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Nietzsche • Werke

Nietzsche
Werke
Kritische Gesamtausgabe

Begründet von
Giorgio Colli und Mazzino Montinari

Weitergeführt von
Wolfgang Müller-Lauter und Karl Pestalozzi

Zweite Abteilung
Zweiter Band
Herausgegeben von
Fritz Bornmann

Walter de Gruyter • Berlin • New York


1993
Friedrich Nietzsche

Vorlesungsaufzeichnungen
(SS 1 8 6 9 - W S 1869/70)
Anhang: Nachschriften
von Vorlesungen Nietzsches

Bearbeitet von
Fritz Bornmann und Mario Carpitella

Walter de Gruyter • Berlin • New York


1993
© Gedruckt auf säurefreiem Papier,
das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek — ClP-Einheitsaufnahme

Nietzsche, Friedrich:
Werke / Nietzsche. Begr. von Giorgio Colli und Mazzino Monti-
nari. Weitergef. von Wolfgang Müller-Lauter und Karl Pesta-
lozzi. — Kritische Gesamtausg. — Berlin ; New York : de Gruyter.
Abt. 2.
NE: Colli, Giorgio [Begr.]; Müller-Lauter, Wolfgang [Hrsg.];
Nietzsche, Friedrich: [Sammlung]
Kritische Gesamtausg.
Abt. 2.
Bd. 2. Vorlesungsaufzeichnungen (SS 1 8 6 9 - W S 1869/70); An-
hang: Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches / bearb. von
Fritz Bornmann und Mario Carpitella. — 1993
ISBN 3-11-009922-5
NE: Bornmann, Fritz [Bearb.]

©
1992 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30
Printed in Germany
Kritische Ausgabe sämtlicher Werke und unveröffentlichter Texte
Friedrich Nietzsches nach den Originalmanuskripten.
Alle Rechte der Reproduktion, der Übersetzung und der Übernahme
für alle Länder vorbehalten.
Walter de Gruyter & Co., Berlin, für die deutsche Ausgabe.
Editions Gallimard, Paris, für die französische Ausgabe.
Adelphi edizioni, Mailand, für die italienische Ausgabe.
Hakusuisha Publishing Company, Tokio, für die japanische Ausgabe.
Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin
Schutzumschlag und Einbandgestaltung: Barbara Proksch, Frankfurt/M.
Buchbinder: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin
Vorbemerkung

Wie im ersten Band der Abteilung II, der die von Nietzsche
selbst veröffentlichten philologischen Schriften umfaßt, ist auch
in den vier Bänden der Vorlesungsaufzeichnungen der Basler Zeit
(1869 — 1878) eine möglichst konservative Textform angestrebt
worden, im Unterschied zu der starken Normalisierung der in
der Großoktavausgabe abgedruckten Teile.
Es handelt sich um Aufzeichnungen, und eben als Aufzeich-
nungen sollen sie hier vollständig veröffentlicht werden. Das
bedeutet, daß die Eingriffe in den Text auf das Unentbehrlichste
beschränkt sind, und zwar nur an den Stellen, wo seine Lesbar-
keit, d. h. sein Verständnis durch eine einfache Wiedergabe des
handschriftlichen Befunds unmöglich gemacht würde.

Diese Eingriffe betreffen im wesentlichen vier Aspekte:


1) Interpunktion: Nietzsche ist hier — wie übrigens auch im
philosophischen Nachlaß — mit Satzzeichen sehr frei umgegan-
gen. Diese oft anomale Kolometrie (Fehlen von Satzzeichen, wie
etwa An- oder Abführungen und Klammern bei Zitaten und
Einschüben) wurde nur dann berichtigt, wenn das Unterlassen
der Korrektur dem Leser das Verständnis des Textes erschwert
hätte, ihn etwa über das Ende eines wörtlich angeführten Zitates
im unklaren lassen würde.
VI Vorbemerkung

2) Abkürzungen: In philologischen Schriften sind Abkürzun-


gen immer Sitte gewesen. Prinzipiell werden sie nicht ergänzt
oder aufgelöst, solange man aus dem Kontext das volle Wort
erschließen kann. Nur in ganz wenigen Zweifelsfällen wurde
um der Klarheit willen der fehlende Wortteil ergänzt.

3) Fehler: Faktische Fehler, wie etwa falsche Übersetzungen,


bleiben stehen. Korrigiert wurden nur ganz offensichtliche Ver-
schreibungen von Wörtern, die Nietzsche nie in dieser Form
geschrieben hat und aller Wahrscheinlichkeit auch nicht so
geschrieben hätte, wie z. B. falsche griechische Akzente, wäh-
rend der schwankende Gebrauch von Gravis oder Akut bei
oxytonen in den deutschen Text eingefügten Wörtern beibehal-
ten wurde.

4) Zitate antiker und moderner Autoren: Die Zitate


sind aufgrund der von Nietzsche benützten Ausgaben kontrol-
liert (auf keinen Fall modernisiert: die Konkordanzen wird
der Nachberichtband bringen) und korrigiert worden, wenn
entweder die Stellenangabe falsch, d. h. für einen Leser irrefüh-
rend war, oder der zitierte Text in der gegebenen Form sinnlos
ist, indem er den Absichten seiner Anführung widerspricht, etwa
ein unmetrisches Beispiel für ein bestimmtes Metrum oder ein
durch Versehen falscher oder unvollständiger Text, der durch
Fehler bzw. Auslassungen sinnwidrig oder unverständlich ge-
worden ist. Im Prinzip wurden beibehalten: ungenaue Zitate
aus dem Gedächtnis, sowie unzureichende aber nicht falsche
Stellenangaben. So bleibt im Text z. B. ,Athenaeus VII' neben
,Athenae. 281 oder ,Athen. VII 281B' stehen.
Nur in einem Ausnahmefall wurde die Zitierweise verein-
heitlicht. Nietzsche benutzt für Aischylos abwechselnd die Aus-
gaben von H. Weil (Choephorenkommentar, Gießen 1860), und
von G. Hermann (Leipzig — Berlin 1852), die durch die Änderung
der Kolometrie der Chorpartien eine eigene von den anderen
Vorbemerkung VII

Editionen — nach denen übrigens auch Nietzsche öfters zi-


tiert — abweichende Numerierung der Verse haben. Diese Nu-
merierungen sind aber seit der Ausgabe von Wilamowitz (1914)
zugunsten der traditionellen Verszählung aufgegeben worden.
Eine getreue Wiedergabe der Schwankungen im Manuskript
würde den heutigen Leser zwingen, abwechselnd zu der Weil-
schen bzw. Hermannschen und zu den herkömmlichen Textaus-
gaben zu greifen. Deshalb ist jeweils, falls erforderlich, die jetzt
übliche Versnummer hinzugefügt.
Die verschiedenen Eingriffe werden im Apparat angegeben.
Ergänzungen der Herausgeber im Text selbst sind immer durch
spitze Klammern kenntlich gemacht.

Im Unterschied zum ersten Band der Philologischen Schrif-


ten, wo die Stücke nach inhaltlichen Gesichtspunkten zusam-
mengestellt und erst in diesen Gruppen in zeitlicher Reihenfolge
erscheinen, stehen die Vorlesungsaufzeichnungen aus dem Nach-
laß in chronologischer Anordnung. Maßgebend ist jeweils die
Erstfassung, auch wenn sie zusammen mit späteren Änderungen
und Zusätzen abgedruckt ist. Die Vielschichtigkeit des Textes
gerade der Vorlesungsnotizen erklärt sich aus der wiederholten
Verwendung dieser Unterlagen in verschiedenen Semestern und
Jahren. Nietzsche hat stellenweise seine Notizen verändert, nach
dem neuesten Stand der Forschung bibliographisch ergänzt bzw.
korrigiert, manchmal auch Überholtes gestrichen.
Diese überarbeiteten Aufzeichnungen werfen Probleme für
die äußere Gestaltung des Textes auf, die sich nicht nach einem
ausnahmslos konsequenten Prinzip lösen ließen. Wollte man
nämlich versuchen, diese Vielschichtigkeit ebenso konservativ
wie den Wortlaut des Textes selbst in den vorliegenden Bänden
darzustellen — vorausgesetzt es wäre technisch möglich und die
zeitliche Zuweisung der verschiedenen Textstufen wäre immer
eindeutig —, dann wäre das sich so ergebende Druckbild den
meisten Lesern nicht zuzumuten.
Vili Vorbemerkung

Wo die späteren Zusätze materiell vom Grundtext getrennt


sind (wenn sie etwa als Anhang des Textes oder in einem oder
mehreren verschiedenen Manuskripten erscheinen) oder sich
aufgrund der Schrift mit Sicherheit abgrenzen lassen, sind sie
als solche gekennzeichnet und nicht in den Haupttext integriert,
sondern erscheinen am Ende desselben als Ergänzung, ein Ver-
fahren, das schon C. Koch in der Beck'sehen Ausgabe bei der
Veröffentlichung der Vorlesung über die griechischen Lyriker
(die allerdings einen besonders komplizierten Einzelfall darstellt)
angewendet hat. Ebenso deutlich lassen sich eigentlich nur die
Zusätze in den Prolegomena zu den Choephoren des Aeschylus
(S. 1 — 34) abgrenzen.

Bei dieser Textgestaltung ist grundsätzlich zwischen Integra-


tionen und Varianten zu unterscheiden. Erstere sind in verschie-
dener Gestalt in den Grundtext aufgenommen worden. Wenn
sie eindeutig den Charakter einer erklärenden Anmerkung auf-
weisen, sind sie als Fußnoten an der von Nietzsche selbst angege-
benen Stelle hinzugefügt worden, oder, mangels dieser Angabe,
dort, wo sie dem Sinn nach hingehören. So wurden Randanmer-
kungen und interlineare Zusätze in den Text eingebaut. Genaue
Angaben über den handschriftlichen Befund werden die Nachbe-
richte bringen. Freilich bleibt die exakte Plazierung solcher
Einschübe oft hypothetisch und die Entscheidung darüber auf
jeden Fall eine Sache des Ermessens.
Textvarianten sind in den edierten Text aufgenommen wor-
den, wenn sie von Nietzsche selbst als solche gekennzeichnet
wurden: durch Streichung, durch eckige Klammern oder durch
Anmerkungen wie ,rectius', ,nein!' oder ein am Rande stehendes
großes Fragezeichen. Gewöhnlich enthalten sie einen in sich
abgeschlossenen Gedanken oder Gedankengang oder auch eine
längere Fassung, die durch eine neue ersetzt wurde oder ersetzt
werden sollte. Diese von Nietzsche verworfenen Fassungen ste-
hen in eckigen Klammern.
Vorbemerkung IX

Wo Nietzsche sich für keine der Varianten entscheidet, be-


sonders in seinen Übersetzungen, werden beide zwischen Akko-
laden ({ }) als gleichwertig angeführt.
Nicht in den edierten Text aufgenommen sind dagegen ein-
zelne Wörter oder Wortteile, die sicherlich — oder zumindest
mit großer Wahrscheinlichkeit — schon bei der ersten Nieder-
schrift von Nietzsche bereut, gestrichen und durch den neuen
Text ersetzt wurden. Natürlich ist auch hier die Grenze zwischen
diesen gleich fallengelassenen Ansätzen und den nachträglich
verworfenen Textvarianten unvermeidlich fließend. Alles, was
ausgelassen wurde, wird der Apparat anführen.

Herausgeber und Bearbeiter sind sich wohl bewußt, damit


eine Art Text vorzulegen, in dem auf ein und derselben Seite
oft verschiedene Textstufen stehen. Aber einerseits ist gerade
das die Charakteristik von Aufzeichnungen, die, ihrer Aufgabe
entsprechend, eine Stütze für das Gedächtnis und keine endgül-
tige Fassung anstreben wollen. Damit stellen sie ein besonderes
Textgenus dar, das auch eine besondere Behandlung rechtfertigt.
Andererseits schien es nicht ratsam, spätere Zusätze — die sich
übrigens nicht immer mit Sicherheit als später erweisen lassen —
oder auch gleichzeitige Zusätze in den Apparatband zu relegie-
ren, wenn Nietzsche zu verschiedenen Zeitpunkten für seine
Vorlesungen einen erweiterten oder auch reduzierten Text be-
nutzte, wobei die Streichungen oder Zusätze auf einer Seite oft
nicht derselben Stufe der Streichungen und Zusätze einer ande-
ren Seite angehören. Über die genaue Zusammensetzung und
die Entstehung dieses Textes wird der Nachbericht Auskunft
geben.

Als Anhang erscheinen drei Nachschriften von Vorlesungen


Nietzsches, die von Hörern verfaßt wurden. Ihrer Art gemäß
sind es stellenweise nur Stichworte, unvollständige Sätze und
sogar Wörter, die in der Eile nicht ausgeschrieben werden konn-
X Vorbemerkung

ten. Da waren mehrere Ergänzungen und Korrekturen sowie


das Einfügen von Satzteilen schon deshalb erforderlich, um
einen verständlichen Text herzustellen. Es geht hier nicht darum,
eine diplomatische Ausgabe der Nachschriften vorzulegen, son-
dern Nietzsches Gedanken und Formulierungen nach Möglich-
keit wiederherzustellen. Bei den Nachschriften der Vorlesungen
über Aischylos' Choephoren und über die griechischen Lyriker
konnten verschiedene Stellen durch den Vergleich mit den ent-
sprechenden Aufzeichnungen von Nietzsches Hand mit Sicher-
heit ergänzt werden. Aber Nietzsche hat vieles mündlich vorge-
tragen, was er nicht geschrieben hat — wie er auch Verschiede-
nes aus seinen Notizen nicht vorgelesen hat: In diesen Fällen
sind die Ergänzungen (die natürlich stets als solche gekennzeich-
net sind) nur sinngemäß und liefern keine Gewähr für den
genauen Wortlaut. Für die Aischylos-Vorlesungen sind öfters
die vorsichtigen Integrationen von C. Koch übernommen wor-
den, dem das Verdienst gebührt, als erster große Teile dieses
Kommentars bearbeitet zu haben, der chaotisch auf interfoliierte
Blätter und die Seitenränder eines Handexemplars von H. Weils
Ausgabe der Choephoren zerstreut ist. Die für Band VI der
Beck'schen Ausgabe bestimmten ersten Druckfahnen hat Koch
noch im Januar 1945 korrigiert und mit Ergänzungen versehen.
Die Seiten 1 — 104 und 311—442 sind von Fritz Bornmann
bearbeitet worden, 105 — 310 von Mario Carpitella.
Wesentliche und sachkundige Unterstützung hat die Arbeit
in allen ihren Phasen bei Prof. Wolfgang Müller-Lauter und
Prof. Karl Pestalozzi gefunden. Mit wertvollen Ratschlägen bei
theoretischen und praktischen Problemen der Textgestaltung
ist den Herausgebern PD Dr. Wolfram Groddeck zur Hilfe
gekommen. Auch Prof. Glenn W. Most hat durch Diskussion
von prinzipiellen Fragen die Edition gefördert. Die Entzifferung
einer schon für Mazzino Montinari und seine Mitarbeiter rätsel-
haften Stelle ist Prof. Jörg Salaquarda gelungen. Frau Dr. Bar-
bara von Reibnitz hat uns dank ihrer Kenntnis des Nietzsche-
Vorbemerkung XI

Archivs auf das Vorhandensein von Druckfahnen der Koch'-


schen Ausgabe der Aischylos-Vorlesungen aufmerksam gemacht.
Dr. Hans-Gerald Hödl hat für einige zweifelhafte Stellen in
Weimar noch einmal die Originalhandschriften kontrolliert und
die richtige Lesart gesichert. Die Herausgabe von Handschriften
aus Nietzsches Nachlaß wäre ohne die aktive Mitarbeit der
Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der Klassischen
Deutschen Literatur in Weimar, jetzt Stiftung Weimarer Klassik,
nicht möglich gewesen. Zu besonderem Dank sind wir Dr.
Volker Wahl und Dr. Roswitha Wollkopf von der Stiftung
Weimarer Klassik, sowie Dr. Michael Knoche und Dr. Konrad
Kratzsch von der Zentralbibliothek der Deutschen Klassik in
Weimar verpflichtet.
Herr Andreas Vollmer vom Verlag Walter de Gruyter hat
sich der typographischen Gestaltung dieser oft schwierigen
handschriftlichen Aufzeichnungen mit Geduld und Sachkenntnis
angenommen. Auch an ihn geht unser Dank.

Florenz —Rom, im Dezember 1990. Fritz Bornmann


Mario Carpitella
Prolegomena zu den Choephoren
des Aeschylus

[SS 1869; WS 1869 -1870; SS 1870; SS 1872; SS 1874; WS 1877 -1878; SS 18781
Wir wollen uns den Weg, den die Prol. zu den Choeph. des
Aesch. gehen sollen, diesmal durch den alexandr. Grammatiker
und Bibliothekar Aristophanes von Byzanz zeigen lassen.
Von den meisten Tragödien der drei großen Tragiker finden
5 Sie argumenta, welche durchaus planmäßig und einheitlich an-
gelegt sind. In ihnen soll in Kürze gesagt werden, was zur
Vorbereitung eíq ií]v giaay(öyf|v nöthig ist.
N u n steht über solchen Argumenten bei der Antigone des Sopho-
cles, Eumeniden des Aeschyl. bei den Phoeniss. dem Orestes der
io Medea den Bacchen 'Apiaxocpdvoix; xoß ypa|xjj.axiKoC. Aber
auch w o der N a m e nicht steht, findet sich folgendes Schema:
1. der Inhalt des Stückes
2. ob einer der andren großen Dichter den Stoff behandelt hat
und welche Abweichungen vorkommen. Formel Kevcai f|
15 jiü9o7toiia Kai n a p a xqj 5eíva vel Ttap' ouSexepcp
3. die Scene f) |¿év ctkt|vt) úrcÓKeixai -
4. der Chor ó 5é X°pö<; auvéaxr|K£V -
5. der Prologsprecher 7ipoÄ,oyi^ei Sé —
6. die didascalia
2.0 7. das wie vielte Stück ist es (chronologisch) So in der römischen
Didask. Formel: facta est v. Ritschi Parerga I 263. Dies die
Ansicht Schneidewins (v. Ajax p. 29, Abhandl. der Gött.
Akad. VI 264) gestützt auf die Worte im arg. Antig. XeXeKiai
8e t ö 5pá|¿a t o ö t o xpiaKoaxöv Seúxepov. Wenn aber Sehn.
4 Vorlesungsaufzeichnungen

behauptet die Ordnung der Sophocl. Stücke im Laurent, sei


die chronologische, so ist dies nach sicheren Analogien falsch.
Im Mittelalter hat man eine Auswahl von Dramen gemacht
zu Schulzwecken x<x jrpaxxöneva u. zwar 7 Soph. 7 Aesch. 1
7 Eurip. 7 Ar. Die Ordnung ist die, daß die leichteren Stücke
voranstehen, so der Plutus u. Prometheus. Später ist dieser
Kreis noch einmal verengert worden: zu je drei und zwar

Aesch.: Prometh. Septem Persae


immer die drei
Soph.: Ajax Electra Oed. rex
ersteren der
Eurip.: Hecuba Orest. Phoeniss.
älteren Ordnung.
Arist.: Plutos Nubes Ranae

die Byzant. nannten zB. die Septem kurz xö Seúxepov 8pä|ia,


Eur. Phoeniss. xö xpixov 8pa|ia
Hierzu ist zu vergl. Bergk comment. de vita Sophoclis vor der
Tauchn. Ausg. des Soph. p. 40.
Die Argumente mit den 7 Theilen gehen also auf Aristoph. v.
Byzanz 2 zurück, wie dies Schneidewin zuerst gezeigt hat de
hypothesibus tragoediarum Graecarum Aristophani Byzantio
vindicandis. Göttingen 1 8 5 3 . 3

1
Prometh. Septem Persae. Suppl. Agam. Choeph. Eumen.
2
Ol. 124 Bibliothek gestiftet
12.5 Zenodot Biblioth. Die alexand. Bibliotheken
OI.133 f Zenodot v. F. Ritsehl 1838 Breslau
Callimachus Bibl. jetzt Opuse. I p. 73 Tabelle.
Ol. i ü f Kall.
136 Eratosthenes Biblioth.
Kurz vor Ol. 144 Apollonius Bibl.
145
Ol. 144 f Apollon.
145 Aristophanes biblioth
Kurz vor Ol. 148 Aristarchus bibl.
149
3
Diese Manier wurde stereotyp: Lucian giebt ein solches Argumentum
seinem Drama 'Qkütioix;. - Zeugniß: Etym. M. p. 672,2.7 6 oöv KaX/i|iaxo^ 6
YpamxaxiKÖ«; sitoisi irivamc; fiv ol<; f j a a v ai dvaypacpai rcapä xrnv (Spandtcov)
Prolegomena zu den Choephoren des Aeschylus 5

Bei den Choeph. ist nun gerade das Personenverzeichn. das


Argument und der Anfang der Choeph. in dem cod. der dem
Med. zu Grunde liegt ausgefallen. Unsre Proll. sollen diesen
Ausfall ersetzen: und wir werden uns an die Aristophan. Anord-
5 nung anschließen.
1. der Inhalt der Tragödie.
2. Verwendung dess. Stoffs vor und nach Aeschylus. Der ethi-
sche Standpunkt des Ae.
3. die aeschyleische atcr|vf|.
10 4. Zusammensetzung des Chors und Gliederung der Chorge-
sänge.
5. die Vertheilung der Rollen.
6. über die öiSaaicaAia u. die aeschyleische Trilogie.
7. Geschichte des aeschyleischen Textes.

15 I.
Der Inhalt der Choephoren.

Die V o r a u s s e t z u n g e n , die A. für die Orestie macht sind


folgende:
Die Söhne des Pelops (der sich von Asien kommend Elis bemäch-
2.0 tigt u. von da aus die ganze P e l o p o n n e s u s beherrschte) Atreus
u. Thyestes. Atreus in Argos u. Mycene, Thyestes der jüngere
bekam ein Vasallenland im Süden von Argolis: aber er benutzt
den ehebrecherischen Umgang mit seines Bruders Weib, wird
entdeckt und landflüchtig. Später kehrt er mit zwei Söhnen
25 zurück: als Schutzflehender an Atreus Herd. Atreus feiert zur

àpxaicov • olç èvxuxojv ô ypannaxiKôç knoiT\aazo -uàç U7io0écrsiç tcûv


S p a n â t c o v Gemeint ist die Schrift v. KaXA,i|iaxoç Suid TcivaE, Kai àvaypacpfi
tc5v Kaxà xpôvouç Kai ân' dpxfl? y e v o n é v w v SiSacrKaXicov. Reihenfolge
Zenodotus Callimachus Eratosthenes Apollonius Aristoph. Ritschl al. Bibl. Op.
I. 63.
6 Vorlesungsaufzeichnungen

Wiederkehr ein großes Opferfest, und setzt dem einzeln sitzen-


den Thyest seine Beiden Söhne zum Mahle vor. Dies ist die
Ttproxapxoi; axr|, der Urfluch. Thyestes stürzt hintenüber, wirft
den Tisch um und verflucht das ganze Geschlecht des Atreus.
5 Thyest zieht sich auf sein Vasallengut zurück. Hier wird ihm
Aegisthos geboren. Später ermordet er Atreus, wird aber vor
dessen Söhnen Menelaus u. Agamemnon flüchtig.

Agamemnon Menelaus
in in
Mykene u. Argos Sparta
heirathet Klytaemnestra Helena
A
Iphigenia Electra Orestes

Der durch die Entführung der Helena gekränkte Menelaus ent-


bietet das ganze Hellas zum Rachekrieg. Agamemnon über-
15 nimmt den Oberbefehl. Vor der Abfahrt von Argos bedenkliches
Zeichen: zwei Adler zerfleischen eine trächtige Häsin. Dies ist
der thierschützenden Artemis gräulich: es bedeutet, daß auf
Agamemnon noch das nicht gesühnte Miasma liegt. Kalchas
weissagt, daß Troja genommen wird, fordert aber von Agamem-
20 non ein furchtbares Opfer für die Sünden seiner Väter und die
eignen noch zu begehenden in Asien.
Artemis hält die Flotte in Aulis durch widrige Winde zurück:
Calchas verlangt die Opferung der Iphigenia. Der Ehrgeiz siegt
bei Agamemnon: er läßt seine Tochter schlachten und verhindert
25 durch Knebel das Aussprechen eines Fluches.
Während des iojähr. Kriegs kehrt der Sohn des Thyest
aus der Verbannung zurück: Klytämnestra gestattet ihm den
Aufenthalt in Argos und Mykene. Aegisth will Rache nehmen:
es ist ja erst e i n e r gefallen. Klytämnestra aber will Rache für
30 ihr Kind. Sie vereinigen sich.
Prolegomena zu den Choephoren des Aeschylus 7

Der Agamemnon des A. stellt nun die Heimkehr des siegrei-


chen Agamemnon u. seine Ermordung durch die Königin dar:
die Choephoren die Blutrache an den Mördern vollzogen.
Der in Phocis bei einem väterlichen Gastfreunde erzogene Ore-
5 stes kehrt herangewachsen in seine Heimat zurück, von Apollo
gemahnt, die heilige Pflicht der Rache an Clyt. und Ägisth zu
vollziehen. Ihn begleitet Pylades um ihn im Seelenkampf zu
stärken. Sie kommen in dem Augenblick an als Elektra mit einem
Gefolge dienender Frauen am Grabe Agamemnon's Trankopfer
10 darbringt. Sie kommen auf Cl.s Geheiß die durch einen bösen
Traum erschreckt worden ist, den Gemordeten durch Spenden
zu beschwichtigen. In ihnen lebt der Schmerz um Agam. unge-
schwächt fort, und die Unruhe der Mörderin läßt sie hoffen,
daß der Rächer nicht lange ausbleiben werde (Ildpo8o<; v.
15 zz — 83) Statt den Todten zu besänftigen beten sie um Rache
und um Orestes' Heimkehr. Elektra gewahrt die Locke: durch
die Ähnlichkeit mit ihrem Haar und das Zutreffen der Fußtapfen
wird sie auf den Gedanken gebracht, es sei die Locke des
Orestes. Orest tritt vor, giebt sich zu erkennen und erzählt, was
20 ihm das Orakel des Apoll befohlen habe. Epeisodion I 84 — 305.
Jetzt erheben sie gemeinsam die Todtenklage und erhitzen sich
durch Vergegenwärtigung der einzelnen Umstände des Mordes
306 — 478. Auch durch die Erzählung von Klytäm. Traum be-
stärkt theilt Orest seinen Plan mit (479 — 584), der Chor freut
25 sich, daß Clyt. endlich den Lohn ihrer Vermessenheit finden
werde (Stasimon 585 - 6 5 z ) Orest begehrt Einlaß im Hause der
Cl. u. giebt sich für einen Phokeer aus, der auf einer Reise
nach Argos von Strophios den Auftrag bekommen habe den
Angehörigen des Orestes diesen Tod zu melden. Kl. heuchelt
30 Schmerz und schickt nach Aegisth. Sie will daß derselbe Bewaff-
nete mitbringe, was aber der Chor zu hintertreiben weiß
653—782, der die Götter um Unterstützung anfleht Stasim.
783 — 837. Orest tödtet Aegisth u. nach einigem Zaudern seine
Mutter 838 — 930. Der Chor versagt den Todten seine Theil-
8 Vorlesungsaufzeichnungen

nähme nicht jubelt aber, daß dem Hause ein Licht aufgegangen
sei Stasim. 931—972. Orest kommt mit den Werkzeugen, mit
denen sein Vater ermordet wurde, sucht seine That durch Beru-
fung auf Apoll zu rechtfertigen, sieht aber auch schon die
Erinyen auftauchen u. will zum Heiligthum des Apollo nach 5
Delphi fliehn begleitet von den Segenswünschen des Chors.
973 - 1 0 7 6 .

"AXkio<;
Nachdem der Vorhang heruntergelassen ist, kommen von der
Straße der Fremde her O. und P. mit Schwertern: Wanderer 10
erkennbar an hohem Stabe u. Reisehut. Orestes' Mantel mit
Borden geschmückt. Grab Agamemnons die Thymele in der
Orchestra durch einen Aschenkrug bezeichnet. Locke abge-
schnitten. Die Thür der Frauenwohnung öffnet sich. Frauen in
Trauer, flatterndes Haar, schwarze Trauerkleider. Hinter ihnen 15
Elektra. Orest verläßt das Grab und verbirgt sich.
XOpiKöv I. Die Grabesspenderinnen steigen die Stufen herab u. nahn dem
22
"74- Grab. Während sie singen, steht Elektra schweigend an den
¿Tteicj. I Stufen des Grabes. Es ist still. Elektra steigt die Stufen des
75 581
Grabes auf: sie fragt, wie sie reden soll. El. spricht ihr Gebet. 20
Die drei Führerinnen reichen ihr auf die Höhe des Grabes die
Krüge. Die Chöre singen den Grabgesang. Trauerlocke: Spuren
zweier Wandrer. El. steigt herunter u. mißt die Spur mit dem
eignen Fuß. Heftige Unruhe. Orest tritt ihr ruhig entgegen.
Zweifel. Heller Jubel. Orest betet zum Zeus u. nennt sein Amt 25
0pfjvo<; Großer Trauergesang, durch die Erinnerung entfacht u. auf-
geregt. Schließlich setzen sich die Geschwister auf die unterste
Stufe den Blick nach dem Todtenreiche und flehen den todten
Vater an.
warum ? Jetzt erst fragt Orest nach der Veranlassung der Spende u. 30
trifft die Anordnungen. Elektra muß ins Haus: der Chor soll
Prolegomena zu den Choephoren des Aeschylus 9

schweigen. Er selbst geht mit Pylades auf der Straße der Fremde
ab.
Der Chor singt einen Zwischengesang. O. u. P. kommen von XopiKöv II
der Seite der Fremde als Wanderer mit wenigen Begleitern: sie 585-651
5 gehen die Bühnentreppe hinauf nach links zur Gastwohnung. ¿Tcevcj. II
Orest pocht mit dem Stabe an die Thür: der Knecht öffnet 652-782
säumig u. fragt was es gebe. Orest will die Herrschaft sprechen.
Der Knecht geht hinüber zur Frauenwohnung. Nach kurzer
Pause kommt Klytämn. u. Elektra aus dem Hause drüben, der
10 Knecht u. einige Mägde. Orest wird freundlich bewillkommt,
er sagt seinen falschen Bericht: Elektra unterstützt mit verstellter
Klage seine List. Kl. verbirgt kaum ihre Freude, gebietet dem
Knechte für die Fremden zu sorgen, geht mit El. u. den Mägden
zur Frauenwohnung ab, während Orest und die Begleiter dem
15 Knecht in die Gastwohnung folgen.
Nach einem kurzen Chorlied kommt Kilissa die Amme aus
der Frauenwohnung. Der Chor unterbricht den Gesang: als
wisse sie selbst von nichts fragt die Chorführerin die Amme
was sie traurig sei. Sie erzählt es: jetzt müsse sie dem Herren
20 das Geschehene melden. Die Chorführerin zeigt ihr eine ferne
Hoffnung u. trägt ihr auf den Herrn ohne Begleitung herzube-
scheiden.
Der Chor singt ein Gebet für Orestes. Von der Seite der XOpiKÖV III
Heimat her von Kilissa begleitet Aegisthos: von der Bühnen- 783-837
25 treppe aus fragt er den Chor nach etwas Sicherem. Die Chorfüh- kneiG. III
838-934
rerin vom Grabe her sagt ihm er möge selbst hineingehen u.
fragen. Nach wenig prahlerischen Worten geht er über die Bühne
zur Gastwohnung.
Kurzer Gesang des Chors
30 Wehruf von der Gastwohnung her. Der Chor setzt sich auf
die der Bühne abgewandten Stufen des Grabes. Die Thür der
Gastwohnung wird aufgerissen ein Knecht mit Wehegeschrei
rennt über die Bühne zur Frauenwohnung, reißt an der Thür,
ruft Klyt. ohne Respekt. Kl. unbegleitet tritt hervor, in Angst.
10 Vorlesungsaufzeichnungen

Sie versteht des Knecht<(es) räthselhafte Äußerung u. schickt


ihn hinein um ihr Mordbeil zu holen. Orest kommt die Mutter
zu morden. Im Zwiegespräch wird Or. wankend: hier spricht
Pylades u. erinnert ihn an die Pflicht. Orestes führt die Kl. fort
in die Gastwohnung. 5
XopiKöv IV Der Chor erhebt sich von den Sitzen und singt um das Grab
935 ~97z stehend ein ernstes Gebet.
Aus der Thür der Gastwohnung kommt Orest mit blutigem
Schwerte, mit ihm viel Gefolge: Knechte tragen auf Einem Lager
Aeg. u. Klyt.'s Leichen heraus u. stellen sie auf die Mitte der io
Bühne. Von allen Seiten kommt jetzt das Volk heran
Orest zeigt dem Volke seine That u. deren Berechtigung. Diener
heben die rothen Decken hoch empor u. halten sie breit. Diese
bilden den Hintergrund. Orest ruft des Vaters Todtengewand zum
Zeugen an, daß er die That vollbracht habe. Aber schon zerrüttet 15
sich sein Geist. Vom Altar nimmt er den heiligen Oelkranz u. den
Oelzweig um als Hülfeflehender nach Delphi zu wallen. Umsonst
tröstet ihn der Chor. Aus der stygischen Pforte steigen die Erinyen
auf Orest in furchtbarer Angst stürzt die Stufen hinunter, hinaus
ins Weite. Die Frauen gehen r u h i g die Treppe hinauf nach der 2.0
Frauenwohnung. Der Vorhang hebt sich.

z. Verwendung desselben Stoffs vor und nach Aeschylus.


Die Sage in den Händen der Dichter.

Die Odyssee kennt den ganzen Stoff doch mit wesentl.


Abweichungen. Noch nichts von dem Opfertod Iphigenies Kl. 2.5
erscheint als verführte Ehebrecherin. Auch nichts von den frühe-
ren Gräueln im Hause der Pelopiden. Atreus hat bei seinem
Tode das Scepter dem Thyestes übergeben, dieser es wieder
seinem Neffen Agamemnon vermacht. III 256 ss. Nestor. „Der
edle Orestes kehrte wieder von Athen zurück (von Phocis: Lesart 30
Prolegomena zu den Choephoren des Aeschylus 11

der Tragiker) und erschlug den Vatermörder." Bei der Bestattung


giebt er den Argivern einen Leichenschmaus. Seine That wird
immer als ruhmvoll genannt. Nichts von den Erinyen.
Zeus sagt Od. I, 33: von uns meinen die Menschen daß die
Leiden kommen, aber sie selbst laden sie sich auf noch über des
Schicksals Bestimmungen hinaus durch eigne Thorheit. So hat
nun auch Aegisth wider die ewige Ordnung die Gattin des
Atriden geheirathet und ihn bei seiner Rückkehr getödtet. Und
doch wußte er sein schnelles Verderben, denn wir hatten den
Hermes abgesandt u. ihm sagen lassen daß er weder den Mann
tödten noch seine Gattin freien solle: denn von Orestes werde
die Rache von dem Atriden kommen, sobald er herangewachsen
sei und Sehnsucht nach der Heimat spüre. So sagte ihm Hermes
aber nicht überredete er ihn mit seinen heilsamen Rathschlägen. |
Hesiod im KaxdA,oyoq yuvaiKÖv über das Geschlecht. In den
vöaxoi des Agias v. Troezen wurde die Rückkehr des Agam. u.
das "Weitere beschrieben. Nichts Charakterist. überliefert.
Vornehmlich Stesichoros in seiner Oresteia. fr. Bergk p. 983.
Die Burg Agamem.s in Sparta, wie Simonides, nach Homer in
Mycene. Die Amme Ki/Ucrcra schon unter anderm Namen bei
Stesichoros (Laodameia), bei Pindar Arsinoe.
Der Traum der Klyt. vom Drachen ist stesichoreisch.
Von den Tragikern also Aesch. Soph. Eurip. gewöhnliche
Annahme dieser Reihenfolge.

Aesch. Choeph. Ol.80,2


Electra des Soph. bald nach der Antigoneaufführ. (84,3)
Der Orestes kann nicht zu den spät. Dramen des Eurip. gehören
Die Trimeter nicht auf verschiedene Personen vertheilt.
Absichten des Euripides: die bessere avayvcbpici^
die Steigerung der unglück-
lichen Lage Elektras
beim Gelingen der Rache soll
Elektra vergütet werden.
12 Vorlesungsaufzeichnungen

Wichtig daß es die Stelle eines Satyrdramas vertrat Cramer


Anecd. III 337.
Aegisth hat die El. an einen Bauer verheirathet. Dürftigkeit
schlechte Tafel, Kleidung. Der Bauer berührt sie nicht. Elektra
erfährt von Orest, daß ihr Bruder lebt, sie spricht mit ihrem
Mann: beide lassen den Greis kommen, der den Orest gerettet
hat. Der Greis hat auf dem Wege dem Grabmal des Agam.
spenden wollen u. die Locke gefunden. Er muthmaßt aus der
Farbe des Haars. Elektra hält dies für unmöglich. Der Greis
will etwas auf die Fußspur geben. Elektra macht sich lustig. Der
Greis erkennt ihn an einer Narbe auf der Stirn.
List geschmiedet. Um die Einheit des Ortes zu wahren: Elektra
sei im Wochenbett. Klyt. wird kommen. Vorher wird Aeg.
abgeschlachtet. Ein Bote berichtet ausführlich: Orest rühmt sich
der That. Klyt. kommt auf einem Wagen, will sich rechtfertigen
(mit Iph. u. Kass.) sie folgt der Elektra ins Haus. Ruf: Kinder
tödtet nicht eure Mutter. Orest erzählt: auch daß die Mutter ihm
ihre Brust entgegen gehalten habe. Die Dioskuren erscheinen:
Pylades mit Elektra. Sie kündigen Orest an daß er vor dem
Areopag u. Athene Gnade zu erwarten habe.
Eurip. will genauer motivieren als Aesch.: aber er macht es
unpoetisch. Die ganze Tendenz erlaubt ihm vieles.

Über den Geschlechtsfluch. Die tiefere Bedeutung erst von


Aeschyl. hineingelegt.
1 . Das Gesetz ius talionis „ f ü r blutigen M o r d wird blutiger
M o r d . " Daher die enggeknüpfte Kette von Frevelthaten.
2.. Die Rache ist den Gemordeten am angenehmsten, wenn sie
von den Blutsverwandten ausgeführt wird.
3. Der Frevelmuth in einem Geschlecht erbt sich fort. Alastor.
Erinys. Ära.
Clyt. will als unverantwortlich sich angesehen wissen, als willen-
loses Werkzeug. Aber der Chor sagt ihr daß der Alastor bloß
ein mitthätiges Werkzeug war.
Prolegomena zu den Choephoren des Aeschylus 13

Also ein f r e i e r E n t s c h l u ß wird vom Dichter vorausgesetzt.


Kein absoluter Determinismus.
Klyt. sagt 898 <W. = 910>

„Sohn das Schicksal trägt die Schuld an dieser T h a t "


5 „Und ebenso bringt D i r das Schicksal jetzt den Tod."
Hab Acht! der Mutter grimme Hunde meide
Doch wie meide ich die des Vaters, wenn ich dich lasse

Bei Orest ist also nicht der in Verblendung fortreißende Rache-


dämon thätig. Bedeutsam

10 „was thu ich Pylades? scheu ich meiner Mutter Blut? 894
<W. = 899}

Deshalb kann bei ihm der Fluch aufhören.


Der verblendende Dämon ist bei Aesch. das Werkzeug des Zeus
So reinigte er die verworrene Vorstellung von dem bethörenden
15 Dämon des Volkes.
Die Ethik des Aeschylus in vier Sätzen:
1) freier Wille des Menschen in der Wahl zwischen Gutem und
Bösem
2) ohne Schuld keine Strafe von der Hand der Götter
20 3) erst wenn sich der Mensch in Frevelmuth gegen die Gottheit
vergangen hat, treibt ihn diese durch Verblendung zu
n e u e m , Untergang bereitendem Frevel.
4) Vermittler der Verblendung ist ein Dämon, (Alastor Rache-
geist oder Ate spezieller genannt) Der Alastor lockt und
25 winkt dem Geopferten neue Opfer zu bringen: er mästet sich
darin und plätschert unter Strömen von Verwandtenblut: je
tiefer er sich einnistet, um so mehr verführt er. Er hat eine
verwundende Kralle, er besudelt unfläthig das Dach, auf dem
er lagert. Etwas Koboldartiges.
30 Der Alastor als Geschlechtsdämon ist eine neue Auffassung
des Aeschyl. Ein durch schweres Verbrechen hervorgerufener
Rachegeist: von dA,aonav, äXaivco - äXr] Wahnsinn. Subst. auf
14 Vorlesungsaufzeichnungen

xcop bezeichnen eine Thätigkeit TtpctKXöp 0eX,Kxcop |iidaxa)p


ar||idvxft)p. Also der „wahnsinnig machende" der aufregende
Quälgeist. Die Redner nennen einen Hochverräther äA.ÜGXopa
c
EAA,a8o<;, der nemeische Löwe heißt ßowcötaov äXäaz&p. Nie
5 heißt er der „Fluchbeladen"; falsch die Etymologie von äÄ/r|CJXO<;
der die Missethat nicht v e r g e s s e n d e Geist: dies ist eben der
Fortschritt des Aeschyl. daß er den Alastor als Geschlechtsfluch
faßt. Achill II. X 261 sagt „rede mir nicht Hektor von Verträgen
äA.a<7xe": woher sollte die dorische Form kommen? Nach den
10 Schol. soll es heißen av£7iiÄ,T]crta eipyac|ieve: wie soll der der
unvergeßliches gethan hat, selber unvergeßlich heißen? Vielmehr
„unsinnig" „irr"

3. Die aeschylische aicr|vf|.

Vergegenwärtigen wir uns die Grundzüge eines griechisch.


15 Theaters Die Orchestra ein Kreis, rings herum, nämlich mehr als
einen Halbkreis betragenden Kreisabschnitt laufen die Sitzreihen
(ßdGpa eSpai), terrassenförmig-parallellaufend. Zwischen die-
sen (den Stockwerken i^Cüvai) eing. Absätze (8ia£cb|iax(x), mit
den Sitzreihen parallel laufend, um das Kommen und Gehen zu
20 erleichtern. Die Sitzreihen durch schmale Stiege durchschnitten,
die den einzelnen Abtheilungen die Form von Keilen geben,
cunei KspKiSeq.
Der Kreis ausgefüllt mit Orchestra (Halbkreis) u. cY7tocner|Viov
(Kovicrxpa) u. war gedielt. In der Mitte die Thymele, so daß
25 der Mittelpunkt des Kreises Q Mittelpunkt einer Quadratseite
ist. Konistra ungedielt, also tiefer u. mit Sand bestreut. Zur
Rechten und zur Linken führten Stufen auf die Orchestra aus
der Konistra. Zwischen dieser Treppe u. der Thymele versteckt
die Plätze für die Flötenbläser u. den i>7toßoA,ei><;.
30 Von der Bühne aus sprang nun das Logeion vor, spitzzulaufend,
nach der 0OH.8Ä.T), wahrsch. von gleicher Höhe mit der Bühne
Prolegomena zu den Choephoren des Aeschylus 15

selbst, Standort der sprechenden Schauspieler | Säulen u. Bildsäu-


len am Logeion. An dies stößt das Proscenium, von gleicher Länge
mit der Bühne u. eben so hoch. Links u. rechts Treppen vom
Proscenium in die Konistra (Hyposcenium)
5 Hinter dem Proscenium die eigentliche scene, geschieden durch
einen Vorhang napanäxaa\ia, avXaia u. 7ipaaKfjviov genannt.
Die Scene nebst den dazugehörigen Räumen unter einem Dache.
Hintergrund in der Tragödie gewöhnlich ein königlicher Palast
oder ein Tempel auf dem Dach bisweilen ein (ppuKTcbpiov (Altan
10 Signalwarte). In der Mitte die königliche Pforte. Rechts u. links
Seitenflügel des Palasts, Gast- und Frauenwohnungen, mit Thü-
ren. Der Vorhof auA.f| von den drei Flügeln eingeschlossen, hat
der königlichen Pforte gegenüber ein Gatterthor. Diesem Thore
zur rechten u. linken Hand lief eine Mauer. Die Vorderbühne
15 besteht aus den zwei Seiteneingängen, den Drehmaschinen.
Namhafte Maschinen: das 8yKUK>,ri(j.a, die e^cbcripa Hervor-
schiebungsmaschine, die yepavo«; der Haken, das tuaikökÄaov,
das Geo^oyeiov oder die Götterbühne, die xapcbvioi KÄ.inaKe<;
övajcvea(xaxa Versenkungen.
20 Die Seiteneingänge zwischen den Periacten u. den Seitenflügeln:
rechts aus der Fremde, links Heimat.
IlepiaKTOi prismat. Form. Drei Dekorationen an jeder. Wurde
eine gedreht, so verwandelte sich nur ein Punkt der Scene zB.
Wolken bei einer Göttererscheinung. Wurden beide gedreht,
2.5 kam eine neue Gegend. Eumeniden
Das gkkükA,t||i<x ein hölzernes Gerüste das auf inwendigen
Rädern lief. Darauf ein Sessel. Das im Innern der Zimmer
Vorgefallene wird dargestellt. Gegenstände aus dem oberen
Stock. Die Seitenwände wurden weggeschoben.
30 Die e^cbaxpa niedriger, Scenen aus dem untern Stocke. Auf
Walzen laufend.
Die ^itl%avf) hielt Götter in der Luft schwebend.
öeoXoyeiov ein Gerüst über dem Hauptgebäude der Hinter-
bühne, oberer Theil weggezogen, Götter von Wolken umgeben.
16 Vorlesungsaufzeichnungen

Die yepavoq Haken (Hals und Schnabel eines Kranichs) an


einem Seile niedergelassen, an einem Gurte des Schauspielers
angehakt, in die Höhe gezogen.
Die Charon. Stiege in dem untern Raum, wahrscheinlich in dem
leeren Raum, den die Periacten brauchten, zwischen Drehma-
schine u. Vorhang.
Über die Scenerie in den Choephor. G. Hermann de re
scenica in Aeschyli Orestea Leipzig 1846.
Gegen O. Müller u. Droysen die das Grab Agamemnons auf
die Orchestra verlegen also Orest u. Elektra in die Orch. steigen
lassen: Gründe von Franz beigebracht: 1. wie der Dichter den
Chor auf das Proscenium steigen lasse, so könne er auch die
Personen in die Orchestra steigen lassen. 2. Die Parodos zeige,
daß der Chor die Electra begleite. Die Dienerinnen kommen
aber aus der Dienerwohnung, Elektra kommt später u. aus dem
königl. Thor. Also das Grab auf dem proscenium.

4. Gliederung der Chorgesänge u. Zusammensetzung des Chors.

Im i2,t. Kapitel der aristot. Poetik vier Theile der Tragödie


jtp6A,oyo<; erceiaöSiov e^o8oi; %opiKÖv

7tapo8o<; (TTÖCTVHOV

Diese Theile seien allen Dramen gemein: i'Sia der Tragödie aber
xä änö cnctivite u. KO|X(j.oi.
Die Bühnensolos sind der äschyl. Tragödie gänzlich fremd.
Aristoteles hat also die spätere Entwicklung im Auge.
In dem Original war auch von der Komödie die Rede v. Bernays
Rh. Mus. 8 p. 564. bei Cramer Anecd. Parisin. 1. p. 405 Hier
findet sich die Definition von xopiKÖv e c m t ö urcö TOÖ %opou
|ieA,oq a8ö|ievov ö r a v '¿yr\ n.eye0og iicavöv.
Prolegomena zu den Choephoren des Aeschylus 17

In der Definition des epeisodions findet sich eine andre Bestim-


mung des xopucov. E7T£iaö8iov 5e (iepo<; öXov xpaycpSiag t ö
(iexa£,I) ÖX,(DV X O P I K & V nsA,a>v
Chorische Partien die die Grenze eines epeisod. bilden u. ein
iKavöv |iey. haben sind die xopvKa. Kurze Chorstellen bilden
keine |i8pr| des Dramas, sondern gehören dem epeisodion an.
Die Hauptchorlieder bei Aeschyl. nehmen eine ungeheure Zeit
weg 8 —9, ja —13 u. 16 Strophen gesungen. Diese xopiKix sind
der feste Stamm. Und zwar wie er 4 Stücke verband so 4 ^optica.

Choephoren also
22 iaA/tög EK 86|KOV
a a ßß y y 8
585 noXXa. jiev y ä
a a ß ß yy 88
783 vßv 7tapaixou(j.evi] JIOI
aßa Y8Y S ߣ

935 e^oXe nev 8iKa ITpiaiiiSaiq


aßa y ßy

Als zweite Gattung der melischen Partien nennt Aristoteles den


K O H H Ö I ; 8E öpfjvoq KOIVÖ<; xopou Kai anö C7KT|vf)<;
Jede Tragödie ein 0pfjvo<; (außer wo ein Prozessionsgesang).
Perser Septem Agamem Choeph.

Gpfjvoq am Grabe Agamem.s 306 aM,' cb (ieyd^ai M o i p a i


a ß a Anap. y ß y Anap. 8 e 8 Anap. £ £ £ (axiy^a)
r| IJ i a _ i a Anap.

Horat. ars poet. 189

neve minor neu sit quinto productior actu


fabula quae posci vult et spectata reponi.
18 Vorlesungsaufzeichnungen

Diese Vorschrift ist der Ökonomie des griech. Dramas ent-


nommen. Die Akte werden nicht durch den Vorhang gebildet,
sondern durch Chorgesänge. Vier xopiKö, dadurch 3 Epeiso-
dien, vorher ein Prolog, am Schluß die Exodos.
5 Das erste der xopiKä heißt 7iapo5og, die andren axäcri|ia. Die
Namen gehen auf die Dionysoslieder zurück, da gab es noch
keinen Prolog: die Aufführung begann mit der Parodos. Nach
dem Chorliede trat noch ein Schauspieler zu (das war die
ETteiaoSoi;.), der mit dem Koryphäus einen Dialog hielt. Nach
10 der Entfernung dieses Schauspielers hatte der Chor seinen Platz
eingenommen (axäaic,) u. sang also atäai|!OV. Dem 5ten Theile
wurde vom Fortgehen des Chors der Name ei;o8o<;.
Parodos. erster Vortrag des Chors mit Einschluß der anapä-
stischen e Yjiep(i8ipa. 1 . Vortrag des G e s a m m t c h o r s : also nicht
15 Wechselgesänge zwischen Choreuten u. Bühnenpersonen. Also
ist im Oedip. Colon, n i c h t Parodos v. 1 1 7 öpa xii; a p ' fjv; tcod
vaiei; sondern nach Plutarchs Zeugniß (an seni gerenda sit res
publ. p. 785) v. 668 eßiraiou ¡;sve xäa8e X®P a S- Die Definition
vom einziehenden Chor ist nicht verständlich, 2. Anapäste vom
20 Chorführer vorgetragen zur Parodos zu rechnen

XopiKou 5e TtäpoSog |i.sv f) jipcbxT] öÄ,ou xopoü


axacn|iov 8e |i£^oc; xopoß xö <äveo) dvaTtaiaiou Kai
xpoxaiou.
Vom Stasimon sind also die anapäst. Hyperm. ausgeschlossen,
2.5 n i c h t aber von der Parodos. Dazu Hephaest. p. 71.76 avaTiai-
CTXiKä ä 5f| ev 7tapö8ö) o ^¿yei. In der Parodos müssen
auch trochäische Tetrameter vorgekommen sein: keine Einzugs-
trochäen uns erhalten, aber Schol. Acharn. 2,04 nennt die That-
sache, kommt der Chor in eiligem Laufe, dann Trochäen.
30 Bloße Einzugsanapäste sind aber nicht TtdpoSoi: schlechte Ety-
mologien verführten. | In ihrer ältesten Form ist die Parodos
Verbindung eines Chorlieds mit einer Monodie.
Immer größere Mannichfaltigkeit: die anapäst. Monodien treten
zwischen die Strophen des Chorliedes, bald vom Chorführer
Prolegomena zu den Choephoren des Aeschylus 19

bald von einer Bühnenperson gesungen, bald unter beide ver-


theilt: endlich an Stelle der Anapästen eine Strophenform im
lyrischen Metrum, als Monodie (&7tö C7Kr|vf)<;).
Dem U m f a n g nach ist die Parodos bedeutender: der Chor muß
5 zunächst möglichst imponieren.
Monographie
Waldästel de tragoediae Gr. membris recte con-
stituendis. Neubrandenburg 1837. Eingreifender
Theod. Kock Posen 1850, „über die Parodos." Dagegen Leopold
10 Schmidt de parodi notione Bonn 1855. Dageg^en) Aschers<(s)>on
de Parodo et Epiparodo 1856 Berlin
Die Epiparodos: ist der Chor einmal ganz fort u. kommt wieder.
Eumeniden. Ajax. Alcestis Helena Rhesos.
S t a s i m o n . Aristoteles definirt sie als Gesänge des Chors ohne
15 Anapäste u. Trochäen. Dies paßt nicht für Aeschylus Suppl.
62.5. Eum. 307. Agam. 355. Sept. 82.2.. Pers. 532.6x3. Dagegen
ohne Ausnahme auf Sophocles u. Eurip. also hat Arist. die
neuere Komödie im Auge. Worin liegt nun der Unterschied von
der Parodos?
20 1. Das Stasimon geringer von Umfang.
2. Die Epodos kann in die Mitte der großen rtapoSog treten als
Abschluß des ersten Theiles, im Stasimon am Schluß des
Ganzen.
3. Der Chor der Parodos motiviert das Ganze, der des Stasimon
2.5 giebt nur einen Ruhepunkt der Handlung.
Die Scholiasten meinen, es sei stehend gesungen, dadurch der
Parodos entgegengesetzt. Schlechte Etymologie. Aristoteles weiß
nichts davon.
Die Scholiasten haben keinen Begriff mehr von der Orchestik.

30 Die verschiednen Arten der p.eX,r| & | i o i ß a i a .


Vier Grundarten <I> d^ioißaia ^optica u. II. änö aKr|vf)c; (nie
bei Aeschylus) III zwischen dem Coryphäus u. einem Agonisten
20 Vorlesungsaufzeichnungen

IV zwischen dem ganzen Chor u. einem Agonisten (Besonders


Gpfjvoi aber auch Stas. IV der Eumen)
<I> a) entweder Chorführer und Gesammtchor
b) die Halbchöre (ruiixöp 1 0 )
5 Einzelne Andeutungen in den Hdschr.
[Die eine Hälfte] solche Partie 8i%opia.
c) die einzelnen Choreuten.
Zahlreiche Versuche unter 15 od. 12. Choreuten zu ver-
theilen. Nie in den Aeschyl. Canticis (im Agamemnon
10 1344 ss. diese Parthie kein Canticum u. nicht Aeschy-
leisch nach Westphal Proll zu Aeschyl. p. 126.)

Die epeisodischen Chorlieder. E i n s in jeder Tragödie immer ein


Gpfjvoq oder Prozessionsgesang.
In den Choephor. außerdem
15 Epeisod 11 v. 153 Astrophisches Chorikon unter zwei Halbchöre
vertheilt
Exodos v. 1007 | Zwei Chorstrophen unterbrochen von 8 Trime-
tern des Orestes.
Dies ist in den jüngern Stücken Aeschyl. das gewöhnl. Verhält-
2.0 niß. In den ältern drei oder 4 epeisod. und exodische Cantica.

Zahl der Choreuten.


Verwirrung hat Pollux IV 1 1 0 angestiftet: „von Alters her
bestand der tragische Chor aus 50 Personen bis zu den Eumeni-
den. Als aber die Zuhörer zu sehr erschreckt wurden, sei durch
25 ein Gesetz die Zahl auf 15 verringert worden" Lang verbreitete
Meinung. G. Herman<n> de choro Eumenidum. Es ergiebt sich
daß der Chor der Tragödie nie aus 50 bestand: vielmehr aus 12,
später aus 15. Der Fortschritt wurde bewirkt durch Sophocles.
Aeschyl. schließt sich der Neuerung an. Vor Ol. 77 12 Choreu-
30 t<(en), nach 77 Ol. 15 Choreuten. Pollux hat auf die Zeit des
Dramas angewendet, was vom Vorstadium gilt. Wenn für den
Prolegomena zu den Choephoren des Aeschylus 21

Eumenidenchor die Zahl 15 noch erkennbar ist, so steht diese


auch für die Choephoren fest. Warum Soph. änderte, nicht klar:
seine Schrift über den Chor. Ein Beweis, daß Aesch. sich anschloß,
liegt im ersten Chorgesang des Chors <(der Sieben) gegen Theben.
5 (Ein Jahr nach der Besiegung des Aeschyl. durch Soph. 77,4 aufge-
führt.) — Wie aus 15 12. entstehen konnten, hat O. Müller conji-
cirt. Dreimal wurde der Dithyrambus durch Xöyoi unterbrochen:
dies giebt eine Viergliederung, aus der die Tetralogie entsprang.
Z u jedem Stück 1 2 Choreuten genommen: 2 Coryphäen.

10 Zusammensetzung des Chors.


Gewöhnliche Annahme, daß er aus Troerinnen besteht. Da-
gegen H. Weil. Der Dichter sagt nichts. Jedenfalls erbeutete
Weiber damit sie edler erscheinen als Sklavinnen. M a n darf dem
Dichter nicht zumuthen Motive zu erfinden u. nicht zu benutzen.
15 Keine Erinnerung an Cassandra's Prophezeiungen. Die Trauer-
form erscheint einigen barbarisch, ist aber dieselbe wie die der
Jungfrauen in Sept.

5. Vertheilung der Rollen.

Beachtenswerth, weil zum ersten Male (für uns) der Dichter


20 von dem Tpixayö)VVCTTf|(; Gebrauch macht. Es sind nämlich drei
Personen redend auf der Bühne

Agam. 810 ss. Agamem. Clytämn. Cassandra.


Choephor. 892 ss. Orestes Clytämn. Pylades
Eumenid. anf. Pythia Apollo Orest.

25 Die Art der Vertheilung erklärt manches in der Anlage.

Protagon.:
Agamemnon | in den Choeph. u. Eum. den Orest. feiner
Effekt, (ebenso tpöA.a£ u. Ktipu^.)
22 Vorlesungsaufzeichnungen

Deuterag.
Clytäm. in Ag. und Choeph. | in den Eum. den Schatten
Clyt.s, Pythia u. Athene.
Tritagon.
5 Cassandra Aegisth im Agam | in Choeph. Electra Wärte-
rin Aegisth | in Eumen. Apollo.
Pylades in den Choeph. ist ein ra¡tpaxopf|yT||¿a (Flötenbläser
des Orest)
In der zweiten Hälfte der Choeph. verschwindet Electra spurlos,
io weil sie Wärterin u. Aegisth zu spielen hat.
Anfangs traten die Dichter selbst auf: mit Sophokles tritt die
Änderung ein: Aeschyl. führte den zweiten Schauspieler ein,
Sophocl. den dritten. Später erhielt jeder Dichter drei Schauspie-
ler vom Staate zugelost. 4 Schauspieler war verpönt — Horat.
15 ars poet. 192 neu quarta loqui persona laboret. Man nahm also
drei Hauptrollen an, u. eine Anzahl Nebenrollen, bei denen
Kostüm u. Maske gewechselt werden mußten Schol. Choeph.
9 0 0 | a e i 8 C T K e ú a a i a v ó t^äyyzXoq eiq IIuXá8r|v, i v a nq 8' Jiéyro-
CTiv. Mußte einmal ein 4te<(r> auftreten, so hieß er ein napa-
zo /opr)yr||ia, eine Nebenausstattung, weil der Choregos auch
diese Person außer dem Chore ausstatten mußte. Pollux IV 1 1 0
heißt es s i 8 e xéxapxo<; Ú 7 t o K p i x r | i ; t i 7 t a p a ( p 9 é y ^ a i x o , xoßxo
7 t a p a x o p f | Y T | | i , a éKa^eíxo K a i T t e j t p ä x ö a i cpaaiv aöxö sv ' A y a -
|i.8(ivovi Aiaj£i)Ä,ou dh. in den Choephoren. (Agam. für ganze
25 Tetralogie, wie Oresteia auch für Choephori) Hatte ein Choreute
etwas als vierter Schauspieler zu singen, so hieß er 7 t a p a a K f | V i 0 V

6.
Über die aeschylische Trilogie.

Um zuerst das überlieferte Material zusammenzubringen

30 Euripides 438 K p f j a a a i 'A^Kjiaicov 5iä TcocpiSog


Tf|A,ecpoc; "AA,icr|axi<;
Prolegomena zu den Choephoren des Aeschylus 23

431 M f | 8 8 i a <J>IÄ.OKTR|TR|<; AIKXIX; ©epicrxai


aaxupoi
415 'AA.e£,avSpoq IlaXanf|8r|<; Tpa>a8e<; Xi-
oucpoq CTatupvKOq
Xenocles 415 OiSircoix; AUKCKDV BÖK^ai 'A0Ä|ia<;
Philocles (Neffe des Aeschylus)
414 siegt über Sophocles Oedipus rex
hat eine Tetralogie nav8i(üvi<; gedichtet.
Aeschylus 458 'Ayan£|xv(öv Xor|(pöpoi Eö^eviSsq
npcoTeix; aaxupiKÖq
472 Oiveix; ITspaai rXaÖKoq IloTvieix; 17po-
Hr|9ei><; irupKaeix;
Zusamm<en) 'HScovoi BacradpiSeq Nsavicucoi A u -
Koupyoi; aaxupiKoq.
468 A a i o q OiSircoix; "Etcx' ERCI 0 f | ß a q ECPIYI;
aaiupiKt).
Ebenfalls 468 von Polyphradmon | AuKotipyeia xexpa-
Xoyia.
Pratinas durch seinen Sohn | ITepcieix;
TaviaA-oq r i a ^ a i a i a i caxupiicoi (das
eine verloren)

Großer Streit. Entweder sind die Tetralogien Regel u. die


Einzelstücke Ausnahme
oder die Einzelstücke Regel u. die Tetralo-
gien Ausnahme.
Sodann giebt es zwei Arten von Tetralogie, die Stofftetralogie
und die Formtetralogie.
Durch diese Spaltungen suchte Welcker einen organischen
Weg. „Die aeschyl. Trilogie Prometheus u. die Kabirenweihe zu
Lemnos nebst Winken über die Trilogie des Aeschylus über-
haupt." Darmstadt 1824. Er versteht unter Trilogie den Inbegriff
dreier wesentlich zusammenhängender Tragödien, welche den-
selben Fabelstoff fortsetzen und erst zusammen ein künstleri-
sches Ganze machen. Der Keim habe schon in der Einen Tragö-
24 Vorlesungsaufzeichnungen

die des Thespis gelegen, man habe die Kunstform Aeschyli nie
verlassen, aber bereichert, durch Sophokles: drei Tragödien jede
ein Ganzes.
Dagegen der Standpunkt, Soph. habe nur ein Drama aufge-
5 führt.
Hermann behauptet, auch Aeschyl. habe vier unzusammen-
hängende Stücke u. gelegentlich auch einzelne auf-
geführt.
Bereits aber der Name ist streitig. „Trilogie" Hermann citirt
10 es als de tetralogia Aeschylea. Nach Zusammenhang Trilogie,
unzusammenhängend Tetralogie. <Schol.) Frösche 1 1 2 4 xexpa-
A.oyiav (pepouai xtiv 'Opecrieiav ai öiSacncaAiai. 'AyajiE-
jxvova XoTicpopouq Eö|ieviSa<; TTpcoiea ZaxopiKov. 'Apicrxap-
%oq x a i 'AtioM.ö)vio<; x p v X , o y i a v Xsyouai xcopiq xcov aaxu-
15 pvKÖv. Hier allein dieser Ausdruck Daß es aber alexandr. Sitte
war, ist klar aus Piaton. Trilogien des Aristoph. Byz. (Tetralog.
des Thrasylus). Der Biograph sagt Aeschyl. habe 70 Trag, aber
a(j.(pi xa Jtevxe Satyrspiele gemacht. | Mit Welckers Erklärung
von xexpa^oyia streitet die ITav8ioviq xexpaXoyia von Philo-
2.0 cles. Es giebt auch drei Stücke ohne Satyrdrama zB. Eurip. Sohn
führte auf Iphigen. in Aulis Alcmäon Bacchen.
Hier fragt es sich, welches war der Zustand vor der Neue-
rung, die Sophokles einführte? Suid. v. Eocp. Kai aöxöq fjp^e
xoC 8pä|ia Ttpög 5pä|ia dycovi^ecjöai Kai nf) xexpaXoyiav.
2.5 Aeschyl. habe nach Welcker immer drei zusammenhängende
Tragödien in den Kampf geführt, Sophocles drei einzelne. Es ist
also ein aesthet. Urtheil: Aesch. unterwarf seine trilog. Ge-
sammtheit dem Urtheil, Soph. das Einzeldrama. Verschiedene
Fragen: war dies eine Liebhaberei des Sophocles oder eine nach-
30 her festgewordene Einrichtung, ein Kavcbv für die Kunstrichter?
Ist z. B. die Oresteia bereits unter der Neuerung gedichtet oder
nicht? Heißt es bloß so viel als daß die einzelnen Dramen
einheitlicher gemacht worden sind, künstlerisch abge-
schlossener? Aber in wiefern kann man dies (äpxevv) von Soph.
35 sagen u. nicht von Aeschylus?
Prolegomena zu den Choephoren des Aeschylus 25

Jedenfalls steht fest, daß Soph. auch Tetralogien gedichtet habe


zB. Arg. Medeae Eur. Jtproxoi; Eöcpopicov Seutepoq Z o c p o K ^ f j g
xpixoq EupiniSti*; Mf|8eia OiAokxtixth; Aucxix; ©spicrrai a a -
xopoi. Arg. Alcest. 7tpä>xo<; f|v Eo(poicA,fi<;, Seüxspoq EupiniSrn;
5 Kpf|aaai<; 'A?jc|iaicovi xcp 8iä *Fcocpi8o<;, Tr)X,8cpcp 'AXicnaxiSi
„Einzeldrama auf Einzeldrama" in den Kampf zu führen, nicht
eine Tetralogie, (dh. nicht ein in sich zusammenhängendes
Drama von 4 Theilen) deshalb heißt die Orestie für die Gram-
mat. eine Trilogie, weil bloß die drei Theile zusammengehören.
10 Also xexpaX,oyia gerade im Gegensatz zu Welcker.
Gegen diesen Standpunkt dürfte eingewandt werden die
Didask. Ol. 76,4 der Perser Oiveix; ITepcai O»aÖK0<; rioxvieix;
Ilpop.Ti0eu<;. (also vor Sophocl. 77 Ol [Olymp 78,1 Aeschylus
und Polyphradmon in Tetralogien Aristias mit ITepaeiJc; Tavxa-
15 A,oq IIaX,aiaxai craxup. (eins ausgefallen.)] Von Welcker metho-
disch die Inhalte der Tetralogie entwickelt. Das schwierigste
Problem die Perser, x. Ließ sich nachweisen, daß im index Med.
nur I l e p a a i stehe, daß im Alterthum Ilspacu gesagt ist für die
Gesammtdichtung. Stellen aus den Persai citirt, die sich nicht
zo finden, z. Der Glaucus behandelt prophetisch die Schlachten
von Salamis und Himera. Dadurch war man auch für Phineus
der in der Argonautenfabel vorkommt im Reinen: Aesch. hatte
den Kampf und Verkehr der z Welttheile dargestellt in 3 Episo-
den.
2.5 Festzuhalten daß auch die Satyrspiele streng zum Ganzen gehö-
ren. Grundbegriff die xexpaA,oyia (die späteren 4 Stücke sind
keine Tetralogie, sondern entweder Trilogie oder auch nur Ein-
zelstücke: wenn Aristoph. Byz. die Dial. des Plato nach Trilogien
u. Einzelstücken ordnete, so meinte er, daß damals die Form
30 der Tetralogie nicht mehr herrschte.)
Mißglückte Erklärungen von K. Fr Hermann
Dindorf.
Bergk
Schöll.
26 Vorlesungsaufzeichnungen

Hat Aeschylus nur Tetralogien geschrieben? Ist zum Beispiel


die Oresteia eine Tetralogie? Jedenfalls eine Trilogie, aber das
Satyrspiel der Proteus? Kurz, ist hier die Folge des Sophokles
fip^E)?
5 Dies die Annahme der Grammatiker: daraus lernen wir daß
keine Vorschrift am attischen Theater bestand, e n t w e d e r Te-
tralogien oder Einzelstücke aufzuführen: sondern es stand im
Belieben. Insofern haben die Dichter nicht mit gleichen Waffen
gekämpft. Somit urtheilten die attischen Kunstrichter daß das
10 Tetralogische nicht wesentlich sei.
M a n überschätzt den trilogischen Gesichtspunkt. Wichtig
ist, daß der feinsinnige Sophokles ihn fallen ließ. Woher stammt
er? N i c h t aus einem philosophisch-ethischen Grundgedanken:
es ist unsinnig, dies dem Aesch. zuzumuthen (wie Gervinus —
15 Othello — mit Shakespeare)
N i c h t aus einem künstlerischen Gesichtspunkt. Es sollte gar
nicht das Ganze abgeschätzt werden: es konnte auch gar nicht
als Ganzes empfunden werden, (ebenso wenig wie die Ilias.)
Einfach der Stoff und die Zeit zwang dazu: die Zeit war nämlich
20 durch die Rhapsodenvorträge bestimmt, ungefähr gegen i z
Stunden: was vornehmen? Ein ungeheures Stück Sage wurde
erzählt u. mit Chorliedern unterbrochen. Die epische Sitte
brachte die Tetralogie hervor. Die Anstrengung der Choristen
u. Schauspieler brachte es mit daß Pausen eingeführt wurden,
2.5 wie der Schauspieler erfunden ist um den Chor ausruhen zu
lassen. Dadurch entstanden größere zusammenhängende Stücke.
In diese suchte man immer mehr eine Einheit zu bekommen.
Der Prozeß geht mit Sophokles zu Ende: er wollte einen Organis-
mus, ihm war es fatal, daß bei der Aeschyl. Trilogie
30 1) das einzelne Stück nicht abgeschlossen war
z) die ganze Trilogie keine künstlerische Einheit bilden
konnte.
3) das Satyrspiel hinderte jedenfalls die Einheit des Ein-
drucks.
Prolegomena zu den Choephoren des Aeschylus 27

Es ist jedenfalls wichtig, daß die entwickelte Zeit des attischen


Kunstsinns sie verwarf, oder wenigstens sie nicht zum Princip
machte. Welcker wittert zu viel: die cyklische Trieb-Idee ist
mythologisch, die trilogische Idee ist mythologisch.
5 Die Trilogie war eine aesthetische Fessel des Aeschylus. Das
Genie unter dem Zwange.
Die ganze Entwicklung der Tragödie zeigt die Fesseln: der Chor
und die Helden im Gegensatz: dh. Beschaulichkeit und Hand-
lung. | Die Tragödie u. die Dionysosfeier (daher Satyrdrama:
10 eine Erinnerung.

Geschichte des aeschyleischen Textes bis zu den Byzantinern

Erst die lange u. sorgfältige Arbeit in äschyl. Kritik befähigt uns,


einen ungefähren Entwicklungsgang zu kennzeichnen, den vor
den Handschr. seit der Niederschrift der Text durchgemacht hat.
15 Exemplare müssen schon vor der Aufführung dasein (für den
äpxtov, dem sie zur Erlangung des Chors gegeben werden muß-
ten, dann die Schauspieler) Ein Sieg veranlaßte Nachfrage nach
ihnen für andre Bühnen. Nach dem Tode des Aeschylus stand
sein Ansehen am höchsten. Aristophanes (bei Aristid. orat.
2.0 XII p. 87,19) sagt Finsterniß sei nach dem Tode des Dichters
eingetreten. Bald darauf ein V|/f|cpicr(ia: wer eine Tragödie des
Aeschylus aufführen wolle, solle gleich einen Chor bekommen.
Auszeichnung, bei der Vorliebe der Athener für Neues. Vit.
Aesch. heißt es oök öXiyaq 8e )iexä xeXeüTf]v viKaq a7tr|V8y-
2.5 köto: daher die Differenz 2.8 u. 13 Siege. Quinctil. X 1 66
tragoedias primus in lucem Aeschylus protulit sublimis et gravis
et grandiloquus saepe usque ad vitium, sed rudis in plerisque
et incompositus: propter quod correctas eius fabulas in certamen
deferre posterioribus poetis Athenienses permiserunt suntque eo
30 modo multi coronati. Die Fehler, die also corrigirt wurden sind
die grandiloquentia usque ad vitium, dann rudis et incomposi-
tus. Also ein medium genus dicendi hergestellt. Dies ist zB.
28 Vorlesungsaufzeichnungen

geschehen im Prometheus. Dies sind also D i c h t e r u m a r b e i -


tungen
Zweitens Überarbeitungen durch S c h a u s p i e l e r , wie sich aus
den Lykurgischen Gesetzen ergiebt. Lykurg Sohn des Lycophron
5 Ol. i n dh. 336 aC. Plut. Vit. X orat. p. 841 eiaf|veyK8 8e Kai
vönoug ... töv 8e dx; %aXKäq eikövck; avaGeivai xoov 7coit|t(öv
AicxuX,ou Eo(poKX.eouq EuputiSou Kai xäq xpaycpSiaq auxcöv
£v Koiv© ypayanevou^ (poXattsiv, Kai töv xfj«; nökeaq ypajx-
^axea TtapavayivcöaKEiv xoiq imoKpivo|ievoi(;. odk e^eTvai
10 yctp auxäc; UTtOKpiveaGai. Bernhardy Gr. L. II p. 646 ed. I nach
JcapavayivaKTK£iv Komma, dann xoic; 8' ujtOKpivojievoi<; ouk
e^eivai jrap' amäq örcoKpiveaGai Philinos opponirt: nur dem
Aeschylus solle diese Ehre erwiesen werden: Parteistandpunkt.
Glaucus v. Rhegion Jtspi Aic%i)Xoi) |i68cov |. Heraclides Ponti-
15 kos Jtspi xcöv xpiröv xpay(p8o7tovcc»v Aristoteles setzt immer
Euripides voraus.
Gegen Wyttenbach: Objekt zu fmoKpiveaöai fehlt, aötäg
kann nicht bedeuten: das Exemplar der Tragödien, Sommer-
brodt Rhein. Mus. 19. schlägt ävayivtöcnceiv vor u. jtapimoKpi-
10 VBCTÖai. Der Schreiber soll das Normalexemplar vorlesen den
Schauspielern „Eine Tragödie anders spielen als es sein soll."
rcapq)8eiv Jtapopxeiaöai. Damit ist nicht vorgebeugt, daß die
Schauspieler änderten bei der Aufführung. Die Kontrole war
nöthig bei der Aufführung: die Schauspieler hatten sich zu
15 erkundigen, was im Staatsexemplar stand, nicht der Staats-
schreiber, was in dem Schauspielerexemplar stand.
Die Änderung nicht nöthig: Accent auf e^eivai: es steht nicht
im Belieben, sondern bedarf obrigkeitlicher Erlaubniß sie aufzu-
führen. Also Schutz gegen die gelegentlichen Aufführungen ge-
30 gen Liebhabertheater usw. Wo sie aufgeführt werden muß der
Staatsschreiber zugegen sein u. nachlesen.
Ptolem. Euergetes (III) ( 2 4 6 - 2 2 1 König) bat sich die Hand-
schriften aus, um Abschriften zu nehmen. Die Athener gaben
sie heraus, als der König 15 Talente deponirte als Pfand. Ptole-
Prolegomena zu den Choephoren des Aeschylus 29

maeus ließ eine schöne Kopie machen, schickte diese u. ließ


ihnen das Geld u. behielt die Originale (Galen in Hippoer.
e7uSr||iiai III 2,4) M a n sollte nun denken, daß hierin eine
Grundlage für die Kritik gegeben sei. O. Korn de Publico Aesch
5 Soph. Eurip. fabular. exemplari Bonn 1863. Es werden in den
Schol. angeführt xä naXaióxspa ávxíypacpa xa n a X a i á xa Xíav
n a X a i á . Nirgends ein einziges. Also hatte es keinen ausschließ-
lichen Werth, es waren nicht die auxóypacpa. Sodann wird uns
von vielen Stücken berichtet Ol) aco^etai. Andre schwanken
10 über die Zahl der Tragödien: also waren es nicht alle Stücke
der Dichter. Drittens war es bereits ein Text für die Bühne
bearbeitet: wie in unsrer Zeit ein Unterschied zwischen dem
Original u. dem bühnenfähigen Stück. | „Wenn ausdrücklich
in den Scholien angegeben wird, dies und dies sei von den
15 Schauspielern eingeschoben, so bezieht sich dies auf Einschie-
bungen zwischen der Zeit jenes Exemplars u. seiner Wanderung
nach Alexandria." So meint Korn. In den Scholien sind viele
Athetesen: die dabei geschriebnen Gründe sind aesthetische oder
sprachliche. Es gab also kein Mittel unbedingt sicher zu contro-
20 lieren. Andre Male wird mit Sicherheit gesagt: dies u. dies ist
eine Schauspielerinterpolation. (Doch dies scheint nur so.) Somit
war den Alexandrinern jenes Exemplar nicht der Maßstab der
Kritik, sondern eins der 7taÄ.ai0xepa.

Die Stücke waren viel flüssiger, weil das L e s e n der Dramen


25 viel beschränkter war. Für uns muß das Ziel sein, den Stand-
punkt der Alexandriner wieder zu gewinnen. Darüber hinaus
zu gehen ist mißlich.
Die Wiederherstellung nöthig weniger für den Genuß als für
das Verständniß des Dichters der Sprache, der Metrik usw.
30 Eine Menge bewußter u. unbewußter Mächte hat gegen den
Text gewüthet. Bewußte Mächte sollen dies neutralisieren. Die
nächste Aufgabe die diplomatische Tradition wieder herzustel-
len. Hdschriftenabschätzung. Über die ältesten Hdschr. sind
30 Vorlesungsaufzeichnungen

hinaus die Scholienmasse u. Hesychius: sie deuten an, nicht was


stehen m u ß , sondern was gestanden h a t .
Auf diese Weise wird zunächst ein viel verderbt^er) Text
hergestellt (scheinbar) als in der Vulgata: aber diese Fehler
5 stehen dem echten näher als jenes glatte Äußere.
Das V e r d e r b t e ist nun zu c o n s t a t i e r e n
das unverständliche, das ungrammatische, das unmetrische
das unlogische das unaesthetische
Diese Gesichtspunkte modificiren sich bei dem einzelnen Autor.
10 Die V e r a n l a s s u n g der V e r d e r b n i ß : Verschreibungen,
Auslassungen, Einschiebungen, Versetzungen. Entweder Schrei-
ber oder Gelehrte oder Schauspieler usw. Vielfach Z w e i f e l ,
welche Veranlassung die wahre ist: Wahrscheinlichkeit f ü r die
Art, die am häufigsten constatirt ist.
15 Die H e i l u n g d e s S c h a d e n s u. die Erkenntniß über die Veran-
lassung gehen häufig mit einander. Subjektives Element: eine
am Z ü g e l der ratio gehaltene Phantasie.
Es läßt sich nichts ausrechnen, aber die Möglichkeiten lassen
sich ihrer Z a h l nach durch ratio verringern: die Möglichkeiten
20 zu sehen ist Sache der Phantasie, die eingetaucht ist in die
Sprache u. den Sprachgebrauch des Dichters, in seine Anschau-
ungen.
Gefahr, den Dichter zu überdichten: es kommt viel auf die
aesthet. Gesammtschätzung an zB. bei Horaz. bei Heimsoeth. |
25 Bei der Subjektivität Sehnsucht nach fester N o r m .

<(Zusätze 1871/1874}

Z u r Trilogie Welcker „die aeschylische Trilogie Prometheus u.


die Kabirenweihe zu Lemnos nebst Winken über die Trilogie
des Aesch. überhaupt." 1824. Ausgemacht: 1) daß in der klass.
30 Periode immer je 4 Dramen von einem Dichter vorgeführt
wurden 2) daß Aesch. diese 4 verbunden hat, entweder mythisch
Prolegomena zu den Choephoren des Aeschylus 31

oder als verschiedene Spiegelungen desselben Grundgedankens.


3) daß das 4te ein Satyrdrama war. Die Namen TpiAoyia
TETpaA-oyta sind spät u. viell. nicht einmal feste termini.
<Schol.> Frösche 112.4
5 Natürlich handelt es sich um keine Willkürlichkeit. 4 Stücke
waren nothwendig. Das ideelle Band war nur zu durchbrechen,
dann hatte man 4 verschiedene Dramen hinter einander. Diese
konnten immer noch irgendwo eine künstlerische Einheit bilden,
in der Aufeinanderfolge der Contraste usw. A n s i c h u n d e n k -
10 b a r , daß 4 gänzlich fremde Stücke ohne einen künstlerischen
Bezug auf einander aufgeführt sind. Ähnlich verstand dies Ari-
stophanes in der Trilogienordnung Platon's u. Thrasyll. Es ist
bei Suidas nur ein oberflächlicher Ausdruck für die Thatsache,
daß Stücke ohne mythischen u. gedankl. Zusammenhang bei
15 Soph. auf einander folgen. Das k ü n s t l e r i s c h e Band war aber
für die Späteren nicht zu sehen, diese urtheilten nach den Didas-
calien, nicht nach der lebendigen Vorführung. Endlich die F r a g e
n a c h dem U r s p r u n g der T e t r a l o g i e .
Der Proteus gehört gewiß dazu: darüber O. Müller in seinen
20 Eumeniden p. 199. Der Seedämon Proteus war es, der dem
Bruder Agamemnon's, Menelaus, seine Rückkehr nach Argos
verkündet hatte. Bei dieser Weissagung deutet die Odyss. IV
547 an, daß Menelaus zur Rache des Bruders zu spät kommen
u. nur zur Bestattung des Aegisthos eintreffen werde (Dies in
25 den Nocttoi des Agias weiter ausgeführt.) Nun beklagt sich
Agam. im ersten Stücke der Oresteia besonders über Menelaus,
indem er nur den Odysseus als treuen Genossen rühmt, andre
aber, welche die wohlwollendsten schienen, als ein bloßes
Scheinbild der Freundschaft darstellt (839) So konnte Menelaus,
30 während der Bruder ermordet wurde u. der Ehebrecher im
Hause herrschte, indessen mit der schönen Helena seltsame
Abenteuer bestehen u. an barbarischen Küsten herumschwei-
fen — als ein Gegenstück zu dem treuen Orestes: von Proteus
mit weiser Ironie von dem Satyrchore mit Neckereien behandelt.
32 Vorlesungsaufzeichnungen

Vielleicht zeigte die ironische Rede des Proteus die ganze Herr-
lichkeit des Pelopidenhauses in ihrer Vergänglichkeit u. die
Nichtigkeit alles menschlichen Stolzes. — Also x p i ^ o y i a ge-
nannt, wenn man absieht von dem Satyrdrama, aber n i c h t weil
5 es etwa nicht mit dem Stoff zusammenhieng. Ebenso sind die
Gesamtnamen spät zB. Oresteia Persae (als Namen der ganzen
Trilogie) — Z w e i Arten der verbundenen Tetralogie die mythi-
sche u. die ideelle. Letztere an den Persern von Welcker nachge-
wiesen: Glaucus behandelt prophetisch die Schlacht bei Salamis
io u. Himera. Phineus ein Stoff aus der Argonautensage. Der
Kampf u. Verkehr zweier Welttheile in 3 Episoden dargestellt.
Was hat nun Sophocles gethan?

Trilogie

In der Blütezeit Brauch, daß an den großen Dionysien (am


15 Hauptfeste der dramat. Aufführungen) von jedem Tragiker 4
Dram. zur Aufführung kamen, drei Tragödien, 4. ein Satyr-
drama. während die Komödiendichter nur mit einem auftraten.
Solche Listen sind uns mehrfach noch erhalten: zufällig nicht
von Sophokles; Bei Eurip. findet unter den Stücken kein Zusam-
2.0 menhang statt. Dagegen ausnahmslos bei Aeschylus. Orestie.
Herstellung der Tetralogie. Aesch. wählte also ein. mytholog.
Stoff, theilte ihn in 4 Theile 3 Bilder tragisch-ernste Färbung, 1
heitere Seite des. Stoffes. Die dramat. Bewegung durch die
Aufeinanderfolge der Dramen hergestellt: drei Akte. Das Satyr-
25 drama Förderung des dionys. Kult.

Jetzt am wichtigsten die principielle Stellung zu den Hdschr.


Hauptansicht daß der Med. die einzige Quelle ist (G. Burgess
Suppl. 1 8 2 1 p. 4 1 , Cobet de arte interpretandi Leiden 1847 p.
105) Dindorf in der neuern Ausgabe, dann Philolog. 18 p. 55
Prolegomena zu den Choephoren des Aeschylus 33

Philol. X X u. X X I , alle übrigen Hdschr. nur direkte oder indi-


rekte Abschriften, die Verbesserungen darin nur nachträgliche
Conjekturen. Ebenso haben die relativ ältesten byzant. Scholien
keine andren Quellen, die gleich alt oder noch älter wären als
die medie. Hdschr., u. sind für die Kritik werthlos wie die
Hdschr. der Byzant. — Jetzt legte man großen Werth auf die
genaue Kenntniß des Medie. Schilderung von Prien vorzulesen.
Aeschyli quae supersunt in códice Laurentiano veterrimo quoad
effici potuit et ad cognitionem necesse est visum typis descripta
edidit B. Merkel. Oxford 1 8 7 1 . M a n hat gelernt in den Scholien
ein bedeut. Hülfsmittel zu entdecken. Treffl. Diss. von Frey de
Aeschyli scholiis Mediceis Bonn 1857. (wichtige Übereinstim-
mung mit Hesychius) Bei Weil durchgehende Berücksichtigung. |
Widerspruch von Heimsoeth (die indirekte Überlieferung des
aesehyl. Textes Bonn 1862), von Keck im Agamemnon, Wecklein
Studien zu Aesehyl. Berlin 72 Philolog. 3 1 p . 720. Resultate: die
Hdschr. der drei ersten Stücke (Prom. Sept. Perser) stammen
nicht aus dem Mediceus, wohl aber aus dem Original des
Medie., der Florentinus hängt von M . ab, der Farnesianus ist
aus dem Mediceus abgeschrieben, der Florent. ist nicht eine
Abschrift des Venetus sondern hat mit dem Venetus eine ältere
Hdschr. gemein

aesehyl.

M Hdsch. der 3 Stücke

Farn.

Flor. Venetus

Die Dindorfsche Methode ist so zwar nicht theoretisch, aber


praktisch die richtige, da sich der M . als getreue Copie der allen
gemeins. Hdschr. erweist. Andernseits ist doch ein Körnchen
34 Vorlesungsaufzeichnungen

von Überlieferung bei den Byzantinern Prom. 20 Tiäycp f ü r TÖTtCp


Pers. 3 1 0 kükö)(18VOI für viK(ö(ievoi.
1 Periode, die der Alexandr.
2 Periode mit 1 5 Stücken 5 J h d . Eßyevio^ sypav|/e kcoX,o|18-
5 x p i a v xröv ixsXvkcöv AiaxöÄ,ou EcxpoicA,. Euput. anö 8pa-
l^dxcov Seica Kai Ttevxe.
3 mit 7 Stück
4 3 Stück
Ungeheure Z a h l der cod. <der> 3 ersten Stücke
10 Von Eumen. 9
Agam. 6
Suppl. 4
Choeph. 2
Vollständig nur eine Hdschr. der Guelferbyt. 1 Hand) Prom
15 Septem 2) Perser 3) Oresteia. G a n z verschiedene Quellen.

< Z u den C h o e p h o r e n )

Niemand unter uns hat die Orestie gesehen, niemand gehört:


es ist ein mühsames E r r a t h e n der Dinge nöthig, die, bei der
A u f f ü h r u n g , leicht u. einfach sind. Hier ein Versuch, sie als
zo w i r k l i c h zu betrachten: w a s ich da geschaut habe, erzähle ich.
Natürlich wird vieles Phantasterei sein. Aaber erst müssen wir
eine W i r k u n g haben, von ihr aus können wir eine Meinung
vom Künstler bekommen. Ich will nicht als Antiker im Theater
sitzen, sondern als Moderner: meine Beobachtungen mögen
25 kleinlich sein erst muß ich mich über alles wundern, um nachher
alles zu begreifen.

Ich habe einen bestimmten Eindruck von den Choephoren


u. den will ich schildern. Aber was geht uns, werdet ihr sagen,
mein Eindruck an? Warum verweise ich euch nicht auf den
30 eurigen? A u f s Werk? — Ein Eindruck ist etwas Seltnes. Um ihn
( Z u den Choephoren) 35

zu gewinnen, ist so viel hinzu zu addiren, was nicht jeder will


und kann.
M a n sollte nicht über Gedichte reden, wie Sokrates im
Protagoras sagt. Aber ich will einmal untersuchen, was
5 dieser T r i e b e i g e n t l i c h w e r t h ist. An einem Beispiele.
Resultat: im Einzelnen werdet ihr Recht behalten: aber im
Ganzen ist es eine Frechheit. Wie wenig ist dort zu erkennen,
w o das Erkennen erst anfängt werthvoll zu sein! Das kann
unmöglich Ziel einer Wissenschaft sein! Kritik der Conjektu-
io ralkritik.

Die Choephoren.
Betrachtungen über den Künstlerischen Stil des Aischylos.
Falsche Begeisterungen und die Schwierigkeit des wirklichen
Eindrucks.
15 1 . Das Plastische. Aus der Entfernung der Zuschauer abzuleiten:
die geringe Bewegung. Das Perspektivische. Masken. Strenge
hieratische Symmetrie. Scenerie. Die Stichomythie. Stil des Phi-
dias vorgeahnt. Woher die Langlebigkeit der Plastik?
2.. Das Musikalische Die Sprachmusik. Alles ist Musik, es giebt
2.0 nicht gesprochene, u. gesungene Partien, alles gesungen. Auch
die Orchestik hört nie auf.

3. Das Mythische. Vergleich mit Sophokles. Zertheilung des


Mythus. Symmetrie, mit Contrasten. Das Unheimliche, mit Be-
nutzung des Nachmittagsschatten. Strenge des Mythus im Ein-
25 klang mit Plastik u. Musik.
4. Die Sprachkunst. Die Dialekte. Der „hohe" Stil. Die Syntax
entsprechend dem fjOoq der Scene. 954.

Conjekturen und Erklärungen,


das Mythische
30 das Plastische
das Musikalische
das Rhythmische.
36 Vorlesungsaufzeichnungen

U e b e r die C h o e p h o r e n des Ä s c h y l u s .
mit der größten Theaterwirkung.

1 . Das künstlerische Problem der Mittelstellung. Naivität ihrer


Lösung. Kein Gewissensconflikt. Nichts Hamletisches.
2. Die Figuren u. Bilder. Keine Individuen, sondern Typen.
Scenenweise
3. Reihenfolge der Scenen. Das U n h e i m l i c h e festgehalten,
d. trüber, furchtsam, Grab, der schwarze Trauerzug, abend-
lich, Ahnung des Todes u. der Rache, Träume, (poßeixai 8e
xi<;, ohne jeden Punkt, List. Chthonisch ist das Drama <5
'Epurj x0<övie>
Die Scenen streng symmetrisch. Das Drama ohne Perspek-
tive. Scene um Scene wird gleich behandelt. A l l e S c e n e n
gleich nahe und a u s f ü h r l i c h .

Die steife Stichomytrie.


Scenerie das Grab 1
Der Trauerzug
Ahnungsvoller Traum 2
Todtenopfer
avayv6piaig 3
Orakel 4
Aufreizung zur Rache
die List verkündet
Clyt. u. die Fremden, Orests' Tod 1
Amme die einzig ehrliche Seele, groteske Trauer 2
Ägisth gespreizt 3
Todesschrei Sklaven
Muttermord. Jubel des Chors 4
Orest wird wahnsinnig, das unheimliche große Tuch
als Hintergrund. Das Tuch vielleicht mit F a c k e l n
beleuchtet
(Die Soph. Electra ist ganz morgendlich)
Die e r l o g e n e Trauer: Clytämnestra
( Z u den Choephoren) 37

Die a u f r i c h t i g e Trauer: Amme


A e g i s t h als Gegenstück zu O r e s t .
E l e k t r a zu C l y t ä m n e s t r a .
4. Der Chor im Dialog (ältere Frauen)
5. Die Wiedererkennung.
6. Elektra: nur im e r s t e n Theil vorhanden
7. Die Amme.
8. Orest, der einzige M a n n in der Umgebung.
9. Das Orakel.
10. Der Traum der Clytämnestra
11. Die große Aufreizung zur Rache.
12. Die Mordscene. Der Sklave kann das E n t s e t z e n zeigen.
13. die Wahnsinnsszene. Die Erinn. n i c h t zu sehen.
14. Die Parodos. Warum ohne Anapästen?
15. Die drei Stasima.
16. Episodische Chorlieder.
17. Zeit: ob in der Dämmerung?
Vielleicht 1 Tag 1 Stück Agamemnon
2 Tag 2 Stück Choephoren
3 Tag 3 Stück Eumeniden
18. ScenenWechsel: erst Grab, dann Palast
dazwischen das Chorlied: der Mensch das
Schrecklichste der Natur und gerade das
Weib.
Nun erscheint das e n t s e t z l i c h s t e W e i b ,
das sich über den Tod des Sohns freut.

Es ist klar,
daß die erste Scene a m F l u s s e I n a c h u s spielt: dort lag
somit das Grab. Wenn Orest u. Pylades verschwinden, so jeden-
falls hinter Bäumen, also Altar des Inachus Fluß, Grab, Bäume,
Bildsäule des Apoll Bildsäule des Hermes
Scenerie: F r i e d h o f a m I n a c h u s m i t K a p e l l e .
Warum dort? Welche Bedeutung der Inachus? Wie lang ist die
erste Scene? Ich nehme einen l a n g e n M o n o l o g an. Was war
38 Vorlesungsaufzeichnungen

zu sagen? Warum er j e t z t kommt. Wer sein Begleiter ist. Vor


allem B e g r ü ß u n g der H e i m a t ! !
Im Vergl. zu Sophocl: Hauptwirkung bei Aeschyl.: der w a h n -
sinnige Orest
bei Sophocles: E l e c t r a bei dem M o r d
bei Soph. ist Electra die T o c h t e r i h r e r M u t t e r
bei Aesch. sind Orest und Electra nur K i n d e r des V a t e r s .
Bei Aesch. ist E l e c t r a w e n i g n ö t h i g : sie ist gar nicht v e r -
w e b t . Sie ist, n a c h dem Mythos, dazugestellt: jetzt war eine
ävayvojpUTK; nöthig. Die avayvft)piCN<; ist aber als r ü h r e n d e r
Effekt, bei all dem Grausigen, mildernd.
Das Drama ist g a n z , wenn man die e r s t e H ä l f t e a b t r e n n t ?

Die Gliederung der Tragödie.


Die Tetralogie
Die Bedeutung des Chors.
Religion des Aeschylus.
Die Rollenverteilung.
Das Theater.
Leben des Aeschylus.

Einleitung: Versuch, den äschyleischen Kunststil, im Vergleich


mit Soph. u. Eurip. nachzuweisen.
1. Gesamtcolorit: unheimlich. Eine Figur im Licht, zuletzt auch
Nacht.

2. Nicht auf die Charaktere, sondern die Handlung kommt es


an. Die Handlung aber ist die Entwicklung der Stimmungen
bis zum Wahnsinn.

3. Haupttheilung: Vorbereitung u. That. Zwei Höhepunkte:


Rachelied u. Wahnsinnsausbruch.

4. Verschiedene Scenerien.
<Zu den Choephoren) 39

5. Sechs H a u p t t h e m e n [Je eine Hauptperson bis zum jedes-


maligen Höhepunkt]
6. Sophokles' Problem: Muttermord ohne Gewissensconflikt u.
Elektra Hauptperson.
7. Euripides vor Sophokles. Polemik gegen Aeschylus.

1. Orest die Locke opfernd 1 Orest u. Clytemnästra, als


Fremder die Nachricht vom
Tod bringend
Parodos ep.
10 z. Elektra am Grabe betend z die ehrliche Amme
ep. z St.
3. Orest u. Elektra sich er-^ '3 Aegisth
kennend
4. Orest über das Orakel -4 Muttermord
15 jetzt Aufreizung zur Ra- 3 Stas.
che
im Traume erkannte E r - Orest am Ziele der Ra-
f ü l l u n g der Rache che.
Aber zugleich kommt die
Was zu thun ist? F o l g e der Rache
Was zu thun ist.
1 Stasimon,
1. Orest allein 1. Orest u. Clytäm.
z. Elektra betend, z. Der Chor mit Amme u.
2-5 [Erkennt Orest] Aegist<h>.
Die dvayvöpimi; Muttermord
Orest am Ziel.
Aufreizung zur Rache
4theilig: Orakel auch 4theilig?
30 Wechselgesang
Traum als Er-
füllung
Was zu thun ist.
40 Vorlesungsaufzeichnungen

Agamemnon Prolog.
3 Bilder — Hauptthemen
Scenen Wechsel.
3 Bilder
Choephoren Prolog.
3 Bilder
Scenenwechsel.
3 Bilder.
Eumeniden Großer Prolog mit Handlung
Scenenwechsel.
6 Bilder.
Der Chor überall mitgerechnet: nicht etwa Zwischenaktsmusik.
6 große Scenen: die C h o r g e s ä n g e sind n i c h t als G l i e d e -
r u n g e n v e r w e n d e t , nur daß das erste Stasimon die beide
Hälften auseinanderhält. Also ist der B e g r i f f des E p e i s o -
d i o n s u m g e w o r f e n . Der Dichter componirt nicht nach der
S c h a b l o n e oder die Schablone wird g a n z f r e i b e n u t z t . Also
auf jeden Theil z große Chorgesänge, in der Mitte zwischen
ihnen i großer Chorgesang. Vielleicht ist auch Agam. u. Eumen.
so componirt. Jedesmal Prolog: Wächter. Pythia.
Prolog:
Parodos
Spende.
Wiedererkennung
Komiöq
Aufreizung zur That.
Stas. I.
Die List
St. II
Der Mord
Stas. III
Folgen der That.
(Zu den C h o e p h o r e n ) 41

<Agam.)
Prol.
Parodos
i Herold
5 z Agamemn.
3 vaticinium Cassandrae
Scenenwechsel
4 Clytemnästra als Herold ihrer That
5 Aegisth. als Gegenstück des Agam.
io 6 Kampf von Chor u. Aegisth.
Aeschylus b e n u t z t die C a s s a n d r a , weil er die T h a t s e l b s t
n i c h t d a r s t e l l e n kann.
Orest u. Clytäm.
Amme
Aegisth
<Choeph.)
Prolog Orest
Todtenspende
ep.
zo Anagnorisis [Locke
Orest u. Elektra.
Jubel des Erkennens.] [Muttermord]
Elektra u. Chor
Elektra u. Orest
25 Prolog.
Parodos.
Xoai. die List
avayvcopicng die That
Aufreizung zur Rache
30 also die List 4 Bilder
ävayvcbpiaiq Mord 2 Bilder
Höhepunkt Aufreizung zur Rache Orest am Ziel.
42 Vorlesungsaufzeichnungen

<Eumen.)
Pythia. [Scenenwechsel.]
Orest u. Apollo
Apollo u. die Furien.
5 Klage [Scenenwechsel]
Gründung des Areopag.
Kampf vor Gericht.
Freisprechung.
Versöhnungsrede
10 Segnung u. Abmarsch

u —u —Iu —U I |u - u |- u -
a b
u - |u - u | | u — u | — ||
c
15 a Prom. 4 . 1 5 . 2 6 . 3 2
b 3.
c 14.54.

I I
nur so: u — u — u — u | I^ —

20 | u |
aut: u —u —| u |- u - u -
aut: | u| —u —u —u —u —

nur: u —|u |—u —u —u —


2.5 | u - u |
aut: u - u - | u - u | - u - u -
aut: | u - u | - u - u - u - u -
aut: u —|u - u |- u —u — u —

30 aut: u — u — u — u | — u — |u —
<Zu den Choephoren) 43

aut: u - u - u - u - u | - u - |
aut: u - u - u | - u - | u - u -

Choeph. 1 4 4 = i j o ) ita refinge:


ö|iä<; 8e — u — u kcokutoii; U —
5 u — u — u — ¿TtavOi^eiv vöjxoi;.

D e femininis disyllabis in Ts exeuntibus.


L o b e c k ad P h r y n . p. 1 7 1
Spitzner, de vers. G r . her. p. 49 ss.
S p o h n , de extr. O d . p a r i . p. 169 — 1 7 6
10 B e r n h a r d y ad D i o n . Perieg.. p. 649
B a c h m a n n , L y c o p h r . p. 277 ss.
H e r m a n n , A e s c h y l . ed. Suppl. 397
u n a c h d e m ersten J a m b u s .
P r o m . 10. 16. 23. 25. 28. 31. 33. 47. 49. 52. 6z. 65.
15 66. 67. 72. 73. 75. 195. 202
Sept. x. 2. 14. 28. 30. 38. 41. 45. 47. 50. 53. 57. 60.
61. 1 8 1 . 185. 186. 1 9 1 .
Pers. 293. 294. 295. 306. 312. 315. 316. 3 1 7 . 322. 328.
330. 336. 338. 348. 354. 357. 360.. 363. 367. 370. 374.
zo 377. 379. 384.
Suppl. 179. 186. 189. 195. 197. 199. 204. 206. 214.
2 1 7 . 222. 225. 229. 23O. 237. 24O. 249. 253. 259. 261.
265. 269.
A g a m 2. 3. 6. 8. 15. 16. 23. 33. 269. 270. 274. 279.
Z5 287. 295. 298. 310.
also A p o l l o n u n d dSsJupf) i m m e r an dieser Stelle.
- | u - | u - u -
— u — |u — | u —
— u |— u — | u | —
30 — u — | u — | u —
_ l u l u _
- U | Iu -
- |u - | u - u -
— u I— u — Iu —
44 Vorlesungsaufzeichnungen

a < Versanfang)
a
( \
u —u —| u |- u - u
a Pro. i . 38. 67
b 2. 51. 56. 58. 60. 82. 84

| | u - || ¿Versschluß)
Pro. 6. 1 1 . 2.6. 31. 38. 41. 43. 53. 54. 74.

a b c
A ( ( A A
I - u - I u - II | - U - II | - u - I u - u - II
a Prom. 12. 13. 14. 23. 48. 58
b 5. 49
c 7. 19. 60

1. Gebrauchte Aeschylus Statisten? napa^opriyruiata Bia.


rTiAaSrii;.
2. Wozu tritt Pylades auf? Pylades in der Sage.
Um an die göttl. Befehle zu erinnern.
3. Orestie vor der Sophocl. Electra?
4. Interpolation in den Choeph. und ihr Zusammenhang.
Kritik der Dichter an ihren Vorgängern.

Choephoren Anfang
Laertes Od. 24,292 klagt: nicht hat die Mutter ihn mitleidend
beweint, noch ich, noch hat die Gemahlin am Bette des Gemahls
geweint, wie es ziemt u. ihm die Augen zugedrückt, denn das
ist Opfer der Todten.

Choephoren
Aegisth erschlug ihn über den Mahl wie einer den Stier
erschlägt an der Krippe Od. IV 535.
(Kommentar zu den Choephoren) 45

Choeph.
Menelaus häuft in Aegypten dem Agamemnon einen Grabhügel
zum ewigen Nachruhm Od. IV 584

Choeph.

5 Achill gebietet in der Unterwelt den Geistern Od. X I 485.

Hesiod.
Kirke sagt zu Odyss. XIII 2 1 „Kühne, die schon lebendig in
Aides Reich ihr hinabsteigt, zweimal todt, da zusonst einmal
nur sterben die Menschen." Giebt es eine Hadesfahrt des Hesiod?
no C h o e p h o r e n Wiedererkennung des Od. u. Telemach. Aber
der Jüngling schlang um den herrlichen Vater sich schmerzvoll
Thränen vergießend — sie weinten laut und klagender noch als
Vögel Adler u. Habichte, welchen man die Jungen geraubt bevor
sie flügge geworden. J a den Klagenden wäre das Licht der Sonne
[5 gesunken, hätte Telemach nicht zum Vater gesagt: Welch Schiff
hat dich gebracht usw. Und nun kommt der Plan zur Bezwin-
gung der Freier.
Das alles typisch auch für die Scene der Choephoren

{ K o m m e n t a r zu den Choephoren)
20 [1869 —1874/

'OpSCTieia {Bezeichnung für die Tetralogie und auch f ü r ) die


xpayö)8ia.
{Tetralogien:)
414 Philocles nav8icovig
25 468 Polyphrasmon AüKOÜpyeia
458 'A<ya(ie(iv(0v> X<ot|(pöpoi> E<ö|ievi5&;> n<p(Dxei)<;>
fyaT<upiKÖ<;>

Arist. ran. 112,2. Name Xot|(pöpoi, verbürgt durch die didaskal.


Notiz. Ar. ran. 112.4 Jtpööxov 8e |xoi x ö v ei; ' O p e c y x e i a t ; X,eye
46 Vorlesungsaufzeichnungen

sc. TtpöA-oyov. Hier wird also das Stück ' O p s a x e i a genannt. Bei
Pollux IV 110 ev 'Ayan8|xvovi A i a x u X o u : das 7tapaxopf|yr|na.
So Hermann Arist. Poet. p. 109. Dagegen der Scholiast zu 900
( l e i e a K e u a a i a i o k^äyyzXoq ei<g IIuÄ,ä8r|v. Dies zweifelhaft
5 wegen vva (if) x s a a a p e q ^eycoaiv. Andre Erklärung, d a ß schon
Pollux eine Handschrift gehabt habe, in der A g a m . u. C h o e p h .
verschmolzen waren: ganz verwerflich.
Der N a m e 'Opecrxeia ist nicht für die Tetralogie durch die
Didasc. verbürgt: nur vermerkt, daß er mit einer Tetralogie
10 siegte. Die Gesammttitel sind ein späteres Fabrikat. Die Didask.
(vor dem Agam.) geben nur itprotog Aia%i>Ä,o<; ' A y a n e | x v o v i
X o r | C p ö p o i < ; Eö(j.eviCTV. n p c o x e i CTaxupiKCp. Was heißt demnach
x e x p a X o y i a v tpepouai x r ] v ' O p e a x e i a v a i S i S a a i c a X i a A . X .
Eu. l i p o n , erat, „in den Didaskalien findet sich eine Vierheit
15 von Stücken Aristarch u. Apollon. nennen ' O p e a x e i a die drei
ersten Stücke. [Also gewöhnlich gebraucht man Tetralogie von
4 Stücken],

v. 908 — 910 W. = 913 — 9 1 5 ) Sein schlimmes Schicksal:


sie hat ihn ins Unglück gestürzt, doppelt verkauft
20 es muß klar werden, in wiefern es mit dem Sopu^evo«; nur
Schein war.
Und wie Pylades ihm doch gewonnen ist.
Was sollte ein Dialog mit Orest enthalten?

v. 895<W. = 900) xä Xourä A o ^ i o u |xavxsö|xaxa


25 xä JtoööxpriCTxa, j n a x ä 8' suopicconaxa

sagt Pylades.
Schol. xä o p K ( ö ( i Ö C T t a ä ^uvconÖCTauev das kann nicht aus
unserer Tragödie entnommen sein. Es ist die V e r s c h w ö r u n g
der Freunde zu A n f a n g . 4

4 cf. 555 - $6(W. = J 5 S - 5 j > > auch hier Prolog vorausgesetzt


( K o m m e n t a r zu den C h o e p h o r e n ) 47

<v.iss.y Ar. ran. 1122 daacpr)<; y ä p f] ev i f j (ppäaei xcöv


TtpayiiciTCöV. Er w i r f t ihm vor 1) Unklarheit des ersten Verses.
D a n n z w e i m a l eine Dittographie: D i e erste eine Unklarheit.
Später faßt es Euripides z u s a m m e n kcüv Ttou Sit; ei'jtra x a u x ö v f)
5 axovßriv iSi^g e v o O a a v e^co xoC ^ ö y o u Kaxdrcxuaov „ s o spucke
mich a n " < e E p n f j x ö o v i e : ) cf. 7 i 5 < W . = 7 2 7 )
<7iaxpcoa Ejtojtxeöftjv K p a x r | ) gegen Weil mit A e s c h . cf. 1061
<W. = 1063>
<7taxpcpa ... Kpctxri) D i e E r k l ä r u n g des Euripides hat Aristarch,
10 H e r m a n n u. Weil.
W i r halten die des A e s c h y l . fest, die jedenfalls die des A r i s t o p h a -
nes war.
Für Aristarch: viKT| Kai Kpaxr| Aesch. Sept. 929<H. = 9 5 7 )
Kpäxri gewaltthätige H a n d l u n g Soph. A n t . 485. D a g e g e n Sopho-
15 cles O e d . rex 201 (Zeix;) ä a x p a r c ä v Kpdxr| ve(xcov.
ETtojrxEÖö) k a n n heißen „ b e r ü c k s i c h t i g e n " zB. Pind. O l . 7, 19.
Bei A e s c h y l . „über e t w a s w a l t e n " 8iKa<; zB. E u m e n . 224.
T t a x p c p o i cpövoi a m V a t e r verübter M o r d Soph. El. 779.
O e d . C o l . 990.
20 Alles A n r e d e a n H e r m e s , zu vergl. E u m . 93<H. = 9 0 ) „der
du die M a c h t deines Vaters im A u g e h a s t "
<yfl<;) ejiOTtxeöevv A g a m . 1579 „ v o r d e m die Erdenloose
schauend"
O b hier viell. H e r m e s als Ttaxpräoi; angerufen w i r d , der die
z 5 Pflichten der Eltern und Kinder verwaltet?
7taxpqja Kpdxri = Kpdxri rcaxpcpou OeoC.
N a c h A r i s t o p h . (Aesch.) w i r d er als G e b e r a l l e s Wohlstan-
des und glücklichen E r g e h e n s bezeichnet. A b e r w a r u m
dann als x06vio<; genannt? D a s ist epioövio«;.
30 Besser w o h l als Herold? (cf. Hiket. 221) A b e r auch dann: w a r u m
xOövioq.
C h t h o n i o s weist auf den V|/üXOJtO|X7tö^. A l s Vermittler des
Orest und der Unterwelt. „ D a s v o m Vater verliehene A m t eines
48 Vorlesungsaufzeichnungen

%06vio<; verwaltend" so wird er v. i i 7 < W . = 1 2 4 ) %0ovie


genannt mit KT|pui;a<; £|ioi.
Also genauer: das Amt eines Kfjpu^ verwaltend.
C h t h o n i s c h e r H e r o l d , e r w e i s e d i c h m i r , i n d e m du d a s
5 v o m V a t e r v e r l i e h e n e A m t v e r w a l t e s t , als R e t t e r u.
[Nothelfer] B e i s t a n d , ich b i t t e dich.
v. 2 ) In wiefern wird Hermes als Soter angerufen? nach v. 1 1 7
= 1 2 4 ) soll er als Herold dienen, um den unterirdischen
Dämonen das Gebet der El. zu hinterbringen. Diese sind ¿juctko-
10 Jtoi Jtaxpöxöv ainaxcov, nicht Hermes. | Hermes soll ihn im
KT|poaaeiv unterstützen, v. 4. Darum steht so feierlich K^ueiv
aKoßaai: Dionys macht nicht nur einen Scherz, wenn er sagt
ts0vt|k:6<tiv yctp e^ayev ob iiöxOtipe au, olq ou8e xpiq Xäyovizq
8^iKVOÖ|i80a. Dies muß Aeschylus sagen. Der sonst ja schweigen
15 würde. Dazu paßt die Frage aü Se Ttöög snoieiq toix; npoX-oyoug;
gar nicht für Aeschylus, denn er ist nicht der Richter. Vgl. sequ.
i y . 1 — 5 ) Diese 5 Verse gehören nothwendig zusammen. Gegen
Weil. Dionys sagt iöi nepaive ai) ävvcaq. Z u v. 5 cf.
Prom. 1 4 1 SepxÖTI^' eai8sa9' und häufig. Stanleius zuerst hat
zo diesen Anfang.
E i n e Locke legt er aufs Grab 5 v. i 6 i < W . = i68)>, denn e i n e
Locke sieht Elektra. Pointe: Darbringung der Locke. Weshalb?
Als 7tev9r|xr|piov. Warum war er nicht zugegen? Weil er ver-
bannt war. Warum kommt er jetzt? Weil er das reife Alter hat.
25 Die aber dankt er dem Inachus: dem gebührt somit eine Locke.
Wozu kommt er? Um den Vater zu rächen. Dazu braucht er
dessen Beistand. Den schafft ihm Hermes.
Vor 7iA,ÖKanov schob Erfurdt zu Soph. Electr. 52 ein (pspö) 8e.
v. 1 2 TtpETtco „in die Augen fallen, hervorstechen" wie v. 18.
30 Wiederholung in wenig Versen auch von 7tpoaeiKäaa) u. ETreiKCt-
aac, „auf welch Ereigniß rath' ich oder deut' ich dieß?" Droysen.
Aber es fehlt der Objektsakk. (npoaeiKd^eiv) ursprünglich

5
Haaropfer Philol. IX p. 7 1 1
^Kommentar zu den Choephoren) 49

„verähnlichen", dann „vergleichen", dann „vermuthen". [Die


letzte Bedeutung die einzige intransitive] Aber es folgt ja ein
Akk., der ganze Fragesatz. Aesch. Ag. 163 ouk ex© 7cpocreiKd-
crai ei — xpi|. Dann heißt Jtoia ¡;DH(popa „durch welchen
Zufall, welch Ereigniß soll ich rathen ob". Also ebenso wie
ETteiKOCTa«;. (Dies nur „vermuthen".) Nachher kleine Anakolu-
thie, indem der zweite Fragesatz mit rj nicht mehr von Jtpoaet-
Kaaco abhängig gemacht ist. Die entscheidende ^U(J.(popa ist
nachher das Erscheinen der Electra: o a ' ETisiKdcrai Oed. Col.
15z. Suppl. 287 'Ana^övac; — rjKacra i>näg
JtpoaeiKa^eiv xi xtvi etwas mit etwas vergleichen. Aber hier ist
der Accus, nöthig. „Vergleiche jetzt nicht, rcoiav ^ü|icpopäv
JipoaeiKdaco welchen Vorfall soll ich vermuthen? von ETteiKd-
aaq xacrSe tpepouaai;.
v. 13. Schol. avxi xoß 7rrina veov. Dindorf schloß, der Scho-
liast habe für 7cfj(j.a im Text ein andres "Wort gehabt, etwa
7txcö|ia, was Turnebus proponirte. Die Scholien sind mitunter
unvollständig. Frey p. 6. vepxepoiq |ir|vi|iaaiv würde heißen
„dem Gegenstande des Grolls der Unterirdischen", „welcher
Grund ist daß die Unterwelt grollt": als Apposition zu Ttaxpi
xcb|icß. |ieiA.vy|xa deliciae „alles zur Erheiterung u. Ergötzung
Dienende" ist hier nicht am Orte.
Pers. 609 7tatpi naiSöq euneveiq cpepoucr' aitep v e i c p o i a i
|j.£iA,iKTf|pia. Hermann observ. crit. p. 55 ss vertheidigt die Vul-
gata. afferunt eas ad placandos manes. Aber das bedeutet ^ei-
Xiynaxa nicht: nicht die „milde Stimmung" selbst, sondern nur
die „Mittel zum Mildestimmen". Dies kann nicht im Dativ des
[Grundes] Zweckes dazutreten, da sie Mittel, nicht Zweck sind,
Mittel zur Ergötzung, nicht Ergötzung selbst sind. Stelle wie
Herodot I 87 eycb xaCxa enpa^a xfj <xrj ^sv eu8ainovia, xrj
e^iauxoC 8e KaKo8ai|iovia.
v. 274<(W. = 2 7 8 ) 8i)CT(ppövG)v net^iyiiaxa von Lobeck und
Hermann mit Recht in nT]vi^axa geändert.
50 Vorlesungsaufzeichnungen

Zudem würde der Dativ Tiaxpi u. vepxepoii; collidieren,


wenn man mit Casaubonus |i£i^iy|iaxa liest. Entweder dem
Vater o d e r veptepou;! v. 77SS.<W. = tfjss.) läßt keinen Zwei-
fel
5 Electra kommt hinterdrein. Deshalb sieht er sie zuletzt. Schön-
born meint, Orest irre. „El. kann doch nicht während der ganzen
Parodos stumm <(verweilen)" Dies der Vorwurf des Eurip. daß
Aesch. Figuren rcpöaxTma xrjq xpayq)8ia<; „Schaupuppen" ypö-
£ovxac, OU8E xooxi. Oft sonst erwähnt.
10 v. 18 86«; (ie x i a a a ö a i . Aber Xenoph. Cyrop. 6, 4, 9 8öq p.01
(pavfjvai a^iov Ilavöeiag av5pi.
<f. 1 9 ) yfivoC „erweise dich". Sept. 20 Ttiaxoix; önatq yevoiaöe
Ttpöc; TOSe. Theogn. < 7 9 - > 8 0 rcaupoix; £i>pr|C7£i<; —
Ttiaxoix; ev xaA,ejtoi<; 7tpf|ynaai yvyvo|iEvou<;. Choeph.
15 78<W. = 86} yeveaGe xcov5e aunßou>.oi nepi.

Der Chor nicht Troerinnen: 1. nirgends Hinweisungen auf


Troja oder auf Cassandras Weissag., 2. nach v. i64<W. = 1 7 1 )
Greisinnen: seit der Einnahme Trojas erst 7 Jahre: nur blühende
20 Jugend gefangen. 3. Sie d u r f t e n nicht als Troerinnen dargestellt
werden: woher hätten sie die warme Anhänglichkeit für Aga-
memnon und seine Kinder gehabt?
2 2 ) icdxcx; „geschickt", warum so voran? Haben sie es
ungern gethan? Gewiß: es handelt sich um x&piv d%äpixov,
2.5 v. 42<W. = 4 5 ) N' iaXXei Söaöeoq yuvä. EK 86|I(DV schließt in
sich: aus dem Palaste, also auf den Befehl der Klytämnestra.
Also erfährt sogleich Orest rjxu; f^Sfi 7tpoaxpo7rr|.
£ßr| Med. Robort. £ßr|v Dindorf sßav.
Xoag als Akk. von 7tpo7to|X7t6<; abhängig (Acc. von Victorius
30 verbessert.) Adj. kann nie die verbale Kraft so behalten, daß es
wie das Verb mit dem äußeren Objekt verbunden werden dürfte.
Beispiele noXXa auviaxopa Agam. io49<H. = 1090) arcopa
7töpi|io<; Prom. 907<H. = 9 0 4 ) . Das sind adverbiale Accus, des
Inhalts, aber keine wirklichen Objekte. Weil meint, ö^uxEipi
(Kommentar zu den Choephoren) 51

ctüv KÖ7iö) gebiete zu glauben, daß die Verbalbedeutung in


jipojronjröi; mächtig sei, missa sum inferias prosecutura planctu
acerrimo. Dies wäre KÖrop ohne cüv. Nun kann ja
nicht gesagt werden „ich komme zugleich mit der Hände wildem
5 Schlag". Dann würde ja Chor u. Händeschlag coordinirt. Eben-
falls nicht von JtpoJton.Jiö<; abhängig, sondern mit dem f o l g e n -
den) Ttpercei Trapfjai usw.
%oäc, Victorius, gegen den tragischen Gebrauch. Casaubonus
bedenklich %oäv. %oai<; Keck, ich ging aus als Geleiterin für
10 die Spenden (Todtenopfer)
Med. CTUVKUJtTtp, der Scholaist am kottetcü. Zwei Worte kom-
men in Betracht ktujioi; „Schall des Schlages" kötcoc; Schlag
selbst. Zweifelhaft ob der Scholiast köjioi; erklärt, da dies nicht
nöthig war. Dagegen Ktimoq wohl, insofern 6^6%eip metapho-
15 risch zu KTü7to<; gesetzt ist. Es sprechen dafür Eurip. Hik. 87
CTtepvcov KTürcov, Phön. 1 3 5 1 KTÖitouq %8poiv. Dazu begünstigt
der Mediceus KtDTtoq.
Die Wange erscheint blutig von Rissen eben gegrabener
Nägelfurche, während das Herz zeitlebens sich vom Weh nährt.
2.0 Gegenüber V80iö|i(p — 81' aicövoq und ajiuynoii; — 8' iuy-
jioiai. [Dadurch wird d|j.uy|ioi<; gestützt, weil nur in dem schar-
fen Chiasmus der Contrast liegt.] Gegensatz in 7tpe7tei „es ist
offiziell, es geziemt sich" für die xor|Cpöpoi. Also muß dazu der
Dativ Jtaprjai, den die Antistr. erfordert (als Jambus) Tuapriiq
2.5 kann nicht stehen 1) aus metrischen Gründen 2) weil dann die
Wange u. ö^oxetp kxutio^ coordinirt wären): was unmöglich.
Dann also d(j.i)y|a.ö<;, Hermann cpoivioi; 8icoyfiö<;. Conington
(poiviou; a(iUY|xö^ recte!
<f. 25» ss. W. = 30 ss.) ctto^hoI (oder axoXn6<;) nEnXcov ein
30 zusammengehöriger Begriff „das angethane Gewand" Eurip.
Ale. 216. 923. Androm. 148 |ieA,d|!7tE7rÄ.oi <7ToX|K)i Alcest. 819.
Davon ist abhängig aye^daicug ai)|A(popai<; TtBTcXriynevcov auf
die Redenden bezüglich. Nicht von 7t87itaov abhängig.
52 Vorlesungsaufzeichnungen

( p „ m i t Getöse zerreissen", zu gewebefädenverderben-


den Fetzen zerriß das Brustgewand der von heillosen Schicksals-
schlägen Getroffenen.
Weder die 7i87iA,oi noch die KÖÄJtoi sind von ouncpopai getrof-
5 fen: dies gegen Weil. Gemeint ist unter aojxcpopai der schreckli-
che Traum cf. ydp. Zudem ist das Schlagen mit den Händen
schon genannt 6^6%£ipi ativ Kxorap. 3 Akte: der Schlag der
Hände, das blutige Gesicht, das Zerreißen der Kleider.
Unmöglich kann XivotpGöpoi 5' ucpaa(i(XTct)v AxnciSe*; als Prädi-
10 kat voranstehen: diese Stellung nur möglich, wenn auf dem
Subjekt ein gewalt. Nachdruck liegt. Den vertragen Jtpöaxepvoi
axo?i(ioi nicht. Der Accent JtpocteXvoi deutet an, daß zu lesen
sei 7tpo<JT£pv(p aioA-n© Kzn\<av. Fetzen reißen ab dem Brustge-
wand.
15 Der Genetiv 7t8JtXt|y(ievtov wird construirt von im' a ^ y s o i unter
dem Schmerz heftig Getroffener. — Nein: nenkav der Kleider,
die bei heillosen Schicksalen geschlagen werden. Keck behaup-
tet, 7tXf|GCT(0v werde vom planctus nicht gesagt: dagegen CTfjöoq
nXri^a^ Odyss. 2 0 , 1 7 ; 7tXf|l;aa0ai xfiv Ke<pa>»f|v Herodot 3 , 1 4 .
20 <f. 3 2 ) 0sio<; ydp oiaxpog öpGöGpii; c f . 288 A a i n c o v y d p
ö p G o G p i i ; , x o p ö t ; cf. Agam. 1436<H. = 1468). xopog ist
durchdringend, klar. Hier soll es „stark" heißen! Einzige Stelle!
xopöt; yctp cpoixoq Herrn. „Herumirren". poiß8o<; Sausen
Schwirren.
25 (pößoc^ ist richtig, s. v. <?24<W. = 929X cf. i020<(W. = 1 0 2 4 )
tpößog y d p ö p G ö G p i ^ , xopö<;
<v. 3 5 ) Jiepi xapßei Pers. 697<H. = 696) auch ö^cpi xdpßei
<Choeph.) 544<W. = 547>
HU^öGev eX-aice, Ttepicpößoiq (ganz erschreckt) yuvaiKeiounv
30 8v 8ri)|xaaiv ßapix; tuxvöv
(v. 37 W. = 39) (sXukov:) G X A N O N Keck.
6
«pA-aSov Etym. M. p. 403 <xnnaivEi xö ¿axiaQ-qv rj ¿0Xäa0T|v f) 8isppf|y-
vvjvto mit unserer Stelle = cp06ipovxai xä t<bv ixpaanäxcDv Xiva. Ganz ähnlich
Pers. 836 auch mit vn' äXyovi;.
^Kommentar zu den Choephoren) 53

(v. 40 W. = 42) TOiavSe absichtlich etwas unbestimmt: cpoßoO-


jiai 8' 87to<; t ö 8 ' ¿KßaXeiv. Eine derartige Huld suchend cf.
A g a m . 1 5 1 1 (H. = 1 5 4 5 )

<zu v. 40 — 7j W. = 42-83)
aber der Schreiber hat geschrieben
1 5 6 42 3

15 TOiävSe x&piv 5
81* ai'nax' eK7to0ev0' 4
Giyövxi 4 id) Trctvoi^uq eaxia 5
pOTIT) 5'87tipp87t8l 5 creßaq 8'ajia%ov 5

x
X
54 Vorlesungsaufzeichnungen

f a Zeichen der offiziellen Trauer


Archa
1 a. Veranlassender Traum,
Kaxaxpo7tá b Das gottverfluchte Weib schickt uns.
Aber es giebt für Mord keine Sühne,
f c. Die Rache erwartet den Schuldigen.
1 c. Er kann nicht entfliehen noch sich rein
waschen.
auch im Frauengemach nicht,
OMOAAOS -< auch durch diese Jtpocrxp07td nicht
10 d. Die Strafe trifft schnell die einen im
Licht, die andren langsamer (diese
| hier) im Dunkel.
[_d. Trostloses Dunkel umgiebt das Haus.
|i£xaicaxaxp07ta b. Das Volk fürchtet nun den Herrscher.
15 Sphragis epod. Ich als Sklavin muß Gerechtes und Un-
gerechtes bei den Herren gutheißen.

<1/. 40 W. = 42) xoiavös absichtlich etwas unbestimmt: cpoßoü-


Hai 8' erco<; xöS' £KßaA,eiv

<t/. 53 W. = 59) TOAEYTYXEINTOA xö S'euGuveiv „das


2.0 Herrschen"
TONEY0YNONTOC oder xö S'eüÖuvov
£U0i)V(OV

<V. j j W. = 61) STnaKOxei macht Schatten. Agam. 235


<H. = 250) Auer) £7uppE7t£i [po7ti) 8'£jupp£7i£i Aiica<;] „die
Entscheidung der Gerechtigkeit neigt sich zu bald usw." xö nf)
öSvkevv im Gegensatz zu ponfi SiKag. emppETtoi
(v. j6 W. = 62) XOiq (XEV EV (paEl
Toic; Medic.
die [im Licht] einen erfaßt die Dike vor aller Augen, die andern
30 im Geheimen.
57<W. = 63) x ö 5'ev |iexai7|iiö) cncöxou
(Kommentar zu den Chocphoren) 55

ve^ei xpovi^ovxa Kpur) (Gloss. äxt|)


inmitten
,dem t t C I ß ( c ' e r Finsterniß weilenden theilt sie langan-
im Schooße
dauernde Schauer zu (bez. auf Clytämn. Schreckenstraum")
5 (v. 55» W. = 6 j > „ d i e s e aber umfängt tiefe Nacht."
ein Haus wird beim Tode des Herrn umnachtet. So ist dies Haus
umnachtet. Den Verbrechern in solchen Häusern sendet die Dike
Schaudervolle Leiden, die lange anwähren.
Gegensatz x a x e v a % p o v i £ o v x a
io Erst umschattet sie die p o j i f ) 8iica<;
Dann sendet sie langdauernde Schrecken, wenn er in tiefer
Nacht ist.
(v. 6i W. = 6j) <(pövog:> yövoq, cf. Agam. 98i<W. = 1018)
Keim der Rache. 5iica<; yövo<;
15 <62 W. = 68} 8vapKt]g axa Stacpepei „das anhaltende Unheil,
trügt ihn (dauernd)". 8ia(pepei mit Weil: das anhaltende Un-
glück dauert fort, bis der Schuldige von Aussatz strotzt.
< v . 6 3 W. = 69) < 7 t a v a p K 8 x a < ; : ) 7 t a v a O / U a c ; , rcavaypiag
(v. 64 W. = 7 1 ) eScbAaa Nu|i(pc5v ego intellego, wenn er auch
20 Quellensitz berührt zur Ka9apcii<;.
<za 65 W. = 7 2 ) aKoq Mittel (Heilmittel), pooi ego.
<t/. 73 W. = 80) ßia cpepo|xeva)v Glossem von ßia«;, indem äp%ä
ßia<; „die Herrschaft der Gewalt" erklärt wurde durch „die

Herrschaft der gewaltsam verfahrenden", äit' äp^ÖQ

25 ßia (pepo|i8Vß)V, so stand in der alten Handschrift, vom Anfange


der Gewaltthat an, doppelt interpretirt.
Beide Scholien sagen e|xoi 8 e rcpeTtovxa K a i c x p e i X o n e v d e a x i v
dh. S i K a i a - also nicht |ifi SiK. — an a p x ä q ß i o u x ä xröv ß i a
(iE c p e p o ^ s v w v a i v e o a i . e ^ o i — ä v ä y K a v y ä p djacp' ä j t x o ^ i v
30 (xf|v £K S i a t p ö p c o v nöXsmv äväyKT|v) 8eoi T t p o a f j v e y K a v sk
yäp o i k c o v Ttaxpcbiov S o u M a v eaäyov aiaav — SiKaia Kai
j t p e r c o v x ' a 7 t ' ä p x ä g ßiot» x ä xcov ( x ä xcöv mit Weil) ß i a cpepo-
|i£vcov a i v e a a i TtiKpöv (ppevräv a x ü y o q Kpaxoöai].
56 Vorlesungsaufzeichnungen

Saicpoco 8' ö<p' eí^áxcov [|iaxaíotci Searcoxiv] xôxaiç, Kpu-


cpaiovç 7tév08CTiv 7taxvou(xévTiv.

18 Tetrap. mit 4 Hexap.

5 b
c 12. Hexapod. mit einer Tetrapod.
c

d
10 Tetrapodien
d

10 b
12 Hexapodien (mit einer Tetrapodie)
ep.
(Kommentar zu den Choephoren) 57

3
7 1

3
I
I 3
3 I 3 3

x -o
M o
-a-

• \c ^t 00 1" 00 'l" \D oc \o so

I I I
I
3 3 3 3 3 3
I 1 I I — I I I
J 1
_ 3 3 _ 3 3
3
1 3 3 11 3 3 3
I I I I I I I 3 1 1 1 1 1 1 I I I I

TI
1 1 1 1
3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 T
3 3
I I 1 3 3 1 1 3 1 1¿ 1 1 I I I I —
11

TI
1 1
3 3 1 3 3 1 3 3 1 3 3 3 3 3 _1
3 3
I I 3 3 1 3 3 1 1 1 1 I I I I 3

?!
1 ~ 1 1 1 1
3 3 — 3 3 3 3 3 3 1 3 3 3 3 3 _!_
I I 1 I 1 3 1 1 1 1 1 1 1 1 1 I I I I 3
1
3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 13 3 3 3 3 3.
-a
58 Vorlesungsaufzeichnungen

a vorherrschend Tetrapod. mit 2. Hexapod.

mit einer Tetrapodie b 4x6 a6


c 4x6 12 x 6 a6
c 4x6 b6

6
c6
d 5x4 6
10 x 4
d 5 x
4 6
c6
6

mit einer Tetrapodie b 4x6 6


12. x 6
ep. 8x6 6

15 Wir haben eins der schwersten Chorlieder des Aeschyl. bespro-


chen und alle möglichen Mittel und Wege der Kritik angewen-
det. Vergleicht man nun die unerhörte Zahl divergirender Mei-
nungen, so beschleicht uns der Zweifel, ob wir uns hier noch
auf dem Boden des objektiven Forschens oder des subjektiven
zo Rathens befinden. Machen wir uns im allgem. deutlich, wie
weit der Einfluß des Subjekts reicht und durch welche Mittel er
unterdrückt werden kann.
(Kommentar zu den Choephoren) 59

Bei u n s e r e m C h o r l i e d e
giebt es zwei nachträgl. Bestätigungen) i) der rhythmische
Bau des Ganzen: simplex sigillum veri. 2.) die Terpandrische 5-
Gliederung in dem Gedankengange.

Eine aesthetische Frage: giebt es einen ethischen G r u n d g e -


danken?

nein, ebenso wenig wie in der ganzen Tragödie. Wohl aber


bewußte Zwecke des Dichters als Dramaturgen: i/Orest über
den Zweck des Trauerzuges aufzuklären Er kommt g e s c h i c k t :
warum geschickt? weil Clyt. einen Traum gehabt hat u. weil
der Chor ihr als Herrin gehorchen muß. Also Charakteristik
des Chors ist Zweck: er muß seine Herzensgedanken ausspre-
chen, im Gegensatz zu dem offiziellen Auftrag. Dann der E r f o l g
des Mords Agamn.'s für das Haus.

Nicht ich im eignen Auftrage bringe diese Spende, son-


dern für Clytämnestra. Diese fürchtet die Rache des
Agamem's. Diese Rache aber ist unvermeidlich: schon
hat Finsterniß das Haus bedeckt, im Volk wird es nicht
geachtet, nur gefürchtet. Ich selbst thue gezwungen einen
Dienst.

Auch der a l l g e m e i n e Theil ist nur abstrahirt aus den speziellen


Begebnissen s. S. 9 [ = S. S]
60 Vorlesungsaufzeichnungen

(v. j6ss.
W. = 84 ss.} TipoCTTpojtf) das sich Hinwenden eines
an eine Gottheit, um nach einem Verbrechen den Zorn
iKETT|<;
der Rachegötter zu sänftigen.
Todtenopfer zuerst am dritten, dann am 9, endlich am 30
5 Tage, (xoai, nicht arcovSai) bestehend aus Melikraton (Honig
Milch u. Wasser),Wein u. Oel Thiere am Grab geschlachtet.
Blut in die Grube gegossen, der Körper in Stücke zerschnitten,
Stücke verbrannt, Asche an der Stelle vergraben. Solon verbietet
Rinder zu schlachten. Gewöhnlich Schafe, auch bloß Kuchen,
10 der die Thierform nachbildet. Gekochte Speisen vornehmlich
am 9ten Tage aufs Grab gesetzt.
Plutarch Arist. c. z i .
Todtenfeiern der Platäer alljährlich im Monat Alalkomenios
(Schi, bei Platäa) Prozession: Trompeter, mehrere Wagen mit
15 Myrthen und Kränzen, dann ein schwarzer Opferstier. Von
Jünglingen freien Standes Gefäße mit Wein, Milch, Oel u. Salbe
getragen. Archon, in der Hand ein Schwert, im Purpurgewand,
in der anderen Hand einen Krug. Der äp^rav schöpfte Wasser,
wusch die Grabsäule und salbte Opfertiere, betete, goß einen
2.0 Becher Wein aus. „diesen trinke ich den Männern zu, die für
die Freiheit der Hellenen in den Tod gingen.
gewisse Feste, an denen keine Thiere, sondern Backwerk
geopfert wurde: am Fest des Zeix; (iei^ixtOQ. Die verbrennende
( O p f e r g a b e ) heißt neXavoq. Schol. rcäv xö £7U0uö|ievov oßxco
2.5 KaXoöavv.
76ss. W. = 84SS.} „Ordnerinnen des Hauses". <1/. 79ss.
W. = 8 7 s s . ) Soll ich im Sinne der Clyt. sprechen, soll ich die
Formel sprechen, soll ich nichts sagen; nicht: was soll ich sagen?,
sondern überhaupt: soll ich reden? v. 7 9 ( W . = 87) cpGixq) ego
30 84<W. = 9 4 ) s c X ' ego saöÄ.a 8i8ou Formel.
85<W. = 9 5 ) [ego axeyri? Lycophr. 1098 crxeyoi; Grab also viell.
axeyet Soph. Electr. 1165 von den Todten] KaAxov ego
86<W. = 9 1 ) oi) 5 ' ex® Heimsoeth
87<W. = 9 2 ) [£eouaa? „heißmachend den Opferkuchen"]
^Kommentar zu den Choephoren) 61

89<W. = 9 7 ) t o t ' ¿ K x e a a a mit Heimsoeth, cbcntepoßv „wie


anerkannt, rein ganz so", eSixov „ich w a r f "
teöxcx; von der Opferschale, Eurip. Iphig. Taur. 168
<f. 90 W. = 9 8 } zu 7tdX,iv erg. aiei^ev zurückgeht.
5 (v. 92 W. = 100} an dieser Beschlußnahme betheiligt euch
<V. 97 W. = 105} Soph. Ant. 16 ouSev 0T8' urcepxepov
98 W. = 106) 1) (bq xi)|ißov Jtaxpö«; kann der Chor nicht
sagen.
(v. 100 W. = 1 0 8 ) 2) fflCTJiep f|8eCTCfl Elektra nicht; man erwartet
10 das Präsens.
3) Wozu sollen Dienerinnen noch ihren Respekt ausdrücken?
Gegen die Bescheidenheit.
4) Es hat keinen Sinn, daß der Chor das Grab als Altar betrachtet
für seine Rede; denn er spricht kein Gebet. Wohl aber hat es
15 Sinn, wenn El. aufgefordert wird, das Grab ihres Vaters als
Altar anzusehen. Dies auch die einzige Möglichkeit, in der
xu(ißov Jtax p ö q im Munde des Chors paßt. Also zuerst empfoh-
len ai8oü|isvr| ctoi. Dagegen würde nun der nächste Vers spre-
chen. Dann daß das Partie, doch in dieser Verbindung nicht
20 heißen kann: „betrachten als Altar"
Die Worte Xeyoiq äv 100 W. = 108) Wiederholung,
xaepov Tiaxpö«; Wiederholung: mit dem prosaischen xdtpo<;.
D e r S a t z i s t ein G l o s s e m , das uns die richtigen Wege
zeigt. Kein Vers ausgefallen.
25 urspr. coCTJtep a i 8 f j ou xätpov naxpöc, akXü ßco|iöv xivoq 8eou.
xoi {statt (JOi:> häufig beim Imperativ.
<V. 105 W. = 1 1 3 ) Schütz ei'ai] cppacai du wirst zu sagen wis-
sen. Hesych eppdaar 8iavof|ör|tv, a x e y a i . fi5r| drückt aus
„überlege dir j a " eine Verstärkung Dies ist zudringlich (y. 105
30 W. = 1 1 4 ) -rrjSs axaorei „an dieser Stelle", ja nicht für xrjSs
a u a x ä a s i . (Es heißt „Partei"; daran ist hier nicht zu denken;
sie kann nicht <sagen>: wen soll ich der Partei zufügen?) v. 455
<W. = 4 J 8 ) a x d a u ; 8e 7tayKoivo<;. Eumen. 3 1 1 a x ä a n ; x ° P ° ß
der aufgestellte Chor. <v. 102 W. = 1 1 0 ) - aber sie sagt nichts
62 Vorlesungsaufzeichnungen

vom Chor 103 W. = 1 1 1 ) Der Chor kann doch nicht sich u.


Elektra in erster Linie meinen. Elektra rät zuerst; dann ist sie
dem Chor aufmerksam gemacht dankbar.
<v. 118 W. = 124) Nauck im Philol. II p 149 epiouvi' 'Epn.fi.
5 Aesch. sagt aber in den Fröschen ou 8fjx' EKEivov akXä xöv
epioöviov | 'Ep(a.f)v xOöviov npocjEircE er meint, mit dem Na-
men X0ÖWO? bezeichne er xöv epioöviov - cf. Agam. 493
<W. = W >
(v. 119 W. = 126) Ahrens ai^axcov u. Hermann <(f. 120
10 W. = 127) vergl. iö) y a i a jiaia u. v. 6o<W. = 66} 81' ai|iax'
8KJto0ev9' örcö %Qovöq tpocpoC — yovo<; 7t£7tTiyEV o£> Siappu-
8av.
<v. 122 W. = 129) zu cp0ixoi<; Pers. 220, 523 yij xe Kai 961x01«;.
7ts8oi? Die Form häufig verdorben, 4 4 = 48} ns8(p,
15 634<W. = 642) rceSov <statt JteSoi). B P O T O I C
n E A O I:
melius ßpö|iö) „mit Geräusch"
v. i24<W. = 1 3 1 ) dx; evapxov ev 80^015?
melius ava^iav [te cjou] 8'a(ia
2.0 Hesych ava^ia = ßaai^Eia bei Aeschyl.
<t>. 122 W. = 129) ayco für äq ¿yd) A,£yco mit eöx&C k^öeiv
nach Herrn, nach Herrn. ETioiKXEi p o v x ' £|i£ (pi>»ov t°
' O p £ a x r | v zu sorgen, daß wir siegen u. daß wir (piA,ov x'
'Op£cxr)v tuöx; avd^o(i£v 86|ioi<;
25 (v. 137 W. = 144) avxajtoKxavfiiv Siicr).
<f. 139 W. = 145) ev (iEcrcp (beizubehalten)
146 W. = i j i ) „den Päan mit Wehklagen bunt machen",
also abwechseln? nein: xoü«; EJtavöi^Eiv vö|iO(; i>n<x<;. Paean,
„ein Hilfsschrei", keine Klage. Also die Hilfe muß doch erbeten
3° werden.
(v. 147 — 157 W. = 152 — 164) SctKpo ist ein innerlicher Aus-
druck, Horaz Od. II 6, 22 ibi tu calentem debita sparges lacrima
favillam vatis amici. ' A p a , die Fluchgöttin die Rachegöttin;
(Kommentar zu den Choephoren) 63

verb. < f . 1 5 6 W. = 1 6 1 ) ev epycp dpfjg D i r a . A r e s u n m ö g l i c h


n a c h 5opucr0. a v f | p .
f f f f
iexe S d K p u K a v - öxoxoxoxoxoxoi
/ /

axeq ö^ou(i£vov i'xö) xi<; S o p u -


r f f f
Ttpöq p ü ^ a 8ecniöxa aöevr)<; 8eßp' avr)p,
f f
/ / fKSSVÖV T I
x68' öA,0(xevG) < , > a v a X u x f i p Sö^cov,
(KaKG)V x

Ot7lÖxpOTCOV KCtKCÖV X (JKÜ01KÖV ev XSpOlV


f f f f
a y o g £7i[v]-ei)Xsxov TtaXivxuov "Apr|
/ /
Kexunevcov %oäv. ev e p y © Ttpöcrcß ßeXri in
/ / f f den Text
10 K^-iie 8e u.01 KA,öe '7U7idM.cov a p f i c ,
, , f f gedrungen
aeßat;, (b S e a n o x ' e^ a x e S i a x' auxÖKö)-
/
d|iaupä<; (ppevöc;. Jta va>|i<»v £i<PT|.

1) W a s ist Saicpu 6 ^ 6 | i e v o v .
2) auf die Schutzwehr der G u t e n u n d das verhaßte G r e u e l der
15 Bösen, p i a c u l u m pC|j,a, Rettung, Befreiung, Schutz. pi3|ia das
Fließende
f
3) Umstellung. iexe 8 a K p u Kavaxe«;
/ f
öA,6|xevov ö?io-
/ f
|Aev(p 8ea7röxa
20 Ttpög p6(xa xo8e K e S v ö v

anoxpoitov k u k & v x'

äyoq a n e v x e x o v .

Fort, anoxpeitov. D i e Spende ist £vdyia|ia ajtoxpojiaiov.


Kexunevcov %oüv G l o s s e m ? oder abhängig v o n p ü ^ a . N e i n .
2.5 148 s. W. = 1 5 4 5 . ) „ D e n k m a l fluchenswerther T a t h . M o r d . "
v. 1 5 3 ss.<(W. = 1 6 0 s s . ) L u d w i g , zur K r i t i k des Aesch. W i e n
64 Vorlesungsaufzeichnungen

1860 p. 40 hält die V. für ein Citat „gefahrdrohendes Heranna-


hen eines Bogenschützen.
<£/. 1J3 W. = 160) ixco xiq Bothe 8opi)a0£VT|<; Seöp' avf|p. Die
Frage „wer" ist nicht an Stelle. Noch weniger die Angabe der
Richtung <8eupo). itt) nach Heimsoeths Vermuthung hat keinen
Halt, nach dem gewaltigen Aufklopfen des Todten.
<;v. 155 W. = 162) TiaAivTOva hat keine Stelle. Vom Bogen heißt
es nicht STußdAAco denn CKoGiKCt ßeA.r| erußdAAeiv kann sich
ja nur auf die Pfeile beziehen. Zuvor heißt es 8opua0£vf|c;. „Der
Bogenschütz ist fremdartig." Es wird doch an einen Helden
gedacht und offenbar die Ausrüstung des Orest. ZKD9T|<; häufig
vom Mord mit Eisen. 7taA.ivTiT0v "Apr| wiedervergeltender.
Laert. 8, 59 in einem Vers dasselbe Versehen (Empedocles) Ttveu-
Haxa JiaXivTixa <:) Suidas überliefert jraMvxova. Speer, Bogen
und Schwert! umsoweniger Bewaffnung!
rca>,ivxova, Wex, Zt. f. Alt. W. 1839 Nr. 145: der eine nochma-
lige Spannung hat, der an beiden Seiten noch einmal aufgebogen
ist: C / ~ ~ n O - ^W 1 ! das Schwert a x s S i a zum Nahkampf
(CTxe8ir|V nahe und bald
aoTÖKö)Jto<; nur am Griff geführt [rcaXivxovoiv (xepoiv)]
Zu 157 Schol. xct dtp' eauxcov exovxa xfjv Xaßfiv ^itprj, a x s S t a
8e xoß a^eSöv tpoveöovxa Kai ou Tiöpproöev, axjrcep xa ßeA/r|.
v. I 6 I < W . = 168} xaqxp kann nicht lokativ sein. Also tonaiov
xd(p(p. Aber dies ist überflüssig, wenn El. xöv8e ßöaxpuxov
vorzeigt. Vielleicht xi (pö; auf eine heftige Bewegung des Chors.
[e%©v xo(iatov xovSe ßöaxpuxov xi (pro;]
<v. 164 W. = 171) n&q oßv w i e a l s o sollte ich die Ältere
von der Jüngeren lernen? Dies würde die Belehrung abweisen,
während der Chor sich im Folgenden belehren läßt. Sodann
wäre es gegen die Fürstin unbescheiden. Jta^aiä vielmehr „die
Altersschwache", TICOI; oö „warum denn nicht",
v. I65<W. = 172) jedenfalls 8|io0 Ksipaixo v u v Med. <:>
veiv Denn viv ist ganz unlogisch. Das Medium KeipecrGai sich
scheren. Mit der f a l s c h e n Äußerung OUK eaxiv will sie den
(Kommentar zu den Choephoren) 65

Chor bestimmen, das Richtige zu sehen. Bothe thöricht 7iA,f)V


¿HCÖv. Gegen Dobree Jt^T]V evo<;. Das Folgende widerspricht.
L u d w i g , zur Kritik des Aeschyl. 1860 Wien p. 33 stellt um, v. 1 6 2
<W. = 1 7 0 ) nach 8xöX|iT|CTe |ioA.evv (_v. 1 7 9 ) . Dagegen: „El.
5 spricht vom Eigenthümer der Locke als von einer evidenten
Persönlichkeit: Das folgende im Widerspruch. Z u evidenten
Dingen führt unmittelbare Anschauung, nicht eine langsam ver-
folgte Reihe von Schlüssen." Warum aber nicht eine s c h n e l l
verfolgte R . v. Schi.? Offenbar ist El. längst fertig mit ihren
10 Schlüssen, als sie den Chor anredet. Z u d e m stünden die Verse
schlecht, wenn wir Ludwig folgten: der Chor fragt: „Wie wagte
jener hierher zu kommen?" Darauf paßt nicht: „dies ist leicht
für jeden zu errathen."
v. 16?<W. = 1 7 6 ) (aötovCTiv f|(j.iv) f ü r xaiq eöeipaiq auxrov
15 i||A(üv wie Iliad. X V I I 5 1 KO^iai xapixecrcnv 6(xoiav. Die Stelle
verspottet von Aristoph. Wolken v. 536, Eurip. Electr. v. 520ss.
(v. ij6 W. = i # 3 > Kä|ioi npoCTeatTi mir s t o c k t der Wogen-
schlag des Herzens. 7tpoaiaxaxcu f| KOiWa Hippoer. 595, 47.
7tpoaxavxo<; 7tvei>|iaxo<; Schol. Arist. R a n . 305. Dagegen der
20 Ausdruck kX,i)5ö)VIOV „Wogenschlag" ein zu starker Ausdruck
für Pulsschlag. Geschildert eine p l ö t z l i c h e Empfindung der
Erschütterung. Z u d e m nennt sie es <b5i£, Schmerz, der Geburts-
wehe ähnlich (v. 2 1 1 ) .
Droysen: „auch mir ins Herz gießt brandend sich der Galle Fluth."
2-5 ? v . I 7 Ö < W . = 183) K & l i o i 7tpO(J£7tXT) e g O .
Kd|ioi - vergl. öp%eixai — K a p 5 i a . „es fliegt heran mir die
Woge des Herzens." Prom. 1 1 5 xig d^cb, ziq Ö8|id 7tpoce7txa
(i£; Prom. 555 xö SiantpiSiöv noi neXo«; jtpoCTe7ixa a v e n x a v
(pößcp Antig. 1307.
3° 1 7 7 W. = 184) x o ^ v 8' ¿JxaiCT0r|v dx; ego. Herodian im Et.
M . p. 678, 36 — xö Jta0o<;, xoA,f| aep' oü xö ndöoq also
hochklopfender Puls u n d ein Stich und Thränen. Choeph. 640
8 i a v x a i a ein gerade durchfahrender Hieb (wie ein elektrischer
Schlag).
66 Vorlesungsaufzeichnungen

<v. iy8 W. = i8j) Thränen der 8iv|/a? zB. ö o i ß ä v S i y a v äicei-


CT0at das Verlangen nach Gesängen stillen, Pind. Pyth. 9 , 1 8 0 .
scrib. Siylcp tutixouctI (ioi ego. M a n weint nicht vor Durst.
(S^ivj/ioq) auch zweier E n d ( u n g e n ) . ) „auf mich die thränendur-
$ stige, die ich Sehnsucht zu weinen habe, fallen die Tropfen aus
den Augen. Schol. Jipcbr|v ayeucrcoi ax; 8ii|/iov "Apyo<; xo Ttoxs
avuSpov.
<v. 179 W. = 186) 7tX,T||i|iupi<; „die hohe Fluth". atppaKtoq un-
gehemmt — (ckppaaxog unvermerkt?)
10 <8üaxiHO<; = ) 5uax8i(a.8po<;, Stamm %i- (stürmisch, schauer-
lich), X l ( ö v > hiems.
v. i85<(W. = 1 9 2 ) „daß ich dies schnurstracks (geradeswegs)
gutheiße", „die Hoffnung thut mir wohl", ex® 8 ' ÖJicag „darf
ich denn" Warum stände eyft) voran u. so emphatisch?
15 Sie hat sich beide Möglichkeiten wiederholt und verneint: a a x o i
u. Clytämnestra. Z u dritt bezweifelt sie ihre Folgerung. Der
schwache Punkt ist acxcäv x w ' äAAov. Ebenso die Erwähnung
der Clytämnestra: hier ist die Haargleichheit vergessen. Viell.
auch eingeschobene Verse. Sodann widerspricht die Sicherheit
2-0 ihres früheren Urtheils. Die ganze Rede interpolirt.
Formale Anstöße. S e a n ö ^ e w cpößr|q. — ouSe (nicht einmal die
Mörderin) ihre Erwähnung als Mutter hat keinen Sinn, die
sprechende Locke. Unklare Construktion in eö acicp' f]V T] — f j
s l x e CTüHTtevöeiv £|ioi, falscher Ausdruck. 7 Aufeinanderfolgen
25 des Seefahrerbildes u. des wachs. Baumes. Das letzte Bild schief:
denn es drückt nicht die Allgewalt der Götter aus! Und hat
wenig Bezug zur Locke, (v. 189 W. = 196} <('Kr|vuaaönTiv>
Kf|vuyna Gespenst v. 197<W. = 207) und i 9 8 < W . = 208) ent-
halten Anstöße 1) yap? 2) Jiepiypcupa u. imoypa(pai darauf. 3)
30 Die Notiz <Kai y a p kxA,.) unterbricht die Schilderung der
Gleichheit. 4) ö n o i o i und S|X<p£pei<; nebeneinander. 5) Wozu
die Erwähnung des Pylades? Wir haben eine rationalistische

7 cf. Perser 369 ss. matter.


^Kommentar zu den Choephoren) 67

Änderung: jemand stieß sich daran, daß nur die Fußtapfen des
Orest erwähnt werden: als ob Pylades keine hinterlassen habe.
Er schob die Verse ein. e|Kpepei<; gehört zu Ttxepvai. Ganz wie
ich Roßbach, de Choephor. loc. nonn. 1859 Breslau p. 14
5 Viell. nur echt.

176<W. = 183>
i77<W. = 184) Sie trauert über das, was der Chor als
IY8(W. = I8J> 8Ö5oncpuxa bezeichnet.
179<W. = 186>

203 <W. = 2 01)


204 (W. = 202> Anruf der Götter als der "Wissenden.
205 <W. = 2 0 3 ) OVOICTI SV X8V(Xc5CTt
20 6(W. = 204)

I95<W. = 20J)
15 I96(W. = 206)
>• Zweites Zeichen: er muß da sein.
<200 W. = 20P)
<201 W. = 2 1 0 )

v. 2io<W. = 2 1 5 ) widerspricht dem Gedanken, daß mit sC^ou


xä XoiTta O. Bezug nimmt auf das eben gesprochene Gebet.
2.0 Auffällig das ö)V7tep u. in der Antwort xiva. Dann ö\|/iq mit
einem Neutrum!
Gegen EKTtay^. 1) nicht das rechte Wort 2) durch 7toM.d abge-
schwächt. Schol. &KnäyX(öq Oau(j.d^ouaav.
t^kei G01 övirep wie Choeph. 927 alcra xövSe aoupi^ei ^opov
2-5 = a o i öpi^ei.
Die Crasis bei |KH u. c o i am häufigsten, wenn eaxiv u. eSÖKei
folgt. Kühner § 51, 5.
219 W. = 2 2 4 ) 7tpoövv£7i8iv, das ist praedicere, edicere,
iubere, proloqui das falsche Wort. Direkte Anrede vermie-
30 den. göq övx' 'Opeaxr|v xöv5' eycb TtpoaevveTrco;
68 Vorlesungsaufzeichnungen

Urspr. Ord.
Koupäv 5 ' . . <iV. 216}
avejix <y. 2 2 7 >
iXVOCTK. . . . <y. 2 2 « )
aauxfi*; &8. . (v. 229)
CTK£X|/ai . . . O - 2.30}

(v. 223 W. = 227> Ka8ÖK£i<; es erschien so als ob du mich sahst.


(v. 224 — 225 W. = 230 —231} M i t Hermann ist zu verbinden
aKe\|/ai a a u x f j g äSetapoß, a u w i e x p o u x© acp K ä p a .
v. 226<W. = 2 3 2 ) e i m S e „blick hinein", e m S e .
(v. 227 W. = 2 2 9 ) Gedanke Weils: „sieh mich selbst und meine
Ähnlichkeit an Dies ist matt nach den angeführten Erkennungs-
zeichen.
Die Locke paßt in die Lücke seines Haares. Dies giebt keinen
neuen G r a d der Gewißheit: w e n n n i c h t E l e k t r a b e s t i m m t
g l a u b t , der L o c k e n s e n d e r sei O r e s t .

1) Ich bin der Lockensender X0|iT|.


2) Die Locke ist dir ähnlich
3) also Orest.

<V. 229 s. W. = 238 s.} O liebster N a m e , vier Loose in sich


fassend e i n N a m e hat eine vierfache Bedeutung.
Der Vers 227<W. = 2 2 9 ) ist überflüssig u. scheint interpolirt.
Bestimmt zu xpi^o«; (femin.). Jemand wollte die Ähnlichkeit der
Geschwisterhaare wieder geltend machen.
Unter dieser Bedingung muß im vorhergehenden einiges interpo-
lirt sein. Der ganze M o n o l o g inzwischen viell. eine eingescho-
bene Pathosscene
Viell. nur äXX' ei8öxa<; — 7tu9|j.f|v, Kai |i.f)V a x i ß o i —
Sie meint, daß der Bruder fern ist, aber zweifelt nicht!
Unmöglich gehört 237 ss.<W. = 235 s s . ) dem Chor: nominell
Jtaxpo«;.
7 Or. ( v . 2 2 5 — 2 8 , 2 3 0 — 2 )
(Kommentar zu den Choephoren) 69

n El. (v. 235-45>


2 Chor 233 s . )
18 Orest <f. 2 4 6 - 6 3 )
5 Chor <t/. 264 — 68)
Die Verse d) T8p7ivöv o^fia bis aeßaq (pepcov sind nur eine
spätere kräftigere Variante der dvayvcbpiCTic;. Daneben geschrie-
ben u. später hineingeschrieben. In dieser Fassung gieng entwe-
der der Ausruf ' O p e a t a voraus oder Orest schloß mit dem
Namen.
Matter Vers 233 u. 234. Maßvolles Weib bei Aesch.
(piÄ/caxoix;? da im nächsten v. cpiXtaxov. Dann der Ausdruck
„die Liebsten" Die Aufforderung des Orest bezieht sich nicht
auf die G e f a h r , vergl. d i e A n t w o r t d e s O r e s t auf solche
Aufforderung v. 26$(W. = 269)
<\v. 23j W. = 2 3 3 ) evSov yevoC kann doch nur der Chor spre-
chen.
Dann für vrnv entweder voüv oder vöv. Vielleicht vCv övtox;.
vßv ist ausreichend. Alles vorhergehende der Electra.
<t>. 236 ¿X,Tcig arcepnaTOi; aoornpioi)) „die Hoffnung auf einen
rettenden Samen": Unsinn, „geretteten Samen": fernliegend,
„Keim der Rettung": im Widerspruch mit eX.Tctq. Orest ist wirk-
lich die Hoffnung der vollen Rettung: warum ein Deminutivaus-
druck? Unpassend.
Auch bei Weils Änderung: „Hoffnung auf Rettung des Ge-
schlechts" die Hoffnung kann nicht „rettend" bezeichnet wer-
den. t e p ^ a xriq aavtTipiac; e g o . Oed. Col. 725 i>nrov e^oi
cpaivovu' av tep^ia tfjc; acoxripiaq. Eurip. Orest. 1343 aanr|pia<;
y ä p xepn' rinäv. Also SaicpuTÖi; e^niq, xspixa xfjq
CTOTripiaq.
exov — e^ov im Med. die Ausgänge e g o a s |ioi oder jiou

CEMOI

E X O N jedenfalls a e , nicht mit Weil <e|j.öv.)

(pcög (pepcov Agam. 522


70 Vorlesungsaufzeichnungen

<V. 234 W. = 243) [el<70' 6|xoi aeßac; cpepcov


el cxöevei 8e (pcoocpöpco]
<V. 243) £(ioi JE (P&Q cpepcov als |xoi stand v. 241 <W. = 245)
wurde es wie das folg. dem Orest gegeben.
(y. 240 W. = 244) |O.ÖVOV mit Infinitiv heißt „nur" zu v. Z40
<W.) viell. M o i p a q Kpaxog xe ..., cf. 305 ss.<W. = 3o6ss.}
M o i p a i — AIkti — Aiööev. 636 ss.(W. = 646 ss.) 941 ss.
<W. = 946 ss.)

MONO Z
MOIPAE

aXicf) <1/. 239 W. = 237} steht in Widerspruch mit Kpatcx;. Das


(yuyyevoixo weist auf Aiier|<; hin.
248 — 50^ W. 252 — 54) scheußliche u. verwerfliche Verse:
matte Ausführung und <(un)verständliche Bilder, prosaisch Ttap-
eaxi a o i — 'HXeicxpav Xeycd — (puynv exovxe xfiv auxi|v
56|icov. Der die Verse dazu schrieb, ein Byzantiner, der sich an
der Sitte verräth, die vorletzte Silbe zu accentuiren: Xeyco, yövov,
86(i(öV (denke an den Vers der Sept. der im Med. fehlt)
Nichts hindert also, diese ganze Rede auch der Electra zu geben.
E l e k t r a s p r i c h t v o n cb (pi^xaxov p e X r m a a n b i s 7te7tx(OKevai:
eine lange Rede, der die folgende des Orest entgegensteht. Dies
die Form der Wiedererkennung:
Electra 26 vv. <235 — 263)
Chor
Orest
235 W. = 233 ev5ov y e v o ö ) V e r r ü c k t e Aufforderung un-
mittelbar vor einem C h o r l i e d e . Offenbar nur zur Knüpfung
der folgenden Rede. Diese aber ist zum Theil nothwendig: der
Chor also ist durch sie ermuthigt. Z u r ganzen Stelle cf. Hiket.
176
Orest wird bei der Freude der Electra Angst: er fürchtet sie
vor Sinnenverwirrung: er sagt: sei ruhig: denn ich weiß, daß die
allerliebsten mir jetzt feindselig sind. M ö g e mir der Himmel
^ K o m m e n t a r zu den Choephoren) 71

Schutz geben: weil Electra sagte f| 5s TtavSiKOjq ¿xOaip. —


xo0£i(jr|g vr|A,ec5g, vor allem dtacrj TrercoiOcoq.
<f. 242 W. = 246) Darauf langes Gebet der Electra mit ZeC Zeö
anhebend: wie auch Sophocl. <(EI.) 1376 ss.
5 Jubel der dvayvcopim<;. Jubelvoll: vermessen in &A.Kfj 7t8Jioi0ö)(;
darum Ermahnung
Weihevoll-eindringlich, ernst-zuversichtlich.

Konnöq, um die Zuhörer in die affektvolle Stimmung zu bringen


in der die That möglich ist.

10 Elektra muß temperirter erscheinen nach der dvayvcöpiai<;.


Moipaq Kpaxoi; etc. spricht jedenfalls Orest. Also die folg. Rede
die der Elektra: ein Gebet.

Gebet an Zeus um Rettung: voller Zutraun. Mission des Orest,


zugleich Sicherheit. Gleichsam Antwort auf dies Gebet.

15 254 u. 2.55<W. = ZJ8 U. 2 5 9 ) schief; Bild mißbraucht; unecht:


dnocpGeipac; wiederholt.

Z6Z(W. = 2 6 6 } yA,<öaar|<;? wirklich? vielleicht A,©ßT|<; „der Be-


schimpfung wegen" v|/ei>8ecr0ai yXä)aaT|q %apiv bei Hesiod,
Erg. 709, heißt „als Gunstbeweis der Zunge"; vielleicht heißt es
2.0 überhaupt g r a t i a e c a p t a n d a e c a u s a ; ja! a u c h bei H e s i o d !
jtpö«; xapiv öiaXeyecrOai.
<V. 264 W. = 2 6 8 } Nach Eumen. 466 werden dem Orest „Seelen-
qualen" von Apoll angedroht. aXyr| npotpcovcov dvxiiCEVTpa
Kapöia. Choeph. io28<W. = 1032) heißt es ouk epcö xf|v
z 5 £r||iiav. (V. 267 W. = 2YI} e^opÖid^rov aufrichtend viel<l.) an-
treibend).
<1/. 270 W. = 2 7 6 ) cf. v. 830 <W. = 836) töv a r n o v nöpou.
271 <W. = 2 7 4 ) ein Glossem zu hno%p. ¡¡r|n. xopounevo«
[„durchbohrt, gestochen von genügender Strafe"]
72 Vorlesungsaufzeichnungen

wenn ich nicht mit gleichen Strafen die Urheber verfolge, daß
der Vater durchbohrt ist.

ei jit) |xexei|ii £r||iiat<; xopoü|ievou


arcoxpTm&Toicn xoö rcaxpöi; xoö«; aixiouq,
xpÖTiov xöv aöxöv avxa7toKxeivai A.eycov. —

so ä7io%pf||iaxo<; von djtc>xpT| „es genügt".


<v. 273 W. = 2 7 7 ) u f f x o v t 0 xiaeiv ego.
2725s. W. = zy6ss.y „Agamemnon selbst werde es an seiner
lieben Seele büßen mit vielem Leide." Dies ist (ieya 7tev0o<;
Ttaxpö«; <f. 300).
y a p ... |ieiAiy|iaxa im Allgemeinen, das Spezielle vorher. Gewiß
HeiXiyfiaxa: denn Apoll hat nicht nt|vi|iaxa zu verkünden.
275<W. = 279) eine xäQ xoicov voaoix; od. xoioöxoov <vöaou<;
oder) elTisv aaGevcov aöaiTipcov aü0a8a>v der eigenwillig ist.

ACAENQN
AY0AAQN

eircev aaöevcov vöaouc; aapKcöv e|ißaxfjpa<;, dypiai«; usw.

AENGON
TENOÜN
AEIC0N
<k 285 ss. W. = 286ss.) ßsXoq u. tiä,. widerstreitet
sich.
Lauter Infinitive u. Acc. herzustellen.
oi ev yevei „die Verwandten": umgebracht durch die Missethat
der Verwandten? nein: der verwandten Todten, die umgebracht
sind durch Fluchbeladene
entsetzliche Constr. evepxepcov xröv ev yevei ttctitcdkötcov ¿k
jtpoaxpojtaicov.
Läßt man Xvaoav als Objekt constr. von Kivetv, so entsteht
die größte Disharmonie der Glieder.
(Kommentar zu den Choephoren) 73

Faßt man es als Apposit. zu ßeÄ,o<;, dann widerstreitet nXä-


cuyyi.
Vor allem hängt der Vers öpcövxa ganz in der Luft, öpcöv auf
Apoll? öpcöv t o vcoh<bv - nein.
Vielmehr ist vor diesem Verse umzuschieben. Versuch ohne
A u s f a l l den Zusammenhang herzustellen:
<28} alXaq x' ¿(pcbvet 7tpoaßoA,ct<; 'Epivucov)
<288) XÜCTGav xe Kai |iäxaiov gk vuktcov (pößov
<285) öpcövia Xa|ijcpöv ev aKÖxcp v(op.mvx' öcppuv
< 2 8 7 ) 8K TtpoaxpOTtaicov ¿yyGvfj jtejtxcoKÖxov (-a?).
nein! [dazwischen die Verse Kai xoi<; <(291) bis xivä <294)]

<286) T ö v y ä p (TKoxeivöv xcov evepxepcov j ß ^ g ^ j

<289) Kivevv, xapacraeiv Kai SicbKeoöai nöXecaq


<290) xaA,Kr|Xdxa) •n.Xäaxiyyi A,U|iav0sv 8e|iaq.
xöv y ä p %öXov: y ä p bezieht sich auf XvoGav. Flucht u. weißes
Haar, nächtlicher Schrecken und Unruhe (von Ort zu Ort).
Dann Feindschaft bei Göttern u. Menschen, unseliger Tod. Dies
sind aber die Strafen der Muttermörder. Eur. Orest v. 886, Oed.
Tyr. 238, Iph. Taur. 947, Eumen. 496.
Also die Rede hergestellt: durch Umstellung z w e i e r V e r s e
Auswerfung eines Verses
<(293 W. = 2 9 4 ) auAAoöeiv? nein. Hermann gibt ein ähnliches
8' — oßxe, Pind. Pyth. X 46 v a u a i 8' oüxe nsC,ög icbv.
Jtaxpöq ist ein Glossem für „(pöixoö des Todten", der spezielle
Fall für den allgemeinen gesetzt.
299<W. = 3 0 0 ) [Kai öuyaxpöq ego öeoü y' ecpex^ai, 0üyäx£po<;
Jtev0o<; |xeya]. Die volle Form bei Tragikern zB. Eurip. Orest.
ööyaxepo«; 0uno6|a.evog
(v. 300 ss. W. = 301 ss.) Das Lob der Bürger (an die gar nicht
gedacht wird) schmeckt nach späterer Zeit. Worin liegt der
weibische Sinn des Aegisth? Die Motivierung ist schwach: Orest
darf die That nicht in seinem Interesse thun: xpimottov axr|via
u. das Folgende gehört nicht her. Das T h a t s ä c h l i c h e treibt
74 Vorlesungsaufzeichnungen

an, nicht das Negative: xö (xr| <v. 301 W. = 3 0 2 ) . xö nf|V ego:


sonst würde das Asyndeton unerträglich, viell. xöx' f): | nein xö
8f|. viell. xpruictxcDV a^rivia xö 8f|v usw. „lange"
Im Gebet der Electra ZeC ZeC ist die x p r m a x o v ä x n v i a
5 allein betont, (v. 250).
Der ganze Anhang von kei (if) Jtercoiöa an <(f. 297 W. = 2 9 S )
ist unecht?
<304 W. = 3 0 5 ) xf^v 8' E(if|v xayC ei'aexai
(v. 308) „wie das Recht überschlägt übergeht (ins Unrecht)
10 Schol. ejuveUBi „es gut heißt"
<v. 3 1 4 W. = 3 1 5 ) Agam. 68y^H. = J 1 3 ) I l d p i v xöv aivöXeK-
xpov.
<v. 3 1 8 W. = 3 1 9 ) ctköxö) (pdoq avxi^oipov xdpixa<; 8' 6(ioiaq
mit Enger. tüxoi(i' av ayicaBev | für äveicaöev | oöpiaaq (ctköxcü
15 (pao<; kxX..) mit welchem Wort oder welcher That ( v e r ) möchte
ich von oben her dich zu beglücken, dort w o dein Lager ist? mit
Licht u. Huld"; entsprechend ntbq sucppov' eI'tico (v. 88}.
(v. 3 2 1 W. = 3 2 2 ) Den Atriden, die vorher das Haus bewohn-
ten? 7ipöa0£ vormals, Jtpöjioig mit Härtung, vielleicht yöoq
20 8ÖK£A,a8og „wohltönend", dann in der Antistrophe ( v . 3 3 8 )
axepGe KaKrov <statt axep k . ) , cf. v. 339<W. = 3 4 1 ) . <Statt
K8K^.T|VXai) KSKXfjx' av.
v. 326 <W. = 3 2 8 ) nicht: der Mörder offenbart, sondern der
Rächer, der dA,daxcop: Weil hat Recht.
25 Orest fragt: kann ich mich dem Vater vernehmlich machen und
wird er an meiner Klage Freude haben?
Chor: das letzte beantwortend: der Todte hat noch die alte
Gesinnung, die Klage aber ruft die Rächer herbei, also ist sie
dem Todten angenehm.
30 <v. 327ss. W. = 3 2 9 s s . ) Jtaxepcov xe Ka7nteaövxa)v
y ö o q e k 8 i k o v (iaxeüei
poTtav ego.
Der Scholiast las vöo£ gkSvkov: letzteres halte ich fest; auch
wohl poitdv las er: rächende Entscheidung.
•(Kommentar zu den Choephoren) 75

wahrscheinlich hat Weil mit KOXO«; Recht: nein, [die vorherge-


hende Antithese wird erklärt] Es handelt sich um den Werth der
Klage.
v. 3 3 0 = 3 3 2 ) sv (isX,ei: es ist ein öpfjvoi; wie es im folg.
5 heißt (Nein ev jiepei abwechselnd)
(V. 342 W. = 344y „den angenehmen Festtrunk geleiten".
<;v. 343 W. = 3 4 5 ) 'IA,i(ö unter den Mauern von Ilion, zB.
Bavsvv UJI' ' R i c o Eurip. Hecub. 764, o 'lAicp KivSuvoi; Agam.
8 8 2 < - 8 3 > . nachher <v. 3 6 3 ) und Tproi'on; X8I%eai.
10 <f. 345 W. = 3 4 7 ) Blomfield 8opiK(j.r|xo<;, Stanleius 8opi8|rr|-
xoc; (existirt nicht) 8opix|J.T|xo<; festzuhalten vom Speere durch-
bohrt. | wie 8opiäA,(öci<; 8opi9f|paaig zwar xa|ieeiv x p ö a
XaAxcp Ii. 13, 501, ist nur verwunden; aber Aiavxcx; ÖÄ,KÜV
xa^cbv Jtepi <f> cpacryävq) Pind. Isthm. 4, 59 den gewaltigen Ajas
15 anspießend an sein Schwert.
<v. 347 W. = 3 5 0 ) 87tiCTTpejttöv die Augen auf sich ziehend,
glücklich.
<f. 349 W. = 3 5 2 ) viell. Siarcovxiou yä<; xä)jj.acnv eö (pavr]t6v.
Dämme oder Gräben.
20 v. 35iss.<W. = 354SS.) zu betonen, mit welchem R e s p e k t der
Chor spricht: „unter der Erde hervorglänzend als wunderbarer
Herrscher"
354 W. = 3j8) npönokoq Priester, Vermittler zwischen Gott-
heit und den Menschen, viell. Jtpoitötaöv xe — xöpavvoi;.
25 (y. 357 s. W. = 3 6 i 5 . ) ¿iöpi|iov A-axog <7tiJtX,dvxcov> x e P o i v
j t e i a i ß p ö x o o xe ß&Kxpoo. Nicht kann es heißen „ich erfülle
ßdKxpov". - derer, die noch ihr Geschick erfüllt mit Tapferkeit
u. Herrscherstab dh. Jteiaißp6x[ö)]oi> xe ßäKxp[ft)]ou ego also
im Krieg u. Frieden.
30 <v. 359 ss. W. = 363 SS.} Electra wünscht, daß er doch mit ande-
ren begraben sei, also nicht so ehrenvoll, wie Orest es begehrte;
daß er früher gestorben sei, als es wirklich war. Vielleicht nicht
|ir|8' sondern ei'0' | nein!
<1/. 361 W. = 3 6 5 ) „speerbedrängtes Volk", 5oi)piK|iii<; von den
76 Vorlesungsaufzeichnungen

Todten wie man sagt oi Ka|iövc8q die Todten. Buttm. Lexil. z


p. 237 euphemistisch die „Ermüdeten" „Entkräfteten".
, , ,w x , s , „ (Kxeivövxeaiv oöxox;)
<f. 363 s.W. = 367s.) iiapoc 5 ri < , » r
x 3 J (Kxavovxeaaiv ouxa><;J
8a|j.fjvcu 9avaxr|<pöpov a l a a v .
e n t s p r i c h t x e k v c o v xe KeA.eü0oig e m a x p E T t x ö v
aia» K x i a a q 7coXijxö)ctxov a v £l%£<;. <349 s . )
<f. 365 W. = 370) 7ipÖCTC0 vid. Weil: vorher, xivä <7ii)v9ave-
CTÖav) man erfahre frei dieser Noth
<f. 374 W. = 378) axuyepöv xoßx' oöv mit Bothe, eine Schmach
ist dies, noch mehr aber für die Kinder
<V. 378 s. W. = 382 s.y „von unten emporschickend die spät
strafende". Agam. 58 die 'Epivix; uaxepcmoivo*;. Emperius für
d|iJte|iJtö)v <,) das in der Antistr. Sat^ag entspricht <,) idXXrov
<f. 381 W. = 3S5) Der Scholiast i v a | also zu lesen xokeüctiv
ÖJtax; xe^eixai
zu ergänzen: „sorge daß die ä x a meinen Eltern wird"
<v. 385 W. = 386) Tteuicäevx' 6XoX,uynöv avöpöq entspr. iceap
xöv8e K^uouaav oIkxov <v. 410 s.)
dies Wort festzuhalten, vgl. 7teoK£8avö<;, tcxoX,8(xoio ^eya
CTXÖ|ia 7ieuKe8avoio, Ii. 10, 8 „der Rachen des tief verwunden-
den Kriegs" JteüKeSavöq spitzig, pungo pugnus pugna 7iuy|i.r|,
Gegensatz zur flachen Hand Tra^cc|ir| palma.
spitzes Weh-Geschrei, dh. grelles, hochtönig wie Freudenge-
schrei.
(y. 386 W. = 389} vielleicht otov evxö«;, um den Genetiv (ppevög
zu erklären
<v. 387 W. = 390} Ttapoiöev 8e itpcopa (?) rcpoupä es sieht aber
vorher
(v. 388 ss. W. = 391 ss.y cf. Agam. 977 Kap8iaq xepacjKcmoi)
jtoxäxai. 8pi(xi)<; af|xa<; < = ) Gapaoi; arixov Ii. 21, 395 stür-
misch
<v. 389 W. = 393) ego Gunög | KaiCTXüyoq| syKoxov
Antistr. npog xö ya- | veiaöai | (J.01 KaXöx;.
(Kommentar zu den Choephoren) 77

„leidenschaftlich Herz und grimmer Haß".


390 W. = 394) "der ringsumblühte,, Unsinn. d|i(pv8^af|<;
„der rings zermalmende"
<V. 3511 s. W . = 3955.) ßatan tpsC (peC Kdpava 8at^ai so zu
verbinden.
<V. 393 W. = 397) TtiCTxa ylyvecrGai der passive Begriff zu Tticrxd
TtoisvaGai ein Bündniß schließen: nein | ! nach Analogie von
7iiatd öecöv Jtoieiaöai zB. Xen. Cyr. 4, z, 7 die Götter zu
Zeugen anrufen so hier juaxa yevoixo xöipac, „das Land sei
Zeuge" nämlich daß ich usw.
(v. 407 s. W . = 410 s.) Es muß konstruirt werden: „es hat mir
springen gemacht das liebe Herz", davon abhängig KÄ-UODcav.
In der angebl. Parallelstelle <Soph.) Electra 479
ßnecxi (xoi 0pdcro<;
aSimvöcov KX,öouaav (kXüov ogw)
dpxicoq övsipdxcov
ist icXuooaa zu lesen, ego xöv8s kXuoo ctöv oIkxov Das Medium
v e r s t ä r k t nur den Begriff. — Es kann iceap kA.uei gesagt
werden, das Herz spricht Agam. 102.8 KapSia yX&OGav av xa8'

[ego KsXaivoi
aiitov ercog K^uouaa „es schweigt mir das Herz, wenn ich
das jähe Wort höre" aijtug XÖXoq Ii. 15, 2.23.]
<;v. 412 W . = 415) eiTaA,Kec kMcd 0pa-
, , , „ ego
aeia arcecTxacTev a%oc,
kXöcü nach A A K ausgefallen
EEIAIIEZTAZEN
<f. 414 W. = 417) tpcög x' e(pdvr| xi (j.01 KaX&q (näXivl) „u.
etwas Licht erschien mir".
[roaxB? ego. Verderbniß: ö)g xö = 7tpÖQ xö]
<f.4ijss. W . = 418ss.y xü%oi(i£V av Med. rj zu streichen, mit
welchen "Worten können wir ausdrücken die Leiden, die etc.
nein: verzeihlich sei, was wir erlitten: jenes aber wird nicht
gutgemacht, man könnte es durch milde Worte vertuschen.
78 Vorlesungsaufzeichnungen

es dürfte freistehen zu schmeicheln, diese Leiden aber werden


nicht beschwichtigt
arceSei^ev fjöoq t ö Ttpöq TOKECOV Agam. 72.7.
wie hier Ttpög TCÖV TEKOHEVGÖV SO V. 38O<W. = 3 8 5 } TOKECCRV
önax; T £ A , £ i G 0 a i „vollende sie <sc. ixjTEpojroivov a x a v ) der
Mutter".
zu b e t o n e n ( i a t p o < ; : denn grausam wie ein Wolf ist das
Gemüth, von der frevelnden Mutter her. unmild, aaavxoq
(craivo) bei dem kein Schmeicheln hilft)
<v. 421 ss. W. = 423 s s . ) ir)^e|iiaTpia^- 0pr|vr|Tpiaq <Hesych>,
bezeugt diese Stelle: Genetiv. Zu EI'TE cf. v. 994 |iüpaivd y '
EIT' 8 / i S v a Heathius meint (zu v. 423}, Clyt. habe Electra
geohrfeigt. Unnatürlich Weil: als Frage: 4 2 1 = 4 2 3 ) das
folgende von Schütz mit Unrecht auf die Ermordung des Aga-
memnon bezogen, (v. 425 W. = 4 2 7 ) äv(o08v <DVSKAOEV>
Schütz „vom obern Stockwerk, von fernher tönte usw. falsch! —
Heins, auf den gegenwärtigen Moment der Electra: vgl. Etppv^'
Eptoxi, Bamberger, Hermann.
Das Scholion sagt, daß die Stelle K(Ö(X<p8Eitai JTAX; 8I0U-
pa|iß(Ö8E<;. Es ist eine fürchterliche I r o n i e : ihre Handlung als
M ö r d e r i n wird als die einer L e i d t r ä g e r i n i r o n i s c h
geschildert!
CBTPOI; mit zusammengebissenen Zähnen = unablässig, intensiv:
ajrpvySa Pers. 1057, 1063. „umherschweifendes Ausrecken", cf.
Agam. IO69<H. = 1 1 1 0 ) von Clytämnestra: 7TPOT£IV£I 8E X £ i p '
EK X E P Ö ? ÖPEY(IEVA. - e g o : E7IAAAI)T£POTPI.ßFJ TE T A X E P Ö < ;
ÖP£Y|XAXA (DAAOV, AAAUIEPOV) haufenweise treffende Schläge:
von oben her, weit her vom Schlage tönte mein getroffenes ganz
unseliges Haupt. 8

8 Selbstverwundung mit schneidenden Werkzeugen aus Trauer (Zeichen

der Asiaten). Ob der Chor aus Asiaten besteht? Die Ägypter schlugen andere.
(Kommentar zu den Choephoren) 79

(v. 426 W. = 428) wahrsch. nicht a|iöv, sondern aivöv zu lesen,


bezogen auf Agamemnon.
<v. 428 W. = 430) 7tavToA.|io<; wie 7tavoßpyo<; u. A.ecopyö<; aus
griechischer Anschauung Frevler: sie halten nicht das ^expov
5 ein. 8aiaig ev ¿KCpopaig wie beim Begräbniß eines Feindes.
Electra muß das sagen, nicht der Chor, wegen (läxep.
( f . 430 W. = 432) cf. Ag. 1519<W. = 1554)
<(f. 432 W. = 439) nacxaH^ö) den Leichnam zerstückeln und
die einzelnen Theile zusammengebunden an den Achseln auf-
10 hängen. |iaax&A,r| = Achsel.
Der Vers ejiaaxaXia0r| schließt sich an 7tava0>aov KÖtpa
(v. 428) an. Darauf Electra iö) näxep. nein: es widerspricht (öSs
öcitctei (? <o)8') sGanxe).
(v. 434 W. = 442} ein unerträgliches Schicksal suchend dir zu
15 gründen. | cf. 466<W. = 46p} nein
sie that es in derselben Absicht, mit der sie ihn so begrub <58'
eGairrev um einen Tod zu stiften suchen, der unerträglich deinem
Leben ist dh. um dich zum Selbstmord zu bringen,
v. 437<W. = 444) Ä.EysK; du sprichst vom Tod des Vaters. Nun
2.0 höre, was mich betrifft.
wie das KX,6SI des Med. (v. 443) in K X . u e i < ; so das ^.eyeu; in
\syei.
( f . 439 W. = 446) Stanleius |Ai)%öj ecpspxxog.
( f . 440 s.W. = 448 s.) [dvacpepeiv hervorbringen zB. axevay-
25 (J.oi)<; at|^a „ich erhob lieber ein Gelächter als daß ich Thränen
hervorgebracht hätte und ergießend thränenreiche Klagen im
Verborgenen.
ego <yetaox'> avecpepov f] X.ißr|]
Ich lese yeXwxa«; ävecpepov x a i p o v u a , ich erhob Gelächter
30 exoi|iöxepa Mßr| %eoi)aa,
TtoXuSaKpuv yöov KEKpu|4ieva.
Dies ist das Medium „bei sich verbergend" nein: als eine verbor-
gene. Die Thränen, die bereiter waren als das Lachen mächtig
hervorzuquellen. KEKpunnevT] ego c. Med.
80 Vorlesungsaufzeichnungen

Chor. An.

El.
e Orest

' e chori
n ei.Z\
9 Orest)
\ El- /
Chor.

446 W. = 4J4} outk; càpa e g o „es ist keine Zeit" denn es


ziemt sich unerschrocken zum Kampf zu gehen. Ka0f|K8iv in
certamen descendere.
<f. 468 W. = 471) 8<xko<; 8|A|!OTOV „eiternder Biß"? nachher
<v. 471 W. = 474), denke ich, ainaxr|póv. irò Sàicoq evxojiov
giftiges Gewürm ego. 5®|ia0iv „für das Haus": schol., das nicht
von außen her, sondern aus dem Hause
<81' d)|idv:> 8icoy|ia
irò nf|v epiq ainaxiipd,
irò xròv Kaxà yäq 08' u(j,vo<;.
8(i(j.opoq „vom Schicksal bestimmt" Hesych.
irò axàaiq ewiopoq
tcöv nekaq 0 0 8 ' a n ' aA.A.cov
EKTOÖev, àXX' àn aòxcòv.
irò |xfiv ...
R a c h e v e r e r b l i c h stärkere Coloritur Electra Soph.
<f. 477 W. = 480) aixo6|a.evo<; <Med.>, warum nicht? Klang
-oq, -og -oq. Cäsur<?)
<^.479 W. = 482) Beicrav AiyiaGö) t i a i v . [cpuyeiv ye^oov] tpu-
yeìv xexvaq ego. xé^vav in xó^av verschrieben Agam. 1129
[MErA
M E N E A P A C nevé8pa<; Jtpoq-
(xéyav Tcpòq]
{Kommentar zu den Choephoren) 81

MErAN
TEXNAC
[|irixava<; < | jir|xavd<; subscr. |
Subscr.
xexvai;] cpuyeiv 86A,oui;
cpuyeiv |nixavd<; Gloss.
cpuyeiv 86Ä,ou<;.
<V. 481 W. = 484) euSeutvoi k ö n n e n sein x o a i eben das sind
sie h i e r nicht <eji7tupoim> heiß geworden - sondern wohl
schmausende Manes Herod IV 26 Die Issedonen zu Ehren des
todten Vaters öuaiaq |ieyaXa<; enexeloug STuieA-eovis^: nalq 8e
7iaxpi xoCxo Tioiei Kaxd7tsp oi "EXX,riv8q x a y e v e a i a ( = veico-
CTia Hesych I p. 422). Dagegen yeveöXia Geburtstagsfeiern (jene
Todtenfeiern jährlich) zum Andenken der Artemis Hera Moiren
Nymphen.
< f . 482 W. = 485} [ev 7tupaiav? Opferherd]
484 W. = 4 8 7 ) Die 7tpoydji8ia, hier eine G r ä b e r s p e n d e
an alle Todten der Familie zu schließen.
<f. 485 W. = 488) rcavxcov Jipcöxov: s o n s t wohl der A h n h e r r
zuerst. Pelops. Unterschied der Heroenverehrung
bei ihnen bei den Göttern
aaKÖq od. f)p(pov X8(ievoq iepöv
8CT%apa (niedrig) ßco|iö<;
evayi^eiv, evxejxveiv öuaia
(v. 489 W. = 492 e i c a i v i a a v : ) Kavviq? Schlachtmesser, zweifelh.
W<ort>. Agam. 1030<H. = 1 0 7 1 ) K a i v i a o v ¡¡uyöv weihe das
Joch ein. Callim. fr. 1 1 9 xaüpov, Lyc. 530 8öpu Kaivi^eiv. dbc;
¿Kaiviaa«; ego w i e d u d a s n e u e N e t z e i n g e w e i h t h a s t .
Ag. v. 1382. a(i(pißX.r|CTxpov Fischernetz
(v. 491 W. = 494)> ßouGuioiCTiv ego cf. Agam. die Scene der
Cassandra xaupot; (v. 1 1 2 6 ) und Homer 9

9
Ch. 2J7<W. = 261 > ßov)06xoi<; ev linaaiv
Suppl. 706 8a(pvr|<p6poicn ßouGuxoiai xi|j.aT<;.
82 Vorlesungsaufzeichnungen

<(f. 495 W. = 498) Gieb zum Entgelt ihnen (cpRoic;) die gleichen
Gelegenheiten zu fassen. Schol. dvxiXaße Xaß&q Griff, Blöße
Gelegenheit. Gegen Weil u. Schol. ^aßctc; Xaßeiv <Canter>
recte! aöiöc; fehlt.
dvTiSoq ßXaßa«; Tiaöevv.
Gerechtigkeit oder Rache; wenn die Dike nicht mit uns ist, so
soll die Rache wenigstens dem Verbrechen entsprechen.
Orest titoi SiKT|V usw. <f. 494 W. = 497)
Elekt. t) tag önoiaq <V. 495 W. = 498)
Or. eutep (v. 496 W. = 499}
Electra von da an alle Verse. Es ist ihre l e t z t e Rede. X,oicT0lo<;
ßof| zu accentuiren.
(Weil) Or.: räche dich (v. 494 — 96 W. = 497 — 499)
El.: erbarme dich <v. 497 — 99 W. = joo = J02)
Or.: hilf dir <(i>. JOO — JOI W. = J03—J04}

El.: hilf dir <(f. J02 — J04 W. = 505 — 507)


Von497<W. = 500) an Beide z u s a m m e n . Dagegen 494 (W. =
497> Orest, 495<W. = 498> Electra, 4 9 6 ( W . = 499) Orest. 10
<v. 500 W. = 503) Sept. 15 xi|ia<; i^f] '^aXeupöfjvai

Schluß ruhig - Mitte Haß

(v. 502 — 504 W. = 505 — 507) [Diese drei Verse sind eine Pa-
rallelstelle aus Sophocles.]

10
Stichomythie versus < )
1) die Responsion der Gedanken hört auf
2) XoictGIO? (V. JOO)
3) ¿teivötTtiv Xöyov (v. j10)

Zerlegung der drei Verse (joo - joz)


in 1 Electra
2 Orest, Abschluß der Stichomythie

Dann der Xöyoq ( r u h i g e r Ausgang. TcapaKaiaÄoyf] - cant, diverbium) Re-


sponsion i n n e r h a l b ...
^Kommentar zu den Choephoren) 83

[<f- 476-506 w. = 479-509}


Prom. 980 müssen wir Prom.
sprechen lassen
Bei. Soph 2 u. 3 (Verse)
wie bei H o m e r
<v. 505 W. = 508> Od. 2, 31 |
II. 2, 200 aXtaov (ißGov dtKoueiv
dh. folgen also: erhören

ist die Form der CTTi%O)iu0ia.

| die letzte Responsion:

(v. 503 —504) Or. in deinem Interesse ist es, die


Kinder zu erhalten
508 —50p} El. in deinem Interesse die Klagen zu
hören
(y. 505 — 50/) „Kinder sind für einen Todten glück-
verheißende Vorzeichen"!

[505<W. = 508) ökou' ÖTtep ctoC x o i a 5 ' eaGX' ö S ü p n a x a cf.


v. 84<W. = 9 4 ) wo ich auch eax' in 8CT0X,' verändert hab. „in
deinem Interesse" nicht die Klage ist in seinem Interesse: sondern
das H ö r e n der Klagen u. erhören derselben.]
(y. 50J W. = 510} Über die attische Form 2 Dual auf -Tt|v
Elmslei. ad Acharn. 773 (Kühner Gramm.)
(y. 508 W. = 511) oivoi(i6ktou <:) im Schol. 7to?U)0pr|vfiTOU
zu lesen ITOAY0PHNHTOY
©PYAHTOY
[5io<W. = 513) Sai'cov ego Aesch. Scüoi noXen-ioi]
v. 514 <W. = 5 1 7 ) G a v ö v u 8ua(popoövxi oder 5i)ccppovoCvTi
84 Vorlesungsaufzeichnungen

ATC
AOT
<f. 5 1 7 W. = 520) ego: Jtdvxaq yäp "Iaxpoug (Donau) oder allg.
ganze Istrosströme.
Oäcnv yäp "Iaxpov x' 8K%ea^
(nav- jap xi<; ). S p r ü c h w o r t nach Soph. Oed. rex 12,2.7 —
nicht verstand., verblaßt. - xöv rcövxov al'xiog ¿Kxeaq? Nein!
cf. Weihwasserspruch Anthol. Palat. XIV, 71. Curtius, gr. Ge-
schichte I p. 4 5 5 , p. 6 3 2 . _ A R A P X I I

-ONAITII
einfach zu schreiben [xöv Ttövxou a p a xiq eK%ea<;] richtiger
[xöv Ttövxov äv Tic; ¿K^eei avö' ai'ixaxog evö<;, ndxr|v ö (lö^Go«;.
cf. Agam. 925(H. = PJ8)
ecxiv GäXaaacr riq 8e viv Kaxaaßeoei<;)]
520 W. = 5 2 3 ) Zu Ttapfj Westphal, Grammatik I p. 100, cf.
Hermann praef. ad Oed. Reg. p. XII ed. nov.
[AC
ist drei Stufen
eie
folgendes Verderbniß]
cic
<f. 521 W. = 5 2 4 ) 7i87ta^nsvTi „erschüttert"
526 W. = J 2 9 ) öp|iiaai falsch: es muß ein W i m m e r n (KE-
A,a58iv) ausdrücken. Dann erst erklärt sich die Frage xivoq
(p. J 2 7 W. = JJO) — Die Hauptsache in der Entgegnung muß
doch nun auch angedeutet sein. Dies ist das Verlangen nach
Fraß. ÖTiXiaai nach v. 54i<W. = 544). [öp|ifjaai ego] sei es
darauf losgefahren, öpoßaai heftig, unruhig begehren (mit Ge-
netiv xivoc;). öi'^ucai ep^isch) wehklagen.
öp|i£(0 vor Anker liegen, sicher ruhen
[ö^oMaai OAOAYCAI
OPMICAI
©KxicOa [toicxiaav] ego
OIKT
OPM
(Kommentar zu den Choephoren) 85

Es ist zu schreiben
ev cniapydvoiai jiavSöq cmAiaag 5iKt]v.
xivöq ßopäg xpri^ovTa, veoyevec; 5<XKO<;,
auxri 7ipOGea%e ^ a o i ö v ev xraveipait]
- hielt es an sich, an die Brust
OPMISAI OPMIEAI
O I T A I I A I zu recht machen, O P O Y I A I = etcvi^ETO
ausrüsten unruhig werden
<;v. 527 W. = 5 3 0 ) 8<XKO<; b e i ß e n d e s Thier
v. 5z8<(W. = 5 3 1 ) fia^öv M<(ediceus). Elmsley, Eur. Bacch. 701
spricht den Tragikern nur iiaaxöq zu
<^.531 W. = 5 3 4 ) ä v 7 t p o a ö \ | / a v o v 7teX,oi ego (ö\|/apiov
dim.) Zukost, ö\|/avov (ö\|/ov) „ Z u k o s t " nicht ö y i g Gesicht),
von einem JtapoycovTina Agam. i 4 i o < H . = 1447) euxfjc; na-
poi)/d)VTi(ia xfjq ejj.fic; x^iSfjq.
viell. [ouxoi jxataiov 0r|pög ö y a v o v rceXei]
(v. 532 W. = 5 3 5 ) [KEKpayev Perf. mit Präsensbed.] Kpf|^(D
kreischen (mit ßoröv verbunden)
526, 27, 28<W. = 528, 29, 3 0 ) gehören dem Chor
9 Orest JII— 519 W. = 5 1 4 - 5 2 2 >
3 Chor 520 —522 W. = 5 2 3 — 5 2 5 )
1 <Orest> 1 <(Chor) 1 <Orest v. 523—525 W. = 5 2 6 - 5 2 8 )
3 Chor 526 —528 W. = 5 2 9 — 5 3 1 )
1 ( O r e s t ) 1 < C h o r ) 1 <Orest v. 52.9 — 531 W. = 532 — 5 3 4 )
5 Chor (v. 532-536 W. = 535-539>
<f. 536 W. = 5 3 9 ) ÖKT| TOjiaia Kai A,üTr|pia Hiket. 268 fertig
(abgeschnitten).
<f. 537ss. W. = 540SS.) 87tlKT|8eiOV
(v. 539 W. = 5 4 2 ) CTuyKoA,X,og zusammengeleimt, zusammen,
auf einander passend.
<iv. 541 W. = 544) QIKTIPETO
| O nAIC AITAIC EN CnAPTANOIC [QPMIZGTO]
| OYOeiCEnACACnAPrANH nNCIZCTO
86 Vorlesungsaufzeichnungen

[ö TiaiQ a j r a i Q sv] wie Aeschylus sagt von den Eumemiden


TtaiSsi; airaiSs«; K i n d e r der N a c h t die n i c h t m e h r K i n d e r sind.
[cbpui^STo] e i n l a u f e n Medial
[CTTiapydvoi^ 8 ' Ö7i/U^exo]
[oßcpic; ¿|ioi<; e v c r a a p y d v o i < ; © K x i p e x o ] e g o .
< S c h o l . ) 8Jti|x<eXeia(;) T ^ i o C v x o Pflege für sich fordern.
öv|/i<; anaiq (paßt) zu eKitay^ov xepaq — K e ^ a S r i a e v v. 6 0 3
<(W. = 6 1 0 ) , e i n V e r b d e s V e r l a n g e n s . ( B K x i p e x o w e h k l a g t e —
eicvi^exo w e n n es u n r u h i g , aufgeregt w a r = öp(iriaai. darauf
los gefahren
(v. 542 W . = 5 4 j ) d(i(p85(aCTK8 „ z u v e s c h l i n g e n d r o h t e " b e i H o -
mer = öpooaai.
(v. J44 W. = 5 4 7 ) ajacpi z u e r k l ä r e n , „um - willen" - Eur.
O r e s t 82.5 d < m > i > ( p ö ß ö ) .
(v. j4j W. = J48) '¿KKayXoq (sktc^tixxcov) = '¿KnXay-Xoq oder
£KjtÄ,ayo<;.
<J46 W. = 5 4 9 ) als Dr<(ache> sich ausbilden eKudcrcrft) —
v. 5 2 , 7 < W . = S31)-
<v. J 4 8 W . = j j i ) x e p a a K Ö T t o v r i c h t i g z u b e z i e h e n a u f d i e e b e n
gemachte Prophezeiung.
< 5 4 9 s s . W . = 5 5 2 ss.y Es gibt kein o 8e — o 86
Chor, y e v o i x o 8 ' o ß x c o g . x a M , a 8 ' 8 ^ r | y o u (piXotQ
<v. J49 W. = 552)
todq ( x 8 v x v 7I018VV, x o i x ; 8 e |if| x i 8 p ä v A.eycov.
<v. JJI W. = S54>
Orest. a7iX,oßq ö nC0o<;- x f | v 8 e |xev <TX8i%eiv e a c o
<iv. 550 W. = 553 >
a i v c ö X8 K p i i j t x e i v x d a S e a u v 0 f | K a < ; ¿nd<;
<v. 552 W. = j j j )
xaaSe dh. die Weiber, w i e n a c h h e r dasselbe gegenübergestellt
wird.
jj2 W. = 5 5 5 ) „Verabredung"
<(v. S 5 9 W . = j 6 2 ) I I u A , d 8 r | — d a s E n d e d e s V e r s e s a u s g e f a l l e n
8öXcp \j/eu8ei<; (pepcov 87uaxoÄ,d<;
(Kommentar zu den Choephoren) 87

Expotpiot) ^evoi) xe Kai S o p u ^ e v o u 8ö|icov.


Agam. 848 <H. = 880) 8tj(ievnq 5opi)^evo<; Expöqncx; o
OcoKeöq, cf. Choeph. 909 <W. = 9 1 4 ) Stroph. auch als S o p ü ^ e -
vo<;.
5 560 W. = 5 6 3 ) es mußte doch erklärt werden, warum Pho-
kisch.
<f. 562 W. = 5 6 5 ) Käv 5f) Oopcopö«; ouxiv' Heimsoeth.
(v. 567 W. = j7o} 7tdpsi|Ai mit Wörtern die eine Richtung eine
Bewegung wohin ausdrücken; sehr häufig: 'OA-UHJtia^e, ei<; tf|V
10 %d)pav, Eni xqv Öualav, erci xa<; Kcbnag.
[ o i ' K a S ' SK 8 i i n o u 7tapd)v; es ist gegen Abend: Aeg. kehrt
aus dem Volke heim]
<1v. 570 W. = 5 7 3 ) (io^övxi
<v. 5 7 1 W. = 5 7 4 ) Z u adcp' ictGi v o r der Hauptsache cf. Agam.
J
5 i585<H. = 1 6 1 6 ) Prometh. 967 ego! e p ® , adcp' i ' c ö i , K a i
K a x ' 6cp0aX(ioi)g ß e ^ e i Agam. 225<H. = 240) eßaM,'
GKacrxov 0uxf|pa>v a7t' ö(xp.axog ßsX,8i „sie traf jeden der
Opferer mit einem Geschoß vom Auge her" e n t w e d e r —
o d e r : dies ist bei Weil nicht klar. <Kax' ö(p0a^|ioi)Q ßaX.evv:>
20 sich zu zeigen
[ego |fi Kai jio^övx' eneixa ^oi Kaxa a x ö p a
e K s i , aa(p' i a ö i , Kai Kax' 6cp0a^oi)<; ßaX.ev
jtpiv 8' auxöv sircsiv k x L ]
[dies ii Kai (xoA-övx' eiteixd n.01 Kaxa crxö^a
2
5 ist das Ttpiv auxöv eineiv n. ö. veKpöq
Richtige e a x a i a a i p ' i ' a 0 i K a i K a x ' ö . ßaÄ,ei
[0f|CTft) 7to8. TtepiXaßcbv xa^Ksunaxi]
Dieser Vers ist eine Interpolation, gemacht als die
zwei Verse vertauscht waren]
3° Der Vers ist in Ordnung, aber vorher ist einer oder zwei
ausgefallen, in denen von Klytämnestra die Rede war. Kax'
öcp0aA,p.oi)g ßaXei „sein Auge wird brechen".
<v. 575 W. = 5 7 S ) Z u r dritten Ttöaii; ist allerdings der Schluß
zu vergleichen, warum dritte? warum Clytämn. nicht erwähnt?
88 Vorlesungsaufzeichnungen

KO|i|i6<;" Gprjvoq x ° P ° u ß^o crKT|vfj^'


rcdpo8o<;, CTTaai|iOv, k o w k x ; .
(v. jSzss. W. = J8JSS.) Viel schreckliches Leid von Ungethü-
men ernährt die Erde, und die Meeresschluchten [bringen den
5 Sterblichen manche] sind voll von feindlichen Ungeheuern der
Sterblichen; es lassen auch die Lüfte zwischen Erde und Himmel
viele Fliegende und Kriechende hervorwachsen, um den Groll
des Sturmwetters anzukündigen. Schol. K a t ä rrepicppaaiv 8ei-
Hata. circuitus loquendi Quintilian Ssivöq SeiXoi; cocpöi;
10 aa<pr|<; — y d , Sd, Ar|nf|xr|p — a%oq, ay^to schnüren (einengen),
würgen, a y x i nahe daher angor animi cruciatus ax-0ot
dyKaA.T| gekrümmte Arm- Meeresbuchten
<v. J84 W. = j88) anted, a v x a Instrum., a v x i Locativ.
{v. j8j W. = j8p) nsöa mit |iexd nichts gemein (selten auch im
15 älteren Dorismus, auf argiv. Inschriften TteSdAnKOi (|i£XOiKOi).
n e x a i ^ n i o v was zwischen zwei Lanzenspitzen ist (äK(v)|xf| spit-
zige) - 7cövxo<; äXöq TtoA-vfiQ Theogn. 1 0 , £>ypa Ke^euöa. näxoq
zu Jtovxoq wie Ttaöcx; zu jtev0o<;, ßa0oc; ßevöoq.
(v. j88 W. = 5 9 2 ) (ppüa|icov Hesych = cppä8|ia)v, an ave-
2.0 |iO8VXC0V zu kündigen den Groll von Seiten der Sturmwinde
vielleicht auch cppaaäv = tppaSav. cppaSäv [köxcov] köxou ego
„und die Andeutung v o m Groll des Sturmwetters." gemeint sind
Kometen. Adj. -oeu; als Communia gebraucht IliiXo«; fmaööei*;
II. II 77
15 (v. 592 W. = 597^ „und das mit Unheil verbundene paarweise
Zusammenwohnen der Sterblichen",
[rcdpa v a u c l a ist Ekel
Sim. < 7 ) , 54 xöv ä v S p a v a u a i i ] 81801]
Ttapa veiKT] <-r|?> als Gegenstand des Hasses. <Schol. ad. v.
30 600) djteproxo«; | a v x i xoß axuyvöq K a i UTtepficpavog dh. ist aber
die Erklärung von dTtepconö«;. rcapavucdco kein Wort, anepcoxoi;
Form ohne Beispiel Lobeck Paralip. p. 258 Phryn. Bekk. Anecd.
p. 8 erklärt es öv OÜK av xi<; nepico7tf|aaixo 8id xfiv ör]8iav.
Etym. M . p. 120, 41 a y p i o v K a i äjtr|vfj fl S o a j t a p a i x r i x o v ,
(Kommentar zu den Choephoren) 89

crcuyvóv, imepf|(pavov, àjiapÓTteiaxov. Pauwius, Schütz, Bothe


haben es {sc. ànepmnóq} vorgezogen. Unverschämte Lustbegier,
die das Weib beherrscht, ist Ttàpa veiica (so G. Hermann).
iy. jp6 W. = 6 0 2 ) imoTtxeplSioi mit Flügeln versehen hießen
5 die Träume, Ttxexpóv — Ttxspóv Flügel ferner Instr. ähnliche
Consonantengruppen sind der Sprache lästig. Redupi. ypatpco
ypéypacpa, a in ' . a x a - a x i a x a m sisto è T t e a n o ó S a K a a e | è | è
Augmentum scheinbar = der Redupi. Emperius Ó 7 t 0 7 i x é p 0 l < ;
cppovxiaiv 5na08Ì<;.
10 < f . 600 W. = 606) Feuerbrandgedanken 7 t i ) p 5 a r j x i v Ttpóvoiav.
Althäa, Tochter des Aetolers Thestius, die den Meleager gebar.
Er erschlägt die Brüder der Mutter und sie entzündet den Holz-
scheit, den Atropos ihr gab.
rothen Feuerbrand, den Altersgenossen des Sohnes, gleich gemes-
15 sen durch das Leben hindurch bis zum schicksalverhängten Tage
(v. 606 W. = 612 8V Xóyoiq:) Evkoyolq magst du preisen^;) ego
eòXoyòj rühme ich wie nachher rcpecrßeuexai < f . 624 W. = 6 3 1 ) .
Scylla Tochter des Nisos in Megara. König Minos von Creta
belagert Megara. Das goldene Haar verbürgt Leben u. Herr-
2.0 schaft. Scylla sieht ihn von der Mauer herab.
<;v. 610 s. W. = 617 öp(ioi<;) Halsketten
<v. 617 W. = 624) j t ó G o i Begierden, y a ^ r i A . 8 Ó n < a x a ) Ehe-
bündnisse: Gegensätze. Zu TtóOoi: offenbar setzt Aesch. hier
eine Fabel der Althaea voraus bei der ihre Liebesleidenschaft
25 thätig war. (mcaipox;) e g o : àyeipco soll ich sammeln, zusam-
menbringen xi xò)v8' oòk èvSiKcog àyeipco; (v. 631 W. = 638)
(v. 619 s. W. = 626s.) Nach (ppevröv Komma<:> auf den Mann
mit "Waffen Nach xeuxecrtpópco < e i n ) 8'.
(v. 621 ss. W. = 628 ss.} ego: SàoiCTiv èrci k ó x © aeßaq
30 rcvéovxi Geppà x' èv é a x i a Sópoiv
yuvaiKeiav a x o X . | i o v aty|iàv.
c f . v. 3 3 k ó x o v Jtvécov u. 9 4 6 < W . = 9 5 2 ) [èntKÓx©. e i n G e g e n -
stand des Zornes. Soph. fr. 386 Dind.] 0epn<xv x' àv' ècrxiav
am Heerd herum
90 Vorlesungsaufzeichnungen

< 8 d o i m ) urcai von Feinden veranlaßt imep Porson zu Gunsten


der Feinde | besser, s a x i a Gegensatz zu S d o i a t v
ego Sáoiaiv 87ii KÓxft) creßai;
TIQNA xiGévx'
TI0ENT [aeßaa^icp
creßaaxiq) x'
aeßaaxicov 8'
asßa<; x' íévx'
xe Gévx']
<623 W. = 630: äxoA,|iov) die muthlose
Der S i n n der Strophe allgemein: nicht speziell
M o r d aus Liebe v o r h e r .
M o r d des Ehegemahls n a c h h e r . —

v. 625 W. = 632) von dort her cf. A g a m . 1 5 0 2 = 1507)


<v. 636 W. = 646} „fest gestützt"
(v. 637 W. = 647) Schwerthegerin
<v. 642 s. W. = 6 J J S . ) Porson (piA,o^8VTi 'ctxiv: falsch | v. 888
(W. = 893) (pí^xax' A i y i a ö o u ß i a . Ii. XI 690 eA.6(bv — ßir)
cHpaK>»ri8Ír| — <Od. X I 90 s . ) V|/DX"n T e i p s a i a o x p ú a e o v
aKfjjtxpov s/mv.
Aiyicröoi) S i a i < M e d . ) vermittelst, durch die Wirksamkeit,
ego., xpíxov xóS' : éicrcépana 8co(iáxcov Ka^rä,
e'ÍTiep ípiAó^ev' é a x í v , A i y í a G o u ßiag.
er sucht eben Aegisth. Falsch Weil.
zum dritten dies! ich verlange nach dem Herauskommen des
Aegisth: aus dem Hause, wenn anders dies gastfreundlich ist
<1/. 6 j 7 W. = 671) Hermann ó(X7tvícov Hes. ön.rcvr| — xpocpr|.
ö n n v i a jiavxoSaitá xptoyá^ia
( f . 6j8 W. = 672) ßouXaiq ßoiAeirutcoq
(v. 660 W. = 674) AauXig Stadt bei Delphi
(v. 662 W. = 676) „die Füße abgeschirrt"
<(f. 664 W. = 678) der einen Weg erkundschaftete und seinen
bezeichnete
^Kommentar zu den Choephoren) 91

<v. 67z W. = 686) Rippenstück des Aschenkrugs


<f. 689 W. = 703) wohlgefälliger kcuvoic; ^evoiaiv oder „denn,
w a s v o n S e i t e n e i n e s G a s t e s " ist dem Gastwirthe angeneh-
mer. A m besten: ^¿vö) ^ e v o v a i v x' egxiv. Schol. fl xö ayaGd
5 äyyeÄXav xoüxo y a p cpi^iaq ai'xiov xovq £evoi<; yivExai.
<(f. 702 W. = 71 j > wie einer der nicht sein eigner Herr ist
<1/. 706ss. W. = 719ss.) (piAiav mit Weil. Nein, ego 8 o Ä . i a v ,
AOAIAN AOAIAN
<DIAIAN (DI A I A N
10 7COX8 nicht Jtöxe w e r d e n wir einmal — xöxe 8f) zB. v. 812
<W. = #19) bezüglich auf das Futurum.
Es heißt: d a n n werden wir die Kraft und die Schlauheit unserer
Rede erproben.
Nicht überhaupt: zu Gunsten des Orest beten — sondern „zu
15 Gunsten des Or. listig reden" ax. SeiKVÖvai i a / ü v sn 'Opecrcr)
construirt wie bei festlichen Veranstaltungen Xsysiv ejicuvov
ejti xivi auf einen ejt' aAAcp aeGA-sueiv einem Anderen zu Ehren
KaxaOeivai ae9X,a eni xivi, £7ri IlaxpÖK^cp 7t£(pv£iv ßoßc; Ii. 23,
776 dem P. zu Ehren Rinder schlachten".
2.0 (v. 713 W. = 726) aK|id^ev es gilt, es ist Zeit. Sept. 97
714 s. W. = 726 s . ) Das Scholion scheint 8oAia zu interpreti-
ren Nomin. vßv Kaipöv exei f| 5oÄ,ia neiGd) cnjvayamaacrGai
x ö 'Opscxi], wie v. 447<W. = 4 5 5 ) Ka0f|K8iv in certamen
descendere. 8o?iia zu lesen: u. „nun ist es Zeit für die listige
2.5 Peitho mit in den Kampf zu gehen u. vor dem Hermes herzu-
schreiten" nicht verdrehen im Schol. überall doppelte Interpre-
tation. 8ti^£ö) schädige in diesem mit Schwertern schädigen-
den Kampf voranzugehen.
<(f. 720 W. = 732 KiXicjcja:) Pindar nennt sie 1 sagt hier das
3° ' A p a i v ö r i , Pyth. 11, 25 Stesichoros Aao8d|xeia j Scholion
<j/. 721 W. = 733) aK8A.£uaxo<; a|iia0o<; a o i S a Agam.
945(H. = 979) ein Gefährte, den man nicht gedungen hat dazu.
(v. 722 W. = 734) Schol. f| xouc; ^¿vom; K p a x o ß a a Kai imoSE-
^a|i£vr| A i y v a ö o v kgiXeTv ekeXeue.
92 Vorlesungsaufzeichnungen

A i y i a 0 o v f) K p a x o C c a K a i 5e8ey|ievT|
[7cpög xou<; i;evou<;
veouq xivaq]
^¿vou<; xiva<; ( l o ^ ö v x a i ; apxico«; K a ^ e i v
5 Ai'yiaGov f| KpaxoCaa [vCv] (ie
SsSeynevri ßevoix;] ^¿vov xiv' avSpa | j k h ] vöv köAxiv
ÖTitog x a x i a x a jxe KaX,eiv avcoyev

Ai'yiaÖov i| Kpaxouaa xöv Kpaxoßvxa |xe


8e8ey(ievr| ^evov xiv' äv8pa vCv KaXeiv
10 ÖTicoq xäyiax' avcoyev.
npöq xoix; ^evoix; Ka^eiv öncaq aacpeaxepov
iv. 726 s. W. 737 s.y xrj 8e rcpöq nev oiKexag
08X0 CTKuGpCOJlÖi;
durch diese <(paxi<;> eben würde sie gegen die Diener wenigstens
15 finster, (wie vorher dies sich zeigte)
yeXcov neben yeA-Cüia zum ersten Male Od. 18, 350 (Dat. yeA,<p
auch).
(v. 733 W. = 744) cj0yK£Kpa|i8va bezieht der Schol. auf das
Mahl des Thyest u. den Mord des Agamemnon,
zo <^.737 W. = 748} ävTXeco schöpfen bis zum Rest leeren, den
ganzen Kelch bis auf den letzten Rest erdulden.
(v. 739 W. = 750} Göc; e^£0pev|/a ego
(v. 740 s. W. = 751 s.y cf. Schol. o£> |iövov 81° fmepaq bXka. Kai
8id vukxöv.
25 7toIX 87ta9ov eu iio^öiip' avaKpeXr|x' e^oi ego
— u u | u —I
ÜOAAAKAI
nOAAEITA0ONET
oder 7ta0oCa' dneipoix; 0' f||i8pr|aioi)i; Jtövoug —
30 so vielleicht: tbq fijiepai; Jta0oCaa jiupioü«; novoix;
Kai vuKxutA,dyKxcov opOlcov KeXeunaxcov
Kai noXXä Kai [10x011 p', dvG>(pe>.r|x' e|ioi
xXdai] —
(Kommentar zu den Choephoren) 93

(y.745 W. = 7 5 4 ) ego: x p i ß f j cppevöq, cf. Schol. v. 738


<W. = 749) adn. xpißä ßiou steht Agam. 444<H. = 465).
Damit erklärt sie das xf\g e(xfjc; \|/uxil<; xpißf|v 738 W. = 749)
u. kommt darauf wieder zurück.
5 es heißt wirklich „Vergehen der Seele wie Choeph. 943 Kxeävcov
xpißä«; Aufzehrung des Vermögens. —
viell. 0r|p6q xpöitcp wie Agam. 1022 <(H. = X063) von der nicht
redenden Kassandra xpörcog 8e 9t|p6<; (DQ veaipexou.
<v. 747 W. = 7 5 6 ) sehr gut A,t\|/r|xpi<; <WeiI>
10 (v. 751 W. = 760) Kvacpeöq Walker Tuchscherer (yvöcpa^Xov
Lesbisch) (Txpocpeöq <Med.) der Dreher, das Wort für Thü-
rangel und Wirbelknochen erhalten. Walker u. Dreher.
761 W. = 770) Secntöxoi) crxuyei verkünde dies nicht zum
Schrecken des Herrn „mach nicht mit dieser Nachricht dem
15 Herrn Angst". Alles zweideutig axöyei Secjtöxou „zum Er-
schrecken des Herrn" oder „zum Haß des Herrn" so daß du
verhaßt wirst „dem Scheusal von H e r r n " , aus Haß, dem
Haß des Agam. Seotiöxou Herrin.
<v. 764 W. = 773> eöayysA,© <Schütz>, Blomfield kutcxöq ein
2.0 gebücktes gekrümmtes Wort wird gerade^:) dem gute Botschaft
bringenden richtet sich auch die krumme Rede gerade
dem guten B o t s c h a f t e r schlägt alles zum Besten aus,
cf. Pindar Pyth. IV 494 äyyelov taXöv. —
„Bei einem Boten hat trügerische Rede Erfolg" Hier ohne Sinn.
2-5 Eine Parallelstelle aus Euripides. Schol. zu Ii. XV 207 führt den
Vers als Eurip<ideisch>.
„auf die Botschaft stützt sich ein geheimer Plan" Hitzig Rh.
Mus.
yr]9oüar| hält Herrn, für unmöglich: jedenfalls kann es nicht
3° von Aegisth gesagt werden. [yr|9oöai] k o n n t e auf den Chor
bezogen werden]
zeige dich f r ö h l i c h bei der Botschaft, damit er es ohne H a ß
hört. Der Chor meint, sie solle dem Aegisth keine Angst machen
durch die Aufforderung, Bewaffnete mitzubringen.
94 Vorlesungsaufzeichnungen

(v. 765 W. = 774} 8ucppovf|aco.


<F. 768 W. = 7 7 7 ) OUTICO K<XKÖ? ye n ä v x t ? civ y v o i r i v xdSs.
noch nicht vermag ich dies zu erkennen, ich w a r ein schlechter
Seher. Dies ist vorsichtiger.
(v. 771 W. = 780) e g o ^sAAsi das steht bevor, w o r ü b e r nur
immer die Götter Sorge tragen", aber Agamemnon 941
<H. = 9 7 4 ) nsXoi 86 TOI CToi xcävjtep ä v neAAr|? teXeiv
(v. 776 W. = 785} 5ög |i£ v. 18 T u y x ä v s i v mit Accus. | C h o e p h .
711 — wegen der R e s p o n s i o n 80? vi)%aq sö TU/eiv { H e r -
m a n n ) . das aber verdorben.
<v. 777 W. = 7 8 6 ) Kl) pico? gültig rechtskräftig v o n Bestand.

{Str. 774-780 W. = 782-789} - u u u -


— u — u — u —
— u u —
— u — u — u —
— u u — u —
u u u u —
u u u u — u

<!/. 7 7 6 - 7 7 « W. =785-787}
[Ti3%a? iSeiv T O I ? TUXEIV Kupico? n a t v o n e v o i ?
ego So? xo^a? £u TD^etv
Kupiax; x ä a a x p p o v a
l i a i v o ^ e v o i ? iSeiv]
[TOI? acbcppoaiv (eü Gl.)
80?
80? xu^a? [eö] Tuxeiv
KDpico? Ts arotppo < - )
CTIV

n a i v o n e v o i ? x' iSeiv]
[nunc oranti mihi da videre eos qui
honeste cupiunt prosperantes fortuna
nunc oranti mihi da prospere rem videre iis qui honeste
«(Kommentar zu den Choephoren) 95

s a l v a [esse] c u p i u n t ]
<;v. 776-780 W. = 785-788>

e g o [L e i SSiiiiccaa < „ ' > £ 7 t o c


' Jiav I
[erfunden]
5 e A , a i c o v d) Z e C a u viv cpi)A,daacn<;.]
[ 5 i % a §iica<; e i v C v '¿noq
e X a K o v d) Z e C a u |if| (puA,aaaoi<;]
[ei S i K a q vCv 87105
e A , a i c o v d) Z e C a u v i v (puA,äaaoi<;]
10 [ei v C v e7io<; -
e A . a K o v & Z e C a C n f ) cpu
a u S e G a p a c o v ö x a v ^ k t i (v. 827)
u u — — u u — -
ego5ö<; TÜxa^, 8 6 5 tuxetv

[ S i a S i K a ^ ' a n a v ercot;
eÄ,aicov, d) Z e C , a u v i v cpuA,daaa(;]
8ixa SiKag ei tiox' erco«;
elaKov <b Z e C , a ö htj (puX,aaai]<;
[ 8 i ä 8 i K a q ö t a v 8T105]
[ S i ^ a S i K a q elrcov e n o q ; ctöv
e X a K o v d) Z e C ]
[ 8 i ä 8iKa<; 8 ' e i a ö q uö<;
eA,aicev d) Z e C a t i v i v (puMaaoi
AIA AIAI
Gl GAH]
30 (v. 7 7 9 W. = 788> e i J t ä v &ro<; e t a x K o v
e I t t o v ist G l . z u e X a K O V

ei jiot'
es ist d i e G l . etTiov i n d e n T e x t g e d r u n g e n .
96 Vorlesungsaufzeichnungen

< f . 781 ss. W. = 789 ss.) [e e Z e u (if) Jtpó8o<; è x 0 < p ) c c n ; ]


[e e ixf) |xfi rcpóSot; èxGpòx;
x ò v ectcoöev (j.eX,à9pcov Z e ö
Qèq eXeca v i v ( x é y a v a p a < ;
5 öq K a i u s w . ]
<v. 78} ss. W. = 791 ss.) u u u u
u u u — u — u —
— u u — u
783 W. = 791) < S c h o l . 7 9 1 - 7 9 3 0 è g . . . àjieiv|/ij> e i a T t p a t -
10 xsaBai rcapà Tivoq. rcapà 8t|cov.
aò 8 ' èA,eivà>v rcapà 8r|a)v
von den elenden Feinden, ai) 8é wie in der Gegenstrophe
(v. 819 ss. W. = 826ss.)
v. 782 W. = 790) eatoBev v o n drinnen her, drinnen, „ d e n drin-
15 nen im H a u s e " . . . , . , ,
, . v c , -1 d e n b e m i t l e i d e n s w e r t h e n
(v. 783 W. = 791) ro, jeivov ,
[9e<; | g a i p ( o v | n s y a g apag]

0è<; è X é c p v i v | x é y a v , ä p a ?
aus Mitleid
<v. 784 W. = 792) [öq K a i S i S u ^ a K a i rcpò<; a' (b tékvov
xpircÀà rcaA,i|ircoiva è^òv rcaxpòi; rce-
0eÀ,a>v à|i8Ì\|/ei paiveov è7ti|ion(pov
aòSàv]
<(za 829 s.)
2
5 (v. 785 W. = 793 à|j.eù|/ei:) o b v i c i s s i m accipies?
0 é q, 8718Ì v i v n - é y a v f j p a g ,
ànei\)/8vv
s < i e h e ) d a s S c h o l i o n : TÌ0T||ii m i t I n f . ü b e r x t ö r | j x i m i t Infin.
Keck p. 3 9 1 — 0éA.cov v o n Zeus v. 1 9 , von Hermes v. 7 9 5
3° <W. = 814).
(y. 790ss. W. = 798ss.) a(ö^O|xsva) pi)0|ift) „ d i e Macht des
b e w a h r t e n R h y t h m u s " t<5)8' i 8 e ì v 8 i à rcéSov ü b e r d i e E b e n e
hin à v o ^ é v c o v ßruiaxcov ö p e y ^ a . der vollendeten, das M i t s t r e -
ben der Schritte. D a s Scholion g a n z frei.
(Kommentar zu den Choephoren) 97

unsinniges Bild ä p ^ a a i v jir||j.àxft)v | ich vermuthe


ego ^oyévx' èv äp(j.aciv,
ß r m a x c o v 8' èv Spóji©
jtpocmGeii; (iéxpov ktìctov
5 a r o ^ o n e v o ü pi)0(xoO
©ctt' i S e ì v ScitieSov
àvo|xévct)v 7tt||j.(Ìtcov ' O p é a x a v .
TOTT OPErMA
QIT OPEXTAN
io (y. 793 ss. W. = 8izss.y es mag mithelfen nach Fug und Recht
ènei (popóxaxoq <Emperius> da er der fördersamste rcpä^iv
o ò p i a v öetaov.
796 ss. W. = 815 ss.} in vielen anderen Fällen schafft er Licht,
hier Dunkelheit. Hermes als der listige u. Peitho. aaicojtov
15 unvorhergesehen.
Resp. j_noXXà 8' aXka cpaivei Kpvmxa (v. 796 W. = 815}
: ayexe xoiv n ä X a i 7rpa%0£vxcov. <1/. 808 W. = 803)
jjcpr|£a)v: aaKOTTOV 8' 'énoq Àéyrov <v. 797 W. = 816)
: X.ÜCTac9' a l | x a jtpoa(paxoi<; SiKan; (v. 809 W. = 8 0 5 )

^ umgedreht
4
<v.801 W. = 808) Mündung Höhle a x ö n i o v - v. 947
3° <W. = 9 J 3 ) 6 A o ^ i a q 6 n a p v a a c i c x ; (xeyav excov (iuxöv %0o-
vöc,. Hesych a x o n i a - %da(iaxa.
<f. 805 ss. W. = 8ooss.y <7t^ouxoya0fj> durch Reichthum er-
freuend <vo|ii£exe> pflegt „beweidet" V0|i6<; vielleicht zuertheil-
ter Wohnsitz <(Hermann schreibt) evi^sxe, darauf sitzen
98 Vorlesungsaufzeichnungen

Eur.<Hel.)no8 n o u a e i a K a i 0äKou<; s v i ^ o u a a v ar|8öva.


E 7 r i C T T O H . i ^ e i v m i t d e m G e b i ß l e n k e n , aTO(xi^evv o b es e x i s t i r t
8itiCTO|ii^8iv m e t a p h o r i s c h cf. L e x . Philostr. i m a g . z, 1 8 ; <Plut.
de soll. a n i m . p. 967 B ) o l o v ETuaxoni^ovxEi; K a i xaAivoüvxEi;
t ö (piA,6(pö)V0V. d a n n m u ß |xi)%öv v e r s c h r i e b e n sein.
a v
jrA.ouToya0fi x ö x ctxohü^EXE
„die ihr drinnen das durch R e i c h t h u m erfreuende L o s des Hau-
ses in d e n H ä n d e n habt, dann paßt f|vioxeixs Kai Sioikeixe
<Schol.>.
<t>. 808 W. = 804) tcöv J t ä ^ a i Tieitpaynevcov steht A g a m . 1185
< f . 809 W. = 805 cppoacpaxov<;:> (7re<panai) f r i s c h g e t ö d t e t
812ss. W. = 819 ss.} Kai xöx' fj
— u - U U —
K a i x ö x ' 87ioA.oX.tiY -
HÖv 8 ö n ( ö v Auxf|piov
87IO?IO^üyh6V
— u — —

wahrscheinlich Agam. 564(1-1. = j86) f ü r crüv 5 b 7tA.ouxi^eiv


<e^ie>

vüv 8' ¿TtoAuJiu^eiv o j i o ß oder evi


e v i s t e h t P r o m . 2 9 4 ot)8e (xdxr)v x c t p i T o y A c o a c j E i v e v i n o t cf.
v. 9 3 7 < W . = 9 4 2 ¿TtoAoAu^ax')
K a i XÖX8 8 '
e g o K a i [ x o x ' E7t]oA,o>,üy^öv ek
£1
Scondxtov Auxf|ptov
n u r 8ei(j.dxtov m ö g l i c h b e i m e n t s p r e c h e n d e n L l e p a e c o q x ö x ' ev
cppeaiv < 8 3 2 ) a u c h s k m i t A u x f | p i o v E u r i p . A l e . 224 ek Gava-
xou Kai — 8e cf. C h o e p h . 8 7 3 < W . = 8 7 9 ) . 8 Stellen. Lex<\>
Aesch<(yleum)
<;v. 813 W. = 820) Setudxrov Ahrens; Soph. Electr. 1 4 9 0 ^ ; 635)
EÖ^ai A u x f i p i o i SEijidxcov - < A g a m . v. 5 8 5 s . )
8ö|ioi<; 8e x a ß x a K a i K A , i ) x a i n v f | a x p g ^eXeiv
EiKÖq ( i d A i a x a , v ß v 8 ' £ 7 t o A o A u ^ £ i v 6 | i o C . —
<(Kommentar zu den Choephoren) 99

814 W. = 821 o u p i o a r a x a v : ) den glücklich begründeten


<v. 815 W. = 82.1) für öjxoß wohl a(j,a xe cf. Choeph. 927
<W. = 9 3 1 ) c t e v ö ) |xev oöv Kai xa>v8e
oder o ö S ' ä K p e i c x o v ( k p e k o o , ßapßixo«;, avXöq) wie Agam.
5 957<H. = 990) xöv 5' aveu Jiupa<; öncoi; 6|xvß)8ei Gpfjvov 'Epi-
vöo<; wie oupöpniKxoc; Eum. 332.
<v. 816 W. = 823} exi (Weil) heißt hier praeterea
<iv.817 W. = 824> [f| tot' 86]
(v. 818 W. = 825} K8KÄ.r|VTai „es ist, es gilt" steht v. 320
10 <W. = 3 2 1 )

Antistrophe 1 falsch gestellt, muß vor Strophe 4.

Zeus A
Zeus B
Zeus A
15 Hermes r
Mes. Apoll. M
Ant. G Hermes r
Ant. B u. Orest B
Str. D Orest D ist Überlieferung
2.0 Antis D Chor D

Wie Weil mit Recht Strophe 3 und Antistrophe 3 vertauscht hat,


so v e r t a u s c h e ich a u c h [noch Str. 4 u. Antistr. 4]

r
Mes.
2-5 r
B
D
D
100 Vorlesungsaufzeichnungen

a C Z e u s hilf
a -< Orest am Wagen: laß ihn ans Ende der Bahn kommen
ß l Orest von den Feinden Buße einfordernd [cfr. vorher]
Y oi t ' eaoööe 8co(idxö)v: Hausgötter, Mord nicht wei-
terzeugen
|A£CT<(p8ö<;> Apollo laß das Haus zur Freiheit erstehen
y Hermes listreich hilf mit breitem Dunkel aus
ß tri) 8e öapacov denke an des Vaters Stimme.
8 nepaetoq sei hart
8 Kai t o t ' öä,oä.uyhöv dann Jubel.

Z e u s hilf und laß Orest sein Ziel erreichen u. doppelte und


dreifache Rache nehmen.
Ihr H a u s g ö t t e r laßt den Mord nicht weiterzeugen
A p o l l o gieb das Licht der Freiheit
H e r m e s gieb günstigen Wind, Dunkel u. Licht verbreitend
O r e s t vollende m u t h i g , der Mutter gegenüber, u. vernichte
beide, zu Gunsten der Unter- u. Oberwelt.
Dann werde ich jubeln und nicht klagen | denn auch mein
Gewinn ist es.
Ich stelle also um: Antistr. a v o r Strophe ß
und Strophe 8 n a c h Antistr. 8.

< f . 822 W. = 829} npöc, ctg, <5 T8Kvov e^öv, Jtaxpo«;


<v. 824 W. = 831) ego nepaeax; t o t ' ev (ppeaiv
< Kommentar zu den Choephoren) 101

(v. 838 W. = 844) £,ä>vxa Kai ß^enovia heißt es Agam. 655


<H. = 677).
( f . 840 W. = 846) ego ÖVT|(TK0VT0q ndxriv „fälschlich" während
er oük aA,r|0(Q<; todt ist Schol. „erschreckte Rede von einem,
der nur fälschlich starb"
Soph.El.63 X,öyß) (iatT|v 9vt)ctkovt8^, entgegengesetzt &A/r|0cü<;.
<f. 844 W. = S j o ) <Jiepi> da es übrig bleibt
<f. £50 W. = 856) ETtlGoä^ö) Wort, das nur noch steht Eur.
Med. 1409;
entweder „eifrig betreiben" oder „als Schutzflehende an den
Altären sitzen".
vielleicht nur verwechselt mit

87tl0£Xd^Ö)
sjuGea^co

Dies paßt allein zum Sinn.


<v. 8J4 W. = 860) „Schmieden der männermordenden Beile"
(v. 857 ss. W. = 863 ss.) oder er läßt Feuer und Licht zu Ehren
der Freiheit leuchten und gewinnt usw
<(u. 860 ss. W. = 866ss.) Ringkampf mit einem anbinden
<v. 869 W. = 875) teXoü^evoü bedenklich, weil der dritte Vers
vorher auch so ausgeht.
<f. 876 W. = 882) natr|v / aKpavta Adv. nutzlos
<v. 8j8s. W. = 883 s.) offenbar ist ihr Nacken nahe auf dem
Messer zu fallen, getroffen von der Hand der Gerechtigkeit
< v. 8513 W. = 898) oiXov gew. oviXa Z a h n f l e i s c h .
<v. 896 W. = 901) Die Stelle im Scholion td öpKto^iörna ä
^uvco^ÖCTauev, auf den Prolog zu deuten <Statt 7ticrtd> 8 m a
= ^uv.
nilTA
AITTA
<v. 910 W. = 91J) um Aegisth um Geld
(v. 931 W. = 936) [TavtaXiSaii;. Agam. 1437 <H. = 1469) bes-
ser II>.£ia0svi8ai<; wie Agam. 1536(H. = 1569)
102 Vorlesungsaufzeichnungen

ITPIAMIAAIC
I T A e i C Ö E N ] oder IleXojtiSaig Agam. i568<H. = 1600>

Ttpian
jtXeiaGev I1PIAM
5 IIEAOn
v. 942(W. = 947) vielleicht M o i p a e g o cf. zu vers 240<W.
= 2.44) nein Ileiö©
(v. 943 W. = 948 } C u r t i u s 588 sagt von SlKetv werfen es stehe
s

in Beziehung zu iacio 8iaKO<; Wurfscheibe Dike wirft, ego


10 e S i K e sie warf ihre Hand in der Schlacht eSiice 8' ev (J,ctxa
%Epaq SIkgcv, etymologisch. Bei ev |id%g wohl verderbt ev
ixaxu 8opöq steht Agam. 4i9<H. = 439).
Ares als xaA,avxoüxoi; „dem der Speerschaft im Kampf zur Wage
dient".
15 s 8 i K g 8' ev aK(xä Sop6<; ego
Aeschylus als E t y m o l o g .
Agam. 66o(H. = 682) exr|xü|j.a><; — 'E^evav
Agam. <1081) 'AnöXXav „der verderbende"
Hiketiden v. 46 (H. = 47) "ErccKpot;
2.0 Über solche Dichteretymol. Arist. Rhetor. II 23. Anacreon frg.
27 Härtung
CTe cpf| xap-
yf|A,ioq en(ieA,eco<; SiKetv.
es will dich Sinnesverwirren mit Takt nur treffen (sc. Eros)
15 xapyaiveiv = xapdaaeiv Hesych.
<za 963 W. = 969) oder Vö)|xaxai xö itäv.

ideale Zeitbehandlung

Helios: die T a g e s b e h a n d l u n g
die Scene am Grabe doch M o r g e n s , nach dem Traum
3° die Scene der Überlistung ist A b e n d s
Amme, Aegisth und alles Folgende am andern M o r g e n
(Kommentar zu den Choephoren) 103

<V. 988 W. = 9 9 4 ) Meeraal Natter Viper


(v. 990 W. = 1009) Aesch. Agam. 1563 (j.i(xvei ev %p6vqj rcaöeiv
töv ep^avxa dem Übelthäter verbleibt es, zu dulden", xpövia
eA,0eiv nach langer Zeit. So ninvovxi = X P o v i ® dem der lange
warten muß
(v. 1000 W. = 1013} JtoiKiX|ia das Buntgemachte "Weberei Ma-
lerei vielleicht cpÖeipovn die Zeit hat die Buntfärbungen durch
Blut vielfach verwischt, daher aov XPÖvü) E,u|iß.
<1001 W. = 9 9 7 ) eÖCTTÖxco«; Schol. euGiKicoq
<v. 1003 ss. W. = 999 ss.) Netz Stellgarn Jtoöi^io die Füße bin-
den (pt|A,r|xr|<; Räuber anaiö^Ti Betrug betrügen. Entziehung
<t>. 1014 W. = 1019) ei3öu|iO(; xörcov d|i,eißea0ai verlassen
(v. 102J W. = 1029) 7tA,6iaxf|pr|q meistfach rc^eicrnipid^co ver-
theuern. TiXeiax' epi^O|iat ich bestehe hartnäckig darauf, daß
der meiste Antrieb zu dieser Verwegenheit Apollo war. oder
vielmehr: daß er die (piXxpa in großer Anzahl mir verkündet
habe - kein Komma nach Ao^lav rcXeiaö' öpi^ojiai ich stelle
als meine Ansicht fest.
1037 W. = 1041)
fort. Kai MeveXecov jioXövxa (lapxupevv 6(ioi
[äKovxi] xoiq xoßSe BeafioTq <&<; ercopauvOT] KaKa.
[xoi<; xoCSe Geacpaxoiq]
<f. 1039 W. = 1042) NB <Agam. 1282) aA/r|xr|c; xfiaöe yfl?
ditö^svog
<v. 1041 W. = 1044) „nicht binde an den Mund an" ein böses
Wort. Hier soll es „verschließen, zubinden" heißen, nie! sonst,
„und rede nicht böse Lästerungen".
<v. 1044 W. = 1047) eimexox; glücklich, wie Agam. 552 eimexcoq
e/eiv | leicht |
1047 W. = 1049) schwärzlich gekleidet umflochten.
1057 W. = 1059) elt; a o i Ka8apnö<; — der Chor meint, er
solle die Statue des Loxias berühren
104 Vorlesungsaufzeichnungen

<v. IOJI W. = ioy^Y xsvncbv als Heiland oder soll ich sagen als
Untergang

Basel im Sommer 1869 die Choephoren interpretirt.


ebenfalls Sommer 1872.

Z u sammeln Beispiele für den raschen Gebrauch desselben Wor-


tes in wenigen aufeinanderfolgenden Versen.
4 11 4 4 3 26 Choeph.
7 4 4 2 7 9 33 Agam.
3 4 4 5 2 18 7 Strophen
zB. Agam. 1022<H. = 1 0 6 3 } veaipexou
1024 <H. = 1 0 6 5 ) veaipetov.
<(Die griechischen Lyriker)

¡SS 1869; SS 1871; SS 18/3; SS 1874; WS 1 8 7 4 - 1 8 7 5 ; WS 1878 -1879]


{ D i e griechischen Lyriker.)

Um uns zunächst über die charakteristischen Merkmale der


griechischen Lyrik zu orientieren: so müssen wir uns vor allem
von einer Vorstellung losmachen, auf welche unsre Gewohnheit
5 und die ganze moderne Lyrik hindrängt, als ob nämlich der
Lyrische Dichter sich an ein l e s e n d e s P u b l i k u m wendet. Die
ganze griechische Lyrik und überhaupt die gesammte Poesie der
klassischen Periode des Hellenenthums kennt aber keinen Leser,
sondern immer nur einen H ö r e r , der meistens auch Z u -
10 s c h a u e r ist. Und dies ist durchaus kein unnormales Verhältniß.
Im Gegentheil liegt die vornehmste Schwäche der modernen
deutschen Poesie darin, daß sie gleichsam auf der Studirstube
geboren wurde, im Anschauen gelehrter Vorbilder, ferne von
der ursprünglichen Kraft des Volkes, ferne vor allem von ihrer
15 natürlichen Stütze der Musik. Überall aber wo wir einen regel-
mäßigen Entwicklungsgang der Lyrik beobachten können, ist
das Lied, um uns der antiken Terminologie zu bedienen, TtpaKti-
KÖV dh. es bedarf noch der besonderen Thätigkeit des Vortrags
und ist nicht fertig, wenn es der Dichter niedergeschrieben
zo hat. Die Griechen unterschieden nämlich apotelestische und
praktische Künste: die Werke der ersteren sind vollendet durch
den schöpferischen Akt des Künstlers, nämlich die Werke der
Architektur Plastik und Malerei. Die andern müssen aber erst
108 Vorlesungsaufzeichnungen

noch dargestellt werden, die Werke der Orchestik Poesie und


Musik.
Die griechische Lyrik also verlangt den Vortrag und zwar
den m u s i k a l i s c h e n . Dies ist der zweite Punkt, w o wir den
5 Gegensatz der modernen Welt spüren. Die Griechen lernten ein
Lied gar nicht anders kennen als durch den Gesang. Und zwar
empfand man hier die strengste Zusammengehörigkeit. Wenn
uns das Lied eines Dichters, mit den Tönen eines Componisten
vorgeführt wird, so kommen wir fast nie mehr zum Gesammtge-
10 fühl, sondern genießen das Musikalische für sich und das Dichte-
rische für sich, finden es auch nicht ungewöhnlich, daß die
Musik den Text bei weitem überragt. Wir haben uns eben
gewöhnt, auf zwei Arten zu genießen, den Text bei der Lek-
türe — weshalb wir unserm Urtheil nicht trauen, wenn wir ein
15 Gedicht vorlesen hören und nach dem Buch verlangen — und
die Musik beim Anhören. Bei den Griechen gehörte aber Text
und Musik so eng zusammen, daß ein und derselbe Künstler
ohne Ausnahme beides schuf. Dies ist übrigens auch nichts
ungewöhnliches: denken wir an die Troubadours, an die Minne-
20 sänger, selbst noch an die zünftigen Meistersinger. Diese Doppel-
heit des Dichtercomponisten wird ausgedrückt durch das Wort
7totr|tf|<; - nicht etwa |10UCTIKÖ<; das vielmehr den „Virtuosen"
bedeutet. So heißt der Titel der für uns so wichtigen Schrift
des Glaukus von Rhegium Jtepi t c d v dp%alcov 7coit|t<bv Kai
15 |iOUCTlK(öv „über die alten Dichtercomponisten und Virtuosen."
Hier interessirt uns nun die Frage, wie denn dieser musikali-
sche Vortrag beschaffen gewesen ist. Hier ist aufmerksam zu
machen auf die charakteristischen Unterschiede der griechischen
Musik und der modernen.

30 1 . Terpander.

Glaucus v. Rheg. sagt (Plut. mus. 9) „Die erste K a x a c i a C T i * ; der


musischen Kunstnormen ist zu Sparta geschehn u. wesentlich
durch Terpander." Welcher Zeit ist hiermit Terpander vindizirt?
(Die griechischen Lyriker) 109

Er ist nämlich durchaus keine mythische Person. Neuerdings


glaubt man er sei jünger als Archilochus. Im Gegensatz dazu C.
Fr. Hermann Antiqu. Laced. p. 5 u. Westphal G<(eschichte) d.
M^usik) p. 64. Die Einfachheit der Terpand. Kunst spricht für
5 sein höheres Alter: einfache Metra (Hexameter, einige Choral-
rhythmen) | nichts von zusammengesetzten Maaßen, von einer
HexaßoA.f| der Rhythmen u. Tonarten, melodramat. Vortrag,
ausgebildet. Instrumentalmusik. Archil. kennt die Blüthe der
lesb. Musik (Athen. 5, 180 e auxog e^apxtov Ttpög au^öv Ag-
IO aßtov 7taif|Ova.) Demnach kennt er auch die A u l o d i k . Dies
die innern Gründe. Zeugnisse des Glaucus. Plut. 4 Ttpecrßuxepov
yoüv auxöv ' A p x i A ö x o u ärcocpaivei rA.ai>KO<; 6 e£, 'IxaAiag
ev CTuyypdnncm xa> jtepi xrnv ap%aicov JCOIT|XGC>V Kai iiouaucröv.
cpriai yäp auxöv Seuxepov yeveaBai nexa xouq rcpcbxoui; 7toif|-
15 aavxai; autapSiav. Wer sind diese Ttpcoxoi? Hyagnis u. Marsyas,
meint Westphal, gestützt auf die Stelle ö 5' 'Op<pei)<; ouSeva
cpaivexai |ieni|rn|ievo<; • ouSeiq yäp rcco yeyevr|xo ei |if) ov xcov
aotapSiKtöv 7roiT]xai. | Hier ist nicht mit Bergk lyr. III p. 809
ai)A,T|XIKQ)V zu schreiben. Ardalos v. Troizene. Bergk selbst aber
2.0 will es beziehn auf Callinos u. betrachtet Terpander jünger als
Callinos. Aber in wiefern ist Callinos Gründer der autapSia?
Und wie wäre yäp zu verstehn? Und wie unhistorisch die Beru-
fung auf Mythen? — Aber ich verstehe nicht, wie Terpander
Seuxepo«; in der Aulodik genannt werden kann: der nichts mit
25 ihr zu thun hat. Die Notiz bezieht sich nicht auf ihn, sondern
auf Archilochus: der Anfänger der Aulodik aber ist Clonas,
der Schüler des Terpander. Der Satz heißt also soviel (j.exä 8e
Teprcav8pov Kai KA.ovav 'ApxAoxoi; TtapaSiSoxai yeveaöai.
Bezüglich auf den genannten Vers des Archilochus. — Gegen
30 die Angabe des Glaucus steht Hellanicus, Terpander sei der
älteste Sieger in den Carneen, die in der 26. Ol. eingesetzt seien.
Als Blüthezeit des Archilochus galt aber 15 Ol. —20. Aufschluß
Plut. mus. 6. xeA.euxaiov 8e IlepiK^eixöv cpacn Ki9apü)8öv
viKtjaai ev AaKeSaijum Käpveia, xö yevoq övxa Aeaßiov.
110 Vorlesungsaufzeichnungen

xouxou 8e x e ^ e u x i i a a v i o q xfkoq ^aßetv A e o ß i o i q xö aovextc,


xfjq K a x a xf)V Ki0apq>8iav S i a S o x f ) ? . Die Terpandriden singen
unter dem N a m e n des Meisters von dem A n f a n g der Carneen
an. Ähnlich bei Homer, Hesiod.
5 „Terpander habe Homers Gedichte, Orpheus' Melodien
nachgeahmt." Die orphisch äolische Schule: er aus Antissa auf
Lesbos (auch als Cumäer bezeichnet.) Schöne Sage, daß die
Lyra des Orpheus vom äol. Böotien nach dem äol. Lesbos
geschwommen sei, zu Terpander. — Die Lyrik nahm die Epik
10 in sich auf: daher wird Terpander so genealog.: H o m e r —
Euryphon — Phokeus — Boios — Terpander
Terpander wandert nach Sparta (wie Hesiods Vater, wegen
einer Blutschuld) In Sparta musik. Kaxaaxacn<;. | In Delphi siegt
er 4 mal in den pyth. Agonen und wird auf Geheiß des Orakels
15 nach Sparta berufen, um das Staatsleben zu ordnen. Seine Neue-
rungen werden gesetzlich sanktionirt. — Das Ansehn des Lesbi-
schen Sängers w a r so groß, daß der Herold in den Carneisch.
Agonen erst die Verwandten des Terp. aufrief, dann die andern
Lesbischen Sänger, endlich die übrigen Citharoden xi<; |iex(x
20 A e a ß i o v q>86v;
Die N o m o i Terpanders sollen nach P o l l u x 4, 65 benannt
sein

Mollprime Mollterz.

1 nach Völkerstämmen Aeolios Boiotios (also


nach Tonarten)
2. nach Rhythmen Orthios Trochaios
3. nach xpÖ7toi ö^öq u. xexpaoiSioc;
4. nach ihm u. dem Schüler Terpandreios Capion (Geliebter)

Gliederung des vö|io<;. Pollux 4, 66 nennt 7 Theile: ¿7iapx<i


Hexctpxä K a x a x p o 7 t ä M e x a K a x a x p o j t a Omphalos Sphragis Epi-
2-5 logos. Ulrici hat auf strophische Gliederung geschlossen (gegen
Aristoteles probl. 1 9 , 15) Nicht etwa "Wechsel der Tonarten u.
( D i e griechischen Lyriker) 111

Rhythmen. Dies Terpander unbekannt. Für seine Erkenntniß ist


Westphal epochemachend. Gehn wir von einem spätem Zustand
des vö^io«; aus, um jene Eintheilung zu verstehn.
Bis 586 in den Pythien allein der citharodische vö|iO<;. Neue
5 Anordnung: hinzu traten der auletische u. aulodische V6|AO<;.
Sakadas der Argiver zu Ehren des pyth. Gottes: Apollo gab
seinen Haß gegen den avXöq auf. 582 und 578 siegte er noch-
mals. In den folgenden Pythiaden siegt ununterbrochen der
Aulete Pythocritos. - Sakadas aber trug den vö|K)<; ITö0i,o<;
10 vor nach Westphal gleichsam das Stabat mater der hellenischen
Welt. Der pyth. Nomos ist eine ni^T|CTi<;, Töne ohne Worte, die
bestimmte Scenen darstellen: Programmusik. In fünf Theilen
der Kampf Apollos mit dem Drachen. ITeipa: der Gott tritt
auf den Kampfplatz, durchspäht den Ort u. findet ihn in der
15 delphischen Höhle. KaxaK£^suCT|J.öq Herausforderung zum
Kampfe. ia^ßiKÖv Gemälde des Kampfes (Salpingge als
Schlachtmusik) das Ungethüm knirscht im Todeszucken die
Zähne (O8OVTICT|1Ö<;) 4. aitovSeiov feierlich der Sieg verkündet,
Kaxaxöpsucii; Festjubel.
20 Die 5 Theiligkeit eine typische Form, bis in die alexandr. Zeit.
Timosthenes Nauarchos des Ptolemaeus II komponirt eine sol-
che. Strabo 9, 3, 10.
Die Theile waren, wie die Namen andeuten, rhythmisch
verschieden. Auch verschiedne Tonarten: Aristoxenos beschreibt
25 einen 5 theil. vö|io<; mit 5 Tonarten.

dpxä (xeaov EKßaait;


H y p o d o r . Aeol. Hypophr. Phryg. Mixol. d o r .

Sakadas wendet nur drei Tonarten im selben vö|K)<; an. Dem


entspricht die Theilung des Aristoxenos: also 3 Haupttheile 2
Übergangstheile.
Wie verhält sich nun die Terpandr. Siebentheilung dazu: Wenn
30 der Citharode auftrat, so schickte er ein Gebet um den Sieg
112 Vorlesungsaufzeichnungen

voraus als npooiniov. Der Epilog Dank an die Gottheit. Diese


Theile fallen für den Auleten weg. Eparcha also = Prooemion.
Epilogos = Exodion. Damit stimmt der Name Sphragis Schluß-
stück „Besiegelung" Also zwei Schlußtheile. So auch 2 Anfänge
(letapxa eigentlicher Anfang des vö|ioq.
Es bleiben Kaxaxpojta |j.exaKaxaxp<(ojrd> ö|acpaA.ö<;: letzterer
das Hauptstück, entsprechend dem 'Ia|i.ßiKÖv im vö|x. nCGtoi;.
Hier kommt die spätere Form zu Hülfe: 3 Haupttheile mit z
Übergangstheilen: nämlich Anfangstheil mit dem Centrum u.
Centrum mit Schluß zu verbinden. Die Namen Kaxaxp07ia
„Wendung" Mexaicaxaxp. „Rückwendung"
Also folgende Reihenfolge und Form.
Das Prooemion (Eparcha, Ilpovö{iiov) stets in Hexam. (der
eigentl. Nö^o«; auch in Hexam. oder in gedehnten Spondeen,
rhythmisch als semantische Trochäen aufzufassen u. gedehnte
Iamben öpGioi) Also der vö^og öp0io<;: aber der Eingang in
Hexametern. — Bergk p. 813. Unmögliche Annahme Bergks,
der einen Taktwechsel voraussetzt. Gegen Härtung. Plut. 6.
Man ließ keinen Wechsel der Ton u. Taktarten zu. Das Prooe-
mium macht keine Ausnahme: denn es gehört nicht zum vö|XO<;.
Die vö^oi meistens in Hexametern: Ausnahme der öpöioc;
u. xpo/aioi;. | Neuerungen entnommen den Erntefesten, aber
sakrale Langsamkeit. ZeC Jtdvxcov. Gegen Bergk der Molossi u.
Spondeen annimmt. Es müssen xpo^cxiov sein: denn der vö(io<;
Öp0to<; ist auf Apollo, also der auf den Zeus ist der Trochaios
Also ist fr. 3 aus dem öpGio^ und so zu lesen

Dagegen gehört das Lied auf die Dioskuren nicht dem Terpan-
der. Aber er hat nicht die ysaitige Leier erfunden, fr. 5 xexpäyri-
(Die griechischen Lyriker) 113

pu<; auf die ,viersaitige' Leier zu beziehn. Es scheint erfunden, um


ihm die Erfindung zuzumessen, (wie Hesiod als erster Rhapsode)
Ö^ÖQ: damit ist wahrscheinlich die iastische Oktavgattung (ge-
meint): finster u. herbe: in den alten vö|J.0i gleichberechtigt mit
5 der äol. und dorischen Tonart.
xexpaoi8io<; soll also den xpÖ7to<; ausdrücken: die viermal
aufschwellende (otSoi; — OiSiTtout; etc): also nicht eine ©Sri
od. doi86<;. Andre Vermuthung von Westphal, der vorschlägt
anö TÖ7tö)V ,nach der Tonlage' zu lesen: der hohe vö|io<; u. der
10 viertönige, Beschränkung auf das alte Tetrachord. T£Tp&yr|pu<;
doiSa hat man hinzu genommen.
Sieben vö^oi werden von Photius p. 302, 16 dem Terpand.
zuertheilt. Sieben werden von Plut. de mus. c. 4 aufgezählt.
Aber bei Pollux IV 65 acht: wo aber zu vermuthen ist, daß ein
15 vö|io<; zwei Namen hatte. Nun fehlt bei Plut. der opOio^ vö|K><;:
also muß dieser derselbe mit einem andern sein.
Dies ist wahrsch. der der „hochstimmige"; denn noch
Aristot. Probl. 19, 37 nennt den öpBioq 0^65 u. ö^ucpcovo«;.
(deshalb sei er schwer zu singen.) — Scheinbar widerspricht
20 Suidas v. vo^oq u. Photius p. 302 f^aav Se ercxä oi urcö T£p7tav-
8pou et<; öpöioq TexpaoiSioi; ö^ix;: aber das elg zeigt, daß
die beiden andern Namen nur von einem Gelehrten beigeschrie-
ben sind, der nicht wußte, daß der ö^uq u. öpGioi; identisch ist.

Klonas.

25 zur ersten Kaxdaxami; gehörig. Klonas nimmt die Stelle für die
Aulodik ein, die Terp. für die Citharodik. Er lebt vor Archilo-
chus. Er hat die aulod. vö(XOi (Monodien) und die Prosodien
(Chorgesänge) erfunden u. war ein Dichter u. Komponist v.
Elegien u. 8JtT|. Gegensätze der Grabes- u. Todtenlieder {skeyoq
30 kt|5eio(;) u. der Komoslieder (vö^io«; K©(idpxiog). Die Opferlie-
der die neXr] arcovSEia.
114 Vorlesungsaufzeichnungen

2.. Archilochus

wilder höchst genialer Gesell. Zeit des Arch. Ol. 2.0 dh. 7Z0 v
Chr.: Datum genommen aus den Gedichten, er redet von der
Colonie der Parier nach Thasos. Koloniegründungen sehr si-
5 eher. | Ruhm des Mannes: Chrysostomus orat. 33: es giebt in
allen Zeiten nur zwei originelle Dichter ohne Gleiche Homeros
u. Archilochus. Quinctil. bezeugt daß nach Kunstrichtern, nur
die Schuld an seinem Stoff liege, nicht an seinem Genie wenn
er je einem Dichter nachstünde." Er verglich sich mit einer
10 Grille, die man nicht am Flügel fassen dürfe: denn sonst schreie
sie überlaut". Daher Kalondas, der ihn in der Schlacht getödtet
hatte, von der Pythia abgewiesen wurde „du hast den Diener
der Musen getödtet: gehe aus dem Tempel." Er schützte den
Krieg vor: dies leuchtet der Gottheit <ein> u. sie befiehlt ihm
15 nach Taenaron zu gehen, w o „die Grille" begraben läge u. die
Seele des Arch. durch Spenden zu versöhnen. — Nach Chrysost.
hat er sich auf das Tadeln gelegt, u. sich am wenigsten geschont.
Critias (Aelian V. H. X 13) hat den Arch. getadelt, daß er das
Allerschlimmste von sich selbst gesagt habe. Denn hätte er es
10 nicht in die Welt hinaus geschrieben, so hätten wir es nicht
gewußt, daß seine Mutter Enipo eine Sklavin war, ztens daß er
aus Noth u. Armuth Paros verlassen u. nach Thasos wandern
mußte, drittens daß er sich mit den dortigen Einwohnern verfein-
det hat; ferner nicht daß er überein Freunde wie Feinde zu
15 schmähen pflegte; daß er ein Ehebrecher war, daß er zügellos
u. frech war, u. das Allerschlimmste, daß er in der Schlacht
seinen Schild wegwarf. Sparta jagt ihn fort." Callimachus ver-
gleicht ihn mit Bienenstachel u. Hundebiß (beide giftig)
Mit Homer zusammen dargestellt auf einer Doppelherme des
30 Vatikan. Museums. Welcker kl. Sehr. 1 p. 73. Ohne zu wissen,
wer es sei, hat W. die Herme so bezeichnet „vorherrschender
feiner Verstand, unter den Augen her, w o der Knochen vortritt,
eine besondre Schärfe, wodurch sich eine gewisse Freiheit u.
•(Die griechischen L y r i k e r ) 115

Unabhängigkeit von dem Gefühl ausdrückt, um den Mund her


überlegenes trocknes Urtheil u. etwas Spöttisches."
Seine Lebensstellung eine ganz andre als die der Terpandriden.
Jene sind freizügige Künstler, die von Ort zu Ort ziehn, Schüler-
schaar: sakrale Richtung. Also Meister von Innungen, deren
Gewerbe sich auf religiöse Feste bezog.
Auch Arch. hat Kultuslieder gemacht, aber das Meiste auf
socialem Boden: erotisch sympotisch skeptisch.
Er hat das Volkslied litteraturfähig gemacht, (als repetirte
Melodien: durchcomponirte Texte dagegen die vó|J.0i) Er nahm
den Volksrhythmus vollständig herüber, nicht so schüchtern wie
Terpander.
Jambische Trimeter u. trochäische Tetrameter
i) in isometrischen Strophen. | Vortrag der Strophe: JtapaKara-
A,oyf|. Teilweise gesungen, teilweise zur Kpoßaii; vorgetra-
gen. (diese Vortragsart ist auch in die ia(ißeia übergegangen
bei der Tragödie) Aristot. probl. 19,6 Warum ist die Ttapctica-
taXoyri etwas Tragisches? „Wohl wegen der Unregelmäßig-
keit? Denn das Unregelmäßige ist affektvoll im Übermaß
des Leidens u. des Schmerzes, das Regelmäßige dagegen ist
minder leidenschaftlich." (zu erörtern) Das „Danebenspre-
chen".
z) die a s y n a r t e t i s c h e Bildung (früher nur im Elegeion) über-
tragen auf die dreizeitigen Metra.

m
3) Kyklische Daktylen 3zeitig n. kyklische<n> Anapästen.
4) Alloiometrische Kola iambische Trimeter zb. mit iambischen
Dimetern oder daktylischer Penthemimeres. Also evxaav<;
nicht homogener Rhythmen. Arch. hat endlich Instrumental-
begleitung mit verschiedenen Tönen erfunden: früher uni-
sono.
116 Vorlesungsaufzeichnungen

Iambyken Klepsiamben.
• •

Hier einige Z e i c h e n der S t r o p h e ^

Die neuen Rhythmen.


3/8 Takt, mit 2 Takttheilen (wir schwer mittel leicht)
1. Die Seltsamkeit des iamb. Trimeter. der 18/8 Takt
dann auch trimetr. Reihen (6 Takte)
u. dimetrische (4 Takte) gemischt
Epodon èjiœôôv ^bezeichnet) die zweite.
z. Am Ende einer Dipodia troch. eine kurze oder lange Silbe
— u — •'— u — •
y — u — ö | bei anlautendem Auftakte.
„irrationale Länge"
ritard(ierend) am letzten Takttheil des 6/8 Takts.
3. Am Schluß kräftige Form des Rhythmus. Kein Ausgang mit
leichtem Takttheil

Xpiei TIÇ AÖ ne xàv làÂaivav o t a i p o ç

t | rT rT | r7 r t | r r
4. — u u — u u — u u — u u f| tou f|pa>ou au^t|CTiç
- u - u - y

y — UU — UU TtpOCTOÔiaKÔV
- u - u - y
Ist dies Taktwechsel?
Daktylus = ein Trochäus

m m m ni i J^JUJI
ir,r ? 1
( D i e griechischen Lyriker) 117

<(II.) Entasis nicht homogener Rhythmen

Paeon epibatus
Anfügung eines iamb. Rhythm. zum Päon epib.
Nichts Genaueres.

Kret. — u u u
—u u —u u —u u —u u| - u —u — ö

III. Melodram. Vortrag. Ist bei Plut. die JtapaKaTaÄ,oyf) in der


Ausführung gemeint? Dafür wichtig die Stelle des Aristot. 19,6

1. Die Parakatal. etwas Tragisches.


2. Etwas Ungleichmäßiges.

Iamb. Partien theils gesungen theils gesprochen. Der nächste


Eindruck ist der Komische. Daher die Frage des Ar., wie die
Parak. tragischen Eindruck machen könne.
Durch die Parakatal. ist strophische Gliederung bedingt: wie
auch in der Tragödie. Vermuthung, daß erst im Refrain der
Gesang anhub: nach alter Volkssitte. In den Olymp. Spielen
sang das Volk TT|veM,a KaÄAiviKE „einen jauchzenden Refrain"
3mal. Pind. Ol. 9, 1 nennt diesen Zuruf 'ApxiXöxou

ir|veXXa KaMivuce (b /avp' ava£, 'HpaKXeeq


AUTÖG TE K a i ' I 6 X a o < ; AIX|XT]XD 8I)O.

Aber Arch. ist nicht der Dichter, nur der erste, der den Volksruf
in die Litteratur bringt.

IV. Instrumentalbegleitung. Archil. die verschiednen Töne der


Instrum., während früher nur unisono zum Gesang.
Iambyken und Klepsiamben.
118 Vorlesungsaufzeichnungen

3. Olympus.

Die Griechen nahmen 2 Olympoi an, einen vor dem troischen


Krieg (Hyagnis — Marsyas (Masses) — Olympus) u. einen
aus Phrygien einen Auletes. Die alte Aulosmusik dem Apollo
5 feindlich. | Die Unterscheidung geht bis auf Pratinas (ält. Zeit-
gen. des Pindar u. Aesch) zurück. Nichts über den Ort, wohin
der jüngere eingewandert ist.
Einfluß des Barbarenthums auf Griechenland. Olympus akkom-
modirt sich: er componirt dorisch, führt aber auch die fremden
10 Durtonarten ein. Bis dahin Molltonarten Quinte dorisch (Prime
Aeolisch | Terz Böotisch.
Phrygisch u. Lydisch. Compos. nicht durch Noten fixirt: Olym-
pische Auletenschule: daher Zweifel wem die vö|j,oi zugehören.
Olympische Stileigenthümlichkeit später unnachahmbar: aus 5
15 Tönen eine Melodie.
Die zweite musik. KaxdcrtaCTi<; (nicht in Sparta). Die klassi-
sche Zeit im Gegensatz zur archaischen T h a l e t a s X e n o d a -
mus X e n o c r i t o s
chorische Musik,
P o l y m n a s t o s u. S a k a d a s
zo reine Monodie u. Instrumentalmusik

1 . Also es tritt aus dem Volksleben hinzu die orchestische oder


chorische Musik
Früher Citharodik Aulodik weltliches Lied u. Auletik.
2. Es kommt die Citharistik hinzu.
Z5 3. Das System der Tonarten erweitert sich u. neue Transposi-
tionsscalen.
4. Constant werden bestimmte Töne ausgelassen u. dafür ein
Schaltton eingefügt x p o a i (nie in der chorischen Musik, nur
bei den einzelnen Virtuosi).
30 5. Notierung. | klass. Zeit schließt mit Phrynis (Soph.)
( D i e griechischen Lyriker) 119

U r s p r u n g der Elegie.

G e w ö h n l . A n n a h m e daß die Elegie u. der I a m b u s sich gebildet


haben in F o l g e des veränderten polit. u. socialen L e b e n s . Sturz
der M o n a r c h i e n (bei H o m e r 8rj|AO<; geringschätzig: d p i a x e u e i v )
5 E i n f ä l l e der C i m m e r i e r in Kleinasien 7 2 0 — 62.0: Z e r s t ö r u n g v o n
M a g n e s i a , doppelte Z e r s t ö r u n g v o n Sardes. G r ü n d u n g v. K o l o -
nien, E r ö f f n u n g neuer Welten. D a n n die messenischen K r i e g e .
D a s E p o s , meint m a n , e r f o r d e r t eine ruhige S t i m m u n g . D a g e g e n
spricht nun, daß gerade die E n t w i c k l u n g des E p o s (nicht mehr
10 des Einzelliedes) in diese b e w e g t e Z e i t fällt. D e r I a m b o s hat
nichts mit der veränderten polit. Welt zu thun: als F o r m des
Demeterliedes. A n u. f ü r sich w a h r s c h e i n l i c h , daß auch die
Elegie bereits im V o l k s g e b r a u c h e bestand, b e v o r sie L i t t e r a t u r f ä -
hig w u r d e dh. daß ihre E x i s t e n z auf eine Z e i t zurückgeht,
15 v o r der polit. B e w e g u n g . B e r n h a r d y nennt die Entstehung des
P e n t a m . „einen naturgeschichtlichen A k t " . Festzuhalten daß
nichts neues mit d e m Pentameter a u f k a m : kein neues M e t r u m .
E s handelt sich u m eine Strophenbildung.
N u n wissen w i r , daß das E p o s einmal gesungen w u r d e , also
2.0 daß es strophisch sein mußte. Vor T e r p a n d e r w u r d e es bereits
recitirt. Unterschied zwischen der citharodischen S t r o p h e des
H e x a m e t e r u. der aulodischen Strophe.
D e r G r u n d c h a r a k t e r liegt in dem avXöq (gegenüber der
C i t h a r a m u s i k des ältern Epos) u. in der Strophe (gegenüber der
25 R h a p s o d i k )
U r s p r u n g des Wortes aus Kleinasien „ F l ö t e n p o e s i e " . M a n
g l a u b t , daß der Fortschritt der G r i e c h e n darin besteht, daß die
älteste F o r m der Elegie nicht k l a g e n d sondern kriegerisch ist.
A b e r das ist unwesentlich: lyrische E m p f i n d u n g , bewegtes G e -
30 müthsleben, durchaus nicht sacral.
D e r Streit über den Entdecker: ist zugleich Streit über das
Alter. N i r g e n d s erscheint C l o n a s der nach G l a u c u s älter als
A r c h i l o c h u s ist. D a s m a c h t , daß die s p ä t e m G r a m m a t i k e r Ter-
p a n d e r nach A r c h i l o c h o s setzen. vö|io<; eXeyoq KCO|iäpxio<;
35 8JiiKf|8eto<; o f f e n b a r in Distichen.
120 Vorlesungsaufzeichnungen

Callinos von Ephesus. Ter. Maur. v. 1 7 2 1

Pentametrum dubitant quis primus finxerit auctor


quidam non dubitant dicere Callinoum.

Daher hielt Ruhnken Callinos für eine Abkürzung, (auch Butt-


mann) Welcker für KaM,iA,ivo<;. -ivoq eine Reihe von Männer-
namen wie 'Epyivoq Kpaxivot;, ein Deminutiv wie 'Ayaöivoq.
„Schönlein" nicht etwa als Ehrentitel „Meister der Schönheit".
Die Zeit durch den Einfall der Cimmerier in Asien, Tprjpe«;
(nach Bergk Treveri) Strabo XIII 627 gedenkt Magnesias als
blühend, Archilochus kennt aber schon TT]v au^tpopav. Daher
Callinos als älter als Archilochus angesetzt. Aber ungefähr
gleichzeitig, da (Athen. XII 525 c) auch Callinos den Untergang
v. Magnesia kennt. Die Magneten sind erst siegreich im Kampf
mit den Ephesiern nachher aber von den Ephesiern (im Bunde
mit d. Treres) erobert. Callinos steht auf deren Partei. (Über-
muth der Magn. Theogn. 603 s. xoväSe Kai Mayvircac; än<b\E-
<T8V epya Kai ußpiq) Von Bedeutung die Notiz Pausan. IX 9, 5
daß er die Thebais als Homerisch kennt.
Das Hauptfragment (als £7taivo<; t6A,|it|<;) von 21 Versen (Sto-
baeus) berührt sich im Tone mit Tyrtäus, daher Thiersch acta
Monacens. III 577 Der Glaube beruht auf dem Marginale K a X -
Aivou. ebenso Härtung, nach dem er gar keine kriegerischen
Gedichte gemacht hat. Thöricht.

Simonides aus Samos Amorginos genannt weil er eine


Samische Colonie nach der Insel Amorgos führte. 2 Bücher
Elegien äpxaioÄ,oyia (also Kiiaig) Xa|iicov. (Suidas.) Er gilt
einigen als Erfinder des Iambus dh. älter als Archilochus. ia^ßo-
ypdcpoq genannt im Canon bei Proclus Chrestom. 7. Wichtig
das Fragment eiq yuvaiKaq gewaltsame Restitution von O.
Ribbek Rh. M . X X p. 74. Früher lagen die Fragmente mit denen
des Melikers zusammen. Welcker „Simonidis Amorgini Iambi
qui supersunt" Rhein Mus III scheidet.
Derber Ton, Thierfabel klingt durch.
(Die griechischen Lyriker) 121

Mimnermus.
Sohn des Aiyupxia8r|(; aus Colophon (daher auch Smyrnaeus,
da Smyrna von Colophon aus gegründet ist) ¿KaXeixo 8s Kai
Avyuacrcä8r|c; 8ia xö 8(j.neX,eq Kai Xiyö.
Solon fr. zo (Lesarten apud Cobet de arte interp. p. 59) Kai
|xexa7toiT|(jov Aiyuaaxa8r| ¿>8<e> 8' aeiSe (im 60 t. Jahre)
Dies die Quelle für die Notiz. Verschiedne Ausdeutungen. Die
Aiyupxid8Ti<; u. AiyuaxmSTig Formen sind nur verderbt: Die
Etymol. aus Xiyi> aSeiv unmöglich. Außerdem hätte Solon,
wenn es ein Ehrenname war, ihn nicht gebraucht bei Lebzeiten.
N a m e des Vaters also Aiyuaaxf|<;.
Der Zeit nach älter oder Zeitgenosse der 7 Weisen Ol. 37. dh.
gleichzeitig mit Solon.
Inhalt seiner Dichtungen Liebe u. H a ß (wie Hermesianax sagt.
N a n n o eine Flötenbläserin, er selbst Flötenbläser. Aber auch
patriotische Dichtung: Schlacht der Smyrnäer mit Gyges u.
Lydern.
Suid. e y p a y e ßißA,ia xaCxa JtoM.ä. Schol. bei Horaz ep. II z
101 duos libros suculentos scripsit.
Bei Theognis Fragmente
Hermes, ap. Ath. 597
Mi|ivep|io<; 8e xöv f|8uv ö<; ei3pexo noXköv avaxXaq
f|Xov Kai (ia^.aKoC 7tveC|i' änö 7ievxa(j.£xpou.
(nicht als Erfinder)
Athen, p. 6zoc Xa|iaiXe(DV neXö)8r|0fjvai cprjCTiv ou növov xa
c
On.f|pou — ext 8e Min.vepn.ou Kai OcoKüXiSou.
Propert. I 9, n Plus in amore valet Mimnermi versus Homero.
Wehmüthig, weichlich.

Tyrtäus.
Sohn des Archembrotus.
122 Vorlesungsaufzeichnungen

(Theognis.)

Ist unsre Sammlung im Alterthum als Elegiensammlung,


ohne den Namen des Theognis umgegangen, dann jedenfalls in
einer andern Ordnung dh. n i c h t in der Stichwortordnung. Denn
5 in dieser steht das Widmungsfragment an eklatanter Stelle.
Welches war nun die ursprüngliche Ordnung? Es leitet uns die
n o ß a a Jrai8iKf|, Prooemia im Anfang, u. manche Stücke. Also
nach Rubriken, wie später die Sammlung der Anthologie.

Also der Hergang dieser: Chrestomathie aus den Elegi-


io kern (ält.) nach Rubriken geordnet.
Stichworttheorie, Name des Theognis. (Ausgang des
Alterthums, nach 480)
Im zehnten Jh. hat eine Hdschr. noch die n o ß a a 7iai5.
eine andre nicht mehr (Suidas) 1
15 Im 14t. Jh. Interpolation.

Es ist streng auszugehen von den Kyrnosstücken 2 (atppriyii;)


(Polypai'des seit Elmsley: IToXunaiSri, oi 8è Jipìv ecröXoi, IIoA,ü-
Traiöri d a t ö v im Ausgange). Diese lehren (Travxaq (lèv sn'
(xvöpömoix; òvo|iaGTÓ<;) daß er schon mit andern Dichtungen
zo berühmt geworden war. (Medergedichte seit Megar<as Fall))

Politische Lage Megaras:


Um 600 hat Theagenes sich der Herrsch, bemächtigt wie Pisistra-
tos. Das Volk giebt ihm eine Wache; er fiel über die Viehherden
der reichen Bürger her u. s. w. Die Plebejer also herrschen durch
25 ihn über die Aristokraten. Um Theagenes zu entfernen schmei-
chelten die Vornehmen dem Volke. Das Volk wird übermüthig.
Plut.
Die Megarer betrugen sich nach Vertreibung ihres Herrschers
eine Zeitlang vernünftig in ihrer Straatsverwaltung. usw.

1
7tapaivécTEi<; (lèv e y p a y e 0 . ä X X ' èv |iéacp toütcov TtapeaTtapnévai s i a ì
Hiapiai Kai TtaiSiKoì cponsc; KZX.
2
Menon èv Jtoioi^ ETteaiv; èv xoìq èX-sysiot«;.
(Die griechischen Lyriker) 123

p. 13. p. 15. Die Gedichte sind zu verschiednen Zeiten verfaßt:


viele gewiß in der Verbannung: der Wunsch nach Rache; die Schil-
derung der heruntergekommenen städt. Verhältnisse. Einige Verse
sprechen vom nahen Kampf u. der Entscheidung. Die Sammlung
5 der Kyrnoslieder ist bei wiederhergestelltem Zustande gemacht.
Dies deutet an: 24 acrcoiaiv 8' oi3nco Ttaaiv aSeiv Süvajiai. An-
ders<wo> spricht er von dem polit. Mittelweg. Jedenfalls kein
Sieg der Oligarchie, sondern ein Kompromiß.
Hauptausgabe: Welcker Theogn. rel novo ordine dispositae
10 Frankf. 1826. (unmethodische Anordnung) Erkenntniß des ari-
stokr. Princips.
Dann die zweite von I. Bekker Th. elegi 1827.
Für Kritik: Bergks Aufs. Rh. M. III. 206 ff. 396 ff.
Erkenntniß der hdschr. Grundzüge. Ausgezeichnete Kritik.

15 Phocylides aus Milet

mit Theognis zusammen um Ol. 59.


ercri, e^eysiaq, napaivsoFAQ rjioi yv(b|iac; äg rivsq Kecpü^cua
¿TttypacpouCTiv. Ton der 7 Weisen Kai TÖSe $C0KuA,i8£ft) also wie
bei Theognis.
20 Aber es muß längere gegeben haben
Athen. 632 c sagt, daß auch seine Gedichte mit Melodien gesun-
gen seien.
jtoirina vouGstikov.

(Zu Archilochus.)

25 fr. 58 8ia7tE7tA,vynsvov. TtÄiaaoo Od. 6, 318 eö JtXicraovTO nö-


Secrm „wohl schritten sie zu mit ihren Beinen" (von Maulthieren)
„die Beine von einander sperren" als Zeichen des Stolzes. Hem-
sterhuys.
Kai tpixög nleoq.
124 Vorlesungsaufzeichnungen

<Phoc. Forts.)

Jos. Scaliger (Note zum Eusebius p. 95 ss) hat erkannt, daß es


dem alten Phocyl. nicht zugehöre, vielmehr einem Alexandriner,
viell. einem Christen. Beweis: das Verbot den Körper zu seciren
5 weil das durch den Tod gelöste Band zwischen Leib u. Seele
dereinst hergestellt werde (nicht allein christlich)
Forschung v. J . Bernays über das Phok. Gedicht 1856. Das
Gedicht steht nicht mit dem Christenthum im Zusammenhang.
Was Christliches drin ist, interpolirt. Mitte zwischen jüdischer
10 u. heidnischer Welt.

E u e n u s Parius

H a r p o c r . : 8 6 0 d v a y p d c p o u c n v E u f | v o u < ; e X e y e i c o v Jiovr|xd<; ojicd-


vop.ou<; äM.f|A,oi<; K a ö a n e p ' E p a x o a ö e v r i g e v x ö J t e p i xpovo-
ypacpicöv ajKpoxepoüi; Aiyoov I l a p i o u g e t v a i , y v m p i ^ e a ö a i 86
15 (pt|m x ö v vecbxepov ( i ö v o v . M 6 n v r ] x a i 5 e ö a x e p o u auxröv Kai
nXaxcov.
Einer beim Tod des Sokrates zugegen (Concurrenz in Fabeldich-
tung usw) Phaedo 60 D. Neben Gorgias Prodikus Hippias
Theodorus bedeutender Sophist, der gewisse Regeln der Bered-
20 samkeit in Verse bringt. Apol. zo B. Phaedr. 267 A.
fragm. <Theogn.) 4 6 7 - 4 7 4 näv yäp avayKaiov XPW' avvr]-
pöv £(pl).
Aristot. wiederholt den Euenus Metaph. IV 5.
Bergk theilte das Fr. zuerst dem jüngern Euenus zu. Aber die
25 Theognid. Sylloge enthält bloß ältere Elegiker. Bergk meint der
angeredete Simonides sei der Amorginer.
Also auch 667 — 682 diesem zugehörig, u. 1347/1352 (aus
der |ioßaa naiSiKf))
Hier werden symbolisch die politischen Zustände gezeichnet.
30 Stürmische Nacht: das Wasser stürzt herbei u. drüber herein.
{ D i e griechischen L y r i k e r ) 125

Den Steuermann hat man getödtet. Die Guten sind gestürzt, u.


die Schurken (die cpopxr|yoi Lastträger) regieren. Das sind die
Zustände nach dem Sturze der Monarchie durch Volksempö-
rung.

<Zu Archilochus)

fr. 56 (49 Schn<(eidewin» 7tapf|OpO(; daneben hangend. zB das


Handpferd. Dann thöricht verrückt.
Xpf|(j.r| von Valckenaer verworfen. „Wunsch Bitte" paßt nicht.
Abresch hat es gebildet. (xpi1|K)auvT| Dürftigkeit
XpricuocuvTi (XPflC®)
Eitel tö) wenn einem
Kai ßiou xpf| |iiv 7tA,avac0ai Kai vöou 7tapf|opov.
Starke Varianten im Texte des Archilochus:
fr. 2 1 fr. 6.

Kurzer Überblick über die Entwicklung der melischen Lyrik im


Anschluß an die Geschichte der Musik.

An die e r s t e K a T ä a x a a K ; knüpft sich


mon- Kirchliche Citharodik (Terpander)
odisch Vokalmusik Aulodik (Klonas)

weltliche Lieder (Archilochos)


reine Instrumentalm. Auletik (Olympus)
zweite K a x a c i T a a t Q
chorische Musik | Orchestische Musik (Thaletas) im
Dienst des Kultus.
reine Instrumentm. | Citharistik (Polymnastus Sakadas)
Klassische Periode der Musik schließt mit Phrynis (Zeitg.
des Sophocles)
126 Vorlesungsaufzeichnungen

Alkman. Liebeslied: (Fortsetzer des Thaletas) Stesichorus


Chorlied mit Epik.
Ibykus. Chorpoesie mit socialem Inhalte.
Lesbische Dichter. Fortsetzer des Archilochus.
Anakreon. Monodisch.
Simonides.
universal.
Pindar.

Die klassische Periode der Lyrik.

5 »Alcman(-aeon) attisch Ol. 30 nicht aufgeführt unter den Hege-


monen der 2ten K a x d c J T a a i < ; : er ist nicht metrischer sup£TT|<;,
sondern Vollender, der erste Klassiker der chorischen Poesie. Er
steht auf den Schultern des Thaletas (der die chorische Poesie
in die Festagone einführte). Dagegen soll er eine stoffliche Neue-
10 rung gemacht haben, nämlich erotische Lieder erfunden nach
Chamaeleon. dh. er als v o l k s t h ü m l i c h e r Sänger nahm auch
das Liebeslied aus dem Volke. Er umfaßt nämlich alle die
volksthümlichen Zweige der spartan. Lyrik in 6 Büchern: hat
sich ganz hineingelebt in spart. Sitte, während er der Abkunft
15 nach ein Lydier ist. Alexander Aetolus im Epigramm Anth.
Palat. VII 709 sagt, daß Sardes das Stammland des Dichters
war, Sparta die Stätte seiner poet. u. polit. Bildung. Sparta selbst
hat keinen Dichter hervorgebracht. [Agesidas' Sclave: sötpuüa
freigelassen.] — Eine Parallele ist viell. Bürger: eine derbe Sinn-
zo lichkeit, hier und da Neigung zum volksthümlich rohen Spaß,
z. B. „Hört ihr Mädchen mit den süßtönenden Stimmen, die
Beine wollen mich nicht mehr tragen: möchte ich doch ein
Eisvogel sein Kr|p6Xo<; (der nämlich wenn er alt ist vom Weib-
chen auf den Rücken genommen wird) Ich werde Dir einen
25 Dreifuß schenken, um drinnen die Graupen zu sammeln; bald
ist er voll Brei, wie ihn Alcman gerne, der 7ta(X(päyo<; lauwarm
ißt nach den Sommerwenden: denn der sucht keine feinen Spei-
( D i e griechischen L y r i k e r ) 127

sen, sondern liebt die Hausmannskost, die das Volk liebt." „Er
schuf der Jahreszeiten drei, den Sommer Herbst u. Winter,
viertens den Frühling, wo es zwar hübsch blüht und keimet,
aber nicht viel zu essen giebt." Schilderung der Bacchosfeier:
5 „ o f t auf den Höhen der Berge, wenn den Göttern die lärmende
Feier beliebt, hast du ein großes goldenes Gefäß, einen Eimer
wie Schäfer ihn gerne besitzen, melkst von Löwinnen Milch und
bereitest daraus einen großen Käse für den Argostödter. „der
süße liebliche Schwan der hymenäischen Gesänge. — Das Hö-
io here u. Ideale scheint ihm fern zu liegen. Aber er trifft den Ton
des Naiven, so auch in der Zeichnung von Naturstimmungen
„jetzt schlafen die Gipfel der Berge u. tiefen Abgründe, die
Felsenklüfte u. die hohen Firnen, Alles Gewürme vom dunklen
Boden erzeugt, Alles das Wild im Wald und auch die Bienen-
15 schwärme, die Ungeheuer ruhn in der Tiefe des purpurnen
Meeres, es schweigt die Schaar der feingefiederten Vögel im
Wald.«
Neuerdings ist ein großes Stück eines Hyporchema gefunden
von Egger Paris 1863 aus einem ägypt. Papyrus veröffentlicht:
20 behandelt von ten Brink Philol. X X I p. 12.6 ss. Bergk Philol.
X X I I p. 1 ss. u. <in> der dritt. Lyrikerausg. Blaß Rhein Mus.
X X I I I p. 545. Ahrens im diesjähr. Philologus.
Strophische Form: noch nicht aber die Epodos. Wichtig aber
daß er im selben Gedicht das Versmaß wechselte zB. 7 Strophen
25 u. dann wieder 7 Strophen. (nexaßoA,f|). Dies eine Vorstufe der
Epode, der ganze zweite Theil ist epodisch. Die Symmetrie der
Antistrophe hat Analogie in der Baukunst: f) e^ö) v e v e u K u i a
8ucA,f] < bei den Lyrikern selten Hephaest. Jtepi Jtoir|(i. p. 75.
West.
30 TO rj^llGU XOU aUTOÖ l i é x p o u E7tOÍr|CTEV 87txáCTTpO(pOV.
Die 5iJi^.fi crr||!aívouaa xö nexaßoXtKcöq xö ä a | i a ye-
ypátpGai.
128 Vorlesungsaufzeichnungen

Bei den Lyrikern bei monostrophischen Liedern nach jeder


Strope die rcapdypaqxx; am Schluß die KOpcöviqZI.
Sind sie lcaxa 7cepiKOJtf|V, die Paragr. nach Strophe u. Antistr.
Schluß der Epode Kopcovig.
5 Der dcrcepiaicot; x wenn das Lied exepö|iexpov ist: wie bei
den monostroph. Liedern der Sappho Anacr. Alcaeus.
In der Tragödie die napaypacpoi; bei jedem Personenwechsel
in jamb. und Chorpartien, dann mitten in Strophe u. Antistr.
Besteht nämlich die Strophe aus Wechselgs., dann wird sie von
10 der Antistr. geschieden durch > f| eaco veveuKuia Sut^fj. Wenn
aber nur eine ^exaßo^f] axpocpoöv eintritt, dann f) s^co.
Die Kopcoviq nur, wenn die Schauspieler weggehn u. der
Chor zurückbleibt: dh. nach dem Aktschlüsse. Oder bei Scenen-
wechsel: was zusammenfällt.
15 Fragm. coli, et rec. Welcker 1815.
S t e s i c h o r u s . Hauptbedeutung, daß er die übliche Form der
chorischen Gedichte festgestellt hat: Wechsel zweier Strophen-
schemata in einem Gedichte. Auf zwei gleiche Strophen (crcpo(pf|
= dvxiaxpotpoi;) folgt eine ungleiche die 87tcp86<; seil. axpo(pf|.
2.0 Das ganze System eine Trias mit 7tepiKOJtf| bezeichnet. Dies
sind die sprichwörtlichen xct xpia Exr|cn%öpou. Die Grammat.
führen dies auf die Bewegung des Chors zurück: die Epodos
stehend gesungen. Zweifelhaft: viell. aus Etymologie, wie a x a a i -
(lOV. Nämlich auch solche dreigliederigen Lieder Hymnen sind
25 durchaus s t e h e n d vorgetragen worden.
Seinen Namen soll er wegen seiner Verdienste um die chori-
sche Lyrik haben: ursprünglich Tisias (wie bei Plato Theo-
phrast). Er lebt in Himera: sein Geschlecht stammt von der
lokrischen Colonie Mataurus in Unteritalien ab, in der Sage der
30 ozolischen Lokrer mit Hesiod verknüpft.
Plato Phaedr. p. 244 nennt Euphemus seinen Vater. Eucleides
der Bedeutung nach dasselbe, (so hieß auch einer der Gründer
von Himera) Euphorbus u. Euphemus fallen auch fast in eins,
für Texou<; ist Euenouc; zu lesen, das wieder mit Euphemus
{ D i e griechischen Lyriker) 129

dem Sinne <(nach> verwandt ist. In allen diesen Fällen haben


wir es mit der etymolog. Legende zu thun: der bedeutsame
Name der Eltern bezeichnend für den Dichter. Oft ist die Quelle
ein Epigramm, das später blind benutzt wurde. Stes. als Sohn
5 des Hesiod ist auch der epigrammat. Ausspruch einer aesthet.
Thatsache. Die Namendifferenzen müssen noch einmal unter-
sucht werden: Vorarbeit A. Schöne in den symbola p. 733 über
das Leben der Sappho. über etymol. Legenden Pott im Philol.
Supplem. b. II p. 294 ss. Es giebt zahlreiche Rubriken, unter die
10 die einzelnen Fälle zu bringen sind, also erdichtete Väternamen
symbol. Inhalts - Epicharms Vater Tixupoc; Xi|aapo<;, „ B o c k "
aus K e p a a x o g Bockstadt (woher Lais) — mehrere Väter durch
Zusammenwerfen verschiedner Homonyme einem Mann beige-
legt, Lehrer als Väter Versehens weise beigelegt, ein Vater Geaei,
15 der andre (pocrei, Namensvarianten orthographischer Art. zB.
MvTiaäpxou oder Mvt|crapxi8ou, Zi(icovog oder ü i j i a m S o u .
[Warum Sohn des Hesiod? die alten legen dem Stesichorus
homerischen Charakter bei: aber n i c h t nennen sie ihn Sohn des
Homer: wie er doch heißen müßte, wenn es auf Stil und Mythen
zo ankäme.]
Sehr groß ist im Verhältniß der Fragmente die Anzahl der Titel
episch-lyrischer Lieder. Leichenspiele des Pelias, die Saujäger; Ar-
gonauten, Europa, Eriphyle, Gorgonis Kerberos Kyknos Ilions
Fall Helena (gewöhnl. die Palinodie) Nosten Oresteia. Skylla
25 In den 26 Büchern werden wohl einzelne dieser Lieder ganze
Bücher gefüllt haben. Die Oresteia hatte sogar 2 oder mehrere
Bücher. Diese Lieder bildeten die Vorstufe des Drama, zwischen
dem Epos u. dem Drama. Durch sie ist die Länge des Dramas
(einen ganzen Tag) fixiert worden. Dies ist etwas Ähnliches wie
30 die vielbesprochne l y r i s c h e T r a g ö d i e .
Außer den mythisch-epischen Chorpoesien drei aus dem
Leben geschöpfte Erzählungen x. KaA,6icr| liebt den Euathlos u.
fleht zur Aphrodite. Da der Jüngling sie verschmäht, stürzt sie
sich vom Leucad. Felsen. 2. ' P a S i v d . Jungfrau von Samos mit
35 dem Tyrannen von Korinth wider Willen vermählt. Ihr Vetter
130 Vorlesungsaufzeichnungen

eilt ihr nach. Der Tyrann läßt beide tödten. 3. Daphnis der Hirt
am Ufer des Himeras: auf ihn fällt die Liebe einer Naiade. Die
Göttin legt ihm den Schwur auf keinem Weibe zu nahen u.
droht ihm mit dem Verlust der Augen. Als aber ihn die Königs-
5 tochter sah u. mit süßem Wein berauschte, vergaß er sich und
verlor sein Augenlicht. Blind stürzte er von einem Felsen herun-
ter. Verschieden ist die Sage die Theokrit in der 1 und 7 Idylle
zu Grunde legt. Die Griechen haben große Neigung zu solchen
traurigen Geschichten: dies ist ein romantischer Zug an ihnen.
10 Eigenthümlich ist noch, daß Stesichorus der erste ist, der fremde
Liebesgeschichten episch behandelte.
Quinctilian sagt X 1 , 62 „wie stark und mächtig der Geist des
Stesichorus gewesen sei, das bewiesen schon die Stoffe seiner
Gedichte, indem er epische Kämpfe und berühmte Heroen be-
15 sang und das Gewicht der epischen Dichtung auf seine Lyra
stützte. Denn er verleiht dabei den Charakteren im Handeln
und Reden die gebührende Würde und hätte er Maaß gehalten,
so hätte er sich wohl dem Homer an die Seite stellen können:
allein er tritt aus und strömt über: doch wenn das ein Tadel ist,
zo so ist es doch nur ein Fehler des Reichthums.

Die l e s b i s c h e D i c h t e r s c h u l e .
Ohne Antheil an der Formenentwicklung des Stesichorus, hält
sie den Standpunkt des Volksliedes fest, also tetrastichische oder
distichische Strophenform. Die Strophen meistens isometrisch.
2.5 Dabei zeigt sich eine Inconsequenz. In einer logaödischen Stro-
phe hängen häufig zwei Reihen durch Wortbrechung aneinan-
der, machen e i n e n Vers, wo beide Reihen in der Antistrophe z
Verse bilden. zB.

i^dvei Kai 7tÄ,aaiov ä8v cpcovei-


30 CTaq UJtCtKODEl
ÖTtnaxsaai 8' oöSev öpr)|x' ¿Tußpö-
(ieioi 8' aicouai
( D i e griechischen L y r i k e r ) 131

Spätere Dichter consequent: entweder zwei selbständige Verse,


erkennbar durch Hiat, syllaba anceps oder einer, erkennbar
durch Gestattung der Wortbrechung in allen Antistrophen, Fern-
haltung des Hiat u. der Syllaba anceps.
5 N i c h t verbinden sie gleich Archilochus u. Alcman eine R e i h e
des daktylischen Metrum mit einer des trochäisch-jambischen,
(die episynthetische Form) Dagegen Vorliebe für das logaödische
Metron.
Grundcharakter der E i n z e l g e s a n g , der subjektiv-lyrische Er-
10 guß, der Charakter der Scolienpoesie, eine Tischpoesie, enthal-
tend Tischgebete (7ipooi|xia), dann polit. Lieder axaaicoxiKd
Revolutionslieder dann e p c o x i K a u. CfDjj.7tOTi.KCi. Den Anfang
einer objektiven Richtung bilden die Brautlieder der Sappho.
Die Aeolier sind die Italiener der Griechen. Rücksichtslose Lei-
15 denschaft, glühende Genußsucht.
Die polit. Lage, das erbliche Königthum ist gestürzt, mächtige
Adelsparteien ringen um die Herrschaft: allmählich versöhnende
Vereinbarungen. Alcäus sieht 4 od. 5 Tyrannen ans Ruder kom-
men. Gegen alle hat er u. sein Bruder gekämpft. Auch den
20 letzten den weisen Pittakus als aiai)|Avf|TT|<; hat er gelästert: er
war nicht frei von Herrschaftsgelüsten. Wie Archilochus die
Poesie in das Privatleben, so er in das politische Leben. — 80
Jahre vor Theognis. Horaz sagt Carm. II 1 3 „die Schatten in
der Unterwelt horchen gedrängt, wenn Alkäus mit goldenem
25 Plektron voller tönend (plenius sonantem) die Schlachten und
die vertriebnen Tyrannen, die Leiden der Verbannung singt."
„Ein trotziger Krieger sang er unter den Waffen, wenn er das
umhergeworfne Schiff an das feuchte Ufer gebunden, den Diony-
sos die Musen die Aphrodite u. den immer an ihr hängenden
30 Knaben u. jenen Lykos, den schwarze Augen u. schwarzes Haar
schmückten." Ritterliche Übungen des Adels. Noble Passionen.
Man war auf Lesbos gewohnt stark zu zechen. Athen, p. 430
K ü t c t Tcäaav ropav Jtivoov Immer giebt es Veranlassung zu zechen
„der Frühling kommt mit seinen Blüthen herauf u. mischt mir
132 Vorlesungsaufzeichnungen

auf der Stelle den honigsüßen Wein in der Schaale." „Letze die
Zunge mit Wein, denn die Sonne steht am höchsten, die Luft
ist drückend, alles dürstet vor Hitze. In den Gebüschen schlägt
die Cikade, sie tönt hellen Laut mit ihren Flügeln u. sagt den
5 senkrechten Strahl des Lichtes an." „Zeus regnet, vom Himmel
stürmt es gewaltig, die Strömungen der Flüsse sind erstarrt. Wirf
den Winter nieder, zünde das Feuer an, mische unermeßlichen
honigsüßen Wein in den Kesseln und schiebe dir das weiche
Wollenkissen unter die Schläfen." usw.
io Mancherlei von seinen polit. Liedern ist erhalten, fr. 1 5
schildert die Vorbereitungen, um den Melanchros zu stürzen,
(zu einem nationalen Kampf gegen Athen?). Die Unternehmung
gelingt, neue Stürme, fr. 18 19 vergleicht die Lage des Staats
mit der des Schiffes auf wild bewegter See. „Der Wind ist in
15 wildem Aufruhr, hierher wälzt sich die eine Woge, die andre
dorthin. Wir treiben mit dem schwarzen Schiff in der Mitte,
vom schweren Sturm hart bedrängt. Schon hat das Wasser den
Fuß des Mastes erreicht, das Segel ist zerrissen u. hängt in
Fetzen und die Anker lassen nach." Die Regierung kommt in
20 die Hände des Myrsilos, gegen den nach Ale. selbst Melanchros
„ein der Achtung würdiger M a n n " war. Myrsilos wird erschla-
gen: „jetzt muß man sich berauschen, jetzt muß man im Über-
muth den Boden stampfen, da Myrsilos todt ist." Um diese Zeit
um 610 nahm Phrynon mit a t t i s c h e n Kolonisten Sigeion (auf
25 der Küste von Troas) den Mytilenäern weg. Diese kämpfen
unglücklich gegen die Athener. Mit diesem Krieg hat A. nichts
zu thun. Strabo interpolirt 1 3 , 599. Alcäus entrinnt, wie Archil.
dem Tode u. scherzt darüber (in dem Krieg des Pisistratus um
Troas). Schöne symbol. p. 750. Jetzt wird Pittakus zum Strategen
30 gemacht. Phrynon fordert diesen zum Zweikampf heraus u.
unterliegt. (Durch Perianders Entscheid bleibt Sigeion Mytilene.)
Großes Ansehn des Pittakus: Alcäus verspottet ihn, als einen
Gesellen, der im Finstern zu Abend esse (£09080 prciSav), nennt
ihn einen Schmutzfinken (aydauptov), einen Dickwanst (yd-
{ D i e griechischen L y r i k e r ) 133

CTipiOV, (pUCTKfflv), Plattfuß (%ipa7iöSr|v), der seine Beine hinter


sich herschleppe (crapärco8a)." Das Volk vertreibt den Adel u.
Alcäus wird flüchtig. Jetzt um sich gegen die Versuche der
Verbannten sicher zu stellen, macht man Pittakus zum König
5 und er bewährte sein Wort „die Herrschaft zeigt, was an dem
Mann ist." Er verstattet den Adligen die Rückkehr, auch dem
Alcäus mit dem Wort „Verzeihung sei besser als Bestrafung."
Alcäus hatte in Ägypten die Leiden der Verbannung kennenge-
lernt: er hatte gesagt, „Geld mache den Mann u. kein Dürftiger
10 sei geehrt. Armut sei ein unerträglich Übel u. ihre Schwester die
Rathlosigkeit."
Dichtungen in i o Büchern. Nicht sehr verbreitet des Dialek-
tes wegen Schol. Aristoph. Thesmoph. 169 oö y ä p ¿7i87iöA,a^8
t a 'AXicaioo 5ia tt|v SiaXeKiov. Aristophanes selbst läßt durch
15 Agathon den Schmelz u. sinnlichen Zauber seiner Dichtung
rühmen. Dionys, vet. script. cens. II 8 „Betrachte bei Alcäus das
Großartige die Kürze und das Liebliche gepaart mit Deutlich-
keit, so weit diese nicht durch den Dialekt beeinträchtigt wird:
u. vor allem den Ausdruck der Gesinnung in den politischen
2.0 Zuständen. Quinctil. X 63 „in seiner Sprache ist er großartig
kurz und treffend und meistens den Rednern ähnlich. Doch hat
er auch getändelt und sich zu Liebeshändeln verstanden, obwohl
er zum Ernsten geeigneter war." Charakteristisch sein Ausspruch
„das letzte was in dem Menschen altert, ist die Leidenschaft."
2.5 Die Lesbier haben ihm zu Ehren Münzen geprägt mit Pittakus
u. Alcaeus. Leidenschaft im Gesicht ausgedrückt Jahn Abhandl.
der sächs. Gesellsch der W. 1 8 6 1 .

Sappho.

Von Suidas auszugehen.


30 a) Eltern, Eancpö) Xi(iö)vo<; oi 8s Eövo|xivoo oi 8e 'Hepvyuou
oi 8s 'Eicputou oi 8e X r ^ o u oi Se Kdurovo«; oi 8e ' E x ä p x o u
oi Se SKajiav8pö)v6|xou, (xrixpog 8e KA.£i8ö<;
134 Vorlesungsaufzeichnungen

Von diesen Scamandronymos vorzüglich bezeugt, durch Hero-


dot. Für Kd|icovo<; ist nicht EKanoovoq zu schreiben aber zu
denken, Scamon ist dasselbe wie Scamandronymos. Alle Namen
mit tbvunoq haben Parallelbildungen um cov zB. 'AydGcav u.
5 'Aya0ö)vu^o<;. Also ein £icajidv8pft)v vorauszusetzen. N u n aber
vergl. man Namenverkürzungen wie BötK^cov für BaK%uXi8r|<;,
'Ejuktöi; für 'E7tiKTr|TO<;, 'AXe^dg für 'AA,e^av8po<;, so ist
parallel SKd(j.(öv und EicajidvSpcov. Der Name anderweitig als
lesbischer bezeugt. K d ^ © v nur eine Nebenform für Scamon
10 Nicand. Alexipharm. 484 t ö Kd(j.(ovo<; K a i ' evSeiav toC a ,
A,eyei 8e tov aKa|i|ia)via<; %vXöv.
Li|i(ovo<; keineswegs eine Korruptel von EKd|i.covo<;, sondern
dasselbe wie Ei|iö)vi8oi), wie es Eustathios bezeichnet. zB. 7ta-
poijiia. Ei|j.covo<; dpnaKTiKÄ-cepoi; bezüglich auf Ei|icovi8r|<;
15 ^upiKO«; oöxoi; JtpcÖTOt; Soicei — ypa\|/cu dcr^a (xictOoC. Eine
litterar-historische Genealogie wie Terpander Abkömmling des
Homer, Stesichoros des Hesiod Eumolpos Sohn des Musaeos
usw. Der Iambograph und Weibercharakteristiker Simonides,
der das Lob der Bienenfrau dichtete als Vater der Sappho
20 gedacht. Zweifel bleibt.
- Für Eiivo|iivou haben die besten Handschr. Eö|a.fivou das in
Ei>|if|A,ou zu ändern ist. Wie Anakreon den Eumelos zum Vater
hat, so auch Sappho. Ähnlich Stesichoros Sohn des Euphemos.
Tochter des 'Hspiyüou. Wichtig daß ihr Bruder Eupuyuio<;
25 heißt: offenbar derselbe Name. Nun giebt es einen lesbischen
Feldherrn Alexanders des Großen Eurygios, dessen Vater Lari-
chos heißt: Larichos heißt aber ein Bruder der Sappho. Nach
der bekannten Sitte dem Enkel den Großvaternamen zu geben
hat man rückwärts genealogisirt Erigyios Larichos Erigyios,
30 wodurch man zum Vater des Larichos u. der Sappho einen
Erigyios bekam. Auch solche Hülfsmittel kommen vor.
Z u dem 'EKpÖTOU vermuthet Schöne es sei der Name des
Archonten zufällig als Vatername verschrieben, nämlich EÖKpa-
totx; Nach Schönes Nachweisen muß die Sapphoepoche notiert
{ D i e griechischen L y r i k e r ) 135

sein zu den Archonten Simon u. Eucrates. daher die Namen der


Väter.
Die Mutter KX.SÍ*;. Nun aber heißt nach den Fragmenten
die Tochter der Sappho KA,ei<; so daß auch dies viell. nur
5 Combination ist.
Nach den Untersuchungen A Schönes ist Sappho geboren
um die 42te Olymp., in der 47ten verließ sie Lesbos und ging
nach Sicilien dh. in ihrem 20. Jahr aus polit. Gründen. Aus
adlichem Geschlecht nahm sie eine hervorragende Stellung in
10 Mytilene ein. Sie war vermählt mit Kercylas aus Andros u. hatte
von ihm die KA,t|iq. schön u. innig von ihr geliebt:

Traun, ein schönes Kind erblüht mir wie Güldenblümlein


prangend in der Anmuth Reiz, meine holde Kleis
die ich nimmer um ganz Lydien, nimmer um das schöne
15 Lesbos gäbe.

Strabo sagt „zu gleicher Zeit mit Alcäus hat die Sappho geblüht
ein erstaunliches Wunder: denn so lange die Welt steht, hat
man nicht gehört daß ein Weib aufgestanden sei, welches an
Schönheit ihrer Dichtung auch nur im Entferntesten mit ihr sich
2.0 hätte messen können." | Überall psychologische Räthsel. Wie
Ibykos u. Anakreon für schöne Knaben, so hat sie für schöne
Mädchen und Frauen geschwärmt. Möglichst günstig vergleicht
Maximus Tyrius sie mit Sócrates: was jenem Alcibiades Phädros
Charmides war, das sind ihr eine Atthis, Gyrinno Anactoria.
15 Aber der feine Sinn verbürgt uns daß sie wie Sócrates immer
nur den schönen Leib als das Gefäß der schönen Seele geliebt
habe. Dieser feine Sinn offenbart sich im Verhältniß zu Alcäus,
der zu ihr sagt: „du Veilchenhaar, süßlächelnde reine Sappho,
ich möchte gern was sagen, allein mich hindert die Scham." Sie
30 erwiedert: „War dein Begehren löblich und tugendhaft und
rührte nicht die Lippe was schlimmes ein, so färbte kein Scham-
roth die Wangen, sondern du sprächest heraus das Rechte."
Hier wird sie á y v á genannt: was stark zu betonen ist. Die
136 Vorlesungsaufzeichnungen

Geschichte von Aristoteles überliefert. Wäre sie wollüstig gewe-


sen, so würde sie nicht zu dem jüngeren Freier gesagt haben:
„Aber weil du mich liebst, wähl' eine Braut jüngeren Alters:
denn deine Gattin zu sein, älter bereits habe ich nicht den
s Muth."
Für die grotesken Erfindungen sind verantwortlich zu ma-
chen die Komiker und die Lokalmythen, letztere von Th. Kock
und O. Müller in der Geschichte mit Phaon. Sprung vom Leuc.
Felsen. Hier ist ein dem apollinischen verwandter Lokalmythus,
10 dessen Grundgedanke die vergebliche Mühe zu der immer flie-
henden Lichtgottheit <zu kommen). Kock Alcäus u. Sappho
ein populärer Vortrag. Sie sammelte um sich einen Kreis (ein
Pensionat) von Mädchen u. Frauen, Bernhardy „litterarischer
Salon" denn einzelne von ihnen scheinen auch Dichterinnen
15 zu sein. Ihr Haus ist (lOiaoitoA-cov /^oucia nach fr. 136, ein
„Musenhof." Damophila. Erinna, 'HA,aKCtTT| Gedanken beim
Spinnen f 19 Jahre. Sappho von einem Vorurtheil gereinigt
Welcker Göttingen 1 8 1 6 ist an ihr zum Ritter geworden. Rhein.
M . X V I I I 2 4 1 . Er faßt ihr JtaGog als eine romantische Schwärme-
2.0 rei. Sokrates pries sie als seine Lehrerin in der Liebe. Höchste
Bewunderung (Zehnte Muse) im Alterthum. Solon wollte nicht
sterben, ehe er nicht ein Lied der S. gelernt habe. Mytileneer
prägen Münzen.
Die attische Komödie verbreitete eine andre Anschauung. Der
25 ideale Blaustrumpf wurde in ihr gegeißelt in den zahlreichen
Litteraturkomödien. zB. Phaon, Doppelgänger des Adonis, ein
armer Fährmann ist, da er die verkleidete Aphrodite umsonst
übergesetzt hat, mit wunderbarer Schönheit begabt worden, so
daß er sich vor den Frauen nicht zu retten weiß. Diesem Zauber
30 erliegt auch Sappho u. stürzt sich vom Leucad. Felsen. Es
herrschte der eigenthüml. Sühngebrauch, einen Verbrecher als
Sündenbock fürs ganze Volk hinabzustürzen. Sprichwörtliche
Redensart von einem, der sich von Liebeswuth um jeden Preis,
auch mit Gefahr des Lebens rein waschen will. Man machte
<Die griechischen Lyriker) 137

in diesen Komödien den Archilochus den Hipponax den Ana-


creon zu Liebhabern der Sappho. Am ärgsten die frivole 15
Heroide Ovids. | Andere Grammatiker erfanden eine z w e i t e
Sappho eine lesb. Hetäre. Didymus, an Sappho publica fuerit.
Um sie uns näher zu bringen, müssen wir an die weichen Töne
des deutschen Volksliedes denken
zB. der Mond und die Siebensterne
sind unter u. Mitternacht ist's;
Vorüber ist schon die Stunde
Und ich bin einsam, allein.
Lieb Mütterlein, es läßt mir
Am Webstuhl keine Ruhe:
Es treibt mich Lieb und Sehnsucht
Hinaus zum schlanken Knaben.
Oder „es plätschert
durch die Quittenzweige das heilige kühle
Wasser und beim Beben der Blätter fließt
Schlummer hernieder.
Oder „gleich wie der Honigapfel sich röthet am obersten Aste
oben am obersten Aste, den die Apfelpflücker vergaßen,
nein doch, nicht vergaßen, nur nicht zu erreichen ver-
mochten.
9 (nach der Musenzahl) Bücher gab es von ihren Dichtungen. |
Die Fragmente sind zuerst gesammelt von Neue Berlin 1817. |
die Bücher getheilt nach den Versmaßen: nur die 8TU0aX.á|Xia
bilden ein besonderes Buch.

Ibykus.
Überall ó 'Ptiyívoq genannt: in Rhegium herrschte das edle
Geschlecht der eingewanderten Messenier: sein Vater IIoX,ú£r|-
Ä.o<; wird als Messenier ausdrücklich bezeichnet: also von ad-
138 Vorlesungsaufzeichnungen

licher Geburt. Nach andern hieß der Vater Ouxvo<;, nach andern
KspSai;. (wegen des Gewinns der Citharoden) Schneidewin
meinte, Polyzelos der Geschichtsschreiber sei ein Vorfahr gewe-
sen u. werde als Geschichtsschr. bezeichnet, weil Ibykos auch
5 geschichtl. Dinge erzählt habe. Dies ist lahm: wenn man vom
Dichter rückwärts einen Vorfahren zum Litteraten macht, so
doch jedenfalls wieder zum Dichter. Vielleicht nach Welcker nur
Versehn: der Vater des Rheginen Hippys (in Hippicus häufig
verschrieben) ist Polyzelos gewesen.
10 Berühmt die Sage von seinem Tode: a i 'IßÖKOi) y e p a v o i .
Ein abergläubisches Gemüth konnte in dem Schreien der Vögel
zu hören glauben, daß sie wegen einer gesehenen Unthat so
schreien. Dieselbe Geschichte knüpft sich an an andre Namen.
Iambl. in vit. Pyth. c. 27 erzählt von Seefahrern, die von den
15 Reisegenossen unterwegs ins Meer gestürzt werden dasselbe.
Die Mörder saßen zu Croton im Theater u. als Kraniche darüber
hinflogen sagt der eine „Siehst du die Zeugen?" Ein Pythagoreer
hört dies. Der Gemordete wenn er um Rache schrie war ein
i'ßuKog ein Schreier u. die Kraniche waren dann oi TOÜ ißöicou
20 8 v 5 i k o i . Eine alte bedeutsame Wundersage ist auf ihn übertra-
gen: die Wahrheit daß das Auge der Gottheit nie schlummert.
Gar kein historischer Grund.
Ibykus kam nach Samos wo Polycrates herrschte, von Rhegium
aus, Ol. 54, sagt Suidas. Er hinterließ 7 Bücher Gesänge. Als
2.5 das Charakteristikum des Dichters wird der e r o t i s c h e Ton
bezeichnet. Cic. Tuscul. IV 33 maxime vero omnium flagrasse
amore Rheginum Ibykum apparet ex scriptis. Natürlich ist das
Urtheil nur aus den Gedichten: eine andre persönl. Tradition
gab es nicht. Dies war der Grund zu einer geistvollen Hypothese
30 Welckers Kl. Schrift. I 22,8 ss. Pindar sagt Isthm. II. Vor Zeiten,
wenn Dichter im Wagen goldberingter Musen aufstiegen und
zum hehren Tonspiel griffen, so war ihres honigsüßen Lieds
Zielscheibe ein Knabe, welcher begabt mit der schönen Jugend-
reife Fürsten stolzer Liebeshuld Verlangen weckte. Da war ja
{ D i e griechischen L y r i k e r ) 139

die Muse noch nicht geldgierig, wurde nicht Terpsichorens


Honigmund versilbert: sie pflegte noch nicht ihren anmuthsvol-
len reizend-schönen Gesang zu verwerthen" Terpsichore deutet
jedenfalls chorische Poesie an. Pindar setzt im Gegensatz zu den
5 Epinikien seiner Zeit, die oft verschoben wurden, die 7tcu8eioi)<;
u^vou«;, welche die alten Dichter rasch zum Ziel entsandten.
Dies scheint sich einzig auf den Ibykus zu beziehn. Die Chöre
setzen Feste voraus, veranstaltet nicht von dem Dichter, sondern
von Gesellschaften zu Ehren glänzender Jugendschönheit, nicht
10 einem, sondern vielen gebracht nach Zeit und Umständen: der
Dichter der wandernde Citharöde hatte sie zu preisen nach
erhaltener Aufforderung mit Entzücken athmender Poesie. Aber
rasch und bereitwillig machten die für Schönheit begeisterten
Dichter diese Lieder und stimmten den allgemeinen Ton der
15 Verliebtheit an. Er der e r s t e , der die Formen der chorischen
Lyrik auf das Gelegenheitsgedicht übertrug.
Also charakteristisch eine eigenthümliche Verschmelzung von
Kunst und Gefühl: die Sonderung des rein Subjektiven unmög-
lich. Ähnlich bei Simonides: wir hören nicht daß er tiefer als
20 ein andrer betrübt gewesen sei, obwohl nichts maestius lacrimis
Simonideis. Chöre sind nicht Sache des Dichters, sondern einer
Stadt, einer Genossenschaft, eines großen Geschlechts; und
wenn Ib. ein- oder mehrmal selbst eine Chorfeier zu veranstalten
der Mann war, so ist es unglaublich daß er 7 Bücher Chorlieder
25 geschrieben u. zu jedem Lied und jedem neuen Geliebten Chor-
tänzer gefunden habe, bereitwillig immer nur für ihn einzutre-
ten. Wir wissen von keinem 0pfjvo<; in dem Pindar oder Bacchy-
lides eigne Verwandte betrauert.
Gelegenheiten mußten auch besonders die Schönheitsspiele KaX-
30 X i a t e i a geben, wie bei den Eleern. Der Preis bestand in Waffen,
die der Sieger im Tempel der Athene weihte. Dahin wurde der
Sieger im Zuge geleitet. Bei dem Siegesmahl wurde ein Feierlied
angestimmt, die Huldigungen der entzückten Freunde. Nach
einem Fr. des Ibykus werden Myrthen u. Lilien goldne Ringe
140 Vorlesungsaufzeichnungen

Äpfel und Rosen u. zarter Lorbeer ihm zugeworfen: (pü?iX,oßo-

„Diese ganze Vorstellung macht rein und würdig, sagt Bern-


hardy, was selbst dem Alterthum grob u. grell erschien." In den
beiden Hauptfragmenten glaubt man das Gefühl des Dichters
wahrzunehmen. „Siehe es winken im Lenze kydonische Äpfel,
gewässert vom Bachesgeriesel im feuchten Hag, w o in dem
Jungfraungarten die quellenden Knospen entkeimen den schatti-
gen Weinstockreben, aber die Liebe, sie rastet mir zu keiner
Zeit, sondern dem thrakischen Nordwind gleich, der an dem
Blitz sich entzündet, stürmt sie so dunkel im heißen Gerase
daher von der Cypris, sie packt, macht das Gemüth mir zucken
im Krampf, mit wunderbarer Gewalt betäubend. Und es blickt
die Liebe mich wiederum an aus den dunkeln Augen mit schmel-
zendem Blick und zieht durch mancherlei Zauber und Reiz mich
hinein in die Netze der Cypris. Ach sie schreitet heran und ich
zittere schon, gleichwie ein früher mit Kränzen geziertes Roß,
an der Schwelle des Alters bereits, Ungern mit dem hurtigen
Wagen den Wettlauf wagt."
Ibyci carm. rell. ed. Schneidewin Gött. 1833. dazu Hermann
Jahns Jb. 1833 p. 3 7 1 . Welcker kl. Sehr. 1 . p. 2.2.0 ss.

Anacreon.

Aus Teos in Ionien, verließ bei der Occupation der Perser


seine Vaterstadt und zog nach Abdera: später hielt er sich als
Lehrer hinberufen am Hofe des Polycrates auf: nachher fand er
gastliche Aufnahme in Athen: auch mit Thessal. Fürsten scheint
er verkehrt zu haben. Im Alter von 85 Jahren starb er: Teos
ehrte ihn durch Münzen, Athen durch ein Standbild auf der
Akropolis. Er besaß im Leben die Virtuosität, weltmännische
Bildung, geistige Unabhängigkeit zu vereinigen. Er gehört nicht
zu den bahnbrechenden kämpfenden Naturen: solche Naturen
sind schöne Haltpunkte im Entwicklungsgange der Kunst. Alles
(Die griechischen Lyriker) 141

ist fertig, glatt, zu Ende geboren. Im Gegensatz zu Ibykos liegt


eine verklärende Ruhe und Heiterkeit auch auf den erotisch-
sympotischen Gedichten: der Ton der Leidenschaft fehlt: es ist
die Stimmung des Herbstes, und darum haben die Griechen ihn
sich immer als G r e i s vorgestellt. Die Grammatiker theilten
seine Gedichte in 5 Bücher, nach den Metris. 2, ¿ k S o g e i c ; nach
Hephaestion. (Hymnen Erotika Paroenien Iamben Elegien Epi-
gramme) Metrisch schließt er sich an die lesbischen Dichter an.
Später blieb ein solches Temperament räthselhaft, wie das der
Sappho. Didymus (Senec. £p. 88) erwog, libidinosior Anacreon
an ebriosior vixerit) In dem Spiel mit der Lebenslust durch ein
langes Leben offenbart sich ein hoher Grad von Objektivität fr.
89 ep© xe 8 t | ü t e KOÖK epö) K a i |iaivo|iai k o ü n a i v o n a i . Die
elastische leichtfertig-mäßige Natur (grata neglegentia) des Io-
nier<s> in ihrer Idealität: etwa wie wir uns das Temperament
Mozart's denken. Göthe:

Wo die Rose hier blüht, w o Reben um Lorbeer sich schlin-


gen,
Wo das Turtelchen lockt, w o sich das Grillchen ergötzt,
Welch ein Grab ist hier, das alle Götter mit Leben
Schön bepflanzt und beziert? Es ist Anakreons Ruh.
Frühling Sommer und Herbst genoß der glückliche Dichter
Vor dem Winter hat ihn endlich der Hügel geschützt. 3

Einige Bruchstücke: Ich hasse wahrlich alle die Menschen mit


plumpem Rhythmos, alle Knarrenden: dich, o Megistes habe
ich sanft und stille gefunden. „Wie ein Rehkälblein so still, das
noch gesäugt wird, wenn's im Walde von der hochhörnigen
Mutter sich verlassen weiß, erschricket." Ei wohlan Knabe, so
bring her einen Krug, um vorzutrinken So in vollen Zügen; zehn
Theile des Wassers misch und fünfe von dem Wein, so daß

3
Zwei schöne Epigramme von Simmias von Rhodos Anthol. Pal. VII 24.
2-5-
142 Vorlesungsaufzeichnungen

ich wieder ohne Rohheit trunken schwärme." Schönes Fohlen,


Thrakerkind, was schaust du mich mit scheelem Blicke an,
fliehst mich unbarmherzig, meinst ich sei ganz ungeschickt?
Wisse nur ich kann den Z a u m dir allerliebst anlegen, kann dich
5 mit dem Zügel wacker drillen auf und ab die Rennerbahn. Jetzt
spielst du wohl noch hüpfend auf der Wiese leicht und fröhlich,
weil du noch zur Leine keinen recht geschickten Lenker hast."
Sein Name verschmilzt allmählich mit dem Begriff der eroti-
schen Poesie. Die phantastischen Spiele seiner Anhänger auf
10 seinen Namen übertragen verdunkeln allmählich sein Bild. Seine
echten Gedichte werden vergessen. Eine Sammlung von 59 klei-
nen Gedichten ist uns erhalten in einer Hdschr. des zehnten Jhd.
jetzt in Paris, vergl. Val. Rose 1868. Z u Grunde liegt die häßliche
Vorstellung eines vom Alter entkräfteten Greises, der nicht
15 aufhört von Wein Rosen Mädchen u. Eros u. Bathyll zu singen.
Geschmückte Prosa, nichts mehr; gleichförmig langweilige Me-
trik. Der früheste Gewährsmann ist Gellius. versiculi lepidissimi
Anacr. senis. Die Regel der bessern Gedichte von G. Hermann
in den El. doct. II 39 nachgewiesen. Hephaestion u. Clemens u.
20 Hippolytos geben einige Stücke, als ältere Zeugen. Gaza der
Sitz rhetorischer Studien, wird nach bestimmten Notiz<en>
als die Heimat der Anacreontiker bezeichnet. 'AvaKpeövTSia
aD(i7toxtKä Kai f|niä(ißia.
Anacr. rell. Th. Bergk 1834.

25 Das Pindarische Zeitalter.

Hier ist die letzte Entwicklung für die Formen der lyrischen
Poesie: ihr macht Lasus von Hermione <(...:) er macht die
Polyphonie der Begleitung zum Gesetz. Anfänge bei Archilo-
chus. Sodann führt er neue rhythmische Formen ein, nicht etwa
30 neue metrische yevt| oder ei8r|. Die L o g a ö d e n aber zeigen von
ihm ab die größte Verschiedenheit von den Logaöden der Lesbier
des Alkman u. Stesichorus: größte Freiheit der Auflösung, wech-
{ D i e griechischen L y r i k e r ) 143

selnde Stellung der daktyl. Takte in den logaödischen Reihen.


Bei Simonides walten die Logaoeden vor.
Für die sämmt. Lyriker der Perserkriege herrscht e i n Gesetz der
metr. Bildung. Pindar hat nicht den Anspruch auf den R u h m ein
5 originaler R h y t h m o p o i o s zu sein. Die trichotomische Gliederung
des Stesichorus festgehalten (Str. Ant. Ep.) Der Inhalt gruppirt
nach der Terpandr. 5 Theilung. Fremdartig der M a n g e l an
Übereinstimmung zwisch. den Abschnitten des R h y t h m o s u.
des Gedankens. Nicht einmal das Ende einer Strophe fällt mit
10 Satzende zusammen. E t w a s Ähnliches zeigen die Dichtungen
der Sappho u. des Alcäus.
Die H a u p t f o r m e n (p. 7. [= S. 108 —109]) der Lyrik in ihrem
Höhepunkte.
Proclus chrestom. c. 8 ap. Phot. p. 3 1 9 ss. (Script, metr. G r a e c .
15 Westphal Teubn. p. 2.43) Im Ganzen zweifelhafte Scheidungen.
Apollonios 6 eiSoypacpoc; w i r d genannt. D i d y m u s hat sich damit
beschäftigt Schmidt p. 386.
H y m n u s ein weiter Begriff. Alles auf die Götter gesungne,
Einzelarten davon: Prosodien Enkomien Päane
2.0 Im engeren Sinne Preisgesänge und Gebete Plat. legg. III p. 700
ei)%ai npÖ£ 080VC,. Z u m Wesen des H y m n . gehört es n i c h t ,
daß sie bloß von Cithara begleitet u. stehend gesungen wurden.
Ein H . den ein C h o r bei der Prozession zum Tempel zu
singen hatte, heißt T i p o a ö S i o v . 7 t a p 0 e v i a wenn J u n g f r a u n
25 in Procession ziehn. Beide mit Flöten begleitet. Die 8 a c p v r | ( p o -
piKÖt sind eine Spielart der JtapGevia: in Böotien. Beschreibung
p. 247 West.
P ä a n e . rcaidv „ H e i l a n d " Aesch. A g a m . 99 rcaicov xe yevoß
x f i a ö e |ispi|XVT|<;. Als Gesang eine kurze Gebetsformel, so beim
30 Beginn der Schlacht, der Schiffahrt der Mahlzeit, dann am
glücklichen Ende zB. bei der Landung, beim Siege. Achill der
Hektors Leiche nach den Schiffen schleppt, fordert die Krieger
auf einen Päan zu singen. Der Päan entgegengesetzt den J a m m e r -
tönen Eurip. Iphig Taur. 1 7 5 8ixct Ttcuävcov. In der N o t h ist es
144 Vorlesungsaufzeichnungen

kein W e h s c h r e i , sondern ein Hülfsschrei zB. im erst<en> Chor


des Oed. rex natdtv xe Xd(i7iei a x o v ö e a a a xe yfipuc, ö^auXog
(entgegengesetzt) ib. 5 nöXiq ye|aei — 6|j.oC Ttaiavcov te Kai
a T E v a y | i < X T ö ) v . (if|ie AaJue Ilaidv) Ausdrücke wie Päane für
5 die Todtengötter, Päan der Erinyen sind schmerzvolle Ironien.
Päan dreimal als Tischgebet Anfang Mitte Schluß der Mahlzeit
(bei Theognis v. 1 ss.) 1) Zeus u. den himml. Göttern 2) den
Heroen 3) dem Zeus Soter gesungen von unschuldigen Kindern.
Die Grammat. meinen, ursprünglich gehöre er dem Apoll.
10 Päane die von Chören mit Orchestik aufgeführt wurden hießen
Ö J t o p x i i ^ a x a . Encomien sind Paeane als Jubelrufe nach ge-
wonnenem Sieg, Hymenäen als Segensrufe beim Antritt der Ehe.
Hyporchemata von Lucian de saltat. c. 16 beschrieben „In
Delos kamen Knabenchöre zusammen und während beim Klang
15 der Flöte und der Cithara die einen im Chor sangen, sah man
die besten u. auserwählten von ihnen dazu tanzen. Darum
heißen die Texte, welche für solche Chöre verfaßt waren
i)7top%f)nata." Interessant Plutarch Symp. IX 15 „Überhaupt
kann man das Wort des Simonides auf den Tanz übertragen
20 und denselben eine stumme Dichtung nennen, so wie die Dich-
tung einen redenden Tanz. Darum kann man nicht sagen, daß
es eine Malerei der Dichtkunst gäbe noch eine Dichtkunst der
Malerei; denn sie brauchen einander gar nicht. Aber Tanzkunst
u. Dichtkunst haben unter einander gleiche Gemeinschaft und
25 besonders bringen sie in der Gattung der Hyporchemen beide
vereinigt eine plastische Darstellung zu Wege vermittelst Worten
und Geberden. Man möchte die Dichtung den Umrissen in
der Malerei vergleichen, durch welche die Gestalten begrenzt
werden, die Pantomimik aber den Farben. Beweise sind des
30 Simonides eigne gelungenste Hyporchemen, in denen er seinen
Ausspruch am schönsten bestätigt, daß nämlich die beiden Kün-
ste einander brauchen. Beinahe unwillkürlich setzen solcherlei
Gedichte Hände und Füße in tänzerische Stellung, ja sie zucken
wie mit Schnüren an allen Gelenken des Körpers und spannen
<(Die griechischen Lyriker) 145

sie an, indem man bei ihrem Vortrage unmöglich ruhig bleiben
kann."
Solche Hyporchemen wurden immer nur im Auftrage des
Staats gedichtet, zur Feier zB. der spartanischen Gymnopädien.
5 Thaletas aus Creta gilt als Erfinder der Gattung. Die kretischen
Päane (Hyporch.) kennt schon der Verf des Hymn. auf Apoll.
517. Pindar hat seine Hyporchemen für Sparta geschrieben.
Pratinas war berühmt als Hyporchemendichter: ob diese wohl
von dem Satyrdrama verschieden waren? Dann müssen sie wie-
10 der mit dem Dithyramb verwandt sein. Plut. de E ap. Delphos
c. 9 sagt, das ganze Jahr sang man Päane oder Dithyramben,
in der schönen Jahreszeit Päane, in der schlimmen Dithyramben.
Threnen. Die alte volksthümliche Weise des öpfivoq scheidet
die Klage des Chors u. der Einzelsänger Ii. 24, 718 ss. Diese
15 Scheidung findet sich noch in dem 9pfjvo<; der Tragödie (techni-
scher Ausdruck KOWI6<;) Arist. K0|X|XÖ<; 8B 0pf)vog KOivöq
pou Kai &7iö CJKrivfii;. Anders bei Pindar u. Simon.
Das EJiiKf|8eiov bezieht sich nur auf den Akt der Bestattung
selbst. Der Bpfjvoi; kann viele Jahre nachher stattfinden: am
20 Todtentage, am Feste aller Seelen. Die Trauergesänge wurden
von Flöten begleitet: als Päane für die Todten. Am berühmtesten
die Cea naenia (Simonides) Danaebruchst. Dionysius sagt Pindar
HeyaX,ojtpejtröq, Simonides 7ta0r|TIK(D<; oiKii^exai.
Epinikien. o ¿JciviKO«; (sc i)|AVO<;) diese Gattung kam nicht
25 lange vor Pindar auf. Früher begnügte man sich mit altherge-
brachten Liedern zB. xf|veXXa KaMiviKE. Die Alten waren mit
ihrem Lobe karg. Verschiedne Gelegenheiten 1. nach errungnem
Siege beim Gelage (KCC>^O<;) daher EYKIB^tov ,Toast' 2. bei der
Heimkehr des Siegers in die Vaterstadt. 3. Zur Erinnerung an
30 früheren Sieg. Der Dichter deutet dem Gefeierten sein Geschick.
Mythen eingeflochten: Geschlecht und Vaterstadt verherrlicht:
die besondern Umstände des Siegs.
146 Vorlesungsaufzeichnungen

D i t h y r a m b u s . Ursprünglich der Ausdruck des weintrunke-


nen Sichbehagens, des berauschten Optimismus, mit Tanz Mi-
mik und Improvisation Sein Kern ein Mimus, in dem Figuren
aus dem Gefolge des Dionys ihr Unwesen trieben: Geschichte
5 des Gottes: rauschende Flötenmusik. Die Feier des Bacchus hat
etwas Ekstatisches: man begehrte Erschütterung, dies ist die
Quelle der Tragödie und der Komödie (Begriff unseres Lustspiels
fernzuhalten: das Reich der lächerlichen Wunder, während die
Tragödie das Reich der schrecklichen Wunder ist) | Der Dithy-
io rambus ist das Gegenstück zum Paean: dies sagt gut Plut. üb.
das et in Delphi p. 389 „dithyrambische Lieder voll Leidenschaf-
ten und Wandlung mit einer Art von Umherschweifung u. Zer-
streuung: der Päan dagegen ein ordnungsvoller u. sittsamer
Gesang. Dionys, theilt man zu eine mit Scherz u. Übermuth
15 Ernst und Wahnsinn gemischte Laune" Bei Tisch singt man
beim Beginn wie Philochorus Athen, p. 628 F sagt Päane dem
Apollo mit sittsamer Ruhe, später vom Wein erregt Dithyram-
ben dem Dionys. Proclos sagt Chrest. p. 523 „der Dithyramb
ist aus den ländlichen Späßen und Lustigkeiten beim Zechen
20 entstanden — er ist aufgeregt und enthält viel Begeisterung
sammt Tanz, indem er die dem Gott entsprechenden Empfindun-
gen hervorruft." Davon ist nun der offizielle Staatskult zu unter-
scheiden: in Athen fanden die Dithyramben statt an den Lenäen
u. den großen Dionysien (Mitte Januar bis Mitte April). Lehr-
25 reich die Epigramme des Simonides n. 1 5 0 Bergk „ G a r oft haben
in den Chören der akamantischen Z u n f t die dionysischen Hören
aufgejubelt in epheubekränzten Dithyramben und mit Binden
und Rosenblüthen weiser Männer Locken beschattet, welche
diesen Dreifuß sich als Zeugen ihrer bacchischen Wettkämpfe
30 setzten. Antigenes lehrte die Männer des Chors und schön
pflegte ihre liebliche Stimme Aristón von Argos, süßen Hauch
von reiner dorischer Flöte strömend. Ihres wohltönigen Rundge-
sangs Ausstatter war Hipponikos Struthons Sohn, vom Wagen
der Grazien getragen." n. 148. Archon der Athener war Adei-
{ D i e griechischen L y r i k e r ) 147

mantos als die Antiochische Zunft den kunstreichen Dreifuß


gewann. Des Xenophilos wackrer Sohn Aristides führte den
Hübsches lernenden Chor von 50 Männern: für die Dichtung
(8i8aCTKaX.ia) erntete der 80jährige Simonides R u h m . " Unter-
5 schieden werden der 8 i 8 a a K a A , o c ; (Lehrer und Dichter), der
Flötenspieler und der xopr|y6<; (der die Summe bestreitet.) Der
Chor von 50 Männern: KÜK^ioq genannt. Ehemals glaubte man,
er sei rund um den Altar gestellt worden: dies paßt nicht für
einen orgiastischen Kreis von Männern. Arion ist der Erfinder:
1 0 Aristoteles sagt ö < ; Ttproxoq x ö v k u k ä a o v r j y a y e x ° p ö v . Suidas

erläutert Xeyszai K a i x p a y i K o ß xporcou s u p e i f n ; y e v e a ö a i K a i


Tipanog x ° p ö v a x f j a a t K a i Siööpaußov S a a t K a i ö v o n a a a i xö
aSöjievov w t ö x o ß x o p o ß K a i Eaxöpoix; e i a e v e y K e i v e | a ^ e i p a
A , e y o v x a < ; . Arion gab dem Chor einen festen Platz, schied die

15 Gesänge des Chors von den dramat. Rollen der Satyrn (Vorspiel
der Tragödie) das ganze hieß ihm ein Dithyrambus, der Stil
x p a y i K Ö i ; xporcoc;. Der Chor sang antistrophisch, wie Aristot.

probl. X I X 1 5 sagt: k i j k A , i o < ; heißt eben „Rundgesang": bei den


Alten war der Dithyramb wie Dionys, v. Halic. de comp. c. 19
2 0 sagt noch ganz x e x a y | i £ V O < ; Die strophische Form ist nach

Aristot. nöthig, weil eine Masse nicht d y a m c m K c c x ; aSsiv kann:


sie muß einfache Lieder singen. Der einzelne Wettkämpfer könne
leichter allerlei Übergänge machen. Später sei der Dithyramb
dramatisch geworden u. habe keine Strophe und Gegenstrophe
2.5 mehr." Dies darf nicht irreführen. Es bezieht sich auf die jüng-
sten Dithyrambiker wie Philoxenos im Cyclops: der Dichter trat
hier als liebeskranker Polyphem auf mit einem Ranzen um die
Schulter und einer Cithara in der Hand, um der Galatea ein
Ständchen zu bringen: er hatte einen Chor von Ziegen u. Böcken
30 bei sich, den er ermahnte fleißig zu blocken (Olymp. 95, Zeit
des peloponn. Kriegs) Timotheus Phrynis Zeitgenossen. Der
Dithyramb hat sich z w e i m a l zum Drama entwickelt: aber
neben dem fertig gewordnen Drama blieb der Dithyramb in
seiner ältern Form stehen.
148 Vorlesungsaufzeichnungen

Es sind Frühlingslieder (Pind. fr. 45.): die Geburt des Dithyramb


ist die durch Stürme und launenhaften Wechsel der Witterung
vorbereitete Wiederkehr der bessern Jahreszeit: März und April-
wetter (der Teufel bleicht di. sonnt und begießt seine Großmut-
5 ter.) Dies deutet nach Härtung erst der Name an: 81 aus 8u
wie in 8ujtexr|<; SuitoXia Diupiter. öupaßoq Nebenform für
Böpußo«;, xupßri hieß das Dionysosfest in Argos, x u p ß a a i a der
dithyramb. Tanz, ai)pßT]VT]<; %opö<; ein lärmender Chor. Also
„Wettersturm" Witterungsunordnung u. — Geräusch. Wesen des
10 Dionys in der Veränderung u. Umsetzung (Apollo alles Geregelte
und bleibende) Darum Vater der berauschenden Getränke da er
im Geiste Unordnung schafft. Die Ansichten der alten öeoXöyoi
bei Plut. de EI ap. D. p. 389. Härtung. Das wäre ja ein Zeusfest.
Neuere leiten es von xixupiaußoq „Bocksjambus" <ab,> xixupo«;
15 adxupoi; Bock: aber der wunderliche Übergang der T-laute: was
hat der i'a|xßo<; zu thun. Mit 81 zweimal hat er nichts zu thun
Bernhardy sucht den Ursprung in Asien. Die Namenvariante
nützt nichts 8i66pa|i(po<; auf einem Vasenbilde. Welcker alte
Denkmäler III p. 1 2 5 . Dagegen sprechen die verwandten Formen
2.0 Opiajißoq CiaK%e 0pianße: dann i8u|xßoi erci Aiovuaö) Pollux
IV 104.
Die S c o l i e n . Wenn nach dem Tafelpäan ein Gast ein beson-
dres Lied vortrug, so nannte man dies ein 0k6A,iov od. 7tapoi-
viov. Man reichte dem betreffenden Gaste die Cithar. samt
25 einem Myrthenzweige (aiacncoq) Plutarch Symp. I, 1 , 5 sagt:
„der Gebildete nahm die Lyra und sang, der Ungebildete lehnte
sie ab, deshalb ctköXiov, weil es nicht leicht u. jedermanns
Sache war." In den 8aixaA.£V<; des Aristoph. wird ein modisch
gebildeter Jüngling vom Vater aufgefordert zu singen öcaov 8f|
30 jioi ctköX,vöv xi A,aßd)v 'Atacaiou k ' 'AvaKpeovxog. Jedes Lied
eines Lyrikers, Epikers Dramatikers hieß bei dieser Gelegenheit
ein ctköA.iov. Besonders beliebt das Witzspiel, verschiedne Verse
verschiedne Gedichte an einander zu knüpfen. Erinnerung im
{Die griechischen Lyriker) 149

dy(bv ' H a . Die Alten erklären sie auch als „im Zickzack gege-
ben". Eustathius Odyss. p. 276 kennt 3 Arten: spottende ver-
liebte ernste. Anakreon u. Alkäus dichteten wohl nie Scolien:
die Griechen dichten nur zu bestimmtem Zweck Gelegenheits-
5 dichtung im strengsten Sinn.

Simonides.

Im Epigramm 185 sagt er, „der Sohn des Leoprepes habe im


80 J unter dem Archonten Adamantos (476) zu Athen gesiegt.
Also geb. 556, auf Insel Keos (nahe bei Attika) daher ö Keio<;.
10 Er war aus einer Künstler-Familie, sein Großvater Musiker u.
Dichter, ein Schwestersohn war Bacchylides. Er selbst war in
der Stadt Karthäa auf Keos xopo8i5acncaX.o<;, sein Aufenthalt
das x ° P a Y e i ° v beim Tempel des Apoll; also dasselbe Amt,
welches Stesichoros hatte. Er starb nahe 90 Jahr alt. Er war
15 nicht schön, denn Themist. lachte, als er sich porträtiren ließ.
In seinen jüngern Jahren lebt er am Hof des Pisistr^atiden)
H i p p a r c h (Hipp. p. 228), er leitete kykl. Spiele, Lasus sein
Nebenbuhler (Arist. vesp. 1450).

(Fortsetzung 1874/1875}

2.0 A ä a o q n o t ' avxeSiSa^e Kai XtixcoviSrn;.


ejteiö' 6 A ä c o q sircev oßSsv |ioi |xeA,ei.

Dann am Hofe der Skopaden u. Aleuaden in Thessalien, die er


in Epinikien und ©prjvoi ehrt. Plut. de audiend. poetis c. 1 ein
Bekannter fragt „warum meinst du es denn allein mit den
25 Thessaliern ehrlich? Er sagt: sie sind mir zu unwissend als daß
ich sie betrügen möchte." Am Ende seines Lebens finden wir
ihn in Syrakus am Hofe, selbst mit polit. Einflüsse; so versöhnt
er Hieron von Syrakus u. Theron von Agrigent, als sie schon
am Flusse Gelas einander gegenüberstanden.
150 Vorlesungsaufzeichnungen

W e i t e r im L e b e n des S i m o n i d e s

Während der Freiheitskämpfe lebt er zu Athen 4 an der Seite des


Themistocles (als er von ihm etwas ungerechtes verlangt, sagt
dieser „wenn du gegen die Melodie den Ton erhebst, bist du
5 kein rechter Dichter, wenn ich wider das Gesetz handle, kein
rechter 7tpoaxaxr|g) Er vertrat den Themist., als dieser von
Timokreon durch ein Spottgedicht angegriffen wurde. Dieser
Timokreon war ein Pentathlos; er beschuldigte den Themist.,
daß er 3 Talente von ihm empfangen habe, daß er ihn in die
10 Heimat zurückkehren lasse und doch habe er es nicht gethan.
Nach dem Sturze des Themist. sagte er, jener habe ihn als
|rn5i£ovTa vom Vaterlande fern gehalten u. nun sei er's selber,
der es mit den Persern halte. Simonides machte diese Grabschrift
auf ihn

15 noXXä 7U(bv Kai noXXä cpay(bv K a i noX'kä k o k ' eircriw


dvÖpcÖTtouq K e i j t a i T i ( x o K p e a ) v ' P ö S i o q .

Auch mit Pausanias hatte Sim. Verkehr. Im 80 J r siegte er noch


zu Athen. Er rühmt an sich selber als 8oj. Greis, er habe ein
Gedächtniß, dem kein anderes gleichkomme. Bald nach Kimons
2.0 Doppelsieg am Eurymedon starb er (c. 466) Sein Grabmal
wurde im Krieg zwischen Agrigent u. Syrakus von dem feindl.
Feldherrn Phoenix abgerissen: Callimachus ließ in einem Ge-
dichte den Geist des Simonides sich darüber beschweren. Seine
Lebensklugheit undCT(ö(ppocnJVT|war berühmt; man sagte von
25 ihm jrai^eiv ev xa> ßicp Kai nepi nr|5ev anXtbq arcouSä^siv.
(„heiter ist die Kunst, ernst das Leben" umgekehrt.) Als Dichter
hatte er den Spitznamen MeJaKepxriq (ji8?aKpr|xoc;) Er w a r
der fruchtbarste Lyriker, er gewann 56 Stiere und Dreifüße in
Wettkämpfen, dh. bei öffentlichen Staatsfesten. Weit mehr noch

4
In Epigrammen oder größeren lyrischen Gedichten verherrlichte er die
Großthaten (Loblied auf die bei den Thermopylen Gefallenen, Gesänge auf die
Schlacht bei Artemision und Salamis, dann Elegie auf die Marathonkämpfer).
{ D i e griechischen L y r i k e r ) 151

war er im Dienste von Privatmännern; Plato im Protagor. p.


346 sagt, er habe oft einen Tyrannen wider seine Neigung loben
müssen. Er dichtete ß|iVOl, K a t e u / a i auf allerlei Götter, Päane
auf Apollo, Hyporcheme (durch ihre malende Kraft berühmt) 5
5 Dithyramben (die nicht nur dem Dionys geweiht waren, sondern
auch heroische Gegenstände aufnahmen zB Ms|xvcov) Parthe-
neien. Für Privatpersonen namentlich Epinikien und Gpfjvoi.
Die Ausbildung der Epinikien stammt aus dieser Zeit; ebenfalls
um diese Zeit wurde die Errichtung von Ehrenstatuen für siegrei-
10 che Wettkämpfer (c. 540 a Ch n) gewöhnlich, welche die Meister
der aeginetischen u. sikyonischen Künstlerschule zur Zeit der
Perserkriege beschäftigte. Man muß sich die Epinikien nicht
rein pathetisch vorstellen, gelegentl. auch scherzhaft zB. als ein
Athener den Aegineten Krios in Olympia überwunden hatte
15 „nicht schlecht hat der Widder sich scheeren lassen". Von 0pf|-
voi berühmt der auf die verunglückten Skopaden und den
Aleuaden Antiochos: das erhaltne Danaelied aus einem öpfjvoi;
giebt einen Begriff vom Rührenden, worin die Stärke des Simoni-
des bestand, (xfi nspi xö ai>H7ta08<; A,EJtxÖTriTi) Cea naenia
2.0 sprichwörtlich und maestius lacrimis Simonideis Horat. Od. II
1 , 37 Catull 38, 8. Gerühmt die eKA-oyt] trov ovo^atrov, die
aicpißeia xfjq cruvGsasax;. Diese bei Einfachheit zeichnet ihn
aus, Quint. X 64 Simonides, tenuis alioqui, sermone proprio et
jucunditate quadam commendari potest. Bewunderungswürdig
¿5 als Epigrammatiker. — Das Enkomion auf die Thermopylen-
kämpfer heißt „ruhmreich ist das Geschick der bei den Thermo-
phylen Gefallnen, schön ihr Todesloos, ein Altar ist ihr Grab,
Gedächtniß an Stelle der Klagen, ein Loblied die Trauer um sie;
niemals zerfrißt der Rost eine solche Grabschrift und nicht wird
30 sie die Zeit verdunkeln, da sonst über alles Gras wird: hier das
Grab der Helden hat sich der Ruhm Hellas' zum Wohnsitz

5
„die Poesie eine sprechende Malerei"
152 Vorlesungsaufzeichnungen

gewählt, Leonidas, Spartas König, ist Zeuge dafür, er der Zier


u. Ruhm unvergänglich groß hinterlassen hat." — Epigramm
auf die Thermopylen: „hier haben mit 3 Millionen 4000 Männer
aus dem Peloponnes gekämpft." Auf die Spartiaten welche dort
5 fielen: <5 i;eiv', dyye^Xeiv AaKeSai^iovioiq öxi xrjSe Kei^eGa,
xotq Keivrav pf||iaai TteiGojievoi.
B a c c h y l i d e s , sein Vater MeiScov. Er ist 'IouXif|XT|g also von
Keoi;. Er hat mit seinem Verwandten viel zusammengelebt zB.
am Hofe des Hieron; in den Oden Pindars viele Seitenhiebe auf
10 ihn. Die meiste Zeit aber im Peloponnes, denn Plutarch zählt ihn
zu den berühmten Männern, welche aus ihrer Heimat vertrieben,
dennoch Schönes gethan u. geschaffen haben. Sittliche Reinheit
wird an seinen Gedichten gerühmt; dieser pudicitia halber soll
ihn Kaiser Julian am meisten geliebt haben. 6 Hieron hatte
15 ebenfalls seine Gedichte lieber als die des Pindar; ihm wird
XäXog £eipf]v, dem Pindar iepövCTTÖ|xazugeschrieben. Erhal-
ten besonders ein größeres Fragment eines Päan, Folgen der
Eirene. Dann ein Lob des Weins, das Gemüth des Trinkers Die
Differenz mit Pindar bezieht sich besonders auf die Originalität.
2.0 Bacchyl. sagt

exepoi; exepou
aoq)d<; xö xe 7tdA.ai xö xs vCv.
oö8s yctp p ä a x o v äppf|xcov ¿Ttecov Ttu^aq e^eupsiv.

P i n d a r 522 v C . geboren zu Kynoskephale im Gebiete von


2.5 Theben. 7 In Böotien war damals Lyrik und Chorgesang durch
zwei Frauen vertreten Myrtis und Korinna; mit ihnen kämpfte
Pindar. Korinna soll ihn fünfmal besiegt haben; sie war sehr
schön, sie bediente sich des böotischen Dialektes. Dann stand

6
„ w i e der Maler ein schönes Gesicht verklärt, so schmückt Sittsamkeit
ein höher aufsteigendes Leben"
7
Sohn des Daiphantos; die Familie rühmte sich durch das Geschlecht der
Aegiden mit dem dorischen Stamme nahe verwandt zu sein.
{ D i e griechischen L y r i k e r ) 153

sie ihm mit Rath bei: als er einen Hymnus dichtet, dessen erste
6 Verse fast die ganze Theban. Mythologie enthielten, soll sie
lächelnd gesagt haben „man muß mit der Hand, nicht mit
dem Sacke sähen." 8 Der Vater oder Oheim des Dichters war
5 Flötenbläser. Pindar hatte als Lehrer den Lasos von Hermione:
Frühzeitige Berühmtheit. 2ojährig dichtet er ein epinikion auf
einen Knaben aus den Aleuaden (Pyth. X) 9 dann beschäftigt für
Hieron von Syrakus, Theron von Agrigent, Arcesilaus König
von Kyrene, Amyntas von Makedonien. Von Theben bestraft,
io Die Athener ehren ihn und machen ihn zu ihrem Jipö^evoq u.
setzten eine eherne Bildsäule, die Einwohner von Keos, die
den Simonides hatten, ließen doch von Pind. ein TtpoaöSiov
dichten. 10 Er hat keinen politischen Einfluß gehabt an den
verschiednen Höfen, obschon er als freimüthiger Rathgeber in
ij den Gedichten sich zeigt. Die Perserkriege blieben ihm fern, weil
er mit den Thebanern auf der persischen Seite stand. Mit dem
Cult vieler Gottheiten stand er in Verbindung und ließ mehrere
Bildsäulen oder Heiligthümer errichten, 11 in Delphi erhielt er
einen Sessel, die Pythia berief ihn regelmäßig zur Gemeinschaft
20 an den Theoxenien. 8o Jahre alt starb er in Argos. Drei Kinder
werden genannt. Alexander schonte seines Hauses und Ge-
schlechtes. — Man besaß von ihm Hymnen, Paeane besond. auf
Apoll, Prosodien in 2 Büchern, Parthenien 2 B. (mit 8acpvr|(po-
piKa), Hyporchemen 2 B. besonders für Theben u. Hieron,
25 Enkomien u. Scolien. Dithyramben in 2 B. Dann Threnoi 4 B.
Epinikien vollständig bis auf die letzten Blätter der Isthmien
überliefert. Im alexandr. corpus zählte man im Ganzen 1 7 Bü-
cher. Bedenken machen Späjiaxa xpayiicd, die Suidas erwähnt.

8
Tf| XEipi SeTv aTieipstv, äkXa jj.fi öXco tcü OoMtKcp.
9
das nächste Lied, 8 Jahre später (Pyth. VI) auf den Agrigentiner Xenocra-
tes.
10
Bei den Aegineten und Rhodiern w a r er beliebt.
11
sein Hymnus auf Zeus Ammon w a r in Libyen auf einer Säule eingegra-
ben.
154 Vorlesungsaufzeichnungen

Dionys, v. Halicarnass giebt uns eine Anzahl von Ausdrücken


zu seiner Charakteristik (in der öpxaioov e^etaan;) 1 2 Er legt
ihm bei i) e v ä p y s i a 2) (¿eyaA-OTipejieia 3) xövoq Anspannung
Kraft 4 ) Tiepioucria Fülle 5) K a x a c n c e u f i Aufwand von Mitteln
5 in der Darstellung 6) TtiKpia (iexä i|8ovfi<; 7) aejivÖTr|<; 8)
7iUKVÖTT|<; gedrängte Kürze 9) euasßeict Frömmigkeit 10)
acocppocjuvri Besonnenheit. | Hier ist svdpyeia das Vermögen
anschaulich deutlich plastisch darzustellen, mit wenigen Stro-
phen, eine Sache der nijxr|CJiq. Damit hängt Charakterzeichnung
10 zusammen f|0o7toüa. Bei einem Lyriker eine hervortretende
E i g e n s c h a f t . D a s neya^OTtpeTtet; und cts(J.vöv ein b e s t i m m t e r
Stil. Worin liegt es? Einmal <in> einer Stimmung des Gemüths.
besonders im 0pfjvo<; hervortretend, w o Simon, rührte. Er geht
bis zum mystisch-Philosophischen. Im Ganzen schlössen sich
15 die andern Dichter mehr an die Volksmythologie an, Pindar an
die Mysterien, doch ohne superstitiös und grübelnd zu sein. Er
gestaltet den Mythus gelegentl. um, tadelt ihn sogar, ordnet ihn
der Ethik unter. Plato legg. III p. 690 nennt ihn 6 aocpröiaioq.
Scherz und Heiterkeit ist nicht ganz ausgeschlossen. In der ^ten
20 Olymp, v. 48 sagt er „alten Wein preise ich, aber auch junge
Lieder", ein Stich auf Simonides, der eine neue Fabel dadurch
getadelt hatte „der junge Wein sticht den alten nicht a u s . " 1 3 In
der ioten pythischen freut sich Apoll am Springen der Esel. Er
hat selbst ein Lied im Auftrage der korinthischen Hierodulen
15 gedichtet, voll Scherz u. doch großartig „ihr v i e l b e s u c h t e n
Mädchen, Dienerinnen der Peitho" später sagt er „es soll mich
doch Wunder nehmen, was die Korinther dazu sagen werden".

12
Quintil. 10, 1 sagt Novem lyricorum longe Pindarus princeps spiritus
magnificentia, sententiis figuris beatissima rerum verborumque copia velut
quodam eloquentiae flumine, propter quae Horatius eum merito credidit nemini
imitabilem. Hör. Carm 4, 2..
13
Er redet von seinen Conkurrenten als von Füchsen Krähen, selbst vom
Wiederkäuen.
<Die griechischen Lyriker) 155

Die Siegeslieder sind ihrer N a t u r nach heiter. Die Alten tadelten


deshalb den Schluß der 8ten pythischen „ O Tagesmenschen,
was seid ihr! Nichts? etwas? Alle gleich dem Schattenbilde des
Traums: N u r im göttlichen Strahle leuchtet der M e n s c h e n Le-
5 b e n " Aber der Schluß ist aus der Lage Aegina's zu erklären, Ol.
80, 3 als Aegina noch frei war. Wenige M o n a t e darauf fiel es
den Athenern in die H ä n d e , die es gänzlich zerstörten. N o c h
etwas später ist die 8te Nemeische auf einen Aegineten, voll der
tiefsten W e h m u t . — D a s E r h a b n e liegt aber auch in den Worten,
10 selbst im Klange, er ist neyaX,oxövo<;, Arcesilaus sagte (Laert.
IV 31) Pindar sei geeignet die Stimme zu füllen 1 4 , besonders
großartig O l y m p . I Pyth. IV. D a m i t hängt etwas H e r b e s zusam-
men, auch in der C o m p o s i t i o n , er will die Glätte nicht u n d
gleicht darin dem Aeschylus. Das a ö a x r | p ö v xö 5pi(j.i3 (stechend
15 scharf) TtiKpia (iexä f|8ovfj<;, herbe Grazie, etwas Schroffes.
M i t dieser Art von X^p^i ist Kraft u n d Fülle verbunden os
p r o f u n d u m . H o r a z vergleicht ihn mit einem Bergstrom, aber
das Bild ist nicht gut, ein solches Ungestüm ist nicht da. G r o ß e
Besonnenheit des Tiefsinns, eigentlich ist kein rcdGoq, sondern
20 f|6o<; in der pindarischen Lyrik, daher ist auch seine Diktion
nicht so k ü h n wie in den tragischen Chören. Anlässe zu den
Epinikien: Begrüßungen nach eben erlangtem Siege, wie Ol. X.
Lieder zum Siegesfest O l y m p . IV. VIII. Pyth. VI. X., beim festl.
Z u g e nach einem Heiligthum Ol. XIV Pyth. XII. N e m II. IV.,
25 beim Zuge z u m H a u s e des Siegers N e m . IX Isthm. VII., alle
mit beschränktem U m f a n g e , mehr skizzirt. Anders die Lieder
bei einer s p ä t e r e n ) oder erneuten Siegesfeier. Sehr d u r c h d a c h t ,
die Dichtung sollte ein D e n k s t e i n , glänzender als M a r m o r sein.
Gewöhnlich w a r ein sehr reicher Stoff von allen möglichen
30 Beziehungen zu bewältigen, der Sieg selbst, Lebensgeschick des
Siegers, seiner Verwandten, die Stadt, ihr M y t h u s , ihre politische

14
xöv XE üiv8apov 6(paaKE 8eivöv slvai <pa>vfj<; EUTi^fjacu Kai övo(idxmv
Kai f>t|ndx(BV straopiav Ttapaa/siv.
156 Vorlesungsaufzeichnungen

Gegenwart. Manches bleibt ewig räthselhaft. Der Gang hat


mitunter etwas Labyrinthisches 15 . Erhalten 14 olympische, 1 2
pythische 1 1 nemeische, 7 isthmische. Der Hauptbestandtheil
des Epinikions ist ein Mythus, der bildet die Mitte, die größere
5 Mitte des Gedichtes - der ö|i(paXö<;. In allen 1 0 Oden auf
aeginetische Sieger ist eine epische Erzählung aus der Aeakiden-
geschichte der ö|i(paÄ.ö<;. Also entweder aus der Geschichte der
Stadt u. Vorfahren oder der Mythus bezieht sich auf den ayfflv
oder auf die Art des Sieges. Auf die Persönlichkeit des Siegers
10 zB. P y t h . 3 auf Hiero von Syrakus. Hiero ist durch Krankheit
gequält. Am Mythus von Peleus u. Kadmus wird dargestellt,
daß kein Glück ohne Leid ist. P y t h . 2 auf denselben. Er hat
kurz vor dem Siege den undankbaren König Anaxilas von
Rhegium bestraft, daher der Mythus von Ixion, der sich an
15 seinem Wohltäter Zeus vergeht.

Durch 28 Oden zeigt sich diese Form I ap%& Lob des Siegers
II ömpaXöi; Mythus
IIICTCppayi«;Lob des Sie-
gers.

20 A n S t e l l e des Mythus erscheint in Pyth. I ein Stück der jüngsten


Geschichte Siciliens. In Ol. 2 die Lehre von der Vergeltung nach
dem Tode. In Pyth. 9 ist das Lob des Siegers im Ö|i(pa?i6<;,
während dp^ö u. acppayi? Mythen enthalten. Jedenfalls zeigen
von 44 erhaltenen Gedichten 36 eine trichotomische Eintheilung.
25 8 bleiben übrig, zunächst kleinere Gedichte, die nur aus Strophe
Antistr. u. Epodos bestehn, eins sogar bloß aus Strophe u.
Antistr. Nur in einem einzigen Nem. I ist das Princip der
trichotom. Gliederung unerkennbar. Nun sind aber auch die
zwei Übergangstheile nachzuweisen, die ganz formelhaft u. scha-

15
In der n 1 . pythischen sagt er „ w i e weit Freunde bin ich auf meiner Bahn
auf Dreizackwege verirrt! und gieng erst richtig einher! Oder hat meinen Gesang
auf seinem Wege der Sturm verschlagen wie ein Fahrzeug des Meeres?"
•(Die griechischen L y r i k e r ) 157

blonenmäßig gehalten sind. Nur 4mal ist der unmittel-


bar mit dem Schluß verknüpft. Gewöhnlich macht er es anders.
Das Lied wird unter dem Bilde eines Weges gefaßt, auch See-
wegs, den Pindar zurückgelegt hat. Oder er sagt warum er das
5 Thema verlassen müsse, etwa aus KÖpoq. Oder die Verse des
Gedichts werden mit Geschossen verglichen. Er leitet meistens
die nexaKataTpOTCCt mit der ersten Person ein. ¿(xe 8e — XP 1 !-
K o r i n n a von Tanagra, mit dem Beinamen (iuta, Schülerin der
Myrtis. 4 Bücher besaß das Alterthum, auch Epigramme u.
io vö|ioi XopiKoi. Dann T e l e s i l l a von Argos, vornehm und tap-
fer, eine große Heldenthat wird von ihr erzählt; seitdem, sagt
man, sei Ares ein Weibergott in Argos geworden.
P r a x i l l a von Sikyon. 5 fragm.
D i a g o r a s Sohn des Teleklytos, von Melos, jüngerer Zeitge-
15 nosse Pindars. Durch Demokrit aus Sklaverei befreit. Einfluß auf
die Verfassung von Mantinea. Päane und Enkomien. Berühmt als
Feind der Götter, aQeoq, die Athener setzten einen hohen Preis
auf seinen Kopf, auch die Lakedämonier ächteten ihn. In Ko-
rinth starb er. Hauptschrift aTtOTtupyi^ovTeq Xöyoi. Ein unver-
20 schämter u. straflos gebliebener Meineid soll ihn zum Atheismus
gebracht haben.
K e r k i d a s von Megalopolis Ol. 109 —115. dichtete |ieXia|ißoi,
satirisch.

D i e D i t h y r a m b i k e r . zu unterscheiden alterthümliche
25 klassische entartete. Der erste Ausbildner der Dith. ist Arion,
gegen die 40 Olymp. Sohn des KuicXeo«; (bedenklich!), in Ko-
rinth, im Verhältniß zu Periander. Er soll auch der Erfinder der
t r a g i s c h e n W e i s e gewesen sein TpayiKOÖ xponou. Was ist
die t e c h n i s c h e Bedeutung dieses Wortes? Die alten Musiker
30 unterscheiden 3 xporcoi der Composition, die n o m i s c h e (bei
der Composition der neueren vönov verwendete), die d i t h y -
r a m b i s c h e u. die t r a g i s c h e . J e nach der Art, in der diese
xpÖ7ioi das Gemüth des Hörers bewegen, unterschied man 3
158 Vorlesungsaufzeichnungen

Arten des fj0o<; der Composition, das s y s t a l t i s c h e (unruhig


bewegte), das h e s y c h a s t i s c h e (ruhig getragene), endlich das
d i a s t a l t i s c h e , es drückt Heldenthaten und diesen entspre-
chende Leiden und Affekte 7td0T| aus, es bedient sich seiner
5 hauptsächlich die Tragödie und was verwandten Charakter hat.
Der Dithyramb s p ä t e r e r Zeit eine keineswegs orgiastisch erre-
gende, sondern vielmehr zu freudigem Genuß auffordernde
Dichtungsart, gehört nun durchaus dem hesychastischen f\0oq
an. Wenn also von dem Dithyrambusdichter Arion ausdrücklich
10 berichtet wird, er habe die tragische Weise erfunden, will das
besagen, daß dieser alte Dithyr. des Arion mit dem spätem
hesychast. in f)6o<; und Composition nichts gemein hat, sondern
im diastaltischen fjOo«; bewegt, Thaten und Leiden heroischer
Charaktere darstellte und also nach Stoff und Grundcharakter
15 mit der späteren Tragödie verwandt war. Wenn nun die Tragödie
aus dem Dithyramb entstanden ist, so dann jedenfalls aus diesen
ernsten trauernden leidenschaftlichen. Nun soll Arion gerade
Satyrn in Versen redend verwendet haben; das führt uns zu einer
andern Auffassung der Satyre als der gewöhnl. Unmöglich war
20 hier ihre skurrile Lustigkeit am Platze. Der Cult des Dionysos
hatte immer zwei Gesichter, greller Gegensatz von Lust u.
Trauer, das galt auch von den Gestalten des dionys. Kreises.
Der ältere Dithyramb u. die Tragödie kannten ihn nur als den
leidenschaftlich Trauernden u. Mitleidenden. Denn der I n h a l t
2.5 dieser ä l t e r e n Dithyr. waren die L e i d e n des Dionysos, die
rax9r|. Das drückt sehr deutlich die Geschichte von Klisthenes
von Sikyon aus, der die tragischen Chöre, mit denen die Bewoh-
ner der Stadt die L e i d e n des Heros Adrast feierten, dem Diony-
sos zurückgab, dem sie eigentl. gebührten. Herod. 5, 67. Hier
30 sehen wir zweierlei: was der ursprüngl. Inhalt des Dithyr. war
und wie sich der Stoff erweiterte.
Weiter bildet den Dithyramb L a s o s von Hermione, Lehrer
Pindars. Inzwischen hat sich die Tragödie entwickelt. Jetzt
nimmt der Dithyramb eine andre Färbung an. Vor allem 8t0ü-
{ D i e griechischen L y r i k e r ) 159

pajißov eiariyayev eiq äycova. Der Redner Lykurg verordnet


daß 3 kyklische Chöre u. nicht weniger kämpfen sollen (vit. dec.
orat. p. 842) Der klassische Dithyramb hat nichts Überschwäng-
liches Maaß- und Regelloses, sein Rhythmus ist vorwiegend ein
5 ruhiger (daktylisch-epitritisch), er ist zwar bewegter als der Päan
des Hymnus, aber mit ihm zusammen bildet er ein gemeinsames
ykvoq, ist hesychastisch (und die pindarischen Epinikien gehören
zum hesychast.) und steht im Gegensatz zu dem ipojtoi; V0(J.ik6<;
(aufgeregte Erotika Threnoi), anderseits zum xpayiKog dh. tragi-
10 sehe Chöre. Damit stimmt, daß die Melodien sich in der Mittel-
lage befanden. Mit dieser Änderung des fjöog muß auch eine Än-
derung der Tonart verbunden gewesen sein. Wenn es vom Dithy-
ramb heißt, er habe die phrygische u. hypophrygische Tonart ge-
habt, so kann sich das nicht auf den klassisch. Dithyramb beziehn,
15 denn jene haben einen aufregenden u. enthusiastischen Charakter,
das hypophrygische zum kräftigen Handeln anspornend, TtpaKiv-
kov. Wahrscheinl. beziehn sich diese Angaben auf den j ü n g e r e n
Dithyramb. 16 Nun muß man in der Tragödie für die eigentlich
tragisch. Chorlieder, bei Gewitterschwüle oder beim hereinbre-
20 chenden nd0o<; die mixolydische Harmonie voraussetzen, was oft
bezeugt ist, sie ist Tta6r|TiK6v und 0pr)VFT)8sg. Also, wenn der
tragische Chor aus dem Dithyramb. des Arion hervorgegangen
ist, wird der Dithyr. des Arion auch die mixolydische Tonart ge-
habt haben. Damit stimmt Dion. de comp, verbor. c. 19.

2.5 Dithyramb fortgesetzt


„die Dithyrambiker wechselten auch die Tonarten, indem sie
Dorische und Phrygische u. Lydische in einem und demselben
Gesänge anbrachten, sie wechselten ferner die Melodien, indem
16
A l t e r t h ü m l . Dithyramb, diastaltisch, mixolyd. Tonart, (ausdrücklich)
K l a s s i s c h e r Dithyr., hesychastisch, veränderte Tonart, wohl d o r i s c h (Prati-
nas) u. aeolisch ebenfalls Pindar fr. 47 auch Simon, fr. 7z.
N e u e r e r Dithyramb, phrygisch od. hypophrygisch u. alle Tonarten sonst
wechselnd.
160 Vorlesungsaufzeichnungen

sie bald enharmonische, bald chromatische, bald diatonische


gebrauchten, sie nahmen sich viele Freiheiten bei dem Takte
heraus, nämlich Philoxenus, Timotheos u. Telestes. Denn bei
den Alten war der Dithyramb noch ganz geordnet x e x a y n e -
5 vo<;." Damit ist doch der Dithyr. des Pindar u. seiner Zeit
gemeint. Gerade von ihnen bezeugt Aristides tom. II p. 296
avSpeiöxepov Kai axepe6xepov. In ihm sprach der Dichter in
eigner Person, wie Pindar in den Epinikien. Arist. probl. 19, 15.
Piaton Rep. p. 394 8t' anayye'kiac, aöxoß xoß tioit]xoC. Später
10 wird er dramatisch. Der klassische Dithyramb hatte Strophen,
der spätere dvaßoXai, sehr lange strophenartige Gebilde von
der Art, wie die Verse in Goethes „Wanderers Sturmlied" und
dergl. Der klassische war reiner Chor, der spätere mimetisch,
Chor und Einzelpersonen (Virtuosen.) Wenn Aristophanes die
15 alten Dithyrambendichter Kekeides und Lamprocles lobt (Wik.
967. 985. Vög. 9x7), lobt er alterthüml. Einfachheit, ihre Lieder
wurden in den Schulen der alten Zucht gelernt. Jetzt haben wir
das Bild des k l a s s i s c h e n D i t h y r a m b u. seines Gegensatzes
zum alterthüml. des Arion u. zum spätem des Timotheos u.
20 Telestes. Die Vertreter des klassischen D. sind außer Lasos auch
Pratinas, der andererseits der Erfinder des Satyrdramas ist.
Also der Geist des arionischen Dithyr. war auf die Tragödie
übergegangen. Ein neues sehr verändertes maßvolles Gebilde
hieß jetzt Dithyramb. Stoffe desselben: Preis des Frühlings.
25 Kampf des Heracles mit Geryones, beides bei Pindar, ebenfalls
Preis Athens. Lasos dichtete eine Niobe, Praxilla einen Achilleus,
Simonides einen Memnon, Cleomenes einen Meleager. Die Di-
thyramben, als Staatskult Athens, wurden bei den Lenäen u.
den großen Dionysien aufgeführt. Der Preis ein Stier u. ein
30 Dreifuß für den ersten Preis, eine Amphora u. ein Bock für
den 2t Preis. Deshalb nennt Pindar den Dith. ßor^axT]«; stier-
treibend. Im Räthsel des Simonides Athen p. 456. wird der
ßoucpovo«; öepctTtoJV des Dionysos auf den Dithyramb gedeutet.
{Die griechischen Lyriker) 161

Es sind dieselben Feste, an denen man Tragödien aufführte,


dadurch mußte sich der ganze Unterschied immer stärker abhe-
ben. Mitte Januar bis Mitte April.

<Frühjahr und Sommer 1869)

j Der neuere Dithyrambus

1 . M e l a n i p p i d e s , Suidas nennt zwei, beide Söhne eines Criton


aus Melos 1 7 beide Verf. von Dithyramben. Der ältere Ol. 65,
der jüngere, der Enkel des ersteren, ist der Reformator des
Dithyramb. Bei Xenophon Memor. I, 4 werden als Meister in
10 ihren Fächern Homer, Melanipp. Soph. Polyclet und Zeuxis
anerkannt. Er ist ein Zeitgenosse des Thucydides. Am Hofe des
Perdikkas stirbt er.
2. K i n e s i a s Sohn des Meies, er war der Ki)K^.io8i8daKa^oq,
öq x a i m (puXaig Jtepinaxr|'CO<; fjv aei. Sehr verhöhnt von Aristo-
15 phanes: Frösche 153 sagt, dorthin wo die größten Verbrecher
hinkämen, müsse jeder kommen, der die 7tuppixT| des Kinesias
gelernt hat. Er war im Geschrei wegen a a e ß e i a und Ttapavopia.
Um die Mitte des peloponnes. Kriegs blüht er. Plat. Gorg. p.
501 führt ihn als Dichter an, dem nichts daran liege seine
zo Zuhörer besser zu machen.
3. P h r y n i s ein Citharsänger von Mitylene, er hat z u e r s t in
den von Pericles eingeführten musischen Wettkämpfen der Pana-

17
Kriton I
A
Melan. I
A
Criton z
A
Melan z.
162 Vorlesungsaufzeichnungen

thenäen gesiegt. Die Umbildung der alten Terpandr. N6|ioi ist


sein Werk (systaltisches fj0oç, xpcmoç vouikôç). Auch er wird
oft von den Komikern erwähnt als ob die Verderbniß der Musik
von ihm ausgehe.
4. K r e x o s , gleichzeitig mit Philoxenos u. Timotheos, ein Neue-
rer, er hat die napaKataA-oyri auf den Dithyramb. übertragen.
5. T i m o t h e o s der Milesier, Schüler des Phrynis, überwand
später seinen Meister. Er starb im hohen (97 Jahre) Alter 357
v C . Es gab 18 Bücher vô|ioi in 8000 Versen (dh. der Nô|a.oç zu
400 V. ungefähr)
6. P o l y e i d o s , rivalisirt mit Tim. u. überwindet ihn. Beide sind
die Lieblinge des Volks.
7. T e l e s t e s von Selinus, Gegner des Melanippides, siegt 401
vC.
8. Philoxenos von Kythere, geb. c. Ol. 86, kam in die Gefangen-
schaft der Athener, lernte bei dem Dithyrambendichter Melanip-
pides dessen Sklave er erst war. Berühmt schon c. 410 a. Ch n.
Beiname |iûpn.T|i;. Er lebte beim ältern Dionys von Syrakus, er
hatte es in den Steinbrüchen zu büßen. Er starb zu Ephesos 380
a. Ch 55 Jahr alt. Es gab 24 Dithyramben, am berühmtesten 0
KükA,(öV|/. Antiphanes der Dichter der mittl. Komödie bezeichnet
ihn als einen Gott unter den Menschen, ganz original in Wort u.
Musik (9eôç èv àvôpœrcoimv, ôvô|iacnv i S i o i a i K a i Kaivotai)
Athen. 643, während er für Aristophanes noch der kühne Neue-
rer ist. Plutarch de vitando aere alieno c. 8 erzählt „Ph. in seiner
Ansiedlung auf Sicilien im Besitz eines K^fjpoç, reichlichen
Einkommens, großes Haus machend, sagte „Nein, das soll nicht
mein Herr werden. Überließ das Landgut anderen u. schiffte
fort." Ein großes Fragm. des ôeïrcvov erhalten.

Das Alcmanische Partheneion.


Mariette 1855 bei der 2ten Pyramide, gab es an Egger. Brunet
de Presle erkennt es an als Verse Alcman's, Egger veröffentlicht
es Paris 1863 Mémoires d'histoire ancienne et de philologie p.
•(Die griechischen Lyriker) 163

159. Drei Seiten: von der ersten die linke Hälfte zerstört, die
dritte sehr verwüstet, die mittlere gut. Scholien am Rande,
ganz verblichen: es sind Scholienauszüge. Später herausgegeben
Notices et extraits de Manuscrits XVIII z p. 416, auf Tafel L
5 Abbild lithographisch, also unzureichend. (Darüber die Ad-
denda von Bergk)
Was ist das Gedicht? Egger war der Meinung, es liege der
Hymn. auf Dioscuren vor, von dem Pausan. I, 41, 4. ten Brink
hält es für eine Gnomologie. Er wird von Bergk widerlegt: Br.
10 hatte gemeint die ersten 15 v. gehören einem Hymnus zu si<;
Aia A u k o i o v , das übrige aus versch. Parthenien.
Bergk schließt sich Eggers Vermuthung an. Dagegen hat Blaß
Rh. M. XXIII 549 die Schwäche der Gründe geltend gemacht.
Zufällig fängt unser Fragm. mit ncoA,i)8e6KT|<; an. Die andren
15 Frgm. jenes Hymn. widersprechen metrisch. Selbständig von
Ahrens dieselbe Ansicht vorgetragen u. Consequenzen gezogen,
x. Gesungen von Jungfraun: steht fest durch Inhalt u. ein Scho-
lion: allerdings auch der erste Hymn. von Jungfraun gesungen:
Aber so eigenthümliche Bezüge auf einzelne Jungfrauen des
20 Chors, daß man das IlapÖBVEiov nicht verkannt hat. Bergk
meint nun, es sei eben jener zweite Hymnus u. zugleich ein
JtapBeveiov gewesen. Dies nur unter der Bedingung möglich,
daß jedes Lied das von Jungfraun gesungen wird ein JtapGeveiov
wäre. Unrichtig, weil die Grammatiker beim Anordnen der
2.5 Lyriker die Partheneien als Gattung scharf von den Hymnen
sondern, namentlich bei Alcman u. Pindar. fr. 25 wird citirt als
dem zt Gedicht des Partheneienbuchs zugehörig. Bei dieser
Classifizirung ist ü|a.vo(; nicht gleich ß)5f|, sondern eng gefaßt.
Unterscheidende Merkmale:
30 ITapöeveia (dreifache Schreibweise. Länge der vorletzten Silbe
durch Arist. Vögel 919 gesichert: dort die Hdsch. den Circumfl.
in den Schol. ausdrücklich bezeugt dvSpevoq yuvauceioq itai-
Seioq. Eine jüngere Aussprache hat den Accent zurückgezogen)
164 Vorlesungsaufzeichnungen

i . Hymnen stehend zur Cithara gesungen: Partheneien wie Pro-


sodien von Flöten begleitet, gesungen vom einherziehenden
Chore. (Unterart der Parth. die 8a(pVT|(popiKä)
2.. Nach Didymus geschieden (xeA,r| elq 0eoi)<;, eig ävöpdmoix;,
5 eig 8eou<; Kai öv0p(bjtoi><;, eiq xäq npoaTanxovaaq nepiGid-
ctek;, zur ersten die öpvoi, zur dritten die napöeveia 8atpvr|<po-
piicä.
з. Der Charakter der Hymnen CT£|i.vÖTr|<;. Ausdrücklich den
würdigen u. ernsten Charakter den Parthen. abgesprochen von
10 Plutarch d Mus. c. 17. Dionys, de admir. vi Demosth. I. 39.
Die zweite Columne widerspricht dem Hymnuscharakter
ganz. Und warum sollte die Erzählung von der Hippokoontiden-
schlacht hier nicht vorkommen dürfen? Hübsche Annahme von
Ahrens daß es galt der Athene d£,lcmoivoc; deren Heiligthum
15 Heracles nach Besiegung der Hippocoontiden gegründet hat.
Jetzt verstehn wir erst die TtapGeveia cf. Ahrens p. 2.48.
Bergk hatte die strophische Form geleugnet: sie ist gleichmäßig
и. selbständig von Blaß u. Ahrens erkannt. Strophen von je 14
Versen, zu 4 Tetrap. u. 4 Tripodien wechselnd 1 um 1 , dann z
20 Hexapodien, dann 4 Tetrapodien. Unter den Strophen schließen-
den Versen 15 u. Z9 ein Strich, offenbar die Tiapdypacpog.18

1 — u — u — u —
2 Ü-UU-U-Ü
3 — u — 0 — u y
4 u — u u — u — ö
5 — u — u — u y
6 ö — u u — u — ö
7 — u — u — u —
8 u — u u — u — ü
9 — u — O— u — u — u — O
10 — u — u — u — u — u — D
11 — u — u — u — ö
12 — U— O— U— Ö
•(Die griechischen Lyriker) 165

Anhaltspunkte für den Gedankengang. 5 p. z eycbv 8' aei8m


'AyiSto u. darauf wird dies Thema festgehalten. Vorher nun
mythologische schreckliche Ereignisse. Ausdrücklich lehnt der
Dichter ab die Schlacht der Hippocoontiden zu singen. Ein
naiver Gegensatz: nicht Krieg u. Frevel, sondern liebliche Chor-
jungfraun will ich singen. Diese Ironie noch nicht gefaßt. Nach
Bergk zu v. 13: Eros solle als Zeuge entsetzlicher Werke u.
frevelhafter Ehen zum Himmel fliegen Ahrens: mag der Ge-
sang welcher von jenen Freveln meldet zum Himmel fliegen, um
sich an die nächst betheiligten Gottheiten zu wenden. Blaß: der
Dichter will etwas besingen, nachdem er vorher gesagt, was
er nicht besingen werde. — Alles falsch. Vielmehr bildet den
Übergang zu dem, was der Dichter singen will eaxi xiq aicöv
xicng. 6 8' öA,ßioq öaxic; sikppcov a ^ e p a v Sioji^ekei aK^auaxoc;.
ey<bv 8' deiSco etc. Dies ist wichtig.

also „traurig" (xpa%eia?) yctp a f a a rcavxcov


äv nöp<p yepaixaxcp
Jtöp' f|V)7te8iA,o<; 'Atacä (Hercules)
also n t | 8 ' avav0p«)7tCDV etc.
cpä|ii<;. ego.
a X a a x a 8e epya n ä a o v ( = 87ta0ov) KaKä |rr|aa|ievoi
Bloß 2 Jungfraun werden gelobt: Agesichora ist zugleich X°P a "
yög
Agido leuchtet wie die Sonne
Mich läßt sie weder loben noch tadeln die Agesichora.
Diese wird nun schön beschrieben:
ctKripoc; zu lesen: aKTipov ein Pflaster dicr|p6xaxo<; Strato
88 Jacobs Anthol. Pal. p. LXXXVI für aKT|pax6xaxoq
ungetrübt ohne Keren = aKf|pio<; ohne Schaden
nein: öncXonKTXO^.

13 — u u — u u — UU — UV
14 — u u — u u — u — O
166 Vorlesungsaufzeichnungen

t ö (pcöq ö p c o p ' das Licht wie das der Sonne


cot' aXicO ÖVTTSp Ö ^ I V ging auf, deren Leuchten
'AyiSd) n a p t u p e t a i uns Agido verbürgt.
(pf|VT|V.

Partheneion

„Nicht kümmre ich mich um Lykaithos der unter den Todten


liegt, noch um Enarsphoros und den schnellfüßigen Sebros,
um den gewaltigen Bucolos den behelmten Hippothoos und
5 Euteiches um Alkimos den kriegerischen Herrn, hervorragend
unter den Halbgöttern.
Strophe 2. und den Führer des Heeres den mächtigen Skaios
und Eurytos den Tapfern im harten Kampf und Alcon alle die
tüchtigen Helden werde ich übergehen. Denn traurig (xpa^eia)
10 ist alles Geschick, das die schnellfüßige Alke dem uralten ITopo^
brachte (äv nöpq) yepaudtö) nöp' i|i>Tce8iA,o<; ' A A x ä ) . Auch
nicht fliege die Kunde unmenschlicher Greuelhochzeiten gen
Himmel usw.
sie litten aber entsetzliches für ihren bösen Sinn.
15 St 4. Denn wohl giebt es eine Rache der Götter. Der aber ist
glückselig, der wohlgemuth seinen Tag hinspinnt, ohne Thrä-
nen. Ich aber singe die Agido. Das Licht ist aufgegangen wie
das der Sonne, Agido verbürgt es daß sie uns leuchte. Mich aber
läßt sie weder loben noch tadeln, die rühmliche Chorführerin.
20 Scheint sie doch sich selbst (aöxa) so ausgezeichnet, wie wenn
einer unter Pferde der Weide ein Kampfroß stellte ein gedrunge-
nes, mit tönendem Hufschlag, ein Wunderbild leichtgefiederter
Träume. S. 5 Fürwahr siehst du nicht: ein Enetischer Renner ist
sie, das Haar aber meiner Verwandten der Agesichora blüht wie
25 lauteres Gold und wie Silber ihr Antlitz. Was sage ich es aber
ausdrücklich? Agesichora selbst sagt es: sie aber die zweite nach
der Agido an Wohlgestalt läuft wie ein die Heerde anführendes
Roß, die Dienerin des Zeus. Sie kämpfen aber unter uns wie
<(Die griechischen L y r i k e r ) 167

die aufgehenden morgendlichen Pleiaden das Gestirn das den


Sommer bringt mit denen, die durch die ambrosische Nacht den
Pflug heran bringen.
S. 6 Denn nicht hat sie (sc. Agido) einen solchen Überfluß an
5 Purpurkleidern daß man wechseln könnte, noch ganz vergoldete
bunte Armbänder, noch eine lydische Mitra die Zierde weich-
licher (oö Kpaxeprav) Mädchen und nicht gesalbte Haare, aber
ihre Haut ist auch nicht häßlich und das Haar nicht zusammen
gefilzt nach Art des Viehs: auch ist sie nicht eine überreife
io Rosine, noch auch ein unreifer in der Hüfte schwindsüchtiger
Backfisch, dessen junge Blüthe gefällt, sondern es ist ein tüchti-
ges Mädchen."
Ganz irrthümlich sind die Annahmen von 4 gepriesenen
Jungfraun: ebenso die von verschiedenen Chören: nein, der
15 Dichter spricht, ebenso wie er in den andern Parthenien spricht
zB. als Kr|pöÄ,o<; Seevogel. Er nennt die Agesichora seine Ver-
wandte: das erinnert uns, daß er im Hause des Agesidas lebte.
Diese seine Verwandte neckt er offenbar mit ihrer selbstgefühl-
ten Schönheit: während er den Hauptpreis der Agido zuerkennt:
20 die vielleicht die ärmere ist, auch wohl die jüngere (als morgendl.
Pleiade) Dieser Lob der Agido galt offenbar auch der Todten,
die durch den Papyrus geehrt wurde. Chorführerin ist die Ältere:
ihr Name erlaubt etymologische Spiele.

(Zusätze 1869, 1874/1875, 1878/1879}


2.5 Einleitung.

Si- Der gr. Lyr. ist zugl. Musiker


Sl. Gründe für die uralte Verbindung von Lyrik u. Musik.
§3- Das Wort Jupiter) u. seine Berechtigung.
§4- Die Melik u. ihre Arten
30 §5- Die Elegie
§6. Jambisch-trochäische Dichtung
§ 7- Zustand der Überlieferung
168 Vorlesungsaufzeichnungen

Auch in der jetzigen lyr. Dichtung erkennt man überall die


S p u r e n jenes u r s p r . Zusammenhanges mit Musik u. Tanz, mit
der Forderung v o r g e t r a g e n , nicht gelesen zu werden. Denn
der Rhythmus wendet sich an das Ohr, die Strophe ist nur in
5 der Musik begreiflich. Es ist wie bei Gegenden, wo sich das
Meer zurückgezogen hat, aber die ganze Bodengestalt von ihm
seine Form bekommen hat. So ist das Meer der Musik von der
modernen Dichtung zurückgewichen.

Berechtigung des Wortes Lyrik.


10 Die Dreitheilung Ep. Lyr. Dr. bei den Alten nach der F o r m des
Vortrags,
bei den Neueren
nach I n h a l t (Gemüths-Inhalt)
obj. subj. obj.-subj.
der betrachtende, erregte, handelnde Mensch
Epos Lyrik Drama.
Nicht s e h r l o g i s c h .
Aber was machen wir mit
Elegie, Jamb. Poesie?
Alles Lyrik (poetae „lyrici")
Ist dies a n t i k ?
15 Geschichte des Wortes „ l y r i s c h " .
Was ist die Lyra?

Die O b j e c t i v i t ä t der griech. Lyrik

Ein Publikum vorauszusetzen, welches in der Mythologie ganz


zu Hause ist und das leiseste Anklingen der Motive versteht.
Voraussetzung des mimischen Naturzustandes, daß man a u ß e r
2.0 s i c h i s t : dann wird man leicht auch in ein andres Wesen sich
versetzt fühlen.
Der Hauptunterschied ist, daß der mimische Darsteller f ü r s i c h
spielt: daß er an keinen Zuschauer u. Zuhörer denkt. Der Epiker
{ D i e griechischen L y r i k e r ) 169

e r z ä h l t u. will seinen Zuhörern vorzaubern, was er gesehn hat.


Der Lyriker ohne Zuhörer.
Verzauberung des g a n z e n Menschen: Glaube verwandelt
zu sein.
5 Anders bei dem Epos, w o wir uns nur als Zuschauer einer
fremden Angelegenheit fühlen.
Einheit des dichtenden tanzenden schauspielenden singenden
Individuums.
M a c h t des Frühlingstriebes. Der Glaube an die Verwandlung
10 von Mensch u. Thieren ist eine Vorahnung des dramatischen.

§. i . D i e a n t i k e n B e z e i c h n u n g e n f ü r L y r i k .

»a) Die griechischen Grammatiker unterscheiden 3 genera poe-


matos
1 . 8pa(iaxvKÖv vel |ii|rr|TiKÖv
15 2. yt| i^citiköv vel dnayyeX.xvKÖv
3. k o w ö v vel (XIKXÖV.
Theophrast. Diomedes III, Serv. ad Virg. Buc. 3, 1 , Sueton.
Reiffersch. p. 380. Aristoteles, de poet. 3, 2.
Plato de republ. III p. 394 B C .
20 Später theilte man die Piaton. Dialoge so ein Laertius III
50. ^.¿youCTi y a p auxwv xoix; jiev 8pa|xaxiKoi3<;, xoix; Se
SiriyrmaxiKoOg xoix; Se h i k x o i x ; . & X X ' eksTvoi |xev x p a -
yiKö)<; n a M , o v fj tpiXoacxpax; xfiv Siacpopav xtöv 8 1 a -
Xöya)v 7tpoacüv6|^aCTav.
2.5 b) Proclus unterscheidet nur in Phot. bibl. %pT]CTXO|i.
Svr|yTi(iaxiKÖv
Spanaxucöv
und rechnet das Epos mit zum SiriyrmaxiKÖv. Dies genus
besteht aus Jambus Elegie Epos und Melos.
30 Die Eintheilung des Proclus stammt wahrsch. von Didymus
nepi XupiKCÖv 7tovr|XH>v. Walther de graecae poesis melicae
generibus p. 10.
170 Vorlesungsaufzeichnungen

c) Das Wort XupiKÖi; ist die jüngere Bezeichnung für (ie^iköi;


od. j i s X o n o i ö t ; . Die A , ö p a ist das vulgäre Saiteninstrument,
bei Festen aller Art, bei Gelagen. Bei dem J a m b u s w a r es
nicht gebräuchlich, hier vielmehr die J a m b y k e n und Klep-
siamben Athen, p. 636 b. Bei der Elegie waren früher Flöten
gebräuchlich Theogn. 2 4 1 . 943. Chamaeleon Athen. 620 C
später ohne Musik. Das Epos wurde rhapsodirt: in einer
früheren Stufe allerdings die (pöpniyi; dh. M p a . Die M>pa
nicht das einzige Instrument der Melischen Poesie.
Die X,upa w a r nur das gebräuchlichste: außer ihr Pectis
Magadis Sambyke. A , u p i K o i zuerst bei Dionys. T h r a x . Bekk.
Anecd. 2 p. 752. Bei den Alexandr. herrschendes Wort,
novem lyrici Anthol. Palat. 9, 184. Cic. Orator 1 8 3 sagt
XupvKoi (ohne Musik Prosa) Melici ist ihm geläufig. Horat.
1 quod si me l y r i c i s vatibus inseris. Odenpoesie. Als J a m -
benschreiber hatte er schon einen Namen. Bei Quinktilian
ist das Wort lyrici eingebürgert. I. 8, 6 | 1 0 , 1 , 61 im
Gegensatz zur Elegie.
d) D a f ü r wurde gebraucht |iS^iKoi. (ieA,og nicht „ G l i e d " hieß
alterthümlich (leXXoq. Dies stelle ich her Pausan. X 7, 3.
„Der Arkadier Echembrotos siegt in den Pythien Ol. 47 od.
48, 3. Der eherne Dreifuß
c
' E x e n ß p o x o g ' A p K ä g 80r|K8 tro HpaKX,ei
viKf|CTa<; t ö 8 ' a y a ^ n ' ' A | i c p i K T i ) ö v G ) v s v d e 6 t a n < ;
"EM.r|cnv 8' aScov neX,ea Kai sXsyovq.
Aeol. neAAixog (ion. |i£i?uxo<; mild) |i£l?ua Liebesgaben bei
Homer. Im Kult Huldigungslieder blandimenta f ] 8 u a n a x a .
91^,0|ir|X,a, (wie eaxr|A.a für eaxsXXa.) marl- erweichen,
milde stimmen.

1 . Aeltestes Saiteninstrument. 2. Entwickelteres Saiteninstru-


ment für die Agone
ionisch-episch KiGapig
aeolisch-dorisch Mpa Kiöapa
poetisch cpopniyi;
( D i e griechischen L y r i k e r ) 171

D i e a u s l ä n d i s c h e n I n s t r u m e n t e Magadis, Pectis, Sam-


byke Iambyke. Die Magadis das Instrument des Anacreon: nach
Posidonius Athen. 634 C.: eine zwanzigsaitige. A,t>Sir) n&yct5i<;
von Anacreon genannt, auf Mytilene im Volksgebrauch. Aristo-
5 xenos schrieb deshalb ihre Erfindung der Sappho zu. Die Melo-
dien in Oktavengängen: Pindar nennt sie V|/aA,|AÖv dvutpGoyyov
weil sie den Gesang der Männer u. Knaben wiedergiebt.
Später nannte man jedes Instrument so, das in Oktaven beglei-
tete. So eine Art des atiXöc, die hoch u. tief blase Wahrscheinlich
10 gab es eine Vorstufe der Orgel Hesych. v. nayd8ei<; • a u ^ o i
K i ö a p i c m i p i o i , ö p y a v o v \|/aÄ,xiKÖv. Also etwas Ähnliches wie
die Wasserorgel. | Dasselbe wie die Magadis w a r nach Aristoxe-
nos' Urtheil Athen. 635 <E die 7tr|Kxig).
Die Pectis wird von Plato Republ. III p. 399 vielsaitig u. vielstim-
15 mig genannt. Ohne Plectrum, mit den Fingern gerührt.
AüXöc,: der Ton durch Erschütterung eines Blättchens
y X t b c a a hervorgebracht: die Blättchen anfeuchten oder anfet-
ten. Die verschiednen Töne durch Löcher i p f m a x a oder Tpl)7tf|-
Haxa hervorgebracht. Die R ö h r e hieß ßö(ißu^, das Mundstück
zo ÖA.|XÖ<;. R o h r Lotosholz Buchsbaum Horn Erz. — Unterschied
von Baßklarinette und Sopranklarinette

avXöq jiu0ik6<; avköq x°PlKö<;


für den Sologesang.

Der Eindruck der Flöten ist n i c h t f|9iKOV, sondern opyiacrtiKÖv.


Volksthümlich u. bis spät erhalten ist die Doppelflöte Pollux
nennt ya|if|Ä.iov aß^rina zwei zusammen geblasene Flöten von
2.5 ungleicher Größe, Ttapoivioi gleiche aber kleine Doppelflöten.
Varro nennt die ungleichen Phrygiae die gleichen Sarranae.
Die rechte Flöte ein Loch, die linke zwei Löcher. Also viertönige
Melodien mit zweitöniger Begleitung. Dudelsack.

Ä.öpa zuerst bei Alcäus u. Alcman.


30 nach Westph. aeolisches Wort für (pöpjxiy^
meine Etymologie:
172 Vorlesungsaufzeichnungen

= A.dpct (aeolisch aop^ = a ä p ^ 7t i au peg Teaaape«; a = o =


u)

Xap tönen
X.ap6va) girren (Taube)
A.ap6^co (Hesych) schreien krächzen
= X,apuyyi^ö)
XdpuyE, Kehle „Tonwerkzeug"
A.(ipoc; M ö w e „Schreivogel"
lateinisch latro bellen (lärito mit Metathesis)
nach Diodor 3, 16 ursprüngl. 4saitig

§ . 2 . Quellen für die Geschichte der Lyrik.

Die Geschichte der Lyrik ist u r k u n d l i c h e r ,


1) weil die S e l b s t z e u g n i s s e der Dichter so zahlreich sind.
2) weil zahlreiche ö f f e n t l i c h e Urkunden vorliegen. Priester-
liche Aufzeichnungen zB. für den D e l p h i s c h e n Tempel. Pau-
san. X 7, 2. für den Tempel in S i c y o n Plutarch. de mus. cap.
III. p. 1 1 3 2 . In diesen eine mythische Vorgeschichte mit Linos,
Phemios und Demodokos. Verzeichniß der K a r n e o n i k e n Plut.
6.
< 3 ) ) CTüyypan|o.a rcepi apxairov Jioir|Töjv Kai (iouatKcöv des
Glaucus aus Rhegium Ol. 63 c. 525. (einige schreiben die Schrift
dem Antiphon zu Plutarch. vit. decem orat. p. 224 Wytt. Lob.
Aglaoph p. 3 2 1 . Diese Schrift hat Heraclides Ponticus excerpirt
ev tfi auvaycoyrj x ö v £v (lOöaiKrj.
Ihn wiederum P l u t a r c h d e m u s i c a . Die erste Hälfte aus
Heracl. die zweite aus Aristoxenos. mit treustem Anschluß.
Heraklides kritiklos, in diesem Falle wörtlicher Abschreiber des
Glaucus.
<Die griechischen Lyriker) 173

Über die Chronologie u. die Hauptphasen der alten Musik.


Unschätzbarer Werth erst von Westphal anerkannt, ed. R . Volk-
mann 1856. später zte Aufl. Westphal.
Besonders wichtig Aristoxenus der Musiktheoretiker: Tispi
5 aöA/riTßjv. Jtepi n.ODcmcfj<;. a u w u K T a au|X7tOTiKd. (Hieraus Plut-
arch wörtlich Westph. gr. Rhythm. z. Aufl. p. 57) Gegensatz
der alten klassischen Kunst im Gegensatz zur modernen: wie
Aristophanes ist er ein Gegner des modernen Geschmacks. (Euri-
pides der die Monodien der (JKT|vf| zum Mittelpunkt der Tragö-
10 die macht.) Aristox. nennt Phrynichus u. Aeschyl. als seine
Meister. Sophocles wird auch getadelt. Mit der cncr|viKTi |xoi>
c t i k t ] steht in Verbindung die Nomen- und Dithyrambendich-
tung (Timotheus u. Philoxenus) Ihnen stellt er Pindar Pratinas u.
Simonides entgegen. Die Zeit der Perserkriege ist die klassische
15 Periode.
Chamaeleon Peripatet. seine auf Geschichte des Melos gerichte-
ten Fragen bei Koepke de Cham. Perip. Berlin 1856.
Dicaearch Bioq cEAAd8o<; griechische Kulturgeschichte
Phanias Eresius Tiepi 7toiT|T(DV
zo Hieronym. Rhod. rcspi 7ioiT]Tö)V, das 5 Buch über die Citharo-
den. Deren Fragmente meistens im Athenaeus Deipnosoph.
In dies. Werk sind sie gekommen aus dem 'Ovo|i.acruK6v
(Realencyklop.) des Pamphilus, der wieder das meiste dem
Didymus dankt, dann dem Aristophan. Byz. usw.
2.5 Die litterarhistorischen Notizen in größter Fülle bei S u i -
d a s . Dessen Quellen: Hesychius Milesius 6 Jhd. övo(iaxoA,ö-
yog fl Jtiva^ xräv ev JtaiSsia ovonaatcöv. Hierher auch
Eudocia.
D a s B i l d d e s H e s y c h i u s . Nach bestimmten indicien antistoi-
30 chisch geordnet.
Die Quelle A Nebenquelle: Dionysios (iOUCTiKÖg, Hermippus
Berytius
B. Hauptquelle ein Homonymenschriftsteller Deme-
trius zur Zeit Ciceros.
174 Vorlesungsaufzeichnungen

§ 8. Die Tradition der Lyrikerfragmente.


Ein kleinster Theil in Handschriften. Pindar. Die Anakreon-
teen. Theognis in Form des Florilegiums. Alkman. Dann in
Chrestomathien, vor allem
5 § 8. Die Hauptphasen der griech. Musik in Hinsicht auf Ent-
wicklung der Lyrik

§ 8. Z u s t a n d der Ü b e r l i e f e r u n g .

i) S c h u l g e b r a u c h : Auswahl | Zerstückelung. Theognis,


Solon, Phokylides, dann Meliker bei dem Kitharistes (Plat.
io Protag. p. 3z6) Die Erhaltung der Tragödie an Schule geknüpft.
Das U n m o r a l i s c h e abgelehnt. Allgemeine N i c h t a c h t u n g
des Schulmäßigen, A b g e d r o s c h e n e n .
z) Der r ö m i s c h - h e l l e n i s t i s c h e Geist gegen die Lyriker wie
sie schon nicht so sehr in das panhellen. Bewußtsein übergegan-
15 gen sind. Im Ganzen vorattisch-vorpanhellenisch. Cicero's
Zeugniß, des Lernbegierigsten. Das Naive, Unrhetorische, Un-
moralisch-scheinende, Unmäßige, Allzupersönliche.
3) Manches schien ü b e r b o t e n zB. die Elegie durch Alexandr.
u. Römer. Freude am Wortmosaik. T o d der großen Melik u.
20 Musik.
4) S c h w i e r i g k e i t der S p r a c h e , schon für d. Athener.
Ohne die Grammatiker wäre es noch viel gründl. untergegangen
5) Der Z u f a l l , Brände, Würmer usw
Sehr wichtig. Weil noch nicht panhellenisiert, noch nicht an
25 Athens Centraikultur geknüpft. Dialekte.

Prolegomena: Staatsordnung. Auswärtige Künstler. Woher?

Ardalos von T r o e z e n e , Polymnestos von K o l o p h o n .


Eine ganze Abfolge lesbischer Citharöden; die an den Kameen
in Sparta siegen.
{Die griechischen Lyriker) 175

S t e s i c h o r o s hängt (nach Glaukos) n i c h t von Orpheus Terp-


ander, Archiloch u. Thaletas ab, sondern von O l y m p o s , als
Musiker; das giebt ihm seine S t e l l u n g .
P e l o p o n n e s H e e r d d e r L y r i k u. M u s i k
E r s t e s t a a t l i c h e Festsetzung über Musik in Sparta: Terpander
Kameen. Z w e i t e in A r k a d i e n djro58i^et<; pae.? u. A r g o s
(Endymatien) durch Thaletas, Xenodamos, Xenokrit, Polymnest
u. Sakadas (Lesbos C r e t a , C y t h e r a L o k r i s in Italien C o l o -
p h o n A r g o s sind die Heimatstädte, <Argos> Sikyon Trözene
sind peloponnesisch)
Xenokritos D i e s e r I t a l i ä n e r hat heroische Stoffe (mit dramat.
Darstellung?) vorgeführt, man nannte seine Dichtungen deshalb
auch Dithyramben. ripcoiKÖv yap imoöeaerav 7 i p d y n a x a
¿XOuacöv ist r e c h t , nicht 8pd|xaxa mit Volkmann zu schreiben.
Sie enthielten Thatsachen, stellten E r e i g n i s s e dar. Hier er-
scheint der Dithyramb als eine A b a r t des P a e a n . Übergang
der Gattungen, (itpayna = 8pä|j.a nach Aristot.) Ort dafür die
'ATtoSei^Eig in Arkadien? — Olympus ist als Erfinder des
fj9o<; in der Musik zu betrachten, er nahm die C h a r a k t e r u n t e r -
schiede in den Tonfolgen wahr.

Zu Terpander.
a) Vollender des Nomos, Einführung in den ayröv (bisher nur
r h a p s o d i s c h e r aycov)
b) Fortsetzung der homer. Rhapsodik, doch mit K i t h a r o d .
Proömien Plut. de mus. 6.
c) E r f i n d e r des S k o l i o n (mit der lesb. ß a p ß i t o i ; n a c h
Pindar frgm. in dem Skolion auf Hieron Athen. 14 p. 635.
Daraus fragm. Ath. iz p. 51z

töv pa TepnavSpö^ 7108' o Aeaßiog söpsv


7tpa»TO<;, sv SeiTivoicn AuScov
\|/aX|iöv avxiipGoYyov ü\|/r]Xäi; aKouGov Jir|ia;i8oc;.
176 Vorlesungsaufzeichnungen

„entgegenhallendes Saitenspiel" wegen des Oktavenspiels


also n a c h der lydischen Pectis hat er den ßdpßixoc; geschaf-
fen.

Zu f r a g m . i
dpxd ja n i c h t „Ursprung" „Schöpfer", sondern nur „Erster"
riyf|Xtop Anführer. In welchem Sinn a l l e i n Zeus Schöpfer hei-
ßen kann, sehr schön Pindar „auf den Zeus von Dodona":
AooScovaie neyaa9eve<;
dpiaxöxexva naxep
8 a | i i o u p y e 5iica<; xe Kai euvo(iia<;.
| Meister gewaltiger Künstler (also V o l l e n d e r )
Zeö navxcov ap%ä navxcov dyfixcop
I—I I II I I I — I - v II
ZeC ctoi CTJC8v5(fl || xaöxav ßnvov || vielleicht u^vcov? so ich!
15
H H
dpxav
1 2 3
1 2 3
20 Spondeen! (CT7tov8eioi)
(was ist D a k t y l u s : ••• Finger von 3 Gliedern
was J a m b u s ? • der Wurf, schnell zurück, lang hinaus)
frgm 2. mit G. Hermann
djicpi |ioi aßx' äva%9' eKaxrißöXov dSexco d cppf|v
Z5 Hexam. n i c h t Taktwechsel wie Bergk.
fr. 3 ctitsvSö) | nev xaiq | M v a ^ a g
H
jtaiaiv | M©- | aaig
H
30 Kai xcd | M(D<a)- | äp%(p
H
Aaxoö«; | ui- | ei
{Die griechischen Lyriker) 177

fr. 4 sind m o l o s s i .
fr. 5 ich halte es für nexaxpoTtä Übergang von der feierlichen
dpxil (in 4 Tönen ganz einfach) zum ö|i(paA,6<; mit vollem
Saitenspiel Schon im Alterth. machte man falsche Schlüsse
5 vom Tetrachord Strabo 1 3 p 618.
fr. 6 L a n z e — Muse — Recht
viell. eTiixdppoGoi? /^epycov die Gehülfen, Helferinnen zu Ruh-
mesthaten (doch nicht gerade das Recht allein? eöpuayuva öf-
fentliches Recht damit gelobt, vom Volke verwaltet
10 C o l i e g . Schilderung des Nomos (nach der Dissertat.)
C o l l e g . Veränderung des musischen aycbv. Bisher Rhapsodik.
Diese aus den Angeln gehoben: tiefe G e m ü t h s w i r k u n g der
Musik der N e u e n .
Terpander „Mann des Segens" (Mann des Verhängnisses, beide
15 mehr Anzeichen als Ursachen.)
Der Frühling der Lyrik ist da. Lauter Talente von allen Seiten
(Herkunft!!!!) u. dann Festsetzung durch den S t a a t .
Der dorische S t a a t b e n ü t z t diese religiösen-moralischen Wir-
kungen theils politisch, theils gegen das D i o n y s i s c h e (Bewe-
2.0 gung der unteren, u n t e r w o r f e n e n V o l k s s c h i c h t e n ) .

Erste KataCTiaaiq: die Virtuosen der Citharodik


monodisch
der Aulodik
(Klonas) cf. früher (schon
Übergang zur Feststellung der
c h o r i s c h e n Lyrik
Zweite K. wesentlich c h o r i s c h und sodann abso-
lut — musikalisch.
A O r t e : musische Anordnungen getroffen von Staatserziehern
Sparta's: Gymnopädien
Arkadien: e n 1 (d7to)8eii;eic; (nach Polyb. IV 2.0, 12.
p r ä s e n t i r t e n s i c h ejriSeiKVUVTai die
Jünglinge der Arkader jährlich
Argos: Endymatia ihren Mitbürgern mit Musik Tänzen u.
Festgelagen Das ist wohl gemeint.
178 Vorlesungsaufzeichnungen

B Die M e i s t e r b e e i n f l u ß t i) w e n i g e r durch O l y m p u s '


M u s i k der Erfinder des f|0oi;, er nahm
die C h a r a k t e r u n t e r s c h i e d e in den Ton-
leitern wahr
5 2 ) v o r a l l e m die Neuerungen des
Archilochus in Metrik und Musik
zu „ e r w ä g e n " || Zwei ursprüngl. H a u p t r i c h t u n g e n
der Musik
i) Orpheus Terpander Archilochus Tha-
letas kommen dann zusammenge-
strömt in den großen Meistern
z) Olympos Stesichoros

C D i e N e u e r u n g e n (siehe früher) Colleg


Der auletische Nomos des Sakadas zu beschreiben

Gegenüber stehen sich


10 A der einzelne Sänger
B. das singende Volk
Aus A entsteht die Elegie, als der avXöc, hinzutritt.
Aus B die chorische Lyrik und die melischen Monodien.
In A liegt die Entwicklung der ältesten Kunstdichtung.
15 Terpander, die Elegie.
Priester- und Volksgesang: dies der Grundunterschied.
Religiöser Ursprung.
Paradoxer R u h m d e s A r c h i l . Suidas s. v. u. Chrysost. or.
33 P 379- Kalondas der Rabe von der P y t h i a als Befleckter
zo verstoßen
Moucrdcov öepdnovta K a x e K t a v e g - e £ , i 0 i vaoß.
Dagegen Kriegsglück, ^DVÖg 'EvudÄ.io<; eingewendet. ( A n s p i e -
l u n g auf das fragm. 1?), es giebt keinen speziellen öepdjicov
'EvoaXioio). schützt Nothwehr vor, sich selbst gerettet u. des-
25 halb getödtet. Zum z w e i t e n Male sagt die P. „es sei der Diener
der Musen gewesen usw. er solle nach Tainaron gehen, wo
•(Die griechischen L y r i k e r ) 179

die „Grille" begraben liege u. ihn durch Spende versöhnen u.


begütigen.
Eigentl. ist es eine H e r o i s i r u n g (die Parier opferten ihm
als Heros, er gehört zur göttlichen Gefolgschaft der Musen.

5 Warum?

1) das delphische Orakel im c o l o n i a l e n Z e i t a l t e r ehrt


d e s s e n S ä n g e r Arch. hat das d a m a l i g e L e b e n in Verse
gebracht, jeder konnte sein Schicksal, seine Empfindung jetzt
absingen — so war das Leben sehr e r l e i c h t e r t . (Bis dahin nur
io Poesie der Vergangenheit!)
2) die Sittlichkeit des A. stand g e n a u auf dem N i v e a u
(wie später die der Sophisten), nicht nur der w i r k l i c h e n ent-
sprechend, sondern auch der C o n v e n t i o n e l l e n (Ein feiner
Kenner wie Kephisodor (Athen. 3, p. 122) sagt bei den älteren
15 Dichtern (Archiloch.) fände sich nur sv rj 5uo youv rcovr|p(D<;
eipr||X8va) Die Spartaner mit der Verurtheilung der Schildge-
schichte waren die A u s n a h m e damal<s), allzu rigoros. Man
findet H o m e r u. Archiloch. z u s a m m e n wegen ihrer Sittlichk.
zuerst verurtheilt von Heraclit (pcnu^saGcu — £K xcöv dycbvcov
20
3) Er war das leibhafte yvröGi cauxöv der Zeit. „So seid
ihr Alle" konnte die Pythia sagen. Stelle des C r i t i a s v o r h e r
Interessant, wie sich das spätere Alterth. sein Äußeres d a c h t e
Welcker f r ü h e r
25 B seine N e u e r u n g e n . D a s V o l k s l i e d litteraturfähig dh.
a g o n f ä h i g entscheidende V e r w e l t -
l i c h u n g des musischen dytbv.
A) Das Metrische C o m p o s i t i o n v. f r ü h e r (Daher stro-
phisch Censorinus: c. 9: Archilochus Christ p. 616 u. 617] Christ
30 p. 547 e p o d i s c h
Ttaxep AuK&nßa rcoiov gcppdaco i ö 5 e
- xig aäq rcaprjeipe tppeva«;; nicht zu verwechs. f| 87ta)8ö<; (sc.
7tepio8o<;)
180 Vorlesungsaufzeichnungen

proodisch
- alvcx; n<; avöpamcov ö8e
&>q äp' aXö)7iri^ Kaieiö*; ^uvcoviav u. auf ein<en> oder meh-
rere gleiche Verse f o l g t eine kurze Clausula 87icpSlKOV (darnach
s sjtö)8oi CTiixoi jamb)
Zwei Compos, i) Kaxd a t i x o v z) Katd rcepioSov
der trochäische u. die e p o d i s c h e
jamb Septenar Compos, am
der jamb Trimeter einfachsten
die p r o o d i s c h e
C o l l e g . Archilochus. als Urheber der Elegie:
H o r a z A. poet. 77
quis tarnen exiguos elegos emiserit auctor,
grammatici certant et adhuc sub iudice Iis est.
10 Orion p. 58. Etym. Gud. p. 180 nach Didymus Ttepi 7toir|T(öV.
eupexf)«; 8e too e^eysiou oi (xev 'Ap%i?to%ov, oi Se Minvep^ov,
oi 5e KaX,A.ivov rta^aiöiepov.
Plut. de mus. p. 1 1 4 1 7ipa)T(ö 8e aut© — dTtoSsSoTai — £m'
evirav Kai t ö e^sysiov.
15 Elegie im Kriegslager — Symposion.
Symposion der Schiffs-Nachtwache.
E r h e i t e r n d e Elegie an Perikles, er mahnt zu t r i n k e n , bei
öffentl. Trauer (dies war a n s t ö ß i g , nach Plutarch v. fragm)
zuerst (wie er in den Jamben erzählt hat, wo er wohl wegen
20 dieses Anstoßes seinen Mitbürgern zu Leibe ging) hatte er auch
alle Lust zum Dichten u. zum Frohsinn verloren, fr. 13.

<Zu Kallinos)
a) N a m e
b) Z e i t . Archil. Zeit: Colonie nach Thasos 720 — 8 Kimm<(e-
2.5 rier) von ihrem Sitze nördl. schwarz. Meer durch die Skythen
( D i e griechischen L y r i k e r ) 181

vertrieben, setzen sich auf dem Chersones fest u. verheeren


Paphlag. Phrygien Lydien u. Ionien, erobern Sardes, nehmen
M a g n e s i a am Mäander (nicht v e r w e c h s . <(mit> ad S i p y -
l u m ) bedrohen den Tempel der e p h e s . Artemis. Aber ihr An-
5 führer Lygdamis muß sich zuletzt in die Gebirge von Kilikien
zurückziehen, dort erschlagen, zerstreut.
Entweder i Einfall der Kimmerier: dann unter A r d y s (c.
640 — 25) oder 2. Dann k a n n er 100 Jahre älter sein und vor
Archilochus. bloß wegen Arch. fr. 20.
10 T ä Mayvfixcov Kaicä Archil. fr. 20.
[Aber es gab ein größeres Magnesia durch die Ephesier. Von
d i e s e m Kriege redet Kallinos.]

<Zu Tyrtaeus)

I. Herkunft S u i d : A&kcov rj MiA.f)cnoq. N i c h t Athener.


15 (att. Ehrgeiz Homer Tyrtäus, s p ä t e r Culturstadt. Das Orakel
sendet die Dichter, wo sie n ö t h i g sind. Die Spartaner verlangen
Feldherrn, sie bedürfen eben nur der E r m u t h i g u n g . „aus
Aphidnä wird der (TTpaTr|y6<; kommen" (man denke an die dort
lokalisirten D i o s k u r e n ) Von d o r t (wo er wohl Aulet war
2.0 (nebenbei y p a ^ n a x a lehrte) kam er.
D o r e r muß er sein und L a k o n i e r . er sagt fr. 5 v. 6 Ttaxepcov
f||i.eTep(ov Ttaxepec; und v. 1 i||a.£Tepq) ßaai^f|i 0eojtö(j.jtq)
n a m e n t l . fragm. 2 & ( p i K Ö H £ 0 a . Das kann aber ein Mann mit
bloßem Ehrenbügerrecht nicht sagen.
25 Nun der Milesier ( M e l i e r meine ich, ctTtoiKia ifflv AaicsSai-
Hovirov im Gespräch bei Thukyd. Schreibfehler wie bei Leucipp
Demokrit Diagoras
A l s o Mt|Xio<; e g o c o n . a p S u i d a m Sein Vater.
II. Z e i t nach Suid. v o r den 7 Weisen c. Ol. 35 (c. 650 — 40
30 u. älter). | nach Paus. 1. messen Krieg 743—724 v Ch der Ute
685 —638. Also 41 Jahre dazwischen, zu w e n i g v i e l l ? | Rhianos
182 Vorlesungsaufzeichnungen

Messeniaca (220). Epaminondas stellt 369 (also 300 Jahre später)


Messenien wieder her (Stadt Messene).
Die £UVO|iia s p ä t e r , während des Krieges. Es war viel Land
unbebaut geblieben wegen der ewigen plünderungen durch die
s Messenier, Hungersnoth und Aufruhr entstanden
N a m e ? TupT-atoq (TöpT-a|io<; heißt Theophrast) teipco
mürbe machen xap durchbohren. Viell. daher die Geschichte
vom l a h m e n Schulmeister?
Z e i t . Nicht gleich am Anfange des Kriegs tritt er ein. So
10 erklärt sich Ttaxepei; Ttatepcov (etwa 60 Jahre früher dh. c. 664.
Denn noch 25—26 Jahre macht er diesen 2ten Krieg mit. Genaue
Übereinstimmung mit Suid.; seine dK|if| in diesen Krieg ge-
legt. — S o m i t :
Die Angaben des Pausan. über die Zeit erscheinen g l a u b h a f t .
15 Die Angaben des Tyrtäus sind benützt, gewiß boten die Gedichte
noch w e i t e r e Anhaltspunkte (namentl. Königsnamen wie
Theopomp, spartan. Königslisten.
( n e i n , nach Pausan 4, 15 hat er die Könige im 2ten <Krieg>
n i c h t genannt).
20 Paus, nach Olympiaden u. den Siegern u. athen. Archontenlisten

<Zu A l c m a n )

Sehr a n g e s e h e n damals in Sparta.


1) lydischer Sklave im Besitz des Agesidas (nach dem Per-
gam. Crates (Tixaiovxa Suid.)
25 2) Alex. Aetolus (Sardes
3) Mecröa, also Spartaner.
A n m u t h i g e Cultur Spartas n a c h den messen. Kriegen auf-
blühend
Vorlesungen über lateinische Grammatik

von

Friedrich Nietzsche

[WS 1869-1870!
Cap. i . V o m U r s p r u n g der S p r a c h e .

Altes Räthsel: bei Indern Griechen bis auf die neueste Zeit.
Bestimmt zu sagen, wie der Ursprung der Sprache n i c h t zu
denken ist.
5 D i e S p r a c h e ist w e d e r das b e w u ß t e Werk e i n z e l n e r
n o c h e i n e r M e h r h e i t , i . Jedes bewußte Denken erst mit
Hülfe der Sprache möglich. Ganz unmöglich ein so scharfsinni-
ges Denken etwa mit einer bloß thierischen Lautsprache: der
wunderbare tiefsinnige Organismus. Die tiefsten philosoph. Er-
10 kenntnisse liegen schon vorbereitet in der Sprache. Kant sagt:
„ein großer Theil, viell. der größte Theil von dem Geschäfte
der Vernunft besteht in Zergliederungen der Begriffe, die er
schon in sich vorfindet." Man denke an Subjekt und Objekt;
der Begriff des Urtheils ist vom grammatischen Satze abstrahirt.
15 Aus Subjekt u. Prädikat wurden die Kategorien von Substanz
und Accidenz. z. Die Entwicklung des bewußten Denkens ist
der Sprache schädlich. Verfall bei weiterer Kultur. Der formelle
Theil, in dem gerade der philos. Werth liegt, leidet. Man denke
an die französ. Sprache: keine Deklination mehr, kein Neutrum,
20 kein Passivum, alle Endsilben abgeschliffen, die Stammsilben
unkennbar verunstaltet. Eine höhere Culturentwicklung ist nicht
einmal im Stande, das fertig Überkommene vor Verfall zu be-
wahren. 3. Für die Arbeit eines Einzelnen ist sie viel zu compli-
cirt, für die der Masse viel zu einheitlich, ein ganzer Organismus.
186 Vorlesungsaufzeichnungen

Es bleibt also nur übrig, die Sprache als Erzeugniß des


Instinktes zu betrachten, wie bei den Bienen — den Ameisenhau-
fen usw. Instinkt aber ist n i c h t Resultat bewußter Überlegung,
nicht bloße Folge der körperlichen Organisation, nicht Resultat
eines Mechanismus, der in das Gehirn gelegt ist, nicht Wirkung
eines dem Geiste von außen kommenden, seinem Wesen fremden
Mechanismus, sondern eigenste Leistung des Individuums oder
einer Masse, dem Charakter entspringend. Der Instinkt ist sogar
eins mit dem innersten Kern eines Wesens. Dies ist das eigent-
liche Problem der Philosophie, die unendliche Zweckmäßigkeit
der Organismen und die Bewußtlosigkeit bei ihrem Entstehn.
Abgelehnt sind also damit alle frühern naiven Standpunkte. Bei
den Griechen, ob die Sprache Geoei oder (pöaei sei: also ob
durch willkürliche Gestaltung, durch Vertrag u. Verabredung
oder ob der Lautkörper durch den begrifflichen Inhalt bedingt
sei. Aber auch neuere Gelehrte brauchten diese Schlagwörter
zB. der Mathematiker Maupertuis (1698 — 1759): Übereinkunft
als Grundlage. Zuerst ein Zustand, ohne Sprache, mit Gesten
u. Schreitönen. Dazu habe man conventionelle Gesten u. Schrei-
töne gefügt. Diese Mittel hätten vervollkommt werden können
zu einer pantomimischen Schrei- und Gesangsprache. Aber dies
wäre mißlich gewesen. Richtige Intonation u. feines Gehör sei
nicht jedermanns Sache. Da wäre man darauf gekommen, eine
neue Ausdrucksweise zu finden. Durch Zunge u. Lippen habe
man eine Menge von Artikulationen herstellen können. Man
fühlte den Vortheil der neuen Sprache, u. man sei dabei stehen
geblieben."
Inzwischen war die andre Frage in den Vordergrund getreten ob
die Sprache durch bloße menschliche Geisteskraft habe entstehn
können oder ob sie eine unmittelbare Gabe Gottes sei. Das alte
Testament ist die einzige Religionsurkunde, die einen Mythus
über den Ursprung der Sprache hat oder etwas Ähnliches. Zwei
Hauptpunkte: Gott und Mensch reden dieselbe Sprache, nicht
wie bei den Griechen. Gott u. Mensch geben den Dingen Namen,
Vorlesungen über lateinische Grammatik 187

die das Verhältniß des Dinges zu dem Menschen ausdrücken.


Also die Namengebung der Thiere usw. war das Problem des
Mythus: die Sprache selbst wird vorausgesetzt. — Die Völker
schweigen über den Ursprung der Spr: sie können sich Welt
5 Götter u. Menschen nicht ohne dieselbe denken.
Jene Frage bei der geringen histor. und physiol. Einsicht
berechtigt. Einmal war durch Vergleichung der Sprachen klar,
daß die Entstehung aus der Natur der Dinge nicht zu erweisen
sei. Die willkürliche Namengebung schon durch Plato's Craty-
10 lus: dieser Standpunkt setzt nämlich eine Sprache vor der Spra-
che voraus.
Jean Jaques Rousseau glaubte, es sei unmöglich, daß Sprachen
durch rein menschliche Mittel entstehn könnten.
Bedeutend in der Gegenansicht das Werk von De Brosses
15 (1709 — 1777), der an der reinmenschl. Entstehung festhält, doch
mit unzureichenden Mitteln. Die Wahl der Laute hänge von der
Natur der Dinge ab zB. rude und doux u. fragt „ist nicht das
eine roh und das andre süß?" Solche Worte liegen aber unendlich
von der Entstehung der Sprache ab: wir haben uns gewöhnt u.
2.0 eingebildet, daß in den Klängen etwas von den Dingen läge.
Demnächst Lord M o n b o d d o bedeutend: er nimmt eine
reflexive Geistesthätigkeit an: eine Erfindung der Menschen u.
zwar öfter gemacht: Darum braucht er keine primitive Sprache.
Ein und zwanzig Jahr schrieb er daran: die Schwierigkeiten
25 werden immer größer. Den allerweisesten Männern schreibt er
die Entstehung zu. Etwas übermenschliche Hülfe braucht er
doch: die ägypt. Dämonen-Könige.
In Deutschland hatte die Berliner Akademie — vor hundert
Jahren — eine Preisfrage „über den Ursprung der Sprache"
30 gestellt. 1770 erhielt H e r d e r s Schrift den Vorzug. Der Mensch
sei zur Sprache geboren. „So ist die Genesis der Sprache ein so
inneres Drängniß, wie der Drang des Embryo's zur Geburt beim
Moment seiner Reife." Aber mit seinen Vorgängern theilt er die
Anschauung, wie die Sprache aus sich äußernden Lauten sich
188 Vorlesungsaufzeichnungen

verinnerlicht. Die Interjektion die Mutter der Sprache: während


sie doch eigentlich die Negation ist.
Die richtige Erkenntniß ist erst seit K a n t geläufig, der in
der Kritik der Urtheilskraft die Teleologie in der Natur zugleich
5 als etwas Thatsächliches anerkannte, andrerseits die wunder-
bare Antinomie hervorhob, daß etwas zweckmäßig sei ohne ein
Bewußtsein. Dies das Wesen des Instinktes.
Zum Schluß Worte von Schelling Abth. II. Bd. i S. 52)
„Da sich ohne Sprache nicht nur kein philosophisches, sondern
10 überhaupt kein menschliches Bewußtsein denken läßt, so konnte
der Grund der Sprache nicht mit Bewußtsein gelegt werden;
und dennoch, je tiefer wir in sie eindringen, desto bestimmter
entdeckt sich, daß ihre Tiefe die des bewußtvollsten Erzeugnisses
noch bei weitem übertrifft. Es ist mit der Sprache, wie mit den
15 organischen Wesen; wir glauben diese blindlings entstehen zu
sehen und können die unergründliche Absichtlichkeit ihrer Bil-
dung bis ins Einzelnste nicht in Abrede ziehen."

Cap. 2. Das Lateinische in seiner Verwandtschaft


mit anderen Sprachen.

20 Die Voraussetzung, um Verwandtschaften nachzuweisen, ist


Bekanntschaft mit den verschiedenen Parteien. Es gilt Gleichför-
miges nachzuweisen, das sich mit Gesetzmäßigkeit wiederholt.
Um aber die Verwandtschaft zwischen Griech. u. Latein, nachzu-
weisen, mußte man einen sehr viel weitern Blick haben, da
25 zunächst dem Gesamteindrucke nach beide Sprachen möglichst
verschieden sind.
Trotzdem ist — im richtigen Vorgefühl, sonst auf das Verkehrte-
ste — der Versuch gemacht worden beide Spr. auf eine Wurzel
zurückzuführen: von Hemsterhuis 1685 —1766, dem berühmten
30 Niederländer. Ruhnken sein Schüler sagt von ihm Latinae lin-
Vorlesungen über lateinische Grammatik 189

guae origines nemo mortalium ante Hemsterhuisium recte cog-


novit. Zugleich er habe die ratio verissima originum graecarum
entdeckt. Folgender Unsinn: 5 primitive verba ao eo io 00 uo,
entsprechend a© e© iffi Öö) u©. Aus diesen zweibuchstabigen
5 entstehn die drei-buchstabigen durch Vorsatz ßa© ya© usw. od.
Zwischensatz aß© äy©, die vierbuchstabigen durch Wechsel
von Consonant u. Vokal ßaßd© aßaß© yaya© ayay© usw.
Thatsache, daß die Verwandtschaft erst durch Kenntniß-
nahme des Sanscrit entdeckt wurde. Der erste der sie ausspricht
10 ist William J o n e s 1746 — 94, ein höchst bedeutender Mann, der
das Gesetzbuch des Manu, das Drama Sakuntala, auch einen
Hymnus des Rigveda übersetzte: dann den Druck des ersten
Sanscritwerks besorgte. Bestimmt sprach er vom Zusammen-
hang des Sanscr. Gr. u. Lat., dann auch von Deutsch, Celtisch
15 Persisch. Er ahnte auch die Verwandtschaft der Mythologien.
Wir berühren nur Hauptpunkte. Jene Anschauung brach sich
nur allmählich Bahn. Ein engl. Philosoph aus dem letzten Theil
des vorigen Jhd. suchte zu erweisen, das sei mit der Sanskritspra-
che eine Lüge, Sprache u. Litteratur Fälschung, nach dem Muster
20 von Griech. u. Lat. von den spitzbübischen Brahmanen fabricirt.
Einer der allerkenntnißreichsten Linguisten Adelung im Mit-
hridates nahm Verwandtschaft an, schoß aber über das Ziel
hinaus, indem er Hebräisch Syrisch Chaldäisch Arabisch Tür-
kisch hinzunahm. Rückschritt gegen William Jones. Thatsäch-
25 lieh aber hinderte Jones nur der Mangel an weitern Kenntnissen,
auf dieselben Abwege zu gerathen.
Die wichtigsten Fortschritte geknüpft an 4 Namen: Fr. Schlegel
Jakob Grimm Franz Bopp Wilhelm v. Humbold.
Fr. Schlegel (1772 — 1829) hatte in Paris als junger Mann Sansk.
30 gelernt, durch Alex. Hamilton, auch Persisch. „Über die Sprache
und Weisheit der Inder. Ein Beitrag zur Begründung der
Alterthumskunde 1808." Damit ist das Studium des Sanscrit in
die deutsche Wissenschaft eingeführt worden. 3 Bücher „von
der Sprache" „von der Philosophie" u. „historische Ideen." Zum
190 Vorlesungsaufzeichnungen

ersten Male der Ausdruck vergleich. Grammatik. Er sagt im 2t.


Cap. des I B. „daß die Verwandtschaft des Sanscrit mit der
römischen u. griech. german. u. pers. Sprache nicht auf etymo-
log. Künsteleien beruhe, sondern dem unbefangenen Forscher
5 als einfache Thatsache sich darbiete.

Sanscrit Littauisch Z e n d Dorisch Altslavisch Latein Gothisch

asmi esmi ahmi EH|J.i yesme sum im


asi essi ahi èacri yesi es is
asti esti asti èaxi yeste est ist

IO Armen. Ital. Wallach. Rhät. Span. Portug. Franz.

em sono sum sunt soy són suis


es sei es eis eres es es
e e e ei es he est

Nicht eine von diesen Sprachen ist die Wurzelsprache eajiäq


15 kann nicht von Sansc. smas abgeleitet werden, da Sansc. das
wurzelhafte a verloren hat. Das Griech. kann wiederum nicht
Wurzel sein, da das Latein, einige Formen primitiver bewahrt
hat sunt (sanscr. santi), während im Griech. evxi s v a i oder eiai.
Das wurzelhafte as ganz verloren denn santi steht führ asanti.
20 Sansc. u. Latein, haben davon doch noch s festgehalten, im
Griech. 8ct|8VU hat ganz das ta weggeworfen.
Das dritte Cap. des ersten Buches wendet sich gegen die An-
nahme daß das Sanscrit die primitive Sprache sei. Es habe nur
die indogermanische Ursprache treuer erhalten. — Er vergleicht
2.5 die „vergleichende Grammatik" mit der vergleich. Anatomie u.
ihrem Einfluß auf die Naturgeschichte. — Sein Bruder Aug.
Wilh. sagt in einer Recension: „Wir kennen noch kein Buch,
worin die etymologischen historischen u. philosoph. Gesichts-
punkte dieser Forschung so weit umfassend und tief eindringend
30 aufgestellt wären, als in Fr. Schlegels Schrift über die Sprache
u. Weisheit der Inder."
Vorlesungen über lateinische Grammatik 191

F r a n z B o p p 1791 in Mainz geboren ging 1 8 1 2 nach Paris. Er


war früh durch Windischmann angeregt worden, der dem Kreis
der Romantiker angehörte: dort hatte das Buch Schlegel's am
meisten gewirkt: man hoffte auf die Alliance der indischen
5 Litteratur für romantische Bestrebungen. Sanskrit erlernt er
ohne Lehrer. Das erste epochemachende Werk wurde von
Windischmann herausgegeben 1816. „Fr. Bopp über das Konju-
gationssystem der Sanskritsprache in Vergleichung mit jenem
der griech. latein. pers. und german. Sprache." Die Lösung der
10 Aufgabe, Grund und Ursprung der grammat. Formen zu finden,
wird am V e r b um versucht. 5 Capitel, 1 über Zeitwörter im
Allgemeinen, 2 altindische 3 griech. 4 latein. 5 deutsche u.
persische Konj.
Wir lassen die speziellen Arbeiten Bopps für Sanskrit bei
15 Seite, wie seine erste Sanskritgramm. 1827. 1833 erschien die
erste Abtheilung der vergleich. Grammatik des Sanskrit Zend
Griechischen Lateinischen Litthauischen Gothischen u. Deut-
schen" 1854 vergleich. Accentuationssyst. Inzwischen war 1819
der erste Band der deutschen historischen Grammatik von Jakob
20 Grimm erschienen. Vier Richtungen der Grammatik „die natur-
wissenschaftliche" bei den Indern, die philosophische bei den
Griechen, die sprachvergl. bei Bopp, die historische bei Grimm.
Quellenmäßige h i s t o r i s c h e 1 Darstellung der Formenlehre bis
auf die neueste Zeit war der Inhalt des Werkes. Hier wurde
25 Umlaut, Ablaut u. das wichtige Lautverschiebungsgesetz, das

1
die histor. Grammatik faßt das Werden ins Auge. Die fertig gewordene
Sprache ist nur ein M o m e n t , nicht einmal das wichtigste. Die älteren Stufen
sind viel lehrreicher. Die Sprache ist ein Gewächs mit einem innewohnenden
Bildungstriebe. Dabei ist nicht zu unterschätzen die Ausbildung durch den
bewußten Menschgeist, theoretische Festsetzung durch Doktrin wenigstens beim
Latein. Anders bei den Griechen, die grammat. Untersuchungen treten erst
hervor, als die Sprache fertig ist. Bei den Lateinern, bei den ältesten Dichtern
ist die Reflexion thätig.
192 Vorlesungsaufzeichnungen

zwischen dem Gothischen u. den meisten indogerm. Sprachen


besteht (sp. Sansk. u. Griechisch) dann zwischen Mittelhochd.
u. Neuhochdeutsch. Die wichtigste Erkenntniß, daß der Gleich-
klang bei etymol. Forschungen etwas sehr täuschendes ist zB.
Kopf hat nichts mit caput zu thun, dagegen das goth. haubith,
angelsächs. heafud.
Ein Beispiel: griech. x = goth. th = ahd. D. | griech. th =
goth. D = althd. T: griech. D = goth. T = althd. Z .
Wilhelm v o n H u m b o l d 1767 geboren brach die Bahn für die
allgemeine Frage der Sprache. Hauptwerk „über die Kawispra-
che auf der Insel Java, nebst einer Einleitung über die Verschie-
denheit des menschlichen Sprachbaues u. ihren Einfluß auf die
geistige Entwicklung des Menschengeschlechts. Rückschlüsse
auf die indogerman. Periode zB. Vater Mutter Bruder Schwester
Tochter. Vater pitar heißt „Beschützer" duhitar ist die Melkerin,
brathar Beisteher, svasar die Erfreuende. — Man muß vermu-
then, daß sie in einem Centrum, im Binnenlande gelebt haben,
daß es kein gemeinsames Wort für Meer giebt. Dies bestätigt
sich, sara aXq sal beweist nur das „Salz". JtövToq ist „Land-
straße" Gdpaaaa xäpacraa ist das bewegte Meer mare wahr-
scheinlich das todte Meer (vom Stamm mar) Wohlbekannt Ru-
der Steuer und Schiff navas navis vaßg.
Die Hauptidee daß die Sprachenverschiedenheit auf die Charak-
terverschiedenheit der Völker zurückgeht. Drei Hauptformen
der Sprache die flektirende agglutinirende und die einverlei-
bende. 2 Die Kawisprache ist eine Gelehrten- u. Dichtersprache,

2
Jetzt scheidet man 1 . i s o l i e r e n d e Sprachen zB. das Chinesische die
Bedeutungslaute sind unveränderlich u. ungegliedert 2.. z u s a m m e n f ü g e n d e
Sprachen zB. finnische südafrikanische, die zu den unveränderlichen Bedeu-
tungslauten vorn, in der Mitte u. am Ende neue Laute (Präfixe Infixe Suffixe)
anfügen können 3. f l e k t i r e n d e Sprachen zB. indogerman. u. semitisch, die die
Wurzel selbst regelmäßig verändern können u. die Mittel der Z u s a m m e n f ü g u n g
haben.
Vorlesungen über lateinische Grammatik 193

über mehrere Inseln des Archipels verbreitet. Schon der Name


Sanskritisch kavi Substant. Dichter adj. weise. Es handelt sich
um den Einfluß der indischen Kultur auf den indischen Archipe-
lagus.
Soviel über die Begründer der richtigen Anschauungen. Für die
latein. Sprache ist nun folg. Verwandtschaftsverh. ans Licht
getreten. [Zwei Vorperioden sind abzuscheiden, die indogerma-
nische, u. die gräkoitalische.]
Die indogermanische Sprachenfamilie zerfällt in drei Gruppen
die a s i a t i s c h e , die s ü d w e s t l i c h e u r o p ä i s c h e , die n ö r d -
l i c h e u r o p ä i s c h e . Zur asiatischen gehört das Altindische (ein-
zelne Theile des Veda) später Sanskrit als correkte Schrift-
sprache. Das Altbaktrische u. das Altpersische u. das armeni-
sche. Zu 2. das Griechische das Italische das Keltische (letzteres
am besten im Altirischen erhalten Zu 3. das Slawische das
Litauische. Das Deutsche.
Das lateinische hat, wie jede Sprache seine vorhistorische und
seine historische Periode: letztere durchaus als Periode des Ver-
falls anzusehn. Geschichte u. Sprache in umgekehrtem Verhält-
niß: je energischer historisch ein Volk ist, um so schneller
verdirbt die Sprache.
Der Weg bis zum Kulminationspunkt dh. der Punkt, wo ein
Volk in die Geschichte eintritt, ist viel länger als der des Abfalls.
Von den ältesten Zeiten zeugt der Bau der Sprache und seine
Verwandtschaftsgrade.
Das Lateinische, das Umbrische u. die weniger bekannten itali-
schen Sprachen sind Schwestersprachen, (das Messapische aus-
genommen u. das Etruskische) Die Mutter nennen wir die
italische Grundsprache.
Die ital. Sprachen als Ganzes stehen dem Keltischen am nächsten
vgl. Kuhn und Schleicher Beitr. zur vgl. Sprachf. Bd. 1. Also
Zwillingsschwestern usw.
194 Vorlesungsaufzeichnungen

So kommt man auf die indogermanische Ursprache: diese ist


ebensowohl uritalisch urgriechisch urdeutsch urindisch usw. 3

Mehrere historische Perioden des Italischen


i . Von den ältesten Zeiten bis zur Bildung einer gemeinsamen
correkten Schriftsprache und der vollständigen Verdrängung
der andern ital. Sprachen aus dem öffentlichen Gebrauche.
(Ertheilung der Civität an die Socii 666)
z. Periode der lat. Schriftsprache v. 88 v. Chr. bis gegen das 5t
Jhd. n. Chr. In dieser Periode verbreitet sich das Latein als
Volkssprache überall hin u. unterliegt im Lauf der Zeit den
Abschleifungen, sprachgeschichtl. Gesetzen gemäß. Die Bei-
mischung fremder Worte ändert nichts Wesentliches
3. Periode der romanischen Sprachen bis jetzt. Eine Mehrheit
von Schwestersprachen, alle aus dem einen Latein hervorge-
gangen. Durch Denkmäler erst seit dem 9t Jhd. bezeugt.

Cap. 3. Überblick der Geschichte der latein.


Sprache nach Laut und Schrift.

Die alte Grammatik unterscheidet nicht zwischen Laut und


Schrift: Veränderungen der „Buchstaben". Aber jede Schrift ist
nur ein Versuch den Laut zu fixieren: immer ein unlösbarer

3
Deutsch Slawolitauisch

slavisch

Keltisch
Ursprache keltisch
italisch

griechisch

eranisch
indisch
Vorlesungen über lateinische Grammatik 195

Rest. Je vollkommner ein Alphabeth, desto besser kennen wir


die Laute. Laut und Schrift decken sich durchaus nicht vgl. im
Griech. e u. T] in der voreuklid. Zeit. Was ist Orthographie 4 ?
Sie kennt nur richtiges u. falsches und repräsentirt eine gramma-
5 tische Theorie, gleichgiltig ob sie dem Geiste der Sprache gemäß
ist. Abweichungen im Munde ungebildeter sind Fehler, sie mö-
gen an sich noch so berechtigt sein. Orthogr. kann im Wider-
spruch zur Etymologie stehen. Dies ist die Hauptfrage jeder
Schreibweise: ist sie phonetisch oder etymologisch? (z. B. die
10 französ. u. engl, ist etymologisch, phonetisch ist der Hauptsache
nach die Deutsche)
Die römische Schrift ist nun durchaus phonetisch. Eigenthüm-
lich bei den Römern, daß auch auf ihre Lautentwicklung bewuß-
ter Einfluß geübt worden ist, durch hervorragende Dichter, die
15 zugleich Theoretiker sind. Vornehmlich über das Verhältniß von
Laut u. Schrift (opöoypcupia) In diesem Gebiet sind die kleinsten
Einzelheiten wichtig: Versehen der Graveure ist so wenig wie
möglich anzunehmen. Im Ganzen die Lautspr. etwas voraus, die
Schriftsprache zurück. Oft mehrere Stufen zu unterscheiden.
20 Ursprüngliche Form — neue: antikisirende. Oft macht die Spra-
che Rückschritte.
zB. haut illut Bentley nach Hdschr. des 4 Jhd (Bembinus Terenz).
In den Inschriften der Republ. n u r haud illud Erst in der
Kaiserzeit kommt t auf. A b e r es existirte auch in der v o r l i t t e -
2.5 r a r . Periode.

4
Suet. öpöoypacpia id est formula ratioque scribendi a grammaticis insti-
tuta. Die Regeln der Schreiblehre bei Griechen nach 4 Gesichtspunkten festge-
stellt: nach der A v a X o y i a , nach der ¿TUllo/.oyia, nach der Dialektverschieden-
heit SldXeKTO«;, nach der Sprachgeschichte i o r o p i a . Die R ö m e r berücksichtigen
nicht die Nachbaridiome. Die historia einflußlos. Etymologie etwas mehr ein-
fluß. zB. exsul wegen der Ableitung von solum.
Die d v a ^ o y i a hat außerordentlich gewirkt. Aber auch nicht immer: vergebens
zB. Antonius Gnipho marmur marmuris robur roburis ebur eburis.
196 Vorlesungsaufzeichnungen

zB. Hercoles alte Form, daraus Hercles, d a r a u s durch Dehnung


wieder Hercules. Doch erhielt sich auch Hercle.
populus (aus pouplo) später wieder in der Volkssprache poplus.
i Periode, vor Livius Andronicus: ungefähr das fünfte Jahrh.
5 der Stadt. Abzusehen von noch altern versprengten Resten der
Zwölftafelgesetze, des Salier- u. des Arvalliedes. In dieser Pe-
riode wandelte sich das S zwischen Vokalen zu R. Fusia Furia
Papisia Papiria (Auselius): der Censor Appius Claudius Caecus
44z d. St. soll sie durchgesetzt haben. Es herrscht noch O in
10 der z Deklin. im Nom. Accus. Gen. plur. so wie in der dritten
Person Plur. im Verb, audiont. deom Romanom sehr alt. dearum
deasom Gs&cov
z Periode, mit L i v i u s A n d r o n i c u s voran. O geht zu U
über, I für E in den Flexionsendungen. Spurius Calvilius der
15 erste Schulmeister von Profession nimmt die Media G ins Alpha-
bet auf: ein C mit einem Differentialzeichen. G. Es gab eine
Zeit, in der der weiche Gaumenlaut nicht existierte.
3 Periode die des E n n i u s (der f 585) Das strenge metrische
Gesetz nach dem griech. Vorbild. Er war Schulmeister wie
20 Livius, einflußreich in dem gebildeten Kreis um Scipio Africanus.
Er führt die geminatio der Konsonanten ein: Inschriften bestäti-
gen dies. Bis zu seinem Tode nur einfache Konsonanten. Durch
die daktyl. Poesie ist die Sprache durchgeknetet worden. Der
Daktylus macht die größten Anforderungen: absolute Bestim-
25 mung von — u. u . Man brauchte sehr viele kurze Silben.
4. Periode die des A c c i u s und L u c i l i u s . Sie setzen das
Ennianische Bestreben nach scharfer Ausbildung der Laute fort.
Accius c. 580 geb. führt die geminatio der Vokale zur Bezeich-
nung der Länge ein aara paastor (lehrreich!) luux. Er hat dies
30 den Oscern abgesehn: die Osker haben kein O.
Er wagte nicht OO einzuführen. Es kam ihm nur auf Fixie-
rung der Schrift, nicht der Laute an, steht weit unter Ennius.
Langes i drückte er durch Gl aus Das älteste Latein hat E, das
sich in G und Gl scheidet. Dies bleibt als Ausdruck des langen
Vorlesungen über lateinische Grammatik 197

I. Es war also nichts ganz Neues. Langes E hatte sich zu I


hingeneigt. Jetzt schlechthin für jedes lange I ein EI geschrieben.
Andre Neuerung: er schrieb Kalendae Karthago: vor jedem A
schrieb er K, vor jedem U schrieb er Q (unser qu hat nichts
5 damit zu thun) also qum qura pequnia pequlatus. Nach seiner
Theorie sollte das n vor folg. G u. C assimilirt werden u. G
geschrieben werden, agguis zB. Doch fand er damit keine Billi-
gung. Wichtiger Lucilius (606 —65z d. St.) im 9t. Buch der Sati-
ren. Polemik gegen die Verdoppelung: Er unterschied ei (als
10 Mittellaut zwischen E u. I) das sog. i pingue, die reine Länge
des I-lautes durch i zB. hei puerei aber huius pueri. Die Unter-
scheidung für allgemeinen Gebrauch zu fein. Die Verdoppelung
von A E U erschien ihm überflüssig.
Dies die Zeit der glücklichen Beendigung der Bundesgenossen-
15 kriege. Lateinischer Dialekt über ganz Italien.
Periode 5 bis zu Augustus. Die sullanische Zeit bringt das
lange i-Zeichen auf, zunächst neben der älteren EI zB. FELICI
DlCTATORI und FELEICI DICTATORI auf gleichz. Inschrift.
Beide Bezeichnungen bis auf Augustus, zugleich auch noch das
20 lange einfache i 20 Jahre nach Sulla kommt der Gen. Sing, der
dritten Deklin. auf us außer Gebrauch z. B. hominus u. ebenso
der Nom. Plur. der zten auf s zB. novis novi. Die Aspiration
einiger griechischen und latein. Worte beginnt. zB. Crusalus.
Darauf der Witz im Pseud. 736

2.5 di immortales non Charinus mihi quidemst sed copia.

Einflüsse des C. Julius Caesar, de analogia z Bücher (Untersu-


chungen über latein. Konj. u. Deklin.) Er suchte überall zu
festen Formen zu kommen: natürlich sind die Lautwechsel im
Volke vorhanden. Er setzt das Schriftgemäße i fest für u zB.
30 alle Superlative maximus: Pontufex. Es war das i offenbar
durchgedrungen. Gebrauch des Apex. Caesar hat Grammatiker
bei sich wie alle Großen: M. Antonius Gnipho. Der Apex >
ein Häkchen über dem Vokal gesetzt, zuerst in einer Marmor-
198 Vorlesungsaufzeichnungen

basis zu Rom nach der Ermordung Casars errichtet DlVO


ItJLIO für naturlanges i entweder I oder ei oder endlich apex.
Seit der august. Zeit verliert sich das lange I. In der Kaiserzeit
diente der Apex vornehmlich im Schulgebrauch zB. ara und ara
(wie auch neuere Herausgeber. Oftmals lehrreich auf Inschriften
zB. QViNTVS VILLA MAPCVC, bei Positionssilben.
Periode 6, von Augustus bis Claudius.
Es ändert sich die Schullektüre vollständig: die neuen Dichter,
besonders Virgil, kommen zu Ehren. Zuerst durch den Freigelas-
senen des Atticus, Qu. Caecilius Epirota: daher Domitius Marsus
sagt: Epirota tenellorum nutricula vatum. Zur Zeit Nero's sind
die „Alten" schon in Vergessenheit. Das Verständniß sank sehr
tief: die Sprachlehrer der Kaiserzeit uneins, ob Plautus u. Terenz
in Versen geschrieben. — Cäsar Claudius sehr gelehrt beschloß
das Alphabeth zu bereichern: solange er regiert, setzt er die Neue-
rungen durch. Er suchte V zu scheiden in Vokal u. Konsonant: für
den Consonant nahm er =| (das umgekehrte Digramma)
Dann für *F D zB. S V M 3 I Dann in M A X F M V S ein Mittellaut.
Die junge Schule erhob sich gegen den alten Varro. Q. Remmius
Palaemon ist der unverschämteste der Neueren. Er behauptete
Virgil habe vorausgesagt fore omnium poetarum ac poematum
Palaemonem iudicem. (Ecl. III v. 50

audiat haec tantum — vel qui venit ecce Palaemon.


Ebenfalls zur neuen Schule L. Annaeus Cornutus (schrieb zu
Virgil einen Kommentar.)
Periode 7, von Claudius bis Hadrian. Reaktion gegen die neue
Schule durch Valerius P r o b u s . Kritische Ausgaben der republi-
kan. Autoren: mit einer nivellirenden Haltung. Deshalb äußerst
wichtig: ist es möglich, noch eine consequente Orthographie her-
stellen zu können, wenn bereits im iten Jhd. alles nivellirt wurde.
Er hatte keine Schule, aber, nach Sueton, aliquot sectatores.
Außerordentliches Ansehen bei den Grammatikern der Kaiser-
zeit. In dieser Periode kommt die Sprache zum Abschluß: alle
Vorlesungen über lateinische Grammatik 199

veraltete Formen verschwinden zB. quoi quom. Die Aspiration


war am Ende der Republik eingedrungen. Seit Augustus y und
x eingebürgert.
Vor und unter Hadrian schrieb Caesellius Vindex seine com-
5 mentarii lectionum antiquarum: Sammelwerk über Flexion
Wortbildung und Etymologie: viel davon steckt in Charisius.
Ohne Einfluß ist C. Suetonius Tranquillus geblieben: Unterschei-
dung verwandter Wörter. Solche „differentiae sermonum kursie-
ren viel in der späteren Kaiserzeit. Entschieden zB. im ersten
10 Jhd. der Kaiserzeit quom und cum ad und at. exspecto u.
expecto/oro ausprügeln (vertreiben), Vertex Scheitel vortex Wir-
belwind. Es sollte sich aquae (Nom.) von aquai (Gen u. Dat.)
unterscheiden: dann facilis (singul.) und facileis (Plur.)
P e r i o d e 8, von Hadrian bis Commodus. Eintritt einer
15 a r c h a i s i r e n d e n Richtung (zu erklären!) Einfluß der seit Pro-
bus veranstalteten Sammlungen. Es leidet der gute Ausdruck,
hier u. da auch die Wortformen. In den Inschriften zeigt sich das
Vordringen der Volkssprache: E und AE häufig zB. verwechselt.
P e r i o d e 9 von Kommodus bis zum Ende des 4t. Jhd.
2.0 Plebejische Formen der Inschriften. B erweicht sich zu V. An
Stelle des E häufig I, für O ein U.
P e r i o d e 1 0 Bildung romanischer Sprachen. 5

Cap. 4.
Parallelismus der Entwicklung von Sprache und Litteratur.

2.5 Kein vollständiger Parallelismus: denn es giebt verschiedene


Höhepunkte. Die f o r m a l e Seite der Sprache kommt zum

s
Der eigentl. Begründer einer historischen Grammatik des Latein, ist Fr.
Ritsehl: die Entwicklungsgesch. der lat. Sprache vom 6 . - 8 Jhd. der Stadt.
(Monumenta epigraphica priscae Latinitatis.) Aufsätze u. plautin. Excurse, jetzt
in Opusc. zahlreiche epigraph. Monographien. Plautusstudien.
200 Vorlesungsaufzeichnungen

Höhepunkte mit Q u i n tili an: deshalb ist es auch billig, daß wir
in der Orthographie beim Lateinschreiben dies Zeitalter festhal-
ten. Dies empfiehlt sich besonders, weil wir bereits diese Ortho-
graphie haben, die nur im Einzelnen durch plebejische Formen
5 entstellt ist. Ebenso ist unsre Schulgrammatik auf die Grammati-
ker gebaut, die seit der Mitte des ersten Jahrh. p. Ch. thätig waren.
Auch für die Herstellung der Texte ist diese Periode maßgebend.
Man muß verzichten auf die Wiedergewinnung der Schreibart
ganzer Perioden u. individueller Orthographie: da die Texte durch
10 mehrere Jhd. gegangen sind. Die Schrift des Plaut, u. Terenz war
weniger ausgebildet als in der ciceronischen Zeit: sollten wir auf
ein unvollkommnes graphisches System zurückgehen? Dies wäre,
wie wenn wir in Homer u. Pindar die voreuklidische Schreibart
einführen wollten. — Ja kein buntes Gemisch von altem oder
15 Neuem, oder sklavische Unterordnung unter die Hdschr. Man
muß die Schrift in den Werken des alten Lateins so gestalten, wie
sie unter den drei ersten Kaisern den Gebildeten vertraut war:
dazu kommt daß alle unsre Hdschr. dieser Werke auf die Recen-
sion des Probus (Mitte des ersten Jhd.) zurückgehn.
20 Der Höhepunkt der Litteratur ist aber die k l a s s i s c h e Pe-
riode, der Zeit nach früher als die formale Vollendung. Die höch-
ste Bildung eines Volkes schafft sich einen adäquaten Ausdruck
im Stil, im Gepräge des Satzbaus, des Wortschatzes usw. Die in-
stinktive Kraft der Sprache als Gewächs treibt im Lat. noch etwas
2.5 weiter: als Resultat der klassischen Periode folgt eine grammati-
sche-theoretische Festsetzung des Klassischen, für uns bezeichnet
mit Quinktilian. Andrerseits kommt die Volkssprache langsamer
vorwärts als die Litteratursprache: erst zur Zeit Quinktilians die
Volksspr. auf den Höhepunkt der klassischen Periode.
30 Der v o r k l a s s i s c h e n Periode fehlt vor allem eine E i n h e i t im
Punkte des Geschmackes, eine für den Einzelnen verpflichtende
Norm: daher lauter Experimente. Die Einzelnen suchen sich je
nach ihrer Individualität die Sprache unterwürfig zu machen.
Besonderer Einfluß des Griechischen als Muster. Besonders
Vorlesungen über lateinische Grammatik 201

wichtig die Entwicklung der Poesie, ohne die eine Sprache nicht
zu ihrer Höhe kommen kann. Drei Perioden der Metrik: der
saturnsche Vers, der dramatische Vers, der daktylische Vers. 6
Hauptrepräsentanten:
5 comoedia palliata: Liv. Andronicus, Naevius, Plautus, Cae-
cilius Terentius
tragoedia: Pacuvius Ennius Accius
comoed. togata: Titinius Afranius
atellana: Pomponius Novius
10 mimus: Laberius, Publilius Syrus.
daktyl. Poesie: Ennius Lucilius Lucretius.
Wichtig ist nun die „Thesis" für diese Perioden: die „Arsis"
überall vorausgesetzt. (Dies die althergebrachten Ausdrücke:
wir wollen die richtigen gebrauchen)
15 Die Arsis (Senkung) in d e r I P e r i o d e prosodisch unbestimmt
— | u u | u |, ja sie kann fehlen
in d e r 2,ten Periode muß sie vorhanden sein, aber ohne Maßbe-
stimmtheit
In der 3ten Periode nothwendig, mit quantitativer Bestimmtheit.
2.0 Der Saturnius verwandt mit dem Hexameter: Doppelung einer
Trias von Arsen — — — — — — (Nibelungen: nach island) 1 1 1 1 1 1
=
J } I J } I J J* I In jeder Vershälfte darf nur e i n m a l die Arsis
ausfallen. M a n muß von den inschriftlichen Originalen, nicht
von Livius Andron. u. Naevius ausgehen. — Die Thesis mußte
25 immer eine Länge haben: in der Zweitältesten Scipionengrab-
schrift: Cornelius Lucius | Scipio barbatus. (Ebenso anderswo
Luciom

6
Fabelhaft ist eine noch ältere nur a c c e n t u i r e n d e Poesie mit Allitteration
(unbenutzt die natürliche Silbenlänge, nur der Wortaccent berücksichtigt): sie
nimmt Westphal an. Ganz verschiedenes Princip: das accentuirende u. das
quantitirende: es ist nicht abzusehen, wie sich der prosodierende Saturnius aus
ihm entwickeln konnte. Keinesfalls können fremde Einflüsse gewirkt haben.
(Gebet an pater Mars beim Suovetaurilienopfer Cato de re rust. 141) Sühnung
von Hof und Grundstück
202 Vorlesungsaufzeichnungen

quo-i-us forma virtutei parisuraa füit.). Also füit (aus fouit)


noch lang, wie bei den ältesten scen. Dichtern u. bei Ennius.
Auf quöius mußte man schon durch illlus istlus schließen. Dies
i ist die Lokativform des Pronominalstamm zB. qui qua-i (qua-
e). Im Genitiv ist us angetreten wie Caesarus Cererus Venerus
partus patrus. Dies aus os entstanden senatuos u. magistratuos
noch erhalten Dies os endlich geht auf as zurück. Aus quoTus
wird cuius durch Kürzung des i, wie in illlus alterius. Dativ
quo-i-ei ho-i-ei-c, daraus cui huic gekürzt.
In der zt Periode ist die Arsis nothwendig, aber so unbe-
stimmt wie im saturn. V. N u r der letzte Fuß muß rein sein. Hier
also eine kurze Silbe geboten.

u — u — u — u — u — u
uu uu uu uu uu

Bei den Griechen nur ein Gradunterschied der Reinheit.


Der Saturnius herrscht allein bis zum Ausgange des I punischen
Kriegs. Bis gegen Ausgang des 2ten bestehen saturn. u. dramat.
Vers neben einander. Darauf Nebeneinander des daktyl. u. dra-
mat. Verses (Auch der Saturn, noch in Grabschriften.
Der daktyl. Vers verlangt unbedingte Entscheidung: er bildet die
Kürze erst aus. — Die Thesis ist verhältnißmäßig schlechter
gefördert als bei den Griechen: n i e z w e i Kürzen für sie. Also
eine Beschränkung.
Alles formelhafte in Saturniern, dem Metrum der illitteraten
Periode, aus dem Livius lassen sich Saturnier reconstruiren.
carmen.
Das Nebeneinander der dramat. u. daktyl. Gattung bis Augu-
stus. Von da an Alleinherrschaft der daktyl. In der Zeit der
Blüthe der dramat. Gattung eine Art Verfall der Sprache, aus
dem Ennius rettete. Die dramat. Gatt, war nicht kräftig u.
entschieden genug. Z B . terra terras terrai terram terrad. In der
Schlaffheit nur a. Es galt möglichst viel daktyl. Wörter zu bilden.
Vorlesungen über lateinische Grammatik 203

Was die Endungen betrifft, so bestimmte er, daß alle auf o u i


lang sein sollten zB. maxume colligi (früher Daktylen.) domi
domu manu brevi. Alle Adverb, auf e lang (ausgen. bene male).
Noch immer Kürzen der altern Richtungen gegen die Ennius
nicht durchdrang, colör amör amät (anders Ennius.) Alle End-
consonanten waren kraftlos geworden m s ganz beliebig Corne-
liu templu. ama(t), dedi(t) Student me (studi me ausgesprochen)
dedero für dederont. Das m vermochte er nicht wieder zur
Geltung zu bringen. Schon erwähnt daß er die Gemination der
Consonanten einführt: früher ese ile. —u oder u u . Jetzt nur
noch — u Silben mit k u r z e m Vokal wurden l a n g durch die
Verdoppelung: dies der Umschwung (nach griech. Beispiel)
Gleichgültig war die Verdoppelung, wenn ein l a n g e r Vokal
vorherging zB. Jupiter Juppiter quatuor quattuor: ewiges
Schwanken, in den Hdschr. Zweifelhaft ob Salustius oder Sal-
lustius zu schreiben. Nach Lachmann ist, wenn Ii auf Vocale
folgt, i m m e r einfaches 1 zu schreiben zB. vllla aber vilicus,
Polio (Caecilius hat nichts zu thun, da das i kurz ist) aber
Popllius. — M u t a cum liqu. macht n i e m a l s bei den Dramati-
kern Position: unerhört ist pätrem. Ennius folgt dem homer.
Beispiel: kurz o d e r lang. Hier gönnte er sich eine Freiheit.
Das ennianische Princip ist in kleinerer lyrischer Poesie auch
auf die dramat. Gattung übertragen worden zB. bei Catull.
Varro folgte ebenfalls in den Saturae schon der ars graecanica
bei Jamb. u. Trochäen. Interessant sind Hexameter mit plautini-
scher Metrik auf Glückslosen (sortes) zB. est equos perpulcher
sed tu vehi non potes isto.
Die k l a s s i s c h e Periode erreicht den Höhepunkt in der Prosa
früher, in der letzten Zeit der Republik (Cicero Caesar): für die
Poesie in der Kaiserzeit (Virgil Horaz Tibull). Die festen termini:
latinitas (ausgeschieden das außerlatinische), urbanitas 7 (ausge-

7
Quinct. 6 , 3 , 1 7 sermo praeferens in verbis et sono proprium quendam
gustum u r b i s et sumptam ex conversatione doctorum tacitam eruditionem:
denique cui contraria sit r u s t i c i t a s .
204 Vorlesungsaufzeichnungen

schieden alles plebejische u. provinzielle im Lateinischen) Z . B.


nennt Cicero den Caecil. Statius malum auctorem latinitatis.
Die patavinitas die Asinius Pollio dem Livius vorwarf, war ein
Fehler gegen die urbanitas. Für uns ist das Plebejische wichtiger:
vom s t i l i s t i s c h e n Gesichtspunkte verlangt Cicero (im delectus
verborum) Ausscheidung des Vulgären. (Brut. c. 46.)8 Vitruvius
ein p l e b e j i s c h e r Autor.
Zu Cicero's Zeit mehrere der Epistolographen zB. Lucceius
Später Petronius mit systematischer Nachahmung des Volks.
Varro bewahrt mit Bewußtsein das Archaische: Sallust mit Af-
fektation: Der Grammat. Lenaeus nannte ihn priscorum Caton-
isque verborum ineruditissimum furem.
Wichtig ist die Stellung zum Griechischen. Dies das Vehikel aller
höheren Bildung: Quinctil. verlangt, daß sein Unterricht dem
im Latein, in der Schule vorausgehe. Geistbildender der Unterr.
in der fremden Sprache. In den vornehmen Häusern sprachen
die Kinder von früh an griechisch, griechische Gouvernanten. —
Die starke Beeinflussung vom Griechischen hat man ein Unglück
genannt: vom Standpunkte der Sprachentwicklung gewiß falsch.
In der klass. Periode aber war man im Stil durchaus eifersüchtig
auf das Heimatliche: falls man nicht sich nur als Nachahmer
der Griechen verhielt. Horaz zB. in den originalen Gattungen
Satiren u. Epist. sagt Penelopa, ae, in den Oden Penelope, es.
Die n a c h k l a s s i s c h e Periode beseitigt wieder den allgemei-
nen Geschmack, obwohl er ein guter war: das Individuum mit
seinen Marotten wird interessant, nachdem der gute Geschmack

8
Hier rühmt Cic. den Fleiß der normal. Socii u. der Gallier, ihnen mangle
nur ein Etwas, was die in der hauptstädt. Kultur in Witz sapore vernaculo u.
Ton voraushätten: der Unterschied, quod non est eorum urbanitate quadam
quasi colorata oratio
Cäsar nach Macrob. 1,5,2: tamquam scopulum, sie fuge i n s o l e n s verbum.
Cicero de orat. 3,2.5 moneo ut caveatis ne exilis, ne inculta sit oratio vestra, ne
vulgaris, ne obsoleta.
Vorlesungen über lateinische Grammatik 205

in die Masse eingedrungen ist. Die Alten sprechen vom corruptum


genus dicendi. Das Individuelle schafft der Sprache eine viel grö-
ßere Mannigfaltigkeit wie zB. Seneca, der jüng. Plinius. Tacitus
besitzt einen mühsam angerungenen Stil, der seiner tiefen pessi-
5 mist. Natur gemäß ist: der viel flachere Quinktil. hält sich mit
bewußter Kunst auf ciceronianischer Höhe des Ausdrucks.
Die archaisirende Richtung fand darin ein neues Reizmittel. Ci-
cero wurde als Schädiger der echten Latinität angesehn: das Har-
monische wird zeitweilig mit scheelen Augen angesehn. Für uns
10 sehr wichtige Periode zB. Aulus Gellius denn wir lernen viel für
das Archaische. Fronto ist der dümmste u. unverschämteste Ver-
treter. Bei Apulejus hat das Provinzielle neben dem Vulgären u.
dem archais. mit gewirkt. Zwei besondere Stilrichtungen die galli-
sche (spitzfindig rhetorisch) u. die afrikanische (schwerfällig-
15 wuchtig übermäßige Phantasie (bes. bei kirchl. Autoren Tertul-
lian Arnobius)

Cap. 5.
Über das lateinische Alphabeth.

Über dessen Entwicklung belehren uns nur die Inschriften.


10 Unermeßlicher Werth, weil sie a Ö T Ö y p a i p a sind. Sie lassen eine
genaue Zeitscheidung zu. Die Graveure sind meist gebildeter als
die Schreiber, jedenfalls sorgfältiger. Ungeheure Masse: gegen
80000. Der republ. Zeit ungefähr 5 —600. Nur wenige datirt, an-
dre werden es nach den Buchstabenformen u. nach den schon
25 datirten. Die amtlichen Inschriften außerord. zuverlässig, weniger
die privaten (Grabinschr.) Wichtig aber für die Vulgärsprache
Das latein. Alphabet stammt schließlich vom Phönizischen, aber
nicht unmittelbar. Daß die I t a l i k e r es von den Griechen überka-
men, sagt die Sage (bei Tacit. Ann. X I 1 4 ) : die Etrusker hätten von
30 Demarätos die Buchstabenschrift gelernt. Es ergiebt sich daraus,
206 Vorlesungsaufzeichnungen

daß sich neben den alten Phöniz. Zeichen auch die von den Grie-
chen erfundenen vorfinden. Zwei Ausgangspunkte das alt-
dorische Alphabeth u. ein jüngeres dorisch (bei den kumanischen
u. sicilischen Griechen. Das Charakteristische von dem A11 d o r i -
5 s e h e n ist daß es zwei Zischlaute hatte San (Ph. san) ^ und das
Sigma (Samek) M (das Zeichen entstanden aus dem Phön. Sade),
von den beiden gutturalen Lauten kappa K und koppa 9 hat es
das letztere eingebüßt. Daher das sabellische, das nordetrurische,
das gemeine Alphabet Etruriens, das Campanisch-Etrurische, das
io Umbrische, das Samnitisch-Oskische
Das j ü n g e r e Alphabeth hat K und 9 gewahrt, dagegen
M Sigma eingebüßt: statt der älteren Form des v F" hat es
eine jüngere F. Dazu das Faliscische (Inschr. v. Falerii mit 21
Buchstaben) und das L a t e i n i s c h e .
15 Letzteres stammt jedenfalls n i c h t vom Etrurischen ab: Zeitalter,
in dem die Tarquinier mit Cumae in Verbindung standen, hat
die Vermittlung gemacht. Das älteste Latein aus den Inschriften
vom Ausgange der Samniterkriege bis zu den beiden punischen.
Prise, latin. mon. ep. ed. Fr. R. Berlin 1862. Das Rumänische
2.0 hatte 24 Buchstaben, davon ließ das Latein © f 4* fallen, weil
es die Laute nicht hatte. Also einundzwanzig Buchstaben.

a: A A A A A A n: W M N N N
b: & B o: O O O O O O C
c: < ( C p: i' r p r p p
d: > D I) O q: 9 Q_ OL
e: II £ $ E € r: fr k R R,
f: I' fc f5 F s: £ £ 5 K S i
h: H K t: T f T n r r t i
i: I I u: V V N
k: K K h x: X
1: V L V -L + K z: Z
m: /W W M H M
Vorlesungen über lateinische Grammatik 207

Wie steht es nun mit der Entwicklung dieser Formen aus


einander u. ihrer zeitlichen ßegränzung? Vor allem ist anzuerken-
nen, daß es versprengte verlorene Formen giebt, die den regelmä-
ßigen Verlauf der paläogr. Entwicklung nicht aufheben. Wie es
5 neben der Kultur-Sprache noch eine Vulgärsprache giebt, so
auf graphischem Gebiete eine Vulgärschrift, die vielfach das
Alterthümliche bewahrt. Sodann macht das Material einen
wichtigen Unterschied: auf dem meist weicheren Stein (mit
Breitmeißel) ergiebt sich eine größere Regelmäßigkeit von selbst:
10 auf der Erztafel (mit Grabstichel oder Spitzmeißel) war die Härte
des Materials zu überwinden, daher zahlreiche Unebenheiten:
andererseits hat auf weichen Massen die individuelle Hand viel
mehr Ausdruck: bei dem härteren Material wird vorgezeichnet.
Im Ganzen sind die Unterschiede der Schrift charakteristisch
15 für die Zeitalter. In der archaischen Periode wird nur Deutlich-
keit u. Bestimmtheit angestrebt, gleichgültig wie starr und plump
u. ungeschlacht die Linien ausfallen. Es ist das heroische Zeital-
ter der Schrift. Daraus entwickelt sich die lapidare Normal-
schrift der republik. Zeit (Höhepunkt: die sullanische Periode:
2.0 strenge Gemessenheit, ohne Überfluß, mit natürlicher Vornehm-
heit u. gediegener Würde: maiestas populi Romani. Jetzt nimmt
der Z u g zur Verschönerung überhand, geschwungene Linien,
Schnörkel: die Augusteische Periode hält sich noch auf der Höhe
eines würdevollen Prunkes. Allmählich kommt die gesuchte
25 Zierlichkeit zum Durchbruch. Verfall der Schrift geht mit dem
Verfall der Litteratur u. Sprache Hand in Hand: alles wird
schwächlich gespreizt u. wacklig, immer nachlässig.
Welches sind nun die spezielleren Triebkräfte, die die Wandlung
vollziehen? Darüber Fr. Ritsehl zur Geschichte d. 1. Alph. Rh.
30 Mus. Z4, p. 1. (vgl. Kirchhoff Stud. zur Gesch. des gr. Alph.)
1. Die Vereinfachung von ursprünglich vollständigeren Buch-
staben durch A b k ü r z u n g . Z . B. H ist aus B geworden, die
chalkid. Colonien Unteritaliens haben noch beide Formen:
ebenso aus ^ ^ ist 5 i geworden, aus P T , aus /W ist M oder
35 W geworden. Die fünfstrichische Urform erhielt sich als
208 Vorlesungsaufzeichnungen

Namensnota /Wanius zum Unterschiede von Marcus. Weitere


Kürzung: die beiden Mittelstriche hören in halber Höhe auf: die
„klassische" Periode der Schrift kennt nur M
I~1 ist wohl nie im latein. Gebrauch gewesen: der Kürzungstrieb
5 deutlich in P , von hier T , diese Form kam nicht zur Herrschaft,
weil die Verwechslung mit T zu nahe lag (es erschien T als "T
oder F . ) Aus J . ist L geworden, Q hat ein ganz kleines Schwänz-
chen bekommen. Das vierstrichige ^ ^ im Latein, nur als altes
Münzwerthzeichen für Semuncia, zum Unterschied von S als
10 Semis Semissis 9 : jedenfalls ist dem Kürzungstriebe zu danken.
Dahin fallen die Varianten des A. (Beispiele im index palaeogra-
phicus der monumenta ep. pr. Lat.) Wahrscheinlich eine Grund-
form A anzunehmen. Daraus sind alle Formen abzuleiten. A A
A AÄ A
15 Kürzung in den Zahlzeichen. Weil es keine consonant. Aspira-
tion gab, verwendete man 0cpx also O = 100. ® = 1000 V
= 50. Das (D halbirte man D = 500. O wird aus Kürzungstrieb
zu C unter Mitwirkung der Initiale von Centum. (D ist zu (Y)
umgemodelt worden: von da zu /Y\ wegen Mille. Das V ging
zo in ^ über u. wurde zu W vereinfacht, zufällig ähnlich dem
j ü n g e r e n Buchstaben L .
Das Zahlzeichen X ist ebenfalls aus ® entstanden, mit Weglas-
sung der Umgebungslinien: also zwei Formen desselben Lautes
als Zahlzeichen für 1 0 u. 100. (Das V ist nichts als das halbirte
25 10 X)
Das zweite Princip ist ein g e o m e t r i s c h e s . M a n schritt vor von
schräglinigen u. schiefwinkligen zu vertikalen u. horizont. Linien,
von da zu möglichst gerundeten Formen. Daß die erste Stufe mit
Recht die der schrägten)> und schiefen Linien ist, geht schon dar-
30 aus hervor, daß das unterital. griech. Mutteralphabet -§- seiner
Schriftzeichen in dieser Gestalt hat. Beim übrigen Drittel ist es
nicht der Fall: wohl nur, weil unsre Dokumente zu wenig sind. An
u. für sich sagt einer primitiven Schriftübung das Nichtbindende

' Semuncia Vi Unze dh. der 24te Theil eines as. Semisis oder semis Vi As
(eine Kupfermünze) also i z mal so viel als eine Semuncia.
Vorlesungen über lateinische Grammatik 209

der schrägen u. spitzen Linien u. Winkel zu: denn es giebt nur


e i n e gerade Vertikale oder Horizontale, e i n rechter "Winkel, aber
unzählige schräge Linien und schiefe Winkel.

i. n. in-
A A Ai A n\
& B
< < C
t> D
^ <$> e il e
f ^ FI'

H H
K K K [= Ê
V L L
AV MT
15 M M M ( J ï l (D)
W \A N
0 O
r n p p
$ Ç a Q
20 R fi RR
* e i
* s s
-TT T
V N
2-5 X
V T
X 50 * X vL
0) 1000 (/H) — ih ® 0 0 CID
210 Vorlesungsaufzeichnungen

C a p . 6.
Über Aussprache und Lautwechsel der Vokale.

Es ist immer das volle reine a gesprochen worden und zwar das
kurze u. lange a (nicht also ähnlich dem o oder dem ae)
5 Unter Einwirkung benachbarter Consonanten u. des Hochtons
hat A folgende Wandlungen durchgemacht: zu O V E I
Die erste A zu O gehört der vorlitterarischen u. archaischen
Periode an zB. 'HKaßr| Hecoba, Die Fabier heißen Fovii Traia-
nus im Vulgärlatein zu Troianus. In der Republik. Zeit vocatio
io f ü r vacatio. manaiämi moneo mens me-mini aptamas zu opto-
mos optumus optimus. capere mancupium occupare conceptus
incipio. varami — volo — vult — quatuor für quatuors katväras
gr. T8Gcrap£<; (xei/^apei;) ferunt aus feront feronti (gr. cpepovxi)
urspr baränti.
15 A zu V in salsus insulsus rapio surrupui quatio concutio
A in E xäXavxov talentum | Septem saptan | decem dakan. |
aptus ineptus | fatigare defetigare | parare aequiperare | rapio
correptus | capio conceptus.
A in I. rapio surripio (surrupui surreptus) iacio coniecio conicio
20 salio (desultura) insilio. Aus (xrj%avf| machi na aus Mi0pa8aTT|<;
Mithridates. me-mini Würz. man. nominis = gnämanas. D a n n
inter „zwischen" vergl. mit umbr. anter (Comparativ von dem
Pronominalst, an. Agnis zu ignis. quinque aus kankan. Regelmä-
ßig in der Reduplikationssilbe der Präsensstämme von Wurzeln
25 mit a zB. gigno = gigeno G d f ga-gan-ami, sldo „ich setze m i c h "
aus sisdo sisedo sa-sad-ami.
Aussprache des O . N a c h der Aussage des Sergius lautete das
lange ö heller, nämlich dem A verwandt. Das kurze ö dagegen
dunkler, dem V verwandt. Dies gilt aber nur f ü r die späteren
30 der Zeit. Im Altlatein, gab es auch ein reines helles ö zB. in
potior rögus, daneben eben jenes dem U verwandte zB. eben in
rogös rogüs.
Vorlesungen über lateinische Grammatik 211

Auch gab es im Altlatein zwei Arten des langen ö, ein reines ö


u. ein nach u hinneigendes u9. Das eigentliche ö mit a verwandt
zB. noscere ignörare neben gnärus pömum Baumfrucht neben
päsco pavi pänis. Dagegen das nach u zuneigende in nuondinum
nondinum nundinum. Das ö in nöndinum war also ein anderes
als in ignörare.
O geht zu V E I über. O in U zB. in notrix nutrix indostrius
industrius | iocundus iucundus | rcöptpupa purpura Dann in
Ableitungssilben popolus populus piacolum piaculum. hercoleus
herculeus. In Endungen zB. in der ganzen zweiten Deklination.
Dann sont sunt dederont Wenn u oder v dem os vorausging,
sagte man bis zu Quinctilians Zeit os zB. servos servom aequos
ingenuos. Aus Odysseus ist in den Dorischen Colonien Ulusses
gesprochen worden, daher Ulixes. Priscian bezeugt für Colchis
Culcis Pulixena Acheruns. Bei Lucrez findet sich noch muns
funs fruns. Diese Formen sind ja nicht gegen die richtige Abfolge
geltend zu machen. Pulixena wahrscheinlich direkt aus dem
Dorischen IIouXu^Eva. epistola epistula epistola drei Formen,
letztere spät mit Bewußtsein wieder an das griechische ange-
lehnt. Neben den umgelauteten Formen fruns muns erhalten sich
die Alten mons frons u. bleiben in Geltung, formosus formunsus.
Die Suffixa -turo -tura zB. daturus „der geben wird" ruptura
„Bruch" sind latein. Bildungen aus -tor datoros urspr. datar. Das
Suffix des Genet. -um -rum (griech. cov — (bv, altind. am -sam)
zB. vocöm fonibv vakam | is|tarum xacov (tcöv) tasam.
O in E zB. in vortere voster vorrere votare zB. in einem Pompej.
Mauerepigramm:

quisquis amat, valeat: pereat qui parcit amare:


bis tandem pereat, quisquis amare votat.

Dann tempüs temporis temperi


O in I zB. in olli respondens ille olim illim dafür illinc „von
dazumal her"
212 Vorlesungsaufzeichnungen

U. Den Griechen klang das lateinische u weder wie ihr o noch


wie ihr u, sondern wie ein Mittellaut, den sie meist durch ou
wiedergaben.
Ältere u. neuere Grammatiker haben gemeint daß das k u r z e ü
5 dem griech. u gleich geklungen habe. Dies ist falsch. Die frühzei-
tig aus dem Griech. aufgenommenen Worte sind im latein.
Munde latinisirt worden zB. Pilargurus Prune Pylades Trupe
Trupo. Dazu bei Ennius Bruges. Eurudica.
Die Griechen, wenn sie latein. Worte mit ü übertrugen schrieben
10 meist ou zB. iavouapio«;. kikouitou|1 JtümoüXoui; bei Plutarch.
Seltener durch o zB. Osßpoapicov. Ka^iyö^aq. Noch seltner
durch u Pco|a6A.oq Eaxupvivou TüAAog.
— Dann giebt es einen u-laut in gewissen Wörtern vor Labialen,
der zu einem Mittellaut zwischen u u. i abgeschwächt wurde. zB.
15 maxumus sumus contumax contumelia lubido monumentum.
U zu E u. I. U zu E zB. im Particip des passiv. Futurum, also
zB. dicundum dicendum faciundum capiundus. Die mit e ist
später in der letzten republ. Zeit die gewöhnliche,
u zu i in dem bezeichneten Falle. Seit Cäsar herrscht die jüngere
20 Form des Superlativs. Das ubus im Dativ der 4 Dekl. hielt man
fest, wo Zweideutigkeiten entstehen konnten durch Verwechs-
lung mit Worten der dritten Dekl. zB. partubus u. partibus.
arcubus arcibus. artubus artibus. cliens Wurzel clu gr. kXuoö alt
kru „hören" der „Hörige" libet aus lubet, urspr. lubh „begeh-
25 ren" — fructifer corniger aus fructufer cornuger.
Endlich E. Weder das kurze noch das lange E hat immer densel-
ben Laut gehabt. Das kurze e in pater armiger gener klang wie
in „Vater" „Lieber" „lieder".
Ähnlich wie i klang das kurze e in Menerva tempestatebus
30 famelia. Ebenso klang das lange e einmal dem ae ähnlich: im
Vulgärlatein schon zu Varros Zeit pretorem Cecilius, questores
victorie. Vielfache Zweifel ob E oder ae das Richtige ist. Allein
richtig ist saeculum. caerimonia, dagegen ceteri. So ist auch
begreiflich daß für griech. r| ae geschrieben wurde in scaena.
Vorlesungen über lateinische Grammatik 213

scaenici. proscaenium. Es ist saepire zu schreiben aber praesepia,


femina fecundus. fenus. Camena (Casmena Carmenta sanscr.
casman Lied) cena. paenitet neben poena. maeror neben mae-
stus moestus. pomerium (dh. pos-merium auch postmerium
moiro-mero für muro) obscenus (obwohl aus coenum Schmutz
cunire Mist machen inquinare beschmutzen) ob oedire besser
als obedire. | Ein andres langes e klang dem i ähnlich zB.
Quinctil. I, 4, 8 in here neque e plane neque i auditur. Dieser
Mittellaut wurde in voraugusteischer Zeit durch ei ausgedrückt.
Dieser Laut in den Ablativformen auf e neben i, auf den alten
Dativendungen e zB. in iure.
Umlaut von E zu I. navebus in navibus. Aus iste ille und ce
wird istic illic | undique indidem (dasselbe dem, das in idem
eadem) postidea (pos-tid-ea) (also pos u. an daran te wie in iste
tute, daraus post, zufällig nicht ant.) Aus facile u. ne wird
faciline bei Plautus. Überhaupt jedes kurze Schluß e in der
Composition mit einem consonantisch anlautenden Wort lautet
in i um, also benificus malivolus. Dagegen ist bene facta male
dicta usw. zu schreiben, weil hier consequent die ältesten Inschr.
u. Hdschr. k e i n e n Umlaut zeigen. M a n pflegt agedum respice-
dum zu schreiben: wahrscheinlich falsch, da das i n i e vorkommt
also cape dum sine dum circum-spice dum | age sis | usque
quaque | prope modum | Andre Beispiele für E u. I Vergilius in
Virgilius (ersteres zu schreiben, letzteres zu sprechen). Ganz
irrthümlich ist die Annahme eines Überganges von I in E: wofür
man [den Ablativ cive igne anführt, angeblich aus civi igni]
mage aus magis fateare aus fatearis anführt facile aus facilis.
Aber weder facilis noch magis potis fatearis ursprünglich, son-
dern mages fateares potes faciles, aus diesen giengen durch
normalen Abfall des s facile mage pote fateare hervor, ohne
diesen Abfall der Umlaut facilis fatearis usw.
D e r V o k a l I. Lucilius hatte beobachtet, daß i pingue und
i tenue in der Sprache unterschieden werden: sie seien durch
das graphische Zeichen ei zu unterscheiden. Ob ei oder i? Das
214 Vorlesungsaufzeichnungen

war die wichtigste Frage der römischen Schreiblehrer: Unzahl


Thorheiten knüpften sich daran. Lucilius will in Genetiv, u.
Dativen i schreiben wie pueri pupilli illi uni, dagegen puerei
pupillei illei in den Pluralformen. Pllum die Mörserkeule sei
5 mit i tenue gesprochen, aber meile meilia meiles meilitia peila
(Speere)
Von einem andern i, das dem u verwandt ist wie in pulcherimus
usw. haben wir bei u gesprochen.

Cap. 7. Über A u s s p r a c h e und T r ü b u n g der


10 Diphthonge.

au der kräftigste u. volltönendste hat sich allein durch alle


Zeiten der Sprache erhalten. Seine Trübung in zahlreiche Formen
schon sehr früh. Von au zu o schon in den frühsten und besten
Zeiten. Plotus plostrum Clodius neben den alten Formen. Chro-
15 nolog. Merkmale giebt es nicht: das au scheint den Gebildeten,
das o dem Vulgärlatein zu eigen zu sein. O nicht fein Suet.
Vesp. zz. Vespas. ohne Etikette von Mestrius Florus (Consular)
erinnert, es heiße nicht plostra sondern plaustra, grüßt ihn tags
darauf Flaure (Leidiger widriger Kerl") Bei Plautus ist handschr.
20 fast immer au überliefert also cauponius laurea plaudere lautus
auricula. In den amtlichen Urkunden der Kaiserzeit au unge-
trübt, auch wo das Volk ihn trübte. Die Trübung erscheint zu
allermeist vor d t s l r . | Ebenso alt die Trübung zu u frudare
bei Plaut, frustra cludus cludere, ebenfalls nur vor dts. Der
25 Diphthong ein Übergangslaut, die Werkzeuge gehen von der
Stellung zu a über zur Stellung zu u. Bei diesem Übergang ist
einen Augenblick die Stellung zu o da. Wenn die Sprachwerk-
zeuge nicht mit a beginnen sondern mit o-Stellung, so entstand
aus au der Diphthong ou. Dies die Vorstufe zu o. N i c h t zu
30 denken, daß au erst in ao übergegangen sei, da ao der latein.
Vorlesungen über lateinische Grammatik 215

Spr. so zuwider war, daß griech. Worte Laucoon Laudamia


Laumedo ausgesprochen wurden, nicht Lomedon Locoon.
In den ersten Jahrh. n a c h Christus findet sich in griech.
Inschr. häufig a für au zB. in dxou eaxou, K ^ a 8 i o ü 'Ayoucrcou
5 'Apr|Xiav: seit dieser Zeit kommt auch im Latein, auf a für au
zu schreiben. Agusto Cladius Gadentius. N u r für Eigennamen
bezeugt in der guten Zeit: im 5t J h . auch ascultare. In der
klassischen Zeit ist nie au in a übergegangen: Acca Larentia hat
nie Laurentia geheißen: das röm. Fest hieß Larentalia. Der N a m e
10 der Picenischen Stadt Asculum war n i e Ausculum: aber eine
alte apulische Stadt hieß Ausculum, n i e Asculum. a für au also
in keinem voraugust. Schriftstück: von da an vereinzelt, offenbar
durch den g r i e c h i s c h e n Einfluß. Griechen waren es, die zuerst
Agustus Cladius sprachen
15 o u . Im Blüthezeitalter der Litteratur schon geschwunden u.
fast immer zu ü, selten zu ö getrübt. In den plautin. Texten
nicht mehr zu finden: dies Schuld der Revisionen. Inschriftlich
aber Fourius poublicum Loucina loumen indoucere plouruma
ious ioubere ioudex noundinum. Ritsehl (de miliario Popiliano
20 p. 4 in monum. epigr. tria) hat bewiesen, daß ou nur bis zur
Zeit des Bundesgenossenkriegs üblich ist: im Worte ious noch
später, wegen des Zopfes der Rechtsurkunden. Frühzeitig aber
schon ein Schwanken zwischen ou u. u J u n o (aus Diou-n-ou)
Lucius Publius. Die Trübung durch Assimilation entweder des
2.5 u an o oder des o an u also poublicom zu pöblicum oder
püblicum. nountius nöntius nüüntius. uu wurde wie hier zu ü
zB. suoom suuom suom | Loucia luucia lucia |
eu
Durch Verbindung der Vokale e u. u entsteht eu zB. in ne-uter
30 ne-utiquam, ne-ve (mit Abfall des e) seu seve (sive) ceu ce-ve
(dies ce wie in hice; ceu also: „oder dies hier" „so wie": als
Vergleichungspartikel)
eu früh zu u getrübt: AeÜKioq für Lucius sagen die Griechen,
u für eu in ne-ullus ne-unquam ne-usquam. Mit dem altlatein.
216 Vorlesungsaufzeichnungen

eu haben die Verderbnisse nichts zu thun, die in später Zeit der


griech. Diphthong eu in der latein. Volkssprache erfahren hat:
das ursprüngliche eu längst abgestorben. Achillaeus: ae für e
geschrieben.
5 ai In der ältesten Zeit ist der Diphthong durchaus gespro-
chen u. geschrieben worden, die Trübung zu ae war im Beginnen,
um die Zeit des syrischen u. makedon. Kriegs schwankt die
Aussprache zwischen ai u. ae, im Zeitalter der Gracchen ist die
Trübung durchgedrungen, von nun an ist ai nur noch das
10 Z e i c h e n des ehem. Diphthongen. In Staatsurkunden wird AE
das Herrschende. | Die Genet. auf äl aquäl terra! zu Plautus u.
Ennius Zeit noch lebendig, schon zu Lucrez Zeit verschollen,
bei Cicero u. Virgil alterthümlicher Schmuck. Lucilius wollte
nur für das Auge beim Lesen eine Unterscheidung, als er ai für
15 Dativ u. Genet., ae für Nom. Plur. festsetzte.
Die Griechischen Genetive auf -T|Q sind durch ais aes u. es
ausgedrückt worden. — Weitere Trübung des ai durch ae zu e
scheint sich in sehr alten Weihinschriften erkennen zu lassen
Victorie Fortune Diane: aber dies sind nur Imitationen des
20 Griechischen N1KT| ZB. von griech. Hand. Die voraugust. In-
schriften bieten k e i n Beispiel einer weiteren Trübung zu e. Wohl
aber war in der Aussprache des Landvolks ae zu e getrübt,
schon zu Lucilius u. Varro's Zeit. Cecilius pretor. Erst im dritten
Jhd. p. C. schwächt sich auch in der Sprache der Gebildeten ae
2.5 zu e ab, wenn auch die alte Schreibweise beibehalten wurde.
oi trübt sich zu oe wie ai zu ae. In der ältesten Zeit der
inschriftl. Denkmäler oi noch fast unversehrt oinom Oinumam
(die einbrüstige Amazone) foideratus coiravit. Aber die Trübung
auch sehr alt: Göttin Coera (Cura). Gleichzeitig mit der Trübung
30 des ai zu ae beginnt auch diese Trübung. Seit dem Zeitalter des
ersten Bürgerkriegs kommt oe zur allgemeinen Geltung.
In Casusformen hat sich oi oder oe nur selten erhalten. Im Dativ
Sing, populoi Romanoi, dann im Dativ des Pron. hoi-ce, dann
quoi. Daß dies als Diphthong gesprochen wurde, lehrt die
Vorlesungen über lateinische Grammatik 217

einsilbige Messung bei Plautus, auch die von cui u. huic bei
jüngeren Dichtern. — Im Genet. quo-I-us, dann quoius daher
die einsilb. Messung von cuius: ebenso hoiusque hoiusce. In
Stammsilben wird oe seit der Kaiserzeit zu e verschmolzen
5 pomerium. obscenus obedire amenus federatus. Das bedeu-
tungslos gewordene oe wurde nun f a l s c h zur Bezeichnung von
e gebraucht foecundus foemina foelix foenerator incoeptum
Poenates Coesar Moecenas moestus usw.
oi zu u getrübt in loidos ludus | oinos unus | moenicipium |
xo comoinem | moiro murum | oitile | Seit den Zeiten der Gracchen
u. des Kimbernkriegs, w o das Schwanken zwischen oe u. oi
noch fortdauert, kommt auch u auf: oe hat sich immer erhalten
in moenia poena Poenus. Wenn in den Plautushdschr. sich munis
immunis usw. finden, so sind dies modernisirte Formen. Es ist
15 falsch anzunehmen, daß oi erst zu oe werden muß, um u zu
werden. Dies sind zwei Prozesse der Assimilation: i wird dem
o angeähnlicht, bis zu e | oder o dem i, bis zum u. u setzt also
ein ui voraus zB. in huic cui: ui zu u verschmolzen, wie im
Genetiv der 4t. Dekl. fructus für fructuis. Weitere Trübungen
von oi zu ei e u. I. Selten <(noch) Diphthong zB. in fidus neben ?
2.0 foedus foidus. inquinare neben coinare coinum.
ei. Wann ist die Trübung des Diphthongen zu e i n e m Vokal
u. w i e ist sie eingetreten? Ist die alte Schreibweise der Inschriften
zB. in deiva leiber deicere ceivis auch die Sprechweise? Wenn
auf jungen Inschr. vorkommt meiletes conscreiptum, so ist dies
25 hier der Mittellaut zwischen e u. i. Wichtig ist nun, daß vom
Zeitalter des Attius u. Lucilius bis zu Casars Tod mehrfach in
ein u. derselb. Inschrift in Wurzelsilben ei u. i geschrieben wird
dicetur neben deicere, literam neben leiteras, slis neben leitem
Für diese Periode ist also ei nur der Mittellaut: sonst hätte
30 Lucilius nicht daran denken können, das ei zur Unterscheidung
von Casusendungen in der Schrift anzuwenden. Dasselbe gilt
von dem ei in Suffixen genteiles Opeimius w o überall ältere
218 Vorlesungsaufzeichnungen

Formen mit reinem i vorausgehen aediles usw. Auch in Vokalfor-


men wie dedeit redieit petiei ist ei nur der Mittellaut.
Nun ei in Deklinationsendungen. Die Dativform auf ei ebenso
alt wie die auf e, also virtutei u. Junone, Hercolei und Salute,
ei nämlich ist das alte Dativsuffix aller italischen Formen. Wenn
es an consonant. Stämme trat, trübt es sich zu e einläufigem ei
u. I, an I-stämmen noch erkennbar quoi-ei an Ustämmen senatu-
ei neben senatui. Z u I trübt es sich, wenn es an Nominalstämme
tritt, die auf a u. o auslauten (ai u. oi: ist i der auslautende
Stammvokal, so verschmilzt es zu T
Was Ablative betrifft, so ist die vollständigste Suffixform ed.
Von den Gracchen bis Cäsar neben einander i e u. ei. In der
augusteischen Zeit nur e, das auch in der vorhergehenden Pe-
riode am häufigsten ist. Dies gilt von den consonantischen
Stämmen. Bei I-stämmen ist e ebenfalls am häufigsten. In der
august. Periode hat der Ablat. e bei Subst. masc. u. fem. generis
(auf i auslautend, bei Particip. im Ablat. absol.) aber m. Adjekti-
ven (mit Stamm auf i) u. Substant. neutr. generis den Ablativ
auf i.
ei ist also im Dativ wie im Ablativ nur ein Mittelvokal.
Was den Accusativ betrifft, so sind die Grammatiker seit Varro
in voller Übereinstimmung mit den Urkunden von der Zeit der
Gracchen bis zu Cäsar's Tod: is oder eis gehört dem Accusativ
Plur. der i-Stämme. es für diese Stämme sehen sie als Abwei-
chung an, die den Nominativ mit dem Akkusativ gleich macht.
Zur Zeit des Plinius ist aber es schon durchgedrungen, sowie
in der gebildeten Sprache als in den Urkunden.
In der zweiten Deklination Nom. Plur. am häufigsten ei, selten
e u. oe. Die Mutterform oi. ei ist eine Ausgleichung Das diph-
thong. e-i ist zu dem eintönigen Mittellaut geworden. I tritt erst
seit der Gracchenzeit auf und wird in der augusteischen Zeit
zur Regel. Wichtig aber D a t i v u. A b l a t i v der z Dek.
Bis zur Gracchenzeit ist eis ganz allein geschrieben worden: dies
beweist wohl, daß es gesprochen wurde: erst seitdem tritt is
Vorlesungen über lateinische Grammatik 219

(rostris reis auf. ei also in einigen Wortformen der ä l t e s t e n Zeit


diphthongisch gesprochen. zB. in deiva leiber deicere, sodann in
den Dativen u. Ablat. der 2 Deklin. im Plur. In den andern
Fällen ist ei nur die Bezeichnung eines Mittellautes: dem ei steht
5 dann immer i oder e zur Seite Ei hat sich erhalten bis zu
Plautus: nicht mehr zur Zeit der Gracchen, Lucilius fand nur
noch ein nach e zuneigendes i vor
Die Trübung der D i p h t h o n g e ist also so alt, wie unsre Sprach-
denkmäler. In der Zeit von den Gracchen bis zu den Bürgerkrie-
10 gen sind ou ai oi ei aus dem Munde des römischen Volks
verschwunden. Die abgeschwächten Laute ae u. oe sind nach
dem 3t und 4t Jhd. nach Chr. ausgestorben. Ein unächter
Diphthong eu durch Lautverbindung entstanden, der ächte sehr
früh verschwunden, au der stärkste hat sich auf die Tochterspra-
15 chen vererbt.

Cap. 8.
Vokalische Lautgesetze.
Grundformen u. Termini der Pathologie des Vocalismus.

Der H i a t u s , beim Zusammenstoß von Vokalen. Fast regelmä-


zo ßig wenn der erste Vokal ein a ist zB. ama-o ama-is (Endung
ajami ajasi) ama|v|erunt zu amarunt. Aus equai equa, aus diei
die, senatus aus senatuis. cogo aus coigo. equo Dativ, aus equoi.
Der Hiatus in einem Worte meist durch Consonantenverlust
fluunt aus fluvunt. flovont.
25 A s s i m i l a t i o n von Vokal zu Vokal, rückwärts oder vorwärts,
auch über Consonanten hinweg. Dabei das unmittelbare Zusam-
mentreffen zweier gleichen Vokale vermieden: Dissimilation.
Assim. zB. [Aureolus.] für aureulus. in siem sies siet, vergl. mit
sjam sjas sjat. exul aber exilium. facultas aber facilis. stabulum
30 aber stabilis. Dissimil. veritas aber pietas equitis aber abietis |
220 Vorlesungsaufzeichnungen

divinus aber alienus. Durch Dissim. hielt sich o länger nach u


und v zB. servos mortuos equom.
E r s a t z d e h n u n g . Durch sie wird Verlängerung bewirkt. zB.
pater ursprünglich paters ferens aus ferents (tpepcov aus cpe-
povxi;) pöno aus posno. (cf. pos-ui), major aus magior (g
ausgefallen.)
V o k a l e i n s c h a l t u n g (Epenthesis) macht sich vor allem geltend
bei Latinisirung griech. Worte. Einige griech. nomina, die im
Inlaut einen Guttural mit od. |xv mit kurzem Vokal haben,
haben Epenthesis. Durchaus nicht alle. M a n muß zwischen zwei
Klassen von griechisch, latinisirten Worten unterscheiden: eine
aus uraltem Völkerverkehr, mit naiven Umwandlungen zB. mina
für mna drachuma für drachma guminasium. cucinus Tecumessa
Alcumena. techina (te^vti)
A u s f a l l von Vokalen. zB. ne-ullus alumnus (das Suffix (levo
mana) vertumnus. Stella aus sterla sterula puella puerla puerula |
rettuli aus retetuli reppuli aus repepuli | dixti aus dixisti, valde
aus valide.

Cap. 9. Über die Konsonanten.

In historischer Zeit weniger Wandlungen als die Vokale. Seit


dem Beginn des letzten Jhd. der Republik ist ihre Entwicklung
abgeschlossen: Durchbruch der Gemination, Festhalten der End-
laute M u. S, Klärung der Lautverbindung ov usw. Mit dem
dritten Jhd. p. tritt der Verfall ein.
C. K. Damit derselbe Laut bezeichnet. K als Zeichen der Tenuis
seit den Decemviri außer Gebrauch, ohne ganz zu verschwinden.
Regelmäßig erhielt es sich, wenn Kalendae Kaeso Kalumniae
Kaput nur mit den Anfangsbuchstaben bezeichnet wurden.
S c h w i n d e n des c im Anlaute: lamentum, neben clamare | laus
neben cluere, luscinia Wohllautsängerin. Im Inlaute geschwun-
Vorlesungen über lateinische Grammatik 221

den: lana A.d/vr|, luna neben lux lucere. artus für arctus, tortus
von torquere ultus (ulcisci) poscere eig. porc-scere, prec-ari
parkh u. prakh „fordern". N i e ist c geschwunden im Inlaute
zwischen Vokalen. Die Gemination zeigt, wie fest hier der Laut
5 ist zB. succus succula, wo die Gem. nicht berechtigt ist.
c entsteht aus g durch Assimilation vor folgendem t zB. in actus
(agtus) fractus (frango) neglectus negligere.
c aus h durch Assimilation tractus traho.
c durch Assimilation zu t entstellt: doch erst seit dem 4t Jh.
10 p. C. vittoria otto für octo.
Hat nun c seinen K-Laut immer bewahrt oder ist er in gewissen
Fällen zu einem Zischlaute entartet? Wir sprechen vor e i ae eu
eben z! In den ältesten Inschriften Dekembres. Die Griechen
(pt|Kix kt|vctov K 8 V T O p i a Kr|VCTCDp. Wiederum gaben die Römer
15 das griech. k durch c wieder Cecrops Cilix Cimon.
c ist also bis in das 7, 8t Jhd. p. C. wie K gesprochen worden.
Damit stimmen alle Grammatikerzeugnisse.
Wie steht es nun mit dem Laut c vor i mit folg. Vokal? Besonders
bei der Schwankung mehrerer Wortformen zwischen c und t?
20 Hier hat man viel zu viele Schwankungen, verführt durch
schlechte Hdschr. angenommen. Nach den Inschriften giebt es
eine ganz feste Orthographie: es heißt contio nuntius (noventios)
setius otium negotium indutiae fetialis. Dagegen condicio patri-
cius tribunicius.
25 Aber es findet sich ein Schwanken in Namensformen Marcius
Martius Mucius Mutius Accius Attius. Aber die Bildungen mit
c sind ganz andre Bildungen als die mit t. Marcius von Marcus.
Martius von Marts, Mucius von mucus, Mutius von Mutus,
Accius auf Acca, Attius auf Attus.
30 Das Gesamtresultat ist: ci wird für ti v e r e i n z e l t erst im 3t Jh.
p. gesetzt, massenweise in Gallien Jhd. 7. K e i n sicheres Beispiel
daß ti statt ci gesetzt sei. Die Ursache der Verwechslung liegt
in der Aussprache j für i v o r Vokalen. Constantjus: dadurch
entsteht Assibilation.
222 Vorlesungsaufzeichnungen

Q , das Koppa des [alt]dorischen Alphabeths. Hier fragt es sich


was ist das u nach q: es könne w e d e r ein Consonant sein, denn
sonst würde es Position machen, n o c h ein Vokal: denn sonst
würde es mit dem folgenden Vokal den Werth einer metrischen
5 Länge haben. N a c h Priscian ist es also weder Consonant noch
Vocal. Es ist ein halbvokalischer Labialer Nachklang, der vor a
u. o wie ein halbstummes u klang, vor e ae i wie ein ü. M i t
folgendem u zerfloß es zu u. D a r u m schrieb Accius qura pequ-
nia. q u o m hatte drei Möglichkeiten, sich zu verwandeln: in
10 com quum cum. In der august. Z e i t ist schon cum festgesetzt,
quum ist zu k e i n e r Z e i t zur Geltung gelangt, vielmehr für
Präposition u. Coniunction cum das Üblichste. Eine orthogra-
phische Künstelei blieb es, die Conjunction durch qum zu be-
zeichnen.
15 G durch Spurius Carvilius in das latein. Alphabeth aufgenom-
men, an die Stelle des Z gesetzt.
Eine große Ähnlichkeit zwischen c u. g blieb immer beste-
hen, so daß g vielfach für ursprüngl. c steht: Sigambri negotium
gubernator Kußepvf|TT|<;. triginta xpidKOVta. gloria cluo. Dage-
20 gen gehört nicht Gaius u. Gneius hierher: als Sigle dieser Vorna-
men bediente man sich der alten Form der gutturalen M e d i a C .
Es ist ein Fehler Caius zu sprechen.
g schwindet im Anlaut u. Inlaut zB. lactis neben ya^aKTOc;.
natus neben gnatus. nomen neben cognomen ignotus. Naevius
2.5 u. Gnaevius. examen agmen | contaminare contagium | flamen
flagrare.
g hat wie q einen labialen Zulaut: unguentum neben ungenta-
rius.
v u. i üben einen zerstörenden Einfluß auf g aus. zB. in vivus
30 neben givami ich lebe (also gvivus) fruor für frugvor |fruges|.
maior neben magnus. maius der „Wachsemonat."
h. Die Lateiner haben das Zeichen für ch aus dem dorischen
Alphabeth nicht aufgenommen: ihre h muß aber etwas stärker
[adspirirt] mit dem G a u m e n gesprochen sein: sonst konnte nicht
Vorlesungen über lateinische Grammatik 223

aus traho tractus entstehen. | Vollkommne Verflüchtigung des


h zeigt sich in vemens für vehemens. | Hannibal urspr. w o h l
Channibäl. Im Griech. ' A v v i ß a g ist das ch ganz geschwunden.
- Das h entspricht dem Griech. X in haruspex (Gedärm hira)
5 %op8f| [ hamus %a|iöv Haken. | hortus G e h ö f t xopTOQ Gehege |
humus Gr. %a\iai \ hirundo %8>a5(öv |
- h entsprechend ursprünglichem dh zB. in hircus dhar der
„feste" Taupog v o m selben Stamme.
- h aus bh entstanden herba (pepßeiv <popßf|.
10 h ist das Überbleibsel ursprünglicher Aspiraten.
h ist ein überaus f l ü c h t i g e r Laut: schon im Altlat. fängt er zu
schwinden an. In der klassischen Zeit wird er im M u n d e der
G e b i l d e t e n constant, viell. unter Einfluß des Griechischen.
Die Volkssprache geht in der Vernachlässigung immer weiter.
15 Beispiele bei Plautus mi nil cors (cohors) | D a n n incohare u.
incoare.
nemo aus ne-hemo. praeda aus praehenda. | herus erus. hordeum
ordeum. humor umor. Allmählich völlige Verwirrung,
p im Anlaut vor 1 geschwunden. zB. lunter linter aus 7iÄ,üVTT|p
2.0 plavas Schiff, latus neben JtJiaxin;. nX-axoi;.
p a u s k entstanden in lupus Ä,öko<;. palumbus palumba neben
KoA,ü(xßö<;. spolium neben gkuA-ov oKuXaco.
Z u b e r w e i c h t s i c h p in ab (drco) sub (imö). Diese weichen
ab ob sub verhärten sich wieder durch Assimilation vor p t s zB.
Z5 in optinui apsolvere opsidio. Die späteren Grammatiker folgen
bald der Aussprache, bald der Etymologie zB. abscondo apsti-
nui. Dies Schwanken auch in den ältesten u. besten Hdschr. im
Ambrosianus des Plautus u. Mediceus des Virgil, in der Verone-
ser Gaiushdschr. in den Florentin. Pandecten.
30 p häufig nur eingeschoben zwischen m u. t oder m u. s emptus
tempto contemptum: ein Vermittlungslaut, (im Griech. |j.8ar||j,-
ßpia)
B Es fragt sich ob b wie im Deutschen oder wie ß im Neugriech.
gesprochen wurde. Letzteres könnte man annehmen, weil b
35 mehrfach sich zu v erweicht hat. Favius Fabius.
224 Vorlesungsaufzeichnungen

Dieser Übergang seit dem 5t J h . p C. liventer miravilis usw.


B im Anlaut ist häufig aus du dv entstanden bellum bona
(duona). — Erst im Spätlateinischen schwindet b ganz zB.
Pulilius Octoris Feraras (für Februarias) Septeris (Septembris)
F Priscian behauptet, f sei der Laut Digamma apud antiquissi-
mos Latinorum: so wie es später gesprochen sei, sei es = ph
gewesen. Aber in lat. Inschriften keine Spur daß f = v gewesen
sei: dies ist vielmehr ein falscher Schluß aus den Schriftzeichen.
Die zweite Behauptung, das alte ph ist ebenfalls falsch, da ph
erst seit Cicero's Zeit bekannt ist. Nach Quinktilian ist f ein
sehr kräftiger Laut: paene non humana voce vel omnino non
voce, potius inter discrimina dentium efflanda est.
f ist entstanden aus den ursprüngl. Lauten bh dh gh. zB. fama
(neben (parle; sansc. bha „sprechen") fanum „eine durch Worte
geweihte, heilig gesprochene Stätte"
f a x (paivco bha glänzen.
fesiae (bhas glänzen) also „glänzende Tage"
familia von fama fagma Haus eig. Feuerstätte (aedes aiöco
ebenso)
f aus dh zB. in firmus von dhar „halten" rufus spuöpcx; rudhiram
sansc.
Aus gh fons aus foronts: for = %eco (in ex69r|v) also
„Gießbach"
f verschob sich häufig zu einem b nubes neben vecpe^r) Albus
u. Alfius, rubor neben rufus
f an Stelle des griech. (p erst in später Volkssprache, bei Vergröbe-
rung des Unterscheidungsvermögen: filosophie sprechen wir.
T. Daß t zwischen Vokalen sehr scharf war, zeigt der Wechsel
von t u. tt. zB. quattuor, cottidie. quattuor ist die originale
regelmäßige Schreibart, quatuor ist etymologisch berechtigt,
cottidie ist älter u. besser, quotidie g a r nicht verbürgt. Aber
etymol. ist cotidie das richtige, littera litera. Das älteste das
Beste. Aber e i n t etymologisch litera mit linea stammt von sli
Vorlesungen über lateinische Grammatik 225

„aufstreichen" saglta bei Plaut, u. sagitta. Britannia Britannicus


(so besser).
T geht selten in andre Laute über außer durch Assimilation zB.
equestris aus equet-tris potestas aus potent-tas; aus quat-tus
j wird quastus, endlich quassus, so ist passus zu erklären, ebenso
missus: dagegen t gewahrt in expertus sectus. Auch nach 1 oft
zu s geschwächt fal-sus aus faltus, aber altus erhalten. Auch
nach n Schwankungen: cantus cantor aber mansus.
t ist ausgefallen in Iis aus stlis, dann slis (was bezeugt ist.
10 Von dem Abfall des t im Auslaut von Verbalformen schon
gesprochen habe(t) dederont. Bekannt ist der Wechsel von erunt
u. ere im Perfectum. Die römischen Gesetzesurkunden von den
Gracchen bis Caesar immer erunt: Sprache der Gebildeten u.
der Schrift. Die abgestumpfte in der Volkssprache bei den sce-
15 nici, dann bei Cato u. Sallust: Cicero u. Cäsar vorwiegend
erunt
D Die Grammatiker zweifeln vielfach, ob im Auslaut t oder d
zu schreiben sei (namentlich bei Präpos. u. Conjunctionen. Was
sagen die Inschriften? Bis Cäsar immer sed apud ad quod quid
2.0 id. Alle Ablative lauten ursprünglich auf d aus. Das auslautende
d ist aber matt u. dumpf u. kaum von t zu unterscheiden (Pferd
Schwert Staat Pfad) daher Wechsel von aput aliud haut set
atmodum illut usw.
Das d des Ablativs ist schon seit dem Samniterkrieg im Schwin-
15 den. Höchst bedeutend noch für Plautus (Hiatusfrage)
d ist geschwunden in den auf e auslautenden Adverbien zB.
facillumed, bei Ennius noch alted. Das se in seducere hat noch
sein d in sed-itio. Bei röm. Dichtern vielfach die Ablat. med ted
sed erhalten: später auch als Accusativformen.
30 L Plinius unterschied ein 3faches 1: den vollsten Ton im Auslaut
der Wörter sal mel fei consul vigil, daher fiel es hier niemals
ab. Derselbe Ton in gloria plenus: diesem V o l l e n Ton zuzu-
schreiben, daß es c g p t abstieß ja st (stlis) lamentum lunter
(plunter)
226 Vorlesungsaufzeichnungen

Einen leichteren Ton unterscheidet Plinius im Anlaut latere


laetari u. im Inlaut zwischen Vokalen talis facilis.
Häufiger Wechsel von 1 u. r zB. caelum caeruleus, Parilia u.
Palilia (Pales)
5 1 u. d wechseln lacrima u. dacrima, lingua für dingua (Zunge)
Den schwächsten Laut in 11 im Inlaut das zweite 1. Durch Assimil
ist 11 aus nl rl dl entstanden. Vielfach gehört auch das erste
1 zur Wurzel, der anlautende Consonant des Suffixes wurde
assimilirt. zB. im Griech.CTcpdX,X,toaus acpaA-jo, lat. fallo. tollo
io Sansc. tuljami. lt zu 11 u. facillimus gracillimus (neben optimus)
mel mellis urspr. hsä,ito<; meltis.
Bloß durch geschärfte Aussprache ist 11 entstanden in querella
relligio relliquiae.
R littera canina Wir haben zwei r-laute, ein gutturales u. ein
15 dentales R. Die Lautwechsel müssen uns belehren, s in r zwi-
schen zwei Vokalen sehr häufig verwandelt Lases in Lares fesias
in ferias Ceruses in Cereres. pulvis pulveris. s wenn es weich
gesprochen wird, durch Anlehnen der Zunge an die oberen
Vorderzähne: Dies r kann also nur das Dentale gewesen sein.
2.0 Dafür spricht auch der Übergang des d in r advorsus in arvorsus,
arcesso und adcesso adbiter arbiter meridies medidies
n im Anlaut sehr scharf ausgeprägt: kein Übergang nachweis-
bar. Das Auslautende tönt viel schwächer: Abfall in homo virgo
usw. für homon virgon.
25 n vielfach aus m entwickelt, besond. vor d, eorundem septende-
cim. Zwischen Vokalen sehr kräftig, Gemination häufig neben
der einfachen Form Caecina u. Caecinna. Sabina Sabinna conu-
bium (das Richtige) ([falso] connubium gar nicht) conexus coniti
n. fällt vor j häufig aus coicere coiectura. Aus coninniti nach
30 Ausfall des j coniti. — Sehr verbreitet der Ausfall des n vor s.
cosol. costitutio. Besonders in den Participien häufig, curas
cogitas (Plautus u. Lucrezhdsch. u. Inschr.) Dann quoties vicies
vicesimus millies
Vorlesungen über lateinische Grammatik 227

Auch ein gutturales n haben die Römer gehabt (n im Deut-


schen vor Gutturalen Klang Dank.) nc ng nq. Attius schrieb
dafür g aggulus.
m Auslautend sehr schwach, daher wenig gesprochen u. oft
5 nicht geschrieben. Durchweg in der erst. Pers Sing. Ind. wegge-
fallen außer in sum (esum ecrui) inquam. Im Conjunct. noch
erhalten aber doch gab es alte Formen attinge für attingam dice
für dicam. In den Inschr. der Republ. Schwankung des m in
Nominalformen bis zur Gracchenzeit. pocolo loco Acc. romano
10 u. romanom (gen. Plur). Roma Acc. neben Romam. parti für
partem omne für omnem. In den Staatsurkund<en> dringt das
m durch. Auch in der Volkssprache von Cicero bis Titus m ein
kraftloser Laut, wie die Pompej. Mauerinschriften graffiti zei-
gen. Im 3t Jhd. ist m im Volksmunde im Accus, ganz todt. Die
15 Steinmetzen setzen m auch zum Ablativ.
S (San bei den Dorern Schin bei den Phön.) nur ein Zeichen
dafür: damit ist nicht gesagt daß es nur ein Laut gewesen sei.
Das anlautende scharfe S (sp, sc, st) oft geschwunden zB. cutis
neben scutum obscurus cena scesna bei den Sabinern. S c h a r f
20 im Inlaut v o r u. nach andern Consonanten, außer nach n:
consul. menses nf^eg
Im Inlaut zwischen 2 Vokalen weich rosa: dies beweist der
Übergang in r. Dagegen scheint die Schwankung von s u. ss
zu sprechen zwischen zwei Vokalen caussa missit misit Etymolo-
15 gisch richtig ist cassus aussus missi, in allen Verbformen, deren
Stämme auf d u. t auslauteten. Aber damit ist nichts über die
Aussprache gesagt. Daraus daß ss u. s nach l a n g e n vokal.
Lauten schwanken, ergiebt sich daß ein wesentl. Unterschied
nicht mehr gehört wurde. Die romanischen Sprachen haben in
30 allen diesen Fällen nur ein s gewahrt: u. dies ist ein weicher
Zischlaut cosa.
Das auslautende s sehr schwach. Als Casuszeichen schon sehr
früh abgefallen nauta(s) scriba(s) poet(as) ipse (ipsus) iste (istus)
ille (ollus)
228 Vorlesungsaufzeichnungen

In den ältesten Denkmälern s vielfach nicht bezeichnet filio


Plautio neben den anderen Formen. Im 4t Jh. post ist es ganz
verklungen, wie auch m. | Die ältern röm. Dichter bis Catull
haben es nicht als Consonanten behandelt, keine Positionslänge
erzeugt: dies ist keine metrische Freiheit, sie folgen der Volks-
sprache.
Z Erst seit Cicero kommt es recht in Gebrauch, in Fremd-
wörtern. Zacynthus trapezita. Die Älteren drücken es im Anlaut
durch s aus Saguntum Sethus: das inlautende durch ss malacisso
atticisso.
X . Im Senatus c. de bacchan. exstrad: zum ersten M a l xs
Scipionengrabschrift saxsum. Später dixserunt neben dixerunt.
Selbst noch in August. Periode maxsumus. Aus der Schreibweise
xs zeigt sich, daß s stark vortönte. Der gutturale Bestand schwin-
det sogar mehrfach ganz sescenti. disco aus dic-sco. praetestati.
j der Halbvokal. Klang sehr verschieden. Consonant war es
im Anlaut, wenn ein Vokal folgte, iudico aber auch in den
Compositis abiudico (nach Priscian) dijudico.
Anders der Laut im Inlaut zwischen Vokalen: Priscian be-
zeichnet ihn hier als doppelten Konsonanten (Velej-jus). Das
eine j zur vorhergehenden, das andre zur folgenden Silbe. Er
glaubt also an eine Diaeresis zwischen ihnen. Dem widerspre-
chen aber die Inschriften u. die andren Grammatikerzeugnisse:
es ist ein einfacher aber breiter und voller Laut. Wahrscheinlich
mit weichem vokalischem Vorklang Maija Troija. Jedenfalls ist
die vorhergehende Silbe immer l a n g gemessen worden: daher
Priscians Idee. Es ist aber ein Irrthum, diese Verlängerung dem
Consonanten zuzuweisen: überall w o eine s i c h e r e Etymologie
gegeben ist, ist entweder der vorhergehende Vokal durch Natur
lang oder durch Ersatzdehnung, major aus magior. meio für
migio (mingo) (meientula)
V. für das der Kaiser Claudius das J erfand: es entspricht
dem Digamma. Die spätere griech. Schrift nach Verlust des
Vorlesungen über lateinische Grammatik 229

Digamma drückt es durch B aus. Bappcov oder durch O Y


OYAPPQN.
BipyiÄacx; u. OöepyiXicx;. Also lag V zwischen ou und ß in der
Mitte: wie eben das Digamma.
v hat vor Consonanten im Anlaute nie standgehalten,
radix ßpi^a | rosa ßpö8ov | laqueus ßpö^oi; mit Wandel von r
in 1 |
Im Inlaute widerstrebt es einem vorhergehenden Konsonanten
(außer 1 u. r): es wirft den Consonanten entweder ab oder löst
ihn in u auf. viginti aus dviginti. tui sansc. tvam. sui sansc. sva.
Aber calvus silva larva usw.
v völlig geschwunden nach Conson. in te, tibi, (neben tvam)
savium neben suavium. soror (svasar)
Bei Berührung mit folgendem Consonanten löst es sich in u auf
fautor neben favere (gaudium neben gavisus) nauta neben navis
nuper aus novumper in nouper, also hier ov in den Diphth. ou
aufgelöst. Jupiter Joupiter. Jovis.
Im Inlaut zwischen Vokalen ist v ein flüchtiger Laut, der bald
schwindet. Gnaevus u. Gnaeus. aeternus aeviternus. deorsum u.
devorsum. nolo aus no volo (non volo), malo aus ma volo
(magivolo)
Besonders häufig der Ausfall des v im Perfectsuffix -vi zwischen
Vokalen abalienarunt n. abalienaverunt. accusasse. Dann peristi
für perivisti.

Cap. io. Vom Genus des Nomens.

Ein starker Ausdruck des Anthropomorphismus (aber nicht


ursprünglich), daß der Mensch die große Natureintheilung auf
die Dinge überträgt. Es ist sehr charakteristisch für ein Volk,
was es als maskul. u. femininisch auffaßte t ^ i o i ; und sol männ-
lich als das stärkere lichtgebende, umgekehrt bei den Deutschen.
230 Vorlesungsaufzeichnungen

Die Kraft des Weines wird vom Deutschten) u. Griechen mehr


respekt<irt>. Dies setzt voraus, daß sich die Scheidung der
Geschlechter erst vollständig in den einzelnen Sprachen entwik-
kelt hat: der Entwicklungsprozeß geht bis in die Zeit der Denk-
5 mäler fort.
Als Bezeichnung Quinctil. masculinum u. femininum, Varro
virile u. muliebre: erstere besser: die allgemeinsten Bezeichnun-
gen.
Die Genusunterscheidung beschränkt sich im Lat. fast ganz auf
10 den N o m . Sing. Das Indogerm. besitzt kein ausschließliches
Kennzeichen für ein bestimmtes Genus: dies wäre nöthig gewe-
sen, wenn von Anfang an das Genus unterschieden worden
wäre. Also gab es in der ältesten Periode nur Nomina ohne
Genus u. Suffix
15 M a n unterschied die geschlechtigen u. die ungeschlechtigen
Wörter. Der nackte Stamm im Singul. wurde benutzt zur Be-
zeichnung der ungeschlechtigen caput cor (für cord), triste ( =
tristi) cornu, bei den Wörtern der sog. 2 Deklination novum
donum tritt die Akkusativform des Maskul. ein, in dem Sinne,
2.0 daß ihnen die volle Kraft fehle Subject zu sein: sie sind nur
Objekt. Die geschlechtigen nehmen im Allg. s an mon(t)s pe(d)s.
tristis fructus. M a n unterschied also ein p e r s ö n l i c h e s und
ein s ä c h l i c h e s Geschlecht. Unsinn? nur begriffliche Scheidung
Doch dauert auch die älteste suffixlose Form noch fort: die
25 männlichen weiblichen u. neutralen Stämme auf s, 1, n, r (mit
Ausnahme von sanguis) und die neutralen auf t und c.
Neue Periode, daß sich das persönliche Geschlecht nochmals
in M a s k u l i n u. F e m i n i n scheidet. Eine begriffliche Scheidung,
nicht durch Suffixe ausgedrückt. Einige Unterarten des Suffix s
30 werden vorwiegend dem einen oder dem andern Genus beigelegt
us es femin., os us maskul.
Jünger noch, doch noch Gemeingut der Graikoital. Per. ist bei
den sog. Adjekt. auf us a um die Scheidung von Masc. u.
Fem. durch den Ablaut des a zu o: ursprünglich nava ohne
Vorlesungen über lateinische Grammatik 231

Geschlechtsbezeichnung, novos novom nova. Dem weibl. Ge-


schlechte bleibt die ältere Form. Cicero sagt facilius enim mulie-
res incorruptam antiquitatem conservant. Dies wiederholt sich
bei den Adj. deren Stamm im Auslaut r vor i hat: fem. celeris
5 masc. celer, fem. equestris | masc equester: nach Abfall der
Endung is wurde e eingeschoben. Diese Sonderung von Formen
ist sehr jung: Ennius sagt noch somnus acris, u. acer hiemps,
n i e vollkommen durchgeführt.
Etwas älter major Masc u. majus Neutr., urspr. majös. noch bei
10 Plautus ist das Comparativsuff. lang. Dann major u. majos
E i n z e l n h e i t e n . Alles was weiblich in der Natur ist, auch
in der Sprache weiblich, auch bei widerstrebender Form Glyce-
rium. Grammat. Geschlecht u. rhetorische Figur nicht zu ver-
wechseln: Oft kann durch Metonymie ein Wort für ein bestimm-
15 tes Geschlecht gebraucht werden, während das Wort ein andres
Geschlecht hat: also wenn Ursache für die Wirkung: operae
Arbeiter excubiae vigiliae Wachen, grammat. natürlich Femi-
nina.
Die Namen der B ä u m e Feminina: doch Ausnahme die wild-
20 wachsenden; die sich auf ster endigen pinaster oleaster Die
Städte femin.: doch die mit der Pluralendung auf i (2. Deel.) hi
Argi hi Parisii. Die Städte auf um etymol. Neutra. Logisch-
syntaktisch werden sie femin<(in)a Saguntum Ilium. Die auf us
untis Mascul. wie im Griech., als fem. bei Dichtern palmosa
15 Selinus (mit Ergänzung von urbs.)
Die Deminutive befolgen das Genus des Stammworts, ungui-
culus vermiculus fasciculus lassen auf Maskul. zurückschließen.
Ausnahme varix masc. aber varicula Wärzchen.
Substant. auf io sind mascul., wenn sie nicht Verbalia sind
30 (neglectio) und nicht von Adjektiven abgeleitet sind (communio)
Die Numeralia sind dagegen männlich, der quaternio usw. (Unio
ist nicht „Einheit" noch weniger „Vereinigung": nur „Perle"
mascul.).
232 Vorlesungsaufzeichnungen

Die Wörter auf o önis sind mascul. ohne Ausnahme. Bei Genet.
Inis u. wenn die Wörter im Nomin. zweisilbig sind, alle mascul.
also ordo turbo usw. (Zwei Wörter ausgenommen grando u.
caro (carinis) carnis fem. Von virgo versteht sich dies von selbst.
5 Die Substant. auf nis im Nominativ sind mascul. ignis amnis
panis finis usw.
Die Wörter auf x: bei den zweisilb. Wörtern auf ex und ix mit
Genetiv Icis fem. also cervix cervlcis Ausnahme machen die
griech. Wörter phoinix Palmbaum spadix der rothe Palmzweig
10 sind m a s c u l .
Bei den zweisilb. Wörtern auf ex und ix mit Icis im Genet. gilt
das M a s c u l . zB. fecundi calices bei Horaz.
Bei dreisilbigen gilt die Regel nicht: es heißt haec appendix.
Vollständigste Belege für jedes fragliche Wort Formenlehre der
15 lat. Sprache von Friedrich Neue Stuttgart 1866 Th. 1. p. 614.
Festzuhalten daß zwischen Prosa u. Poesie sich viele Differenzen
finden talpa Maulwurf bei Dichtern masc., bei Pros. fem.
Zu den Doppelgeschlechtigen gehören die Namen von Schau-
spielen Ajax Eunuchus Colax Mercator. Terenz, nach Cicero
20 bonus auctor latinitatis, gebraucht sie als fem. indem er fabula
sich ergänzt denkt. Juvenal behandelt sie als Mascul. (finitus
Orestes). Kaiser Augustus nach Sueton Octav. 85 nannte seine
Tragödie Ajax meus.
Dies kommt nur im Singular als femin. vor, nie im Plur. Dazu
25 diecula. In der Bedeutung, Zeit Termin ist es fem. Also dies
dicta, diem dicere qua. Regelmäßig wird gesagt hic, ille dies, eo
die, unus dies, uno die. Femin. ist es noch, wenn es das Datum
eines Briefs bedeutet dies erat adscripta Nonarum Aprilium.
Dies als fem. bedeutet sodann eine bestimmte Zeitdauer, eine
30 Frist. Meridies ist fast ohne Ausnahme Mascul.
Vorlesungen über lateinische Grammatik 233

Nominativ
des S i n g u l a r s
Cap. i i . A k k u s a t i v
und P l u r a l s .
Vokativ

Im Nomin. ist s also das Anzeichen der b e l e b t e n Genera, vocs


5 zu vox coniug-s merx neben merces, Pollux neben Polluces, nix
aus nigvs, (in nivis ist g fort, nigvis) urb-s, aus Assimil. auch
urps geschrieben. Viele verkürzte Formen anceps aus ancipes.
plebes, a l l e Inschriften v o r August, n i c h t plebs. Wenn an die
Dentalstämme s tritt, so schwindet das d t lapi(d)s, li(t)s. Die
10 Ersatzdehnung behauptet sich bei einsilb. Worten pes. vas
(väd's) und w o i der Endung es vorausgeht abies. Bei nasalem
Stamm hiem-p-s mit euphon. Einschub des p wie in sumpsi.
Den n-Stämmen wird kein s angehängt: mit Ausnahme von
sanguis aus sanguins sanguens, mit ursprüngl. Dehnung von Ts
15 bis Virgil. Selbst der Nasal fällt ab margo für margon natio für
nation Apollo. Das lange o bald gekürzt homö. homönem
zuerst, bei Ennius homönem. n gewahrt bei tibicen, regelmäßig
bei den Neutren zB. nomen. Bei liquida-stämmen erscheint s
nicht mehr: aber ursprüngliche Ersatzdehnung sal aus sali aus
2.0 sals, pater aus paterr aus paters. Bei Venus ist ein s nicht mehr
möglich. Die i-Stämme nehmen s an. pisci-s avi-s. Einige haben
die Endung es zB. vates, einige schlagen über in die Deklination
der weiblichen e-Stämme zB. plebes plebei. Das s vielfach unsi-
cher: auch simili(s) est wird similist bei Plautus. Die ganze
2.5 Endsilbe fällt auch ab bei celer October pedester. (mit Einschub
des e). Auch die Neutra werfen das stammhafte e oder i ab,
difficul bei Varro. In substantivirten Adjekt. festgesetzt animal
exemplar für exemplare (Lucrez)
An die u-Stämme tritt s arcu-s fructu-s.
30 Die a-Stämme haben s völlig verloren: scriba usw. wie V£(peÄ/r|-
yepEta Zeüq. nauta poeta sind entlehnt. Auch die griech. Namen
auf as werden römisch auf a gebildet. Appulejus sagt Protagora.
234 Vorlesungsaufzeichnungen

Die e-Stämme erhalten das s, fides facies, alle weiblich (bis auf
dies). Daneben existieren a-Formen. luxuria saevitia
Die geschlechtigen o-Stämme gehn im 5t Jhd. auf os aus. Alfenos
Plautios filios, oft mit Schwund des s, Tourio zB. os om ging c.
520 in us um über. Es blieben mortuos equos servos aevom. In
Quinktilians Zeit tritt Änderung ein divos divom wird altmo-
disch.
[Personalpronomen: egö bei Plautus in best. Versmaßen, tu.
Keine dritte Person im N o m . -quis, bei Plautus auch quis mulier,
also wie liq, als Fragewort.]
N o m . Plur. Die geschlechtigen Nomina haben as Sansc, £<; im
Griech., im Italischen S mit Dehnung des Vokals bei vokal. Grund-
formen. Bei den e Stämmen dies spes: häufig in die a-Deklination
umgesetzt intemperiae. Bei U Stämmen ö fructös. Die i Stämme
haben es als Endung (nach den Inschriften a l l e i n im Gebrauch)
Es ist falsch daß den i-Stämmen ursprünglich is zukomme: viel-
mehr sind diese i-Stämme ursprüngl. e-Stämme ignes. Später ent-
wickelt sich daraus durch eis auch is, im 7t Jhd.
Die conson. Stämme es pateres patres. Tiateps«;. Dies kurze es
oft in e verkürzt, fällt auch ganz ab, so in Tities neben Titieses
Ramneses. quattuor(es). Bei Plautus iänes noch als 2. Kürzen
gemessen. Später tritt es ein dh. die consonant. Stämme giengen
alle in die i-Deklination über boves reges virgines usw. Auch
dies es ging später in is über.
Bei den a-Stämmen ist ae j ü n g e r e Bildung: alt silvas. Nachher
entstand silva, mehrfach bezeugt. Um der Verwechslung vorzu-
beugen, wurde jetzt ein neues Suffix angefügt: i viell. dasselbe
lokative Pronominalsuffix wie in qua-i. Aus Diphthong ai wird
ae.
Auch bei den o-Stämmen doppelte Bildung, die altital. mit os,
Romanos, natürlich die ältere, die andre mit -i wie bei den A
Stämmen -oi -oe ei wie in l o e b e r t a s lebertas llbertas.
Die Neutra werden durch Anhängung von a gebildet, viell. auch
ursprüngl. das Accusativsuff. cpepovxa.Bei den i u. u-Stämmen
Vorlesungen über lateinische Grammatik 235

tritt es hinzu milia altaria, bei den o urspr. a-Stämmen geht o


in a auf sacra. Daher ursprünglich lang.
V o c a t i v . Einen besonderen Vokativ bildet das Lat. nur im Sing,
der o-Stämme: selbst da leicht der Nominativ, bei Plautus da
meus ocellus. N u r deus. (bei Catull Virgil Ovid oft griech.
Vokative Orpheu Atla.
Die Form mit e ist eine Abschwächung aus o, o bone d) cpiXe
Wo die Nominativendung aufgegeben wurde, fiel auch das e im
Vokativ ab. (puere) (puer) Geht o ein i vorher, so tritt Assimila-
tion von ie zu ii u. Contraction zu T ein, im 7 Jhd. auch ei
geschrieben. Publi Corneli. Außer Namen auch fili (Bei Liv.
Andron. noch filie) Über die Betonung waren die Grammatiker
uneins: Nigidius Valeri Vergili, im Genetiv aber Valeri, aber in
Gellius u. Priscians Zeit Valeri auch im Vokativ, zum Zeichen
daß der Wegfall des e im Bewußtsein blieb.
Accusat. | Beide Geschlechter nehmen bei v o k a l . Stämmen m
an (dem griech. n entsprechend) Bei a-stämmen portam bei e-
stämmen pauperiem, bei o-Stämmen locom. im nur bei wenigen
i-Stämmen, die meisten em. Bei allen c o n s o n a n t . Stämmen
em, durch eine Übertragung in die e-Deklination.
A c c u s a t . d e s P l u r a l s . Das Singularsuffix vermehrt um s, for-
mams, formas. | Mittelstufe formans (formonsus amäs) filioms.
ems u. ims zu es und is bei den Stämmen auf i und bei den Conso-
nant., is ist das überwiegende. Stufenfolge es eis is.
Die Regelmäß. Länge hat ihren Grund in dem vor S ausgefallnen
Nasal.

Cap. 12. G e n e t i v A b l a t i v D a t i v
L o c a t i v des S i n g u l . u.
Plural.

Das ursprüngl. as bei consonant. Stämmen im griech. zu os, im


Latein, zu us, wie es erhalten ist Venerus Castorus, Cererus.
236 Vorlesungsaufzeichnungen

Cästorus patrus. Übergang in es und is. Letzteres dringt durch


vocis bovis. S fällt im Vulgärlatein ab Caesaru militi. Bei Hexa-
meterausgängen bei Ennius Hyperionis cursum.
Die i-stämme sind von den consonantischen im geschichtl.
Latein nicht zu unterscheiden, avis Gen. wird wohl aus avius
entstanden sein, wie alis aus alios: daher im ältesten Latein
Länge des Ts. | Die u-Stämme wahrten die ältere Gestalt des
Suffix magistratuos. senatuos. Wenn auf späten Inschriften do-
muus sich findet, so drückt die Gemination nur die Länge
aus. Durch Contract. fructus sumptus. Oder in os wie Kaiser
Augustus domos schrieb. Aus manuos ist auch manuis geworden
senatuis domuis. bis in den Anfang des 8t Jhd. Endlich schlagen
die u-Stämme seit den ältesten Zeiten um in die o-Deklination
sumpti senati.
Bei den a-stämmen darf man das as aber nicht als Contraction
aus ais betrachten: hier ist es ursprünglich CTO(pia<; — fortunas
vias familias. Die sehr alten Adverbien alias alteras.
Seit dem 6 Jhd. neues Bildungsprincip durch -i, a-is dann ai
dann ae. Prosepnais für Proserpinae. ira-i aes aus ais hat sich
auch entwickelt Terentiaes, besonders bei Libertineninschriften,
in plebejischen Kreisen. Das Wiederaufleben dieser Formen ge-
schah unter griechischem Einfluß. Dianes Prisces sind griech.
Genet. | Dagegen Ritsehl über mil. d p. 1 1 5
Ausführlich und lehrreich Gellius 9, 14 über den Genetiv
der e-Stämme. Die älteste Bildung dies nach Analogie der a-
Stämme, bis auf Virgil erhalten (Cicero in der Sestiana § 2.8 illius
dies poenas, pro Roscio § 1 3 1 , pernicies causa, Gellius und
Nonius pernicii, wir nach unsren codd. pernicie.) Diespiter im
Alterthum erklärt als „Vater des Tages" | Daneben eine Form
mit i vermehrt die-i (terrai) Das e, ursprünglich lang, wird vor
i gekürzt fidei plebei gesetzlich, außer w o dem e schon ein i
vorangeht aciei. Durch Contraktion rei spei bei den Comikern.
Die dritte Genetivform auf e wohl bloß aus e-i mit Wegfall des
Vorlesungen über lateinische Grammatik 237

i entstanden, oder auch aus fide-s, wie senatu Gen. aus Senatus.
Endlich die Form auf i, nur die Consequenz von ei. fami plebi
dii.
Unter den Kaisern blieb nur von wenigen dieser nomina ein
5 Genetiv im Gebrauch: Quinctil. i,6 fragt, wie man von progenies
im Singul., von spes im Plural einen Genetiv bilden könne?
Vulgär spenis: hier ist die Vokalische Grundform in eine c o n s o -
n a n t i s c h e umgebildet.
Bei den o-Stämmen ist seit den ältesten Zeiten der auslau-
io tende Vocal mit i verschmolzen populi, umbrisch puples, alte
Form populois (wie Prosepna-is) vorauszusetzen: Schwund des
s, (im Nominativ Plural ebenfalls populi aus populoi) Bei den
Stämmen auf io wird i u. i zu einem i vereinigt: Entdeckung
Bentley's zu Terenz Andria z, 1,2.0, genauer Lachmann zu Lucrez
15 p. 325. flagiti benefici preti, erst von Augustus an Genetive auf
ii |. i überall bei Horaz Manilius Persius, ii zmal bei Properz
öfter bei Ovid. Varro glaubte die Aufschrift Plauti poetae habe
verführt die Stücke eines Plautius dem berühmten Sarsinaten
beizulegen. Formelhafte Wendungen halten sich für alle Zeiten
2.0 res mancipi, compendi face
G e n e t i v d e s P l u r a l i s . Suffix äm, gräkoitalisch öm (griech.
cov) italisch um, om hielt sich nach u (bovom bei Virg.). Der
Vocal vor m lang. Das Schwanken von um u. ium dh. vokalischer
u. consonantischer Stämme hat die ganze Latinität überdauert.
2.5 Die Grammatiker widersprachen sich vielfach. Cäsar will pa-
nium Verrius will panum, Cäsar will partum, Plinius partium.
Bei den nomina, der<en> Sing. Nomin. das i zeigt, ist Tum das
gewöhnliche, ausgenommen canum u. juvenum. apum neben
apium, | sedum caedum vatum bei Cicero | caelestum agrestum
30 bei Virgil. | i u m n i e bei n — r — s Stämmen, ordinum morum,
aber doch virium u. complurium.
Die Stämme auf nt, die Particip. haben von Alters her neben
ferentum (cpepövxcov) ferentium. Die Lehre, um trete für ium
238 Vorlesungsaufzeichnungen

ein, wenn ein Partie, substantivisch gebraucht wurde, ist ohne


allen Halt.
Bei den u-Stämmen hat sich om länger gehalten magistra-
tuom. Später durch Contraktion currüm bei Virgil, trium exerci-
5 tum.
Das o der o-Stämme fließt mit dem des Casussuffix zusammen
deom (öecöv) Romanom sehr alt. duomvir ein Nomen aus dem
Genetiv entstanden duomvirum. Dafür später um, bei Plautus
zB. nostrum socium. deum fidem. nummüm, bei Terenz amieüm.
10 Virgil omnigenumque deum.
Von den a-Stämmen haben nur m ä n n l i c h e das um angenom-
men agricolum terrigenum.
Bei den weiblichen a- u. den e-Stämmen, dann zumeist bei den
o Stämmen ist das Suffix -rum, vor dem der Vokal gedehnt
15 wird. Gedfflv italisch deasom. Von e-Stämmen war nur rerum u.
dierum im Gebrauch.
A b l a t i v d e s S i n g u l a r . Das Charakteristikum ist t, bei den
Italikern zu d erweicht, im Oskischen erhalten, im Umbrischen
verloren. Für das latein. epochemachend Ritsehl „über auslau-
20 tendes D im alten Latein": er zeigt daß Hunderte von plautin.
Stellen durch den Abfall des auslautenden d ihre ursprüngl.
Gestalt verloren haben. Die Abschleifungen sind schon zu Cice-
ro's Zeit vorhanden.
Die vokal. Stämme hängen d einfach an. sententiad praedad
2.5 Der Verfasser der Duellius-Inschrift marid: Quinktilian las auf
der columna rostrata solche Formen, sie hat sich defekt bis
heute erhalten, durchaus nicht das am Ende des 5t Jhd. verfaßte
Original, auch nicht eine Erneuerung derselben, sondern eine
nach Untergang des Original gemachte Neuschöpfung, ein hal-
30 bes Jahrh. vor Quintil. Die Substant. welche im N o m . Sing,
consonant. Stamm zeigen, regelmäßig auf kurzes e lege urbe
monte, die meisten Nomina der i-Deklin. ebenfalls orbe mense
colle, allein i vi siti tussi, meist igni
Vorlesungen über lateinische Grammatik 239

D a t i v Sing. Suffix -i dessen Länge durch Schreibung ei senatuei


erwiesen ist. Bei den a-Stämmen ursprünglich also IT: dies dann
diphthongisch (Menervai) u. später zu ae. Auch tönte in der
Vulgärsprache das a so vor, daß i in der Schrift häufig weggelas-
5 sen wurde Matuta Feronia In der Vulgärsprache ist sehr häufig
e gesprochen worden für ae, daher neben einander filiae dulcis-
sime, bonae femine. ai wird vom 7t Jhd an im Dativ nicht mehr
geschrieben noch gesprochen: Nigidius befahl huius terrai aber
huic terrae graphisch zu scheiden.
10 Bei den e-Stämmen faciei, aber fidei: das I wird häufig als Länge
bezeichnet. Aber im alten fidei verklingt das i wie in (puyrji,
daher findet sich auch fide. Durch Contraction entstand fidei
rei bei poet. scen. Daher später reines i: facii lasen einige nach
Gellius für facie bei Lucilius.
15 Bei den o-Stämmen einst agroi, was Marius Victorinus noch ex
libris antiquis foederum et legum kennt. Dies i schwindet wie in
äypcoi. | Consonant. u. i-Stämme bilden den Dativ im Italischen
gleich. Noch nicht entschieden ist wie der Dativ e zu erklären
ist Junone matre. Quinctilian bezeugt auf alten Tempelinschrif-
zo ten Jove Victore gelesen zu haben. Im alten Curialstil erhält
sich's lang. Keinesfalls ist e das jüngere, i das ältere. Die Formen
patre Abi. u. patre Dativ.
Die u-Stämme senatuei senatui. Daneben noch üblicher in der
klass. Zeit senatu (wie Matuta Fide zu erklären)
25 L o c a t i v s i n g , bezeichnet das „Wo": er ward früh unkenntlich
Sanscrit hat i für den Locativ. Griech. scheidet OI'KOI von OI'KÖ),
Xa^cri u. T i j j . f j i . Lat. humoi zweisilbig, unterschieden vom Dativ
humöl, sinkt zu hume (wie ploirumoi zu ploirume) u. dann zu
humi Bis in die klass. Zeit sagte man die quinte u. die quinti,
30 ja Augustus sagt noch die septimi (postridie gehört hierher) Bei
Terenz Brundisii Sunii, zum Unterschied von den Genetiven. |
domi humi stets gebräuchlich belli domique domi focique. Ta-
renti Cypri. Bei a-Stämmen R o m a i zweisilbig, zum Unterschied
vom Dativ. Bei Sali. Romae Numidiaeque, Graeciae mit
240 Vorlesungsaufzeichnungen

alterthümlicher Färbung Bei Terenz domi militiaeque, ebenso


Cicero.
Die u-Stämme u. e-Stämme haben keinen Lokativ. Die conso-
nant. u. i-Stämme haben e u. I Carthagini Acherunti bei Plau-
5 tus, mani vesperi ruri temperi heri Daß dies alles keine Ablativ-
formen sind, das erhellt daraus, daß die Ortsnamen die den
Ablat. auf e bilden, bei lokativer Bezeichnung i haben, rure
ist also Lokativ, ursprünglich rure-i, daraus rure u. ruri: die
consonantische Grundform ist in die i Deklination übertragen.
10 D a t i v A b l a t . L o c a t . im P l u r a l : im Altindischen für Dat.
u. Abi. bhjas, im Latein bus, nave-bus tempestate-bus: das Suffix
tritt bei den i-Stämmen einfach an civi-bus: so hätte auch bei
den conson. Stämmen vocbus ductorbus hominbus gebildet
werden sollen. Es findet sich wirklich senatorbus. Gewöhnlich
15 Übergang in die i-Deklination hominibus. Das s der Endung
schwindet vor Consonanten ex omnibu rebus bei Lucrez.
Die u-Stämme setzen us an acubus, meist mit in i geschwächtem
Vocal, manibus. Ausschließlich fluctibus fructibus questibus,
vorwiegend in lacibus genibus quinquatribus, allein tribubus
20 u. arcubus. Die Unterscheidung artibus u. artubus betraf die
Schreibung, nicht die Sprache. Die a-Stämme dehnen den Vokal
vor dem Suffix ambabus. duabus. Diese Bildung erhält sich
nur zur Unterscheidung der Geschlechter dis deabusque, filiis
filiäbusque libertis et libertabus. Früher viel größerer Umfang
25 manibus dextrabus bei Livius.
Von e-Stämmen diebus rebus allein, für speciebus sagt Cicero
formis, spebus bei Kirchenschrift., speribus hat Varro. Von o-
Stämmen duobus ambobus | Die gewöhnliche Endung der a- u.
o-Stämme ist Ts, aus ais und ois, silvais agrois, zu erklären wie
30 uXaic, dypoi«;, verkürzt aus ö^aicn u. aypoim, darin steckt das
plurale Locativ-suffix -su. foris vor der Thür ist ein solcher
Locativ. i fiel ab wie in est eati. Die älteste Form, einfache
Anfügung von s an den Stamm einmal erhalten devas Corniscas
Vorlesungen über lateinische Grammatik 241

sacrum 'OÀi)(iJiiaai altattische Dative. Vermehrung des Stamms


durch i, devai-s, daraus deves u. devis. Ebenso ois es is.
Beide Suffixe haben auch lokativen Werth Sardibus Athenis.

Cap. 13. Adjective.

5 3 Klassen der o- i- und Consonantstämme. Die o-Stämme


haben sämmtlich ein femin. auf a, bei den Griechen war eine
alte geschlechtige u. ungeschlechtige Formation vielfach noch
erhalten 05 — ov: bei unmittelbarer Übertragung griech. Adjekt.
ins Lateinische turrim octogonon drang sie auch ins Latein. —
10 Häufig haben Adject. auf us ius Nebenformen auf is: i u s auxilia-
ris articularis singularis. us sublimis inermis exanimis hilaris
celeris infamis: selten is bei imbecillus pronus concinnus.
Die i-Stämme meist zweier Endung<en>, in Analogie mit dem
substantivischen is. N u r bei -ris ist eine Scheidung des Masc. u.
15 femin. vorgegangen u. zwar fem. das ältere celeris, masc. die
abgestumpfte Form. | Die Superlat. auf limus lassen vermuthen,
daß auch bei den Adjekt. auf Ii eine Apocope der Endung
is erfolgt sei: einst ist diese Nebenform zur Scheidung der
Geschlechter benutzt worden.
2.0 Die Konsonantstämme haben nur eine Form für alle drei Ge-
schlechter. Es ist nicht eine Geschlechtslose Formation, sondern
sie nehmen das geschlechtliche -s an audac-s clement-s. Auffällig
daß die S Form auch als Neutrum dient.
Der C o m p a r a t i v ios-ius, aus jans entstanden: die zweige-
15 schlechtl. Bildung nicht ursprünglich. Griech. uöv, lat. iös mit
Ersatzdehnung, majosibus meliosibus. Umlaut in r für den No-
minativ benutzt: für alle Genera: bellum Punicum posterior
senatusconsultum prior: die ältere Nebenform auf os wird später
für das Neutrum secernirt. Allmählich tritt in beiden Formen
30 Verkürzung ein, bei Plautus noch stultiör longiör. In der Volks-
242 Vorlesungsaufzeichnungen

spräche fallen die r u. s am Schluß häufig ab maio mino. Einige


Comparative haben Besonderheiten Plus: alt plous pleores plou-
sima plisima ploirume plurimus. Corssen leitet es von plo ab |
auch in ple umgelautet = plus aus plo-us aus ploios, pleores
(aus plejores) aus ple mit Unterdrückung des i, plo-is-ume | dies
is aus ios, aus pleis plls-ume.
mäior aus magior, magis ist magius (wie Clodius Clodis Lucis):
peior scheint aus pessior entstanden dh. pesior (pessumdo pessi-
mus) minor steht für minjor (grdf. manjans)
doctior von docto: der auslautende Vokal ist verloren: ebenso
facilior aus facili-ior, wie alle Adjekt. mit Vokalstämmen.
Das andre Comparativsuffix tara (cnxpdö-TEpo) erscheint nur
ausnahmsweise zB. in utero eigentl. cutero später uter welcher
von beiden: dex-ter „recht" in-ter. In min-is-tero u. mag-is-tero
ist wie in XaA,-iCT-tepo an das Comparativsuffix is (aus -jans)
noch tara getreten.
S u p e r l a t i v mit tama, latein. timo gebildet, timo unverän-
dert in wenigen Fällen op-timus in-timus. Z u simo umgelautet
in mag-simus. Durch Assimilation zu limo u. rimo facillimus
pulcherrimus. Endlich habe es sich mit is verbunden zu istimo,
daraus issimo. Jenes tama besteht aus z Superlativsuffix^en),
die auch einzeln vorkommen, ta in quo-tus, quar-tus, ma in
summo supmo, infimo, mini-mo, pri-mo septimo decimo.
plurimo plusimo aus plo-is-umo, eigentl. ploismo mit einem
Bindevokal u: aus ploisimo wird plisimo (wie aus agrois agris):
plousimo, hier ist j ausgefallen plojus-umo (wie minus aus
minjus.)

C a p . 14. Zahlwörter.

u n u s oinos oenus (wie murus aus moirus) Grundform aina, ein


Stamm auf na von der demonstrat. Pronominalwurzel I, also
„der da"
Vorlesungen über lateinische Grammatik 243

d u o u. ambo haben eine duale Form bewahrt. Daher rührt auch


der alte Accusativ auf o, illos duo
tres tria wird als i-Stamm flektirt, daher erklärt sich die Accusa-
tivform tris — Die übrigen E i n e r sind indeklinabel, q u a t u o r
setzt aber (nach x e a a a p e q ) ein quattuores voraus: geschrieben
wird es zumeist gegen die Etymologie mit tt: katväras xsx/^ape«;
xexxapeg xeaaapet;.
q u i n q u e (kankan K£(j.K8 ne\ine (aeol.) Jtevxe
s e x e^, fe£, dorisch für sveks, alt ksvaks.
septem wie novem decem saptan navan dasan: aber ein Über-
gang von n in m ist nicht zu erweisen: wahrscheinlich ist also
n im Sanscrit aus m im indogerm. entstanden: hier hätte das
italische die ältere Form erhalten. Bopp leitet das m aus den
Ordinalzahlen her.
octo ursprüngl. octau (wie in octavus) urspr. ashtäu. Für 20 — 90
ginti (bei 2.0) u. ginta f ü r deginti decemti dakanti: c ist hier g
geworden vicesimus u. viginti. viginti = dvidecinti, tria decinta,
quatuora decinti quinquaginta sexaginta septuaginta (Stamm
septuo aus septumo?) nonaginta (von der Ordinalzahl wie im
Griechischen. Die Endung ä ist ein Neutr. Plural, ebenfalls i
viginti, das sich nur im Sanscrit findet: dvi, vi von dva ebenfalls
diese Neutralform.
centum ist das Neutrum u. indeklinabel zu den deklinablen
-centi -genti. Kanta ist wohl eine Verkürzung von dakan- da-
kanta. 1 0 x 10. quingenti aus quinc-centi, c zu g erweicht, wie
auch in 400 700 800 900. In quadrin- septin octin vermuthet
Pott Distributivform, quaterni quadrini usw. octoni.
Das gento cento ist zur Bezeichnung der Zehner und der Hun-
derte verwendet worden: später schied man die jüngere F o r m
ginta aus f ü r die Zehner, genti für die Hunderte.
Die Ordinalzahlen haben Superlativformen,
primus ist von pri gebildet, der älteren überlieferten Nebenform
von prae: davon pridie privus usw. Dies pri ist eine L o k a t i v f o r m
244 Vorlesungsaufzeichnungen

(pri die wie die quinti), ebenso bei extre-mus supre-mus aixepcx;
a i i a t o q unmittelbare Superlativbildungen von Locativen.
secundus ist der „folgende", quartus quintus sextus mit dem
Suffix -to, während pri-mus mit -mo gebildet ist. tertius setzt
5 ein tertus voraus, dies ein tritus, wie trini u. terni neben einander
stehen tritus xpitog. Von tertus ist tertius gebildet wie Septimius
Sextius usw. Bei septimus octavus nonus decimus ist nicht zu
sagen mit welchem Suffix sie gebildet sind.
Bei den Zehnern entspricht dem ginto gesimus cesimus, ur-
10 sprünglich censimus: vicensumam noch erhalten. Dies sind
Superlativbildungen mit timus also vigenti-timus vigenttimus
vigentimus vigensimus. vigesimus.
Bei den H u n d e r t e n (centesimus) und bei millesimus ist man
sehr äußerlich verfahren, diese Zahlen sind sehr spät entstanden.
15 esimo ist angehängt: es war ganz vergessen, woher dies stamme,
wie ein adjektivisches Suffix (während cen, ce, gen -ge der Rest
von decem ist)
Einzelnes. Für das Cardinalwort wird nicht selten das Distri-
butiv gesetzt bini für duo: bini heißt nicht „je zwei" sondern
2.0 „zwei auf ein M a l " . Nothwendig ist der Gebrauch, wenn Gegen-
stände in der Cardinalzahl bezeichnet werden sollen, die im
Latein, erst durch den Plural als einzeln bezeichnet werden
litterae Brief, binae litterae, bina castra: aber duae litterae zwei
Buchstaben.
Z5 Die Adjekt. auf anus bezeichnen einen zu einer Abtheilung
gehörigen, die auf arius einen der eine bestimmte Zeit hat.
secundanus von der zweiten Legion, sexagenarius einer der
innerhalb der sechziger Jahre ist. dies vicenarii die Tage vom 20t
bis 2.<?ten. Der Gebrauch des et in zusammengesetzten Zahlen:
30 Innerhalb 1 0 bis 20 steht die geringere Zahl mit et nach decimus
et tertius. Durchaus nicht tertius et decimus, sondern tertius
decimus. Umgekehrt bei zo —100: steht et, so steht die geringere
Zahl vor duo et viginti, aber wohl viginti duo. Von 100 an steht
die geringere Zahl gewöhnlich nach, mit oder ohne et, centum
35 et duo, centum duo.
Vorlesungen über lateinische Grammatik 245

Bei den Numeraladverbiis auf o u. um herrscht Verschieden-


heit des Sinnes, primum das erste M a l , primum consul (nicht
secundum, sondern iterum). Daraus primum bei Aufzählungen
„erstlich" (tum deinde denique oder postremo) | P r i m o dagegen
soviel als principio vom Anfange oder anfangs, tertio praetor
zudritt trifft ihn die Wahl, an dritter Stelle.

Cap. 15. Die Pronomina.

Ohne Genusunterscheidung sind die persönlichen Pronomina


gebildet ego tu sui sibi se. ego sy© sycov (eycovr) xüvr|) aham
mit kurzem a. Pott erklärt es als ak sagen und am „ich", tu aus
tva älter noch tuam (in TÜvr|) Die Länge durch Contraction zu
erklären. Die dritte Person würde einen Nomin. auf su haben
(aus suus zu erkennen). Die übrigen Pronomina schließen sich
an die Nominalstämme an. quis Interrog., auch weiblich bei
Plautus quis mulier est (griech. tiq) 7tevTe quinque). Das als
Relativum festgesetzte qui gilt als a d j e k t i v . Interrogativum,
quis als substantivisches: dagegen aliquis substantivisch und
adjektivisch, qui lautet v o r Caesar quei (einmal que). is, vorher
eis geschrieben, ebenso nicht selten eisdem. Auf der alten Sci-
piongrabschr. hec und hic, dies setzt heic voraus, also he u. hi
mit ce wie que u. qui. — ollus leto datus est rief der Leichenbit-
ter. ipsus vor ipse istus, aus iste ille mit ce illic istic. alis u. alius:
alter uter nullus. sovos u. suus. — Das Femininum folgt den a-
Stämmen illa ista ipsa, bei Pacuvius sapsa, (f) auxf|), ea von der
Wurzel i, also ia mit Assimilation (wie filea neben filia, wie
eamus für iamus) | is ea wie alis alia. Ausnahme machen quae
u. hae-c (und die hienach geformten illaec u. istaec), vorher
quai u. hai-c. Das A f f i x i ist lokativisch. Es fehlt in aliqua
numqua siqua. Es dient das i zur Unterscheidung gleicher For-
men: ähnlich ist es wenn nach später Theorie ha castra u. hae
246 Vorlesungsaufzeichnungen

mulieres gesagt wird, mit Weglassung des c. — Beim N e u t r u m


wird d angehängt, id quid quod aliud aus aliod, bei Catull noch
alid | illud istud. hoc oder hoce entstand aus hodce (wie ac aus
atque) Für ipse findet sich nur ipsum, also die Neutralbildung
5 der o-Stämme. Plebejisch ist alium nomen: im griech. toctoCtov
neben ToaoCxo (eigentl. toctoOtot äXXor)
Im P l u r a l nös, vös im carmen Arvale enos wie |ie, ¿ne eeis ieis
eis iei ei ii i. Ebenso bis auf Cäsar eisdem isdem eidem. heis hei
heisce hisce. Incorrekt in der Kaiserzeit hii. Im Senatuscons. de
10 bacchan. wird ques das Indefinitum (sing, quis) u. das Relativum
quei (Singul. quei ebenfalls) gesondert, nescio ques, quescum-
que — Femin. eae aus eai quae hae istae, haec nuptiae — Neutr.
ea illa ipsa; im Senatuscons. haice, haec, also ha-i-ce, quae qua-
i, aber ohne i im Senatuscons. si qua, aliqua
15 A c c u s S i n g , me te se lang, med ted, auch sed, hier findet
eine Übertragung aus den Ablativformen statt me-d usw. (wie
die Berliner „mir" und mich" verwechseln). | eum eam alt em
u. im nach der i Deklination. Bei Ennius sum und sam w o das
Neutrum eum eam nicht vertrug, quem von quis dient zugleich
20 als Relativum: quum ist für die Conjunktion fixirt: älter quom,
später für Conjunktion u. Präposi<ti)on cum (auch die Praepos.
hieß früher quom.)
Im Accus. Plur. richten sich die Pronom. nach den o- u. a-
Stämmen. hos has quos eos ollos: bei Ennius kommt für eas sas
25 vor, sos für eos. Damit hat nichts die öftere plebejische Schreib-
art sa für sua zu thun sa pecunia.
Im Genet. Sing, gehen zu Plautus Zeit die echten Genet. mls
tTs verloren: sTs ist nicht nachweisbar. Gebraucht sind dafür
die Genetive des Pronomi<n)al a d jektiv sui mei tui. Eigen-
30 thümlich die Genetivbildung bei den geschlechtlichen Pronom.
Der Stamm mit i erweitert, Suffix us daran, quo-i-us in der
ganzen republ. Zeit, später cuius: die Endung wird häufig
zerstört quoimodi, bei Plautus quoi fides für cuius fides. |
hoius hoius-ce. eius ist auch einsilbig bei Cicero atque e i u s
Vorlesungen über lateinische Grammatik 247

ipse manet religatus corpore toto (so bei Lucrez principium


c u i u s hinc.) Die Genetive illius istius usw. werden aus
illoius entstanden sein Der Genet. Plur. wird beim persönl.
Pronomen vom Possessiven (wie im Singul.) entlehnt, nostri
5 vostri sui „des unsrigen: also Singular, w o der Pluralsbegriff
eintreten soll, wird der Plural angewandt nostrum vestrum
(wie deum) In der vor-klass. Periode werden auch die längeren
Genet, orum - arum gebraucht. — Neben eorum steht eine
ältere Form eum. Charisius giebt auch cuium quoium an als
io Genet, für quis (quorum)
A b l a t i v S i n g , med ted sed, sed ist zugleich Präposition
(sed-itio sevoco seorsum) u. Partikel sed. (die Adverbien sind
ursprünglich Adjektive difficillumed). se als Präposition = se
malo später mit Anhängung von se-ne, sine. | Bei den
15 geschlechtigen Pronomina quo qua hoc hace hodie ist hod
died, daher bei Plautus hödie. Das Adverbium hoc „hieher"
wurde unter den Kaisern zur Unterscheidung in hue umgelau-
tet. illuc istuc.
D a t i v S i n g , mihe auch mihei geschrieben. In der daktyl. Poesie
20 blieb mihi tibi sibi mittelzeitig. Kürzere Form mi mei. Nigidius
trennte graphisch mi Genet, mei Dativ. Grundformen mi ti si,
suffix be alt bhe (in übe ubi utrobique aliubi lokativisch) h in
der ersten Person der Überrest von bh (wie in herba (popßf|) |
illi isti ipsi alteri neutri uni toti aus illoi, sind Lokative wie
25 humi. illi u. isti häufig durch illic istic vertreten. Die echte
Dativbildung ilio isto ipso findet sich erst von Appulejus an,
aber nullo usui bei Cäsar, toto orbi bei Properz. Kein Femin.
illae istae bei Plautus. cui, älteste Form quoiei: cui, schon bei
den Scenikern einsilbig, scheint eine lokativische Form zu sein
30 quoi wie hoi. Ebenso neben einander eiei u. ei, der Stamm durch
i vermehrt.
L o c a t i v e hie hi (wie ruri), qui (qui fit) atqui quicum
D a t i v A b i . V o c a t . im Plural beim persönl. Pronomen wird
die Endung des Singulars bi um s vermehrt vobis nobis mit
248 Vorlesungsaufzeichnungen

langem i. Von is stammt ibus Plaut, u. Lucrez mit langem, dann


mit kurzem i: gewöhnlich nach den o-Stämmen e-is eieis, erst
von August, an iis, eis einsilbig bei den Scenikern. | Vom Prono-
men sa kommt sis vor. von hi hlbus, gewöhnlich his quibus u.
5 quis neben einander.
An die Personalpronomina sind noch e n k l i t i s c h e Silben ange-
hängt worden i) met memet temet tibimet, nach Bopp der
erstarrte Ablativ Singul. von sma (anfäng. pronomen) (das zB.
in a\m&q (3JJ.JJ.£<^ steckt) 2 ) te an tute. 3 ) -pte mepte mihipte
10 vopte, wohl eine Abkürzung von pote, das in i-pse zu pse
umgelautet ist, ebenso in sepse.

Cap. 1 6 . Die P e r s o n a l e n d u n g e n
des V e r b u m .

Die Personalendungen haben eine gewisse Ähnlichkeit mit


15 dem Personalpronomen, noch mehr eine wesentliche Differenz.
In den verwandten Sprachen haben sie eine vollere u. eine
schwächere Form zB. 1. Sing, mi u. m (gr. v) 2.. -s<i) u. s 3 ti
u. t. deren erstere bei den Haupttemporibus u. dem Konjunktiv,
die letztere bei dem augmentirten Praeteritum u. den anderen
zo Modis (außer Konjunktiv) Schon im Griech. hat eine Verwechs-
lung stattgefunden zB. in dem Optativ nur zuweilen v die
schwächere Form 5i8oir|v, meist aber |ii Xuoijn Xüaaifii (doch
auch noch die ältere Form xpe(poiv Xdßoiv) Dann ist das zu
erwartende v im ersten Aorist abgefallen £Ä,ucra In der ersten
25 Plural sind die ursprüngl. (xeq u. |ie vereinigt in einer einzigen
Form |iev. Im L a t e i n , sind nur noch wenig Reste dieser Unter-
scheidung: im Ganzen sind die Personalendungen einheitlich u.
zwar ist im Singul. überall die stumpfe Form, im Plural die volle
Form angewendet. Auch die erste Person, die zumeist keine
30 Personalendung hat, stimmt in den Fällen, wo sie erhalten ist
Vorlesungen über lateinische Grammatik 249

damit überein sum (asmi) inquam (die stumpfen Formen. Die


i t e P e r s o n hat nämlich m im Imperf. Plusquampf. u. allen
Konjunctiven: dies m ist mitunter abgefallen recipie dice für
dicam. Dagegen entbehrt das Präsens das Futur, u. der Indicativ
5 des Perfect der Personalendung (Ausnahme sum inquam) (wie
die griech. Formen auf Q) u. a ) , emi emi-t emi-mus do u. 818(0-
(pepro fero bharämi. Im Griech. findet sich die volle Endung
auch noch bei homerischen Conjunktiven eöetaoni TÖXG)|ii. Die
abgeleiteten Verba, deren Stamm auf a auslautet, verschmelzen
ro dies a mit der Endung o vocao aus vocajo vacajami.
Die 2 te Person des Singul. wird mit der stumpfen Endung s
gebildet, si im Griech. nur im epischen dorischen eacri erhalten,
das auslautende i hat aber ein i vor dem s entstehen lassen in
bestimmten Formen zB. in A-ue-iq ^«ae-iq. Ganz abweichend ist
15 sti der z Pers. Perf. es enthält s u. ti, griech. Formen otaOa
8<pt|cy0a e08^T)(j0a, in f j a ö a u. o l c 9 a gehört das s zum Stamm,
in den andren Formen ist es nach Bopp die gewöhnl. Endung
der zweiten Person. Daran tritt tha wie im Sanscr. Perf. dadä-
tha: das i stammt nach Corssen von der Analogie der ersten im
20 Perf.
Die d r i t t e Person durchweg das stumpfe -t. Auch das Griech.
hat das ti nur noch vereinzelt, am häufigsten in m umgelautet
erhalten, ea-xi 8i8co-ai (pr|-ai. sonst aber ganz abgeworfen,
nur daß in einigen Formationen ein i zurückbleibt A.üe-1. Im
25 Vulgärlatein wird t häufig zu d erweicht fecid vixid, oft auch
ganz weggelassen dede dixe: oder auch das i schwand vixt fact.
Das to des Imperativ steht für tod, vehito (vahatät) gr. (pepsTa>(i;)
1 P l u r a l . Durchweg die volle Endung mus, im Sanscr. mäs,
im Dorischen fieq (epiaSouec; GCTjie«;) Die stumpfe Endung [ia
30 ganz im Latein verloren, im Griech. wohl in |j.ev erhalten (|0.8
mit einem festgewordenen v £(p£Ä.KUcmKÖv wie im Imper.
(pepövTCOv).
2 P l u r a l . Durchweg die volle Endung tis (mit Ausnahme
des Imperativ auf te: in der Vulgärspr. e-Formen dicites, dies
250 Vorlesungsaufzeichnungen

sind die älteren, deren e noch im Imperativ sich erhalten hat,


analog potis pote. Das es ist ins Romanische noch eingedrungen
parlâtes. Die indogerm. Form ist wohl tasa dh. die Pronominal-
wurzel der 2t. P. zmal gesetzt „du und du" = ihr. In der latein.
5 Imperativform auf tote ist es am deutlichsten.
3 P l u r a l ursprünglich im Altlatein nti, wie im Dorischen xü-
7TTOVTI X£Tücpa-VTi: im carm. Saliari tremonti. Im Vulgären
Abwerfungen dedrot aus dederont, veniun haben. Die Perfecten-
dung ist ront, für s-onti, dafür re mit Abwerfung von n u. t.
io dedes-onti dedër-ont dedëro dedëre, dedêrunt. Anomal ist die
Verlängerung dedêrunt, bei Dichtern verkürzt stetërunt Virgil,
in der Volksspr. ganz ausgefallen fecrunt. | Im Imperativ -nto
zB. vehunto dorisch (pepôvxco, ein t ist weggefallen.
Das P a s s i v u m : für dies ist charakteristisch (außer Um-
15 Schreibungen) ein r mit oder ohne vorhergehenden Vokal, das
an die Aktivform tritt, die mitunter dabei verkürzt wird, -or
später ur tritt an die 3 Sing u. Plur. amatur amantur.
or -er an den Infinitiv amare-or amarior amarier. Die übrigen
Formen haben nur -r. amo-r | amanto-r | amato-r | Die erste
zo Person Sing u. Plural, die auf m u. mus endigt, verliert im
Passivum ihren Endconsonanten amem aber amer, amabam
amabar | amamus amamur |.
Die 2te Plur. auf mini erklärt Bopp als den Nominat. Plur.
eines passiv. Particip (wie -(xevoi im griech.) das zuerst zur
25 Umschreibung mit dem Hilfszeitwort gedient. Ganz falsch ist
es von einer vermeintl. Imperativform legiminor (für legiminos)
auszugehen: denn eine solche 2 Pers. Plur. Imp. Pass. wie sie
die latein. Grammatiken angeben, existirt gar nicht. Wichtig
dagegen sind alte 2 u. 3 Pers. des Imperativs im S i n g u l . antesta-
30 mino arbitramino profitemino progredimino. mino u. mini sind
Participialformen (ter-minus ge-minus alumnus vertumnus), im
Singular ist also esto, im Plural estote zu ergänzen. Das Bewußt-
sein von der participialen Natur verlor sich: mini wurde als
regelrechtes Suffix der 2ten Plur. angewendet. Ganz fälschlich
Vorlesungen über lateinische Grammatik 251

ist es anzunehmen es habe Participialformen gegeben wie legeba-


mini legeremini legemini: vielmehr ist mini vom Partie. Präs.
übertragen worden. Also ähnlich wie esimus ensimus für die
Hunderte der Ordinalzahlen verwendet wurde, urspr. aber nur
5 zu centum gehört.
Die 2te Person Sing, auf ris (die des Imperativ, auf re)
ursprünglich us: utarus spatiarus überliefert: re in amabare ist
natürlich nur eine Abkürzung. Was dies alte rus ist, ist nicht
ausgemacht: vielleicht (nach Bopp) gehört es zu den Bildungen
10 ur und lautete ursprünglich sus: jenes r des Passivs nämlich
ist eine Abschwächung des Reflexivpronomens se. Also amor
amasus amatus Daß s u. r wechseln ist allbekannt fesiae feriae
honos maior.
Statt der beim Perfect angewandten Umschreibung gab es auch
15 ursprünglich Passivformen zB. jussitur faxitur turbassitur.

Cap. 1 7 . Die [Reduplication] Verbalstämme.

Am Anfange des Stammes findet eine Erweiterung statt


durch Reduplikation in gigno, Stamm gen in genui, also gigeno.
sisto aus stasto stisto. Bei bibo ist die Redupi. vollständig
20 vergessen, bib als einfacher Stamm in allen Verbalformen aufge-
nommen. sero urspr. seso hat in satum u. sevi den reinen
Stamm erhalten. | Diese präsent. Redupi. ist von der des Perfect
verschieden: in letzterer tritt der S t a m m v o k a l hervor momordi:
in der ersten e u. i. in sisto stiti sind beide Reduplik. (si)sto
2.5 (sti)ti, das erste M a l die erste das andre M a l die Stammsilbe
verkümmert. — Welchen Sinn hat die Reduplikation im Präsens?
Auf der ältesten Morphologischen Stufe hat die Sprache kein
Mittel zur Steigerung als Wurzelwiederholung. Neben einem vid
existiert ein vidvid. Verschiedne Arten der Steigerung, Intensiva
30 Iterativa. In dem Präsensstamm ist es die „Dauer", im Perfectum
die der „vollendeten Handlung". Also ältestes Perf. vid vid ma
252 Vorlesungsaufzeichnungen

vidvidma. Erhalten in vivaidma. Der Stammauslaut der ersten


Silbe meist verloren: die Hauptwurzel wurde gesteigert (XsX-
r|0a).
Im latein:
5 E r w e i t e r u n g des S t a m m e s durch Einschub von n hinter dem
Stammvokal. (Xay%äv(0 A,ajißava>) frango fregi fractum | iungo
iugum linquo relictum | tango tetigi | vinco vici victum |
Einige 1-Stämme haben Verdoppelung des 1: pepuli pello tollo
tetuli | Am Ende des Verbalstamm tritt ein einfacher Vokal
io als Erweiterung leg-u-nt leg-e-ns leg-i-mus. conflu-o-nt. In den
Gerundivendungen endus u. undus. (Derselbe Wechsel in iens
euntis
Erweiterung des Stamms durch ursprüngliches na cer-no cre-vi
lino le-vi posno posui. Hiezu vereinzelte alte Formen da-nu-nt
15 redi-nu-nt. | Erweiterung durch sca (SiSdatco) eupiatco)) cre-sco
cretum: hier ist die Inchoativbedeutung ganz verwischt dicsco
didici quiesco quievi. suesco suevi migsceo migscui migsc-tum
(e|iiyr|v) | Erweiterung durch ta wie xoTt-xco litc-tco, pecto neben
7i£K(D plecto neben Tt^BKOO | Erweiterung durch ia (im Griech.
20 Sokeco ya^eco aus 8oKj(ö ya|ijö)) capio neben cepi captum | facio
feci fodio (fodtum) fossum jacio jactum. Nicht alle Formen
halten das i fest capio capiunt capiens., aber capere cape capis
(wie abicio für abiicio, capiis) | Erweiterung durch aja (a^co aro
8ö) oa>) Im Latein sämmtliche Verba der ersten, zweiten u.
25 vierten Conjug. erweitert, aj wurde zu a e i, das zweite a erhielt
sich als o, u, e | vocao voco mon-eo audio audiu|nt audie|ns.
Vielfach laufen sie zu e i n e m Vokal zusammen am-ä-s amamus
monebam audivi. Daraus erklärt sich nun das Schwanken man-
cher Verba zwischen den drei Conjugationen fulgurare fulgurire
30 impetrare impetrire tenere tenivi studere studivi.
Die Ausdehnung der Stammerweiterten Form ist nun sehr ver-
schieden: in der ersten u. 4ten Conj a l l e Formen des Verbums.
In der 2ten ist der aus aja entstandene Zusatz auf die Präsensfor-
men beschränkt, nicht im Perf. mon-ui. Aber auch in der iten
35 crepare crepui cubare cubui domare domui iuvare juvi micare
Vorlesungen über lateinische Grammatik 253

micui necare enecui veto vetui (Nicht her gehört potare u.


potum, letzteres vom reinen Stamm po gebildet, poto ein davon
gebildetes frequentativ. also wie tutus zu tutari gehört) Das
Schwanken der Sprache in einfache u. erweiterte Formen be-
5 weist, daß ein Bedeutungsunterschied nicht mehr bestand. Wie
sca das Inchoativsuffix allmählich bedeutungslos wurde: so darf
man auch annehmen daß ursprünglich mit dem aja ta ja etwas
gesteigert wurde, die Nebenbedeutung erlosch. | In Folge der
Erweiterungen scheidet man 4 Conj. mit den Charakterlauten
10 ä e l u . einem kurzen Vokal. Z u den 3 ersten alle Verba mit aja
u. die einsilbigen Vokalstämme dare fari flare Stare nare fleo
neo pleo cio eo queo. | Der dritten Conj. gehören alle anders
erweiterten Stämme an: das a der Zusätze ist zu o a e i abgelau-
tet. lego legundus legendus legis Unmittelbare Anfügung der
15 Endung an den Consonantstamm haben nur sum edo fero volo |
edo eds edt: es est. volo (vils) vis | esmi essi esti esmus estis
esnt | Nachdem man Konjug. mit a e i Stamm hat, sollte man
auch o- u. u- Stämme erwarten | potum novi notum sind
spärliche Reste. U-Stämme nicht spärlich, haben sich aber der
20 dritten Conj. angeschlossen: der Vokal war nämlich ou, wenn
dies vor Vokal trat, wurde ov daraus conflovont oder u fluvidus.
So wurden es Consonantstämme. solvo volvo.

Cap. 18 B i l d u n g der T e m p o r a .

Dem Präsens schließt sich Imperfect u. 1 Futurum an. Das


2.5 Präsens enthält den Stamm ohne ein Suffix: am u. o hinter
einem Consonanten, bam u. bo hinter einem Vokal. Da nun aber
der Präsensstamm fast aller Verba auf einen Vokal auslautet: so
ist eram ero das einzige Beispiel für angehängtes am u. o (esam
eso ältere Form von esu|mi Was ist nun bam u. bo? Bopp leitet
30 sie vom Stamm fu her: also ein Hülfsverb sei an den Stamm
getreten: fu mit am u. o
254 Vorlesungsaufzeichnungen

Imperi. fuam Endung bam


Fut. fuo bo
Perf. fui ui vi
Impf. eram Plusq. eram
5 essem issem

Spezielle Eigentümlichkeit die Länge des e in der dritten Corssen


nimmt an, daß der Stammauslaut ursprünglich kurz war, nach
Analogie der 2ten sei Dehnung eingetreten (in Folge des Schwan-
kens mancher Verben zwischen z u. 3 fulgere fulgere)
10 Eigenthümlich iebam in der 4t. ältere Form ibam audibam (ibam
quibam später erhalten, iebam ist erst eine neuere Form. Die Verba
der 4ten u. der dritten (auf io) gehen mehrfach in einander über:
fac|iebam das iebam ist herüber genommen mit falscher Analogie.
Das Futurum hatte früher durchweg die Form auf -bo: viele
15 alte Zeugnisse dicebo reddibo aperibo audibo Später erst ist die
Conjunktivform auf am em eingetreten.
Perfecttempora. Folgende Bildungen: Ein Theil der Consonant-
stämme mit i: entweder reduplizirt im Perf. oder wenigstens
Dehnung des Stammvokals momordi cecini cepi fügi. Andere
2.0 Consonantstämme auf -ui. Andre Consonantstämme fügen si
an den Stamm mansi sumpsi Das Perfekt der Vokalstämme
auf vi | amavi audivi sivi von si-no mit verlängertem Vokal.
In der ältern Sprache veraltete zum Perfect gehörige Formen
capsim faxim ausim faxem capso f a x o .
25 feci aus fefici fefci feci. Z w e i verschiedne Stämme auf die
die Formen zurückzuführen sind. Gewöhnliche Annahme:

fefici feficis
S. 1 . feficeim
z. 2. feficis-ti (aus feficis-si)
3° 3. feficeit
fefici-mus
feficis-tis
feficis-onti.
(Jetzt erklärt sich das lange i feci fecTsti).
Vorlesungen über lateinische Grammatik 255

Ich meine, d a ß eine solche D o p p e l h e i t nicht nöthig ist:


die F o r m mit is allein ist v o r h a n d e n feficismi feficisti feficist
feficTsmus feficistis feficonti. Ich vermuthe, d a ß es einfach s u m 1 0
ist wie im Pass. f a c t u s s u m . In der F o r m auf si hat sich ein
5 Aorist, s (eÄAXja) eingedrängt: d a s i a m Schluß erklärt sich eben
wie vorher. | d a s u in ui u. vi a m a v — m o n u — audiv ist
h e r s t a m m e n d v o n der E r w e i t e r u n g aja: die dritte C o n j . hat es
nicht. 1 1
D i e E r k l ä r u n g B o p p s legi sei a u s lelegi leegi (mit A u s f a l l des 1)
io entstanden ist v o n C o r s s e n widerlegt: e b e n s o die a n d r e d a ß cepi
a u s cecipi cecpi herrühre. A l s o n i m m t er mit R e c h t A b f a l l der
R e d u p l i k a t i o n an: die L ä n g e tutüdi bezeugt Priscian als alt.
A.eA.r|0a Ö5ö)8a A.£A,outa. Dies erklärt die L ä n g e .

10 esmi in emi wie Camena Casmena triresmos triremos.


daraus em (wie in sum)
daraus e.iwie aus dicam dice geworden, aus amom amo
ei
daraus T
essi
esti
esmus (nie hat die Sprache sm ertragen)
estis
esonti
das überall, bei den erweiterten aja Stämmen av-i iv-i u-i (das ganze aja in u
zB. vetui)
bei den einfachen Stämmen entweder der Stamm reduplizirt im
Perf., und esmi peperci
oder das Hülfszeitwort reduplizirt,
aber einfacher Stamm, parsi
Mit einfachem Stamm
Perf. entweder Stammerweiterung
oder Reduplikation des Stamms
oder Reduplikation des Hülfszeitwortes
11 Also das Präsens bloß mit Personalendungen, das Perf. mit esmi

Alle Perfecta von aja mit vi oder ui


amav = amau = am-aja-esmi
moneu = monau = mon-aja-esmi
audiv = audiu = aud-aja-esmi
die der dritt. Conj. an den reinen Stamm leg-esmi legim legi
256 Vorlesungsaufzeichnungen

Wie erklären sich Formen wie sl-vi von si, elvi von ci levi von
Ii? Sie sind gebildet von Formen wie sieo, cieo lieo | siui usw.
si ist verlängert wie fec-i leg-i: etwas anomal. | Wichtig ist daß
ältere Nebenformen existiren tetini neben tenui, cecini canui
5 monui u. moni peperci u. parcui Die ersten Bildungen von
den reinen Stämmen: die zweiten von den mit aja erweiterten
Stämmen, (fervi u. ferbui)
[? Die Perfekte mit si scheinen mir nicht vom reinen Stamm,
sondern vom Erweiterten, messi metis-i pecis-i pexi necis-i nexi.
10 Daher nun auch Nebenformen messui pexui als ob es ein metisco
pecisco necisco gäbe. Viell. ist -urio -usio u. dies -is verwandt?
Oder ist das eine Participialform]
Das si ist wohl als eine Reduplikation des esmi aufzufassen.
Also sum — es — esmi. Das Perf. von sum war esesum. wie
15 vidvidma Unerhört ist die Ableitung vom Aorist wegen des i,
das ein Aorist nicht brauchen könnte. Daher also der Wechsel
von parsi u. peperci panxi u. pepigi punxi u. pupugi tunsi u.
tutudi. Entweder hat sich im Hauptstamm oder im Hülfszeit-
wort die Reduplikation eingestellt.
20 Also legi aus lelegi, aber neglexi aus lexi.
[empsit ist = em-esit dixim = dic-esim. rapsit noxit = rap-
esit noc-esit. fac-esit Bei allen Bildungen mit si bleibt der Vokal
des Stamms kurz. Bei dem angehängten i wird er verlängert]
Daß ich nun ein hab-eu-i u. sum als Hülfszeitwort angenommen
25 habe u. mit Recht, beweist eine Reihe von alterthümlichen
Formen sim sem so se faxim faxem f a x o consumpse: sim essem
eso (ero) esse. Solche Formen aber wie amassim sind aus ama-
vissim: also muß ein habessit zurückgehen auf ein habevissit,
licessit auf licevisit.
30 Andre alte Formen zeigen eine Doppelbildung des Perf. sponsi
u. spopondi. rapsi u. rapui. Der Ausfall eines e in esi ist verbürgt
durch die 2ten Futur.formen faeso capso aus fac-eso cap-eso.
Die andern zum Perfekt gehörigen Formen auf erim eram issem
ero issem ero isse sind Zusammensetzungen mit esim eram
Vorlesungen über lateinische Grammatik 257

essem ero esse. Was den Conjunktiv auf sim betrifft faxim usw.,
so hat er nicht die Bedeutung der Vergangenheit, sondern die
eines Conj. Aoristi: für die Vergangh. ist der Conj. mit rim bei
Plautus herrschend. Nur zweimal hat bei Plautus der Conj. auf
rim den aoristischen Sinn.
Abweichungen in der Perfektbildung. Von denen auf i zeigen
die reduplicirten bald Stammvokal bald e: momordi tutudi aber
cecini dedi pepuli. Die mit e war früher noch viel häufiger
spespondi memordi peposci werden von Gellius VII 9 ange-
führt.: die Reduplikation ist nun vielfach abgefallen. Wo aber
die reduplizirte Perfektform esi antrat, gab es nie eine Redupli-
kation. In Compositen ist sie vielfach abgefallen, durchweg
außer in den Compos. von do disco posco zThl. curro. Von
andern Comp, giebt es nur vereinzelte Beispiele repupugi refe-
felli. Mitunter fiel nur der Vokal der Reduplikationssilbe aus
retetuli rettuli.
Bei den Perfecten auf si vereinigt sich s mit c g qu gu zu x,
wenn ein Vokal oder n vorhergeht, also dixi exstinxi finxi: wenn
ein 1 oder r davorsteht, so fällt der K-laut aus mer-si mul-si ful-
si: ältere Formen fulxi mulxi Das h in veho traho verdichtet
sich zu c in traxi vexi b wird vor -si zu p = scripsi. Jussi gehört
nicht zu jubeo dh. jus habeo: vielmehr zu iouso.
Die Dentalstämme stoßen den T-laut vor -si aus clausi laesi. In
cessi quassi ist d u. t zu s assimiliert, (misi ist von mito abgeleitet,
die Gemination von mitto ist nicht ursprünglich.)
Bei den Liquidastämmen tritt si hinter n einfach man-si; bei m
wird ein p eingeschoben sum-p-si. uro in ussi aus einem älteren
Präsens uso abzuleiten, eben so gessi von geso.
258 Vorlesungsaufzeichnungen

Cap. 19. B i l d u n g der M o d i .

Der Conjunctiv steht nach Bopp dem sanskrit. Potentialis u.


griech. Optativ gleich, der Charakter ja, am deutlichsten in siem
s-ja-m erhalten. (eir|v eair|v) 8i8o-ir|v | dann mit Abschwä-
5 chung des e zu i u. Contraktion. Ebenso sind velim edim duim
gebildet (di wie in 818ö)jn neben da). Aber auch bei erweiterten
Präsensformen findet sich diese Bildung temperit carint Mit
diesem aus ja entstandenen i ist auch der Conjunct. der I Conj.
gebildet, mit dem vorangehenden a aber zu e contrahirt amaim
10 amem. (Oskisch sta-i-t.) Bopp nimmt auch für die Conjunct.
der andern Conjug. den Moduscharakter ja an: als e erhalten
in den als Futurum verwendeten Conjunktivformen. vehes vehet.
das e aus a (dem Stamm voc|a|-o) u. i (aus ja). In den Formen
mit a ist das i unterdrückt u. das a verlängert veham aus veha-
15 im. monea-im audia-im. Von den alten Conjunctiven auf em
haben sich noch Überreste erhalten dicem faciem, dann dice
facie. | Der Conj. des Imperf. enthält eine Composition mit
esem (aus esjem esiem) u. dem Stamm fac- esem, ama esem, bei
a c ;
vokalisch auslaut. Stämmen eine Contraktion (a-e e-e u. i-e)
20 essem u. issem erklärt sich als Conjunct. des reduplizirten Per-
fect. isesem. | Nun bildete sich eine thatsächliche Übereinstim-
mung der Conj<(unc)>tive sem u. rem mit den Infinitiven: später
sind durch falsche Analogie einige Conjunctive nach dem Infini-
tiv gebildet worden? ferrem vellem. Dies ist nicht nöthig: fer
25 esem ist nur assimilirt: velesem velrem verlern vellem wie vallum
aus varlum pello aus perlo. sollers aus sorlers.
I m p e r a t i v . Die Endung der 2t Pers. hat sich in den verwandten
Sprachen noch erhalten dhi u. 01 i'a-9i. Im Lateinischen abgefal-
len da ama mone tege audi = dem Präsensstamm. Eigenthüm-
30 lieh fremdartig ist noll von nolle: offenbar spät entstanden (ne-
volo nevis nevolt alte Formen: von volo giebt es keinen Impera-
tiv) wahrscheinlich ist der Conjunktiv maßgebend gewesen, weil
Vorlesungen über lateinische Grammatik 259

er, bevor es einen Imperativ gab, seine Stelle vertrat. | In der


dritten Conjug. Neigung, das auslautende e auszuwerfen die
duc fac reic inger: die vollen Formen zahlreich.
Die s t a r k e Form der 2. S i n g , stimmt mit der dritten Sing,
überein facitud factud facitod facito Xvetcü (XvsTon
Die s c h w a c h e Form der zten P l u r a l auf te griech. xe amate,
die s t a r k e Form tote, im sanscrit tat, also hat hier das Italische
das Ältere bewahrt.
Die E n d u n g der d r i t t e n P l u r . stimmt mit dem -vtoov überein
bis auf das v- am Schluß, ein fixirtes v etpsA.K. Im Dorischen ist
die Endung noch rein.
I n f i n i t i v . Das re ist dem Latein, eigenthümlich: Oskisch u.
Umbrisch haben um u. om. (das man in venum-do wiederfinden
will) Freilich wird eine ältere Form des Infinitivs behauptet auf
e: aber velle u. ferre sind schlechte Beispiele, weil hier recht
leicht nur Assimilation stattgefunden haben kann. Jedenfalls ist
nun re ursprünglich ein se wie in dasi für dari: [(es verhält sich
zu isse des Perfects, wie sich die Personalendungen des Präsens
zum Perfect verhalten.)] ese jedenfalls mit esse verwandt: [aber
nicht] nach Bopp dasselbe. Vielleicht ursprünglich ein Aoristinfi-
nitiv? Jedoch giebt es Formen, die noch auf ein älteres e hinwei-
sen: dicier legier setzten Infinitive dice lege voraus. Von es-
würde die einfache Form ese lauten. Diese wird zu re verwendet
sein, esse enthält nur ein geschärftes s, wie in vielen Fällen causa
u. caussa usw. Vielfach ist noch ese geschrieben, in der Zeit der
Nicht-gemination. Es ist also kein Einwand, daß sich Formen
wie dicesse legesse nicht finden: posse erklärt sich als potese.
Das p a s s i v i s c h e rier älteres sier, ist ese mit dem passiv, ur.

Cap. 2.0. P a r t i c i p i u m u. G e r u n d i u m .

Gewisse Nominalformen hängen mit dem Verbum zusammen


u. haben trotz der Form den verbalen Begriff — amans patriam
260 Vorlesungsaufzeichnungen

scripturus epistolam visum ire aliquem. Andre haben nur verein-


zelt die verbale Construktion mirabundus vanam speciem | Das
P a r t i c i p . des activen P r ä s e n s wird durch Anfügung von nt
gebildet fere-nt. Das e rührt von der Stammerweiterung her: bei
5 iens in Folge einer Übertragung (wie auch im Perfect. reine
Vokalstämme nach Analogie der zten Conj. conjugirt werden
tri trivi gleichsam von trieo)
Das Supinum, das Part. Perfecti Passiv, u. Part. Fut. Act. scheinen
zwei verwandte Formen zu sein: dies ist ein Irrthum. Sie haben
10 ihren Ursprung in durchaus verschiednen Suffixen, aber bei der
Gleichheit des Suffixanlautes t sind sie gemeinsamen Weg gegan-
gen.
Das Supinum auf tum u. tu: Accusat. u. Dativ e i n e Form (doch
einen A b l a t i v involvierend, wie is im Plural mehrdeutig) multa
15 dictu quam re sunt faciliora. Auch ui kommt vor istaec lepida
sunt memoratui. Zuweilen auch -o facto opus est (Übergang
der 4ten Deklin. in die 2te). Die Verbalsubstant. welche gleiche
Bildung mit dem Supin. haben, visus zu visum, risus zu risum.
Mit verbalem Begriff also nur in wenigen Casus, als Substantive
20 mit voller Flexion | Vielfach ist nun der Consonantismus des
Suffixes t- verändert. Rein in us-tus haustus ques-tus. In haesum
ist haestum u. haessum vorauszusetzen. Traten -to u. tu an
Verbalstämme auf d, so im Altlatein. Assimilation adgretus (für
adgrettus, bei Ennius), immer in intentus contentus. Zuweilen
25 das d zu s geschwächt infestus manifestus von fendere. Dann
konnte sich auch das t dem aus d entstandenen s assimilieren,
aussus divissus rissus u. gewöhnlich in egressus fissus effossus.
Endlich konnte das eine s schwinden divisus laesus plausus.
prehensus tonsus. morsus. | Traten aber to- tu an Verbalstämme
30 auf t: 1 . quat-tus 2. quastus quassus so passus missus. Oder
indem ein s schwindet, bei vorangehendem Consonant emensus.
versus. | Bei r-Stämmen fast immer t gewahrt exper-tus: doch s
in cursus. Nach 1-Stämmen bald t bald s adul-tus fal-sus. Nach
Vorlesungen über lateinische Grammatik 261

n-Stämmen bald t bald s cantus mansus. Nach m-Stämmen t


mit vermittelndem p prom-p-tus emptus, doch s in pressus |
Nach p-Stämmen immer t aptus, nur capsus. Ebenfalls nach b-
Stämmen Schwankung scriptus lapsus. jus-sus kann nicht von
5 jubere kommen. Davon nur juptus oder jupsus. Nach Corssen
ist ius-hibere zu jusbere verschmolzen, dann zu jubere „für
Recht halten" wie in der Formel populus jubet. jurare alt jusare
(ious-are ein denominativum), rechtsgültig machen. Davon kann
aber auch nicht ein jussi gebildet sein. Wohl aber kann neben
10 jusare ein Verbum jousere oder jussere existirt haben, wie neben
calare ein calere in Calendae steckt, jussus erklärt sich als jous-
tus | Nach k-Stämmen (c q g) hält sich t relictus ductus, actus,
doch fixus. In artus fartus sind c ausgefallen. In parsum ist c
ausgefallen u. s eingetreten. | Doppelte Formen finden sich
15 tortum u. torsum indultum u. indulsum. Häufig tritt auch ein
Bindevokal i ein misertum u. miseritum tutus u. tuitus fructus
u. fruitus. ortus u. oriturus. Anders bei mortuus u. moriturus,
zumeist ein Adjektiv, an Stelle des Particips. | Die Stämme auf
-v vokalisiren dies v zu u vor t lautum fautum. Da die u-Stämme
2.0 früher auf uv auslauteten, so erklärt sich die Länge des u in
solütum minütum
Das G e r u n d i u m on-do undo endo -ndo. Bopp erklärt es
als Erweiterung eines Participialsuffixes ont unt usw. durch o.
Also ferendus aus ferentus. Dies ist lautlich u. sachlich unmög-
25 lieh. Das on (verecondus faciondus) ist nach Corssen dasselbe,
wie in homon später homin- margin- ordin- u. das Suffix do
zB. stupi-dus stupendus. Der Begriff des „Müssens" oder „Sol-
lens" liegt zunächst nicht darin oriundus „entstehend" secundus
„folgend", durch do wird die dauernde Eigenschaft ausgedrückt:
30 daher die Götternamen Adferenda die „Darbringende" Ado-
lenda die „Heranwachsende" Conmolenda die „Zermalmende".
Dies undus tritt auch an Nominalstämme rotundus testudo aus
testundon „mit Schaale begabt". Der Begriff der N o t w e n d i g -
keit ist erst durch den Gedankenzusammenhang in die Verbalno-
262 Vorlesungsaufzeichnungen

mina auf endo hineingekommen, moriendum est „es giebt ein


Sterbewesen" mihi moriendum est „es giebt für mich ein Ster-
ben" (opus est es ist ein Werk mihi opus est es ist ein Werk für
mich) „ich habe nöthig) debeo als dehibeo „ich habe davon
5 hinweg, ich habe als fehlendes Stück, als mangelnd." Was wir
als fehlend empfinden sind wir genöthigt zu ersetzen, daher „ich
fühle mich verpflichtet."
Erst mit dem Begriff der Nothwendigkeit erhielt das Gerund-
ivum auch den Begriff der Zukunft, „da was geschehen muß u.
10 soll, auch erst geschehen w i r d . "

Cap. 2.1. Die Partikeln.

Alle sog. Adverbia Conjunktion. Präposit. sind ursprünglich


Casusformen, vielfach zerstört u. abgeschliffen. Hand's Turselli-
nus noch ohne die richtigen Gesichtspunkte. O. Ribbeck zur
15 Lehre von den Partikeln
Z u m Lokativ gehörig: langes e ei e 1: here vespere sind als
lang nicht nachzuweisen. Aber peregre peregri. Jede Unterschei-
dung zwischen ihnen ist falsch
quotidie postridie pridie, quarte die. In ho-died haben wir den
20 Ablativ in temporaler Bezeichnung, praefiscine oder i „voran
mit dem Amulet" („unberufen, drei Kreuze davor.)
Reiner Lokativ he heic hic. De in susque deque. Z u der Pronomi-
nalwurzel d gehört dam (quidam quondam) dem (idem pridem
tandem) dum (nedum) do (quando) u. obiges de „von, a b " de
25 me hortatur „er mahnt mich a b " bei Ennius. de entweder voran
oder hinter in Compositionen desuper demagis deim, dehinc |
deim | aus de-ifim: in hinc istim illim utrinque utrinsecus altrin-
secus usw. ist in Lokativendung entsprech. epiv xeiv xiv i v CTtpiv
(piv, im Umbrischen fem: das im aus ifim zusammengezogen.
30 (wie mi aus mifi geworden ist) Nachgesetzt de in deinde exinde
Vorlesungen über lateinische Grammatik 263

proinde. cunde unde wovon her. Die Lokativform cum um aus


cufim ufim: aus ufim ist auch ubi geworden. | Zeitlich ist de in
denuo deimproviso usw. | demus u. demum sind Superlative wie
primus. immo ist ipsimo, daraus ipsmo ipmo immo. ferme zu
5 fere, alt ferime. Nicht mit de ist di zu verwechseln: di u. vi
gehören zu dvi Zahlwort | vi-ginti: bis aus duis (bellum duellum)
vecors „wem sein Herz abhanden gekommen ist, vesanus wer
von der sanitas abgewichen ist" vestibulum der Raum vor dem
Hause, abgesondert von der Herberge stabulum. vestigare in
10 kleinen abgesonderten Schritten gehen" N i c h t hin gehört vehe-
mens, Partie, von veho vehemenus. Wohl aber identisch das
kurze enklitische ve in seve neve ceve Die Bedeutung ist vom
seu neu ceu
„Trennen" Absondern" ausgegangen zum Gegenüberstellen
15 „oder"
ne nei ni dreifach verwendet 1) proklitisch 2) enklitisch 3)
verbunden mit einem Wort, das verkürzt wurde, ja enklitisch
wurde. 1) nefas nevis nevolt nequis nequit. ne-oenum noenum
non: non ist also die Stärkere Verneinung, ne-unquam ne-us-
2.0 quam. Contraktion in ne-uter ne-hemo. nego aus ne-ago = agio
ajo z) enklitisch im fragenden u. ausrufenden ne. nonne n e c n e .
Vielfach der Vokal eingebüßt quin satin utin (quin aeeipis?
warum nimmst du nicht?" daraus das steigernde quin „warum
nicht gar" vielmehr" potius u. contra folgen häufig darauf, sin
25 im 2ten Gliede einer Alternative „wenn nicht" Die Präposition
sine entweder aus se-ne oder dem Lokativus si (in si-c) u. ne,
also „so nicht". Dafür auch nesi, wie mirum ni u. nimirum
neben einander bestehen. „Es sollte mich doch wundern wenn
nicht" „ich stehe d a f ü r " „unbedenklich", endlich = „nämlich"
30 Neben mirum ni auch das volle mirum nisi: so auch quid nisi
neben quidni? So ist auch quippeni aus quippe nisi zu erklären,
quippe ursprünglich Fragewort „inwiefern eigentlich?" ipsippe
ähnliche Form: vielleicht pte? —
264 Vorlesungsaufzeichnungen

alioquin u. ceteroquin haben nichts mit der Negation zu


thun. Ursprünglich ceteroqui, bei Cicero zuerst: das u ist aus
falscher Analogie mit quin hinzu gekommen.
Ebenso atquin falsche Form. Das enklitische que ist identisch
5 mit dem Instrumentalis qui: ursprünglich qued als Ablativ: oft
noch lang. Wo es als Copula steht hieß es also „wie". Verbunden
mit ad der Präposition „wie dazu at-que a-que ac. In Verbin-
dung mit cum: que quisque ubique undique uterque heißt dies
que immer „irgendwie" quoque ist = quomque d. i. cumque
10 „mit, damit irgendwie" cum Präpos. u. Coniunction ist iden-
tisch. | Es giebt 2 neque, i) nicht irgendwie z) „wie nicht", in
erster Bedeutung also = non. zB. in neclego negotium necne
(in silberner Latinität necdum für nondum) Auch neque —
neque ist aufzufassen als dies „nicht irgendwie" daher auch
15 neque — et gegenübergestellt.
Durchaus zu scheiden ist em Accusat. des Demonstrativpron.
is: em hic em illic, em qui, also „deiktisch" hinzeigend | aber
das fragende en aus e der Interjektion u. ne. Seit Sallust tritt
Verwechslung ein.
2.0 equidem Versicherungspartikel mit dem Ausruf e u. quidem, ist
in der älteren Latinität an keine Person gebunden. Der Natur
der Sache nach tritt es am häufigsten bei der iten Person auf.
Daraus wird eine falsche Etymologie von ego quidem abgeleitet:
ihr fügt sich Cicero ausschließlich: Varro u. Sallust haben noch
25 den alten Gebrauch. Juvenal u. Tacitus vermieden es gänzlich.
Das e wurde nun auch mit que verbunden eque ec ecquid
ecquando eccubi „ach wie da! Eccere haben wir nicht „bei
der Ceres" aufzufassen, sondern ecce rem m abgefallen wie in
postmodo(m) propemodo(m), oppido = op-pedom (wie es
30 Festus erklärt: aus der Unterhaltung der Landleute „wie viel er
geerntet habe" Genug für eine ganze Stadt, oppido = satis?.
quantum oppido satis. Quinctil. findet es anstößig alt. Ein m
ist abgefallen in perendie(m) dh. perem diem „den jenseitigen
Tag, übermorgen", peris hat eine Nebenform perus (wie hilaris
Vorlesungen über lateinische Grammatik 265

hilarus) in perperus u. perperam erhalten. Verwandt mit gr. Ttepa


jrepav (jtepai-xepö) ulterius) „perperam in anderm jenseitigen
Schlimmen Sinn" „falsch".
Die Länge von ne bewahrt in nequis neve nedum nequam ne-
5 cubi ne-scio | In ne-quidem u. nedum liegt der Accent auf dem
ne, dum u. dem = „mal" der Ausdruck eines Zeitmomentes,
aber sehr leise. Es giebt Stellen, an denen ne für nedum steht.
(Seit Livius u. Ovid wie neque als verstärkte Negation ge-
braucht. Daher ist auch ein nec-quidem denkbar, necdum =
10 nondum, in donec donique denique „von da ab nicht"1 (daher
denique markirt den Schluß einer Aufzählung. Do ist dasselbe
wie in quando: Ablativ jenes schwachen Pronomens demonstrat.
quando „wie da" donec „da nicht".
Reste des ablativ. -d bei Plautus numquid für numqui: ebenso
15 quöd ego eam für quo. Ebenso quodcirca. Jetzt entscheidet
sich die Frage über nequiquam oder nequidquam: beides recht,
nequicquam ist Assimilation von d
Daß der Accusativ geeignet ist, Art u. Weise zu bezeichnen:
clam palam coram primum secundum verum rursum i-tem au-
2.0 tem nam — enim et-e-nim, minus melius usw. (wie icäÄAiov
ao(pö)xepov Akkusat.) Parallel Ausdrücke wie maximam partem
id genus, id aetatis. Viele Adverbien auf tim auslautend statim
partim strictim raptim minutim privatim: es sind Accus, von
Substantiven auf tis. partim „dem Theile nach" In der älteren
2.5 Zeit eine bedeutende Masse von Adverb, auf tim im Umlauf,
die in klassischer Zeit abkommen: endlich in späterer Zeit eine
Menge Neubildungen.
sal-tem zeigt auch tem (mit sal-vus sal-us verwandt) „stark sein"
zuerst, „sicherlich"
30 nam nempe enim num verwandt, nunc zu num wie hunc zu
hum. num in der Frage ist dasselbe wie in etiamnum. „Nun?
Wie geht's?" eine demonstrative Kraft liegt im fragenden num. |
femin. Accusat. sind nam tam sam quam.
266 Vorlesungsaufzeichnungen

Nebeneinander äb ä af av (auferre aufugere) af in altlat.


Inschr. af vobis af Capua (nur vor Consonanten). Diese 4
Formen lassen sich nach den Lautgesetzen nicht von e i n e r Form
ableiten. Geht man von ab aus, so ist af unerklärlich: geht man
5 von af aus dann erklärt sich zwar ab: aber af wäre zu trennen
von änö Sansc. apa. Wie erklärt sich ä? Wenn von a(b) b
wegfiel, konnte die enklitische Präposition nicht verlängert wer-
den. Wie aber konnte f oder b sich zu u erweichen in auferre.
Warum nicht afferre abferre? Schon Gellius meint, daß das au
10 einen besonderen Ursprung habe. Es ist mit Griech. aö u. ava
im Sansc. „von herab" identisch, die sich im lat. au-tem aut
findet, ä aber ist aus ava aa entstanden, (wie mä-lo aus mavo-lo.
Der verschiedene Ursprung von a u. ab ist zeitig in Vergessenheit
gerathen.
15 af ist vom Sanscr. adha abzuleiten „von herab": f häufig der
Vertreter von ursprüngl. dh.
e, ex u. ec in ecfari ecferre. Auffällig weil nie im Lat. ein x
abfällt, noch ein kurzer Vokal sich verlängert beim Schwinden
eines c. ex selbst ist aus avahis abzuleiten „ava von weg" u. hi
20 = 01 Suffix: aus avahis wurde ahis, ehis, daraus ehs ecs wie
tracsi vecsi aus veho. So ex gekürzt wie im Griech. zu ex. | e
dagegen aus avahi ahi ehi zu erklären: eh u. e. (wie vemens aus
vehemens. Im Griech. erscheint 8K nur vor consonantisch anlaut.
Worten: offenbar vermied die Sprache das Zusammenstoßen
2.5 d r e i e r Conson. So auch ecfari zu erklären: ursprünglich ecsfari:
dann s ausgeworfen. Gewöhnlich aber assimilierte sich das c
dann noch: in effundere efferre usw.
an gehört zu dem Pronominalstamm ana (svioi, latein. ono,
mit Suff, lo onolo onlus ollus (ullus illus) ana bedeutet „jenes";
30 an leitet Fragen ein, die im Gegensatz zu einem vorhergehenden
Gedanken stehen: num wie besprochen, bedeutet „dieses", in
Doppelfragen stehen sie sich gegenüber „dieses, jenes?" Aber
auch an — an wird gesagt, wie aut — aut | alterum — alterum.
In nescio an u. ähnlichem bezeichnet an „das andere" im Gegen-
Vorlesungen über lateinische Grammatik 267

satz zur „einen" Möglichkeit. Enklitisch angefügt in fors-an


fors-sit an: identisch das Griechische ä v .
ultra ultro ulterior ultimus (Stamm ul, alt bei Cato uls = ultra)
gehören zu ollus ullus, „jener" „jenseits" wie ci- in citra citerior
5 citimus „dieser" diesseits, von ci, ce angehängte Lokativform,
ab = dito verwandt mit eiti (Lokativ) u. apud (Ablativ et etiam
= exi „überdies" „dazu" Lokativform, (bei Passow steht: das
Wort scheint die dritte Person von 8i|ii zu sein = est) In dis (u.
in Composit dispar discors) ist dvi erhalten: das s wie in ajiqri«;
10 ex abs ist meiner Meinung nach das Plural. Lokativsuffix, dis
= 8 i a (das a ein instrumentalis). | in = ¿vi Lokativ, eig,
argivisch-kretisch ev<; = svi<;. evi zu a v d wie Jtepi zu Jtapa
(lat. per) dvxi zu ä v x a Instrum. Latein, ante für anted | in
antidea erhalten.| tra-ns, Stamm in ter-minus xepjia. juxta ist
15 eine Superlativbildung mit Instrument, von jug-ista. pro alt
prod. prae ein Lokativ prai zu dem Instrum. pra (Sansc. „vor")
pri-mus. repente von J/pert = ßoTtfj xivi momento, Ablat. eines
Particips: ähnlich eöeXovxi gebildet. | re red redi verwandt mit
proti. | sed ebenfalls Ablativ. |

20 Cap. 2.2. Über Etymologie.

Das erste Werk der neuren Philol. Julius Caesar Scaliger de


caussis linguae latinae: sehr verwegen, pulcher = 7toÄ,üxeip.
ordo = öpov 8©. Dagegen werthvoll Joseph. Scaliger Coniecta-
nea ad Varronem. Lehrreich Gerhard Joannes Vossius tractatus
25 de litterarum permutatione: er mischt das Hebräische mit ein.
similis = ninr|Xö<; vello = xiÄAoo usw. Von den Experimenten
der Hemsterhuisschen Schule (Ruhnken Lennep. Die gemein-
same Auffassung war, man könne mit dem Griech. zu den
Elementen der Menschheit aufsteigen. Ursprache der Mensch-
30 heit, deshalb größte Einfachheit: das Verrückteste noch 1836
268 Vorlesungsaufzeichnungen

Anton Schmitt der alle griech. Worte auf s, 1846 der die latein.
Worte auf „das Urelementarwurzelwort" he zurückführte. | Die
Sprachvergleichung hat hier ihre größten Verdienste: epochema-
chend für das Lateinische Wilhelm Corssen „über Aussprache
Vokalismus und Betonung der lat. Sprache, gekrönte Berliner
Preisschrift von 1858. | 2t A u f l . Bd. I von 1868. ein Repertorium:
leider noch ohne indices. Wesentl. Unterschied der neuen A u f -
lage daß inzwischen erschienen waren Prise, lat. mon. ep. ed.
Ritsehl u. C o r p . inscript. Latin, ed. T h e o d . M o m m s e n . M o n u -
mentum Ancyranum ed. M o m m s e n . Corpus inscr. Rhena-
( n a ) r u m v. Brambach. H. Schuchardt Vocalismus des Vulgärla-
teins. Corssen Kritische Beiträge zur lat. Formenlehre, u. Nach-
träge (gegen die Gleichmacherei der Sprache gerichtet, nur die
Ähnlichkeiten ins A u g e gefaßt.)

Regelmäßige Lautvertretung:

Indogerm. Griech. Lateinisch.

t X t
d 8 t
dh e anlaut f, inlaut b,
k K qc
g Y g
gh X h im Anlaut,
g im Inlaut
P- 71 P
b ß b
bh <P anlaut f, inlaut b
n v, y vor Guttur. n
m H, v im Auslaut m
r P r
1 X 1
Vorlesungen über lateinische Grammatik 269

Suffix t a t zur Bildung von Abstrakten, die Eigenschaften u.


Zustände bezeichnen, veri-tat-s ebrie-tat|s facili-tats vetus-tats
civitats = t t | t jioi6-tt|t<5. Mit dunklerem Vokalismus iuventuts
neben juventats tempes-tuts neben tempes-tats. tat ein Doppel-
suffix i) ta wie in vindic-ta iuven-ta, zur Bezeichnung von
Abstrakten z) das weibliche Suffix -ti ves-ti-s pes-ti-s, ebenfalls
Abstrakta bildend.
Denselben Wechsel zwischen a u. u zeigt Suffix a c o — u c o
Also meracus clo-aca neben caducus verr-uca. Weiterbildungen
mit dem Suffix io: Veracius, mit Suffix eo gallinaceus.
Abgestumpft erscheint ac in ed-acs loquacs rap-ac-s. Die beiden
Suff, ali u. ari sind in einzelnen Worten identisch, sol-aris consul-
aris daneben rur-alis australis (weil schon ein r vorherging.)
Damit ist nicht gesagt, daß ali immer aus ari entstanden sei.
Eine große Menge sehr alter Worte auf ali hat kein r vor dem
Suffix, hier ist alis ursprünglich, a-li in zB. hiema-li femina-li,
verglichen mit e-li in fideli, ili in civili, uli in tribuli zeigt daß
der Bestandtheil Ii das eigentliche Nominalsuffix ist. Denen auf
eli ili uli stehen nun keine auf eri iri uri zur Seite: also ist auch
ali als ursprünglich anzunehmen. Die Suffixform Ii ist aus lo

Die ältesten Bestandtheile der Worte sind die W u r z e l n .


Darunter gewöhnlich die Bedeutungslaute verstanden. Aber
auch die Suffixe (zur Bildung von Stämmen u. Wörtern) sind
ursprünglich selbständige Wurzeln. Das Wort also zum minde-
sten aus 2. Wurzeln erwachsen: die erste gewöhnlich „Wurzel"
genannt, asmi sein — ich (ma bedeutet „denken" Mensch, ich)
A l l e W u r z e l n sind e i n s i l b i g .
S t ä m m e werden gebildet i) durch die bloße Wurzel 2.) Redupli-
kation 3) Endzusätze, ursprünglich meist pronominalwurzeln a,
i, u, ta, ka usw. Dies die einfachsten Formen der Stammbildung:
nun können immer mehr Suffixe antreten d o c t - i s - s i - m o . vier
stammbildende Elemente.
270 Vorlesungsaufzeichnungen

abgeschwächt, dies zeigen die älteren Formen agilus sterilus


neben agilis sterilis. Auch die alten Adjektivformen auf ali
werden aus alo geschwächt sein (entspr. öi|/T|A.ö<;): alter Perso-
nenname Caenälus.
5 Die Bildungen mit -arius drücken vornehmlich die handelnde
Person, mit -arium die Stätte, w o etwas verfertigt wird, ari
drückt nur die Zugehörigkeit zu einer Sache aus.
Welcher Art ist das a in äli, äri, ario? sacer sacrare sacrarius,
auxilium auxiliari auxiliaris auxiliarias usw. Aus substantiv.
10 Grundformen sind denominative Verba der a-Conjugation gebil-
det: davon Adjektivformen mit dem S u f f i x lo u. ro, abge-
schwächt zu Ii u. ri, von diesen mit Anfügung eines zweiten
Suffixes io, Bildungen auf ario. Das lange A ist der Charaktervo-
kal der a-Conjugation. | In Cerealis ist ein r ausgefallen: Cerera-
15 Iis (wie es in Ramnes-es Titieses Lucereses ausgefallen ist)
Das S u f f i x asio ist durchaus nicht gleich ario: amasius ist aus
amantius, mit Ass i b i lation geworden, wie Valesium aus Valen-
tium. Später wurde ein S u f f i x asio einfach angehängt, wie esio
usio isio, mit der K r a f t der Analogie.
2.0 entia ist in essa in den Städtenamen Suessa Suessula übergegan-
gen (Das Doppel -s wie in formossa famossa.) Suentia ist
„Schweinestadt" Ähnlich i>A/f|eaaa aus ö Ä , r | - £ V T j a olvoecrcxa aus
oivoevxja.
Hierhin gehören die S u f f i x e oso osso onso unso üso formosus
25 aus formont-io-s, durch Assibilation formonsios formonsus for-
munsus, formosus.
Das S u f f i x ensi identisch mit entio, ensio, enso, eso Hortensius
u. Hortentius hortensis. Das S u f f i x ensi drückt die Ortsangehö-
rigkeit aus. Aber auch die Suffix<(e) entio sind vornehmlich
30 Orten gegeben worden. Valentium Brundusium Perusia. Solche
Bildungen wie Athen-i-ensis, Rhod-i-ensis haben ein falsches i,
das durch eine Analogie hineingekommen ist. Richtig Bononien-
sis, Fabiensis.
Ein Übergang des 1 in r hat im S u f f i x -culo -cula stattgefun-
35 den, verglichen mit -cro -cra -cri. Letztere sind richtig auf
Vorlesungen über lateinische Grammatik 271

Wurzel kar zurückgeführt („machen", davon altröm. Gott Cerus


„Schöpfer) lu-crum ein Ding, das gewinnen macht (von louere
Lohn erwerben) sepul-crum, simula-crum (ein Ding das ähnlich
machen macht)
Ebenso nun auf culo ba-culum „Werkzeug zum Gehen" po-
culum fer-culum Ding zum Tragen. Peri-culum ein Ding zum
Versuchen rceipa periculum facere „Versuch machen" | (das u
Bindevokal wie in sum).
Wie sich aus kar cro u. culo entwickelt haben, so aus bhar (lat.
fer-) bro bri ber und bulo bula bili. fi-brum (aus fid-brum)
„Spaltung bringend" Fetzen Faser, mem-brum = min-brum
„Kleinheitmachendes D i n g " „kleines D i n g " ein Theil. probrum
aus prohibrum „Vorhalt" „Vorwurf". | labrum aus lab-brum
„Ding zum Lecken". Velabrum Ding zum Verhüllen." Dann
Stätte zum Verhüllen". Eine Straße am röm. Circus, weil sie bei
gewissen Festzügen überdeckt wurde mit Tüchern. Cerebrum
ist Schädelmachendes D i n g " cere Kopf (in Kepag Kpa-viov). |
Dazu gehört bili, man vergleiche fabula u. affabilis stabulum u.
stabilis
Die lat. Suffixe -tulo -tilo -tili haben ebenfalls ein Verhältniß zu
tro und tra (tar hervorbringen) spec-trum ein Schauen bewirken-
des Ding, dann „ein angeschautes Wesen, vi-trum aus vid-trum
„Ding zum Sehen" Mit u erscheint das S u f f i x in tonitru, mit i
in inlustris. Im Griech. entspricht dem xpo x p a auch xta) xA,r|
XUtA,ov 8%exX,T|. titulus Ding zum Ehren. (Vorname Titus =
xixöq) Lautulae = A,ouxpov nach Wurzel und S u f f i x „Badeort",
-ido in pallidus fervidus. Die altlat. Form war ed daher cupldus
aber cupldo. Das i gehört zu allermeist der E-Conjugation zu
tumi-dus tumeo stupidus stupeo. Ohne ein vermittelndes i in
tardus. absur-dus. nödus aus nüg-dus („rein" „nackt.") mo-dus
(ma „messen") Jenes do entspricht dem griech. 80 g x o i x t i 8 ö v
ßoucrxpo(pr|8öv (Adverbien mit Accusativformen) Kpi>ß-8a (Ac-
cus. Plur. Neutr oder Instrument.) Dieses do von einer Wurzel
272 Vorlesungsaufzeichnungen

da „geben" frigidus „kaltsein [setzend] gebend" aTOl%r)86v


„Reihen gebend".
Das Suffix d-ön bildet Abstrakta von Verben der E-Conjug.
frigedo frigidus rubedo rubidus albedo albidus. Der erste Theil,
das d in don = dem Suffix in rubi-do, daran das Suffix on
(griech. |0.eA.8-5(BV) Drei Suffixe in alti-tu-d-o. | Don zu din
abgeschwächt homon homonis usw. | do in di in laus laudis
frau-dis In on-do beide Suffixe in umgekehrter Ordnung —
Suffix -ti in pes-tis ves-tis morti sorti, weitergebildet mit dem
Suffix on porti-on actio natio. Von jenen Verbalsubstantiven
sind Verba denominativa gebildet meist nach der i- oder e-
Conjugation partiri vestire fateri.
Das Suff. -Ii auch in alius talis qualis (alter aus aliter) Das a in
a-lius ist der Pronominalstamm a (zB. in a-va) Die alten Formen
alis alid sind die ursprünglichen, dafür spricht aliquis aliquando
aliquot alicunde, vor allem das Adverbium aliter, ganz wie
qualiter u. taliter gebildet.
Das ali in talis qualis ist ganz identisch mit brumalis feminalis
usw. Durch Suffix io ist alius weitergebildet wie hostilis zu
Hostilius.
Ein Suffix -lento giebt es nicht. In Formen wie gracilents graci-
lentus ist gracilis vorausgesetzt, poculentus neben poculum.
fraudulentus setzt ein fraudulus voraus. Das Suffix -ent ent-
spricht nun urspr. vant, erhalten in der Samnitischen Stadt
Maleventum, dann Frat-uentini von Fratuentum gebildet. Dies
entspricht fEVX in axovof&vxq, oxovofeoaav für axovofsvx-
jav (inscr. Corcyr.) M i t Schwinden des u in cruentus fluentus
Tarentum (entspr. i>A,T]-8VT usw.)

Suff, ti zB. in pos-tis (wie in posno) „der Festiger", das Suff,


bedeutet die handelnde Person, tussis aus tustis der „Krächzer"
tristis aus trestis der „Zitterer". Dasselbe Suffix in -ati, hier
liegen denominative Verba der a-Conjug. zu Grunde prim-a-tis
optima-tis. (wie in den Suff, ari ali abilis aculus atro atilis anus
Vorlesungen über lateinische Grammatik 273

usw.) Es braucht nicht wirklich ein denominat. Verbum in der


Sprache vorhanden gewesen zu sein: es ist aber ideell vorausge-
setzt. Dieser Bildung auf atis entspricht XnapTidirit; Kpoxco-
v i d i T | ( ; (wie potis neben 8ea-7rÖTr|<; steht) | Das feminin. Suffix
5 ti stumpft sich nun zu t ab in sor-t-s parts ments gents u.
schwindet ganz. Das i des männlichen Suffixes geschwunden in
compots impots. antiste-t-s antistita hospets neben hospita
Das Suffix -men in ag-men numen nomen sufflamen ist identisch
mit mon minis: davon weitergebildet mentum, mit Suffix -to
io (in vetus-tus — sceles-tus robustus). Die Worte auf mentum
bezeichnen nicht Werkzeuge, men drückt nur ein Begabtsein
womit aus (begabt mit dem in der Verbalwurzel ausgedrückten
Begriff.) Auch femininische Formen Carmenta, lamenta neben
lamentum.

15 Cap. Z3. Einzelne Etymologien.

Es giebt drei Arten von Etymologie: zuerst etymologisirt das


V o l k , wenn ihm das Bewußtsein entschwunden ist: dies merkt
man besonders an den Irrthümern. Hat es nämlich ein Etymon
zu entdecken geglaubt, so wandelt es gewöhnlich das Wort
20 darnach um, um das Etymon noch sinnfälliger zu haben. Z . B .
Die Römer glaubten in Capitolium campo u. oglio „Oel" zu
hören u. bildeten darnach Campidoglio „Oelfeld" Der Mäuse-
thurm bei Bingen aus einem Mauththurm. Dienstag ursprüngl.
Tag des Tyr des Kriegsgottes: als Gegensatz zu Freitag Dienstag
25 gebildet. Freitag selbst hat jede Erinnerung an die Freia aufgege-
ben. | Die zweite Art der Etymologie ist die g e l e h r t e , mit
gewaltigem Wissen u. ohne System u. Zusammenhang. | Drittens
die w i s s e n s c h a f t l i c h e , auf Erkenntniß der Lautgesetze u. des
Sprachzusammenhangs.
274 Vorlesungsaufzeichnungen

Vom Stamm üs leuchten brennen üro, a u r o r a (ausosa) au-


rum. | Curia älter Cusia setzt ein Cov- o s -ia (Neutrale Endung)
voraus, sku bedeutet „bedenken" | cus auch in custos enthalten:
zunächst Adjektivform custo-, daher ein Verbum custoere, da-
5 von ein Substant. custod- (ebendaher caussa aus causta die
behütete, vertheidigte Sache, der Prozeß) In coe-rare curare ist
cu mit Suffix ra versehen u. davon Verbum gebildet: „bedenken
Fürsorge hegen | Von ku „hohl sein" ist caelum das „Hohlge-
wölbe Himmel gebildet, ebenso caelum „Grabstichel als „höh-
IO lender" Koi^oq
Von tu „strotzend voll sein" totus, taedet „es macht strotzend
voll (wie miseret „es macht unglücklich) „es macht Überdruß
es „ekelt." | Von mu „binden" murus moenia verbundenes
(Mauerwerk) inmunis ohne Verbindlichkeit: communis „zusam-
15 men verbunden." munus ein verbindliches Ding ein Amt. | ik
gleich sein i(c)mitari i(c)mago aequum (aicom) ae(c)mulus | von
skir „rein sein" caeri-monia „reine Handlung sincerus „ganz
rein" (sin = sem-ol sim-plex sem-per (sama ganz)) | si verbinden
sae-culum (wie ba-culum) ein Verbindung machendes Ding,
zo Verband von Sachen oder lebenden Wesen, Zeitalter, Ge-
schlecht) | Von ski beschatten caecus verdeckt dunkel blind (s
abgefallen wie in casa Castrum) Von div leuchten dius Himmel
sub diu divus r e d i v - i v u s wieder glänzend | pac „festmachen"
päx päcare pägus Bezirk pango compäges | flag brennen flagrare
2.5 flagitium Brunst flagitare brünstig begehren | lab fallen labare
labi labes Fall Einsturz Schaden (das Hereinbrechen eines Un-
heils, wie ruina Einsturz, Untergang | mar glänzen merus hell
Mars mit den verwandten Ausdrücken, marmar ist ganz redupli-
zirt; in mamerts, marts ist ti das männliche thätige Suffix: als
30 „Glanzbringer". In enger Beziehung zum Frühling: die Sabelli-
schen Oskischen u. Latinischen Völker weihten ihm das ver
sacrum, die Erstlinge von Pflanzen Thieren u. Menschen im
Frühling (1 M ä r z — 1 Mai) Daher der erste Frühlingsmonat
Martius. Als Gott von Wald u. Feld wird er Campestris und
Vorlesungen über lateinische Grammatik 275

Silvanus genannt. Aber mit Beginn des Frühlings mußte die


junge Mannschaft wieder ins Feld, zum Waffendienst; je mehr
R o m zum Kriegerstaate sich ausbildete, um so mehr trat diese
Bedeutung hervor: auf dem Lande blieb der alte Dienst. Die
eigentliche Kriegsfurie ist Duellona Bellona. Die gelehrte Dich-
tung vermischt den Ares.
Mare ist fälschlich mit mar verdorren machen mori zusammen-
gebracht worden. Es ist vielmehr „das Glänzende" wie die
Epitheta zeigen glaucum hellgrau vitreum glasfarben virens grün
caeruleum himmelblau marmoreum glänzend. So wird marmor
von Virgil als identisch mit mare gebraucht.
Von ma „messen" immänis maßlos mane frühzeitig Mana To-
des- und Geburtsgöttin, me-ta Ziel mensa, modus, mos „maßge-
bende" Regel, Sitte, mörösus die Sitte ängstlich beobachtend |
gna kennen nota gnarus norma gnotus notus ignobilis ignominia
usw. nomina sind die „Kennzeichen" der Dinge. Numerus die
Zahl als „kennzeichnende" nummus aus nomimos (vö|ii(xov)
„ein gekennzeichnetes Ding": im griech. vö|j.iG|J.a „ein gesetzlich
anerkanntes Ding". Numa aus Nömas entstanden Königsname
(griech. No|iä<;): er erscheint in der Sage als Kenner Weissager
Gesetzgeber. Außer dieser durch seinen Namen ausgedrückten
Thätigkeit weiß man nichts von ihm zu berichten. In der albani-
schen Sage Numitor als der gesetzliche König, von Amulius
vertrieben, bis das „Stromkind" Romulus den „gesetzmäßigen
König wieder einsetzt.
lig anhaften religio i) Verbindlichkeit Gewissenspflicht 2.) Ge-
wissenhaftigkeit, Gewissensbedenken 3) Gottesdienst Aber-
glaube Also nicht „Sammlung des Gemüths": dies ist keine
römische Vorstellung. Gebundenheit des Bewußtseins, kleinliche
Gewissenhaftigkeit in den Gebräuchen, lex als „bindendes" bin-
dende Satzung, nicht „Spruch", wie auch ious das Bindende
bezeichnet. Privi-legium „den Einzelnen bindende Bestimmung.
Collega kann nicht der „Mitgewählte" bedeuten weil legere
niemals vom Wählen der Beamten gesagt wird. Ebensowenig
27 6 Vorlesungsaufzeichnungen

„Mitverfügender Mitbestimmender" weil nur der populus ver-


fügt. Also „mitverordneter" „mitverpflichteter." | legere sam-
meln zusammennehmen, sacra legere Heiligthümer zusammen-
nehmen sacrilegus Tempelräuber | rag aufrecht sein richten
regere rex ergo wie su-rg-ere (e-rigo „aus der Richtung" „da-
her") corgo (mit der Richtung, mit Richtigkeit, fürwahr") rogus
aufgerichteter Scheiterhaufen rogare anregen, regula gerader
Stab, Richtschnur, rigidus aufrecht, starr. Der römische rex
vereinigte in sich die Befugnisse des obersten Staatsleiters, des
Oberrichters, des Oberfeldherrn, des Oberpriesters. Die drei
ersten giengen auf die Consules über, die vierte ward einem rex
sacrificulus übertragen. Dieselben Befugnisse hatten die alten
attischen Könige: später den Archonten übertragen, der äp^cov
ßacyiA,EU<; übte das höchste Priesteramt. Das germanische Alt-
königthum ist beschränkter: der Begriff einer Stellvertretung
Gottes ist ihm ganz fern gewesen: selbst Oberbefehlshaber sind
sie nicht immer. Aber durchaus „Rechtsprecher". Das Wort für
König ist indogermanisch: die Germanen Italiker u. Hellenen
sind nicht als wilde führerlose Horden nach Europa gekommen.
Das Königthum liegt im Instinkte des Indogermanenthums.
„Herrschen Führen u. Richten" in demselben Begriff u. Wort
vereinigt.

litera littera, dazu linea limus (slim Althochd.) „streichen" mit


Suffix tera (wie scutella aus scuterula) Der Pontifex im alten
Rom schrieb die Annales maximi mit schwarzen Buchstaben
auf weißangestrichenen Tafeln. Der Vertrag des Tarquinius
Superbus mit Gabii soll auf einen mit Leder überzogenen Schild
geschrieben sein. Der „aufgestrichene Buchstabe" nach altröm.
Schreibweise. Das Einkratzen der Schrift in Wachs Holz Stein
Erz ist scribere griech. ypoupeiv.
facio ein denominat. Verbum vom Nominalstamm faco. Wurzel
fa. Wie in f a c s facies facetus. Ursprünglich „leuchten glänzen"
Da das Sprechen den Gedanken ans Licht bringt, fari fateri
Vorlesungen über lateinische Grammatik 277

facundus. Aber auch jede andre That bringt den Gedanken ans
Licht Daher facere „machen" thun.
Doceo desselben Stamms wie dic-sco Seiicvuni digitus SdieciAot;
der Finger als „Zeichner" (wie viginti neben vicesimus) dicsco
5 ich fange an zu bezeichnen oder anzusagen" „ich lerne", dignus
„gezeigt" ausgezeichnet (Suff, no wie in plenus magnus planus):
decet es bezeichnet, es zeichnet aus, es ziert. | docere bezeichnen
machen wie monere „denken machen" heißt, (minerva mens
moneo: so digitus decet doceo)

10 gloria. Wurzel clu: davon das Nom. clovos = Kksfoq Daraus


cloos wie jovos zu joos jus. Suffix ia closia.

vix gleichen Ursprungs wie vis ßia vincere. Es ist ein Comparativ
vom Nominalstamm vico: vicius zu vicis wie magius zu magis:
endlich vix. Es bedeutet „mehr mit Gewalt" „mit Mühe, kaum."

15 „redivivus" hat nirgends bei klassischen Schriftstellern die Be-


deutung „wiederlebendig, wiederaufgelebt". Es war vornämlich
ein technischer Ausdruck in der Baukunst = renovatus. Im 4ten
Jhd. gebraucht es der Klosterdichter Prudentius von Christus.
Vor allem aber ist eine Form redi sonst nirgends nachweisbar.
2.0 re-div-ivus also „wieder glänzend geworden" (wie lascivus reci-
divus subsecivus)

suppeditare: pedare „mit dem Fuße thun" „gehn" (repedare


heißt „zurückgehen") suppedare also „unter den Fuß thun"
suppeditare oft unter den Fuß thun. (wie wir „unter die Arme
15 greifen") „unterstützen" „zur Unterstützung darbieten".

laetus aus plaetus plaitos (pli ergötzen). In dem röm. Namen


Plaetorius ist das pl erhalten. Ebenso lunter für plunter der
„Schwimmer" 7rA,uVTT]p „der Kahn.
forma mit firmus ferme zusammenhängend. Die Gestalt als „die
30 feste", die Materie zerfließend und unbestimmt. Der altröm.
278 Vorlesungsaufzeichnungen

Künstler, der die Büsten Verstorbener aus Wachs bossierte, gab


dem haltlosen Wachs eine „feste" Gestalt, informis also „haltlos
u. gestaltlos": formosus alle Dinge, an denen eine feste Begren-
zung u. Gestaltung in hohem Grade ausgebildet war. formulae
5 heißen die „festen" Aussprüche u. Redewendungen bei friedli-
chen Handlungen, formldo ist die „Festwerdung" Erstarrung
durch Furcht, forma von for gebildet wie fama von fa: <(•••)
davon ein denom. Verbum formire oder formere. Davon Adjekt.
mit Suff, do formldus: daran Suffix on.
10 forum überhaupt ein „befestigter" umfriedigter Ort, Vorhof von
Grabmälern, dann der von Gebäuden umgebene Marktplatz
„der Ring"
funus „Räucherung" (wie in fumus Rauch) ursprünglich =
Qvoc,: Bildung wie fenus vulnus facinus: später „Todtenräuche-
15 rung Todtenopfer, allgemeiner „Leichenbegängniß".
familia von fäma Haus als „erwärmtes" (aus fagma) famulus
„zum Hause gehörig" Hausgenosse, familia Hausgenossen-
schaft. 1) Verwandtschaft des Hausherrn: so in pater familias
2) Hausdienerschaft 3) Hausgenossenschaft als Vereinigung von
zo 1) u. 2) 4) Hauswesen u. Hausbesitz aller Art, eingeschlossen
das Vermögen, später mit res familiaris bezeichnet. (Diener mit
inbegriffen als res mancipi)

femina ist die „gebärende" (fe-tus fe-cundus) Suffix mina wie


terminus. felix erzeugend Fruchtbringend aus Nominalstamm
2.5 fe-li, mit Suffix ic versehen, feli „ein erzeugendes Wesen, aber
mit -io Suffix felio ein erzeugtes, eigentl. ein dem gebärenden
erzeugenden Wesen angehöriges Wesen, filius. Ebenso üioq der
„Erzeugte" vonCTl)t).

Daß hostis mit „Gast" ein Wort ist, ist nicht ausgemacht. Was
30 ist die ursprüngl. Bedeutung? hostis hat niemals „Gastfreund"
bedeutet. Gast aber bedeutet den „Verzehrer" den Tischgast,
seiner Wurzel nach. Es hieß hostis „Kriegsfeind": ein Volk, das
Vorlesungen über lateinische Grammatik 2 79

J a h r aus J a h r ein im K a m p f e mit seinen Grenznachbarn liegt,


gewöhnt sich in jedem Fremdling auch einen Feind zu sehen u.
den Ausländer, der vor Gericht als Gegner des röm. Bürgers
auftritt, ebenfalls als hostis zu bezeichnen. Schon in den i z
5 Tafeln ist hostis = peregrinus im Gegensatz zum röm. Bürger.
In den Formeln des Soldateneides bedeutete es „Kriegsfeind" In
den verwandten Worten hostia hostire liegt die Vorstellung des
„feindselig handelns" zu Grunde. Der Stamm ghas bedeutet
„verschlingen fressen", ursprünglich „schädigen verletzen" ho-
io stis ist der Schädiger: gasts ist der „verzehrende u. verbrau-
chende, durch den das Eigenthum des Hauswirthes zu Schaden
kommt. Erst die Entwicklung der Gastfreiheit hat ihn bei den
Germanen zum „Willkommnen Freunde" gemacht. ||
| In sollemnis ist sollus anzuerkennen „ g a n z " u. „jeder" solla
15 vasa „ganze heile unversehrte G e f ä ß e " „alljährig sollemnis von
den Festen gebraucht" daher „feierlich" annus geht auf ein
amnus zurück, von Präpos. ambi amb am mit -no S u f f i x , ein
„herumbefindliches umgebendes D i n g " Umkreis v o m Jahreszeit-
kreis. 7t8putA,ojiEVG)v sviauxcöv. annulus ein kleiner räumlicher
20 Umkreis, ein „ R i n g . "
| sol aus svar- „glänzen" entstanden, woher serenus Xeipioq
a s X a q aeXr|VT|. Der indogerm. N a m e f ü r Sonne ist allen Völkern
geblieben wie der f ü r M o n d mäs (San.) men mensis mena
(Goth.) Aber das griech. "Wort fjXiot; deXiog aßeXio«; ist zu
2.5 erklären: aus sva svelios reduplizirter Stamm

pestis aus perdtis „Verderben": w a s wir „Pest" nennen, ist pesti-


lentia „die mit Verderben behaftete".

postulare von poscere posc-tulare Suff. | poscere aus porcscere.


Also eigentlich porcsctulare
30 Wie verhält sich hiems zu hlbernus? hiems x i ® v Suct^i-^oi;
Xev|icöv, also Wurzel hi = y i „der herabgeworfne." D a v o n ein
Verbum hieo, wie ci zu cieo erweitert. M i t Suff, mo hie-mo.
280 Vorlesungsaufzeichnungen

Diester) o Stamm konnte das o einbüßen, hibernus nicht von


der Wurzel hi gebildet, sondern vom Nominalstamm hiem,
daran ber Suffix wie in candelaber. ie zu i wie siem zu sim.
himbernus; endlich mit Ersatzdehnung hibernus. „wintertra-
5 gend" mit [Schnee] Winter begabt, winterlich".

venire = ßaiveiv: das beweist vornehmlich das Umbrische


benust = venerit, benuso = venerunt. | amare für apmare
„Anknüpfung machen (ap-tus) an sich schmiegen, lieben. | juve-
nis aus diuvenis „glänzendes Wesen" juvare erheitern, erglänzen
10 machen"

Lictores: entweder der „Binder" von lig oder „der Schürzer" der
„Gürter". Das erste zu verwerfen: da ligare nicht das eigentl.
Wort für das Fesseln beim Gefangennehmen ist (vielmehr vin-
cire: zudem würde man ligator erwarten, wie dictator imperator.
ij Sodann ist das „Binden" nur eine vereinzelte Handlung: es waren
Polizeidiener Amtsboten u. Ehrenwachen, jedenfalls römische
Bürger. Aber wo sie auftreten, so erscheinen sie geschürzt mit
dem llcium: ihre Toga war mit dem licium aufgeschürzt, damit
sie expediti zu ihrer Verrichtung sind. | Procincta classis war
2.0 das „geschürzte Aufgebot des römischen Heerbannes, das zu den
comitia centuriata auf dem campus Martius durch Heroldsruf u.
Hornsignal gerufen wurde. Die Formel, mit der der Censor sie
beruft: Omnes Quirites pedites armatos voca inlicium huc ad
me. | vocare inlicium = vocare in procinctum „in Aufschürzung
25 rufen" = mobil machen, inlicium vocare ist die Mobilma-
chungsorder. Darauf machen sich die Wehrmänner kriegsfertig:
ein zweites Signal ruft die classis procincta auf den campus
Martius den A<(p)pellplatz. Jetzt Befehl des Oberfeldherrn:
impero qua convenit (in herkömmlicher Weise) ad comitia cen-
30 turiata. Darauf ordnet sich der Heerbann in Centurien wie
zum Treffen. Bekanntlich war der Zweck der Centuriatcomitien
ursprünglich eine Wehrverfassung.
Vorlesungen über lateinische Grammatik 281

convlcium, sehr alt verbürgt beide Schreibarten. Die Grammati-


ker verbürgen convicium a vicis. Dies entscheidet zwar nichts
für die Etymologie. Aber die Etym. für convitium aus convoci-
tium ist nicht zu halten. Es ist auf die Wurzel vak. = loqui
5 zurückzugehen (in ^Enoc,) von vec ist convecium gebildet, wie
collegium von leg suffrägium von frag (später i für e wie nehilum
in nihilum)
Ebenso steht es mit susplcio. Beide Schreibarten gut vertreten.
Es ist von suspicere abzuleiten, mit Suff, io, die Länge zu
10 erklären wie in den vorigen Beispielen.
n a r r a r e ursprünglich gnarigare bei Liv. Andr. (wie mitigare
navigare: igo auf die Wurzel in ago zurückzuführen, narrare
„kund machen" wie mitigare „mild machen [ Templum von tem
„abschneiden" wie TE(j.evoq. templum aus tem-tulum temtlum
15 mit vermittelndem p wie in temptus „ein abgeschnittener Raum"
Nach Varro drei Formen „himmlische irdische u. unterirdische.
Die letztere wenig ausgeführt. Das Himmelstemplum zerfällt in
4 Theile nach den Weltgegenden, bei den Etruskern jeder Theil
von neuem geviertelt (also 16), in jedem ein besondrer Gott.
2.0 Sodann das Auguraltemplum, der begrenzte Ort, wo man den
Götterwillen erkennen will: hier wird das Götterzeichen erwar-
tet. Die inauguratio beim Bau eines Gotteshauses: doch gab es
aedes sacrae, die keine templa waren (alle ohne rechtwinklige
Form) Bei weitem aber die meisten, so daß aedes sacra u.
25 templum identisch gebraucht wird. Inaugurirt alle Orte, in de-
nen Staatshandlungen vorgenommen werden: jeder Senatsbe-
schluß im templum. Ferner die Stadt als Ganzes ist templum,
weil sie augusto augurio gegründet wurde, templum einer der
Grundbegriffe der röm. Religion: Erkundung des Götterwillens
30 im Staatsinteresse, um die Wohnung der Staatsgötter, um Raths
u. Volksversamml., um die Sühnung von Stadt u. Land. Aber
auch für die Privatreligion gilt der Begriff Weinberge Äcker, ja
das Haus war nach denselben Gesetzen limitirt. Sobald ein
templum constituirt ist, nimmt es eine Gottheit in Besitz. Die
282 Vorlesungsaufzeichnungen

ganze Vorstellung, die die Natur in Linien zwingt, ist ein Produkt
der Ebene: die Italiker an der P o ebene.
lüstrura Reinigungsopfer von louere lovere = Xoüeiv: neutrales
Nom. lovos-trum (wie lus-cinia aus clovos-cinia) „Werkzeug
5 zum Waschen" Sühnopfer. Da ein solches für das röm. Volk alle
5 Jahre stattfand, auch auf die Zwischenzeit übertragen. Da
bei demselben feierliche Umzüge stattfanden, so heißt lustrare
wandern, perlustrare „durchwandern." illustris „im Reinigungs-
opfer begriffen" licht hell, erlaucht,
io Roma von rou (für srou) dessen ou zu o wurde wie in poplicum
neben poublicum nontius neben nountius. Rouma = peC^a sru
bedeutet „fließen." R o m a „Strom" dann „Stromstätte"
So ward die Feste der Latiner, die alte R o m a quadrata auf
dem Palatin. Hügel benannt: als die Sümpfe zwischen Palatin
15 Capitolin u. Aventin noch nicht trocken gelegt waren u. der
Tiber jährlich große Überschwemmungen machte. (Orte nach
Flüssen genannt Alle im Deutschen auf bach und ach (aqua)
Ansbach Kanterbach Lörrach Bacharach) Darnach Romulus
benannt, der Sproß des Wald- und Feldgottes Mars u. der
2.0 Priesterin der Vesta (der Göttin des Herdfeuers u. der festen
Wohnsitze, „das Kind der Stromstätte" das in den Fluß ausge-
setzt u. wieder ans Land gespült wird, das die Wölfin säugt, der
Specht füttert und der Hirt groß zieht, der Gründer der alten
Feste auf dem Palatium (Opferstätte der Hirtengöttin Pales) der
25 den Bruder erschlägt Weiber raubt, Himmelfahrt. R o m a von
R o m u l u s abzuleiten ist wie Zwickau von Zwickauer.

R e g i s t e r zu d e n V o r l e s u n g e n ü b e r
lateinische Grammatik.

Cap. 1 . Vom Ursprung der Sprache.


30 2. Das Lateinische in seiner Verwandtschaft mit anderen
Sprachen.
Vorlesungen über lateinische Grammatik 283

3. Überblick der Geschichte der latein. Sprache nach Laut


und Schrift.
4. Parallelismus der Entwicklung von Sprache und Litte-
ratur.
5. Über das lateinische Alphabeth.
6. Über Aussprache und Lautwechsel der Vokale.
7. Über Aussprache und Trübung der Diphthonge.
8. Vokalische Lautgesetze.
9. Über die Consonanten
10. Vom Genus des Nomens.
11. Nominativ Akkus, u. Vokativ des Sing. u. PI.
12. Genet. Dativ. Abi. Lokat. des Sing. u. PI.
13. Die Adjektiva.
14. Die Zahlwörter.
15. Die Pronomina.

1. Vom Ursprung der Sprache.


2. Das Lateinische in seiner Verwandtschaft.
3. Die Nationalgrammatiker.
4. Die Perioden der lat. Litteratur.
5. Die Metrik.
6. Die Inschriften.
7. Die Handschriften.
8. Über Orthographie.

Cap. 2.4. Über die Betonung im Lateinischen.

Sicherlich hatten die indogerm. Völker vor ihrer Trennung ein


Accentuationssystem. Nachher sind sie weit auseinandergegan-
gen. Zwei Methoden der Acc.: die etymologische u. die phoneti-
284 Vorlesungsaufzeichnungen

sehe. Letztere gilt im Latein. Wenn eine Silbe den Ton trägt, so
ist dies unabhängig von der grammat. Funktion derselben. In
lego ist der Wurzelvokal betont, in legimini ein bedeutungsloser
Bindevokal, in legamus ein Modusvokal, in legebamus ein für
die Tempusbezeichnung wichtiger Laut: nirgends hat der Accent
mit der etymolog. Bedeutung der Silbe etwas zu thun: allein der
rhythmische Ausgang des Wortes entscheidet. Bei trochäischem
u. spondeischem Ausgange der Ton auf der vorletzten, bei
iambischem, daktylischem u. tribrachyschem auf der drittletzten
und nur dann auf der vorletzten, wenn das Wort ein zsilbiges
ist. Die letzte Silbe also nur im einsilbigen Wort, die vorletzte
wenn sie lang ist, die drittletzte in allen übrigen Fällen. | Alle
Formen des griech. Verbum finitum mit wenigen Ausnahmen
nach einem ähnlichen Princip: für das Nomen gilt das etymolog.
Princip, das auch eine Schlußsilbe mit Accenten versieht. Es sind
bedeutungsvolle Wortbildungs- u. Kasussilben, die hier den Ton
an sich ziehen. | Auch im Deutschen ist die Acc.: eine durchaus
etymologische. Auf längeren u. kürzeren Silben, auf Entfernung
vom Ende kommt es nicht an. Niemals ist eine Flexions- oder
Ableitungssilbe betont worden (Ausnahme „lebendig"): nur die
Wurzelsilbe.
Accentverschiedenheit nothwendig, weil der Vocal ein tönendes
Element ist, also eine bestimmte Tonhöhe nothwendig hat. Für
einen Satz kann die Tonhöhe jedes Vokaltons nicht dieselbe
sein. Was wir Wortaccent nennen, ist zunächst der auf der
höchsten Tonstufe gesprochene Laut. Aristoxenos nennt das
Sprechen ein |ieA.O<;, denn es kommen wie im Gesänge ver-
schiedne Tonstufen vor. Nur lassen sie sich nicht immer als
bestimmte Intervalle angeben: es geht zu schnell, (pcovfi A , o y i K f | ,
die Melodie des Sprechens im Gegensatz zur (pcovf] 8iacrtr|na-
TIKT|. (Vortrag nach Intervallen im Gesang) Im Sprechen bewege
man sich, sagt Dionys v. Hai. de comp. verb. n in der Quinte.
Der Zornige vermag sogar über eine Oktave hinaus zu gehen.
Vorlesungen über lateinische Grammatik 285

Die Accentverschiedenheit wird niemand mit der Zeitdauer der


Vokale (der Quantität) verwechseln. Außer den Gegensätzen
der höhern u. niedern Tonstufe, der längeren oder kürzeren
Zeitdauer hat die Sprache noch den Gegensatz der stärkeren
5 oder schwächeren Intension für die verschiednen Silben des
Wortes u. Satzes. In der Musik nennen wir es marcato. Im
Gesänge dient das marcato zur Gliederung nach Takten u.
Takttheilen. Außerdem zur rhetorischen Hervorhebung beson-
ders wichtiger Töne: diese Art des marcato bezieht sich auf den
10 Inhalt, die erste mehr auf die äußere, zeitliche Form. In der
Sprache hebt das rhythmische marcato die Hebungen vor den
Senkungen heraus. zB. im Jambus. Außerdem noch die l o g i -
sche Hervorhebung einzelner Worte. „Der Tag bricht an, und
Mars regirt die Stunde." Es sind also der Wortaccent, der
15 rhythmische Ictus und bisweilen noch das logische marcato zu
unterscheiden. Im Deutschen allerdings liegt das rhythmische u.
das logische marcato immer auf den Silben, die zugleich den
höhern Wortaccent haben, nämlich auf den Wurzelsilben. Des-
halb finden wir uns schwer in das Lesen des Griechischen.
20 Die latein. Grammatiker unterscheiden die Tonhöhe altitudi-
nem die Stärke des Hauches crassitudinem, die Tondauer longi-
tudinem. Das Wort irpoacoSia, lat. accentus faßt den Ton jeder
Silbe als einen Gesangston der Tonleiter. Die Musik der Wortbe-
tonung war künstlerisch ausgebildet in der Musik der redneri-
2.5 sehen Betonung. Cicero sprach in allen Tonhöhen, so weit der
Umfang einer Mannesstimme reicht. C. Gracchus ließ sich mit-
ten im Strome seiner Rede von einem Flötenbläser der hinter
ihm stand, auf dem Tovdpiov die Tonhöhe für bedeutende
Stellen der Rede angeben.
30 1. Der s c h a r f e H o c h t o n a c u t a v o x , ö^eia 7tpoacp8ia er
war kurz). 2. D e r g e b r o c h e n e H o c h t o n 8ixovo<; oder rce-
piG7t(fl|j.8VT|, duplex oder inflexa vox, ex acuto gravique ficta.
Es ist ein langgezogener doppelter Ton, der nicht in gleicher
Tonhöhe von Anfang bis Ende fortschallte sondern gebrochen
286 Vorlesungsaufzeichnungen

wurde. Die erste Zeitweile ist der Hochton, die zweite sinkt
zum Tiefton herab. Am Schluß des Wortes läßt die Spannung
des Hochtones nach, der ermattende Ton sank von seiner Höhe
herab, wie der Klang der Saite tiefer wird, sobald ihre straffe
5 Spannung nachläßt. Wenn aber auf eine hochbetonte lange
Wortsilbe noch eine andre lange Silbe oder mehrere kurze Silben
vor dem Wortende folgten, so erforderte die Aussprache dieser
noch eine Anspannung: also konnte das Abspannen, das Sinken
auf jener ersten Silbe nicht stattfinden. Daher im Latein, wie
io im Griech. das Perispomenon nicht über die dritte More vom
Wortende rückwärts seine Stelle finden konnte, (das Zeichen ~
zu erklären) 3. Die z u s a m m e n g e s e t z t e n H o c h t ö n e . Die
lange Silbe, die nicht den abwärts gebrochenen Hochton hatte:
sondern den aufwärts gebrochenen.
15 Also fjv natürlich mit dem Perispom. weil aus eev, ebenso (pao<;
zu (prò?, vóo<; zu voßq. Der aufwärts gebrochene Hochton aber
in sav zu fjv, saxaóg zu saz(bg. Kein besonderes Zeichen dafür.
In der latein. Volkssprache zB. in maluisti deinceps duèllum
fuèrunt.
20 S t e l l e d e s H o c h t o n s . Einsilbige Wörter, wenn lang, haben
den gebrochnen Hochton. res pes sol. móns fóns Iis lux, bei
kurzem Vokal den scharfen Hochton mèi fél cor mórs fax pars.
Zweisilbige Wörter haben den Accent auf der vorletzten Silbe
und zwar den scharfen Hochton, wenn die letzte lang ist Rómae
25 réges léges cóhors prófert: ist die letzte kurz, hat die erste den
scharfen Hochton falls der Vokal kurz ist deus arma citus datus
dedit — aber den gebroch. Hochton, wenn sie lang ist z.B.
Róma ègit vixit duxit. | D r e i s i l b i g e oder mehrsilbige Wörter
haben den scharfen Hochton auf der drittletzten, wenn die
30 vorletzte kurz ist Rómulo impetu déderat déderint. — Die
vorletzte hat den scharfen Hochton, wenn der Vocal der vorletz-
ten kurz ist, aber durch Häufung der Konsonanten lang ist
puélla recéptus fenéstra tabérna | ebenfalls den scharfen Hoch-
ton, wenn der Vokal der vorletzten lang und die letzte Silbe
Votlesungen über lateinische G r a m m a t i k 287

lang ist pudicae R o m a n i praetóres legérunt (also auch wenn die


letzte nur durch Position lang ist.
Der Hochton auf der Endsilbe (Perispomena). Der Hochton
kann nur durch Vokalausfall auf die letzte Silbe kommen. zB.
5 illic illàc tantón audin prodüc nostràs (für atis) So führt Priscian
an fumät für fumavit, audit für audivit. Allmählich zog sich in
Formen wie prodüc Antiäs der Hochton auf die vorletzte zurück:
nach dem uralten Hange, die Endsilben t i e f tonig zu sprechen.
Ein V o r s c h i e b e n des Hochtons auf die Endsilbe ist undenkbar,
io Nun aber giebt es schon zu Quintilians Zeit eine Theorie, daß
die latein. Spr. gewisse O x y t o n a u. Perispomena kenne, Präposit.
Adverbien C o n j . Pronom. um sie von gleichlautenden Wörtern
andrer Bedeutung zu scheiden. Z . B. pone neben Imperat. póne,
siné neben sine Imperat. circüm neben circum Subst. falsò Adv.
15 neben Adj. falso. Zugleich sagt uns Quinktil. (Quint. 1,5,24),
daß nur einige Grammatiker jene Betonung zur U n t e r s c h e i d u n g
anwenden, daß andre Gelehrte (Quinkt. selbst) u. der Sprachge-
brauch dagegen sei. Die Theorie geht auf Nigidius Figulus
zurück. Die Wortbetonung thut die Einheit des Wortkörpers dar
20 u. bezeichnet die Bedeutsamkeit der verschiednen Glieder dieses
Körpers, aber nicht die Bedeutung des Wortkörpers andern
gegenüber. Die Quelle des Irrthums ist die griech. Betonung von
Jtàpa neben Tiapä, £7U neben èjri, nÓCToq neben Ttocrcx;.
Wann steht der Hochton auf der vorletzten kurzen Silbe?
25 Priscian: u. ebenfalls Gellius sagen, daß man in ihrer Zeit die
Vokative Vergili Mercuri betonte. Dagegen wird es als eigen-
thümlich dem Nigidius angeführt, daß er Vèrgili Mercuri emp-
fohlen habe. Gellius meint, wer so spräche, würde ausgelacht.
Der Z w e c k jenes G r a m m a t . war Unterscheidung gleicher For-
30 men: also Vergili Genet. | Vergili Vocativ. nach Analogie von
"AnoA,X,ov I T ó a e i S o v . | Liv. Andron. ja noch in Cicero's Zeital-
ter wurden gelegentlich die vollen Formen gesprochen Laértie.
Das e wirkte noch, auch als man es nicht mehr schrieb.
288 Vorlesungsaufzeichnungen

Accent in Fremdwörtern. Ein Prozeß der Acclimatisation; um


so stärker, je häufiger ein Wort ist: es wird heimischen Worten
immer ähnlicher. Der älteste Verkehr im Zeitalter der Tarqui-
nier: Namen von Ländern u. Völkern, von Münzen (drachuma
mina), von einzelnen Göttern Hercoles Poloces Polluces: im
Gesang der Fratres Arvales triumpe für öpiajxße. Eine zweite
Periode in der Zeit der Karthagischen Kriege, dann als durch
Livius Naev. Ennius epische u. trag. Dichtungen der Griechen
nachgeahmt wurden, besonders aber durch die comoedia pal-
liata eine Menge Namen für griech. Dinge auf der Bühne. Naive
Umbildungen Alexanter trapessita Alcumaeo Hecoba Bruges.
Catamitum für Ganymedem, Alumento für Laomedon. Die No-
minalendung os nach r fällt ab Antipater Evander. Die Endung
on wird zu o verkürzt Amphitruo Apollo (erst die Dichter der
august. Zeit bevorzugen on). Nach dem Muster von praetörem
quaestörem verlängerte die alte Sprache zB. Hectörem Castö-
rem. Die Endung -m wird zur Regel, auch bei Cicero, daneben
-a, das bei den Dichtern überwiegt. Die Flexion der Femin. auf
o wurde geändert Calypsonem Didonä. Die auf eus wurde wie
o-Stämme behandelt Atreum Oeneum. Und so ist es immer in
der Prosa üblich. Griech. Neutra auf os ebenfalls nach der o-
Deklination melum melos Acc. Plur. Auch Oedipus als o-Stamm.
Oedipo Ablat. Die Scenischen Dichter behandeln die Neutra auf
a als a-Stämme schemä Abi. dogmam Acc. (n wurde in dem
Vocativ abgeworfen Calcha Atla) bei is ist der Vocativ auch is
o Thais: erst die Dichter der august. Zeit sagen Thai. Das s im
Nomin. der a-Stämme abgeworfen poeta sophista Hermagora.
Das a wird gekürzt historiä philosöphia. Plautus zeigt freie
Weiterbildungen mit latein. Suffixen ario, ano osus, sycophan-
tiosus, diobolaria. | Eine dritte Periode beginnt mit Attius, der
sich den griech. Wortformen zuwendet. Seitdem beginnt bei
den Gebildeten das Schwanken: der Vokal i) wird zugleich
geschrieben, auch die Aspiraten ph ch th. Varro stand entgegen. |
Eine vierte Periode durch die august. Dichter, deren Einfluß sich
Vorlesungen über lateinische Grammatik 289

später auch auf die Prosa verbreitete. Gen. auf T|<; o<; 105 eos
uos üs, Dat. auf ei, Accus, auf a ea an en on in yn. Vokativ auf
i. Nom. Plur. auf es.
Für die Betonung ist Grundsatz: Graeca nomina si iisdem
5 litteris proferuntur, Graecos accentus habebunt. Wenn dagegen
griech. Worten durch irgend eine Lautveränderung der Stempel
des latein. aufgedrückt war, dann Latein. Betonung. Also Póllux
Gráeci mina machina Aetóli Hannibal Carthágo Hécoba palma
(jtaX,ánr|) Alexánter Tecuméssa (TéK|rr|C7aa) Quint, erzählt, daß
10 in seinen ältern Tagen sich die Betonung geändert habe in Atreus zu
Atréus. Pallás. So Scipiádes (griech. Suffix mit seinem Accent)
Der T i e f t o n . ávei|iévr| von der schlaffgespannten Saite gravis
ßapeia: was in die Tiefe sinkt ist schwer. Tieftonig sind alle
Endsilben: daher die Verstümmelungen. Dann die Silbe die der
15 hochbetonten vorhergeht. Daher häufiger Ausfall clarus aus
calarus maniplário manipularlo, saeclaris für saecularis. sacrare
für sacerare. Tieftonig auch die vorletzte, die der hochbetonten
drittletzten folgte: ebenfalls Ausfall aedicla für aedicula, victrix
für victorix, saeclum für saeculum. supra für supera.
20 Der M i t t e l t o n . Böckh hat erkannt, daß im Latein, und Griech.
zwei einander nicht berührende Silben, in Worten die durch
Zusammensetzungen oder schwere Ableitungssilben ange-
schwellt sind, mit einem h ö h e r e n Ton als dem Tieftone gespro-
chen werden. Z . B . etpepov aber 8(pspó(ie0a. x In AaspiváSeco
25 óSuponévoiai 7táv8a(xát(Dp. (Kleinigkeits-Krämer Hándwer-
kerverein) Ebenso im Latein, also septingénti octogésimus con-
sanguineus. introdúcere longitúdo.

Über Tondauer.

Der Hochton ist an strenge Schranken gebunden. Wenn man


30 fer cónfer signifer ferácem ferácior feraciórem feracissimórum
vergleicht, so ergiebt sich, daß Zuwachs im Anlaut den Accent
rückwärts zieht, im Auslaut ihn bricht, oder ihn vorwärts zieht.
290 Vorlesungsaufzeichnungen

Der Hochton hat die Neigung sich möglichst weit in den Wort-
körper zurückzuziehen. Er kann nicht über die vierte M o r e
zurücktreten — u — | ù u - | — u u | ó u u | — u Die Tonlänge
der vorletzten Silbe bindet ihn: dann kann er nicht über die
5 dritte Tonweile zurücktreten oder vorschreiten - u u | — u
Der Hochton wird gebrochen in der letzten More durch die
Tonlänge des Vocals der Schlußsilbe. | Der Accent wird also
gebunden durch die Summe der Tondauer der 3 letzten Silben,
durch die Tondauer der vorletzten Silbe dh. er ist abhängig von
10 der Q u a n t i t ä t . Merkwürdig der Unterschied im Griechischen:
auch hier übt die Tondauer ihren Einfluß: sie bestimmt ihn, wo
er nicht stehen soll, aber nicht, wo er stehen soll. Beide Sprachen
haben das oberste Gesetz gemein, daß der Hauptaccent auf
einer der drei letzten Silben ruht: die Quantität beschränkt im
15 Griech. die Betonung, im Lat. beherrscht sie. Doch herrscht sie
nicht absolut. Der Accent bindet u. beschränkt auch wieder die
Tondauer des Wortes. Er übertönt tieftonige lange Silben, so
daß sie sich verkürzten zB. amö aus amö valé domi citö Der
Hochton übertönt tieftonige benachbarte Silben, so daß sie
2.0 verschwinden oder verstummen, palma (pälama fabrica (fabe-
rica) saeclaris nosträs (atis) Die rückwirkende Gewalt des Hoch-
tons ist die schwächere: sie zeigt sich im Ganzen vereinzelter.
Die Tonlänge aber herrscht nach festen Gesetzen. | Eine gewisse
Starrheit ist der Eindruck der latein. Betonung: es regiert der
25 Trochaische Ausgang. Die Griechen fanden eine Ähnlichkeit
zwischen der Lat. Bet. und dem starren stolzen Auftreten des
Altrömers.
E n c l i s i s . Tonanschluß an das vorhergehende Wort. Z . B . Bei
que ne ve-ce trat der scharfe Hochton auf die Silbe vor dem
30 enklitisch angefügten Wort. Häufig sind aus bloßen Tonverbin-
dungen untrennbare Komposita geworden.
Das unbestimmte Relativpronomen quis qua quid in si quis etc.
oft auch in einem Wort geschrieben. Ebenso nequis, ecquis
numquis quisquis aliquis: letzteres volles Kompositum, quot in
Vorlesungen über lateinische Grammatik 291

quotquot aliquot. | quando in siquando, nequando, auf dritt-


l e t z t e r Silbe zu betonen. Anders in den Composita ali-
quando. | quam in quisquam nusquam usw. | que in quisque
uterque plerique | utrâque plerâque zu betonen Nach Priscian
5 wurde itaque gesagt „und so": aber itaque „daher". Ebenfalls
déinde éxinde périnde proinde, egômet, ubique (und wo)
Die eigenthümliche enklitische Betonung zeigt sich darin, daß
die vorletzte lange oder kurze Silbe den scharfen Hochton
bekommt. Tritt volle Komposition ein, dann auch das allge-
io meine Accentgesetz. zB. itaque
T o n a n s c h l u ß an das folg. Wort. Einsilbige Präpos. vielfach
mit dem folg. Nomen zusammengeschrieben, apopulo abhinc
adunum adhuc inintegrum. interdiu. Nach dem Zeugnisse der
Grammatiker verloren auch zweisilbige Präpositionen vor dem
15 folgenden Casus ihren Hochton. extra contra infra adversum
usw. A l l e Präpos. überhaupt sind tieftonig gesprochen worden.
Dagegen behielten sie nach Priscians Zeugniß den Hochton,
wenn sie n a c h der Casusform standen, qua prôpter ebenso te
pênes. Bei vielen aber gilt es nicht zB. nobiscum. quantenus.
20 quôad parümper. | Vollkommnes Verwachsen von Präpos. mit
dem Wort tritt nicht selten ein zB. âdmodum pérviam obiter
(bei Wege" im Vorbeigehen) âffatim.
Ä l t e r e s B e t o n u n g s g e s e t z . Ein hochbetonter Vokal ist
vermöge seiner Klangstärke am wenigsten geneigt, zu verklin-
2.5 gen. Die Silbe des Wortes, die den Hochton hat ist gegen
Verstümmelungen geschützt. Dagegen ist Thatsache, daß große
Massen von Vokalen die nach dem späteren Accentgesetz hoch-
betont gesprochen sein mußten, sich kürzen u. schwinden. M a n
wird zu dem Schluß gedrängt, daß jene zahlreichen Gruppen
30 einmal nicht hochbetont, sondern tieftonig gewesen sind, daß
also ein andres Betonungsgesetz herrschte. Zweierlei ergiebt
sich 1) daß die drittletzte auch hochbetont gesprochen werden
konnte, auch wenn die vorletzte lang war z) daß die f e t z t e den
Hochton haben konnte. Z u 1) zB. dixti aus dixïsti intellexti
292 Vorlesungsaufzeichnungen

amastis. Apollinis aus Apollönis (hömönis) illius aus illlus lllTus.


Auch die Vokalschwächung in condemno erklärt sich aus con-
demno conspergo confectus | sürpuit aus suripuit rettuli aus
retetuli | animal(e) frügifer(us); äccipio muß gesprochen worden
5 sein: woher sonst das i? | Der Friede zwischen den kämpfenden
Elementen war hergestellt, als die römische Litteratur zur Ent-
wicklung kam. Manlius u. Manilius. Aber auch im Griech.
gab es eine Periode anderer Accentuation. KaßßaA,e Känneae
yiyvo|iai||

10 Cap. 25. Wortbetonung u. Versbau.

Es entsteht die Frage, in welchem Verhältniß die Wortbetonung


zu dem Versbau, vor allem zu den Vershebungen steht: dh.
die Tonhöhe zu dem rhythmischen marcato? (also Höhe
zu Stärke des vokalischen Elementes?) Im Allgemeinen 4
15 Möglichkeiten.
1) Der Dichter richtet sich nach der natürlich. Silbenquantität,
was das rhythmische Zeitmaaß betrifft. In Beziehung auf den
rhythm. Ictus nach dem Wortaccent. Kommt nicht vor. 2) Der
Dichter macht die natürliche Quantität der Silben zur Grundlage
20 des rhythmischen Maaßes, aber er bestimmt den rhythmischen
Ictus mit künstlerischer Freiheit, ohne Rücksicht auf den Wort-
accent. Dies die q u a n t i t i r e n d e Poesie
3) Der Dichter schließt sich in Beziehung auf den rhythmischen
Ictus dem Wortaccent an, aber er bestimmt die rhythmische
25 Zeitdauer nach künstlerischem Ermessen, ohne Rücksicht auf
die natürliche Quantität. Die a c c e n t u i r e n d e Poesie.
4) Der Dichter bestimmt ganz unabhängig rhythmische Zeit-
dauer u. rhythmischen Ictus. (das Volk der Iranier steht ur-
sprünglich auf diesem Standpunkt.)
Vorlesungen ü b e r lateinische G r a m m a t i k 293

Die Griechen folgen der quantitirenden Metrik. Der Wort-


accent kommt zu gar keiner Berücksichtigung. Das will uns
Deutschen (Rhythm. = Wortaccent) nicht recht natürlich
erscheinen: in allem Ernst ist ausgesprochen worden, daß das
5 überlieferte Accentuationsystem ein alexandrinisches Produkt
sei. Diese Ansicht verkennt, daß Wortaccent u. rhythm.
marcato im Grunde etwas ganz verschiednes sind. Die griech.
Poesie ist ursprünglich eine durchaus melische. Hier verschwin-
den dennoch die Accente (als Tonhöhen) vollkommen unter
10 der Melodie. Wie aber wurde der Hexameter deklamirt?
Haben die Rhapsoden die rhythmische Ictussilbe auch zu
einer hochbetonten gemacht? Nein.

Wir lesen
Tpoieq 8' ai)0' exe pcoGev è 7ti öpcoa n cp 7ie5i OIO
>5 r r r w r f t r r r f f rr
Die Griec ien
f rr 1r ì, tK r t ì r ,r f rÌ
f r
Dabei ist auf den xövoq Jtepia7tö)|i£VO<; keine Rücksicht gen
men. (Unsre Hexameter haben ein ganz anderes f|0oq als die
20 Griech.: zum yevoq 8iJtXämov gehörig u. ohne die Mannichfal-
tigkeit der Tonhöhe) 1 2

12
I n t é r d ù m v o l g ù s rectum videt, est ubi p e c c a i ,
erst nach unsrer A r t , dann richtig

h u m ä n o capiti cervicem pictor e q u i n a m


¡ungere si velit et v ä r i a s inducere p l u m a s
(solvitur | acris hi | ems g r a | ta vice || veris ] et Fa | v o | ni

"i ) ) l ) . H J> J O
„ O w e n n d a s H e r z euch w a r n t , folgt seinem T r i e b e " .
294 Vorlesungsaufzeichnungen

Für die l a t . Sprache ist dies die Frage: ob neben der Tondauer
auch der Hochton der Wörter von Einfluß auf den altlateini-
schen Vers gewesen ist. Dies wurde von Bentley G. Hermann u.
Ritsehl behauptet, von Corssen bestritten. Nach R i t s e h l stelle
5 man sich dies so vor: Der lat. Versbau beruht auf der Quantität:
doch verbinden die älteren scenischen Dichter die Rücksicht auf
den Wortaccent: dh. Übereinstimmung von rhythm. Ictus mit
Hochton, s o w e i t dies Quantität u. Metrum gestattete. Die
allgemeine Tieftonigkeit der Endsilbe zwang dazu, den Wider-
10 streit zwischen rhyth. Ict. u. Hochton zuzulassen. Die gewöhnl.
Versmaaße des Dialogs, iamb. Senar, trochäischer Septenar
schließen mit einer Vershebung: sollten nun Hochton u. rhythm.
Ictus immer zusammenfallen, so hätten am Schluß nur einsilbige
Worte stehen können. Am S c h l u ß des Verses gestatten die
15 scenischen Dichter den Widerstreit: auch noch in dem vorletzten,
selten drittletzten Versfuß. Durch den Gebrauch der scen. Dich-
ter erhielt der Widerstreit hier seine Berechtigung: später wurde
er als Feinheit erstrebt. In der august. Periode herrscht aus-
schließlich die Quantität. C o r s s e n dagegen leugnet ein allmäh-
20 liches Weitergreifen des Zwiespaltes: gerade der jambische Senar
zeige das Zusammenfallen später immer häufiger. Die ältesten
Dichter, die der saturnischen Verse, hätten gar nicht darnach

[„Welches Wunder begiebt sich? Wir flehten um trinkbare Quellen usw."]


„Hast du den Säugling gesehen, der unbewußt noch der Liebe

1) die Quantität vernachlässigt


2.) die Taktarten haben sich verschoben Hex. = 3/8, Iamb. zu 2/8.
3) das rhythm. Schema wird viel schärfer markirt (weil Hochton
zugleich darauf fällt) (die Verse klappern mehr)

das rh. Schema herrscht: die Worte selbst können bald so bald so gelesen
werden. zB.
— u u — — u u —
ich bin entehrt wenn uns der Fürst entkommt.
O y u - u — u — u —
Vorlesungen über lateinische Grammatik 295

getrachtet Versiktus u. Hochton in Einklang zu bringen: wie


sollten die späteren scenischen Dichter darauf gekommen sein?
In der vaterländ. Dichtkunst fanden sie dies Princip nicht, in
dem griech. Muster auch nicht. Woher ein neues, so schwieriges
5 Princip? Worin liegt denn der Grund, daß im latein. Versbau
Hochton und Versiktus vielfach u. häufiger im Einklang stehen
als im Griechischen? Dies war bei der eigenthümlichen Wortbe-
tonung unvermeidlich: in der röm. Volkssprache des Plautus hat
beinahe ein Drittel aller Worte lange hochbetonte Penultime, in
10 der Sprache des Aristophanes nur etwa Yt. Es war die Eintönigkeit
der lat. Accentuation, die dies Zusammenfallen veranlaßte 1 3
Abgesehen von den Ursachen, darf man aussprechen: in der lat.
Poesie fällt rhythm. Ictus u. Wortaccent zusammen, w o nach
einem Trochäus oder Spondeus u. meist auch nach einem Dakty-
15 lus eine Cäsur oder Versende eintritt: ein Conflikt findet statt
bei Ausgängen auf Jambus u. Anapäst. zB. am Ende beider Cola
des Pentameters, des jambischen Trimeters. Die latein. Poesie
ist eine quantitirende, wie die Griechische: aber für bestimmte
Partien des Metrums auch eine accentuirende. Ob dies den
20 scenischen Dichtern zum Bewußtsein gekommen ist? Das ist die
Frage. Dies muß man annehmen, wenn ihre heimatliche Poesie
dem Accentuationsprincip folgte. Diese Ansicht wird von West-
phal vertreten, der von den ital. Völkern behauptet, daß sie
nicht bloß die Allitteration, sondern auch die Herrschaft des

Dreisilbige Wortformen
im Griech. im Lat.
U — V v — u
— — o — — u
u — — u — —
/ /A
OOO O u u
— O O — u u
u O— 0 u —
— O ^ — u —
296 Vorlesungsaufzeichnungen

Wortaccents besessen haben. Auf den iguvinischen Tafeln finden


sich Fluch- und Segenscarmina der Umbrer: er theilt sie nach
der altgerman. Langzeile. Wichtig das Carmen bei Cato de re
rustica 141 bei der Sühnung von Hof und Grundstück durch die
5 Suovetaurilienopfer (an Vater Mars): rein accentuirend. Welche
Stellung hat der quantitirende Saturnier neben dieser accentui-
renden Poesie? Unmöglich kann doch dasselbe Volk aus sich
heraus 2. Principien folgen. Vielleicht ist der accent. Vers der
Umbrer u. der lateinischen Bauernpoesie die Voraussetzung des
10 Saturniers. Beide sind metra dicola, beide enthalten 8 Takte dh.
8 Ictussilben.
u— u— u— — | — u — u — — der Saturnier unterdrückt die
Senkungen seltener u. hebt sein erstes Colon immer mit einer
Senkung an. Der Hauptunterschied aber ist, daß die H e b u n g
15 im Saturn, eine prosodische (Quantitäts)bestimmtheit bekom-
men hat = eine Länge: ein Zusammenfall des rhythm. Ictus
mit dem Wortaccent findet nur am Schluß des Colons statt.
summas opes qui regum |
regias refregit
20 fundit fugat prosternit |
maximas legiones
malum dabunt Metelli |
Naevio poetae.

Die quantitirende Stufe ist also noch nicht vollkommen erreicht,


2.5 nur in den Hebungen. Die gräcisirende Metrik vollendet den
Prozeß: aber die Quantitätswillkür der Senkungen im Saturnier
wirkt auch noch fort in den Senkungen des scenischen Verses:
die Vorliebe für Allitteration u. für Übereinstimmung von Wort-
accent u. rhythm. Marcato ist der noch nicht erloschene Rest
30 der primären italischen Metrik. — Hier bleibt jedenfalls der
Übergang aus e i n e r Form (der accent.) in die andre ganz
unerklärt. Die Saturnier zeigen keinen Rest mehr vom accentuir.
Princip: zB.
Vorlesungen über lateinische Grammatik 297

novém Jovís concórdés | filiaé sorórés | 5 Silben


noctú Troiád exíbánt | cápitibús opértís | 6 Silben
Consol censor aidílís | hic fuít apúd vós | 5 Silben

Cap. 26. Die ältesten Sprachdenkmäler. Monumenta minora.

5 i. Münzen Taf. 5—7


2. Weihgeschenke (I u. II)
3 Specula 7 Stück (Tafel I —II)
4 Sortes Orakel 17 Stück (Taf. II)
5 Glandes Schleudergeschosse (Taf. 8 — 9)
10 6 Tesserae Gladiatorenorden (echt c. 70)
7. lateres taf. 12.
8 Pocula 10 Stück Taf. 1 0 — 1 1
9. Ollae Grabtöpfe Taf. 13 — 15
10. Graffiti u. Dipinti.

15 Die Sortes Orakeltäfelchen aus dem ital. Fortunakult (sortes


Praenestinae, lucus a non lucendo) 17 sind bekannt geworden.
1) iubeo etis ei si fecerit gaudebit semper
2. NON-SVM-MENDACIS quas dixti consulis stulte.
3. Conrigi vix tandem quod curvom est factum rede
2.0 4. qur potis postempus consilium quod rogas non est
5 De vero falsa ne fiant judice falso
6 Nunc me rogitas nunc consulis tempus abit iam
7 laetus lubens perito quod dabitur gaudebis semper
8 quod fugis quod iactas tibei quod datur spernere nolei.
25 9. est equos perpulcer sed tu vehi non potes istoc.
10. formidat omnes quod metuit id sequi satiust
1 1 . Credis quod deicunt non sunt ita re fore stultu.
12. Hostis incertus de certo nisi caveas.
13 permultis prosum ubei profui gratia nemo
30 14 postquam ceciderunt sei sum consulis tun me
298 Vorlesungsaufzeichnungen

15 homines multi sunt credere noli


16 de incerto certa ne fiant si sapio caveas
1 7 est via fertilivor qua vi sequi non

Daß das Orakelwesen metrisch verfährt, an sich wahrscheinlich:


5 dazu überall daktyl. Rhythmus. Bei Durchführung des Rhyth-
mus überall Hemmungen. Unverständlicher Sinn. Theils metri-
sche Sonderbarkeiten (vom Standpunkte der august. Metrik aus)
Auch die unverletzten Originale hatten schon Fehler zB. 3. rede
für crede, in 16 si sapio für si sapis, in 1 7 fertilivor. Diese
10 Täfelchen wurden zu Tausenden angefertigt, handwerksmäßig
daher Ungenauigkeiten. Der Graveur (dem das Bewußtsein des
Metrums ganz fehlte) hat mitunter auch verschiedne Sprachfor-
men (prosodisch verschieden) mit einander vertauscht, wenn sie
nur denselben Sinn gaben.
15 Die Sortes sind Vulgärhexameter: sie nehmen eine Mitte ein
zwischen der scenischen Metrik u. der daktylisch. Die Nachläs-
sigkeiten des gemeinen Lebens haben darin Platz | die Vokallän-
gen im Auslaut zu Kürzen abgeschwächt. zB. conrigl vehi impera
probé. Abfall des s am Schluß zB. consuli' 2.6.14 | peti' 4 | laetu'
2.0 7 | fugi' 8 | equo 9 | sapi 16. r abgefallen in datur spernere 8
rögäs non est 4. In 5.16. falsa certä ist die Macht der Caesur
gültig. Spondeische Ausgänge 3.7. factum créde | gaudébis sém-
per
Allen Vor-ennian. Metren ist die Auflösungsfähigk. der Thesen
25 zu eigen. con|silium 4 | sätiust 1 0 | cäveas 1 2 . 1 6 | pos<(t)quam
ceciderunt 14 | in 1 0 quod métuit id sequi sätiust metuTt entweder
Perfect. oder e in met. ist durch den Wortaccent lang geworden.
(In 1 . jübeo daktylisch)
2. non sum menda c i s qua m dixti: consulis stulte. überliefert
30 quas (non sumus mendacis)
3. Conrigi vix tandem, quod c ü r v o m e s t factum, créde.
4 cur petis póstempus consilium? quód rogas non est.
5. De vero fals ä ne fiant iudice falso.
Vorlesungen über lateinische Grammatik 299

6. Nüncine me rogitas, nunc consulis? tempus abit (abiit)


iam
7. Laetus lubens petito: dabitür: gaudebis semper, quod zu
streichen.
5 8. Quod fugis quod iactas ( = abicis) tibei quöm datur sper-
nere nölei
9. est equos perpulcer sed tu vehi non potes istoc.
10. Formidät omnes: quod metuit id sequi sätiust.
1 1 . Credis quöd deicünt: non sein te ita re fore stultum ?
10 1 2 Hostis incertüs de certo f i t , nisi cäveas
13 permultis prosüm: ubei profui K f u i ) einsilbig), gratia nemo.
(für gratia nulla)
14. Postquam ceciderunt s p e s omnes, consulis tun me
15 m e n d a c e s homines multi sunt: credere noli.
15 16 De incerto certä ne fiant si sapi s cäveas
17 est via fertilior: qua v e s t i g a s , sequi non est.
1 . iubeo ut iüssi: si faxit gaudebit semper fecrit?

Altröm. Inschrift in Basel (auf Thonschieferplatte)


Q. Caecilius. Cn. A. Q. Von vornherein waren Bedenken
20 Flamini. leibertus .. n . , . , ,
„ . . . geäußert (wegen des Materials und
lunone Seispitei
matri Reginae. des frischen Charakters der Schrift.

Nach Mommsen:
Es ist die gewöhnl. Schrift der späteren Zeit der Republik.
25 Die eigentlich archaischen Formen finden sich nicht, zB. U, mit
denen Fälscher paradieren. Dagegen fehlen alle entschieden mo-
dernen Formen zB. M: vielmehr durchaus M, das kurzge-
schwänzte CL, das etwas kleinere O, alles Dinge, die einen sehr
kundigen Fälscher voraussetzen würden. Wichtig nun der Inhalt:
30 ein Freigelassener dreier Patrone, Cn. Caecilius, Aulus Caecilius,
Q. Flaminius, sein Name zusammengesetzt aus dem Vornamen
des Einen, dem Geschlechtsnamen der beiden Andern Patrone.
300 Vorlesungsaufzeichnungen

(dies in der republik. Zeit gewöhnlich.) Der Mangel des Cogno-


men zuerst anstößig, n i c h t aber für die älteren Steine, auf
denen für Freie und Freigelassene vielfach der dritte Name fehlt.
Der Name der Gottheit entspricht den Initialen Juno. S. M. R.
5 oder J. S. M. R. Festus p. 343 bezeugt Sispitem Junonem quam
vulgo sospitem appellant, antiqui usurpa<^ba)nt. Das volle Aus-
schreiben ist auch dem höhern Alterthum eigenthümlich. |
Mommsen behauptet nach alledem, es gäbe keinen Gelehrten,
der so etwas fälschen könne. Wichtig auch der Fundort: am
10 westl. Abhänge des Palatin. Der einzige nachweisbare Tempel
der Juno Sospita lag auf dem Palatin. | Der Zeit nach nicht vor
der Mitte des 6t Jahrh., da das 1 die gewöhnl. Form hat, während
die Senate, de bach. von 568 noch V hat. Der alte Dativ e
Junone meist nur auf Denkmälern v o r dem 7 Jahrh. Ungefähr
15 von 5tem bis 7 Jahrh. Der Tempel auf dem Palatin bei dem
großen Brande 643 zerstört. Also ist wohl die Inschrift älter als
643.
Dagegen machte Ritsehl geltend das R , er hielt einen solchen
Wechselbalg bei einem römischen Steinmetzen für unmöglich Bei
20 dreimal. Wiederkehr ist ein Versehen nicht möglich. Ebenfalls
anstößig die falsche Proportion zwischen Höhe und Breite gewis-
ser Buchstaben, des E und B. Auch die geschlossene Schlinge
des P.
So stand Unwahrscheinlichkeit gegen Unwahrscheinlichkeit: an-
25 tike Fassung in moderner Schrift — moderne Copie eines echten
Originals. Henzen entdeckte in der römischen Campagna den
Juno-Sispesstein (in Lanuvium.) Jetzt fällt die Vermuthung, <(...)
vor der röm. Juno. Cultus der Juno Lanuvina, die auch in Rom
offiziell anerkannt war. Es ist ein Theil des heil. Bauwerks
30 selbst. Die Inschr. etwa aus der Mitte des 7 Jhd. Man vergleiche
die Buchstaben.
Vorlesungen über lateinische Grammatik 301

Tab. LH A Das Soranische Epigramm,


(die saturn. Verse durch weitere Zwischenräume bezeichnet.)

Quod re suä difeidens äsper[ed] afleicta


Parens timens heic vovit voto hoc soluto
5 Decuma facta poloucta leibereis lubentes
Donü danünt Hercolei 14 mäxsume, mereto
oder Herco — lei mäxsume mereto
Semöl te oränt se vöti crebro cöndemnes.

„besorgt über sein hart gefährdetes Vermögen" „nachdem sie


10 den zehnten gemacht und dargebracht haben" (von pollucere
ein Opfer mit Opfermahlzeit darbringen) der iote Theil einer
nicht näher bezeichneten Summe: „Zugleich bitten sie dich sie
noch oft zur Zahlung eines Gelübdes zu verurtheilen." | o für
u Hercolei, e für i mereto. semol. | Donu dare = dono dare,
15 angebl. Dativ. | danunt, wie bei Plautus Naev. Pacuvius (alle
Dichter des 6 Jahrh.); nequlnont prodlnunt redlnunt: abgeleitete
Verba, mit in gebildete wie in iter u. itiner, prode-inunt | Nom.
Plur. der zten auf is in leibereis, so im Sc. de bach. ques,
conscriptes, Italiceis, eis | lubetes ist im Original, wie cosol
2.0 termeses. coniux.

Ritsehl tab. XLIII A.C.


I n s c h r i f t e n aus dem H a i n v o n P i s a u r u m .

Junone Regina Matre Matuta


Matrona Dono Dedro
2.5 Pisaurese Dono dedrot. Matrona.

Aus der Zeit vor dem 2 punischen Krieg, ins Ende des
fünften Anfang des 6t Jhd.

14
Hercolei zweisilbig liest Ritschi.
302 Vorlesungsaufzeichnungen

taf. 18. Sendschreiben der Consuln an die Teuraner (nicht Sena-


tusconsultum) in Betreff der Bacchanalien-Verschwörungen, (a.
568 (v. Chr. 186) cf. Livius 39,8 ss.
De Bacanalibus quei foideratei esent ita exdeicendum censuere.
Neiquis eorum Bacanal habuisse velet. Sei ques esent, quei sibei
deicerent necesus ese Bacanal habere, eeis utei ad praetorem
urbanum Romam venirent deque eris rebus, ubei eorum verba
audita esent, utei senatus noster decerneret, dum ne minus
senatorbus C adesent, quom ea res cosoleretur. Bacas vir nequis
adiese velet ceivis Romanus neve nominus Latini neve socium
quisquam, I Inisi prlaetorem urbanum adiesent isque de senatuos
sententiad, dum ne minus senatoribus C adesent, quom ea res
cosoleretur, iousiset. Censuere. |
Sacerdos nequis vir eset. Magister neque vir neque mulier quis-
quam eset. Neve pecuniam quisquam eorum comoinem habuise
velet neve magistratum neve pro magistratud neque virum neque
mulierem quiquam fecise velet. Neve post hac inter sed coniou-
rase neve comvovisse neve conspondise neve conpromesise velet
neve quisquam fidem inter sed dedisse velet. Sacra in oquoltod
ne quisquam fecise velet neve in poplicod neve in preivatod
neve extrad urbem sacra quisquam fecise velet nisi pr| |J

Marcellus-inschrift von Nola.


M . Cl. Marcello
Romanorum ensi
fugato Hannibale
direptis Syracusis
V. Cons
S.P.Q. Nolanus.

Cl als Abkürzung für Claudio ist sehr bedenklich: solche saloppe


Abbreviatur kommt erst in den spätesten Zeiten vor. A m wenig-
sten auf einer Ehrenstatue zu erwarten, wo das nomen eben so
wichtig als das cognomen. Bedenklich das Cons. dafür nach
Vorlesungen über lateinische Grammatik 303

uraltem Herkommen Cos. Was ist V.cons.? Jedenfalls viro con-


sulari, da es sonst consuli quintum oder quinquiens heißen
müßte. Als offizielle Titulatur ist vir cons. sehr ungewöhnlich.
Jedenfalls ist die Stellung von v. c. ganz unerhört. Dann der
5 Ausdruck Romanorum ensis, ein merkwürdiger Ehrentitel. |
Daß sich die Municipalbehörde senatus populusque nennt, dazu
hat sie kein Recht: sie wird wegen falscher Titelanmaßung
verklagt worden sein, wie viele ihrer Kolleginnen. Aber wie kam
der Nolaner Senatus dazu, dem Marcellus eine Statue zu setzen?
10 Als er Nola einnahm 538, hatte er ein strenges Blutgericht halten
lassen, 70 hinrichten. Die Stadt bewahrte dann Treue: Marc,
machte von ihr aus 539 seine weitere Operation gegen den Feind
und besiegte den Hannibal zum 2ten Male, so daß er in die
Apulischen Winterquartiere zog. Dies mit fugato Hannibale zu
15 bezeichnen ist stark. Aber möglich: was aber hat die 3 Jahr
spätere Eroberung von Syracus mit Nola zu thun? Dazu direptis!
Da wäre captis richtig gewesen. Es kommt auf die Eroberung
an, nicht auf die Plünderung. Die Plünderung war vielmehr
der Schattenfleck. | Diesen Titulus konnten die Nolaner nicht
20 machen: die Form beweist, daß der Verfertiger ihn angesehen
wissen wollte als von den Nolanern im 6t Jhd. der Stadt gesetzt.
Damit ist die Fälschung erwiesen: ein Gelehrter des i5ten u. 16
Jhd|. Das wichtigste Beweismittel ist noch übrig. Die Inschrift
kann zu keiner Zeit des Alterthums entstanden sein. M, ebenso
25 das £ ) mit dem Schwanz unter der linken Hälfte des Kreises.
Das breitgesperrte H .

Pränestinische Inschrift.
Fortuna Primg C
L. D C V M I V S . M.F.
30 D O N . D E D I (Dede? oder dedi? beides möglich.)

Fortuna Primigenia, viell. Anfang des 6t Jhd.


Fortuna, Dat. nach populo senatu fide; DCumius ist keine
304 Vorlesungsaufzeichnungen

Sprachform, sondern Schreibung. Schwa. Gehört zu den Eigen-


thüml. des Pränestiner Dialekts (Schrift): eine graphische Vokal-
sparung (wie in novndinum novntiare Fovlvio: hier auch uralte
Schriftart, die den Vokal sparte)

Steinerne Grabinschrift.
Tab. L X X I X A.
Hospes resiste et parvom scriptum perlige
matrém non licitum esse unica gnata fruci
quam nei esset crédo néscio quei inveidit deus.
eam quóniam haud licitum est veivam a mätre ornàriér
post mortem hoc fécit aéque extrémo tèmpore
decorävit eàm monuménto quam deiléxserat.

titulus Mummianus. (LI tab. A)


L. Mummi L.f. Cos. | ductu
auspicio imperioque
éius Achaia capta | Corinto
déletó Romàm redieit
triümphans | ob hasce
res bene gestas — quod
in bello voverat | Ritschl quod is in bello voverat
hanc aedem ét signum
Herculis victóris |
imperator dedicat.
Der Schluß fällt aus dem saturn. Schema. Ohne Anstoß vorat
für voverat, wie admorunt bei Virg. remosse Lucr.
Ob Corinto Neutr. od. Mask. ist ist unentschieden. Griechisch
beides möglich. Saguntum Tarentum neben haec Sag. haec Ta-
rentus.
Merkwürdig, weil hier (a 608) die Gemination sich zeigt Mummi
bello Zweitens erwartet man nicht hanc für hance. In allen
gleichzeit. u. älteren Inschr. durchaus -ce. Drittens erscheint
Vorlesungen über lateinische Grammatik 305

zum ersten Male die Aspirata triumphans (in Corintho fehlt sie)
Viertens in Herculis ist u für o auffällig. Fünftens ganz auffällig
m für n in imperio imperator

Scipionengrabschr.
B tab. X X X V I I
Cornelius Lucius — Scipio Barbatus
Gnaivod patré prognatus — fórtis vir sapiensque
Quoiüs fórma virtù — tei parisuma füit
Consol censor aidilis — quei füit apud vos
Taurasia Cisauna — Samnió cépit
Subigit omné Lucanam — opsidesque abdoucit. 1 5

XXXVIII E
Hone oino ploirume co|sentiont R o m a i
Duonóro óptumo fu ise virò v i r o r o
Luciom Scipionem filios Barbati
Consol censor aidilis hic fuet a p u d v o s
Hec cepit Corsica Äleri — äque urbe p u g n a n d o d
dedet témpestate — büs aide méretod v ó t a m

<XXXIX> F
Quei àpice insigne dialis — fläminis gesistei
mors pérfécit tua ut — essent omnia brévia
honos fama virtusque — gloria atque ingenium.
quibüs sei in longa licu[i] — set tibe utier vita
facile factei[s] superäses — glóriam majorum.
qua re lubéns te in grémiu — Scipio recipit
terra Publi prognätum Publio Cornéli.

15
zu B) Ritsehl (Rh. Mus. 9.) sucht zu erweisen, daß sie nicht gleich nach
dem Tode des Barbatus gemacht sei, ja sogar jünger als die die auf den Sohn
des Barb. geht. E.
Mommsen widerspricht ebendort p. 461
Lucius | patre | fuit | Samnio accusat., nicht ablativ | subigit |
306 Vorlesungsaufzeichnungen

XLI Ka
Magna sapientia mul — tasque virtutes
Aetate quom parva pösidet hoc säxsum
quoiei vitä defecit, non honos, honore, (Accus.)
5 is hic situs quei nunquam — victus est virtutei (Ablat.)
a n n o s gnatus viginti is locis mandatus:
ne quairatis honore (Dativ) quei minus sit mandatus.

Der dritte Vers so viel als cui brevitas vitae non indolis honos,
destituit honorem magistratuum.
10 Zuletzt soviel als annos viginti natus inferis est mandatus: nolite
igitur quaerere, cur minus sit honori magistratuum mandatus.

Tab. 37 — 42.
Die Scipioneninschr. die allerwichtigsten Steininschriften: durch
drei Jahrhund, hindurch, sichere Zeitansätze. Cf. Ritsehl Rhein.
15 Mus. IX p. 1.
1) 5t Jhd. oder Anfang des 6t. ABDE (überall V , in allen andern
L
2) Ende des 6t. Jh. CFGH
3) Anfang des 7t. KL. — Über I nichts auszumachen. —
Stemma: (siehe folgende Seite)
20 Lex Cornelia de viginti quaestoribus. | a. 673 Ritsch, taf. 29.
Vermehrung der Quaestoren, sullanische Zeit. Der Orthographie
nach hält sie die Mitte zwischen der Gracchenzeit u. der Gesetz.
Cäsars (in der keine doppelten Vokale mehr vorkommen. Vorge-
bracht in den Tribuscomitien.
25 Senatuscons. de Asclepiade Polystrato Menisco in amicorum
formulam referendis. Ritsch taf. 30. Es gab gegen 3000 foederis
tabulae auf dem Capitol. Davon jetzt 2, das plebiscitum de
Termessibus a. 682 u. dies Senate, a. 676. Zugleich damit eine
griechische Übersetzung, damals in Rom gemacht u. fehlerhaft.
30 Lex Antonia de Termessibus a. 683. tab. 31. Termessus
major ist eine Stadt in Pisidien
Vorlesungen über lateinische Grammatik 307

L. Barbatus
cos 456, ces 465
A und B

Lucius
cons 495 de Poenis et Sard. Cors. triumph., ces. 496
D et E

1
Cn. Calvus Publius
cos. 532, +542. cos 536, + 542 in Spanien
I in Spanien
I 1
Paulla u Cn. Hispallus P. African. maj. L. Asiagenus
Cornelia cos 578 und + geb. 519, cos 564,
C cos. 549, 560 de rege Antiocho
+ 569 triumph. 565

1
Lucius Cn. Hispanus Publius L. Asiagenus
lebt 20 Jahr praetor 615 lebt kurz Quaestor 587,
K L F lebt 33 Jahr
G

adoptione L. Asiagenus
P. Africanus min. Comatus
Aemilianus lebt 16 Jahr
geb. 569, H
cos. 607. 620
+ 625

Die Pisaurischen Steine tab. 43 und 44.

25 Lex Rubria de civitate Galliae Cisalpinae a. 705. Ritsch tab. 32..


Lex Julia Municipalis a. 709. R . tab. 33 u. 34. Von Cäsar selbst
rogirt. Das hat entdeckt in berühmter Abhandl. Savigny (Verm.
Schrift. 3, 279) Darin sind die gemeinsamen Rechte sowohl der
röm. Bürger in Italien als außer Italien zusammengefaßt.
30 Es giebt nur x i große Staatsurkunden erhalten bis zum Tode
Casars.
308 Vorlesungsaufzeichnungen

Quem h(ac) l(ege) (ad cos) profiterei oportebit, sei is, quom
eum profiterei oportebit, Romae non erit, tum quei eius | negotia
curabit, is eadem omnia quae eum quoius negotia curabit, sei
Romae esset, h(ac) lege profiterei oportebit, item isdemque
diebus ad consulem profitemino.
Es kommt das bellum Samniticum vel Marsicum (schlecht
sociale) Die lateinische Rasse kämpft mit der oskischen um ihre
Existenz. Die Städte Italiens verlieren ihre Autonomie, alles geht
allmähl. in Rom auf. Die Sprache wird einheitlich für Italien.
Die Archaismen verschwinden.
Inscriptiones pictae — et graphio exaratae.
Tafel 54 zu unterst: crudelis Lalage quae non am-
Darüber Jonicos.
Tafel III oben Casellium
hinc rogant
2. Puteolanis feliciter
omnibus Nucherinis
felicia et uncu Pompeianis
Petecusanis
(uncum minari)
7. C Cominius Pyrrichus et
L Novius priscus et L. Campius
Primigenius fanatici tres
a pulvinar synethaei
hic fuerunt cum martiale
sodali Actiani Anicetiani
sinceri Salvio sodali feliciter.
V 5. Niycherate, vana succula quae
amas Felicionem et at portam deduces
illuc tantum in mente habeto
XXIV 3 Zetema.
Mulier ferebat filium similem sui
vie
nec meus est nec mi similat sed
vellem esset meus
Vorlesungen über lateinische G r a m m a t i k 309

ego
et voleba ut meus esset.
9 L . Istacidi
At q u e m n o n ceno, b a r b a r u s ille mihi est.

Bücheler Rhein. M u s . 1857. X I I p. Z41.


Inscr. parietariae P o m p e i a n a e ed. C a r o l u < s > Z a n g e m e i s t e r
1871.

D a n n v o n d e m J e s u i t R a f f a e l e G a r r u c c i Brüssel 1854. mit


29 Tafeln.
Wie verbreitet die Sitte war, M a u e r n u. W ä n d e zu b e m a l e n ,
k ö n n t e m a n schon a u s griech. u. r ö m . Schriftstellern schließen.
Ö f f e n t l . u. private H ä u s e r , a u s w e n d i g u. inwendig. Entweder mit
einem rothen oder schwarzen F a r b e n s t o f f angepinselt (dipinti)
oder mit einem N a g e l oder etw. Ähnl. eingekritzelt, graffiti. D a s
harte M a t e r i a l steht bei d e m letzt, entgegen: es muß m a n g e l h a f t
werden. A m leichtesten vertikale, d a n n die horizontalen, a m
schwersten k r u m m e Linien. S o statt E 0 , statt F I1, statt M vier
Vertikale Streifen usw. P u n d R sieht ähnlich aus, B u. D . Sie
gleichen der s p ä t e m Cursivschrift. Sehr schwer zu lesen.
Was d a s Alter betrifft, so ist der größte Theil erst k u r z vor
der Verschüttung entstanden. Eine, mit einem rohgezeichneten
Fisch, I m p . O t h o , d a s einzige e p i g r a p h . D e n k m a l , w o dieser
K a i s e r genannt wird. D o c h giebt es a u c h bedeutend ältere. D i e
meisten oskischen I. befinden sich nicht auf Stuck sondern
sind auf die soliden T u f f p i l a s t e r geschrieben, welche m a n c h e n
E r d s t o ß ü b e r d a u e r t h a b e n G e m i s c h t mit ihnen latein. Inschrif-
ten, aber nicht mit jenen langgezog. s c h m a l e n B u c h s t a b e n der
g e w ö h n l . W a h l e m p f e h l u n g e n , sondern breit u. stark mit älterem
C h a r a k t e r . A u c h die N a m e n der hier e m p f o h l . C a n d i d a t e n sind
g a n z andre. Wahrsch. a u s der Z e i t des bell, sociale. D i e älteste
datirte v o m J a h r 675. D a n n von 717. D a n n ein A l p h a b e t v o n
zi Buchst, o h n e Y u. Z , d a s Cicero de nat. deor. 2,37 u. n o c h
Q u i n c t . 1,4,9 a l s d a s echtröm. bezeichnet, X n o s t r a r u m ultima.
310 Vorlesungsaufzeichnungen

Dann finden wir Aprodita, Cresimus, Polucarpu, virei bonei,


veivant. Die osk. Denkmäler in Momms. unterital. Dial. S.
185 ff. u. Fiorelli Monumenta epigr. Pompeiana Neapel 1854.
Außerdem noch griech. Schrift.

5 doch wenige. zB. ó xoù Aiò<; Jtaù; KaXXiviKOi; 'HpaicXfj<;


ev0d8e KaxoiKeì- |ar|5èv eìctìtco koikóv.
Metrische Inschr. quisque amat valeat, pereat qui parcit amare
restantum pereat quisquis amare vocat
(bis tandem vacat)
Anhang:

Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches


<(Aeschylus: Choephoren, Verse i — 4 5 0 )

[SS 1869; WS 1869-70; SS 1870; SS 1871; SS 1874; WS 1877-78; SS 1878]


Nachschrift von Heinrich Geizer
— 3, 5 = Ar. Ran. 1 1 2 6 — 8, 1 1 7 2 — 3 )
Diese 4 Verse gehören eng zusammen, wie die a r i s t o p h a n i s c h e ) Stelle
beweist, und unbegründet nimmt Weil eine Lücke zwischen den V. 3
und 4 < a n ) .
5 f]K(o und Kax8p%0(j.ai sind synonym. Ein Verbannter f|K£i Kai Katep-
XStai. Diese Erkl. stimmt mit dem gewöhnl. Gebrauch von KaTep%o-
(iai (r|K£iv xropig aM,r|q au^cpopaq).
Bei kXüeiv, otKoCoai macht E<(uripides) die Bemerkung, zweimal sei
dasselbe gesagt: t o C 9 ' etepov ctuOvc; XEJEI er sagt wieder etwas
10 fal<sch>. Die Verse & |iOx8r|pe ou < k t I . ) gehören dem Aeschylus,
wie &) no/örips a ü erst beweist. Daß diese Verse dem Aeschylus
gehören, beweist der Fortgang. — Solche Wiederholungen wie kXüeiv,
(XKoCaai Prom. 448. Von Eur. ist Aesch. die Unklarheit vorgeworfen,
ztens Tantalien und Fluchwörter.
*5 { 6 — 7 ) 7iX<(ÖKanov k t ä . . ) stammen aus den Sch. zu der 4. Pythischen
Ode des Pindar. Auch von Stanleius hervorgeholt. M i t 7tev0T)Tf|piov
g e h ö r e t ) oö y ä p itapcbv. Warum ist eine Locke dem Inachos geopfert?
Die erste Locke hat er schon dem Inachos als Dank für die Erziehung
^geopfert). — Um die Locke concentrirt sich der Prolog. Warum
2.0 kommt <er)? Weil er erwachsen ( i s t ) ; er kommt, um den Vater zu
rächen. M i t diesen vier Versen <6 — 9 ) ist alles in Ordnung. Bei TlXotca-
(iov fällt die Bemerkung, weil er das Jünglingsalter erreicht haben
<muß). Erfurdt ist in seinem Rechte (El. des Soph. Z51) wenn er <6>
(pepco 8E setzt. Es müssen zwei Verba vorhanden sein. Zwischen TÖvSe
25 und <oö y<xp> ist blos ein Vers ausgefallen. Nach S7t' ¿Ktpopä VEKpoC
ist es nicht natürlich, daß nichts ausgefallen sei. Wahrscheinlich eine
Schuld.
316 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

<8 — 9 ) Diese Verse sind von Dindorf aus den Vatikanischen (Euripi-
des-)scholien hervorgenommen worden.
<10 ff.)
Jetzt tritt eine Veränderung ein. Man sieht Frauen in schwarzen Klei-
5 dem kommen. Als er die Frauen erblickt, denkt er an zwei v e r s c h i e -
dene) Dinge: entweder an einen neuen Unfall oder an den Tod d ( e s )
Agamemnon).
( 1 2 . ) n o i a i;i)|i(popä JtpoaeiK&aco; hat gewöhnlich nach ( s i c h ) ein
Fragezeichen. 7ip(o<T£lKä^co) heißt verähnlichen, dann etwas mit et-
10 was vergleichen. M a n würde da ein Object xoßxo verlangen. Aber
TtpoaevKüi^ö) heißt auch vermuthen. Das Wort kann auch mit Frage-
wörtern construirt werden. Soll ich vermuthen ob ein neues Unglück
unser Haus trifft: Ttoict £,U|i(popg;
Aber es tritt eine kleine Anakolouthie ( e i n ) bei fl Ttaxpl, da das
15 Verbum wiederholt wird. Bios ein Komma ist zu schreiben <12.) und
( n u n ) mehr ein Fragezeichen < 1 5 ) .
< 1 3 ) avxi xoC Ttfjua veov Sch. 7tfjna veov steht in dem Text. Für
7tfj(ia hat der Sch. ein anderes Wort gelesen, nämlich 7tX(ü|aa, was
Turnebus schon vermuthet hatte. Aber dies wird mit Recht von Frey
2.0 zurückgewiesen. — TtpoaKupsiv wird nämlich von Hesychius erklärt
durch Ttpooeyyi^ei, und später sei TtpocTsyyi^ei weggefallen. Die Spu-
ren dieses Ausfalls finden sich in <den Sch.:> avxi xoß 7tf|(ia veov.
Hesychius selbst ist ein vortreffliches Mittel zur Restitution des Ae-
schylus. — ( 1 5 ) vepxepoit; (iEiWyiiacn so hat der Mediceus. Eine
2.5 Erkl. von Herrn. Obs. er. 55: afferuntur ea ad manes placandos wie
Her. I 87 ¿yd) xaCxa STipT^a xfj a f i si)8ai|iovia.
Ist es möglich so einen Dativ anzunehmen? |i£iXiy|iaxa kann nicht
sein ad placandos manes. Es ist das Mittel um ihn zu stillen. Das
Mittel ist (in Hermanns Erklärung) zum Zweck (geworden).
30 Es giebt eine sehr nahe Em., von Casaubonus gemacht, vspxspoi^
(!SlXiy|J.axa. Es giebt Stellen, welche leicht geheilt werden. Vg. Perser
< 6 0 9 ) eö|iEVsic; %oäq. H e r m a n n n a h m f ä l s c h l i c h v e p x e p o i g neiA.iy(xa-
<7iv als Zweckdativ. Die Conj. von Casaubonus empfiehlt sich sehr.
( P e r s . 609 — 6 1 0 ) %oac, «pepoixr' ÖTtsp v e i c p o ü n neiÄ,iKxf|pia. Aber
35 bedeutend ist der Unterschied zwischen der Perserstelle und der unsri-
gen. Wenn wir vepxepoii; (j.eiWy(i,axa als nähere Best, zu / o a i betrach-
ten, so bekommen wir zwei ungeschickte Dative. Es wird etwas fehlen
(Aeschylus Choephoren, Verse 1 — 450) 317

wie övxa oder aTtsp. Wir finden in Ch. 278 noch einmal (lei^iy^axa:
8uo(ppöva)v |xei^iy|a.axa. Aber die Stelle ist verdorben, welche von
Herrn, und Lobeck durch |ir|vi|iaTa corrigirt wurde, und hier wäre zu
vermuthen |iT]vi|iamv. <(16) Von Schönborn ist in der Scene der
5 Hellenen die Meinung aufgestellt worden, Orestes sehe nicht die Elec-
tra, sondern irre sich in einer der Frauen des Chors. Außerdem ist der
Unterschied zwischen El. und den Frauen unmerklich. Es ist eine
Charakteristik des Aeschy. daß er die Trauernden nicht reden läßt, vg.
Ar. Fr. Die Trauer der Electra ist eine sehr innige und tiefe. —
10 <18) 8iScü|ll m. A. c. Inf. construirt. Anderlei Xen. Cyr. 6.4.4 86^ not
(pavtivai avSpl. <19) yiyveaöai heißt sich erweisen: Ch. 86, 245; Sept.
20; Theb. 76.
Pylades und Orestes verstecken sich wahr {scheinlich) hinter einer
TtspiaKTOi;.
15 {22 ff.) Jetzt beginnt die Parodos, von einem Chor gesungen, welcher
nicht aus Troerinnen besteht. Sie durften gar nicht Troerinnen sein,
denn sie könnten gar nicht diese Liebe für Ag. zeigen, welcher sie
geraubt hätte. Es mußten Weiber sein, die schon alt waren und im
Hause Ag. gelebt hatten. — Jambische Metren.
2.0 22. Warum ist iakxöc, an die Spitze gestellt? Es handelt sich um ein
a/dpiTOV, das sie der Cly. erweisen. (Vgl.) 75. Sie kommen ungern,
dieser Gedanke geht bis V£OTÖ|iCp (25). Dann tritt der Gegensatz
<ein), daß sie ihr Herz an Trauer weiden. Ihr Herz weidet sich 81'
aifflvoq am Leide. — SK 8ö|icov aus dem Palaste, soviel als gesandt
25 von der Cly. Somit bekommt Or. auf die Frage (bc, äv <|J.d9co 20 — 2 1 )
die Antwort. Er erfährt auch daß die Frauen in dem Zuge angehalten
wurden von der Clyt. — Robort^ello) sah daß eßr|v für sßr| zu
schreiben sei; die dorische Form (eßav: Dindorf). yoac, ist von Herrn,
u. Weil festgehalten worden. <%oaq) TipoTlopTCÖq stünde wie 7tp07T8|i-
30 Ttotxra %oüq. Dafür werden Beisp. angeführt:) Ag. 1090 —1091 Ko)Jkä
auvicrtopa ... <tcaK<x>; Prom. 904 ärcopa Jiöpinoq. Niemals kann ein
Adj. die verbale Kraft so behalten, daß sie einen Acc. haben könne.
Es sind adverbiale Bestimmungen) des Objects wie Ti oöSev. Weil
giebt einen bes. Grund, warum Jtp07t0|X7iö<; seine verb. Kraft behalte:
35 Ö ^ U X E I P I CTÜV KÖ7tcp. Aber CTUV kann nicht instr. Sinn haben. Man kann

sagen: Ich komme mit der Hand heftigem Schlage. Man kann nicht
sagen daß der Handschlag kommt. Wenn wir nach KÖTicp interpungiren,
318 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

so ist die Auffassung Weils in Betracht zu ziehen. Dah<er> ist ö£i>xElPl


ci)V KÖTtcp nicht mit dem früh, zu verbinden sondern mit dem folgen-
den. %oä<; suchte Victorius wiederherzustellen. Cas(aubon) fühlte daß
der Sing, nicht recht sei und schrieb %oäv. Keck vermuthet richtig
5 xoau;.CTuyKÜTtTco<M.>: entweder ktCtio«; od. KÖitoq: Kiuitoi; ist der
Schall, od. Kximoq der Schlag. - Der Sch. erklärt durch ctüv kotcexö).
Der Sch. ist in seinem Rechte KTü7io<; durch KOTtexöi; zu erklären, bes.
in der Verbindung ö^üxeip. Für Kiimoq spricht Eur. Hik. 87 örepvojv
KtÜTtov. Ph. 1351 ktwioix; xepoiv.
10 Die Stelle ist also zu schreiben: ia/aöc; sk 5ö|iCüv eßav
JtpOTtO(X7tÖq. Ö^Ü/P.ipiCTÜVKXUTtCÖ JtpETtEl 7iapT|i<; (pOlVitU^ dnUYI^oi?-
7tapr)t<; ist unmetrisch. TtpsTtei leuchtet hervor.
Von Hermann ist conjiciert worden Ttapfjai und dann Sicoyixöi;. cpoi-
viaii; dnuynöi; ist herzustellen. Es steht gegenüber äXoKi vsoxö(iö) —
15 81' aicövot;. Chiastisch entsprechen iuy|iOKJi und ¿nuynöq. ruapfjai
entspricht Keap. Nach Härtung, Weil und Keck kann <30) TieitXcov
nicht stehen, aber eine andere Constr. ist möglich. Die Veränderung
in köä,7iö)v, ouccov hilft nichts. <29) aysMcroiq ^uncpopaiq = in.
ay. i;. Nach Heimsoeth ist 7i£7iXcov ein Glossem von Ttpöaxepvoi
20 axoX|j.oi. Auch Keck hat sich diesem Schlüsse angeschlossen. ntn\(üv
ist gar kein Glossem von Jtpöatspvoi crtoX|ioi. Der Accent im Med.
TtpocTS^vov ist gar kein Beweis, denn der Accent kann da stehen noch
in anderen Casus. crxo^|ioi nenXcav ist eine gewöhnliche Verbindung.
Alk. des Eur. 215.923 Androm. 148. Alk. 818.
2.5 livocpööpoi <27) ist blos das Praed. zu Ttpöaxepvot axoX.(ioi. rcpo-
axeXvot <M.) weist auf einen Dativ Tipoaxspvü) crxo^nrä: Xoai<;
Jtp07t0|i7t6<;. Es entsprechen sich 1 < = 22) und 6 < = 27) und 7 •( =
28 — 29), sodann 2 < = 23) und 3 <(= 24), sodann 5 <= 27) und 8
<= 3°)> 4 < = 25) und 9 <= 31).
30 <33. xopöq yctp Ooißoq öpööGpt^ M.:> <toißo<; kann es nicht sein.
Der Sch. hat (pößoq gelesen. (Diese Lesart) ist (aber) unmetrisch. Es
ist schwerlich möglich daß eine bloße Umstellung die Stelle heilen
kann. Unerklärlich ist dann xopöq. Hier leitet uns auf die gute Lesart,
ein Glossem von otaxpo^ <bei Hesychius). xopöt; ist der letzte Rest
35 des oI(Jxpo<; erkl. durch (pößoq. Im Verse findet sich Geioq yäp olcrcpcx;
öpööepi^.
(Aeschylus Choephoren, Verse 1 — 4 5 0 ) 319

— Die { e r s t e ) Strophe stellt dar, wie der Chor alle Zeichen der Trauer
von sich giebt. Die Antistrophe giebt die Gründe der Trauer, der letzte
Grund ist das Schreckensgeschrei. In der zten Strophe erfahren wir zu
welchem Zwecke das Opfer geschieht. Das gottverhaßte Weib schickt
5 mich. Der Chor zweifelt an dem Erfolg des Opfers. Jetzt folgt eine
Charakteristik des Hauses. I. Theil der An^tistrophe 2> giebt an daß
die Ehrfurcht vor der königlichen Familie verschwunden ist und an
die Stelle davon tritt die Furcht.
3. Strophe. Unsühnbarkeit der Schuld. Das Unheil als Strafe folgt
10 nicht gleich. Die Ant<(istrophe): giebt ( e s ) denn keinen Ort einen
Blutbefleckten zu reinigen. — Die t n a b ö q : ich als Sklavin muß gehor-
chen. Man kann unterscheiden die philosophische Ausführung des
Grundgedankens und den speciellen Fall. G r u n d g e d a n k e : ) ponf] 8'
STUGKOTEI Siicaq: 2ter Theil der Antistr. die ganze Strophe 3 und die
15 Antistrophe 3. Auf den speciellen Fall die Strophe ß, die erste Hälfte der
Ant<istrophe) ß und die encpSöq. Kann die Epodos sich so beziehen? In
der «(anti)stroph. ß: £>0Jtr| — und das folgende haben keinen regelmä-
ßigen Fortgang. Man wird die Noth sehen eine Umstellung machen
zu müssen. Am Schlüsse der Ant<istrophe> ß findet man die Worte
20 Toix; <5'> atcpavco«; e / e i vüi;. Im Med. finden sie sich noch einmal
70. Strophe und Ant. a in Ord<nung>. Str. ß mit richtigem Fortgang.
[...] Str. y und Ant. y hängen zusammen. Wir haben ein Centrum des
Chorliedes in dem philosoph. Gedanken: die Blutschuld unsühnbar.
Der Mörder bekommt eine Fessel, er kann nicht fliehen, er kann sich
25 nicht reinigen, die Dike trifft ihn bald oder spät. Jetzt kommt die
Schilderung wie die Ehrfurcht gewichen ist. An die Erwähnung des
Volkes schließt sich der Gedanke: ich aber muß.

1 2 3 4 5 6
42 — rcsSoi str. y ant. y erste Hälfte der
30 Strophe
Erc<cp5ö<;>

1 5 6 4 2 3 ep. in den Handschriften

1 entspricht 6 2 ent. 3 4 ents. 5


320 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

Wie ist die Umstellung entstanden? i

5 der Schreiber hat noch das Übrige auf dieselbe Seite schreiben wollen.
Er hat toCk; <5'> aKpavxoq £%ei vui; als Leitzeichen und schrieb das
Übrige. Er schrieb i , dann 5 und 6.2 und 3 nahmen die Reihe ein. Die
Umstellung erklärt sich durch eine zu gedrängte Schreibung des Chores.

<Cixp.a22.-31 = 3 2 - 4 1 ) 4
u — | u — | u — |u —I Tetrapodie
10 6
u — | u — I u — I u— | u — | u — Hexap.
6
u— | u— | u— | u— | u— | — Hex.
4
uuu uuu uuu — Tetrap.
u | — | u— | — | ij— | u— | u—acht Takte
u— | u— | u— I u— Tetr.
15 u u u u u u u — u— Tetr.
acht Takte
u— u u - — Tetr.
— u —u — u —
<CTxp.ß 42-48 = 54-60)42 u— u u u u u u " u u u u —u— Hex.
20 u — ici)
— u —u —u— | Tetr.
u u —u —
<u u —u >
u —u —u —u —u —u— Hex.

25 {atp.y 66 — 69 = 71 — 74) y u —u —u —u —u —u— vier Hexa-


u —u —u —u —u —u— podien
u uuu—
u—u—u—u—u—u—

<£7Kp8. 7 5 - 8 3 ) U —U U U—
30 5n u —u u —u
(Acschylus Choephoren, Verse 1 — 450) 321

[Das metrische Schema der Epode, von dem hier nur der Anfang steht,
erscheint vollständig auf S. 324 unten].

a.

6
<4>
8
<4>
<4>

ß. 6
4
6
15 6
6

4
4
4
<4>

Die Chorlieder sind angeordnet nach dem Terpandrischen Nomos was


Rudolph Westphal bewiesen hat. Es ist eine Siebente^ilung) dp%d.
(istap^ö. KaxaxpoTtd. 6(icpaA.ö<;. |i£taKaTaipojtä. atppayiq und ¿itilo-
yoq. KaiaxpoTid ist ein Übergangsstück. Die apyß. und der ¿TtiXoyoq
30 rufen die Götter an. Diese beiden Theile können nicht in einem
Chorliede sich finden. Der Einleitungstheil a. a' giebt den Grund der
Trauer an und die Zeichen der Trauer. Das Schlußstück, die STtcpöcx;,
redet von dem Schicksale des Chors. Das Mittelstück ist der philosophi-
sche Theil welcher die Grundansichten des Aeschylus angiebt. Es sind
322 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

folgende Theile. Str. y und An. y' und der zweite Theil der ant. ß'
schließen sich daran.
Wenn Blut vergossen ist, so ist eine Sühne unvermeidlich. Das Unheil
aber verfolgt den Schuldigen, bis er strotzt von Krankheit. Er kann
5 weder fliehen noch geschützt werden. Die Strafe trifft sie in voller
Blüthe, oder nachdem sie in der Unterwelt (sind). Um überzugehen
von der Schilderung der gegenwärtigen Sendung zu dem p h i l o s o p h i -
schen) G e d ( a n k e n ) brauchen wir eine Verbindung anfangs der Stro-
phe ß. Daran schließt die Ausführung. Daran schließt sich daß die
10 Einen in vollem Glücke, die andern in der Dämmerung bestraft werden.
Schilderung wie das Haus dunkel ist. Furcht ist an die Stelle der
Ehrfurcht getreten. Daran reihen sich die Worte des Chores über sich.
Wir haben folglich dieses Schema. < a . ) Str. a und A<(nt.) a ' bis ireöoi
<in ß ) b. Die entspr. Ant. ß' bis öeoß nXeov c. y bis ßpueiv. c <zweiter
15 Theil: y ' ) bis (iaxav. d ist leb Ttävoi^uq s a x i a . d zweiter Theil von
ß' - toin; < 8 ' ) chcpavToq <ex£i

'Apxä

KaTClTp07lä
2.0 ö|i(pa^ö<;
- nimmt den grössten Theil ein

HSTaKaTaxpoTtd

2.5 aeppayiq euepöö«;

( 3 2 ) xopöq? < 3 4 ) acopövuKiov intempestiva nocte. in tiefer Nacht.


HUXÖq ist Hü^ö? OaA-dnou. 35 Ttspi cpößcp ist unmögl. solange man
tpößog < 3 2 ) behält. < 3 6 ) yuvaiiceia 8cb(xaxa sind die Dienerwohnun-
30 gen. — Wir haben zweimal <35, 3 9 ) e^ateev nebeneinander, eine
Unmöglichkeit bei Aeschylus. 35 '¿'kay^e, im Medic., das erste Mal ist
das Wort festzuhalten. Für eXcikov ist von Keck E^avov vermuthet
worden, < 3 9 ) öeööev ujieyyuoi, die die Richtigkeit der Träume durch
eine Vision von Gott bezeugen. 44 xoiav8s %apiv e i g e n t l i c h ) toicüvöe
35 %apiv. Diese %äpiQ wird in den Handschriften (mit dem Adjektiv)
<Aeschylus Choephoren, Verse 1 - 450) 323

a%apiq überliefert: ist daher à ^ à p u o v od. àva7tóxpo7iov <zu lesen).


Wir brauchen den Begriff „umsonst", ä^apii; drückt das nicht aus.
àrcóipcmcx; ist das Gegentheil des geforderten Gedankens. Wir müssen
die Conj. von Weil annehmen àvaTtóxpoitoq. Daran anknüpfend
5 kommt der Gedanke xi yàp A-üxpov k x L <46) (poßoC|iai: welches
Wort? Süaösog ist es. Der Med. hat £Kß(xM.£iv, (von Stanley in
SKßaXsiv verbessert), denn wir müssen eine Hexapodie haben. <44 f f . )
ein Ausruf: u — | — | u — | u <46) |ica<néva:> — | u — | u — | — |
< 4 6> - | u - | u - (yuvà) u - |
10 <61 —65) Die Strafe ist èv (pàei. Das andere: verzögert sich die Strafe,
die Verbrecher merken es nicht. Das Dritte: der Tod. Nacht. Keck hat
<65) vorgeschlagen statt TO VC, 8': xolq 8'. — Das Bild der Dunkelheit
muß klar sein, xoùq 8' aicpavxoq (unerfüllte) £"/ei vói; = diese nämlich,
die Atriden, umfängt die tiefe Nacht. Also ist zu schreiben aKpaxoq
15 vói; id est mera nox. èv pExaixpio) ctkóxou das Unglück, èv (pàei das
Glück. ÖKpaxoq vü£, = èv |i8iaix|iicp ctkóxou. Nothwendig ist èv c p Ó E i
eng zu beziehen zu X015 8'. — Sinn: die Entscheidung der Gerechtigkeit
kommt rasch, denen die im Glück leben. xd8e {63) ist zu verbessern,
der Chiasmus muß streng festgehalten werden; also xräSs. <64) a%T|
2.0 oder (xévet ist ein Glossem. Im Mediceus stand nicht ßpOei, sondern
KpüEi. Es stand Kpóoq: bei Dichtern „schauderhaftes Leid". Durch
&XT| wird glossirt KpÓT|. xpovi^ovxa Kpür| bildet den Gegensatz zu
xa^sia ./ (iévei: wir verlangen etwas anderes. Das entgegengesetzte
Glied: rasch trifft. Wir verlangen die Thätigkeit der A1kt|. Also V£|i£i
2.5 xqj 8' èv |iexaix(iiq) ctkótou vé|xei xpovl^ovxa tepóri. xoCx; 8' äKpaxoq
e^Et vói;. Clyt. und Aegisth stehen in tiefer Nacht. Kpor| deutet auf
den entsetzlichen Traum.
Wir haben den G^edanken:) die Strafe verändert sich nach dem
Zustande des zu Strafenden. Die Strafe des Glücklichen ist rasch. Die
30 Strafe des Unglücklichen eine langwierige. Jetzt kommt die Ausführung
des TOÙq 8' ÜKpaxoq e^ei vói; : irò itàvoi^uq éaxia k . t X Keck meinte
in SscTjtoxöv Gavàxoiat <53) seien drei Fehler, öavaxoq ist nicht Mord
und soll es nicht sein. Octvaxoi könne nicht im Plur. stehen. Aber es
ist ein allgemeiner Fall. Der Dativ könne nicht stehen. <55 —60) Antis.
35 ß'. Zu xoiàvSs ^àpiv. Hier wird die Stellung des Volkes dem Unglück
des Hauses entgegengesetzt. — Was gilt für die Sterblichen höher als
ein Gott. In wie fern fürchtet man sich vor dem Glücklichsein. Keck
324 N a c h s c h r i f t e n von Vorlesungen Nietzsches

schrieb cpoßsixai de riq xö SUCTTUXSIV. TÖ 5' £U ßp. schrieb er weiter.


Aber das ist auch mehr stammeln als reden. Was gilt den Sterblichen
mehr als Gott. Wovor fürchten sich die Menschen. Vor dem Fürsten.
Man fürchtet, was die Macht in den Händen hat. Statt £ÖTU%£lv also
5 Eu9i)v£iv. Man könnte auch an xö EÖOuvov denken. Auf diese Weise
bekommen wir . ( D i e ) Strophe hat ¿KßdAAfiiv also auch .
<(75 — 83) Die Epodos ist in allen Ausgaben unmetrisch. Über den
Inhalt der Parenthese giebt es keine Zweifel. Der Chor sagt, er sei
genöthigt öiicaia Kai |if| 8iicaia gut zu heißen. Als Grund muß er
10 angeben, daß Zwang da ist. Das Sklaventhum ist ausgedrückt durch
EK y d p O'IKCOV (KTX. 76 ff.)
Mich haben sie. Wir brauchen 8oi>Ä,iov eiaäyov a i a a v . 75 Die
äväyKT| wird d|MpütTOÄ.i<; genannt Zwang um die Städte, eine av.
welche nöthig^t) in vielen Städten herum zu sein. Das ist die Erklärung
15 des Scholiasten. Hermann hat gemeint, weil d|i(pi häufig den Sinn ,von
beiden Seiten' <hat), es sei eine av. duplicis sedis. dvdyKT| kann
nicht Knechtschaft heißen. Härtung vermuthete wohl zutreffend d|i(p*
aftToXiv um die Heimathlose. 80. Was heißt ßia (pepo|i8v(ov gewaltsam
verfahren, ßiqt (pspopivcov ist wohl ein Glossem. 79. es steht <in den)
20 Hschr. dpxdq ßiou — dp^f] ßiaq eine Herrschaft der Gewalt. Die
Aenderung ßiou ist ohne Zweifel eine Vermuthung eines Schreibers,
dpxdq ßiaq würde nun heißen: von dem Anfang der Gewalt an. Sinn:
mir geziemt das Gute und Schlechte <gut)zuheißen. TipsTtov a n ' dp%äg
ßiaq. — <(83) Die Handschriften haben 7ia%voi>N£VT|V. Aber mit diesen
2.5 Worten redet der Chor die Electra an. 8z hat Keck richtig vermuthet
SECTJCOTIV. (xaialoiCTi ... TÜ/avi; ohne Grund von Keck angegriffen.
<75-83)
Der Rhythmus ist folgendermaßen herzustellen:

u —u u u—
30 u —u u —u
(u )—u —u
u —u u —u u — Hexapodien
u u u —u —
u—u—u u
35 u —u —u u —u —
u —u u —u —u —
< Aeschylus Choephoren, Verse 1 - 4 5 0 ) 325

<77 > Ttaxpcpcov macht den Vers unmöglich. Der letzte Vers <83} wird
auch zu einer Heptapodie, wenn wir Kpuipaioii; beibehalten. Statt
Kpucpaioiq: Kpocpqt — mit einem beigeschriebenen Iota. Durch acht
Verse hindurch haben wir eine Hexapodie. —

Str. a îaA,.—TZÉKX. Die Betrachtung des Chores zeigt daß


Ant. a ' Topôç —êyKOTËÏv Glosseme in den Text gekommen sind:
Str. ß xotdvôe—JtéSoi in der Ant. a ' cpößo«; als Erklärung zu
Str. y 81' aï'n.—ßpueiv oiaxpoq; in der Str. y xixa<;/xix(9)T|<; als
Ant. y' (puyövxi — | i à i a v eine Erkl. zu xpocpoC. - ä%T| Erk. von
Str. 8 ßojti]— vu^ Kpür| <64); in der Ep. TCDV ßiq cpepo-
Ant. 8' îrà —Ôavdxoim [I8V(0V als Erkl. von ßlaq. An zwei Stellen
Ant. ß' a s ß a q — 7cA.gov hat das eingedrungene Wort das richtige
Ep. Wort verdrängt. An anderen Stellen findet
sich das erklärende und erklärte Wort.
15 Ferner Verwirrung der Ordnung der
Verse. Das sind die beiden Arten von Cor-
ruptelen. Die Choephoren sind also ein
sehr verderbtes Stück. Die Schäden sind
anerkannt; ob die Heilung gelungen ist,
ist eine andere Frage.

A<(nt.) ß' hat dieselbe Form: es sind vier Hexapodien ohne den Ausruf
vd> y a ï a (iaîa.
Die Katatropa zum Mittelstück intonirt die Metra, welche diese Stro-
phe hat. Also ist auch metrisch ein Uebergang vorhanden.
2.5 Ged<anke:> Wenn das Blut von der Erde aufgenommen (-trunken)
worden ist. Warum wird die Erde Nährerin genannt? — Der Mord
kann nicht festgeheftet sein ohne zu zerfließen. Der Mord ist noch nicht
geschehen (xixaç cpôvoç <67) ist nach einigen der Rache verlangende
Blutfleck). Diese Vorstellung ist unmöglich. Die Erklärung muß eine
30 richtige Erklärung haben. 45 in l à y a ï a |iaïa ist der Grund enthalten,
welcher a n d e u t ( e t ) xi yap K.xX|xixaç macht besondere Schwierigkei-
ten, wird erklärt durch ô xi|KBpoû|i£voç, ist von dem selben Stamme
wie Tixäv, wird fälschlich von xico abgeleitet, sondern von xixaivco
schwingen. xixr|ç ist eine Glosse zu xpocpôç. Welches Bild ist durch
326 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

7t£7ir|Y£V oö öiappüSav {ausgedrückt?) Der Same der Rächer, der


Keim der Rache ist fest geworden. Statt cpövoi; : yövoq. Wenn wir
Tvcag mit yövoq verbinden, so bekommen wir den Sinn: der Keim als
Rächer, auch keinen guten Sinn. Was an Stelle von zixaq gestanden
5 hat ist nicht zu errathen. ( 6 8 ) öiaÄ,yf|<; ist nicht richtig, denn der Sch.
erklärt es durch Siaicovi^ouaa, was auf ein anderes Wort deutet:
5iapKT|<;. | ( 6 9 ) TtavapKetaq ist kein richtiges Wort, wenn überhaupt
TtavdpKBTOi; möglich ist (die Form bestritten von Lobeck). Es ist ein
aeschyleisches Wort zu suchen bspw. Ttavaökia«;, navaypiaq. Die äxa
10 trägt ihn durch, schleppt ihn mit sich, bis er strotzt von Aussatz. —
Folg. Gedanke: Es giebt keine Rettung für ihn. Die Handsch. haben
<70) oi'yovTi ( 5 ' o ß t i vuncpiKcäv sScoMcov,) durch den Sch. <als> TO
yuvaiKEiov aiSoiov (erklärt). Wie die Jungfrauschaft nicht kann
wiederhergestellt werden, so auch tritt keine Sühnung ( e i n ) . Aber der
15 Gedanke ist nicht an seiner Stelle. Es war nicht etwas monstruöses bei
den Athenern. Zudem kann vumptKCt ¿Schuld zuerst gar nicht aiSoiov
bedeuten.
Die Frauenwohnung, was die Worte bedeuten, ist das Innerste des
Hauses; vg. die dritte Elegie des Solon. Der Mörder findet (nirgends
20 Zuflucht); auch in der Frauenwohnung giebt es keine Rettung. Ag.
381 oö ydp eaxiv '¿na'kfyc, TCXOÜTOU. Was muß stehen statt oi'yovTi?
Keck hat ohne Zweifel richtig cpuyovci vermuthet. Es sind da mehrere
Corruptelen. KaOaipovTEq ist falsch, sowie ioCaav öttr|v. Scaliger hat
den richtigen Weg gefunden. Alle Ströme sind nicht im Stande den
2.5 Mörder zu waschen. Statt crcav: (iaxr|v. Dies Wort ist festzuhalten.
Statt ßaivovx£<; hat Hermann SiaivovTsq vermuthet, ein zu schwaches
Wort. Bei der Wiederherstellung kann man an einen Optativ denken,
angedeutet mit av, oder an einen Ind. mit av — Conj. s l o u a a v av
(Weil) K>.üO£iav av (Bamberger). Wenn wir ( u n s ) der handschrift-
30 liehen Überlieferung nähern wollen, so müssen wir uns denken av
zweimal geschrieben. KüöaipovTEc; ist (nach H e r m a n n ) eine Erklärung
zu KaödpCTtoi. Der Sch. meinte, xöv %£po(xuofi cpövov hänge von
Kaödpmoi ( a b ) und schrieb Kaöaipovtsq. Sobald wir KaGdpmoi
beibehalten, so muß das Wort mit einem Conson. beginnen. Wir
35 brauchen u — u ^oiicEiav äv iidtav. An der Stelle von ßaivovTsq
ist von Weil geschrieben worden 7ipoßaivovi8<;, ein Wort welches
genügen würde, wenn es da wäre.
<Aeschylus Choephoren, Verse 1—450) 327

<Vgl.) Sept. 738 tvc, av Ka9ap|ioù<; Ttópoi;


•zie, äv aepe Xoüasiev;
( 7 2 ) Ttópoi bezeichnet nichts weiter als die Furth, die Ader des
Stromes. Aber das Wort ist auch ungenügend. Wir brauchen den Begriff
5 der poai. <póvo^ bedeutet hier den Mörder selbst.
<61-65)
Strophe 8'. poTtfi ö' S7tiCTKOxeì SÌKaq — vi)!;. Diese Verse haben eine
Masse von Erklärungen hervorgebracht. Diese Verse schildern wie die
Rache die Menschen in verschiedenen Lagen ergreift. Man glaubte drei
10 Stufen zu finden. Licht, Finsterniß und Dämmerung. Aber Däm^me-
rung) bedeutet xò |xetaixniov nicht: = tò |ìécjov ctkótou. Aber xò
HÉctov ctkótou ist nicht die Dämmerung sondern die tiefste Nacht.
Also die einen im Licht, die andern in der Nacht. Welches ist der
Gedanke? Es ist die Rede von der porci] òÌKaq, die Entscheidung (eig.
15 die Neigung der Wagschale) der Gerechtigkeit geschieht rasch bei
denen welche im Lichte stehen. Kann man sagen, daß die Neigung der
Wagschale blicke? Kann man sagen, die Entscheidung schaue rasch?
Hier ist schauen ganz unmöglich. | ,neigt sich rasch' verlangen wir.
Statt sjtiCTKOTtei haben wir èTtippércei <zu lesen).
2.0 Missethäter werden schnell mitten im Glücke getroffen, die andern in
der Nacht. Das ist bestätigt durch ico rcóvoi^ix; eoria K.x.X.. | (xexai/-
jiiov ctkóxou — aKpaxo«; vi)E,. In der Überlieferung des Mediceus muß
etwas verderbt sein, was die Strophe zeigt. |iévei oder äyr\ muß
fallen. Die Gegensätze sind Tarsia und xpovi^ovxa, èv cpàei und èv
25 |i£xaixnlcp ctkótou. Auf unsere Verse folgen irò 7iàvoi^u<; ÉCTTÌa k.t.X,.,
wo das Bild der Dunkelheit gebraucht wird. Wir werden fordern
müssen, daß die Nacht die Nacht des Unglückes ist. Bei den Erkl. sind
zwei od. drei Meinungen: Die Entscheidung der Gerechtigkeit beugt
sich bald, schnell, zu denen, welche im Lichte sind, oder neigt sich im
30 hellen Lichte = cpavepròq. Der Gegensatz soll sein: im Dunkel Wir
haben eine 3. Erklärung des Nachtbildes.
Die Str. a hat 9 Tetrap. mit z Hexap., also mit der An<t.) 18 Tetr.
mit 4 Hexap.
328 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

ß . 4 H e x . und i Tetr.
y . 4 H e x . mit der A n t . 8 H < e x . )
8 . a u s 5 T e t r . a l s o mit A n t . i o
ß'. 4 H e x . und i Tetr.
die E p . aus 8 H e x a p o d i e n .

a
, V i 8 T e t r . mit 4 H e x .
a'

iz H e x . u n d 1 T e t r .

10 Tetr. | entsprechen sich

12. H e x . u n d 1 T e t r .

15 E s ist k e i n e A r t v o n G e n u ß , w e n n m a n g e n ö t h i g t ist jedes W o r t ins


A u g e zu f a s s e n .
T r o t z der V e r d e r b t h e i t des T e x t e s ü b t e n die G e d i c h t e den größten
E i n f l u ß zur Z e i t d e r R e n a i s s a n c e < a u s ) . In dieser K r i t i k gelten die
Gesetze der G r a m m a t i k der Logik der M e t r i k . Nicht sowohl der
2.0 D i c h t e r als eine A n z a h l v o n D i s c i p l i n e n liegen v o r u n s e r n Augen.
U n s e r Z i e l ist d a s d e r F o r s c h u n g . D e r erste Schritt ist d e r der d i p l o m a t i -
schen C r i t i k . D e r W e g d a h i n ist eine A u f s t e l l u n g d e r v e r s c h i e d e n e n
S t u f e n d e r H a n d s c h r i f t e n . M a n sucht den A r c h e t y p o s zu r e c o n s t r u i r e n .
E s gilt d a einen T e x t zu h a b e n , d e r in seinen F e h l e r n d e m O r i g i n a l e
2.5 n ä h e r steht als die g l a t t e n T e x t e . D i e s e erste A u f g a b e läßt sich b e w e r k -
stelligen. D e r n ä c h s t e Schritt ist, d a s V e r d e r b t e zu c o n s t a t i r e n . Man
sucht nach dem u n g r a m m a t i s c h e n ) u n m e t r < i s c h e n ) unlogischen)
u n a e s t h e t i s c h e n . M a n w e n d e t a l l g e m e i n e G e s e t z e auf diese G e d i c h t e
< a n ) . M a n fragt ob der Dichter das und das kann geschrieben haben.
30 D i e M e t r i k m u ß a u c h beurtheilt w e r d e n . N o c h s c h l i m m e r steht ( e s )
m i t der A e s t h e t i k . D i e L o g i k ist a u c h nicht bei e i n e m D i c h t e r zu
v e r l a n g e n . E s tritt die S u b j e c t i v i t ä t des U r t h e i l e r s u n d des B e u r t h e i l t e n
< e i n ) . D e r dritte Schritt ist zu f r a g e n : w i e ist d a s V e r d e r b n i ß e n t s t a n -
den? V e r s e h e n d e r Schreiber. D a m u ß ( m a n ) die P a l a e o g r a p h i e im
<Aeschylus Choephoren, Verse 1 - 4 5 0 } 329

K o p f e haben. Es kommen ferner Einschiebungen der verschiedensten


Art ( v o r ) . Sehr häufig sind Glosseme in den Text mitgenommen.
Ebenso häufig ist die Versetzung der Verse, w o der Abschreiber Verse
an eine andere Stelle bringt. Die Einflüsse sind die d. Schreiber, der
5 Gelehrten, der Schauspieler. Welche Art von E i n f l ü s s e n ) hat dieses
hervorgebracht? Jetzt muß die Heilung des Schadens geschehen, aber
die Heilung k o m m t häufig vor den anderen Thätigkeiten. Die Heilung
ist ein Spiel der Fantasie, aber man muß diese Fantasie an den Z ü g e l n
der ratio führen. Die R a t i o schneidet eine M e n g e von Möglichkeiten
io ab. Die Logik verhindert diese M ö g l i c h k e i t e n ) . Dieses Einengen
durch die R a t i o ist bedingt durch eine Summe von Kenntnissen. Die
Fantasie muß eine bestimmte Summe von Kenntnissen ( b e s i t z e n ) . Die
Logik kann den Begriff finden, aber das Wort welches dagestanden
hat, steht der Fantasie überlassen. Wer nicht alle Möglichkeiten im
15 A u g e hat, ist leicht eingeschränkt. D a ß ein Dichter so geschrieben hat,
wie man nachgewiesen zu haben glaubt, kann nicht immer bewiesen
werden. N a c h Wiederherstellung des Textes kommen Beweise, w i e
z. B. in unserem Chorliede die Einfachheit der Rhythmen und die
Regelmäßigkeit derselben. Auch die Fünftheilung des Chorliedes nach
2.0 dem Terp. N o m o s welche sich ergiebt nach Umstellung des Chorliedes,
ist ein Beweis der Richtigkeit der Wiederherstellung.
In den aesth. C o m m . der neueren Z e i t findet sich die Frage:
Welches ist der Grundgedanke? Diese Anschauung ist verfehlt. Der
Dichter hat nicht einen ethischen Gedanken im Auge. J e d e größere
2.5 Dichtung umspannt eine M e n g e von ethnischen) Gesichtspunkten.
Aber der Dichter hat nichts bestimmtes im Sinne gehabt.
M i t diesem Chorliede soll O r t e s t ) aufgeklärt werden über den Z w e c k
dieses Trauerzuges (ia^xöq geschickt). Diese Wendung veranlaßt die
Frage: w a r u m geschickt? Andernseits, wenn der C h o r sich als geschickt
30 bezeichnet, so entsteht die Frage: w a r u m nicht aus freien Stücken? Es
giebt keine Sühne f ü r vergossenes Blut: daß es keine Sühne giebt muß
der C h o r deutlich zeigen (philos. G e d a n k e des Chorliedes). Der allg.
Theil ist abstrahirt aus den speciellen Erlebnissen. Clyt. findet keine
Z u f l u c h t in die Frauengemächer, der Oistros verfolgt sie.
35 Nachtrag zur Einleitung. Über die L a g e des Grabes des A g a m e m n o n ) .
Wenn der Gesang gesungen wird vor dem Palaste, so ist es etwas
bedenklich. Wie hätte Cly. vor dem Haus das G r a b gehabt? Unmöglich.
330 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

Sodann wenn das Grab vor dem Palast liegt, wie kommt es, daß der
Chor ein Bedenken ( ä u ß e r t ) ohne hier gehört zu werden? Dieses Grab:
Genelli (und Droysen) meint, daß die Thymele im Theater liegt.
Hermann de re scaenica erklärt sich dagegen und meint, daß das Grab
5 auf dem Proskenion gelegen habe. Wir werden wohl die Meinung des
Schoenborn annehmen müssen, welcher meint, daß eine Veränderung
der Coulissen vorkommt. Also Berg. Wald. Fels. In der Mitte des
Dramas ein Wechsel der Periakten mit dem Palast und den Frauenge-
mächern. Jetzt beginnt das erste Epeisodion, während früher Electra
10 in Trauer versunken geblieben war. Es sind gleichsam zwei Handlun-
gen, ein Todtenopfer und eine Ttpocrpcmf], welche den Zorn der
Götter anfleht; die beleidigte Person ist der Todte. Die Todtenopfer
gehören unter die vo(Xi^öjieva od. vö|il|j.a. Nach dem Tode ist es Sitte
am 3. 9. 30. Tag Opfer zu bringen. Diese Opfer heißen %oai. Die
15 bestehen aus Honig und Milch, Wein und Oel. Thiere wurden ge-
schlachtet und das Blut in die Erde aufgenommen, die Stücke Fleisch
wurden verbrannt. M a n nahm häufig Kuchen, man brachte den Todten
gekochte Speisen am 9ten Tage. Eine solche S c h i l d e r u n g ) findet sich
bei Pl(utarch) in dem Leben des Aristeides. An unserer Stelle ist der
20 Charakter anders, ist die 7tpoaxpojrr|. (Sie) wollte keine Schlachtung
von Thieren. Der Kuchen heißt hier neXavoq.
Am Feste des Zevx; (isiX-ixioq wurden blos solche ntXavoi dargebracht.
Es werden namhaft gemacht die xoai, die aiscpr) und endlich %eouaa
xöv8s JteA.avov.
2.5 <9z> x e o u a a 7reA.avov kann nicht da stehen: also ^eouaa. Electra
weiß nicht, was sie thun soll. Sie hat eine Jip0axp07tT| zu verrichten.
Anderseits weiß sie nicht, ob sie nicht das Opfer als Ka0&p|iaxa
betrachten soll.
89.90. Auftrag der Clyt. 93 etc. Die ganze Formel ist von den Herausge-
30 bern verfälscht worden: die Ironie, welche in 5öcnv ye xo>v KCCKCüv
¿Tta^iav liegt, ist nicht am Platze: er möge den Mord rächen. 94: was
kann in tcz" liegen, wo Weil und Bamberger i'(T(X zu erkennen glauben?
Statt e g t ' hat Hermann geschrieben e<j0X\ und statt xcöv k c i k ä v
{schreibt Elmsley) xrov ko\ä>v. Weil setzt die Verse < 9 1 - 9 2 ) xfflvSe
35 K.x.X. nach ¿Jta^iav, eine Stellung welche unrichtig ist. 91. Der Med<i-
ceus) überliefert xi cprö X£° UCTa - Man üb<ersetzt> EÜcpprov <88) durch
verständig, aber eucppov heißt das nicht.
{Aeschylus Choephoren, Verse 1 - 4 5 0 ) 331

106. Electra nimmt immer eine bescheidene Stellung.


105. „was darüber hinausgeht, etwas besseres" vg. Soph. Ant. 16.
Electra spricht von der „lieben Gattin", braucht die gewöhnliche
Formel, macht ein Reinigungsopfer abgewandt. 106, 107, 108 haben
5 scheinbar nichts Verderbtes, jedoch große Bedenken kommen auf. 108.
Was hat der Aorist <T|Ö£GÜ)> für einen Sinn? Der Ausdruck des Chores
ist vollständig unpassend und unbescheiden. Es hat gar keinen Sinn,
daß der Chor die Rede beginnt <mit> ai5ou(iévr|.
106. Man könnte meinen, ( d a ß ) die Schwierigkeit des Verses aufgeho-
10 ben sei, wenn man schreiben würde ai8oi)névT|. Xéyoiq äv steht
ferner zweimal {105.108). Xéyotq äv cócntep ist ein Glossem, welches
aiö<ou|i8VT|> erklärt. Xtyoiq äv Erklärung von cpösyyou. Die beiden
Verse ai8. KxX. und cpOsyyou gehören neben einander.
Xé^ca ktX. <107)
15 aí8ou|J.évi] TOI <io6>
cpGéyyou <109)
Hier ist eine längere Erklärung in den Text gedrungen. Sobald
^eyotq äv, ©cntep im Text stand mußte aí8oi)|iévT| entfernt werden.
109. G£|ivá kann nicht richtig sein. Der Sch<oliast) erklärt das Wort
2.0 durch áyaQá. Härtung hat richtig geschrieben KeSvá.
<(110) TOÚTOUÍ; bezieht sich auf das Vorhergehende, i n . Kann der
Chor im ersten Gliede sich und die Herrin auf eine Linie stellen? 11z.
Electra versteht die Worte des Chores nicht.
113. TjÖT] verschärft den Imp(erativ) „überlege dir fleissig". (ppáaai
2.5 von Hesychius erklärt: 5iavof|0T|TI, aKÉ\|/ai.
114. (TTáavq ist erklärt worden wie a ú a x a a i q , aber OTdaiq kann nie
diese Bedeutung haben — also heißt das Wort blos „Stelle".

105. Von Hermann angegriffen, schon früher von Schütz. Bios die
Chorführerin antwortet, also ist der Singular nicht anstößig. Hermann
30 meint, daß der Dichter seine Reden gewöhnlich mit einer Sentenz
schließt. Die folg. Verse hat Herrn, auf folg. Weise angeordnet, 105 ge-
strichen, ( 1 0 6 ) hat <er> geschrieben: ai8ounévr| croi. - Statt X.syoi<;
äv <io8>: A,óyou<; ävoicnuep KT/L, <105) azsyoiq äv, e i N TCÜVS' KTX. -
<106.108) xujißov 7taxpóq / Tácpov Ttarpóq, daran nimmt er keinen
35 Anstoß. Hermann nimmt (zwischen 105 und 109) eine Lücke an. Die
Conjectur Hermanns erregt zu große Aenderungen und Bedenken.
332 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

123 fehlt im Mediceus {an dieser Stelle), aber er findet sich (nach)
164. Hermann erkannte, daß er hierher gehörte. Eine solche Vertau-
schung von großer Wichtigkeit für die Critik. Die Stelle des Archetypos
muß nachbar gewesen sein, vor 164. Eine solche Nachbarschaft wird
5 am leichtesten dadurch erklärt daß zwei Seiten neben einander lagen.
< 1 2 4 ) apri^ov (Klausen) ist durch Conjectur wiederhergestellt.
126. ai|ldxcov (Ahrens). Verkehrt ist die Ueberlieferung des Mediceus
5(ü|idX(DV.
( 1 2 7 ) Die Erde wird angerufen in ihrer Eigenschaft als Mutter wie im
10 Chor.
128. vg. <67) yövoq (Keck: cpövoq M> 7te7rr|Y£v oi> SiappüSav. —
KU|ia Keim.
129 ßpoxoiq muß ein Verderbniß sein. Wenn daneb(en) im Med. yp.
veKpotq (steht), so hat dies für uns keine weitere Bedeutung. — Diese
15 Spenden sind nicht für die Todten, sondern für den Todten. Dasselbe
läßt sich sagen gegen die Conj. von Hermann, von Weil recipirt,
cpOltoii;. — Vielleicht würde so zu lesen (sein:) ßpöjxcp — mit 1 adscr.
und so ist ßpö(XCp in ßpoxoiq verwandelt worden.
1 3 1 . H. (Ttcjq dvd^0|i£v 8ö|xoi<;. Bloomfield:) näq ava^ov ei? 5ö|iOüq;
2.0 das doppelte X£ ( 1 3 0 . 1 3 1 ) aber zeigt, daß kein neuer Satz hinzukom-
men kann. £|l£ und cpiXov ... 'Op. sind coordinirt und abhängig von
¿TtoiKteipov. Hesychius erklärt das Wort dva^ia und sagt daß (sich)
das Wort bei Aeschylus findet in der Bedeutung ßaaiAfiiav. — n&q
ava^iav 5' ä|ia. Das Gebet ist f(olgendermaßen) angeordnet. Gebet
25 für Orest und die Electra. Am Ende werden die beiden Gebete zusam-
mengefaßt T)|xiv ( 1 4 7 ) , in der Mitte steht der Fluch. 145 und 146
haben etwas verderbtes. Der Ausgang eines Verses ist verlorengegan-
gen. - 1 4 5 . Tfjq E Ö x f j ? £|if)q: ein S c h . s c h r i e b x f ) v kcckt] v ä p c t v , ein
and(erer) xfjq KdKfjq dpäq.
30 144 AvxiKaxöavEiv: dan(eben) yp. ävxtKaxaKxaveiv. Unmetrisch.
A(KT|V ist zu schreiben und das Verständniß wird leichter.
148. Die angerufenen Götter wieder zusammengefaßt.
( 1 5 0 ) . ¿Ttavöi^siv eig. mit Blumen schmücken. Es ist wohl zu ergänzen
%odq aus dem vorhergehenden.

35 160. Der Rh(ythmus) dochmios u — | — u —, dreizeitiger Iambus


und ein jzeitiger Paeon.
(Aeschylus Choephoren, Verse 1 — 450) 333

Diese Theorie rührt von später her. Aristoxenos scheint es anders


verstanden zu haben. Nach ihm lassen die 8 |J,Eys0r| eine daktylische
Gliederung ( z u ) u u u u | u u u u , andere Gliederungen 1 seien
unrhythmisch. Westphal legt zugrunde den Paeon, nimmt an, daß der
u u Dochmius ein doppelter Bacchius ( s e i ) . — Die zwei
Längen werden syncopirt, die letzte Länge enthält 4 H8ys0T|.
Der Dochmius läßt viele Möglichkeiten zu und unterscheidet sich
nach den Arsen (im Sinne der antiken Metrik die Kürze, die Senkung).
M a n unterscheidet zwei Arten

Söxjiioq KpmKÖq und Sö^Hioq äXoyoq


8 8
u u —
y — y -
Söxntoq ducpd^oyog
5öx|xtoq 7t pcoid^oyoc; u—
ööxnio^ necctXoyoq u

( F ü r ) jede der Thesen, Hebungen, kann stehen als Ersatz zwei Kürzen:

I u u u —u — 2 ( u —
u—uuu— < u
u —u u u u u (.
u uuu

u u u u u u —
u u u u u u u u

An Stelle der Arsen kann eine Länge stehen. M a n hat 32 M ö g l i c h -


keiten). A m seltensten sind die Auflösungen der letzten Länge. Die
A n a k ( r u s i s ) wird häufig durch eine Länge ersetzt.
Unser Gedicht besteht aus Strophen. — 1 . Gruppe: Benehmen des
Chors bei den Spenden, z. Wunsch des Chors, der Rächer möchte
erscheinen. — Jeder Theil besteht aus 1 2 Dochmien. In der ersten

1
i + 7
2+ 6
3+ 5
7+i
6 + 2.
5+ 3
334 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

Hälfte sind Dochmien durcheinander gerathen. Aber kein Grund ist


es Worte herauszuwerfen.
152. Kava%eq mit Geräusch. — die hingeschwundene Thräne dem
h i n g e s c h w u n d e n e n ) Herrn.
5 155 äXyoc, nach dem Sch. verschrieben für ayo<;. <(154) spup.a Schutz-
wehr, Grab des Ag. KEÖvröv muß gestellt werden zu spo^a arcöxpcmov.
KOtKöv muß gestellt werden zu äyoq &%£V%ETOV.

KCHCCDV x' iiyoq &nevx£*o\.


KESVCÖV DNEUXEXOV epu^a.

10 Man bekommt also folgende Formation

IEXE SctKpu K A V -
a%eq ö\o\)\±zvov
rcpöq epu|xa Sscitoirov
XÖ8' ÖXo|ieVft) K£ÖVtt)V
15 ditÖtpOTCOV KClKüjv x°
äyoq d7ieüxexov
KEXUHEVCOV xoctv.

Ludwig, Zur Kritik des Aeschylus, Diss. 1860 meint icb K.T.A..
<160 — 163) s e i von einem Sch. hinzugefügt, aber man sieht nicht
20 warum die Verse fehlen sollten. Ein Anhaltspunkt zeigt, daß man gar
nicht die Verse missen kann. Das Lied wird <151) Päan genannt.
Warum? Ag. 99 Jtaiäv ist ein Jtaicov. Es sind kurze Gebetsformeln am
Anfang und Ende der Handlungen. Der Päan ist entgegengesetzt der
Klage | TtoXit; <8' ö|XoC |isv 0u|iia|X(XTCOv> y£|iei 6|ioC <8E) rcaiävmv
25 Kai CTt8vay|j.At(BV. | rcaiäv 8s Xd(a.7tsi o i o v ö s a a ä XE yrjpuq önauXo«;.
ruaiäv ist der Ruf nach Hilfe, nicht der Ruf des Wehes. - Wo ist Hilfe
verlangt außer in den letzten Versen? — Aber im Texte ist der Wunsch
nicht ausged<rückt>. ich xiq 8opucj9evi)q avfip ist nicht metrisch.
Nach 8op<iXT0EVT|<;> fehlt eine Länge. Wo steht das Verbum? Welches
30 Verbum gehört zu xiq? Man hat zwei M ö g l i c h k e i t e n : ) liq als Frage-
wort, n q unbestimmt. Wenn xi<; geschrieben ist, schreibt Weil Bio'
<avf|p) Wer wird kommen? Diese M ö g l i c h k e i t , ein Verbum zu
haben) wird ( a u c h ) durch Bothe geboten, nämlich ixco. id) ist nach
Heimsoeth viel zu schwach nach öxoxoxoxoxoxoi. Nach 5opua9svf)q
35 ist wohl nach N i e t z s c h e ) Ssßp 5 zu ergänzen.
{Aeschylus Choephoren, Verse 1 - 4 5 0 ) 335

Wir haben zwei Gruppen, jede von zehn Dochmien.

Str. iexe Smcpu Kavayßq Ant. ÖTOTOTOTOXOTOl


6X,oi>nsvov öXo- ÌT£0 tii; öopu-
(i£Vö) S s a n ö t a CT0Evf)q Seup' avf|p
5 pü|ia keine Tipöq pßpa tööe kcikcüv àvaÀuifip §ó|icov
Form von KsSvdiv 5 ' &7tÖTpo7tov SKüöiKä x' èv xspoìv
p£Ü(j.a. ayoq änei>%szov TraMvTova u —
K8^ü|i.8V(ÜV "/OÖV èv epytp ßsAr|
k M i s 8 e |ioi kA.ue 'jiiitctUcüv "Apr|<;
io aeßaq cb 8 e ( J 7 t o t ' et, o%é8ià t' aÒTÓKca-
d|iaupä<; (ppevöq. 7ta vcöficöv £,icpri.

Da wir zweimal i o Doch, gefunden haben, so ist es unmöglich ein


Glossem anzunehmen. önotpoTlov wird verbunden mit äyoq änEV%£-
t o v . Aber statt ÖTtOTpoitov wird ÄTtöipETiov gelesen.
15 Störend sind die beiden Genetive. | Der Fehler ist zu suchen in der
Erklärung der Verse, ayoq hat der Sch. als eine App<osition> zu Scticpu
gefaßt, äyoq ist auch dasjenige was reinigt, sonst Eväyiana, i m allg-
ein Opfer. Die Thräne kann ganz gut ein Opfer genannt werden. Statt
cmsu^exov ist ¿7CSK%utov zu lesen: was dazu gegossen wird, ein Opfer
2.0 hinzugegossen zu dem Todtenopfer. D a ß es das richtige ist zeigt Jtpöq
pü(xa: Entsendet die Thräne, ein Opfer hinzugegossen zu der Todten-
spende.
Die G r i e c h e n ) u n t e r s c h i e d e n ) 3 Tactarten: yivoq i'aov SuiXäüiov
und f)(lioXov. deren 1. in zwei Theile, 2. in 3 Theile zerfällt, 3. in 5
Theile zerfällt. Ein Versuch ist gemacht worden das yevoq ö<i7tXä-
2.5 a i o v ) wegzunehmen. Westphal (Die Ekklesiazusen des Aristophanes)
hat das yevoq f||iioÄ.ov genommen, also u u . Westphal nahm
an, daß die letzte Länge den doppelten Werth der ersten Länge ( h a b e ) .
Nach Westphal ist also dasselbe M a a ß beibehalten. Es giebt aber
Dochmien wo die letzte Länge in zwei Kürzen aufgelöst ist: also liegt
30 ein Widerspruch in der Erklärung. Westphal erklärt ebenfalls nicht die
Freiheiten des Dochmius. Wenn man das yevoq 5i7iX.<xmov annimmt:
1. Kürze ist der Auftakt, Anakruse:

3/8 IJ.IJ;|JIIJ.|J>IJ
336 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

Diese Erklärungen sind zurückzuweisen. Wir werden zwei Tactarten


annehmen müssen.
Auftakt Bacch. Troch.
U | U | — |U U |—U
5 C<äsur>

Wir haben das yevog f|(iio^ov und das yevoq SijtXacnov; hier sieht
man, wie der Name zu erklären ist. Ein Theil hat viel mehr als der
andere. Die erste Kürze bildet den Auftact zu dem folgend. B(acchius).
Als Auftact kann sie durch eine irrationale Länge ersetzt werden. Die
10 andere Länge ist auch gleichsam ein Auftact zum Trochaeus und kann
also aufgelöst werden.
168. xdqx» ist local. Vg. das hom. aiöepi vaicov. Hier macht vielleicht
der Chor eine Bewegung und da wäre es vielleicht zu schreiben xi (p<B;
169. von welchem vornehmen Weibe?
15 170. merke den Pleonasmus.
1 7 1 . naXaiä altersschwach. Jedoch 175. Also ist zu lesen nicht n&c,
oßv sondern Tiäq 06.
172. 7tX/r]V 8|ioß wird beinahe überall gelesen. Der Gedanke: es ist
keiner der diese Locke {außer mir abgeschnitten hätte), ist absurd.
20 172.. Der Med. hat vov, darüber geschrieben viv. Aber es ist zu lesen
vüv.
Durch die Conjectur Dobrees 7tÄ.i|v evöq < 1 7 2 ) geht die ganze
Lebhaftigkeit der Rede verloren. Bothe conjicierte ¿(xräv, um nichts
besser „außer den meinigen". Der Fehler ist überall an falscher Stelle
25 gesucht worden. Sinn: es giebt keinen außer mir, der sich jetzt zur
Trauer schöre. Sie spricht die halbe Wahrheit aus, um den Chor zu
reizen die ganze auszusprechen. Ludwig glaubt 170 und 1 7 1 sollten
geschrieben werden nach (10A.SIV { 1 7 9 ) . Ist die Umstellung möglich?
Nein.
30 176. <af»Toiciv f||iiv = ) xaiq eOsipaiq aüxräv ruicöv. Vg. KÖ|iai
X a p i x s c c i önoiai.
Diese Scene persif. von E<uripides> El. 25 von Ar. W<oIken> 536.
183. Ein doppelter G<enetiv> kann nicht abhängig sein von k^uöcü-
viov. Die Empfindung einer plötzlichen Leidenschaft ist die Galle.
35 Also ist zu lesen ^ o ^ v 8' £Tcaic0r|v. Daß hier x o ^ v zu lesen ist,
zeigt Herodian in Ety. M . %oXöq < x ö ) TtdGoq. x o ^ l <*<P' oö itdGoq. —
(Aeschylus Choephoren, Verse 1 - 4 5 0 ) 337

npo(T8CfTT| Ttpòq KÙ|ia <Eur. Tr. 1 0 3 ) vg. 183 und 167. Hier muß es
die Rede sein von einem heftigen Pulsschlag, nicht von einem Stocken.
Um jeden Preis muß Jtpoaécrrr| fallen. Also ist zu ändern ( i n ) rcpo-
G£7tTT|.
j 185. Wie können Thränen durstig genannt werden? Thränen der Sehn-
sucht, vg. 5iv|/a Verlangen, Sehnsucht, Pindar <jte Pythische Ode 104.
Aus Durst weint man nicht. Die Erklärung von Weil ist: durstig, gierig,
und darin soll liegen der Begriff des ,voll', aber es fehlt ein Band. Man
muß den Begriff 8iv|/io<; auf Electra beziehen, also Styicp. 8ua%i|io<;
10 leidig, gebildet von 8u<; wie aus (xé^ag, (iéX,aiva |ieÀÓYXi|XO<;.
Das Gef<(ühl) der El. äußert sich in einem Wellenschlag, durch einen
heftigen Schlag und einen Thränenstrom.
<i88:> warum sollen die àcrtoi feindselig sein? Die Schlußfolgerung
<195 f f . ) hat eine kleine Lücke. Das zweite Glied enthält, ob die
15 Mörderin die Locke eingelegt habe. Und wieder ist hier eine Lücke —
denn es wäre möglich auch, daß die Mörderin die Locke eingelegt
habe.
190. è|if| ye |if|TT|p. (Bourdelot) Med. hat èfxf) 8è. Man hat gemeint
man solle vorher ein |isv ergänzen. Es wird zweierlei ausgesprochen:
20 Daß die Mutter die Mörderin ist und daß sie keine mütterliche Gesin-
nung trägt. < 1 9 2 ) Der Sch. meint es fehle OÒK ex©- Man sieht nicht
warum èyó> dastehen sollte. Es ist wahrscheinlich, daß ein solches ex©
gar nicht fehlt, e x ® also und ein Fragezeichen nach 'Opécrcou; als
Antwort a a l vociai 8' òn èXniàoq.
2.5 195. Man könnte meinen^, daß) elxe <pcovf|V zwei Beziehungen habe:
die Locke od. die Hoffnung können sprechen. Aber die Locke ist die
Sprechende. 196. Anstatt von KWi>aaó|ir|v steht im Med. KT|vua-
aó|iT|v. Es giebt ein Wort Kivuy|ia od. KT|vuyna, das Gespenst - daß
ich nicht einem Gespenst gleiche. Hier tritt klar die Iterativform heraus.
30 Kivu(Tcró|!r|v und KT|VUC7(TÓHT|V ist ein Beispiel für den Itacismus. 197.
vg. die Collation im Med. Diese Verse sind persiflirt worden von Eur.
207. Diese Verse sind eigenthümlich aus 4 Gründen, yóp ist unverständ-
lich. Auffällig ist die Wiederholung von Tiepiypatpà und ÓTtoypacpai.
Diese Notiz unterbricht die Schilderung. Was will die Erwähnung des
35 cuvé|l7topo^? Wir haben hier eine Aenderung von Schauspielern. Das
ath. Publicum fand abstoßend, daß Pylades nicht erwähnt werde. So
ein Einwand gehört zur euripideischen Zeit; ganz dieselbe Vermuthung
338 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

hat Rossbach ausgesprochen in einem Progr. De Choephoron locis


nonnullis 1859 pg. 14. — Hermann setzt eine Lücke nach uv6<;. Eine
verfehlte Conj. ist die von Schütz welcher zwei Verse streicht und
meint, daß Electra auch die Fußstapfen des Pylades untersucht. Auch
5 ist zurückzuweisen eine Vermuthung von Weil, welche die Ordnung
der Verse verändert.
215. Man muß sich nicht durch das deutsche ,zu dem Anblick kommen'
<(irreführen lassen).
sig öv|/iv fjKEiv = unter die Augen treten. 215. Man muß meinen, daß
10 dbvjrep Neutrum ist, aber das N. ist nicht am Platze, eiq ö y i v f|Ksi
(TOI övTtep ¿¡;T|£>%OU näXai.
217. Statt EKTtaY^eicTÖai ist zu lesen EKYKaXsiaGai.
224. obg övx' 'OpsCTTT|v xöv5' ey<b 7rpoasvv£7tco;
225 — 235 stehen in einer andern Folge.
15 225. Es steht im Med. |XEV vCv. HE vuv falsch. |isv oßv ist zu lesen.
229 hat man überall anbringen wollen. Electra ist in der ersten Reihe.
Klar, wer der Sender sein muß. Bei dem Zweifel der Electra beruft
( e r ) sich auf die Locke. Ein Redactor hat ohne Zweifel einige Verse
hinzugefügt. 229 und 230 sind Interpolationen, welche die Schauspieler
20 gemacht haben wegen der Naivität der Erkennungsscene. —
<i88> Sscraö^Eiv cpößriq ist ein ziemlich sonderbarer Ausdruck. <189)
OU8E ... f| KT<avoßoa) ist auch sonderbar, die folgenden Verse sind
durchaus bei dieser Scene inhaltlos. Was hat die Unmütterlichkeit mit
der Locke zu schaffen? 187 — 210 enthält eine Menge von Anstößen.
25 234 oi cpiA/raioi soll bezeichnen Klyt. und Aegisth. 235 ist (pi/UATOV
auch auffällig. Denn schwerlich wird Aeschylus zweimal cpiA/taTOt;
geschrieben haben.
236. Was heißt cj7tEp|aa aooTTipiov? - kann blos Orestes bedeuten.
Aber würde Electra so Or. anreden? ,Hoffnung auf ein gerettetes
jo Geschlecht' ist verwerflich. Hoffnung auf einen Keim der Rettung —
Warum würde das emphatische Lob verringert werden? Weil meint, daß
dem Mangel abgeholfen würde, wenn aaycf|pio<; geschrieben würde.
Hoffnung für das Geschlecht ist auch ohne guten Sinn.
Aus Stellen des Soph. und Eur. kann man leicht und richtiger vermu-
35 then TEp|iaTO<; acotripiou.
239. Zwei Verse mit dem Ende 6%OV. Man verlangt d i c h , was nicht
dasteht. Statt Eftov - ae jioi.
{Aeschylus Choephoren, Verse 1 - 4 5 0 ) 339

2.43. ¿poi CTsßaq cpepcöV: ist der Ausdruck möglich an dieser Stelle? ist
es passend, daß Orestes Verehrung gegenüber der Schwester habe und
nicht dem Chore? Dies hat Schütz empfunden und schrieb deswegen
ge\aq. Aber afkaq hat nie die metaphorische Bedeutung. Den Gedan-
5 ken kann man finden, wenn man statt £|K)i a s ß a ; cpepcov {liest:) £|i.oi
je (pfix; cpepcov. Man hat auch damit |iövo; verbunden, aber der
Gedanke ist falsch, (iövov voran = nur. Die Verse bieten zuerst nichts
anstößiges, aber cruyysvoixo wird mit K p ä x o ; TS Kai A1KT| im Singular
geschrieben. Aber die Kpäxog wird nie erwähnt als Gottheit — sonst
10 die M o i p a , die A1KT| und Zei>q. Es ist wahrscheinlich, daß diese drei
Gottheiten neben einander erwähnt werden. Zudem kommt noch, daß
der Begriff der Stärke dem Or. gehört, die er besitzt — dA,KT) 7t£7toi0<B;.
Nicht K p a x o ; als Gottheit ist zu betrachten, n o v o ; Med. In M O N O E
ist enthalten Moipa^. — Und so bekommt man Moipaq Kpäxoq xs
15 Kai Ai.KT|<; aüv xfi) xpixcp. Wenn man so schreibt, ist alles klar. Sing,
bei ciDyysvoixö (ioi.
247 ist eine treffliche Vermuthung von Turnebus namhaft zu machen,
yevvav eövtv a<i)exoC Jiaxpög.
250. svxs^riq wird verbürgt durch den Text und die Scholien. Aber
2.0 leicht kann man vermuthen den Pluralis. — 251. Der Mediceus hat
0f|pa Ttaxpröa. Inwiefern kann die Beute eine Ttaxpcpa genannt werden?
Also nazp&oiq oder Ttaxpcocp CTKr)vfi(iaxi, was sich mehr empfiehlt.
Wir haben ein schönes Gleichniß.
252. Wie prosaisch sind diese Worte. - cpuyiiv s'/ovre nicht einmal
2.5 ein prosaischer Ausdruck, und die Worte dem Sinn nach sind nicht
einmal richtig. Durch diesen Vers < 2 5 4 ) wird das Gleichniß schief
ausgedeutet. Daß wir hier mit Byzantinern zu thun haben, zeigt {der
Ausgang der drei Verse 252 — 254). — Die Byzantiner haben eine
ganz gleiche Form des Ausganges {dadurch,) daß die vorletzte Silbe
30 accentuirt ist - Xeya, yövov, 5ö|icov.
Weil hat die V. 235 etc. dem Chor zugewiesen. Das Anstößige ist
folgendes. Bevor Electra ihren Gefühlen einen Ausdruck gegeben hat,
ist nicht wahrscheinlich, daß der Vers {233) ev8ov ygvoö da stehen
könne.
35 Durch die Weglassung der V. 252 — 254 gewinnen { w i r ) das: daß Or.
nicht redet, sondern die Rede fortgesetzt wird. Auf dieses Ep{eisodion)
folgt ein KO|X|IÖQ, dessen Sinn ist, die Gefühle der Zuschauer so zu
340 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

steigern, daß der M o r d der Mutter nicht mehr abstoßend erscheint.


Der schmähliche Tod Agamemnons wird aufs lebhafteste geschildert.
In der Electra des E<uripides> und Soph. schien es unmöglich, eine
längere Scene am Grabe zu haben. Unpractisch ist immer Aeschylus
5 aber wie hat er diese Scene motivirt von dem Zustand der Schauspieler
<aus>. Schroff stehen gegenüber die Anagnorisis und die Trauerscene.
Mittelglieder sollen das sein um den heftigen Eindruck zu vermindern.
Der Höhepunkt dieser Scene ist der Jubel der Electra. Von da an bis
zum KO|i)iöq zeigen sich 3 verschiedene Gefühle. 1 . Jubel, z. Gebet
10 von eindringlichem Charakter 3. Bestimmung (Mission) Rache zu
üben auf Befehl des Apollo. Die ganze Rede zeigt die Sicherheit des
Entschlusses. Wie sind diese Stufen eingeleitet? 3. Stufe. Hier muß der
Chor sprechen. 264. Der Chor muß seine Angst ausdrücken. Jetzt gilt's
den Chor zu beruhigen, den Trauergesang möglich zu machen. Orest
15 beruhigt den Chor und macht den KO|X(IÖ<; möglich. Von welcher Seite
aus kann der hohe Strom der Gefühle gemäßigt werden? Von dem
Chor und von Orest. Diejenige, welche temperirt werden muß, ist
Electra, und sie wird temperirt von Orestes, nicht von dem Chore.
Diese Verse <(233 s s . ) müssen den Uebergang bilden zum weihevollen
20 Gebet.
233. svöov yEVoß. — Wo merken wir etwas von der maßlosen Freude
der Electra? Wo liegt das Kennzeichen einer übermäßigen Freude? Es
ist ein einziger Vers, welcher diesen Verdacht erregt, 237. Im Vertrauen
auf deine Kraft wirst du das Haus wieder erlangen. Jetzt versteht man
25 den Vers < 2 3 4 ) xoüq (piXxäxouq K.T.X. Dieser kurze Ausdruck enthält
den Gedanken vom Tadel des Selbstvertrauens. Wenn Orest dieses
Vertrauen auf eigne Kraft tadelt, so soll Orest sagen: komme zu dir
und verwirre nicht den Sinn. Nicht mit der eignen Kraft will ich das
Haus gewinnen, sondern mit Hilfe der Götter (<234) statt vrov : vßv).
30 Diese Worte leiten das Gebet ein. Electra muß das Gebet aussprechen,
da sie sich gegen die Götter vergangen hat. Es giebt einen andern
Grund, warum das Gebet der El. zuzuweisen ist, nicht dem Or. Häufig
folgt auf ein Gebet gleichsam die Erfüllung des Gebetes. Bspw. nach
dem Gebete an Hermes erscheint Electra. Nach dem Gebet der Electra
35 giebt Or. an, daß er von Apollo geschickt kommt. Apollo bürgt
dafür, daß das Gebet erhört ist. Ziehen wir die Schlüsse. Unmittelbar
<Aeschylus Choephoren, Verse 1 - 4 5 0 ) 341

n a c h d e m E . das G e w e b e gesehe hat, die L o c k e verglichen mit d e m


Schnitt, zeigt sich der Jubel. N a c h aff>xf)piov < 2 3 6 folgt V. 2 . 3 8 : )

sv8ov yevou < 2 3 3 )


d> (pOuTdTOv n s . < 2 3 5 )
5 öaKp. < 2 3 6 )
& xeprcvöv < 2 3 8 ) - (pröq cpepcov < 2 4 3 )
äÄ.icfj 7tejtoi0(bq 8ö|i' d v a K i f ) a i ] iraxpöq < 2 3 7 )

ev8ov < 2 3 3 )
zote, <p. < 2 3 4 )
10 Moipaq <244)
TtOtVTCDV < 2 4 5 )

Und d a r a u f das Gebet der Electra.


E s wird 2 5 5 dem Z e u s zu G e m ü t h e geführt, d a ß er sich selbst
schadet. K a n n unter der Brut des Adlers Orest und Electra zu verstehen
15 sein? Nein. Offenbar ist die B r u t des Adlers die wirkliche Brut. Wenn
du die Vögel vertilgst (<d. h . ) zuverlässige Zeichen) wie kannst du
solche Zeichen geben? Aber das Verhältniß hat nichts mit dem Bilde
zu thun. — Der Satz hat allein dann einen Sinn, wenn m a n den
Gedanken allgemein auffaßt. W i r verstehen <(sonst) nicht, w o z u dieser
20 Satz dienen soll. 2 6 0 . o u t ' d p x i K Ö q führt aus sßOoivov y s p a q < 2 5 7 ) .
N u n gehörten diese Verse zu eßGoivov yepaq. M i t andern W o r t e n sind
die Verse o u t ' criexoC yEveöX,a ein Einschiebsel und wahrscheinlich
eine Parallelstelle.
2 6 6 . yXdiCTCTTiq %dpiv aus reiner Geschwätzigkeit. Hesychius: y/\.d)aar|t;
25 %apiv \|/£UÖ£CT0ai: Niemals darf der C h o r Aga. als 7tarr|p anreden,
sondern als Seajiötriq. —
2 6 9 . Diese R e d e erregt viele Anstöße. Wie stark soll der Trieb sein,
um J e m a n d e n zum M u t t e r m o r d zu bewegen? N o c h einmal finden sich
E r w ä h n u n g e n in den C h o . 1028 und in den E u m . 4 8 3 . Eine Schwierig-
30 keit m a c h e n 2 7 3 — 2 7 4 — 2 7 5 . E s fehlt zu Jiaxpöq etwas; o i a m o i t o C
Ttaxpöq kann nicht bedeuten, die M ö r d e r des Vaters'.
2 7 5 . xaupoü|X8VOV verwandelt werden zum Stier. x a u p o C a ö a i k o m m t
tropisch im Sinne von stieren <(vor>. ,Stieren' hat keinen Sinn. M a n
hat den Sinn finden wollen ,aufgeregt werden', ,wie ein aufgeregter
35 Stier'.
342 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

275. d7ioxpf|(xaxo<; ist unbelegt. M a n muß den Sinn aus der Stelle
selbst entnehmen. d7toxpfmaxog soll bedeuten ,einer welcher sein
H a b und Gut verloren hat' — eine Vermögensstrafe. Eine andere
Möglichkeit ist, das Wort von <Z7iöxpT| abzuleiten, also ,genügend'.
5 M a n hat bis jetzt immer die erste Erklärung angewandt. Dieser Begriff
ist durchaus unmöglich. Nehmen wir die andere Bedeutung. 274 enthält
nur Glossemata. xpörcov xöv ciijtöv glossirt d7toxpr||idxoicn ¡¡T||iiai<;.
dvxartOKxeivai soll man suchen in xaupoi)|xevov. Statt dessen xopou-
|ievou.
10 M a n hat die Verse für unecht erklärt, aber es nicht bewiesen. D a
würde man <275 - 2 7 7 ) zuerst verbinden auxöv |i£. < 2 7 6 ) auxöv: nach
d. Sch. ist Agamemnon { g e m e i n t ) . Offenbar verbindet der Sch. mit
auxöv <den Infinitiv x i a e i v ) . Was muß der Sch. gelesen haben? x i a e i v
hat er aufgefaßt { a l s : ) ,der Vater werde mich bestrafen'. Gegen diese
15 Erklärung spricht der Zusatz s"/ovxa noXXä öuaxepjirj KütKÖ und xfi
cpiXi] \)/uxti- Der Gedanke, den wir zu erwarten haben, findet sich in
den Eum. in der großen Rede der Clyt. D a s Motiv, welches zum M o r d e
reizen soll, ist die Grausamkeit des Mordes Agamemnons. Der Vater
muß die Feigheit des Sohnes büßen durch arge Schmerzen. xd8e kann
20 sich nicht auf die nachher geschilderten Leiden beziehen. xd8e muß
sich zurückbeziehen. Der Gedanke ist dieser. Die Feigheit des Sohnes
muß der Vater büßen. xdSe (2.76) muß sich beziehen auf die Rache.
Wir brauchen eine Negation. Weil hat das Richtige gefunden in |i.f|
<(277). Der Vers würde unmetrisch sein: |xfi 'yovxa xiaeiv noXXä
25 Suaxeprcfj Kaicd [...]. Statt x i a e i v ist wohl <mit Weil) 0f|aeiv zu lesen.
Agamemnon wird viele Uebel erleiden, wenn er diese Rache nicht
erhält. Bis 277 ist die Rede von dem speciellen Falle. Von da ist es die
Rede von dem überhaupt, welcher die anbefohlene Rache nicht verübt.
Daß wir mit einem allgemeinen Fall zu thun haben, zeigen mehrere
30 Stellen. Der Uebergang liegt in dem ydp <278), in dem allgemeinen
Theil. Mit ydp bezieht sich ( O r e s t ) auf 271. 279 ist öe fehlerhaft, xdq
5e vcpv vöctoü^ ist durchaus fehlerhaft. Wir brauchen einen Ausdruck
um den speciellen Fall anzudeuten. Wir haben zu lesen xdq xoicov
v ö a o u q — 285 bietet mehrere Anstöße. 289. Infinitive sind wiederher-
35 zustellen. Wir brauchen ein Subject, 285 eine nähere Bezeichnung des
Objectes. Auf <283) aXXaq - <288) Kai Xvaaa (läßt Hermann 2 8 5 )
<Aeschylus Choephoren, Verse 1 — 4 5 0 ) 343

6p<BVT<x {folgen. 286:) Statt ße^oq: %ö\oq. <2.87) ek 7ip<oaxpo-


rcaicov) eyyevei jiSTrccoKO-ca.
294. Was istctuäACeivtivd. auIÄ-üeiv hat den Sinn wie GuyKataXusiv
mit Jemand verkehren, una deversari. Der Sch. hat es so erklärt. 8'
5 oute statt oute. Es ist wahrscheinlich, daß <293) TtaTpö^ ein Glossem
ist, da es noch von dem allgemeinen Fall die Rede ist.
294. ctuHüeiv nach der obigen Erklärung ist abzuweisen. Hermann
hat gemeint, es liege darin der Begriff una navem solvere. H. meint,
daß der Sch. es schon so verstanden habe. 295 und 296 fassen die
10 Uebel zusammen. 299. Drei Antriebe werden genannt und ein Ziel
(Aegisth und Clyt.).
305. Hier ist eine Aposiopese. ei 8e |XT|, Tax' eujeiai hat keinen
Sinn. — Die Schritte sind nach und nach gethan worden. El ö' £|if|
(Vahlen): in dieser Construction ist noch etwas Anstößiges. f| 8' £(lf)
15 <Weil> - statt dessen tt)v 5' £|if)v t a x ' s i a s i a i .
Man kann die Rede als wiederhergestellt ansehen durch die Umstel-
lung zweier Verse und die Auswerfung eines Verses. Heimsoeth hat
diese Rede folgendermaßen behandelt. Er geht vom Verse { 2 8 1 ) dp-
Xaiav cpÜCTlv aus. ^El^vo«; ist weggeworfen, weil es dasselbe ist (wie)
20 aapKcäv ETtaiißaTfipai; und statt lEixrjvaq schreibt er änaaav. 285:
Darin findet er ein glänzendes aeschyleisches ö^ü(J.copov. Er meint, das
wäre genügend um den Wahnsinn zu bezeichnen. Aber wie soll
vcohövt' ¿><PPÜv den Wahnsinn bezeichnen? Statt ¿(pcovsi schreibt er
{ 2 8 3 ) EcpEpTtEiv. 279 ist nach seiner Meinung eine Interpolation. Statt
25 ixEiMynaxa muß <278) ein anderes Wort dastehen, nämlich |i.r|vi(iaTa
<(Lobeck. Es) ist nicht kräftig genug, also KT|X,f||xaTa. Er meint daß
KfjXa darein (stehen) müsse. KT)X,a bedeutet Pfeile, aber KT|>.rnJ.ata
hat nie diesen Sinn. Um diese Erklärung möglich zu machen, so bringt
er die beiden Worte in Verbindung. Statt TÜq 8e vcpv vöaouq schreibt
30 er XEtxfivaq. Wie könnten dann Pfeile ankündigen, TticpaüGKEiv. 273
erklärt er toC Ttaxpöq durch xoß (pövou. 276 meint er, der Schreiber
sei zu schnell weitergegangen und schreibt
<als 2 7 1 ) xpÖTtov
<als 272) djüOXpTinäTOiav

35 Folgt jetzt der Konnöq. Es ist ein öpfjvoi; KOtvöq toC x°P°C Kai dito
CTKT|vfj<5. Die Anapaeste leiten die Chorpartien ein. Anapaeste sind
344 Nachschriften v o n Vorlesungen Nietzsches

nichts anders als Dactylen mit einem Auftacte. Je 4 An. treten zusam-
men und darauf der Paroemiacus. Der fünfte Tact in diesem Verse ist
durch eine einzige lange Sylbe vertreten:

u u | — u u | - u u | — |—I
5 Paroem.

308. (xsxaßaivEi. Sch. ¿Ttiveüet. Mitschreiten (?) auch übergehen.


315. aivo7i(XTT|p ist vielfach umgeändert worden durch aivo7ta0i|<;
wegen der Anmerkung des Sch. Seivct 7TA0Q)V.
< 3 1 7 . ) oüpi^eiv in einen günstigen Fahrwind bringen, ä y m ö s v ist
10 dasselbe wie dveicaöev von oben her. xuxoip' äv ayicaGev oüpiaac;.
oöpi^co verlangt durchaus einen Accusativ und also ist GKÖTCp (päoq
avxi|iOipov damit zu verbinden.
322. Was heißt npoaOööoiiog? Soll bedeuten: die Atriden welche
vorher das Haus bewohnten und daß Astriden) ausgewiesen sind.
15 TtpoaOoSöpoic; (Cur(tius) vg. Ö7tici068ono<;): statt dessen hat Härtung
vorgeschlagen) Tipöcös 7tpö|iOl<;. O unglücklicher Vater, mit welchen
Worten möchte ich dir Licht senden?
321. Wir verlangen ein anderes Wort. £ÖKEÄ.a8o<;. Statt ksk^T|VTCu:
KEK>.1]T' ä v
2.0 <328.) avcwpaivExai 8' 6 ßtaxcrrrav, der Alastor.
<329.) Weil hat wohl das richtig erkannt: Traxepcov 8E KartTiEaövxwv.
330. Statt yöoq : vöog. EK8IKOV Nietzsche.
331 <xö Jtäv:) ßonäv Lachmann.
<333.) TtoXuSctKpöxa. 334. 8ijtaiq 8s toi a' in.
25 <339.) äxpiaicxog unsiegbar.
<344.) VSOKpctq: Das Zeichen eines neuen Festes, die angenehme
Festspende.
347. Med. 8opix|IT|XO<; giebt eine passende Bedeutung: ,durchbohrt mit
dem Speer'.
30 350. E7iiaxp£7txoq hervorstechend, glänzend, aicä: Der Med. hat aicovcc.
Aber die Form aitt) ist verbürgt von Bekker in den Anecdota.
353. x®|iaCTiv EÖcpdvTixov N(ietzsche).
358 — 359. Die größten Herrscher sind Pluton und Persephone. Der
Gedanke ist ohne Zweifel der: er war der König der Könige.
35 362. 7i£iüißpöxou 8E ßäicxpou N<ietzsche>.
{ 3 6 3 ) ff. Electra wünscht das Gegentheil dessen, was Orest sagt.
{Aeschylus Choephoren, Verse 1 - 4 5 0 ) 345

365 aXkxov ist zu verbessern (in äXktO: Stanley).


367 — 368. Da Electra den Vater anredet, so kann viv nicht stehen, und
Weil vermuthet Kxavövxeacn,v: 7täpoq 8' fj Kxavovxeccnv - aber
wenn Kiavövxsi; stehen bleibt, so ist ä, also KTEivovxeq.
5 370. TtpÖCTü) ist wahrscheinlich mit Ttotpoq zu verbinden, wie Ttpöxepov
Ttpiv.
378. Bothe xoßx5 ouv.
383 und 384 geben viele Anstöße. — Nietzsche läßt diese Stelle als
eine ganz desperate. TtavoCpyo^: einer der vor nichts zurückschreckt,
10 wie ^scopyöi; (Xscoq ganz).
386. TREUKDSK; hängt mit JIEÖKTI zusammen. Die Spitze, dann Tanne.
jreuKfxeiq, hängt mit Ttuyi^TU pungens zus(ammen). TteuKdeig öXoXvy-
HÖQ = Ö^OQ ÖA.O.

389 ist gebessert worden. Statt Geiov: olov. sp7iaq widersteht dem
15 Gedanken. Statt sprcct^: cppevöi; ... svxöq.
390. Statt 7tpq)paq: Jtpoopä.
391. Statt är|xai: är)xa^.
393. Oupöq Kai axuyoi; eyicoxov.
394. Was heißt d^.(pi0aA,rig? Nach Weil soll die Stelle bedeuten: Zeus
20 als Doppelmörder. Statt &n(pi0a>.i|<;: &n<pt0X,af|<; N<ietzsche).
396. Statt 5at^aq: Sensal.
397. TtiCTXCt öeräv Ttoieiaöai heißt die Götter als Zeugen anrufen. Statt
%d>pa ist zu schreiben %(Dpa<;.

Im allgemeinen herrschen vor die logaödischen Verse und die


25 Reden des Chores in Anapästen.

St.a. St.b. Ant.a. und Ant.b. St.c. Ant. c.


1 2 3 4
Str. 1 2 1 Str.3 A.2 A.3 Str.4. St.5 Ant.4
1 2 1 3 2 3 4 5 4

30 ( 4 2 3 . ) £KOV|/A wird durch ein Praesens wiedergegeben. Es ist nicht


passend, daß der Chor seine Trauer schildere. Wenn diese Schilderung
unpassend ist, was bleibt übrig? Schütz hat die Stelle erklärt nach
falschen Lesarten und falschen Voraussetzungen. Um Orestes zum
346 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

M o r d e zu reizen, wird die Ermordung A g ^ a m e m n o n s ) geschildert.


Das ganze ist aufzufassen als eine fürchterliche Ironie. Statt EKO\|/a:
eKovye welches sich auf Clytaemnestra bezieht. < 4 2 8 ) á|ióv ist nicht
zu brauchen. Vielleicht a i v ó v .
5 430. Bei dem Begräbnisse eines Feindes wurde der Leichnam nicht von
einem Geleite begleitet
< 4 3 9 ) £|iaa%aM(j0T|, die Extremitäten des Leichnams wurden ge-
schnitten und aufgehängt. Dadurch glaubte man die R a c h e abwehren
zu können, ätpepxoq <(442) ist ein aeschyl. Wort.
10 444. Xtyei. 446. Fern geschlafen von dem Gemache. < 4 4 7 . ) £TOip.ÓTspa
l i ß t ) sind zu verstehen, wenn man verbindet diese Worte mit /soliera.
yekwtaq ist zu lesen. 449. Es ist nicht zu corrigieren <in> K8Kpu(i|xévov.
(Hesiod: Tsvog Kai ßiog 'Hcnööoi). Certamen.
"Epya)

[WS 1869; SS 1870; WS 1870-71; SS 1871;


SS 1873; SS 18761

Nachschrift von unbekannter Hand


Einleitung
yevo<; Kai ß i o q ' H a i ö ö o u

Das Leben ist die ganze Mythengruppe, welche den Begriff des
ßioq 'HCTIÖSOU giebt. Actenstück aus später Zeit mit guten Quellen.
5 Certamen Hesiodi et Homeri.
Die Griechen haben in jeder Zeit auch dichterische Triebe gehabt,
in den allerältesten Zeiten können wir uns den Dichter vorstellen als
einen begeisterten Menschen, der sich rein passiv verhält. Der älteste
Grieche betrachtet sich als Maske, durch die die Gottheit spricht.
10 Priester, Dichter, Weissager eine Person. Die ältesten Dichter sind die
Götter. Dichtergottheiten müssen wir annehmen. Mit ihnen gieng
es wie mit (der)> Gottheit. Sie sind vermenschlicht worden. Diese
Dichterheroen sind später in d<as> rein menschliche übersetzt worden.
Homer, Hesiod, Orpheus sind Epitheta der Dichtergottheiten, Dichter-
15 h<(eroen^ waren schließlich Menschen.
Was diese Namen bedeuten, später. Es ist meistens eine Lichteigen-
schaft, die Gabe des Gesanges gehört den Lichtgottheiten zu.
Wir kennen die Dichter anthropomorphisiert. Dieselbe Gottheit ist auf
2 Seiten gleichsam d. h. eine Art Doppelgänger festgestellt. Thamyris
2.0 u. Homer. Der Begriff Homers hat sich in Kleinasien lokalisiert und
dort genoß er bereits die Heroenverehrung, von dort nach Thracien.
Viele Thr<aker> nach Griechenland. Dort übersetzt in einen anderen
Typus, es bleibt die Blindheit, andrerseits Heldendichter. In Thracien
und dessen Pflanzstädten ist die Blindheit als Strafe ausgedeutet. Ur-
350 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

sprünglich ist d. Sänger Organ der Gottheit daher blind. Später ist sie
Strafe. Gestraft aufgefaßt Homer wegen d. Heldendichtung, d. gegen
d. Begriff d. didaktisch. Dichtung verstößt.
Im Zusammenstoß zw. Homer u. Hesiod ist der Wertkampf entstanden
5 zw. b e s c h a u l i c h ) u. heroisch. Altes Vorbild im Kampf d. Thamyris
u. der Musen. Wie haben wir uns das rein didaktische Element vorzu-
stellen? Es geht zurück auf den Dialog des Epos. Daraus entstand es.
In diesem Sinne haben beide einen gemeinsamen Ursprung. Auch die
Geschlechtstafeln, die Stammregister ('Hoiai) gehen auf d. Dialog
10 zurück. Helden die sich begegnen rühmen ihr Geschlecht.
Diese Abkunft d. didakt. u. d. homerisch. Epos aus einer Quelle wird
dargestellt als leibliche Verwandtschaft. Als d e r j e n i g e ) welcher beide
S t r ö m u n g e n > in sich vereinigt, gilt Orpheus. Centraiknoten. Deßhalb
im Stamme der beiden zu finden. Sobald sich d. Sänger geltend macht,
15 wurden die Sängerheroen zu Rhapsoden. Der Begriff wandelt sich
fortwährend. Vorstellung über Homer ist bis auf Plato im Fluß begrif-
fen.
In dieser letzten Periode sind drei Hauptpuncte 1) d. Verwandtschaft
2.) der Kampf 3) der Tod des Hesiod. Nichts ist überliefert, daß Hes.
20 d<er> Dichter der "Epyot wäre: so wenig als Homer als d ( e r ) D i c h -
ter) der Ilias gefaßt werden müßte; h ö c h s t e n s ) sind es Gefäße ganzer
Gattungen.
Die allmälige Verengerung geschieht bei einem gewissen Bewußtsein
der Kritik. M a n entdeckt den Dichter u. das beste bleibt auf ihm
25 sitzen, so II. u. Od. Cyclus fällt ab. Aus den hesiod. Epen werden
ausgeschieden die " E p y a . Alle andren haben gewisse Zweifel gegen
sich, so d<(ie> Theogonie. Die Helikonier behaupten es steif in d.
"Epya.
Inhalt. Prozeß zwischen 2 Brüdern u. da Sein unter Bauern ohne jede
30 Bildung. Urkräftig.
Wie verträgt sich damit, daß seine Eris d. h. seine Dichtung Umstim-
mung versucht?
Es ist zu unterscheiden z w i s c h e n ) Scenerie u. d. Absicht. Diese ist,
gewisse Lehrmeinungen zusammenzufassen. Für diese suchte man eine
35 Fiction. Es galt eine Anzahl Sprüche vorzubringen über ungerechten
Erwerb, Gericht u.s.w. Aus d. Scenerie ist für Hesiod nichts zu entneh-
men. Große Incongruität in diesem Sammelwerk. Die Nachrichten v.
( H e s i o d : TEVCN; Kai ßioi; ' H c n o S o u . Certamen. " E p y a ) 351

Wettkampf etc. hat er eingefügt als Bekräftigung d. Wahrheit, so in d.


Theogonie ( d i e ) Einführungsscene. Diese Gedichte z ( u r a ) Vortrag in
d. Festversammlung bestimmt. Man muß sich einen Dichter denken
auftretend mit der Maske Hesiods, wie ein Hymnus uns unter Homers
5 Namen auftritt. Die Dichter treten auf als wiedergeborene Heroen der
Dichtung. Sie fühlen sich nicht mehr als Organ der Gottheit, sondern
des Dichterheros.

( D a s C e r t a m e n H e s i o d i et H o m e r i )

1573 v. H. Stephanus herausgegeben und seitdem immer noch diese


10 Quelle. Die Kenntniß der H<an)dschrift verloren gegangen. V a l .
R o s e entdeckte sie in Florenz. Anecdota Graeca et Graecolatina.
Sie zerfällt in zwei Hauptabschnitte.
Ausgeführte Lebensdarstellung u<nd) Wettkampf eins. Daran schließt
sich die Nachricht v ( o m ) Tode u. endigt damit.

15 Die Überschrift nicht ganz genau, Zeit ungewiss.. D < a s ) Stück 8KÄ,oyf).
Frgmt. daraus <citirt> 'Iepai; (Eigenname: X a p a i ; ) zur Zeit Hadrians.
O e i ö i a x o ^ für b e w u n d e r t e ) Dichter, sonst, wörtlich im Sinne, v.
Menschen gebraucht, wie divus v. gestorbenen Kaisern so pag. 5
[ = Bd. II 1, S. 343] 30 v<on> 'ASpiavöq.
2.0 e'iaaxo citirt ex memoria. Im Gedicht v a a c a t o „er ließ sich nieder",
selten, sonst „gründen, setzen, festigten)" Athenaeus pag. 142. C. e£o-
|iai e5o<; iSpüco sedes sella aus sedla.
apY0iÄ.8T| o ö ö e er| od<er> r| ou. Wenn 2. Worte auf einander folgen,
von denen eins mit T| endet, so kann das folgende a n f a n g e n mit) a
25 8 T| st sehr selten 01 a i u < n d ) eu OÜ. ri O£>K II. X 557. Eurip. Hec.
1094; mit T| muß enden 8f| li f| (if|: nur diese Worte. Folglich hier
unmöglich.
Ähnlich<(es) Beispiel bei Hesiod < O p . ) 144 öpyupsüi ouSev öfxoiov.

Ilias 1,15. 111,152 xp^^ip C7Kf|jixpq)


30 5ev5ps(p ecpe^önevoi

Allerdings gab d. Dichter ein Zeugniß offen. Ist er in Askra geboren


oder aus Kymä eingewandert? Verschiedene Gewährsmänner. Ephorus
sagt, er sei in Askra geboren. Sein Vater Dios nicht d. Handelsinteressen
352 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

wegen, geflüchtet, sondern eines Mordes halber. " E p y a 631 u. ff. heißt
es ganz ausdrücklich, als Kaufmann sei er Seefahrer geworden.
Ephoros ist wichtig, weil er über die Stammsinger der Kymäer schrieb.
Herakleides der Philosoph spricht sich für Kyme aus. Aus den " E p y a
5 meint man, K6|iT| sei ausgeschlossen, weil Hesiod sagt er s<ei) einmal
gefahren dh. zum Wettkampf. In diesem Falle muß er auf dem Festland
geboren sein. Anfälliger Schluß. Es ist Fahren mit bewußten Sinnen,
da er die Lehre der Seefahrt darstellt. Dieses Zeugniß in V. 648. Die
Frage ist unlösbar. Die Mutter heißt IIi)Kinf|8r| Tochter Apollos, „die
10 fest Sinnende", „die Solidität" Mutter des d i d a k t i s c h e n ) Carmens.
Stelle bei Suidas.
Der Vater heißt ausnahmslos Aioq. eicyove Aiou pag. 1 3 [ = Bd. II 1,
S. 352J, 150, Aioq nicht Aioq. " E p y a 2.99 Ilepari Siov yevoq, dh.
adeliche Abkunft. Damit streitet nicht die 7tevir|. Blutschuld u. Armuth
15 lassen sich vereinigen. Er floh die 7teviT|, er konnte die Blutschuld nicht
erschwingen. Die Kymäer wollten das Geschlecht vornehm machen.
Hesiod ist übervortheilt, doch reich. Einige meinten Aiou yevoq. Die
Stellen beweisen nichts.
Die Scholien <zu Op. 299 — 3 0 1 ) sagen Zurückführung auf d. Fülle
20 d. Geschlechts ('Opcpeüq u. KctM.iÖ7rr|), rj < Ö T I > Aiou <tivöq TtaiSe^
f j a a v ) dh. Diisches Geschlecht Diossohn.
Aio<; wie X i o q aus Xi'iot;.
T ist lang gewesen. Dieses Schriftstück ist aus Thucyd^ides') Zeit.
In der Anrede <Op. 2.99) ist eine Appellation an die gutblütige Abkunft
2.5 des Dichters.
N a m e 'HaioSoq. <Im> Alterthum Etymologie Et. M . p. 438 ' H a .
övo(ia Kupiov. 6 xfjv aicriav 66öv Jtopeuönevog. E i a i ö S e i o g auf einer
böotischen Inschrift. Ehrgenossenschaft für die Musen: EioioSeicav.
Die Vorstellung einer sittl. Eigenschaft. „Göttlich getheilt" vadyah i'r||il
30 u. 6861;: i|ye|j.ä)V Ö80C. i'r||xi f|ys|icüv ist merkwürdig. 2. Aus<le)g<un-
gen). fi8o(iai + 68öc, „qui gaudet ea via quam rectam demonstravit".
Die verbreitetste ist die von W e l c k e r zuletzt H e s i o d i s c h e T h e o g o -
n i e pag. 5: tevai u. d)8fj. V e r f l ü c h t i g u n g ) v. aoiSöq: der Gesangent-
sender. Persönlicher zierlicher Ausdruck. Er meint es sei ein Standesti-
35 tel, vielen zukommend.
Dagegen: 1 . solche Verkürzung < v o n ) (0 in o ist unerhört. Damit ist
die Etymologie noch nicht umgeworfen, (z.) doi8o<; u. doi8f| ist
<Hesiod: Tevcx; Kai ßio<; ' H m o ö o u . Certamen. "Epya) 353

erweitert, abgeleitet. Ursprünglich f a b im Sansc. vad singen preisen.


Dieser Stamm ist nicht im Griechischen, aber f i 5 d<urc)h Umlautab-
folge. v8(0, ÖÖECO U. ÖSRIQ der Sänger. Erst bei <den> Alexandrinern.
dcpuSoq in dcpeiÖEG) d^siSsco erh<a>l<ten>.
5 Vater ist Aioq der leuchtende, der himmlische: devas deus sub diu
suSia.
Bruder IlEporii; Ttsp Ttsp^. Usener Rhein. Mus. 2.3. KaM.övT| IlepaE-
(pövri urspr. Mondgöttin TtEpaE-leuchten u. <povT| derselben Bedeutung:
'Apyeicpoviri^.
10 Hesiodos. -0801; gehört zu „gehen" vad, dazu vadum griech. öööq:
'HaifoSoq. 'Hcrv- gehört zu Ecoq eigentlich) ficöq, dorisch ääq, aeol.
aüctx; aurora urspr. ausosa die brennende, die leuchtende, aus- Stamm-
silbe, ausosa Participialbildung.
fjpt frühmorgens T|£pto<;.
J
5 Tipi^oSog „morgens kommend" „am Morgen scheinend". Urspr.
Asp<(irata> in EÜN;.
EimöSsioi; auf Inschr<ift>. 'HECTIOSCX; daraus Eicrioöoc;. Etymolo-
gisch gar nichts dagegen. Hesiod kommt aus dem Osten, aus Ki)fiT|.
Es ist nicht undenkbar, daß diese Abstammung im Namen schon
20 vorkommt.
Müller Essay: 'OpcpEÜq „Sonnenstrahl", E£>pu8iKT| „Dämmerung".
Hesiod ist die Dämmerung od. d. erste Strahl. Perses ist die Sonne.
Mond u. Sonne? Urspr. Lichtgottheit.
Die Brüder <Aioq und) sAn£Ä.^T|<; = 'AneXXwv u. 'ATIÖXXCÜV.
25 Maicov, Maia d<ie> ernährende & yala (lata Choeph. <43).
Mouaaioq Sohn der SsXfivri, Musenzögling, Sohn des Mondes. Auch
Hesiod Mouaaioq avr|p. Hauptdichter der Veden „aufflammend" in
d. Morgendämmerung (UrvasI), Vasista hieß er. In Böotien uralter
Sonnendienst u. d. Symbol des Eros. Sonnengottesbeiname nach Max
30 Müller. Die Musen verwandt mit den Charites, diese sind die Sonnen-
rosse.

Nur 3 Namen über Homer, vieles weggeschnitten.

{ 3 4 ) ayvcoCTiot; schwer erkenntlich.


<36) 'EitiKdatri < = > hom. IIoÄ.UK&crcri. 'IoKäarr| bei Homer 'Etu-
35 K(X(TTT|.
354 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

Das Alterthum hielt Homer und Hesiod für Zeitgenossen. Der Hinter-
grund ist der feste Glaube an den Wettkampf.
Verwandtschaft zwischen Homer und Hesiod

Melanopos

Dios Apelles

Hesiod Perses Maion


I b |
Maion Homer
I
Homer

Die Stemmata aus der ältesten Zeit literarhistorischen Studiums.


10 < 5 2 ) ¿v AüXiSi tfj<; Boicoiiat; N<ietzsche> ändert <in> 6v XaXX-
KiSi — Efjßoiaq.
los ist Homers Heimath, Hesiod ist Aeolier. Homer ist Jonier u. (der
Tractat betrachtet ihn a l s ) den jungen Jonier.
< 5 8 ) TtepÜCTtaaöai (mit d e m ) Acc. „aus dem Weg gehen" so con-
15 struirt wie ekkWVcu.
Dio Cass. 36,11. J a m b l i c h ( u s ) und Artem<(idor) Lobeck A j a x pag.
109 der Ausgabe.
Diese Construction galt für unattisch.
Im Kampf um's lel(antinische) Gebiet fällt 'A|i(pi8d|ia<;. C f . Freund
2.0 OiöÄ-UKoq Thessalier.
< 6 6 ) Ilavei8r|<; Br<uder> des Gestorbenen, „der Allwisser". Der N a m e
ist ironisch.
äycbv. Hesiod fragt, Homer antwortet. Hes. ist der Bevorrechtete.
Ruhm muß sicher stehen.
15 <74 — 7 5 ) Homers Antwort pag. 8 [= Bd. II 1, S. 346] 74. Midas u.
Silen nach der Volkssage. Aristot. frgm. aus dem Eudemos. Theognis
hat sie wieder mit Pentameter 425 ff.

<jrdvT(üv nev (if| (pßvav ETtixGovioicriv a p u r x o v )


|xr|5' eoiSeiv avyäq ö^soq ' H e l i o u
30 <cpüvTa 8' önmq cÖKiaxa nvXaq ' A i 8 a o Ttepfjoai)
Kai KeiCTÖav 7toXXf|v yT|v ¿7ia|j.T|aä|ievov.
(Hesiod: Tevoi; Kai ßio<; 'HaiöSou. Certamen. "Epya) 355

Sophocl. Oed. Col. 12.2.8.


Leutsch Philol. X X X , 202..
Nun aber Spaßvogel, kühn, neue Verse. Hdschr., in Pigres. (Des)
Theognis unwürdig. Bergk behauptet sie seien älter als Theognis. Sehr
5 oft citirt, am häufigsten in d. Paroemiographen. Dort überall ctpCTV
|A£V |J.T|. L<eutsch) hält Ttavtcov ( f ü r ) original. Die Fassung mit apxf|V
gehe auf Kpdvtcop (Trostschrift) {zurück). Aus ihr Worte bei Plut.
Consol. ad Apoll. 27: TtoXAoi«; ydp Kai aocpoic; avSpctciv, äc, cprjcyi
Kpävxojp, oi> vßv, a k X ä n ä \ a i , KEK^aucrtai xa ävOpämva, ti^copiav
10 r)70U|i£V0ii; elvai töv ßiov Kai dp%f)v tö yevecröai avGpcoTtov au(icpo-
pctv xf)V |l£yiaxr|V. Leutsch: Krantor brachte sie im Zus(ammen)hang.
(Dabei war es) zweif(e)l(haft), daß (es ein) prosaische(s) Citat
(sei).
Leser d. Schrift meinte es stehe bei Theognis.
15 Eigenthümliche Voraussetz(ung). E(iner) d(er> Krantor gelesen
habe, citiert Jtdvxwv. Der kannte aber d ( e n ) Theognis besser. Alle
Paröm(io)g(raphen), auch Krantor, sie nennen ihn nicht, d(en>
Theognis. Uralte Weisheit.
Ungenau. Denn einer nennt ihn. 3 citiren: Clemens, Theodoretus u.
2,0 Macarius (MaKdpioq) 11,54. Sie citiren Ttavtcov u. Mac. nennt den
Theognis. Die andren d ( e n ) Hexam(eter) mit dp%f|V.
S t o b a e u s e K xoö 'A^Kiöd|iavxoc; Mouaeiou. Leutsch kennt die Stelle,
große Corruptel. (Schüler d. Isocrates).
Was wir lesen, ist Werk des Alkidamas. Auff(ällige) Unterstützung
Z5 (dadurch,) daß d. Vers dpa heißt. Die Worte Silens waren prosaisch
im Umlauf (Periode der 7 Weisen, k u r z e änigmatische Form.)
Die metrische Fassung dem Homer zugeschrieben, d. vollst(ändige),
mit Verschönerungen versehen, wird d. Alterthum d. Theognis zu(-
schreiben).
30 Volksweisheit darf der Dichter aufnehmen. Überlieferung d. Volks-
sprichwortes war

Ttavtcov apicrcov jaf] cpövat

metr. Fassung

dpxfjv |iev |if] (pßvai.


356 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

Hesiod stellt eine verfängl. Sequenz in einem Hexameter, Homer legt


sie zurecht. Scurrile Art die epische Poesie zu mißhandeln.
106 oXwv Hdschrft öXkav AA <aus) M. ioiq d»(iröv KGtiä <pOXa
yiyävTCöv. iovüiv ist auch verderbt.
5 xspai ßaltbv ioüg a>n<DV etc. ßa^ecov.
n o . out' a p a ist Unsinn.
f) x' a p a ist verfänglich, so G. Hermann.
£|liy£V geschlechtlicher) Sinn.
119 kann nicht d. Homer gehören, denn sonst würde er eine Fortset-
10 zung v. Hesiod verlangen.
<135.) 88ipo(xevcp epsilon euphonicum sei5o|xai <Pind.) Nemeen
X , i 5 . Apoll. Rhod. IV,2,2,1.
Wahrscheinlich Überrest einer sehr erweiterten Augmentbildung, die
sich auf das Präsens erstreckt.
15 1 jö^ff.) Sprüche ethischen Inhalts.
160 Umschreibung des Begriffs ei)öai|iCDV. Statt sövouv : sijvouq, äei
Conj(ectur). Es fehlt in den Hdschrften, Verbesserung von Stephanus.
<167) ßpoxoi^ 7Coiov dafür leicht ßpoxcov noioiq. Wortend<ungen)
können leicht verschoben werden.
2.0 <168 Statt) autog : oünq.
<175) 'ATA-aysyerov Die Form auffällig 'A"c^aysvei<; Neuste Ausgabe
<von> Köchly. Nirgends 'A-cA-aYyevECOV <(Göttling). Im) Certamen
<ist> 'Ax^ayYevecov <nach> Köchly falsch; auch hier 'AxXaysveav.
CAxXajyz\za\ ist) Conjectur v. Göttling. "Axla^ A i l a v i - damit
2.5 y£V11? verbunden, x fällt weg u. so yy.
Der Vocativ "AxXa hilft nichts; K ä X / a no^u5(X|ia, 'AiXavxysvecDV
kann anders erleichtert werden, wie <in) KeKpi)(paxai v vor T schwin-
det: T vor y fällt aus u. dann Ersatzdehnung.
Aufang der Plej. Mitte Mai, Niedergang Anfang November. In den
30 ersten Jahreszeiten erscheinen sie früh, kurz vor Sonnenaufgang u.
ebenso ihr Untergang. Angabe den Tag früh zu beginnen. Aesch.
Agam. 826 ä|i<pi IlXeidScüv Süaiv erzählt v. d. Eroberung Trojas. Da
bezeichnet die Jahreszeit nichts. Man verlangt, um welche Zeit.
2. Hälfte des März Dionysien, da 10 —11 Nachts Untergang, darauf
35 Troja gefallen. Das heißt es (fiel) um Mitternacht, wie die Dichter
berichten.
{Hesiod: Tévoi; Kai ßiog "HaióSou. Certamen. "Epya) 357

1 7 7 u. ff. für unächt erklärt als überflüssig. In einer Vorschrift für den
Landarbeiter weiß er alles, selbstverständlich. { V o n ) Lehrs { f ü r )
unächt erklärt.
Das Folgende läßt einen Schluß zu über den Ursprung.
5 180 { f f . ) 3 verschiedene Gegenden Ebene Küste Thäler. Lehrs meint
Attika Epakria ist keine ayicea ßr|Gcrr|£VTa. Es bezieht sich nur auf
Böotiens Meeresküste Aulis.
184 ötciv còpta etc. ist gemacht um abzukürzen, nicht hesiodisch.
a j i d e i v so die Hdschrift. Göttling: à|iàav. Worin liegt die Schönheit
10 der Verse? Andre Darstellung. Tzetzes p. 47 { , 5 0 — 5 1 "0|J.r|po<; |i£V
a p x e t a i Xéyeiv t o ù t o t ò x r o p i ° v ànò noXXéòv èjtràv àp^à(a.svoq)
Ö7IKT0EV ( = früher). n o W à etiti diese Ausdrücke passen nicht für uns.
Ilias XIII bei uns gewalt. Sprung 1 2 6 - 1 3 3 . dann 3 3 9 — 3 4 4
Alles ist eine große Scene. Homer hat diese Schlachtschilderung recitiert
1 5 u. das bezeichnet Tzetzes ànò TioXkàv STtröv. Rhapsodie von 3 — 4 0 0
Versen. Der Excerptor schneidet das Ganze in Stücke.
Ebenso Hesiod.
Der Excerptor macht auch hier einen Abschluß. Tzetzes hatte ein
Exemplar mit besseren Notizen.
2.0 Hesiod hat {die Erga) bis 685 wohl gesungen. Vielleicht bis 783. Ein
Dichter trägt ein Ganzes vor. Er mag den Kern des Hesiod. Gedichtes
vorgetragen haben.
Zweifelhafter ob das Kalendarium(P). Schon in d. urspr. Kern jene 100
Verse ausgeschieden. D. Erzähler citiert blos.
2.5 Plutarch weiß von der Sache. Im Symposium d. Plutarch andre unwahr-
scheinliche Erzählung. In unsrem Certamen erscheint alles viel regel-
mäßiger).
{ 2 0 2 - 2 0 8 ) \|/f|tpoq riavEÌSou allen anstößig.
Pausanias erwähnt den Dreifuß. In den Erga Angabe d. Widmung.
30 D { a ) d { u ) r c h die Gleichzeitigkeit erreicht. Das Delphische Orakel
erlaubt sich keine Zweifel.
{ 2 2 6 — 2 2 9 ) Die Leiche kam bei Rhion ans Land.
{ 2 2 7 ) geschrieben statt àpiaSvsia? : T i o u äyvtiaq.
Zahl der Verse gehen zurück auf die pinakograph. Studien der Alexan-
35 dr{iner). Ritsehl Alex. Bibliothek. Opuscula Anfang.
ÈTllKÒq KVKXoq Homer zugeschrieben. Ursprünglich ganz ihm, wie Ilias
u. Odyssee. Endlich immer mehr ab. Wie soll Homer Midias die
Grabschrift verfassen? Kleobulos ebenso. Laert. Diog. I, 89.
358 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

< 2 6 5 ) KaÄ.6v Urspr. 2 Lambda KaÄAöq, später KCtÄ-öq andre Periode


KötXöi;. { V g l . ) (ieXoq in \izkza Kai ¿Xeyouq Ausgang d. ältesten Penta-
meters: also HE^^sa Stamm |iapA.- weichmachen, dazu (ieiXi^o^

5 < 2 6 7 ) Wichtige Zahlen d. Ilias u. Odyssee.


M , ß' { f ü r die Odyssee.) Conj. Überl. 12.500
Ilias 1 5 000
M Zeichen für |iöpioi v. d. Editoren nicht erkannt. Wahrer Sachverhalt
angegeben. Nicht absolut genaue Ziffer.

10 Odyssee 12500 wird 1 2 1 0 0 : unmöglich { N . korrigiert i n ) M , ß'


Ilias 15600 für 15000 " " " M , ecp'

Versehen liegt nahe. Die Zahlen umgestellt 1 2 0 0 0 , 1 5 500.


<269) Zeitangabe über Homers Leben: Medon, jonische Wanderung.
272 { f f . ) Doppelte Überlieferung Es ist {nach 273 der in der herodoti-
15 sehen Homervita überlieferte Vers) einzuschieben

Xpi)|!aTa 8' o I k o v a6ä;ei, d i ü p yepctpoi ßaaiXfjeq

{ 2 7 8 ) Korinth zeigt, daß hier ein Excerpt vorliegt.


292 u. { 2 9 ) 3 nicht in d. Ilias. 293 in einem Orakelvers.
<299) Warum X i o q erwähnt. 7revcaeTT|pi<; nach Chios v. Argos: E x -
2.0 cerpt unvollständig. Homer ist auch Autor der Hymnen. Volkssprüche.
Kurz: Volksautor für alles.
< 3 0 7 ) Hörneraltar Kepottivo^ ßco|i6q.
< 3 1 2 ) im Heiligthum d. Artemis. Höchst geehrte Hymnen aufbewahrt
im Tempel. Sie wurden nun dem größten Dichter zugeschrieben. Hei-
2.5 lige Urkunde im Artemistempel.
Erzählung immer aphoristischer.

"Epya

L o b l i e d a u f Z e u s : Das Alterthum nannte es unächt. Paus. I X , 3 1 , 4 .


Bleitafel. Das Gedicht stand nicht auf der Bleitafel. Vorrede des Proclus.
30 Aristarch erklärt sie für unächt u. Praxiphanes des Peripatetikers
Exemplar d7ipooi(J.iaaxo<;. Herodian ei 8e yvf|CTiov.
<Hesiod: Tgvoi; Kai ßiot; ' H a i ö S o u . Certamen. " E p y a ) 359

Glückliche Überlieferung. Das Bleiexemplar ist die Quelle aller


Hdschriften. N u r eine reiche Priesterschaft brachte das zu Stande.
< i > Mouaa IliepiT|0ev wie Scmcpoo AsaßöGev. 9ev vertritt in der
Sprache den Genetiv. Aesch. Sept. 1 4 1 . CTEGEV findet sich auch bei den
5 Äol. u. Tragikern.
M o u a a . Etym. von man, sinnen, denken M ö v x i a M ö v a a M o C o a ,
etymol. unanfechtbar, vgl. |idvTiq, (iavxioq seherisch.
M a n erkennt nichts v. ihrer urspr. Bedeutung Quellnymphen urspr.
Dann des Wortes u. des Gesanges. Spuren vielfach. Auch der N a m e .
10 Steph. Byz. die Nymphen hießen M o O o a i bei d. Lydern. Bergk Philol.
X I pag. 384. Hesych HÜ>U t ö uSoap. (icoüq T| yfj (scribe r| 7tT|yf]) A u 8 o i .
Hcoüaai | i o i a a i (ioßaai Quellnymphen.
K ^ s i o u a c u : K^eico KÄ,s-ivög berühmt. K A E K A Y . Latein, gloria
urspr. cloria alt clovria clovsia clovosia u. clovos = KXefoq.
15 <2.) SsCxs, A 1': 8TI alii. Beides metrisch u. sprachl. möglich. Scholiasten
u. Gelehrte vertreten AI'. D a s ist das natürlichste.
S E Ü T E Plur. zu öeßpo. Odyssee ©, 11. 8eC Sommer Ztschrft. v. Kuhn
XII, 2.82. Seß 5f| jam ahd. ja.
ocpETEpoq mitunter singul. für die 3te Person. { D i e ersten) Verse
2.0 beide <raov8EiaKoi. Sie reimen, 6|AOIOTE1EUTOV

K^Eiouaai
U^Vfilouaai

Ebenso 5 6 7 8 .
< 3 ) ÖHÖX; nie in der Odyssee. Homer ( h a t ) E[mr\q.
25 < 4 ) £KT|Ti Stamm EKCDV DEKCOV etc. Locativform „um - willen".
Daher invitus urspr. invictus a^£KT|Ti.
p s a — p s i a mehrmalige Wiederholung. Steht die eine Sylbe im
Anfang des Dact., so steht sie gewöhnlich zum zweiten M a l e am Ende
des Fußes.
30 versus leonini im Hexam<eter?> Nein. Lachmann zu Properz 1 , 1 8 , 5 .
Wackernagel zur Gesch. d. deutsch. Hex. pag. 26 d. Einl.
< 7 ) i G ü v e i - < 9 ) IGUVE Wiederholung <wie 5 ) ß p i ü s i ß p i a o v t a .
< 1 0 ) TU VT] eycovri T||iivT|. Es ist nicht vf|, sondern T] Verstärkungszu-
satz. v gehört zum Stamm, sanskr. aham sycb, böot. TOCV = TU. TU
35 oder a u Urform. Apoll, de pronom. pg. 63.
360 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

P o l y z e l o s è v 'PoSldKoiq faßte es als Vocativ auf 6 Tüvr|. Kampfrich-


ter. Dieser Tynes König äp^cov Xa^KiSeüq, ècp' oö KpiveaGai xòv
'Hcioöov (ìetò toC a8eA.(poC.
Ilépari od. I i s pai]? Im Hymnus darf doch kaum der Bruder angeredet
5 werden. Die Überlieferung schwankt. Scholiasten für den Dativ.
H e s i o d will die Wahrheit sagen. Theogonie z8. Nach der Auffassung
der helik<onischen> Priesterschaft Hesiod Sänger der Wahrheit, Homer
Lügner.
Die homerischen Hymnen sind solche 7tpooi|iia, ein solcher in der
io Einleitung der Theogonie.
Der Gott soll dem Sänger Sieg verleihen. Zufall, wenn das Gedicht
beigesetzt ist. Im Proömium der Theogonie ganze Anzahl Hymnen.
Eins ist zugleich hom. Hymnus.
( D i e ) vó|lOl des Terpanders hatten einen Prologus, Im Beginn u.
15 Schluß dp%it u. èmXoyoc;.
Anrufung der Götter. Der vó|J.oq beg<innt> mit der (XSTapxa nach
dem Anfang.
Übergang zum Hauptgedicht in v. 9 u. 10. Gedankensprung.

Eigentl. Gedicht:
20 Menge von Überresten uralter Gnomologie, aufgereiht am Faden fin-
girter Geschichte. Unglaublich ungeschickt. Kunst d. Composition sehr
in d. Anfängen.
a) was bedeutet d. gnomologische Stück in sich
b) was ist Bearbeitung des Redactors.
2.5 < 1 1 — 2.6) Loblied auf die gute ept^. D. Theogonie kennt die epiq nur
als eine Theog. 225: Schwester der àraiTTl, (pi^ÓTTiq (Beischlaf) u.
yfjpaq. Sie heißt <226) CTTuyepf|. Dann ihre Nachkommen 226 ff. In
der Theogonie ist es der feindselige Zwist, epiq ßapeia <Op. 1 6 ) .
Dieser alten Tradition wird eine neue gegenübergestellt. Die gute Eris
30 ist planlos in d. Composition, da nachher IIépcrr|<; nur vor der (bösen)
epiq gewarnt wird. Die Fiction der Namen hat die Doppeleris nicht
erzeugt. Es ist ein älteres Stück. Das Stück gipfelt in den letzten Worten.
Der Wettstreit unter Dichtern ist etwas erlaubtes. Es ist der Gedanke
des Proömiums eines hesiodischen Rhapsoden. Ein Überlieferer ernster
35 Sittensprüche muß sich für sein Auftreten im Zwist rechtfertigen,
v. 17: welche wird als die ältere spi<; u. Kind d. Nacht bezeichnet? In
d. Theog. die böse.
<Hesiod: Tevoi; Kai ßiog 'HaiöSou. Certamen. "Epya) 361

In 18 u. 19 mit) (liv ist nur die gute epig gemeint. Es ist eine Art
Widerspruch. Wie soll die gute die ältere sein?. Gerade die böse ist
nach der Theog. uralt. Erst der Kronide öfjKE (|iiv) ... d(xeivco. Er
gehört einer viel jüngeren Periode an. 17 geht auf die böse alte epiq
5 u. zwischen diesem (Vers) u. 18 ist eine Kluft, in der vielleicht die
Mutter genannt wurde. Vielleicht ri|i£pa, Licht etc.
E p i S s q Appellativum, noch nicht Nomen proprium. Von da an ver-
dichtet sich der Begriff.
13: sehr alte Personification: jede hat einen Gujiöq. Es sind z verschie-
10 dene Personen.
Göttling erklärt 8(id) 13 per tmesin. Allein SidvSixa, nicht 8ie%ou<ri.
So Kleobulus bei L. Diog. 1,90 öidvöi^a eiöo<; £"/ouaai. Homer
5ia(i7tepe<; 8id(8i) d|X7tepeq.
< 1 2 ) ¿ T t a i V E o a e i e : zahlreiche Handschr. überliefern) eranvEaEiE.
15 Die Hdschrftn. sind noch nicht in einem Stemma. Man merkt sich nur
den Mediceus (M), 12 Jahrh. Sie ist die älteste, Überlieferung des 5ten
Jahrh. Sie muß vor allen berücksichtigt werden.
M ETtaiVECTEis {korrigiert in) EJtaivf|(JEi£. Auch überl. ¿7taivf|aciEi£
U. ¿TtaiVECJCTElE.
2.0 Die Entscheidung durch Induction; episch durchaus f|vr|CTa.
< 1 4 ) öcpEÄAEi dasselbe Wort mit öcpEiX,® aus otpfiMtö
<(16} £ p i v nicht aus epiSv entstanden. Das 8 gehört nicht zum Stamm.
Es hat sich entwickelt aus einem 1. EXjcijoq Epijoq. Dieses 1 hat den
Beilaut 8 entwickelt EA.uijoq ¿Xrciöo^. Im Acc. v an spi- des Stammes
2.5 angehängt. Dieses j erzeugt aus dem 8-Laut, wenn eine vocalisch
anlautende Casusendung kommt. In eine andere Gruppe dringt das 8
nicht (vgl.) icö^ioq. Im Acc. kein Vocal.
< 1 9 ) yai\\q x ' EV pi^rjcri. Theog. 728: Unterirdischer Weltraum
unterhalb des Tartaros. Ein Amboß braucht von d. Erde zu d. Tartarus
30 9 Tage u. 9 Nächte. Der Tartarus ist ein ruhender Berg in d. Tiefe mit
Kratereingang 3fache Nacht. Über ihm die Wurzeln der Erde, als auch
des Meeres. Es ist zu construieren mit 0f)K£. TlOsvai ¿v gewöhnlich,
Aber Tzetzes (verbindet y. T' EV p. u. dvSpdcn mit Zeus). Damit
stimmt nicht dv8pdcn. ÖFJKE niv YALRIQ EV pi^cri vollkommen ausrei-
35 chender Ausdruck, xe muß gestrichen werden u. dvSpdcn direkt mit
Ko'kXöv d(isivco zu verbinden.
362 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

<(zo> ÖIXCÜI; „dennoch", episch ( = ) £|J.7CT|<;, und ö(irö<; „in gleicher


Weise". So auch hier zu schreiben. Lehrs de Arist. pag. 159 1. Aufl.
Mimnerm. frg. 1,6 Ö x' a i a x p ö v 6|J.CÜ^ K a i KCIKÖV a v ö p a xiöei.
d i c a l a n v o v : ¿wräA,anvo<; von 7ta>-d|ir| Hand: „unbehend".
5 (2.1} e p y o i o x a x i ^ c o v „nach Arbeit verlangend". Scholien: „arbeits-
scheu" ouöev ¿pya^önevoq. Schlimme Erklärung. Usener Rh. Mus.
XXIII p. 1 1 7 verlangt Änderung: epyoioi. xaii^cov absolut wie 394
= „arm". Fatale Inversion von epyoioi. Warum xatii^cov dazwischen?
epyov nicht nur das Werk, (sondern auch) Besitzthum, epyov äs^eiv
10 Odyssee XIV,65; XV,372. epyov 1) Feldarbeit, bestellter Acker. Äcker
Hauptbesitz 2) Vermögen.
(2.2) L e h r s q u a e s t . ep. pg. 22 ö für Öq. Einfaches Demonstrativpro-
nomen.
ö nimmt einfach T15 auf; öq als Relativ geht nicht. Unmöglich. Schoe-
15 mann schlägt vor &g = oßxGDq „ebenso". Darauf kommt es nicht an,
daß der Arme ebenso wie der Reiche (arbeitet), sondern daß er
überhaupt wetteifert, viel mehr, um den Reichen ein- oder überzuholen,
ö von Lehrs sehr sicher; es folgt cnteüSei.
25.26. odium figulinum viel citiert. Anstoß erregt wegen Koxeei u.
20 cpGoveei. Ausdrücke der bösen zpiq. Ganz richtig KÖTO<; n a c h h a l t e n -
der) Groll cp86vo<; giftiger Neid. Voelcker: KOTESIV vox media mißlun-
gen: ja, KÖTO«; nie. Die Ansicht ist nicht so ethisch. Im Neide
liegt eine stimulierende Kraft. Die böse epi<; führt zu Streit u. Kampf,
die gute durch alle Mittel zur That nicht des Kampfes, sondern zur
2.5 wetteifernden Wirksamkeit. Nicht so völlig geläuterte Vorstellungen.

TtoÄAoi öveiporcöloi jtaßpoi Se xe (idviisq av8pe<;

<22) ( p m e ü e i v Weinbau u. Baumzucht, dem Feldbau gegenüberge-


stellt.
cpuxallrn; Kai dpoöpT|<;.
30 27 gehört dem Redactor an. Die Composition ist überall lässig und
ungeschickt. Einzige Verknüpfung das Wort £pl<;. Statt des Gedanken-
ganges wiederkehrende Worte. „Verknüpfung durch Stichworte". V. 27
Verbindungsvers.
<29) Ö7ti7rsi)Ovi' Med<(iceus> ÖTtiJtTEÖovx' (andere Handschr.) ÖTU-
35 TÜEÜFT) Redupi v. OK- Wechsel der Quantität. ÖTUTCXSIXD einfach verderbte
Form: „äugeln". öq>0aÄ.|i6<; < = > öftoq 0aÄa(ioq Spaß. G. Curt<ius>
<Hesiod: Tevcx; Kai ßio<; 'HoiöSou. Certamen. "Epya) 363

öcpOäXXft) = Ö7U7IEUO) = „äugeln", ön öcpö nicht ungewöhnlich ea0f|q


v. St(amm) ¿CT oder ¿(7. Griech. Etym. 2. Auflage pag. 407.
<30) copT| Glossem cppovxit; also nicht a>pr| wie d. Medic. rapr) auch
die Scholiasten. Die jüngern Hdschriften copr). Überliefert) beides.
5 Das ältere entschieden copt). Perses hat nur ein herabgekommenes
Vermögen, dennoch viel Freude am Marktgezänk. Auf ihn paßt die
Lehre nicht. Da paßt Sorge nicht, wie Zeit. Es ist ein alter Gedanke,
der für sich steht. Ein altes gnomologisches Stück. Ist v. 32 copaioq
Assonanz? Theog. 903 T iipai öpeoouci ganz deutliches Wortspiel. So
10 auch hier.
< 3 1 ) ¿7tT|£Tavö<; v. exoq fetoc, dazu lat. vetus Corssen vetus = Jahr
daher vetustus jährig.
<32) Ar||if|T8po<; öktt|v gemahlenes Korn, v. ayvu|xi, künstlich.
töv yaia (pspsv v. 465 dagegen: Korn. Nicht das gemahlene, sondern
15 das aus der Ähre herausgebrochene Korn. Die Körnchen.
34. Es beginnt d. Redactor mit dem Füllstück. Die alte Gnomologie
nur bis 33. Ein neuer Gedanke mit den Ktr|notTCL Es ist der Übergang.
35 a ß ö i ,hier'. Ist das Gedicht in d. Stube des Perses? in der Volksver-
sammlung? Er hat sich die Sache nicht recht klar gemacht. Das Erbe
20 war vertheilt. Bei Homer ist die Bedeutung {von aöOi) nur „hier".
Wo ist die Entscheidung? Askra ist ein Dorf. Die ßacnATjeq wohnen
in der nächsten Stadt. Die Edlen hier.
Ganz dunkel 40 u. 41. Sprichwörter. Merkwürdige Polemik, <Die)
einzige^n) Nahrungsmittel, die man auf der Straße findet. Er sagt:
25 Thöricht ist mich zu übervortheilen, denn ich habe mich mit dem
Reste behelfen können. Dann kann man ihm die Sache nehmen. Es ist
kein rechter Z<(u)s<ammen)h<a)ng.

<42-105)
Darstellung der Prometheussage in den "Epya. 2 Darstellungen mit
30 ähnlicher) Tendenz. 1) Prometheussage 2) die Geschichte vom Faß.
Die Geschichte sehr verwickelt. Der Redactor contaminiert ganz diver-
ses.
1) Prometheus stahl das Feuer u. d. Menschen trifft das Übel des
Feuers. Vor Prometheus bekamen die Menschen d. Feuer v. Zeus.
35 Danach, seit Pr., hegen u. pflegen die Menschen es bei sich. Nun
erhalten sie das KdKÖv. Auffassung der Theogonie u. der urspr. "Epya.
364 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

2.) Erzählung vom Faß. Diese ist v(er)knüpft u. es scheint eine große
Geschichte. Man könnte sagen daß einmal das Weib d. Übel d(urc)h
steine) Eigenschaften (bringt); daß (ein) zweit(es M a l ) das Weib
d. Übel d(urc)h eine einzige That (bringt), dadurch daß es d. Faß
5 öffnet. Eine Art „ersten Sündenfalls".
Auch in d. "Epya ist Pan(dora) Ahnmutter des weibl. Geschlechts,
war allerdings (Schömann) längst nicht mehr Sinnbild d. Üppigkeit.
Pessimistische Auffassung vom Weib.
(Mit V.) 89 (ist dieses Stück) geschlossen.
10 Nun eine 2te Geschichte: Pand(ora) ersann f. d. Menschheit KT|8sa
A-trypa. Sie bringt also d(urc)h eine Torheit Übel über die Menschen,
Charakt. Vers 99. In der vollen Ausübung von Zeus gehindert. Ist
Zeus, der im Weibe wirkt? Ist das Weib bloß ein Phantom? Das sind
Bedenken welche schon im Alterthum v. 99 zweifelhaft machten.
15 Plutarch u. Origenes. Diese Kritiker meinten, daß es nicht Zeus gewe-
sen sei.
Woher stammt die Vorstellung des Fasses der Glücks- u. Unglücksgü-
t(er>? Ilias 24, 527. 2 Fässer. Alte Volksvorstellung. Auch bei uns
d(urc)haus davon die Rede. Das Faß in dem allein d(ie> Hoffnung
20 zurückbleibt, kann nur eines sein, in dem die Glücksgüter sind.
Unsere Geschichte ist sehr schlecht erzählt. In seltsamer Weise
d(urc)heinander geworfen. Zwei vollst, verschied. Vorstellung(en).
D. Inhalt (d. Glücksgut) verschwindet, der andere Inhalt (die Bosheit)
geht unter die Menschen.
25 Welches Weib? Welche Vorstellung: ein Geschöpf d. Zeus entkleidet
ihn seiner Macht. 49 u. 95 ganz gleich. Sollte nicht, was einmal v.
Zeus gesagt, auch das nächste Mal v. ihm gesagt sein? Zeus verbirgt
d(en> Menschen d. Lebensunterhalt, folglich macht nicht d. Weib
dieses Leben schwer: Welches die Moral? 105: Zeus' Sinn (ist) untrüg-
30 lieh. Es ist v. ihm die Rede. D. Weib hat in der originalen Fassung
nichts zu thun mit dem Faß, Zeus hatte es geöffnet u. ausgestreut.
94 yi)VT|. D. Redactor hat 2 Geschichten zusammengeschmolzen. Ur-
sprünglich &XX' ätpetabv xeip(eCTGi) Tci(Gou) lisya 7tä»na Kpovicov.
Nach dieser Einsicht (ist der) ursprüngl. Z(u)s(ammen)hang k l ( a r : )
35 42 — 46 D. ßio<; verborgen
47 — 49 Zeus hat ihn (verborgen)
90 —105 Er that dieses, indem er d. Faß öffnete
(Hesiod: TEVO^ Kai ßiot; 'HaiöSou. Certamen. "Epya) 365

D. dazwischengeschobene Stück 50 — 89 ist Zusatz des Redactors.


V. 98 wird darin näher ausgeführt. Es erinnert den Red. an ein sehr
bekanntes Gedicht. Jüngere Geschichte. Die B<i)ld)un)g d<es> Wei-
b<es> als Rache. Er flicht sie ein u. hat die alte kühn u. häßlich
5 angeknüpft mit äXXä yuvr). Das alte Gedicht fand der Redactor vor
u. schmückte es aus.
2, Betrüge 1) MT)KÖ>VT| 1) Feuer stiehlt (Prometheus wie in der) Theog.
v. 565.
Consequenz d. Feuerraubs ist die Rache. Es stimmt auf das frappante-
10 ste mit (Theog.) v. 565. Es ist d. Hauptbetrug. D. Feuerdiebstahl ist
d. Hauptbetrug. Darauf bezieht sich d. Rache vom Faßöffnen. Anders
faßt es der Redactor. Er fährt fort, indem er steine) Geschichte
dazwischen schiebt. Der Feuerraub erscheint als Cons<equenz> d.
Betrugs. Deßhalb glaubt er d. Geschichte einfügen zu können.
15 <50) aÖTiq wieder. Vorstellung, daß d. Mensch d. Feuer früher d<(urc)h
Zeus besaß u. es jetzt wieder stiehlt. D. Menschten) hatten es nur
während d. kurzen Periode; wie er es EKpuvj/e hatten sie es nicht.
Die Faßgeschichte homer. Tradition. Übel als Strafe betrachtet, aber
d. Mensch fühlt sich unschuldig, also d. Schöpf<un>g v. Prometheus,
2.0 schuldig P<rometheus), werden die Menschen gestraft.
Eine andre Sage fragt nicht nach dem Übel überhaupt, sondern nach
einem Übel, dem Weib. Das Weib ist nach keiner Sage die Quelle des
Übels überhaupt, sondern ein einziges Übel. Wie steht das Feuer, der
Feuerraub im Z(u>s<(ammen>h<(a>ng mit d. Frage des Übels. D.
2.5 Feuer, das der Mensch entzündet, erscheint als selbständig. Feuer, als
Diebstahl an d. Eigenthum des Zeus, der eigentlich das Feuer anzündet.
Der Mensch empfindet in d<(em) Feuer-entzünden eine Art v. Schuldge-
fühl u. doch beruht alle Cultur auf dem Feuer (Familie Feuerstätte).
Aus dieser Doppelempfindung d. Feuer gegenüber, Schuldbewußtsein
30 u. Bewußtsein höherer Cultur ist d. Gestalt d. Prometheus erwachsen.
Die jüngere Fass<(un)g von d. Entsteh<un)g d. Weibes hat nichts
so allgemein menschliches, sondern nur möglich b. Volk niederer
Culturstufe.
Drohnen im Bienenstock nicht hellenisch od. indogermanisch böo-
35 tisch helikonisch. Adalbert Kuhn Über d. Herkunft d. Feuers sanskr.
bramanta Reibholz dies auf d. Natur übertragen.
366 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

Wishnuh wird als Feuerstab aufgefaßt. Zugleich zufällig Räuber


der Not. Daraus Prom. Die Etymologie d. Prometh. ist Weiterdichtung
d. Hellenenthums, dem d. alte M y t h ( u s ) abhanden gekommen, durch
neue ersetzt
5 Schoemann<(s Auffassung,) Prom. (sei ein) fürsorgend(er) Gott des-
sen Hauptaufgabe Feuer sei, ist falsch. Aus dem Feuerraub entspringt
geradezu d. Prometheussage.

48 = Theog. 565
51 = 5 66
52 = 567
53 = 568
57 = 570

< 4 8 ) &yK\)Xoq setzt ancus voraus erhalten in aduncus. 7roiKlXo|lf|xr|<;.


vox media für brodelnd, krumm denkend.
10 56. Alle Hdschrft. croi x' auxw Apollo<n. Dyscolus) acpiv 5' afjxoti;.
Das Letzte auffallend, da ja nichts v. d. avöpCDTtov ( i m Text voran-
geht), aber gerade d. klare A n a k o l ( u t h ) weist darauf hin.
a o i x' auxra ist nur Conject(ur.) Der Bezug von a o i x' auxcp auf Prom.
paßt nicht.
15 <58> ¿(KpayaTidco u. -aifa 7teipäco u. -ä^co ajami alte Präsensformen:
adjcofxi a^(ü|xi a^co oder j fällt aus. agapajomi agapomi. 7töX.io<; u.
rcöÄijoq.
6z. Kai aGevoq Wir erwarten menschliche Gestalt. Sehr überraschend
ist die Sprache. Wie kann sie Hephäst verleihen? 79 verleiht sie Hermes.
20 Das Organ der verschmitzten Gesinnung legt er am passendsten ein.
Stimme u. Stärke ist recht auffällig. Neben der Kraft soll offenbar das
Weib die Jugendblüte haben fißr|v Kai aöevoq. So urspr. im Text.
64. Weben ist das Werk der Athene u. zur Charakteristik des Weibes.
Aber nicht ( e i n e ) v. seinen gefährl. Seiten. Der Z u g der Ausschmük-
2.5 kung gar nicht übertragen auf Athene! <(65) xpucJET|v x' 'A<ppo5ixr|v
Athene gießt 'A<ppo5ixr| u. 7i60oq aus. xP DO "n 'A(ppo81xr| Eurip.
Phoen. 402.
66. nsA,e5(»va<; u. covai u. covei; (überliefert).
y u i O K Ö p o u i ; Kep KT|p Schicksal KT|paivK> aKf|piog KÖpog kö^oi;
30 verstümmelt Ksipco.
Früher yuioßöpoix; H. Stephanus, unnöthig. Auch Venetus.
(Hesiod: Tevo«; Kai ßio? 'HaiöSou. Certamen. " E p y a ) 367

(73 ff.) Charites Peitho u. Hören sind nur behülfliche Wesen, das wird
bestätigt d(urc)h den Schlußsatz v. 76. Die Erwähnung d. Char. ist
nicht im Widerspruch mit der vorigen Erwähnung (in 65). 60 — 69
sind also ächt.
Acht epische Sitte diese Wiederholung. E. Heitz bemerkt, es sei nicht
die Art v. Hesiod so weitschweifig zu sein. So gleichartiger Character
d. Hesiod. Poesie kann nicht angenommen werden.
( 7 7 ) SldtKTopoq wie SiAkovcx;, gleiche Bedeutung, nicht d. Jäger
Buttmann Beil. 1.215» Sicükco Die Bedeutung ist Diener dh. der dem
Zeus folgt ^axpiq Ai6<; Eur. Ion 4.
73 IleiOcü Suada. Sie gehört in den Kreis der Aphro(dite). Diese
Gefährtin der Liebesgöttin (ist ihre) Tochter (nach den) Scholien
auch ( b e i ) Sappho.
76 mehrfach für unächt erklärt als andre Redaction von 72. Damit
wird die gemeinsame Thätigkeit der Athene eingeschlossen. Köchly
fälschlich.
V. 64 wird nicht mehr erwähnt. Der gehört eigentlich nicht in diese
Schilderung des Weibes.
Irgend einmal Aphrodite als Göttin aufgefaßt u. sogleich muß der Vers
eingesch(o)b(en) worden sein. 64. autap 'A0f|vr|v oi /apiv d^cpixsai
u.s.f.
Wie kommt Athene dazu solche Werke der Aphrodite zu thun? Sie ist
eigentl. Liebesgöttin. Mytholog. Zug der unberücksichtigt (bleibt).
Die Athene ist eine Mondgöttin u. Geburtsgöttin. Mondlicht Aristot.
Y^aCKüMtii; feurige Augen in der Dunkelheit. Aristot. Etym. M. (s. v.)
Tpixoyeveia.
O. Müller Kl. Schriften 2,231. Beim Gebären der Leto Helferin. Funkel-
hafte Usener Rh. Mus. 23,359.
Lichtgöttin, r i a ^ c « ; 'A0f|vr| „Die schwingende Göttin" sehr schwach,
schon Hesiod. Im volksthüml. Attisch Wechsel v. Asp. u. Tenuis
Curtius Studien I. Bd. über die Aspiraten <pav cpa 7ta nav navöq die
Fackel neben cpavöi;. (paA. leuchten cpctXioq glänzend (pa^öq cpaA.epö<;
<paM.(i<; (paXidq die leuchtende, strikte Parallele cpä?v.T)q Gottheit d.
<paM,6<; = der hervorleuchtende. Satyrspiel. cpdXri^: 1 ausgestoßen.
( 7 8 . ) ai|j.uA.ioi)q te Xöyovq Gedanken.
79 für unächt erklärt, weil wir vorhin in d. Überlieferung d. Stimme
v. Hephäst gegeben sahen.
368 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

cpcövfiv m u ß H ( e r m e s ) ertheilen: ep|iT|VEÍ)<; Xóyoq <bei Plato.)


( v g l . ) Horaz ( c a r m . ) I,io. Ihm die Z u n g e der Opferthiere gewidmet.
Er muß a u c h d . ö p y a v o v der Rede verleihen.
81. n a v 6 c 0 p r | richtiges Etymon?
5 7iav8(bpr| Beiname der Erde, „reich spendend". So ist er auch hier zu
erklären. Sie ist die, welche reich u. völlig schenkt. In d. Erfindung
des Mythus liegt eine passende Ironie. A u c h d. Stimme Betrug. Sie
leben auf Unkosten d. Männer als Drohnen im Staate d. Menschen.
8z. á ^ c p r i G i f i g Brodesser atapi-e5 Mehlesser. D<ie> alte<n> Gramma-
io tiker: „die erwerbenden" die kümmerlich erwerbenden áX,(paívco
fjAxpov äXcpsaißoia. Hier ein mit Bewußtsein gesetztes Epitheton.
V. 106 u. 107 höchst ungeschickt, ei 8' sOs^siq: Der Redactor fühlte,
der Faden sei verloren.
Das Elend der Gegenwart war schrecklich; allein aus dem Reichthum
15 d. Sage fällt ihm etwas wieder ein. EKKopucpcoaco ( i n ) H a u p t z ü g e ( n ) .
Die Schilderung existirte im Volk in viel ausführlicheren Zügen. KECpa-
AXUÓCD. Aesch. Kapavóco.

Ungeschickt sö Kai S7tiCTta|j,£vcüq für d. Erzähl. á>q óp.ó6ev ganz andrer


Vers. Wie sind sie zu verbinden? Widerspruch mit dem Folgenden.
2.0 Goettling allein erklärt: Götter u. Sterbliche aus einem Geschlecht,
Götter aus d. Erde Metalle auch zur Erde. Eine M y t h o l ( o g i e ) könnte
solches erfinden, nur hier nicht. G ( o e t t l i n g ) schließt aber d. Verse an
das Vorhergehende an. cbc; Ó(IÓ08V ist gleichsam Kern der ganzen
folgenden Darstellung.
Z5 Der Zwischensatz kann v. einem unwissenden Interpolator eingescho-
ben sein. Die 3 Verse unmöglich vom Redactor. D. 3te ist nicht damit
zu vereinigen, da d. R e d ( a c t o r ) d. Tendenz der Folgenden kennt.
Lehrs trennt diesen Satz v. Vorhergeh(enden) u. N a c h f o l g ( e n d e n )
bezeichnet ihn als sprichwörtl. Wendung, d. d ( u r c ) h Irrthum an diese
30 Stelle kam. Ursprüngl. ungeschied(en) é^O|ió08V.
<109) népOTteq die redenden v. |isp |j.sípO|iai (lepi^co. 07t in ó\|/
Stimme, stimmtheilenden nicht significant, wie aö8f|ei<;. Stamm fiep
daher mors tödten hinschwinden machen (lépoílE^ = ßpoxoq =
mortos. Also = Kaxá0vr|ioi.
35 Der Stamm OTt ( S e h e n ) das Sterben vor Augen habend, wie £Í>puÓ7ia
die Weite vor Augen habend (nicht weithin tönend!). Entschieden
künstlich.
<Hesiod: TEVCX; Kai ßioi; 'HaiöSou. Certamen. "Epya) 369

Oll arbeiten opus (pöX-OTtig ]LT|V8Ä,67iEia. |isp Sorge |i£p(a.epoq |iepinva


sehr charakteristisches Epitheton: „die sorgvoll arbeitenden" also =
a>.<pr|CTTai ävGpcoTtoi. A l s o auch hier mit Bewußtsein gesetzt? Spiele-
reien. Epitheta ornantia. Hier durchaus nicht mit N a c h d r u c k gesetzt.
5 i n . ¿7ti K p ö v o u bestrittene A n g a b e f ü r unächt erklärt, weil K r o n o s
nicht Olympier. D a s steht nicht da. Die O l y m p i s c h e n ) haben die
Sterblichen gemacht, u. K r o n o s herrscht. Es ist vollendender Ernten-
gott, daher G o t t des goldenen Zeitalters; daher auch G o t t der Inseln
der Seligen, w o d. Feld 3mal des Jahres reif ist.
10 Der Redactor läßt aber viele Zwischenzüge weg.
< 1 1 7 . ) £ei6copo<; v. £evd u. C,e& Feldfrucht; urspr. j im Anlaut javas
sansc. Gerste. J/bvvi)|il junami.
V. 1 2 0 steht nicht in den Hdschrften. Citirt <(v.) Diod. V,66 <der a u c h )
1 1 2 <citirt>. D a s Citat in dem Gedächtniß 1 1 2 <statt> s^coov <hat
15 D i o d o r ) ^CÜECTKOV. D . A n f a n g des Citats zurecht gemacht.
1 1 9 . T | C T U X O I . eiücppovs«;.
1 2 0 . hat jedenfalls nicht in < d e n ) Hdschrften existirt. Orig. ctr. Cels.
IV, pag. 2.16 da stehen noch 2 Verse mehr. Einmal weisen sie auf d.
Urtheil eines Grammatikers hin in unserer Hdschriftenclasse. E r w ü r d e
2.0 vortrefflich passen.
< 1 2 3 . ) ¿ju%06vioi: die silbernen i>7ro%96vioi <hier> freilich eine sehr
gelungene Conjectur.
1 2 5 . (poiTCDVTE^ mit fu <po<piT&a> futavit Glosse = fuit, „ h ä u f i g ir-
g e n d w o sein".
25 1 3 1 . ä z ä X X a v 3 Bedeutungen. 1) aufziehen 2) heranwachsen 3) herum-
springen. Identisch mit ( X T I T O I Ä A G } daraus a.xxaXXa>, Ersatzdehnung
axäXk(o x ä t & v u | i a i , m a i v c o sich strecken, daher der Sinn aufziehen
aufnähren wachsen machen sich strecken machen, heranwachsen grö-
ßer werden. Daher d. 3te { B e d e u t u n g ) springen, die Glieder recken.
30 <(137.) ^ G s a Sitz C h a r a c t ^ e r ) in wohngemäßen Sitten, Sitze.
< 1 4 2 . ) Ö7tT] 8 s i Begleiten v. Curtius erklärt: Verbalstamm ÖTtay- in
ÖJTÄ^CO. Unerklärt bleibt T|.
Anderes Etymon: o - copulativ, zusammen, Jir|8- in pes = peds gehen.
1 5 3 e u p c a e v t a moderig G . Hermann: vastus Soph. A j a x 1246. So
35 schon im Alterthum Etym. M . p . 377 u. Hesychius.
Paßt o f t nicht, so nicht das G r a b . " E p y a 1 5 3 . Es entstand eigentlich
auf G r u n d etymol. Zusammenstellung mit eßpax; Moder. Unerklärt.
370 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

ros der T h a u zusammengestellt mit Epcr| T h a u . ros = ^poq è/^épor)


daher àépcrq f|épar|, wie ein f häufig e erzeugt: èéXSo|xai, èeipo|iai.
e/^pto^ mit vorgeschlagenem e u. Übergang von f in e. Der benetzende,
der benetzte: varsas das Tröpfeln. Das Wesen des Moderigen ist eben
5 feucht.
161. (póXoTCl^ alte { E r k l ä r u n g : ) Schlachtgeschrei ÖV)/ = ßor) schon
sehr künstlich „Ton der M e n g e " .
Curtius hat den Stamm O P erkannt opus etc. Wohl besser: Schwärm
Arbeit der Massen.

io Doppelte Überlieferung
V . 122 à y v o ì imoxOóvioi KaXiovTCU Citat <Plato Crat. 397 e )
dtyvoì èrti^Govioi xsXéOouaiv » (Plato Resp. 469 a )
< 1 2 4 ) èaO^oi <Handschr.:> à^e^ÌKttKOi » {Plato)
Parallel zu 141.
Sehr frühzeitige Differenzierung. Alte Citate (Plato Cratylus, Respu-
blica)
141. |l<XKap£^ 9vt)XOÌ sie haben aufgehört sterblich zu sein. Vielleicht
15 0VT|T(öV 0vr|TOÌc;. M a n muß das Wunderliche mitnehmen.
Conjicirt (puXaKEq 0vr|TGjv Hagen: bezeugt, Proclus las so.

Dann etu/Góvioi cpüXaKsq 0vt|X<»v 123


üJtoxöovioi " » 141
149. c r a ß a p o i q (is^éeaCTiv u.
zo c m ß a p o i a i |ìéX.sctctv

Eine Überl. <der> Hdschrift. beweist nur durchgängige Recension eines


Grammatikers.
Das goldene Zeitalter u. d. silberne 110 u. 128 von den olympischen
Göttern geschaffen, bei den folgenden Zeus 143 u. 158. Die Vertilgung
25 Werk des Z e u s 138. D. 3te richtet sich zu Grunde.
D. 2te < u . ) d. Heroen <(vertilgt) Z e u s 168. D. eiserne wird er
zerstören 180.
M a n wollte ratio darin finden. Sehr verwirrte mythologische Vorstel-
lungen. 1) Zeitalter d. Kronos 2) Titanenherrschaft. Zeus welcher d.
30 Prometheus haßt, <haßt> auch die silbernen. Derselbe Grund ist es,
die Opfer. Die goldnen ohne Neid. Sie sind ohne Alter. Vor dem
(Hesiod: Tevcx; Kai ßio«; 'HCTIOSOD. Certamen. "Epya> 371

Ausguß des Fasses ohne Sorgen u. G r a m . G a n z ähnlich 90 — 93. Sie


starben gelind. N a c h a h m u n g dieser Zustände Dionysische Z u s t ä n d e ,
in den Bcuc^ai des Eurip. geschildert. Üppiges genüßl. Naturleben.
Umgang mit d. Göttern.
5 1 2 3 —126 Sie haben etwas Dämonisch-Koboldartiges. In L u f t gehüllt.
Silbern. Zeitalter. Langsame Reife. Characteristisch dumm, furchtbar
langsam. Sehr mächtige ungeschlacht. Wesen. M a n irrt, wenn man
Frevler in ihnen erblickt. Dummes Riesengeschlecht. Übermuth Hin-
w e g s e t z t e n ) über die Opfer. Wären sie die bösen, so w ä r e nicht
10 abzusehen, wie sie |idicap£<; 0VT]Toi werden.
3 te<s> Z e i t a l t e r schreckliche Krieger. H a r t e Naturen. Unbeugsamer
Sinn. 146: essen nicht aito«;, sie leben von Eicheln. Nicht rein animali-
sche K r a f t . Dieses Geschlecht hat ungeheuere K r a f t voraus. Rauhheit
d. Sitten. Sie wohnen nun im Hades. 1 5 4 Sie sind VMVU|0,01.
15 151 5 ' eipYÖ^ovxo 1) Landbau. Indessen widerspricht ihrem
Wesen der Betrieb des Feldbaus. Cyclopische Bauten. Oder aber man
dachte an Metallarbeit. Bronzezeitalter.
N u n die Heroen. Sie heißen ^(liOeoi bei den Späteren, sterben auf
großen Feldzügen. Ein Theil lebt weiter auf den Inseln d. Seligen. Sie
20 sind a u f d e r E r d e an ihren Grenzen. Z ü g e d. goldenen Zeitalters
wiederholen sich. Z u m Schluß das eiserne mit meist negativen Verhält-
nissen. Verachtung der Eltern u. d. Götter, Ehre dem Frevler ewig
infam. < 1 9 5 ) Mißgunst. < 1 9 6 ) ö|iapxsco aus ö(i- zugleich u.
dp- zusammenfügen, sich dazu fügen, zur Seite gehen, folgen. aiSdx;
25 u. V8(IE(TIQ verschwinden.
G r o ß e Lücke. Eins fällt aus der Reihe der Metalle, die Heroen. Dieses
Zeitalter hat wenig Berechtigung.
Im letzten Zeitalter lauter Futura. Vielleicht als Prophezeiung d. böoti-
schen Volksdichtung. M e l a m p u s oder so einer.
30 Die triste Schilderung bedenklich f ü r den Redactor. In einem unbedingt
verkehrten Zeitalter hat die A u f f o r d e r u n g zu<r> Tugend keinen Sinn.
D. Gedicht schildert d. Gegenwart viel zu schwarz darum milde Verse
eingeschwärzt i79<(ff.)
Das alte böot. Volksgedicht hatte vielleicht diese herbe Schilderung
35 mit Präsenssätzen. Sie behagte dem Redactor nicht. E r blieb in d.
Tradition u. schildert seines als d. beginnende böse, schwächt ab
d < u r c ) h Einführung von Futuren.
372 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

Das Heroenzeitalter fällt aus den Metallen und der Verschlechterung.


Edda i . Gesang. Schilderung d. Heroenzeitalters im Widerspruch mit
der Auffassung der gedrückten Böoter. Verherrlichung des heroisch.
Epos d<(er> Heroenkreise, dh. in den ritterlich-aristokratischen Krei-
5 sen. Mit dieser Vorstellung nicht im Einklang die des gedrückten
Bauernstandes. D. böot. Bauer sah darin d. Eisenzeitalter, die rohe
Gewaltthat. 3 + 4 sunt idem nur von ganz verschiedenem Standpunct
aus. D. Heroenzeitalter eine Art v. Spiegelung für die ECTiaÖTa.
Die böotische Volksvorstellung gekreuzt d<urc)h das neuere epische
10 Heroenthum. Es kam d<urc)h Bekanntschaft mit d. homerisch. Epos.
Da fühlte der Redactor eine Kluft. Darum fügte er sie ein. Die Schilde-
rung paßte nicht mehr, als griechische Sänger in Böotien sangen. M a n
interpoliert. Dieselbe Zeit an einem Standpunct d. Wiedergeborenen
geschildert. Incongruenz in d. Weltaltern angenommen. Eins ist aus
15 Holz gebildet. 145. 8K |l£/Uäv. Eisern aus Eschenholz: entsetzliche
Incongruenz. Es ist mit dem Folgenden zu verbinden. Das Characteri-
stikum ist daß es die Lanze trägt 145.
Entstehung aus d. Esche Vergil Aen. VIII, 3 1 5 .
Griechische Lyriker

Vorlesungen von Prof. Nietzsche

[WS 1878-79j
Nachschrift von unbekannter Hand
GRIECHISCHE LYRIKER.
Vorlesungen von Prof. Nietzsche.

[WS. I878/791

Einleitung.
5 § i . L y r i k u. M u s i k im e n g s t e n Zusamenhang.

H a u p t u n t e r s c h i e d moderner u. griechischer Lyrik: die griech. Unterschiede


Lyrik richtet sich nicht an ein lesendes Publikum, sondern, wie d. griechischer u.
ganze gr. klass. Poesie, a n d e n H ö r e r (u. Zuschauer); der Hörer ist m °derner Lyrik
Hörer des g e s u n g e n e n Textes; die gr. Lyrik wurde g e s u n g e n . Wir
10 lesen mit den Augen; wir sehen an den Formen moderner Dichtung
noch das musikal. und orchest. Element. Die gr. Lyrik ist ein TtpctKTl-
KÖv, sie bedarf der Thätigkeit des Vortrages, nach Unterschied der
x e ^ v a i o m o T e X e o T i K a i ( A r c h i t e k t u r , P l a s t i k , M a l e r e i ) u . x. 7 t p a i c x i K a i
(Orchestik, Musik, Poesie), die der Darstellung nach der Vollendung
15 bedürfen. Die Griechen lernten das Lied nur durch den Gesang kennen.
Uns fehlt das Gesammtgefühl; wir genießen das Musikalische oder
Dichterische Element für sich, bald mehr das Eine, bald das Andere.
Hören wir ein unbekanntes Gedicht vorlesen, so trauen wir unserm
Urtheil nicht, bevor wir es s e h e n ; die Musik wollen wir h ö r e n . Bei
2.0 <den).Griechen bildet e i n Künstler Text u. Musik (wie Troubadour u.
Minnesänger, Meistergesang). Die Doppelheit des Dichters u. Componi-
sten heißt 7toiT|xf|<;. Mouaucöq heißt Virtuos. Glaukos v. Rhegion JCEpi
x«)v ütpxaicov Jtoir|xc5v K a i iiouctikmv. „über die alten Dichtercomponi-
376 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

Antike Musik u. sten u. Virtuosen." ITOIRIT. sind die S c h a f f e n d e n u. HOUCT. die v o r t r a -


Gesang g e n d e n Künstler. T e r m i n o l o g i e d e r L y r i k : Musik erscheint immer
als Melodie bei dieser Verbindung, nicht Harmonie, sei's gesungen oder
gespielt. Harmonie haben die Alten nicht. Ein lyr. Lied wird begleitet
von Blas- od. Saiteninstrument. Also der Singende u. der Spielende gehö- 5
ren dazu (oft nur Eine Person; später blos Gesang bei Römern assa voce).
Saitenspiel allein ohne Gesang heißt KiOapiq \|/1AT| (ebenso a(5A.r|m<;
vj/iA.r|). MeÄ.oq Ki0ap(p8iKÖv oder (i. auXcpSiKÖv heißt begleitetes Lied.
(iOvcüSia vom Einzelsänger, das %opiKÖv vom Chor, aber unisono
vorgetragen. Nur in Octaven wurde bei Knaben- u. Männerstimmen 10
gesungen. Polyphonie ist unerhört. äp|iOvia bezeichnet das richtige Ver-
hältniß der Töne in der Aufeinanderfolge, nicht im Zusammenhang.
Dieser einstimmige Gesang machte möglich, daß der Text so hervortrat,
ganz verständlich war; der Text ist regimentführend; die Musik ist „Zu-
kost der Rede" (öv|/ov ToO A.Öyou) Plut. Sympos. VII, 8, 4 der Chor war 15
verschieden; der dithyramb. Chor zählte 50, ( d e r ) tragische Chor i z ,
später 15, der komische Chor 24 Sänger. Die B e g l e i t u n g : das älteste
Die antiken Saiteninstrument hat verschiedene Namen: der jonische Ausdruck ist
Musik- K i G a p i q , d . ä o l . = d o r . A u s d r u c k ist A,6pa, der p o e t i s c h e ist t p ö p n i y i ; ;
instrumente. alle 3 Namen bezeichnen dasselbe ein 7-saitiges Instrument. Ein 20
kunstvolleres Instrument für den Virtuosen ist die KiOdpa, das agonale
Instrument (etwa Mandoline Kiöapi«; u. Harfe KiGotpa). Die [idyaSic; ist
ausländisches Instrument; ebenso 7rr|KTi<; und die aa|ißi)KT|. |idyci8iq hat
zo Saiten u. ist Instrument des Anakreon, auf Mytilene im Volksge-
brauch. Man konnte auf der (idyaSn; die Melodie in Octaven begleiten 25
(*j/al|iö<; dvTi<p0oyyo<;); später hieß jedes Instrument, das <in> Oct. be-
gleitete, |xdya8i<;, sogar eine Art avXöq). Hesychios nennt die |0.dy. ein
ö p y a v o v V|/aXxiKÖv D i e 7ir|KTi<; v i e l s a i t i g , v i e l s t i m m i g , o h n e 7tX.fjKxpov
mit den Fingern gespielt. Ttpög xopödv aÖEiv ist t.t., ebenso (xayaSi^siv
(¿v Tf| 5 i a Ttaacov sc. /opSröv Octave). Instrumentalvortrag heißt Kpoö- 30
aic;. Der Virtuose tritt gegen den Dichter u. Sänger zurück. Der Flöten-
bläser steht lange Zeit im Solde des Dichters; bisweilen wollten die Flöten
in Vordergrund treten, wurden zurückgewiesen.
(T<XV a o v S d v K d T e c r r a a e EEispiq ß a c i X , s i a v etc.)

EuvauMa ist Zusammenspiel mehrerer Blasinstrumente. 35


Flöten u. Kitharen heißt evouAoq taBdpiaic, (Horn. 2 . 495). Der Ein-
druck des avXöq ist nicht T|0IKÖV, sondern ist opyiacriiKÖv, leiden-
Griechische Lyriker 377

schaftlich aufregend. Im Ganzen ist das Gebiet der Instrumente religiös


abgegrenzt; Ä,6pa bei Apollin. Festen; bei Kybele, Dionysos, zu Mar-
schliedern der ai)\6q; zu Götterhymnen die Lyra. Doch Ausnahmen:
Kreter rücken mit Klödpa ins Feld; Prozessionslieder mit Flöten beglei-
5 tet, die napoSoq der Tragödie, die Anapäste in der Parabase der Komö-
die, die g^oSoq der Tragödie; die ö p f j v o i müssen aveu Xüpaq sein, dage-
gen mit dem atiXöc, begleitet; ebenso der Ttaidv, der nach einem Erretter
in der Noth ruft. Der Aulos ist geeigneter für Takt der Tänzer u. Marschi-
renden, er ist taktgebendes Instrument bei Tanz, Rudern, Keltern; die
10 Flötenbläser gehören zu den xs^vixai oi Ttspi Aiövuaov (wozu noch die
Tragöden u. Komöden). Bei den cantica der röm. Komödie immer die
Flöten, u. zwar sind z Flöten in i Mundstück verbunden, beide gleich
oder in Octave. (tibia sinistra od. Sarrana mit hohem Tone, t. dextra mit
tiefem Ton).
15 Im Allgemeinen unterscheidet man Dichtungen nach Art des Vortrages, Die Arten des
Recitation u. Gesang. Letztere wurden in klass. Zeit selten rezitirt. „De- Vortrags,
klamiren" heißt Xtyeiv, KdiaX-eyeiv. Vortrag mit Gesang ä5siv, 7tai^evv
(ludere). Ein gesungenes Gedicht 4>8f] oder da|j,a, gCT|xdxvov, |xeA.o<;,
|xsX,ü8piov, eiöoq, eiSuAAiov.
2.0 |isXo<; heißt urspr. „die Liedweise, Melodie", dann „Lied, Text" (modus,
modulus ebenso). slSot; namentlich in metr. Scholien zu den Pindar-
ischen Oden, die e'iSr) genannt wegen der verschiedenen Tonarten (ei5t)
SiaTcaaräv); dann das „Lied" so bezeichnet. eiöti^/Uov heißt „kleine
Liedweise, Liedchen" (nicht „Bildchen"). (b8f) ist in Schulen der röm.
2.5 Grammatiker Bezeichnung für das lyrische Lied u. verdrängt später die
andern Namen, sogar das latein. carmen (urspr. casmen). Verse, die nur
deklamirt werden, heißen 87tT|; gesungene Gedichte (ieXr). Die napaKa-
TaX.oyf| (jtapaKaTaX,8yeiv) bedeutet nach Analogie v. napiaußoi; einen
Vortrag, der an das Deklamiren (KOtTOdeyeiv) anstreift, ein Mittelding
30 zwischen Gesang u. Deklamation (wie bei kathol. Altarrecitation). Die
K>.8\|/ia|ißoi sind das begleitende Instrument der TiapaKata^oyf], die
zuerst bei Archilochus angewendet wurden; auch bei zu Gesang be-
stimmten Gedichten angewandt u. machte, wie Aristoteles sagt, einen
tragischen Eindruck. So unterscheidet sich nach den 3 Arten des Vortrags
35 Epos, Lyrik, Drama, das die 2 Arten vereint, rtpo^oyo^, StdXoyoq —
HOVfpöia, crcäcn|ia (sc. |ieÄ,T|), xd drcd aKT|vfj<; (|ieA.T|), lateinisch diver-
bium — canticum. Außerdem ergibt sich aus der lateinischen Comödie
378 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

der Vortrag der 7tapaKaTa^oyf| in ganzen Scenen (Ritsehl, Museum,


B. 26, Bergk, Philolog. B. 31), für die Tragödie von Plutarch bezeugt. Es
kommen Trimeter vor, die gesungen wurden (Aesch. Agam. 1 1 5 3 , 1 1 7 6 ,
Luc. de saltat. 27). Der Gesang erstreckte sich auch auf die anapäst.,
jamb. Tetrameter; die Trimeter werden gesprochen. Aristophanes be- 5
zeichnet 6 daktylische Verse in den Fröschen als | X e A , o i ; . Die Bucolica des
Virgil sind auf der Bühne durch cantores vorgetragen worden. Daher
stehen sich oft gleiche Gruppen gegenüber, die durch Tanz den Zuschau-
ern bemerkbar gemacht wurden; dies schon v. Heliodor bei Aristophanes
bemerkt: {Frieden) 922 — 38 = 956 — 73. Die Frage zuerst von Ritschi. 10
(Der Parallelismus der 7 Redepaare in den Sieben gegen Theben, R.
opuscula, B. 1.) aufgeworfen. Auch die Elegie wurde wahrscheinlich ge-
sungen; später deklamirt; Athenaeus sagt, schon Xenophanes, Solon,
Theognis, Periander hätten ohne Melodie vorgetragen.
(Vgl. Plut. Sol. 8, das dagegen spricht). 15
Lyrik u. Tanz Verhältniß zwischen Lyrik u. Tanz: Gesang u. Tanz so eng verbunden,
daß xop£ü£iv = „besingen" xiva gebraucht (werden konnte). X°P e *>
eiv, Plat. leg. 654, Vereinigung von Tanz u. Gesang. Der Tanz ist nach
Athenaeus | i i | j . r | G i < ; t c ö v a r c ö T f j < ; ^ e ^ s a x ; f)p(j.r|v£u|i£vcöv Ttpayiiätcov.
Schon Homer kannte diesen Tanz, Ilias 18, 570, in Vbdung mit Cither- 2.0
spiel u. Linoslied. Hesiod läßt die Musen tanzen u. singen. Ilias N 731
zeigt die Verbindung beider Künste auf's Evidenteste. Uralt auf Kreta,
berühmt dadurch (Thaletas). Getanzt wurden alle Kunstformen der Ly-
rik: imopOTHaxa jtpoaö5va, Ttaiäv, dagegen der eigentl. ß|xvoq ohne
Tanz; wohl aber der Si0upa|ißo<;, STtiviiaa. Vom Dithyramb ging der 25
Tanz in das Drama: C(i(ieXeia (Tragödie), KÖpSa^ (Komödie), CTlKlvviq
(Satyrspiel). Marschirt bei 7tdpo5o<; u. e^o8oi; des Dramas. Die axäCTi|ia
drücken dem Namen nach nicht das Stehen aus; der Name heißt „Stand-
lieder", nicht Stillstandlieder, weil der Chor seinen Standort erreicht hat,
auf dem er wohl tanzen kann. Viele C7TCt(Ti|i(x wurden getanzt. 30
Die ältesten dramatischen Dichter heißen Tänzer, so Thespis etc. von
Aristoteles öpxT|crari genannt. Daher Name öpxr|CTTpa. Der Mimische
Tanz auf Bühne ist erst spätere Einrichtung, seit Euripides.
Entweder waren die Sänger auch die Tänzer oder die Tänzer begleiteten
Gesang u. Spiel. Erstes ist das Aeltere. Später tanzte der Chor zum Ge- 35
sänge des Vorsängers, oder der Chor singt, u. der Chorführer tanzt. 'Anö
t c ö v e^apxövTtov t ö v 8i0öpa|ißov leitet Aristoteles das Drama ab. Das
Griechische Lyriker 379

i>JiöpXT||ia von Einem gesungen, der C h o r tanzte. Alkman singt beim


7iapÖevsiov selbst allein u. beobachtet den Tanz der Jungfrauen (er ist
s^dpxcov tö i m ö p x r | | j . a ) . Das Marschlied, eußcmiptov, haupt-
sächlich in L a k e d ä m o n ; dann bei Prozessionsliedern TtpoCTÖSta, dann in
j Tragödie u. Komödie. O f t sang nur Einer das Lied, der C h o r marschirte.

$2.
M u t h m a ß u n g e n über diesen Z u s a m m e n h a n g .

Die Lyrik ist älteste F o r m der Poesie; das Epos entwickelt sich aus einer
gewissen Art des Liedes, der Götter- u. Heroenhymne. Die Lyrik überall Die religiöse
10 verbunden mit d. religiösen Cult, w o M u s i k u. Tanz mit ihr zusammen- Bedeutung des
kommen, der Rhythmus in das Wort hineinkommt. Der Rhythmus färbt ¿^Jj™^
Gedanken, läßt bestimmte Worte auswählen, gruppirt die Atome des
Satzes; der Rhythmus in Bez. auf den Xöyoq heißt (ieipov.
Warum stellen w i r die M u s i k nicht neben das Wort, sondern in das Wort?
15 Die metrische u. gesungene Rede, welche Bedeutung hatte dabei die
Musik? Musik u. Rhythmus dient zur Einwirkung auf die Götter, die
als 4fach geglaubt wurde: 1) man wollte Götter durch Musik zwingen,
binden, weil der Mensch sich durch M u s i k gebunden fühlte, z) die Götter
reinigen, ihre A f f e k t e entladen, weil des Menschen heftige A f f e k t e sich
20 durch Musik beschwichtigen, 3) man prägt mit Hülfe der M u s i k ein
Anliegen des Menschen den Göttern tiefer ins Gedächtniß, weil das
Rhythmische bei Menschen ein mnemonisches Mittel ist, 4) man glaubt,
mit M u s i k u. gesungnem Wort mit Göttern deutlicher, in größerer Ferne
reden zu können wegen der größeren Schallkraft des Wortes. Die beiden
2.5 erstgenannten Einwirkungen sind uns weniger deutlich. J e ursprüng-
licher der Mensch ist, je erregbarer, um so eher ist der Mensch durch
Gesang gebunden; er will den Rhythmus nachahmen, er fühlt sich über-
wältigt. D a ß Dichter sich durch Rhythmus unfrei fühlt, sagt Plato deut-
lich. Von Terpander wird erzählt, daß er eine GT(Xcn<; in L a k e d ä m o n
30 durch Musik beschwichtigte; D ä m o n befreite einen liebeskranken J ü n g -
ling; die Pythagoräer sahen das ein. Die Harmonie der Seele wird durch
Rhythmus hergestellt: M a r c . C a p . 9, < p . ) 346 <Eyss.>. Uralt ist A n w e n -
dung dieser Beobachtung auf die Götter: ihre ferocia animi ist mit H ü l f e
der Musik zu entladen, (lE^oq ist etymolog. „Besänftigungsmittel". Im
35 Cultus ist Sprache mit Rhythmus u. M u s i k verbunden. Die urspr. Absich-
380 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

ten dieser Verbindung wurden nach u. nach vergessen. Ebenso bei w e l t -


l i c h e n L i e d e r n . Die Lieder beim Rudern u. Schöpfen am Brunnen
zeigen, daß der Rhythmus urspr. eine magische Kraft hatte; man glaubte
bei dieser Beschäftigung an Thätigkeit eines Dämons, der besänftigt wer-
den muß. Zauberlied ist uralte Form; Weihe, xe^eTT|, K<x0apm<;. Welt- 5
liches u. Geistliches Lied ist kein Gegensatz. In Thracien ist das Zauber-
lied u. Orakelpoesie entstanden; durch Rhythmus des Orakels will man
die Zukunft binden; /pr|CT|J.ö(; heißt eigtl. „ N o t w e n d i g k e i t , Zwang",
fatum eig. der „Ausspruch", dann das dadurch erzwungene „Schicksal".
Anwendung der Musik beim Gi)(i7töaiOV gehört auch hierher; spätere 10
Auffassung, daß Musik die erhitzende Kraft des Weins dämpfe, Ordnung
u. Ebenmaß herstelle (Aristoxenos). Früher wohl anders: Ueberall im
griech. Cultus müssen alle Leidenschaften zeitweise entladen werden;
die Musik bei<(m)CTU(X7tÖCTiovsollte schnell jene Entladung herbeifüh-
ren, also die orgiastische Wirkung der Musik hier gemeint. Auch hier 15
ähnlich wie bei Aristoteles' Wirkung der Tragödie, die die Affekte des
Mitleids u. der Furcht so steigern soll, daß sie sich entladen u. der Mensch
frei wird. Das Hohn- u. Spottlied gehört hierher. Beim Cultus der Deme-
ter gab es Gelegenheit, alles Höhnische, Spöttische, Grobe zu entladen
gegenüber dem Feind; der Festrausch erlaubte es, in Worten machte sich 2.0
die Leidenschaft Luft, das war die Kütöapaiq.
Selbst Plat. leg. trifft noch Bestimmungen darüber mit einiger Beschrän-
kung, die die Stacheln herausbrechen. Daher die rhythm. musikal. Spra-
che angewendet 1) wenn man Sprüche magisch bindend machen will 2.)
wenn man {einen) Gott nahe haben will, 3) wenn man sich von der 2.5
Leidenschaft reinigen will, 4) wenn man die Wuth des Gottes reizen will,
Religiöse Bedeu- 5) wenn man (die Zukunft zwingen will) 6) wenn man seinen Hohn u.
tung des Tanzes. Spott auslassen will unter religiösem Schutz Der Rhythmus wird auf
die körperliche Bewegung übertragen. Alle Tänze haben eine magisch-
religiöse Bedeutung; der Tanz soll die Götter zwingen; das S t a ( m ) p f e n 30
Abnahme des des Fußes ruft die Götter herbei. Der Nutzen ist es, der den Rhythmus
Rhythmus mit in die Poesie hereingebracht hat. Je mehr Sinn für natürliche Causalität
Zunahme der statt magischer Causalität erwacht, um so mehr tritt der Rhythmus zu-
reinen Vernunft-
rück. Empedokles, der noch fast ganz Dichter ist, Plato, der noch halb
anschauung.
Dichter ist u. bisweilen in Prosa rhythmisch wird, Demokrit mit metri- 35
schem Anklang, Aristoteles zeigen das Abnehmen des Rhythmischen,
Zunahme der reinen Vernunft. Der Hang zum Rhythmus ist im Men-
Griechische Lyriker 381

schengeschlecht unausrottbar seit Jahrtausenden. In der Urzeit verdankt


man die größten Segnungen den rhythmischen Worten. Der H a n g , In-
stinkt blieb u. ist noch so mächtig, daß wir nur noch einen G e d a n k e n f ü r
w a h r halten, wenn er rhythmisch ausgedrückt ist. Auch nachdem die
5 Prosa errungen war, gibt es immer einen halben R ü c k f a l l , eine rhythmi-
sche Prosa tritt ein. (Isokrates). Die Redner sahen die Wirkung des
R h y t h m u s auf die Menge. Die ersten Pfleger des Rhythmischen sind die
Priester, Wahrsager, Z a u b e r e r u. Aerzte; die Blinden stehen der Poesie
näher, die Frauen sind Vor- und Urlyriker; endlich die leidenschaftlich-
10 sten Männer, die excentrisch in H a ß u. Spott, überwallend in E m p f i n -
dungen (Archilochus). Diese Menschen haben Sinn f ü r das Symbolische,
Andeutende stärker als f ü r das Causale.

5 3-
Bedeutung u. Berechtigung des Wortes Lyrik.

15 Die Alten unterschieden die 3 Gattungen nach der F o r m , ETtoq D e k l a m a - Unterschied der
tion, heä,o<; Gesang u. 8pä|J.a Vermischung beider im D r a m a . Der M o - antiken u. mo-
derne unterscheidet nach dem Inhalt das Obiective, Subjective u. Objec- ^ e r n e " Unter-
. 1 , 1 1 - 1 T-, 1 W J- Scheidung der
tiv-Subjective oder Aehnliches. Der moderne Mensch glaubt die ganze oichcungsarten
Dichtkunst in Epos, Lyrik, D r a m a zu theilen. D e m Antiken sind die 3
20 Arten blos 3 Arten unter vielen; Elegien und J a m b e n rechnen die Alten
nicht dazu. „ L y r i k " im umfassenden Sinn ist modern.
D a s Wort Lyrik k o m m t v o m Worte Ä.üpa, eins der beiden einheimi- Die Wipa als Sai-
schen Saiteninstrumente. Die einheimischen Instrumente haben 7 Saiten; teninstrument.
die ausländischen haben mehr Saiten. In hoher Gattung der Poesie sind
2.5 nur einheimische Instrumente gestattet. Ferner unterscheidet die A r t des
Spiels: bei den nationalen Heptachorden ist das Tt^fjKTpOV nöthig; die
ausländischen Instrumente mit Fingerspitzen gespielt: v|/dÄAetv, tiAAetv;
»j/aA-tiKd, y a ^ T t i p i a ; von X ö p a u. Ktöctpa ist die L y r a am weitesten
verbreitet u. bleibt herrschend; die K i ö d p a ist Instrument der Virtuosen.
30 Die X,üpa (Abbildung u. Beschreibung im Homer. H y m n o s auf Hermes):
ursprüngl. Schale der Schildkröte als Resonanzboden; daher N a m e
%eÄ.d)VT| oder %EÄ.l><;, testudo, f ü r das Instrument gebraucht. Später eine
Holzschale; auf der Seite 2, A r m e m i x e t ? , dyKcävsq, K e p a x a , oben durch
Querleisten, £uyöv, verbunden. Saiten gehen vom £uyöv bis zum Saiten-
35 halter %op8öxovov; / o p ö o i , v e u p a i , x ö v o i Saiten sind alle gleich lang,
382 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

aber von verschiedener Dicke. Am i^uyöv waren Wirbel KÖXXonBC,, KÖX-


X a ß o i , um die Saiten zu spannen. Damit Saiten den R e s o n a n z b o d e n )
nicht berührten, war ein Steg |iaydq, ((layäöiov). Die Lyra eine größere
Die KiSdpa, Harfe, deren jede Saite blos einen Ton gibt, leicht herzustellen. Bei Ki-
Ki0api<;, <pöp- ödpa Sorgfalt, Zierlichkeit, Schmuck, das Instrument für den dyröv, das 5
jnyl; u. ihr
Apollo selbst spielt. Die M>pa dient dem profanen, aber auch heiligen
Verhältniß
Gebrauch; Kiöotpa nur zu heiligem Gebrauch. Beide Namen nicht bei
Homer, Hesiod, sondern (pöp|ivyi;, Kiöapiq; bei Pindar ist die (pöp(iiy^
B e g l e i t e r i n ) der SJtiviKia; er nennt auch die Wipa. Wie ist zu unterschei-
den? Früher ein großer Irrthum die Mischung der Ki9api<; u. KiGäpa. 10
A r i s t o x e n o s sagt in den HOUCTIKCC aTOi%eia (um 3 1 8 ) : Kiöapiq Kai KI-
ö d p a ö i a < p s p s i . K i 0 a p i < ; y ä p e c r n v f) X u p a , K a i o i x p w j x s v o i aiiTfi K i 0 a -
p i a T a i , oßc; ^ o p c p ö o ü c ; Ka>VOÜ(isv, K i ö a p a 8E x p f j r a i Ki9ap&)5ö<;. A l s o
die KiGapiq Homers etc. ist identisch mit der Xripa; auch stimmt die
KiGapiq im Hymn. . Herrn, in Gestalt vollkommen mit der Ä.6pa überein. 15
Die Ähnlichkeit von Kiöapi«; u. Klödpa im Laut rührt von verschiedenen
Stämmen her, wo sich das Instrument entwickelte. KiGäpa ist das dori-
sche Wort, bei Agonen in Delphi u. Sparta zuerst im Gebrauch; Chryso-
themis der Dorer trug mit der Kithara in Delphi vor und verdrängte
dadurch die Xöpa. Plut. de musica 6 nennt als Erfinder der KiOccpa Ka- 2.0
pion, den Sohn des Terpander der sie zu Agonen nach Sparta bringt.
Das Letztere ist historisch. Was ist die (pöp|xiy^P Homer sagt Od. 1, 153
(pop|il^£iv von der Ki0api<; u. (pöpjiiyyt K i ö a p i ^ e i v . Also ist <pöp|aiy^
blos poetischer Ausdruck für Kiöapiq also mit der X,üpa identisch. (<pöp-
(iiy^ vom Stamm ßp£(x ursprünglich /^psn „tönen", Vater Hesiods Ei5- Z5
(popßot; = Eixpopußoi; „der Wohl tönende").

Terpander nennt die Kithara noch nicht; er spielte in Agonen die (pöp-
(Xiy^ oder X,üpa. Erst sein Schüler Kapion bringt die Kiöapa aus Asien.
Der Ausdruck X.upcp8öq (analog mit Kiöaptaööq „der zur Kithara singt")
fällt beim ersten Anblick auf. Die Convenienz prägt die Ausdrücke um 30
wider die Etymologie. Scholie zu Photios sagt, daß das Wort A,upicruf|<;
ungebräuchlich, daß dafür Xupcpööt; gebraucht, ob er zu Lyren singt oder
nicht singt. ^upcpSöq heißt „Kitharisspieler", „Lyraspieler" Der Kiöapco-
5öq ist immer zugleich Sänger, weil er Virtuose ist. Der Kiöapiqspieler
spielt zu Gesang oder ohne Gesang: 35
Das Wort Das Wort X.upiKÖ<; und /.uptKT| verbreitet sich im Alterthum schon sehr
AAipiKÖc; und weit; „die Dichtung, die zur l o p a gesungen wird" heißt eigentlich Xu-
Griechische Lyriker 383

piKT|. A l l e i n die begleitende M u s i k in den meisten Fällen der aiiXöq. XupiKf) u. sein
D a h e r ist X u p a g e b r a u c h t ) als Vertreterin aller Instrumente: also XV- Gebrauch.
piKT| „ d i e v o n Instrumenten begleitete D i c h t u n g " i m G e g e n s a t z z u b l o -
ß e m V o r t r a g . D o c h dieser G e b r a u c h s c h o n spät. D i o n y s i u s Thrax
5 (Bekk., A n e c d o t a ) unterscheidet die X u p i K o i v o n d e n Elegischen. Ä,upi-
KÖq ist an Stelle des älteren |isX,iKÖ<; getreten. M e X o q ( v e r w a n d t mit
(isi^iXoq, ( i s i ^ i a ) hatte urspr. 2 X ( A u s g a n g des alten D i s t i c h o n s : |ieA,ea
K a i kXiyouq). V o n d e m s e l b e n S t a m m cpl^O)J.f|Xri ( D e h n u n g statt d o p p e l -
tem X). |/ h e i ß t n a p - „ e r w e i c h e n , milder s t i m m e n . " (is^oq ist b l a n d i m e n -
10 t u m , fiSuCTjia „ e i n m i l d e s t i m m e n d e s M i t t e l " (|is?u H o n i g ) . A l l e g e s u n -
g e n e Poesie u r s p r ü n g l i c h |i£A,tKf|; erst bei den A l e x a n d r i n e r n d a f ü r X\)-
ptKT| (Vergl. A n t h o l . Palat. 9, 184). Bei R ö m e r n : C i c e r o , orat. p. 183
g e b r a u c h t n o c h A,upiKoi griechisch; er spricht v o n melici, das lateinisch
ist. Z u r Z e i t des H o r a z ist melici v e r d r ä n g t d u r c h lyrici, s o g a r in der
15 Poesie: q u o d s i me lyricis v a t i b u s inseris etc. D a b e i d e n k t H o r a z blos an
die O d e n . Er ist s c h o n d u r c h E p o d e n b e r ü h m t e r D i c h t e r , als er L y r i k e r
w i r d . E r scheidet die L y r i k e r v o n den J a m b i k e r n u n d den E l e g i k e r n . D i e s
ist die alte U n t e r s c h e i d u n g . Eine 4. G a t t u n g ist die B u k o l i k , die m a n b a l d
d e m E p o s ( w e g e n des H e x a m e t e r s ) , bald d e m D r a m a z u r e c h n e t ( w e g e n
2.0 der D i a l o g e . ) D a s S c h e m a der A l t e n ist: E p o s , L y r i k ( M e l i k ) , J a m b i k ,
Elegie, ( B u k o l i k ) , D r a m a .

§4-
Die A r t e n der M e l i k .

P r o k l o s , der N e u p l a t o n i k e r , gibt viele N o t i z e n in der Chrestomath.


25 cap. 8 Ttepi neA,tKfj<; Ttoificjecoq, i m 5. Jhh. n a c h C h r . (Photios, B i b l i o t h .
p a g . 3 1 9 , u. W e s t p h a l , Script, metr. graeci <p. 2 4 3 ) S c h e i d u n g der G a t -
t u n g e n i m A l t e r t h u m viel b e h a n d e l t ; A p o l l o n i o s R h o d i o s in der 2. H ä l f t e
des 3. Jhh. v. C h r . h i e ß 8lSoypd(pOi;. Es ist eine kitzlig Frage. —
H y m n o s (Sanscr. sumna) „ A l l e s , w a s auf die G ö t t e r g e s u n g e n w i r d . " Der Hymnos
30 P ä a n , E n k o m i o n , P r o s o d i o n sind b l o s U n t e r g a t t u n g e n . Im engeren Sinne u. seine
sind es „ P r e i s g e s ä n g e u. G e b e t e " ( s u / a i Ttpöc; öcoüq). Es g e h ö r t nicht Unterarten.
z u m W e s e n des H y m n u s , d a ß er stehend g e s u n g e n u. mit K i t h a r a beglei-
tet w i r d . H y m n u s , d e n C h o r bei P r o z e s s i o n e n z u m T e m p e l singt, heißt
7tpo<TÖ8iov, v o n d e m die TtapGevia o d e r besser 7 t a p 0 s v e i a U n t e r g a t t u n g ,
35 „ P r o z e s s i o n s l i e d e r v o n J u n g f r a u e n g e s u n g e n " : Ein g r o ß e s F r a g m e n t des
384 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

Alkman ist solches Lied. I l p o o ö ö t a von ai)X,oi begleitet. Unterabthei-


lung bei 7tap0evia sind 8acpvr|<pop<IK>d. Zweite Abtheilung des Hym-
Der Paian. nos ist der Ttatdv, eigentlich „Heiland, Erretter" (Agamemnon des Aesch.
99), dann ein „kurzer Anruf, Gebet", bei Schlacht, Schiffahrt, Mahlzeit,
Landung, Siegen. Päan ist Allem entgegengesetzt, was Jammertöne ent- 5
hält (Euripides Iphig. <Taur.) 175) Doch Päan in Noth gesungen als
Gebet um Hülfe, doch kein Wehklagelied (Oedipus rex: Ttaiotv TS ?id|i7tst
axsvÖECTCTd TS etc. etc. im 1. Chor, beides vereinigt schon v. 5). Ruf: if)is
AäXie I l a i ä v uralt. Ausdrücke wie „Paian der Erinyen" sind schmerz-
liche Ironien. Päan bei Tisch 3mal bei Beginn, in der Mitte, am Schluß 10
1) Zeus, z) Heroen, 3) Zeus Soter, von kleinen Kindern gesungen). Unter-
abtheilungen der Päane, aufgeführt von Chören, sind die U7top%f||j,aTa;
ebenso die Ufisvaioi; ebenso syK(0|xia. Doch kann es auch Nebengattung
Die imopxii- sein. Die U7top%T||iaTa Luc. de saltat. cap. 16 beschrieben: Knaben in
p.axa Delos sangen zu Flöten u. Kithara; Andere tanzten. Bei dem Ö7t6p%T|na 15
singt der Chor das Tanzlied stehend; es tanzen auserwählte Tän-
zer, oft nur Einer. Bedeutung erklärt Plutarch sympos. 9, 15: „er
überträgt das Wort des Simonides, der den Tanz „eine stumme
Dichtkunst" nennt, wie Dichtkunst redender Tanz ist; Dichtung in
ÖTtopx- ist Umriß der Malerei, die Tanzbewegung gibt das Colorit. Be- 20
weis sind des Simonides f>7top)£f||iaTa, wo <er> beweist, daß beide Kün-
ste einander brauchen. Solche Gedichte zucken wie mit Schnüren in allen
Gliedern des Körpers u. zwingen Hände u. Füße zu Bewegungen." Das
iJ7töp/r||J.a wird von der Stadt aus vorgetragen, z.B. zur Feier der Sparta-
nischen (Gymnopädien). Als Erfinder gilt Thaletas von Kreta. Kretische 2.5
Tänzer schon Hymnus auf Apollo 517. Auch Pindar dichtete seine
U7topxf)|J.aTa für Sparta. Pratinas dichtete solche. — öpfjvoi ursprüng-
Die öpfjvoi. lieh volksthümlich, II. 2.4,718 ff. Hier besteht Gprjvoq aus Chor u. Einzel-
sänger. Dies festgehalten im Gpfjvoi; der Tragödie, der Kon^öq heißt:
KO|4IÖ<; Opfjvo^ KOIVÖ? %opoC Kai TCDV äjrö aKr|vf|q sagt Aristoteles. 30
Anders bei Pindar u. Simonides, wo blos Ein Chor singt. Unterschieden
von öpfjvoq ist das sittKf|5siov, Bestattungslied. Der Oprjvoq oft viele
Jahre nach Bestattung gesungen, am Todestage etc. Flötenbegleitung ist
nothwendig. Der berühmteste Dichter ist Simonides, Cea naenia. Dane-
ben Pindar größter Threnendichter, Pindar nsya^OTipsTtöi;, Simonides 35
Die Epinikien. 7ta0TiTiK(ü<; oiKTl^ETai (Dionys.) - Die Epinikien (6 ETcivtKoq sc. ß|j.voq)
sind spätere Gattung, erst kurz vor Pindar aufgekommen. Früher
Griechische Lyriker 385

genügten einzelne Ausrufe, die sich ursprünglich auf Herakles, nicht auf
den Sieger beziehen; man verherrlichte im Sieger den zur Erscheinung
kommenden Herakles.
Das Lob urspr. karg. Epinikien später gesungen nach errungenen Siegen
5 beim Kraixoq Gelage oder wenn der Sieger in die Heimath zurückkehrte
oder zur Erinnerung an einen früheren Sieger. Der Dichter deutet dem
Sieger sein Geschick in Vergangenheit u. Zukunft, Mythen eingefloch-
ten, Vaterstadt verherrlicht. — Der öiöüpaiißcx; ist Gegenstück zu rcaiäv, Dithyrambos.
sofern er apollinisch ist. Dionysos wird ( e i n e ) Laune zutheil, in der
10 sich Scherz, Uebermuth, Ernst, Wahnsinn einen. Bei Tisch brachte man
Apollo und Dionysos Libationen (Athen, p. 628): der Päan nüchtern,
trunken der Dithyrambus. Proklos sagt, Dith. seien aus Lustigkeit beim
Zechen entstanden, enthalten viele Begeisterung verbunden mit Tanz u.
rufen entsprechende Empfindungen hervor. Auch der Dith. vom Staat in
15 Dienst genommen. In Athen zweimal jährlich, an Lenaeen u. großen
Dionysien, gesungen (Simonid. fr. 150). Der %opr|YÖ<;, af>X,T|Tr|<; u. /opo-
8i8dcTKaA,o<; werden namhaft gemacht. Der /opoSiS. ist der Dichter.
(Simonides fr. 148). Chor von 50 Männern wird hier KUtcXloq genannt.
Erfinder des Dithyrambos ist Arion. (Suidas: X s y e z a i Kai TpayiKoC Tpö-
20 Ttow eüpexr^ y s v s a ö a i Kai /opöv a i f j a a i Kai Si9i>pa(ißov d a a i Kai
dvonäcrai etc.) Er scheidet Gesänge des Chors von <(den Rollen) der
Tragödie. Der „tragische Stil" heißt xpönoq. KÜKÄAO<; heißt „Rundge-
sang". In älteren Zeiten war Dithyr. ruhig, maßvoll, geordnet; die Stro-
phe ist durch den Chor erfordert. Später wird Dithyrambus dramatisch,
2.5 hat keine Strophen u. Gegenstrophen mehr; dann vom Virtuos vorgetra-
gen, wobei Chor zurücktritt. — Das (JKÖÄ.IOV, nach der Tafel vorgetrage- Das Skolion.
nes Lied, daher bei Wein Ttapoiviov. Lyra u. Myrthenzweige wird den
Gästen gereicht. Plutarch meint es heiße das „Bedenkliche", weil nicht
Jeder es singen konnte! Jedes Lied eines Lyrikers oder Dramatikers, das
30 bei dieser Gelegenheit vorgetragen, heißt GKÖ)aov. Name sonst erklärt:
als „im Zickzack gehend", weil man es sich Gegenüber zusang.

§ 5. Die Elegie.

Wenn „Lyrik" alle Dichtung bedeutet, die zu Saitenspiel gesungen, so ist Name u. Hei-
Elegie Gegenstück, Dichtung, die zum a \ ) X ö q gesungen ( w i r d ) . Alle math der Elegie.
35 Versuche, (das Wort) aus griech. ]/ abzuleiten, scheiterten. Bötticher
386 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

hat im Armenischen die | / entdeckt; die Armenier sind Blutsverwandte


der Phrygier. Elek armen, heißt „Rohr, Flöte" = avXöq.. (Bötticher
heißt jetzt Lagarde). Der Ton im atiXö^ durch Erschütterung der yXäaaa
hervorgebracht: die verschiedenen Töne durch Löcher Tpf||iaTa oder
tpu7tfi(i.axa. Die Röhre heißt ßö|ißu^, das Mundstück ÖÄ.|K><;. Theile 5
<aus> Holz, Lotosholz, Buchsbaumholz, dann Horn u. Erz. M a n hatte
Unterschiede, Bass- (atX. üuöiKÖq eigentlich für den Virtuosen bei der
Pythia.) u. Sopranclarinette (xopiKÖq für den Chor). Der aüköq u. ein
altasiatischer Rhythmus kommen den Griechen zu; sie nannten es
yoq (iXeyeioq), kXeyeiov. 10
Bedeutung von ' E l e y s i o v bezeichnet 1) das Distichon (7ioir||j.a 81' ¿^eyeiou, Dichtung
eXeysiov in Distichen) x<x eXtyeia TOC höXavoq, 2) nur den Pentameter als das
Charakteristische. 'EA,eyeia (sc. 7ioir|ai<;) ist das Spätere; xa eXeyEia das
Frühere. (JT£VT(I|A£Tp0V ist sehr spät, gehört einer auf Irrwegen gehenden
Metrik an). 15
Verbindung Die Beziehung der Elegie zur Musik, Herkunft der Elegie aus der
von Elegie u. Musik: Später war die Elegie nicht mehr eine musikalische Gattung;
Musik.
aber ursprünglich ist der Elegiker ein Musiker. '¿Xzyoc, wird definirt von
Didymus (Schol. Aristoph. <Av. 2 1 7 » oi Ttpöq avXöv dSö|I£VOI Gprjvoi.
Also die EÄ-Eyoi haben einen trauernden Charakter, eX,eyoq ist die threno- 2.0
dische Elegie. Es gehört die Flöte dazu u. der Elegos wird gesungen. Als
ältester Elegiker erscheint Olympos u. Klonas; Beide sind Musiker. Plut.
de musica 8, £v d p x f j e^eyeia (I8|i£^07t0ir||j.£va oi aöXcaöoi f|5ov, be-
weist, daß die Elegien zur Begleitung des Aulos ursprünglich gesungen
wurden. Späterer Elegiker war Sakadas, 7ioiT|Tfl<; E^eyeicov |i£|A£^o- 2.5
JioirnxEVCüV genannt, trug in der 1. Pythias (Ol. 48, 3) in Delphi Elegien
zum avXöc, vor. Später schaffte man in Delphi den Gesang mit der Flöte
ab, weil diese Art &KOUC|J.A OUK EÜ<pr||j.ov erschien; f] y ä p au^cpSia |i£>-.r|
TE f|v xa GKuOpcoTcöxaTa Kai ¿^EYSIA 7rpoaaSö(j.£va xoiq ai>A.oi<; (Paus.
1 0 7, 4 — 5). Mimnermos heißt ausdrücklich ai)A.t|xf)q; Theognis spricht 30
von seinem Gesangesvortrag ausdrücklich: KaiCTECTÖV a u M a K O i a i Xiyv-
cpööyyoiq VEOI ävöp£<;/aaovxai. Andere Stellen Theognis 2 5 1 , 5 3 3 ,
943. — Ein Gelehrter ersten Ranges, Chamaileon, Schüler des Theo-
phrast, sagt ( A t h e n . ) 14, 620 von Elegien, sie seien p.EA,cpÖT|9'nvai. Tyr-
taeus heißt auA.r)xfi<;, Pausanias 4, 15: Kai E^EyEia atpiaiv fiSsv. Solon 35
nennt seine Elegie Salamis selbst eine d)§f|; Demosthenes sagt von seinem
Vortrag: fj5e. — N u r Ein Zeugniß sagt das Gegentheil: ein Metriker,
Griechische Lyriker 387

der namenlos, schwerlich vor i. Jht. n. Chr. (Athenae. 14,632) behauptet


von Xenophanes, Solon, Phokylides, Theognis: oi |lf| Ttpoadyovxsq
rrpö<; <xä 7toir||iaTa> (islcpSiav. Allein bei Theognis ist das Zeugniß des
Dichters dagegen; für Solon u. Phokylides zeugt besser Chamaileon.
5 Die Entstehung der Meinung ist leicht erklärlich aus dem paränetischen
Inhalt der Gedichte, der nicht Musik verlangte nach ihrem Geschmack.
Allein diese Hypothese ist falsch. —
Die Elegie hat ganz verschiedenen Charakter, verliert den threnodi- Verschiedener
schen Charakter, später Flöte u. Gesang. Die kleinste Gestalt einer Elegie Charakter der
10 ist ein Distichon, gern gebraucht zu gnomischem Inhalt; Spartaner, Argi- Elegie.
ver, Kreter lieben die bedeutungsvolle Kürze, die volksthümlich war.
(vgl. Aussprüche der 7 Weisen). Ein Muster ist ein Distichon von Theo-
gnis, das 3 bedeutende Gedanken {enthält):

335 |ir|S8v a y a v CTTCEUÖEIV. nävzcov ¡ i s a ' ä p i a z a K a i o i k a x ;


15 E^eiq Kvpv' dp£TT)v fjviE Xaßeiv xaXsnöv.
(|ir|5ev ayav Spruch Apollos. Kleobul |a.expov äpiaxov, Phokyl.
Pittakos: %<ik£iiü xä KaXä.)

Man legte auf die Form den größten Werth; der Gedanke war panhelle-
nisch, der Elegiker machte es zu seinem Eigenthum; Phokylides sagt: Kai
zo TÖÖS OCOKIAISEA); Theognis nennt als Etikette seinen Geliebten Kupvoq
in allen seinen Distichen, um sein Eigenthumsrecht zu wahren. Auffal-
lend ist die häufige Kürze der Elegie; in den Distichen zeigt sich besonders
der Ehrgeiz des Dichters. Diese gnomischen Gedichte werden größer;
ganz besonders groß die Ö7to0fjKai siq ¿auxöv des Solon, von denen Eine
2.5 76 vv. zählt.
Der Charakter der Elegie, das Gemeinsame: Das Gnomische geht ins
Politische über durch Anspielung auf Staat, Zeitverhältnisse (ZoXmv,
Ttspi TtoXueiai;); das Ethische u. Politische in antiker Anschauung eng
verbunden. Theognis spricht das sittlich-politische Bekenntniß der Me-
30 garer, das allgemeine u. Speziell-Gegenwärtige, aus. Gnomisch-erotisch Das Gemein-
ist Mimnermos. Das Allgemeine ist, daß die Elegie die Sprache des medi- same im Charak-
tirenden Gemüths, der Empfindung u. der über ihr schwebenden Beson- ter aller Elegien.
nenheit, des Erlebten u. zugleich Gedachten ist.
Wo ist die Heimath der Elegie? Wo ist die Gelegenheit zu einem Ursprung u.
35 Distichon da ? Wo ist Gelegenheit, um diese Dichtungsgattung zu verbrei- Pflege der Elegie.
ten? Das griechische au|j.7tÖCTlov; es ist das gesellschaftliche |J.expov. Hier
388 N a c h s c h r i f t e n v o n Vorlesungen Nietzsches

die uralte Sitte des äSeiv 7tpöq (J,uppivr|v. Jeder bringt seinen Beitrag,
nimmt den Vers des Andern auf, stellt sein Distichon den andern entge-
gen; Empfindung, Politik, Ethik verbinden sich. Alle älteren Elegiker
dichten für das Symposion. Hier ist die kurze Gnome am Platz, findet
Ruhm. 5
Auch das Empfinden im Ansingen des Geliebten ist hier an der Stelle.
Bei Theognis viele Elegien als Episteln. Des Kallinos Aufforderung zum
Krieg fand bei Symposien statt. Die Elegie des Tyrtaeus nicht für den
K a m p f , für das Symposion des Feldlagers gedichtet. Die otocppoCTÜVT)
des platonischen CTU(j,7tömov ist Mutter der Elegie. Hier etwa ein Trink- 10
geschirr, ein gegenwärtiger Freund, TpoTtaia erregen zu Einem kurzen
Vers; so entsteht das Epigramm. Es muß etwas Passendes gesungen wer-
den (gnomische Elegie); dann etwas speziell Passendes zu singen (epi-
grammat. Elegie)
Blüthezeit der D i e Z e i t : d. Blüthe der Elegie ist das Zeitalter der 7 Weisen, die selbst 15
Elegie, thätig waren, wie Pittakos, Periander (¿TtoOfjKai Eig xöv dv0p<Q)7nvov>
ßiov), Cheilon, Kleobulos, Solon. Alle sind Gnomiker u. bisweilen Politi-
ker. Liebe u. Haß sind Gegenstand des Mimnermos. Der Philosoph X e -
nophanes wollte die Umgestaltung des Symposions durch Elegien bewir-
ken. Der größte Epigrammatiker ist Simonides. Nach den Perserkriegen 2.0
wird die Elegie gelehrter, literarischer, bekommt buchförmige Existenz.
Antimachos, Zeitgenosse Piatons, machte auf verstorbene Geliebte ein
großes Trauergedicht. Die Formen vorgefunden, leicht zu fassen, überlie-
fert; also das Dichten leicht. Daher barocke Einfälle: Dionysios 6 %aX-
koC^ fängt das Distichon mit dem Pentameter ( a n ) , läßt Hexameter 2.5
folgen! Staatsmänner, wie Tyrann Kritias, trieb<en> politische Elegie.
Aeschylos dichtete Elegien auf die bei Marathon Gefallenen. Simonides
trug den Sieg über ihn davon. Ion von Chios dichtete in allen Arten, ist
selbst Prosaiker. Sophokles, Euripides, der Historiker Thukydides, die
Philosophen Empedokles, Plato, Aristoteles dichteten Elegien. Letzterer 30
sagt von Plato:
avSpcx; öv 0Ö8' a i v e i v toten KciKoiai 0s(j.i^.
Von Künstlern Zeuxis, Parrhasios u. A. sind Epigramme erhalten; Praxi-
teles auch. Menander, Komödiendichter, dichtete auf Epikur ein Epi-
gramm. 35
Die Elegie zur In der Zeit der Alexandriner eine ausgesprochene Vorliebe für die elegi-
Alexandrinerzeit. s c henMaße, je mehr die höheren chorischen Formen mit der Musik
Griechische Lyriker 389

absterben, selbst die Dithyrambendichtung vorbei ist, der Ekel am kykli-


sch-homerischen Epos groß geworden. Kallimachos u. Philetas sind be-
deutende Elegiker, von den Römern bewundert, von Properz gerühmt;
Kallimachos muß die Elegie neu wieder erweckt haben. Philetas feierte
5 seine Geliebte. Hermesianax, Phanocles, Eratosthenes. In dieser Zeit Blüthe des Epi-
entfaltet sich das Epigramm, das bis Alex<ander) eben „Aufschrift, titu- gramms
lus" war. Jetzt kommen fingirte, satirische Aufschriften auf; später alle
kleinen Elegien Epigramme genannt. Man wetteiferte jetzt mit Witz in
dem elegischen Wort. Knapper, deutlicher Ausdruck eines Gedankens.
10 Das Rhythmische soll überwunden werden, das Charakteristische für
Plan u. Situation hervorgehoben. Einzelne Themata „die Thermopylen-
kämpfer" von aller Welt behandelt, um den Simonides zu übertreffen.
M a n sammelte, lernte das Beste. Ganz Griechenland funkelte von sol-
chen Gedankenblitzen.

15 1 6. Die Jambisch-trochaeische Dichtung.

N a m e n : Während Melos, Lyrik, Elegie Beziehung zur Musik zeigen, Name u.


legt uns <der> Name iaußoi; Nähe des Tanzes dar; i'a|ißoq heißt „Wurf- Ursprung des
schritt", Bewegung des vorgestreckten Fußes. Dem entspricht der Rhyth- Iambus in dem
Demeterkultus.
mus des Wortes. Die Gelegenheit der Vereinigung von Tanz u. Rhythmus
sind Feste der Demeter, derem Kult einerseits ekstatische Trauer, ande-
rerseits als Gegenmittel Hohn, Spott, Lachen verlangte. Nach dem M y -
thos wird Demeter durch die Jambe zum Lachen gebracht. ia(ißi^eiv
bedeutete allmählich geradezu „verspotten" (nva). Archilochos {ver-
w a n d t e den Jambus zuerst kunstmäßig zu seiner Spottpoesie. Früher
schon der Jambus bei Terpander, doch mit anderem Charakter. Die Grie-
chen hielten es für nöthig, sich von Zeit zu Zeit ihrer Leidenschaft, Spott,
Hohn etc, zu entladen; dies religiös geordnet im Demeterkult. (Ein Nach-
klang dieser Sitte ist das Satyrspiel). An Orten, wo Demeterkult blühte,
in Paros z. B. zuerst der Jambus kunstmäßig ausgebildet. Schon früher
30 lebte der Jambus im Volke. Terpander im vö|io<; öpövoq, Choral, wendet
den Jambus in doppelter Länge an ( — = ) , wodurch der Charakter des
Jambus geändert; es ist das jEVoq SlTtXdmov der Takte ( 1 : 2 ) . Der Jam-
bus näherte sich der gewöhnlichen Rede, nicht so feierlich wie der
Daktylos. Aristoteles sagt, daß man in gewöhnlicher Rede unwillkürlich
in Jamben spricht, Rhet. 3, 8, daß man, wenn man feierlich wird, in
35
390 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

Daktylen übergeht. Das iaußeiov |a.expov nennt Aristoteles xö öuxIekti-


KÖV.
Name u. Der Trochäus hat etwas eilendes, laufendes (ips^siv), ist würdeloser
Bedeutung des äyeveCTxepcx; als der Jambos von vornherein. Die heftige Bewegung galt
Trochäus. j n ( j e r T r a g ö d i e a j s unwürdig: Euripides Orest 72.8 ö ä d o o v r| |XE XPT) 5
Jtpoßaivcov etc. Der Trochäus heißt auch %opeio<;, sagt uns, daß er beim
Tanz gebraucht. Es ist nicht Takt des Schnelläufers, sondern der Takt
des s c h n e l l e n Tanzes. Aristoteles bringt sein Vorkommen in der Tragö-
die mit dem orchestrischen Charakter in Verbindung: in der ältesten
Tragödie viele Tetrameter in Trochäen. Phrynichos eupsxfn; xoß xstpa- 10
(lExpou eyevexo. Wie ist das zu verstehen? Der Dialog-Tetrameter in
der Tragödie wurde durch Phrynichos (eingeführt); der Chortetrameter
war sehr alt. Mit dem Dialog kommt der jambische Trimeter durch
Der Jambus als Thespis hinzu. Wie kommt der Jambus in die Tragödie? Thespis sieht
Ausdruck des d a r i n nicht mehr (den Vers des) Spottes, sondern das (iexpov SiaXeKXl- 15
PC K
der T r i ö d ' " ® V " Anfänge des Jambos im komischen Epos zwischen Hexametern.
Bei Archilochos zuerst rein für sich, zunächst der Kore und Dionys ge-
widmet, (die 'IößaK%oi). Aristoteles polit. 7, 15 verbot das Reden u.
Schauen unanständiger Dinge, läßt es aber zu bei den Göttern, denen
auch die Verspottung zusteht. Bei solchen Festen gestattete das Gesetz, 2.0
auf diese Art (Spott etc) sich zu entladen. Die Jüngeren aber sollen weder
bei Jamben noch Komödien beiwohnen. Also bei Festen, wo es unan-
ständig in Wort u. Schau (hergeht), tritt Archilochos gegen Lykambes,
Simonides gegen Orodoikides mit seinen Jamben auf, dann gegen ganze
Gattungen, Weiber etc. Hipponax gegen Bupalos u. Athenis auftretend; 25
hier der i'a|ißo<; OKCt^wv, hinkend, am Schluß statt Jambus ein Spondeus.
Der OKd^cav noch gesteigert, daß am Ausgang 2. Spondeen stehen, die
iaXiopporyiKol „hüftverrenkend"; diese auch von Hipponax gebraucht.
Hier am Demeterfeste trat Solon gegen die Tadler seiner Verfassung
auf; er redet da yf) |lf|XT|p (Demeter) an. So ist eine Dichtungsgattung 30
geschaffen für das Persönliche in Angriff, Vertheidigung, Bitte etc. Daher
führte Thespis den Trimeter in die Tragödie ein, weil der Jambus Aus-
druck der persönlichen Rede, des für sich sprechenden Individuums ist.
Die Parabasen der Komödie, in denen der Dichter ( b a l d ) persönlich
spricht, bald in die Maske eintritt, ist gewiß Zeichen eines uralten 35
Veredlung des Brauchs jambischer Dichtung. — Während der Jambus sich verflachte,
Trochäus durch veredelte sich der Troch(äus); er wird auch persönlich, aber wird edler.
Griechische Lyriker 391

Während der Jambus zum ^EKTIKÖV wird, bleibt der T r o c h . mit der stetige Verbin-
Musik verbunden; so wird das Niedere höher. Der Troch. hat seine Hei- dung mit der
Musik.
math in den Ithyphallica, bacchische Cultlieder: 8 i a (LECTOU ßaöii^eiv.
Das Individuum bemächtigt { s i c h ) (wohl schon bei jenem Cult) des
Trochaeus. Archilochus spricht darin von sich, an sich oder an andere
Personen. Ebenso Solon sang über den Staat an die Bürger im Tetrameter.
Von Phryn<chos> wurde er in die Tragödie aufgenommen. Die melische
Poesie trieb die Veredlung viel höher; die erhabensten Chorlieder des
Aeschylus haben den troch. Rhythmus; dagegen jambische Chorlieder in
der Tragödie selber nur mit leidenschaftl. Charakter. (In der lateinischen
Comödie steht über der Scene in Tetrametern canticum; also blieb der
Tetrameter mit Musik verbunden.)
D i c h t e r : Archilochus (ev xoiq Tpi|i8tpoi<;, ev id(iß(p, EV iaußsicp wird Jambographen
citirt; dann ev ETtöjSoiq als Spez.), Simonides v. Amorgos, auf Samos geb.,
15 Hipponax v. Ephesus, in Klazomenae wirkend; Zeitgenosse Ananios;
Anakreon; Solon; Diphilos; Xenophanes; Hermippus; Krates Cyniker;
Kerkidas (neXiaußot); Aischrion v. Samos; Phoenix v. Colophon; Par-
menon aus Byzanz; Callimachos (Fabeln zuerst in Jamben); Apollonios
v. Rhodos; Babrius (|iU0ia|lßoi); Herodas (Zeitgenosse des Xenophon)
Italiote.
T r o c h ä e n d i c h t e r : Fast alle Jambographen dichten in Trochäen: Ar-
chilochos (ev toic; TETPANETPOIQ, doch in einer Sammlung ev TCÜ iä|ißcp
mit den Jamben); Hipponax, Solon, Hermippos Aischrion etc.

§ 7. Die Sprache der Lyrik.

2.5 Die Griechen machen darin eine Ausnahme, daß in einer verschiedenen Die poetischen
Gattung der Litteratur immer { e i n ) verschiedener Dialekt die Oberhand Dialekte.
gewinnt; das Wesen einer Gattung hing mit dem Volksstamm eng zusam-
men, dessen Sprache sie benutzten. Kein Dialekt aber ging rein in die
Literatur über, sondern lehnte sich stets an die älteren Litteraturwerke
30 an. So entstehen Kunst- und Mischdialekte, wo ein Dialekt durchschlägt,
bis in der attischen Tragödie alle 3 Dialekte sich vereinigen. Der Dialekt
Homers beeinflußt die gesammte Litteratur; er selbst wurde nie gespro-
chen vom Volk; die vielen Formen (Tioaai, 71Ö5ECTGI, Ttoai etc) machen
es undenkbar; es ist eine Dichtersprache, der alt-jonische Dialekt.
35 Der neujonische Dialekt, Sprache des Mimnermos, Archilochos, Simoni- Der neujonische
des, Kallinos; Kunstdialekt der Jambiker u. Elegiker bis Solon ist durch Dialekt der Jam-
392 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

biker u. Elegiker. diesen Dialekt bestimmt, jedoch mit Mischung des Epischen. Letzteres
(Anakreon.) besonders bei Anakreon, der epische u. dorische Formen einmischt. Cha-
rakteristisch ist diesem Dialekt das K in KOC, K<BC, KÖTS (TCOÜ, n&q etc)
das T vor spir. asper K<XT0Ö0G, die Abschwächung des T zu CT: ai> (älter
das dor. TU) TtXoÜGioq (dor. Jt^outvoi;), TWCTOUOI (TUTCTOVTI), die Ab- 5
Schwächung des ä zu e: ys (dor. ja), iEpöq (dor. iapöq) xpeqxo (dor.
xpacpco) der Übergang des ä in T|: 7ii)Ar| (nv\ä) f)p5(ö|iT|v (dor. a p x ö ( i a v ) .
Eingemischt ist Episches; z. B. bei Anakreon: neujonisch poipr|<;, voC-
croq, oöpog, KX.£i)ßoiAo<; (KA.eößouXo<;), daneben episch X a p i t e o o i v ,
N Ö X E A A I , KEICT6|ISCT0CI; dorisch Koüpa, aixixav. 10
Der äolische Der ä o l i s c h e D i a l e k t . Strabo 8, 332: Alles nördlich vom Peloponnes
Dialekt der sei äolisch gewesen außer Megaris u. Attica. Der Stamm von |/Fzk-,
Melik.
reduplicirt FaxFokoq, bedeutet die „Wimmelnden", Bezeichnung für eine
Masse im Gegensatz zur regierenden Minderheit. Die Einzelarten (ar-
kad., thessal., böot., elisch) des Dialekts nur aus Inschriften bekannt. 15
Das lesbische Aeolisch wurde literarisch. Auch auf die lesbische Dichter-
sprache < h a t > Homer Einfluß. Die Haupteigenthümlichkeiten dieses
Dialektes sind:
1) Abneigung gegen die Oxytonesis, Neigung zur Barytonesis: Zsßq (st.
ZEi>q) (die Barytonesis ist jünger). 20
z) Sie kennen fast nur den spiritus lenis (der hier oft älter) ucrcepov,
apusq, a w i i v .
3) Übergang von a in o u. Weiterbildung des o in i): ßpoxecoq (ßpaxECoq),
oüp^ (oapE,), 7ticjup8q (Tscrcrap.)
4 ) C o n t r a k t i o n , v o n 0 — 0 , o — E i n a>. otvöpcoTtü) (-TCOÜ), TÜ)|XÖV (TÖ 2.5
8(iöv), e|i(B (E|xoC); EO in ED.
5) Vorliebe für )Jk, \l\l, vv, pp durch Assimilation: EGTEÄAa (dor.
ECTTTiA,a, att. ecrceiAa Ersatzd.), TtEpp- (rcspji, TtEpi), pfjvvoi; (pr|vöq).
6) £ wird ersetzt durch a 8 : vadco (oifü).
7) die Ersatzdehnung häufig mit 1 gebildet: Ttatq ( = näq) 30
Im Accus. Plur. aiq für avq: KäXXaiq (KaA,aq), KäXXoiq {KaXovq), |ioiaa
( = noßaa).
8) Vorliebe für Conjugation auf |ll: (pi>,r|(j.i statt cpiAsco.
Der dorische D e r D o r i s c h e D i a l e k t : Bei den Doriern ist AcopiEig das posterius,
Dialekt der cho- Afipit; der Landesname das prius. |/8opu — 5pu — ursprünglich So p/n 35
rischen Poesie.
mit Ersatzd. Scopt — „Waldland". Die Acopisiq sind „Waldlandbewoh-
Griechische Lyriker 393

ner" (ApüoTtsq die „Waldarbeiter"). Die Differenzen der Einzeldialekte


erklären sich, da^durch,) daß sie bei anderen Mächtigen wohnten.
Charakteristisch ist
das demonstrative Tfjvoq „dieser", aüxautoC statt eauxoG, En-
5 dung i . p. pl. auf ueq: £Öpi(TKO|A£<;, Infinitiv auf |i£V bei Verba ( a u f ) -
|ii: 8iSÖ|xev, Bildung der Verba auf statt t,(ü: ¿pyä^ovTai, Bildung
des Futurums aufCTG),CToß(xai:äcoaw, etc. Nur der Lakonismus wird
literarisch; aus ihm stammt Sprache des Terpander, der aus Aeolien,
Lesbos, kam. Tyrtaeus, obwohl Attiker, singt in den £(lßaTT)pia Lako-
10 nisch, als Elegiker aber Jonisch. Alkman aus Sardes singt lakonisch.
Auch hier Mischung mit Aeolischem u. Epischem. Hierher gehören die
Vertreter der höheren chorischen Lyrik: Stesichoros, Ibykus, Simonides,
Bacchylides, Pindar, die, weil panhellenisch, einen Kunstdialekt schufen,
der auch in die attische Tragödie eindrang. Simonides ist mäßiger im
15 Dorismus als Pindar. Bei Pindar epische Deklination und Conjugation,
Ausnahme: nouoiKäq, dpetöv, vdtcrcoq, xiv = a o i u. ae, partic. auf ai<;
neben aq, dor. infin. auf ev; doch seltener. Aeolisch u. dorisch ist das
lange ä für T|: scpavaq, nanTT\vac„ ¿cpi^aos, scpiXriae wechselt bei Pindar.
Ebenso övu|xa und ¿>vo|j.äaai, <frv ( = oöv) äoli., evxi dor. (eicriv), (paev-
2.0 vcx; neben tpaeivöi;. Ahrens vermuthet, daß diese Eigenthümlichkeiten
auf den Dialekt von Delphi zurückgehen, wo sich Aeolisches einmischte.

8. Zustand der Überlieferung der Lyrik.

Wir stehen auf einem Trümmerfeld; spärliche Reste. Vollständiges


außer Pindar fast gar nicht. Außer allgemeinem Zufall ist speziell zu
2.5 merken: 1) der Schulgebrauch gewisser Lyriker wirkte ungünstig, bringt Hindernisse in
eine Auswahl mit sich, wählt Autoren aus, wählt Stücke von ihnen; so der Überliefe-
rung der Lyrik:
Theognis, Solon etc. Vielleicht schon in Schulen im klassischen Athen
der Schul-
Auswahl v. Theognis, ja vielleicht Zerstückelung der Elegien, Zerstücke- gebrauch
lung der Meliker. Die Erhaltung der 7 Aeschyl., 7 Sophocl., 21 Euripid.
30 Tragödien verdanken wir dem Schulgebrauch, für den sie ausgewählt
wurden. — Allein dazu kommt, daß Alles in der Schule Gebrauchte
abgedroschen wird. Alles war den Späteren zu bekannt, der Ausdruck
zu gewöhnlich; so wurde die Litteratur den Späteren langweilig. 2) In
der Zeit, wo die meiste Literatur verloren ging, wo der römisch-hellenist. Abneigung
35 Geist herrschte, gab es eine Abneigung gegen die Lyrik. Cicero spricht gegen die alte
394 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

Lyrik in der sich direkt aus, er würde nie Zeit haben, die griechischen Lyriker zu
röm. hellenist. lesen, wenn er nochmals so lange lebe. Es ist das Unmäßige, Persönliche,
Zeit.
Überwallende, Ungezogene, das der späteren Cultur zu häßlich oder zu
grotesk ist. Diese Zeit ist von den Philosophen u. d. Rhetoren gebildet,
hat keinen Sinn mehr für das Naive. Dazu kommt das Unmoralische
(Knabenliebe) der alten Lyrik. Die Sprünge der Empfindung, saltus lyrici
Selbstüberschät- sind der Zeit unangenehm. 3) Man glaubte in späterer Zeit, man habe
zung dieser spä- die Lyrik älterer Zeit, namentlich die Elegien, durch Größeres überboten.
teren Zeit. Die Alexandriner u. Römer hatten dies Bewußtsein. Die römische Poesie
hat das Gemeinsame, daß ein Bild durch Zusammensetzung kleiner Stri-
che, Mosaik, gebildet ist; die Wortsetzung ist von großer Wichtigkeit. 4)
Absterben der Ferner mußten die alten Dichter durch Veränderung der Musik in den
griech. Musik. Hintergrund treten; die griechische Musik starb noch vor dem Hellenis-
Die Schwierig- mus. 5) Die Schwierigkeit der Sprache, die hier größer ist, weil sie in die
keiten der vorpanhellen. Periode gehört, das Lokale ausdrückt, bewirkte, daß man
Sprache. sogar in Athen Mühe hatte, Alcaeus u. Sappho zu verstehen. Später
mußte man durch die Grammatiker hindurch zu ihnen dringen.
Quellen der Woher sind die Fragmente erhalten? 1) Ein kleiner Teil handschriftlich:
Fragmente: Pindar u. Theognidea (ferner die Anacreontea); (Stücke aus einem Frag-
Handschriftliche ment Alkmans auf aegypt. Papyrus: (Tiapöeveiov) im Grabe eines Mäd-
Reste. chens. 2) Auszüge byzantinischer Grammatiker, Sammlung guter, nütz-
Auszüge licher (xpT|crcci) moralischer Stellen: xpr]aTO|ia0ia, xpr)aioXÖ7iov. Ein
byzantinischer großes Werk ist das Anthologion des Johannes Stobaeus (aus Stobi),
Grammatiker.
seinem Sohn Septimios gewidmet als eine Art Lebenskatechismus. Zeit
Das Antho- des Stobaeus ist nicht genau anzugeben. Das Werk aus 2 tei)%T| (volu-
logion des
mina); 1. Theil: dv0oX6yiov 2. Theil: ¿K^oycti (puaiKai Kai f|0iKai
Stobaios.
5-Jhh.
(dmocpösyiiaxa, ÜJtoöfjKai). 1 . TECXO^ in 126 Rubriken ^öyoi (sermo-
nes), 500 Autoren. (Codex Parisinus A. aus dem 13. Jahrh. beste Hndsch.
Ausgabe Gaisford u. M e i n e k e 1855 — 58.) (Grotius hat die Dichterstel-
len übersetzt 1628) 2. TEO%O<; ist viel verdorbener, die Stellen nicht den
Philosophen entnommen (Meineke 1860 — 64 Ausg..)
Das andere Werk dieser Art ist die Anthologia graeca. Es gab eine große
Anthologia
graeca
Fülle von Epigrammsammlungen in der alexandrinischen Zeit. Die An-
Meleagers. thologia ist die Sammlung Meleagers, urspr. crre<pavo<; gen., Widmungs-
(60 v. Chr.) gedicht Anth. Palatina 4, 1. Sie heißt Anthologia Planudea nach einem
14. Jh. Grammatiker des 14. Jhh. (Ausg. Brunck, Analecta poet. graec. mino-
rum, 1673, herausgegeben v. Jacobs, 13 Bd. mit allem gelehrten Zube-
Griechische Lyriker 395

hör. 1 7 9 4 — 1 8 1 3 ) . Die zweite große Sammlung heißt Anthologia Pala- Anthologia


tina, im 10. Jhh. von Constantinus Kephalas gefertigt. Codex in Heidel- Palatina
10. J h .
berg, dann in Rom, dann in Paris, dann wieder in Heidelberg. J a c o b s
gab sie heraus. Es ist darin vieles Gemeinsame mit der Planudea. 3)
Citate einzelner Stellen, Citate, die Inhaltsangaben geben. Schon bei Citate einzelner
Plato (Protagoras), bei Aristoteles Einzelnes erhalten; längere Frag- Stellen.
mente gibt Demosthenes u. Lykurgos. Das Meiste stammt aus der
römischen Periode: Dionys. Halik., De compositione verborum,
Strabo, sehr Vieles bei Plutarch, am Reichsten Athenaeus im 3. Jh. der
nur aus Aggregaten von Citaten besteht. (Sein Werk SeiTivooocpioxaí
herausg. v. Schweighäuser 14 B., Dindorf 1827 3 B. u. v. Meineke 1858),
Clemens Alexandrinus (CTxpo)|iaia). 4) Metriker u. Grammatiker, die
oft nur Worte citiren: Hephaestion (éy%£tpí5iov 7t. jiéiprav), Apollo-
nios Dyskolos, die Scholiasten. Oft Citation aus dem Gedächtniß,
15 daher viele Unrichtigkeiten in Sprache und Metren bei den Scholiasten.

Hülfsmittel.

Im 16. Jhh. veranstaltete Henricus Stephanus eine Sammlung carmina


Lyr. gr. 1560. Eine umfassendere Sammlung erschien in Cambridge
1636, von Gaisford erneuert zu 4 B. 1814 — 1820, Leipzig. Ausg. 182.5:
zo in 3 Bd. (alle kleinen Dichter). In Deutschland zuerst S c h n e i d e w i n s
delectus 1838 — 39. Die größten Verdienste hat Theodor Bergk, von
1843 an sich mit Lyrikern befassend. Letzte Ausgabe ist im Erscheinen
1878, 4. Auflage. Die Sammlung umfaßt Pindar u. Lyriker bis zu
Alexander dem Großen. Kleine Ausg. Anthologia lyrica, worin auch
25 die alexandrinischen Dichter aufgenommen.

Nachtrag.
E t y m o l o g i e von Xopa.

Das Wort ist griechisch, da das Instrument altnational ist. K i ö a p t q ist


jonisch. K t ö ä p a kommt in dorischen Agonen zur Geltung, ist dorisch.
30 Wipa ist äolisch zuerst, ist altäolische Bezeichnung, u kann äol. aus (o
u.) ursprünglichem a entstanden sein (crüpi; = adtp^). M p a kommt
vielleicht vom Stamm taxp- der in lapuvra „girren", ^apü^CO schreien,
396 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

krächzen, A-dpuy^ „Kehle" (eig. Tonwerkzeug) Xäpoq „ M ö w e " (Schrei-


vogel) Daher Xüpa das „Toninstrument". (Latrare = laritare iter. v.
Stamm A.ap-).

Terpander.

Ursprung u. i) Der Peloponnes ist H e r d der Musik und Lyrik der Hellenen. 5
Entwicklung z) Die Entwicklung der griech. Musik beginnt mit staatlichen Festset-
der griechischen
zungen. Der Staat befiehlt, sanktionirt in Sparta, Argos die Musik bei
Musik im
Peloponnes. Festen.
3) Es sind nicht immer einheimische Künstler, sondern meist Auslän-
der, Künstler aus Lesbos, Kreta, Kolophon, italischem Lokris. Heimi- 10
sehe Künstler haben Sikyon, Troezen, Sparta. Doch sind die Ausländer
wichtig.
Die KataCTidiCTSl^ staatl. Festsetzungen, Epochen der Musik, sind zwei.
Die 1. ist auf Sparta beschränkt, wo Terpander Hauptperson. Die 2.
erstreckte sich auf Argos u. Arkadien: Thaletas, Xenodamos, Xenokri- 15
tos, Polymnestos, Sakadas. Die Feste sind die Gymnopaedien, später
die Kameen (erst z6. Olymp.) in Sparta; in Argos die Endymatia
(Fest für Anzug, Festputz der Hera); in Arkadien die aTtoSsi^Eiq
(Schaustellungen). Unsere Quelle ist Plutarch de musica, der cap. 9
Glaukos v. Rhegion seine Quelle nennt. Glaukos ist Zeitgenosse des 20
Democrit, trefflicher Zeuge. — Welche Zeit ist die der 1. Kaxäaxaaiq
Die Zeit des durch Terpander? Früher stellte man ihn später als Archilochos. Dage-
Terpander 8. Jh. gen Westphal, Gesch. der Musik. Innere Gründe: Das einfache, primi-
tive Metron; Uebergang einer Tonart in die andere fehlte; die TtapaKa-
xaXoyi], ausgebildete Instrumentalmusik fehlt. Archiloch. (bei Athen. 2.5
4, 180) bezieht sich auf lesbische Musik als schon vorhanden: aülöq
7tpoaäpx<DV Ttpöq Aeaßvov avXöv iiaif|Ova. Die Aulodik ist durch
Schüler des Terpander erfunden. Dazu kommt bei Glaukos <die> Stelle:
cpT)cji y ä p auxöv östaepov y s v e a ö a i |iexä xoü<; 7tpcbxouq Ttoniaaviaq
ai)X.cp8iav, nachdem er gesagt, Terpander sei älter gewesen als Archilo- 30
chus. Wer sind die Ttpokoi? Wohl nicht die mythischen Namen Hyaspis
u. Marsyas, wie Westphal meint. Bergk bezieht die Stelle auf Kallinos,
was mit sonstigen Nachrichten nicht stimmt. Denn der Gründer der
Aulodik ist Klonas, Schüler des Terpander. Die beiden Erklä-
rungen verstehen das aiiTÖv von Terpander, was falsch ist. auxöv 35
Griechische Lyriker 397

geht auf Archilochos, wobei TOÜq 7ipd)T. 7tOl. auf Klonas, Schüler des
Terpander geht. Dann ist der Schluß leicht: wenn Archilochos selbst
der Zweite der Auloden ist, so muß Archilochos jünger sein als
Terpander, dessen Schüler K l o ^ n a s ) die Aulodik erfunden (hat).
5 Hellanikos zeugt zwar dagegen: Terpander sei der älteste Sieger der
Karneen; die K a m e e n erst seit 2.6. Ol; die Blüthe des Arch.: blühte Ol.
15 — 20! Das Zeugniß ist unhaltbar. Es war { d i e ) Schule des Terpander
in Sparta; bei allen Karneen sangen die Schüler des Terpander in
Sparta. Terpandriden sangen alle Jahre bei den Karneen. Blüthe des
10 Terp. bezeichnet die Blüthen der Terpandridischen Kunst, wie die
Homeriden im Namen des Meisters sangen. Die Wirkung der Terpan-
dridischen Kunst so groß, daß auch später vom Herold gerufen wurde:
Tic, |i8TCt A s a ß i o v d ) 8 6 v ; Also die lesbische Kunst als erste genannt.
Plutarch sagt, Terpander habe Homers Gedichte und die Musik des Charakter der
15 Orpheus vereinigt. 2 Ströme, die Form, das Wort der Epik u. die Terpandrischen
Poesie.
thrakische Musik der orphischen Kunst; Terpander stammt aus Antissa
auf Lesbos, wird Erbe der Lyra des Orpheus und N a c h k o m m e Homers
genannt! Terpander muß wegen einer Blutschuld von Lesbos nach
Delphi, wo er 4mal im Delphischen Agon siegt. Nach Sparta berufen,
20 um das dortige Staatsleben zu ordnen, musikal. Normen für die Jugend
festzusetzen, um die schädlichen Rhythmen auszuscheiden, das Ueberg-
reifen des dionys. Taumels. Die Dichtungen des Terpander heißen Die Liedweisen,
VÖ|ioi, Liedweisen, große Organismen ohne strophische Gliederung, vó|XOl des
Terpander.
Symphonien mit vielen Theilen, zugleich Musik u. Text. Sie sind
2.5 bezeichnet 1) nach Völkerstämmen, Tonarten: vö|io<; Alö/Uoq, B o u a -
i i o q (dorisch), 2) nach Rhythmen vö|l. öpGtoq, v. T p o / a i o q , 3) nach
TpÖTtoi, Gesammtcharakter: v. ö^üq, v. TETpaoiSioq, 4) nach ihm u.
seinem Schüler: vö|ioq Tepjidvöpeioi;, vö|ioq Kcwticov. Erklärung des
vö^io«; öpöiog:
30 Terpander rechnete Choralrhythmen vom yevoq SiTiXdaiov an
(1:2 u—, 2 : 1 — u ) . Er verdoppelte Kürze und Länge u. erzielte
folgende Form: — u , u — , "Iaußoq öp9io<; u. ipoxouoc; ar||iavTÖ<;
(deren erster durch den Takt crr||xa<Tia bezeichnet u. erkennbar.) Auch
ein Spondeus kommt vor in der Gestalt (a7tov5eio<; nei^cov): uu.
35 v6(XO<; ö^üg mit besonders hoher Stimmlage, „hochtönig", galt als
schwierig.
398 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

T e x p a o i S i o ^ v. ] / o i 8 — ol5o<; „schwellen", also „viermal anschwel-


lend", in welchem Sinne ? u n b e k a n n t . — TspnavSpEioc; u. Kcmicov
nach dem Dichter und seinem Freund benannt. — Dies sind 8 N a m e n ;
dagegen: Plutarch de musica 4, Photios 302, 16 sagen, d a ß es n u r 7
5 Terpandrische v6|XOi gab; also m u ß d o r t ein vö|io<; unter 2 N a m e n
erscheinen. Es ist wahrscheinlich der ö^öq v., der mit dem öpöioc;
zusammenfällt. Aristoteles problem. 19, 37 sagt, d a ß der v. öp9io<;,
ö^oq u. ö^ücpcovoq sei.

10 Das erste Stück eines vö|iO<; ist die dp%<x, Ouvertüre.


d p h e i ß t hier nicht „Ursprung aller Dinge" sondern „Anfang", der „Er-
ste", der als f|yf|xoop, „Führer" an der Spitze aller Dinge steht. Pindar:
AcüScovaie (leyaoOeva;, öpiaTOiexva, itatep, Sanioupye 5iKaq t s Kai eu-
vo|iiac;. N u r im letztern Sinne ist { d e r ) Zeus der Griechen Schöpfer; sonst
15 ist er blos Meisterkünstler, der Alles vollendet, schön ordnet.
7idvxö)v &px<X „Erstes aller Wesen."
v. 4. ö|XVOV ist gegen das M e t r o n , das lauter Längen zeigt. Auch f ü r
den Sinn liest m a n besser: TOtüiav C|TVCüV apx<xv „diesen Liederanfang",
w ä h r e n d „ich bringe diesen Anfang als H y m n u s d a r " sinnlos ist. o u.
zo (0 wurden f r ü h e r gleich geschrieben.
Welchen R h y t h m u s zeigt das Lied? Es k a n n opÖiog i'a|ißo<;, xpo%aio<;
crrijiavTÖ^, ein ajcovSeioq, einfach oder doppelt, sein. Es sind w o h l
cjtov8evov, die eben das cntevSeiv begleiteten.

A
25 j || I _ j _ l I jj ^ " ¡ " j j ^ = Pause

(WieCTTtovS.„Spendungsvers" heißt, so entstand 8aKTtAoq aus Verglei-


chung mit d e m Finger, der aus 3, einem längeren u. 2 kürzeren Gliedern
besteht, i'außoi; „das schnelle Zurückschnellen und lange Vorhalten
30 des Wurfs").

2.

Bergk nimmt Wechsel von Daktylen u. Jamben an, was gegen die Ueberlie-
ferung ist. H e r m a n n sieht im Ganzen einen Hexameter; mit Recht.
'A|i(pi |ioi — EKciTi| ßoA,ov aSetco ä cppfiv.
Griechische Lyriker 399

Dieser Liedanfang berühmt, stereotyp für die 7lpooi|iia. IIpooi|j.lov


ist Einleitungslied für den Vortrag Homerischer oder Hesiodischer
Stücke. Später sagte man nach unserer Stelle für Jtpooi|ilä^8CT0ai
„ö|i<piavaKTi^£iv".

5 3-

Dieser Vers ist nach ausdrücklichem Zeugniß in Spondeen abgefaßt.

- - I - - I - - II
Ü - | ü | ü ||

io ü — | lIi | lIi

Die Hauptworte haben auch rhythmisch die größte Geltung ( u ) .

4-

Hymnos auf die Dioskuren.


Molossischer Rhythmus mit Takten von je 3 Silben.

15 5-

T£Tpdyr|pu<; (yfj pu^ Schall, Ruf) 4tönig (yripüo) Töne von sich
geben.) z Hexameter. dTtocrrspycD zu lieben aufhören, verschmähen.
Was ist Texpdyripuq a o i 8 d u. ¿rctaTOVW cpöp|iiyyi? Man zog den
bedenklichen Schluß daraus (schon Strabo), daß Terpander zuerst sich
zo an Stelle der 4saitigen Lyra die 7saitige vorgeführt { h a b e ) . Allein die
7saitige Lyra findet sich schon im Hymnus auf Mercur; eine viersaitige
Lyra wird bloß aus unserer Stelle gefolgert.
Dieser Vers ist wohl Übergang von der dpxd des vönoq zum
Mittelstück, Ö|X(paX.6q; die äp%ä in einfachen feierlichen musikalischen
25 Tönen, auf blos 4 Saiten beschränkt, beim ö|X(paA.öq benutzt er dann
das volle Saitenspiel auf 7 Saiten.
400 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

6.

Die Verse beziehen sich auf Lakedaimon, Sparta, sind klassisch schön:
Lanzen, Musenkunst u. Recht sind der Schmuck des Gemeinwesens.
Kataäv ¿jtuappoGoi; epycov ist zweifelhaft, weil die Musen u. die
Lanzen viel mehr rühmliche Thaten fördern als die 8iKT|, daher wohl
erntetppoOoi epycov.
supudyuia das offene, vor dem Volk gesprochene, nicht im Gehei-
men von Einzelnen verwaltete Recht.
D i e Bedeutung Terpander ist Einer der wichtigsten Lyriker. Der vö|ioq ist schwie-
Terpanders für rig zu begreifen. Terpanders Ruhm ruht auf 3 Dingen: 1) Terp. ist
die Entwicklung
Vollender des vö|io<;, eine schwere Kunstform, er führte ihn in den
der Lyrik.
dycbv ein, gab ihm panhellenische Berühmtheit; 2) Terp. ist Fortsetzer
der Rhapsodik bei den 7tavr|yi>p£i<;, allein mit dem Unterschied, daß
er die Musik hinzufügte, Homer. Gedichte melodisierte u. zur Kithara
sang; ferner dichtete er Prooemien hierzu, die er sang. Der kitharod.
Vortrag des selbst gedichteten Prooems u. der Gedichte Homers ist
das Erste.
3) Terpander ist der Erfinder des ctkö^iov, zu dem er nicht die KlGöpa
oder W>pa, sondern die ßapßixoq verwandte. Pindar, der Skol. auf
Hieron (Athen. 14. p. 635/12, 512) dichtete, sagte in Bezug auf den
vorhergehenden ßdpßtxo<; (hier Masc.): T ö v pa Tsp7tav5pöq tto8' ö
Ascißioq BÖpev TtpcDtoq, ev öeirtvoicn AuScöv v|/aA.|x6v dvxi<p0oyyov
f»V|/r|A.äq ökoücdv jrr|KTiöo<;. ß ä p ß n o q u. 7tr|KTiq haben den
dvxicpöoyyoq, „den in Octaven widerschallenden Klang". Die 7rr|KTiq
war bei Lydern gebraucht u. bei Gelagen angewandt. Z u m Vortrag des
Gesellschaftsliedes, des (TKÖÄ.IOV, wandte Terpander das compliziertere
Instrument. Warum? Bei Agonen war Schlichtheit, hohe Einfalt gebo-
ten; daher das 7saitige Instrument. Also trat Terp. nicht nur bei
religiösen Festversammlungen auf, sondern ist Begründer der M o n o d i e ,
der L y r i k bei Gelagen, die von den Lesbiern später gepflegt wurde. —
Der v6|X05- Was ist der vö|iO^? Terpander gilt als Erfinder u. Vollender des vö(XO<;.
Andere nennen den Kreter Chrysothemis, der in Delphi die Kithara
ergriff u. den ersten v ö ^ o q sang, und zwar trat er auf in der ÜDÖIKT)
cttoWi ei5 |xi|ir|CTiv 'Ajcö^Arovoq: d. h. der Sänger ist Repräsentant des
'AjiöXAcov noucjap%og, daher in prachtvollstem Kostüm (Rhet. ad
Her. 4, 47 v. Cicero) palla inaurata, purpurne Chlamys, goldene Krone
Griechische Lyriker 401

mit Edelsteinen, die Kithara mit Gold- u. Edelsteinarbeit. So zog auch


Empedokles durch die Welt. So die Terpandriden in Delphi: der Sänger
trat an den Altar und singt den vö|ioq zur Kiödpa, die „Virtuosenlei-
stung" der Lyrik im Gegensatz zu den Chorgesängen; der vöjioq
5 ist religiöser Natur wie die Hymnen, aber nicht Chorlied, sondern
Einzelsang, wie die profane lesbische Lyrik. Terpander vervollkomm-
nete den vöjiOi; durch den Hexameter; er wetteiferte mit Homer, ist
Nachkomme des Homer, wie die Alten sagen. Bis dahin hatte nur der
Wettkampf der Rhapsoden Bedeutung; jetzt wird durch Terp. der
10 kitharod. Wettkampf aufgestellt, so daß die Rhapsodik absterben muß.
Die v6(ioi bestanden ursprünglich sc; STtrav „Hexameter", doch nicht
nur aus Hexametern; sondern es fanden sich da schwere Choralrhyth-
men, Spondeen, doppelte Jamben etc daneben. Der VÖ|aoq hat eine
Reihe von Theilen, die wohl durch das ßizpov verschieden sind;
15 Taktwechsel kennt Terpander noch nicht, sondern jeder Abschnitt ist
im selben Rhythmus abgefaßt. Der Terpandrische vö|XO<; hat 7 Theile:

1) apxd z) |iexap/a (e7tapxd) 3) KaxaxpoTtd 4) ömpaX.6<;, 5) |i£iaKaTaxpo7cd


„Anfang" „Nachanfang" „ 1 . Wendung". „Nabel" „Zweite Wendung"

6) crtppayii; 7) fejtiX.0Y0<;
„-.Besiegelung' „Epilog".

Die Form ist sehr symmetrisch. Man kann vermuthen, daß der vö|AO<;
20 in einer älteren Form blos E i n e n Anfang u. Schluß u. keine Uebergan-
gswendungen hatte, also 3-theilig war, woraus sich zunächst durch die
Uebergänge der 5-theilige, dann durch Hinzufügung eines nochmaligen
Anfangs der 7-theilige entwickelte. Das Letztere ist, wie bei den Homer.
Hymnen, wohl Anrufung der Gottheit um Gunst u. Siegverleihung bei
25 den Agonen, die keinen Zusammenhang mit dem eigentl. vöfioc; hat;
also der Schluß. Der Charakter des vö|iO<; ist durch den Rhythmus,
Hexameter u. die schweren Choralmetren bestimmt, sehr feierlich,
im Gegs. zu aller Chorik religiös-ethisch. Archytas (Stobaeus) sagt:
v
<7DVT(XTT01)<TIV Kai tciCtci T&v V|/l>xu - Die Alten etymologisierten falsch
30 von 'AnöXXmv vö|iioc;, sie erfaßten vö|io<; als „Gesetz"; vöjioq heißt
„Liedweise", nicht „Gesetz", wenn auch die Wirkung der vö|j.oi ethisch
groß war, die Sitten dadurch gemildert wurden. Der vö^o«; ist dem
402 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

C h o r a l ähnlich in der langsamen Musik, dagegen war er E i n z e l g e -


s a n g . Auch die Mythen im vö(xo<; waren ernst, frei von Lascivität. Es
fand Auswahl der Tonleiter statt; die ap|iOvia A u S i a wurde gewählt,
daneben auch die dorische Tonart. Die 1yd. Tonart ist £7Uxf|öeio<;
Jtpöq Oprjvov, die dorische ist am feierlichsten. Das i . Fragment zeigt 5
Die Bedeutung dorische Tonart. Ein Bild des VÖ|io<; geben einigermaßen die m i t t e l -
Terpanders. a l t e r l i c h e n L e i c h e n . Die Einführung des vöpoq KiOapcpSiKÖc; in
den panhellenischen Agon durch Terpander gibt den Festen einen ganz
andern Charakter, verdrängt die Rhapsodik durch die Gemüthswir-
kung der Musik. Terpander ist der Erste der griechischen Lyriker, 10
Mann des Segens, der befruchtend wirkt, der den Frühling der Lyrik
bringt. Es sprossen viele Talente auf, eilen nach dem Peloponnes, dem
panhell. Herd der griech. Lyrik, von Kreta, Lesbos, Kolophon, Kythera.
Die Feste hatten großen Ruf; man wußte, daß der dori. Staat die Lyrik
hochschätzte u. ordnete. Der dorische Staat gewinnt dabei zweierlei; 15
Die dorischen 1) politische Absicht: Beschwichtigung der Affekte, Einwirkung auf
KazaaxaaEic, Jugend, Erziehung, die mit Musik durchdrungen; daher Jugendfeste
ru|iVOJtai8ia, Beruhigung des Staates, 2) Gegenwirkung gegen das
dionysische Element, die Bewegung, die eine Volksbewegung der unte-
ren Schichten ist u. die Satzung der Gesellschaft, Kastenunterschiede 2.0
löste. Das war den dorischen Eroberern gefährlich. Darum zog der
Staat die Terpandrfische) ruhige Kunst in seinen Dienst.
Es gibt 2. Kaxaaxdasiq:
Die 1. KaxcKTxa- 1) Die des Terpander u. { d e r ) Terpandriden zeigt den Virtuosen der
<n? durch Kitharodik u. den Virtuosen der Aulodik, Terpanders Schüler Klonas, 25
Terpander.
der den auXöc, in den Agon einführte. Klonas lebte noch vor Archilo-
chos, der ihn kennt. Von ihm sind mehrere vö|O.Ol genannt, deren
Charakter durch Aulos verändert: vöjxoq KT|S£ioq „Todtenlied" (nicht
für einen bestimmten Fall gedichtet, sondern wohl auf einen Mythus
bezogen), vöjioq KCön.<ip%io<; (bei Beginn eines Gelages). Diese Art 30
Dichtungen sind ganz anders als die des Alkaios etc. Die Gegenstände
sind fingirt, nicht mythisch. Klonas soll auch Tipoaööia gedichtet
haben. Dies der Übergang zur
Die z. Kaxdaia- 2) 2. Kaxäcxaoi^, in der das Chorlied neue Ausbildung erhält. Alle
cn? in Sparta Monodie ist nicht antistrophisch; dagegen ist die Chormusik stro- 35
phisch, selbst der urspr. Dithyrambos. Klonas ist Uebergangsfigur
durch Dichtung der Prosodien. Ein 2. Unterschied sind die rein musika-
Griechische Lyriker 403

lischen vö|J.oi ohne Text KiOapiailKT) u. ai)^r|TlKf|; Instrumental-


musik. Diese z. K a i d a t a a i ^ mehr als ( i n ) Sparta in Arkadien, Argos,
Sikyon blühend. In Argos die ev8ü|i.äxia, wohl das Einkleidungsfest
der Hera, wo wohl Mädchenchöre auftraten; jetzt übten Musiker sie
5 ein. Polybius 4, 20, 1 2 sagt: In Arkadien gab es jährlich Feste, wo
Jünglinge mit Chormusik u. Tänzen sich präsentirten (£7ci5eiKVUVTai.)
Dies die ano- oder eitiSei^etq, Präsentationsfeste. Hier entwickeln sich
alle Gattungen der Lyrik. Die Meister dieser K a i d a x a a i q unterscheiden
sich von den Terpandriden durch Folgendes: 1) Die Musik erfuhr große
10 Erweiterung durch Olympos, phrygische Musik, die zu der thrakisch-
lesbischen Musik Terpanders hinzutrat. Olympos wird als Erfinder des
fj0o<^ in der Musik betrachtet; d. h. er sah, daß die verschiedenen
Tonarten gewisse verschiedene Gemüthsstimmungen hervorrufen, z)
Einfluß des Archilochos, der zwischen 1 . u. z. KaTäcrcaaiq lebte u.
15 wirkte. Dies ist der stärkere Einfluß. Die orphisch-thrakische Musik
(Thaletas) u. die phrygische Musik (Stesichoros) laufen neben einander
her, bis sie sich in Simonides u. Pindar vereinigen.

Die Neuerung der z. Kala(xraCTiq


1) Aus dem Volksleben tritt die orchestisch-chorische Musik in den
2.0 Agon ein: Tanz u. Gesang in Schar wird künstlerisch ausgebildet.
2) Es kommt die reine Instrumentalmusik hinzu; ein vö(loq des Saka-
das, v. IKÖloq, ist Programmmusik, d. h. nachahmende Darstellung
des Kampfes Apollos mit Python ohne jeden Text. Dieser vö|J.o<;
fing an mit einem Stück, Tieipa genannt, der 2. Satz KaTaK£?>.£UO"|iö<;
2.5 (Herausforderung zum Kampf), 3. Satz: ia|ißlKÖv (Kampf) worin man
die Trompeten nachahmte; von diesem hieß eine Abtheilung ö S o v i i a -
HÖq (Zähneknirschen des sterbenden Thiers), 4. Satz: cntovSeiov (Sie-
geslied, Dank gegen den Gott, 5. Satz: Kata^öpEuaiq (Festlied). Das
alles zeigt die hohe Entwicklung der damaligen Musik.
30 3) Das System der Tonarten erweitert sich durch phryg. Musik. Und
es werden bestimmte Töne in der Tonleiter ausgelassen u. Schalttöne
eingefügt (xpoal), die etwa unseren Viertelstönen entsprechen; natür-
lich dies nur bei Virtuosen.
4) Von hier an findet eine Notirung der Musik, Notensystem des
35 Alphabets, statt.
Von dieser 2. Kaxacxacic, keine Überreste, nur Namen überliefert.
404 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

Archilochos,

Archilochos. bildet den schroffsten Gegensatz zu Terpander. Die Zeit ist ungefähr
Olymp. 20; dies Datum aus Archilochos selbst entnommen; Archilo-
chos redet von Coloniegründung auf Thasos von Paros aus, an der er
700 v. Chr. sich betheiligt; dies fällt in Ol. 20. Der Ruhm dieses Dichters im 5
Sein R u h m im Alterthum außerordentlich! Chrysostomos sagt, es habe nur 2. ganz
Alterthum.
originelle Dichter gegeben, Homer u. Archilochos! Quintilian sagt, daß
nach besten Kunstrichtern Archilochos nicht an Genialität, nur an
Stoffen dem höchsten Dichter nachstehe! Dieser Ruhm ist ein ganz
Urtheil des plötzlicher. Das pyth. Orakel nimmt für diesen wilden, spöttischen 10
delphischen Dichter Partei. Ein gewisser Kalondas hat ihn in der Schlacht getödtet;
Orakels über er wendet sich an das Orakel, wird abgewiesen, weil er den Diener
Archilochos.
der Musen getödtet; er müsse zuerst in Tänaron Spenden darbringen,
w o die „Grille" begraben liege. Einen großen Gegensatz bildet die
Persönlichkeit des Dichters, der durch Streit mit aller M o r a l sich 15
hervorthut. Weshalb thut das Orakel das Obige?
Mouadcov Gepcmovta KaxeKtavec;. e^iöi vrioß!
sagte es dem Kalondas zuerst. Kalondas machte geltend, daß ^uvöq
'EvoaXioq, das Kriegsglück gemeinsam sei. Beides sind Anspielungen
an die Worte des Dichters (Fragm 1.) Daraufhin fanden noch einige 20
Widerreden statt, bis das Orakel endlich die oben genannte Reinigung
befiehlt am Grabe des Dichters in Tainaron; dann erst will es ihm
Antwort geben. Das Orakel behandelt den Archilochos hier geradezu
als Heros, Öepärccov Moucröv, zur Gefolgschaft der Musen gehö-
r e n ( d ) . Die Parier verehrten ihn u. brachten ihm Opfer dar; ja schon 2.5
seinem Vater soll das Orakel gesagt haben, sein Sohn werde nicht
Archilochos sterben! Wie kommt diese Heroisierung des Orakels? 1) Archilochos
der Dichter ist der Dichter derselben Bestrebungen, die das Orakel im 8. u. 7. J h h
des kolonialen verfolgte, Beförderung der colonialen Bestrebungen. Archilochos ist
Zeitalters.
der Sänger des colonialen Zeitalters mit seinem ganzen Leben u. 30
Weben; das ganze Zeitalter spiegelt sich darin; das w a r die Wohlthat,
die Archilochos erwies. Bisher gab es nur Poesien der Vergangenheit;
jetzt hatte man eine Poesie, die den Moment der Gegenwart mit allen
Die Sittlichkeit seinen Empfindungen erfaßte. 2) Die Sittlichkeit des Archilochos mit
des Archilochos. allen Anstößen stand ganz auf dem Niveau der Zeit, entsprach der 35
faktischen Moralität u. der conventioneilen Ansicht über Moralität in
Griechische Lyriker 405

jener Zeit. Archilochos war wie Alle. Moralischen Anstoß erregte


Archilochos nicht oft (außer etwa in Sparta seine Äußerung über „den
V e r l u s t des S c h i l d e s " = Fragm. 6.). Kephisodoros bei Athen. 2,
122 sagt, es finde sich bei Archilochos blos ev T) öüo 7iovr]pc5<; sipri-
5 |i£va, Heraklit verurtheilte ihn, er verdiene mit Ruthenhieben aus dem
„Agon" gejagt zu werden. Also existirte damals Archilochos im Agon
als gesungener Dichter. Doch stellte er Homer auch bei dieser Ruthen-
geißelung mit Archilochos zusammen! Das war nicht hellenisch. 3) Das
Delph. Orakel hatte besonderen Grund, Archilochos zu schätzen; er
10 war ja das yvcoöl azamöv seiner Zeit, was zur Förderung der Sittlich-
keit Vieles beitrug. Vgl. Aelian. var. hist. 10, 1 3 , wo gesagt ist, Archilo-
chos wäre nicht so in schlechten Ruf gekommen, wenn er geschwiegen
hätte. — Das Aeußere des Dichters wird vom späteren Alterthum
folgender Maßen dargestellt: Büste im Vatikan (Homer u. Archilochos Das Aeußere des
15 auf einer Doppelbüste) von Welcker ohne daß er es kannte, beschrie- Dichters nach
seiner Büste.
ben: „Feiner Verstand, unter den Augen besondre Schärfe, Freiheit u.
Unabhängigkeit vom Gefühl, spöttischer Mund." Das Leben des Dich-
ters kannte man nur aus seinen Gedichten.
D i e m e t r i s c h e N e u e r u n g : Erfinder ist Archilochos im Sinn der Die metrischen
2.0 Alten mehr als irgend ein Anderer, originale Natur neben Homer! Neuerungen des
Archilochos.
Das Erfinden ist Einführung des im Volk Existirenden in den Agon;
volksliedmäßig existirten die eupf]|iaTa gewiß schon. Allein die Einfüh-
rung in den Agon, daß es dort erlaubt wurde, heißt Erfindung. Hierin
ist Archilochos vielseitig. Es gehörte Macht der Persönlichkeit dazu,
25 um solche Neuerungen durchzusetzen; siegte man nicht, so wurde
man bestraft; siegte man, so ward das Neue Regel. Was sind diese
Neuerungen? Es gibt 2 Arten der metrischen Composition, 1) Kttia Einfiihr. des
axi%ov (versweise), wie das Epos, 2) K(ZTÜ Ttspioöov Verbindung jamb. Trimeters
u. des Tetra-
mehrerer Verszeilen zu einem immer wiederkehrenden Ganzen, Stro-
meters in den
30 phe. In Bezug auf 1) machte Archilochos agonfähig den jambischen Agon.
Trimeter, den trochäischen u. jambischen Septenar (Tetrameter); in
Bezug auf 2) verdankt man ihm die epodischen u. proodischen Formen. Die Epoden u.
Epodisch ist der Vers z. B. Fragm. 94, 2, ein kurzer beigefügter Vers Prooden.
zum Trimeter ETKüöÖi; sc. crri%0<; heißt dieser beigefügte Vers. Dagegen
35 f) eraaScx; sc. 7tepio8o<; heißt die Epode. — Proodisch ist Fragm. 86,
ein dem Trimeter vorausgeschickter kürzerer Vers. — Es können diesen
406 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

epodischen Versen u. proodischen Versen ( w e i t e r e ) angefügt werden.


In dieser epodischen Form liegt Anfang der Strophe.
Die nexpa 3) Archilochos ist Erfinder der |iexpa aauvdpxr|xa (oder sitiaüvGexa)
ÖCTüväpxr|Ta Vereinigung verschiedenartiger KCü^a zu einem Verse, neuerdings Dak-
Die Archilochi- tylo-Trochäen genannt Vgl. Fragm. 1 0 0 5
schen Versmaße. OÖK80' ö|iöq O ö ü s i q anaXöv %pöa- K&pcpexai ydp f|5r|
Zusammenstellung von 4 Daktylen u. einem trochäischen Ithyphalli-
cus, der wohl auch 4 Takte zählt (—vj — u || — | —), also Zusammen-
stellung des yevoq i'cyov u. ysvoi; SiTt^daiov. Der Taktwechsel (|iexa-
ßoXr| pu0(xoß) war eine gewaltige Neuerung. Das Alterthum war voll 10
Bewunderung über diese Umgestaltung, Archiloch. heißt „Vater der
musischen Kunst".
1) F o r m der Daktylotrochäen:
r
) I t 3) I 4) II 0 I i) I 3) I 4)
— u u I — u u I — U U I — u u II — u I — u — —
( ^ 15
u—u—|u—u—|u—|—|

Wahrscheinlich ist kein eigentlicher Taktwechsel anzunehmen; der


2 / 4 geht nicht in 3/8 Takt über.

2/4 j ^ u y} j M j } }
h
3/8 j 1 j} 1 j.

Wohl sind die Daktylen kyklisch zu messen, puö(ioi aA-oyoi,


nicht genau berechenbare Takte wie unsere Triolen:

3/8 j " j T } I j T j T > I etc.

Das Viertel u. die 2 Achtel machen hier blos den Werth von
3/8 aus. 25
Der z. CTTixoq der Strophe heißt

3/8 u-|u-|u-|u-|u-|-
}\J }\J J*IJ > 1 J J>|J.|J;||

Der Auftakt ist an Stelle der Pause des Ithyphallicus zu setzen. Wir
haben also eine 8-taktige u. eine 6-taktige Periode; mit der Abwechs- 30
lung von Jamben und Trochäen in der 8-taktigen.
Dies ist das Archilochium quartum (Horaz Oden I, 4)
Griechische Lyriker 407

Siehe Archilochos 103.

( z ) Jambelegos ist Verbindung eines jambischen Penthemimeres u.


eines daktylischen Penthemimeres.
5 —
Archilochius secundus: Daktylische Penthemimeris mit vorausgesetzten
jambischen Dimetern. Diesem Vers wird dann ein Hexameter vorausge-
sandt.
< u —u |—uu—uu—)
10 < 3 ) axixoq eyKoixiacTTiKoq (eyK<ünioÄ,oyiKÖ<;): Es sind 2 Daktylen, 1
Länge, 2, Jamben, 1 Länge.

< — u u —UU I) u —u
Archilochium tertium (11 Epod. Horat.): Ein jambischer Trimeter,
I5 dann ein Vers bestehend aus daklyl. Penthemimeres u. jamb. Dimeter.
'PuOjiöi; TtpoaoSiotKÖg = 3 füßiger daktylischer Vers mit Auftakt, drei
Trochäen.
(u-uu-uu-u|—u—u—u)
Archilochium primum: Hexameter und halber Pentameter (Horat. od.
2.0 4,7) ( - U U - U U - )

Epodische Formen des Archil, wurden von Horaz vielfach nachgeahmt,


z. B. 1) Hexameter und 4 Jamben: nox erat et caelo fulgebant etc.
2.) Epod. 16: Hexameter u. jamb. Trimeter:

Fragmente.
1.
Kai Modgscüv wohl auch von 0sperneov abhängig, wie es auch das
delphische Orakel verstand.
30 Athenaeus führt das ei|xi 8' éyeó an; allein von Andern wird á|j.cpÓT£pov
Gepáiteov citirt. Eine Parodie dieses Verses zeigt, daß der Parodist
á|icpÓT8pov las.
Archilochos ist S o l d a t u. D i c h t e r mit ganzer Person.
408 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

2.

Xi7iepvf|ir|i; (Fr. 50 ÄAJtspvfjTei; pl. v. >.i7tepvf|<;): epvcx; ist der Pflege-


trieb, Zweige, Blätter etc. XiTtspv. ist Einer, den der Trieb verläßt, der
Blätter- u. Blüthenlos wird, also elend, unglücklich, abgedörrt.
Also ist Archilochos durch seine Schuld arm geworden.
Kritias sagt: Die N o t h zwang ihn Paros zu verlassen u. nach T h a s o s
auszuwandern.
Sein Vater hieß Telesikles, seine Mutter Enipo, eine Sklavin.

3-
„In meinen Speeren ist mir das Brod gebacken", d. h. „an meinem
Speere liegt es, wenn ich gebacknes Brod habe, wenn ich Wein trinken
u. mich lagern k a n n . " Skolion des Hybrias v. Kreta hat ähnliche
Gedanken, daß Speer der eigentl. Reichthum des Mannes.
Nicht ist ev 5 o p i mit K8K?a|xevoc; zu verbinden.

5 F r . 6.

Das waren die bei den Spartanern berüchtigten Verse.


Kämpfe der Thasier gegen die thrakischen Stämme, darunter die Saier.
EVTOg sing, ana"^ Xzy. Waffen (pl. svxsa häufig).
OÖK ¿9eÄ.cov „leider" relicta „non bene" parmula. Hör. carm. II 7, 10.
10 W i e l a n d glaubte, daß Horaz hier blos den Archilochos habe verhöh-
nen wollen, daß er den Schild bei Philippi gar nicht verloren.
Eine andere Form unseres Fragments im Alterthum lautet stärker im
v. 3 i|/uxTlv s ^ s a ä c o o a , n |ioi ¡xsXei ä o n i q ¿Keivt); etc. Aristophanes,
Scholion zu Plato Gorg., Schol. zu Aristot. Unser Text ist vielleicht
15 blos Moralisierung des Textes, um das verhaßte Ti |ioi M-S^ei; dem
Dichter nicht mehr in den M u n d zu legen.
Archilochos ist der Erste, von dem wir Elegien haben. Noch zu Horaz'
Zeit (Horaz ars poetica 78 f. Quis tarnen exiguos elegos emiserit auctor,
Grammatici certant et adhuc sub judice Iis est.) herrschte Streit über
10 den Urheber der Elegien. Die Namen, die hier in Betracht kommen,
gibt uns Didymus 7tepi jcoiT|T(DV: Archilochos, Mimnermos, Kallinos.
Die Frage ist rein chronologisch. Hat Archilochos vor den Andern
gelebt, so ist er Erfinder der Elegie, d. h. der Erste, der durch seine
Griechische Lyriker 409

Elegien berühmt wurde. Plutarch de mus. nennt die Ansicht Einiger,


die dem Archilochos das e^eysiov zuschreiben. In Archil. Elegien zeigt
sich die Dichtung des Symposions, wo Gefühle u. Gedanken sich
heroisch einen. Zunächst dasCTU(i7tÖCTiovdes Feldlagers in El. 3 ("I<T|ia-
5 pig in der Nähe von Stryme, um das die Thasier mit den thrakischen
K i k o n e n (Harpocr. 171, 4) kämpften), El. 6 Krieg mit den S a i e r n ,
El. 4. Krieg mit A b a n t e n .

Fr. 4.

Saijxovei; = 5af|novei; Wichtig für die Etymologie v. 8ai|io)v, d. h.


10 „der Wissende". Der Kampf ist mit den Abanten, die in dem Nahkampf
mit Schwert berühmt waren.

Ilpö<; FTepiK^ea.

Ist diese Elegie bei Symposien gedichtet? Sie ist ein Trauergedicht über
großes Unglück. Mitbürger sind durch Schiffbruch umgekommen,
15 dabei der Gatte der Schwester des Archilochos. Archiloch. dichtete
Elegie, worin Schilderung des Seesturms u. Schiffbruchs sich vorfand,
die mit Homer verglichen u. also hoch geschätzt wurde. Auch Fragm.
2.2. u. 23 bezieht sich darauf. Von Plut. erfahren wir, daß Archiloch.
seinen Sinn änderte, mit Wein u. Scherz gegen die Trauer ankämpfte!
20 Also ist eine sympotische Elegie gedichtet, um sich und seine Mitbürger
zu erheitern, wie Frag. 13 zeigt.

9-

Der Anfang ist höchst auffallend in der Stilistik: Es fehlt zu oxovöevxa


Kf|8ea das Verb. |i£|i(pö|J.£Voq ist unhaltbar: |iE>.7t6nevog Bergk. Nietz-
25 sehe: KTi5c>HE0a a x e v o u e v xe ... ane|i7txo<; 0aWi]<; xep\|/exai
oi>8e Ttoxoi^ (später potis gesprochen), durch ä|i£|i7txoq wird der
Anfang u. Schluß der Elegie in rechtes Licht gestellt, trotzdem das
Sichfreuen getadelt wird<:> in solchem Fall, will ich mich freuen.
„Archilochos solle Paros in den ,Epoden' jiöäa<; genannt haben", sagt
30 Steph Byz; das spricht gegen 7töÄ.i<; in unserer Stelle.
410 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

1 0 und I i .

Bergk hat die treffliche Conjektur:


„ I M M a S ' ¿u7uXÖKa|iov" etc.

12.

Plut. sagt den Vorgedanken: Archilochos sagt, er hätte um den Gatten


seiner Schwester getrauert, wenn er auf einem „Scheiterhaufen" hätte
verbrannt werden können. Hephaistos „das Feuer".
13. bildet das letzte Fr. dieser Elegie.

Jamboi.
21.

Ausfall auf T h a s o s , die mit Eselsrücken verglichen wird. Sipio^ fioäq


Sehnsucht nach dem herrlichen Herakleia in Lucania am Siris.
Der rasche Ruf des Archilochos wurde durch Colonisten verbreitet.
Seine Schicksale waren die ihrigen. Mit Hoffnung von Paros ausgewan-
dert, fand man in Thasos Krieg u. schlechtes Land. Auf Thasos bezieht
sich der Tetrameter Fr. 50. Dieser Anfang war sprüchwörtlich, parodirt
v o n A r i s t o p h a n e s P a x 603 u. A . <b crcxpcbictTOi y e c a p y o i , xot|xä etc.

Fr. 51.

Zusammenhang kennen wir nicht, vielleicht Ermunterung zur Auswan-


derung im herben Spott. " E a hier zum ersten Mal, wie später in
Komödie gewöhnlich, e i n s i l b i g gebraucht. (5VKa berühmte parische
Feigen, OaXäaaioq ßioq, leichtes Fischerleben, das dolce far niente am
Hafen. Es fehlt der b e r ü h m t e W e i n ; daher Conjectur Nietzsches: Ed
IMpov Kai (Tinea KOIVOV (Kai oivov) etc. Von Kritias wissen wir,
daß sich der Dichter den Colonisten auf Thasos verhaßt machte durch
seinen Spott über die Auswandrung, die ein schlimmes Leben brachte.

Fr. 52.

„Das Elend ganz Griechenlands kam vereint nach Thasos", vielleicht


mit Nebensinn: „Alles Gesindel, Auswurf Griechenlands".
Griechische Lyriker 411

Die Stelle ist Zweitälteste Stelle für Il(XVEM.f|va>v, (älteste Stelle Hesiod
Erga). Ähnlichen Inhalt hat Fr. 53.

Fr. 54.

Vergleichung der in die Kolonien strömenden Griechen mit einem


5 Seesturm.
r ü p a i ist Vorgebirge im Fabellande Od. 4, 500 (nicht auf Thasos):
rüpai, dann sprüchwörtlich aicpa Tupecov. Cicero ad Att. 5, 12: nisi
circa acra Guron omnia pura vidissem. Später suchte man die Tupai
bei Mykonos.

10 Fr. 25.

Hier redet Dichter nicht selbst, sondern der Zimmermann (tektcov


Xdpcov), Vertreter des bescheidenen Handwerkerglücks, das man ver-
ließ, als man aus Paros in die Fremde zog.
Welche Leidenschaften kennt der Zimmermann nicht? 1) Die G e l d -
15 sucht. Schon Herod. I, 12 erwähnt unsere Stelle. 2) ^fj^oi; „Neid",
der sich äußert in der „Prozeßsucht" (Hesiod: SuaKeXaSoq). 3) Die
R u h m s u c h t , der T h a t e n d u r s t . 4) Die H e r r s c h s u c h t , L u s t nach
M a c h t . Diese 4 Eigenschaften der damaligen Hellenen treiben sie zur
Colonisation. Diese Verse im Alterthum angeführt als die ersten, wo
2.0 das Wort tupavviq genannt. Gyges soll zuerst im Staat T y r r a in
Lydien Tyrann gewesen sein; oder man leitete es von T y r r h e n e r n
ab, weil die Tyrrhener g r a u s a m waren. Diese 2 Etymologien herr-
schten im Alterthum.

Fr. 28.

25 Hier das erste Beispiel für jene so berühmten Geschichten des Lykam-
bes, der sich mit Töchtern erhängt haben soll, Horaz. Epod. 6, zum
ersten Mal erwähnt; Hör. Epist. 1 , 1 9 . Archilochos hatte von Lykambes,
Sohn des Dotes, ein Eheversprechen im Namen seiner Tochter erhalten;
dies Verlöbniß wurde gebrochen; Archilochos zog nun das privateste
412 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

Leben der Neobule, seine Hoffnung u. Täuschung, Motive der Tren-


nungischamlos ans Licht.
ÖTCspxspriv = vecoTspriv.

Fr. 29.

5 Die Reize der Neobule, wohl bei der ersten Zusammenkunft, ßööov
Rose, po5f) Rosenstock po8(oviüt Rosengarten.

Fr. 30
Sein Wünschen 71. 72

Fr. 94 u. 95 u. 96.
10 Schmähung des Lykambes. Wohl sind die Verse von Catull c. 40
nachgebildet, der auch sonst 2. Gedichte der Sappho u. ein Gedicht des
Callimachos übersetzte. In diesen Uebersetzungen treten novae res,
eigene Angelegenheiten, hinzu. Im Horaz sind viele Nachahmungen
griechischer Lyrik. Cat. 40: quaenam te mala mens, miselle Ravide,
15 agit praecipitem in meos jambos? quis deus tibi non bene etc.

Fr. 79 e t c jtpoaoöiaKÖg P r o z e s s i o n s r h y t h m u s

u I - u u - u u l Ä I - u - u - ö I
Catull 56 ahmt diese Verse nach. Athen. 10, 415 sagt, daß auch das
Original schmutzig war, Catull, O rem ridiculam, Cato, et jocosam
20 etc. Das beste Bild der Archiloch. Epodendichtung geben die Horaz.
Epoden, die oft nur einen kleinen Stachel am Schluß haben, Vgl. Ep. 2.
und das Lied des Handwerkers <(Arch. f r g . ) 25. In den Epoden finden
sich direkte Archilochi. Nachbildungen, namentlich obscöne: Fr. 31.

Fr. 3 1 u. 106 u. 32.


25 ßpu^evv = eöraxeiaGai Hesychius „schlemmen".
ßpCtoq Bier. Es ist Schilderung einer Hetäre.
Vgl. Horaz <c.) 4, 13, <4 u n d ) Epod. 12, 7 ludisque et bibis impudens,
u. quam malus undique membris crescit odor.
Griechische Lyriker 413

Lyke war wohl Archiloch.-Figur.


Diese Verse werden jetzt gewöhnlich anders zusammengestellt. Die
Neueren wollen nicht glauben, daß Lykambes u. seine Töchter sich
erhängt, was doch die Alten nur aus Archilochos selbst wissen konnten.
5 Fr. 31 benutzte man u. sagte, es sei die ypctC? Neobule. Allein wie
sollte der Vers von ihr gelten? Hat Archilochos blos ein Weib angegrif-
fen? Dichter sagt bei Kritias, er sei Ehebrecher u. wollüstig gewesen!
Dagegen spricht aber sogar

Fr. 35.

10 Photios erklärt KüV|/ai, ävxi toö dTtdy^aaöai. „Nachdem sie erhängt


waren", küttceiv „sich bücken, mit gehängtem Kopf in der Schlinge".

Fr. 56.

V. 5. falsch überliefert; Conjekt: Kai ßlou XP7!!-11! n^avai TS Kai vöoq


Ttapfjopoi; als Aufzählung der k<xk<z.

15 Fr. 58.

Ideal eines volksthümlichen Feldherrn, klein und poiKÖi;.


fxwcöq u. ftaißöq, „X-beinig" „einwärts gekrümmt"
ßX,aiGÖq. „O-beinig"
Dio Chrys. mit Stelle: „Kai ¿7uv0f||j.aaiv SacTÜq." Kann man sagen:
2.0 „TiXkoq Kapöir|<;"? Vielleicht sind beides Erklärungen.
Vielleicht das Homer. Ä.a%vr|£i<; Krjpa!

6z.

Ii. 2 , 309 Kalondas, der Archiloch. in <der> Schlacht tödtete, bezog


sich zur Vertheidigung vor dem Orakel auf diese Worte.

25 64.

De mortuis nihil nisi bene.


414 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

65.

Der ganze Charakter des Archilochos ist hier geschildert.

66.

V. z. ist evdöeu falsches Wort; Bergk C < o n ) j < e c t u r ) : avä 5' e / o u ,


5 öocvcov 8' etc. (8ÜCTVOC<;). V. 3 EVÖOKOC; „Hinterhalt" lies FJ 5 v8. = f j
svSÖKOiaiv. Entweder biete dem Feind offen die Stirn oder stelle dich
nahe dem Feind im Hinterhalt.
puCTUÖq = puöixöq, ursprünglich „Wellenschlag" (psfö)), d a n n „Takt".

Fr. 7 0 .

10 Fr. 74.

Sonnenfinsterniß.
diC(b|XOTOV „abzuschwören", d a ß es nie geschehen werde. Die M e n -
schen dieser Zeit sind Abenteurer; jede Stunde bringt Neues. Im
Heroenzeitalter ist Wahlspruch des Odysseus:
15 TetXaGi 6f) KpaSirp Kai KÜvxepov akXo TTOT' '¿TXr\q.
Das Zeitalter des Archilochos tröstet sich anders: 7tdvta pst des
Heraclit; Zeus stürzt und hebt, m a c h t Tag u. N a c h t : ouSsv &7id)|AOTOV,
Alles kann geschehen.
Also Aussicht auf die sich ändernde Z u k u n f t ist hier Trost, w ä h r e n d
2.0 im Heroenzeitalter ( m a n ) sich durch die überstandene Vergangenheit
tröstet.
V. 4. ist verdorben, statt des 3. Trochaeus steht Spondeus. ( H i n t e r )
^(XHTtovtoi; liest B e n t l e y ö>xpöv, M e i n e k e ¿Kpöv, Bergk «pciog t | M o u
M(XJIOV. axevvjypöv ( = axevöq „die einengende Furcht")
25 V. 9 f j v statt C o n j Fehler. B e r g k : f j , mit unangenehmem Hiatus. D a f ü r
schlägt Bergk vor: uW|£iv öpoq.
Diese Verse wurden von Archilochos einem Vater in den M u n d gelegt,
der seine Tochter tadelt (Lykambes u. Neobule?) Aristoteles < R h e t . )
III, 17 sagt, Tadel sei oft p l u m p , wenn er direkt sei; besser sei es
30 indirekt zu machen, wie Archilochos in unsern Versen. Gewiß hat die
Tochter Etwas ganz Besonderes, Auffallendes gethan.
Griechische Lyriker 415

Fr. 78.

Charakteristik des Perikles, eines Freundes des Dichters, den er nicht


schont. Das Fragment ist an Perikles (Fr. 9) gerichtet. Perikles kam
ungeladen zu einem Gastmahl nach Art der Mykonier, Bewohner der
5 Insel Mykonos, die durch kleinliche Gesinnung berüchtigt waren, z. B.
MuKdmoi; yelTcav.
Ttnog =CTÜ|xßoA,ov,Beitrag zum Picknick.
Xa?dKpT|TO<; (/äA-iq „verrückt, wahnsinnig," (ppsva<; %aXäv) =
äicpaTcx;.

10 Fr. 76 u. 77,

charakterisiren weitere Thätigkeit des Dichters.


¿^apxeiv ist besondere Funktion der ¿^dpxovTsq bei Chorliedern, die
stets Vorsänger u. Vortänzer haben, die oft allein singen u. tanzen,
während der Chor blos Refrain sang: „vorsingen u. vortanzen" beim
15 Chor. Im ersten Falle führt der Dichter beim Apollofest, im 2. Falle
beim Dionysosfest den Chor an. Welche bürgerliche Stellung hatte der
Dichter? Entweder war der Dichter Rhapsode, freizügiger Musiker
u. Dichter, oder Ortsansässiger, der eine bestimmte Cultusfunktion
ausübte. Die Terpandriden sind solche wandernde Innung, die im
2.0 Peloponnes von Agon zu Agon zog. Andere sind an bestimmten Orten
Leiter der Musik u. des Tanzes bei Festen. Archilochos war in verschie-
denen Zeiten seines Lebens wohl Beides. Daß er herumzog, läßt sich
aus Fr. 76 vermuthen: auXöq Asaßiog gibt Zeitbestimmung u. Ortsbe-
stimmung; den avXöc, des Klonas mußte Archilochos auf Wanderungen
25 im Peloponnes kennen gelernt haben, wo er in Sparta wegen seines
Schildliedes aus dem Agon ausgewiesen wurde. Vor der kolonialen
Zeit war Aufenthalt der Dichter an den kleinen Höfen der ßaai/vf|£(;,
Häuptlinge. Als Volksherrschaft aufkam, so war die Panegyris Stätte
der Dichtkunst. So wanderte auch Archilochos. Jedenfalls aber hat er,
30 solange er auf Thasos war, Funktion des Dirigenten bei Dionysischen
Festen übernommen u. verwaltet; er dichtete in 'I6ßaK%oi.
Fr. 77 wird zuerst Ai06pa|xßoq genannt. Woher stammt das Wort?
Edxupog bedeutet etymologisch „der Bock" (xpaycpSia „Bocksgesang",
der Böcke Tpäyoi = adxupoi). Titupoq bedeutet ebenfalls „Bock"
416 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

(identisch mit Pan, der als Bock dargestellt wird). l i i u p o q = adxupoq


von Einer j/tup-, a a ist auch blos Reduplication; es gab eine Form
a u p neben xup; vergl. 0eöq, dor. cnöq. öiacroq, dor. a i a a o q . Dionysos-
feste in Argos hießen xöpßr| u. ai»pßr|, „Tanz der Satyrn" heißt „xupßa-
5 a i a " . Der Name a d c u p o t = a a i u p o i ist reduplizirt. Der St xup- hat
( a l s ) älteste ]/ 9op- „springen" („Bock" der „Bespringende"), x u.
0 wechseln in ältester Gräcität häufig: At|xcd, At|0cü, Tapyr)Äia u.
©apyfiX,ia.
Gpia^ßog ist Hymnus auf Dionysos (= Gupiaußog). In SiGüpaußog
io ist das i ausgefallen, d. h. der „Tanzschritt, iaußoq, der Satyrn". Das
5i- bezog man auf die doppelte Geburt des Dionysos; allein 8i ist lang
und bezieht sich auf „Zeus". Der Name Alövuaoq ist Zeus vuj^ioq
„nächtlicher Zeus". AiGupoi sind die „Böcke des Zeus", Al0upa|ißoq
ist der „Tanz der Zeusböcke, der Dionysosböcke, der Satyrn." ©üpoog
15 ist der „Stab der Oupoi, o&xupoi". Der „Bock" ist hier überall Name
des Satyrn.

Fr. 119.
Ein Stück aus einem Hymnos auf Herakles. Es bekam Bedeutung,
indem es bei olympischen Wettkämpfen stereotyp wurde nach dem
zo Siege in der Prozession des Siegers u. seiner Verwandten, Bekannten,
Gaugenossen.
Der Sieger rief nach jeder Zeile das Tr)ve)Aa, der Chor sang den
dazwischen liegenden Vers. Es ist die Vorstellung, daß der jedesmalige
Sieger gleichsam Inkarnation des großen Herakles sei. M a n sagt, Archi-
25 lochos habe es sich selbst bei seinem Siege gesungen auf Paros; oder
Archilochos habe in Olympia seinen Hymnos vorgesungen und vom
Cithara- oder Aulosspieler im Stich gelassen zur Nachahmung des
Instruments xr)V£^A.a gerufen. T r | v e ü a soll noch Ruf auf griech.
Inseln sein. = „Hurrah!"

30 Kallinos.
Der Name K a ^ H v o g wurde 3fach abgeleitet,
1) nach Terentianus Maurus, 172.1 „quidam non dubitant dicere CallT-
nöum". Ruhnken u. Buttmann erklären es als Verkürzung von KaXAi-
Griechische Lyriker 417

vooq. Allein Terentianus mußte den Namen ändern, um ihn in den


Vers zu bringen. Das T ist lang.
z) Welcker erklärt es als Zusammenziehung aus KaA.XiA.ivoi; „der
schöne Linos."
5 3) KaAHvoq ist Diminutiv von KaX(k)öq, wie Kpaxvvoq, 'Epyivoq,
'AyaGivoq, also = „Schönlein"; KaA.öq hat ja ursprünglich z X (vgl.
TO küAAoc;, kaköt; bei Homer, mit Ersatzdehnung, bei Theognis in 2
Versen: KäXöv aeicrax' ejto<; öxxi KäAöv, cpRov eaxiv etc kurz u.
lang).
10 Die Z e i t des Callinus (vgl. Horaz ars v. 77) ist strittig, damit die Frage,
ob er oder Archilochos Erfinder der Elegie ist. Es handelt sich um
Zeitbestimmung einer Volksbewegung in Kleinasien; die Frage nach
dem Einfall der Kimmerier, ob Ein Einfall oder zwei? Ist nur Einer
anzunehmen, so kommt Kallinos ungefähr 640 — 625 unter {den) 1yd.
15 König Ardys zu fallen, kann also nicht Erfinder der Elegie sein. Nimmt
man zwei Einfälle an, so kann er vor Archilochos gelebt haben. Die
Kimmerier, Kelten, wurden aus ihren Sitzen nördlich vom schwarzen
Meere von den Scythen vertrieben, kamen nach Kleinasien, zunächst
nach dem Chersones, verheeren Paphlagonien, Phrygien, Lydien, Jo-
2.0 nien, erobern Sardes, nehmen Magnesia am Maeander ein, dringen bis
Ephesus vor, bedrohen den Artemistempel. Die Göttin hat ihren Tem-
pel geschützt; die Kimmerier unter Lygdamis (Grieche!) ziehen sich
zurück ins Gebirge. Wie das ging, wissen wir nicht; es hieß später
Zküöoov spT||iia, Wirkung des panischen Schreckens. Das sagt Herodot
2.5 1 , 15, der nur Einen Einfall kennt. Strabo dagegen kennt einen älteren
Einfall, von dem unser Dichter Kallinos spreche; Strabo sagt, Kallinos
gedenke der Magneten als in großem Glücke; Archilochos Fr. 20 kenne
schon die Katastrophe der Magneten; xä Mayvf|xcov kokö war später
sprüchwörtlich, wurde auf Zerstörung von Magnesia durch die Kim-
30 merier bezogen. Also war dies dem Archilochos bekannt, also vor
Archilochos; Kallinos kennt den Wandel im Glück, also vor und nach
der Katastrophe; also ist Kallinos älter. Allein hat Archilochos xä
Mayvf|xcov tcaKä gerade in Bezug auf diese Eroberung von Magnesia
gesagt? Wie oft wurden diese Colonien eingenommen! Wie oft wurde
35 Sardes eingenommen! Der Schluß Strabos ist sehr hinkend. Ueberdies
wie schnell erholt sich eine solche Koloniestadt; innerhalb der 30 oder
50 Jahre von Archilochos bis Kallinos kann xä M . KCtKCi wieder ins
418 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

größte Glück umgeschlagen haben. Daher trauen wir besser Herodot,


der nur Einen Einfall kennt. Kallinos lebte zur Zeit des Ardys in der
2. Hälfte des 7. Jhh. in Ephesus. (Kimmerier = Kimbern, Tpfjpeq =
Treveri)
5 Von Kallinos wissen wir Nichts; nur Eine Randschrift des Anth^ologi-
u m s ) des Stobaeus nennt Kallinos; sonst würden wir das Frg. dem
Tyrtäus zuschreiben.
Sein Frag, ist kriegerische Elegie, Aufforderung zum Krieg in einem
Symposion zu Ephesus. Ob Callinus andere Gedichte gemacht? 1—4
10 erstes Stück. 5 — 15 zweites Stück, 16 —zi drittes Stück.
<v. 2 . - 3 ) OÖ8' aiS. — |X£0l£VT£^; fragend!
v. 15 epysxai „schließt sich ein".
17. „Groß u. Klein" öXiyoq Kai |i£ya<;
Das Fr. bei Stobaeus überliefert. Ein solcher Sammler hat kein Interesse
15 für die individuellen Züge, nur für das allgemein Moralische. Das zeigt
die Lücke v. 4. u. fährt fort, wo es so allgemein wird, daß sogar die
Elegie von Johann Camerarius zur Aufforderung zum Türkenkrieg
benutzt wurde.
1. KaxdK<8i|iai). = KaOri|iai Odyssee 4, 628; KeiaOai Ii. 2, 688. Das
20 „Sich-gehen-lassen", zugleich das „Liegen" beim Symposion köti, teC
b e r e c h t i g e n uns auch im Folgenden die jonischen Formen herzustel-
len)
z. d|xcpi7tep. das gleiche Motiv <Odyss.) 2,65 an<pi7tepiKT.;
das erstere ä^cpi „drum herum", Peripherie des Kreises, Tcepi „dar-
25 über", der Inhalt des Kreises. d|i(pi7t£piaxpa)cpäco II. 8, 348, Hym. auf
Ve<n>. ä|i(piJtspi<cp8vvi)9ö)>: 272. Ebenso d|i(pi7t£pur?i(rrao, d|a(pi7te-
pi7CTGxy<TCD. Es sind „die herumliegenden Städte", bei Theognis =
„Hausnachbarn".
aiÖ£ia0£ — (xsöiEVTsq schämt ihr Euch nicht, so nachzulassen? Es greift
30 ein Gedanke von einem Distichon ins andere, also nicht strophische,
sondern die stichische Construction des Epos.
3. 4. Johannes Camerarius dichtete folgenden Hexameter
eö v6 tu; dcTtiSa ögctöcd ¿v ä v i i ß l o n ; 7ioÄ.E|ii£(DV.
Vielleicht haben die Fr. 2, 3, 4, die sonst erhalten sind, hier ihre Stätte
35 gehabt in einer längeren Ausführung vom Einfall der Kimmerier und
Trerer.
Griechische Lyriker 419

v. 5 - 1 5 .
7. KOupiSir| ako%oq nicht „Jugendgemahlin", wie Voß übersetzt; denn
Odyssee 21, 78 KOUpiSlOV öc5|l(X; Koßpo«; wie Küpioq, KÜpioq bezeich-
net den „jungen Edlen, Junker". tcoupiölT] aXo%oq ist „vornehme,
5 adlige, standesgemäße Gattin". „Koupiöiov 8cö(i.a" das Herrenhaus.
8. ÖTtJTÖxe (nicht ökköte, weil jon. nur ököte vorkommt), sondern
homer. Form.
9. M o i p a i , bei Homer nur eine Moira (ausgenommen II. Q, 49 einzige
Stelle!).
10 10. '¿y%oq dvaaxönevoq, auch absolut, dvaaxönevoq '¿J"/ßi „ausholen
mit".
11. skcsac,, elXa (vallum) elA.cu zusammendrängen, (volvo), sich schüt-
zen (also = (ppaCTCTCü zusammendrängen, schützen).
7töXs|o.o<; urspr. nicht „Krieg" sondern „Kampfgetümmel" wie „KOX-
15 A.oi" „TCE^ovxai".
12.. Ermuthigung durch 1) fatalistische Ansicht der Unvermeidlichkeit
des Todes, 2) durch Ehre des Todes im Kampf.
v. 15. Überlieferung e p / e t a i „kehrt heim" aus dem Kampf. Aristopha-
nes ran. 1163: £X,9eiv „heimkehren" aus Krieg, Katspx^eCTÖai) von
20 Verbannten. Außerdem kann s p / s i a i (puycov heißen: „er zieht auf der
Flucht vor Krieg seines Weges".
Bergk vermuthet, es seien andere Gedanken: „Einer schließt sich zu
Hause ein" (spyeiav), cpuycov „vermeidend", „u. doch trifft ihn der
Tod".
25 16. 8|l7rT|<; (jonisch = £|J.7taq) = ist nicht zu verstehen in Bezug
aufs Vorhergehende. Es wird hier von den tapferen Soldaten im Folgen-
den geredet, das Lob des Helden bei Lebzeiten u. im Tode wird einem
Anderen gegenüber gestellt, „der dennoch (vielleicht „mag er Redner,
Staatsmann etc. sein") beim Volk nicht beliebt ist". Der Feigling kann
30 der Gegensatz nicht sein; da braucht es kein ojico^ bei dem oük —
<piÄ,OQ denn Feigheit ist kein Verdienst. Die Gedanken sind getrennt.
Zwischen 15 und 16 ist wieder eine Lücke. Dann ist s p ^ s t a i als „kehrt
heim" zu fassen.
v. 16. Bernhardy verdächtigt unsere Elegie mehrfach, so besonders
35 wegen öXiyoq Kai (isya^ u. will a^iKpög haben. Allein Aristoteles
poet. 23 sagt, daß öWyoq edlerer Ausdruck für a|iiKpöq ist. TtaOsiv
t i euphemist., wie dvf|K6CTTÖv t i JtaOsiv für „sterben".
420 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

19. Auch 0vt|ctkovto5 verdächtigt Bernhardy ohne Grund u. will


dafür öavövToq. Auch ä^ioq ist ihm anstößig; doch ä^ioq (von äyeiv
„wiegend") „gleichwiegend, gleichgewichtig". (Von [/ ay- lateinisch
aglna „Zünglein der Wage"; Soph. Elect. |ioi)VT| yap ayeiv <etc.) „ich
5 bin allein im Stande, Gleichgewicht zu halten"; wohl hat auch äycov
nicht bloß Bedeutung „Zug", sondern auch „Abwägung").
20. sv ö<p0aÄ4ioiciv öpekriv „in ihren A u g e n , wenn sie ihn sehen,
ist er gleich einem Thurm".
z i . a^ia NOXXÄIV „Thaten, die aufwiegen, was Viele thun" kurzer
10 Ausdruck, wie KÖ|iai x a p i i e a a i v ö^oiai.

Mimnermos

Der Dritte, der Anspruch auf Erfindung der Elegie macht, ist Mimner-
mos. Auch hier schon z Ansichten mit Differenz von 100 Jahren im
Alterthum. Mimnermos ist Kolophonier oder Smyrnaeer oder
15 Astypalaeer. Diese Angaben stammen nur aus den Gedichten selbst.
Strabo 634 erzählt aus Mimnermos Gedichten (Nanno) Folgendes: Ein
Theil von Ephesus hieß Smyrna; die Einwohner zogen aus u. gründeten
Alt-Smyrna, acrcu JtaÄ,cu6v; dann von den Aeoliern verdrängt, flüchte-
ten sie nach Kolophon, mit dessen Hilfe sie Smyrna wieder eroberten.
20 In den 3 Namen also ist nur diese Geschichte enthalten; die Mutterstadt
Smyrna hat Übergewicht über Tochterstadt Kolophon, aus der Mim-
nermos stammt. Hermesianax, alexandrinischer Gelehrter aus Kolo-
phon, Zeitgenosse des Theokrit, berühmter Elegiendichter (Olymp.
155 —65), verfaßt ein Gedicht Leontion, das mit der Nanno des Mim-
25 nermos u. der Lyde des Antimachos verglichen wurde. Alle drei Dichter
sind Kolophonier. Diese Nanno war ein langes elegisches Gedicht,
vielleicht in mehreren Büchern; also hier schon sehr compendiöse
Elegien. In Leontion erzählt Hermesianax die <Liebes-)Geschichten
aller Dichter u. Philosophen, so auch des Mimnermos

30 Mi|ivsp|io<; 8e xöv f)8üv öq supsto KOXXÖV ävaxXäq


f|/ov Kai na^ctKou tiveüh' and TC£vta(isTpou.

Schon hier wird von Hermesianax die Erfindung der Elegie dem
Mimnermos zugeschrieben; hier zum ersten Mal die falsche Bezeich-
Griechische Lyriker 421

nung TcevTd|j.£xpov; u. hier KokXöv ävaxXäq zeigt, daß Elegie jetzt


schon Trostgedicht heißt.

Kaieto (i£v N a v v o ß i ; , tco^vm 6' siti 7to)^äKi (j.or/0)


Kvf||xriv eiq Ktonoüq e l x e a ö v 'E^anur)

5 M o t i v seiner Gedichte ist Liebe zu N a n n o , w o h l auch sein Streit mit


ihrem alten Buhlen, sowie die Gelage mit E x a m y a s . Dieser letzte N a m e
ist auch der des Vaters des Philosophen Thaies; der N a m e ist nicht
griechisch, sondern phönizisch; E x a m y e l = Samuel hebräisch. A l s o ist
es hier ein phöniz. Flötenbläser bei Gelagen.

io Sfixö'n 8' ' E p i x ö ß i o v TÖV d s i ßapuv f|öe <Dep£K>*fjv


¿ X 0 p ö v n i a f i a a q , o i ' dv£7t£(j.vj/sv £7UT|.

o l a bezieht sich sowohl auf Kcrteto N a v v o ß t ; als auf das Vorherge-


hende. A l s o sein Streit mit H e r m o b i o s u. Pherikles, sein H a ß gegen
diese brachten seine Dichtungen hervor (STIT) heißen bisweilen Disti-
15 chen, ¿A,BY£ia.) Liebe u. H a ß sind die M o t i v e der Dichtungen des
Mimnermos.
Wann lebte M i m n e r m o s ? Warum heißt er G r ü n d e r der Elegie? Kallinos
hieß so wegen des Kimmeriereinfalls; M i m n e r m o s erwähnt den lydi-
schen K ö n i g Gyges; Pausanias sagt, M i m n e r m o s habe Elegie auf
2.0 Schlacht der Smyrnaeer gegen Gyges gedichtet. So w a r e n M i m n . u.
Archilochos Zeitgenossen des Gyges. A u c h sprach M i m n e r m o s von
einer Sonnenfinsterniß, wie Archilochos. Allein dichtete M i m n e r m o s
diese Elegie auf ein gleichzeitiges Ereigniß? Wahrscheinlich nicht, son-
dern auf die Vergangenheit. So entsteht D i f f e r e n z v o n 1 0 0 Jahren.
2.5 Solon wandte sich in einigen Versen an M i m n e r m o s , w o er sich
deutlich an den lebenden M i m n e r m o s wendet, Fr. 2.0. Z e i t des Gyges ist
720 — 690; in diese Z e i t fällt Archilochos; Kallinos dagegen fällt unge-
f ä h r um 630; mit M i m n e r m o s steht es ebenso; die Geburtszeit des
Solon ist 640 — 630. Jenes Gedicht gehört zu seinen Jugendgedichten,
30 w o er den Genuß feiert, also um 6 1 0 — 600 gedichtet. Um diese Z e i t
muß M i m n e r m o s als recht alter M a n n gelebt haben. Wahrscheinlich
w a r er nicht Zeitgenosse der K ä m p f e der Lyder gegen Smyrna; denn
jene K ä m p f e gegen Gyges lagen w o h l weit zurück; das zeigt die
Verherrlichung eines Helden jener L y d e r k ä m p f e mit Andeutung, wie
35 lange es her ist, Fr. 1 4 JcpoTEpcov, „vorhergehenden G e n e r a t i o n " , d. h.
422 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

der Dichter hörte es von seinen Vätern u. Großvätern, daß sie Jenen
noch gesehen haben, also ist eine Differenz von 2 — 3 Generationen
möglich. In der Zeit, wo der Dichter lebt, ist Smyrna längst in lydischer
Botmäßigkeit. Also ist Mimnermos nicht älter als Kallinos, etwas
5 älter als Solon, um 630 anzusetzen, schon im Alterthum Olymp.
37, Zeitgenosse der sieben Weisen genannt. Also ist wahrscheinlich
Archilochos Erfinder der Elegie, d. h. der Erste, von dem wir solche
Gedichte haben, der dadurch berühmt wurde. Wohl ist aber Tyrtaeus
älter als Kallinos u. Mimnermos, etwas jünger als Archilochos, u. doch
10 nie als Erfinder genannt!
Solon Fr. zo ist eine Antwort auf Mimnermos Fr. 6. AiyuaaTä5r|
(Überlieferung: AyiacrcaSi) Conj. von Bergk nach Suidas: BKa^eixo
A i y u a a T ä S r i g Stet TÖ SNNE^EQ K a i F)5ü. Dies ist Erklärung des Soloni-
schen Ausdrucks, der als Ehrenname verstanden wurde. Allein es kann
15 Gentilname sein. Suidas sagt anderswo Mi|a.vepno<;, A i y u p t i d S o o (eine
verdorbene Stelle). Also wurde dieser Ausdruck zwiefach verstanden.
Als Ehrenname wird es von alten Grammatikern etymologisirt von
Xiyi) Suid.) u. Etwas wie f|8ü (nicht das Wort, sondern
den Begriff), vielleicht von ctvSctvcD oder äcr|lsvoq u. dergl. schlechte
20 Ableitungen. Ist es Gentilname, so hieß der Vater etwa AiyuäaTriq.
Der Zweifel, ob es Vatername sei, ist begründet; denn in den Gedichten
muß Allem nach Nichts davon gestanden sein; u. doch hätte Solon es
ja nur aus Diesen geschöpft haben können. Vielleicht ist es persönliche
Anspielung.

25 Fr. 1.

v. 1. berühmt im Alterthum als erstes Aufflackern epikureischer Gesin-


nung.
z. Grundgedanke des Mimnermos: „Der H a ß gegen das Alter, das
verhaßter ist als der T o d . " Vgl. Fr. 4, z.
30 3. Kai ei>vf| ohne Grund verdächtigt (Conj. 0eaivT|<;, Aicbvr|q).
4. Überlieferung: ei „wenn" ist unhaltbar. Bergk schlug vor: ecrö'
<fi ßriq ä v G e a ) oder avOea -cfjq fißriq. Nietzsche: o f = o l a . (das E
wird als G oder C das o wird O geschrieben). apjtaX.EO<; 1) „hinreißend,
bezaubernd" a k t i v (so verstanden die Meisten), z) p a s s i v : „flüchtig"
35 (Fr. i z , 8 zeigt, daß der Dichter diese Bedeutung kennt.)
Griechische Lyriker 423

6. Kaköv « v g l . ) Fr. 3.) ist nicht „körperlich schön", sondern „ge-


rühmt, angesehen".
KaÄ.ÖQ ist bei unserm Dichter immer mit langem ä gebraucht, ö^cö^
Kai wird bei unserm Dichter immer gebraucht im Sinne von „Zu-
5 gleich — und": daher wohl zu lesen KCIKÖV: „welches den Mann
zugleich häßlich u. gering macht".

<frg. 2, v. 3 ) 7tf|%üioq ellenlang = kurz. <frg. 5 v. z ) 7lioia Schreck,


Aufregung. Tcxoido) in Jtxola versetzen.

Ty rtaeus

10 Suidas nennt ihn AäKCüV T] MiXrjcnoq; dagegen sagt er Nichts von


jener vielverbreiteten Notiz, daß er A t h e n e r sei. Die Geschichte von
dem lahmen Schulmeister, den die Athener nach Sparta schickten, ist
wohl spätere Erfindung; die Athener erkannten mit Schmerz, daß ihre
ältere Geschichte arm an geistigen Größen war; vor Solon kein Dichter,
15 vor dem Fremdling Anaxagoras kein Philosoph; daher suchten sie
Homer u. auch Tyrtaeus zu Athenern zu machen. Alle biographische
Notizen über die älteren Dichter — mit Ausnahme derer, die mit
Orakel in Delphi zusammenhängen, den delphischen Aufzeichnungen
über Orakel u. Erfolg — stammen aus ihren Gedichten. Ein solches
2.0 Orakel nennt Tyrtaeus. Die Lakedämonier, im z. messenischen Krieg
in Noth, bitten in Delphi um Rath nach einem Feldherrn; in Delphi
sah man, daß es in Sparta nicht an Feldherren, sondern am geistigen
Führer, Dichter fehle. Das Orakel hieß den Dichter aus Aphidnae,
Demos von Attika, holen. Aphidnae ist für Sparta heilige Stätte des
25 Dioskurenpaares; so dachten die Spartaner daran, die Dioskuren soll-
ten ihnen den Feldherrn schicken. Vielleicht war dort beim Heiligthum
Tyrtaeus als Aulete angestellt. Den nehmen sie mit u. gewinnen so
einen begeisterten Sänger, der das Heer begeistert. In Athen sagte
man, es sei ein lahmer Schulmeister gewesen; Schulmeister waren die
30 Rhapsoden u. Dichter in dieser Zeit fast immer, lehrten Lesen u.
Schreiben. Die spätere Deutung der Athener war, es habe blos eines
lahmen Schulmeisters von Athen bedurft, um Sparta zu retten! Daß
Tyrtaeus von Aphidnae geholt wurde, beweist nicht, daß er von dort
stammte. Er ist nicht Jonier, sondern Dorer, wie die Dichtungen zeigen;
35 so besonders
424 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

Fr. 5.

Eigentlich 3 Fragmente, die von Bergk zusammengestellt sind, mit


Willkür, an einer Stelle.
f||iETepö) ßaaiXfji — f)nex£pcov jidTEpcov Jtaxepei; kann kein Jonier,
5 sondern nur ein ächter Lakedämonier sagen.
Me<7ci|VT| jetzt noch fruchtbar: äpoCv Feldbau, cpuTEÜeiv (Oel-)
Baum- u. Weinzucht.
v. 3. ist Ueberlieferung beide Mal dyaööv und zwar in 3maliger Cita-
tion, so bei Plato. Dann müssen wir freilich die Fragmente trennen.
10 Wichtig ist die Zeitbestimmung, der erste 20jährige Kampf um Mes-
sene. Alle Nachrichten über die messenischen Kriege sind dichterischen
Ursprungs. Der Zwischenraum zwischen beiden Kriegen ist charakteri-
sirt durch f||j.exepcüv 7taxsp(BV jtatspeq, eine Zeit von 4 0 - 7 0 Jahren.

Fr. 2.

15 kann wieder nur ein Dorer geschrieben haben.


'Epiveoq eine der 4 Städte in Doris, wie Kytineos, Boion und Pineos:
¿piveöq „Feigenbaumhain", kutiveöc; „Ölbaumhain" Boiöv Rinder-
werder, Iliveöq „Tränke" (itivco). Von Doris zogen die Herakliden im
Peloponnes ein.
20 Strabo 8, 362 interpretiert daraus absurd, daß der Dichter aus Erineos
stamme!
KaMuüTsepavoq nicht nothwendig „schön bekränzt, mit schönem <tts-
<P<ZVO<;"; es kann bedeuten: „mit schöner <TT8<pavT] Stirnband" so z. B.
II. 18, 597 tanzende Mädchen.

25 Wie steht es mit der Notiz Amccov f j Ml^r)aioq? Als Milesier wäre er
kein Dorer; jedoch MiA,f)aioq ist oft verschrieben aus Mr|X.io<;; das
könnte auch hier sein. Melos betrachtete sich als eine owroiKia der
Lakedämonier. Wäre Tyrtaeus geborener Melier, so könnte er sagen:
„ w i r sind g e k o m m e n aus Doris — w i r haben gekämpft." Dann
30 wäre es möglich, daß er sich in seinen Gedichten bald Melier bald
Lakedämonier nannte! Sein Vater hieß Archembrotos. Er stammte also
wahrscheinlich aus Melos, führte Wanderleben, war eine Zeitlang
Aulete in Aphidnae, kam dann im 2. messenischen Krieg nach Sparta.
Griechische Lyriker 425

(Plato leg. i , p. 629 Pausanias 4, 1 5 , 6 nennen ihn einen Athener.) Der


N a m e T u p x a i o ^ (von gleichem Stamm wie Tyrtanos, eigentlicher
N a m e des Theophrast) setzt ein adj. verbale T u p i ö q { v o r a u s ) v o m
verbum teipcD, (xapiöq = xepxöq = -tuptöq) „ d u r c h b o h r e n " , also
5 „ d u r c h b o h r t " , Tyrtaeus also „der L a h m e " .
Die Z e i t des Tyrtaeus wird von Suidas so bezeichnet: Tyrtaios sei
der Zeitgenosse der 7 Weisen (650 — 40) u. noch älter. Die Z e i t des
Tyrtaeus bestimmt die Z e i t der messenischen Kriege, die die Geister
besonders beschäftigten, als nach 300 J a h r e n die Messenier wiederher-
10 gestellt w u r d e n , u. man die vergrabenen Heiligtümer f a n d , 369 unter
Epaminondas. Sie bekamen durch Rhianos von Kreta ein großes natio-
nales Epos MeaCTT|viaKä (Paus. 4 B . ) Pausanias gibt ganz bestimmte
Zeitangaben nach älteren Angaben, 1 . messenischer Krieg 7 4 3 - 7 2 4
v. C h . , 2. Krieg 685 — 638, also in Z w i s c h e n r a u m von 4 1 J a h r e n folgend.
15 Die Angaben des Tyrtaeus stimmen damit, d. h. er wurde v o n den
Chronologen benutzt. N u r Fr. 5, 6 scheint nicht zu stimmen, d. h. der
Z w i s c h e n r a u m erscheint bei Pausanias zu kurz. Der erste Messen.
Krieg ist gut datirt, da Tyrtaeus von T h e o p o m p redet, der in den
Königslisten genau chronologisirt ist. Vom 2. Krieg nannte Tyrtaeus
2.0 die Könige leider nicht. In Bezug auf den Ersten setzte man den 2. Krieg
665 —618 an! Allein wer sagt, daß Tyrtaeus bei Beginn des 2. Krieges
geholt wurde, oder daß diese Verse Fr. 5 gerade beim Beginn des
Krieges gedichtet sind? Im Gegentheil Tyrtaeus k a m nach schweren
Niederlagen nach Sparta. Singt er aber diese Verse ums J a h r 640, so
25 stimmt es: die M a n n s c h a f t ist etwa vierzigjährig, die Väter noch 30
J a h r e älter, die Großväter also um ein Jahrhundert getrennt von dieser
Generation. So ist Tyrtaeus nach Archilochos der 2. große Elegiker,
vor M i m n e r m o s , Kallinos, Solon.
3. Dichtungsgattungen 1) Die ÜJtoGfjKai „Ermahnungen (Ö7COTi0e-
30 CT0ai „ E i n e m E t w a s unter die H a n d g e b e n " , H o m e r O d . o 3 1 0 . Hesiod
soll DTtoOfjKai geschrieben haben). Die berühmten Elegien, mit denen
der Dichter im Feldlager die Krieger ermuthigt, waren die beste geistige
Kost der späteren Jugend Spartas. Athen. 1 4 , <630 f > sagt, es gab
Kpeaq f ü r den schönsten Vortrag. 2) neX-t) 7to^£|j.icn:T|pia oder
35 £|lßaxf|pia Marschlieder, im Marsche gesungen, im Dorischen Dialekt,
während die Elegien natürlich jonisch sind, 3) eine größere Dichtung
in elegischer F o r m (wie N a n n o des M i m n e r m o s , Lyde des Antimachos,
426 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

Salamis des Solon) mit Titel ei)VO|J.ia „die lykurgische Verfassung in


Distichen". Damit soll Tyrtaeus aufrührerische Zustände in Sparta
beschwichtigt haben während des z. messen. Krieges. (Strabo f) EXE-
yeia, Arist. f| 7ioir|CTi<;) Der Zeit nach sind die imoöfjKCU das Aelteste.

5 Fr. 10.

v. i —14 ist ein Stück für sich, v. 15 folgt etwas ganz Anderes. Gegen-
überstellung des Looses dessen, der aus seiner Vaterstadt vertrieben
wird, u. des Looses dessen, der für das Vaterland kämpft.
&vi)p dya0ö<; ist der „adlige Mann", „Aristokrat" (Gegens. Sei^öq,
10 KaKÖq, (paCXo<;, der Niedergeborene).
Die Gastfreundschaft des uralten Griechenlands (bei Homer) muß sehr
abgenommen haben, daß das Loos des Vertriebenen so ist, wie z. B.
v. 7 EkkyiEi äylaöx sl5oq vgl. Theognis 649. Durch Arbeit und Noth,
die dem Edlen nicht ziemt, schändet er sein vornehmes Aussehen.
15 Situation ist der Art, daß Spartaner in Noth sind, ihre Stadt zu
verlieren. Aristomenes ist in Sparta selbst eingebrochen, wie Pausanias
erzählt. Es handelte sich <(darum), ob man die Stadt verlassen oder
den Todeskampf kämpfen solle.
V. 1. y<xp zeigt, daß es ein Fragment ist. Bergk beruft sich auf Xeno-
20 phons Symposion u. 0<econ.) u. leugnet es; allein jene Schriften sind
Fortsetzungen.
EJti „neben den", also „unter".
dvir|pötaxov. Bei Homer ist das t lang.
TTF|V 8' auxoß. Den späteren Sprachgebrauch eautoC kennt Homer (u.
25 die früheren Dichter) nicht. xr)v ob richtig? Weil der Artikel bei den
Elegikern noch demonstrativ ist. Schneidewin schreibt f|V Accusat.
fem. v. öq, "¡i, ö „sein".
v. 12 Tradition verderbt oßx= ÖTtlaft) xe.Xoq, schon metrische Verderb-
niß. Bergks ömc, oöx' eA,eo<; ist zu tautologisch. Ahrens besser: OUT'
30 Ö7tiCT(ö YEVEoq parallel zu v. 11 övöpöq, „nicht nur der Mann, auch
sein Geschlecht ist verachtet", was stimmt mit v. 13 Tiepi TtaiSrov
Tyrtaeus ist der erste heroische Lyriker der Griechen; Stimmung ist
die Todesverachtung aus verschiedenen Motiven (Mimnermos der erste
melancholische Dichter). Hier ist das Motiv die elende Lage des vertrie-
35 benen Aristokraten.
Griechische Lyriker 427

v. 15 — 32

Ein Stück einer andern Elegie.


Die M o t i v e sind hier anders:
18. n<x%6n£VOi geben mehrere Hd. statt napväjxevoi; Ersteres ist me-
5 trisch unmöglich. Das Motiv wäre so, daß ihre G e g n e r M ä n n e r
sind, doch sind wohl die Motive näher, daß sie im Bunde mit Männern
(spartan.) kämpfen. |i.a%ö|i£VOi ist alte Verderbniß ( | i a p v . Verbesse-
rung), vielleicht ist ( i i c j y Ö | l £ V O l zu lesen „die ihr mit Männern vereint
steht"; das wäre Motiv zu Todesverachtung für Jünglinge. Auf die
10 avSpäcri folgen die 7ia>.atc>Tepoi.
v. 20. xoüq yepcuoix; hat ganz das Aussehen einer Glosse, weil für
sonstige Gräcität 7caXaiÖT£po<; nicht das „Lebensalter" bezeichnet.
Tyrtaeus El. 12, 37 aber gebraucht es so. Bergk schlug vor yepapoOx;
„ehrwürdigen"; doch die Glosse kann ganz andere Buchstaben gehabt
15 haben, wie 6v ueSicp oder napvanevou<; etc.
Homer IL 22, 71 ff. behandelt die Gedanken v. 21 ff.
¿v xepcriv 8%ovTa spartanische Sittsamkeit; X e u k ö v , einzige Abwei-
chung von Homer, sonst wörtlich genau.
Solches Entlehnen ist häufig; das geringe Schattiren durch Änderung
2.0 des Versmaßes und einzelner Ausdrücke galt damals für Originalität,
v. 2 6 a i a % p ä — K a i v£|i£crr|TÖv ist unmögliche Verbindung; F r a n k e
trefflich: v e h e c t t | t < z /nöeiv (Andere a i a ^ p o v xö8' ö(p9aXnoig)
v. 2 7 v e o i c t i , Homer vea> 5e — daher nachher £%T| sing,
v. 2 8 . Hd. ö p e x f j q , gute Besserung ¿ p a T f j q .

25 Fr. 11.

v. 5 und 6: Der herrlichste Heroismus des Spartaners,


v. 6: Ö|iöj<; fehlt im Text, von Bergk trefflich ergänzt;
v. 7 steht überflüssig vor "ApEtoq im Text d><;!
v. 2. Zeus, Stammvater der Herakliden.
30 v. 7. "Apriq, episch mit langem ÖL öpyf| „Sinnesart" des (personifizier-
ten) jtöA.£(xo<;.
v. 9 . cpsuyövxojv — y£yet)C70e Conjectur, Hd. £yep0£, y i v s p Ö E , ayecÖE,
Bergk: (peuyövxcov xe S i c o k ö v t c d v t e y£y£ua0£.
<(v. 10) f\\äaaxe „ihr habt es getrieben bis"
428 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

13. Ttaupöxspoi sie sind „Wenige" im Vergleich zum Xaöq, der durch
sie gerettet wird.
14. TP8CT<T<Z<; „Zitterer, Ausreißer". Spartanische Strenge.
v. 16, ÖCTCT' aicTXpä r| v xi 7td0T|, yiyvETai avSpi KttKÖ. Gute Umstel-
5 lung von Bergk, weil das Folgende die Schwäche eines Feiglings im
Tode schildert (t^v t i Ttdt) Euphemismus)
v. 17. Der Spartaner durfte die fliehenden Feinde nicht tödten, nur
fangen, nach Lykurgischer Vorschrift. Allein hier handelt es sich ja
darum, wie die Feinde sich gegen die fliehenden Spartaner benehmen,
10 das Erste hätte keinen Sinn. A h r e n s conjicirt mit Recht: dpitaXeov
„lockend, angenehm" statt piya^eov. Hd d p y a l e o v viel zu schwach!
Andere C o n j e c t . : Gapaa^eov „muthig" in ironischem Sinne: allein es
paßt nicht. Es will heißen: dem Feigen droht trotz seiner Feigheit der
Tod auf der Flucht u. große Schmach dazu. — Eine einleuchtende
15 Vermuthung von Nietzsche ist die: Schreckbild des Spartaners war, auf
der Flucht mit durchbohrtem Rücken zu sterben. Geflohen sind die
Spartaner auch oft; nun stellt Tyrtaeus ihnen die Gefahr vor, daß man
dabei wie ein Ausreißer fallen könnte. Es könnte hier an Stelle von
äpjaXeov Feindesname ausgefallen sein; Meccrrivicav paßt nicht, wohl
20 aber 'ApicaSecov, „es ist Arkadersitte".
ARKAAEON )
ARCAAEON J
Der Genit 'ApKaSerav sonst ungebräuchlich; doch vergleiche man
bei Herodot von xiXiäq, |iupia<; — xiA-iaSscov, (lupiaSecov, Hesiod:
2.5 0E(ii<TT£(OV. (Man könnte sonst auch an 'Apyeioov denken, die ebenfalls
mit Messene verbündet waren). Die Arkadier als Leichtbewaffnete
passen gut zur Verfolgung.
z i . Siaßdq „die Beine ausspreizend", Kampfstellung.
25. Homer, II 13, 130ff. Andeutung des hier Ausgeführten.
30 dentis ä p ' dcntiS' epeiSe, KÖpuq KÖpuv, dvepa 8' dvf|p.
Diese Verse galten im Alterthum als schönste Stelle Homers.
33. TteicXrinevoi;, Pf. von 7ceA,d£co „nähern".
34. Söpu |xaKpöv der Schwerbewaffneten, Gegensatz 86pü |J.iKpöv
oder v. 3 7 Söpu ^SCTXÖV des Leichtbewaffneten (Die Soupaxa (iaKpd
35 haben bei Homer das Epitheton ^UCTxd = i f i a x a . Später bei Herodot
heißt i^ucrcöv auch das aKÖvxiov.)
Griechische Lyriker 429

12.

v. i —12 längste Periode in dieser älteren Lyrik.


Plato leg. i , 62.9. <(2), 660. Daraus erfährt man, daß der Nachsatz zu
|xvr|cyai|j.r|v erst v. 11 ei |ir] t e t L beginnt. Daher ist v. 1 0 Parenthese,
5 besser ist statt ev 7ioXe|j.cp zu lesen, f]v ( = f j ev) 7to^8(iö) „denn er
erweist sich nicht als tapfer außer im K a m p f " = „nur im Kampf
erweist sich Einer als tüchtig".
Was steht Alles der Tapferkeit im Kampfe nach
1) v. 2 8p6(io^ und 7tct^r| v. 3. das mythologische Exempel zu n a X a i a -
10 (IOCTÜVT), v. 4. das mytholog. Exempel zum öp6|i.O<;, in chiastischer
Stellung. „Körperkraft".
2) Schönheit v. 5.
3) Reichthum, v. 6. Kinyras König von Kypros, den Apollo reich
gemacht hatte.
15 4) M a c h t v. 7 Pelops, wie v. 8 Adrast, sind Helden der Feinde.
5) Beredsamkeit v. 8. Heros der Argiver ist Adrast; ihm feierte m a n
die Feste und Spiele, die später auf Dionysos übertragen wurden.
Die Spartanische Jugend ist die Ooßpiq &Xkt|.
v. 11. cpövoq „Blut" Das Blutsehen und die Gier nach dem N a h k a m p f
20 ist die ÖoCpiQ a l K f | .
1) v. 15 ff Verhalten des Tapferen im Kriege. 2) Glück u. R u h m des
Gefallenen, 3) Glück u. R u h m des am Leben bleibenden Tapferen, 4)
Aufforderung zu solcher Tapferkeit.
M a n sucht in diesen älteren Dichtern Stichometrien, d. h. eine Art
2.5 strophischer Eintheilung der Stichen, indem sich einzelne Theile ent-
sprechen. Unsere Elegie zeigt hier das Gegentheil; denn das Loos des
Gefallenen u m f a ß t 6 Distichen, das Loos des Siegers 4 Distichen.
Das Loos des Gefallenen findet sich auch bei Kallinos v. 18, vgl.
Tyrtaeus 28. Kallinos 17 vgl. Tyrtaeus 27. Wer benutzte den Andern?
30 Jedenfalls Kallinos, wenn überhaupt N a c h a h m u n g stattfand. — Des
Gefallenen Glück ist 1) Die hohe Trauer des Volks 2) sein R u h m u.
Adel seiner N a c h k o m m e n .
v. 35 xavTi^eyriq ( = Soori^eyriq) v. xavaF- akey- (äXyoq) „lange
Schmerzen bereitend, schmerzvoll"(?)
35 v- 37 veoi f|8s J t a ^ a i o i vgl. 27 veoi f|5e y s p o v i s q überall fehlt die
mittlere Altersklasse, die Männer, vgl. v. 41 veoi Ol TS Kai' auxöv Ol
430 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

T8 7caX,avÓT£pov wohl auch nicht 3 Altersklassen: véoi = juvenes,


bezeichnet Jünglinge u. Männer bis ans Greisenalter hin.
v. 41 „die jüngeren Männer, die seine Zeitgenossen, d. h. gleichaltrig
sind, u. die Greise". Z u TtaXaiótspoi vgl. ( F r . ) 1 0 v. 19. 2 1 , wo es
5 ausdrücklich der Greis ist. Ebenso wechselt in unserer Elegie véoi u.
ävSpeq gleichbedeutend. Vgl. das Wort des Leonidas bei Plutarch
Kleom. 2: Tyrtaeus sei gewesen àyaQòq vétov y o x à ? a i i c à ^ e i v .
v. 37 vgl. Theognis 935, nicht C o n g l u t i n a t i o n später Redaktoren,
sondern von Theognis, der ältere Dichter in eigener Weise behandelt
10 u. den Gedanken eine andere Wendung gibt.

Ef>vo|xia

Veranlassung ist eine CTTÓai^ in Sparta während des 2. Messenischen


Krieges. Es gab in Griechenland keinen Volksredner und keine Prediger.
Beider Bedeutung hatte der Dichter, um die Masse zu beruhigen.

15 (Fr. 5—7 können wohl noch besser zu den i>7to9f|K:ai gehören. Der
Scholiast zu Plato <Leg.) 629 sagt gerade Dasselbe.

Fr. 6 Das schlimme Schicksal der Messenier am Schluß des ersten


Krieges: als Steuer die Hälfte des Gesammtertrages.

Fr. 7 Die Spartaner verlangten, daß, wenn ein hoher Spartaner starb,
20 die Messenier mit ihren Frauen, deren Besitzthum dem betreffenden
Spartaner gehörte, nach Sparta kämen, um ihn zu beklagen!)

Fr. 3. Berühmte Prophezeiung des Delphischen Gottes. Im Scholion


<zu Euripides Andromache 446) heißt es: aXXo yàp oò8év.

Fr. 4. Das Orakel des Delphischen Gottes von Lykurg in Distichen


2.5 gebracht durch Hinzufügung jeweils eines erklärenden Pentameters.
Diese Verse wurden für die Verfassungsgeschichte als Urkunden benutzt
bei der Frage, wer die Initiative der Gesetzgebung habe. Es wurde
entschieden, daß der Demos blos J a u. Nein sagen könne, nicht
Gegenvorschläge machen dürfe. cncoAiav a i p e i a ö a i „den krummen
30 Weg einschlagen", d. h. nicht blos J a und Nein sagen; ßouA,fj<; äp%£iv
Griechische Lyriker 431

„Gesetzesvorschläge machen". — Diesen Versen wurde Gewalt ange-


than, v. 6 wurde eööeian; ^f|Tpatq ävT<a|i£ißonsvou<;> „mit geraden
Sprüchen antworten" als „ J a und Nein sagen" interpretirt.

'Eußatfjpia.

5 Fr. 16. gehört nicht dem Tyrtaeus an, ist im |J.£Tpov AaKtoviKÖv
gedichtet, das von Alkman gebraucht wurde.
Fr. 15 wird erst spät als tyrtäisch bezeichnet. O b es nicht altes Spartani-
sches Volkslied <ist>? Tyrtaeus Fr. 11, 23 — 25. 10, 18 scheint es näher
auszuführen.
10 v. 4 ßa^AsTE ist unrichtig wegen des Metrums, auch sonst ganz un-
glückliche Einschiebung des Schreibers; es ist wohl zu lesen
Söpu Ss^ITEPG 5 ' £ÜTÖX|I(ü<;. Vgl. v. 3. Xaiq. und Fr. 11, 25.

u u - | u u - | u u - 1 U U — II u u — | u u — | u u - 1 - A||
M I J J I J } } IJ J I J
J } } \ J J| J JM
Eine andere Möglichkeit für den Schluß ist folgende

2. Hemist. u u - | u u — | u u v^J^y ~ ohne Pause, wobei

in K i v a a i v das a mit xovf] gelesen, also der Vers akatalektisch


wird, also
« } } | J } } | J J | J I J
Fr. 15 hat das Metrum des 2. Halbverses v. 16.

Solon.

M i t Solon tritt Athen zuerst in den poetischen Wettkampf ein, verhält-


nismäßig spät. Aber wie tritt es auf? Solon ist der Erste, der die Poesie
25 nicht mehr als Handwerk, Erwerbszweig treibt; in Athen zuerst ist
Dichter Dichter um seines Vergnügens willen. Dazu k o m m t die univer-
sale Rivalität nach allen Seiten hin, die mit Solon in Athen beginnt. Die
Jugendgedichte des Solon tragen den Charakter des Lebensgenusses,
rivalisiren mit Mimnermos, haben nicht den düstern Schatten des
30 Letzteren; seine Elegie Salamis rivalisirt ersichtlich mit Kallinos; seine
432 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

J a m b e n , Epoden rivalisiren mit Archilochos, überbieten ihn durch


größeren Inhalt; seine (moOfjKcn eiq 'A0T|vaiou<; rivalisiren mit der
euvonia des Tyrtaeus; seine ÜTroöfjiccn eiq kamöv rivalisiren mit He-
siod in ihrem moralischen Inhalt; seine unerhaltene Dichtung, die Plato
5 nennt, tritt mit Homer in die Schranken, die ' A x ^ a v i i q des Solon
mit Stoff aus der athenischen Vorgeschichte; Plato sagt: „Wäre diese
Dichtung vollendet worden, so hätte sie Homer überboten! (?)" Athen
sucht die Summe zu ziehen von Allem, was in der Poesie bisher
dagewesen. Nach der gewöhnlichen Auffassung ist Solon Einer der 7
10 Weisen, die Alle Poeten sind. Ist Letzteres richtig? Ist die literarische
Thätigkeit der 7 Weisen Geschichte oder Legende? Von Chilon heißt
es: er schrieb 1 0 0 Verse Elegien, Pittakos: Elegien 600 Verse, Prosa
über Gesetze; Bias: über Jonien 2000 Verse, Kleobulos: 3000 Verse,
Periander: UTUOÖfjtcai sie; xöv (IvGpamivov ßiov 2000 Verse, Thaies:
15 200 Verse, Solon: 5000 Verse. Es gibt noch andere Weisen: Epimenides:
6500 Verse, Anacharsis über Gesetze der Skythen u. Hellenen: 800
Verse; ja sogar von Linos, der <eine> Kosmogonie gedichtet haben
soll, Musaeus, dem eine Theogonie zugeschrieben wird. Wie steht es
damit? Wer sagt das zuerst? Anaximenes 8e cpr|CTi nävxaq EJri0£o9at
20 TtoiritlK'Q. Wer ist daher Anaximenes? Der Philosoph, der blos eine
Schrift Tcepi (pixrecöq schrieb? Es gibt noch 2 dieses Namens, Einen
nach Alexander d. Gr. u. seinen Bruder, der Rhetor war. Also eine sehr
späte Notiz! Ein gewisser Lobon aus Argos schrieb ein Werk reepi
7ioiT|TG)V, Diogenes citirt von ihm 1) Die Zeilenzahl der Gedichte des
25 Thaies, 2) Inschrift auf dem Grabmal, 3) einen Sinnspruch in modischer
Form. Dasselbe wiederholt sich bei allen 7 Weisen, immer auf L o b o n
zurückgehend; die Grabschriften sind alle so gleichförmig u. dazu so
geistlos, ebenso die aSö|j.£va so ungeschickt, daß wohl L o b o n der
Fabrikant derselben ist! Sonst weiß Niemand etwas. Hiller (Rhein.
30 Museum 33. Bd.) sagt, der literarische Nachlaß der 7 Weisen sei Fäl-
schung; es habe nie Dichtungen von ihnen gegeben. Die Zahlenangaben
sind nach Analogie der alexandrin. Stichometrie gegeben. Also der
Einzige der 7 Weisen mit literarischer Tätigkeit ist Solon. Das Leben
Solons ist sehr unsicher in seiner Geschichtlichkeit.
35 Die Jugendgedichte Solons (vgl. Fr. 20) sind voll Lebenslust. Fr. 2 1
Jioif|cai|ii wohl prosaischeres Wort für das von Stobaeus überlieferte
K<xM,ei7toi^i „gleichsam als Vermächtnis hinterlassen". Wohl Anspie-
Griechische Lyriker 433

lung auf Worte des Mimnermos (wie Fr. 20), vielleicht die in den
Theognidischen Versen, die wohl von Mimnermos stammen, Theognis
1069.
Das Glück für den jungen Solon zeigt Fr. 23: Knabenliebe, Pferde,
5 Jagd, Gastfreunde.
Eine Epoche macht das Ereigniß von Salamis.

Fr. 1

dvx5 äyopfjt; „an Stelle einer Volksrede". köct|XOV etiecov „den Schmuck
der Verse". 4)8f|V, wohl richtiger d)8f|v TS „Gesang". Es ist doppelter
10 Unterschied: 1) das Rhythmische, 2) der Vortrag, Gesang oder Recita-
tion. KOCT|XOq „die geordnete Aufeinanderfolge". £7tT| nicht blos Hexa-
meter.

Fr. 2. 3.

SaXaixivacpexai etwa: „Salamismüde".


15 Salamis ist den Athenern verloren gegangen; die Athener führen lange
Krieg, sind endlich müde; Solon muntert sie auf u. erobert es.
Wann das Ereignis eintrat, ungewiß. Verlust von Salamis nach 6 1 2
(Kylon).
Die Wiedereroberung wohl um 604. Solon starb 559, geboren zwischen
2.0 640 u. 630. Also Verlust von Salamis fällt in seine Jugendzeit, Wiedere-
roberung in sein kräftiges Mannesalter (etwa 30 Jahre alt). —
Die Athener, durch Krieg ermüdet, setzen durch Gesetz Todesstrafe auf
den, der Antrag zur Wiedereroberung stelle; Solon wagt es dennoch.
Plutarch erzählt: Solon dichtet die Elegie, lernt sie auswendig, springt
25 auf Agora, setzt Filzhut, Zeichen eines Keryx auf, springt auf den
Äi0o<; t o C KTjpOKoq u. trägt Elegie vor, indem er sich wahnsinnig stellt.
Plutarch Sol. 8. Das ganze Gedicht führt die Aufschrift Salamis, bestand
aus 100 Stichen. — Die näheren Umstände des Vortrags sind entweder
aus den Dichtungen entnommen oder erdichtet? Kfjpui; f|A,0ov Fr. 1.
30 gab wohl Anlaß dazu. Diogenes Laertius sagt, Solon habe 5ict KT|puKoq
das Gedicht vortragen lassen! Neuerdings sah man, daß Demosthenes
von jener Wahnsinnsfiktion Nichts wisse, da er sagt, Solon habe sich
in Lebensgefahr begeben. Ferner der Kfjpui; hat niemals eine äyopf|
434 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

(Fr. i), Volksrede, gehalten. Wie kann ferner Solon von Salamis kom-
men? Niebuhr (Alte Gesch. i , 43) meint, das Fr. 1 sei nicht der Anfang
des Gedichtes, sondern eine spätere Rückbeziehung, ein Proömium,
worin Solon die Veranlassung zu seiner Elegie dichtete. Plutarch sagt:
5 TT|v sA,eyeiav, fjq ecttiv ap%f) das ist nicht geradezu zu verwerfen.
Man hat übersehen, welche Möglichkeit vorliegt, auxöq „ich selbst".
Solon kündet dem Volk einen Krjpu^ der Salaminier an, führt den
Kfjpu^ scheinbar nur ein, sagt, er wolle eine ayopf) halten; als das
Volk versammelt ist, ruft er: „ich bin der Kfjpu^ — nicht der Salaminier,
10 sondern der lieblichen Göttin Salamis, die mir „den Wahnsinn" ein-
flößte, Euch zum Krieg aufzufordern." Ein solcher Ausdruck gab
Veranlassung zur Wahnsinnsfiktion. Dasselbe geschah mit Fr. 10, wo
Solon mit Helm u. Waffen in Volksversammlung sprang u. Peisistratos
warnte; da habe das Volk ihn für wahnsinnig erklärt; da habe er diese
15 Worte gesagt!

' Y r c o ö f j K a i ei<; eauTÖv.

imoöfjKai hatte schon Tyrtaeus u. schon Hesiod (ötüoQ. Xeipcovoc; ei?


'AxiTJkea) gedichtet. Aber daß Jemand sich selbst zuspricht, zeigt
veränderte Stellung. Die Elegie war über 100 Jahre alt. Der Dichter
2.0 konnte privatim mit der Poesie verkehren u. für sich hier niederschrei-
ben, ohne gerade sie beim Symposion vorzutragen. Diese Gedichte
schließen sich an Hesiod an, athenischer, doch eng sich in Worten u.
Wendungen anschließen^). Sie fallen in die Zeit vor dem öffentlichen
Leben Solons.

2.5 13.

Man hielt das Gedicht stets für ( e i n ) einheitliches Ganze. Einzelne


sahen darin Strophe und Epistrophe (Weil), Andere den Bau des v6(iO<;,
eine abenteuerliche Vorstellung! Der kitharodische vö|xo^ ist musikali-
sche Kunstform; die Elegie ist das durchaus nicht, nicht einmal stro-
30 phisch! Ist die Dichtung ein Ganzes? Nein, es sind eine Reihe von
kleineren Bruchstücken. Jedenfalls, wäre das Gedicht ein Ganzes, so
wäre es nicht vollendet, sondern nur Fragment. Es gibt nämlich eine
Parodie davon, die das zeigt.
Griechische Lyriker 435

v. i — 8. Die Musen sind hier die Hesiodischen Musen, deren Abkunft


im Prooemium der Theogonie genannt. Anders<(wo> sind 3 Musen:
Mvr|(XT|, 'Aoi8t|, MsXsxr| u. a. rhepiSeq wie bei Hesiod. Clem. Alex.
cjTpco(i. 6 p. 74z nennt den v. 1 nur mit der Abweichung svvsa xeKva
5 als Anfang eines Gedichtes des Eumelos, eines hesiodischen Dichters.
Die Musen sind bei Solon hier noch die Schutzheiligen des Dichters, die
ihm zu Allem verhelfen, Mittler sind bei den Göttern, die Reichthum u.
Ansehen verleihen, namentlich bei ihrem Vater Z e u s u. ihrer
M u t t e r M n e m o s y n e , daß sie es ja nicht vergessen.
10 KArne (101, c. Dativ „erhören" (zu Gunsten Jemandes hören), Genit.
sinnlich „hören".
ö^ßov vgl. Frag. 23, wo der öA,ßo<; des jungen Solon geschildert ist.
Ebenso Fr. 2,4.
v. 5 u. 6. vgl. Theogn. 301, Sophoc. Aj. 966 antike Auffassung von
15 Freund u. Feind.
%pf||A<XTa, ein spezieller Theil des öXßo<;.
Die Parodie des Cynikers Krates, s. Bergk XLVIII, 1.
XÖpTOV „Futter". KävOapoq „Käfer".
Krates, Schüler des Diogenes, aus einer reichen Familie von Theben,
20 freiwillig arm geworden, also der schärfste Gegensatz zu Solon, der
den von den Göttern gegebenen, also gewissermaßen unfreiwilligen
Reichthum liebt. Die Ttaiyvia (lusus) sind wohl alle Parodien.

< Grates) 1.

Statt öX.ßoq will er nur xoptoq „Futter."


25 yacrcepi, der Magen war Alles bei den Griechen; die Moralität hing
davon ab! Ganz anders Krates als der Parasit seiner Zeit, der Sklave
des Magens war. Die Wünsche des guten Rufs bei den Menschen
(Solon) wurden bei Krates auf den Wunsch des Nicht-Sklave-Seins
reducirt.
30 Vielleicht hieß v. 4: „Ob ich Feinden lieb und bitter bin, was kümmerts
mich"? oder Aehnliches.
v. 6 u. 7 schlecht überliefert. An 2. Stelle, wo sie citirt sind, andere
Verderbniß tcävOapov oitov etc. Das doppelte xpf||i(XTa oök eöetao
u. xprmaxa naiönevoq ist schlecht; auch das doppelte Bild des Käfers
35 u. der Ameise fällt auf. Vielleicht ist der Gedanke: „das Schätzesam-
436 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

mein, deren man nicht bedarf, sind bloße Aufhäufungen"; also viel-
leicht statt des 2. xpT|H<iTa zu lesen: %(b|icn;a. Statt öXßov oder oliov
lesen wir olov „wie".
|AÜp|AT|KÖ<; t' cupevcx; zeigt das Mühselige des Schätzesammeln gegen-
5 über dem Tugendreichthum, der v. 9 eücpopov, £ÖKTT|TOV genannt ist.
Daher könnte man dort lesen |iüp|ir|KÖ(; TS jrövoiq „indem ich mit der
Mühe des Käfers und der Ameise Aufhäufung zusammenscharre",
v. 10 u. 11 ist gewiß Parodie einiger Solonischer Verse, die fehlen.
Solon muß am Schluß den Musen u. dem Hermes reiche Opfer verspro-
10 chen haben. Also fehlt bei Solon der Abschluß, der wohl nach v. 8
folgte. Also haben wir in Fr. 13 mehrere besondere Elegien vereinigt.
Der Schluß wäre bei Solon nach dem Hexameter Crates 10, etwa:
euceßscov OaX-iaiq Kai tpucpspaiq Sanavaiq:
Bei Crates hieß v. 4 etwa:
15 sxöpoii; 8' e i KiKpöi; FJ Y^uicepöq ÖOKECO TI (XEX-SI |KH;
Hermes wird angerufen als ¿pioüvioc; „Segenspender", der alles Gute
vermittelt.

Das erste Stück 1 — 8 ist also das 7cpooi|a.iov zu den UJtoöfjKai des
Solon. Also ist in diesem großen Gedichte nicht ein einheitlicher
20 Gedankengang; sondern es sind noch vier Stücke: 9 — 32, 33 — 42,
43-62, 63-76.

Die TICRII; d e r G ö t t e r . 2. Stück, 9 — 32.


v. 11. TI|J.C5CTIV ö(p' üßpioq muß Verderbniß sein, ist sinnlos. Bergk:
(id)ö)CTiv „erstreben."
2.5 v. 12. Anlehnung an Hesiods Gleichniß von der 5iKT|, die unfreiwillig
folgt auf ungerechtes Richterwesen.
v. 14. apxil nicht mit Ts^suxa zu verbinden, ist unmöglich!
„Der Anfang endet"! Es ist wohl zu lesen Ts^suxf); „der Anfang erweist
sich als gering, das Ende als leidensvoll."
30 v. 17 ff. Theognis 197 — 208 ist ein Seitenstück mit denselben Gedan-
ken, ein Concurrenzgedicht.
Griechische Lyriker 437

3. S t ü c k . 33 — 42. Der Wahn der Menschen.

v. 34 Tradition: öeivfiv elq oder elq 5eivf|v. „Jeder Einzelne hat einen
gewaltigen Wahn von sich".
v. 35. Ttpiv xi 7ta0eiv „bevor er stirbt," bestimmter Euphemismus.
5 Dann paßt zöze 8' aö xiq öSüpexca nicht.
v. 39. führt blos eine neue Art des Wahns (in Bezug auf die Gegenwart
statt Zukunft, wie bisher) ein; ist von Bergk ohne Grund verdächtigt;
so wenig als die Ueberlieferung v. 34 anstößig.
v. 3 5 . viell. TÖTE 8 ' AßT5 SKSUETCII Dann wird er Einem (der Wahn)
10 ausgezogen

4. Stück. 42 — 62. D e r M e n s c h e n B e s t r e b u n g e n ohne rechtes xetax;


mit steter Mühsal.

v. 51 verdorben: Slöa/Oeiq unpassend! Auch muß die Mühsal des


Dichters genannt sein. Conj. jcope (statt Tcapä) 8ajp' a8t8ÖKioiq. Der
15 Dichter ist zugleich Schullehrer u. muß „Unbelehrbaren" die Geschenke
der Musen bringen.

5. Stück 63 < — 76), S. Theognis 585 <ff.>,

wo Theognis durch Veränderung einiger Worte Nüancen in Gedanken


hervorbringt: vgl. 587, Eu8oKi|j.eiv statt eö sp8£iv; vgl. 589 t<5 8e
2.0 KaXöv (so die Ueberlieferung, nicht KaKroq) jtoießvTi. Dadurch ist der
Gedanke Solons ganz umgekehrt: „Ruhmsucht führt ins Verderben,
Rechthandeln gelingt." Solon sagte: „Menschliches Handeln ist über-
haupt des Erfolges nie sicher."
v. 71. im Alterthum berühmt: Streben nach Reichthum wie nach Weis-
2.5 heit ist unersättlich nach Ansicht der Alten.
v. 74. sehr unbedeutend im Zusammenhange, (die Parallelstelle bei
Theognis weist auf einen starken Gedanken hin; vielleicht stand hier
der Gedanke: „Reichthum lockt die Sterblichen an, wie wenn sie
unsterblich wären, nie sterben müßten") C o n j . KspSect TOI 9vr|TOI)<;
30 ecrjtao' äx' aOavatout;.
v. 76 akXoxe akXoq e/si. Ob nicht besser: äXXoze aXkov exsi? Zur
Construktion s. v. 9.
438 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

D i e P a r a l l e l s t e l l e bei T h e o g n i s zzyii.

v. 22.8. ßiov, die Ueberlieferung ist vöov: Also der Gegens.: „die Ge-
scheidtesten mühen sich am meisten um Reichthum u. werden so
Narren" (Solon: Die „Reichsten" etc.)
5 Eine feine Zuspitzung!
v. 231. auTfjt; „aus der Narrheit geht die &rr| hervor" (ei; aöxfflv,
aus den KepSea Solon).
v. 232. TEipo(xevoii; statt ti<tojievt]v.

ÖTtoGfjKai siq 'AOrivaioui;.

10 4.

Concurrenzgedicht zu der süvofiia des Tyrtaeus.


(Wie die Gnomen des Theognis oben zu denen des Solon).
vgl. bes. die v. 31 ff. Preis der ei)vo|iia.
Vor der Gesetzgebung.

15 5-

Nach der Gesetzgebung.

8.

Theognis hat den Vers verändert: statt TtoÄ-uq schreibt er KOKffl „wenn
Reichthum einem gemeinen, niedrigen Mann sich gesellt." Der adlige
20 Megarenser.

9-

Beginn der Tyrannis.


5. Xeküc; = xeXecoq (Bergk) „vollständig".
4. etcectev Aor. gnom.
Griechische Lyriker 439

i4-
rcovT|pö<; „unglücklich" Ggs. |!ÜKap.
(Der növoq, harte Arbeit, Noth hat = „unglücklich."
Dann war bei Athenern der Arbeiter schlimm angesehen, daher
5 „schlecht".) Vgl. das Deutsche „schlecht" = „einfach, schlicht," dann
„schlecht".

16.

Die YVft)|iocnJVT| der Gottheit, des Zeus.

18.

io Der berühmte Vers Solons.

19-
Abschied an einen Gastfreund, einem kleinen Tyrannen auf Kypros.
Solon hatte die Colonie der Solier gründen helfen.
6. f|]J,£T£pT|V Solon redet im Namen der Gefährten.

15 24.

Jugendgedicht.

26.

Gedicht des alten Solon (nach Ueberlieferung).

2.7.

zo 16. Bessere Lesart:CTW(j.aie Kai 8i)va)xi<; statt yX&ooa X£ Kai aocpiri

Jambisch-Trochäische Dichtungen.

Das Derbere, Volksthümlichere, stärkere Ironie; was in Elegien keine


Stätte hat, wird hier gesagt.
440 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

33-

Dies Fragment wird falsch verstanden: bis v. 6 inclusive redet ein


Athener, v. 7 fällt Solon selbst ein.
v. 5 lies mit der Ueberlieferung iiöeXev.
5 <v. 4 ) à|AapTfj zugleich.
v. 7. àaKÓq „ H a u t " . D a n n (àaKÒc; SeipsaOcn) „geschunden w e r d e n . "

36.

v. 1. èv 8ÌKT] x p ó v o u verderbt. Conj. von Bergk: èv AÌKT|<; öpovcp. öpov


Schuldtafeln, w o d u r c h gezeigt wird, d a ß Goldschmuck verpfändet ist
10 (eig. Grenzbestimmung).
9. PT| 0"|_IÒV Xéy. „sie redeten gleichsam O r a k e l s p r ü c h e " d. h. unver-
ständlich, weil sie die attische M u n d a r t in der Fremde verlernt hatten.
12. Statt fiSr) lies rjÖTi „in Furcht vor der Sitte ihrer H e r r e n . "
2.1. m a p yaka „fette Milch" = „Sahne"

15 37-

2. u. 3 . TÒTE und 8id als Schlußworte sind zu vertauschen u. Si^CI


statt 5 i a zu lesen.
5. äpxf|V „von A n f a n g " , ohne Sinn!

Phokylides

2.0 hat die Absicht, etwas Moralisches in möglichst k n a p p e r F o r m darzu-


stellen, worauf er sein Siegel d r ü c k t mit den Worten: Kai TÓ5E OODKUXÌ-
5ea). Später w a r es Theognis, der d u r c h den N a m e n K ó p v o g in der
Anrede sein Eigenthumsrecht aussprach.

3-

2.5 Phokylides zieht ein langes Gedicht des älteren Simonides in 8 Verse
zusammen (über die A b s t a m m u n g der Frauen von Thieren).
Griechische Lyriker 441

i4-

7toXkä 7tXavr|9fjvai ) sind die 2 andern Fassungen


äeKOVxa Ttaöeiv J desselben Verses.
Die Pseudophokylidea (Bernays, Dissertation.) sind von einem Juden
5 um 150 v. Chr. verfaßt.

Xenophanes

polemisiert in seiner Elegie, stellt seine Ansichten stolz den früheren


Denkern gegenüber. In 1 . Elegie Polemik gegen Mimnermos, 2. Elegie
gegen Tyrtaeus, 3. Elegie gegen Mimnermos. Xenophanes stammt ja
10 aus Kolophon, der Vaterstadt des Mimnermos. Die Sitten des Mimner-
mos sind dem Xenophanes unangenehm; vielleicht sind seine Elegien
Parodien Mimnermischer Verse.

1. Schilderung eines au|XJtoaiov (viell. Thema des Mimn.)


15 5. Der Wein sagt, er werde sie nicht im Stich lassen — nämlich
dadurch, daß er zur Neige gehe.
2. Das Sprechen beim Gastmahl (Die Polemik des Xenophanes gegen
die üblichen Tischgespräche.)
Die Elegie des Solon, Phokylides etc. fixirt die vorhandene Moral in
20 metrisches Gewand; Xenophan. stellt seine Moral der bestehenden
gegenüber, ist Rhapsode, wandert ewig herum u. zeigt sich als reforma-
torischer Moralprediger. Hier gegen die Tischgespräche,
v. 15 ist wie 13 und 14 noch das Herkommen des Symposions.
jipox£ipÖT<epov> ist unrichtig. Conj. TtpoaipsTßov
2.5 TtpÖTtoXoq, „Diener" |if) jictvu yr|p<aX£0<;> „wenn man nicht <sehr
alt) ist" etc.
<(19.20.) scQXä — dpstfji; moralische Fakten u. moralische Themata,
u. 24. religöse Themata, aber nicht mythologische 7t)uda(j.ata.
442 Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches

2.

Rückbeziehung auf eine Elegie des Tyrtaeus (12).


1 . TaxuT<fiTi> g e s c h ä t z t e s t e agonale Form ( 1 7 . 1 8 ) und 7tevT<xe0>.ov
der s c h w e r s t e Kampf.

5 6.
Auf Pythagoras bezüglich.
Ob ironisch oder ernsthaft?

7-
v. 2. cppovxi<; hier zum ersten Mal in der später häufigen Bedeutung:
10 „das Resultat des cppovxi^etv Meditirens" = „Dichtung" oder „Philo-
sophie".

Chorische Lyrik.

Bis jetzt haben wir nur die 2 Kaxaaräaeic, kennen gelernt. Der e r s t e
C l a s s i k e r ist

15 A l k m a n ( = 'A^K|iai<Dv)

ist ein Vollender der Lyrik, bringt nichts Neues außer etwa der Erfin-
dung, d. h. der Einführung des erotischen Liedes. Alkman wird 1)
<(als> lydischer Sklave im Besitz des Agesidas (Crates von Pergamon
bei Suidas mit Zusatz: Tttaiovxa als Irrthum) 2) aus Sardes stammend,
zo in Sparta seine Bildung genießend (Epigramm von Alex. Aitolos An-
thol. Palat. 7, 709) 3) als Spartaner aus K(b|iT| MscrcTÖa überliefert.
Die beiden ersten Meinungen stammen aus der Interpretation eines
Ttapöevsiov, wo die Mädchen singen: „Du kommst vom hohen Sar-
des." Auch war er vielleicht einmal Sklave. M a n fand l e t z t h i n ein
2.5 großes Stück eines Alkman. Partheneion in einem ägyptischen Grabe
(1863). Hier zeigt sich, daß Alkman Spartaner war. Er nennt die
Agesichora eine Verwandte, wohl die Tochter des Agesidas, dessen
Vetter, also nicht Sklave er war.
Inhalt

Vorbemerkung V

Vorlesungsaufzeichnungen SS 1869—WS 1869/70


Prolegomena zu den Choephoren des Aeschylus 1
1. Der Inhalt der Choephoren 5
2. Verwendung desselben Stoffs vor und nach Aeschylus. Die Sage
in den Händen der Dichter 10
3. Die aeschylische CVKT]VT| 14
4. Gliederung der Chorgesänge u. Zusammensetzung des Chors . . 16
5. Vertheilung der Rollen 21
6. Über die aeschylische Trilogie 22
Geschichte des aeschyleischen Textes bis zu den Byzantinern . . . . Z7
(Zusätze 1872/1874) 30
<Zu den Choephoren) 34
<(Kommentar zu den Choephoren) 45

<(Die griechischen Lyriker) 105


1. Terpander 108
Klonas 113
2. Archilochos 114
3. Olympus 118
Ursprung der Elegie 119
Callinos von Ephesus 120
Mimnermus 121
444 Inhalt

Tyrtäus 121
(Theognis) 122
Phocylides aus Milet 123
<(Zu Archilochus) 123
<Phoc. Forts.) 124
Euenus Parius 124
<(Zu Archilochus) 125
Die klassische Periode der Lyrik 126
Die lesbische Dichterschule 130
Sappho 133
Ibykus 137
Anacreon 140
Das Pindarische Zeitalter 142
Dithyrambus 146
Simonides 149
(Fortsetzung 1874/1875) 149
Weiteres im Leben des Simonides 150
Die Dithyrambiker 157
Dithyramb fortgesetzt 159
(Frühjahr und Sommer 1869} 161
Der neuere Dithyrambus 161
Das Alcmanische Partheneion 162
Partheneion 166
<Zusätze 1869, 1874/1875, 1878/1879} Einleitung 167
Die Objectivität der griech. Lyrik 168
§. 1. Die antiken Bezeichnungen für Lyrik 169
§. 2. Quellen für die Geschichte der Lyrik 172
§. 8. Zustand der Überlieferung 174
Zu Terpander 175
<Zu Kallinos) 180
<Zu Tyrtaeus) 181
<Zu Alkman) 182

Vorlesungen über lateinische Grammatik 183


Cap. 1 . Vom Ursprung der Sprache 185
Cap. 2. Das Lateinische in seiner Verwandtschaft mit anderen Spra-
chen 188
Cap. 3. Überblick der Geschichte der latein. Sprache nach Laut und
Schrift 194
Cap. 4. Parallelismus der Entwicklung von Sprache und Literatur . 199
Inhalt 445

Cap. 5. Über das lateinische Alphabet 2.05


Cap. 6. Über Aussprache und Lautwechsel der Vokale 2.10
Cap. 7. Über Aussprache und Trübung der Diphthonge 214
Cap. 8. Vokalische Lautgesetze. Grundformen u. Termini der Patho-
logie des Vokalismus 219
Cap. 9. Uber die Konsonanten 2.2.0
Cap. 10. Vom Genus des Nomens 229
Cap. 1 1 . Nominativ Akkusativ Vokativ des Singulars und Plurals . 223
Cap. 1 2 . Genetiv Ablativ Dativ Locativ des Singul. u. Plural . . . . 235
C a p . 1 3 . Adjective 241
Cap. 1 4 . Zahlwörter 242
Cap. 1 5 . Die Pronomina 245
Cap. 16. Die Personalendungen des Verbum 248
C a p . 1 7 . Die Verbalstämme 251
Cap. 18. Bildung der Tempora 253
C a p . 19. Bildung der M o d i 258
Cap. 20. Participium u. Gerundium 259
Cap. 2 1 . Die Partikeln 262.
Cap. 22. Über Etymologie 267
Cap. 23. Einzelne Etymologien 273
Register zu den Vorlesungen über lateinische Grammatik 282
Cap. 24. Über die Betonung des Lateinischen 283
Über Tondauer 289
Cap. 25. Wortbetonung und Versbau 292
Cap. 26. Die ältesten Sprachdenkmäler. Monumenta minora . . . . 297

A n h a n g : Nachschriften von Vorlesungen Nietzsches


<(Aeschylus: Choephoren, Verse 1 — 4 5 0 ) 313

<Hesiod: Tevo^ Kai ßioq 'HavöSou. Certamen. " E p y a ) . 347


Einleitung yEvo«; Kai ßio? ' H a i ö S o u 349
{ D a s Certamen Hesiodi et H o m e r i ) 351
"Epya '358

Griechische Lyriker 373


Einleitung. § 1 Lyrik u. Musik im engsten Zusammenhang 375
§. 2. Mutmaßungen über diesen Zusammenhang 379
§. 3. Bedeutung und Berechtigung des Wortes Lyrik 381
§. 4. Die Arten der Melik 383
§. 5. Die Elegie 385
446 Inhalt

§. 6. Die Jambisch-troaeische Dichtung 389


§. 7. Die Sprache der Lyrik 391
§. 8. Zustand der Überlieferung der Lyrik 393
Hülfsmittel 395
Nachtrag. Etymologie von Xópa 395
Terpander 396
Archilochos 404
Fragmente 407
ITpôç nepiKÄ.ea 409
Jamboi 410
Kallinos 416
Mimnermos 4Z0
Tyrtaeus 4z 3
Euvo|iia 430
'Eußcmipia 431
Solon 431
'YicoöfjKai siç èauTÔv 434
ÓJioÓfjKai eiç 'A9î|vaiouç 438
Jambisch-Trochäische Dichtungen 415
Phokylides 440
Xenophanes 441
Chorische Lyrik. Alkman 442

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