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Klaus-Dieter Arndt

Holger Brüggemann
Joachim Ihme

Festigkeitslehre für
Wirtschaftsingenieure
Mit Verständnisfragen, vielen Beispielen
und Aufgaben mit kleinschrittigen Lösungen
4. Auflage
Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure
Klaus-Dieter Arndt  Holger Brüggemann 
Joachim Ihme

Festigkeitslehre für
Wirtschaftsingenieure
Mit Verständnisfragen, vielen Beispielen
und Aufgaben mit kleinschrittigen
Lösungen

4., überarbeitete und erweiterte Auflage


Klaus-Dieter Arndt Joachim Ihme
Ostfalia Hochschule für angewandte Wissen- Ostfalia Hochschule für angewandte Wissen-
schaften schaften
Wolfenbüttel, Deutschland Wolfenbüttel, Deutschland

Holger Brüggemann
Ostfalia Hochschule für angewandte Wissen-
schaften
Wolfenbüttel, Deutschland

ISBN 978-3-658-26140-5 ISBN 978-3-658-26141-2 (eBook)


https://doi.org/10.1007/978-3-658-26141-2

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Vorwort

Noch ein Buch über Festigkeitslehre – so werden viele Leser denken, wenn sie dieses
Buch in die Hand nehmen. Warum haben wir dieses Buch geschrieben? Die Festigkeits-
lehre gehört als Teil der Technischen Mechanik zu den Kernfächern eines Ingenieurstu-
diums, wird aber bei den Studierenden eher als „Hammer-“, „Hass-“ oder „Loser-Fach“
angesehen. Durch die Einführung der Bachelor-Studiengänge wurde die Anzahl der Prä-
senzstunden für die Studierenden gekürzt. Dem selbstständigen Erarbeiten von Wissen
und Fähigkeiten wurde mehr Raum gegeben. Dies erfordert entsprechend aufbereitete
Unterlagen zur Theorie eines Faches und eine ausreichende Menge von Beispielen und
Übungsaufgaben. Unser Ziel war es daher, den Stoff einerseits für das Bachelor-Studium
auf das Wesentliche zu beschränken, ihn andererseits aber so praxis- und anwendungsnah
wie nur möglich aufzubereiten, gerade auch für die zunehmende Zahl der Studierenden
in Wirtschaftsingenieur-Studiengängen. Wir haben daher in zahlreichen Beispielen und
Aufgaben auch wirtschaftliche Aspekte mit berücksichtigt. Das Buch ist sicher auch für
Studierende an Technikerschulen und für Praktiker geeignet.
Es entstand aus der Vorlesung „Festigkeitslehre“, die wir seit mehreren Jahren
an der Ostfalia – Hochschule für angewandte Wissenschaften (Hochschule Braun-
schweig/Wolfenbüttel) halten. Die Unterlagen zu dieser Lehrveranstaltung für den
Bachelor-Studiengang Maschinenbau gehen auf ein Skript unseres früheren Kollegen
Prof. Dipl.-Ing. Eckard Dollase zurück, das von unserem inzwischen leider verstorbenen
Kollegen Prof. Dr.-Ing. Klaus-Dieter Giese erweitert und überarbeitet wurde. Beiden sind
wir für die Überlassung ihrer Unterlagen zu großem Dank verpflichtet.
In die 4. Auflage wurden zur weiteren Verbesserung der Verständlichkeit, insbesondere
für das Selbststudium, zusätzliche Abbildungen, Hinweise und Beispiele aufgenommen.
Dem Stabilitätsproblem „Knicken“ wurde ein eigenes Kapitel gewidmet.
Zu diesem Lehrbuch gehört als Klausurentrainer auch noch eine im selben Verlag er-
schienene Aufgabensammlung mit vielen weiteren durchgerechneten Aufgaben.
Wir danken Herrn Dipl.-Ing. Heinrich Turk, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter seit
mehreren Jahren die Pflege und Erweiterung der zum Skript gehörenden Aufgabensamm-
lung übernommen hat. Zahlreiche Proben aus der Werkstoffprüfung hat uns Herr Manfred
Grochholski zur Verfügung gestellt. Dank gebührt auch dem Springer Vieweg Verlag, ins-
besondere Herrn Dipl.-Ing. Thomas Zipsner und Frau Imke Zander, für die konstruktive
V
VI Vorwort

und reibungslose Zusammenarbeit. Unseren Familien danken wir für ihre stete Unterstüt-
zung und das Verständnis.
Für Anregungen aus dem Kreis der Leser zur weiteren Verbesserung dieses Buches
sind wir dankbar.

Wolfenbüttel Klaus-Dieter Arndt


im März 2019 Holger Brüggemann
Joachim Ihme
Inhaltsverzeichnis

1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Aufgaben der Festigkeitslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Belastungen, Beanspruchungen und Beanspruchungsarten . . . . . . . . . 6
1.3 Spannungen und „was ist Festigkeit?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.4 Spannungs-Dehnungs-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.5 Formänderungsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
1.6 Zeitlicher Verlauf der Beanspruchung und Dauerfestigkeit . . . . . . . . . 27
1.7 Zulässige Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
1.8 Verständnisfragen zu Kapitel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
1.9 Aufgaben zu Kapitel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

2 Einfache Beanspruchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.1.1 Grundsätzliches zur Normalspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.1.2 Spannungen durch Eigengewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
2.1.3 Wärmespannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
2.1.4 Flächenpressung ebener und gekrümmter Flächen . . . . . . . . . . 54
2.1.5 Spannungen in zylindrischen Hohlkörpern . . . . . . . . . . . . . . 61
2.2 Biegebeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
2.2.1 Herleitung der Gleichung zur Biegespannungsermittlung . . . . . 69
2.2.2 Flächenmoment 2. Grades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
2.2.3 Flächenmomente einfacher geometrischer Flächen . . . . . . . . . 89
2.2.4 Abhängigkeit der Flächenmomente von der Lage des
Koordinatensystems (Steiner’scher Satz) . . . . . . . . . . . . . . . . 95
2.2.5 Flächenmomente zusammengesetzter Querschnitte . . . . . . . . . 97
2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
2.3.1 Schub- und Scherspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
2.3.2 Schubspannungen durch Querkräfte bei Biegung . . . . . . . . . . 112
2.3.3 Allgemeine Beziehungen für die Schubspannungsverteilung . . . 113
2.3.4 Anwendung auf verschiedene Querschnittsformen . . . . . . . . . . 115
2.3.5 Schubmittelpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

VII
VIII Inhaltsverzeichnis

2.4 Torsionsbeanspruchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124


2.4.1 Torsion kreisförmiger Querschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
2.4.2 Torsion dünnwandiger Querschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
2.4.3 Torsion nicht kreisförmiger Querschnitte . . . . . . . . . . . . . . . 135
2.5 Verständnisfragen zu Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
2.6 Aufgaben zu Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

3 Zusammengesetzte Beanspruchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157


3.1 Zusammengesetzte Normalspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
3.2 Zusammengesetzte Tangentialspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
3.3 Zusammengesetzte Normal- und Tangentialspannungen . . . . . . . . . . . 167
3.4 Vergleichsspannungshypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
3.4.1 Hypothese der größten Normalspannung (NH) . . . . . . . . . . . . 180
3.4.2 Hypothese der größten Schubspannung (SH) . . . . . . . . . . . . . 181
3.4.3 Hypothese der größten Gestaltänderungsenergie (GEH) . . . . . . 182
3.4.4 Anstrengungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
3.4.5 Zusammengesetzte Beanspruchungen und Anwendung
der Festigkeitshypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
3.5 Verständnisfragen zu Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
3.6 Aufgaben zu Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

4 Durchbiegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
4.1 Differenzialgleichung der elastischen Linie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
4.2 Überlagerungsprinzip bei der Biegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
4.3 Anwendung der Biegetheorie auf statisch unbestimmte Systeme . . . . . 222
4.4 Verständnisfragen zu Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
4.5 Aufgaben zu Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

5 Stabilitätsfall Knickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239


5.1 Knickspannung und Schlankheitsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
5.2 Elastische Knickung nach Euler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
5.3 Elastisch-plastische Knickung nach Tetmajer . . . . . . . . . . . . . . . . . 252
5.4 Verständnisfragen zu Kapitel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
5.5 Aufgaben zu Kapitel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

6 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261


6.1 Lösungen zu Kap. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
6.1.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kap. 1 . . . . . . . . . . . . . . 261
6.1.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kap. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
6.2 Lösungen zu Kap. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
6.2.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kap. 2 . . . . . . . . . . . . . . 263
6.2.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kap. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
6.3 Lösungen zu Kap. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
Inhaltsverzeichnis IX

6.3.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kap. 3 . . . . . . . . . . . . . . 268


6.3.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kap. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
6.4 Lösungen zu Kap. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
6.4.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kap. 4 . . . . . . . . . . . . . . 272
6.4.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kap. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
6.5 Lösungen zu Kap. 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
6.5.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kap. 5 . . . . . . . . . . . . . . 278
6.5.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kap. 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
6.6 Übungsklausuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
6.6.1 Klausur 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
6.6.2 Klausur 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
6.6.3 Lösung Klausur 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
6.6.4 Lösung Klausur 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

7 Verwendete Bezeichnungen und Indizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295


7.1 Verwendete Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
7.2 Indizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
7.3 Indizes von R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
Einführung
1

Die „Festigkeit von Dingen“ ist etwas, was im Alltagsleben häufig Gegenstand der Be-
trachtung ist. Meist wird umgangssprachlich dabei der Begriff „fest“ verwendet. Beispiels-
weise fragen Kinder im Winter, ob das Eis „fest genug sei, um es zu betreten“. „Fest“
wird als Beschreibung der Materialeigenschaft des Eises genutzt. Die Materialeigenschaft
wird in Verbindung mit einer Belastung gebracht – die Kinder wollen das Eis betreten.
Und es geht um einen Schaden, beziehungsweise um die Vermeidung eines Schadens.
Die Kinder wollen nicht einbrechen. Auch in technischen Zusammenhängen findet dieser
Begriff häufig Verwendung. Beispielsweise kann man Autozeitschriften entnehmen, dass
in Kraftfahrzeugen zunehmend hochfeste Stähle oder Faserverbundwerkstoffe eingesetzt
werden, um die Fahrzeuge leichter zu gestalten und das Crashverhalten zu verbessern.
Wieder geht es um eine Materialeigenschaft, die in Verbindung mit einer Belastung (dem
Crashtest) steht. Und wieder soll auch ein Schaden vermieden werden: die Insassen des
Fahrzeuges sollen nicht verletzt werden.
Beiden Beispielen kann man entnehmen, dass die „Festigkeit“ etwas mit den Eigen-
schaften eines Materials, mit den Belastungen und mit der Vermeidung von Schäden zu
tun haben muss.
Wie die Begriffe „fest“ beziehungsweise „Festigkeit“ in der Technik definiert sind und
was dabei die Aufgabe der „Festigkeitslehre“ ist, ist Inhalt des Kap. 1.

1.1 Aufgaben der Festigkeitslehre

Die Festigkeitslehre ist ein Teilgebiet der Technischen Mechanik. Dieses Gebiet kann
unterteilt werden in:

 Statik
 Festigkeitslehre oder Elastostatik und
 Kinematik/Kinetik.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 1
K.-D. Arndt et al., Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-26141-2_1
2 1 Einführung

Abb. 1.1 Wirkung von Kräften a b


auf starre (a) und verformbare Statik Festigkeitslehre
Körper (b) (starr) (verformbar)
F F
F F

F F

Die Statik ist die Lehre vom Gleichgewicht der Kräfte an einem starren Körper
mit dem Ziel der Ermittlung unbekannter Kräfte, wie Auflager-, Gelenk- und Stabkräfte.
Sie dient als Grundlage für die Dimensionierung und Auslegung (Festigkeitsberechnung)
technischer Bauteile.
In der Festigkeitslehre betrachten wir keine idealen starren Körper, sondern defor-
mierbare oder elastische Körper. Sie stellt den Zusammenhang zwischen den äußeren
und inneren Kräften sowie den Verformungen (Abb. 1.1) her. Auch die Lösung statisch
unbestimmter Systeme setzt voraus, dass die Werkstoffe nicht starr sind. Darüber hinaus
sind die Haltbarkeit und die Stabilität technischer Bauteile von großem Interesse. Die
Aufgabe der Festigkeitslehre besteht darin, mit den aus der Statik ermittelten Kräften und
Momenten Bauteile zu dimensionieren oder Spannungen zu ermitteln und zu überprüfen,
ob sie unter den zulässigen Grenzwerten liegen.
Zu den weiteren Aufgaben der Festigkeitslehre gehören:

 Berechnungsverfahren für die Kraftwirkungen im Innern von Körpern und die hervor-
gerufenen Formänderungen zu entwickeln.
 Regeln zur Beurteilung und Vermeidung des Versagens von Bauteilen aufzustellen.

Ein Versagen der Bauteile tritt bei einer Überbeanspruchung im Betrieb in folgender
Form auf:

 Gewaltbruch (statische Beanspruchung)


 Dauer(schwing)bruch (dynamische Beanspruchung; Abb. 1.2 und 1.3)
 unzulässig große Verformung
 Instabilität (Knicken, Beulen).

Der Dauerbruch (Dauerschwingbruch, Ermüdungsbruch) tritt infolge einer Dauerbe-


anspruchung auf. Im Bereich des Dauerschwinganrisses hat die Bruchfläche meist eine
glatte Struktur, wobei der Restbruch i. Allg. grober strukturiert ist. Typisch für einen Dau-
erbruch sind die Rastlinien (Abb. 1.2). Diese Erscheinungsform ist jedoch nicht immer
ausgeprägt. Fehlstellen an der Oberfläche oder auch im Werkstück können Auslöser für
diese Art von Brüchen sein. Fehlstellen sind zum Beispiel Entkohlung an der Oberfläche,
Schlackeneinschlüsse, Risse oder Gefügeunregelmäßigkeiten. Ferrit wirkt im Fall einer
1.1 Aufgaben der Festigkeitslehre 3

Abb. 1.2 Dauerbruch. (Quelle: Dauerbruch


IWM RWTH Aachen) Anriss

Rastlinien

Gewaltbruch

Entkohlung, wegen der schlechteren Wechselfestigkeit, als Auslöser. Infolge des Bruch-
fortlaufes nimmt die Materialquerschnittsfläche immer mehr ab (Rastlinien) und es kommt
durch Überbelastung letztendlich zum Bruch (Restbruchfläche) des Bauteils.
Die Lage der Bruchebene ist vor allem von der Beanspruchungsrichtung abhängig.
Brüche, die senkrecht zur Beanspruchungsrichtung auftreten, bezeichnet man als nor-
malflächig. Für spröde Trennbrüche und Ermüdungsbrüche ist diese Bruchlage i. Allg.
charakteristisch. Von Schubbrüchen spricht man dagegen, wenn die Bruchflächen in Rich-
tung der größten Schubspannungen auftreten. Bei Gewaltbrüchen von zähen Werkstoffen
ist diese Bruchform u. a. anzutreffen. Bei unterschiedlichen Werkstoffen kann der Bruch
durch Normal- und Schubspannungen ausgelöst werden. In Abb. 1.4 sind die Zuordnun-
gen zwischen den Normalspannungen und den Schubspannungen im gefährdeten Quer-
schnitt und die daraus resultierenden Bruchverläufe dargestellt. Die Beanspruchungsarten
und die Spannungsverteilung werden im Abschn. 1.2 näher erläutert.

Abb. 1.3 Ermüdungsbruch


eines Fahrradpedalarmes (hell:
Spröd-, Gewaltbruch, dunkel:
Ermüdungsbruch mit Rastlini-
en). (Quelle: Wikipedia)
4 1 Einführung

Beanspruchungsart Normalspannung Schubspannung


Spannungs- Bruchverlauf Spannungs- Bruchverlauf
richtung Trenn-, Sprödbruch richtung Schub- oder Gleitbruch
F
σz
τ
Zug τ
σz
F

F
σd
Druck τ τ
σd
F

F/2 τ
Biegung F σz σd τ
τ
τ
F/2

T σz
τ
Torsion
τ
T σz

Abb. 1.4 Bruchverläufe in Abhängigkeit der Beanspruchungsarten

Eine Vorgehensweise zur Lösung einer sicheren Bauteilauslegung ist Abb. 1.5 zu ent-
nehmen.
Grundlagen für die Berechnungsverfahren der Festigkeitslehre sind:

 die Gesetze und Regeln der Statik sowie


 ideal homogene und isotrope Körper.

Homogen bedeutet, dass der Werkstoff überall gleichartige Eigenschaften aufweist. Bei
isotropen Werkstoffen sind die Eigenschaften richtungsunabhängig.
Die realen Werkstoffe der Technik (z. B. Metalle, Kunststoffe, Holz, Keramik, . . . ) hin-
gegen:

 sind nur für gleichmäßig feinkörnige Werkstoffe (z. B. Stahl oder Aluminium) annä-
hernd homogen bzw. quasi-isotrop („nahezu isotrop“)
 dagegen ist die Belastbarkeit/Beanspruchbarkeit begrenzt, d. h. innere Kraftwirkungen
und Verformungen von Bauteilen sind zulässig, sie müssen (aber deutlich) unter be-
stimmten Grenzwerten bleiben, damit es nicht zum Versagen, z. B. Bruch, kommt.
1.1 Aufgaben der Festigkeitslehre 5

Belastung Geometrie Werkstoff


F Bruch

R
Fm
FeH

D
d
F F
F ∆l

Beanspruchung Beanspruchbarkeit
Bruch

Spannung σ
Rm
Re
σ
F F
Dehnung ε

Vergleich
Bruch
Spannung σ

Rm
Re
S = Re
S

σmax σ max

Dehnung ε

Änderung von:
• Belastung nein S
• Geometrie ausreich.?
• Werkstoff
ja

Bauteil sicher ausgelegt

Abb. 1.5 Nachweis der Festigkeit. (Nach [8])

Eine wesentliche Voraussetzung für eine möglichst wirklichkeitsnahe Festigkeitsbe-


rechnung ist die Kenntnis über die verwendeten Werkstoffe! Aus diesem Grunde benöti-
gen wir Kenntnisse der Werkstoffkunde und Werkstoffprüfung, um eine Beurteilung für
die Wahl des einzusetzenden Werkstoffes vornehmen zu können.
Die Werkstoffkunde vermittelt Kenntnisse über den Aufbau, die Eigenschaften, die
Behandlungsmöglichkeiten und den Einsatz der Werkstoffe.
Die Werkstoffprüfung untersucht das Verhalten beanspruchter Werkstoffe, d. h.

 den Zusammenhang zwischen Kräften und Verformungen


 und den Grenzbeanspruchungen, die zum Versagen führen.

Eine Unterscheidung der Werkstoffe erfolgt nach duktil (zäh) oder spröde.
6 1 Einführung

Duktile Werkstoffe

 Werkstoffe, die vor dem Bruch stark gedehnt werden können, heißen duktil oder zäh.
 Zu den duktilen Werkstoffen gehören z. B. unlegierte Stähle und Aluminium.
 Duktile Werkstoffe können Stöße und Energie absorbieren.
 Bei Überlastung tritt vor dem endgültigen Versagen eine große Deformation auf.
 Duktile Werkstoffe sind für das spanlose Umformen gut geeignet.

Spröde Werkstoffe

 Zu den spröden Werkstoffen gehören gehärtete Stähle und Grauguss.


 Spröde Werkstoffe sind sehr stoßempfindlich und können wenig Energie aufnehmen.
 Bei spröden Werkstoffen tritt kein oder nur ein geringes Fließen vor dem Bruch auf.

Die Festigkeitslehre ist daher eine Verknüpfung von Technischer Mechanik und Werk-
stoffkunde bzw. -prüfung zur Berechnung der inneren Kraftwirkung (Beanspruchung)
und der Verformung von Bauteilen sowie zum Vergleich mit den zulässigen Werten.
Die mithilfe der elementaren Festigkeitslehre berechneten Spannungen können auf-
grund von Vereinfachungen/Idealisierungen erheblich von den tatsächlichen Spannungen
abweichen. Viele Berechnungsverfahren erfassen nur sehr ungenau die tatsächlichen Vor-
gänge im Werkstoff, die vom jeweiligen Betriebszustand und der Belastungsart abhän-
gig sind. Kenngrößen, als Ergebnis langer Erfahrung (z. B. Vergleichsspannungen, siehe
Abschn. 3.4), führen daher zu brauchbaren Ergebnissen der Festigkeitslehre.
Aus diesem Grund werden zwei Vorgehensweisen betrachtet:

 Berechnung der Tragfähigkeit (zulässige Belastung/Lastbegrenzung), Abmessungen


und Material sind gegeben
 Ermittlung der erforderlichen Abmessungen (Dimensionierung), Kräfte und Momen-
te sind gegeben.

Das Ziel jeder Berechnung ist, dass mit Sicherheit kein Versagen eintritt.

1.2 Belastungen, Beanspruchungen und Beanspruchungsarten

Aus der (äußeren) Belastung, den Kräften und Momenten, der Bauteilgeometrie und der
Belastungsintensität im Bauteil kann die jeweilige Beanspruchung ermittelt werden.
Abhängig von der Belastungsrichtung und der damit verbundenen Verformung treten
fünf Grundbeanspruchungsarten (siehe Abb. 1.6) auf:

 Zug, Druck und Biegung


 Schub/Abscheren und Torsion (Verdrehen).
1.2 Belastungen, Beanspruchungen und Beanspruchungsarten 7

Zug Druck Biegung Schub/Abscheren Torsion


F
F F F F
Mb Mb T T
F

F T
F F
F

F
F

Abb. 1.6 Grundbeanspruchungsarten mit typischen Beispielen. (Nach [8])

In Abb. 1.6 sind typische Beispiele dieser fünf Grundbeanspruchungsarten dargestellt.


Tab. 1.1 enthält die fünf Grundbeanspruchungsarten, erweitert um die Beanspruchungs-
art Flächenpressung/Lochleibung mit Zuordnung der Kraftrichtung und der Spannungs-
verteilung im Querschnitt.
In Abb. 1.7 sind für die Beanspruchungsarten Zug, Druck, Biegung und Torsion die
Spannungsverteilungen dargestellt (Ergänzung zu Tab. 1.1).
Platten und Schalen (eben und gekrümmt) hingegen sind komplizierte Beiteile, sie wer-
den hier nicht näher behandelt und gehören darüber hinaus in den Bereich der höheren
Festigkeitslehre.

Tab. 1.1 Grundbeanspruchungsarten mit Kraftrichtung und Spannungsverteilung


Beanspruchungsart Kraftrichtung Spannungsverteilung Beispiele
im Querschnitt
Zug In Stabachse Gleichmäßig Zugstange, Seil, Säule,
Druck In Stabachse Gleichmäßig Fundament
Biegung Senkrecht zur Stabachse Linear Träger, Blattfeder,
Achse
Schub Senkrecht zur Stabachse Gleichmäßig Bolzen, Keil
Torsion Senkrecht zur Stabachse Linear Welle, Drehstabfeder
und außerhalb der Achse
Flächenpressung, Senkrecht zur Ober- Gleichmäßiga Auflager, Fundament
Lochleibung fläche Gleichmäßiga Bolzen, Niet,
Lagerschale
a
Annahme
8 1 Einführung

Zugbeanspruchung: Biegebeanspruchung:
F
B B B
σz
F F
B B σbd B

e
σz = F σb = M b = M b ⋅e
A Wb I σ bz
konstante lineare
Spannungsverteilung Spannungsverteilung

Druckbeanspruchung: Torsionsbeanspruchung:

B B τt
T
σd
F F τt
B B
σd = F τt = T=
T
A Wt Wp

Abb. 1.7 Beanspruchungsarten und Spannungsverteilung

1.3 Spannungen und „was ist Festigkeit?“

Durch Einwirken von äußeren Kräften verformen sich Bauteile sichtbar oder zumindest
messbar. Das Prinzip der Idealisierung des starren Körpers (Statik) wird, wie bereits in
Abschn. 1.1 angesprochen, aufgegeben. Den äußeren Kräften wirken im Werkstoffgefü-
ge innere Kräfte entgegen. Es herrscht im Normalfall Gleichgewicht. Damit die inneren
Kräfte ermittelt werden können, muss ein „Freischneiden“ des Körpers (Abb. 1.8) er-
folgen. Das Freischneiden in der Festigkeitslehre erfolgt analog zum „Freimachen“ in
der Statik. Mit dieser Betrachtungsweise werden die inneren Kräfte F i in einem Bauteil
dargestellt (Abb. 1.8). Beim Freischneiden wird der betrachtete Querschnitt des Bauteils
gedanklich durchgetrennt. Da auch im Schnitt die Gleichgewichtsbedingungen gelten,
müssen an den jeweiligen Schnittufern entsprechende Reaktionskräfte (innere Kräfte F i )
vorhanden sein, die den äußeren Kräften (F) entgegenwirken. Die Wiederherstellung des
Gleichgewichts erfolgt nach dem Freischneiden, indem der jeweilige fortgenommene Teil
durch die innere Kraft F i ersetzt wird, die als Kohäsionskraft die Werkstoffteilchen an
dieser Stelle zusammenhält. Durch diese Vorgehensweise stehen die äußeren und inne-

Abb. 1.8 Prinzip des Frei-


schneidens F F

Querschnittsfläche A
F Fi
Schnittfläche
Fi F
1.3 Spannungen und „was ist Festigkeit?“ 9

ren Kräfte wie bereits gesagt im Gleichgewicht. Es gilt weiter das Prinzip: Befindet sich
das Gesamtbauteil im Gleichgewicht, dann ist auch jeder Teilabschnitt im Gleichgewicht
(statisch). Steigt die äußere Kraft/Belastung, so tritt eine wachsende Widerstandskraft im
Bauteil auf. Das Maß für die innere Beanspruchung ist eine mechanische Spannung.
Spannungen sind wie Kräfte nicht direkt sichtbar.

I Definition der Spannung: Spannung ist der Quotient aus der Teilschnittkraft F i und
der dazugehörigen Teilschnittfläche Ai .

Fi dFi
D D
O : (1.1)
Ai dAi

Spannungen sind wie Kräfte gerichtete Größen und somit Vektoren.


Spannungen sind i. Allg. beliebig im Raum gerichtet (Abb. 1.9), daher ist es zweck-
mäßig den Spannungsvektor in zwei senkrecht zueinander stehende Komponenten zu
zerlegen, und zwar normal und tangential zur Schnittfläche.
Aus der Komponente normal/senkrecht zur Fläche folgt die

Fin dFin
Normalspannung  D D
O : (1.2)
A dA

Aus der Komponente tangential zur Fläche folgt die

Fit dFit
Tangentialspannung  D D
O : (1.3)
A dA

Daraus lässt sich folgern:

 Es treten zwei Spannungstypen (Abb. 1.10) auf, diese führen auch zu zwei verschiede-
nen Verformungs- und Zerstörungswirkungen und
 die Spannungen sind abhängig von der (gedachten) Schnittfläche.

Abb. 1.9 Zerlegung Schnittfläche


der inneren Kraft F i in Fi Fin
Normalkraft- F in und Tan- α
gentialkraftkomponente F it Fit
Fit
10 1 Einführung

a
F F
σ

Normalspannungen σ entstehen, wenn ein Stab gezogen oder


gedrückt wird.
b
F
τ

Tangential- oder Schubspannungen τ entstehen in einem Körper, wenn


man z. B. einen Klebefilmstreifen aufklebt und daran zieht.

Abb. 1.10 Normal- (a) und Tangentialspannungen (b). (Nach [11])

Bei einer konstanten Spannungsverteilung in der Schnittfläche (in jedem Querschnitts-


punkt wirkt die gleiche Spannung) ergibt sich die

Fn
Normalspannung  D mit Fn ? A (1.4)
A

Ft
Tangentialspannung  D mit Ft k A: (1.5)
A
Die SI-Einheit für die (mechanische) Spannung (DIN 1301) wird in N/m2 oder Pascal1
(Pa) angegeben. Die Einheit Pa ist sehr „unhandlich“, daher wird vorzugsweise in der
Technik die Einheit N/mm2 verwandt:

1 N=mm2 D
O 106 N=m2 D 1 MPa:

I Die Festigkeit ist die maximale Beanspruchbarkeit eines Werkstoffes, angegeben in


Grenzspannungen (N/mm2 ), u. a. in Abhängigkeit von den Beanspruchungsarten und dem
zeitlichen Verlauf der Beanspruchung.

Beispiel 1.1 Wie groß sind die Normal- und die Tangentialspannung (Abb. 1.11), wenn
F D 10 kN, A D 50 mm2 und ˛ D 60° betragen?

1
Blaise Pascal (1623–1662), französischer Philosoph und Mathematiker.
1.4 Spannungs-Dehnungs-Diagramm 11

Abb. 1.11 Normal- und Tan-


gentialspannung F F
n
α
Ft

Lösung
Fn F  sin ˛ 10:000 N  sin 60ı N
D D D 2
D 173
A A 50 mm mm2
Ft F  cos ˛ 10:000 N  cos 60ı N
D D D D 100
A A 50 mm2 mm2

1.4 Spannungs-Dehnungs-Diagramm

Wird ein Körper auf

 Zug beansprucht, so verlängert er sich


 Druck beansprucht, so verkürzt er sich.

Bei einer Zugkraft (Abb. 1.12) verlängert sich die Ausgangslänge l0 um den Betrag l
auf die Länge l, daraus folgt die Dehnung:

l l  l0
"D D : (1.6)
l0 l0

Das Ergebnis des Zugversuches ist das Spannungs-Dehnungs-Diagramm (Abb. 1.13


und 1.14) mit

Re = Streckgrenze oder Streckgrenzenfestigkeit in N/mm2 (Punkt P in Abb. 1.13)


 P = Proportionalitätsgrenze in N/mm2 und
Rm = Zugfestigkeit in N/mm2 .

Der Zusammenhang  D f ("), also zwischen der Spannung  und der Dehnung " (bei
konstanter Temperatur), wird wie bereits gesagt aus dem Zugversuch ermittelt. Beim Zug-
versuch wird eine genormte Probe mit dem Durchmesser d0 D 10 mm und der Prüflänge
l0 D 5  d0 bzw. 10  d0 mit einer konstanten Geschwindigkeit gedehnt und die erforderliche
Kraft F gemessen.
12 1 Einführung

Abb. 1.12 Längenänderung F


eines Stabes im Zugversuch
F

σ
σ

l = l0 + Δl

l = l0 + Δl
l0
d0
σ
σ
F
unbelasteter belasteter
Zugstab Zugstab

F
freigeschnittener
Zugstab

F
Spannung σ
d0

P
Parallele zur
Rm

Zug

HOOKE`schen
Re

Geraden Einschnürung: d
HOOKE`sche
Gerade
Stauchung Dehnung ε
Bruchdehnung A
d F
Druck

plastische
d0 F
Verformung
elastische Verformung

Abb. 1.13 Spannungs-Dehnungs-Diagramm für Druck und Zug

Im Spannungs-Dehnungs-Diagramm (Abb. 1.13) wird die auf die Anfangsquerschnitts-


fläche A0 bezogene Spannung  über der auf die Anfangslänge l0 bezogenen Dehnung "
aufgetragen:
F l
D und " D
A0 l0
1.4 Spannungs-Dehnungs-Diagramm 13

In Abb. 1.14 ist die Spannung über dem elastischen und dem plastischen Bereich auf-
getragen. Der gestrichelt dargestellte Verlauf stellt die wahre Spannung dar. Sie wird
ermittelt aus dem Quotienten der jeweiligen Kraft F zum jeweiligen Querschnitt Atat . Die
Spannung wird üblicherweise auf den Ausgangsquerschnitt A0 bezogen, so dass sich der
durchgezogene Kurvenverlauf ergibt.
Spannungs-Dehnungs-Diagramme gemäß Abb. 1.13 werden wie folgt unterschieden:

Duktile Metalle mit ausgeprägtem Fließbereich:

 Linear elastischer Bereich:  <  P


– Bis zur Proportionalitätsgrenze  P ist die Spannung proportional zur Dehnung:  D
E  ". (Abb. 1.14)
 Nichtlinear elastischer Bereich:  <  E
– Bis zur Elastizitätsgrenze  E geht die Dehnung bei Entlastung wieder vollständig
zurück. (Abb. 1.14)
– Die Elastizitätsgrenze  E und die Proportionalitätsgrenze  P liegen meist sehr dicht
beieinander. (Abb. 1.14)
 Fließen:  > Re (Abb. 1.14)
– Bei Überschreiten der Streckgrenze Re beginnt das Material zu fließen.
– Die Dehnung nimmt auch bei gleichbleibender oder abnehmender Spannung zu.
– Die Streckgrenze Re liegt meist in unmittelbarer Nähe zur Elastizitätsgrenze  E .

σ Für Stahl: σ P ≈ 0,8·Re


εges= εelast + εplast wahre Spannung σB‘
εges Zugfestigkeit Rm
εelast εplast
Bruchspannung σB
Re
σE Streckgrenze RE
σP Fließspannung σ F Elastizitätsgrenze σE
Proportionalitäts-
nichtlinear elastischer Bereich grenze σP
linear elastischer Bereich

plastischer Bereich

ε
elastischer Fließen Verfestigung Einschnüren
Bereich

Abb. 1.14 Spannungs-Dehnungs-Diagramm mit wahrer Spannung


14 1 Einführung

 Verfestigung:
– Nach dem Fließen erfolgt durch die Kaltverfestigung ein weiterer Anstieg der Span-
nung bis zur Zugfestigkeit Rm .
– Bei Erreichen der Zugfestigkeit Rm setzt ein starkes Einschnüren des Querschnitts
ein. Die auf den aktuellen Querschnitt (Atat ) bezogene Spannung steigt weiter an
(wahre Spannung  0 ), während die auf den Ausgangsquerschnitt (A0 ) bezogene
Spannung  sinkt (Abb. 1.14).
 Plastischer Bereich:  >  E
– Nach der Entlastung bleibt eine plastische Dehnung "p zurück.
– Die Entlastungskurve verläuft parallel zur Geraden im linear elastischen Bereich
(Abb. 1.13).

In Tab. 1.2 sind die Eigenschaften von Werkstoffen bezüglich der Bereiche des Span-
nungs-Dehnungs-Diagramms gegenübergestellt.
Je nachdem, ob es sich um duktile (verformbare, Abb. 1.15 und 1.16) oder spröde
Werkstoffe (Abb. 1.17 und 1.18) handelt, gibt es unterschiedliche Verläufe im Spannungs-
Dehnungs-Diagramm. Bei den duktilen Werkstoffen kann eine ausgeprägte (Abb. 1.15a)
oder keine ausgeprägte Streckgrenze (Abb. 1.15b) auftreten. Im letzteren Fall wird deshalb
die Rp0,2 -Grenze herangezogen, d. h. der Spannungswert, bei dem nach der Entlastung eine
Dehnung von 0,2 % verbleibt.
Metalle ohne ausgeprägte Streckgrenze, dazu zählen:

 Aluminiumlegierungen
 vergütete Stähle.
– Bei den meisten Metallen tritt kein ausgeprägtes Fließen auf.
– Anstelle der Streckgrenze wird dann die 0,2 %-Dehngrenze Rp0,2 herangezogen.
– Die Spannung Rp0,2 führt nach Entlasten zu einer bleibenden Dehnung "p von 0,2 %.

Tab. 1.2 Werkstoffeigenschaften


Werkstoffeigenschaften Zäh und plastisch Spröde Bildsam (plastisch)
Proportionalitätsgrenze Vorhanden Angenähert vorhan- Nicht vorhanden
den
Fließgrenze Gut erkennbar, aus- Nicht vorhanden Nicht vorhanden
gedehnt
Bruchverhalten Nach deutlicher Plötzlich ohne we- Einschnürung
Dehnung und Ein- sentliche Dehnung
schnürung und Einschnürung
Arbeitsvermögen Groß Gering Mittel
Beispiele Stähle und ihre Le- Gusseisen, Gestein, Asphalt, Blei, Elas-
gierungen Glas tomere
1.4 Spannungs-Dehnungs-Diagramm 15

a b
σ σ
Rm
Rm

Bruch Rp0,2 Bruch


ReH
ReL
Rm = Zugfestigkeit
ReH = obere Streckgrenze Rp0,2 = Dehngrenze
ReL = untere Streckgrenze

ε ε
0,2 %

Abb. 1.15 Spannungs-Dehnungs-Diagramm duktiler Werkstoffe. a Diagramm mit ausgeprägter


Streckgrenze, b Diagramm ohne ausgeprägte Streckgrenze

Abb. 1.16 Prüfkörper duktiler


Werkstoffe (Zugversuch)

Abb. 1.17 Spannungs-Deh- σ


nungs-Diagramm spröder
Rm Bruch
Werkstoffe

Typischer Vertreter spröder Werkstoffe ist das Gusseisen (Abb. 1.18). Hier kommt es
nach einem signifikanten Anstieg der Spannung ohne Übergang zum Bruch (Abb. 1.17).
Bei Grauguss und vielen nichtmetallischen Werkstoffen gibt es keinen Bereich, in dem
sich die Spannungen proportional zu den Dehnungen verhalten.
Eine Gegenüberstellung der Spannungs-Dehnungs-Diagramme verschiedener Werk-
stoffe enthält Abb. 1.19.
16 1 Einführung

Abb. 1.18 Graugussprüfkörper

Dem Spannungs-Dehnungs-Diagramm ist zu entnehmen, dass die Spannung  im elas-


tischen Bereich proportional der Dehnung " (Abb. 1.13, 1.14 und 1.15) ist. Diesen Zusam-
menhang hat Hooke2 herausgefunden und man nennt ihn das Hooke’sche Gesetz:

l
 DE"DE : (1.7)
l0

Der Elastizitätsmodul E in N/mm2 ist eine Maßzahl für die Starrheit des Werkstoffs.
Elastizitätsmodule ausgewählter Werkstoffgruppen:

Stähle und Stahlguss: E D 200.000 . . . 210.000 N/mm2 , wir rechnen mit


E = 210.000 N/mm2
Al und Al-Legierungen: E D 60.000 . . . 80.000 N/mm2
Mg und Mg-Legierungen: E D 40.000 . . . 45.000 N/mm2

Bei Stählen, die keine ausgeprägte Streckgrenze (Abb. 1.15b) aufweisen, wird – wie
bereits beschrieben – die Spannung herangezogen, bei der eine bleibende Dehnung von
0,2 % (Rp0,2 ) nach der Entlastung auftritt.

Abb. 1.19 Spannungs- σ


Dehnungs-Diagramm ver- harter Stahl
schiedener Werkstoffe
weicher Stahl

Grauguss
Al-Legierung
Kupfer
(weich)
ε

2
Robert Hooke (1635–1703), englischer Naturforscher.
1.4 Spannungs-Dehnungs-Diagramm 17

Tab. 1.3 Anhaltswerte ausgewählter Werkstoffgruppen (Re bzw. Rp0,2 /Rp0,1 )

Werkstoff Rm in N/mm2 Re in N/mm2 E in kN/mm2  in kg/dm3


Unlegierte Stähle 290–830 185–360 210 7,85
Rostfreie Stähle 400–1100 210–660 210 7,85
Einsatzstähle 500–1200 310–850 210 8,10
Gusseisen GJL 100–450 100–285 78–143 7,10–7,30
Gusseisen GJS 350–900 250–600 169–176 7,25
Stahlguss 380–970 200–650 210 7,85
Messing 400 200 100 8,50
Kupfer 220 100 120 8,74
Aluminiumlegierung 140–540 80–470 60–80 2,75
Titanlegierung 900–1100 800–1000 110 4,43
PP 30 15 1 1,10
PVC 60 50 3 1,40
GFK 90 – 75 1,45
CFK 750 – 140 1,45
Holz 40–240 – 10 0,50
Beton 50 (nur für Druck) – 30 2,38
Glas 80 – 80 3,00

Zwischen der Längenänderung und der Kraft besteht folgender Zusammenhang:

l F l F
 DE"DE und  D )E D )
l0 A l0 A

F  l0
l D : (1.8)
E A
mit E  A D Dehnsteifigkeit.
Tab. 1.3 enthält Anhaltswerte für Rm , Re bzw. Rp0,2 /Rp0,1 , E und  ausgewählter Werk-
stoffgruppen, die zur Lösung von Aufgaben herangezogen werden können.

Beispiel 1.2 Ein Blechstreifen (Abb. 1.20) der Länge l D 100 mm aus Stahl (E D
2,1  105 N/mm2 ) wird um l D 0,1 mm gestreckt. Wie groß ist die Zugspannung?

Abb. 1.20 Eingespannter


und auf Zug beanspruchter
F
Blechstreifen
l = 100 Δl = 0,1
18 1 Einführung

Lösung Mit dem Hooke’schen Gesetz berechnen wir die Spannung  :

l N 0;1 mm
 DE "DE  D 2;1  105 
l0 mm2 100 mm
N N
D 2;1  102 2
D 210 :
mm mm2

Beispiel 1.3 Der skizzierte Verbundstab (Abb. 1.21) ist aus zwei Metalllamellen zusam-
mengelötet und wird durch die Kraft F belastet.
Zu berechnen sind:

a) die auftretenden Kräfte und Spannungen in den einzelnen Lamellen,


b) die Längenänderung l.

Geg.: F D 55.500 N; l D 500 mm; A1 D 300 mm2 ; A2 D 200 mm2 ; E1 D 0,45  105 N/mm2 ;
E2 D 2,1  105 N/mm2
Vor der weiteren Behandlung der vorstehenden Aufgabe werden die Reihen-(seriell)
(Abb. 1.22) und die Parallelschaltung (Abb. 1.23) erläutert. Der Lösungsweg für beide
Schaltungsarten wird kurz dargestellt.

Abb. 1.21 Auf Zug bean- A1; E1


spruchter Verbundstab
F F

A2; E2
l

l1 l2 l3 l4

F 1 2 3 4 F

F 1 2 3 4 F

l1 l2 l3 l4
Δl1 Δl2 Δl3 Δl4

l0 +Δlges

Serielle Schaltung: Δlges = Δl1 + Δl2 + Δl3 + Δl4 ; F = F1 = F2 = F3 = F4

Abb. 1.22 Serielle Anordnung


1.4 Spannungs-Dehnungs-Diagramm 19

1 F1 F1

2 F2 F2
F F F F
3 F3 F3

4 F4 F4

l Δl

Parallele Schaltung: Δlges = Δl1=Δl2=Δl3=Δl4 ; F = ΣFi = F1+F2+F3 +F4

Abb. 1.23 Parallele Anordnung

Anordnung: In Reihe/seriell (Abb. 1.22), es herrscht Kräftegleichgewicht. Hier sind die


Kräfte in allen Elementen gleich groß.

Vorgehensweise bei gegebener Gesamtlängenänderung Die Gesamtlängenänderung teilt


sich in unterschiedliche Längenänderungen aller elastischen Elemente auf. Die Summe
dieser Längenänderungen wird der gesamten Längenänderung gleichgesetzt. Durch Um-
stellen nach der Kraft kann diese berechnet werden. Ist die Kraft gegeben, ist die Lösung
über die Formeln der einzelnen Längenänderungen einfacher.

Anordnung: Parallel (Abb. 1.23), hier sind die Längenänderungen aller elastischen Ele-
mente gleich groß.

Vorgehensweise bei gegebener Kraft Zunächst stellt man die Gleichungen für die Län-
genänderungen aller parallelen Elemente auf. Je zwei Gleichungen der Längenänderungen
werden nun gleichgesetzt, so dass eine Kraft jeweils durch eine andere (dann immer die-
selbe) ausgedrückt werden kann. Dies wiederholt man entsprechend oft für alle Elemente.
Durch Einsetzen in die Gleichung für die Aufteilung der Kraft kann nun die erste Kraft
berechnet werden.
Ist die gleichgroße Längenänderung gegeben, ist die Lösung über die Formeln der ein-
zelnen Längenänderungen einfacher.

Lösung zum Beispiel 1.3 Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Parallelschaltung
(Abb. 1.23).
20 1 Einführung

Anwendung des Hooke’schen Gesetzes

a)
l F F l F l
 DE "DE  I D ) DE ) l D
l A A l E A
F1  l F2  l E1  A1
l D D ) F1 D F2
E1  A1 E2  A2 E2  A2
Die Gesamtkraft F setzt sich aus den Einzelkräften F 1 und F 2 zusammen:
 
E1  A1 E1  A1
F D F1 C F2 D F2 C F2 D F2 1 C
E2  A2 E2  A2

F 55:500 N
F2 D   D  D 42.000 N
1 A1 0;45105 N300 mm2 mm2
1C E
E2 A2 1C mm2 2;1105 N200 mm2

F1 D F  F2 D 55:500 N  42:000 N D 13:500 N


F1 13:500 N N
1 D D 2
D 45
A1 300 mm mm2
F2 42:000 N N
2 D D D 210
A2 200 mm2 mm2
b) die Längenänderung l

F1  l 13:500 N  500 mm mm2


l D D D 0;5 mm
E1  A1 0;45  105 N  300 mm2

F2  l 42:000 N  500 mm mm2


l D D D 0;5 mm (Kontrolle)
E2  A2 2;1  105 N  200 mm2

Nachdem wir die Teilsysteme seriell und parallel betrachtet haben, wollen wir uns
mit einem Gesamtsystem befassen. Im Gegensatz zu einem Teilsystem, wo äußere Kräfte
angreifen, wirken auf das Gesamtsystem keine äußeren Kräfte. Das Kräftegleichgewicht
ist innerhalb des Gesamtsystems geschlossen, daher handelt es sich immer um ein serielles
System.
In Abb. 1.24 und 1.25 ist ein Gesamtsystem dargestellt (keine äußeren Kräfte).
Die vom Gesamtsystem aufzunehmende Verformung wird hier an der Stelle C einge-
leitet.
Damit in einem Element eine Zug- oder Druckkraft übertragen werden kann, muss
ein Kräftegleichgewicht vorliegen. Das in Abb. 1.24 dargestellte Gesamtsystem ist so-
mit wegen des Kräftegleichgewichts an den jeweiligen Verbindungsstellen A bis F ein
serielles System aus zwei Teilsystemen, das geometrisch parallel angeordnet ist (parallel
1.4 Spannungs-Dehnungs-Diagramm 21

Abb. 1.24 Paralleles Gesamt- A B C


system aus einem seriellen
1 2

Verbindungselement

Verbindungselement
System (Elemente 1 und 2)
sowie einem weiteren seriel-
len System aus dem Element 3
und einem seriell dazu ange-
4
ordneten parallelen Teilsystem
3
aus den Elementen 4 und 5 vor 5
einer Verformung
D E F

zur Kraftrichtung). Die Teilsysteme bestehen aus einem oder mehreren Elementen un-
terschiedlicher Anordnung. Die Verbindungselemente (in Abb. 1.24 und 1.25 rechts und
links dargestellt) werden oft als starr angenommen. Sollten sie elastisch sein, müssen sie
mit in den seriellen Ansatz einbezogen werden.
Hier wird angenommen, dass diese Verbindungselemente bei Vorhandensein einer Län-
genänderung lges an der Verbindungsstelle C starr sind und zueinander parallel bleiben
(also nicht kippen). Eine Längenänderung in einem Gesamtsystem kann durch mechani-
sche Verstellelemente wie Federn oder Gewindespindeln, aber auch durch Wärme, hy-
draulische, pneumatische oder elektrische Bauelemente entstehen.
Das in Abb. 1.24 und 1.25 dargestellte Gesamtsystem besteht hier aus zwei Teilsys-
temen: Teilsystem 1 besteht aus den beiden seriell angeordneten Elementen 1 und 2.
Teilsystem 2 hingegen besteht aus dem Element 3 sowie einem zweiten seriell angeord-
neten weiteren Teilsystem aus einem parallelen System der beiden Elemente 4 und 5. Bei
der Mehrzahl zu lösender Aufgaben wird lediglich ein Teilsystem (Systeme seriell/parallel
wie in Abb. 1.22 und 1.23) betrachtet. Das zweite Teilsystem besteht dann aus der Um-
welt, die als starr angenommen wird und nicht weiter zu berücksichtigen ist. Als generelle
Vorgehensweise wird zunächst überprüft, ob in dem zu berechnenden Beispiel Teilsys-
teme enthalten sind. Bei einem Teilsystem wie in den Abb. 1.22 oder 1.23 wurde die
Vorgehensweise bereits dort beschrieben.

Abb. 1.25 Gesamtsystem nach A B C‘ C


einer Verformung; Längenän-
derung entsteht an der Stelle C 1 2
Verbindungselement

Verbindungselement

Δlges

4
3
5

D E F
22 1 Einführung

Gemäß Abb. 1.24 und 1.25 ist folgende Vorgehensweise zu wählen: Man verwendet
den Lösungsweg wie beim seriellen System. Allerdings kann der Lösungsweg noch nicht
komplett abgeschlossen werden, da die Längenänderung für das parallele Teilsystem erst
noch bestimmt werden muss, entsprechend der Vorgehensweise beim parallelen System.
Nach der Umstellung auf die erste zu berechnende Kraft muss dieser Ausdruck in die
Gleichung für die dazu passende Längenänderung eingesetzt werden. Mit dem Einset-
zen in die Aufteilung der Gesamtlängenänderung schließt man den seriellen Lösungsweg
ab. Um dieses zu vertiefen, soll das dargestellte Gesamtsystem anhand des Beispiels 1.4
berechnet werden.

Beispiel 1.4 Das Gesamtsystem entspricht der Abb. 1.24.

Gegeben: lges D 1,365 mm und

i Werkstoff Ei Ai li
N/mm2 mm2 mm
1 Stahl 210.000 900 300
2 GJL 95.000 700 700
3 Cu 120.000 2400 600
4 GJS 170.000 750 400
5 Al 80.000 750 400

Gesucht werden die Kraft F sowie die Spannungen und Verformungen der einzelnen
Elemente.

lges D l1 C l2 C l3 C l4;5


F  l1 F  l2 F  l3 F4  l4 F5  l5
l1 D I l2 D I l3 D I l4 D I l5 D
E1  A1 E2  A2 E3  A3 E4  A4 E5  A5
F4  l4 F5  l5 l4  E5  A5
mit l4 D l5 (Parallelschaltung) ) D ) F5 D F4
E4  A4 E5  A5 l5  E4  A4
1.4 Spannungs-Dehnungs-Diagramm 23
 
l4  E5  A5 l4  E5  A5
F D F4 C F5 D F4 C F4 D F4 1 C
l5  E4  A4 l5  E4  A4
F F  l4 F
F4 D   ) l4 D   D E A E5 A5
l4 E5 A5
1 C l5 E4 A4 l4 E5 A5
1 C l5 E4 A4  E4  A4
4 4
l4
C l5

F  l1 F  l2 F  l3 F
lges D C C C E4 A4 E5 A5
E1  A1 E2  A2 E3  A3 l4
C l5
lges
F D l1
E1 A1
C l2
E2 A2
C l3
E3 A3
C E4 A4
1
E A
l4 C 5l 5
5
1;365 mm
D 700 mm
2;1105 N 2 900 mm2
C 300 mm
0;95105 N 2 700 mm2
C 600 mm
N
1;2105 2 2400 mm
2
mm mm mm
1

1;7105 N750 mm2 0;8105 N750 mm2
mm2 400 mm
C mm2 400 mm
F D 83:587 N
F 83:587 N
F4 D  D D 56.839,18 N
l4 E5 A5 400 mm0;8105 750 mm2 mm2
1C l5 E4 A4
1C mm2 400 mm1;7105 N750 mm2

F5 D F  F4 D 83:587 N  56:839;18 N D 26:747;82 N

Die Spannungen in den einzelnen Elementen i D F


Ai

i Fi i li
N N/mm2 mm
1 83.587 92,87 0,1327
2 83.587 119,41 0,8799
3 83.587 34,83 0,1741
4 56.839,18 75,79 0,1783
5 26.747,82 35,66 0,1783

lges D l1 C l2 C l3 C l4;5


D 0;1327 mm C 0;8799 mm C 0;1741 mm C 0;1783 mm D 1;365 mm

Ein Stab, der gedehnt wird, verändert sich nicht nur in der Längsrichtung, sondern auch
quer dazu, d. h.eine Verlängerung ist stets mit einer Querkürzung (Abb. 1.26) verbunden.
Bei einer Querkürzung ist d < d0 .

Abb. 1.26 Querkürzung F F


d0

d
24 1 Einführung

Tab. 1.4 Querkontraktionszahlen ausgewählter Werkstoffgruppen


Werkstoff Querkontraktionszahl µ
Beton 0
Stähle und Stahlguss 0,30
Gusseisen mit Lamellengrafit 0,25 . . . 0,27
Al und Al-Legierungen 0,33
Mg und Mg-Legierungen 0,30
Kupfer 0,34
Zink 0,29
Elastomere  0,5

Aus der Durchmesseränderung folgt für die Querkürzung:

d d0  d
"q D D : (1.9)
d0 d0

Das Verhältnis Längsdehnung zur Querkürzung wird Poisson’sche3 Konstante m D ""q


genannt. Für Metalle im üblichen Beanspruchungsbereich ist m  3,3.
Es wird häufig der Kehrwert von m, die Poisson’sche Querkontraktionszahl  D m1 D
"
0;3 D "q benutzt.
Tab. 1.4 enthält Querkontraktionszahlen ausgewählter Werkstoffgruppen.

1.5 Formänderungsarbeit

Im Abschn. 1.4 haben wir die Formänderungen " (Dehnung) und "q (Querkürzung) be-
trachtet. Es wird nun untersucht, welche Arbeit für diese Verformung (Abb. 1.27) benötigt
wird. Die Arbeit ist für eine konstante Kraft wie folgt definiert:

Arbeit D Kraft  Weg D W D


O F  s:

3
Siméon-Denis Poisson (1781–1840), französischer Mathematiker und Physiker.
1.5 Formänderungsarbeit 25

Abb. 1.27 Herleitung der F W = ½ F·s


Formänderungsarbeit

l0 Δl s

F = σ ·A
A0

Aus dem Zugversuch ist bekannt, dass die RKraft beim Zugversuch nicht konstant ist.
Die allgemeine Definition der Arbeit ist W D F  ds.
Z
W D F  ds
l
Mit F D   A und " D ) l D l  " und dl D
O ds D l  d"
Z l Z
) W D   A  l  d" D A  l    d"
Z
W D V    d" und V D A  l

Dividieren wir die Formänderungsarbeit W durch das Volumen V, dann erhält man die
spezifische oder bezogene Formänderungsarbeit wf (Abb. 1.28). Sie ist die Arbeit, die
benötigt wird, um z. B. das Volumen von 1 mm3 zu verformen. Die spezifische Formän-
derungsarbeit spielt in der Umformtechnik eine maßgebliche Rolle.
Z Z
W 1 1 1
D wf D   d" D E  "  d" D  E  "2 D E  "  " D   " )
V 2 2 2

W 1
wf D D  " (1.10)
V 2

Abb. 1.28 Spezifische oder σ


bezogene Formänderungsarbeit
wf

wf = 12σ ⋅ε

ε
26 1 Einführung

Die Formänderungsarbeit W f :

1 1 E 1 2 1 F2 1 1 F2 1
Wf D V  wf D V    " D V    "  DV D V   2  D Al  2 
2 2 E 2E 2 A E 2 A E

1 F2 l
Wf D
  : (1.11)
2 A E
Gemäß Gl. 1.11 wird die Formänderungsarbeit(-energie) umso größer,

 je größer die Belastung ist


 je größer die Länge ist
 je kleiner die Querschnittsfläche ist oder
 je kleiner der E-Modul ist.

Beispiel 1.5 Welche Formänderungsarbeit nimmt ein zylindrischer Zugstab (Durchmes-


ser d D 20 mm; Länge l D 2000 mm) aus Stahl (E D 2,1  105 N/mm2 ) bei einer Belastung
bis zur Elastizitätsgrenze ( E D 200 N/mm2 ) auf?

Lösung

1 2 
Mit Wf D V  wf D V  und V D  d 2  l
2 E 4
2 2
 1   
) Wf D  d 2  l   D  d2  l 
4 2 E 8 E
 .200 N/2 mm2
Stahl: WfSt D  202 mm2  2000 mm  D 59:840 N mm D
O 59;84 N m
8 2;1  105 N mm4

Welchen Wert erreicht die Formänderungsarbeit, wenn als Werkstoff Aluminium ( E D


80 N/mm2 ; E D 0,7  105 N/mm2 ) verwendet wird?

 .80 N/2 mm2


WfAl D  202 mm2  2000 mm  D 28:723 N mm D
O 28;723 N m
8 0;7  105 N mm4

Beispiel 1.6 Wie verhält sich die Formänderungsarbeit (Abb. 1.29) zwischen einer
Schaftschraube und einer Dehnschraube?
2
Die Formänderungsarbeit ist nach Gl. 1.11: Wf D 12  FA  El , da A1 > A2 ist, kann die
Dehnschraube bei gleichem F (Längskraft) mehr Formänderungsarbeit aufnehmen.
Der Einsatz von Dehnschrauben erfolgt dort, wo eine dauernde dynamische Belastung
vorliegt, z. B. beim Zylinderkopf eines Motors.
1.6 Zeitlicher Verlauf der Beanspruchung und Dauerfestigkeit 27

Abb. 1.29 Formände- a b


rungsarbeit Schaft- (a) und F F
Dehnschraube (b)

Dehnschraube

A1
A2
Schaftschraube

F F

1.6 Zeitlicher Verlauf der Beanspruchung und Dauerfestigkeit

Die Haltbarkeit eines Bauteils ist vorwiegend abhängig vom zeitlichen Verlauf der Belas-
tung bzw. Beanspruchung sowie von der Betriebsart: Dauer- oder Aussetzbetrieb. Grund-
sätzlich wird zwischen einer ruhenden und einer schwingenden Belastung unterschieden.
Maschinenteile werden überwiegend schwingend belastet.
Bei schwingender Beanspruchung (Abb. 1.30) wird unterschieden zwischen

 Oberspannung  o (bzw.  o ),
 Unterspannung  u (bzw.  u ),
 Mittelspannung  m D ( o C  u ) / 2 (entsprechend  m ) und
 Spannungsausschlag  a D ( o   u ) / 2 (entsprechend  a ).

σ
(τ) Lastspiel

σo
(τ ο)
σa
(τ a)
σm
(τ m)

0
Zeit t
σu
(τ u)

Abb. 1.30 Schwingende Belastung in Form einer Sinus-Funktion


28 1 Einführung

Bach4 unterscheidet drei idealisierte Lastfälle:

 Lastfall I: ruhende (statische) Belastung (Abb. 1.31a):


Die Spannung ( oder ) steigt zügig auf einen bestimmten Wert, dann sind Betrag
und Richtung konstant. (z. B. Schraube nach dem Anziehen oder Spannung in einem
Bauteil durch Eigengewicht).

o D u D m I a D 0

 Lastfall II: schwellende Belastung (Abb. 1.31b):


Die Spannung steigt von null auf einen Höchstwert und geht dann zurück auf null. Der
Betrag ändert sich ständig, aber nicht das Vorzeichen (z. B. Kranseil, Bremshebel).

o D max D 2  
m D a I u D 0

 Lastfall III: wechselnde Belastung (Abb. 1.31c):


Die Spannung schwankt zwischen einem positiven und einem negativen Höchstwert;
Betrag und Richtung ändern sich ständig (z. B. Getriebewellen).

o D max D a
u D max I m D 0

Die Lastfälle II und III zählen zur dynamischen Belastung.


Maßgeblich ist die Dauerfestigkeit  D eines Werkstoffs. Sie ist von der Mittelspannung
 m und der Beanspruchungsart (schwellend oder wechselnd) abhängig.

I Die Dauerfestigkeit  D ist die höchste Spannung, die ein Bauteil bei dynamischer
Beanspruchung gerade noch beliebig lange ohne Bruch bzw. schädigende Verformung
erträgt (N > 107 Lastspiele).

Das Verhalten der Werkstoffe bei schwingender Belastung wird wie folgt untersucht:
Polierte Probestäbe mit 10 mm Durchmesser werden bei konstanter Mittelspannung
und entsprechender Schwingungsamplitude belastet. Wählt man die Amplitude groß ge-
nug, so kann es bei verhältnismäßig wenigen Lastspielen bereits zum Bruch (Abb. 1.34)
kommen. Es bietet sich an, die Oberspannung  o über der Anzahl der Lastspiele N in ei-
nem Diagramm (Wöhler5 -Diagramm) aufzutragen. Aufgrund der großen Lastspielzahl ist

4
Julius Carl von Bach (1847–1931), bedeutender deutscher Maschinenbauingenieur. Professor für
Maschinenelemente und Festigkeitslehre in Stuttgart.
5
August Wöhler (1819–1914), deutscher Eisenbahningenieur.
1.6 Zeitlicher Verlauf der Beanspruchung und Dauerfestigkeit 29

a z. B. Träger mit b z. B. Kranseil c z. B. Getriebewelle


konstanter Last F

m F
σ σ σ
(τ) ruhende Belastung (τ) schwellende Belastung (τ) wechselnde Belastung
σo
( τo)
σa σo
σm ( τo)
( τ m)
σa σa

0 σ =0
Zeit t Zeit t Zeit t
σa
σu
( τu)
Lastfall I Lastfall II Lastfall III

Abb. 1.31 Lastfälle nach Bach

es zweckmäßig, die Auftragung für N logarithmisch vorzunehmen. Zwischen den Ver-


suchen für eine Wöhlerkurve wird entweder nur die Mittelspannung  m oder nur das
Verhältnis zwischen Ober- und Unterspannung, der Spannungsausschlag  a , verändert
(Abb. 1.32 und 1.33).
Die exemplarischen Ergebnisse zur Aufnahme eines Wöhler-Diagramms für  m D 0
sind in Tab. 1.5 und Abb. 1.33 enthalten. Mit diesen Ergebnissen kann das Wöhler-Dia-
gramm konstruiert werden (Abb. 1.34).
Aus dem Wöhler-Diagramm (Abb. 1.34) für Stähle lässt sich Folgendes herleiten
(Tab. 1.6).

Tab. 1.5 Wöhlerversuch


Nr. Spannungsausschlag  a in N/mm2 Lastwechsel bis zum Bruch
1 ˙350 4250
2 ˙300 8380
3 ˙250 21.980
4 ˙200 70.350
5 ˙180 108.660
6 ˙160 106 ohne Bruch
30 1 Einführung

Abb. 1.32 Aufnahme einer σ 1


Wöhlerkurve mit unterschied- Oberspannung σo
lichen Mittelspannungen σa Spannungsausschlag = σa
σm1
Mittelspannung σm
σa
Unterspannung σu
2

σa
σm2
σa
3

σa
σm3
σa
4

σm4 σa

σa Zeit

Trägt man nun für einen Werkstoff und eine Beanspruchungsart (Zug, Druck, Biegung
oder Torsion), die aus einer Vielzahl von Wöhler-Diagrammen ermittelten Dauerfestig-
keiten in einem Diagramm auf, so erhält man das Dauerfestigkeitsschaubild nach Smith.
Im Smith-Diagramm (Abb. 1.35 und 1.36) sind die Grenzspannungen  o ,  u über
der Mittelspannung  m aufgetragen. Die beiden Kurven für  o und  u geben den Be-
reich in Abhängigkeit von  m an, in dem die wechselnde Beanspruchung schwanken
kann, ohne dass eine Zerstörung trotz hoher Lastspiele gerade noch nicht eintreten kann.
Die Zugfestigkeit kann jedoch bei zähen Stählen wegen der vorher auftretenden blei-

σ
1 2 3 4 5 6

σai = Spannungsauschlag
Oberspannung σo
aus Tab. 1.5

σa1
σa2 σa3 σa4 σa5 σa6

Zeit
σa4 σa5 σa6
σa2 σa3
σa1
Mittelspannung σ m = 0
Unterspannung σu

Abb. 1.33 Wöhlerversuch mit konstanter Mittelspannung  m D 0


1.6 Zeitlicher Verlauf der Beanspruchung und Dauerfestigkeit 31

Abb. 1.34 Wöhler-Diagramm σ


Rm

σD

1 10 102 103 104 105 106 107 108 Lastspiele N


Bruchfestigkeit Zeitfestigkeit Dauerfestigkeit
Kurzzeitfestigkeit

benden Verformung für eine Dimensionierung nicht herangezogen werden. Das Dau-
erfestigkeitsschaubild dieser zähen Werkstoffe wird daher von der Streckgrenze (oben)
und der Stauch-/Quetschgrenze (unten) begrenzt. Werkstoffe, die ein unterschiedliches
Verhalten bei Zug- oder Druckbeanspruchung (z. B. Grauguss) aufweisen, ergeben ein
unsymmetrisches Dauerfestigkeitsschaubild. Abb. 1.37 enthält beispielhaft das Dauer-
festigkeitsschaubild eines Vergütungsstahls 41Cr4 für die Beanspruchungsarten Biegung,
Torsion, Zug und Druck. Für die Schubspannungen  erhält man grundsätzlich ein ähnli-
ches Diagramm.
Aufgrund der unterschiedlichen Belastungen ergeben sich entsprechende Bezeichnun-
gen, die in Tab. 1.7 zusammengefasst sind.
Die Indizes in vorstehender Tabelle sind nach DIN 1304 und 1350 genormt:

 kleiner Index (Kennzeichnung der Beanspruchungsart):


zDO Zug; d DO Druck; b DO Biegung; t D
O Torsion
 und großer Index (Kennzeichnung des Werkstoffkennwertes):
BD O Bruchfestigkeit; F D
O Fließgrenze (bzw. Stauch-/Quetschgrenze) fS D
O Streck-
grenzeg; D D O Dauerfestigkeit (Dauerschwingfestigkeit); Sch D
O Schwellfestigkeit
und W D O Wechselfestigkeit.

Tab. 1.6 Bezeichnung des Festigkeitsbereiches in Abhängigkeit der Lastspiele


Lastspiele N Bezeichnung Bemerkung
10–102 Bruchfestigkeit Der Bruch erfolgt bei einer Oberspannung, die der Bruchfes-
tigkeit Rm bei ruhender Beanspruchung entspricht
102 –103 Kurzzeitfestigkeit Die Oberspannung verringert sich und die Proben werden
bzw. 104 teilweise plastisch verformt
Bis 106 Zeitfestigkeit Weiter abnehmende Oberspannung, die zu verformungsfreien
Brüchen führt
> 107 Dauerfestigkeit Oberspannung von Stahl, die nicht zum Bruch führt
32 1 Einführung

σ Sch = 2σa
σD σD σD σ W = ± σa

σa
σo

σa

σF

σ Sch
σm

σW

σa
45°

σm σm II I σm
σu σ o = σm + σ a I ruhend
σ u = σm − σ a II schwellend
III III wechselnd
Darstellung der durch die Fließgrenze σ F nach vereinfachte Darstellung mit
Grenzspannungen (σo; σ u) oben begrenzt, bei Zug σ F = Re geraden Grenzspannungslinien

Abb. 1.35 Konstruktion des Smith-Diagramms (Zugbeanspruchung)

Streckgrenze
σo
Rm

I
Re

σ z Sch
σ zW

45 °
σu
II σm
σ d Sch

σu

III
σo
I II
Belastungsfall III
Belastungsfall II

Belastungsfall II

Belastungsfall I
Belastungsfall I

Stauchgrenze
„Druck“
„Druck“

„Zug“

„Zug“

schwellend wechselnd schwellend


„Druck“ „Zug“

Abb. 1.36 Dauerfestigkeitsschaubild nach Smith


1.7 Zulässige Spannungen 33

Abb. 1.37 Dauerfestigkeits- σ; τ


schaubild für Zug/Druck, N/mm2
1000 Biegung
Biegung und Torsion für den 960
Vergütungsstahl 41Cr4 900
Zug/Druck
800 800
700
600 Torsion 550
500
400
300
200
100
0
100 200 300 400 500 600 700 800 9001000 σm ; τ m
-100 N/mm2
-200
-300
-400
-500

Tab. 1.7 Bezeichnung der Festigkeit in Abhängigkeit der Belastungsart


Zug Druck Biegung Torsion
Bruchfestigkeit bei Zugfestigkeit Druckfestigkeit Biegefestigkeit Torsionsfestigkeit
ruhender Belastung Rm  dB  bB  tB
Fließgrenze bei ruhen- Streckgrenze Stauchgrenze Biege(fließ)grenze Torsions(fließ)grenze
der Belastung Re /Rp0,2  dF / d0,01  bF  tF
Dauerschwingfestigkeit  zD  dD  bD  tD
Schwellfestigkeit  zSch  dSch  bSch  tSch
Wechselfestigkeit  zW  dW  bW  tW

1.7 Zulässige Spannungen

In Versuchen wurden Grenzspannungen ( m ,  D ) ermittelt, die im Betrieb nicht erreicht


werden dürfen. Darüber hinaus bestehen Schwierigkeiten bei der Berechnung der auftre-
tenden Spannungen aufgrund folgender Einflüsse: keine homogenen, isotropen Werkstof-
fe, Oberflächenbeschaffenheit, Einkerbungen usw. Deshalb führt man Sicherheitszahlen
ein.
Grenz
Mindestsicherheit Smin D (1.12)
zulässig
34 1 Einführung

Tab. 1.8 Mindestsicherheit in Abhängigkeit des Lastfalls


Lastfall I II, III
Werkstoff Zäh mit Streckgren- Spröde ohne Streckgren- Für alle Werkstof-
ze ze fe
Zweckmäßige Grenzspan- Streckgrenze Bruchfestigkeit Dauerfestigkeit
nung Re Rm D
Sicherheit Smin 1,5 . . . 3 2 ... 4 2 ... 4

Die Grenzspannung ist abhängig von der Versagensmöglichkeit (plastische Verfor-


mung, Sprödbruch, Dauerbruch) und dem Lastfall (Tab. 1.8).
Dementsprechend ist die zulässige Spannung

Grenz
zul D : (1.13)
Smin

Zum Beispiel  zul bei dynamischer Beanspruchung:

D
zul D : (1.14)
Smin

Für die Mindestsicherheit Smin (Abb. 1.38) wird bei zähen Werkstoffen Re und bei
spröden Werkstoffen Rm als Grenzwert genommen. Die Grenzspannung hängt wie be-
reits gesagt von der Art der Beanspruchung und der Art des Versagens und die geforderte
Sicherheit S hängt von den Folgen des Versagens ab.

Zugbeanspruchung:

 Bei Zugbeanspruchung kann ein Versagen durch Fließen oder durch Bruch erfolgen.
 Versagen durch Fließen tritt bei duktilen Werkstoffen auf.
 Versagen durch Bruch kann bei duktilen und spröden Werkstoffen auftreten.

a b
σ σ
zäher Werkstoff spröder Werkstoff
Rm
Sicherheit
Sicherheit

Re

σzul σzul

σ Grenz Re σ Grenz Rm
Smin = = Smin = =
σ zul σ zul σ zul σ zul
ε ε

Abb. 1.38 Mindestsicherheit bei zähem (a) und sprödem (b) Werkstoff
1.7 Zulässige Spannungen 35

 Versagen durch Fließen:


Die Sicherheit SF und die zulässige Spannung  zul werden mithilfe der Streckgrenze
Re oder der 0,2 %-Dehngrenze Rp0,2 bestimmt:

F F
SFvorh D I zul D mit F D Re oder Rp0,2 (1.15)
vorh SFerf

 Versagen durch Bruch:


Die Sicherheit SB und die zulässige Spannung  zul werden mithilfe der Zugfestigkeit
Rm bestimmt:
B Rm
SBvorh D I zul D (1.16)
vorh SBerf
Bei spröden Werkstoffen ist eine größere Sicherheit erforderlich, da sich ein Bruch
nicht durch eine vorhergehende große Verformung ankündigt.

Druckbeanspruchung:
Bei einer Druckbeanspruchung hingegen kann ein Versagen durch Fließen, Bruch oder
Knicken auftreten.

 Versagen durch Fließen:


Die Sicherheit SF und die zulässige Spannung  zul werden mithilfe der Druckfließgren-
ze  dF oder der Stauchgrenze  d0,01 bestimmt:

F F
SFvorh D I zul D mit F D dF oder d0;01 (1.17)
vorh SFerf

 Versagen durch Bruch:


Die Sicherheit SB und die zulässige Spannung  zul werden mithilfe der Druckfestigkeit
 dB bestimmt:
dB dB
SBvorh D I zul D (1.18)
vorh SBerf
 Versagen durch Knicken:
Die Sicherheit SK und die zulässige Spannung  zul werden mithilfe der Knickspannung
 K bestimmt:
K K
SKvorh D I zul D (1.19)
vorh SKerf

Die Knickspannung  K ist kein Werkstoffkennwert, sondern ist abhängig von der
Knicklänge lK des Stabes, seinem Querschnitt A und dem Elastizitätsmodul E (siehe
Kap. 5).
Tab. 1.9 enthält Festigkeitswerte, die für Überschlagsrechnungen herangezogen werden
können.
36 1 Einführung

Tab. 1.9 Statische Festigkeitswerte für Überschlagsrechnungen [10]


Werkstoff
Duktil (zäh) Spröde
Beanspruchungsart Stahl, GS, Al-Knet- Al-Guss- GJL GJM GJS
Cu-Leg. Leg. Leg.
Zug Re (Rp0,2 ) Rm
Druck Red  Re Re 1,5  Re 2,5  Rm 1,5  Rm 1,3  Rm
Biegung  bF  1,1  Re Re Re Rm Rm Rm
Schub  sF  0,6  Re 0,6  Re 0,75  Re 0,85  Rm 0,75  Rm 0,65  Rm
Torsion  tF  0,65  Re 0,6  Re – – – –

Beispiel 1.7 Wie groß ist die zulässige Spannung für Baustahl S235JR mit Re D
235 N/mm2 und wie groß ist die vorhandene Sicherheit bei einer vorhandene Spannung
von  vorh D 139 N/mm2 ?

Lösung Statische Beanspruchung, Lastfall I; Smin D 1,5 (aus Tab. 1.8 gewählt)

Re 235 N N
zul D D D 157
Smin 1;5 mm2 mm2
da D zul > vorh ; ist die Bemessung ausreichend!
Grenz 235 N=mm2
Svorh D D D 1;69
vorh 139 N=mm2

Beispiel 1.8 Ein Bergsteiger mit einer Masse m D 80 kg will ein Sicherungsseil kaufen.
Zur Wahl kommen Stahl- oder Polyamidseile. Für den Einsatz im Gebirge wird mit einer
fünffachen Sicherheit gerechnet. Die Eigenmasse des Seiles kann für die Berechnung der
Last vernachlässigt werden. Die Stahlseile bestehen aus sechs gedrehten Litzen mit je
19 Drähten bzw. sechs Litzen mit 37 Drähten und einer Seilfestigkeit von 1770 N/mm2 .
Bei den Polyamidseilen handelt es sich um geflochtene Seile mit drei Litzen. Die zulässige
Last errechnet sich aus der Mindestbruchlast dividiert durch die Sicherheit S D 5. Die
Eckdaten sind den Tabellen zu entnehmen.

Stahlseil
Seildurchmesser Seilklasse Mindestbruchlast Zulässige Last Preis
mm kN kN C/m
4 6 × 19 8,8 1,74 0,90
6 6 × 19 19,5 3,9 1,20
8 6 × 37 33,4 6,7 2,40
10 6 × 37 52 10,4 2,60
1.8 Verständnisfragen zu Kapitel 1 37

Polyamidseil
Seildurchmesser Mindestbruchlast Zulässige Last Preis
mm kN kN C/m
4 3,1 0,62 0,24
6 9 1,8 0,42
8 12,75 2,55 0,66
10 19,6 3,92 1,13

Lösung
FG D m  g D 80 kg  9;81 m=s2 D 785 N  0;8 kN
Aufgrund der Gewichtskraft kämen ein Stahlseil mit 4 mm Durchmesser zum Preis
von 0,90 C/m oder ein Polyamidseil mit 6 mm Durchmesser zum Preis von 0,42 C/m in
Frage. Das Polyamidseil hat den Vorteil, dass es leichter, flexibler und kostengünstiger
ist. Als Nachteile wären zu nennen: Schlechte Kantenbeständigkeit, UV-strahlungs- und
alterungsempfindlich.
Der Vorteil des Stahlseiles liegt in der guten Kantenbeständigkeit. Es ist aber steifer,
teurer und schwerer.

1.8 Verständnisfragen zu Kapitel 1

1. Wodurch unterscheidet sich die Statik von der Festigkeitslehre?


2. In welcher Form kann das Versagen eines Bauteils auftreten?
3. Welche Grundbeanspruchungsarten kennen Sie?
4. Erklären Sie den Unterschied zwischen dem Freimachen und dem Freischneiden!
5. Wie ist die Spannung definiert?
6. Erklären Sie die Begriffe Normal- und Tangentialspannung und wodurch sie sich
unterscheiden.
7. Wie wird die wahre Spannung ermittelt und worin besteht der Unterschied zum all-
gemeinen Spannungs-Dehnungs-Diagramm?
8. Für welchen Bereich gilt das Hooke’sche Gesetz und was sagt es aus?
9. Was versteht man unter der Poisson’schen Konstanten und der Querkontraktions-
zahl?
10. Welche Faktoren haben einen Einfluss auf die Formänderungsarbeit?
11. Wovon hängt die Haltbarkeit eines Bauteils ab?
12. Worin unterscheiden sich die drei Lastfälle nach Bach?
13. Wozu dient das Wöhler-Diagramm?
14. Wie entsteht ein Smith-Diagramm und was kann man aus ihm entnehmen?
15. Nennen Sie Gründe zur Einführung der Sicherheit S.
38 1 Einführung

1.9 Aufgaben zu Kapitel 1

Aufgabe 1.1 Der homogene starre Balken der Masse m ist wie skizziert an zwei Stahl-
drähten der Länge l und der Querschnittsfläche A horizontal aufgehängt. Dann wird die
Last F aufgebracht. Um welchen Winkel ' neigt sich der Balken und um welche Strecken
l1 und l2 werden die Drähte infolge der Last F dabei länger? Welche Spannungen
herrschen in den Drähten?

1 2
F

l
a/2 a/4 a/4

FG

l = 500 mm;
a = 750 mm
A = 0,25 mm2 ;
E = 2,1  105 N/mm2
m = 5,097 kg;
F = 100 N

Aufgabe 1.2 Ein Verbundstab aus Stahl und Holz wird mit einer Kraft F D 25 kN wie
skizziert beansprucht (Stahl: ESt D 2,1  105 N/mm2 ; Holz: EH D 1,5  104 N/mm2 ).

a) Welche Spannungen treten im Stahl und im Holz auf?


b) Wie groß ist die Verlängerung?

50
2

Holz

F F
30

Stahl
2

300

Aufgabe 1.3 Wie groß ist die von einer Hartgummifeder von 30 mm Höhe und 50 mm
Durchmesser aufgenommene Formänderungsarbeit, wenn die Feder mit 1,5 kN belastet
wird und der E-Modul 4 kN/mm2 beträgt?
1.9 Aufgaben zu Kapitel 1 39

Aufgabe 1.4 Welche Formänderungsenergie wird vom linken bzw. rechten Teil des ab-
gesetzten Stahlstabes aufgenommen, wenn der Stab mit F D 12 kN belastet wird?

Ø 20
F

Ø 10
300 500

Aufgabe 1.5 Ein Wasserbehälter ist an vier Bändern aus E295 gemäß Skizze aufge-
hängt. Der leere Behälter hat eine Masse von mleer D 1500 kg, der gefüllte Behälter mvoll D
4000 kg. Die Querschnittsfläche der Bänder beträgt A D 30 × 3 mm. Der Abstand a der
Bänder vom linken und rechten Rand des Behälters beträgt 600 mm.

a) Wie groß ist die Spannung in den Bändern bei leerem und vollem Behälter?
b) Welche Sicherheiten liegen gegen Versagen bei vollem Behälter vor und sind sie aus-
reichend?
c) Die Länge der Bänder bei leerem Behälter beträgt l0 D 1400 mm, um welchen Betrag
l senkt sich der Behälter im gefüllten Zustand?

Gegeben: Re D 295 N/mm2 ; Rm D 470 N/mm2 ; E D 2,1  105 N/mm2 .


l0

a a
Einfache Beanspruchungen
2

In Abschn. 1.2 haben wir fünf Grundbeanspruchungsarten (Abb. 2.1) kennengelernt,


die nunmehr näher betrachtet werden.
Die modifizierten Druckbeanspruchungen Beulen und Hertz’sche Pressung werden
nicht behandelt.

2.1 Zug- und Druckbeanspruchung

2.1.1 Grundsätzliches zur Normalspannung

Ein Stab (Abb. 2.2) wird in Längsrichtung mit einer zentrischen Kraft belastet.
Schneiden wir den Stab in B–B, dann treten senkrecht zur Längsachse Normalspan-
nungen auf.
Aus der Gleichgewichtsbedingung am (linken und rechten) Teilstab folgt: F i  F = 0
) F i = F, mit F i = innere Kraft (Schnittkraft) und F = äußere Kraft.
In Abb. 2.3 ist die Querschnittsfläche über der Länge konstant oder nur leicht verän-
derlich (keine schroffen Übergänge oder Kerben). Damit ist auch  über dem Querschnitt
konstant.
Daraus folgern wir, dass die Zugspannung in Stäben konstant ist (Abb. 2.2, 2.3 und 2.5),
wenn

 sich die Querschnittsfläche A senkrecht zur Stabachse befindet (Abb. 2.4),


 die Wirklinie von F auf der Schwerpunktachse (Mittellinie) (Abb. 2.4) liegt und
 der Querschnitt A konstant ist (Abb. 2.4) bzw. sanfte Übergänge hat:

F
.z/ D D konstant. (2.1)
A

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 41
K.-D. Arndt et al., Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-26141-2_2
42 2 Einfache Beanspruchungen

Spannungen

Normalspannung Tangentialspannung

Zug Druck Biegung Schub/Scherung Torsion

F F F F
Mb T
F/2
F
F/2
Mb F T
F
F F F
F

modifizierte Druckbeanspruchung

Flächenpressung Hertzsche Pressung Knickung Beulen

F F F
qd
qd

Abb. 2.1 Grundbeanspruchungsarten und modifizierte Beanspruchungen

Abb. 2.2 Stab mit konstantem B


Querschnitt
F F
B
B B

F B Fi Fi B F

B B

F B σ σ B F

Bei leicht veränderlichem Querschnitt (Abb. 2.3):

F
max D (2.2)
Amin

Entsprechendes gilt für die Druckbeanspruchung (Abb. 2.5):

F F
.d/ D bzw.  D  ; (2.3)
A A

solange kein seitliches Ausweichen (Knicken) des Stabes auftritt. Das negative Vorzeichen
in Gl. 2.3 drückt aus, dass eine Druckspannung vorliegt.
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung 43

Abb. 2.3 Stab mit veränderli- B


chem Querschnitt
F F

Amin
B
B B
F
F B Fi Fi B

B B
F B σmax B F

Abb. 2.4 Bedingungen für F


konstante Zugspannung

Als Festigkeitsbedingung mit der zulässigen Spannung gilt:

F
j j D  zul (2.4)
A
Des Weiteren haben wir in Abschn. 1.1 zwei Vorgehensweisen kennengelernt; es gilt
für die Tragfähigkeits-Rechnung (Lastbegrenzung):

F  Fzul D A  zul (2.5)

und für die Bemessungs-Rechnung (Dimensionierung):

A  Aerf D F=zul (2.6)

Die Eigenschaften der Zug- und Druckbeanspruchung sind Abb. 2.6 zu entnehmen.

a Zugbeanspruchung:
b Druckbeanspruchung:
σz σd
B B B B

F F F F
B B B B

konstante Spannungsverteilung

Abb. 2.5 a Zug- und b Druckbeanspruchung mit Spannungsverteilung


44 2 Einfache Beanspruchungen

Zug (Druck)

σz
F F

• Konstante Normalspannung σ über dem Querschnitt A.


• Jedes Werkstoffteilchen erfährt die „gleiche Beanspruchung“, d.h. der
Werkstoff kann über den gesamten Querschnitt gleichmäßig bis zur
Versagensgrenze (theoretisch) ausgenutzt werden => sehr gute Werk-
stoffausnutzung.
• Bei Druckbeanspruchung => Gefahr der Knickung.

Abb. 2.6 Eigenschaften von Zug-/Druckbeanspruchung

Die Normalspannung dagegen ist über den Querschnitt nicht konstant (Abb. 2.7):

 in unmittelbarer Nähe der Krafteinleitung (1),


 bei Querschnittssprüngen (2),
 bei Kerben (3), Einstichen (4) oder Bohrungen (5).

Beispiel 2.1 Wie groß ist die Zugspannung im Querschnitt eines ungebohrten und ge-
bohrten mit 15 kN belasteten Flachstahls von 80 mm Breite und 10 mm Dicke, wenn der
Bohrungsdurchmesser 30 mm beträgt (Abb. 2.8)?
F 15:000 N N
D D D 18;75 (ungebohrt)
A 80 mm  10 mm mm2

F 15:000 N N
D D D 30 (mit Bohrung)
A .80 mm  30 mm/  10 mm mm2

Abb. 2.7 Nicht konstante F


Spannungsverteilung σ=
A
(1) (2) (3) (4) (5) (1)

σ
x σ σ
F F

F
σ≠
A( x )
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung 45

Abb. 2.8 Auf Zug belasteter


Flachstahl

Beispiel 2.2 Finn Niklas, 9 Jahre alt, besitzt ein eigenes Fahrzeug: Ein Dreirad mit Tret-
antrieb, Abb. 2.9. Auf dem hinteren Sitz kann er einen Freund mitnehmen und an die
Anhängerkupplung hängt er oft seinen Bollerwagen an. Wir wollen hier die Aufgabe der
Berechnungsabteilung des Herstellers übernehmen und im Laufe dieses Buches die Fes-
tigkeit von Finn Niklas’ Dreirad überprüfen.
Der Rahmen des Dreirads besteht aus Vierkantrohr und muss alle im Betrieb auftreten-
den Kräfte aufnehmen können. Um den Rechenaufwand überschaubar zu halten, schaffen
wir uns zunächst ein vereinfachtes Rechenmodell des Dreirads. Das Dreirad besitzt, wie
in Abb. 2.9 zu erkennen ist, einen T-förmigen Rahmen aus Vierkantrohr, an dem vorne
die lenkbare Vorderradgabel gelagert ist.
Die Anhängerkupplung von Finn Niklas’ Dreirad sitzt an der Verlängerung des Längs-
rohres hinter der Hinterachse, Abb. 2.10. Vereinfacht muss dieses kurze Vierkantrohr nur
die Zugkraft für die Fortbewegung des Anhängers aufnehmen. Wir nehmen diese Kraft

Abb. 2.9 Finn Niklas’ Dreirad


46 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.10 Kraft an der An- FA


hängerkupplung

hier mit 200 N an. Das Längsrohr hat die Außenmaße 50 × 20 mm bei 2 mm Wandstärke.
Die Querschnittsfläche des Rohres beträgt damit A = 264 mm2 . Für die Zugspannung in
diesem Bauteil erhalten wir dann
FA 200 N
z D D  0;8 N=mm2
A 264 mm2

Diese Spannung ist sehr gering und damit vernachlässigbar.

Bei einer beliebigen Schnittrichtung (Abb. 2.11) erfolgt der Schnitt nicht senkrecht zur
Stabachse (= Kraftlinie). Der gedachte Schnitt B–B wird so gelegt, dass der Winkel ˛
senkrecht zum Schnitt liegt. Bedingung hierbei ist: Das freigemachte Teilsystem muss
sich im Gleichgewicht befinden.
X X
Fix D 0 und Fiy D 0

Dies ist nur möglich, wenn im gedachten Schnitt sowohl Normalspannungen  als
auch Tangentialspannungen  wirksam sind.

F F F F

A0
x

90°
B
α
A τ
A
B B α α
B τ ∙A
α Fi σ
A
σ·
α
cos

α Fi
Fi ∙

Fi ∙ A
sin
α
F F
waagerechter schräger
Schnitt Schnitt

Abb. 2.11 Schräg geschnittener Stab


2.1 Zug- und Druckbeanspruchung 47

Zum besseren Verständnis ist es sinnvoll, ein um den Winkel ˛ gedrehtes Koordinaten-
system einzuführen.
P
Aus der Gleichgewichtsbedingung Fiy D 0 ) Fi  cos ˛    A D 0, (F i = F)

A0 F
mit AD ) D  cos2 ˛ )
cos ˛ A0

 D 0  cos2 ˛ (2.7)
Der Quotient F / A0 entspricht der Spannung  0 im Schnitt senkrecht zur Achse.
P
Aus der Gleichgewichtsbedingung Fix D 0 )   A  Fi  sin ˛ D 0, (F i = F)

F
D  sin ˛  cos ˛; mit 2  sin ˛  cos ˛ D sin 2˛ )
A0
1
D 0  sin 2˛ (2.8)
2
Mit der Probe für ˛ = 0° wird untersucht, ob die Gln. 2.7 und 2.8 stimmen:

cos2 ˛ D 1 )  D 0
sin 2˛ D 0 )  D 0; damit ist der Beweis erbracht worden.

Von besonderer Bedeutung ist jedoch der Schnitt unter dem Winkel ˛ = 45°: ) cos2 ˛ =
1/2 )  45° = 1/2  0 und sin 2˛ = 1 )
1
45ı D 0 D max (2.9)
2
Als Ergebnis kann festgestellt werden:
Beim gezogenen (bzw. gedrückten) Stab (Abb. 2.11) im Schnitt unter 45° zur Stabachse
beträgt die Normalspannung  0 / 2 und die maximale Schubspannung  max =  0 / 2.
Im Zugversuch einer Rundprobe aus Stahl mit ausgeprägter Streckgrenze tritt eine star-
ke Einschnürung (d. h. Querschnittsminderung) durch Fließen auf. Unter Fließen wird
das Abgleiten einzelner Gefügeteile unter 45° zur Achse verstanden. Sie treten aufgrund
maximaler Schubspannung auf – bis u. U. ein kritischer Anriss und dann der Restbruch
erfolgen. Abb. 2.12 zeigt das Abgleiten unter 45° eines im Druckversuch zerstörten Pro-
bekörpers aus Aluminium.

Beispiel 2.3 An einem zylindrischen Versuchskörper (Abb. 2.13) mit dem Durchmes-
ser d = 30 mm wird ein Druckversuch gemacht. Bei einer Druckbelastung von F = 378 kN
bricht der Probekörper unter 45°.

a) Wie groß ist die Druckfestigkeit  db des Werkstoffs?


b) Wie groß sind die Normal- und die Schubspannung in der Bruchebene unmittelbar vor
dem Bruch?
48 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.12 Zerstörter Alumini-


um-Prüfkörper (Druckversuch)

Abb. 2.13 Versuchskörper F


unter Druckbelastung


σ4
α σd

τ4

d

Lösung

a) dB D
O 0 D F
.Schnittfläche ? F / ) dB D F
 2 D 378:000 N
D 535 mm
N
4 d

4 30
A 2
mm2 2

b) 45°-Ebene:
 
1 ı 1p 1
 45ı D 0 allgemein:  D 0  cos ˛I ˛ D 45 ! cos ˛ D
2
2I cos ˛ D
2
2 2 2
1
45ı D 0 D 45ı
2
N N
45ı  268 und 45ı  268
mm2 mm2
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung 49

2.1.2 Spannungen durch Eigengewicht

Spannungen durch Eigengewicht treten beim hängenden Stab (Abb. 2.14) oder hängenden
Seil auf, wobei der Querschnitt A konstant ist. Die Betrachtung muss unter folgenden
Gesichtspunkten erfolgen:

 die äußere Kraft F ist (sehr) groß im Verhältnis zum Eigengewicht F G des Stabes (Sei-
les), in diesem Fall ist das Eigengewicht F G vernachlässigbar,
 bei sehr langen frei hängenden Stäben (Seilen) ist das Eigengewicht F G u. U. allein
verantwortlich für das Versagen (ohne äußere Kraft),
 mit zunehmender Länge l nimmt das Eigengewicht F G zu, somit auch die Zugspannung
an der Einspannstelle, dem gefährdeten Querschnitt B–B.

Lösung
FG D m  g D
O V    g D A  l    g D A  l   mit
 D   g D spezifisches Gewicht und V D A  l:

Die maximale Zugspannung im Querschnitt B–B ist max D FG


A D l    zul .
Für max D zul wird die Länge l zur

zul zul
Traglänge lT D D (2.10)
g 

Setzt man für max die Zugfestigkeit Rm , so wird daraus die

Rm Rm
Reißlänge lR D D (2.11)
g 

Abb. 2.14 Hängender Stab


unter Eigengewicht B B
l

FG

(F)
50 2 Einfache Beanspruchungen

lT und lR sind dabei unabhängig von der Querschnittsform und der -größe. Sie sind nur
abhängig vom Festigkeitswert  zul bzw. Rm und vom spezifischen Gewicht  des Werk-
stoffs/Materials.

I Die Reißlänge ist als Zugfestigkeit bezogen auf das spezifische Gewicht definiert und
wird zur Beschreibung der Belastbarkeit von Leichtbauwerkstoffen benutzt.

Die Reißlänge ist auch ein Güte-/Qualitätsmerkmal für Werkstoffe:

 Naturseide: lRmin  45 km
 Kohlenstofffasern (C-Fasern): lR  100 km
 Kevlar: lR  200 km
 Stahl: lR  5 km

Beispiel 2.4 Wie groß ist die Reißlänge von Baustahl S235JR?

Lösung Mit Gl. 2.11:

Rm N kg 6 kg
lR D I S235JR: Rm D 360 I D 7;85 D 7;85 10
g mm2 dm3 mm3
360 N mm3 s2 1 kg m 360 mm
lR D D 4;67 106 mm 4;67 km
mm2 7;85 10 6
kg 9,81 m 1 Ns2 7,85 10 6 9;81

2.1.3 Wärmespannungen

Aus der Erfahrung wissen wir, dass Körper sich bei Erwärmung ausdehnen und bei Ab-
kühlung zusammenziehen. Ist ein Körper frei beweglich gelagert, so tritt keine Änderung
des Spannungszustandes bei einer Erwärmung oder Abkühlung ein (Abb. 2.15).
Die Längenänderung eines beweglich gelagerten stabförmigen Körpers infolge einer
Temperaturänderung ist:

l D l0  ˛  # mit # D #1  #0 in K (Kelvin) (2.12)

Abb. 2.15 Frei gelagerter Stab


unter Wärmebelastung
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung 51

#0 = Temperatur vor der Änderung (Ausgangstemperatur)


#1 = Temperatur nach der Änderung (Endtemperatur)
l0 = Körper-/Stablänge vor der Temperaturänderung
˛ = Längenausdehnungskoeffizient in K1 (˛= 1 / K)

Die Längenausdehnungskoeffizienten ausgewählter Werkstoffe sind Tab. 2.1 zu ent-


nehmen.
Die Stablänge nach der Temperaturänderung ergibt sich zu:

l1 D l0 C l D l0 C l0  ˛  # D l0 .1 C ˛  #/ (2.13)

Die Wärmedehnung lässt sich wie folgt ermitteln:

l l0  ˛  #
"therm D "ª D D D "ª D ˛  # (2.14)
l0 l0

Die Dehnung wird (bei beidseitiger Einspannung, Abb. 2.16) behindert, es gilt die Be-
dingung:

"ges D "mech C "therm D "m C "ª D C ˛  # D 0:
E

Daraus folgt für die Wärmespannung

 D ˛  #  E (2.15)

Bei Abkühlung treten Schrumpfspannungen auf:  D ˛  #  E; wenn # < 0,


dann ist  > 0 (z. B. bei Brückenlagern).
Wärme- und Schrumpfspannungen sind nicht von den Bauteilabmessungen abhängig,
sondern von den Werkstoffkennwerten ˛ und E sowie von der Temperaturdifferenz #:

Tab. 2.1 Längenausdehnungs- Werkstoff ˛ in 106 K1


koeffizienten ausgewählter Unlegierter Stahl 12
Werkstoffe Edelstahl 16
Aluminium 24
Kupfer 17
Messing 20
PP 180
PVC 70
Glas 5
Quarzglas 0,5
Beton 10
Holz 4
52 2 Einfache Beanspruchungen

feste Wand
Ausdehnung

F F Ausdehnung F F

εmech ε therm ε therm εmech

εges = εmech + ε therm = ε m + εϑ = σ + α·∆ϑ =0!


E

Abb. 2.16 Dehnung bei beidseitiger Einspannung

Beispiel 2.5 Die Gleise der Deutschen Bahn sind endlos verschweißt, d. h. es gibt keine
Stoßlücken zwischen den Schienenenden.
Ein Schienenstrang aus Stahl, endlos verschweißt, wird bei 25 °C spannungsfrei ver-
legt. Wie groß sind die Wärme- bzw. Schrumpfspannungen im Strang bei den Temperatu-
ren 50 und 15 °C?
Gesucht: 1 bei #1 und 2 bei #2 :

Lösung Anwendung der Gl. 2.15

1 N
 D ˛  #  EI ˛St D 1;2  105 und E D 2;1  105
K mm2
#1 D 50 ı C ! #1 D #1  #0 D .50  25/ ı C D
O C25 K
1 N
1 D ˛St  #1  E D 1;2  105  25 K  2;1  105
K mm2
N
1 D 63 .Druckspannung/
mm2
#2 D 15 ı C ! #2 D #2  #0 D .15  25/ ı C D
O 40 K
1 N
2 D ˛St  #2  E D 1;2  105  .40/ K  2;1  105
K mm2
N
2 D C101 .Zugspannung/
mm2

Beispiel 2.6 Der skizzierte Körper befindet sich zwischen zwei starren Wänden
(Abb. 2.17). Wie groß ist die Spannung in den Querschnitten und welche Kraft F tritt
dabei auf?
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung 53

d2 = 80
d1 = 40
120 100

Abb. 2.17 Eingespannter Stahlstab

Das Freimachen (a) und Freischneiden (b) des eingespannten Stahlstabes ist in
Abb. 2.18 dargestellt.
# D 60 ı C
˛St D 1;2  105 K1
N
E D 2;1  105
mm2

Lösung
l
l D ˛  #  lges I  D E  " D E  I F D A
l
F1  l1
l1 D l1therm  l1elast D ˛1  l1  # 
E1  A1
F2  l2
l2 D l2therm  l2elast D ˛2  l2  # 
E2  A2
Es gilt die geometrische Bedingung: lges D l1 C l2 D 0 und F 1 = F 2 = F
 
l1 l2 .˛1  l1 C ˛2  l2 /#
.˛1  l1 C ˛2  l2 /# D F C !F D
E1  A1 E2  A2 l1
C l2
E1 A1 E2 A2

a l1 l2 b

FA FB FA Fi

Abb. 2.18 Freigemachter Stahlstab. a Freimachen: F A  F B = 0 ! F A = F B , b Freischneiden:


F A  F i = 0 ! F A = F i (F i = innere Kraft)
54 2 Einfache Beanspruchungen

di2
Hier ˛1 D ˛2 D ˛St I E1 D E2 D EI Ai D 4

.l1 C l2 /  ˛St  #  E 220 mm  1,2  105  60  2;1  105 N


F D   D   D 288:281 N
4
 d
l1
2 C d
l2
2
4 120
 40 2 C 100
802
mm
mm 2 mm 2
1 2

D 288;28 kN
F 288;28 kN N
1 D D  D 229;4 I
4  40 mm
A1 2 2 mm 2

F 288;28 kN N
2 D D  D 57;4
A2 4
 80 mm
2 2 mm2

2.1.4 Flächenpressung ebener und gekrümmter Flächen

Neben Spannungen in Bauteilen treten bei Druckbeanspruchungen auch Berührungsspan-


nungen zwischen Körpern auf, die als Flächenpressung p oder Lochleibung pl bezeichnet
werden. In Abb. 2.19 sind die Möglichkeiten der Spannungen zwischen zwei Körpern
dargestellt.
Eine Kraft kann von einem zum anderen Bauteil nur über eine bestimmte Querschnitts-
fläche übertragen werden (Abb. 2.20).

Flächenpressung
Druck-
ebene Flächen gekrümmte Flächen
spannung
Flächenlast Punktlast Linienlast Flächenlast
F
F F
d

l
F
F F F Zapfen/Lagerschale
Lochleibung
Kugel/Kugel Walze/Walze F s
F b F F
l
d

Träger/
Fundament
Kugel/Platte Walze/Platte F
Bolzen/Laschen

Abb. 2.19 Spannungen zwischen zwei Körpern


2.1 Zug- und Druckbeanspruchung 55

a
F F F

FN p

c
b
F F

F A A1
p1 p2
p2 A2
p p p3 A3

_
p3

_
Abb. 2.20 Flächenpressung an Bauteilen: a Lagerung eines Querträgers, b Axialführung einer
senkrechten Welle, c Befestigung einer Maschine (eines Motors oder Getriebes bzw. einer Pumpe)
am Fundament

Es sind folgende Fragen zu klären:

 Wie groß ist die Belastung an den Auflageflächen?


 Welche Belastung ist zulässig, damit keine unerwünschten Verformungen oder ein
Bruch auftreten?

Es wird von der allgemein üblichen Annahme für ebene Berührungsflächen (Abb. 2.20
und 2.26) ausgegangen, dass eine gleichmäßige Verteilung der Druckkraft auf die Flächen
erfolgt.
Für die Druckbelastung pro Flächeneinheit gilt:

F
Flächenpressung p D mit F ?A (2.16)
A

Die Einheit der Flächenpressung ist gleich der Einheit für die Spannung in N/mm2 .
Die Flächenpressung p ist aber ein Maß für eine von außen – an der Oberfläche des
Bauteils – wirkende Belastung.
56 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.21 Flächenpressung an FH


schräger Fläche

F α FN
FH

l b
α

l’

Greift die Kraft F nicht senkrecht zur Auflage-/Berührungsfläche (Abb. 2.21) an, mit
der Auflagefläche A = b  l, dann gilt:

F F
pD mit Aproj D b  l 0 und l 0 D l  cos ˛ ) p D oder
Aproj b  l  cos ˛

FN F F
pD D D (2.17)
A A  cos ˛ b  l  cos ˛
mit der Bedingung: Die vorhandene Flächenpressung p muss  der zulässigen Flächen-
pressung pzul sein.
Zu beachten ist hierbei, dass der Werkstoff mit der geringeren Festigkeit maßgebend ist.
So ist z. B. bei einem Gelenklager aus Grauguss mit einem Bolzen aus Stahl das Grauguss-
Lagergehäuse gefährdet, nicht der Stahlbolzen.
Anhaltswerte für die zulässige Flächenpressung pzul sind der Tab. 2.2 zu entnehmen.

Beispiel 2.7 In einem Produktionsgebäude soll im 1. Obergeschoss eine abgeschriebene


Produktionsmaschine durch eine neue ersetzt werden. Aufgrund statischer Gegebenhei-
ten darf die Deckenbelastung 2500 N/m2 nicht überschreiten. Die Maschine hat die in
Abb. 2.22 angegebene Grundfläche und eine Masse von 1,223 t.

a) Wie groß ist die Flächenpressung aufgrund der vorstehenden Angaben?

Tab. 2.2 Anhaltswerte für die zulässige Flächenpressung pzul ( dF = Quetschgrenze;  dB = Druck-
festigkeit)
Werkstoff Zulässige Flächenpressung pzul Belastung
Zähe Werkstoffe pzul  1,2
dF
Bei ruhender Belastung
dF
pzul  2 Bei schwellender Belastung
Spröde Werkstoffe pzul  2dB Bei ruhender Belastung
pzul  3dB Bei schwellender Belastung
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung 57

Abb. 2.22 Maschinengrund- 2800


fläche

1000

1300
2100

b) Aus Sicherheitsgründen soll die Belastung 1750 N/m2 nicht überschreiten. Wie groß
ist dann die Aufstandsfläche auszuführen?

a) Die Maschinengrundfläche beträgt:

Ages D 2;8 m  1;3 m  2;1 m  0;3 m D 3;01 m2

FG D m  g D 1;223 t  1000 kg/t  9;81 m/s2  1 N  s2 /kg  m D 12:000 N

FG 12:000 N m2
Aerf D D D 4;8 m2
pzul 2500 N
b) Die zulässige Flächenpressung wird auf 1750 N/m2 gesenkt.

FG 12:000 N m2
Aerf D D D 6;86 m2
pzul 1750 N

Technische Lösung des Problems: Damit die geforderte Deckenbelastung nicht über-
schritten wird, könnten die errechneten größeren Aufstandsflächen aus Blech der Stärke
5–10 mm hergestellt werden, auf die die Maschine gestellt wird.

Beispiel 2.8 Zwei Bauteile sind gemäß Abb. 2.23 ineinander gefügt. Das obere Bauteil
ist aus Guss GJL und das untere Bauteil aus Stahl E295 gefertigt. Das obere Bauteil ist
600 mm lang und 250 mm breit. Wie groß darf die maximal übertragbare Kraft F zwischen
den beiden Bauteilen höchstens sein, wenn von einer ruhenden Belastung auszugehen ist
und die zulässige Flächenpressung für GJL 70 N/mm2 und E295 120 N/mm2 beträgt?

F
pD  pzul
A
F D p  A  pzul  A
58 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.23 Zusammengefügte F


Bauteile
GJL

E295

600

Gemäß Vorgabe muss mit dem geringeren Wert pzul D 70 N/mm2 gerechnet werden!

N
F  pzul  A D 70  600 mm  250 mm D
mm2
F  10:500:000 N D 10;5 MN

Bei geneigten Berührungsflächen hingegen wird die Flächenpressung mithilfe der pro-
jizierten Fläche Aproj gemäß Abb. 2.24b berechnet.

a Flächenpressung an der b Kegelförmige Berührungsfläche


Berührungsfläche zweier Körper und deren Projektion
(Berührungsfläche A) (projizierte Fläche Aproj)
F
F

Aproj

Abb. 2.24 a Flächenpressung an der Berührungsfläche zweier Körper, b kegelförmige Berührungs-


fläche
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung 59

Abb. 2.25 Kegelstiftverbin- Ø 40


dung

F
Ø 20

Beispiel 2.9 Mit welcher Kraft F darf ein Kegelstift gemäß Abb. 2.25 gezogen werden,
wenn die zulässige Flächenpressung 60 N/mm2 nicht überschreiten soll?

F
pD
Aproj
 2  N  2 
F D pzul  Aproj D pzul D  d 2 D 60 40  202 mm2
4 mm2
F D 56:548;66 N  56;55 kN

Pressung bei gekrümmten Flächen


Bei Gleitlagerzapfen, Stiften oder Gelenkbolzen ist die Flächenpressung in Umfangsrich-
tung nicht konstant. Es handelt sich hier um eine komplizierte Verteilung der Pressung
(Abb. 2.26b), die rechnerisch schwer erfassbar ist.
Die maximale Flächenpressung tritt in Richtung der angreifenden Kraft auf. Man geht
in diesem Fall wie folgt vor, indem die auf die projizierte Fläche Aproj des Bauteils (Bol-
zen/Zapfen) bezogene Kraft F (Abb. 2.27b) herangezogen und damit die mittlere Flächen-

Abb. 2.26 Flächenpressung a F b


F
an ebenen (a) und gekrümmten
Flächen (b)

p
p p
60 2 Einfache Beanspruchungen

a F b F

d
pmax

b p
Aproj

d
Abb. 2.27 Flächenpressung an gewölbten Berührungsflächen (Gleitlagerzapfen). a Verteilung der
Pressung am Umfang, b auf die Projektionsfläche bezogene mittlere Flächenpressung

pressung pm oder pN berechnet wird:


F F
pm D pN D D  pNzul (2.18)
Aproj d b

Durch entsprechend niedrigere Werte für pNzul wird berücksichtigt, dass die örtliche
Flächenpressung viel höher ist. pN und pNzul sind wichtige Größen z. B. bei der Gleitla-
gerberechnung. Bei Passschrauben, Stiften, Bolzen und Nieten, die durch eine Kraft F
beansprucht werden, spricht man vom Lochleibungsdruck oder von der Lochleibung pl
(Abb. 2.28).
F
Lochleibungsdruck oder Lochleibung pl D (2.19)
d s
mit d = Bohrungsdurchmesser und s = Blechdicke.
F
pl D mit Aproj D d  l oder d  s (2.20)
d l

Die genaue analytische Formel zur Flächenpressung kann mit der Hertz’schen1 Theorie
ermittelt werden.

Beispiel 2.10 Wie groß ist der Lochleibungsdruck bei einer Nietverbindung mit 9 Nieten
(Abb. 2.29)? F = 40 kN

Lösung
Aproj D d  s D 12 mm  10 mm D 120 mm2
F 40:000 N N
pl D D D 37
n  Aproj 9  120 mm2 mm2

1
Heinrich Hertz (1857–1894), deutscher Physiker.
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung 61

l A A

d
d

s
pl
A-A

Abb. 2.28 Lochleibungsdruck oder Lochleibung

Abb. 2.29 Doppellaschennie-


tung

12
120 15
10

F F

Der Lochleibungsdruck in den Löchern des mittleren Bleches bzw. an den mittleren
Abschnitten der Niete ist am höchsten. Gefährdet ist der schwächere Partner der Verbin-
dung: Man muss pl für Niet und Blech prüfen.

2.1.5 Spannungen in zylindrischen Hohlkörpern

Spannungen unter Innen- und Außendruck


Es wird von der Annahme ausgegangen, ein Ring bzw. Zylinder/Behälter sei dünnwandig.
Die Dicke s ist dann klein gegenüber dem Radius r. Das bedeutet, ein Ring/Behälter/Zy-
linder ist dünnwandig, wenn das Verhältnis s/r  0,1 ist.
Wir betrachten einen Zylinder, der unter einem Innendruck p steht und fragen, wel-
che Spannungen auftreten. Dazu wird der Zylinder längs und quer geschnitten und das
Kräftegleichgewicht gebildet (Abb. 2.30 und 2.31).
62 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.30 Längs (a) und a


quer (b) geschnittener Zylinder
unter Innendruck p

σt
p
σt
b
σt σt

p l
p·A
σa
s s
d

Abb. 2.31 Längs geschnittener F = σt·AW = σ t·l·s F s


Zylinder unter Innendruck

Aproj = d·l

p l

P
Aus dem Kräftegleichgewicht Fz D 0 (Abb. 2.31) )

2  t  AW D 2  t  l  s D p  d  l )
pd pr
t D D (2.21)
2s s
Wie Abb. 2.30b und 2.32 zu entnehmen ist, sind auch in senkrechten Schnitten zur
Achse Spannungen vorhanden.
Kräftegleichgewicht:
  d2
a  AS D p  A D a  d    s D p  )
4
pd pr
a D D (2.22)
4s 2s
Bei Betrachtung der Gln. 2.21 und 2.22 ist erkennbar, dass die Tangentialspannung
doppelt so groß ist wie die Axialspannung. Daher platzen Systeme, die unter Innen-
druck stehen (Behälter, Rohrleitungen, Würstchen), bei Überlastung der Länge nach auf
(Abb. 2.33 und 2.34).
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung 63

Abb. 2.32 Axialspannungen

σa

p·A
F=

AS

Abb. 2.33 Längs aufgeplatz-


tes Würstchen. (Foto: Heinrich
Turk)

Abb. 2.34 Geborstener Feuer-


löscher. (Foto: Lutz Barfels)

Abb. 2.35 Spannungen in A


kugelförmigen Behältern
s

s
p d
σ
d

B B

A Schnitt A - A
d
σ
s

Schnitt B - B
64 2 Einfache Beanspruchungen

Die Gln. 2.21 und 2.22 werden auch als Kesselformel bezeichnet. Bei unter Innendruck
stehenden kugelförmigen Behältern ist die Spannung im Blech (Abb. 2.35) überall gleich:
Es gilt Gl. 2.22; d. h. gegenüber einem zylindrischen Behälter kann die Wandstärke bei
gleichem Innendruck halbiert werden. Man verwendet die Gl. 2.21 auch zur Berechnung
von Schrumpfspannungen, z. B. bei Presssitzen von Welle und Nabe.

Beispiel 2.11 Auf einen Radkörper vom Durchmesser 850 mm soll ein Radreifen
von 75 mm Dicke warm aufgezogen werden (Abb. 2.36). Der Radreifen aus Stahl mit
E = 2,1  105 N/mm2 wird bei der Fertigung auf 849,2 mm Innendurchmesser ausgedreht.
Wie groß ist die Spannung im Radreifen durch das Warmaufziehen und welche Pres-
sung stellt sich ein?

Annahme: Die Radscheibe ist starr, d. h. der Durchmesser der Radscheibe bleibt beim
Aufziehen des Radreifens unverändert.

Lösung

l
 DE "DE  I hier: l D   di ) l D  .d  di /
l
 .d  di / .d  di / d
 DE DE DE
  di di di
N .850  849;2/ mm N 0;8 N
 D 2;1  105  2
 D 2;1  105 2
 D 197;8
mm 849;2 mm mm 849;2 mm2
pi  d 2 s 2  197;8 N  75 mm N
D ) pi D D  35
2s d mm2 850 mm mm2
75

Abb. 2.36 Aufgezogener


Radreifen Radreifen

Radscheibe
Ø 850
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung 65

Abb. 2.37 Zylindrischer

s
Druckbehälter
s2
r2

d
r1 p
s1

Beispiel 2.12 Ein zylindrischer Druckbehälter (Abb. 2.37) wird für die Druckluftver-
sorgung eines Betriebes eingesetzt. Die Behälterböden sind kugelförmig ausgeführt. Der
Betriebsdruck schwankt zwischen 6 und 8 bar.

Gegeben: d = 3000 mm; l = 5000 mm; s = s2 ; E = 2,1  105 N/mm2 ;  zul = 120 N/mm2 .
Zu ermitteln sind:

a) die Wanddicken s und s1 und der Radius r2 bei einer 1,5-fachen Sicherheit,
b) die Spannungen in den einzelnen Druckbehälterteilen.

Lösung Umrechnung: 1 bar = 105 N/m2 = 0,1 N/mm2

pd pr
t D D .Zylinder)
2s s
p  d1 p  r1 pr
 a1 D D D .linker Boden mit r D r1 /
4  s1 2  s1 2  s1
p  d2 p  r2 p  r2
a2 D D D .rechter Boden mit s D s2 /
4  s2 2  s2 2s

pr 0;8 N1500 mm mm2


a) s  zul
S D mm2 120 N
 1;5 D 15 mm

pr 0;8 N  1500 mm mm2


s1  S D  1;5 D 7;5 mm
2  zul 2 mm2  120 N
zul  2  s 120 N  2  15 mm mm2
r2  D D 3000 mm
pS mm2 0;8 N  1,5
66 2 Einfache Beanspruchungen

pr
b) t D s
D 0;8 N1500 mm
mm2 15 mm
D 80 mm
N
2

pr 0;8 N  1500 mm N


a D D D 40
2s 2 mm  15 mm
2 mm2
pr 0;8 N  1500 mm N
 a1 D D D 80
2  s1 2 mm2  7,5 mm mm2
p  r2 0;8 N  3000 mm N
 a2 D D D 80
2s 2 mm  15 mm
2 mm2

Beispiel 2.13 Ein Gasversorger plant einen Vorratsbehälter für Erdgas, der bei 10 bar
Betriebsdruck ein Volumen V = 30.000 m3 fassen kann.
Wie hoch sind die Materialkosten bei der Auslegung als Kugelbehälter mit dKugel =
38,55 m oder alternativ als zylindrischer Behälter mit dZyl = 25 m, einer Länge des zylin-
drischen Teils von l = 44,5 m und halbkugelförmigen Böden?

Gegeben:  zul = 250 N/mm2 ; K Stahl = 1450 C/t.

Lösung Eine Kugel hat ein Volumen von

  d3 4
VKugel D D   r3
6 3

und eine Oberfläche


AKugel D 4    r 2 D   d 2 :

Für den zylindrischen Behälter mit halbkugelförmigen Böden gilt:


 
4 4
VZyl D r l C  r D r l C r
2 3 2
3 3
AZyl D 2    r  l C 4    r 2 D 2    r .l C 2r/

Beim zylindrischen Behälter bestimmt die höhere Spannung in Längsrichtung die


Wanddicke nach Gl. 2.21:

pd pr pr


t D D )sD
2s s zul

Mit p = 10 bar = 1 N/mm2 :

1 N  12:500 mm mm2
serf D D 50 mm
mm2  250 N
2.1 Zug- und Druckbeanspruchung 67

Für den Kugelbehälter gilt die günstigere Spannung in den Quernähten nach Gl. 2.22:

pd pr pr


a D D )sD
4s 2s 2  zul
1 N  19:275 mm mm2
sKugel D D 38;55 mm
2 mm2  250 N
sKugel D 40 mm gewählt

Wir prüfen das Volumen der beiden Behälterformen nach:


   
4 4
VZyl D   r 2 l C r D   12;52 m2 44;5 m C  12;5 m
3 3
VZyl  30:025 m3
4 4
VKugel D   r 3 D   19;2753 m3
3 3
VKugel  29:997 m3

Die Behälter besitzen nahezu das gleiche, geforderte Volumen.


Zur Ermittlung der Halbzeugkosten berechnen wir das Volumen der Behälterwände:
 
VW,Zyl D AZyl  s D 2 r  l C 2r 2  s
 
D 2 12;5 m  44;5 m C 2  12;52 m2  0;05 m
VW,Zyl  272;93 m3
VW,Kugel D AKugel  s D   d 2  s D   38;552 m2  0;04 m
VW,Kugel  186;75 m3

Die Stahlmasse der beiden Behälter ergibt sich mit  = 7,85 t/m3 zu:

mZyl D 2142;5 t
mKugel D 1466 t

Bei den genannten Kosten von K Stahl = 1450 C/t betragen die Halbzeugkosten:

KZyl  3.106.625 
KKugel  2:125:700 

Selbst wenn man beim Kugelbehälter einen Verschnitt beim Zuschneiden der Man-
telbleche von 20 % ansetzt, liegen die Kosten mit

KKugel  2.550.840 

noch deutlich unter denen des zylindrischen Behälters.


68 2 Einfache Beanspruchungen

a b F = m·rS ·ω2
ω=2·π·n ω
=
2·π
·n

r rs

Fi=σ·A Fi=σ·A

di

Abb. 2.38 a Rotierender Ring; b frei geschnittene Ringhälfte

Spannungen durch Fliehkräfte


Rotiert ein Ring oder Zylindersegment, so treten infolge der Fliehkräfte Spannungen auf
(Abb. 2.38). Technisch ist dies interessant beim Schwungrad eines Verbrennungsmotors
oder beim Schwungradspeicher zur Energiespeicherung.
Die Zentrifugalkraft oder Radialkraft F r lässt sich mit Hilfe der Winkelgeschwindig-
keit ! ermitteln:
2
Fr D m  rs  ! 2 mit rs D  r D Radius des Schwerpunktes eines halben KreisringsI

mD r A
Aus der Gleichgewichtsbedingung:
X 2
Fi D 0 ) 2 A D m rs ! 2 D 2 AD  r A r !2


 D   r 2  !2 (2.23)
Mit der Umfangsgeschwindigkeit v = r  ! wird aus der vorstehenden Beziehung:

 D   v2 (2.24)

In einem frei rotierenden Ring darf die maximale Spannung zul D RSBm nicht überschrit-
ten werden. Setzt man diese Beziehung in Gl. 2.24 ein, so kann die Grenzgeschwindigkeit
v Grenz ermittelt werden: s
r
zul Rm
vGrenz D D (2.25)
   SB
2.2 Biegebeanspruchung 69

und damit die Grenzdrehzahl: v = r  ! = r  2    n )


q
Rm
vGrenz SB
nGrenz D D (2.26)
2 r 2 r

Für den Fall des Reißens gilt SB = 1, dann wird Gl. 2.26:
q
Rm

nR D (2.27)
2 r

Beispiel 2.14 Ein dünnwandiger Stahlring mit dem Radius r = 250 mm und einer Zugfes-
tigkeit Rm = 570 N/mm2 rotiert frei. Bei welcher Drehzahl reißt der Ring ( = 7,85 kg/dm3 )?

Lösung

Zerreißen: SB D 1 !
r
q q 570 N dm3 kg m 106 mm3 103 mm
Rm Rm
SB mm2 7;85 kg s2 N dm3 m
nR D D D
2  r 2  r 2  250 mm
1 1
D 171;55 s ¶ 10:293 min

2.2 Biegebeanspruchung

2.2.1 Herleitung der Gleichung zur Biegespannungsermittlung

Allgemeines zur Biegung


Ein Balken wird auf Biegung beansprucht, wenn Momente senkrecht zur Balkenlängsach-
se angreifen.
70 2 Einfache Beanspruchungen

Biegebean- a unbelasteter Balken,


l
spruchung b Zwischen den beiden Lagern tritt reine
a Biegung auf. Der Balken wird mit zwei
gleich großen, entgegengesetzt gerichteten

h
b M M Momenten an den Balkenenden belastet
) Deformation.
a c Die Momente werden durch je ein Kräf-
a F F tepaar der Größe F  a ersetzt.
c d Belastung einer Radsatzachse (F D O
Lager- bzw. Radaufstandskraft).
F F Zwischen Rad und Lager erfolgt eine
d Querbeanspruchung durch die Kräfte F.
F F
Es handelt sich um eine zusammenge-
setzte Beanspruchung aus Querkraft und
Biegung

F F
Biege- Ein Balken auf zwei Stützen wird durch
l F
moment in eine mittig angreifende Kraft F belastet.
h

einem Der Balken wird in der Mitte geschnit-


Balken ten und die Last F je zur Hälfte auf die
x Teilbalken verteilt. Man erhält je ein Kräf-
z F tepaar der Größe F2  2l

F/2 F/2
l/2 l/2

l/2 l/2 Aus Gleichgewichtsbedingungen am


Teilbalken ergibt sich ein gleich großes,
F/2 F/2 entgegengesetzt gerichtetes Moment: in-
neres Moment – das Biegemoment M b
F/2 F/2
Mb = F·l/4

Eingespann- Beim eingespannten Balken mit Einzel-


l F
ter Balken last F am Ende tritt an der Einspannstelle
das Einspannmoment M = M b = F  l und
h

mit Einzel-
last eine entgegengesetzt gerichtete Kraft F
als Reaktionskraft auf

F
M = Mb = F·l

F
2.2 Biegebeanspruchung 71

F F
z F z
F
z
z
y y
y y y y
y y
z

z
z
z

Abb. 2.39 Gerade Biegung (Belastung in der Symmetrieebene)

Annahmen bei der Herleitung der Beziehung für Biegespannung und -verformung
Die weiteren Betrachtungen für die Biegung von Balken/Trägern erfolgen unter folgenden
Annahmen:

1. Der Balken ist unbelastet gerade und besitzt einen konstanten Querschnitt A = b  h.
2. Die Querschnittsabmessungen (Breite b und insbesondere Höhe h) sind klein gegen-
über der Balkenlänge (h  l).
3. Die äußere Belastung erfolgt in der Symmetrieebene der Querschnitte, d. h. „Gerade
Biegung“ (Abb. 2.39). Eine gerade Biegung liegt vor, wenn die Belastung symmetrisch
zur Querschnittsebene erfolgt (Abb. 2.39).
4. Es treten nur kleine Deformationen auf; der Angriff der Belastungen erfolgt am unver-
formten Balken.
5. Die Deformation des Balkens wird durch die Biegelinie der Balkenachse beschrieben
(Biegelinie oder elastische Linie = Krümmungsradius der deformierbaren Balkenach-
se, s. Abschn. 4.1).
6. Die Querschnittsebenen sind vor und nach der Deformation eben, d. h. keine Quer-
schnittsverwölbung (Abb. 2.40).
7. Für den Balkenwerkstoff gilt das Hooke’sche Gesetz; die E-Module für Zug und Druck
sind gleich.
s

σ innere Faser σ
d

Querschnitt
d

gestaucht σ gewölbt
σ Streckung
z

äußere Faser neutrale Faser Stauchung


gestreckt Annahme 6

Abb. 2.40 Tatsächliche Verformung des Querschnittes beim Biegeumformen


72 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.41 Balken mit Einzel- l


last F
a b

A F B
x
z

FA FB

8. Die auftretenden Spannungen liegen unterhalb der Proportionalitätsgrenze.


9. Der untersuchte Querschnitt liegt nicht in der Nähe eines Lastangriffspunktes oder
eines Auflagers, damit es zu keiner Spannungskonzentration kommt.

Im Gegensatz zur vorstehenden Annahme 6 wölbt sich als Folge der plastischen
Verformung der Querschnitt beim Biegeumformen wie in Abb. 2.40 dargestellt, da der
Hooke’sche Bereich nicht mehr gültig ist (Plastizitätstheorie).

Ermittlung des Biegemomentes


Bislang wurde die reine Biegung betrachtet. Nun soll die Biegung, die durch eine Quer-
kraft F q verursacht wird, untersucht werden. Dazu nehmen wir einen Balken, der auf zwei
Stützen gelagert und durch eine außermittig angreifende Kraft F belastet ist (Abb. 2.41).
Gleichgewicht: X
Fz D 0 D FA  FB C F
X
MA D 0 D F  a C FB  l )
a
FB D F 
l
b
FA D F 
l
Für die weitere Betrachtung soll folgende Vorzeichendefinition gelten:

I Die z-Achse in Richtung der Durchbiegung ist positiv. Ein Moment, das auf der
positiven Seite der z-Achse eine Zugspannung hervorruft, ist positiv (Abb. 2.42).

Abb. 2.42 Vorzeichenregel Mb Mb


+
x

z
Fq Fq
2.2 Biegebeanspruchung 73

Abb. 2.43 Schnittufer des Linkes Schnittufer: Rechtes Schnittufer:


geschnittenen Balkens Fq Fq

I Mb Mb II

FA FB
x x
z z

Mb Mb
FA·x FB·x

x x
Fläche FA ·x
Fq Fq
FA Fläche FB ·x
x
FB
- FB

Zur Berechnung des Biegemomenten- und des Querkraftverlaufs schneiden wir


den Balken in der Entfernung x vom Auflager und betrachten die beiden Schnittufer
(Abb. 2.43) mit den Gleichgewichtsbedingungen für die Momente und Kräfte:

Linkes Schnittufer: Rechtes Schnittufer:


P P
MI D 0 D FA  x C Mb MII D 0 D FB  x C Mb
Mb D FA  x D F bl  x Mb D FB  x D F al  x
P P
FI D 0 D FA C Fq FII D 0 D Fq  FB
Fq D FA Fq D FB
Stelle des Kraftangriffes von F :
Linkes Schnittufer: x D a Rechtes Schnittufer: x D b
Mb D F  bl  a Mb D F  al  b

ab
) Mb D F  (2.28)
l

Der Momenten- und Querkraftverlauf ist in Abb. 2.44 dargestellt.


Der Fall der konstanten Streckenlast q wird in analoger Weise untersucht.
Abb. 2.45 zeigt einen Träger auf zwei Stützen mit Streckenlast q.
Auflagerkräfte (Abb. 2.46):

ql ql
FA D I FB D
2 2
74 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.44 Momenten- und Mb a·b


Querkraftverlauf für den Fall M b = F·
l
Einzellast F

x
Fq

FA F

FB x

Abb. 2.45 Träger auf zwei q


Stützen mit Streckenlast q.
Der gezeigte Brückenträger
(„Fischbauchträger“) ist ein
Träger gleicher Festigkeit, d. h. x
der Querschnitt ist dem Biege- l
momentenverlauf angepasst Träger auf zwei Stützen mit Streckenlast

q· l 2
M ( x) = q (l·x – x 2 ) Mb =
b 2 max 8
Biegemomentenverlauf

Brückenträger aus der ehem. Okerbrücke


Fallersleber Tor, Braunschweig

Gleichgewicht siehe Abb. 2.46:


X x
MI D 0 D Mb  FA  x C q  x 
2
x2
Mb D FA  x  q
2
q 
Mb D l  x  x2
2
2.2 Biegebeanspruchung 75

Abb. 2.46 Balken mit Stre- l


ckenlast
q

q·l
q·x Fq

I Mb
x/2 FA FB
FA
x

X
FI D 0 D FA C p  x C Fq
Fq D FA  q  x
q
Fq D .l  2x/
2
Das maximale Biegemoment tritt bei l / 2 auf:
   
l q l l2 q  l2
Mb x D D Mbmax D l  D
2 2 2 4 8
   
l q l
Fq x D D l 2 D0
2 2 2

Der Momenten- und Querkraftverlauf ist Abb. 2.47 zu entnehmen.

Abb. 2.47 Momenten- und q·l 2


M =
Querkraftverlauf für den Fall Mb bmax 8
konstanter Streckenlast q

x
l/2
Fq

FA

x
FB
76 2 Einfache Beanspruchungen

Für den Fall der Einzellast F und der Streckenlast q gilt:

Einzellast F : Streckenlast q:
 
Mb = bl  x  F Mb = p2 l  x  x 2
Fq = bl  F Fq = q2 .l  2x/
Mb d Mb
Fq D lim ) Mb0 D ) die Querkraft Fq ist die Ableitung des Biegemomentes.
x!0 x dx

Allgemeine Lösung für den Biegemomentenverlauf


Es fehlt noch der Beweis über die Allgemeingültigkeit der unter Abschnitt „Ermittlung des
Biegemomentes“ hergeleiteten mathematischen Beziehungen. Zu diesem Zweck setzen
wir eine Streckenlast mit beliebigem Verlauf an. Dazu wird ein Teilelement dx des Trägers
(Abb. 2.48) betrachtet und es werden die Gleichgewichtsbedingungen aufgestellt.
Gleichgewicht am Teilelement:

X   dx
MI D 0 D .Mb C d Mb /  Mb  Fq C d Fq  dx  q  dx D0
2
q
d Mb  Fq  dx  d Fq  dx  .dx/2 D 0
2

Größen mit zwei Differenzialen (hier: dF q  dx und dx  dx = dx2 ) können vernachlässigt


werden. Es wird:
d Mb  Fq  dx D 0
d Mb
Fq D
dx

Abb. 2.48 Allgemeine


Lösung des Biegemomen-
tenverlaufs

x dx
FA z FB
dx
q·dx
Fq Fq + dFq

I
Mb + dMb
Mb
2.2 Biegebeanspruchung 77

Durch Umstellen dieser Gleichung nach dM b = F q  dx erhält man M b durch Integration:


Z
Mb D Fq  dx
X  
Fz D 0 D Fq C q  dx C Fq C d Fq D 0
q  dx C d Fq D 0
d Fq d 2 Mb
qD D
dx
Z d x2
Fq D  q  dx

Als Ergebnis kann festgehalten werden:

 die Integration der Streckenlastfunktion ergibt den Querkraftverlauf,


 die Integration des Querkraftverlaufes ergibt das Biegemoment.

Beispiel 2.15 Wir kommen zurück auf Finn Niklas’ Dreirad aus Beispiel 2.2. Abb. 2.49
stellt die Seitenansicht von rechts des freigemachten Rahmens von der rechten Seite dar;
unten ist der Rahmen ohne Gabel dargestellt, wobei das Versatzmoment M bv am vorderen
Rahmenende eingetragen ist.
Im Maschinenbau ist es üblich, das Eigengewicht der Bauteile zu vernachlässigen, da
die aus Eigengewicht resultierenden Kräfte meist gegenüber den äußeren Kräften gering
sind. Mit den aus der Statik bekannten Methoden ermitteln wir nun die Auflagerkräfte, die

l1 l2

z FF l3

y x

Fh Fv
FF

M bv

Fv
Fh

Abb. 2.49 Frei gemachter Dreiradrahmen von der Seite


78 2 Einfache Beanspruchungen

M bv

M bmax

Fh

FF

Fv

Abb. 2.50 Momenten- und Querkraftverlauf über dem Längsrohr des Dreiradrahmens

hier den Radaufstandskräften entsprechen. Wir setzen zunächst im Befestigungspunkt des


Sitzes Finn Niklas’ Gewichtskraft mit F F = 550 N an und berechnen die Auflagerkräfte,
d. h. hier die Radaufstandskräfte. F h ist zunächst die Achslast der Hinterachse.
X
Fz D 0 D Fh C Fv  FF ! Fv D FF  Fh
X FF  l2
M.V / D 0 D Fh .l1 C l2 /  FF  l2 ! Fh D
l1 C l2

Mit den Abmessungen des Dreirads l1 = 450 mm, l2 = 1150 mm und l3 = 300 mm er-
halten wir für die Hinterachslast F h = 395,3 N und für die Vorderradlast F v = 154,7 N.
Für die Berechnung der Beanspruchungsgrößen des Rahmens ist es sinnvoll, das vor-
dere Rahmenende ohne die Gabel zu betrachten. Am vorderen Rahmenende wirkt dann
die Vorderradlast F v = 154,7 N und ein Versatzmoment M bv = F v  l3 = 46.410 Nmm, siehe
Abb. 2.50 unten. Abb. 2.51 zeigt den Querkraft- und den Momentenverlauf über dem Rah-
menrohr von der rechten Seite aus gesehen. Für das maximale Biegemoment erhält man
M bmax = F h  l1 = 177.885 Nmm. Die größte Querkraft tritt am Sitzbefestigungspunkt mit
F qmax = F F = 550 N auf.
Als Nächstes betrachten wir jetzt das Dreirad von hinten, um die Radaufstandskräfte an
der Hinterachse sowie den Biegemomenten- und den Querkraftverlauf über dem Querrohr
des Rahmens zu ermitteln, Abb. 2.51.
Aus Symmetriegründen ist F hl = F hr = F h / 2 = 197,7 N. Das größte Biegemoment tritt in
Rahmenmitte auf. Mit b / 2 = 350 mm ergibt es sich zu M bmax = 69.195 Nmm. Die größte
Querkraft an derselben Stelle beträgt F qmax = F h = 395,3 N. Mit diesen Belastungen des
Dreiradrahmens werden wir nun in den folgenden Kapiteln die Festigkeit und in Kap. 4
auch die Steifigkeit bzw. die Verformungen des Rahmens ermitteln.
2.2 Biegebeanspruchung 79

Fh
b/2 b/2

Mb

F hl
F hl F hr
z
Fq F hr

x y

Abb. 2.51 Dreiradrahmen von hinten: angreifende Kräfte, Momenten- und Querkraftverlauf

Verteilung der Biegespannungen im Balken


Gesucht sind die Kräfte und Momente in den einzelnen Querschnitten eines auf Biegung
beanspruchten Balkens und die daraus resultierenden Spannungen, Abb. 2.52.

Ansatz: Wenn sich der gesamte Balken im Gleichgewicht befindet, dann befinden sich
auch seine Teilabschnitte im Gleichgewicht (s. Abschn. 1.3)!
Gesucht werden die Kräfte und Momente im Schnitt an der Stelle „a“ im Abstand x
vom Lager A.
Bedingung für den linken Teilabschnitt: † F iz = 0:
Damit Gleichgewicht herrscht, muss eine Kraft vorhanden sein, die der Auflagerkraft
F A entgegengerichtet ist; es ist die Querkraft F q = F A . Die Querkraft F q bewirkt ein Ver-
schieben der einzelnen Querschnitte gegeneinander. Die Querkraft F q und die Auflager-

Abb. 2.52 Teilbalken, freige- l


macht
x F b
a
x
z Fq
h

A B
Mb F
FA Mb = F·x
Mb

Fq Fq FB
Fi
e
h

FA x Fi
80 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.53 Reine Biegung des M M


Balkens

h
M Mb = M

Mb M

Fi
M

e
Fi

h
kraft F A bilden ein Kräftepaar. Aus dem Momentengleichgewicht (†M i = 0) folgt die
Forderung nach einem gleich großen Biegemoment der Größe M b = F A  x.
M b wird durch ein inneres Kräftepaar ersetzt, d. h. M b = F i  e = F A  x.

Erkenntnis

 Infolge des Kräftepaares F i tritt im oberen Bereich eine Druckkraft (führt zu einer
Druckspannung  d ) und im unteren Bereich eine Zugkraft auf (ergibt eine Zugspan-
nung  z , Abb. 2.52 unten).
 Wenn l h (und „a“ nicht zu nah am Lager), ist der Abstand e viel kleiner als x und
damit F i F A = F q , d. h. die innen wirkende Kraft F i ist viel größer als die Querkraft
und die Biegebeanspruchung ist viel größer als die Schubbeanspruchung.

Am rechten Schnittufer wirken die gleiche Querkraft und das gleiche Biegemoment wie
am linken Schnittufer nur mit anderem Vorzeichen, es ist die Bedingung „actio = reactio“
erfüllt.
Im Fall der reinen Biegung (Abb. 2.53) wird der Balken nur durch Momente auf Bie-
gung beansprucht (F q = 0).
In jedem beliebigen Schnitt treten nur zwei gleich große Kräfte auf, die Zug- und
Druckbeanspruchung verursachen, und damit positive oder negative Normalspannungen.
Von Interesse sind die Größe und die Verteilung dieser Normalspannungen.
Für die weitere Betrachtung gehen wir von folgender Modellvorstellung aus: Der Teil-
abschnitt des Balkens wird mit einem Raster versehen (Abb. 2.54).
Reine Biegung durch angreifende Momente (Abb. 2.54):

 Die vorher horizontal liegenden Geraden gehen in flache Kreisbögen über.


 Die senkrechten Linien (AE, BD) neigen sich nach oben hin, ohne sich dabei zu verfor-
men: die obere Faser wird verkürzt, die untere Faser verlängert. Die Länge der mittleren
Faser (FC = F 0 C0 ) bleibt unverändert; man nennt sie auch neutrale Faser.
 Von F = F 0 bzw. C = C0 nehmen die Verlängerung bzw. Verkürzung bis zum Rand linear
zu.
2.2 Biegebeanspruchung 81

Abb. 2.54 Balken mit Raster E D

F C

A B

E E' D D'

M F = F' C = C' M

A A' B B'

Bei Werkstoffen, die dem Hooke’schen Gesetz folgen ( "), nimmt die Spannung
von der neutraler Faser ausgehend linear nach außen zu, d. h. die maximale Zug- bzw.
Druckspannung tritt in der jeweiligen Außenfaser auf (Abb. 2.55).
Gesucht sind bei gegebenem M b die maximalen Spannungen  z max = ? und  d max = ?
Wir betrachten einen Balken mit Rechteckquerschnitt der Höhe h und Breite b. Mit der
Annahme, dass Symmetrie herrscht und dass die neutrale Faser durch den Flächenschwer-
punkt S geht, gilt:  z max =  d max D
O  max (Abb. 2.55).
Die Kraft F i entspricht der resultierenden Kraft der durch die Spannung verursachten
Flächenbelastung je Querschnittshälfte. Es gilt:

Z Z Zh=2
h
F D AD   dA D   b  dh D b   dh D   b  und somit
2
0

1 h
Fi D max   b (2.29)
2 2

Abb. 2.55 Spannungsver- σd max


teilung im Querschnitt eines
Biegebalkens
h

Neutrale Faser

σ z max
82 2 Einfache Beanspruchungen

σmax
z z

3 2
1 h
·

Fi y
y
2
h

e
S
Mb
Fi
2
h

3 2
1 h
·

σmax

Abb. 2.56 Spannungsverteilung und innere Kräfte bei Biegung eines Balkens mit rechteckigem
Querschnitt

Abb. 2.57 Lage der Kraft F i z


σmax

32
1∙ h
dA

Fi y
2
h

2
e
dz

S
b

Die Lage von F i (d. h. die Wirklinie) geht durch den Flächenschwerpunkt der dreieck-
förmigen Streckenlast im Abstand 13  h2 von der Außenfaser (Abb. 2.56 und 2.57).
Dreiecksfläche:

Z Zh=2 Zh=2
max max
Fi D   dA D  b  z  dz D b z  dz D
h=2 h=2
0 0
1 h h=2 max
Fi D  max   b mit z D  ) D z
2 2 max h=2
e h 1h h
D  D
2 2 32 3
2.2 Biegebeanspruchung 83

h
h
b

m m

Abb. 2.58 Einfluss der Balkenhöhe auf die Steifigkeit eines Balkens

Der Abstand e der beiden inneren Kräfte F i beträgt:

1h 2
e Dh2 D h (2.30)
32 3

Das innere Moment ist mit dem äußeren Moment im Gleichgewicht:

1 h 2 b  h2
Mb D Mi D Fi  e D
O max   b  h ) Mb D max  (2.31)
2 2 3 6

Der Term b  h2 / 6 ist ein Maß für den Widerstand, den ein Balken mit rechtecki-
gem Querschnitt einer Biegebeanspruchung entgegensetzt, man nennt ihn auch das Wi-
derstandsmoment W des Rechteckquerschnittes. Die Einheit des Widerstandsmomentes
wird in cm3 angegeben. Das Widerstandsmoment W ist proportional zur Breite b, aber
proportional zum Quadrat der Höhe h2 des Querschnitts. Am Beispiel eines Holzbret-
tes (Abb. 2.58) soll der Begriff des Widerstandsmomentes verdeutlicht werden. Liegt das
Brett flach auf, dann biegt es sich bei Belastung durch (biegeweich), steht das Brett hoch-
kant, dann tritt keine sichtbare Durchbiegung auf (biegesteif).

Biegespannungsverteilung für beliebige Querschnitte


Bei beliebigen Querschnitten wird eine Aufteilung der Querschnittsfläche in schmale
Streifen der Größe dA senkrecht zur Belastungsebene vorgenommen (Abb. 2.59b). R Je
Streifen wird die innere Teilkraft dF i =   dA betrachtet. Aus † dF i = 0 ) dFi D
R
 dA D 0.
Da  z ist (Abb. 2.59a), gilt gemäß ähnlicher Dreiecke: max
D zmax
z
und somit  D
R R
max  zmax . Aus  dA D 0) max  zmax dA D 0.
z z
R
Da  max und zmax konstant sind ) zmax
max
zdA D 0 und damit
Z
zdA D 0 (2.32)
84 2 Einfache Beanspruchungen

a b z

z
y
ebene
S
tungs

Balk y
enac S
Belas

h se
er
e Fas
tral
neu x
z

zmax
y
S

Mby
z dFi = σ·dA
dA

Abb. 2.59 Teilbalken, freigemacht

R
zdA D 0 bedeutet, dass die Koordinatenachse durch den Flächenschwerpunkt geht.
Damit ist der Beweis erbracht, dass die neutrale Faser im Schwerpunkt der Querschnitts-
fläche liegt (Abb. 2.59a).
Bezüglich der neutralen Faser gilt:

d My D z  d Fi D
O z    dA
Z Z Z
z2
Mby D d My D z    dA ) Mb D max dA
zmax

Der allgemeine Zusammenhang zwischen äußerem Biegemoment M b und der maxi-


malen Biegespannung lautet:
R
z 2 dA
Mb D max (2.33)
zmax

Der Wert in eckigen Klammern ist das Widerstandsmoment W eines beliebigen Quer-
schnittes bei einer Belastung um die y-Achse (Biegemoment um die y-Achse):
R
z 2 dA
Wy D (2.34)
zmax

Bei Belastung um die z-Achse durch ein Moment M bz :


R
y 2 dA
Wz D (2.35)
ymax
2.2 Biegebeanspruchung 85
R R
mit Iy D z 2 dA und Iz D y 2 dA, den Flächenträgheitsmomenten oder (axialen)
Flächenmomenten 2. Grades (s. Abschn. 2.2.2), ergibt sich:

Iy Iz
Wy D und Wz D (2.36)
zmax ymax

mit den Schwerpunktachsen y und z. Der Zusammenhang zwischen den auftretenden


Biegemomenten (M by , M bz ) und den damit verbundenen Spannungen ist Abb. 2.60 zu
entnehmen.
Da eine lineare Spannungsverteilung vorliegt, gilt:

Mb
 D z D z (2.37)
Iy

(Geradengleichung mit der maximalen Spannung an der Stelle z = zmax ):

Mb Mb
max D zmax D
O (2.38)
Iy Wy

Nachfolgend wird die maximale Spannung in der Außenfaser mit  bmax bezeichnet
(mit b für Biegung) und Index „max“ für die Biegespannung im höchst beanspruchten
Querschnitt des Balkens (bei M bmax ).
Allgemein lautet die Grundgleichung/Hauptgleichung der Biegung:

Mb
b D (2.39)
Wb

mit Wb D I
emax
und M b : Biegemoment im untersuchten Querschnitt und emax = zmax .

z z
Mbz
σd σd
ma ma
x x

y y

Mby

σz x σz x
ma ma
x x

Abb. 2.60 Biegemoment und Spannungsverteilung in Abhängigkeit der Drehachsen der Biegemo-
mente
86 2 Einfache Beanspruchungen

Biegung
σ bdmax

Mb Neutrale Faser
Mb

σbzmax
• Lineare Spannungsverteilung
• Größte Biegespannung σ b max in der von der neutralen Faser am weitest
entfernten Randfaser (Zug und Druck) => Werkstoffteilchen erfahren hier die
größte Beanspruchung.
• Keine Beanspruchung des Teilchenverbundes in der neutralen Faser =>
schlechte Werkstoffausnutzung.
• Querschnitt möglichst so gestalten, dass Teilchen im beanspruchten Teil liegen
und nicht im Bereich der neutralen Faser.

Abb. 2.61 Eigenschaften der Biegebeanspruchung

I Das (axiale) Flächenmoment 2. Grades kann auch als ein Maß für die Steifigkeit eines
Querschnitts gegen Biegung aufgefasst werden.

Die Eigenschaften der Biegebeanspruchung sind in Abb. 2.61 zusammengefasst.

Beispiel 2.16 Ein Doppel-T-Träger aus Stahl (Abb. 2.62), der außen gelagert ist, wird mit
einer Masse von 1000 kg mittig belastet. Es kann ein Träger aus S235JR oder ein Träger
höherer Festigkeit aus S355JR eingesetzt werden. Welcher Träger ist günstiger, wenn die
auftretende Biegespannung die zulässige Spannung nicht überschreiten soll?

Gegeben:

l = 3 m; Smin = 1,5
S235JR: Re = 235 N/mm2
S355JR: Re = 355 N/mm2

Abb. 2.62 Träger aus Bei- F


spiel 2.16
l/2 F l/2

y y
2.2 Biegebeanspruchung 87

Lösung

F l mgl 1000 kg  9;81 m N s2  3 m


Mb D  D D D 7357 Nm
2 2 4 4 s2 kg m
Re Mb
zul D I Wberf D
Smin zul
Nach der Berechnung des erforderlichen Widerstandsmomentes W berf können die not-
wendigen Träger aus Tabellen ausgewählt werden (z. B. [10]. TB 1–11).

Material Re Smin zul W berf I nach Wy Bezog. Kosten Kosten


N/mm2 N/mm2 cm3 DIN 1025 cm3 Masse C/t C
kg/m
S235JR 235 1,5 157 46,9 IPE 120 53,0 10,4 1800 56,16
S355JR 355 1,5 237 31 IPE 100 34,2 8,1 1950 47,39

Es zeigt sich, dass der Träger aus S355JR aufgrund seiner höheren Streckgrenze einen
kleineren Querschnitt erfordert, der dazu führt, dass er trotz höherer Kosten C/t die güns-
tigere Variante darstellt.

2.2.2 Flächenmoment 2. Grades

Der Begriff des Momentes als Produkt F  a ist aus der Statik bekannt. Analog zu diesem
Moment wird das Flächenmoment als Produkt Fläche mal Abstand von einem Bezugs-
punkt oder einer Bezugsachse gebildet. Man geht dabei folgendermaßen vor: Teilt man
eine Fläche A in kleine Flächenelemente dA auf und multipliziert jedes Flächenele-
ment dA mit dem Abstand y bzw. z (bzw. dem Quadrat des Abstandes) von der Koor-
dinatenachse der Fläche A und addiert sämtliche Produkte über die gesamte Fläche A,
dann erhält man die Flächenmomente (Abb. 2.63). Diese Größen treten in Form von
Integralen auf.
Die Flächenmomente 1. Grades oder statischen (linearen) Flächenmomente lassen
sich wie folgt berechnen:
Z Z
Hy D zdA und Hz D ydA: (2.40)
A A

Liegt der Schwerpunkt S der Fläche A auf der y-Achse, so ist


Z
zS D 0 ) Hy D zdA D 0 oder auf der z-Achse; dann wird
A
Z
yS D 0 ) Hz D ydA D 0
A
88 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.63 Flächenmomente z

dA
A

z
S y

d. h. Flächenmomente erster Ordnung bezogen auf die Achsen durch den Schwer-
punkt S (Schwerpunktachsen) einer Fläche A sind stets Null.
Flächenmomente erster Ordnung werden bei der Berechnung von Schubspannungen
infolge von Querkräften (Abschn. 2.3.3 und 2.3.4) benötigt.
Für die Koordinaten des Schwerpunkts gilt (Abb. 2.64):
Z Z
1 1
yS D ydA und zS D zdA (2.41)
A A

Für einfache, aus Teilflächen zusammengesetzte Flächen gilt:

1 X 1 X
n n
yS D .yi  Ai / und zS D .zi  Ai / (2.42)
Ages i D1 Ages i D1

R im Koordinatenursprung (yS = zS = 0), dann sind, wie bereits


LiegtR der Schwerpunkt
gesagt ydA = 0 und zdA = 0. Somit können je nach Lage des Koordinatensystems
bezogen auf den Schwerpunkt die Flächenmomente 1. Grades positiv, negativ oder null
sein.

Abb. 2.64 Schwerpunktkoor- z


dinaten
y
dA

r A (=Ages)
z
S
ys
zs
0 y
2.2 Biegebeanspruchung 89

Die axialen Flächenmomente 2. Grades (auch Flächenträgheitsmomente genannt)


Z
Iy D z 2 dA bezogen auf die y-Achse (2.43)

Z
Iz D y 2 dA bezogen auf die z-Achse (2.44)

sind stets positiv. Ihre Größe hängt von den betrachteten Achsen ab. Sie sind ein Maß
für die Steifigkeit eines Querschnitts und kommen als Rechengröße bei der Ermittlung
von Spannungen infolge von Biegung (Abschn. 2.2), Torsion (Abschn. 2.4) und bei der
Untersuchung der Stabilität bezüglich Knicken (Kap. 5), Kippen, Beulen usw. vor. Die
Flächenmomente 2. Grades werden in Anlehnung an die Massenträgheitsmomente auch
als Flächenträgheitsmomente bezeichnet, obwohl Flächen in diesem Sinn keine Trägheit
besitzen.
Eine Integration ist möglich, wenn die Fläche A von einfach erfassbaren mathemati-
schen Funktionen begrenzt ist. Ansonsten erfolgt eine Näherungslösung durch Summati-
on, ausgehend von Flächenstreifen parallel zur betrachteten Achse. Statt der Integration
wird eine Summenbildung vorgenommen:

X
n X
n
Iy D zi 2  Ai und Iz D yi 2  Ai (2.45)
i D1 i D1

2.2.3 Flächenmomente einfacher geometrischer Flächen

Am Beispiel des Rechtecks, Dreiecks und des Vollkreises bzw. der Kreisringfläche werden
die Flächenmomente 2. Grades hergeleitet.

a) Rechteckquerschnitt (Flächenmoment bezogen auf die y-Achse, Abb. 2.65), es gilt


Gl. 2.43:

Z
Iy D z 2 dA mit dA D b  dz

Zh=2 Zh=2 ˇh=2


z 3 ˇˇ
Iy D z  b  dz D b
2
z dz D b ˇ
2
3 h=2
h=2 h=2

3
Iy D bh
12
= Flächenmoment 2. Grades.
Für das Widerstandsmoment gilt:

Iy b  h2
Wy D D
h=2 6
90 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.65 Rechteckquer- z


schnitt

dz
dA
z

h
y

Entsprechend gilt für die z-Achse:

b3  h Iz b2  h
Iz D und Wz D D
12 b=2 6

Für die Flächenmomente des Rechteckquerschnitts bezogen auf die Achsen gilt:

b  h3 b3  h
Iy D und Iz D (2.46)
12 12

und für die Widerstandsmomente:

Iy b  h2 Iz b2  h
Wy D D und Wz D D (2.47)
h=2 6 b=2 6

Das Ergebnis entspricht der Gl. 2.31.

b) Dreiecksquerschnitt (Flächenmoment bezogen auf die y-Achse), gemäß Abb. 2.66:

dA D y  dz
Z Z
Iy D z 2 dA D z 2  y dz

Die Breite y des Flächenelementes in Abhängigkeit von z können wir aus der Gleichung
der Hypotenuse des Dreiecks im y-z-Koordinatensystem (Geradengleichung) berechnen:

h  z
z D  y C h und y D b 1 
b h
Zh    3 ˇh
z z z4 ˇ
Iy D b z 2 1  dz D b  ˇ
h 3 4h ˇ
0
0

b  h3
Iy D (2.48)
12
2.2 Biegebeanspruchung 91

Abb. 2.66 Dreiecksquer- z


schnitt
dA

dz
h
z

y y

Zu beachten ist, dass diese Gleichung bezogen auf die Grundseite des Dreiecks (y-
Achse) gilt. Dies entspricht dem I AB in Tab. 2.3, Zeile 1.

c) Vollkreis und Kreisringfläche:

Für den Kreis gilt: y2 + z2 = r2 . Gemäß Abb. 2.67 ist dAR= r  dr  d'. R
Für die axialen Flächenmomente gilt allgemein: Iy D z 2 dA und Iz D y 2 dA.
Addieren wir die beiden axialen Flächenmomente I y und I z , dann erhält man
Z Z
 
Iy C Iz D z 2 C y 2 dA mit y 2 C z 2 D r 2 ) r 2 dA:

Da Symmetrie vorliegt, ist I y = I z = I a (axiales Flächenmoment) und somit: I y + I z = 2  I a


Z “
2  Ia D r 2 dA D r 2  r  dr  d'I dA D r  dr  d'

Zr Z' Z2
1 1 4
2  Ia D r  dr  d' D r 4
3
d' D r  'j2
0
4 4
0 0 0
  4
2  Ia D r 4 ) Ia D Iy D Iz D r
2 4
 4
2  Ia D Ip D r
2

mit Ip = polares Flächenmoment 2. Grades

d  4
rD ) Ip D d
2 32
 4
Iy D Iz D d (2.49)
64
92 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.67 Kreisfläche z


dA

r

dr
y

Da alle axialen Flächenmomente gleich groß sind, liegt Symmetrie vor:


Z
 2  1
Iy D Iz D Ia ) Iy C Iz D 2  Ia D z C y 2 dA D Ip bzw. Ia D Ip
2

Die axialen Flächenmomente für den Vollkreis- und den Kreisringquerschnitt (ohne
Herleitung) lauten:
 4
Vollkreis: Ia D d (2.50)
64
  4 
Kreisring: Ia D D  d4 (2.51)
64

Tab. 2.3 Flächenmomente 2. Grades und Widerstandsmomente geometrischer Flächen


Fläche Randfaser- Flächenmoment Widerstandsmoment
abstand
3 bh2
1 e1 D 23 h Iy D bh
36
W1 D 24
e2 D 13 h
3 bh2
IAB D bh W2 D
e1

S 12 12
y y
e2

A b B

bh3 bh2
2 z eD h
2 Iy D 12 Wy D 6
hb3 hb2
Iz D 12 Wz D 6
S
y y
h

z
b
2.2 Biegebeanspruchung 93

Tab. 2.3 (Fortsetzung)


Fläche Randfaser- Flächenmoment Widerstandsmoment
abstand
a4 3
3 e1 D a2 Iy D Iz D ID D Wy D a6
3p
12

e2
z
D e2 D pa2 WD D a12 2

S e1
a

y y

D z
a

Iy D b H 12h h
3 3 3 3
4 z e1 D H
2
Wy D b H6H
H
h

y
S y

z
b

5 z
eD d
2
Iy D Iz D Id D  4
64
d Wy D 32 d D
 3

0;1  d 3
S
y y

z
d

6 eD D
2
Iy D Iz  Wy D Wz
d
z
D 64

D4  d 4 D 32 D4 d 4
D
D  d = 2  s, d. h. kleine Wandstärke
S Iy D 8 Dm3
s Wy D 4 Dm 2
s
y y

z
D

Iy
7 z e1 D r  e2 Iy D 0;00686  d 4 Wy D e1
D 0;288  d IAB D Iz D 128

d4
e2 D 3  
4 r
e1

y S y
D 0;212  d
e2

A B
z
94 2 Einfache Beanspruchungen

Tab. 2.3 (Fortsetzung)


Fläche Randfaser- Flächenmoment Widerstandsmoment
abstand
8 z e D H2 D Iy D 64 B  H
 3
Wy D 32

B  H2
a Iz D 
64
H B 3
 0;1  B  H 2
Wz D 32

H  B2

a
S
y y  0;1  H  B 2
H

z
b
B

9 z eD H
2
Iy D 
32
s  H 2 .3B C H / Wy D 16
s 
s Iz D 
32
s  B 2 .3H C B/ H .3B C H /
S Wz D 16
s 
y y B .3H C B/
H

B
p
10 e D 1 R  Iy D 516 3  R4 Wy D 5
 R3
z p 2 8
3 D 0;5413  R4
D 0;866  R
e

S
R

y y
R

p p
11 z e1 D R Iy D 516 3  R4 Wy D 516 3  R3
D 0;5413  R4 D 0;5413  R3
R
R

S
y y
R

z
h3
  Iy
12 a e1 D Iy D 36
a C b C aCb
2ab
W1 D e1
h.aC2b/
h3 Iy
D z C 3.aCb/ IAB D 12 .3a C b/ W2 D e2
e2 D 3
h.2aCb/ ICD D h12 .a C 3b/
e1

S 3.aCb/
y y
e2

A b z B
2.2 Biegebeanspruchung 95

2.2.4 Abhängigkeit der Flächenmomente von der Lage des


Koordinatensystems (Steiner’scher2 Satz)

Gegeben sei eine Fläche A mit dem ursprünglichen Koordinatensystem und den Schwer-
punktkoordinaten yS und zS . Eingeführt wird ein zweites Koordinatensystem mit den
Achsen yN und z,
N die parallel zu y und z liegen. Der Ursprung dieses neuen Koordinaten-
systems wird in den Schwerpunkt S der Fläche A gelegt. Gesucht wird der Zusammenhang
zwischen den Flächenmomenten (Abb. 2.68) IyN , IzNRsowie I y und I z . R
Ausgehend von den Flächenmomenten Iy D z 2 dA und Iz D y 2 dA sowie den
Koordinaten

y D yS C yN und z D zS C z; N erhalten wir durch Einsetzen:


Z Z Z Z
Iy D .zS C zN /2 dA D zS 2 dA C 2  zS zN dA C zN 2 dA und
Z Z Z Z
Iz D .yS C y/N dA D yS
2 2
dA C 2  yS ydA
N C yN 2 dA:

Wir betrachten die einzelnen Komponenten:


R
 dA = A (gegebene
R Fläche)
R
 die Terme zN dA und yN dA sind Null, da es sich um die statischen Flächenmomente
bezogen auf die Schwerpunktachsen
R handelt
R
 gemäß Definition sind zN 2 dA D IyN und yN 2 dA D IzN die Flächenmomente 2. Grades
um die Schwerpunktachse.

Abb. 2.68 Zur Herleitung des z z


Steiner’schen Satzes y

dA
A
z
z S
ys zs y

0 y

2
Jakob Steiner (1796–1863), Schweizer Geometer.
96 2 Einfache Beanspruchungen

Als Ergebnis kann festgestellt werden:

Iy D IyN C zS 2  A und Iz D IzN C yS 2  A (2.52)

Die vorstehenden Beziehungen nennt man auch den Steiner’schen Satz:

I D IS C s 2  A (2.53)

Das axiale Flächenmoment 2. Grades (I) bezogen auf eine beliebige Achse (y; z) ist
gleich dem Flächenmoment 2. Grades (I S ) in Bezug auf die parallele Schwerpunktachse
plus dem Produkt aus Quadrat des Achsenabstandes (yS 2 ; zS 2 ) multipliziert mit der Fläche
A.
Dieser Satz gilt nicht für beliebige Achsen, sondern nur in Verbindung mit den Schwer-
punktachsen, da nur in diesem Fall die statischen Flächenmomente (H y ; H z ) null sind.
s2 und A sind stets positiv. Daher ist auch immer I größer als I S . Die Flächenmomente
2. Grades um die Schwerpunktachsen sind somit immer die minimalen Flächenmomente.

I Grundsätzlich dürfen bei zusammengesetzten Querschnitten nur die Flächenmo-


mente 2. Grades addiert oder subtrahiert werden, jedoch nie die Widerstandsmo-
mente. Widerstandmomente ergeben sich bei zusammengesetzten Querschnitten aus dem
Gesamtflächenmoment 2. Grades durch Division durch den größten Randabstand.

Beispiel 2.17 Gesucht ist das Flächenmoment 2. Grades IyN bezogen auf die Schwerpunkt-
achse des Dreieckquerschnitts.

Gegeben:
b  h3 h bh
Iy D I zS D und A D
12 3 2

Lösung Anwendung des Steiner’schen Satzes:

Iy D IyN C zS 2  A ) IyN D Iy  zS 2  A
 2
b  h3 h bh b  h3 b  h3
IyN D   D 
12 3 2 12 18
bh 3
D mit yN als Schwerpunktachse.
36

Eine Umrechnung des Flächenmomentes von einer beliebigen Achse 1 in Abb. 2.69 auf
eine zweite Achse, die nicht Schwerpunktachse ist, ist mit dem Steiner’schen Satz direkt
nicht möglich, sondern kann nur über die Schwerpunktachse vorgenommen werden.
2.2 Biegebeanspruchung 97

Abb. 2.69 Umrechnung von


einer Achse auf eine andere I2 = IS + s22·A
Achse2
Achse mit Hilfe des Stei-
ner’schen Satzes I1 gegeben s2
Achse1
s1
IS = I1 – s12·A
Schwerpunktachse

I2 = I1 – s12·A + s22·A = I1 + A(s22 – s12)

2.2.5 Flächenmomente zusammengesetzter Querschnitte

Die Querschnittsfläche setzt sich aus mehreren Grundfiguren bzw. Einzelquerschnitten


zusammen. In diesen Fällen geht man wie folgt vor:
Die einzelnen Flächenmomente werden addiert und zum Gesamtflächenmoment
2. Grades zusammengesetzt. Für alle Flächenmomente gilt die gleiche Bezugsachse.

X
n X
n
Iy ges D Iyi und Izges D Izi (2.54)
i D1 i D1

Zu beachten ist, dass die einzelnen Iyi und Izi auch negativ sein können.

Allgemeine Vorgehensweise bei der Ermittlung der Flächenmomente 2. Grades von


zusammengesetzten Querschnitten

1. Wahl eines Bezugskoordinatensystems (Möglichkeiten s. Abb. 2.70; hier: in den


Schwerpunkt S1 der Fläche A1 )
2. Aufteilen der Gesamtfläche (Profil; hier i = 1 . . . 3) in Teilflächen
3. Bestimmung des Gesamtschwerpunktes Sges :

1 X 1 X
n n
yS D .yi  Ai / und zS D .zi  Ai /
Ages i D1 Ages i D1

4. Ermittlung des Gesamtflächenmoments I ges bezogen auf die jeweilige Achse (y oder
z) mithilfe des Steiner’schen Satzes:

X
n
 
Iges D ISi + si2  Ai
i D1

Hinweis: Bei der Berechnung der Flächenmomente 2. Grades zusammengesetzter


Querschnitte kann man durch geschickte Aufteilung der Gesamtfläche in Teilflächen
98 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.70 Wahl des Be- z


zugskoordinatensystems bei 1
S1
zusammengesetzten Quer-
schnitten y

S2
Sges 2

yS
3
S3

mit bekannten Flächenmomenten die Rechenarbeit verringern: Das Flächenmoment des


kreuzförmigen Querschnittes (Abb. 2.71a) um die y-Achse kann über die drei Recht-
eckflächen in Abb. 2.71b oder in Abb. 2.71c berechnet werden. In Abb. 2.71c müssen
die Steineranteile berücksichtigt werden; in Abb. 2.71b jedoch nicht, da alle Schwer-
punkte der Teilflächen auf der Bezugsachse liegen. Darüber hinaus kann die Berechnung
des Flächenmomentes 2. Grades bzw. des Widerstandsmomentes z. B. für ein gedrehtes
Winkelprofil durch Scherung der Schenkel erfolgen (Abb. 2.72).
Handelt es sich um Querschnitte (Abb. 2.73), in denen sich Bohrungen zur Aufnahme
von Bolzen, Stiften, Schrauben usw. befinden, dann darf für den montierten Zustand (Zu-
sammenbau) der Querschnitt nicht als vollflächig angesehen werden, d. h. die Bohrung
muss berücksichtigt werden. Die Ermittlung des Flächenmomentes 2. Grades bzw. Wi-
derstandsmomentes ist hierfür, wie in Abb. 2.73 dargestellt, vorzunehmen. Dabei sind die
Bohrungs- und die Biegeachsen zu beachten.
Der Ablauf zur Ermittlung der Flächenmomente 2. Grades zusammengesetzter Quer-
schnitte ist in Abb. 2.74 dargestellt.

a z b z c z

S2
zS2

y y y y y y
S1
zS3

S3 S1 S2
S3

z z z

Abb. 2.71 Flächenmomente 2. Grades zusammengesetzter Querschnitte. a Gesamtquerschnitt,


b günstige und c ungünstige Wahl der Teilquerschnitte zur Berechnung des Gesamt-Flächenmo-
ments
2.2 Biegebeanspruchung 99

Abb. 2.72 Berechnung des Gesamtschwerpunkt Sges


Flächenmomentes 2. Grades
bzw. des Widerstandsmo-
mentes für ein gedrehtes
Winkelprofil durch Scherung
S2 S1 S2 S1
der Schenkel

Biegeachse

S3 S3

Abb. 2.73 Biegung eines Schnitt B - B


B z
Rechteckträgers mit Bohrung d (20)
σd
ma
x

h (80)
B
y y
y
Mby
b (50)
x
σzm 3 3 3
ax I y = b· h - d · h = h (b - d ) = 128 cm 4
12 12 12
I I 2
W y = e y = y = h (b - d ) = 32 cm 3
max h 6
2
z Schnitt C - C
σd
ma
x
C
y y
d

h
y
C Mby
b
x
σz 3 3
I y = b∙h - b ∙d = b (h3 - d 3) = 210 cm 4
ma
x 12 12 12
I I
W y = e y = y = b (h3 - d 3) = 52,5 cm 3
max h 6h
2
z
Schnitt C - C
Mbz
σd
ma
x
C
y y
d

y
C
x b
3 3 3
I z = b ∙ h - b ∙ d = b (h - d ) ≈ 62 ,5 cm 4
σz 12 12 12
ma I I 2
x Wz = e y = y = b (h - d) ≈ 25 cm 3
max b 6h
2
100 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.74 Ablauf zur Ermitt-


lung von Flächenmomenten Berechnung
2. Grades zusammengesetzter von Flächenmomenten 2. Grades
Querschnitte zusammengesetzter Querschnitte

Zerlegen des Querschnittes in Teilflächen =>


- einfache geometrische Formen (ohne Integration)
- genormte Bauteile (Profiltabellen)
Hinweis: Auch negative Flächen (Aussparungen) sind
zulässig und mitunter sehr zweckmäßig!

Betrachtung der Teilflächen =>


- Aufsuchen der Schwerpunkte
- Flächen und Flächenmomente 2. Grades
bestimmen.
Hinweis: Möglichst parallele Achsensysteme verwenden!

Berechnung des Gesamtschwerpunktes


Ermittlung der Abstände zwischen Teilschwerpunkten
und Gesamtschwerpunkt
Vorzeichen beachten!

Berechnung der Steiner’schen Anteile


Addition aller Einzelflächenmomente 2. Grades und aller
Steiner’schen Anteile

Flächenmoment 2. Grades
zusammengesetzter Querschnitte
2.2 Biegebeanspruchung 101

Abb. 2.75 Ausgesparter


Rechteckquerschnitt
b

h
H
y
y

Beispiel 2.18 Zu ermitteln sind das Gesamtflächen- und das Widerstandmoment für ein
ausgespartes Rechteck (Abb. 2.75).

B  H3 b  h3
Iy 1 D I Iy2 D
12 12
Iy D Iyges D Iy1  Iy2
B  H 3  b  h3
Iy D
12
Iy B  H 3  b  h3
Wy D H D
2
6H

Beispiel 2.19 Es werden nun das Flächen- und das Widerstandsmoment des Rahmens aus
Vierkantrohr 50 × 20 × 2 (Abb. 2.76) von Finn Niklas’ Dreirad berechnet.

Iy D Iaußen  Iinnen D
B  H 3  b  h3 20  503  16  463
D D mm4
12 12
Iy D 78:552 mm4
B 3  H  b3  h 203  50  163  46
Iz D D mm4
12 12
D 17:632 mm4

Iy 78:552 mm4
Wy D D D 3142 mm3
emax 25 mm
Iz 17:632 mm4
Wz D D D 1763 mm3
emax 10 mm
102 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.76 Vierkantrohr z

50
y y

z
20

Gemäß der Definition des Flächenmomentes 2. Grades ist nur der senkrechte Abstand
der einzelnen Teilflächen von der Bezugsachse (unabhängig vom Vorzeichen) von Bedeu-
tung, d. h.:

 Teilflächen dürfen um die Achse geklappt werden,


 Teilflächen dürfen in Achsrichtung verschoben werden.

Beim Umklappen und Verschieben bzw. Umgruppierungen von Teilflächen ist die vor-
gegebene Fläche aus möglichst wenigen Grundfiguren aufzubauen (Abb. 2.77 und 2.78).

1 z z

2
y
y y y
y = = 1 - 2 y y = =

3 z z
I = I = I
1 z z

2 y y y
y = 1 - 2 y y = =
3
z z

Abb. 2.77 Ermittlung von Flächenmomenten 2. Grades durch Umgruppieren von Teilflächen
2.2 Biegebeanspruchung 103

= + z z
z

y y
=y y
– y y
I = I1 + I2
z
z z
I = I1 – I2
= + +
z z
z
I = I1 + 2I2
y y
= y y
– y y

z
z z
= + +
I = I1 – I2

I = I1 + I2 + I2

Abb. 2.78 Ermittlung von Flächenmomenten 2. Grades aus Teilflächen

Beispiel 2.20 Ein quadratischer Plattenquerschnitt (Abb. 2.79) weist zwei Aussparungen
auf. Zu bestimmen sind die Flächenmomente bezüglich der Schwerpunktachsen y und z.
p
Radius der Bohrung: r D a= 

Abb. 2.79 Quadratischer z


4a
Plattenquerschnitt
1
3
a
4a

a
z3

y y
z2

a
a

z a
104 2 Einfache Beanspruchungen

Lösung Der Schwerpunkt liegt in der Mitte der Fläche 1, da A2 = A3 ist und die beiden
Flächen symmetrisch zur y- bzw. z-Achse liegen.

Fläche 1: A1 = 4a  4a = 16a2
Fläche 2: A2 = a  a = a2  
Fläche 3: A3 D   r 2 D   pa 2 D a2

Schwerpunktabstand: z2 = z3 = a
   
Iy D Iz D I1  I2 C z2 2  A2  I3 C z3 2  A3
b  h3 4a  .4a/3 256  a4 b  h3 a  a3 a4
I1 D D D I I2 D D D I
12 12 12 12 12 12
  r4   a4 a4
I3 D D D
4 4 2 4
256  a4 a4 a4
Iy D   a2  a2   a2  a2
12
 12 4   
4 256 1 12 12 1 4 231 1
Iy D a     Da  D Iz
12 12 12 12 4 12 4

Zahlenwert: a = 10 mm
Iy D 191:704 mm4

Beispiel 2.21 Aus einem Baumstamm vom Durchmesser d (Abb. 2.80) soll ein Balken
mit rechteckigem Querschnitt und maximalen Flächenmoment 2. Grades gesägt werden.
Wie groß ist h zu wählen?

d 2 D h2 C b 2
p  1=2
h D d 2  b2 D d 2  b2
 3=2
b  h3 b  d 2  b2
Iy D D
12 12
dI
I D Maximum ) D0
db
2.2 Biegebeanspruchung 105

Abb. 2.80 Beispiel idealisier- z


ter Baumstamm

h
d
b

Anwendung der Produktregel:

.u  v/0 D u0  v C u  v 0
 3=2
u D bI v D d 2  b 2
3 1=2
u0 D 1I v 0 D d 2  b 2  .2b/
2
dI  3=2 3 1=2
D 0 D d 2  b2 C d 2  b2  .2b/  b
db 2
 3=2 3 1=2  
0 D d 2  b2 C d 2  b2  2b 2
2
 3=2  1=2  2 1=2  1
) d 2  b2 D 3b 2 d 2  b 2 W d  b2 ) d 2  b 2 D 3b 2
1
d 2 D 3b 2 C b 2 D 4b 2 ) b D d
2
s
p  2 r
d 3 2 dp
hD d b D d 
2 2 2 D d D 3
2 4 2

Beispiel 2.22 Für den dargestellten Biegeträger (Abb. 2.81) soll die größte auftretende
Spannung ermittelt werden.
Gesucht ist die maximale Spannung.

b
F
l/2 l/2 z
h

y
x
b

Abb. 2.81 T-förmiger Biegeträger


106 2 Einfache Beanspruchungen

z 1
F S1
l/2 l/2
y

zS1
yS

zS2
emax = eu
Sges
F/2 F/2 S2

Abb. 2.82 In Einzelflächen zerlegter Biegeträger

Für die Biegespannung gilt: b D Mb


Wb
D Mb
Iy
e
Das Biegemoment errechnet sich zu:

F l F l
Mb D  D
2 2 4

Zunächst erfolgt die Berechnung des Flächenmomentes I y , dazu muss der Schwerpunkt
Sges der Gesamtfläche bestimmt werden (Abb. 2.82). Zu diesem Zweck legen wir das Ko-
ordinatensystem mit dem Ursprung in den Schwerpunkt S1 der Teilfläche 1 und berechnen
die Abstände von den Schwerpunktachsen yi und zi wie folgt:

i Ai zi zi  Ai yi yi  Ai
1 bh 0 0 0 0
2 hb 1/2(h + b) 1/2(h + b) h  b 0 0
† 2bh – 1/2(h + b) h  b – 0

Für den Schwerpunkt gilt:

1 X
2
1=2 .h C b/ h  b 1
zS D .zi  Ai / D D  .h C b/
Ages i D1 2hb 4

1 X
2
yS D .yi  Ai / D 0 .da S auf der Symmetrieachse liegt/
Ages i D1
2.2 Biegebeanspruchung 107

Mit dem Steiner’schen Satz ermitteln wir I yges :

Iyges D I1 C zS21  A1 C I2 C zS22  A2


1 1 1
zS2 D .b C h/  .b C h/ D .b C h/ D zS1
2 4 4
 2  2
bh 3
1 h  b3 1
Iyges D C b  h .b C h/ C C b  h .b C h/
12 4 12 4
 2
bh 3
hb 3
1
Iyges D C C 2  b  h .b C h/
12 12 4
b  h3 h  b3 1  2 
D C C  b  h b C 2bh C h2
12 12 8
1  
D 2bh C 2hb C 3b 3 h C 6b 2 h2 C 3bh3
3 3
24
1  
Iyges D 5bh3 C 5hb 3 C 6b 2 h2
24

Mb Mb
b D D e
Wb Iy
h 1 1
emax D eu D b C h   .b C h/ D .3b C h/
2 4 4
F  l  24 1 3  F  l  .3b C h/
b D  .3b C h/ D
4 .5bh3 C 5hb 3 C 6b 2 h2 / 4 2 .5bh3 C 5hb 3 C 6b 2 h2 /

Beispiel 2.23 Eine Konsole trägt bei der Last F das Radiallager einer Welle. Für den
skizzierten Querschnitt (Abb. 2.83) sind zu ermitteln:

a) Die maximale senkrechte Lagerlast F so, dass im Querschnitt A–A eine größte Zug-
spannung von 10 N/mm2 infolge Biegebeanspruchung auftritt.
b) Die im Querschnitt A–A auftretende größte Druckspannung.

Wir bestimmen zuerst die Koordinaten des Gesamtschwerpunktes Sges und das Flä-
chenmoment 2. Grades um die y-Achse. Das Ausgangskoordinatensystem legen wir in
den Schwerpunkt S2 der Teilfläche 2.

yS D 0

i Ai zi Ai  zi zSi = zi  zS
mm2 mm mm3 mm
1 b1  h1 400  24 = 9600 150 1.440.000 61,24
2 b2  h2 24  276 = 6624 0 0 88,76
† b1  h1 + b2  h2 16.224 – – –
108 2 Einfache Beanspruchungen

400
F A

24
250

300
24

Sges
A

Schnitt A - A

Abb. 2.83 Konsole

P
2
.Ai  zi /
i D1 1:440:000 mm3
zS D D D 88;76 mm
Ages 16:224 mm2
Mit Hilfe des Steiner’schen Satzes bestimmen wir dann das Gesamtflächenmoment

b1  h31 b2  h32
Iyges D Iy1 C A1  zS1 2 C Iy2 C A2  zS2 2 D C A1  zS1 2 C C A2  zS2 2
12 12
400 mm  243 mm3 24 mm  2763 mm3
Iyges D C 9600 mm2  61;242 mm2 C
12 12
C 6624 mm2  88;762 mm2
Iyges D 1;307  108 mm4

a) bz D MIyb  e D FIya  eo , eo = Abstand Gesamtschwerpunkt bis zum oberen Rand:


eo = 61,24 mm + 12 mm = 73;24 mm

b  Iy 10 N  1;307  108 mm4


F D D D 71:381;8 N D 71;38 kN
a  eo mm2 250 mm  73;24 mm

b) bd D MIyb  eu , eu = Abstand Gesamtschwerpunkt bis zum unteren Rand:


eu = 138 mm + 88,76 mm = 226;76 mm

Mb F a 71;38 kN  103 N  250 mm


bd D  eu D  eu D  226;76 mm
Iy Iy kN 1;307  108 mm4
N N
bd D 30;96 2
 31
mm mm2

Die Spannungsverteilung ist Abb. 2.84 zu entnehmen.


2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung 109

Abb. 2.84 Spannungsvertei- F


lung in der Konsole σbz

eo
eu
σ bd

2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung

Bisher haben wir nur Normalspannungen betrachtet. Jetzt wenden wir uns den Tangenti-
alspannungen aus Schub- und Scherkräften sowie aus Torsionsmomenten zu. Schub- und
Scherspannungen treten in Niet-, Bolzen-, Kleb- und Schweißverbindungen (Abb. 2.85)
oder durch Querkräfte bei der Biegung von Balken (Abb. 2.90) auf.

2.3.1 Schub- und Scherspannung

Im Abschn. 1.3 wurde gezeigt, dass eine Tangentialkraft F eine Tangentialspannung 


hervorruft. In diesem Fall spricht man auch von der Schub- oder Scherspannung. In
Abschn. 1.4 wurde gezeigt, dass eine Zug- oder Druckkraft auf einen elastischen Körper
zur Dehnung (oder Stauchung) " führt. Entsprechend resultiert aus einer Schub-/Tangen-
tialkraft eine Gleitung (Schiebung) , siehe Abb. 2.86.
Die Deckfläche des in Abb. 2.86 in Seitenansicht dargestellten Körpers verschiebt sich
aufgrund der Tangentialkraft F gegenüber der Grundfläche um s. An der linken Fläche

Abb. 2.85 Beispiele für das


Auftreten von Schub- und F
Scherkräften Nietverbindung F

F/2
Bolzenverbindung F
F/2

F
Klebverbindung F

F
Schweißverbindung F
110 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.86 Gleitung durch Δs


Tangentialkraft F

γ τ

L
τ

entsteht so ein Gleitwinkel , auch Schubwinkel genannt. Für kleine Winkel  gilt:

tan    D s=L (2.55)

Bei Werkstoffen, die dem Hooke’schen Gesetz  " folgen (Spannung ist proportional
zur Dehnung), gilt auch  : Der Gleitwinkel ist proportional zur Schubspannung in
den Horizontalebenen, siehe Abb. 2.86. Der Proportionalitätsfaktor wird Schubmodul G
genannt:
 D G   bzw. G D =; ŒG D N=mm2 (2.56)
In Abb. 2.87 sind Dehnung/Querdehnung und Schiebung (Gleitung) mit den dazuge-
hörigen Spannungen auf der Grundlage des Hooke’schen Gesetzes gegenübergestellt.
Aus der Elastizitätstheorie ergibt sich folgende Beziehung zwischen E- und G-Modul
(hier ohne Herleitung):
m
GD E (2.57)
2.m C 1/

Normalspannung Schubspannung

Längen-/Queränderung Winkeländerung

Dehnung Gleitung/Schiebung

l
l0 ∆s
F

F
d0

F
d

Hooke’sches Gesetz: σ = E·ε Hooke’sches Gesetz: τ = G·γ

∆l l – l0 ∆ d d0 – d ∆s
ε= = und ε q = = γ=
l0 l0 d0 d0 L

Abb. 2.87 Dehnung/Querdehnung und Schiebung (Gleitung)


2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung 111

Abb. 2.88 Scherbeanspru- F b F = τ a·A


chung τa
τa

s
A F = τ a·A

Die Größe m ist dabei die Poisson’sche Konstante (siehe auch Abschn. 1.4) und gibt
das Verhältnis von Längs- zu Querdehnung an (m = " / "q ). Für Metalle ist m = 3,3, so dass
man nach Gl. 2.57 für den Schubmodul G erhält:

G D 0;384  E (2.58)

Mit der Schubkraft F =   A und der Verschiebung s =   L / G ergibt sich für die
Formänderungsarbeit analog zu Abschn. 1.5

F  s 2  V
W D D (2.59)
2 2G
mit dem Volumen V = A  L.
Die Wirkung von Scherkräften auf ein Bauteil ist in Abb. 2.88 dargestellt: Zwei gleich
große, entgegengesetzt wirkende Kräfte greifen senkrecht zur Bauteilachse an. Sie haben
das Bestreben, die beiden Querschnitte des Bauteils gegeneinander zu verschieben, was
Schubspannungen in den Querschnitten hervorruft. Aus der Gleichgewichtsbedingung für
jeden Bauteilabschnitt lässt sich bei der (vereinfachenden) Annahme einer konstanten
Spannungsverteilung die Scherspannung  a (Index a von „Abscheren“) ermitteln:

a D F=A (2.60)

In Wirklichkeit ergibt sich in den unter Scherkräften stehenden Querschnitten ein kom-
plizierter Spannungszustand, Abb. 2.89. Neben den Schubspannungen sind auch Zug-,
Druck- und Biegespannungen vorhanden. Außerdem ist die Scherspannung über dem
Querschnitt nicht konstant (siehe Abschn. 2.3.3).
Anhaltswerte für zulässige Scherspannungen im Maschinenbau können nach fol-
genden Beziehungen ermittelt werden:

 a zul  Re / 1,5 bei ruhender Beanspruchung


 a zul  Re / 2,2 bei schwellender Beanspruchung
 a zul  Re / 3 bei wechselnder Beanspruchung

mit Re als Streckgrenze (bzw. Rp0,2 als 0,2 %-Dehngrenze).


112 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.89 Verhalten zäher (a)


und spröder (b) Werkstoffe
beim Abscheren

2.3.2 Schubspannungen durch Querkräfte bei Biegung

Erfährt ein Balken eine Biegebeanspruchung durch eine Querkraft, so treten neben den
Biegespannungen auch Schubspannungen im Balken auf. Abb. 2.90 zeigt unten einen Teil-
abschnitt eines frei geschnittenen Balkens, bei dem nur die Schubspannungen eingetragen
sind.
Aus diesem Teilabschnitt wird ein weiteres Teilstück mit den Abmessungen h, b
und l herausgeschnitten (siehe Abb. 2.90 oben rechts). In diesem Teilabschnitt wirken
vertikale Schubspannungen  und horizontale Schubspannungen . N Mit der Gleichge-
wichtsbedingung
X
Mi D 0 ) N  l  b  h    h  b  l D 0 (2.61)
i

Abb. 2.90 Durch Querkräfte


verursachte Schubspannungen F
im Biegeträger τ
b
τ
z τ τ
Δh
h

y
x
Δl
b
l
F

τ
τ τ τ
2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung 113

Abb. 2.91 Zum Begriff der τ τ


zugeordneten Schubspannun-
gen
τ τ

folgt: N D . Das bedeutet, dass zum Gleichgewicht am betrachteten Teilkörper zu jeder


Schubspannung in einer Ebene eine gleich große Schubspannung in einer dazu senkrech-
ten Ebene vorhanden sein muss. Beide sind in Richtung Körperkante oder umgekehrt
gerichtet, Abb. 2.91. Man nennt dies den Satz von den zugeordneten Schubspannun-
gen; d. h. Schubspannungen treten nur paarweise auf.

2.3.3 Allgemeine Beziehungen für die Schubspannungsverteilung

Um in einem Balken unter Biegebelastung die Schubspannungen in Längsrichtung ge-


nauer ermitteln zu können, betrachten wir zunächst einen „Balken“ aus lose aufeinander
liegenden Brettern, Abb. 2.92a. Bei Biegebelastung durch eine Querkraft verschieben sich
die einzelnen Bretter relativ zueinander. Verspannt man die einzelnen Bretterlagen gegen-
einander, Abb. 2.92b, dann verhindert der Reibschluss zwischen den Brettern die relative
Verschiebung; der Bretterstapel wirkt wie ein einziger Balken. Dabei treten in Schnitten
parallel zur Balkenachse Schubspannungen auf (Abb. 2.92c). Bei Holzbalken können die-
se in Längsrichtung wirkenden Schubspannungen zum Aufspalten des Holzes führen, da
es in Faserrichtung eine relativ geringe Schubfestigkeit besitzt.

Abb. 2.92 Schubspannungen a


in Längsrichtung eines Bie- F
geträgers (nach [2]). a Balken
aus lose aufeinander liegenden
Brettern, b schubfest verbun-
dene Bretter und c Biegeträger

b
F

c
τ F
τ
τ
τ
114 2 Einfache Beanspruchungen

F
l
z
y
x
l/2

F
M1 M2 ∆A
Mb
F1 = σ1· ∆A F2 = σ2· ∆A
τ ·∆x·b
∆x
b
∆A z z
∆x
σ1 σ2
S-Achse

b
∆x

Abb. 2.93 Zur Herleitung der Schubspannungsverteilung im Biegeträger

Als nächstes interessieren die Lage und die Größe der maximalen Schubspannung.
Abb. 2.93 zeigt einen Balken auf zwei Stützen mit einer Querkraft in Balkenmitte. Zwi-
schen der Angriffsstelle dieser äußeren Kraft und der Auflagerkraft rechts wird ein schma-
les Stück der Breite x aus dem Balken herausgeschnitten. Aufgrund des dreieckförmigen
Biegemomentenverlaufs ist das Schnittmoment M 1 am linken Rand des Teilstücks nicht
gleich dem Schnittmoment M 2 am rechten Rand. An der oberen Scheibe aus diesem
Balkenstück treten zum einen die Normalspannungen  1 und  2 aus den erwähnten Bie-
gemomenten M 1 und M 2 und zum anderen die Schubspannung  an der Unterseite der
Scheibe auf. Weil die beiden Normalspannungen nicht gleich sind, ist Gleichgewicht an
dieser oberen Scheibe des Teilabschnitts nur möglich, wenn eine Schubspannung vorhan-
den ist: X
Fix D 0 ) 1  A    x  b  2  A D 0
2  1
D  A (2.62)
x  b

Mit 1 D M1
I
 zN und 2 D M2
I
 zN folgt:

M2  M1 zN  A M zN  A
D  D  (2.63)
x I b x I b
2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung 115

Für die Querkraft gilt die Beziehung aus Abschn. 2.2:

d Mb
Fq D
dx
R
Die Gl. 2.40 für das statische Flächenmoment H = z  dA kann hier für das Flächen-
element A eingesetzt werden als H = z N A. Damit lässt sich Gl. 2.63 schreiben als
allgemeine Beziehung für die Schubspannungsverteilung:

Fq .x/  H.z/
.x; z/ D (2.64)
I b

mit der Breite b der Querschnittsfläche an der Stelle x und I, dem Flächenmoment 2. Gra-
des der Querschnittsfläche bezogen auf die Schwerpunktsachse.
Ist der Biegemomentverlauf konstant, d. h. M 1 = M 2 , dann ist mit  1 =  2 nach Gl. 2.62
die Schubspannung  = 0, d. h. bei reiner Biegung mit F q = 0 ist im Balken keine Schub-
spannung vorhanden.

2.3.4 Anwendung auf verschiedene Querschnittsformen

Mit Hilfe von Gl. 2.64 werden jetzt die Schubspannungsverläufe in verschiedenen Quer-
schnitten ermittelt.

a) Rechteckquerschnitt (Abb. 2.94)

Da sich beim Rechteckquerschnitt die Breite des Flächenelementes mit der Koordinate z
nicht verändert, können wir vereinfacht schreiben:

H.z/ D zN  A

a τ max b z c
τ=0
um 90° gedreht
h/2

∆A τ τ(z)
z z
Fq y
h

τm τ max
h

Fq
A
b Fq
1,5∙
A b τ=0

Abb. 2.94a–c Schubspannungsverteilung im Rechteckquerschnitt


116 2 Einfache Beanspruchungen

zN ist die Koordinate des Schwerpunkts der Fläche A:


h
z zC h
z h
zN D 2
Cz D 2
D C
2 2 2 4
Die Größe des Flächenelementes A ergibt sich zu
 
h
A D b  z :
2
Damit erhalten wir für das Flächenmoment 1. Grades:
         2 
z h h b h h b h
H.z/ D C b z D  Cz  z D  z 2
(2.65)
2 4 2 2 2 2 2 4
Das Flächenmoment 2. Grades für den Rechteckquerschnitt ist bekannt (Tab. 2.3):

b  h3
I D (2.66)
12
Mit der Gl. 2.64 für die allgemeine Schubspannungsverteilung und mit den Gln. 2.65
und 2.66 erhalten wir schließlich:
 2 
Fq  6 h
.x; z/ D  z 2
(2.67)
b  h3 4
Dies ist die Gleichung einer quadratischen Parabel, d. h. die Schubspannung ist über
dem Rechteckquerschnitt parabelförmig verteilt (siehe Abb. 2.94c). Für z = 0 ist die
Schubspannung maximal:
3 Fq
max D  (2.68)
2 bh
Bei der Querkraftbiegung von Balken bzw. Trägern ist also die Schubspannung in der
neutralen Faser am größten, während sie am Rand den Wert null hat (siehe Gl. 2.67 für
z = h / 2 bzw. z = h / 2). Die Biegespannung wird aber am Rand maximal, ist jedoch in
der neutralen Faser null. Daher rechnet man üblicherweise vereinfacht mit der mittleren
Schubspannung:
Fq Fq
m D D (2.69)
A bh
und somit
max D 1;5  m
Die maximale Schubspannung ist beim Rechteckquerschnitt anderthalbmal so groß wie
die mittlere Schubspannung. Soweit es sich um lange, durch Querkräfte belastete Balken
handelt, reicht die Ermittlung der mittleren Schubspannung nach Gl. 2.69 völlig aus. Meist
kann man sogar die gegenüber der Biegespannung geringe Schubspannung insgesamt ver-
nachlässigen. Bei kurzen, durch Querkräfte auf Biegung und Schub belasteten Trägern und
bei Konsolen muss die Schubspannung genauer ermittelt und mit der Biegespannung als
Vergleichsspannung (siehe Kap. 3) zusammengefasst werden.
2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung 117

b) Kreisquerschnitt

Die Querkraft F q und der Radius r des Querschnitts seien gegeben, siehe Abb. 2.95. Ge-
sucht sind der Verlauf der Schubspannung  (z) und die größte Schubspannung  max .
zN gibt die Lage des Schwerpunktes der schraffierten Kreisabschnittsfläche an; b(z) ist
deren Breite in Abhängigkeit von z.
Für die Berechnung der Schubspannung brauchen wir wieder das Flächenmoment
1. Grades:
Z p
H.z/ D z  dA mit dA D 2  yN  d zN und yN D r 2  zN 2 (siehe Abb. 2.95).
Zr Zr
1=2
H D zN  2  yN  d zN D 2  zN  .r 2  zN 2 /  d zN
z z


2 3=2
r
2 2 3=2
H D  .r 2  zN 2 / D r  z2 (2.70)
3 z 3
Für die Breite b(z) des Kreisabschnitts in Abb. 2.95 ergibt sich:
p
b.z/ D 2 r 2  z 2

Das Flächenmoment 2. Grades eines Kreisquerschnitts haben wir in Abschn. 2.2.2 be-
rechnet:

I D r4
4

z
τ= 0 um 90° gedreht
b(z)
y τ ( z)
dz

max
z

Fq τmax
z

y
y
r

τ= 0

Abb. 2.95 Zur Berechnung der Schubspannungsverteilung beim Kreisquerschnitt


118 2 Einfache Beanspruchungen

Damit kann man nach Gl. 2.64 die Schubspannungsverteilung ermitteln:

3=2
Fq  H.z/ Fq  23 .r 2  z 2 /
.z/ D D 
I b 2 1=2
4 r  2.r  z /
4 2

4  Fq 2
.z/ D .r  z 2 / (2.71)
3   r4
Für z = 0 erhalten wir die größte Schubspannung:

4 Fq
max D  (2.72)
3  r2

Im Vergleich zur mittleren Schubspannung

Fq Fq
m D D (2.73)
A  r2
gilt für den Balken mit Kreisquerschnitt:

4
max D m (2.74)
3
Die größte Schubspannung ist also beim Vollkreisquerschnitt, der im Maschinenbau
häufig bei Wellen und Achsen Anwendung findet, ein Drittel größer als die mittlere Schub-
spannung. Da diese größte Schubspannung wieder in der neutralen Faser auftritt (hier ist
die Biegespannung gleich null), reicht meist die Berechnung der mittleren Schubspannung
aus.

c) Dünnwandiges Kreisrohr

Dünnwandige Kreisrohre werden oft im Fahrzeug- und Maschinenbau als Gelenkwellen


zur Gewichtsersparnis verwendet, aber auch in Leichtbaukonstruktionen bei Fachwerken
für Hallen. Ohne Herleitung wird hier nur das Ergebnis für die maximale Schubspannung
angegeben:
max D 2  m (2.75)

d) Vierkantrohr (Finn Niklas’ Dreirad)

Der Verlauf der Schubspannung in einem auf Querkraftbiegung beanspruchten Quer-


schnitt, für den die Funktionen H(z) für das Flächenmoment 1. Grades und b(z) für die
Breite unstetige Funktionen sind, kann nur stückweise berechnet werden. Dies wird hier
anhand des Vierkantrohres 50 × 20 × 2 (A = 264 mm2 ) aus dem Längsträger des Dreirads
gezeigt, Abb. 2.96. Wir ermitteln den Schubspannungsverlauf des Längsträgers für eine
Querkraft F q = 550 N (entspricht der Gewichtskraft des Fahrers).
2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung 119

20 0 2,0
0,2
1a S 1a ΔA
0
1b 1b S 2
ΔA

0,2
2

0,3
2 z0 z1 z2

2,4
2,15
3 z1 z2
y 4
50

y
0 1 2

0,2
ΔA ΔA
S S
1,3

z3

2,4
3 z4

1,65

1,15
z3
4
3 4

Abb. 2.96 Ermittlung des Schubspannungsverlaufs am Vierkantrohr

Das Vierkantrohr besitzt ein Flächenmoment 2. Grades um die y-Achse von I y = 7,8552
cm4 (siehe Beispiel 2.19). Die Höhe des um die y-Achse symmetrischen Rohres beträgt
2,5 cm. Die Rechnung ist in Tab. 2.4 schrittweise dargestellt. Wir beginnen am oberen
Rand des Vierkantrohres mit Schritt 0 entsprechend Abb. 2.96.
Wie in Abb. 2.96 dargestellt, müssen für jede Höhe z (ausgehend von der Biegeachse)
die jeweilige Teilfläche A oberhalb z bis zum oberen Profilrand sowie die Breite b er-
mittelt werden. Die Lage des Schwerpunktes S der Fläche A wird durch die Koordinate
zN beschrieben. Für die Stelle 1 betrachten wir einmal die Fläche A zusammen mit der
Breite b(z) = 2 cm (1a) und zweitens mit der Breite b(z) = 0,4 cm (1b), also direkt unterhalb
der Deckfläche des Vierkantrohres. Die Breite b = 0,4 cm ergibt sich hier aus der Summe
der Wandstärke links und rechts mit je 0,2 cm. An dieser Stelle erhält man durch die Un-
stetigkeit des Breitenverlaufs auch eine Unstetigkeit der Schubspannungsfunktion  q (z).
Die Lage des Schwerpunktes S der Restfläche A oberhalb z muss für jede betrachtete
Stelle ermittelt werden (siehe Tab. 2.4). Das Ergebnis der Schubspannungsberechnung am
Vierkantrohr zeigt Abb. 2.97.

Tab. 2.4 Berechnung des Schubspannungsverlaufs für das Vierkantrohr


zN A
Stelle z zN A b zN  A Iy b q D Fq zNIA
y b
q
cm cm cm2 cm cm3 cm 2
N/cm2 N/mm2
0 2,5 – 0 – 0 0 0 0
1a 2,3 2,4000 0,40 2,0 0,960 0,0611 33,60 0,34
1b 2,3 2,4000 0,40 0,4 0,960 0,3055 168,0 1,68
2 2,0 2,3423 0,52 0,4 1,218 0,3876 213,18 2,13
3 1,0 1,9761 0,92 0,4 1,818 0,5786 318,23 3,18
4 0 1,5288 1,32 0,4 2,018 0,6422 353,24 3,53
120 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.97 Berechnete Schub-


spannungen am Vierkantrohr

y y τ

Für die mittlere Schubspannung über dem Vierkantrohr erhält man nach Gl. 2.69:

Fq 550 N N
m D D D 2;08
A 264 mm2 mm2

Das Verhältnis der in Tab. 2.4 berechneten maximalen Schubspannung und der mittle-
ren Schubspannung beträgt hier:
max
 1;7
m
Da die Schubspannungen aber bei langen Biegeträgern wie im vorliegenden Beispiel
gegenüber den Biegespannungen gering sind, reicht die Berechnung der mittleren Schub-
spannung in der Regel aus.
Bei Biegeträgern mit Schubbelastung werden oftmals im Bereich der Krafteinleitungs-
stellen Schubbleche zur Verstärkung eingebaut (Abb. 2.98), um ein Ausknicken des Pro-
filsteges als Folge der auftretenden Schubspannungen zu verhindern.

Schubblech Schubblech

Abb. 2.98 Konstruktive Ausführung von Biegeträgern mit Schubbelastung: Schubbleche als Ver-
stärkung an Krafteinleitungsstellen
2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung 121

e) Verbindungsarten von zusammengesetzten Profilträgern

Profilträger werden oftmals aus einzelnen Bauteilen (Bleche, Winkel- oder gekantete
Profile, Abb. 2.99) zusammengefügt. Die entsprechenden Verbindungen (Bolzen, Niete,
Klebstoff- oder Leimschichten, Schweißnähte) müssen die auftretenden Längsschub-
spannungen aufnehmen. Für geleimte, geklebte, genietete (oder punktgeschweißte) und
geschweißte (schrittgeschweißte) Träger nach Abb. 2.99 kommt Gl. 2.64 zur Anwendung.
 q max kann für das Verbindungsmittel Klebnaht, Leimschicht, Niet, Schweißnaht mithilfe
von Tab. 2.5 ermittelt werden. Bei Schweißnahtverbindungen ist zu berücksichtigen, dass
gegenüber den auftretenden Schubspannungen auch Zug- oder Druckspannungen aus der
zusätzlichen Biegebeanspruchung auftreten. Daher muss für beide Beanspruchungsarten
die Vergleichsspannung  v nach Abschn. 3.4 bestimmt werden.
Die Eigenschaften der Schub-(Scher-)Beanspruchung sind in Abb. 2.100 zusammen-
gefasst.

bz a

ls
t

genieteter/punkt- geleimter/geklebter geschweißter Träger


geschweißter Träger Träger (schrittgeschweißt)

Verbindung genietet, Verbindung geleimt, geklebt,


punktgeschweißt längs- oder schrittgeschweißt
bz

Abb. 2.99 Schubbeanspruchte Trägerverbindungen


122 2 Einfache Beanspruchungen

Tab. 2.5 Schubspannung für verschiedene Verbindungsarten


Geleimter bzw. geklebter Trä- Genieteter bzw. punktge- Geschweißter Träger
ger schweißter Träger (schrittgeschweißt)
 
Fq Hy .z/ F H .z/  4t  Fq Hy .z/
qmax D I bz
qmax D q I byz  3nr 2 qmax D I bz
 t
2alS
bz = Breite des Trägers an der n = Anzahl der Nietreihen t = Teilung = Abstand von
Stelle z t = Teilung = Abstand von Niet Schweißnaht zu Schweißnaht
zu Niet a = Schweißnahtbreite an der
  r2 = Querschnitt einer Niet- Wurzel
fläche lS = Länge der Schweißnaht
4/3 = Formfaktor des Kreis-
querschnittes (aus Gl. 2.72)

Schub (Scherung)

F real F vereinfachend

τmax τm

F Spannungen liegen tangential F


auf der Schnittfläche
• Parabolischer Verlauf der Schubspannung = > größte Beanspruchung τmax in der
Mitte.
• Am „Rand“ keine Belastung (Vorteil bei zusammengesetzter Beanspruchung
mit Torsion/Biegung!) => schlechte Werkstoffausnutzung.
• Querschnitt „mittenzentriert“ gestalten.
• I.A. vereinfachte Rechnung mit der mittleren Schubspannung τm.

Abb. 2.100 Eigenschaften von Schub-(Scher-)Beanspruchungen

2.3.5 Schubmittelpunkt

Bei Profilen mit nur einer Symmetrieachse (z. B. U-, L-Profile) ergibt sich bei Quer-
kraftbelastung eine Verdrehung (Torsion), wenn die Belastungsrichtung senkrecht zur
Symmetrieachse liegt (Abb. 2.101). Verhindern lässt sich diese Verdrehung nur, wenn
die Querkraft im so genannten Schubmittelpunkt M eingeleitet wird, Abb. 2.102a,b so-
wie 2.103. Greift die Querkraft F im Schwerpunkt S des U-Profils an, resultiert aus
den Schubspannungen im Querschnitt ein Torsionsmoment T in der Ebene senkrecht
zur Balkenachse, das die Verdrehung des Profils hervorruft. Wird die Querkraft mit Hil-
fe der angeschweißten Winkelkonsole im Schubmittelpunkt M des U-Profils aufgebracht
(Abb. 2.102b), so ergibt sich ein Torsionsmoment aus der Kraft F multipliziert mit dem
Abstand MS, das gleich dem Moment aus den Schubspannungen, aber entgegengesetzt
gerichtet ist. Da Lkw-Rahmen meist Längsträger aus U-Profilen besitzen, werden die
2.3 Schub- oder Scherbeanspruchung 123

Abb. 2.101 Verdrehung von


Profilen

S S

F F

Tragfedern außen an Konsolen befestigt (Abb. 2.102d). Damit wird die Federkraft im
Schubmittelpunkt in den Rahmenlängsträger eingeleitet und somit dessen Torsionsbean-
spruchung vermieden.
Bei symmetrischen Profilen mit Querkraft im Schwerpunkt, z. B. beim I-Profil in
Abb. 2.102c und 2.103, erhält man einen symmetrischen Schubspannungsfluss und damit
keine Verdrehung. Der Schubmittelpunkt ist also der Punkt, in dem die Querkraft wirken

a b c d
F F F

S T M S ΣT = 0 S

T T

Abb. 2.102 Schubspannungsfluss und Schubmittelpunkt M. a Torsionsmoment T durch Kraftein-


leitung in Schwerpunktachse eines U-Profils, b Konsole sorgt für torsionsmomentenfreie Einleitung
der Querkraft im Schubmittelpunkt, c beim symmetrischen Profil fallen M und S zusammen und
d Querkrafteinleitung aus Blattfeder in Lkw-Rahmen aus U-Profilen mittels Konsole

Abb. 2.103 Schubspannungs- z z


fluss und Schubmittelpunkt bei
symmetrischen Profilen S=M S=M
y y y y

z z
z z
S=M S=M
y y y y

z z
124 2 Einfache Beanspruchungen

muss, damit sie zwar eine Verbiegung des Balkens, aber keine Verdrehung verursacht.
Der Schubmittelpunkt liegt immer auf einer Symmetrieachse der Querschnittsfläche und
seine Lage ist für Standardprofile in den Profiltabellen (z. B. in DIN 1026-1 für U-Pro-
file) angegeben. Die Lage hängt nur von der Querschnittsgeometrie, nicht aber von der
Belastung ab.

2.4 Torsionsbeanspruchung

In diesem Abschnitt betrachten wir die Drehmomentbelastung von Bauteilen. Der Ein-
fachheit halber beginnen wir mit Bauteilen mit kreisförmigem Querschnitt und Rohrquer-
schnitt, die im Maschinenbau bei Antriebswellen überwiegend verwendet werden.

2.4.1 Torsion kreisförmiger Querschnitte

Ein Kreiszylinder bzw. eine Welle (Abb. 2.104a) wird durch ein in einer Ebene senk-
recht zur Wellenachse wirkendes Kräftepaar auf Verdrehung (Torsion) beansprucht. Die-
ses Kräftepaar mit dem Hebelarm a ruft im freigemachten Teilabschnitt der Welle ein
Torsionsmoment T = F  a hervor (Abb. 2.104b). Aus Deformationsversuchen ist bekannt,
dass bei der Verdrehung eines Kreisquerschnittes die Durchmesser erhalten und die Quer-
schnittsflächen eben bleiben.
Wie in Abb. 2.105 dargestellt, wandern bei Verdrehung des Querschnittes der Punkt B
nach B0 und der Punkt C nach C0 . Bei Torsion wird demnach der Kreisquerschnitt um seine
Mittelachse verdreht. Von der Mittelachse bis zum Rand nimmt die Deformation linear zu.
Nach dem Hooke’schen Gesetz nimmt damit auch die Schubspannung linear zu.

a b c
F T = F·a
a

τ
F F
F
a

T = F·a Schnitt A - A

Abb. 2.104 a Durch Verdrehung beanspruchter Kreiszylinder; b, c freigeschnittener verdrehter


Zylinder
2.4 Torsionsbeanspruchung 125

Abb. 2.105 Verformung und B τ max


B’
Schubspannungsverteilung bei
C
Torsion C’ τ
0 0
r r

Schubspannung
Für die Auslegung einer Welle und für den Festigkeitsnachweis ist es wichtig, die maxi-
male Schubspannung  max bei gegebenem Torsionsmoment berechnen zu können. Dazu
betrachten wir Abb. 2.106. Im Kreisring gilt: dT = r  dF = r    dA. Das Torsionsmoment
können wir daraus durch Integration berechnen:
Z
T D r    dA (2.76)

Für die Spannung  ergibt sich aufgrund der linearen Spannungsverteilung (siehe
Abb. 2.105) folgender Zusammenhang mit der Randspannung  max :
r
D max (2.77)
R
Zusammengefasst erhält man aus den Gln. 2.76 und 2.77 unter Beachtung der Integra-
tionsgrenzen das bestimmte Integral für das Torsionsmoment T

ZR
max
T D r 2  dA: (2.78)
R
0

Das Integral stellt dabei eine charakteristische Querschnittsgröße bei Torsion dar und
wird polares Flächenträgheitsmoment oder polares Flächenmoment 2. Grades ge-
nannt:
ZR
Ip D r 2  dA (2.79)
0

Abb. 2.106 Zur Herleitung


dr

der Grundgleichung der Torsi-


on R
r

dA
126 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.107 Axiales und pola-


z Mbz
res Flächenmomente 2. Grades Iz

Mby T Mby

y y
Iy Ip = Iy + Iz Iy

Iz Mbz

In Abb. 2.107 ist die Zuordnung der axialen Flächenmomente 2. Grades und des pola-
ren Flächenmoments 2. Grades zu den angreifenden Biegemomenten bzw. zum Torsions-
moment dargestellt.
Dividiert man das polare Flächenmoment 2. Grades durch den Außenradius, erhält
man das Torsionswiderstandsmoment W t , bei Kreisquerschnitten auch polares Wider-
standsmoment W p genannt:
Ip
Wt D Wp D (2.80)
R
Damit lässt sich für die Grundgleichung/Hauptgleichung der Torsion schreiben:

T T
t D D mit t D max als Spannung in der Außenfaser. (2.81)
Wt Wp

Für die Torsionsgrundgleichung gelten folgende Voraussetzungen:

 Die Deformation ist elastisch, d. h. es gilt das Hooke’sche Gesetz.


 Die Querschnitte bleiben eben; sie verwölben sich nicht.
 Der untersuchte Querschnitt liegt nicht in der Nähe der Drehmomenteinleitung bzw. in
der Nähe einer Kerbe.
 Die Belastung ist statisch; es treten keine Trägheitskräfte auf.
 Das unbelastete Bauteil ist spannungsfrei – ansonsten würden sich die Spannungen
überlagern.

Das polare Flächenmoment 2. Grades kann entsprechend Abb. 2.106 für einen Kreis-
ring mit dem Innenradius ri und dem Außenradius ra nach Gl. 2.79 berechnet werden. Für
die Teil-Kreisringfläche nach Abb. 2.106 gilt dabei dA = 2 r  dr.

Zra Zra
 4 
Ip D r  dA D 2
2
r 3  dr ! Ip D ra  ri4 (2.82)
2
ri ri
2.4 Torsionsbeanspruchung 127

Mit dem Innendurchmesser di und dem Außendurchmesser da lautet diese Gleichung:

  4 
Ip D d  di4 (2.83)
32 a

Um das polare Flächenmoment 2. Grades für einen Vollkreisquerschnitt zu ermitteln,


setzt man di = 0 und da = d:
 4
Ip D d (2.84)
32
Für die Torsionswiderstandsmomente (auch „polare Widerstandsmomente“ genannt)
erhält man aus den polaren Trägheitsmomenten für den Kreisringquerschnitt

 da4  di4  D4  d 4
Wp D  D  (2.85)
16 da 16 D

und für den Vollkreisquerschnitt


Wp D  d 3: (2.86)
16

Man erkennt, dass der Kreisringquerschnitt (Rohrquerschnitt) ideal für die Übertragung
von Torsionsmomenten geeignet ist, denn der innere Teil des Vollkreisquerschnitts trägt
wenig zur Torsionsmomentübertragung bei, aber hat einen Anteil an der Masse. Für Ge-
lenkwellen (Kardanwellen) in Fahrzeugen wie Pkw, Lkw und Schienenfahrzeugen werden
deshalb in der Regel Rohrquerschnitte verwendet.
Aus Gl. 2.81 mit Gl. 2.86 kann durch Einsetzen von  t zul und Umstellen nach d eine
Gleichung zur Vordimensionierung von Vollwellen gewonnen werden:
s
16  T
derf D 3
(2.87)
  t zul

Beispiel 2.24 Das Mittelstück einer Gelenkwelle (ohne Gelenke) sei 600 mm lang. Es soll
ein Drehmoment T = 1500 Nm übertragen. Die Welle soll probeweise sowohl als Vollwelle
als auch als Rohr ausgelegt werden. Als Werkstoff ist S355JR vorgesehen mit einer zuläs-
sigen Torsionsspannung von  t zul = 150 N/mm2 . Die Kosten je kg Stahl S355JR betragen
für Rohrhalbzeug 2,30 C und für Rundmaterial 1,70 C.

Lösung Wir dimensionieren die Welle mit Gl. 2.87 vor:


s s
16  T 16  1:500:000 Nmm
derf D 3
D 3
 37;06 mm
  t zul   150 N=mm2

Wir wählen d = 38 mm. Für die Vordimensionierung des Rohres muss man einen In-
nendurchmesser oder eine Wandstärke vorwählen und dann den Außendurchmesser über
128 2 Einfache Beanspruchungen

Gl. 2.85 bestimmen. Zu beachten ist, dass Rohre nicht in beliebigen Abmessungen ge-
liefert werden (siehe DIN EN 10220). Hier kommt ein Rohr mit da = 48,3 mm und 4 mm
Wandstärke infrage. Wir können dann die polaren Widerstandsmomente für das Rohr nach
Gl. 2.85 und für die Vollwelle nach Gl. 2.86 berechnen (siehe Tabelle). Die Torsions-
spannungen nach Gl. 2.81 sind für beide Ausführungen fast gleich und liegen unter der
zulässigen Spannung. Obwohl die Kosten für Rohre je kg höher sind als für Rundmaterial,
sind die Halbzeugkosten für die Hohlwelle mit 6,03 C deutlich günstiger als für die Voll-
welle mit 9,08 C. Dies liegt an der erheblich geringeren Masse der Hohlwelle bei gleicher
Festigkeit. Für Kardanwellen bietet die Hohlwelle außerdem den Vorteil, dass die Gelenke
(meist Schmiedestücke) einfach in die Hohlwelle eingeschoben und mit ihr verschweißt
oder eingeschrumpft werden können.

Abmessungen Wp A Torsionsspannung Masse Halbzeugkosten


mm3 mm2 t kg C
N/mm2
Vollquerschnitt d = 38 mm 10.775 1134 139 5,34 9,08
Rohr ¿ 48,3 × 4 11.402 557 132 2,62 6,03

Die Eigenschaften der Torsionsbeanspruchung sind aus Abb. 2.108 zu entnehmen.

Torsion
τ tmax

T T

τ tmax
• Lineare Spannungsverteilung
• Größte Torsionsspannung τt max am Außendurchmesser => Werkstoff-
teilchen erfahren hier die größte Beanspruchung.
• Keine Beanspruchung des Teilchenverbundes in der Wellenachse
(Durchmesser null) => schlechte Werkstoffausnutzung.
• Querschnitt so gestalten, dass Teilchen auf entfernten Durchmessern liegen.

Abb. 2.108 Eigenschaften der Torsionsbeanspruchung


2.4 Torsionsbeanspruchung 129

Verdrehwinkel
Das Torsionsmoment T verdreht entsprechend Abb. 2.109 den Endquerschnitt der Welle
um den Winkel '. Zwischen den Winkeln ' und  besteht nach Abb. 2.109 folgender
geometrischer Zusammenhang über den Kreisbogen:

'r
s D' r D l ) D (2.88)
l

Das Hooke’sche Gesetz lässt sich für Schiebung schreiben als


 DG ) D : (2.89)
G

Mit  =  t = T / W p ergibt sich für den Winkel 

T
D : (2.90)
Wp  G

Setzt man Gl. 2.88 in Gl. 2.90 ein, erhält man schließlich:

' r T T l
D !'D (2.91)
l Wp  G Wp  r  G

Da W p  r = I p ist, lässt sich der Verdrehwinkel ' (im Bogenmaß) am Endquerschnitt


berechnen:
T l  l
'D bzw. ' D (2.92)
G  Ip r G
Das Produkt G  I p stellt die Verdreh- bzw. Torsionssteifigkeit einer Welle dar. Der
Verdrehwinkel ' wächst also mit dem Torsionsmoment T, mit der wirksamen Länge l und

τ
τ
τ

τ γ

γγ T
φ
φ
s
l r

Abb. 2.109 Verformung eines Zylinders unter Torsionsbeanspruchung


130 2 Einfache Beanspruchungen

dem Kehrwert der Verdrehsteifigkeit. Die Federsteifigkeit bzw. Federrate eines auf Verdre-
hung beanspruchten Querschnittes, z. B. einer Drehstabfeder, erhält man nach folgender
Gleichung:
T G  Ip Nmm
C D D I ŒC D (2.93)
' l rad

Beispiel 2.25 Eine Drehfeder besteht aus einem Vollstab (1) und einem Rohr (2), siehe
Abb. 2.110. Die Verbindung links kann als starr angenommen werden. Der Verdrehwinkel
der Gesamtanordnung ist zu berechnen.

Gegeben: T = 105 Nmm, G = 81.000 N/mm2 .

Lösung Die Drehwinkel von Vollstab und Rohr addieren sich, da es sich um eine Hinter-
einanderschaltung von Federn handelt:

'ges D 'Voll C 'Rohr

Damit erhalten wir unter Verwendung der Gl. 2.92:


 
T l 1 1
'ges D  C
G IpVoll IpRohr
 
IpVoll D  d4 D 204 mm4 D 15:708 mm4
32 32
  4    4 
IpRohr D  da  di4 D 50  404 mm4 D 362:265 mm4
32 32
 
105 Nmm  300 mm 1 1 1
'ges D  C
81:000 N=mm2 15:708 362:265 mm4
'ges D 0;0246 rad  1;41ı

Abb. 2.110 Drehfeder zu Bei- 300


T
spiel 2.25
2

1
Ø 20

Ø 40
Ø 50

T
2.4 Torsionsbeanspruchung 131

Formänderungsarbeit
Wie in Abschn. 1.5 für Zug/Druck und in Abschn. 2.3.1 für Schub wird auch für Torsion
die Formänderungsarbeit berechnet. Gerade bei Federn spielt die Kenntnis der Form-
änderungsarbeit eine große Rolle, wenn Federn z. B. als Antriebs- oder Rückholfedern
eingesetzt bzw. zur Stoßaufnahme in Puffern oder als elastische Anschläge verwendet
werden. Z
W D T  d' (2.94)

Das Torsionsmoment T ist eine Funktion des Drehwinkels '. Mit T = C  ', wobei C
die Drehfederkonstante ist, lautet das Integral:
Z
W D C  '  d' (2.95)

Für die Formänderungsarbeit ergibt sich demnach:

1 1
W D  C  '2 D  T  ' (2.96)
2 2

Setzt man in Gl. 2.96 die Gl. 2.92 bzw. 2.93 ein, so erhält man für die Formände-
rungsarbeit drei weitere Beziehungen:

l G  Ip 2 Ip  l
W D T2 und W D ' sowie W D  2 (2.97)
2  G  Ip 2l 2  G  r2 t

Die letztgenannte Gleichung für die Formänderungsarbeit bei Torsion soll nun mit den
entsprechenden Beziehungen für Zug/Druck und Schub verglichen werden:

V0
Zug/Druck: W D  2 mit V0 D l  A
2E
V
Schub: W D  2 mit V D L  A:
2G

Bei beiden Spannungsarten sind die Spannungen gleichmäßig im betrachteten Quer-


schnitt verteilt. Für Torsion sieht die Gleichung ähnlich aus; allerdings steht hier die Größe
I p / r2 anstelle der Fläche A bei Zug/Druck und Schub, da bei Torsion die Spannungen li-
near über dem Querschnitt verteilt sind (siehe Abb. 2.105).

Beispiel 2.26 Für eine Drehstabfeder mit der federnden Länge l = 500 mm ist der er-
forderliche Stabdurchmesser derf zu ermitteln für eine Arbeitsaufnahme der Feder von
W = 20 Nm bei einem Verdrehwinkel von ' = 30°. Wie groß ist hierbei die Torsionsspan-
nung?

Gegeben: G = 80.000 N/mm2


132 2 Einfache Beanspruchungen

Lösung Wir verwenden den mittleren Ausdruck der Gl. 2.97 und setzen ein:

  G    derf
4
2
Ip D  d4 und ' D 30ı D ) W D 
32 6 64  l 36

Umgestellt nach derf und Zahlenwerte eingesetzt, erhält man:

36  64  W  l 36  64  20:000 Nmm  500 mm


4
derf D D
3  G  3  80:000 N=mm2
derf D 9;29 mm

Man wählt nun einen ganzzahligen Wert, z. B. d D 10 mm.


Die Torsionsspannung berechnet man nach Gl. 2.78. Mit T = 2  W / ' und W p =
( / 16)  d3 ergibt sich für die Torsionsspannung:

2  W  16 192  20:000 Nmm


t D D
.=6/    d 3
 2  103 mm3
t D 389;07 N=mm  390 N=mm2
2

Diese Spannung liegt unterhalb der zulässigen Spannung von  t zul  1000 N/mm2
(z. B. für Drehstabfedern aus Federstahl 51CrV4).

2.4.2 Torsion dünnwandiger Querschnitte

Wir betrachten jetzt einen geschlossenen dünnwandigen Rohrquerschnitt beliebiger Form


und nicht konstanter Wandstärke, Abb. 2.111. Die Schubspannung  ist bei Betrach-
tung einer bestimmten Stelle am Umfang des Profils (z. B. A–A in Abb. 2.111) über der
Wandstärke s konstant, ist allerdings unterschiedlich groß an Stellen mit unterschiedlichen
Wandstärken.
Man kann sich die Größe der Schubspannungen in der Wand des Querschnitts
vorstellen wie die Strömungsgeschwindigkeit einer Flüssigkeit in einem Kanal/Rohr
(Abb. 2.112), der die Form der Wand besitzt: An jeder Stelle strömt pro Zeiteinheit das
gleiche Flüssigkeitsvolumen, aber an schmalen Stellen des Kanals ist die Strömungs-
geschwindigkeit größer als an breiten Stellen. Dies entspricht dem Kontinuitätsgesetz
der Strömungsmechanik (Abb. 2.112). Daher spricht man vom Schubfluss, der an allen
Querschnitten der Wand konstant ist.
Schubfluss =   s =  1  s1 =  2  s2 = const.
Für das in Abb. 2.111 hervorgehobene Wandelement mit der Schubspannung , der
Wandstärke s und der Länge du erhalten wir eine Teil-Schubkraft dF:

dF D   s  du
2.4 Torsionsbeanspruchung 133

du

α
r·cos
α s τ ∙s·du
s =F
r
τ
B
A

du
dA

α
r

r·cos
A α

Abb. 2.111 Torsion dünnwandiger geschlossener Querschnitte


d1

d2

c2

c1
Kontinuitätsgesetz: c1·A1 = c2·A2 = c·A = const

Abb. 2.112 Analogie Schubfluss (  s) – Kanal-/Rohrströmung (c  A)

Diese Teil-Schubkraft erzeugt ein Moment dT um einen (beliebigen) Bezugspunkt B:

d T D dF  r  cos ˛ D   s  du  r  cos ˛

Das gesamte Schnittmoment T erhält man, wenn man über den gesamten Weg, d. h.
über die gesamte Profilmittellinie integriert:
I I
T D   s  r  cos ˛  du D .  s/  r  cos ˛  du

Da der Schubfluss   s ja konstant ist, kann er vor das Integral gezogen werden. Das
Produkt r  cos ˛  du ist eine Rechteckfläche, wobei die hervorgehobene Dreieckfläche
dA D .1=2/  r  cos ˛  du in Abb. 2.111 (rechts) gleich der halben Rechteckfläche ist:
I
r  cos ˛  du D 2  dA ! T D 2    s  dA
134 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.113 Am = von der Pro- du dA = ½· r·cosα·du


filmittellinie eingeschlossene
Am
Fläche

rcosα
B

Am = ∫dA Profilmittellinie

Das Integral entspricht dem Summieren aller kleinen Dreiecksflächen mit dem Ergeb-
nis Am , der von der Profilmittellinie eingeschlossenen Fläche (Abb. 2.113). Das gesamte
Torsionsmoment errechnet sich daher zu:

T D 2    s  Am (2.98)

Durch Umstellen dieser Gleichung erhält man für die Schubspannung  bei einer
Wandstärke s die 1. Bredt’sche Formel3 :
T
D (2.99)
2  Am  s
Die größte Schubspannung  max tritt an der Stelle mit der kleinsten Wandstärke smin
auf:
T T
max D D  zul (2.100)
2  Am  smin Wt
Das Torsionswiderstandsmoment für beliebige dünnwandige geschlossene Quer-
schnitte lässt sich aus dieser Gleichung angeben:

Wt D 2  Am  smin (2.101)

Die 1. Bredt’sche Formel ist allgemeingültig für geschlossene dünnwandige Profile,


z. B. für Kreis-, Rechteck-, Dreieck- und Ovalrohre. Außerdem wird sie zum Festigkeits-
nachweis geschlossener, auf Torsion beanspruchter Schweißnähte verwendet. Schweiß-
nähte können dabei als dünnwandige Profile angesehen werden.

Beispiel 2.27 Man ermittle das Torsionswiderstandsmoment für die skizzierte kreisring-
förmige Schweißnaht (Abb. 2.114) mit dem Durchmesser der Wurzellinie (= mittlerer
Durchmesser entsprechend der Bauteilkontur) d = 50 mm und der Schweißnahtdicke
a = 3 mm.
3
Rudolph Bredt (1842–1900), deutscher Ingenieur.
2.4 Torsionsbeanspruchung 135

d
Wurzellinie = Randlinie der
Wurzellinie mittleren Fläche Am

D-a
a a
D+a Am
a = Schweißnahtdicke

Abb. 2.114 Torsion einer ringförmigen Schweißnaht

Lösung Das Torsionswiderstandsmoment kann einmal entsprechend dem polaren Wider-


standsmoment nach Gl. 2.79 ermittelt werden, wenn für den Außendurchmesser d + a und
für den Innendurchmesser d  a eingesetzt wird:

 .d C a/4  .d  a/4  .53 mm/4  .47 mm/4


Wp D  D 
16 d Ca 16 53 mm
Wp D 11:154 mm3

Die zweite Möglichkeit ist die Berechnung nach der 1. Bredt’schen Formel Gl. 2.101
mit der Wanddicke s = a. Die mittlere Fläche wird durch die Wurzellinie begrenzt und
besitzt den Durchmesser d:
 2 
Wt D 2  Am  a D 2  d  a D 2  502 mm2  3 mm
4 4
Wt D 11:781 mm3

Hier ergibt sich nach Bredt ein etwas höherer Wert. Die Abweichungen sind umso
geringer, je kleiner die Wandstärke s (hier: Schweißnahtdicke a) ist.

2.4.3 Torsion nicht kreisförmiger Querschnitte

Wir betrachten jetzt die Torsion eines Stabes mit Kreisquerschnitt und eines Stabes mit
Rechteckquerschnitt, Abb. 2.115. Zur Kennzeichnung der Deformationen bei Torsion sind
die Außenflächen der Stäbe mit einem quadratischen Raster versehen.
136 2 Einfache Beanspruchungen

Abb. 2.115 Torsion eines Stabes mit Kreis- bzw. Rechteckquerschnitt

Beim Kreisquerschnitt verformen sich alle Quadrate auf der Mantelfläche gleich; die
Stabendflächen bleiben eben. Dagegen werden die Quadrate auf dem Rechteckquerschnitt
unterschiedlich deformiert. Die Endflächen des Rechteckstabes bleiben nicht eben; sie
wölben sich auf. Die mathematische Behandlung der Torsion für beliebige Querschnitte
ist sehr anspruchsvoll, so dass hierfür Versuche von Bedeutung sind.
Sehr hilfreich für das allgemeine Verständnis ist das hydrodynamische Gleichnis: Es
besteht eine Analogie zwischen den Spannungslinien eines auf Torsion beanspruchten
Querschnitts und den Stromlinien einer in einem Behälter rotierenden Flüssigkeit. Die
Querschnittsform des tordierten Stabes und die Behälterform sind dabei gleich. Die Strö-

Spannungslinien

Spannungsfrei
mit Einstich
(Totwasser)

Abb. 2.116 Hydrodynamisches Gleichnis für die Torsion nicht kreisförmiger Querschnitte
2.4 Torsionsbeanspruchung 137

mungsgeschwindigkeiten der Flüssigkeit entsprechen den Spannungen im Querschnitt,


siehe Abb. 2.116.
In den Ecken eines rechteckigen Beckens ist die Strömungsgeschwindigkeit null (Tot-
wasser). Demzufolge hat der rechteckige Querschnitt an diesen Stellen keine Torsions-
spannung. Die größte Strömungsgeschwindigkeit herrscht in der Mitte der langen Recht-
eckseite. Bei Torsion liegt hier die maximale Torsionsspannung  tmax vor. Durch die Ein-
führung entsprechender Querschnittsgrößen können die Berechnungsgleichungen für Tor-
sionsstäbe mit beliebigen Querschnittsformen auf eine ähnliche Form gebracht werden
wie die Gleichungen für kreiszylindrische Stäbe.
Der allgemeine Ansatz für die Zusammenhänge zwischen der Belastung T (Torsi-
onsmoment), dem Stoffwert G (Schubmodul) und der Torsionsspannung  t sowie der
Deformation ' (Verdrehwinkel) lautet dann wie folgt:

T T l
t D und ' D (2.102)
Wt G  It

W t ist dabei das Drillwiderstandsmoment und I t ist das Drillflächenmoment 2. Gra-


des. Letzteres ist im Allgemeinen nicht gleich dem polaren Flächenmoment 2. Grades I p .
I t und W t werden üblicherweise aus Versuchen oder über mathematische Näherungsver-
fahren ermittelt. Für einige Querschnittsformen sind diese Größen in Tab. 2.6 zusammen-
gestellt. Die angegebenen Beziehungen für I t und W t dünnwandiger Profile (Tab. 2.6,
Ziffer 9), die sich aus Rechtecken zusammensetzen, sind wie bereits erwähnt, Näherungs-
formeln. Je nach Aufteilung des Profils in einzelne Rechtecke kann es zu Abweichungen
kommen (s. Beispiel 2.29). Aufgrund der zulässigen Spannungen und der vorgesehenen
Sicherheiten können jedoch diese Abweichungen vernachlässigt werden. Der Korrektur-
faktor wird nach einem von A. Föppl4 experimentell ermittelten Faktor auch Föppl-
Faktor genannt. Er bezieht sich auf die jeweilige Profilform.

Tab. 2.6 Widerstands- und Flächenmomente bei Verdrehung beliebiger Querschnitte


Wt It Bemerkungen
1  3
16
d  0;2d 3  4
32
d  0;1d 4 Größte Spannung am
Umfang
Wt D 2Wb
d

It D Ip
 da di
4 4  4 
2 16 da

32 da  di4 Wie unter 1
da
di

4
August Föppl (1854–1924), Prof. für techn. Mechanik.
138 2 Einfache Beanspruchungen

Tab. 2.6 (Fortsetzung)


Wt It Bemerkungen
3 Für kleine Wanddicken Aa = Inhalt der von der
.Aa C Ai /  smin 2 .Aa C Ai /  s  Am
um
äußeren Umrisslinie
s  2  Am  smin begrenzten Fläche
 4  A2m usm
Ai = Inhalt der von der
(Bredt’sche Formeln)
inneren Umrisslinie
begrenzten Fläche
Am = Inhalt der von der
Mittellinie umgrenzten
Fläche
um = Länge der
Mittellinie (mittlere
Umrisslinie)
a4
4 0;208a3 0;141a4 D 7;11 Größte Spannungen in
a

den Mitten der Seiten. In


den Ecken ist  = 0
a
5 a > b ab D n  1 c1  a  b 3 D c1  n  b 4 Größte Spannungen in der
c2  a  b D c2  n  b
c1 2 c1 3
Mitte der größten Seiten.
c1 D  In den Ecken ist  = 0
3 1  n C n5
1 0;630 0;052
a

c2 D 1  1Cn 0;625
3

a3 h3 a4 h4
6 Gleichseitiges 20  13 46;19  26 Größte Spannungen in der
Dreieck Mitte der Seiten. In den
Ecken ist  = 0
h

7 Regelmäßiges 1;5113 1;8474 Größte Spannungen in der


Sechseck Mitte der Seiten


2.4 Torsionsbeanspruchung 139

Tab. 2.6 (Fortsetzung)


Wt It Bemerkungen
8 Regelmäßiges 1;4813 1;7264 Größte Spannungen in der
Achteck Mitte der Seiten


P P
9 Dünnwandige 3bmax
bi3 hi 3
bi3 hi Größte Spannungen in der
Profile Mitte der Längsseiten des
Rechteckes mit der
größten Dicke bmax
h1

b1 η 0,99 1,0 1,12 1,17 1,29 1,31


b1 b2

h2
h1
h2

b2
b3

h3

Beispiel 2.28 In welchem Verhältnis stehen die von den beiden skizzierten Kastenträgern
in Abb. 2.117 aufnehmbaren Torsionsmomente T a und T b ? Beide Träger haben dieselben
Abmessungen; der Träger (Abb. 2.117a) ist geschlossen, Träger (Abb. 2.117b) besitzt
einen schmalen Längsschlitz.

Lösung Für beide Träger gilt dieselbe zulässige Spannung:


Ta Tb Ta Wta
t zul D D ! D
Wta Wtb Tb Wtb
Für das geschlossene Profil verwenden wir die Bredt’sche Formel

Wta D 2  Am  s

und setzen die entsprechenden Größen aus der Skizze in der Einheit cm ein:

Wta D 2  .12  0;3/2  0;3 cm3 ) Wta D 82;1 cm3

Das Drillwiderstandsmoment für den geschlitzten Kastenträger ermitteln wir mit Hilfe
der Ziffer 9 aus Tab. 2.6: X
Wtb D  bi3  hi
3bmax
140 2 Einfache Beanspruchungen

a b

3
3 3
Längsschlitz
120

120

60
120 120

Abb. 2.117 Torsion zweier Kastenträger; a geschlossen, b geschlitzt

Der Beiwert berücksichtigt die Querschnittsform. Wir schätzen hier  1. Die Sum-
me wird aus den Produkten Breite hoch drei mal Höhe der einzelnen Profilabschnitte
gebildet. Für h setzen wir hier die jeweilige Länge des Abschnitts und für b die Dicke ein,
wieder in der Einheit cm.

1
Wtb D  .3  0;33  12 C 2  0;33  6/ cm3 D 1;44 cm3
3  0;3

Daraus ergibt sich für das Verhältnis der Torsionsmomente:

Ta 82;1
D  57
Tb 1;44

Der geschlossene Kastenträger kann demnach das 57-fache Torsionsmoment des ge-
schlitzten Trägers aufnehmen. Grundsätzlich sind geschlossene Profile wesentlich torsi-
onssteifer als offene.

Beispiel 2.29 Das U-Profil ist wie dargestellt links wölbfrei fest eingespannt und wird
am rechten Ende durch ein Kräftepaar beansprucht (Abb. 2.118). Wie groß darf die Kraft
F höchstens sein, damit  t zul und ' zul nicht überschritten werden?

Gegeben  t zul = 60 N/mm2 ; ' zul = 2°/m; G = 81.000 N/mm2


Bestimmung von W t gemäß Tab. 2.6, Ziffer 9
Profilaufteilung bei ungleicher Wandstärke bi :

T F a X
tzul D D mit Wt D bi3  hi
Wt Wt 3  bmax
2.4 Torsionsbeanspruchung 141

15 45 60

5
110

100
15

Version 1 Version 2

Version 1 Version 2
P P
Wt1 D 3bmax 3iD1 bi3 D 9520 mm3 Wt2 D 3bmax 3iD1 bi3 D 8773 mm3
 3   3 
D 315
1;12
mm
15  100 C 2  53  60 mm4 D 315
1;12
mm
15  100 C 2  53  60 mm4

tzul  Wt 60 N  9520 mm3


F1 D D D 5440 N
a mm2 105 mm
tzul  Wt 60 N  8773 mm3
F2 D D D 5013 N
a mm2 105 mm
T l al
'D D FGI
GIt t
P 3  3 
It D 3 bi  hi D 1;12
3
15 mm3  110 mm C 2  53 mm3  45 mm D 142:800 mm4
X 1;12  3 
It D bi3  hi D 15 mm3  100 mm + 2  53 mm3  60 mm D 131:600 mm4
3 3
'  G  It 2ı  81:000 N  142.800 mm4   m
F1 D D D 3837;23 N
al m mm2 105 mm  1000 mm 180ı
'  G  It 2ı  81:000 N  131:600 mm4   m
F2 D D D 3543;72 N
al m mm2 105 mm  1000 mm 180ı

60
F
5
105

110

F
15

Abb. 2.118 U-Profil


142 2 Einfache Beanspruchungen

Maßgebend ist der Verdrehwinkel ', d. h. die Kraft darf  3837 N nach Version 1 nicht
überschreiten.
Wäre die Wandstärke des U-Profils gleich, dann ist W t auch gleich:

55 60
5

5
110

100
5

Version 1 Version 2

Version 1 Version 2
P P
Wt2 D 3bmax 3iD1 bi3 D 6160 mm3 Wt2 D 3bmax 3iD1 bi3 D 6160 mm3
 3   3 
D 315 mm 5  110 C 2  5  55 mm
1;12 3 4
D 315 mm 5  110 C 2  5  60 mm
1;12 3 4

Fazit: Da es sich bei der Ermittlung von I t und W t gemäß Tab. 2.6, Ziffer 9, um Nähe-
rungsformeln handelt, sind Abweichungen aufgrund der Profilaufteilung gemäß Version 1
und 2 gegeben, wenn unterschiedliche Wandstärken bi vorliegen. Das heißt die Abwei-
chungen werden umso größer, je mehr sich die Wandstärken bi von Steg und Flanschen
unterscheiden. Aufgrund der zulässigen Spannungen und der vorgesehenen Sicherheiten
spielen diese Unsicherheiten keine maßgebende Rolle. Sind hingegen die Wandstärken bi
der Versionen 1 und 2 gleich, dann sind auch die Werte von I t und W t identisch.

Beispiel 2.30 Zu ermitteln sind das Verhältnis der axialen und polaren Flächenmomen-
te 2. Grades eines Kreises und eines Quadrates bei gleicher Querschnittsfläche (siehe
Abb. 2.119)!
Beide Flächen sollen gleich groß sein; es gilt also:
p
AKreis D   r 2 D AQuadrat D a2 ) a D r  
 4 
Iy Kreis D d D r 4  0;79  r 4
64 4
b  h3 a4 2 4
Iy Quadrat D D D r  0;82  r 4
12 12 12
Iy Kreis 0;79  r 4
  0;96
Iy Quadrat 0;82  r 4
2.4 Torsionsbeanspruchung 143

Abb. 2.119 Axiale und polare


Flächenmomente 2. Grades

r
y y

Lösung Das Drillflächenmoment für ein quadratisches Profil finden wir in Tab. 2.6, Zif-
fer 4.
 4
It Kreis D d D 2  Iy Kreis  1;57  r 4
32
It Quadrat  0;141  a4  0;141   2  r 4  1;39  r 4
It Kreis 1;57  r 4
  1;13
It Quadrat 1;39  r 4
Während das axiale Flächenmoment der Kreisfläche nur geringfügig kleiner ist als das
der Quadratfläche, hat der Kreisquerschnitt ein um 13 % größeres Drillflächenmoment als
der Quadratquerschnitt. Für Wellen als weit verbreitetes Maschinenelement im Maschi-
nenbau ist daher der Kreisquerschnitt gut geeignet, weil meistens sowohl Biegemomente
als auch Torsionsmomente aufgenommen werden müssen.

Beispiel 2.31 (Finn Niklas’ Dreirad) Die Antriebswelle des Dreirades aus S235 hat
einen Durchmesser d = 18 mm. Der Antrieb erfolgt vom Kettenrad auf das linke Hinterrad.
Das rechte Hinterrad ist lose auf der Welle befestigt, überträgt daher keine Drehmomente
(das Dreirad besitzt kein Differenzialgetriebe). Wie groß ist die Torsionsbeanspruchung
der Antriebswelle im normalen Fahrbetrieb und im Extremfall?
Die Radlasten F hl und F hr betragen je 197,7 N.
Abmessungen (siehe Abb. 2.120):

sL = 650 mm; sZ = 430 mm; a = 150 mm; dZ = 70 mm; D = 300 mm

Die Übersetzung von der Tretkurbel zur Kette beträgt i = 1,6:1 in der für die Übertra-
gung der Fußkraft günstigsten Stellung.
Der Fahrwiderstand des Dreirades, der als Umfangskraft am linken Hinterrad aufge-
bracht werden muss, wurde zu F ges = 50 N abgeschätzt.

Lösung Im unteren Bildteil sind die Verläufe des Torsionsmomentes sowie des Biegemo-
mentes aus den Radlasten dargestellt. Wir betrachten hier nur das Torsionsmoment. Wir
144 2 Einfache Beanspruchungen

y a sL a
Kettenrad
F hl F hr
T

D
d
T
sz

dz
F hl F hr

z
T

x
Mb

Abb. 2.120 Hinterachse zu Finn Niklas’ Dreirad

gehen zunächst von normaler Fahrt aus und setzen den Fahrwiderstand als Umfangskraft
am linken Hinterrad an. Damit erhält man das Torsionsmoment zu T = F ges  D / 2 = 7500
Nmm.
Mit den Gln. 2.81 und 2.86 erhält man für die Torsionsspannung:
T 7500 Nmm
t D  3 D  6;6 N=mm2
16
d 1145 mm3

Diese Spannung ist sehr klein. Damit auch bei extremer Belastung die Welle nicht ver-
sagt, überprüfen wir noch die maximale Torsionsspannung. Sie tritt auf, wenn Finn Niklas
mit voller Beinkraft die Tretkurbel belastet und gleichzeitig das linke Hinterrad (Antriebs-
rad) z. B. durch einen vorgelegten Stein oder durch Anziehen der Handbremse blockiert
ist. Die maximale Fußkraft kann man mit der doppelten Gewichtskraft des Fahrers zu etwa
F Fuß,max = 1100 N abschätzen.
Mit der gegebenen Übersetzung beträgt die Umfangskraft am Kettenrad (gleich Zug-
kraft in der Kette) auf der Hinterachswelle
FFuß, max 1100 N
FuZ D D  688 N
i 1;6
und damit das maximale Torsionsmoment

Tmax D FuZ  dz =2  24:080 Nmm:


Spannungen

Normalspannung σ Schubspannung τ

Zug σ z Druck σ d Biegung σ b Schub/Scherung τ s,a Torsion τ t


2.4 Torsionsbeanspruchung

A Fz A Fd F
Mb F T R

l
l

l
l
τa, m =
A
Mb Fq · H ( z )
τ ( x, z ) = gilt für T
Fz Fd M M I ·b ( z ) T
σb · b · b e τt =
σ z = Fz σd = Fd Wb I den Querkraftschub Wt
A A
Durchbiegung w Vereinfachend wird mit der mittleren
σz = E · ε σd = E · ε Größte Torsions-
Größte Biegespannung in Schubspannung τ m gerechnet.
spannung τt max am
∆l ∆l den äußeren Randfasern, in Real: Die größte Schubspannung τmax Außendurchmesser,
σz = E · σd = E ·
l l der neutralen Faser ist σ b= tritt in der Mitte des Querschnitts auf, die Achse ist span-
Konstante Normalspannung über dem 0. wird aber häufig bei der Berechnung nungsfrei.
Querschnitt A, dies trifft nicht auf die Be- Eine Querkraftbiegung vernachlässigt. Am Außenrand ist die Wt aus Tab. 2.6.
reiche im Bauteil zu, wo sich Bohrungen, Ein- führt zusätzlich zur Schub- Schubspannung null.
beanspruchung. D
stiche, Kerben, Krafteinleitungsstellen oder Ausnahme: Kurze Träger (Achs-
Querschnittssprünge befinden (sh. Abb. 2.7). I und Wb aus Tab. 2.3. zapfen), bei denen der Abstand der τtmax
σ bz max Krafteinleitung von der Einspannung

e
Mb innerhalb der Bauteillänge liegt, dann T
σz Fz σd Fd ist die Schubspannung gegenüber der
Biegespannung maßgeblich. τtmax
σbd max

Abb. 2.121 Gegenüberstellung der fünf Grundbeanspruchungsarten


145
146 2 Einfache Beanspruchungen

Damit ist die maximal in der Hinterachswelle auftretende Torsionsspannung

24:080 Nmm
t max D  21 N=mm2 :
1145 mm3
Ob diese Spannung vom Bauteil aufgenommen werden kann, können wir erst ent-
scheiden, wenn wir die Vergleichsspannung ermittelt haben (siehe Kap. 3), die auch die
Biegespannungen in der Welle einbezieht.
Eine Gegenüberstellung der in den Abschn. 2.1–2.4 behandelten fünf Grundbean-
spruchungsarten mit den entsprechenden Eigenschaften der Beanspruchungsarten er-
folgt in Abb. 2.121.

2.5 Verständnisfragen zu Kapitel 2

1. Warum ist in Stäben die Zugspannung konstant?


2. Welche Bedingungen gelten für die Tragfähigkeits- und Bemessungsrechnung?
3. Wenn ein Stab gezogen oder gedrückt wird, wie groß ist dann die Normal- und die
Schubspannung bei einem Winkel unter 45° zur Stabachse?
4. Von welchen Einflussgrößen hängt die Trag- und Reißlänge bei einem Bauteil unter
Eigengewicht ab?
5. Wie wirken sich Wärmespannungen in einem Bauteil aus und wovon ist die Span-
nung abhängig?
6. Welcher Werkstoff ist bei der Ermittlung der Flächenpressung maßgeblich?
7. Warum reißen Behälter, Kessel oder Rohre in erster Linie in Längsrichtung auf?
8. Wovon hängt die Grenzgeschwindigkeit eines frei rotierenden Ringes ab?
9. Ein Balken wird durch eine Querkraft F q belastet. Welche Auswirkungen ergeben
sich für das Balkensystem?
10. Was versteht man unter der neutralen Faser?
11. Wie lautet die Grund-/Hauptgleichung der Biegung?
12. Wovon hängt das Widerstandsmoment eines rechteckigen Balkens ab?
13. Wie kann das (axiale) Flächenmoment 2. Grades erklärt werden?
14. Wozu dient der Steiner’sche Satz und wie lautet er?
15. Wie muss die Umrechnung des Flächenmomentes von einer beliebigen Achse auf
eine andere Achse erfolgen?
16. Beschreiben Sie den Zusammenhang zwischen Schubwinkel und Schubspannung.
17. Warum ist es bei (langen) Biegeträgern ausreichend, mit der mittleren Schubspan-
nung statt mit dem echten Schubspannungsverlauf zu rechnen?
18. Welche Bedeutung hat der Schubmittelpunkt bei unsymmetrischen Profilen?
19. Warum ist der Kreisringquerschnitt ideal zur Übertragung von Torsionsmomenten?
20. Eine Torsionsstabfeder mit Vollkreisquerschnitt aus Stahl soll mit niedriger Feder-
steifigkeit (also hoher Nachgiebigkeit) ausgelegt werden. Wie kann dies erreicht
werden?
2.6 Aufgaben zu Kapitel 2 147

21. Wozu wird die 1. Bredt’sche Formel verwendet?


22. Ein Lkw-Rahmen soll möglichst torsionsweich ausgelegt werden. Es stehen U-Pro-
file und Rohre zur Verfügung. Welche sind grundsätzlich geeigneter?

2.6 Aufgaben zu Kapitel 2

Aufgabe 2.1 Ein aus Stahl und Kupfer bestehender Verbundstab (ESt = 2  ECu =
210.000 N/mm2 ) mit den Querschnitten ASt = ACu / 2 = 1 / 3 cm2 und der Länge 3a = 3 m
soll in die gezeichnete Aussparung zwischen zwei starre Wände eingesetzt werden
(h = 2 mm).

a a a

St Cu St

F F

h/2 Einbauzustand h

3000

a) Wie groß muss die Presskraft F sein, damit der Einbau gelingt?
b) Wie groß sind die Spannungen in den drei Stäben nach dem Einbau?
c) Die Geometrie sei unverändert; jedoch soll die Schrumpfung nicht durch Aufbringen
einer Kraft, sondern durch Temperaturabsenkung erfolgen! Die Ausdehnungskoeffi-
zienten von Stahl und Kupfer sind gegeben: ˛ St = 12  106 K1 , ˛ Cu = 16  106 K1 .
Berechnen Sie die notwendige Temperaturabsenkung, so dass der Stab gerade in die
Aussparung passt.
148 2 Einfache Beanspruchungen

Aufgabe 2.2 Ein Standfuß aus GJL 200 steht auf einem Betonfundament und wird sta-
tisch mit einer Druckkraft F = 800 kN belastet.

a) Wie groß ist der Innendurchmesser di zu wählen, wenn da = 250 mm,  d0,1 = 200 N/mm2
und S = 1,5 ist?
b) Wie groß ist der Durchmesser D1 des Standfußes zu wählen, wenn für das Fundament
eine zulässige Flächenpressung pzul = 7,5 MPa nicht überschritten werden darf?

F
da

di

D1

Aufgabe 2.3 Das dargestellte Rohr steht unter Innendruck. Es ist am rechten Ende fest
mit der Wand verbunden und am linken Ende durch eine Flanschverbindung verschlossen.

Gegeben: pi = 18 bar; da = 160 mm, s = 8 mm.

a) Welche Kraft wirkt auf den Flansch?


b) Wie groß sind die Spannungen im Rohr?

0 0
12
2.6 Aufgaben zu Kapitel 2 149

Aufgabe 2.4 Ein dünnwandiger Stahlring mit einem Außendurchmesser d = 1500 mm


rotiert frei. Bei welcher Drehzahl beginnt der Ring sich plastisch zu verformen (Re =
235 N/mm2 )?

Aufgabe 2.5 Für die in der Abbildung dargestellten Profile sind die Flächenmomente
2. Grades I y und I z bezüglich der Schwerpunktachsen zu berechnen.

100
z
10

10
106
y

16
100 60

Aufgabe 2.6 Ein Gestell hat den skizzierten Querschnitt gemäß folgender Abbildung. Zu
berechnen sind:

a) die Flächenmomente 2. Grades für die y- und z-Achse


b) die Widerstandsmomente für die y- und z-Achse.

600
160 40
z

S
282

350

y y

z
150 2 Einfache Beanspruchungen

Aufgabe 2.7 Ein Hohlträger liegt gemäß Abbildung an beiden Enden frei auf. Bei wel-
cher Länge l geht er aufgrund seines Eigengewichtes zu Bruch?

Gegeben: A = 19.600 mm2 ; q = 1,5 N/mm2 ;  B = 370 N/mm2.

s
A

q s

l
A B

□ 500

Aufgabe 2.8 Das in folgender Abbildung dargestellte zusammengeschweißte Profil wird


durch ein Biegemoment M by belastet.

Gegeben: Mby = 0,6 kNm.


Bestimmen Sie

a) das Flächenmoment 2. Grades des zusammengeschweißten Profils,


b) die Biegespannungen im Profil,
c) den qualitativen Spannungsverlauf,
d) die Biegespannung in Höhe der Schweißnaht.

R 15

z
7,5

x
30

y
Mby
6
8

40
2.6 Aufgaben zu Kapitel 2 151

Aufgabe 2.9 Das dargestellte Strangpressprofil aus AlMgSi1 wird durch eine mittig an-
greifende Kraft belastet.

Gegeben: F = 18 kN; Rm = 325 N/mm2 ; Rp0,2 = 260 N/mm2 ; E-Modul = 70 kN/mm2 .

a) Skizzieren Sie den Biegemomentenverlauf für den Profilträger mit Angabe des größten
Biegemoments!
b) Wie groß ist das axiale Flächenmoment 2. Grades bezogen auf die y-Achse?
c) Wie groß sind die Biegespannungen in den Randfasern?
d) Ist eine ausreichende Sicherheit gegen Fließen gegeben?

100
F z
A

45
120
y
x B
2800
A-B 35

Aufgabe 2.10 Für den einseitig eingespannten Balken  60 × 2000 (s. Abbildung) ist für
die Stellen ①, ② und ③ der Festigkeitsnachweis zu führen, wenn  bzul = 245 N/mm2 nicht
überschritten werden darf.

Gegeben: F = 5 kN.

2000

600 400

□ 25 Ø25 F
□ 60
Ø25

3 2 1
152 2 Einfache Beanspruchungen

Aufgabe 2.11 Ein Bohrgestänge mit kreisförmigem Querschnitt ist bis zu einer Tiefe LE
ins Erdreich vorgedrungen. An der Spitze des Bohrmeißels wirkt das Bohrmoment T. Das
Erdreich übt auf das Gestänge einen konstanten Flächendruck p aus. Der Reibbeiwert zwi-
schen Erdreich und Bohrgestänge ist . Das Bohrgestänge ist insgesamt bis zur Einleitung
des Antriebsmomentes L = 5,5 m lang.

a) Wie groß ist das erforderliche Antriebsmoment?


b) Wie groß ist die maximale Torsionsspannung?
c) Wie groß ist die Verdrehung der Endquerschnitte des Bohrgestänges unter der Annah-
me eines konstanten Reibmomentes?

Gegeben: d = 70 mm; LE = 4 m;  = 0,3; G = 80.000 N/mm2 ; T = 2000 Nm; p=


0,5  105 N/m2 .

q
LE

Aufgabe 2.12 Eine Hohlwelle hat das Durchmesserverhältnis ı = d / D = 0,8. Sie soll eine
Leistung P = 13,1 kW bei einer Drehzahl von n = 250 min1 übertragen. Dabei soll die zu-
lässige Torsionsspannung von  zul = 60 N/mm2 nicht überschritten werden. Zu bestimmen
sind:

a) die erforderlichen Durchmesser D und d


b) die Spannung am Innendurchmesser (auf der Innenseite der Hohlwelle).
2.6 Aufgaben zu Kapitel 2 153

Aufgabe 2.13 Für den skizzierten Drehfederstab ist die Bohrungstiefe a bei gegebenem
Durchmesser d so zu bestimmen, dass sich eine Verdrehung zwischen den Querschnitten A
und B von ' = 10° einstellt. Wie groß ist dabei die maximale Torsionsspannung?

Gegeben: d = 10 mm; D = 20 mm; l = 350 mm; G = 81.000 N/mm2 ; T = 0,6 kNm.

D
d

A B

Aufgabe 2.14 Omnibusse erhalten ein Gerippe aus rechteckigen Stahl-Hohlprofilen. Die
Scheiben werden meist eingeklebt. Dazu wird im Fensterobergurt das im Bild dargestell-
te Spezial-Hohlprofil mit einer Wandstärke von s = 4 mm verwendet. Beim Anheben eines
Rades (z. B. Parken mit einem Rad auf dem Bürgersteig) wird die Bus-Karosserie auf Tor-
sion beansprucht. Dadurch erfährt auch der Fensterobergurt eine Torsionsbeanspruchung.
Das Torsionsmoment wurde zu T = 1,6 kNm berechnet. Wie groß ist die Torsionsspannung
im Fensterobergurt?

Stahl-Hohlprofil

4
80
44

40
60

Klebefuge
Seitenscheibe
154 2 Einfache Beanspruchungen

Aufgabe 2.15 Pkw der Kleinwagen- und unteren Mittelklasse besitzen oft eine nicht
angetriebene Hinterachse als so genannte Verbundlenkerachse. Die Räder werden über
Längslenker (Kasten- bzw. Rohrprofile) geführt. Die Längslenker sind zwischen den La-
gerstellen an der Karosserie durch eine Torsionsfeder verbunden, die beim Wanken der
Karosserie (Drehbewegung um die Längsachse) den Wankwinkel vermindert, indem sie
die Wankfedersteifigkeit erhöht. Sie wirkt also wie ein Stabilisator. Die Torsionsfeder ist
z. B. ein mit einem Öffnungswinkel von 70° gekantetes Stahlblech (V-Profil, siehe Skiz-
ze). Wie groß ist bei einem Verdrehwinkel von ' = 10° die Spannung in dem V-Profil?

Gegeben: Profillänge l = 1200 mm; Schubmodul G = 81.000 N/mm2 .


2.6 Aufgaben zu Kapitel 2 155

Aufgabe 2.16 Das in folgender Abbildung skizzierte stranggepresste Aluminium-Hohl-


profil mit einer Wandstärke von s = 6 mm wird in einer Leichtbau-Konstruktion mit einem
Torsionsmoment T = 2,1 kNm belastet.

a) Wie groß ist die Torsionsspannung?


b) Wie groß ist bei einer Profillänge von 3000 mm der Verdrehwinkel (GAl =
27.000 N/mm2 )? 70
36

70
36
Zusammengesetzte Beanspruchungen
3

In Kap. 2 wurden die fünf Grundbeanspruchungsarten Zug, Druck, Schub, Biegung und
Torsion behandelt. In der Praxis tritt selten eine Spannungsart für sich allein auf. Daher
hat man an einer Schnittstelle in einem Bauteil meistens zwei oder mehr Spannungsarten
gleichzeitig. Man spricht in diesem Fall von zusammengesetzter Beanspruchung. Für das
Versagen eines Bauteils sind dann nicht mehr die Einzelspannungen maßgebend, d. h. ein
Bauteil kann bei zusammengesetzter Beanspruchung auch versagen, wenn alle vorhande-
nen Einzelspannungen kleiner sind als die dafür jeweils zulässigen Spannungen. In diesem
Kapitel werden daher die Berechnungsgrundlagen für Bauteile mit mehreren Spannungs-
arten behandelt.
Zunächst werden einige Beispiele gezeigt (Abb. 3.1, 3.2).

I Gleichartige Spannungen – Normalspannungen und Tangentialspannungen je für


sich – können nach dem Superpositionsprinzip durch algebraische Addition zusam-
mengefasst werden (Abb. 3.3 und 3.4). Dies gilt nur, solange die Beanspruchung im
Hooke’schen Bereich stattfindet, wenn also Spannung und Dehnung proportional sind.

Daraus folgt:
 res =  Zug/Druck +  Biegung (Abb. 3.3)
 res =  Schub +  Torsion (Abb. 3.4)

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 157
K.-D. Arndt et al., Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-26141-2_3
158 3 Zusammengesetzte Beanspruchungen

a F b Ansicht B

F F
A B B

h
l e
b

c F

d
d0
a

F F
F

Abb. 3.1 Beispiele für zusammengesetzte Beanspruchungen. a Beispiel für Zug-, Schub- und Bie-
gebeanspruchung (Balken auf zwei Stützen), b Beispiel für Biegung, Schub und Torsion (einseitig
eingespannter Träger), c Beispiel für Zug, Biegung und Schub (Kranhaken), d Getriebewelle, die
meist auf Biegung, Schub und Torsion beansprucht wird, wobei oftmals noch Zug oder Druck hin-
zukommen

Abb. 3.2 Beispiele für a


zusammengesetzte Bean- F
spruchungen, a schräger
Zug/Druck, b exzentischer
Zug/Druck, c schiefe Biegung,
d exzentische Querkraft b

F
e

F
3.1 Zusammengesetzte Normalspannungen 159

Abb. 3.3 Zusammengesetz-


Mb
te Beanspruchung: Einseitig
eingespannter Träger, belastet F
durch eine Zugkraft F und ein
Biegemoment M b Superpositionsprinzip:
σz σ bd σ min

+ =
σ bz σ max
F M
σz =
A + σb = b
Wb = σres = σ z + σ b

Abb. 3.4 Zusammengesetz- Fq


te Beanspruchung: Einseitig T
eingespannter Träger, belastet
durch eine Querkraft F q und Superpositionsprinzip:
ein Torsionsmoment T τs τtmax τres max

+ =
τs τtmax τres min
Fq T
τs =
A + τt =
Wt = τres = τ s + τ t

3.1 Zusammengesetzte Normalspannungen

Beanspruchung bei Zug oder Druck mit Biegung


Wir betrachten zunächst einen links einseitig eingespannten Balken, der am freien Ende
(rechts) durch eine Biege- und eine Zug- bzw. Druckkraft belastet ist, Abb. 3.5.
In Abb. 3.5a,b treten im eingezeichneten Querschnitt A gleichzeitig ein Biegemoment
M b = F z  x und eine Längskraft F l = F x auf. F x und F z sind dabei z. B. die Komponen-
ten einer schräg angreifenden Kraft F. In Abb. 3.5c,d ergeben sich im Querschnitt A ein
Biegemoment M b = F  a und eine Längskraft F l aufgrund der außermittig angreifenden
Kraft F. Die Schubbeanspruchung durch die Querkraft F z in Abb. 3.5a,b ist vernachläs-
sigbar, wenn die Länge des Balkens l wesentlich größer als die Balkenhöhe h ist. In der
Praxis gilt dies ab etwa l > 10  h.
Die im Balken auftretenden Spannungen lassen sich wie folgt berechnen:

F
Zug- bzw. Druckspannungen: z,d D
A

Mb Mb
Biegezugspannungen: bz D D
O I (3.1)
Wbz e z
160 3 Zusammengesetzte Beanspruchungen

a l x
x σz Zug
z Fz Fz σbz
Fq σz σmax
Fx Fl Fx

ez
A

emax
+ =

z0
ed
Mb A
x σbd σminDruck
b Fz Fz Zug
Fq σbz σd σmin
Fx Fx

ez
A Fl

z0
+ =

ed
Mb A
σbd Druck σmax
c σbz
Fx Fx σz σmax
A Fl Zug
+ =
a

a
A

z0
Mb
σbd σmin
d σbd σmax
Fx Fx σd
A Fl Druck
+ =
a

z0
Mb σbz σmin

Abb. 3.5 Biegung mit Zug oder Druck; a Biegekraft F z und mittige Zugkraft F x ; b Biegekraft F z
und mittige Druckkraft F x ; c außermittige Kraft F als Zug- und Biegekraft; d außermittige Kraft F
als Druck- und Biegekraft

Mb Mb
Biegedruckspannungen: bd D D
O I (3.2)
Wbd e d

I ist dabei das axiale Flächenmoment 2. Grades und ez und ed sind bei unsymmetrischen
Querschnitten die Abstände der Querschnittsränder von der Biegeachse.
Für die Dimensionierung oder den Nachweis eines Balkens interessieren beim Auf-
treten von Biegespannungen die Spannungen am Rand, da diese maximal sind und hier
die zulässigen Spannungen zuerst erreicht werden. Die resultierenden Randspannungen
können wir durch algebraische Addition ermitteln:

Biegung mit Zug: max D bz C z I min D bd C z (3.3)

Biegung mit Druck: max D j  bd  d j I min D jbz  d j (3.4)

Positive Randspannungen sind resultierende Zugspannungen; resultierende Druck-


spannungen treten als negative Randspannungen auf.
Als Festigkeitsbedingung gilt, soweit die Streckgrenze des Werkstoffs der Quetsch-
grenze entspricht:
jmax j  zul (3.5)
3.1 Zusammengesetzte Normalspannungen 161

Durch die Überlagerung von Biegespannungen mit Zug- oder Druckspannungen ver-
schiebt sich die Spannungs-Nulllinie um das Maß z0 . Bei Biegung mit Zug wandert die
Nulllinie zur Biegedruckseite und z0 wird negativ. Ein positives z0 erhalten wir bei Bie-
gung mit Druck; hier verschiebt sich die Nulllinie zur Biegezugseite.
Nach Abb. 3.5a ergibt sich z0 bei Biegezug zu

z
z0 D   ez (3.6)
bz

und für Biegedruck nach Abb. 3.5b erhält man

d
z0 D  ed (3.7)
bd

Für  z >  bd (vgl. Abb. 3.5c) oder  d >  bz (vgl. Abb. 3.5d) liegt die Spannungsnull-
linie außerhalb des Querschnitts. Als resultierende Randspannungen erhält man hier nur
Zug- bzw. nur Druckspannungen.

Beispiel 3.1 Wir untersuchen eine Stütze aus einem I-Profil mit angeschweißtem Kon-
solblech, Abb. 3.6a. Die Stütze wird durch zwei Druckkräfte F 1 und F 2 außermittig be-
lastet, da die Kraft F 2 um die y-Achse des I-Profils (senkrecht zur Zeichnungsebene) ein
Biegemoment erzeugt.

Gegeben Querschnittsfläche A = 53,8 cm2 ; axiales Widerstandsmoment W by = 557 cm3 ;


zul. Spannung  zul = 30 N/mm2
Gesucht ist die maximale Randspannung und ist sie zulässig?

Lösung Die Stütze wird auf Druck durch die beiden Kräfte F 1 und F 2 und auf Biegung
durch das Biegemoment M b = F 2  a beansprucht (Abb. 3.6b).
Die Gesamtspannung in einem Querschnitt in ausreichender Entfernung zur Kraftein-
leitungsstelle und zum Auflager (z. B. Querschnitt B–B) erhält man als Summe aus der
Biege- und der Druckspannung. Die größte Spannung wird entsprechend Abb. 3.5d am
Biegedruckrand auftreten. Da es sich um Druckspannungen handelt, werden sie mit nega-
tivem Vorzeichen berücksichtigt:

max D bd  d

Die Biegespannung ergibt sich zu

Mb F2  a 25 kN  300 mm
bd D D D
Wb Wb 557  103 mm3
N
bd D 13;46 :
mm2
162 3 Zusammengesetzte Beanspruchungen

a F1 = 60 kN F2 = 25 kN b
a = 300 F1 = 60 kN
Mb = F2·a F2 = 25 kN

ez ed
I300- DIN 1025

σd σd

σ bz

z0 σbd

B B
σmax

Abb. 3.6 a Stütze zu Beispiel 3.1, b Druck- und Biegespannungen in der Stütze

Für die Druckspannung erhält man:

F F1 C F2 .60 C 25/  103 N


d D D D
A A 53;8  102 mm2
N
d D 15;8
mm2

Die größte Randspannung, eine Druckspannung, berechnet sich damit zu


N
max D  .13;46 C 15;8/
mm2
N
max  29;26 :
mm2
Die Bedingung jmax j  29;3 mm
N
2 < zul D 30 mm2 wird eingehalten.
N

Die minimale resultierende Randspannung erhalten wir folgendermaßen unter Berück-


sichtigung, dass aufgrund des symmetrischen Profils gilt: jbd j D jbz j.
N
min D bz  d D .13;46  15;8/
mm2
N
min D 2;34
mm2
3.1 Zusammengesetzte Normalspannungen 163

Nach Gl. 3.7 kann jetzt auch die Nulllinienverschiebung z0 ermittelt werden. Das I-
Profil nach Abb. 3.6a hat eine Höhe von 300 mm:
d
z0 D  ed
bd
h 300 mm
ed ez D e D D D 150 mm
2 2
15;8
z0 D  150 mm D 176;08 mm
13;46

Die Spannungsnulllinie liegt also außerhalb des Profilquerschnittes analog zu Abb. 3.5d.

Beispiel 3.2 Ein U-Profil wird außermittig durch eine Druckkraft belastet (Abb. 3.7). Zu
bestimmen sind die Lage des Schwerpunktes der Querschnittsfläche und die maximale
Normalspannung an der Einspannung.

Gegeben: a, F

Lösung Wir berechnen zunächst die Lage des Schwerpunktes im y-z-Koordinatensystem.


Dazu teilen wir die Gesamtfläche des U-Profils in Teilflächen auf, für die die Schwer-
punktlage leicht zu ermitteln ist (Abb. 3.8).
P
zi  Ai 2  A1  3a C A2  a 12a3 C 8a3
zS D D D
Ages 4a C 8a
2 2 12a2
20a3 5
zS D D a .ausgehend vom unteren Rand/
12a2 3

Bezogen auf die Schwerpunktachse in der Höhe zS hat die Kraft F ein Biegemoment

5
Mb D a  F:
3

a 2a a
2a

S
2a

Abb. 3.7 Außermittig belastetes U-Profil in Beispiel 3.2


164 3 Zusammengesetzte Beanspruchungen

Abb. 3.8 Aufteilung des U- z


Profils aus Beispiel 3.2 in Teil-
flächen
A1

yS
A2
y

Zur Berechnung der Biegespannung

Mb
b D e
Iy

fehlt noch das Flächenmoment 2. Grades für die yS -Achse. Dies setzt sich zusammen
aus den Flächenmomenten der Einzelflächen um ihre (Teil-)Schwerpunkte und aus den
Steiner-Anteilen:
Iy D 2  I1 C 2  s12  A1 C I2 C s22  A2

Für Rechteckflächen gilt allgemein für das axiale Flächenmoment 2. Grades:

b  h3
I D
12

Damit erhält man schließlich:


 2  2
a  .2a/3 4 4a  .2a/3 2
Iy D 2  C2 a  2a C
2
C a  8a2
12 3 12 3
16a4 64 32a4 32 48 4 96 4
Iy D C a4 C C a4 D a C a
12 9 12 9 12 9
144a4 C 384a4 528 4 44 4
Iy D D a D a
36 36 3

Setzt man den Abstand des unteren Profilrandes zum Schwerpunkt in die Formel für
die Biegespannung ein, so erhält man die Biegespannung am unteren Rand, in diesem Fall
eine Biegedruckspannung:

5  a  F  3  5a 25  F
bu D D
3  44  a  3
4 132  a2

Durch entsprechendes Einsetzen für den oberen Rand ergibt sich eine Biegezugspan-
nung:
5  a  F  3  7a 35 F
bo D D
3  44  a4  3 132 a2
3.2 Zusammengesetzte Tangentialspannungen 165

Die Druckspannung im Querschnitt berechnet sich zu:

F F
d D D
Ages 12a2

Damit lassen sich die resultierenden Spannungen am unteren und am oberen Profilrand
bestimmen:

25F  11F 36F 3 F


res u D bu  d D 2
D 2
D
132a 132a 11 a2
35F  11F 24F 2 F
res o D bo  d D 2
D 2
D
132a 132a 11 a2

Am unteren Rand ergibt sich eine resultierende Druckspannung, während der obere
Rand eine resultierende Zugspannung aufweist. Die maximale Spannung tritt am unteren
Rand auf:
3 F
max D jres u j D
11 a2

3.2 Zusammengesetzte Tangentialspannungen

Analog zur Behandlung der Normalspannungen in Abschn. 3.1 erfolgt jetzt die Betrach-
tung von Tangentialspannungen. In Abb. 3.9a ist ein einseitig eingespannter Zapfen mit
einer außermittigen Querkraft F q am freien Ende dargestellt. Die Abb. 3.9b,c zeigen die
Belastungen des Zapfens an der Einspannstelle. Neben der Querkraftbeanspruchung, die
zu Schubspannungen (Scherspannungen) führt, ergibt die am Außenradius angreifende
Kraft F q eine Torsionsbeanspruchung (Torsionsspannungen aus dem Torsionsmoment T,
Abb. 3.9c). Die zusätzlich aus der Querkraft herrührende Biegebelastung, das Biegemo-
ment M by in den Abb. 3.9b,c, wird für die Überlegungen hier vernachlässigt. Aufgrund
der geringen Länge des Zapfens ist das zunächst zulässig. Je näher die Schnittebene am
freien Ende liegt, umso geringer ist das Biegemoment.

Abb. 3.9 Beanspruchung az


durch Tangentialspannungen l b c
z z
aus Querkraft und Torsion.
a Seitenansicht, b Stirnan- Mby Mby
sicht und c Berücksichtigung x y y T
des Versatzmomentes von F q
durch T r
Fq Fq Fq
166 3 Zusammengesetzte Beanspruchungen

Die Schubspannungen aufgrund der Torsionsbelastung errechnen sich wie folgt:

T Fq  r
t D D
O
Wt Wt

Diese Spannungen liegen in jedem Punkt des Querschnitts senkrecht auf dem Radius
des betreffenden Punktes, siehe Abb. 3.10a. Sie nehmen vom Rand zum Querschnittsmit-
telpunkt hin linear ab und sind im Mittelpunkt null.
Für die Schubspannungen infolge Querkraft gilt nach Gl. 2.64 allgemein (vgl.
Abschn. 2.3.4):
Fq .x/  H .z/
q .x; z/ D
I b
Abb. 3.10b zeigt die Größe der Schubspannungen aus Querkraft – sie sind parabelför-
mig über dem Querschnitt verteilt mit dem Maximum in Querschnittsmitte. Am oberen
und unteren Rand des Querschnitts (Punkte B und C) sind sie null. Sie liegen in der Quer-
schnittsebene – in Abb. 3.10b also in der Zeichenebene – und weisen hier nach unten. In
Abb. 3.10b sind sie für die Lage des Punktes D und für die Linie A–E eingezeichnet.
Für die Überlagerung der Tangentialspannungen aus Torsion und Querkraft ist zu be-
achten, dass sie aufgrund ihrer von Punkt zu Punkt unterschiedlichen Größe und Richtung
wie Vektoren zu behandeln sind.
Damit erhält man die Schubspannungen für die verschiedenen Punkte des Querschnit-
tes (siehe Abb. 3.10a):

Punkt A: A D q  t
Punkte B und C: q D 0I B,C D t
Punkt D: ED D Et C Eq

a Schubspannungen aus b Schubspannungen


Querkraftum 90° in Höhe Punkt D
τt B geklappt gezeichnet B

τt
90
D
τD
τq
τt
τq
E E
A A
τt
τq

C τt C Schubspannungen
auf Linie A-E

Abb. 3.10 Überlagerung von Schubspannungen aus Torsion (a) und Querkraft (b)
3.3 Zusammengesetzte Normal- und Tangentialspannungen 167

In Punkt E tritt die maximale Schubspannung auf, da hier  t und  q dieselbe Richtung
haben. Die Schubspannung aus Querkraft erreicht hier den Maximalwert nach Gl. 2.72.

Fq  r 4 Fq
max D E D C
Wt 3A

Für die Dimensionierung eines entsprechend Abb. 3.9a belasteten Bauteils ist diese
Schubspannung maßgebend, falls wie hier vorausgesetzt, die Biegespannungen vernach-
lässigbar sind. Die Vorgehensweise beim gleichzeitigen Auftreten von Normal- und Tan-
gentialspannungen wird in den folgenden Abschnitten behandelt.

3.3 Zusammengesetzte Normal- und Tangentialspannungen

In der Praxis treten Normal- und Tangentialspannungen oft gleichzeitig auf, z. B. bei
Antriebs- und Getriebewellen, die meist auf Biegung und Torsion (und auch durch
Längs- und Querkräfte) beansprucht werden. Da Normal- und Tangentialspannungen
unterschiedliche Richtungen haben, dürfen die verschiedenartigen Spannungen nicht für
sich gegen die zulässigen Spannungen geprüft werden. Damit ist der getrennte Vergleich

max  zul und max  zul

nur für Überschlagsrechnungen, nicht jedoch als Spannungsnachweis zulässig!


Auch die geometrische Addition der verschiedenen Spannungsarten gibt keine brauch-
bare Aussage über die Haltbarkeit eines Bauteils. Es ist bis heute nicht theoretisch eindeu-
tig geklärt, durch welche Beanspruchung bei einem mehrachsigen Spannungszustand ein
Versagen des Werkstoffs auftritt. Eine praxisgerechte Lösung bietet hier das Vergleichs-
spannungsprinzip, bei dem ein mehrachsiger Spannungszustand in einen vergleichbaren,
d. h. beanspruchungsgleichen einachsigen Spannungszustand umgerechnet wird. Aller-
dings verhalten sich bei mehrachsigen Spannungszuständen die verschiedenen Werkstoffe
nicht gleich, so dass für das Versagen von Bauteilen je nach verwendetem Werkstoff un-
terschiedliche Vergleichsspannungshypothesen entwickelt wurden, siehe Abschn. 3.4.

Zweiachsiger Spannungszustand
Ein Stab, der durch eine Längskraft (Zug- oder Druckkraft) belastet wird, unterliegt einem
einachsigen Spannungszustand. Es treten nur Spannungen in einer Achsenrichtung, hier
in Längsrichtung (Abb. 3.11), auf.

Abb. 3.11 Einachsiger Span- σx σx


nungszustand
F F
168 3 Zusammengesetzte Beanspruchungen

In der Praxis überwiegt der zweiachsige, ebene Spannungszustand. Dabei treten zwei
oder mehr Spannungen in einer Ebene auf. Dies ist z. B. der Fall bei Biegung mit Torsi-
on oder bei zwei zueinander senkrechten Normalspannungen. Die Schnittflächen parallel
zur Wirkungsebene dieser Spannungen sind spannungsfrei, z. B. bei Blechelementen, sie-
he Abb. 3.12. Alle Spannungen liegen in der x-y-Ebene, d. h. es gibt keine Spannungen
senkrecht zur Zeichenebene.
Für die Schubspannungen gilt folgende Vereinbarung für die Indizes: Der erste Index
gibt die Ebene an, in der  angreift; x bezeichnet z. B. die Ebene senkrecht zur x-Achse.
Der zweite Index gibt die Richtung von  an.  xy steht demnach für eine Schubspannung,
die in einer Ebene senkrecht zur x-Achse liegt und in Richtung der y-Achse verläuft.
Es gilt der Satz der zugeordneten Schubspannungen (vgl. Abschn. 2.3.2):

xy D yx D
O 

Auf die Darstellung eines dreiachsigen (räumlichen) Spannungszustands wird hier ver-
zichtet. Es sei nur angemerkt, dass sich dabei Normal- und/oder Tangentialspannungen
in drei zueinander senkrechten Ebenen überlagern. Es treten also Spannungen in allen
sechs Flächen eines Quaderelements auf. Räumliche Spannungszustände ergeben sich in
Bauteilen im Bereich von Kerben (z. B. Ringnuten, Passfedernuten, Bohrungen) und von
Schweißnähten sowie in der Nähe von Kraft-Einleitungs- und -Umleitungsstellen.
Wir kommen zurück zum zweiachsigen Spannungszustand und schneiden den Qua-
der aus Abb. 3.12 unter einem Winkel ˛. Auf die Schnittebene legen wir ein neues - -
Koordinatensystem, Abb. 3.13.
In diesem Koordinatensystem unter dem Winkel ˛ zur x-Achse treten ebenfalls Nor-
malspannungen  ˛ senkrecht zur Schnittebene und Tangentialspannungen  ˛ in der
Schnittebene auf. Diese Spannungen werden wir berechnen und schließlich einen Win-
kel ˛ bestimmen, für den die Normalspannung maximal ist. Damit haben wir dann die
Größe und die Richtung der so genannten Hauptspannungen im Quaderelement bestimmt.

Abb. 3.12 Ebener Spannungs-


zustand
3.3 Zusammengesetzte Normal- und Tangentialspannungen 169

Abb. 3.13 Geschnittenes Fy


Quaderelement und neues
Koordinatensystem auf der Fx
Fx
Schnittfläche α

Fy

η
y

ζ
Fx
α
x
Fy

Einerseits kennen wir damit die maximale Normalspannung, die ein Bauteil beansprucht.
Bei faserverstärkten Kunststoff-Bauteilen, die z. B. im Flugzeug- und Fahrzeugbau aus
Gewichtsgründen eingesetzt werden, kennen wir dann auch die Hauptbeanspruchungs-
richtung und können so die Richtung der Fasern in der Kunststoffmatrix festlegen.
Faserverstärkte Bauteile haben in Richtung der Fasern hohe Festigkeit, aber quer dazu nur
geringe, da hier allein die erheblich niedrigere Festigkeit der Kunststoffmatrix maßgebend
ist. Treten Spannungen unter verschiedenen Richtungen auf, muss z. B. ein entsprechend
ausgerichtetes Fasergewebe einlaminiert werden.
Auch bei Umformvorgängen, z. B. beim Tiefziehen von Blech bei der Herstellung von
Karosserieteilen für Automobile, wird die Blechplatine je nach Form des Presswerkzeugs
mehrachsig beansprucht. Hierbei interessieren die Größe der maximalen Spannung und
die Richtung, um z. B. das Entstehen von Rissen im Blech beim Umformen zu vermeiden.
Abb. 3.14a zeigt den geschnittenen Quader mit den auftretenden Spannungen; in
Abb. 3.14b sind die aus den Spannungen resultierenden Kräfte (Spannungen multipli-
ziert mit den zugehörigen Flächen) dargestellt. Die schräg liegende Schnittfläche hat die
Größe A.

Abb. 3.14 Geschnittenes Teil- a Spannungen: b ζ Kräfte:


element mit angetragenen A·sinα
Spannungen (a) und Kräf- σα σα ·A A η
τα τ α·
ten (b)
σx
σx·A·sinα
τ xy·A·sinα

τxy
α τyx α
A·cosα τyx·A·cosα
σy
σy·A·cosα
170 3 Zusammengesetzte Beanspruchungen

Wir bilden jetzt das Kräftegleichgewicht in den Achsenrichtungen des - -Koordina-


tensystems (Abb. 3.15).
X
F D0
) ˛  A  x  A  sin ˛  sin ˛  y  A  cos ˛  cos ˛
 yx  A  cos ˛  sin ˛  xy  A  sin ˛  cos ˛ D 0
 
) ˛ D x  sin2 ˛ C y  cos2 ˛ C yx C xy  sin ˛ cos ˛ (3.8)
X
F D0
) ˛  A  xy  A  sin ˛  sin ˛ C yx  A  cos ˛  cos ˛
C x  A  sin ˛  cos ˛  y  A  cos ˛  sin ˛ D 0
 
) ˛ D y  x  sin ˛ cos ˛ C xy  sin2 ˛  yx  cos2 ˛ (3.9)

Mit den Gln. 3.8 und 3.9 können jetzt die Spannungen am geschnittenen Quader be-
rechnet werden. Wir können diese beiden Gleichungen aber noch vereinfachen.
Nach dem Satz der zugeordneten Schubspannungen ist xy D yx .
Außerdem gelten folgende trigonometrische Beziehungen:

1  cos 2˛
sin2 ˛ D cos2 ˛  sin2 ˛ D cos 2˛
2
1 C cos 2˛
cos ˛ D
2
2 sin ˛  cos ˛ D sin 2˛:
2

sα σx A·sinα
σ xA

·co
inα
τxy A·sinα

A·s α sα
·sin

α ·co
τ xy ·sin
α·

σ xA
inα
sinα

α
in α ·s
Α A·s
ζ σα

η τ xy τ yx A·cosα
σ yA

•Α sα
τ α α ·co
·co

α sα
σyA·cosα

·sin ·co

sα A
·co
co

x
A τy

α τy x
α
sin

co

σy
ΣFζ = 0: σα ·Α− σx A·sinα·sinα − σy A·cosα·cosα−τ yx A·cosα·sinα − τxy A·sinα·cosα
ΣFη = 0: τα ·Α −τxy A·sinα·sinα + τ yx A·cosα·cosα + σx A·sinα·cosα − σy A·cosα·sinα

Abb. 3.15 Komponenten der angreifenden Kräfte am geschnittenen Quaderelement


3.3 Zusammengesetzte Normal- und Tangentialspannungen 171

Damit erhält man aus den Gln. 3.8 und 3.9:


y C x y  x
˛ D C  cos 2˛ C yx  sin 2˛ (3.10)
2 2
y  x
˛ D  sin 2˛  yx  cos 2˛ (3.11)
2
Mit diesen Beziehungen Gln. 3.10 und 3.11 ist es uns gelungen, die Normal- und die
Tangentialspannung in der Schnittebene des unter dem Winkel ˛ geschnittenen Quader-
elements zu bestimmen. Wie schon eingangs gesagt, wird die maximale Normalspannung
gesucht bzw. der Winkel ˛, für den die Normalspannung maximal wird. Dazu leiten wir
die Gl. 3.10 für die Normalspannung  ˛ nach ˛ ab und setzen die Ableitung null:

d ˛ y  x
D 2  sin 2˛ C 2yx  cos 2˛ D 0
d˛ 2
Der Winkel, für den die Normalspannung maximal wird, d. h. für den die Ableitung
nach Gl. 3.12 null ist, wird Hauptachsenwinkel ˛ h genannt (mit Index „h“ für Hauptach-
se).
y  x
  sin 2˛h C yx  cos 2˛h D 0 (3.12)
2
Über den allgemeinen trigonometrischen Zusammenhang
sin ˛
tan ˛ D
cos ˛
erhält man schließlich aus Gl. 3.12 für den Hauptachsenwinkel:
2yx 1 2yx
tan 2˛h D I ˛h D arctan (3.13)
y  x 2 y  x

Aus der Beziehung

tan 2˛h D tan .2˛h C 180ı / D tan 2 .˛h C 90ı /

lässt sich erkennen, dass die Extremwerte der Normalspannung für ˛ h und ˛ h + 90° auf-
treten, d. h. die Achsen für  min und  max stehen senkrecht aufeinander.
Zur Bestimmung der maximalen und der minimalen Spannung verwenden wir folgende
trigonometrische Beziehungen
tan 2˛ 1
sin 2˛ D p I cos 2˛ D p
1C tan2 2˛ 1 C tan2 2˛
und erhalten schließlich:
r
y C x y  x 2
 max D ˙ C yx
2
min 2 2 (3.14)
 D0
172 3 Zusammengesetzte Beanspruchungen

Für die Hauptachsen des ebenen Spannungszustandes gilt:

 Die Normalspannung  erreicht für eine Hauptachse ein Maximum.


 Die Normalspannung  für die dazu senkrechte Achse ist minimal.
 Die Tangentialspannung  ist null.

Für das Problem der Ermittlung der Hauptspannungen und Hauptachsen bei einem
ebenen Spannungszustand hat Mohr1 eine grafische Lösung angegeben, die nach ihm
„Mohr’scher Spannungskreis“ genannt wird. Um diese grafische Methode zu entwi-
ckeln, betrachten wir nochmals die Gln. 3.10 und 3.11 für die Spannungen im unter dem
Winkel ˛ geschnittenen Quaderelement:

y C x y  x
˛  D  cos 2˛ C yx  sin 2˛ (3.15)
2 2
y  x
˛ D  sin 2˛  yx  cos 2˛ (3.16)
2
Diese beiden Gleichungen werden quadriert. Aus Gl. 3.15 wird dann
 
y C x 2  y  x 2 2 y  x
˛  D cos 2˛ C 2  cos 2˛  yx  sin 2˛ C yx
2
 sin2 2˛
2 2 2

und für Gl. 3.16 erhalten wir:


    2 y  x
y x
˛2 D sin2 2˛  2 sin 2˛  yx cos 2˛ C yx
2
 cos2 2˛
2 2

Beide Gleichungen werden addiert:


      2
y C x 2 y x
˛  C ˛2 D C yx
2
2 2

Das Ergebnis hat die Form einer Kreisgleichung und stellt den schon erwähnten
„Mohr’schen Spannungskreis“ dar. Dieser Kreis hat die Mittelpunktskoordinaten
ˇ
y C x ˇˇ
M 0 (3.17)
2 ˇ

und den Radius r


y  x 2
rD C yx
2 : (3.18)
2

1
Christian Otto Mohr (1835–1918), deutscher Eisenbahn-Ingenieur, Baustatiker und Hochschulleh-
rer an den TH Stuttgart und Dresden.
3.3 Zusammengesetzte Normal- und Tangentialspannungen 173

τ σ M =½(σ y + σ x)

E
x
A
σ ma 45°
90
Normalspannungen

σy
Hauptachsen der

τ max
n
σ mi τyx

τ yx
n
σ mi
C αh G 2α h F τ xy σx
0
M D σ σx τ xy
σmin σ max

τ xy
τyx
σy
σx σy
B
σmax
½(σ y - σ x)

Abb. 3.16 Mohr’scher Spannungskreis

Abb. 3.16 zeigt den Mohr’schen Spannungskreis in einem  --Koordinatensystem.


Nach Gl. 3.17 können zunächst die Mittelpunktskoordinaten berechnet und der Mittel-
punkt M des Kreises auf der  -Achse eingezeichnet werden. Man erhält den Punkt F auf
der  -Achse als Ende der gegebenen Spannung  y und den Punkt G als Endpunkt der
gegebenen Spannung  x .
Mit der gegebenen Tangentialspannung  yx , die in F nach oben und in G nach un-
ten eingetragen wird, findet man die Punkte A und B und damit den Durchmesser des
Kreises als Strecke AB. Der Schnittpunkt C des Kreises mit der waagerechten Achse
legt die minimale Hauptspannung  min fest und im Punkt D findet man die maximale
Hauptspannung  max . Die Verbindung AC bildet mit der waagerechten Achse den Haupt-
achsenwinkel ˛ h . Die Gerade AC gibt die Richtung von  min an. Senkrecht dazu verläuft
die Richtung von  max . Trägt man an der Geraden AC im Punkt A einen Winkel von 45°
an, findet man mit der Geraden AE (und der dazu Senkrechten) auch die Richtung der
größten Schubspannung  max .
Aus Abb. 3.16 kann man folgende Beziehungen für die Hauptspannungen  max und
 min ablesen: r
y C x y  x 2
max D M C r D C C yx
2 (3.19)
2 2
r
y C x y  x 2
min D M  r D  C yx
2 (3.20)
2 2
174 3 Zusammengesetzte Beanspruchungen

Abb. 3.17 Quadrantenregel für τ


den Mohr’schen Spannungs- A
kreis
2. Quadrant 1. Quadrant
τyx > 0 τyx > 0
σy < σx σy > σx
C αh D
σ
3. Quadrant 4. Quadrant
τ yx < 0 τ yx < 0
σy < σx σy > σx

Die Größe der maximalen Tangentialspannung kann man analog zur Vorgehensweise
für die Ermittlung der maximalen Normalspannung durch Differenziation der Gl. 3.11
berechnen:
d ˛
D0

r
y  x 2
max D C C yx
2 DO r (3.21)
2
Die maximale Tangentialspannung im Hauptachsensystem entspricht dem Radius des
Mohr’schen Spannungskreises, d. h. nach Abb. 3.16

max  min
max D : (3.22)
2

Der Winkel ˛  ist um 45° größer als der Hauptachsenwinkel:

˛ D ˛h C 45ı (3.23)

Damit erreichen die Schubspannungen unter 45° zur Hauptachse ein Maximum.
Da die tan-Funktion mehrdeutig ist, entstehen bei der Bestimmung der Lage der Haupt-
achsen leicht Fehler. Bei Betrachtung der Zuordnung von  y,  yx und  x,  xy sind vier
Kombinationen möglich. Mithilfe der Quadrantenregel (Abb. 3.17) kann man sehr schnell
die Lage des Punktes A auf dem Mohr’schen Spannungskreis und die Richtung der max.
und min. Hauptachse bestimmen.

Beispiel 3.3 Gegeben sind für einen ebenen Spannungszustand die Normalspannungen
 x = 40 N/mm2 und  y = 80 N/mm2 sowie die Tangentialspannung  yx = 34,6 N/mm2 . Ge-
sucht sind die Größe und Richtung von  max ,  min und  max .
3.3 Zusammengesetzte Normal- und Tangentialspannungen 175

Lösung Zunächst werden die gesuchten Größen grafisch ermittelt. Dazu konstruieren wir
den Mohr’schen Spannungskreis. Wir tragen die gegebenen Spannungen  x = 40 N/mm2
(Punkt G) und  y = 80 N/mm2 (Punkt F) auf der waagerechten Achse auf. In F und G
zeichnen wir senkrecht nach oben bzw. unten die Tangentialspannung  yx = 34,6 N/mm2
ein. Mit den Punkten A und B haben wir als Strecke AB den Durchmesser sowie als
Schnittpunkt der Geraden AB mit der waagerechten Achse den Mittelpunkt M gefunden.
Wir können dann die Hauptspannungen aus Abb. 3.18 ablesen:

max D 100 N=mm2 I min D 20 N=mm2 I max D 40 N=mm2

Die Linie AC gibt eine Richtung der Hauptachse der Normalspannungen vor; die zweite
liegt senkrecht dazu. Die Linie AE legt die Richtung der Achse der Tangentialspannungen
fest; auch hier steht die zweite Achse senkrecht auf der ersten.
Als zweites ist auch eine rechnerische Lösung mit Hilfe der Gln. 3.19 und 3.20 mög-
lich. r
y C x y  x 2
 max D ˙ C yx
2
min 2 2
s
   
80 C 40 N 80  40 2 N
D ˙ C 34;62
2 mm2 2 mm2
 q 
N N
D 60 ˙ 20 C 34;6
2 2
 .60 ˙ 40/
mm2 mm2
N N
max  100 min  20
mm2 mm2

Abb. 3.18 Grafische Lösung Hauptachsen der Normalspannungen


im Mohr’schen Spannungs-
τ Hau
kreis für Beispiel 3.3 Tang ptachsen
entia
N/mm2 lspan der
nung
en
50
E
40 A
90
45°
30 x
σ ma
τ max

20 σmin
τ yx

10 σ min
C αh G 2α h F
0
10 30 M 70 90 D 110 N/mm2 σ
–10 σmin x
σma
τ xy

–20 σy
–30 σx
–40 B
σ max
–50
176 3 Zusammengesetzte Beanspruchungen

Die maximale Schubspannung ergibt sich nach Gl. 3.22:


max  min N
 max D  40
2 mm2

Für die Hauptachsenwinkel erhält man nach Gl. 3.13:


2yx 2  34;6 69;2
tan 2˛h D D D I 2˛h D arctan 1;73  60ı
y  x 80  40 40

Da die Arcus-Tangens-Funktion nicht eindeutig ist, liefert die Gl. 3.13 nur eine Haupt-
achsenrichtung; die zweite steht senkrecht dazu:

˛h1 D ˛h  30ı ˛h2  120ı bzw.  60ı

Dies gilt analog auch für den Winkel der Tangentialspannungsrichtung:


y  x 80  40 40
tan 2˛ D  D D I 2˛ D arctan .0;578/  30ı
2yx 2  34;6 69;2
˛1  15ı ˛2 D ˛h C 45ı D 30ı C 45ı D 75ı D ˛1 C 90ı

Die rechnerischen Ergebnisse stimmen im Rahmen der Zeichengenauigkeit mit den


zeichnerischen überein.
Abb. 3.19 zeigt vier Sonderfälle des Mohr’schen Spannungskreises, wobei jeweils
links das Element mit den eingeprägten Spannungen, in der Mitte der Mohr’sche Span-
nungskreis und rechts das um 45° gedrehte Element dargestellt sind:

a) Einachsiger Zug (wie er z. B. beim Zugversuch auftritt, Abb. 3.19a) – der Spannungs-
kreis berührt die senkrechte Achse von rechts. Der Hauptachsenwinkel hat für  yx = 0
nach Gl. 3.13 den Wert ˛ h = 0. Am unter 45° gedrehten Element können wir die größ-
ten auftretenden Schubspannungen erkennen, da sie nach Gl. 3.23 unter einem Winkel
von 45° zu den Normalspannungen auftreten. Ihre Größe ergibt sich nach Gl. 3.11 für
 x =  und  y = 0 sowie ˛ = 45° zu  ˛ =  / 2.
b) Einachsiger Druck – der Spannungskreis berührt die senkrechte Achse von links,
Abb. 3.19b. Mit  x =  erhält man die am um 45° gedrehten Element eingezeichne-
ten Spannungen.
c) Allseitiger Schub – der Mittelpunkt des Spannungskreises liegt im Ursprung,
Abb. 3.19c. Für die Normalspannung am 45° gedrehten Element ergibt sich mit
 x =  y = 0 und  yx =  sowie ˛ = 45° der Wert  ˛ = .
d) Allseitiger Druck (dieser Fall entspricht z. B. der Belastung eines Steins unter Wasser,
Abb. 3.19d) bzw. allseitiger Zug – der Mohr’sche Spannungskreis entartet zu einem
Punkt auf der waagerechten Achse, denn nach Gl. 3.18 ist für  x =  y =  und  yx = 0
der Radius r = 0. Unter 45° ist nach Gl. 3.10  ˛ =  und nach Gl. 3.11 ergibt sich
 ˛ = 0.
3.3 Zusammengesetzte Normal- und Tangentialspannungen 177

a Einachsiger Zug
τ
σ /2 σ /2 σ /2
y
σ σ /2 σ /2 = τ max
45°
σ x σ σ /2 σ σ /2 σ /2 = τ max
σ /2 σ /2

b Einachsiger Druck
τ
σ /2 σ /2 σ /2 σ /2
y
σ σ /2
45°
σ x σ σ

σ /2 σ /2 σ /2 σ /2 σ /2

c Reiner Schub
τ
τ σ σ =τ
y
τ τ 45°
x τ

τ σ σ = −τ

d τ
σ (allseitiger allseitiger
Druck) Zug σ σ
y
45°
σ x σ σ
σ σ
σ

Abb. 3.19a–d Sonderfälle des Mohr’schen Spannungskreises

Beispiel 3.4 Die gebrochene Schraubenfeder eines Pkws zeigt eine Bruchfläche unter
45° zur Windungsachse (siehe Abb. 3.20). Erläutern Sie, warum der Bruch unter diesem
Winkel aufgetreten ist.

Lösung Schraubenfedern werden auf Torsion beansprucht, da es sich bei ihnen um ge-
wundene Torsionsstabfedern handelt [10, S. 325]. Wir zeichnen den Mohr’schen Span-
nungskreis für diesen Sonderfall der Beanspruchung (siehe auch Abb. 3.19c).
178 3 Zusammengesetzte Beanspruchungen

Abb. 3.20 Gebrochene


Schraubenfeder zu Beispiel 3.4

Aus dem Mohr’schen Spannungskreis, Abb. 3.21, entnimmt man die Größe der Haupt-
spannung:
max D yx D t (Zugspannung)

Mit Gl. 3.19 können wir die Hauptspannung  max auch rechnerisch ermitteln und er-
halten dasselbe Ergebnis. Ebenso ergibt sich aus Gl. 3.13 der Hauptachsenwinkel zu 45°.
Auf der um 90° gedrehten Hauptspannungsrichtung tritt  min auf. Diese Normalspan-
nung ist bei gleichem Betrag entgegengesetzt wie  max gerichtet; es handelt sich also
um eine Druckspannung. Betrachten wir ein Rechteckelement auf der Außenseite des
Federdrahtes, so liegt die Hauptspannung  max unter 45° zur Drahtachse, so dass bei tor-
sionsbeanspruchtem, vergütetem Federdraht ein Bruch in der Hauptachsenrichtung üblich
ist (90° zur maximalen Hauptspannung  max ).

a τ
A
τt

2α h
b Hauptspannungs- Richtung der
αh richtung Bruchfläche

C σmin = − σmax M σmax D σ τt


σmax
T τt τt T
d

σmax
τt τt
B

Abb. 3.21 Mohr’scher Spannungskreis (a) und Hauptspannungen (b) im Draht zu Beispiel 3.4
3.4 Vergleichsspannungshypothesen 179

3.4 Vergleichsspannungshypothesen

Vergleichsspannungshypothesen versuchen die Frage zu klären, wann bei mehrachsigen


Spannungszuständen ein kritischer Spannungszustand erreicht wird. Grundgedanke aller
Vergleichsspannungshypothesen ist, die Wirkung eines mehrachsigen Spannungszustan-
des auf eine einachsige Normalspannung zurückzuführen. Dazu wird eine gleichwertige
einachsige Vergleichsspannung  v gebildet (Abb. 3.22). Diese errechnete (fiktive) Ver-
gleichs(normal)spannung  v wird mit der zulässigen Normalspannung  zul verglichen.
Als Spannungsnachweis wird  v   zul geprüft.
Für die Sicherheit eines Bauteils ist maßgebend:

 die Art der Beanspruchung,


 die Art des möglichen Versagens.

Aus den unterschiedlichen Beanspruchungs- und Versagensarten wurden zahlreiche


theoretische Modelle für Festigkeits- oder Bruchhypothesen abgeleitet. Es existiert bis
heute keine allgemein gültige und für alle Beanspruchungs- und Versagensarten gleicher-
maßen geltende Theorie.
Drei Hypothesen haben sich herausgebildet, deren Brauchbarkeit durch Versuche und
Praxis bestätigt wurden:

I
1. die Normalspannungshypothese (NH)
2. die Schubspannungshypothese (SH) und
3. die Gestaltänderungsenergiehypothese (GEH).

Im Folgenden werden diese Hypothesen und ihre Einsatzbereiche der Reihe nach be-
handelt.

σy

τyx τxy gleichwertig


τ xy
σx σv σv
τ yx

σy
mehrachsiger Spannungszustand einachsiger Spannungszustand

Abb. 3.22 Grundgedanke der Vergleichsspannungshypothesen


180 3 Zusammengesetzte Beanspruchungen

3.4.1 Hypothese der größten Normalspannung (NH)

Nach der Normalspannungshypothese2 tritt ein Versagen bei mehrachsiger Beanspru-


chung ein, wenn – unabhängig von den anderen Spannungen – die (größte) Haupt-
spannung  max einen Grenzwert erreicht (Bruchfestigkeit).  max ergibt sich aus dem
Mohr’schen Spannungskreis nach Gl. 3.19 mit:
r
y C x y  x 2
max D C C yx
2 D 
v zul (3.24)
2 2

Für den Fall, dass nur Biegung und Torsion als Belastung vorhanden sind, gilt: x = 0;
 y =  b und  yx =  t . Daraus folgt:
 q 
1
v D b C b C 4t  zul
2 2
(3.25)
2

Die Hypothese der größten Normalspannung liefert eine brauchbare und gute Überein-
stimmung zwischen Versuch und Berechnung bei (überwiegend ruhender) Beanspruchung
von Werkstoffen, welche mit Trennbruch ohne Fließen versagen

 spröde Werkstoffe (Grauguss, martensitische Stähle, Schweißnähte)


 spröde oder zähe Werkstoffe bei stoßartiger Beanspruchung
 duktile Werkstoffe infolge Versprödung bei tiefen Temperaturen.

Beispiel 3.5 In einer auf Zug und Torsion beanspruchten martensitisch gehärteten Welle
aus 41Cr4 treten folgende Spannungen auf:

x D 450 N=mm2 und t D 300 N=mm2

Die Zugfestigkeit beträgt Rm = 2000 N/mm2 . Wie groß ist die Sicherheit gegen Bruch?

Lösung Anwendung der Normalspannungshypothese,  y = 0.


 q 
1 1 p  N N
v D x C x2 C 4t2 D 450 C 4502 C 4  3002 2
D 600
2 2 mm mm2
N
Rm 2000 mm 2
SB D D N
D 3,33  2, die Sicherheit gegen Bruch ist gegeben.
v 600 mm 2

2
Sie wurde erstmals 1861 von dem schottischen Ingenieur und Physiker William John Macquorn
Rankine (1820–1871) formuliert.
3.4 Vergleichsspannungshypothesen 181

3.4.2 Hypothese der größten Schubspannung (SH)

Die Schubspannungshypothese – auch Hypothese nach Tresca3 genannt – geht davon aus,
dass ein Versagen (bei räumlicher Beanspruchung) durch Schubspannungen ausgelöst
wird.  max ergibt sich aus dem Mohr’schen Spannungskreis (Abb. 3.16):
q r
y  x 2
max D
O M F 2 C AF 2 D C yx
2
2
max  min
mit max D
2
Aus dem Zugversuch (Abschn. 2.1.1) hatte sich ergeben, dass die maximale Schub-
spannung unter einem Winkel von 45° auftritt und halb so groß wie die Normalspannung
ist:
v
max D I v D 2  max
2
Daraus ergibt sich für die Vergleichsspannung:
r
y  x 2
zul  v D 2  C yx
2 (3.26)
2
q
 2  2
D y  x C 2yx (3.27)
q
 2
D y  x C 4yx 2 (3.28)
Bei Biegung und Torsion gilt:  x = 0;  y =  b und  yx =  t
q
zul  v D b2 C 4t2 (3.29)

Die Hypothese der größten Schubspannung liefert eine brauchbare Übereinstimmung


zwischen Versuch und Berechnung bei (überwiegend ruhender) Beanspruchung von zä-
hen (duktilen) Werkstoffen mit ausgeprägter Streckgrenze (großer plastischer Ver-
formbarkeit), welche durch Fließen (Gleitbruch) versagen sowie auch spröde Werkstoffe
unter Druckbeanspruchung. Im Vergleich zur Gestaltänderungsenergiehypothese (GEH)
kommen etwas größere Werte und damit eine etwas größere Sicherheit heraus.

Beispiel 3.6 In einem auf Zug und Torsion beanspruchten Bolzen aus einem duktilen
Vergütungsstahl treten folgende Spannungen auf:

x D 350 N=mm2 und t D 200 N=mm2 :

Die Streckgrenze beträgt Re = 700 N/mm2 . Wie groß ist die Sicherheit gegen Fließen?

3
Henri Édouard Tresca (1814–1885), französischer Ingenieur. Neben der Entwicklung der Schub-
spannungshypothese war Tresca auch an der Gestaltung des Urmeters in Paris beteiligt.
182 3 Zusammengesetzte Beanspruchungen

Lösung Anwendung der Schubspannungshypothese,  y = 0


q q
 2 N N
v D y  x C 4t D .350/2 C 4  2002
2
D 531,5
mm2 mm2
N
Re 700 mm 2
SF D D N
D 1;32  1,5, die Sicherheit gegen Fließen ist nicht gegeben.
v 531;5 mm2

3.4.3 Hypothese der größten Gestaltänderungsenergie (GEH)

Der Ansatz der Gestaltänderungs(energie)hypothese – auch Mises4 -Hypothese genannt –


ist, dass ein Versagen (bei räumlicher Beanspruchung) auftritt, wenn die Gestaltände-
rungsenergie (auch Gestaltänderungsarbeit) einen Grenzwert erreicht.
Wird ein Bauteil belastet, so wird bei der Formänderung des Bauteils Arbeit verrichtet
(Energie verbraucht): die Formänderungsarbeit/-energie (siehe auch Abschn. 1.5).
Diese Formänderungsenergie W F ist aufteilbar in:

 Volumenänderungsenergie W V
 Gestaltänderungsenergie W G

mit: W F = W V + W G.

Beispiel 3.7 Bei einem Würfel, der in einer Richtung auf Zug beansprucht wird, vollzieht
sich die Formänderung in zwei Schritten (Abb. 3.23):

1. Schritt: Volumenvergrößerung unter Beibehaltung der Würfelform. Diese Volumenver-


größerung wird durch die Normalspannung verursacht.
2. Schritt: Gestaltänderung unter Beibehaltung des vergrößerten Volumens. Diese Gestalt-
änderung durch die Schubspannung verursacht.

Aus der Beobachtung von Versuchen hat sich ergeben, dass die Volumenänderungs-
energie keinen Einfluss auf das Versagen hat, hingegen jedoch die Gestaltänderungsener-
gie. Das heißt, dass der Schubspannungseinfluss bei diesem Modell entscheidend ist.
Ohne Herleitung (da sehr aufwändig) ergibt sich für den zweiachsigen Spannungszu-
stand: q
v D x2 C y2  x y C 3yx
2 
zul (3.30)
Die Hypothese der größten Gestaltänderungsenergie liefert eine gute Übereinstimmung
zwischen Versuch und Berechnung bei (überwiegend ruhender) Beanspruchung von duk-
tilen Werkstoffen ohne ausgeprägte Fließgrenze (z. B. Tiefziehstähle: hohes Verfor-
mungsvermögen ohne ausgeprägte Streckgrenze: DC 06; DC 10) sowie insbesondere bei
dynamischer Beanspruchung.

4
Richard von Mises (1883–1953), österreichischer Mathematiker.
3.4 Vergleichsspannungshypothesen 183

Abb. 3.23 Verteilung der


Formänderungsarbeit

Ausgangs- 1. Schritt: 2. Schritt:


volumen Volumen- Gestalt-
vergrößerung änderung

Abb. 3.24 Anwendungsbe-

spröde
reich der Vergleichsspannungs-
hypothesen Werkstoff NH
duktil

GEH
SH
zäh

ruhend dynamisch stoßartig


Beanspruchung

Aus Abb. 3.24 ist zu entnehmen für welchen Werkstoff und welche Beanspruchung
die jeweilige Vergleichsspannungshypothese anzuwenden ist. Der jeweilige Übergangs-
bereich zu den Vergleichsspannungshypothesen in Abb. 3.24 ist farblich heller dargestellt.

Beispiel 3.8 Beispiel 3.6 ist mithilfe der Gestaltsänderungsenergiehypothese zu überprü-


fen.

Lösung Anwendung der Gestaltsänderungsenergiehypothese,  y = 0


q q p N
v D x2 C y2  x  y C 3t2 D x2 C 3t2 D 3502 C 3  2002
mm2
N
D 492,44
mm2
N
Re 700 mm 2
SF D D N
D 1;42  1,5, die Sicherheit gegen Fließen ist nicht gegeben.
v 492;44 mm 2

Beispiel 3.9 Eine Welle mit d = 40 mm wird durch ein Biegemoment M b = 450 Nm und
ein Torsionsmoment T = 300 Nm belastet.
184 3 Zusammengesetzte Beanspruchungen

a) Wie groß sind die Biege- und Torsionsspannung?


b) Wie groß sind die Vergleichsspannungen nach den drei Festigkeitshypothesen?

Lösung
a)
b D Mb
Wb D 450:000 Nmm
3 3 D 71;62 mm
N
2
32 40 mm

t D T
Wt D T
Wp D 300:000 Nmm
3 3 D 23;87 mm
N
2
16 40 mm

b)  q 
1
NH: v Db C b2 C 4t2 D
2
1 p  N
D 71;62 C 71;622 C 4  23;872 D 78;85
2 mm2
q p N
SH: v D b2 C 4t2 D 71;622 C 4  23;872 D 86;07
mm2
q p N
GEH: v D b2 C 3t2 D 71;622 C 3  23;872 D 82;7
mm2

3.4.4 Anstrengungsverhältnis

Bisher ist es nicht gelungen eine Hypothese zu finden, die allen Werkstoffen und Belas-
tungsarten gerecht wird. Die unter Abschn. 3.4.1, 3.4.2 und 3.4.3 aufgeführten Gleichun-
gen für die Vergleichsspannung  v sind gültig, wenn für  und  der gleiche Belastungsfall
vorliegt, d. h. beide sind entweder ruhend, schwellend oder wechselnd. Häufig treten in der
Praxis jedoch unterschiedliche Belastungsfälle auf: z. B. für eine Welle: Biegung wech-
selnd, Torsion ruhend. Um diese unterschiedlichen Belastungsfälle zu berücksichtigen,
wird ein Korrekturfaktor in die Formeln eingeführt.
Zunächst soll betrachtet werden, wie die Torsionsspannung in den unterschiedlichen
Vergleichsspannungshypothesen berücksichtigt wird. Dazu wird der Fall „reine Torsi-
on“ betrachtet mit  x =  y = 0. Aus dem Verhältnis der zulässigen Spannung  zul zur
zulässigen Torsionsspannung  zul ergeben sich die folgenden Verhältniswerte ' für jede
Vergleichsspannungshypothese (Tab. 3.1).

Tab. 3.1 Berücksichtigung der Torsionsspannung in den Vergleichsspannungshypothesen


Hypothese NH SH GEH
p
' D zul
zul
1 2 3  1;73
3.4 Vergleichsspannungshypothesen 185

Mit diesem Verhältniswert ' wird nach Bach der Korrekturfaktor ˛0 gebildet, der
auch Anstrengungsverhältnis genannt wird.
zul Grenz
˛0 D bzw. ˛0 D (3.31)
'  zul '  Grenz

˛ 0 ist ein Gewichtungsfaktor von , mit dem in den Vergleichsspannungshypothesen die


unterschiedlichen Beanspruchungsarten für die Normal- und Torsionsspannung berück-
sichtigt werden. Die Werte von  Grenz und  Grenz werden aus Dauerfestigkeitsschaubildern
oder Tabellen für die gegebenen Belastungsfälle herausgesucht.
Mit dem Korrekturfaktor ˛ 0 nach Bach ergeben sich für die Vergleichsspannung für
den Fall „Biegung mit Torsion“ ( x = 0 und  y =  b ) die folgenden Gleichungen:
 q 
1
V D b C b2 C 4.˛0 t /2  zul für NH (3.32)
2
q
V D b2 C 4.˛0 t /2  zul für SH (3.33)
q
V D b2 C 3.˛0 t /2  zul für GEH (3.34)

Beispiel 3.10 Gegeben ist eine Welle aus E335, die durch ein Biegemoment M und ein
Torsionsmoment T belastet wird.
Gesucht: Anstrengungsverhältnis ˛ 0, wenn

a) M wechselnd, T ruhend,
b) M und T wechselnd
c) M ruhend und T wechselnd.

Lösung Werkstoffdaten nach [10, TB 1-1]

 bF = 400 N/mm2 ;  bW = 290 N/mm2


 tF = 230 N/mm2 ;  tW = 180 N/mm2

p Grenz
'D 3 .für GEH/I ˛0 D
'  Grenz

a) ˛0 D bw
'tF
Dp290  0;73
3230
b) ˛0 D bw
'tW D p290
3180
 0;93
c) ˛0 D bF
'tW
D 3180  1;28
p400

Erkenntnis: die stärkste Gewichtung der Schubspannungen tritt bei wechselnden Tor-
sionsmomenten auf!
186 3 Zusammengesetzte Beanspruchungen

Beispiel 3.11 Wir schauen uns noch einmal die Antriebswelle von Finn Niklas’ Dreirad
an (Abb. 3.25). In Beispiel 2.31 hatten wir die maximal auftretende Torsionsspannung
bestimmt. Mit Kenntnis der Theorie zur Überlagerung von Spannungen soll jetzt die ma-
ximal auftretende Vergleichsspannung  v der Antriebswelle bestimmt werden und mit der
zulässigen Spannung verglichen werden.

Gegeben:

F hl = F hr = 197,7 N
a = 150 mm
d = 18 mm
S235: Re = 235 N/mm2
Smin = 1,5
 max = 21 N/mm2 (aus Beispiel 2.31)
Anstrengungsverhältnis ˛ 0 = 1

Abb. 3.25 Finn Niklas’ Drei-


rad
3.4 Vergleichsspannungshypothesen 187

Lösung Aus dem Biegemomentenverlauf ergibt sich das maximal auftretende Biegemo-
ment:
Mb D Fhl  a D 197;7 N  150 mm D 29:655 Nmm
Mb Mb 29:655 Nmm
max D D  3 D  3 3
D 51;8 N/mm2
Wb 32
d 32
18 mm
Da die Belastung der Antriebswelle dynamisch ist, wird die Vergleichsspannung nach
der Gestaltänderungsenergiehypothese bestimmt (nach Gl. 3.34).
q
v D  2 C 3.˛0 /2 :
q
v D .51;8 N=mm2 /2 C 3.21 N/mm2 /2 D 63;3 N=mm2
Re 235 N=mm2
zul D D D 157 N=mm2
Smin 1;5
v < zul

) Die in der Antriebswelle auftretende Vergleichsspannung bleibt unter der zulässigen


Spannung.

3.4.5 Zusammengesetzte Beanspruchungen und Anwendung


der Festigkeitshypothesen

Treten zusammengesetzte Beanspruchungen auf, stellt sich die Frage, handelt es sich
um reine resultierende Spannungen nach dem Überlagerungsprinzip oder um Beanspru-
chungskombinationen? Der Ablauf bezüglich der Ermittlung resultierender Spannungen
bzw. der Vergleichsspannungen ist Abb. 3.26 zu entnehmen.
Für die nachfolgenden Beanspruchungskombinationen wird folgende Empfehlung zur
Anwendung der Vergleichsspannungshypothesen gegeben:

 Biegung und Torsion


In Wellen tritt diese Beanspruchung vorwiegend auf, wobei durch die Biegung Nor-
malspannungen und durch die Torsion Torsionsspannungen hervorgerufen werden.
Die Vergleichsspannung wird nach der Gestaltänderungsenergiehypothese ermittelt,
da Wellen oftmals aus zähem Stahl sind.
 Biegung und Schub
In Balken/Trägern tritt diese Beanspruchung vorwiegend auf, indem durch Biegemo-
mente Normalspannungen und durch die Querkräfte Schubspannungen hervorgeru-
fen werden. Bei geschweißten Trägern können durch die Spannungen verformungslo-
se Schweißrisse entstehen. Zur Ermittlung der Vergleichsspannung in Schweißnähten
wird die Normalspannungshypothese angewendet. Bei Trägern, die auf Werkstoffen
mit ausgeprägter Streckgrenze basieren, wird die Schubspannungshypothese herange-
zogen.
188

Tab. 3.2 Vergleichsspannungshypothesen


Normalspannungshypothese NH Schubspannungshypothese SH Gestaltänderungsenergiehypothese GEH
q q q
y Cx y x 2 2  2  2 
v D 2 C 2
C yx zul v D .y  x /2 C 4yx zul v D x2 C y2  x y C 3yx zul
 q  q q
Biegung und Torsion v D 12 b C b2 C 4t2  zul v D b2 C 4t2  zul v D b2 C 3t2  zul
 q  q q
Anstrengungs- v D 12 b C b2 C 4.˛0 t /2  zul v D b2 C 4.˛0 t /2  zul v D b2 C 3.˛0 t /2  zul
verhältnis ˛ 0
Grenz
˛0 D ' Grenz
zul
p
'D zul
1 2 3  1;73
Anwendung Überwiegend ruhende Beanspruchung, Überwiegend ruhende Beanspru- Überwiegend ruhende Beanspruchung,
spröde Werkstoffe (Grauguss, Stein, chung, duktile (zähe) Werkstoffe duktile (zähe) Werkstoffe mit nicht aus-
Glas) und bei Schweißnähten mit ausgeprägter Streckgrenze Re geprägter Streckgrenze Re sowie bei
3

dynamischer Beanspruchung
σ σ
σ
Rm Bruch Rm
Rm
Re Bruch
Bruch

ε ε
ε
Zusammengesetzte Beanspruchungen
3.5 Verständnisfragen zu Kapitel 3 189

Einzelspannungen
σz,d σb τs τt

treten
σ und τ nein
gemeinsam
auf?

ja

resultierende Spannung
nein σres τres
Werkstoff
duktil (zäh)? σres = σz,d + σb
τres = τs + τt
ja

SH/
ja
GEH

Vergleichsspannung σV Vergleichsspannung σV Vergleichsspannung σV


(NH) (SH) (GEH)

Abb. 3.26 Ablaufschema resultierende Spannung/Vergleichsspannungshypothesen

 Torsion und Zug


Diese Beanspruchung tritt in Schrauben und Spindeln auf. Sie erfolgt aus der durch
das Anzugsmoment hervorgerufenen Torsionsspannung und der durch die Längskraft
verursachten Zugspannung. Da Schrauben und Spindeln aus zähem Stahl sind, wird
zur Ermittlung der Vergleichsspannung die Gestaltänderungsenergiehypothese ange-
wendet.
 Behälter und Rohre unter Außen- und Innendruck
Zylindrische Behälter und Rohre werden durch axiale, radiale und tangentiale Span-
nungen beansprucht. Da für Behälter-/Rohrmaterialen zähe Werkstoffe zum Einsatz
kommen, werden die Vergleichsspannungen nach der Schubspannungs- oder der Ge-
staltänderungsenergiehypothese ermittelt.

In Tab. 3.2 sind die drei Vergleichsspannungshypothesen gegenübergestellt.

3.5 Verständnisfragen zu Kapitel 3

1. Nennen Sie Beispiele für ein Bauteil mit zusammengesetzter Beanspruchung aus
Normal- und Tangentialspannungen.
190 3 Zusammengesetzte Beanspruchungen

2. Was ist bei der Überlagerung von Schubspannungen aus Querkraft und Torsion zu
beachten?
3. Was kennzeichnet einen ebenen Spannungszustand?
4. Erläutern Sie die Bedeutung der Hauptachsen bei einem ebenen Spannungszustand.
5. Wozu dient der Mohr’sche Spannungskreis?
6. Warum können Schub- und Normalspannungen nicht einfach addiert werden, um
eine maximal auftretende Spannung zu bestimmen?
7. Wann muss eine Vergleichsspannung berechnet werden?
8. Wie wird bei Berechnung einer Vergleichsspannung der Festigkeitsnachweis ge-
führt?
9. Welche Vergleichsspannungshypothesen werden
a) bei einer ruhenden Beanspruchung
b) bei einer dynamischen Beanspruchung angewendet?
10. Wieso wurde in die Theorie das Anstrengungsverhältnis ˛ 0 eingeführt?

3.6 Aufgaben zu Kapitel 3

Aufgabe 3.1 Ein Säulendrehkran darf in der äußersten Stellung der Laufkatze eine Last
F = 20 kN heben (siehe folgende Abbildung). Die Säule ist aus Rohr ¿ 273 × 5-S235JRH
hergestellt. Der Ausleger besteht aus einem IPB-Profil.

Gegeben: l = 2200 mm; l1 = 3000 mm; l2 = 2500 mm; a = 400 mm.

a) Ermitteln Sie Art und Größe der maximalen Spannung im Querschnitt B–B sowie im
Einspannquerschnitt am Boden.
b) Bestimmen Sie die Nulllinienverschiebung (Verlagerung der neutralen Faser) y0 im
Querschnitt B–B.
c) Skizzieren Sie den resultierenden Spannungsverlauf und die Nulllinienverschiebung
qualitativ im Querschnitt B–B.
3.6 Aufgaben zu Kapitel 3 191

Aufgabe 3.2 Eine Getriebewelle aus E335 wird auf Biegung wechselnd ( bW =
290 N/mm2 ) und Torsion schwellend ( Sch = 230 N/mm2 ) beansprucht.

a) Welche Hypothese ist anzuwenden?


b) Wie groß ist das Anstrengungsverhältnis ˛ 0 ?

Aufgabe 3.3 Ein Blech aus S235JR (Raumtemperatur und keine besonderen Umweltein-
flüsse) ist in der Blechebene statisch belastet. Die Spannungen betragen  x = 132 N/mm2 ;
 y = 48 N/mm2 und  =  xy = 61 N/mm2 .

a) Mit welcher Hypothese sollte das Blech auf Versagen gegen Fließen geprüft werden?
b) Wie groß ist die Vergleichsspannung?
c) Wie groß ist die Sicherheit gegen unzulässig große Verformung?
192 3 Zusammengesetzte Beanspruchungen

Aufgabe 3.4 Von einem abgewinkelten Balkenelement sind folgende Daten bekannt:

F1
Ød

l1 F3

F2
l2

F1 = 1,5 kN
F2 = 3,6 kN
F3 = 1,0 kN
l1 = 1000 mm
l2 = 500 mm
d = 50 mm

Bestimmen Sie Ort und Größe der maximalen Vergleichsspannung nach der Gestaltän-
derungsenergiehypothese für ein Anstrengungsverhältnis von ˛ 0 = 1.

Aufgabe 3.5 An einem Kegelrad wirken die Umfangkraft F u = 6 kN, die Axialkraft
F a = 2 kN und die Radialkraft F r = 1 kN. Die Abmessungen betragen: d = 50 mm, do =
120 mm, l = 40 mm.

Lager
Fu
Fa

A Fr
Fr
d0
d

Für die Querschnittsfläche A sind zu ermitteln:

a) die größte resultierende Normalspannung


b) die Vergleichsspannung  v mit dem Anstrengungsverhältnis ˛ 0 = 1 zunächst ohne Be-
rücksichtigung der Schubspannung aus der Querkraft
3.6 Aufgaben zu Kapitel 3 193

c) die Vergleichsspannung  v mit dem Anstrengungsverhältnis ˛ 0 = 1 mit Berücksichti-


gung der Schubspannung aus der Querkraft.
d) Wann muss die Querkraft bei einer Biegebeanspruchung zur Ermittlung der Ver-
gleichsspannung berücksichtigt werden?
Durchbiegung
4

Bisher haben wir bei der Dimensionierung von Bauteilen auf die Beanspruchung geachtet,
indem wir untersucht haben, ob die vorhandene Spannung die zulässige nicht überschreitet
und notwendige Sicherheiten eingehalten werden. In diesem Kapitel werden wir auch die
Verformung von Bauteilen berücksichtigen und Biegelinien und Tangentenwinkel dieser
Bauteile berechnen.
Im Maschinenbau spielt neben der Festigkeit auch die Verformung von Bauteilen,
Maschinen, Fahrzeugen usw. eine Rolle. Werkzeugmaschinen müssen sehr steif ausge-
legt werden, damit nicht die Bearbeitungsgenauigkeit durch unzulässige Verformungen
der Maschinen leidet. Eisenbahn-Reisezugwagen dürfen sich z. B. unter der Nutzlast
nur um 1/300 der Stützweite durchsenken. Das ergibt bei den üblichen Stützweiten von
19.000 mm zwischen den Drehzapfen der Laufwerke eine maximale zulässige Durchbie-
gung in der Mitte des Wagenkastens von 63 mm. Da auch Getriebewellen Verformungen
zeigen können, muss überprüft werden, ob die Winkelverschiebungen, die infolge der Ver-
formung der Welle in den Lagerstellen auftreten, von den vorgesehenen (Wälz-)Lagern
aufgenommen werden können.

4.1 Differenzialgleichung der elastischen Linie

Ein Träger, der auf Biegung beansprucht wird, krümmt sich (Abb. 4.1). In diesem Ab-
schnitt wird die Gleichung für die Linie hergeleitet, die diese Krümmung beschreibt. Diese
Linie wird elastische Linie oder Biegelinie genannt.
Die Krümmung des Trägers ist abhängig von

 der Größe des Biegemoments,


 der Starrheit des Werkstoffs gegen eine elastische Deformation und
 der Form und Größe des Balkenquerschnitts.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 195
K.-D. Arndt et al., Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-26141-2_4
196 4 Durchbiegung

a F
b
σbd

h
σbz

b Nulllinie F
b
σbd

h
σbz

Abb. 4.1 Biegebeanspruchter Träger mit Rechteckquerschnitt auf zwei Stützen a hochkant, b flach-
kant

Zur Herleitung der Gleichung der elastischen Linie gelten die folgenden Voraussetzun-
gen (siehe auch Abschn. 2.2.1):

1. Die Achse des unbelasteten Trägers (Balkens) ist gerade und der Querschnitt konstant.
2. Die Querschnittsabmessungen (Breite b und Höhe h) sind klein gegenüber der Balken-
länge l (h  l), d. h. die Schubspannungen sind vernachlässigbar.
3. Der Balkenwerkstoff ist homogen und isotrop, die E-Module für Zug und Druck sind
gleich und das Hooke’sche Gesetz ist gültig.
4. Die äußere Belastung liegt in der Symmetrieebene des Querschnitts bzw. in Richtung
einer Hauptachse (gerade Biegung).
5. Es treten nur kleine Durchbiegungen (Deformationen) und Winkeländerungen auf.
6. Die Balkenquerschnitte bleiben eben und senkrecht zur Balkenachse.
7. Die untersuchten Querschnitte sind in genügender Entfernung von Krafteinleitungs-
stellen (Auflager, Lastangriffsstellen).
8. Die maximale Spannung liegt unterhalb der Proportionalitätsgrenze ( max   p ).

In Abb. 4.2 ist der Teilabschnitt eines auf Biegung beanspruchten Balkens dargestellt.
Die w-Koordinate ist nach unten gerichtet ) der Wert für die Durchbiegung ist positiv
(bei Belastung von oben).
Die Dehnung eines Bogenelementes im Abstand z von der neutralen Faser ist:

l z  d˛
"D D
l ds
Ein Bogenelement hat die Länge ds D   d˛

z  d˛ z 
"D D D .Hooke’sches Gesetz/
  d˛  E
4.1 Differenzialgleichung der elastischen Linie 197

Abb. 4.2 Teilabschnitt eines


auf Biegung beanspruchten
Balkens. (Nach [2])

ρ
x
ds = ρ·dα

ds +Mb
z
z·dα

w parallel

Bei einer linearen Biegespannungsverteilung über der Balkenhöhe ergibt sich für die
Spannung:
Mb  z
D .I D
O axiales Flächenmoment 2. Grades/
I
Mb  z z
D
E I 
1 Mb
) D Dk .k: Krümmung/ (4.1)
 E I
Bemerkung:

 Das Produkt E  I entspricht der Biegesteifigkeit, d. h. die Steifigkeit eines Balkens


hängt nicht von seiner Festigkeit ab, sondern nur vom E-Modul und dem Flächenmo-
ment 2. Grades.
 Wenn M b und A konstant sind, folgt, dass auch  konstant ist, d. h. die Krümmung wird
durch einen Kreisbogen beschrieben. Normalerweise ist M b nicht konstant; M b = f (x)
) Die Krümmung der Biegelinie ändert sich von Punkt zu Punkt der x-Achse.

Für die Technik sind die Durchbiegung w und die Winkellage w0 der Biegelinie von
Interesse. So gilt für viele Wälzlagerarten (Rillenkugel-, Nadel-, Zylinderrollenlager),
dass keine Winkelabweichungen der Drehachsen zugelassen sind. Mit der Berechnung
von w 0 kann überprüft werden, ob der Einsatz derartiger Lager möglich ist. Im Folgenden
soll der Zusammenhang zwischen  und w bzw. w 0 hergeleitet werden.
In der Mathematik (Funktionentheorie) wird der Zusammenhang zwischen der Krüm-
mung  einer Kurve, die durch den Punkt P geht, und der Tangente in dem Punkt P wie
198 4 Durchbiegung

Abb. 4.3 Definition der


Krümmung

folgt beschrieben (siehe Abb. 4.3):

1 y 00
D 3
 1 C y02 2

Auf die Koordinaten x, w umgeformt:

1 w 00
D 3
 1 C w0 2 2

Voraussetzung für die Herleitung der Gleichung der elastischen Linie sind kleine
Winkeländerungen (siehe auch Annahme 5). Daraus folgt zum Beispiel für ˛ max = 1/2°
) w 0 = tan ˛ = tan (0,5°) = 0,009 ) w 02  104 , d. h. w 02 ist in der vorstehenden Glei-
chung aufgrund der Größenordnung bei Anwendung auf Biegung vernachlässigbar.

1 Mb
D
 E I
w 00 Mb
)   D
1 C w0 2 2
3
E I

(In vorstehender Gleichung negatives Vorzeichen, da w positiv nach unten!)

Mb .x/
) w 00 D  (4.2)
EI
Dies ist die lineare Differenzialgleichung 2. Ordnung für die elastische Linie (Biege-
linie).
Hier noch einmal ein Verweis auf die Vorzeichenregel aus Abschn. 2.2.2:
Ein Moment, das auf der Seite der positiven w-Achse eine gezogene Faser erzeugt, ist
positiv (Abb. 4.4).
Die Gleichung w 00 D  MEI b .x/
darf nur bedingt zur Berechnung von Blattfedern ver-
wendet werden (nur bei kleinen Verformungen), da die Voraussetzung w02  0 bei großen
Durchbiegungen nicht erfüllt ist.
4.1 Differenzialgleichung der elastischen Linie 199

Abb. 4.4 Vorzeichenregel


Mb Mb

w
+

Erkenntnis
Die zweite Ableitung der Biegelinie eines Trägers mit konstanter Biegesteifigkeit ent-
spricht nach vorstehender Gleichung dem Momentenverlauf.
Man erhält folgende Zusammenhänge zwischen der Streckenlast q(x), der Quer-
kraft F q (x), dem Momentenverlauf M b (x), dem Steigungswinkel '(x) und der elastischen
Linie (Biegelinie) w(x):

q.x/ D Fq .x/0 D Mb .x/00 D C'.x/000 E  I D Cw.x/0000 E  I

Aus der Funktion der Streckenlast erhält man nacheinander durch Integration:

1. die Querkraftlinie F q (x)


2. die Biegemomentlinie M b (x)
3. den Steigungswinkel der Biegelinie '(x) und
4. die Biegelinie w(x).

Z
Fq D  q  dx (4.3)
Z
Mb D Fq  dx (4.4)
Z
Mb
'D dx (4.5)
E I
Z
wD '  dx (4.6)

Diese Vorzeichen ergeben sich, weil es üblich ist, die Durchbiegung von Trägern nach
unten positiv anzugeben und die positive x-Achse nach rechts zu legen (Abb. 4.5). Der
Steigungswinkel soll dann positiv sein, wenn bei zunehmendem Wert x auch die Durch-
biegung größer (Abb. 4.5) wird.

Beispiel 4.1 Für den eingespannten Träger konstanter Biegesteifigkeit (Abb. 4.6), der am
Ende durch eine Einzelkraft F belastet ist, sind die Gleichung der Biegelinie, die maximale
Durchbiegung und der Neigungswinkel zu bestimmen.
200 4 Durchbiegung

Abb. 4.5 Koordinaten der x


Durchbiegung und Vorzeichen-
konstellation
+
w

w1 w2
postiver Bereich negativer Bereich

Abb. 4.6 Einseitig ein- F


gespannter Träger mit
Einzellast F E·I

Lösung nach Gl. 4.2:


E  I  w 00 D Mb .x/
Wir stellen die Beziehung für den M b -Verlauf auf (Abb. 4.7b). Dabei muss auf das
richtige Vorzeichen geachtet werden.
Nach Definition ist das durch F verursachte Moment negativ (Druck/Stauchung auf der
positiven w-Seite).

Mb .x/ D F  .l  x/
E  I  w 00 D  ŒF  .l  x/ D CF  .l  x/

Zweimal integrieren:

1
E  I  w 0 D F  l  x  F  x 2 C C1
2
1 1
E  I  w D F  l  x 2  F  x 3 C C1  x C C2
2 6

a b
F F
Mb(x)
x -Fl
wmax
φmax
w l l

Abb. 4.7 a Verformung des Trägers und b Biegemomentenverlauf


4.1 Differenzialgleichung der elastischen Linie 201

Abb. 4.8 Randbedingungen F


einseitig eingespannter Träger l

wB
x
w φB
A B
w (x = 0) = 0 w (x = l) ≠ 0
w′(x = 0) = 0 = φA w′(x = l) ≠ 0 = φB = φmax

Die Integrationskonstanten C1 und C2 erhält man aus den Randbedingungen (Rb.)


(Abb. 4.8):

 Horizontale Biegelinie an der Einspannstelle w 0 (x = 0) = 0 (Rb. 1)


 keine Durchsenkung an der Einspannstelle w(x = 0) = 0. (Rb. 2)

Rb. 1:
1
E  I  w 0 D F  l  0  F  0 2 C C1 D 0
2
C1 D 0
Rb. 2:
1 1
E I w D F  l  0 2  F  0 3 C 0 C C2 D 0
2 6
C2 D 0
Konstanten einsetzen in w(x) ergibt die Gleichung der Biegelinie:
 
1 1 1
wD F  l  x2  F  x3
E I 2 6
3   2 
F l x x 3
wD 3 
6E I l l

Maximale Durchbiegung an der Krafteinleitungsstelle:

F  l3
xDl)wD Œ3  1
6E I
F  l3
w .x D l/ D D wmax
3E I

Größte Schiefstellung(' größte Tangentenneigung) auch bei x = l:


   
F 1 F l2
w0 D l  x  x2 D l2 
E I 2 EI 2
F l 2
x D l ) w0 D D 'max
2E  I
202 4 Durchbiegung

Auswertung der Gleichung für w:


  
F  l3 x 2  x 3
wD 3 
6E I l l

) die Durchbiegung ist:


1. linear proportional zur Last F
2. in der 3. Potenz zur Länge l
3. umgekehrt proportional zur Biegesteifigkeit E  I
) Zu beachten ist, dass lange Träger überproportional deformiert werden und daher even-
tuell nach der zulässigen Durchbiegung dimensioniert werden müssen. Die zulässigen
Spannungen werden dabei oftmals nicht erreicht.

Beispiel 4.2 Für den eingespannten Träger konstanter Biegesteifigkeit (Abb. 4.9), der
durch eine konstante Streckenlast q belastet ist, sind die Gleichung der Biegelinie, die ma-
ximale Durchbiegung und der Neigungswinkel zu bestimmen (Schnittgrößen am Träger
siehe Abb. 4.10b).

Lösung
X .l  x/ q
Mi D 0 ) Mb D q  .l  x/  D  .l  x/2
2 2
00 q 2
E  I  w D Mb D .l  x/
2
00 q 2 
E I w D l  2lx C x 2
2

Abb. 4.9 Einseitig ein-


gespannter Träger mit q
Streckenlast q

E·I

a b
x q q

Mb
E·I wmax Fq
l-x
φmax
w l

Abb. 4.10 a Verformung des Trägers und b Schnittgrößen


4.1 Differenzialgleichung der elastischen Linie 203

Integrieren:
 3
q
0 2 x
E I w D  l x l x +
2
C C1
2 3
 2 
q l 2 l 3 x4
EI w D  x  x + C C1  x C C2
2 2 3 12

Randbedingungen:
 
q 2 03
E  I  w 0 .x D 0/ D 0 ) l  0  l  02 C C C1 D 0
2 3
) C1 D 0
 
q l 2 2 l 3 04
E  I  w .x D 0/ D 0 )  0  0 C C 0 C C2
2 2 3 12
) C2 D 0

Gleichung der Biegelinie:


    x 3  x 4
q  l4 x 2
wD 6 4 C
24E  I l l l

Maximale Durchbiegung bei x = l:

q  l4
w .x D l/ D D wmax
8E  I

Neigung bei x = l:  
q x3
w0 D l 2  x  l  x2+
2E  I 3
ql 3
w 0 .x D l/ D D 'max
6E  I

Beispiel 4.3 Für den außermittig mit einer Einzelkraft F belasteten Träger konstanter
Biegesteifigkeit (Abb. 4.11) sind die Gleichung der Biegelinie und die maximale Durch-
biegung zu bestimmen.

Lösung Zunächst soll der Momentenverlauf ermittelt werden (Abb. 4.12).


M b (x) ist keine glatte Funktion über der Balkenlänge (Sprungfunktion), d. h. verschie-
dene M b -Funktionen ) Integration in getrennten Bereichen, hier I und II.
204 4 Durchbiegung

Abb. 4.11 Beispiel 4.3 F


a b

A B
l

w=z x

Abb. 4.12 Momentenverlauf

Auflagerkräfte:
X
Fz D 0 D FA  FB C F
X a
MA D 0 D FB  l  F  a D 0 ) FB D F 
l
a
FA D F  FB D F  F 
  l 
a l a b
FA D F 1  DF  DF
l l l l

M bmax aus Momentenverlauf (Abb. 4.12):

Bereich I (0 ≤ x ≤ a) Bereich II (a ≤ x ≤ l)
a F
MbI MbII
FA FA
FqII
x FqI x
4.1 Differenzialgleichung der elastischen Linie 205

MbI  FA  x D 0 MbII  FA  x C F .x  a/ D 0
MbI D F bl  x MbII D F bl  x  F .x  a/
) Mbmax D MbI .x D a/ D F  ba l
E  I  wI00 D MbI D F  bl  x E  I  wII00 D MbII
D F  bl  x C F .x  a/
x2 x2 .xa/2
E  I  wI0 D F  b
l
 2
C CI1 E  I  wII0 D F  b
l 2
CF  2
C CII1
x3 x3 .xa/3
E  I  wI D F  b
l
 6
C CI1  x C CI2 E  I  wII D F  b
l
CF 
6 6
C CII1  x C CII2

Randbedingungen (Abb. 4.13):

w 0 = w(x = 0) = 0 (Rb. 1 für „I“)


w l = w(x = l) = 0 (Rb. 2 für „II“)

Übergangsbedingungen:

w Ia = w I (x = a) = w IIa (Üb. 1) Für Krafteingriffsstelle, da die Durchbiegung und die


w 0 Ia = w 0 I (x = a) = w 0 IIa (Üb. 2) Steigung gleich sein müssen

Aus Rb. 1:
wI .x D 0/ D CI 2 D 0 ) CI 2 D 0
Aus Üb. 2:
0 0
wIa .x D a/ D wIIa .x D a/
b a2 b a2 .a  a/2
F C CI1 D F CF C CII1
l 2 l 2 2
) CI1 D CII1

Abb. 4.13 Randbedingun- l


gen für einen Träger auf zwei
Stützen mit außermittiger Ein- F
zelkraft a b

φA φB
w

x
A B

w
w (x = 0) = 0 w (x = l) = 0
w′(x = 0) ≠ 0 = φA w′(x = l) ≠ 0 = φB
206 4 Durchbiegung

Aus Üb. 1: w Ia = w IIa

b a3
F C CI1  a C CI2 D
l 6
b a3 .a  a/3
D F CF C CII1  a C CII2
l 6 6
) CII2 D 0

Aus Rb. 2:

b l3 .l  a/3
wl D wII1 D 0 )D F CF C CII1  l D 0
" l 6 # 6
F .l  a/3
) CII1 D bl 
6 l
F b 2
Mit b D l  aI CII1 D  l  b 2 D CI 1
6 l

Gleichungen für die Biegelinie entsprechend den beiden Bereichen I und II:

F b  2 
wI .x/ D  l  b2  x  x3
6E  I l 
F b l  
wII .x/ D  .x  a/3 C l 2  b 2  x  x 3
6E  I l b

Kontrolle: w I (x = a) = w II (x = a):

F b  2 
wI .x D a/ D  l  b 2  a  a3
6E  I l 
F b l  
D  .a  a/3 C l 2  b 2  a  a3
6E  I l b

mit l = a + b

F b  2 
wI .x D a/ D  a C 2ab C b 2  b 2  a  a3
6E  I l
F b 3 F a2 b 2
D  a C 2a2 b  a3 D 
6E  I l 3E  I l
4.2 Überlagerungsprinzip bei der Biegung 207

Maximale Durchbiegung: (liegt für a > b im Bereich I)

wI0 .xm / D 0
F b x2 F b 2
wI0 D    mC  l  b2 D 0
E I l 2 6E  I l
xm2 1 2
D l  b2
2 6
1 2 
xm2 D l  b2
3 r
.l 2  b 2 /
) xm D .x-Koordinate der maximalen Durchbiegung!/
3

F b  2 
wmax D wI .xm / D  l  b 2  xm  xm3
6E  I l
F b 1  2 3 1  3
D  p l  b2 2  p l 2  b2 2
6E  I l 3 3 3

F b 1 2 2  3
D  p l  b2 2
6E  I l 3 3
F b 3
wmax D p  l 2  b2 2
9 3E I l

Die Gleichungen der Biegelinien, Durchbiegungen und Neigungen grundlegender Bal-


kenprobleme sind in Tab. 4.1 zusammengefasst.

4.2 Überlagerungsprinzip bei der Biegung

Aus den Grundlösungen für die Durchbiegungen und Neigungen der elastischen Li-
nie (nach Tab. 4.1) ergeben sich Kombinationsmöglichkeiten. Die Voraussetzung dafür
ist, dass die resultierende Spannung kleiner als die Proportionalitätsspannung bleibt:
 res max <  P .
Im linear-elastischen Bereich gilt:

I Eine Überlagerung (Superposition) ist möglich. Durch die Überlagerung von Grundlö-
sungen werden die Durchbiege- und Neigungswerte für komplizierte Belastungsfälle aus
Einzelkräften und -momenten sowie Streckenlasten zusammengesetzt.

Wenn kleine Verformungen und geringe Neigungen (vgl. Annahme 5 aus Abschn. 4.1)
vorhanden sind und alle Durchbiegungswerte (so gut wie) senkrecht zur unverformten
Balkenachse liegen, besteht die Möglichkeit der einfachen Addition. Dazu wird auf die
Grundlösungen aus Tab. 4.1 und Abb. 4.14 zurückgegriffen.
Tab. 4.1 Gleichungen der Biegelinien, Durchbiegungen und Neigungen von Balken
208

Belastungsfall Gleichung der Biegelinie Durchbiegungen w Nei-


h   gung '
F l 3 2  3 i F l 3
1 l wD 6EI
3 xl  xl wmax D 3EI
h    3 i F l 2
F l 3 'max D 2EI
x x1 wD 6EI 2  3 xl1 C xl1
w wmax

A B φmax
F
M l 2
2 wD 2EI
x2 wmax D M
2EI
l M l 2
 2 M l
wD 2EI
1  xl1 'max D EI
x x1
M
w wmax

A B φ max
h  
ql 4 2  3  4 i ql 4
3 wD 24EI
6 xl  4 xl C xl wmax D 8EI
l h    4 i ql 3
ql 4 'max D
wD 6EI
24EI
x q x1 3  4 xl1 C xl1
w
wmax

A B φmax
h  
q0 l 4 2  3  4  5 i q0 l 4
4 wD wmax D
4

120EI
10 xl  10 xl C 5 xl  xl 30EI
l h    5 i q0 l 3
q0 l 4 'max D
x x1 wD 120EI
4  5 xl1 C xl1 24EI

w wmax
q0
A B φmax
Durchbiegung
Tab. 4.1 (Fortsetzung)
Belastungsfall Gleichung der Biegelinie Durchbiegungen w Nei-
h   gung '
q0 l 4 2  3  5 i 11q0 l 4
5 wD 120EI
20 xl  10 xl + xl wmax D 120EI
l h    4  5 i q0 l 3
q0 l 4 'max D
q0 wD 120EI 11  15 xl1 + 5 xl1  xl1 8EI
x x1
w
wmax

A B φ max

F l 3
x h   i
4 x 2 F l 3
6 wD 16EI
 l
1  3 l
wF D wmax D 48EI
x l F l 2
für x  2l 'A D 16EI D 'B
4.2 Überlagerungsprinzip bei der Biegung

l/2 w
φA wmax φB
A B
F

F l 3
   2   h    x 2 i F l 3
 2  2
7 w D 6EI  al  bl  xl 1 C bl  ab wF D 3EI  al  bl
x l x1 1
 
für 0  x  a 'A D wF  2a 1 C bl
 
a b F l 3
   2   h    x 2 i 1
w1 w1 D 6EI  bl  al  xl1 1 C al  ab1 'B D wF  2b 1 C al
w wF für 0  x1  b
φA φB
A B
F

F F a
 2 
8 w D 6EI 3alx  3a2 x  x 3 wmax D 24EI 3l  4a2
x l F a
a a für 0  x  a 'A D 2EI .l  a/ D 'B
w F F a
φA φB w D 6EI 3alx  3ax 2  a3 ' .a/ D 2EI .l  2a/
wmax
für a  x  2l
A B
F F
209
210

Tab. 4.1 (Fortsetzung)


Belastungsfall Gleichung der Biegelinie Durchbiegungen w Nei-
gung '
x1 F l 3
   h  2 i F l 3
 2  
9 x l a w D 6EI  al  xl 1  xl wC D 3EI  al  1 C al
F l 2
w w1 für 0  x  l 'A D 6EI  al D 12  'B
wC F l 3
  h 2a   a   x1   x1 2 i
F l 2
  
φA φB w1 D 6EI  xl1 l
C 3 l
 l  l 'C D 6EI  al 2 C 3 al
A B φF C
für 0  x1  a
F
h      i 2
MA l 2 x 3 x 2 1 x 3 MA l
10 x l wD 3EI l
 2 l
C 2 l
wmax D 9p 3EI
MA
bei x D 0;4426  l
φA φB MA l
w 'A D 3EI D 2'B
A B

x h  x 2 i p
x M l 2 3 M l 2
11 l wD 24EI l
1  4 l
wmax D 216
 EI
l/2 l p l
für 0  x  bei x D 2 3
M φC 2
wmax M l
'A D 24EI
D 'B
φA wmax φ B M l
'C D 12EI
A C B

h 
ql 4 x
 x 3  x 4 i 5ql 4
12 wD 24EI l
2 l
C l
wmax D 384EI
x l 3
ql
4

l/2 'A D 24EI


D 'B
w wmax q
φA φB
A B
Durchbiegung
Tab. 4.1 (Fortsetzung)
Belastungsfall Gleichung der Biegelinie Durchbiegungen w Nei-
gung '
4
h    3  5 i
q0 l 4 q0 l
13 x x1 wD 360EI
7 xl  10 xl C 3 xl wmax  153EI
l
q0 l 4
h    3  4  5 i bei x  0;519  l
w q0 wD 360EI
8 xl1  20 xl1 C 15 xl1  3 xl1 7q0 l 3
'A D 360EI
q0 l 3
φA φB 'B D  45EI
A B
4.2 Überlagerungsprinzip bei der Biegung

n h  2 i h  2  2 i o h
ql 4 5 ql 4 5
 a 2 i
14 a l a wD 16EI
1  4 xl   24  al  16 xl wmax D 16EI 24
 l
q
φA φB w1 für  2l  x  2l 5
wmax w n h   i   o wmax D 0 wenn a D l  24
q ql 4 3  2  4 a  x1  4
φC w1 D 24EI 4 al C 6 al  1  xl1   al C l
 l
wC hD i
C A B C ql 3 a  a 2  a 3
x x1 für: 0  x1  a 24EI 6 l C 3 l  1
wC D 0 wenn a D 0;3747 
l
'A D 'B h i
ql 3  2
'A D 24EI 6 al  1
j'C j  D 
q
24EI
4a3 C 6a2 l  l 3
211
212 4 Durchbiegung

Abb. 4.14 Grundlösungen F wmax φmax


x
3
F· l F· l 2
l 3 E· I 2 E· I
w
M· l 2 M·l
M 2 E· I E· I

q· l 4 q ·l 3
q 8E· I 6 E· I

Abb. 4.15 Additive Überlage- F


rung l

a b

A B C

wBF

wges

wges = wC = wBF + wφ = wBF + b·φBF φBF

Gemäß Abb. 4.15 ist beim Überlagerungsprinzip darauf zu achten, dass sich die Durch-
biegung w an der Stelle C additiv aus zwei Anteilen zusammensetzt, und zwar zum einen
aus der Durchbiegung w BF infolge der Kraft F (Stelle B; Strecke AB (Länge a)) und
zum anderen aus der Durchbiegung im Punkt C, die infolge des auftretenden Winkels ' BF
(Stelle B) multipliziert mit der Strecke BC (Länge b), entsteht.

Beispiel 4.4 Einseitig eingespannter Balken der Länge l mit konstanter Streckenlast q und
Einzellast F am freien Ende (Abb. 4.16). Wie groß sind die Durchbiegung und Neigung
am freien Ende?

Abb. 4.16 Beispiel 4.4 F


q

E·I

l
4.2 Überlagerungsprinzip bei der Biegung 213

F F
q q

E·I = +
x

w(x)
= w(x)
+ w(x)

wges

wF
wq
Abb. 4.17 Überlagerungsprinzip Beispiel 4.4

Überlagerung durch Addition (Abb. 4.17):

wges D wq C wF ; d. h. Ziffer (3) u. (1) aus Tab. 4.1


 
ql 4
F  l3 l3 ql F
wges D C D C
8E  I 3E  I E I 8 3
 
l 3
ql F
wges D C
E I 8 3

Neigung am freien Ende:

q  l3 F  l2
'ges D 'q C 'F D C Ziffer (3) u. (1) für die Neigung aus Tab. 4.1
6E  I 2E  I
 
l2 ql
'ges D CF
2E  I 3

Beispiel 4.5 Einseitig eingespannter Träger mit konstanter Streckenlast q auf der linken
Balkenhälfte und F am freien Ende (Abb. 4.18). Wie groß ist die Durchbiegung und Nei-
gung am freien Ende?

Ansatz
l
wges D w2 D w1q C '1q 
C w2F
2
Wichtig: q verursacht nicht nur die Durchbiegung an der Stelle 1, sondern für die
Gesamtdurchbiegung muss auch die Neigung des Trägers an dieser Stelle berücksichtigt

Abb. 4.18 Beispiel 4.5 F


q
E·I

l/2 l/2
214 4 Durchbiegung

F F
q q
E·I
= +
x

l/2 1 l/2 2 1 2

w(x)
= w(x)
+ w(x)
φ1q

w1q

w2F
φq1·l/2
wges

Abb. 4.19 Überlagerungsprinzip Beispiel 4.5

werden (s. Abb. 4.15). Diese Neigung ' 1q führt mit dem Hebel l / 2 zu einer zusätzlichen
Absenkung an der Stelle 2 (Abb. 4.19).
 4  3
q  2l q  2l l F  l3
wges D C  C
8E  I 6E  I 2 3E  I
 l 3
q 2 F  l2
'ges D '1q C '2F D C
6E  I 2E  I

Beispiel 4.6 Einseitig eingespannter Balken mit zwei Einzelkräften (Abb. 4.20). Auch bei
diesem Beispiel muss berücksichtigt werden, dass die Kraft F 1 nicht nur eine Durchbie-
gung an der Krafteinleitungsstelle von F 1 verursacht, sondern mit dem Neigungswinkel
' 1F1 und dem Hebelarm b zur Durchsenkung an der Stelle F 2 beiträgt (Abb. 4.21).
 
a3 a2 l3
wmax D F1 C  b C F2
3E  I 2E  I 3E  I
1  
'max D F1 a2 C F2 l 2
2E  I

Abb. 4.20 Beispiel 4.6 F1


F2
E·I

a b
l
4.2 Überlagerungsprinzip bei der Biegung 215

F1 F1
F2 F2
E·I
= +
a b a b l
l

w(x)
wges = w(x)
+ w(x)
φ1F1

w1F1

w2F2
φ1F1·b
Abb. 4.21 Überlagerungsprinzip Beispiel 4.6

Beispiel 4.7 Einseitig eingespannter Balken mit konstanter Streckenlast q über der rech-
ten Hälfte der Balkenlänge (Abb. 4.22)
Eine Überlagerung kann auch mit negativer Addition – also durch Subtraktion –
stattfinden.
wges D wGanz  wTeil

Auch bei diesem Beispiel muss berücksichtigt werden, dass die Teilquerkraft (rechts
im Bild) nicht nur die Durchbiegung w 1q an der Stelle 1 verursacht, sondern auch mit dem
Neigungswinkel ' 1q und dem Hebelarm l / 2 zur Durchsenkung an der Stelle 2 beiträgt
(Abb. 4.23).  
l
wges D w2q  w1q C '1q 
2
 l 4  3 !
q  l4 q 2 q  2l l
wges D  C 
8E  I 8E  I 6E  I 2
 
q  l4 1 1 1
wges D  
E  I 8 128 96
 
q  l 4 41 41 5
wges D  
8E  I 48 48 6
q  l3 7
'ges D '2q  '1q D 
6E  I 8

Abb. 4.22 Beispiel 4.7 q


E·I

l/2 l/2
216 4 Durchbiegung

q q q
E·I
= _
l/2 l/2 l/2
1 2 2 1

_
=

w2q
w(x) w(x) w(x) φ1q

w1q
wges

φ1q∙l/2
Abb. 4.23 Überlagerungsprinzip Beispiel 4.7

Beispiel 4.8 Einseitig eingespannter Balken mit abschnittsweise verschiedener Biegestei-


figkeit unter der Einzellast F am freien Ende (Abb. 4.24)

Ansatz
Addition von drei Anteilen
max. Durchbiegung: wmax D w1 C w2 C w3 (Abb. 4.25)
w 1 an der Stelle 1 infolge F und M D F  b:
 
a3 a2 F  a2 a b
w1 D F  CF b D C
3E  Ia 2E  Ia E  Ia 3 2

Abb. 4.24 Beispiel 4.8 F

E·Ia E·Ib

a b

1
F
F
E·Ia E·Ib E·Ia M = F·b
=
F
a b
l E·Ib
+
2

Abb. 4.25 Überlagerungsprinzip Beispiel 4.8


4.2 Überlagerungsprinzip bei der Biegung 217

w 2 infolge der Neigung in (1):


 
a2 a
w2 D '1  b D F CF b b
2E  Ia E  Ia

w 3 durch F über b:

F  b3
w3 D
3E  Ib
 3 !
F  a3 l b b Ia
wmax D 1C3  C 
3E  Ia a a a Ib

Entsprechend: ' max aus drei Anteilen


Kontrollen für w max :
F l 3
für b = 0 und a = l ) wmax D 3EIa
i. O.!
für I a = I b = I und a + b = l:

 3 !
l b b
a 3
1C3 C D a3 C 3ab .a C b/ C b 3
aa a
D a3 C 3a2 b C 3ab 2 C b 3
D
O .a C b/3 D l 3 i. O.!

Beispiel 4.9 Kragträger mit Einzellast F am freien Ende (Abb. 4.26)


Verformung bei F aus

 Moment M = F  a in B
 Kraft F über Länge a

Die Verformung ergibt sich entsprechend Abb. 4.27:

.F  a/  l F  a3
wges D wM C wF D aC
3E  I 3E  I
M l .F  a/  l
wobei wM D 'B  a D a D a
3E  I 3E  I
3  2  
F l a a
wges D  1C
3E  I l l

(siehe Tab. 4.1, Ziffer 9)


218 4 Durchbiegung

Abb. 4.26 Beispiel 4.9 F


l a

E·I
A B

Abb. 4.27 Überlagerungsprin- F


zip Beispiel 4.9 l a
Mb

wges
E·I
φB
A B

Beispiel 4.10 Träger auf zwei Stützen mit Einzellasten F 1 und F 2 (Abb. 4.28). Die Durch-
biegung an der Stelle x = l1 und der Neigungswinkel ' A sind zu bestimmen, wenn l1 = 2a;
l2 = 3a; l3 = a; l = 6a sind.
Durchbiegungen an den Krafteinleitungsstellen (Abb. 4.29):

w 1 = w 1F1 + w 1F2 1. Index: Stelle


w 2 = w 2F1 + w 2F2 2. Index: verursachende Kraft

Bezogen auf:

F 1 : fa1 = l1 = 2a; b1 = l2 + l3 = 4a; x = l1 = 2ag


F 2 : fa2 = l1 + l2 = 5a; b2 = l3 = a; x = l1 = 2ag

Anwendung Tab. 4.1, Ziffer 7:

x l
ai bi
wFi
A φA φB B
Fi

Abb. 4.28 Beispiel 4.10 F1 F2

A E·I B

l1 l2 l3
l
4.2 Überlagerungsprinzip bei der Biegung 219

F1 F2 F1 F2
E·I
φB1 φB2
= +
A B A B A B

w1F2
w2F1

w2F2
w1F1
w1

w2
1 2 1 2 1 2
l
l1 l2 l3 a1 b1 a2 b2

= +

Mb Mb Mb

Abb. 4.29 Überlagerungsprinzip Beispiel 4.10

      2 
Fi  l 3  ai  bi 2  xi  l xi
wi D    1C 
6E  I l l l bi a i  bi
Für w 1 = w 1F1 + w 1F2 :
 2 h i
F1 l 3 2
w1F1 D 6EI
 bl1  xl 1 C bl1  a1xb1
 a1
l
 2  2  
1 l l12
 ll1  l2 Cl
3
w1F1 D F6EI 3
 1 C l
l2 Cl3
 l1 .l
l  2 Cl3 /
.6a/3  2a 2  4a 2 .2a/2
w1F1 D F16EI  6a  6a  1 C 4a 6a
 2a4a
216a3
  1 a
3 F1 a3
w1F1 D F16EI  36
4
 16
36
1 C 32  12 D FEI 4  1636
2D 32
9
 EI

 2 
F2 l 3 2
w1F2 D 6EI
 a2
l
 1 C bl2  ax2 b2
b2
l
 x
l
   2  
2 l l12
 l1 Cl
3
w1F2 D F6EI 2
 l3
 l1
l
 1 C l
 .l1 Cl
l l l3 2 /l3
F2 .6a/3 5a  a 2 2a .2a/2
w1F2 D 6EI  6a  6a  6a  1 C a  5aa 6a

216a3 5
  2 a
3 F2 a3
w1F2 D F26EI  6  36
1
 26 1 C 6  45 D FEI  10  361
 31
5 D 31
18  EI
F1 a3 F2 a3 a3
w1 D w1F1 C w1F2 D 32
9
 EI
C 31
18
 EI
D 18EI
.64F1 C 31F2 /

Für die Lagerstellen gilt: ' A = ' A1 + ' A2 und ' B = ' B1 + ' B2
Mit Tab. 4.1, Ziffer 7:
 
'A D 'A1 C 'A2 mit 'Ai D wFi  2a1 i 1 C bli
   
'A D wF1  2a1 1 1 C bl1 C wF2  2a1 2 1 C bl2
Gemäß Abb.: wF1 D
O w1F1 und wF2 D
O w2F2
220 4 Durchbiegung

F1 F2
a1 b1 a2 b2
φA1 φA2
+

w2F2
w1F1
A 1 B A 2 B

F2 l 3
 a2 2  b2 2 .6a/3  5a 2  a 2 F2 a3
wF2 D 3EI
 l
 l D F23EI  6a  6a D 25
18
 EI
F1 a3
  20 F1 a2
'AF1 D 32
9  EI  2.2a/ 1 C 4a D 9 EI
1 6a

2 a
3   F2 a2
'AF2 D 25
18
 FEI  2.5a/
1
1 C 6a
a
D 3536 EI
20 F1 a2 35 F2 a2 a2
'A D 'AF1 C 'AF2 D 9 EI
C 36 EI
D 36EI
.80F1 C 35F2 /

Beispiel 4.11 Jetzt wollen wir uns noch einmal das Dreirad von Finn Niklas (Abb. 4.30)
anschauen und bestimmen, wie weit sich das Gestell an der Stelle des Sitzes unter dem
Gewicht von Finn Niklas nach unten durchbiegt.
Die Schnittgrößen am Rahmen sind in Abb. 4.31 dargestellt.

Gegeben:

l1 = 450 mm; l2 = 850 mm; lh = 950 mm;


F GF = 550 N; F V = 154,7 N; F hl = F hr = 197,7 N;
M = 46,41 Nm; I y = 78.552 mm4 ;

Für den vorderen Träger gilt:

wB D wBF C wBM
 2
F  l 3  a 2 b
wBF D  
3E  I l l

Abb. 4.30 Finn Niklas’ Drei-


rad
4.2 Überlagerungsprinzip bei der Biegung 221

Abb. 4.31 Schnittgrößen am


Dreirad

(Ziffer 7 in Tab. 4.1)

a D l1 I b D l2 und l D l1 C l2
 2  2
FGF  l 3 l1 l2
wBF D  
3E  I l l
2 
MA  l x 3 x 2 1  x 3
 
wBM D  C .Ziffer 10 Tab. 4.1/
3E  I l 2 l 2 l
x D l2
"    #
M  l2 l2 3 l2 2 1 l2 3
wBM D  C
3E  I l 2 l 2 l
    "    #
FGF  l 3 l1 2 l2 2 M  l 2 l2 3 l2 2 1 l2 3
) wB D   C  C
3E  I l l 3E  I l 2 l 2 l
 2  2
550 N  1300 mm3 3
450 850
) wB D  
3  2;1  10 mm2  78:552 mm
5 N 4 1300 1300
"     #
46;41 Nm  13002 mm2 850 3 850 2 1 850 3
C  C
3  2;1  105 mm
N
2  78:552 mm
4 1300 2 1300 2 1300
D 1;25 mm C 1;16 mm D 2;14 mm

Gleichzeitig biegt sich der hintere Träger an der Stelle C unter dem Einfluss der Ge-
wichtskraft durch:

F  l3
wC D .Ziffer 6 Tab. 4.1/
48E  I
l D lh I F D Fh D Fhl C Fhr
Fh  lh 3 395;3 N  9503 mm3
wC D D D 0;43 mm
48E  I 48  2;1  105 mm
N
2  78:552 mm
4
222 4 Durchbiegung

Auf die Stelle B wirkt sich diese Durchbiegung wie folgt aus:
l2
wBC D wC
l
Die Gesamtdurchbiegung am Sitz ergibt sich aus:
l2 850
wBges D wB C wC D 2;41 mm C 0;43 mm  D 2,69 mm
l 1300

4.3 Anwendung der Biegetheorie auf statisch unbestimmte Systeme

Die Biegetheorie liefert zusätzliche Informationen, um Systeme, die statisch unbestimmt


sind und in der Statik nicht lösbar waren, zu lösen. Die in der Statik behandelten Begriffe
„statisch bestimmt“ beziehungsweise „statisch unbestimmt“ sollen hier noch einmal kurz
definiert werden.
Die statische (Un-)Bestimmtheit kann unterschieden werden in

 innere und
 äußere statische (Un-)Bestimmtheit.

Bei innerlich statisch (un-)bestimmten Systemen werden geschlossene Fachwerke,


Rahmen oder Ringe betrachtet und die Kräfte in den Stäben berechnet.
Bei äußerlich statisch (un-)bestimmten Systemen werden offene Tragwerke (wie die
in den Abb. 4.32, 4.33, 4.34 und 4.35 dargestellten Balken, Rahmen, . . . ) betrachtet. Bei
diesen sind vor allem die Auflagerkräfte von Interesse. In diesem Buch werden nur die
äußerlich statisch (un-)bestimmten Systeme behandelt.

Definition für statische Bestimmtheit

I Wenn die Anzahl der statischen Gleichgewichtsbedingungen ausreichend ist, um die


statischen Unbekannten zu bestimmen, dann ist das System statisch bestimmt.

Abb. 4.32 Statisch bestimmte F


Systeme
A B
FAx
FAz FBz

MA F

FAx A

FAz
4.3 Anwendung der Biegetheorie auf statisch unbestimmte Systeme 223

Abb. 4.33 Einfach statisch F


unbestimmtes System
A B C
FAx
FAz FBz FCz

Abb. 4.34 Zweifach statisch F


unbestimmtes System MA
B

FAx A FBx
FAz FBz

Abb. 4.35 Dreifach statisch


F2 F3
unbestimmtes System

F1

FAx MA MB FBx

FAz FBz

In Abb. 4.32 sind jeweils drei unbekannte Auflagerreaktionen vorhanden: im oberen


System F Ax , F Az und F Bz ; im unteren System F Ax , F Az und M A . Diese Unbekannten
lassen sich bestimmen, wenn drei (statische) Gleichgewichtsbedingungen vorhanden sind.
Für diese Gleichgewichtsbedingungen sind folgende Alternativen möglich:

a) †F ix = 0; †F iz = 0 und †M i(A) = 0
b) †F ix = 0; f†F iz = 0g; †M i(A) = 0 und †M i(C) = 0
c) †M i(A) = 0; †M i(B) = 0 und †M i(C) = 0

Bedingung für c) ist, dass die Punkte A, B und C nicht auf einer Geraden liegen.
Im Gegensatz zu statisch bestimmten Systemen sind bei statisch unbestimmten Sys-
temen mehr Unbekannte als Gleichgewichtsbedingungen vorhanden (Abb. 4.33, 4.34
und 4.35).
Das System in Abb. 4.33 basiert auf dem System in Abb. 4.32 oben. Es wurde ein
zusätzliches Loslager in Punkt C eingeführt. Damit gibt es vier unbekannte Größen (F Ax ,
F Az , F Bz und F Cz ). Für die Gleichgewichtsbedingungen gelten die drei unter a) bis c)
beschriebenen Alternativen. Bei vier Unbekannten und drei Gleichgewichtsbedingungen
bedeutet dies eine einfache statische Unbestimmtheit.
In Abb. 4.34 wurde das System aus Abb. 4.32 unten um ein Festlager in Punkt B er-
weitert. Mit dem Festlager ergeben sich zwei zusätzliche Unbekannte (F Bx , F Bz ). Mit fünf
224 4 Durchbiegung

Unbekannten und drei Gleichgewichtsbedingungen ist das System zweifach statisch un-
bestimmt.
In Abb. 4.35 ist ein fest eingespannter Rahmen dargestellt. In beiden Einspannpunkten
treten Horizontal- und Vertikalkräfte sowie Einspannmomente auf. In Summe gibt es sechs
unbekannte Größen. Bei drei Gleichgewichtsbedingungen bleiben drei Unbekannte übrig,
woraus folgt, dass das System dreifach unbestimmt ist.
Zur Ermittlung der unbekannten Größen werden zusätzliche Gleichungen aus der
Formänderung des Systems gewonnen. Für statisch unbestimmt gelagerte Balken bzw.
Rahmen sind verschiedene (gängige) Verfahren im Einsatz:

a) Integrationsmethode: nutzt Informationen, die bei der Lösung der Differenzialglei-


chung der Biegelinie berücksichtigt werden.
b) Überlagerungsmethode: löst die Biegefälle nach dem Additionsprinzip.
c) Energiemethode nach Castigliano1 : hierbei wird die Formänderungsarbeit bei Bie-
gung betrachtet:

Z Z
1 1 Mb2
Wb D Mb  d' D
O dx
2 2 E I
Der Ansatz von Castigliano ist:

@Wb
wF D
@F
d. h. die Durchbiegung an einer Kraftangriffsstelle ist gleich der Ableitung der Formände-
rungsarbeit nach dieser Kraft. An einem Auflager gilt:

@Wb
wD0) D 0 für Lager A.
@F
Es werden nur die Methoden a) und b) behandelt. Dabei wird im folgenden Abschnitt
aufgezeigt, wie man mit diesen Methoden die Unbekannten für statisch unbestimmte Sys-
teme erhalten kann.

a) Integrationsmethode
Ausgang ist die Differenzialgleichung der Biegelinie: w 00 D  MEI
b .x/

Aus den Randbedingungen des Systems werden zusätzliche Informationen gewonnen,


die zur Bestimmung der statisch unbestimmten Größen genutzt werden.

 Für ein zusätzliches Lager gilt: Die Durchbiegung w = 0 (unter Umständen auch w 0 = 0,
wenn eine Symmetrie vorliegt).
 Bei zusätzlicher Einspannung: w = 0, w 0 = 0.
1
Carlo Alberto Castigliano (1847–1884), italienischer Ingenieur.
4.3 Anwendung der Biegetheorie auf statisch unbestimmte Systeme 225

Beispiel 4.12 Ein Balken der Länge 2 l mit konstanter Biegesteifigkeit E  I wird in den
Punkten A, B und C gelagert und mit einer konstanten Streckenlast q belastet (Abb. 4.36).
Gesucht werden

 die Auflagerkräfte F A , F B , F C
 der Biegemomentenverlauf M b (x)

Lösung Da die Balkenanordnung und die Belastung symmetrisch sind, muss auch die
elastische Linie symmetrisch sein (Abb. 4.36b). Es reicht daher aus, nur eine Hälfte des
Balkens bis zur Balkenmitte zu betrachten. Wenn die Biegelinie symmetrisch ist, dann
muss der Steigungswinkel am Mittellager bei B gleich null sein: w 0 B = 0. Am Lager gilt
auch, dass die Durchbiegung gleich null ist: w B = 0. Das Lager B mit w B = 0 und w 0 B = 0
entspricht einer festen Einspannstelle.
Zur Vereinfachung kann daher ein Ersatzsystem mit der Hälfte des Balkens und einer
festen Einspannstelle betrachtet werden (Abb. 4.36c). An diesem treten die in Abb. 4.37
dargestellten Schnittgrößen auf.
Es gilt: X
Fz D 0 D FA  q  x  Fq
X x2
M D0DC  q  x  FA C Mb (4.7)
2
Z
x3 x2
E  I  w0 D  M .x/  dx D q  FA C C1 (4.8)
6 2
x4 x3
E I w D q  FA C C1  x C C2 (4.9)
24 6

Abb. 4.36 a Dreifach gelager- a q


ter durchgehender Balken mit
Streckenlast, b Verformung
des Balkens und c Ausnutzung
der Symmetrie A B C
l l

b q

A B C
c

A B
226 4 Durchbiegung

Abb. 4.37 Schnittgrößen am Fq


Ersatzsystem q
Mb
x
FA

Das heißt, es gibt drei Unbekannte: F A , C1 , C2 zu bestimmen, und zwar aus den Rand-
bedingungen:
w0 D w.x D 0/ D 0 .Rb. 1/
wl D w.x D l/ D 0 .Rb. 2/
wl0 0
D w .x D l/ D 0 .Rb. 3/
Aus Gl. 4.9 und (Rb. 1) ) C2 = 0
Aus Gl. 4.9 und (Rb. 2):

l4 l3
0D  q   FA C C1  l
24 6
l2 l3
C1 D  FA  q
6 24

Aus Gl. 4.8 und (Rb. 3):

l3 l2
0D  q   FA C C1
6 2
l3 l2 l2 l3
0D  q   FA C  FA  q
6 2 6 24
l2 l3
0 D   FA C  q
3 8
3
FA D q  l
8
l2 3 l3 32
C1 D  ql  q D  q  l3
6 8 24 48
1
C1 D q  l3
48

Aus Symmetriegründen:
3
FC D FA D ql
8
4.3 Anwendung der Biegetheorie auf statisch unbestimmte Systeme 227

Vertikales Kräftegleichgewicht:
X
Fiz D 0 D FA C FB C FC  2  q  l
FB D 2 .q  l  FA /
5
FB D q  l
4

Daraus folgt die Gleichung der Biegelinie (aus Gl. 4.9):

x4 x3 3 q  l3
E I w D q  ql C x
24 6 8 48
  x 4  x 3  x 
q  l4
w .x/ D 2 3 C
48E  I l l l

und für die Neigung:


 3 
0 q  l4 x x2 1
w .x/ D 8 4 9 3 C
48E  I l l l

Proben nach Rb. (1), (2), (3):

w.x D 0/ D 0 ) i. O.
w.x D l/ D 0 ) i. O.
w 0 .x D l/ D 0 ) i. O.

Biegemomentenverlauf:

x2 3
Mb .x/ D  qC ql x
2 8
2    x 
ql x 2
Mb .x/ D 4 C3
8 l l

x D 0 ) MbA D 0 ) i. O:
q  l2
x D l ) MbB D 
8

Um den Verlauf von M b grafisch darzustellen, können die Nulldurchgänge mit


Mb .x/ D 0 bestimmt werden:
 x 2 x 
) 4 C3 D0
l l
x  3
4 C3D0)x D l
l 4
228 4 Durchbiegung

1 2
Mb max = – ql
8

A C
B

Mb
3 9
l M = ql 2
8 128
3
l
4

Abb. 4.38 Biegemomentenverlauf zu Beispiel 4.12

Die waagerechte Tangente für M b kann wie folgt bestimmt werden:


 
q  l2 x 1
Mb0D0D 8 2 C 3
8 l l
3
 8x C 3l D 0 ) x D l
8
  2  
3 ql 9 3
Mb x D l D 4 C 3
8 8 64 8
2  
ql 36 C 72 q  l 36
2
D D 
8 64 8 64
 
3 9
Mb x D l D q  l2
8 128

Der resultierende Biegemomentenverlauf ist in Abb. 4.38 dargestellt.

b) Überlagerungs- bzw. Superpositionsprinzip


Das grundlegende Prinzip besteht darin, statisch unbestimmte Systeme in statisch be-
stimmte (Teil-)Systeme zu zerlegen:

 in ein statisch bestimmt gelagertes Hauptsystem (wird auch Grund- oder Nullsystem
genannt) mit allen gegebenen äußeren Belastungen und
 so viele Zusatzsysteme, wie überzählige Lagereaktionen vorhanden sind. Die Reakti-
onskräfte oder -momente der überzähligen Auflager werden im jeweiligen Zusatzsys-
tem als äußere Belastungen berücksichtigt.
4.3 Anwendung der Biegetheorie auf statisch unbestimmte Systeme 229

q q

MA
l E·I
Freigemachtes System
A B FA FB

Hauptsystem I Hauptsystem II
q

wBq w′Aq

Zusatzsystem I Zusatzsystem II

wBFB MA

FB w′MA

Abb. 4.39 Statisch überbestimmt gelagerter Träger, zu zerlegen in Haupt- und Zusatzsystem

Dann erfolgt die Bestimmung der Verformungen (Durchbiegungen und/oder Tangen-


tenneigungen) für das Hauptsystem und die Zusatzsysteme.
Anschließend werden die einzelnen Verformungswerte so überlagert, dass die Gesamt-
verschiebungen und/oder Tangentenneigungen dem Ausgangsystem entsprechen (z. B. an
den betreffenden Lagerstellen gleich null sind).
In Abb. 4.39 ist dargestellt, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, um das Ur-
sprungssystem zu zerlegen. Zweckmäßig ist es, das Hauptsystem so zu wählen, dass die
zu verwendenden Grundlösungen möglichst einfach sind.
Dieses Beispiel soll im folgenden Teil nach beiden Zerlegungsvarianten gelöst werden.

Beispiel 4.13 Der eingespannte Träger nach Abb. 4.40 hat ein überzähliges Lager. Er ist
damit einfach statisch unbestimmt. Zur Lösung werden ein statisch bestimmtes Hauptsys-
tem und ein Zusatzsystem gesucht.

Lösung nach Hauptsystem I: Entfernen von Lager A


Als Hauptsystem wird ein eingespannter Träger betrachtet (Abb. 4.41).
Die maximale Durchbiegung, die durch die Streckenlast q verursacht wird, wird mit
w Bq bezeichnet.

Abb. 4.40 Statisch überbe- q


stimmt gelagerter Träger, zu
zerlegen in Haupt- und Zusatz-
system l E·I
230 4 Durchbiegung

Abb. 4.41 Hauptsystem q

wBq

Abb. 4.42 Zusatzsystem

wBFB

FB

Zur besseren Übersichtlichkeit werden im Index der Durchbiegungen (und auch der
Neigungen) immer der Ort (in diesem Fall B) und die verursachende Kraft (hier q) ange-
geben.
Im Zusatzsystem (Abb. 4.42) wird die überzählige Auflagerkraft (F B ) als äußere Be-
lastung angenommen.
Der Ansatz zur Lösung der Aufgabe ist die Überlagerung der Durchbiegungen am La-
ger B:
wB D wBq C wBFB D 0
Nach Tab. 4.1, Ziffer 3 und Ziffer 1:

q  l4
wBq D
8E  I
FB  l 3
wBFB D 
3E  I
q  l4 FB  l 3
wB D  D0
8E  I 3E  I
FB  l 3 q  l4
D
3E  I 8E  I
3
FB D q  l
8

Damit ist die Auflagerreaktion des überzähligen Lagers bestimmt. Alle weiteren Grö-
ßen könnten jetzt berechnet werden.

Lösung nach Hauptsystem II: Die feste Einspannung in Punkt A wird zu einem
Festlager
Das Hauptsystem mit dem Neigungswinkel w 0 Aq am Lager A zeigt Abb. 4.43.

Abb. 4.43 Hauptsystem q


w′Aq
4.3 Anwendung der Biegetheorie auf statisch unbestimmte Systeme 231

Abb. 4.44 Zusatzsystem MA


w‘MA

Abb. 4.45 Zweifach statisch F


a b
unbestimmtes System

A B C
c d

Im Zusatzsystem wird die überzählige Auflagerreaktion (das Moment M A , welches im


Hauptsystem weggelassen wurde) als äußere Kraft angenommen (Abb. 4.44).
Der Ansatz zur Lösung liegt hier in der Überlagerung der Neigungswinkel am Lager A:

wA0 D w 0Aq C wAM


0
A
D
O 'A D 'Aq C 'AMA D 0

Nach Tab. 4.1, Ziffer 12 und Ziffer 10:

q  l3
'Aq D 
24E  I
M l
'AMA D
3E  I
q  l2
) MA D
8

Aus †M A = 0 lässt sich F B bestimmen und über †F iz = 0 dann auch F A .


Bei einem zweifach statisch unbestimmten System (s. Abb. 4.45) müssen neben dem
statisch bestimmten Hauptsystem zwei Zusatzsysteme aufgestellt werden. In jedem Zu-
satzsystem wird eine der überzähligen Auflagerreaktionen als äußere Kraft angenommen.
Die möglichen Varianten zur Aufstellung der Hauptsysteme und die Ansätze zur Lösung
werden in Abb. 4.46 dargestellt.

Beispiel 4.14 Für den Träger (Abb. 4.45 und 4.46) sind die Lagerkräfte F A , F B , F C und
das Moment M A zu berechnen, wenn
a = d = l und b = c = 0,5 l ist.
Für die Berechnung soll nach Abb. 4.46b vorgegangen und mit Hilfe der Tab. 4.1,
Ziffer 1, die Durchbiegung für die Kräfte F, F B , F C und das Moment M A ermittelt werden.
232 4 Durchbiegung

a A B C b A B C
φAF F F

wAF

wCF
wBF
φAFA

wCFC
wAFA

wBFC
FC
FA

MA

wCFB
φAMA
FB

wBFB
wAMo

wA = wAF + wAFA + wAMA = 0


wB = wBF + wBFC + wBFB = 0
tanφA = tan φAF + tan φAFA + tan φAMA =
wC = wCF + wCFC + wCFB = 0
0
c F d F
wCF

φAF φAF wBF


wCFC

FC FB
wBFB

φAFC φAFB

MA MA
wCMA

φAMA
wBMA

φAMA

wC = wCF + wCFC + wCMA = 0 wB = wBF + wBFB + wBMA = 0


tan φA = tan φAF + tan φAFC + tan φAMA = 0 tan φA = tan φAF + tan φAFB + tan φAMA = 0

Abb. 4.46 Zerlegung in Haupt- und Zusatzsysteme (a–d) bei einem zweifach statisch unbestimm-
ten System

Die Durchbiegung an der Stelle C (Abb. 4.47b) infolge von F, F B und F C :


 
3 l F  l3 F  l2 l 7 F  l3
wCF x D l D wF C 'F  b D wF C 'F  D C  D
2 2 3E  I 2E  I 2 12 E  I
   3 3
3 FC  2 l 9 FC  l 3
wCFC x D l D D
2 3E  I 8 E I
   3  2
3 FB  2l FB  2l FB  l 3
wCFB x D l D wBFB C 'FB  l D C l D
2 3E  I 2E  I 6E  I
4.3 Anwendung der Biegetheorie auf statisch unbestimmte Systeme 233

a b
l ½l
A B C
F F
MA

wCF
½l l
φF

wF
wBF
FC
FA FB

wCFC
wFFC
FC

wBFC
φFB

wCFB
wFFB
wBFB
FB

Abb. 4.47 a freigemachter Träger, b Durchbiegungen infolge F, F B und F C

Durchbiegung an der Stelle B:


  "     # 
l F  l3 3 l 1 l 3 F  l3 3 1
wBF xD D 1 C D 1 C
2 3E  I 2 2l 2 2l 3E  I 4 16
5 F  l3
D
48 E  I
   3
l FB  2l FB  l 3
wBFB x D D D
2 3E  I 24E  I
   3 3 "     # 
l FC  2 l 3 l 1 l 3 9 FC  l 3 3 1
wBFC x D D 1 C D  1 C
2 3E  I 2 2l 2 2l 8 E I 4 16
45 FC  l 3
D
128 E  I

Es gilt die Bedingung w B = w C = 0

5 1 45
wB D 0W F  FB  FC D 0
48 24 128
7 1 9
wC D 0W F  FB  FC D 0
12 6 8
234 4 Durchbiegung

Man erhält also zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten, mit dem Ergebnis:

15 16
FB D F und FC D  F
2 27
X 319
FA kann aus Fiz D 0 bestimmt werden: FA C FB C FC F D 0 ) FA D  F
54
X 3 l
MA kann aus MiA D 0 bestimmt werden: FC  lF  l C FB  MA D 0
2 2
F l
) MA D 
12

Aus dem Ergebnis ist ersichtlich, dass F A , F C und M A (Abb. 4.47a) entgegengesetzt
wie angenommen gerichtet sind.

Beispiel 4.15 Die Auflagerreaktionen des Balkens aus Beispiel 4.12 (Abb. 4.48) sollen
mit Hilfe des Überlagerungsprinzips bestimmt werden.
Ansatz zur Lösung: Das Hauptsystem bleibt erhalten, indem das mittlere Auflager (La-
ger B) entfernt wird, so dass ein statisch bestimmt gestützter Balken vorhanden ist. Im
Zusatzsystem wird die Kraft F B als äußere Belastung angenommen. Da am realen System
im Lager B die Durchbiegung null ist, gilt:

wB D wBq C wBF D 0

Tab. 4.1, Ziffer 12 und Ziffer 6:

5 q.2  l/4 5 q  l4
wBq D D
O
384 E  I 24 E  I
FB .2  l/3 l3
wBF D  D FB
48E  I 6E  I
5 q  l4 l3 5
 FB D 0 ) FB D q  l
24 E  I 6E  I 4

Aus Symmetriegründen mit vertikalem Kräftegleichgewicht:

3
FA D FC D ql
8

Abb. 4.48 Balken aus Bei- q


spiel 4.12

A l B l C
4.4 Verständnisfragen zu Kapitel 4 235

Fazit Wenn man den Lösungsweg mit dem in Beispiel 4.12 (Lösung mit Integrations-
methode) vergleicht, ist der Ansatz mit dem Überlagerungsprinzip viel schneller. Er lässt
sich immer dann sehr gut einsetzen, wenn sich ein statisch unbestimmtes System in einfa-
che Teilsysteme zerlegen lässt, deren Durchbiegungen und Neigungen bekannt sind.

4.4 Verständnisfragen zu Kapitel 4

1. Wie wird die Krümmung eines Balkens berechnet?


2. Wie lautet die lineare Differenzialgleichung für die elastische Linie?
3. Wie lautet der differenzielle Zusammenhang zwischen der Krümmung, dem Nei-
gungswinkel und der Durchbiegung eines auf Biegung beanspruchten Balkens?
4. Was versteht man unter der Biegesteifigkeit und wie wirkt sie sich auf die Formän-
derung eines Balkens aus?
5. Warum haben zwei Balken aus S235 und S355 mit dem gleichen Querschnitt die
gleiche Biegesteifigkeit?
6. Warum führt die Anwendung der Biegegleichung für Werkstoffe mit hohen Verfor-
mungen zu Fehlern?
7. Was versteht man unter dem Superpositionsprinzip zur Ermittlung von Durchbie-
gungen?
8. Welches ist das grundlegende Prinzip zur Lösung statisch unbestimmter Systeme
nach der Überlagerungsmethode?
9. Wann ist eine Überlagerung von Biegefällen möglich?
10. Wie (unter welchen Randbedingungen) werden Haupt- und Zusatzsysteme überla-
gert?

4.5 Aufgaben zu Kapitel 4

Aufgabe 4.1 In den Außenfasern eines Balkens herrscht der von Null mit der Trägerlänge
linear ansteigende Spannungsverlauf.

σmax

I II
l

Gegeben: ESt = 2,1  105 N/mm2 ;  max = 120 N/mm2 ; l = 2 m; h = 300 mm (Balkenhöhe;
konstant).

a) Welchen Wert hat die größte Krümmung im Balken und wie ist der Krümmungsverlauf
entlang des Trägers?
236 4 Durchbiegung

b) Welchen Winkel bilden die Tangente an der Biegelinie in den Endpunkten I und II?
c) Durch welchen Belastungsfall kann der obige Spannungsverlauf erzeugt werden?
d) Wie groß ist die maximale Durchbiegung des Balkens?

Aufgabe 4.2 Dargestellt sind zwei horizontal eingespannte Blattfedern gleicher Biege-
steifigkeit.

F
d B
A d

l l

Gegeben: Länge l; Kontaktabstand d mit d  l; Biegesteifigkeit E  I.


Zu bestimmen sind:

a) die Grenzkraft F, so dass gerade eine Berührung bei A eintritt.


b) die Grenzkraft F, so dass gerade eine Berührung bei B eintritt.

Aufgabe 4.3 Ein wie im Bild skizziert gelagerter Träger wird durch die Kraft F belastet.

F
E·I

l l

A B

Gegeben: F, l, E  I = konst.
Zu bestimmen ist die Verschiebung des Kraftangriffspunktes bei konstanter Biegestei-
figkeit.
4.5 Aufgaben zu Kapitel 4 237

Aufgabe 4.4 Ein einseitig eingespannter Träger wird an seinem freien Ende durch einen
Gelenkstab abgestützt.

Gegeben: I, E, l, q, A, a.

a) Wie groß ist die Verschiebung des Punktes C?


b) Wie groß ist die Kraft F im Gelenkstab?

E,A

a
q

x E·I c
l

w=z

Aufgabe 4.5 Ein horizontal in der Wand eingespannter Träger mit der Biegesteifigkeit
E1  I 1 wird durch eine Kraft F beansprucht. In der Mitte des Trägers (B) wird dieser
zusätzlich durch ein Stahlseil gehalten.

E2, A2
l

F
E1· I1

A B C

l l

Gegeben: F = 1 kN, l = 1 m, E1 = 0,72  105 N/mm2 , I 1 = 1008 cm4 , E2 = 2,10  105 N/mm2 ,
A2 = 113,10 mm2.

a) Um welchen Betrag dehnt sich das Stahlseil?


b) Wie groß ist der Winkel von Träger am Punkt B?
c) Um wie viel verschiebt sich der Punkt C?
238 4 Durchbiegung

Aufgabe 4.6 Der beidseitig einbetonierte Träger wird durch die Kraft F belastet. Wie
groß ist die Durchbiegung an der Krafteinleitungsstelle?

F
⅔l ⅓l
Stabilitätsfall Knickung
5

Bei schlanken Druckstäben gibt es eine Versagensart bei Druckbelastung, die Knicken
genannt wird. Knicken ist kein Festigkeits-, sondern ein Stabilitätsproblem. Damit wollen
wir uns in diesem Kapitel beschäftigen.
In den Abschn. 2.1–2.4 sind wir bisher von folgenden Voraussetzungen ausgegangen:

 die Systeme befinden sich im stabilen Gleichgewicht


 die Verformung wurde bei der Ermittlung der Schnittgrößen und Spannungen nicht
berücksichtigt
 das Versagen des Systems tritt bei einer kritischen Grenzspannung auf.

Abb. 5.1 enthält die drei Gleichgewichtsarten, die bei Stabilitätsfällen zu betrachten
sind.
Wir wenden uns jetzt Stabilitätsproblemen zu (Abb. 5.2), d. h.

 für die Gleichgewichtslage ist die Verformung entscheidend


 die Verformung ist stets senkrecht zur Belastung gerichtet und
 die Verformung ist nicht proportional zur Last.

Abb. 5.1 Gleichgewichtsarten F F F

stabiles indifferentes labiles


Gleichgewicht Gleichgewicht Gleichgewicht
Zur Bewegung ist Bei Bewegung
Energie notwendig wird Energie frei

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 239
K.-D. Arndt et al., Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-26141-2_5
240 5 Stabilitätsfall Knickung

Stabilitätsprobleme treten auf, wenn ein Bauteil oder ein Bauelement auf Druck oder
Schub beansprucht wird.
Beispiele (siehe Abb. 5.2):

a Knicken, lange schlanke auf Druck beanspruchte Stäbe/Träger können ausknicken


b Beulen, ein durch hohen Druck belastetes Blech beult aus.
c Drill- oder Biegedrillknicken, unsymmetrische oder dünnwandige, offene Profile ver-
drehen sich und knicken unter Druckbelastung aus.
d Kippen, der Biegeträger knickt senkrecht zur Kraftrichtung aus

Abb. 5.2 Arten des Knickens a F F

F F
w

b
qd qd

c
F F

F F

F
F
5.1 Knickspannung und Schlankheitsgrad 241

5.1 Knickspannung und Schlankheitsgrad

Zugkräfte haben auf verformte Bauteile eine stabilisierende Wirkung. So wird z. B. der
Durchhang eines Seils oder einer Kette durch eine Erhöhung der Zugkraft reduziert. Ein
schlanker Stab, der etwas durchgebogen oder gekrümmt ist, wird durch eine Zugkraft
gestreckt, durch eine Druckkraft aber stärker gekrümmt. Ein schlanker Stab unter einer
Druckkraft neigt zum Knicken oder Ausknicken (Abb. 5.2a). Hierbei handelt es sich um
eine eindimensionale Instabilität.
Dünnwandige Platten oder Schalen neigen unter Druckkräften zum Beulen oder Aus-
beulen (Abb. 5.2b). Dies nennt man zweidimensionale Instabilität. Es gibt noch weite-
re Versagensformen von Bauteilen: Bei dünnwandigen, offenen Profilen können unter
Druckkraft Drillknicken oder Biegedrillknicken auftreten (Abb. 5.2c). Biegebeanspruchte
Träger mit schmaler Querschnittsfläche (z. B. ein aufrecht gestelltes Rechteckprofil) kön-
nen durch Kippen versagen (Abb. 5.2d). Wir werden uns hier nur mit dem Knicken als
einzige Instabilität beschäftigen.
Knicken ist eine mögliche Versagensform druckbelasteter Bauteile. Dazu gehören im
Bauwesen z. B. Säulen, Pfeiler und Stützen ebenso wie Masten. Im Maschinenbau sind
z. B. Druckstangen, Kolbenstangen von Hydraulik- oder Pneumatikzylindern, Schrauben-
spindeln von Pressen sowie Pleuel von Verbrennungsmotoren auf Knicken zu prüfen.
Der in Abb. 5.3 gezeigte Strommast hat versagt, weil innerhalb des (räumlichen) Fach-
werks ein auf Druck belasteter Stab (Abb. 5.4) aufgrund extremer Eis- und Schneelast
geknickt ist und damit weitere Stäbe überlastet wurden. Ebenso können Bauteile durch
thermische Beanspruchung ausknicken (Abb. 5.5). Bei einem auf Druck belasteten schlan-
ken Stab ist es von Interesse, ob eine von außen einwirkende Störung, eine kleine Queraus-
lenkung, zurückgebildet oder verstärkt wird. Letzteres könnte bei einem labilen Gleich-
gewicht der Fall sein. Für einen idealen Stab mit idealer Belastung wurden die entspre-
chenden Beziehungen schon vor über 250 Jahren mathematisch hergeleitet. Ideal bedeutet
in diesem Zusammenhang, dass die Stabachse exakt gerade ist, also keine Vorverformung
besteht, und dass die Druckkraft genau im Profilschwerpunkt und in Richtung der Stab-
achse angreift.
Zunächst machen wir einen Gedankenversuch mit einem zwischen zwei Gelenken ge-
lagerten Stab, der durch aufgesetzte Massen belastet wird, Abb. 5.6. Untersucht werden
soll der Einfluss einer kleinen Außermittigkeit der Belastung durch Vorgabe einer Exzen-
trizität e0 .
In Stabmitte bildet sich jeweils eine Auslenkung e aus. Für eine Belastung mit der
Masse m beträgt diese e D e0 + e1 . Daraus ergibt sich für den Stab ein Biegemoment
M b = F G  (e0 + e1 ) mit F G D m  g. Für die Masse 2 m stellt sich eine neue Gleichgewichts-
lage ein bei e D e0 + e2 mit e2 > e1 . Bei der Masse 3 m erhalten wir eine überproportionale
Auslenkung e3 des Stabes aufgrund des Biegemomentes M b D 3  F G  (e0 + e3 ). Der Stab
kehrt allerdings nach Entlastung (Wegnahme der Masse 3 m) in seine Ursprungslage zu-
rück. Oberhalb der Druckkraft 3F G führt eine kleine Zusatzbelastung zu großer Deforma-
tion des Stabes und schließlich zu seiner Zerstörung.
242 5 Stabilitätsfall Knickung

Abb. 5.3 Durch Schnee- und


Eislast geknickter Strommast
[11]

Abb. 5.4 Versagen (knicken)


eines Druckstabes innerhalb
des Fachwerkes
F F F
Versagen durch Knicken innerhalb des
Fachwerkverbandes

Abb. 5.5 Durch thermische


Ausdehnung ausgeknickter
Schienenstrang [11]

Die Belastung, die diese Zerstörung – das Knicken des Stabes – auslöst, nennt man
Knicklast oder Knickkraft F K . Auch bei verringerter Anfangsexzentrizität e0 (e0 ! 0)
führt dieselbe Knickkraft F K zur Zerstörung des Stabes, Abb. 5.7.
Wenn wir systematisch die Einflussgrößen unseres Experimentes aus Abb. 5.6 un-
tersuchen, erhalten wir folgende Zusammenhänge: Offenbar wird die Knickung eines
schlanken Stabes durch das Biegemoment verursacht. Daher ist die Biegesteifigkeit E  I
des Stabes für sein Knickverhalten wichtig. Je größer die Biegesteifigkeit E  I ist, umso
größer ist die Knicklast: F K EI min . Die Knicklast F K wird umso kleiner, je länger der
5.1 Knickspannung und Schlankheitsgrad 243

Abb. 5.6 Entstehung des m 2m 3m 3m +?m


Knickvorgangs
e0

e0 +e1 e0 +e2 e0 +e3

Stab ist: FK 1= lK2 mit der Stablänge lK . Zusammengefasst lässt sich schreiben:

E  Imin
FK (5.1)
lK 2

Bezieht man diese Knickkraft F K auf die Querschnittsfläche A des Stabes, so erhält
man die Knickspannung  K :

FK E  Imin
K D (5.2)
A A  lK 2

Die Knickspannung ist offenbar abhängig von:

 dem Elastizitätsmodul E,
 dem minimalen Flächenmoment I min des Stabes,
 der Querschnittsfläche A und
 dem Quadrat der Stablänge lK2 .

Abb. 5.7 Knickkraft in Ab- Kraft F


hängigkeit von der Auslenkung 4FG
für e0 = 0
Knicklast FK
3FG
ΔFG

2FG

1FG

e1 e3 Auslenkung e
e2
244 5 Stabilitätsfall Knickung

Mit der Definition des Trägheitsradius i (imin bezeichnet den Trägheitsradius für die
Stabachse mit dem minimalen Flächenmoment 2. Grades)
r
Imin Imin
imin D aus 2
imin D (5.3)
A A

können wir den Schlankheitsgrad eines Knickstabes berechnen:

lK lK
D D
O q (5.4)
imin Imin
A

Im Schlankheitsgrad sind alle geometrischen Eigenschaften eines Knickstabes ent-


halten, die sein Knickverhalten bestimmen. Wir erhalten schließlich die Knickspannung
 K als Funktion des Schlankheitsgrades :

E  Imin E 2 E
K D 2  imin D 2 (5.5)
A  lK2 lK

Die Knickspannung, also die Spannung im Stab, bei der dieser durch Knicken versa-
gen wird, hängt damit offenbar vom Elastizitätsmodul E als Materialkonstante und vom
Schlankheitsgrad als Beschreibung der geometrischen Eigenschaften ab. In Abb. 5.8
sind in Versuchen ermittelte Knickspannungen für Stäbe aus Stahl E335 über dem
Schlankheitsgrad aufgetragen.
Wenn die Knickspannung  K unterhalb der Proportionalitätsgrenze  P des Werkstoffs
liegt, spricht man von elastischer Knickung. Ist die Knickspannung größer als die Propor-
tionalitätsgrenze, liegt elastisch-plastische Knickung vor. Für Schlankheitsgrade < 20,
also sehr kurze Stäbe, ist ein Knicknachweis nicht erforderlich. Solche Stäbe müssen nur
auf Festigkeit überprüft werden.

5.2 Elastische Knickung nach Euler

Überlegungen zum Knicken von Druckstäben stellte Euler1 bereits im Jahre 1744 an. Er
betrachtete einen ideal elastischen und zentrisch belasteten Stab (e0 D 0), dessen beide
Enden in reibungsfreien Gelenken gelagert sind. Der Lastangriffspunkt (in Abb. 5.9 oben)
ist längs in x-Richtung verschieblich.
Die Ausgangsdeformation w wird durch eine von außen einwirkende Störung hervor-
gerufen, z. B. durch eine in Abb. 5.9 nicht eingezeichnete Querkraft. Solange die Axial-
kraft F kleiner ist als die Knickkraft F K , geht der Stab in seine gestreckte Ausgangslage
zurück, wenn die seitliche Störung wegfällt. Das durch die elastische Verformung entste-
hende Rückstellmoment im Stab ist also größer als das von außen aufgebrachte Moment

1
Leonhard Euler (1707–1783), Schweizer Mathematiker.
5.2 Elastische Knickung nach Euler 245

Elastisch-plastische Knickung Elastische Knickung


400

N/mm2 Quetschgrenze σdF

300
Proportionalitätsgrenze σ P
Knickspannung σ K

200

Kein
100
Knick- E335
nach-
weis

0
0 20 40 60 80 100 120 140
Schlankheitsgrad λ

Abb. 5.8 Knickspannungen in Abhängigkeit vom Schlankheitsgrad. (Versuchsergebnisse; nach


[2])

F  w. Die Knickkraft F K ist die kleinste Axiallast, bei der sich der aufgebogene Stab im
Gleichgewicht befindet. Diese Kraft kann man bestimmen über die Biegelinie. In Kap. 4
wurde dafür die linearisierte Differenzialgleichung w00 D M b / E  I hergeleitet. w(x) ist
die Durchbiegung des Stabes in Abhängigkeit von der Koordinate x; w0 ist die Tangente
an die Biegelinie und w00 ist die Krümmung der Biegelinie. Die Krümmung ist proportional
zum Biegemoment (w00 D M b / E  I). Diese Beziehung verwenden wir hier zur Berech-
nung des Rückstellmomentes:
Mb D w 00  E  I (5.6)

Im Grenzfall liegt ein Gleichgewicht von Rückstellmoment und äußerem Moment vor:

Mb D FK  w D w 00  E  I
FK
w 00  E  I C FK  w D 0 bzw. w 00 C w D0
E I

Mit der Abkürzung k 2 D FK


EI
erhalten wir:

w 00 C k 2  w D 0 (5.7)
246 5 Stabilitätsfall Knickung

Abb. 5.9 Knickstab nach F


Euler

w
Gelenk
(0)
x

lK
Gelenk
(1)

Imin
Imax
Ausweichrichtung

Damit haben wir eine lineare homogene Differenzialgleichung 2. Ordnung gefunden.


Als Lösungsansatz eignen sich bei Betrachtung von Gl. 5.7 Funktionen, deren zweite Ab-
leitung gleich der negativen Ursprungsfunktion ist, also Sinus- und Cosinus-Funktionen.
Als allgemeiner Lösungsansatz kann folgende Funktion verwendet werden:

w D A  sin .k  x/ C B  cos .k  x/
Erste Ableitung nach x: w 0 D A  k  cos.k  x/  B  k  sin.k  x/
Zweite Ableitung nach x: w 00 D A  k 2  sin.k  x/  B  k 2  cos.k  x/
w 00 D k 2  w bzw. w 00 C k 2  w D 0
q
Damit haben wir unter Beachtung von k D FK
EI
die allgemeine Lösung:

r ! r !
FK FK
w D A  sin  x C B  cos x
E I E I

Die Konstanten A und B ermitteln wir aus den Randbedingungen, den Lagerungsbe-
dingungen nach Abb. 5.9: Der Stab kann sich im oberen und unteren Lager nicht seitlich
verschieben. Demnach gilt:
Randbedingung 1 (oberes Lager): w0 D w .x D 0/ D 0
Randbedingung 2 (unteres Lager): wl D w .x D lK / D 0
Die Randbedingungen werden nun in die allgemeine Lösung eingesetzt:

Randbedingung 1: 0 D A  0 C B  1 ) B D 0
5.2 Elastische Knickung nach Euler 247

r ! r
FK FK
Randbedingung 2: 0 D A  sin  lK )  lK D 0I I 2I : : :
E I E I

Um keine triviale Lösung zu erhalten, muss A ¤ 0 sein. Der erste nicht triviale Eigen-
wert ist daher r
FK
 lK D :
EI
Aus dieser Gleichung kann jetzt die Knicklast FK , auch Euler-Last genannt, durch
Umstellen berechnet werden:
E  Imin
FK D  2  (5.8)
lK2
Aus der Knicklast F K kann man mit der Querschnittsfläche A und dem Schlankheits-
grad die Euler’sche Knickspannung  K ermitteln:

FK 2  E  2  E  Imin
K D D D (5.9)
A 2 lK2  A

Wenn diese Spannung im Stab vorliegt, knickt der Stab. Man erkennt, dass die Knick-
spannung nach Gl. 5.9 von der Festigkeit des Werkstoffs unabhängig ist. Als einziger
Werkstoffkennwert taucht in Gl. 5.9 der Elastizitätsmodul E auf. Knicken ist daher kein
Festigkeitsproblem, sondern ein Stabilitätsproblem. Ein Stab aus hochfestem Stahl knickt
bei der gleichen Last wie ein Stab aus Baustahl, da beide in etwa denselben Elastizitätsmo-
dul besitzen. Wichtig für diese Überlegungen ist, dass das Hooke’sche Gesetz gilt, d. h. die
Knickspannung  K muss unterhalb der Proportionalitätsgrenze  P liegen. Aus  K   P
kann man den minimalen Schlankheitsgrad für die Gültigkeit der elastischen Knickung
bestimmen: s
E
min D   (5.10)
P
Die Proportionalitätsgrenze liegt bei Stählen ungefähr bei 80 % der Streckgrenze, für
Baustahl S235 also bei  P  190 N/mm2 . Mit E D 2,1  105 N/mm2 erhält man
s
2;1  105
min   104 .gültig für S235/:
190

Für E335 mit  P  270 N/mm2 und demselben Elastizitätsmodul ergibt sich:
s
2;1  105
min   88 .gültig für E335/:
270

In Abb. 5.10 ist die Knickspannung  K D f ( 2 ) über dem Schlankheitsgrad auf-


getragen. Man erhält rechts von den eben berechneten min ( min  104 für S335 bzw.
248 5 Stabilitätsfall Knickung

800
N/mm2

Knickspannung σK bzw. zul. Druckspannung σdzul


700

600

GJ
L2
500 λ min = 80

00
λ min = 88
400
E335 Tetm λ min = 65
ajer λ min = 104
300

Te
tm
Quetschgrenze S235

aje
200 S235 Tetma

r
jer Stah
l Eu
GJL ler
100 σdzul S235 für SK = 4 200
Eule
r

0 20 40 60 80 100 120 140 160


Schlankheitsgrad λ

Abb. 5.10 Knickspannungen für Gusseisen und Stahl in Abhängigkeit vom Schlankheitsgrad .
(Nach [2])

min  88 für E335) eine hyperbelförmigen Verlauf, die so genannte Euler-Hyperbel.


Der Verlauf links davon wird im nächsten Abschnitt behandelt.
Wir sind bisher von einem beidseitig gelenkig gelagerten Knickstab ausgegangen. Für
Druckstäbe mit anderen Randbedingungen der Lagerung erhält man entsprechende Diffe-
renzialgleichungen mit anderen Knickkräften. In Abb. 5.9 beim beidseitig gelenkig gela-
gerten Stab entspricht die Länge lK einer Sinus-Halbwelle. Tab. 5.1 enthält die vier Grund-
fälle der Lagerung von Knickstäben, wobei der bisher behandelte Fall 2 der „Normalfall“
ist, mit der Knicklänge gleich der tatsächlichen Stablänge (lK D l). In Abhängigkeit von
den Lagerungsbedingungen ergeben sich folgende Knicklängen und Schlankheitsgrade
(Tab. 5.1):

 Fall 1 – der Stab ist an einem Ende fest eingespannt, das andere Ende ist frei:
lK D 2  l und D 2  l/imin
 Fall 2 – der Stab ist beidseitig gelenkig gelagert: lK D l und D l/imin (Normalfall)
 Fall 3 – der Stab ist einseitig fest eingespannt, die andere Seite ist gelenkig gelagert:
lK  0,7  l und D (0,7  l) / imin
 Fall 4 – der Stab ist einseitig fest eingespannt, am anderen Ende in einer Schiebehülse
geführt: lK D 0,5  l und D (0,5  l) / imin
5.2 Elastische Knickung nach Euler 249

Tab. 5.1 Euler’sche Knickfälle mit Lagerungsbedingungen, Knicklänge, Schlankheitsgrad, Knick-


last, Knickspannung, Anwendung

F
F F F

fest

lK = 2·l

lK = 0,5·l
lK = 0,7·l
lK = l

Gelenk
l

Gelenk

l
fest
fest fest

Fall 1 2 3 4
Freie Knicklän- 2l l  0,7 l 0,5 l
ge lK
2l l 0;7l 0;5l
Schlankheitsgrad imin imin imin imin
 2 EImin
4  l2   EIl 2min 2  EIl 2min 4  EIl 2min
2 2 2
Knicklast F K
 2 EImin
4  l 2 A  2  EI 2  l 2 A 4 2  EI
2 EImin
Knickspannung  K min
l 2 A
min
l 2 A
Anwendung Masten und Stüt- Säulen, Säulen und Stützen, die fest einge-
zen Fachwerkstäbea spannt sind
a
Deren Einspannungen nicht starr genug sind, um eine Verdrehung der Stabenden zu verhindern

Mit Einführung der Knicklänge lK gelten die Knickkraft F K und die Knickspannung
 K für alle vier Lagerungsfälle gleichermaßen (Tab. 5.1):

 2  E  Imin 2  E
FK D und K D (5.11)
lK2 2

Beispiel 5.1 Eine Stütze der Länge L0 mit dem Durchmesser d wird wie in Abb. 5.11
skizziert aus der spannungsfreien Stellung (Winkel ˛ ¤ 0) durch Verschieben des unteren
Lagers in eine senkrechte Lage (˛ D 0) gebracht. Wie groß darf die Länge L0 höchstens
sein, damit die Stütze in der senkrechten Stellung nicht ausknickt?
250 5 Stabilitätsfall Knickung

Abb. 5.11 Knickstab zu Bei-


spiel 5.1

L
α

Gegeben: d; L D 30 d; E

Lösung Die Knickspannung errechnet sich nach Gl. 5.11:

2  E lK
K D 2
mit dem Schlankheitsgrad D :
i

Das axiale Flächenmoment 2. Grades I und die Querschnittsfläche A ergeben sich für
einen Kreisquerschnitt mit dem Durchmesser d zu:

 4  2
I D d und A D d
64 4

Für den Trägheitsradius i erhält man:


r
I  4 4 d2 I d
i D
2
D d D ; also iD D
A 64   d 2 16 A 4

Die Knicklänge ist hier lK D L D 30  d (Fall 2 nach Tab. 5.1).


Damit errechnet sich zu:

L 30  d
D4 D4 D 120; also Euler-Knickung.
d d

Die Druckspannung durch die elastische Verkürzung des Stabes von L0 auf L bei der
Verschiebung aus der schrägen in die senkrechte Lage kann man nach dem Hooke’schen
Gesetz ermitteln:
L0  L
d D "  E D E
L0
5.2 Elastische Knickung nach Euler 251

Diese Druckspannung muss gleich der Knickspannung (vorstehend) sein:

2  E  d 2 L0  L
K D D E
L  16
2 L0
Nach Umstellung dieser Gleichung erhält man:

L 2  d 2 L 30  d
D1 und schließlich L0 D D
L0 16  L2 1  2 d 2
1  2 d 2
16L2 16900d 2

Daraus ergibt sich die gesuchte Ausgangslänge L0 D 30;02  d .

Beispiel 5.2 Ein beidseitig gelenkig an die festen Punkte A und B angeschlossener Stab
(siehe Abb. 5.12) mit Rechteckquerschnitt (Höhe h, Breite b) soll gleichmäßig erwärmt
werden, bis ein Ausknicken des Stabes eintritt. Welche Temperaturerhöhung # ist hier-
für erforderlich?

Gegeben:

lD6m
h D 300 mm
b D 150 mm
E D 2,1  105 N/mm2
˛ D 1,2  105 K1

Lösung Es liegt Knickfall 2 vor mit lK D l D 6 m. Der Stab knickt um die Achse des
kleineren axialen Flächenträgheitsmomentes aus, hier also um die senkrechte Achse; das
Ausknicken erfolgt also senkrecht zur Zeichenebene – aus der Zeichenebene heraus.
Die Knickspannung erhält man aus Gl. 5.11:

2  E lK
K D 2
mit D
imin
Für den Rechteckquerschnitt gilt für das kleinere axiale Flächenmoment 2. Grades:

h  b3
Imin D
12

Abb. 5.12 Erwärmung eines l


eingespannten Stabes
0

A B
252 5 Stabilitätsfall Knickung

Die Querschnittsfläche ist A D h  b. Für den minimalen Trägheitsradius erhält man da-
her: r
h  b3 b
imin D D p
12  h  b 2 3
Damit errechnet sich der Schlankheitsgrad zu:
p p
l 2 3 6m2 3
D D D 138
b 0;15 m

Es liegt also Euler-Knickung vor. Die Knickspannung ist in diesem Fall gleich der
Spannung aus der Wärmedehnung, die durch die festen Auflager ja verhindert wird.

2  E
K D 2
D # D ˛  #  E

Daraus kann man die Temperaturerhöhung durch Umstellen ermitteln:

2 2
# D D D 43;18 K
2˛
138  1;2  105 K 1
2

Der Stab muss bis zum Ausknicken also um 43,18 K erwärmt werden.

5.3 Elastisch-plastische Knickung nach Tetmajer

Versagen durch Druckspannungen kann in drei verschiedenen Formen auftreten: Schlanke


Stäbe versagen durch Knicken, wobei die Druckspannung kleiner ist als die Proportio-
nalitätsgrenze, also noch im elastischen Bereich. Diesen Fall haben wir im Abschn. 5.2
behandelt und als elastisches Knicken bezeichnet. Mittelschlanke Stäbe versagen durch
Knicken bei einer Druckspannung oberhalb der Proportionalitätsgrenze, also im inelasti-
schen Bereich. Kurze druckbelastete Stäbe knicken nicht, sondern versagen bei Spannun-
gen oberhalb der Quetschgrenze (Druckfließgrenze  dF ) durch Fließen oder sie brechen.
Im elastisch-plastischen Bereich, bei Spannungen oberhalb der Proportionalitätsgren-
ze, kann man keine theoretisch herleitbare mathematische Beziehung zwischen Span-
nung  und Verformung " aufstellen. Daher bleibt nur die Möglichkeit, Versuche zur
Ermittlung der Zusammenhänge durchzuführen. Tetmajer2 wählte folgenden Näherungs-
ansatz für die Knickspannung  K im elastisch-plastischen Bereich der Knickung (siehe
auch Abb. 5.10):

Stäbe aus Stahl: K D a  b  .Geradengleichung/


Stäbe aus Grauguss: K D a  b  Cc 2
.Parabelgleichung/

2
Ludwig von Tetmajer (1850–1905), Professor am Polytechnikum Zürich, Gründer der eidgenössi-
schen Materialprüfanstalt.
5.3 Elastisch-plastische Knickung nach Tetmajer 253

Aus Messungen werden dann die konstanten Größen a, b und c für den jeweiligen
Werkstoff bestimmt. Da die Stabquerschnittswerte A und I min in diesen Gleichungen nicht
enthalten sind, ist die Vordimensionierung eines Knickstabs im elastisch-plastischen Be-
reich nicht möglich. Es können nur angenommene Querschnitte nachgerechnet werden.
Für einige wichtige Werkstoffe des Maschinenbaus gelten für die Knickspannung in
Abhängigkeit vom Schlankheitsgrad folgende Formeln:

N
S235: K D .310  1;14  /
mm2
N
E335: K D .335  0;62  /
mm2
N
EN-GJL200: K D .776  12  C 0;053  2
/
mm2

Mit Hilfe der Gl. 5.10 hatten wir die Schlankheitsgrade min ermittelt, von denen ab die
elastische Knickung nach Euler gilt. Wir können jetzt die Schlankheitsgrade berechnen,
für die kein Knicken mehr erfolgt, sondern nur noch ein Versagen durch Fließen oder
Bruch auftritt. Dazu verwenden wir die Quetschgrenze, z. B. für S235:

N
dF D 235
mm2

Mit dF D K erhalten wir

310  235
min D ) min D 65 D q:
1;14

Für das Versagen von Druckstäben aus S235 mit Schlankheitsgraden < q ist daher
die Quetschgrenze  dF maßgebend. Zusammengefasst gelten also folgende Werte für die
Bemessung von Druckstäben aus S235:

 Quetschgrenze  dF für D 0 : : : q D 65
 Knickspannung nach Tetmajer für D q : : : min D 104
 Knickspannung nach Euler für  min

In Tab. 5.2 sind die jeweils gültigen Formeln der Knickspannung für weitere Werkstoffe
zusammengefasst.
Für den nichtelastischen Bereich findet man in der Literatur außer den Formeln von
Tetmajer auch die Johnson-Parabel (z. B. [10, S. 269]).
Für die technische Berechnung können die zulässige Druckspannung und die zuläs-
sige Druckkraft folgendermaßen ermittelt werden:

K FK K  A
dzul D Fdzul D D
O (5.12)
Serf Serf Serf
254 5 Stabilitätsfall Knickung

Tab. 5.2 Knickspannungen in Abhängigkeit vom Schlankheitsgrad


Werkstoff Plastische Knickung nach Tetmajer Elastische Knickung nach Euler
2
Gültigkeitsbereich Gleichung für  K Gültigkeits- K D  2E
bereich
S235 0 < < 65 K D dF D 235 > 104 K D . =100/
207
2
65 < < 104 K D 310  1;14 
E295 0 < < 88 K D 335  0;62  > 88
E335
5 % Ni-St 0< < 86 K D 470  2;30  > 86
K D K D 98;7
EN- 0< < 80   > 80 . =100/2
GJL200 776  12  C 0;053  2

Bauholz 0< < 100 K D 29;3  0;194  > 100 K D 9;9


. =100/2

Als erforderliche Sicherheit setzt man Serf  4 . . . 2 ein mit abnehmendem Schlank-
heitsgrad.
Der Knicknachweis für einen Druckstab wird wie folgt durchgeführt (Abb. 5.13):

Beispiel 5.3 Eine auf Druck belastete Stütze mit der Länge l D 6 m ist an beiden Enden
fest eingespannt. Sie muss eine Druckkraft von 300 kN aufnehmen. Es stehen folgende
Profile aus S235 zur Verfügung:

a) IPE-Profil DIN 1025-IPE 300 (Doppel-T-Profil)


b) IPB-Profil DIN 1025-IPB 140 (Breitflansch-Doppel-T-Profil)
c) Rohr EN 10220-¿ 177,8 × 8

Lösung Die benötigten Profilwerte entnehmen wir Tabellenwerken, z. B. [10, TB 1-11


und TB 1-13]. Sie sind im Folgenden zusammengestellt. Stäbe knicken um die Achse des
kleinsten Flächenmomentes 2. Grades aus, was hier für das IPE- und das IPB-Profil eine
Rolle spielt. Aufgrund der Lagerungsbedingungen liegt Knickfall 4 vor mit lK D 0,5  l D
300 cm.

IPE 300 IPB 140 Rohr ¿ 177,8 × 8


Flächenmoment 2. Grades I min cm4 604 550 1541
Querschnittsfläche A cm2 53,8 43 43
Trägheitsradius imin cm 3,35 3,58 6,0
Spezifische Masse m0 kg/m 42,2 33,7 33,5
Kosten C/kg 1,80 1,80 2,20

Wir berechnen nun nach Gl. 5.4 den jeweiligen Schlankheitsgrad und ermitteln da-
mit nach Tab. 5.2 die gültige Knickspannung. Außerdem bestimmen wir die vorhandene
Druckspannung in den Profilen und die Sicherheit gegen Knicken.
5.3 Elastisch-plastische Knickung nach Tetmajer 255

Abb. 5.13 Knicknachweis nach Euler oder Tetmajer


256 5 Stabilitätsfall Knickung

IPE 300 IPB 140 Rohr ¿ 177,8 × 8


Schlankheitsgrad 90 84 50
Knickspannung  K N/mm2 207 214 235
Nach Tetmajer Tetmajer Tetmajer
Vorhandene Spannung  d N/mm2 56 70 70
Sicherheit gegen Knicken SK 3,7 3,1 3,4
Kosten C 455,76 364,00 442,20

Nach den vorhandenen Sicherheiten gegen Knicken könnten alle drei Profile für die
gegebene Aufgabenstellung eingesetzt werden. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Flä-
chenmomente um die beiden Profilachsen beim IPE-Profil erhält man hierbei sehr große
Abmessungen mit entsprechend hohen Gesamtkosten. IPB-Profil und Rohr unterscheiden
sich im Gewicht und in der Sicherheit nur geringfügig; aufgrund der höheren spezifischen
Kosten des Rohrs ergibt sich mit dem IPB-Profil die kostengünstigste Lösung.

5.4 Verständnisfragen zu Kapitel 5

1. Worauf basieren die Untersuchungen von Euler zum Knicken von Druckstäben?
2. Wie werden die Arten des Knickens unterschieden?
3. Warum werden bei druckbelasteten Stäben mit Knickgefahr hohe Sicherheiten ver-
langt?
4. Was ist zu verändern, wenn sich bei der Dimensionierung eines schlanken Stabs aus
Baustahl eine zu geringe Knicksicherheit ergibt?
5. Was kennzeichnet die Knickung nach Tetmajer?

5.5 Aufgaben zu Kapitel 5

Aufgabe 5.1 Ein Kran ist wie in folgender Abbildung mit F D 24 kN belastet. Wie groß
muss der Innendurchmesser d der an beiden Enden (in den Punkten A und B) gelenkig
gelagerten Stahlrohrstrebe aus S235 sein, wenn bei D D 100 mm Außendurchmesser die
Sicherheit gegen Ausknicken SK D 3,5 sein soll?
5.5 Aufgaben zu Kapitel 5 257

Aufgabe 5.2 In einer Spindelpresse werden Holzplatten furniert. Die Platten werden mit-
tels Spindelkraft gepresst. Dann werden zur Verkürzung der Abbindezeit des Leims die
Druckplatten der Presse beheizt. Die Spindel aus E335 erwärmt sich dabei schneller als
das Pressengestell aus S235. Die Spindel mit der maximalen freien Länge L ist oben in der
Mutter hülsenartig und unten am Pressenteller in einem Kugelgelenk gelagert. Die Ver-
formungen des Pressengestells aufgrund der Spindelkraft können vernachlässigt werden,
ebenso der Längenunterschied zwischen Pressengestell und Spindel.
258 5 Stabilitätsfall Knickung

Gegeben:
Freie Länge der Spindel: L D 715 mm
Kerndurchmesser der Spindel: d D 20 mm
Elastizitätsmodul für Stahl: E D 2,1  105 N/mm2
Wärmeausdehnungskoeffizient für Stahl: ˛ D 1,2  105 K1
Spindelkraft (aufgrund Vorspannmoment): F D 15.708 N

a) Wie groß ist die Sicherheit gegen Knicken bei unbeheizter Presse?
b) Wie hoch darf der Temperaturunterschied zwischen Pressengestell und Spindel maxi-
mal sein, damit die Knicksicherheit der Spindel mindestens SK D 2,1 ist?

Aufgabe 5.3 Der Ausleger gemäß des Bildes ist für eine Masse m D 3 t mit 3-facher Si-
cherheit zu berechnen. Zu wählen sind

a) für einen Holzbalken mit kreisförmigem Querschnitt der erforderliche Durchmesser,


b) das erforderliche U-Profil aus S235JR für zwei parallele nicht verbundene Träger. Die
Druckspannung und die tatsächliche Sicherheit.

P
5000
2300

m
2600

Aufgabe 5.4 Ein voller Wasserbehälter mit den Abmessungen 5 m × 2 m × 1,5 m wird
gemäß folgender Abbildung durch 4 I-Säulen von 4 m getragen. Die Gewichtskraft des
leeren Behälters beträgt 36 kN.

Gegeben: E D 2,1  105 N/mm2 ; Wasser D 1000 kg/m3 .

a) Wie groß ist die Belastung einer Säule?


b) Welches I min muss eine Säule bei einer Sicherheit SK D 4 haben?
c) Welches Profil ist zu wählen?
d) Wie groß ist der Schlankheitsgrad ?
5.5 Aufgaben zu Kapitel 5 259

2000 5000

1500
4000
gelenkig gelagert
Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben
6

In diesem Kapitel werden die Antworten zu den Verständnisfragen aus den Kap. 1–5 ge-
geben. Außerdem sind die Ergebnisse, teilweise auch die Lösungen zu den Aufgaben aus
den Kap. 1–5 enthalten. Damit können Leser und Leserinnen ihre eigenen Ergebnisse
der Verständnisfragen und Übungsaufgaben überprüfen. Schließlich sind zwei komplette
Klausuren und deren Lösungen dargestellt, so dass auch das Rechnen unter Klausurbedin-
gungen geübt werden kann.

6.1 Lösungen zu Kap. 1

6.1.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kap. 1

1. Die Statik betrachtet ideale starre Körper und ermittelt die unbekannten Auflager-,
Gelenk- und Stabkräfte. Die Festigkeitslehre betrachtet deformierbare oder elastische
Körper und stellt einen Zusammenhang zwischen den äußeren und inneren Kräften
sowie den Verformungen her, mit dem Ziel der Bauteilbemessung und des Span-
nungsnachweises.
2. Ein Versagen eines Bauteils kann durch Gewaltbruch, Dauerbruch, unzulässig große
Verformungen und durch Instabilität auftreten.
3. Zu den Grundbeanspruchungsarten zählen: Zug, Druck, Biegung, Schub/Abscheren
und Torsion (Verdrehen).
4. Beim Freimachen werden die Auflager eines Systems durch ihre Kraft- und Momen-
tenwirkungen ersetzt. Beim Freischneiden werden die Systeme gedanklich aufge-
schnitten und die inneren Kräfte angetragen, so dass sich Kraft- und Momentenver-
läufe und schließlich Spannungen ermitteln lassen.
5. Die Spannung ist das Verhältnis aus der Teilschnittkraft F i und der dazugehörigen
Teilschnittfläche Ai .

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 261
K.-D. Arndt et al., Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-26141-2_6
262 6 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben

6. Normalspannungen treten senkrecht zur gedachten Schnittfläche auf, während die


Tangentialspannungen parallel zur gedachten Schnittfläche auftreten. Daraus resul-
tieren zwei unterschiedliche Verformungs- und Zerstörungswirkungen.
7. Die wahre Spannung wird aus dem Quotienten der jeweiligen Kraft F zum jeweili-
gen Querschnitt Atat ermittelt. Der Unterschied besteht darin, dass beim allgemeinen
Spannungs-Dehnungs-Diagramm die Spannung sich auf den Ausgangsquerschnitt
bezieht.
8. Das Hooke’sche Gesetz gilt nur für den elastischen Bereich und sagt aus, dass zwi-
schen der Spannung  und der Dehnung " ein linearer Zusammenhang besteht.
9. Die Poisson’sche Konstante m ist das Verhältnis der Längsdehnung " zur Querkür-
zung "q . Die Querkontraktionszahl µ ist der Kehrwert der Poisson’schen Konstanten.
10. Die Formänderungsarbeit W f ist abhängig von der Kraft F 2 , der Länge l, dem Elasti-
zitätsmodul E und der Querschnittsfläche A.
11. Die Haltbarkeit eines Bauteils ist abhängig vom zeitlichen Verlauf der Belastung/
Beanspruchung und der Betriebsart (Dauer- oder Aussetzbetrieb).
12. Die Lastfälle nach Bach werden unterschieden nach ruhender, schwellender und
wechselnder Belastung.
13. Das Wöhler-Diagramm dient zur Ermittlung der Bruch-, Kurzzeit-, Zeit- und Dauer-
festigkeit einer Wertstoffprobe.
14. Das Smith-Diagramm wird aus einer Vielzahl von Wöhler-Diagrammen zur Ermitt-
lung der Dauerfestigkeiten für die jeweilige Beanspruchungsart erstellt. Aus ihm
können die Grenzspannungen  o und  u für den jeweiligen Werkstoff entnommen
werden.
15. Sicherheiten S werden eingeführt, da die aus Versuchen gefundenen Grenzspannun-
gen ( m ,  D ) im Betrieb nicht erreicht werden dürfen und um Unsicherheiten bei der
Berechnung der auftretenden Spannungen aufgrund von Einflüssen (keine homoge-
nen, isotropen Werkstoffe, Oberflächenbeschaffenheit, Kerben) zu berücksichtigen.

6.1.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kap. 1

Aufgabe 1.1 Zunächst müssen die Kräfte aus dem Kräfte- und Momentengleichge-
wicht bestimmt werden (Reihenschaltung): F = F 1 + F 2 ; F 1 = 25 N; F 2 = 75 N. Damit wird
l1 = 0,238 mm; l2 = 0,714 mm und ' = 0,036°.
Für die Spannungen muss die Gewichtskraft F G des Stabes mit berücksichtigt werden,
somit wird F 1 = 50 N;  1 = 200 N/mm2 und F 2 = 100 N;  2 = 400 N/mm2 .

Aufgabe 1.2 Durch die Belastung des Verbundstabes ergeben sich gleiche Dehnungen
für Holz und Stahl. Die beiden Stahlplatten sind identisch und dürfen deshalb zusammen-
gefasst werden. Unter Beachtung dieses Zusammenhanges ergeben sich folgende Werte:

AH = 1500 mm2 ; ASt = 200 mm2 ; F = F H = 8,72 kN; F St = 16,28 kN.


6.2 Lösungen zu Kap. 2 263

a) Für die Spannungen ergeben sich folgende Werte:


 H = 5,8 N/mm2 und  St = 81,4 N/mm2
b) Verlängerung l = 0,116 mm

Aufgabe 1.3 Die Formänderungsenergie für die Gummifeder beträgt W f = 4,3 Nmm.

Aufgabe 1.4 Die Formänderungsenergie für den linken und rechten Teil des Stabes be-
trägt W f li = 327,4 Nmm und W f re = 873 Nmm.

Aufgabe 1.5
a) Berechnung der Kraft pro Stahlband mit F leer = 3679 N und F voll = 9810 N
Berechnung der Spannungen im Stahlband:  leer = 41 N/mm und  voll = 109 N/mm2
b) Bedingung für Fließen (voller Tank): SF = 2,7 (ausreichend, da Smin > 1,5)
Festigkeitsbedingung für Bruch (voller Tank): SB = 4,3 (ausreichend, da SB > 2)
c) Berechnung der Verlängerung der Stahlbänder (Befüllung): " = 0,00032 und l =
0,45 mm

6.2 Lösungen zu Kap. 2

6.2.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kap. 2

1. Die Zugspannung in Stäben ist konstant, wenn folgende Bedingungen vorliegen:


 die Querschnittsfläche liegt senkrecht zur Stabachse
 die Wirklinie von F liegt auf der Schwerpunktachse (Mittelinie) und
 der Querschnitt ist konstant bzw. hat sanfte Übergänge.
2. Für die Tragfähigkeitsrechnung gilt: F  F zul =  zul  A und für die Bemessungsrech-
nung: A  Aerf = F /  zul .
3. Die Normalspannung beträgt  =  0 / 2 und die Schubspannung  max =  0 / 2.
4. Die Trag- und die Reißlänge sind nur abhängig von  zul bzw. Rm und vom spezifi-
schen Gewicht des verwendeten Werkstoffs.
5. Bei Erwärmung dehnen sich Körper aus und beim Abkühlen ziehen sie sich zu-
sammen. Die Spannung ist abhängig vom Längenausdehnungskoeffizienten, dem E-
Modul und der Temperaturdifferenz.
6. Der Werkstoff mit der geringeren Festigkeit ist bei der Ermittlung der Flächenpres-
sung maßgebend.
7. Für das Aufreißen von Behältern, Kesseln oder Rohren in Längsrichtung ist die Tan-
gentialspannung  t verantwortlich, da sie doppelt so groß wie die Axialspannung  a
ist.
8. Die Grenzgeschwindigkeit eines frei rotierenden Ringes hängt von der zulässigen
Spannung  zul und der Dichte  des Werkstoffs ab.
264 6 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben

9. Die Querkraft F q bewirkt ein Verschieben der einzelnen Querschnitte gegeneinander


und bildet mit der Auflagerkraft ein Kräftepaar, was ein Moment erzeugt.
10. Die neutrale Faser ist spannungsfrei und die Spannungen nehmen von ihr aus linear
nach außen zu. Darüber hinaus bleibt die Länge in diesem Bereich unverändert.
11. Die Hauptgleichung der Biegung lautet  b = M b / W b .
12. Das Widerstandsmoment ist proportional der Breite b und proportional der Höhe h2 .
13. Das (axiale) Flächenmoment 2. Grades ist ein Maß für die Steifigkeit eines Quer-
schnitts gegen Biegung.
14. Mit dem Satz von Steiner lässt sich das Gesamtflächenmoment 2. Grades von zusam-
mengesetzten Flächen berechnen. Er lautet: I = I s + s2  A.
15. Eine Umrechnung des Flächenmomentes von einer beliebigen Achse auf eine andere
Achse, die nicht Schwerpunktachse ist, ist mit dem Steiner’schen Satz nicht möglich,
sondern kann nur über die S-Achse vorgenommen werden.
16. Die Schubspannung ergibt sich aus dem Produkt von Schubwinkel  und Schubmo-
dul G.
17. Die Schubspannung ist (bei symmetrischen Profilen) in Profilmitte maximal. An die-
ser Stelle ist die Biegespannung null, während am Rand die Biegespannung maximal,
die Schubspannung aber null ist. Bei langen Trägern unter Querkraftbiegung ist die
Biegespannung sehr viel größer als die Schubspannung aus Querkraft.
18. Unsymmetrische Profile verdrehen sich unter Querkraft, die nicht im Schubmittel-
punkt eingeleitet wird. Nur wenn die Querkraft im Schubmittelpunkt angreift, erfährt
der Träger keine Torsionsbeanspruchung (zusätzlich zur Biege- und Schubbeanspru-
chung).
19. Die Torsionsspannungen eines Kreisquerschnitts sind an der Außenseite am größten,
in der Mitte dagegen null. Zur besseren Ausnutzung des Materials ist deshalb ein
Kreisringprofil (Rohr gegenüber Vollwelle) günstiger.
20. Entsprechend Gl. 2.90 können nur der Durchmesser der Drehstabfeder verkleinert
und/oder die Länge vergrößert werden. Bei einer Verkleinerung des Durchmessers
erhöht sich die Spannung in der Feder; die Länge der Feder hat auf die Spannung
keinen Einfluss.
21. Die 1. Bredt’sche Formel dient zur Ermittlung des Torsionswiderstandsmomentes
dünnwandiger geschlossener Querschnitte.
22. Offene Profile (hier: U-Profile) sind wesentlich torsionsweicher als geschlossene Pro-
file (z. B. Rohre). Da Lkw-Rahmen in der Regel torsionsweich ausgelegt werden,
verwendet man als Längsträger der Rahmen U-Profile.
6.2 Lösungen zu Kap. 2 265

6.2.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kap. 2

Aufgabe 2.1
a) Mit der Bedingung 2lSt + lCu = h kann die Kraft F = 4,67 kN bestimmt werden.
b) Die Spannungen ergeben sich zu  St = 140 N/mm2 und  Cu = 70 N/mm2 .
c) Die Temperaturabsenkung muss # = 50 K betragen.

Aufgabe 2.2
a) Der erforderliche Querschnitt Aerf beträgt 43.087,4 mm2 und damit dierf = 230 mm (ge-
wählt).
b) Die erforderliche Fläche AD1 erf ist 148.214 mm2 und damit D1 = 440 mm (gewählt).

Aufgabe 2.3
a) Die Kraft, die auf den Flansch wirkt, beträgt F = 29,32 kN.
b) Die Spannungen betragen  t = 16,2 N/mm2 und  a = 8,1 N/mm2 .

Aufgabe 2.4 Bei einer Drehzahl nF = 2065 min1 beginnt der Ring, sich plastisch zu ver-
formen.

Aufgabe 2.5 Das y-z-Koordinatensystem wird in die Profilmitte (yS = 0) und den unteren
Rand des Profils gelegt, der Schwerpunkt zS befindet bei 46,6 mm. Die Flächenmomente
betragen I y = 588,4 cm4 und I z = 217,3 cm3 .
Für das rechte Profil erfolgt die gleiche Koordinatenzuordnung mit zS = 26 mm; damit
erhält man die Flächenmomente I y = 43,8 cm4 und I z = 213,6 cm4 .

Aufgabe 2.6 Für das Maschinengestell ergeben sich folgende Werte: yS = 0 und zS = 23 cm,

I y ges = 1,4  105 cm4 ; I z ges = 3,9  105 cm4


W y ges = 8  103 cm3 ; W z1 = 1,06  104 cm4 und W z2 = 1,7  104 cm4 .

Aufgabe 2.7 Die Länge l beträgt 78,7 m.

Aufgabe 2.8
a) Flächenmoment I y ges = 295.096,3 mm4
b) Biegespannungen  b1 = 57,5 N/mm2 und  b2 = 50,3 N/mm2
c) die Biegespannung in Höhe der Schweißnaht  b Schw = 11,7 N/mm2
266 6 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben

Aufgabe 2.9

FA FB

Mb

a) Das größte Biegemoment beträgt M b max = 12,6 kNm


b) das Flächenmoment 2. Grades um die y-Achse I y max = 8.572.500 mm4
c) Biegespannung in der Randfaser  b = 88,19 N/mm2
d) Sicherheit gegen Fließen SF = 2,95 > 1,5

Aufgabe 2.10

60 60 60
z z z
60

60
60

25

y y y y y y

z z z
25 25
Stelle 1 Stelle 2 Stelle 3

M b1 = 2.000.000 Nmm; W b1 = 21.000 mm3 ;  b1 = 95,24 N/mm2 <  b zul


M b2 = 7.000.000 Nmm; I y2 = 1.001.875 mm4 ; W b2 = 33.395,83 mm3 ;
 b2 = 209,61 N/mm2 <  b zul
M b3 = 10.000.000 Nmm; I y3 = 1.060.825,24 mm4 ; W b3 = 35.360,84 mm3 ;
 b3 = 282,80 N/mm2   b zul

Aufgabe 2.11
a) Das Gesamtdrehmoment ergibt sich aus dem Bohrmoment und dem Reibmoment.
Das Reibmoment lässt sich aus der Normalkraft, dem Reibbeiwert und dem Hebel-
arm berechnen. Die Normalkraft erhält man aus Flächendruck und Mantelfläche des
Gestänges:
TR D r    p    d  LE D 462 Nm
Das Gesamtmoment beträgt somit:
T ges = T R + T = 2462 Nm
6.2 Lösungen zu Kap. 2 267

b)  t = 36,6 N/mm2
c) Der Verdrehwinkel wird mit der Gesamtlänge L = 5,5 m berechnet.
' = 0,0715 rad; '° = 4,1°

Aufgabe 2.12 Das Torsionsmoment berechnet man über die Formel P = T  ! = 500,4 Nm
mit ! = Winkelgeschwindigkeit.

a) Mit  t zul = T / W t erhält man für den Außendurchmesser D = 41,59 mm und über das
gegebene Durchmesserverhältnis ı für den Innendurchmesser d = 32,27 mm.
b) Die Torsionsspannung ist linear über dem Querschnitt verteilt (im Mittelpunkt ist die
Torsionsspannung Null). Da hier die Durchmesser so ausgelegt wurden, dass an der
Außenfaser die zulässige Spannung vorliegt, beträgt die Spannung an der Innenseite
 ti = 0,8   t zul = 48 N/mm2 .

Aufgabe 2.13 Das Torsionsmoment wirkt auf beide Längenabschnitte; ' = ' 1 + ' 2 ;
damit ist a = 301,6 mm. Die Torsionsspannung ist im durchbohrten Teil höher;  t =
407,4 N/mm2 .

Aufgabe 2.14 Für die Torsion geschlossener beliebiger Hohlprofile kann die Formel von
Bredt, Gl. 2.99, angewendet werden:
T
D
2  Am  s
Dazu ermitteln wir zunächst die von der Mittellinie des Profils eingeschlossen Fläche
Am . Sie kann über zwei Rechtecke angenähert werden:

Am  .36  44 C 56  32/ mm2 D 3376 mm2

Die Torsionsspannung beträgt damit   59 N/mm2 .

Aufgabe 2.15 Wir ermitteln zuerst nach Tab. 2.6, Ziffer 9, das Torsionsträgheitsmo-
ment und das Drillwiderstandsmoments für die V-förmige Torsionsfeder: I t  1080 mm4 ;
W t  360 mm3 . Den Faktor nehmen wir wie beim rechtwinkligen Profil mit 0,99 an.
Über Gl. 2.89 kann man durch Umstellen das Torsionsmoment für den Winkel ' = 10°
bestimmen (T  12.758 Nmm). Die Torsionsspannung erhält man dann nach Gl. 2.81:
 t = 35 N/mm2 .

Aufgabe 2.16 Die Aufgabe kann mithilfe der Bredt’schen Formeln (siehe Tab. 2.6, Zif-
fer 3) zur Bestimmung von W t und I t gelöst werden.

W t  35.280 mm3 (mit Am = 2940 mm2 );  t  60 N/mm2


I t  810.338 mm4 (mit um = 256 mm); '  16,5°
268 6 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben

6.3 Lösungen zu Kap. 3

6.3.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kap. 3

1. Träger unter Querkraft werden auf Biegung und Schub beansprucht. Ein Kranhaken
wird auf Zug, Biegung und Schub beansprucht. Getriebewellen werden z. B. auf Bie-
gung und Torsion beansprucht.
2. Schubspannungen sind wie Vektoren zu behandeln, d. h. neben der Größe muss bei
der Überlagerung auch die Richtung beachtet werden. Die größte Schubspannung im
Querschnitt tritt dort auf, wo Schubspannungen aus Querkraft und Torsion dieselbe
Richtung haben.
3. Ein ebener Spannungszustand liegt vor, wenn alle auftretenden Spannungen (Normal-
und Schubspannungen) in einer Ebene liegen, wie es z. B. bei Blechelementen der
Fall ist.
4. Die Normalspannungen in Richtung einer der Hauptachsen sind maximal, senkrecht
dazu minimal. In Richtung der Hauptachsen sind die Schubspannungen null.
5. Der Mohr’sche Spannungskreis ist ein grafisches Verfahren, mit dessen Hilfe für z. B.
einen ebenen Spannungszustand Größe und Richtung der maximalen und minimalen
Spannungen bestimmt werden können.
6. Normalspannungen und Schubspannungen führen zu unterschiedlichen Schadens-
mechanismen im Bauteil. Diese lassen sich nicht linear überlagern. Daher nie
Normal- und Schubspannungen addieren!
7. Immer wenn Normal- und Schubspannungen in einem Bauteil auftreten, muss die
Vergleichsspannung berechnet werden. Nur wenn eine dieser beiden Spannungen
sehr klein sein sollte, z. B. die Schubspannung infolge einer Querkraft bei einem lan-
gen eingespannten Träger, kann diese Spannung vernachlässigt werden, so dass dann
auch nicht die Vergleichsspannung bestimmt werden muss.
8. Als Festigkeitsnachweis gilt, wenn die berechnete Vergleichsspannung kleiner als
die zulässige Normalspannung ist. Zur Bestimmung der zulässigen Spannung siehe
Abschn. 1.7.
9. a) Bei vorwiegend ruhender Beanspruchung wird für spröde Werkstoffe die Nor-
malspannungshypothese und für zähe Werkstoffe mit ausgeprägter Streckgrenze
die Schubspannungshypothese eingesetzt.
b) Bei dynamischer Beanspruchung wird die Gestaltänderungsenergiehypothese
verwendet.
10. Beanspruchungen können ruhend, schwellend oder wechselnd auftreten. Dies gilt so-
wohl für die Normalspannungen als auch für die Schubspannungen. Da das Eintreten
eines Schadens von den unterschiedlichen Beanspruchungen abhängig ist, müssen
diese in den Vergleichsspannungshypothesen berücksichtigt werden. Dies geschieht
über das Anstrengungsverhältnis ˛ o .
6.3 Lösungen zu Kap. 3 269

6.3.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kap. 3

Aufgabe 3.1 Die Säule wird durch die Kraft F auf Druck und durch das Moment
M b = F  (l  a / 2) auf Biegung beansprucht. Die aus diesen beiden Belastungen herrüh-
renden Spannungen sind Normalspannungen und können daher addiert werden. Es ist
zu beachten, dass auf der linken Seite der Säule Biegezug-, auf der rechten Biegedruck-
spannungen vorliegen. Die Spannungen im Querschnitt B–B und im Einspannquerschnitt
(unten links) sind gleich, da die Säule durch ein konstantes Biegemoment und eine
konstante Druckkraft belastet wird.

a) Die Biegespannung beträgt  b = 144,4 N/mm2 . Sie liegt auf der linken Seite der Säule
als Biegezug-, rechts als Biegedruckspannung vor.
Für die Druckspannung erhält man  d = 4,8 N/mm2 . Damit ist die größte resultierende
Spannung eine Druckspannung mit  d  149 N/mm2 .
b) Die neutrale Faser verschiebt sich zur Biegezugseite (hier also nach links) und zwar
um den Wert
d  d da
y0 D ez D  D 4;54 mm
bd bd 2

Aufgabe 3.2
a) Da es sich um einen zähen Werkstoff handelt und schwingende Beanspruchung vor-
liegt, ist die Gestaltänderungsenergiehypothese (GEH) anzuwenden.
b)
Grenz 1 bW 1 290 N=mm2
˛0 D Dp Dp D 0;73
'  Grenz 3 Sch 3 230 N=mm2

Aufgabe 3.3
a) Es handelt sich um einen zähen Werkstoff und statische Belastung, damit kommt die
Schubspannungshypothese (SH) zur Anwendung.
b)

q 2
v D y  x C 4  yx
2
s
N2 2 N
2
D .48  132/2 C 4  61 D 148;12 N=mm2
mm4 mm4
c)
Re 235 N=mm2
SD D D 1;59
v 148;12N=mm2
270 6 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben

Aufgabe 3.4

F13 F1

TF1
F3
F2

res D z C b
Mb13 D F13  l1
q
F13 D F12 C F32 D .1;5 kN/2 C .1;0 kN/2 D 1;80 kN
F2 F13  l1  3 
res D C I Wb D d ; A D d2
A Wb 32 4
3600 N 1800 N  1000 mm
res D  C
4
 50 2
mm 2 
32
503 mm3
N N N
res D 1;83 C 146;68  149
mm2 mm2 mm2
F1  l1 F1  l1 1500 N  500 mm N
t D D  3 D  3
 31
Wt 16
d 16
50 mm 3 mm2
s
p    
N 2 N 2 N
v D  C 3 D
2 2 149 C 3  31  158
mm mm mm2

Aufgabe 3.5
a) Ansatz: F a und F r liegen in einer Ebene. Die Biegung ist aber entgegengesetzt ) Sub-
trahieren und resultierendes Biegemoment ermitteln.

Fa  d0 2000 N  120 mm  m
MbFa D D D 120 Nm
2 2  103 mm
m
MbFr D Fr  l D 1000 N  40 mm 3 D 40 Nm
10 mm
Mbar D MbFa  MbFr D 120 Nm  40 Nm D 80 Nm
6.3 Lösungen zu Kap. 3 271

F a und F r stehen senkrecht auf F u ) das Biegemoment ergibt sich aus einer vektori-
ellen Addition.
m
MbFu D Fu  l D 6000 N  40 mm 3 D 240 Nm
q q 10 mm
Mbres D Mba r 2 C Mbu 2 D .240 Nm/2 C .80 Nm/2 D 253 Nm
Mb 
b D Mb D Mbres ; Wb D  d3
Wb 32
253 Nm  32  103 mm
b D D 20;61 N=mm2
  503 mm3 m
Überlagerung der Normalspannung mit der Biegespannung:
Fa 2000 N  4 
d D D D 1;01 N=mm2 ; A D  d 2
A   50 mm
2 2 4
max D d C b D 20;61 N=mm2 C 1;01 N=mm2 D 21;62 N=mm2

T Fu  d0 
b) t D ,T D , Wt D  d3
Wt 2 16
Fu  d0  16 6000 N  120 mm  16
t D D D 14;66 N=mm2
2    d3   50 3
mm 3
q q
v D n C 3  .˛0  t /2 D 21;622 C 3  14;662 N=mm2 D 33;3 N=mm2

c) Unter Berücksichtigung der Schubspannung aus der Querkraft ergibt sich die resultie-
rende Schubkraft aus: F r + F u
q q
Fres D Fr C Fu D .1 kN/2 C .6 kN/2 D 6;08 kN
2 2

4 F
D  für einen Vollkreisquerschnitt
3 A
4 Fres 4  6;08 kN  4  103 N
D  D D 4;13 N=mm2
3 A 3    502 mm2 kN
Schubspannung aus der Querkraft und Torsion zusammenfassen:

res D max D t C  D 14;66 N=mm2 C 4;13 N=mm2


res D 18;80 N=mm2
s
   
N 2 N 2
v D 21;62 C 3  18;80 D 39;1 N=mm2
mm2 mm2

d) Bei kurzen Trägern oder Wellen kann die Schubkraft aus der Querkraft einen nennens-
werten Einfluss haben und muss berücksichtigt werden.
272 6 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben

6.4 Lösungen zu Kap. 4

6.4.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kap. 4

1. Die Krümmung eines Balkens berechnet sich nach Gl. 4.1:

1 Mb
kD D
 E I

2. Die Differenzialgleichung der elastischen Linie lautet nach Gl. 4.2:

Mb .x/
w 00 D 
E I
w 00
3. Krümmung 1

D 3
.1Cw0 2 / 2
Gleichung der Biegelinie w 00 D  EI Mb
R b .x/
Neigungswinkel der Biegelinie w 0 D R 'MD  MEI dx C C1
Durchbiegung der Biegelinie w D EI
b
dx dx C C 1 x C C2
4. Das Produkt E  I ist die Biegesteifigkeit. Je steifer ein Träger auf Grund seines Werk-
stoffes (E) und seiner Querschnittsform (I) ist, um sei kleiner ist die Formänderung
des Trägers.
5. Nein, die Biegesteifigkeit ist unabhängig von der Festigkeit des Werkstoffs. Sie ist
nur abhängig vom E-Modul und vom Flächenträgheitsmoment I.
6. Die Herleitung der Biegelinie gilt nur für kleine Winkeländerungen. Bei größeren
Verformungen und größeren Winkeländerungen ist die Berechnung mit einem Feh-
leranteil verbunden.
7. Liegt linear-elastische Biegung vor, dann dürfen die Lösungen von bekannten Ein-
zelbelastungsfällen zur Gesamtlösung durch Superposition (Überlagerung durch Ad-
dition oder Subtraktion) zusammengeführt werden.
8. Grundlegendes Prinzip ist die Zerlegung eines statisch unbestimmten Systems in ein
statisch bestimmtes Hauptsystem und Zusatzsysteme. Die Anzahl der Zusatzsysteme
entspricht dem Grad der statischen Unbestimmtheit (1-fach, 2-fach, . . . ). In jedem
Zusatzsystem wird eine der überzähligen Lagerreaktionen als äußere Kraft angenom-
men.
9. Eine Überlagerung von Biegefällen ist im linear-elastischen Bereich, also mit
 res <  p, möglich.
10. Die Überlagerung findet an Punkten statt, an denen die Verformung des Systems be-
kannt ist. Dazu gehören Lager- und Einspannstellen. An diesen ist die Durchbiegung
w = 0 und bei Einspannstellen auch die Neigung w0 = 0. Für diese Stellen gilt:
w Hauptsystem an dieser Stelle + w Zusatzsystem an dieser Stelle = 0 im Ursprungssystem an dieser Stelle .
6.4 Lösungen zu Kap. 4 273

6.4.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kap. 4

Aufgabe 4.1
a) Krümmung des Balkens
Mb Mb Mb h 2  max  I
max D D e D  ) Mb D
Wb I I 2 h
Mb D F  l
F l h 2  max  I
max D  ) Mb D F  l D
I 2 h
1 Mb 2  max  I
kD D )kD
 EI E I h
2  max 2  120 mm N
D 3;81  106 mm1
2
kD D
E h 2;1  105 mmN
2  300 mm

b) Winkel der Tangente

' II D 0
F  l2 2  max  I  l max  l
' I D 'max D D D
2E  I 2E  I  h Eh
120 mm2  2000 mm
N
'max D D 0,00381 rad  0,22ı
2,1  105 mm
N
2  300 mm

c) Belastungsfall
Der Spannungsverlauf tritt bei einem mit einer Kraft F belasteten eingespannten Bal-
ken auf.
d) Maximale Durchbiegung

F  l3 2    l2  I 2  120 mmN
2  2000 mm
2 2
wD D D
3E  I 3E  I  h 3  2;1  105 mmN
2  300 mm

wmax D 5;08 mm

Aufgabe 4.2
F l 3
a) wF D 3EI ; wF D d ; F D FIA
d
) FIA D 3EI l3
b) Wir betrachten zunächst nur den unteren Träger:

wB D wA C 'A  l D d
FIIA  l 3 FIIA  l 2 FIIA  l 3 5
wB D C l D  Dd
3E  I 2E  I E I 6
6 E I d
) FIIA D  :
5 l3
274 6 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben

Dies ist die Kraft, um den unteren Träger so weit hinunter zu drücken, dass dieser den
Punkt B berührt. Die notwendige Gesamtkraft ergibt sich aus:

Fges D FIIA C FIA C FIwA

FIwA ist die Kraft, um den oberen Träger zusätzlich um die Durchbiegung des unteren
Trägers hinunter zu drücken.

3  E  I  wA 3  E  I FIIA  l 3
FIwA D D  D FIIA
l3 l3 3E I
12 E  I  d 3E I d 27 E  I  d
) Fges D 2  FIIA C FIA D  C D 
5 l3 l3 5 l3

Aufgabe 4.3 Als Hauptsystem wird ein eingespannter Balken gewählt. Im Zusatzsystem
wird die überzählige Auflagerkraft F B als äußere Belastung angenommen:

wBF

l l
wBFB

FB

Der Ansatz zur Überlagerung ist:

wB D wBF C wBFB D 0

Bestimmung von w BF im Hauptsystem:

wBF D wF C 'F  l
F  l3 F  l2
wBF D C l
3E  I 2E  I
(Tab. 4.1, Ziffer 1)  
F  l3 1 1
wBF D C
EI 3 2
5F l 3
wBF D
6 E I
6.4 Lösungen zu Kap. 4 275

Bestimmung von w BB im Zusatzsystem:

FB  .2l/3 8 FB  l 3
wBFB D D
3E  I 3 E I
Auflager ) wBF  wBFB D 0
5 F  l 3 8 FB  l 3
  D0
6 E I 3 E I
3 5 5
FB D  F D F
8 6 16

Durchbiegung w m in der Balkenmitte (am Kraftangriffspunkt):

wm D wmF  wmB ;
F  l3
wmF D .Tab. 4.1, Ziffer 1/
3E  I
   3 !
FB .2l/3 l 2 l
wmB D 3  .Tab. 4.1, Ziffer 1/
6EI 2l 2l
   
5  8  F  l3 3 1 5 F  l3 5
wmB D  D
16  6  E  I 4 8 6 E  I 16
25 F  l 3
wmB D
96 E  I
 
F  l 3 32 25
wm D 
E  I 96 96
7 F  l3
wm D
96 E  I

Aufgabe 4.4 Als Hauptsystem wird ein eingespannter Balken gewählt. Im Zusatzsystem
wird die Kraft, die im Gelenkstab auftritt, als äußere Kraft F C berücksichtigt.

q
wCq
wCFC

FC

(Tab. 4.1, Ziffer 3)


q  l4
wCq D
8E  I
276 6 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben

(Tab. 4.1, Ziffer 1)


FC  l 3
wCFC D
3E  I
l a
wCS D FC  D FC  .Dehnung des Stabes C/
E A E A
wCq C wCFC D wCS
q  l4 FC  l 3 a
 D FC 
8E  I 3E  I E A
q  l4 FC  a FC  l 3
D C
8E  I E A 3E  I

q  l4 a l3
D FC C
8E  I E A 3E  I
ql 4
1 ql 4 1
FC D  a D 
8E  I C l
3
8I a
C l3
EA 3EI A 3I

Aufgabe 4.5 Als Hauptsystem wird ein eingespannter Balken gewählt. Das System wird
bis Punkt A betrachtet! Die Kraft F wird in den Punkt B verschoben. Daraus ergibt sich
auch das zusätzlich zu berücksichtigende Moment M = F  l. Im Zusatzsystem wird die
Kraft, die über das Stahlseil eingebracht wird, als äußere Kraft F S berücksichtigt.

M
F
wBFM

B
wBFS

FS

a) Hauptsystem, Berücksichtigung von F und M:

F  l3 F  l  l2 5 F  l3
wBFM D C D
3E1  I1 2E1  I1 6 E1  I1
Nebensystem, Berücksichtigung von F S :

FS  l 3
wBFS D 
3E1  I1
Überlagerung:
 
5 F  l3 FS  l 3 l3 5
wBres D wBFM C wBFS D  D F  FS
6 E1  I1 3E1  I1 3E1  I1 2
6.4 Lösungen zu Kap. 4 277

Spannung im Stahlseil:

wBres FS
2 D E2  "2 D E2  D
l A2
wBres
) FS D E2  A2 
l
 
l3 5 wBres
) wBres D F  E2  A2 
3E1  I1 2 l
5F  l 3
) wBres D D 0;096 mm
6E1  I1 C 2E2  A2  l 2

b) Berechnung F S :
wBres
FS D E2  A2  D 2280;96 N
l
Winkel in Punkt B:

'B D 'BF C 'BM C 'BFS


F  l2 F l l FS  l 2
'B D C  D 0;005 rad
2E1  I1 E1  I1 2E1  I1

c) Verschiebung im Punkt C:

F  l3
wC D wBres C 'B  l C D 1;06 mm
3E1  I1

Aufgabe 4.6 Als Hauptsystem wird ein eingespannter Balken gewählt. Im Zusatzsystem
werden die Kraft und das Moment, die in der rechten Einspannstelle in der Wand vorhan-
den sind, als äußere Kraft F B und äußeres Moment M B berücksichtigt.

MB
B
FB

Ansatz 1: w B = 0 in Einspannstelle
3 2
F . 23 l/ F . 23 l/ 1 FB  l 3 MB  l 2
) C  l C D0
3E  I 2E  I 3 3E  I 2E  I
2 28
) MB D FB  l  F  l
3 81
278 6 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben

Ansatz 2: ' B = 0 in Einspannstelle

2
F . 23 l/ FB l 2 MB l
)  C D0
2EI 2EI EI
MB 4
) FB D 2 C F
l 9
20
) FB D F
27
4
) MB D Fl
27

Durchbiegung an der Krafteinleitungsstelle

wF D wFF  wFFB C wFMB


3 "    3 #  
F . 23 l/ FB l 3 2 2 2 MB  l 2 2 2
wF D  3  C
3E  I 6E  I 3 3 2E  I 3
8 F  l3
wF D
2187 E  I

6.5 Lösungen zu Kap. 5

6.5.1 Lösungen zu Verständnisfragen aus Kap. 5

1. Euler betrachtete einen ideal elastischen und zentrisch belasteten Stab, dessen beide
Enden in reibungsfreien Gelenken gelagert sind. Der Lastangriffspunkt ist längs in x-
Richtung verschieblich. Daraus leitete er eine Differenzialgleichung ab und kam in
Abhängigkeit von den Lagerungsbedingungen zu vier Knickfällen.
2. Knicken wird nach elastisch und elastisch-plastisch/unelastisch unterschieden. Die Er-
mittlung im elastischen Bereich erfolgt nach Euler und im elastisch plastischen Bereich
nach Tetmajer. Das Kriterium, ob ein elastisches oder elastisch-plastisches Knicken
vorliegt, ist in Abhängigkeit vom Werkstoff der Schlankheitsgrad min .
3. Knicken ist kein Festigkeitsproblem, sondern ein Stabilitätsproblem. Sobald die
Knickkraft erreicht wird, erfolgt schlagartig das Versagen eines druckbelasteten Stabs
durch Knicken. Daher muss die vorhandene Kraft bzw. Spannung eine entsprechende
Sicherheit (SK > 2 . . . 4) gegenüber der theoretischen Knickkraft bzw. Knickspannung
haben.
4. Die Knickspannung (für schlanke Stäbe meist nach Euler) hängt nur vom minimalen
Flächenmoment 2. Grades und dem Elastizitätsmodul, ab. Ansonsten ist die Stabgeo-
metrie maßgebend. Wenn ein Stab aus Baustahl eine zu geringe Knicksicherheit hat,
6.5 Lösungen zu Kap. 5 279

bleibt nur eine Veränderung des Querschnitts (evtl. der Länge und der Lagerungspara-
meter). Die Wahl eines höherfesten Stahls führt aufgrund des gleichen Elastizitätsmo-
duls nicht zum Ziel.
5. Bei der Knickung nach Tetmajer liegt die Knickspannung im Bauteil oberhalb der
Proportionalitätsgrenze, also im unelastischen Bereich.

6.5.2 Lösungen zu Aufgaben aus Kap. 5

Aufgabe 5.1 Um die Druckkraft im Stab AB bestimmen zu können, müssen zunächst


die Winkel im Dreieck bestimmt werden nach der für schiefwinklige Dreiecke geltenden
Formel
b 2 C c 2  a2
cos ˛ D
2b c
mit a = der dem Winkel ˛ gegenüber liegenden Seite des Dreiecks. Dann kann man die
Kraft bestimmen über die Kräftegleichgewichte in waagerechter und in senkrechter Rich-
tung im Punkt B: F AB = 72 kN (Druck).
Wir nehmen zunächst an, dass elastische Knickung vorliegt. Damit kann die Knickkraft
nach Euler, also nach Gl. 5.8, ermittelt werden. Aufgrund der gelenkigen Lagerung des
Stabs liegt Knickfall 2 vor mit lK = 4500 mm. Das axiale Flächenträgheitsmoment für ein
Rohr ist

Imin D  .D 4  d 4 /
32
Mit der Beziehung für die Sicherheit gegen Knicken

FK
SK D
FAB

erhält man schließlich als Gleichung für den gesuchten Innendurchmesser


s
4 64  SK  FAB  lK2
dD D4 
3  E

und als Zahlenwert d  84 mm.


Ob unsere Annahme der elastischen Knickung richtig war, prüfen wir über den
Schlankheitsgrad nach Gl. 5.4. Hier ist = 138, unsere Annahme war also richtig:
Es liegt elastische Knickung nach Euler vor.

Aufgabe 5.2
a) Die Spindel ist entsprechend Knickfall 3 gelagert (siehe Tab. 5.1) mit lK  0,7  l.
Damit ergibt sich der Schlankheitsgrad der Spindel zu  100 > 0 = 88 (für E335),
also Euler-Knickung. Die Knickspannung ist demnach  K  210 N/mm2 .
280 6 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben

Als vorhandene Spannung liegt die Druckspannung aus der gegebenen Spindelkraft
mit  d  50 N/mm2 vor. Damit ergibt sich eine Sicherheit gegen Knicken SK  4,2 für
die unbeheizte Presse.
b) Die Gesamtspannung in der Spindel setzt sich aus der Druckspannung und der Wär-
mespannung zusammen:

 D d C # mit der Wärmespannung # D ˛  #  E:

Die Sicherheit gegen Knicken lautet hier also:

K
SK D
d C ˛  #  E

Diese Gleichung stellt man nach # um und setzt Zahlenwerte ein.


Man erhält: #  20 K.

Aufgabe 5.3 p
a) Länge des Auslegers l = lK = 52 m2 C 4;92 m2 = 7 m
Der Ausleger wird mit F K nach Knickfall 2 auf Druck belastet

FK 7m
D I FK D 79:234; 62 N  79;2 kN
FG 2;6 m
r
S  FK  l 2 64  Ierf
Imin  Ierf D D 9834;48 cm4 I derf D D 21;16 cmI
4

2  E 
d D 22 cm gewählt

i = d / 4 = 5,5 cm
b) = 127,27 > 104 ! Knickung nach Euler; I min = 281 cm4 ! gewählt U 260 mit
I z = 317 cm4 ; A = 48,3 cm2 ! i = 2,56 cm
= 273,44 > 104 ! Euler
 D = 8,2 N/mm2 ;  K 27,72 N/mm2 ; Stat = 3,38

Aufgabe 5.4
a) F G = 36 kN; F Wasser = m  g = l  b  h    g = 147.150 N;
F ges = F G + F Wasser =183.150 N
F St = F ges / 4 = 45.785,5 N
b) Knickfall 2: l = lK = 4000 mm; I min = 141,4 cm4
c) Gemäß Profil-Tabelle I z = I min , gewählt: I 200 mit I z = I min = 142 cm4 ; A = 28,5 cm2 ;
iz = 2,24 cm oder IPB 100 mit I z = I min = 167 cm4 ; A = 26 cm2 ; iz = 2,53 cm
d) = 178 (I 200) bzw. = 158 (IPB 100) ! Euler
6.6 Übungsklausuren 281

6.6 Übungsklausuren

Um ein Gefühl für den Zeitbedarf in einer Klausur zu bekommen, sind nachfolgend die
Aufgaben zweier Klausuren aufgeführt. Zulässige Hilfsmittel: Taschenrechner, ein Blatt
eigene Formelsammlung, Skript. Bearbeitungszeit 90 min. Der Lösungsweg ist vollstän-
dig anzugeben.

6.6.1 Klausur 1

Aufgabe 1 Die drei Stäbe sind miteinander verbunden und spannungsfrei zwischen den
Wänden platziert. Die Temperatur wird von T 1 auf T 2 erhöht.

lSt lAl lCu

Gegeben:

T 1 = 20 o C, T 2 = 40 o C
˛ St = 1,2  10 5 K1 ; ESt = 2,1  105 N/mm2
lSt = 300 mm; ASt = 200 mm2
˛ Al = 2,3  105 K1 ; EAl = 0,7  105 N/mm2
lAl = 200 mm; AAl = 450 mm2
˛ Cu = 1,7  105 K1 ; ECu = 1,2  105 N/mm2
lCu = 100 mm; ACu = 515 mm2

a) Bestimmen Sie die Spannung im Stahlstab, wenn beide Wände als starr angenommen
werden.
b) Welche Spannung tritt im Stahlstab auf, wenn die Wände nachgeben (C =
100.000 N/mm)?

Aufgabe 2 Ein im Boden eingespanntes Rohr ist mit einem Flachstahl verschweißt. Auf
diesen wirken die Kräfte F y und F z . Die Länge, um die der Flachstahl gebogen wird,
beträgt l.
282 6 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben

l
Fz
A

hR

h
di
Fy
b

dR

Gegeben:

F y = 0,5 kN
F z = 1,0 kN
l = 400 mm
h = 20 mm
b = 30 mm
hR = 1000 mm
da = 70 mm
di = 64 mm
E = 2,1  105 N/mm2
˛0 = 1

a) Bestimmen Sie die vertikale Verlagerung des Punktes A infolge der Kraft F z .
b) Bestimmen Sie die Vergleichsspannung, die im Rohr auftritt. Lassen Sie den Einfluss
der Schubspannung aus Querkräften unberücksichtigt.

Aufgabe 3 Das Profil des skizzierten Biegeträgers ist aus drei Rechtecken zusammenge-
setzt.
6.6 Übungsklausuren 283

5a

2F

2a
F
A B

5a
a
2l l 2l

a
5a

a) Skizzieren Sie den Biegemomentenverlauf für den Balken mit Angabe des größten
Biegemoments.
b) Ermitteln Sie die Lage der Schwerpunktachse des Profils.
c) Wie groß ist das axiale Flächenträgheitsmoment I y für die waagerechte Schwerpunkt-
achse?
d) Wie groß ist die maximale Biegespannung für F = 1 kN, a = 1 cm und l = 1 m?

Aufgabe 4 Die Kolbenstange eines Schiffsdieselmotors ist im Kolben und im Kreuzkopf


(Geradführung, siehe Skizze) gelenkig gelagert. Sie hat eine maximale Druckkraft bei
Höchstlast des Motors von F = 500 kN aufzunehmen.
Weisen Sie nach, dass die Kolbenstange aus Schmiedestahl richtig dimensioniert ist.

F
Kolben
Kolbenbolzen
l

Kolbenstange
Bolzen
Kreuzkopf
Pleuel

Gegeben:

Länge l = 350 cm
Flächenmoment 2. Grades I min = 1200 cm4
284 6 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben

Querschnittsfläche: A = 140 cm2


Elastizitätsmodul: E = 210.000 N/mm2
Streckgrenze: Re = 355 N/mm2

6.6.2 Klausur 2

Aufgabe 1 Der Stab 1 mit dem Radius r = 15 mm wird um # = 60o erwärmt.

l
a

Gegeben:

˛ = 1,2  105 K1


E = 2,1  105 N/mm2
l1 = 500 mm
a = 0,2 mm

a) Welche Spannung tritt im Stab 1 auf, wenn die Wand 2 als starr angenommen wird?
b) Welche Spannung tritt im Stab 1 auf, wenn die Wand 2 nachgibt (C = 100.000 N/mm)?

Aufgabe 2 Ein T-Träger wird durch eine Kraft F auf Zug und Biegung beansprucht.

Gegeben:

F = 10 kN
l1 = 200 mm
l2 = 300 mm
a = 10 mm
b = 50 mm
c = 70 mm
6.6 Übungsklausuren 285

F
A B

c
l1 l2
a

a) Bestimmen Sie die Lage des Flächenschwerpunktes.


b) Berechnen Sie die maximal auftretende Spannung.

Aufgabe 3 In einem Getriebe wird die untere Welle durch eine Radialkraft F R und durch
eine Umfangskraft F U belastet.

FR
FU

dz
dw

l1 l2

Gegeben:

F U = 500 N
F R = 300 N
l1 = 100 mm
l2 = 200 mm
dZ = 200 mm
 zul = 120 N/mm2

Wie groß muss der Wellendurchmesser dW sein, damit die maximal auftretende
Vergleichsspannung (Anstrengungsverhältnis ˛ o = 1) die zulässige Spannung nicht über-
schreitet?

Aufgabe 4 Eine mit der Streckenlast q belastete Brücke (E  I 1 ) wird durch eine Stahlstüt-
ze (E  I 2 ) mit dem Durchmesser dS abgestützt.

Gegeben:
286 6 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben

q = 10 kN/m
l = 10 m
h=8m
dS = 200 mm
I 1 = 2  106 mm4
E = 2,1  105 N/mm2

l/2 l/2
q

h
a) Um welchen Betrag senkt sich die Brücke in der Mitte durch?
b) Wie groß ist die Sicherheit der Stütze gegen Knicken?

6.6.3 Lösung Klausur 1

Aufgabe 1
a) lª D # Œ˛St  lSt C ˛Al  lAl C ˛Cu  lCu

lª D lSt C lAl C lCu


F  lSt F  lAl F  lCu
D C C
ESt  ASt EAl  AAl ECu  ACu

lSt lAl lCu
DF C C
ESt  ASt EAl  AAl ECu  ACu
6.6 Übungsklausuren 287

# Œ˛St  lSt C ˛Al  lAl C ˛Cu  lCu


F D lSt
ESt ASt
C lAl
EAl AAl
C lCu
ECu ACu
5
20K 1;2  10  300 C 2;3  105  200 C 1;7  105  100 K1 mm
F D h i
300
2;1105 200
C 0;7105 450 C 1;2105 515
200 100
N
mm
mm2
mm2

F D 13:104 N
F 13:104 N N N
St D D D 65;52  66
ASt 200 mm2 mm2 mm2
F lSt F lAl F lCu
b) lª D ESt ASt
C EAl AAl
C ECu ACu
C 2F
C

:::
F D D 5639 N
lSt
ESt ASt
C lAl
EAl AAl
C lCu
ECu ACu
C 2
C
F 5639 N N N
St D D D 28;2  28
ASt 200 mm2 mm2 mm2

Aufgabe 2
z hR Fz lhR Fz l 3
a) z D FEA ı
C EIı
l C 3EIFlachstahl

 2   2 
Aı D d  di2 D 70  642 mm2 D 631;5 mm2
4 a 4
  4    4 
Iı D da  di4 D 70  644 mm4 D 35,5 cm4
64 64
b  h3 30 mm  203 mm3
IFlachstahl D D D 20:000 mm4
12 12
103 N  1000 mm 103 N  400  1000 mm3
z D C  400
2;1  105 mm
N
2  631;5 mm
2 2;1  105 mm
N
2  35;5  10 mm
4 4

103 N  4003 mm3


C
3  2;1  105 mm
N
2  20  10 mm
3 4

z D 0;0075 mm C 2;15 mm C 5;079 mm


z D 7;24 mm
288 6 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben

b) Mb1 D Fz  l D 1000 N  400 mm D 400:000 Nmm

Mb2 D Fy  hR D 500 N  1000 mm D 500.000 Nmm


q
Mbges D Mb21 C Mb22 D 640.310 Nmm
 da4  di4  .70 mm/4  .64 mm/4
Wb D D D 10:144 mm3
32 d 32 70 mm
Mbges Fz 640:310 Nmm 1000 N N N
D C D C D 64;71  65
Wb Aı 10.144 mm3 631,5 mm2 mm2 mm2
T Fy  l
t D D
Wt Wt
 da4  di4
Wt D D 20:288 mm3
16 da
500  400 Nmm N N
t D D 9;86  10
20:288 mm3 mm2 mm2
s
q    
N 2 N 2 N
v D  C 3t D
2 2
65 C 3  10  67
mm2 mm2 mm2

Aufgabe 3
P
a) Fz D 0 D FA C FB  3F ! FA D 3F  FB
X
Mb D 0 D F  2l C 2F  3l  FB  5l D 0
8F l 8
FB D D F
5l 5
8 15 7
FA D  F C F D F
5 5 5
16
Mbmax D Fl
5

14Fl 16Fl
5 5

3a  5a2 C 3;5a  10a2 15a3 C 35a3


b) yS D D
5a2 C 5a2 C 10a2 20a2
yS D a
6.6 Übungsklausuren 289

S1
1

3,5a
a
z1

1,5a
yS yS

S2

z2

4,5a
2

z3

2,5a
emax

0,5a
3 S3

c) Iyges D I1 C A1  z12 C I2 C A2  z22 C I3 C A3  z32

5a  .2a/3 a  .5a/3 5a  a3
Iyges D C 10a2  .2;5a/2 C C 5a2  a2 C C 5a2  .4a/2
12 12 12
40a4 C 125a4 C 5a4
Iyges D C 62;5a4 C 5a4 C 80a4
12
40 C 125 C 5 C 750 C 60 C 960 4
Iyges D a
12
1940 4 485 4
Iyges D a D a  162a4
12 3

Iyges 485 4 2 970 3 9


d) Wb D D a  D a  35;9a3 I emax D a
emax 3 9a 27 2

Mb 16  F  l  27 432 F  l
max D D D
Wb 5  970  a 3 4850 a3
F l
max D 0;089  3
a
432 1000 N  1000 mm
max D 
4850 103 mm3
N
max  89
mm2
290 6 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben

Aufgabe 4
lK
D lK D l D 350 mm
imin
r s
Imin 1200 cm4
imin D D D 2,93 cm
A 140 cm2
350 cm
D D 119;45  120
2,93 cm
D 120 ) Euler-Knickung
2  E 2  210:000 N N
K D 2
D 2 2
 144 2
120 mm mm
F 500:000 N N
d D D 2
 36
A 14:000 mm mm2
K 144
SK D D  4 ) ausreichend Š
d 36
 2  E  Imin
FK D
l2
  210:000 N  1200 cm4  102 mm2
2
D
3502 cm2 cm2 mm2
FK D 2030;32 kN
FK 2030,32 kN
SD D D 4;06
FD 500 kN

6.6.4 Lösung Klausur 2

Aufgabe 1
a) lª D ˛  #  l

D 1;2  105  60  500 mm D 0;36 mm


ls D lª  a D 0;36 mm  0;2 mm D 0;16 mm
ls 0,16 mm N N
E D ) D  2;1  105 2
D 67;2
l 500 mm mm mm2
6.6 Übungsklausuren 291

b) lª D ls C a C x2

F
x2 D
C 
F l F l 1
) lª D CaC ) lª  a D F C
EA C EA C
lª  a lª  a 0,16 mm
)F D l D l D 
CC 1
CC1
103 N
EA Er 2 500 mm
2,1105 N 152 mm2
C 100.000
1
N kN
mm2 mm

D 11;97 kN
F 11;97 kN 11;97 kN N
) D D D D 16;93
A   r2   152 mm2 mm2

Aufgabe 2
a)

i Ai zi Ai zi zis = zi  zs
mm2 mm mm3 mm
1 600 0 0 15,91
2 500 35 17.500 19,09
P
1100 17.500

P
zi Ai 17:500
zs D D D 15,91 mm
Ages 1100
b)
10 mm  603 mm3 50 mm  103 mm3
Iyges D C 15;912 mm2  600 mm2 C
12 12
C 19;092 mm2  500 mm2
D 518.257,58 mm4
292 6 Lösungen zu Verständnisfragen und Aufgaben

Mb Mb
b D D e
Wb Iyges
1p l2 1p 3 N m
Mb D 2F   l1 D 2  10 kN   200 mm  103 
2 l1 C l2 2 5 kN 103 mm
D 848,53 Nm
emax D eu D 15;91 mm C 30 mm D 45;91 mm
Mb 848;53  103 Nmm N
bmax D  emax D  45;91 mm D 75;17
Iy 518:257;58 mm4 mm2
max D b C z
p p
1
2F 1
2  10 kN  103 N N
z D 2
D 2
D 6;43
Ages 1100 mm2 kN mm2
N N N
) max D 75;17 2
C 6;43 2
D 81;6
mm mm mm2

Aufgabe 3

T T
D D  3
Wt 16 d
dz
T D Fu  D 500 N  100 mm D 50:000 Nmm D
O 50 Nm
q2
Fres D FU2 C FR2 D 583;1 N
l2 2
Mb D Fres   l1 D 583;1 N   100 mm D O 38;87 Nm
l1 C l2 3
Mb Mb
b D D  3
Wb 32
d
s s
q 2  2  
M b T 16 2
v D b2 C 3 2 D  3 C 3   3 D 4Mb2 C 3T 2
32
d 16
d d 3
q
16
D 4Mb C 3Mt
2 2
d 3
q
16
) d3 D 4Mb2 C 3T 2
  v
s
q
1
d D 3
4Mb2 C 3T 2
  v
s
q
3 16 mm2  2  2
D  4  38;87  103 Nmm C 3  50  103 Nmm D 17,03 mm
  120 N
) dw  17,03 mm
6.6 Übungsklausuren 293

Aufgabe 4
a)
5 q  l4
wq D 
384 E  I
Fs  l 3
ws D
48E  I
5 q  l4 Fs  l 3 Fs  h
wres D wq  ws D   D
384 E  I 48E  I EA
Fs  h Fs  l 3 5 q  l4
) C D
A 48I 384 I

h l 3
5 q  l4
) Fs C D
A 48I 384 I
5 ql 4
1 5q  l 4
) Fs D h iD h i
384 I h
C l
3
384 hI C l
3
A 48I A 48

5  10  .10:000/ 4
D h 6 3
i D 62,5 kN
384 8000210

2002
C 10:000
48
4

62;5  103  8000


) wres D D 0,076 mm
2;1  105  4 2002
b) Knickfall 2: l = h

 4
I D d
64
s h 4h 4  8000 mm
Dq Dq D D D 160 ) Euler
I 
 d44 d 200 mm
A 64  d2

2  E  I
FK D
l2
 2 2;1  105 N    2004 mm4 kN
) FK D D 2543,48 kN
mm2 64  80002 mm2  103 N
FK 2543;48 kN
SD D D 40;7
FS 62;5 kN
Verwendete Bezeichnungen und Indizes
7

7.1 Verwendete Bezeichnungen

A Fläche, Bruchdehnung, Querschnitt


B Breite
a Nahtdicke
a, b Konstanten
a, b, c, h, l, s Abmessungen
C Celsius
C Drehfederkonstante, Federkonstante, Integrationskonstante
D, d Durchmesser
d Differenzial
E Elastizitätsmodul
EA Dehnsteifigkeit
EI Biegesteifigkeit
e Abstand, Exzentrizität, Randfaserabstand
F Kraft
G Gestalt, Gleit-/Schubmodul
G  Ip Torsions-, Verdrehsteifigkeit
g Erdbeschleunigung
GEH Gestaltänderungsenergiehypothese
GFK Glasfaserverstärkter Kunststoff
GJL Gusseisen mit Lamellengrafit
GJS Gusseisen mit Kugelgrafit
H Höhe, Flächenmoment 1. Grades (statisches Flächenmoment)
I Flächenmoment 2. Grades (Flächenträgheitsmoment)
i Trägheitsradius
K Kelvin
K Kosten
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 295
K.-D. Arndt et al., Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-26141-2_7
296 7 Verwendete Bezeichnungen und Indizes

k Krümmung
k0 bezogene oder spezifische Kosten
L, l Länge
M Material, Moment, Mittelpunktkoordinaten, Schubmittelpunkt
Mg Magnesium
m Masse, Poisson’sche Konstante, Steigung
m0 bezogene oder spezifische Masse
N Lastspiele
N Newton
NH Normalspannungshypothese
n Anzahl, Drehzahl
P Leistung, Steigung des Gewindes
PP Polypropylen
PVC Polyvinylchlorid
p Druck, Flächenpressung
q Streckenlast
R, r Radius
R Werkstofffestigkeit
Rb Randbedingung
S Schwerpunkt, Sicherheitsfaktor, Streckgrenze
s Abstand, Blechdicke, Wandstärke, Weg
SH Schubspannungshypothese
T Temperatur, Torsionsmoment
t Tonne
Üb Übergangsbedingung
V Volumen
v Geschwindigkeit
W Arbeit, Formänderungsarbeit, Widerstandsmoment
w Koordinate, Durchbiegung, spezifische Formänderungsarbeit
x, y, z Koordinaten
˛ Korrekturfaktor, Winkel, Längenausdehnungskoeffizient
ˇ Winkel
 Winkel, Winkeländerung, spezifisches Gewicht
,ı Differenz
" Dehnung, Querkürzung
# Temperatur, thermisch
' Anstrengungsverhältnis, Biegewinkel, Neigung, Verdrehwinkel, Winkel-
änderung
, Koordinaten, Korrekturfaktor
Schlankheitsgrad
 Querkontraktionszahl (P OISSON’sche Konstante)
 Dichte, Krümmungsradius
7.2 Indizes 297

 Normalspannung, Spannung
 Schubspannung, Tangentialspannung
! Winkelgeschwindigkeit

7.2 Indizes

A, B, C, D Eckpunkte, Schnittbezeichnung
Al Aluminium
a Abscheren, Ausschlagspannung, außen, axial
B Bruch
b Biegung
bd Biegedruckspannung
bz Biegezugspannung
CFK Carbonfaserverstärkter Kunststoff
Cu Kupfer
D Dauer
d Druck
E Elastizitätsgrenze
erf erforderlich
elast elastisch
F Fließen, Fließ-/Stauchgrenze, Formänderung
f Formänderung
G Gewicht
ges gesamt
Grenz Grenzspannung
H Horizontal
h Hauptachse
I Doppel-T
i Zählindex, Index, innere
K Knickung
L Winkel
l Lochleibung
M Material
m Mittelspannung, mechanisch, mittlere
max maximal
mech mechanisch
min minimal
N Normal
n Nenn, normal
o Oberspannung
P Proportionalitätsgrenze
298 7 Verwendete Bezeichnungen und Indizes

p polar
plast plastisch
proj projiziert
q Querkraft
R Reißlänge
r radial
res resultierend
S Schwerpunkt, Stirnfläche, Streckgrenze
s Schub
Sch schwellend
St Stahl
T Traglänge
t tangential, Torsion, Zeit
# thermisch
tat tatsächlich
therm thermisch
u Umfang, Unterspannung
v Vergleichsspannung
vorh vorhanden
W Wand, wechselnd
x, y, z Koordinaten
z Zug
zd Zug-/Druckspannung
zul zulässig

7.3 Indizes von R

e Streckgrenze
eH obere Streckgrenze
eL untere Streckgrenze
p0,2 0,2 % Dehngrenze
p0,01 0,01 % Stauchgrenze
m Zugfestigkeit
Weiterführende Literatur

1. Assmann, B.: Aufgaben zur Festigkeitslehre, 13. Aufl. Oldenbourg, München (2009)
2. Assmann, B., Selke, P.: Festigkeitslehre, 18. Aufl. Technische Mechanik, Bd. 2. Oldenbourg,
München (2013)
3. Böge, A.: Technische Mechanik. Statik – Dynamik – Fluidmechanik – Festigkeitslehre,
31. Aufl. Springer Vieweg (2015)
4. Brommundt, E., Sachs, G., Sachau, D.: Technische Mechanik. Eine Einführung, 4. Aufl. Olden-
bourg, München (2007)
5. Falk, S.: Mechanik des elastischen Körpers. Technische Mechanik, Bd. 3. Springer, Berlin Hei-
delberg New York (1969)
6. Hibbeler, R.C.: Festigkeitslehre, 8. Aufl. Technische Mechanik, Bd. 2. Pearson Studium, Mün-
chen (2013)
7. Holzmann, G., Dreyer, H.-J., et al.: Holzmann-Meyer-Schumpich. Technische Mechanik – Fes-
tigkeitslehre. Springer Vieweg (2016)
8. Läpple, V.: Lösungsbuch zur Einführung in die Festigkeitslehre. Ausführliche Lösungen und
Formelsammlung, 3. Aufl. Springer Vieweg (2012)
9. Läpple, V.: Einführung in die Festigkeitslehre. Lehr- und Übungsbuch, 4. Aufl. Springer Vieweg
(2016)
10. Muhs, D., Wittel, H., et al.: Roloff/Matek Maschinenelemente. Normung – Berechnung – Ge-
staltung, 23. Aufl. Springer Vieweg (2015)
11. Skolaut, W. (Hrsg.): Maschinenbau, 2. Aufl. Springer Vieweg (2018)

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 299
K.-D. Arndt et al., Festigkeitslehre für Wirtschaftsingenieure,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-26141-2
Stichwortverzeichnis

A Dehnsteifigkeit, 17
Anstrengungsverhältnis, 184 Dehnung, 11–14, 51
Außendruck, 61 Differenzialgleichung 2. Ordnung für die
Axialspannung, 62, 63 elastische Linie, 198
Drehfederkonstante, 131
Drillflächenmoment 2. Grades, 137
B Drillwiderstandsmoment, 137
Beanspruchung Druckbeanspruchung, 35
dynamische, 34, 182 Dünnwandiger Querschnitt, 132
Beanspruchungsarten, 6 Durchbiegung, 197
Belastung
dynamische, 28
ruhende, 28 E
schwellende, 28 Eigengewicht, 28, 49
statische, 28 Elastische Knickung, 244
wechselnde, 28 Elastizitätsgrenze, 13
Bemessungsechnung, 43 Elastizitätsmodul, 16
Bereich Energiemethode nach Castigliano, 224
elastischer, 13 Ermüdungsbruch, 2, 3
plastischer, 13, 14 Euler, 247
Berührungsspannungen, 54 Euler’sche Knickfälle, 249
Biegebeanspruchung, 69
Biegelinie, 195
Biegemoment, 72 F
Biegesteifigkeit, 197 Federrate, 130
Biegung, 69 Federsteifigkeit, 130
Bolzenverbindung, 109 Festigkeit, 10
Bredt’sche Formel, 134 Festigkeitsbedingung, 43
Bruchfestigkeit, 31, 33 Festigkeitshypothesen, 184, 187
Bruchverläufe, 4 Festigkeitslehre, 1
Flächenmomente 1. Grades, 87
Flächenmomente 2. Grades, 89
D Flächenpressung, 54
Dauerbruch, 2, 34 Flächenträgheitsmomente, 85
Dauerfestigkeit, 28 Fliehkräfte, 68
Dauerfestigkeitsschaubild, 32 Fließgrenze, 14, 31, 33, 182

301
302 Stichwortverzeichnis

Formänderungsarbeit, 24, 111, 131 Kurzzeitfestigkeit, 31


Freimachen, 8
Freischneiden, 8
L
Längenänderung, 17
G Längenausdehnungskoeffizienten, 51
Gesamtsystem, 20 Lastfall, 28
Gestaltänderungsenergiehypothese, 179, 182 Lochleibung, 61
Gewaltbruch, 2 Lochleibungsdruck, 60
Gewichtskraft, 37
Gleichgewichtsarten, 239
Gleitung, 109 M
Grenzbeanspruchung, 5 Mindestsicherheit, 34
Grenzdrehzahl, 69 Mises-Hypothese, 182
Grenzgeschwindigkeit, 68 Mittelspannung, 27, 28, 30
Grenzspannung, 10, 30, 33, 34 Mohr’scher Spannungskreis, 172
Grundbeanspruchungsart, 6, 7
Grundgleichung der Torsion, 126
N
Nachweis Festigkeit, 5
H Nietverbindung, 109
Hauptachsenwinkel, 171 Normalkraftkomponente, 9
Hauptgleichung der Biegung, 85 Normalspannung, 10
Hauptspannungen, 173 Normalspannung, zusammengesetzt, 159
Hauptsystem, 228 Normalspannungshypothese, 179, 180
Hertz’sche Theorie, 60
Hooke’sches Gesetz, 16
Hypothese der größten O
Gestaltänderungsenergie, 182 Oberspannung, 27
Hypothese der größten Normalspannung, 180
Hypothese der größten Schubspannung, 181
P
Parallele Schaltung, 19
I polares Flächenmoment 2. Grades, 125
Innendruck, 61, 64 polares Flächenträgheitsmoment, 125
Instabilität, 2 polares Widerstandsmoment, 126
Integrationsmethode, 224 Profilmittellinie, 133, 134
isotrop, 4, 33, 196, 262 Profilträger
geklebt, geleimt, genietet, 121
geschweißt, punkt-, schrittgeschweißt, 121
K Proportionalitätsgrenze, 11, 13, 244, 252
Kesselformel, 64
Klebverbindung, 109
Knicklänge, 35, 248 Q
Knicklast, 242 Quadrantenregel, 174
Knicknachweis, 254 quasi-isotrop, 4
Knickspannung, 241, 247 Querkontraktionszahlen, 24
Kohäsionskraft, 8 Querkürzung, 23
Korrekturfaktor, 185 Quetschgrenze, 252
Stichwortverzeichnis 303

R Streckgrenze, 11, 13, 31


Rastlinien, 3 Superposition, 157, 207
Reaktionskräfte, 8
Reihenschaltung, 19
Reine Biegung, 80 T
Reißlänge, 50 Tangentialkraftkomponente, 9
Restbruchfläche, 3 Tangentialspannung, 10
Tangentialspannung, zusammengesetzt, 165
Teilabschnitt, 79
S Teilschnittfläche, 9
Satz von den zugeordneten Schubspannungen, Teilschnittkraft, 9
113 Teilsysteme, 20, 21
Scherspannung, 109 Tetmajer, 252
Schlankheitsgrad, 244 Torsion, 124
Schnittrichtung, 46 Torsionssteifigkeit einer Welle, 129
Schnittufer, 8, 73 Torsionswiderstandsmoment, 126, 127
Schrumpfspannung, 51 Tragfähigkeitsrechnung, 43
Schubblech, 120 Trägheitsradius, 244
Schubbruch, 3 Traglänge, 49
Schubfluss, 132 Tresca, 181
Schubmittelpunkt, 122
Schubmodul, 110
Schubspannung, 109, 125 U
Schubspannungshypothese, 179, 181 Überlagerungs- bzw. Superpositionsprinzip,
Schubspannungsverteilung, 115 228
Schub- und Scherspannung, 109 Unterspannung, 27
Schweißverbindung, 109
Schwellfestigkeit, 33
Schwerpunkt, 88 V
Smith-Diagramm, 30 Verdrehwinkel, 129
Spannung, 9 Vergleichsspannungshypothese, 167, 179
wahre, 13, 14, 37, 262 Verständnisfragen
Spannungen durch Eigengewicht, 49 Kapitel 1, 37
Spannungen durch Fliehkräfte, 68 Kapitel 2, 146
Spannungen in zylindrischen Hohlkörpern, 61 Kapitel 3, 189
Spannungsausschlag, 27 Kapitel 4, 235
Spannungs-Dehnungs-Diagramm, 11 Kapitel 5, 256
Spannungszustand Vorzeichendefinition, 72
einachsiger, 167 Vorzeichenregel, 72, 199
mehrachsiger, 167, 179
zweiachsiger, 167, 168
Sprödbruch, 34 W
Statik, 2 Wärmedehnung, 51
Statisch bestimmtes System, 228 Wärmespannungen, 50
Statisch unbestimmtes System, 224, 231 Wechselfestigkeit, 33
statische Bestimmtheit, 222 Werkstoff
Stauch-/Quetschgrenze, 31 duktiler, 14, 181, 182
Steiner’scher Satz, 95 spröde, 5, 6
Streckenlast, 73 spröder, 14, 180
304 Stichwortverzeichnis

Werkstoffe Z
duktil, 5, 6 Zeitfestigkeit, 31
Zugbeanspruchung, 34
duktile, 6 Zugfestigkeit, 35
Widerstandsmoment, 83 Zugspannung, 41
Zugversuch, 12
Wirklinie, 41, 82, 263 Zulässige Spannungen, 33
Wöhler-Diagramm, 31 Zusatzsystem, 228

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