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WEISHEIT DER ABGESCHIEDENHEIT

"So seid nun weise und wachsam im Gebete." 1. Petr. 4;8


Wir feiern mit dem Pfingstfest die Sendung des Heiligen Geistes, der von den
Jüngern in einer
besonderen Weise empfangen wurde. Das war nötig, da sie im Anfang standen und da
ein neues
Leben in ihnen begann, aber auch um derer willen, die noch dazu gelangen sollten.
Solange sie in der Zeit lebten, nahmen sie im Empfangen des Heiligen Geistes
ständig zu. Gleich
ihnen soll jeder Gottesfreund das Fest des Heiligen Geistes alle Tage und Stunden
begehen, damit er
ihn jederzeit empfange. Je größer seine Bereitschaft und Empfänglichkeit und je
tiefer er sich
einwärts wendet, desto vollkommener wird er den Heiligen Geist empfangen.
Was den Jüngern am Pfingsttage zuteil wurde, das findet alle Tage geistig bei denen
statt, die sich
gründlich dazu bereiten: zu ihnen kommt der Geist Gottes mit immer neuen und
besonderen Gaben,
solange sie leben, nach innen gewendet und bereit sind, ihn zu empfangen.
Und worin besteht nach Petrus die rechte Bereitung? "Seid weise und wachsam im
Gebet."
Weisheit meint Wohlvertrautheit und Wohlbewandertsein und bedeutet, daß wir bei all
unserem Tun
und Lassen jedes Ding mit dem Licht unserer Urteilskraft durchschauen, so daß uns
wohl vertraut
ist, womit wir umgehen, und wir bereit sind, das Beste aus ihm zu gewinnen.
Die höchste Bereitschaft nun, den Geist Gottes zu empfangen und ihn unmittelbar in
sich
aufzunehmen, besteht im Abgeschiedensein und Lassen, in Innigkeit und Einigkeit.
Wer diese vier
hat und darin zunimmt, der ist am besten bereitet für den Empfang des Geistes
Gottes.
Worin besteht nun das erste von diesen vieren: wahre Abgeschiedenheit?
Sie besteht darin, daß der Mensch sich von allem abwendet und abzieht, das nicht
Gott ist, und mit
dem Lichte seiner Urteilskraft alle seine Gedanken, Worte und Werke verständnisvoll
daraufhin
durchschaut, ob da im Grunde etwas ist, das nicht Gott ist, nicht Gott im Tun wie
im Lassen im
Sinne hat, damit er das, was auf anderes als Gott abzielt, ausschließe und von sich
abscheide.
Das ist nicht nur die Aufgabe der dem inneren Leben zugewandten Gottesfreunde,
sondern die jedes
Menschen. Denn man findet viele gute Menschen, die sich im rechten Denken und
Handeln üben
und doch von wahrer Innerlichkeit nichts wissen. Auch sie sollen sich gewöhnen,
darauf zu achten,
ob das, was sie denken und tun, sie etwa von Gott wegführt, damit sie das lassen.
Auch sie bedürfen
der Einwärtswendung und der Abgeschiedenheit, wenn sie den Geist und die Gaben
Gottes
empfangen wollen.
Nun ist die Abgeschiedenheit und die Empfangsbereitschaft bei den Menschen sehr
verschieden:
Die einen empfangen den Geist in bildlicher Weise mit den Sinnen, andere nehmen ihn
in die Kräfte
der Vernunft auf, und wieder andere nehmen ihn darüber hinaus in den Grund der
Seele auf, in das
heimliche Reich, in dem das Bild und das Licht Gottes verborgen schlummert. Hier
findet der Geist
seine wahre Stätte, und da allein werden seine Gaben in göttlicher Weise empfangen.
So oft der Mensch in diesen Grund hineinschaut mit dem Licht der
Unterscheidungskraft und sich
hier ganz Gott zuwendet, gelangt er zur Durchgeistung und empfängt vom Geiste
Gottes neue
Gnaden und Gaben, wenn er in Weisheit und Abgeschiedenheit ganz nach innen gewendet
ist und
mit wahrem Ernst bei seinen Worten und Weisen, Werken und Wegen darauf achtet, daß
da nichts
sei, das nicht von Gott ist oder auf Gott hinzielt.
Mit dem Licht der Unterscheidungskraft soll er seine Tugenden prüfen, ob sie aus
Gott geboren
sind, und soll dahin wirken, daß alle Kräfte, Strebungen und Tugenden der
göttlichen Ordnung
entsprechen und alles zu Gott hin, mit Gott und durch Gott getan werde.
Wenn dann der Geist Gottes findet, daß der Mensch das Seine tut, kommt er mit
seinem Licht,
überstrahlt das natürliche Licht der Urteilskraft, läßt die übernatürlichen
Tugenden wie Glaube,
Liebe und Gewißheit erstehen und leitet den Menschen in dieser Abgeschiedenheit in
die Einheit
mit Gott.
Doch beachte man wohl, daß auch in den Menschen, der nur Gott im Sinn hat, zuweilen
das bange
Gefühl kommt, nicht in allem Gott im Sinn gehabt zu haben, und Trauer um das
Fernsein Gottes.
Woher nun dieses Gefühl auch immer kommen mag, von innen oder von außen her, in
jedem Falle
soll man ihm mit Sanftmut und Lassen begegnen.
Manche versuchen hier, es mit Gewalt zu überwinden. Sie rennen hier hin und
dorthin, suchen bei
Gottesfreunden und Weisen Trost und Belehrung, stürzen sich in geistige Übungen –
und werden
dadurch nur noch verwirrter.
Wenn Dunkelheit in einem ersteht, soll man es halten wie bei einem Unwetter: man
geht unter ein
Dach und wartet gelassen, bis das Gewitter vergeht. So soll der Mensch, wenn
Anfechtung, Zweifel
und Bangigkeit ihn überfällt, sich nach innen wenden, sich lassen, sich dem Frieden
Gottes
überlassen und in Gelassenheit auf Gott warten.
Wenn er so in Sanftmut unter dem Dach Gottes steht, ist das besser als alle
Bemühungen des Ich,
von sich aus die Not zu brechen, auch wenn man meint, damit Gott näher zu kommen.
Denn mit all
diesem Tun hat der Mensch sich selbst im Sinn und seinen Eigenwillen.
Darum die Forderung, weise zu sein, die Jesus durch das Gleichnis ergänzt: "Seid
weise wie die
Schlangen."
Wenn die Schlange merkt, daß ihr Äußeres zu altern und einzuschrumpfen beginnt,
sucht sie eine
Stelle, wo zwei Steine nahe beieinander liegen, und zieht sich zwischen diesen ganz
eng hindurch,
so daß die alte Haut abgeht und darunter die neue Haut zum Vorschein kommt.
Genau so soll der Mensch es machen mit der ,alten Haut', d. h. mit allem, was er
von Natur hat, wie
groß oder gut es auch sei, also mit dem äußeren Menschen, damit der neue, der
innere Mensch ganz
zum Vorschein komme. Und er soll sich ständig daraufhin prüfen, ob etwas an ihm und
in ihm am
Veralten und darum abzustreifen sei, und sich immer wieder auf sein wahres Selbst
besinnen und
zurückziehen.
Bei alledem soll er sich bewußt bleiben, daß alles, was Gott ihm jeweils in der
Zeitlichkeit zufügt
oder an Schickungen zuläßt, sei es Glück oder Unglück, Lust oder Leid, ihm zum
Vollkommenerwerden dient. Denn was auch immer über ihn kommt, ist von Gott so
vorgesehen und
vorher in ihm gewesen, so daß es in dieser Weise geschehen muß.
Wer dessen bewußt ist, der erregt sich nicht über die Dinge und Umstände, sondern
bleibt allezeit
im Frieden. Diesen Frieden in allen Dingen und Lagen lernt und gewinnt man allein
in wahrer
Abgeschiedenheit und Innigkeit. Wer ihn haben will, muß sich nach innen wenden;
denn dort allein
wird er gefunden und gefestigt. Und je mehr der Friede zunimmt, desto vollkommener
wird der
Geist Gottes gegeben und desto reicher empfangen.
Das sei durch ein anderes Gleichnis verdeutlicht: Wie der Landmann im März, wenn er
sieht, daß
die Tage zunehmen und die Sonne an Kraft gewinnt, seine Bäume behaut und
beschneidet, das
Erdreich umgräbt und das Unkraut ausjätet, so sollen wir uns selbst umgraben, die
Ackerscholle
unserer Gedanken und Werke umkehren, daß wir den Grund prüfen, und wir sollen
unsere Bäume
beschneiden, d. h. unsere äußeren Sinne und niederen Strebungen und Kräfte, und
alles Unkraut
gründlich ausjäten.
Vor allem gilt es die sieben Hauptfehler gründlich auszujäten: Hoffart innen und
außen, Geiz und
Zorn, Haß, Neid und Unkeuschheit, Leibes- und Sinnenlust in aller Weise, in unserer
Natur wie in
unserem Geiste, daß sich da kein Mangel und keine Trägheit verberge, vielmehr
alles, was nicht auf
Gott zielt, ausgemerzt werde.
Aber noch ist es dürr und kalt und hart in uns. Die Sonne gewinnt an Kraft, sie
steigt höher und der
Sommer naht. Wenn der äußere Mensch und die niederen und höheren Kräfte und
schließlich der
ganze Mensch außen und innen wohl bereitet sind, kommt die göttliche Sonne und
leuchtet in den
wohl vorbereiteten Acker der Seele bis in den Grund, und dann beginnt eine echte
Maienblüte, der
ein wonniger Sommer folgt.
Also verleiht der gütige Gott dem Geiste, zu grünen, zu blühen und herrliche Frucht
zu tragen.
Wenn der Heilige Geist seinen seligen Glanz und göttlichen Schein unmittelbar und
gegenwärtig in
den Seelengrund ergießen kann – welche Freude und Wonne erquillt da! Von dieser
Wonne, die der
Geist Gottes da unserem Geiste schenkt, nur einen Tropfen zu schmecken, ist
beseligender denn alle
Beglückungen, mit denen die Welt und die Kreaturen uns zu erfreuen vermögen.
Manche, die diese göttliche Seligkeit in sich erfuhren, möchten gern nur noch in
diesem Genießen
verweilen und verbleiben. Sie meinen, dieser erste Strahl sei die ganze Sonne, und
möchten sich
gern darin niederlegen und ausruhen. Aber wer so handelt, der steht still, bleibt
zurück und gelangt
weder zum Blühen noch zum Fruchttragen.
Andere bleiben dadurch zurück, daß sie beim Empfangen und Gewahrwerden dieser
Seligkeit in
unechte Freiheit verfallen und sich, statt ihrem Ich zu entwachsen, ganz auf ihr
Ich zurückziehen
und ihre Lust und Befriedigung im Selbstbesitz sehen. Sie meinen, sie könnten sich
darauf
verlassen, dünken sich darin sicher, werden schwach und verwöhnt und wähnen, sie
brauchten nicht
mehr zu leiden und zu wirken wie vorher, sondern könnten sich ganz abgeschieden
halten.
Wenn aber die Welt das merkt, gießt sie falsche Süßigkeit darein, damit der Mensch
ihr verhaftet
bleibe, das unechte Selbst zurückbleibe und nicht zum göttlichen Blühen und
Fruchttragen gelange.
Was sollen wir da tun? Sollen wir uns dieser Seligkeit entziehen?
Keineswegs. Wir sollen sie vielmehr dankbar hinnehmen und sie willig wieder Gott
zutragen,
indem wir mehr tun als vorher, mehr danken und loben, mehr lieben und helfen als
vorher, also
unser brennendes Verlangen nach Gott in allen Dingen und Werken vervielfachen.
So oft wir uns mit solcher Innigkeit Gott zuwenden und uns ihm in williger Hingabe
darbieten, so
oft kommt Gott uns mit neuen Gaben entgegen in jedem Augenblick. So erwächst aus
der Seligkeit
größere Innigkeit.
Das meint Petrus, wenn er uns mahnt, weise und wachsam zu sein und nicht träge zu
werden und
einzuschlafen. Denn wer schläft, schafft nicht und kommt nicht voran. Der wache und
wachsame
Mensch vollbringt sein Werk mit Freude, Beharrlichkeit und Zielstrebigkeit.
In solcher Weise sollen wir wach sein bei allem, was wir tun, stets auf uns selbst
acht geben und auf
den Gott in uns, und sollen uns von seiner Gegenwart in uns bis in die letzten
Winkel unserer Sinne
und unserer Seele erfüllen lassen, außen und innen, damit wir des göttlichen Lichts
gewahr und
teilhaftig werden und in diesem Lichte blühen und Frucht tragen.
Wahre Abgeschiedenheit besteht aber nicht nur darin, daß der Mensch sich von aller
äußeren
Mannigfaltigkeit gelöst hat, sondern auch darin, daß er sich von der inneren
Mannigfaltigkeit der
bildenden Kräfte mit ihren Gedankenbildern und Phantasien abwendet und in der
Einsamkeit
verbleibt.
Denn erst, wenn er all dies gelassen hat, kommt Christus, auf den er wartet, in
einem Blick
und führt ihn mit diesem Blick über alle Dinge hinaus und entschädigt ihn für all
sein Warten.
Danach aber kommt die innere Finsternis, das völlige Alleinsein und der steile
einsame finstere
Weg, auf dem er nichts weiß und nichts hat und auf dem ihm alles begegnet, was er
längst
überwunden und besiegt glaubte: all das schreckt ihn nun. Aber all das dient nur
dem Entwerden
des Ich und allen Ichverlangens.
Wenn er dem entworden ist, kommt Gott und macht ihm mit einem Blick die ewige Liebe
gewiß.
Das geschieht, wenn wir "weise und wachsam sind im Gebet". Darin berühren wir das
Letzte. Was
meinte Petrus mit dem Gebet? Meinte er etwa das Gebet des Mundes? Nein, er meinte
mit Jesus
jene Anbetung Gottes im Geiste und in der Wahrheit, von der die Meister sagen, sie
sei ein
Aufgehen des Gemüts in Gott.
Das Lesen mit den Sinnen und das Beten mit dem Munde kann dazu dienen und dorthin
führen, und
dann mag bei des gut sein. Aber wie mein Rock und meine Kappe nicht ich sind,
sondern mir nur
dienen, so ist das Gebet des Mundes nicht das wahre Gebet, sondern dient ihm nur
und hilft dazu,
daß Geist und Gemüt sich unmittelbar in Gott einsenken. Das erst ist das wahre
Gebet.
Und dieses wahre Gebet denkt und spricht man ohne Unterlaß im Himmel. Es trägt das
Gemüt
gänzlich hinauf, so daß Gott unmittelbar in unser Innerstes und Innigstes, den
Seelengrund,
eingehen kann, in dem wahres Einssein ist.
Von diesem innersten Grund sagt Augustinus, die Seele habe in sich einen
verborgenen Abgrund,
der habe mit der Zeit und der äußeren Welt nichts zu tun und sei weit erhaben über
den äußeren
Menschen und das Ich, das dem Körper Leben und Bewegung gibt.
Hier, in dem Grunde der Seele, ist die Stätte und das Reich Gottes. Hier wird der
Mensch ganz still
und wesentlich und immer mehr abgeschieden und nach innen gewendet, immer lichter
und
gelassener; denn Gott selbst ist hier in seinem Reiche und wohnt und wirkt hier.
Von hier aus kehrt der wahre Beter dann wieder in das äußere Leben zurückt, wendet
sich mit
inbrünstiger Liebe und Hilfsbereitschaft allem zu, für das Gott ihn vorgesehen hat,
und widmet sich,
um Rat zu schaffen, mit ganzer Liebe der Not der Menschen, indem er, wie man mit
einem Blick
viele Menschen umfaßt, alle mit sich in den Seelengrund hinabträgt, in den Abgrund
der göttlichen
Liebe, daß sie allen zuteil werde.
So senkt er sich in den Abgrund der Einigkeit und kehrt wieder hervor und bleibt
vom mit seinem
innersten Wesen in dem Grunde, aus dem auch sein Wollen und Handeln erfließt.
In einem solchen Menschen findet man nur göttliches Wollen und Leben. Er dient Gott
zuliebe und
allen Menschen zum Troste und zur Vollendung. Er wohnt in Gott, und Gott wohnt in
ihm.
Daß wir alle diese Abgeschiedenheit und Einswerdung erreimen, dazu helfe uns Gott!

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