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deutscher Philosoph
Ernst Simon Bloch (* 8. Juli 1885 in Ludwigshafen am Rhein; † 4. August 1977 in Tübingen;
Pseudonyme: Karl Jahraus, Jakob Knerz)[1] war ein deutscher Philosoph. Bloch stellte sich in
die Tradition der Schriften von Karl Marx und wird heute dem Neomarxismus zugeordnet.
Ernst Bloch entstammte einer jüdischen Familie aus der Pfalz. Seine Eltern waren Markus
(später Max) Bloch (1853–1926) und Barbara (Berta), geb. Feitel (1861–1935). Blochs Vater
stieg vom Arbeiter zum Beamten der Pfälzischen Eisenbahnen auf.[2]
Der Vergleich zwischen der Arbeiterstadt Ludwigshafen am Rhein und der bürgerlichen Stadt
Mannheim war für Bloch nach eigenen Angaben prägend. Schon früh interessierte er sich für
Philosophie und Literatur. Nach dem Abitur am humanistischen Gymnasium in Ludwigshafen
studierte er ab 1905 an der Universität München im Hauptfach Philosophie bei Theodor Lipps
und belegte als Nebenfächer Physik, Germanistik und Musik. Anschließend wechselte er an
die Universität Würzburg zu Oswald Külpe. 1908 wurde er mit seiner Arbeit Kritische
Erörterungen über Rickert und das Problem der modernen Erkenntnistheorie promoviert. Bereits
in dieser Abhandlung entwickelte er Ideen utopischen Denkens, indem er sich mit dem „Noch-
nicht-Gewordenen“ befasste.
Vor und während des Ersten
Weltkriegs: Hinwendung zum
Sozialismus
Nach seiner Promotion zog Bloch nach Berlin. Während eines Kolloquiums bei Georg Simmel
freundete er sich mit diesem und mit Georg Lukács an. Die Freundschaft zu Simmel endete
wegen dessen enthusiastischen Eintretens für die deutsche Kriegsanstrengung im Ersten
Weltkrieg.
Mit der Bildhauerin Else von Stritzky lebte Ernst Bloch ab 1911 in Süddeutschland. Die beiden
heirateten 1913. Nach einer Italienreise lernte er in Heidelberg Max Weber kennen. Im
Gegensatz zum eher nüchternen Kreis um Weber war Bloch – beeinflusst von der
bürgerlichen Wandervogelbewegung – expressiv in seiner Ausdrucksweise und unstet in
seinem Lebensstil. Wie Max Weber bemerkte, verfügte der junge Philosoph über ein enormes
Selbstbewusstsein. Bloch sah sich als den Propheten eines neuen Messias.
Als engagierter Gegner des Krieges ließ er sich den Auftrag geben, über pazifistische Utopien
in der Schweiz zu schreiben. Gemeint war die pazifistische Siedlung Monte Verità von
Ascona. In deren Nähe, nach Locarno-Monti, zog er mit seiner Frau im Frühjahr 1917. Dort
beendete er sein Werk Geist der Utopie und entwarf den Essay „Über den sittlichen und
geistigen Führer“, in dem er sich als „geistigen Führer“ neben den „sittlichen Führer“ Gusto
Gräser stellt, den „nach Heiligung strebenden Bruder“ (Wüste 99), der „franziskanisch leben
wollte, statt auf der Herrenseite“ (Wüste 143). Damals teilte er die Modernismus-Kritik der
Siedler, ihre „utopische Tendenz“, konnte aber das „Tao“ und das „Amulett des nackten
Herzens“, d. h. „das Evangelium der Nicht-Gewalt“ (KK 234) des Kriegsdienstverweigerers
Gräser, nicht übernehmen. Der Glaube an seine eigene messianische Berufung brach
zusammen, ersatzweise wandte er sich jetzt der Politik und dem Leninismus zu. Erhalten
blieb sein Respekt für den „religiösen Urwunsch“ der Siedler und sein leidenschaftliches
Interesse für utopische Unternehmungen.
Weimarer Republik
Nach Kriegsende, nachdem Deutschland eine Republik geworden war, verließ er die Schweiz
und ging nach München. In den 1920er Jahren lebte er wiederum in Berlin als freier Journalist
ohne feste Anstellung, unterbrochen von zahlreichen Reisen u. a. nach Italien, Paris und
Sanary-sur-Mer. 1925/26 hielt er sich in Tunesien auf, 1929 in Wien. Zu seinen damaligen
Freunden gehörten Bertolt Brecht, Kurt Weill, Theodor W. Adorno und Walter Benjamin.
1922 heiratete er nach dem Tod seiner ersten Ehefrau die Malerin Linda Oppenheimer. Auch
diese Ehe blieb kinderlos und wurde 1928 geschieden. Aus seiner Verbindung mit Frieda
Abele stammt die 1928 geborene Tochter Mirjam.[3] Sie heiratete den Schweizer Bildhauer
Hans Josephsohn.[4]
In dieser Zeit erschienen seine Studie über Thomas Müntzer, eine Überarbeitung von Geist der
Utopie im Sinne einer marxistischen Philosophie sowie Essays, Geschichten und Aphorismen.
Überdies verfasste er Beiträge für die Frankfurter Zeitung, die Wochenzeitschrift für Politik,
Kunst und Wirtschaft Die Weltbühne und andere Periodika. Politisch war Bloch sehr aktiv und
bekämpfte schon früh die aufstrebende NSDAP.
Ab Mitte der 1930er Jahre sprach sich Bloch öffentlich für die so genannten Stalinschen
Säuberungen aus, insbesondere verteidigte er die Moskauer Prozesse. Diese Haltung
belastete einige seiner Freundschaften schwer, so auch das Vertrauensverhältnis zu Adorno.
Viel später bekannte er sich öffentlich zum Irrtum der Beurteilung der Moskauer Prozesse
und des Stalinismus.[6] Im Zusammenhang mit der Herausgabe von Blochs Werkausgabe
wurde das Thema kurzzeitig 1968/69 wieder aktuell, als Bloch einen entsprechenden Artikel
nicht in den Band Politische Messungen, Pestzeit, Vormärz aufnahm. Nach scharfer Kritik an
diesem Vorgehen erklärte Bloch sich bereit, sämtliche politischen Artikel aus der Weltbühne
in einem separaten Band außerhalb der Werkausgabe vorzulegen.[7] Noch in der frühen DDR-
Zeit lobte er Stalin als einen „wirklichen Führer ins Glück“.[8][9]
Nach dem Münchner Abkommen, kurz vor dem Einmarsch deutscher Truppen in Prag, konnte
die Familie am 9. März 1939 in die USA fliehen. Dort litt Bloch, wie viele deutsche Exilautoren,
wegen mangelnder Englischkenntnisse unter finanziellen Schwierigkeiten. Seine Frau Karola
konnte als Architektin arbeiten.[10] Im amerikanischen Exil schrieb er wichtige Texte, unter
anderem sein vielfach als Hauptwerk bezeichnetes Buch Das Prinzip Hoffnung und Subjekt –
Objekt. Bloch gehörte zu denjenigen Emigranten, die an der deutschen Sprache festhielten.
Gemeinsam mit anderen aus Deutschland geflüchteten berühmten deutschen Autoren und
Künstlern war er 1944 an der Gründung des kleinen Aurora-Verlags in New York beteiligt, der
fast ausschließlich als Selbstverlag diente.
DDR 1948–1961
1948 wurde ihm der Lehrstuhl für Philosophie an der Universität Leipzig angeboten, nachdem
Herbert Marcuse in Vorgesprächen eine mögliche Berufung auf diesen Lehrstuhl abgelehnt
hatte.[11] Im Jahr darauf übersiedelte er im 64. Lebensjahr dorthin. 1955 wurde er mit dem
Nationalpreis der DDR ausgezeichnet. Darüber hinaus wurde er Mitglied der Deutschen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin (DAW). Damit war er quasi zum Staatsphilosophen
der DDR avanciert. Zu seinen zahlreichen akademischen Schülern aus dieser Zeit gehörte
sein Assistent Manfred Buhr, den er 1957 promovierte, der später Ordinarius in Greifswald
und danach Direktor des Zentralinstituts für Philosophie der Akademie der Wissenschaften
(AdW) in Berlin wurde und sich zu einem seiner schärfsten Kritiker entwickelte, ferner Gerd
Irrlitz.
Doch der ungarische Volksaufstand 1956 brachte den überzeugten Marxisten Bloch auf
Gegenkurs zum SED-Regime: Seine letzte Vorlesung am 17. Dezember 1956 behandelte die
„Probleme der Fortentwicklung des Marxismus nach Marx“, für die Partei galt der historische
und dialektische Materialismus jedoch als unveränderbar und abgeschlossen.[12] Weil er
seine humanistischen Freiheitsideen lehrte, wurde er 1957 aus politischen Gründen – nicht
wegen seines Alters von 72 Jahren – emeritiert. Gegen diese Zwangsemeritierung sprachen
sich damals öffentlich eine Reihe von Wissenschaftlern und Studenten aus, u. a. sein
bekannter Professorenkollege Emil Fuchs sowie dessen bei Bloch studierender Enkel Klaus
Fuchs-Kittowski. Zudem hatte Rugard Otto Gropp, ein Leipziger Kollege, mit einem Artikel im
Neuen Deutschland vom 19. Dezember 1956 eine politische Kampagne gegen Bloch
begonnen und ihn darin u. a. als Idealisten kritisiert.[13] Arno Münster schreibt, Gropp habe
den Artikel auf Anweisung von höherer Stelle aus verfasst und sollte damit eine Anklage
gegen Bloch wegen Revisionismus vorbereiten.[14] Nach dem Bau der Berliner Mauer kehrte
Bloch 1961 von einer Reise in den Westen und dem damit verbundenen Besuch der
Bayreuther Festspiele nicht mehr in die DDR zurück.
Bundesrepublik und
Studentenbewegung
Tod
Am 4. August 1977 starb Ernst Bloch im Alter von 92 Jahren. Ungefähr 3000 Studenten
versammelten sich an seinem Todestag zu einem Fackelzug.[18] Seine letzte Ruhestätte fand
er auf dem Tübinger Bergfriedhof.
Blochs Philosophie
Ernst Bloch ist der Philosoph der „konkreten Utopien“, der Tagträume, des Prinzips Hoffnung.
Im Zentrum seines Denkens steht der über sich hinausdenkende Mensch. Das Bewusstsein
des Menschen ist nicht nur das Produkt seines Seins, es ist vielmehr mit „Überschuss“
ausgestattet. Dieser „Überschuss“ findet seinen Ausdruck in den sozialen, ökonomischen und
religiösen Utopien, in der bildenden Kunst, in der Musik und in den Tagträumen.
Als Marxist sieht Bloch im Sozialismus und Kommunismus die Instrumente, diesen
„Überschuss“ in die Tat umzusetzen. Untypisch für einen Marxisten ist seine starke
Hinwendung zur Metaphysik. Im Zentrum seiner Überlegungen steht dabei das „Noch-Nicht-
Gewordene“, das für unser „Jetzt“ kennzeichnend ist. Der Mensch, die Gesellschaft ist „noch
nicht bei sich angekommen“, weil wir noch Mangel fühlen. Alles Seiende umgibt jedoch ein
„Bedeutungshof“ seiner unrealisierten Möglichkeiten, der uns „auf den Weg bringen“ kann,
das „Noch-Nicht-Haben“ in ein Haben, das „Noch-Nicht-Sein“ in ein Sein und das „Noch-Nicht-
Bewusste“ in ein Bewusstes umzuwandeln.
Ernst Bloch ist nicht nur „der deutsche Philosoph der russischen Oktoberrevolution“ (Oskar
Negt),[19] sondern entwickelte eine selbstbewusste Philosophie des „Tertium“, also des
Dritten, einer Lage zwischen Nicht-Mehr- und Noch-Nicht-Sein, die sozialwissenschaftlich-
methodologisch bisher kaum aufgenommen worden ist;[20] sie unterscheidet sich
geschichtlich-methodisch von anderen Ansätzen marxistischer Philosophen auch dadurch,
dass Bloch eine enge Beziehung zwischen sozialistischen und christlichen Gedanken sah.
Bedeutsam sind auch Ernst Blochs Konzeptionen der Ungleichzeitigkeit, wie er sie in den
1930er und 1960er Jahren äußerte. In „Erbschaft dieser Zeit“ (1934) erklärte er die
Attraktivität des Nationalsozialismus durch ungleichzeitige Widersprüche im Kapitalismus,
die zum gleichzeitigen Widerspruch zwischen Kapitaleigentümern und Lohnarbeitern „schief“
hinzukämen. Durch die fehlenden Revolutionen in Deutschland seien bestimmte Schichten
(„Kleinbauern“, „Kleinproduzenten“, „Kleinhändler“ und Angestellte als kleinbürgerlicher
Sonderfall) nicht nur rückständig („unechte Ungleichzeitigkeit“), sondern in ihren
anachronistischen Produktionsweisen („echte Ungleichzeitigkeit“) verflochten mit dem
Kapital. Die marxistische Analyse dürfe nicht nur kalt den gleichzeitigen Widerspruch
analysieren, sondern müsse auch den Wärmestrom unabgegoltener Kämpfe und Utopien
berücksichtigen. In der „Tübinger Einleitung in die Philosophie“ Anfang der 1960er Jahre
bezog Bloch Ungleichzeitigkeit auf unterschiedlichen Fortschritt. Hier distanzierte er sich von
der „reaktionären Kulturkreistheorie“, da alle Kulturen denselben dialektischen Gesetzen in
ihrer Entwicklung unterworfen seien und denselben Zielinhalt der Menschlichkeit (einendes
„konkret-utopisches Humanum“) in einem „Reich der Freiheit“ verfolgten. Bloch spricht hier
vom „Multiversum“: „Der Fortschrittsbegriff duldet keine 'Kulturkreise', worin die Zeit
reaktionär auf den Raum genagelt ist, aber er braucht statt der Einlinigkeit ein breites,
elastisches, völlig dynamisches Multiversum, einen währenden und oft verschlungenen
Kontrapunkt der historischen Stimmen.“[21]
Ernst Bloch hatte auf Grund seiner kenntnisreichen und originellen Ausführungen zu Themen
der Religion, speziell des Judentums und Christentums sowie zum Atheismus großen
Einfluss auf die Theologie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, beispielsweise auf
Jürgen Moltmann und auf Dorothee Sölle. Das äußert sich beispielhaft an den
korrespondierenden Titeln Das Prinzip Hoffnung von Ernst Bloch und Theologie der Hoffnung
von Jürgen Moltmann sowie von Ernst Blochs Atheismus im Christentum und Dorothee Sölles
Atheistisch an Gott glauben. Der Religionsphilosoph Hans Jonas nannte seine Ethik für die
technologische Zivilisation 1979 programmatisch Das Prinzip Verantwortung.
Am Atheismus beanstandet er die Leere, den „Hohlraum“, der hinterlassen wird, wenn man
die Religion entfernt. In diese Hohlräume treten nach Bloch neue, dunkle und dumpfe Inhalte.
Als Beispiel nennt er die Zeit des Nationalsozialismus.
Wärmestrom/Kältestrom
Ungleichzeitigkeit
Konkrete Utopie
In-Möglichkeit-Seiendes
Wirkung
Ernst-Bloch-Zentrum in Ludwigshafen
Es existiert keine philosophische Schule, die sich auf Ernst Bloch beruft, jedoch wird seine
Philosophie weltweit rezipiert. Seine Werke sind in mehr als 30 Sprachen übersetzt worden.
Zu den letzten Schülern Ernst Blochs aus den Leipziger Jahren in Deutschland zählen: die
Schriftstellerin Ingrid Zwerenz,[23] der Kolumnist und Philosoph Günter Zehm (Pankraz), der
Schriftsteller Volker Braun (Training des aufrechten Ganges), der Schriftsteller Friedrich
Dieckmann (Viele Kammern im Welthaus), der Hörspielautor und Dramaturg Siegfried Pfaff
(Regina B. Ein Tag in ihrem Leben) sowie die Philosophen Burghart Schmidt, Gerd Irrlitz (Kant
Handbuch) und Thomas M. Haase (Eine Studie zum älteren Werk Max Kretzers) (Viernheim).
Trivia
Der Allgemeine Studentenausschuss (AStA) der Eberhard-Karls-Universität Tübingen widmete
die Universität nach Blochs Tod 1977 symbolisch zur „Ernst-Bloch-Universität“ um. Die
Entscheidung wurde 2017 mit der Begründung zurückgenommen, nicht alle Studenten
könnten sich mit der politischen Ausrichtung Blochs identifizieren; eine gleichnamige
Hochschulgruppe besteht fort.[26]
Auszeichnungen (Auswahl)
Literatur
Filme (Auswahl)
Weblinks
Einzelnachweise
Abgerufen von
„https://de.wikipedia.org/w/index.php?
title=Ernst_Bloch&oldid=242550179“