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Deutsche Literaturgeschichte

Weil die deutsche Literaturgeschichte und die niederländische mehr oder


weniger parallel verlaufen, wollen wir uns nur mit jenen Perioden befassen, die
entweder besonders wichtig für die deutsche Literatur gewesen sind oder die nur
in der deutschen Literaturgeschichte vorkommen. Dabei steht die Frage zentral,
was der Zusammenhang zwischen der Literatur und der Zeit ist, in der die
Literatur entstanden ist.

Die Althochdeutsche Periode ( ± 750 – 1050 )


Schon immer haben die Menschen einander Geschichten erzählt, aber leider
konnten viele früher nicht schreiben. Das heißt jedoch nicht, dass es damals
keine Literatur gegeben hat, die Literatur wurde mündlich weitergegeben. Der
Dichter1 erzählte seine Geschichte aus dem Gedächtnis. Diese mündliche
Literatur war gereimt und erzählte über germanische Helden und ihre
Heldentaten. Es waren Geschichten, welche die Zuhörer schon längst kannten;
es ging vor allem darum, wie die Geschichte aufs Neue erzählt wurde. Weil die
Heldengeschichten aus der Zeit der Völkerwanderungen stammen, sind die
Erzählungen aus althochdeutscher Zeit weitverbreitet im Norden Europas. Die
bekanntesten Werke dieser Heldendichtung2 sind das Hildebrandslied und das
Nibelungenlied. Diese mündliche Literatur wäre verlorengegangen, wenn sie
nicht doch zu einer bestimmten Zeit aufgeschrieben worden wäre. Es war
nämlich auch die Zeit der Christianisierung und die Geistlichen konnten wohl
schreiben. So wurden zum Beispiel das Hildebrandslied und das Nibelungenlied
sicherlich von einem Mönch aufgeschrieben und damit für spätere Zeiten
bewahrt.

Das Hildebrandslied
Im Hildebrandslied wird erzählt, wie der Held Hildebrand nach seiner Heimat
zurückkehrt, nachdem er viele Jahre als Soldat durch Europa herumgeirrt hat.
An der Grenze wird er mit seinem Heer von Hadubrand aufgehalten.
Hildebrand erkennt in Hadubrand seinen Sohn und sagt darum, dass er nicht
mit ihm kämpfen will. Hadubrand glaubt nicht, dass Hildebrand sein Vater ist
und antwortet, dass dieser alte Held wohl nicht den Mut hat mit ihm zu kämpfen.
Damit beleidigt er Hildebrand und muss Hildebrand wohl um seine Ehre
kämpfen.
Das Ende des Liedes ist verlorengegangen, aber aus der altnordischen Literatur
wissen wir, dass Hildebrand seinen Sohn Hadubrand im Kampf tötet. Die
eigentliche Geschichte spielt im 5.Jahrhundert und wurde etwa im Jahre 800
niedergeschrieben. Der Autor des Hildebrandsliedes ist anonym geblieben.

1
Der Dichter = de schrijver, de dichter
2
Die Dichtung = de literatuur
2

Das Nibelungenlied
Das Nibelungenlied ist viel länger als das Hildebrandslied, es besteht aus zwei
Teilen.
Im ersten Teil wird erzählt über der jungen Helden Siegfried, der auf Reise geht,
weil er sich eine Frau sucht. Er kommt in Worms, wo König Gunther herrscht.
Gunther hat eine schöne Schwester, Kriemhild, in die Siegfried verliebt wird.
Gunther ist damit einverstanden, dass Siegfried Kriemhild heiratet, aber zuerst
soll Siegfried ihm helfen. Gunther hat sich nämlich verliebt in eine gewisse
Brunhild, eine Frau die schrecklich stark ist. Sie will nur den Mann heiraten,
der sie in einem Wettkampf besiegen kann und Gunther weiß, dass er nicht stark
genug ist.

Siegfried ist aber wohl sehr stark, er ist berühmt, weil er einen Drachen getötet
hat und durch ein Bad im Drachenblut fast unverletzbar ist. Außerdem hat er
einen Zwergen besiegt. Dieser Zwerg war sehr reich und Siegfried hat all seine
Juwelen und all sein Gold mitgenommen. Auch hat er ihm seine ‚Tarnkappe’
gestohlen, eine Art von Mantel, mit dem er unsichtbar wird. Siegfried soll
Gunther also helfen, die Brunhild zu gewinnen. Das macht er und so wird eine
doppelte Hochzeit gefeiert.
Die beiden Frauen bekommen aber einen Streit über die Frage, wer nun der
größte Held ist, Siegfried oder Gunther. Bei diesem Streit beleidigt Kriemhild
Brunhild und Brunhild bittet darauf den Minister Hagen, sie zu rächen. Hagen
macht sich schon länger Sorgen um die Macht Siegfrieds und ist darum nur allzu
gerne bereit, Siegfried zu töten. Bei einer Jagdpartie wird Siegfried ermordet.
Kriemhild glaubt nicht, dass es ein Unfall war und schwört, seinen Tod zu
rächen.
Im zweiten Teil des Nibelungenliedes wird dann über die Rache Kriemhilds
erzählt.
Auch der Autor des Nibelungenliedes ist uns unbekannt geblieben.

Die Mittelhochdeutsche Periode ( ± 1050 – 1500 )


Genauso wie in der niederländischen Literaturgeschichte unterscheiden wir
ritterliche Dichtung, auch wohl ‚höfische Dichtung’ genannt mit Ritterepen und
einer höfischen Lyrik. Im späten Mittelalter wird das Bürgertum immer
wichtiger, auch der Handel blüht auf und so entsteht dann eine bürgerliche
Literatur. In der Zeit der bürgerlichen Dichtung entsteht das Drama3.

Die Neuhochdeutsche Periode

3
Das Drama = het toneelstuk. Dat kan een komedie, maar ook een tragedie zijn
3

Die Renaissance, der Humanismus und die Reformation ( ± 1500 – 1600 )


Wie überall in Europa wurde man sich immer mehr des Individuums bewusst,
man bewunderte die Schönheit und die Kunst der antiken Welt, diese neue
Lebenshaltung nennen wir die Renaissance. Anders als im Mittelalter, wo man
die Religion, die Kirche, Gott zentral stellte, stand jetzt der Mensch im
Mittelpunkt.
Dies war auch in der Wissenschaft der Fall, auch hier ging man immer mehr von
dem Menschen als Individuum aus. Diese andere Haltung in der Wissenschaft
nennen wir den
Humanismus. Die Humanisten versuchen auf wissenschaftlicher Grundlage
selber Antworten auf Fragen zu finden. Sie übersetzen die Werke von
griechischen und lateinischen Gelehrten, so dass auch andere Leute diese Werke
lesen können. In dieser Zeit wurden viele Schulen und Universitäten gegründet.
Das neue Denken dieser Zeit hatte auch einen starken Einfluss auf die Religion,
da sprechen wir von der Reformation. Der Mönch Martin Luther meinte, dass der
Mensch selber verantwortlich für sein Seelenheil sei. Darum fand er es wichtig,
dass auch die einfachen Leute die Bibel lesen konnten. Luther übersetzte darum
die Bibel ins Deutsche. Für die Entwicklung der deutschen Sprache ist diese
Bibelübersetzung von großer Bedeutung, denn bis zu dieser
Zeit gab es keine einheitliche deutsche Sprache, es gab sehr viele verschiedene
deutsche
Mundarten4. Luther wollte aber, dass jeder die Bibel lesen konnte und darum
wollte er ein für
jeden verständliches Deutsch schreiben.

Das Barock ( ± 1600 – 1700 )


Die Reformation hatte in den deutschen Staaten große Folgen, im Jahre 1618
brach ein Bürgerkrieg aus, der Dreißigjährige Krieg. Dieser Krieg war besonders
grausam und hatte großen Einfluss auf die deutsche Literatur. Einerseits richtete
man sich wieder auf den Glauben, man war sich seiner Vergänglichkeit bewusst,
man konnte ja jeden Tag das Leben verlieren. Es entsteht eine tiefreligiöse
Literatur, bei der das Thema ‚memento mori’ 5 war. Andererseits wollte man das
Leben genießen, weil es ja morgen schon enden könnte, und so entsteht eine
prunkvolle Lebensweise, wobei man vom ‚carpe diem’6 ausging.

Die Aufklärung ( ± 1700 – 1780 )


In ganz Europa entsteht im 18.Jh eine Bewegung, welche die Vernunft betont,
deshalb spricht man auch wohl vom Rationalismus. Die Vernunft ist maßgeblich
4
Die Mundart = het dialekt
5
memento mori = (lett.) gedenk te sterven: denk eraan dat je ieder moment kunt sterven, dus zorg dat je goed
leeft, zodat je in de hemel kunt komen.
6
carpe diem = (lett.) pluk de dag: zorg dat je van elke dag volop geniet, morgen komt misschien wel niet
meer.
4

für alle Lebensgebiete. In Deutschland lebt in dieser Zeit der Philosoph


Immanuel Kant, der es so sagte: „Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes
zu bedienen“. Man meint, dass der Mensch frei sein soll, ohne jeden Zwang von
Autorität oder Tradition. Jeder Mensch ist gleich. Ein bekannter deutscher
Schriftsteller aus dieser Zeit ist Gotthold Ephraim Lessing, der viele Dramen
verfasste. In seinem Gedicht ‚Der Tanzbär’ verwortet er die Ideen der
Aufklärung.

Der Tanzbär

Ein Tanzbär war der Kett’entrissen, ontsnapt


aan de ketting
Kam wieder in den Wald zurück
Und tanzte seiner Schar ein Meisterstück
Auf den gewohnten Hinterfüßen.
‚Seht’ schrie er, ‚das ist Kunst; das lernt man in der Welt
Tut mir es nach, wenn’s euch gefällt
Und wenn ihr könnt!’ - ‚Geh’ , brummte ein alter Bär,
‚Dergleichen Kunst, sei sie so schwer, al is
ze ook moeilijk
Sie sei so rar sie sei, al is ze nog
zo uniek
Zeigt deinen niedern Geist und deine Sklaverei.’

Der Sturm und Drang ( ± 1770 – 1786 )


Unter Einfluss von dem französischen Philosophen Jean Jacques Rousseau
entsteht eine Reaktion auf die einseitige Betonung von der Vernunft. Diese
Reaktion nennen wir den Sturm und Drang. Im Sturm und Drang wird gerade der
Akzent auf das Gefühl verlegt, man soll sich bei allem von seinem echten Gefühl
leiten lassen. Man bewunderte den ‚großen Kerl’, der sich durch nichts hemmen 7
lässt. Tiefen Eindruck machte der Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe mit
seinem Roman ‚Die Leiden des jungen Werthers’ , in dem die Hauptperson in
Briefen seinem Freund Wilhelm über seine unglückliche Liebe zu einer jungen
Frau erzählt. Werther lässt sich nicht von seiner Liebe abhalten, sogar wenn die
Frau schon verheiratet ist, will er seine Liebe zu ihr nicht aufgeben. Er folgt in
allem seinem Gefühl und lässt sich durch nichts davon abbringen. Letzten Endes
verübt er Selbstmord, weil seine Liebe nicht beantwortet wird.
Ein zweiter wichtiger Autor des Sturm und Drang ist Friedrich von Schiller.

Die Klassik ( 1786 – 1805 )

7
hemmen = remmen, tegenhouden
5

Im Jahre 1786 macht Goethe eine Reise nach Italien, wo er die antike Kunst
kennenlernt. Seine Auffassung von Literatur verändert sich dann und dies
bedeutet den Anfang der deutschen Klassik. In dieser Blütezeit der deutschen
Literatur ist der reine, harmonische Mensch das Ideal. Gefühl und Vernunft
sollen im Gleichgewicht8 sein, der Mensch soll sich also nicht nur von seiner
Vernunft leiten lassen und auch nicht nur von seinem Gefühl. In diesem Sinne
verbindet die Klassik also die Ideale von Aufklärung und Sturm und Drang zu
einem Ideal vom harmonischen Menschen.
Goethe und Schiller haben viele Werke verfasst, die zur Klassik gerechnet
werden. Die Klassik endet mit dem Tod Schillers.

Die Romantik ( ± 1795 – 1830 )


Im Mittelalter lebte ein Fürst namens Barbarossa, der Herrscher war über ein
großes Reich, das man das Erste Deutsche Reich nannte. Dieses sogenannte Erste
Deutsche Reich wurde in einem Krieg von Napoleon im Jahre 1806 besiegt.
Viele Menschen wollten das Elend des Krieges entfliehen und so floh man in die
Phantasie. Diese Flucht aus der Realität ist kennzeichnend für diese Periode, man
sehnt sich nach dem Unbekannten, nach fernen Ländern, nach dem sonnigen
Süden und nach alten Zeiten wie dem Mittelalter. Die Romantiker suchen oft eine
nicht bestehende Welt, weil sie mit der eigenen Welt, in der es viele soziale und
politische Probleme gibt, nicht zufrieden sind. Dieses heftige Verlangen nach
etwas, was man doch nicht erreichen kann, wird symbolisiert von der blauen
Blume, die man nirgendwo finden kann. Manchmal sind die Romantiker sich
peinlichst bewusst, dass ihre Sehnsucht unerfüllt bleibt, ihre Werke sind
pessimistisch und dann sprechen wir von Schwarzromantik.
In dieser Zeit lebten die Brüder Jakob und Wilhelm Grimm, die durch ihre
‚Kinder- und Hausmärchen9 ‚bekannt wurden, eine Sammlung von Märchen, die
in mehr als hundert Sprachen übersetzt wurde. Das bekannteste Märchen ist
Rotkäppchen.

Das Junge Deutschland ( ± 1830 – 1850 )


Im Jahre 1813 wurde Napoleon aus Deutschland vertrieben und in den deutschen
Staaten hoffte man, dass es nun eine Verfassung10 geben würde, in der die
politische und religiöse Freiheit von allen Menschen festgelegt werden sollte.
Das geschah aber nicht. Einige junge Dichter meinten, dass die Literatur sich
dann (im Gegensatz zu der Zeit der Romantik) mit der Realität des Alltags
befassen sollte. Diese Dichter wollten, dass die einfachen Bürger die Macht
ergriffen. Die Regierung verbot daraufhin die Veröffentlichung der Werke von

8
das Gleichgewicht = evenwicht
9
das Märchen = het sprookje
10
die Verfassung = de grondwet
6

dieser kleinen Gruppe von Autoren. Diese Gruppe, - die eigentlich gar keine
Gruppe war - , nannte man Das Junge Deutschland.

Das Biedermeier11 (± 1830 – 1850 )


Zu gleicher Zeit wie das Junge Deutschland gab es auch viele Autoren, die
meinten, dass die Literatur sich überhaupt nicht mit Politik oder sozialen Fragen
befassen sollte. Diese Autoren verlangten nach einem geordneten, ruhigen
Dasein. In ihren Werken geht es um einfache, zufriedene Menschen, um
häusliches Glück.

Der Poetische Realismus ( ± 1850 – 1885 )


In der Zeit nach 1850 ändert sich auf verschiedenen Gebieten viel.
Erstens kam als Folge des Deutsch-Französischen Krieges im Jahre 1871 die
deutsche Einheit zustande, die endlich auch eine Verfassung brachte.
Deutschland wurde ein Kaiserreich unter dem preußischen König, es ist das
sogenannte Zweite Deutsche Reich.
Diese Zeit ist auch die Zeit der industriellen Revolution: im Ruhrgebiet entstand
eine Schwerindustrie mit großen Stahl- und Eisenwerken12. Es wurden
Eisenbahnen gebaut, der Verkehr nahm enorm zu.
Auf wissenschaftlichem Gebiet änderte sich auch viel: in der Chemie, Biologie
und Physik kam man immer mehr voran. Das Denken richtete sich ganz auf die
Wirklichkeit, nur auf das Wahrnehmbare. Alles, was man nicht wahrnehmen,
beweisen konnte, fand man nutzlos und unmöglich.

Auch in der Literatur befasst man sich mit der Wirklichkeit. Dabei stellt man die
Wirklichkeit aber schöner vor als sie ist, man poetisiert die Wirklichkeit. Die
Schriftsteller des Poetischen Realismus wollen sich nicht mit politischen oder
sozialen Fragen befassen, sie wollen die Wirklichkeit nicht beurteilen, das
überlassen sie dem Leser, die Schriftsteller selber bleiben also objektiv. Die
Schriftsteller des Poetischen Realismus gebrauchen eine schöne, klare Sprache.

Der Naturalismus( ± 1880 – 1895 )


Obwohl die Industrialisierung im allgemeinen günstig war für die Wirtschaft,
brachte sie für viele Handwerker große Armut. Diese Leute waren gezwungen für
einen geringen Lohn in den neuen Fabriken zu arbeiten und sie lebten in
miserablen Verhältnissen. Diese total verarmten Arbeiter nennt man das
Proletariat.
Die Schriftsteller des Naturalismus wollen die harten Lebensverhältnisse des
Proletariats beschreiben. Auch die Naturalisten befassen sich also mit der
11
der Biedermeier = de eenvoudige, brave man, het burgermannetje
12
das Werk = de fabriek
7

Wirklichkeit, aber ohne sie zu verschönern. Im Gegenteil: sie beschreiben das


Elend der Arbeiter sehr genau, sie klagen die sozialen Missstände an. Die
Schriftsteller bleiben bei ihrer Beschreibung aber objektiv, sie geben kein Urteil
ab. Die Sprache ist hart und grob, oft gebrauchen die Autoren Mundarten.
Weil die Naturalisten die Wirklichkeit möglichst genau wiedergeben wollen,
schreiben sie vor allem Dramen. Der bekannteste Autor dieser Zeit ist wohl
Gerhart Hauptmann.

In dieser Zeit lebte der Biologe Charles Darwin, der meinte, dass der Mensch und
die Welt nicht von irgendeinem Gott geschaffen seien, sondern dass die
Lebewesen sich durch die Jahrhunderte hindurch entwickelt hätten. In dem
Kampf ums Dasein hätten nur die stärksten Lebewesen überlebt. Dabei spielten
nach Darwin Milieu, Lebensumstände und Vererbung eine wichtige Rolle. Diese
sogenannte Evolutionslehre hatte großen Einfluss auf die Naturalisten. Sie
glaubten, dass der Mensch verbessert werden konnte, wenn seine
Lebensumstände verbessert würden.

Die Naturalisten zeigen in ihrer Literatur auf die sozialen Missstände hin und
hoffen, auf diese Weise die Gesellschaft verändern zu können. Solche Literatur
nennen wir ‚engagierte Literatur’.

Der Impressionismus ( ± 1890 – 1910)


Auch die Impressionisten beschreiben die Wirklichkeit, sie beschreiben sie ganz
von sich heraus, also sehr subjektiv. Sie beschreiben die Wirklichkeit flüchtig, so
wie sie diese durch persönliche Gefühls-, Gehörs- und Gesichtseindrücke
erfahren. Darum gebrauchen sie viele Adjektiven, neue Wörter und Lautmalerei.
Die Sprache ist schön und weil die Impressionisten ihre persönliche Eindrücke
wiedergeben wollen, schreiben sie viel Lyrik.

Der Symbolismus ( ± 1890 – 1914)


Zu gleicher Zeit gibt es Autoren, die nicht Anderes wollen als schöne Literatur
schreiben. Sie verlangen nur nach Schönheit und schreiben Literatur um der
Kunst willen: l’art pour l’art. Sie gebrauchen Wörter als Symbole: das Wort hat
nicht seine übliche Bedeutung, aber hat für die Symbolisten eine eigene, tiefere
Bedeutung: ein Wort wie ‚Abend’ kann dann so etwas wie ‚Lebensabend’
bedeuten. Die Literatur aus dieser Periode ist denn auch nicht leicht zu verstehen.
Die Symbolisten wollten aber auch nicht für die groβe Masse schreiben: sie
schreiben ihre Literatur für die eigene Elite, die die Symbole versteht. In dieser
Periode wurde viel Lyrik geschrieben.

Der Expressionismus (± 1910 – 1925)


Der Begriff ‚Expressionismus’ kommt aus der Malerei. Die Expressionisten
wollen das Wesen der Dinge zum Ausdruck bringen, so wie sie das in ihrem
8

Innern fühlen und sehen. Es geht ihnen nicht um die Wirklichkeit, darum
beschreiben sie das Nicht-Rationale, das Phantastische und Visionäre, sie sind
echte Träumer. Dabei träumen die Expressionisten von einer besseren Welt, in
der die Menschen brüderlich zusammenleben. Manche glauben sogar, dass diese
bessere Welt erst dann entstehen kann, wenn die ‚alte’ Welt durch einen Krieg
vernichtet worden ist, darum sind ‚Untergang, Verfall, Krieg’ Themen in dieser
Literatur.

Der Surrealismus
Zum Expressionismus gehört auch eine Strömung, die wir den Surrealismus
nennen. Im Surrealismus beschreiben die Autoren Alpträume13, Visionen und
Halluzinationen. Das Unwahrscheinliche, das Unmögliche wird dargestellt, als
ob es Wirklichkeit ist. Der bekannteste Autor dieser Strömung ist Franz Kafka.
Kafka war ein einsamer Mensch, der eigentlich nicht wollte, dass seine Werke
veröffentlicht werden sollten. Sein Freund hat nach Kafkas Tod seine Werke
dann doch ausgegeben.
In den Werken von Kafka ist der Mensch Opfer anonymer Mächte, der Mensch
kann sich nicht wehren und geht unter.

Die Neue Sachlichkeit ( 1918 – 1933)


Nach dem Elend des Ersten Weltkrieges wandten viele Autoren sich wieder der
Wirklichkeit zu. Sie beschreiben die Wirklichkeit nüchtern, hart oder sogar
zynisch. Man steht der eigenen Zeit kritisch gegenüber, nach den
Schützengräben14 gibt es wenig Grund zum Träumen mehr. Die Dichter dieser
Periode beschreiben die Wirklichkeit ganz objektiv ( = sachlich). Eigentlich hatte
die Literatur sich seit dem Impressionismus immer weniger mit der Wirklichkeit
befasst und in dem Sinne war es wieder ‚neu’, dass die Autoren wieder über die
Realität schreiben wollten. Die bekanntesten Autoren der Neuen Sachlichkeit
sind Erich Maria Remarque, Hans Fallada und Bertolt Brecht.
Die Zeit nach dem WK I war sehr schwer. Der Deutsche Kaiser, den die
Deutschen sehr verehrten, musste nach den Niederlanden fliehen. Viele Soldaten
kamen desillusioniert aus dem Krieg zurück und weil Deutschland den Krieg
verloren hatte, musste es hohe Reperationsbezahlungen machen. Dazu kam dann
die Wirtschaftskrise, die die ganze Welt traf. Deutschland verarmte, die Inflation
war enorm und die Leute wurden immer unzufriedener.

In dieser Periode war der Zeitroman besonders beliebt. In einem Zeitroman


werden das tagtägliche Leben und die Probleme einer bestimmten Zeit
beschrieben, so dass man ein richtiges Bild von der Zeit bekommt.

Bertolt Brecht
13
Alpträume = nachtmerries
14
Schützengraben = loopgraven
9

Der Autor Bertolt Brecht ist besonders wichtig für das deutsche Theater gewesen.
Er schrieb viele Dramen, aber wollte die Zuschauer nicht mit seinen Dramen
unterhalten. Er wollte die Leute belehren, er wollte den Menschen zeigen, wie es
in der Gesellschaft wirklich zugeht, damit die Gesellschaft sich verändern würde.
Darum sollten die Zuschauer über die Gesellschaft nachdenken. Deshalb
entwickelte Bertolt Brecht eine ganz neue Form des Theaters, die wir
‚Lehrtheater’ oder ‚Episches Theater’ nennen.

Um zu verhindern, dass die Leute bei dem Schauspiel wegträumten, unterbrach


Brecht immer wieder die Handlung durch Lieder, Sprüche oder Kommentare, so
genannte Verfremdungseffekte.

Auch saβen die Zuschauer nicht mehr in Reihen neben und hinter einander, man
saβ um die Bühne herum, so dass die Distanz zwischen Bühne und Zuschauern
nicht mehr so groβ war.
Dadurch konnte das Publikum sofort auf das Spiel reagieren oder umgekehrt
konnten die Schauspieler das Publikum sehr direkt anreden.

Eigenständige Autoren
In dieser Zeit schrieben ein paar Autoren in Deutschland eine ganz eigene Art der
Literatur, die dadurch nicht zu einer bestimmten literarischen Periode gerechnet
werden kann. Sie versuchen in ihren Werken ihre Personen so zu beschreiben,
dass der Leser verstehen kann, warum diese Personen dies oder das tun, warum
sie so handeln und denken und nicht anders. Diese Autoren geben also eine
psychologische Beschreibung von ihren literarischen Personen. Der eine Autor ist
Thomas Mann, der andere ist Stefan Zweig.

Die Zeit der Unfreiheit (1933 – 1945)


Wie gesagt ging es in Deutschland wirtschaftlich nach dem WK I miese:
Deutschland verarmte und die Menschen waren unzufrieden. Dank dieser
Unzufriedenheit konnte Hitler bei den Wahlen im Jahre 1933 die Macht
ergreifen. In dieser Zeit begann die Judenverfolgung und die Verfolgung von
Gegnern wie den Kommunisten und Sozialdemokraten. Am 10. Mai 1933 fand
die Bücherverbrennung statt.

Es gibt in dieser Zeit 4 literarische Strömungen:


1. Exilliteratur. Nach der Bücherverbrennung flohen viele Autoren ins
Ausland, wie etwa Bertolt Brecht und Thomas Mann. Sie fühlten sich
nicht länger sicher in Deutschland und fühlten sich gezwungen, das
Land zu verlassen. Wenn man unfreiwillig das eigene Land verlässt,
nennen wir das „ins Exil gehen’.
10

2. Die Literatur der Inneren Emigration. Viele Autoren konnten oder


wollten Deutschland nicht verlassen. Sie konnten jedoch nicht frei
schreiben, was sie wollten, es gab ja Zensur! Darum veröffentlichten
diese Autoren in dieser Zeit keine Werke oder schrieben völlig
kritiklose, apolitische Werke.
3. Antifaschistische Untergrundliteratur. Diese Autoren wollten nicht
schweigen. Sie schrieben nach wie vor kritisch über Nazideutschland
und über Hitler. Diese Werke durften sie natürlich nicht in Deutschland
ausgeben und darum lieβen sie ihre Werke im Ausland drucken.
Danach wurden die Bücher dann insgeheim nach Deutschland gebracht
und dort wurden die Werke dann heimlich verbreitet. Das Lesen solcher
Bücher war nicht ohne Gefahr!
4. Blut- und Bodenliteratur. Diese so genannte Bluboliteratur verherrlichte
Deutschland, die deutsche Heimat ( den deutschen Boden!), die arische
Rasse ( das deutsche Blut) und den Führer. Diese Literatur konnte frei
in Deutschland gedruckt, verbreitet und gelesen werden. Nach der
Kriegszeit ist diese Bluboliteratur selbstverständlich verboten.

Die Trümmerliteratur (ab 1945)


Nach dem Zweiten Welt krieg hatte die deutsche Literatur den wirklichen
Kontakt zum Leser verloren. Die Literatur, die im Ausland erschienen war, war
dem deutschen Leser meistens unbekannt geblieben und die Bluboliteratur, die in
Deutschland erschienen war, wollte keiner mehr lesen. Literarisch gesehen gab es
eigentlich nichts mehr, darum nennen wir diese Zeit der Unfreiheit auch wohl
den ‚Kahlschlag’. Die deutsche Literatur musste nach der Kapitulation am 8.Mai
1945 einen ganz neuen Anfang machen, sie sollte wieder von Null an anfangen.
Daher nennen wir diesen Zeitpunkt für die deutsche Literatur ‚die Stunde Null’
oder den ‚Nullpunkt’.

Selbstverständlich beschäftigten sich die deutschen Autoren nach dem WK II


zuerst mit der Frage, wie es so weit hatte kommen können, wer war schuld? Man
saβ auf den Trümmern15 des WK II schrieb viel über den Krieg und damit waren
die Themen dieser Literatur der Wahnsinn des Krieges, die verlorene Jugend, das
kaputte Familienleben, die zertrümmerten Städte, das Elend der Flüchtlingen, die
vor der russischen Armee aus dem Osten her in den Westen flohen, die Probleme
der Soldaten, die von der Front nach Hause kamen. Man versuchte, die
Vergangenheit zu verstehen, sie zu bewältigen16. Bekannte Autoren dieser
Periode sind Heinrich Böll, Wolfgang Borchert und Paul Celan.

Gruppe 47 (1947 – 1967/1977)


15
die Trümmer = de puinhopen
16
bewältigen = verwerken
11

Direkt nach dem Krieg begann die Wiederaufbau von Deutschland, auch in der
Literatur versuchten deutsche Autoren einen neuen Anfang zu machen. Bereits
im Winter 1944-1945 erschien in den Kriegsgefangenenlagern der Amerikaner
für deutsche Soldaten eine Zeitschrift, ‚der Ruf’. Zwei der Mitarbeiter dieser
Zeitschrift, Hans Werner Richter und Alfred Andersch, wollten auch, nachdem
sie aus dem Lager freigelassen worden waren, in Deutschland eine ähnliche
Zeitschrift erscheinen lassen. In Deutschland hatten die Amerikaner als Besatzer
das Sagen und sie fanden diese Zeitschrift wohl zu sozialistisch. Darum wurde
die Zeitschrift bald von den Amerikanern verboten.

Daraufhin lud Hans Werner Richter die früheren Redakteure der Zeitschrift zu
sich ein und man beschloss, sich gegenseitig Manuskripte vorzulesen. So
entstand die Gruppe 47. Die Gruppe bestand aus ungefähr 100 Schriftstellern und
war 20 Jahre sehr aktiv. Die Gruppe 47 wollte, dass Deutschland wieder ein
humanes, menschliches Land sein würde, wo man auf eine menschwürdige
Weise miteinander umgehen würde. Die Autoren der Gruppe 47 meinten, dass sie
mit ihrer Literatur dazu beitragen könnten. Im Jahre 1977 wurde die Gruppe
offiziell aufgelöst.

Die Gruppe war sehr wichtig für die deutsche Literatur der ersten Nachkriegszeit,
weil die vorgelesenen Werke eingehend17 besprochen wurden. Ein Werk das gut
befunden wurde, wurde denn auch meistens ein literarischer Erfolg.

Die Literatur der deutschsprachigen Länder mit Ausnahme der ehemaligen


DDR (ab 1949)

Die Zweiteilung Deutschlands im Jahre 1949 hatte auch Folgen für die deutsche
Literatur. Die Literatur in der DDR wurde von der dortigen Regierung in hohem
Maβe bestimmt und gesteuert und hat dadurch sich auf ganz eigene Weise
entwickelt.

In den fünfziger Jahren wurde Westdeutschland wirtschaftlich wiederaufgebaut.


Viele Deutsche wollten den Krieg lieber so schnell wie möglich vergessen und
wollten ein neues, in materieller Hinsicht besseres Leben aufbauen. Deutsche
Autoren wie Heinrich Böll und Günter Grass kritisierten dieses Denken, das auf
Besitz und Gewinn gerichtet war.
Andere Autoren experimentierten mit der Sprache und schrieben ganz neue
Formen der Literatur.

In dieser Zeit werden auch zwei Schweizer Autoren bekannt: Friedrich


Dürrenmatt und Max Frisch. Max Frisch wollte wie Bertolt Brecht mit seiner
17
eingehend = grondig, diepgaand
12

Literatur zeigen, wie es in der Welt wirklich zugeht, damit sich etwas in der
Gesellschaft ändere. Dürrenmatt war viel pessimistischer: er glaubte nicht, dass
man so die Welt verändern konnte.

In dieser Zeit des Wiederaufbaus meinten manche Schriftsteller, dass die


schwierigen Lebens- und Arbeitsverhältnisse der deutschen Arbeiter zu wenig in
der Literatur beachtet wurden. Diese Autoren kamen 1961 zusammen und man
beschloss, das in der Literatur der Alltag des Arbeiters, seine Sorgen und
Probleme zentral stehen sollten. So entstand die Gruppe 61. Die Gruppe war am
Anfang politisch unabhängig. Manche Autoren hatten selber als Arbeiter
erfahren, wie schwer Arbeit sein kann. Der Schriftsteller Max von der Grün zum
Beispiel war selber Maurer18 und Bergarbeiter19. In dieser Zeit entsteht auch eine
ganz neue Art der Literatur, die so genannte Dokumentarliteratur. Dabei werden
echte Dokumente, Reportagen, Tonbandinterviews, usw. in einem literarischen
Werk verarbeitet.
Sehr bekannt und in viele andere Sprachen übersetzt wurde das Werk ‚Ganz
unten’ von dem Autor Günter Wallraff. Er ging vermummt als türkischer
Arbeiter bei verschiedenen deutschen Industrien und Arbeitgebern arbeiten.
Aufgrund seiner Erfahrungen beschreibt er in seinem Buch das Leben des
‚türkischen Gastarbeiters Ali’.

Im Jahre 1970 entstand ein Zwiespalt in der Gruppe 61, weil einige Mitglieder
der Gruppe 61 nicht länger politisch unanhängig bleiben wollten.
Die sechziger Jahre waren unruhige Zeiten: überall in Europa wurde gegen den
Vietnamkrieg protestiert, überall demonstrierten Studenten für mehr Einfluss auf
das eigene Studium, sie übten Kritik an den Missständen in der Politik und in der
Gesellschaft, man trat ein für die Dritte Welt und für die Umwelt.
Auch in der Literatur befasst man sich intensiv mit solchen zeitgenössischen
Fragen, mit der Umweltproblematik, mit der Ausländerfeindlichkeit, mit der
Trennung der beiden Deutschlande, usw. Als am Ende der sechziger Jahre unter
anderem durch einen wirtschaftlichen Rückfall deutlich wird, dass die
Gesellschaft sich nicht so leicht verändern lässt, geben viele Autoren ihre
schönen Pläne auf und ziehen sich ins Privatleben zurück. Die Literatur von
diesen Autoren wird dann subjektiver, die Lyrik blüht auf. Namentlich in der
Poesie wird experimentiert und nach neuen Formen gesucht. Es entstehen die so
genannte konkrete und die experimentelle Poesie.

Nicht alle Autoren wenden sich in dieser Periode von aktuellen Themen ab. In
den siebziger Jahren ist die Gleichberechtigung der Frauen ein wichtiges
gesellschaftliches Problem, worüber auch in der Literatur viel geschrieben wird.

18
der Maurer = de metselaar
19
der Bergarbeiter = de mijnwerker
13

Daneben hat eine Gruppe von Studenten und Intellektuellen den Gedanken, die
Gesellschaft ändern zu wollen, noch nicht aufgegeben. Diese so genannte
‚Baader-Meinhof-Gruppe’ richtet sich gegen den Kapitalismus und die
Ungleichheit in der Gesellschaft. Weil es nicht gelingt, die Gesellschaft auf
demokratische Weise zu ändern, radikalisiert diese Gruppe sich und scheut den
Terrorismus nicht. Die Presse, vor allem die ‚Bildzeitung’ vom Axel Springer
Verlag agiert heftig gegen diese Baader-Meinhofgruppe. Der Autor Heinrich Böll
übt in seinem Werk „Die verlorene Ehre der Katharina Blum’ harte Kritik an
dieser Art der Journalistik, weil er meint, dass nicht die Presse, sondern der
Richter über die Gruppe und ihre terroristischen Aktivitäten den Urteil fällen soll.

In den achtziger Jahren wird das Verhältnis zwischen den beiden Deutschlanden
wesentlich besser, auch die Spannung zwischen den Groβmächten wird geringer,
was das Ende des Kalten Krieges bedeutet. Damit wird auch die Drohung eines
Atomkrieges geringer. Dafür interessiert man sich immer mehr für allgemeine
Lebensfragen, wie die Umwelt, das Wohlergehen der Menschheit, usw.

Die Literatur der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR)


(1949-1990)
Die Literatur der DDR stand unter starkem Einfluss von der kommunistischen
Partei, die in der DDR das Sagen hatte, der Sozialistischen Einheitspartei
Deutschland (SED). Diese Partei betrachtete die Literatur als ein brauchbares
Mittel, um den DDR-Bürgern den Sozialismus beizubringen. Es werden 4
verschiedene Perioden in der DDR-Literatur unterschieden.

1. Die antifaschistische und demokratische Periode (1945 - ± 1949)


In dieser Periode befasste man sich mit der Kriegsvergangenheit, genauso
wie es im Westen Deutschland in der Trümmerliteratur der Fall war.

2. Die Periode des Aufbaus des Sozialismus (± 1949 – 1961)


Im Jahre 1949 wurde die DDR offiziell gegründet und von da an übt die
SED groβen Einfluss auf die Literatur aus. Die Autoren sollten nicht die
Wirklichkeit beschreiben, so wie sie ist, sondern sie sollten die
Wirklichkeit beschreiben, so wie sie nach der Meinung der Partei aussehen
sollte. So wurde die Literatur zur Propaganda, es entsteht der so genannte
‚sozialistische Realismus’. In den Werken des sozialistischen Realismus
steht ein ‚positiver Held’ zentral: er soll ein gutes Beispiel dafür sein, wie
man als ein guter Sozialist lebt. Der Held setzt sich für den Aufbau des
Sozialismus ein und er ist ein optimistischer Mensch, weil er fest daran
glaubt, dass er die sozialistischen Ideale verwirklichen kann.
Im Jahre 1958 tagte die Partei in der Kleinstadt Bitterfeld in der Nähe von
Leipzig. Man beschäftigte sich eingehend mit der Literatur und meinte,
14

dass Künstler und Arbeiter zu wenig von einander wussten. Um diese


Kluft20 zu verkleinern sollten die Arbeiter sich mehr mit der Literatur
befassen, sie sollten sogar selber Literatur schreiben. Die Schriftsteller aber
sollten in die Fabriken arbeiten gehen, um das Arbeiterleben besser
kennenzulernen. Diesen Plan der SED nennt man auch wohl den
‚Bitterfelder Weg’. Die Autorin Christa Wolf ist die bekannteste
Vertreterin dieser Periode.

3. Die Periode der Kritik (1961 – 1971)


Am 13.August 1961 wurde die Mauer in kurzer Zeit aufgebaut. Von dem
Tag an konnten die DDR-Bürger nicht mehr frei in den Westen reisen. So
wurden die Schriftsteller der DDR ganz isoliert und damit richteten sie
mehr oder weniger gezwungen ihre Aufmerksamkeit auf die eigene DDR.
Sie kritisierten das System und viele Autoren verlieβen die DDR. Viele
andere Autoren, die allzu kritisch waren, bekamen ein so genanntes
Berufsverbot oder wurden ‚ausgebürgert’, was bedeutete, dass sie, als sie
die DDR verlassen hatten, einfach nicht mehr ins Land gelassen wurden.
Diese Autoren waren dann staatenlos. Ein solcher Autor war der Dichter
und Liedermacher Wolf Biermann.

4. Die letzten Jahrzehnte (1971 – 1989/1990)


Die DDR wurde 1971 international allgemein als selbständiger Staat
anerkannt, auch von der BRD. Jetzt brauchte die DDR sich nicht mehr so
nachdrücklich als sozialistischer Staat zu manifestieren. Man bekam etwas
mehr Freiheit und die Schriftsteller durften sich kritischer äuβern als zuvor.
Am 8.Parteitag im Jahre 1971 wurde beschlossen, dass es in der Literatur
keine Tabus mehr geben sollte. Werke, die Kritik an der Gesellschaft
übten, wurden tatsächlich nicht mehr verboten.
Dennoch waren die DDR-Bürger noch immer nicht wirklich frei, man
durfte noch immer nicht frei in den Westen reisen. Im Laufe der Jahre
wurde die Kritik an der Unfreiheit in der DDR immer lauter. Der Druck
auf die Regierung wurde immer stärker und am 9.November 1989 fiel die
Mauer. Fast ein Jahr später, am 3.Oktober 1990 kam die
Wiedervereinigung zustande.

Die Literatur nach 1990


Man kann nicht sagen, dass nach der Wiedervereinigung die deutsche Literatur
auch einheitlich geworden ist. In der Literatur der alten Bundesländer befasst
man sich nach wie vor mit zeitgenössischen Themen, in der Literatur der neuen
Bundesländer versucht man sich mit der DDR-Vergangenheit abzufinden. Ein
bekanntes Werk, in dem die DDR-Vergangenheit bewältigt wird ist der Roman
20
die Kluft = de kloof
15

‚Nikolaikirche’ von dem Autor Erich Loest. Er beschreibt darin, wie der
Aufstand des Volkes gegen das DDR-Regime sich entwickelt hat.

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Dieser Überblick über die Deutsche Literaturgeschichte basiert auf dem Werk
‚Wahlfach Deutsch, Literatur’ von R.Hazekamp und J.V.Zambon und auf
eigenen Notizen.
Mw.Drs.A.Knepper

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