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Tagung
Proceedings of the 27th International Meeting
Quality Control Fruit & Vegetables
© IAT, 2009
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Zur heutigen Veranstaltung hätte ich gerne in Frankreich und Belgien aktiv. Es wurde
ein großes Spektrum an Birnensorten mitge- selektiert, aber auch gezüchtet. Aus dieser
bracht. Leider ist dies aus dem Bestand der Zeit sind heute noch einige Birnensorten im
obstbaulichen Prüfstelle Wurzen des Bundes- Anbau, die noch immer einen sehr hohen
sortenamtes zum gegenwärtigen Zeitpunkt Marktwert besitzen. Auswanderer haben
nicht möglich. Im März ist die Qualität so Vermehrungsmaterial der Birne nach Aust-
mancher wertvoller Birnensorte schon zu ralien und Amerika gebracht und auch dort
weit fortgeschritten. Im Folgenden berichte entstand eine rege Züchtungsarbeit.
ich von meiner Arbeit als Versuchstechniker
bei der Registerprüfung Birne des Bundessor- Sortenentwicklung vom Anfang bis zur
tenamtes. Gegenwart
Entwicklung der Kulturbirne Ein Blick auf eine Liste der alten Birnensor-
ten zeigt dem Birnenliebhaber die eine oder
Beginnen wir mit der geschichtlichen Ent- andere sehr bekannte Sorte.
wicklung.
Unsere Kulturbirne Pyrus communis ist aus Hardenponts
1759 Belgien
verschiedenen Wildbirnenarten entstanden. Butterbirne
Maßgeblich daran beteiligt ist Pyrus pyraster, 1760 Pastorenbirne Frankreich
unsere Holz- oder Wildbirne, die auch einmal 1770 Williams Christ England
der Baum des Jahres 1998 gewesen ist.
Pyrus nivalis ist die Ausgangsart für zahlrei- 1778 Gute Luise Frankreich
che Mostbirnensorten, die vor allem in Öster-
1811 Tongern Belgien
reich angebaut werden.
Pyrus pyrifolia ist die Ausgangsart für die Nas- 1860 Clapps Liebling USA
hibirnen. Pyrus betulifolia hat sich vor allem
1866 Abbé Fétel Frankreich
in Italien und Östereich als mittelstark wach-
sende Unterlage einen Namen gemacht. 1870 Alexander Lucas Frankreich
Pyrus salacifolia ist eine Wildbirnenart, die
1879 Herzogin Elsa Deutschland
als Ziergehölz in manchen Parks oder Haus-
gärten zu finden ist. Insgesamt zählt man 20 1894 Conference England
bis 30 Wildbirnenarten.
1896 Packhams Triumph Australien
Ähnlich wie der Apfel hat die Kulturbirne
ihren Ursprung in Vorderasien. Durch Völker- Man sieht hier die Sorte ‚Williams Christ‘ von
wanderungen kam sie über den Balkan nach 1770. Sie ist heute immer noch auf dem Markt
Griechenland und Italien. Durch römische präsent und hat einen hohem Bekanntheits-
Feldzüge gelangte die Birne nach Mittel- grad.
europa und von da aus nach England. Erste ‚Gute Luise‘ ist sehr bekannt und hin und wie-
Überlieferungen kommen aus dem antiken der auf dem Markt zu finden.
Griechenland schon 1000 vor Christi, wo man ‚Clapps Liebling‘ ist eine bekannte, aus den
schon Selektionen und Vermehrungsmetho- USA stammende Frühsorte.
den durchführte. ‚Abbé Fétel‘ ist eine alte Sorte, die heute im
Im Mittelalter wurde vor allem die Birne in Supermarkt eine große Akzeptanz bei den
Klostergärten angebaut. Dort wurden Zu- Kunden findet und sich auch gut vermark-
fallssämlinge ausgelesen und erste kontrol- ten lässt. Sie wurde schon 1866 in Frankreich
lierte Züchtungen durchgeführt. Die Mön- gezüchtet.
che waren Feinschmecker und haben sehr ‚Alexander Lucas‘, eine weit verbreitete, alte
schmelzende und wohlschmeckende Birnen Sorte.
selektiert. ‚Packhams Triumph‘, im Jahr 1896 in Australi-
Im 18. Jahrhundert, dem goldenen Jahrhun- en gezüchtet und heute immer noch auf dem
dert der Birne, waren vor allem die Züchter Markt zu finden.
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Vielfalt der Birnensorten
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Vielfalt der Birnensorten
Für den Anbau sind Birnensorten wichtig, die Es gliedert sich in 2 Anwachsjahre und 2 Prüf-
gegen pilzliche- und gegen bakterielle Erre- jahre. Im Prüfzeitraum werden 65 Merkmale
ger, z. B. Feuerbrand widerstandsfähig sind. nach dem technischen Protokoll des CPVO
Leider vereint noch keine Sorte alle die oben (Community Plant Variety Office) erfasst.
aufgelisteten Werteigenschaften. Diese Richtlinie ist die Grundlage für unsere
Arbeit. Als ein Beispiel sind hier die Fruchtfor-
Aufgaben des Bundessortenamtes men dargestellt.
Das Bundessortenamt ist praktisch die An- Anhand dieser Tabelle sehen sie verschiedene
laufstelle für die Züchter, die ihr geistiges Ei- Fruchtformen, die Position des maximalen
gentum schützen lassen wollen. Die Zentrale Durchmessers, den Fruchtindex, der sich je
hat ihren Sitz in Hannover. Die 13 Prüfstellen nach Länge und Durchmesser verändert. Auf
sind über das Bundesgebiet verteilt. Die Prüf- der Folie ist ersichtlich die Position des maxi-
stelle Wurzen bei Leipzig prüft das Kern- und malen Durchmessers und die Fruchtform, die
das Beerenobst. Die Prüfstelle Marquardt bei von konkav bis konvex verläuft. Links sehen
Potsdamm prüft Steinobst, Wildobst, Zier- wir konkave ähnlich ‚Willams Christ‘, rechts
gehölze, Stauden, und Kulturheidelbeeren. konvexe Früchte ähnlich ‚Alexander Lucas‘.
Alle anderen Prüfstellen beschäftigen sich Die Merkmalserfassung erfolgt an der Pflanze
schwerpunktmäßig mit landwirtschaftlichen und die Benotung wird in ein Boniturbuch
Kulturarten. eingetragen. Die Ergebnisse werden in der
zentralen Datenbank erfasst und verrechnet.
Die Aufgaben des Bundessortenamtes liegen
in der Zuständigkeit für den Sortenschutz der Am Ende der Prüfungsperiode münden die
betreffenden Pflanzensorte, die Sortenzulas- Ergebnisse in eine Entscheidung bzw. den
sung, was den Bereich der landwirtschaftli- Schlussbericht, der feststellt, ob eine Sorte
chen Kulturarten betrifft, die Nachprüfung neu und unterscheidbar ist und alle für den
der geschützten und zugelassenen Sorten, Schutz relevanten Kriterien erfüllt. Der erteil-
Veröffentlichungen im Amtsblatt, Mitwirken te Sortenschutz ist das Zeugnis des geistigen
bei Gesetzgebungen und Zuarbeiten für das Eigentums des Züchters.
BMELV.
Derzeit besitzen 5 Sorten einen Sortenschutz
Durch das Bundessortenamt wurde eine in Deutschland, 27 Sorten in der EU und 14
Beschreibende Sortenliste Kernobst veröf- Sorten befinden sich im sogenannten Sorten-
fentlicht, darin sind 120 Apfel- und 43 Bir- schutzverfahren. In der Prüfstelle Wurzen
nensorten beschrieben. Die Beschreibende haben wir 244 Birnensorten, davon sind 17
Sortenliste soll den Fachleuten aber auch für asiatische Sorten und 30 Zuchtklone.
Haus- und Kleingärtner eine Sorteninformati-
on darstellen. Sorten
Wie sieht die Sortenprüfung im Einzelnen ‚Williams Christ‘ ist nicht nur für den Frisch-
aus? markt interessant, sonder hat auch in der
Verarbeitung eine große Bedeutung hat.
Zunächst reicht der Züchter einen Sorten-
schutzantrag ein und füllt einen technischen ‚Conference‘ besitzt eine große Anbaubreite.
Fragebogen mit Angaben zur Sorte wie z. Die Früchte sind mehr oder weniger berostet.
B. Kreuzungspartner etc. aus. Antrag und Je nach Witterungsverlauf kann diese Beros-
Fragebogen sowie Pflanzenmaterial müssen tung jedoch sehr rau und auch rissig sein.
zu einem festgesetzten Termin eingesandt Dies ist auf Kälteeinbrüche (Frost) nach der
werden. Blüte zurückzuführen.
Bei schlechter Befruchtung sind die Früchte
Es wird entschieden, ob der Anbau im Frei- ohne Samenanlagen (parthenokarp oder
land oder im Gewächshaus erfolgt. Die jungfernfrüchtig), was äußerlich an der sehr
Prüfung bezieht sich auf mindestens 2 Vege- schlanken, langen Fruchtform zu erkennen
tationsperioden. Bei der Birne werden in der ist. Für diese Früchte kann der Erlöse deutlich
Regel 5 Bäume eingesandt. geringer ausfallen.
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Vielfalt der Birnensorten
Übrigens, bei der Sorte ‚Conference‘ ist die Sie ist eine Kreuzung aus ‚Vereinsdechants-
sortentypische Berostung am Kelchbereich, birne‘ und ‚Conference‘. In Sachsen steht die
bei ‚Abbé Fétel‘ an der Stielregion. Sorte im Anbau. ‚Concorde‘ ist – im Gegen-
satz zu ‚Conference‘ gering berostet, sie lässt
‚Abbé Fétel‘ steht auch in der Prüfstelle Wur- sich ähnlich gut lagern und hat einen guten
zen. Geschmack.
‚Santa Maria‘ ist interessant wegen ihrer ‚Uta‘ ist eine neue geschützte Sorte, die aus
Glattschaligkeit. ‚Boscs Flaschenbirne‘ und ‚Madame Verte‘
gezüchtet wurde. Die Sorte ist voll berostet,
‚Packhams Triumph‘ ist eine alte australische zur Genußreife wirkt die Berostung gold-
Sorte, die als Importfrucht im Supermarkt zu bronzefarbig, was wohl zu ihrem Markenna-
finden ist. Durch ihre höckerige Oberfläche men Gold Sensation® geführt hat. 'Sie ist eine
ist sie wenig attraktiv. Sie ist ein Williams-Ab- aromatische, gut lagerfähige Birnensorte, die
kömmling und hat gute Geschmackswerte. wegen ihrer Berostung die gleiche Akzeptanz
wie 'Boscs Flaschenbirne' braucht. In Öster-
‚Anjou‘ ist eine alte französische Sorte. In den reich wird 'Uta' verstärkt im Bio-Obstanbau
USA hat die Sorte ‚Red Anjou‘ eine Anbau- gepflanzt.
bedeutung. Die ‚Red Anjou‘ passt gut zu der
rotschalige Sortenvielfalt bei den Birnen. Die rotschalige Birnensorte 'Lombacad' mit
dem Markennamen Cascade® ist eine Kreu-
Die Sorte ‚Alexander Lucas‘ besitzt eine ge- zung aus roter 'Rote Williams Christ' und
wisse Anbaubreite. In Sachsen wird sie jetzt 'Vereinsdechantsbirne', sie ist in den USA
stärker angebaut. gezüchtet.
‚Boscs Flaschenbirne‘ ist eine alte voll beros- Der Trend in der Birnenzüchtung geht in
tete Sorte, die Akzeptanz bei den Kunden Richtung Farbe. Eine recht ansprechende
findet, die mit berosteten Sorten vertraut sind Neuzüchtung ist die geschützte Sorte 'Dico-
und die ‚Boscs Flaschenbirne‘ mit dem Syno- lor' aus Tschechien, die eine leuchtend rote
nym ‚Calebasse Boscs‘ oder auch als. ‚Kaiser Farbe aufweist.
Alexander‘ kennen.
'Thimo' eine neue, farbige Sorte aus Deutsch-
In diesem Umfeld werden berostete Birnen land, für die noch Anbauerfahrungen gesam-
voll akzeptiert. In Sachsen ist dies nicht so melt werden müssen, ist seit 2007 geschützt.
Fall, hier ist die Sorte ‚Alexander Lucas‘ die Die Bäume in Wurzen sind noch zu jung um
beliebtere Sorte. einen Sortenwert ableiten zu können.
Eine gute Frühbirne ist ‚Clapps Liebling‘, Zum Schluss die geschützte Sorte 'Flamingo'
die sich für Direktvermarktung eignet, wie aus Südafrika, die auch im Sortiment unserer
bei allen Frühsorten ist die Haltbarkeit sehr Prüfstelle steht und durch ihre Farbgebung
begrenzt. recht attraktiv wirkt.
‚Gute Luise‘ ist bekannt für ihr gutes, sorten-
Marken- oder Handelsnamen
typisches Aroma, neigt jedoch zur Klein-
früchtigkeit und hat dadurch eine geringere Bei der Birnensorte ‚Lombacad‘ ist der Sorten-
Marktbedeutung. name der sortenschutzrechtlich geschützt ist,
d. h. dieser Name und Schutz bezieht sich auf
‚ Vereinsdechants-Birne‘ ist geschmacklich
das Pflanzgut der Sorte. Nur der Züchter oder
eine Spitzenbirne mit sehr schmelzenden
lizenzierte Baumschulen haben Vermeh-
Fruchtfleisch. Die Sorte wurde häufig als
rungsrechte auf das Pflanzgut.
Kreuzungspartner für verschiedene neue
Sorten verwendet. Neuerdings gibt es eine Vermehrungsmaterial wie Saat- oder Pflanz-
rote Mutante von ‚Vereinsdechantsbirne‘, die gut einer geschützten Sorte muss stets mit
noch in Prüfung ist. der eingetragenen Sortenbezeichnung
gekennzeichnet sein (§ 14 Sort G). Dies gilt
‚Concorde‘ ist eine englische Neuzüchtung
jedoch nicht für das Erntegut der geschützten
mit Sortenschutz in Deutschland seit 1993.
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Vielfalt der Birnensorten
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Herausgegeberin
E-Mail: qualitaetskontrolle@ble.de
Internet: www.ble.de
Stand
Frühjahr 2009
Veranstaltung
Internationale Arbeitstagung Qualitätskontrolle Obst und Gemüse, 09. - 11. März 2009, Bonn, Deutschland
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