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Cornelia Nienhaus
Einblicke
Einblicke
Was bedeutete das Glück für mich persönlich? Das Thema ließ
mich einfach nicht mehr los. Mehrere Tage stellte ich ernsthaf-
te und kritische Überlegungen an. Meine Gedanken kreisten
hauptsächlich um die letzten paar Jahre. Viel hatte ich erlebt,
viel war passiert. Was hatte ich durchgemacht und daraus ge-
lernt, und was hatte ich alles erreicht? War ich glücklich?
Nun, um das herauszufinden, kam ich auf die Idee alles nieder-
zuschreiben, was in den vergangenen Jahren geschehen war.
Dadurch erhoffte ich mir, eine ehrliche Antwort auf meine Fra-
ge zu finden. Bin ich glücklich?
Zusammen mit meinen Tagebüchern, die ich seit meiner Ju-
gendzeit mit allen meinen Gedanken, Hoffnungen und Wün-
schen gefüllt hatte, setzte ich mich hin und durchlebte beim
Schreiben noch einmal die ganzen schönen und weniger schö-
nen Erfahrungen, die ich gesammelt hatte.
Wenn ich auf die letzten paar Jahre meines noch jungen Lebens
zurückblicke, muss ich sagen, dass wirklich sehr schwere Zeiten
dabei waren. Krankheit, eine verlorene, große Liebe, Feindse-
ligkeiten und Vorurteile, die mir von anderen Menschen deut-
lich entgegengebracht wurden. Trotz dieser Schwierigkeiten
und der teilweisen Hoffnungslosigkeit, die ich dabei empfand,
habe ich gelernt das Beste aus diesen Situationen zu machen,
die Kraft gefunden, mich durchzukämpfen und endlich auch
wieder das Vertrauen zu meinem Bauchgefühl wiedererlangt.
Es war ein hartes Stück Arbeit mit vielen Rückschlägen, aber
nach sorgfältigem Überlegen, und nachdem ich alles aufge-
schrieben und noch einmal durchlebt hatte, kann ich heute mit
fester Überzeugung sagen, ja, ich bin sehr zufrieden mit mei-
nem Leben und habe auch viele Glücksmomente.
Nein, ich habe nicht das perfekte Häuschen, habe nicht den
perfekten Partner, keinen gut bezahlten Job und auch nicht viel
Geld. Im Gegenteil, ich wohne in einer winzigen Mietwohnung,
bin seit längerer Zeit Single, aus gesundheitlichen Gründen seit
einiger Zeit Rentnerin, beziehe einen Mini-Rentenbetrag, und
dennoch geht es mir heute so gut wie seit Jahren nicht mehr,
und ich habe wieder ein wundervolles Leben. Manch einer
wird sich wohl jetzt denken, das kann doch gar nicht sein, wie-
so ist sie denn so glücklich?
Lesen Sie weiter und ich sage es ihnen. Ich erzähle Ihnen ger-
ne, was in den letzten paar Jahren geschehen ist, und lasse Sie,
wenn Sie möchten, daran teilhaben, wie ich den Weg zu mei-
nem persönlichen, zufriedenen Leben mit häufigen Glücks-
momenten gefunden habe. Der Weg war lang und ziemlich
unwegsam, quasi eine Reise in die Hölle, aber auch wieder zu-
rück. Und wenn ich nun so an die Zeit zurückdenke, haben
mir alle Hindernisse und Stolpersteine, die mir das Schicksal
oder auch ich selber mir in den Weg stellten, geholfen, mein
persönliches Glück zu finden, und ich bin ausgeglichener und
zufriedener, als manch einer meiner Bekannten und Freunde,
die alles haben: Gesundheit, genug Geld, einen festen Partner
und ein tolles Haus. Wieso?
Als ich fünf Jahre alt war, sind meine Eltern, zusammen mit
meinen beiden älteren Brüdern, unserem Hund und mir, nach
Namibia ausgewandert. Nicht aus irgendwelchen tollen beruf-
lichen Gründen, nein, nur, weil meine Eltern Fernweh hatten.
Es waren ziemlich turbulente, aber auch schöne Jahre, die da-
mit endeten das wir, als ich sechzehn Jahre alt war, wieder zu-
rück in die Heimat, nach Deutschland kamen.
Wir zogen sehr oft um, ich wechselte öfter das Internat und die
Schule, ein richtiges Zigeunerleben für manche, für mich aber
völlig normal. Ständig wurden neue Freundschaften geschlos-
sen und alte dafür beendet oder lockerer geführt.
Als Teenie verliebte ich mich wie jedes andere Mädel auch un-
sterblich in einen Jungen, der meine Liebe aber niemals erwi-
derte und erlebte bei den Pfadfindern aufregende Abenteuer
in der Wildnis und Wüste. In der Pubertät fing ich an zu re-
bellieren, ließ mir von nichts und niemanden etwas vorschrei-
ben und tat mit meinen Freundinnen nur noch das, was ich
wollte. Zusammen stahlen wir uns öfters aus dem Internat, um
ein nächtliches Stelldichein mit den Jungs unten am Strand zu
genießen. Wie leichtsinnig und gefährlich das für uns als junge
Mädels war, war uns natürlich nicht bewusst, fühlten wir uns
doch in der Gruppe bärenstark und unbesiegbar.
Oft wurden wir erwischt, und die saftigen Strafen ließen nicht
lange auf sich warten, öfters aber konnten wir uns trotz der
wachsamen Augen der Erzieherinnen hinaus schleichen und
unsere Freiheit genießen.
Dann der erste Freund, die große Liebe, gefolgt von der ersten
Trennung, und ich meinte an zerbrochenem Herzen sterben zu
müssen aber ein paar Wochen später himmelte ich bereits wie-
der einen anderen Jungen an. Ja, ich habe zusammen mit den
anderen Mädels viel Mist gebaut und so manchen Schabernack
getrieben, Dinge, auf die ich jetzt im Nachhinein nicht mehr
ganz so stolz bin, und die ich deshalb auch gar nicht erst hier
niederschreibe. Das hat mit der Geschichte meiner vergange-
nen Jahre auch nicht wirklich viel zu tun. Das würde auch ein-
fach zu viel Zeit in Anspruch nehmen, denn es waren so eini-
ge Aktivitäten, die wir uns einfallen ließen, um Spaß und den
ultimativen Nervenkitzel zu erleben. Typische Jugendsünden
eben.
Meinen Schulabschluss bekam ich mit Ach und Krach hin und
hing dann in der Luft und wusste nicht so genau, was ich mit
meinem Leben anfangen wollte. Eher durch Zufall und mit-
hilfe meines Vaters bekam ich eine Lehrstelle als Arzthelferin
und fand den Beruf einfach großartig. Diese Arbeit war genau
das Richtige für mich. Abwechslungsreiche, anspruchsvolle
Tätigkeiten und jeden Tag der Umgang mit vielen Menschen.
Die Praxis, in der ich meine Lehrstelle ausübte, war ein echter
Glücksgriff. Nette Chefs mit noch netteren Arbeitskollegin-
nen. Natürlich gab es dort ab und an auch Unstimmigkeiten,
die aber immer schnell beseitigt wurden. Das Einzige, was ein
bisschen nervenaufreibend war, war der Putzfimmel, den einer
unserer Chefs hatte. Ständig mussten wir die komplette Praxis
von oben bis unten putzen. Sämtliche Ritzen, jedes Rohr im
Keller, einfach alles. Nach solch einer Putzaktion ging dann der
Chef durch jeden einzelnen Raum und überprüfte ganz peni-
bel jede Stelle, die ihm einfiel. Es war wirklich sehr schwierig,
seinen Anforderungen in dieser Sache entsprechend zu genü-
gen. Trotzdem liebte ich diese Arbeit und mit sehr viel Diszi-
plin und Fleiß schaffte ich einen sehr guten und erfolgreichen
Abschluss.
Das eine Jahr, das ich noch da bleiben musste, um meine Lehre
zu beenden, war nicht immer leicht gewesen und nur zu oft
hätte ich gerne aufgegeben und die Brocken hin geschmissen.
Regelmäßig telefonierte ich mit meinem Vater und er gab mir,
durch gutes Zureden, die Kraft, die restliche Zeit auch noch
durchzustehen.
Alles begann vor ein paar Jahren, es war das Jahr 2004. Oder
sagen wir mal lieber das Ich zu diesem Zeitpunkt merkte, dass
irgendetwas mit mir nicht ganz in Ordnung war.
Wenn der Chef mal wieder mit hochrotem Kopf vor versam-
melter Mannschaft stand und, gerechtfertigt oder nicht, mal
wieder herum brüllte und persönliche Beleidigungen von sich
gab, wünschte man sich weit weg, oder ein Loch, in das man
sich verkriechen konnte. Nach so einer Angriffsattacke fühl-
te man sich wie der letzte Dreck, egal ob man im Mittelpunkt
solch eines Gebrülls stand oder nicht. Das zerrte tierisch an
den Nerven, störte die Konzentration und saugte einem die
Energie aus den Knochen. Sobald ER in der Firma war, griff
eine spürbare Nervosität um sich, und alle gingen nur noch
auf Zehenspitzen. Zu meiner Erleichterung und durch konzen-
triertes, gutes Arbeiten stand ich äußerst selten im „Anbrüll-
zentrum“.
Selbst meine so heiß geliebten Bücher - ich war eine totale Le-
seratte - lagen nun achtlos irgendwo herum. Es interessierte
mich nichts mehr und ich konnte mich für nichts mehr begeis-
tern. Morgens aufzustehen, zur Arbeit zu gehen und abends
den Haushalt zu führen, kostete mich alles an Kraft, was ich
noch hatte. Die Reizbarkeit machte sich natürlich auch in Tho-
mas und meiner Beziehung bemerkbar. Alles wurde mir zu
viel. Die Beziehung, die Arbeit und der Haushalt.
Ich war völlig überfordert und mein Freund war mir keine gro-
ße Hilfe. Er rührte nicht mal den kleinen Finger, um mir bei
den Hausarbeiten zu helfen. Im Gegenteil, ich musste ständig
hinter ihm herräumen. Da wo er stand, zog er sich aus und ließ
die Klamotten genau dort liegen. Das machte mich rasend, vor
allem weil der Wäschekorb genau zwei Schritte daneben stand.
Wenn er sich die Zähne putzte, ließ er die Zahnpasta geöffnet
liegen, überall standen benutzte Tassen und Teller herum und
würden wohl heute noch da liegen, wenn ich sie nicht ständig
weggeräumt hätte. Gelesene Bücher stapelten sich überall und
half er mir beim Spülen? Nein. Ich ließ es einmal darauf an-
kommen, und erst als kein sauberer Teller, keine Tasse, keine
Gabel und auch kein Messer mehr da waren, fragte er mich,
ob ich denn nicht endlich mal spülen wollte. Da bin ich dann
natürlich ausgerastet.
Doch nun, mit den Nerven am Ende und ohne Energie, mach-
te es mich rasend und am liebsten hätte ich ihn den ganzen Tag
nur angebrüllt.
Lesen sie jetzt wie es weiter geht
Cornelia Nienhaus
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