Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Neue Drogen Mehr Drogen PDF
Neue Drogen Mehr Drogen PDF
Ein Essay
"Die Geschichte lehrt immer wieder: versucht man die Struktur der
Menschen allein zu ändern, so widerstrebt die Gesellschaft. Ver-
sucht man die Gesellschaft allein zu ändern, so widerstreben die
Menschen. Das zeigt, daß keines für sich allein verändert werden
kann, was begreiflich ist, denn subjektive menschliche und objek-
tive gesellschaftliche Struktur sind nicht nur einander gegensei-
tig Objekt, sondern auch identisch."(105, S.283-284)
Einführung
"Über Drogen etwas sagen zu wollen, nach De Quincey, nach Baudelaire,
nach Huxley und Michaux, nach Allen Ginsberg, nach Leary, Laing und
Castaneda, da noch etwas Neues über Drogen sagen zu wollen, ist ein
vermessenes und hoffnungsloses Unterfangen. Das Feld scheint ausge-
schöpft: in der Poesie und Malerei, in der Wissenschaft und in der
Politik" (141, S.105-106)*; das schrieb Wulff (141) bereits vor Jah-
ren - nichtsdestotrotz will ich den Versuch hier machen und den Vor-
trag in 2 Teile gliedern. Zunächst geht es um Drogenmarktinforma-
tionen, um sogenannte harten Daten, dann anschließend um den gesell-
schaftliche Kontext, die individuelle Dynamik und Motivation des
Konsumenten, die drogenpräventiven und drogentherapeutischen (Un)Mög-
lichkeiten.
Drogenmarkt aktuell
Zur Zeit erleben wir in der BRD eine neue, die 5. Drogenwelle. Nach
der Marihuana- und Haschischwelle, der LSD-Welle, der Heroinwelle und
der Kokainwelle schwappt nunmehr die Welle synthetischer Drogen mit
verheerender und oft tödlicher Wirkung auf den Drogenmarkt. Die Situa-
tion ist derzeit dadurch gekennzeichnet, daß die BRD für sich fest-
stellen kann und muß, "in Europa das Heroin-Verbraucherland Nummer l
zu sein. Daran wird sich auch künftig nichts ändern. Im Gegenteil,
schon heute können wir feststellen, daß wir auch das Kokain-Verbraucher-
land Nummer l in Europa geworden sind.
In der Bundesrepublik haben inzwischen mehr als 3 Mill. Jugendliche
von insgesamt 9 Mill. zwischen 10 und 20 Jahren schon einmal illegale
Rauchgifte probiert. Abhängig ... sind heute nach den
neuesten Erkenntnissen der Europa-Statistik zwischen 80.000 und 100.000.
* s. 5; 21; 22; 23; 31; 32; 64; 79; 94
- 2-
Haschisch
Haschisch wird in seiner Wirkung bezüglich Intensität und Qualität so-
wohl von der Höhe der Dosis wie auch der Persönlichkeit des Konsumen-
ten bestimmt. "Der Cannabisrausch macht im allgemeinen euphorisch,
häufig wird der Konsument von Heiterkeit geradezu überwältigt. Aggres-
sivität ist äußerst selten - im Gegensatz etwa zur Alkoholwirkung.
Charakteristisch ist die Veränderung der Sinneseindrücke bzw. deren
Verarbeitung: akustische Reize, z.B. Musik, werden verschärft und be-
sonders eindringlich, oft verzerrt, wahrgenommen. Optische Reize,
Formen und Farben wirken äußerst intensiv, es kann -wie bei anderen
- 3-
LSD
LSD ist heute kaum noch ein Thema in Therapien aufgrund seiner Unbe-
rechenbarkeit: "Im LSD-Rausch verschwinden die Grenzen zwischen dem
erlebenden Ich und der Außenwelt mehr oder weniger. Das kann als be-
glückendes, ja beseligendes Einheitserlebnis empfunden werden oder
aber als dämonische, mit dem Verlust des vertrauten Ich einhergehende,
Entsetzen einflößende Wandlung. Ob die Reise ins Paradies oder in die
Hölle führt, kann nicht vorausgesehen werden. Darin liegt die eigentliche
Gefahr des LSD. Die mit einem Höllen-Trip verbundenen Verwirrtheitszustände
- 4 -
Heroin
Heroin -ein Opiat- ist zur Zeit die Droge: Opiate "wirken vor allem auf
das zentrale Nervensystem, allerdings nicht bei allen Menschen gleich.
Es kommt darauf an, ob die hemmenden oder die erregenden Effekte über-
wiegen. Bei kleinen Dosen kann es sowohl zu Müdigkeit bzw. Schläfrigkeit
als auch zur Euphorie kommen. Die Morphineuphorie ist ein Zustand, in
dem die Affekte, die Stimmung und Gefühl bestimmen, nicht mehr voll wirk-
sam werden. Dadurch werden Ängste und Konflikte -vor allem im Zusammen-
hang mit Aggressionen, Schmerz und Sexualität- bedeutungslos oder treten
gar nicht mehr auf. ... Vor allem bei Ersteinnahme können auch Angst,
Mißmut und Unlustgefühle im Vordergrund stehen. Hohe Dosierung kann
zentrale Dämpfung, tiefen Schlaf und sogar ein Koma bewirken. Alle
Substanzen wirken schmerzlindernd" (40, S.27-28). Die Entzugssymptome
"steigern sich von tränenden Augen, laufender Nase, Schweißausbrüchen,
unruhigen schlafähnlichen Zuständen und Angstgefühlen über Pupillener-
weiterung, Appetitlosigkeit, Unruhe, Zittern bis zu Schlaflosigkeit,
Übelkeit, Erbrechen, Krämpfen im Bauchbereich, Durchfall. Nicht selten
tritt ein lebensbedrohlicher Kreislaufkollaps auf. In diesem Stadium
kann es zu Delirien, tiefsten Depressionen, elementarer Angst mit hoher
Suicidgefahr, eventuell auch zu halluzinatorischen Psychosen und cerebra-
len Krampfanfällen kommen" (40, S.29); s.a. Cohen (26) und Wüster (140).
"nimmt der opi opium
bringt opium den opi um"
Kokain
Kokain erregt schon in kleinen Dosen das gesamte zentrale Nervensystem
und bewirkt "Ruhelosigkeit, Redseligkeit, Schlaflosigkeit. Der Konsument
hat das subjektive Gefühl von erhöhter körperlicher und geistiger Lei-
stungsfähigkeit und damit ein gesteigertes Selbstbewußtsein. Dieser
euphorische Zustand wird begleitet von gesteigerter Empfindlichkeit vor
allem der visuellen Wahrnehmung und des Gehörs. Es kommt zu sexueller
Erregung. Optische, akustische und taktile Halluzinationen können auf-
- 5-
Designer-Drogen
Die neuen synthetischen Rauschgifte werden auch 'Designer-Drogen' genannt,
weil ihre Hersteller sie wie Architekten entwerfen und immer wieder ab-
wandeln."Das Unglaubliche dabei: die gewissenlosen Chemiker dürfen ihre
Zutaten ganz legal in jeder Apotheke oder Chemikalienhandlung kaufen.
Aus den bekannten und z.T. harmlosen Grundsubstanzen entstehen im Labor
chemische neuartige, hochpotente Suchtmittel, die den Behörden anfangs
unbekannt sind und die deshalb auch auf keiner Verbotsliste stehen. ...
Vorbilder für die Designer-Drogen sind in der Regel hoch wirksame Medi-
kamente, z.B. Fentanyl (ein Narkosemittel), Pethidin (ein Schmerzhemmer)
oder das schon seit 100 Jahren bekannte Aufputschmittel Amphetamin. ...
Amerikanische Labortäter entdeckten das Betäubungsmittel Fentanyl als
Droge und wandelten seine chemische Struktur geringfügig ab. Damit hatten
sie eine neue, offiziell unbekannte Drogensubstanz geschaffen. Als die
Behörden sie verboten, änderten die Chemiker die Zusammensetzung erneut.
Wieder war eine Droge entstanden, die zunächst ganz legal verkauft werden
durfte. Rund 30 solcher Fentanyl-Verbindungen sind bisher auf dem Drogen-
markt aufgetaucht - mehr als 1000 sind theoretisch denkbar.
Die Wirksamkeit mancher Retortendroge ist so hoch, daß sie das ohnehin
schon starke Heroin 300-, 1000- oder in einem Fall sogar 7000-mal über-
treffen können. Weil die Wirkung so extrem hoch ist, lassen sich die
synthetischen Rauschgifte kaum exakt dosieren. Schon ein winziges 'Staub-
partikelchen1 zuviel löst eine Katastrophe aus. Sie sind die Ursache von
hunderten von Todesfällen in den USA und einigen in der Bundesrepublik.
Aber auch die 'richtige' Dosierung schützt keineswegs vor gesundheitlichen
Schäden. Je nach Substanz auftretende Gedächtnislücken, Depressionen,
starke Verfolgungsängste, Halluzinationen und aggressives 'Durchdrehen'
sind noch relativ harmlose Erscheinungen, die dem kurzen Höhenflug folgen.
An die negativen Folgen denkt natürlich keiner von denen, die das neue
Rauschgift probieren. Im Gegenteil. Namen wie 'Engelsstaub', 'Cosmic Space'
oder 'Cadillac' klingen ja nicht nach körperlicher und seelischer Zerstörung.
- 6-
Crack
Dann ist da noch Crack, zu deutsch "Mauerputz" (98) - "das neue 'Volks-
Kokain' oder auch 'Fast-Food-Kokain'; Crack (Kokainbase) entsteht durch
chemische Umwandlung der Substanz Kokainhydrochlorid. Es wird mit kohlen-
saurem Natrium (Backpulver) und Wasser über einer heißen Flamme zusammen-
gebacken. Dabei vergrößert sich das Volumen um das 6-fache. Crack wird
mit einer Pfeife oder als Joint -meist in Verbindung mit Marihuana oder
Tabak- geraucht. Das 'Volks-Kokain' ist billig. ... Die Wirksamkeit von
Crack ist dadurch gegeben, daß durch das Rauchen eine starke Resorption
in den Lungen erfolgt, was eine Anflutung im Gehirn innerhalb weniger
Sekunden zur Folge hat. Der erlebte Effekt ist explosiv und kann tötlich
wirken. Dieser plötzliche starke Rausch, verbunden mit einem intensiven
starken euphorischen Zustand, hält höchstens 20 Minuten an. Danach folgt
eine Phase der Ruhelosigkeit, Gereiztheit, aber auch absoluter Depression.
Crack ist in der Zwischenzeit auch in der Bundesrepublik vorhanden. Labo-
ratorien zur illegalen Herstellung von Crack sind entdeckt worden; es hat
erste Tote gegeben. Aber zu der befürchteten Crack-Welle ist es bisher
noch nicht gekommen" (124, S.15-16); s.a. Spiegel-Spezial (126, S.49-55).
- 7 -
Lösungsmittel
Weiter steigt die Tendenz zum Schnüffeln von Lösungsmitteln und Kleb-
stoffen (2): es wird geschätzt, daß 30.000 bis mehr als 300.000 Schüler
und Studenten täglich schnüffeln, so die Angaben der 'Schnüfflerhilfe'
München(102) und von Speckmann (124, S.16). Schnüffler atmen fast alle
lösungsmittelhaltigen chemischen Verbindungen ein, um in einen rausch-
ähnlichen Zustand zu geraten. Die Gefahr des Langzeitschnüffelns liegt
in der Schädigung von Nervensystem und Gehirn, die im Extremfall bis
zum Schwachsinn führen kann. Sehr früh kommt es zu einer psychischen
Abhängigkeit. Die bisher einzige Schnüfflerhilfe in der Bundesrepublik
macht die Öffentlichkeit darauf aufmerksam, daß immer mehr Kinder und
Jugendliche Erfahrungen mit dem Einatmen von Lösungsmitteln machen.
"Längst sei Schnüffeln keine 'Droge der Arbeiterkinder' mehr, der Miß-
brauch von Lösungsmitteln gehe inzwischen durch alle Bevölkerungsschich-
ten" (102, S.44) . -
Süchtige Gesellschaft
Führen wir die Ist-Analyse fort: "Wir leben in einer drogenfreundlichen
Gesellschaft, die das Bedürfnis nach dem Konsum psychoaktiver Mittel
Tag für Tag neu intensiviert. Die Errichtung einer drogenfreien Gesell-
schaft ist absurd und zugleich utopisch. Wir alle müssen lernen, kon-
trolliert mit den in dieser Gesellschaft zur Verfügung stehenden Drogen
umzugehen, ohne daß es zu einem abhängigen Verhalten kommt. Es gibt
immer Gebrauch, aber auch Mißbrauch von legalen wie illegalen Drogen"
(118,5.107).
Wenn unsere Gesellschaft einerseits derart "drogenfreundlich" ist, so
wehrt sie/wehren wir die eigene Süchtigkeit ab, kommt es zum inflationären
und unreflektierten Gebrauch des Suchtbegriffs(109; 66; 85): allein die
Wortneuschöpfungen mit der Komponente 'Sucht' erhalten nach einer Unter-
suchung von Deissler (29) immer häufiger eine negative, oft jugendfeind-
liche Bedeutung: dies könne "eine Ventilwirkung für bewußt oder offen
nicht zugegebene Feindseligkeit der begriffsbildenden und die Medien
beherrschenden Generation gegenüber der nächsten, der jungen Generation
- 8-
sein". Damit aber handelt es sich um ein Generationen- und ein gesamt-
gesellschaftliches Problem, das u.a. durch einen Wertewandel gekenn-
zeichnet und bedingt ist, das auch durch geschriebene Verständigungs-
texte (96) nicht überbrückt werden kann. Nach demoskopischen Umfragen
breiten sich "gerade jene Einstellungen weiter aus, die den Gebrauch
von Rauschgift so verlockend machen. Auf die Frage: 'man fragt sich ja
manchmal, wofür man lebt, was der Sinn des Lebens ist. Worin sehen Sie
vor allem den Sinn des Lebens?1 antwortet seit 1974 eine ständig wachsende
Zahl in der deutschen Bevölkerung: den Sinn meines Lebens sehe ich darin,
'das Leben zu genießen' und 'daß ich glücklich bin, viel Freude habe'.
Die Vorstellung, man könne glücklich sein, Lebensfreude im direkten Zu-
griff gewinnen, macht den Drogengebrauch besonders verführerisch",
konstatiert Noelle-Neumann (97, S.27). Beim Stichwort 'Glück' fällt
dann aktuell schon auf, daß just das (pathologische?)Glücksspiel als
Form 'nicht-stoffgebundenen süchtigen Verhaltens' entlarvt wurde (13;
93; 78), daß der diesjährige Kongreß der Gesellschaft für wissenschaft-
liche Gesprächspsychotherapie unter dem ebenso unsinnigen wie bemerkens-
wertem Motto "Macht Therapie glücklich?" steht (86; 51) und daß in den
Hitlisten ein Song mit dem Titel "Don't worry - be happy" hoch oben
steht. Offensichtlich werden ergänzend neben sportlichen Aktivitäten
über die Massenmedien Verfahren und Therapien angeboten, die in unserer
Gesellschaft eine Kompensation der alltäglichen Belastungen (s. 6) ver-
sprechen. "Ihre Attraktivität erhalten solche Angebote darüberhinaus
durch den Hinweis, daß nach einiger Übungszeit neue Erfahrungs- und
Erlebnisdimensionen entwickelt sind, die ein glückliches und zufrieden-
stellendes Leben ermöglichen: von befreiter, entspannter Sexualität
über lustvolle Formen körperlicher Bewegung bis hin zu der 'Aufweichung
des körperlichen Panzers', die als Voraussetzung für ein sensibles Leben
angesehen werden. Lust und Entspannung, sofern man sie nur in sich und
seinen Körper aufnehmen will, gelten als Synonym für Glück und Gesund-
heit. Dieser Hypostasierung selektiver Psychotherapien und ihrer ver-
meintlichen Wirkung kann inzwischen der Vergleich zur Werbung für
pharmazeutische Produkte hergestellt werden. Die Privatisierung und
Individualisierung gesellschaftlicher Konflikte und Probleme innerhalb
der Lebensbedingungen -deren historischer Verlauf von dem amerikanischen
Medizinsoziologen Renee Fox (1979) als 'from sin-to-crime-to-sickness
evolution1 charakterisiert wird- ist deshalb eine sozialpolitische und
-ökonomische Strategie der Prävention bzw. Intervention, die von 'der
Verherrlichung individuellen Selbstvertrauens gekennzeichnet ist' (...).
- 9-
Gesundheitspolitik
Zusammenfassend wird also die Situation des Jugendlichen in dieser Gesell-
schaft schwieriger. "Auch in der hochtechnisierten Dienstleistungsgesell-
schaft der 90er Jahre wird der Konsum die herrschende Ideologie bestimmen.
Sinngebung soll aus der materiellen Orientierung bezogen werden. ... Die
nachindustrielle Gesellschaft bringt verstärkt Lebensformen hervor, die
eine Erfüllung elementarer menschlicher Bedürfnisse (Geborgenheit, Aner-
kennung, Sinnorientierung ...) entgegenstehen. Menschliche Beziehungen
werden immer mehr 'professionalisiert'. Soziale Fähigkeiten verkümmern.
Alte und neue Medien bieten 'ein Leben aus zweiter Hand' und tragen bei
zu Selbstbezogenheit und Passivität. Immer schärfere Konturen gewinnt
die 'Zwei-Drittel-Gesellschaft1: ein Drittel der Bevölkerung gehört zu
den 'Randgruppen', zu den 'Ausgesetzten' und 'Abweichlern', die nicht
teilhaben an Wohlstand und gesellschaftlichem Leben.
Auf dem Drogenmarkt wird die Verfügbarkeit über Drogen aller Art so groß
sein wie nie zuvor. Die neuen synthetischen Drogen und die Entwicklungen
auf dem Pharmamarkt lassen die Unterscheidung zwischen legalen und ille-
galen Drogen immer künstlicher werden. Neue synthetische Drogen ('Designer-
Drugs 1 ) und neue Kokain-Aufbereitungen ('Crack'), die billiger sind und
schneller wirken als die herkömmlichen Drogen, erschließen einen neuen
Konsumentenkreis. Drogenkonsum ist nicht gleichbedeutend mit Aufbegehren
und Revoltieren: es gibt immer mehr unauffällige, angepaßte und karriere-
bewußte Konsumenten. 'Anpassungsdrogen' treten an die Stelle von 'Aus-
steigerdrogen'" (81, S.23); s.a. Deissler (30).
Die Bundesregierung stellt hierzu in ihrem sogenannten Drogenreport (34)
ebenso vereinfachend wie platt fest: "Drogenmißbrauch stellt damit nur
das erkennbare, äußere Symptom dar, dessen Grundproblematik einzuordnen
- 12 -
Gesellschaftspessimistischer Ausblick
Entsprechend balanciert die Drogenpolitik, Drogenerziehung und Drogen-
prävention zwischen Abschreckung, Ausgrenzung und Kriminalisierung als
114)
Reaktion der Gesellschaft einerseits (38; una filigraner Einzelfall-
hilfe mit individueller Sinnsuche als Gegenreaktion der Person anderer-
seits (106) . Von den politischen Repräsentanten der Gesellschaft im
Stich gelassen und wechselseitig als Sündenböcke identifiziert bleibt
den Eltern nur die Anerkennung eigenen Unvermögens (43; bei gleichzei-
tiger Selbsthilfe in den Elternkreisen drogengefährdeter und drogenab-
hängiger Jugendlicher (92; 126, S.83-89; 138; 111; 107), bleibt den be-
troffenen Abhängigen nur das individuelle Management der Sucht verbun-
den mit eigener Wertorientierung und Sinnvermittlung (74; 39; 46; 47), die
Spaltung in ein kooperationswilliges Subjekt und krankes Objekt, um vielleicht
allein,vielleicht im Rahmen der therapeutischen Beziehung das Drogenproblem zu bearbei-
ten (48), letztlich seinen Weg zu finden (83) . Insofern ist der Weg das
Ziel, ist jeder Weg individuell (1; 123, s.a.116) und für manchen gar
(52;59;117)
als 'Selbstheiler' gangbar ' '. D.h. auch, "daß die Wert- und Sinn-
frage stets auf die jeweilige Person bezogen ist, sowohl vom Patienten
als auch vom Therapeuten her gesehen, und daß es sich dabei um einen
sehr intimen Bereich handelt, bei dem es weniger um große Worte geht,
als um die Vorstellung eines wesentlicheren Lebens" (3, S.155).
Fazit
"Da hier noch keine Trendwende auf breiter Ebene in Sicht ist, wird
die passive Konsumhaltung als einer der wesentlichen Risikofaktoren
für das Entstehen von Drogenabhängigkeit wahrscheinlich auch in den
90er Jahren bestimmend bleiben.
Ob die sogenannte 'New Age'-Bewegung mehr wird als eine esoterische
'Nabelschau1 und sich zu einer gesellschaftspolitisch relevanten
ökologisch orientierten Gegenbewegung entwickelt, scheint eher frag-
würdig. Augenblicklich wirkt sie mehr wie eine erneute 'Flucht in
die Innerlichkeit'" (139, S.450); s.a. Keupp (70).
1. Allport, Gordon W.: Gestalt und Wachstum in der Persönlichkeit.
A. Hain Verlag, Meisenheim (1970) 288-291
2. Altenkirch, Holger: "Schnüffelsucht". Lösungsmittelmißbrauch und Lösungs-
mittelabhängigkeit bei Kindern und Jugendlichen.
in: DA 43 (1981) 2025-2030
3. Aßfolg, Reinhold: Die Bedeutung der Sinnfrage im therapeutischen Setting
einer stationären Einrichtung.
in: DHS (1986) a.a.O., 149-155
4. Balint, Michael: Angstlust und Regression.
Klett-Cotta Verlagsgem., Stuttgart (1988)
5. Baudelaire, Charles: Oeuvres completes. 2 Bände.
Bibliotheque de la Pleiade, Paris (1975/76)
(erwähnt bei Wulff (1981) a.a.O., 105)
6. Beck, Ulrich: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt (1986)
7. Becker-Schmidt, Regina: Vorwort zu Ziehe (1984) a.a.O., IX-XII
8. Behrends, Kurt: Mißbrauch von Tranquilizern und Amphetaminen und ärztliche
Verschreibungspraxis.
in: Völger .. (1982) a.a.O., 1095-1107
9. Berger, Herbert: Zukunftsperspektiven der Arbeit mit Abhängigen von illegalen
Drogen. Die gesellschaftliche Dimension.
in: Suchtgefahren 33 (1987) 6, 444-448
10. Bergeret, Jean: Toxicomanie et personnalite.
Presses Universitaires de France, Paris (1982)
11. BMFJG (Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit): Drogenbeauf-
tragte warnen vor der Methadon-Abgabe an Süchtige.
Pressedienst Nr. 75, Bonn (21.06.85)
12. BMFFJG (Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit): Ver-
stärkerprogramm zum Ausstieg für Drogenabhängige vorgestellt.
Pressedienst Nr. 158, Bonn (22.08.88)
13. Brengelmann, Johannes C.: Spiel, Freiheit und Abhängigkeit,
in SuchtReport SR 5 (1987) 3-11
14. Brengelmann, J.C.; G. Müller; R. Neubauer; B. Perleth: Risiko-/Lustaktivitäten.
Kultur - Geschicklichkeitsspiele - Maßhaltung - Risikolust - Geldspiele - Spar-
samkeit - Konsumlust.
Bild- und Verlagsanstalt / Liechtenstein Verlag, Vaduz (1988)
15. Bron, Bernhard: Psychopathologisches Erscheinungsbild und klinische Bedeutung
des Horror-Trips.
in: Suchtgefahren 25 (1979) 4, 167-176
16. Bron, Bernhard: Drogeninduzierte Psychosen,
in: Nervenarzt 53 (1982a) 617-627
17. Bron, Bernhard: Drogenabhängigkeit und Psychose. Psychopathologische und
nosologische Aspekte drogeninduzierter Psychosen.
in: Suchtgefahren 28 (1982b) 49-66
18. Bruder-Bezzel, A.; K.-J. Bruder: Unter den Talaren der Muff von 10 Jahren:
Die Theorie vom Neuen Sozialisationstyp.
in: Psychologie und Gesellschaftskritik 11 (1979) 19-32
19. Bundesverband der Elternkreise (Hrsg.): Verzeichnis Elternkreise drogenge-
fährdeter und drogenabhängiger Jugendlicher.
Hamm (1988)
II
38. DHS (Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren): Sucht und Gesellschaft.
Ursachen - Folgen - Zusammenhänge.
Schriftenreihe zum Problem der Suchtgefahren Band 26.
Hoheneck-Verlag, Hamm (1984)
39. DHS (Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren): Sinnfrage und Sucht-
probleme. Menschenbild - Wertorientierung - Therapieziele.
Schriftenreihe zum Problem der Suchtgefahren Band 28.
Hoheneck-Verlag, Hamm (1986)
40. DIFF (Deutsches Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen):
Beratung bei Rauschmittelproblemen. Fernstudium zum Beratungslehrer.
Studienbrief 12, Tübingen (1982)
41. Dörner, K.; U. Plog: Irren ist menschlich oder Lehrbuch der Psychiatrie/
Psychotherapie.
Psychiatrie-Verlag, Wunstorf (1978) 175-216
42. Erben, R.; P. Franzkowiak, E. Wenzel: Die Ökologie des Körpers. Konzeptio-
nelle Überlegungen zur Gesundheitsförderung.
in: Wenzel, E. (Hrsg.): Die Ökologie des Körpers.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt (1986) 13-120
43. Esch, Karlheinz: Vorbeugen gegen Drogen - schon im Kindesalter? Viele
sind Opfer ihres Unvermögens.
in: ZVS 21 (1988) 3, 39-40
44. Feuerlein, Wilhelm: Stand der Alkoholismusforschung,
in: Völger .. (1982) a.a.O., 1375-1381
45. Fichte, Hubert: Die Palette. Roman.
Rowohlt Verlag, Reinbek (1970)
46. Frankl, Viktor E.: Zur Pathologie des Zeitgeistes.
in: Frankl, V.E. (Hrsg.): Der Mensch auf der Suche nach dem Sinn. Zur Rehuma-
nisierung der Psychotherapie.
Herder Verlag, Freiburg (1975) 11-22
47. Frankl, Viktor E.: Das Leiden am sinnlosen Leben.
in: Frankl, V.E. (Hrsg.): Das Leiden am sinnlosen Leben. Psychotherapie
für heute.
Herder Verlag, Freiburg (1984) 11-34
48. Giesen, Bernhard: Die Gesellschaft als Konsument der Sucht,
in: DHS (1984) a.a.O., 125-134
49. Gilbert, Richard: Koffein - Forschungsergebnisse im Überblick,
in: Völger .. (1982) a.a.O., 1362-1374
50. Guggenberger, Bernd: Sein oder Design. Zur Dialektik der Abklärung.
Rotbuch Verlag, Berlin (1987)
51. GwG (Gesellschaft für wissenschaftl. Gesprächspsychotherapie): GwG-Kongreß
1989 "Macht Therapie glücklich?". Bewährtes Handeln und neue Herausforde-
rungen in Klientenzentrierter Psychotherapie und Beratung.
Köln (20.-24.02.89)
52. Happel, Hans-Volker: Selbstorganisierte Wege aus der Drogenabhängigkeit,
in: Suchtgefahren 34 (1988) 6, 491-496
53. Heckmann, Wolfgang: Wie man vom "Schnee" wieder herunter kommt,
in: Psychologie heute 13 (1986) 5, 48-53
54. Heckmann, Wolfgang: Therapie für Kokainisten.
in: Soz.psych. Inf. 17 (1987) l, 37-42
55. Henseler, Heinz: Narzißtische Krisen. Zur Psychodynamik des Selbstmords.
Rowohlt Verlag, Reinbek (1974) insb. 84-85, 177-182
IV
56. Heider, Chr.; R. Schwendter; R. Weiß (Hrsg.): Politik der Seele. Reader
zum Gesundheitstag Kassel '87
AG SPAK / Verein zur Förderung der Sozialpolit. Arbeit, Kassel (1988)
57. Heinzen, G.; U. Koch: Von der Nutzlosigkeit, erwachsen zu werden.
Rowohlt Verlag, Reinbek (1986)
58. Hignett, Sean: Liverpool 8. Roman.
Rowohlt Verlag, Reinbek (1970)
59. Hippel, Eike von: Drogen- und Aidsbekämpfung durch Methadon-Programme?
in: ZRP 8 (1988) 289-293
60. Hoffmann, Josef: Popmusik, Pubertät, Narzißmus,
in: Psyche 42 (1988) 11, 961-980
61. Hofmann, Albert: LSD - Seine Erfindung und Stellung innerhalb der Psycho-
drogen.
in: Völger .. (1982) a.a.O., 1118-1127
62. Hollstein, Walter: Die Gegengesellschaft. Alternative Lebensformen.
Rowohlt Verlag, Reinbek (1981)
63. Huebner, M.; A. Krafft; G. Ortmann: Auf dem Rücken fliegen. Thrills am Com-
puter.
in: Psyche 42 (1988) 12, 1096-1128
64. Huxley, Aldous: The Doors of Perception. Heaven And Hell.
Harmondworth (1959)
(erwähnt bei Wulff (1981) a.a.O., 105)
65. Jäckle, Renate: Gegen den Mythos ganzheitliche Medizin.
Konkret Literatur Verlag, Hamburg (1985)
66. J.M.: Krankheits- und Suchtbegriff im Wandel,
in: DBA 4 (1986) 154-155
67. Josuttis, Manfred: Unbeholfene Überlegungen zu einer alternativen Drogen-
politik.
in: Völger .. (1982) a.a.O., 1284-1292
68. Kandel, Denise B.: Entwicklungsstadien beim Drogengebrauch Jugendlicher,
in: Völger .. (1982) a.a.O., 1108-1117
69. Kapuste, Hannes: 'Münchner Freiheit1,
in: Psychologie heute 5 (1978) 9, 60-66
70. Keupp, Heiner: Psychokultur und New Age. Interpretativer Zugang jenseits
von Denunziation.
in: Heider, Chr. u.a. (1988) a.a.O., 291-303
71. Kievelitz, Uwe: Der Krieg gegen Drogen - Kritische Anmerkung zum Aufsatz
von Thomas Szasz.
in: Völger .. (1982) a.a.O., 1348-1353
72. Kobbe, Ulrich: Vom Drogenmißbrauch zur Wunschökonomie. Perspektiven der
Therapie mit Sucht- und Drogenabhängigen unter Zwangsbedingungen.
in: MMG 10 (1985) 4, 273-280
73. Krystal, H.; H.A. Raskin: Drogensucht. Aspekte der Ich-Funktion.
Verlag für Med. Psychologie, Göttingen (1983)
74. KSA (Katholische Sozialethische Arbeitsgemeinschaft): Sinnfindung als Auf-
gabe in der Suchtprävention. Anfragen - Ansätze - Angebote.
Schriftenreihe "Aktuelle Orientierungen: Suchtgefahren" Heft 9.
Hoheneck-Verlag, Hamm (1985)
75. Kubenka, Clemens: Die Drehtür kann anhalten. Erste Studie über die Selbst-
heilung von Fixern.
in: Frankfurter Rundschau o.Nr. (03.09.88) o.S.
v
92. Meyer, Eise: Eltern im Drogenproblem. Erfahrungen aus der Hilfe durch
Selbsthilfe.
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt (198 )
93. Meyer, Gerhard: Pathologisches Glücksspiel.
in: KSA (Kath. Sozialethische Arbeitsgemeinschaft): Sogenannte neue Süchte.
Phänomene - Fragen - Ergebnisse.
Hoheneck-Verlag, Hamm (1984) 29-38
94. Michaux, Henri: Turbulenz im Unendlichen.
Frankfurt (1971)
(erwähnt bei Wulff (1981) a.a.O., 105)
95. Moebius, Monica: 'Münchner Freiheit II'.
in: Psychologie heute 5 (1978) 12, 52-60
96. Müller-Schwefe, R.; E. Schott (Hrsg.): Komm schwarzer Panther, lach noch
mal. Verständigungstexte über Drogen und Abhängigkeit.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt (1981)
97. Noelle-Neumann, Elisabeth: Drogengefahr als Thema von Umfragen,
in: SuchtReport SR l (1987) 23-28
98. o. Verf.: Crack. Schnee von morgen,
in: DER SPIEGEL 43 (1986) 147-150
99. o. Verf.: Drogen. Chemisch ruhig,
in: DER SPIEGEL 33 (1987) 32-34
100. o. Verf.: Amphetamin ist die neue Droge in Bayern,
in: SuchtReport SR 5 (1987) 46
101. o. Verf.: Drogen. Bröckelnde Front,
in: DER SPIEGEL 32 (1988) 29-30
102. o. Verf.: Schnüfflerhilfe: Klebstoffe nicht nur Partner des Fortschritts,
in: SuchtReport SR 5 (1988) 42-44
103. Plemper, Burkhard: Altfixer. Der Wettlauf mit der Nadel,
in: Sozialmagazin 11 (1986) l, 36-41
104. Rathsack, Helga: Methadon. Stellungnahme zur derzeitigen Diskussion,
in: SuchtReport SR 6 (1987) 55
105. Reich, Wilhelm: Massenpsychologie des Faschismus. Nachwort zur 2. Auflage.
Kopenhagen (1934)
106. Renn, Heinz: Die Bedeutung gesellschaftlicher Faktoren bei der Suchtent-
wicklung .
in: DHS (1984) a.a.O., 94-114
107. Rennert, Monika: Elternarbeit - Ein Stiefkind der Drogenberatungsstellen?
in: Suchtgefahren 26 (1980) 4, 189-194
108. Reuband, Karl-Heinz: Rauschmittelkonsum in der Bundesrepublik Deutschland,
in: Völger .. (1982) a.a.O., 1040-1051
109. Rieger, Prof.: Über die Trunksucht und die "Suchten" überhaupt. Fest-
schrift zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens der unterfränkischen Heil-
und Pflege-Anstlat Werneck (1855-1905) dargebracht von der Psychiatrischen
Klinik der Universität Würzburg.
Verlag von Gustav Fischer, Jena (1905); Reprint 1985
110. Rimek, J.; H. Renn: Wie sieht die Realpolitik zu "Sucht und Gesellschaft"
aus?
in: DHS (1984) a.a.O., 312-315
VII