liingenausdehnungs-Koeffizienten von


Wellen-, Lager- und Gehiiusewerkstoff; t;.,')W = t;.,')L = ,')B- ,')o mit mittlcrer
Betriebstemperatur des Lagers ,')B und Umgebungstemperatur ,')0;
t;.,')G = ,')G- ,')O mit angenommener Gehiiusetemperatur ,')G; AL, AG Quer-
schnittsfliiche von Lagerbuchse(-schale) und Gehiiusewandung; EL, EG die
entsprechenden Elastizitiitsmoduln.

Einbauspiel PsE PsE = Psa - 11Ps Psa Lagerspiel bei Betriebstemperatur im


Lager

mittleres Einbauspiel PsE gr + PsE kl PsE gr griif.\tes Einbauspicl


PsEmittel = PsE kl kleines Einbauspicl
PsE mittel 2
PsE gr und PsE kl nach dem Festlegen der Pas·sung
aus 1.8
PsE mittel muf~ etwa glcich PsE wcrdcn

mittleres relatives PsEmittel 1/1 PsE


1/JE mittel =
Einbauspie1 1/1 E mittel d
1 1 mm 1 :m
Richtwerte fiir das Lg Pb Sn (0,4 ... 1) . w-3
mittlere relative GZ-Cu Pb (2 ... 3) . w-3
Einbauspiel fur einige GZ-Al-Leg. (1,5 ... 1,7). 10- 3 gro~ere Werte fiir
Lagerwerkstoffe Sintermetall (1,5 ... 1,7) · 10- 3 gro~ere Durchmesser
Kunststoff (3 ... 4) . w-3
GG (1 ... 2) . w-3
gro~tes und kleinstcs
Betriebsspiel P 58
Psa gr = PsE gr - 11Ps
Psa ki = PsE ki - 11Ps
alle Ma~e in mm oder in 11m
Richtwerte R 1w und R 1L f~ingedreht 2 ... 10 /lffi feinstgeschliffen 0,15 ... 0,6 jlffi
Werte flir groBere
(gro~ere feinstgedreht 1 ... 3 /lffi feinstgerieben 0,4 ... 1 /lffi
Durchmesser) geschliffen 4 ... 10/lm gelăppt 0,3 ... 0,6 /lffi
feingerieben 1 ... 3 jlffi poliert 0,08 ... 0,25 /lffi
R 1w. R 1 L Rauhtiefe von Welle und Lagerbuchse oder -schale

relatives Betriebsspiell/1 8 1/Jsgr = ~ [PsE mef.lgr- 11Ps + (Rtw + R,d] alle MaBe in mm

1/Jski = ~ [PsEmef.lki-11Ps +(Rtw +Rtd]


meBbares Einbauspiel PsE mei.\ PsE mei.\ gr = PsE gr - (Rtw + R,L)
( weil PsE auf Mitten der Rauh- PsEmel.lkl =PsEki-(Rtw +R,L) alle MaBe in mm
tiefen bezogen ist)

Anmerkung: Das Fertigungsspiel wird durch PreBsitz der Lagerbuchse verringert. Richtwert: Verkleine-
rung des Bohrungsdurchmessers ca. 70% des PassungsiibermaBes.

1420
XIII. Lager

3.5. Berechnung der Axial-Gleitlager


3.5.1. Voll-Spurlager, Ring-Spurlager. Beim Voll-Spurlager mit ebener Spurplatte ist die Pressung
beim Lauf hyperbolisch liber der Spurflăche (Vollkreis) verteilt. Durch die in der Mitte theoretisch
unendlich groBe Pressung tritt hier starker VerschleiB auf, der beim Ring-Spurlager durch eine
zentrische Aussparung vermieden wird (Bild XIII.18).
Diese Lager haben praktisch nur geringe Bedeutung. Anwen-
dung bei kleinen Dreh- oder Pendelbewegungen oder bei mitt- Druck-
leren Drehzahlen und geringen Belastungen, Schwimmreibung verlauf Spurzapfen
nicht erreichbar wegen fehlender Anstellflăchen.

Berechnung auf Flăchenpressung:


Fa
Pm = ~ Pmzu! /
~ (D2 -d2)
4
(XIII.37)
Pm Fa D, d

N
N mm

Fa Axialkraft; D AuBen-, d Innendurchmesser der Ringspur-


platte; man wăhlt Bauverhăltnis d/D ""0,5 ... 0,6. Pmzu! nach
Tafel XIII.23.
Bild XIII.18. Berechnung
des Ring-Spurlagers
Tafel XIII.23. Richtwerte ftir die zulăssige mittlere
Flăchenpressung Pmzu! bei kleinen Gleitgeschwin-
digkeiten

Werkstoff flir Pm zut·Werte


Welle Lager N/mm 2

St gehartet St gehartet 15
G-SnBz, Rg 10
GG 8
St50, St60, GS G-SnBz, Rg 8
St nicht gehiirtet GG 5
Sintermetall 3
LgSn 3
Kunststoff 2,5 Bild XIII.l9. Berechn ung
des Segment-Spurlagers

Beim ruhenden Zapfen ist die Flăchenpressung gleichmăBig verteilt; Reibkraft FR 1 greift im Schwer-
punkt der Ringflăche an, beim drehenden Zapfen verschiebt sich Angriffspunkt der Reibkraft F R 2
zur Mitte der Ringflăche (12 = (D + d)/4).
3.5.2 Segment-Spurlager. Durch Aufteilung der Ringflăche in Segmente mit "angestellten" Flăchen
wird Schwimmreibung ermăglicht. Druckverlauf liber den Segmentflăchen zeigt Bild XIII.19.
Nach Schiebel ergibt sich die Tragkraft bei Fltissigkeitsreibung
n
(XIII.38)
N mm min- 1 P
dm mittlerer Spurflăchendurchmesser; b Spurflăchenbreite, es soll sein b "'=' 0,3 dm; n Drehzahl;
77 Olzăhigkeit.
1421
Maschinenelemente

3.6. Schmierung der Gleitlager


3.6.1. Schmierungsarten

0/schmierung: Vorherrschend bei kleinen bis hochsten Drehzahlen und Belastungen. Geschmiert
wird vorwiegend mit Mineralălen. Zusătze von Molybdănsulfid oder auch Graphit verbessern die
Schmiereigenschaften durch Erhăhung der Haftfahigkeit und Glăttung der Gleitflăchen.
Fettschmierung: Vorwiegend bei kleinen Drehzahlen und Pendelbewegungen oder stoibartigen
Belastungen oder wenn Schwimmreibung nicht erreichbar ist, zum Beispiel bei einfachen Lagerun-
gen von Pressen, Hebezeugen, Landmaschinen, bei Gelenken und Fiihrungen. Verwendet werden
Gleitlager(Stauffer-)Fette.
Wasserschmierung hat sich bei Holz-, Kunststoff- und Gummilagern (Walzenlagern, Pumpenlagern)
bewăhrt.

Trockenschmierung mit Trockenschmiermitteln wie Molybdănsulfid oder Graphit wird bei hohen
Temperaturen, zur Notlauf- und einmaligen Schmierung verwendet, zum Beispiel bei langsam lau-
fenden, schwer oder nicht zugănglichen Lagern, Gelenken, Fiihrungen.
3 .6.2. Schmierverfahren, Schmiervorrichtungen
Durchlaufschmierung: Das Schmierrnittel durchlăuft die Gleitstelle nur einmal und wird meist
nicht wieder verwendet. Anwendung nur bei gering beanspruchten, einfachen Lagern (Haushalts-,
Biiromaschinen) oderwo andere Schmierung nichtmoglich ist(schwingende Lagerstellen, Gelenke).
Vorrichtungen: Offene Ollăcher oder Oler verschiedener Ausfiihrungen, DIN 3410 fiir Hand-
schmierung. Selbsttătige Schmierung durch Tropfăler mit sichtbarer, regulierbarer Olabgabe (Bild
XIII.20), ferner durch Dochtăler mit tropfenweiser Olabgabe. Fettschmierung von Hand durch
Staufferbi.ichse oder Schmierkăpfe oder selbsttătig durch Fettbi.ichse, bei der eine federbelastete
Scheibe das Fett nachdri.ickt.

Bild XIII.20.
61-Schmiervorrichtungen
a) Einschraub-Deckeliiler
b) Einschraub-Kugeliiler
c) Einschlag-Klappdeckeliiler
d) Dochtiiler
e) Tropfiiler

Umlaufschmierung: Gebrăuchlichste Schmierverfahren fiir Gleitlager aller Art. Stăndiger Umlauf


des gleichen Oles durch Fărderorgan. Vorwiegend wird Ringschmierung bei Steh- und Flansch-
lagern mit waagerechten Wellen verwendet: Feste mit Welle umlaufende Schmierringe bei hăheren
Drehzahlen und grăBeren Lagern (Bild XIII.22) oder Iose Schmierringe bei kleineren Drehzahlen.

1422
XIII. Lager
Bei Tauchschmierung tauchen zu schmierende Teile in Ol ein, z.B. bei Kurbellagern in Kurbel-
gehăusen oder Zahnradgetrieben. Umlaufschmierung durch Pumpe ist am sichersten und leistungs-
fâhigsten; Anwendung bei hochbelasteten Lagern von Turbinen, Generatoren, Werkzeugmaschinen,
auch als Zentralschmierung flir ganze Maschinen.
Das Schmiermittel ist stets der unbelasteten Lagerhălfte zuzuflihren.

3. 7. Lagerdich tungen
Dichtungen bei Gleitlagern vorwiegend gegen Austreten von Ol; hăufig geni.igen Olfangrillen an
den Lagerenden (Bild XIII.22), sonst werden die unter 2.8 beschriebenen Dichtungen verwendet.

3.8. Gestaltung der Gleitlager


3.8.1. Lagerbuchsen, Lagerschalen. Lagerwerkstoff ist meist als Buchsen oder Schalen im Gehăuse
untergebracht. Buchsen (Bild XIII.2la) werden in ungeteilte Lagergehăuse eingepreBt; Abmessun-
gen: d 1 "'=' 1,1 d + 5 mm; Passungen: AuBendurchmesser r6 , Gehăusebohrung H7, Genormte Lager-
scha1en schiehe DIN 1850.

Feff Noflaufschicht

a=s .1
Laufschicht Bild XIII.21.
- - --- · - -~
Lagerbuchsen, Lagerschalen
"'~ a) Buchse flir Fettschmierung
b) Dreistoff-Lagerschale

a)
• bi
Sfufzschate

Lagerschalen werden in Bohrungen geteilter Gehăuse eingelegt. Ausflihrung meist als Verbundlager,
d. h. Zweistoff- oder Dreistofflager, zum Beispiel Dreistofflager (Bild XIII.21 b) mit Sti.itzschale
aus St, Notlaufschicht aus Pb Bz und Laufzeicht aus LgSn (Blei-Zinn-Lagermetall).

3.8.2. Ausftihrungsbeispiele ftir Radiallager. Fi.ir einfache Lagerungen geni.igen Augenlager, DIN 504,
oder Flanschlager, DIN 502, mit oder ohne Buchse, meist flir Fettschmierung vorgesehen.
Ein starres Stehlager mit Ringschmierung durch festen Schmierring zeigt Bild XIII.22. 01 wird durch
den mit Welle umlaufenden Schmierring (1) durch Olabstreifer (2) in Seitenrăume (3) gefordert
und tritt durch Locher (4) zwischen Gleitflăchen. Seitlich austretendes OI wird durch Olfang-
rillen (5) abgefangen und in den Vorratsraum zuri.ickgeflihrt.

2 3

Bild XIII.22. Starres Stehlager mit festem Schmierring (Werkbild Flender, Bocholt)

1423
Maschinenelemente

Zum Ausgleich von Fluchtfehlem und zur Ver- 4


meidung von Kantenpressungen (Transmissio-
nen) werden Pendellager verwendet, bei denen
die Lagerschalen pendelnd im Lagergehăuse
angebracht sind.
Die Forderung nach geringstem, ein- und nach-
stellbarem Lagerspiel ist durch Mehrgleitflăchen­
lager (MF-Lager) zu erftillen. Das MGF-Lager
nach Malcus (Bild XIII .23) hat vier durch
elastischen Ring verbundene Gleitkli:itze (1) mit
Anstellflăchen . Ein- und Nachstellen durch
Schrauben (2). Umlaufschmierung durch Pumpe;
Oleintritt bei (3), Olaustritt bei (4). Schmier-
keile halten Welle auch bei richtungsverănder­
lichen Lagerkrăften in zentrischer Lage .
Bild XIJI.23. Mehrgleitflăchenlager nach Malcus

3.8.3. Ausfiihrungsbeispiele fiir Axiallager. Ring-Spurlager, im Prinzip nach Bild XIII.l8, haben
wegen fehlender Anstellflăchen praktisch keine grotl.e Bedeutung. Anwendung nur bei kleinen Dreh-
zahlen oder Schwenkbewegungen, zum Beispiel bei Săulen kleiner Wanddrehkrane. Fiir hi:ihere
Drehzahlen und Belastungen kommen Segmentlager in Frage . Einen einbaufertigen Axial-Druckring
aus (Caro-)Bronze zeigt Bild XIII.24 . Hydrodynamisch wirksame, feinkopierte Keilflăchen (2) er-
mi:iglichen Schwimmreibung; OI tritt in Nu ten (l) ein, Rastflăchen (3) stiitzen Welle bei Stillstand ab .

2 3

Bild XIJI.24
Axial-Druckring ftir eine Drehrichtung

Einbaubeispiel bei senkrechter Welle zeigt Bild XIII.25a, Olzufuhr bei (1) liber Ringnut (2) durch
Hohlschrauben (3). Einbau eines doppelseitigen Axial-Druckringes bei waagerechter Welle nach
Bild XIII.25b; Druckring (l) sitzt zwischen den mit Welle fest verbundenen Stahl-Laufringen (2),
die durch Distanzring (3) auf Abstand gehalten werden.

Bild XIII.25
Einbau von Axial-Druckringen
a) bei senkrechter
b) bei waagerechter Welle

1424
XIII. Lager

3.9. Berechnungsbeispiele fiir ein Radialgleitlager 1 )


• Beispiell: Mit den gegebenen GroBen ist die Entwurfsberechnung nach 3.4 durchzuflihren.
Gegeben:
Lagerkraft F = 190000 N
Lagerdurchrnesser d = 0,38 m
Lagerbreite b = 0,3 m
Wellendrehzahl n = 3 s- 1 = 180 min- 1
Umgebungstemperatur ~u = 20 °C

Wărrneabfuhrzahl a: = 20 ..Jj_ = 20 Nm
m2K sm 2K
Werkstoffpaarung: St/LgPbSn nach3.4.3. L>lsorte: ISOVG100DIN51519 mitVI=50 nach 3.4.9.

Losung:
1. Spezifische Lagerbelastung p

-L~
P - b d ""'Pzul F, b, d und Pzul sind gegebene GroBen

190000 N N N
p O3 . O 38 = 1,67. 106 2
, m , m m
< Pzul = 12,5 . 106-2
m
2. Relative Lagerbreite ~

~ = !!.. = 0 •3 m = O 789 ""' 0,8


d 0,38 m '
3. Umfangsgeschwindigkeit u

u= 1r dn = 1r • 0,38 m · 3 s1 = 3,58 sm
4. Wiirmeabgebende Lageroberfliiche AG
AG =AL+ Aw AL= 20d b gewăhlt
AG = 3,724 m 2 Aw = 10 d 2 gewăhlt
5. Relatives Lagerspiell/1 8
l/1 8 = 0,8 · \IV· 10-3 = 0,8 · \13,58 · 10-3 = 0,0011
l/1 8 = 1,1 · 10-3
6. Lagerspiel PsB
P88 = l/1 8 d = 1,1 ·10- 3 · 0,38 m = 0,418 ·10- 3 m = 0,418 mm
7. Richtungskonstante m
m = 3,996
8. Hilfsfaktor WM

WM = lglg(:M ·106 +0,8) =519·10_ 3 Ns


11M , m2
kg
WM = 0,2472 p = 9003
m

1) Entnommen aus: Alfred Boge, Arbeitshilfen und Formeln flir das technische Studium, Band 2 Konstruktion.
Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig/Wiesbaden.

1425
Maschinenelemente

9. Sommerfeldkonstante Cs0

2 1 67 · 106 .li. (1 1 . w- 3) 2
C - p l/ln - , m2 , = O 107 Ns
So - w - 1 ' m2
18,85 s

Erster Iterationsschritt:
1 o. Hilfsfaktor w X mit {} eff = 60 ce
Wx = m (lg TM -1g Tx) + WM m = 3,996
wx = 3,996 (lg 323,15 -1g 333,15) + 0,2472 T M = 50 ce+ 273,15 K = 323,15 K
wx = 0,1943 Tx = {}eff + 273,15 K = 60 ce+ 273,15 K
Tx = 333,15 K
WM = 0,2472
11. Effektive Viskosităt 77eff
kg
77eff = p[1o(loWx) -0,8] ·10- 6 p= 900- Wx = 0,1943
m3

77eff = 900 . [10(1° 0 ' 1943 ) - 0,8] . 10- 6

77eff = 32,3 . 10-3 N~


m

12. Sommerfeldzahl So

O 107 Ns
Cso , m2
So ----'-'-'----=-:- = 3,3 > 1
77eff 32 , 3 · 10- 3 m2
Ns

13. Reibzahl J.1.

J.1. = k l/ln = 3 · 1,1 · 10- 3 = 18 . 10_3 k = 3 angenommen


$o y'3,3 ,

14. Wărmestrom (Reibleistung) PR

PR = F" v = 190 000 N · 1 8 · 10-3 · 3 58 ~


fJ" s' '
= 1224 Nm
s = 1224 W

15. Lagertemperatur {}L

PR
{}L = {}
u
+ -
aAG
{}V = 20 ce (gegeben)
a= 20 Nm/sm 2 K (gegeben)

Der Betrag der Temperaturdifferenz 1{}L - {}eff 1 wird also


1.:1{}1 = 136,4 ce- 60 ce 1= 23,6 ce~ 2 ce,
das heillt, es muB mit einer neuen effektiven Lagertemperatur {}eff gerechnet werden.

1426
XIII. lager
180 Neue effektive Lagertemperatur ~eff

~effalt + ~L 60 °C + 36,4 °C = 48 2 0 C
~effneu = 2 2 ,

Zweiter lterationsschritt:

Hilfsfaktor Wx mit ~eff = 48,2 °C


Wx = m(lgTM-lgTx)+WM
Wx = 3,996 o [lg 323,15 -lg(48,2 + 273,15)] + 0,2472
Wx = 0,257

Effektive Viskosităt 7Jeff

1leff = P [10(10Wx)- 0,8] o 10-6

1leff = 9oo o Ga<100'257 ) - o,8] o 10- 6 = 57 o10- 3 ~~ (vorher: 32,3 o 10- 3 ~~)
Sommerfeldzahl So

O 107 Ns
So = Cso = , m2
1,88 > 1 (vorher: 3,3)
7Jeff 5 7 10-3
o Ns
m2

Reibzahl J.1.
k l/Js 3 1,1 010-3 = 2 4 10-3
=$o (vorher: 1,8 °10- 3 )
o o

J.1. Vf,88 '

Wărmestrom (Reibleistung) PR

PR = F J.1. v = 190 000 N o2,4 °10-3 o3,58 ~ = 1632 N:n = 1632 W

Lagertemperatur ~L

PR 0 1632 Nsm 0
~L = ~u + - - = 20 C + = 42 C
a:AG 20 Nm o3 724 m 2
sm 2 K '

Der Betrag der Temperaturdifferen 1~~ 1= 1~L - ~ eff 1 wird jetzt


1~~1= 142 °C- 48,2 °CI= 6,2 °Co
Diese Temperaturdifferenz liegt noch liber 2 °C, also muB noch einmal gerechnet werdeno

1427
Maschinenelemente

Der dritte Iterationsschritt ergibt die folgenden GroBen:


Hilfsfaktor Wx = 0,2737 mit ~eff = 45,1 °C
Effektive Viskosităt 1leff = 67,2 · 10- 3 Ns/m 2
Sommerfeldzahl So 1,59 > 1
Reibzahl J.L = 2,6 · 10- 3
Reibleistung PR = 1780 W
Lagertemperatur ~L = 43,9 °C "'=' 44 °C
Temperaturdifferenz 1b.~ 1 = 1,2 °C
Anmerkung: Das Lager lăuft im Schwerlastbereich (Sa> 1). Die Rechnung kann nun weitergeftihrt
werden:

Kleinste Schmierspalthăhe h 0
Psa 2~ 0,418 ·10- 3 m 2 · 0,789
ho(So> 1 )=4So.1+~= 4·1,59 .1+0,789
ho = 58 . 10-6 m = 58 ţLm > hozu! "" 10 ţ!m
Die Bedingung hovorh >hazul ist erftillt.

Erforderlicher Schmierstoffdurchsatz V5
3
Vs = <(J ho b V = 0,75 . 58 . 10- 6 m. 0,3 m . 3,58 !p = 46,7 . 10- 6 ~

vs = 46,7 · 10- 6 ~= 168 ~


3600 h

Ubergangsdrehzahl nu

nu = 10
-7 • _f'__ = 190 000. 10- 7 . -1 = 8 3 . -1 --1< 180 . -1
1leff V 67,2. 10 3 • 0,034 mm ' mm ""' mm

• Beispiel 2: Spiel- und Toleranzberechnungen nach Tafel XIII.22.


Gegeben: Betriebs-Lagerspiel Psa =O ,418 mm = 418 ţ~m aus Beispiel 1,
ebenso Durchmesser d = 380 mm und Betriebstemperatur ~ = 44 °C.

Losung: Spielănderung durch Wărmedehnung

d = 380mm
aw = 12 · 10-6 l fiir Stahl )
~ nach Abschnitt Wărmelehre, Tafell.3
aG = 9 . 10-6 K flir Gutl.eisen

aL 24 · 10-6 k
b.l3-w ~B - ~o = 44 °C - 20 °C = 24 °C
b.~L b.~w = 24 ac
b.~G ~G -~o = 15 °C angenommen
EL 3 1 · 104 _lL2
' mm
EG 12 · 104 li_2 flir GG-22
mm
Annahmen: Autl.endurchmesser der Lagerbuchse = 390 mm
Autl.endurchmesser des Lagergehăuses = 450 mm

1428
XIII. Lager

Damit ergeben sich die Querschnittsflăchen

Mit diesen GroBen kann die Spielănderung I:J.P8 berechnet werden:


I:J.P8 = 0,052 mm = 52 JJ.m
Die Spielănderung I:J.P8 ist stark abhăngig von den vorhandenen und angenommenen Temperatur-
differenzen. So wird zum Beispiel
bei I:J.~G = 10 °C => I:J.P8 = 68 JJ.m
bei I:J.~G = 5 °C => I:J.P8 = 85 JJ.m
Hier soll mit I:J.P8 = 52 JJ.m weitergerechnet werden.

Einbauspiel PsE: PsE = PsB + I:J.P8 = 418 JJ.m + 52 JJ.m = 470 Jlffi

Mittleres Einbauspiel PsE mittel: Es lassen sich mehrere Spieltoleranzfelder zusammenstellen. Bei
der Auswahl muB versucht werden, mit dem mittleren Einbauspiel PsE mittel moglichst nahe an das
berechnete Einbauspiel heranzukommen. So ergibt sich beispielsweise ftir das Spieltoleranzfeld
H9 /d9 mit den AbmaBen nach Tafell.4 und der Rechnung nach 1.4.1
A oi=+ 140 JJ.m AoA =- 210 JJ.m
PsE kl =Aui - AoA Aui = 0 AuA =- 350 JJ.m
PsE gr = 140 JJ.m- {- 350 JJ.m) = 490 JJ.m
PsE kl =0 - (- 210 JJ.m) = 210 JJ.m
Das mittlere Einbauspiel wird damit fi.ir die Passung H9 /d 9:
PsE gr + PsE kl ( 490 + 210) JJ.m
PsE mittel = 2 = 2 = 350 JJ.m < PsE = 470 JJ.m

Die Passung Hll/d9 in Tafel 1.5 fi.ihrt im Gegensatz zu H9/d9 zu einem mittleren Einbauspiel, das
dicht beim Einbauspiel PsE = 470 JJ.m liegt:
PsE gr= 710 JJ.m
PsE kl= 210 Jlm
{710 + 210) JJ.m
PsE mittel = 2 = 460 JJ.m ""PsE = 470 JJ.m

Mit diesem mittleren Einbauspiel soli die Rechnung nach Tafel XIII.22 weitergeftihrt werden.
Mittleres relatives Einbauspiel 1/JE mittel:
,,, _ PsE mittel 0,460 mm _3
'I'E mittel- d 380 mm = 1 •2 "10
Dieser Wert liegt an der oberen Grenze der in Tafel XIII.22 angegebenen Richtwerte ftir das Lager-
metall LgPb Sn.
Betriebsspiele PsE :
PsE gr = 710 JJ.m- 52 JJ.m = 658 JJ.m
PsEkl =210JJ,m-52JJ,m= 158JJ,m

1429
Maschinenelemente

MeBbares Einbauspiel PsE meLI: Mit den angenommenen Rauhtiefen R 1w = R 1 L = 8 J.liD fiir feinge-
drehte Oberflăchen nach Tafel XIII.22 wird
PsE meL\gr = (710- 16) J.lill = 694 J.lill
PsE meL\ kl = (210- 16) J.lill = 194 J.lill
Relatives Betriebsspiell/IB:
1
l/IBgr = d [PsE meL\ gr- b.Ps + (Rtw + Rtdl

l/IBgr = 380 ~m [0,710 mm- 0,052 mm + 0,016 mm] = 1,8 · w- 3


1
l/IBkl = d [PsE meLI kl- b.Ps + (Rtw + Rtd]

l/IBkl = 3801mm [0,194 mm- 0,052 mm + 0,016 mm] = 0,4 · 10- 3

Mit den angenommenen Rauhtiefen ist auch die Bedingung nach 3.4.19 erfiillt:
ho ;;;;, Rtw + RtL
58 J.liD > 16 J.liD

1430
XIV. Zahnrader

XIV. Zahnrader

1. Allgemeines
Zahnrăder dienen der unmittelbaren formsch\i.issigen Dbertragung von Drehmomenten und Dreh-
bewegungen zwischen paral\elen, sich kreuzenden oder sich schneidenden Wel\en.
Zahnradgetriebe-Grundformen: 1. Stirnradgetriebe (Bilder XIV.la bis XIV.1c) bei parallelen Wellen
(imax "'=' 8 je Stufe ), 2. Kegelradgetriebe (Bild XIV.l d) bei sich schneidenden, auch sich kreuzen-
den Wel\en (imax "'=' 6), 3. Schneckengetriebe (Bild XIV.1e) bei sich kreuzenden Wel\en (imin:::::: 5
bis imax "'=' 60, Ausnahme: i :2: 100), 4 . Schraubradgetriebe (Bild XIV.1f) ebenfal\s bei sich kreuzen-
den Wellen (imax ""' 5).

a) b) c} e} fJ

Bild XIV.l. Grundformen der Zahnradgetriebe


a) bis c) Stirnradgetriebe, d) Kegelradgetriebe, e) Schneckengetriebe, f) Schraubradgetriebe

Je nach Verlauf der Zahnflanken unterscheidet man Geradzăhne, Schrăgzăhne, Pfeilzăhne, Kreis-
bogenzăhne, Spiralzăhne und Evo\ventenzăhne.

2. Verzahnungsgesetz
Die Dbersetzung eines Zahnradpaares ist i = n 1 /n 2 =
wdw2 = r2/r1 = z 2/z1; n Drehzahl, w Winkelgeschwin-
digkeit, r Teilkreisradius, z Zăhnezahl; Index 1 bezogen
auf antreibendes, Index 2 auf angetriebes Rad. Gleich- Rad2
getrieben
miiliiger Lauf beider Răder setzt i = konstant voraus
(Ausnahme: Ellipsenrăder, die Getriebe mit verănder­
lichem i ergeben).
Nach Bild XIV.2 ist B der augenblickliche Beri.ihrungs-
punkt zweier zunăchst beliebig geformter Zahnflanken.
B \ăuft als Punkt des Rades 1 mit der Umfangsgeschwin-
digkeit v 1 um MittelpunktM 1 als Punkt des Rades 2 mit
der Umfangsgeschwindigkeit v 2 um M 2 ( v ~> v 2 1 rj, r2).
Die beiden Zahnflanken haben in B gemeinsam die Tan-
gente t und die Normale n. Die Umfangsgeschwindigkei-
ten v 1 und v 2 werden in die Tangentialkomponenten
treibend
wl> w 2 und in die Normalkomponenten el> e2 zerlegt.
Sol\en die Zahnflanken sich immer beri.ihren, d.h. sich
weder voneinander entfernen noch ineinander eindrin-
gen, dann muB e 1 = e2 sein. Bild XIV.2. Verzahnungsgesetz

1431
Maschinenelemente

Aus c 1 =w 1 rb 1 bzw. c2 = w 2 rb 2 folgt mit Hilfe der ăhnlichen Dreiecke CM 1 N 1 und CM 2 N 2


(Bild XIV.2):
w1 r2
und mit c 1 = c 2 auch: - = - = i = konstant
w 2 r1
Das Verzahnungsgesetz lautet:

Zwei Zahnflanken sind nur dann brauchbar, wenn die Normale auf den jeweiligen Bertih-
rungspunkt B die Verbindungslinie der beiden Mittelpunkte M 1 M 2 im umgekehrten Ver-
hăltnis der Winkelgeschwindigkeiten teilt.
Kurz: Die jeweilige Eingriffsnormale muB stets durch den Punkt C gehen.

In Punkt C ist mit c 1 = c 2 auch w 1 r 1 = w 2 r 2 , d.h. die Kreise mit den Radien r 1 , r 2 rollen ohne
zu gleiten aufeinander ab: Wălzkreise. Der gedachte Beriihrungspunkt beider Kreise ist der Wălz­
punkt C.
Bei Zahnradgetrieben mit verănderlicher Ubersetzung (Ellipsenrăder) wandert der Wălzpunkt C
auf der Verbindungslinie der beiden Mittelpunkte auf und ab.

Folgerungen: Die unterschiedliche GroBe von w 1 und w 2 besagt, daB neben Wălzbewegung gleich-
zeitige Gleitbewegung der Flanken aufeinander erfolgt. Dadurch ist die Voraussetzung fUr hydro-
dynamische Fltissigkeitsreibung gegeben: keilformiger Spalt und Relativbewegung (w = w2 - w 1)
zueinander (siehe auch XIII.3.2).
Fălit B auf C, dann ist die Relativgeschwindigkeit w gleich Nul!, d.h. in dieser Zone tritt kurzzeitig
reine Wălzbewegung auf, der Schmierfilm wird hier unterbrochen und damit die ZerstOrung der
Flanken eingeleitet.

3. Begriffe, allgemeine Verzahnungs-


ma~e

Folgende Angaben beziehen sich auf


evolventenverzahnte Geradstirnrăder als
Nullrăder (Bild XIV.3). Nach DIN 867,
868 und 3960 sind festgelegt:
Teilkreisteilung p 1 : Bogenlănge auf Teil-
kreis zwischen zwei aufeinanderfolgende
Rechts- oder Linksflanken der Zăhne.
Teilkreis: Bezugskreis flir Teilung Pt
gleich Herstellungswălzkreis, auf dem das
Werkzeug bei der Zahnradherstellung im
Abwălzverfahren abwălzt. Aus Teilkreis-
umfang d rr= p 1 z folgt d =p 1 z/rr; ptfrr = m
(Modul) gesetzt, ergibt den Teilkreisdurch-
messer
d,m 1 z
d=mz (XlV.l)
~
Modulwerte flir Stirn- und Kegelrăder nach
DIN 780 siehe Tafel XIV.l. Bild XIV.3. Allgemeine VerzahnungsmaJl.e

1432
XIV. Zahnrader
Tafel XIV.l. Modulreihe ftir Stim- und Kegelrăder, Auszug aus DIN 780 (in mm)

Reihe 1: 0,1 0,12 0,16 0,20 0,25 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8
0,9 1 1,25 1,5 2 2,5 3 4 5 6 8
10 12 16 20 25 32 40 50
Reihe 2: 0,11 0,14 0,18 0,22 0,28 0,35 0,45 0,55 0,65 0,75 0,85
0,95 1,125 1,375 1,75 2,25 2,75 3,5 4,5 5,5 7 9
11 14 18 22 28 36 45 55 70

Die Moduln gelten im Normalschnitt; Reihe 1 ist gegentiber Reihe 2 zu bevorzugen.

Zahnabmessungen: Kopfhăhe ha= m; FuEhăhe he = 1,16 ... 1,3 m, normal he = 1,25 m; Zahn-
hăhe h = 2,25 m; damit ergeben sich Kopfkreisdurchmesser da und Fuj3kreisdurchmesser de

da =d ± 2 ha =d ± 2 m (XIV.2)
de = d + 2 he = d + 2,5 m (XIV.3)
obere Vorzeichen gelten bei AuEen-, untere bei Innenverzahnung.

Kopfspiel c: Abstand zwischen Kopfk.reis des einen und FuBkreis des anderen Rades.

c=he-ha = 0,25 m

Flankenspiel: Wegen Einbauungenauigkeiten, Wăr­


medehnung und Schmierung erforderliches Spiel ! Rad2

zwischen den Zahnflanken zweier Răder.


Normalflankenspiel in: Abstand der Zahnflanken
zweier Răder auf der Eingriffslinie (Bild XIV.4).
--~
Drehflankenspiel j t: Auf den Teilkreis bezogenes
Flankenspiel gleich Bogensttick um das sich Rad 1
bei feststehendem Rad 2 verdrehen lătl.t.
Der Achsabstand ad eines Nullradpaares oder eines
V-Null-Getriebes mit d =mz ergibt sich aus
d1+dz m(zl+zz)
ad = --2- = 2 (XIV.4)

Bild XIV.4. Flankenspiel der Zahne

4. Verzahnungsarten
4.1. Zykloidenvenahnung
Die Zykloidenverzahnung, deren Zahnflanken sich aus Epizykloide (Kopfflanke) und Hypozykloide
(FuBflanke) zusammensetzen, wird nur in Sonderfallen z.B. ftir Uhrenzahnrăder, Zahnstangen-
winden oder als Triebstockverzahnung verwendet. Die Herstellung ist teurer und schwieriger als die
der Evolventenverzahnung; die Verzahnung ist empfindlich gegen ungenauen Achsenabstand. Ein-
griffs- und Verschleiliverhăltnisse sind jedoch gtinstiger als bei Evolventenzăhnen. Im Maschinenbau
wird praktisch nur die Evolventenverzahnung verwendet.

1433
Maschinenelemente

4.2. Evolventenverzahnung
4.2.1. Eigenschaften und Verwendung. Zahnflankenform wird durch Evo\vente gebildet, das ist die
Kurve, die ein Punkt einer Geraden beschreibt, die auf einem Kreis (dem Grundkreis) abwălzt.
Evolventenverzahnung wird wegen einfacher Herstellung mit geradflankigen Werkzeugen irn Ab-
wălzverfahren, wegen Unempfindlichkeit ge-
gen ungenauen Achsenabstand und wegen Pt=m·7r
einfacher Herstellung profilverschobener Ver-
zahnung mit gleichen Werkzeugen irn Ma-
schinenbau fast nur verwendet. Nachteilig
gegeniiber Zykloidenverzahnung sind gro~erer
Verschlei~ und geringere Belastbarkeit.

4.2.2. Bezugsprofil, Konstruktion der Zahn-


flanken. Form und Abmessungen sind durch
Bezugsprofil nach DIN 867 festgelegt (Bild
Beginn der
XIV.S). Es entspricht dem Profil der Zahn- Kopfspiel-
stange und der Herstellungswerkzeuge rundung
(Kamm-Mei~el, Schneckenfrăser). Halber
Flankenwinkel gleich Eingriffswinkel a., =20°. Bild XIV.S. Bezugsprofil der Evolventenverzahnung

Konstruktion des Zahnstangengetriebes (Bild Xl.6): Zahnstange hat das Bezugsprofil mit Kopf-
hohe h 3 = m und Fu~hohe hr = 1,25 m. Eingriffslinie n wird durch Wălzpunkt C unter an = 20°
zur Profilmittellinie gezeichnet. Um Mittelpunkt M des Ritzels mit d = m z wird Grundkreis mit
Radius rb = r cos an an Eingriffslinie ge\egt. Vom Normalpunkt N trage man die Punkte 1, 2, 3
usw. in beliebigen Abstănden auf n nach beiden Seiten ab. Die gleichen Abstănde, auf Grundkreis
iibertragen, ergeben 1', 2', 3' usw . Durch schrittweises Abwălzen der Eingriffslinie aufGrundkreis
erhălt man die durch C gehende Evo\vente. Verlauf der Fu~flanke vom Grundkreis bis Fu~kreis
wird durch relative Kopfbahn des erzeugenden Werkzeuges bestimmt (siehe Bild XIV.9); bei
z > 20 ist diese angenăhert eine radial verlaufende Gerade. Fu~rundung wird ebenfalls durch
Werkzeug bestirnmt. Zugehi:irige Gegenflanke wird zweckmă~ig durch spiege\bildliches Dbertragen
von Zahnmittellinie gezeichnet. Vorher wird Zahndicke s = ptf2 auf Teilkreis abgetragen.

Bild XIV.6
Evolventen-Zahnstangenge triebe

1434
XIV. Zahnrăder

4.2.3. Eingriffsstrecke, Eingriffslănge, Proflliiberdeckung. Bei Rechtsdrehung des Ritzels in Bild


XIV.6 beginnt der Eingriff, d .h . Beriihrung zweier Zăhne in A (Schnittpunkt der Eingriffslinie mit
Kopflinie der Zahnstange) und endet in E (Schnittpunkt von n mit Kopfkreis des Ritzels). Der
Eingriff verlăuft lăngs der Eingriffsstrecke AE (Punktlinie ). Die Zahnstange verschiebt sich dabei
um die Eingriffslănge e = A'E' = AE/coscxn. Damit mindestens ein Zahnpaar stăndig im Eingriff
steht muB e > Pt> oder die Profiliiberdeckung Ea = efp 1 > 1 sein ;

AE AE
Ea= Pt COSO!n = 1T m COSO!n > (XIV.S)

Eine Gefahrdung der Eingriffsverhăltnisse (Ea < 1) ergibt sich bei AuBenverzahnung bei Zăhnezahlen
z < 14. Dann ist Profilverschiebung erforderlich (siehe 4 .2.8). Ea< 1,25 sollte vermieden werden.
Die Profiltiberdeckung Ea wird zweckmăBig zeich·
nerisch bestimmt durch maBstăbliches Aufzeich- Rad 2
nen der Kopf und Grundkreise und Abgreifen der
Strecke AE (Bild XIV.7). Rechnerisch lăBt sich Ea
bei unterschnittfreien Geradzahnrădern ermitteln
aus :

(XIV.6)
1T m COSO!n

obere Vorzeichen gelten bei AuBen-, untere bei


Innenverzahnung.

r 3 Kopfkreisradius; rb Grundkreisradius;
rb = r cos O!n ; ad Achsabstand; rr m = Pt Teilung;
CXn Eingriffswinkel.

Gleichung gilt ftir Null- und V-Null-Getriebe . Ftir


V-Getriebe ist statt ad der Achsabstand a und ftir
sin CXn ist sin CXw einzusetzen (siehe Tafel XIV.4).

Bild XIV. 7. Evolventen-Aufl.enverzahnung

4.2.4. Abwălzverhăltnisse. Bei Eingriffsbeginn fallen FuBpunkt F und Kopfpunkt K 1 in A zusam-


men (Bild XIV.6). Wăhrend erster Eingriffsphase wălzen Flankenteile FC und K 1 C, wăhrend zwei-
ter Phase CK und CF 1 aufeinander ab. Aus deren unterschiedlichen Lăngen geht hervor, daB neben
Abwălzbewegung noch Gleitbewegung stattfindet (siehe auch unter 2.). Die auBerhalb der durch
Doppellinien gekennzeichneten "Arbeitsflanken" liegenden Flankenteile sind also am Eingriff nicht
beteiligt. Lage der Zăhne am Beginn und Ende des Eingriffes ist durch Strichlinien dargestellt.

4.2.5. Atilienverzahnung. Konstruktion der Zahnflanken im Prinzip wie beim Zahnstangentrieb ,


unter 4.2.2 beschrieben. Durch Abwălzen der Eingriffslinie auf den Grundkreisen 1 und 2 entstehen
die Flanken der Zăhne des Rades 1 und 2 (Bild XIV. 7) . Eingriff lăngs der Eingriffsstrecke AE, der
die Eingriffslănge e auf der Profilmittellinie M entspricht. Flankenteil F 1 C wălzt mit K--;t, Flan-
kenteil CK 1 mit CF2 ab.

1435
Maschinenelemente

4.2.6. Innenverzahnung. Zăhne des Ritzels entstehen, wie unter 4.2.2 beschrieben, Zăhne des
Hohlrades werden mit Schneidrad gleichen Bezugsprofils hergestellt. Deren Flankenform gleicht
der eines auEenverzahnten Rades gleicher Zăhnezahl (Bild XIV.8). Eingriff beginnt in A (Schnitt·
punkt der Eingriffslinie n mit Kopflinie des gemeinsamen Bezugsprofils) und endet in E (Schnitt-
punkt von n mit Kopfkreis des Ritzels). Bei Eingriffsbeginn fallen FuEpunkt F 1 des Ritzels und
Kopfpunkt K 2 des Hohlrades in A zusammen, beim Eingriffsende fallen K 1 und F 2 in E zusam-
men. Flankenteile auEerhalb dieser Punkte sind also am Eingriff nicht beteiligt. Kopfstiick des
Hohlzahnes von K 2 bis Kopfkreis konnte wegfallen oder muE mit r = l (Lănge des Kopfstiickes)
gerundet werden, um Eingriffsstărungen zu vermeiden .

Eingriffs/ănge e
gemeinsames Bezugsprofil

Bild XIV.8. Innenverzahnung


Konstruktion und
Eingriffsverhăltnisse

4.2.7. Zahnunterschnitt, Grenzzăhnezahl. Beim Unterschreiten einer Grenzzăhnezahl zg tritt soge-


nannte Unterschneidung der Zăhne ein, d.h. die relative Kopfbahn des abwălzenden Zahnstangen-
werkzeuges schneidet die Evolvente auBerhalb des Grundkreises in F (Bild XIV.9). Die FuBflanke
von F bis FuEkreis ist daher am Eingriff nicht beteiligt. Dem Punkt F entspricht Punkt A auf der
Eingriffslinie. Eingriff beginnt in A und endet in E.
Eingriffslănge e ist gegeniiber "normaler" Verzahnung
verkiirzt. Gleichzeitig wird die Zahnwurzel geschwăcht
und damit die Bruchgefahr erhoht.
Zalmunterschnitt beginnt, wenn Normalpunkt N
innerhalb der Kopflinie des Bezugsprofiles liegt; der
Grenzfall liegt vor, wenn N auf Kopflinie in A 1 falit,
d.h. ha = m = h ist. Aus der Ăhnlichkeit des schraf-
fierten Dreiecks mit Dreieck CMN folgt h = NC sin O:n
= r sin2 O:n. Mit r = mz/2 und h = m wird die theore-
tische Grenzzăhnezahl

(XIV.7)

Fiir den genormten Eingriffswinkel O:n = 20° wird


zg = 17. Der Unterschnitt wird durch Verminderung
der Profiliiberdeckung jedoch erst unterhalb der prak-
tischen Grenzzăhnezahl z~ = 14 schădlich. Bild XIV.9. Entstehung von Zahnunterschnitt

1436
XIV. Zahnrăder

4.2.8. Profdverschiebung bei Geradverzahnung. Profilverschiebung v wird angewendet: 1. zur Ver-


meidung von Zahnunterschnitt, wobei v positiv sein muf!., 2. zum Erreichen eines bestimmten Achs-
abstandes, wobei v auch negativ sein kann. Bei positiver Profilverschiebung wird das Werkzeug
gegeniiber seiner Normallage abgeriickt, bei negativer Verschiebung dagegen eingeriickt. Man unter-
scheidet danach: 1. Nullriider, bei denen keine Profllverschiebung vorgenommen worden ist,
2. V-Riider mit Profilverschiebung; dabei haben V-Plus-Riider positive, V-Minus-Riider negative
Profilverschiebung.
Je nach Paarung der Răder unterscheidet man: 1. Nullgetriebe bei Paarung zweier Nullrăder,
2. V-Null-Getriebe bei Paarung von V-Plus- mit V-Minus-Rad gleicher positiver und negativer Ver-
schiebung, 3. V-Getriebe bei Paarung von V-Rad mit Nullrad oder von V-Rădern untereinander.
Zur Vermeidung von Unterschnitt ist nach Bild XIV.9 eine positive Profilverschiebung um die
Strecke v = ha - h erforderlich, so d~ die Kopflinie des Bezugsprofils durch den Normalpunkt
N geht.
Die Profilverschiebung v wird aus rechnerischen Griinden in den Profilverschiebungsfaktor x und
den Modul m aufgespalten:
v=xm (XIV.8)

Mit h = r sin 2 0!0 = (zm/2) sin 2 0! 0 und ha= m wird xm =ha- h = m- (zm/2) sin 2 a 0 , und daraus
mit 2/sin 2 a 0 = Zg der Profilverschiebungsfaktor x = (zg- z)/zg·

Fiir das DIN-Rad ist Zg = 17, so daf!. sich der Mindestprofilverschiebungsfaktor Xmin ergibt zu

= --u-
17 -z
Xmin (XIV.9)

Fiir die praktische Rechnung geniigt es, mit der praktischen Grenzzăhnezahl z~ = 14 zu rechnen.
Damit wird der praktische Profilverschiebungsfaktor
14- z
X =---u- (XIV.10)

4.2.9. Zahnspitzengrenze. Bei positiver Pro- +1


1' A
filverschiebung werden beide Flanken eines
Zahnes weiter nach auf!.en gezogen, d.h. die
)(
+ 0,8

+0,6
"' ~
L
Spitzengrenze
Zahnkopfdicke wird immer kleiner, bis sich '-
~
bei einer bestimmten Profilverschiebung v -"< + 0,4
1/
-2 1'
bzw. bei einem bestimmten Profilverschie- "';:,g> +0,2 :'11.
bungsfaktor x die beiden Evolventenflanken 1/
in einer Spitze vereinigen. Die Zahnspitzen-
.C)
-!!!
.c:
o
....
grenze der DIN-Geradverzahnung liegt bei
zmin = 7 Zăhnen. In Bild XIV.lO ist die
.
,."''-
-0,2
"'~1"1.
~ -0,4
o 1\.
Grenze des Unterschnittes und die Spitzen- ct r\.
-0,6
grenze in Abhăngigkeit von Zăhnezahl z und
Profilverschiebungsfaktor x aufgetragen. -0,8
'-
-1 '-
o 10 20 30 40
Zăhnezahlz

Bild XIV.lO. Grenzziihnezahlen und Spitzengrenze


der DIN-Geradverzahnung

1437
Maschinenelemente

Ablesebeispie/e:
1. Fiir z = 1O liegt nach Bild XIV.1 Oder Faktor x etwa zwischen 0,23 und 0,68. Unterhalb x = 0,23
tritt schădlicher Unterschnitt auf, oberhalb x = 0,68 wird der Zahn spitz, bzw. die Zahnspitze
liegt schon innerhalb des Kopfkreises.
2. Welche maximale positive Profilverschiebung v ist moglich ftir ein geradverzahntes Stirnrad mit
z = 15 und m = 3 mm? Aus Bild XIV.10 wird bei x "'"0,9 der Zahn gerade spitz. Damit wird
Vmax =Xmax m =0,9 · 3 mm = 2,7 mm.

4.2.10. Die geometrischen Groien beim V-Getriebe und beim V-NuHgetriebe


V-Plus-Răder: Teilkreisdurchmesser bleibt unverăndert d = m z; ebenso Grundkreisdurchmesser
db = d cosa0 • Kopf und Fuj3kreisdurchmesser da, df vergro~ern sich entsprechend der Profil-
verschiebung auf:

da= d+ 2m + 2v (XIV.11)
df=d-2,5m+2v (XIV.12)

Die Zahndicke des Nullrades auf dem Teilkreis ist gleich der Zahnliicke: s = ptf2. Beirn V-Plus-
Rad wird der Zahn irn F~ dicker, die Zahndicke s auf dem Teilkreis wăchst um 2vtana0 =
2xmtana0 :
Pt
s = 2 + 2 x m tan a 0 (XIV.13)

Wegen der Verstărkung des Zahnfu~es werden auch Răder mit mehr als 17 Zăhnen positiv profil-
verschoben.

V-Mii'Uis-Răder: Teilkreisdurchmesser bleibt unverăndert d = m z; ebenso Grundkreisdurchmesser


db = d cosa 0 • Kopf- und Fuj3kreisdurchmesser da, df verkleinern sich entsprechend der Profil-
verschiebung auf:
da= d + 2 m- 2v (XIV.14)
df=d-2,5m-2v (XIV.lS)

Der Zahn wird beirn V-Minus-Rad irn Fu~ schwăcher. Die Zahndicke s auf den Teilkreis betrăgt:

Pt
s=2-2xmtana0 (XIV.l6)

V-Nullgetriebe: die Herstellungsteilkreise beriihren sich wie beim Nullgetriebe im Wălzpunkt C.


Auch der Eingriffswinkel bleibt der gleiche. Damit bleibt auch beim V-Nullgetriebe der Achsab-
stand ad des Nullgetriebes erhalten. Zusammenstellung der Berechnungsgleichungen fiir V-Null-
getriebe siehe Tafel XIV.3.

V-Getriebe: die Herstellungsteilkreise beriihren sich nicht. Teilkreis und Betriebwălzkreise sind
verschieden. Der Achsabstand a ist daher gegentiber ad verschieden. Eine rein rechnerische Ver-
gro~erung des normalen Achsabstandes ad um den Betrag v 1 + v2 , also a = ad + v 1 + v2 wiirde
eine Vergro~erung des Flankenspieles ergeben. Daher mtissen die Răder bis zum theoretisch
flankenspielfreien Eingriff wieder zusammengeriickt werden. Diese Zusammenrtickung ist in den
Berechnungsgleichungen nach Tafel XIV.4 schon enthalten.

1438
XIV. Zahnrăder

Fiir den AchSilbstand a des V-Getriebes bei flankenspielfreiem Zahneingriff gilt (siehe auch
Bild XIV.ll):

cosa0 (XIV.l7)
a =ad cos ah

Kopfkiirzung: Bei genauer Einhaltung des Kopfspiels c (z.B. c = 0,25 m) miissen die Zăhne beider
Răder um den Betrag der Wiedereinrilckung

gekiirzt werden. Hierauf kann verzichtet werden, wenn z 1 + z 2 2!: 20 ist, da die Kiirzung dann ver-
nachlăssigbar klein bleibt.

a)

Bild XIV.ll. Eingriffswinkel und Achsabstand, a) bei Nullgetrieben, b) bei V-Getrieben

4.2.11. Die Evolventenfunktion und ihre Anwendung bei V-Getrieben


a) Definition der Evolventenfunktion. Die Evolventenfunktion gestattet die genaue Berechnung
der geometrischen GroBen am Zahnrad, die flir Konstruktion, Herstellung und Messung wichtig
sind, wie Zahndicke, Liickenweite, Achsabstand, Spitzenradius, Pressungswinkel, SehnenmaBe usw.

Nach Bild XIV.12 ist der Pressungswinkel a der spitze Winkel zwischen einer Tangente t an das
Zahnprofil und dem Mittelpunktsstrahl durch den BeriihrungspunktB. Mit der Evolventenfunktion
des Winkels a bezeichnet man den Polarwinkel <,0 =in va= 13- a (sprich Involut a). Winkel <,O, /3, a
im BogenmaB.

Mit 13 = A T/rb und A T = B T = rb tan a wird 13 = rb tan afrh = tan a, und mit in va= 13- a auch:
inva = tan a- arca (XIV.18)

Der Zahlenwert von inv a ist also gleich der Radialprojektion der Evolventenkurve auf den Ein-
heitskreis ([ = 1). Diese Funktion lăBt sich tabellarisieren (siehe Tafel XIV.2); zum Beispiel ist
inv 20° = 0,014904. Die flir praktische Rechnungen erforderliche Genauigkeit gibt allerdings nur
der elektronische Rechner. Die Tafelwerte sollen nur der Kontrolle dienen.

1439
Maschinenelemente

Bild XIV.12. Darstellung und Anwendung der Evolventenfunktion

b) Anwendung der Evolventenfunktion. Bestimmung der Zahndicke S1 auf beliebigem Radius Y


1

wie folgt: in Bild XIV.12 ist Bogen a = rb (inv o: - inv o: 0 ), Bogen b =arwfrb, Bogen c = s - 2 b
und s 1 = cr 1/rw, so daE mit s = (ptf2) + 2 x m tan 0:0 nach (XIV.13) oder s = (1r m/2) + 2 x m tan o:0
die Zahndicke s 1 aufbeliebigem Radius r 1 wird:

=c i_ = (s - 2 b) i_ , und nach einigen Umformungen:


S1
'w rw
(XIV.19)
S1 = 2 Y1 U(~ + 2x tano:n)- (invo: -invo:n)J

Der Pressungswinkel o: kann mit rw = r bestimmt werden aus


rb r coso:n
cos 0: =,- = --~- (XIV.20)
r r

Gleichung (XIV.l9) fiir S 1 kann benutzt werden zur Berechnung der Zahndicke sa auf dem Kopf-
kreis mit dem Radius ra, indem flir S =sa, flir Y = ra eingesetzt und coso:a =rcoso:n/ra berechnet
1 1

wird.
Auf den Betriebswălzkreisen muE die Summe der Zahndicken sw 1 und sw 2 gleich der Teilung Ptw
sein: Ptw = sw 1 + Sw2. Damit ergeben sich die Gleichungen zur Bestimmung des Achsabstandes a
und der Summe der Profilverschiebungsfaktoren (XIV.23) und (XIV.24).

Mit Gleichung (XIV.19) wird

Ptw = 2 rwl [z11 ( ~ + 2x 1 tan O:n) - (invo:- invo:n)J

+ 2 rw2 [z12 ( ~ + 2x 2 tan O:n) - (inv o:- invo:n)]

Mit 27Trw 1 =z 1 ptw und 27Trw2 =z 2 Ptw wird:

(XIV.21)

1440
XIV. Zahnrăder

Diese Gleichung liefert bei gegebenen Profilverschiebungsfaktoren XJ. x 2 den Betriebs-Eingriffs-


winkel aw aus

{XIV.22)

aw wird aus der Evolventenfunktionstafel abgelesen.

Der Betriebs-Wălzkreisradius rw ergibt sich wieder aus der bekannten Beziehung rw 1 = rbl/cos aw
oder rw 2 =rb 2/cosaw und darnit derAchsabstand

{XIV.23)

Ist der Achsabstand a= rw 1 + rw 2 gegeben, so kann nach Gleichung {XIV.23) cosaw bestirnmt
und aw aus der Funktionstafel abgelesen werden. Uber die Evolventen-Funktionstafel ist damit
auch invaw bekannt und es kann mit (XIV.22) die Summe der Profilverschiebungsfaktoren
bestimmt werden:

(XIV.24)

Fiir die Aufteilung der Summe x 1 + x 2 auf die beiden Răder gilt Bild XIV .13 nach DIN 3992,
Empfehlungen fiir die Wahl der Profilverschiebung.

Ablesebeispiel: Gegeben z 1 =24, z 2 = 108, damit i =4,5, Summe x 1 + x 2 =+ 0,5. Man trăgt iiber
mittlerer Zăhnezahl z =(z 1 + z 2 }/2 ={24 + 108)/2 =66 den mittleren Verschiebungswert
x =(x 1 + x 2 )/2 =+ 0,25 von Nullinie auf. Die den benachbarten L-Linien angepafbte Gerade er-
gibt flir z 1 und z 2 die Werte x 1 = + 0,36 und x 2 = + 0,14.

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t-.::;; !"-=,
N +--
- ~~
Bild XIV.13

"
Aufteilung der Summe der
~- 1~ t - - - t-"':::::: f.....d +--
·---"'.
~- Profilverschiebungsfaktoren:
-0,2
1 " 1'--.1 : ........... t-..... sî" f.-- Paarungslinien L bei i > 1
t--.......
r- i"\ Ycr~ i" r-.... !'-...... t;o
1
0-- ~ (Ubersetzung ins Langsame),
S bei i < 1 (tlbersetzung
:
-0,4 ('_p
1\ 'i ~
'-

~ '1 1--... ins Schnelle)


w ~~~ g ~ -~~ ~ ~ ~~m m ~ ~ s
Zăhnezahl z. Zn
1441
Masch inenelemente

Tafel XIV .2. Evolventenfunktion inv a = tan a - arc a

""
~ inv <> flir a 0
.s 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28
:::;
o 0,00749 0,00903 0,01076 0,01272 0,01490 O,Ql735 0,02005 0,02305 0,02635 0,02997 0,03395 0,03829 0,04302
1 751 905 1079 1275 1494 1739 2010 2310 2641 3004 3402 3836 4310
2 754 908 1082 1278 1498 1743 2015 2315 2646 3010 3408 3844 4318
3 757 911 1085 1282 1502 1747 2019 2321 2652 3017 3416 3851 4326
4 759 913 1088 1285 1506 1752 2024 2326 2658 3023 3423 3859 4335
5 661 916 1092 1289 1510 1756 2029 2331 2664 3029 3429 3867 4343
6 764 919 1095 1292 1514 1760 2034 2336 2670 3036 3436 3874 4351
7 766 922 1098 1296 1518 1765 2039 2342 2676 3042 3443 3882 4359
8 769 924 1101 1299 1522 1769 2044 2347 2681 3048 3450 3889 4368
9 771 927 1104 1303 1525 1773 2048 2352 2687 3055 3457 3897 4376
10 774 930 1107 1306 1529 1778 2053 2358 2693 3061 3464 3905 4384
Il 776 933 1110 1310 1533 1782 2058 2363 2699 3068 3471 3912 4393
12 779 936 1113 1313 1537 1786 2063 2368 2705 3074 3478 3920 4401
13 781 938 1117 1317 1541 1791 2068 2374 2711 3081 3486 3928 4410
14 783 941 1120 1320 1545 1795 2073 2379 2717 3087 3493 3935 4418
15 786 944 1123 1324 1549 1799 2078 2385 2723 3094 3499 3943 4426
16 788 947 1126 1327 1553 1804 2082 2390 2728 3100 3507 3951 4435
17 791 949 1129 1331 1557 1808 2087 2395 2734 3107 3514 3959 4443
18 793 952 1132 1335 1561 1813 2092 2401 2740 3113 3521 3966 4452
19 796 955 1136 1338 1565 1817 2097 2406 2746 3119 3528 3974 4460
20 798 958 1139 1342 1569 1822 2102 2411 2752 3126 3535 3982 4468
21 801 961 1142 1345 1573 1826 2107 2417 2758 3133 3542 3990 4477
22 803 964 1145 1349 1577 1831 2112 2422 2764 3139 3549 3997 4486
23 806 967 1148 1353 1581 1835 2117 2428 2770 3146 3557 4005 4494
24 808 969 1152 1356 1585 1840 2122 2433 2776 3152 3564 4013 4502
25 811 972 1155 1360 1589 1844 2127 2439 2782 3159 3571 4021 4511
26 813 975 1158 1363 1593 1849 2132 2444 2788 3165 3578 4029 4519
27 816 978 1161 1367 1597 1853 2137 2450 2794 3172 3585 4037 4528
28 818 981 1164 1371 1601 1858 2142 2455 2800 3178 3592 4044 4537
29 821 984 1168 1374 1605 1862 2147 2461 2806 3185 3599 4052 4545
30 823 987 1171 1378 1609 1867 2151 2466 2812 3192 3607 4060 4554
31 826 989 1174 1382 1613 1871 2156 2472 2818 3198 3614 4068 4562
32 829 992 1178 1385 1617 1876 2161 2477 2824 3205 3621 4076 4571
33 831 995 1181 1389 1621 1880 2167 2483 2830 3212 3629 4084 4579
34 834 908 1184 1393 1625 1885 2171 2488 2836 3218 3636 4092 4588
35 836 0,01001 1187 1396 1629 1889 2177 2494 2842 3225 3643 4099 4597
36 839 1004 1191 1399 1634 1894 2181 2499 2848 3231 3650 4108 4605
37 841 1007 1194 1404 1638 1898 2187 2505 2855 3238 3658 4116 4614
38 844 1010 1197 1407 1642 1903 2192 2510 2861 3245 3665 4124 4623
39 847 1013 1201 1411 1646 1907 2197 2516 2867 3252 3672 4132 4631
40 849 1016 1204 1415 1650 1912 2202 2521 2873 3258 3680 4139 3640
41 852 1019 1207 1419 1654 1917 2207 2527 2879 3265 3687 4148 4649
42 854 1022 1211 1422 1658 1921 2212 2532 2885 3272 3695 4156 4657
43 857 1025 1214 1426 1663 1926 2217 2538 2891 3279 3702 4164 4666
44 860 1028 1217 1430 1667 1930 2222 2544 2898 3285 3709 4172 4675
45 862 1031 1221 1433 1671 1935 2227 2549 2904 3292 3717 4180 4684
46 865 1034 1224 1437 1675 1940 2232 2555 2910 3299 3724 4188 4692
47 868 1037 1227 1441 1679 1944 2238 2561 2916 3306 3731 4196 4701
48 870 1040 1231 1445 1684 1949 2243 2566 2922 3312 3739 4204 4710
49 873 1043 1234 1449 1688 1954 2248 2572 2929 3319 3746 4212 4719
50 876 1046 1237 1452 1692 1958 2253 2578 2935 3326 3754 4220 4728
51 878 1049 1241 1456 1696 1963 2258 2583 2941 3333 3761 4228 4736
52 881 1052 1244 1459 1700 1968 2263 2589 2947 3340 3769 4236 4745
53 884 1055 1248 1464 1705 1972 2268 2595 2954 3347 3776 4244 4754
54 886 1058 1251 1467 1709 1977 2274 2601 2960 3353 3783 4253 4763
55 889 1061 1254 1471 1713 1982 2279 2606 2966 3360 3791 4261 4772
56 892 1064 1258 1475 1717 1986 2284 2612 2972 3367 3798 4269 4780
57 894 1067 1261 1479 1722 1991 2289 2618 2979 3374 3806 4277 4789
58 897 1070 1265 1483 1726 1996 2294 2624 2985 3381 3814 4285 4798
59 899 1073 1268 1487 1730 2001 2300 2629 2991 3388 3821 4294 4807

1442
Tafel XIV.3. Rechenschema zur Bestimmung der geometrischen GroBen beim Geradzahn-V-Null-
Getriebe bei gegebenen Zăhnezahlen z 1 , z 2 und gegebenem Modul m ( AuBengetriebe)

Formei-
geometrische GriiBe Berechnungsgleichung
zeichen
Obersetzung i i = nt1n2 = z2fz1 = r2fr1 = M 12!Mo
Teilkreisradius r r=d/2=mz/2
Teilkreisteilung Pt Pt = m 7r
Grundkreisradius 'b Tb =r COS<>n
Grundkreisteilung Pb Pb = Pt COS<>n
Mindest-Profilverschiebungsfaktor
X X = (17 - Z t)/17
bei z 1 < 17
Profilverschiebung V v1 =x 1 m; v 2 =- v 1, wegenx 2 =-x 1
Kopfkreisradius
'• 'al =r 1 +m +v 1
'a2=r2+m-v1
Fu11kreisradius Tf Tfl = r1 - m (1,25- xt) ftir Zahnkrafthiihe des
Tf2 = r2- m (1,25 + xt) Werkzeugs hrp = 1,25 m
Achsabstand (RechengriiBe) ad ad =r 1 +r2 = m (z 1 +z2)/2

~~
al bl ± 'a2- 'b2 + ad sin <>n
Profiliiberdeckung € =
€"'
"' m 7r cos <>n

ad ist "normaler" Achsabstand nach (XIV.4); x 1, x2 Profilverschiebungsfaktoren nach (XIV.10); m Modul;


z 1 , z2 Zăhnezahlen; zu <"':o bere Vorzeichen fiir AuBenverzahnung, untere fiir Innenverzahnung

Tafel XIV.4. Rechenschema zur Bestimmung der geometrischen GroBen beim Geradzahn-V-Getriebe
(AuBengetriebe)

Formel-
geometrische GriiBe Berechnungsgleichung
zeichen
Obersetzung i = nt1n2 = z2/Z1 = r2/r1 = rw2frw1 = M2/M1
Teilkreisradius r r = d/2 = mz/2
Teilkreisteilung Pt Pt = m 7r
Grundkreisradius 'b rb = r COS<>n
Grundkreisteilung Pb Pb = Pt cos<>n
'b
Wălzkreisradius
r =--
w COSCi.w

Betriebseingriffswinkel
Mindest-Profilverschiebungsfaktor
X X= (17- Z t)/17
bei z 1 < 17
Profilverschiebung V v 1 =x 1 m; v 2 =x2m
inv<>w- inv<>n
Summe der Profilverschiebungsfaktoren x 1 +x 2 = (z1+z2)
2 tan <>n
m (z 1 + z 2) cos <>n cos "'n
Achsabstand a a=rwl+rw2= 2 cos<>w;a=adcos<>w

RechengriiBe 0d ad =r 1 +r2 = m(z 1 +z 2 )/2


Kopfkreisradius 'a ral=a+m(l-x2)-r2
'a2=a+m(l-xt)-r1
FuBkreisradius Tf 'fl = r1- m(l,25- xtl ftir Zahnkopfhiihe des
'f2 = r2- m(1,25- x2) Werkzeugs hrp = 1,25 m

Profiliiberdeckung €"'

1443
Maschinenelemente

5. Geradstirnrăder

5.1. Verwendung, Eigenschaften


Verwendung bei kleineren bis mittleren Umfangsgeschwindigkeiten (uuo ~ 20 m/s) flir Universa\-
getriebe, Hebezeuge, Winden, Verschieberădergetriebe in Werkzeugmaschinen u. dgl. Geradstirn-
răder erzeugen im Gegensatz zu Schrăgstirnrădern keine Axialkraft und damit keine zusătzlichen
Lagerbelastungen, sind jedoch bei hohen Drehzahlen hinsichtlich Laufruhe und Gerăuschbildung
ungiinstiger.

5.2. Allgemeine Abmessungen, geometrische GroSen, Profilverschiebung


Allgemeine Abmessung und Verzahnungsma~e siehe unter 3.; Eingriffsstrecke, Eingriffslănge,
Profiltiberdeckung siehe 4.2.3; Zahnunterschnitt, Grenzzăhnezahl siehe unter 4.2. 7; Profilverschie-
bung, Spitzengrenze siehe unter 4.2.8 und 4.2.9; geometrische Gro~en beim V- und V-Nullgetriebe
siehe unter 4.2.10.
Rad 2 getrieben
5.3. Kraftverhăltnisse

Zahnkraft Fbt wirkt senkrecht zur Zahn-


flanke lăngs der Eingriffslinie. Komponenten
sind die Umfangskraft F 1 und die Radial-
kraft Fr (Bild XIV.14). Aus Drehmoment T
und Teilkreisdurchmesser d ergibt sich die
Umfangskraft

F _2T F1 1 T 1 d (XIV.27)
t- d
N Nmm mm
Bei Eingriffswinkel o:0 = 20° werden hiermit
die Radialkraft F1 und die Zahnkraft Fbt:
F"r =F1 tano:0 ""0,364F1 (XIV.28)
Ft
Fbt = cos o:n "" 1 ,065 F1 (XIV.29) Bild XJV.14. Krăfte am Geradzahn-Stirnrad

5.4. Berechnung der Zăhne


Die genaue Berechnung der Tragfahigkeit der Zăhne kann nur eine Nachprtifung sein, da a\le Ver-
zahnungsdaten bekannt sein mtissen.
5.4.1. Vorwahl der Hauptabmessungen. Vor der Nachprtifung werden die Hauptabmessungen der
Zahnrăder (Modul, Zăhnezahl, Teilkreisdurchmesser, Breite) zunăchst tibersch\ăgig mit Erfahrungs-
daten festge\egt. Man unterscheide folgende Fălle:
a) Durchmesser dr der We\le flir das Ritzel ist aus vorhergegangener Festigkeitsberechnung gegeben
oder tiberschlăgig bestimmt nach (X.5). Der hierftir erforderliche, moglichst kleine Ritzel-Teilkreis-
durchmesser ergibt sich aus:

(XIV.30)
mm

Bei Ausbildung als Ritzelwe\le (We\le und Ritzel aus einem Sttick) wird
1,1 drz 1
dl ""--",....-::- (XIV.31)
ZI -2,5

1444
XIV. Zahnrăder

Als Ritzelzdhnezahl wăhlt man bei hohen Umfangsgeschwindigkeiten (v > 5 m/s): z 1 ,." 20 ... 25;
bei mittleren Umfangsgeschwindigkeiten (v = 1.. .5 m/s): z 1 ,." 18 ... 22; bei kleinen Umfangs-
geschwindigkeiten (v < 1 m/s): z 1 ,." 15 ... 20.
Zur Ermittlung von v = d 1 1T n/60 000 wăhlt man zunăchst d 1 ,." 2 dr bzw. ,." 1,25 dr.
Der Modul ergibt sich dann aus m=dJ/z 1 ; gewăhlt wird der năchstliegende nach DIN780,
Tafel XIV.1.
Zur Festlegung der Zahnbreite nimmt man aus b 1 ,." Wd d 1 und b 1 ,." Wm m etwa den mittleren
Wert. Breitenverhăltnis Wd =b J/d 1 nach Bild XIV.l5. Breitenverhăltnis Wm =b J/m ,." 1O bei ge-
gossenen Zăhnen; 1/Jm ,." 15 bei geschnittenen Zăhnen, Lagerung auf Trăgern, Sockeln u.dgl., Ritzel
fliegend; 1/Jm ,." 25 bei genau geschnittenen Zăhnen, guter Lagerung in Getriebekăsten; 1/Jm ~ 30
bei bester Verzahnung und genauester, starrer Lagerung.
Zur Vermeidung von "Radversetzungen" und zum Ausgleich von Einbauungenauigkeiten wăhlt
man die Breite des GroBrades b 2 ,." b 1 -5 mm.

--
Bild XIV.lS. Breitenverhiiltnis 1/J d
2
~
Kurve a: Schaltgetriebe und Getriebe mit kleinen
1P Drehzahlen; Verzahnung und Wellen-
~ 1.6 cJ... ~ lagerung in mittlerer Ausftihrung; bei
.Q v ............
,,fliegendem" Ritzel
~" 1,4
/
/"
c~
~ f-""" Kurve b: Getriebe mit mittleren Drehzahlen; Uni-
1,2

-
-~ versalgetriebe; Verzahnung und Wellen-
:§ ..... ............ ~
~
lagerung in guter, handelsiiblicher Aus-
'"''-
.c:
0,8 /
.........
..... ).. fiihrung
"'c:,. /
......... a 1-"" ~ Kurve c: Schnellaufende Getriebe mit hoher
~ 0,6
V ............ Lebensdauer; Verzahnung und Wellen-
"''- 0,4 ......... lagerung mit hoher Genauigkeit
v'
ll:l
0,2 Kurve d: Schnellaufende Getriebe mit hiichster
2345678910 Lebensdauer; Verzahnung und Wellen-
Zăhnezahlverhăltnis u= z2 1z1 lagerung mit hiichster Priizision bei starr
gelagerten Wellen

b) Wellendurchmesser sind noch unbekannt; nicht gebunden an bestimmten Achsenabstand; Ober-


tragung groBerer Leistungen,
Man bestimmt den Teilkreisdurchmesser des treibenden Rades (meist des Ritzels) aus

950
dl,." _ _, V T1 aHlim
Wd
·i+
-- 1
dl TI pl aH Iim ni Wd, 1 (XIV.32)

V
bzw. aHlim i

d 1 ,." 20500. P1 aHlim. i: 1 mm Nm kW


N
mm 2
min- 1
(XIV.33)
aHlim Wd n1 1

T 1 Drehmoment des teibenden Rades; P1 zu tibertragende Leistung; i Obersetzung des Rad-


paares; Wd Breitenverhăltnis nach Bild XIV.15; aH Iim Hertzsche Pressung des Ritzels nach Tafel
XIV.5 (zur Vorwahl des Ritzelwerkstoffes diene Tafel XIV.6); n 1 Drehzahl des teibenden Rades.
Ritzelzdhnezahl, Modul und Zahnbreite wăhlt man wie oben unter a). Bei der Wahl der Ritzel-
zăhnezahl ist zu beachten, daB die Bedingungen nach (XIV.30) bzw. (XIV.31) erflillt sind. Der
Durchmesser der Ritzelwelle kann dabei tiberschlăgig ermittelt werden aus dr ,." 0,65 ~ in mm
(T 1 in Nmm).
c) Achsenabstand a ist aus baulichen Grtinden gegeben (hăufig bei Feinmaschinen). Der Teilkreis-
durchmesser des treibenden Rades (meist des Ritzels) wird dann

~ (XIV.34)
~
1445
Maschinenelemente
Bei Leistungsgetrieben sollen gleichzeitig die Bedingungen nach (XIV.32) bzw. (XIV.33) erflillt
sein. Gegebenenfalls ist der aH Iim -Wert und darnit der Werkstoff des Ritzels entsprechend zu
wăhlen. Fiir die Festlegung von Ritzelzăhnezahl, Modul und Zahnbreite gelten die Angaben wie
o ben zu a) und b). Vielfach lăl1t sich jedoch der verlangte Achsenabstand nur durch entsprechende
Profilverschiebung erreichen (siehe unter 4.2.11).

Tafel XIV.5. Werkstoffe und Festigkeitswerte ftir Zahnrăder (Empfehlungen nach DIN 3990)

Dauerfestigkeitswerte ftir
Art der Zahnfu~spannung Hertzsche
Nr. Werkstoff
Behandlung bei Schwellast Pressung
Rm aFlim UHtim
N/mm2 N/mm 2 N/mm 2
1 Gu~eisen mit GG-20 200 50 270
2 Lamellengraphit GG-26 250 60 310
3 GG-35 350 80 360
4 Gu~eisen mit GGG-42 800 200 360
5 Kugelgraphit GGG-50 900 210 420
6 GGG-60 1000 220 490
7 GGG-70 1100 230 525
8 Stahlg~ GS-45 410 130 280
9 GS-52 470 150 340
10 GS-60 520 170 420
11 allgemeiner St-42 450 170 290
12 Baustahl, St-50 550 190 340
13 unlegier( St-60 650 200 400
14 ungehărtet St-70 800 220 460
15 Vergiitungsstahl CK22/C22 vergiitet 600 170 440
16 CK45/C45 umlaufgehărtet 1000 270 1100
17 CK45/C45 badnitiert 1100 350 1100
18 CK60/C60 vergiitet 900 220 620
19 34Cr4 vergiitet 900 260 650
20 37Cr4 vergiitet 950 270 650
21 37Cr4 umlaufgehărtet 1150 310 1280
22 42CrMo4 vergiitet 1100 290 670
23 42CrMo4 umlaufgehărtet 1300 350 1360
24 42CrMo4 badnitriert 1450 430 1220
25 34CrNiMo6 vergiitet 1300 320 770
26 Einsatzstahl C15 900 230 1600
27 16MnCr5 1400 460 1630
28 20MnCr5 1500 480 1630
29 20MoCr4 einsatzgehărtet 1300 400 1630
30 15CrNi6 1600 500 1630
31 18CrNi8 1700 500 1630
32 17CrNiMo6 1700 500 1630

5.4.2. Vorwahl der Zahnradwetkstoffe. Der Werkstoff des Ritzels soli mindestens eine um 50 N/mm 2
hohere Bruchfestigkeit haben als der des Rades. Gegebenenfalls ist der Werkstoff zu ăndern, falls
die Nachpriifung der Zăhne dieses erfordert.
5.4.3. Wahl der Verzahnungsqualităt. Fiir die Toleranzen und darnit fur die Genauigkeit der Ver-
zahnung sind nach DIN 3960 zwi:ilf Qualităten vorgesehen. Fiir deren Wahl sind insbesondere das
Verwendungsgebiet und die Umfangsgeschwindigkeit mal1gebend, Richtlinien fUr die Auswahl der
Qualităt siehe Bild XIV.16.

Normen: DIN 3961, Erlăuterungen zu den Toleranzen ftir Stirnradverzahnungen; DIN 3962, zu-
lăssige Einzelfehler der Verzahnungen; DIN 3963, zulăssige Sarnmelfehler; DIN 3964, Toleranzen
fUr die Einbaumafk

1446
XIV. Zahnrăder

Tafel XIV.6. Beispiele fiir den Betriebsfaktor c 8


Der Betriebsfaktor berticksichtigt die Betriebsart des Systems "Kraftmaschine - Getriebe - Arbeits-
maschine", insbesondere Drehmomentenschwankungen von der Antriebsseite her und Sti:i~e aus
der Arbeitsmaschine. Er sollte im Einvernehmen mit dem Abnehmer des Getriebes festgelegt
werden.

Kraftmaschine Arbeitsmaschine Betriebsfaktor


(Antrieb) (Abtrieb) Cs

Turbine Kreiselpumpe l ,1
Elektromotor Werkzeugmaschine 1,25
Verbrennungsmotor Schiffsschraube 1,4
Elektromotor Walzwerksanlage l ,5

Qualitiit Qualităt

11121314 516 71 8_191101111121 112131415 6171819110111112


0. .. 3
Turbinen 1 o
Brennkraftmasch.l
~,J.. u, cLl

Schiffsbau 1 [ 8... 20 J
1 Dampfmaschinen 1
1 Textilmaschinen J [
1 Oruckereimasch. 1 >20
Apparatebau 1 1
L-
Eisenbalm -u. Signalbau J
Hebe-u. Firdermasch. 1
Biiromaschinen 1
Uhrenu.feinmech. Appar.i
r-
L Werkzeugmaschinen J
MeO.aerătel
r
r.l
F/ugzeggbau J
L Kraftfahrzeu.ae 1
1 Schienenfahrzeuge 1
1 landmaschinen J
a) c)

Bild XIV.16. Richtlinien fiir die Wahl der Verzahnungsqualitat. a) nach Verwendungsgebiet,
b) nach Umfangsgeschwindigkeit, c) nach Herstellungsverfahren

5.4.4. Nachpriifung der Zăhne. Nach Vorwahl und


Festlegung der Verzahnungsdaten wird die Zahnfu~­
beanspruchung und die Flankenbeanspruchung
(Hertzsche Pressung) nachgeprtift. Im folgenden sind
die Empfehlungen nach DIN 3990 berticksichtigt.

Nachpriifung der Zahnfuflbeanspruchung. Der Zahn-


fu~ ist am stărksten gefahrdet, wenn die Zahnkraft
Fbt am Kopfpunkt des Zahnes angreift (Bild XIV.17).
Gefahrdeter Querschnitt A -B wird durch Kompo-
nente Fct auf Druck, durch Moment Mb = Fb l auf
Biegung und zusătzlich durch Fb auf Schub (vernach-
lăssigbar) beansprucht. Bild XIV.17. Kriifte am Zahn

1447
Maschinenelemente

Werden Fct und Fb durch Umfangskraft F 1 ausgedriickt und die konstanten bzw. wenig verănder­
lichen Verzahnungsdaten (an, {3, l, sr) in YF zusammengefaBt, dann ergibt sich die Zahnfuj3span-
nung

(XIV.35)

N
N mm
mm 2

Umfangskraft am Teilkreis F 1 = 2 Ti c 5 jdi, worin Ti (Nenn-)Drehmoment des Ritzels in Nmm,


cs Betriebsfaktor nach Bild XIV.6, d i Ritze!-Teilkreisdurchmesser in mm, b Zahnbreite; m Modul;
YF Zahnformfaktor, abhăngig von den Verzahnungsdaten, nach Bild XIV.l8; Y. Dberdeckungsfak-
tor zur Beriicksichtigung der Profiliiberdeckung. Man setze Y. = 1 bei "normaler" Verzahnung (Qua-
lităt 8 .. .12), rohen Zăhnen und geringer Belastung, da hierbei nicht darnit zu rechnen ist, daB meh-
rere Zahnpaare gleichzeitig die Umfangskraft iibertragen; Y. "'=' 0,8 bei genauer Verzahnung (Quali-
tăt 5 ... 7) und hăherer Belastung. aFP ist die zulăssige ZahnfuBspannung, man setzt aFP = Rm/V
(bei langsam laufenden Rădern und handbetătigten Hebezeugen, v""' 2,5), aFP = aF limfv (bei
schnellaufenden Rădern, v "'=' 2). Entsprechende Festigkeitswerte siehe Tafel XIV.S.
Die Nachprtifung soli stets fiir beide Răder durchgefiihrt werden.

-~-----

Bild XIV.l8
Ermittlung des Zahnformfaktors YF
90 100
Ziihnezahl z, Zn (Ersatzzăhnezahl beim Schrăgstirnrad)

Nachpriifung der Flankenbeanspruchung. Die an den Zahnflanken auftretende F\ăchenpressung ist


flir die Lebensdauer eines Getriebes von entscheidender Bedeutung. Um eine fortschreitende
"Griibchenbildung" an den Flăchen zu vermeiden und die Lebensdauer der Zăhne nicht zu gefahr-
den, darf die im Wălzpunkt auftretende Hertzsche Pressung einen zulăssigen Wert nicht iiberschrei-
ten:

(XIV.36)
N
N
mm 2

1448
XIV. Zahnrăder

Umfangskraft am Teilkreis F 1 = 2 T 1 csfd 1 wie zu (XIV.35); b Zahnbreite (von beiden Rădern die
kleinere ); d 1 Teilkreisdurchmesser des Ritzels, u = z 2 /z 1 ;?: 1 Zăhnzahlverhăltnis gleich Verhăltnis
der Zăhnezahl des Gro~rades zur Zăhnezahl des Ritzels, bei i > 1 ist u = i; ZE Elastizitătsfaktor
zur Berticksichtigung des E-Moduls der Werkstoffe der Răder nach Tafel XIV.7;Ze Dberdeckungs-
faktor zur Beriicksichtigung der Lănge der Beriihrungslinien: Bei ,,normaler" Verzahnung (Qualităt
8 ... 12), rohen Zăhnen und geringer Belastung ist mit gleichzeitiger Ubertragung der Kraft durch
mehrere Zahnpaare nicht zu rechnen, man setzt dann Ze = 1; bei genauer Verzahnung und hăherer
Belastung kann Ze ~ 0,8 gesetzt werden; Zonenfaktor ZH ist abhăngig von den Verzahnungsdaten
und erfa~t die Krtimmung der Zahnflanken:

fiir Zahnrăder (XIV.37)

flir Null-Kegehăder (XIV.38)

Eingriffswinkel im Stirnschnitt a 1 am Teilkreis nach tana 1 = tanan/cos(j {bei Geradverzahnung


ist (j =O und damit a 1 =an= 20°); Betriebseingriffswinkel im Stirnschnitt OWt bei vorgeschriebe-
nem Achsabstand a nach cosaw1 = ad ~fa mit Achsabstand ad ohne Profll.verschiebung nach
(XIV.42); Schrăgungswink<:l 13!, am Grundkreis nach tan13!, = tan(jcosa 1 mit Schrăgungswinkel (j
am Teilkreis unter 6.2. Zulăssige Hertzsche Pressung aus aHP = aHiim/v, wobei v~ 1,5 einzu-
setzen ist. aH Iim aus Tafel XIV.S.

Tafel XIV.7. Richtwerte fiir den Elastizitătsfaktor ZE in .../N/mm2

Elastizităts-

Werkstoff des Ritzels Werkstoff des Rades faktor ZE


in ./Ntmm•

Stahl Stahl 189,8


StahlguJ.\ GS-60 188,9
Kugelgraphit·
gui\ GGG-50 181,4
Grauguf.\ GG-25 163,5
Gui\-Zinn-
Bronze G-SnBz14 155
Kugelgraphit· Kugelgraphit·
gut\ GGG-50 guf.\ GGG-42 173,9
Stahl Duroplast-Schicht·
stoff (Hartgewebe) 57,2

1449
Maschinenelemente

6. Schrăgstirnrăder

6 .1. Verwendung, Eigenschaften


Die Zăhne sind auf dem Radzylinder schraubenfărmig gewunden und bilden am Teilkreis mit der
Radachse den Schrăgungswinkel ~- Bei Paarung zweier Răder zum Stirnradgetriebe mi.issen die
Zăhne des einen Rades rechts, die des anderen linkssteigend sein. Zwei Răder mit Zăhnen gleichen
Steigungssinnes ergeben ein Schraubradgetriebe. Verwendung bei hăheren Drehzahlen und Be-
lastungen, ruhiger, gerăuscharmer Lauf; gră~erer Dberdeckungsgrad gegeni.iber Geradstirnrăder;
jedoch Axialschub, der durch Doppelschrăg- ader Pfeilzăhne aufgehoben werden kann.
6.2. Allgemeine Abmessungen
Schrăgungswinkel i.iblich ~ "=' 10° ... 20°. Im Nor-
malschnitt senkrecht zur Flankenrichtung zeigt
sich die normale Evolventenverzahnung mit dem
Normaleingriffswinkel an und der Normalteilung
Pn = mn 1f (mn Normalmodul gleich Norm- ~
Modul). An der Stirnflăche des Rades wird die -'-==~
Stirnteilung Pt =pn/cos~ gemessen, entsprechend
Norma/schnitt
Stirnmodul mt = mnfcos~ (Bild XIV.19); Stirn-
eingriffswinkel at aus tanat =tan an/cos~. Teil-
kreisdurchmesser d, Kopfkreisdurchmesser d 3 ,
Grundkreisdurchmesser db und Achsabstand ad
ergeben:
mn
d=mtz = - - z (XIV.39)
cos~

d 3 =d+2mn (XIV.40)
db =d cosat (XIV.41)
d! +d2
ad = --2- = (XIV.42)
Bild XIV.l9. Abmessungen der Schrăgzahn-Stirnrăder

6.3. Eingriffsstrecke, Eingriffslănge,


Profiliiberdeckung
Fi.ir die Eingriffsstrecke gcx und die Eingriffs-
lănge e gelten sinngemă~ die Angaben und Glei-
chung unter 4.2.3 und in Tafel XIV.3, wobei
an= at zu setzen ist. Die Gesamtilberdeckung Eges
setzt sich zusammen aus der Profili.iberdeckung Erx
nach (XIV.6), worin an = at zu setzen ist, und
der Sprungi.iberdeckung e13 = Spfpt mit Sprung
Sp = b tan~:
(XIV.43)
Der Sprung Sp ist die auf die Zahnbreite bezo-
gene, am Teilkreis gemessene Schrăgstellung der
Zăhne (Bild XIV.l9).

6.4 Ersatz-Geradstirnrad, Grenzzăhnezahl


Man ftihrt zweckrn~ig das Schrăgstirnrad mit der Zăhnezahl z auf ein Geradstirnrad, das Ersatz-
Geradstirnrad zuri.ick. Hierflir gelten dann sinngemă~ die Angaben unter 4.2.7.

1450
XIV. Zahnrader

Fiir das aus dem Norma1schnitt entstehende Ersatzrad (Bild XIV.20) ergibt sich die Ersatzzăhnezahl
z
Zn = cos3 (3 (XIV.44)
Wird Zn = zg = 17 gesetzt, dann ergibt sich die Grenzzăhnezahl bei Schrăgstirnrădern

zgs = 17 cos 3 (3 (XIV.45)

6.5. Proftlverschiebung, Zahnspitzengrenze


Bei Zăhnezahlen z < zgS ist zur Vermeidung von Unterschnitt Profilverschiebung erforder\ich.
Zur Ermittlung der Profilverschiebung v und der Profilverschiebungsfaktoren Xth und x gelten die
unter 4.2 8 hergeleiteten Gleichungen (XIV.8), (XIV.9) und (XIV.10), wobei m = mn (Normal-
modul) und z = Zn zu setzen sind.
Ebenso wie die Grenzzăhnezahl \iegt auch die Spitzengrenze mit groBer werdendem Schrăgungs­
winkel (3 niedriger.
Grenzzăhnezahlen und Spitzengrenze sind in Abhăngigkeit vom Schrăgungswinke1 in Bild XIV.21
dargestellt.

20

15
-- -
·- !'--'< ~Zgs
'-,
F,.
.'-

--
'-,

-
"-, Norma/schnitt
\ 1-- A-8
ZmmS (Spitzengrenze)-

-1 1 1
r---
1
o 10 20 30 40
Schri:igungswinkel (3

Bild XIV.21. Grenz- und Mindestzăhnezahlen Bild XIV.22. Kraftverhăltnisse am


bei Schrăgverzahnung Schrăgzahn-Stirnradgetriebe

6.6. Kraftverhăltnisse
Die Schrăgung der Zăhne ergibt zusătzliche Axialkraft. Nach Bild XIV.22 ergeben sich mit der
Umfangskraft F 1 = 2 T/d die Axialkraft Fa und die Radialkraft Fr:
F 1 tanO'n
(XIV.46) F=--- (XIV.47)
r cos(3
6.7. Berechnung der Zăhne
Die Berechnung wird im Prinzip wie fur Geradstirnrăder unter 5.4 durchgefiihrt.
6.7.1. Vorwahl der Hauptabmessungen
a) Durchmesser d der Welle des Ritzels ist bekannt oder iiberschlăgig bestimmt nach (X.5).
Man ermittele den Ritzel-Teilkreisdurchmesser d 1 nach (XIV.30) bzw. (XIV.31). AlsRitzelzăhne­
zahl wăhle man ein bis zwei Zăhne weniger als bei Geradzăhnen (siehe unter 5.4.la). Der Stim-
modul ergibt sich aus m 1 = d dz 1 • Die Zahnbreiten b 1 und b 2 wăhle man wie fur Geradstirnrăder,
jedoch soll !J;m =bdm 1 ""30 bei groBeren Schrăgungswinkeln ((3 > 25°) nicht iiberschreiten.

1451
Maschinenelemente
Den Schrăgungswinkel ţ3 bestimmt man so, daE die Sprungiiberdeckung €(3 ""' 1 ... 1,2 betrăgt
(giinstig ftir Laufruhe, keine zu gro~en Axialkrăfte). Aus
Sp b 1 tanţ3
€(3 = p; = rrm;-
kann der Schrăgungswinkel ermittelt werden aus

tanţ3 = z;: Ef3 ""'3,5 z;;


1Tmt mt
(XIV.48)

Mit ţ3 ergibt sich dann der Norma/modul mn = m1 cosţ3. Fiir diesen wird der năchstliegende Norm-
Modul nach Tafel XIV.1 gewăhlt und hiermit die endgiiltigen Radabmessungen nach 6.2 festgelegt.
b) Wellendurchmesser noch unbekannt; nicht gebunden an bestimmten Achsenabstand; Dbertra-
gung gro~erer Leistungen.
Man ermittelt den Ritzel-Teilkreisdurchmesser wie bei Geradstirnrădern nach (XIV.32) bzw.
(XIV.33). Zur Ermittlung der sonstigen Baugro~en ist wie unter a) zu verfahren, gleichzeitig sind
die Hinweise unter 5.4.1b) zu beachten.
c) Achsenabstand ist aus baulichen Griinden gegeben.
Bestimmung des Teilkreisdurchmessers des treibenden Rades nach (XIV.34). Fiir die Festlegung
der sonstigen Baugro~en gelten sinngemă~ die Angaben zu 5.4.1c).

6.7.2. Werkstoffe, Verzahnungsqualităt. Fiir die Wahl der Werkstoffe und der Verzahnungsqualităt
sind die gleichen Gesichtspunkte wie flir Geradstirnrăder maEgebend, siehe unter 5.4.2 und 5.4.3.

6.7.3. Nachpriifung der Zlihne. Die Tragfâhigkeit der Zăhne der Schrăgstirnrăder wird genau so
gepriift wie die der Geradstirnrăder:
Nachpriifung der Zahnfu~-Tragfâhigkeit nach (XIV.35), der Flanken-Tragfâhigkeit nach (XIV.36).
An Stelle von m ist jeweils der Normalmodul mn, an Stelle von z die Ersatzzăhnezahl Zn zu setzen.

• Beispiel: Fiir den Spindelantrieb einer Frăsmaschine ist das Schrăgstirnradpaar als Eingangsstufe
zu berechnen. Antriebsleistung P = 4 kW, Antriebsdrehzahl n = 700 min- 1 • Ritzel sitzt auf Motor-
welle mit dr = 38 mm Durchmesser. Dbersetzung i = 4.8.

LOsung: Zunăchst werden Hauptabmessungen vorgewăhlt. Durchmesser dr der Welle des Ritzels
ist gegeben. Nach 6.7.1 unter a) wird der Ritzel-Teilkreisdurchmesser nach (XIV.30):
1,8 dr z,
d 1 :2: ---:--:-
z,- 2,5
Nach 5 .4.1 unter a) wird Ritzelzăhnezahl z 1 =20 gewăhlt bei
d 1 1rn 1 2dr1Tn 700 m
v =60 - - ""'2·0038·1f·-""'28-
- - " " '60 , 60 , s

hiermit und mit dr = 38 mm wird

d 1:2: 1,8 · 38_mm · 20 78


20 2 ,5 :2: mm""' 80 mm

Der Stirnmodul ergibt sich aus (XIV.39): m 1 = ddz 1 = 80 mm/20 = 4 mm. Ritzelbreite gleich
Zahnbreite b 1 ""' 1/J d d 1 ; Breitenverhăltnis nach Bild XIV .15: 1/J d ""'O ,9 fiir Kurve b und u = i = 4,8;
damit b 1 ""'0,9 · 80 mm ""'70 mm. Mit Breitenverhăltnis 1/Jm ""'15 (geschnittene Zăhne, Ritzel
fliegend) wird b 1 = 1/J m m 1 ""' 15 · 4 mm ""'60 mm; gewăhlt wird b 1 = 65 mm als mittlerer Wert.

1452
XIV. Zahnrăder

Ein giinstiger Schrăgungswinkel (3 ergibt sich aus XIV .48 :


mt 4mm
tan(3"" 3,5-,;;- ""3,5 65 mm ""0,215; (3 = 12°10', gewăhlt (3 = 12°

Hiermit wird der Normalmodul m 0 = mt cos(3 = 4 mm cos 12° = 3,91 mm, gewăhlt nach DIN 780,
Ta fel XIVo1: m 0 = 4 mmo Damit werden nun die endgi.iltigen Abmessungen der Răder festgelegt:
Tatsăchlicher Stirnmodul mt = m 0 /cos(3 = 4 mm/cos 12" = 4,09 mmo Teilkreisdurchmesser nach
(XIV.39) flir Ritzel: d 1 = mtfz 1 = 4,09 mm 020 = 81,8 mm; flir Rad mit z 2 = iz 1 = 4,8 °20 = 96;
d 2 =mtfz 2 =4,09o96=392,64mm; Achsenabstand ad nach (XIVo42): ad =(d 1 +d2)/2=
(81 ,8 mm + 392,64 mm)/2 = 237,22 mm; Breite des Ritzels b 1 = 65 mm, Breite des Rades
b 2 = 60 mmo
Vowahl der Werkstof[eo Nach Tafel XIVo6 werden vorlăufig flir das Ritzel St 70, flir das Rad GS-52
gewăhlto

Wahl der Verzahnungsqualitiito Nach Bild XIVo16a kommen flir Werkzeugmaschinen Qualităt 5
bis 10 in Frage; flir Umfangsgeschwindigkeit

V= ----w- = 0,0818 o7r o6(}


d,nn, 700 m m
S ""3 S
die Qualităten 8 bis 100 Gewăhlt wird Qualităt 80
Nachprii[en der Ziihneo Ftir die Zahnfull.beanspruchung gilt flir das Ritzel nach (XIV.35):
Fu
aF! = -b-- YF Ye ~ aFP
1mn

Umfangskraft Fu = 2 T 1 c8 jd 1 ; Drehmoment des Ritzels T 1 = 9550 Pjn = 9550 o4/700 =


54,6 o10 3 Nmm; Betriebsfaktor nach Bild XIVo6: cs "" 1,5 (Elektromotor - Vollast, stoll,frei -
Zahnrad (Bruch) - 8 h); damit Fu= 2 o54,6 °10 3 Nmm o1,5/81,8 mm"" 2000 N; Zahnbreite
b 1 = 65 mmo Normalmodul m 0 = 4 mmo Zahnformfaktor nach Bild XIV.l8 ftir z 01 = zifcos 3
{3 = 20/cos 3 12° = 21,3 (nach Gleichung XIV.44) und x = 0: YF ""2,90 Dberdeckungsfaktor Ye = 1
flir Verzahnungsqualităt 80 Damit wird
2000N N N
aF! = 65 mm 04 mm o2,9 01 mm2 = 22,3 mm2

mit dem aF1im-Wert der Tafel XIVo5 wird nach (XIVo35) fur St70

220~
mm2 _li_ = 110 _li_
2 mm2 mm 2
Die Zahnfull.beanspruchung flir das Ritzel ist weit ausreichend; es gentigte zunăchst ein schwăche­
rer Stahl.
Ftir das Rad wird die ZahnfuBbeanspruchung
Ft2
aF2 = b2mn YF Ye

Fu = Ft2 = 2000 N; b 2 = 60 mm; m 0 = 4 mm; flir z 02 = z 2/cos 3 (3 = 96/cos 3 12° = 102 wird nach
Bild XIVo18 YF ""2,2; Ye = 1, damit
2000N N N
aF2 = 60 o2,2 o1 - -2 = 18,3 - -2
mmo 4 mm mm mm

1453
Maschinenelemente

mit dem aFlim -Wert der Tafel XIV.S wird nach (XIV.35) ftir GS52

150 __!'i_
aFlim mm 2 = 75 __!'i_
aFP2 = -V- = 2 mm2

Fiir die Flankentragf:ihigkeit gilt nach (XIV.36):

, / Ft u +1
aH= V bdl . -u- ZEZEZH

= =
Ft =Fu = 2000 N (w. o.); b b2 = 60 mm (kleinste Breite!); d 1 = 81,8 mm: u i = 4,8; Zonen-
faktor ZH mit ad = 237,22 mm, .B = 12° und o:t = 20,41 o nach (XlV.37): ZH = 2,45; Elasti-
zitătsfaktor ftir St gegen GS nach Tafel XIV.7: ZE ""'188,9; t.lberdeckungsfaktor Z, = 1 gewăhlt.

aH=
V 2000 N
60 mm _818
,mm
4,8 + 1
· 48
,
, IN -
mm mm
N
- ·2,45·188,9·v:=2-2 - 3 2 4 -2

mit dem aH1im-Wert der Tafel XIV.5 wird nach (XIV.36) flir St70

460 __!'i_
aHlimmm 2 N
aHPl = -v- = --=1::.::,5=- =307--
mm2

und fUr GS52

340 __!'i_
mm2 = 227 __!'i_
1,5 mm 2
Sowohl beim Ritzel als auch beim Rad ist die Flankentragfahigkeit aH> aHP, es muB in beiden
Făllen ein Werkstoff mit einem groBeren aH Iim -Wert gewăhlt werden.

7. Kegelriider

7.1. Allgemeines
Ausftihrung mit Geradzăhnen (nur bei kleineren Drehzahlen und Belastungen), Schrăg- und Bogen-
zăhnen. Die Achsen schneiden sich normalerweise in einem Punkt, meist unter dem Achsenwinkel
~ = 90°.

7.2. Geradverzahnte Kegelrăder

7.2.1. Geometrische Beziehungen. t.lbersetzung i = nJ/n 2 = z 2 /z 1 = d 2 /d 1 = r2 /r 1 • Mit den Teil-


kegelwinkeln 8 1 und 82 folgt aus Bild XIV.23: sind 8 1 = rJ/Ra und sin 82 = r2 /Ra, hiermit
sin 82 /sin 8 1 = (r2 R 3 )/(r 1 R 3 ) = r2 fr 1 = i; damit wird die Ubersetzung
. n 1 z2 d 2 sin8 2
z=-=-=-=-- (XIV.49)
n2 z1 d 1 sin8 1
Bei ~ = 8 1 + 8 2 = 90° wird
i = cot8 1 = tan8 2 (XIV.50)
ĂuBerer Teilkreisdurchmesser d = mt z; mt (AuBen-)Modul gleich Normmodul nach Tafel XIV.l.
Teilkreisteilung Pt = mt 1T, Kopfhohe ha = mt, FuBhohe hr = 1,2 mt gemessen an der AuBenflăche
(Bild XIV.24).

1454
XIV. Zahnrăder

Teilkegelllinge gleich Spitzenentfernung Ra = d/(2 sin li) 2: 3b (Bild XIV.23). Kopfwinkel Ka aus
tanKa = ha/Ra = mtfRa; Kopfkegelwinkel wird damit li a= li +"a· Fu~winkel Kf aus tanKf =
hr/Ra = 1,2 mtfRa; Fu~kegelwinkel wird damit lir =li - Kf.

Kopfkreisdurchmesser g\eich gro~ter Durchmesser des Radkorpers wird da= d + 2 ha cos li;
mittlerer Teilkreisdurchmeser dm = d- (b sin li).

Bild XIV.23. Geometrische Beziehungen am Bild XIV.24. Abmessungen am Geradzahnkegelrad


Kegelradgetriebe

7.2.2. Ersatzzlihnezahl, Eingriffsverhiiltnisse. Zur Untersuchung der Eingriffsverhliltnisse und Er-


mittlung der Grenzzăhnezahl wird das Kegelrad auf ein Ersatz-Stirnrad zurtickgeflihrt mit dem Teil-
kreisradius gleich Mantellinienlănge des Ergănzungskegels rr = r/cos8; die zugehorige Ersatz-
Zăhnezahl ist entsprechend

z =--
z (XN.Sl)
n cosli

Mit z0 = zg = 17 wird die Grenzzăhnezahl bei geradverzahnten Kegelrlindern

ZgK = 17 cosli (XN.S2)

7.2.3. Profdverschiebung, Zahnspitzengrenze. Wird bei einer Ritzelzlihnezahl z 1 < ZgK positive
Profilverschiebung erforderlich, so soli das Gro~rad moglichst die gleiche negative Verschiebung
erhalten, also ein V-Nuli-Getriebe verwendet werden. Teilkegelwinkel und damit die Obersetzung
bleiben dann unverlindert. Bei i R:: 1 soli darum sein

Profilverschiebung und Profilverschiebungsfaktor ergeben sich aus (XIV.8), (XIV.9) und (XIV.10),
wo bei z = z n zu setzen ist. Die Zahnspitzengrenze liegt bei zmin K = 7 cos li .

1455
Maschinenelemente

7 .2.4. Kraftverhăltnisse. Die an den Rădern angreifenden Krăfte werden auf die Mitte der Zăhne
bezogen (Bild XIV.25). Fiir das Ritzel ergeben sich die Umfangskraft Ftm, die Axialkraft Fa! und
die Radialkraft Fr 1 bei Achsenwinkel 1: =90°.

TI
Ftml = 'mt (XIV.53)

Fal = Ftml tan 0! 0 sin D1 (XIV.54)


Frl =Ftml tana0 COSDt =Fat (XIV.SS)
T 1 Drehmoment des Ritzels;
Eingriffswinkel a 0 = 20°;
b1 Teilkreiswinkel des Ritzels;
i Ubersetzung.
Die am Gegenrad wirkenden
Normalschnitt
Krăfte sind, wie aus Bild
XIV.25 ersichtlich:
Ftm2=Ftml;F'a2=Frl und
Fr2 = F'a1
\
\
x--
7 .2.5. Berechnung der Zăhne.
Die Kegelrăder werden zweck-
măBig auf Ersatz-Geradstirn-
~2
răder mit der Ersatz-Zăhne­
zahl z 0 zuriickgeftihrt und
\
sinngemăB wie diese berechnet.
Nachfolgende Berechnung gilt Bild XIV.25. Kraftverhăltnisse am Geradzahn-Kegelradgetriebe
flir den Achsenwinkel 1: =90°.
a) Der Durchmesser dr der Welle ftir das Ritzel ist bekannt oder iiberschlăgig bestimmt nach (X.S).
Ftir das aufzusetzende Ritzel bzw. bei Ausftihrung als Ritzelwelle wăhle man den mittleren Teil-
kreisdurchmesser

dml "'=' 2,5 dr bzw. "'=' 1,25 dr (XIV.S6)

b) Bei unbekanntem Wellendurchmesser und groBeren Drehmomenten bzw. Leistungen bestimme


man den mittleren Teilkreisdurchmesser des treibenden Rades (meist des Ritzels) aus

o
mm Nmm kW

T1 Drehmoment, P1 Leistung des treibenden Rades; b1 Teilkegelwinkel, i Dbersetzung; 1/Jd Breiten-


verhăltnisnach Tafel XIV.8; aH Iim Flankenfestigkeit nach Tafel XIV.S; n 1 Drehzahl des treiben-
den Rades.

1456
XIV. Zahnrăder

Mit dm 1 ergibt sich der iiuflere Teilkreisdurchmesser

d1 = dml + (b sinc5 1) (XIV.58)


Breite der Ziihne b = 1/ld dm1 ~ 0,4 R 8 •

Der A~enmodul wird damit mt = d tfz 1 mit z 1 nach Tafel XIV.8. Fiir mt wird der nachstlie-
gende Norm-Modul nach Tafel XIV.l gewiihlt und hiermit die Radabmessungen endgiiltig nach
7.2.1 festgelegt. Fiir die Wahl des Werkstoffes und der Verzahnungsqualitat gelten die Angaben
unter 5.4.2 und 5.4.3.

Nachpriifung der Zahnfuflbeanspruchung. Fiir die Nachpriifung werden die Ersatz-Geradstirnrader


zugrunde gelegt. Krafte und Verzahnungsdaten beziehen sich auf den mittleren Teilkreisdurch-
messer dm.

Fiir die Zahnfuflbeanspruchung gilt:

y
(XIV.59)
N
N mm
mm 2

Umfangskraft am mittleren Teilkreis Ftm =2 T 1 c8 fdm 1 ; cs Betriebsfaktor nach Bild XIV.6;


b Zahnbreite; m 0 m mittlerer Modul; YF Zahnformfaktor, abhăngig von z 0 , nach Bild XIV.18;
Yev tlberdeckungsfaktor der Erganzungsverzahnung, iiblich ist Yev = 1, zulassige Biegespan-
nung aFP wie zu Gleichung (XIV.35); mnm = dmfz. Die Nachpriifung ist fiir beide Răder durchzu-
ftihren.
Nachpriifung der F/ankenbeanspruchung. Fiir die im Walzpunkt auftretende Hertzsche Pressung gilt

(XIV.60)

N
N mm
mm 2

Ftm und b wie zu (XIV.59); dm 1 mittlerer Teilkreisdurchmesser des Ritzels; Ziihnezahlver-


hăltnis u=z 2 /zt; ZHv Zonenfaktor nach (XIV.38); ZE Elastizitatsfaktor nach TafelXIV.7;
Zev Oberdeckungsfaktor fiir Kegelrăder wie zu (XIV.36); aHP zulassige Pressung wie zu Glei-
chung (XIV.36).

Tafel XIV.8. Erfahrungswerte zur Kegelradberechnung

Obersetzung i 1 2 3 4 5 ;;.6
Ritzelziihnezahl z 1 30 ... 20 25 ... 18 22 ... 16 18 ... 14 14 ... 12 12 ... 10
Breitenverhiiltnis
0,25 0,4 0,55 0,7 0,85 0,85
t/ld =b/dmt
Fiir geradverzahnte Răder mehr die oberen Werte flir z 1 , ftir schrag- und bogenverzahnte die unteren
wiihlen.

1457
Maschinenelemente
7 .3. Schrlig- und bogenverzahnte Kegelriider
7.3.1. Flankenformen, Eigenschaften. Verlauf der Flankenlinien an der aus der Abwicklung des
Kegelmantels entstandenen Planverzahnung zeigt Bild XIV.26. Schriigungswink:el f3m gleich Winkel
zwischen Radialer und Zahnflankentangente in Zahnmitte. Ău~ere Stirnteilung Pta = mta 1r; mitt-
lere Stirnteilung Ptm = mtm 1r; mittlere Normaltei\ung irn Normalschnitt durch Zahnmitte Pnm =
mnm 1r; wobei mittlerer Normalmodul meist gleich Normmodul m ist. cp Sprungwinkel.

Bild XIV.26. F!ankenformen schriig- und bogenverzahnter Kegelriider


a) Schriigzahnung; b) Spiralziihne; c) Evolventenzahne; d) Kreisbogenziihne

Schriig- und bogenverzahnte Kegelriider laufen ruhiger, haben einen gro~eren Uberdeckungsgrad
und eine etwas hohere Zahnfestigkeit als geradverzahnte.
7.3.2. Ersatz-Zlihnezahl, Eingriffsverhiiltnisse. Die Kegelrăder werden auf Ersatz-Schriigstirnriider
mit der Ersatzzăhnezahl z n = z /(cos 8 cos 3 f3m) zuriickgeftihrt. Die Gesamtiiberdeckung setzt sich
aus der Profiliiberdeckung Ea der Ersatz-Schrăgstirnrăder und der Sprungiiberdeckung
Ef3 = Ra cp0 7r/(180° · t sm) zusammen: Eges = Ea + Ef3.

7.3.3. Grenzziihnezahl, Profdverschiebung. Fiir schrăgverzahnte Kegelrăder ergibt sich die Grenz-
zdhnezahl

zgKS = 17 cos8 cos 3 (3 (XIV.61)

Bei Bogenzăhnen liegen je nach Herstellungsverfahren unterschiedliche Verhiiltnisse vor. Profil-


verschiebung zur Vermeidung von Zahnunterschnitt kommt praktisch kaum in Frage, da ZgKS
fast nie unterschritten wird.
7.3.4. Berechnung der Zlihne. Sinngem~ wie unter 7.2.5. Dabei ist Zns anstelle von Zn und mnm
anstelle von mm zu setzen.

8. Schneckengetriebe
8.1. Eigenschaften, Ausfiihrungsformen
Getriebe besteht aus meist treibender Schnecke und getriebenem Schneckenrad. Ubersetzung fast
nur ins Langsame: imin ~ 5, imax •.. 100. Kreuzungswinkel der Achsen meist 90°. Schnecke und
Schneckenrad konnen zylindrische oder globoidische Form haben; Getriebe-Ausftihrungsformen
zeigt Bild XIV.27.

1458
XIV. Zahnrader
J e nach Herstellungsverfahren unterscheidet man

~t- ~~~
A- und N-Schnecken als gebrăuchliste Formen:

---t--- J____
A-Schnecke zeigt im Achsschnitt, N-Schnecke im
Normalschnitt ein geradflankiges Trapezprofll.
! __ 1
8.2. Geometrische Beziehungen a! b)
8.2.1. tibersetzung. Dbersetzung i= n/n 2
z2 /z 1 = T 2 /(T 1 77g);

~t: ~
Index 1 flir Schnecke, In-
dex 2 flir Schneckenrad, 71g Gesamtwirkungs-
grad des Getriebes (siehe 8.4). Giinstige Bau-
verhăltnisse ergeben sich bei i und z 1 :
__ _j_ ___
c)
! ~
5 ... 10 > 10 ... 15
Z1 4 3 Bild XIV.27. Schneckengetriebe
a) Zylinderschneckentrieb
> 15 ... 30 >30 b) Globoidschnecken-Zylinderradtrieb
Z1 2 1 c) Glo boidschneckentrieb

8.2.2. Abmessungen der Schnecke. Aus der Abwicklung eines Schneckenganges ergibt sich der
Steigungswinkel 'Ym gleich Winkel zwischen Zahnflankentangente am Mittenkreis und Senkrechter
zur Achse aus tan 'Ym =Hj(dm 1 1T), SteigungH= z 1 la (Bild XIV.28).
Im Achsschnitt wird Achsteilung Pa= ma rr, im Normalschnitt Normalteilung Pn = mn 1T =Pa COS'Ym.

Der Mittenkreisdurchmesser der Schnecke ergibt sich


z 1 ma Z1 m 0
d ------ (XIV.62)
mi - tan 'Ym - sin 'Ym
ma Achsrnodul, meist gleich Norm-Modul; m 0 Normal-Modul; Steigungswinkel 'Ym ""=' 15° ... 25°
iiblich. Eingriffswinkel im Achsschnitt aus tanaa = tana 0 /cos-ym mit Normaleingriffswinkel
a 0 = 20°.

Normalschnitt

E.o Schnecke z 1 =3

"
~

Bild XIV.28. Geometrische Beziehungen am Schneckengetriebe

1459
Maschinenelemente
Bei Ausfuhrung als Schneckenwelle (Bild XIV.28) soll bei einem Wellendurclunesser d 81 etwa sein:
dm 1 ~ 1 ,4 d 81 + 2,5 ma, bei aufgesetzter Schnecke d m1 ~ 1 ,8 d 1 + 2,5 ma Oberschlăgig rechne man
d 81 ~ 0,65 VT; in mm; T 1 Drehmoment der Schnecke in Nmm. Mit Zahnkopfhohe ha 1 =ma und
ZahnfuBhohe hn = 1,2 ma ergeben sich Kopf- und FuBkreisdurchmesser da 1 und dn (Bild XN.28).
Damit moglichst alle Schneckengănge in der ganzen Lănge zum Tragen kommen, soli die Schnecken-
lănge ausgefiihrt werden:

L ~ 2 m8 -./2 z2 - 4 ~ (XN.63)
~
8.2.3. Abmessungen des Schneckenrades. Das Schneckenrad entspricht einem globoiden Schrăg­
stirnrad. Schrăgungswinkel {3 = 'Ym, Stirnteilung Pt = Pa entsprechend Stirnmodul m 8 = ma bei
Kreuzungswinkel 90°. Teilkreisdurchmesser

(XIV.64)

Zahnkopfhohe, ZahnfuBhohe und damit Kopfkreis- und FuBkreisdurclunesser wie bei Schrăgstirn­
rădern. AuBendurclunesser d~2 ~ d 2 + 3 m 8 bzw. konstruktiv festlegen. Radbreite, normalerweise
gleich Zahnbreite, b = 0,8 dm 1 bzw. konstruktiv festlegen. Achsabstand a = (dm1 + d 2 )/2.

8.3. Eingriffsverhăltnisse

Wird Obersetzung i ~ 5 bei z 2 ~ 20 ... 30 nicht unterschritten, besteht keine Unterschnittgefahr


und Gefahrdung der Eingriffsverhăltnisse. Profilverschiebung daher nur ausnahmsweise, z.B. zum
Erreichen eines bestimmten Achsenabstandes.

8.4. Wirkungsgrad
Bei treibender Schnecke ist der Wirkungsgrad der Verzahnung
tan 'Ym
(XIV.65)
Tlz = tan('Ym + p')
(Keil-)Reibungswinkel p' aus tanp' = p.' = p./coscx 0 ; bei St-Schnecke und GG-Rad bei Fettsclunie-
rung: p' ~ 6° (Il'~ 0,1), sonst gilt bei Olschmierung:
0,5 2 4 >
-
6!!!
s

p'~ 3 2,3 2 1,4 1,1


Vg Gleitgeschwindigkeit der Zahnflanken (vg = rr dm1 n 1 ).

Der Gesamtwirkungsgrad des Schneckengetriebes wird 71g = 11z 71L mit Lagerungswirkungsgrad
71L ~ 0,95 bei Wălzlagerung, 71L ~ 0,9 bei Gleitlagerung der Wellen. Ftir Entwurf wăhle man bei

z1 = 1: 71g ~o,7; z1 = 2: 71g ~o.s; z1 =3: 71g ~o.85; z1 =4: 71g ~ 0,9

Selbsthemmung bei 'Ym < p'.

8.5. Kraftverhăltnisse

Die Kraftwirkungen bei treibender Schnecke zeigt Bild XIV.29. Mit der Umfangskraft am Teilkreis
der Schnecke Fu = 2 T 1 cs/dm 1 , worin cs Betriebsfaktor nach Bild XIV.6 ist, ergibt sich aus
Krăfteplan, Bild XIV.29 die Axialkraft der Schnecke

Fu
Fal = ' (XIV.66)
tan('Ym + p)

1460
XIV. Zahnrăder

Aus Normalschnitt fo1gt Fr 1 =F~ 1 tan CXn. Wird F~ 1 nach Kriiftep1an durch Fu ausgedriickt,
dann ergibt sich die Radialkraft
cosp' tanan
F
r1
= Fu
--'..:':--:-~--:-:-=-
sin hm + p') (XN.67)

Normalschnitt

Krăfteplan

Bild XIV.29.
Kraftverhiiltnisse
am Schneckentrieb

Die Umfangskraft am Schneckenrad ist g1eich,


Fn aber entgegengerichtet der Axialkraft an der
Schnecke: Ft 2 =Fa 1 · Ebenso ist Fr 2 =Fr 1 • Aus
Bild XN.29 ergibt sich die Axialkraft am
Schneckenrad
(XIV.68)

Draufsicht des
( Schneckenrades

8.6. Berechnung der Ziihne


Wegen der andersgearteten Bewegungsverhiiltnisse der Zahnflanken aufeinander kann die Berech-
nungsweise flir Stirn- und Kegelrăder nicht ohne weiteres fUr Schneckengetriebe angewandt wer-
den. Man ermittele auf Grund der Wiilzfestigkeit der Zahnflanken den Teilkreisdurchrnesser des
Schneckenrades aus
~ rr:;z.;
a2 ""'1,1· V ~".,24o ·1 k- 3/ P2z2 (XN.69)
k 8 8 n2

mm Nmm kW

Drehmoment des Schneckenrades T2 = T 1 i 7lg; vom Schneckenrad zu iibertragende Leistung


P2 =P1 7lg; z 2 Ziihnezahl des Schneckenrades; n 2 Drehzahl des Schneckenrades; k 8 Wiilzfestigkeit
nach Tafel XIV.9.
Mit d 2 wird Stirnmodul gleich Achsmodul m8 =ma= d 2 /z 2 ermittelt und niichstliegender Norm-
Modul gewiihlt. Nach DIN 780 sind flir Schneckengetriebe vorgesehen:

ma= m 8 = 1 1,25 1,6 2 2,5 3,15 4 5 6,3 8 10 12,5 16 20mm


Mittenkreisdurchrnesser dm 1 der Schnecke in Abhiingigkeit vom Wellendurchrnesser d 1 nach 8.2.2
festlegen und damit Steigungswinkel 'Ym aus (XIV.62). Sonstige Schnecken- und Schneckenradab-
messungen nach 8.2.2 und 8.2.3 bestimmen. Vorwahl der Werkstoffe nach 8.7.
1461
Maschinenelemente
Nach Vorwahl der Getriebeabmessungen wird die Flanken-Tragfahigkeit, d.h. die Wiilzpressung,
geprtift:
(XN.70)

mm wie zu (XIV.67)

Die zuliissige Wiilzpressung ergibt sich aus:


k _ ksYvYL
zul- V (XN.71)

b 2 Zahnbreite des Schneckenrades; Yz Zahnformfaktor nach Bild XIV.30; k 8 Walzfestigkeit nach


Tafel XIV.9; Yv Geschwindigkeitsfaktor nach Bild XIV.31; YL Lebensdauerfaktor nach Bild
XIV .32; v Sicherheit, bei gleichmăBigem Lauf: v "" 1,25, bei wechsel- und stoBhaftem Betrieb:
V""=' 1,5.
,:: 1,0
0,6
<...
['..
~ 0,8
":: 0,5 1""'- .E'
<... 1"""- ~ 0,6
E .........

--
->: 0.4 ....... ~
~
-2 1"--- 'ti 0,4
1" ·~ 1'
~ 0,3 r--.
"§ 0,2
~ ~ '
o0.1 0,2 0,4 1 2 4 10 20 40 100
Steigungswinkel lm Gleitgeschwindigkeit Vg in m/s
Bild XIV.30. Zahnformfaktor Yz Bild XIV.31. Geschwindigkeitsfaktor Yy

Lebensdauerfaktor YL
Bild XIV.32.
2,5 2 1,5 1,2 1 0,8 0,6 0,5 0,4
Lebensdauerfaktor .,.,, 1 1 ,· 1 1 1 1 1 1 1 1 ·, 1 ~ 1 1 ' 1 1 1 1 11 1 1 111 1 1
zur Berechnung der 10 3 ·1,5 ·2 3·4 ·5 ·6 ·8 10~ ·1,5 ·2 ·3 ·4 ·5 ·6 8 10 5 ·1.5 ·2
Schneckengetriebe
Lebensdauer L0 in Betriebsstunden

Tafel XIV.9. Richtwerte ftir die Wălzfestigkeit k 8 von Schneckengetrieben

Wălz-
Werkstoff
festigkeit
der Schnecke der Zăhne des Schneckenrades
k 8 in N/mm 2

Stahl, gehărtet und geschliffen, Zinnbronze, z.B. GZ-SnBz14 8


z.B. St60, St70, C15, 16MnCr5 Aluminiumlegierung, z. B. GK-AICuMg 4
Perlitgu~ 12
Stahl, vergiitet (nicht geschliffen), Zinnbronze (w.o.) 5
z. B. St60, St 70, C45, C60 Aluminiumlegierung (w.o.) 2,5
42CrMo4 Zinklegierung, z. B. GK-ZnAI4Cu1 2
Graugu~, z. B. GG-15 4
Graug~ GG-20 Zinnbronze (w.o.) 4
Aluminiumlegierung (w.o.) 2
Graugu~ GG-15 3,5

Nachpriifung auf Bruchfestigkeit der Zăhne ist normalerweise nicht erforderlich.


1462
XIV. Zahnrăder

8.7. Werkstoffe fiir Schnecke und Schneckenrad


Bei mă~igerGleitgeschwindigkeit und Belastung kommen in Frage fur Schnecke: St60, St70 und
Vergiitungsstăhle, ftir Schneckenrad: GG-15, GG-20, Perlitgu~, Zinnbronzen (G-SnBz12,
G-SnBz14). Bei hohen Drehzahlen und Belastungen sind zu wăhlen ftir Schnecke: Einsatzstăhle,
z.B. C15, 15Cr3 u.a., ftir Schneckenrad: Zinnbronzen, z.B. G-SnBz14 und ftir korrosionsbe-
stăndige Getriebe bei geringen Belastungen auch Aluminiumlegierungen, z.B. GK-AlCuMg und
Kunststoffe ftir Schneckenrad bei gehărteter Schnecke.

• Beispiel: Ftir Abtriebs1eistung P2 = 11 kW und Ubersetzung ndn 2 = 960/75 ist ein Schnecken-
getriebe flir eine Lebensdauer von ""8000 Stunden zu berechnen.

LOsung: Zunăchst Festlegung der Ziihnezahlen. Mit i = ndn 2 = 960/75 = 12,8 wird nach 8.2.1 ftir
Schnecke z 1 = 3 (3 găngig) gewăhlt. Zăhnezahl des Schneckenrades z 2 = iz 1 = 12,8 · 3 = 38,4, fest-
gelegt z 2 = 38.
Teilkreisdurchmesser des Schneckenrades nach (XIV.69):

Leistung des Schneckenrades P2 = 11 kW; Zăhnezahl z 2 = 38; Drehzahl n 2 = 75; Wălzfestigkeit


k 8 = 5 N/mm 2 ; fiir vorgewăhlten Schneckenwerkstoff C60 (Vergiitungsstahl) und Radwerkstoff
GZ-SnBz14 bei vorliegender mă~iger Belastung.

~/lTTs
d 2 ""240 V 5-75 mm"" 250 mm
Hiermit wird Stirnmodul m 8 = d 2 /z 2 = 250 mm/38 ""6,6 mm; gewăhlt nach 8.6: m 8 =ma=
6,3mm.

Mittenkreisdurchmesser der Schnecke nach 8.2.2 bei Ausfiihrung a1s Schneckenwel!e: dm 1 ""
1,4 d 81 + 2,5 ma; Wellendurchmesser iibersch1ăgig d 81 ""0,65 VT;_; nach 8.2 .1 wird T 1 = T 2 /(i Tlg);
T 2 =9550 ·10 3 P/n = 9550 ·10 3 ~~ = 1400 ·10 3 Nmm; fiir z 1 = 3 wird nach 8.4 geschătzt Tlg"" 0,85;
damit T 1 = 1400 ·10 3 Nmm/12,8 · 0,85"" 129 ·10 3 Nmm und d 1 ""0,65 {/129 ·103 ""35 mm;
hiermit dm 1 ""1,4 · 5 mm + 2,5 · 6,3 mm"" 64,8 mm gewăhlt dm 1 = 65 mm.
Steigungswinkel gleich Schriigungswinkel aus (XIV.62):
Ztma 6,3 mm
tan 'Ym = -d-- = 3 · -65 = 0,2908, 'Ym = {3 0 = 16°13'
ml mm
Schneckenliinge nach (XIV.63):

L ""2 m 8 vf2z 2 - 4"" 2 · 6,3 mm · V2 · 38-4 = 107 mm"" 110 mm


Teilkreisdurchmesser des Schneckenrades nach (XIV.64):
d 2 = m 8 z 2 = 6,3 mm · 38 = 239,4 mm

Radbreite gleich Zahnbreite b ""0,8 dm 1 ""0,8 · 65 mm = 52 mm, ausgef\ihrt b = 50 mm.

Mit den vorgewăhlten Daten wird die Flanken-Tragfiihigkeit nach (XIV.70) gepriift:
2 T2
k= 2 ::; kzut
d2b2Yz

1463
Ma schi nenelemente
T2=1,4 ·!O o Nmm, d2 =239,4 mm, b2 =b = 50 mm (s. o.); Zahnformfaktor Yz ~O ,4 fUr 'Ym ~ 16°
nach Bild IV.30; darnit wird
k= 2·1,4·106 ~ ~2 5 ~
239,4 2 • 50 · 0,4 mm 2 ' mm 2

Zuliissige Wălzpressung nach (XIV.71): kzu1 =ks YvYLfv.


Wiilzfestigkeit k 8 = 5 N/mm 2 (s.o.); Geschwindigkeitsfaktor Yv ~ 0,42 nach Bild XIV.31 fi.ir
vg =dm 1 1T n d( 60 cos-ym) = 0,065 1T • 960/(60 · O,9602) = 3,4 m/s; Lebensdauerfaktor YL ~ 1 ,15
nach Bild XIV.32 fi.ir Lh = 800 h; Sicherheit v = 1,25 gewiihlt bei angenommenen gleichmiiBigem
Lauf; damit wird

kzul = 5 -N-2 · 0,42 · 1,15


1 25 ~
N
2 - -2 < k = 2,5 -N-2
mm , mm mm
Mit vorbestimmten Getriebedaten geni.igt die angenommene Werkstoffpaarung nicht.
Fi.ir die Schnecke neu gewiihlt: Einsatzstahl C15, gehiirtet und geschliffen; mit Schneckenrad aus
GZ-SnBz14 wird dann k 8 =8 N/mm 2 und darnit
N N
kzul ~ 3,1 - -2
mm
> k =2,5 -
mm
-2

Achsenabstand a= (dm 1 + d 2 )/2 =(65 mm + 239,4)/2 = 152,2 mm.

9. Gestaltung der Zahnrăder aus Metan


Ritzel werden durchweg als Vollriider ausgeftihrt. Ritzelziihne măglichst etwas breiter als Rad-
ziihne, um "Versetzungen" zu vermeiden (siehe auch unter 5.4.1). Bruchempfindliche Zahnenden
seitlich abschrăgen. Groflrăder werden meist als GuBkonstruktionen, bei Einzelsti.icken auch als
Schwe~konstruktionen ausgeftihrt, und zwar mit Teilkreisdurchmesser bis d ~ 8 d (d Wellen-
durchmesser) als Scheibenrăder, gră~ere mit Armen. Ausftihrungsbeispie1e zeigt Bild XIV.33.
Anzahl der Arme zA ~ 1/8 Vd 2': 4; Armquerschnitt: b 1 ~ 1,8 m, b 2 ~ 1,5 m (Modul), h1 ~ 5 b~>
h 2 ~ 4 b 1 ; Kranzdicke e ~ 4 m.

a)
~~~
b) c) d) e)

Bild XIV.33. Ausflihrung der Gro~răder


a) Scheibenrad; b) bis e) Răder mit Armen

1464
XIV. Zahnrăder

1O. Schmierung der Zahnrăder


Stirnrăder: Langsam laufende Rlider mit Umfangsgeschwindigkeit Vu :::; 1 m/s mit Fett; bei Vu ~
1 ... 4 m/s mit Fett oder zlihem 61 (100 ... 200 eSt); bei Vu ~ 4 ... 12 m/s mit 61 (40 ... 100 eSt)
als Tauchschmierung, bei Vu > 12 m/s mit 61 (20 ... 60 eSt) als Spritzschmierung durch Pumpe
(Viskositlit eSt auf 50 °C bezogen).
Kegelrăder: Wie bei Stirnrlidern; "versetzte" Kegelrlider sind wegen zuslitzlichen Schraubgleitens
mit EP (Extrem-Prussure)-6len zu schmieren.
Schneckengetriebe: Fiir normale Getriebe sind Schmiermittel und Schmierungsart wie bei Stim·
rlidern zu wlihlen (flir Vu setze Gleitgeschwindigkeit vg). Fiir Hochleistungsgetriebe werden EP-6le
empfohlen.

11. Zahnrăder aus Kunststoff


11.1. Vor- und Nachteile, Verwendung
Vorteile gegeniiber den Zahnrlidern aus Metall: gerliusch· und schwingungsdlimpfender Lauf,
groBe Abriebfestigkeit und Zlihigkeit, kleine Reibungswerte und geringe Wichte, gute Notlauf·
eigenschaften, Korrosionsbestlindigkeit, elastischer Ausgleich von Eingriffsteilungsfehlen, leichte
Bearbeitbarkeit.
Naclzteile: geringere Belastbarkeit, hăhere Werkstoffkosten, teilweise starke Quellung durch
Feuchtigkeit.
Einsatzgebiete der Kunststoff-Zahnrlider: Biiromaschinen, Textil- und Druckereimaschinen,
Haushaltsmaschinen, Spielzeuge.

11.2 Kunststoffsorten
Prej3schiclztstoffe zeichnen sich durch hohe Festigkeit gegeniiber den anderen Kunststoffen aus,
empfindlich gegen Feuchtigkeit. Gegenrad aus Metall, da Gefahr von "Fressen" besteht.
Hartgewebe ist unempfindlich gegen Feuchtigkeit, Festigkeit ca. 50 % geringer als PreBschicht-
holz. Gegenrad aus Metall.
Polyamide besitzen hohe Elastizitlit und niedrige Dichte, hohe Gerliuschdiimpfung, da Polyamid-
Riider gepaart werden konnen.

11.3. Berechnung der Kunststoff-Zahnriider


Teilkreisdurchmesser des auf die Welle zu setzenden Ritzels d 1 ~ 2,5 ... 3 d (d Wellendurchmes-
ser); Ritzelzlihnezahl z 1 um 4 bis 6 hăher gegeniiber den zu Gleichung (XIV.30); Zahnbreite b
liber 1/1 d fur Kennlinien a und b nach Bild XIV.15. Oberschlligig kann ftir die so vorgewlihlten
Hauptabmessungen nach Bild XIV.34 die i.ibertragbare Leistung Pin kW je mm Zahnbreite b flir
eine Ritzelziihnezahl z 1 =20 ermittelt werden. Die iibertragbare Leistung eines Rades wird dann

P=y(t)b ~ {XIV.72)

30
y=2--- (XIV.73)
z + 10
y Ziihnezahlfaktor zur Beriicksichtigung anderer Ritzelziihnezahlen als 20, die dem P/b-Wert nach
Bild XIV.34 zugrunde gelegt wurden. Eine genaue Berechnung sollte stets nach Angaben des
Kunststoff-Herstellers erfolgen.

1465
Maschinenelemente
a b c a PrefJschichfholz b Hartgewebe c Po/yamid
6 4 2
4 _.......!---
2
E: 2
'-'
~
..;,;
0,5
.........- ..... ~ v
_zo .........- V V / ......... V
:::: V:::.. v J..-:-:: 1---k:j..-
.!:; 0,3
Cl..l-<>
0,5
\!l1'
t'\Odl.l~ ~0/ V v
0,2
-~~ V V v
v
0,5 /
""c: 0,3
v .....V
/
V 6)j; V V ~----~----
.._:;, L ......... / /
........."' 0,3
0,2
0,2 0,1
1._3
".......z ~?
--
0,1 0,05 .........
/ /
v /

--
0,1 L_ /
V V V
0,05
0,05
0,02
.........-,..........-
L:._ .........- _-~--"'
1-
V --~
__......... .........
V v
0,03 0,02 0,01
0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,8 1 1,5 2 3 4 5 6 8 10
Umfangsgeschwindigkeit v0 in mls

Bild XIV.34. Ermittlung der Leistung P in kW je cm Zahnbreite ftir Zahnrăder aus Kunststoffen

11.4. Gestaltung der Polyamid-Zahnrăder


"'
=-- -t---

Vollrăderftir d < 3 dw (dw Wellendurchmesser) 1?;J v1'


Scheibenrăder ftir d ;::: 3 dw XXX
Zahnkranzdicke s 1 ""'2 ... 2,5 m; e ""'4,2 ... 4,7 m
Nabendurchmesser D ""' 1,6 ... 1,8 dw -
f-:J t----- r--.",
Wanddicke s 3 ""' 0,3 ... 0,4 dw
Nabenlănge L""' 1,8 ... 2 dw
v)+ R 52
Kanten und Ubergănge gut runden. Befestigung 7)( ~
kleiner Răder mit Wel\e durch Kleben oder Auf- ! - - r---
a)
spritzen (Bild XIV.36). In die Nabe eingesetzte b)

Metallbuchse erhOht Nabenfestigkeit. Bild XIV.35. Ausftihrung und Abmessungen


von Polyamid-Zahnrădern
a) Vollrad, b) Scheibenrad

Bild XIV.36. Auf Wellen aufgespritzte


Polyamid-Zahnrăder

a) mit angefrăsten FUichen


b) mit Răndel
c) mit angestauchten Lappen
a) b) c)

11.5. Schrnierung der Kunststoff-Zahnrăder


Preftschichtstoffe: Fett oder Trockenschmiermittel (z.B. Molybdănsulfid).
Hartgewebe: 61-, Fett- oder Trockenschmiermittel.
Polyamide: 61, Fett- oder Trockenschmiermittel.

1466
Einfiihrung in die Steuerungstechnik
Hans-JUrgen KUfner

Mit dem Einsetzen der Automatisierung in der Industrie begann die Bedeutung der Steue-
rungstechnik sprunghaft anzusteigen. Umfangreiche automatische Fertigungsanlagen ver-
langen immer anspruchsvollere Steuerungen. Moderne Steuerungsanlagen mlissen schnell,
genau und sicher reagieren.
Dazu sind komplizierte MeB- und Steuereinrichtungen notwendig, die vom Umfang und
Aufwand h€r genauso teuer oder noch teurer sein konnen wie die Fertigungseinrichtungen,
die sie steuern sollen.
Um diese Einrichtungen bedienen, warten und pflegen zu konnen, sind umfangreiche Kennt-
nisse liber die theoretischen Grundlagen der Steuerungstechnik sowie liber die wichtigsten
Baueinheiten und Elemente notwendig.
Als besonderer Schwerpunkt flir dieses umfangreiche und anspruchsvolle technische Gebiet
gewinnt flir die Zukunft die digitale Steuertechnik immer stărker an Bedeutung.
Je nach Art der Steuerungsbauteile unterscheidet man elektromagnetische, elektronische,
hydraulische und pneumatische Steuerung.

1. Grundbegriffe der Steuerungstechnik

1. Definitionen, Bezeichnungen

Begriffe und Benennungen aus der Steuerungstechnik sind im Normblatt DIN 19226 (Steue-
rungstechnik und Regelungstechnik) enthalten. Dort wird Steuerung wie folgt definiert:

"Das Steuern - die Steuerung - ist der Vorgang in einem System, bei dem eine oder
mehrere Gr6!1.en als Eingangsgrăj3en andere Gr6!1.en als Ausgangsgrăj3en auf Grund der
dem System eigentlimlichen Gesetzmă!1.igkeit beeinflussen. Kennzeichen fi.ir das Steuern
ist der offene Wirkungsablaufliber das einzelne Dbertragungsglied oder die Steuerkette."

Diese Normdefinition wird oft nicht nur fi.ir den Vorgang des Steuerns selbst verwendet,
sondern auch fi.ir die Gesamteinrichtung, in der die Steuerung stattfindet.

1467
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Man kann in einem Blockschaltbild den Vorgang des Steuerns schematisiert darstellen.

x., ---i
In dem rechteckig gezeichneten Feld (Block)
werden die Eingangssignale so verarbeitet, daB

---i
--Xa
f---..
das gewiinschte Ausgangssignal entsteht.
Xe2
Da Steuerungseinrichtungen oft umfangreiche L-------'
und komplexe Gebilde sind, werden sie oft in Eingangssignale
XeJ, Xe2
umfangreicheren Kettenstrukturen dargestellt. x. Ausgangssignal

Kettenstruktur
(offene Steuerkette)
Neben den unverzweigten
offene Steuerkette
Kettenstrukturen gibt es
verzweigte Systeme. In der
Abbildung ist eine Ketten-
struktur dargestellt, die
parallele Zweige enthălt.

Kettenstruktur mit Verzweigungen

Das folgende Schema stellt die Steuerungsanlage mit Steuereinrichtung im Blockschalt-


bild dar.

Storgrăfle Z

Steuer-
Fertigungs- • • • • • • • • strecke
strofle
x.
Stel/grdfle

Die Steuerstrecke (DIN 19226) ist derjenige Tei1 des Wirkungsweges, welcher den aufgaben-
gemăB zu beeinflussenden Bereich der An1age darstellt.
Die Steuereinrichtung (DIN 19226) ist derjenige Teil des Wirkungsweges, we1cher die
aufgabengemăBe Beeinflussung der Strecke liber das Stellglied bewirkt.
Die Stellgrăfie (DIN 19226) ist die AusgangsgroBe x. der Steuereinrichtung und Eingangs-
gr6Be x. der Steuerstrecke.
Die Stărgrăfie (DIN 19226) ist die von auBen wirkende GroBe, die die beabsichtigte Beein-
flussung in einer Steuerung beeintrăchtigt.
Es 1assen sich noch weiter differenzierte Steuerketten bi1den, in denen die zur Steuerung
gehorenden Gerăte der Steuereinfichtung benannt sind.

1468
1. Grundbegriffe der Steuerungstechnik

Steuerung

Eingabe- Verarbeitungs- Stellantrieb --.


glied glied

z. B. el. Schalter z .B. elektronische- z. B. Schiitz, Relais


Strahlfiihler pneumatische- Thyristor
indukt. Geber mechanische- Transistor
kapaz. Geber Logikglieder Stellbremse
Druckimpuls- Speicherglieder Schaltgetriebe
erzeuger Zeitglieder Zylinder
Photozelle Verkniipfungs- Bremsliifter
Photowiderstand glieder Elektromotor
mech. Taster Hydraulikmotor
Thermostat
Programmgeber
Lochkartenleser
Lochstreifenleser

Die Steuerkette fiir die Steuereinrichtung kann mit der Steuerstrecke zu einer erweiterten
Steuerkette zusammengefa:t:.t werden.

Storgrăfle Z

Leitung fiir Heifldampf


Steuerstrecke
Oampfventil

1 Oampfheizung
1
1
1

: Lochkarte Meflumformer Elektromotor j-- Steuereinrichtung


1mit Lochkarten- Vers tărker mit Schnecken -1
L!_~e!._ ____________ '!_et!}_e}!_e__ ___ j

Beispiel: Dampfheizung eines Wărmebades fiir einen Textilbetrieb.

2. Steuerungsarten
Steuerungsarten nach DIN 19226:
1. Fiihrungssteuerung
2. Haltegliedsteuerung
3. Programmsteuerung
3.1. Zeitplansteuerung
3. 2. Wegplansteuerung
3. 3. A blaufsteuerung ( Folgesteuerung)

1469
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

2.1. FOhrungssteuerung und Haltegliedsteuerung


Fiihrungssteuerung

Bei der Fiihrungssteuerung besteht zwischen Fi.ihrungsgroBe und AusgangsgroBe der


Steuerung iru Beharrungszustand immer ein eindeutiger Zusammenhang, soweit StOr-
groBen keine Abweichung hervorrufen.

Beispiel: Helligkeitssteuerung einer Lampen-


gruppe
Die Helligkeit der Lampen ist eindeutig der
Stellung des Stellwiderstandes zugeordnet. Ăn­
dert man die GroBe des wirksamen Widerstan-
des, so ăndert sich gleichzeitig die Helligkeit
der Lampengruppe.

Haltegliedsteuerung (mit Speichereigenschaft)

In einer Haltegliedsteuerung bleibt nach Wegnahme oder Zuri.icknahme der Fi.ihrungs-


groBe, insbesondere nach Beendigung des Auslosesignals, der erreichte Wert der Aus-
gangsgroBe erhalten. Es bedarf einer entgegengesetzten Fi.ihrungsgroBe oder eines ent-
gegengesetzten Auslosesignals, um die AusgangsgroBe wieder auf einen Anfangswert
zu bringen.

Beispiel: Haltegliedsteuerung eines Drehstrom-


motors
Nach Einschalten des Motors i.iber b 2 (Tastschal-
ter) zieht Schi.itz K an und i.iberbri.ickt mit einem
Hilfskontakt KH b 2 , so daB K nach Loslassen
von b 2 immer noch an Spannung liegt. Erst
wenn b 1 (ebenfalls Tastschalter) betătigt wird,
wird der Steuerstromkreis geoffnet und K fălit
ab. Daruit offnet auch KH, so daB der Motor
abgeschaltet wird.

2.2. Programmsteuerungen

Bei der Programmsteuerung werden die Ausgangssignale von den Eingangssignalen und
einem vorgegebenen Programm erzeugt.

Zeitplansteuerung

In einer Zeitplansteuerung werden die Fi.ihrungsgroBe (oder Fi.ihrungsgr6Ben) von


einem zeitabhăngigen Programmgeber (Programmspeicher) geliefert.

1470
1. Grundbegriffe der Steuerungstechnik

Tritt eine Storung auf, so wird der Ablauf nicht unterbrochen , es sei denn, dail> zusătzliche
Dberwachungsfunktionen eingebaut sind , die den Programmablauf unterbrechen konnen.

Es konnen verschiedene Programmspeicher verwendet werden, zum Beispiel:


Nockenwellen- zur Taktsteuerung von Verbrennungsmaschinen
Kurvenscheiben - zur Steuerung von Vorschliben an Mehrspindelautomaten
(Kurventrommeln)
Lochstreifen - zur Programmierung von numerisch gesteuerten Werkzeugmaschinen
Kopierschablone - zur Steuerung von Drehwerkzeugen an Drehmaschinen

Beispiel: Steuerung eines Werkzeugschlittens Hubverstellung


~

Das Bild zeigt die Steuerung eines mit Bohrwerk-


zeugen versehenen Werkzeugschlittens. Die Ab-
wicklung der Kurventrommel zeigt den Bereich
des Arbeitsganges sowie den Eilvorschub und
den Rlicklauf. Die gefrăsten Flihrungsstlicke
mit den Nutenbahnen sind auf der Trommel
festgeschraubt und austauschbar.

Drehrichtung der Kurventrommel

360"

Steuerung eines Werkzeugschlittens

Beispiel: Kopiersteuerung an einer Drehma-


schine
Zwei Taster a und b werden liber Kopierschablo-
nen c und d gefiihrt. Sie libertragen des Profil
der Schablonen liber die zugehorigen Drehmeiil>el
auf das Werkstiick e. Die Kopierschablonen
dienen als Programmspeicher. Diese konnen je
nach gewiinschter Form des Werkstlickes ausge-
tauscht werden.

Wegplansteuerung

In einer Wegplansteuerung werden Flihrungsgroil>en von einem Programmgeber (Pro-


grammspeicher) geliefert, dessen Ausgangsgroil>en vom zuriickgelegten Weg (der Stellung)
eines beweglichen Teils der gesteuerten Anordnung abhăngen.

1471
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Beispiel:
Der Geschwindigkeitswechsel von SchlittenvorschUben und Spindeldrehzahlen wird bei
Werkzeugmaschinen oft von den Wegen abhiingig gemacht, die die Schlitten zurUcklegen.
Dabei wird das Programm wegabhiingig durch einstelibare Nocken oder Impulsziihlersignale
varia bel gestaltet.
Beispiel:
Ein doppelt wirkender Zylinder wird Uber ein
4/2-Wegeventil so gesteuert, dafll der Kolben ab- 1.2
wechselnd aus- bzw. eingefahren wird. Die Um-
steuerung erfolgt Uber endschaltergesteuerte
Ventile, die nach Erreichung eines festgelegten
Weges mit Hilfe der Endschalter umgeschaltet
werden.

A b/aufsteuerung ( Folgesteuerung)

Bei einer Ablaufsteuerung werden Bewegungen oder andere physikalische Vorgiinge in


ihrem zeitlichen Ablauf durch Schaltsysteme nach einem Programm gesteuert, das in
Abhiingigkeit von erreichten Zustiinden in der gesteuerten Anordnung schrittweise
durchgeftihrt wird. Dieses Programm kann fest eingebaut sein oder von Lochkarten,
Lochstreifen, Magnetbiindern oder anderen geeigneten Speichern abgerufen werden.

Folgesteuerungen sind spezielie Ablaufsteuerungen, bei denen fest eingebaute Programme


vorhanden sind. Der Arbeitsprozefll besteht aus einer Folge von einzelnen Arbeitsschritten.
Jeder Arbeitsschritt kann erst dann eingeleitet werden, wenn ein Signalgeber die Beendigung
des vorangegangenen Schrittes gemeldet bat.

Beispiel: Ablaufsteuerung - Steuerung eines Aufzugs


Ein Aufzug wird durch Abrufe nacheinander in mehrere Stockwerke beordert. Die Fahr-
ziele werden durch Betiitigung von Tastschaltern eingegeben und in ihrer zeitlichen Reihen-
folge gespeichert.
Der Aufzug steuert das Fahrziel an. Erst nach dem Offnen und folgendem Schlieflen der
AufzugstUr wird das niichste Fahrziel angesteuert usw.

Beispiel: Folgesteuerung - NC-gesteuerte Bohrmaschine


tiber Lochkarte wird der Befehl zum ersten Bohrvorgang erteilt. Nach Durchfiihrung der
ersten Bohroperation wird durch eine Kontrollstation UberprUft, ob der Bohrvorgang durch-
gefiihrt worden ist. Zu diesem Zweck kann z. B. ein Stofllel in die Bohrung eingefUhrt werden.
Wenn der Bohrvorgang von der Kontrolistation bestiitigt worden ist, wird das Programm
fortgesetzt (z. B. Reiben, Gewindeschneiden).

2.3. Gegeniiberstellung von Steuerungsarten


Welche Arten von Programmsteuerungen im konkreten Fali ausgewiihlt werden, mufll von Fali
zu Fali entschieden werden. In den meisten Fiilien wird die Entscheidung ein Kompromifll
sein, der abhiingig ist von den finanzielien Moglichkeiten, der Aufgabensteliung, der ver-

1472
1. Grundbegriffe der Steuerungstechnik

wendeten Energieform, den Umwelteinfliissen sowie weiteren anderen Randbedingungen.


Die folgende Matrix soli durch Gegeniiberstellung der drei unterschiedlichen Programm-
steuerungen besondere Kriterien der Steuersysteme vorstellen.

Zeitplan-Steuerung Wegplan-Steuerung Ablauf-(F olge)Steuerung

Aufbau einfach da viele Endschalter wegen des komplexen Auf-


iibersichtlich und Signalgeber, Auf- baus schlecht zu iibersehen
bau oft uniibersichtlich
Preis im a!lgemeinen im allgemeinen oft sehr teuer
preiswert preiswert
Anfălligkeit gegen gering groll., da viele End- Storungen werden bei kom-
Storungen schalter u. Signalgeber plexen Systemen hăufig auf-
vorhanden, die anfăllig treten
gegen Storungen sein
konnen
Behebung von einfach schwierig oft sucht das System Fehler
Storungen selbst und zeigt sie an
Sicherheit bei Ab- keine Sicherheit Programm schaltet Programm schaltet bei Ab-
lauf-Storungen gegeben bei Ablaufstorungen laufstorungen ab
Programm lăuft ab
weiter
Umstellung bei relativ einfach oft urnfangreiche Um- relativ einfach
Programmwechsel bauarbeiten notwendig

3. Graphische Darstellung von Steuerungsablăufen


Da Steuerungsablaufe an komplexen Steuersystemen oft uniibersichtlich und verwirrend
wirken, wenn sie nur mit Worten beschrieben werden, erweist es sich als zweckmă~ig, die
einzelnen Funktionsablaufe mit Hilfe von Diagrammen darzustellen.

Es werden in der Steuertechnik drei Diagrammdarstellungen unterschieden:


Bewegungsdiagramme - Steuerdiagramme - Funktionsdiagramme.

3 .1. Bewegungsdiagramme
Bewegungsdiagramme stellen den Ablauf von einem oder mehreren Arbeitsschritten inner-
halb von Steuerungen in digitaler Form dar. Dabei wird die zeitliche Abfolge in Einzel-
schritten aufgezeichnet.
Das Geriist eines Bewegungsdiagramms zeigt in
der Horizontalendie aufeinanderfolgendenSchrit-
te und in der Vertikalen den erreichten Zustand
eines Arbeits- oder Steuerelements.
: --j-------t-

~
[ 1

1. Schritt
---r--j
~

3 Schritt
i
--t----t-Î

1473
Einfuhrung in die Steuerungstechnik

Bei dem nebenstehenden Bewegungsdiagramm


wird im 1. Schritt ein Elektromotor angelassen.
Zu Beginn des 2. Schrittes hat der Motor seine
Nenndrehzahl erreicht. Im 4 . Schritt wird der
Motor wieder abgeschaltet . In dieser Form wird
das Bewegungsdiagramm auch als Weg-Schritt-
Diagramm bezeichnet.

Beispiel:
Es soli das Weg-Schritt-Diagramm fUr den folgenden Steuervorgang gezeichnet werden.
Das FUllgut eines trichterformigen Behălters soli
erst dann auf das darunterliegende Forderband
fallen , wenn dieses vorher in Gang gesetzt wur-
de. Das Forderband darf erst dann wieder still
gesetzt werden, wenn vorher die Klappe des
FUllbehălters geschlossen worden ist.

1. Schritt: Fi:irderband wird in Gang gesetzt. Klappe


(1 - 2) ist geschlossen
2. Schritt: Klappe wird gei:iffnet, Fi:irderband lăuft

3. Schritt: Klappe ist gei:iffnet , Fi:irderband lăuft

4. Schritt: Klappe wird geschlossen, Fi:irderband lăuft

5. Schritt: K!appe ist geschlossen, Forderband wird


abgestellt. O 4---l'--- ...:-=:c:.!.:.t=---4- - + Zu
2 3 5 6

Trăgt man statt der Schritte die Zeit auf der Horizontalen ab , so erhălt man das Weg-Zeit-
Diagramm . Flir das vorstehende Beispiel wilrde folgendes Diagramm entstehen.

Aus dem Weg-Zeit-Diagramm wird deutlich, dai:J L Ein


das Anlaufen des Forderbandes weniger Zeit
benotigt als das Offnen der schweren FUllklappe. o
1 \Aus_ 1
t 1 bis t 2 Fi:irderband wird in Gang gesetzt, Klappe
offen
V r\
ist geschlossen
t2 bis f3 Klappe wird gei:iffnet , Fi:irderband lăuft o z
t 3 bis t4 Klappe ist gei:iffnet, Fi:irderband lăuft

t 4 bis t 5 Klappe wird geschlossen, Fi:irderband lăuft

t 5 bis t 6 Klappe ist geschlossen, Fi:irderband wird


abgestellt

Beide Darstellungsformen von Bewegungsdiagrammen haben Vorteile. Wăhrend das Weg-


Schritt-Diagramm die Zusammenhănge der Steuerung Ubersichtlich darstellt, konnen im
Weg-Zeit-Diagramm unterschiedliche Arbeits- und Schaltgeschwindigkeiten dargestellt
werden .

1474
1. Grundbegriffe der Steuerungstechnik

3 .2. Funktionsdiagramme
Steuerdiagramme

Das Steuerdiagramm stellt den Schaltzustand eines Steuergliedes in Abhăngigkeit von


Schritten dar. Die Schaltzeit des Steuergliedes wird dabei vernachlăssigt. Das Steuer-
diagramm wird wie ein Weg-Schritt-Diagramm gezeichnet.

Das Steuerdiagramm zeigt den Schaltzustand


eines Relais , das vom 2. bis zum 4. Schritt ge-
schlossen ( durchlăssig) ist. Der Obergang vom 0 1 1 1 1 1 1 ::::h!OSSM
ge6ffneten in den geschlossenen (stromftihren- 2 3 5 6
den) Zustand wird zeitlos dargestellt, weil in
der Praxis die kurzen Schaltzeiten meist vernach-
lăssigbar sind.

Funktionsdiagramme

Werden Steuer- und Weg-Schritt-Diagramme aufeinander abgestimmt in einem Zu-


sammenhang dargestellt , so entsteht ein Funktionsdiagramm.

1. Schritt: SchUtz fUr Forderband schlie~t, 2 3 ' 5 6


Forderband lăuft an. L /duft

2. Schritt: SchUtz fUr FUllklappe schlie~t , o / Fo~derband ~ steht


FUllklappe Offnet. 1
offen
3. Schritt: Forderband lăuft, FUllklappe ge- /ru"-~
k/appe
Offnet. o ZU

4. Schritt: FUllklappe schlie~t (durch Gegen- L 1 gesch/OSSM


gewicht) , Forderband lăuft. Schutz fur
Forderband
o offen
5. Schritt: FUllklappe geschlossen, SchUtz fUr
Forderband fălit ab, Forderband 1
geschlossM
Schutz
lăuft aus. fur
o - Fullk{appe offen
2 3 5 6

Beispiel: Funktionsdiagramm - Vorrichtung fUr


ein Bohrwerk
An einer Tiefenbohrmaschine soli ein schwerer
Rolldorn mit Hilfe einer pneumatischen Vor-
richtung aus der Maschine gehoben und nach
dem Werkzeugwechsel wieder eingelegt werden .
Dazu mUssen bei zweimaliger manueller Betăti­
gung eines Ventils 4 Zylinder folgende Bewe-
gungen ausftihren.

1475
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

1. Betătigung 2 3 .:: 5 6 7

1""'/
""-
L
Zylinder 1 vor, Vorrichtung senken
Zylinder 2 vor, Werkzeug spannen
10
o /
Zylinder 3 vor, Werkzeug ausschieben
V
L
Zylinder 1 zuriick, Vorrichtung heben 20
o- ~
L

2. Betătigung
XJ
o / 1~
Zylinder 1 vor, Vorrichtung senken h
12 I l 111
Zylinder 3 zuriick, Werkzeug einschieben
Zylinder 2 zuriick, Werkzeug entspannen 13 7, r
Zylinder 1 vor, Vorrichtung heben
15 J" r
22b .n _n

23}; r
12h n
33b ~ r1

Vorrichtung Werkzeug Werkzeug

...
spannen
2,2 senken, heben
2• 3..1e§in~s~ch§ie~blenO
:=~
3,2
14-
1•5
-,
3,310 30

-----l
1
11,7

r-~--,
1 1
1 1
1,3 1 1,5 1

Die Schaltskizze gibt die răumliche Darstellung


der Zylinder und Steuerventile nicht wieder.

Nach VDJ-Richtlinien 3226 wird empfohlen, die Zylinder in waagerechter, reihenweiser An-
ordnung zu zeichnen. Die zugehorigen Steuer- und Signalglieder sind darunter gezeichnet.

1476
11. Grundelemente logischer Schaltungen ( Funktionen)

Die gesamte Steuerung wird in der Reihenfolge des Ablaufs in einzelne Steuerketten aufge-
teilt, und diese werden in Richtung des Energieflusses bezeichnet. Die Lage der Signalglieder
ist durch einen Markierungsstrich mit Betătigungspfeil kenntlich gemacht.

~ Zur SelbstkontroUe
1. Welches DIN-Blatt gibt Auskunft iiber Steuerungs- und Rege1ungstechnik?
2. Was versteht man unter einer offenen Steuerkette?
3. Erklăre die Begriffe Steuerstrecke, Steuereinrichtung, Stel/grăf3e und Stărgrăj3e.
4. Aus welchen E1ementen besteht die Steuereinrichtung?
5. Wodurch unterscheiden sich Wegplansteuerung und Zeitplansteuerung?
6. Welche Vorteile bietet die Ab/aufsteuerung gegeniiber einer Zeitplansteuerung?
7. Wodurch unterscheidet sich ein Bewegungsdiagramm von einem Steuerdiagramm?
8. Was ist eine Haltegliedsteuerung, und wo wird sie verwendet?
9. Welche Arten von Programmsteuerungen gibt es nach DIN 19226?
1O. We1che Vor- und Nachteile weist eine Ablaufsteuerung auf?

11. Grundelernente logischer Schaltungen (Funktionen)


Um logische Beziehungen (Funktionen) darstellen zu konnen, werden Symbole verwendet,
die schon seit langer Zeit Eingang in deutsche und internationale Normen gefunden haben.
Bis heute - und vermutlich auch noch in den kommenden Jahren - existieren unterschied-
liche Symbo1systeme.
Dieses Buch paf.\t sich an die international gilltige IEC-Norm, die seit 1976 auch von den
deutschen Normen iibernommen wurde und in DIN 40700 ausgewiesen wird.
Die ă1teren Symbole - oft auch heute noch in der deutschsprachigen Fachliteratur verwen-
det - sollen den neuen Schaltzeichen nach JEC-DIN 40100 in der nachfo1genden Tabelle
verg1eichend gegeniibergestellt werden.
Soweit in den fo1genden Kapiteln Werksskizzen oder Werkszeichnungen iibernommen wurden,
sind diese unverăndert be1assen.

JEC -DIN ~0100 alte DIN

NICHT ----E}- --{)---


UND :::::@--- =D-
NAND
==0:>-- ~
ODER
~ =t-
NOR
=0>--- =t}-
Excl. ODER
(Antivalenz) =8--- ~
Die e1ektrotechnischen Schaltzeichen passen sich an DIN 40713 an. Lediglich bei der
Bezeichnung der Betriebsmitte1 nach DIN 40719 ist abweichend hiervon flir Scha1ter der
Buchstabe b statt s verwendet worden. Dies ist deshalb geschehen, weil Verwechs1ungen mit
Speichereingăngen (s = setzen) nach DIN 40700 vermieden werden sollen.
1477
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Logische Funktionen

Wir haben es dann mit einer logischen Funktion zu tun, wenn eine oder mehrere
Bedingungen erfilllt sein miissen, daruit ein bestimmter Ablauf erwartet werden kann.
Die wichtigsten logischen Funktionen sind:
NICHT (Umkehr) ODER- NOR
UND - NAND Exklusiv ODER

1. NICHT (Negation)

1 NICHT
Bei der NICHT-Funktion wird ein urspriinglich
vorhandenes digitales Signal - z.B. Lampe
brennt - durch ein Eingangssignal - z.B. Schal-
ter b 1 gedriickt - in sein Gegenteil verkehrt.
Wird b 1 betătigt, so zieht das Relais K an und
die Lampe H verloscht, weil die Stromzufuhr
liber den Kontakt K unterbrochen wird.
In der digitalen Steuertechnik werden die Sig-
nale wie folgt bezeichnet: b1---E}--H
Lampe brennt L Symbol NICHT-Funktion
Lam pe brennt nicht O
Schalter b 1 gedriickt L
Wertetabelle
Schalter b 1 nicht gedriickt O
Man ersetzt mitunter L auch mit Ja und O mit
Nein und kommt daruit zum Begriff der Nega-
tion. Die Wertetabelle gibt das logische Ver-
halten der NICHT-Funktion wieder.
Man kann die logische Aussage der NICHT -Funk- L
b, o r--___.__ ___.__ Eingang
tion auch in graphischer Form darstellen. Diese ___._-.J

Darstellung zeigt, daB immer dann, wenn am L


Eingang b 1 L-Signal ansteht, der Ausgang H auf H o r--___.__ ___.__ __.___.. Ausgang
O geschaltet ist und umgekehrt. Signalplan

2. UND-NAND

1 UND 1

Ein Satzbeispiel soli die UND-Funktion zunăchst


einmal erlăutern.
1. Bedingung Wenn das Wetter sch6n ist
+ und
2. Bedingung ich Zeit habe,

Aussage+ dann
gehe ich spazieren.

1478
11. Grundelemente logischer Schaltungen ( Funktionen)

Beide Bedingungen miissen erfiillt sein, wenn es


zu der positiven Aussage "Spaziergang" kommen
soli.
Die nebenstehende Relaisschaltung erfilllt die
positive Aussage - Lampe brennt - nur, wenn
sowohl b 1 als auch b 2 geschlossen sind.

bl --f&l___H
b2~
Symbol UND-Funktion

Die Wertetabelle driickt das gleiche aus. Ein posi- Wertetabelle


tives Signal bei H - Lampe brennt - ist nur bi bz h
moglich in der vierten Zeile, wenn sowohl b 1 o o o
als auch b 2 positiv sind, d.h. beide Schalter o L o
geschlossen. Ist nur ein Schalter geschlossen, so L o o
flieBt liber Relais K kein Strom und der Kontakt L L L
K kann nicht geschlossen werden.
Die graphische Darstellung der UND-Funktion b L
zeigt ebenfalls, daB nur dann, wenn b 1 und b 2
1 o
gleichzeitig betătigt sind, am Ausgang H eben- b L
falls L-Signal anliegt. '2 o
H L
o
Signalplan
1 NAND ( UND NICHT) 1

Satzbeispiel fiir die NAND-Funktion:


1. Bedingung Wenn es regnet
+ und
2. Bedingung ich beschăftigt bin,
+ dann
negierte Aussage gehe ich nicht spazieren.
Die NAND-Funktion ist die Umkehrung der
UND-Funktion.
Die Lam pe in der Relaisschaltung brennt, solange
das Relais K keinen Strom fiihrt. Nur wenn b 1 b,
und b 2 betătigt werden, zieht K an und offnet
den Kontakt K. Gleichzeitig wird der StromfluB b2
fiir H unterbrochen.

~~=E}--H
Symbol NAND-Funktion

1479
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Aus der Wertetabelle kann man erkennen, daB Wertetabelle


die NAND-Funktion die Aussage der UND- b, b2 H
Funktion negiert.
o o L
o L L
L o L
L L o
Auch aus dem Signalplan geht hervor, daB das L
L-Signal bei H nur dann unterdriickt wird, wenn bl
o
b 1 und b 2 L-Signal fiihren. b L
'20
H L
o
Signalplan

UND-NAND

Man kann beide Aussagen in einer UND-NAND-


Schaltung unterbringen, bei der dann allerdings
zwei unterschiedliche Ausgănge notwendig sind.
Die Schaltung zeigt, daB eine Lampe immer
L-Signal abgibt. Durch die starre Verbindung
zwischen K, K 1 und K 2 ist es unmoglich, daB
beide Signale gleich sind.

Symbol for UND/NAND-Funktion

Wertetabelle

b, b2 H, H2
o o o L
o L o L
L o o L
L L L o
Die Wertetabelle macht deutlich, daB H 2 die
Negation von H 1 ist.

Signalplan

Bisher sind nur Logikbausteine besprochen worden, die nicht mehr als 2 Eingănge hatten.
Die Anzahl der Eingănge bei Logikbauteilen hăngt von der technischen Ausfiihrung und der
Aufgabenstellung ab.

1480
11. Grundelemente logischer Schaltungen (Funktionen)

UND-NAND mit 4 Eingăngen

Die Scha1tung weist aus, da~ alle Taster gleichzei-


tig betătigt sein miissen, wenn die Ausgangssigna1e
H 1 und H 2 verăndert werden sollen.

Symbol UND/NAND Element


mit 4 Eingăngen urui 2 Ausgăngen
Die Wertetabelle weist bei 4 Eingăngen 24 = 16
mogliche Scha1tungskombinationen aus. Wertetabelle

Eine Ănderung der Signa1anzeige tritt jedoch bl b2 b3 b4 H1 H2


nur ein, wenn g1eichzeitig alle Eingangssignale
o o o o o L - o
betătigt werden (Fali 15).
o o o L o L - 1
o o L o o L - 2
o o L L o L - 3
o L o o o L - 4
o L o L o L - 5
o L L o o L - 6
o L L L o L - 7
L o o o o L - 8
L o o L o L - 9
L o L o o L -10
L o L L o L -Il
Hl L L o o o L -12
L L o L o L -13
Signalplan fiir L L L o o L -14
UND-NAND Element mit L L L L L o -15
4Eingăngen

3. ODER-NOR

1 ODER 1

Satzbeispie1 fiir die ODER-Funktion:


1. Bedingung Wenn ich Bargeld habe
oder oder
b,l--
2. Bedingung das Scheckbuch mitnehme
t dann
positive Aussage kann ich einkaufen.
Wenigstens eine der beiden Bedingungen oder
beide miissen erfill1t sein, damit es zu einer posi-
tiven Aussage kommen kann.
Die Re1aisscha1tung zeigt, da~ Schiitz K dann an bi~H
Spannung liegt, wenn b 1 oder b 2 oder beide bz~
Scha1ter gedriickt sind. Die Lampe H brennt nur Symbol ODER-Funktion
dann nicht, wenn kein Schalter gedriickt ist.

1481
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Aus der Wertetabelle flir die ODER-Funktion Wertetabelle


ergibt sich die gleiche Aussage. Ein L-Signal
b, b2 H
(Lampe brennt) ergibt sich dann, wenn min-
destens eines der beiden Eingangssignale eben- o o o
falls L zeigt. o L L
L o L Signalplan ftir
L L L ODER·Funktion mit
2Eingăngen

br J J l
b2 1
r------L----~----
1
H 11 J
NOR(NICHT -ODER)

Satzbeispiel fiir die NOR-Funktion:


1. Bedingung Wenn es regnet
oder oder
2. Bedingung stiirmt,
t dann
negative Aussage kann ich nicht spazierengehen
Einer der beiden Schalter mu:f!J wenigstens betă­
tigt werden, damit das Relais K anzieht und an der
Lampe 0-Signal entsteht. (Lampe brennt nicht).
Nur wenn kein Schalter betătigt wird, flie:f!Jt
Strom und die Lampe brennt (L-Signal).

Symbo/ NOR-Funktion

o O L
o
L
L f~ 1

Wertetabel/eftir NOR-Funktion mit 2 Ein-


găngen

Signalplan fiir NOR-Funktion

1482
11. Grundelemente logischer Schaltungen (Funktionen)

ODER/NOR

Wie bei der UND/NAND-Funktion lăBt sich


eine Relaisschaltung aufbauen, bei der an zwei
Ausgăngen zwei sich stets widersprechende
Signale anstehen.
Die starre mechanische Verbindung zwischen
Relais K und den beiden Kontakten K 1 und K 2
verhindert, daB beide Lampen gleiches Signal
anzeigen konnen.
Es konnen gleichzeitig zwei entgegengesetzte
Signale an der Relaisschaltung abgenommen b1 ~H1
werden. b2 --1.....:::.__. H2
Symbol ODER/NOR-Funktion
bl
~ ~~=~~-r~~--

HI
O O O L
~------~L---~--

H2 ~------~.._____--~.__ O L L O
L O L O
L L L O
Symbol ODER/NOR-Element mit
2 Eingăngen und 2 Ausgăngen Wertetabelle fiir ODER/NOR-Element mit
2 Eingăngen und 2 Ausgăngen

ODER/NOR mit 5 Eingăngen

Relaisschaltung ODER/NOR mit 5 Eingăngen

b2~::..
64 -
H1
H2
5
Symbol fiir ODER/NOR mit 5 Eingăngen

1483
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Die Relaisschaltung besitzt 5 Eingănge. Das be- bl b2 b3 b4 bs H1 H2


deutet, d~ die Zahl der Schaltungen am Ein-
gang 25 = 32 betragen mu~. In der Werteta- o o o o o o L o
belle sind alle 32 Moglichkeiten aufgeflihrt. Das
o o o o L L o 1
o o o L o 2
Beispiel zeigt auch, da~ fUr die Darstellung der o o o L L 3
Zahl 32 im binăren Zahlensystem 6 Stellen not- o o L o o 4
wendig sind. o o L o L 5
o o L L o 6
o o L L L 7
o L o o o 8
o L o o L .j. .j. 9
o L o L o 10
o L o L L Il
o L L o o 12
o L L o L 13
o L L L o 14
o L L L L 15
L o o o o 16
L o o o L 17
L o o L o 18
L o o L L 19
L o L o o 20
L o L o L 21
L o L L o 22
L o L L L 23
L L o o o 24
L L o o L 25
L L o L o 26
L L o L L 27
Signalplan fiir ODER-NOR-Element mit 5 Ein- L L L o o 28
giingen und 2 Ausgiingen L L L o L 29
L L L L o 30
L L L L L L o 31

4. Exklusiv-ODER

/ Antivalenz /

Satzbeispiel fUr die Antivalenz-Funktion:


positive Aussage, Wenn ich in die Stadt will,
i dann
entweder
1. Bedingung fahre ichlentwederlmit dem
oder Auto
1oderl
2. Bedingung ich gehe zu Fuft

1484
11. Grundelemente logischer Schaltungen (Funktionen)

Die Lam pe H kann nur dann brennen, wenn eines


der beiden Relais Strom fiihrt und die zugeho-
rigen Kontakte betătigt werden. Wird z.B. b 1
betătigt, so schlieBt K 11 und H erhălt Strom.
Das gleiche geschieht, wenn b 2 betătigt wird und
der StromfluB liber K 22 K 12 erfolgen kann.
Werden gleichzeitig b 1 und b 2 betătigt, so kann
kein Strom flieBen, da K 21 und K 12 geoffnet
werden. Bleiben b 1 und b 2 unbetătigt, so ist der
StromfluB ebenfalls unmoglich.

Die Wertetabelle zeigt, daB ein L-Signal am Aus- Schaltskizze


gang H nur dann moglich ist, wenn ein Eingang
mit L beschickt wird. Werden beide Eingănge bl --1=11__ H
b]~
mit L oder O beaufschlagt, so erscheint am
Ausgang wieder 0-Signal. Symbol Antivalenz (Exklusiv-ODER)·
Funktion
Da es die Antivalenz-Funktion als Grundbaustein
nicht gibt, wird die Funktion aus Grundelemen- Wertetabelle
ten zusammengeschaltet. Eine Moglichkeit zeigt H
bl b2
die Schaltskizze.
o o o []
o L L
V Verstărkerelement L o L Symbol Verstiirker-
Da die in elektronischen Logikschaltungen vor- L L o element
kommenden Strome im mA-Bereich liegen, ist
es notwendig, die nachgeschalteten Anzeigege- b1
rate liber ein Verstărkerelement anzuschlieBen (V).

Die dargestellte Antivalenz-Schaltung besteht


aus 2 NICHT -, 2 UND- sowie einem ODER-Ele- H
ruent. Signalplan

Signalplan fiirAntivalenz-Funktion
L-Signal entsteht iruruer dann, wenn ein Schalter
(b 1 oder b 2 ) betătigt wird und daruit kein
Spannungsabfall liber die Vorwiderstănde R 1 und
R 2 erfolgen kann. Daruit sind dann die Punkte
a 1 bzw. a2 direkt an das positive Potential 1 an-
geschlossen. Am Ausgang der UND-Eleruente
entsteht iruruer nur dann L-Signal, wenn beide
Eingănge L-Signal flihren. Das ist jedoch nur dann
ruoglich, wenn der liber das NICHT-Eleruent
fi.ihrende Eingang vor dem NICHT-Element 0-
Signal besitzt. Dieses 0-Signal wird negiert und
damit zum L-Signal. Es kann am Ausgang der 2--+-~~------------
Logikplan
beiden UND-Elemente nie L-Signal anstehen,
wenn beide Eingănge (a 1 und a 2 ) das gleiche
Signal besitzen.

1485
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

1 Ăquivalenz 1

Eine Antivalenz-Funktion liegt dann vor, wenn --~--~-------4~-------+

die beiden Eingănge mit unterschiedlichen Signa-


len beschickt werden. Nur dann darf am Ausgang
L-Signal entstehen, wenn b 1 L-Signal und b 2 0-
Signal fiihrt bzw. umgekehrt. Soli nur dann am
Ausgang L-Signal anstehen, wenn beide Eingănge
gleiche Signale fiihren, dann spricht man von der
A"quivalenz-Funktion.
Die Schaltung filr diese Funktion hat nebenste-
hendes Aussehen:
Die Lampe H kann nur dann aufleuchten, wenn
die Kontakte K 11 und K21 oder wenn K 12 und
K 22 geschlossen sind. Diese Bedingungen treten
jedoch nur ein, wenn entweder b 1 und b 2 un-
betătigt oder beide betătigt sind.
Symbol A"quivalenz-Funktion

Aus der Wertetabelle lă~t sich ablesen, da~ die Wertetabelle fiir Ăquivalenzfunktion
Ăquivalenzfunktion die Umkehrung der Anti-
bl hz H
valenzfunktion ist.
o o L
b, o L o
L o o
~ r-L_~--~L_--~ L L L
Signalplan ftir
H A"quivalenz-Funktion

H fiihrt dann L-Signal, wenn eins der beiden


UND-Glieder am jeweiligen Ausgang L fiihrt.
Das ist jedoch nur dann mi:iglich, wenn beide
Eingănge gleiches Eingangssignal L ader O fiihren.

1486
11. Grundelemente logischer Schaltungen (Funktionen)

5. NOR und NAND- universelle Logikbausteine


Im vorigen Kapitel ist dargestellt worden, daB man aus unterschiedlichen Logikelementen
neue logische Funktionen (z. B. Exklusiv-ODER) aufbauen kann. Im folgenden Kapitel soli
gezeigt werden, daB durch Zusammenschaltung gleichartiger Elemente unterschiedliche
Grundfunktionen gebildet werden konnen.

1 NICHT- ODER - UND aus NOR-Elementen

b--@-H
1

NICHT ftf L
o

Beim NICHT-Element wird ein ankommendes Signal in sein Gegenteil verkehrt, es wird
negiert. Die Wertetabelle stellt dies dar. SchlieBt man die beiden (oder mehr) Eingănge kurz,
so entsteht von selbst an beiden Eingăngen das gleiche Signal L oder O. Die Wertetabelle von
NOR gibt Auskunft darUber, dai~, wenn beide Eingănge 0-Signal fUhren, der Ausgang L-Signal
fUhrt. Liegt an den Eingăngen L, so wird am Ausgang O entstehen. Das entspricht genau der
NICHT -Funktion.

bl b2 H
bţ=G-
b2 -· H b ' B- - - t B- - - H
b
2 o
1.0 o
ODER 2. o L L
3. L o L
4. L L L

Im năchsten Beispiel entsteht durch zwei hintereinandergeschaltete NOR-Elemente eine


ODER-Funktion. Durch zweimalige Negation der Eingangssignale entsteht ein positives
Signal am Ausgang.

~L~O 4-i::-l-P~_
_L_
~ ~~-r-
1. 2. bzw. 3. 4.

Die drei Fallskizzen zeigen, da~ die Hintereinanderschaltung von 2 NOR-Elementen tat-
săchlichODER ergibt.

bl b2 H
b,
b'~H H 1. o o o
b2 2. o
b2
L o
UND 3. L o o
4. L L L

1487
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Zur Darstellung der UND-Funktion durch NOR-Elemente benotigt man 3 NOR-Glieder, die
wie o ben dargestellt, miteinander verkettet werden.

1. 2. bzw. 3. ~.

Die drei Fallskizzen machen deutlich, da~ eine Wertetabelle entsteht, die der UND-Funktion
entspricht.

1 NICHT - ODER - UND aus NAND-Elementen

So wie aus NOR-Elementen die drei Grundfunktionen abgeleitet werden konnen, ist dies
auch mit NAND-Gliedern moglich.

bi--8----H

NICHT
b1~H
NAND ttt L
o
Wird b 1 mit L-Signal angesteuert, so erhalten die beiden internen Eingănge zwangslăufig
ebenfalls L-Signal und somit der Ausgang 0-Signal. Nur wenn alle internen Eingănge auf O
stehen, erscheint am Ausgang h L-Signal. Das entspricht der NICHT-Funktion.

bl
b! b2 H

bi~H 1. o o o
H
b2 2. o L L
b2 3. L o L
ODER 4. L L L

Die Bedingungen der ODER-Funktion sind erflillt, wenn man die Ausgănge zweier paralleler
NAND-Elemente in ein weiteres NAND-Element eingibt und an dessen Ausgang das End-
signal abnimmt. Die nachfolgenden Fallskizzen lassen erkennen, da~ die Bedingungen der
Wertetabelle ODER erflillt werden.

1. 2. bzw. 3. ~.

1488
11. Grundelemente logischer Schaltungen ( Funktionen)

Die Faliskizzen zeigen, da6 aus zwei hintereinandergeschalteten NAND-Elementen die


UND-Funktion entsteht.

o o
~ ~
1. 2. bzw. 3.

bl b2 H
1.0 o o
2. o L o
3. L o o
4.L L L

Es mu6 noch die Frage gestelit werden, welchen praktischen Sinn es hat, aus immer den
gleichen Grundelementen andere Grundelemente und Funktionen aufzubauen, die in der
Aufbaustruktur komplizierter und aufwendiger erscheinen.

Ein wesentlicher Vorteil der Darsteliung logischer Grundfunktionen mit nur einem Bauteil-
typ besteht darin, da6 Fertigung, Lagerhaltung und Zusammenbau wirtschaftlicher sind,
wenn nur ein Grundbauteil verwendet werden mu6. Werden logische Schaltungen aus inte-
grierten Schaltkreisen aufgebaut, so ist der scheinbar hohere Aufwand bei Verwendung von
NOR- bzw. NAND-Elementen wirtschaftlich bedeutungslos. Bei Verwendung von pneuma-
tischen oder hydraulischen Steuerelementen mu6 dieser dann tatsăchlich hohere wirtschaft-
liche Aufwand bedacht werden.

6. Lehrbeispiele

Lehrbeispiel 1
Eine Schaltung mit zwei Signalgebern soli iiberwacht werden. Die Lampe H 1 sollleuchten,
wenn nur einer der beiden Signalgeber betătigt wird. Die Lampe H 2 soli brennen, wenn
keiner der beiden Signalgeber betătigt wird.
Die Lam pe H 3 soli brennen, wenn beide Signalgeber betătigt werden.

-----.
bl b2 H1 H2 H3
o o o L o
o L L o o
L o L o o
L L o o L

1489
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Wirkungsweise:
Die Schaltung wird hier verwirklicht mit einem ODER-, einem NOR-, einem UND- sowie
einem UND/NAND-Element.
Ein Signal entsteht dann, wenn ein Schalter geschlossen ist und damit ein Impuls die Logik-
glieder ansteuert.
H 1 leuchtet nur dann auf, wenn liber das ODER-Element ein L-Signal an einem Eingang des
UND-Gliedes ansteht und wenn liber den negierten Ausgang des UND/NAND-Gliedes
L-Signal ansteht. Das ist aber nur dann der Fall, wenn nicht beide Eingange des UND/NAND-
Gliedes mit L-Signal beaufschlagt werden.
H 3 kann nur dann aufleuchten, wenn beide Eingange des UND/NAND-Gliedes mit L beschickt
werden. H 2 leuchtet nur auf, wenn das NOR-Element auf beiden Eingangen 0-Signal fiihrt.

Lehrbeispiel 2
Eine Schaltung mit zwei Eingangen soll nach
folgenden Bedingungen arbeiten:
Ausgang H 1 soll L-Signal flihren, wenn b 1 und
b 2 0-Signal anzeigen oder wenn an b 1 0-Signal
und an b 2 L-Signal anliegt oder wenn b 1 und b 2
L-Signal fiihren. Ausgang H 2 soll bei Ăquivalenz
L-Signal zeigen oder wenn nur an b 1 L-Signal
ansteht.

bi b2 Ht H2
o o L L
o L L o
L o o L
Hl L L L L

H2

Lehrbeispiel 3
Ein Transformator wird mit Hilfe zweier Ventilatoren gekiihlt. Die beiden Ventilatoren
sollen in folgender Weise iiberwacht werden:
1. Eine Lampe soll aufleuchten, wenn weniger als zwei Ventilatoren laufen.
2. Eine Hupe soll ert6nen, wenn kein Liifter mehr lauft.
Zwei Windfahnenrelais iiberwachen die Luftstromung der Laufer.

1490
11. Grundelemente logischer Schaltungen ( Funktionen)
+ Lampe Hupe
b, b2 H, H2

o o L L
o L L o
L o L o
L L o o

Wirkungsweise:
Die Schaltung wird realisiert mit einem ODER-, einem NOR- sowie zwei NICHT-Elementen.
Wenn beide Ventilatoren laufen, werden die beiden Windfahnenrelais betiitigt und Offnen.
die Kontakte b 1 und b 2 • Ist ein Ventilator defekt, so driickt die Rtickstellfeder das Wind-
fahnenrelais in die gezeichnete Ausgangsstellung, und der entsprechende Kontakt wird wie-
der geschlossen. Sind ein bzw. beide Kontakte geschlossen, so erhalten die Logikelemente
entsprechende negative lmpulse. Die Hupe h 2 wird dann betiitigt, wenn sowohl b 1 als auch
b 2 nicht geOffnet sind. Die Lampe h 1 wird aufleuchten, wenn beide oder nur ein Kontakt
geschlossen sind.

Lehrbeispiel 4
Bei Auftreten eines StOrsignals b 1 ertont eine Hupe und eine Lam pe blinkt. Nach Quittierung
- Taste b 2 - schaltet die Hupe ab und die Lampe erhiilt Dauerlicht. Ist die Storung beseitigt,
so erlischt die Lampe. Wird die Quittierung nach Ende der StOrung betatigt, so erloschen
Hupe und Blinklicht gleichzeitig.

Verstărker
/ Hupe

1491
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

... Zur Selbstkontrolle


1. Was versteht rnan unter einer Wertetabelle?
2. Nenne ein Satzbeispiel ftir eine UND-Funktion.
3. Was kann mit Hilfe eines Signalplanes sichtbar gernacht werden?
4. Wieviel Zeilen und wieviel Spalten sind notwendig, urn in einer Wertetabelle die Schaltrnoglichkeiten
eines ODER-Elernentes mit 5 Einglingen und einern Ausgang darzustellen?
5. Erstelle ein Satzbeispiel, das die NOR-Funktion ausdriickt.
6. Wodurch unterscheiden sich die Funktionen von ODER und Exklusiv-ODER?
7. Nenne die wichtigsten Verkniipfungsarten.
8. Erkllire die NAND-Funktion und skizziere das zugehorige Schaltsyrnbol.
9. Was versteht rnan unter Antivalenz?
10. Erkllire den Begriff.Xquivalenz.

III. Schaltalgebra

Mit Hi1fe der Schaltalgebra 1assen sich in der Steuerungstechnik Scha1tfunktionen aufstellen.
Diese stellen den Zusammenhang zwischen den Werten der Eingangs- und Ausgangssigna1e
auf mathematische Weise dar. Alle bisher beschriebenen Scha1te1emente und ihre Funktionen
1assen sich mit Hilfe der Schalta1gebra darstellen.

1. Grundrege1n der Schalta]gebra

1 UND-Verkniipfung 1

Die G1eichung liest sich:


LIILIIL=L
L und L und L g1eich L. LIIOIIO=O
Die UND-Verkniipfung kann im Ansatz mit der LIILIIO=O
Rechenart Malnehmen verglichen werden, z. B. LIIOIIL=O
1 . 1 . 1 = 1; oder 1 . 1 . O = O. OIILIIL=O
0110110=0

j ODER-Verkniipfung j

Die G1eichung 1iest sich:


LvLvL=L
L oder L oder L g1eich L. LvOvO=L
Die ODER-Verkniipfung 1ăBt sich mit der Rechen- LvLvO=L
art Zuzăhlen vergleichen, wobei zu beachten ist, OVLVL=L
LvOvL=L
daB im Resultat nur zwei Ergebnisse moglich
OVOVO=O
sind:
O bzw. L.
Beispiel:
1+1+1=3-+L
1+1+0=2-+L

1492
III. Schaltalgebra

1.1. Inversionsgesetze (de Morgansche Regeln)


Jede ODER-Verkniipfung lii~t sich in eine UND-Verkniipfung- und jede UND-Verkniipfung
lă~t sich in eine ODER-Verkniipfung verwandeln, indem man die Rechenzeichen verăndert
und die Einzelglieder sowie den Ausdruck negiert.

Umwandlung einer UND-Funktion ( Konjunktion) in eine ODER-Funktion (Disjunktion)


(b1 A b2)=H
Diese Gleichung entspricht dem Symbol einer bl b2 H
UND-Funktion mit 2 Eingăngen.
o o o
Umgewandelt lautet die Gleichung o L o
L o o
L L L
In der Schaltalgebra bedeutet ein oben liegender bl b2 H
Querstrich eine Negation. In dieser Gleichung
werden sowohl die Einzelglieder als auch der Ge- H o o o
samtausdruck negiert. Da das Rechenzeichen ver- o L o
ăndert worden ist, haben wir es mit einer ODER-
L o o
L L L
Funktion zu tun. Die Schaltung besteht aus 2
NICHf -Elementen sowie einem NOR-Element.
Die beiden NICHT-Elemente lassen sich auch durch NOR-Glieder ersetzen (vgl. Abschnitt
2.2.5.).
Eine Dberpriifung dieser beiden Gleichungen anhand der zugehorigen Wertetabellen ergibt
die gleichen Aussagen in allen vorkommenden Făllen.
Daraus folgt:
(b 1 Ab 2 )=(bivb2)
Diese Aussage beschrănkt sich nicht auf zwei, sondern gilt fiir beliebig viele Variable, z.B.:
(bl A b2 A b3) = (bl V b2V b3)
Umwandlung einer ODER-Funktion (Disjunktion) in eine UND-Funktion ( Konjunktion)

Gleichung fiir ODER-Funktion mit 2 Eingăngen. bl H


~=8--H
b2
o o o
o L L
Die mehrfach negierte UND-Funktion ergibt in L o L
der Wertetabelle die gleichen Aussagen wie die L L L
ODER-Funktion.
Die Schaltung besteht aus 2 NICHT-Elementen
sowie einem NAND-Element. Die beiden NICHT-
b1 b2 H
Elemente lassen sich durch NAND-Elemente
ersetzen (vgl. Abschnitt 2.2.5.). o o o
O L L
(bl V b2) = (bl A b2) L O L
L L L
~~~-

(bl V b2 V b3) = (bl A b2 A b3)

1493
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

In der folgenden Rege! lăBt sich das Inversionsgesetz zusammenfassen:

Eine Disjunktion (Konjunktion) wird in eine Konjunktion (Disjunktion) verwandelt,


indem jede vorkommende Variable negiert wird und jedes Disjunktionszeichen (Kon-
junktionszeichen) in ein Konjunktionszeichen (Disjunktionszeichen) verwandelt wird.
Dabei zăhlt ein Klammerausdruck ebenfalls als Variable.

Nach dieser Rege! soli die Gleichung (b 1 f\ b 2 ) =H in eine ODER-Funktion mit gleicher
Aussage umgewandelt werden.

(btA b 2 )=H
(bl b2) = 1. Schritt: Negation der beiden Variablen
(bl b2) = 2. Schritt: Negation des Klammerausdrucks
(b1vb2)=H 3. Schritt: Umwandlung des Konjunktionszeichens in ein Disjunktionszeichen
(b 1 A b 2 ) = (b 1 V b2 ) Nachweis: Vergleich der Wertetabellen

Nach dieser Rege! lăBt sich auch der folgende Ausdruck umwandeln:
(bt 11 b2) =H
(bl b2) = 1. Schritt: Eine weitere Negation einer bereits negierten Variablen hebt die
(ii;/J;) = 2. Schritt Negation wieder auf.

(bt V b2) =H 3. Schritt


(bt 1\ b2) = (bt V b2)

(btA b2) =H bl b2 H

··~
b2 1
& H
o
o
L
L
o
L
o
L
L
o
o
o
b,~H bl b2 H
b2
o o L
o L o
L o o
L L o
Aus den Wertetabellen ist zu erkennen, daB die beiden Gleichungen identisch sind.

1.2. Distributives Gesetz

In der Mathematik kann der nebenstehende (3+4)·(5+6)


zweigliedrige Ausdruck durch Ausmultiplizieren = (3. 5) + (3. 6) + (4. 5) +
in den darunterstehenden viergliedrigen Ausdruck + (4. 6)
verwandelt werden.
Ăhnliche GesetzmăBigkeiten gelten auch fiir die
Schaltalgebra.

1494
III. Schaltalgebra
Aus der zweigliedrigen Disjunktion ist eine vier- (b1 1\ b2) V (b3/\ b4)
gliedrige Konjunktion geworden. (b! V b3) 1\ (b! V b4) 1\
1\ (b2 V b3) 1\ (b2 V b4)
Es gilt aber auch umgekehrt: Eine zweigliedrige
Konjunktion lă8t sich durch Ausmultiplizieren (b1 V b2) 1\ (b3 V b4)
in eine viergliedrige Disjunktion verwandeln. (b 1 1\ b 3)v (b1/\ b4)v
V (b2 1\ b3) V (b2 V b4)

Zunăchst ist nicht einzusehen, welchen schal- Es gilt weiterhin:


tungsmă8igen Vorteil Umwandlungen haben, b 1 1\ (b2 V b3)
bei denen zweigliedrige Ausdriicke durch um- = (b1 1\ b2) V (bl 1\ b3)
fangreichere viergliedrige Ausdriicke ersetzt wer-
sowie:
den konnen.
b1 V (b2 1\ b3)
= (b! V b2) 1\ (b2 V b3)

An zwei Beispielen soli er!ăutert werden, da8 es durch Umwandlungen bei in der Praxis
immer wiederkehrenden Aufgabenstellungen schaltalgebraischer Art sehr wohl zu Verein-
fachungen kommen kann, die von den Kosten und der Fertigung gesehen giinstiger sind.

1. Beispiel:
Diese Disjunktion wird nach dem distributiven
Gesetz zunăchst in eine Konjunktion verwandelt. (b 1 1\ b 2 ) V (b1 1\ b2) = L

(?!..!_V ?!..!_) 1\ (h V b2)


Der erste und vierte Ausdruck der Konjunktion 1\ (b2 V b J) 1\ (b 2 V b2) =L
sollen năher betrachtet werden.
In der nebenstehenden Schaltung flie8t in je-
dem Fali Strom. Es spielt keine Rolle, in wel-
cher der beiden Schaltstellungen b 1 sich befin-
det. Diese Schaltung entspricht dem Ausdruck
b1 V b..
Wenn durch Umschaltung von b 1 keine Schal-
tungsverănderung eintritt, dann wirkt b 1 v b 1
wie ein fest verdrahteter stăndig geschlossener
Kontakt, der stăndig L-Signal fiihrt.
Was fiir b 1 v b. gilt, hat auch Giiltigkeit fiir
b 2 v b 2 , so da8 sich die Konjunktion wie folgt
darstellt.
Die Gleichung kann reduziert werden auf den
zweiten und dritten Ausdruck, so da8 daraus
wird:
Nach den Inversionsgesetzen kann der zweite
Ausdruck weiter vereinfacht werden.
Vergleicht man die Ausgangsgleichung mit dem
zuletzt durch zwei Umwandlungen gefundenen
Wert, so kann man tatsăchlich eine schaltungs-
technische Vereinfachung erkennen. Es werden
zwei NICHT-Elemente eingespart.

1495
Einfuhrung in die Steuerungstechnik

Antivalenz

bl b2 H
o o o
o L L
L o L
L L o
b,
(bl V b2) 11 (b2 11 bl) = L b2
H

o o o
o L L
2. Beispiel: L O L
Mit Hilfe der distributiven Gesetze sowie der L L O
Inversionsgesetze soli eine Konjunktion in eine
Disjunktion verwandelt werden.

Bei der vereinfachten Schaltung ergibt sich eine (b1 Vb2)11(b1 Vb2)=L
Einsparung von zwei Negations-Elementen. (bl 1\ bJ) V (bl 11 b2) V
-- -
V (b11\ b 2 )V (b 2 11 b2) = L

Die Skizze zeigt die Verschaltung des Ausdrucks


(bl 11 bl).
In jedem Fali ist einer der beiden in Reihe ge-
schalteten Kontakte geăffnet. StromfluB bzw.
L-Signal sind damit ausgeschlossen.
Erster und vierter Ausdruck der Konjunktion
werden O, so daB sich die Funktion auf zwei
Ausdrticke reduziert.

Die vereinfachte Gleichung wird nach de Morgan


weiter vereinfacht, so daB die Gleichung ihre end-
gi.iltige Form erhălt.
Baut man flir diese Gleichung die Schaltung auf,
so konnen durch den Einsatz eines NOR-Ele-
mentes an Stelie eines ODER-Elementes eben-
falis zwei Negationselemente eingespart werden.

1496
III. Schaltalgebra

(b 1 V b 2) 1\ (b 1 V b2) = L b, b, b2 H
o o L
H o L o
b2 L o o
L L L

b, b, b2 H
(b, A b 2 )V (b, V b2) = L
b2 o o L
H o L o
L o o
L L L

Aus den Wertetabellen geht hervor, da~ beide Gleichungen tatsăchlich gleichwertig sind.
Das distributive Gesetz bietet genauso wie die Regeln nach de Morgan Moglichkeiten, Schal-
tungen so zu vereinfachen, da8 einfachere Elemente und weniger Schaltungsaufwand mog-
lich werden.

Zusammenstel/ung der wichtigsten schalta/gebraischen Gesetze und Verkniipfungsregeln

Grundgesetze
NICHT L=O ODER OvO=O UND OAO=O
o= r OvL=L OAL=O
LvO=L LAL=L
LvL=L
Verkniipfungsregeln
b, V b2 = b2 V b,
b, A b2 = b2 A b,
b, V b2 V b3 = (b, V b2) V b3 = b, V (b2 V b3)
b,A b21\ b3 =(b,A b2)1\ b3 =b, A (b2 A b3)
b, V (b, A b2) = b,
b, A (b, V b2) = b,
b, V (b, 1\ b2) = b, V b2
b, A (b; V b2) = b, A b2
(b, V b2) A (b, V b3) = b, V (b2 A b3)
(b, A b2) V (b, A b3) = b, A (b2 V b3)
(b, A b2) V (b3 A b4) = (b, V b3) A (b2 V b3) A (b, V b4) A (b2 V b4)
(b, V b2) A (b3 V b4) = (b, A b3) V (b2 A b3) V (b, A b4) V (b2 A b4)
b, V b2 = b; A b2
b, A b2 = b, V b2

b, V b2 = b, A b2
b, A b2 = b, V b2

1497
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Lehrbeispiel 1
Die folgende Gleichung soli mit Hilfe der Regeln nach de Morgan so umgewandelt werden,
daB die Anzahl der Logik-Elemente moglichst klein gehalten wird und einfache Elemente
mit wenig Eingăngen benutzt werden konnen.
A usgangsgleichung

(bi 11 b2" b3 11 b4) V (bl 11 b2 11 b3 11 b4) =H


Am Ausgang H soli nur dann L-Signal anstehen, wenn b 3 einen L-Impuls filhrt und die an-
deren drei Variablen nicht, oder wenn an b 1 und b 2 L-Signale anstehen und an b 3 und b 4
nicht.

Schaltung Die Schaltung enthălt, wenn sie nach


der Ausgangsgleichung aufgebaut wird,
die folgenden Elemente:
4 X NICHT
2 X UND mit 4 Eingăngen
1 X ODER mit 2 Eingăngen

H 7 Elemente

1. Teilum[ormung
b1 11 b2 11 b3 11 b4 = b1 V b2 V b3 V b4

2. Teilumformung

b1 11 b2 11 b3 11 b4 = b1 11 b2 11 (b3 V b4)
Gleichung nach der Umformung nach de Morgan:
(bl V b2 V b3 V b4) V (b1 11 b2 11 (b3 V b4]) = H

Endgii/tige Schaltung

Nach der Umformung enthălt die verein·


fachte Schaltung nur noch 5 Elemente:
1 NICHT
H 1 NOR mit 4 Eingiingen
1 ODER mit 2 Eingiingen
1 NOR mit 2 Eingiingen
1 UND mit 3 Eingiingen
5 Elemente

1498
III. Scha lta lgebra

Lehrbeispiel 2
Am Ausgang einer Steuerungsschaltung soll ein
L-Signal anstehen, wenn einer von zwei Gebern
L-Signal flihrt (Antivalenz). Die Ausgangs-
gleichung heiBt
(b1 11 b2) V (b 1 11 b2) = H.
Fur die Realisierung der Ausgangsgleichung H
wtirden 5 Logikelemente benotigt werden.
Eine Umwandlung nach de Morgan scheint
zunăchst keine Vereinfachung zu ermoglichen.
Es ist aber auch moglich, die Umkehrgleichung
zu bilden. Darunter soli verstanden werden, unter
welchen Bedingungen kein L-Signal am Ausgang o o o
O L L
H erscheinen darf bzw. unter welchen Bedingun-
L O L
gen 0-Signal erwartet werden muB. L L O
Die Wertetabellen verdeutlichen die beiden Aus-
sagen der Ausgangs- bzw. Umkehrgleichung. Die
Umkehrgleichung mtiBte dann lauten
(51 il b2) v (h1 1' b 2) = H O O L
Der erste Ausdruck lăBt sich wie folgt um- O L O H~o

L O O Âquivalenz
formen:
L L L
ii1 1\ ii2 = b1 \1 b2
daraus folgt
(b 1 11 b 2 )v (b 1 il b 2 ) = H
Werden beide Seiten der Gleichung negiert,
dann wird aus dem doppelt negierten li wieder H

ein einfaches H
(b 1 V b2) V (b 1 1\ b2) = il
(b1 V b2) V (b111 b2) = H
Baut man eine Schaltung nach dieser Gleichung
auf, so benotigt man insgesamt 3 Logikelemente. o o o
Die Wertetabelle zeigt, daB diese vereinfachte O L L
Schaltung die Ausgangsgleichung realisiert. L O L
L L O

2. Karnaugh-Diagramme

Die Schaltalgebra bietet eine Reihe von Moglichkeiten, Gleichungen so umzustellen, daB ein-
fachere oder weniger Bauteile verwendet werden konnen. Das ist nicht nur iru Hinblick auf
die Wirtschaftlichkeit von Bedeutung, sondern auch wichtig in bezug auf die Reparaturan-
fălligkeit von Steuerungsanlagen. Die Anzahl der fiir diese Umstellungen notwendigen
Rechenregeln ist groB, und es gehort au&rdem einige Geschicklichkeit dazu, diese richtig
und sinnvoll einzusetzen.

1499
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Aus diesen Griinden hat Karnaugh im J ahre 19 53 ein graphisches Losungsverfahren entwickelt,
mit dessen Hilfe man schnell zu sinnvollen Vereinfachungen kommen kann. Die Anwendung
des Karnaugh-Diagramms erfordert nur wenige Regeln, um Gleichungen mit mehreren Vari-
ablen zu vereinfachen. Dieses Verfahren soli iru folgenden dargestellt werden.
Der Umfang des Karnaugh-Diagramms richtet sich nach der Anzahl der in einer Gleichung
vorkommenden Variablen. Das Diagramm enthălt immer so viele Felder, daB alle moglichen
Vollkonjunktionen in das Diagramm eingebracht werden konnen. Eine Vollkonjunktion ist
eine UND-Funktion, die alle vorkommenden Variablen der· Funktion entweder in direkter
oder negierter Form enthălt.

2.1. Karnaugh-Diagramm ftir zwei Variable

Die Felder der ersten Zeile (1 und 2) enthalten


b2
die Variable b 1 in negierter Form. Die Felder
der zweiten Zeile (3 und 4) enthalten die Vari- 00
able b 1 in direkter Form. b!
b! b2
Die Felder der ersten Spalte (1 und 3) driicken
die Variable b 2 in negierter Form aus. Die LO
Felder der zweiten Spaite (2 und 4) enthalten b! 3
die Variable b 2 in direkter Form. b! b2

Beispiel: (b 1 1\ b 2 ) v (b 1 1\ b 2 ) =L
Die beiden Schaltungsbedingungen, unter denen ein b1 b2 H
L-Signal am Ausgang h vorhanden sein soli, werden
in den Feldern 4 und 2 erfaBt. Bei 2 Variablen wăren o o o
insgesamt 4 Vollkonjunktionen moglich. Die beiden
O L L
betroffenen Felder sind durch Kreuze markiert. L O O
L L L
Im Karnaugh-Diagramm sind die beiden in der Gleichung
enthaltenen Vollkonjunktionen benachbart, denn sie
liegen in der gleichen Spalte (Spalte 2).
Zwei direkt benachbarte Vollkonjunktionen unterschei- b2 1\ (b 1 V bi) = L
den sich dadurch voneinander, daB eine der beiden Vari-
b 1 V b 1 =L
ablen ihren Wert ăndert, wăhrend die andere in beiden
Feldern den gleichen Wert behălt. Im Beispiel ăndert b2 1\ L =L
sich der Wert der Variablen b 1 . Klammert man die in
beiden Feldern unverăndert gebliebene Variable aus, so b2 =L
entsteht der nebenstehende Ausdruck. Der Ausdruck
b 1 V li; ergibt L (Kap. 2.3.1.2.), so daB sich die Glei-
chung auf folgenden Ausdruck reduziert.
Es wird nach dieser Funktion immer dann L-Signal an-
stehen, wenn b 2 in direkter Form vorhanden ist.
Sind in einem Karnaugh-Diagramm zwei Vollkonjunk-
tionen benachbart, so konnen immer Vereinfachungen
durchgeflihrt werden. Benachbart heiBt, daB sie neben-
einander in einer Zelle bzw. untereinander in einer
Spalte angeordnet sind.

1500
III. Schaltalgebra

2.2. Karnaugh-Diagramm fiir drei Variable


Bei drei Variablen sind 2 3 = 8 Vollkonjunktionen moglich, denn die vier Vollkonjunktionen
bei zwei Variablen konnen einmal mit der direkten dritten Variablen b 3 kombiniert werden,
aber auch mit der negierten dritten Variablen b 3 • Es entstehen zwei Diagramme mit je vier
Feldern, die zu einem Diagramm mit acht Feldern zusammengeschoben werden konnen.

Es enthalten:
Zeile 1 b1, b2, b3 und b 3
000 OOL
2 Zeile 2 b1, b2, b3 und b 3
bl b2 b3 bl b2 b3 Zeile 3 b1, b2, b3 und b 3
Zeile 4 b1, b2, b3 undb 3
Spalte 1 b1 und ll;, b 2 und b;, b;
Spalte 2 b1 und bt, b2 und b2, b3

Beispiel:

(bt 1\ b2 1\ b3) V (bt 1\ b2 1\ b3)


V (bt/\ b21\ b3)V (bt/\ b21\ b3) =L

Die vier angekreuzten Felder zeigen die Lage der in der


Gleichung vorkommenden Vollkonjunktion im Kar-
naugh-Diagramm an.
Wird die Ausgangsgleichung in eine Schaltung umge-
setzt, so beni:itigt man dazu H
1 ODER-Element mit 4 Eingăngen,
4 UND-Elemente mit 3 Eingăngen und
3 NICHT-Elemente.
Die Wertetabelle zeigt die vier vorgegebenen Li:isungen
der Ausgangsgleichung.
Die Ausgangsgleichung soli nun mit Hilfe des Karnaugh-
Diagramms vereinfacht werden.
Die im Diagramm benachbarten Bli:icke werden zu zweit bt b2 b3 H
zusammengefaEt. Hierbei ergeben sich folgende Mi:iglich-
keiten:
o o o o
O O L O
1. Feld 3 urui Feld 5 O L O L
2. Feld 5 und Feld 6 O L L O
3. Feld 6 und Feld 8 L O O O
L O L L
L L o L
L L L L

1501
Einfuhrung in die Steuerungstechnik

Welche Zusammenfassung flir die Vereinfachung ausge- Feld 3 und Feld 5


wăhlt wird, ist im Prinzip gleichgiiltig. In diesem Beispiel (b1 1\ b2 1\ b3) V
sollen die beiden vertikalen Blăcke ausgewăhlt werden.
(b11\b21\b3)=L

Feld 3 und Feld 5:


Die beiden Vollkonjunktionenhaben b 2 11 b 3 gemeinsam.
Sie unterscheiden sich in b 1 bzw. b 1 .

b2 11 b 3 kiinnen ausgeklammert werden. b2 1\ b3 1\ (b1 1\ bJ) =L


(b 1 1\ bJ) = L

Der Klammerausdruck entfallt, so daB von beiden Fehlern b2 1\ b 3 1\ L =L


nur die Vereinfachung b 2 11 b 3 = L iibrigbleibt.
b2 1\ b3 = L

Im zweiten Schritt sollen die Blăcke 6 und 8 vereinfacht


werden:
Feld 6 und Feld 8
b 1 11 b 3 kănnen ausgeklammert werden.
(b1 1\ b2 1\ b3) V
b2 11 b 2 ergibt L, so daB als Rest der Zusammenfassung
( b 1 1\ b2 1\ b 3) = L
b 1 11 b 3 iibrigbleiben.
b11\ b31\ (b21\b2) =L
Zusammenfassung van 3 und 5 sowie 6 und 8:
b1 1\ b3 =L
Die vier in der Ausgangsgleichung enthaltenen Vollkon-
junktionen sind in beiden Zweiergruppen zusammen-
gefaBt und vereinfacht worden.
Als Rest der Ausgangsgleichung bleibt iibrig:

Aus der urspriinglichen Schaltung mit vier UND-, drei


NICHT- und einem ODER-Element sind in der verein-
fachten Schaltung zwei UND-, ein NICHT- sowie ein
ODER-Element mit jeweils nur zwei Eingăngen iibrig-
geblieben.

Vereinfachte Schaltskizze

Die Wertetabelle weist aus, dai!. die vereinfachte Glei- b1 b2 b3 H


chung die Ausgangsbedingungen der Ursprungsgleichung
erflillt.
o o o
o o L
o L o
o
L
L
o
L
o
L~b,Ab,
o
f
L L
L L o b1 1\ b3
L L L L

1502
III. Schaltalgebra

2.3. Karnaugh-Diagramm fiir vier Variable.


Bei vier Variablen sind 24 = 16 Vollkonjunktio- b3 b3 b3 b3
nen moglich. Das Karnaugh-Diagramm fUr vier
Variable hat damit 16 Felder, wie die nebenste- 0000 OOOL OOLL OOLO
hende Abbildung zeigt. bt 2 3 4
b2
Der Aufbau des Diagramms in der Anordnung
von Zeilen und Spalten entspricht im wesent-
lichen dem Diagramm mit drei Variablen. Durch bt b2
die zusătzliche Variable b 4 wird das Diagramm
doppelt so umfangreich. 12
An dem folgenden Beispiel soll eine Verein- bt LLLO b2
fachung einer Schaltung mit Hilfe der Karnaugh-
Tafel durchgefiihrt werden. 13 16
bt LOOO LOLO b2

b4 b4 b4 b4
Beispiel:
(bt A b2 A b3 A b4) V (bt A b2 A b3 A b4) V (bt A b2 A b3 A b4) V (bt A b2 A b3 A b4)
V (bt A b2 A b3 A b4) V (bt A b2 A b3 A b4) V (bt A b2 A b3 A b4) =L
Wird die Schaltung nach der Ausgangsgleichung
aufgebaut, so werden sieben UND-Elemente mit
je vier Eingăngen, vier NICHT -Elemente und ein
ODER-Element mit sieben Eingăngen benotigt.
Im Karnaugh-Diagramm sind die sieben Voll-
konjunktionen angekreuzt. Es ist zu sehen, daill
die Felder eng zusammenliegen. Daraus ergibt
sich, daill entsprechende Vereinfachungen mog-
lich sind.
H

Die Felder 5, 6, 7 und 8liegen alle in einer Zelle, so daE Block 1


sie zu einem Block zusammengef!!Et werden konnen.
(bt 1\ b2 A b3 A b4) V(bt 1\ b2 1\ b3 1\ b4)
V (bt 1\ b2 1\ b3 1\ b4) V (bt 1\ b2 1\ b3 1\ b4)
Die Felder 6, 7, 1O und 11 sind entweder durch Spalten-
oder Zeilennachbarschaft bestimmt. Sie bilden eben- Block 2
falls einen Block.
(bt 1\ b2 1\ b3 1\ b4) V (bt 1\ b2 1\ b3 1\ b4)
Die F elder 11 und 15 befmden sich untereinander in der
V (bt 1\ b2 1\ b3 1\ b4) V (bt 1\ b2 1\ b3 1\ b4)
gleichen Spalte. Sie bilden den dritten Block. Damit
sind alle angekreuzten Felder in mindestens einen Block Block 3
einbezogen.
(bt 1\ b2 1\ b3 1\ b4) V (bt 1\ b2 1\ b3 1\ b4)

1503
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Die Blocke werden der Reihe nach aufVereinfachungen


untersucht.
Block 1
Der Block 1 wird zunăchst in zwei Teile zerschnitten
(b, 1\ b2 1\ b3 1\ b4) V (b, 1\ b2 1\ b3 1\ b4)
und die beiden ersten Vollkonjunktionen untersucht.
(b; 1\ b2 1\ b3) V (b4 1\ b4)
(b4 1\ b4) =o
Durch Ausklamrnern von b!.!_b 2 und b 3 wird b 4 iiber-
fliissig, so daB nur b 1 1\ b 2 1\ b 3 iibrigbleiben.

Der zweite Teil des 1. Blocks wird nach der gleichen Me- (b, 1\ b2 1\ b3 1\ b4) V (b, 1\ b2 1\ b3 1\ b4)
thode behandelt. (b; 1\ b2 1\ b3) V (b4 1\ b4)
Von der 2. Hălfte des 1. Blocks bleibt nur der Ausdruck (b4 1\ b4) =o
b, 1\ b2 1\ b3 iibrig.

Die beiden Teilergebnisse von Block 1 werden zusammen- (b, 1\ b2 1\ b3) V(b; 1\ b2, 1\ b 3)
gefaBt. Nach dem distributiven Gesetz konnen b 1 1\ b 2 (b,A b2) V (b3/\ b3)
ausgeklammert werden.
Als Restausdruck bleibt ftir den gesamten 1. Block be- (b3 1\ b2) =o
stehen

Auch Block 2 wird in 2 Teile zerschnitten. Block 2

(b, 1\ b2 1\ b31\ b4) V (b, 1\ b2 1\ b3 1\ b4)


1. Teil
(b, !\ b2 !\ b4) V (b3 !\ b3)
(b3 1\ b3) =o
Von der 1. Hălfte von Block 2 bleibt der nebenstehende
Ausdruck zuriick.

2. Teil (b, 1\ b 2 1\ b3 1\ b4) V (b, 1\ b2 !\ b3 !\ b4)


(b, 1\ b2 1\ b4) V (b3 1\ b3)
(b3!\b3)=0

Die beiden Teilvereinfachungen werden zusamrnen- (b 1 1\ b 2 1\ b 4 )v (b 1 1\ b21\ b4)


gefaBt.
(b2/\ b4)v (b,A bd
(b, 1\ bd = o
Die Variablen b 1 und b 3 sind damit fiir den 1. Block
vollig entfallen. Es bleiben bestehen b 2 1\ b 4 in direkter
Form.

1504
III. Schaltalgebra
Block 3 umfaj3t die Felder 11 und 15. Hier ist auch nur Block3
eine ein[ache Zusammenfassung m6glich.
(b! fi b2 fi b3 fi b4) V (bl fi b2 fi b3 fi b4)
(b! fi b3 fi b4) V (b2 fi b2)
(b2" b2) =o

Restausdruck von Block 3

Die Vereinfachungsmethode mit Hilfe der Karnaugh-Tafel zeigt, daE die Vereinfachungsmoglichkeiten
umso groBer sind, je mehr Zeilen- und Spaltennachbarschaften vorliegen und je mehr Felder zusarnmen-
faEbar sind. Die umfangreiche Ausgangsgleichung wird durch die wesentlich einfachere Restgleichung
ersetzt.

Rest Rest Rest


Block 1 Block2 Block 3

Nach dieser Gleichung wird die neue Schaltung aufgebaut. Sie besteht nur noch aus einem NICHT-Element,
drei UND-Elementen mit zwei bzw. drei Eingăngen sowie einem ODER-Element mit drei Eingăngen. Die
Verdrahtung wird wesentlich einfacher und iibersichtlicher, als dies bei der Ausgangsschaltung moglich war.
Die Werttabelle zeigt, daE die Uisungsfalle der Ausgangsgleichung mit denen der vereinfachten Restgleichung
identisch sind.
Den 7 Losungsm()glichkeiten der Ausgangsgleichung entsprechen 10 Losungsmoglichkeiten der drei Rest-
blocke. Von diesen 10 Losungen sind jedoch drei doppelt vertreten, so daE auch hier insgesamt nur sieben
unterschiedliche Losungen vorkommen.

Block 1 Block 2 Block 3

bl b2 b3 b4 H bl " b2 b2 "b4 bl " b3" b4


o o o o o
o o o L o
o o L o o
o o L L o
o L o o L -L
o L o L L -L L 2 H
o L L o L -L 3
o L L L L -L L 4
L o o o o
L o o L o
L o L o o
L o L L L L 5
L L o o o
L L o L L L 6
L L L o o
L L L L L L L 7

1505
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Lehrbeispiel
Schaltalgebraische Gleichung mit vier Variablen
(bl 11 b2 11 b3 11 b4) V (bl 11 b2 11 b3 11 b4) V (/i; 11 b2 11 b3 11 b4) V (bl 11 b2 11 b3 11 b4)
V (b 1 11 b2 11 b3 11 b4) V (bl 11 b2 11 b3 11 b4) V (bl 11 bz 11 b3 11 b4) V (b 1 11 b2 11 b3ll b4) = L

4 NICHT-Elemente,
8 UND-Elemente mit je 4 Eingăngen,
1 ODER-Element mit 8 Eingăngen und
ca. 100 Kontaktstellen.

Schaltplan fiir Ausgangsgleichung

Die Felder 13 und 16 sind ebenfalls benachbart, wenn


man die Karnaugh-Tafel zu einem senkrecht stehenden
Zylinder formt. In diesem Fali grenzt 13 an 16.

16

Block 1 (Feld 1 und 2)


(b! A b2 A b3) V (b4 A b4)

Rest van Block 1 (/i; 11 b2 A b3) 1

Block 2 (Feld 6 und 7) (b! A b2ll b3 A b4)V(b1ll b2 A b3 A b4)


- -
(b! A b2 A b4) V (b3 11 b3)

1506
III. Scha ltalgebra

Rest von Block 2 (b, A b2 A b4)


Block 3 (Feld 11 und 12) (b, A b2 A b3 A b4) V (b, A b2 A b3 A b4)
(b, A b2 A b3) V (b4 A b4)

Rest von B/ock 3 (b, A b2 A b3) 1


Block 4 (Fe/d 13 und 16) (b, A b2 A b3 A b4) V (b, A b2 A b3 A b4)
-- -
(b, A b2 A b4) V (b3 A b3)

Rest von Block 4

Vereinfachte Gleichung:

4 NICHT·Elemente,
4 UND-Elemente mit je 3 Eingăngen,
1 ODER-Element mit 4 Eingăngen und
ca. 45 Kontaktstellen.

Vereinfachter Schaltplan nach Karnaugh

Weitere Vereinfachungsmoglichkeit nach Anwendung der Inversionsgesetze

Nach den Inversionsgesetzen ist es moglich, eine (b, A b2 A b3) V (b, A b2 A b4) V
Konjunktion in eine Disjunktion zu verwandeln (b, A b2 A b3) V (b, A b2 A b4) = L
bzw. umgekehrt. Wir wenden diese Gesetze auf
die vereinfachte Gleichung an. (b, A b2 A b3) = (b, V b2 V b3)

(b, A b2 A b4) = [b, A (b2 V b4))

Eingesetzt in die Ausgangsgleichung ergibt sich: (b, V b2 V b3) V (b, A b2 A b4) V


(b 1 A b 2 A b3) V [b, A (b2 V b4)) =L

Setzt man diese Gleichung in eine Schaltung um,


so ergeben sich weitere Einsparungen an Elemen-
ten.

1507
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

1 NICHT-Element,
2 UND-Elemente, 2 NOR-Elemente,
1 ODER-Element mit 4 Eingăngen und
ca. 37 Kontaktstellen.

Die Wertetabelle weist die ldentităt der moglichen


8 Losungen in der Ausgangsgleichung und der
nach Karnaugh vereinfachten Gleichung nach.
- - - - - -
bl b2 b3 b4 H bl" b2" b3 bll\b21\b4 bl " b2 " b3 bl " b2" b4
o o o o L --L
o o o L L --L
o o L o o
o o L L o
o L o o o
o L o L L L
o L L o o
o L L L L L
L o o o L L
L o o L o
L o L o L L
L o L L o
L L o o o
L L o L o
L L L o L L
L L L L L L

2.4. Karnaugh-Diagramm flir fiinf Variable


In einem weiteren Beispiel soll eine schaltalgebraische Gleichung mit 5 Variablen dargestellt
und mit Hilfe des Karnaugh-Diagramms vereinfacht werden. Die Losung der Vereinfachung
soll nur angedeutet und nicht im Detail durchgefiihrt werden, da dies den in diesem Lehr-
buch zur Verfiigung stehenden Raum sprengen wlirde.

V (bl 1\ b2 1\ b3 1\ b4 1\ bs) V (bl 1\ b2 1\ b3 1\ b4 1\ bs) V (bl 1\ b2 1\ b3 1\ b4 1\ bs)

V (b1 1\ b2 1\ "ii; 1\ b., 1\ bs) V (bl 1\ b2 1\ b3 1\ b4 1\ bs) V (bl 1\ b2 1\ b3 1\ b4 1\ bs) = L

1508
III. Schaltalgebra

Man kann aus der Gleichung erkennen, daB ohne Vereinfachung der Aufbau der Schaltung
mit viei Aufwand verbunden wăre. Folgende Elemente wăren dazu notig:

5 NICHT-Elemente,
15 UND-Elemente mit je 5 Eingăngen,
1 ODER-Element mit 15 Eingăngen und
ca. 200 Kontaktstellen.

Das Karnaugh-Diagramm fUr eine Schaltg1eichung bs


mit fiinf Variab1en setzt sich zusammen aus zwei b3 b3 b3 b3
Diagrammen fUr je vier Variab1e. Das erste Dia-
gramm wiirde die Variab1en b 1 , b 2 , b 3 und b 4 in
direkter sowie negierter Form enthalten, wăhrend bl b2

b 5 nur in direkter Form vorkommen dilrfte.


Das zweite Diagramm milBte alle Vollkonjunk- bl b2
tionen enthalten, in denen b 5 in negierter Form
enthalten ist. Zusammen werden 2 5 = 32 Fe1der bl b2
benotigt.
bl b2

b4 b4 b4 b4

Die unterstrichenen Vollkonjunktionen entha1ten bs


die ftinfte Variable b 5 in direkter Form. Sie be- b3 b3 b3 b3
finden sich desha1b alle im oberen Diagramm,
wăhrend die ilbrigen Vollkonjunktionen mit b 5
im unteren Diagramm entha1ten sind. bl b2

Es werden die folgenden Blocke gebildet:


Block 1: Fe1der 3, 4, 7, 8 bl b2

Block 2: Fe1der 15, 16


Block 3: Fe1der 5, 9, 21, 25 (beide Dia- bl b2
gramme einbeziehend) LOOO LOOL LOLL LOLO
Block 4: Fe1der 17, 18, 21,22 bl 29 30 31 32 b2
Block 5: Felder 23, 24
Block 6: Fe1der 25, 28 b4 b4 b4 b4
Nach der Zusammenfassung b1eiben a1s Rest-
ausdrilcke ilbrig:
b 1 11 b3 11 bs Block 1
b1 11 b2 11 b3 11 bs Block 2
b2 11 b3 11 b4 Block 3
b 1 11 b3 11 bs Block 4
b 1 11 b2 11 b3 11 bs Block 5
b2 11 b3 11 b4 11 bs Block 6

1509
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Die mit Hilfe der Karnaugh-Diagramme vereinfachte Gieichung lautet:


(b 1 11 b 3 11 b 5 ) V (b 1 11 b2 11 b3 11 bs) V (b2 11 b3 11 b4) V (b, 11 b3 11 bs)
V (b 1 11 b 2 11 b3 11 bs) V (b2 11 b3 11 b4 11 bs) =L
Diese Gleichung wird mit Hilfe der Inversionsregeln so verăndert, daf!. weitere schaltungs-
algebraische Vereinfachungen moglich sind.
(b 1 11 b 3 11 b 5 ) V (b 1 11 b 2 11 b3 11 b5 ) V [b 2 11 (b3 V b4 )) V (b, V b3 V bs)
V [b2 A b3 A (b, V bs)) V [b2 A b3 11 (b4 V bs)) =L

Fiir diese Schaltung sind nur noch 5 UND-


Elemente, 2 NICHT-Elemente, 4 NOR-
Elemente sowie 1 ODER-Element not-
wendig. Der Verdrahtungsaufwand ist gegen-
iiber der unvereinfachten Ausgangsglei-
chung ebenfalls betrăchtlich geringer.

Sind mehr als fiinf Variable vorhanden, so wird sich der Aufwand in bezug auf den Umfang
der Karnaugh-Tafeln ebenfalls vergrof!.ern. Bei z. B. sechs Variablen wird man zweckmăf!.iger­
weise vier Karnaugh-Diagramme mit je vier Variablen bilden miissen.

Lehrbeispiell:
Der Fiillkolben einer Spritzgufi>maschine darf nur unter folgenden Bedingungen betătigt
werden:
a) die Form ist geschlossen, die notwendige Temperatur ist erreicht, das Fiillgut befindet sich im Fall-
trichter, das Schutzgitter ist geschlossen (Produktionsbedingungen)
b) die Form ist nicht beheizt und offen, der Fiilltrichter ist leer, das Schutzgitter ist geiiffnet.
(Reparaturarbeiten bzw. Einstellarbeiten an Maschine)
c) wie bei a), nur der Fiilltrichter ist leer (Leerfahren der Maschine)
d) wie bei b), nur die Form ist aufgeheizt (Oberwachungsarbeiten an Form)
Es soli die schaltalgebraische Gleichung aufgestellt werden und diese soweit wie moglich ver-
einfacht werden. Danach soli eine Schaltung aufgebaut werden.

1510
III. Schaltalgebra

Lăsung:

Die Gleichung mulll vier Variable enthalten: bt Form


b 2 Temperatur
b3 Fiillgut
b 4 Schutzgitter

Daraus ergibt sich die Ausgangsgleichung:

(bt A b2 A b3 A b4) V (bt A b2 A b3 A b4) V (bt A b2 A b3 A b4)


V (bt A b2 A b3 A b4) = H

Wiirde man die Schaltung nach dieser Gleichung aufbauen, so wăren

4 UND-Glieder mit 4 Eingăngen, 4 NICHT -GHeder und 1 ODER-Glied mit 4 Eingăngen not-
wendig. Insgesamt also 9 Elemente.

Vereinfachung mit Hilfe des Kamaugh-Diagramms:

b3 b3 b3 b3

OOLO
bt b2

OLLO
bl b2

LLLO
bt b2

LOOO LOLL LOLO


bt b2

b4 b4 b4 b4

Daraus ergeben sich die folgenden Zusammenfassungen:


Block 1:
(bt A b2 A b3 A b4) V (bt A b2 A b3 A b4)-+ (bt A b3 A b4)

Block 2:

Es bleibt als vereinfachte Gleichung:

An Hand der Wertetabelle soll nachgewiesen werden, dalll die in der Ausgangsgleichung und
der vereinfachten Endgleichung vorkommenden Bedingungen einander entsprechen.

1511
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Die Wertetabelie zeigt, da~ die Losungsfalie in beiden Gleichungen gleich sind.

vereinfachte
Gleichung
- - -
b, b2 b3 b4 H b,l\b31\b4 b, 1\ b2 1\ b4
o o o o L L
o o o L
o o L o
o o L L
o L o o L L
o L o L
o L L o
o L L L
L o o o
L o o L
L o L o
L o L L
L L o o
L L o L L L
L L L o
L L L L L L

Die nach Karnaugh vereinfachte Gleichung lă~t sich nach den Regeln von de Morgan weiter
umbauen und vereinfachen.
(b,A b3/\ b4) = (b, 1\ b3 V b4)

Daraus folgt:
(b, V b3 V b4) V (b, 1\ b2 1\ b4) = H H

Aus dieser Gleichung ergibt sich die vereinfachte Schaltung, die nur noch drei Logikelemente
enthălt.

Lehrbeispiel 2:
Die Transporteinheit einer Transferstra~e, die Zylinderblocke herstelit, soli gesteuert werden.
Die Transporteinheit kann unter folgenden Bedingungen betătigt werden:
a) wenn Bohreinheit und Gewindeeinheit ihre Operationen durchgeftihrt haben, wenn die Prtifstation die
Voroperation gepriift hat und wenn die Kiihlmittelpumpe lăuft
b) wenn die TransferstraBeneinheit leergefahren wird
c) wenn Bohreinheit und Gewindeeinheit ihre Operationen durchgefiihrt haben
d) wie c, auBerdem soli die Voroperation geprtift sein (z. B. bei der Bearbeitung von GrauguBrohlingen)
Es soli eine moglichst einfache Schaltung aufgebaut werden.

1512
III. Schaltalgebra
Losung:
Die Gleichung enthălt vier Variable
b 1 Bohreinheit
b 2 Gewindeschneideeinheit
b 3 Priifstation
b 4 Kilhlmittelpumpe

Gleichung:

b, b3 b3 b3 Zusammenfassung von Block 1


OOLL OOLO
bt b2 (bt A b2 A b3 A b4) V (bt A b2 A b3 A b4) =H
OLLL OLLO (bt A b2 A b3) =H
bl

LOOO LOOL LOLL LOLO

vereinfachte Gleichung:

Weitere Vereinfachung nach de Morgan:


(bl A b2 A b3 A b4) = (bl V b2 V b3 V b4)
(bt A b2 A b3 A b4) = (b, A b2 A [b3 V b4])

Endgiiltige vereinfachte Gleichung:


(b, A b2 A b3) V (bt V b2 V b3 V b4) V (b, A b2 A [b3 V b4])- H

Nach dieser Gleichung wird die Schaltung aufge-


baut. Auch diese Schaltung bringt wesentliche
Vereinfachungen gegeniiber der Schaltung der
Ausgangsgleichung.
H

1513
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

.,.. Zur Selbstkontrolle


1. Stelle mit Hilfe von NOR-Symbolen eine ODER-Funktion auf.
2. Stelle mit Hilfe von NAND-Symbolen eine NICHT-Funktion auf.
3. Welche Griinde sprechen daflir, komplette Logikschaltungen in NOR-Technik zu realisieren?
4. Was versteht man unter einer Konjunktion und was unter einer Disjunktion?
S. Welchen Vorteil bietet die Anwendung der Inversionsgesetze in der digitalen Steuertechnik?
6. Wieviel Felder in einem Karnaugh-Diagramm benotigt eine schaltalgebraische Gleichung mit flinf vor-
kommenden Variablen?
7. Unter welchen Bedingungen lassen sich mit Hilfe des Karnaugh-Diagrarnms Vereinfachungen in Schalt-
gleichungen durchflihren?
8. Wie miissen in einem Karnaugh-Diagrarnm die betroffenen Felder liegen, damit die Vereinfachungsmog-
lichkeiten moglichst gro~ sind?
9. Welches schaltalgebraische Gesetz ist im Karnaugh-Diagrarnm erf~t und graphisch dargestellt?

3. Der Speicher als Element der Schaltalgebra

Das vorangegangene Kapitel bat gezeigt, da~ auch umfangreiche und komplizierte logische
Aussagen mit Hilfe von Karnaugh-Diagrammen und anderen schaltalgebraischen Regeln
stark vereinfacht werden konnen.
Ein Problem der digitalen Steuerungstechnik ist bisher noch nicht behandelt worden: Wird
ein bestimmtes Signal auf den Eingang einer Steuerungseinrichtung gegeben, so geschieht
dies oft in Form eines lmpulses, der nur flir eine sehr kurze Zeit bestehen bleibt und danach
geloscht wird.
Ein Beispiel soli dies deutlich machen: Es gibt elektrische Kaffeemahlwerke, die durch einen
Druckknopfschalter betatigt werden miissen. Es geniigt nicht, den Druckknopfschalter einmal
zu betatigen und dann wieder loszulassen. In diesem Fali wiirde der Motor der Kaffeemiihle
anlaufen und sofort wieder aussetzen. Die Hausfrau mu~ den Schalter so lange gedriickt
halten, bis der Vorgang des Mahlens beendet ist. Das Signal Kaffeemahlen mu~ gespeichert
werden. In diesem Beispiel wird durch den Dauerdruck auf den Druckschalter der Befehl
gespeichert.
Diese Art der Speicherung ist nur dann sinnvoli, wenn die Speicherzeit auf einige Sekunden
beschrankt ist. Soli ein Signal (Befehl) liingere Zeit gespeichert werden, so verwendet man
andere Befehlsgeber, z. B. mechanisch schaltende Kippschalter. Diese Kippschalter speichern
den Befehl, indem sie mit Hilfe einer Druckfeder einen elektrischen Kontakt so lange auf-
rechterhalten, bis durch au~ere Einwirkung (z. B. Fingerdruck) die Federkraft iiberwunden
und damit der elektrische Kontakt beseitigt wird. Kippschalter werden z. B. als Schalter fiir
kleinere Beleuchtungs- und Gerateanlagen verwendet. Solien Schaltbefehle an leistungs-
starken elektrischen Anlagen und Maschinen gespeichert werden, so werden Schiitze mit
Selbsthaltung verwendet.

1514
III. Schaltalgebra
3.1. Statische Speicher +

Das nebenstehende Bi1d zeigt eine Schiitzscha1-


tung mit Se1bsthaltung. b 2 sch1ieBt den Strom- H
kreis, so daB das Schiitz K an Spannung 1iegt und
anzieht. G1eichzeitig werden mit Hi1fe des
Schiitzes die Kontakte K 1 und K 2 gesch1ossen.
Damit erhălt die Lam pe H Spannung und 1euch-
tet auf. Der Kontakt K 1 iiberbriickt die Kon-
takte 1 und 2, so daB Schiitz K auch dann noch
an Spannung liegt, wenn b 2 in die gezeichnete
Ruhe1age zuriickgekehrt ist. Die Dberbriickung
von b 2 wird a1s Se1bstha1tung bezeichnet.
Die Se1bsthaltung sorgt dafiir, das das Signal Lampe eingeschaltet gespeichert wird. Erst
wenn b 1 gedriickt wird, erfo1gt eine Unterbrechung des Stromflusses fiir K. Das Signal
Lampe ein wird ge1oscht.
Eine Se1bsthaltungsscha1tung ist ein e1ektromechanischer Speicher. Es kommt in der Praxis
oft vor, daB flir bestimmte Funktionsab1ăufe mehrere Signa1e gespeichert werden miissen.
Soli ein Personenaufzug aus der 5. Etage in die 1. Etage geho1t werden, so darf der Befch1
erst wirksam werden, wenn z. B. die Tiir gesch1ossen ist. Der Befeh1 muB dann so1ange ge-
speichert werden, bis der Aufzug die 1. Etage erreicht hat. Auf dem Wege dorthin wird ein
zweiter Befeh1 gegeben, der den Aufzug in die 2. Etage beordert. Es wăre unwirtschaftlich,
wenn der Aufzug diesen Befeh1 ignorieren wiirde und weiter die 1. Etage ansteuerte. Die
sinnvoliste und wirtschaftlichste Losung bestiinde darin, daB der Aufzug auf dem Wege
nach unten in der zweiten Etage anhielte und nach Aufnahme der Mitfahrer wieder die
1. Etage ansteuerte. Um das mog1ich zu machen, ist es notwendig, daB ein 2. Befeh1 ge-
speichert wird, ohne daB damit der 1. Befeh1 ge1oscht wird. Es sind mehrere Speicher not-
wendig.
Ein anderes Beispie1 soli die Notwendigkeit mehrerer Speicher deut1ich machen. In einigen
Par1amenten gibt es sogenannte Abstimmungsan1agen, die das Ergebnis einer Abstimmung in
kiirzester Zeit ausrechnen. Jeder Abgeordnete hat vor seinem Sitz drei Drucktaster, von
denen je einer Ja, Nein oder Entha1tung angibt.
Damit ein sinnvolles Ergebnis mog1ich wird, miiBten zu einem bestimmten Zeitpunkt, der
genau festge1egt werden muB, alie Abgeordneten g1eichzeitig das Signa1 ihrer Wah1 durch
Druck auf den Tastschalter geben. Diejenigen, die ihre Entscheidung zu friih oder zu spăt
abgăben, konnten nicht damit rechnen, daB ihre Stimmabgabe beriicksichtigt wiirde.

Wenn jede Wah1entscheidung in einem Speicher aufbewahrt wiirde, dann konnte der Zăh1-
vorgang nach der 1etzten Stimmabgabe erfo1gen und keine Stimme ginge ver1oren. Hierzu
wăren entweder Speicher an jedem Abgeordnetenp1atz notwendig oder aber ein Zentra1-
speicher, der alie Entscheidungen speichern kann.
Speichere1emente konnen nicht nur elektromechanisch wie bei der herkommlichen Se1bst-
haltung, sondern auch aus digitalen Logikelementen aufgebaut werden.

1515
Einfuhrung in die Steuerungstechnik

Speicherelement aus ODER-, NICHT- und UND-


Elementen
Das Speicherelement besitzt zwei Eingănge E 1
und E 2 sowie den Ausgang A 1 • Wird E 1 mit L-
Signal beaufschlagt, so steht am Ausgang eben-
falls L-Signal. Das L-Signal bei A 1 entsteht aber
nur, wenn E 2 0-Signal fiihrt, denn nur dann
flihrt die Leitung 2 L-Signal, so daB das UND-
Element durchsteuert. Dber die Riickleitung R
(entspricht der Selbsthaltung) wird das Ausgangs-
signal auf E 1 zuriickgekoppelt, so daB nach Er- E 1 Setzeingang
loschen des Eingangssignals an E 1 das L-Signal E 2 Lăscheingang
A 1 Ausgang
am Ausgang A 1 iiber die Leitung l erhalten
bleibt, solange E 2 0-Signal fiihrt und iiber Lei- Et Ez At
tung 2 ebenfalls L-Signal auf das UND-Element
gegeben wird.
o o o
L O L
Erhălt der Loscheingang E 2 L-Signal, so wird iiber O L O
Leitung 2 0-Signal auf das UND-Elemen t gegeben L L O

=f------f
Damit entsteht an Punkt 3 0-Signal, das iiber R
auf das ODER-Element zuriickwirkt. Erst ein
neuer L-Impuls auf E 1 bewirkt wieder L-Signal
anA 1 •
Werden beide Eingănge mit L-Signal beaufschlagt,
Symbol fiir einen statischen Speicher
so entsteht an A 1 auf jeden Fali 0-Signal. Das
Loschsignal setzt sich in diesem Fali durch. S Setzeingang (E t)
R Lăscheingang (E2 )
Diese Schaltung entspricht in ihrer Wirkungs- Q Ausgang
weise einer Schiitzschaltung mit Selbsthaltung.
Das schwarze Feld im Speichersymbol deu·
tet die Vorzugslage des Speichers an.

3.2. Speicherelement aus NOR-Elementen


Speicher lassen sich wie die Grundbausteine UND, ~--,
ODER und NICHT aus NOR- oder NAND-Ele-
menten aufbauen. Bei der Verwendung von NOR-
(RJE2~~l A 1(GJ
Elementen kommt man zu technischen Ausfiih- 1 1

rungen, die einfacher sind, als wenn unterschied- 1 ~ 1

liche Bauteile verwendet werden. (SJE1 L _ _ _j


Die Wertetabelle zeigt, daB an A 1 immer nur dann
(S)Et (R)Ez At
L-Signal ansteht, wenn der Setzeingang E 1 mit L
beaufschlagt wird und der Loscheingang E 2 0- o o o
Signal fiihrt. L O L
O L O
Im folgenden sollen die aus der Wertetabelle er-
L L O
sichtlichen Schaltzustănde einzeln besprochen
werden. Zu diesem Zweck wird die Speicher-
schaltung so gezeichnet, daB die Schaltstellungen
besser zu erklăren sind.

1516
III. Schaltalgebra

Signalplan for Speicher aus NOR-Elementen

R
Zustand vor einer neuen Signaleingabe: Beim
Einschalten der Spannung wird der vorher vor-
handene Zustand am Ausgang nicht verăndert.
Erhălt S L-Signal, so wird der Speicher gesetzt.
Uber die Riickkopplung R bleibt der Speicher

'~
gesetzt.
~ G=L
Erscheint an S ein weiteres L-Signal, so ăndert
RO O
sich am Schaltzustand des Speichers nichts.
Auch wenn L am S-Eingang wieder verschwindet,

~
bleibt das L-Signal am Ausgang erhalten. 5 - o
Wird R auf L gesetzt, so entsteht an Q 0-Signal. R~O ~ L G=L
Verschwindet das L-Signal an R, so bleibt der
urspriingliche Zustand (Q = L) erhalten.

Werden beide Eingănge des Speichers mit L be-


aufschlagt, so erscheint am Ausgang Q = O.
Diese Kombination ist verboten, sie muB unter-
bunden werden. Wenn trotzdem die Moglichkeit
besteht, daB z. B. R schon einen L-lmpuls erhălt,
wăhrend auch an S noch L ansteht, so kann die-
ser Fali mit einer entsprechenden Vorschaltung
verhindert werden.
Bei dieser Vorschaltung hat S Vorrang. Ein L-
Signal bei S ruft 0-Signal in einem Eingang des
5 ha 1 Vorrang
UND-Elementes hervor, so daB R auf jeden
Fali verriegelt wird.
5

~ ţ"
~
------- -

R : '"' """"' o

Das năchste Bild zeigt Vorrang fiir R. Ein L-


Signal bei R blockt auf jeden Fali L bei S ab. Q

Bei der gegenseitigen Verriegelung sorgt die Vor-


schaltung dafiir, daB das zuerst ankommende
gegenseitige Ver-
Signal an einem Eingang den zweiten Eingang riegelung
blockiert.

1517
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

4. Zăhlspeicher

Neben dem statischen gibt es ein weiteres Speicherelement, das in der Computertechnik
eine gro~e Bedeutung erlangt bat, den sogenannten Zdh/speicher. Der Zăhlspeicher ist aus
dem statischen Speicher entwickelt worden.
Dabei wird dem normalen Speicherelement ein sogenanntes Impulsgatter vorgeschaltet, das
den eigentlichen Speicher steuert. Dieses lmpulsgatter soli in seiner Wirkungsweise beschrie-
ben werden.
Am Ausgang A des Impulsgatters erscheint nur
dann ein Signal, wenn an beiden Eingăngen L
anliegt und wenn am Eingang V dieses L-Signal
schon vor Eintreffen des L-Signals an T bestan-
den hat.
Symbol fiir ein Impulsgatter
Es mlissen also drei Bedingungen erflillt sein, be-
vor an A ein L-Signal erscheinen kann. V Vorbereitungseingang
T Zăhlimpulseingang
1. Am Zdhlimpulseingang muj3 L-Signal anliegen. A Ausgang
2. Am Vorbereitungseingang V muj3 L-Signal be-
stehen.
3. Das L-Signal an V muj3 bereits bestehen, wenn
L an T erscheint.
V
Das Ausgangssignal an A ist kein Dauersignal,
sondern wird nur als kurzzeitiger Nadelimpuls T
abgegeben, der sehr schnell wieder zu O wird.
Dber das L-Signal am Vorbereitungseingang V A
kann der eigentliche Zăhlimpuls, der auf den
Eingang T auflăuft, nach Bedarf durchgelassen Signal fiir lmpulsgatter
oder gesperrt werden.

Setzt man zwei solcher Impulsgatter parallel Impu/sgatter 1


vor ein Speicherelement, so erhălt man einen v,
Q(A)
Zăhlspeicher. r,
Die beiden Impulsgatter werden so mit dem li O.!ĂJ
Speicher verschaltet, da~ der Vorbereitungsein- Vz
gang V1 mit dem negierten Ausgang A verbun- Imputsgatter 2
den wird. T 1 und T2 werden mit einer Brlicke
verbunden. Auf den Brlickeneingang T laufen
die Zăhlimpulse auf.

Wir nehmen an, da~ der Ausgang A mit 0-Sig-


nal und der Ausgang A mit L-Signal beauf- Q(A)
schlagt ist. Das 0-Signal von A wird liber R 1 T
auf R gegeben, so d~ R gesperrt wird. Gleich-
zeitig bereitet das L-Signal liber R 2 den Setz- L ___ - ______ _j
eingang S vor. S hat die Funktion von V1 des
lmpulsgatters iibernommen. An S steht daruit
ein Vorbereitungssignal an. Zăhlschalter mit internen Riickkopplungen

1518
III. Scha lta lgebra

Wird liber T ein Zăhlimpuls eingegeben, so wird


liber das Impulsgatter 1 der Speicher auf L-Signal T
gesetzt. Da V2 gesperrt ist, mu~ R auf 0-Signal
bleiben. Damit haben sich die Ausgangssignale
an A und A verandert. An A liegt L- und an A Symbol fiir Zăhlspeicher
0-Signal.
Gleichzeitig damit wird R ( V2 ) liber R 1 mit L-
Signal und S ( V 1 ) liber R 2 mit 0-Signal beschickt.
Lăuft ein zweiter Zăhlimpuls auf T auf, so ist
R ( V2 ) gesetzt und S ( V 1 ) gespcrrt.
Der Speicher fălit am Ausgang auf 0-Signal zu-
rlick (0-Signal an A, L-Signal an A).
Der nachste Impuls an T wird den Speicher wie-
der setzen usw.
Mit jedem zweiten Zahlimpuls wird der Speicher
gesetzt bzw. zurlickgesetzt. Man spricht deshalb
auch von einem Untersetzer oder von einer
Binărstufe.

4.1. Logikplan von Zăhlspeichern


Der nebenstehende Logikplan zeigt den logischen
Aufbau eines Zahlspeichers mit einem Ausgang.
An diesem Beispiel sollen die logischen Funktio-
nen des Zăhlspeichers noch einmal durchgespielt E{T)
werden:
Ein Eingangsimpuls (Zăhlimpuls) erreicht 0 1 , N 1
und U,. Er wird liber 0 1 nach U2 weitergegeben.
An beiden Eingăngen von U2 steht L an, weil am
Ausgang von U 1 ein 0-Signal liber N 2 in ein
L-Signal umgewandelt wird. U2 gibt damit das Logikplan
L-Signal an A weiter. Die Rlickkopplung R 1
garantiert, d~ nach Verloschen des Eingangs-
impulses das L-Signal an A erhalten bleibt. U3
gibt L-Signal an 0 2 und von dort an den Eingang
von U1 , solange kein neuer Eingangsimpuls wirk-
sam wird. Wird auf E ein zweiter Zăhlimpuls ge-
Symbol
geben, so bewirken N 1 und N 2 , da~ das L-Signal
an A in ein 0-Signal umgewandelt wird. Erst ein
weiterer Zăhlimpuls stellt A wieder auf L-Signal
um.

1519
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Der Signalplan des Zăhlspeichers zeigt, da8 der


Ausgang A nach jedem zweiten Zăhlimpuls E(T}~ Signalplan
umsetzt. A(Qţ.D---D---

Oft werden Zăhlspeicher benotigt, die iiber meh-


rere Ausgănge verftigen. Man spricht dann von
Binărstufen mit positivem und negativem Aus-
gang. Ein Eingangssignal wird wechselweise auf
die Ausgănge A 1 und A 2 bzw. A 3 und A 4
geschaltet. Am Ausgang A 1 und A 2 erfolgt der
Wechsel beim Obergang von L aufO, am Ausgang
A 3 und A 4 beim Obergang von O auf L. Die
nachstehende Abbildung zeigt den Logikplan. Logikplan fiir Zăhlerspeicher mit
mehrerenAusgăngen(2 X 2)

A, ~-L--L--L--L--L­ Symbolfiir
A2 Signalplan fiir Ziihlspeicher mit
t--'----'--L--'----'--
Ziihlspeicher 4Ausgăngen
A3 t-'---'---'---'---'--- (Biniirstufe) mit
A, 1---'--....._____.__......_____.___ 2 X 2 Ausgăngen
ii1 ttb 2 =H
b,----qgt____H b,~ H
b2~ b2~
Inhibitions-Element

4.2. Aufbau eines Dualzlihlers


Die Tatsache, da8 in einem Zăhlspeicher nur jeder zweite Impuls den Speicher setzt bzw.
loscht, nutzt man aus, um aus mehreren hintereinandergeschalteten Zăhlspeichern einen
Dualzăhler aufzubauen.

A
1 1 1 1
1 1 1 1
1 1 1 1
1, 13 12 17
1 1
1 1
1
4-stufige
1 1 1
1 1 1 Dualzăhler
1
(Additionszăhler)

Taktgenerator

1520
III. Schaltalgebra

Arbeitsweise:
Der vom Taktgenerator ausgehende 1. Zăhlimpuls setzt den Zăhlspeicher 1. An A 1 erscheint L-Signal.
Dieses Signal wird so verstărkt, daB an H 1 ein Lichtsigna1 entsteht. A 1 flihrt 0-Signal. Damit kann T 2 kein
L-Signa1 erhalten. Die Lampe H 2 b1eibt dunkel.
Der 2. Impuls setzt den Zăhlspeicher 1 auf O zuriick. Am Ausgang A 1 erscheint L-Signal, am Ausgang A 1
0-Signal. Damit erlischt das Lichtsigna1 an H 1 . G1eichzeitig erhă1t T 2 jetzt L-Signal. Damit wird Zăhl­
speicher 2 gesetzt und H 2 1euchtet auf.
Der 3. Impuls setzt Zăhlspeicher 1, wăhrend Zăhlspeicher 2 gesetzt b1eibt. Es erscheinen g1eichzeitig Licht-
signale an H 1 und H 2 •
Der 4. Impuls setzt die Zăh1speicher 1 und 2 zuriick, und g1eichzeitig setzt er Zăhlspeicher 3. H 1 undH2
verloschen, wăhrendH3 brennt. Mit dem 5. Impuls wird Zăhlspeicher 1 wieder gesetzt usw.

Man kann die Vorgange am Dualzăhler in einer Wertetabelle sichtbar machen:

Dezima1-
H4 H3 H2 H1 Impu1se __IL Dualsystem
system

0 0 0 0 o o o o o o

*
0 0 Q9 o o o L

0 0
** *
0 2 o o L o 2

0 0 3 o o L L 3

0
* Q9 Q9 4 o L o o 4

0
** * *
Q9 5 o L o L 5

~ @ 6 o L L o 6

0
* * ~ 7 o L L L 7

* 0 0 0 8 L o o o 8

* * 0 0 9 L o o L 9

1521
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

4.3. Umsetzung des Dualziihlers in das Dezimalsystem


In elektronischen Rechnern und digitalen Zăhlschaltungsanlagen wird die Rechenoperation
im dualen System mit Binărzăhlerelementen (Zăhlspeichern) durchgeflihrt. Es erweist sich
dann allerdings als zweckmă8ig, das Ergebnis einer Operation wieder in das gebrăuchliche
Zehnersystem zu iibertragen.

Die Methode der Umsetzung vom Dual- in das Zehnersystem soll mit Hilfe eines Beispiels
angedeutet werden.

Um die Dbersichtlichkeit der Skizze zu gewiihrleisten,


ist die Umsetzung aus dem dualen in das Zehnersystem
nur an den Beispielen 2, 4 und 9 durchgeftihrt worden.
Als Umsetzungselemente wurden UND-Elemente be-
nutzt. Es besteht natiirlich auch die Moglichkeit, mit
Hilfe der Inversionsgesetze die UND-Elemente durch
NOR-, NAND- und ODER-Glieder zu ersetzen.

Lehrbeispiel 1
Fiir eine Verpackungsmaschine ist eine Zăhlschaltung zu entwickeln, die nach einer vor-
wăhlbaren lmpulszahl ein Ausgangssignal Iiefert, das z. B. iiber eine Weichenstellung nach
einer bestimmten Zahl die zu verpackenden Werkstiicke in Gruppen zu je 25 Teilen auf-
teilt. Gieichzeitig mit dem Ausgangssignal muB die Zăhlschaltung auf O zuriickgesetzt
werden, um erneut eine Gruppe von 25 Teilen zusammenzustellen.

1522
III. Schaltalgebra

Losung: Ermittlung der Dezimalzahl flir die Dualzahl


25:
Die Zăhlkapazităt einer mehrstufigen Zăhlschal­
25:2 = 12
tung lăBt sich rechnerisch nach folgender Formei
errechnen: 12:2 = 6 Rest
Rest ~O
6:2 = 3 Rest O
Kap = 2n- l, 3:2 = 1 Rest 1
1:2 = o Rest 1
wobei n die Zahl der Zăhlstufe darstellt.
Danach ergibt sich die Zăhlkapazităt einer 5-stu- Der umrandete Teil ergibt von unten nach
figen Zăhlschaltung: oben ge1esen die DualzahlllOOJ.
Die Zahll1001 setzt sich zusammen aus:
Kap = 2 5 - l
1·24 =16 =AS
= 32- l
Kap = 31
+ 1·2 3 = 8 =A 4
+ 0·2 2 = O =A 3
+ 0·2 1 = O =A 2
+ 1 · 2° = 1 =A 1
25

Das Bild zeigt eine 5-stufige Zăhlschaltung, die


mit Hilfe von 5 Wahlschaltem liber ein UND-
Element mit 5 Eingăngen jede beliebige Zahl
zwischen O und 31 ansteuem kann. Das Ausgangs-
signal bewirkt die Riickstellung nach Erreichen
der Zahl 25 in die Startstellung. AuBerdem be-
wirkt das Signal bei Erreichen der Zahl 25 ein
Umschalten der Weiche auf der Transportein-
richtung.

UND- Verkniipfung einer addierenden Ziihl-


scha/tung fiir ein Ausgangssigna/ bei 25 zur
Eingangsimpulsen 25 Weiche

Werden Logikelemente verwendet, die nur UND-


Glieder mit 2 Eingăngen im Fertigungsprogramm
haben, so miiBte eine Schaltung verwendet wer-
den, die dem nebenstehenden Bild entspricht.
Dabei miiBten allerdings 5 UND-Elemente ein-
gesetzt werden.

Dieser Aufwand kann nach den Regeln von


de Morgan verringert werden, wenn man an
Stelle der UND-Elemente NOR-Glieder verwen-
det.

o o =25
(As AA41\A31\A21\A!)

([As VA4 VA3] VA2 VA!)

1523
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Bei der Verwendung von ODER/NOR-Elementen


sind nur noch 2 ODER/NOR-Elemente mit je 3
Eingăngen notwendig.

25

Lehrbeispiel 2
Mit Hilfe eines pneumatisch-mechanischen Impulszăhlers und einer Stoppuhr soli die Dreh-
zahl einer Welle kontrolliert werden, welche 12000 min- 1 oder 200 s- 1 ausfiihrt. Da der
betreffende pneumatisch-mechanische lmpulszăhler nur in der Lage ist, max. 25 Impulse/s
zu zăhlen, wird dem Impulszăhler eine vierstufige Fluidik-Zăhlschaltung vorgeschaltet, die
nur jeden achten Impuls an den Zăhler weitergibt.
Die Signaleingabe geschieht. durch eine auf der
Antriebswelle befestigte Codierscheibe, die bei
einer Wellenumdrehung liber den Frei- oder Ge-
genstrahlflihler einen pneumatischen Impuls er-
zeugt. Wăhrend die Stoppuhr gestartet wird, wird
gleichzeitig die Zăhlschaltung durch Signal Ri
und der Impulszăhler durch Betătigen der Rlick-
stelltaste auf Nul! gestellt. Hat der lmpulszăhler
nach Ablauf einer Minute bis 1500 gezăhlt, er-
gibt sich daraus die Drehzahl der kontrollierten
Welle mit 1500 min- 1 · 8 = 12 000 min- 1 .

.,. Zur Se/bstkontrolle

1. Welche Schaltzustănde kănnen die Ausgănge eines statischen Speichers annehmen?


2. Welche Logike1emente sind notwendig, um daraus einen statischen Speicher aufzubauen?
3. Skizziere ein Speicherelement, bei dem das Setzsignal Vor rang hat.
4. Was versteht man unter einem Zăhlspeicher?
5. Skizziere das Symbol flir einen Zăhlspeicher.
6. Woraus wird ein Dualzăhler aufgebaut?
7. Zeichne den Signalplan eines vierstufigen Additionszăhlers.
8. Welche Logikelemente werden verwendet, um aus einem dualen Zăhlwerk die Umsetzung ins Dezimal-
system zu vollziehen?
9. Skizziere einen Zăhlspeicher, der ausschlieBlich aus NOR-Elementen aufgebaut ist.
10. Was versteht man unter einem Impulsgatter?

1524
IV. Technische Ausfi.ihrung von digitalen Steuerelementen

IV. Technische Ausfuhrung von digitalen Steuerelementen

Logische Schaltungen lassen sich nicht nur durch elektromechanische Bauelemente ausfiihren,
so wie es beispielhaft in den vorigen Kapiteln dargestellt worden ist. Weitaus hăufiger werden
elektronische Elemente verwendet, man denke nur an den groBen Bereich der Taschenrechner
sowie den Bereich der Computertechnik. Aber auch pneumatisch gesteuerte Bauteile haben
in den letzten Jahrzehnten ihren Anteil vergroBern konnen. Daneben haben sich in den letz-
ten Jahren - beeinfluBt durch die Satellitentechnik - die sogenannten Fluidik-Schaltglieder
auf bestimmten Sektoren einen betrăchtlichen Marktanteil erobern konnen.
Alle aufgefiihrten Systeme haben ihre Berechtigung auf den ihnen gemăBen Anwendungs-
gebieten nachweisen konnen. Jedes System hat Vor- und Nachteile, die festlegen, zu welchen
Zwecken sich welches System besonders gut oder weniger gut eignet. Es muB immer am kon-
kreten Fali entschieden werden, welches System sich als besonders geeignet erweist. Das
schlieBt nicht aus, daB die verschiedenen Systeme bei bestimmten Aufgabenstellungen in
Konkurrenz zueinander treten konnen. Oft wird der kombinierte Einsatz mehrerer Systeme
ein Weg sein, der zu sinnvollen und wirtschaftlichen Losungen fiihrt.
Die Entwicklung von logischen Steuerschaltungen wird oft so verlaufen, daB das Steuerungs-
problem zunăchst logisch erfaBt und verarbeitet wird, und man sich erst danach- abhăngig
von den Betriebsbedingungen - fiir das eine oder andere System oder eine Kombination aus
mehreren Systemen entscheidet.
In einer graphischen Darstellung soli versucht werden, die wesentlichen Eigenschaften der
verschiedenen Systeme gegeniiberzustellen und Entscheidungshilfen fiir die eine oder andere
Losung anzubieten.

Schaltsysteme:
1 Integrierte Schaltkreise, IC-Bausteine
2 Transistortechnik
3 Schaltrohrentechnik
4 Fluidiks
5 elektromechanische Relais bzw. Schiitzschaltung
6 Pneumatik (Kolbenpneumatik)
7 Hydraulik
8 Mechanik 1 10 3 w
w kW
Leistung -

Das Diagramm stellt auf der vertikalen Achse den Bereich der moglichen Schaltgeschwindig-
keit fiir die einzelnen Systeme dar.
Auf der horizontalen Achse wird die umsetzbare Leistung angegeben.
Die folgende Matrix soli auf einen Blick Vor- und Nachteile eines Systems deutlich machen
und einen groben Vergleich zwischen mehreren Systemen moglich machen.

1525
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Gegeniiberstellung der verschiedenen Schaltsysteme

·;;;
~~
c
..c::
"
::l "
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....
~~
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liS
E-< " J: ~~
> " >"
o ..c:
~ble " "
Vl....l

1 sehr sehr sehr sehr kaum sehr ja kein ja sehr


klein klein klein empfind- Wartung billig hoch
Iich notig
+++ +++ ++ -- ++ +++ - ++ ++ ++

2 sehr sehr kaum sehr ja kein ja sehr


klein klein klein empfind- Wartung billig hoch
bis lich notig
klein
++ ++ ++ -- ++ ++ - ++ + ++

3 Wartung
klein mittel mittel empfind- erforder- mittel ja mittel ja mittel
Iich lich
+ - - + +

4 klein klein groB unemp- keine mittel ja kein bedingt sehr


bis bis da Luft findlich Wartung ja hoch
mittel mittel sehr erfor-
teuer derlich
+ + -- +++ +++ - ++ + +++

5 unemp- Wartung
mittel mittel mittel findlich erfor- mittel ne in mittel schwierig niedrig
derlich
+ ++ - -

6 groB unemp- Wartung mittel


groB groB da Luft findlich erfor- teuer ne in mittel schwierig bis
sehr derlich niedrig
teuer
-- -- ++ - ++ - +

7 sehr sehr empfind- Wartung sehr


groB groB mittel Iich erfor- teuer ne in groB ne in niedrig
lich
-- --- -- ++ -- - -

8 unemp- Wartung
groB groB groB fmdlich erfor- teuer ne in groB ne in niedrig
derlich
- -- -- - ++ -- - -

+++ ideal Die Matrix enthălt keine quantitativen Aussagen.


++ gut } schwierig Diese miissen den Herstellerangaben oder Tabellen-
+ brauchbar und Nachschlagewerken entnommen werden.

1526
IV. Technische Ausfiihrung von digitalen Steuerelementen

1. Elektromechanische Bauteile
Digitalsteuerungen auf der Basis elektromechanischer Bauteile haben in den letzten Jahr-
zehnten an Bedeutung eingebiiBt. Elektronische- und Fluidikelemente haben den Marktan-
teil der elektromechanischen Elemente stark eingeengt.
Trotzdem bat die elektromechanische Relaistechnik auf einigen Gebieten ihre Bedeutung
bis heute erhalten konnen.

Die Griinde hierfilr sind:


- Es konnen vielfaltige physikalische EingangsgroBen direkt verarbeitet werden.
- Die Ausfiihrungen von Verkniipfungs- und Speicherschaltungen sind einfach und iiber-
schaubar.
- Eingangs- und Ausgangskreise konnen vollstăndig getrennt werden.
Nachteilig wirken sich aus:
- Mechanischer VerschleiB begrenzt Schalthăufigkeit und Lebensdauer.
- Umfangreiche digitale Steuerungen wiirden einen hohen Platz- und Energieaufwand er-
fordern.
- Der Preis fiir groBere Steuerungsanlagen liegt dadurch bedingt betrăchtlich liber dem ver-
gleichbarer elektronischer Steuerungen.
Da in Abschnitt II die einzelnen logischen Funktionen wegen ihrer Anschaulichkeit schon
als elektromechanische Relaisschaltungen dargestellt wurden, soll hier ausfiihrlicher nur auf
die Schaltungen eingegangen werden, die dort noch nicht behandelt wurden.

1.1. Elektromechanische NI CHT-Stufe

ffi L
o
Schaltung

1.2. Elektromechanische ODER-NOR-Stufe

SI Sz H1 Hz
o o o L
o L L o
L o L o Schaltung
L L L o
dl

1527
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

1.3. Elektromechanische UND-NAND-Stufe


si S2 H1 H2
O O O L
O L O L
L O O L
L L L O

Schaltung

1.4. Elektromechanisches Exklusiv-ODER-Element (Antivalenz - Ăquivalenz)


+
Die beiden hintereinanderliegenden Tastschalter
sind mechanisch fest miteinander verbunden, so
dai!> immer nur einer der beiden geschlossen bzw.
geOffnet sein kann.

Wirkungsweise
Wird a 1 gedriickt und a 2 nicht, so ist der Strom-
flu:B zum Relais d 1 unterbrochen. Der Kontakt
d 1 bleibt in Ruhestellung. H 2 leuchtet auf, H 1
bleibt dunkel. Wird a 2 gedriickt, wăhrend a 1 un-
betătigt bleibt, so bleibt d 1 ebenfalls ohne Schaltung
StromfluB. Werden beide Taster a 1 und a 2 be-
tătigt, so erhălt d 1 Strom, und der Kontakt d 1
versorgt H 1 mit Strom. H 2 wird abgetrennt und
erlischt. Das gleiche gilt, wenn weder a 1 noch
a 2 betătigt werden. Auch in diesem Fali kann ~ r------L------
iiber die Paralleltaster Strom flieBen und d 1 be- 52 r---L-~--~-­
tătigt werden. H,

Hz t----'-------'--

Wertetabelle Signalplan
::! N
o:: -
..!l ~.::
.<:"' .~ .E ~
""'
:<(
~"'o
~~o
SI S2 H1 H2
o o L o
o L o L
L o o L
L L L o
1528
IV. Technische Ausfiihrung von digitalen Steuerelementen

1.5. Elektromechanischer Speicher (Fiip-Flop)

Speicherelement: Lăschen vorrangig


SI s2 Hl H2
o o o L
Schaltung
o L o L
L o L o
l L L o L 1

Speicherelement: Setzen vorrangig


SI S2 Hl H2
o o o L
o L o L
L o L o Schaltung

1
L L L o 1

1.6. Elektromagnetische Zeitschalter (Zeitrelais)

Zeitrelais haben die Aufgabe, nach Ablauf ei-


ner vorher eingestellten Zeit einen oder mehre-
re eingebaute Schalter zu betătigen. Viele
Zeitrelais besitzen eine automatische Riick-
stellung, die bei Stromunterbrechung (nach Symbol for Relais mit Anzugsverzogerung
oder wăhrend des Arbeitsablaufs) in ihre Aus-
gangsstellung (0-Stellung) zuriickgeht. Beim Mo-
tor-Zeitrelais dient als Zeitbasis ein Synchron-
motor. Das mit dem Motor verbundene Getriebe
Symbol for Relais mit Abfallverzăgerung
- eventuell umschaltbar - bestimmt den Zeit-
bereich. Eine elektromagnetische Kupplung iiber-
trăgt die Ausgangsdrehzahl des Getriebes auf die
2
Schaltnocke . Es ergeben sich zwei mogliche Ar-
beitsweisen:
Anzug verzăgert: Das Zeitrelais beginnt seinen
Ablauf mit dem SchlieBen eines Steuerschalters.
Abfall verzăgert: Das Zeitrelais beginnt seinen 1 Getriebemotor
Ablauf mit dem Offnen eines Steuerschalters.
2 Kupplungs-
Es gibt dane ben Sonderformen von Zeitrelais, bei magnet
denen ohne weitere ăuBere Eingriffe Ablăufe 3 Verzogerungs-
mehrfach wiederholt werden konnen. umschalter
4 Endschalter
(Motor-Abschaltung)
Das dargestell te Zei trelais kann auf Verzo-
gerungszeiten von 4,5 s bis 90 min einge- 5 Kupplung
stellt werden. 6 Schaltnocke

1529
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

1. 7. Elektromagnetische Verzogerungsschal tung

Einschaltverzăgerung mit anzugsverzogerndem


Relais und SchlieBer als Einschalt- und Arbeits-
kontakt.

Schaltung

Eine Einschaltverzogerung lăBt sich auch mit ab-


fallverzogerndem Relais durchftihren. Dann muB
jedoch statt des SchlieBers ein Offner als Arbeits-
kontakt verwendet werden.
Signalplan
fv Zeitverzogerung (Anlaufverzogerung)

Ausschaltverzăgerung mit abfallverzogerndem


Relais und SchlieBer als Ausschalt- und Arbeits-
kontakt.

Schaltung

Ahnlich wie bei der Einschaltverzogerung lăBt


sich die Ausschaltverzogerung auch mit anzugs-
verzogerndem Relais durchfiihren. Statt des
SchlieBers muB dann ein Offner verwendet
werden.
Signalplan
fv Ausschaltverzdgerungszeit

1530
IV. Technische Ausfiihrung von digitalen Steuerelementen

1.8. Elektromagnetischer Impulswandler (Monoflop)

Monoflop fiir Impulsverkiirzung bzw. Impulsver-


lăngerung.Die Schaltung besteht aus zwei Relais
sowie einem anzugsverzogerndem Zeitschalter.

Wirkungsweise:
Dber S wird ein Impuls beliebiger Lănge einge-
geben. Relais d 1 zieht an und betătigt den Kon-
takt d 1 , der das Re lais d 2 ansprechen lăillt.
Relais d 2 wird zusătzlich liber eine Selbsthaltung Schaltung
unabhăngig von d 1 erregt. Relais d 2 betătigt liber
einen zweiten Kontakt das Verzogerungsrelais d 3
und damit die Lampe H. Nach der eingestellten
Verzogerungszeit ti trennt d 3 liber den Kontakt
d 3 den Stromfluill nach d 2 , so daill nach d 2 auch
d 3 abgeschaltet wird. Auf diese Weise entstehen
unabhăngig von der zeitlichen Lănge des Ein-
gangssignals S immer gleich Signalimpulse glei- Signalplan
cher Lănge an der Lam pe H. ti Impulsdauer

5
T
1.9. Impulserzeuger (astabile Kippstufe) '
~----~----~----~--~~-.
Die elektromagnetische astabile Kippstufe be-
steht aus einem Relais, zwei anzugsverzogernden
Zeitschaltern sowie zwei Signalgebern.

Wirkungsweise: Schaltung:

Der Impulserzeuger wird durch den Schalter a Elektromechanischer Impulserzeuger


in Gang gesetzt. Die Lampe H 2 leuchtet auf
(H 2 = L). Gleichzeitig wird d 2 betătigt und
schaltet nach der Zeit td2 liber den Kontakt d 2
das Relais d 3 . Die beiden von d 3 gesteuerten
Kontakte schalten d 2 ab und d; an sowieH 2 ab
und H 1 an (H1 =L). Nach der Zeit td 1 wird d 3
wieder abgeschaltet- Kontakt d 1 Offnet. Damit
wird d 2 wieder eingeschaltet, und die Lam pe H 1
verloscht, wăhrend H 2 emeut angeht usw. Signalplan

1531
Einfuhrung in die Steuerungstechnik

2. Elektronische Bauteile
2.1. Der Transistor als Schalter

Auf den Aufbau des Transistors soli an dieser Stelle nicht năher eingegangen werden, da die
Halb1eiterelektronik ein Tei1gebiet der E1ektrotechnik und nicht der Steuerungstechnik ist.
Der Transistor ist ein in sich abgesch1ossenes Subsystem, das innerha1b des Systems Steue-
rungstechnik seinen P1atz hat.
Ein Transistor besitzt von auil>en gesehen drei
Kollektor
Anschliisse, von denen einer a1s Eingang (Kollek-
tor), der andere a1s Ausgang (Emitter) und der
Ba~
y,
Dritte a1s Steueransch1uil> (Basis) betrachtet wer-
den kann. Der Steueransch1uil> beeinfluil>t den
Stromdurchfluil> vom Eingang zum Ausgang. Je
nach Groil>e und Po1arităt des Steuerstromes bzw.
Emitter
der Steuerspannung 1ăil>t sich der Stromfluil>
zwischen Eingang und Ausgang drosse1n bzw.
vergroil>ern.
In seiner Wirkungsweise 1ăil>t sich der Transistor
mit einem stufen1os rege1baren Widerstand ver-
g1eichen, wobei die Stellung des Abgriffs auf
dem Widerstandsmateria1 mit der Funktion des Symbol fiir
Steuerstromes bzw. der Steuerspannung ver- PNP- Transistor
g1eichbar ist. Beim Transistor 1assen sich mit
Hi1fe von sehr kleinen Steuerstromen ( 1o- 6
bis 1o- 3 A) Durchgangsstrome bis in den Ampere-
bereich steuern.
Diese Făhigkeit erklărt die Bedeutung des Tran-
sistors als Verstărkerelement in der Analogtech-
nik. In der digitalen Steuertechnik wird der Tran-
8~ Symbo/ fiir
NPN- Transistor
sistor als zeitlos arbeitender Schalter benutzt,
der nur zwei Schaltzustănde kennt: gesperrt und
geăffnet.

In der Digitaltechnik werden im wesentlichen


zwei Typen von Transistoren benutzt:
PNP-Transistor PNP-Transistor
Transistoren aus dem Halbleitermaterial Ger- Beim PNP-Transistor wird die Basis mit nega-
manium. tivem Potential angesteuert.
NPN-Transistor: NPN- Transistor
Transistoren aus dem Halbleitermaterial Si- Beim NPN-Transistor wird die Basis mit po-
lizium. sitivem Potential angesteuert.

Bevor der Aufbau elektronischer Logikbautei1e


im einze1nen besprochen wird, soli der Tran-
sistor als kontaktloser Schalter mit minimalen
Schaltzeiten in seiner Wirkung dargestellt wer-
den.

1532
IV. Technische Ausfiihrung von digitalen Steuerelementen

Der Transistor kennt zwei Schaltstellungen: Schaltzustănde des Transistors:


1. Transistor gesperrt RRr- oo Q
1. Er sperrt ~ wirkt wie ein geOffneter Schalter.
2. Transistor voll geăffnet RTr - O Q
2. Er ist durchlăssig ~ wirkt wie ein geschlossener
Schalter. (j) +12V

Diese beiden Zustănde sollen zunăchst bespro-


chen werden. Zur Darstellung wird ein NPN-
Transistor benutzt, dessen Basis mit positivem
Potential angesteuert wird. Bei der Verwendung
eines PNP-Transistors miiBte die Polarităt der Be-
triebsspannung geăndert werden.

Die Basis des Transistors liegt an O-Potential. Der CD +12V


Transistor ist gesperrt. Sein Widerstand ist unend-
lich groB. Durch den Widerstand R kann kein
Strom flieBen. An R kann deshalb auch kein
Spannungsabfall auftreten, da das Produkt U12 =
IR zu O wird, wenn I = O. Das hat zur Folge, daB Transistor gesperrt
am Punkt al das gleiche Potentialliegen muB, wie
an CD . Zwischen al und a> fălit in diesem Fali
die voile Spannung U23 = 12 V ab.
Q) o

Die Basis des Transistors liegt an positivem Po-


tential. Der Transistor ist durchlăssig. Sein Wi-
derstand ist gleich O. In diesem Fali flieBt ein
Strom, der nur durch R begrenzt wird liber R
und T von CD nach a> . Die gesamte Spannung Transistor geăffnet
von 12 V wird am Widerstand R abfallen, denn
U12 = I · R ist ein endlicher Wert. Zwischen a>
und <Jl kann keine Spannung abfallen, da das
Produkt u23 = I RTR zu o wird, denn RTR = o.

Wir konnen unterschiedliche Spannungszustănde zwischen CD , al und Ql ablesen. Im ersten


Fali liegt die voile Spannung von 12 V zwischen al und Ql. Zwischen CD und al betrăgt die
Spannung OV.
Im zweiten Fali fălit die gesamte Spannung zwischen CD und al ab. Damit muB die Spannung
zwischen al und <Jl OV betragen. Diese unterschiedlichen Spannungszustănde zwischen den
Bezugspunkten konnen als Signale benutzt werden. So bedeutet eine Spannung innerhalb
gewisser festgelegter Grenzen L-Signal. Wird die Spannung unter eine vorgegebene Spannung
abfallen und gegen Null gehen, so gilt das als 0-Signal.
Tatsăchlich wird kein NPN- oder PNP-Transistor die Zustănde O Q oder oo Q annehmen. Im
gesperrten Zustand wird der Widerstand nicht unendlich groB werden, weil ein sehr kleiner
Sperrstrom flieBen kann, der fiir die Signalwirkung jedoch keine Bedeutung hat. Das gleiche
gilt fiir den durchlăssigen Zustand. Auch hier wird ein sehr kleiner Restwiderstand iibrig-
bleiben, der das entsprechende Signal jedoch nicht verfălschen kann.
1533
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

2.2. Elektronische NICHT-Stufe


Solange b 1 nicht betătigt wird, flie~t ein Strom +12V

von <D iiber R 2 , e und b 1 nach <3l. Dieser Strom


wird bestimmt durch die anliegende Betriebs-
spannung sowie den Widerstand R 2 • Da der
Widerstand des geschlossenen Schalters b 1 mit O
angenommen werden kann, fălit iiber R 2 die ge-
samte Spannung ab, so d~ am Punkt e O-Po-
tential anliegt. Die Basis des Transistors ist iiber
R 3 mit dem Punkt e verbunden. Damit erhălt
der Punkt e ebenfalls O-Potential. Der Tran-
sistor ist gesperrt.
Zwischen <2> und <3l liegt die voile Spannung. Lie-
gen zwischen <2> und <3l mehr als l O V, so spre-
chen wir von L-Signal. Wird b 1 betătigt und da-
mit geOffnet, so kann, da R 3 sehr gro~ gewăhlt
wird, ein sehr kleiner Strom iiber R 2 und R 3 in
die Basis des Transistors flie~en. Der Spannungs-
abfall an R 2 ist sehr klein, so da~ e positives
Potential erhălt. Positives Potential an der Basis
des Transistors steuert diesen durch, so da~ die
Betriebsspannung an R 1 abfăllt und die Spannung
u23 gegen o geht.

2.3. Elektronische ODER-NOR-Stufe


Das elektronische ODER-NOR-Element besteht aus einer Umkehr-Stufe (NICHT), die auf
der Eingangsseite durch einen zweiten parallelen Signalgeber b 2 erweitert ist und an deren
Ausgang eine zweite Transistorstufe angeschlossen ist.
An die Basis von T1 kann durch Betătigen von b 1 oder b 2 , oder b 1 und b 2 positives
Potential gelegt werden, so da~ T1 Offnet und zwischen (2) und ® O-Potential entsteht
(U23 = OV).
Da dieses O-Potential iiber R 6 mit der Basis von T2 verbunden ist, sperrt der Transistor T2 ,
und zwischen @ und ® ( U283 R< 12 V) liegt die voile Spannung. Die Transistoren T1 und
T2 zeigen entgegengesetztes Verhalten. lst T1 gesperrt, so ist T2 durchlăssig bzw. umge-
kehrt.
Immer wenn zwischen (2) und ® L-Signal anliegt, besteht zwischen @ und ® 0-Signal.
Werden beide Ausgănge (2) und @ benutzt, so erhălt man ein kombiniertes ODER-NOR-
Element. Die beiden Dioden D 1 und D 2 sollen einen Kurzschlu8 zwischen den Străngen l
und 2 verhindern.

1534
IV. Technische Ausfiihrung von digitalen Steuerelementen

2 +12V
el e2 <l> ®
o o L o Rs
o L o L R2
@
L o o L
L L o L

--4-~--------------~------~--~-----0

2.4. Elektronische UND-NAND-Stufe


Die elektronische UND-NAND-Stufe kann man mit drei Transistoren realisiereno Um am
Ausgang <lJ 0-Signal zu erhalten, mlissen beide in Reihe geschaltete Transistoren T1 und
T2 durchsteuerno Das ist nur moglich, wenn b 1 und b 2 betătigt werden und damit an
e1 und e2 positives Potential vorhanden ist, das liber R 4 und R 5 an die Basen von T1
und T2 gelangt. An @ liegt jeweils das Umkehrsignal von ~o

e1 e2 <l> ®
o o L o
o L L o
L o L o
L L o L e,

b,l--

~~4----------+---®~3~ _____.____ 0

2.5. Elektronischer Speicher (Flip-Flop)


Die elektronische Speicherschaltung, auch bista-
-------------------...--(j)- • 12V
bile Kippstufe genannt, verfiigt liber zwei Ein-
gănge e 1 und e2 sowie liber zwei Ausgănge <l> und
~o Bei de Ausgănge <l> und ® sind riickgekoppelt
auf die Basen der beiden Transistoreno Damit
sind die Ausgănge gleichzeitig auf die beiden
Eingănge zuriickgeflihrto

@ ist liber R 3 mit der Basis von T 1 und dem Ein-


gang e 1 verbunden, <l> liber R 4 mit der Basis von
T2 und dem Eingang e 2 o Die Widerstănde R 3 @o
und R 4 sollen den in die Basen fliet<.enden Steuer-
strom begrenzeno Die Diode D 1 soli mit Hilfe
ihrer Schwellspannung sicherstellen, dat<. bei In-

1535
Einfuhrung in die Steuerungstechnik

betriebnahme der Schaltung T 1 immer zuerst Ci)


•12V
durchsteuert und T 2 liber die Rlickkopplung
gesperrt wird. Rz

Im folgenden soli die Wirkungsweise des elektro-


nischen Speichers erklărt werden.
•12V
T 1 ist durchgesteuert. An R 1 tritt der Spannungs-
abfail Uv = 1R 1 auf. An a> liegt gegenliber O> O- ]~
Potential. Die Basis von T 2 ist liber R 4 mit dem
O-Potential verbunden, so daB T2 so lange ge- ~~~-r-------+--+--®
sperrt bleibt, wie die voile Spannung Uv liber R 1
abfăilt. Zwischen @ und O> fălit die voile Span-
nung von + 12 V ab, da der Widerstand von T 2
sehr groB ist und liber R 2 , T 2 kein Strom flie-
Ben kann. Die Basis von T 1 ist liber R 3 , D 1 mit
@ verbunden und liegt damit an positivem Po-
tential. T1 bleibt so lange geoffnet, solange an (f)
@ das positive Potential bestehen bleibt. Die +12V
Speicherstufe verbleibt in dieser stabilen Lage.
Rz
Erhălt die Basis von T 2 libere 2 (Loscheingang R)
einen positiven Impuls, so wird T 2 schlagartig ClJ @
durchgesteuert. An R 2 tritt der Spannungsab-
fail Uv = IR 2 auf. Damit liegt an @ O-Potential
+12V
gegenliber ®. Die Basis von T 1 ist damit liber R 3
und D 1 mit O-Potential verbunden. T 1 wird +]
schlagartig hochohmig, so daB der StromfluB
aufhort und an a> wieder positives Potential
®
gegenliber ® ansteht. e, ez

Dieses positive Potential ist liber R 4 mit der Basis


von T 2 verbunden, so daB T 2 geăffnet bleibt, so-
lange liber e 1 kein weiterer positiver Impuls die
Sperrung von T 1 aufhebt. Die Spannung von ca.
12 V liegt nun zwischen a> und ® und kann dort
als L-Signal abgenommen werden. Ein positiver
Impuls iiber e 1 (Setzeingang) wiirde die Span-
nungszustănde wieder ăndern und damit den
Speicher erneut setzen.

:=t-------ţ; :
Ohne neue Setz- oder Loschimpulse bleibt der
einmal erreichte Zustand erhalten. Man nennt
diesen elektronischen Speicher auch bistabile
Kippstufe.
Symbol

1536
IV. Technische Ausfiihrung von digitalen Steuerelementen

2.6. Elektronischer Zăhlspeicher (Untersetzer)


Die Abbildung zeigt die Schaltung eines Binăr­
speichers mit 2 statischen und einem dynami-
schen Eingang. e 1 und e 2 sind die statischen Ein-
gănge R bzw. S, siehe Kapitel2.3.4. e 22 bildet den
dynamischen Eingang, der bei der Verwendung
als Zăhlspeicher benutzt wird. Die Ausgănge ®
und @ sind liber Rlickkopplungsleitungen extern
liber die Kondensatoren C, und C2 mit dem
dynamischen Eingang e 22 verbunden (siehe Ab-
schnitt 2.3 .4.).

Wirkungsweise:
Am Eingang e22 steht L-Signal an. Damit ist C2
aufgeladen; C1 ist nicht aufgeladen, da Z und der
Eingang beide das gleiche Potential flihren. Ver-
schwindet das L-Signal am Eingang e 22 , so wird
der Punkt Y negativ und T 1 liber D 1 gesperrt.
Die Potentiale an den Ausgăngen springen um.
Erhălt e 22 wiederum einen positiven Impuls, so
wird dieser liber D 1 und D 2 abgeblockt. Es er-
folgt keine Umschaltung an den Ausgăngen. Es Symbol
wird durch das positive Signal an e22 alierdings
C2 aufgeladen, da an @ O-Potential ansteht.
Beim erneuten Umschalten des Eingangssignals
e22 von L auf O wird die Basis von T 2 negativ.
Die Schaltung kippt um. An al steht 0- und an
@ L-Signal an usw.
Ausgang
Die Zăhlstufe untersetzt eine am Eingang auf- A (lJ
tretende Impulsfolge im Verhăltnis 2 : 1. Der Ausgang
Signalplan zeigt dieses Verhalten. A@
Signalplan

2. 7. Elektronisches Zeitrelais ( monostabile Kippstufe)

In der Steuerungstechnik werden hăufig Schaltelemente benotigt, die einen zeitlich begrenz-
ten Steuerungsvorgang nach einer festgelegten Zeit beginnen, beenden oder umschalten. So
soli z. B. ein Aufzug, der eine angesteuerte Position erreicht hat, nicht sofort wieder abge-
rufen werden konnen, sondern es soli eine gewisse Zeit zur Verfligung stehen, bis z. B. die
Mitfahrer ausgestiegen sind und die Tlir wieder geschlossen ist usw. Dieser Vorgang lăf!.t sich
u. a. auch liber Zeitrelais mit eingebauter Zeituhr oder aber mit elektronischen Bauteilen
realisieren.

1537
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Die monostabile Kippstufe ist im Aufbau dem •Us +12V


elektronischen Flip-Flop sehr ăhnlich. Vor der (j) - . - - . . - - - - - - - - - - - . - -
Hasis von T 1 liegt jedoch ein Koppelkondensator
CK, der liber R 8 mit dem positivem Potential
fest verbunden ist. Die Basis von T 2 ist liber R 2 ®o-<t----t---
fest mit dem O-Potential verbunden. f®
12V

®~----~~~--~· E

In Ruhelage wird deshalb T 1 stăndig durch-


steuern. Da an R 1 die gesamte Spannung abfăllt,
entsteht bei ~ ebenfalls O-Potential. Dieses Po-
tential ist liber R 3 mit der Basis von T2 verbun-
den und sperrt T 2 • Zwischen Qi) und ~ wird im
Ruhezustand die voile Spannung von 12 V lie-
gen, wăhrend die Spannung zwischen ~ und ~
O betrăgt. E

Symbol ftir elektronische Zeitstufe


Wird liber den Eingang E ein kurzzeitiger nega-
(Monoflop)
tiver Impuls wirksam, so werden beide Konden-
satorplatten stark negativ. Damit erhălt die Basis
von T 1 ebenfalls negatives Potential und sperrt
T,. tl'ber R, flieBt kein Strom mehr, so daB der
Spannungsabfail Uv = 1 R 1 zu O wird. An C2> ent-
steht positives Potential, das liber R 3 mit der
Basis von T2 verbunden ist. T 2 steuert durch.
Die Zeitstufe kippt um, und die voile Spannung
liegt nun zwischen <2> und ~. wăhrend zwischen
@ und ® die Spannung gegen O V geht.

Dieser Zustand ist jedoch nicht von Dauer, da


der Kondensator liber R 8 mit positivem Poten-
tial verbunden ist und sich auflădt. Solange dieser
Ladevorgang anhălt, wird an R 8 Spannung ab-
fallen und die Basis von T 1 negativ bleiben. Erst
wenn der Kondensator aufgeladen ist, hort der
StromfluB liber R 8 auf, und der Spannungsab-
fail an R 8 verschwindet, so daB die Basis von
T 1 wieder positiv wird. Damit steuert T 1 durch
und sperrt T2 • Der Ausgangszustand ist wieder Signalplan ftir elektronisches Zeitrelais
erreicht. Die Ladezeit des Kondensators und da- tcK Ladezeit des Koppelkondensators
mit die Schaltzeit des Zeitrelais kann liber die
Kapazităt von CK und den Widerstand R 8 stu-
fenlos eingesteilt werden.

1538
IV. Technische Ausfiihrung von digitalen Steuerelementen

2.8. Elektronischer Taktgeber (astabile Kippstufe)


•12V
Setzt man nicht nur vor die Basis von T 1 einen
Koppelkondensator, sondern auch vor die Basis
von T2 , so wird aus der monostabilen eine
astabile Kippstufe, die ihre Schaltzustănde dau-
ernd verăndert. Man spricht dann von einem
elektronischen Taktgeber, der z. B. Zăhlschal­
tungen als lmpulsgeber dienen kann.

~~,_-------------+-@

astabile Kippstu[e

Die Kondensatoren werden wechselweise liber


ihre Vorwiderstănde und den jeweils geOffne-
ten Transistor geladen und umgeladen. Genau wie
bei der Zeitstufe sind die zugehorigen Transisto-
ren wăhrend der Ladezeit des Kondensators ge-
sperrt und Offnen wechselweise nach erfolgter
Ladezeit.

Signalplan [iir astabile Kippstu[e

A1 Az
Wenn die Vorwiderstănde R 3 und R 4 sowie die
Kapazităten von CK 1 und CK 2 gleich grolll sind,
T T
so entstehen an den Ausgăngen A 1 und A 2
Spannungen, die zeitlich um 180° versetzt sind,
Rechteckform besitzen sowie eine gleichmălllige
Impulsdauer haben. Die Frequenz kann liber 1
die VorwiderstăndeR 3 undR 4 verăndertwerden.
Symbol [iir elektronische astabile Kippstufe
E ist ein Sperreingang, mit dessen Hilfe der Takt-
geber abgeschaltet werden kann, indem man ei-
nen negativen Dauerimpuls auf die Basis von T 1
gibt.
Dadurch wird T 1 dauernd gesperrt, wăhrend T 2
geOffnet bleibt.Die pulsierendeRechteckspannung
wird unterbrochen.
Der Logikplan zeigt einen elektronischen Takt-
geber, der aus NAND-Eiementen aufgebaut ist.
An Stelle der Koppelkondensatoren konnten im
Logikplan auch die Symbole von Zeitstufen ein-
gezeichnet werden. Logikplan eines elektronischen Taktgebers

1539
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

2.9. Integrierte Schaltungen (IC)


Da ftir die elektronische Digitalschaltungen oft sehr viele gleichartige logische Grundele-
mente benotigt werden, hat man die Fertigung rationalisiert, indem man die Bauelemente
in standardisierter Form ausgeftihrt hat. Dabei werden die Digitalbausteine auf Schalt-
platinen oder in noch zusammengefaBterer Form in vergossenen Blocken in GroBserien
hergestellt. Man spricht bei dieser Fertigungsmethode von integrierten Schaltungen und
verwendet dabei die Abktirzung IC (lntegrated Circuit). Die Plăttchen, auf denen logische
Schaltelemente untergebracht sind, haben einen Platzbedarf von nur wenigen mm 2 • Daraus
ergibt sich, daB der Platzbedarf fUr recht umfangreiche Schaltungen sehr klein ist. Man
spricht in diesem Fali von Miniaturisierung. Das ist z. B. bei der Herstellung von elektro-
nischen Taschenrechnern ein wesentlicher Vorteil. Ein weiterer Vorteil ergibt sich daraus,
daB durch die vollautomatische Fertigung die Betriebssicherheit erhoht wird und bei ent-
sprechend groBen Sttickzahlen die Kosten wesentlich gesenkt werden konnen.

Ba sis 1~ 13 12 " 10 9 8

Baustein einer integrierten Schaltung


TypSN7400

S;
H~
,e·r5l
Metalli sierung


8,89 -

Schnitt durch integrierte Schaltelemente

Die Zeichnungen sind stark vergriiBert dar-


gestellt. Mafizeichnung des IC-Bausteins SN 7400

1540
IV. Technische Ausfi.ihrung von digitalen Steuerelementen

3. Fluidik-Elemente

Der Name Fluidik ist international festgelegt fiir die Technologie, die sich mit Elementen
befall>t, deren Grundlage die Stromungsdynamik (freier Luftflull>) ist. Der Begriff Fluidiks
hat in den letzten Jahren insofern eine Ausweitung erfahren, als auch die pneumatischen
und hydraulischen Elemente und Schaltungen als Fluidiks bezeichnet werden, die in einem
System zu Steuerungszwecken eingesetzt werden und die nicht der Obertragung von Krăften
dienen, sondern Signale verarbeiten. Dabei spielt der Anteil hydraulischer Steuerungen eine
so geringe Rolle, dall> er hier vernachlăssigt werden kann.

Es miissen zwei Systeme von Fluidik-Elementen unterschieden werden:


Dynamische Fluidik-Systeme, bei denen keine beweglichen Teile innerhalb der Elemente
vorhanden sind, die auch keinem mechanischen Verschleill> unterliegen, die aber stăndig
mit Luft versorgt werden miissen (z.B. Wandstrahlelemente, Pneumistoren u.a.),
Statische Fluidik-Systeme, die mit beweglichen Teilen- z.B. Kolben, Klappen, Schiebern,
Membranen - arbeiten, die auch mechanischen Verschleill> aufweisen, deren Energiever-
brauch (Druckluft) sich aber auf die sehr kurzzeitige Schaltdauer der Signalglieder be-
schrănkt (z. B. Doppelriickschlagventile, Wegeventile u.a.).

Im Gegensatz zu rein pneumatischen Steuerungen wird bei Fluidikschaltungen der Infor-


mationsteil wie bei elektrisch-mechanischen Schaltungen in einem geschlossenen Steuer-
schrank zusammengefall>t. Vorgefertigte Steckkarten mit den darin enthaltenen Logik-
elementen, in serienmăll>ig zusammengestellten Funktionseinheiten, werden in Einschiiben
zusammengestellt und bilden damit den Grundstock eines Fluidik-Steuerschrankes. Je nach
Anzahl der Elemente und der logischen Verkniipfungen wird die Groll>e des Steuerschrankes
ausgewăhlt.

Dynamische Fluidiks enthalten keine beweglichen Teile, sie arbeiten deshalb verschleill>- und
reibungslos. Der fiir das Funktionieren dieses Logik-Systems notwendige Druck ist sehr nie-
drig. Die Bauteile sind relativ klein und sehr kompakt. Da mit niedrigen Driicken gearbeitet
wird, miissen Verstărkerelemente nachgeschaltet werden, um verwendbare Schaltleistungen
zu erhalten.

Besonders geeignet sind Fluidik-Elemente fiir den Einsatz in explosionsgefăhrdeten Răumen,


weil kaum Wărme entstehen kann. Ein wesentlicher Vorteil dieser Elemente besteht auch
darin, dall> sie temperaturunempfindlich sind. Einige Bauarten von Fluidik-Elementen sollen
in ihrer Wirkungsweise dargestellt werden. Von Nachteil ist, dall> sie stăndig Luft verbrauchen,
auch wenn keine Signale verarbeitet werden.

1541
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Schaltlogik nach Coanda- Wandstrahlelemente

li "_
Wenn ein laminarer Strahl nahe an einer Wand Ausgange 2
vorbeistromt, so legt sich dieser Strahl an die
Wand an. Zwischen Wand und Strahl entsteht
ein Unterdruck, der den Strahl an die Wand
ansaugt. Man kann die Stromungskanăle so aus-
richten, dall> ohne ăull>ere Beeinflussung der 1=====~ etngang
Strahl immer den Ausgang 1 passiert.
1
Es geniigt allerdings schon ein sehr schwacher Ausgange 2
Steuerstrahl, der liber einen senkrecht zum \'
Hauptkana1 liegenden Seitenkanal gefiihrt wird,
um den Hauptstrahl in den Ausgang 2 abzu-
Steuer-
lenken. Verschwindet das Signal am Steuer- \ • •!!!!11!!!!!!!11!!!.. emgang
kanal, so durchstromt der Hauptstrahl wieder
den Ausgang 1. Auf der Basis dieses Grund-
prinzips sind die verschiedenen Fluidiklogik-
elemente entwickelt worden.

3.1. Fluidik-ODER-NOR-Stufe 31
Das Bild stellt ein ODER/NOR-Element mit
drei Eingăngen dar. Je nachdem an welchem der
o o 1

F4ffi,
beiden Ausgănge der Hauptstrahl austritt, kann
ODER- bzw. NOR-Signal abgenommen werden.
Das ODER/NOR-Element kann auch als NICHT- rt-v~
Eiement benutzt werden, wenn nur ein Steuer-
eingang benutzt wird. o o

A 1=E1 vE2vE3
=EiAEzAE;

Eingănge Ausgănge

El E2 E3 A1 A2
o o o o 1
o o 1 1 o
o 1 o 1 o
o 1 1 1 o
1 o o 1 o
1 o 1 1 o
1 1 1 1 o

1542
IV. Technische Ausfiihrung von digitalen Steuerelementen

3.2 Fluidik-UND-NAND-Stufe
Das UND/NAND-Element ist so ausgelegt, da~
eine Ablenkung des Hauptstrahls nurmoglich ist,
wenn beide Steuereingange beaufschlagt werden.
o,o 2

Am Ausgang A 1 wird die UND-Antwort, an A 1 ::w~ 8 3


die NAND-Antwort abgenommen. 7~, 7
Die Skizze zeigt, da~ am Steuereingang S.E. nur
dann ein Eingangssignal ankommen kann, wenn
o
eine geometrische Addition von 1 und 2 stattfin-
der.

Es lassen sich auch UND/NAND-Elemente mit NAND


mehr als zwei Steuereingangen konstruktiv aus- E,-f-::-L A,
flihren. Diese Elemente reagieren jedoch auf E2~
Druckschwankungen empfindlicher und werden
A,=E,toE2
deshalb selten verwendet.
=Ei vE;
Eingiinge Ausgiinge
E1 E1 Al A1
o o o
o 1 o
o o 1
o

3.3 Fluidik-Speicherelement (Flip-Flop)


Das Speicherelement ist so konstruiert, da~ der
Hauptstrahl beide AusgangeA 1 und A 1 benutzen
kann. Es geniigt ein kurzer Impuls iiber einen der
Steuereingange, um die Richtung des Haupt-
strahles zu beeinflussen. Hat der Hauptstrahl
seine neue Rjchtung gefunden, so legt sich der
Strahl an die Wandung an, und seine Richtung
bleibt so lange stabil, bis ihn ein entgegengesetztes
Signal ablenkt.
Eingiinge Ausgiinge
El
o
El
o
A1
o
A1
1
... ... E,=t==J=A'
<0-~t Ei
------
A,
o o o A :A,
1 o 1 o A1=fE1•A1J.E2
o o A2=fE2•~J·E1

1543
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Binărzăhler

Das Binărzăhlerelement wird hauptsăchlich fiir


addierende und subtrahierende Zăhlschaltungen
eingesetzt.
Wirkungsweise:
Durch kurzzeitige Eingabe des Signals E 1 (Ein-
gang 3) entsteht ein Ausgangssignal A 1 (Aus-
gănge 6 und 7). Durch kurzzeitige Eingabe des
Signals E 2 (Eingang 8) entsteht ein Ausgangs-
signal A 2 (Ausgănge 4 und 5). Jedes kurzzeitig
eingegebene Signal E 3 (Eingang 2) bewirkt einen
Wechsel des Signalausganges von A 2 nach A 1
oder umgekehrt. Sind beide Eingangssignale E 1
und E 2 gleichzeitig vorhanden, dominiert das
s·"' aa
~
1,0

zuerst eingegebene Signal. Sind E 1 oder E 2 und c:


E 3 gleichzeitig vorhanden, dominieren E 1 oder Eo.6
E2. '3 O.t: 1 ...........
1 /
':c- 0.2 1 /
1: /
~ L2~.~o~6~.o~~,o~-Lu~~,a~~~
Technische Daten:
Signalein-und ausgi:inge Nlcm2
Betriebsdruck (Versorgung) 5 bis 10 N/cm 2
Max. Betriebstemperatur bis 65 aC
Schaltfrequenz bis 100 Hz
Mittlerer Luftverbrauch bei 7 N/cm 2 4,51/min
Signaldruckbereich
Schaltdruck 1O % des Betriebsdruckes
Schaltunwirksamer Druck < 75 mm WS
Max. zul. Druck 30 % des Betriebsdruckes

4. Schaltlogik mit Hilfe des Pneumistors


Der Pneumistor, auch Turbulenzverstărker ge- Steuer-
lngang
nannt, ist ein Fluidik-Element, das in seiner
Wirkungsweise leicht verstăndlich ist. Bei diesem
tritt aus einem Richtkanal ein laminarer Luft-
Signal ~al
L-Signal
strahl aus, der eine offene Strecke iiberbriickt
und dann in den Ausgangskanal eintritt. Der Ein~ _r;:;;;gang

(Ablauf-
Druckabfall auf der von dem Luftstrahl (Signal- dffnung
strahl) zu iiberwindenden Strecke ist dabei gering.
Wird jedoch durch einen um 90° zur Eingangs-
ăffnung versetzt liegenden Steuereingang ein
Steuerstrahl senkrecht auf den Signalstrahl ge-
lenkt, so wird die !aminare Strămung unterbro-
chen. Der Signalstrahl wird verwirbelt - man
spricht von Turbulenz - und die Luft entweicht
aus der Abluftăffnung. Der Druck am Ausgang
bricht zusammen, so daB sich das L-Signal am
Ausgang in ein 0-Signal ăndert.

1544
IV. Technische Ausfuhrung von digitalen Steuerelementen

Dabei benotigt der Steuerstrahl nur ca. 15 % des


Druckes, der fiir den Signalstrahl notwendig ist
(ca. 2,5 mbar gegentiber 15 mbar).
Wird der Steuerstrahl unterbrochen, so baut sich
die !aminare Stromung des Signalstrahles wieder
auf, und im Ausgangskanal entsteht erneut der
flir das L-Signal notwendige Druck. Schaltlogisch
Laminar
betrachtet ist der Pneumistor ein NICHT -Ele-
ment bzw. eine Umkehrstufe.
Pneumistoren konnen als Schaltelemente sehr
klein ausgefiihrt werden. Ausgang Eingang
Der Durchmesser der Diisen betragt ca. 1 mm.
Der Druckluftverbrauch liegt pro Baueinheit bei Turbulent
8-12 1/h. Es werden Schaltgeschwindigkeiten
von ca. 50 m/s erreicht.
Technische Ausfiihrung des Pneumistors
Die !aminare Stromung wird mit Hilfe zweier
Hohlkehlen umgelenkt, ohne daB dabei der Schnittzeichnung Pneumistor
Druck so stark absinkt, daB er nicht mehr als
Signal zu verwerten ist. Um das Ausgangssignal
schalttechnisch verwerten zu konnen, miiBten
genau wie bei den Wandstrahlelementen Ver-
starker etwa in Form von 3/2 Wegeventilen
eingesetzt werden.
Ein Ausgangssignal eines Pneumistors kann be-
nutzt werden, um damit bis zu 5 weitere Pneu-
mistoren auszusteuern.
Werden mehrere parallel liegende Steuerein-
gange zur Beeinflussung des Signalstrahls ange-
bracht und benutzt, so wird aus dem NICHT-
Element ein NOR-Element.
Aus NOR-Elementen lassen sich alle anderen
Grundfunktionen aufbauen .
b,~
4.1 . ODER-Stufe b2--L.:.._j
LC_j' - H
Benutzt man zwei Pneumistoren, indem man den ODER aus 2 mal NOR
Ausgang des ersten mit einem Steuereingang des
zweiten Pneumistors verbindet - der zweite bl~
Steuereingang des zweiten Pneumistors muB b2~
L.__r-H
verschlossen werden -, so eri1ălt man die ODER-
ODER aus NOR/NICHT
Funktion.
Die in der Praxis verwirklichte Form der ODER-
Funktion besteht aus zwei Pneumistoren, die
auf einer Steuerplatte nebeneinander montiert
sind. In die Steuerplatte sind die notwendigen
Pneumistor - ODER-Funktion
Steuerkanale eingearbeitet.

1545
Einflihrung in die Steuerungstechnik

4.2. UND-Stufe
Mit 3 Pneumistoren lăBt sich die UND-Funktion
realisieren. Zwei parallele Pneumistoren, deren
zweite Steuereingănge verschlossen werden, sind H

mit ihren Ausgăngen auf die Steuereingănge des


dritten Pneumistors geftihrt. Am Ausgang des
dritten Pneumistors entsteht bei entsprechenden
Bedingungen UND-Signal. UND aus 3 NOR-Elementen

Durch Hinzuschalten eines vierten Pneumistors,


dessen Steuereingang mit dem Ausgang des
dritten Pneumistors verbunden sein miiBte, ent-
stiinde am Ausgang NAND-Signal. s
H
In der Realisierung ist ein Dreifachpneumistor
auf einer vorgestanzten Steuerkanalplatte auf-
gesetzt und verschraubt. Die Zweitsteuerein- Pneumistor UND-Funktion
gănge werden mit VerschluBkappen verschlossen.

4.3. Speicherelement (Fiip-Fiop)


Die Speicherfunktion kann genau wie mit 2
NOR-Gattern mit 2 Pneumistoren verwirklicht
werden. Die Ausgănge der beiden Pneumistoren
werden jeweils mit einem Steuereingang des an-
deren Pneumistors verbunden. E2 - ---i

Speicher aus 2 NOR-Cattern

~ţ:___~-
e.....,~A
2 L.e,
Pneumistor - Speicher-Funktion

1546
IV. Technische Ausfiihrung von digitalen Steuerelementen

Die konstruktive Losung wird aus einem doppel-


ten Pneumistor und zwei Steuerkanalplatten ge-
bildet. Bei der Montage auf den Schaltblock
bleiben nur zwei Nippel fiir die Steuereingănge
offen. Die beiden anderen Nippel miissen ver-
Zwei
schlossen werden, da diese bereits durch die Ka- Steuer-
l<orKII-
nalplatten miteinander verbunden sind. platt.n

Die Symbole fiir Speicherelemente sind nicht


einheitlich. Aus diesem Grund ist hier ein Spei-
chersymbol vorgestellt , wie es von einem Her-
steller fiir Pneumistortechnik verwendet wird. Symbol: F/ip-Fiop

Mit der Pneumistortechnik lassen sich durch Kombination verschiedener Elemente Zeitglie-
der, lmpulswandler, Binărzăhler u. a. herstellen. Es wiirde zu weit fiihren, ali diese Realisie-
rungsmoglichkeiten hier darzustellen.

1547
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

5. Steuerschaltungen mit Fluidik-Elementen


Anwendungsbeispiel 1

Aufgabenstellung:
Drei einfach wirkende Zylinder mit Federriickstellung sind durch je 2 Signaltaster ein- und
auszuschalten. Jeder Zylinder soli nur betătigt werden konnen, wenn die beiden anderen
Zylinder abgeschaltet sind. Bei Einschalten der Druckluft sollen alle Zylinder ausgeschaltet
sein. Die Schaltung ist ohne Signalfiihler auszufiihren.
Anwendung beispielsweise an Werkzeugmaschinen, um zu verhindern, daB mehrere Arbeits-
gănge gleichzeitig ausgefiihrt werden. In chemischen Betrieben fiir Răume, die als Schleuse
verwendet werden, um zu gewăhrleisten, daB jeweils nur eine Tiir geoffnet ist.

Losung: Logik-Schaltplan
Das Signal zur Betătigung eines Zylinders wird A B c
gleichzeitig in ein Flip-Flop-Element und ge-
meinsam mit dem Ausgang des Flip-Flop-Ele-
mentes in ein NOR-Element eingegeben. Solange
das Eingangssignal vorhanden ist, ist der Ausgang
Null. Liegen gleichzeitig keine Ausgangssignale
von den beiden anderen NOR-Elementen vor,
dann sind alle drei Eingangssignale des NOR-
Elementes = Null, und es entsteht ein Ausgangs-
signal, welches iiber dem Verstărker den zuge-
ordneten Kolben betătigt.
Der Logik-Schaltplan kann mit Wandstrahlele-
menten realisiert werden.

f 1} f•..• •···la f••••... 'le


Logik·Schaltplan

Wirkungsweise:
Das Funktionsschaltbild lăBt folgende Einzelheiten erkennen:
Die Druckluft wird gefiltert und dann in einen Arbeitsstrang und in einen Steuerungsstrang
geteilt. Die fiir die Steuerung verwendete Druckluft wird nochmals in einem Filter mit einer
Porenweite von 5 ţtm gereinigt. Der Druckregler fiir die Steuerung wird auf ca. 7 N/cm 2 ein-
gestellt. Die Einstellung des Druckreglers fiir die Arbeitsluft ist vom nachgeschalteten Druck-
zylinder abhăngig.
Bei Betătigen des Signaltasters A "Ein" erfolgt ein Eingang in 5 des Flip-Flop-Elementes
und in 6 des NOR-Elementes. Wăhrend das Direktsignal auf das NOR-Element nur eine
kurzzeitige Umschaltung auf Ausgang 2 bewirkt, liefert der Ausgang 2 des Flip-Flop-Ele-
mentes eine Dauer-Schaltung auf Ausgang 2 des NOR-Elementes. Ausgang 1 und Eingang 18
des NOR-Elementes haben kein Signal.

1548
IV. Technische Ausfiihrung von digitalen Steuerelementen

Realisierung mit Wandstrahlelementen

Die Signaltaster van B und C sind ausgeschaltet, deshalb hat das zweite und dritte Flip-Flop-
Element liber 3 des dritten bzw. fiinften NOR-Elementes und liber das nachgeschaltete
Rlickschlagventil einen Signaleingang bei 15 bzw. 4 und einen Signalausgang bei 12 bzw. l.
Das vierte und sechste NOR-Element hat einen Ausgang bei 12, wodurch in 16 und 17 des
zweiten NOR-Elementes kein Signaleingang vorhanden ist. Der Verstărker wird liber Aus-
gang Il des zweiten NOR-Elementes betătigt, und die Arbeitsluft drlickt den Zylinder in
seine Endstellung.

Anwendungsbeispiel 2
A ufgabenstellung:
Zăhlschaltung fiir eine Verpackungsmaschine
(siehe Lehrbeispiel l, Abschnitt 2.3.4.3.).
Lăsung:

Die Zăhlschaltung ist bereits in dem obenge-


nannten Lehrbeispiel dargestellt und besprochen
worden.
An dieser Stelle soli der Fluidik-Gerăteschaltplan
mit der Realisierung durch Wandstrahlelemente
dargestellt werden.
25
Zăhlschaltung

1549
Einfuhrung in die Steuerungstechnik

Der Fluidik-Gerateschaltplan zeigt: E Signaleingabe

Das Ausgangssignal betatigt einen Binarzahler,


dessen Ausgangssignale, liber Fluidik-Verstarker
verstarkt, einen doppeltwirkenden Zylinder be-
tatigen, der seinerseits die Weiche stellt. Das
Riickschaltsignal wird durch ein aus Drossel und
Vo lumen bestehendes Zeitglied einschaltverzogert
an das Verstarkerventil weitergegeben.

F/uidik-Gerătescha/tplan for addierende


Zăh/scha/tungen

6. Pneumatische Elemente
Pneumatische Steuerelemente gehoren mit zu den Fluidik-Steuerungen, da auch hier stro-
mende Medien verwendet werden. Rein pneumatische Steuerungen oder auch solche, bei
denen zusatzlich elektrische Elemente verwendet werden, haben sich liberali dort bewahrt, wo
es darauf ankommt, trotz auJl,erer Einfliisse wie elektromagnetische Felder, auftretende
Feuchtigkeit, starkere Temperaturunterschiede, Erschiitterungen u. a. sichere und eindeutige
Steuersignale umzusetzen. Ein wesentlicher Vorteil bei der Verwendung pneumatischer
Bauteile in digitalen Steuerungsanlagen besteht darin, dai), ohne zusatzliche Verstarkerele-
mente kraftige und unmiJl,verstandliche Signale gegeben werden konnen.
Von Nachteil ist, dai), Steuerungen mit pneumatischen Elementen nicht auf engem Raum
unterzubringen sind. Selbst einfache, wenig komplizierte Anlagen sind recht voluminos. Sie
benotigen oft den gleichen Raum wie die zu steuernde Maschine. Das bedeutet, dai), der
finanzielle Aufwand fiir die Anlage selbst und fiir die benotigte Energie recht hoch sein kann.
Nachteilig sind auch die hohen Schaltzeiten, die keinen Vergleich mit elektronischen oder
Fluidik-Elementen aushalten. Trotzdem haben sich Steuerungen, die mit pneumatischen
Elementen betrieben werden, vor allem im Maschinenbau durchsetzen konnen. Weitere
Anwendungsbereiche finden sich bei Verpackungsmaschinen, in der Lebensmittelherstellung,
in der chemischen Industrie, bei Transportmitteln, in Bergbaubetrieben, an Lade-, Entlade-
und Positioniereinrichtungen fiir TransferstraJl,en und an Werkzeugmaschinen.

1550
IV. Technische Ausfuhrung von digitalen Steuerelementen

6.1. Pneumatische NICHT-Stufe

Im Ruhezustand ist das 3/2-Wegeventil auf


DurchlaB geschaltet. An A entsteht Druck und
damit L-Signal.
Wird das 3/2-Wegeventil umgeschaltet und gegen
den Federdruck betătigt, so wird die Versor-
gungsluftzufuhr abgetrennt, und der Druck bei A:O
A bricht zusammen. Es entsteht an A 0-Signal.
Erst wenn das Steuersignal a verschwindet,
driickt die Feder das Ventil in die Ausgangslage,
und an A entsteht erneut L-Signal.

6.2. Pneumatische ODER-NOR-Stufe


Die Grundschaltung fi.ir ODER bzw. NOR be-
steht aus einem Doppelriickschlagventil, dessen
Ausgang ein 3/2-Wegeventil steuert.
Im Ruhezustand wird das 3/2-Wegeventil durch
Federkraft gehalten. Bei der ODER-Schaltung ist
die Versorgungsluft abgetrennt, und am Ausgang ODER-Schaltung
A steht kein Druck an (0-Signal). Bei der NOR-
Schaltung ist das Ventil auf DurchlaB geschaltet.
An B entsteht Druck und damit L-Signal.
Entsteht an a 1 oder an a 2 oder an beiden Ein-
găngen des Doppelriickschlagventils Druck, so
wird dieser Druck (L-Signal) das 3/2-Wegeventil a2
umschalten und die Ausgangssignale an A bzw.
NOR-Schaltung
B umkehren.
Sind a 1 und a 2 mit Druck beaufschlagt, so wird
a, a2 A B
sich das stărkere Signal durchsetzen. Auf jeden
Fali wird auch dann das 3/2-Wegeventil umge- o o o L
schaltet. o L L o
L o L o
L L L o

6.3. Pneumatische UND-NAND-Stufe

1 UND-Stufe J

Die UND-Schaltung besteht aus zwei 3/2-Wege-


ventilen, die hintereinandergeschaltet sind. Ein
L-Signal am Ausgang A kann ersţ dann erreicht Schaltung
werden, wenn beide Ventile auf DurchlaB ge-
schaltet sind, d. h. wenn beide Ventile liber a 1
und a2 betătigt werden.

1551
Einfiihrung in die Steuerungstechnik

Als UND-Stufe kann auch ein einfaches Zwei-


druckventil benutzt werden. Der Ausgang A
erhlilt nur dann Druck, wenn beide Eingănge a 1
und a2 beaufschlagt werden.
In diesem Falle wird die verschiebbare Schlie~
klappe S an der Seite verschlossen, an der das
stărkere Eingangssignal anlegt. Die andere Seite
bleibt offen, so dalll der Druck von dort bis zum
Ausgang A aussteht.
Ist nur ein Eingang beaufschlagt, so wird dadurch
die Schlielllklappe so verschoben, dalll dieser Ein-
gang gesperrt wird.

1 NAND-Stufe 1
Schaltung
Die NAND-Schaltung benotigt in der darge-
stellten Form zwei 3/2-Wegeventile, die beide
an Druckluft angeschlossen sein miissen. An B
Wertetabelle
entsteht nur dann kein Druck, wenn sowohl a 1
als auch a 2 betatigt werden. a, a2 A B

In jedem anderen Fali entsteht an B Druck und o o o L


damit L-Signal. o L o L
L o o L
L L L o

6.4. Pneumatische Speicherschaltungen (Flip-Flop)


Statisches Speicherelement- Loschen vorrangig
Der Speicher besteht aus zwei 3/2-Wegeventilen
sowie einem Doppelriickschlagventil. Der Arbeits-
ausgang A 1 konnte einen einfach wirkenden Zy-
linder mit Riickstellfeder ansteuern.

Wirkungsweise:
Wird weder E 1 noch E 2 beaufschlagt, so bleibt
die dargestellte Ruhelage erhalten. Das obere
Ventil sperrt die Druckluftzufuhr zum Arbeits-
ausgang, A 1 =O. Erhiilt der Setzeingang E 2
Druckluft, so schaltet der Druck iiber das untere
3/2-Wegeventil das o bere um. Dadurch wird A 1
direkt mit der Druckquelle verbunden, und A 1
erhiilt L-Signal. Ober die Riickkopplungsleitung
(Selbsthaltung) wird die Durchschaltung des
oberen 3/2-Wegeventils aufrechterhalten, auch
Schaltung
wenn das Setzsignal an E 2 verschwindet. Erst
ein Loschimpuls liber E 1 unterbricht den Druck

1552
IV. Technische Ausfiihrung von digitalen Steuerelementen

in der Steuerleitung, so da~ das obere 3/2-Wege- Wertetabelle


ventil in die Ausgangslage zuriickfallt. Ein Losch- E2 E, A,
signal iiber E 1 wird den Speicher in jedem Fali
auf O setzen, auch wenn gleichzeitig ein neues

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