Apfelsorten im Gespräch
Apfelsorten mit Schorfresistenz
für den biologischen Apfelanbau
in Südtirol?
Markus KELDERER, Ewald LARDSCHNEIDER, Versuchszentrum Laimburg
In Südtirol werden ca. 30.000 t biologische Äpfel
produziert. Diese Menge entspricht 3,5% der
Südtiroler Apfelproduktion und ca. 20 - 25% der
Gesamtmenge der biologischen Tafeläpfel in
Europa.
D
ie Vermarktung erfolgt über den
gesamten Zeitraum des Jahres,
die wichtigsten Abnahmeländer sind
Deutschland, Italien, Großbritannien,
Skandinavien und die Schweiz. Ein
Großteil der Ware wird über die Han-
delsketten vermarktet, der Naturkost-
handel in den verschiedenen Export-
ländern zieht regionale Ware vor und
greift auf die Angebote in Südtirol
erst zurück, wenn diese aufgebraucht
ist.
APFELSORTIMENT IM
BIOLOGISCHEN ANBAU UND
ANBAUBEDINGUNGEN
Ähnlich wie im konventionellen An-
bau steht auch im biologischen Anbau
die Sorte Golden Delicious an erster
Stelle, vor allem in der hohen Lage
(z.B. Vinschgau), findet diese Sorte
optimale Anbaubedingungen. In der
Tallage wurde diese Sorte wegen ihrer
Schorf- und Berostungsempfindlich-
keit häufig von neuen Sorten ersetzt.
In diesen Lagen wurden vor allem
Gala und Braeburn gepflanzt; ver-
suchsweise wurden Anlagen mit Pink
Lady, Fuji und nur in geringem Aus-
maß schorfresistente Sorten gepflanzt.
Darin unterscheidet sich Südtirol we-
sentlich von anderen Anbaugebieten.
Während der Bioobstbau in ganz Eu-
ropa großes Interesse an resistenten
362
rina, Topaz (EU-Sortenschutz seit
1998) und Coop 38 - GoldRush®
(EU-Sortenschutz seit 2001) zu pflan-
zen. Delorina, eine Schwestersorte
von Florina, übertraf die selbe in Ge-
schmack, Aussehen und Ertrag. Re-
lativ schnell beklagten die Abnehmer
große Ausfälle nach der Lagerung.
Sorten zeigt, beschränken sich die Diese Ausfälle konnten nach genaue-
Anlagen mit resistenten Sorten in Süd- ren Untersuchungen der Kategorie
tirol auf einige wenige Hektar. Histo- der Kälteschäden zugeordnet werden.
risch gesehen gab es in Südtirol immer Die Sorte war lanciert worden, ohne
wieder Versuche, schorfresistente Sor- vorher ihre Lagereigenschaften zu un-
ten einzuführen. Ende der 80er, An- tersuchen. Für die Vermarktung war
fang der 90er Jahre wurden die ersten damit die Sorte „gestorben”.
Florina-Anlagen erstellt. Die meisten GoldRush®, eine goldenähnliche Sor-
Anlagen wurden aber bald wieder te, überzeugte von Beginn an durch
gerodet. Die Sorte
konnte weder im
Geschmack, noch in
der Lagereigenschaft
und noch viel weni-
ger im Ertragsver-
halten überzeugen.
Auf Florina folgten,
von einem Artikel in
OBSTBAU*WEIN-
BAU beflügelt (10/92),
zaghafte Versuche
mit der granny-
ähnlichen Sorte
Baujad. Die Sorte
erwies sich bald als
Catarina, eine fuji-ähnliche, schorfresistente Sorte
schlechter Ersatz für aus Übersee.
den weltweit be-
kannten Granny Smith, weil sie zu ihre fast unschlagbaren Geschmacks-
unterschiedlich im Geschmack und und Lagereigenschaften. Trotz einiger
außerdem fast genauso schalenbräu- agronomischer Schwachpunkte
neempfindlich war. (Mehltauempfindlichkeit, schwacher
Mitte der 90er Jahre gab die damals Wuchs und Alternanzverhalten) wur-
größte Vermarktungsstruktur für Bio- den in den Tal- und Hügellagen einige
äpfel in Südtirol die Empfehlung her- Anlagen gepflanzt. Ein durchschla-
aus, versuchsweise die Sorten Delo- gender Erfolg wurde GoldRush® aber

bisher nicht. Dafür bedürfte es einer als nicht unproblematisch. Vor allem
gezielteren Marketingstrategie, die die Kragenfäuleanfälligkeit brachte
GoldRush® von anderen Goldentypen große Ausfälle in den Anlagen. Ob
abzuheben vermag. Eine solche Stra- der Anbau über eine Zwischenvered-
tegie erscheint auch deshalb wichtig, lung dieses Problem zu lösen vermag,
weil GoldRush® im Aussehen nicht muss sich in den nächsten Jahren zei-
sehr attraktiv ist und die Sorte dem gen. Während im Ausland kräftig To-
Konsumenten als eine Besonderheit paz gepflanzt wurde und noch weiter
angeboten werden müsste. gepflanzt wird, blieb es in Südtirol
In Deutschland, Österreich, der bei ein paar Hektar.
Schweiz und in den Niederlanden Derzeit ist in Südtirol das Interesse
wurde in der Zwischenzeit die Sorte an schorfresistenten Sorten nicht be-
Topaz lanciert. Auch in Südtirol ent- sonders groß. Viel mehr interessiert
standen die ersten Anlagen. Die Sorte die Bioobstbauern, wie sie die kon-
überzeugte geschmacklich in vielen ventionellen Hochpreissorten (z.B.
Vergleichsverkostungen und gefiel Fuji und Cripps Pink - Pink Lady)
den Biokonsumenten, obwohl sie von biologisch produzieren können. Der
den Pomologen als zu flach gebaut Grund dafür liegt unserer Meinung
beurteilt wurde. Möglicherweise ge- nach im relativ trockenen Klima Süd-
fällt sie vor allem deshalb, weil sie tirols, welches die Garantie liefert,
verschiedenen alten Sorten ähnlich dass der Schorf bei uns bei weitem
sieht. Etwas vorsichtig, aufgrund der nicht so aggressiv auftritt als in an-
Erfahrungen aus der Vergangenheit, deren Gebieten. Dazu kommt noch,
wurden in Südtirol mehrjährige La- dass wir mit der Schwefelkalkbrühe
gerversuche mit verschiedenen Lager- ein sehr gutes Mittel haben, den
verfahren angelegt, welche die Gren- Schorf zu regulieren und auch gelernt
zen der Sorte bald aufzeigten. Vor haben, dieses optimal einzusetzen.
allem Talware, aber auch die Hügel- Sind in unmittelbarer Zukunft neue,
und Bergware, konnten in der Lage- hochwertige, schorfresistente Sorten
rung nicht überzeugen. Die Sorte zeig- zu erwarten?
te sich als sehr empfindlich gegenüber In den vergangenen Jahren haben sich
Fäulnissen und Fleischbräune. Zu früh zahlreiche öffentliche und private
Züchtungsstationen
intensivst mit der
Zucht von schorfre-
sistenten Sorten be-
schäftigt. Die Er-
gebnisse dieser
Arbeiten werden
derzeit in den Ver-
suchsanstalten ge-
prüft und sind auch
schon teilweise im
Handel erhältlich. Ob
und welche dieser
Sorten sich im Anbau
und der Vermarktung
durchsetzen werden,
Der in Pergine, Val Sugana (TN), gezüchtete Golden
Orange. müssen weitere Be-
obachtungen im
geerntete Früchte brachten Ausfälle Versuch und der Praxis zeigen.
durch Schalenbräune und Morschig-
keit. Nach wenigen Monaten im Lager SORTENBESCHREIBUNG
und besonders nach der Shelf–Life–- EINIGER ZUKUNFTSTRÄCHTIGER
Periode verlor die Sorte die Festigkeit RESISTENTER SORTEN
und Säure und dadurch ihre guten
Geschmackseigenschaften. Auch Catarina: Die Sorte stammt aus der
agronomisch erwies sich die Sorte Versuchsanstalt Epagri in Santa Ca-
11/2004
tarina – Brasilien. Die Züchtungspart-
ner sind Fuji x PWR 37 T 133 (2002
zum EU-Sortenschutz angemeldet).
Der Baum hat ähnlich wie bei der
Sorte Fuji ein sehr starkes Wachstum,
kommt langsam in Ertrag und ist al-
ternanzanfällig. Die Frucht ist groß,
hat eine weinrot, gestreifte Ausfär-
bung, die jedoch nicht so stark aus-
geprägt ist wie bei einem Fuji-
Standard. Das Fruchtfleisch ist saftig,
betont süß mit ausgewogenem Säu-
reanteil. Die Sorte besitzt eine gute
Schorfresistenz und ist gegenüber
Mehltau nur gering anfällig. Die Ernte
erfolgt zeitgleich mit Fuji. Die Lager-
fähigkeit wird als gut eingestuft.
Golden Orange: Es handelt sich hier-
bei um eine, dem Golden Delicious
ähnelnde Sorte. Sie stammt aus dem
Züchtungsprogramm des Istituto per
la Frutticoltura SOP di Trento. Züch-
tungspartner sind P.R.I. 1956-6 und
Ed Gould Golden (EU-Sortenschutz
seit 2002). Lizenzinhaber ist das
Consorzio vivaisti frutticoli trentini.
Das Wachstum des Baumes ist mit-
telstark. Die Sorte kommt früh in
Ertrag und hat eine mittelhohe Er-
tragsleistung. Die glattschaligen
Früchte sind mittelgroß, besitzen eine
gelbgrüne Grundfarbe, welche mit
einer leicht orangeroten Backe aus-
gestattet sind. Das Fruchtfleisch ist
kompakt mit feiner Textur und hat
einen mittelsüßen, leicht säuerlichen
Geschmack. Die Schorfresistenz ist
nicht sehr stark ausgeprägt, so dass
in feuchteren Klimaten einige Schorf-
behandlungen notwendig sein können.
Die Anfälligkeit gegenüber Mehltau
kann als mittelmäßig eingestuft wer-
den. Der Erntezeitpunkt ist in etwa
wie der des Golden Delicious. Die
Lagereigenschaften sind durchschnitt-
lich.
Dalinbel: Die Sorte stammt aus einer
Kreuzung von Elstar und dem Resi-
stenzträger X3191. Züchter und Li-
zenzträger ist die Baumschule Davo-
deau Ligonnière, F (EU-Sortenschutz
seit 2002). Das Baumwachstum ist
kompakt, mit einer guten Garnierung.
Die mittelgroße elstar-ähnliche Frucht
ist 60 - 90% mit orangeroten bis roten
Deckfarbe überzogen. Die Grundfarbe
▼
363
▼
ist gelb, die Deckfarbe verwaschen
bis gestreift. Die Früchte sind knackig
bis saftig mit einem harmonischen
Zucker-Säureverhältnis. Das Baum-
wachstum ist kompakt mit einer guten
Garnierung. Der Ertrag setzt früh ein
und die Produktivität ist gut. Dalinbel
ist kaum alternanzanfällig. Die
Schorfresistenz wird als gut eingestuft.
Die Sorte ist allerdings stark mehl-
tauanfällig. Der Erntetermin liegt ca.
1 Woche nach jenem der Sorte Elstar.
Das Erntefenster ist relativ eng. Das
Lagerverhalten und Shelf-Life sind
etwas günstiger als bei Elstar. Die
geschmacklichen Eigenschaften bau-
en am Lager stark ab.
Collina: Die Kreuzungspartner dieser
Sorte sind Priscilla und Elstar. Die
Sorte stammt von einem privaten
Züchter aus den Niederlanden (2001
zum EU-Sortenschutz angemeldet).
Lizenzinhaber ist die Baumschule
Fleuren, NL. Das Wachstum des Bau-
mes ist mittelstark mit guter Verzwei-
gung. Die Früchte sind mittelgroß,
etwas heterogen und besitzen 40 –
60% rote Deckfarbe. Bei fortgeschrit-
Weitere Apfelsorten im Gespräch
Kurt WERTH, SK Südtirol
Jazz®®..
Jazz
364
tener Reife kann etwas Vorerntefrucht-
fall eintreten. Die Sorte hat einen
fein-säuerlichen Geschmack und eine
angenehme Saftigkeit sowie eine gute
Festigkeit. Collina verfügt für eine
Frühsorte über ein relativ gutes Lager-
und Shelf-Life-Verhalten. Der Ernte-
termin liegt ca. 20 Tage vor dem der
Sorte Gala.
Ohne auf weitere Details einzugehen
zitieren wir zur Information noch ei-
nige schorfresistente Sorten, die im
Ausland eine gewisse Bedeutung er-
langt haben, für den Südtiroler Obst-
bau aber entweder nicht zugänglich
bzw. kaum auf Interesse gestoßen
sind.
Ariane (kleinfrüchtig rot) mit EU –
Sortenschutz seit 2004 und Doriane
(gelb) 2003 zum EU-Sortenschutz an-
gemeldet, sind aus dem Züchtungs-
programm INRA/NOVADI hervorge-
gangen und werden in Frankreich
unter der Markenbezeichnung Les
Naturianes® angebaut und vermarktet.
Ebenfalls vom INRA aus Frankreich
stammt Initial (EU-Sortenschutz seit
2001), eine großfruchtige Frühsorte.
Scifresh - Jazz® ist eine Braeburn x
Gala Kreuzung aus dem Züchtungs-
programm von HortResearch, Ha-
velock North in Neuseeland. Die Ex-
klusivrechte sind in den Händen von
ENZA (Turners & Growers.) Scifresh
wurde im Jahre 2001 zum EU-
Sortenschutz angemeldet. Die Frucht
ähnelt einem schön leuchtend rotge-
färbten Braeburn, hat aber wesentlich
höhere innere Qualitätsmerkmale, mit
hohem Zucker- und Säureanteil, ho-
hem spezifischen Gewicht und hoher
Die Nummer eins resistenter Sorten
der Baumschule Delbard in Frank-
reich ist Delfloki (pink mit markanten
Lentizellen), 2003 zum EU-
Sortenschutz angemeldet. Eine nieder-
ländische Züchtung ist Santana (EU-
Sortenschutz seit 1998). Aus Dres-
den/Pillnitz stammt eine Serie resi-
stenter Sorten, die aber auch in
Deutschland über den Hausgarten-
Anbau kaum hinaus gekommen sind:
Rebella, Regine*, Renora*, Retina,
Resi*, Reanda, Rebella*, Reglindis,
Relinda, Reka, Rewena und Remo
(* = Sortenschutz seit 2002).
Aus dem tschechischen Züchtungsin-
stitut Holovousy sind Rubinstep
(2000 zum EU-Sortenschutz angemel-
det) und Angold hervorgegangen
und aus dem Institut für experimen-
telle Botanik ebenso aus Tschechien
sind Rubinola (EU-Sortenschutz seit
2000) und Luna (2003 zum EU-
Sortenschutz angemeldet) erwähnens-
wert.
Unter dem Markennamen Juliet® hat
die amerikanische Coop 43-Züchtung
(EU-Sortenschutz seit 2004) ein ge-
wisses Interesse geweckt.
Fruchtfleischfestigkeit. Die Sorte ist
kleinfruchtiger und weniger produktiv
als Braeburn.
Jazz® wird weltweit exklusiv über
ENZA vermarktet. Die Vermarktungs-
strategie für diese Sorte geht also
über den Club-Gedanken hinaus und
ist insofern in gewissem Sinne:
„Anbau im Auftrag” von ENZA, die
sich alle Rechte vorbehält. Langfri-
stiger Plan ist es, weltweit 6 Mio.
Kartone (à 18 kg) zu produzieren,
aufgeteilt zu je der Hälfte auf den