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DIE GÖTTLICHE DREIEINIGKEIT IM SEELENGRUND

"Wir sagen, was wir wissen, und zeugen von dem, was wir gesehen haben; und ihr
nahmt unser
Zeugnis nicht an. Und wenn ich von irdischen Dingen rede, und ihr glaubt mir nicht;
wie wollt ihr
dann glauben, wenn ich von himmlischen Dingen künde?" Joh.3;11f.
Johannes zeugt in diesem Kapitel von Gott, wie er seinen Sohn gab, und von der
Liebe und dem
Licht des Heiligen Geistes, der jene selig macht, die an den eingeborenen Sohn
glauben.
Wie diese göttliche Dreifaltigkeit zugleich eins ist, bleibt dem Verstand so
unerkennbar wie die
Wahrheit, daß der Vater ist, was der Sohn ist, und daß der Sohn und der Heilige
Geist ganz eins
sind, und daß zugleich ein Unterschied ist der Offenbarung nach – trotz der Einheit
der Naturen.
Darum sollen wir nicht mit dem Verstand zu ergrübeln suchen, was wir nur erfahren
und erfühlen
können, wenn wir uns Gott lassen. Und wir sollen Thomas folgen: "Niemand soll über
das
hinausgehen, was jene Lehrer gesagt haben, die es mit ihrem Leben erreichten und
dem nachgingen,
so daß sie es vom Heiligen Geiste haben."
Vor allem aber sollen wir auf die Dreieinigkeit in uns selbst acht geben, sind wir
doch innerlich
nach der göttlichen Dreieinigkeit gebildet; dann finden wir das göttliche Bild rein
und wahr im
Seelengrund. Auf dieses Bild sollen wir achten, daß es in uns ist; denn Gott selbst
ist in diesem
Bilde und ist dieses Bild selbst in unbildlicher Weise.
Dieses Bild liegt im allerinnersten, verborgensten und tiefsten Grunde der Seele –
dort, wo sie
ihrem Grunde nach Gott wesentlich, wirklich und seiend hat: dort wirkt und ist
Gott, und davon
kann man Gott so wenig scheiden wie von sich selbst. Dieser Seelengrund hat alles
aus Gnade, was
Gott in seinem Grunde von Natur hat. So weit der Mensch sich in den Seelengrund
einsenkt, so weit
wird die Gegenwart und Kraft Gottes in ihm wirksam.
Hiervon sagt Proclus: "Weil und solange der Mensch mit den äußeren Bildern umgeht
und in ihnen
aufgeht, ist es unmöglich, daß er in diesen Grund hinabgelangt, und solange glaubt
er nicht, daß er
in ihm ist. Wer aber zu ihm gelangen und seiner inne werden will, der muß sich der
Mannigfaltigkeit der äußeren Bilder entzogen und sich ganz dem inneren Bilde
zugewendet haben,
und er muß schließlich über das Schauen des Bildes hinaus zur Bildlosigkeit
weiterschreiten und
eins werden mit dem Einen."
Das Gleiche bezeugt Christus mit seinem Wort: "Das Reich Gottes ist in euch." Es
ist inwendig im
Seelengrund. Eben dies meint das Evangelium: "Wir sagen, was wir wissen, und zeugen
von dem,
was wir gesehen haben; aber ihr nahmt unser Zeugnis nicht an." Wie soll auch der
sinnengebundene
äußere Mensch dies Zeugnis annehmen. Ist es ihm vom, weil er ganz auf die äußeren
Sinne und
Bilder gerichtet ist, unvorstellbar und unglaubhaft. Er begreift und glaubt es ja
nicht einmal, wenn
man ihm die himmlischen Dinge in irdischen Bildern und Gleichnissen nahe zu bringen
sucht.
Wie soll er da begreifen, was unbildlich ist: daß Gott seinen Sohn immerfort
gebiert – im Innersten
seines Seelengrundes. Wer das erfahren und erkennen will, der muß sich nach innen
wenden – weit
über alles Wirken seiner äußeren und inneren Kräfte und Gedanken, über alles
hinaus, was je von
außen in ihn hineingetragen wurde, und muß ganz in seinen innersten Grund
entsinken.
Dann kommt die väterliche Kraft Gottes und ruft den inneren Menschen in sich durch
seinen Sohn
Christus –, und wie der Sohn aus dem Vater geboren wird und wieder in den Vater
zurückfließt, so
wird der Mensch in dem Sohne vom Vater geboren und fließt mit dem Sohne in den
Vater zurück
und wird mit ihm eins und weiß: "Ich und der Vater sind eins."
Das meint das Wort Gottes: "Du sollst mich Vater nennen und sollst nicht aufhören,
in mich
einzugehen; heute habe im dich geboren durch meinen Sohn und in meinem Sohne."
Alsdann gießt
sich der Heilige Geist in unaussprechlicher Liebe und Lichtfülle aus und
durchströmt und
durchleuchtet den Seelengrund im Menschen mit seinen Gaben und Kräften.
Von diesen sind zwei wirkend: die Güte und das Wissen. Der Mensch wird gütig und
liebevoll und
zugleich wird ihm die Fähigkeit der Unterscheidung dessen, was seinem Fortschreiten
dienlich oder
hinderlich ist. Die beiden folgenden sind lassend: das ist der Rat und die Kraft
von innen. Die dritte
ist schauend: die Hingabe, die empfängt und festigt alles, was der Heilige Geist
gewirkt hat. Und
schließlich folgen die höchsten Gaben: die Vernunft und Weisheit. Dieser göttlichen
Weisheit auch
nur einen Augenblick teilhaftig zu werden, ist höher und besser als alles äußere
Wissen und Wirken.
Hier bewahrheitet sich das Wort: "Der Heilige Geist bezeugt unserem Geiste, daß wir
Gottes
Kinder sind."
Dieses Zeugnis finden wir in uns selbst. Ich Himmel, der in uns ist, sind drei
Zeugen: der Vater, der
Sohn und der Geist. Sie leuchten im Seelengrund, und der Seelengrund bezeugt es in
Dir selbst,
leuchtet in Deine Vernunft und gibt Dir Zeugnis von Deinem wirklichen Wesen und
Leben, wenn
Du es nur erkennen willst.
Um es zu erkennen, mußt Du den äußeren Menschen überwunden und Dich ganz in den
innersten
Grund eingesenkt haben; denn draußen in den Dingen und auf weltliche Weise findest
Du es nicht.
Wenn man von mir sagt, ich hülfe den nach innen gewendeten Menschen, so trifft das
zu: ich helfe
gern allen, die je vom innersten Grund berührt und erleuchtet wurden, damit sie
ganz dorthin
gelangen.
Wenn Du dorthin gelangen willst, achte auf drei Punkte:
zum ersten, daß Du nicht Dich und das Deine, die Dinge und Kreaturen im Sinne hast,
sondern einzig und allein Gott und den göttlichen Willen;
zum zweiten, daß Du bei allem Tun und Lassen acht gibst, womit Du umgehst und wohin
Dein Sehnen gerichtet ist: auf Deinen innersten Grund;
und zum dritten, daß Du nicht auf das blickst, was außen ist, Dir nicht anmaßest,
was Dir
nicht aufgegeben ist, sondern das Lassen lernst: was gut ist, laß gut sein; was
böse ist, laß auf sich
beruhen; senke Dich in den Seelengrund und achte auf die Stimme Gottes, die in Dir
spricht: sie ruft
Dich und gibt Dir solchen Reichtum und solche Erleuchtung, daß Du keines äußeren
Rats und
Beistands mehr bedarfst.
Daß wir diese drei Punkte beachten, nur noch Gott im Sinne haben – nicht nur in
Gedanken,
sondern im Gemüt und bis in den Grund unseres Wesens – und ganz in den Grund
entsinken, in dem
wir das Bild der göttlichen Dreieinigkeit finden, dazu helfe uns Gott.

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