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DIE WELT

Was E-Mail-Antworten verraten


Veröffentlicht am 01.11.2022 | Lesedauer: 4 Minuten

Von Pia Heinemann

Man schreibt – und wartet. Darauf, dass endlich eine Antwort auf die E-Mail kommt. Doch die
kommt nicht. Nicht nach fünf Minuten, nicht nach zehn Minuten, nicht nach einer halben
Stunde. Erst nach einer Dreiviertelstunde leuchtet plötzlich das Signal „Sie haben eine neue
Nachricht“. Warum nur antworten manche Menschen nicht schneller?
Wissenschaftler von der University of Southern California haben das E-Mail-Verhalten von
Menschen untersucht. Farshad Kooti und Kristina Lerman haben gemeinsam mit Mitarbeitern
von Yahoo!Labs ihre Ergebnisse auf der „World Wide Web Conference“ präsentiert.
Die Forscher wollten unter anderem wissen, wie die Masse der eingehenden E-Mails das
Antwortverhalten der Adressaten beeinflusst. Insgesamt wurden 16 Milliarden E-Mails
untersucht. Die Teilnehmer nahmen freiwillig und wissentlich an der Studie teil, die E-Mails
wurden demnach anonymisiert und der Inhalt wurde von Computern, nicht von Menschen,
analysiert.
Wie alt, welches Geschlecht?
Die Forscher konnten eine Menge Faktoren ausmachen, die das Antwortverhalten auf E-Mails
beeinflussen. So spielt das Alter des E-Mail-Empfängers offenbar eine Rolle: 20- bis 35-Jährige
antworten im Durchschnitt nach 16 Minuten auf eine eingehende Nachricht. 35 bis 50-Jährige
brauche dazu im Durchschnitt 24 Minuten und über 50-Jährige tatsächlich 47 Minuten. Frauen
antworten im Durchschnitt vier Minuten schneller als Männer. Wer mit einem Mobiltelefon
arbeitet, antwortet im Durchschnitt doppelt so schnell wie jemand, der E-Mails per Laptop
beantwortet.
Immerhin: 90 Prozent aller Menschen antworten innerhalb von einem oder zwei Tagen auf eine
E-Mail – wenn sie denn überhaupt antworten wollen. Wer bereits länger auf eine Antwort
wartet, kann das Warten somit getrost aufgeben.
Die Länge sagt nicht aus
Ob eine E-Mail-Antwort lang oder kurz ist, sagt hingegen nichts darüber aus, ob der Absender
gut gelaunt ist oder nicht. Die Wissenschaftler aus Kalifornien stellten fest, dass die meisten E-
Mails nur fünf Wörter lang sind. Mehr als die Hälfte haben weniger als 43 Wörter und nur 30
Prozent sind länger als 100 Wörter.
An der E-Mail-Länge lässt sich allerdings auch ein wenig über den Absender ablesen: Junge
Menschen können zwar mit einer großen Zahl von E-Mails besser umgehen als ältere – aber das
liegt vor allem daran, dass sie immer kürzere Antworten schicken, je mehr Nachrichten in ihrem
Postfach sind. Ältere Menschen wählen eine andere Strategie: Sie beantworten nur so viele E-
Mails, wie sie innerhalb einer bestimmten Zeit beantworten können. Je mehr Nachrichten sie
bekommen, umso mehr bleiben somit also ungelesen.
Schwierige Datengrundlage
Doch abseits der reinen Datenaufnahme lassen sich die Wissenschaftler auch zu einem Tipp
hinreißen: Da klar ist, dass die Menschen immer weniger mit der Flut der E-Mails zurecht
kommen, solle man wichtige Nachrichten am besten morgens schicken. E-Mails, die erst
Nachmittags herausgeschickt werden, bekommen tendenziell kürzere Antworten. Wer zudem
ausführlichere Antworten haben möchte, sollte sie am Wochenende schreiben.
Der Vorteil dieser Studie liegt auf der Hand: Es ist die schiere Menge der Daten, aus denen sich
statistisch einiges herauslesen lässt. Ob die E-Mails aber beispielsweise einen privaten oder
einen beruflichen Hintergrund hatten, konnten die Forscher aufgrund der Anonymisierung nicht
genau sagen. Da es sich vor allem um Yahoo-E-Mails handelte, handelte es sich vermutlich eher
um private Korrespondenz. Sicher ist das aber nicht.

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