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HEIMKEHR IN GOTT

"Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wird nicht im Finstern wandeln,
sondern das Licht
des Lebens haben." Joh. 8; 12
Christus nennt sich das Licht der Welt und aller Menschen. Er ist das innere
göttliche Licht, das alle
erleuchtet, die in diese Welt kommen, und von dem alle äußeren Lichter nur ein
Abglanz sind: die
kosmischen Lichter am Himmel und die geistigen Lichter im menschlichen Bewußtsein,
mit denen
der Mensch die Dinge beleuchtet und zu erkennen sucht.
Diese meint Christus, wenn er den Mensch aufruft: Begib dich deiner Lichter, die in
Wahrheit
Finsternis sind im Vergleich mit dem Licht, das ich bin! Wende dich von den
Lichtern des äußeren
Menschen zu dem des inneren, das ich bin; dann will ich dir für deine Finsternis
mein ewiges Licht
zu eigen geben, damit dein sei, was mein ist: mein Wesen und Leben, meine Seligkeit
und
Vollkommenheit!
Also bat er den Vater: "Daß sie mit uns eins seien, wie wir eins sind: ich in Dir
und Du in mir, nicht
vereinigt, sondern völlig eins!"
Um zu dieser Heimkehr und zu diesem Einssein zu gelangen, müssen wir zwei Dinge
beachten: Das
eine ist: wie wir in unseren Ursprung heimgelangen, auf welchem Wege und auf welche
Weise. Das
andere ist: welches die Hindernisse sind, die uns dieses Ziel verfehlen und nicht
zur Heimkehr
finden lassen.
Diese Hindernisse sind von zweifacher Art in zweierlei Leuten:
Die ersten sind die Weltzugewandten, die ihre Lust und Befriedigung in den
Kreaturen und Dingen
und in den Sinnen finden und damit ihre Zeit zubringen und ihr Leben vergeuden: sie
leben in der
Finsternis und sind dem göttlichen Lichte fern.
Die anderen sind die geistigen und geistlichen Menschen, die in großem Ansehen
stehen und große
Namen und Titel haben: sie meinen, sie hätten die Finsternis der Nichterkenntnis
überwunden; doch
in ihrem Seelengrund sind sie unerhellt und voll Eigenliebe und Eigenwillen und
ganz ihr eigener
Gegenstand, ihrer Ichheit zugewandt.
Äußerlich sind sie oft schwer von den Gottesfreunden zu unterscheiden, da sie oft
mehr als diese
mit Übungen und Meditationen, Fasten und Frommtun befaßt sind. Doch in wem der
Geist Gottes
ist, der erkennt sie. In einem aber unterscheiden sie sich auch äußerlich von den
Gottesfreunden: sie
sind voll von Urteilen über andere Leute und Gottesfreunde, richten gern andere,
nur nicht sich
selbst, während die Gottesfreunde niemanden richten als sich selbst.
Sie suchen in allen Dingen das Ihre. Ihre Same beherrscht ihr Denken, ihre
Erfahrungen und
Erkenntnisse stehen obenan, in allen ihren Angelegenheiten, auch wenn sie von Gott
und göttlichen
Dingen reden, suchen und meinen sie sich selbst und die Befriedigung ihres Ich.
Diese pharisäische
Weise ist so tief in ihrem Wesen verwurzelt, daß alle Winkel ihrer Seele voll davon
sind, so daß es
unmöglich scheint, davon los zu kommen.
Und doch ist es auf eine Weise zu überwinden, nämlich dadurch, daß sie sich aus
ihrem Ich und sich
Gott so hingeben, daß Gott sie gänzlich erfüllt und ihr ganzes Wesen in Besitz
nimmt, wie dies bei
den wahren Gottesfreunden der Fall ist.
Doch auch die Gottesfreunde müssen ständig in der Übung bleiben. Denn solange der
äußere
Mensch lebt, wird er nie gänzlich überwunden und getötet. Er wird sich immer wieder
regen und
sich als das eigentliche Hindernis offenbaren, zum wahren Licht und zur Heimkehr in
Gott zu
finden.
Der andere Teil, der zu beachten ist, ist der kürzeste Weg und die beste Weise, um
zum wahren
Licht und zur Heimkehr in Gott zu gelangen:
Sie besteht darin, daß wir unserem Ich entwerden und in Gott entsinken, uns ihm
lassen, in allen
Dingen nicht unserem, sondern Gottes Willen folgen, alles unmittelbar als von Gott
kommend
erkennen und willkommen heißen und ihm alles ohne Umwege und Vorbehalte unmittelbar
wieder
hinauf tragen, damit ein steter Einstrom und Rückstrom statthabe. Das ist der wahre
Weg und die
rechte Weise.
Hier scheiden sich die Gottesfreunde und die Weltfreunde:
Die letzteren beziehen alles auf sich, eignen sich alle Gaben an und tragen sie
Gott nicht lauter
wieder hinauf mit Liebe und Dankbarkeit in Selbstverleugnung und völliger Hingabe
an Gott.
Wer hingegen, wie die ersteren, im Aufgeben seines Ich und Hingegebensein an Gott
am weitesten
geht, der ist der wahre und vollkommenste Gottesfreund.
Nun weiß die Seele wohl, daß Gott ist, schon vom natürlichen Licht der Vernunft.
Wer aber und wo
er ist, das ist ihr verborgen und unbekannt. Darum erhebt sich ihr Begehren und sie
sucht und fragt
unaufhörlich und wüßte gern etwas von diesem Gott, der ihr so verdeckt und
verborgen ist.
Bei diesem beharrlichen Suchen geht ihr ein Stern auf wie jener, von dem das
Evangelium kündet:
"Wir haben Christi Stern gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten." (Matth. 2; 2)
Dieser Stern ist nicht außen, sondern innen: er ist ein innerer Glanz, ein
göttliches Licht – und
dieses Licht kündet der Seele: Er ist jetzt geboren! und weist sie darauf hin, wo
diese Geburt
statthat: im innersten Grunde, wohin kein äußeres Licht hingelangt.
Manche versuchen, mit ihrem natürlichen Licht, der Vernunft, nach diesem inneren
Licht und der
Geburt zu fahnden; aber sie erreichen es nicht, sondern bleiben zurück. Diese
Geburt kann nicht
gefunden werden, es sei denn, daß dasselbe innere Licht, das die Geburt kündet, der
Seele dartut,
was für eine Geburt es ist und wo sie statthat.
Aber die Unweisen wollen nicht so lange warten, bis ihnen das göttliche Licht
leuchtet, in dem die
Geburt vollzogen und gefunden wird. Sondern sie versuchen vom Ich her gewaltsam
durchzubrechen und wollen es mit dem natürlichen Lichte finden – und das ist nicht
möglich. Sie
müssen auf die Stunde warten, bis sie da ist.
Drei Dinge sind hier zu beachten:
das eine ist das Begehren und das, was da sucht;
das zweite ist die Weise des Suchens;
und das dritte ist das Finden der Geburt.
Ihnen entsprechen drei Kräfte:
die eine eignet der Natur in Fleisch und Blut, das ist die Sinnenhaftigkeit, die an
die
Leibessinne gebunden ist;
die zweite ist die Vernunft;
die dritte ist eine lautere Substanz der Seele.
Diese drei sind ungleich und empfinden auch ungleich – jede nach ihrer Art.
Es ist wie mit dem Sonnenlicht, das an sich einfaltig ist: ihr Schein wird in
verschieden gefärbten
Gläsern ungleich sichtbar, wenn etwa ein Glas schwarz, ein anderes gelb und ein
drittes weiß ist.
Unter dem schwarzen Glas mag man die Sinnenhaftigkeit verstehen, unter dem gelben
die Vernunft
und unter dem weißen den lauteren Geist:
Wenn nun der Schein der Sinnenhaftigkeit in der Vernunft und diese im Geiste
aufgeht, wird das
Schwarze gelb und das Gelbe weiß und es entsteht eine lautere Einfaltigkeit, in der
das Licht allein
leuchtet und nichts sonst.
Das will sagen: wenn das Licht von innen recht empfangen wird und allein leuchtet,
so fallen alle
äußeren Bilder, Formen und Gleichnisse fort und das Licht zeigt die Geburt in der
Wahrheit. Der
Himmel ist dann in seiner natürlichen Dunkelheit; wird er nun gänzlich zu lauter
Sonne, so daß
nichts in der Seele leuchtet als das göttliche Licht, dann entweichen und schwinden
alle äußeren
Bilder und Formen.
Wohlgemerkt: der den drei Weisen die Geburt kündete, war kein Stern gleich den
anderen am
Himmel. Er erstrahlt innerlich. Daß er in uns aufgehe und uns leuchte und
erleuchte, darauf zielt
unser aller Leben.
Ob dieser Stern einem Menschen aufgegangen ist, ob er das innere Licht hat, erkennt
man mit
Sicherheit, wenn ihn Leid trifft. Denn dann wendet sich der zum inneren Licht
Erwachte, der wahre
Gottesfreund, um so williger zu Gott hin, nimmt es von Gott so, daß er es mit ihm
oder in ihm leidet
oder in ihm verliert, weil Gott ihm so innerlich ist, daß Leid ihm kein Leiden ist,
sondern Freude.
Die Weltfreunde hingegen wissen, wenn Leid sie überfällt, nicht, wohin sie sich
wenden sollen: sie
laufen alles ab und suchen allerorten Rat, Trost und Hilfe. Und wenn sie sie nicht
finden,
verzweifeln und zerbrechen sie. Sie haben das Haus ihres Lebens nicht auf den
Felsen, der Christus
ist, gebaut, sondern auf dem Sand der Zeitlichkeit. Sie sind schlechter daran als
die einfachen
Menschen, die sich für klein und unbedeutend halten und in Demut dahinleben; denn
diesen ist
leichter zu raten und zu helfen, weil sie Fehler erkennen und bereit sind, sich zu
wandeln.
Gegen alle Hindernisse, die der Heimkehr in Gott entgegenstehen, hat uns der gütige
Gott Trost und
Hilfe gegeben, indem er seinen eingeborenen Sohn sandte, damit sein Licht und sein
Wort in uns
uns leite und helfe, das dunkle und trügende Licht der Ichheit in seinem wahren,
wesentlichen Licht
zu lösen und auszulöschen.
Denn Christus ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet: es leuchtet in
der Finsternis des
äußeren Menschen, aber die Finsternis nimmt es nicht auf. Nur die ,geistig Armen',
die von
Ichhaftigkeit, Eigenliebe und Eigenwillen freien, nach innen gewendeten Menschen
erkennen das
Licht.
Darauf, daß uns das wahre Licht leuchte und uns helfe, in unseren Ursprung zu
kommen und zu
Gott heimzukehren, sollten wir unser ganzes Sinnen, Trachten und Handeln richten.
Lassen wir uns
von den Gottesfreunden dabei helfen, damit sie uns mit sich in Gott ziehen.
Daß dies uns allen zuteil werde, dazu verhelfe uns der gütige Gott!

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