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Deutsche Literatur 1890-1920

Epocheneinordnung
- Impressionismus
- Jugendstil
- Symbolismus
- Dekadenz
- fin-de-siècle
- Literatur der Jahrhundertwende
- Zeitalter des Ästhetizismus
- Impressionismus, Symbolismus und Jugendstil bezeichnen eine literarische Epoche zwischen 1890 und
1910/1914
- Der Impressionismus löst den Naturalismus ab.
- Es wird Kritik an der „platten“ Abspiegelung von Wirklichkeit und an sozialkritischen Ambitionen geübt;
man wendet sich gegen naturalistische „Rinnsteinkunst“ und setzt die „Goldschmiedekunst des Wortes“
(Friedrich Nietzsche) dagegen
- Der Impressionismus ist geprägt durch ein Streben nach Verinnerlichung und neuer Romantik. Die Welt
wird sinnenreich erlebt: Eindruck und Empfindung verdrängen die Reflexion
- „Geheimnis“, „Schönheit“ und „Seele“ sind Schlüsselbegriffe
Gesellschaft und Politik
Es existieren unbefriedigende Herrschaftsverhältnisse:
- Deutschland wird von einem Monarchen regiert, der sich in einem hohen Maße durch
Selbstüberschätzung und hohle Machtdemostration auszeichnet
- das Parlament hat wenig Befugnisse
- das Bürgertum ist, obwohl zu Ansehen und ökonomischem Einfluss gekommen, von der Macht
ausgeschlossen
- es regiert der Militarismus, der alle Teile der Bevölkerung erfasst
- die Arbeiterparteien sind zur stärksten politischen Gruppierung aufgestiegen, aber ohne Machtbefugnis
- Die Macht lag in den Händen der feudalaristokratischen Junkerkaste. „Dieser Typ war gesellschaftlich
tonangebend. Seine führende Rolle fand ihren Ausdruck im Militarismus. Man kann diese Erscheinung
als die Übertragung militärischer Denk- und Verhaltensweisen auf zivile Lebensverhältnisse definieren.
Der Militarismus realisierte sich im Volksheer der Kaiserzeit, in dem nahezu jeder Bürger neben seinem
Beruf einen militärischen Rang als Reservist bekleidete, und nach diesem Rang – nicht nach seiner
Stellung im bürgerlichen Leben – bemaß sich seine gesellschaftliche Geltung.“ (Ulrich Karthaus)
- Die Folgen der gesellschaftlichen Entwicklung:
- Die Künstler geraten ins Abseits, werden zu Außenseitern in einer rein materiell wahrgenommenen
Umwelt
- Gemeinsam ist den Künstlern eine kritische Spannung zum wilhelminischen Kaiserreich, das eine
geistfeindliche, autoritäre und waffenstarre Fassade aufweist
- Philosophie und Geistesgeschichte
- bahnbrechend ist die Philosophie Friedrich Nietzsches, die eine „Umwertung aller Werte“fordert; man
glaubt, die Welt sei nur im Ästhetischen zu retten; der Dichter wird zum Erneuerer und Seher
- Aufkommen der Psychoanalyse (Siegmund Freud)
- „Verwissenschaftlichung der Welt“; Rationalismus und Positivismus
- Abkehr der Intellektuellen von der Politik (Thomas Mann in einem Brief, 1904):
- Tobt der Pöbel in den Gassen, ei, mein Kind, so lass ihn schrei’n.
- Denn sein Lieben und sein Hassen ist verächtlich und gemein!
- Während sie uns Zeit noch lassen, wollen wir uns Schönerm weih’n.
- Will die kalte Angst dich fassen, spül sie fort mit heißem Wein!
- Lass den Pöbel in den Gassen: Phrasen, Taumel, Lügen, Schein,
- Sie verschwinden, sie verblassen – Schöne Wahrheit lebt allein.
- (Hugo von Hofmannsthal, 1890, angesichts einer Arbeiterdemonstration in Wien)
- Aber für politische Freiheit habe ich gar kein Interesse.
- (Thomas Mann in einem Brief, 1904)
- Zustandsbeschreibung der Literatur um 1900
- Nie zuvor war die deutsche Literatur stilistisch und formal so vielgestaltig wie in den ersten zwei
Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts
- Das spezifische der Literatur der Jahrhundertwende ist - mehr als in jeder anderen literarischen Epoche
vielleicht - die Gleichzeitigkeitd des Ungleichzeitigen, das Nebeneinander verschiedenster Stilrichtungen
und literarischer Tendenzen, die sich schwerlich in die pauschalen Begriffe der obengenannten
"Epochen" einzwängen lassen.
- Die Zeit der homogenen Epochenstile in der deutschsprachigen Literatur ist endgültig vorbei. Die
deutschsprachige Literaturszene um 1900 ist unübersehbar und weist eine bis dahin ungekannte
Pluralität der Stilrichtungen auf.
- Ein Spezifikum der Dichtung ist die Sprachskepsis:
- Nach 1886 setzen radikale Zweifel an der Sprache selbst ein; die Frage nach der Genauigkeit und
Unmittelbarkeit der Sprache rückt in den Vordergrund:
- "Eine völlig exakte Reproduzierbarkeit der Natur durch die Kunst ist ein Ding der absolutesten
Unmöglichkeit, - und zwar (...) aus dem einfachen (...) Grunde, weil das betreffende
Reproduktionsmaterial, das uns Menschen nun einmal zu Verfügung steht, stets unzulänglich war, stets
unzugänglich ist und stets unzulänglich bleiben wird" (Arno Holz)
- "Ist es möglich, denkt er, daß man noch nichts Wirkliches und Wichtiges gesehen, erkannt und gesagt
hat" (Rilke)
- Bedeutende Vertreter der Epoche
- (Lyrik)
- Symbolismus: Stefan George, Hugo von Hofmannsthal
- Impressionismus: Detlev von Liliencron, Max Dauthendey, Richard Dehmel, Christian Morgenstern,
Julius und Heinrich Hart, Peter Hille....
- (Drama)
- Frank Wedekind (Frühlings Erwachen)
- Arthur Schnitzler (Der Reigen)
- (Prosa)
- Hugo von Hofmannsthal, Peter Altenberg, der frühe Hermann Hesse, der frühe Thomas Mann, Rainer
Maria Rilke, Otto Julius Bierbaum...
- Der Symbolismus gewinnt in Deutschland zuerst um 1890 durch die Dichtung Baudelaires und Verlaines
Einfluss. Er ist vor allem eine Reaktion gegen den Naturalismus. Die Kunst hat nicht Sachverhalte
mitzuteilen oder gar Lehren zu vermitteln, sondern soll mit Hilfe einer bewusst gestalteten Sprache, die
symbolische Kraft und Musikalität vereint, eine tiefere Wirklichkeit erschließen.
- In Deutschland sind George, Rilke und Hofmannsthal die bedeutendsten Vertreter. Unter dem Einfluss
der Franzosen bekennt sich Stefan George zu einer strengen Form, zur Distanz vom Alltäglichen und
Gemeinen, und stellt den Alltagsjargon der Naturalisten eine hochartifizielle, gestelzte Sprache
entgegen.
Mein garten bedarf nicht luft und nicht wärme
Der garten den ich mir selber erbaut
Und seiner vögel leblose schwärme
Haben noch nie einen frühling erschaut
 
Von kohle die stämme von kohle die äste
Und düstere felder am düsteren rain
Der früchte nimmer gebrochene läste
Glänzen wie lava im pinienhain

Ein grauer schein aus verborgener höhle


Verrät nicht wann morgen wann abend naht
Und staubige dünste der mandel-öle
Schweben auf beeten und anger und saat

Wie zeug ich Dich aber im heiligtume


– So fragt ich wenn ich es sinnend durchmass
In kühnen gespinsten der sorge vergaß –
Dunkle grosse schwarze blume? (Stefan George)
Ballade des äußeren Lebens
 
Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen
Die von nichts wissen, wachsen auf und sterben,
Und alle Menschen gehen ihre Wege.
 
Und süße Früchte werden aus den herben
Und fallen nachts wie tote Vögel nieder
Und liegen wenige Tage und verderben.
 
Und immer weht der Wind, und immer wieder
Vernehmen wir und reden viele Worte
Und spüren Lust und Müdigkeit der Glieder.
 
Und Straßen laufen durch das Gras, und Orte
Sind da und dort, voll Fackeln, Bäumen, Teichen,
Und drohende, und totenhaft verdorrte...
 Wozu sind diese aufgebaut? und gleichen

Einander nie? und sind unzählig viele?


Was wechselt Lachen, Weinen und Erbleichen?
 
Was frommt das alles uns und diese Spiele,
Die wir doch groß und ewig einsam sind
Und wandernd nimmer suchen irgend Ziele?
 
Was frommts, dergleichen viel gesehen haben?
Und dennoch sagt der viel, der „Abend“ sagt,
Ein Wort, daraus Tiefsinn und Trauer rinnt
 
Wie schwerer Honig aus den hohlen Waben.
 
(Hugo von Hofmannsthal)
Rainer Maria Rilke (1875-1926) Der österreichische Dichter, vielleicht der genialste Lyriker seiner Zeit,
hat viele europäische Dichter und Philosophen beeinflusst. Die zarten Bilder und Klänge seiner Verse
erschließen eine neue Welt der Innerlichkeit und des dichterischen Ausdrucks.
Werke: Gedichtsammlungen: „Das Stundenbuch“, „Neue Gedichte“, Essays: „Rodin“, „Worpswede“,
Übersetzungen.
Der Dichter
 Du entfernst dich von mir, du Stunde.
Wunden schlägt mir dein Flügelschlag.
Allein: was soll ich mit meinem Munde?
mit meiner Nacht? Mit meinem Tag?
 
Ich habe keine Geliebte, kein Haus,
keine Stelle auf der ich lebe.
Alle Dinge, an die ich gebe,
werden reich und geben mich aus.
  (Rainer Maria Rilke)
Regenduft
 
Schreie. Ein Pfau.
Gelb schwankt ein Rohr.
Glimmendes Schweigen von faulem Holz.
Flüstergrün der Mimosen.
Schlummerndes Gold nackter Rosen
Auf braunem Moor.
 
Rauschende Dämmerung in weißen Muscheln.
Granit blinkt eisengrau.
Matt im Silberflug Kranichheere
Über die Schaumsaat stahlkühler Meere.
(M.v. Dauthendey)
Jasmin
 Wachsbleich die Sommernacht.
Auf erddunkeln Moderlachen
Singen rosigblaue Irislichter.
Wetterleuchten, schwefelgrün, in Splittern.
Eine weiße dünne Schlange sticht
Züngelnd nach dem blauen Mond.
Rosen
Weinrot brennen Gewitterwinde.
Purpurblau der Seerand.
Hyazinthentief die ferne Küste.
Ein Regenbogen, veilchenschwül,
Schmilzt durch weihrauchblaue Abendwolken.
Im Thaudunkel lacht
Eine heiße Nachtigall. (Max Dauthendey)
Liebeslied
 
Ich bin eine Harfe
Mit goldenen Saiten,
Auf einsamem Gipfel
Über die Fluren
Erhöht.
 Du lass die Finger leise
Und sanft darübergleiten,
Und Melodien werden
Aufraunen und aufrauschen,
Wie nie noch Menschen hörten
Das wird ein heilig Klingen
Über den Landen sein.
 Ich bin eine Harfe
Mit goldenen Saiten
Auf einsamem Gipfel
Über die Fluren
Erhöht,
Und harre Deiner,
Oh Priesterin!
Dass meine Geheimnisse
Aus mir brechen
 
Und meine Tiefen
Zu reden beginnen
Und wie ein Mantel
Meine Töne
Um Dich fallen –
Ein Purpurmantel
Der Unsterblichkeit
 (Christian Morgenstern)
In meinem schwarzen Taxuswald
singt ein Märchenvogel –
die ganze Nacht.
 Blumen blinken.
 Unter Sternen, die sich spiegeln,
treibt mein Boot.
 Meine träumenden Hände
tauchen in schwimmende Wasserrosen.
 Unten,
lautlos, die Tiefe.
 Fern das Ufer! Das Lied...
 Um mein erleuchtetes Schloss wehn Cypressen.
 Ich höre sie nicht. Ich fühle sie.
Alle meine Lichter werden erlöschen,
der letzte Geigenton verklingt,
durchs Fenster
in meinem brechenden Blick
spiegelt sich der Mond
 (aus Arno Holz, Phantasus)
 Heinrich Mann begann 1906 den Roman „Der Untertan“ zu schreiben, wurde jedoch erst 1914
veröffentlicht.
 Zählt zur bürgerlichen Literatur vor dem 1. Weltkrieg
 Analyse der nationalistischen Politik und Machtverhältnisses unter Kaiser Wilhelm II.
 Fortsetzung von „Der Untertan“ ist der Roman „Die Armen“ (1917)
 Trilogie „Das Kaiserreich“ wurde mit „Der Kopf“ (1925)
Hauptpersonen
 Diederich Heßling
 Der alte Buck
 Agnes Göppel
 Guste Daimchen
 Napoleon Fischer
Inhalt
Diederich Heßling wird als Sohn eines Papierfabrikanten in Netzig geboren. In seiner Kindheit genießt er
eine strenge und autoritäre Erziehung und versucht schon in der Schule seine Stellung zu sichern, indem
er seine Mitschüler für die Lehrer bespitzelt. Danach studiert Diederich Chemie in Berlin, wo er der
Studentenverbindung „Neuteutonia“ beitritt. Durch diese Verbindung wird er zum fanatischen Anhänger
des jungen Kaiser Wilhelm. Auch seinen verkürzten Militärdienst kann er seiner Bruderschaft verdanken.
In Berlin geht er eine Liebesbeziehung mit Agnes Göppel, der Tochter eines Geschäftspartners der
Papierfabrik ein, beendet jedoch aus Angst seine Stellung zu verlieren die Beziehung. Als Doktor der
Chemie übernimmt er nach dem Tod seines Vaters den Betrieb in Netzig. Dort spielt er sich als
Geschäftsmann auf, fordert von seinen Arbeitern Zucht und Ordnung und droht sogar gegen
sozialistisches Gedankengut vorzugehen. Er heiratet auch Guste Daimchen. Seine Mutter und seine
beiden Schwestern behandelt er nur mit wenig Respekt, obwohl er sie liebt.
Aufbau und Struktur
 Bildungsroman
 Erzählt Lebensgeschichte von Diederich Heßling
 Unterteilung in sechs Kapitel
1. Sozialisation Diederichs (Familie, Schule, Militär und Universität)
2. Politik und Liebe – lernt Agnes Göppel kennen
3. Rückkehr nach Netzig, Übernahme der Fabrik
4. Politik
5. Politik, Hochzeit Guste und Diederich, Wahlkampf
Sprache und Stil
 Gehört zur bürgerlichen Literatur vorm 1. Weltkrieg
 Verwendung des Realismus
 Geschehnisse aus der Perspektive Diederichs
 Viele direkte Reden
 Verwendung vom Dialekt in den direkten Reden
Textbeispiel zu Sprache & Stil
 Eigentlich war sich nicht hübsch. Sie hatte eine zu kleine, nach innen gebogene Nase, auf deren freilich
sehr schmalem Rücken Sommersprossen saßen. Ihre gelbbraunen Augen lagen zu nahe beieinander und
zuckten, wenn sie einen ansah. Die Lippen waren zu schmal, das ganze Gesicht war zu schmal. ‚Wenn sie
nicht zu viel braunrotes Haar über der Stirn hätte und dazu den weißen Teint ...‘
 „Junge, dass de mir nischt verschüttest! Was entziehst de mir überhaupt mein‘ Läbensunterhalt! Das ist
`ne ganz gemeine, böswilliche Existenzenschädichung, und i kann dich glatt verklaachen!“
Interpretation
 „Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an
den Ohren litt“
 „Fürchterlicher als Gnom und Kröte war der Vater ...“
 „Leute! Da ihr mir untergeben seid …“
 „Einer ist hier der Herr, und das bin ich“
 „Unvergleichlich idealere Werte enthielt das Bier“
Hermann Hesse (1877-1962)
 „Unterm Rad“: I n h a l t „Unterm Rad“ – 1906
Textauszug
„So ist’s gut, so ist’s recht, mein Lieber. Nur nicht matt werden, sonst kommt man unters Rad. „
(Gespräch zwischen Hans und Ephorus – S 93/92)
„Es war etwas in ihm, etwas Wildes, Regelloses, Kulturloses, das musste erst zerbrochen werden, eine
gefährliche Flamme, die musste erst gelöscht und ausgetreten werden. Der Mensch, wie ihn die Natur
erschaffen, ist etwas Unberechenbares, Undurchsichtiges, Gefährliches. Er ist ein von unbekanntem
Berge herbrechender Strom und ist ein Urwald ohne Wege und Ordnung. Und wie ein Urwald gelichtet
und gereinigt und gewaltsam eingeschränkt werden muss, so muss die Schule den natürlichen
Menschen zerbrechen, besiegen und gewaltsam einschränken; ihre Aufgabe ist es, ihn nach
obrigkeitlicherseits gebilligten Grundsätzen zu einem nützlichen Gliede der Gesellschaft zu machen und
die Eigenschaften in ihm zu wecken, deren völlige Ausbildung alsdann die sorgfältige Zucht der Kaserne
krönend beendigt.“ S 46-47
 Franz Kafka – Das Schloß 1926 – Das Schloss (Niederschrift 1922; Romanfragment)
Es war spätabends, als K. ankam. Das Dorf lag in tiefem Schnee. Vom Schloßberg war nichts zu sehen,
Nebel und Finsternis umgaben ihn, auch nicht der schwächste Lichtschein deutete das große Schloß an.
Lange stand K. auf der Holzbrücke, die von der Landstraße zum Dorf führte, und blickte in die scheinbare
Leere empor. Dann ging er, ein Nachtlager suchen; im Wirtshaus war man noch wach, der Wirt hatte
zwar kein Zimmer zu vermieten, aber er wollte, von dem späten Gast äußerst überrascht und verwirrt, K.
in der Wirtsstube auf einem Strohsack schlafen lassen. K. war damit einverstanden. Einige Bauern waren
noch beim Bier, aber er wollte sich mit niemandem unterhalten, holte selbst den Strohsack vom
Dachboden und legte sich in der Nähe des Ofens hin. Warm war es, die Bauern waren still, ein wenig
prüfte er sie noch mit den müden Augen, dann schlief er ein.
Aber kurze Zeit darauf wurde er schon geweckt. Ein junger Mann, städtisch angezogen, mit
schauspielerhaftem Gesicht, die Augen schmal, die Augenbrauen stark, stand mit dem Wirt neben ihm.
Die Bauern waren auch noch da, einige hatten ihre Sessel herumgedreht, um besser zu sehen und zu
hören. Der junge Mensch entschuldigte sich sehr höflich, K. geweckt zu haben, stellte sich als Sohn des
Schloßkastellans vor und sagte dann: »Dieses Dorf ist Besitz des Schlosses, wer hier wohnt oder
übernachtet, wohnt oder übernachtet gewissermaßen im Schloß. Niemand darf das ohne gräfliche
Erlaubnis. Sie aber haben eine solche Erlaubnis nicht oder haben sie wenigstens nicht vorgezeigt.
Hugo von Hofmannsthal
Das Märchen der 672. Nacht
Inhalt
Ein junger, schöner, elternloser Kaufmannssohn zieht mit
vier ausgewählten Dienern auf seinen Landsitz. In einem
empfangenen Brief wird einer der Diener beschuldigt ein
„abscheuliches Verbrechen“ begangen zu haben.
Der Kaufmannssohn will den Dienern einmal die Arbeit ab-
nehmen, indem er sich um diese Angelegenheit kümmert
und zurück in die Stadt reist. Dort sieht er in den ver-
schiedensten Gegenständen und Menschen seine Diener
wieder und wird letztlich von einem Pferd in den Unterleib
getreten, so dass „er Galle, dann Blut“ erbrach und starb.

„Er fühlte sie (4 Diener) leben, stärker, eindringlicher, als er sich selbst leben fühlte. [...] Wie das Grauen
und die tödliche Bitterkeit eines furchtbaren, beim Erwachen vergessenen Traumes lag ihm die Schwere
ihres Lebens, von der sie selber nichts wußten, in den Gliedern.“
„Aber da keine Krankheit in ihm war, so war der Gedanke (an den Tod) nicht grauenhaft, eher hatte er
etwas Feierliches und Prunkendes ...“
„Er hasste seinen vorzeitigen Tod so sehr, dass er sein Leben hasste, weil es ihn dahin geführt hatte.“
ARTHUR SCHNITZLER (1862-1931)
Liebelei
Die Personen
 Hans Weiring (Violinspieler am Josefstädter Theater)
 Christine Weiring (seine Tochter)
 Mizi Schlager (Modistin)
 Katharina Binder (Frau eines Strumpfwirkers)
 Lina (ihre neunjährige Tochter)
 Fritz Lobheimer (junger Mann)
 Theodor Kaiser (junger Mann)
 Ein Herr (Ehemann der Geliebten)
Inhalt
Theodor, der mit Mizi liiert ist, hat seinem Freund - als Erholung von einer strapaziösen "Liebestragödie"
mit einer verheirateten Frau - eine unverbindliche "Liebelei" mit Christine Weiring verordnet.
Die vier Freunde verbringen gerade einen stimmungsvollen Abend, als der Gatte der ehemaligen
Geliebten erscheint und Fritz in einem Gespräch unter vier Augen zu einem Duell herausfordert. Am
darauf folgenden Tag gibt Fritz gegenüber Christine vor für kurze Zeit auf ein Gut zu verreisen. Christine
erfährt zwei Tage später von Theodor, dass Fritz im Duell für eine andere Frau getötet wurde und
bereits begraben ist. Voller Verzweiflung stürzt sich Christine aus dem Fenster.
Sprache und Stil

THEODOR: Kannst du nicht warten, bis wir alle trinken? … Also Kinder, bevor wir uns so feierlich
verbrüdern, wollen wir auf den glücklichen Zufall trinken, der der … und so weiter…
MIZI: Ja, ist schon gut!

LINA: Guten Tag, Fräul’n Mizi.
MIZI: Servus, kleiner Fratz!
CHRISTINE: Nein, es ist gar nicht schön, dass du mir nie was von dir erzählst… Schau, mich interessiert ja
alles, was dich angeht, ach ja… alles – ich möcht’ mehr von dir haben als die eine Stunde am Abend, die
wir manchmal beisammen sind. Dann bist du ja wieder fort, und ich weiß gar nichts… Da geht dann die
ganze Nacht vorüber und ein ganzer Tag mit den vielen Stunden – und nichts weiß ich. Darüber bin ich
oft so traurig.

CHRISTINE Was nicht geahnt? – Dass ich ihn geliebt habe?! -
Weiring zieht sie an sich
CHRISTINE sich von Weiring losmachend Führen Sie mich zu seinem Grab!
WEIRING Nein, nein –
MIZI Geh nicht hin, Christin’ –
THEODOR Christine… später… morgen… bis Sie ruhiger geworden sind –
CHRISTINE Morgen? – Wenn ich ruhiger sein werde?! – Und in einem Monat ganz getröstet, wie? – Und
in einem halben Jahr kann ich wieder lachen, was-?! Auflachend Und wann kommt denn der nächste
Liebhaber? ...
Reigen
Die Personen
 Die Dirne
 Der Soldat
 Das Stubenmädchen
 Der junge Herr
 Die junge Frau
 Der Ehegatte
 Das süße Mädl
 Der Dichter
 Der Schauspieler
 Der Graf
Inhalt
In zehn Dialogen gestaltet Schnitzler die Gespräche von Paaren vor und nach dem Geschlechtsakt. Jeder
Dialog beschreibt das Zusammentreffen von zwei Personen, die meist unterschiedlichen
Gesellschaftsschichten entstammen.
Immer in dem darauf folgenden Dialog wird jeweils ein Partner ausgetauscht, bis sich beim
Zusammentreffen der letzten mit der ersten Person der “Reigen” schließt
Die Epoche des Naturalismus (1880-1900)
Sprache und Stil
 Keine Namen
 Keine Beschreibungen der Personen
 Figuren reden im Dialekt und nach der Schrift
Soldat - Stubenmädchen Szene:
vor dem Geschlechtsakt:

STUBENMÄDCHEN: Aber mit der blonden mit dem schiefen Gesicht haben S’ doch mehr ’tanzt als mit
mir.
SOLDAT: Das ist eine alte Bekannte von einem meinigen Freund.
STUBENMÄDCHEN: Von dem Korporal mit dem auf’drehten Schnurrbart?
SOLDAT: Ah nein, das ist der Zivilist gewesen, wissen S’, der im Anfang am Tisch mit mir g’sessn ist, der
so heis’rig red’t.
STUBENMÄDCHEN: Ah, ich weiß schon. Das ist ein kecker Mensch.
SOLDAT: Hat er Ihnen was ’tan? Dem möchte’ ich’s zeigen! Was hat er Ihnen ’tan?

nach dem Geschlechtsakt:

STUBENMÄDCHEN: Ich hab’ halt ’dacht, Herr Franz, Sie werden mich z’ Haus führen.
SOLDAT: Z’ Haus führen? Ah!
STUBENMÄDCHEN: Gehn S’, es ist so traurig, allein z’ Haus gehen.

SOLDAT: Ja, ja, ist schon gut. Aber tanzen werd’ ich doch noch dürfen.

STUBENMÄDCHEN: Ja, ich werd’ warten.
SODAT: Wissen S’, Fräul’n Marie, ein Glas Bier lassen’s Ihnen geben. Zu einer Blonden sich wendend, die
eben mit einem Burschen vorbeitanzt, sehr hochdeutsch Mein Fräulein, darf ich bitten?-
Traumnovelle (1907)
Sprache und Stil
 Die Menschen, die dort zurückgeblieben waren, die lebendigen gerade so wie der Tote, waren ihm in
gleicher Weise gespensterhaft unwirklich. Er selbst erschien sich wie entronnen; nicht so sehr einem
Erlebnis als vielmehr einem schwermütigen Zauber, der keine Macht über ihn gewinnen sollte. Als
einzige Nachwirkung empfand er eine merkwürdige Unlust, sich nach Hause zu begeben…)
 fragte er zweifelnd und hoffnungsvoll zugleich: „Was sollen wir tun, Albertine?“ Sie lächelte, und nach
kurzem Zögern erwiderte Sie: „Dem Schicksal dankbar sein, glaube ich, dass wir aus allen Abenteuern
heil davongekommen sind – aus den wirklichen und aus den geträumten.“

a) das Programm
b) historischer Hintergrund
c) literarische Formen
d) Vertreter
e) Themen
f) verschiedene Werke
g) Kunst
h) Quellen der gesamten Ausarbeitung

a) das Programm
 möglichst getreue Wiedergabe der Natur, geprägt durch exakte Beschreibungen
 Naturwissenschaften als Grundlage
 Hang zum »Modernen« (beschrieben in den Kritischen Waffengängen (Hart))
 Gesellschaftskritik, Aufruf zu Humanität und Toleranz, Interesse am Sozialismus, aber mehr aus
Solidarität mit dem Proletariat und den verbotenen Parteien
b) historischer Hintergrund
 Deutsch-französischer Krieg 1870-71
 1871 - Gründung des deutschen Reiches in Versailles
 Wilhelm I. als erster Kaiser
 1873 - Weltwirtschaftkrise
 1878 - Bismarcks Sozialistengesetz
 1883-89 - Sozialgesetzgebung
 1888 - Drei-Kaiser Jahr
 Wilhelm I.
 Friedrich III.
 Wilhelm II.
historischer Hintergrund
 Industrialisierung
 Elend der Menschen
 Hunger
 Armut
 Vermassung in den Großstädten
 Schlechte Arbeitbedingungen
 Entstehung einer Arbeiterklasse
c) literarische Formen
 experimentelle Prosa, geprägt durch Dialekt und Alltagssprache, exakte Erfassung von Mienenspiel und
feinsten Bewegungen, Zeitdeckung, Sekundenstil
 ausführliche Regieanweisungen über Pausen, Sprechtempo, Lautstärke beim Drama
 Revolution der Lyrik (Holz)
 Objektivität
 Exakte Beschreibung
 Dialekt
 Zustände zeigen
 Formregeln unwichtig
Vertreter
 Arno Holz (1863-1929) und
 Johannes Schlaf (1862-1941)
 Papa Hamlet (1889)
 Die Familie Selicke (Drama, 1890)
 Gerhart Hauptmann (1862-1946)
 Dramen
Vor Sonnenaufgang (1889)
Die Weber (1892)
Der Biberpelz (1893)
Die Ratten (1911)
 Epik
Bahnwärter Thiel
("Novellistische Studie", 1888)
e) Themen
 Großstadtleben
 Hunger
 Kinder
 Armut
 Not und Elend
 Prostitution
 Alkoholsucht
Thomas Mann „Buddenbrooks“ (1901) - Buddenbrooks: Verfall einer Familie
Motive und Symbole
Das übergreifende Motiv des Romans bezeichnet der Untertitel „Verfall einer Familie“. Von Generation
zu Generation schwinden Tatkraft, Unternehmensgeist und Gesundheit. Dem ökonomischen Niedergang
der Firma Buddenbrook geht der Verlust von Vitalität und naiver Selbstsicherheit der Familienmitglieder
voraus.
Die Einheit, ja gleichsam Synonymität von Familie und Firma ist verankert in der Identität von Wohn-
und Geschäftshaus. Erst Thomas Buddenbrook bricht mit dieser paradigmatischen Tradition von
„wirtschaftlichem Unterbau und kulturellem Überbau.“ Gleichwohl bleibt das Haus in der Mengstraße,
Zentrum der Familie.
Die ideelle Bedeutung des Hauses für die Mitglieder der Familie Buddenbrook imitiert den Stellenwert
fürstlich-dynastischer Stammsitze für den Hochadel, wie ja auch die ständige Rückbesinnung auf die
Reihe der Vorfahren einen adligen Stammbaum ersetzen soll.
Das Leben ist ein bevorzugtes Thema von Tony Buddenbrook. Ihre Behauptung, sie kenne „das Leben“,
widerlegt sie selbst durch ihre fehlgeschlagenen Ehen und mit einem geschäftlichen Ratschlag, der für
die Firma katastrophale Folgen hat: der spekulative Kauf des Pöppenrader Getreides vor Einbringung der
Ernte.

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