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Der Sturm und Drang ist eine Strömung in der Literaturepoche der Aufklärung. Er
umfasst die Jahre von etwa 1767 bis 1785. Die Jugendbewegung war geprägt vom
Protest gegen die reine Vernunft der Aufklärung und vom Geniedenken. Bekannte
Vertreter waren Herder, Goethe und Schiller. Das 18. Jahrhundert war eine Zeit des
gesellschaftlichen und kulturellen Umbruchs. Infolge der bürgerlichen Revolution
entstand auch ein neues Bild des Dichters. Eine wesentliche Errungenschaft
der Aufklärung war formale Freiheit. Es entwickelte sich der Typus des »freien
Schriftstellers«, der nur sich selbst verpflichtet ist.
Besonders in Deutschland setzten sich junge Dichter mit dem Weltbild ihrer Väter
auseinander und suchten nach eigenen Standpunkten. Sie forderten zum einen
politische Veränderungen, zum anderen die künstlerische Freiheit des schöpferischen,
empfindsamen Dichter-Genies. Dies brachte der Epoche auch den
Namen Geniezeit ein. Ihre Vertreter rebellierten gegen die Werte der Aufklärung.
Diese wurden oft als zu vernunftbetont und nützlichkeitsorientiert empfunden.
Geniezeit. Die Epoche des Sturm und Drang ist auch als Geniezeit oder Genieepoche
bekannt. Das »Originalgenie« galt als Urbild des schöpferischen Menschen. Es folgt
seinem Herzen und seinem Gefühl mit dem Ziel der freien Selbstentfaltung. Seine
Kunst drückt seine Erlebnisse und Empfindungen unmittelbar aus. Ein Genie
unterwirft sich weder Autoritäten noch bestehenden Regeln. William
Shakespeare war das verehrte Vorbild jener Epoche. Die Helden seiner großen
Tragödien wurden von den Stürmern und Drängern bewundert.
Der Sturm und Drang war eine der ersten Jugendprotestbewegungen in Europa. Er
wird häufig als Gegenbewegung zur Aufklärung verstanden. Dabei hat letztere erst
die Voraussetzungen für den Sturm und Drang geschaffen. Die Ablehnung des
Feudalismus indes ist sogar eine Gemeinsamkeit der beiden Epochen. Tatsächlich
gingen die jugendlichen Stürmer und Dränger über die Ziele der Aufklärung hinaus.
Forderte die Aufklärung den Einsatz der menschlichen Vernunft, so verlangte der
Sturm und Drang den Einsatz des ganzen Menschen mit all seinen Gefühlen,
Leidenschaften und Trieben.
Der Philosoph Johann Gottfried Herder (1717–1772) gilt als Wegbereiter des
Sturm und Drang: Er übte Kritik an der Arroganz der bürgerlichen Aufklärung und
ihrer mangelnden Nähe zum »einfachen Volk«. Seine »Fragmente über die neuere
deutsche Literatur« von 1767 werden als Initialzündung des Sturm und Drang
angesehen.
Ihren Namen verdankt die Literaturepoche des Sturm und Drang einem Schauspiel
des deutschen Dichters Friedrich Maximilian Klinger (1752–1831) aus dem Jahr
1776. Allerdings wurde sie erst ab den 1820er Jahren so genannt. Die zeitgenössische
Bezeichnung war Genieperiode.
Merkmale des Sturm und Drang. Die Stürmer und Dränger wandten sich gegen
überkommene Werte ebenso wie gegen Grundsätze der Aufklärung. Zu letzteren
zählten insbesondere Vernunft und Maßhalten in allen Dingen. Darauf sollte sich das
gesellschaftliche Handeln ebenso gründen wie philosophisches und literarisches
Denken. Dies lehnen die jungen Literaten entschieden ab. Der Mensch habe vielmehr
das Recht und die Pflicht, auch seine Gefühle und Leidenschaften sowie seine
natürliche Nähe zu Natur und Schöpfung auszuleben.
Wichtige Merkmale des Sturm und Drang. Jugendbewegung: Die Autoren sind
junge und freie Dichter. Ihre Mehrheit war zwischen 20 und 30 Jahren alt. Sie
protestierten gegen Autorität und Tradition im politischen und gesellschaftlichen
Leben sowie in der geistigen und dichterischen Welt.
Betonung des Gefühls und der schöpferischen Kraft des Individuums: Zentrale
Motive jedes geistigen und literarischen Schaffens im Sturm und Drang sind Gefühl
(Emotio) und Empfindung. Eine besondere Rolle spielt das unmittelbare Erleben der
Natur. Die vernunftbetonte Epoche der Aufklärung dagegen war vom Verstand
(Ratio) beherrscht.
Leidenschaft als Wert an sich: Nach Auffassung der Stürmer und Dränger kann der
Einzelne Regeln und Normen außer Acht lassen, um Bedeutsames zu leisten. Die
Leidenschaft de Stürmer und Dränger stellt das Charakteristische und Ursprüngliche,
das Originalgenie, über das Schöne und in der Form Gebändigte.
Gefühlsüberschwang in der Sprache: Die Sprache des Sturm und Drang ist
jugendlich überschwänglich und verständlich. Man ließ sich nicht länger in das
Regelwerk des Barock oder der Aufklärung zwingen. Die jungen Autoren setzten den
alten Zwängen eine ausdrucksstarke Wiedergabe eigener Erfahrungen und
Empfindungen entgegen. Dies führte zum häufigen Gebrauch von Halbsätzen,
Kraftausdrücken oder volkstümlichen Wendungen. Die Protagonisten ihrer Werke
zeigen übersteigerte Gefühlsausbrüche oder führen revolutionäre Reden.
Kritik am Feudalismus: Erklärtes Ziel der Stürmer und Dränger ist die
Überwindung des feudalen Systems. Ebenso wie zuvor die Aufklärer lehnen sie den
Absolutismus und die Adelsherrschaft ab. Ihre Kritik richtet sich aber auch gegen
Klerus und Bürgertum.
Das Drama als Hauptform der Dichtung: Von allen literarischen Gattungen eignet
sich das Drama am besten für die gefühls- und ausdrucksstarke Sprache des Sturm
und Drang. Die Rebellion gegen die bestehende Weltordnung konnte im Schauspiel
durch Ausrufe, halbe Sätze und derbe Wendungen wirkungsvoll in Szene gesetzt
werden.
Autoren des Sturm und Drang
Kennzeichnend für den Sturm und Drang ist, dass er von Dichtern im Alter zwischen
20 und 30 Jahren getragen wurde. Seither verwendet man für diese Lebensphase
umgangssprachlich die Bezeichnung »Sturm- und Drang-Periode«. Deshalb
verwundert es nicht, dass Themen wie Freundschaft, Mut und Verwegenheit,
leidenschaftliche Liebe, emphatische Gefühle sowie Auflehnung und Rebellion gegen
starre Autoritäten im Mittelpunkt der Werke stehen.
Der Sturm und Drang wird auch »Geniezeit« genannt. In dieser Epoche wurde der
Begriff des »Genies« geprägt. Theoretisch erörtert wird er bei Herder
(»Shakespeare«, 1773), Goethe (»Zum Shakespeare Tag«, 1771) und Jakob Michael
Reinhold Lenz (»Anmerkungen übers Theater«, 1774). Das »Genie« bezeichnet einen
Künstler, der nur seinem Gewissen und seinen eigenen ästhetischen Ansprüchen
verpflichtet ist. Kein Regelwerk kann sein schöpferisches Tun begrenzen, er findet
alles in seiner eigenen Seele und seinen eigenen Empfindungen. Dabei ist er vital und
kraftvoll – das Ideal ist keineswegs der sensible Einzelgänger, sondern der »ganze
Kerl«, der mutig gegen die Obrigkeit rebelliert und mit Gleichgesinnten kämpft. Das
Inbild eines solchen Dichters sah man in den großen Vorbildern Homer
und Shakespeare.
Wichtige Autoren und Werke des Sturm und Drang: 1) Gottfried August Bürger
(1747–1794): »Leonore«; 2) Heinrich Leopold Wagner (1747–1779): »Die
Kindermörderin«; 3) Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832): »Die Leiden des
jungen Werther«, »Götz von Berlichingen«, »Prometheus«; 4) Johann Gottfried
Herder (1717–1772): »Von deutscher Art und Kunst«, »Über die neuere Deutsche
Literatur«; 5) Friedrich Maximilian Klinger (1752–1831): »Sturm und Drang«; 6)
Jakob Michael Reinhold Lenz (1751–1792): »Die Soldaten«, »Der Hofmeister«; 7)
Friedrich Schiller (1759–1805): »Die Räuber«, »Kabale und Liebe«.
„Erlkönig“. Johann Wolfgang von Goethes »Erlkönig« aus dem Jahre 1782 ist eine
der bekanntesten deutschen Balladen. Im Gegensatz zu vielen anderen Werken
des Sturm und Drang geht es im »Erlkönig« nicht um Liebe; Goethe thematisiert hier
zum ersten Mal die magische Macht der Natur. Die Handlung ist in einer dunklen,
unruhigen Nacht angesiedelt. Die Protagonisten, Vater und Sohn, reagieren
unterschiedlich auf die sie umgebenden Naturmächte: Der Erwachsene begegnet der
Bedrohung mit Vernunft, das Kind dagegen verliert sich in einer irrationalen
Fantasiewelt.
Einleitung (Strophen 1 – 2). Ein Erzähler führt in die Situation ein: Ein Vater reitet
mit seinem Sohn in den Armen durch die stürmische Nacht. Der Junge meint die
mythische Gestalt des Erlkönigs zu sehen und ist verängstigt. Der Vater will ihn
beruhigen; er hält die Erscheinung für Nebelschwaden.
Hauptteil (Strophen 3 – 7). Die Stimme des Erlkönigs umwirbt das Kind und will es
verführen, ihm in ein Sehnsuchtsland zu folgen. (3) Der Erlkönig lockt den Knaben
zunächst mit seinen feenhaften Töchtern. (5) Schließlich droht er dem verzweifelten
Kind mit Gewalt, falls es ihm nicht folgt. (7)
Das Kind wendet sich hilfesuchend an seinen Vater. Der bemüht sich, es zu
beruhigen. Die Stimme, die das Kind hört, erklärt er mit dem Rascheln des Windes.
(4) Dunkle, graue Weiden erkennt der Vater dort, wo das Kind die Töchter des
Erlkönigs ausmacht. Schluss (Strophe 8). In der grauenvollen Ahnung, seinen Sohn
an die Naturmächte verloren zu haben, erreicht der Vater den rettenden Hof. Sein
Sohn ist tot.
Der Stoff des »Erlkönig« stammt aus dänischem Liedgut und wurde von Johann
Gottfried Herder (1744–1803) ins Deutsche übersetzt. Goethe nahm das Thema auf
und entwarf die Ballade zunächst als Eröffnung für sein Singspiel »Die Fischerin«.
Während die 1782 in Tiefurth bei Weimar uraufgeführte Operette jedoch in
Vergessenheit geriet, hat der »Erlkönig« seinen Platz im Kanon der deutschen Lyrik
gefunden.
I. Akt. Franz fälscht einen Brief von einem Kameraden seines Bruders, in dem dieser
von angeblichen Gräueltaten Karls in Leipzig erzählt. Den eigentlichen Brief, in dem
Karl seinen Vater um Vergebung bittet, hat Franz verbrannt. Enttäuscht entschließt
der Vater sich dazu seinen Sohn zu enterben. Er bittet Franz darum eine Antwort zu
verfassen, die entgegen den Wünschen des Vaters ausgesprochen hart ausfällt.
Karl erhält und liest den Brief in einer Leipziger Studentenkneipe. Nachdem auch
seine Freunde den Brief gelesen haben, überredet Spiegelberg sie dazu eine
Räuberbande zu gründen. Er hofft darauf selbst Hauptmann zu werden, doch die
Gruppe wünscht, dass Karl ihr Anführer wird. Im Glauben vom Vater verstoßen
worden zu sein willigt er ein.
Im Schloss wirbt Franz um Karls Geliebte Amalia. Diese steht dem falschen Spiel
von Franz jedoch misstrauisch gegenüber. Daraufhin zeigt Franz sein wahres Gesicht
und Amalia schwört ihm Rache.
II. Akt. Um herrschen zu können, muss Franz seinen Vater umbringen. Er zieht den
Bastard Hermann auf seine Seite und weist ihn an sich als Kamerad Karls auszugeben
und dem Grafen zu erzählen, Karl sei umgekommen.
Als der verkleidete Hermann dem Vater die falsche Nachricht überbringt, gibt dieser
sich selbst die Schuld am Tod seines Sohnes. Der Graf bricht scheinbar tot
zusammen. Franz freut sich sichtlich darüber und sinniert über seine Zukunft als
Herrscher.
In den böhmischen Wäldern führt Karl zur gleichen Zeit das Leben eines
Räuberhauptmannes. Als die Bande davon hört, dass der Räuber Roller in einer
nahegelegenen Stadt gehängt werden soll, setzt die Räuberbande die Stadt in Brand
und Karl befreit Roller. Bei der Einäscherung kommen jedoch viele Unschuldige zu
Tode. Spiegelberg erfreut sich am Leid dieser Menschen, während Karl der Sache
kritisch gegenüber steht. Er spielt mit dem Gedanken die Räuberbande zu verlassen,
als diese von Militär umzingelt wird. Ein Pater wird geschickt, der die Auslieferung
Karls verhandeln soll, doch die Räuber stellen sich hinter ihren Hauptmann und
ziehen mit dem Ruf ›Tod oder Freiheit‹ euphorisch in den Kampf.
III. Akt. Franz wirbt weiterhin um Amalia und möchte nun um ihre Hand anhalten.
Nachdem sie ihn zum wiederholten Male abweist, droht er ihr damit sie in ein Kloster
zu schicken. Sie erwidert, dass ihr das lieber sei als sich mit ihm zu vermählen.
Daraufhin versucht er sie gewaltsam vor den Traualtar zu zerren und wird daraufhin
von ihr geohrfeigt. Schließlich täuscht sie eine Versöhnung vor, greift dann jedoch
nach seinem Degen, woraufhin er die Flucht ergreift. Von Hermann erfährt Amalia
dass sowohl der Graf als auch Karl noch am Leben sind.
IV. Akt. Karl gibt Kosinsky die Anweisung ihn als Graf von Brand auf dem Schloss
anzukündigen. Als Amalia dem verkleideten Karl, ohne zu ahnen wer sich tatsächlich
unter dem Kostüm verbirgt, die Ahnengalerie zeigt, wird ihm klar dass sie ihn noch
liebt. Franz jedoch ahnt, um wen es sich tatsächlich handelt und befiehlt dem Diener
Daniel den vermeintlichen Grafen zu vergiften. Franz philosophiert über das Dasein
als Mensch.
Als Daniel sich Karl zu erkennen gibt, erfährt dieser vom linken Treiben seines
Bruders. Er wünscht sich Amalia noch ein letztes Mal zu sehen und möchte dann das
Schloss wieder verlassen.
Amalia und der Graf von Brand erzählen einander von ihren Geliebten in der Ferne.
Er erklärt ihr, dass er nicht zu seiner Geliebten zurückkehren könne, da er schlimme
Taten begangen habe. Amalia erfreut sich daran, dass ihr Karl noch am Leben ist und
ein rechtes Leben in der Ferne führt. Karl kann mit der Situation nicht umgehen und
flieht zu seiner Räuberbande.
V. Akt. Franz träumt vom jüngsten Gericht und bekommt es mit der Angst zu tun. Er
lässt sich von Daniel einen Pastor herbeirufen. Dieser erklärt ihm, dass die
schlimmsten Sünden der Vater- und der Brudermord seien. Er hört, wie sich die
Räuber dem Schloss nähern. Verzweifelt versucht er zu beten, was ihm jedoch nicht
gelingt. Daniel weigert sich ihm dabei zu helfen und so erdrosselt sich der
verzweifelte Franz selbst mit seiner Hutschnur. Schweizer bemerkt, dass er sein
Versprechen Franz lebend zu Karl zu bringen nicht erfüllen kann und erschießt sich.
Amalia wird zu Karl gebracht und er gibt sich ihr als Räuberhauptmann zu erkennen.
Entsetzt vom Treiben seines Sohnes scheidet der alte Moor dahin. Als Karl Amalia
erklärt, dass er nicht zu ihr zurückkehren könne, weil er den Räubern ewige Treue
geschworen habe, bittet sie ihn darum sie zu töten. Zunächst verwehrt er ihr diesen
Wunsch, doch als sich andere Räuber anbieten diese Aufgabe zu übernehmen, willigt
er letztendlich ein. Um seine Schuld zu begleichen, beschließt er sich einem
Tagelöhner auszuliefern, der mit dem auf Karl ausgesetzten Kopfgeld seine Familie
ernähren kann.
Schiller hat die abstrakten Konzepte von Recht, Gerechtigkeit und Schuld in ein
spannendes Drama verpackt, das in seinem Aufbau typisch für die Zeit des »Sturm
und Drang« ist. Der Klassiker der deutschen Literatur bricht mit der aristotelischen
Tradition der Einheit von Ort, Zeit und Handlung: Das Drama spielt an mehreren
Orten über einen Zeitraum von zwei Jahren. Auf das von ihnen begangene Unrecht
reagieren die beiden Brüder unterschiedlich: Der von den Räubern bedrängte Franz
nimmt sich das Leben. Karl dagegen will seine Taten zu sühnen, indem er sich der
Justiz ausliefert. Nach der Veröffentlichung dieses Werkes wurde Schiller schlagartig
berühmt.
Die Romantik. Die Romantik war eine Epoche der europäischen Literatur, Kunst
und Kultur. Sie begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts und dauerte in der Literatur
bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Romantik kennzeichnet eine Abkehr
vom Rationalismus der Aufklärung und von jeglicher klassischer Form. Wichtige
Merkmale der Romantik waren Weltflucht, die Freiheit des Individuums und seines
schöpferischen Tuns sowie eine Vorliebe für das Dunkle und Rätselhafte.
Merkmale der Romantik. Die Literaturepoche der Romantik entstand in Folge
politischer Krisen und gesellschaftlicher Umbrüche um die Wende des 18.
Jahrhunderts zum 19. Jahrhundert. In ganz Europa fand ein Übergang von der
feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft statt. Gleichzeitig bildete sich ein bürgerliches
Selbstbewusstsein heraus.
Die romantischen Dichter sehnten sich nach der Einheit von Geist und Natur, wie es
der Philosoph Wilhelm Schelling (1775–1854) im Jahr 1797 gefordert hatte.
Auch Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) war ein Vordenker der Romantik.
Überhaupt hatte die Philosophie starken Einfluss auf das Weltbild und die Dichtung
der Romantiker.
Wichtige Merkmale der Romantik: 1) Hinwendung zur Natur und Streben nach
einer Ganzheitskultur: Die Aufklärung hatte ein neues Menschenbild geschaffen. Der
aufgeklärte Mensch galt aufgrund seines Verstandes und den Erkenntnissen der
Wissenschaft als Herrscher über die Natur. Die Romantiker dagegen sahen den
Menschen als Teil der Natur, während der Verstand der Ergänzung durch die Seele
bedarf. Fasziniert waren die Romantiker insbesondere von der Natur in ihrer wilden
und ungebändigten Form. Sie bildete den Gegenpol zur (vermeintlichen)
Lebensfeindlichkeit der Städte; 2) Rückzug in Fantasie- und Traumwelten: Die im
18. Jahrhundert beginnende Industrialisierung führte zu einem gesellschaftlichen
Wandel. Der Kapitalismus wurde zur herrschenden Wirtschafts- und
Gesellschaftsordnung. Eine Landflucht in die Städte setzte ein. Menschen wurden vor
allem nach ihrer Nützlichkeit bewertet. Viele Romantiker reagierten darauf mit
Flucht vor der Wirklichkeit, sie träumten sich zurück in vorkapitalistische Zeiten; 3)
Entdeckung des Unbewussten und Irrationalen: Die Romantiker hatten eine
besondere Vorliebe für das Dunkle und Abgründige im Menschen. Der Schlaf und
die Träume sind Möglichkeiten, den Geheimnissen der Seele auf den Grund zu
gehen. Traum- und Fantasiewelten erschienen den Romantikern gleichermaßen
unergründlich und unerschöpflich. Demgegenüber war die Wirklichkeit mit all ihren
Begrenzungen abzulehnen; 4) Wiederentdeckung des Mittelalters: Die Romantiker
entwickelten eine neue Haltung gegenüber dem Mittelalter als der letzten
Ganzheitskultur vor der Aufklärung. Das von christlicher Mystik ebenso wie von
Mythen und Sagen geprägte mittelalterliche Leben wurde verklärt. Es wurde als beste
Zeit der Menschheitsgeschichte idealisiert; 5) Ablehnung des Etablierten: Die
Romantiker sahen sich im Gegensatz zum Bürgertum. Sie lehnten seine Moral, die
politische Angepasstheit und sein Streben nach wirtschaftlicher Sicherheit ab. Der
besondere Spott der Romantiker traf die sogenannten Spießbürger; 6) Unstillbare
Sehnsucht als Grundstimmung: Die Freiheit des Individuums spielte eine zentrale
Rolle für die Romantiker. Eigene Wahrnehmungen und Empfindungen waren von
hohem Wert. Das dichterische Ich stand im Zentrum ihrer Weltbetrachtung. Das
Streben der Romantiker galt dem Verschmelzen von Sinneswahrnehmungen und
Erkenntnisebenen.
Berühmte Autoren und Werke der Romantik. Das große Verdienst der
romantischen Schriftsteller war die Überwindung traditioneller Denkmuster und
klassischer Grenzen. So setzten sich die Autoren über wissenschaftliche Erkenntnisse
und starre Regeln hinweg und ließen ihrer Fantasie freien Lauf. Noch heute hat die
deutsche Romantik Auswirkungen auf die zeitgenössische Literatur, aber auch auf die
Kunst. Zahlreiche Liedtexte zeitgenössischer Pop- und Wavesongs knüpfen direkt
und indirekt an romantische Werke und Motive an.
Geschichtliche Hintergründe der Romantik. Die Epoche war geprägt von der
Französischen Revolution (1789–1799) und ihren Nachwirkungen. 1803 wurde in
Deutschland die Säkularisierung geistlicher Fürstentümer und die Aufhebung von
Kleinstaaten beschlossen. Der Sieg Napoleons über Preußen (1806) führte zu einer
grundlegenden Modernisierung des Staates. Die Preußischen Reformen (1807–1814)
hatten einschneidende Folgen. 1806 löste Napoleon das Heilige Römische Reich
Deutscher Nation auf; der Rheinbund wurde gegründet.
1813 setzte die letzte Phase der Befreiungskriege ein, die im selben Jahr in der
Völkerschlacht bei Leipzig zur Schwächung Napoleons und 1815 in der Schlacht von
Waterloo zum Sieg über den Kaiser der Franzosen führte. Der Wiener Kongress legte
1814/15 den Grundstein für die politische Neuordnung Europas. Faktisch wurde
jedoch die vorrevolutionäre Ordnung wiederhergestellt. Unterdessen hatte die
Industrialisierung von England aus auch Deutschland erreicht. Tradierte
Lebensformen begannen für immer zu verschwinden.
Der Romantikbegriff stellt stets das Sinnliche, Fantastische, die Abwendung von den
Klassikern und der Antike sowie die Hinwendung zur Natur, zur Empfindsamkeit
und die Kritik an der Vernunft ins Zentrum des Schaffens.
Die drei Phasen der Romantik. Als Literaturepoche der Romantik wird die Zeit von
1795 bis 1835 angesehen. Die Literaturwissenschaft unterscheidet drei Phasen, die
Frühromantik, die Hochromantik und die Spätromantik. Ihre geistigen Zentren waren
die Städte Jena, Heidelberg, Berlin und Tübingen.
In der Literatur ist eine zunehmende Hinwendung zur Mystik und zum Unheimlichen
festzustellen. Vorbild ist der aus England stammende Schauerroman (Gothic Novel).
Ein bekanntes Werk der Schauerliteratur ist die Erzählung »Der Sandmann« von E.
T. A. Hoffmann. Ab 1815 geht die Spätromantik in das Biedermeier über.
Die romantische Lyrik. Viele lyrische Werke der Romantik gehören heute zu den
Klassikern der deutschen Literatur. Zu den bekanntesten Lyrikern zählen Ludwig
Uhland, Joseph von Eichendorff, Eduard Mörike und Adelbert von Chamisso, die
eher volkstümlich orientiert waren. Eine volksliedhafte Einfachheit prägte ihre
Werke, die bei einem breiten Publikum Anklang fanden. Auch die »Geistlichen
Lieder« sowie die »Hymnen an die Nacht« von Novalis werden als wichtige lyrische
Werke der deutschen Romantik noch heute gelesen. Die Texte von Novalis zeichnen
sich durch ein Höchstmaß an sprachlicher Kunst aus.
Sowohl Klassik als auch Romantik sehen in der Kunst bzw. Dichtung eine
Möglichkeit, die verlorene Ganzheitlichkeit wiederzuerlangen. Allerdings
unterscheiden sie sich in ihren Antworten auf die Problematik.
Klassik
Romantik
will mit Hilfe von Kunst das Bewusstsein für den Verlust der Ganzheit
schärfen,
hält die Probleme für nicht lösbar, lehnt Scheinlösungen ab und flüchtet sich in
eine Welt jenseits der Wirklichkeit,
sehnt sich nach maßlosem Gefühl und Leidenschaft,
glaubt an die Unendlichkeit schöpferischer Fantasie des Einzelnen,
sprengt alle formalen und inhaltlichen Grenzen.