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Falko A. Thoma
Doktor-Ingenieurs
genehmigten Dissertation.
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Assis-
tent am Institut für Maschinenelemente, Forschungsstelle für Zahnräder und Getriebe-
bau (FZG), der Technischen Universität München. Grundlage dafür bilden die in dieser
Zeit bearbeiteten Forschungsvorhaben, die im Auftrag der Forschungsvereinigung An-
triebstechnik e. V. (FVA) durchgeführt wurden.
Mein Dank gilt an dieser Stelle allen, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben.
Insbesondere danke ich
meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr.-Ing. Bernd-Robert Höhn, für die Möglichkeit, an
der FZG zu arbeiten und die Unterstützung bei meinen Tätigkeiten.
Herrn Prof. Dr.-Ing. Bernd Bertsche und Herrn Prof. Dr.-Ing. habil. Heinz Ulbrich für die
Durchsicht der Arbeit und die Übernahme des Koreferats.
Herrn Prof. Dr.-Ing. Karsten Stahl für die Übernahme des Prüfungsvorsitzes.
meinem Forschungsgruppenleiter, Herrn Dr.-Ing. Michael Otto, der während der Be-
gleitung meiner Arbeit sowohl persönlich als auch fachlich zu einem Vorbild für mich
geworden ist.
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an der FZG für die stete Hilfsbereitschaft und
das gute Arbeitsklima, den Kolleginnen und Kollegen aus Sekretariat, Verwaltung,
Werkstatt, Prüffeld, Elektrolabor, Metallografie und dem Assistentenkreis. Hervorheben
möchte ich meine Bürokollegen Roland Weitl und Sabrina Stiller sowie meinen Kollegen
Gero Bansemir, die sowohl mit fachlichen Diskussionen als auch durch ihre Motivation
und Freundschaft die Erstellung dieser Arbeit begleiteten.
meinen Eltern, die mir durch ihre stete Förderung und Unterstützung die Möglichkeit
gaben, diesen Weg zu gehen.
Inhaltsverzeichnis
2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.1 Problemstellung und Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.2 Lösungsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
5.2 Einflußgrößen auf die Erhöhung der Profilüberdeckung durch vor- und
nachzeitigen Zahneingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
5.2.1 Hinreichende Verformung im Zahnkontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
5.2.2 Abweichung und Verformung im Zahnkontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
5.2.3 Resultierender Überdeckungsgrad unter Last bei vergleichbar belaste-
ten Verzahnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
5.2.4 Übersicht Einflüsse auf Vor- und Nachzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
5.3 Belastung der Zahnflanken bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff . . . . . . . . 102
5.4 Oberflächenpressung auf der Flanke bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff106
5.5 Profilkorrekturen zur Vermeidung von vor- und nachzeitigem Zahneingriff . . 109
8 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
Indizes
Begriffsdefinitionen
Belastung B
Als Belastung werden alle äußeren Kräfte bezeichnet, die auf ein Bauteil wirken. In die-
ser Arbeit werden Belastungen im Form von Einzelkräften, Strecken- bzw. Linienlasten
und Momenten behandelt.
Bauteile sind im Maschinenbau in der Regel einer äußeren Belastung ausgesetzt, wel-
che im inneren des Bauteils eine mechanische Beanspruchung hervorrufen. Diese Be-
anspruchnung bildet im Bauteil (bzw. im Werkstoff) Spannungen aus. Mechanische
Spannung ist die Kraft pro Flächeneinheit, die in einer gedachten Schnittfläche durch
einen Körper wirkt.
Verformung
Da Werkstoffe nicht starr sind, werden sie unter Einwirkung einer Spannungen verformt.
Die Verformung eines Werkstücks kann in Form einer Stauchung, Dehnung, Biegung,
Gleitung oder Torsion auftreten. Verformungen werden auf eine Ausdehnung des Werk-
stücks bezogen notiert, da sie vom Querschnitt abhängig sind.
Steifigkeit
Die Steifigkeit beschreibt den Widerstand eines Körpers gegen Verformung durch eine
Kraft oder ein Moment. Die Steifigkeit eines Körpers ist von dessen Werkstoff sowie der
Geometrie abhängig. Je nach Belastungsart unterscheidet man Dehn-, Biege-, Schub-
oder Torsionssteifigkeit. Steifigkeiten werden so notiert, dass sich bezogene Verfor-
mungsgrößen ergeben, also z.B. Dehnungen statt Längenänderungen.
Verschiebung
Verschiebungen sind die Lageänderungen von Punkten. Des Weiteren wird die Trans-
lation von Körpern Verschiebung genannt.
Rotatorische Bewegung eines Körpers. Bei Balken, Stäben und Wellen werden Verdre-
hungen um die Querachsen Verkippungen genannt.
Lagerverformung
In dieser Arbeit wird bei Wälzlagern die Lagerverformung als Verschiebung des Innen-
rings bezogen auf den Außenring verwendet, das heißt es können auch Lagerspiele
enthalten sein. Die Lagerverformung ist nicht auf die Größe des Lagers bezogen.
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 7
Verlagerung
Aufgrund der Verformung von Lagern können sich Wellenpunkte verschieben, ohne
dass die Welle einer Verformung unterliegt. Die Änderung der Wellenlage aufgrund von
Lagerverformung wird Verlagerung genannt.
Lagersteifigkeit C
Die Federrate eines Lagers als modulares Bauteil wird als Lagersteifigkeit bezeichnet.
Die Lagersteifigkeit ist nicht auf eine Ausdehnung des Lagers bezogen. Bei einem durch
die Belastung B um δ verformten Lager ist die Lagersteifigkeit C gleich dem Verhältnis
aus Belastung und Lagerverformung.
B
C= (1)
δ
Partielle Lagersteifigkeit ∂C
Bei einem durch die Belastung B um δ verformten Lager ist die partielle Lagersteifigkeit
∂C gleich dem Verhältnis aus einer zusätzlichen Belastung, die aus einer sehr kleinen
zusätzlichen Verformung resultiert.
∂B
∂C = (2)
∂δ
Zahnfedersteifigkeiten
Zahnfedersteifigkeiten sind auf einen Breitenabschnitt bezogen. Die über die Breite
integrierte Zahnfedersteifigkeit heißt Zahnfederhärte.
8 Formelzeichen und Definitionen
Ein wichtiger Parameter für ein Zahnradpaar ist die Überdeckung. Sie ist eine dimen-
sionslose Zahl, die die durchschnittliche Anzahl der gleichzeitig im Eingriff befindlichen
Zahnpaare kennzeichnet. Da unter der Überdeckung ein Verhältnis zu verstehen ist,
wird hier auch der gleichbedeutende Begriff Überdeckungsgrad verwendet.
Die Gesamtüberdeckung εγ nach DIN 3960 [14] besteht aus der Profilüberdeckung
εα und der Sprungüberdeckung εβ . Sie beschreibt das Verhältnis von Gesamtüber-
deckungswinkel zu Teilungswinkel einer abweichungsfreien, unverformten Verzahnung
und ist somit ein geometrischer Kennwert eines Zahnradpaares. Die Gesamtüberde-
ckung und ihre Anteile nach DIN 3960 werden fortan geometrische Überdeckungen
genannt.
Streckenlast
Streckenlasten werden mit dem Symbol f bezeichnet und haben die Dimension
Kraft/Länge. Sie können über die Länge, auf der sie wirken, veränderlich sein und kön-
nen durch eine Funktion f(u) mit der Längskoordinate u dargestellt werden.
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 9
2 Einleitung
Stirnradgetriebe sind wichtige Bestandteile des Maschinenbaus. Sie dienen der Lei-
stungsübertragung mit Wandlung von Drehmomenten und Drehzahlen und finden in
sehr vielen Bereichen des Maschinenbaus Anwendung.
Eine genaue Erreichung der Auslegungsziele lässt sich nur mit einem Berechnungs-
programm sicherstellen, dessen Ergebnisse auf einer umfassenden Abbildung des Ge-
triebesystems basieren und mit einer die Zusammenhänge des Systems berücksichti-
genden Berechnungstheorie ermittelt werden.
Für die Getriebeberechnung existieren viele Ansätze zur detaillierten Berechnung ein-
zelner Getriebekomponenten, die in EDV-Programmen umgesetzt sind. Hierbei wird
der Fokus der Berechnung meist auf eine bestimmte Komponente gerichtet, das Ge-
triebeumfeld wird bei der Berechnung häufig vernachlässigt bzw. nur teilweise oder
näherungsweise berücksichtigt.
Auch für die Berechnung von Getriebesystemen mit gegenseitiger Beeinflussung der
Einzelkomponenten existieren Lösungen. Das FZG-FVA-Programm Ritzelkorrektur (RI-
KOR) [25] berechnet die Verhältnisse im Verzahnungskontakt von ein- oder mehrstu-
figen Getrieben. Hierbei wird das Umfeld der Verzahnung bestehend aus Radkörper,
Wellen, Lagern und Gehäuse erfasst. Die Nachgiebigkeiten des Verzahnungsumfeldes
können bei der Ermittlung der resultierenden Verformungen im Zahnkontakt mitberück-
sichtigt werden.
und Abweichungen im Getriebe werden analysiert und bewertet. Bei der Berechnung
des Verzahnungskontaktes mit aktuellen EDV-Programmen unter Einbeziehung des
Verzahnungsumfeldes können teilweise verformungsbedingte Rückwirkungen des Sys-
tems nur näherungsweise berücksichtigt werden.
Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung und Dokumentation von Rechenverfahren, die
zu einer umfassenden und treffenden Berechnung eines durch Belastung verformten
Getriebes führen. Die vorgestellten Rechenverfahren erweitern den Stand des Wissens
in den Bereichen Welle-Lager-System mit mehrdimensionalen Abhängigkeiten sowie
vor- und nachzeitiger Zahneingriff.
Die Überdeckung einer Verzahnung ist eine dimensionslose Zahl, die die durchschnitt-
liche Anzahl der gleichzeitig im Eingriff befindlichen Zahnpaare einer Verzahnungs-
stufe kennzeichnet. Die Überdeckungsverhältnisse der Verzahnung werden bisher an-
hand des unverformten Getriebes bestimmt. Jedoch kann die Verformung der Getrie-
beelemente neben der Veränderung der Lastverteilung auch eine Änderung der für
die Überdeckung relevanten geometrischen Verhältnisse im Verzahnungseingriff her-
vorrufen. Besonders die Verformung eines Zahnes bezogen auf einen nachfolgenden
Zahn ruft eine scheinbare, lastbedingte Teilungsabweichung hervor. Hierdurch können
sich die Überdeckungsverhältnisse einer Verzahnung ändern und Eingriffsstörungen
entstehen, falls die relevanten Verformungen nicht durch Profilkorrekturen kompensiert
werden. Ziel dieser Arbeit ist es, die Überdeckung unter Last bei der Berechnung der
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 11
Die höherwertigen Tragfähigkeitsverfahren für Flanke nach FVA 284 [58] und Zahn-
fuß nach FVA 257 [53], [45] basieren auf einer topologischen Linienlastverteilung über
Zahnbreite und Profilhöhe. Die Verfahren sind mit Berechnungsergebnissen ohne Be-
rücksichtigung von vor- und nachzeitigem Zahneingriff an Versuchsergebnissen kali-
briert und liefern zutreffende Ergebnisse. Durch die Anwendung eines erweiterten Be-
rechnungsverfahrens, das die Vergrößerung der Überdeckung durch lastbedingte Ver-
formung in der Verzahnung berücksichtigt, können sich die Ergebnisse bei der Berech-
nung der Tragfähigkeiten ändern. Wenn die Profilkorrekturen einer Verzahnung nicht so
an eine der Berechnung zugrunde gelegte Last angepasst sind, dass vor- und nachzei-
tiger Zahneingriff vollständig vermieden wird, erhöht sich der Überdeckungsgrad unter
Last, wodurch die maximale Zahnfußspannung sinken kann. Allerdings können auf-
grund der ungünstigen Kontaktverhältnisse während des vor- und nachzeitigen Zahn-
eingriffs kritische Pressungen auf der Flanke auftreten. Dieser Effekt wurde bei der
Kalibrierung des Tragfähigkeitsberechnungsverfahrens an den Festigkeitswerten der
Werkstoffe nach Norm [35] nicht berücksichtigt. Ziel ist es, bei Berechnungen unter
Berücksichtigung der Überdeckung unter Last die Anwendbarkeit der erweiterten Trag-
fähigkeitsberechnungen zu diskutieren.
Bei der Berechnung der Flankenbeanspruchung nach ISO 6336 part 2 [35] wird die
Ungleichmäßigkeit der Lastverteilung über der Verzahnungsbreite mit dem Breitenlast-
faktor KHβ berücksichtigt. Nach Methode A der Norm [35] kann der Breitenlastfaktor
aus einer gemessenen, topologischen Lastverteilung abgeleitet werden. Ein Vorgehen
zur Bestimmung des Breitenlastfaktors aus einer topologischen Lastverteilung ist je-
doch in der Norm nicht enthalten. In dieser Arbeit wird ein Verfahren vorgeschlagen,
mit dem aus einer topologischen Lastverteilung ein normkonformer Breitenlastfaktor
abgeleitet werden kann.
12 Einleitung
2.2 Lösungsweg
Die Verformungsberechnung von Getriebewellen, die statisch bestimmt oder unbe-
stimmt gelagert sein können, wird für radiale, axiale und Torsions-Verformung gezeigt.
Zur Berechnung von mehrfach abgesetzten Wellen wird das Übertragungsmatrizenver-
fahren verwendet. Die Berücksichtigung von Lagern verschiedener Bauart als modulare
Komponenten wird erläutert. Das nichtlineare und mehrdimensionale Steifigkeitsver-
halten von Lagern kann durch einen iterativen Abgleich der Belastungen und Verschie-
bungen an der Kontaktstelle von Welle und Lager in der Wellenberechnung abgebildet
werden. Die Nachgiebigkeit der Lageraufnahme wird als Anteil der gesamten Nach-
giebigkeit der Lagerstelle berücksichtigt. Ein geeignetes Vorgehen zur Berechnung der
Wellenverformung in einem mehrdimensional belasteten Getriebe wird gezeigt.
Vor- und nachzeitiger Zahneingriff findet in Bereichen der Eingriffslinie außerhalb der
geometrischen Eingriffsstrecke statt. Die Verlängerung der Eingriffsstrecke um Vor- und
Nachzeit resultiert aus einer Verformung im Zahnkontakt und wird maßgebend von der
Verzahnungsgeometrie beeinflusst. Die geometrischen Verhältnisse im Stirnschnitt der
Verzahnung als Vermittler für vor- und nachzeitigen Zahneingriff aus der Zahnpaarver-
formung werden hergeleitet. Die Zahnverformung als Ursache für vor- und nachzeiti-
gen Zahneingriff wird kurz erläutert. Hierzu werden die verwendeten Berechnungsme-
thoden und maßgebenden Einflüsse angesprochen. Anhand relevanter Verzahnungs-
größen wird die Neigung verschiedener Stirnradgeometrien zu vor- und nachzeitigem
Eingriff diskutiert.
Das Eingriffsfeld wird bei der Berechnung der Last- und Pressungsverteilung um die
Bereiche des vor- und nachzeitigen Zahneingriffs erweitert. Mit den erweiterten Mög-
lichkeiten der Berechnung werden geeignete Profilkorrekturen untersucht, mit denen
unerwünschter vor- und nachzeitiger Zahneingriff vermieden werden kann.
Die Auswirkungen der Berücksichtigung des Überdeckungsgrades unter Last bei der
Bestimmung der Zahnfußtragfähigkeit werden anhand von Nachrechnungen bestehen-
der Ergebnisse bewertet. Die weitere Gültigkeit der Tragfähigkeitsberechnung mit den
detaillierteren Berechnungsmethoden wird überprüft.
Das an der Ohio State University entwickelte Programm LDP (Load Distribution Pro-
gram) [31] berechnet Lastverteilung, Drehwegfehler, Flankenpressung und Zahnfuß-
spannung von evolventischen Verzahnungen. Die Biege- und Schubverformung der
Zähne werden mit einem analytischen Ansatz nach [6] ermittelt. Die Spannung im Zahn-
fuß basiert auf der Lastverteilung und wird mit Hilfe der Boundery-Element-Methode
bestimmt. Die Wellenverformung wird nach der linearen Biegebalkenthoerie berechnet.
Die Wellen werden statisch bestimmt gelagert berechnet, für jede Welle können zwei
Lager mit radialer Steifigkeit angegeben werden.
Mit dem Programm LVR [40], [3] können Last-, Pressungs-, Kontakttemperatur- und
Fußspannungsverteilung bei evolventischen Stirnradeingriffen berechnet werden. Im
Programm LVR wird ein analytischer Ansatz nach [33] verfolgt, der auf einer aus FEM-
Berechnungen abgeleiteten allgemeinen Einflussfunktion zur Bestimmung der Zahnver-
formungseinflusszahlen basiert. Der Einfluss der Kontaktverformung nach [39] und der
Nachgiebigkeitseinfluss an den Verzahnungsrändern nach [37] können berücksichtigt
werden. Bei der Berechnung der Lastverteilung kann der Einfluss der Überdeckungs-
vergrößerung durch vor- und nachzeitigen Zahneingriff berücksichtigt werden. Die Wel-
len können mit einer beliebigen Wellenkontur angegeben werden. Für jede Welle kön-
nen bis zu vier Lager angegeben werden, die über ihre radialen Senk- und Kippsteifig-
keiten definiert sind.
16 Stand des Wissens
Das Programm PLANKORR [61] dient der Bestimmung von Lastverteilung und Ver-
zahnungskorrekturen an Planetengetrieben. Die Verzahnungssteifigkeit in PLANKORR
wird mit Einflusszahlen beschrieben, die mittels an FEM-Berechnungen kalibrierter,
empirischer Funktionen berechnet werden. Die Verformungen von Wellen, Lagern,
Radkörpern und Planetenträgern kann berücksichtigt werden. Lagersteifigkeiten kön-
nen entweder direkt vorgegeben werden oder für Wellen mit zwei Radiallagern und
einem Axiallager mit dem angeschlossenen Programm LAGER2 [32] berechnet wer-
den.
Das an der RWTH Aachen entwickelte Programm STIRAK (FE-Stirnradkette) [5], [50]
berücksichtigt das Steifigkeitsverhalten der Verzahnungen durch Verschiebungsein-
flusszahlen, die mit der Finite-Elemente-Methode ermittelt werden. Ergebnisse der
Verzahnungsberechnung mit STIRAK sind die Lastverteilung im Zahneingriff und dar-
aus abgeleitet die Hertzschen Flankenpressungen, Zahnfußspannungen sowie die
Zahnfedersteifigkeits- und Drehwegfehlerverläufe. Die Wellenverformung wird mit dem
Reduktionsverfahren nach Falk [18] berechnet. Es können bis zu fünf Lagerstellen be-
rücksichtigt werden, die über Radial- und Kippsteifigkeiten sowie mit Lagerluft angege-
ben werden können.
Das Softwareprogramm Kisssoft [36] ermittelt die Berührpunkte einer Verzahnung zu-
nächst lastfrei und passt anschließend die Position der Kontaktpunkte an die Verfor-
mungen im Verzahnungskontakt an. Hierbei ist die Verschiebung der Kontaktpunkte auf
eine vorgegebene Eingriffslinie beschränkt, die aus der theoretischen Eingriffsstrecke,
erweitert um anschließende Teile der Kopfkreise, besteht. Die Berechnung der Zahn-
steifigkeit nach Petersen [7] enthält die Anteile Zahnbiegung, Verformung des Radkör-
pers und Hertzsche Abplattung des Kontaktbereichs. Zur Berechnung von Schrägver-
zahnungen wird ein Scheibchenmodell verwendet, dessen Einzelscheiben durch einen
Koppelfaktor miteinander verbunden sind. Die Wellenberechnung in Kisssoft erfolgt auf
der Grundlage der eindimensionalen Finite Elemente Methode. Elastische Lagerungen
können durch das Setzen von Senk- und Kippsteifigkeiten berücksichtigt werden.
Oster und Liebhardt beschreiben in [43] das EDV-Programm Ritzelkorrektur, das zur
Ermittlung von Breitenkorrekturen dient. Die Berechnung der Lastverteilung über der
Zahnbreite erfolgt hierbei iterativ nach dem Verfahren von Dudley und Winter [17].
Bei der Berechnung werden die Biege- und Torsionsverformungen eines vereinfachten
Welle-Lager-Systems verwendet.
Zur Berechnung von statisch unbestimmten Tragwerken wendet Falk [18] das Redukti-
onsverfahren auf den beliebig gestützten Durchlaufträger an. Die hier betrachteten Ver-
formungen resultieren nur aus Biegung. Falk leitet allgemeine Formeln zur Aufstellung
der Grundgleichungen her und schematisiert das Verfahren so weit, dass es sich für
die rechnerautomatisierte Anwendung eignet. Hinweise zu Verallgemeinerungen des
Verfahrens zeigen die Anwendbarkeit des Verfahrens bei der Berücksichtigung weiterer
Verformungsanteile.
Das EDV-Programm „Welle2“ dient der Berechnung der radialen Verformung in einer
Ebene von statisch bestimmt und unbestimmt gelagerten Getriebewellen. Die Welle
kann mehrfach abgesetzt sein und durch mehrere äußere Streckenlasten, Querkräfte
und Kippmomente belastet sein. Zur radialen Festlegung der Wellen können starre und
nachgiebige Senk- und Drehlager verwendet werden, die mit Lagerspiel beaufschlagt
sein können und mit radialem Versatz angegeben werden können. Das Programm ist in
der Programmiersprache FORTRAN geschrieben und enthält Ausgaberoutinen für den
Ausdruck von Verformungs- und Belastungslinien.
Das Programm „Welle2“ wird an das Programm „Ritzelkorrektur“ in der Version RI-
KOR D [20] zur Berechnung der radialen Wellenverformung angeschlossen. Die Be-
rücksichtigung einer Verschiebung der Lagereinspannstelle bzw. von Lagerspiel ist nur
durch anwenderseitige Berechnung einer Ersatzsteifigkeit des Lagers möglich.
Placzek [47] entwickelt die Programmversion RIKOR E und führt die topologische Last-
verteilungsberechnung ein. Die örtlichen Nachgiebigkeiten werden nach Schmidt [55]
bestimmt, der eine Rechenvorschrift zur Bestimmung von Verformungseinflusszahlen
für die Zähne von Schrägstirnrädern herleitet. Placzek verwendet ein Einflusszahlen-
modell für die Berücksichtigung der Wellennachgiebigkeit entlang der Verzahnungsbrei-
te sowohl für die ebene als auch für die topologische Berechnungsmethode.
Breuer [2] entwickelt das Programm „LAGER“ zur Berechnung der Wälzlagersteifig-
18 Stand des Wissens
keit. Das Programm dient der Berechnung der Federungseigenschaften der in der
Antriebstechnik üblichen Wälzlager. Die Wälzlager werden anhand von Hestellerbe-
zeichnungen, äußeren Abmessungen oder Bestückungsdaten angegeben. Das Be-
triebslagerspiel kann berechnet oder direkt angegeben werden. Wesentliche Ergeb-
nisse der Berechnung mit dem Programm „LAGER“ sind Federungskennzahlen und
die Verformungs-Belastungs-Verhältnisse des belasteten Lagers.
Wikidal [64] schließt das Programm LAGER als Unterprogramm an RIKOR an. Wälzla-
gersteifigkeiten können seit der Version RIKOR F anhand von Geometrieangaben zum
Lager in RIKOR berechnet und bei der Wellenverlagerung berücksichtigt werden. Die
Betriebspunkte der Wälzlager werden iterativ im Zusammenspiel von Wälzlager- und
Wellenberechnung ermittelt. Des Weiteren ergänzt Wikidal das Programm um Detailbe-
trachtungen bei der Ermittlung der Verhältnisse im Zahnkontakt mit der topologischen
Methode.
Schinagl [52] entwickelt die Version RIKOR G und erweitert die Wellen-Lager-
Berechnung in RIKOR um einen Ansatz zur Berechnung der Exzentrizität vollumschlos-
sener Gleitlager. Die nominelle Lebensdauer von Wälzlagern kann berechnet werden.
Bei der Wellenverformung kann der Anteil des Querkraftschubs zusätzlich berücksich-
tigt werden. Schinagl berechnet die Zahnfußspannungsverteilung über der Zahnbreite
aus der dreidimensionalen Linienlastverteilung. Das Programm LOKI [26] zur Bestim-
mung von Abweichungen aus Losradkippen wird in RIKOR eingebunden. RIKOR G wird
mit einer grafischen Benutzeroberfläche ausgeliefert.
Hertter [32] entwickelt das Programm „LAGER2“ zur Berechnung der Wälzlagersteifig-
keit und -lebensdauer. Der Programmteil zur Berechnung der Wälzlagersteifigkeit ba-
siert auf dem Programm „LAGER“. Der neu entwickelte Programmteil zur Berechnung
der Wälzlagerlebensdauer bietet die Möglichkeit einer Dimensionierung von Wälzla-
gern anhand der Lagerlebensdauer berechnet nach DIN ISO 281 [15] bzw. DIN ISO
281 Beiblatt 4 [16]. Hertter schließt das Programm „LAGER2“ als Unterprogramm an
das EDV-Programm Ritzelkorrektur (RIKOR G) an. Dies ermöglicht eine direkte Berech-
nung der Lagerlebensdauern der im berechneten Zahnradgetriebe belasteten Wälzla-
ger.
Otto [23] entwickelt die Version RIKOR H, in der erweiterte Berechnungsverfahren von
Verzahnungsbeanspruchungen umgesetzt sind. Im Einzelnen sind Rechenmethoden
zur Graufleckentragfähigkeit nach FVA-Nr. 259I, zur Grübchentragfähigkeit nach FVA-
Nr. 284I/II und zur Zahnfußtragfähigkeit nach FVA-Nr. 257II eingebunden. In RIKOR H
können die Verzahnungskräfte aus Kegelrad-, Hypoid- und Schneckenstufen bei der
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 19
Rettig [49] untersuchte die Verlängerung der Eingriffsdauer bei Stirnrädern in Abhän-
gigkeit von Belastung und Zahnfehlern. Aus Messungen leitet er empirische Gleichun-
gen zur Berechnung der Eingriffsdauer unter Last her. Hierbei können die Belastung,
20 Stand des Wissens
Baethge [1] untersuchte die Zahnsteifigkeit und den Drehwegfehler bei gerad- und
schrägverzahnten Stirnrädern. Anhand von Drehwegfehlermessungen an einem Zahn-
radverspannungsprüfstand weist er Tendenzen der Verzahnungssteifigkeit bei Variati-
on einzelner Verzahnungsgeometrieparameter aus. Des Weiteren leitet er die Zunah-
me des Überdeckungsgrades durch vor- und nachzeitigen Zahneingriff bei gegebener
Belastung bzw. Verformung im Zahnkontakt her und überprüft diese anhand der Mes-
sungen. Munro [41] und später auch Seager [56] leiteten vereinfachte Berechnungs-
vorschriften her, die zu einer näherungsweisen und geschlossenen Berechnung des
Zusammenhangs von Drehwegfehler und Überdeckungsänderung führen.
Gerber [30] befasst sich mit dem Schwingungs- und Dämpfungsverhalten von gerad-
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 21
Geiser [29] befasst sich mit der Beurteilung des Schwingungsverhaltens von Stirnrä-
dern. Grundlage der Dissertation Geiser ist das EDV-Berechnungsprogramm „Dyna-
mische Zahnkräfte Programm“ in der Version 4.0 [21] mit dem die Anregung von Ver-
zahnungen unter Berücksichtigung des vor- und nachzeitigen Zahneingriffs berechnet
werden kann.
Lin [38] entwickelt eine Berechnungsvorschrift, die den Zusammenhang von Drehweg-
fehler und beginnendem vorzeitigen Eingriff abbildet. Die Berechnungsvorschrift lässt
sich in die von Baethge entwickelte Berechnungsvorschrift überführen und ist somit
gleichwertig. Die hohe Genauigkeit der Berechnungsmethode wurde durch einen Ver-
gleich von Berechnungsergebnissen nach Lin und Ergebnissen einer Einflankenwälz-
prüfung bestätigt.
ISO 6336 [35] part 2 und DIN 3990 [11] Teil 2 enthalten die Grundgleichungen für die
Berechnung der Flankentragfähigkeit (Grübchentragfähigkeit) für Stirnräder mit Evol-
ventenprofil. Die Berechnung der Flankentragfähigkeit basiert auf der Flankenpressung
im Wälzpunkt oder im inneren Einzeleingriffspunkt. Die auftretende Flankenpressung
wird hierbei aus einer nominellen Flankenpressung berechnet, die bei abweichungs-
freier, durch das statische Nennmoment belasteter Verzahnung auftritt. Die nominelle
Flankenpressung wird mit den Quadratwurzeln der lastüberhöhenden Faktoren KA , Kv ,
KHβ und KHα nach ISO 6336 part 1 bzw. DIN 3990 Teil 1 multipliziert. Der Breitenlast-
faktor KHβ beschreibt Lastüberhöhungen entlang der Verzahnungsbreite. Nach ISO
6336 part 1 method B und C und DIN 3990 Teil 1 Methode B wird der Breitenlastfaktor
aus dem über dem Eingriff gemittelten Wert der Gesamtzahnfedersteifigkeit und der
wirksamen Flankenlinienabweichung berechnet.
Im Forschungsvorhaben Nr. 127 IV [28] wird das EDV-Programm STIRAK [22] hinsicht-
22 Stand des Wissens
lich der Bestimmung normkonformer Breitenlastfaktoren für Flanke und Fuß aus der
FE-basierten Zahnkontaktanalyse erweitert. Programmintern wird die Gesamtzahnfe-
dersteifigkeit mit der FEM bestimmt. Auch die wirksame Flankenlinienabweichung wird
berechnet, wobei die statischen und elastischen Abweichungen des Verzahnungsum-
feldes vorgegeben werden können.
ISO 6336 part 3 und DIN 3990 Teil 3 enthalten Grundgleichungen für die Berechnung
der Zahnfußtragfähigkeit. Zur Beurteilung der Zahnfußtragfähigkeit wird die maxima-
le Zugspannung am Zahnfuß verwendet. Die Norm enthält Näherungsgleichungen zur
Bestimmung der Zahnfußnennspannung, die vorwiegend an Versuchen an Geradver-
zahnungen bestätigt wurden.
In Bild 2 ist eine Beispielwelle mit zwei Kegelrollenlagern, Verzahnung und mit dem
in der Berechnung verwendeten Koordinatensystem dargestellt. Das verwendete Koor-
dinatensystem ist ein kartesisches Koordinatensystem mit den drei Richtungsachsen
u, v und w. Wenn keine Verkippung der Welle vorgegeben wird, gilt für das Wellen-
Koordinatensystem:
u0
Bild 2: Welle mit Verzahnung und Lagern sowie Koordinatensystem für die Welle-Lager-
Berechnung
26 Berechnung des Welle-Lager-Systems
Die Verschiebungen der Wellenpunkte in v- und w-Richtung werden als Funktion der
u-Koordinate notiert:
v = f (u) und w = f (u)
Die erste Ableitung einer Verschiebungsgröße nach der u-Koordinate entspricht für die
Radialrichtungen v und w der Tangentensteigung und wird folgendermaßen notiert:
v0 = dv
du
bzw. w0 = dw
du
Für kleine Steigungen gilt Gleichung 3, weshalb hier auch Verkippungen wie Verdre-
hungen und Steigungen mit der Einheit Radiant angegeben werden können, da die
Wellenverformungen verglichen mit den Ausdehnungen der Wellen sehr klein sind.
dv dv
tan ≈ für alle du >> dv (3)
du du
Die zweiten Ableitungen der radialen Verschiebungsgrößen nach der u-Koordinate kön-
nen bei den hier betrachteten geringen Verformungen als Krümmungen der Wellenbie-
gelinie interpretiert werden und werden folgendermaßen notiert:
d2 v d2 w
v 00 = du2
bzw. w00 = du2
Die dritten und vierten Ableitungen nach der u-Koordinate werden entsprechend mit
drei und vier Strichen notiert.
Positive äußere Kräfte und Verschiebungen sind in Richtung der positiven Koordinaten-
achsen gerichtet.
Die inneren Belastungen (Schnittlasten) sind auf das positive Schnittufer bezogen, wel-
ches auf der dem Koordinatensystem zugewandten Seite liegt. Positive Schnittlasten
zeigen am positiven Schnittufer in positive Koordinatenrichtung.
• Aus einem positiven Kippmoment resultiert eine positive Verkippung bzw. Stei-
gung.
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 27
In Bild 3 sind die hier verwendeten positiven Verkippungen und Kippmomente in den
Berechnungsebenen dargestellt. Positive Kippmomente und Verkippungen in der u-
w-Ebene entsprechen hiermit nicht dem positiven Drehsinn um die v-Achse (Rechte-
Hand-Regel).
Belastungen und Verformungen der Welle vektoriell zerlegt werden. Des Weiteren gibt
es für konzentrische Wellenabschnitte, an denen die Belastungen im Wellenmittelpunkt
angreifen, keine Wechselwirkungen zwischen den betrachteten Raumrichtungen. Be-
lastungen in einer bestimmten Raumrichtung verursachen nur Verformungen in dieser
Richtung. Nach der Berechnung der Wellenverformung in den einzelnen Raumrich-
tungen können die Verformungen der Wellenabschnittsmittelpunkte vektoriell zu den
Gesamtverformungen addiert werden.
Die Wellen der Getriebe können beliebig oft abgesetzt sein. Konische Wellenabschnitte
können bei der Berechnung vereinfacht berücksichtigt werden. Ein konischer Wellen-
abschnitt wird hierbei durch mehrere zylindrische Wellenabschnitte ersetzt.
4.1 Wellenverformung
Die Getriebewellen werden getrennt in radialer, axialer und Umfangsrichtung berech-
net, wobei die Berechnung in radialer Richtung in zwei Ebenen durchgeführt wird. Die
Berechnung von Getriebewellen in radialer Richtung folgt der linearen Biegebalken-
theorie inklusive Verformung aus Querschub. Die Berechnung der Wellenverformung in
den einzelnen Raumrichtungen wird mit dem Übertragungsmatrizenverfahren durchge-
führt. Eine zu berechnende Welle wird in Abschnitte mit konstanter Geometrie unterteilt.
Äußere Belastungen greifen nur an Abschnittsgrenzen an. Ergebnisse der Berechnung
sind die Verformungen der Wellenabschnitte, die Verschiebungen und Schnittlasten an
den Abschnittsgrenzen sowie die Lagerkräfte an den Lagerstellen.
l da
di
derstand eines Körpers gegen Torsion darstellt, wird nach Gleichung 5 berechnet:
Für Wellenabschnitte, die keinen Kreis- oder Kreisringquerschnitt besitzen, müssen die
Flächenträgheitsmomente und die Querschnittsfläche angegeben werden. Hiermit kön-
nen auch beispielsweise Zahn- und Keilwellen bei der Wellenberechnung berücksichtigt
werden.
4.1.1 Biegung
Die Wellenbiegung wird mit der linearen Biegebalkentheorie berechnet. Folgende Vor-
aussetzungen müssen für die Anwendung der linearen Biegebalkentheorie erfüllt sein:
• Der Balken besteht aus einem elastischen Werkstoff mit konstantem E-Modul.
30 Berechnung des Welle-Lager-Systems
• Die Verformungen sind klein verglichen mit der Ausdehnung des Balkens.
Die Biegung eines Balkens beruht auf dem Biegemoment MB , das ein Balkenabschnitt
erfährt. In Bild 5 ist ein Balken mit der Länge l gezeigt, der mit dem Biegemoment
MBw = MBw,0 = −MBw,1 , der Querkraft F = FQv,0 = −FQv,1 und der Streckenlast fQv,0
belastet ist. Hierbei ist die Streckenlast fQv,0 eine konstante Querbelastung des Balkens
pro Balkenlänge.
fQv,0
u l
FQv,0 MBw,0 MBw,1 FQv,1
v 0 1
Die Biegung des Balkens an einer Stelle u entspricht der zweiten Ableitung der Verfor-
mungskoordinate v nach u und lässt sich nach Gleichung 7 berechnen. Das verwen-
dete Koordinatensystem ist in Bild 5 gezeigt. Die u-Koordinate verläuft in Wellenlängs-
richtung. Die v-Koordinate zeigt in Belastungs- und Verformungsrichtung und liegt in
der Ebene eines unverschobenen und unverformten Balkenquerschnitts.
MBw (u)
v 00 (u) = (7)
EI
v 00 [1/mm] zweite Ableitung der Wellen- u [mm] Längenkoordinate der Welle
verformung in v-Richtung
Biegemoment an der Stelle u N/mm2 Elastizitätsmodul
MBw (u) [N mm] E
mm4 Flächenträgheitsmoment
I
Dementsprechend ist die Verformung des Balkens auch abhängig von der Querkraft
FQ und der Streckenlast fQ und kann nach Gleichung 8 und Gleichung 9 berechnet
werden.
FQv (u)
v 000 (u) = (8)
EI
v 000 1/mm2 dritte Ableitung der Wellenver- Längenkoordinate der Welle
u [mm]
formung in v-Richtung
Querkraft an der Stelle u N/mm2 Elastizitätsmodul
FQv (u) [N ] E
mm4 Flächenträgheitsmoment
I
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 31
fQv (u)
v 0000 (u) = (9)
−EI
4.1.2 Querschub
In radialer Verformungsrichtung wird zusätzlich zur Biegung des Balkens die Schubver-
formung berücksichtigt. Diese ist vor Allem bei kurzen, relativ dicken Balken relevant.
Aufgrund der Schubverformung steht der Querschnitt des Balkens, der näherungswei-
se unverformt ist, nicht mehr senkrecht zur Achse des Balkens. Wird bei einem Balken
nur Querschub betrachtet, neigt sich die Achse des Balkens, das heißt, es kommt zu
einer Durchbiegung, obwohl alle Querschnitte des Balkens nicht geneigt sind (Bild 6).
u
FQv,0
v
FQv,1
v
Bild 6: Aufgrund der Querkräfte FQv,0 und FQv,1 durch Querschub verformter Balken
Die Verformung aufgrund von Querschub wird nach Gleichung 10 [9] für Belastung
durch Querkraft und mit Gleichung 11 für Belastung durch Streckenlast berechnet.
dv FQv
= (10)
du GAs
dv
du [−] Verformung in v-Richtung pro FQv [N ] Querkraft
Länge
N/mm Schubmodul
2
mm2 für Querschub relevante
G As
Querschnittsfläche
dv fQv
2
= (11)
du GAs
dv
d2 u [−] Verformungsänderung in v- fQv [N/mm] Streckenlast
Richtung pro Länge
N/mm Schubmodul
2
mm2 für Querschub relevante
G As
Querschnittsfläche
32 Berechnung des Welle-Lager-Systems
Der Schubmodul G gibt Auskunft über die lineare elastische Verformung eines Bauteils
infolge einer Schubspannung. Der Schubmodul steht bei einem isotropen Material mit
dem Elastizitätsmodul E in folgender Beziehung:
E
G= (12)
2 + 2ν
As = A ∗ ρ (13)
4.1.3 Längsdehnung
In axialer Verformungsrichtung wird die Verformung der Welle entlang der Wellen-
längsachse durch axiale Belastung betrachtet. In Bild 7 ist die Längenänderung eines
Balkens gezeigt, der mit der axialen Kraft FN = FN,0 = −FN,1 belastet ist. Der un-
verformte Balken (dargestellt mit durchgezogener Linie) hat die Länge l, der verformte
Balken (unterbrochene Linie) hat die Länge lv .
l
u FN,0 FN,1
lv
FN ∗ l
∆l = (14)
EA
F ∆l
= = (15)
EA l
4.1.4 Torsionsverformung
Bei der Berechnung der Wellenverformung wird auch die Verformung in Umfangsrich-
tung aufgrund von Torsionsmoment betrachtet. In Bild 8 ist die Torsion eines Balkens
gezeigt, der mit dem Torsionsmoment MT = MT,0 = −MT,1 belastet ist. Querschnitt
1 stellt den Querschnitt des linken Endes des Balkens mit Kreisquerschnitt dar, Quer-
schnitt 2 zeigt den Querschnitt des rechten Endes. Blickrichtung auf die Querschnitte
ist in u-Richtung. Querschnitt 2 ist gegenüber Querschnitt 1 um den Winkel ϕ um die
u-Achse aufgrund des anliegenden Torsionsmoments verdreht.
l
u MT,0 MT,1
Querschnitt 1 Querschnitt 2
Die Torsionsverformung wird nach Gleichung 16 berechnet. Über der Länge l des Bal-
kens ergibt sich eine Gesamtverdrehung ϕ um die u-Achse nach Gleichung 17.
MT
ϕ0 = (16)
GIp
MT ∗ l
ϕ= (17)
GIp
34 Berechnung des Welle-Lager-Systems
4.2 Übertragungsmatrizenverfahren
Das Übertragungsmatrizenverfahren ist ein Berechnungsverfahren, bei dem eine Ge-
samtstruktur in mechanisch möglichst einfach beschreibbare Teilstücke zerlegt wird.
Für jede dieser Teilstrukturen werden Übertragungsmatrizen formuliert, die die relevan-
ten Belastungs-Verformungsinformationen hinsichtlich Geometrie und Materialeigen-
schaften enthalten. Grundsätzlich wird der Zustandsvektor am Ende einer Teilstruktur
ZV1 durch Multiplikation der Übertragungsmatrix U M mit dem Zustandsvektor vom An-
fang dieser Teilstruktur ZV0 ermittelt.
ZV0 Zustandsvektor am Anfang der Struktur ZV1 Zustandsvektor am Ende der Struktur
UM Übertragungsmatrix
Jeder Querschnitt des Balkens kann durch den Zustandsvektor ZV mit den Schnittgrö-
ßen
• v: Verschiebung
• v’: Steigung dv
du
• M: Biegemoment
• F: Querkraft
• f: Streckenlast (konstant)
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 35
beschrieben werden. Aus den Verformungsanteilen von Biegung und Schub sowie den
geometrischen Übertragungsgliedern ergeben sich folgende Übertragungsfunktionen
von einem Zustandsvektor ZV0 zum Folgenden ZV1 :
l2 l3 l l4 l2
v1 = v0 + l ∗ v00 + ∗ M0 + ( + ) ∗ F0 − ( + ) ∗ f0 (19)
2EI 6EI GAs 24EI 2GAs
l l2 l3
v10 = v00 + ∗ M0 + ∗ F0 − ∗ f0 (20)
EI 2EI 6EI
l2
M1 = M0 + l ∗ F0 − ∗ f0 (21)
2
F 1 = F 0 − l ∗ f0 (22)
Für ein Balkenelement mit der Länge l, dem Elastizitätsmodul E, dem Schubmodul
G, dem Flächenträgheitsmoment I und der Querschnittsfläche für Querschub As lässt
sich die in Gleichung 23 dargestellte Übertragungsmatrix U M aus den Gleichungen
Gleichung 19 bis Gleichung 22 bilden.
l2 l3 l 4
l l2
1 l 2EI 6EI
+ GAs
− 24EI − 2GAs
l l2 l 3
0 1
EI 2EI
− 6EI
(23)
2
UM = 0 0 1 l − l2
0 0 0 1 l
0 0 0 0 0
Die Hauptdiagonale der Übertragungsmatrix ist nicht vollständig besetzt. Da die Stre-
ckenlast, die auf einen Wellenabschnitt wirkt, nicht als Streckenlast auf den nächsten
Abschnitt übertragen wird, ist in der fünften Spalte der fünften Zeile keine eins einge-
tragen.
36 Berechnung des Welle-Lager-Systems
In Bild 9 ist ein Balken mit drei Balkenabschnitten gezeigt. Jeder Abschnitt besitzt kon-
stante Geometrie. Elastizitäts- und Schubmodul sind für den gesamten Balken kon-
stant. Der Balken ist am rechten Balkenende mit der Querkraft Fex belastet. Am linken
Ende ist der Balken fest eingespannt und damit statisch bestimmt gelagert. Die drei
Abschnitte des Balkens sind mit den Übertragungsmatrizen U M1 , U M2 und U M3 be-
schrieben und besitzen die Längen l1 , l2 und l3 .
l1 l2 l3
u
UM1 UM2 UM3 Fex
v
ZV0 ZV1 ZV2 ZV3
Bild 9: Balken mit 3 Abschnitten, links eingespannt, rechts durch die äußere Querkraft Fex be-
lastet
Die Verschiebungsgrößen des Zustandsvektors ZV0 sind durch die feste Einspannung
bekannt:
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 37
• v0 = 0
• v00 = 0
X
F = 0 ⇒ F0 = −Fex (25)
X
M = 0 ⇒ M0 = −Fex ∗ (l1 + l2 + l3 ) (26)
• M0 = −Fex ∗ (l1 + l2 + l3 )
• F0 = −Fex
• f0 = 0
Nachdem der Startvektor ZV0 bekannt ist, können alle weiteren Zustandsvektoren ZVi
durch sukzessive Multiplikation des Startvektors mit den einzelnen Übertragungsmatri-
zen U Mi berechnet werden.
In Bild 10 ist ein Balken dargestellt, der am Trennpunkt 1 mit einem Lager gegen Verkip-
pung und Verschiebung in Querrichtung fixiert ist. Der Balken ist an den Trennpunkten
2 und 4 mit den äußeren Querkräften Fex,2 und Fex,4 belastet. Am Trennpunkt 3 wirkt
das äußere Kippmoment Mex,3 . An der Lagerstelle LS1 wirken die unbekannten Lager-
belastungen FL,1 und ML,1 (nicht in Bild 10 dargestellt).
Wirken äußere Belastungen auf einen Trennpunkt des Balkens, muss die Übertra-
gungsfunktion nach Gleichung 27 um die äußeren Belastungen erweitert werden.
38 Berechnung des Welle-Lager-Systems
Fex,2=50 Fex,4=70
l4
l2
Mex,3=
l1
90
u
UM1 UM2 UM3 Q UM4
v LS1
ZV0 ZV1 ZV2 ZV3 ZV4
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25
ZV0 ZV1 LS1 ZV2 ZV3 ZV4 LV EV
Fex2 Mex3 Fex4
v0 v'0 M0 F0 v1 v'1 M1 F1 ML1 FL1 v2 v'2 M2 F2 v3 v'3 M3 F3 v4 v'4 M4 F4
1 -1 v0 0
2 -1 v'0 0
UM1
3 -1 1 M0 0
4 -1 1 F0 0
5 -1 v1 0
6 -1 v'1 0
UM2
7 -1 M1 0
8 -1 1 F1 0
9 -1 ML1 0
10 -1 FL1 0
UM3
11 -1 1 v2 0
12 -1 v'2 0
13 -1 X M2 = 0
14 -1 F2 0
UM4
15 -1 Fex2 0
16 -1 1 v3 0
17 1 v'3 50
18 1 M3 90
19 1 F3 70
20 1 Mex3 0
21 1 v4 0
22 1 v'4 0
23 1 M4 0
24 1 l1 l2 1 l4 F4 0
25 1 1 1 Fex4 0
Nach der Lösung des Gleichungssystems ist der Lösungsvektor bekannt. Der Lösungs-
vektor enthält neben den nicht durch Multiplikation der Übertragungsmatrizen eliminier-
ten Zustandsvektoren auch die bekannten und unbekannten Belastungen des Systems.
Bei der Berechnung von Balken oder Wellen mit dem Übertragungsmatrizenverfahren
sind die Beziehungen aus Belastung und Verformung der einzelnen Bauteile enthalten.
Jede Lagerstelle bringt in das Gleichungssystem für jeden Freiheitsgrad, der durch das
Lager beeinflusst wird, sowohl eine unbekannte Belastung, die die Zahl der Unbekann-
ten des Gleichungssystems erhöht, als auch eine Information über die Verschiebung
der Welle abhängig von der Lagerbelastung, aus der eine neue Zeile in der Koeffizien-
tenmatrix formuliert werden kann. Das Gleichungssystem bleibt also quadratisch und
lösbar.
In Bild 12 ist ein Balken gezeigt, der durch die äußere Querkraft Fex,2 belastet ist. Der
Balken ist mit zwei Lagern gelagert, die jeweils eine Steifigkeit gegen Verschiebung CQ
und eine Steifigkeit gegen Verdrehung CB besitzen. Da das System zwei Freiheitsgra-
de besitzt, jedoch die Anzahl der Lagerreaktionen insgesamt vier ist, ist das System
statisch unbestimmt.
Fex,2=500
l3
l2
l1
u
UM1 UM2 UM3 Q UM4
CQ,1=600 CQ,3=800
v
CB,1=1100 CB,3=1300
LS1 LS3
ZV0 ZV1 ZV2 ZV3 ZV4
Beide Lager wirken mit jeweils zwei Lagerreaktionen auf das System. In Gleichung 28
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 41
ist die Beziehung der Wellenverkippung zum Lagerreaktionsmoment gezeigt. Die Stei-
gung einer Lagereinspannstelle vLS
0
lässt sich als vorgegebene Verkippung des Lagers
deuten. Wird eine Welle mit Wälzlagern betrachtet, entspricht vLS
0
der Verkippung der
Lagerbohrung.
ML
0
ML = CB ∗ (vLS − v 0 ) ⇒ vLS
0
= −v 0 + (28)
CB
FLS
FL = CQ ∗ (vLS − v) ⇒ vLS = −v + (29)
CQ
Die Tabelle in Bild 13 zeigt das lineare Gleichungssystem zur Lösung des Balkenpro-
blems in Bild 12. Die Zeilen 1 bis 16 enthalten die Übertragungsfunktionen der ein-
zelnen Zustandsvektoren. In Zeile 17 wird die äußere Kraft Fex,2 dem Wert im Ergeb-
nisvektor zugewiesen. Die Zeilen 18 bis 21 enthalten die Beziehungen der Wellenver-
formungen und -verkippungen mit den Lagerreaktionen nach Gleichung 28 und Glei-
chung 29. Versatz und Verkippung der Lagereinspannstellen sind in diesem Beispiel 0.
Für unverformbare Lager entfällt der Eintrag der reziproken Steifigkeiten in die Koeffi-
zientenmatrix. Die Verformung bzw. Verkippung der Welle wird dann auf den Wert des
Versatzes bzw. der Verkippung der Lagereinspannstelle gezwungen. Die letzten vier
Zeilen enthalten die Randbedingungen aus dem freien Wellenende und den Gleichge-
wichtsbedingungen für Kräfte und Momente.
42 Berechnung des Welle-Lager-Systems
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25
ZV0 ZV1 LS1 ZV2 ZV3 LS3 ZV4 LV EV
Fex2
v0 v'0 M0 F0 v1 v'1 M1 F1 ML1 FL1 v2 v'2 M2 F2 v3 v'3 M3 F3 ML3 FL3 v4 v'4 M4 F4
1 -1 v0 0
2 -1 v'0 0
UM1
3 -1 1 M0 0
4 -1 1 F0 0
5 -1 v1 0
6 -1 v'1 0
UM2
7 -1 M1 0
8 -1 1 F1 0
9 -1 ML1 0
10 -1 FL1 0
UM3
11 -1 1 v2 0
12 -1 1 v'2 0
13 -1 M2 0
14 -1 F2 0
UM4 X =
15 -1 Fex2 0
16 -1 v3 0
17 1 v'3 500
1/
18 -1 M3 0
CQ1
1/
19 -1 F3 0
CB1
1/
20 -1 ML3 0
CQ1
1/
21 -1 FL3 0
CB1
22 1 v4 0
23 1 v'4 0
24 1 l1 l2 l3 1 M4 0
25 1 1 1 F4 0
4.5 Lagerpunkte
Im Sinne der Wellenberechnung sind Lagerpunkte Trennpunkte der Welle, an denen
zunächst unbekannte Lagerreaktionen wirken, die die Welle unter Berücksichtigung
der äußeren Belastungen und Verformungseigenschaften von Welle und Lagern ins
Belastungsgleichgewicht bringen. Die Verformung der Welle an den Lagerpunkten wird
sowohl durch die Lagersteifigkeit als auch durch die Verformungseigenschaften der
Welle beeinflusst.
Nur starre Lager und Lager mit konstanter Steifigkeit jeweils mit oder ohne Lagerver-
satz können direkt in das Gleichungssystem der Wellenberechnung eingetragen wer-
den. Alle weiteren Lager mit komplexerem Belastungs-Verformungs-Verhalten müssen
in einer iterativen Berechnung von Welle und Lagern berücksichtigt werden, wobei Ver-
formungen, Belastungen und Steifigkeiten der Lager so lange variiert werden, bis die
Welle im Belastungsgleichgewicht mit den äußeren Belastungen ist.
Für Lagerstellen, deren Kennlinien nicht durch lineare Gleichungen beschrieben wer-
den können, muss die Zuordnung von einem bestimmten Verformungsfall zu einem re-
sultierenden Belastungsfall mit den diskreten Lagersteifigkeiten dieses Belastungsfalls
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 43
berechnet werden. Ändert sich die Belastung auf ein Lager, muss die Lagersteifigkeit
an die neue Belastung angepasst werden.
vL [mm] Lagerverformung in v 0
vL [−] Lagerverkippung um w
wL [mm] Lagerverformung in w 0
wL [−] Lagerverkippung um v
uL [mm] Lagerverformung in u
Für ein Lager mit fünf zu behandelnden Freiheitsgraden ergibt sich zusätzlich zu den
Verformungen und Belastungen eines Belastungsfalls eine Steifigkeitsmatrix, die die
diskreten Steifigkeiten der betrachteten Freiheitsgrade enthält. Die Berechnung des La-
gers entspricht der Funktion f in Gleichung 32.
f (δ) = B (32)
Die Jacobi-Matrix Jf dieser Funktion ist die 5x5-Matrix sämtlicher erster partieller Ab-
leitungen (s. Gleichung 33).
∂fi
Jf Jacobi-Matrix der Lagerfunktion f ∂j erste Ableitung der Lagerfunktion f(i)
nach j
Die Hauptdiagonale der Jacobi-Matrix enthält die Steifigkeitswerte des Lagers, die für
den aktuell betrachteten Belastungsfall in das lineare Gleichungssystem der Wellenbe-
rechnung eingetragen werden. Im Weiteren werden die Werte der Hauptdiagonalen der
Jacobi-Matrix als partielle Lagersteifigkeiten nach Gleichung 34 bezeichnet.
∂CQv,L
∂CBw,L
∂C = ∂CQw,L (34)
∂C
Bv,L
∂CN,L
Werte in der Jacobi-Matrix, die außerhalb der Hauptdiagonalen liegen und von Null
verschieden sind, weisen auf einen Einfluss einer Verformung in einem Freiheitsgrad
auf eine Belastung in einem anderen Freiheitsgrad hin. Diese Einflüsse werden hier
Kreuzeinflüsse genannt und können nicht immer allein durch Steifigkeitswerte im Glei-
chungssystem der Wellenberechnung berücksichtigt werden, da die Beziehungen von
Belastung und Verformung getrennt in den einzelnen Raumrichtungen berechnet wer-
den. Da die berechneten Belastungen eines Lagers die Lösung einer Verformungsvor-
gabe inklusive Kreuzeinflüsse sind, kann das Lager durch Vorgabe der Verformungen
und Belastungen aus der Lagerberechnung im Gleichungssystem der Welle auch für
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 45
• aus einer gegebenen Verformung δ die resultierende Belastung B und die partiel-
len Steifigkeiten ∂C bei der angegebenen Verformung
• bzw. aus einer gegebenen Belastung B die entsprechende Verformung δ und die
partiellen Steifigkeiten ∂C bei der angegebenen Belastung
• Kippsteifigkeit CB in N mm/rad
Die radiale Steifigkeit CQ und die Kippsteifigkeit CB werden zur Berechnung der Belas-
tungen und Verformungen in v- und in w-Richtung verwendet. Die Steifigkeiten werden
bei der Berechnung mit dem angegebenen Betrag verwendet. Eine Richtungsabhän-
gigkeit der Lagersteifigkeiten kann nicht abgebildet werden.
LS,3
LS
Bild 14: Lagerkennlinien: (1) starres Lager mit Versatz δLS,1 , (2) Lager mit konstanter Steifigkeit,
(3) Lager mit konstanter Steifigkeit und Versatz δLS,3
Die Steifigkeit C eines Lagers lässt sich nach Gleichung 35 berechnen. Unter Verfor-
mungen δ sind hierbei translatorische Verformungen und Verkippungen zusammenge-
fasst, Belastungen B sind entsprechend Kräfte und Kippmomente.
C = ∆B/∆δ (35)
Nur Lager mit konstanter Steifigkeit ohne Lagerspiel können direkt ins Gleichungs-
system der Wellenberechnung eingetragen werden. Diese Einträge werden bei der
Welle-Lager-Iteration nicht mehr verändert. Die partielle Steifigkeit ∂C ist bei jedem
Verformungs- und Belastungsfall des Lagers gleich der vorgegebenen Steifigkeit C.
Die Funktion zur Berechnung des Lagers f (δ) = B ist der lineare Zusammenhang aus
Gleichung 28 und Gleichung 29. Dieser Zusammenhang ist mit der in das Gleichungs-
system der Welle eingetragenen Steifigkeit und dem konstanten Versatz vollständig
beschrieben.
In Bild 15 sind die Kennlinien zweier Lager mit Spiel dargestellt. Da Lagerspiel bei der
Angabe von Lagern mit konstanter Steifigkeit nur die radiale Verformung bzw. Lager-
reaktionskraft betrifft, entsprechen in Bild 15 und Gleichung 37 die Lagerbelastungen
den Lagerkräften und die Verformungen den radialen, translatorischen Verformungen.
Q
2
Bild 15: Lagerkennlinien: (1) starres Lager mit Spiel S1 , (2) Lager mit konstanter Steifigkeit und
Spiel S2
Kennlinie 1 zeigt die Kennlinie eines starren Lagers mit Lagerspiel S1 . Ist die Verfor-
mung δQ des Lagers im Bereich −S/2 < δQ < S/2, so gibt es keine Lagerreaktionskraft.
Ist die Verformung δQ des Lagers δQ = −S/2 oder δQ = S/2, so resultieren aus dem
Lager die für das Belastungsgleichgewicht der Welle notwendigen Lagerreaktionskräf-
te. Betragsmäßig größere radiale Verformungen als das halbe Lagerspiel werden bei
starren Lagern nicht zugelassen. Um eine bessere Handhabbarkeit der Iteration von
48 Berechnung des Welle-Lager-Systems
Welle- und Lagerberechnung zu gewährleisten, werden starren Lagern bei der Berech-
nung sehr hohe Steifigkeiten zugeordnet.
|δQ |
FQ = ∗ (|δQ | − S/2) ∗ CQ (37)
δQ
Bei der Berechnung von Lagern mit konstanter Steifigkeit und Lagerspiel ist die Lager-
belastung die Eingangsgröße. Hieraus werden die resultierende Verformung und die
partiellen Steifigkeiten berechnet. Dies hat bei statisch bestimmten Wellensystemen
den Vorteil, dass nach der ersten Berechnung der Betriebspunkt des Lagers ermittelt
ist, da die Lagerbelastungen bei statisch bestimmten Systemen nur von den äußeren
Belastungen und nicht von den Steifigkeiten des Systems abhängig sind. In einer zwei-
ten Berechnung des Wellen-Lager-Systems wird der zutreffende Verformungszustand
des Lagers berücksichtigt. Da die Senksteifigkeit CQ eines Lagers, das mit konstanter
Steifigkeit und Spiel vorgegeben ist, von der Verformung abhängig ist, muss die Lösung
des Welle-Lager-Systems bei statisch unbestimmter Lagerung iterativ erfolgen.
3
akt
2
0
0 1 2 3 4
akt
Bild 16: Lagerkennlinie aus fünf Wertepaaren für Verformung δ und Belastung B
Auch bei der Berechnung von Lagerstellen, die über Kennlinien angegeben sind, wird
von der Belastung auf die Verformung und die partielle Steifigkeit geschlossen. Ist bei-
spielsweise nach einer Wellenberechnung bekannt, dass die Lagerstelle, die mit der
Kennlinie in Bild 16 angegeben ist, mit der Belastung Bakt belastet ist, so resultiert
hieraus die Verformung δakt . Die partielle Steifigkeit ist ∂C = B3 −B2
δ3 −δ2
.
Das EDV-Programm LAGER2 basiert auf dem am Institut für Maschinenelemente, Kon-
struktionstechnik und Tribologie (IMKT) der Universität Hannover durch Breuer [2] ent-
wickelten Programm LAGER. Das Programm LAGER wurde im Folgenden an der For-
schungsstelle für Zahnräder und Getriebebau (FZG) als Unterprogramm an das EDV-
Programm RIKOR angebunden. Hertter [32] und Weitl [63] erweiterten die Berech-
nungsmöglichkeiten der Wälzlagersteifigkeit und entwickelten einen Programmteil zur
50 Berechnung des Welle-Lager-Systems
Berechnung der Wälzlagerlebensdauer nach DIN/ISO 281 Beiblatt 4 [16]. Das weiter-
entwickelte Unterprogramm trägt den Namen LAGER2 und ist auch als eigenständiges
Programm LAGER2HP verfügbar.
Die Berechnungsmöglichkeiten von LAGER2 decken alle in der industriellen Praxis üb-
lichen Wälzlagerbauformen ab. In Bild 17 ist eine Übersicht der im Programm LAGER2
berücksichtigten Lagerbauformen gezeigt. Zweireihige Lager können mit den inneren
Anordnungen X-Anordnung, O-Anordnung und Tandem-Anordnung berechnet werden.
Für die Angabe und Definition der zu berechnenden Lager stehen in LAGER2 verschie-
dene Möglichkeiten zur Verfügung.
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 51
Für die Anwendung des Unterprogramms LAGER2 zur Berechnung des Welle-Lager-
Systems steht die Berechnung der Wälzlagersteifigkeit im Vordergrund. Unter Berück-
sichtigung der Lagerinnengeometrie, der Einbau- und Betriebsbedingungen (Vorspan-
nung, Betriebslagerspiel, Wellenschiefstellung) eines Wälzlagers wird der Belastungs-
und Verformungszustand berechnet. Die Beziehung von Verformung und Belastung
ist hierbei abhängig von der auftretenden elastischen Federung in den Wälzkontak-
ten Innenring-Wälzkörper und Außenring-Wälzkörper sowie dem Spiel zwischen den
beiden Ringen. Das Verformungs-Belastungsverhalten der Wälzlager ist meist mehrdi-
mensional, das heißt es sind Kreuzeinflüsse vorhanden. Je nach Wälzlagertyp werden
die fünf Lagerfreiheitsgrade in Gleichung 31 und Gleichung 30 alle oder nur teilweise
beeinflusst. Beispielsweise resultieren bei Pendelrollenlagern nur Quer- und Axialkräf-
te, aber keine Kippmomente aus der Lagerverformung.
Für Wälzlager, die mit LAGER2 berechnet werden, kann ein Betriebslagerspiel berück-
sichtigt werden. Dieses kann entweder direkt vorgegeben oder programmintern berech-
net werden. Bei der programminternen Berechnung können Einflüsse aus Lagerluft,
Gehäuse und Welle, Oberflächenglättung in der Passung sowie der Betriebstempera-
tur miteinbezogen werden.
Für die Betrachtung einer Lagerstelle mit einem Wälzlager bei der Lösung des Wellen-
Lagersystems wird dem Unterprogramm LAGER2 der Verformungszustand δ des Wälz-
lagers übergeben. Ergebnis der Steifigkeitsberechnung mit LAGER2 ist der resultieren-
de Belastungszustand B und die Jacobi-Matrix Jf des Lagers im berechneten Verfor-
mungsfall. Die Hauptdiagonale der Jacobi-Matrix enthält die partiellen Steifigkeiten ∂C,
die neben der Lagerverformung und -belastung bei der iterativen Lösung des Welle-
Lager-Systems verwendet werden.
52 Berechnung des Welle-Lager-Systems
Richtung. Dies ist ein Kreuzeinfluss, der allein durch Lagersteifigkeiten im Gleichungs-
system der Wellenberechnung nicht immer abgebildet werden kann. Es bildet sich der
örtliche Schmierspalt h, der in Verlagerungsrichtung den minimalen Wert hmin aufweist
und den Wellenzapfen und die Lagerschale trennt.
Für die Berechnung von Radialgleitlagern stehen drei Berechnungsverfahren zur Ver-
fügung:
• Gleitlagerbauformen, die in der DIN 31657 nicht erfasst sind, können auch mittels
weiterer Gleitlagertabellen angegeben werden. Die Gleitlagertabellen, die den Zu-
sammenhang zwischen Gleitlagerbelastung und -verformung beinhalten, können
mit Gleitlagerberechnungsprogrammen wie ALP3T [27] erzeugt werden.
4.5.5.2 Axialgleitlager
N,L,1
B,L
eq
a
i
N
Q
N,L,2
Bild 19: Axial und radial belastete Welle mit zwei Loslagern und einem Axialgleitlager
Die in Bild 19 dargestellte Welle ist axial durch die Kraft FN und radial durch die Quer-
kraft FQ belastet. Auf der Welle befinden sich zwei Loslager, welche die Welle in ra-
dialer Richtung festlegen und alle radialen Belastungen abstützen. Zusätzlich befindet
sich ein axiales Gleitlager auf der Welle, das die Axialkraft FN aufnimmt. Das Gleitlager
kann die Axialkraft gegen das Gehäuse abstützen. Auf der axialen Anlaufscheibe des
Gleitlagers lässt sich ein äquivalenter Durchmesser deq bestimmen, auf dem die axialen
Reaktionskräfte des Gleitlagers FN,L,1 und FN,L,2 abgebildet werden können.
A) B) C)
deq
da
di
w u
Axialkräfte in die
Zeichenebene
v geklappt
Bild 20: Axialkraftverteilung über dem Umfang der Anlaufscheibe eines Axialgleitlagers
Ist die Anlaufscheibe nicht verkippt, verteilt sich die axiale Rückstellkraft gleichmäßig
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 55
über dem Umfang der Anlaufscheibe (Bild 20 A). Durch die Verkippung der Welle um
die w-Achse aufgrund der Radialkraft FQ verteilt sich die axiale Rückstellkraft ungleich-
mäßig über den Umfang und verursacht ein Rückstellmoment MB,L , das der Verkip-
pung der Welle entgegenwirkt (Bild 20 B). Das Rückstellmoment wird maximal, wenn
sehr kleine Bereiche der Anlaufscheibe die gesamte Axialkraft übertragen (Bild 20 C).
Zur Lösung des Welle-Lager-Systems wird deshalb ein iteratives Verfahren angewen-
det, das in Bild 21 schematisch dargestellt ist. Zu Beginn der Berechnung sind Wel-
lengeometrie und -belastung sowie Lagerdaten bekannt. Zunächst werden für jedes
Lager Startwerte für die Lagersteifigkeiten festgelegt, damit eine erste Wellenberech-
nung durchgeführt werden kann. Die für die Iteration relevanten Ergebnisse der Wel-
lenberechnung sind die Verschiebungen und Belastungen der Lagerstellen. Diese wer-
56 Berechnung des Welle-Lager-Systems
Lagerberechnung
Wellenberechnung
Wälzlagerberechnung mit LAGER2
Wellenverformung in
v- und w-Richtung
Gleitlagerberechnung nach
Butenschön oder mittels
Wellenverformung in axialer
Gleitlagertabellen
Richtung
Berechnung der Steifigkeiten aus
Lagerkennlinien Wellenverformung in
Umfangsrichtung
Berücksichtigung von vorgegebenen
Steifigkeitswerten
Wenn Verformungen und Belastungen von Lagerstellen und Lagern nicht mehr
relevant voneinander abweichen ist die Iteration beendet
Die Iterationssteuerung vergleicht die Lagerbelastungen und die Belastungen der La-
gerstellen. Stimmen diese in engen Grenzen überein, ist das Verformungs-Belastungs-
Verhalten des Lagers in der Wellenberechnung treffend abgebildet. Gibt es hier jedoch
eine relevante Differenz, so werden mit einem gedämpften Verfahren angepasste Werte
für Lagerverformung, -belastung und -steifigkeit an die Wellenberechnung übergeben.
Mit einer erneuten Wellenberechnung beginnt eine neue Iterationsschleife.
Die Berechnung der Wellenverformung und -belastung sowie die Lagerberechnung sind
in den Kapiteln 4.1 und 4.5 beschrieben. In den folgenden Kapiteln wird die iterative
Übergabe der Teilergebnisse aus Wellen- und Lagerberechnung beschrieben.
BL CL
W
L1 CL BL,Re L2 CL
mit L1 − L2 = δW = δL .
BL,Re = δL ∗ CL (38)
Diese Art der Behandlung von Lagerstellen ist ausreichend für viele Welle-Lager-
Systeme. Jedoch zeigen sich Grenzen bei Lagern, deren Reaktionsbelastung in einer
bestimmten Raumrichtung nicht aus einer Verformung dieser Raumrichtung resultiert.
Beispielsweise kann ein Wälzlager mit Druckwinkel, das axial und radial verformt ist,
auch ohne Verkippung um die v-Achse ein Rückstellmoment um die v-Achse aufwei-
sen. In diesem Fall ist die Verkippung des Lagers δBw = 0, jedoch ist das Kippmoment
MBw 6= 0. Hieraus würde sich eine unendlich große Kippsteifigkeit des Lagers erge-
ben, die im Rechenprogramm nicht verarbeitet werden kann. Die theoretisch unendlich
große Kippsteifigkeit des Lagers kann zwar im Wellen-System mit einem sehr großen,
endlichen Wert näherungsweise abgebildet werden, jedoch entsteht an dieser Lager-
stelle kein Reaktionskippmoment MBw,L,re = CBw ∗ δBw , da keine Verkippung vorliegt.
Folglich kann ein Lager mit mehrdimensionalem Zusammenhang von Verformung und
Belastung nicht immer allein durch die Lagersteifigkeit abgebildet werden.
Eine zweite Möglichkeit eine Lagerstelle im Wellensystem zu berücksichtigen ist die di-
rekte Angabe von Lagerverformung und Lagerbelastung im Gleichungssystem der Wel-
le. Die Lagerbelastung wird hierbei in zwei Anteile aufgeteilt. Zum einen in die aus der
Lagerverformung δL resultierende Lagerlast BL , die ein Ergebnis der Lagerberechnung
ist, zum Anderen in die Lagerreaktionskraft BL,re , die aus einer zusätzlichen Verschie-
bung des Lagerpunkts der Welle und der partiellen Lagersteifigkeit resultiert.
Im mittleren Bildabschnitt ist die Welle an der Lagerstelle um δw verformt. Die Lager-
kennlinie im rechten Bildabschnitt zeigt die Relation der Lagerverformung δL und der
Lagerbelastung BL . Die Lagerstelle wird im Gleichungssystem der Welle um die La-
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 59
BW
B
∂C2
BW
BL
W
L1 ∂C1 BL BL,Re
L2 ∂C2
LS L
L W
Durch dieses Vorgehen bei der Berücksichtigung von Lagerstellen ist es möglich, auch
dann Lagerbelastungen in die Berechnung einer Raumebene bzw. -richtung einzubrin-
gen, wenn das Lager in dieser Raumebene bzw. -richtung unverformt ist.
CQv,G
CBw,G
CG = CQw,G (40)
C
Bv,G
CN,G
B Lager-
Kennlinie ∂C2
W
BL CG
LL1 ∂C1
BL LL2 ∂C2
AR
LG1 CG L LS
LS
LG2 CG
Die Gehäusesteifigkeit wirkt zwischen Lager und Fundament. Die Steifigkeiten von La-
ger und Gehäuse sind demnach seriell zu betrachten. In Bild 24 ist die Wirkweise der
seriell angebrachten Steifigkeiten dargestellt. Im linken Bildteil ist eine unbelastete La-
gerstelle gezeigt. Zwischen Fundament und Welle sind die unbelasteten Federn des
Lagers mit der Ausdehnung LL1 und des Gehäuses mit der Länge LG1 . Lager und Ge-
häuse sind am Außenring des Lagers verbunden. Im mittleren Bildteil ist die Lagerstelle
belastet dargestellt. Die Lagerstelle ist wellenseitig mit BW belastet. In dieser Darstel-
lung ist die Lagerbelastung gleich der Wellenbelastung BL = BW , die Lagerstelle ist
damit ohne eine Lagerreaktionsbelastung BL,re im Gleichgewicht. Sowohl das Lager
als auch das Gehäuse übertragen die Lagerkraft BL .
Die getrennte Behandlung der Steifigkeiten von Lager und Gehäuse im linearen Glei-
chungssystem des Welle-Lager-Systems ist aufwändig. Deshalb werden die Federn der
Steifigkeiten nicht wie in Bild 24 gezeigt als zwei Federn mit unterschiedlicher Steifigkeit
behandelt, sondern als eine Feder mit der Ersatzsteifigkeit Cers .
BW Lager-
B Kennlinie
CG
Cers,2
W BL
BL BL,Re
L1 Cers,1
L2 Cers,2
LS LS
Bild 25: Lagerstelle im Welle-Lager-System. Lager- und Gehäusesteifigkeit sind zur Gesamt-
steifigkeit Cers zusammengefasst.
Im linken Bildteil von Bild 25 ist eine unbelastete Lagerstelle dargestellt. Die Länge der
unbelasteten Ersatzfeder ist L1 , die Ersatzsteifigkeit ist Cers,1 . Im mittleren Bildteil ist
die Lagerstelle wellenseitig durch BW belastet. Die Lagerverformung und -belastung
entspricht dem Betriebspunkt (δLS /BL ) der aus der Lagerkennlinie und Gehäusestei-
figkeitsgeraden zusammengesetzten Ersatzkennlinie. Dementsprechend ist die Lager-
stelle um δLS verschoben und die Welle an der Lagerstelle mit der Lagerbelastung BL
belastet.
Die Lagerstelle im mittleren Bild ist ohne die Lagerreaktionskraft BL,Re nicht im Gleich-
gewicht. Die Lagerbelastung BL ist betragsmäßig kleiner als die wellenseitige Belas-
tung BW . Hieraus resultiert eine Verformung der Lagerfeder L2 um ∆L = L1 − L2 =
δW − δLS . Aus der Verformung der Lagerfeder entsteht die Lagerreaktionskraft BL,Re =
∆L ∗ Cers,2 .
von Iterationsschritten imax ist. Die maximale Iterationsschrittzahl wird jedoch nicht er-
reicht, wenn vorher ein festgelegtes Konvergenzkriterium erfüllt ist.
Ziel der Iteration ist es den Belastungszustand der Lager zu ermitteln, bei dem das
Wellensystem im äußeren Gleichgewicht ist. Das heißt, dass an allen Lagerstellen der
Wellenberechnung die vorgegebenen Verschiebungen und Belastungen der Lagerstelle
gleich den Verformungen und Belastungen der Lagerberechnung sind und des Weite-
ren keine zusätzlichen Reaktionsbelastungen und -verformungen an den Lagerstellen
entstehen.
In Bild 26 ist das Vorgehen bei der Berechnung der Eingangswerte für die Wellenbe-
rechnung des i-ten Iterationsschritts grafisch dargestellt.
64 Berechnung des Welle-Lager-Systems
B Betriebspunkt aus
Wellenberechnung
BW,i-1 neuer
Betriebspunkt
Bi
90
Betriebspunkt aus
Lagerberechnung
BL,i-1
∂CL,i-1
∂Ci
L,i-1 i
=
W,i-1
Bild 26: Grafische Ermittlung der Eingabewerte einer Lagerstelle für die Wellenberechnung des
Iterationsschritts i
Mit dem Dämpfungsfaktor DF wird direkt die resultierende Steifigkeit ∂Ci und indirekt
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 65
die Schrittweite der Iteration beeinflusst. Mit dem Dämpfungsfaktor DF = 1 wird die
partielle Steifigkeit aus der Lagerberechnung ∂CL,i−1 als neue Steifigkeit für die Wel-
lenberechnung ∂Ci verwendet.
25000
20000
10000
5000
0
10 20 30 40 50 60
0.0060
0.0058
0.0056
0.0054 Verschiebung δv in [mm]
0.0052
0.0050
0.0048
0.0046
0.0044
10 20 30 40 50 60
5000
4000
3000 Reaktionskraft FQv,L,re in [N]
2000
1000
0
−1000
10 20 30 40 50 60
4000
3500
3000
Lagerkraft FQv,L in [N]
2500
2000
1500
1000
500
10 20 30 40 50 60
Iterationschritte i
Welle-Lager-Systems. Das Lager ist als Festlager eingebaut und nimmt neben den
gezeigten Kräften in v-Richtung auch Belastungen in den vier weiteren belastbaren
Lager-Freiheitsgraden auf.
In Bild 27 oben ist die partielle Senksteifigkeit ∂CQv dargestellt. Der Wechsel des Dämp-
fungsfaktors von DF = 50 auf DF = 2 bei Iterationsschritt i = 20 ist deutlich erkennbar.
Im zweiten Diagramm von oben ist die Verschiebung der Welle δv an der Lagerstelle
aufgetragen. Die Verschiebung am Beginn der Iteration ist klein, da die Startwerte für
die Lagersteifigkeiten aus Stabilitätsgründen hoch gewählt sind. Zunächst steigt die
Verschiebung moderat an, bis bei Iterationsschritt 20 der Dämpfungsfaktor verringert
wird. Ab Iterationsschritt 21 nähert sich die Verschiebung in wenigen Iterationsschritten
ihrer Lösung dicht an.
Die dritte aufgetragene Iterationsgröße ist die Reaktionskraft FQv,L,re , die durch eine
zusätzliche Verformung der Welle entsteht. Als Differenz aus wellenseitiger und lager-
seitiger Belastung der Lagerstelle kann der Fortschritt der Iteration mit ihr beurteilt wer-
den. Wenn bei gegebenem Verformungszustand δL = δW die Belastungen der Lager-
berechnung gleich den wellenseitig abzustützenden Belastungen sind, ist die Welle im
äußeren Gleichgewicht und es treten keine Reaktionsbelastungen auf.
Das Konvergenzkriterium der Iteration ist der Vergleich der Summe der Reaktionsbelas-
tungen in allen Lager-Freiheitsgraden aller Lager des Welle-Lager-Systems mit einem
festgelegten Grenzwert GW (Gleichung 42).
LAN
XZ LF
XG
|BL,re,jj,j,i | ≤ GW (42)
j=1 jj=1
PLAN Z PLF G
j=1 jj=1 |BL,re,jj,j,i=0 |
GW = (43)
106
Der Grenzwert GW ist ein Anteil der Summe der Reaktionsbelastungen der ersten
Wellenberechnung. Das hier beschriebene Verfahren verwendet in der Standardkonfi-
guration den Grenzwert nach Gleichung 43.
68 Berechnung des Welle-Lager-Systems
Im unteren Diagramm in Bild 27 ist die Lagerkraft FQv,L dargestellt. Die Lagerkraft steigt
in einem ähnlichen Verlauf wie die Verschiebung an. Nach Iterationsschritt 20, bei dem
der Dämpfungsfaktor DF abgesenkt und damit größere Schrittweiten zugelassen wer-
den, nähert sich die Lagerkraft zügig der zu ermittelnden Lagerkraft an.
Ist das Konvergenzkriterium erfüllt, gilt das Welle-Lager-System als ausreichend genau
abgestimmt. Die Verformungen der Lager rufen nun Lagerbelastungen hervor, die in
engen Grenzen den Belastungen der Lagerstellen entsprechen, die die belastete Welle
im äußeren Gleichgewicht halten.
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 69
aT2BPA’
aT2A
awt
g2 rb2 T2
Rad 2
f
Zahn 2 Zahn 4
BPA’
Zahn 1 Zahn 3
A
T1 rNf1
g1+t Rad 1
rb1 treibt
Bild 28: Zahnkontakt mit unter Last um f verformtem Zahnpaar Zahn 3 und Zahn 4; die Zahn-
kontur mit unterbrochenen Linien zeigt die unverformten Zähne 3 und 4
In Bild 28 treibt Rad 1 im Uhrzeigersinn an. Der Radkörper von Rad 2 wird gedanklich
festgehalten. Das Zahnpaar Zahn 3 - Zahn 4 befindet sich im Einzeleingriff und ist
lastbedingt um den Betrag f in Richtung der Eingriffslinie verformt. Die gestrichelte
Zahnkontur zeigt die Zähne 3 und 4 in unverformtem Zustand. Durch die Verformung
der Zähne entsteht eine Verdrehung des Rades 1, es berühren sich die Zähne 1 und
70 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
Der Beginn des vorzeitigen Eingriffs findet in der Eingriffsstellung A0 statt. Die Eingriffs-
stellung A0 ist in Bild 29 auf der Eingriffslinie eingezeichnet, die nach DIN3960 [14] als
Tangente an die Grundkreise definiert ist.
Eine Strecke ist eine beidseitig begrenzte, gerade Linie. Die geometrische Eingriffsstre-
cke mit der Länge gα ist ein Teil der Eingriffslinie und durch die Eingriffsstellungen A und
E begrenzt, die den Beginn und das Ende des geometrischen Eingriffs kennzeichnen.
Die Eingriffsstrecke unter Last ist am Eingriffsbeginn durch die Eingriffsstellung A’ be-
grenzt. Damit ergibt sich eine durch die Vorzeit um ∆εα2 ∗ pet verlängerte Eingriffs-
streckenlänge gα0 . Es stellt sich die Profilüberdeckung unter Last εα,w ein. Der Verlän-
gerungsfaktor ∆εα2 kann nach Gleichung 44 gleichzeitig als Vergrößerung der Profil-
überdeckung interpretiert werden.
γ1 γ2
∆εα2 = = mit τ1,2 = 2π
z1,2
(44)
τ1 τ2
Während des vorzeitigen Eingriffs verschiebt sich die Berührlinie durch Gleiten der
Kopfkante des getriebenen Rades hin zum Beginn des regulären Eingriffs in der Ein-
griffsstellung A.
Beim Austritt eines Zahnpaares aus dem Eingriff übernimmt das nachfolgende bereits
im Eingriff befindliche Zahnpaar die gesamte Verzahnungskraft zu einem späteren Zeit-
punkt als in unverformtem Zustand. Während des nachzeitigen Eingriffs verringert sich
die lastbedingte Verformung des auslaufenden Zahnpaares, bis die Zähne in unverform-
tem Zustand sind und keine Last mehr übertragen. Im nachzeitigen Eingriff berührt die
Kopfkante des auslaufenden Zahnes des treibenden Rades den fußnahen Bereich des
Zahnes des getriebenen Rades.
aT2BPA’ rb2
z awt
Rad 2
ra2
E
p et
Dea2*pet e a1*
C
Zahn 2 p et
A
e a2*
A’ Zahn 4
Zahn 1 Zahn 3
r’Nf1 j2
j
j1 Rad 1
treibt
In Bild 28 und Bild 29 treibt Rad 1 im Uhrzeigersinn. Die Zähne 3 und 4 befinden sich
im Einzeleingriff und übertragen die gesamte Verzahnungskraft. Durch die lastbedingte
Verformung f (Bild 28) verdreht sich Rad 1 um den Winkel ϕ (Bild 29), (Gleichung 45).
72 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
f = ϕ ∗ rb1 (45)
Die Linie aller Berührpunkte folgt nach dem Beginn des vorzeitigen Eingriffs im Berühr-
punkt BPA0 dem Kopfkreis des getriebenen Rades bis zum Punkt A, ab dem abwei-
chungsfreier Verzahnungseingriff vorliegt. Der Drehwegfehler ϕ, der notwendig ist, um
die Eingriffsstrecke um ∆εα2 ∗ pet zu verlängern, kann mit Hilfe der Winkel ϕ1 und ϕ2
(Bild 29) bestimmt werden.
ϕ = ϕ1 − ϕ2 (46)
Der Winkel ϕ1 bestimmt sich mit Gleichung 47, Gleichung 48, Gleichung 49, Glei-
chung 50 und Gleichung 51.
sin ς
ϕ1 = arcsin( 0
∗ ra2 ) (47)
rN f1
ϕ1 [rad] Winkel zu rN
0
f 1 mit lastbedingter Verformung (Bild 29)
ς [rad] Hilfswinkel, (s. Gleichung 48), (Bild 29)
0
rN f1 [mm] Fussnutzkreisradius Vorzeit, Rad 1 (s. Gleichung 51), (Bild 29)
ra2 [mm] Kopfkreisradius Rad 2 (Bild 29)
Das Räder drehen sich während des vorzeitigen Eingriffs um die Winkel γ1,2 (Bild 28).
∆εα2 ∗ pet
γ1,2 = (50)
rb1,2
∆εα2 [−] Vergrößerung der Profilüberdeckung durch die Vorzeit (Bild 29)
pet [mm] Stirneingriffsteilung
γ [rad] Drehwinkel während der Vorzeit (Bild 28)
rb [mm] Grundkreisradius (Bild 28)
Zu Beginn des vorzeitigen Eingriffs berührt die Kopfkante des getriebenen Rades den
Fußbereich des treibenden Rades bei Radius rN
0
f 1.
q
0
rN f1 =
2
a2 + ra2 − 2 ∗ a ∗ ra2 ∗ cos ς (51)
0
rN f1 [mm] Fusskreisradius Vorzeit, Rad 1 (Bild 29)
a [mm] Achsabstand
ra2 [mm] Kopfkreisradius Rad 2 (Bild 29)
ς [rad] Hilfswinkel (Bild 29)
ϕ1 [rad] Winkel zu rN
0
f 1 ohne lastbedingte Verformung (Bild 29)
αwt [rad] Betriebseingriffswinkel
αT1 A [rad] Wälzwinkel zu Punkt A, Rad 1 (s. Gleichung 53)
γ1 [rad] Drehwinkel während der Vorzeit, Rad 1 (s. Gleichung 50),
(Bild 28)
τ [rad] Hilfswinkel (Bild 30)
74 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
rb1
αT1 A = arccos (53)
rN f 1
In Bild 30 ist der Hilfswinkel τ eingezeichnet, der nach Gleichung 54 berechnet wird. τ
ist der Anteil des Verdrehwinkels ϕ2 , der aus der Erhöhung des Kontaktdurchmessers
von rN f 1 zu rN f 10 und der Evolventenform der Flanke resultiert.
0
τ = −αN f 1 + tan αN f 1 + αN 0 0
f 1 − tan αN f 1 = inv(αN f 1 ) − inv(αN f 1 ) (54)
rNf1
r’
rNf1
rb1 aNf1
t
a’Nf1
rb1
Bild 30: Bestimmung des Hilfswinkels τ in Gleichung 54
Sowohl die hinreichende Verformung als auch die auftretende Verformung bzw. Abwei-
chung müssen nicht entlang der Eingriffsstellungen konstant sein und sind somit genau
genommen Funktionen der Eingriffsstellung η. Die hinreichende Verformung fh (η) ist
ein Grenzwert für die auftretende Verformung fw (η) bzw. Abweichung fa (η) im Zahn-
kontakt, die vorliegen muss, damit bei der Eingriffsstellung η ein Zahnpaar gerade in
vorzeitigen Eingriff kommt bzw. den nachzeitigen Eingriff verlässt.
erster Berührpunkt A
in der Vorzeit
T1
Kopfbahn
des Gegenrades
In Bild 31 ist der in Eingriff kommende Zahn eines treibenden Ritzels dargestellt. Die
Bahn der Kopfkante des Gegenrades ist für eine unverformte Verzahnung und für ei-
ne im Eingriff um f verformte Verzahnung eingezeichnet. Die Bahn der Kopfkante ist
mit dem EDV-Programm STplus [24] berechnet und zeigt die Positionen der Kopfkante
des Gegenrades bezogen auf das Ritzel im Bereich des Eingriffsbeginns. Die Kopf-
kante nähert sich bei unverformter und abweichungsfreier Verzahnung dem fußnahen
evolventischen Bereich des Ritzels, berührt das Ritzel im Punkt A auf Höhe des Fuß-
nutzkreisdurchmessers und läuft nach Eingriffsbeginn in den Fußbereich des Ritzels.
Mit Hilfe der Bahn der Kopfkante kann überprüft werden, ob bei gegebener Verzah-
nungsgeometrie bei lastfreiem Durchdrehen der Verzahnung mit Eingriffsstörungen zu
rechnen ist. Herrscht eine Verformung f des im Einzeleingriff befindlichen Zahnpaares
vor, kann die Kopfbahn um den Betrag der Verformung auf der Eingriffslinie verscho-
ben werden, um den ersten Berührpunkt der Verzahnung im Bereich des vorzeitigen
Eingriffs näherungsweise grafisch zu bestimmen.
Läuft die Kopfkante des Gegenrades flach auf den evolventischen, fußnahen Bereich
des Rades zu, genügen vergleichsweise kleine Verformungen im Verzahnungseingriff,
um die Überdeckung durch vorzeitigen Eingriff um einen bestimmten Betrag zu erhö-
hen. Der Verformungsbetrag f im Zahnkontakt, der die Überdeckung durch vorzeiti-
gen/nachzeitigen Eingriff um den Betrag ∆εα2 /∆εα1 vergrößert, wird hinreichende Ver-
formung fh für Vorzeit/Nachzeit genannt. Gleichermaßen liegt der erste Berührdurch-
messer bei einer gegebenen Verformung im Verzahnungseingriff höher, wenn die Kopf-
kante des Gegenrades flacher einläuft als bei steil einlaufender Kopfkante.
Die hinreichende Verformung fh für vor- bzw. nachzeitigen Zahneingriff in einer Ein-
griffsstellung η ist die Verformung bzw. Abweichung im Zahnkontakt, die auftreten muss,
dass in dieser Eingriffsstellung die Vorzeit beginnt bzw. die Nachzeit endet. In Bild 32 ist
die um die Bereiche der Vor- und Nachzeit verlängerte Eingriffsstrecke einer Beispiel-
verzahnung gezeigt. Die geometrische Eingriffsstrecke beginnt im Punkt A bei η = 0
und endet im Punkt E bei η = gα . Die Punkte B (η = gα − pet ) und D (η = pet ) begrenzen
bei Geradverzahnung das geometrische Einzeleingriffsgebiet.
Durch den vor- und nachzeitigen Zahnkontakt wird die Eingriffsstrecke gα = εα ∗ pet
um die Bereiche der Vor- und Nachzeit auf gα0 = (εα + ∆εα1 + ∆εα2 ) ∗ pet verlängert.
Für jede Eingriffsstellung zwischen A und E kann mit dem Zusammenhang nach Kap.
5.2 überprüft werden, ob die vorliegenden Verformung f im Zahnkontakt gleich oder
größer ist, als die hinreichende Verformung fh , die eine Funktion von ∆εα1,2 ist. Wenn
dies zutrifft, herrscht in dieser Eingriffsstellung vor- bzw. nachzeitigter Eingriff vor.
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 77
E’
Rad 2 E * pet
ga’ Dea1
D p et
*
ga De a2
A pet
D’
A’ B’ pet
*pet *p
Dea
et
Dea1
2
B
Rad 1
treibt
Da sich sowohl die Verformung im Zahnkontakt f als auch die hinreichende Verformung
fh während des Durchwälzens ändern, muss genau genommen jede vorliegende Ein-
griffsstellung einzeln auf Vor- und Nachzeit überprüft werden. Wird von einer im Einzel-
eingriffsgebiet konstanten Zahnpaarverformung ausgegangen, können mit dieser Ver-
formung die zusätzlichen Überdeckungsanteile ∆εα1,2 und die Überdeckung unter Last
εα,w = gα0 /pet bestimmt werden.
In Bild 33 ist die Verlängerung der Eingriffsstrecke ∆εα über der hinreichenden Verfor-
mung fh für die Beispielverzahnung Nr. 1 (Tabelle 3) aufgetragen. Bei gleicher Verfor-
mung im Zahnkontakt ergeben sich unterschiedliche Verlängerungen der Eingriffsstre-
cke in der Vor- und Nachzeit aufgrund der unterschiedlichen kinematischen Verhältnis-
se.
Bei einer belasteten Beispielverzahnung Nr. 1 (Tabelle 3) ist nach Bild 33 im Einzelein-
griff eine Verformung im Zahnkontakt von fh = 50 µm notwendig, um die Überdeckung
durch vorzeitigen Eingriff um ca. 0.18 und durch nachzeitigen Eingriff um ca. 0.27 zu
78 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
vergrößern.
0.5
Vorzeit
Nachzeit
Vergrösserung der Überdeckung ∆ε (-)
0.4
0.3
0.1
0.0
0.00 0.05 0.10 0.15 0.20 0.25
Hinreichende Verformung in Eingriffsrichtung fh (mm)
Bild 33: Verlängerung der Eingriffsstrecke bei hinreichender Verformung fh im Zahnkontakt der
Beispielverzahnung Nr. 1 (Tabelle 3)
Die Neigung einer Verzahnung zu vor- bzw. nachzeitigem Zahneingriff soll anhand ver-
schiedener Verzahnungsparameter untersucht und mit Hilfe der hinreichenden Verfor-
mung fh bewertet werden.
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 79
5.2.1.1 Gesamtzähnezahl
1.0
Vergrösserung der Überdeckung ∆ε2 (-)
z = 400
0.8
z = 150
0.6
z = 100
0.4 z = 80
z = 60
z = 70 z = 50
0.2 z = 40
z = 30
z = 20
0.0
0.00 0.02 0.04 0.06 0.08 0.10
Hinreichende Verformung in Eingriffsrichtung fh (mm)
Bild 34: Verlängerung der Eingriffsstrecke um die Vorzeit bei verschiedenen Gesamtzähnezah-
len und Übersetzung i = 1 mit z = z1 = z2
In Bild 34 ist die Vergrößerung der Profilüberdeckung um den vorzeitigen Anteil ∆εα2
80 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
über der hinreichenden Verformung fh aufgetragen. Jede Linie zeigt den Verlauf der
Vergrößerung der Profilüberdeckung über der hinreichenden Verformung für eine Ver-
zahnungsvariante.
Es zeigt sich, dass die Neigung einer Verzahnung zu vorzeitigem Zahneingriff mit stei-
gender Gesamtzähnezahl zunimmt. Bei einer Verzahnung mit Zähnezahlen z1,2 = 20
erhöht sich die Profilüberdeckung durch vorzeitigen Eingriff bei einer Verformung im
Zahnkontakt von fh = 0.1 mm um weniger als ∆ε2 = 0.1. Bei einer Verzahnung mit
Zähnezahlen z1,2 = 100 erhöht sich die Profilüberdeckung bei gleicher Verformung im
Zahnkontakt um mehr als ∆ε2 = 0.6. Aufgrund der gleichen Geometrie der Zahnräder
gilt diese Aussage gleichermaßen für nachzeitigen Zahneingriff.
5.2.1.2 Übersetzung
Die Neigung einer Verzahnungsstufe zu vor- bzw. nachzeitigem Zahneingriff ist stark
von der Übersetzung abhängig. Bei außenverzahnten Stirnradpaaren steigt die Nei-
gung zu vor- und nachzeitigem Zahneingriff mit steigendem Zähnezahlunterschied an,
während sie bei einem innenverzahnten Rad mit steigendem Zähnezahlunterschied
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 81
1.0
Vergrösserung der Überdeckung ∆ε2 (-)
0.8
z1 = −30
0.0
0.00 0.02 0.04 0.06 0.08 0.10
Hinreichende Verformung in Eingriffsrichtung fh (mm)
Bild 35: Verlängerung der Eingriffsstrecke um die Vorzeit bei verschiedenen Übersetzungen.
Die Zähnezahl des Rades ist konstant z2 = 20.
abnimmt. Besonders bei Verzahnungsstufen mit einem innenverzahnten Rad und ge-
ringem Zähnezahlunterschied steigt die Profilüberdeckung schon bei kleinsten Verfor-
mungen stark an.
5.2.1.3 Profilverschiebung
Ausgehend von den konstanten Verzahnungsdaten in Tabelle 6 wird eine Variation der
Profilverschiebungen durchgeführt.
an Rad 1 gezeigt. Der Profilverschiebungsfaktor von Rad 2 bleibt während der Variati-
on konstant x2 = 0.2. Die Profilverschiebung hat einen relativ geringen Einfluss auf die
1.0
Vergrösserung der Überdeckung ∆ε2 (-)
0.8
0.6 x1 = 1.50
x1 = 0.50
0.4
x1 = 0.00
x1 = −0.30
0.2
x1 = −0.50
0.0
0.00 0.02 0.04 0.06 0.08 0.10
Hinreichende Verformung in Eingriffsrichtung fh (mm)
Bild 36: Verlängerung der Eingriffsstrecke um die Vorzeit bei verschiedenen Profilverschiebun-
gen an Rad 1 und konstanter Profilverschiebung an Rad 2 x2 = 0.2
Neigung einer Verzahnung zu vor- oder nachzeitigem Zahneingriff. Wird die Profilver-
schiebung in üblichen Bereichen x = −0.1 .. 0.4 variiert, lässt sich damit die Änderung
der Profilüberdeckung durch Vor- und Nachzeit nur in geringem Maße beeinflussen.
5.2.1.4 Eingriffswinkel
Ausgehend von den konstanten Verzahnungsdaten in Tabelle 7 wird eine Variation der
Eingriffswinkel durchgeführt.
In Bild 37 sind die Verläufe der Überdeckungserhöhung über der hinreichenden Ver-
formung verschiedener Verzahnungen mit unterschiedlichen Eingriffswinkeln gezeigt.
0.5
Vergrösserung der Überdeckung ∆ε2 (-)
0.4
α = 24.00
α = 22.00
0.3
α = 20.00
α = 18.00
0.2
α = 16.00
0.1
0.0
0.00 0.02 0.04 0.06 0.08 0.10
Hinreichende Verformung in Eingriffsrichtung fh (mm)
Bild 37: Verlängerung der Eingriffsstrecke um die Vorzeit bei verschiedenen Eingriffswinkeln
(Skalierung der Ordinate ist im Vergleich zu den oben untersuchten Geometriegrößen
geändert)
Der Eingriffswinkel hat einen sehr geringen Einfluss auf die Neigung einer Verzahnung
zu vor- oder nachzeitigem Zahneingriff. Die Neigung der Verzahnung zu vor- und nach-
zeitigem Eingriff nimmt mit steigendem Eingriffswinkel zu. Im Bereich von Eingriffswin-
keln von 20◦ und mehr zeigen sich jedoch nur unwesentliche Änderungen der Kurven.
Zur besseren Darstellung wurde in Bild 37 eine andere Skalierung der Ordinate gewählt
als in den vorherigen Bildern zur Darstellung der Vergrößerung der Profilüberdeckung
über der hinreichenden Verformung.
Ausgehend von den konstanten Verzahnungsdaten in Tabelle 8 wird eine Variation der
Kopfhöhenfaktoren durchgeführt.
84 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
In Bild 38 sind die Verläufe der Überdeckungserhöhung über der hinreichenden Verfor-
mung von Verzahnungen mit unterschiedlichen Kopfhöhenfaktoren des Bezugsprofils
haP ∗ gezeigt. Die eingezeichneten Kopfhöhenfaktoren haP ∗ gelten für das getriebe-
ne Rad. Der Kopfhöhenfaktor des treibenden Rades hat keinen Einfluss auf Überde-
ckungserhöhung durch die Vorzeit.
0.5
Vergrösserung der Überdeckung ∆ε2 (-)
0.4
0.3
haP ∗ = 1.00 haP ∗ = 1.20 haP ∗ = 1.40
haP ∗ = 0.80
0.2
haP ∗ = 0.60
0.1
0.0
0.00 0.02 0.04 0.06 0.08 0.10
Hinreichende Verformung in Eingriffsrichtung fh (mm)
Bild 38: Verlängerung der Eingriffsstrecke um die Vorzeit bei verschiedenen Kopfhöhenfaktoren
haP ∗ des getriebenen Rades
Der Kopfhöhenfaktor hat einen sehr geringen Einfluss auf die Neigung einer Verzah-
nung zu vor- oder nachzeitigem Zahneingriff. Durch eine Vergrößerung der Zahnkopf-
höhe des Bezugsprofils sinkt die Empfindlichkeit einer Verzahnung gegen vor- und
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 85
Verzahnung 1: Verzahnung 2:
haP*=0.6 haP*=1.4
ea=1.272 ea=1.849
da2=81.6mm da2=83.2mm
Bild 39: Vergleich der Stirnschnitte der Grenz-Verzahnungen der Variation der Kopfhöhenfak-
toren mit den Kopfhöhenfaktoren am Rad haP ∗ = 0.6 und haP ∗ = 1.4
In Bild 39 sind die Stirnschnitte der Verzahnungen der Variation des Kopfhöhenfaktors
mit dem kleinsten und größten betrachteten Kopfhöhenfaktor haP ∗ = 0.6 und haP ∗ = 1.4
des Rades gezeigt. Die Profilüberdeckung der Verzahnung mit haP ∗ = 0.6 am Rad ist
deutlich kleiner als bei haP ∗ = 1.4 des Rades. Damit liegt der Eingriffsbeginn näher am
Wälzpunkt. Die Differenz der Tangentialgeschwindigkeiten der Kopfkante des getriebe-
nen Rades und des Fußnutzkreisdurchmessers des treibenden Rades ist hier kleiner
als in größérer Entfernung zum Wälzpunkt. Deshalb nähert sich die Kopfkante des
getriebenen Rades dem Fußnutzkreisdurchmesser des treibenden Rades bei gleicher
Drehzahl der Ritzel kurz vor Eingriffsbeginn langsamer an, wenn das Rad einen klei-
neren Kopfhöhenfaktor besitzt. Das heißt, dass der Abstand zwischen Kopfkante des
getriebenen Rades und Fußbereich des Treibers in einer Eingriffsstellung kurz vor dem
Eingriffsbeginn bei kleinerem Kopfhöhenfaktor am Rad kleiner ist. Damit genügt eine
kleinere Verformung im Verzahnungskontakt um das einlaufende Zahnpaar in vorzeiti-
gen Eingriff zu bringen. Hieraus resultiert die größere Neigung zu vorzeitigem Eingriff
bei Verzahnungen mit kleinerem Kopfhöhenfaktor am Rad.
5.2.1.6 Schrägungswinkel
Für die Neigung einer Verzahnung zu vor- und nachzeitigem Zahneingriff ist das Profil
der Verzahnung im Stirnschnitt relevant. Der Schrägungswinkel β hat deshalb keinen
Einfluss auf den Zusammenhang zwischen hinreichender Verformung und Steigerung
der Überdeckung.
86 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
Die wichtigsten Einflüsse sind hier zusammengefasst. Auf eine genauere Untersuchung
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 87
Die Zahnfederhärte ist direkt proportional zur Zahnbreite. Ein gutes Tragbild über die
gesamte Zahnbreite ist dabei Voraussetzung.
Eine positive Profilverschiebung bewirkt eine Verstärkung des Zahnfußes und damit
eine größere Zahnsteifigkeit. Die resultierende Zahnfederhärte des Zahnpaares ist am
größten, wenn die gesamte Profilverschiebung zu gleichen Teilen auf Ritzel und Rad
aufgeteilt wird.
Die belasteten Verzahnungen werden mit dem EDV-Programm RIKOR I berechnet. Bei
der Berechnung wird der vor- und nachzeitige Zahneingriff berücksichtigt und eine Pro-
filüberdeckung unter Last εα,w ermittelt. Wesentliche Ergebnisse der Berechnungen
sind die geometrische Profilüberdeckung, die Profilüberdeckung unter Last sowie die
maximale Zahnpaarverformung. Die Einflüsse des Welle-Lager-Systems sind in allen
Berechnungen deaktiviert. In dieser Untersuchung werden keine Profilkorrekturen be-
rücksichtigt.
Die Erhöhung des Überdeckungsgrades einer Verzahnung ist abhängig von der Verfor-
mung bzw. Abweichung eines Zahnpaars und von der Neigung der Verzahnung zu vor-
und nachzeitigem Eingriff. Um die Überdeckung einer Verzahnung um einen bestimm-
ten Betrag zu erhöhen, ist eine hinreichende Verformung fh im Zahnkontakt notwendig,
die bei einer bestimmten Belastung erreicht wird. Um verschiedene Verzahnungen mit-
einander hinsichtlich des Entstehens von vor- und nachzeitigem Eingriff vergleichen
zu können, muss eine vergleichbare Beanspruchung der Verzahnung festgelegt wer-
den. Als Kenngröße zur Beurteilung der Beanspruchung einer Verzahnung wird hier
die Hertzsche Pressung am Wälzkreis pHC verwendet. Die Pressung am Wälzkreis ist
88 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
ein Ausgabewert des Programms RIKOR, der nach Gleichung 55 berechnet wird.
r
Ft u+1
pHC = ZH ZE Zβ ∗ (55)
d1 ∗ b u
Die untersuchten Verzahnungen gelten als vergleichbar belastet, wenn das übertrage-
ne Drehmoment ohne Überhöhung durch Lastfaktoren zu einer Pressung am Wälzkreis
von pHC = 1550 N/mm2 führt.
Zur Beurteilung der Ausprägung von vor- und nachzeitigem Zahneingriff wird die Pro-
filüberdeckung unter Last εα,w und die geometrische Profilüberdeckung εα über dem
variierten Verzahnungsparameter aufgetragen. Als Ursache für den vor- und nachzei-
tigen Zahneingriff wird die während des Verzahnungseingriffs maximale Zahnpaarver-
formung f eingezeichnet.
Zur besseren Einordnung der Ergebnisse der Variationsrechnungen ist in den Schau-
bildern zusätzlich der Drehmomentfaktor eingezeichnet. Der Drehmomentfaktor ergibt
sich aus dem Verhältnis des Drehmomentes, mit dem die Verzahnung im aktuellen Re-
chenschritt belastet ist, um die Hertzsche Pressung am Wälzkreis pHC = 1550 N/mm2
zu erreichen, und dem Drehmoment des ersten Rechenschritts der betrachteten Varia-
tionsrechnung. Ist die auftretende Pressung am Wälzkreis nicht abhängig vom unter-
suchten Verzahnungsparameter, bleibt das Drehmoment während der Variationsrech-
nung konstant und der Drehmomentfaktor wird im Diagramm nicht dargestellt.
5.2.3.1 Zähnezahlen
Bei der Variation der Zähnezahlen wird die Basisgeometrie nach Tabelle 9 verwendet.
Variiert wird die Gesamtzähnezahl, wobei die Zähnezahlen von Ritzel und Rad bei jeder
Variante gleich sind, sodass stets die Übersetzung i = 1 erreicht wird. Das Verhältnis
aus Normalmodul und Gesamtzähnezahl wird bei der Variation konstant gehalten, um
den Achsabstand näherungsweise konstant zu halten.
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 89
4.5 20
Profilüberdeckung und Drehmomentfaktor (-)
Zahnpaarverformung in µm
T1
3.5 16
Zahnpaarverformung
3.0
14
2.5
12
2.0
10
1.5
8
1.0
6
0.5
0 50 100 150 200 250 300 350
Zähnezahl Rad 1 und Rad 2
Bild 40: Überdeckung unter Last bei variierten Zähnezahlen z1 und z2 und konstanter Überset-
zung i = 1
Für die Variante mit den kleinsten Zähnezahlen z1,2 = 18 ergibt sich ein Achsabstand
von a = 51.035 mm. Die Variante mit den größten Zähnezahlen z1,2 = 350 weist Achs-
abstand von a = 50.066 mm auf. Durch die geringe Änderung des Achsabstandes
muss vor Allem im Bereich kleiner Zähnezahlen der Drehmomentfaktor geringfügig an-
90 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
gepasst werden, um die geforderte Pressung im Wälzkreis von pHC = 1550 N/mm2 zu
erreichen.
Durch das konstante Verhältnis von Achsabstand zu Normalmodul bei dieser Variati-
onsrechnung wird die geforderte Pressung am Wälzkreis mit weitgehend konstantem
Drehmoment erreicht. Die geometrische Profilüberdeckung ändert sich besonders bei
großen Zähnezahlen nur wenig. Die Profilüberdeckung unter Last steigt aufgrund der
geometrischen Neigung der Verzahnung zu Vor- und Nachzeit kontinuierlich mit zu-
nehmender Zähnezahl an, obwohl die Zahnpaarverformung im gesamten untersuchten
Zähnezahlbereich fällt. Die Zahnpaarverformung sinkt im untersuchten Bereich mit grö-
ßer werdender Gesamtzähnezahl, da die Überdeckung unter Last ansteigt, wodurch
sich die Verzahnungskraft auf mehr Zahnpaare aufteilt. Der Einfluss der geometrischen
Neigung der Verzahnung zu vor- und nachzeitigem Zahneingriff bei steigender Zähne-
zahl (vgl. Bild 34) überwiegt jedoch deutlich gegenüber der sinkenden Zahnpaarverfor-
mung.
5.2.3.2 Zähnezahlverhältnis
Bei der Variation des Zähnezahlverhältnisses wird die Basisgeometrie nach Tabelle 10
verwendet. Um das Zähnezahlverhältnis u = z2 /z1 der Verzahnung zu ändern wird
die Zähnezahl des Rades z2 variiert und die Zähnezahl des Ritzels z1 = 50 konstant
belassen.
Bild 41 zeigt die Ergebnisverläufe der Variationsrechnung über der Zähnezahl des Ra-
des. Das Zähnezahlverhältnis wurde während der Iteration im Bereich 8 > u > −8
variiert. Der Drehmomentfaktor muss bei der Variation des Zähnezahlverhältnis stark
angepasst werden, um die geforderte Pressung über dem Variationsbereich zu errei-
chen. Besonders bei Innenverzahnung mit kleinem Zähnezahlunterschied herrschen
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 91
Übersetzung (-)
−8.0 −6.0 −4.0 −2.0 0.0 2.0 4.0 6.0 8.0
7 50
Profilüberdeckung und Drehmomentfaktor (-)
Zahnpaarverformung in µm
Drehmomentfaktor T
T1 40
5
Zahnpaarverformung
35
4
30
3
25
2
20
1 15
0 10
−400 −300 −200 −100 0 100 200 300 400
Zähnezahl Rad 2
Bild 41: Überdeckung unter Last bei verschiedenen Übersetzungen und konstanter Pressung
am Wälzkreis. Zähnezahl des Rades 1 ist konstant z1 = 50
Besonders im Bereich kleiner negativer Zähnezahlen des Rades sind starke Anstiege
des Drehmomentfaktors, der Zahnpaarverformung und der Überdeckung unter Last zu
erkennen. Der Anstieg der Zahnpaarverformung resultiert aus der größeren Verzah-
nungskraft bedingt durch das erhöhte Drehmoment, das aufgebracht werden muss, um
die geforderte Pressung zu erreichen. Der starke Anstieg der Profilüberdeckung unter
92 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
Last resultiert sowohl aus der wachsenden Zahnpaarverformung als auch aus der stär-
keren Neigung zu vor- und nachzeitigem Zahneingriff von Verzahnungen mit großen
Übersetzungen. (Vgl. Bild 35)
Zusätzlich ist in Bild 42 der Verlauf der Ergebnisgrößen bei konstantem Drehmoment
der Verzahnung gezeigt.
Übersetzung (-)
−8.0 −6.0 −4.0 −2.0 0.0 2.0 4.0 6.0 8.0
3.5 30
εα,w unter Last
εα geometrisch
3.0 25
Zahnpaarverformung in µm
Zahnpaarverformung
Profilüberdeckung (-)
2.5 20
2.0 15
1.5 10
1.0 5
−400 −300 −200 −100 0 100 200 300 400
Zähnezahl Rad 2
Bild 42: Überdeckung unter Last bei verschiedenen Übersetzungen und konstantem Drehmo-
ment der Verzahnung
Ohne den Einfluss des angepassten Drehmoments ist die Zahnpaarverformung vorwie-
gend von der Überdeckung unter Last abhängig. Im Bereich kleiner positiver Radzähne-
zahlen ist die Vergrößerung der Überdeckung durch Vor- und Nachzeit vergleichsweise
klein, wodurch sich größere Zahnpaarverformungen ergeben. Im Bereich kleiner ne-
gativer Radzähnezahlen ist die Neigung der Verzahnungen zu vor- und nachzeitigem
Zahneingriff groß, weshalb sich die Überdeckung unter Last vergrößert. Dies führt zu
kleineren Zahnpaarverformungen in diesem Bereich.
5.2.3.3 Profilverschiebung x
In Tabelle 11 sind die Basisdaten der Ausgangsverzahnung für die Variation der Profil-
verschiebungen eingetragen.
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 93
Die Variation betrifft den Profilverschiebungsfaktor des Ritzels im Bereich −0.2 < x1 <
0.4. Die Profilverschiebung des Rades x2 = 0.2 wird konstant gehalten. In Bild 43
sind Verläufe der Ergebnisgrößen eingezeichnet. Mit steigender Profilverschiebung des
2.0 20
Profilüberdeckung und Drehmomentfaktor (-)
1.8 18
Zahnpaarverformung in µm
1.6 16
1.4 14
εα,w (unter Last)
εα (geometrisch)
1.2 Drehmomentfaktor T 12
T1
Zahnpaarverformung
1.0 10
−0.2 −0.1 0.0 0.1 0.2 0.3 0.4
Profilverschiebungsfaktor x (-)
Bild 43: Überdeckung unter Last bei variiertem Profilverschiebungsfaktor des Ritzels x1 . Der
Profilverschiebungsfaktor des Rades ist x2 = 0.2.
Ritzels muss das Drehmoment der Verzahnung erhöht werden, damit die geforderte
Pressung auf der Zahnflanke erreicht wird. Aufgrund des versteifenden Einflusses der
anwachsenden Profilverschiebung auf die Zahnpaare sinkt die Zahnpaarverformung
in sehr geringem Maße trotz der Erhöhung des Drehmoments. Die Vergrößerung der
94 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
5.2.3.4 Normaleingriffswinkel αn
In Tabelle 12 sind die Daten der Ausgangsverzahnung für die Variation des Normalein-
griffswinkels aufgelistet.
Der Einfluss des Normaleingriffswinkels auf die Beziehung von hinreichender Verfor-
mung zu Verlängerung der Eingriffsstrecke ist sehr gering. Da sich mit veränderlichem
Normaleingriffswinkel weder die Zahnpaarverformung noch das Verhältnis von hinrei-
chender Verformung zu Änderung des Überdeckungsgrads relevant ändern, sinkt die
Überdeckung unter Last nahezu gleichermaßen wie die geometrische Überdeckung.
Vor allem bei Verzahnungen mit geringer Übersetzung lässt sich sagen, dass der Nor-
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 95
2.0
18
Zahnpaarverformung in µm
1.8
εα,w (unter Last) 16
εα (geometrisch)
1.6
Drehmomentfaktor T
T1
Zahnpaarverformung 14
1.4
12
1.2
1.0 10
17 18 19 20 21 22 23 24 25 26
Normaleingriffswinkel αn in ◦
maleingriffswinkel einen untergeordneten Einfluss auf die Überdeckung unter Last hat.
messer und somit die Zahnhöhe. Mit steigendem Kopfhöhenfaktor des Werkzeugs
steigt die Hebellänge des Kraftangriffs beim Durchwälzen der Verzahnung und hiermit
auch die Zahnpaarverformung bei gleich bleibender Belastung.
Auf die hinreichende Verformung fh hat der Kopfhöhenfaktor des Werkzeugs keinen
Einfluss, da die aktive Verzahnungsgeometrie nicht beeinflusst ist. Gleichermaßen ist
auch die geometrische Überdeckung nicht vom Kopfhöhenfaktor des Werkzeugbezugs-
profils abhängig.
2.0 20
Profilüberdeckung und Drehmomentfaktor (-)
1.8 18
εα,w (unter Last)
Zahnpaarverformung in µm
εα (geometrisch)
1.6 Drehmomentfaktor T
T1
16
Zahnpaarverformung
1.4
14
1.2
12
1.0
10
0.6 0.8 1.0 1.2 1.4
Werkzeug-Kopfhöhenfaktor ha0 ∗ (-)
5.2.3.6 Schrägungswinkel β
In Tabelle 14 sind die Basisdaten der Verzahnung zur Variation des Schrägungswinkels
aufgelistet. Bei der Variation wird der Stirnmodul und der Stirneingriffswinkel konstant
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 97
gehalten.
Sprungüberdeckung (-)
0.50 1.00 1.50 2.00
2.2 20
Profilüberdeckung und Drehmomentfaktor (-)
Zahnpaarverformung in µm
T1
1.8 Zahnpaarverformung
16
1.6
1.4
14
1.2
12
1.0
0.8 10
0 5 10 15 20 25 30 35
Schrägungswinkel β in ◦
Aufgrund der weitgehend konstanten Stirngeometrie der Verzahnung wird die gefor-
derte Pressung im Wälzpunkt mit geringen Anpassungen des Drehmomentes erreicht.
98 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
Die Profilüberdeckung unter Last nähert sich im Bereich β < 15◦ etwas der geometri-
schen Profilüberdeckung an, da sich in diesem Bereich die Zahnpaarverformung ver-
ringert. Im weiteren Verlauf bleibt die Differenz zwischen Profilverschiebung unter Last
und geometrischer Profilverschiebung nahezu konstant.
Die Vergrößerung der Überdeckung durch Vor- und Nachzeit wird durch die geome-
trische Neigung zu vor- und nachzeitigem Zahneingriff der Verzahnung im Stirnschnitt
und durch die Verformung im Verzahnungseingriff bestimmt. Da die hinreichende Ver-
formung fh für vor- und nachzeitigen Zahneingriff vom Schrägungswinkel unabhängig
ist, ist die Überdeckungsvergrößerung nur noch von der Verformung in der Verzahnung
abhängig.
5.2.3.7 Normalmodul mn
Tabelle 15 enthält die Basisdaten der Ausgangsverzahnung für die Variation des Nor-
malmoduls eingetragen. Die Zähnezahlen der Verzahnung werden konstant gehalten,
damit ändert sich der Achsabstand während der Variation.
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 99
2.0
80
Profilüberdeckung und Drehmomentfaktor (-)
Zahnpaarverformung in µm
1.5 T1
60
Zahnpaarverformung 50
1.0
40
30
0.5 20
10
0.0 0
1 2 3 4 5
Normalmodul mn in mm
Die Überdeckung unter Last der Verzahnung ist durch vor- und nachzeitigen Zahnein-
griff um ∆εα ≈ 0.55 erhöht und bleibt während der Variation konstant. Bei konstantem
Verhältnis aus Normalmodul und Zahnpaarverformung bleibt auch die Erhöhung des
Überdeckungsgrades konstant.
In Bild 48 ist der Verlauf der Erhöhung des Überdeckunsgrades über hinreichender
Zahnpaarverformung für die berechnete Verzahnung nach Tabelle 15 abgebildet. Im
Schaubild sind mit gestrichelten Linien die Zahnpaarverformungen bei den Normalmo-
duln mn = 1.0, 2.0, 3.0, 4.0mm aus Bild 47 eingezeichnet und mittels entsprechender
Kurven auf die Ordinate übertragen.
Für alle hinreichenden Verformungen, die den Moduln bei vergleichbarer Belastung
zugeordnet werden können, ergibt sich die gleiche Verlängerung der Eingriffsstrecke
durch vorzeitigen Zahneingriff um ∆ε2 = 0.275. Aufgrund der nahezu symmetrischen
Verzahnung führt der nachzeitige Zahneingriff zur etwa gleichen Verlängerung der Ein-
griffsstrecke ∆ε1 ≈ 0.275. Die gesamte Erhöhung der Profilüberdeckung unter Last ist
demnach ∆εα,w = ∆ε1 + ∆ε2 ≈ 0.55.
Vergrößerung der Überdeckung De2 (-)
Bild 48: Verlauf der zusätzlichen Überdeckung ∆ε2 über der hinreichenden Verformung fh bei
verschiedenen Normalmoduln mn
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 101
Tabelle 16: Einfluss verschiedener Verzahnungsparameter auf die Neigung einer Verzahnung
zu Vergrößerung des Überdeckungsgrades aufgrund vor- und nachzeitigen Zahn-
eingriffs
Die wesentlichen Einflüsse auf die Ausprägung von Vor- und Nachzeit sind die Gesamt-
zähnezahl und das Zähnezahlverhältnis der Verzahnung. Bei einer Verzahnungsvaria-
tion mit konstantem Achsabstand und Übersetzung sowie variierter Gesamtzähnezahl
nimmt zwar die Zahnpaarverformung mit steigender Zähnezahl ab, jedoch steigt die
geometrische Neigung der Verzahnung zu Vor- und Nachzeit sehr stark an. Dies resul-
102 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
tiert in einer starken Abhängigkeit der Überdeckung unter Last von der Gesamtzähne-
zahl einer Verzahnung.
Vor allem für Zähnezahlverhältnisse nahe -1, die aus Innen-/Außenverzahnung mit klei-
nem Zähnezahlunterschied resultieren, gibt es eine extrem starke Neigung zu vor- und
nachzeitigem Zahneingriff. Schon kleine Verformungen im Zahnkontakt reichen hier
aus, um die Überdeckung deutlich zu erhöhen.
Der Schrägungswinkel einer Verzahnung hat auf die geometrische Neigung zu vor- und
nachzeitigem Zahneingriff keine Auswirkung, da die geometrische Neigung der Verzah-
nung zu Vor- und Nachzeit ausschließlich von der Stirnschnittgeometrie abhängig ist.
Die Verzahnungssteifigkeit nimmt zunächst mit steigendem Schrägungswinkel zu und
sinkt dann leicht ab, was auch zu veränderlichen Verformungen im Verzahnungskon-
takt und damit bei konstanter Stirnschnittgeometrie zu gleichermaßen veränderlichen
Überdeckungen unter Last führt.
et
et
Bild 49: Berührlinien der Zahnpaare 1 und 2 im theoretischen Eingriffsfeld bei Schrägverzah-
nung
In Bild 50 ist das Eingriffsfeld durch vor- und nachzeitigen Zahneingriff vergrößert. Die
Eingriffsstrecke unter Last gα0 ist um die Bereiche ∆εα1 ∗ pet und ∆εα2 ∗ pet verlängert.
Die Berührlinien prägen sich im gesamten Eingriffsfeld aus, womit sich die zeitlich ge-
mittelte Gesamtberührlinienlänge erhöht.
*pet
1
2
Verzahnungsbreite (mm)
= 1.6
,w= 2.3
= 0.5
b
3
b
*pet *pet
pet pet
g ,w
Eingriffsstrecke (mm)
Bild 50: Berührlinien der Zahnpaare 1, 2 und 3 im durch Vor- und Nachzeit vergrößerten Ein-
griffsfeld bei Schrägverzahnung
104 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
Die in Bild 49 und Bild 50 gezeigten Berührlinien kennzeichnen die Orte aller möglichen
Berührpunkte einer diskreten Eingriffsstellung im Eingriffsfeld. Ob an einer Position im
Eingriffsfeld tatsächlich eine Berührung der Flanken vorherrscht und Last übertragen
wird, hängt von der Zahnkraft sowie den Steifigkeiten und Abweichungen entlang der
Berührlinie ab. Bei Schrägverzahnung ändert sich entlang der Berührlinien die Profil-
koordinate. Damit weisen auch die hinreichenden Verformungen für vor- bzw. nachzei-
tigen Eingriff unterschiedliche Beträge entlang der Berührlinie auf. Damit eine Berühr-
linie einer abweichungsfreien Schrägverzahnung, die sich teilweise im theoretischen
Eingriffsgebiet befindet und bis an den Beginn bzw. das Ende des Eingriffs unter Last
reicht, über ihre ganze Länge Last überträgt, muss die Verformungsänderung entlang
des Berührlinienabschnitts im vor- bzw. nachzeitigen Eingriffsgebiet dem Verlauf der
hinreichenden Verformung fh für Vor- bzw. Nachzeit (vgl. Bild 33) entsprechen. Mit stei-
gendem Schrägungswinkel nimmt die notwendige Verformungsänderung entlang des
Berührlinienabschnitts im Gebiet der Vor- bzw. Nachzeit zu, weshalb allgemein gilt,
dass Schrägverzahnungen mit steigendem Schrägungswinkel unempfindlicher gegen
vor- und nachzeitigen Zahneingriff werden.
Die Gesamtzahnkraft einer fehlerfreien Verzahnung wird bei Doppel- und Mehrfachein-
griff auf die Zahnkräfte der im Eingriff befindlichen Zahnpaare entsprechend ihrer Ein-
zelfedersteifigkeiten aufgeteilt.
Eingriffsteilungsdifferenzen, die
bspw. aus Verzahnungsabwei-
chungen, Flankenkorrekturen
bzw. unterschiedlichen Zahn-
paarverformungen resultieren
können, verändern die Auf-
teilung der Gesamtzahnkraft.
In Bild 51 ist schematisch die
Kraftaufteilung einer Verzahnung
gezeigt, die die Gesamtzahn-
kraft über drei im Eingriff
Bild 51: Kraftaufteilung einer mit der Gesamtzahnkraft
befindliche Zahnpaare überträgt.
Fbt belasteten Verzahnung mit Eingriffsteilungs-
Die Zahnpaare besitzen die Ein-
differenzen nach [42]
zelfedersteifigkeiten c01 , c02 und
c03 sowie die Eingriffsteilungsdifferenzen ∆fpe1 , ∆fpe2 und ∆fpe3 . Unter der Belastung
verformen sich die Zahnpaare um u1 , u2 und u3 . Für die einzelnen Zahnpaare ergeben
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 105
Die Verteilung der Gesamtzahnkraft über den Berührlinien einer Eingriffsstellung kann
als Berührlinienlast über dem Eingriffsfeld aufgetragen werden. Wird die Berührlinien-
last mehrerer diskreter Eingriffsstellungen ermittelt, kann eine Berührlinienlastvertei-
lung (kurz: Lastverteilung) gezeichnet werden.
In Bild 52 ist die Lastverteilung am Beispiel einer Schrägverzahnung gezeigt. Die Ver-
zahnung wurde in 20 verschiedenen, äquidistant verteilten Eingriffsstellungen berech-
net. Bei der Berechnung mit dem Programm RIKOR wurde die Verlängerung der Ein-
griffsstrecke durch Vor- und Nachzeit berücksichtigt. Die Berührlinien gehen zwar über
die theoretische Eingriffsstrecke hinaus, jedoch fällt die Berührlinienlast im Bereich der
Vor- und Nachzeit sehr schnell ab. Lediglich im Bereich sehr kurzer Berührlinien werden
nennenswerte Lasten im Bereich der Vor- und Nachzeit übertragen.
Linienlast
te
Ei
ngs brei
st ng ahnu
re ri Verz
ck ff
e s -
ra
rNf ‘
rNf ’
rb
MX
MX
MX
Bild 54: Berechnung der Oberflächenpressung im Bereich des vorzeitigen Zahneingriffs mit der
Finite-Elemente-Methode
Im Programm RIKOR wird der Verlauf des Krümmungsradius mit einer angepassten
Funktion des Tangens Hyperbolicus näherungsweise abgebildet. In Bild 55 ist quali-
tativ der Übergang des Ersatzkrümmungsradius von ρA0 ,ers am Beginn der Vorzeit im
Eingriffspunkt A’ zu ρA,ers am Beginn des theoretischen Eingriffs gezeigt.
Im Bereich der Nachzeit gelten äquivalente Aussagen. Hier verringert sich der Ersatz-
108 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
ρA,ers
ρA0 ,ers
A’ A
Bild 55: Näherungsweiser Verlauf des Ersatzkrümmungsradius im Bereich des vorzeitigen Ein-
griffs
2400
Hertzsche
N/mm2
Pressung
1200
600
48
0 A mm
’A 36
B 30
Ei C 24 sbr eite
st ng 18
ah nung
re ri D EE 6
12 Verz
ck ff ’
e s-
Für die hier gezeigte Schrägverzahnung werden in weiten Bereichen des vor- und nach-
zeitigen Eingriffsgebiets keine relevanten Pressungsüberhöhungen ausgewiesen. Der
Rückgang der Linienlast im Bereich von Vor- und Nachzeit ist so stark, dass die Redu-
zierung des Ersatzkrümmungsdurchmessers in diesem Bereich nicht zu einem Anstieg
der Pressung führt. Lediglich in den Ecken des Eingriffsfeldes, in denen sich sehr kurze
Berührlinien ausbilden, sind sowohl Linienlast als auch Pressung erhöht.
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 109
In Bild 57 ist zu Demonstrationszwecken eine kurze Kopf- und eine lange Fußrück-
nahme auf der selben Zahnflanke dargestellt. Üblicherweise werden entweder lange
oder kurze Rücknahmen auf einer Verzahnung realisiert. Bei der langen Rücknahme
ist das gesamte Doppeleingriffsgebiet korrigiert, während bei der kurzen Rücknahme
nur die halben Doppeleingriffslängen auf der Eingriffsstrecke modifiziert sind. Bei einer
linearen Korrekturform steigt der Korrekturwert linear über der Eingriffsstrecke an, bis
der Kopfkorrekturbetrag Ca am Kopfnutzkreisdurchmesser bzw. Cf am Fußnutzkreis-
durchmesser erreicht ist. In der praktischen Anwendung werden die Übergänge von
unkorrigierter zu korrigierter Flanke meist verrundet.
110 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
Ca
Cf
B D
E
A
lf la
2*la
Bild 57: Schematische Darstellung einer kurzen Kopf- und einer langen Fußrücknahme mit den
Rücknahmebeträgen Ca am Zahnkopf und Cf am Zahnfuß. Die Korrekturlängen la und
lf sind auf die theoretische Eingriffsstrecke bezogen.
In den folgenden Bildern sind die Ergebnisse der Berechnung einer Beispielgeradver-
zahnung nach Tabelle 17 unter Berücksichtigung der Vor- und Nachzeit bei verschie-
den korrigierter Verzahnung gezeigt. Die Geradverzahnung ist in einem äußerst steifen
Verzahnungsumfeld modelliert, weshalb sich entlang der Verzahnungsbreite die Belas-
tung und Verformung im Zahnkontakt nahezu nicht ändert. Zur Auswertung sind die
Ergebnisse eines Stirnschnitts der Verzahnung über der Eingriffsstrecke aufgetragen.
Im oberen Bildteil ist jeweils ein Balkendiagramm abgebildet, das den Verlauf der Be-
rührlinienlast und der Pressung zeigt. Im unteren Bildteil sind verschiedene, im Zahn-
kontakt wirksame Verformungen und Abweichungen dargestellt. Die hinreichende Ver-
formung für vor- und nachzeitigen Zahneingriff fh kann als Klaffung zwischen der ein-
und auslaufenden Kopfkante und der Fußflanke des Gegenzahnes betrachtet werden
und kann nur außerhalb des theoretischen Eingriffs auftreten. Die Abweichung auf-
grund von Flankenkorrektur fa zeigt den Korrekturwert eines Zahnpaars über der Ein-
griffsstrecke. Die Zahnpaarverformung fw ist die in Eingriffsrichtung wirksame Zahn-
paarverformung eines Zahnpaars.
Die örtliche Eingriffsteilungs-Abweichung fpe,lok ist die für eine bestimmte Eingriffsstel-
lung in Eingriffsrichtung wirksame Abweichung von der Eingriffsteilung zu einem unver-
formten Nachbarzahn. fpe,lok setzt sich aus der Summe aus hinreichender Verformung
für Vor- und Nachzeit, wirksamer Korrektur und Zahnpaarverformung zusammen. Eine
herstellbedingte Teilungsabweichung fpe wird hier nicht betrachtet.
In Bild 58 sind die Verläufe von Linienlast, Hertzscher Pressung sowie den genannten
Abweichungen gezeigt. Da die Verzahnung unkorrigiert ist, eine ausgeprägte geome-
trische Neigung zu Vor- und Nachzeit hat und stark belastet ist, bildet sich ein deutli-
cher Bereich mit vor- bzw. nachzeitigem Zahneingriff aus. Durch die ungünstigen Krüm-
mungsverhältnisse in der Vor- und Nachzeit entstehen hier trotz der reduzierten Linien-
lasten Pressungsüberhöhungen.
1000 2500
Pressung (N/mm2 )
Linienlast (N/mm)
Linienlast Pressung
800 2000
600 1500
400 1000
200 500
0 0
A B D E
Abweichungen in Eingriffsrichtung (µm)
60
50
40
0
A B D E
Eingriffsstrecke
Bild 58: Verlauf der Linienlast, Hertschen Pressung sowie Verformungen und Abweichungen
im Zahnkontakt über der Eingriffsstrecke bei unkorrigierter Verzahnung
Der Verlauf der Korrekturabweichung (markiert mit Sternsymbolen) ist in Bild 58 der
Vollständigkeit halber mit eingezeichnet und verläuft auf der Nulllinie.
In Bild 59 ist der Verlauf der Größen bei einer Verzahnung gezeigt, die jeweils eine
lange Kopfrücknahme an Rad und Gegenrad besitzt. Die Verlängerung der Eingriffs-
strecke durch Vor- und Nachzeit ist durch die Korrektur reduziert. Die Linienlasten und
Pressungen im Bereich des theoretischen Eingriffsbeginns und Eingriffsendes sind zu-
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 113
1000 2500
Pressung (N/mm2 )
Linienlast (N/mm)
Linienlast Pressung
800 2000
600 1500
400 1000
200 500
0 0
A B D E
Abweichungen in Eingriffsrichtung (µm)
60
50
40
0
A B D E
Eingriffsstrecke
Bild 59: Verlauf der Linienlast, Hertschen Pressung sowie Verformungen und Abweichungen
im Zahnkontakt über der Eingriffsstrecke bei langer Kopfrücknahme an Rad und Ge-
genrad
rückgenommen.
Der Verlauf der Korrektur fa zeigt, dass die Kopfrücknahme mit dem Korrekturbetrag
Ca = 40 µm im gesamten Bereich der Vor- und Nachzeit voll wirksam ist. Im theo-
retischen Eingriffsfeld verringert sich der Korrekturwert ausgehend von den Eingriffs-
grenzen über dem Einzeleingriffsgebiet zu Null. Der Verlauf der wirksamen örtlichen
Eingriffsteilungs-Abweichung fpe,lok zeigt vergleichsweise geringe Schwankungen.
In Bild 60 sind die Ergebnisse einer Verzahnung mit kurzen Kopfrücknahmen an Rad
und Gegenrad gezeigt. Die Last- und Pressungsverteilung entspricht der Berechnung
mit langen Kopfrücknahmen in Bild 59. Hinsichtlich der Belastung der Flanken sind
114 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
1000 2500
Pressung (N/mm2 )
Linienlast (N/mm)
Linienlast Pressung
800 2000
600 1500
400 1000
200 500
0 0
A B D E
Abweichungen in Eingriffsrichtung (µm)
60
50
40
0
A B D E
Eingriffsstrecke
Bild 60: Verlauf der Linienlast, Hertschen Pressung sowie Verformungen und Abweichungen im
Zahnkontakt über der Eingriffsstrecke bei kurzer Kopfrücknahme an Rad und Gegenrad
Die Verläufe von Korrektur und wirksamer Teilungsabweichung unterscheiden sich auf-
grund der Korrekturlänge. Da nur ein kürzerer Teil der Eingriffsstrecke zur Verfügung
steht, um den vollen Korrekturbetrag zu erreichen, entsteht ein steilerer Anstieg des
Korrekturverlaufs. Damit bringt die kurze Kopfrücknahme größere Schwankungen der
wirksamen, örtlichen Teilungsabweichung mit sich, wodurch das Anregungsverhalten
der Verzahnung negativ beeinflusst wird.
Bild 61 zeigt den Verlauf von Belastung und Abweichungen für die Beispielverzahnung
mit langen Fußrücknahmen an Rad und Gegenrad. Der entscheidende Unterschied
zwischen Kopf- und Fußrücknahme besteht im Verlauf des Korrekturwertes im Bereich
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 115
1000 2500
Pressung (N/mm2 )
Linienlast (N/mm)
Linienlast Pressung
800 2000
600 1500
400 1000
200 500
0 0
A B D E
Abweichungen in Eingriffsrichtung (µm)
60
50
40
fh Vor- und Nachzeit
30 fa Korrektur
fw Zahnpaarverformung
20 fpe,lok Teilungsabweichung
10
0
A B D E
Eingriffsstrecke
Bild 61: Verlauf der Linienlast, Hertschen Pressung sowie Verformungen und Abweichungen im
Zahnkontakt über der Eingriffsstrecke bei langer Fußrücknahme an Rad und Gegenrad
der Vor- und Nachzeit. Während bei den Kopfrücknahmen der Korrekturbetrag Ca im
gesamten Bereich der Vor- und Nachzeit vollständig wirksam ist, verringert sich der
Korrekturwert der Fußrücknahme im Bereich der Vor- und Nachzeit mit wachsendem
Abstand von der Grenze der theoretischen Eingriffsstrecke.
Durch den nicht im gesamten vor- und nachzeitigen Eingriffsgebiet vollständig wirk-
samen Korrekturbetrag steigen die Pressungswerte über die Werte an den Grenzen
des theoretischen Eingriffsgebiets. Die lange Ausführung der Fußrücknahme führt zu
geringen Schwankungen der Teilungsabweichung.
Die kurze Ausführung der Fußrücknahmen an Rad und Gegenrad sind bei statischer
Berechnung ohne Vor- und Nachzeit hinsichtlich der Flankenbelastung gleichwertig zur
116 Kraftübernahme bei vor- und nachzeitigem Zahneingriff
langen Ausführung. Wird die Vergrößerung des Überdeckungsgrades jedoch bei der
Berechnung berücksichtigt, ergeben sich geänderte Verläufe sowohl bei den Belastun-
gen als auch bei den Abweichungen (siehe Bild 62). Durch die kurze Ausführung ist
1000 2500
Pressung (N/mm2 )
Linienlast (N/mm)
Linienlast Pressung
800 2000
600 1500
400 1000
200 500
0 0
A B D E
Abweichungen in Eingriffsrichtung (µm)
60
50
40
0
A B D E
Eingriffsstrecke
Bild 62: Verlauf der Linienlast, Hertschen Pressung sowie Verformungen und Abweichungen im
Zahnkontakt über der Eingriffsstrecke bei kurzer Fußrücknahme an Rad und Gegenrad
die Korrektur in einem kleineren Bereich der Vor- und Nachzeit wirksam als bei langer
Ausführung. Dies führt zu Last- und Pressungsüberhöhungen außerhalb des theoreti-
schen Eingriffsgebiets. In diesem Berechnungsbeispiel bringt die kurze Fußrücknahme
nur eine Entlastung im Bereich der theoretischen Eingriffsgrenzen. Der Eingriffsbeginn
und das Eingriffsende unter Last sind von der Korrektur nicht betroffen. Äquivalent zur
kurzen Kopfrücknahme bringt die kurze Ausführung der Fußrücknahme Nachteile bei
der Verzahnungsanregung mit sich.
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 117
Zusammenfassung
Die höherwertige Methode ist die dreidimensionale Methode, die unter Berücksichti-
gung örtlicher Zahnsteifigkeiten und der Aufteilung der Verzahnungskraft auf mehrere
im Eingriff befindliche Zahnpaare eine topologische Lastverteilung bestimmt. Mit den in
dieser Arbeit beschriebenen Methoden zur detaillierten Berechnung von Welle-Lager-
Systemen mit mehrdimensional beanspruchten und nichtlinearen Steifigkeitsanteilen
sowie der Berücksichtigung des geänderten Profilüberdeckungsgrades unter Last bei
verformten bzw. abweichungsbehafteten Verzahnungen lassen sich zutreffende Last-
verteilungen auf den Flanken der Verzahnungen berechnen.
Die bisher angesprochenen Verfahren zur Bestimmung der Breitenlastfaktoren KHβ und
KF β basieren auf der getrennten Berechnung einer mittleren Gesamtzahnfedersteifig-
keit und einer wirksamen Flankenlinienabweichung, welche in eine Lastüberhöhung
umgerechnet werden. Dreidimensionale Linienlastverteilungen können auch beispiels-
weise durch Rückrechnung gemessener Spannungen in den Fußausrundungen der
Verzahnung ermittelt werden. Aus diesen gemessenen topologischen Lastverteilungen
können Gesamtzahnfedersteifigkeit und Flankenlinienabweichung nicht getrennt ermit-
telt werden, wenn beide unbekannt sind. Zur Verwendung der topologischen Lastvertei-
lung in Form von Breitenlastfaktoren in einem standardisierten Tragfähigkeitsnachweis
ist eine direkte Rückrechnung in eine Breitenlastverteilung notwendig. Für die Ableitung
120 Verzahnungstragfähigkeit mit erweiterten Berechnungsverfahren
σHG,i
SH,i = (58)
σH,i
SH,i [−] Sicherheit gegen Grübchenschaden auf der Zahnflanke von Rad
i
i [−] Index für Ritzel (i=1) oder Rad (i=2)
N/mm2 zulässige Flankenpressung von Rad i
σHG,i
N/mm2 auftretende Flankenpressung von Rad i
σH,i
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 121
(59)
p
σH,1 = ZB σH0,1 KA Kv KHβ KHα
(60)
p
σH,2 = ZD σH0,2 KA Kv KHβ KHα
σH,lim ZN T σHG
σHP = ZL ZV ZR ZW ZX = (62)
SH,min SH,min
Nach Methode B der ISO 6336 wird der Breitenlastfaktor KHβ über ein computerunter-
stütztes Verfahren bestimmt. Hierbei müssen alle relevanten Elastizitäten und Abwei-
chungen der beteiligten Getriebeelemente berücksichtigt werden. Der Breitenlastfaktor
zur Berechnung der Flankentragfähigkeit ist definiert nach Gleichung 63 als maximale
lokale Verzahnungskraft pro Breitenabschnitt bezogen auf die mittlere Verzahnungs-
kraft pro Breite.
(F/b)max
KHβ = (63)
Fm /b
KHβ [−] Breitenlastfaktor (Flanke)
(F/b)max [N/mm] maximale Umfangskraft am Teilkreis im Stirnschnitt je Zahnbrei-
teneinheit
Fm /b [N/mm] Umfangskraft am Teilkreis im Stirnschnitt je Zahnbreite
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 123
In Bild 63 sind beispielhaft der Verlauf der Zahnpaarsteifigkeiten und der Gesamtzahn-
federsteifigkeit bei einer Geradverzahnung dargestellt. In den Doppeleingriffsgebieten
zwischen A und B bzw. zwischen D und E addieren sich die Zahnpaarsteifigkeiten der
im Eingriff stehenden Zahnpaare zur Gesamtzahnfedersteifigkeit. Im Einzeleingriffs-
gebiet zwischen B und D entspricht die Gesamtzahnfedersteifigkeit der Zahnpaarstei-
figkeit des im Eingriff stehenden Zahnpaars. Das zeitliche Mittel der Gesamtzahnfeder-
steifigkeit ist die Eingriffsfedersteifigkeit cγ .
cγ
Steifigkeit (N/mm/µm)
Zahnpaar 1
Zahnpaar 2
Zahnpaar 3
Gesamtzahn-
federsteifigkeit
Eingriffs-
federsteifigkeit cγ
A B D E
Eingriffsstrecke gα (mm)
Bild 63: Verlauf der Zahnpaar- und Gesamtfedersteifigkeiten über der Eingriffsstrecke bei Ge-
radverzahnung
Hilfe einer Reihenentwicklung von Schäfer [51] wurde aus dem Verfahren ein einfacher
Ansatz für Stirnräder mit Bezugsprofil nach DIN 867 [10] abgeleitet. Durch verschiede-
ne Korrekturfaktoren kann diese Methode auch für Zahnräder mit Steg und Zahnkranz,
Schrägverzahnung bzw. Bezugsprofilen abweichend von DIN 867 angewendet werden.
Verformungen des
Fundaments und
Gehäuses
Steifigkeitsmatrix des
Welle-Lager-Systems
Abweichungen der
Zahnflanken
Verzahnungssteifigkeit
Steifigkeitsmatrix des
Welle-Lager-Systems
Verformungen des
Fundaments und
Gehäuses
Bild 64: Federmodell zur Bestimmung der Breitenlastverteilung mit der ebenen Methode
In Bild 64 ist ein Federmodell zur Berechnung der Breitenlastverteilung mit einer auf die
Zahnbreite reduzierten, ebenen Methode gezeigt. Zur Bestimmung der Breitenlastver-
teilung wird die Verzahnung in mehrere Breitenabschnitte mit gleicher Breite und Ver-
zahnungssteifigkeit cγ unterteilt. Die einzelnen Breitenabschnitte der Verzahnung las-
sen sich unabhängig voneinander verformen. Herstellungsabweichung und Flankenkor-
rekturen werden als Abweichungen der Zahnflanken berücksichtigt. Die Verformungen
des Fundaments und Gehäuses sind als Abweichungen vorgegeben und bewirken eine
von der Belastung unabhängige Verschiebung und Verformung der Welle. Das Welle-
Lager-System wird als geschlossenes System unter Annahme konstanter Breitenlast
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 125
gelöst. Hierbei werden die Betriebspunkte der Lager und die Wellenverformung, die von
der Breitenlastverteilung unabhängig sind, bestimmt. Zusätzlich wird die auf die Brei-
tenabschnitte der Verzahnung reduzierte Steifigkeitsmatrix der Welle bestimmt, welche
auch die gegenseitige Beeinflussung der Breitenabschnitte der Welle enthält. Somit
sind auch die Anteile der Wellenverformung bei der Berechnung enthalten, die aus ei-
ner ungleichmäßigen Breitenlastverteilung entstehen.
Bei vollem Breitentragen überträgt jeder Breitenabschnitt der Verzahnung einen Teil
der Verzahnungskraft. Die Verteilung der Verzahnungskraft auf die einzelnen Breiten-
abschnitte entspricht der Breitenlastverteilung der Verzahnung. Aus der maximalen lo-
kalen Breitenlast und der mittleren Breitenlast pro Verzahnungsbreite wird der Breiten-
lastfaktor KHβ berechnet.
In Bild 65 ist das Federmodell zur Berechnung der topologischen Lastverteilung für ei-
ne Eingriffsstellung gezeigt. Die Verformungen des Gehäuses und Fundaments sowie
die Steifigkeitsmatrix des Welle-Lager-Systems entsprechen denen der zweidimensio-
nalen Methode. Je nach Eingriffsstellung sind ein oder mehrere Zahnpaare im Ein-
griff. Jedes Zahnpaar wird im Modell mit einer separaten Steifigkeitsmatrix abgebildet.
Die Steifigkeitsmatrix eines Zahnpaars enthält die Anteile aus Zahnwurzelverformung,
Zahnverformung und Hertzscher Abplattung. Jeder Steifigkeitsmatrix eines Zahnpaars
ist ein Abweichungsvektor zugeordnet, mit dem Verzahnungskorrekturen bzw. Verzah-
nungsabweichungen berücksichtigt werden können. Sowohl die Steifigkeitsmatrizen als
auch die Abweichungsvektoren der verschiedenen Zahnpaare können unterschiedlich
sein.
Verformungen des
Fundaments und
Gehäuses
Steifigkeitsmatrix des
Welle-Lager-Systems
Welle 1
Steifigkeitsmatrixt
Zahnpaar 1
Hertzsche Abplattung
Steifigkeitsmatrix
Zahnverformung (Biegung und Schub)
Zahnpaar 2
Steifigkeitsmatrix des
Zahnwurzelverformung Welle-Lager-Systems
Welle 2
Verformungen des
Fundaments und
Gehäuses
pro Breite fb,3D , die als Umfangskraft am Grundkreis im Stirnschnitt pro Breitenein-
heit definiert ist. Die Berechnungsergebnisse der dreidimensionalen Linienlastvertei-
fb,3D
lung aus RIKOR werden als Wertetripel exportiert und liegen in der Form
ξ
η
vor.
Zur Ermittlung des Breitenlastfaktors KHβ muss die Linienlastverteilung auf der Flanke
auf eine Breitenlastverteilung der Verzahnung reduziert werden. Hierzu wird die Linien-
lastverteilung für jeden Breitenabschnitt entlang einer Eingriffsteilung gemittelt, wobei
Linienlasten, die im Mehrfacheingriffsgebiet von verschiedenen Zahnpaaren übertra-
gen werden, aufsummiert werden. Dies ist notwendig, da die mittlere Linienlast der
Verzahnung pro Breitenabschnitt berechnet werden muss und damit die Summe der
Kräfte aller im Eingriff befindlicher Zahnpaare berücksichtigt werden muss.
fb,3D Berührlinie 1
Berührlinie 8
x
Berührlinie 13
h
Bild 66: Lastverteilungsunterschiede in Breitenrichtung
fb,3D
Linienlast
x
Ei
ng e
ri fsb reit
ff
ss Ein grif
tr
ec
ke h
Näherungsweise ist der Anteil der n Werte gleicher Breite, die auf einer Eingriffsteilung
liegen, nT eilung = n/εα . Deshalb wird der Mittelwert der Linienlasten, der über der ge-
samten Eingriffsstrecke gemittelt ist, mit εα multipliziert, um ihn auf eine Eingriffsteilung
zu beziehen. Hierfür gilt die numerische Näherung nach Gleichung 65. Der über einer
Eingriffsteilung gemittelte Wert der Linienlastverteilung (Fb /b)3D entspricht der Verzah-
nungskraft pro Breite und ist die Summe der Linienlasten pro Breitenabschnitt bezogen
auf die Anzahl der Werte einer Eingriffsteilung.
n
εα X
(Fb /b)3D,ξ = fb,3D,ξ,i (65)
n i=1
Diese Mittelung setzt voraus, dass die Mess- bzw. Berechnungspunkte einer Breiten-
gruppe der Linienlastverteilung über der Eingriffsstrecke gleichmäßig verteilt sind. Von
der Eingriffsstellung abhängige Einflüsse auf die Linienlastverteilung gleichen sich über
einen gesamten Zahneingriff aus.
Bei schrägverzahnten Verzahnungen verlaufen die Berührlinien schräg über der Ein-
griffsfläche. Hierdurch entsteht für einzelne Berührlinien ein Zusammenhang von Stei-
figkeitsunterschieden in Eingriffsrichtung und Lastverteilung in Breitenrichtung. Auch
dieser Einfluss aus der veränderlichen Steifigkeit in Profilrichtung wird durch die Mitte-
lung in Profilrichtung weitestgehend kompensiert.
Aus der Breitenlastverteilung (Bild 68) werden der Mittelwert (Fb /b)3D,mit und der Ma-
ximalwert (Fb /b)3D,max bestimmt.
1200
1000
Linienlast pro Breite (N/mm)
800
600
0
0 20 40 60 80 100 120
Verzahnungsbreite (mm)
(Fb /b)3D,max
KHβ,3D = (66)
(Fb /b)3D,mit
130 Verzahnungstragfähigkeit mit erweiterten Berechnungsverfahren
KHβ,3D [−] Breitenlastfaktor für die Flanke aus einer 3-D Linienlastverteilung
(Fb /b)3D,max [N/mm] Maximalwert der über einer Eingriffsteilung gemittelten Verzah-
nungskraft pro Breite
(Fb /b)3D,mit [N/mm] Mittelwert der über einer Eingriffsteilung gemittelten Verzah-
nungskraft pro Breite
Die Berechnung von KHβ als dimensionsloser Faktor mit Umfangskräften an den
Grundkreis ist zulässig, da das Verhältnis von Kräften an den Teilkreis und Kräften
an den Grundkreis konstant ist.
Bei der Bestimmung der Breitenlastverteilung mit der ebenen, zweidimensionalen Me-
thode sind die Breitenabschnitte der Verzahnung unabhängig voneinander verformbar.
Das bedeutet, dass ein unbelasteter Abschnitt unverformt bleibt, auch wenn ein be-
nachbarter Abschnitt verformt ist. Bei der dreidimensionalen Methode sind die Breiten-
abschnitte nicht unabhängig voneinander verformbar. Ist ein Breitenabschnitt belastet
und ein benachbarter Breitenabschnitt unbelastet, wird auch der unbelastete Abschnitt
mitverformt. Hieraus resultiert eine erhöhte Steifigkeit des belasteten Abschnitts, da
er vom unbelasteten Abschnitt unterstützt wird. Besonders bei Verzahnungen, deren
Berührlinien nicht über die gesamte Verzahnungsbreite tragen (z.B. bei Schrägverzah-
nungen oder unvollständigem Tragbild über die Breite), treten nach der dreidimensio-
nalen Methode höhere Steifigkeiten pro Breitenabschnitt auf. Hieraus resultiert eine
ungleichmäßigere Breitenlastverteilung und ein höherer Wert für KHβ .
Neben der genaueren Berechnung der Zahnnachgiebigkeiten kann auch die Erhöhung
des Überdeckungsgrades aufgrund von vor- und nachzeitigem Zahneingriff berücksich-
tigt werden. Bei nicht ausreichender Profilkorrektur der Zahnräder kann vor- und nach-
zeitiger Zahneingriff stattfinden, der zu einer höheren Profilüberdeckung unter Last εα,w
und damit auch zu einer höheren mittleren Verzahnungssteifigkeit cγ führt.
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 131
Im Rahmen des Forschungsvorhabens Nr. 30/VI der FVA wurde das Programm RI-
KOR um den Einfluss des vor- und nachzeitigen Zahneingriffs erweitert. Wird dieser
Einfluss bei der Berechnung berücksichtigt, kann sich die Aufteilung der Gesamtver-
zahnungskraft auf die im Eingriff befindlichen Zahnpaare lastbedingt ändern. Um die
detaillierteren Berechnungsergebnisse von RIKOR I in das Tragfähigkeitsverfahren ein-
bringen zu können, muss zunächst überprüft werden, inwieweit das Verfahren und die
hinterlegten Festigkeitswerte ihre Gültigkeit behalten.
mengestellt. Anhand dieser Prüfverzahnung soll der Einfluss der Überdeckung unter
Last bei korrigierter und unkorrigierter Verzahnung auf die Zahnfußtragfähigkeit erläu-
tert werden.
Die Grundlage dieses Verfahrens stellt die topologische Lastverteilung dar. In Bild 69
und Bild 70 sind die Linienlastverteilungen einer unkorrigierten Geradverzahnung ohne
und mit vor- und nachzeitigem Zahneingriff dargestellt.
Linienlast
Ei
ng
ri
ff
ss e
tr gsb reit
ec a hnun
ke Verz
Bild 69: Dreidimensionale Linienlastverteilung über der Eingriffsfläche ohne Vor- und Nachzeit
In Bild 69 ist die Lastübertragung durch Beginn A und Ende E der geometrischen Ein-
griffsstrecke begrenzt. Berührlinien außerhalb der geometrischen Eingriffsstrecke wer-
den nicht beachtet. Der Übergang von Doppel- zu Einzeleingriff in Punkt B sowie der
Übergang von Einzel- zu Doppeleingriff in Punkt D sind sprunghaft. Üblicherweise tre-
ten bei Geradverzahnungen in den äußeren Einzeleingriffspunkten B und D die maxi-
malen Zahnfußbiegemomente im Zahnfuß für Rad und Ritzel auf.
In Bild 70 wird auch außerhalb der geometrischen Eingriffsgrenzen A und E Last über-
tragen. Durch diese Erhöhung des Überdeckungsgrades sind die äußeren Bereiche
des Einzeleingriffs teilweise entlastet. Durch die Verringerung der Linienlast in den Be-
reichen, aus denen das maximale Zahnfußbiegemoment resultiert, sinkt die maximale
Zahnfußspannung der Verzahnung.
Durch Profilkorrekturen kann die Last in den Doppeleingriffsgebieten von einem Zahn-
paar auf ein anderes umverteilt werden. Bei Profilüberdeckungen zwischen eins und
zwei bewirken Rücknahmen am Zahnkopf eine Verschiebung der Last vom Eingriffs-
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 133
Linienlast
A’
A
Ei
ng
ri
ff
ss mm
tr
ec eite
ke E nun gsbr
E’ Ve rzah
Bild 70: Dreidimensionale Linienlastverteilung über der Eingriffsfläche mit Vor- und Nachzeit
In Bild 71 ist die Linienlastverteilung der Geradverzahnung nach Tabelle 18 unter Be-
rücksichtigung von Kopfrücknahmen an Ritzel und Rad mit dem Betrag Ca = 40µm
dargestellt. Bei der Berechnung sind die Eingriffsbereiche der Vor- und Nachzeit nicht
berücksichtigt. Durch die Kopfrücknahmen, die den Eingriffsbeginn und das Eingriffsen-
de bei dem berechneten Drehmoment am Ritzel von T1 = 550N m nahezu vollständig
entlasten, wird die Eingriffsstellung, bei der die maximale Zahnfußspannung auftritt,
nicht verändert.
Ausgehend von der Linienlastverteilung wird in RIKOR für die einzelnen Lastverläufe
der berechneten Berührlinien F (x) der Verlauf des spezifischen Zahnfußbiegemomen-
tes M b (x) entlang der Breite x bestimmt. In Bild 73 ist schematisch der Biegemomen-
tenverlauf dargestellt, der aus der Linienlast einer diskreten Eingriffsstellung resultiert
und auf der Zahnmittenebene aufgetragen ist. Hierfür werden Näherungsgleichungen
134 Verzahnungstragfähigkeit mit erweiterten Berechnungsverfahren
Linienlast
Ei
ng
ri
ff
ss eite
tr sbr
ec ah nung
ke Verz
Bild 71: Dreidimensionale Linienlastverteilung über der Eingriffsfläche ohne Vor- und Nachzeit
mit auf die Belastung angepasster Kopfrücknahme für Ritzel und Rad
Linienlast
A’
Ei A
ng
ri B
ff
ss C
tr
ec D mm
ke E 10
e
gsb reit
E’
a hnun
Verz
Bild 72: Dreidimensionale Linienlastverteilung über der Eingriffsfläche mit Vor- und Nachzeit
mit auf die Belastung angepasster Kopfrücknahme für Ritzel und Rad
dauer bestimmt.
Nach einem Vorschlag von Schinagl [54] lässt sich mit RIKOR eine schadensäquiva-
lente Zahnfußspannung aus den maximalen Zahnfußspannungen über der Breite be-
stimmen, die mit Festigkeitswerten der Norm verglichen werden kann.
In Bild 74 sind die Verläufe der maximalen Zahnfußspannungen σF,RIKOR−3D mit durch-
gezogenen Linien und die Überdeckungen unter Last εα,w mit gepunkteten Linien über
dem Verzahnungsdrehmoment an Rad 1 eingezeichnet. Die vier verschiedenen Be-
rechnungen basieren auf der Verzahnung in Tabelle 18. Die Verzahnung wird mit und
ohne Profilkorrektur bestehend aus Kopfrücknahmen für Ritzel und Rad mit einem
Rücknahmebetrag von Ca = 40µm ausgeführt. Die korrigierte und unkorrigierte Ver-
zahnung wird jeweils mit und ohne Berücksichtigung des vor- und nachzeitigen Zahn-
eingriffs berechnet.
1800 2.2
σF,RIKOR−3D ohne VZ und KR
σF,RIKOR−3D mit VZ ohne KR
1600 σF,RIKOR−3D ohne VZ mit KR
σF,RIKOR−3D mit VZ und KR
2.0
1400
max. Zahnfussspannung in N/mm2
1000
1.6
800
600 1.4
400
εα,w ohne VZ und KR 1.2
200 εα,w mit VZ ohne KR
εα,w ohne VZ mit KR
εα,w mit VZ und KR
0 1.0
0 100 200 300 400 500 600 700
Drehmoment an Rad 1 in Nm
Bild 74: Verlauf der max. Zahnfußspannungen und der Profilüberdeckung unter Last der Prüf-
verzahnung nach Tabelle 18 über dem Verzahnungsdrehmoment mit und ohne Kopf-
rücknahme (KR) unter Berücksichtigung und Vernachlässigung der Vor- und Nachzeit
(VZ)
Zahnfußspannung maßgebend ist. Damit bleibt die Hebellänge für das Zahnfußbiege-
moment konstant und die Zahnkraft steigt linear mit dem Drehmoment.
Die Ergebnisverläufe der korrigierten Verzahnung sind mit Kreissymbolen für die Be-
rechnung ohne vor- und nachzeitigen Zahneingriff (ohne VZ mit KR) und mit Raute-
symbolen für die Berechnung mit vor- und nachzeitigem Zahneingriff (mit VZ und KR)
gekennzeichnet. Der Rücknahmebetrag der Kopfkorrekturen Ca = 40µm entspricht ei-
ner Zahnpaarverformung im Einzeleingriffsgebiet bei einem Drehmoment am Rad 1
von etwa 360 Nm. Unterhalb dieser Belastung sind Randbereiche der geometrischen
Eingriffsstrecke lastfrei, wodurch die Überdeckung unter Last unter den geometrischen
Überdeckungsgrad sinkt. Dies führt auch zu einer Verlängerung des Einzeleingriffs-
gebietes, was eine geringfügige Erhöhung der Zahnfußspannung verglichen mit den
Werten der unkorrigierten Verzahnung mit sich bringt. Vor- und nachzeitiger Zahnein-
griff treten bei Drehmomenten unterhalb 360 Nm nicht auf, weshalb sich die Verläufe
der Berechnung mit und ohne Vor- und Nachzeit bei korrigierten Verzahnungen nur im
Bereich sehr kleiner Drehmomente aufgrund von Rechenungenauigkeiten unterschei-
den.
Jenseits des Grenzdrehmomentes von ca. 360 Nm findet bei der Berechnung mit
Vor- und Nachzeit bei korrigierter Verzahnung eine Erhöhung des Überdeckungsgra-
des über den geometrischen Wert statt, weshalb der Anstieg der Zahnfußspannung ab
diesem Punkt flacher wird. Ohne Berücksichtigung der Vor- und Nachzeit ist eine Er-
höhung der Überdeckung unter Last über den Wert der geometrischen Überdeckung
nicht möglich. Die Werte für Zahnfußspannung und Überdeckung unter Last bei kor-
rigierter Verzahnung entsprechen deshalb den Werten der unkorrigierten Verzahnung
ohne Vor- und Nachzeit (Kreis- und Dreieckssymbole liegen auf einer Linie).
Profilkorrekturen, die vor- und nachzeitigen Eingriff vermeiden, können nur für ein be-
stimmtes Drehmoment ausgelegt werden. Bis zu diesem Drehmoment tritt kein vor-
und nachzeitiger Zahneingriff auf, jedoch kann sich unterhalb dieses Drehmoments die
Überdeckung unter Last verringern. Für an ein Nenndrehmoment angepasst profilkorri-
gierte Verzahnungen spielt der Effekt der Vor- und Nachzeit eine untergeordnete Rolle.
Für unterdimensionierte Korrekturbeträge kann jedoch mit der Berücksichtigung des
vor- und nachzeitigen Zahneingriffs bei der Berechnung der Zahnfußspannungen und
der Sicherheit gegen Zahnfußbruch die tragfähigkeitssteigernde Wirkung der Erhöhung
des Überdeckungsgrades unter Last ausgewiesen werden.
Diese Tragfähigkeitsreserven dürfen jedoch nur unter Beachtung der schädigenden Ef-
fekte des vor- und nachzeitigen Zahneingriffs herangezogen werden. Wird bei einer
Verzahnung vor- bzw. nachzeitiger Zahneingriff zugelassen, muss mit folgenden Nach-
teilen gerechnet werden:
138 Verzahnungstragfähigkeit mit erweiterten Berechnungsverfahren
• Eingriffsstöße,
• Zahnschwingungen,
• kurzzeitige Übersetzungsänderungen,
• Materialabtrag im Fußflankenbereich.
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 139
Verformungen im Welle-Lager-System
Die Getriebewellen können sowohl in radialer als auch in axialer Richtung statisch be-
stimmt und statisch mehrfach unbestimmt gelagert sein. Für Wälz- und Gleitlager kann
das Steifigkeitsverhalten mit angeschlossenen Programmteilen berechnet werden. Alle
praxisrelevanten Bauformen von Wälzlagern können mit dem angeschlossenen Un-
terprogramm LAGER2 berechnet werden. Einfache Gleitlagerbauformen können über
Näherungsgleichungen programmintern berechnet werden. Für komplexere Gleitlager-
bauformen kann das Belastungs-Verformungsverhalten über Tabellen angegeben wer-
den. Für überschlägige Berechnungen können die Lagersteifigkeiten auch direkt als
Einzelwerte oder als Kennlinie in Form von Wertepaaren aus Belastungs und Verfor-
mungswerten angegeben werden. Die Lagerstellen der Getriebewelle können auch mit
Gehäusesteifigkeiten beaufschlagt werden, die zu einer zusätzlichen Nachgiebigkeit
der Lagerstelle führen.
Das Belastungs-Verformungs-Verhalten von Wälz- und Gleitlagern ist meist stark nicht-
linear und mehrdimensional. Aus diesen Gründen ist die Abbildung des Lagerverhal-
tens im linearen Gleichungssystem der Wellenverformung nicht möglich. Die Lager-
140 Zusammenfassung
Da die Verformung in der Verzahnung die Ursache für vor- und nachzeitigen Zahn-
eingriff ist, wird zusammenfassend auf die Einflüsse verschiedener Verzahnungspara-
meter auf die Verformung hingewiesen. Für eine effektive lastbedingte Erhöhung der
Überdeckung einer Verzahnung ist das Zusammenwirken von Verformung im Verzah-
nungskontakt und geometrischer Neigung der Verzahnung zu betrachten. In einer ab-
schließenden Parametervariation wird der resultierende Überdeckungsgrad unter Last
bei vergleichbar beanspruchten Verzahnungen untersucht. Als einflussreichste Geo-
metriegrößen der Verzahnung auf vor- und nachzeitigen Zahneingriff sind die Gesamt-
zähnezahl und das Zähnezahlverhältnis zu nennen.
Die Zahnkraft wird entlang von Berührlinien auf den Zahnflanken übertragen, die bei
Geradverzahnung achsparallel zu Zahnkopf und -fuß, bei Schrägverzahnung schräg
über der Zahnflanke verlaufen. Die hinreichende Verformung fh für vor- bzw. nachzei-
tigen Zahneingriff ist eine entlang der Eingriffskoordinate veränderliche Abweichung
außerhalb des theoretischen Eingriffsgebiets, die bei Geradverzahnung die Kraftauf-
teilung auf mehrere gleichzeitig im Eingriff befindliche Zähne beeinflusst. Bei Schräg-
verzahnung überdecken die Berührlinien einen gewissen Bereich der Eingriffsstrecke.
Somit können die Abweichungen in der Vor- und Nachzeit sowohl die Kraftaufteilung
Lastübertragung im verformten System Lager-Welle-Zahnrad 141
zwischen mehreren Zahnpaaren als auch die Lastverteilung entlang einzelner Berühr-
linien beeinflussen.
Die lokale Beanspruchung der Zahnflanken kann mit Hilfe der Hertzschen Pressung
beurteilt werden. Im Bereich der Vor- und Nachzeit herrschen durch den Kontakt der
Kopfkante mit evolventischem Flankenbereich besondere Krümmungsverhältnisse vor.
Aus FEM-Pressungsberechnungen bei vorzeitigem Zahneingriff wurden Verläufe der
Ersatzkrümmungsradien außerhalb des theoretischen Eingriffs abgeleitet und in einer
parametrischen Funktion abgebildet.
Erweiterte Tragfähigkeitsberechnung
Ausblick
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