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Japan
Architekten
Konstruktionen
Stimmungen

Christian Schittich (Hrsg.)

Birkhäuser
Edition Detail
im ∂ Japan
im ∂

Japan
Architekten, Konstruktionen, Stimmungen

Christian Schittich (Hrsg.)

Edition Detail – Institut für internationale


Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG
München

Birkhäuser – Verlag für Architektur


Basel · Boston · Berlin
Herausgeber:
Christian Schittich

Redaktion:
Andrea Wiegelmann, Thomas Madlener

Dieses Buch ist eine Kooperation zwischen Edition Detail – Institut für
internationale Architektur-Dokumentation GmbH und Birkhäuser – Verlag für Architektur

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek


Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im
Internet über »http://dnb.ddb.de« abrufbar.

* 2002 Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH,


Postfach 33 06 60, D-80066 München und
Birkhäuser – Verlag für Architektur, Postfach 133, CH-4010 Basel

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der
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zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Straf-
bestimmungen des Urheberrechts.

Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff (TCF • )

DTP:
Peter Gensmantel, Andrea Linke,
Cornelia Kohn, Roswitha Siegler

Printed in Germany
Reproduktion:
Karl Dörfel Reproduktions-GmbH, München
Druck und Bindung:
Kösel GmbH & Co. KG, Kempten

ISBN 3-7643-6756-3

987654321
Inhalt

Japan – Land der Widersprüche? Wohnhaus bei Yamanakako


Christian Schittich 8 Shigeru Ban Architects, Tokio 108

Architektur und Ästhetik eines Inselvolkes Wohnhaus in Kioto


Günter Nitschke 14 Jun Tamaki/Tamaki Architectural Atelier, Kioto 110

Japans moderne Architektur – Wohnhaus in Tokio


von den Anfängen bis heute Akira Watanabe Architect & Associates, Tokio 114
Christian Schittich und Andrea Wiegelmann 32
Wohnhaus in Suzaku
Geografische Übersicht der Beispiele 56 Waro Kishi + K. Associates, Kioto 118

Botanisches Museum bei Kochi Wohnhaus in Hokusetsu


Naito Architect & Associates, Tokio 58 Toshihito Yokouchi Architect and Associates, Kioto 122

Kindertagesstätte in Odate Kunsthaus auf Naoshima


Shigeru Ban Architects, Tokio 62 Tadao Ando Architect & Associates, Osaka 126

Wohnhaus in Kobe Steinmuseum in Nasu


Toshiaki Kawai/Kawai Architects, Kioto 66 Kengo Kuma & Associates, Tokio 130

Wohnhaus in Sakurajosui Sonntagsschule in Ibaraki


Toyo Ito & Associates, Tokio 70 Tadao Ando Architect & Associates, Osaka 134

Möbelhaus in Tokio Galerie und Gästehaus einer Tempelanlage in Kioto


Kazuyo Sejima & Associates, Tokio 74 Takashi Yamaguchi & Associates, Osaka 142

Wohnhaus in Tokio Mediothek in Sendai


Kazuyo Sejima & Associates, Tokio 78 Toyo Ito & Associates, Tokio 148

Wohnhaus in Nagoya Universität in Saitama


Amorphe Takeyama & Associates, Kioto 82 Riken Yamamoto & Field Shop, Yokohama 160

Wohnhaus in Mineyama Stadion bei Sendai


FOBA, Kioto 86 Atelier Hitoshi Abe, Sendai mit
Syouichi Haryu Architect and Associates, Sendai 166
Wohnhaus in Hadano
Tezuka Architects, Tokio 90

Wochenendhaus in Karuizawa
Atelier Bow-Wow, Tokio 94

Wohnhaus mit Atelier in Kobe


Go Yoshimoto Architecture & Associates, Hyogo 98
Architekten 170
Wohn- und Atelierhaus in Tokio Autoren 175
Naito Architect & Associates, Tokio 104 Bildnachweis 176
Japan – Land der Widersprüche?
Christian Schittich

Japans zeitgenössische Architektur fasziniert wegen ihrer Erscheinungsbild oftmals ähnlich ist: Wer japanische Archi-
kompromisslosen Konzepte. Nirgendwo sonst werden tektur mit den Maßstäben des Westens misst, läuft Gefahr,
innovative Lösungen ähnlich radikal umgesetzt, Grundrisse ästhetische Aspekte überzubewerten, und bleibt im wahrsten
auf engerem Raum verwirklicht, unbefangener experimen- Sinne des Wortes an der Oberfläche. Nach wie vor spielen
tiert, nirgendwo sonst werden Konstruktionen so sehr die spezifischen Werte der japanischen Kultur eine große
auf das absolut Notwendige reduziert. Die Avantgarde- Rolle, während uns vertraute Grundsätze oftmals kaum
Architektur des Inselstaats ist ausgesprochen facettenreich. verankert sind. Das gilt auch für einige Dogmen der Moderne
Zu ihren vielfältigen Erscheinungen gehört Toyo Itos Medien- und des Funktionalismus (auch wenn die Moderne in Japan
architektur ebenso wie die minimalistischen Ansätze von schon sehr bald als Architekturstil großen Einfluss hatte),
Kazuyo Sejima oder die vorbehaltlosen räumlichen und die bei uns, obwohl zunehmend in Frage gestellt, nach wie
konstruktiven Experimente eines Shigeru Ban. Dazu zählt vor ein wesentliches Kriterium sind: Im Fernen Osten haben
aber auch das sinnliche Inszenieren von Material, wie es sie als theoretisches Leitbild kaum Gültigkeit. Überhaupt
etwa Kengo Kuma demonstriert, oder die stillen, meditativen zeigen sich die Japaner Dogmen gegenüber skeptisch.
Räume von Tadao Ando. Mit Ando, der vor einem Viertel- Schon ihre Religionen, Shintoismus und Buddhismus, sind
jahrhundert begann, konsequent seinen eigenen Weg zu eher pragmatisch angelegt und besitzen eine große Offenheit
gehen – unberührt von den gerade vorherrschenden Moden –, für andere Glaubensrichtungen. Ohne sich mit den über-
erlangte erstmals ein japanischer Architekt weltweit maß- lieferten ästhetischen Werten, dem im Vergleich zum Westen
geblichen Einfluss. unterschiedlichen Verhältnis zur Einfachheit oder dem
In den vergangenen zehn Jahren erreichte die zeitge- anderen Formempfinden auseinanderzusetzen, bekommt
nössische japanische Architektur schließlich einen inter- man auch zur heutigen Architektur Japans kaum Zugang.
nationalen Stellenwert wie nie zuvor. Heute gehen entschei- Immer wieder findet man in überlieferten Verhaltensmustern
dende Impulse von verschiedenen Architekten aus. Doch den Schlüssel zum Verständnis zeitgenössischen Ent-
Japans Baukultur präsentiert sich stets etwas anders als der werfens. Dies betrifft den gelegentlichen Hang zum Irra-
internationale Mainstream, die Auseinandersetzung mit der tionalen ebenso wie die Begeisterung der Japaner für alles
eigenen Tradition spielt immer eine Rolle. Auf der anderen Natürliche und Rohe, das Denken in Zyklen ebenso wie ein
Seite gibt es von jeher eine große Offenheit für Einflüsse von anderes Verständnis von Authentizität. Seit den frühen
außen. So wie die Japaner bereits in der Geschichte viele Teemeistern beispielsweise, die mit ihrer Teehaus- und
Kulturgüter von China übernommen, oftmals aber verfeinert Gartenarchitektur ganz entscheidend die ästhetischen Werte
haben – den Buddhismus etwa und die Bauweise der bis heute prägen, erkennt man überall die Neigung, eine
Tempel, die Schrift oder den Tee –, so wie sie nach dem bestehende Ordnung zu durchbrechen, eine gewisse Liebe
Zweiten Weltkrieg Kameras, Autos und Elektrogeräte aus zum Widerspruch: Jeder gerade Weg in einem Garten hat
Europa und Amerika adaptiert haben, so nehmen sie auch irgendwo seine willkürliche Krümmung, jede ansonsten klar
Architekturströmungen von außen unbefangen auf und und rational gefügte Konstruktion eines Tee- oder Bauern-
assimilieren sie. hauses wird von einem besonders verwachsenen Balken
durchbrochen.
Ein Land der Widersprüche? Gleichermaßen verankert und deshalb beinahe schon-
Als Betrachter aus dem Westen glaubt man in Japan sprichwörtlich ist das Denken und Handeln der Japaner in
zunächst überall Widersprüche zu sehen: Ästhetisch ange- Zyklen. Als plakativstes Beispiel dafür stehen die heiligen
richtete Speisen und der Hang zur Formvollendung bei Schreine von Ise, die seit dem 7. Jahrhundert in einem
Verpackungen oder der Teezeremonie stehen dem Chaos festgelegten Turnus abgebrochen und in gleicher Form, aber
der Städte gegenüber, das Durcheinander in den Metropolen mit neuem Holz wieder errichtet werden (S. 14ff). Neben dem
der sprichwörtlichen Disziplin der Bevölkerung. Doch das ständigen Wandel verdeutlicht dieses Beispiel auch den
Land – und das gilt auch für seine Architektur – an unseren anderen Stellenwert, den in Japan (wie fast überall in Asien)
eigenen Bewertungskriterien zu messen führt nicht zum Ziel: Authentizität besitzt. Der ideelle Wert eines Gebäudes oder
Die vollkommen anderen Voraussetzungen und die großen Gegenstandes ist oft wichtiger als der historische: Der
kulturellen Unterschiede erfordern eine andere Betrach- Symbolgehalt von Form und Farbe, die religiöse Bedeutung
tungsweise, eine andere Interpretation. Auch wenn das dominieren über das Alter, über das authentische Material.

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Die Stadt
Der Japans Kultur zugrunde liegende Prozess des perma-
nenten Wandels zeigt sich im Moment nirgends so deutlich
wie am Bild der Städte. Nichts hat hier Bestand. Gestern
noch viel beachtete Bauten können heute schon wieder
verschwunden sein. Bereits in der Vergangenheit haben
die Japaner ihre Häuser nicht für die Ewigkeit gebaut – der
vergängliche Baustoff Holz erforderte ständige Erneuerung,
ebenso die dauernde Zerstörung durch Erdbeben, Brand-
katastrophen und Taifune. Heute wird der stetige Wandel
unterstützt durch exorbitant hohe Grundstückspreise in den
Innenstädten, welche die eigentlichen Baukosten neben-
sächlich werden lassen und somit zur Schnelllebigkeit von
Immobilien führen. Urbanität im europäischen Sinne gibt
es traditionell in Japan nicht und auch keine großen öffent-
lichen Bauten mit städtebaulicher Wirkung. Das kleine
hölzerne Wohnhaus war in der Vergangenheit der vor-
herrschende Gebäudetyp. Und noch heute wohnt im Groß-
raum Tokio beinahe die Hälfte der 30 Millionen Menschen
in kleinen Einfamilienhäusern mit oft weniger als 80 m2
Wohnfläche, die manchmal kaum einen halben Meter
auseinander stehen. Der gesamte Moloch besteht aus
dichtest bebauten und verkehrsreichen urbanen Zentren
inmitten von einem Meer kleiner Häuser: Das Haus auf
kleinstem Raum bleibt eine der wesentlichen Entwurf-
saufgaben für Architekten (S. 32ff).
Vor allem aber fällt in den japanischen Ballungszentren der
ungeheure Wildwuchs von Gebäuden unterschiedlicher
Baumasse auf. Sie präsentieren sich als ein gigantisches
Wirrwarr, das gleichermaßen schockiert und fasziniert.
Durcheinander und Dichte haben hier eine Dimension
1.2 erreicht, die ihre eigenen ästhetischen Reize entwickelt.
Und, was besonders verblüfft: Das Chaos hat seine eigene
Ordnung – die japanische Stadt funktioniert. Nirgendwo auf
der Welt beispielsweise fahren Züge pünktlicher, nirgendwo
sonst gibt es einen effizienteren öffentlichen Nahverkehr:
Allein an Tokios verkehrsreichstem Bahnhof Shinjuku
steigen täglich mehr als drei Millionen Menschen um.
Schließlich hat auch das Chaos als raffiniertes Ordnungs-
system schon in der fernöstlichen Philosophie seinen Wert.
Der stetige Wandel und die enorme unkontrollierte Hete-
rogenität haben zur Folge, dass es für den Architekten
keinen Anlass gibt, auf gewachsene Strukturen Rücksicht
zu nehmen. Ohnehin sind stadträumliches Denken, Kon-
textualität und Raumplanung kaum entwickelt. Das bedeu-
tet, dass ein Bauprojekt meist nur einen punktuellen Eingriff
darstellt, keine städtebauliche Maßnahme. Die direkte
Umgebung ändert sich laufend, ist zu chaotisch, zu hete-
rogen, um darauf zu reagieren.

Ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten?


Das Fehlen von formalen Bindungen durch den städte-
baulichen Kontext schafft den Architekten in Japan großen
Freiraum. Zusätzlich schränken weit weniger Gestaltungs-
vorschriften oder verbindliche technische Standards als
beispielsweise in Deutschland den Entwerfer ein (strenge
Vorgaben gibt es allerdings für die Standsicherheit, den
Brandschutz und die Abstandsflächen). Doch wer mit
den Publikationen der Avantgarde-Architektur im Kopf
nach Tokio oder Osaka reist und sich dort zunächst mit all
dem Wildwuchs an Baumasse konfrontiert sieht, erkennt
schnell, dass die Freiheit zwei Seiten hat: Den aus Ver-
öffentlichungen bekannten – und durch herausragende

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Fotos gelegentlich auch überzeichneten – Spitzenleistungen
viel beachteter Architekten steht ein Meer von Banalem
gegenüber. Gemessen am Gesamtbauvolumen gelingt es
nur wenigen engagierten Architekten, den größeren Spiel-
raum sinnvoll zu nutzen.
Neben der größeren gestalterischen Freiheit ermöglichen ein
gemäßigteres Klima und ein sorgloserer Umgang mit Energie
filigranere Konstruktionen. So wird die Wärmedämmung in
Dach und Fassade meist auf ein Minimum reduziert, die
Vermeidung von Wärmebrücken, die bei uns in Mitteleuropa
die Details oft so kompliziert werden lässt, ist kein Thema.
Einfachverglasung bei Fenstern – mit den entsprechend
dünneren Rahmenkonstruktionen – ist (außer in den nörd-
lichsten Regionen des Landes) die Regel. Einfach verglaste
Fenster und von innen nach außen ungedämmt durch-
1.3 gehende Stahlbetonwände müssen aber nicht unbedingt
Energieverschwendung bedeuten, denn die Japaner
akzeptieren weit größere Klimaschwankungen innerhalb
ihrer Häuser als die Menschen im Westen. Temperaturen
von unter 15 Grad Celsius werden im Winter auch für das
Wohnzimmer nicht unbedingt als unerträglich angesehen.
Viel mehr als wir reagieren sie mit ihrer Kleidung, viel mehr
als im Westen respektieren die Japaner die unterschied-
lichen Gegebenheiten der einzelnen Jahreszeiten. Wohn-
häuser ohne Zentralheizung, aber mit raumweise ange-
brachten Klimageräten sind üblich. Energie wird vor allem
im Sommer für Klimatisierung und Kühlung verbraucht.
Aber auch für japanische Verhältnisse sind die aus Publi-
kationen bekannten enorm reduzierten Details nicht immer
vertretbar. Gerade einige Exponenten des Minimalismus
reizen sie gelegentlich so sehr aus, dass schon bald Spuren
des Verfalls sichtbar werden. Der traditionell akzeptierte
Prozess von Entstehen und Vergehen läuft dann doch etwas
zu schnell ab. Nicht immer kann man sich in Japan des
Eindrucks erwehren, dass so manches Gebäude mit Blick
auf die spätere Publikation entworfen ist, für den Tag also, an
dem es nagelneu strahlend den Fotografen präsentiert wird.
Dies erklärt sich in einem Land, wo Starkult groß geschrie-
ben wird, wo Berühmtheit in einer überwiegend konformen
und hierarchischen Gesellschaft besonderes Ansehen
bedeutet.

Planungsalltag in japanischen Architekturbüros


Das Baugeschehen in Japan wickeln überwiegend die
Planungsabteilungen der großen Baukonzerne und Archi-
tekturfirmen wie Nikken Sekkei mit teilweise mehr als
1000 Mitarbeitern ab. Die kleineren freien Architekturbüros
(deren Projekte wir in diesem Buch vorstellen) sind nur
mit einem verschwindend geringen Prozentsatz am Gesamt-
bauvolumen beteiligt. Sie haben eher den Status von
exotischen Künstlern, die eine Art Vorreiterrolle spielen
und neue Konzepte entwickeln. Entsprechend schwierig ist
ihre wirtschaftliche Situation. Während der 80er-Jahre, zur
Zeit der ungeheuren Spekulationswirtschaft, der soge-
nannten Bubble Economy, standen für einen begrenzten
Zeitraum ausreichend Finanzmittel zur Verfügung. Öffent-
liche wie private Bauherrn entwickelten damals ein über-
raschend großes Interesse an Architektur und wollten sich
mit ausgefallenen, teilweise schrillen Gebäuden schmücken.
Kostspielige Baustoffe wie Marmor, Granit und Edelstahl
wurden in Massen verbaut, junge unbekannte Architekten
erhielten unversehens Großaufträge und konnten bei deren
Umsetzung ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Doch als die

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gigantische Blase platzte, kehrte schnell Ernüchterung ein.
Die Mehrzahl der jungen Architekten, die während der
Boomzeit ausgebildet wurden, kämpft heute um ihre
Existenz. Statt großen Kulturbauten oder Firmenzentralen
stehen Miniwohnhäuser auf dem Programm.
Wer als europäischer Kollege japanische Architekturbüros
besucht, ist oft über deren geringe Zahl von Mitarbeitern
erstaunt. Tadao Ando, der zunehmend internationale
Großprojekte entwirft und im eigenen Land ein Museum
nachdem anderen baut, kommt mit ca. 25 Angestellten aus.
Und auch bei Toyo Ito sind es nicht mehr. In den meisten
der anderen Büros, die mit Projekten in diesem Buch
vertreten sind, arbeiten lediglich zwischen etwa drei und
zehn Architekten. Ein Grund für die geringe Anzahl von
Leuten mag in anderen Arbeitsbedingungen liegen;
1.4 Regelarbeitszeiten bis Mitternacht sind in Japans führenden
Büros keine Seltenheit (und das bei oft sehr schlechter
Bezahlung). Ein weiterer Grund ist natürlich in den
überwiegend einfacheren Ausführungsdetails zu suchen,
aber auch in der Tatsache, dass gerade die
Ausführungsplanung und Detailarbeit nur bis zu einem
gewissen Punkt in der Hand der Architekten liegt. Vieles
wird den ausführenden Firmen und Handwerkern
überlassen, die auch im Planungsprozess eine verant-
wortliche Rolle spielen. Sie verstehen es als ihre Aufgabe,
noch auf der Baustelle zusammen mit den Architekten
sinnvolle Detaillösungen zu entwickeln, und reagieren auf
Änderungen gegenüber der Ausschreibung nicht unbedingt
mit überzogenen Nachträgen, sondern sehen deren
qualitätvolle Umsetzung als Herausforderung an.
Natürlich ist es, wie überall im Land, auch in den meisten
1.5 Architekturbüros sehr eng. Vier bis fünf Mitarbeiter in einem
Raum von 12 m2 sind keine Seltenheit. Rein optisch aber
unterscheiden sich die Räume kaum von denen im Westen.
Typisch japanische Merkmale sind eher die Ausnahme. Bei
Ando etwa, dessen Büro natürlich in einem selbst ent-
worfenen Sichtbetonbau untergebracht ist, gibt es die im
traditionellen japanischen Haus übliche Schwelle, wo man
die Schuhe auszieht und in die heute überall bereit ste-
henden Plastikpantoffeln in Einheitsgröße schlüpft. Ansons-
ten finden sich alle gängigen Typen von Büros: chaotische
und aufgeräumte, solche, die von Planrollen überquellen,
und überwiegend papierlose mit nüchternen CAD-Arbeits-
plätzen. Toyo Itos helle, klare Räume gleichen in vielen
Bereichen einer Modellbauwerkstatt. Bei unserem letzten
Besuch wurde dort mit Hilfe unzähliger Entwurfs- und
Detailmodelle gerade der letzte Schliff an den Pavillon der
Serpentine-Gallery gelegt. Kazuyo Sejimas Büro in einem
alten Werkstattgebäude könnte mit seinem rohen, pro-
visorischen Charme auch in einer früheren Lager- oder
Industriehalle in New York oder Berlin zu finden sein.

Von Japan lernen?


Mit ihren eingangs erwähnten Qualitäten erfährt Japans
zeitgenössische Architekturszene große internationale
Beachtung. Der Inselstaat im Pazifik entwickelt sich
zunehmend zum Traumziel für Architekten aus aller Welt.
Wie kaum eine andere deutschsprachige Fachzeitschrift
beleuchtet DETAIL bereits seit Jahren regelmäßig die
japanische Architektur. Aus dem dabei gesammelten
Erfahrungsschatz und aus den zahlreichen Gesprächen
mit führenden Architekten vor Ort entstand dieses Buch.
Im Mittelpunkt steht dabei ein breites Spektrum von

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Gebäudebeispielen, bei deren Auswahl wir bewusst auf
Vielfalt geachtet haben. Unser Ziel ist es, die enorme
Bandbreite qualitätvoller Architektur hinsichtlich Konzeption,
Material und Konstruktion angemessen darzustellen. Da, wie
schon erwähnt, sich die japanische Baukunst kaum ohne
Kenntnis der kulturellen und geschichtlichen Grundlagen
erschließen wird, skizziert Günter Nitschke in einem vor-
angestellten Essay die philosophischen und ästhetischen
Grundlagen der traditionellen Architektur, während in einem
zweiten Artikel die neuere Baugeschichte und die aktuellen
Tendenzen reflektiert werden. Ein eigenes Kapitel ist dabei
den kleinen Wohnhäusern gewidmet, wegen ihrer unver-
ändert großen Bedeutung und den zahlreichen innovativen
Ansätzen in diesem Bereich. Zu den vorgestellten Detail-
zeichnungen ist anzumerken, dass sie auf andere Kultur-
und Klimaregionen nicht einfach übertragbar sind. Trotzdem
bleiben sie als konzeptionelle Anregung spannend. Gerade
in Mitteleuropa, wo technische Standards vielerorts allzu
reglementiert sind, kann die in Japan übliche unbekümmerte
und unkomplizierte Vorgehensweise Denkanstöße geben.
Das Gleiche gilt für die unkonventionellen Raumkonzepte
und die Grundrisse für engste Verhältnisse, für die viel-
fältige Behandlung von Zwischenraum oder die bewusst
gestalteten Übergänge von außen nach innen. Japanische
Architektur ist eben oft einen Hauch einfacher, unbe-
fangener, direkter ...

1.6

Abbildungen:
1.1 Wohnhaus in Setagaya, Tokio, Toyo Ito 1999
1.2 Aura-Haus, Tokio, FOBA 1996
1.3 Café im Museum Yatsushiro, Toyo Ito 1994
1.4 Tadao Ando in seinem Büro in Osaka
1.5 Büro von Fumihiko Maki in Tokio
1.6 Wohnhaus bei Tokio, Shigeru Ban 2000

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Architektur und Ästhetik eines Inselvolkes
Günter Nitschke

miyabi – höfische Eleganz


yugen – mysteriöse Tiefe
wabi – rustikale Einfachheit
sakui – individuelle Kreativität

Prinzessin blühender Bäume oder Prinzessin zeitloser Felsen – der Japaner im Jahre Heisei 14, denn vor 14 Jahren sind
aus der japanischen Mythologie mit der Krönung des jetzigen Kaisers Raum, Zeit und Volk
Es ist eine in der japanischen Architekturgeschichte kaum in Japan erneuert worden. Dieses zyklische Bewusstsein
erwähnte, aber doch weit reichende Tatsache, dass auf den hat tiefen Einfluss auf das Denken über die Vergangenheit
japanischen Inseln bis zur Übernahme westlicher Bauweisen und auch die Gegenwart. Seit der Meiji-Zeit wird mit dem
im 19. Jahrhundert kein einziger Bau aus Stein errichtet Antritt eines neuen Kaisers auch ein neues nengo, wörtlich
worden ist.1 Selbst Japans unzählige mächtige Burgbauten Jahresname oder -motto, ausgerufen. Vor dieser Zeit ist
sind bis auf die gewaltigen Verteidigungsmauern, auf denen dies auch mehrmals innerhalb einer Kaiserperiode gesche-
sie ruhen, immer Holzkonstruktionen. Dies liegt nicht daran, hen. Jedes torii oder Eingangstor zu einem Shinto-Schrein
dass die Japaner nicht etwa in der Lage gewesen wären, (Abb. 2.1) erinnert einen Japaner an die Erneuerung sowohl
chinesische Stein- oder Ziegelbauten zu kopieren, oder dass der Natur als auch seiner Gesellschaft.
– wie wir heute wissen – niedrige Holzbauten erdbeben- Baulich zeigen sich die erwähnte Liebe zum lebenden
sicherer sind als niedrige Bauten aus Stein. Nur ein Inselvolk Baumaterial und das zyklische Denken am besten in den
– ein isoliertes Volk – kann sich so konsequent über zwei- kaiserlichen Ahnenschreinen in den Wäldern von Ise.
tausend Jahre im Bauen auf ein einziges tragendes Kon- Diese Schreine erfüllen das Paradox, das das Heilige als
struktionsmaterial, nämlich das Holz, beschränken. Dies Gebautes idealerweise zu erfüllen hat, nämlich uralt und
deutet auf eine tief verwurzelte Vorliebe der Japaner für das gleichzeitig immer neu aussehen zu müssen. Diese ins-
Lebende und Vergängliche, den Wechsel der Jahreszeiten, gesamt 115 Schreine des Ise-Systems, aller Wahrschein-
ja sogar das Rohe. Diese Vorliebe dominiert bis heute lichkeit nach im 7. Jahrhundert entstanden, werden alle
schlechthin die traditionelle Ästhetik Japans. Bereits im 20 Jahre (ursprünglich alle 21 Jahre) zusammen mit all den
Zeitalter der Götter in den ältesten Mythen Japans entschied Schätzen in ihnen und den Kieselsteinen, auf denen sie
sich, vor die Wahl gestellt, der erste japanische Kaiser auf ruhen, erneuert.5 Dieser Brauch ist ungefähr zu der Zeit
Erden, der Enkel der Sonnengöttin, für die schöne Prinzessin eingeführt worden, als man es aufgegeben hatte, beim
der blühenden Bäume und nicht für ihre hässliche Zwillings- Antritt jedes neuen Kaisers aus Gründen religiöser Tabus
schwester, die Prinzessin der ewig währenden Felsen. die jeweilige Hauptstadt zu verlassen und andernorts
Mythen legen oftmals Archetypen der menschlichen Psyche wieder neu aufzubauen. Räumlich und konstruktiv spiegelt
frei. Und diese Archetypen sind die Architekten unserer die Ise-Architektur den Kaiserhof aus der Nara-Zeit wider,
Kulturen. dessen Gestalt wir ja sonst nur von Ausgrabungen und
Sogar der japanische Städtebau spiegelt diese Einstellung hypothetischen Rekonstruktionen kennen (Abb. 2.3, 2.4, 2.25).
wider. Im Gegensatz zu dem europäischen Ideal von der
Stadt als Urbs aeterna oder ewige Stadt mit ihrer dauer-
haften Architektur und einem sehr starren Städtebau ver-
weisen die japanischen Städte bis zum heutigen Tage auf
ein Stadtideal, das durch dynamische Vitalität, schnelle
Veränderungen, zyklische Erneuerung der Einzelelemente
und einen allgemeinen Hang zu ephemeren Strukturen
charakterisiert ist.2 Den zentralen Platzanlagen in Europa,
umgeben von steinernen Bauten städtischer und religiöser
Institutionen, entsprechen in Japan chinju no mori, so
genannte Götterhaine, kleine Wäldchen, lokalen Schutz- 2.2
göttern geweiht, die je nach Jahreszeit ihr natürliches
Erscheinungsbild wechseln.3 Die für westliche Architekten
ungewöhnlichen urbanen Träume und Projekte der japa-
nischen Metabolisten der frühen 60er-Jahre zeigen aus
japanischer Sicht betrachtet nichts Neues.4 Die japanische
Geschichte orientiert sich bis heute nicht an der linearen
christlichen Zeitrechnung des Westens. Im Jahre 2002 lebt

15
FUDO – Wind und Erde: holistisches Bauen, Wohnen, Denken entfaltet. Neben dem Shinden-Stil (8.–12. Jh.) und dem
Im Gegensatz zum antiken China mit seiner langen Folge Shoin-Stil (12.–16. Jh.) gibt es den Sukiya-Stil (16.–19. Jh.).
von sich ablösenden Dynastien hat Japan nur ein Kaiser- Dabei überwiegen die gemeinsamen Merkmale dieser
haus, das seinen Ursprung auf die Sonnengöttin zurückführt. Baustile. Bis zur Übernahme einer neuzeitlichen Architektur
Für ein tieferes Verständnis japanischer Religiosität und seit der Mitte des 19. Jahrhunderts war Architektur in Japan
auch japanischen Bauens in der Natur ist es wichtig zu von »Wind und Erde« geformt, wie Tetsuro Watsuji es in
wissen, dass die Japaner quasi in »Blutsverwandtschaft« seinem gleichnamigen Buch aus den 30er-Jahren als erste
mit den Göttern leben, die, um eine These von Tetsuro holistische Vision von menschlicher Kultur und Klima ent-
Watsuji (1889–1960) aufzugreifen, Energien der Natur ver- wickelt hat.6
körpern. Die Differenzierung zwischen Mensch, Gott und Im ostasiatischen Küstenbereich gelegen, wohnen die Japa-
Natur, die den jüdisch-christlich-islamischen Kulturbereich ner in der Klimazone des Monsuns. Nach Watsuji prägt
kennzeichnet, hat in Japan auch der Buddhismus später dieses Klima ihre Religion, die Künste, Kleidung, Nahrung
nicht propagiert. Dieses religiöse Bewusstsein einer Einheit und auch das Bauen. Das Regen spendende Klima, das die
mit der Natur im Bauen, Wohnen und Denken sollte nach Japaner wie andere Monsunvölker von jeher ausreichend
der Übernahme westlicher Denkweisen und der Imitation mit Nahrung versorgt hat, sei auch Ursache für ihr eher
europäischer Bauformen von der Mitte des 19. Jahrhunderts passives als revolutionäres Denken und Handeln. Anderer-
an nie wieder gewonnen werden. seits werden sie jährlich von Erdbeben, Taifunen und
Ebenso wie Japan bis heute nur eine Kaiserlinie besitzt, Überschwemmungen heimgesucht, die alles von Menschen
gab es nur eine Bauweise, die Holzrahmen entwickelte und Gemachte und Gebaute in regelmäßigen Zyklen zerstören.
Räume nur horizontal additiv kombinierte. Seit ca. hundert Die Tatsache der Vergänglichkeit allen Daseins hat die
Jahren unterscheidet die japanische Architekturgeschichte Japaner praktisch und philosophisch geprägt. Auch hier
in Anlehnung an die europäische Stilkunde drei Stile inner- liegt eine der Wurzeln ihres zyklischen Denkens. Von
halb dieser Konstruktionsweise und Raumordnung. Sie bleibendem Wert ist praktisch nur der Grund und Boden,
haben sich in Schritten von jeweils etwa vierhundert Jahren das Grundstück.
2.3

16
Die charakteristischen Merkmale der traditionellen japani-
schen Architektur, die in allen Phasen der Geschichte
vorhanden sind, seien hier kurz zusammengefasst:
• Abheben des konstruktiven Bodens um einen oder zwei
Fuß von der Erde, genug, um sich vor Bodenfeuchtigkeit
zu schützen und die Luftzirkulation in dem feucht-heißen
Klima zu erleichtern und trotzdem noch in Kontakt mit
der Erde zu bleiben.
• Weit überhängende, geneigte Dächer aus Schilf, Schin-
deln oder Ziegeln über dem Hauptbau und hinzugefügte
umlaufende Veranden, meist unter separatem Dach, als
Sonnen- und Regenschutz, Isolierung und Lichtmodulation.
• Leere Räume, d. h. Räume ohne Stühle, Tische, Schränke
und Teppiche; der ganze Fußboden aus gepressten
Reisstrohmatten ist sozusagen »Stuhl«.
• Horizontal additive Raumordnung, fast immer ohne
Obergeschoss und Keller; Raumtrennung wird durch
bewegliche Elemente und temporäre Installationen, nicht
durch massive Wände erreicht. In diesem Sinne cha-
rakterisierte Watsuji das traditionelle japanische Raum-
und Wohngefühl als ein Gefühl der »Vereinigung ohne
Distanz«6, da alle Unterteilungen wieder aufhebbar,
beweglich sind.
• Perfektionierung des Details und der Bautypen. Es gibt in
Japan bis zur Einführung der nordamerikanischen Holz-
rahmenkonstruktion praktisch keinen schlecht gefügten
Holzbau. Die Kultur des Inselvolkes ist nach innen und
nicht nach außen orientiert.
• Klare Unterscheidung zwischen tragenden und raum-
teilenden Konstruktionselementen, was leichte Auswechs-
lung und Erneuerung von Raumteilen oder Bauelementen
ermöglicht. Diese Unterscheidung erlaubt auch den
einfachen Ab- und Neuaufbau eines Gebäudes an einem
anderen Ort (Abb. 2.5, 2.6).
• Multifunktionale Nutzung des gebauten Raumes – eine
Folge des beschränkten Baulandes auf den japanischen
Inseln.

SHINDEN – weiblicher Akzent und weibliche Eleganz im


Raum in der japanischen Antike, 8.–12. Jahrhundert
In einer treffenden Karikatur von einem japanischen Archi-
tekten sind die wichtigsten der oben beschriebenen Merk-
male in einer Art »Evolutionsgeschichte vom Stuhl zum
Haus« humorvoll zusammengefasst (Abb. 2.2). Wie in
der ersten Phase skizziert, gibt es aus dem Tumuluszeitalter
von 250 bis 552 n. Chr. viele haniwa (Grabbeigaben) aus
Ton, die sitzende Figuren auf sehr hohen Stühlen bzw.
Thronen darstellen. Die zweite Phase zeigt Bauten auf
hohen Pfeilern, die aus der Yayoi-Zeit als Reisspeicher oder
Herrscherbauten bekannt sind. Die nächste Phase stellt
im Prinzip einen ersten Schrein und Tempelbau – wie zum
Beispiel den Ise-Schrein – dar und die vierte die voll ent-
wickelte Form eines Palastes oder auch Wohnhauses.
Das Gebäude hat symbolisch die Rolle des Stuhles
übernommen.
Die fünfte, von mir der ursprünglichen Karikatur hinzuge-
fügte Phase des modernen Wohnens in Japan zeigt, dass
das Haus seine Beziehung zur »Erde« vollkommen und
zum »Winde« durch ein geschlossenes Äußeres und mas-
sive Innenwände in den meisten Fällen verloren hat. Man
lebt klimatisiert in einer Wohnmaschine. Der Stuhl ist aus
dem Westen eingeführt, und die Zimmer füllen sich mit
immer mehr Hausgerät und Mobiliar. 2.4

17
Dieselbe Karikatur drückt eine weitere Besonderheit der
frühen japanischen Architektur aus, die Zweiteilung des
Gebäudes in eine moya, einen Mutterbau, und angeheftete
hisashi, Veranda-Räume. Der älteste Bau mit einer solchen
Raumordnung aus der Nara-Zeit wird als Rekonstruktion von
Masaru Sekino im Palast des Fujiwara-Regenten Toyonari
gezeigt (Abb. 2.7). Das konstruktiv und räumlich voll ent-
wickelte Prinzip sieht man in den Prachtpalästen der Heian-
Zeit oder, in kleinerem Maßstab, auch in städtischen Wohn-
oder in Bauernhäusern.

Der erste shishinden oder Purpur-Palast des japanischen


Kaisers im 8. Jahrhundert ist sowohl in der Konstruktion
wie dem Namen nach strengstens, doch in kleinerem
2.5 Maßstab, dem chinesischen Kaiserpalast nachempfunden.
Er wird zum Prototyp der Architektur, die dann als Shinden-
oder Schlafpalast-Stil die Bauten der Aristokratie der Heian-
Zeit kennzeichnet. Obwohl der Stützenabstand zu dieser
Zeit noch variabel ist, zeigen Ausgrabungen des Kai-
serpalastes in Heiankyo, dem späteren Kioto, eine Spann-
weite von drei Metern. Nie wieder sollte die profane oder
religiöse Architektur Japans eine derartige Offenheit nach
außen und innere räumliche Flexibilität erreichen (Abb. 2.8,
2.10). Wichtig für den Raumeindruck ist, dass der Kai-
serpalast runde Stützen und keine fixierten, sondern nur
verschiebbare Wände aufweist. Shitomido, nach oben
horizontal aufklappbare, gitterartige Holzfensterläden an
der Südfassade, ermöglichen einen einmaligen, weiten
Panoramablick über den gesamten Südgarten. Dazu wird
die obere Hälfte nach oben geklappt und unter der Traufe
befestigt, die untere Hälfte dagegen ganz entfernt – ein
später in der japanischen Architektur nie wieder erreichter
Effekt. An kalten Wintertagen bleiben sie allerdings meistens
geschlossen, was die ganze Halle vollständig verdunkelt.
Dies war sicher einer der Gründe, der zur Erfindung von
Schiebetür und Schiebefenster beigetragen hat. In der
Heian-Zeit wird der Innenraum mit Stellwänden, Faltschir-
men, Stoffvorhängen, transparenten oder massiven, teilweise
auch bemalten Flügeltüren und Schilfjalousien vielfältig
und wandelbar gestaltet. Malereien auf Rollbild-Erzählungen
aus dem 12.–14. Jahrhundert geben davon einen sehr
lebendigen Eindruck. Einige Ausstellungskonzepte und auch
Projekte von zeitgenössischen japanischen Architekten wie
Toyo Ito haben hier ihre Wurzeln. Die Tatami, eine ca.
5–10 cm dicke gepresste Strohmatte, ist in dieser Zeit noch
versetzbar. Sie spiegelt durch ihre Erhebung den gesell-
2.6 schaftlichen Status und ist nicht wie in späteren Zeiten nur
Bodenbelag. Die Rollbilder vermitteln weiterhin den Eindruck
einer überwiegend »weiblichen« Orientierung und Eleganz in
der Gesellschaft und den Künsten; so war der höchste
»Priester« in der Shinto-Liturgie der kaiserlichen Ahnen-
schreine in Ise eine Frau. Eine eigenständige japanische
Literatur wurde in dieser Zeit von Frauen entwickelt.
Miyabi, höfische oder weibliche Eleganz, beschrieb und
beschreibt im Japanischen diese Ästhetik der Heian-Zeit.

Somit kann der architektonische Raum in der Shinden-


Baukunst nicht nur wegen der imposanten Konstruktion von
außen her gesehen, sondern aufgrund der raumdefinieren-
den Elemente aus dekoriertem Stoff und Wandmalereien mit
jahreszeitlicher Blütenpracht von innen heraus betrachtet
und als »weiblich« bezeichnet werden. Im Gegensatz dazu
2.7 steht der strenge »männliche« Innenraum, der im Mittelalter

18
von den Samurai und den Zen-Priestern geprägt wird. Auf
den Rollbildern der Heian-Zeit verschmelzen die Männer
in Geste und Kleidung mit dem weiblichen Umfeld. Der
Thron ist kein imponierender und protziger chinesischer
Drachensessel, sondern eine einfache Strohliege, drapiert
mit luftigen Stoffvorhängen (Abb. 2.14).

FUSUI: sino-japanische Geomantie als frühe Entwurfstheorie


Die Shinden-Architektur ist eine räumlich additive Gesamt-
anlage und mit wenigen Ausnahmen auf die für Kioto
typischen 120 ≈ 120 m großen Parzellen ausgedehnt.
Überdeckte und offene Korridore verbinden unabhängige
Einzelgebäude. Die Aristokraten der Zeit imitieren mit ihren
Bauten die kaiserliche Architektur. Da nach chinesisch-
geomantischer Tradition der Kaiser als Sohn des Himmels,
der wie der Nordstern am Himmel steht, auf Erden ebenfalls
im Norden lebt und nach Süden auf seine Untertanen blickt, 2.8
sind alle Shinden-Paläste nordsüdlich orientiert. Somit hat
die Öffnung der japanischen Wohnarchitektur nach Süden
nicht nur rationale klimatische Gründe, sondern ist auch
religiös in der chinesisch-japanischen Weltvorstellung
verankert. Nord und Süd bestimmen die ostasiatische Stadt
sozial und architektonisch. Die Menschen im Süden stehen
am untersten Ende der sozialen Skala in einer strengen
Klassengesellschaft.
Südlich vom eigentlichen Schlafpalast liegt der mit weißen
Kieselsteinen ausgelegte, weite Freiplatz. Nach Süden
schließt der großflächige Garten, der als niwa – dem heu-
tigen Wort für Garten allgemein – bezeichnet wird, an. Er ist
tatsächlich auch der erste japanische Garten mit Teich,
Insel, Flüssen und Hügeln, der sich aus Beschreibungen
rekonstruieren lässt. Jedoch ist keine der Anlagen erhalten 2.9
geblieben (Abb. 2.12). Die chinesisch-japanische Geomantie
bestimmt die Platzierung und die Orientierung, physisch und
gesellschaftlich, von allem Gebauten, ob Grabstelle, Gehöft,
Palast oder Hauptstadt.8 Die ideale Anordnung entspricht
der Form eines Armsessels, der aus Bergen oder Hügeln
»konstruiert« wird: Westen, Osten und Norden der Anlagen
sind von Erhebungen geschützt, das nach Süden abfallende
Gelände öffnet sich zur Sonne.
Eine solche landschaftliche Konfiguration wird auch für
die Hauptstadt Kioto gewählt. Bei der Anlage des Kaiser-
palastes innerhalb der Stadt ist die ideale natürliche Lage
durch Bauten, die die Form des Armsessels nachzeichnen,
gebildet. Der zentrale Kaisersitz ist, der gesellschaftlichen
Ordnung folgend, einziger räumlicher Fokus in der streng
symmetrischen Anlage. Aber nicht nur der Palastbau und
die Hauptstadtplanungen entstehen mit dieser ersten großen 2.10
Welle chinesischen Kultureinflusses der Sui-Tang-Dynastie,
sondern auch der buddhistische Tempelbau und letzten
Endes auch die Shinto-Schrein-Architektur (Abb. 2.13). Die
großen Tempelanlagen in Nara und die darauf folgenden
imposanten Amida-Buddha-Anlagen in Kioto mit ihren
Gärten, die im buddhistischen Sinne reine Länder oder das
Paradies auf Erden darstellen sollen, folgen dem Gestal-
tungsprinzip der Armsesselfigur. Beide Anlagen zeigen
denselben symmetrischen Lageplan, bei dem überdachte
Korridore südlich der Buddha-Halle einen großen Hof
umschließen. Er wird seit der Nara-Zeit für religiöse Zere-
monien, bei den Amida-Tempeln in Kioto jedoch zur Gestal-
tung weitläufiger Gärten mit Hügeln, Teichen und Inseln
benutzt. Architektonisch und symbolisch sind alle sakralen
Bauten in Japan – wie auch in China und Korea – am Sitz

19
der einzigen säkularen Weltmacht dieser Zeit, dem Palast
des »Sohns des Himmels«, orientiert (Abb. 2.11). Aber diese
symmetrische und formale Komposition wird in Japan
schnell aufgelockert. Die Einzelbauten in einer Shinden-
Stil-Anlage sind jeweils für eine bestimmte Funktion errich-
tete Großräume. Es gibt keine Raumteilung durch feste
Wände, abgehängte Decken kommen nur sehr selten vor.
Die einzelnen Gebäude werden durch überdeckte Korridore
verbunden.
Gegen Ende der Heian-Zeit und zu Beginn der Kamakura-
Zeit wird diese klare Komposition durch das Verschmelzen
der Gebäude und ihrer Dächer zu einer kontinuierlichen
Raumfolge abgelöst. Korridore entwickeln sich teilweise zu
selbständigen Räumen. Andererseits geht das ursprünglich
2.11 aus China übernommene Gestaltungsprinzip der Symmetrie
langsam verloren (Abb. 2.15). Man kann diesen Bruch mit
der Symmetrie allerdings nicht der typisch japanischen
Vorliebe für das Asymmetrische zuschreiben, wie es Toshiro
Inaji10 erstmals vorgeschlagen hat. Die ursprüngliche Anlage
sollte als Urtyp betrachtet werden. Asymmetrische Kom-
positionen entwickelten sich durch äußerliche Zwänge im
Laufe der Zeit, wenn etwa aus Platzgründen nur eine Hälfte
des Ensembles errichtet werden konnte.

Schwert und Meditation: Feudalismus als Staatsform und


Disziplin als Religion
Im Jahre 1185 wird südlich von Tokio eine unabhängige
Militärregierung in der Stadt Kamakura – daher der Name
Kamakura-Periode in der japanischen Geschichte –
gegründet. Von dort regiert der Shogun das Land, obwohl
Kioto noch für mehrere Jahrhunderte offiziell Hauptstadt
und der Kaiser zumindest zeremonielles Oberhaupt des
2.12
Staates bleibt. Damit beginnt eine Ära, die von Männern
dominiert wird. Neben dem Shogun und der Kriegerklasse
der Samurai sind dies die Priester. Was die unterschied-
lichen Klassen einander annähert, ist ihre Betonung von
Disziplin: Bei den Samurai die Disziplin des Tötens und
die Loyalität gegenüber dem Feudalherren, bei den Zen-
Priestern die Disziplin in der Meditation und der Gehorsam
gegenüber dem Meister. Zen ist eine der Schulen der
Meditation Ostasiens, die als buddhistische Sekte im Kern
auf das indische Yoga zurückgeht. Es ist kein Zufall, dass
schon in Indien die Götter des Yoga männlich sind und alle
berühmten Vertreter dieses Glaubens, wie auch Siddhartha,
der spätere Buddha, aus der Kriegerklasse stammen. Die
Götter des tantrischen Weges der Hingabe aus Indien und
Tibet hingegen werden entweder weiblich oder als Paar
dargestellt.
2.13
In der ersten Phase der Einführung des Zen aus China im
13. Jahrhundert ziehen sich die japanischen Mönche mit
ihren neuen Klosterbauten auf abgelegene Berge zurück,
um den »Versuchungen des Fleisches« und politischen
Einflüssen zu entgehen. Doch schon im 14. Jahrhundert
werden die ersten innerstädtischen Zen-Tempel in Kioto
gegründet. Der Daitokuji- und der Myoshinji-Tempel, beide
zur Rinzai-Sekte gehörend, sind in der Muromachi-Zeit nach
chinesischen Vorbildern gebaut. In diesen Großanlagen, die
ganze Stadtteile von Kioto einnehmen, sollten die hojo-shoin
der verschiedenen Äbte zu den neuen Kulturzentren werden.
Die Kamakura- und die Muromachi-Zeit erfahren eine zweite
Welle chinesischen Kultureinflusses. Karamono, wörtlich
»chinesische Dinge«, wird das Wort für modern schlechthin.
Delikates Teegerät, Weihrauchgefäße, Vasen, Töpferwaren

20
aller Art und besonders Landschaftsmalerei in Tusche gieren können, an der Haupt- oder Südfassade der Resi-
gehören zu den wichtigsten Kunstobjekten, welche die denzhalle. Dieser Wandlungsprozess von runden zu eckigen
Zen-Mönche stolz von ihren Exkursionen aus dem Reich Pfeilern und von Klappläden zu den aus der traditionellen
der Mitte mitbringen. japanischen Architektur nicht wegzudenkenden Schiebe-
türen und -fenstern lässt sich am besten an der viel zitierten
SHOIN – Raum für Männer, Krieger und Priester im Rekonstruktion der Villa des Ashikaga-Shoguns Yoshinori im
japanischen Mittelalter, 12.–16. Jahrhundert Muromachi-Distrikt von Kioto nachvollziehen (Abb. 2.15).
Mit der Wandlung in eine mittelalterliche Feudalgesellschaft
änderte sich auch die Architektur. Zwei Formen bilden sich KE und HARE: räumliche und soziale Differenzierung in der
in enger Verbindung miteinander heraus: die buke-shoin, die Shoin-Architektur
Villen der Shogune und Samurai, und die hojo-shoin, die Eine wichtige architektonische Entwicklung der späten
Wohnquartiere der Äbte in den großen Zen-Tempelanlagen. Heian-Zeit zeigt sich in der Art, die ursprüngliche Einraum-
Beide Formen des Shoin sind wie die früheren Shinden- Struktur des Shinden-Palastes zu unterteilen (Abb. 2.16).
Paläste auf einen, wenn auch viel kleineren, Südgarten Diese Gliederung geschieht nicht willkürlich, sie ist kon-
ausgerichtet. Sie zeigen jedoch keinen zentralen Fokus wie struktionsgebunden und spiegelt gleichzeitig die strenge
der Kaisersitz, welcher alle Symmetrie der Anlage bestimmt soziale Differenzierung der damaligen feudalen Gesellschaft
hat.11 Der Shoin-Bau hat sein räumliches und gesellschaft- wider. So wird es möglich, den ursprünglichen Großraum
liches Zentrum in der wichtigsten Ecke des Hauptraumes, durch eine Wand direkt unter der Firstlinie in Nord-Süd-
die immer außerhalb des Zentrums liegt. Der Name Shoin, Richtung in zwei oder in Ost-West-Richtung in drei Raum-
ursprünglich eine Bezeichnung für kleine Schreibnischen, bänder zu gliedern. Bald werden beide Aufteilungen
tritt allerdings erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf. kombiniert. Obwohl nicht klar nachzuweisen, ist diese
Der Shogun und die Samurai dieser Zeit haben nicht Unterteilung des Großraumes letzten Endes erst durch die
bewusst eine neue Architektur oder Wohnform entwickelt. Erfindung der abgehängten Decke möglich. In der sakralen
Im Gegenteil, sie imitieren bis ins Detail das Ideal des Architektur, den buddhistischen Tempeln, tritt zur gleichen
Shinden-Stils der Heian-Aristokratie, wenn auch in beschei- Zeit eine Trennung des Großraumes, der Buddha-Halle, in
denerem Maßstab. So werden die runden Pfosten der einen vorderen Raum für die Gläubigen und einen hinteren
Shinden-Paläste langsam durch quadratische ersetzt, was Raum für die Buddha-Statuen, das rituelle Zubehör und die
für die aufkommenden Schiebetüren und -fenster bessere Dekoration auf. Eine derartige horizontale Differenzierung
Anschlussdetails ermöglicht. Auch die horizontal nach oben erfolgte nach dem Prinzip der Unterscheidung allen gebau-
klappbaren Fensterläden werden nur noch dort eingesetzt, ten Raumes und gesellschaftlicher Hierarchien in ke und
wo sie als Statussymbol aristokratischer Architektur fun- hare (Abb. 2.19). Dieses japanische Prinzip entspricht in
2.14

21
etwa der besser bekannten Polarität von Yin und Yang.
Wenn hare auch ursprünglich das schöne Wetter und ke das
schlechte bezeichnet haben mag, so steht hare auf die
Gesellschaft übertragen für den öffentlichen, formellen
Bereich und ke für den privaten, informellen Bereich.
Für die japanische Raumordnung wird diese Unterscheidung
durch einen am Shinden-Stil orientierten, nach Süden
ausgerichteten L-förmigen Bau mit dem Eingang im Osten
verdeutlicht. Der ganze östliche Teil der Anlage ist für den
öffentlichen, der westliche für den privaten Gebrauch
ausgelegt.12 Je niedriger man in der gesellschaftlichen
Hierarchie steht, desto näher sitzt man bei offiziellen Anläs-
sen am Eingang. Der Shoin spiegelt durch Platzierung und
Orientierung im Raum die gesellschaftliche Position wider.
Im Shinden- und Shoin-Stil ist das ganze Gebäude vom
imposanten Eingangstor bis zur Tatami-Borte Statussymbol.
Für den normalen Bürger war es allerdings bei Todesstrafe
verboten, selbst die Gitterfensterläden des Shinden-Stils am
eigenen Haus nachzuahmen.

Die hojo-shoin, die Wohnquartiere der Äbte der großen


Zen-Tempel im mittelalterlichen Kioto, liegen um eine axial
angelegte Folge von gewaltigen Toren, Buddha- und
Vorlesungshallen, die von allen Mönchen der Unterquartiere
gemeinsam benutzt werden. Diese Quartiere sind sehr ein-
fach gestaltet. Die Haupttempelhalle des Daisen-in, des
Großen Eremiten-Tempels, innerhalb des Daitokuji-Kom-
plexes der Rinzai-Sekte zeigt zum Beispiel die erwähnte
Aufteilung eines Großraumes in zwei Nord-Süd-orientierte
Raumzonen und drei Ost-West-Raumstreifen. Außerdem ist
der Shoin, was ungewöhnlich ist, auf allen Seiten von einem
karesansui, einem trockenen Landschaftsgarten, umgeben.
Tempel und Garten sollen um 1513 von dem Priester Kogaku
Soko errichtet worden sein (Abb. 2.18). Einige der raum-
trennenden Schiebetüren sind mit Tuschemalereien des
Künstlers Soami (gestorben 1525) verziert. So ist man in
dem Raum selbst von zwei Arten Natur umgeben, der
gemalten Natur innerhalb des Raumes und der geplanten
Natur außen. Der mittlere Raum enthält eine Buddha-Statue.
Der vollkommen neue Gartentyp der Kamakura- und Muro-
machi-Zeit ist kein Lust- und Wandelgarten mit künstlichem
Teich und Bergen mehr, wie er noch zur Heian-Palast-
architektur gehörte. Für ganz bestimmte Räume aus dem
Gebäude heraus geplant, ist er als in die Architektur inte-
grierter Bestandteil komponiert.
In Verbindung mit der Entwicklung der Shoin-Architektur
der Zen-Tempel entstehen zwei Arten von trockenen Gärten:
2.15
Anlagen mit abstrakter Komposition und solche mit einer
natürlichen Komposition in Miniaturform. Der Garten des
Daisen-in folgt dem Prinzip der zweiten Art. Er zeigt nicht nur
eine höchst eindrucksvolle Folge von natürlichen Land-
schaftsszenerien, sondern stellt symbolisch das mensch-
liche Leben in Form eines trockenen Stromes aus Sand dar.
Er fließt von stürmischen Höhen über trügerische Wasserfälle
und Stromschnellen in ein stilles Meer aus Sand, was auf die
Möglichkeit der Erleuchtung und tiefsten Einsicht hinweist.
Dieses Drama beginnt in der Nordost-Ecke des Gartens und
endet in der Südwest-Ecke unter einem Buddha-Baum.

Ganz im Gegensatz zum höfischen Dekor und der weib-


lichen Eleganz der Heian-Kunst und -Architektur deuten
Garten, Raum und Malerei der Shoin-Architektur auf ein
2.16 neues ästhetisches Ideal in Japan hin. Mit yugen bezeichnet,

22
2.17
23
verweist es auf eine Schönheit, die im Mysteriösen, Ver-
borgenen und Profunden zu finden ist. Das Thema der
Künste ist nicht mehr die naturalistische farbenprächtige
Darstellung vom Wechsel der Jahreszeiten oder die jähr-
lichen Feste und Zeremonien einer höfischen Gesellschaft,
sondern eine Trauer, die in uns aufkommt beim Bewusst-
werden der Flüchtigkeit allen Daseins. Auch yohaku-no-bi,
die Sensibilität für die Schönheit leerer Räume, des Kargen,
gehört zur Ästhetik dieser Zeit. Sie ist nicht nur in den leeren
Flächen der Tuschemalerei und der trockenen Zen-Gärten,
sondern auch in der Ruhe des Tanzes oder in der Stille der
Musik des Noh-Theaters zu spüren. So sagt Zeami, der Vater
des heutigen Noh, senu-tokoro-omoshiroki, nicht vorhandene
2.18
Stellen sind von besonderem Interesse.

Entwicklung des modularen Raumes und des


vorfabrizierten Bauens
Die Muromachi-Zeit dauert von 1336 bis 1573. Es ist die Zeit
der Bürgerkriege, des Mordens und der städtischen Ver-
wüstungen. Mitte des 15. Jahrhunderts wird auch Kioto
zerstört. Und doch könnte diese Periode als Geburtsstunde
japanischer Kultur bezeichnet werden, da gerade in dieser
Zeit die Architektur, die Gärten und viele neue Künste, die
wir heute als typisch japanisch empfinden, entstanden sind.
Dazu gehören die Teezeremonie, das Noh-Theater und eine
eigenständige Akademie japanischer Malerei.
In der Architektur sind es der karesansui (der trockene
Garten), der Zen-Tempel und der Raum der Shoin-Bauten.
Vom Innenraum aus betrachtet, weist die vollständig ent-
wickelte Shoin-Architektur gegen Ende des 16. Jahrhunderts
eine Reihe neuer räumlicher Qualitäten und dekorativer
Eigenschaften auf, die sich zunächst unabhängig von-
einander entwickelt haben. Als Beispiel für einen klassischen
Shoin-Raum soll das joza-no-ma, der Raum mit gehobener
Ebene, der Gästehalle des Kojoin-Tempels innerhalb der
größeren Onjoji-Tempelanlage in Otsu dienen (Abb. 2.21).
Im Folgenden werden die einzelnen Elemente vorgestellt:
• Tsuke-shoin, ein niedriger hölzerner Schreibtisch, ein-
gebaut in eine oft nach außen auf die Veranda ragende
Nische mit Schiebefenstern; eine Art Studierecke, die
erstaunlicherweise als Pars pro toto der ganzen Muro-
machi-Architektur den Namen verliehen hat.
• Tokonoma, eine um Balkenstärke erhöhte und oft bemalte
Nische ohne Fenster für ein Blumenarrangement und ein
Rollbild, die wichtigste Dekoration des ganzen Raumes.
Zwei Elemente haben zu der Herausbildung dieses gesell-
schaftlichen und geistigen Zentrums im Wohnen bei-
getragen, einmal das toko, ein etwas erhöhter Fußboden
als Statussymbol, und das oshi-ita, ein Brett zur Ausstellung
wertvoller Kunstobjekte. Bis heute ist auch im einfachsten
Haus noch die Sitzordnung in Ausrichtung auf die toko-
noma von höchster Wichtigkeit.
• Chigaedana, eine fensterlose Nische mit überlappenden
Regalen und Schubläden zum Ausstellen wertvoller Bücher
und kunstvoller Utensilien, die zur Teezeremonie gehören.
• Chodaigamae, bemalte, hölzerne Türen, die dem Haus-
herren einen bequemen Zugang zum Shoin in einem
normalerweise geheim gehaltenen Raum er-laubten.
• Fusuma und shoji, Schiebetüren mit unbemalter oder
bemalter Oberfläche und gitterartige Holztüren, bezogen
mit durchscheinendem japanischem Papier; entstanden
während der Muromachi- und Momoyama-Zeit, sind sie
heute weltweit gebräuchliche Begriffe (Abb. 2.21, 2.22).

24
2.19

25
Der gesellschaftliche Status wird durch die Erhöhung
des Tatami-Bodens um ca. 15 cm verdeutlicht. In vielen
Shoins entsteht neben dem jodan, dem Raum von höchstem
Rang, und dem gedan, dem Raum von niedrigstem Rang,
manchmal auch ein chudan, ein Raum von mittlerem Rang
(Abb. 2.19, 2.22). Weitere Abstufungen treten in der tradi-
tionellen japanischen Architektur nicht auf.
Es sind die Tatami, die gepressten Strohmatten, heute der
Fußboden per se, die seit der Muromachi-Zeit den ganzen
Raum für das Auge modular und proportional zu einer
abgestimmten Einheit verschmelzen.
In diesem modularen System, dem japanischen kiwari-jutsu,
wörtlich »System der Holzaufteilung«, gibt es nie das
Bestreben, alles Bauen mit einem einzigen Bausystem zu
beherrschen. Deutlich wird zwischen fünf Bautypen unter-
schieden: Toren, Shinto-Schreinen, buddhistischen Klos-
teranlagen, Pagoden und Wohnbauten.
In japanischen Wohnbauten hat man mit dem Kiwari-System
über lange Zeit versucht, die ästhetischer Proportionierung
aller Teile in Einklang zu bringen. Stützenabstände, vorfab-
rizierbare Holzelemente und die modularen Anforderungen
des Tatami-Systems mussten aufeinander abgestimmt
werden. Das japanische ken, der Stützenabstand, änderte
sich nicht nur mit dem sich kontinuierlich verändernden
japanischen Maßsystem, sondern auch mit der Suche nach
standardisierten Holzabmessungen, die sich einfach vorfa-
brizieren und verbinden ließen. Schließlich legte man sich
beim Stützenabstand auf ein Maß von 197 cm in den Städten
bzw. 181 cm auf dem Land fest. Im klassischen Kiwari-Sys-
tem, das uns in der Shomei-Zimmermannshandschrift von
1608 überliefert ist, ist darüber hinaus der Stützenquerschnitt
auf ein Zehntel des Stützenabstandes, des ken, fixiert. Alle
anderen Maße und Proportionen eines Gebäudes können als
Teile oder ein Vielfaches davon dimensioniert werden.
Auch die Änderungen der Tatami-Größen haben auf die
Entwicklung des universellen ken einen bedeutenden
Einfluss. Das Tatami-Maß entsteht aus den Proportionen
des menschlichen Körpers und nicht aus materialbedingten
Gründen. Da es die ideale Tatami-Größe nicht gibt, ent-
wickelt man im Einklang mit den beiden Stützenrastern
auch zwei Tatami-Module, eines für die Stadt mit einer
Größe von 190 cm ≈ 95,4 cm und eines für das Land mit
181 cm ≈ 90,9 cm. Auch der Querschnitt der Holzstützen
wird standardisiert.
Ein Laie wird beim Betreten eines traditionellen japanischen
Hauses mit Tatami kaum die kleinen Abweichungen im
modularen Aufbau wahrnehmen. Dieser muss auch nicht
perfekt sein, er entsteht in Handarbeit und wird nicht aus
industriellen Bauteilen in immer gleichen Abmessungen
gefertigt. Tatami mit von der Norm abweichenden Größen
werden handwerklich hergestellt, kleine Bretter schließen
die Lücken im Fußbodenbelag.

Burg und Teehaus: goldener Prunk versus rustikale


Einfachheit im 16. Jahrhundert
Ab Mitte des 16. Jahrhunderts bekämpfen sich die auf-
strebenden Daimyo-Fürsten in verschiedenen Allianzen.
Erst Anfang des 17. Jahrhunderts entsteht durch die Fürsten
Oda Nobunaga (1534–82) und Toyotomi Hideyoshi
(1536–98) unter dem Shogun Tokugawa Leyasu (1542–1616)
eine neue Zentralregierung in Edo – dem heutigen Tokio.
Einerseits hat damit ein 250 Jahre währender Friede begon-
nen, andererseits wird Japan unter dieser Dynastie völlig

26
vom Ausland abgeschottet. Edo wird das neue politische
und kulturelle Zentrum Japans, der nun völlig entmachtete
Kaiser residiert jedoch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in
Kioto. Die kurze Übergangsperiode von 1573–1600, sehr oft
als Goldenes Zeitalter bezeichnet, wird nach den Orten der
wichtigsten Burgen von Nobunaga und Hideyoshi als
Azuchi-Momoyama-Periode bezeichnet. Die Burgpaläste der
Daimyo übernehmen jene Rolle in der japanischen Archi-
tektur, die zuvor, von der Heian- bis zur Muromachi-Zeit,
Adelspalast, Shogun-Villa und Priesterquartiere gespielt
hatten.
Mit den joka-machi, den Städten unter der Burg, entstehen
neue Zentren der Kreativität in einer säkularisierten Kunst
und Architektur, die von der aufkommenden Klasse wohl-
habender Großhändler, Kaufleute und Handwerker geprägt
sind. Ungefähr 95 Prozent der japanischen Städte haben
ihren Ursprung in den Burgstädten dieser Zeit.
2.20 Die Macht und Prunk liebenden Shogune Nobunaga und
Hideyoshi umgeben sich nicht nur mit den besten Malereien
der Zeit, die bezeichnenderweise auf Blattgold ausgeführt
werden, sondern zeigen auch ein starkes Interesse an
Natürlichkeit, Schlichtheit sowie Askese. Für beide ist
der Teemeister Sen-no-Rikyu (1522–91) höchster kultureller
Berater. Er ist Begründer von wabi-cha, der natürlichen,
schlichten Teezeremonie, soan, der einfachen grasgedeck-
ten Teehütte, und roji, dem dazugehörigen Pfad aus Tau
bzw. dem Teegarten.

Wabi ist die einzigartige japanische Ästhetik der Einfachheit,


Natürlichkeit und Zurückhaltung, die Sen-no-Rikyu durch
seine spezielle Art des Teebereitens und -trinkens, der dafür
2.21 benutzten Utensilien wie auch der Teehütte und des dazu-
gehörigen Gartens gestaltet hat: »Vergiss niemals, dass der
Weg des Tees nichts ist als dies: Wasser aufbrühen, Tee
machen und Tee trinken.« Und an anderer Stelle: »Die Tee-
zeremonie auf kleinstem Raume dient hauptsächlich der
Praxis der Meditation und hat Erleuchtung zum Ziel.«
Besser als allen bedeutenden buddhistischen Lehrmeistern
dieser Zeit gelingt es Sen-no-Rikyu als Zen-Laie, Meditation
neu zu definieren, indem er in die einfachsten Handlungen
des alltäglichen menschlichen Lebens Bewusstsein legt.
Für ihn konnten weder ein angelerntes Fürbittengebet noch
das Rezitieren heiliger Texte eine derartige erhöhte mensch-
liche Wachsamkeit hervorbringen. Hier liegt die Quintessenz
für die Ästhetik der in Japan erzeugten Gegenstände
(Abb. 2.20) und die japanische Spiritualität, die alle formale
Religion transzendiert.
2.22
In Japan ist der Garten traditionell immer Teil der Architektur
und die Architektur Teil des Gartens gewesen. In diesem
Sinne folgen hier einige Bemerkungen zur Beziehung
zwischen dem Teegarten, einer vollkommen neuen Form des
japanischen Gartens, und der Teehütte, einem ebenfalls
neuen Gebäudetyp. Ursprünglich ist der Teegarten nichts
weiter als ein notwendiger, bescheiden gehaltener Weg, der
zur Teelaube führt. Er ist weder zum Wandeln in der Natur
noch zum ernsthaften Betrachten von einem fixierten Aus-
sichtspunkt vom Gebäude aus angelegt, wie dies etwa der
Fall ist bei den beiden vorangehenden Beispielen des
japanischen Gartens aus der Heian- und der Muromachi-
Zeit. Das Vorbild des roji ist der einsame Bergpfad, über den
man sich aus der alltäglichen Mühsal in die Stille und
Abgeschiedenheit der Natur zurückziehen kann.

27
Obwohl alles im Teegarten, die Tore, Steinlaternen, Tritt-
steine, Wasserbecken, ja selbst die Toiletten, mit größter
Sorgfalt entworfen und angelegt scheint, gibt es doch
zunächst nichts Besonderes zu bewundern oder zu ent-
decken. Zumindest bei Sen-no-Rikyu ist die Anlage sehr
natürlich gestaltet. Das soll sich bei seinen Nachfolgern
jedoch ändern. Das einzige Entwurfsprinzip, das dem
Teegarten nachträglich hinzugefügt wurde, ist das des
mie-gakuri, ein dauernder Wechsel von Verbergen und Sicht-
barmachen, das Schaffen von Attraktionen für das Auge.
Der Teegarten bietet keinen großen Gesamtüberblick, son-
dern erschließt sich dem Gast, wenn auch oft auf kleinster
Fläche, als eine Kette überraschender Miniaturaus- und
Durchblicke, die er beim Gehen über die tobi-ishi, ausge-
suchte Trittsteine, die die Bewegungs- und Blickrichtung im
Garten beeinflussen, erleben kann. In diesen bescheidenen
Experimenten mit einem neuen Bau- und Gartentyp und in
der mie-gakuri-Gestaltungstechnik muss man den Anfang
der späteren Wandelgärten der Daimyo-Fürsten und Sho-
gune sehen. Sie zählen zu den größten parkartigen Anlagen
mit einer Vielzahl von Teehäusern und Pavillons, die in der
Geschichte Japans entstanden sind.

Von außen betrachtet gleicht die Teelaube des wabi-Weges


einer ärmlichen Eremitenklause, aber dennoch fühlt man,
dass alles darin bewusst gestaltet ist. Durch den offiziellen
Eingang, das nijiri-guchi, kriechend, eine Schiebetür von ca.
60 ≈ 60 cm, gelangt man in eine winzige Raumskulptur. Sie
ist manchmal nur zwei Tatami-Matten groß und mit bewusst
unbearbeiteten und roh gelassenen Holzpfeilern, Erdwän-
den, Bambusdecken und Papierfenstern gestaltet. Ausblick
auf den Garten wird nicht geboten. Die Aufmerksamkeit ist
somit auf den Gastgeber, das Geräusch des siedenden
Wassers, den Geschmack des Tees und auf den Menschen
selbst – nach innen – gerichtet.13

SUKIYA – der freie Plan: individuelle Kreativität im vormodernen


Japan, 17.–19. Jahrhundert
Erstaunlicherweise ist es diese rustikale Grashütte mit
bescheidenem Teegarten und Teeweg, welche die japa-
nische Architektur von den Zwängen einer formalen Tradi-
tion lösen sollte und ihr eine neue Freiheit der Gestaltung
und Nutzung erlaubte. Sie ist es auch, die im 20. Jahr-
hundert die moderne europäische Architektur beeinflussen
wird (Abb. 2.24). Grundsätzlich hat diese neue Haltung,
bekannt geworden als sukiya-zukuri (verfeinerter oder
eleganter Baustil), die Abschaffung der schwülstigen
Ornamentik, das Aufkommen des freien Grundrisses, die
Belichtung des gesamten Innenraumes und die Durch-
dringung des Gebäudes mit der umgebenden Garten-
szenerie zur Folge. Aber im Gegensatz zur kleinen,
abgeschlossenen Teehütte, in der die Aufmerksamkeit
vollkommen nach innen gerichtet wird, sind die aufkom-
menden Sukiya-Bauten zum Garten hin offen und nicht
ohne diesen zu denken.12
Zum anderen liegt der Sukiya-Architektur ein neues
Bewusstsein zu Grunde, das Teiji Itoh in seiner Monografie
beschrieben hat.13 Dieses neue Bewusstsein, sakui, indi-
viduelle Intention in der Kreativität, überwindet das Befolgen
der von einer speziellen Zunft überwachten formalen
Tradition. Wichtig sind der persönliche Stil und der Ausdruck
selbst der unbedeutendsten Handlung, und sei es nur die
2.23 Art und Weise, wie eine Teeschale mit einem Tuch gesäu-

28
bert wird; ebenso verbindet man nun den Namen eines lang zu seiner jetzigen, diagonalen Form zusammenge-
Baumeisters mit einem bestimmten Gebäude. Sen-no-Rikyu wachsen (Abb. 2.24). Der japanische Begriff für diese Art
wird als Person von großer Originalität und Kreativität einer sägeblattförmigen, diagonalen Wachstumsstruktur
geschätzt. Jeder einzelne Aspekt seiner Teezeremonie, ist ganko-kei, Gänseflugformation. Diese Formation ist
seiner Gartengestaltung und Teehausarchitektur zeugt von eigentlich nur der letzte konsequente Schritt einer Grund-
sakui. Man könnte behaupten, dass die Teemeister der rissentwicklung, die mit dem Shinden-Palast der Heian-Zeit
Momoyama-Zeit die ersten Individualisten in den japa- und seiner vollkommen symmetrischen Armsesselfigur ohne
nischen Künsten überhaupt sind. Höchstes Ziel auf dem dominierendes Zentrum begonnen hat. Im Mittelalter im
Weg des Tees ist nicht mehr das Kopieren alter Formen, Shoin-Stil der Kriegerklasse bzw. der Zen-Priester zu einer
sondern Innovation. Teehäuser und Bauten im Sukiya-Stil L-förmigen oder einarmigen Sesselfigur mit exzentrischem
sind darum nie kopiert worden. Die Wertschätzung indi- Fokus weiterentwickelt, entsteht seit dem 16. Jahrhundert
vidueller Kreativität wird jedoch mit dem Imitieren europäi- ein offener, flexibler, wachstumsfähiger und freier Grund-
scher Bauformen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts riss mit asymmetrischem und multifunktionalem Charakter.
für ca. hundert Jahre verschwinden. Betrachtet man die Gesamtkomposition, so zeigt die
Geschichte der traditionellen japanischen Architektur
Am Ende des 16. Jahrhunderts entsteht aus der Sukiya- eine Entwicklung von einer Umarmung zu einer Verzahnung
Bauweise eine neue Form der Gesamtanlage, die aus mit dem Garten (Abb. 2.23). Der Sukiya-Stil der Architektur,
dem formellen Shoin-Bau, der bescheideneren rustikalen befreit von Status und religiöser Ornamentik, ist die Quint-
Teehütte und dem eigentlichen Sukiya-Bau zusammen- essenz der eingangs erwähnten japanischen Vorliebe für
gesetzt wird. Dieses Ensemble mit dem dazugehörigen das Natürliche, das Lebendige und Rohe im Bauen. Jetzt
Garten bezeichnet man als Sukiya-Stil. Die im Teegarten benutzt man bewusst wieder unbehandeltes Holz für
anfänglich verwendete Entwurfstechnik des mie-gakuri wird Stützen, Fußböden, Decken, oft sogar mit Rinde belassen,
auch beim Zusammenfügen der oben genannten einzelnen wie etwa in den Teehäusern. Die neue Ästhetik sucht die
Bauten effektiv genutzt. Reizvolle Durchblicke und komplexe natürliche Schönheit in den Materialien durch die Hand
visuelle Überschneidungen entstehen. des Menschen zu enthüllen und nicht durch Ornamentik
Die Katsura-Villa in Kioto ist wohl das ausgereifteste Beispiel zu verbergen.
der Sukiya-Architektur. Entstanden aus dem kleinen »Tee- Leichtigkeit durchzieht alle Aspekte der Sukiya-Architektur.
haus im Melonenfeld«, dem Alten Shoin (Abb. 2.17; 1620) Man kann eigentlich nicht mehr von einem Stil sprechen.
von Prinz Toshihito, dem später angefügten Mittleren Shoin Am Ende einer langen Entwicklung und eines Lernprozesses
(1641), dem Musikinstrumentenraum und dem Neuen Shoin »ist eben das Spiel der Stil«, um Paul Scheerbart zu
(zwischen 1640–50) von Prinz Noritada, ist er über 40 Jahre paraphrasieren.
2.24

29
Anmerkungen/Literatur:
1 Nitschke, Günter, ISHI – Der Stein im japanischen Garten: Material
oder lebendes Wesen, archithese 6, Zürich, Dez. 2000, S. 20–25
2 Nitschke, Günter, Rockflower – Transience and Renewal in Japanese
Form, Kyoto Journal, Kioto, Mai 2002
3 Nitschke, Günter, CHINJU NO MORI – Urbane Götterhaine (Urban
Deity Groves), Daidalos 15, Berlin 1997, S. 70–79
4 Nitschke, Günter, EKI – Im Bewußtsein des Wandels: Die japanischen
Metabolisten, Bauwelt 18/19, Berlin 1964, S. 499–515
5 Nitschke, Günter, First Fruits Twice Tasted –
Renewal of Time, Space and Man in Japan, From Shinto to Ando,
London/Berlin 1993, S. 8–31
6 Watsuji, Tetsuro, FUDO – Wind und Erde. Der Zusammenhang von
Klima und Kultur, Darmstadt 1997, S. 117–138
7 Nishia, K., und Hozumi, K., What is Japanese Architecture, Tokio 1985
8 Nitschke, Günter, Japanische Gärten – Rechter Winkel und natürliche
Form, Köln 1999, S. 32–61
9 Inoue, Mitsuo, Space in Japanese Architecture, Tokio 1985, S. 66–87
10 Inaji, Toshiro, The Garden as Architecture, Tokio 1998, S. 1–60
11 Hashimoto, Fumio, Architecture in the Shoin Style – Japanese Feudal
Residences, Tokio 1981
12 Yoshida, T., Das japanische Wohnhaus, Berlin 1969
13 Itoh Teiji, und Futagawa Yukio,
The Elegant Japanese House – Traditional Sukiya Architecture,
Tokio 1978, S. 44–84

Abbildungen:
2.1 Eingangstore zu einem Shinto-Schrein mit heiligem Seil,
Shiga Präfektur. Foto: Keiko Uehara
2.2 Karikatur zur Entwicklung der traditionellen japanischen
Architektur
2.3 Innerer Schrein von Ise 1973, Alter Schrein neben Neuem Schrein,
Luftaufnahme von 1973
2.4 Grundriss und Ansichten des mikeden, Halle der täglichen Nah-
rungsopfer innerhalb des Bezirks des Äußeren Schreins von Ise.
Nach Toshio Fukuyama 1940, aus: G. Nitschke,
From Shinto to Ando, 1993, S. 25
2.5 Perspektivischer Schnitt eines typischen eingeschossigen
Wohnhauses, aus: Yoshida, T., Das japanische Wohnhaus,
Berlin 1969, S. 71, 131
2.6 Perspektivischer Grundriss eines typischen eingeschossigen
Wohnhauses, aus: Yoshida, T., Das japanische Wohnhaus,
Berlin 1969, S. 71, 131
2.7 Palast des Fujiwara-Regenten Toyonari aus der Mitte des 8. Jh.,
Rekonstruktion von Masaru Sekino
2.8 Hypothetische Raumordnung eines Shinden-Stil-Palastes, aus:
Yoshida, T., Das japanische Wohnhaus, Berlin 1969, S. 26
2.9 Todai-ji in Nara, errichtet in der Nara-Zeit; die gegenwärtige
Konstruktion stammt aus der Edo-Zeit und ist im Vergleich zu
den ursprünglichen Proportionen um etwa ein Drittel kleiner.
2.10 Jetziger shishinden mit freiem Vorplatz für das Hofzeremoniell, letzte
Rekonstruktion in der Edo-Zeit
2.11 Skizze der geomantisch idealen Lage alles Gebauten in der Natur:
generell, von Kioto und dem Kaiserpalast im Kleinen.
2.12 Älteste perspektivische Rekonstruktion einer Shinden-Anlage von
einem Architekturhistoriker aus der späten Edo-Zeit, 1842
2.13 Todai-ji, der Große Buddha-Tempel in Nara aus dem 8. Jh.,
Holzschnitt 18. Jh.
2.14 »Weibliche« Raumqualität des Shinden-Stils,
aus: kasuga gongen kenki e-maki, illustrierte Schriftrolle
von 1309 zu den Wundern des Kasuga Gongen,
National Museum, Tokio
Japanische Epochen 2.15 Hypothetische Unterteilung der Shinden-Residenz des Ashikaga-
Shoguns Yoshinori in Kioto; runde Stützen im vorderen, formellen,
ANTIKE eckige im hinteren, privaten Bereich
Asuka-Zeit 552–710 2.16 Soziale und räumliche Stratifizierung der Shoin-Architektur
Nara-Zeit 710–794 2.17 Alter Shoin in der Katsura-Villa in Kioto,
Heian-Zeit 794–1185 Blick in den Raum mit der irori-Feuerstelle
2.18 Der Daisen-in als Shoin, umgeben von trockenen Gärten, 16. Jh.
2.19 Villa eines Shoguns auf einem rakuchu-rakugai, »Faltschirm mit
MITTELALTER
Darstellungen Kiotos innerhalb und außerhalb der Stadtgrenzen«
Kamakura-Zeit 1185–1392
in der Uesugi-Version von 1574. Uesugi-Museum der
Muromachi-Zeit 1392–1573 Stadt Yonezawa
Azuchi-Momoyama-Zeit 1573–1600 2.20 Japanisches Teehaus von drei Tatami-Größen mit einer 2/3-Tatami-
Fläche für den Gastgeber: A. Gästeeingang, B. tokonoma-Nische,
VORMODERNE C. Feuerstelle, D. Gastgeber
Edo-Zeit 1600–1868 2.21 joza-no-ma der Gästehalle im Kojoin-Tempel, Otsu
2.22 L-förmiger, erhöhter Raum im kyusui-tei, dem weit vom Hauptgebäude
MODERNE entfernten Pavillon in der Shugakuin-Villa
Meiji-Zeit 1868–1912 2.23 Entwicklung der traditionellen japanischen Architektur: vom Shinden-
Taisho-Zeit 1912–1926 über den Shoin- zum Sukiya-Stil
Showa-Zeit 1926–1988 2.24 Kaiserliche Villa, Katsura, Innenraum des Shokintei-Teehauses
Heisei-Zeit seit 1988 2.25 Innerer Schrein von Ise, während der Rekonstruktion 1993

30
2.25
31
Japans moderne Architektur – von den Anfängen bis heute
Christian Schittich und Andrea Wiegelmann

Utopie und Eigensinn – die Entwicklung bis zur Gegenwart zunächst beachtet zu werden, zeigen parallel dazu ver-
schiedene japanische Architekten erste Ansätze einer
Die zeitgenössische Architektur Japans ist von dem per- Rückbesinnung auf die eigene Tradition. Sie greifen Ideen
manenten Wechselspiel östlicher und westlicher Einflüsse der Raumkomposition ebenso auf wie konstruktive Aspekte.
geprägt. Ihre Anfänge liegen in der zweiten Hälfte des Besonders Isoya Yoshida versucht, das traditionelle Bauen
19. Jahrhunderts, als die Regierung der Meiji-Dynastie zu reformieren und – ähnlich wie Antonin Raymond – dessen
(1868–1912) die über 200 Jahre dauernde völlige Isolation Raumgliederungs- und Konstruktionsprinzipien an die sich
des Inselreiches aufhebt. Mit der zunehmenden Öffnung des verändernden gesellschaftlichen Bedürfnisse und baulichen
Landes leitet sie einen Prozess der Auseinandersetzung mit Möglichkeiten anzupassen. Die Innenräume seiner Wohn-
den Kulturen und politischen Strukturen des Westens ein und häuser sind flächig gestaltet, Durchblicke und Wandnischen
holt, um die wirtschaftliche und technische Entwicklung setzen Akzente. Er trennt Konstruktion von Ausbau und
voranzutreiben, ausländische Ingenieure und Wissen- reagiert damit auf die Möglichkeiten der neu aufkommenden
schaftler ins Land, darunter auch Bauexperten und Archi- Baustoffe Stahl und Beton.
tekten. Diese errichten im Auftrag der Regierung öffentliche
Gebäude und modernisieren die Architekturausbildung. Die 50er-Jahre: Entstehen einer japanischen Moderne
Gleichzeitig reisen japanische Baumeister ins Ausland, Mit dem Zweiten Weltkrieg findet die Entwicklung einer
manche auch, um in renommierten Büros in Paris, Berlin oder eigenständigen, modernen Architektur in Japan zunächst
Wien zu arbeiten und zu lernen. Nach einer ersten, am ein jähes Ende. Nach 1945 gelingt es den Architekten nur
europäischen Historismus orientierten Phase des Bauens langsam, an den früheren Prozess anzuknüpfen – zu groß
beginnt zwischen 1910 und 1920 eine junge Generation von ist zunächst der Einfluss der Siegermacht USA. Kunio
Architekten die Suche nach einem zeitgemäßen japanischen Maekawa und Junzo Sakakura – beide frühere Mitarbeiter
Stil; die modernen Strömungen in Europa – zunächst die von Le Corbusier – schaffen es, den roten Faden wieder
deutschen Expressionisten, dann die De-Stijl-Bewegung, das aufzunehmen und traditionelle Raumkonzepte mit den
Bauhaus und Le Corbusier – gewinnen dabei zunehmend an Elementen moderner Architektur zu verweben.
Einfluss. Die herausragende Rolle in dieser Zeit spielt aber Kenzo
Tange, ein Schüler Maekawas. Sein Gedächtnismuseum des
Weitere Impulse gehen von Frank Lloyd Wright aus, der Friedenszentrums von Hiroshima (1956) wird zu Recht als
1905 erstmals nach Japan kommt und 1911 den Auftrag für einer der ersten eigenständigen Beiträge Japans zur moder-
das Imperial Hotel in Tokio erhält, das er 1923 vollendet. nen Architektur angesehen (Abb. 3.4). Tange verbindet bei
Mehr als Wright selbst – der in seinem eigenen Werk auch dem auf schlanken Stahlbetonstützen aufgeständerten
Ideen der traditionellen japanischen Architektur aufgreift – Bauwerk, das ebenso karg wie unprätentiös wirkt, die
prägt sein tschechischer Mitarbeiter am Imperial Hotel,
Antonin Raymond, die Entwicklung. Er bleibt über 40 Jahre
im Land und konzipiert eine Formensprache, die traditionelle
Elemente mit modernen Prinzipien von Konstruktion, Technik
und Lebensstil verbindet. Le Corbusiers rationalistische
Architektur dient ihm dabei als Vorbild. 1933 kommt Bruno
Taut als Emigrant für drei Jahre ins Land. Er studiert die
traditionelle Architektur eingehend und sieht im formalen und
räumlichen Konzept der Villa Katsura (S. 29ff) große Ver-
wandtschaft zur Architektur der Moderne. Taut propagiert in
seinen zahlreichen in Japan veröffentlichten Schriften und
Vorträgen einen modernen Architekturstil, der an die japa-
nische Geschichte anknüpft, und wird nicht müde, auf die
Qualitäten der traditionellen Bauweise hinzuweisen. Die
Vergangenheit lediglich formal zu kopieren, lehnt er dabei
entschieden ab. Unabhängig von Taut und ohne von ihm 3.2

33
Formensprache seines Vorbilds Le Corbusier mit Konzepten
der traditionellen Architektur. Den Höhepunkt in Tanges
Werk bilden die Sporthallen für die Olympiade 1964 in Tokio
(Abb. 3.5): expressive Bauten aus Beton und Stahl, die
formale Bezüge zur Architektur eines Eero Saarinen, Pier
Luigi Nervi oder Jørn Utzon zeigen. Durch sie gewinnt die
japanische Architektur international an Bedeutung. Neben
zahlreichen Einzelbauten, meist aus rauem Sichtbeton,
wendet er sich zunehmend den Problemen des Städtebaus
zu. Tanges Antwort auf das unkontrollierte Wachstum findet
sich in seinem Masterplan für Tokio (1960), der eine lineare
Entwicklung zum Meer hin und eine teilweise Überbauung
der Tokioer Bucht vorsieht. Mit diesem Konzept steht er
einer Gruppe junger Architekten und Designer nahe, die
sich anlässlich der Internationalen Design-Konferenz in Tokio
3.3 1961 formiert, sich selbst als Metabolisten bezeichnet und im
nachfolgenden Jahrzehnt die Architekturszene des Insel-
reiches entscheidend prägt.

Die 60er-Jahre: Metabolismus und Stadtutopien


Der Metabolismus (der Begriff stammt aus der Biologie)
entsteht als Protestbewegung. Er sucht einerseits Alter-
nativen zu der – als Folge des wirtschaftlichen Booms –
zunehmenden Verstädterung der Küstenregionen um Osaka
und Tokio und zur starken Verwestlichung andererseits. Zur
Zeit der großen Utopien und einer ungebrochenen Tech-
nikgläubigkeit – die Eroberung des Weltraums hat gerade
begonnen – antworten die Metabolisten auf die genannten
Probleme mit futuristischen Stadtmodellen und flexiblen
Strukturen, die eine formale Verwandtschaft mit den etwa
gleichzeitig entstehenden Konzepten von Archigram in
3.4 England oder von einigen Mitgliedern von Team 10 zeigen.
Aufbauend auf systematischen Strukturen, entwickeln sie ein
auf Vorfertigung beruhendes städtebauliches und archi-
tektonisches Programm, das die Wachstumsprozesse der
sich rasch verändernden Gesellschaft kanalisieren soll.
Bereits drei Jahre vor der Gründung der Bewegung demon-
striert Kiyonori Kikutake an seinem eigenen Wohnhaus in
Tokio (Sky House, 1958) das Grundprinzip des Meta-
bolismus: zyklisches Wachsen und Erneuern. Das von vier
schlanken Betonscheiben getragene, scheinbar über dem
Boden schwebende eingeschossige Haus besteht aus
einem einzigen, durch Schlaf-, Koch- und Sanitärzellen
gegliederten Raum. Diese Zellen können bei Bedarf erneuert
oder ausgetauscht, weitere Räume für Kinder angefügt
werden. Analog zum menschlichen Organismus, wo laufend
Zellen absterben und andererseits neue entstehen, wird hier
3.5 eine vorgegebene Tragstruktur durch auswechselbare
Bausteine gefüllt (Abb. 3.3).
Auch wenn die Gruppe der Metabolisten keine einheitliche
formale Haltung formuliert – die Arbeiten der einzelnen Ver-
treter sind von unterschiedlichem Charakter –, so teilen sie
doch die Vision des organischen Wachstums. Eine weitere
Gemeinsamkeit besteht darin, dass beinahe alle ihre
Entwürfe Utopien bleiben – so etwa Helix City (1961) von
Kisho Kurokawa, der an Tanges Projekt für die Überbauung
der Bucht von Tokio beteiligt ist, oder Arata Isozakis Cluster
in the Sky (Abb. 3.2.) aus dem gleichen Jahr. In größerem
Maßstab wurde kaum etwas gebaut. Eines der wenigen rea-
lisierten Projekte der Gruppe ist der Nagakin Capsule Tower
in Tokio (1972) von Kurokawa. 140 standardisierte und vor-
gefertigte Wohnkapseln sind hier entlang von zwei vertikalen
Erschließungsschächten gestapelt. Vorweg bestückt mit ihrer

34
kompletten Ausstattung, ist jede davon als Wohneinheit oder
als Ein-Raum-Büro nutzbar (Abb. 3.6, 3.7). Doch die grund-
legende Idee, dass der Besitzer seine Kapsel bei einem
Ortswechsel einfach mitnimmt und an seinem neuen Wohnort
in eine ähnliche Struktur integriert, blieb Illusion. Nirgendwo
sonst wurde ein passendes Gegenstück geschaffen, und
auch die (mittlerweile patinierten) Zellen in Kurokawas Turm
wurden bis heute weder bewegt noch ergänzt.
Den Höhe- und gleichzeitigen Endpunkt des Metabolismus
bildet die Weltausstellung 1970 in Osaka: Unter dem Motto
»Fortschritt und Harmonie für die Menschheit« entsteht dort
nach dem Masterplan von Kenzo Tange ein Ensemble
eindrucksvoller Gebilde, die der Welt das Potenzial der
metabolistischen Ideen und ihre Visionen vor Augen führen.
Tanges eigene Raumstruktur gehört ebenso dazu wie die
Kapselentwürfe Kikutakes und Kurokawas oder die pneu-
matische Pavillon-Konstruktion von Yutako Murata und
Mamoru Kawaguchi. Mit dem Ende der Weltausstellung aber
verblasst die technologische Euphorie. Bauindustrie und
3.6 Gesellschaft versperren sich der Serienproduktion von
Gebäuden, und die realisierten Projekte zeigen sich weniger
flexibel als gedacht. Die Gruppe löst sich auf, ihre Mitglieder
gehen nun getrennte Wege, viele verwerfen ihre utopischen
Ideen. Einige ihrer herausragenden Vertreter prägen auf
unterschiedliche Weise die weitere architektonische Ent-
wicklung in Japan. Vor allem Arata Isozaki und Kisho Kuro-
kawa zeigen dabei eine zunehmend formalistische Haltung
und wenden sich schließlich der Postmoderne zu, während
Fumihiko Maki bis heute eher dem modernen Formen-
vokabular verpflichtet geblieben ist.
3.7
Die 70er- und 80er-Jahre: zwischen Formalismus
und Raumkonzept
Beinahe allen der sich nach 1970 ausbildenden Positionen ist
die wiederkehrende Auseinandersetzung mit der japanischen
Kultur ebenso wie die erneute Orientierung an aktuellen
westlichen Strömungen gemeinsam. Auf die funktionalen
Dogmen der Moderne und die starren, technizistischen
Entwürfe der Metabolisten reagieren die Architekten nun
zunehmend mit expressiven Gebäuden. Daneben zeichnet
die Kritik am fortschreitenden Wildwuchs der japanischen
Metropolen alle Richtungen aus, kommt dabei aber in unter-
schiedlicher Form zum Ausdruck: durch radikale Abkehr von
der Stadt ebenso wie durch die Suche nach eigener Identität
im Chaos oder durch Gebäude, die sich ihrem Umfeld
aggressiv entgegenstellen. Nicht selten wird die Konfusion,
die kritisiert werden soll, durch das eigene Auffallen um jeden
Preis weiter verschlimmert. Daneben gibt es aber auch
zahlreiche zurückhaltende Tendenzen.

Fumihiko Maki, der bereits als Gründungsmitglied der


Metabolisten eine gemäßigtere Haltung eingenommen hatte,
vermeidet auch auf seinem weiteren Weg extreme Posi-
tionen. Sein Langzeitprojekt Hillside Terrace, ein Gebäude-
komplex mit Geschäften, Wohnungen und Büros im Westen
von Tokio, den er in insgesamt sechs Bauabschnitten für
einen privaten Investor zwischen 1969 und 1992 realisiert,
verdeutlicht seine Entwicklung von einer radikal modernen
zu einer eher pragmatischen, spätmodernen Architektur
(Abb. 3.15). Das Projekt, ursprünglich außerhalb Tokios auf
einem bewaldeten Grundstück am Rand eines Vororts
begonnen, wurde mittlerweile von der ausufernden Metropole
verschluckt. Doch auch in dem neuen, heterogenen Umfeld

35
hat es nichts von seinen städtebaulichen und formalen
Qualitäten verloren. Wie auch weitere Projekte von Maki
zeichnen sich die Häuser von Hillside Terrace aus durch
klare Baukörper, spannungsvoll proportionierte Fassaden
und präzise ausgearbeitete Details ebenso wie durch
sorgfältig gestaltete Zwischenräume, Plätze und Wege.
Während hier die einzelnen Gebäudekomplexe jedoch auf ihr
Umfeld Bezug nehmen bzw. in der ersten Phase gar als
Keimzelle für die spätere Urbanisierung des Bezirks dienen,
kehrt Maki bei einem anderen Schlüsselbau, dem Spiral
Building (1985), der Stadt den Rücken und verlegt, ähnlich
wie andere Architekten zu dieser Zeit, den städtischen
Erlebnisraum nach innen. Beinahe charakteristisch für Maki
werden später seine leicht expressiven, glitzernden Metall-
dächer, mit welchen er beispielsweise die Konzerthalle in
3.8 Kirishima (1994) oder das Tokyo Metropolitan Gymnasium
(1990) bekrönt (Abb. 3.11).

Im Gegensatz zu Maki verliert sich Arata Isozaki nach einer


zunächst gemäßigten Phase Anfang der 70er-Jahre zuneh-
mend in Formalismen. Bald schon beginnt er, historische
europäische Stilformen zu zitieren, und wendet sich
schließlich ganz der Postmoderne zu, deren renommiertester
Vertreter er in seinem Heimatland wird. Isozaki ist bis heute
einer der einflussreichsten Architekten Japans mit
Großaufträgen weltweit. Doch maßgebliche Impulse für das
internationale Baugeschehen gehen von ihm kaum noch aus.
Seine eigentliche Bedeutung für die Architektur Japans
erlangt er als Initiator und Mentor großer Demonstrativ-
bauvorhaben, wie etwa Kumamoto Artpolis oder das Gifu-
Kitagata-Projekt. Offen für alle Richtungen, setzt er sich für
3.9 die Vergabe von Aufträgen auch an unbekannte, junge und
ausländische Architekten ein.
Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre, in einer Zeit, die
geprägt ist von Ratlosigkeit, aber auch von der Suche nach
kultureller wie städtebaulicher Identität, findet die Post-
moderne großen Zuspruch. Ein weiterer ihrer Vertreter,
Kazuhiro Ishii, kombiniert zunächst, geprägt von seinem
amerikanischen Lehrer Charles Moore, historische europä-
ische Stilelemente, so etwa bei seinem Giebelhochhaus in
Tokio. Ishii beginnt jedoch, die Verwendung von Zitaten aus
der europäischen Architekturgeschichte zu hinterfragen. An
seinem »Haus mit 54 Fenstern« in Tokio (1975) schafft er mit
einer Vielfalt von Öffnungsformen und unterschiedlichen
Materialien eine ironische, bunte Collage (Abb. 3.8). Durch
die zunehmende Auseinandersetzung mit den geistigen
Werten seiner Kultur entdeckt Ishii die eigene Tradition und
3.10 entwickelt, wenn man so will, einen japanischen Post-
modernismus, in den er auch historische Holzkonstruktionen
einbezieht. Dieser gipfelt in den raffinierten Tragstrukturen
des Bunraku-Puppentheaters in Seiwa (1992), die auf Ideen
eines buddhistischen Mönchs des 12. Jahrhunderts ebenso
zurückgreifen wie auf traditionelle Holzspiele.

Eine andere, abstraktere Haltung bezieht Kazuo Shinohara,


der bereits Mathematikprofessor ist, bevor er sich der
Architektur zuwendet. Geometrische Formen und metallische
Materialien unterstreichen seine Vorliebe für Assoziationen
an Maschinen. Sind seine Wohnhäuser zunächst deutlich
von dem Interesse für den »japanischen Charakter« gekenn-
zeichnet, den er in seinen Raumkompositionen zum Aus-
druck bringt (S. 48ff), so löst er sich mit der Hinwendung zu
formalen Entwürfen von dieser Position. Obwohl Shinohara
3.11
36
3.12

3.13

3.15

3.14
37
seine eigenen Bauten zunehmend als künstlerische Kom-
positionen ohne tiefgründige Bedeutung sieht, thematisiert er
mit ihrer Gestaltung doch die Beliebigkeit und Zergliederung
des städtischen Raums, etwa mit der Centennial Hall in Tokio
(1987). Er setzt in das Durcheinander von Gebäuden und
Verkehr einen Orientierungspunkt. Seine Großprojekte
erlangen jedoch nicht die Bedeutung seiner Wohnbauten, die
er vorwiegend in der Zeit seiner Professur am Tokyo Institute
3.16 of Technology realisiert und damit großen Einfluss auf die
junge Generation der Architekten hat.
Shinoharas Prinzip der Komposition von Raum und Form
setzt Itsuko Hasegawa mit frei kombinierten, industriell
gefertigten, metallischen Baustoffen um. Die Architektin
möchte Identität in den urbanen Raum bringen, seine
Anonymität durchbrechen. Ihr Spiel mit Formen und Mate-
rialien bezieht sich nicht auf ein festgelegtes Vokabular,
Hasegawa arbeitet intuitiv. Sie entwickelt die Projekte in
Abhängigkeit von Ort und Aufgabe, wobei ihr Strukturen
und Phänomene aus der Natur als Vorbild dienen. Die
beiden Bürgerzentren in Tokioer Vorstädten, das Shonandai-
Kulturzentrum (1990) und die Sumida Culture Factory (1994),
sind collagenhafte Landschaften, die durch das Spiel von
Licht und Schatten inszeniert werden (Abb. 3.10). Die
markanten Anlagen sollen, ausgestattet mit Freibereichen
und Plätzen, städtische Qualitäten schaffen.

Auch Hiroshi Hara versucht, dem ungeordneten, verwir-


renden Erscheinungsbild der Stadt mit Metaphern entgegen-
zutreten, indem er ihre Bestandteile abstrahiert und neu
zusammenstellt. Hara überträgt Bilder von Straßenfluchten,
Dachlandschaften oder städtischen Agglomerationen auf
3.17 seine Gebäude. Verlegt er diese Bilder zunächst auf den
Innenraum (Hara House, 1974; S. 48ff) und stellt der äußeren
damit eine innere Welt gegenüber, bezieht sich Hara später
auf den städtischen Raum und gestaltet nach diesem Prinzip
seine Fassaden. So dient ihm beim Yamato International
Building (1986) ein Kykladendorf als Vorbild (Abb. 3.9).
Jüngere Großprojekte bildet er als markante städtebauliche
Zeichen aus, so zum Beispiel das Umeda Sky Building in
Osaka (1993). Sein Thema verfolgt Hara jedoch weiter und
organisiert den großen Erlebnisraum im Bahnhof von Kioto
(1996) mit Wegeführung und räumlicher Gliederung als
städtisches System aus Straßen und Plätzen.

Shin Takamatsu vermeidet dagegen bewusst Assoziationen


an bekanntes Vokabular und entzieht seine Architektur damit
jeglicher Einordnung. Seine Hightech-Bauten wirken bizarr.
Dem urbanen Wirrwarr aus heterogenen Baukörpern,
Displays und Reklameschildern setzt Takamatsu Fantasie-
gebilde wie Origin (1981), Ark (1983) oder Syntax (1990)
entgegen (Abb. 3.14). Noch einen Schritt weiter geht Makato
Sei Watanabe. Für das Hauptgebäude des Aoyama Tech-
nical College in Shibuya, Tokio (1990), entwirft er eine
dekonstruktive Plastik, deren Komponenten eher an Insekten-
oder Maschinenteile erinnern als an überlieferte tektonische
Formen (Abb. 3.12). Aufsehen erregen um alles in der Welt –
trotz eines noch so chaotischen Umfelds – ist das Motto. Das
gilt auch für Kengo Kumas M2-Building (1991), obwohl sich
dieser an den überlieferten Formenkanon hält. Kuma, der
später für seine feinfühligen Materialinszenierungen bekannt
wird (S. 44ff), realisiert mit seinem postmodernen Erst-
lingswerk eine Kulissenarchitektur, bei der ein ionisches
Kapitell bis ins Groteske vergrößert ist (Abb. 3.13).

38
Exzessive Formalismen wie diese sind typisch für die Japanische Architektur heute
80er-Jahre in Japan, doch daneben gibt es eine Reihe
von Architekten, die den konzeptionellen Ansatz in den Das Zusammentreffen formaler Moden wie Postmoderne und
Vordergrund stellen. Dazu gehören zunächst Toyo Ito und Dekonstruktivismus mit der überbrodelnden Bubble Eco-
Tadao Ando, die erstmals Mitte der 70er-Jahre auf sich nomy, die enorme Finanzmittel freisetzt, führt in den 80er-
aufmerksam machen (S. 40ff), sowie Riken Yamamoto, Jahren in Japan zur Überbetonung origineller Formen.
der vor allem im Wohnungsbau Impulse gibt. In seinem Unterstützt wird diese Haltung durch die große gestalterische
Bemühen, zeitgemäße städtische Wohnformen zu entwickeln, Freiheit, den Wunsch der kommerziellen Bauherren nach
gelingt es Yamamoto, der in den 60er- und 70er-Jahren zum unverwechselbaren Markenzeichen und den Drang vieler
Massenwohnungsbau verkommenen Schaffung von Miet- Architekten, als künstlerische Selbstdarsteller aus einer
wohnungen Alternativen gegenüberzustellen. Er entwirft überwiegend konformen Gesellschaft auszubrechen. Auf-
seine Gebäude als soziale Mikrokosmen und verlegt die fallen um jeden Preis scheint vielerorts angesagt – formale
dem Verkehr geopferten Nachbarschaften, das verloren Auswüchse werden beinahe zur Regel. Mit dem Zusam-
gegangene soziale Leben im Viertel auf das Dach. Mehr- menbruch der Spekulationsblase Anfang der 90er-Jahre
familienhäuser wie Gazebo (1986), Rotunda (1987), Hamlet werden die Entwurfsaufgaben bescheidener und die Formen
(1988) oder die Wohnanlage Hotakubo (1991) bestehen aus – wieder beeinflusst durch internationale Trends, die Neue
eigenständigen Wohneinheiten, die sich gemeinsame Einfachheit oder den Minimalismus, – zusehends einfacher.
Lebens- und Terrassenbereiche teilen, die Infrastruktur ist Viele der früheren Formalisten, Arata Isozaki etwa oder Kisho
größtenteils in den Erdgeschosszonen integriert (Abb. 3.17). Kurokawa, kehren nun zu einem gemäßigten internationalen
Leichte Dachaufbauten in Form von gewölbten Zeltkon- Stil zurück. Das verdeutlicht Isozakis Kyoto Concert Hall
struktionen betonen den gemeinschaftlichen Raum über (1995), die mit ihren klaren Geometrien, ihrer Spannung
der Stadt. Die Idee der sozialen Nachbarschaft setzt Yama- zwischen Volumen und Oberfläche, zwischen Leichtigkeit
moto später auch bei größeren Bauaufgaben mit anderer und Schwere, eines der reifsten Werke des Architekten ist
Nutzung um. Bei der additiv gefügten Anlage der Universität und sich überwiegend frei von rein modischen Anklängen
in Saitama (2000) etwa dienen die Höfe als Kommuni- zeigt (Abb. 3.16). Auch Shin Takamatsu, der Rebell der
kationsraum für die Studenten (S. 160ff). Die in Stahl und 80er-Jahre, etabliert sich und wickelt, zunehmend auch in
Glas gehaltene Architektur wirkt eleganter als die Stahl- Europa und China, Großprojekte ab. Daneben realisiert er in
betonkonstruktionen der früheren Wohnanlagen. seiner Heimatstadt Kioto, wo er nach wie vor das Archi-
tekturgeschehen maßgeblich prägt, auch einfühlsame
kleinere Bauten. Doch unter der älteren Generation gibt es
auch einige führende Vertreter, die zeit ihres Berufslebens
3.18

39
einem modernen Selbstverständnis treu bleiben und modi-
sche Einflüsse nur in geringem Maße an sich heranlassen.
Fumihiko Maki, der erst 1999 mit einem weiteren Ensemble
aus Wohnungen, Büros und Läden ganz in der Nähe seines
Hillside-Terrace-Komplexes eines seiner schönsten Werke
vollendet und mit dem leichten, durchschimmernden Screen
aus Aluminiumstäben demonstriert, dass auch von der
etablierten Generation noch gestalterische Impulse aus-
gehen können, gehört ebenso dazu wie Yoshio Taniguchi.
Taniguchi, der mit seinem eher konservativen, aber preis-
gekrönten Wettbewerbsentwurf für die Erweiterung des
MoMA in New York international auf sich aufmerksam macht,
realisiert in seinem eigenen Land im Laufe der Jahre eine
Reihe von formal ruhigen, aber präzise detaillierten Museen,
deren besondere Qualität in den bewusst formulierten
Bezügen der Gebäude zur Umgebung liegt. Die reduzierten
Formen und Oberflächen der zurückhaltend gestalteten
Galerie der Horyuji-Schätze im Nationalmuseum von in
Tokio (1999) zeugen von Taniguchis Hinwendung zu mini-
malistischen Strukturen. Insgesamt gesehen präsentiert sich
die Architekturszene Japans am Beginn des neuen Jahr-
tausends als eine schillernde Mischung unterschiedlicher
Ansätze. Einige der wesentlichen Haltungen und die dahinter
stehenden Personen werden nachfolgend charakterisiert.

Tadao Ando – Licht und Raum


Die herausragende Persönlichkeit zu Beginn der 90er-Jahre
ist zweifellos Tadao Ando. Ihm gelingt es zu dieser Zeit wie
keinem anderen seiner Kollegen, den Blick nach Japan zu
lenken, indem er der Weltöffentlichkeit ein neues Gesicht
3.19 zeitgenössischer japanischer Architektur präsentiert. Es ist
eine stille, meditative Haltung, mit Bauten, die ihre sinnliche
Wirkung durch den rohen Beton und das akzentuiert ein-
gesetzte Licht erlangen. Ando antwortet auf die städte-
bauliche und gesellschaftliche Situation in einer zunehmend
von Computern bestimmten Welt mit Gebäuden, die sich von
der Umgebung abwenden, aber auch, indem er versucht,
das Bewusstsein für den Körper zu intensivieren und ein
wirkliches Erfahren des Raums im physischen Sinne zu
3.20 ermöglichen. Ein zunehmend perfekter Sichtbeton, gegliedert
durch das Maß der Schaltafeln und die sichtbar gelassenen
Ankerlöcher, ist sein Stilmittel, er verhilft dem Material damit
zu einer weltweiten Renaissance. Der 1941 in Osaka gebo-
rene Autodidakt Ando tritt erstmals Mitte der 70er-Jahre mit
schlichten, minimalistischen Hofhäusern in Erscheinung, die
traditionelle Bautypen neu interpretieren und dem Chaos der
Stadt kategorisch den Rücken zukehren.
Neben den frühen Einfamilienhäusern – das Koshino-Haus in
Ashiya (1984) ist das wohl bekannteste von ihnen – realisiert
er bald andere Bauaufgaben, mit gleichem Material und
ähnlichem Konzept: Kirchen und Tempel, Museen, aber auch
Geschäftshäuser. Tadao Ando kombiniert seine Räume
durch die Überlagerung klarer, auf einfachen Geometrien
beruhender Volumina. Mit schmalen verglasten Öffnungen
setzt er verschiedene Bauteile voneinander ab und erzeugt
dadurch räumliche Tiefe. Eine seiner eindringlichsten
Inszenierungen gelingt dem Betonvirtuosen mit der kleinen
protestantischen Kapelle in Ibaraki (1989), die nicht umsonst
den Beinamen »Kirche des Lichts« erhielt. Beim Betreten des
schlichten, schachtelförmigen Baukörpers aus Sichtbeton
wird der Blick des Besuchers unvermittelt auf das son-
nendurchflutete Kreuz in der Altarwand gegenüber gelenkt.
Der große Kontrast zwischen hell und dunkel, der von den

40
nur 20 Zentimeter breiten Schlitzen herrührt, unterstreicht
diese Wirkung. Ando gelingt es mit einfachen, aber wohl
überlegten Mitteln, die Sinne anzusprechen und ein Gefühl
von Erhabenheit zu erzeugen (Abb. 3.20). Beim Chikatsu
Asuka Museum (1994) außerhalb von Osaka, auf einer
frühgeschichtlichen Begräbnisstätte gelegen, will er mit
einem für seine Verhältnisse düsteren Hauptraum die
Atmosphäre eines der umliegenden Gräber widerspiegeln
(Abb. 3.1). Eine Schlüsselrolle fällt hier auch dem Dach zu,
das, als monumentale Freitreppe ausgebildet, zur Aus-
sichtsplattform für die umliegenden Grabhügel wird – die
Außenfläche wird selbst zum Museumsraum.
Andos vielleicht typischstes Museum ist das Naoshima Art
Museum (1992, Erweiterung 1995) mit seinen vielschichtigen
Übergängen von außen nach innen, das sich malerisch
gelegen auf einer Landzunge inmitten eines Nationalparks
am Meer befindet. Der Grundriss baut auf klaren geo-
metrischen Formen auf, das Oval spielt dabei eine wichtige
Rolle, die Höfe und der Großteil des Bauvolumens sind in die
Erde eingegraben, um die Landschaft möglichst unberührt
zu lassen (Abb. 3.19). Ebenso in den Boden gegraben, aber
in städtischem Umfeld, ist der Garden of Fine Arts in Kioto
(1994). Trotz der für Menschen aus dem Westen eigenartigen
Ausstellungsstücke – es handelt sich um auf Keramik
reproduzierte Gemälde überwiegend aus der europäischen
Kunstgeschichte – schafft Ando inmitten des Trubels der
Stadt ein Refugium mit besonderen Qualitäten: Das unge-
wöhnliche Open-Air-Museum, das man auf Rampen und
Stegen durchquert, zeichnet sich durch seine stillen, klar
gestalteten Wasserbecken, seine Wasserfälle sowie ein
akzentuiertes Licht- und Schattenspiel aus. Bekannt gewor-
den durch seine kleinen meditativen Räume, überträgt Tadao
Ando die dort angewandten Entwurfsprinzipien später
zunehmend auf größere Projekte und entwickelt damit
(ähnlich wie Richard Meier oder Frank Gehry in den USA) ein
Label – seine Architektur wird zur Marke. Doch die ständige
Wiederholung gleicher Stilelemente führt nicht immer zum
Erfolg: In jüngerer Zeit lassen manche der nach einheitlichem
Muster entworfenen Großbauten die Klasse seiner früheren
3.21 Werke vermissen. Bis heute aber entwirft Tadao Ando immer
wieder kleine Gebäude, die all die Qualitäten zeigen, für die
er einst bekannt wurde – Bauten, die nach wie vor zum
Besten gehören, was die japanische Architektur zu bieten
hat. Zwei davon, ein kleines Wohnhaus in Osaka und ein
schlichtes Museum für ein Kunstwerk von James Turrell
(2000), sind in diesem Buch ausführlich dokumentiert (S. 49ff
und S. 126ff). Bei dem kleinen Museum setzt Ando Holz ein,
das zweite authentische Material, das er neben seinem
bevorzugten Baustoff Beton gerne verwendet, so auch bei
dem Japanischen Pavillon für die Expo in Sevilla (1992) oder
für den Komyo-Tempel in Sajio (2000). Und er geht damit
ebenso virtuos um: Der einfache Baukörper des Museums
erhält seine beinahe archaische Wirkung durch schlichte,
moderne Details im Geiste der Tradition seines Landes.

Toyo Ito – »Blurring Architecture«


Neben Tadao Ando ist Toyo Ito der zweite große Protagonist
in der gegenwärtigen japanischen Architekturszene. Beide
sind im gleichen Jahr geboren (1941), und beide treten etwa
gleichzeitig (1976) mit einem eigenwilligen Einfamilienhaus in
Erscheinung, wobei beide mit Sicherheit beeinflusst sind von
den Wohnhauskonzepten Shinoharas. Ito wie Ando zeigt eine
an der Moderne orientierte Grundhaltung, aber ansonsten ist

41
ihre Architektur so verschieden wie ihre beiden Charaktere:
hier der sinnliche, doch zugleich herbe, agile Tadao
Ando, dort der intellektuelle Toyo Ito. Wo Andos Architektur
schwer, plastisch, mit dem Boden verwachsen ist, möchte
Ito »eine Architektur realisieren, die wie ein instabiler,
fließender Körper ist«, mit wandelbaren, transparenten
Räumen. Wo Ando sich auf authentische Baustoffe wie
Beton und Holz beschränkt, seine Details minimiert, nutzt
Ito industriell gefertigte Produkte, seine Architektur ist
komplex. Wo Ando Vielschichtigkeit durch die Überlagerung
von Räumen erzeugt, spielt Ito mit sich überlagernden
Flächen aus Glas und gestanzten Blechen, mit Gittern und
Kunststofftafeln.
Anfangs stark von Shinohara geprägt, entfernt sich Ito
später formal und konzeptionell von dessen Einfluss. Sein
3.22 Grundthema bleibt aber, die sich wandelnde Gesellschaft
des Informationszeitalters in seiner Architektur zu reflektieren.
Wie sieht eine dem elektronischen Zeitalter entsprechende
Architektur aus? Diese Frage spielt dabei eine entschei-
dende Rolle. Itos Überlegungen dazu gipfeln in der 2001
fertig gestellten Mediothek im nordjapanischen Sendai
(S. 148ff), die international zu den meistbeachteten Bauten
des beginnenden Jahrtausends zählt. Mit diesem Bauwerk
schafft Toyo Ito endgültig den Sprung an die Weltspitze der
Architektur und wird zum Vorbild der jüngeren Generation
seines Landes. Seine Mediothek ist geprägt von flexibel
nutzbaren Ebenen, die sich die Besucher selbst aneignen
können. An den Fassaden versucht er mit unterschiedlichen
Stufen der Transparenz, das Thema »Virtual Reality« durch
reale Architektur zu versinnbildlichen.
Daneben möchte Ito Transparenz durch die metaphorische
Darstellung von Wasser symbolisieren: Die im Sinne der
Statik nicht ganz rationale Tragstruktur aus Stahlrohren
spielt auf Algen an, die sich im Meer wiegen – sie ist Aus-
druck von Itos fließender Architektur. Doch all diese Anspie-
lungen muss der Besucher kennen, um sie lesen zu können.
Unabhängig von solcher Symbolik liegt eine der Haupt-
qualitäten der Mediothek ganz einfach in ihrer edlen Gestal-
tung und ihren präzisen, reduzierten Details: Bei Tag lässt
sie eine große Offenheit von innen nach außen spüren,
während bei Nacht die hell erleuchteten Räume hinter der
aufgelösten Straßenfassade die Filigranität der Struktur
zeigen und an die Vorstellungen von Transparenz in der
frühen Moderne erinnern. Mit dieser zeitlos klaren Architektur
indes entfernt sich der intellektuelle Ästhet von der Lockerheit
seiner früheren Bauten, etwa der improvisiert wirkenden
Silver Hut (S. 49ff).
Toyo Itos Entwicklung bis zur Mediothek in Sendai ist neben
zahlreichen kleinen Wohnhäusern von temporären Instal-
lationen gekennzeichnet wie dem Turm der Winde (1986)
und dem Ei der Winde (1991), wo er Umweltsignale –
Verkehrslärm und Windböen – computergesteuert in ein
bewegtes Lichtspiel an den Fassaden überträgt. Bei dem
städtischen Museum in Yatsushiro (1991) setzt Ito die
Leichtigkeit seiner Architektur in einen Ausstellungsbau um.
Er erreicht das, indem er das Erdgeschoss eingräbt und das
transparente Obergeschoss mit den für ihn typischen
mehrfach gewölbten, silberglänzenden Dächern bekrönt.
Auch beim Altenheim in Yatsushiro (1994) erzeugt Toyo Ito
eine offene Atmosphäre. Unterschiedliche Materialien und
Farben verteilt er hier scheinbar willkürlich am Gebäude, mit
locker angeordneten Räumen mildert er Übergänge zwi-
schen Individual- und Gemeinschaftsbereichen (Abb. 3.22).

42
Kazuyo Sejima – die Formulierung des Übergangs sich nach außen. Im Inneren zeigt es sich dann umso offener:
Wie Toyo Ito experimentiert Kazuyo Sejima mit der Trans- Ein großer fließender Raum, der an beiden Seiten von je einer
parenz, um die Grenze zwischen physischem und virtuellem Reihe kleiner Individualräume begrenzt wird, beherbergt alle
Dasein auszuloten. Als frühere Mitarbeiterin Itos entwickelt gemeinschaftlichen Funktionen. Einem Minimum an Indi-
sie seine Konzepte weiter. Mit ihren radikalen Ansätzen ist sie vidualraum steht ein Maximum an Gemeinschaftsfläche
zu einem der im Moment einflussreichsten Vorbilder gerade gegenüber.
für die jüngere Generation avanciert. Innovative Grundrisse für den sozialen Wohnungsbau
Tatsächlich ist ihr wesentliches Thema der Bezug des entwickelt Sejima zusammen mit Ryue Nishizawa, mit dem
Bauwerks zu seiner Umwelt, eine ganz besondere Rolle sie seit 1995 das Büro SANAA führt, bei der Wohnanlage in
spielt dabei die Zone des Übergangs, die manchmal als Gifu (1998, zweiter Bauabschnitt 2002), die im Rahmen eines
Pufferzone in Erscheinung tritt wie beim S-House in Okayama Demonstrativbauvorhabens entsteht (Abb. 3.23). Innerhalb
(1997). Das Spiel mit Transparenz, Transluzenz und Refle- eines rigiden Systems, einer strengen Schottenbauweise mit
xion ist ihr zentrales architektonisches Ausdrucksmittel, das engen Spannweiten, ordnet sie einfache Raumstrukturen an,
die klaren und präzisen Formen ihrer Bauten noch betont. die als Maisonette flexibel kombiniert werden können und
Auch Sejima verwendet dafür zeitgemäße, industriell gefer- eine Vielfalt von Nutzungs- und Lebensformen ermöglichen.
tigte Materialien, durchschimmernde Kunststoffe und Glas. Die Beziehung zur Umgebung, Transparenz und Reflexion
Die Auflösung der Gebäudehüllen und die Reduktion des stehen beim Möbelgeschäft hhstyle.com in Tokio (2001) im
Tragwerks führen bei ihr zu einem Minimalismus, der gele- Vordergrund. Auf der rückwärtigen Seite des Ladens werden
gentlich konstruktive Gegebenheiten negiert. Das kon- die ausgestellten Design-Stühle – regalartig platziert – zum
sequente Umsetzen räumlicher und ästhetischer Konzepte Teil der Fassade. Als optische Pufferzone bilden sie den
geht dann schon einmal auf Kosten der Haltbarkeit. Sejimas geschichteten Übergang von innen nach außen (S. 74ff).
schlüssige, immer auf strengen Grundrissen aufbauenden
Entwürfe sind so unterschiedlich wie die jeweilige Situation. Shigeru Ban – Experimente mit Konstruktion und Raum
Ihre Häuser schotten sich ebenso radikal ab, wie sie sich Radikale Raumkonzepte, die Thematisierung des Übergangs
vollkommen öffnen: Für die eine Haltung steht das zur Stadt von innen nach außen und ein weitgehend minimalistischer
hin mit Wellblech verkleidete, streng rechteckige M-House Ansatz sind auch kennzeichnend für Shigeru Ban. Was den
(1997), ein introvertiertes Hofhaus in Tokio. Für die andere Querdenker Ban jedoch besonders auszeichnet, ist sein
das beinahe vollverglaste, unregelmäßig geformte Small uneingeschränktes Interesse an neuen Konstruktionen und
House (S. 78ff). Auch Sejimas erstes wichtiges Werk, das Materialien. Während die meisten anderen japanischen
Saishunkan Seiyaku Women‘s Dormitory (1991) für weibliche Architekten seiner Generation die Lösung technischer
Angestellte eines Unternehmens in Kumamoto, verschließt Probleme eher als Mittel zum Zweck sehen, demonstriert Ban
3.23 eine ausgesprochene Freude am konstruktiven Experiment.
Ziel des ruhelosen Forschers ist es, sich und seine Archi-
tektur von Entwurf zu Entwurf konsequent weiter zu ent-
wickeln, nicht umsonst bezeichnet er seine Wohnhäuser als
Case Study Houses. Als typischer Einzelgänger ist Ban in
keinen der in Japan üblichen »Stammbäume« einzusortieren.
Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass er seine Aus-
bildung in den USA absolviert und – außer einem kurzen
Zwischenspiel bei Arata Isozaki – nie bei einem Architekten
in Japan arbeitet. Kurz nachdem Shigeru Ban 1986 aus
Amerika zurückkommt, eröffnet er sein eigenes Büro in Tokio.
Ban hält sich zunächst mit der Gestaltung von Ausstellungen
über Wasser und entdeckt in diesem Zusammenhang
Papprollen, wie sie zum Aufrollen von Stoffbahnen eingesetzt
werden. Erstmals verwendet er diese zu Dekorationszwecken
in der von ihm gestalteten Alvar-Aalto-Ausstellung (1986) in
seiner Heimatstadt Tokio. Dabei erkennt Shigeru Ban schnell
auch die konstruktiven Vorzüge des Materials und setzt es
tragend ein (Abb. 3.21). Den Höhepunkt seiner Papp-
rohrkonstruktionen bildet zweifelsohne, trotz Einschrän-
kungen durch die deutschen Behörden, der Japanische
Pavillon für die Expo 2000 in Hannover, der ihn in Fach-
kreisen schlagartig weltweit ins Rampenlicht rückt. Aus
ähnlichen Papprollen verwirklicht Ban bereits früher auf
eigene Initiative auch Notunterkünfte für Katastrophenopfer in
aller Welt, beispielsweise nach den verheerenden Erdbeben
1995 in Kobe oder 1999 in der Türkei.
Doch wollte man Shigeru Ban auf seine Papprollen-Archi-
tektur reduzieren, würde man ihm nicht gerecht. Sein Inter-
esse am Experiment gilt auch anderen Materialien. Beim
Furniture House (S. 108ff) setzt er ein preiswertes Regal-
system aus dem Baumarkt als Tragwerk und Trennwand ein.

43
3.24

Für ein anderes Haus entwickelt er eine transluzente, wär- Kengo Kuma – Material als Konzept
megedämmte Gebäudehülle aus billigem Verpackungs- Ein weiterer Architekt dieser Generation, Kengo Kuma, zeigt
material, bei wieder einem anderen Wohnhaus nimmt er den ein anderes Verhältnis zum Material als Shigeru Ban oder
Begriff Curtain Wall wörtlich und verwendet einen Kunst- auch Kazuyo Sejima. Da Ban industriell gefertigten Bau-
stoffvorhang als Außenhaut (S. 51ff). Shigeru Ban ist trotz stoffen neue, unkonventionelle Aufgaben zuweist, werden sie
aller Freude an konstruktiven Problemen kein Techniker, er bei ihm Teil des Konzepts. Für Sejima dagegen ist das
verbindet mit seinen Experimenten stets auch innovative Material nur Mittel zum Zweck, das dazu dient, räumliche und
Raumkonzepte. Vorbild hierbei ist ihm nach wie vor Ludwig ästhetische Wirkungen zu erzielen. Deshalb verwendet sie
Mies van der Rohe mit seinem Begriff des fließenden Raums. fast immer die gleichen Baustoffe – dünne Stahlprofile und
Ban, wenn auch als Mensch eher zurückhaltend, ist mit Glas, manchmal auch Acrylglas und Beton. Ganz anders
seinem ungemein vielfältigen Werk die vielleicht schillernste jedoch Kengo Kuma: Bei ihm ist, wenn man so will, das
Figur in der gegenwärtigen Architekturszene Japans. Er ist Material Konzept. Gerade in seinen jüngeren Bauten, die sich
gleichermaßen konstruktiv wie ästhetisch und räumlich- überwiegend auf dem Land befinden, inszeniert Kuma, der
konzeptionell orientiert, setzt ebenso auf auffallende, medien- seit seinem postmodernen M2-Building (1991) eine erstaun-
wirksame Entwürfe, wie er sich sozial engagiert. liche Entwicklung durchgemacht hat, jeweils ein Material:
3.25

44
beim Steinmuseum in Nasu (S. 130ff) den Naturstein, beim
Water/Glass-House in Atami (1995) das Glas, beim Bamboo-
House in Kamakura (2002) den Bambus und bei einem
seiner jüngsten Projekte, dem Plastic-House in Tokio (2002),
den Kunststoff.
Kuma ist der Bezug zum jeweiligen Ort besonders wichtig,
das veranlasst ihn, jedes Gebäude vollkommen anders zu
gestalten. Und für ihn ist das authentische Material mit seiner
Textur, seiner natürlichen Farbigkeit und seiner haptischen
Qualität wichtiger als die Form eines Gebäudes: Die Aus-
strahlung des Materials kann nur schwer mit Bildern erfasst
werden und erhält somit in unserem Medienzeitalter, in dem
beinahe alles mit dem Computer simuliert werden kann,
einen besonderen Stellenwert. Die Lamellen, die er ebenso in
Holz wie in Naturstein oder Kunststoff umsetzt, sind heute
kennzeichnend für seine Architektur geworden. Mit dem 3.26
Museum Hiroshige Ando in Batoh (2000) für einen bekannten Gestalt prägenden Satteldächer – auch für Naito sind formale
japanischen Maler des 19. Jahrhunderts gelingt Kuma eines Aspekte zweitrangig – begründet er zunächst mit kon-
seiner eindrucksvollsten Bauwerke. Der lang gestreckte, mit struktiven Überlegungen. Haltbarkeit ist ihm wichtig, im
einem schlichten Satteldach bekleidete Baukörper ist Gegensatz zu den in Japan heute gängigen Moden möchte
allseitig, innen wie außen, mit Holzlamellen verkleidet. Naito dauerhafte Gebäude mit beständigem Wert schaffen,
Inmitten der baumreichen Umgebung entsteht durch die aber auch Räume, die sich veränderten Verhältnissen
gleichmäßig angeordneten Hölzer die archetypische Form anpassen und damit lange Zeit nutzbar sind. Die Haupt-
eines Hauses. Die Gestalt des umschlossenen Volumens aufgabe der Architektur sieht er im shelter, dem Schutz
innerhalb dieser durchlässigen Hülle ist nicht fassbar, da gegen äußere Einflüsse und Witterung. Naito bildet jedes
sich die Raumgrenzen je nach Lichteinfall und -stimmung Detail sorgfältig aus und gliedert seine schlichten Baukörper
optisch unterschiedlich darstellen, die Zedernholzfassade durch expressive Tragwerke. Sein favorisierter Baustoff ist
wird zum durchlässigen Filter (Abb. 3.25). Auch Kuma fühlt das Holz, aber auch den Umgang mit anderen Materialien
sich der traditionellen Architektur seines Landes verpflichtet, beherrscht er gleichermaßen: Sichtbeton etwa bei dem
mit seinen Lamellen versucht er den Charakter der semi- Wohnhaus in Kanazawa (1996) oder Stahl bei dem Schutz-
transparenten Außenwände der alten Häuser wieder zu dach für Kutani Ceramics (2002) auf Kyushu. Hiroshi Naitos
beleben. herausragendes Werk, das Seafolk Museum (1992), liegt
landschaftlich reizvoll am Ende der Halbinsel Ise, direkt am
Hiroshi Naito – expressionistische Stille Meer. Die klaren, auf rechteckigem Grundriss basierenden
Der strenge, schlichte Baukörper des Museum Hiroshige Baukörper mit den ruhigen Satteldächern strahlen Erha-
Ando mit seinem ruhigen Satteldach erinnert entfernt an benheit aus und wecken Assoziationen an die berühmten,
ältere Museen von Hiroshi Naito. Dieser gehört der gleichen nahe gelegenen Schreine. Nutzung und Inhalt korres-
Generation wie Kuma und Ban an und ist unter den gegen- pondieren – durch das Material Holz am Hauptausstel-
wärtigen Architekten ein Individualist. Im Gegensatz zu lungsgebäude, vor allem aber durch die gebogenen
Kengo Kuma, der in seinen Entwürfen stets ein Gespür für Leimbinder im Inneren, die an den Rumpf eines Schiffes
modische Trends zeigt, geht Naito, unbeeinflusst von allen erinnern (Abb. 3.24, 3.26). Das Prinzip des gliedernden
Moden, seit Jahren unbeirrt seinen eigenen Weg. Der ruhige, Tragwerks findet sich auch bei Naitos Minihaus in Tokio
aber sehr selbstbewusste Architekt sagt von sich, dass er (1997). Bei dem Makino Museum in Kochi (1999) steht die
kein Star sein möchte, und bezeichnet seine Entwürfe als harmonische Einfügung in die geschützte Landschaft im
silent architecture – stille Architektur. Mit seinen Bauwerken Vordergrund. Naito gibt das Prinzip des schlichten Bau-
will er ganz bewusst einen Widerpart zu den heute in Japan körpers auf und entwirft ein organisches Gebilde, das die
üblichen lauten, schreienden Gebäuden bilden. Seine sanften Konturen der bewaldeten Hügel aufnimmt (S. 58ff).

45
3.27
46
Kleine Häuser – große Konzepte

Kleine Häuser sind traditionell ein wichtiges Thema in Japan.


Noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts bestand eine
Großstadt wie Tokio beinahe ausschließlich aus schmalen
Holzbauten mit einer überwiegend offenen Grundrissstruktur,
Papierschiebewänden und Reisstrohmatten (Tatami) als
Bodenbelag – und noch heute lebt knapp die Hälfte der
Bevölkerung in den dicht besiedelten Ballungszentren in eng
stehenden Einfamilienhäusern. Der Geschosswohnungsbau
konnte sich, trotz einiger vielversprechender Ansätze wie den
Wohnanlagen Riken Yamamotos, nie richtig durchsetzen. So
bleibt der Entwurf von Minihäusern für die Architekten
Japans, vor allem nach dem Ende der Bubble Economy, eine
wesentliche Aufgabe.
Eine ungezwungene Freude am Experiment mit innovativen
Grundrisslösungen und Wohnkonzepten und die gegenüber
Europa verschiedenen kulturellen und klimatischen Ver-
hältnisse führen oftmals zu frappierenden Lösungen, die
auch für uns inspirierend sein können. Darüber hinaus eignet
sich das Einfamilienhaus mit seinem stets ähnlichen Raum-
programm und seiner überschaubaren Größe besonders
dazu, die unterschiedlichen Haltungen der einzelnen Archi-
tekten zu vergleichen, und bietet die Möglichkeit, Unter-
schiede zum Westen zu thematisieren. Die beiden letzteren
Aspekte werden hier behandelt. Die vorgestellten Projekte
sind, wie der Umgang mit Konstruktion, Material und der
Beziehung zum Umfeld deutlich macht, von der eigenen
Tradition ebenso beeinflusst, wie sie auf unterschiedlichste
Weise die Auseinandersetzung mit der internationalen sowie
der zeitgenössischen japanischen Architektur suchen.
Gerade dieser spannungsreiche Dialog zwischen westlichen 3.28
und fernöstlichen Ideen macht die Bauaufgabe zu einem
faszinierenden Thema.
Widersprüchliche Tendenzen prägen die Entwicklung des
modernen japanischen Hauses seit Mitte des letzten Jahr-
hunderts: zum einen die Kultivierung des Wohnens, der
Rückzug ins Private, zum anderen die graduelle bis radikale
Öffnung zur Stadt. Außerdem hat sich der Schwerpunkt von
der Beschäftigung mit der Moderne und der Neuinterpre-
tation der eigenen Tradition zur Auseinandersetzung mit
Stadt und Gesellschaft im Informationszeitalter verlagert. Alle
diese Ansätze durchziehen jedoch die Architektur des 20.
und auch des beginnenden 21. Jahrhunderts, was beson-
ders in den Wohnhausprojekten zum Ausdruck kommt. Beim
Betrachten der folgenden Beispiele fällt auf, dass nicht
immer der reine Wohnwert im Vordergrund steht. Manchmal
geht die Experimentierfreude – das Ausloten von Grenzen – 3.29
so weit, dass der praktische Nutzwert der Häuser ein-
geschränkt oder aber den Bewohnern ein bestimmter
Lebensstil auferlegt wird. Das trifft etwa auf einige der Bauten
von Kazuyo Sejima, Shigeru Ban oder FOBA zu. Doch
gerade die Beschäftigung mit diesen Häusern führt dazu,
überlieferte Positionen zu hinterfragen und über unkon-
ventionelle Wege nachzudenken. Bei einigen der Beispiele
handelt es sich um Wochenendhäuser mit einem von vorn-
herein anderen Ansatz der Nutzung.

Das Wohnhaus als Kunstwerk


Kunio Maekawa, der von 1928 an zwei Jahre bei Le Cor-
busier in Paris gearbeitet hatte, versucht bei seinem eigenen
Haus (1942), dessen Prinzipien der freien Fassade und des
freien Grundrisses mit traditionellen Elementen zu verbinden.

47
Der großzügige, lichtdurchflutete Wohnraum (Abb. 3.30) ist
mit den weiß verputzten Wandflächen und den europäischen
Möbeln Sinnbild moderner Lebensweise, das Licht- und
Schattenspiel der transluzenten Schiebeelemente wirkt
dagegen sehr japanisch. Diese spannungsvolle Gegensätz-
lichkeit durchzieht das ganze Projekt, wobei letztlich die
westlichen Stilelemente in die japanische Architektur inte-
griert werden.
Während bei Maekawa die Symbiose beider Richtungen
im Vordergrund steht, abstrahiert Kazuo Shinohara bei
seinem House in White (1966) den Charakter japanischer
Architektur und interpretiert ihn in einer modernen For-
mensprache. Er zitiert in dem großen, zweigeschossigen
Wohn- und Essbereich mit den Holzschiebefenstern und
der im Raum stehenden Stütze aus einem Zedernstamm
3.30 traditionelle Elemente und macht sie damit zu isolierten
Symbolen (Abb. 3.31). Shinohara baut in der Folgezeit vor
allem Häuser, die sich gegenüber ihrem Umfeld abschotten,
und setzt sich zunehmend theoretisch mit dem Wohnhaus
auseinander. Der weiße, leere Raum, der dem House in
White seinen Namen gab, wird auch für seine späteren
Wohnbauten charakteristisch.
Shinohara löst sich in der Folgezeit zunehmend vom tra-
ditionellen Formenrepertoire und entwirft immer abstraktere
Kompositionen. Mit seinem eigenen Haus in Yokohama
(1984) erklärt er das Wohnhaus schließlich zum Kunstwerk.
Es ist ein Fantasiegebilde, eine Collage unterschiedlicher
Formen und Materialien, die jeden Bezug sowohl zu zeit-
genössischer als auch konventioneller Architektur verneint
(Abb. 3.28). Der klar gegliederte Innenraum nimmt dem
Formenspiel einiges von seiner Unruhe, durch einge-
3.31 schnittene Öffnungen ergeben sich gerahmte Ausblicke in
die umgebende Hügellandschaft. Diese Öffnungen, die
Bildausschnitten gleichen, lassen Shinoharas ungebrochene
Affinität zur japanischen Tradition spürbar werden. Spä-
testens hier zeichnet sich ab, dass die Auseinandersetzung
mit dem Raum zunehmend zur Entwicklung reiner Innen-
welten führt.

In den Häusern Hiroshi Haras ist die Gestaltung solch


autarker Mikrokosmen beinahe wörtlich umgesetzt. Die
Qualitäten, die er in der realen Stadt vermisst, erzeugt Hara
im Inneren, das chaotische Umfeld wird ausgeblendet. In
seinem eigenen Wohnhaus in Machida, Tokio (1974), bildet
er städtische Strukturen nach (Abb. 3.29). Straße, Platz und
gliedernde Fassade werden zu Metaphern. Eine in der
Mittelachse des Hauses liegende »Straße« ist von streng
symmetrisch angeordneten Räumen flankiert, die sich als
abstrahierte Gebäudesilhouetten abzeichnen. Sowohl
Shinohara als auch Hara antworten letztlich auf die Frage
nach zeitgemäßen Wohnformen mit Kunstobjekten, welche
die Wohnfunktion mehr oder weniger negieren – sie lösen
sich von der allgemeinen Diskussion und schaffen sich
dadurch den Freiraum, Alternativen zu formulieren.

Toyo Itos erstes bedeutendes Projekt, das Wohnhaus für


seine Schwester in Nakano, Tokio (1975), ist von dieser Hal-
tung beeinflusst. Das White U liegt in Sichtweite der Hoch-
häuser von Shinjuku, einem der Geschäftszentren der
Metropole. Um dem Wunsch der verwitweten Schwester
nach einem meditativen, geschützten Rückzugsbereich zu
entsprechen, entwirft Ito ein abgeschirmtes Haus, das der
3.32 Stadt förmlich den Rücken zukehrt (Abb. 3.34, 3.35). Der

48
tunnelartige Raum des u-förmigen Gebäudes ähnelt durch
die weiß verputzten Wände und die gelegentlich eingeschnit-
tenen Öffnungen einem klösterlichen Wandelgang. Im Gegen-
satz zu den Kompositionen eines Hiroshi Hara oder auch
Tadao Ando ist der Raum bei Ito richtungslos, seine Konturen
lösen sich auf, sind nicht fassbar. Der derart konsequente
Ausschluss der Stadt, die Konzentration auf die Beziehung
zwischen Mensch und Architektur bleibt jedoch in Itos Werk
einmalig. Seine eigentlichen Themen, der sich wandelnde
Raum und der differenzierte Übergang von außen nach innen,
gewinnen in den folgenden Projekten an Bedeutung.
Bei seinem eigenen Wohnhaus, Silver Hut (1984), das in
unmittelbarer Nachbarschaft zum inzwischen abgerissenen
White U steht, ist die Trennung zwischen innen und außen
aufgehoben (Abb. 3. 3.36). Das Haus ist aus einzelnen,
jeweils von einer Bogenkonstruktion überspannten Räumen
zusammengesetzt, die nur soweit erforderlich voneinander
abgetrennt sind. Perforierte Bleche und Gitterstrukturen
ersetzen massive Wände. Der Charakter des Vergänglichen
und nicht Fassbaren, den Ito in Aufsätzen wie »Blurring
Architecture« formuliert, verschwindet jedoch zusehends
aus seinen Projekten.

Sinnlicher Beton
Eine klare Gestaltung und zunehmend perfekte Details
zeichnen Itos jüngere Bauten aus. So erscheint sein Haus in
Setagaya, Tokio (1999), – zweifellos eines der schönsten
Einfamilienhäuser der letzten Jahre in Japan – im Vergleich
zu den beiden oben erwähnten Beispielen eher undog-
matisch. Es ist ein gut gestaltetes, praktisches Haus, das den
Bewohnern die nötige Freiheit in der Nutzung lässt und das
im Gegensatz zu so manch anderem Wohnhaus mit edlem
Design die persönlichen Einrichtungsgegenstände und den
Hausrat seiner Bewohner verträgt. Der offene Hof, den Ito
sowohl beim White U als auch bei Silver Hut vorsah, wird bei
dem schmalen Gebäude aus Sichtbeton und mattem Glas
zur zentralen Eingangshalle. Links und rechts davon befin-
den sich auf zwei Geschossen die Individual- bzw. Arbeits-
räume. Auf der oberen Ebene ermöglichen Schiebetüren aus
3.33 Acrylstegplatten wandelbare Raumfolgen und den Blick über
die ganze Etage (Abb. 3.38). Wer will, kann das als Umset-
zung traditioneller Wohnformen in moderne Materialien
interpretieren.
Von gleicher Qualität, aber mit einem vollkommen anderen
Konzept zeigt sich Tadao Andos sorgfältig detailliertes
Nomi-Haus (1996) in Osaka. Wo bei Itos Haus in Setagaya
gezielt platzierte Öffnungen und eine großflächige, trans-
luzente Verglasung der Straßenseite dosierte Bezüge zur
Außenwelt herstellen, schottet sich dieses Gebäude durch
hohe Betonwände rigoros ab. Nur eine einzige schlichte Tür
stellt die Verbindung zur Umgebung her. Im Inneren öffnet
sich eine Folge von Höfen und Räumen, wobei jedes Zimmer
nur über eine Außenfläche erreicht werden kann (Abb. 3.41,
3.42). Die einfach wirkende, sehr eigenwillige Konzeption
geht, was die Wegeführung über Höfe und Treppen betrifft,
über die Erfüllung rein funktionaler Erfordernisse hinaus. Sie
zielt auf räumliche Vielfältigkeit und das Verwischen der
Grenze von außen und innen ab, soll aber auch der redu-
zierten Naturerfahrung in der Stadt entgegenwirken. Das
direkte Erleben von Wind, Sonne und Regen, manchmal
auch Schnee sowie der Wechsel der Jahreszeiten schreiben
den Bewohnern einen ganz eigenen Lebensstil vor.
Ando inszeniert gewissermaßen den Kontrast zwischen den

49
kargen Sichtbetonwänden und der reduzierten Begrünung
der Höfe, um die sinnliche Wirkung beider Elemente zu
erhöhen. Ähnliche Ansätze finden sich in beinahe allen
seinen Wohnhäusern. Ando selbst sieht das zweigeschos-
sige Reihenhaus Azuma (1976) als eigentlichen Ausgangs-
punkt für sein Werk (Abb. 3.40). Bei dem in Osaka gelegenen
Wohnhaus ist der schmale Grundriss von einem Innenhof
durchbrochen, der die Treppe aufnimmt. Bei Sonnenschein
wird er durch das einfallende Licht förmlich in Szene gesetzt.
Diese Wirkung steigert Ando im Haus Koshino (1984).
Sowohl im Atelier als auch im zweigeschossigen Wohn-
bereich des Einfamilienhauses erzeugt er auf den glatten
Betonwänden durch schmale Oberlichtbänder ein stim-
3.34
mungsvolles Spiel mit Licht und Schatten. An der gewellten
Wand des Ateliers ist dieser Effekt besonders eindrucksvoll,
die Betonoberfläche wird durch das einfallende Licht ihrer
Massivität beraubt.

Die Öffnung zur Stadt


Im Gegensatz zu der distanzierten Haltung der Häuser von
Ando öffnen sich die Wohnbauten heute zunehmend zur
Stadt, wie es Projekte von Shigeru Ban, Kazuyo Sejima
oder FOBA verdeutlichen. Auf immer kleiner werdenden
Grundstücken wachsen die Gebäude in die Höhe. Sie sind
in ihrer Ausstattung minimiert – das urbane Umfeld wird
zunehmend als Versorgungseinrichtung genutzt.
Die Architektin Kazuyo Sejima thematisiert mit dem Small
House in Tokio (2000) die Zwänge eines kleinen Rest-
grundstücks. Im Unterschied zu früheren Projekten wie dem
M-House, das sich mit seinen geschlossenen Fassaden
gegenüber dem Außenraum verschließt, wird die Beziehung
3.35 zwischen Wohnen und Stadt durch die transparente Fassade
unmittelbar (S. 78ff). Die eigenwillige Form des Gebäudes
entsteht aus den vorgeschriebenen Abstandsflächen. Sejima
macht den in der dichten Metropole vorhandenen Nega-
tivraum sichtbar. Die minimierte Grundfläche verlangt von
den Bewohnern einiges an Improvisation, eine Haltung,
welche die Architektin bereits bei Projekten wie Platform
(1988) und Platform II (1990), die deutliche Bezüge zu
Itos eigenem Wohnhaus erkennen lassen, formuliert hat
(Abb. 3.37) Sejimas Projekte verbindet der provisorische
Charakter des Raums, der ganz gebautes Konzept bleibt.
Doch die ungewöhnliche Form von Minihäusern wie dem
Small House ist nicht neu. Bereits in den 60er-Jahren, etwa
zeitgleich mit Shinoharas House in White, realisierte Taka-
mitsu Azuma ein Gebäude, das durchaus als Vorgänger
bezeichnet werden kann: Sein eigenes Wohnhaus (1966) in
3.36 einer nur 20 m2 großen Baulücke in Shibuya, einem der
Einkaufs- und Geschäftszentren Tokios, errichtet er als
sechsgeschossigen Turm, dessen eigenwillige Silhouetten,
wie bei Sejima, aus den Abstandsflächen resultieren (Abb.
3.39). Das Gebäude aus rohem Stahlbeton, in dem sich die
einzelnen Räume übereinander drängen, ist lebendiger
Kontrapunkt in einem indifferenten Umfeld. In den Baukörper
geschnittene Öffnungen reagieren auf das Chaos der Stadt
mit offensichtlichem Interesse und transportieren in Beton
gerahmte Bilder in den Raum. Gegenüber der kraftvoll
skulpturalen Architektur Azumas wirkt Sejimas Minimalismus
beinahe fragil, doch beide Ansätze stehen mit ihrer For-
mensprache jeweils für ihre Zeit.
Noch einen Schritt weiter als Kazuyo Sejima geht Shigeru
Ban mit dem Curtain Wall House in Tokio (1995): Während
Sejimas Small House durch die transparente Fassade einen
3.37
50
räumlichen Abschluss erhält, verwendet Ban lediglich einen
die beiden Wohnebenen verhüllenden weißen Vorhang. Die
Wohnbereiche liegen offen zur Straße, nur die Schlafzimmer
im zurückgesetzten zweiten Obergeschoss sind durch
Wände geschützt. Der physische Kontakt mit dem Umfeld
trägt das Wohnen in den städtischen Raum (Abb. 3.44). Der
Effekt ist umso drastischer, da es sich um ein exponiertes
Eckgrundstück handelt, das von zwei Seiten einsehbar ist.
Ban verzichtet bei dem eingeschossigen Wall-less House,
einem Wochenendhaus in Nagano (1997), schließlich völlig
auf räumliche Gliederung und Fassade. An den Hang
gelehnt, wölbt sich der Boden zur Rück- und Stützwand auf
und wird Träger des den Grundriss überspannenden Flach-
dachs. Die Wohnebene ist nur durch eine Küchenzeile
mit integriertem Sitzplatz, ein frei stehendes WC und eine
3.38 Badewanne nebst flachem Sideboard möbliert (Abb. 3.43).

Die Stadt als Wohnung


Repräsentieren die bisher vorgestellten Wohngebäude auch
noch so eigenwillige Konzepte, so geht doch keiner ihrer
Architekten so weit, die Funktionen des Hauses an sich zu
hinterfragen. Mit dem Aura-Haus in Tokio (1996) wagen die
Entwerfer von FOBA schließlich diesen Schritt: Auf einem
jener typischen, tiefen und schmalen Grundstücke der
zentralen Tokioer Wohnviertel gelegen, berauben sie den
Raum jeglicher vorgegebener Nutzung (Abb. 1.2). Wo Ban
die physische Trennung von Privatem und Öffentlichem
aufhebt, lösen sie die funktionale Grenze zwischen Haus und
Stadt auf. Den Sichtbetonriegel überzieht eine transluzente
Membran, einziger Abschluss nach außen. Mit der Hülle ist
gleichzeitig das Innere beschrieben: keine Einbauten, keine
trennenden Wände, nur Betonoberflächen – eine umhüllte
Leere, die durch die Membran in indirekten Kontakt mit der
Außenwelt tritt. Die Stadt ist es, in der das Wohnen stattfindet:
Man isst im Restaurant, wäscht sich im öffentlichen Bad,
kauft im multifunktionalen, 24 Stunden geöffneten Con-
venience-Store ein, verbringt seine Freizeit im Kino oder der
Karaoke-Bar. Wohnen im traditionellen Sinne existiert nicht
mehr, das Privatleben wird öffentlich.

Der universale Raum


Mit ihrem Wohnhaus Pleats verfolgt FOBA einen anderen
Ansatz. Während beim Aura-Haus Wohn- und Stadtraum
verschmelzen, wird hier mit den Grenzen im Inneren des
Hauses gespielt, der Schwerpunkt der Diskussion um die
Wohnform ist auf den Grundriss verschoben (S. 86ff). Die
räumliche Schichtung japanischer Wohnhäuser nach dem
oku-Prinzip – von außen nach innen, mit Zonen zunehmender
Privatheit – ist hier umgekehrt. Mit dieser Umkehrung löst
FOBA die Differenzierung zwischen Öffentlichem und
Privatem auf, Wohnen wird als Experiment begriffen.
Auch Jun Tamaki beschäftigt sich mit den Grenzen zwischen
privatem und öffentlichem Raum. Seine Architektur entsteht
jedoch aus einer völlig anderen Idee als das Pleats-Projekt
von FOBA. Abstrakte Kuben im äußeren Erscheinungsbild,
höhlt er seine Häuser wie ein Stück Tofu von innen her aus.
Aus dem positiven entsteht das negative Volumen – die
Räume. In der verbleibenden »Masse« verschwindet die
Konstruktion, der damit jegliche strukturelle Bedeutung
aberkannt wird. Sowohl beim Haus Pleats als auch bei den
Projekten von Tamaki steht das Thema des zentralen Raums
im Vordergrund: Während FOBA die verbleibenden Neben-
zonen (Küche, Bad etc.) durch die Fassade nach außen

51
drückt, verschwinden sie bei Tamaki zwischen Wohnraum
und Außenhaut. Beim eingeschossigen Tofu-Haus in Kioto,
das er 1997 für ein älteres Ehepaar realisiert, wird der
zentrale Raum multifunktional als Empfangs-, Wohn-,
Essplatz und auch als Schlafzimmer genutzt, er ist nicht
nur geometrischer, sondern auch inhaltlicher Mittelpunkt
(S. 110ff). Beim Haus Hakama in Kioto (1998) unterscheidet
Tamaki dagegen eindeutiger zwischen Wohnraum und
privaten Zimmern. Alle Individualräume sind zum zwei-
geschossigen Zentrum geöffnet, das sich völlig durch
Vorhänge abgrenzen lässt. Seine Funktion ist jedoch nicht
von vornherein eindeutig festgelegt, sondern wird erst durch
die individuelle Belegung der Bewohner definiert (Abb. 3.45).
Die angrenzenden Privaträume sind nur durch den Vorhang
abgetrennt, völliger Rückzug ist nicht möglich. Tamakis
3.39 3.40 Häuser bieten überraschende Vorschläge, die auch für uns
inspirierend sein können. Die Frage nach zeitgemäßen
Wohnformen ist schließlich nicht nur in Japan aktuell.
Yoshiharu Tsukamoto und Momoyo Kaijima, die ihr Archi-
tekturbüro Atelier Bow-Wow nennen, entwickeln eine weitere
Variante des offenen Gemeinschaftsraums, der alle Funk-
tionen miteinander verbindet. In ihrem Wochenendhaus
Asama (2000) fehlen Türen und Wände. Wo Tamaki mit
Vorhängen und in Nischen versteckten Schiebetüren arbeitet,
nutzen Tsukamoto und Kaijima Wandscheiben unter dem
Dach, um den großen Raum zu zonieren (S. 94ff). Je nach
Sonnenstand akzentuiert das durch die Dachfenster ein-
fallende Licht die raffinierte Gliederung des Großraums. Mit
der sachlichen Architektur, den klaren Details und den
warmen Tönen der Oberflächen gestalten sie einen unge-
wöhnlichen und dennoch zurückhaltenden Innenraum.
Sowohl bei Tamaki als auch bei Bow-Wow verdeutlichen
die Öffnungen, die eine ähnliche Wirkung wie die geöffneten
Schiebeelemente bei traditionellen Bauten haben, dass der
Bezug nach außen ein wichtiges Thema ist.

Raumgestaltung durch Konstruktion


Eine intelligente Übersetzung japanischer Wohnformen in
eine moderne Holzkonstruktion gelingt Go Yoshimoto bei
dem Wohnhaus mit integriertem Atelier für eine Künstlerin
und ihre zwei erwachsenen Kinder in Kobe (1993). Hier prägt
vor allem das Tragwerk aus rötlichem Holz den lang gezo-
genen, zweigeschossigen Innenraum (S. 98ff). Der Ausbau
ist so schlicht wie möglich gehalten, so dass Rhythmus und
Ausdruckskraft der Konstruktion sich ganz entfalten können.
Der Architekt selbst bezeichnet das Haus in Anspielung auf
den rohen Charme nordamerikanischer Scheunen als barn.
Verstärkt wird die räumliche Wirkung durch den leichten
Knick im Grundriss, der den Blick auf die Holzrahmen lenkt.
Yoshimoto reduziert in seinem eigenwilligen Haus die
Architektur auf ihre Grundelemente: Funktion, Konstruktion
und Raum. Durch die Wahl einfacher Formen, natürlicher
Baumaterialien und einen offenen Grundriss gelingt es ihm
wie selbstverständlich, den Geist der Tradition in einem an
sich sehr modernen Gebäude spürbar werden zu lassen.
Von ganz anderer Art und doch ähnlich ist das Haus in
Setagaya, Tokio (1997), von Hiroshi Naito, der wie Yoshimoto
3.41 eine Vorliebe für den Baustoff Holz hegt. Von außen betrach-
tet stellt der schmale Baukörper mit dem steilen Pultdach
zunächst eine originelle Lösung dar für ein zeitgemäßes
Minihaus auf einem extrem engen Grundstück. Im Inneren
wird der über die Stirnseiten belichtete Raum auf drei Etagen
ganz von der regelmäßigen Struktur des offenen Tragwerks

52
bestimmt. Während bei Yoshimoto die lockere, zwanglose
Architektur fasziniert, besticht hier gerade die strenge
Regelmäßigkeit der Konstruktion aus Kiefernschichtholz
(S. 104ff), die durch das einfallende Licht zusätzlich betont
wird und in die geschickt auch Ausbauelemente wie Regal-
böden integriert sind. Ähnlich wie bei Itos Haus in Setagaya
entwerfen Yoshimoto und Naito nach innen gewandte
Wohnhäuser, die zwar subtil mit ihrem Umfeld verbunden
sind, primär aber auf sich bezogen bleiben.

Expressionismus mit Holz


In einer vollkommen anderen Umgebung – einem ruhigen
Waldgrundstück – befindet sich Hitoshi Abes Gästehaus in
Miyagi (1997), das alternativ auch als Einfamilienhaus
genutzt werden kann. Abes raffiniertes Konzept führt zu
einem spannungsvollen, expressiven Innenraum, der durch
das einfallende Licht der hoch sitzenden Öffnungen akzen-
tuiert wird. Auch bei diesem Gebäude ist die Wirkung des
Holzes prägend; sie wird durch das weiß verputzte Geländer
der nach oben führenden Treppe zusätzlich betont. Die
Konstruktion bleibt hier aber nicht sichtbar, sondern ist durch
eine horizontale Schalung verkleidet (Abb. 3.32, 3.33).

Eine pragmatische Moderne


Weniger von dogmatischen Konzepten als von Pragmatismus
geprägt ist die Haltung von Waro Kishi, der vor allem für
seine zahlreichen Einfamilienhäuser in der Kansai-Region
bekannt wurde: Häuser, die sich durch ihre zeitlos moderne
Gestaltung, ihre Funktionalität sowie eine bewusste Inte-
gration in ihre Umgebung auszeichnen und die ihren Charme
durch die Nutzung entwickeln. Das gilt auch für das Wohn-
3.42 haus in Suzaku bei Nara (1998), das aus zwei um einen Hof
organisierten Wohnriegeln besteht (S. 118ff). Die Anordnung
der Baukörper und die Wegeführung, die den Komplex aus
vielfältigen Blickwinkeln erlebbar machen, gepaart mit den
glatten Oberflächen aus Sichtbeton und Holz, formulieren ein
angenehmes Wohnumfeld. Das luxuriös ausgestattete,
westliche Wohnzimmer steht unbekümmert neben dem
traditionellen Tatami-Raum. Es ist ein Haus, das in seiner
Haltung weit von den konzeptionell orientierten, fragilen
Gebilden einer Kazuyo Sejima entfernt ist.
Zu Kishis bekanntesten Werken zählt das Haus in Nip-
ponbashi (1992) – ein Vorläufer heutiger Minihäuser. Das
schmale, mehrgeschossige Gebäude im Zentrum von
Osaka besteht aus einer präzise detaillierten Rahmen-
konstruktion, einem Regal aus Glas und Stahl (Abb. 3.27).
Auf die schlichte Ausstattung der niedrigen unteren Etagen
folgt die 6 m hohe Ess- und Wohnebene, die zwei Drittel der
Gebäudetiefe einnimmt. Dahinter liegt eine Dachterrasse, mit
der Kishi an die von Le Corbusier propagierte Idee des
Dachgartens anknüpft. Auch wenn Kishi selbst Bezüge zur
Tradition in seiner Architektur verneint, zeigen sie sich doch
in der Raumauffassung und Tektonik.

Ost und West – ein spannungsreiches Nebeneinander


Wie im Haus in Suzaku von Waro Kishi finden sich klassische
Tatami-Zimmer in zahlreichen modernen Wohnhäusern,
oftmals für die Teezeremonie. Im Fernen Osten, wo Material
und Symbol mehr Bedeutung haben als die Dogmen der
westlichen Moderne, sehen auch führende Architekten
keinen Widerspruch darin, traditionelle Räume in zeitgemäße
Häuser zu integrieren. Toshihito Yokouchi fügt sie nicht nur
ein, sondern stellt die beiden unterschiedlichen Lebens-

53
weisen einander gegenüber, indem er in seinem Haus in
Hokusetsu (2001) westliche und östliche Räume über-
einander stapelt (S. 122ff). Auch in der Konstruktion thema-
tisiert Yokouchi diese Gegensätzlichkeit: Auf die gedämmte
Stahlbetonkonstruktion des Erdgeschosses ist ein konven-
tioneller Holzständerbau gestellt – das Gebäude als Sinnbild
3.43 für den Dialog zwischen Ost und West. Beide Bereiche sind
voneinander nicht unbeeinflusst geblieben, aber gerade
dadurch erhält diese Architektur ihren ganz eigenen Charme.
Vielleicht ist es letztlich auch das, was uns an den japa-
nischen Häusern so fasziniert: Das Nebeneinander von
traditionellem und modernem Wohnen. Die Selbstverständ-
lichkeit, mit der beides akzeptiert wird, spiegelt letztlich den
Zustand der japanischen Gesellschaft – die Koexistenz von
Zeitgeist und Tradition.

Literatur:
1 Binder, Hans,
Japans junge Wölfe«, Junge Avantgarde,
db – deutsche bauzeitung 12, Stuttgart 1991, S. 54-61
2 Bognar, Botond,
Die neue japanische Architektur, Stuttgart/Berlin/Köln 1991
3 Buntrock, Dana,
Japanese Architecture as a Collaborative Process,
London/New York 2002
4 Dal Co, Francesco
Tadao Ando – Complete Works, London 1995
5 Dimensions of the Urban House,
JA, The Japan Architect 34, Tokio 1999
6 Ernst & Sohn (Hrsg.), Kazuo Shinihara, Berlin 1994
7 Feldmeyer, Gerhard G., Die Kraft des Widersprüchlichen, Bauwelt 21,
Berlin 1988, S. 856–872
3.44 8 Feustel Marc; Schneider, Ulrich
Toyo Ito – Blurring Architecture, Aachen 1999
9 Fletcher, Banister, A history of architecture, London 1996
10 Frampton, Kenneth, Die Architektur der Moderne. Eine kritische
Baugeschichte, Stuttgart 1997
11 Gabriel, Andreas, »Ich versuche immer, etwas Neues zu tun« –
Shigeru Ban über das Experiment,
Detail 8, München 2001, S. 1448-1450
12 Gleiter, Jörg H.,
Moderne und Tradition, Bauwelt 42/43, Berlin 1995, S. 2461-2467
13 Institut francais d´architecture, Itsuko Hasegawa,
Basel/Boston/Berlin 1997
14 Japon«, L´architecture d´aujourd´hui 338, Paris 2002
15 Kira, Moriko; Terada, Mariko (Hrsg.)
Japan. Towards Total scape, Ausstellungskatalog NAI, Rotterdam 2000
16 Kishi, Waro, 2G 19, Barcelona 2001
17 Klauser, Wilhelm; Yamamoto, Riken,
Riken Yamamoto, Basel/Boston/Berlin 1999
18 Klotz, Heinrich, Vision der Moderne – Das Prinzip Konstruktion,
München 1986
19 Knabe, Christopher; Noennig, Joerg Rainer (Hrsg.)
Shaking the Foundations, Japanese Architects in Dialogue
München/London/New York 1999
20 Kurokawa, Kisho, From Metabolism to Symbiosis, London 1992
21 Laurence King Publishing,
Shigeru Ban, New York 2001
22 Meyhöfer, Dirk (Hrsg.),
Contemporary Japanese Architects, Köln 1993
23 Montagnana, Francesco, Architectural Guide Japan
Basel/ Boston/ Berlin 1997
24 Naito, Hiroshi, Gedanken zum geneigten Dach,
Detail 5, München 1999, S. 784-785
25 Rössler, Hannes (Hrsg.),
Minihäuser in Japan, Salzburg 2000
26 Schaarschmid-Richter, Irmtraud, Toyo Ito, Weinheim 1995
27 Schittich, Christian (Hrsg.),
Einfamilienhäuser, München/Basel/Boston/Berlin 2000
28 Schittich, Christian (Hrsg.),
Gebäudehüllen, München/Basel/Boston/Berlin 2001
29 Schittich, Christian, Hiroshi Naito: Silent Architecture,
Shinkenchiku 12, Tokio 1997

54
30 Schittich, Christian, Holzbau in Japan – Tradition und Gegenwart,
Detail 1, München 1997, S. 4–7
31 Schittich, Christian,
Tadao Andos Museen – Ein Interview,
Detail 2, München 1997, S. 137-140
32 Schittich, Christian, Von der Bedeutung des Materials:
Ein Gespräch mit Kengo Kuma,
Detail 7/8, München 2002, S. 892-897
33 Shigeru Ban, JA,
The Japan Architect 30, Tokio 1998
34 Speidel Manfred, Japanische Architektur,
Geschichte und Gegenwart, Düsseldorf 1983
35 Stewart, David B., The Making of a Modern Japanese Architecture
Tokio/New York 1987
36 Tadao Ando/Inside Outside
a + u, Architecture and Urbanism 378, Tokio 2002
37 Taut, Bruno; Speidel, Manfred,
Das japanische Haus und sein Leben, Berlin 1997
38 »The House«, a + u, Architecture and Urbanism 361, Tokio 2000
39 Toyo Ito, 2G, Nr. 2, Barcelona 1997
40 Watanabe, Hiroshi,
Waro Kishi – Buildings and Projects, Stuttgart/London 2000
42 Watanabe, Hiroshi, The Architecture of Tokyo, Stuttgart-Fellbach 2001
42 Wiegelmann, Andrea,
Die Mediothek in Sendai – ein Gespräch mit Toyo Ito
Detail 7, München 2001, S. 1202-1212

Abbildungen:
3.1 Chikatsu Asuka Museum bei Osaka, Tadao Ando 1994
3.2 Cluster in the Sky, Skizze, Arata Isozaki 1962
3.3 Sky House, Tokio, Kiyonori Kikutake 1958
3.4 Gedächtnismuseum des Friedenszentrums von Hiroshima,
Kenzo Tange 1956
3.5 Sporthallen für die Olympiade, Tokio, Kenzo Tange 1964
3.6 Nagakin Capsule Tower, Tokio, Systemzeichnung einer Wohnkapsel
Kisho Kurokawa 1962
3.7 Nagakin Capsule Tower, Tokio, Kisho Kurokawa 1962
3.8 Haus mit 54 Fenstern«, Tokio, Kazuhiro Ishii 1975
3.9 Yamato International Building, Tokio, Hiroshi Hara 1986
3.45
3.10 Sumida Culture Factory, Tokio, Itsuko Hasegawa 1994
3.11 Tokyo Metropolitan Gymnasium, Fumihiko Maki 1990
3.12 Aoyama Technical College, Tokio, Makato Sei Watanabe 1990
3.13 M2-Building, Tokio, Kengo Kuma 1991
3.14 Ark, Zahnklinik in Kioto, Shin Takamatsu 1983
3.15 Hillside Terrace, Tokio, Perspektive der Gesamtanlage,
Fumihiko Maki 1969–1992
3.16 Kyoto Concert Hall, Skizze, Arata Isozaki 1995
3.17 Wohnanlage Hotakubo, Kumamoto, Riken Yamamoto 1991
3.18 Schulerweiterung, Tokio, Yoshio Taniguchi 2002
3.19 Naoshima Art Museum, Lageplan,
Tadao Ando 1992, Erweiterung 1995
3.20 Kapelle in Ibaraki, Innenraum, Tadao Ando 1989
3.21 Miyake Design Studio Gallery,Tokio, Shigeru Ban 1994
3.22 Altenheim in Yatsushiro, Toyo Ito 1994
3.23 Wohnanlage in Gifu, Fassadenausschnitt,
Kazuyo Sejima 1998
3.24 Seafolk Museum auf der Halbinsel Ise, Ansicht,
Hiroshi Naito 1992
3.25 Museum Hiroshige Ando, Batoh, Kengo Kuma 2000
3.26 Seafolk Museum auf der Halbinsel Ise, Hiroshi Naito 1992
3.27 Haus in Nipponbashi, Osaka, Waro Kishi 1992
3.28 Shinohara-Haus, Yokohama, Innenraum,
Kazuo Shinohara 1984
3.29 Hara-Haus, Tokio, »innere Straße«, Hiroshi Hara 1974
3.30 Maekawa Haus, Kunio Maekawa, 1942
3.31 House in White, Tokio, Wohnraum, Kazuo Shinohara 1966
3.32 Gästehaus in Miyagi, Grundriss, Hitoshi Abe 1997
3.33 Gästehaus in Miyagi, Wohnraum, Hitoshi Abe 1997
3.34 White U, Tokio, Grundriss, Toyo Ito 1975
3.35 White U, Tokio, Innenraum, Toyo Ito 1975
3.36 Silver Hut, Tokio, Toyo Ito 1984
3.37 Platform II am Mount Yatsugatake, Kazuyo Sejima 1990
3.38 Wohnhaus in Setagaya, Tokio, Toyo Ito 1999
3.39 Haus Azuma, Tokio, Takamitsu Azuma 1966
3.40 Reihenhaus Azuma, Osaka, Tadao Ando 1976
3.41 Nomi-Haus, Osaka, Grundrisse, Tadao Ando 1996
3.42 Nomi-Haus, Osaka, Innenhof, Tadao Ando 1996
3.43 Wochenendhaus »Wall-less House«, Nagano,
Schnitt, Shigeru Ban 1997
3.44 Curtain Wall House, Tokio, Shigeru Ban 1995
3.45 Haus Hakama, Kioto, Innenraum, Jun Tamaki 1998

55
Geografische Übersicht der Beispiele

Syntax, S. Takamatsu (S. 38)


Kyoto Concert Hall,
A.Isozaki (S. 39)
Garden of Fine Arts,
T. Ando (S. 41)
Haus Hakama (S. 52) und
Wohnhaus »Tofu« in Ukyo-kui,
J. Tamaki (S. 52, S. 110)
Gästehaus einer Tempelanlage,
T. Yamagushi (S. 142)

Wohnhaus »Pleats«, Wohnanlage,


Foba (S. 51, S.86) K. Sejima (S. 43)

Wohnanlage Hotakubo, R. Yamamoto (S. 39) Friedenszentrum Kunsthaus (S. 126) und
Saishunkan Seiyaku Women’s Dormitory, K. Sejima Hiroshima, Kunstmuseum (S. 41),
(S. 43) K. Tange (S. 33) T. Ando

Mineyama

Hiroshima
Gifu
Kioto
Ibaraki
Naoshima Kobe Nagoya

Osaka Nara
Yama

Bunraku-Puppentheater, Kumamoto Kochi Toba


K. Ishii (S. 36) Seiwa
Yatsushiro
Städtisches Museum, T. Ito (S. 42)
Altenheim, T. Ito (S. 42) Wohnhaus, K.
Takeyama (S. 82)
Seafolk Museum,
H. Naito (S. 45)
Wohnhaus und Atelier, Wohnhaus in Suzaku,
Botanisches Museum, G. Yoshimoto (S. 52, S. 98) W. Kishi (S. 118)
H. Naito (S. 45, S. 58) Wohnhaus, T. Kawai (S. 66) Kirche und Sonntagsschule,
T. Ando (S. 40, S. 134)
Chikatsu Asuka Museum (S. 41),
Nomi-Haus (S. 49) und
Azuma-Haus (S. 50), T. Ando
Haus in Nipponbashi, W. Kishi (S. 53)
Wohnhaus in Hokusetsu,
T. Yokouchi (S. 54, S. 122)

56
Sapporo

Platform und Platform II, Kindertagesstätte,


K. Sejima (S. 50) Odate S. Ban (S. 62)

Mediothek, T. Ito (S. 148)


Sendai Stadion (S. 166), H. Abe

Olympiahallen, K. Tange (S. 34)


Hillside Terrace, F. Maki (S. 35, S. 40)
Nasu Steinmuseum, K. Kuma (S. 45, S. 130) Curtain Wall House, S. Ban (S. 44, S. 50)
Batoh Hiroshige Ando Museum, K. Kuma (S. 45) Wohnhaus in Shibuya, T. Azuma (S. 50)
Karuizawa
Haus in Setagaya (S. 49) und
Wochenendhaus, Bow-Wow (S. 52, S. 94) Wohnhaus in Sakurajosui (S. 70), T. Ito
Yatsu-ga-take
Möbelhaus (S. 43, S. 74) und
Wohnhaus (S. 50, S. 78), K. Sejima
Koshigaya
Universität, R. Yamamoto (S. 160) Wohnhaus, A. Watanabe (S. 114)
Tokio
Wohn- und Atelierhaus, H. Naito (S. 53, S. 104)
Machida Wohnhaus, H. Hara (S. 48)
naka-ko Yokohama
Wohnhaus, K. Shinohara (S. 48)
Hadano

Wohnhaus, Tezuka Architects (S. 90)

Wohnhaus, S. Ban (S. 44, S. 108)

Die in der Karte gekennzeichneten Orte


zeigen die Standpunkte der nachfolgend
dokumentierten Beispiele sowie ausgewähl-
ter, zeitgenössischer Bauten aus dem Ein-
führungsteil.

57
Botanisches Museum bei Kochi
Architekten: Naito Architect & Associates, Tokio

Die Insel Shikoku südlich der japanischen Hauptinsel Honshu


ist zu 84% mit Wald bedeckt und größtes Holzreservoir des
Landes. Hoch über der Stadt Koshi, auf dem Rücken des
Mount Godai, liegt das botanische Museum Dr. Makino.
Die zwei über einen Steg verbundenen Baukörper – eine
Ausstellungshalle und das rechteckig gefasste Haupthaus –
schmiegen sich mit ihren organisch geformten Dächern dicht
an den Hang. Hiroshi Naito hat ein Gebäudeensemble entwor-
fen, dessen Dachkonstruktionen beeindrucken. Bei der Form-
findung ließ er sich von pflanzlichen und tierischen Strukturen
wie Blättern und Skeletten inspirieren.
So haben die weit ausladenden Dächer ein »Rückgrat«, die
Firstpfette, welche die Dynamik der Konstruktion vorgibt. Sie
führt das Dach jeweils in einem Bogen um den Innenhof.
Durch die Positionierung der Holzleimbinder entlang des
»Rückgrats« erhalten die Baukörper ihre organische Form.
Die in unterschiedlichen Neigungswinkeln verlaufenden Binder
sind hofseitig über ein dreieckiges, einzeln justierbares Stahl-
element an die Fußpfette angeschlossen. Zu den Innenhöfen
hin lassen sich die Aus- stellungsräume großflächig öffnen.
Hier kragen die Dächer aus und schaffen – ganz im Sinne
der japanischen Tradition – fließende Übergänge von innen
nach außen.
Die Außenanlagen des Museums sind so konzipiert, dass die
Gebäude in einigen Jahren von hohen Bäumen umgeben sein
werden und die Architektur dann umso mehr zu einem Teil der
umgebenden Landschaft wird.

Lageplan Schnitte A Museum


Maßstab 1:4000 Maßstab 1:1000 B Ausstellungshalle

58
A B

59
3
4

6
7

9
8

1 10

Schnitte • Untersicht Maßstab 1:50

1 Flachstahl 2≈ 19 mm
2 Stahlrohr Ø 267,4 mm
3 Blitzableiter aus Edelstahl
4 Stahlrohr Ø 355,6 mm
5 Kugelgelenk Stahl gefräst Ø 160 mm
6 Dachaufbau:
Edelstahlblech verzinkt 0,7 mm,
mit offenen Bewegungsfugen
Zinkblech 0,4 mm
Bitumenvlies
Sperrholz feuchtigkeitsbeständig 12 mm
Wärmedämmung 45 mm
Abdichtung Bitumenbahn 1,5 mm
Schalung japanische Zeder 45 mm
7 Pfette japanische Zeder 100 ≈ 150 mm
8 Obergurt Douglasie BSH 171 ≈ 298 mm
9 Untergurt Douglasie BSH 171 ≈ 221 mm
10 Stahlrohr Ø 60,5 mm
11 Rundstahl verzinkt Ø 7 mm

11 10

bb

60
Kindertagesstätte in Odate
Architekten: Shigeru Ban Architects, Tokio

Warme Holztöne, Lichtspiele an den gebogenen Wänden


und auf dem Boden. Der erste Blick in das Innere dieser
Kindertagesstätte zeigt einen heiteren, ruhigen Raum –
geprägt von der Konstruktion seiner Hülle. Wie kaum ein
anderer hat sich Shigeru Ban dem Experiment verschrieben
und versucht, mit jedem seiner Bauten neue Wege zu gehen.
Sein Interesse gilt innovativen Raumkonzepten ebenso wie
neuen Materialien und Konstruktionen. Vor einigen Jahren
wurde Ban durch seine Architektur aus Pappröhren bekannt;
Experimente mit Bambus, Membranen und Kunststoffen
folgten. Einfache Räume und klare Gliederungen bis hin zu
Ein-Raum-Lösungen zeichnen vor allem seine jüngsten
Bauten aus. Die Verbundkonstruktion für diese Tagesbe-
treuung eines Krankenhauses in Odate, im Norden der
japanischen Hauptinsel Honshu, ist aus Studien zu Kon-
struktionen mit Sperrholzelementen, die Ban mit Frei Otto
entwickelt hat, entstanden.
Der eingeschossige Baukörper zeigt sich von außen als
gekippter Quader, dessen eine Kante im Boden zu ver-
schwinden scheint. Faservertstärkter Kunststoff und Trapez-
blechtafeln bilden die äußere Haut des Gebäudes und
verleihen ihm ein leichtes, transparentes Erscheinungsbild.
Der Zugang ist von beiden Enden möglich. Das Innere
besteht aus einem großen Aufenthaltsraum für die Kinder
und ihre Betreuer; eine eingestellte, geschlossene weiße
Box enthält Küche und Waschräume. Die Raum prägenden
schmalen Sperrholztafeln sind in einzelnen Streifen über
die gesamte Tiefe des röhrenförmigen Raumes gebogen
und über Stahlanker im Fundament fixiert. Sie werden von
in Längsrichtung verlaufenden Tafeln in Form gehalten.
An ihren Kreuzungspunkten sind die Sperrholzelemente
jeweils durch Bolzen miteinander verbunden. Durch die
Überlagerung entsteht eine reliefähnliche Netzstruktur.
Tageslicht fällt durch die sich ergebenden, gleichmäßig
über den Grundriss verteilten quadratischen Spalte, die
die munteren Lichtspiele erzeugen, in das Innere. Ohne
großen Aufwand ist es gelungen, eine Atmosphäre zu
schaffen, die gerade von der reduzierten Gestaltung im
Innenraum lebt und von Bans Auseinandersetzung mit
Raum und Material zeugt.
Da der Norden Japans im Winter sehr schneereich ist, ist
die äußere Hülle, eine Spitzdachkonstruktion im Winkel von
90 Grad so ausgelegt, dass sie bis zu 4,4 kN/m2 Schneelast
tragen kann. Die an den gebogenen Elementen befestigte
Unterkonstruktion aus Stahl ist Tragwerk und Rahmen der
darüber liegenden Wetterhaut aus faserverstärktem Kunst-
stoff und Wellblech.

62
a a

aa
Grundriss • Schnitt Maßstab 1:250

63
Schnitte
Maßstab 1:50

1 Trapezblech verzinkt 1,2 mm


2 Faserverstärkter Kunststoff 2 mm
3 Kantholz 120/120 mm
4 Kantholz 90/90 mm
5 Stahlstab Ø 25 mm
6 Stahlplatte 275/275/6 mm
7 Abdeckblech Stahl verzinkt
8 Sperrholz 600/30 mm
9 Bodenaufbau:
Dielen Kirsche 12 mm
Heizestrich 12 mm
Beton 200 mm
Trennlage
Wärmedämmung 50 mm
Beton 60 mm
Kiesschüttung 90 mm

c
3 4

1
5
4
6 8
3

cc

bb

64
Wohnhaus in Kobe
Architekten: Toshiaki Kawai/Kawai Architects, Kioto

Inmitten indifferenter Vorstadtbebauung erhebt sich der


skulpturale, additiv aus Quadern zusammengesetzte Bau-
körper des Wohnhauses. Von der Straße aus ist zunächst nur
eine weitgehend geschlossene Front mit einer Öffnung in den
Eingangshof sichtbar, die übrigen Elemente des Gebäudes
lassen sich nur erahnen. Erst im Hof, vor allem aber auf
dem Weg durch den großflächig verglasten Treppenturm in
die oberen Stockwerke erkennt man die komplexe Gebäude-
struktur. Durch die gute Ausnutzung des engen Grundstücks
ergeben sich vielfältige Verschränkungen der Innen- und
Außenbereiche. Innerhalb des Baukörpers entstehen immer
neue Blickbezüge – nur das feine Raster der Drahtglas-
scheiben markiert die gestaffelten Schichten der einzelnen
Volumen. Auf der Gartenseite öffnet sich das Gebäude zur
Umgebung – im Hintergrund sieht man die Hochhäuser
Kobes. Rückzugsmöglichkeiten bieten die mit Schiebetüren
abtrennbaren Schlafräume, der Tatami-Raum und das Studio
im Obergeschoss. Zusätzlich zu den räumlichen Aspekten
Schnitte
sind Faktoren wie Sonnenstand, Windrichtung und Mög-
Grundriss Erdgeschoss, lichkeiten der Querlüftung im Entwurf berücksichtigt.
1. und 2. Obergeschoss Die Außenhaut besteht aus rotbraun gestrichenen, verzinkten
Maßstab 1:200 Stahlblech. Im Innern dominieren die hellen Holzflächen der
Einbaumöbel, Türen und Böden, die sich auf den Terrassen
1 Eingangshof fortsetzen. Die Ausbauten sind klar und sachlich detailliert,
2 Tatami-Raum ebenso der Tatami-Raum und der Hof. Beide zeigen eine
3 Bad
4 Schrankraum
strenge, moderne Variante traditioneller japanischer
5 Schlafen Gestaltung. Im Eingangsbereich entsteht, wie bei den
6 Terrasse Freibereichen in den oberen Geschossen, durch den ein-
7 Wohnen heitlichen Bodenbelag ein fließender Übergang zwischen
8 Kochen
9 WC innen und außen. Die farbig gestrichenen Türen setzen
10 Arbeiten zusätzliche Akzente.

aa bb

66
b b
3 4 5 7 8 4 10 6
9

2 1 6 5
a a

67
Schnitt Maßstab 1:50 4 Stufen Magashiroholz 20 mm
Detailschnitte Treppenhaus 5 Weichfaserplatte beschichtet 6 mm
Maßstab 1:10 befestigt an Unterkonstruktion
aus Leichtmetallprofilen
1 Trapezblech verzinkt 0,5 mm 6 Stahlblech verzinkt 0,4 mm
Wärmedämmung 100 mm Abdichtung Bitumen
Trapezblech verzinkt 0,5 mm Holzwerkstoffplatte 25 mm
im Gefälle Unterkonstruktion aus
Unterkonstruktion aus Leichtmetallprofilen
Leichtmetallprofilen Wärmedämmung 70 mm
2 Gipskarton gestrichen 12,5 mm Gipskarton gestrichen 12,5 mm
befestigt an Unterkonstruktion 7 Holzdielen 20 mm,
aus Leichtmetallprofilen wetterfest imprägniert
3 Dielen Zedernholz 8 Bodenbelag Kies mörtelgebunden
gewachst 19 mm 9 Stahlprofil } 50/50/5/7 mm
auf Holzunterkonstruktion 10 Stahlrohr | 100/100/5 mm

7 4 6 3

68
1

2
a a

10

aa

8
8

69
Wohnhaus in Sakurajosui
Architekten: Toyo Ito & Associates, Tokio

Das Einfamilienhaus in Sakurajosui steht in unmittelbarer


1
Nachbarschaft eines Hauses, das Toyo Ito bereits 1975 für
den gleichen Bauherrn errichtet hat. In einem der eng bebau-
ten Wohnviertel von Tokio gelegen, ist das Grundstück fast
vollständig überbaut. Trotz dieser Dichte ist die Fassade nicht
geschlossen ausgeführt, geschosshohe Schiebeelemente
aus Glas ermöglichen Ausblicke auf das direkte Umfeld. Den
2 2
traditionellen Hofgarten ersetzt ein zweigeschossiger »Sonnen-
raum« im Zentrum des Hauses, der die Wohnbereiche zusätz-
lich belichtet. Von dort führt eine Treppe zum Gästezimmer
und zu der großzügigen Terrasse, die beinahe zwei Drittel der
Grundfläche einnimmt, in das Obergeschoss. Die schlanken
3 Profile der Aluminiumkonstruktion und die verglasten Schiebe-
elemente verleihen dem Innenraum einen großzügigen Cha-
3 rakter. Durch die großzügige Verglasung wird der Wechsel von
Sonne und Wolken, Wind und Regen auch im Wohnbereich
4 spürbar. Ein Thema, das Ito bereits bei seinen frühen Wohn-
hausprojekten aufgegriffen hat.
Ursprünglich sollte das Haus als Stahlbetonkonstruktion aus-
geführt werden. Durch die Teilnahme an einem Forschungs-
projekt für Aluminium-Modell-Häuser hat Toyo Ito die Trag-
struktur jedoch in eine Aluminiumskelettkonstruktion umge-
wandelt. Eine Bedingung dafür war, dass das zuvor mit den
Bauherren vereinbarte Budget nicht überschritten wird. Die
an den Modellhäusern arbeitende Forschungsgruppe hatte
bereits 1999 mit dem »Eco-Material-House« das erste Projekt
dieser Art realisiert. Das entwickelte System beruht auf einem
Stützenraster von 3,6 ≈ 3,6 m bzw. 1,8 m in den Rand-
bereichen. Die Stützen haben einen außergewöhnlich kleinen
quadratischen Querschnitt von nur 70/70 mm, sodass eine
sehr filigrane Tragstruktur entsteht. Ein kreuzförmiger Kern,
der zur Stabilisierung in die rechteckigen Aluminiumprofile
eingesetzt wird, ermöglicht die minimierte Dimensionierung
der Stützen. Darüber bilden Träger aus stranggepressten
Å-Profilen einen Tragrost, in den wiederum Å-Profile in sehr
dichten Abständen von nur 300 mm gelegt werden. In Ver-
bindung mit steifen Stützenanschlüssen dient der Deckenrost
der Aussteifung in der Horizontalen. Außen ist die Konstruktion
einheitlich mit rechteckigen, geschosshohen Elementen aus
Aluminiumblech verkleidet, während im Inneren die warmen
Holztöne der Möbel, Türen und des Bodens vorherrschen. Die
klare Architektur, die Bezüge zum Umfeld und die Verbindung
der Räume im Inneren spiegeln Itos Formensprache wider.
Ungewöhnlich für ihn ist jedoch der Ansatz, diese Prinzipien
mit Hilfe standardisierter Systembaumodule umzusetzen.

70
a

Axonometrie

8 7 10 1 Aluminiumprofil { 146/70/8 mm
2 Aluminiumprofil Å 146/70/6 mm
3 Aluminiumrohr | 70/70/2 mm
4 Aluminiumblech 4 mm
b b
Grundrisse Maßstab 1:200
9 11
5 Tatami-Raum
6 6 Wohnraum
7 Küche
8 Schlafzimmer
5
9 Luftraum
10 Gästezimmer
11 Terrasse
a

71
1 1

7
5
5

8
7 2

2 4 3

5
5

aa

72
1 10 11

12

14
1
2 13

15

Horizontalschnitt, Vertikalschnitt
Maßstab 1:20
Vertikalschnitt, Horizontalschnitt
Maßstab 1:5
1 4
1 Aluminiumblech 4 mm auf Gummilager
2 Aluminiumrohr | 70/70/2 mm
3 Aluminiumprofil { 146/70/8 mm
4 Aluminiumprofil Å 146/70/6 mm
5 Schiebetür Aluminium 20 mm mit
3
Verglasung ESG 6 mm
6 Schiebetür Fichte 32 mm mit
Verglasung ESG 6 mm
7 Fenster Aluminium 20 mm mit
Verglasung ESG 6 mm
8 Parkett 15 mm
16 Holzwerkstoffplatte 12 mm
Lattung 30/30 mm
3 9 Verblendung Aluminiumblech 4 mm
10 Aluminiumprofil Å 96/70/6 mm
6 11 Aluminiumprofil 10/10 mm
12 Aluminiumprofil { 96/70/8 mm
13 Wärmedämmung 30 mm
14 Gipskartonplatte 10 mm
15 Betonplatte 30 mm
16 Flachaluminium 150/15 mm

c c

4
5

bb

14 2 13
5

cc

1
73
Möbelhaus in Tokio
Architekten: Kazuyo Sejima & Associates, Tokio

Passanten sitzen auf dem Geländer, das den Gehweg von


der Straße trennt, und betrachten das Geschehen im Inneren
des Gebäudes. Sie blicken direkt in die »Schaufenster«, die
geschosshohe Verglasung des Erdgeschosses, während
sich in den oberen Geschossen Möbel und Kunden schemen-
haft durch transluzente Scheiben abzeichenen. Der Möbel-
laden steht im lebendigen Stadtviertel Harajuku. Das drei-
geschossige Gebäude liegt an einer der kleinteiligen,
belebten In-Straßen, die direkt von der Haupteinkaufsstraße
des Quartiers abzweigen. Durch die vollständig verglaste
Front wird das ganze Gebäude zum Schaufenster. Das Spiel
mit dem Bezug zwischen Außenraum und Verkaufsflächen
macht das Haus zum Werbeträger für die angebotenen Möbel,
die in das Gestaltungskonzept integriert sind. Sie setzen in der
zurückhaltenden Architektur farbliche Akzente. Subtil durch
die Modulierung des Bodens gegliedert, sind die offenen
Geschossflächen ohne Unterteilungen bis an die Fassade
geführt. Jede Ebene ist gleichzeitig Verkaufs- und Präsen-
tationsfläche, auch die Kunden werden »ausgestellt«.
Der Ausbau ist, um das Raumkonzept nicht zu beeinträchti-
gen, reduziert. Rampen verbinden die einzelnen Geschosse –
gleitende Übergänge führen von einem Ausstellungsbereich
zum anderen und leiten die Kunden durch das Gebäude.
Wände, Stützen und die offen gelassenen Untersichten der
Filigrandecke sind weiß gestrichen, der dunkle Parkettboden
setzt Akzente. Das enge Raster der Tragstruktur ermöglicht
die Minimierung der runden Stützenquerschnitte. Die
Geschossdecken der Stahlkonstruktion sind über Konsolen
an die Stützen in der Fassade gehängt, sodass die Decken
im Straßenraum nicht direkt sichtbar werden. Lediglich die
schmalen Halteleisten der geschosshohen Glasscheiben
zeichnen ihren Verlauf nach. Ohne die üblichen Attribute der
Konsumarchitektur ist mit dieser schlichten Interpretation des
Bautypus‘ Kaufhaus ein elegantes Gebäude entstanden.

Schnitt
Erdgeschoss
2. Obergeschoss
Maßstab 1:400

74
a a

75
1

4 3

8 6 5

10

11

Schnitt
Maßstab 1:10

1 Beton 50 mm
Trennlage
Wärmedämmung 30 mm
Abdichtung Bitumen
Ausgleichsschicht 30 mm
Trennlage
Wärmedämmung 50 mm 12
Leichtbeton 70 mm
Trapezblech 1,6/75 mm
als verlorene Schalung
2 Stahlblech
einbrennlackiert 1,6 mm
3 Stahlschwert
einbrennlackiert 25/50 mm
4 Stahlschwert 13
einbrennlackiert 25/100 mm
5 Festverglasung VSG 15 + 6,8 mm
weiß bedruckt, punktgehalten
6 Glasöffnungselement für Wartung
ESG bedruckt 12 mm
7 Scharnier
8 Festverglasung Drahtglas
PVB-beschichtet 10 mm
9 Holzdielen 15 mm
Sperrholzplatte 12 mm
10 Verbunddecke Stahlbeton in
verlorener Trapezblechschalung
11 Stütze Stahlrohr Ø 114,3/12 mm
12 Stahlprofil Å 194/150/6/9
13 Bodenbelag Außenbereich: Estrich

76
Wohnhaus in Tokio
Architekten: Kazuyo Sejima & Associates, Tokio

In Harajuku, einem dicht bebauten Stadtteil und neuen


In-Viertel Tokios mit unzähligen kleinen Geschäften und
Lokalen steht das Haus für eine junge Familie. Auf dem
kleinen Grundstück sind die einzelnen Ebenen übereinander
gestapelt. Die eigenwillige Form des Gebäudes entspricht
den baurechtlichen Vorgaben, nach denen die Geschosse
bemessen sind. Fassadenelemente aus Glas und Stahlblech
markieren die Kubatur des Baukörpers.
Ganz im Sinne von Kazuyo Sejimas‘ Philosophie steht das
Raumkonzept im Vordergrund, konstruktive Aspekte treten
dahinter zurück, die tragende Stahlkonstruktion ist ebenso
reduziert wie die Details der Fassade. Um offen zu bleiben
für die sich ändernden Ansprüche der Familie, sind die
Geschosse nur minimal ausgestattet. Auf den einzelnen
Ebenen wird der Bezug zwischen innen und außen unter-
schiedlich thematisiert: Während das Schlafgeschoss halb
in die Erde gesetzt und durch ein Oberlichtband belichtet
ist, öffnet sich das darüber liegende Gästezimmer zum
unbebauten Rückgrundstück. Der zur schmalen Zufahrt-
straße gelegene Einschnitt in der Gebäudekubatur markiert
den Parkbereich für das Auto. Wohn-, Essplatz und Terrasse
sind wiederum zum hinteren Grundstück orientiert, zur
Straße schützen Paneele aus Stahlblech oder transluzente
Glasscheiben vor Einblicken. Vorhänge in allen Ebenen
erlauben den vollständigen Rückzug von der Stadt. Die
begrenzte Grundfläche wirkt durch den reduzierten, ganz
in weiß gehaltenen Ausbau – auch die Stahlstützen sind
weiß gestrichen – und die alle Ebenen verbindende Wen-
deltreppe großzügig. Das Haus erlaubt ein offenes Zu--
sammenleben auf begrenztem Wohnraum, trotz der Enge
bietet er Freiheiten im Umgang miteinander.

78
c

1 3 5
7

2 4 8

a
6

Lageplan 1 Terrasse 5 Gästezimmer


Maßstab 1:750 2 Bad 6 Stellplatz
Grundrisse 3 Wohnen 7 Schlafzimmer
Maßstab 1:200 4 Kochen/Essen 8 Schrankraum

79
Schnitt
Maßstab 1:50
Detailschnitte
Maßstab 1:10
A 1

3 9
10
11

5 5

1 Dachaufbau:
4
Dichtungsbahn 1,2 mm
mit Schutzanstrich
Sperrholzplatte 12 mm
Unterkonstruktion aus
Stahlrohren | 5 5
Wärmedämmung 40 mm
Estrich
Stahlbeton 100 mm
2 Rahmen aus Flachstählen
mit Streckmetallausfachung 6
7
3 VSG 8 mm
4 Bodenaufbau:
Dielen Kirsche 15 mm
Heizestrich 12 mm
Estrich 10 mm
Stahlbeton 125 mm
5 Stahlprofil Å 125/125/6,5/9 mm,
weiß gestrichen
6 Treppenstufen:
PVC 2 mm
Stahlblech 2,5 mm
7 Wandaufbau:
Verkleidung Stahlblech
aluminiumbeschichtet 0,4 mm
Abdichtung Bitumen
Sperrholzplatte 12 mm
Wärmedämmung
zwischen Stahlprofilen fi
Gipskarton 12,5 mm
weiß gestrichen
8 Silikonfuge
9 Stahlrohr Ø 60,5/8 mm
weiß gestrichen
10 Flachstahl 9/38 mm
weiß gestrichen
11 Flachstahl 25/38 mm
weiß gestrichen aa

80
1

8 3 7
C

11 10 9
B

81
Wohnhaus in Nagoya
Architekten: Amorphe Takeyama & Associates, Kioto

Das Wohnhaus für einen allein stehenden Restaurantbesitzer


liegt in einem Wohnbezirk von Nagoya, inmitten eines unge-
ordneten Mosaiks aus vorgefertigten Einzelhäusern, niedrigen
Apartmentblocks und einzelnen, unbebaut gebliebenen
Reisfeldern. Der markante, in Schnitt und Grundriss geknickte,
lang gezogene Hauptbaukörper besitzt eine Tragstruktur aus
zueinander verdrehten Stahlrahmen. Die Längsseiten sind
mit verzinktem, die Stirnseite mit rostendem 9 mm starkem
Stahlblech verkleidet. Der Kubus des Sichtbetonturms ist
kompositorisches Gegengewicht. Beide Körper sind durch
einen Balkon miteinander verklammert. Ein durch Kies, Sand
und Bambus gegliederter Vorplatz, der von beiden Gebäu-
deteilen L-förmig umschlossen ist, ersetzt den üblichen
kleinen Garten. Trotz des expressiven Erscheinungsbildes
konzentriert sich das Wohnen doch ganz auf den Innenraum,
der nur gezielte Ausblicke nach außen erlaubt. Häuser für
Singles werden in Japan mehr und mehr zu üblichen Bau-
aufgaben. Durch ihr begrenztes Raumprogramm ermöglichen
sie Grundrisslösungen wie die hier gewählte Anordnung aller
Hauptaktivitäten innerhalb eines röhrenartigen Raums. Im
Inneren steht den durchgängig weißen Wänden eine Vielfalt an
Bodenbelägen (Terrakottaplatten, Holzdielen, Tatami-Matten,
polierter Beton, Bambusstäbe) gegenüber. Der Kubus enthält
im Erdgeschoss einen kleinen japanischen Gästeraum,
darüber liegen die Nassräume. Hinter der rostenden Stahl-
platte der Straßenfassade, die wie ein Anschnitt des Bau-
körpers wirkt, vermutet man den weißen Innenraum nicht.
Raffinierte Detailausbildungen wie minimierte Brüstungen,
papierdünne Vordächer oder die kaum wahrnehmbaren
Anschlüsse der Schiebetüre stehen in deutlichem Kontrast
zu den eingesetzten, roh belassenen Materialien, die an die
traditionelle japanische Teehausarchitektur erinnern.

Lageplan
Maßstab 1:2000 1
Grundrisse
Maßstab 1:250

1 Dachterrasse
2 Bad 2
3 Waschraum
4 Balkon
5 Schlafgalerie
6 Galerie
7 Tatami-Zimmer
8 Küche
9 Wasserfläche
10 Wohnraum

82
a

b
3 7
4
9
b 10
5 6
8

a
83
3
2
1

5
6

7 aa

1 Deckung Stahlblech verzinkt 0,5 mm


2 Dachdichtungsbahn
3 Leichtbetonplatte dampfdruckgehärtet 50 mm
4 Stahlprofil kaltgeformt 75/45/15/2,3 mm
5 Stahlprofil ∑ 75 / 75 / 7 mm
6 Stahlprofil Å 150 / 100 / 6 / 9 mm
7 Stahlprofil Å 150 / 150 / 7/ 10 mm
8 Stahlblech gekantet verzinkt 0,5 mm
9 Deckung Stahlblech verzinkt 0,5 mm
10 Holzfaserplatte zementgebunden 2≈ 19,5 mm
11 Wärmedämmung Glaswolle 80 mm
12 Gipskartonplatte 12,5 mm
13 Stahlprofil ÅPE 100
14 Fensterrahmen Stahlblech
15 Fliegengitter
16 Floatglas 6 mm
17 dauerelastische Versiegelung
18 Sichtbeton
8 19 Wasserfläche

9 10

Schnitt
Maßstab 1:250
Detailschnitt
13 Maßstab 1:10

14
11 12

15

16

19

17

18

bb

85
Wohnhaus in Mineyama
Architekten: FOBA, Kioto

Unweit der Küste im Norden der Präfektur Kioto liegt dieses


ungewöhnliche Haus. Auf einem angelegten Plateau treten
einzelne Räume unter einem deutlich abgesetzten, scheinbar
schwebenden Dach hervor. Sie sind auf den Garten und die
ländliche Umgebung ausgerichtet, mit Blicken über ein Tal
im Osten und auf eine Bergkette im Süden.
Diese prägnante Gestalt beruht auf der direkten Umsetzung
eines sorgfältig erarbeiteten Funktionsdiagramms. Dabei
werden überlieferte Raumkonzepte variiert. Die Schichtung
traditioneller japanischer Wohnhäuser, nach dem »oku«Prinzip
von außen nach innen als Abfolge von Zonen zunehmender
Privatheit organisiert, ist umgekehrt.
Durch einen Tunnel erreicht man den zentralen Gemein-
schaftsraum, mit einem quadratischen »irori«, einem im
Boden eingelassenen Herd, als Mittelpunkt. Die übrigen
Bereiche des Gebäudes legen sich als Folge immer größer
werdender Quadrate um diesen Kern, die Individualräume
bilden den äußeren, der Umgebung zugewandten Abschluss.
Im Inneren besticht das Haus durch zurückhaltende Detail-
lierung und edle Materialien. Boden und Wände aus dunkel
gebeiztem Holz vermitteln im Wohnraum ein Gefühl von
Geborgenheit; bei Bedarf können Tatami-Matten um den
»irori« gelegt werden. Am Tag dringt Licht direkt von oben
und eher diffus durch Schneisen in den äußeren Gebäude-
schichten ein. Abends wird der Raum aus einer Fuge zwi-
schen den dunklen Wänden und der hellen, zum Oberlicht
ansteigenden Decke indirekt beleuchtet.
Ein Ring mit offener Küchen- und Badzeile sowie Wand-
schränken umschließt das Zentrum. Die Einbaumöbel sind
nach außen mit hellem Lindenfurnier verkleidet, außerdem
sind hier die tragenden Stützen des Daches und die Haus-
technik platziert. Die privaten Schlafzimmer in der äußeren
Gebäudeschicht sind bewusst einfacher gehalten, die Öff-
nung zur Umgebung tritt in den Vordergrund. In unregel-
mäßigem Muster schieben sich die Räume als vom Zentrum
des Hauses ausstrahlende Boxen in den Außenraum. Teil-
weise schräg auseinander laufende Seitenwände münden in
vollständig verglaste Stirnflächen mit Austritten in den Garten;
Decken und Böden weichen nach oben und unten zurück.
Wie bei traditionellen japanischen Gebäuden erscheint die
Umgebung als gerahmtes Bild.

86
Grundriss 1 Eingang
Schnitt 2 Wohnraum
6 5 Maßstab 1:250 3 Küche
4 Essplatz
5 Bad
6 Schlafzimmer

a
a 6
6
2
1

3 4

87
2
3

15

16

14

Schnitt 9 Gipskarton gestrichen 9 mm


Maßstab 1:20 Wärmedämmung 100 mm
10 Estrich
1 Trapezblech 60/1 mm 11 Fußboden PVC 2 mm
mit Polyurethanbeschichtung Furniersperrholz 18 mm
2 Acrylglaskuppel 1800 ≈ 1800 mm 12 Kantholz 45/60 mm
als Sonderanfertigung 13 Kantholz 90/90 mm
3 Kondenswasserrinne Edelstahl 1,6 mm 14 Tür Wandschrank
4 Edelstahl 1,6 mm Sperrholz mit Lindenfurnier klarlackiert
mit Polyurethanbeschichtung 15 Gipskarton gestrichen 12,5 mm
5 Stahlprofil Å 500/200 mm Wärmedämmung 100 mm
mit Polyurethanbeschichtung 16 Schiebetür Wandschrank
6 Mineralfaserplatte 18 mm Sperrholz mit Lindenfurnier gebeizt
mit Dichtanstrich 17 indirekte Beleuchtung
7 Aluminiumblech beschichtet 18 Holzrahmen Zelkova abnehmbar
Abdichtung Gussasphalt 19 Holzrahmen Zelkova 60/110 mm
zementgebundene Platte 18 mm 20 Mineralfaserplatte 18 mm
Stahlprofil fi 75/40 mm 21 Dielen Eiche gebeizt 15 mm
8 Vorhangschiene Holz lackiert Sperrholz 18 mm

11

12 13
10

88
17

18

21

19

20

89
Wohnhaus in Hadano
Architekten: Tezuka Architects, Tokio

Wie ein Schiffsdeck mutet das leicht geneigte Dach des


schlichten Einfamilienhauses, das südwestlich von Tokio liegt,
an – nicht nur aufgrund seiner ungewöhnlichen Deckung. Als
großzügige, multifunktional nutzbare Erweiterung der Wohn-
fläche konzipiert, ist es auch entsprechend möbliert: Ein
windgeschützter Sitzplatz lädt zum Kochen und Sonnenbaden
ein. Man kann den Blick über das angrenzende Tal und den
nahen Mount Kobo genießen. Für die heißen Sommer und
kalten Winter der Region gibt es sogar eine Dusche bzw.
einen Ofen. Der Grundriss des eingeschossigen Gebäudes
ist streng organisiert. Küche, Bad und Individualräume
gruppieren sich um das Wohnzimmer und sind nur durch
leichte Schiebeelemente getrennt. Sind sie geöffnet, entsteht
ein großzügiger Raum, der sich über die ganze Hausbreite
erstreckt. Über jedem Zimmer befindet sich ein Oberlicht,
durch das man über Leitern auf das »Deck« gelangen kann.
Die Südseite des Hauses ist völlig verglast und gibt den Blick
auf einen kleinen Garten frei, während die Straßenfassade
nahezu geschlossen ist und mit ihrer Oberfläche aus Faser-
zementplatten eher nüchtern wirkt. Die Dachkonstruktion
besteht aus einem Trägerrost, dessen 105/105 mm starke
Holzbalken beidseitig mit je zwei tragenden Furnierschicht-
holzplatten beplankt sind. Dadurch entsteht eine steife
Scheibe mit geringer Konstruktionshöhe. Um die Eleganz des
dünnen Dachrandes nicht zu beeinträchtigen, verzichteten die
Architekten auf ein Geländer. Die Bewohner scheinen damit
bislang keine Probleme zu haben.
Grundriss • Dachaufsicht
Maßstab 1:400

a a

90
91
Vertikalschnitt Maßstab 1:20 3 Schiebefenster Aluminiumrahmen
mit Isolierverglasung
1 Uline-Bretter 19 mm auf Kantholz 45/60 mm 4 Kantholz 105/105 mm
2 Dachaufbau: 5 Faserzementplatte
Stahlblech, verzinkt 0,4 mm 6 Schiebetür Pinienrahmen mit Einfachverglasung
Dachdichtung Bitumen 7 Sperrholzplatte Lauan, klar lackiert 3 mm
2x Furnierschichtholzplatte 12 mm Furnierschichtholzplatte 12 mm
Trägerrost aus Holzbalken 105/105 mm Wärmedämmung Hartschaumplatte 30 mm
dazwischen Wärmedämmung Balken Nadelholz 45/60 mm
Mineralwolle 105 mm Balken Nadelholz 105/52,5 mm auf Gummilager
2x Furnierschichtholzplatte 12 mm Stahlbeton 250 mm
Sperrholzplatte Lauan, klar lackiert 5,5 mm 8 Schiebeelement Sperrholz, klar lackiert

b
1 2

4 6 4

4 7

92
4
5

4 6
8

93
Wochenendhaus in Karuizawa
Architekten: Atelier Bow-Wow, Tokio

Ungefähr zwei Autostunden nordwestlich von Tokio, am


Rande eines Nationalparks und in Sichtweite des 2565 Meter
hohen Mount Asama liegt das Grundstück für dieses kleine
Wochenendhaus. Das mit dunkelbrauner Holzschalung
verkleidete Gebäude fügt sich unauffällig in den Hain
japanischer Eichen.
Um dem Wunsch der Bauherren nach einem einfachen Leben
inmitten der umgebenden Natur zu entsprechen, ist der Grund-
riss klar organisiert. Das Innere besteht aus einem großen
Raum, der alle Gemeinschaftsfunktionen beherbergt. Auf tren-
nende Wände oder Türen wurde verzichtet, der Wohnbereich
ist durch Wandscheiben, die in der Ebene der Dachkonstruk-
tion liegen, auf subtile Weise zoniert. In allen Wand- und Dach-
flächen sind Fenster angeordnet. Sie ermöglichen Ausblicke
in den Himmel und auf die Umgebung des Hauses: Die Natur
wird in den Wohnbereich einbezogen. Die sorgfältig platzier-
ten Öffnungen machen den Lauf der Sonne erlebbar. Von
der nach Osten orientierten und in die Wand integrierten
Schlafnische über den zenital belichteten Essplatz und das
große Südfenster im Wohnzimmer bis zur Veranda im Westen.
Je nach Sonnenstand werden einzelne Kompartimente der
Deckenebene durch das in die Dachfenster einfallende Licht
akzentuiert. Dem einfachen Charakter des Hauses entspre-
chend sind die eng gestaffelten Stützen der Wände sichtbar
gelassen. Die Dachkonstruktion liegt hinter weiß gestriche-
nem Gipskarton verborgen. Sie überspannt den Innenraum
stützenfrei.
Außen sind die Wände mit einer liegenden Stülpschalung aus
dunkelbraun beschichtetem Zedernholz verkleidet, die mit der
liegenden und ebenfalls dunkelbraun gefärbten Blechfalz-
deckung des Daches korrespondiert.

94
aa bb

a
Lageplan
Maßstab 1:1000 2
Schnitte 5 6
Deckenspiegel
Grundriss b
Maßstab 1:200
3 b
1 Veranda
2 Bad
3 Küche
4 Wohnbereich 4
5 Schlafzimmer 1
6 Wandnische
mit Schlafplatz

a
95
A Wandnische mit Schlafplatz
B Südfassade Horizontalschnitt
C Südfassade Vertikalschnitt
Maßstab 1:10

1 Blechfalzdeckung liegend
verzinkt und alubeschichtet 0,4 mm
Bitumenbahn
Furnierschichtholz Lauan 9 mm
Sparren 90/120 mm, dazwischen
Dämmung Mineralwolle 100 mm
Dampfsperre
Lattung
Gipskarton weiss gestrichen 9,5 mm
2 Stülpschalung Zeder 15 mm
Bitumenbahn 1
Dämmung Mineralwolle 50 mm
Sperrholz Lauan 9 mm
3 Kondenswasserrinne
4 Lüftungsklappe
5 Schiebeelement mit Fliegennetz
6 Furnierschichtholz Lauan 5,5 mm
Sperrholz 12 mm
Dämmung Polystyrol 30 mm
zwischen Leisten 45/60 mm
Kantholz 150/100 mm
2

5 4
A

2
B C

96
Wohnhaus mit Atelier in Kobe
Architekten: Go Yoshimoto Architecture & Associates, Hyogo

Am Rande eines Wohngebietes in Kobe gelegen, ist das Haus


für eine Künstlerin und deren erwachsene Kinder geplant. Das
Grundstück liegt an einem kleinen Park und fällt nach Norden
zur Straße steil ab. Der Architekt Go Yoshimoto reagiert mit
seinem Entwurf auf die gegebenen Rahmenbedingungen.
Der eingeschossige schmale Riegel mit eingezogener Galerie-
ebene steht auf der von einer Stützmauer gefassten Böschung
und öffnet sich zur Parkanlage nach Süden. Um den Grund-
riss flexibel zu halten, sind lediglich Küche, Bad und Toilette
als feststehende Räume bzw. Elemente ausgeführt. Atelier,
Wohn-, Ess- und Schlafbereich gehen ineinander über und
betonen den großzügigen Charakter des Innenraumes, die
Bewohner können auf Veränderungen flexibel reagieren.
Zur Straßenseite ist die Fassade weitgehend geschlossen.
Mit den großen Toren und der horizontal laufenden Lattung
erinnert sie an eine einfache Scheune. Die zum Park orien-
tierte Fassade ist dagegen überwiegend verglast, die Grenze
zwischen innen und außen scheint aufgehoben, die baum-
bestandene Landschaft wird Teil des Raumes. Auch die
Wände aus Holzlatten sind von Öffnungen unterbrochen und
verstärken das Gefühl »im Freien zu sein«.
Die reduzierte Ausführung im Innenraum unterstreicht die
besondere Ästhetik des Hauses. Alles ist so schlicht wie
möglich gehalten, die Konstruktion unverkleidet und ables-
bar. So kann sich die Schönheit der tragenden Holzrahmen-
konstruktion, deren Rhythmus und Ausdruckskraft spürbar
bleibt, vollends entfalten. Auch die Materialwahl – Holz, Glas
und Welltafeln – entspricht dieser Haltung. Dazu trägt das
Spiel mit offenen, transparenten und geschlossenen Fas-
sadenelementen bei, das die Beziehung zum Außenraum in
ein variantenreiches Spiel von fließenden Übergängen ver-
wandelt und das Prinzip der traditionellen Schiebeelemente
interpretiert. Die Form des Hauses ist das Ergebnis einer
Auseinandersetzung mit Architektur im Sinn der Reduzierung
auf ihre wesentlichen Bestandteile bezüglich Funktion,
Raumgestaltung und Konstruktion. Mit seinem offenen Grund-
riss, den einfachen Formen und natürlichen Baumaterialien
erinnert das Gebäude an klassische japanische Wohnbauten.
Traditionelle und moderne Elemente sind miteinander ver-
schmolzen.

98
99
b a

cc

b a

7
c

7 6

2
5
Nordansicht
Querschnitt
Galeriegeschoss
Erdgeschoss
Maßstab 1:200
4 3 1 1 Eingang
5 2 Atelier
3 Wohnbereich
4 Koch- und Essbereich
5 Terrasse
6 Galerie: Schlafbereich
7 Luftraum

100
Fassadenschnitte Maßstab 1:50
Details Maßstab 1:10

1 Dachaufbau: 4 Galerieboden: 11 Wandaufbau: 12 Blech, feuerverzinkt,


Blecheindeckung Holzbohlen 40/200 mm Faserzement-Wellplatten mit Fangwinkel für Tauwasser
Bitumenbahn Sekundärträger 40/60 mm Bitumenbahn 13 Insektenschutzgitter in
Sperrholzplatte 12 mm Primärträger 105/350 mm Paneel aus Aluminium-Rahmen
wasserfest verleimt 5 Regenrinne Kunststoff Ø 80 mm Glaswolle-Dämmschicht 37 mm
Dämmung Glaswolle 100 mm 6 Aluminium-Abdeckung auf Sperrholzplatte 3 mm
Holzplatte furniert 12 mm 7 Silikonversiegelung Holzschalung 15/90 mm mit Konstruktive Holzteile:
Sparren 45/65 mm 8 Verglasung 5 mm offenen Zwischenräumen amerikanische Kiefer
2 Sekundärträger 105/150 mm 9 Aluminium-Flachprofil 4/40 mm Holzstütze 120/120 mm, Schalungen:
3 Primärträger 105/240 mm 10 Aluminium-Winkel 45/60 mm Zwischenstützen 45/90 mm amerikanische Fichte

A B

2 3

aa bb

102
a b
8 13
11 8 10

9
7

a b

7
8
9

12

13 11

A B

103
Wohn- und Atelierhaus in Tokio
Architekten: Naito Architect & Associates, Tokio

Entwurfsbestimmend für dieses kleine, gerade drei Meter


breite Haus waren neben dem winzigen langgezogenen
Grundstück das schmale Budget und die unzähligen Wünsche
der Bauherren sowie die einengenden Bauvorschriften. Sie
haben im Grunde die Kubatur des Hauses vorgegeben.
Eingezwängt zwischen der Nachbarbebauung – eine für
Tokio typische städtische Situation – geht die Gebäudehülle
bezüglich Höhe, Länge und Breite an die Grenze dessen, was
der Bebauungsplan erlaubt. Das Haus öffnet sich nach vorne
und hinten, die bestehende Bepflanzung wird in die Wohn-
bereiche miteinbezogen und das Tageslicht kann tief in den
Raum eindringen. Zugleich symbolisiert dieses Öffnen die
Aufgeschlossenheit der Bewohner, eines jungen Künstler-
paares. Im Inneren dominiert die Tragwerkstruktur aus Kiefern-
schichtholz. Als Aussteifung dient die Schalung von Wänden
und Böden. Die verschiedenen Geschossebenen sind räum-
lich miteinander verbunden; der begrenzte Raum wirkt
dadurch großzügig. Auch ist auf diese Weise – insbesondere
während des heißen, feuchten Sommers – eine kontinuierliche
Durchlüftung gewährleistet. Im Winter kann der straßenseitige
vertikale Luftraum, in dem die Treppe liegt, geschlossen
werden, sowohl um die Privatsphäre zu schützen als auch
um das Haus warm zu halten.

c c

aa b

Schnitt
2. Obergeschoss
1. Obergeschoss
Erdgeschoss
Maßstab 1:200
a
104
105
9 10
5 7 12 cc

2 11 13

Schnitte
Maßstab 1:10

1 Dach- und Wandaufbau: Wellblechtafeln 0,35 mm 2


Lattung 13/40 mm, Bitumenbahn
Gipskartonplatten 12,5 mm
Luft 15 mm und Dämmung 30 mm
zwischen Lattung 45/45 mm
Sperrholzplatte 15 mm
2 BSH Kiefer 90/120 mm
3 BSH Kiefer 60/180 mm
4 Bodenaufbau: Kiefernholzbretter 15 mm
Trittschalldämmung 12 mm
Sperrholzplatte 12 mm
5 Blechabdeckung 0,4 mm
6 Insektennetz
7 Sicherheitsglas 6,8 mm
8 Aluminium-Profil 15/45mm
9 Rahmen aus Stahlblech 4,5/150 mm
10 Klappe: Holzrahmen, beidseitig Sperrholz 5 mm
mit Faserzementplatte 8 mm
11 Horizontal-Fensterriegel BSH 60/130 mm
12 Flacheisen 13/65 mm 14 15
13 Schiebeelement mit Insektenschutzgewebe
14 Fachböden Leimholz d = 25 mm
15 Auflagernut 3/25 mm
dd
106
5

14

d d

2 2 1

11 8

12

e
4

13 10
3 3
c c

cc
bb
107
Wohnhaus bei Yamanakako
Architekten: Shigeru Ban Architects, Tokio

Den Blick über die Berge der Nagano-Präfektur kann man vom
offenen Wohnbereich des Wochenendhauses genießen. Keine
Stütze beeinträchtigt die Sicht durch die raumhohe Verglasung.
Auch im Inneren des eingeschossigen Gebäudes stört keine
sichtbare Tragkonstruktion im Grundriss, Möbel und tragende
Elemente sind kombiniert. So erklärt sich auch der Name des
Projekts: Möbel-Haus. Es ist das erste einer Serie von drei
Häusern, bei denen Shigeru Ban geschosshohe, raumglie-
dernde Einbaumöbel gleichzeitig als tragende Struktur einsetzt.
Wie bei der Kindertagesstätte in Odate (S. 62ff) experimentiert
Ban auch bei diesem Bau mit neuen Konstruktionsmöglichkeiten
und damit mit einem neuen Raumkonzept. Der Innenausbau
besteht aus drei den Raum zonierenden »Elementwänden«.
Er nimmt sich ganz zurück und lässt die umgebende Natur zu
einem wesentlichen Bestandteil des Hauses werden.
Die geschosshohen Einheiten aus dem Baumarkt sind vor-
gefertigt und je nach Bedarf als Kleiderschränke, Regale oder
Küchenmöbel ausgeführt.
Die Produktion in der Fabrik gewährleistet neben einer besseren
Qualität auch die exakte Ausführung der Module. Sie sind
selbsttragend und jeweils 240 cm hoch, 90 cm breit und 70 bzw.
45 cm tief. Die einzelnen Elemente können von einem einzigen
Handwerker montiert, d.h. zunächst untereinander und dann mit
dem Boden verschraubt werden. Das Dach besteht ebenfalls
aus vorgefertigten Trägern, die zur Horizontalaussteifung mit
Sperrholztafeln verkleidet sind. Die ungewöhnliche Konstruktion
ermöglicht nicht nur beträchtliche Materialeinsparungen, auch
Bauzeit und Kosten sind gegenüber vergleichbaren konven-
tionellen Lösungen gering. Nicht zuletzt wird durch das Ver-
binden von Tragstruktur und Innenausbau die Wohnfläche
maximal nutzbar.

108
1
Schnitt
Maßstab 1:20

1 Stehfalzdeckung farbig
Bitumendachbahn
Sperrholzplatte wasserfest verleimt
12 mm auf Lattung mit
2 Gefälle verlegt
Sperrholzplatte 12 mm
zur Aussteifung
Holzstegträger h = 356 mm
Wärmedämmung 100 mm
4 3 Gipskartonplatte auf
Unterkonstruktion
2 Sperrholzplatte 25 mm
3 Schranktüren beplankt mit
Spanplatten 5,5 mm

4 Schrankrückwand:
7 8 Holzschalung
farbig lasiert 12 mm
Sperrholzplatte 9 mm
Wärmedämmung 90 mm
Sperrholzplatte 5,5 mm
5 Holzriegel 2≈ 50/100 mm
in Fundament verankert
6 Kunststoffbelag
6 Sperrholzplatte 2≈ 12 mm
5 Holzbalken 45/105 mm
dazwischen
Wärmedämmung 100 mm
wasserfeste Sperrholzplatte
7 Schiebeelemente
1≈ mit Glas
4≈ mit Drahtgewebe
8 Geländer
Stahlrohr 19/44 mm

109
Wohnhaus in Kioto
Architekt: Jun Tamaki/Tamaki Architectural Atelier, Kioto

Der weiße Kubus ist vom Boden und von dem flachgeneigen
Dach abgesetzt, das sich durch das Zurücksetzen von Traufe
und Ortgang von der Wand löst. Inmitten einfacher Wohnbe-
bauung tritt der quaderförmige Baukörper des Wohnhauses
hervor. Direkt an der Straße gelegen, gewährt der monolithisch
erscheinende Block durch ein tief eingeschnittenes großes
Fenster Einblick auf den zentralen Wohnbereich in seinem Inne-
ren. Wie bei vielen jungen japanischen Architekten steht auch
bei Jun Tamaki das räumliche Experiment im Vordergrund, die
Konstruktion ist lediglich Mittel zum Zweck; sie wird zwischen
Fassade und Innenausbau versteckt. In das Volumen geschnit-
tene Räume, deren Höhen entsprechend ihrer Funktion variie-
ren, höhlen das Haus wie ein Stück Tofu aus. Der Name, den
Tamaki dem Projekt geben hat, ist nicht zuletzt aus diesem
Grund treffend: Tofu-Haus. Das eingeschossige Haus ist für ein
älteres Ehepaar entworfen. Im Hinblick auf ihr Alter ist der
Grundriss so organisiert, dass alle Bereiche möglichst direkt
miteinander verbunden sind. Der zentrale Raum dient als Emp-
fang, Wohn-, Essplatz und im hinteren Bereich als Schlafzim-
mer. Während dort Tatami-Matten ausgelegt sind, bildet im
vorderen Teil Parkett den Bodenbelag. Trotz seiner begrenzten
Abmessung wirkt der über die gesamte Gebäudehöhe rei-
chende Raum großzügig. Er ist durch Schiebetüren, handwerk-
lich gefertigte »fusuma«, in drei Abschnitte teilbar. Wegen ihrer
Größe sind die Türen in Holzschienen geführt, sie können voll-
ständig in Wandnischen verschwinden. Das Prinzip des Woh-
nens ist umgekehrt: An die Stelle des Rückzugs tritt das offene
Miteinander. Alle Nebenräume sind, wie die Nischen im großen
Wohnraum, die an die traditionellen »toko-no-ma« erinnern, in
das Volumen zwischen Hauptraum und Fassade geschnitten.
Sie verdeutlichen die Masse der hüllenden Schicht.

Lageplan
Maßstab 1:1000

110
111
Schnitte
Maßstab 1:50
Grundriss, Schnitt
Maßstab 1:200

1 Dachaufbau: 5 Stahlprofil Å 300/150/6,5/9 mm 12 Tatami-Matten 55 mm


Dichtungsbahn 6 Stahlprofil Å 100/100 mm Sperrholzplatte 12 mm
zementgebundene Spanplatte 7 Verbundpaneel Wärmedämmung
Stahlprofil 100/50/20/2,3 mm PVC/Wärmedämmung 13 Führungsschiene
2 Weichfaserplatte Leichtmetallunterkonstruktion Abachiholz
schwarz gestrichen 9 mm 8 Gipskarton 12,5 mm 14 Schiebetüre Abachiholz
3 Stahlblech phosphor- Wärmedämmung 2x 50 mm 15 Insektenschutzgitter aufrollbar
säurebehandelt zwischen Leichtmetallprofilen 16 Schiebefenster ESG 8 mm
schwarz gestrichen 1,6 mm 9 Kragarm Stahlprofil Å 17 Dielen Ahorn 20 mm
4 Wandaufbau: (für geplanten Badlift) auf Holzunterkonstruktion
Putz zweilagig weiß 10 Scheibe Polycarbonat 10 mm dazwischen Wärmedämmung
Trägerplatte bündig mit Gipskartonwand 18 Beton weiß verputzt
Stahlprofil fi 11 Betonsteine 19 Sitzbank Zementputz weiß

1 1
2 2

5
3

6
8 4
4
8

13
9 7

14

10

15

12 11 16 18
17 19

aa bb

112
a

b b
2 3 4
6
aa

1 Eingang 4 Schlafen
2 Essen 5 Küche
3 Wohnen 6 Klavierzimmer
1
a

113
Wohnhaus in Tokio
Architekten: Akira Watanabe Architect & Associates, Tokio

Die möblierten Apartments liegen in einem ruhigen Wohn-


gebiet im Westen Tokios und sind für befristete Aufenthalte
in der Metropole gedacht. Ein gepflasterter Fußweg führt
zwischen einem Kiesgarten hindurch zu dem in zwei Hälften
organisierten Gebäude; die Erschließung ist in die Gestal-
tung des Freibereiches einbezogen. Die minimierte Garten-
gestaltung korrespondiert mit den ruhigen, beinahe karg
anmutenden Wänden. Reduziert in Material und Formen-
gebung erinnert das Haus an traditionelle Bauten, wenn
auch das Vokabular ein modernes ist.
Eingebettet in das grüne Umfeld erstreckt sich der Riegel
mit insgesamt sechs Wohneinheiten entlang einer kleinen
Böschung und bietet gleichzeitig einen Panoramablick über
die Stadt. Mit dem Zurücksetzen des Gebäudes wird auch
der Straßenraum durch das Grün des Grundstücks auf-
gewertet – nicht nur für die Bewohner, auch für die Nachbarn
ist ein angenehmes Wohnumfeld entstanden. Zwei separate
Erschließungen führen zu den einzelnen Apartments. Das
offene Treppenhaus im hinteren Gebäude wird über einen
Patio betreten, es liegt im Zentrum zwischen den Wohnun-
gen. Die räumliche Verzahnung von Grün und Wohnen,
Garten bzw. Terrasse und Wohnraum bringt Tageslicht und
Witterung in das Gebäude. Mit der Durchdringung von
Außen- und Innenräumen entstehen interessante Sequenzen
und Durchblicke, die an das traditionelle Prinzip der Tiefen-
staffelung erinnern, wobei die Differenzierung zwischen
Öffnen und Verschließen durch die Anordnung der Raum-
folgen geschaffen und nicht mittels Schiebeelementen
erreicht wird. Das Flair japanischer Architektur ist in moder-
nem Formenvokabular umgesetzt.
Durch eine klare, einfache Formensprache und Baustoffe wie
Sichtbeton, Holz und Bambus im Ausbau wird der Material-
charakter raumprägend. Einbauten und Details sind bewusst
reduziert. Horizontal strukturierte Betonwände korrespondie-
ren mit den Holztönen von Boden- und Ausbauelementen.
Die Loggien sind mit dunkel gebeiztem Holz verkleidet, das
mit den Natursteinen im Außenbereich gut harmoniert. In tra-
ditioneller Technik sind die Außenwände mit einer 50 mm
starken Schicht Stampferde (Kieselgur) überzogen. Sie ist
Lage für Lage in Gleitschalung aufgebracht. Die aus Kiesel-
algen bestehende Erde ist nicht nur leicht, sie wirkt auch
dämmend. Vor dieser homogen struk- turierten Fläche
erscheinen die einfachen Details der filigranen Stahltreppe
beinahe raffiniert. Im Licht- und Schattenspiel erzeugen
sie auf der Steinstruktur der Fassade reizvolle Muster.

114
aa aa

Grundriss, Schnitt Maßstab 1:200

115
2 7
1 8

11

bb

b b
5

10

116
Schnitte Fassade
Maßstab 1:10
Schnitt Treppe
Maßstab 1: 20

13

12 17

14 1 Dachrandprofil Aluminium
2 Dachaufbau:
Kiesschüttung
Trennlage
Wärmedämmung
Dichtungsbahn
Stahlbeton
Wärmedämmung Polyurethan
3 Unterkonstruktion Leichtmetall
4 Gipskarton 9,5 mm
5 Schiebeelement
Furnierschichtholz
6 Fenster Aluminium
7 Fensterbank Aluminium 5 mm
15 16 einbrennlackiert
8 Stampflehm 50 mm
lagenweise in
Gleitschalung aufgebracht
9 Naturstein Aji
10 Dielen Quitte 15 mm
Sperrholzplatte 12 mm
Wärmedämmung 30 mm
11 Insektenschutzgitter faltbar
12 Verkleidung russische Rotpinie
13 Gitterrost verzinkt, untereinander
und mit 14 verschweißt
14 Stahlrohr mit Zinkanstrich
| 125/125 mm
15 Profil Vollgummi
16 Stahlrohr mit Zinkanstrich
Ø165,2/5 mm
17 Handlauf Edelstahl 50/20 mm

117
Wohnhaus in Suzaku
Architekten: Waro Kishi + K. Associates, Kioto

Inmitten eines neuen Wohngebiets am Rand von Nara gelegen,


zeigt das Wohnhaus eine moderne Interpretation des japani-
schen Hofhauses. Wie jenes schottet es sich nicht komplett von
der Umgebung ab – durch den gezielten Einsatz von geschlos-
senen bis transparenten Flächen wird eine vielfältige Abstufung
zwischen außen und innen, öffentlichen und privaten Bereichen
erreicht.
Hauptelemente des Gebäudes sind zwei Quader ähnlicher
Größe mit gestaffelten Ebenen, die ein System aus Rampen
miteinander verbindet. Der östliche Baukörper beherbergt die
öffentlichen Bereiche wie Küche, Ess- und Wohnzimmer, die
über eine außen liegende Rampe direkt von der Hofpforte
erreichbar sind, sowie eine Dachterrasse. Im Westteil liegen die
privaten Räume. Wie in vielen modernen japanischen Häusern
gibt es auch hier ein traditionelles Tatami-Zimmer für die Tee-
zeremonie, das mit dem zurückhaltend detaillierten Gebäude
harmoniert. Der in seiner Haltung ebenfalls an die Tradition
erinnernde, rundum abgeschlossene Hof bindet beide Bau-
körper zusammen. Die angrenzenden Räume im Erdgeschoss
öffnen sich zu ihm. Auf den oberen Ebenen gibt es dagegen
mehr Bezug zur Umgebung, die Räume wirken großzügiger:
Der ohnehin schon über drei Meter hohe Wohnbereich weitet
sich durch eine Stufe am Dachrand nach außen hin auf. Die in
eine Holzlamellenkonstruktion aufgelöste Begrenzungsmauer
im Süden stellt einen subtilen Bezug zum Umfeld her. Durch
diesen Filter bekommt man auch von der Straße eine Vorstellung
vom Innenleben des Hauses, ohne dass die Privatsphäre der
Bewohner gestört wird. Dieser kontrollierte Außenbezug, aber
auch die Anordnung der Baukörper, die Wegeführung und das
Spiel mit unterschiedlichen Höhen ermöglichen es, den kom-
pakten Komplex aus vielfältigen Blickwinkeln zu erleben.

118
Erdgeschoss
5 Obergeschoss
9 Maßstab 1:250

2 3 7
a
1 Eingang
a 2 Hof
6 9 3 Arbeiten
4 Garage
8 5 Hobbyraum
4 6 Tatami-Raum
7 Kochen/Essen
1
8 Wohnen
9 Schlafen

119
aa

Schnitt Maßstab 1:250


Schnitt Maßstab 1:50

1 2

3
1

5
6 8

2
7
9
10

1 Dachaufbau: 4 Innenwand Sichtbeton


Schutzschicht Mörtel 5 Decke Bambus geflochten 10
Trennlage 6 Wandoberfläche Lehmputz
Abdichtung Bitumen 7 Tatami-Matten
Stahlbeton auf Holzunterkonstruktion
Wärmedämmung 8 Holzrahmen mit Papierfüllung
Gipskarton 9 Handwaschbecken
2 Holzverkleidung Rotzeder für Teezeremonie
3 Aussenwand Sichtbeton schwarzer Granit
wasserabweisend imprägniert 10 Bodenbelag Kiesel gebunden

120
Wohnhaus in Hokusetsu
Architekten: Toshihito Yokouchi Architect and Associates, Kioto

Das Haus steht auf einem Hanggrundstück im Norden Osakas,


in unmittelbarer Nähe einiger Bambuswälder. Toshihito Yokouchi
musste in dem Entwurf die gegensätzlichen Wünsche seiner
Bauherren verbinden: einen modernen und komfortablen Wohn-
raum, ausgestattet mit allen Standards westlichen Lebensstils
für den Bauherren und klassisch japanische Zimmerfolgen für
dessen Ehefrau, die eine Meisterin des traditionellen Tanzes ist.
Beide Wohnkulturen sind übereinander und damit einander
gegenüber gestellt: Im Erdgeschoss befinden sich die moder-
nen, im Obergeschoss die traditionellen Räume. Vor dem Hin-
tergrund, dass in Japan zunehmend Wohnungen mit nur einem
Tatami-Raum für Meditation und Teezeremonie entstehen, hat
Yokouchi mit dem Obergeschoss die Sonderstellung, die der
klassische Grundriss heute einnimmt, thematisiert. Unterhalb
des Erdgeschosses sind die Garage und der Hauseingang in
das Erdreich geschoben. Dadurch bleibt der auf dem Garagen-
dach angelegte, um Geschossniveau erhöhte Garten vor Ein-
blicken geschützt – der Wohnraum kann sich großzügig nach
außen öffnen. Da normalerweise auch die traditionellen Räume
zum Garten bzw. Innenhof ausgerichtet sind, ist im Oberge-
schoss eine schmale Terrasse als Miniaturgarten (»tsubo«) über
die ganze Länge des Hauses angelegt. Auch Konstruktion und
Detaillierung thematisieren die Gegensätzlichkeit der beiden
Lebensstile: Auf die gedämmte Stahlbetonkonstruktion des Erd-
geschosses ist ein konventioneller Holzständerbau gestellt. Das
massive Sockelgeschoss bietet behaglichen Wohnkomfort,
während der einfache Aufbau der lehmverputzten Wände im
Obergeschoss den Wechsel der Jahreszeiten im Inneren spür-
bar werden lässt. Die Deckenverkleidung im Obergeschoss
besteht aus schlichten Schilfrohrmatten. Bei der Ausführung der
Fensterelemente steht der Isolierverglasung im Unteren die
Schichtung der Schiebelemente im Oberen Geschoss gegen-
über. Das ganze Haus ist gebauter Dialog zwischen Ost und
West – beide Bereiche sind voneinander nicht unbeeinflusst
geblieben, aber gerade das verleiht der Architektur ihren ganz
eigenen Charme.

Schnitt
Maßstab 1:250

122
Schnitt Obergeschoss Grundrisse
Maßstab 1:20 Maßstab 1:250
1 Deckung Stahlblech 4 Sonnenschutz Schilfmatte Decke Stahlbeton 1 Wohnen/Essen
Systemelemente 5 Schiebeelemente: Rahmen 8 Tatami-Matte 60 mm 2 Kochen
aluminiumbeschichtet Zypresse Sperrholz 15 mm 3 Wirtschaftshof
Dachdichtung Bitumen Füllung: Insektenschutzgitter, Dämmung 50 mm 4 Bad
Lattung Zeder Glas, Sperrholz, Papier Balken aufgeständert 100 mm 5 Schlafen
Sparren 90 mm 6 Austritt Bambusrost Decke Stahlbeton 6 Tanzzimmer
2 Pfette Douglasie 105/180 mm 7 Findling auf Kiesschicht 9 Lehmputz zweilagig 7 Tatami-Raum
3 Lattung Zeder Dichtungsbahn auf 2≈ Gipskartonplatte 8 Teezeremonie
Schalung Bambus 15 mm Estrich im Gefälle 10 Schilfrohrmatte Ø 15 mm 9 Miniaturgarten

2 2

10 3

8 6

124
a
3

2
6 7 7 7
8
5
1 1
9

125
Kunsthaus auf Naoshima
Architekten: Tadao Ando Architect & Associates, Osaka

Auf der Insel Naoshima zwischen Shikoku und der Hauptinsel


Honshu sind mittlerweile viele Häuser nicht mehr bewohnt.
Um dem zu begegnen, wurde das »Art House Project in
Naoshima« ins Leben gerufen, bei dem leer stehende Häuser
traditioneller Bauweise saniert und mit zeitgenössischer Kunst
ausgestattet werden. Das Projekt bezieht auch den hier
vorgestellten Neubau auf dem Grundstück eines vor über
100 Jahren zerstörten Tempels mit ein.
Tadao Andos schlichte, zurückhaltende Holzkonstruktion
ist eine moderne Interpretation traditioneller japanischer
Architektur. In ihrer ruhigen Erscheinung erinnert sie an den
meditativen Charakter seiner Betonbauten. Wenige gezielt
eingesetzte Bauteile und Materialien nehmen Bezug auf
Geschichte und Charakter des Ortes: Ähnlich den tradi-
tionellen Gebäuden Naoshimas sind die Wände mit ge-
flämmten Zedernbrettern verkleidet, die Konstruktion des
Dachüberstands folgt der japanischer Tempelarchitektur,
auch die Gestaltung des Außenbereichs erinnert an japa-
nische Gärten. Auf der Baustelle wurden mit traditionellen
Techniken vertraute Handwerker beschäftigt, die mit alten
japanischen Maßeinheiten gearbeitet haben.
Im Innern ist der Bau ganz auf die Lichtinstallation »Backside
of the Moon« von James Turrell ausgerichtet. Tageslicht wird
durch eine Schleuse am Eindringen gehindert. Die einheitlich
glatten Oberflächen treten zurück hinter Turrells Konzept,
dem Licht eine physische Präsenz zu geben.
Wie mehr als 100 Jahre zuvor entsteht ein stiller, meditativer
Ort, nach dem Vorgängerbau »Minami-Dera« benannt.

126
1
2

3
4

aa bb

128
1
2

Ansicht • Schnitte Maßstab 1:50


Schnitt • Grundriss Maßstab 1:250

1 Stehfalzdeckung Edelstahl verzinkt


Bitumenbahn
2 Stahlprofil verzinkt,
phosphorsäurebehandelt ∑ 65/65 mm
3 Leimbinder Douglasie gebeizt 90/120 mm
4 Lattung Zeder geflämmt,
gebeizt 10/165 mm
5 5 Fußboden Betonplatten
6 Zugang
7 Vorraum
8 Schleuse
cc 9 Lichtinstallation

7 9 6
b b
c

a c a

129
Steinmuseum in Nasu
Architekten: Kengo Kuma & Associates, Tokio

Den Umgang mit Naturstein, die Möglichkeiten, dieses schwere


Material transparent, leicht und vieldeutig erscheinen zu las-
sen, thematisiert Kengo Kuma in dem in der Ashino-Region
gelegenen Museum. Dieser Landstrich zwischen Tokio und
Yamagata ist eine der wenigen Gegenden Japans mit traditio-
neller Steinarchitektur, die in anderen Regionen des Landes
aufgrund der Erdbebengefahr wenig Verbreitung fand. Drei
Reisspeicher aus den 30er-Jahren sind mit drei Neubauten zu
einem Museumskomplex verschmolzen, ein zentrales Wasser-
becken weitet das kleine Grundstück optisch auf. Über dieses
Becken mäandernde Stege führen den Besucher zu einem
Hof, um den sich die einzelnen Gebäude gruppieren. Neben
den Ausstellungsräumen gehört auch ein kleines Teehaus
zu dem Ensemble. Auf der anderen Seite der Wasserfläche
schließt ein lang gestreckter Baukörper die Anlage nach
Süden ab. Die darin untergebrachte Bibliothek bietet, ergänzt
durch eine Gesteinssammlung, einen Überblick über die Geo-
logie der japanischen Inseln.
Sowohl Neubauten als auch Bestand sind aus dem orts-
typischen, vulkanischen Ashino-Stein, im Charakter jedoch
verschieden. Dem traditionellen, massiven, grob gehauenen
Mauerwerk der Altbauten werden präzise verarbeitete, teil-
weise aufgelöste Wände gegenübergestellt, die versuchen,
dem Stein seine Eindeutigkeit und Schwere zu nehmen.
Aus dem gleichen Rohstoff sind dabei verschiedene Struk-
turen hergestellt worden. Neben unterschiedlichen Brenn-
temperaturen, die die verschiedenen Farbigkeiten erzeugen,
ist der Charakter des Steins von der Wahl der Oberflächen-
behandlung geprägt. Neben Polieren, Schleifen oder Sand-
strahlen ist die Textur auch durch traditionelle Steinmetz-
bearbeitung verändert. Die tragenden Wände der nördlichen
Baukörper weisen in einem regelmäßigen Raster Öffnungen
auf, die innen mit sehr dünn geschnittenem, transluzentem
Marmor ausgefacht sind. Aufgrund behördlicher Auflagen
wurden die Öffnungen teilweise geschlossen und sind nun
durch zurückgesetzte Mauersteine markiert. Die die Was-
serflächen begrenzende Wand des südlichen Gebäudes
führt den Gedanken weiter. Der tragenden Stahlkonstruktion
sind Steinlamellen vorgeblendet. Mit dieser dem Holzbau
Schnitt • Grundriss entlehnten Konstruktion wird einmal mehr mit den Möglich-
Maßstab 1:500 keiten des Materials experimentiert. Fast alle Böden, innen
1 Foyer, Café, Shop wie außen, sowie die Dachschindeln eines Altbaus sind aus
2 Verwaltung Shirakawastein, in Farbe und Struktur dem Ashino-Stein
3 Ausstellung ähnlich. Die Anordnung um das zentrale Wasserbecken, die
4 Teezeremonie
Wegeführung, vor allem aber der Umgang mit dem Material
5 Sonderausstellung,
Veranstaltung erzeugen aus Alt und Neu, Innen und Außen eine Einheit mit
6 Bibliothek starker Identität inmitten einer unscheinbaren Umgebung.

130
aa

4 3
3

a
3
1
a 2
1

131
4 9

8
5
10
6

7
8 aa

6
Schnitte
Maßstab 1:20
2
1 Außenwand Ashino-Stein 300/50 mm
2 Marmorplatte Bianco Carrara 6 mm
3 Bodenaufbau:
Platten Shirakawa-Stein 30 mm
Mörtelbett 20 mm
Dichtungsanstrich
1 Stahlbeton
4 Dichtungsbahn
Wärmedämmung Polystyrol 25 mm
OSB-Platte 25 mm
5 Balken Zeder ¡ 60/90
6 Lamelle Ashino-Stein 40/120 mm
a a 7 Pfosten Stahlprofil } 175/122/11
3 8 Stütze Stahlprofil Å 175/175/11
3 9 Aluminiumblech
Dichtungsbahn
Wärmedämmung Polystyrol 25 mm
OSB-Platte 25 mm
10 Balken Zeder ¡ 60/165
zwischen Stahlprofilen Å 175/175/11

132
Sonntagsschule in Ibaraki
Architekten: Tadao Ando Architect & Associates, Osaka

Etwa zehn Jahre nach der Fertigstellung seiner berühmten


»Kirche des Lichts« erhält Tadao Ando die Gelegenheit, den
mittlerweile zum Klassiker avancierten Bau zu erweitern: Eine
Sonntagsschule mit einem Versammlungssaal sowie Biblio-
thek, Büro und Küche soll das Kirchengebäude ergänzen. Der
neue Baukörper nimmt das Thema der Kirche wieder auf:
Auch hier durchschneidet eine Wand den streng rechteckigen
Grundriss im Winkel von 15°, knickt ab und verläuft dann
parallel zum bestehenden Altbau. Durch die schräg gestellten
Wände entsteht eine Klammer zwischen den beiden Gebäu-
den und schließt sie zu einem Paar zusammen. Erst im Inneren
erkennt man, dass hier – anders als bei dem kontemplativen
Kirchenraum – ein Lebensraum für Gläubige und Kinder
entstanden ist, die sich außerhalb des Gottesdienstes dort
versammeln und verschiedenen Aktivitäten nachgehen
können. Deshalb sind der Bodenbelag und Möbel der Schule
ganz im Kontrast zu der harten Betonschale in weichen
Holztönen gehalten und werden von durch gezielt platzierte
Öffnungen einfallendem Licht durchflutet. Die Böden sind
aus einfachem japanischen Zedernholz gefertigt, alle Möbel
aus Furnierschichtholz handwerklich gearbeitet. In ihrer
schlichten, sorgfältigen Ausführung und mit ihren haptischen
Qualitäten sollen sie die Kinder ansprechen. Ein Gedanke
Andos war es, einen Raum zu schaffen, in dem sich subtile
Geräusche, wie Stimmen, Klaviermusik und Blätterrascheln,
entfalten können und zusammen mit dem Ort in den Erin-
nerungen haften bleiben. Auch das Licht spielt wieder eine
große Rolle; weniger sparsam eingesetzt als in der Kirche,
dringt es durch zahlreiche Öffnungen und horizontale Schlitze
unter der Decke in den zweigeschossigen Versammlungsraum
und verleiht den Betonoberflächen ihren sinnlichen Charakter.

134
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss Obergeschoss
2 3 4 5 6 7 Vertikalschnitt
Maßstab 1:500

1 Kirche des Lichts


2 Empfang
3 Versammlung
4 Büro
1 5 Küche
6 Bibliothek
7 Luftraum

135
136
Isometrie und Schnitt
ohne Maßstab

137
3

2
1

4
1

5
2

Stuhl und Tisch


Aufsicht, Schnitt
Maßstab 1:20

6 8

aa

8 a

Treppe
Schnitte
Maßstab 1:10

138
A B C 1 Furnierschichtholz
japanische Linde 24 mm
2 Furnierschichtholz
japanische Linde 12 mm
10 3 Ahornintarsie
9 4 Furnierschichtholz
japanische Linde 24 / 65 mm
5 Furnierschichtholz
japanische Linde 24 / 45 mm
16 6 japanische Zeder 28 mm
7 Furnierschichtholz
japanisches Lauan-Holz 12 mm
18 8 Furnierschichtholz
17 japanische Linde 6 mm
9 9 Aluminium-Profil
10 Drehmechanismus
11 L-Profil 35/65/6 mm
12 Arretierung
13 Stahlplatte 6 mm
14 Türstopper Ø 30 mm
15 Dielenboden
japanische Zeder 28/190 mm
Furnierschichtholz
japanisches Lauan-Holz 12 mm
Zement-Ausgleichsschicht 10 mm
16 ‰-Profil 50/150/6,5 mm
17 L-Profil 75/125/7 mm
18 Flachstahl mit Nut 12/50 mm
a a b b c c 19 Flachstahl 6/38 mm
20 Flachstahl 6/25 mm
21 Zementmörtel 50/120 mm
12 15 15 20 21 15
13 13 19
13

10
9
11 14

12

13 19 20

9
cc

12
A Fenster mit Drehflügel
B Schiebetüre
C Festverglasung

Vertikalschnitte
Horizontalschnitte
aa bb Maßstab 1:10

139
Galerie und Gästehaus einer
Tempelanlage in Kioto
Architekten: Takashi Yamaguchi & Associates, Osaka

Der Reigenko-ji liegt im Norden Kiotos. 1638 als Tempel der


Kaiserfamilie erbaut, wird er noch heute genutzt. Die histo-
rischen Gebäude gliedern das Grundstück in vier Außen-
räume, die unterschiedlich gestaltet sind: Kirschbaum-, Stein-,
Teich- sowie Ahornbaumgarten, der zwischen Eingangshalle,
Haupttempel und Zeichenhalle liegt. Darin steht ein Jahr-
hunderte alter Ahornbaum, der genauso verehrt wird wie
die Haupthalle des Tempels. Auch der Neubau, der als Gäste-
haus genutzt wird, liegt in diesem Garten. Um die alte Anlage
möglichst unberührt zu lassen, ist das Gebäude in den Boden
versenkt. Nur das Oberlicht, das den strahlend weißen Innen-
raum mit Tageslicht versorgt, ragt über dem Kiesbett des
Gartens hervor. In der Architektur klar und sachlich, nimmt es
sich doch zurück, Alt und Neu stehen in gelungenem Kontrast
nebeneinander. Der Baukörper schiebt sich von der offenen
Seite des Hofes behutsam unter den Ahornbaum, sein Glas-
dach fügt sich in die klare Architektur des Gartens. Parallel
zu dem Gästehaus erfolgt der Zugang über eine Treppe, die
eingelassen zwischen mit schwarzem Granit verkleideten
Betonwänden nach unten führt. Seitlich an den Wänden ent-
lang laufende Oberlichtschlitze lassen nur spärliches Licht
in den Abgang fallen, der zum hölzernen Eingangstor des
Gästehauses leitet. Nach dem Öffnen der Schiebetür betritt
man die Galerie des Kubus, in dessen Zentrum ein nach oben
Lageplan
offener Lichthof eingeschnitten ist; an ihn grenzen die ein-
Maßstab 1:1000 gestellten Räume. Der Lichthof erscheint durch die mattierten
Glaswände als diffus leuchtendes Volumen, während der
meditative Charakter des Teeraumes durch die indirekte
Belichtung über seitliche Oberlichtschlitze und eine schmale
über dem Boden verlaufende Öffnung erzeugt wird. Durch
das transparente Glasdach fällt Licht ganz anderer Qualität,
es lässt die Konturen des Raumes verschwimmen. Um
Kondensation zu vermeiden, wurde die untere Scheibe als
Isolierverglasung ausgeführt. Darüber liegt eine weitere
Scheibe, die den Himmel reflektiert, das Glasdach wirkt wie
ein tiefer blauer See. Die klaren Formen und die Reduktion
auf wenige, sorgfältig gearbeitete Details sowie das fein ab-
gestufte Spiel von Offen und Geschlossen entsprechen der
Architektur der historischen Anlage.

142
143
2 3

4 5

7
3

144
Detailschnitt Maßstab 1: 20 Dachaufsicht
Grundrisse
1 Klarglas VSG 12 mm Schnitt
2 Sichtbeton beschichtet Maßstab 1:400
3 schwarzer Granit geflammt 25 mm
im Mörtelbett 8 Tatami-Raum
4 Schiebetür japanische Zypresse 9 Lichthof
5 Schiebetür Lochblech silbern gestrichen 10 Büro
6 Baumwollnetz auf Putz weiß gestrichen 11 Esszimmer
7 weißer Marmor 25 mm im Mörtelbett 12 Ausstellung

a 8 9 10 a

9
11 12

145
6 7

3 8

2 3

4 5 5

10

Detailschnitt
Maßstab 1:10

1 VSG 8 mm Klarglas 6 Glasdach: Klarglas 12 mm


11 12
2 Entwässerungsrohr VSG 8 mm + 10 mm Drahtglas
Edelstahl Ø 25 mm 7 Edelstahl ¡ 12 mm
3 Konstruktion Glasdach 8 Lichthofverglasung
Flachprofil 150/25 mm VSG 12 mm sandgestrahlt
silbern gestrichen 9 Paneel aus Edelstahl 2 mm
4 Edelstahlblech 1,5 mm Glaswolle 35 mm
weiß gestrichen 10 Deckleiste Edelstahl 3 mm
5 Baumwollnetz auf 11 weißer Marmor 25 mm
Putz weiß gestrichen 12 Bodeneinbauleuchte

146
Mediothek in Sendai
Architekten: Toyo Ito & Associates, Tokio

Eine Welt der Bewegung, der kontinuierlichen Veränderungen


und fließenden Übergänge – die Mediothek in Sendai spiegelt
Toyo Itos Vorstellungen von einer Architektur für das 21. Jahr-
hundert wider. Für Ito sind die Gebäude einer Stadt Teil eines
Kommunikationsnetzes, dessen stetige Veränderung durch
den permanenten Informationsfluss bedingt und nicht vorher-
sehbar ist. Architektur sollte darum nie endgültig und festgelegt
sein, sondern flexibel auf das Umfeld reagieren. Die Mediothek
ist als städtische Landschaft konzipiert. Ihre transparente
Hauptfassade, der freie Grundriss und die klare Schichtung
der Ebenen machen das Gebäude durchlässig; es öffnet
sich im Gegensatz zur geschlossenen Bebauung der Umge-
bung zur Stadt. Die Mediothek soll auf die sich ändernden
Bedürfnisse der Stadtbevölkerung reagieren. Als öffentliche
Einrichtung der Kommune beherbergt sie neben einer Biblio-
thek zwei Galerien, ein Informationszentrum für behinderte
Menschen, eine Multimedia-Bibliothek mit angeschlossenem
Kino sowie Seminarbereiche und ein Café.

Fassaden
Die zur Hauptstraße orientierte, verglaste Doppelfassade liegt
vor den Geschossebenen, die Trennung zwischen Gebäude-
innerem und Stadtraum scheint aufgehoben. Bei Dunkelheit,
wenn die einzelnen Etagen im Wechsel mit warmen und kaltem
Licht ausgeleuchtet sind, gleicht die Südfassade einer groß-
formatigen Lichtinstallation, die Möbelstücke der Ebenen erin-
nern an inszenierte Ausstellungsstücke. Geschlossener sind
West-, Ost- und Nordseite, die im Gegensatz zur Hauptfassade
durch die Geschossdecken gegliedert werden. Je nach Nut-
zung bilden opake Aluminium-Paneele, einfache oder translu-
zente Glasscheiben den Raumabschluss. An der Westseite ist
hinter vertikalen Metallbändern eine einläufige Fluchttreppe vor-
gelagert. Eine Gitterstruktur als »fünfte Fassade« ist räumlicher
Abschluss über den auf dem Dach liegenden Technikaufbauten.

Organisation
Beim Betreten der Mediothek steht der Besucher direkt vor
der organisch geformten, signalroten Infotheke und blickt
in das weitläufige Foyer, das nur durch eingestelltes Mobiliar
und die durch alle Geschosse rauschenden Stahlrohrstränge
gegliedert ist. Die so genannte Plaza gleicht, wie die anderen
Ebenen auch, mit ihrer Organisation einer Platzgestaltung.
Nicht nur in ihrer Höhe variieren die einzelnen Geschosse,
auch Wandelemente und Mobiliar unterstreichen die wechseln-
den Atmosphären. Durch die unregelmäßig über den Grundriss
verteilten Stahlrohrsträngen entstehen Aufenthaltsbereiche
unterschiedlicher Qualität.

148
1 2

Tragstruktur
Die Tragtruktur des Gebäudes besteht aus Ebenen und
Stützen. Sie ist aus sehr dünnen Stahlteilen gefertigt. 40 cm
starke Sandwichelemente bilden die Deckenkonstruktion,
die 20 m überspannen kann. Ihre 6 bis 25 mm starken Stahl-
platten sind zur Stabilisierung mit Querstegen ausgefacht.
Im Bereich der Rohrstränge sind die Paneele mit radial
laufenden, in den restlichen Bereichen mit gitterförmig ange-
ordneten Stegen verstärkt. Bei der Montage wurden zunächst
die unteren Stahlplatten mit den Stegen fixiert, im Anschluss
sind die oberen Platten angeschweißt und an den Ringträgern
der Rohrstränge befestigt worden. Bis zu 40 Schiffsbauer
haben die aufwändigen Schweißarbeiten auf der Baustelle
ausgeführt. Dickwandige, nahtlose Rohre aus feuerfestem
Stahl bilden die 13 Stahlrohrstränge mit Durchmessern von
2 bis 9 m. Die vier größten Stränge wirken seismisch als
eingespannte Träger, sie gewähren das größte Maß an
Steifigkeit und sind im Grundriss so angeordnet, dass sie
die Geschossdecken vor Verdrehungen durch Torsionskräfte
schützen. Die übrigen neun Rohrstränge tragen die vertikalen
Lasten ab und sind dementsprechend positioniert. Lediglich
die vier größten Rohrstränge sind als komplexe dreidimen-
sionale Gitterstrukturen ausgeführt. Um die Knickgefahr zu
reduzieren sind sie zum Teil über die gesamte Höhe im
Grundriss verdreht. In der vertikalen Tragstruktur ist neben
der Erschließung auch die Versorgung untergebracht. Licht-
lenkungselemente auf dem Dach und in den einzelnen
Strängen führen Tageslicht bis in die unterste Ebene.

150
3 4 5

Grundrisse
Maßstab 1:1000
Querschnitt
Maßstab 1:500

1 EG Plaza
(Gestaltung Karim Rashid)
2 1.OG Information
(Gestaltung Kazuyo Sejima)
3 2.OG Bibliothek
(Gestaltung K.T. Architecture)
4 4.OG Galerie
(Gestaltung Karim Rashid,
ebenso Galerie im 3. OG)
5 5.OG Multimedia, Studios
(Gestaltung Ross Lovegrove)

151
12

10

A 2 5 11

A
1 5
4
A 3
2 4

Schnitt
Stahlrohrstrang 2. OG
Maßstab 1:20
Detail Glashalterung
Maßstab 1:5

1 Stahlrohr Ø 139,8 mm
2 Stahlrohr Ø 114,3 mm 13
3 Stahlstab Ø 12 mm 14
4 Pressleiste Aluminium 7 8 9
5 Verglasung ESG 8 mm
6 Stahlprofil Å
geschweißt 160/200 mm
7 Stahlplatte 25 mm
8 Leichtbeton 10 mm,
mit Kunstharzanstrich
9 Stahlhohlraumdecke 400 mm:
Stahlplatte 25 mm 6
Quersteg Stahl 25 mm
Stahlplatte 25 mm
10 Brandschutzverkleidung
11 abgehängte Decke,
Stahlblech verzinkt
12 Kabelführung
Edelstahl Ø 34 mm
13 Doppelboden
14 Stahlplatte

Alle frei liegenden Stahlteile sind


mit Brandschutzanstrich versehen.

154
5

6 3
12 Westfassade
Vertikalschnitt
Horizontalschnitt
1 Maßstab 1:20
2

a a

8 9
4

7 10
5

6
11 12 1 Wandaufbau:
Aluminiumpaneel 60 mm
PU-Hartschaum 25 mm
Luftraum
Profilglas 262/60 mm
2 Stahlprofil 125/125/6,5 mm
3 Fassadenprofil Aluminium
4 Stahlrost verzinkt 60 mm
5 Stahlschwert
6 Revisionsöffnung Stahlplatte 4,5 mm
7 Stahlprofil ∑ 160/160/15 mm
8 Fußbodenbelag Pinie,
gewachst 12 mm,
7 2 auf Sperrholzplatte 9 mm
9 Doppelboden
10 Leichtbeton 70 mm
11 Stahlhohlraumdecke 400 mm:
Stahlplatte 25 mm
Quersteg Flachstahl 25 mm
Stahlplatte 25 mm
12 Brandschutzverkleidung

3 1 Alle frei liegenden Stahlteile sind mit


aa Brandschutzanstrich versehen.

156
5

13

4 3
Ostfassade
1 Vertikalschnitt
Horizontalschnitt
2
Maßstab 1:20

b b

12 6 7 8

13

4
10 11 9

1 Fassadenelement Profilglas
2 Stahlstab Ø 8 mm
3 Fassadenprofil Aluminium
4 Revisionsöffnung Stahlplatte 4,5 mm
5 Stahlschwert
6 Lüftungsgitter Stahl verzinkt
7 Fußbodenbelag Pinie,
gewachst 12 mm,
auf Sperrholzplatte 9 mm
8 Doppelboden
9 Stahlhohlraumdecke 400 mm:
6 Stahlplatte 25 mm
Quersteg Flachstahl 25 mm
Stahlplatte 25 mm
10 Leichtbeton 70 mm
11 Brandschutzverkleidung
12 Stahlprofil ∑ 160/160/15 mm
13 Heiz-, Lüftungskanal

1 2 3 Alle frei liegenden Stahlteile sind mit


bb Brandschutzanstrich versehen.

157
Südfassade
Vertikalschnitt
Maßstab 1:20
2 1
1 Verglasung VSG aus ESG 19 mm
2 Punkthalter Edelstahl Ø 125 mm
3 Edelstahlstab Ø 35 mm
1
4 Zugstab Edelstahl Ø 14 mm
5 Glasschwert VSG aus ESG 19 mm
6 innere Verglasung, 16
mattiertes Glas ESG 10 mm
7 Glashalter Edelstahl
8 Stahlschwert 17
9 Stahlplatte 1,6 mm, fixiert
mit 2x Stahlprofil ∑ 50/50/3,2 mm 13 14
10 Lüftungsgitter Stahl verzinkt
11 Stahlprofil ∑ 110/110/10 mm 7
12 Sonnenschutz beweglich
13 Dachaufbau:
Dachdichtungsbahn
Wärmedämmung 50 mm 8
Leichtbeton 130 mm 9
14 Stahlhohlraumdecke 400 mm:
Stahlplatte 25 mm 2
Quersteg Stahl 25 mm
Stahlplatte 25 mm
15 Brandschutzverkleidung
16 Lüftungsflügel 15
17 Abdeckblech Aluminium 12
4
18 Silikonverfugung
19 Heiz-, Lüftungskanal

Alle frei liegenden Stahlteile sind mit


Brandschutzanstrich versehen.
6

3 5 18

10

19
11

158
159
Universität in Saitama
Architekten: Riken Yamamoto & Field Shop, Yokahama

Am Rande von Tokio, umgeben von Wohngebieten und


Reisfeldern, liegt der Gebäudekomplex der Universität. Um
dem großen Raumprogramm zu entsprechen und gleichzeitig
auf die kleinteilige Bebauung des angrenzenden Wohn-
gebietes zu reagieren, hat Riken Yamamoto die Seminarräume
unter eine begrünte Dachlandschaft gelegt. Die durch Licht-
höfe gegliederte Plattform wird von zwei parallelen Gebäude-
riegeln gefasst. Wie ein Netzwerk sind die Disziplinen
Krankenpflege, Rehabilitation und Sozialarbeit räumlich und
funktional miteinander verwoben. In einer Gesellschaft, in der
der Anteil alter Menschen immer größer wird, soll bei den
Studenten auf diese Weise das Bewusstsein für soziale Fragen
gefördert werden. Die Tiefhöfe sind mit Bäumen bepflanzt und
wecken Assoziationen an chinesische Erdhäuser. Würfel-
förmige Glaskörper für Haustechnik und Erschließung ragen
Lageplan Maßstab 1:10 000 über das Platzniveau hinaus und nehmen die Maßstäblichkeit
der umgebenden Häuser auf. Wie die Deiche, die über die
nahe liegenden Reisfelder führen, sind Holzstege zwischen
den Rasenflächen in einem orthogonalen Wegenetz angelegt.
Sie verbinden die zweihundert Meter langen Gebäude für die
Ober- und Unterstufe. Diese Riegel mit Labors und weiteren
Seminarräumen werden über viergeschossige Galerien
erschlossen, die sich über filigrane Glasfassaden zur Plattform
hin öffnen. Die aufgelösten Fassaden sind als hinterspannte
Glaskonstruktion mit horizontalen Trägern aus Flachstahl und
vertikalen Zugstäben ausgebildet. Im Zusammenspiel mit den
waagrechten Aluminiumlamellen des Sonnenschutzes entsteht
ein ruhiges Erscheinungsbild. Verglaste Trennwände zu den
Seminarräumen lassen Tageslicht in das ganze Gebäude.
Über Öffnungen an den Längsseiten der Traufe strömt Zuluft
in den Dachraum. Bei geöffneten Auslässen auf der Gegen-
seite entsteht eine Querlüftung, die durch natürlichen Sog für
die gesamte Halle wirksam wird. Im Winter wird die durch
Sonneneinstrahlung gewonnene Energie passiv genutzt. Die
warme Luft des Dachraumes strömt dann über verglaste
Kanäle nach unten ins Gebäude.

160
b a
2

c c
d d

6 4 3

1
b a

4
3

Grundriss
Platzniveau
Grundriss
Sockelgeschoss
Maßstab 1:3000

1 Oberstufe
2 Unterstufe
3 interdisziplinäre
Einrichtungen
4 Bibliothek
5 Verwaltung
6 Hörsaal
7 Sporthalle

162
Schnitte Maßstab 1:1500

aa

bb

cc

dd

163
4 5

1 2 3

6 7

8 9 12

10

11

13

164
Detailschnitt Südfassade
Riegel Oberstufe
Maßstab 1:20

1 Sonnenschutz Aluminium
2 Glaslamellen
3 Lüftungsöffnungen Dachraum
4 Oberlichtverglasung VSG
5 Lichtkuppel Hörsaal
6 Geländer Wartungsgang aus Stahlprofilen
7 Vierendeelträgerrost
aus Profilstahl 200/200/8/12 mm
8 Verglasung ESG 15 mm
9 Abspannungen Fassade Rundstahl
10 Horizontalträger Fassade Flachstahl
mit Punkthaltern
11 Stütze Stahlrohr Ø 250 mm
12 abgehängte Decke als Unterseite
des Dachraums zur Luftführung
beschichtete Holzzementfaserplatte,
gekantetes Stahlblech
Glaswolle
poröse Calzium-Silikatplatte
13 Leuchte

165
Stadion bei Sendai
Architekten: Atelier Hitoshi Abe, Sendai mit Syouichi Haryu
Architect and Associates, Sendai

Ungefähr 10 km nördlich von Sendai liegt das zur Fußball-


weltmeisterschaft 2002 erbaute Leichtathletik- und Fußball-
stadion der Präfektur Miyagi mit etwa 50 000 Sitzplätzen, zwei
Drittel davon sind überdacht. Rampen und Dächer nehmen
mit geschwungenen Formen die hügelige Landschaft der
Umgebung auf. Wie die Schale einer Muschel schiebt sich die
Überdachung der Osttribüne aus dem Erdreich. Gegenüber,
über der Haupttribüne, thront ein weiterer, mit Aluminium
beschichtetem Profilblech verkleideter Fachwerkbogen. Er
ruht auf dem Stahlbetonskelett der aufgelösten Westfassade,
an die sich eine breite Rampe anlehnt – großzügiger Zugang
zu den oberen Rängen und Überdachung für eine innen
liegende Laufbahn zugleich. Gerade hier zeigt sich Hitoshi
Abe‘s Idee eines »offenen Stadions«: Entgegen dem Trend,
die Arena ohne Bezug zur Umgebung ganz aufs Spielfeld
auszurichten, laden offen gestaltete Rampen und Treppen,
Terrassen und Wasserbecken auch außerhalb der Wettkämpfe
ein. Spaziergänger können bis unter die Ränge flanieren,
Kinder und Jugendliche sich mit allen erdenklichen Sport-
geräten im öffentlichen Park austoben. Für örtliche Vereine
gibt es Trainingsmöglichkeiten in den Ebenen unter der
Haupttribüne. Komplettiert wird die Anlage mit weiteren
Trainingsfeldern, einer Sport- und einer Schwimmhalle.

166
1 1

3
4 4 1

5 5
4 4

2 2

Grundrisse 2 Ticketverkauf
Maßstab 1:5000 3 Trainingsbereiche
4 Zugangstor
1 Zugangsrampe 5 Umgang

167
1
2
2

3
4

Schnitt Maßstab 1:150


1 Deckung Stahl-Profilblech aluminiumbeschichtet
2 Aluminium farbig, beschichtet 3 mm
3 Flutlicht
4 Stahlrohr
5 Stahlbetonstütze
6 Entwässerung
Alle tragenden Stahlteile mit Brandschutzbeschichtung

168
Hiroshi Naito Shigeru Ban Toshiaki Kawai Toyo Ito
Geb. 1950 in Yokohama; Geb. 1957 in Tokio; von Geb. 1967 in Kobe; von Geb. 1941 in der Präfektur
1976 Master an der Waseda 1978 bis 1980 Studium am 1986 bis 1991 Archi- Nagano; Diplom 1965 an
University, Tokio; von 1976 Southern California Institute tekturstudium an der Kyoto der Tokyo University; 1971
bis 1978 bei Fernand of Architecture, von 1980 bis University; von 1994 bis Gründung von Urban Robot;
Higueras, Madrid; 1979 bis 1982 an der Cooper Union 1995 Aufbaustudium an der seit 1979 Toyo Ito & Asso-
1981 bei Kiyonori Kikutake, School of Architecture; von Architectural Association, ciates, Architects, Tokio;
Tokio; seit 1981 Naito 1982 bis 1983 bei Arata London; 1995 Gründung Ehrenprofessur an der
Architect & Associates, Isozaki Associates; Diplom des Architekturbüros University of North London;
Tokio. 1985 an der Cooper Union Kenchiku-Shownen Partners zahlreiche Preise und
School of Architecture; seit & Associates, Kioto; 1999 Auszeichnungen.
Botanisches Museum 1985 Shigeru Ban Archi- Gründung des eigenen
bei Kochi tects, Tokio. Architekturbüros Kawai Wohnhaus in Sakurajosui
Bauherr: Präfektur Kochi Architects, Kioto. Bauherr: privat
Mitarbeit: N. Kawamura, T. Kindertagesstätte in Odate Mitarbeit: Tatsuo Kuwabara,
Kambayashi, D. Takakusa, Bauherr: privat Wohnhaus in Kobe Akihisa Hirata
T. Yoshikawa Mitarbeit: Nobutaka Hiraga, Bauherr: Hironori Sakai Tragwerksplanung:
Tragwerksplanung: Struc- Soichiro Hiyoshi Mitarbeit: Teruko Shinmei Oak Structural Design Office
tural Design Group Co., Ltd.; Tragwerksplanung: Hoshino Tragwerksplanung: Inc., Tokio
Kunio Watanabe, Tokio Architect & Structural Tac-D Structural Consultant Baujahr: 2000
Baujahr: 1999 Engineer, Tokio Masamazu Taguchi, Hiro-
Baujahr: 2002 sada Kotani, Osaka Mediothek in Sendai
Wohn- und Atelierhaus Baujahr: 2001 Bauherr: Stadt Sendai
in Tokio Wohnhaus bei Yamanakako Mitarbeit: Takeo Higashi,
Bauherr: privat Bauherr: privat Tatsuo Kuwabara, Makoto
Mitarbeit: Hiromi Furuno, Mitarbeit: Yoko Nakagawa Yokomizo, Toyohiko Koba-
Paddy Tomesen Tragwerksplanung: yashi; Hironori Matsubara,
Tragwerksplanung: Structure Gengo Matsul, Leo Yokota
Technical Design Architect Minoru Tezuka, Tragwerksplanung: Sasaki
Office, Syuichi Matsumoto, Shuichi Hoshino, Tokio Structural Consultants, Tokio
Tochigi Generalunternehmer: Baujahr: 2001
Baujahr: 1997 Marukaku Kenchiku,
Yamanashi-ken
Baujahr: 1995

170
Kazuyo Sejima Kiyoshi Sey Takeyama FOBA Tezuka Architects
Geb. 1956 in der Präfektur Geb. 1954 in Osaka; Diplom Katsu Umebayashi Takaharu Tezuka
Ibaraki, Diplom 1981 an der 1977 an der Kyoto Uni- Geb. 1963 in Kioto; Diplom Geb. 1964; Diplom 1987
Japan‘s Women University; versity, 1977 bis 1979 an der 1987 an der Osaka Uni- am Musashi Institute of
1987 Gründung des University of Tokyo; 1979 versity of Arts; von 1987 bis Technology; 1990 Master
Architekturbüros Kazuyo Gründung des Architektur- 1993 bei Shin Takamatsu an der University of Penn-
Sejima & Associates, Tokio; büros Amorphe Takeyama & Architect & Associates; seit sylvania; von 1990 bis 1994
1995 Gründung von SANAA Associates, Kioto. 1995 eigenes Architektur- bei Richard Rogers Part-
mit Ryue Nishizawa. büro FOBA, Kioto; seit 1998 nership, London; 1994
Wohnhaus in Nagoya FOB Homes in Zusam- Gründung des Architektur-
Möbelhaus in Tokio Bauherr: Masayuki Hiraiwa menarbeit mit Shingo büros Tezuka Architects mit
Bauherr: privat Mitarbeit: Hisakazu Sutou Fujiwaki und Mitsue Yui Tezuka, Tokio.
Mitarbeit: Kouichiro Tokimori, Tragwerksplanung: Masunaga. Yui Tezuka
Yoshinori Nishimura K3 Structure Design www.fob-web.co.jp Geb. 1969; Diplom 1992 am
Tragwerksplanung: Sasaki Firm, Tokio, Hirofumi Musashi Institute of Tech-
Structure Consultant, Tokio Kaneko, Tokio Wohnhaus in nology; 1992 bis 1993
Baujahr: 2000 Haustechnik, Elektro- Mineyama Bartlett School, London;
planer: Soh Mechanical Bauherr: Shuji & Yoko 1992 bis 1993 bei Ron
Wohnhaus in Tokio Engineers, Tokio Koishihara Herron Unit; 1994 Gründung
Bauherr: privat Generalunternehmer: Mitarbeit: Ryosuke Inoue des Architekturbüros Tezuka
Mitarbeit: Yoshitaka Tanase, Kawabe Construction Co., Tragwerksplanung: Daiki Architects mit Takaharu
Shoko Fukuya Ltd., Nagoya Maehara, S.D. Room, Osaka Tezuka, Tokio.
Tragwerksplanung: Sasaki Baujahr: 2000 Generalunternehmer: http://www.tezuka-arch.com
Structure Consultant, Tokio Shimizu Corporation, Kioto
Baujahr: 2000 Baujahr: 2000 Wohnhaus in Hadano
Bauherr: Hiroyuki Takahashi
Projektleiter:
Takeo Isoda, Kamakura
Tragwerksplanung:
Masahiro Ikeda, Tokio
Lichtplanung: Masahide
Kakudare, Waseda
Generalunternehmer:
Takeo Isoda, Kamakura
Baujahr: 2001

171
Atelier Bow-Wow Go Yoshimoto Jun Tamaki Akira Watanabe
Yoshiharu Tsukamoto Geb. 1961 in Tokushima; Geb. 1965 in Kioto; Diplom Geb. 1938 in Nagano; 1960
Geb. 1965 in Kanagawa; 1984 Diplom am Nippon 1987 an der Kinki University, Diplom an der Nihon Uni-
Diplom 1987 am Tokyo Institute of Technology; 1985 dortiges Aufbaustudium mit versity, Tokio; von 1960
Institute of Technology, von Studium am Institute for Masterabschluss 1989; von bis 1980 bei Takenaka Cor-
1987 bis 1988 Gaststudent Architecture and Envi- 1989 bis 1995 Mitarbeit bei poration, Tokio; 1980 Gast-
der Ecole d‘Architecture, ronment; seit 1989 eigenes Royji Suzuki und Kazuyuki student an der Harvard
Paris; seit 1992 Atelier Architekturbüro Go Yos- Negishi; 1996 Gründung University, Boston; seit 1980
Bow-Wow mit Momoyo himoto Architecture & des Architekturbüros Tamaki eigenes Architekturbüro
Kaijima, Tokio. Associates, Hyogo. Architectural Atelier, Kioto. Akira Watanabe Architect &
Momoyo Kaijima www.wao.or.jp/user/tamaa Associates, Tokio.
Geb. 1969 in Tokio, 1991 Wohnhaus in Kobe www2.tky.3web.ne.jp/
Diplom an Japan Women‘s Bauherr: Takeo Ondo Wohnhaus in Ukyo-ku, Kioto ~awaas/
University; seit 1992 Atelier Mitarbeit: Kuniaki Uehara Bauherr: privat
Bow-Wow mit Yoshiharu Tragwerksplanung: Tragwerksplanung: Wohnhaus in Tokio
Tsukamoto, Tokio; 1994 Go Yoshimoto, Hyogo Junzo Harada und Steradian Bauherr: privat
Master am Tokyo Institute of (Holzkonstruktion); Architectural Engineering Mitarbeit: Kazumi Niibori,
Technology. Hidekazu Hayakawa, Kioto Associates, Hyogo Naoto Kadono, Rie Mori
(Betonkonstruktion) Generalunternehmer: Tragwerksplanung:
Wochenendhaus in Baujahr: 1993 Kawana Kogyo, Kioto Sekita Structural Design
Karuizawa Baujahr: 1997 Consultant, Nagano
Bauherr: Atsushi Kobayashi Baujahr: 2000
Mitarbeit: Shun Takagi
Tragwerksplanung:
Kanebako Structural
Engineers, Tokio
Generalunternehmer:
Ide Construction Co Ltd.,
Nagano
Baujahr: 2000

172
Waro Kishi Toshihito Yokouchi Tadao Ando Kengo Kuma
Geb. 1950 in Japan; 1973 Geb. 1954 in Yamanashi; Geb. 1941 in Osaka; von Geb. 1954 in der Präfektur
Diplom in Elektrotechnik an 1978 Bachelor an der Tokyo 1962 bis 1969 autodidak- Kanagawa; 1979 Diplom an
der Kyoto University; 1975 University of Art; 1980 tische Architekturausbil- der School of Engineering,
Architekturdiplom; von 1975 Master an der School of dung; 1969 Gründung des University of Tokyo; von
bis 1978 Aufbaustudium; Architecture and City Plan- Architekturbüros Tadao 1985 bis 1986 an der
von 1978 bis 1981 bei ning, Massachusetts Insti- Ando Architect & Asso- Columbia University; 1987
Masayuki Kurokawa tute of Technology; von 1982 ciates, Osaka; zahlreiche Gründung Spatial Design
Architect & Associates, bis 1990 bei Kunio Maekawa Ehrenprofessuren, Preise Studio; 1990 Gründung des
Tokio; 1981 Gründung des Architect and Associates, und Auszeichnungen, eigenen Architekturbüros
eigenen Architekturbüros Tokio; 1991 Gründung des darunter 1995 der Pritzker- Kengo Kuma & Associates,
Waro Kishi Architect & eigenen Architekturbüros Preis für Architektur. Tokio; zahlreiche Preise,
Associates, Kioto; 1993 Toshihito Yokouchi Architect Auszeichnungen und
Waro Kishi + K. Associates/ and Associates inc., Kioto. Kunsthaus auf Naoshima Veröffentlichungen.
Architects, Kioto. www.yokouchi-t.com Bauherr: Benesse www02.so-net.ne.jp/~kuma/
http://k-associates.com Corporation Ltd.
Wohnhaus in Hokusetsu Mitarbeit: Kazuya Okano, Steinmuseum in Nasu
Wohnhaus in Suzaku Bauherr: Tokuya Fujihara Saiko Kosugi Bauherr: Shirai Building
Bauherr: privat Mitarbeit: Shigeko Iwasa, Generalunternehmer: Stone
Mitarbeiter: Asako Takeuchi, Yoko Takeyama Kajima Corporation, Mitarbeit: Keita Goto
Yushi Kajima Tragwerksplanung: Hiroshima Tragwerksplanung: K Nakata
Tragwerksplanung: Urban Yoshiharu Kanebako, Tokio Baujahr: 1999 & Associates, Tokio
Design Institute, Osaka Baujahr: 2001 Haustechnik: M.I. Con-
Generalunternehmer: Sonntagsschule in Ibaraki sultant, Tochigi Präfektur
Kunisada Construction, Bauherr: Gemeinde der Generalunternehmer:
Nakamura Sotoji Construc- Ibaraki-Kasugaoka-Kirche Ishihara Construction &
tion Co., Kioto Mitarbeit: Takaaki Mizutani, ECRIS, Tochigi Präfektur
Baujahr: 1998 Kanya Sogo Baujahr: 2000
Tragwerksplanung:
Ascoral Engineering
Associates, Osaka
Generalunternehmer:
Zenitakaguma, Osaka
Baujahr: 1997

173
Takashi Yamaguchi Riken Yamamoto Hitoshi Abe
Geb. 1953 in Kioto; 1983 Geb. 1945 in Peking, China; Geb. 1962 in Sendai; 1989
Diplom an der Kyoto 1968 Bachelor an der Nihon Master am Southern
University; 1983 bis 1996 University; 1971 Master an California Institute of
Mitarbeit bei Tadao Ando der Tokyo National Uni- Architecture; von 1988 bis
Architect & Associates; versity of Fine Arts and 1992 bei Coop Himmel-
1988 Gründungsmitglied Music; seit 1973 eigenes b(l)au, Los Angeles; 1992
der internationalen Archi- Architekturbüro Riken Doktortitel in Architektur an
tektenvereinigung ARX; Yamamoto & Field Shop, der Tohoku University; seit
seit 1996 eigenes Yokohama; zahlreiche Preise 1992 eigenes
Architekturbüro Takashi und Auszeichnungen. Architekturbüro Atelier
Yamaguchi & Associates, http://www.ya-fa.ch Hitoshi Abe, Sendai.
Osaka.
http://www.yamaguchi-a.jp Universität in Saitama Leichtathletik- und
Bauherr: Präfektur Saitama Fußballstadion in Miyagi
Galerie und Gästehaus einer Mitarbeit: K. Nishikura, T. Bauherr: Präfektur Miyagi
Tempelanlage in Kioto Tanabe, C. Hori, S. Nishida, Architekt: Atelier Hitoshi
Bauherr: Reigenkou-ji K. Hachiya, N. Kawamura, Abe, Sendai; Syouichi Haryu
Tempel, Kioto A. Utsumi, K. Matsubara, Architect and Associates,
Mitarbeit: Masahiro Kato K. Toki, Y. Fukushi, K. Oda, Sendai
Tragwerksplanung: S.D. M. Nagaoka, T. Yokoyama, Tragwerksplanung: SDG,
Room, Taiki Maehara, Osaka M. Yasuhara Kozo Keikaku Engineering,
Generalunternehmer: Tragwerksplanung: Takumi Tokio
Konoike Construction, Orimoto Structural Engineer Baujahr: 2000
Osaka & Associates, Tokio; Plus
Baujahr: 1998 One Structural Des. & Eng.
Firm Inc., Tokio
Haustechnik:
Sogo Consultants, Tokio
Baujahr: 1999

174
Autoren

Christian Schittich (Herausgeber)


Jahrgang 1956
Architekturstudium an der TU München
anschließend 7 Jahre Büropraxis, publizistische Tätigkeit;
seit 1991 Redaktion DETAIL, seit 1992 verantwortlicher Redakteur, seit 1998 Chefredakteur;
Autor und Herausgeber zahlreicher Fachbücher und Fachartikel;
mehrere ausgedehnte Japanaufenthalte seit 1987 brachten ihn mit fast allen
führenden Architekten des Landes zusammen.

Günter Nitschke
Jahrgang 1934
Architekturstudium in Deutschland, Städtebaustudium in London
sowie des modernen und klassischen Japanisch in Tokio;
seit 1969 Dozent für ostasiatische Architektur und Städtebau zunächst in Princeton,
dann am MIT, seit 1987 an der Kioto Seika Universität, Direktor des Institute for East Asian
Architecture and Urbanism, Gastdozenturen in den USA;
Autor zahlreicher kritischer Essays in internationalen Publikationen,
zu seinen jüngeren Büchern zählen »Japanische Gärten« und »From Shinto to Ando«.

Andrea Wiegelmann
Jahrgang 1969
Ausbildung als Bauzeichnerin, Berufstätigkeit,
Architekturstudium an der TU Darmstadt;
seit 1996 publizistische Tätigkeit, u.a. für die db – deutsche Bauzeitung,
seit 2000 Redaktion DETAIL, seit 2002 Redakteurin;
intensive Beschäftigung mit japanischer Architektur –
vor Ort sowie im Rahmen ihrer redaktionellen Tätigkeit.

175
Abbildungsnachweis

Allen, die durch Überlassung ihrer • Ishimoto, Yasuhiro, Tokio: 2.17, Aus Büchern und Zeitschriften:
Bildvorlagen, durch Erteilung von 3.4 • André, Jean Louis, Architekten
Reproduktionserlaubnis und durch • Kida, Katsuhisa, Tokio: S. 93 und ihre Häuser, Knesebeck
Auskünfte am Zustandekommen • Kinumaki, Yutaka, Tokio: S. 98-99, Verlag, München, 2000, S. 63:
des Buches mitgeholfen haben, 101, 103 3.29
sagen die Autoren und der Verlag • Nacása&Partners, Tokio: S. 157 • Berndt, Jaqueline, u. a., (Hg.),
aufrichtigen Dank. Sämtliche • National Museum, Tokio: 2.14 Bauen mit Eigensinn, Petruschat
Zeichnungen in diesem Werk sind • Nitschke, Günter: 2.21, 2,22, 2.24 Verlag, Berlin, 1996, Nr. 23: 3.14
eigens angefertigt. Nicht nach- • Nordström, Minna, Paris: 2.26 • Kazuo Shinohara – Philosopher of
gewiesene Fotos stammen aus • Ohashi, Tomio, Tokio: 71–73, Architecture, Ernst & Sohn (Hg.)
dem Archiv der Architekten oder 162-163 Berlin, 1994, S. 107: 3.28
aus dem Archiv der Zeitschrift • Sakaguchi, Hiro/A to Z,: S. 149, • Luftaufnahme von 1973 von einer
Detail. Trotz intensivem Bemühen 156, 159 japanischen Zeitungsgesellschaft:
konnten wir einige Urheber der • Schittich, Christian, München: 1.3, 2.3
Fotos und Abbildungen nicht 1.4, 1.5, 2.9, 3.1, 3.5, 3.11, 3.20,
ermitteln, die Urheberrechte sind 3.22, 3.26, S. 68, 76, 78, 102, 112,
aber gewahrt. Wir bitten um 139, 142, 145-146, 158
dementsprechende Nachricht. • Shinkenshiku-sha, Tokio: 1.1, 3.3,
3.7, 3.10, 3.17, 3.18, 3.23, 3.25,
3.30–3.31, 3.33, 3.35, 3.37-3.40,
Von Fotografen, Bildarchiven 3.42, 3.45, S. 59, 62, 64-65, 75,
und Agenturen: 77, 79, 81, 86-89, 91, 94–97,
• Asakawa, Satoshi/ZOOM, Tokio: 110-111, 113-118, 120, 122-124,
3.13 127–129, 131, 132 rechts,
• Atsumi, Shunichi, Sendai: S. 166, 133–135, 137–138, 140–141,
168 143–144, 147–148, 150–153, 155,
• Bognar, Botond, Illinois: 2.10, 3.9 160-161, 165, 167
• Carrascosa, Francisco, Zürich: • Shiratori, Yoshio/ZOOM, Tokio:
3.12 S. 83–85
• Gilbert, Dennis, View, London: • Uehara, Keiko, Kioto: 2.1
S. 169 • Uesugi Museum, Yonezawa: 2.19
• Helico Co. Ltd., Tokio: S. 130, 132 • Waki, Tohru/Shokokusha: 1.2, 3.8
links
• Hirai, Hiroyuki, Tokio: 1.6, 3.21,
3.27, 3.44, S. 63, 66–67, 69,
108–109, 119, 121

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