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KONZENTRATIVE
UND
ANALYTISCHE
MEDITATION
GESHE RABTEN

Edition Rabten
Scanned by Haudenlukas

Alle Rechte vorbehalten (c) Rabten Stiftung


c/o Thurnherr von Meiss & Partner, Zürich
Herausgeber: Gonsar Tulku und Helmut Gassner
Verlag: Edition Rabten, Zürich
Druck und Bindung: Kösel, Kempten
INHALT

Dieses Buch enthält eine Niederschrift von


Unterweisungen, die Geshe Rabten
am 9. und 10. Oktober 1982 auf dem Letzehof in
Feldkirch gegeben hat
und von Helmut Gassner übersetzt wurden.

Über den Autor 7


Konzentrative und analytische Meditation 13
GESHE RABTEN

Geshe Rabten Rinpoche gilt als einer der bedeu-


tendsten tibetischen Gelehrten und Meditationsmei-
ster der jüngsten Vergangenheit. Nur die großen
Gelehrten seiner Zeit und seine engsten Schüler kön-
nen ermessen, welch tiefe Weisheit und alles umfas-
sende Güte dieser Meister in sich vereint hat.

Trotzdem erlaube ich mir, einige Eindrücke zu


schildern, die ich von Geshe gewinnen konnte. Ein
Jahrzehnt lang hatte ich persönlichen Kontakt zu ihm
und konnte viele Belehrungen von ihm hören. Ich
hoffe, mit diesem Vorwort den Lesern, die nicht das
Glück hatten, ihn kennenzulernen, eine Vorstellung
von seiner Person zu geben.

Am tiefsten beeindruckt bin ich von Geshes Güte,


die er jedem ohne Unterschied entgegenbrachte,
gleich ob Mensch oder Tier, Schüler oder Fremder,
Verehrer oder verzweifelt Hilfesuchender.
Jederzeit war Geshe bereit, Hilfe zu leisten, sei es
in der Form von Belehrungen, eines Ratschlages oder
materieller Hilfe. Ich habe mehrmals miterlebt, wie
Menschen in geistiger Bedrängnis nachts im Kloster
anriefen, um Geshe um einen Rat zu bitten. Immer
hatte er dafür Zeit.
So kümmerte sich Geshe um einen jungen Mann,
der völlig verwirrt war. Diese Verwirrung kam von

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der jahrelangen Beschäftigung mit allen möglichen
esoterischen Richtungen ohne die Anleitung eines
qualifizierten Lehrers. Geshe nahm den Mann bei
sich auf, sorgte für Unterkunft und Verpflegung und
machte über Wochen jeden Tag ausgedehnte Spazier-
gänge mit ihm, bis er wieder geistig gefestigt war.

Während einer Belehrung im Klösterlichen Insti-


tut in Rikon (Schweiz) sah Geshe in einer Ecke des
Tempelraums einen Frosch, unterbrach die Beleh-
rung und bat, daß einer der Zuhörer den Frosch ins
Freie setzen möge, da dieser sonst von der Katze des
Institutes erwischt werden könnte.
Bei einem kleinen Ausflug entdeckte Geshe in
einem Warteraum auf einem Fenstersims eine Fliege,
die auf dem Rücken lag. Vorsichtig nahm er sie auf
die Handfläche, hauchte sie an, sprach einige Man-
tras, bis sie sich wieder bewegte, und bat mich, sie
nach draußen in die Sonne zu bringen. Solche und
ähnliche Begebenheiten erlebten wir immer wieder.
Wenn Geshe von einer Reise zurückkam, brachte
er immer für jeden in seiner unmittelbaren Umge-
bung ein kleines Geschenk mit, ohne auch nur ein
einziges Mal einen zu vergessen.
Für die Mönche besorgte er einfache Sportgeräte,
um für sie einen Ausgleich zum strengen Studienplan
zu schaffen. Immer wenn meine Frau und ich nach
Tharpa Choeling kamen - dem Kloster, dessen Abt
Geshe war und das jetzt Rabten Choeling heißt - war
seine erste Frage: Seid ihr gut untergebracht, braucht
ihr noch Decken usw. Und diese Fragen äußerte

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Geshe, während er tibetische Texte, die er immer vor
sich auf einem Tischchen hatte, studierte und analy-
sierte.

Neben Geshes Güte ist mir seine tiefe


Bescheidenheit deutlich in Erinnerung. Obwohl er
einer der ranghöchsten tibetischen Lamas im Westen
war, trat Geshe überall als einfacher, bescheidener
Mönch auf, zu dem jedermann Zugang hatte. Ich
hörte nie, daß Geshe einmal Wünsche für seine eige-
nen Belange äußerte.
Wenn ein hoher Lama nach Tharpa Choeling zu
Besuch kam, stellte Geshe dem Besucher sein eigenes
Zimmer zur Verfügung und er selbst wohnte dann in
einer winzigen Nebenkammer. Er schlief und medi-
tierte auf einer einfachen Matratze, vor sich ein leeres,
umgedrehtes Obstkistchen als Tischchen, auf dem er
seine Gebetstexte ablegte.

Es ist vor allem Geshe, der bereits in Indien die


ersten westlichen Schüler unterrichtet hatte, zu ver-
danken, daß der tibetische Buddhismus in Europa
Verbreitung fand. Und dies in authentischer, klarer
und verständlicher Form, die jedem einen Zugang
ermöglicht, gleich welcher Konfession er angehört,
gleich mit welchem geistigen Weg er sich auseinan-
dergesetzt hat oder nicht.

Geshe baute in der Schweiz auf Wunsch seiner


Heiligkeit, des Dalai Lama, in beispielhafter Weise
eine traditionelle klösterliche Ausbildung für

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tibetische und westliche Mönche auf. Trotz dieser
starken zeitlichen Beanspruchung gab Geshe fast
täglich und an den verschiedensten Orten im In- und
Ausland Belehrungen, von der einfachsten
Atemübung bis hin zu den schwierigsten Themen der
buddhistischen Philosophie.

Eines der Hauptkennzeichen dieser Belehrungen


ist die Klarheit und die leichte Verständlichkeit, mit
der er auch schwierigste Aspekte deutlich machte.
Erstaunlicherweise war Geshe mit unserer westlichen
Art zu denken von Anfang an bestens vertraut. Er
übertrug die Belehrungen des Buddha, der vor 2500
Jahren gelehrt hat, unverändert in die heutige Zeit
und erschloß uns deren volle Tiefe und Weite in un-
vergleichlicher Weise, häufig unter Verwendung ein-
fachster Bilder und Beispiele.
Da ist beispielsweise das Gleichnis vom Haus.
Wer eines baut, beginnt mit den Fundamenten; nie-
mals mit dem Dach. Mit diesem Bild läßt sich gleich-
zeitig eines von Geshes Hauptanliegen zeigen: in den
Zuhörern und Schülern eine feste Basis für eine
geistige Entwicklung zu setzen. Immer wieder machte
Geshe deutlich, wie wichtig die vorbereitenden
Übungen sind und wie wichtig die unmittelbare
Anwendung des Verstandenen ist. Auch daß ein
Schweben in hohen geistigen Gefilden ohne rechte
Grundlage nicht nur eine Zeitverschwendung ist,
sondern sogar äußerst gefährlich sein kann.
So hat Geshe sehr oft das sechste Kapitel von
Shantidevas Leitfaden für das Leben eines Bodhisattvas

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unterrichtet, das ausschließlich von Geduld handelt.
Ist es nicht ein erstrebenswertes Ziel und eine
felsenfeste Basis für jede geistige Entwicklung, in
jeder Lebenssituation einen heiteren, ungestörten
Geist zu bewahren?

Ein weiteres Kennzeichen seiner Belehrungen ist,


daß sie auf geistiger Toleranz gründen, so daß die
Meditationen auch von Christen angewandt werden
können. Aber darüber kann sich der Leser anhand
dieses Büchleins, das ja in die Meditation einführt,
sein eigenes Urteil bilden.

Der Zugang zu den Belehrungen für uns im


deutschen Sprachraum wurde wesentlich durch
Helmut Gassner bewirkt. Er übersetzte eine große
Zahl von Geshes Belehrungen direkt vom
Tibetischen ins Deutsche. Da ich selbst sehr viel
davon profitiert habe, möchte ich ihm an dieser Stelle
herzlich danken.

Wenn ich von Geshe als einem Begründer des


tibetischen Buddhismus im Westen spreche, möchte
ich seinen engsten Schüler nennen, der dieses große
Werk in reinster Weise fortsetzt und sein Leben ganz
dieser Aufgabe widmet: Gonsar Rinpoche, ein
tibetischer Meister, der mehr als drei Jahrzehnte mit
Geshe lebte und in jeder Beziehung als sein geistiger
Sohn zu bezeichnen ist. Ihm ist es zu verdanken, daß
wir auch heutzutage zum tibetischen Buddhismus in
seiner authentischen Form direkten Zugang haben

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und daß der wertvolle Schatz der Belehrungen von
Geshe Rabten Rinpoche erhalten und weitergegeben
wird.

Ostermiething, Januar 1991

Prof. Dr. Franz Gschwind

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KONZENTRATIVE
UND ANALYTISCHE
MEDITATION

Der Anlaß unseres Zusammenkommens sind Er-


läuterungen über Dharma, das heißt über Dinge, die
es einem erlauben, ein heilsames Leben zu führen.
Man sollte sich glücklich schätzen, Zugang zu sol-
chen Ausführungen zu haben, und mit Freude zuhö-
ren.

Wenn man sein eigenes Leben von der Kindheit


bis jetzt betrachtet, dann kann man erkennen, daß
ein Tag nach dem andern vergangen ist, ohne daß
man etwas erreicht hat, worauf man ernsthaft seinen
Finger richten könnte, und daß man sehr wenig Zeit
dazu verwendet hat, sich um ein heilsames Leben zu
bemühen und Dharma auszuüben. Deshalb sollte
man in der Zukunft vorsichtig sein; denn es kommt
bestimmt der Zeitpunkt, wo dieses Menschenleben
sein Ende findet, und hat man bis dann die ganze
Zeit, die einem zur Verfügung stand, nutzlos verstrei-
chen lassen, ist das für einen selbst sehr bedauerlich.
Was immer man tut, die Zeit vergeht ständig. Gut
ist es, wenn man sie für etwas Heilsames und außer-
gewöhnlich Nützliches verwenden kann, und das ist
dann auch ein Anlaß zur Freude.
Unter allen Wesen, die im Daseinskreislauf exi-
stieren, kann man suchen, soviel man will, man wird

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keines finden, das in einem letztlichen körperlichen
und geistigen Glück lebt. Denn manche leiden unter
unerträglichen körperlichen Drangsalen; andere, die
im Augenblick frei von solchen Leiden sind, haben
dafür jedoch ebenso alle Voraussetzungen, die durch
kleinste Umstände jederzeit aktiviert werden können.
Auch wenn wir uns jetzt über keine körperlichen
Unstimmigkeiten zu beklagen haben, können ganz
kleine Veränderungen sehr schnell solche herbeifüh-
ren.

Ob wir uns im Augenblick wohl fühlen oder


nicht, ist auf die zuträglichen und abträglichen äuße-
ren Umstände zurückzuführen; die Voraussetzungen
für körperliches Leid sind jedoch von der Natur unse-
res Körpers her ständig gegeben.
Im Augenblick ist das Gefühl z.B. in unserm Arm
vielleicht angenehm, aber sobald man ihn zwickt, ver-
ursacht einem das körperliches Leid. Der Umstand,
der dazu führt, sind die Finger, die die Haut zwicken,
die Ursache ist jedoch in der Natur des Körpers gege-
ben. Das kennen wir alle aus unserer Erfahrung, man
muß das nicht mit logischen Begründungen erhärten.
Ähnliches trifft auch auf unseren Geist zu. Selbst
wenn wir vielleicht jetzt gerade fröhlich sind und kei-
ne Traurigkeit in unserem Geist ist, genügen nur
ganz kleine äußere Umstände, um uns zu betrüben.
Denn unser Geist ist nicht sehr stark, er ist sehr
leicht dazu geneigt, traurig zu werden, Angst zu ha-
ben; es braucht manchmal nur kleine innere Umstän-
de, zum Beispiel, daß wir über irgendwelche Schwie-

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rigkeiten nachdenken, und schon fühlen wir uns be-
drückt. Oder kleine äußere Umstände, daß z.B. je-
mand etwas Böses sagt oder uns einen bösen Blick
zuwirft, oder vielleicht nur, daß das Wetter schlecht
wird, und schon sind wir unglücklich.
Das ist die Natur unseres Körpers und unseres
Geistes; es ist unsere Lebensart, ständig dafür offen zu
sein, durch kleine Umstände Leid zu erfahren, sei es
körperliches oder geistiges.

Was dagegen wünschen wir uns wirklich, wonach


verlangen wir? Das, was wir wirklich ersehnen, ist gei-
stiges und körperliches Glück. Was wir um jeden
Preis vermeiden wollen, ist geistiges und körperliches
Leid; selbst dem bösen Blick eines anderen möchten
wir nicht ausgesetzt sein. Aber das, was wir uns wün-
schen, wonach wir trachten, das Glück, erreichen wir
nicht, und das, was wir verabscheuen, körperliches
und geistiges Leid, das befällt uns ohne Ende.

Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen:


Wenn sich jemand für die Nacht zum Schlafen hin-
legt und keine ebene Unterlage hat, dann ist das, was
er möchte, ein angenehmes Bett und das, was er hat,
ein holpriges Nachtlager, das ihn kaum schlafen läßt.
Fragt man sich: Kann das Bett des Betroffenen
angenehm gemacht werden? Dann ist die Antwort:
Ja, natürlich, man kann die holprige Unterlage eben
machen und sich somit ein angenehmes Nachtlager
bereiten. Ob man das tut oder nicht, liegt am einzel-
nen, man hat es selbst in der Hand.

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Wir gehen, dem Beispiel entsprechend, nicht den
Weg zu einer Loslösung aus diesem bedrückenden
Zustand, nicht den Weg zur Befreiung, sondern wir
schlafen im Daseinskreislauf weiter, und zwar auf
Grund unserer Unerkenntnis.
Fragen wir uns, ob das angenehm ist, dann müs-
sen wir, wenn wir aufrichtig sind, antworten, daß es
das nicht ist. Fragt man sich weiter, ob man diese Si-
tuation ändern kann, ob man sich daraus loslösen
kann, dann ist die Antwort ja.

Die Wesen z.B., die man als Buddhas, Bodhisatt-


vas, Arhats oder Aryas bezeichnet, erfahren keinerlei
Leid, keinerlei Schwierigkeiten, denn sie sind den
Weg gegangen, der aus dieser Situation hinausführt.
Wenden wir die gleichen Mittel wie diese Wesen
an, dann können wir genau die gleichen Ziele, genau
das gleiche Ergebnis, den gleichen Zustand völliger
Freiheit von Leid erreichen; genauso wie sich die Per-
son im Beispiel ein angenehmes Nachtlager verschaf-
fen kann, wenn sie sämtliche störenden Unebenhei-
ten unter ihrer Matratze entfernt. Es trifft nicht zu,
daß die Buddhas, Bodhisattvas usw. einen Zustand,
der frei von Leid ist, erlangen können, während uns
dagegen ein solches Ziel verwehrt bliebe.

Um das wieder mit einem Beispiel zu verdeutli-


chen: Zwei Kinder sind gleich intelligent, sie haben
die gleichen Fähigkeiten, Dinge zu lernen, Neues auf-
zufassen. Wenn nun das eine Kind seine Begabung
dazu benützt, etwas zu lernen, dann wird es nach

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einiger Zeit viele verschiedene Tugenden besitzen,
viele nützliche Dinge beherrschen, während das ande-
re Kind, das seine Fähigkeiten nicht zum Erfahren
von Neuem und zum Lernen verwendet, immer noch
in der gleichen Situation sein wird wie zuvor.
Der Unterschied zwischen diesen zwei Kindern
kam auch nur dadurch zustande, daß das eine sich
bemühte, Dinge zu lernen, und das andere nicht; in
bezug auf ihre Fähigkeit, diese Ziele zu erlangen, gibt
es zwischen diesen zwei Kindern im Beispiel keinen
Unterschied.
Das gleiche trifft auch auf einen selbst zu. Wendet
man die Mittel an, die zum Glück führen, dann kann
das ganze Land rund um einen in Aufruhr sein, man
selbst ist ruhig und zufrieden und erfährt keinerlei
Schwierigkeiten; während für den, der diese Mittel
nicht anwendet, die Situation die gleiche bleibt wie
bisher.

Wenn es nun diese Mittel gibt, die einem erlau-


ben, einen solchen Zustand der Freiheit von Leid zu
erreichen, fragt man sich weiter: Was für Mittel sind
dies? Welche körperlichen Mittel sind anzuwenden,
welche geistigen?
Bemüht man sich, geistiges und körperliches
Glück zu erlangen, ist es notwendig, vor allem die
Mittel anzuwenden, die zu geistigem Wohlbefinden
führen.
Unter den Methoden, die zu physischem Wohlbe-
fmden führen, gibt es solche, die man als gegenwärti-
ge Methoden und solche, die man als letzliche

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Methoden bezeichnet. Die Mittel, die uns zu
gegenwärtigem Wohlbefinden des Körpers verhelfen,
sind uns alle wohlbekannt. Das sind gute Nahrung,
entsprechende Kleidung und gute Gesundheit mit
Hilfe der nötigen Medizinen.
Um ein letztliches Wohlbefinden des Körpers zu
erlangen, ist es jedoch notwendig, Ruhe und Glück
des Geistes zu entwickeln, was dann das Wohlbefin-
den des Körpers hervorruft.

Es ist uns klar, daß geistiges Leid wesentlich inten-


siver und zerrüttender sein kann als körperliches und
daß geistiges Glück außerdem körperliches Glück
vollständig überstrahlt.

Wird zum Beispiel jemand, der sehr starkes geisti-


ges Glück und feste Ruhe erreicht hat, von körperli-
chem Leid bedrängt, dann werden seine geistige Ru-
he und sein Glück dieses körperliche Leid vollständig
überstrahlen. Wenn man mit einer solchen Person
spricht, wird sie fröhlich und ungezwungen antwor-
ten, und man kann deutlich erkennen, daß das kör-
perliche Leid hier dem Wohlbefinden des Geistes kei-
nerlei Abbruch tun kann.

Im Gegensatz dazu wird sich jemand, der bei be-


ster Gesundheit ist, der genügend Nahrung zur Ver-
fügung hat, körperlich nicht wohl fühlen, wenn er
von starker Traurigkeit oder Depression bedrückt
wird. Die Traurigkeit wird sogar dazu führen, daß
der Körper seine Ausstrahlung und seine Kraft

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verliert und so der bedrückende geistige Zustand auf
das körperliche Wohlbefinden zurückwirkt und
dieses vollständig zerstört.

So ist deutlich, daß es sehr wichtig ist, dem Geist,


wörtlich übersetzt, eine ordentliche Gestalt zu geben,
sich zu bemühen, den Geist dazu zu bringen, daß er
ruhig und fröhlich ist, daß er seine Stärke findet, daß
er von Glück erfüllt ist.

Wenn man also Methoden anwenden sollte oder


möchte, um geistiges Glück zu erwirken, um geistige
Ruhe zu entwickeln, dann ist die nächste Frage: Wer
muß diese Mittel anwenden, um wessen geistige
Ruhe zu erreichen?
Das muß derjenige tun, der die geistige Ruhe
selbst erreichen will. Derjenige, der mit geistigen
Schwierigkeiten zu kämpfen hat, der bedrückt und
traurig ist, der, der diesen Zustand beseitigen will
und Ausgeglichenheit, Ruhe und Glück sucht, derje-
nige muß die Methoden anwenden, um seinen Geist
von diesen Schwierigkeiten wegzubringen und zu
dem erwünschten Zustand zu führen.
Wenn ich zum Beispiel immer traurig und be-
drückt wäre und Sie geistige Ruhe und Fröhlichkeit
erreicht hätten, indem Sie die entsprechenden Me-
thoden anwenden, dann werden Ihre Bemühungen
meiner Traurigkeit sehr wenig nützen; ein kleines
bißchen schon, aber nicht direkt und nicht sehr wir-
kungsvoll.

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Wenn man sich nun selbst bemühen muß, um
geistige Ruhe zu erreichen, selbst die Mittel anwen-
den muß, welche Mittel sind dies, und wie wendet
man sie an? Erreicht man durch Handel geistige Ru-
he, indem man sie zu kaufen versucht, oder indem
man fleißig schwätzt, oder indem man körperliche
Arbeit durchführt? Nein, das sind nicht die Metho-
den, die dazu führen, geistige Ruhe zu entwickeln,
das sind Methoden, die andere Ziele anstreben.
Das ist sehr leicht zu überprüfen, denn die Welt
ist voll von Leuten, die genau das Beschriebene tun,
und es gibt kaum welche unter ihnen, die, wenn man
sie von außen betrachtet, von geistiger Ruhe und gei-
stigem Glück erfüllt zu sein scheinen.

Was hat man zu tun? Es ist nötig, daß man seinen


eigenen Geist kennenlernt, daß man verstehen lernt,
wie er funktioniert, welche Einstellungen und welche
Gedanken zu Traurigkeit und Depression führen,
daß man lernt, diese Einstellungen und Gedanken
auf die Seite zu schieben und Einstellungen und Ge-
danken zu finden, die dem Geist die ersehnte Fröh-
lichkeit geben.
Ein solches Nachdenken, solche geistigen Bemü-
hungen, um den Geist von Leid zu befreien, um ihm
Fröhlichkeit und Glück zu verleihen, nennt man
Meditation.

Meditation ist ein äußerst weites Gebiet, es enthält


Methoden und Dinge, die sehr tief gehen und auch
weit über unser Fassungsvermögen und unsere

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Vorstellung hinaus; deshalb ist es kaum möglich, in
so kurzer Zeit eine umfassende Beschreibung von
Meditation zu geben.
Der Grund dafür ist, daß es eine Unzahl von We-
sen mit unzähligen verschiedenen physischen und
geistigen Fehlern gibt, und für jede Art dieser Fehler
des Körpers oder der negativen, unrichtigen Einstel-
lungen bestehen Meditationen, die genau diesen
einen Fehler beseitigen. Entsprechend den unter-
schiedlichen Arten dieser Fehler gibt es unterschiedli-
che Meditationen.

Meditation ist ein Wort, das heutzutage in aller


Munde ist, und es gibt sehr viele Leute, die sagen, sie
wüßten darüber Bescheid, und die auch sehr fleißig
darüber sprechen. Unter ihnen sind diejenigen, die
tatsächlich wissen, was Meditation ist, wie man sie
anwendet und zu welchen Zielen sie führt, die solche
Dinge unverfälscht und korrekt beschreiben und ver-
mitteln können, wesentlich in der Minderzahl gegen-
über denen, die zwar davon sprechen, aber nicht diese
Fähigkeiten haben.

Deshalb soll kurz erklärt werden, was die eigentli-


che Natur von Meditation ist, damit uns klar wird,
was darunter wirklich verstanden wird, wozu sie ver-
wendet wird und wie man die eigene Meditation,
wenn man sie einmal begonnen hat, weiterführt.
Hat man das einmal verstanden und kann man
das Gelernte anwenden, um so besser; aber selbst
wenn man es nicht anwendet, weiß man Bescheid,

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man weiß, wie man es macht, man wird nicht so
leicht von fehlerhafter Quelle beeinflußt und gerät
nicht so leicht auf falsche Wege.

Wenn man nicht genau weiß, was unter Medita-


tion verstanden wird und allen nachläuft, die darüber
sprechen, wird man bald soweit kommen, daß man
nichts mehr hat, worauf man sich wirklich verlassen
kann, daß sich der eigene Geist wesentlich wohler
fühlt, wenn er nicht meditiert, als wenn er meditiert,
und das ist ein deutliches Zeichen, daß man auf einen
falschen Weg geraten ist.
Man kann sonst leicht soweit kommen, wie im
folgenden Beispiel beschrieben: Wenn zu einem
Gasthaus auf einer Bergspitze verschiedene Wege
führen, kann man dennoch der festen, aber fehlerhaf-
ten Überzeugung sein, daß nur der eine Weg, auf
dem man sich selbst befindet, dorthin führt.

Was ist nun eigentlich Meditation? Man sollte


nicht den Körper mit Meditation verwechseln und
auch nicht körperliche Aktivitäten, und man sollte
nicht die Rede, das Sprechen, als Meditation betrach-
ten, sondern Meditation ist eine Aktivität des Geistes.
Durch physische Bemühungen und die Verwen-
dung der Rede kann man Dinge tun, die der Medita-
tion zuträglich sind, aber Meditation selbst ist immer
eine geistige Tätigkeit.
Meditation heißt, den Geist auf ein heilsames
Objekt zu richten und ihn dann in diesem heilsamen
Objekt zu schulen, ihn daran zu gewöhnen.

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Der Geist kann auf heilsame und unheilsame Ob-
jekte gerichter werden. Die Natur der Meditation ist,
den Geist auf ein heilsames Objekt zu richten und
ihn darin zu trainieren. Im Tibetischen ist schulen,
einüben das Wort, das allgemein als Meditation über-
setzt wird.

Wenn Sie zum Beispiel an ein erbärmliches kran-


kes oder hungriges Tier denken oder an einen kran-
ken, armen Menschen, dann kann in Ihnen Erbar-
men mit diesem Wesen entstehen, Sie haben Mitleid
mit ihm und denken: Der Arme, wenn es ihm nur
besser ginge, wenn er nur frei wäre von diesem Leid.
Dieser Wunsch, daß das Wesen frei von Leid sein
möge, ist Erbarmen. Wenn wir nun diesen Gedanken
immer wieder denken, ihn uns angewöhnen, uns in
dieser Einstellung schulen, dann ist das Meditation.

Ein anderes Beispiel: Wenn man bezüglich irgend-


welcher heiliger Dinge Hingabe empfindet - man ver-
spürt Vertrauen oder Glauben oder Hingabe gegen-
über verschiedenen Objekten -, wenn man nun ge-
genüber einem solchen Objekt in sich Hingabe ent-
stehen läßt, diese Hingabe immer wieder verstärkt
und in sich schult, indem man sich die Tugenden
dieses Objektes zu Gemüte führt, indem man dar-
über nachdenkt, von welch großem Nutzen, von wel-
cher großen, positiven Auswirkung dieses Objekt der
Hingabe ist, dann wird diese Hingabe verstärkt und
entwickelt. Eine solche Bemühung ist ebenfalls Medi-
tation.

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Das sind nur zwei Beispiele, die ich erwähnt habe,
weil sie leicht zu verstehen sind. Man sollte jetzt nicht
dem Fehler verfallen und denken, Meditation be-
schränke sich lediglich darauf. Wie zuvor erwähnt,
gibt es unzählige Meditationen, die ein Gegenmittel
gegen unzählige Fehler sind.

Was ist nun ein heilsames Objekt? Erinnern Sie


sich, die Charakteristik von Meditation ist, den Geist
auf ein heilsames Objekt zu richten und ihn darin zu
schulen. Nun, ein heilsames Objekt muß als etwas
betrachtet werden, das in bezug auf den Meditieren-
den heilsam ist, das hängt nicht nur vom Objekt
selbst ab.

Ein Beispiel, um das deutlicher zu machen: Neh-


men wir an, es sei irgendeine Person hier, der gegen-
über der Übersetzer Erbarmen empfindet, und er
schule und verstärke dann dieses Erbarmen weiter,
während ich auf diese Person verärgert und wütend
bin. Nun ist diese Person ein heilsames Objekt für
den Übersetzer, weil er ihr gegenüber Erbarmen emp-
findet und entwickelt, während dieselbe Person für
mich ein unheilsames Objekt wäre, weil ich böse und
wütend auf sie bin und dadurch eine unheilsame Ein-
stellung ihr gegenüber habe.

Ein anderes Beispiel: Wenn da draußen auf der


Wiese eine Kuh steht und jemand denkt, was für ein
nützliches Tier, man bekommt Milch von ihm, und
was für ein armes Tier, daß es so dumm ist und in

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einem solchen dumpfen Zustand leben muß, und tie-
fes Erbarmen für die Kuh empfindet und ihr Gras
und Wasser gibt, dann ist diese Kuh für diese Person
ein heilsames Objekt, weil die Person der Kuh gegen-
über Erbarmen empfindet und dieses in sich schult.
Für eine andere Person, die genau die gleiche Kuh
sieht und sich denkt, wenn das Vieh nur bald schön
fett ist, dann kommt es auf den Sonntagstisch, ist die-
se Kuh ein unheilsames Objekt, weil die eigene Ein-
stellung dem Objekt gegenüber unheilsam ist.

Wie wirkt sich nun diese Meditation aus? In der


Person, die gegenüber der Kuh Erbarmen empfindet,
dieses Erbarmen in sich weiter fördert und steigert,
wird diese Fähigkeit, die Einstellung des Erbarmens,
immer stärker werden, und sie wird dann mit der
Zeit gegenüber allen anderen Wesen ebenfalls Erbar-
men empfinden. Und im gleichen Maß, wie das Er-
barmen in dieser Person im Vordergrund steht, wird
sie weniger ärgerlich, weniger wütend werden, denn
Erbarmen und Ärger sind direkte Gegensätze.
Und in dem Maß, in dem in einer Person Ärger
und Wut schwach sind, erfährt sie Ruhe und Ausge-
glichenheit, denn Ärger ist der Geisteszustand, der
dem Geist sämtliche Ruhe und jedes Glück entreißt.

Nun überlegen Sie selbst: Wenn jemand sein Le-


ben so lebt, daß er immer wieder anderen gegenüber
Erbarmen empfindet, dieses Erbarmen, wie eben er-
wähnt, versucht zu stärken und zu fördern, dann
kann diese Person der Meinung sein, sie sei nicht

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religiös, sie wolle nichts von Religion oder von Dhar-
ma wissen; in Wirklichkeit übt sie Dharma aus, und
sie übt sich in Meditation; da spielt die Anschauung
keinerlei Rolle.
Jemand, der zum Beispiel sagt, ich will nichts von
Religion wissen, ich bin kein religiöser Mensch, ich
will nichts von Dharma wissen, der jedoch den ande-
ren gegenüber immer sehr lieb eingestellt ist, den
andern gegenüber Erbarmen und Mitgefühl empfin-
det, den andern hilft, wo immer er nur kann, der ist
in Wirklichkeit auf dem Weg des Dharma, auf dem
Weg von Religion, ganz gleich, ob er der Meinung
ist, er sei es oder er sei es nicht.
So jemand übt wirklich ernsthaft Dharma aus, er
geht den Weg des Dharma und ist lediglich bezüglich
seiner Anschauung der Meinung, er sei kein religiöser
Mensch, das heißt, er akzeptiert den Namen Religion
oder Dharma nicht.
Im Gegensatz dazu ist jemand, der von sich be-
hauptet, ein sehr religiöser Mensch zu sein, der aber
ständig den anderen Schwierigkeiten macht, den an-
dern Leid zufügt, den andern das Leben schwer-
macht, wo immer er nur kann, der jedoch, wenn man
ihn fragt, bist du ein religiöser Mensch? vielleicht
sagt, ich bin ein Christ oder ich bin ein Buddhist
oder Hinduist oder was immer, in Wirklichkeit kein
religiöser Mensch, er geht nicht den Weg des Dhar-
ma, sondern den des Gegenteils.
Wenn nun jemand ständig seinen Geist auf heilsa-
me Objekte richtet und ihn in bezug auf diese heilsa-
men Objekte schult und weiter daran gewöhnt, dann

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meditiert er, ganz gleich, ob er dabei spazierengeht,
ob er dabei arbeitet oder was er sonst noch dabei tut.
So sollte man erkennen, daß Meditation nichts
Beschränktes ist, sondern sich sehr weit durch den
ganzen Lebensstil zieht.

Da gibt es manche Leute, die sich immer bekla-


gen, sie könnten nicht meditieren, sie wüßten nicht,
wie man das macht. Wenn sie so sprechen, haben sie
etwas anderes im Sinn. Tatsächlich ist es so: Wenn
z.B. jemand, der im Schiff auf dem See fährt und
dort die Schwäne und anderen Wasservögel sieht, die
um Nahrung betteln, Mitleid mit diesen Tieren hat
und ihnen ganz von selbst etwas Nahrung zuwirft,
dann ist seine Einstellung Erbarmen, die Natur seines
geistigen Zustandes ist heilsam, und dadurch ist seine
geistige Aktivität Meditation.

So ist die Charakteristik von Meditation, daß der


Geist auf ein heilsames Objekt gerichtet ist und daran
gewöhnt wird.

Was ist nun ein heilsames Objekt? Wir im Westen


fragen uns sehr leicht, was man als heilsames Objekt
bezeichnet und was als unheilsames. Heilsam ist eine
Handlung, die frei von Verblendungen ist und die als
Resultat ein Glück entweder für einen selbst oder für
die anderen hervorbringt. Im Gegensatz dazu ist eine
Handlung, die als Resultat Leid für einen selbst oder
für andere erzeugt und die mit Verblendungen ver-
bunden ist, unheilsam.

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Bei Samen zum Beispiel unterscheiden wir gute
und schlechte. Und was führt uns zu dieser Eintei-
lung? Wenn der Same ein Unkraut, etwas Unbrauch-
bares oder Giftiges, etwas Unerwünschtes produziert,
dann bezeichnen wir ihn als schlecht; wenn aus ihm
etwas Angenehmes sprießt, z.B. eine Pflanze mit gu-
ten Früchten oder ein Kraut, das man als Medizin
verwenden kann, dann bezeichnen wir ihn als guten
Samen.

Damit ist kurz beschrieben, was unter heilsam und


unheilsam zu verstehen ist. Was dazu führt, z.B. Er-
barmen oder Zuneigung zu fördern, ist ein Mittel der
Meditation.

Zusammengefaßt kann man Meditation in kon-


zentrative und in untersuchende oder analytische
Meditation unterteilen.

Im Westen versteht man heutzutage unter


Meditation meistens nur konzentrative Meditation.
Leute, die an Meditation interessiert sind, wissen oft
nur darüber etwas und gar nichts über analytische
Meditation, oder sie erkennen diese nicht als Medita-
tion.
Es gibt auch viele, die sich nicht genau darüber im
klaren sind, was konzentrative Meditation ist, die der
Meinung verfallen, es seien alle Arten von Gedanken
darunter zu verstehen, und die somit etwas praktisch
Unbrauchbares versuchen.

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In Wirklichkeit ist analytische Meditation die Art
von Meditation, die für uns am nützlichsten und zu-
gänglichsten ist, die wir auch durchführen können
und die die besten Resultate bringt.

Hierher gehören die beschriebenen Beispiele.


Wenn z.B. jemand Hingabe gegenüber einem beson-
deren Objekt empfindet und diese weiter schult, ist
dies Meditation, und zwar analytische Meditation.
Das gleiche trifft auf die Beispiele des Entwickelns
von Erbarmen und Mitgefühl zu. Die meisten in uns
auftretenden Tätigkeiten dieser Art, die man als Me-
ditation bezeichnen kann, sind analytische Medita-
tion. Auch alle die Methoden, die das Ziel haben, die
Fähigkeit des Ertragens oder der geistigen Ruhe zu
steigern, alle diese geistigen Aktivitäten in bezug auf
bestimmte heilsame Objekte sind analytische Medita-
tion.

Wenn Sie z.B. ein korrektes, fehlerfreies Buch


über Dharma aufmerksam lesen, über das Gesagte
nachdenken, dann sind alle diese Bemühungen analy-
tische Meditation. Auch wenn Sie z.B. den gegenwär-
tigen Erläuterungen aufmerksam zuhören, sie sich
überlegen, sich Gedanken machen, wie es sich verhält
usw., dann sind alle diese Gedanken und Überlegun-
gen ebenfalls analytische Meditation. Denn beim
Zuhören sind unsere Gedanken auf etwas Heilsames
gerichtet, wir überlegen uns das Gesagte, wir untersu-
chen es, wir analysieren es; deshalb wird das richtiger-
weise auch als analytische Meditation bezeichnet.

29
Am Anfang, wenn man versucht zu meditieren,
wird z.B. meistens der Atem beobachtet, um den
Geist von störenden Gedanken zu befreien. Dieses
Beobachten des Atems, genauso wie z.B. die Medita-
tionen, die als Satipatthana bekannt sind, sind eben-
falls untersuchende Meditation.

Alle diese Gedanken, diese Bemühungen sind uns


zugänglich, wir können sie durchführen, und sie
bringen eine ganz konkrete Veränderung und Verbes-
serung unseres Geisteszustandes; und deshalb habe
ich anfangs erwähnt, daß analytische Meditation für
uns die nützlichste und beste ist.

Ein anderes Beispiel: Da ist irgend jemand, der


uns immer wütend macht, auf den wir schon wütend
werden, wenn wir ihn nur sehen. Dann kommt diese
Person eines Tages wieder in die Nähe, und wir sehen
sie und denken uns, na verflucht, jetzt ist der Kerl
schon wieder da, und wir ärgern uns, werden wütend
und zerstören unsern ganzen geistigen Frieden. Wenn
wir nun dagegen eines Tages wieder diese Person se-
hen und uns denken, warum soll ich mich immer
über sie ärgern, warum soll ich immer wütend auf
diese Person werden? Wenn ich mich immer ärgere,
hat es nie ein Ende, und es führt zu gar nichts, statt-
dessen bleibe ich ruhig, was immer diese Person ver-
ursacht oder tut, ich ertrage das, lasse es einfach über
mich ergehen. Sobald wir eine solche Einstellung zu
erzeugen versuchen, solche Gedanken in uns denken,
ist das ebenfalls analytische Meditation.

30
Eine Meditation kann ihre Resultate sofort geben
und zeigen. Wenn nun jemand, der wie in dem vor-
her erwähnten Beispiel gegenüber einer Person, die
ihn immer ärgert und in Aufruhr bringt, versucht,
Ertragen zu üben, nicht wütend zu werden, dann
wird als erstes der Gesichtsausdruck dieser Person
nicht mehr so böse und aggressiv sein, sie wird ent-
spannter sein, ihr geistiger Zustand wird nicht aufge-
wühlt, sondern ruhig bleiben. Die andere Person, die
ebenfalls auf den Ärger des Gegenüber reagiert, wird
erkennen, daß diesmal kein entsprechend böses Ge-
sicht vorhanden ist, sie selbst wird entspannter wer-
den. Alles das sind direkte Auswirkungen der Medita-
tion des einen Individuums.
Manche denken nun vielleicht, ja das ist sehr gut
zu hören, daß solche Gedanken Meditation sind, da-
zu bin ich tatsächlich auch imstande. Aber man kann
gleichzeitig den Zweifel in sich aufkommen sehen, ob
verbale Bemühungen wie die Rezitation von Gebe-
ten, z.B. von MANIs, oder körperliche Bemühungen
wie z.B. das Darbringen von Niederwerfungen usw.
einen Sinn haben, ob sie Meditation sind, wo ihr po-
sitiver Zweck liegt.
Diese verbalen und körperlichen Bemühungen
sind sehr heilsam, und da man sie mit einer heilsa-
men geistigen Einstellung durchführt, haben sie mit
der Meditation eine Verbindung.
Manche, die die Bedeutung der Niederwerfungen
kennen, haben keine weiteren Zweifel. Anderen wie-
derum mögen sie als eine äußert kuriose Sitte erschei-
nen. Niederwerfungen sind keine Verpflichtung,

31
sondern für den, der den Wunsch hat, diese Form des
Dharma anzuwenden, stehen sie zur Verfügung; wer
diesen Wunsch nicht hat, kann sie ganz ruhig blei-
benlassen.
Man fragt sich vielleicht, was Niederwerfungen
eigentlich bedeuten. Sie sind entsprechend den
Schriften ein Ausdruck der Ehrfurcht.
Beim Militär zum Beispiel grüßt man, indem man
die Hand in die Höhe neben den Kopf erhebt, was
vielleicht ebenfalls eine Ehrerbietung darstellt.
Im Dharma ist die Niederwerfung ein Ausdruck
der Ehrerbietung. Aber neben dieser traditionellen
Bedeutung ist das Darbringen von Niederwerfungen
eine äußerst wirksame Methode, um negative Ein-
drücke des Geistes zu bereinigen.

Was analytische Meditation ist, habe ich kurz be-


schrieben. Was ist nun unter konzentrativer Medita-
tion zu verstehen? Konzentrative Meditation ist eine
Aktivität des Geistes, bei der die Aufmerksamkeit des
Geistes punktförmig, völlig unabgelenkt auf ein be-
stimmtes Objekt gerichtet bleibt.

Wenn Sie z.B. einen Nagel in eine Holzsäule trei-


ben, dann bleibt dieser Nagel ganz unbewegt und fest
in der Holzsäule stecken. Der Holzsäule entspricht
das Objekt, dem Nagel unser Geist. Wenn der Geist
punktförmig, unbewegt auf das Objekt gerichtet
bieibt, so wie der Nagel in der Holzsäule steckt, dann
ist das konzentrative Meditation.

32
Das ist in Wirklichkeit unter konzentrativer
Meditation zu verstehen. Nun gibt es sicher viele, die
das nicht genau wissen, die zudem der Meinung sind,
alle Meditation sei nur konzentrative Meditation. Sie
setzen sich dann zur Meditation hin, und ihr Geist ist
trüb und in leichten Bewegungen auf ein unklares
Objekt gerichtet, wobei kaum deutlich zu sagen ist,
ob die Person nun schläft oder meditiert; und dann
sind diese Leute der Meinung, das sei konzentrative
Meditation. Das ist allerdings ein Fehler.
Wenn man versucht, seinen Geist zu konzentrie-
ren, er aber nicht auf das Objekt gerichtet bleibt,
dann mag man wohl der Meinung sein, man übe
konzentrative Meditation aus; das ist aber nicht ganz
richtig, diese Bemühugen sind auch analytische Me-
ditation. Sie sind korrekt, sie sind heilsam, es ist gut,
sie durchzuführen, sie sind aber nicht konzentrative,
sondern analytische Meditation.
Es spielt jedoch keine Rolle, ob dies nun als analy-
tische oder konzentrative Meditation bezeichnet
wird, tatsächlich sind die Bemühungen etwas sehr
Heilsames. Man versucht seinem Geist eine heilsame
Gestalt zu geben, indem man Meditation verwendet;
das ist schon viel besser, als gar nichts zu machen.

Es gibt auch Leute, die in Meditation sitzen, die


versuchen, ihren Geist zu konzentrieren und fest da-
von überzeugt sind, daß er ganz fest auf sein Objekt
gerichtet ist, während er in Wirklichkeit ständig
umherschwirrt.

33
Sie haben jetzt eineinhalb Stunden sehr aufmerk-
sam zugehört. Verschwenden Sie diese Anstrengung
nicht wieder, sondern versuchen Sie auch in den Pau-
sen über das, was gesagt worden ist, der Reihe nach
nachzudenken, es sich wieder zu Gemüte zu führen,
Ihre eigenen Gedanken darüber zu fassen; oder wenn
Sie sich mit den andern unterhalten, versuchen Sie
auch über das Gesagte zu sprechen; dadurch wird es
klarer und deutlicher, und die Anstrengung des Zu-
hörens war nicht vergebens.

Einleitung zur Meditation:

Wenn man sich zur Meditation hinsetzt, ist es


wichtig, daß man zuerst versucht, seinen Geist klar zu
machen; das heißt, daß man zuerst seinen Körper
entspannt, dann den Geist von den verschiedenen
Gedanken frei macht. Ähnlich wie aufgewühltes
Wasser durch Stehen von Schmutz getrennt werden
muß, bis es wieder ganz klar ist.
Wenn Körper und Geist ruhig geworden sind,
darf man nicht seiner Vergangenheit nachgrübeln,
auch keine Pläne für die Zukunft schmieden, sondern
man muß sich ganz nur auf den Moment konzentrie-
ren. Sind dann Körper und Geist entspannt und der
Geist klar und ruhig geworden, können Sie z.B. über
das nachdenken, was heute morgen erklärt worden
ist. Überlegen Sie sich, was dafür spricht, ob es zu-
trifft, und wenden Sie es auf Ihre eigene Erfahrung
an.

34
Auch ist es wichtig, bei der Meditation fröhlich zu
sein, sich darüber zu freuen, daß man die Möglich-
keit hat, seine Zeit für etwas Heilsames einzusetzen,
sie für die Verwendung von Dharma zu benützen.

Heute morgen sprach ich über die Natur von


Meditation und die Einteilung von Meditation in
konzentrative und analytische.

Jemand, der schon viele Unterweisungen über


Dharma erhalten hat, kann auch die folgenden Über-
legungen sehr leicht nachvollziehen: Zum Beispiel,
wie wertvoll ein menschliches Leben ist, was für gro-
ße Ziele damit erreicht werden können und von
welch kurzer Dauer es ist. Solche Überlegungen und
solche Erkenntnisse werden ebenfalls als analytische
Meditation bezeichnet.
Wenn man sich andererseits überlegt, daß man
nach dem Ende dieses Lebens keine Freiheit in bezug
auf das Weiterleben hat, daß man sich nicht aussu-
chen kann, wohin man geht, sondern in Abhängig-
keit von unheilsamen Handlungen in elenden Berei-
chen weiterexistieren wird, in Abhängigkeit von heil-
samen Handlungen in angenehmen, ist dies ebenfalls
analytische Meditation.

Wenn man sich dann weiter überlegt, daß man,


um die Zukunft heilsam zu gestalten, die gegenwärti-
ge Zeit möglichst gut auszunützen und sich zu

35
bemühen hat, um unheilsame Eindrücke zu beseiti-
gen und Heilsames zu tun, dann erkennt man, daß
man das vor allem durch eigene Anstrengungen und
durch die Hilfe eines Objektes der Zuflucht erreichen
kann. Solche Gedanken sind wiederum analytische
Meditation.

Andere überlegen sich die eigentliche Natur ihres


Bestehens, sie erkennen, daß man als Wesen im Da-
seinskreislauf keinerlei Freiheit hat, daß man ständig
unter dem Einfluß der Verblendungen des Geistes
und unheilsamer Handlungen existiert, daß man ge-
boren wird, unfreiwillig altert, krank wird und un-
freiwillig stirbt, um nur den gleichen Prozeß wieder
durchzumachen. Indem man sich das überlegt und
die Nachteile dieser Art des Bestehens erkennt, ent-
steht in einem der starke Wunsch, von solcher Exi-
stenz freizukommen. Solche Überlegungen und das
Entwickeln eines solchen Wunsches sind ebenfalls
analytische Meditation.

Wenn man weiter seine Einstellung so verändert,


so revolutioniert, daß man seine Ichbezogenheit über-
windet, daß man das Wohl der anderen zu seiner pri-
mären Angelegenheit macht und somit Erbarmen
und Zuneigung zu einer Vervollkommnung bringt
und auch den Wunsch, das Streben entwickelt, die
volle Erleuchtung für das Wohl der anderen zu erlan-
gen; solche Einstellungen, solche Entwicklungen,
genauso wie die verschiedenen Anwendungen der
Paramitas, der Vollkommenheiten, vor allem der

36
ersten fünf, all dies gehört zum größten Teil in die
Klasse der sogenannten analytischen Meditation.
So habe ich nur einige Punkte erwähnt, die als
analytische Meditation bezeichnet werden, gewisser-
maßen wie eine kleine Landkarte. Für diejenigen un-
ter Ihnen, die schon öfters Unterweisungen gehört
haben, werden diese verschiedenen Namen etwas
Klareres bedeuten, für die anderen mögen sie viel-
leicht nur wie ein Wegweiser aussehen. Aber es ist
nicht genügend Zeit, um Einzelheiten genau zu be-
schreiben, vielleicht ergibt sich in der Zukunft einmal
die Möglichkeit.

Ich erwähnte, daß man durch die gezielte Anwen-


dung von Meditation den Geist so führen kann, daß
er fröhlich ist, daß er von Glück erfüllt ist, daß die
Traurigkeiten usw. überwunden werden können.
Wenn wir irgend etwas tun, dann bedeutet das
eine Handlung. Die Handlungen, die wir mit unse-
rem Geist oder mit unserer Rede oder mit unserem
Körper durchführen, kann man in drei Gruppen ein-
teilen.
Die eine Gruppe sind die sogenannten heilsamen
Handlungen, die andere Gruppe das Gegenteil, die
unheilsamen Handlungen, und dann gibt es noch
eine Gruppe, die man als neutrale Handlungen be-
zeichnet, weil sie weder heilsam noch unheilsam sind.
In den Schriften wird die Handlung in dieser Be-
ziehung oft Karma genannt. Dieser Name hat weiter
nichts anderes zu bedeuten als Handlung, Handlung
des Geistes, der Rede oder des Körpers.

37
Heilsame Handlungen z.B. sind etwas Veränderli-
ches. Als etwas Veränderliches bringen sie Resultate
mit sich. Sie sind also als Ursachen zu bezeichnen.
Die Resultate, die durch heilsame Handlungen pro-
duziert werden, sind immer etwas Angenehmes, sind
immer eine Art von Glück.
Unheilsame Handlungen sind ebenfalls etwas Ver-
änderliches und somit ebenfalls Ursachen, die be-
stimmte Resultate hervorrufen. Sie sind negative Ur-
sachen, die dementsprechend negative Resultate her-
vorbringen; das heißt, unheilsame Handlungen wer-
den immer Leid, Schwierigkeiten, Drangsal produzie-
ren.
Die neutralen Handlungen produzieren ebenfalls
Resultate; da sie weder heilsam noch unheilsam sind,
sind auch ihre Resultate weder angenehm noch unan-
genehm.

Die Samen bestimmter Früchte z.B. werden im-


mer wieder nur süße Früchte hervorbringen. Der
Same des Pfeffers dagegen wird immer wieder nur
eine Pfefferschote hervorbringen, die im Munde wie-
der heiß ist und brennt. Genauso gibt es Samen, die
weder süße noch brennende Früchte produzieren.
Und mit den Handlungen der Wesen verhält es
sich ähnlich, bestimmte Handlungen produzieren
immer ihre entsprechenden Resultate.

Das Hauptziel der Meditation ist, den Geist so zu


formen, daß er sich mit den heilsamen Aspekten
immer vertrauter macht, daß diese mehr und mehr

38
ein integrierter Bestandteil des Geistes werden und
dadurch die negativen Aspekte des Geistes, die Ver-
blendungen usw., immer mehr abgeschwächt werden.
Wenn man den Geist intensiv an heilsame Aspek-
te gewöhnt, dann werden unter dem Einfluß des Gei-
stes die verbalen und körperlichen Handlungen eben-
falls heilsam sein, man wird mehr zu heilsamen
Handlungen neigen als zu unheilsamen; und je mehr
heilsame Handlungen durchgeführt werden, um so
mehr positive Ursachen werden gesetzt, die entspre-
chend mehr angenehme Resultate mit sich bringen.

Unsere gewöhnliche Einstellung dagegen ist sehr


von Verblendungen geprägt. Unter ihrem Einfluß
werden unsere geistigen genauso wie die verbalen und
körperlichen Handlungen negative Handlungen, und
diese stellen wiederum Ursachen dar, die nichts als
Schwierigkeiten und Leid hervorrufen.

Wenn man zuerst versucht, den Geist, seine Funk-


tionsweise usw. etwas genauer zu erfassen und dann
wenigstens in seiner Freizeit versucht, dem Geist eine
heilsame Gestalt zu geben, ihn mehr an heilsame Ein-
stellungen und Aktivitäten zu gewöhnen, dann tut
man wirklich etwas für sich, das äußerst nützlich ist
und angenehme Resultate mit sich bringt.

Für Eltern oder Lehrer, die in der Schule unter-


richten, ist es sicher sehr wichtig, daß sie ihren Kin-
dern oder Schülern Dinge beibringen, die diesen auf
lange Dauer von großem Nutzen sind, daß sie sie

39
dazu anhalten, heilsam zu leben, eine heilsame Ein-
stellung zu finden. Wenn man das versucht und ge-
wissen Erfolg hat, dann ist das von außerordentlich
großem Wert für die Kinder oder die Schüler und
auch von großem Gewinn für einen selbst.
Manche von Ihnen denken nun vielleicht, ich sei
schlau, ich sage eigentlich, man solle seinen Kindern
und Schülern den Buddhismus beibringen. Das trifft
aber keineswegs zu; ich will deutlich machen, daß es
ganz gleich ist, was für eine Religion es ist; das, was
den Schülern und Kindern und einem selbst von
wirklichem Nutzen ist, ist ein heilsames Leben, sind
heilsame Einstellungen; diese kann man in jeder Art
von guter Religion seinen Schülern oder Kindern bei-
bringen. Der Name spielt dabei keine Rolle.

Ich bin ein buddhistischer Mönch. Das, was ich


unterrichte, hat aber nicht ausschließlich mit dem
Buddhismus zu tun, sondern ich versuche unsere
eigentliche Natur deutlich zu machen, Mittel zu zei-
gen, die ein wirklich nützliches, gewinnbringendes
Resultat für einen ermöglichen.

Nach den verschiedenen Erklärungen über analy-


tische und konzentrative Meditation sind Sie viel-
leicht auf die Idee gekommen, daß analytische Medi-
tation zweifellos etwas sehr Nützliches ist. Aber Sie
bezweifeln vielleicht den Wert konzentrativer Medi-
tation, oder es ist Ihnen nicht ganz klar, was eigent-
lich das Ziel dieser Art von Meditation ist.

40
Konzentrative Meditation, Shamata, geistige Ru-
he, führt ebenfalls zu ganz außergewöhnlich positiven
Resultaten.

Wenn wir uns z.B. bemühen, eine heilsame Ein-


stellung zu gewinnen, und es uns auch gelingt,
kommt oft sehr schnell irgendein anderer Gedanke,
der dann die ganze vorhergehende Bemühung wieder
auf die Seite wischt; das heißt, die heilsame Einstel-
lung, die wir entwickelt haben, wird von anderen
Gedanken sofort wieder zerstört. Oder wir finden
eine heilsame Einstellung, und auf Grund irgendwel-
cher anderer Gedanken ärgern wir uns, was wiederum
unsere heilsame Einstellung zerstört.
So ist unser Geist nicht sehr stabil, er ändert sich
sehr leicht und sehr schnell unter dem Einfluß einer
großen Zahl von verschiedenen Vorstellungen. Das
ist leicht zu erkennen; wenn wir versuchen, uns zur
Meditation hinzusetzen, und uns ernsthaft bemühen,
den Geist auf etwas Heilsames zu richten, dauert es
nicht sehr lange, bis unser Geist wieder spazierengeht
oder zur Arbeit geht oder über die Zukunft nach-
denkt oder sich über irgend jemanden ärgert, der
gestern etwas Böses gesagt hat. Und schon ist man
vom Objekt der Meditation wieder abgekommen.
Daß unser Geist das ständig macht, muß ich nicht
genau erklären, denn ich nehme an, daß Sie das alles
aus Ihrer eigenen Erfahrung sehr genau kennen.

Wenn man Shamata, geistige Ruhe, erreicht hat,


dann hat der Geist eine solche Kraft der Konzentra-

41
tion, daß er genau auf das Objekt gerichtet bleibt, auf
das er gerichtet ist, und ihn nichts davon abbringen
kann.
Der Geist bekommt dann eine solche Fähigkeit,
daß es, sobald er sich vornimmt, sich auf ein heilsa-
mes Objekt zu richten, keine Gedanken und Vorstel-
lungen gibt, die ihn vom Objekt ablenken können.
Und wenn man sich vornimmt, bestimmte heilsame
Handlungen durchzuführen, seinen Geist darauf zu
richten, dann werden diese durchgeführt, ohne die
geringste Behinderung durch andere störende ge-
dankliche Einflüsse.

Wenn Sie an einem Fahnenmast im Wind eine


Fahne aufhängen, wird diese nie ruhig sein. Die Fah-
ne hat nicht die Freiheit, ruhig zu bleiben, wenn der
Wind weht und sie bewegt. Unser Geist entspricht
der Fahne, er wird ständig durch den Wind der vielen
Vorstellungen und Gedanken hin- und herbewegt.
Solange diese auftreten, scheint er nicht die Freiheit
zu haben, ruhig zu bleiben. Wenn man die Fahne
vom Mast nimmt und in ein Haus bringt, dessen
Fenster alle geschlossen sind, dann wird sie ruhig
bleiben und sich nicht mehr bewegen. Ähnlich bleibt
der Geist ruhig und bewegt sich nicht mehr, wenn
geistige Ruhe erreicht ist.

Wie ich schon erwähnt habe, ist konzentrative


Meditation äußerst schwierig; man muß die Metho-
den sehr genau kennen, und selbst dann ist es noch
sehr mühsam, sie anzuwenden und dieses Ziel wirk-

42
lich zu erreichen. Deshalb möchte ich die konzentra-
tive Meditation etwas genauer erklären. Sie wird in
sechs Abschnitten beschrieben:

1. Vorbereitungen
2. Eigentliche Meditation
3. Weiterentwickeln der Meditation
4. Hilfreiche Kräfte
5. Durchlaufene Stufen
6. Resultat Shamata

Die für eine erfolgreiche Shamata-Meditation not-


wendigen Vorbereitungen sind fast das wichtigste.
Jemand, der wirklich zu kochen versteht, kann, wenn
alle notwendigen Zutaten usw. hergerichtet sind, sehr
schnell eine gute Mahlzeit zubereiten. Oder wenn Sie
ein Haus bauen möchten, wird Ihnen das schnell und
leicht gelingen, wenn Sie alle Vorbereitungen, die
dazu notwendig sind, vollständig ausgeführt haben.

Zuerst ist es wichtig, daß man analytische Medita-


tion versteht und sie auch ausübt. Wenn man sich
dann zudem noch in konzentrativer Meditation üben
will, ist das sehr gut; möchte man das nicht, ist es
dennoch wichtig, zu wissen, worum es sich wirklich
handelt, weil man dann auf Grund verschiedener an-
derer Meditationen nicht so leicht auf Fehler verfällt.

Möchte man die vollständigen Vorbedingungen


zum Erreichen von Shamata beisammen haben, sind
verschiedene Punkte zu beachten. Zum Beispiel in

43
bezug auf die Umgebung, in der man diese Medita-
tionen durchführen möchte, oder in bezug auf die
Stellung des Körpers bei der Meditation.
Wenn man einen angenehmen, ruhigen Ort fin-
den kann, der so beschaffen ist, daß man sich dort
wohl fühlt, daß man den Wunsch hat, dort bleiben
zu können und zu meditieren, dann ist das sehr hilf-
reich für das Gelingen der Meditation.
Doch allein, daß der Ort sehr gefällig ist, genügt
nicht, sondern er muß zudem frei von Gefahren sein;
bestehen an einem solchen Ort innere und äußere
Gefahren für das eigene Leben, ist er z.B. durch wilde
Tiere bedroht, dann ist er nicht geeignet für eine sol-
che Meditation.
Zudem müssen das Wasser und die Luft an dem
Ort rein und gesund sein, denn das bewirkt eine ge-
sunde Beeinflussung des Köpers, was wiederum eine
positive Wirkung auf den Geist hat.
Wenn man selbst sehr hohe geistige Fähigkeiten
erreicht hat, so daß man imstande ist, Hindernisse
innerer oder äußerer Natur durch seine eigene Kraft
zu überwältigen, dann kann man sich allein an einen
solchen Ort zurückziehen; hat man einen solchen
Zustand noch nicht erreicht, dann ist es unbedingt
notwendig, ein bis zwei Helfer mitzunehmen.
Die Begleiter müssen Leute sein, mit denen man
sich gut versteht, die gleiche Ansichten und ähnliches
Benehmen haben wie man selbst; denn wenn man
sich mit ihnen nicht gut vesteht, ist wahrscheinlich
alle Meditation hoffnungslos, man wird seine ganze
Zeit nur mit Streit verbringen.

44
Weshalb ist es unbedingt notwendig, solche Be-
deiter mitzunehmen? Wenn man sich an einen solchen
Ort zum Meditieren zurückzieht, wird man
leicht mit inneren oder äußeren Hindernissen kon-
frontiert, man wird vielleicht krank, oder es treten
andere Schwierigkeiten auf, die man allein nicht be-
wältigen kann.
Ein weiterer Grund ist folgender: Der so zurück-
gezogen intensiv Meditierende sitzt nicht mit leerem
Geist oder schläfrig in seiner Meditationshaltung,
sondern er leistet eine sehr angestrengte geistige Ar-
beit, und dadurch entstehen auch entsprechend viele
Zweifel und Ungewißheiten bezüglich schwieriger
Punkte. Im Gespräch mit dem Begleiter können
dann diese Punkte geklärt werden. Für jemanden, der
nicht so intensiv nachdenkt, entstehen natürlich auch
keine Ungewißheiten, man nimmt die Dinge so, wie
sie sind, und denkt nicht viel darüber nach.

Wenn man meditiert, ist man auch auf Nahrung


angewiesen, und so muß man Vorbereitungen tref-
fen, daß man während seiner Anstrengungen in der
Meditation Essen und Trinken relativ leicht erhalten
kann.

Tibet war im Vergleich zurn heutigen Wohlstand


des Westens ein wesentlich ärmeres Land. Es war dort
üblich, daß jemand, der sich zurückzog, um zu medi-
tieren, einen Gönner fand, der sich für seinen Le-
bensunterhalt während dieser Periode verpflichtete,
der von Zeit zu Zeit Nahrung zu dem Meditierenden

45
in seine Klause schickte. Oder wenn einem das nicht
gelang, konnte man in das nächste Dorf gehen und in
einer Stunde genügend Nahrung erbetteln, um einen
Monat lang davon leben zu können. Es ist notwen-
dig, daß man während der Meditationen genügend
Nahrung zur Verfügung hat, denn man kann nicht
gleichzeitig arbeiten und konzentrative Meditation
erlangen. Im Westen ist das heutzutage etwas schwie-
riger, weil man nicht mehr so leicht betteln gehen
kann wie in Tibet.
Auch ist es äußerst wichtig, daß die Nahrung, die
der Meditierende erhält, nicht durch unheilsame
Mittel zustande gekommen ist, daß z.B. Tiere eigens
für seine Nahrung getötet wurden. Der Lebensunter-
halt muß unbedingt auf ehrliche und korrekte Weise
erworben sein.
Das wichtigste ist, daß der Meditierende, der sich
zur Meditation zurückziehen will, genau Bescheid
weiß, wie die entsprechenden Meditationen durchge-
führt werden, was für Schwierigkeiten auftreten wer-
den und wie man diese beseitigt. Alle diese Informa-
tionen muß er zuerst erhalten und studieren und zu
diesem Zweck jemanden bitten, der ihm diese Unter-
weisungen geben kann.
Wenn man nicht Bescheid weiß, nicht studiert
hat, wie und was man zu meditieren hat, sondern sich
einfach irgendwo in den Bergen zurückzieht und zur
Meditation hinsetzt, kommt bald der Punkt, wo man
nicht weiß, was man jetzt eigentlich tun und denken
sollte; dann bleibt einem nichts anderes mehr übrig,
als vom hohen Berg wieder herunterzukommen.

46
Um das mit einem Beispiel deutlich zu machen:
Wenn jemand zur Fußballweltmeisterschaft gehen
will, und zwar nicht als Zuschauer, sondern als Spie-
ler, muß er zuerst fleißig trainieren, um ein guter
Fußballer zu werden. Denn wenn er nur den großen
Wunsch hat, als Fußballer dort hinzugehen, und
auch hingeht, wird er nicht lange auf dem Spielfeld
bleiben, sondern recht schnell wieder weggeschickt
werden. Mit der Meditation ist das ähnlich.

Auch dürfen die Bedürfnisse des Meditierenden


nur sehr gering sein. Wenn er große Anforderungen
stellt, wird er ständig damit beschäftigt sein, diese zu
erfüllen; er wird dauernd denken, das brauche ich
noch, das muß ich noch haben, und alle diese Be-
dürfnisse bilden ein unüberwindbares Hindernis für
das Gelingen der Meditation.

Als weitere Eigenschaft muß der Meditierende


Zufriedenheit besitzen, damit er mit dem, was ihm
zur Verfügung steht, zufrieden ist; daß er damit zu-
frieden ist, wenn er etwas Nahrung hat, daß er damit
zufrieden ist, wenn er etwas Kleidung hat, die ihn vor
Kälte schützt. Denn wenn er nicht zufrieden ist, wird
er ständig nach etwas anderem verlangen; hat er eine
Decke bekommen, die ihn warm hält, wird er diese
wieder zur Seite legen und sich eine andere wün-
schen. Ein Mangel an Zufriedenheit bildet ebenfalls
ein unüberwindbares Hindernis für das Gelingen von
Meditation.

47
Außerdem muß die Meditation das Hauptanlie-
gen des Meditierenden sein, es muß sein größter
Wunsch sein, diese Meditationen durchführen zu
können, um deren Ziel zu erreichen.

Er darf keine besondere Neigung zu Zusammen-


künften und Geschwätz haben, denn solange er im-
mer geneigt ist, mit vielen Leuten zusammenzusein
und sich sehr angeregt zu unterhalten, wird er seine
konzentrative Meditation nie zur Vollendung brin-
gen können.
Eine der wichtigsten Bedingungen für das Gelin-
gen der konzentrativen Meditation ist das Befolgen
einer Ethik; im besonderen wird von der Ethik ge-
sprochen, die die zehn unheilsamen Handlungen ver-
meidet.
Man wundert sich vielleicht, weshalb. Der Grund
ist folgender: Die konzentrative Meditation zielt dar-
auf ab, die unkontrollierten Vorstellungen und Ge-
danken des Geistes zu beseitigen. Unter diesen Ge-
danken und Vorstellungen gibt es sehr grobe und
wesentlich feinere, subtilere. Die subtilen Gedanken
und Vorstellungen werden mit der Kraft der Konzen-
tration überwunden. Dazu müssen aber zuerst die
gröberen Gedanken und Vorstellungen durch das
korrekte Befolgen der Ethik, der Moral beseitigt wor-
den sein.
Jemand, der alle Vorbereitungen wie eben be-
schrieben vollständig beisammen hat, wird auf jeden
Fall die Vervollkommnung des Shamata, der geisti-
gen Ruhe, erreichen können. Heutzutage sind es

48
unter uns jedoch ohnehin schon sehr wenige, die sich
dies als Ziel setzen, und die, die es anstreben, bringen
alle diese Vorbereitungen nicht zustande, und des-
halb ist es sehr schwer und mühsam, es auch wirklich
zu erlangen.

Setzt sich nun jemand nach allen diesen Vorberei-


tungen hin, um diese Meditation durchzuführen und
ihr Ziel zu erreichen, dann muß der Geist punktför-
mig, unabgelenkt und unbeweglich auf ein bestimm-
tes Objekt gerichtet sein, ähnlich wie ein Nagel fest
und unbeweglich in einer Holzsäule steckt, wenn er
hineingeschlagen worden ist.
Wenn man bei der Meditation den Geist unklar
läßt, ihn nicht auf ein bestimmtes Objekt richtet und
in einem solchen Zustand verharrt, dann wird das
kaum als Meditation zu bezeichnnen sein. Nicht nur
das, das Ergebnis einer solchen Aktivität wird nicht
sehr vorteilhaft sein. Ohne daß der Geist in der Me-
ditation ein Objekt hat, ist es unmöglich, daß er ir-
gendwelchen Fortschritt macht. In Abhängigkeit vom
Objekt der Meditation kann eine Weiterentwicklung
des Geistes erzielt werden.

Man fragt sich nun: Ist es, um konzentrative Me-


ditation zu erreichen, notwendig, daß man ein ganz
bestimmtes Meditationsobjekt wählt? Die Antwort ist
nein, konzentrative Meditation kann in Abhängigkeit
von irgendeinem beliebigen Objekt entwickelt wer-
den. Ich erwähne immer wieder, daß es ein Objekt
sein muß, das einem angenehm ist, an das man gerne

49
denkt, das man sich leicht vorstellen kann. Dann ist
es leicht, die Meditation zu verwirklichen.
Ist z.B. jemandem nichts lieber als der Klang der
Gitarre und verwendet er diesen, um seinen Geist
ganz darauf zu konzentrieren, dann ist es möglich -
wenn die entsprechenden Vorbereitungen vollständig
sind -, mit dem Klang der Gitarre als Objekt Shamata
zu erreichen. Andere wieder stellen sich bei der kon-
zentrativen Meditation lieber eine Glaskugel vor,
oder jemand, der Äpfel besonders gerne hat, vielleicht
einen Apfel oder sonst etwas; man kann alle mögli-
chen Objekte verwenden.
Nicht gewählt werden darf jedoch ein Objekt,
demgegenüber im Meditierenden Begierde oder Ver-
langen auftritt. Selbstverständlich hat man den
Wunsch, Objekte der Begierde zu sehen, sie sich vor-
zustellen; aber wählt man ein solches Objekt als Ob-
jekt der Meditation, dann wird es einem nicht gelin-
gen, Konzentration zu entwickeln, weil das Objekt
ständig die Verblendungen in einem hervorruft.
Es gibt Leute, die der Meinung sind, man müsse
sich zum Entwickeln von Konzentration oder Shama-
ta unbedingt die Gestalt einer heiligen Statue oder so
etwas vorstellen; das trifft nicht zu. In den Texten
wird gesagt, daß es einen besonderen Sinn hat, sich
zum Entwickeln der Konzentration z.B. die Gestalt
des Buddha vorzustellen. Das hat bestimmte Vorteile,
ist aber keineswegs notwendig.

Man fragt sich vielleicht, welchem Zweck es die-


nen könnte, bei dieser Meditation als Objekt z.B. die

50
Gestalt des Buddha zu wählen. Die besondere Wir-
kung liegt darin, daß man sich dadurch ständig sei-
nen letztlichen Zufluchtsort vor Augen hält, sich
ständig an ihn erinnert und damit vom Objekt her
eine bestimmte Hilfe auf einen zukommt, während
eine ähnliche positive Auswirkung des Objekts auf
den Meditierenden z.B. bei einem Apfel usw. nicht
gegeben wäre. Wenn man daher für diese konzentra-
tive Meditation ein Objekt nimmt, dem gegenüber
man ganz besonderes Vertrauen, ganz besondere
Hingabe empfindet, dann hat das für die Meditation
diese vorteilhafte Wirkung.
So hat man als Objekt irgend etwas Geeignetes zu
wählen und dann in bezug auf dieses Objekt seine
Konzentration zu entwickeln.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Zweck, den


man mit diesen Bemühungen um die Entwicklung
der Konzentration verfolgt. Manche Leute versuchen
zu meditieren, um irgendwelche eigenartigen Erschei-
nungen zu sehen. Wenn man darin den Sinn seiner
meditativen Bemühungen sieht, dann hat man sich
sehr geirrt. Denn verschiedene Erscheinungen sind
gar nichts Besonderes und vor allem auch nichts
Wertvolles. Sie können bei Krankheiten auftreten,
oder indem man bestimmte Stoffe zu sich nimmt,
verursacht man, wenn man will, ebenfalls die aller-
erstaunlichsten und eigenartigsten Erscheinungen.
Andere wiederum möchten diese Meditation
durchführen, um ihren Geist zu beruhigen. Sie emp-
finden vielleicht starke geistige Unruhe, möchten

51
diese beseitigen und suchen in der Meditation das
Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Diese Einstellung
hat durchaus ihre Berechtigung, weil sich alle Men-
schen Ruhe und Ausgeglichenheit wünschen. Aber sie
ist ebenfalls nicht die beste oder letztliche Motiva-
tion. Denn es gibt z.B. genügend Medizinen, die
einen entspannen, die den Geist etwas ruhiger
machen, und es ist recht deutlich, daß diese Arten der
Beruhigung des Geistes keinen letztlichen Nutzen
mit sich bringen.

Welche Beweggründe, solche Meditationen


durchzuführen, sind dann wirklich korrekt? Wir sind
alle Menschen, und jeder einzelne von uns hat einen
eigenen Geist. Wenn es einem nun gelingt, Herr über
seinen eigenen Geist zu sein, seinen Geist vollständig
dem eigenen Willen zu unterwerfen, dann kann man
jede beliebige Aufgabe durchführen.
Wir dagegen sind nicht Herr über unsern Geist,
sondern unser Geist ist Herr über uns, und wir tun
alles das, was vom Geist ausgeht.
Wenn Sie einen kleinen Hund an die Leine neh-
men, kann er nichts anderes mehr tun, als dorthin zu
gehen, wohin Sie ihn ziehen. Ähnlich sollte man sei-
nen eigenen Geist an die Leine nehmen und dort
hinlenken können, wo man möchte, und genau das
wird durch diese Meditation erreicht.

Wenn Sie z.B. im Gefängnis landen oder von der


Polizei eine Strafe aufgebrummt bekommen, kam das
dadurch zustande, daß Ihr Geist Sie zu irgend etwas

52
veranlaßt hat, was dann letztlich ins Gefängnis führte
oder zur Strafe; Sie selbst hatten nicht diesen
Wunsch.

So steht der Mensch einerseits vollständig unter


der Macht des Geistes, und der Geist selbst wiederum
ist ebenfalls nicht frei, sondern er steht ganz unter der
Macht der Verblendungen. Unter dem Einfluß dieser
negativen, fehlerhaften Faktoren oder Teile des Gei-
stes wie z.B. Begierde, Haß, Eifersucht und Stolz
usw. wird der Geist gestört, und dieser Geist führt
dann zu allen möglichen negativen Handlungen.
Sowohl die Handlungen des Geistes als auch die
verbalen Handlungen, die dadurch folgen, und ge-
nauso die körperlichen Handlungen sind unheilsam.

Diese negativen, unter dem Einfluß der Verblen-


dungen durchgeführten Handlungen haben zwar mit
ihrer Beendigung aufgehört, aber sie hinterlassen auf
dem Geist einen Eindruck, ein bestimmtes Potential,
das dann die Fähigkeit hat, bei seiner Reifung in der
Zukunft der entsprechenden Person Leid zu verursa-
chen.
Wir können diese negativen Eindrücke mit den
Augen nicht sehen, außerdem haben sie kein Ge-
wicht, und deshalb ist es sehr schwer, davon über-
zeugt zu sein. Ob man nun davon überzeugt ist oder
nicht, tatsächlich befinden sich eine Unzahl solcher
Eindrücke in unserm eigenen Geist.
Sie bilden die eigentliche Ursache. Wenn nun die-
se Ursachen mit entsprechenden äußeren Umständen

53
in Berührung kommen, dann reift ihr Resultat, und
man erfährt Leid und Bedrängnis.
Der eigentliche Grund, weshalb wir ohne Ende in
Schwierigkeiten leben, liegt in diesen negativen Ur-
sachen, die wir durch negative Handlungen gesetzt
haben. So große Katastrophen wie Weltkriege usw.
bis zum Streit in der Familie oder dem Kampf zwi-
schen Insekten, alle diese Probleme sind auf die eben
erwähnte Ursache zurückzuführen.

Solche Leiden möchten wir vermeiden, und um


die Ursachen, die solche Leiden produzieren, zu
einem Ende zu bringen, verwendet man die Mittel
der Meditation. Dazu ist es notwendig, daß der
Mensch einerseits selbst die Macht über seinen eige-
nen Geist erlangt, und andererseits verhindert, daß
der Geist unter den Einfluß von negativen Geistes-
faktoren, von Verblendungen gerät.

Ich sagte zuvor, daß die konzentrative Meditation


darauf gerichtet ist, die verschiedenen Vorstellungen
und störenden Gedanken zu beseitigen, und dies ist
der Grund, weshalb das von solcher Wichtigkeit ist.
Ich erwähnte, daß man selbst nicht Herr über sei-
nen Geist ist, daß der Geist unter dem Einfluß von
Verblendungen handelt und dadurch negative Hand-
lungen durchgeführt werden. Das habe ich gesagt,
aber überlegen Sie selbst, ob das wahr ist oder nicht.

Jemand wird z.B. wütend; diese Wut ist ein Fak-


tor, ein Teil des Geistes. Ist nun Wut im Geist einer

54
Person aufgetreten, zu was für Gedanken und
Einstellungen führt sie? Sie führt zu dem Wunsch,
dem andern etwas zuleide zu tun, mit ihm zu streiten,
sich gegen ihn aufzulehnen, kurz, diese Wut führt zu
Einstellungen, die in jeder Beziehung unheilsam sind.
Was wird der Mensch tun, wenn Wut den Geist
in einen solchen Zustand gebracht hat? Er wird böse
Worte aussprechen oder sogar auf die andere Person
einschlagen oder drohende Zeichen von sich geben.
Kurz gesagt, er wird sich negativ und bösartig beneh-
men.
Zu streiten und wütend zu sein ist nicht besonders
angenehm für einen. So verursacht der negative Gei-
stesfaktor der Wut ein gegenwärtiges Unbehagen,
einen Aufruhr des Geistes; gleichzeitig werden negati-
ve Eindrücke gesetzt, die das Potential haben, in der
Zukunft noch mehr Leid für einen selbst zu verursa-
chen.

Ein anderes Beispiel: Wenn man zuerst ruhig und


entspannt ist und dann in einem Begierde bezüglich
irgend etwas auftritt, führt diese dazu, daß man ganz
unfreiwillig handelt, um das Objekt zu bekommen.
Gelingt dies leicht, hat man Glück gehabt, gelingt
dies nicht leicht, führt es dazu, daß man ebenso un-
freiwillig alles mögliche weitere Unheilsame tut, um
sich in den Besitz des Objektes zu bringen. So sieht
man, daß selbst Handlungen wie Töten und Stehlen
usw. fast unfreiwillig nur durch die Begierde, durch
das Verlangen hervorgerufen werden.

55
Heutzutage fürchten sich z.B. viele Leute vor
einem dritten Weltkrieg. Nun, welche Ursachen kön-
nen letztlich einen solchen Weltkrieg auslösen? Es
sind in denen, die ihn auslösen würden, einerseits
Verlangen, Begierde nach Besitz oder Wohlstand ir-
gendeines anderen, andererseits Haß und Abneigung
diesem gegenüber. Diese zwei Einstellungen führen
zu allen nur erdenklichen negativen Handlungen,
selbst zum Auslösen eines ganzen Weltkrieges.

Alles, was ein Mensch tut und wovon er nachher


denkt, wenn ich das nur nicht getan hätte, weswegen
ihn dann starke Reue brennt, kommt dadurch zu-
stande, daß er unter den Einfluß seines Geistes gera-
ten ist, weil er seinen Geist nicht in seiner Gewalt
hat, und daß dieser Geist unter dem Einfluß negati-
ver Faktoren steht und er unter dieser Wirkungskette
handelt.

Da wir alle Menschen und nicht frei von Proble-


men und Bedrängnis sind, können wir sehr leicht
darüber nachdenken, wie diese und jene Schwierig-
keit zustande gekommen ist. Wir können dabei den
eigentlichen Ursachen, den eigenen Verblendungen,
die die Auslöser dieser negativen Handlungen waren,
und den Verblendungen in den andern nachforschen.
Jemand, der ernsthaft Dharma anwendet, wird bei
Schwierigkeiten solche Überlegungen anstellen.
Wenn man so den eigentlichen Ursachen, die zu
falschen Handlungen führen, den Fehlern im eigenen
Geist nachgeht, diese dann erkennt und zu deren

56
Beseitigung oder wenigstens Abschwächung Mittel
anwendet, wenn notwendig analytische Meditation,
wenn notwendig konzentrative Methoden, dann ge-
braucht man seine Zeit wirklich zu etwas Nützli-
chem, man macht wirklich das Beste aus dem, was
einem im Menschenleben gegeben ist.

Wenn man stattdessen ein Jahr nach dem andern ver-


gehen läßt, ohne auch nur irgend etwas Konkretes
getan zu haben, dann wird man sich bald am Ende
des Lebens finden und nicht einen einzigen Punkt
haben, auf den man mit seinem Finger zeigen könn-
te, bei dem man sich darüber freut, daß man da rich-
tig gehandelt hat. Um das zu vermeiden, ist es wich-
tig, daß man sich schon jetzt bemüht, seine Zeit für
wirklich Brauchbares, wirklich Nützliches zu verwen-
den.

Antworten auf Fragen:

Es gibt drei unheilsame Handlungen des Körpers:


Töten, Stehlen und sexuelles Fehlverhalten.
Vier unheilsame Handlungen der Rede: Lügen,
Zwietracht säen, Schimpfen und Schwätzen.
Drei unheilsame Handlungen des Geistes: Begier-
de, der Wunsch, alles haben zu wollen, sei es nun
Kleidung, Essen oder was immer; Bosheit, das ist der
Wunsch, andern Leid zuzufügen; falsche Ansichten,
das bedeutet, Dinge, die in Wirklichkeit existieren,
als nicht existent zu betrachten.

57
Wenn man meditiert, versucht man den Geist an
heilsame Eigenschaften zu gewöhnen. Die Kraft, um
das wirklich zu tun, kommt ebenfalls auf Grund der
Gewöhnung oder des Trainings zustande. In dem
Maß, in dem man seinen Geist an Heilsames ge-
wöhnt, in dem man sich bemüht, die heilsamen
Eigenschaften zu den dominierenden des Geistes zu
machen, in dem Maße wird der Geist ruhig und von
Glück erfüllt.
Und das führt dazu, daß die Störungen, die Din-
ge, die einen davon abhalten, schwächer werden, daß
der Geist wesentlich leichter dazu zu bringen ist, sich
mit heilsamen Objekten vertraut zu machen. Das ist
am Anfang sehr mühsam, aber in dem Maß, in dem
man Fortschritt macht, gewinnt man auch an Kraft,
um das wirksam weiterzutreiben.

Das Rauchen z.B. ist am Anfang sicher nicht sehr


interessant; man spielt herum und raucht manchmal
da und dort ein bißchen, aus was immer für Grün-
den. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran und
kommt dann zu einem Punkt, wo man es nicht mehr
lassen kann, wo man es eher ohne Nahrung aushält
als ohne Zigarette. Der Grund dafür ist ebenfalls ein-
fach die Gewöhnung des Menschen an die Zigarette.

So ist es am Anfang sehr mühsam, wenn man


ernsthaft versucht, seinen Geist an Heilsames zu

58
gewöhnen, ernsthaft zu meditieren. Man wird sich
vielleicht hinsetzen, einige Minuten darauf verwen-
den, und dann zu seinen alten Gepflogenheiten zu-
rückgreifen, denken, daß man jetzt rauchen muß
oder was immer. Ich schlage Ihnen vor, daß Sie dann
eine rauchen oder was Sie sonst tun, sich dann aber
gleich wieder mit der Meditation bemühen und vor
allem über die Ziele der Meditation nachdenken; so
daß Ihnen bewußt wird: Indem ich mich bemühe,
den Geist an heilsame Dinge zu gewöhnen, kommen
diese und jene positiven Resultate zustande, bringt
das den und den Gewinn. Solche Überlegungen hel-
fen sehr, den Mut und auch die Kraft aufzubringen,
mit den Bemühungen weiterzufahren. Und wenn
man das schrittweise macht, wird es einem immer
leichter und leichter fallen.

Wenn jemand, der anfängt zu rauchen, gleich auf-


hören würde, wäre das keine Schwierigkeit für ihn;
wenn er jedoch immer weiterraucht, immer weiter-
raucht, dann wird es mit der Zeit sehr schwer für ihn,
aufzuhören; das heißt, er kann dann fast nicht mehr
anders, als sich weiter den Wunsch immer wieder zu
erfüllen; das führt dann nur zu einer Verstärkung der
Begierde.

Wenn man dagegen, wie ich zuvor erwähnt habe,


zuerst meditiert, ist das sehr anstrengend, es entsteht
der Wunsch, irgend etwas zu essen oder zu trinken
oder auszugehen, und wenn man dem Wunsch nicht
nachgibt, kann einen das sehr bedrücken, oder es

59
kann zu nervösen Schwierigkeiten führen. Besteht
diese Gefahr, dann ist es vielleicht- auch angebracht,
tatsächlich etwas essen zu gehen.
Nachdem man dann seinen Bauch gefüllt hat,
sollte man sich überlegen: Ja, bisher war mein Leben
mit lauter solchen Dingen ausgefüllt, und wieviel hat
dabei wirklich herausgeschaut? Man kann erkennen,
daß dadurch nichts Konkretes zustande gebracht
worden ist und daß auch in der Zukunft durch ein
solches Benehmen nichts Konkretes zustande kom-
men wird. Mit solchen Überlegungen kann man
dann seinen Geist von diesen Aktivitäten lösen und
wieder auf heilsame Objekte richten.

Für jemanden, der sich z.B. sein ganzes Leben lang


noch nie bemüht hat zu meditieren, seinen Geist auf
heilsame Dinge zu richten und darin zu schulen, mag
es äußerst mühsam sein, den Entschluß zu fassen,
sich jetzt nur noch damit zu beschäftigen. Es würde
ihm kaum gelingen, weil die Gewöhnung an das bis-
herige Leben zu stark und die Kraft seines Geistes viel
zu schwach ist.

Bestünde er auf dieser abrupten Änderung des


Lebens, würde das bei ihm eine starke Abneigung
gegen Meditation und gegen die Bemühungen, heil-
same Eigenschaften zu entwickeln, verursachen. Das
sollte man auf jeden Fall vermeiden; man sollte solche
Änderungen nur langsam herbeiführen, indem man
kleine, kurze Zeitabschnitte dazu verwendet, um z.B.
zu meditieren, sich an Heilsames zu gewöhnen, und

60
dann das alte Leben weiterlebt und langsam, langsam
eine Umlenkung herbeiführt. Sonst wird es nicht ge-
lingen, man wird sich nur einen Weg versperren.
Ich habe z.B. im Westen gesehen, daß man die
kleinen Kinder in die Schule holt, man versucht ih-
nen eine gewisse Zeit etwas beizubringen, und dann
läßt man sie wieder hinaus zum Spielen. Aber dann
läßt man sie auch nicht gar zu lange draußen, man
holt sie bald wieder, es wird ihnen wieder etwas bei-
gebracht, dann läßt man sie wieder hinaus.
Das ist sehr geschickt; man kann den Kindern
etwas beibringen, dann können sie wieder spielen,
sich entspannen und haben ihr Teil, aber dann holt
man sie wieder zurück, um ihnen wieder etwas Neues
beizubringen. Würde man das nicht machen, würden
sie zu sehr angestrengt werden und eine starke Abnei-
gung gegen das Lernen entwickeln. Wenn man ihnen
das Lernen so langsam, langsam beibringt, dann ist
das Kind später, wenn es wirklich den Wunsch hat,
etwas intensiv und genau zu lernen, imstande, länger
dortzusitzen und seine Fähigkeiten vor allem darauf
zu verwenden. Und ganz ähnlich muß man es mit
sich selbst machen.

Am Anfang sollte man nur sehr kurze Zeitab-


schnitte meditieren, und indem man mit diesen ganz
kurzen Meditationsperioden im Laufe der Zeit seinen
Geist weiter schult, kann man später einmal zu dem
Punkt kommen, wo man nicht nur den ganzen Tag
mit diesen geistigen Aktivitäten verbringen kann,
sondern dabei auch sehr schnell große Resultate erzie-

61
len kann und der Geist dabei von Glück und Ruhe
vollständig erfüllt ist. Aber am Anfang ist das unmög-
lich.

Wenn man bei analytischer Meditation z.B. ver-


sucht, Erbarmen zu entwickeln, ist das eines der be-
sten Objekte, die man wählen kann. Bei der konzen-
trativen Meditation jedoch versucht man den Geist
punktförmig und unabgelenkt auf ein Objekt zu rich-
ten und in keiner Weise zu untersuchen, was das
Objekt ist, wie es ist oder in welcher Situation es ist.
Da könnte man schon auch einen leidenden Men-
schen nehmen, aber wirkungsvoller sind andere Ob-
jekte, wie sie erwähnt wurden.

Vor der Meditation muß man sich die verschiede-


nen Dinge schon überlegen, aber während der Medi-
tation besteht ein deutlicher Unterschied zwischen
konzentrativer und analytischer Meditation; bei der
analytischen wird das Objekt untersucht, darüber
nachgedacht, bei der konzentrativen der Geisr nur
punktförmig, unabgelenkt auf das Objekt gerichtet.
Diese zwei Arten der Meditation sind von ihrer Na-
tur her ganz verschieden.

Wenn Sie z.B. über jemanden nachdenken, der


leidet, dem es schlecht geht, und in bezug auf diese
Person Erbarmen zu entwickeln versuchen, dann
wäre das analytische Meditation. Wenn dann stören-
de Gedanken auftreten, Sie z.B. über Ihre Arbeit

62
nachdenken oder irgendwelche Pläne machen, dann
können Sie zuerst versuchen, diese Gedanken einfach
beiseite zu lassen, sie nicht zu beachten und Ihren
Geist wieder auf das Objekt zu richten.
Gelingt einem das nicht, kann man kurz die Be-
mühungen um das Entwickeln des Erbarmens beisei-
te lassen und seine Aufmerksamkeit auf diesen stören-
den Gedanken richten, indem man ihn beobachtet
und schaut, was er macht, woher er kommt, was er
eigentlich will und was er tut. Wenn man so den stö-
renden Gedanken selbst betrachtet, seine Natur un-
tersucht, dann verschwindet er, dann stört er nicht
mehr weiter, und man kann seinen Geist wieder auf
das Objekt der Meditation richten.

Wenn man z.B. als Sekretärin arbeitet und am


Abend versucht, Erbarmen zu entwickeln, und einem
immer wieder die verschiedenen Schreibarbeiten in
den Sinn kommen, kann man das Erbarmen einmal
kurz beiseite legen; aber dann sollte man auf keinen
Fall den störenden Gedanken nachgehen, indem man
wirklich über diese Schreibarbeiten nachdenkt; das
sollte man vermeiden. Man kann jedoch zuerst ein-
mal fragen: Wo befinden sich diese Gedanken über
die Schreibarbeiten? im Kopf oder im Fuß, wo im
Körper? usw.; indem man ihnen so nachgeht, ver-
schwinden sie, und wenn sie verschwunden sind,
kann man seine Aufmerksamkeit wieder auf das Ob-
jekt der Meditation richten.
Machen Sie das Experiment heute abend. Gedan-
ken und Vorstellungen haben wir ohne Ende; da

63
nehmen Sie heute abend einfach einmal einen Ge-
danken heraus, der gerade kommt, und beobachten
Sie, was er tut, was er ist, woher er kommt und wo er
sich befindet, und schauen Sie, ob er verschwindet
oder nicht.

Bei Meditationen kann es vorkommen, daß man


Spannungen z.B. in der Brust oder in der Stirne fest-
stellt. Das ist ein Zeichen, daß man einen Fehler
macht. In Wirklichkeit sollte man den Körper ganz
entspannt lassen und eine geistige Anstrengung durch-
führen.
Uns jedoch passiert es oft, daß wir denken, so,
jetzt meditiere ich, wir setzen uns hin, sind körperlich
angespannt, und das führt dann zu diesen Spannun-
gen in der Brust oder in der Stirne. Dies kann ver-
mieden werden, indem man den Körper wieder ent-
spannt.
Bei gewöhnlichen Spannungen im Körper, die auf
andere Ursachen zurückzuführen sind, ist die Wir-
kung nicht die gleiche wie bei den Vorstellungen.
Wenn man da versucht zu überlegen, wo sie sind,
welcher Natur sie sind usw., werden sie ganz ruhig
weiter bestehen bleiben, und das einzige, was wirklich
helfen wird, sind wohl die Anweisungen des Arztes.
Es ist eine Eigenschaft lediglich der Gedanken, der
Vorstellungen, daß sie verschwinden, wenn man über
ihre Natur nachsinnt.

64
Ich erwähnte heute, daß es durchaus Leute gibt,
die einen sehr leicht ärgern, und ich sagte, daß man
sich, wenn man so jemanden kommen sieht, die
Nachteile von Wut und Ärger überlegt, daß man sich
der Vorteile des Ertragens bewußt wird, und mit
einer solchen Überlegung seinen Geist nicht unter
den Einfluß der Wut geraten läßt, sondern ihn ruhig
hält. Das sollte man tun, wenn einem das möglich ist.
Aber wenn man stattdessen immer brav und
freundlich zu sein scheint, es in seiner Einstellung
jedoch nicht wirklich ist, dann ist das nur eine Lüge,
und ich sage nicht, daß das gut ist.

Bezüglich des erwähnten Buches nehme ich an,


daß es sich auf zwei Arten von Menschen bezieht. Es
gibt manche Leute, die wütend werden und dann
auch entsprechend in Schwierigkeiten geraten; und
nachdem dann alles vorbei ist, tut es ihnen schreck-
lich leid, daß das alles passiert ist; sie sehen, daß das
wirklich nicht richtig war, und es entsteht in ihnen
Traurigkeit und große Reue diesbezüglich. Das ist
der bessere Vorgang, denn durch die Reue wird das
Negative, das durch die Wut verursacht wurde, in sei-
ner Kraft reduziert.
Die andere Art von Menschen sind die, die wü-
tend werden, entsprechend streiten und sich nachher
freuen, daß sie so wütend geworden sind, daß es
einen solchen Streit gegeben hat. Diese Einstellung
ist nicht gut, sondern die Freude danach führt nur zu
einer weiteren Verstärkung des Negativen, das durch
die Wut angesammelt wurde.

65
Im übrigen bin ich nicht so überzeugt von diesen
Büchern hier, da diejenigen, die sie schreiben, oft
nicht sehr genau zuhören und dann Dinge schreiben,
die der Vortragende nicht so gesagt hat oder gar nicht
gesagt hat.

Wenn Leute einander schlagen usw., dann tun sie


dies, weil sie in Konflikt geraten sind. Es gibt durch-
aus Konfliktsituationen und viele verschiedene Mög-
lichkeiten, dabei vorzugehen. Man sollte sich die Si-
tuation sehr genau überlegen und nachdenken, was
man tun könnte, um den Konflikt beizulegen. Wenn
es irgend etwas gibt, sei es, daß man mit dem anderen
spricht, ihn anhört, sich überlegt, was man machen
oder ihm sagen könnte, um den Konflikt zu lösen,
dann sollte man das tun. Wenn man eine Möglich-
keit sieht, ihn zu lösen, ist es nicht richtig, sich ein-
fach zurückzuziehen und nichts zu tun. Wenn man
dagegen keinerlei Möglichkeit sieht, den Konflikt zu
lösen, dann kann man nichts machen, dann ist es
auch recht, ihn einfach so stehenzulassen, wie er ist.

66
Gestern sprach ich über die Vorbereitungen, die
zum Erreichen der konzentrativen Meditation not-
wendig sind, und erwähnte auch kurz das Objekt, das
man für diese Meditation zu wählen hat. Was für ein
Objekt man wählt, liegt an einem selbst und ist ganz
darauf abzustimmen, was einem leichter fällt, was der
eigenen Meditation besser hilft; es gibt keinerlei Vor-
schriften, daß man als Objekt für die konzentrative
Meditation das eine nehmen dürfte und das andere
nicht.
Ich möchte nun einige Punkte am Beispiel der
Figur des Buddha als Objekt für die konzentrative
Meditation beschreiben. Man sollte versuchen, sich
diese Gestalt als etwas sehr Attraktives, etwas sehr
Schönes vorzustellen.
Bevor man meditiert, sollte man mit seinen Augen
eine Darstellung dieser Gestalt, ein Bild oder eine
Statue sehr genau ansehen, sich genau einprägen, wie
sie aussieht, wie die Einzelheiten gestaltet sind.
Wie gesagt, das ist nur ein Beispiel; was ich in be-
zug auf dieses Beispiel sage, trifft auf jedes andere
Objekt zu, das man für die konzentrative Meditation,
für Shamata verwendet.
Wenn man dann die eigentliche Meditation be-
ginnt, ist es nicht richtig, weiter auf die Repräsenta-
tion dieser Figur zu schauen. Denn würde man sie
vor sich aufstellen, sie ständig mit den Augen anstar-
ren und so zu meditieren versuchen, brächte das

67
einerseits mit der Zeit eine Störung des Gesichtssinns
mit sich; andererseits ist die Konzentration etwas, das
man mit dem Denksinn erlangen, in bezug auf den
Denksinn entwickeln muß, und nicht in bezug auf
den Gesichtssinn.
Wenn man diese Repräsentation genau angesehen
hat und dann mit der eigentlichen Meditation be-
ginnt, stellt man sich diese Gestalt vor, und zwar di-
rekt vor sich, entweder in der Höhe der Augenbrauen
oder in der Höhe des Nabels, und man denkt, daß
diese Gestalt da ist, man versucht dieses Bild, wie
man es zuvor gesehen hat, geistig zu rekonstruieren;
es ist nicht etwas, das man dann mit den Augen sehen
kann, sondern man erzeugt es geistig, man vergegen-
wärtigt sich, wie es aussieht, mit möglichst vielen
Einzelheiten und möglichst großer Genauigkeit.
Auch sollte man sich dieses Objekt der Meditation
nicht weit weg vorstellen, sondern etwa eine halbe
Armspanne entfernt; ganz gleich, ob in der Höhe der
Augenbrauen oder in der Höhe des Nabels.
Man fragt sich vielleicht, was für ein Unterschied
ist zwischen der Vorstellung des Objekts in der Höhe
der Augenbrauen oder in der Höhe des Nabels. Das
hängt ganz vom Meditierenden selbst ab, von seiner
Natur, von seiner Einstellung.
Es gibt manche Leute, deren Geist bei der konzen-
trativen Meditation nicht sehr stark abgelenkt wird,
die aber während der Meditation leicht einer Dumpf-
heit verfallen oder deren Geist leicht unklar wird. Für
so jemanden ist es besser, wenn er sich das Objekt der
Meditation in der Höhe der Augenbrauen vorstellt.

68
Andere haben weniger Schwierigkeit mit einer
Dumpfheit des Geistes - ihr Geist ist meistens sehr
klar und scharf -, sondern mehr mit den störenden
Gedanken, die der Meditation Hindernisse in den
Weg werfen. Für so jemanden ist es ratsam, sich das
Objekt der Meditation in der Höhe des Nabels vor-
zustellen.
Zu welcher Kategorie man gehört, ob mehr zu den
schläfrigen Meditierern oder eher zu denen, die im-
mer abgelenkt sind, kann man selbst am besten ent-
scheiden.
Das ist eine kurze Beschreibung der Objekte und
des Ortes des Objektes bei der Meditation.

Ich erwähnte, daß das eigentlich meditierende


Organ der Geist ist und nicht der Körper. Dennoch
wird durch die Körperhaltung ebenfalls ein Einfluß
auf die Meditation ausgeübt. Es gibt, wie ich deutlich
gemacht habe, eine Unzahl verschiedener Meditatio-
nen und eine dementsprechende Vielfalt von Körper-
haltungen, die ganz besonders auf die jeweiligen
Meditationen abgestimmt sind. Alle diese unter-
schiedlichen Stellungen haben nur das Ziel, der Me-
ditation eine Hilfe zu leisten, und sie werden nicht
eingenommen, um eine möglichst eigenartige Kör-
perstellung an den Tag zu legen.
Obwohl die verschiedenen Haltungen einen ge-
wissen Einfluß auf die Meditation haben, ist es sehr
wichtig, daß einem die Körperstellung bei der Medi-
tation behagt. Manche Leute empfinden es als ange-
nehm, wenn sie ihre Beine verschränkt halten

69
können, anderen ist diese Stellung äußerst unange-
nehm; dann ist es auf jeden Fall besser, auf einem
Stuhl zu sitzen oder eine andere bequeme Haltung zu
wählen.
Will man bei der Meditation unbedingt eine be-
sondere Körperhaltung einnehmen, einfach, weil
man denkt, jetzt meditiere ich, jetzt muß ich irgend
etwas Besonderes machen, dann kann das unter Um-
ständen dazu führen, daß einem die Haltung äußerst
unangenehm ist, daß sie nach einiger Zeit starke
Schmerzen hervorruft, und dann wird die Meditation
ständig von diesen Schmerzen unterbrochen. Der
Geist, der eigentlich über das Objekt der Meditation
nachdenken sollte, wird immer wieder zu den
Schmerzen gezogen, und so gelingt die Meditation
gar nicht.

Wenn man nun diese Erläuterungen ganz wörtlich


nimmt und sagt, man möchte die allerangenehmste
Stellung für die Meditation einnehmen, und sich aufs
Bett legt, dann ist das nicht ganz dem Sinn entspre-
chend; denn das Liegen ist zwar äußerst angenehm,
aber die Gefahr des Einschlafens ist so groß, daß die
Meditation wahrscheinlich nur sehr kurze Zeit dau-
ern wird.
Manche Leute können am Abend, wenn es wirk-
lich Zeit dazu wäre, sehr schlecht einschlafen. Ma-
chen sie sich dann über die Arbeit und alles mögliche
andere Gedanken, wird dies das Einschlafen nur noch
weiter hinauszögern. Dann ist es angebracht, über die
verschiedenen Punkte der Meditation oder über

70
Dharma nachzudenken; das kann sehr leicht dazu
führen, daß man schnell und problemlos einschläft.
Wenn Sie Mühe haben einzuschlafen, probieren
Sie es doch heute abend aus; denken Sie, sobald Sie
sich hingelegt haben, über Dharma nach und schauen
Sie, ob Sie schnell einschlafen oder nicht. Es ist
durchaus möglich, daß der eine oder andere dadurch
nicht leicht einschläft, aber im allgemeinen ist das ein
ausgezeichnetes Mittel zum Einschlafen.
Daß man sich für die Meditation eine bequeme
Stellung aussuchen soll, ist meine eigene Ansicht, die
der Erfahrung entspricht.
Sonst wäre die Haltung, die man für die Shamata-
Meditation einnehmen sollte, die bekannteste Medi-
tationshaltung; nämlich die, bei der die Beine ver-
schränkt und die Arme in den Schoß gelegt werden.
Sie wird in den Texten folgendermaßen beschrieben:
Die Beine werden in die sogenannte Vajra-Stel-
lung oder Vajra-Asana gebracht; das bedeutet, daß
der Fuß jeweils auf den gegenüberliegenden Schenkel
gelegt wird; die Hände werden in der Höhe des Na-
bels in den Schoß gelegt; der Rücken sollte aufrecht
sein; der Kopf wird nicht zu sehr, nur leicht nach
vorn geneigt; die Augen sind auf den Boden vor den
eigenen Beinen gerichtet, wobei man nicht versucht,
dort irgend etwas zu sehen oder zu erkennen, sondern
man richtet die Augen lediglich dorthin; der Mund
wird natürlich, entspannt gehalten, und die Zunge
leicht gegen den Gaumen gelegt.
Alle diese verschiedenen Punkte der Körperhal-
tung haben einen letztlichen, symbolischen Sinn und

71
ebenfalls einen gegenwärtigen Nutzen bei der Medi-
tation. Die letztlichen Bedeutungen dieser Körperhal-
tung will ich nicht erwähnen. Bezüglich der gegen-
wärtigen Wirkungen dieser Meditationshaltung gibt
es direkte nützliche Effekte und bestimmte symboli-
sche Bedeutungen.

Wenn man seine Beine in die Vajra-Stellung


bringt, das heißt, wenn beide Füße auf den gegen-
überliegenden Schenkel gelegt werden, oder in die
halbe Vajra-Stellung, bei der man ledigleich einen
Fuß auf den andern Schenkel legt, oder wenn Sie so
sitzen wie jetzt vielleicht gerade, die Beine gewöhn-
lich gekreuzt, dann hat das einerseits die Wirkung,
daß man sich daran erinnert, jetzt meditiere ich, jetzt
ist es Zeit, ordentlich nachzudenken und aufzupas-
sen; andererseits hilft diese Stellung, den Körper gera-
de zu halten, und das hilft wiederum, den Geist klar
zu halten.
Der Meditationssitz sollte nicht zu hart und nicht
zu weich sein, angenehm und eben; und unter dem
Gesäß kann man eine kleine Erhöhung anbringen,
ein Kissen oder irgend etwas. So liegt das Gesäß etwas
höher als die Knie, was oft als angenehm empfunden
wird.

Die Hände werden in der Höhe des Nabels in den


Schoß gelegt. Es ist auch angenehm, Kleidungsstücke
zu unterlegen; denn versuchte man, die Hände durch
die Kraft der Muskeln in der Höhe zu halten, würde
das mit der Zeit Schmerzen im Oberarm verursachen.

72
Die Haltung der Beine hat eine ganz direkte Aus-
wirkung auf die Meditation. Die Haltung der Hände
dagegen hat vor allem symbolische Bedeutung. Wenn
man Dharma anwendet, dann geschieht das durch
die Verbindung von Methode und Weisheit. Die
rechte Hand symbolisiert dabei die Anwendung der
Methode; die linke Hand symbolisiert die Weisheit;
und dadurch, daß man diese Hände ineinander in
den Schoß legt, wird deutlich gemacht, daß man
nicht die eine oder die andere Seite allein anwenden
sollte, sich nicht nur auf die Methodenseite beschrän-
ken sollte oder nur auf die der Weisheit, sondern daß
man diese beide in Verbindung benützen muß.
Im allgemeinen ist es gleichgültig, welche Hand
man außen oder innen legt, oft jedoch wird die linke
Hand, die die Weisheit oder das Verständnis symbo-
lisiert, außen und die rechte in sie hineingelegt. Das
hat folgende Bedeutung: Man will dadurch aussagen
oder möchte sich daran erinnern, daß man zuerst die
verschiedenen Punkte des Dharma genau verstehen,
genau erkennen muß und dann mit diesem Verständ-
nis, mit dieser Weisheit, die entsprechenden Mittel
anzuwenden hat. Um diese Reihenfolge klarzuma-
chen, wird die linke Hand, die die Weisheit, symboli-
siert, nach außen gelegt und die rechte in sie hinein.

Wenn man irgendeine manuelle Arbeit ausführen


möchte, betrachtet man normalerweise das Objekt
der Arbeit sehr genau und sieht auch den Händen zu,
während sie arbeiten. Manche sehr geschickte Ver-
käufer allerdings können mit ihren Händen hinter

73
ihrem Rücken oder auf der Seite irgend etwas bear-
beiten, während sie ihren Blick woandershin richten;
das wäre eine Ausnahme.

Der Oberkörper wird bei der Meditation aufrecht


und gerade gehalten. Das hat folgenden Zweck: Im
Körper befinden sich verschiedene Kanäle, in denen
sich zum Teil subtile Energien bewegen. Bei aufrech-
ter Körperhaltung sind diese Kanäle relativ gerade.
Dadurch können diese Energien leicht im Körper
fließen. Der Geist existiert in Verbindung mit und in
Abhängigkeit von diesen subtilen Energien, und
wenn diese gerade fließen können, hilft das, den
Geist klar und scharf zu halten.

Der Kopf wird nicht nach oben gerichtet, sondern


leicht nach vorn gesenkt. Auch das hat einen ganz
direkten Zweck und Nutzen. Unser Körper besteht
aus vier Urstoffen, und jeder dieser Urstoffe löst im
Körper bestimmte Funktionen aus. Diese werden mit
Hilfe der subtilen Energien durchgeführt. Die subtile
Energie, die vor allem die Funktionen des Urstoffes
der Wärme kontrolliert und diese ausführt, liegt in
einem Zentrum der Kanäle in der Höhe des Halses,
des Adamsapfels, und wird aufwärtsstrebende Energie
genannt.

Bei der Meditation muß man eine intensive geisti-


ge Arbeit verrichten. Das kann dazu führen, daß der
Urstoff der Wärme erhöht wird, was bewirkt, daß der
Oberkörper sich dehnt, sich leicht erweitert und die

74
Augen zu brennen beginnen, daß der Kopf spannt
oder auch Kopfweh entsteht. Wenn man den Kopf
leicht nach vorn neigt, wird dieses Zentrum der Ka-
näle, in dem die Energie wohnt, die den Urstoff der
Wärme steuert, leicht nach unten gedrückt, und das
verhindert, daß dieser Urstoff der Wärme erhöht
wird. Diese Stellung des Kopfes hat also einen direk-
ten Nutzen.
In manchen Texten wird beschrieben, daß man
die Augen auf die Nasenspitze richten sollte. Das ist
nicht zu wörtlich zu nehmen, denn einerseits kann
man die Nasenspitze nicht klar sehen, andererseits
würde das nur zu Schmerzen in den Augen führen. Es
bedeutet, daß man seinen Blick leicht in der Rich-
tung der Nase auf den Boden fallen läßt, ohne daß
man versucht, dort irgend etwas zu sehen.
Auch diese Haltung der Augen hat eine ganz be-
stimmte Aufgabe. Hauptsächlich durch unsere fünf
Sinne, den Gesichtssinn, den Gehörsinn, den Ge-
ruchssinn, den Geschmacksinn und den Tastsinn
wird der Geist auf äußere Objekte gerichtet, und
dadurch ist er auch ständig darauf abgelenkt. Unter
den fünf Sinnen ist der Gesichtssinn derjenige, der
den Geist am stärksten ablenkt. Das ist leicht zu ver-
stehen. Wenn wir irgend etwas sehen, dann denken
wir auch schon darüber nach, dann ist unser Geist
schon darauf gerichtet, außer man lenkt ihn mit
Gewalt woandershin. Um zu verhindern, daß bei der
Meditation der Geist durch den Gesichtssinn nach
außen abgelenkt wird, werden die Augen leicht nach
unten auf den Boden gesenkt.

75
Unter den Leuten, die tatsächlich meditieren, gibt
es manche, die bei der Meditation die Augen schlie-
ßen, andere, die sie weit geöffnet halten. Das ist wie-
der eine spezifische Einstellung der entsprechenden
Anwender. Der Blick soll der Meditation möglichst
zuträglich sein. Das Schließen und das Öffnen der
Augen hängt ganz von der Natur des einzelnen ab.

Die Lippen und die Zähne werden ganz natürlich


gehalten. Man versucht nicht, sie irgendwie in eine
besondere Stellung zu bringen, weil dies in der Medi-
tation zu Schwierigkeiten führen würde.
Die Zunge wird leicht gegen den Gaumen gelegt.
Das bedeutet nicht, daß man sie mit Kraft gegen den
Gaumen drücken sollte, sondern sie wird ganz natür-
lich und leicht nach oben gelegt. Denn bei der Medi-
tation kann es vorkommen, daß sich der Blutdruck
erhöht und der Rachen austrocknet, und ein Nach-
obenlegen der Zunge hilft, diese Schwierigkeiten zu
vermeiden.

Das war eine kurze Beschreibung der Haltung bei


der Meditation und der Aufgabe der verschiedenen
Punkte. Es ist gut, wenn man damit vertraut ist, denn
einerseits meditieren Sie selbst, Sie selbst sitzen in
dieser Meditationshaltung. Wenn Ihnen die Bedeu-
tung der einzelnen Punkte klar ist, dann hilft das
auch Ihrer eigenen Meditation. Und wenn andere
Leute Sie fragen, was das bedeutet und Sie darüber
Bescheid wissen, dann können Sie ihnen eine klare
Antwort geben.

76
Die von mir beschriebene Meditationshaltung ist
jeder Art von Mensch in jeder Art von Religion bei
Meditation von Nutzen; sie gehört nicht zu einer spe-
zifischen Religion. Es ist eine allgemeine Medita-
tionshaltung, die bei jeder Art von Meditation ihren
Zweck erfüllt.

Beginnt man dann ernsthaft zu meditieren, wird


man feststellen, daß während der Meditation und
auch außerhalb der Meditation, in den Zwischenzei-
ten, Hindernisse auftreten. Diese muß man der Reihe
nach überwinden können.
Während der Meditation treten vor allem geistige
Hindernisse auf. Wenn man sich zur Meditation hin-
setzt und überhaupt keine Lust dazu hat, eigentlich
viel lieber etwas anderes täte, und es einem einfach zu
mühsam ist zu meditieren, dann ist das ein geistiges
Hindernis für die Meditation.

Wenn z.B. jemand arbeitslos ist und auf Arbeit-


suche gehen sollte und ihm jede Art von Arbeit von
vornherein zuwider ist, er viel lieber nichts tut, dann
ist das ein Hindernis für seine Arbeit. Er wird schon
gar nicht suchen gehen, er wird keine Arbeit bekom-
men und weiter arbeitslos bleiben.
Diese Einstellung, daß man keine Lust hat zu
meditieren, keine Lust hat, irgendeine Arbeit oder so
etwas zu beginnen, wird als Trägheit oder Faulheit
bezeichnet. Um zu meditieren, muß man zuerst diese
Trägheit, diese Unlust, geistige Arbeit durchzufüh-
ren, überwinden, und man muß den Wunsch, das

77
Verlangen nach Meditation schaffen, eine wirkliche
Freude daran entwickeln.
Diese Trägheit kann man am leichtesten überwin-
den, indem man über die positiven Auswirkungen
der Meditation nachdenkt, über die Ziele, die da-
durch zu erreichen sind; mit solchen Überlegungen
wird die Unlust vertrieben.
Als erstes macht man sich klar, daß man sich bis-
her nie in Meditation angestrengt hat. Man kann se-
hen, was für ein Leben man gelebt hat, zu welchen
Zielen es geführt hat, was für Resultate man dadurch
erreicht hat.
Andererseits kann man sich deutlich machen, daß
das Leben, wenn man es so weiter betreibt, am Ende
auch nichts weiter gebracht haben wird als bisher.
Und um das zu verhindern, möchte man doch etwas
Konkretes, letztlich Brauchbares tun.
Der Geist, den man als menschliches Wesen be-
sitzt, hat die Fähigkeit, entwickelt zu werden und bis
zu letztlichen Zielen weiterzuschreiten. Das ist eine
Eigenschaft, eine Fähigkeit des menschlichen Geistes,
die dem Geist anderer Wesen nicht eigen ist. Der
Geist eines Stieres z.B. ist in seiner Natur gleich wie
der des Menschen, aber er hat nicht die Fähigkeit,
entwickelt zu werden, weil seine Dumpfheit, seine
Unklarheit viel zu stark ist.

Wenn man als Mensch das Leben vergehen läßt,


ohne dieses Potential, diese Möglichkeit, seinen Geist
weiterzuentwickeln, auch nur im geringsten ausge-
nützt zu haben, dann unterscheidet sich der Tod

78
eines solchen Menschen nicht vom Lebensende ir-
gendeines Tieres. Denn wenn das eigene Leben
nichts weiter beinhaltet, als Nahrung und Flüssigkeit
zu sich zu nehmen und die Reste wieder auszuschei-
den, ist das kaum etwas anderes als die Tiere machen;
auch sie führen ihr Leben auf diese Art und Weise,
und ihnen steht nichts Weiteres offen.
Man verfügt als Mensch über ein ausgezeichnetes
Material, nämlich den menschlichen Geist. Wenn
man dieses hervorragende Material nicht verwendet,
um etwas daraus zu machen, dann ist das wirklich ein
Verlust und traurig für den einzelnen.
So sollte man sich überlegen, daß man einen Geist
besitzt, der im Moment von unkontrollierten Gedan-
ken, von Ängsten und Sorgen ganz überwältigt ist,
daß man aber die Möglichkeit hat, ihn durch Medita-
tion von allen diesen Sorgen, Gedanken und Ängsten
zu befreien, ihn davon loszulösen, wie man ver-
schmutztes Wasser durch die Ausfilterung der Verun-
reinigungen zu klarem, durchsichtigem Wasser ma-
chen kann. Diese Möglichkeit steht einem zur Verfü-
gung, wenn man sich in der Meditation bemüht, die-
se Ziele zu erreichen. Man kann dadurch einen Geist
entwickeln, der klar ist und von Glück erfüllt.

Hat man Shamata erst einmal erreicht, steht


einem auch die Möglichkeit offen, nicht nur während
des Tages, während man wach ist, seinen Geist in
Meditation zu versenken; sondern auch während der
Nacht, während des Schlafes, diese Zeit mit
bestimmten Meditationsmethoden zu verwenden.

79
Wenn man durch die Bemühungen in der Shama-
ta-Meditation erst einmal eine gute Konzentration,
ein Samadhi, erlangt hat, wird man nicht nur geisti-
ges Glück erfahren, sondern auch der Körper muß
nicht mehr so umsorgt werden, wie das bis dahin der
Fall war. Jetzt müssen wir Nahrung zu uns nehmen,
Kleidung tragen, und mit Hilfe von Medizinen versu-
chen wir, Krankheiten zu beseitigen. Durch die Kraft
eines Samadhi, einer solchen Konzentration, werden
Krankheiten sehr verringert, der Körper kann durch
die Kraft der Konzentration ernährt werden, und es
kann auch eine innere Wärme erzeugt werden, die es
überflüssig macht, den Körper durch äußere Klei-
dung warm zu halten.
Indem man sich über solche hervorragenden Re-
sultate der Bemühungen in der Meditation klar wird,
kann man die Trägheit, die einen daran hindert, zu
meditieren, überwinden.
Zur Zeit ist unserer Erfahrung lediglich das zu-
gänglich, was wir mit unseren Sinnen erfassen kön-
nen. Durch die Entwicklung der Konzentration und
das Verwirklichen einer solchen Meditation kann
man seine Wahrnehmungsfähigkeit weit über die der
gewöhnlichen Sinne hinaus erweitern, so daß man
Dinge erkennt, die in großer Entfernung existieren;
daß man nicht nur sehen kann, was im Geist der an-
deren vor sich geht, sondern selbst die Gedanken und
den Geist der Wesen bis zu kleinsten Insekten direkt
erfassen kann; man sieht, was in der Vergangenheit
geschehen ist, was in der Zukunft auf einen zu-
kommt.

80
Solche erhöhte Wahrnehmungsfähigkeiten kön-
nen auf Grund dieser Konzentration erlangt werden.
Indem man sich darüber klar wird, sollte man den-
ken, ja, Meditation anzuwenden ist wirklich der
Mühe wert.

Eine andere Möglichkeit, die sich ergibt, ist die


folgende: Im Moment hat jeder Mensch einen Kör-
per, und wenn er arbeitet, muß er wohl oder übel die-
sen Körper zur Arbeit bewegen; wenn er irgend etwas
tut, muß er immer mit diesem Körper dorthin und
dahin gehen. Ist Shamata erreicht und sind solche
Konzentrationen entwickelt worden, kann man dank
der erhöhten Fähigkeiten, die man erlangt hat, von
diesem einen Körper zehn andere Körper aussenden,
aus diesen wieder hundert und aus diesen tausend
Körper usw., mit denen man alle möglichen Dinge
verrichten kann. Indem man sich darüber klar wird,
sollte man ebenfalls denken, ja, es ist wirklich der
Mühe wert, sich mit der Meditation abzugeben.

Daß solche Resultate durch die Konzentration,


durch die Meditationen des Shamata erreicht werden
können, entspricht der Wirklichkeit. Ich würde nicht
sagen, daß man darüber nachdenken sollte, um den
Wunsch zu meditieren zu entwickeln, wenn diese
Dinge nicht der Wirklichkeit entsprächen.
Wird man sich dieser außergewöhnlichen Wir-
kungen des Shamata bewußt, dann kommt einem der
Gedanke, ja, Shamata ist wirklich etwas Außerge-
wöhnliches, etwas Ausgezeichnetes, und es entsteht in

81
einem eine Hingabe an diese geistige Fähigkeit.
Wenn ein solches Vertrauen, ein solches Mögen, eine
solche Freude an Shamata in einem entstanden ist,
bewirkt das, daß man auch den starken Wunsch
empfindet, die Methoden anzuwenden, die erlauben,
ein solches Ziel zu erreichen.

Um das wieder am Beispiel deutlich zu machen:


Unser Arbeitsloser wollte zuerst nicht zur Arbeit ge-
hen, er wollte sich auch keine Arbeit suchen. Über-
legt er sich nun, ja, wenn ich eine gute Arbeit finde,
dann bekomme ich jeden Monat 40.000 Schilling,
und wenn ich so viel Geld habe, kann ich mir das
und das leisten, und ich kann auf Ferien gehen; über-
legt er sich, was er auf Grund dieser Arbeit dann alles
machen kann, was ihm dadurch ermöglicht wird,
entsteht in ihm der große Wunsch, doch eine solche
Arbeit zu bekommen und so viel Geld zu verdienen.

Wenn in einem der Wunsch entwickelt worden


ist, Shamata zu erreichen, dann ist dieses Verlangen
eine heilsame Geisteseinstellung. Man sollte nicht
jede Art von Verlangen, jeden Wunsch als etwas
Unheilsames betrachten. Es gibt verschiedene Arten
von Verlangen, manche sind unheilsam, manche sind
heilsam; das Verlangen nach solchen geistigen Eigen-
schaften ist ein heilsames Verlangen.

Setzt man sich nach dem Entwickeln eines solchen


Wunsches zur Meditation hin und führt man tatsäch-
lich diese konzentrativen Meditationsübungen durch,

82
dann bewirkt das im Geist eine große Ruhe und eine
aufsteigende Freude. Und diese Freude erzeugt dann
Begeisterung für die Meditation. Durch diesen En-
thusiasmus, diese Freude bei der Meditation werden
die Bemühungen weiter gesteigert. Das Glücksgefühl
bei der Meditation verstärkt sich, und diese Freude
an der Meditation überwältigt vollkommen die Träg-
heit, die einen zuvor daran gehindert hat zu meditie-
ren. Und nicht nur der Geist wird von einem solchen
Gefühl des Glücks erfüllt, sondern auch der Körper
fühlt sich leicht und wohl.

Mit solchen Überlegungen müssen zuerst die


Trägheit und die Faulheit überwunden werden, die
einen daran hindern, sich überhaupt mit der Medita-
tion zu beschäftigen, sich hinzusetzen und diese Me-
thoden anzuwenden. So wird der unwillige Geist zu-
erst willig gemacht, der Wunsch zu meditieren wird
in ihm erzeugt, und wenn dieser dann vorhanden ist,
beginnt man mit der eigentlichen Meditation.

Was meditiert nun eigentlich? Es ist der Geist, der


diese Aktivitäten durchführt. Die verschiedenen Ent-
wicklungsstufen bei der Shamata-Meditation werden
auch graphisch dargestellt, oft mit einem Elefanten,
der einen bestimmten Weg geht. Viele von Ihnen
haben diese Zeichnung sicher schon gesehen. Der
Geist wird darauf durch den Elefanten versinnbild-
licht.
Wenn in einem Beispiel etwas mit einem Objekt
verglichen wird, müssen das Beispiel und das Objekt

83
eine Beziehung zueinander haben. Inwiefern gleichen
nun der Geist und der Elefant einander? Wenn ein
wilder Elefant gefangen wird, muß er zuerst gezähmt
und abgerichtet werden. Ist er einmal gezähmt und
abgerichtet, führt er ganz willig jegliche Art von Ar-
beiten aus, die ihm sein Anführer aufträgt.

Den Elefanten können Sie z.B. im Zirkus beob-


achten, Sie können sehen, was er alles macht, obwohl
ihm da sicher einiges nicht paßt; aber er macht es,
weil es ihm sein Herr und Gebieter aufträgt. Wenn er
z.B. auf einem Bein stehen muß, ist dies sicher nicht
sehr bequem für den Elefanten, aber er macht es den-
noch, wenn es ihm aufgetragen wird.
Es gibt auch Geschichten, die sich früher zugetra-
gen haben, in denen erzählt wird, daß einem Elefan-
ten befohlen wurde, eine glühende Eisenkugel zu
schlucken, und er habe selbst das durchgeführt; daß
ihm das nicht angenehm ist, kann man sehr leicht
verstehen. Aber dies zeigt, bis zu welchem Grad ein
abgerichteter Elefant den Befehlen gehorcht.
Das Abrichten eines wilden Elefanten entspricht
sehr dem Abrichten unseres eigenen Geistes durch die
Anwendung der Shamata-Meditation. Wenn der Ele-
fant einmal abgerichtet ist, wenn der Geist einmal
Shamata erreicht hat, dann macht alles der Geist
selbst. Er beseitigt die Krankheiten des Körpers, er
bewirkt das Glück des Körpers und des Geistes, er
bewirkt das Erreichen weiterer geistiger Fähigkeiten
und Entwicklungen.

84
Von der negativen Seite her entspricht der Geist
ebenfalls wieder sehr dem Elefanten. Ein wilder, un-
gezähmter Elefant kann leicht gereizt werden; wenn
dies geschieht, wird er wütend, und in seiner Wut
kann er sehr große Zerstörung anrichten. Er tötet
Menschen, er rennt sogar Häuser ein, wenn sie nicht
aus Beton gebaut sind wie hier, zertrampelt Ernten
und ist, kurz gesagt, ein äußerst bösartiges und zerstö-
rerisches Tier.

Ähnlich ist der ungezähmte Geist äußerst gefähr-


lich. Wenn er so wild ist wie jetzt und unter den Ein-
fluß der Verblendungen kommt, dann führt das da-
zu, daß er alles tut, was er nicht tun sollte; daß man
mit seiner Rede alles tut, was nicht getan werden soll-
te, und daß man mit seinem Körper alles tut, was
man nicht tun sollte. Und eine zukünftige Existenz in
elendem Dasein, in großen Qualen, die wir sehr
fürchten, wird von nichts anderem produziert, als
von einem solchen ungezähmten, wilden Geist, der
großes Leid in der Zukunft verursachen kann und
auch in diesem Leben nichts anderes als endlose
Schwierigkeiten hervorbringt.
Wenn Sie noch nie eine solche Zeichnung von der
Entwicklung der Shamata-Meditation gesehen haben,
werden Sie vielleicht in der Zukunft einmal darauf
stoßen. Dann ist es gut zu wissen, was sie bedeutet.
Sie werden sehen, daß der darauf dargestellte Elefant
ein Sinnbild des Geistes ist; daß es also der eigene
Geist ist, der gezähmt werden muß, und daß er diese
und jene Ziele erreichen kann, wenn das getan wird;

85
und wenn Sie dabei den Wunsch entwickeln, um je-
den Preis Ihren eigenen Geist zu zähmen, wenn Ih-
nen derartige Gedanken in den Sinn kommen, dann
wird selbst das Betrachten eines solchen Bildes zur
Meditation.

Das war eine Beschreibung der Hindernisse vor


der Meditation. Wenn man sich nun zur Meditation
hinsetzt und sie durchführt, können wieder Schwie-
rigkeiten auftreten, und zwar zwei Arten. Die eine ist
eine Unruhe, eine ständige Aufregung und Ablen-
kung des Geistes; die andere ist eine Unklarheit des
Geistes, man hat Mühe zu meditieren, der Geist
scheint keine Kraft und Schärfe zu haben.
Auf der Darstellung der Shamata-Meditation kön-
nen Sie wahrscheinlich einen Affen erkennen; er sym-
bolisiert diese Aufregung, dieses Unruhigsein des
Geistes. Außerdem ist der Elefant schwarz gemalt,
was die Möglichkeit des Auftretens der Dumpfheit,
der Unklarheit des Geistes bedeutet. An verschiede-
nen Stellen ist auch Feuer gezeichnet; es soll deutlich
machen, daß die Meditation Anstrengung und starke
Bemühung erfordert.
Auf diesem Bild sind auch Objekte der fünf Sinne
dargestellt; Objekte des Gesichtssinns, also Form, des
Gehörsinns, wahrscheinlich eine Art Gitarre, Objekte
des Geruchssinns, Dinge, die den Geschmacksinn an-
sprechen, und fühlbare Objekte. Diese Darstellungen
wollen deutlich machen, daß während der Medita-
tion ein Wandern der Gedanken zu Sinnesobjekten
möglich ist und daß man sich nicht davon ablenken

86
lassen soll; daß man auf jeden Fall versuchen sollte,
eine Anhaftung, ein Verlangen nach diesen Sinnes-
objekten nicht aufkommen zu lassen.

Ich möchte Sie nicht weiter ermüden, indem ich


Ihnen ein Bild erkläre, das Sie im Moment nicht se-
hen, sondern ich wollte kurz erwähnen, was diese
Darstellungen bedeuten, damit es Ihnen bewußt ist,
wenn Ihnen später einmal ein solches Bild unter-
kommt.

Beginnt man nun mit der Meditation, muß man


sich als erstes das Objekt der Meditation vorstellen,
das heißt, seinen Geist auf das Objekt richten. Wenn
Sie als Objekt Ihrer Meditation z.B. die Erscheinung
einer goldenen Figur gewählt haben, dann wird diese
in Ihrer Vorstellung leicht gelblich oder leicht goldig
erscheinen; oder wenn Sie eine weiße Gestalt gewählt
haben, wird sie vielleicht leicht fahl oder weißlich vi-
sualisiert werden können.
Viele beklagen sich, sie könnten sich das Objekt
nicht klar und deutlich vorstellen. Das ist üblich am
Anfang; es ist nicht möglich, daß einem von allem
Anfang an das Objekt so klar und brillant erscheint,
wie das dann später in der Meditation erreicht wird.
Wenn man sich gleich zu Beginn vor allem darauf
konzentriert, das Objekt klar und deutlich zu visuali-
sieren, kann das den Geist bedrücken, ihn durchein-
anderbringen, und das ist nicht das Ziel der konzen-
trativen Meditation. Das eigentliche Ziel ist, den
Geist auf das Objekt gerichtet zu halten; und eine

87
solche Störung des Geistes durch zu starke Bemühun-
gen bezüglich der Klarheit des Objektes bildet dann
nur ein Hindernis für das Erreichen dieses Zieles.
So genügt es am Anfang, das Objekt in seinen gro-
ben Umrissen im Sinn zu haben; das ist es, was not-
wendig ist. Wenn man jedoch kein Objekt mehr hat,
wenn man es verliert und nur noch eine unklare, trü-
be Dumpfheit in der Vorstellung ist, dann genügt das
nicht mehr, dann ist man nicht mehr in Meditation.

Am Anfang wird der Geist immer nur ganz kurze


Augenblicke auf das Objekt gerichtet bleiben und
sofort wieder abspringen, sofort wieder abgelenkt
werden. Das macht nichts; man versucht einfach
immer wieder, den Geist auf das Objekt der Medita-
tion zu richten; und wenn er wieder abgelenkt ist, ihn
wieder darauf zu richten.
Wenn im Sommer Pferde im Freien sind und viele
Mücken in der Umgebung sind, dann versuchen
manche Mücken immer wieder, sich auf ein Pferd zu
setzen, um es zu stechen. Das Pferd wedelt mit sei-
nem Schwanz und vertreibt die Mücke immer wie-
der. So berührt die Mücke das Pferd immer nur eini-
ge Augenblicke, fliegt dann weg und versucht von
neuem, das Pferd zu stechen.
Unser Geist ist am Anfang in der Meditation ganz
ähnlich: Er berührt das Objekt der Meditation immer
nur ganz kurz und wird dann gleich wieder abge-
lenkt. Aber man muß wie die Mücke immer wieder
versuchen, ihn auf das Objekt zu richten.

88
Der Meditierende hat dann am Anfang das Ge-
fühl, daß jetzt bei der Meditation noch mehr stören-
de Gedanken und Ideen auftreten, als das sonst ge-
wöhnlich der Fall war. Aber das ist nicht richtig, die
störenden Gedanken sind nicht zahlreicher gewor-
den. Normalerweise sind unser Geist und die vielen
Gedanken und Ideen ganz untrennbar miteinander
verbunden, sie sind ständig vorhanden; man kann
eigentlich gar nicht feststellen, ob der Geist abgelenkt
ist oder nicht.
In dieser Meditation versucht man jetzt zum er-
stenmal, seinen Geist ganz gezielt auf ein Objekt zu
richten, und dadurch wird einem zum erstenmal
bewußt, wie groß der Strom dieser störenden Gedan-
ken ist. Man erkennt sie zum erstenmal, man faßt sie
zum erstenmal als solche auf.

Wenn Sie z.B. jeden Morgen zu Stoßverkehrszei-


ten durch die Stadt eilen und in dem Gedränge da-
nach trachten, noch rechtzeitig in Ihr Büro zu kom-
men, fällt Ihnen die Menge gar nicht besonders auf.
Wenn Sie nun eines Tages zu Hause bleiben und am
Morgen vom Fenster aus dieses Gerenne betrachten,
dann wundern Sie sich, was da eigentlich alles los ist.
Zuerst bleibt der Geist immer nur ganz kurze Zeit
auf das Objekt gerichtet. Durch die Bemühungen in
der Shamata-Meditation wird diese Zeitspanne im-
mer länger, die Fähigkeit des Geistes, auf das Objekt
gerichtet zu bleiben, ständig weiter erhöht, bis sie zur
Perfektion gebracht wird, und das ist dann das Ver-
wirklichen der Shamata-Meditation.

89
Das ist ähnlich, wie wenn man einen Samen setzt,
ihn gießt und umhegt, er dann anfängt zu sprießen,
sich die ersten grünen Stengel und Blätter zeigen und
mit der Zeit die ganze Blume wächst und zum Blü-
hen kommt. Diesen Vorgang werde ich am Nachmit-
tag erklären.

Antworten auf Fragen

Das Swastika oder Hakenkreuz hat die Bedeutung


der Festigkeit, der Stabilität. Deshalb war es in Tibet
üblich, auf den Sitz des Meisters ähnlich wie hier sol-
che Stoffe zu hängen, auf die Swastikas gezeichnet
waren, was gewissermaßen als gutes Omen gedacht
war, damit das Leben und die Aktivitäten des Mei-
sters ungestört, fest und stabil bleiben.

Auch ist es bei denen, die sehr intensiv meditieren,


üblich, unter ihrem Sitz entweder mit Kreide ein
Swastika zu zeichnen oder eines aus Reis zu streuen;
darauf legte man, die Spitzen nach innen, Kusha-
Gras, das es vor allem in Indien gibt, und darauf
Quecke, ein anderes Gras, das hier auch sehr häufig
vorkommt. Und darauf legte man dann den Sitz und
meditierte.
Das Swastika wurde unter den Sitz gezeichnet,
damit das Leben und die Meditationen des Meditie-
renden unumstößlich gelingen; das Kusha-Gras legte

90
man unter den Sitz mit den Spitzen nach innen als
gutes Omen, damit das Verständnis des Meditieren-
den klar und deutlich sei; und die Quecke wurde als
gutes Omen für ein langes Leben unter den Sitz ge-
legt.
Die zentrale Figur, das Vajra, hat eigentlich genau
die gleiche Bedeutung wie das Swastika; es symboli-
siert immer eine Festigkeit, eine Untrennbarkeit oder
Unumstößlichkeit.

Mantras können durchaus dazu verwendet wer-


den, der konzentrativen Meditation zu helfen. Man-
tras sind Worte, die von der entsprechenden Erschei-
nung des Buddha, des erleuchteten Geistes gesegnet
sind; und das Rezitieren eines solchen Mantras bringt
dann einen besonderen Segen, der der konzentrativen
Meditation ebenfalls zuträglich sein kann.
Auch können die Bedeutungen der spezifischen
Mantras eine besondere positive Auswirkung haben.
Jemand, der von tiefer Hingabe erfüllt ist zu einer
Erscheinung des Buddha, die mit einem bestimmten
Mantra verbunden ist, und der auch ein entsprechen-
des reines Vertrauen auf das Mantra selbst hat, kann
sich zuerst diese Erscheinung des Buddha vorstellen,
diese dann um ihre Hilfe bei der konzentrativen
Meditation bitten, darum bitten, daß keine Hinder-
nisse auftreten, dann das Mantra rezitieren, sooft
man kann, und nachher die eigentliche konzentrative
Meditation beginnen. Das Mantra zu rezitieren und
gleichzeitig Shamata-Meditation durchzuführen geht
nicht.

91
Das Wort, das ich für diese Erscheinung des Bud-
dha verwendet habe, ist das Sanskrit-Wort Deva, was
oft mit göttliches Wesen übersetzt wird. Als ich vor
kurzem in Italien war, wunderte ich mich, daß die
Leute, wenn von Devas die Rede war, immer etwas
sehr Hohes verstanden, und wenn vom Menschen die
Rede war, immer an etwas Niedrigeres dachten. Un-
ter den Menschen gibt es viele verschiedene, die ganz
unterschiedliche Stufen erlangt haben; und genauso
gibt es unter den Devas oder den sogenannten göttli-
chen Wesen ganz unterschiedliche. Die göttlichen
Wesen müssen nicht immer alle gut sein und die
menschlichen Wesen nicht immer alle schlecht oder
nieder.

Unter den Menschen gibt es solche wie wir, deren


Geist voller Verblendungen ist, die ständig in einem
leidvollen Dasein umherirren; und es gibt unter den
Menschen solche wie die Arhats und die Bodhisatt-
vas, deren Entwicklung wesentlich höher ist, die von
keinen solchen Leiden geplagt werden.
Unter den Bodhisattvas und Arhats gibt es sehr
viele, die in der Form eines Menschen leben, die auch
Menschen sind; und es gibt Wesen, wie z.B. Buddha
Shakyamuni, der von sämtlichen Fehlern und sämtli-
chen Leiden frei ist, der einen Zustand erreicht hat,
der eine Vervollkommnung sämtlicher Eigenschaften
darstellt, und es gibt kein anderes Wesen, das ihm
irgendwie vergleichbar wäre; auch ein solches Wesen
wie Buddha Shakyamuni ist als Mensch zu bezeich-

92
nen. Also wird deutlich, daß ein Wesen, das ein
Mensch ist, nicht immer nur als etwas Schlechteres
oder Niedrigeres betrachtet werden kann.
Ebenso gibt es unter den Devas oder den göttli-
chen Wesen wieder ganz unterschiedliche. So gibt es
alle möglichen verschiedenen Arten von Lebewesen,
und der erleuchtete Geist oder der Buddha erscheint
in der Form, in der er einer spezifischen Art von We-
sen von größtem Nutzen sein kann. Und analog, wie
es unter den Menschen die Erscheinung des Buddha
Shakyamuni gibt, gibt es unter den Devas die Er-
scheinung sogenannter, wörtlich übersetzt, letztlicher
Devas, das sind Erscheinungen des Buddha, des er-
leuchteten Geistes selbst.
Dann gibt es unter den Devas samsarische Wesen,
die an den Daseinskreislauf gebunden sind, die die
Verblendungen nicht beseitigt haben, die Leid eben-
falls nicht beseitigt haben, die auf Grund der heilsa-
men Ursachen, die sie zu einem früheren Zeitpunkt
angesammelt haben, ein sehr angenehmes Dasein er-
fahren, und, sobald diese Ursachen aufgebraucht
sind, wieder von diesem Dasein fallen werden, wieder
irgendwelche anderen Arten der Existenz im Daseins-
kreislauf nehmen werden.
Es gibt unter den Devas auch solche, die nicht
unbedingt wieder in andere Bereiche fallen müssen.
Diese Arten von Devas existieren in unterschiedli-
chen Bereichen, die man Rupadatu und Arupadatu
oder Bereich der Form und formlosen Bereich nennt.
Andere Devas, die im sogenannten Kamadatu exi-
stieren, im Bereich der Begierde, sind samsarische

93
Wesen, Wesen im Daseinskreislauf, die größeres
Glück erfahren als Wesen, die in menschlichen Berei-
chen existieren; sie werden aber ebenfalls, sobald die
Ursache, die ihr Leben produziert hat, aufgebraucht
ist, durch andere in ihnen noch vorhandene Ursa-
chen wieder in irgendeinem Bereich des Daseinskreis-
laufes weiterexistieren.
Um Dharma anzuwenden, ist es jedoch am be-
sten, als Mensch zu leben. Denn als Mensch macht
man viele schmerzliche Erfahrungen und hat dadurch
Interesse am Dharma, an Methoden, diese Erfahrun-
gen zu überwinden. Dadurch ist man sehr zugänglich
für Dharma und hat auch die Motivation, es anzuhö-
ren und auszuüben. Während die Devas, diese göttli-
chen Wesen, im Moment wesentlich größeres Glück
erfahren als der Mensch und dadurch ganz vom
Dharma abgelenkt werden und keinerlei Interesse an
einer Ausübung des Dharma zeigen, bis die Ursa-
chen, die ihnen diese Existenz verschafft haben, ihr
Ende finden und sich negative Eindrücke wieder
manifestieren.
Das ist leicht zu verstehen. Denn das gleiche Phä-
nomen zeigt sich auch unter den Menschen. Jeman-
dem, dem es sehr gut geht, der alles mögliche macht
und einen großen Spaß dabei zu haben scheint, ob-
wohl es nicht viel gibt, woran man da Spaß haben
könnte, der nichts anderes im Sinn hat, als herumzu-
reisen und alles mögliche zu unternehmen, kommt
ein Gedanke an Dharma oder Religion nur sehr
mühsam oder kaum. Im Gegensatz dazu ist jemand,
der entweder mit körperlichen Leiden zu kämpfen

94
hat oder mit geistigen Schwierigkeiten zurechtkom-
men muß, wesentlich offener für die Ausübung des
Dharma.

Wenn man mit der Shamata-Meditation beginnt,


ist der Geist oft nur ganz kurz auf das Objekt gerich-
tet und dann wieder abgelenkt. Andererseits ist das
Objekt am Anfang nicht sehr klar. Was ich erwähnte,
ist, daß man sich am Anfang nicht darauf versteifen
sollte, das Objekt klar zu visualisieren, da dadurch
der eigentliche Sinn der Meditation, den Geist auf
das Objekt gerichtet zu halten, gestört wird. Durch
diese übermäßigen Anstrengungen, das Objekt klar
zu sehen, wird der Geist leicht vom Objekt abge-
bracht. Aber der eigentliche Zweck der Meditation
ist, den Geist auf das Objekt zu richten und gerichtet
zu halten. Wenn er nun gleich wieder abgelenkt ist,
muß man ihn schon mit einiger Anstrengung wieder
auf das Objekt zurückbringen. Man muß also die
Anstrengung darauf verwenden, den Geist auf das
Objekt zu richten; am Anfang aber nicht darauf, das
Objekt klar zu visualisieren.
Wenn Sie z.B. ein kleines Kind haben, das immer
irgendwohin wegläuft, wo es sich etwas zuleide tut,
werden Sie, sobald Sie das Kind vor sich haben, nicht
mit ihm schimpfen; denn wenn Sie dies tun, wird es
keine Lust mehr haben, bei Ihnen zu bleiben. Wenn
es bei Ihnen ist, werden Sie es sein lassen, und wenn
es wieder davongelaufen ist, holen Sie es mit Gewalt
zurück. Ähnlich ist es mit dem Geist; wenn er auf das

95
Objekt gerichtet ist, sollte man sich nicht anstrengen,
um es nun klar zu machen, weil der Geist sonst nicht
mehr auf dem Objekt bleiben will. Wenn er aber
weggegangen ist, holt man ihn mit Gewalt wieder
zurück.
Die eigentliche Anstrengung besteht darin, den
Geist auf das Objekt gerichtet zu halten. Wenn er
weggegangen ist, muß man seine Anstrengung wieder
darauf verwenden, ihn zurückzuholen.

Man macht vielleicht viele verschiedene Medita-


tionen; bei diesen wird man auch unterschiedliche
Objekte haben. Aber wenn man die konzentrative
Meditation durchführen will, ist es besser, immer das
gleiche Objekt zu nehmen. Am Anfang sollte man
sich gut überlegen, was man als Objekt wählt, und
dann ist es besser, dabeizubleiben.

96
Heute morgen besprach ich die Shamata-Medita-
tion, und erklärte, daß man sich bemühen muß, sei-
nen Geist auf das Objekt zu richten, daß der Geist
am Anfang nur einen Moment dortbleibt, dann
wahrscheinlich schnell wieder abweicht, und daß
man ihn dann mit Kraft wieder zurückholen muß.

Meistens wird in den Erklärungen über die Sha-


mata-Meditation von zwei Hindernissen gesprochen,
von Erregung und vom Sinken. Wird der Geist vom
Objekt weggerissen oder abgelenkt, wird das allge-
mein als Erregung bezeichnet; und eine Unklarheit,
eine Kraftlosigkeit des Geistes wird allgemein Sinken
genannt.

Man muß da jedoch unterscheiden; nicht jede


Ablenkung ist Erregung. Wenn der Geist vom Medi-
tationsobjekt durch ein Objekt der Anhaftung, der
Begierde abgelenkt wird, dann ist das Erregung. Wird
der Geist jedoch vom Meditationsobjekt in Richtung
eines Objektes der Abneigung, der Sorgen, der Angst,
des Ärgers abgelenkt, dann ist das nicht Erregung; es
ist ebenfalls eine Ablenkung, aber sie wird nicht als
Erregung bezeichnet.

Ist der Geist unklar und kraftlos, obwohl er auf


das Objekt gerichtet bleibt, wird das im allgemeinen
als Sinken bezeichnet. Aber auch hier muß unter-

97
schieden werden. Nicht jede Trübheit und Unklar-
heit des Geistes ist wirkliches Sinken, es gibt auch
noch andere Möglichkeiten. Wenn der Geist trüb
wird, wenn sich der Körper schwer anfühlt, wenn
man schläfrig ist und das Meditationsobjekt unklar
und dumpf, dann ist das nicht Sinken, sondern gei-
stige Dumpfheit.
Die Gefahr des Sinkens besteht nicht von allem
Anfang an; erst wenn man in der Meditation relativ
weit fortgeschritten ist und der Geist sehr stabil auf
dem Objekt bleibt, kann das eigentliche Sinken auf-
treten. Stellt sich, wenn wir anfangen zu meditieren,
eine Dumpfheit des Geistes ein, dann ist das sicher
nicht Sinken, sondern geistige Dumpfheit.

Übt man diese Meditation, dieses Shamata, aus


und entwickelt man seinen Geist entsprechend den
beschriebenen Methoden, dann werden neun Stufen
durchlaufen, bis das eigentliche Shamata erreicht ist.
Wie ich erwähnt habe, ist es ähnlich, wie wenn zuerst
ein Same gesät wird, dieser langsam sprießt und sich
im Laufe der Zeit zur vollen Blume entwickelt.

Das Sinken und die Erregung wie die andern Feh-


ler, die bei der Meditation auftreten, bilden Hinder-
nisse für die Meditation. Nun gibt es auch Faktoren
des Geistes, die als Gegenmittel gegen diese Hinder-
nisse angewendet werden müssen.
Einer dieser Geistesfaktoren ist die Erinnerungsfä-
higkeit oder das im Gedächtnis Halten des Objektes.
Diese Fähigkeit, sich an das Objekt zu erinnern, sich

98
seiner bewußt zu bleiben, hilft, das Objekt nicht zu
verlieren; während ein anderer Geistesfaktor, die Auf-
merksamkeit, ständig beobachtet, ob der Geist noch
auf das Objekt gerichtet ist oder nicht, wie ein Spion,
der darüber wacht, daß die Meditation nicht durch
Ablenkung oder andere Fehler gestört wird.

Wenn man meditiert und feststellt, daß man auch


nach längerer Zeit keinerlei Beruhigung des Geistes,
keine Fröhlichkeit und kein geistiges Glück dabei er-
fährt, ist das ein deutliches Zeichen dafür, daß man
in seiner Meditation einen Fehler macht. Denn führt
man die Meditation richtig durch, stellt sich schon
nach sehr geringen Fortschritten ein leicht erkennba-
res geistiges Glück in der Meditation ein.

Am Anfang, wenn der Geist immer nur einige


Augenblicke auf das Objekt gerichtet ist, muß man
vor allem seine Fähigkeit des Erinnerns, des im Ge-
dächtnis Haltens anwenden; das heißt, man ist sich
des Objektes der Meditation bewußt,- man erinnert
sich daran, man hält es im Gedächtnis, im Sinn; und
wenn der Geist wieder abgelenkt ist, ruft man es sich
wieder ins Gedächtnis. Diese Fähigkeit des Erin-
nerns, diese Erinnerungsfähigkeit, ist am Anfang das
Hauptwerkzeug bei der Meditation. Das ist die erste
von diesen neun Stufen, die bei dieser Meditation
durchlaufen werden.

Bemüht man sich dann weiter, kommt man zu


dem Punkt, wo der Geist schon etwas länger als zuvor

99
auf das Objekt gerichtet bleibt. Gelingt dies auch nur
ein bißchen länger, dann bringt das schon um so viel
mehr geistiges Glück für den Meditierenden. Der
Grund dafür ist folgender: Der Geist ist schon etwas
mehr an die heilsame Seite gewöhnt, die störenden
Gedanken sind schon etwas schwächer geworden;
und je schwächer das Auftreten der störenden Gedan-
ken ist, um so größer ist das Glücksgefühl des Medi-
tierenden.
Auf einer Bergspitze wird eine Fahne im starken
Wind sehr heftig flattern, je schwächer aber der Wind
wird, um so schlaffer wird sie herunterhängen. Ähn-
lich ist es mit der Meditation. Je schwächer der
Sturm der störenden Gedanken und Vorstellungen
ist, um so größer ist das Empfinden von Ruhe und
Glück im Geist des Meditierenden.
Wenn der Geist schon etwas länger auf das Objekt
gerichtet bleiben kann, ist man auf der zweiten Stufe
angekommen. Obwohl die störenden Vorstellungen
und Gedanken inzwischen etwas schwächer gewor-
den sind im Vergleich zum Anfang der Meditation,
sind sie immer noch stark genug, um die Meditation
ganz offensichtlich zu stören. Auch jetzt muß man
sich noch weiter anstrengen und den Geist, sobald er
abgelenkt ist, immer wieder auf das Objekt richten,
es sich im Bewußtsein, im Gedächtnis halten, sich
daran erinnern.

Durch die fortgesetzten Anstrengungen kommt


man zu dem Punkt, wo manchmal die störenden
Gedanken und Vorstellungen ganz abwesend zu sein

100
scheinen. Plötzlich treten sie wieder auf, nach einiger
Zeit der Meditation verschwinden sie jedoch wieder
ganz.
Wenn z.B. jemand Schwerarbeit durchführt, wird
er eine Zeitlang sehr intensiv arbeiten, sich dann aus-
ruhen, um dann wieder intensiv zu arbeiten, und
dann wird er sich wieder ausruhen.

Ähnlich ist es auf dieser Stufe in der Meditation;


die störenden Gedanken und Vorstellungen brechen
immer wieder durch, treten deutlich auf und ver-
schwinden dann wieder ganz. Sie können also auch
zu diesem Zeitpunkt noch die Meditation unterbre-
chen. Aber da die Fähigkeit der Erinnerung des Me-
ditierenden, die Fähigkeit, sich des Objektes bewußt
zu sein, inzwischen schon sehr stark geworden ist,
erkennt er die Situation sofort und kann seinen Geist
gleich wieder zum Objekt zurückbringen. Dann kann
er relativ lange seinen Geist auf das Objekt gerichtet
halten, bis wieder solche relativ starken Vorstellungen
und Gedanken auftreten, die den Geist vom Objekt
wegreißen. Aber wiederum kann er sofort reagieren
und den Geist zurückbringen. Das ist die dritte Stufe
in der Entwicklung dieser Meditation, und das
Glücksgefühl im Meditierenden ist im Vergleich zu
dem auf der zweiten Stufe wesentlich stärker.

Da dieses Glücksgefühl auf der dritten Stufe schon


intensiv und stark ist, hat der Meditierende kein gro-
ßes Verlangen nach äußeren Aktivitäten und führt sie
mehr aus Notwenigkeit durch; es besteht in ihm ein

101
innerer Drang, seine Meditation fortzusetzen und
weiterzuentwickeln.
Um das mit einem Beispiel deutlich zu machen:
Wenn sich jemand in Glücksspiele vernarrt hat, kann
es so weit kommen, daß er so versessen auf das Spie-
len ist, daß er nicht einmal zur Toilette gehen will,
selbst wenn das Wasser schon sehr drückt; er wird
noch relativ lange beim Spiel bleiben und erst gehen,
wenn es wirklich nicht mehr anders möglich ist, und
dann wird er schnell, schnell hinausrennen, um sofort
zurückzukommen und mit dem Spiel weiterzuma-
chen. Ähnlich ist der Drang des Meditierenden auf
der dritten Stufe, bei seiner Meditation zu bleiben
und mit dieser weiterzufahren.

Auch nach der dritten Stufe muß sich der Medi-


tierende noch weiter anstrengen, immer mit dem
gleichen Objekt. Er darf es nicht wechseln, wenn er
wirklich das Ziel dieser Meditation erreichen will.
Durch weitere Bemühungen wird der Geist noch
mehr gefestigt, bis er zur vierten Stufe kommt. Auch
auf dieser gibt es noch störende Gedanken und Vor-
stellungen, aber sie sind nur noch von sehr geringer
Kraft. Auf der dritten Stufe war es den störenden
Gedanken noch möglich, den Geist vom Objekt ab-
zubringen. Auf der vierten Stufe nun können die stö-
renden Gedanken und Vorstellungen, die relativ
schwach sind, den Geist nicht mehr vom Objekt
wegreißen, aber sie sind noch im Untergrund und
können die Meditation beeinflussen.

102
Einige kleine Fische, die in einem kleinen Teich
umherschwimmen, können die Oberfläche nicht in
Bewegung setzen, das Wasser nicht aufrühren. Ana-
log können auf der vierten Stufe diese schwachen stö-
renden Gedanken den Geist nicht mehr vom Objekt
trennen. Wiederum ist auf dieser vierten Stufe das
Glücksempfinden des Meditierenden unvergleichlich
größer als auf der dritten Stufe.

Durch weitere Bemühungen werden dann selbst


diese schwachen störenden Gedanken zum Ver-
schwinden gebracht. Auf der fünften Stufe ist die
Fähigkeit des Haltens des Objektes, die Erinnerungs-
fähigkeit des Meditierenden so ausgeprägt, daß sie die
störenden Gedanken vollständig überstrahlt; im Ge-
gensatz zur ersten Stufe, wo die Erinnerungsfähigkeit
so schwach war, daß die Meditation einen groben
Kampf zwischen den störenden Gedanken und dieser
Erinnerungsfähigkeit darstellte.

Da auf dieser fünften Stufe der Geist ganz unabge-


lenkt auf das Objekt gerichtet bleibt und es keine stö-
renden Gedanken mehr gibt, die den Geist beeinflus-
sen, ist das Glücksgefühl außergewöhnlich, nicht ver-
gleichbar dem auf der vierten Stufe.
Erst auf dieser fünften Stufe fängt die Gefahr des
Sinkens an. Ich möchte das mit einem Beispiel ver-
deutlichen: Wenn zwei Leute in einen Kampf geraten
und miteinander ringen und schließlich der eine den
andern besiegt hat, dann hat er zwar den Kampf ge-
wonnen, aber er ist davon erschöpft und möchte sich

103
ausruhen, und es besteht die Gefahr, daß er ein-
schläft.
Analog hat der Meditierende von der ersten bis
zum Erreichen der fünften Stufe einen großen Kampf
mit den störenden Gedanken und Vorstellungen aus-
gefochten. Jetzt auf der fünften Stufe hat er den
Kampf gewonnen, die störenden Gedanken sind be-
siegt, der Geist bleibt punktförmig auf das Objekt ge-
richtet, und der Meditierende muß sich nicht mehr
sehr anstrengen, um seine Erinnerungsfähigkeit dazu
zu verwenden, den Geist auf das Objekt gerichtet zu
halten. Dadurch entsteht eine gewisse Ruhe, die ähn-
lich wie beim Einschlafen ein Absinken mit sich
bringt. Dieses auf der fünften Stufe auftretende Sin-
ken entspricht unserem Einschlafen.
Das Sinken bewirkt, daß der Geist, der nun auf
der fünften Stufe unabgelenkt auf das Objekt gerich-
tet ist, an Kraft und Stärke verliert. Das ist ähnlich,
wie wenn man einen Ballon aufgeblasen hat und die-
ser dann ein kleines Loch bekommt, durch das die
Luft langsam entweicht, so daß der Ballon immer
kleiner und kleiner wird. Ähnlich schwindet durch
die Kraft des Sinkens auf der fünften Stufe die Kraft
des Geistes.
Eigentlich ist das Sinken ein Hindernis für das
wirkliche Gelingen der Meditation, weil es dem Geist
seine Kraft nimmt. Aber viele Anwender täuschen
sich, wenn sie auf dieser Stufe angekommen sind und
das Sinken auftritt; sie meinen, sie hätten ihr Ziel,
Shamata, schon erreicht, da sie einerseits ein großes
Glück empfinden und andererseits der Geist unabge-

104
lenkt auf das Objekt gerichtet bleibt. Dann liegt es
ganz am Anwender selbst, nachzudenken und zu prü-
fen, ob die Kraft seines Geistes nachläßt, und die ent-
sprechenden Gegenmittel anzuwenden.
Das Gegenmittel ist die Aufmerksamkeit, die be-
obachtet, was in der Meditation tatsächlich mit dem
Geist geschieht, ob er an Kraft verliert oder nicht;
verliert er an Kraft, muß der Meditierende die Erin-
nerungsfähigkeit, das sich des Objektes Bewußtwerden,
wieder verwenden, um dem Geist seine Schärfe, seine
Kraft zurückzugeben. Durch dieses Anwenden der
Erinnerungsfähigkeit wird der Geist wieder etwas
schärfer als zuvor. Sobald er wieder klar und stark
geworden ist, muß die Benützung der Erinnerungs-
fähigkeit zur Seite gelegt werden, weil sonst die Ge-
fahr besteht, den Geist zu sehr zu erregen, so daß wie-
der schwache störende Gedanken auftreten können.
An diesem Punkt in der Meditation muß der
Meditierende sehr sorgfältig beobachten, was er zu
tun hat. Wenn er feststellt, daß der Geist an Kraft
verliert, muß er die Erinnerungsfähigkeit mehr ein-
setzen, um den Geist wieder scharf und stark zu ma-
chen; wenn er feststellt, daß ein übermäßiges Einset-
zen dieser Erinnerungsfähigkeit im Geist wieder stö-
rende Gedanken erzeugt, muß er davon ablassen. So
muß der Anwender ständig danach trachten, daß sein
Geist nicht auf die eine oder auf die andere Seite fällt,
indem er die zwei Fähigkeiten, die Aufmerksamkeit
und die Erinnerungsfähigkeit in richtigem Maß ein-
setzt.

105
Auf dieser fünften Stufe verursacht das Auftreten
des Sinkens, daß das Objekt der Meditation dem
Meditierenden nicht klar erscheint, daß es an Brillanz
verliert. Durch weitere Bemühungen, durch maßvol-
les Einsetzen von Aufmerksamkeit und Erinnerungs-
fähigkeit, wie eben beschrieben, wird der Geist zu
einem Punkt gebracht, wo er einerseits fest auf das
Objekt gerichtet ist und großes Glück empfindet und
wo andererseits das Objekt der Meditation auch sehr
klar und deutlich, sehr prägnant erscheint. Damit ist
die sechste Stufe erreicht.
Das Empfinden der Ruhe und des Glücks im
Geist des Meditierenden ist unvergleichbar dem der
fünften Stufe. Aber nicht nur der Geist empfindet ein
außerordentliches Gefühl der Ruhe und des Glücks,
sondern auch der Körper ist von einem Wohlbefin-
den durchflossen; auf dieser Stufe wird der Körper
zum Teil schon durch die Konzentration ernährt und
gesund erhalten.

Mit dem Erreichen der sechsten Stufe wurde der


grobe Teil des Fehlers des Sinkens beseitigt; noch ist
der subtilere Fehler des Sinkens vorhanden, und auch
der kann die Meditation stören, wenn der Anwender
nicht aufmerksam ist.

Wodurch wird nun das subtile Sinken verursacht?


Auf dieser Stufe ist die Konzentration des Anwenders
ungestört, sein Geist bleibt auf das Objekt gerichtet,
er empfindet ein Wohlbehagen, und das Objekt er-
scheint ihm klar. Tritt nun dieses subtile Sinken auf,

106
dann verursacht das, daß der Geist an Schärfe, an In-
tensität verliert.
Wenn man z.B. ein Bierglas in die Hand nimmt,
verwendet man eine gewisse Kraft des Zupackens, um
das Glas festzuhalten. Dem Halten des Glases in der
Hand entspricht die Klarheit des Objektes an diesem
Punkt der Meditation, und der Festigkeit des Zugrei-
fens, des Anpackens, die Schärfe des Geistes.
Bei dieser Gefahr des subtilen Sinkens auf der
sechsten Stufe muß der Anwender wieder aufmerk-
sam sein und feststellen, ob sein Geist an Schärfe, an
Zugriffsfestigkeit verliert, und wenn das der Fall ist,
muß er wieder die Erinnerungsfähigkeit einsetzen,
um die Schärfe des Geistes zu erhöhen; ist das er-
reicht, muß er wieder lockerlassen und so seine Be-
mühungen fortsetzen.
Wenn dann der Geist unabgelenkt auf dem Ob-
jekt bleibt, die Fehler des subtilen und des groben
Sinkens überwunden sind, hat der Anwender die
siebte Stufe erreicht.
Das Empfinden des Glücks und der Ruhe ist wie-
der um ein Vielfaches gesteigert gegenüber dem auf
der vorhergehenden Stufe. Dieses Glücksgefühl zu
beschreiben ist unmöglich, es ist lediglich der Emp-
findung des Meditierenden zugänglich.

Wie ich schon erwähnt habe, liegt der Grund,


weshalb wir uns nicht wohl fühlen, weshalb wir trau-
rig sind, weshalb wir Angst haben usw. darin, daß die
störenden Faktoren, die störenden Gedanken und
Vorstellungen in uns sehr stark sind. Werden diese

107
beseitigt, wie das im Prozeß dieser Meditation getan
wird, bleibt dem Geist nichts anderes übrig, als sich
außergewöhnlich wohl zu fühlen.

Wenn dann der Anwender durch weitere Bemü-


hungen zu einem Punkt kommt, wo er lediglich am
Anfang der Meditation einige Anstrengungen auf-
bringen muß, um den Geist auf das Objekt zu rich-
ten, aber sobald der Geist auf das Objekt gerichtet ist,
die Faktoren der Erinnerung und der Aufmerksam-
keit nicht mehr benützen muß, hat er die achte Stufe
erreicht. Auf dieser Stufe kann der Anwender dann
schon über sehr, sehr lange Zeit in Meditation ver-
harren.

Wenn er durch weitere Anstrengungen und Be-


mühungen dann zu einem Punkt kommt, wo er le-
diglich dadurch, daß er sich an das Meditationsobjekt
erinnert, in diese Konzentration versinkt, hat er die
neunte Stufe erreicht. Seinen Geist auf das Objekt zu
richten, erfordert dann keinerlei Anstrengung mehr,
und der Anwender kann in dieser Konzentration ver-
harren, solange er will, z.B. eine ganze Woche unun-
terbrochen Tag und Nacht.
Durch die Kraft dieser Konzentration, dieses Sa-
madhi, werden die Sinneswahrnehmungen absorbiert
und zurückgezogen, und äußere Erscheinungen, Lau-
te und Bilder oder was immer können den Meditie-
renden nicht mehr erreichen.
Auf dieser neunten Stufe ist es sehr leicht möglich,
daß der Meditierende vollständig davon überzeugt

108
ist, er habe Shamata nun erreicht, oder daß er sogar
der Meinung ist, er habe irgendwelche sehr hohen
Erkenntnisse tantrischer Meditationen erlangt.

Durch weitere Anstrengungen in dieser Medita-


tion kann der Anwender dann einen Punkt erreichen,
wo das Empfinden der Ruhe und des Glücks des
Körpers und des Geistes unaussprechlich ist, wie er es
bisher noch nie erlebt hat, und zu diesem Zeitpunkt
ist Shamata erreicht worden.

Es kann bei uns z.B. vorkommen, daß wir zwar


den Wunsch haben, zu meditieren oder irgend etwas
durchzuführen, aber daß in der Tiefe unseres Den-
kens dennoch ein gewisses Unbehagen vorhanden ist,
eine gewisse Störrigkeit oder Unbeweglichkeit. Das
wird geistige Unbeweglichkeit genannt. Mit dem Er-
reichen des Shamata wird nun diese Unbeweglichkeit
des Geistes vollständig beseitigt, und es wird gesagt,
man habe eine Flexibilität, eine vollständige Beweg-
lichkeit erlangt.
Es ist ähnlich wie Wasser; man kann Wasser ohne
Schwierigkeit überall, wo man will, hinleiten, es da-
hin oder dorthin spritzen; und ähnlich hat der Geist
dann eine vollständige Bewegungsfreiheit erlangt, er
fühlt sich außerordentlich leicht und ungebunden.
Zuerst entsteht dieses Empfinden der Beweglich-
keit im Geist; das führt dann auch zu einer physi-
schen Empfindung, die den Körper so leicht und
ungebunden anfühlen läßt wie einen Löwenzahnsa-
men. Sie haben vielleicht gesehen, wie leicht ein

109
solcher Löwenzahnsame ist; wenn man ihn nur ein
bißchen anbläst, fliegt er in die Luft; ähnlich empfin-
det der Meditierende nach dem Erreichen des
Shamata eine Leichtigkeit des Körpers und des
Geistes.

Überdies entwickelt sich dann im Körper des


Meditierenden eine ganz besondere, nützliche subtile
Energie, die ihm ein unaussprechliches Gefühl der
Ruhe und des Glücks verursacht; und der Meditie-
rende hat dann auch die Möglichkeit, seinen Geist
ganz nach Wunsch und ohne jede Schwierigkeit auf
beliebige heilsame Objekte zu richten.
Dieses außergewöhnliche physische Glück, das zu
diesem Zeitpunkt entsteht, ist ein Gefühl des Tast-
sinns. Es verursacht dann ein zusätzliches geistiges
Glücksgefühl.

Die Kraft dieser Konzentration, dieses Shamata,


ist so, daß der Mensch, der diesen Zustand erreicht
hat, das Gefühl hat, seine Konzentration dringe in
das Objekt, auf das sie gerichtet ist, ein und durch-
dringe es vollständig.
Und der Körper fühlt sich so leicht an, daß die
Person das Gefühl hat, sie könnte jederzeit fliegen.
Zudem ist der Geist so klar, daß er das Gefühl hat, er
könnte jedes einzelne Atom jedes beliebigen Objektes
zählen. Wenn sich diese Eigenschaften eingestellt
haben, hat der Anwender das eigentliche Shamata zur
Vervollkommnung gebracht.

110
Auf der Basis des Shamata können dann solche
Eigenschaften wie erhöhte Wahrnehmungsfähigkeit,
wunderbare Kräfte und viele andere ganz besondere
Fähigkeiten entwickelr werden, wie ich sie erwähnt
habe. Die Basis bildet das Shamata.

Diese Konzentration, dieses Shamata, kann man


nun für verschiedene Dinge verwenden. Es gibt zwei
grundlegende Möglichkeiten. Eine davon ist, daß
man diesen scharfen, konzentrierten Geist, dieses
Shamata, dazu verwendet, Shunyata oder die Leerheit
zu erkennen oder Bodhicitta zu entwickeln; und man
kann relativ einfach und problemlos den Weg der
Bodhisattvas oder der Shravakas gehen und die Be-
freiung oder die volle Erleuchtung erlangen.

Die andere Möglichkeit ist, daß man in dieser


Konzentration verharrt, was zwar sehr angenehm und
gut ist; das führt dann dazu, daß man nach diesem
Leben als Deva oder als göttliches Wesen in einem
der Bereiche des Rupadatu oder des Arupadatu wei-
terexistiert, das heißt, entweder im Bereich der Form
oder im formlosen Bereich. Das sind dann allerdings
wieder Existenzen im Samsara, es sind Existenzen, die
im Daseinskreislauf gebunden sind.

Es sprechen viele Leute davon, daß sie über Sha-


mata meditieren. Was darunter verstanden wird, wel-
cher Weg dabei zu gehen ist, das wurde eben erklärt,
und es sollte auch deutlich geworden sein, daß Medi-
tationen, bei denen man an nichts denkt, den Geist

111
zu nichts verwendet, kaum ernsthaft als Shamata be-
zeichnet werden können.
Da das wirkliche Shamata ein solcher außerge-
wöhnlicher Geisteszustand ist, der von jeglichen stö-
renden Gedanken frei ist und ohne jede Anstrengung
auf beliebige Objekte gerichtet werden kann, ist es
ein ganz besonders geeignetes Werkzeug, um den
Geist sehr schnell und wirksam in jeder beliebigen
Richtung weiterzuentwickeln.
Es ist wichtig, daß man weiß, was unter Shamata
verstanden wird, wie es erreicht wird und was es tat-
sächlich darstellt. Es selbst durchzuführen, selbst die-
se Meditationen zu verwirklichen ist etwas schwierig.
Dagegen können wir durchaus mit analytischen Me-
ditationen sehr gute Resultate erzielen; und sein Le-
ben mit Verwendung dieser Arten von Meditationen
zu führen ist sehr empfehlenswert und heilsam.

112
Daß Sie diese zwei Ferientage nicht nur für einen
Ausflug verwendet haben, der ohnehin sehr schnell
zu Ende gewesen wäre, sondern um sich mit Dharma
zu beschäftigen, ist sicher kein Fehler Ihrerseits, son-
dern als etwas sehr Positives zu werten, und Sie soll-
ten sich darüber auch freuen.
Sie denken sich vielleicht, daß Sie an diesen zwei
Tagen alles mögliche Neue erfahren haben, aber das
ist nicht das einzige. Denn Sie hören aufmerksam
Unterweisungen über Dharma zu; dadurch hinterläßt
jedes Wort, dem Sie aufmerksam folgen, im Geist
einen Eindruck, der die Fähigkeit hat, in der Zu-
kunft, bei seiner Reifung, ein angenehmes Resultat
hervorzurufen. Es ist ein doppelter Gewinn; denn Sie
hören nicht nur zu, sondern wenn Sie dem Gesagten
folgen, überlegen Sie es sich, Sie denken nach, und
diese Gedanken sind wiederum heilsame geistige Ak-
tivität. Deshalb ist es wirklich angebracht zu denken,
ja, das habe ich richtig gemacht.

Seit dem letzten Mai wurden Vorträge gegeben


und es bestand die Möglichkeit, Erläuterungen über
Dharma zu erhalten, und ich hoffe, daß das auch in
Zukunft in noch weiterem Ausmaß möglich sein
wird.
Die eigentlichen Ursachen, die es ermöglichen, in
einem solchen Rahmen zusammenzukommen, wur-
den zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt einmal

113
angesammelt. Ein Umstand dafür sind ebenfalls die
Vorbereitungen der Veranstalter.
Wenn Sie einerseits die Erläuterungen, soweit Sie
Ihnen nützlich sind, zu Ihrem eigenen Gebrauch
anwenden, dann ist das sehr gut; wenn Sie darüber
hinaus die Möglichkeit solcher Zusammenkünfte för-
dern möchten, dann ist das ebenfalls eine sehr lobens-
werte Bemühung.

Ich freue mich sehr, daß Sie so interessiert und


aufmerksam zugehört haben, und Anfang Dezember
werde ich wieder hierherkommen.

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