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R o l f K n ü t e l , Stipulatio poenae. Studien zur römischen Vertragsstrafe (For-


schungen zum römischen Recht 34). Böhlau, Köln—Wien 1976. X I I I , 385 S.
I. E i n l e i t u n g
1. A k t u a l i t ä t d e r A n a l y s e : Dem modernen Betrachter mutet die Ver-
tragsstrafe auf den ersten Blick als archaisches Rechtsinstitut an. Unsere Zeit
will ja ohnehin wenig von Strafe wissen und verlegt sich aufs „Gesundbeten".
Nur weltfremde Dogmatiker können aber dem Irrtum verfallen, die Vertrags-
strafe spiele heute überhaupt keine Rolle mehr. Dies trifft nämlich nicht einmal
für die Länder der freien Welt zu, wo ihr freilich sehr viele Zähne gezogen
wurden 1 ). I n den sozialistischen Staaten, wo das Kollektiv offenbar besonderer
„Anreize" bedarf, um vertragsgemäße Erfüllung sicherzustellen, erlebte das
Institut der Vertragsstrafe, wenigstens auf dem Papier, eine neue Blüte und
spielt ζ. B. im Vertragsgesetz der DDR eine sehr große Rolle.
2. R e c h t s h i s t o r i s c h e B e d e u t u n g : Damit wird nicht verkannt, daß unsere
Rechtsfigur ihre eigentlich zentrale Rolle in der Geschichte des Obligationen-
rechts spielte. Neben arrha,2) und Verfallklausel dürfte die Vertragsstrafe überall
dort aufgetreten sein, wo das einfache Versprechen noch keine Leistungspflicht
begründete 3 ). Insoweit lassen sich mit ihr ältere Rechtsschichten aufdecken, hat
sie die Bedeutung von Urgestein, trägt sie die Gestalt einer Leitfossilie.
3. G e g e n s t a n d d e r U n t e r s u c h u n g : Soweit ausholen will K n ü t e l , der
sich in seiner Hamburger Habilitationsschrift (1973)4) der klassischen stipulatio
poenae zuwenden möchte 5 ), jedoch nicht. Vergleichende Aspekte kommen jedoch
x
) K n ü t e l , S. 16, 18, übersah, daß die Art. 1152, 1226 bis 1233 des franz.
C. civ. durch Gesetz Nr. 75 — 597 vom 9. Juli 1975 novelliert wurden. Auch
der französische Richter kann jetzt Vertragsstrafen generell abändern, und
zwar nicht nur nach unten, sondern auch nach oben. Die Ersatzfunktion darf
aber nicht angetastet werden. Die Vertragsstrafe muß also der Höhe nach den
zu leistenden Schadensersatz übersteigen. Vgl. B o c e a r a , La réforme de Ia
clause pénale, J . C. P. 1975 I 2742; C h a b a s , La réforme de la clause pénale,
DS. 1976 Chron. S. 229f.; OLG Amiens, 23.11.1976, DS. 1977, 197f. ; OLG
Paris, 5. 1. 1977, DS. 1977, 262ff. mit Anm. von V a s s e u r ; Kassationshof,
20. 1. 1978, DS. 1978, 229; Kassationshof, 26. 4. 1978, DS. 1978, 349ff. - Noch
nicht berücksichtigen konnte K n ü t e l § 11 Nr. 6 des deutschen AGB-Gesetzes,
der die Aufnahme von Vertragsstrafen für Nichtabnahme, verspätete Abnahme,
Zahlungsverzug oder Lösung vom Vertrag in allgemeinen Geschäftsbedingungen
mit Nichtigkeitsfolge untersagt.
2
) In diesem Zusammenhang entging K n ü t e l der wichtige Beitrag M e y l a n s ,
Des arrhes de la vente dans Piaute, Mélanges Lévy-Bruhl, Paris 1959, S. 205ff.
3
) So für das fränkische Recht auch D i ó s d i , Acta Univ. Szegediensis (Jur.
et Pol.) 17, fase. 4 (1970) 39ff., während K n ü t e l , S. 6, mit R. H ü b n e r , Grund-
züge des deutschen Privatrechts, 5. Aufl., Leipzig 1930 (nicht 1939!), S. 554,
in den Strafklauseln den Versuch sieht, eine gegebene Bußfälligkeit vertraglich
zu verfestigen. Aber selbst wenn die Strafklauseln mit dem Verblassen des Buß-
systems zusammenhängen sollten, hieße das noch lange nicht, daß diese Klauseln
eine ohnehin bestehende (deliktische?) Verpflichtung nur leichter durchzusetzen
halfen.
4
) Inzwischen wurde K n ü t e l , der Kaserschüler ist, Ordinarius in Bonn und
Nachfolger W e r n e r F l u m e s .
5
) Eine Gesamtanalyse fehlt schon lange. Alle größeren Monographien stam-
men aus dem letzten Jahrhundert; vgl. die Bibliographie K n ü t e l s , S. 20f.
Anm. 4ff.

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in der Einleitung") horizontal und vertikal zum Tragen. Damit wird sehr geschickt
auf das eigentliche Anliegen hingeführt: eine neue Analyse der Grundvorstel-
lungen zu versuchen, die die klassische stipulatio poenae kennzeichnen.
Nicht erörtert werden, wie der Verf.') ausdrücklich betont, drei Fragen:
— ob eine Vertragsstrafe wiederholt zu verfallen vermag;
— ob Straf Stipulationen vererblich sind;
— welche actio dem Versprechensempfänger Rechtsschutz verheißt 8 ).
4. Z u r T e r m i n o l o g i e : K n ü t e l meint, mit der Unterscheidung echter und
unechter Vertragsstrafen käme man nicht aus. Statt von unechten Vertrags-
strafen spreche man besser von selbständiger Vertragsstrafe und stelle ihr
Doppelstipulation, strafbewehrtes pactum und das in ein bonae fidei iudicium
einbezogene Strafversprechen gegenüber 9 ).
Selbständig ist aber nicht die Vertragsstrafe, sondern allenfalls die stipulatio
poenae. Ohne Not sollte man also nicht von bewährter Terminologie abgehen. Da
vertragliche Schuldverhältnisse in Rom hauptsächlich durch Verbalobligationen
begründet wurden, läßt eine an eine Stipulation angehängte promissio poeiuie
eben typischerweise eine echte Vertragsstrafe entstehen, während beim pactum,
das nicht anspruchsbewehrt ist, nur von unechter Vertragsstrafe die Rede sein
kann.
5. S e d e s m a t e r i a e : In den Juristenschriften wird die stipulatio poenae
nirgends gesondert behandelt. Bemerkungen finden sich, wie K n ü t e l 1 0 ) zu-
treffend bemerkt, bei Erörterung der stipulatio, des compromissum, der cavito
vadimonium sisti und der stipulatio duplae.
6. A n w e n d u n g s g e b i e t : Strafversprechen finden sich nicht nur im Prozeß-
und Obligationenrecht. Auch im Sachen-, Familien- und Erbrecht begegnen wir
ihr.
In den Provinzen wurden Dienstbarkeiten und Nießbrauch durch das Ver-
sprechen abgesichert: neque per te ñeque per heredera luum fieri quo minus mihi ...
liceat. Si adversus ea factum sit, centum dari'/11)
Strafversprechen für Verlöbnisbruch und Scheidung waren zwar unzulässig,
jedoch konnte sich der Römer rechtswirksam verpflichten, eine Strafsumme zu
erlegen, falls er wieder der consuetudo concubinae verfalle 12 ).
Selbst Testierfreiheit und Erbenstellung suchte man durch Strafversprechen
bzw. Straflegate zu beschränken 13 ). Die römischen Juristen reagierten hierauf
aber mit Härte. Solche Druckmittel wurden kurz und bündig für nichtig erklärt.

«) S. 5ff., 16, 18f. ; vgl. aber auch S. 77 f. 262ff.


') S. 21 f.
8
) Condictio certae créditât pecuniae oder actio ex stipulatu? Schrifttum S. 22
Anm. 18.
9
) S. 32 f.
10
) S. 35 ff.
" j Vgl. Paul. (74 ed.) D. 45, 1, 85, 3 i. V. m. Gaius I I 31. Die übrigen von
K n ü t e l , S. 42 Anm. 43, zitierten Texte geben für den Formelwortlaut nichts
her.
12
) Vgl. Pap. (11 resp.) D. 45, 1, 121, 1.
" ) Vgl. Iul. (2 Urs. Fer.) D. 45, 1, 61.

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7. P u n k t i o n : Strafversprechen besaßen auch in Rom Beuge- und Ersatz-


funktion. Die stipulatio poenae wurde überall eingesetzt, wo eine getroffene
Abrede sonst nicht durchsetzbar gewesen wäre, insbesondere bei Verträgen zu-
gunsten Dritter 14 ). Ulpian (49 Sab.) D. 45, 1, 38, l f . will sogar die Garantie-
funktion der alten stipulatio habere licere bei Angriffen Dritter nur durch poena
gewahrt wissen. Der Wunsch nach Pauschalierung des Schadensersatzes überwog
hingegen ganz eindeutig bei obligationes auf facerelb).
In den Quellen wird die Ersatzfunktion stärker betont als der Beugezweck.
Der Strafgesichtspunkt verblaßt offenbar ebenso wie bei den Pönalklagen 18 ).
8. G e s c h i c h t e : Für K n ü t e l 1 7 ) , der hier M i t t e i s 1 8 ) folgt, war die sponsio
ursprünglich Haftungsübernahme und entwickelte sich über die Selbstbürgschaft
zur Begründung eigener Schuld. Beim Verfahren der legis actio per manus inioc-
tionem mußte aber nicht nur der Haftungsgrund, sondern auch der Umfang der
Haftung, also die Lösungssumme in Geld feststehen. Als Schuldversprechen
konnten sponsio und stipulatio also zunächst nur auf certa pecunia lauten. Andere
Leistungen wurden nur über den Weg alternativer Verknüpfung klagbar. Alter-
nativ gefaßten Stipulationen folgten bedingte, wie sie schon die Zwölf Tafeln
voraussetzen.
Ähnlich verlief die Entwicklung bei den sog. prätorischen Stipulationen. Das
primär angestrebte Verhalten stand ursprünglich nur in solutione. Die Doppel-
formulare auf quanti ea res est setzten aber einen entwickelteren Stand des
Stipulationsrechts voraus als die unechten Vertragsstrafen. Jedenfalls hätten
sämtliche historisch faßbaren Figuren von sponsio und stipulatio nicht mehr auf
Haftung gelautet, sondern auf Schuld.
Hier gilt es einzuhaken; denn K n ü t e l übersah in diesem Zusammenhang zwei
wichtige Abhandlungen Meylans 1 9 ), die zu einer anderen Sicht der Dinge führen,
vor allem aber der sponsio poenae eine wichtige Rolle als Katalysator zuweisen:
Vor den Zwölf Tafeln gestattete die Selbstvergeiselung einen unmittelbaren
Zugriff (manus iniectio) auf die Geisel (sponsor). Diese konnte aber durch

14
) Vgl. Ulp. (49 Sab.) D. 45, 1, 38, 17. Besonders instruktiv Pap. (2resp.)
D. 4, 8, 42, ein Fragment, das K n ü t e l , S. 47f., dahin deutet, die dem fiscus
verfallene Mult habe nur eine Bedingung des verbalen Strafgedinges dargestellt.
Zugunsten des fiscus sei eine promissio gar nicht abgegeben worden.
15
) Vgl. Inst. I I I 15, 7; Venul. (8 act.) D. 46, 5, 11.
16
) K n ü t e l , S. 56, hält auch die actio auctoritatis für ursprünglich pönal.
Die Forschungen P h i l i p p e M e y l a n s , die das Gegenteil dartun, sind ihm
unbekannt; vgl. z. B. La genèse de la vente consensuelle romaine, TR 21 (1953)
129ff., und Pourquoi le vendeur romain n'est-il pas tenu de transférer la pro-
priété de la chose, Festschrift Riese, Karlsruhe 1964, S. 432ff.
17
) Vgl. S. 57 ff. (58 Anm. 8).
18
) Über die Herkunft der Stipulation, Aus Römischem und Bürgerlichem
Recht. Ernst Immanuel Bekker zum 16. August 1907 überreicht, Weimar 1907,
S. 109 ff.
19
) Acceptilation et paiement. Contribution à l'histoire de l'antique sponsio
romaine, Lausanne 1934, S. 5ff. (30f.), und La réforme Justinienne de la novation,
son sens et sa partée (C. V I I I 41, 8), Actus congressus iuridici internationalis I,
Rom 1934, S. 277ff. (318 Anm. 96).
Die Hypothese M e y l a n s wird von De Z u l u e t a , The Institutes of Gaius II,
Oxford 1953, S. 191, besonders Anm. 2, gebilligt.

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Literatur 421

Zahlung eines Lösegelds (poena) freigekauft werden. Die Höhe dieser poena
konnten die Beteiligten schon bei der Vergeiselung festlegen. War streitig, ob
eine solche sponsio poenae eingegangen oder in welcher Höhe Lösegeld ver-
sprochen war, so mußte durch Anrufung eines Richters (iudicis postidatio) Klar-
heit geschaffen werden. Galt es hingegen, das Lösegeld erst zu berechnen, so war
die Beiziehung eines Schiedsgutachters (arbiter) geboten.
Die Zwölftafelgesetze verselbständigten dieses Inzidentverfahren der legis
actio per manus iniectionem und führten die legis actio per iudicis arbitrive postu-
lationem ein, die jetzt als gerichtliche Kontrolle jeder -manus iniectio voraus-
zugehen hatte 20 ). Die Formel dare oportere, die uns Gaius IV 17 a überliefert, be-
weist indes nichts für eine Schuld des sponsor im Sinne einer Leistungspflicht.
Oportere hieß ursprünglich noch nicht rechtlich verpflichtet, sondern angebracht
sein, sich gehören 21 ). Der sponsor schuldete eben nichts. E r haftete nur und
konnte durch Zahlung des vereinbarten oder vom Schiedsgutachter ermittelten
Lösegelds freigekauft werden. Erlöschen der Haftung durch Zahlung von Löse-
geld und Pflicht zur Zahlung von Lösegeld lagen in praxi aber so nahe beisammen,
daß das dare oportere, das ursprünglich nur die Bedingung ansprach, ohne die der
sponsor nicht freikam, später zur Zahlungspflicht im Sinne einer echten Rechts-
pflicht erstarken konnte. Wahrscheinlich ist dieser Wandel der Grund, weshalb
eine lex Silia unbekannten Datums für Verpflichtungen auf dare certam pecuniam
eine legis actio per condictionem einführte 22 ).
9. S t r u k t u r d e r D o p p e l s t i p u l a t i o n : Nach K n ü t e l 2 3 ) hoben die römischen
Juristen sehr formal darauf ab, ob Leistungs- und Strafversprechen auch rein
äußerlich durch gestabte Frage und Antwort getrennt wurden. Unterblieb der
Gebrauch der Formel spenderne spondeo (promittisne promitto) bei den einzelnen
Leistungszusagen und wurden Frage und Antwort nur dem Strafversprechen
angefügt, so lag eben nur ein einziges Versprechen vor, die stipulatio poenae. Erst
die Spätklassik habe zuweilen von diesem formalen Erfordernis abgesehen.
Sollten die Klassiker wirklich solche Formalisten gewesen sein? Hiergegen
spricht Dreierlei:
a) die Regel tot stipulationes quoi res, die ermöglicht, eine Vielzahl von Leistungs-
pflichten durch eine Stipulationsklausel zu sichern (Versprechensverbund) und
bei Klagerhebung die übrigen Schuldinhalte auch ohne praescriptio pro adore
der prozessualen Konsumption zu entziehen 21 ). Daß diese Regel eine „fortschritt-
liche Interpretation" darstellt, wie K n ü t e l 2 5 ) meint, wird durch nichts erwiesen,
am wenigsten durch den Ausdruck proprius est ut, Paul. (3 Ner.) D. 45, 1, 140 pr.;
denn wie schon S i ekel 2 6 ) und K a l b 2 7 ) zeigten, geht diese Wendung, die in sehr

20
) Gaius IV 21; Aulus Gellius, Noctes Atticae XV 13, 11 und X X 1, 42.
21
) Cf. E r n o u t / M e i l l e t , Dictionnaire étymologique de la langue latine,
4. Auf., Paris 1967, S. 463 s. v. oportet, -uit, ëre.
22
) Für Gaius IV 20 war dies ein Rätsel : Valde quaeritur !
23
) S. 65ff.
24
) Näheres in meiner Besprechung S a c c o n i s , La pluris petitio nel processo
formulare, Mailand 1977, IURA 28 (1977) 267ff. (273).
25
) S. 79.
2e
) De Neratio Prisco, Leipzig 1788, S. 8.
2
') Roms Juristen nach ihrer Sprache dargestellt, 2. Aufl., Aalen 1975, S. öl.

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zurückhaltender Weise ausdrückt, was man für angemessen, für zutreffend hält,
auf Neratius Priscus selbst zurück.
b) die Stellen, die sich mit der Nichtigkeit des Strafversprechens bei der
cautio vadimonium sisti befassen 28 ). Die römischen Juristen trennen hier klar
zwischen versprochenem Erscheinen vor Gericht und unwirksamem Strafver-
sprechen. Von einer Konversion, wie K n ü t e l vermutet, iet nicht die Rede. Die
Lösung, die Paulus (7 Plaut.) D. 38, 1, 39 pr. für das gesetzwidrige Versprechen
si decern dierwn operas non dederis, viginti nummos dare spondes? gibt, darf nicht
auf das Gestellungsversprechen te sisti übertragen werden. Hier handelt es sich
um eine unechte oder, wie K n ü t e l will, selbständige Vertragsstrafe, während
nichts daran vorbeiführt, daß Paulus (3 quaest.) D. 45, 1, 126, 3 von prior und
secunda stipulatio spricht, also eine echte Vertragsstrafe in Form der Doppel-
stipulation im Auge hat.
c) das berühmte Paulusfragment (3 ep. Alf. dig.) D. 17, 2, 71 pr. Wenn hier
erörtert wird, ob die Schlußklausel haec, quae supra scripta sunt, ea ita fieri ñeque
adversus ea fieri: si ea ita data facta non erunt, tum, viginti milia dari alle auf
societas beruhenden Ansprüche noviert, so doch nur deshalb, weil dem Juristen
fraglich erscheint, ob der erste Teil des Versprechens lediglich den Inhalt des
Strafversprechens näher umreißt oder ihm selbständige Bedeutung beimißt.
Wäre es aber nur darauf angekommen, ob die Parteien nach ea fieri ein spondesne
spondeo einfügten oder nicht, dann hätte die Passung der Stipulationsklausel
sicher weder Alfenus noch Paulus Kopfzerbrechen verursacht. Binsenwahr-
heiten werden in quaestiones r ö m i s c h e r Juristen nicht ausgebreitet.

I I . D i e o b j e k t i v e n V o r a u s s e t z u n g e n des S t r a f v e r f a l l s
1. N i c h t e r f ü l l u n g u n d T e i l e r f ü l l u n g : Der Verfall tritt mit Nichterfüllung
oder Zuwiderhandlung ein. Teilerfüllung hindert den Verfall der ganzen Strafe
nicht 29 ). Geht eine ¿are-Verpflichtung auf eine Mehrzahl von Erben über, so ist
die Strafe schon dann verwirkt, wenn ein Miterbe nicht leistet 30 ).
Gilt dies auch, wenn ein Miterbe an einer geschuldeten Handlung (facere)
nicht mitwirkt oder gegen ein strafgesichertes Unterlassen (non facere) verstößt?
Dies läßt Verf. 31 ) bewußt offen. E r befaßt sich stattdessen mit nur scheinbar
alternativen Versprechen. Hier ist kumulativ zu leisten 32 ). Umgekehrt löst, wie
Verf. 33 ) sehr sorgsam begründet, eine Teileviktion bei der stipulatio duplae nur dann
Verfall aus 34 ), wenn sie eine Teilklausel (partemve) enthält.
2. V e r f a l l z e i t p u n k t : Die Vertragsstrafe, die eine Handlung sichert, ver-
fällt mit Ablauf des Termins bzw. Eintritt oder Ausfall der Bedingung 35 ). Gilt dies
28 ) Cels. (26 dig.) D. 45, 1, 97 pr.: . . . te sisti? nisi steteris, hippocentaurwn
dari? . . . ; P a u l . (3 quaest.) D. 45, 1, 126, 3: . . . ie sisti et, nisi steteris, aliquid
dari, qtiod promittendi impossibile est...
29 ) Paul. (6 resp.) D. 19, 1, 47, wo mit F a d d a res praestaverit zu lesen ist,
und Ulp. (77 ed.) D. 2, 11, 9, 1.
3 0 ) Paul. (75 ed.) D. 45, 1, 85, 6.
3 1 ) S. 85.
32 ) lui. (1 amb.) D. 34, 5 , 1 3 (14), 2.
3 3 ) S. 85ff.
3 i ) Paul. (2 ed. aed. cur.) D. 21, 2, 56, 2.
35 ) Vorher konnte nicht geklagt werden. Dies hätte nämlich eine pluris petitio
tempore ausgelöst. Cels. (38 dig.) D. 45, 1, 99, 1 kann daher auch nicht, wie

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Literatur 423

auch, wenn Bedingung und Frist verkoppelt sind und feststeht, daß die Be-
dingung nicht mehr eintreten kann?
K n ü t e l 3 6 ) schließt aus den einschlägigen Quellen, daß zumindest dann sofort
geklagt werden konnte, wenn es sich nicht um eine Potestativbedingung (con-
dicio promiscua) handelte. Der Zeitfaktor habe hier nämlich keine Eigenständig-
keit besessen. Der Schuldner habe sich von Anfang an auf das möglicherweise
früher eintretende Ereignis einrichten müssen. Bei der Potestativbedingung sei
ihm hingegen die Freiheit belassen worden, sich bis zum Fristablauf bedingungs-
gemäß zu verhalten oder nicht.
Bei dieser Frage geht es um die berühmte Antinomie 37 ) zwischen Paul. (2 Sab.)
D. 45, 1, 8 38 ), Pomp. (3 Sab.) D. 35, 1, 4, l 3 ») einerseits, Pomp. (3 Sab.) D. 45, 1,
1040) andererseits.
Nach K n ü t e l hätte Pomponius im ersten Fall genauso entschieden wie im
zweiten, wäre in der Vermächtnisanordnung nicht das Wort tum verwandt
worden. Die zweite Stelle beweise jedenfalls eindeutig, daß auch schon im April
geklagt werden konnte, wenn feststand, daß es Titius bis zum 1. Mai mit seiner
Reise nach Italien nicht mehr schaffte oder schaffen konnte.
Gegen diese Exegese von Pomp. (3 Sab.) D. 45, 1, 10 spricht Dreierlei:
a) Werden Bedingung und Befristung kombiniert, so gilt der Grundsatz tota
obligatio sub condicione et in diem collata est, ein Grundsatz, der in der oben
erwähnten Paulusstelle 41 ) ganz allgemein formuliert wird.
b) Wer vor Ablauf einer Frist klagt, wird abgewiesen und geht seines An-
spruchs auch materiellrechtlich verlustig (pluris petitio tempore).

K n ü t e l , S. 96, meint, die promissio si intra biennium Capitolium non ascenderis


dari deshalb für mehrdeutig gehalten haben, weil ihr Wortlaut nicht ergab,
ob bereits vor oder erst nach Ablauf der Frist geklagt werden konnte. Uber
Klagmöglichkeiten kann ein Versprechen überhaupt nichts aussagen. Die
ambiguitas muß also, wie ich in Studi Donatuti I I I , Mailand 1973, S. 1237ff.
(1240 Anm. 13 — nicht 3!), zeigte, von Celsus darin gesehen worden sein, daß
der Fristbeginn nicht festlag. Die Antwort non nisi praeterito biennio rede petam
spricht nicht gegen diese Deutung, geht es doch darum, Anfang und Ende
des für die Unterlassung bestimmten Zeitraums einzugrenzen.
3 6 ) S. 96 ff.
3 7 j Mit ihr befaßte sich, was K n ü t e l entgangen zu sein scheint, schon sehr

ausführlich die Glosse Non posse, die sich ebenfalls dafür ausspricht, daß bei
Willensabhängigkeit dem Zeitmoment Selbständigkeit zukommt: Et est ratio
quare ibi videatur repetisse Kaien, quia Stichum dare, sicut et decern, est de eins
facto; Digestum Novum, Paris 1559, Sp. 928f.
38) In illa stipulatone : „si halendis Stichum non dederis, decern dare spondee ?"
mortilo homine quaeritur, an statim ante lcalendas agi posait. Sabinus Proculus
exspectandum diem adori putant, quod est verius : tota enim obligatio sub condicione
et in diem collata est et licet ad condicionem committi videatur, dies tamen supereet.
sed cum eo, qui ita promisit: „si intra lcalendas digito caelum non tetigerit", agi
protinus potest, haec et Marcellus probat.
sí) Si ita scriptum sit: „si in quinquennio proximo Titio filivi natus non erit,
tum decern Seiae heres dato", si Titius ante mortuus sit, non statim Seiae decern
deberi, quia hic articulus „tum"' extremi quinquennii tempus significat.
40) Hoc iure utimur, ut ex hac stipulatione: „si Lucius Titius ante kalendas
Maias in Italiam non venerit, decern dare spondes?" non arde peti quicquam posait,
quam exploratum ait ante earn diem in Italiam venire Titium non posse neque
ven isse, sive vivo sive mortuo id acciderit.
41 ) Anm. 38.

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c) Pomponius sagt nicht, daß sofort geklagt werden kann. Dieses Ergebnis
entnimmt K n ü t e l lediglich der Wendung ante eam diern in Italiani venire
Titium, non posse ñeque venisse. Wenn nicht nur festgestellt werden soll, ob
Titius kam (venisse), sondern auch, ob er überhaupt in der Lage ist, am 1. Mai zu
kommen (venire posse), dann muß es sich doch um ein Verfahren handeln, das
vor dem 1. Mai eingeleitet wurde.
Diese Erklärung der Stelle ist aber keineswegs zwingend. Die fragliche Wen-
dung kann auch bloß eine Beweiserleichterung andeuten. Wird am 1. Mai geklagt,
dann muß dargetan werden, daß Titius nicht nach Italien kam. Nichts ist aber
schwieriger, um nicht zu sagen diabolischer, als ein negativer Beweis: Deshalb
genügt es, daß nach dem 1. Mai, dem frühest möglichen Prozeßtermin, fest-
gestellt wird: Titius war gar nicht in der Lage 42 ), vor dem 1. Mai einzureisen. Die
berüchtigte Antinomie löst sich damit in Wohlgefallen auf.
3. F r i s t v e r l ä n g e r u n g e n : Termine konnten durch Abrede oder Annahme-
verzug hinausgeschoben werden. Stand bereits fest, daß nicht mehr termin-
gerecht geleistet werden konnte, so war die Strafe verwirkt 43 ). Bei Gläubiger-
verzug Schloß aber schon Servius Sulpicius Ruf us einen Strafverfall aus 44 ). Er-
folgte die Weigerung grundlos, so führte auch eine spätere Annahmebereitschaft
nicht mehr zum Straf verfall. Arglist durfte nicht belohnt werden 45 ). Sehr in-
struktiv sind die Parallelen, die K n ü t e l 4 6 ) im Recht des statuliber und der lex
commissoria aufzeigt.
4. U n b e f r i s t e t e H a n d l u n g e n : Nach Sabinus hatte der Schuldner die
in condicione stehende Handlung unverzüglich (statim) vorzunehmen. Anders
eines der Schulhäupter der Prokulianer, der Jurist Pegasus, der für Verfall
nachträglich eintretende Unmöglichkeit voraussetzte. Papinian 47 ) folgt bei der
echten Vertragsstrafe Sabinus, bei der unechten Pegasus. War nach der Regel
quotiens dies non ponitur, praesenti die debetur48) die Hauptverpflichtung sofort
fällig, dann konnte das akzessorische Strafversprechen nicht erst bei Eintritt
eines unabsehbaren Ereignisses verfallen.
Beim compromissum galt die Besonderheit, daß Servius und Celsus die Ver-
tragsstrafe zwar nicht sofort, aber nach Ablauf eines modicum tempus verwirkt
sein ließen49).
5. S e m e l c o m m i s s a p o e n a n o n e v a n e s c i t : Ob sich der von Celsus50)
formulierte Satz in klassischer Zeit schon zur regula iuris verfestigt hatte, ist
zweifelhaft. Sicher ist nur, daß man nach unserem Grundsatz dann mit einer

42
) So dem Sinne nach S i n t e n i s / J u n g m e i s t e r , Das Corpus Juris Civilis
in's Deutsche übersetzt IV, Leipzig 1832, S. 604. Wer sich an posse stört, lese
potuisse! Jedenfalls kann posse die Nachzeitigkeit, die K n ü t e l voraussetzt und
die die Römer grammatikalisch sehr ernst nehmen, nicht ausdrücken!
43
) Proc. (2 epist.) D. 45, 1, 113 pr.
44
) Pomp. (11 var. lect.) D. 4, 8, 40.
45
) Ulp. (13 ed.) D. 4, 8, 23, 1 i. V. m. Ulp. (13 ed.) D. 4, 8, 31.
«) S. 116ff.
" ) (2 quaest.) D. 45, 1, 115, 2.
48
) Ulp. (50 Sab.) D. 45, 1, 41, 1.
4S
) Afr. (17 quaest.) D. 44, 7, 23; Ulp. (13 ed.) D. 4, 8, 21, 12.
50
) Ulp. (13 ed.) D. 4, 8, 23 pr.

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Literatur 425

gewissen Strenge verfuhr, wenn die strafbewehrte Handlung fristgemäß vor-


zunehmen war51) oder gerade für den Fall verspäteter Leistung versprochen
wurde, um Begleitschäden pauschal abzudecken 52 ).
In vier Fällen half freilich die exceptio doli:
a) ganz allgemein, wenn der Gläubiger die nach Verfall ihm angebotene
Leistung noch annahm 53 ) ;
b) beim compromissum, wenn die Parteien nach Verfall der poena compromissi
einen zweiten Schiedsvertrag schlossen und — so jedenfalls Ulpian — der arbiter
bereit ist, das Schiedsrichteramt erneut zu übernehmen 54 ) ;
c) bei der stipulatio duplae, wenn der Verkäufer die vom Pfandgläubiger
herausverlangte Sache auslöste 55 );
d) beim vadimonium, wenn der Prozeß durch nachträgliche freiwillige Gestel-
lung des Beklagten durchführbar wurde5®).
Gebrach es hingegen an einer Zeitangabe, dann konnte der Schuldner durch ein
vor litis contestatio erfolgtes Leistungsangebot den bereits eingetretenen Verfall
als solchen beseitigen57). Wie K n ü t e l 68) zeigt, finden die auf Celsus zurück-
gehenden flexiblen Lösungen eine gewisse Parallele bei der purgatio morae.

I I I . Die s u b j e k t i v e n V o r a u s s e t z u n g e n des S t r a f v e r f a l l s
1. V a d i m o n i u m : Die Strafe war verwirkt, wenn das Versprechen (Gestel-
lung, Vorführung von gewaltunterworfenen Personen oder Tieren) nicht ein-
gehalten wurde. Eine Milderung dieser verschuldensunabhängigen Haftung 59 )
brachte freilich eine Reihe ediktaler Einreden 60 ), deren wichtigste die exceptio
poeti conventi war. Der Beklagte hatte also das Vorliegen eines Ausnahmetat-
bestands zu beweisen. Hatte ein Dritter die Gestellung dolos vereitelt, so stand
dem Beklagten ein Regreßanspruch zu*1).
2. C o m p r o m i s s u m : Wer zum Schiedstermin nicht erschien, haftete ohne
Rücksicht auf Verschulden. Mit der exceptio doli wurden jedoch, wohl in An-
lehnung an die Rechtslage beim vadimonium Härten dieser objektiven Haftung

51
) Vgl. die oben Fn. 50 angeführte Ulpianstelle.
52
) Pomp. (26 Sab.) D. 45, 1, 5, 3 a ; Afr. (7 quaest.) D. 44, 7, 23.
53
) Vgl. die oben Fn. 50 angeführte Ulpianstelle.
54
) Ulp. (13 ed.) D. 4, 8, 21, 9.
55
) Paul. (2 ed. aed. cur.) D. 21, 2, 35. Die Wegnahme des Pfandes verletzte
das habere licere des Käufers, der durch Auslösen des Pfandes freilich wieder in
den Sachgenuß kam.
66
) Gai. (29 ed. prov.) D. 2, 11, 8.
" ) Ulp. (13 ed.) D. 4, 8, 21, 12; Scaev. (28 dig.) D. 45, 1, 122, 2.
5e
) S. 185ff.
59
) K n ü t e l , S. 197, spricht hier von objektiver Haftung. Die Wendung per
debitorem stare quo minus will er nicht durch „vertreten müssen" wiedergeben,
sondern durch „verantwortlich sein für". Mit dieser neuen Terminologie wird
aber nichts gewonnen. Der Ausdruck „vertreten müssen" ist viel neutraler
und beruht, was K n ü t e l leider verkennt, gerade nicht auf dem Verschuldens-
prinzip; vgl. z. B. §§279, 462 BGB und ganz allgemein P l a n c k / S i b e r , Kom-
mentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Aufl., Berlin 1914, §276 Anm. l a ;
MünchKomm./Hanau § 276 RdNr. 3.
60
) Vgl. L e n e l , Edictum perpetuum, 3. Aufl., Leipzig 1927, S. 501f.
61
) Ulp. (7 ed.) D. 2, 10, 1, 3.

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426 Literatur

ausgeglichen 62 ). Da Entscheidungen des arbiter nur dann wirksam waren, wenn


sie in Anwesenheit beider Parteien ergingen, hätte es die schon beim ersten
Termin ausbleibende Partei an sich in der Hand gehabt, ein Schiedsurteil über-
haupt zu verhindern. Um ein derartiges „Reurecht" auszuschließen, wird der
Ausbleibende deshalb so behandelt, als habe er einem bereits verkündeten
Schiedsurteil den Gehorsam versagt 63 ). In einem derartigen Fall wird eine Ver-
tragsstrafe nur dann nicht verwirkt, wenn die andern Beteiligten es an der
erforderlichen Mitwirkung fehlen lassen64), der Gläubiger selbst den Vollzug des
Schiedsspruchs verhindert 65 ) oder nicht in der Lage ist, die Leistung entgegen-
zunehmen 66 ).
K n ü t e l 6 7 ) zufolge gab Celsus68) im Anschluß an Sabinus 69 ) den Grundsatz
objektiver Haftung zugunsten subjektiver Verantwortlichkeit preis. Wie der Aus-
druck per promissorem non stetit quo minus solveretur zeige, sei eine Strafe jetzt
überhaupt nur noch verfallen, wenn das Ausbleiben der Leistung seinen Grund
im Verantwortungsbereich des Schuldners finde. Ein Verschulden in unserem
Sinne sei damit natürlich nicht gemeint.
Diese Ausführungen klingen widersprüchlich. Wo soll denn subjektive Ver-
antwortung angesiedelt werden, wenn diese im Gegensatz zur objektiven stehen,
aber gleichwohl kein Verschulden voraussetzen soll? Selbst wenn man mit
M a y n z 7 0 ) annähme, das Abstellen auf die Schuldnersphäre besage, der Schuldner
könne Zufall eben nur einwenden, wenn es ihm unmöglich war, dem Leistungs-
hindernis auszuweichen, kann von subjetiver Verantwortung nicht die Rede
sein. Ausgenommen blieben dann ja nur Tatbestände höherer Gewalt. I m übrigen
scheinen mir die von K n ü t e l angezogenen in anderem Zusammenhang stehenden
Aussagen der Klassiker nicht beweiskräftig:
Celsus hatte Fälle vor Augen, bei denen der Schiedsspruch aus Gründen nicht
erfüllt werden konnte, die in der Sphäre des Gläubigers liegen (ζ. B. Krankheit),
also eine Ausnahmesituation, die keinerlei Anlaß gab, von gesicherter Schul-
meinung in Sachen Straf verfall g e n e r e l l Abstand zu nehmen und sich auf die
Gegenseite zu schlagen.
Sabinus befaßt sich mit dem V e r f a l l z e i t p u n k t . Papinian stellt ihm Pegasus
gegenüber, der die Vertragsstrafe erst nach Eintritt objektiver Unmöglichkeit
verfallen ließ.
Wäre bei Ulp. (13 ed.) D. 4, 8, 23, 2 das eigentümliche posse dahin zu deuten,
freiwilliger Vollzug eines Schiedsspruchs könne nur darin bestehen, das zu tun,
was man zu tun vermöge, so ergäbe sich hieraus auch noch nichts für eine
zwischen objektiver und Verschuldenshaftung angesiedelte „subjektive Ver-
antwortlichkeit". Sollen wir den Klassikern wirklich zutrauen, ein klares Haf-
tungsschema zugunsten eines schwammigen, unklaren Begriffs geopfert zu
,i2
) Ulp. (76 ed.) D. 44, 4, 4, 2.
63
) Ulp. (13 ed.) D. 4, 8, 27, 4.
c4
) Pomp. (11 var. lect.) D. 4, 8, 40.
65
) Ulp. (77 ed.) D. 22, 2, 8.
6e
) Ulp. (13 ed.) D. 4, 8, 23, 1.
6
') S. 215.
68
) Ulp. (13 ed.) D. 4, 8, 23 pr. und § 1.
«») Pap. (2. quaest.) D. 45, 1, 115, 1.
70
) Cours de droit romain II, 4. Aufl., Brüssel 1877, S. 417, bes. Anm. 4.

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Literatur 427

haben und zwischen objektiver und subjektiver Haftung hin- und hergewankt zu
sein, ohne festen Boden unter den Füßen zu gewinnen?
3. P o e n a t r a i e c t i c i a e p e c u n i a e : Auch beim Seedarlehn verblieb es stets
bei objektiver Haftung. K n ü t e l 7 1 ) meint zwar, der Afrikanstelle (7 quaest.)
D. 44, 7, 2372) deshalb das Gegenteil entnehmen zu können, weil wir dort lesen:
non aliter non committi stipulationem quam si per debitorem stetisset quo minus
solverei. Er vermag aber keine einzige Stelle beizutragen, die eine Hinwendung
zum Subjektiven bestätigen oder erläutern könnte. Vielmehr sucht er ver-
zweifelt nach Gründen, weshalb sämtliche Parallelstellen 73 ) beim Tod des
Schuldners einen Verfall gerade nicht ausschließen. J a er muß dabei selbst ein-
räumen 74 ), daß man hier wohl eher an eine objektive Haftung des Nachlasses
dachte als an das Versäumnis des Erblassers, für Erfüllung seiner Verbindlich-
keiten nach dem Tode zu sorgen.
4. S t i p u l a t i o d u p l a e : Daß bei der stipulaiio duplae objektiv gehaftet
wurde, stellt bei dieser Sicht der Dinge dann keine Besonderheit dar, während
K n ü t e l 7 6 ) sich bemüßigt sehen muß, nach Gründen für diese Ausnahmeerschei-
nung zu fahnden, um diese dann in einem archaisch gedeuteten Gewährschafts-
gedanken zu finden.
5. D r i t t s c h a d e n s l i q u i d a t i o n : Auch in den Fällen der Drittschadene-
liquidation 76 ) muß K n ü t e l 7 7 ) , um sein Dogma zu halten, eine Besonderheit
sehen.
6. U n t e r l a s s u n g s p f l i c h t e n : Schließlich hält K n ü t e l 7 8 ) es für denkbar,
wenn auch nicht für sicher, daß die klassischen Juristen 79 ) bei Zuwiderhandlung
gegen strafgesicherte Unterlassungen von einer Verantwortlichkeit des Schuldners
absahen.
Von der von ihm postulierten, aber weder dogmatisch klar umrissenen noch
zuverlässig nachgewiesenen sogenannten subjektiven Verantwortlichkeit bleibt
nach all diesen Ausnahmen also nur ein nacktes Skelett, das eher der Werkstatt
des Präparators als der Lebenswirklichkeit entstammen dürfte.

IV. K o n k u r r e n z p r o b l e m a t i k
1. D o p p e l s t i p u l a t i o n :
a) War die Strafe verfallen, so trat nach Paulus 80 ) Quasi-Novation ein. Der
Schuldner hatte nur die vereinbarte Schadenspauschale zu entrichten. Kumu-
" ) S. 224ff„ 237.
72
) I n diesem Fragment geht es darum, ob ein bereits angemahnter Schuldner
sich darauf berufen kann, eine Zahlungsaufforderung für den nächst fälligen
Betrag nicht erhalten zu haben. Julian verneinte diese Frage. Die Vertragsstrafe
verfalle nur dann nicht, wenn das Ausbleiben der Leistung nicht in die Schuldner-
sphäre falle.
™) Nämlich Labeo (5 pith.) D. 22, 2, 9; Paul. (58 ed.) D. 45, 1,77; Paul.
(57 ed.) D. 42, 7, 1, 2; Pomp. (1 Sab.) D. 28, 5, 23, 3.
74
) S. 237.
" ) S. 239.
76
) Cels. (12 dig.) D. 47, 2, 68, 1 ; Paul. (22 ed.) D. 9, 2, 22 pr.
' 7 ) S. 241ff.
78
) S. 250ff. (255), 255f., 260f.
79
) Paul. (5 resp.) D. 19, 2, 54, 1; Scaev. (28 dig.) D. 45, 1, 122, 3.
8
°) (74 ed.) D. 44, 7, 44 §§ 5 und 6.

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428 Literatur

lation von Leistungsanspruch und Anspruch aus dem Strafversprechen Schloß


Paulus ebenso aus wie Alternativität.
b) Der Gegenmeinung scheinen Gordians Kanzleijuristen gefolgt zu sein.
Jedenfalls spricht sich C. 2, 3, 14 (241) im Gegensatz zu Paulus für ein Entweder
— Oder von Vertragsleistung und Vertragsstrafe aus.
c) Mit K n ü t e l 8 1 ) wird man auch annehmen dürfen, daß die Parteien die Kon-
kurrenzfrage sowohl durch ausdrückliche als auch durch formlose Abrede regeln
konnten.
2. S t i p u l a t i o p o e n a e u n d e x c e p t i o p a c t i : Nach K n ü t e l 8 2 ) bildete hier
elektive Konkurrenz die Regel. Kumulation habe es nur gegeben, wenn die Strafe
schon bei bloßer Friedensstörung verfallen sollte. Im Strafversprechen habe dies
aber ausdrücklich festgehalten werden müssen.
Wie ich indes bereits andern Orts zeigte83), befriedigen die Exegesen des
Verfassers nicht. K n ü t e l differenziert nicht zwischen Teilerlaß und Stundung
einerseits, Ausgleichsquittung mit Sicherung der Friedenspflicht andererseits.
Nur bei der ersten Fallgruppe gab es elektive Konkurrenz ; bei der zweiten wurde
ohne Rücksicht auf den Inhalt der Abrede kumuliert.
3. S t i p u l a t i o d u p l a e u n d e x c e p t i o d o l i : Vindizierte der Verkäufer die
Sache, die er verkauft hatte, bevor ihm selbst das Eigentum zugefallen war, so
hatte der Käufer die Wahl zwischen exceptio doli und stipulatio duplaesi). Von
elektiver Konkurrenz, die im Charakter der Strafklausel gründete, kann hier
aber nicht die Rede sein. Angriffs- und Verteidigungsmittel schlossen sich viel-
mehr deshalb aus, weil zwischen ihren Voraussetzungen ein alternatives Ver-
hältnis bestand. Erhob der Käufer die Einrede der Arglist, so wurde die Klage
des treuwidrig handelnden Verkäufers abgewiesen. Zu einer Eviktion, die die
Voraussetzung für die stipulatio duplae bildete, konnte es infolgedessen gar nicht
mehr kommen.
4. S t i p u l a t i o p o e n a e u n d b o n a e f i d e i i u d i c i a : Wie K n ü t e l 8 5 ) über-
zeugend darlegt, bestand schon im klassischen Recht zwischen der Klage aus dem
Strafversprechen und bonae fidei iudicia ein Verhältnis gemilderter Alter-
nativität: Deckte die poena den Schaden nicht ab, so konnte das Plus mit der
actio aus dem Konsensualkontrakt 86 ) eingefordert werden. Die Klassiker sahen,
wie bisher vernachlässigte Aussagen zur stipulatio duplae*1) und zur stipulatio rem
dari vacuam possessionem traäim) bestätigen, ein Nachforderungsrecht vor, um

81
) S. 281ff. Insoweit beruft sich K n ü t e l völlig zu Recht auf die donatio
Flavii Syntrophi, CIL VI 10239 = A r a n g i o - R u i z , Fontes iuris Romani I I I ,
Negotia, 2. Aufl., Florenz 1969, Nr. 94, S. 298ff., und Pap. (2 quaest.) D. 45, 1,
115, 2.
82
) S. 291 ff., 312 ff.
83
) Vertragsstrafe und Vertragsanpassung beim Vergleich, Gedanken zu
C. 2, 4,40 (381), in: Essays in Honour of Ben Beinart I I I , Kapstadt 1979, S. 97ff.
= Acta Iuridica 1978, S. 97 ff.
84
) Vgl. Ulp. (29 Sab.) D. 21, 2, 17 und Paul. (5 Sab.) D. 21, 2, 18.

) S. 320ff.
86
) lui. (3 Urs. Fer.) D. 19, 1, 28; Ulp. (20 ed.) D. 17, 2, 41 und 42.
87
) Besonders Pomp. (9 Sab.) D. 21, 2, 16 pr.; aber auch lui. (58 dig.) D. 21,
2, 43; Ulp. (32 ed.) D. 21, 2, 37, 2 und Paul. (5 Sab.) D. 40, 7, 10.
88
) Pomp. (9 Sab.) D. 19, 1, 3, 1; Pap. (27 quaest.) D. 22, 1, 4, 1.

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Literatur 429

von der poena nicht gedeckte Schäden auszugleichen. Erst Justinian 89 ) begrenzte
beim Vertrag die Haftung auf die dupli quantitas90).
5. V e r s p ä t e t e E r f ü l l u n g : Eine statt Strafzinsen promittierte poena konnte
kumulativ mit der Hauptleistung eingeklagt werden 91 ).
6. S i c h e r u n g v o n N e b e n a b r e d e n : Wie eine von K n ü t e l 9 2 ) ausführlich
erläuterte Papinianstelle 93 ) zeigt, wurden vertragliche Haftung und Vertrags-
strafe auch dann kumuliert, wenn durch die Vertragsstrafe ein Interesse z. B.
immaterieller Art abgedeckt werden sollte, das die für die Vertragsverletzung
vorgesehene Sanktion allein nicht zu schützen vermochte.

V. G e s a m t w ü r d i g u n g
Die Monographie K n ü t e l s fördert nicht nur eine Vielzahl neuer Erkenntnisse
zutage. Ihr Verdienst liegt auch darin, alle einschlägigen Quellen einer sorg-
fältigen, konservativen Exegese unterzogen zu haben. Diese Exegesen besitzen
Eigenwert. Die néuere Sekundärliteratur wird vollständig herangezogen und
kritisch ausgewertet 94 ). K n ü t e l sucht unseren Stellen stets die klassische Aus-
sage abzugewinnen. Sein Buch zeugt von großer Arbeitsfreude und begeistertem
Einsatz. Kein Wunder, daß es belebt und Fachgenossen bei Studium und Lektüre
gefangenhält.

Lausanne Fritz Sturm

W o l f g a n g K r ü g e r , Erwerbszurechnung kraft Status. Eine romanistisch-


rechtsvergleichende Untersuchung (Schriften zur Bechtsgeschichte 19).
Duncker & Humblot, Berlin 1979. 206 S.

I. Mit dieser gedankenreichen und förderlichen Schrift, einer von K u p i s c h


angeregten und betreuten Dissertation, nimmt der Verf. zu Problemen der Zu-
ordnung eines Erwerbs durch Hilfspersonen nach römischem und BGB-Recht
Stellung. Die Art, wie sich der Verf. mit den Quellen und der Literatur aus-
einandersetzt, zeigt einerseits seine gute Sachkenntnis und läßt andererseits die
Begabung deutlich werden, die kasuistische Arbeitsmethode der römischen
Juristen treffend zu erfassen.
Um Rechte oder rechtlich geschützte Positionen durch Dritte erwerben zu
können, bedienen wir uns nach heutigem Recht regelmäßig der rechtsgeschäftlich
verliehenen Vertretungsmacht, also der gewillkürten Stellvertretung. Neben dieser
89
) C. 7, 47, 1 (1. Sept. 531).
90
) Vielleicht angeregt durch Afr. (8 quaest.) D. 19, 1, 44.
91
) Pomp. (3 Plaut.) D. 45, 1, 90; Ulp. (15 ed.) D. 5, 3, 23, 1; Paul. (6 resp.)
D. 19, 1, 47.
92
) S. 357 ff.
93
) (27 quaest.) D. 18, 7, 6 pr.
94
) Nicht mehr berücksichtigt wurden z. B. L a u t e r b a c h , De poena con-
ventional!, Tübingen 1666; K e r s t e n , De poena conventional!, Leipzig 1839,
und C. W. W o l f f , Die Lehre von der mora, Göttingen 1841, S. 36ff.

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