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Das Sinterverhalten von Form- mitsand, Zirkonsand. Auf Grund der techni-
schen Verwendung dieser Mineralsande wer-
den sie auch den Industriemineralen zuge-

grundstoffen im Temperatur- rechnet, die in vielfältiger Weise für die Guss-


herstellung eingesetzt werden.

bereich von 1100°C bis 1740°C Für die Formen- und Kernherstellung wer-
den heute Mineralsande verwendet, die aus
natürlichen Vorkommen gewonnen werden:

– Untersuchungen im Rohrofen –– Endprodukte verschiedener geologi-


scher Verwitterungsprozesse (Quarzsand,

und Erhitzungsmikroskop Quarz-Feldspatsand, Zirkonsand, Rutil-


sand);
–– Erze, aufbereitet (Chromerz);
The sintering behaviour of basic moulding materials in –– Gesteine, aufbereitet (Andalusitsand, Oli-
vinsand), oder Feuerfestmaterialien, die
the temperature range 1100°C up to 1740°C – in der keramischen Industrie hergestellt
Examinations in a tubular furnace and a hot stage microscope werden; keramisch hergestelltes Feu-
erfestmaterial, aufbereitet (Schamotte,
Formgrundstoffe bilden als Füllstoff den Hauptbestandteil von Formstoffen für die Herstellung Naigai Cerabeads®);
von Formen und Kernen für die Gussteilherstellung. Aufbereitete natürliche und technisch –– schmelztechnisch hergestellte und aufbe-
hergestellte Mineralsande bilden diese Formgrundstoffe. Zur Gewährleistung einer hohen reitete Materialien (Mullitsand, Schmelz-
Oberflächenqualität der Gussteile werden an Formgrundstoffe hohe Anforderungen bezüglich bauxitsand, Normalkorundsand, Edelko-
ihrer physikalischen und chemischen Eigenschaften gestellt. Insbesondere muss die Feuer- rundsand).
festigkeit der Formgrundstoffe die thermische Beständigkeit der Form und des Kernes wäh- In Tabelle 1 sind die Formgrundstoffe zusam-
rend des Abgusses gewährleisten. Dreizehn nach DIN 51063 feuerfeste und hochfeuerfeste mengefasst, die sowohl für die Formen- als
Formgrundstoffe wurden im Rohrofen von 1100°C bis 1550°C und im Erhitzungsmikroskop bis auch für die Kernherstellung verwendet wer-
1740°C untersucht. Ausgehend von der Bestimmung des Sinterbeginns nach VDG-Merkblatt den.
P 026 wurden die Verfestigung und die Veränderungen des Aussehens der Formgrundstoff-
partikel mit steigender Temperatur dokumentiert und bewertet. Anforderungen an
The basic moulding materials are the main component in the process of manufacturing cores Formgrundstoffe
and moulds for the production of metal castings. These basic moulding materials are processed Aus gießereitechnischer Sicht sollen Form-
natural and technical mineral sands. To guarantee a high surface quality of the castings, the grundstoffe folgende wesentliche Eigenschaf-
basic moulding materials need to meet the high demands made on their physical and chemical ten aufweisen:
properties. In particular, the refractoriness of the basic moulding materials in mould and cores –– Kornverteilung, Kornform, Kornoberflä-
needs to resist the thermal stresses arising during the casting process. Thirteen according to che, Korngefüge gemäß VDG-Merkblatt
DIN 51063 refractory and high refractory basic moulding materials have been examined in P 027 („Prüfung von Formgrundstoffen.
relation to their sintering behavior in a tubular furnace at temperatures between 1100°C and Bestimmung der granulometrischen Kenn-
1550°C, and in the hot stage microscope up to 1740°C. Derived from the determination method werte.“);
according to VDG-Merkblatt P 026 (German foundry man’s association explanatory note P 026) –– Feuerfest bis hochfeuerfest;
for the examination of the start of sintering, the solidification and the change in the appearance –– Chemische Resistenz gegenüber den
of the basic moulding material particles at increasing temperatures have been documented and Gießmetallen;
evaluated. –– Chemische Verträglichkeit mit den Binde-
mitteln;
–– Geringe thermische Ausdehnung;
Formgrundstoffe mit einer Korngröße von 0,063 bis 2,00 mm Wärmeleitfähigkeit niedrig bzw. hoch.
zusammensetzt. Die DIN 4022 (Baugrund Die deutsche Gießerei-Industrie verwen-
Der Begriff „Formgrundstoffe“ wird im VDG- und Grundwasser) regelt die für Deutsch- det seit Mitte des 20. Jahrhunderts spezi-
Merkblatt R 201 „Gießerei-Formstoffe. land gültige Bezeichnung und Beschreibung ell für die Anforderungen der Formen- und
Begriffe“ wie folgt definiert: für Boden und Fels. Die Norm gliedert Böden Kernherstellung aufbereiteten Quarzsand.
„Formgrundstoff ist Sand, der als Füllstoff nach Korngrößenbereichen und Kornanteilen, Quarzsand ist in Deutschland dank zahlrei-
den Hauptbestandteil des Formstoffes bildet. der Korngrößenbereich 0,063 bis 0,20 mm cher Vorkommen ausreichend vorhanden
Formgrundstoffe haben in der Regel keine wird als „Feinsand“ bezeichnet. und wird für alle Formverfahren gebraucht,
Bindemittelfunktion. Sand ist ein Kollektiv Sand (Quarzsand) zählt zu den nicht-
von Körnern, vorwiegend in der Kornklasse bindigen Böden und stellt einen bedeuten-
0,063 bis 1,50 mm.“ den Rohstoff für das Bauwesen, die Glas- und Autor:
Unter geologischen Gesichtspunkten ver- die Gießerei-Industrie dar. Dipl.-Min. Ulrich Recknagel
steht man nach [1] unter „Sand“ ein natürlich Eine mineralogische Zusatzbezeichnung Beratung für Gießereiformstoffe, Zwickau
vorkommendes, unverfestigtes Sedimentge- zum Korngrößenbegriff „Sand“ führt zur stoff- E-Mail: Recknagel-zwickau@t-online.de
stein, das sich aus einzelnen Sandkörnern lichen Kennzeichnung, wie Quarzsand, Chro-

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Tabelle 1: Formgrundstoffe
Mineral Chemismus Materialart Herkunftsland
Quarz SiO2 Natürlicher Mineralsand, Deutschland
aufbereitet
Quarz-Feldspat SiO2 + KAlSi3O8 Natürlicher Mineralsand, Schweden
aufbereitet
Andalusit Al2[O |SiO4] Natürliches Mineral, aufbereitet Frankreich
Olivin (Mg,Fe)2[SiO4] Natürliches Mineral, aufbereitet Norwegen
Bild 1: Segerkegel beim Erreichen
Chromit (Fe,Mg)Cr2O4 Natürliches Erz, aufbereitet Südafrika des Kegelfallpunktes
Zirkon Zr[SiO4] Natürliches Mineral, aufbereitet Australien
Rutil TiO2 Natürliches Mineral, aufbereitet Australien
Schamotte Al2O3 · SiO2 Sinterkeramik, aufbereitet Frankreich Dieser Kegelfallpunkt nach Seger ist erreicht,
Naigai Cerabeads ®
Al2O3 · SiO2 Sprüh-Sinterkeramik, aufbereitet Japan sobald die Spitze des Segerkegels beim Erhit-
Mullitsand Al2O3 · SiO2 Oxidkeramik, aufbereitet Deutschland zen im Bereich der Fallpunkttemperatur sich
über die kurze Kante neigend die Unterlage
Schmelzbauxit Al2O3 (> 80 %) Oxidkeramik, aufbereitet China
berührt (siehe Bild 1).
Normalkorund Al2O3 (96 %) Oxidkeramik, aufbereitet Italien Zur Bestimmung des Kegelfallpunktes
Korund (Edelkorund) Al2O3 (99,5 %) Oxidkeramik, aufbereitet Deutschland eines Rohstoffes wird dieser auf eine Korn-
größe <0,20  mm zerkleinert und mit einem
aschefreien Bindemittel ein Probekörper in
die auf der Verwendung von Formgrundstof- maligen Abguss widerstehen, werden aber Form und Abmessung eines kleinen Segerke-
fen beruhen. Hinsichtlich der chemischen infolge der Regenerierung ständig wiederver- gels geformt. Referenzbrennkegel nach Seger
Resistenz gegenüber den Gießmetallen und wendet. Als Formgrundstoffe können deshalb mit gut bekanntem Kegelfallpunkt in Tempe-
des thermischen Ausdehnungsverhalten nur feuerfeste bzw. hochfeuerfeste natürliche raturintervallen von 10 °C und mehr werden
erfüllt Quarzsand nicht die o. g. Anforderun- oder keramisch hergestellte Materialien ver- gemeinsam mit den zu bestimmenden Kegeln
gen, insbesondere durch die hohe Affinität wendet werden. aus dem Probematerial im gleichen Ofen auf-
von SiO2 zu den Eisenschmelzen und seiner Nach VDG-Merkblatt R 202 („Eigenschaf- geheizt, so dass eine vergleichende Tempe-
hohen thermischen Dehnung im Bereich von ten der Giesserei-Formstoffe. Begriffe.“) wird raturbestimmung für den Erweichungspunkt
200 °C – 800 °C. Im Nassgussverfahren wer- Feuerfestigkeit wie folgt definiert: des Formgrundstoffes auf 20 °C genau mög-
den diese negativen Eigenschaften durch die „Feuerfestigkeit kennzeichnet die Eigen- lich ist.
Verwendung von Bentonit und Wasser wei- schaft eines Stoffes, gegen hohe Temperatu- In Tabelle 2 sind die Kegelfall- und Refe-
testgehend kompensiert, während in Verbin- ren beständig zu sein. Ein Stoff ist feuerfest, renztemperaturen der Formgrundstoffe ent-
dung mit Kunstharzbindemitteln zusätzlich wenn sein Segerkegelfallpunkt, bestimmt halten.
Additive und Schlichten zur Vermeidung von nach DIN 51063, Teil 1, mindestens dem Werden Formgrundstoffe auf Temperatu-
Gussfehlern eingesetzt werden müssen. des kleinen SK 17 entspricht (ca. 1500 °C). ren von über 1100 °C aufgeheizt (lose Schüt-
Der Gießerei-Industrie werden deshalb Ein Stoff ist hochfeuerfest, wenn sein Seger- tung im Feuerfestschiffchen), beobachtet
Mineralsande zur Verfügung gestellt, die kegelfallpunkt mindestens dem des kleinen man in Abhängigkeit von der Feuerfestigkeit
unter der Bezeichnung „Spezialsande“ [2] SK 36 entspricht (ca. 1800 °C).“ des Formgrundstoffes eine fortschreitende
besondere Eigenschaften aufweisen, wie z. B. Verfestigung der ursprünglich losen Körner.
niedriges thermisches Ausdehnungsverhal- Dieser Vorgang wird umgangssprachlich
ten, niedrige bzw. hohe Wärmeleitfähigkeit,
Bestimmung der Feuerfestigkeit als „Sintern“ bezeichnet. Dieses Sintern von
geringe Affinität zu den Gießmetallen und
nach DIN 51063 Formgrundstoffen unter Temperatureinwir-
Hochfeuerfestigkeit. Feuerfeste keramische Erzeugnisse zei- kung kann beim Abguss zur begrenzten bis
gen wegen der Heterogenität ihrer Zusam- flächenhaften Verfestigung von Formstoff-
mensetzung und Struktur keinen einheitli- partien in gussteilnahen Bereichen der Form
Feuerfestigkeit chen Schmelzpunkt, sie schmelzen inner- oder des Kerns führen, wodurch erheblicher
der Formgrundstoffe halb eines Temperaturbereiches. Anstelle Nacharbeitsaufwand verursacht wird.
Formgrundstoffe bilden als körniges Feuer- des Schmelzpunktes wird deshalb ein beim Das Sinterverhalten von Formgrundstof-
festmaterial mit gießereiüblichen organi- Erweichen eindeutig aus diesem Tempera- fen wurde ausgehend von Erkenntnissen der
schen (Kunstharze) bzw. anorganischen Bin- turbereich feststellbarer Punkt als Kegelfall- keramischen Industrie mittels Rohrofen und
demitteln (Bentonit, Zement, Wasserglas) punkt nach Seger bestimmt. Der Kegelfall- Erhitzungsmikroskop im Temperaturbereich
den Formstoff, der zur Herstellung von For- punkt nach Seger wird aus pyramidenförmi- von 1100 °C bis 1740 °C untersucht. In der
men und Kernen zur Fertigung eines Guss- gen Probekörpern, die in Form und Abmes- keramischen Industrie wird durch das Sin-
teiles benötigt wird. Die Gießtemperaturen sung dem kleinen Segerkegel entsprechen, tern der eigentliche keramische Werkstoff
betragen je nach Schmelztemperatur des im Vergleich zum Erweichungsverhalten klei- erzeugt; im Folgenden wird der Prozess des
zu vergießenden Metalls 700 °C  –  1650 °C. ner Segerkegel festgelegt. Zu seiner Kenn- Sinterns aus keramischer Sicht [4] kurz erläu-
Formgrundstoffe müssen i. d. R. einem ein- zeichnung dient der „Segerkegelfallpunkt“: tert.

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Tabelle 2: Kegelfallpunkt von Formgrundstoffen [3]


Formgrundstoff Kegelfalltemp. Referenztemp.
bei SK °C
Feuerfest
Quarz-Feldspatsand (J-Sand) 17 1500
Normalkorundsand 30 1680
Chromitsand 34 1760
Rutilsand 34 1760
Schamottesand (>42  % Al2O3) 35 1760
Hochfeuerfest
Quarzsand (H32) 36 1800
Naigai Cerabeads -Sand
®
36 1800
Schmelzbauxitsand 36 1800
Zirkonsand 36 1800
Bild 2: Materialtransportmechanismen beim Sintern [5]
Andalusitsand (Kerphalite KF) >36 >1830
Mullitsand (M-Sand) >36 >1830
Edelkorundsand >36 >1830

Sintern keramischer Stoffe –– Flüssigphasensintern, d. h. Sintern mit Poren nimmt auf Grund der Porenschrump-
(nach [4,5]) Flüssigphase. fung ab und es findet ein Kristallwachstum
Im Weiteren wird auf das Festphasensintern statt, so dass die einzelnen Partikel nicht
Sintern in der Keramik ist der Prozess, in eingegangen, da dieser Prozess für das Sin- mehr voneinander unterschieden werden
dem aus einer keramischen Pulvermischung tern von Formgrundstoffen zutrifft, wenn die können.
(die Additive, Feuchte sowie organische Bin- Pulverpartikel den Formgrundstoffkörnern
demittel enthalten) nach der Formgebung, gleichgesetzt werden.
Endstadium
Trocknung, dem Ausbrennen und Verglühen Beim Festphasensintern liegt die Sinter-
durch den Brand ohne unmittelbare chemi- temperatur unter dem Schmelzpunkt aller In diesem Bereich sintert der keramische
sche Reaktion ein mechanisch fester Körper am Prozess beteiligten Phasen. Die Sinte- Körper dicht, das Kornwachstum kommt bei
entsteht. Der Brand ermöglicht das Sintern rung kann nur auf Grund von Diffussionspro- einer bestimmten Endkorngröße zum Still-
und lässt somit erst den eigentlichen kera- zessen, Verdampfungs- und Kondensations- stand.
mischen Werkstoff entstehen. Außer einer mechanismen erfolgen. Sintern ist ein kon-
Schwindung tritt keine Formveränderung tinuierlicher Prozess, bei dem sich die Mik-
auf. Die Vorgänge beim Sintern keramischer rostruktur des sinternden Materials verän-
Untersuchung des Sinter-
Körper sind sehr komplex und laufen je nach dert. Zur Beschreibung des Sinterns wird der
verhaltens von Formgrundstoffen
Reinheit, Korngröße, Packungsdichte und Prozess in drei Stadien eingeteilt und jedes Unter dem Sintern von Formgrundstoffen
Brenntemperatur unterschiedlich schnell ab. Stadium mit einem idealen geometrischen versteht man gießereitechnisch gesehen die
Oxidkeramische Produkte mit hohem Rein- Modell (Kugelmodell), welches die momen- thermisch bedingte Verfestigung von losen,
heitsgrad sintern durch Festkörperreaktio- tane Mikrostruktur des Gefüges darstellen ungebundenen Formgrundstoffpartikeln
nen und benötigen dabei höhere Sintertem- soll, beschrieben. während der Prüfung des Sinterverhaltens,
peraturen als feldspathaltige Massen. Trei- bzw. die thermische Verfestigung der gebun-
bende Kraft für das Sintern ist das Bestre- denen Formgrundstoffpartikel im Formstoff
Anfangsstadium
ben jedes Systems, den Zustand geringster während des Gieß- und Erstarrungsvorgan-
freier Enthalpie einzunehmen, indem durch In diesem Sinterbereich besteht eine offene ges. Im Gegensatz zur Keramik steht bei der
Kornwachstum und Porenschrumpfung die Porosität und die Partikel können sich umord- Gussteilherstellung die Vermeidung des Sin-
Oberflächen- und Grenzflächenenergie redu- nen. An den Berührungsstellen bilden sich terns von Formgrundstoffen während des
ziert wird. Pulver zeichnen sich besonders Materialbrücken aus und die Poren runden Gießvorganges und der Erstarrungszeit des
durch eine große Oberfläche und damit ver- sich ab, Materialtransportmechanismen kön- Gussteiles im Vordergrund. Die Kenntnisse
bunden hoher Oberflächenenergie aus. Beim nen entweder mit oder ohne Schwindung der Abläufe beim Sintern von keramischen
Sintern verringern sich die Oberflächen- und ablaufen. Werkstoffen können aber auf das Sintern
die Grenzflächenenergie, wobei der Anteil der von Formgrundstoffpartikeln übertragen wer-
chemischen Bindung erhöht wird und eine den. Die Mechanismen, die beim Sintern im
Zwischenstadium
Verfestigung des Körpers eintritt. Anfangs- und Zwischenstadium beschrieben
Beim Sintern keramischer Körper unterschei- In diesem Bereich wachsen die Hälse und die werden, treffen auch auf die thermische Ver-
det man zwei Prozessabläufe: Partikelkörner nähern sich an. Die Geometrie festigung von Formgrundstoffpartikel zu.
–– Festphasensintern, d.  h. Sintern ohne des Materials ändert sich und benachbarte Als Formgrundstoffe werden feuerfeste
Flüssigphase; Hälse gehen ineinander über. Die Zahl der und hochfeuerfeste Materialien (siehe Ta-

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belle  1) verwendet, deren Schmelzpunkte Tabelle 3: Sinterbeginn von Formgrund- Sinterbeginn bei Verwendung von hoch-
über der Schmelztemperatur des Gießme- stoffen [3] – Messungen: Gießerei-Institut schmelzendem Gießmetall ist Chromitsand
talles liegen. Während des Abgusses und der TU Bergakademie Freiberg mit einem Sinterbeginn nach VDG P 026 von
der sich anschließenden Gussteilerstarrung 950 °C, der als Anlege-Formgrundstoff für
kommt es zur thermischen Belastung des Formgrundstoff Sinterbeginn das Gießen von Stahlguss verwendet wird.
Formgrundstoffes, begleitet vom thermischen (handelsüblich) VDG P 026 Dagegen weist Quarzsand mit 1550 °C den
Zerfall des Bindemittels und ggf. von Metall- °C höchsten Sinterbeginn auf, neigt aber stark
Formstoffreaktionen. Idealerweise sollte wäh- Normalkorundsand 900 zur Versinterung bei Verwendung bei der Ver-
rend dieses Zeitraumes keine thermische Ver- Chromitsand 950 wendung als Formgrundstoff für Stahlguss.
festigung des Formgrundstoffes erfolgen. Quarz-Feldspatsand weist mit 1150 °C eine
Andalusitsand 1050
Das Sintern eines Formgrundstoffes mittlere Temperatur für den Sinterbeginn
(Kerphalite KF)
erfolgt je nach seiner Beschaffenheit über auf, ist aber nur für dünnwandige Gussteile
ein unterschiedlich großes Sinterintervall. Schmelzbauxitsand 1100 bis 1450 °C Gießtemperatur einsetzbar. Für
Sinterbeginn, d. h. der Beginn der Verfesti- Schamotte-Sand 1100 die Bestimmung des Sinterverhaltens ober-
gung der bei Raumtemperatur losen Partikel (>42  % Al2O3) halb der Temperatur für den Sinterbeginn von
und der Erweichungspunkt, also der Über- Quarz-Feldspatsand Formstoffen wurden die Untersuchungen im
gang zum Fließ- bzw. Schmelzbeginn, lassen Rohrofen und im Erhitzungsmikroskop her-
sich mit folgenden Untersuchungsmethoden (J-Sand) 1150 angezogen, die eine visuelle Darstellung des
bestimmen: Naigai Cerabeads ®
1250 Sinterverhaltens ermöglichen.
–– Bestimmung des Sinterbeginns nach VDG- Zirkonsand 1250
Merkblatt P 026 bis 1550 °C;
–– Bestimmung des Sinterverhaltens bis
Mullitsand (M-Sand) 1250 Sinterverhalten von Formgrund-
1550 °C im Rohrofen; Rutilsand 1350 stoffen im Rohrofen
–– Bestimmung des Sinterverhaltens bis Edelkorund 1450
von 1100 °C bis 1550 °C
1740 °C mit dem Erhitzungsmikroskop. Quarzsand (H32) 1550 Für die Ermittlung des Sinterverhaltens von
Formgrundstoffen im Rohrofen von 1100 °C
bis 1550 °C wurde die Schiffchenmethode
Bestimmung des Sinterbeginns wiederholt, bis der Sinterbeginn erreicht ist. nach VDG-Merkblatt P 026 vom Verfasser
nach VDG-Merkblatt P 026 Das ist der Fall, wenn beim Wenden des abge- variiert.
In VDG-Merkblatt P 026 „Prüfung von Form- kühlten Schiffchens mehr als zwei Drittel des Ein mit dem zu untersuchenden Form-
grundstoffen“ wird wie folgt ausgeführt: „Das Inhalts haften bleiben. Zur Bestätigung des grundstoff gefülltes hochfeuerfestes Alsint-
Sinterverhalten eines Formgrundstoffes gibt Sinterbeginns muss nachgewiesen werden, Schiffchen wurde ab 1100 °C im aufgeheizten
Auskunft darüber, ob er niedrigschmelzende dass die Probe bei der nächsthöheren Tempe- Rohrofen 5 Minuten nach Wiedererreichen
Bestandteile enthält, die zu einer Verklebung raturstufe eine deutliche Verfestigung zeigt. der gewählten Temperaturstufe ausgesetzt,
der einzelnen Sandkörner führen. Durch das Die Temperatur des Sinterbeginns wird in °C danach entnommen und auf Raumtempera-
Verkleben mehrerer Körner beim Erhitzen ent- angegeben.“ tur abgekühlt. Pro 100 °C-Temperaturstufe
stehen Konglomerate (Sekundärkörner), die Ziel dieser Vorschrift ist die Ermittlung von 1100 °C bis 1500 °C und für 1550 °C
auch beim Sieben erhalten bleiben. niedrigschmelzender Bestandteile im ange- wurde jeweils ein neues Schiffchen (sechs
Zur Kennzeichnung des Sinterbeginns lieferten Quarzsand, d. h. die Feststellung, Schiffchen) mit Formgrundstoff untersucht.
werden die Verklebungen der einzelnen ob eine Verunreinigung vorliegt – Gießerei- Die Verfestigung der Proben infolge des
Quarzsandkörner bei Temperatureinwirkung quarzsande werden heute mit einem SiO2- Sintervorganges wurde mittels des gefühlten
und das danach veränderte Fließverhalten Gehalt von >99,00  % angeliefert, so dass Widerstandes einer von Hand in den Prüfkör-
der Probe benutzt.“ Von den beiden aufge- niedrigschmelzende Bestandteile weitestge- per eindringenden Metallspitze nach folgen-
führten Prüfmethoden, der „Tiegelmethode“ hend ausgeschlossen sind. Somit wird mit den Kriterien bewertet:
und der „Schiffchenmethode“, wird hier nur der Schiffchenmethode der Sinterbeginn des –– Keine Veränderung: Formgrundstoff ver-
auf letztere eingegangen. eigentlichen Formgrundstoffes ermittelt. Der bleibt im Ausgangszustand.
Die Durchführung der Schiffchenmethode maximal messbare Sinterbeginn wird durch –– Sinterbeginn: Verkleben oberflächen-
wird wie folgt beschrieben: „Ein Porzellan- die Maximaltemperatur des verwendeten naher Formgrundstoffpartikel.
schiffchen wird in seiner halben Länge mit der Ofens bestimmt und liegt i. d. R. bei 1550 °C; –– Aufblähen: Entweichen von Gasen aus
nach VDG-Merkblatt P 025 gewonnenen und wird bis zu dieser Temperatur kein Sinterbe- dem sich verdichtenden Formgrundstoff.
getrockneten Probe randvoll gefüllt und in ginn festgestellt, wird der Sinterbeginn mit –– Festsintern: Verfestigen der Oberfläche
einen auf Prüftemperatur vorgeheizten Ofen >1550 °C angegeben. des Probekörpers.
so eingesetzt, dass die Probe vollständig der In Tabelle 3 sind die Temperaturen für den –– Dichtsintern: Verdichten des gesamten
Prüftemperatur ausgesetzt ist. Nach einer Sinterbeginn nach VDG-Merkblatt P 026 auf- Probekörpers.
Verweilzeit von 5 Minuten nach Wiedererrei- steigend angegeben. An der bei 1550 °C gesinterten Probe wurde
chen dieser Prüftemperatur wird das Schiff- Mit der Bestimmung des Sinterbeginns nach dem Abkühlen durch Umdrehen des
chen entnommen und auf Raumtemperatur lassen sich keine Rückschlüsse auf das Sin- Schiffchens der Verfestigungszustand der
abgekühlt. Dieses Vorgehen wird bei 1250 °C terverhalten des Formgrundstoffes bei Tem- Formgrundstoffpartikel bewertet:
begonnen und bei Temperaturabstufung von peraturen oberhalb des Sinterbeginns zie- –– Lose: Die Probe liegt im Originalzustand
50  K jeweils an einer neuen Probe so lange hen. Typisches Beispiel für einen niedrigen vor.

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Bild 3: verbleibt nach dem Umdrehen als fester Kör-


Hochtemperatur- per im Schiffchen.
Rohrofen
1600 °C [6]
4. Olivinsand (Bild 7)
Der Sintervorgang von Olivin (Mg,Fe)2[SiO4]
ist mit einer deutlichen Farbveränderung
von grün bei Raumtemperatur über rotbraun
ab 1300 °C zu schwarz ab 1500 °C verbun-
den. Diese Farbveränderung wird nach [9]
durch die Oxidation von FeO zu Fe2O3 ab
1300 °C und Bildung von Fe3O4 (Magnetit)
über 1500 °C verursacht, d. h. die Probe ist
ab 1500 °C magnetisch.
Die bei 1550 °C gesinterte Probe verbleibt
nach dem Umdrehen als verfestigter Körper
im Schiffchen.
–– Locker: Die Probe lässt sich leicht mit der geringen Gusswandstärken kommt es zu kei-
Metallspitze vereinzeln. ner thermischen Belastung oberhalb der Tem-
5. Schmelzbauxitsand (Bild 8)
–– Fest: Die Probe ist oberflächlich verfestigt. peratur für den Sinterbeginn.
–– Dicht: Die Probe ist komplett verfestigt Der Sintervorgang von Schmelzbauxitsand
und verbleibt im Schiffchen. ist mit einer Farbveränderung ab 1300 °C
2. Chromitsand (Bild 5)
Die jeweils sechs Schiffchen für die Tem- verbunden. Unter dem Mikroskop verlieren
peraturstufen 1100 °C, 1200 °C, 1300 °C, Das Sinterverhalten von Chromitsand ist die Körner ihre schwarze Farbe und werden
1400 °C, 1500 °C und 1550 °C wurden foto- gekennzeichnet von einem großen Sinterin- durchsichtig, ab 1550 °C sind sie trüb-grün-
grafiert. Die Untersuchung des Sinterverhal- tervall von 1100 °C bis über 1550 °C ohne lich. Die bei 1550 °C gesinterte Probe ver-
tens erfolgte im Hochtemperatur-Rohrofen wesentliche äußere Veränderung. bleibt nach dem Umdrehen im Schiffchen,
1600 °C RHT der Fa. Nabertherm GmbH am In [7] wird von flüssigen eisenhaltigen lässt sich aber mechanisch vereinzeln.
Gießerei-Institut der TU Bergakademie Frei- Ausschwitzungen ab 1300 °C auf den Chro-
berg. mitsandkörnern berichtet, die bis 1400 °C
6. Andalusitsand (Kerphalite KF)
deutlich zunehmen, ab 1500 °C sind Sinter-
brücken erkennbar. Diese Ausschwitzungen Das Sintern von Andalusitsand (Bild 9) erfolgt
1. Quarz-Feldspatsand (Bild 4)
werden das frühzeitige Sintern von Chrom- ab 1300 °C in einem relativ kleinen Tempera-
Quarz-Feldspatsand weist ein typisch kerami- mitsand verursachen. Die bei 1550 °C gesin- turintervall von 300 °C und führt bei 1550 °C
sches Sinterverhalten auf. Das Sintern erfolgt terte Probe verbleibt nach dem Umdrehen als zu einem dichtgesinterten Probekörper, der
ab 1150 °C, begleitet von einer Schwindung fester Körper im Schiffchen, lässt sich aber beim Umdrehen im Schiffchen verbleibt. Die
des Probekörpers ab 1200 °C, Aufblähen mechanisch vereinzeln. Farbveränderung ist auf die ab 1350 °C statt-
bei 1500 °C und Dichtsintern der Probe bei findende Umwandlung in Mullit zurückzufüh-
1550 °C. Die bei 1550 °C gesinterte Probe ren [10]
3. Normalkorundsand (Bild 6)
verbleibt nach dem Umdrehen als fester Kör-
per im Schiffchen. Quarz-Feldspatsand wird Der Normalkorund wechselt ab 1400 °C von
7. Schamottesand (>42 % Al2O3)
auf Grund seiner geringen thermischen Aus- braun in eine blaugraue Farbe. Die Farbverän-  
dehnung zur Vermeidung von Blattrippenfeh- derung wird auf die Umwandlung von Titan- Schamottesand (>42  % Al2O3) (Bild 10) zeigt
lern für vorgegossene Kanäle von Motorguss- suboxiden in Titandioxid ab 1400 °C zurück- bis 1300 °C keine Veränderung. Das Sin-
teilen in Gusseisen verwendet. Auf Grund der geführt [8]. Die bei 1550 °C gesinterte Probe tern beginnt bei 1400 °C kontinuierlich bis

1100 °C – Sinterbeginn
1150 °C – Sinterbeginn

1200 °C – Festsintern 1200 °C – Festsintern

1300 °C – Festsintern 1300 °C – Festsintern


mit Schwindung
1400 °C – Dichtsintern
1500 °C – Aufblähen
durch Entgasung 1500 °C – Dichtsintern

1550 °C – Dichtsintern 1550 °C – Dichtsintern

Bild 4: Sinterverhalten von Quarz-Feldspatsand Bild 5: Sinterverhalten von Chromitsand

9/2012 GIESSEREI-PRAXIS 353


D A S S I N T E R V E R H A LT E N V O N F O R M G R U N D S T O F F E N

1100 °C – Sinterbeginn
Raumtemperatur
1200 °C – Festsintern
1350 °C – Sinterbeginn
1300 °C – Festsintern
1400 °C – Festsintern
1400 °C – Festsintern
1500 °C – Dichtsintern
1500 °C – Dichtsintern
1550 °C – Dichtsintern
1550 °C – Dichtsintern

Bild 6: Sinterverhalten von Normalkorundsand Bild 7: Sinterverhalten von Olivinsand

1200 °C – Sinterbeginn Raumtemperatur

1100 °C –
1300 °C – Festsintern Keine Veränderung

1200 °C –
1400 °C – Festsintern Keine Veränderung

1300 °C – Sinterbeginn
1500 °C – Festsintern
1400 °C – Festsintern
1550 °C – Dichtsintern 1550 °C – Dichtsintern

Bild 8: Sinterverhalten von Schmelzbauxitsand Bild 9: Sinterverhalten von Andalusitsand

1200 °C –
1300 °C – Keine Veränderung
keine Veränderung
1300 °C – Sinterbeginn
1400 °C – Sinterbeginn
1400 °C – Festsintern
1500 °C – Festsintern 1500 °C – Festsintern

1550 °C – Dichtsintern 1550 °C – Dichtsintern

Bild 10: Sinterverhalten von Schamottesand (>42 % Al2O3) Bild 11: Sinterverhalten von Rutilsand

1300 °C – 1200 °C –
keine Veränderung Keine Veränderung

1400 °C – Sinterbeginn 1300 °C – Sinterbeginn

1500 °C – Festsintern 1400 °C – Festsintern

1550 °C – Festsintern 1500 °C – Festsintern

1550 °C – Festsintern
Bild 12: Sinterverhalten von Naigai Cerabeads®-Sand

Bild 13: Sinterverhalten von Mullitsand

354 9/2012 GIESSEREI-PRAXIS


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1200 °C – Raumtemperatur
Keine Veränderung
1100 °C –
1300 °C –
Keine Veränderung
Keine Veränderung

1400 °C – 1200 °C –
Keine Veränderung Keine Veränderung

1500 °C – Sinterbeginn 1300 °C – Sinterbeginn

1550 °C – Sinterbeginn 1400 °C – Sinterbeginn

1550 °C – Sinterbeginn
Bild 14: Sinterverhalten von Quarzsand (H32)

Bild 15: Sinterverhalten von Zirkonsand

1550 °C. Die bei 1550 °C gesinterte Probe 1100 °C –


verbleibt nach dem Umdrehen als fester Kör- Keine Veränderung
per im Schiffchen, lässt sich aber mechanisch 1200 °C –
vereinzeln. Die Farbveränderung ist auf die Keine Veränderung
ab 1350 °C stattfindende Bildung von Mullit
1300 °C –
und amorpher Phasen zurückzuführen [10].
Keine Veränderung
1400 °C –
8. Rutilsand (Bild 11) Keine Veränderung
Der Sintervorgang von Rutilsand führt bis zu Bild 16: 1550 °C –
1550 °C zu keiner farblichen Veränderung Sinterverhalten Keine Veränderung
des Sandes. Die bei 1550 °C gesinterte Probe von Edelkorund
verbleibt nach dem Umdrehen im Schiffchen,
lässt sich aber problemlos vereinzeln.
dung des Probekörpers nach dem Umdrehen 10. Mullitsand (M-Sand) (Bild 13)
aus dem Schiffchen heraus und lässt sich mit
9. Naigai Cerabeads -Sand (Bild 12)
®
leichtem Druck wieder vereinzeln; unter dem Der bei 1550 °C festgesinterte Mullitsand fällt
Der bei 1550  °C festgesinterte Naigai Mikroskop sind keine Veränderungen der nach dem Umdrehen des Schiffchens heraus,
Cerabeads®-Sand fällt infolge der Schwin- globularen Kornstruktur erkennbar. lässt sich problemlos wieder vereinzeln und
zeigt unter dem Mikroskop keine Verände-
rung der Kornstruktur.

Tabelle 4: Sinterverhalten von Formgrundstoffen im Rohrofen 1100 °C–1550 °C 11. Quarzsand (H32) (Bild 14)
Formgrundstoff Sinterbeginn °C Festsintern °C Dichtsintern °C Zustand bei Das Sintern von Quarzsand (H32) beginnt ab
1550 °C 1500 °C. Die bei 1550 °C oberflächlich gesin-
terte Probe fällt nach dem Umdrehen des
Quarz-Feldspat 1150 1200 1300 dicht
Schiffchens heraus, die verbackenen Körner
Chromit 1200 1200 1400 dicht lassen sich mechanisch vereinzeln.
Normalkorund 1100 1200 1550 dicht
Olivin 1350 1400 1550 dicht 12. Zirkonsand (Bild 15)
Schmelzbauxit 1300 1300 1550 dicht Zirkonsand zeigt bis 1550 °C nur oberfläch-
Andalusit 1300 1400 1550 dicht liches Versintern. Der bei 1550 °C gesinterte
Schamotte 1400 1500 1550 dicht Zirkonsand fällt nach dem Umdrehen des
Schiffchens als loser Sand heraus.
Rutilsand 1300 1400 1500 dicht
Naigai Cerabeads® 1400 1500 1550 fest
13. Edelkorund (Bild 16)
Mullit 1300 1400 > 1550 locker
Quarz 1500 > 1550 > 1550 locker Edelkorund zeigt bis 1550 °C keine Verände-
rung der ursprünglichen Kornstruktur, d. h.
Zirkon > 1550 > 1550 > 1550 lose
nach dem Umdrehen des Schiffchens liegt die
Edelkorund > 1550 > 1550 > 1550 lose Probe in der ursprünglichen losen Form vor.

9/2012 GIESSEREI-PRAXIS 355


D A S S I N T E R V E R H A LT E N V O N F O R M G R U N D S T O F F E N

Bild 17: Schema- Die Untersuchungsergebnisse des Sinterver-


tischer Aufbau eines haltens von Formgrundstoffen im Rohrofen
Erhitzungs- 1000 °C bis 1550 °C sind in Tabelle 4 nach
mikroskops [11] dem Sinterbeginn aufsteigend geordnet.
Im Rohrofen wird der Verlauf des Sinterns
ab dem Sinterbeginn bis 1550 °C visuell
erfassbar. Die untersuchten Formgrundstoffe
weisen ein deutliches Sinterintervall von
mehreren 100 °C auf. Der Verfestigungsgrad
bei der maximalen Behandlungstemperatur
von 1550 °C reicht von „dicht“ bis „lose“,
d. h. das Erweichungsende ist bei dieser
Temperaturstufe noch nicht erreicht. Die in
Tabelle 2 dargestellte Einteilung in „feuer-
Zylindrischer Presskörper von 3 mm Durchmesser feste“ und „hochfeuerfeste“ Formgrundstoffe
Ausgangsform wird mit dieser Untersuchungsmethode
und Höhe.
bestätigt. Die hochfeuerfesten Formgrund-
stoffe haben die höchsten Temperaturen für
Temperatur, bei der ein Zusammenkleben der den jeweiligen Sinterzustand und liegen nach
Formgrundstoffpartikel an ihren Grenzflächen 1550 °C in ihrer ursprünglichen Form vor.
Sinterpunkt
auftritt.

Erste Anzeichen des Erweichens (Veränderun-


Untersuchung des Sinter-
gen an der Oberfläche, Rundwerden der Kanten,
verhaltens von Formgrund-
Erweichungspunkt
Beginn des Blähens).
stoffen im Erhitzungsmikroskop
ab 1100 °C bis 1740 °C
Probekörper nimmt angenähert die Form einer Im Erhitzungsmikroskop kann das Sinter- und
Halbkugel an und ist halb so hoch wie seine Schmelzverhalten von Formgrundstoffen bis
Halbkugelpunkt 1740 °C untersucht werden.
Grundlinie.
Im Erhitzungsmikroskop werden Schatten-
bilder eines präparierten Probekörpers, der
in einem Rohrofen definiert aufgeheizt wird,
Probekörper ist auf ein Drittel der ursprünglichen im Durchlichtverfahren von einer Kamera auf-
Fließpunkt
Höhe auseinander geflossen. genommen (siehe Bild 17).
Damit lassen sich charakteristische Tem-
Bild 18: Stadien des Sinterns und Schmelzens im Erhitzungsmikroskop [12,13] peraturstufen für Sinterprozesse vom Erwei-
chungsbeginn über den Halbkugel- bis zum
Fließpunkt erfassen (DIN 51730 Prüfung
fester Brennstoffe, Bestimmung des Asche-
Schmelzverhaltens). Die Verformung der
Tabelle 6: Sinterverhalten der Formgrundstoffe im Rohrofen und im Erhitzungsmikroskop
Probe wird fotografisch dokumentiert und in
Formgrundstoff Sinterbeginn Zustand im Rohrofen Zustand im Erhitzungs- Bild 18 dargestellt.
im Rohrofen °C 1550 °C mikroskop 1740 °C Die Untersuchung des Sinter- und
Schmelzverhaltens von Formgrundstoffen im
Quarz-Feldspat 1150 dicht Fließende
Erhitzungsmikroskop wurde mit einem Leitz-
Olivin 1350 dicht Fließbeginn Erhitzungsmikroskop Ausstattung II A mit
Schmelzbauxit 1300 dicht Erweichungsbeginn 1750 °C-Ofen (Amberger Kaolinwerke Edu-
Rutil 1300 dicht Erweichungsbeginn ard Kick GmbH) durchgeführt. Für die Probe-
herstellung wird das körnige Formgrundstoff-
Andalusit 1300 dicht Erweichungsbeginn material auf eine Mahlung M 10 herunter-
Schamotte 1400 dicht Erweichungsbeginn gemahlen, anschließend getrocknet und mit
Naigai Cerabeads ®
1400 fest Erweichungsbeginn Methyl-Hydroäthylcellulose leicht angefeuch-
tet. Diese Probe wird in einer Schablone mit
Mullit 1300 locker Keine Veränderung
einem Presswerkzeug verdichtet. Die Probe
Normalkorund 1100 dicht Keine Veränderung wird im Ofen des Erhitzungsmikroskops auf
Chromit 1200 dicht Keine Veränderung eine Al2O3-Unterlage gesetzt und am Raster
Quarz 1500 locker Keine Veränderung ausgerichtet. Die Probe wird mit einer Heiz-
rate von ca. 10  K/min bis zur Endtemperatur
Zirkon >1550 lose Keine Veränderung
von 1740 °C aufgeheizt.
Edelkorund >1550 lose Keine Veränderung Aus Bild 19 sind für die Temperaturstufen

356 9/2012 GIESSEREI-PRAXIS


NEWS TECHNIK M ANAGEMENT M AGA ZIN SERVICE

1375 °C, 1440 °C, 1600 °C und 1740 °C die Ergebnisse der Untersuchungen im Rohrofen (z. B. Normalkorund, Andalusit, Schamotte),
Verformungen der untersuchten Formgrund- bestätigt. aber auch zu einer Reduzierung der Feuerfes-
stoffe ersichtlich. In Tabelle 6 ist das Sinterverhalten der tigkeit durch Ausscheidung niedrigschmel-
untersuchten Formgrundstoffe im Rohrofen zender Phasen (Olivin, Chromit) führen. Bei
und im Erhitzungsmikroskop zusammenge- Normalkorund führt der Sintervorgang ab
Auswertung der Untersuchungen fasst. 1400 °C zur Bildung von thermisch stabilem
im Erhitzungsmikroskop Titandioxid. Andalusit wandelt sich in den
Quarz-Feldspatsand weist ein für kerami- thermisch beständigeren Mullit um, während
sche Werkstoffe typisches Sinterverhalten
Auswirkung der Sintervorgänge es bei Schamotte zur Bildung von Mullit und
mit einem Halbkugelpunkt bei 1480 °C und
auf die Einsetzbarkeit amorpher Phase kommt.
einem Fließpunkt bei 1600 °C auf, was auf
von Formgrundstoffen Aus dem Chromitkorn diffundieren Fe-
den Feldspatgehalt zurückzuführen ist. Durch die Erhitzung von Formgrundstoffen Ionen an die Kornoberfläche, es kommt zur
Olivinsand ist bis 1600 °C relativ stabil, auf über 1100 °C bis 1740 °C werden Sinter- Bildung von niedrigschmelzenden Fe-Verbin-
der Fließpunkt für Olivin liegt bei 1740 °C. vorgänge ausgelöst, die auf Grund von Fest- dungen.
Alle weiteren untersuchten feuerfesten körperreaktionen zur Verfestigung der Form- Olivin, ein Mg-Fe-Silikat, zerfällt ab
und hochfeuerfesten Formgrundstoffe wei- grundstoffpartikel führen. Ebenso wie beim 1100 °C bis 1500 °C in Mg-Silikate und Mag-
sen bis 1740 °C nur Anzeichen eines Erwei- Sintern von keramischen pulverförmigen netit.
chungsverhaltens auf, d. h. der Erweichungs- Stoffen erfolgt eine Verfestigung bei oxidke- Keine strukturellen Veränderungen be-
punkt und der Fließpunkt liegen oberhalb ramischen Mineralsanden bei deutlich höhe- wirkt der Sintervorgang bei den Formgrund-
von 1740 °C. Schmelzbauxit, Rutil, Naigai ren Temperaturen als bei feldspathaltigem stoffen Quarz, Zirkon, Mullit, Naigai Cerabe-
Cerabeads®, Schamotte und Andalusit zei- Mineralsand. Durch den Sintervorgang wer- ads® und Edelkorund.
gen Anzeichen eines Erweichungspunktes. den Diffussionsprozesse und Zersetzungs- Die Verwendbarkeit von Formgrundstof-
Keine Veränderungen der Höhe der Probekör- prozesse innerhalb der Kornstruktur aus- fen wird neben den feuerfesten Eigenschaf-
per bei 1740 °C weisen die hochfeuerfesten gelöst, die zu Mineralneubildungen führen. ten auch durch die Neigung zu Metall-Form-
Formgrundstoffe Mullitsand, Normalkorund- Die Endprodukte dieser Vorgänge können zu stoffreaktionen und der Verträglichkeit mit
sand, Chromitsand, Quarzsand, Zirkonsand einer Verbesserung der Feuerfestigkeit durch den verschiedenen Gießereibindemitteln
und Edelkorundsand auf. Damit werden die Bildung höherer feuerfester Verbindungen bestimmt.
D A S S I N T E R V E R H A LT E N V O N F O R M G R U N D S T O F F E N

Formgrundstoff 1375 °C 1440 °C 1600 °C 1740 °C tigste Formgrundstoff für bentonit- und
kaltharzgebundene Formstoffe für Leicht-,
Quarz-
Schwermetall- und Eisenguss sein.
Feldspatsand
Für die Herstellung von Stahlgussteilen
(J-Sand)
wird Chromitsand der wichtigste Formgrund-
stoff für kaltharzgebundene Formstoffe blei-
Olivinsand ben. Mit der zukünftigen Entwicklung geeig-
neter anorganischer Bindemittel könnten
Schmelz- basische Formgrundstoffe wie Olivinsand,
bauxitsand Normalkorundsand und Edelkorundsand,
aber auch Schamottesand eine größere
Anwendung finden.
Rutilsand Die Spezialsande Zirkon, Rutil, Schmelz-
bauxit, Naigai Cerabeads® und Mullit wer-
den weiterhin vorrangig für thermisch hoch-
Naigai beanspruchte Kernformstoffe verwendet wer-
Cerabeads®-Sand den. ◂
Schamottesand
(Al2O3 > 42 %)
Dank
Der Autor dankt Prof. Dr.-Ing. habil. W. Tilch,
Andalusitsand Dr.-Ing. H. Polzin und Frau E. Hoyer vom Gie-
(Kerphalite KF) ßerei-Institut der TU Bergakademie Freiberg
für ihre Unterstützung.

Mullitsand (M-Sand) Literaturverzeichnis:


[1] Siever, R.: Sand: Ein Archiv der Erde, Verlag Spek-
trum der Wissenschaft, 1989
[2] Recknagel, U., M. Dahlmann: Giesserei-Praxis
Normalkorundsand 11/2010, S. 346/353
[3] Tilch, W. u. a.: Giesserei 08/2006, S. 12/24
[4] Salmang, H., H. Scholze: Keramik 7. Aufl. Sprin-
ger Verlag
Chromitsand [5] www.nonmet.mat.ethz.ch
[6] www.naberther.com
[7] Wojtas, H-J., J. Brotzki: Giessereiforschung 47
(1996) Nr. 4, S. 150/58
Quarzsand (H32) [8] www.treibacher-schleifmittel.at
[9] Koltermann, M.: Neues Jahrbuch Mineralogie,
MH, 1962, S.181/192
[10] VDG Taschenbuch 7: Feuerfeste Stoffe im Gieße-
reibetrieb, 1979, Gießerei-Verlag GmbH, Düssel-
Zirkonsand dorf
[11] Patschger, M.: www.uni-jena.de/Anleitung TA
[12] Amberger Kaolinwerke GmbH: Prospekt Kerami-
sche Rohstoffe
Edelkorundsand [13] www.tu-dresden.de/kraftstofftechnisches labor

Bild 19: Sinterverhalten der Formgrundstoffe im Erhitzungsmikroskop

Quarzsand gehört zu den hochfeuerfesten Olivin, Normalkorund und Edelkorund haben


Formgrundstoffen, weist aber eine deutliche einen pH-Wert >9 und können nur mit basi-
Affinität zu Eisenschmelzen bei hohen Tem- schen Bindemitteln (Wasserglas, Alphaset-
peraturen auf, so dass die Verwendung z. B. Harz, Zement, Bentonit) gebunden werden.
für Stahlguss nicht möglich ist. Quarzsand wird auch zukünftig der wich-

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