Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
British Empire
(5,948 words)
Helmut Bley
Die wiss. Diskussion um das E. ist voll entbrannt. Grundlage der Oxford History of the British
Empire [10] ist das Konzept des B. E., das sich aus dem British overseas enterprise am Ende des
17. Jh.s entwickelte; die metropolitane Direktion – seine Steuerung von London aus – wird als
gegeben angenommen. In der New Imperial History [14] hingegen werden Culture, Identity and
Modernity in Britain and the Empire 1660–1840 (so der Untertitel) v. a. vom kulturwiss.
Standpunkt analysiert; dabei wird das geschlossene Bild eines territorial konsolidierten und
zentral gestalteten E. zugunsten der Betonung großer Gestaltungsräume sowohl der
einheimischen Bevölkerungen (nicht nur der Eliten) als auch der aus Europa stammenden
Siedler und Plantageneigner aufgelöst. Wichtig ist in dieser Sicht, dass der brit. Ein uss die
Welt weniger prägte, als die außereurop. Welt auf vielfältige Weise auf Großbritannien
zurückgewirkt, ja geradezu Identität und Ausformung der Moderne bestimmt habe; insbes. die
Abgrenzung zum Anderen habe aufgrund der Erfahrung der Expansion den europ.
Zivilisations-Begri f akzentuiert und das Konzept des Englishman (später Gentleman) geprägt.
Diese Erfahrung wird auch für bestimmte Formen und Inhalte der Au lärung und der
Säkularisierung in Europa verantwortlich gemacht: So habe die dramatische Erweiterung des
Menschenbildes (Mensch) dazu geführt, dass wichtige Aspekte der biblischen
Schöpfungsgeschichte in Frage gestellt und angesichts so unterschiedlicher
Erscheinungsformen des Menschlichen die gemeinsame Herkunft der Menschheit aus einer
Wurzel zum Problem wurde (Anthropologie).
Eine komparative Betrachtung der Großreiche der Nz. (so etwa C. A. Baylys The Imperial
Meridian [3]) zeigt andere Aspekte auf: Die Kontinuitäten insbes. des span. Weltreiches, die
brit. Auseinandersetzungen mit der niederländ. maritimen Hegemonie im 17. Jh.
(Kolonialreiche), v. a. aber die überragende Bedeutung der franz. Weltmacht bis zu deren
Niederlage im Siebenjährigen Krieg und dem Scheitern von Napoleons Gri f nach der
Hegemonie treten hervor. Aus dieser Perspektive erscheint die Konkurrenz um die Macht in
der Welt (und immer auch in Europa) als zentral. Bei der Untersuchung der Gründe für die
Erfolge des Vereinigten Königreichs wird eine zu enge Betrachtung der Geschichte des B. E. von
Fragen nach den Instrumenten und Bedingungen der erfolgreichen Expansion abgelöst.
Helmut Bley
/
Nicht fern dieses Ansatzes sind die Hypothesen Immanuel Wallersteins von 1974. Sie erklären
die Besonderheit der europ. Entwicklung seit dem »langen« 16. Jh. damit, dass sich in Europa
eben kein Reich durchsetzen konnte; der Versuch des habsburgischen Kaisers Karl V., ein
Weltreich zu begründen, »in dem die Sonne nicht unterging«, scheiterte, wodurch die soziale
und auch ökonomische Dynamik Europas nicht in die engen bürokratischen Grenzen eines
Reiches gefesselt wurde. Eine Vereinheitlichung im Sinne einer Reichsbildung sei am System
der europ. Konkurrenz zerbrochen – einer »imitierenden Konkurrenz« der europ.
Gesellschaften [9]. Nach diesem Ansatz ist ein B. E. geradezu ein Widerspruch zu den
Grundtendenzen der Nz. Und so ist es kein Zufall, dass die neue Oxford History den ersten
Band über das 17. Jh. als British overseas enterprise, als ein maritimes Unternehmen
charakterisiert.
Wallerstein hat die Absichten Karls V. sicher überinterpretiert; dieser wollte kein Weltreich im
Sinne einer territorialen Hegemonie gründen, das Europa und die räumliche Ausdehnung nach
Amerika einschloss. Sein imperiales Konzept war das des antiken röm. Imperiums mit seinen
politisch-rechtlichen und universal-religiösen Implikationen; er war geleitet von der
Vorstellung der Respublica Christiana als einer Friedens- und Rechtsordnung zur Wahrung der
europ. Christenheit. Allerdings wäre zu überprüfen, ob sich in Spanien mit seinen amerikan.
Kolonien nicht doch eine Reichsbildung vollzog, denn ab Philipp II. (2. Hälfte des 16. Jh.s.) sind
– anders als unter Karl V. – hegemoniale Reichsvorstellungen mit bürokratischen Tendenzen zu
erkennen.
Auch für die Charakterisierung des B.E nach dem Verlust der USA ist die Fixierung auf den
Reichsbegri f in Frage gestellt worden. 1953 erö fneten Ghallager und Robinson [7] die
Diskussion, ob nicht das maritime System und die Bevorzugung informeller Ein ussnahme die
brit. Politik stärker geprägt habe als die direkte territoriale Kontrolle. Sie bezeichneten dies in
Abgrenzung zu den Methoden des Hochimperialismus des Ende des 19. Jh.s als
»Freihandelsimperialismus«. Eine ausgereifte Untersuchung legten dann P. J. Cain und A. G.
Hopkins vor [4]: In der Periode nach 1815, die von liberalen Grundüberzeugungen geprägt war
(Liberalismus), galten Kolonien als »Mühlsteine« am Hals des Mutterlandes ( Adam Smith).
Gallagher und Robinson, geprägt von der Dynamik des New Imperialism nach 1870 mit der
dramatischen Aufteilung Afrikas sowie der drohenden Aufteilung Chinas (Chinesische Welt)
und des Osmanischen Reiches, stellten zu ihrer Überraschung fest, dass Großbritannien in der
Periode des »Freihandelsimperialismus« ständig Gebiete annektierte (so in Südafrika, Nigeria,
Aden und Indien), und fragten nach den treibenden Kräften. Die ältere Forschung, so Robinson
und Galbraith [6], hatte die turbulent frontiers und die Aktivitäten der lokalen Repräsentanten
der chartered companies ( Handelsgesellschaften wie den Ostindischen Kompanien), vor Ort
stationierter Truppeneinheiten, aber auch die Widerstandshandlungen lokaler Eliten
verantwortlich gemacht. Cain und Hopkins [4] gingen einen Schritt weiter: Sie argumentierten,
dass die brit. Expansion durch einen besonderen Stil einer gentlemanly order (»Gentlemans-
Ordnung«) geprägt worden sei, welche die Interessen des brit. Landadels (landed interest) und
des damit eng verbundenen Handels bündelte; ihr schrieben sie ein Hauptinteresse an eher
informellen Kontrollmechanismen zur Sicherung von internationalen Handelsbeziehungen,
/
Dienstleistungen und des Privatbesitzes in Übersee zu. Ähnlich hatte bereits Ernst Schulin den
Eliten-Diskurs in Großbritannien als auf Organisation des Außenhandels hin orientiert
de niert und den Begri f »Handelsstaat England« bekannt gemacht [12].
Letztlich betonen Cain und Hopkins die enorme Ausprägung des »Dienstleistungssektors«
gegenüber Manufaktur und Agrarökonomie. Dieser sei die treibende Kraft der brit. Expansion
gewesen; dazu gehörte das weltweit operierende Wechsel- und Versicherungswesen und
zunehmend auch die Kontrolle des Weltkapitalverkehrs, der Vorrang im Export und Reexport
von Kolonialwaren. Diese vom und für den Handel entwickelten Strukturen seien – ähnlich
wie zuvor für die niederländische – auch für die brit. Hegemonie prägend gewesen. Dabei wird
durchaus dem brit. Staat eine wichtige Rolle zugewiesen. Der systematische Ausbau der Flotte
(siehe auch oben Abb. 1), die auch »private« Akquisitionen in der Welt sicherte, die
konsequente Seekriegsführung, die Subsidien für Koalitionspartner in internationalen Kriegen
– alle gestützt durch die starken Staats nanzen – machten zusammen mit dem Servicesektor
die Stärke der brit. Expansion aus.
Damit lässt sich auch eine der Hauptschwächen der »Imperialismustheorie« des frühen 20.
Jh.s überwinden. Mit ihr hatte man ausgehend von Lenins Theorie, dass der
Hochimperialismus mit den industriellen Konzentrationsprozessen in den USA und
Deutschland zu tun hätte und von Bankenkonzentration begleitet worden sei, die Weltstellung
Großbritanniens im 19. und frühen 20. Jh. nicht ausreichend erklären können. Der Blick auf die
Kontrolle des Weltwährungssystems, der Warenbörsen und des Welttransportsystems lässt
jedoch das Argument der Konzentrationsprozesse in der Weltwirtschaft auch für
Großbritannien gültig erscheinen.
Liest man die Geschichte des B. E. unter diesem Aspekt – der Kontrolle von Handelsstrukturen
und von wichtigen Teilen des Weltverkehrs –, lässt sie sich als maritime Expansion und
Hegemonie deuten. Sie war so ausgeprägt, dass der Verlust der Neuengland-Kolonien im
amerikan. Unabhängigkeitskrieg 1783 (obwohl dieser als so katastrophale Niederlage
empfunden wurde, dass Georg III. im Moment der Niederlage von Yorktown seinen Rücktritt
erwog) die ökonomischen Beziehungen zu den USA letztlich nicht tangierten (s. u. 5).
Wenn man sich von einem zu starren E.-Konzept löst, wenn man statt dessen diese maritim
geprägte Dynamik ins Zentrum stellt und sie eng mit der Sozialverfassung und den
intellektuellen Strömungen Großbritanniens des 18. Jh.s verknüpft, kommen die
Handlungsspielräume der lokalen Eliten der außereurop. Gebiete, aber auch der Metropole
London selbst in den Blick. Die Rückwirkung der Welterfahrung auf die brit. Insel förderte
exible Strategien. Gerade die fast unübersichtliche Variationsbreite von Besitzungen,
Vertragsverhältnissen, Siedlungsstrukturen und Arbeitsverhältnissen verweigerte sich
schematischer bürokratischer Homogenisierung. Sie lud geradezu zur Duldung lokaler
Autonomien nicht nur von Siedlern und lokalen brit. Compagnievertretern ein, sondern gab
auch den indigenen Bevölkerungen, nicht allein ihren Eliten, erhebliche Handlungsspielräume.
/
So konnte das komplexe System – bestehend aus Siedlergesellschaften, Plantagenwirtschaften
und aus asiat. Großreichen, aus dem Sklavenhandel dienenden strategisch platzierten
Flottenstützpunkten und Forts wie auch damit verbundenen Handels- und
Produktionsstrukturen – kontrolliert werden. Kooperierende Eliten Außereuropas (so
Fürstenhäuser asiatischer Großreiche, kreolische Oberschichten Lateinamerikas oder große
afrikanische Sklavenhandelshäuser) passen ebenso in dieses Bild des B. E. wie die brutalen
Plünderungen und Gewaltanwendungen in den Kolonien konkurrierender Kolonialmächte.
Helmut Bley
In der Literatur zur Vorgeschichte des B. E. oder zum Aufstieg Großbritanniens zu einer auf den
Weltmeeren vorherrschenden Weltmacht (Great Power) spielten im 17. Jh. die politischen
Bestrebungen der engl. Könige und des Cromwell'schen Commonwealth, Schottland, Wales
und Irland in das politische System des Vereinigten Königreichs einzubeziehen, eine zentrale
Rolle; diese Union wurde 1707 vollzogen. Zwei (z. T. auch widersprüchliche)
Argumentationsketten sind von zentraler Bedeutung:
(1) Wenn das Bild des auf die Weltmeere ausgreifenden Englands und später Großbritanniens
prägend bei der Erklärung der Entstehung des B. E. ist, so muss der Zeitpunkt bestimmt
werden, zu dem Großbritannien au örte, eine (u. a. durch seine Besitzungen in Frankreich)
auf den europ. Kontinent konzentrierte Macht zu sein (Hundertjähriger Krieg bis 1453). Diese
Abgrenzung vom franz. Ein uss wurde auch für Schottland, teilweise auch für Irland beim
Übergang unter die kulturelle Hegemonie des Britischen wichtig.
Die Methoden, Schottland, Irland und Wales in das Vereinigte Königreich zu integrieren, sind
nach Meinung der Autoren der New Imperial History [14] auch als Vorspiel und Vorlauf für die
Formation des B. E. zu lesen. So ließen sich die Strategien, mit denen die Eliten Schottlands,
Wales' und Irlands einbezogen worden seien (auch dadurch, dass sie die brit. Krone mit
Truppenkontingenten unterstützten), im politischen Umgang mit den ind. Fürstenstaaten
wieder nden. Das breite Spektrum von Taktiken, die bei der Verankerung der au ommenden
brit. Präsenz im Weltsystem angewandt wurden, sei auf diesen variationsreichen Prozess der
Zusammenführung einer fragmentierten Gesellschaft auf den brit. Inseln zurückzuführen.
Noch wichtiger, dieser Integrationsprozess habe zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen
geführt: Schottland sei am Prozess der Expansion, am gewerblichen Fortschritt und damit auch
an der Entwicklung des E.-Gedanken beteiligt gewesen, Irland dagegen sei weitgehend zur
ersten Kolonie des entstehenden Weltreiches geworden und Wales eine marginalisierte Region
geblieben. Auf den brit. Inseln hätten sich also bereits unterschiedliche Formen der
Inkorporation abgezeichnet, die später im B. E. zum Tragen kamen.
Die Autoren der New Imperial History [14] argumentieren also, dass noch vor dem Prozess des
Ausgreifens in die Welt bereits das Konzept der engl.-großbritannischen Identität in
Abgrenzung zum »Anderen« erfolgt sei; sie verbinden diese mit der Entstehung des
Vereinigten Königreichs als einer ersten E.-Form, die dann auf die Expansion in die Neue Welt
/
übertragen worden sei. Allerdings weisen sie den Auswirkungen der Erfahrungen mit
Außereuropa danach eine zentrale Rolle zu. Sie untermauern diese These nicht nur mit der
liberalen Theorie seit Hobbes (Liberalismus), sondern weisen auch nach, wie stark die
Schottische Au lärung durch die Auseinandersetzung mit der außereurop. Welt geprägt
wurde.
(2) Demgegenüber führen brit. Mediävisten, darunter R. R. Davies [5], an, dass die
Konsolidierung der engl. Monarchie unter Einschluss von Schottland, Wales und Irland aus
vielen fragmentierten Landesteilen erwachsen sei. Politisches Kernland habe mit politischer
Rückständigkeit – in der Sprache der Zeit »sweet civility and barbarous rudeness« (»süße
Zivilisation und barbarische Rohheit«) – auf den brit. Inseln koexistiert. Betrachteten sich die
schott. Könige nach zeitgenössischen Beobachtungen im 12. Jh. als »Franzosen durch Rasse,
Manieren, Lebensformen und Sprache« (die bei Hofe auch nur Franzosen beschäftigten), so
setzte sich nach langer Koexistenz auch in Schottland der engl. Ein uss durch. Laut Davies war
vor der politischen Integration der brit. Inseln und nach ihrer Abgrenzung vom Festland im 14.
Jh. das »Englische« als Lebensform geprägt. Und – so kann man unter Aufnahme der
Argumente der New Imperial History – sagen: Das entstehende erweiterte Bewusstsein der
gemeinsamen Insellage und Abgrenzung gegenüber der weiteren Welt beruhte auf dieser ma.
Vorprägung des »Englischen«.
Das Konzept des »Barbarischen«, das zuerst auf rückständige Regionen der brit. Inseln
angewandt worden war, wurde im Zuge der Expansion auf Gesellschaften der neuen Welten
übertragen ( Barbar). Es war o fen: Durch Wohlstand und Machtentfaltung konnte man aus der
»Barbarei« herauswachsen. Es ist noch zu bestimmen, wann sich im Umgang mit fremden
Kulturen eine europ. oder brit. Arroganz gegenüber dem Anderen etablierte, ohne dessen
Entwicklungschance ernst zu nehmen (Ausgrenzung; Alterität).
Helmut Bley
05. Von der europäischen Handelsbasis zur Atlantischen Welt: Anfänge des
»Ersten Empire«
Die Entstehung einer engl. Identität als einer Vorprägung für die britische lag zeitlich vor dem
Ausgreifen in den außereurop. Raum und war zunächst durch die Beziehungen zu Europa
bestimmt. Die Atlantische Welt stand zunächst sehr am Rande; das Ausgreifen
Großbritanniens war mit der span. und portug. Expansion nicht vergleichbar, auch wenn es
Handelsabkommen mit Portugal und Spanien gab. Auch die Organisationsform der
Handelsgesellschaft (chartered company) wurde für Europa entwickelt. So war die Gesellschaft
für Russland älter (Muscovy Company, gegr. 1555) und blieb z. B. für die Versorgung mit
Materialien für den Schi au lange wichtiger als die Produkte aus den nordamerikan. Wäldern.
An zweiter Stelle stand der Handel mit der Mittelmeerwelt, wobei die verfeinerten, aber
preiswerten brit. Kammgarnprodukte insbes. im 17. Jh. erfolgreich mit dem mediterranen
Textilgewerbe mithalten konnte. Bei Waren des Südens (wie Wein oder Rosinen), aber auch
Gewürzen Asiens fungierte Großbritannien als Reexporteur für Nord- und Mitteleuropa, bevor
/
dann im 17. Jh. die eigentlichen Kolonialwaren die Produktpalette erheblich erweiterten. Auch
die koloniale Durchdringung Irlands zwischen 1550 und 1700 trug zu dieser ersten Phase der
kommerziellen Expansion bei, da durchgesetzt wurde, dass von dort Roh-Wolle statt
Wollwaren nach England geliefert werden mussten.
Die Anfänge der brit. Besiedlung der späteren Neuengland-Kolonien seit 1606 waren geradezu
kläglich; die ersten Ansiedlungen scheiterten, und es gab lange Stagnationsphasen. Lange Zeit
blieben die Aktivitäten der brit. Hudson Bay Company im Bereich des heutigen Kanada
wichtiger als die ersten brit. Siedlungen an den Küsten Nordamerikas, weil die Schätze der
nordamerikan. Wälder und die Fischgründe Neufundlands genutzt wurden. Zentrum und
eigentliche Einnahmequelle des ersten B. E. waren die Westindischen Inseln. Das
Handelsvolumen von St. Dominique war aufgrund der Produktion von Zucker nach der
Eroberung von 1761 höher als das Handelsvolumen sämtlicher Neuengland-Kolonien am
Vorabend des nordamerikan. Unabhängigkeitskrieges. Um die Kontrolle Westindiens musste
immer wieder gekämpft werden. In gewissem Sinn gehörten auch die Plantagen der künftigen
Südstaaten der USA in dieses System der Kolonialwarenproduktion.
Der Durchbruch im Atlantischen System (Atlantische Welt) erfolgte, als Großbritannien durch
den Asiento-Vertrag mit Spanisch-Amerika 1713 das Monopol im transatlantischen
Sklavenhandel gewann. Die Konstruktion der chartered company (einer privilegierten
Handelsgesellschaft mit eigenen Hoheitsrechten), die Handel, militärische Kontrolle und
politische Verwaltung in ihrem jeweiligen Ein ussbereich verband, führte zu großer
Autonomie der lokalen Agenten und der mit ihnen Handel treibenden oder kooperierenden
lokalen Eliten. Auch Siedlungen folgten diesem Kooperationsmuster, solange die
Machtverhältnisse dies erforderten. Siedler agierten ebenfalls recht autonom und mit starkem
Selbstbewusstsein gegenüber der fernen Londoner Zentrale. Diese Tendenz war bes.
ausgeprägt, wenn eine Siedlung von religiösen Dissenters betrieben wurde und der Wunsch
nach Autonomie Grund für die Emigration gewesen war.
London konnte nur in den seltensten Fällen lokale Krisen abwenden, rechtzeitig
Flottenabteilungen entsenden oder sonstigen e fektiven Schutz gewähren. Es war auch meist
nicht in der Lage, den merkantilistischen Prinzipien folgenden Anspruch auf Monopole im
Handel und Warenverkehr gegenüber Durchbrechungen und Umgehungen durchzusetzen. Als
dies in der Folge der Finanzkrise nach dem Siebenjährigen Krieg z. B. bei Tee und Tabak von
der Londoner Regierung ernsthaft versucht wurde, brach die Nordamerikanische Revolution
aus.
Helmut Bley
Bei allen großen europ. »Weltkriegen« des 17. und 18. Jh.s ging es um die brit. Position in der
Neuen Welt, auf den Westindischen Inseln und in Indien, aber auch im Europahandel. Die
Vorrangstellung war stets umstritten und bedroht. Seekriege mit der Handelsmacht und
/
überlegenen Frachtschi fahrt der Niederlande im 17. Jh. führten zu Niederlagen, Siegen und
Kompromissen. Auch nach dem Sieg über die span. Armada (1588) war die brit. Hegemonie auf
den Weltmeeren instabil.
Aber diese Kon ikte und die damit verbundene notwendige Präsenz britischer
Flotteneinheiten z. B. in der Karibik oder vor der amerikan. Küste, die brit. Dominanz beim
Sklaventransport und das in einer Grauzone zwischen Abenteurertum und politischer
Mandatierung weit verbreitete Freibeutertum (Freibeuter) prägten in Großbritannien die
Vorstellung, dass seine entstehende Weltposition von seiner maritimen Präsenz abhing.
Außerdem gelang es zunehmend, Waren aus der Levante (Levantehandel) und aus dem
Atlantikraum für den Reexport auf London zu konzentrieren und damit Englands Ökonomie
zusätzlich zu den Leistungen der heimischen Landwirtschaft und des Textilgewerbes
entscheidend zu stärken.
Trotz dieser globalen Orientierung des B. E. argumentieren Historiker der brit.
Flottengeschichte, dass die brit. Weltpräsenz v. a. durch die Konzentration der Flotte im
Ärmelkanal abgesichert wurde. Sie minderte nicht nur die Invasionsgefahr und hielt
Frankreich von Irland fern, sondern bedrohte, vom westl. Eingang des Kanals aus operierend,
die gegen die vorherrschenden Winde segelnden franz. und niederl. Flotten. Auch der brit.
Europahandel genoss den Schutz der brit. Flotte vor europ. Rivalen durch bewa fnete Konvoi-
Bildung. Lediglich einmal brach man dieses Prinzip der Konzentration auf den Ärmelkanal, um
1778–1781 vor den Küsten Nordamerikas die franz. Unterstützung für die rebellierenden
Neuengland-Kolonien anzugreifen – und gerade dabei kam es zu den strategischen
Niederlagen, die zur Kapitulation von Yorktown führten und den Verlust des nordamerikan.
Unabhängigkeitskrieges beschleunigten (Nordamerikanische Revolution).
Die Rivalität mit Frankreich im Welthandel des 18. Jh. sowie um die Kontrolle Nordamerikas
und Indiens wurde letztlich – trotz der Entscheidungen im Siebenjährigen Krieg, die
Frankreich in Nordamerika und Indien sowie in Westindien weitgehend ausschalteten – erst
durch den Sieg gegen Napoleon dauerhaft zugunsten Großbritanniens entschieden. Auch diese
Konzentration auf die europ. Mächtekonstellation trug dazu bei, dass sich die Autonomie der
Handelskompanien und der Siedlergesellschaften behauptete und Kompromisse mit den
einheimischen Eliten und politischen Strukturen etwa in Indien oder im Indischen Ozean
notwendig wurden. Das gilt für den Fortbestand etlicher indischer Fürstentümer, für die
Duldung der Herrschaft Sansibars über die Küste Ostafrikas und für die weitgehende
Autonomie der Siedler der Kapkolonie. Obwohl das B. E. Hauptträger des Sklavenhandels an
Afrikas Küsten war, ging der brit. Ein uss vor 1840 über eine prekäre Kontrolle der Küstenforts
nicht hinaus.
Allerdings wurde diese Weltrivalität auch dadurch entschieden, dass Großbritannien, gestützt
auf die Reformen der brit. Landwirtschaft, auf die Nutzung ländlicher Arbeitskräfte in der
Textilproduktion und auf neue Finanzau ommen (Besteuerung des Handels), eine
Finanzkraft organisieren konnte, der die durch den Erhalt großer Territorialarmeen und
/
Landkriege belasteten europ. Großmächte wenig entgegensetzen konnten. So entsprachen die
brit. Subsidien an Preußen im Siebenjährigen Krieg etwa dem Gesamtau ommen der preuß.
Steuern.
Helmut Bley
Für die Entstehung eines Second Empire gilt Ähnliches wie für das erste: Es war eine
nachträgliche Konstruktion der »Imperialisten« des späten 19. Jh.s. Ihr stand ein o fenes
System gegenüber, in das sich auch das kulturell-rassistisch geprägte Konzept eines
Angelsachsentums einfügen ließ, das die USA einschloss. Die wachsende Bedeutung der
Handelsbeziehungen mit den USA nach der brit. Niederlage von 1783 und die zentrale Rolle der
amerikan. Baumwoll-Produktion für die brit. Textilindustrie zu Beginn des 19. Jh.s stärkte die
Atlantische Welt.
Die Folgen für die Herrschaftssysteme dieser Regionen waren erheblich. Das omanische
Sultanat auf Sansibar, das dort und an der ostafrikan. Küste eine von Oman verselbständigte
Handels- und Seeherrschaft errichtete, erfuhr eine von Großbritannien geduldete Autonomie.
Die O fensive Muhammad Alis (Khedive von Ägypten), der von einem reformierten Ägypten
aus das Osmanische Reich durch einen militärischen Vorstoß zu erneuern versuchte, wurde
1839 gewaltsam durch die europ. Seemächte gestoppt. Sie zwangen das Osmanische Reich zu
den Tanzimat-Reformen im Sinne einer Europäisierung von Recht, Militär und Gesellschaft.
Das China-Geschäft Britisch-Indiens führte 1840 zum Opiumkrieg gegen China und zur
Ö fnung Chinas für den europ. Handel. Die damit ausgelösten Verwerfungen und Reformen der
chines. Gesellschaft (Chinesische Welt) werden durchaus zur langen Vorgeschichte der Chines.
Revolution von 1912–1949 gezählt. Als die brit. Territorialherrschaft in Indien durch den großen
Sepoy-Aufstand 1857 in eine Krise geriet, wurde als Reaktion darauf die moderne
Kolonialverwaltung etabliert, die Vorbild für den brit. Kolonialismus des 19. und 20. Jh.s werden
sollte, symbolisiert durch die Krönung Queen Victorias zur Kaiserin von Indien (1876).
Bevor dieses neue – v. a. durch die ind. Kolonialherrschaft und durch die Kolonisierung Afrikas
seit 1806 (Kapstadt) und 1861 (Lagos in Nigeria) auch territorial geprägte – E. des New
Imperialism an der Wende vom 19. zum 20. Jh. entstand, prägten eine viel weniger territorial
ausgerichtete Strategie und wohl auch Ideologie die Zeit nach dem Verlust der USA, insbes.
nach dem brit. Triumph über Napoleon. Die Periode von 1815 bis 1875 wird häu g als Ära des
Freihandelsimperialismus bezeichnet (Freihandel). In ihr überwogen Formen der informellen
Ein ussnahme: Handelsdurchdringung, Erzwingung von Handelsverträgen, gewaltsame
Ö fnung von Häfen. Unabhängigkeitsbewegungen und Sezessionen wurden politisch gefördert.
/
Neben den Eingri fen in China, im Osman. Reich und im Indischen Ozean ist die brit.
Unterstützung der lateinamerikan. Oberschichten bei der Ablösung von Spanien das
prominenteste Beispiel (Lateinamerikanische Unabhängigkeitsrevolution).
Neben dieser Strategie, sich auf informelle politische und handelspolitische Ein ussnahme zu
beschränken, welche die überlegene Produktion der engl. Industrie, die Vorherrschaft über die
Weltmeere und die Kontrolle des Welt nanzsystems nutzen konnte, bestand aber stets die
Bereitschaft, auch territoriale Ausweitung zu betreiben, wenn es die lokalen Umstände nahe
legten. Flottendemonstrationen und Bombardements taten ihr Übriges. Ohnehin entstanden
mit der Konsolidierung der Siedlergesellschaften in Kanada (seit 1812), in Australien (seit
Beginn des 19. Jh.s) und Südafrika (seit 1806) neben der Kolonialherrschaft in Indien große
territorial geprägte Regionen. Die Vielzahl kleiner Territorien zur Versorgung der Flotte im
weltweiten Einsatz wurde stetig erweitert (s. auch Abb. 1 oben).
Diese territoriale Dimension, die trotz der o ziellen Freihandelsdoktrin das gesamte 19. Jh.
prägte, führte letztlich zum Konzept, dass ein Second Empire entstanden sei und dieses gegen
die konkurrierenden Mächte – auch die USA, zeitweilig gegen das expandierende Russische
Reich und Frankreich, ab 1896 aber v. a. gegen das neue Dt. Reich – gesichert und verteidigt
werden müsse.
Helmut Bley
Die Vertreibungs- und Vernichtungsaktionen gegen Indianer und Aborigines erfolgten nahezu
im Schatten der liberal und humanitär überhöhten Antisklavereibewegung
(Antisklavereiverein) – zunächst in England, dann in weiten Teilen Europas und auch in den
USA. Die humanitären Aktionen gegen Sklavenhandel und Sklaverei hatten keinerlei
Auswirkungen auf die Lage der Indianer in den USA und führten auch nicht zum Schutz der
Aborigines Australiens, rechtfertigten aber am Ende des 19. Jh.s die europ., darunter insbes. die
brit. Interventionen in Afrika, die auch mit dem Vorwand begründet wurden, dem
Sklavenhandel ein Ende zu setzen.
/
Der Kampf gegen die Sklaverei war eng mit der brit. liberalen Bewegung ver ochten und von
christl. Gruppen wie Methodisten und Quäkern getragen. Die Kampagne begann um 1770 und
erreichte in der Gesetzgebung Großbritanniens ab 1807 (Handelsverbot, 1833 Sklavereiverbot
im E.) ihren Höhepunkt. Sie änderte nichts daran, dass in den gut 100 Jahren der Bewegung
dennoch 80 % aller seit 1550 im Atlantischen System verschobenen Sklaven gehandelt wurden,
zumal der Hauptabnehmer im 19. Jh. – Brasilien – erst 1888 das Sklavereiverbot erließ. Aber in
England selbst wurden immer mehr Sklaven befreit. Es galt, nach der Niederlage Englands
gegen die USA loyale ehemalige Sklaven zu versorgen. Durch gegen den westafrikan. Handel
gerichtete Aktivitäten der brit. Flotte entstand der Druck, für sie Ansiedlungen innerhalb des B.
E. zu scha fen, so in Sierra Leone. Aufgrund der Auseinandersetzungen in den jungen USA über
die Zukunft der Sklaverei, die 1861–1865 im amerikan. Sezessionskrieg kulminierten, stieg die
Zahl der ge ohenen oder freigekauften Sklaven weiter; es kam zur Gründung von Liberia durch
Abolitionisten und Sklaveneigner, die ihre befreiten Sklaven loswerden wollten.
Diese Prozesse bestimmen die Anfänge einer von einem Diaspora-Gedanken mitgeprägten
afroamerikan. Bewegung in den USA und in London, die aber marginalisiert blieb. Ihr Symbol,
das die damalige Zeit erschütterte, war die Haitianische Revolution von 1792, ein unmittelbares
Ergebnis der radikalen Phase der Französischen Revolution, das zum ersten Staat befreiter
Sklaven führte.
Als Ersatz für den Sklavenhandel entstanden Systeme zur Rekrutierung indischer und
chinesischer Arbeitskräfte oder für Lateinamerika auch südeurop. Saisonarbeiter. Afrikanische
Zwangsarbeits-Systeme entstanden zunächst in Südafrika, mit Au ommen des Kolonialismus
auch im übrigen Kontinent. Am Beginn des 19. Jh.s waren dies die Anfänge eines globalisierten
Arbeitsmarkts. Der erste Höhepunkt seiner Entwicklung trat dann allerdings erst Ende des 19.
Jh.s ein, als die geringen Frachtraten der Dampfschi fe diese Migrationen förderten und zur
europ. Massenauswanderung in die beiden Amerikas beitrugen (Emigration).
Helmut Bley
09. Zusammenfassung
Das B. E. war nicht das Ergebnis einer bewussten Strategie, sondern entstand aus einer Vielzahl
von Ein ussformen unter Einbeziehung auch lokaler Eliten. Tragendes Element war die
Erfahrung, dass der in Europa und dann in Übersee organisierte weltweite Handel eine
wichtige Quelle brit. Wohlstandes sein konnte, so wichtig auch die inner-brit.
Produktivitätsentwicklung blieb. Immer mehr zeigte sich, dass das System der Absicherung
durch eine große Flotte im Kanal und der Befähigung zu weltweiter Präsenz bedurfte, so prekär
auch diese Flottenstärke vor dem 19. Jh. war. Kennzeichnend war die O fenheit des Systems;
das B. E. war kein Großreich im klassischen Sinn. Die brit. Hegemonie war bis 1815 stets
/
umkämpft. Die Handlungsfähigkeit der übrigen europ. Groß- und Handelsmächte – zunächst
der Niederlande, dann v. a. Frankreichs – im südamerikan. Bereich, in der Karibik, in Teilen
Asiens und auch Spaniens darf nicht unterschätzt werden. Die Entwicklungen des Ersten und
des Zweiten B. E. sehen nur vom Ergebnis her und im Rückblick betrachtet eindeutig oder
geradlinig aus.
Trotz aller Bedeutung der innergesellschaftlichen Entwicklung, des Wandels brit. Agrar- und
Gewerbeproduktion sowie der Integration von Irland, Schottland und Wales in das System
Großbritanniens hatte das mithilfe der Flotte weltweite System der Handelsbeziehungen und
abhängigen Gebiete zentrale Bedeutung. Auch das Englisch-Sein und die gentlemanly order
entwickelten sich ganz erheblich in Abgrenzung zum Anderen der außereurop. Welt – auch
wenn die ma. Anfänge dieser Identitätsbildung sich zunächst gegen Frankreich sowie auf den
»brit.« Inseln gegen Schottland, Irland und Wales entwickelt hatten, bis eine Integration
(teilweise jedenfalls) als hegemoniale Struktur gelang. Es ist o fenkundig, dass insbes. mit der
Ver echtung von Liberalismus, erfolgreicher Industrialisierung und der Hegemonie seit 1815
wichtige Elemente der brit. Weltsicht mit den Erfahrungen der außereurop. Präsenz anderer
großer europ. Mächte – v. a. Frankreichs – in eine gesamteurop. Perspektive zusammen ossen.
Hierzu gehören die Antisklavereibewegung, die Ideologie der angelsächsischen
Siedlungsgesellschaften, wesentliche Elemente des protest. Missionswesens und die Betonung
maritimer Präsenz.
Helmut Bley
Neuere Debatten zur brit. Außenpolitik des 18. Jh.s wie auch zum Freihandelsimperialismus
des 19. Jh.s rücken das Verhältnis zwischen blue water policy [15], also der atlantischen
Dimension der Interessen des B. E. (Atlantische Welt), und der kontinentalen Absicherung der
brit. Politik in den Vordergrund. Dabei spielte die Rücksicht auf die Personalunion Englands
mit Hannover im Verlauf der europ. Kriege des 18. Jh.s eine Rolle. Das Verhältnis zu Österreich,
Preußen und Russland sowie v. a. zu Frankreich musste im Kontext der sich wandelnden
Allianzen beachtet werden (vgl. Gleichgewicht der Kräfte; Staatensystem). Im 19. Jh. wurden
die Bestrebungen Russlands in Mittelasien und gegenüber dem Osman. Reich auch für
Großbritannien wichtig (Expansionen 3.), ebenso die wachsende Präsenz Frankreichs im Ind.
Ozean, auch nach der Niederlage Napoleons (Kolonialreich 4.).
Aber auch die Absicherung der engl. protest. Dynastie gegen kath. dynastische Ansprüche
blieb wichtig. In der Debatte um den brit. ›Interventionismus‹ auf dem Festland spielte die
Verteidigung der Ergebnisse der Glorious Revolution (1688/89) ein Rolle. Dies betraf etwa den
Willen des Parlaments, stehende Heere zu begrenzen, um eine erneute Restauration der kath.
Stuart-Herrschaft zu behindern. Königlich Hannover'sche Truppen in England zur Abwehr
einer möglichen franz. Invasion vor 1814 waren unbeliebt, repräsentierten sie doch den
Armeetypus des Absolutismus. Die dynastischen Interessen des Hauses Hannover an seiner
Position in Norddeutschland wurden im B. E. teils akzeptiert, häu g aber auch als
unerwünschte Sonderstellung mit Argwohn betrachtet und nach Möglichkeit den brit.
Belangen untergeordnet.
Helmut Bley
Mit Nachdruck wurde darauf hingewiesen [17], dass sich die histor. Kontroversen bei der
Betrachtung des problematischen Verhältnisses von Kontinentalpolitik und Weltpolitik auch
deshalb schwer au ösen lassen, weil die Quellenlage aus zwei Gründen sehr begrenzt ist: Zum
einen waren die Weisungen an die Botschafter überwiegend taktisch gefasst und lassen daher
auf die Ansichten des Foreign O ce kaum Rückschlüsse zu. Zum anderen beruhten die meisten
Interpretationen auf wenigen Memoranden, die oft von Opponenten der Regierungslinie
stammten, während von den entscheidenden Besprechungen in der Regel keine Protokolle
angefertigt wurden und Mündlichkeit noch eine zentrale Rolle spielte. So liegt es nahe, dass
auch die Geschichte des B. E. in der Historiographie häu g von ihrem Ende her sowie unter
Vernachlässigung der innenpolit. Verhältnisse konzipiert wurde. Auch eine Politik der balance
of power (Gleichgewicht der Kräfte) verlangte enorme Anstrengungen, um in Europa nicht
isoliert zu werden, und musste im wandelnden System der Allianzen unter Abwägung des
militärischen und nanziellen Aufwandes betrieben werden (Staatensystem).
Die eindeutige Überlegenheit der Flotte auf den Weltmeeren (s. o. Abb. 1) bahnte sich zwar
lange an, wurde aber erst nach den Niederlagen Napoleons (1813 und 1815) endgültig gesichert.
Dennoch wird aber auch betont [19], dass die Charakterisierung Großbritanniens als
»Handelsstaat« (Ernst Schulin) seit dem 17. Jh., insbes. aber auf das 18. und 19. Jh. zutraf und
strukturell die Politik prägte; damit waren die Atlantische Welt und später auch die des
Indischen Ozeans und die strategische Absicherung der Kommunikationswege bestimmende
Faktoren für die Absicherung des B. E.
Bibliography
Quellen
Sekundärliteratur
[2] K. R. A , Trade, Plunder and Settlement. Maritime Enterprise and the Genesis of the
British Empire 1480–1630, 1984
[3] C. A. B , Imperial Meridian. The British Empire and the World 1780–1830, 51997
[4] P. J. C / A. G. H , British Imperialism, Bd. 1: Innovation and Expansion 1688–1914;
Bd. 2: Crisis and Deconstruction 1914–1990, 1993
[6] J. S. G , The Turbulent Frontier as a Factor in British Expansion, in: Comparative
Studies in Society and History 2, 1960, 150–168
[7] J. G / R. E. R , The Imperialism of Free Trade, in: Economic History Review
6, 1953, 1–15
[8] G. H , The Making of a Great Power. Late Stuart and Early Georgian Britain 1660–1722,
1993
[10] W.R L (Hrsg.), The Oxford History of the British Empire (3 Bde.), 1998–1999
[14] K. W (Hrsg.), A New Imperial History. Culture, Identity and Modernity in Britain and
the Empire 1660–1840, 2004.
[15] D. B , Great Britain's ›Blue Water‹ Policy 1689–1815, in: International History Review
10/1, 1988, 33–58
/
[16] J. B , America or Europe? British Foreign Policy, 1739–63, 1998
[22] K. J. S , Die Schlacht bei Minden – lokales Ereignis mit globaler Bedeutung?, in:
Zsch. für Weltgeschichte 14/2, 2013, 31–52.
Bley, Helmut, “British Empire”, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online, Im Auftrag des Kulturwissenschaftlichen Instituts (Essen) und in Verbindung mit
den Fachherausgebern herausgegeben von Friedrich Jaeger. Copyright © J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag
GmbH 2005–2012. Consulted online on 14 May 2020 <http://dx-doi-org.uaccess.univie.ac.at/10.1163/2352-0248_edn_COM_249128>
First published online: 2019