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Pavle Krstic, BA

Lernhilfe für die VO Formenlehre BA 1 bei Prof. Dr. Barbara Dobretsberger

FORMENLEHRE 1
Begriffe: Kompositionstechnik
⇒ Buch: Formen der Instrumentalmusik S. 30ff.
⇒ Verschiedene Arten der Wiederaufnahme des musikalischen Materials (Motivs, Themas,
…)

Arten der Wiederaufnahme:


1. ​Wiederholung​: in ​derselben​ ​Stimme​ und auf ​derselben Stufe​.

(Beispiel für ein Motiv = Wiederholung)


2. ​Sequenz​: in ​derselben Stimme​ auf einer ​anderen Stufe.​

3. ​Imitation​: in einer ​anderen Stimme​ auf ​derselben oder auf einer anderen Stufe​.

+ ​Ostinato​: Mehrmalige unveränderte Wiederholung eines Motivs oder Themas.

Veränderungen des Materials


⇒ Gelten für alle 3 Arten! (z.B. Sequenz in Umkehrung, Imitation in Umkehrung, variierte
Imitation in Umkehrung und Diminution etc…)

1. ​Variante​: Veränderung der Melodik, Rhythmik, Klangfarbe, Dynamik, Raum, …

2. Änderung der Bewegungsrichtung:


a) ​Umkehrung​: die Richtung der Intervalle wird verändert (aufwärts ⇔ abwärts).
b) ​Krebsgang​: gelesen von hinten nach vorne.

3. Änderung der Temporelation:


a) ​Augmentation​: Länge der Töne wird vergrößert (meistens verdoppelt).
b) ​Diminution​: Länge der Töne wird verkleinert (meistens halbiert).

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⇒ Ganz extravagante Mischungen sind möglich:

Variierte Imitation auf der Obersekunde in Umkehrung und Diminution

Technik der Abspaltung​: Isolierte Verwendung einzelner Motive, die zuvor im größeren
musikalischen Sinnzusammenhang vorgestellt werden (zB nur der zweite Takt eines
Zweitakters wird weitergeführt). Abspaltung ​ändert die Struktur​ (zB vom Viertakter zum
Zweitakter)!

Übung: Kompositionstechniken
⇒ Ein Notenausschnitt, wo man möglichst viele Kompositionstechniken erkennen soll.

1. Erkennen ob sich ein Motiv oder Thema irgendwo wiederholt


2. Bestimmen, welche Art der Wiederholung vorliegt (Wiederholung, Sequenz, Imitation)
3. Schauen ob die Wiederholung notengetreu ist, oder ob Veränderungen vorliegen. Wenn ja,
dann bestimmen welche Veränderungen zu sehen sind (Umkehrung, Krebsgang, …)

⇒ Wiederholen! Auch kleinere Motive aussuchen (wenn möglich).

1. Elemente homophoner Formen (Satz und Periode)


⇒ Buch: Formen der Instrumentalmusik S. 50ff.
⇒ Themenbildungsvarianten!

Satz​: nicht symmetrisch teilbar, kein “neuer Anfang” in der Mitte sondern Fortspinnung
⇒ Motivpräsentation – Wiederholung/Sequenz – Fortspinnung – Kadenz

Periode​: symmetrisch teilbar (klare Teilung in zwei), “neuer Anfang” beim 2. Teil
⇒ Vordersatz (VS) – Nachsatz (NS)

Tipp: Fortspinnung oder Nachsatz?


⇒ Fortspinnung: Weiterführung/Entwicklung, oft mit Abspaltung (=​Satz​)
⇒ Nachsatz: “neuer Anfang”, oft Gefühl der Wiederholung, keine Abspaltung! (=​Periode​)

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Tipp: Motiv/Sequenz oder Vordersatz/Nachsatz?


⇒ Größe: Motiv ist kürzer als Vordersatz und hat ​weniger musikalischen Materials​!
Motiv: 2 Takte, Vordersatz: 4 Takte ​ABER
Motiv kann auch 1 (langsames Tempo), 3, oder 4 (schnelles Tempo) Takte lang sein!
Vordersatz kann 2 (langsames Tempo), aber auch oft 8 oder mehr Takte lang sein!
⇒ Fortspinnung: Wenn danach eine Fortspinnung kommt = Motiv/Sequenz = ​Satz
(​Vorsicht!: ​Fortspinnung kann sehr lang sein!)

Erweiterungen
⇒ Hinzugefügte Takte, die die Struktur des Satzes oder der Periode erweitern.

Vorkadenzielle Erweiterung (vkE)​: Hinzugefügte Takte vor einer zufriedenstellenden


Kadenz. Im Satz meistens irgendwann nach dem Anfang der Fortspinnung (​Tipps zum
Erkennen​: neuer Verlauf des musikalischen Materials oder Pause oder merkwürdige Harmonie,
…). In der Periode meistens im Nachsatz (wo Nachsatz länger als Vordersatz ist).

Nachkadenzielle Erweiterung (nkE)​: Hinzugefügte Takte nach einer ordnungsgemäßen


zufriedenstellenden Kadenz des Satzes oder der Periode (meistens des NS). Hat oft die
Funktion einer Überleitung oder einer “Bestätigung” des Themas (harmonisch oder motivisch).

Satz
⇒ Motivpräsentation – Sequenz – Fortspinnung – Kadenz
⇒ Motiv und Sequenz jeweils 1 bis 4 Takte (siehe oben!)
⇒ Fortspinnung oft länger und oft mit Abspaltung
⇒ Kadenz: Halbschluss oder Ganzschluss

⇒ Bezeichnung “satzartig”: Motiv, Sequenz, Fortspinnung und Kadenz nicht klar abgrenzbar.

Periode
⇒ Vordersatz – Nachsatz
⇒ Nachsatz: “neuer Anfang”, oft Gefühl der Wiederholung, keine Abspaltung!
⇒ Vorsicht!: Nachsatz kann eine Variante des Vordersatzes sein (oft stark variiert!).
⇒ Variation ​≠​ Fortspinnung​ weil sich die Struktur durch Variation nicht ändert!
⇒ Konstruktion der Periode (​Anfänge​ vom VS und NS schauen!):
a) Parallelkonstruktion: gleiche Motivik, gleiche Stufe (zB. VS: I, NS: I)
b) Sequenzkonstruktion: gleiche Motivik, andere Stufe (zB. VS: I, NS: III)
c) Kontrastkonstruktion: keine gleiche Motivik aber trotzdem klare periodische Teilung

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Besonderheiten und Sonderformen der Periode


⇒ Bei größeren Perioden (erste Hälfte von 8 oder mehr Takten, im langsamen Tempo auch 4)
kommt meistens eine von zwei Erscheinungen zustande:

1. Die beiden Hälften (VS und NS) sind als Sätze (oder satzartig) gebaut.

2. Die beiden Hälften (VS und NS) können nochmal in zwei weitere Hälften unterteilt werden.
⇒ ​Vierteilige oder doppelte Periode​ (VS – NS – VS’ – NS’)

⇒ ​Vierteilige Periode​ hat einen Halbschluss (V) und ​doppelte Periode​ hat einen Ganzschluss
(I) nach dem ersten Nachsatz (Ende der ersten Hälfte!)

Sonderform: ​Dreiteilige Periode


⇒ VS – NS – NS’
⇒ Sieht oft wie ein Satz aus! Unterschied: klare, ​strukturell identische​ Wiederholung von
einem Teil, der nicht am Anfang beginnt! Nur dann kann das periodische Merkmal
“überwiegen”. Dann: VS – NS zeigen Kontrastkonstruktion auf!

⇒ Andere Möglichkeit: Drei motivisch gleiche periodische Abschnitte.

Übung: Satz oder Periode?


1. Erkennen ob das Beispiel ein Satz oder eine Periode ist (gibt es einen “neuen Anfang”?)
⇒ Sonderfall: zwei strukturell identische Teile, aber nicht von T. 1 ⇒ ​dreiteilige Periode
2. Die Bestandteile (Motiv, Sequenz, …) kennzeichnen + Konstruktion der Periode!
⇒ Bei einer großen Periode die Hälften weiter schauen! (VS=Satz, NS=Satz oder nochmals
teilbar: VS NS VS’ NS’ ⇒ ​vierteilige​ ​oder​ ​doppelte​ Periode /// ​wieder kleinere Bestandteile
kennzeichnen​!)
3. Kontrollieren, ob vkE ​und/oder​ nkE möglich sind (Takte die man “nicht erwartet”).

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2. Liedformen
⇒ Buch: Formen der Instrumentalmusik S. 71ff.
⇒ Bestehen aus verschiedenen Abschnitten, die Kontrast oder Wiederholung darstellen.
Dementsprechend werden Buchstaben eingesetzt.
⇒ ​Strich (‘)​ bedeutet, dass etwas verändert wurde. a’ ist ein a-Abschnitt, der nicht identisch
wie a ist. a’’ ist auch ein a-Abschnitt, der aber nicht identisch wie a ODER a’ ist. Etc.
⇒ ​Überleitung​: Übergang von einem Abschnitt zu einem anderen (überall möglich!). Soll den
nächsten Abschnitt vorbereiten.
⇒ ​Coda​: Am Ende immer möglich, um besseren Schluss zu schaffen. Kommt meistens nach
einer Ganzschluss-Kadenz. Enthält oft Orgelpunkt/Ostinato (liegende oder wiederholte Töne).

Kleine Liedformen
⇒ Einteilige, zweiteilige oder dreiteilige + Sonderformen
⇒ Drei Erscheinungsformen: ohne Wiederholung, mit Wiederholungszeichen, mit
ausgeschriebenen Wiederholungen. Ausgeschriebene Wiederholungen sind meistens variiert.

Kleine einteilige Liedform​: Kürzeste, schlichteste Liedform, keine kontrastierenden


Abschnitte.

Kleine zweiteilige Liedform​: zweiter Abschnitt – ​kontrastierend​ (b) oder ​eher ähnlich​ (a’)

Ohne Wiederholung Mit Wiederholungszeichen Mit ausgeschriebenen WH

ab II: a :II: b :II a (a) b (b) ​*

a a’ II: a :II: a’ :II – selten –


*​ (a) bedeutet hier: “ausgeschriebene Wiederholung von a”.

⇒ x und y für die bestimmung von Schlusswendungen (nur zweiteilige Liedform!):


II: a x :II: a’ y :II (die Teile beginnen ähnlich und haben kontrastierende Schlusswendungen)
II: a x :II: b x’ :II (die Teile beginnen unterschiedlich und haben ähnliche Schlusswendungen)

Kleine dreiteilige Liedform​: dritter Abschnitt – Reprise des ersten: identisch (a) oder
verändert (a’). Wenn mit Wiederholungen, dann ​b und a’ zusammen​ gespielt und wiederholt!

Ohne Wiederholung Mit Wiederholungszeichen Mit ausgeschriebenen WH

a b a​(​’​) II: a :II: b a​(​’​)​ :II a (a) b a’ (b)​ ​(a​(​’​)​)

Sonderformen (ohne Wiederholungen!)


⇒ ​Barform​ (a a b): bevorzugte musikalisierte Dichtungsform der Troubadours, Trouveres und
Minnesänger: Stollen (a) - Stollen (a) - Abgesang (b).
⇒ ​Reprisenbarform​ (a a b a)
⇒ ​Gegenbarform​ (a b b)
⇒ ​Reihungsform​ (a b c; a b c d; …): beliebig viele gereihte Abschnitte.

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Tipp: Unregelmäßige Wiederholungen?


⇒ Wie bestimmt man zum Beispiel II: a :II b a’ ?
⇒ Dies kann keine kleine dreiteilige Liedform sein! Dreiteilige Liedform mit
Wiederholungszeichen lautet II: a :II: b a’ :II
⇒ II: a :II b a’ = a a b a’ = Reprisenbarform

Große Liedformen
Große dreiteilige Liedform: ​Besteht aus zusammengesetzten kleinen Liedformen
⇒ Form: A B A’
⇒ Jeder Großbuchstabe ist eine kleine Liedform: mit oder ohne Wiederholungen (auch hier
wieder Wiederholungszeichen oder ausgeschriebene Wiederholungen möglich!).
⇒ ​Alle Kombinationen​ von kleinen Liedformen sind möglich. ​Beispiel​:

A B A’

II: a :II: b a’ :II II: c :II: c’ :II a (a) b a’ (b) (a’)


⇒ A ist eine kleine dreiteilige Liedform mit Wiederholungszeichen, B ist eine kleine
zweiteilige Liedform mit Wiederholungszeichen und ähnlichen Abschnitten (c und c’ statt c
und d!), A’ ist eine kleine dreiteilige Liedform mit ausgeschriebenen Wiederholungen.

Erweiterte große Liedformen​: weitere Formteile werden hinzugefügt:


⇒ A B A​(​’​)​ B​(​’​)​ (immer noch mit Kleinbuchstaben!)
⇒ A B A​(​’​)​ B​(​’​)​ A​(​’’​)
⇒ Im langsamen Tempo auch A B A​(​’​)​ C A​(​’’​)

Anwendung der großen Liedform (Gattungen)​:


⇒ Scherzo oder Menuett Satz der Sonate, Symphonie, des Konzerts, Trios, Quartetts, etc.
(meistens mit Wiederholungszeichen)
⇒ Langsamer Satz der Sonate, Symphonie, des Konzerts, Trios, Quartetts, etc. (öfter ohne
Wiederholungen).
⇒ Selbstständige Werke mit verschiedenen Titeln (zB Prelude, Ballade, Nocturno, etc.)

Übung: Analyse einer großen Liedform


1. Die Großform: Zuerst B finden – es muss sehr kontrastierend sein, aber auch als
“thematisch” erkennbar. Meistens in einer neuen Tonart, oft auch weiter entfernt. A’ (oder A
wenn identisch!) – einfach die Motivik vom T. 1 suchen.
⇒ Kontrollieren ob danach weitere Teile vorkommen (​erweiterte große Liedform​)
⇒ Schauen ob Coda zu finden ist.
2. Die Kleinabschnitte: was für eine kleine Liedform ist der A-Teil? Die Kleinbuchstaben
kennzeichnen. B-Teil: gleiche Frage! Beim nächsten verfügbaren Buchstaben anfangen (nicht
immer c!). A’-Teil: bleibt alles wie beim A-Teil, oder nicht? Änderungen bezeichnen! Etc.
⇒ Vorsichtig mit Strichen (​’)​ umgehen!
⇒ Schauen wo Überleitungen sein könnten.
3. Die Details bei jedem Kleinbuchstabe untersuchen. Wenn möglich als Satz oder Periode
bezeichnen und dessen Bausteine näher analysieren. Bei auffälligen Stellen auch
Kompositionstechnik miteinbeziehen (Imitation, Sequenz, Abspaltung, …).

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3. Elemente der polyphonen Musik


⇒ Buch: Formen der Instrumentalmusik S. 30ff.
⇒ Bei polyphoner Musik spricht man von Stimmen – horizontale Linien, die gleichwertig
sind. In der polyphonen Musik darf in meisten Fällen jede Stimme das Thema präsentieren.
⇒​ Kontrapunkt​:​ ​Die Stimme die zusammen mit dem Thema erscheint.

Imitation
⇒ Die Wiederaufnahme des musikalischen Materials in einer ​anderen​ Stimme auf derselben
oder auf einer anderen Stufe. Die Imitation kann streng oder frei sein.
⇒ Parameter einer Imitation:
1. Bewegungsrichtung​: Grundgestalt, Umkehrung, Krebsgang, Umkehrung des Krebses
(siehe Kompositionstechnik, S. 1)
2. Einsatzintervall​: Intervall der Transposition der imitierenden Stimme, zB Oberterz,
Unterquarte, Oberoktave, etc.
3. Einsatzabstand​: Der zeitliche Abstand zwischen dem Einsatz der führenden und der
imitierenden Stimme (4 Takte, 2 Takte, drei Viertel, etc.)
4. Temporelation​: Augmentation – Diminution: Vergrößerung und Verkleinerung der
Notenwerte (meist um die Hälfte).
5. Reale/tonale Beantwortung​: Die Beantwortung ist ​real​, wenn alle Intervalle gleich
bleiben. Die Beantwortung ist ​tonal​, wenn mindestens ein Intervall verändert wird (um
die Tonart zu bewahren).

Ostinato
⇒ Der mehrmalige Wiederkehr einer melodisch und rhythmisch festgesetzten Gestalt mit
immer veränderter Kontrapunktierung.
⇒ Ein Ostinato kann als Kompositionstechnik ein ganzes Werk beherrschen (z. B.
Passacaglia) oder auch nur Teile eines Werkes bestimmen.

⇒ ​Isorhythmie​: Spezialfall des Ostinatos. Das melodisch-harmonische Modell (“color”) und


das rhythmische Modell (“talea”) sind voneinander unabhängig und haben unterschiedliche
Längen. Isorhythmie war vor allem für die Kompositionstechnik der Motette entscheidend.
⇒ Beispiel (einfach):

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4. Variationsformen
⇒ Buch: Formen der Instrumentalmusik S. 206ff.
⇒ Variation ist eine Kompositionstechnik, die in allen Stücken vorkommen kann.
⇒ Die Variations​form​ ist das Produkt kontinuierlicher Variation für die Dauer eines Stückes.
⇒ Kein festgestelltes Formmodell: es ist eine Reihung von gleichwertigen Abschnitten. Die
Form kann durch die Bindung von einzelnen Variationen entstehen. Kriterien dieser Bindung
sind: ​Tonart, Tempo, Formung​ (Zusammenhänge der Satztechnik, Motivik, etc.).
⇒ Prinzipien der Variation: Das Thema kann
1. ​selbst verändert​ werden (=​direkt​) oder (Melodie wird verändert ⇒ ​Melodievariation​)
2. mindestens am Anfang gleich bleiben (=​indirekt​) mit ​Veränderungen in anderen Stimmen
(mehrere Stimmen ⇒ polyphon; mehrmalige Wiederholung = Ostinato ⇒
Ostinatovariationen).

Das Thema wird… Art der Variation Textur Variationsform

verändert direkte Variation homophon Melodievariationen

nicht verändert indirekte Variation polyphon Ostinatovariationen

Ostinatovariationen (indirekte Variationen)


⇒ Das Ostinatomodell bleibt (meist) unverändert, mindestens am Anfang. Es kann nur in einer
Stimme (meistens im Bass: ​Bassvariationen)​ verharren oder durch mehrere Stimmen wandern.
⇒ Die Variation erscheint in den begleitenden (polyphon geführten) Stimmen.
⇒ Spielarten der Ostinatovariationen:
1. Basso ostinato​-Variationen: Variationen über einem basso ostinato-Modell
2. Passacaglia​ und ​Chaconne​: Sonderformen des Basso ostinato (siehe unten!)
3. Lamentobass​ als Ostinato: chromatisch fallende Basslinie als Ausdruck des Schmerzes
und Leids
4. Ground​-Variationen: in ​England​ etablierte Variation über einem “ground”=Bassmodell
5. Cantus firmus​-Variationen: Das Thema ist als eine cantus firmus-Melodie vorgegeben

Ad 2. Passacaglia und Chaconne


⇒ Ostinatovariationen mit folgenden Besonderheiten:

Passacaglia Chaconne

Thema: 4 oder 8 Takte, im 3er Takt, am Anfang, endet oft auf der Dominante.

Zuerst im Bass, mit oder ohne Zusatzstimmen, später kann auch in anderen Stimmen sein.

Das Thema kann ausnahmsweise später auch selbst variiert werden.

Meist in Moll. Kann in Moll oder Dur sein.

Langsam. (Laut Mattheson) langsamer als Passacaglia.

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Übung: Erkennen einer Ostinatovariation


1. Erkennen, dass es um eine Ostinatovariation handelt (polyphon, ein Thema, meistens im
Bass, wird mehrmals unverändert wiederholt = ​Ostinato-Kompositionstechnik​!).
2. Variationen begrenzen und die kontrapunktische Stimmen anschauen (wie werden sie in
jeder Variation variiert?)
3. Schauen ob es möglich ist das Beispiel einer Sonderform zuzuordnen (zB
Passacaglia/Chaconne, Lamentobass, etc.)

Melodieveriationen (direkte Variationen)


⇒ Das Thema wird direkt variiert.
⇒ Alle musikalische Parameter können verändert werden: Melodik, Rhythmik, Harmonik,
Klangfarbe, Dynamik, Raum.
⇒ Ältere spielarten: Tanzmusik ab dem 13. Jhdt., Variationskanzone, Variationsricercar,
Variationssuite, Choralpartita, Choralvariationen, Doubles und Agreméments der Suitensätze
des 16.–18. Jhdt.
⇒ Streng oder frei.

Strenge Variationen​: ​die Form des Themas wird strikt beibehalten​.


⇒ (Achttakter oder kleine 2- oder 3-teilige Liedform)
⇒ Auf das Thema folgen die Variationen, die oft auch nummeriert sind.
⇒ Die Tonart der Variationen bleibt gleich, mit der Ausnahme der obligaten Mollvariation (ab
Beethoven aber freier!).

Freie Variationen ​(=​Charaktervariationen​): ​die Form des Themas wird verändert.


⇒ Der harmonische Verlauf bleibt nicht unbedingt gleich.
⇒ Die einzelnen Themenpartikel können zur Gestaltung einer neuen Charakteristik ausgelöst
werden (Abspaltung von Motiven!).

Anwendung der Melodievariation (Gattungen)​:


⇒ Ein Satz der Sonate, Symphonie, des Konzerts, Trios, Quartetts, etc. (als Kopfsatz, Finalsatz
und einer der Mittelsätze möglich!)
⇒ Selbstständige Werke (zB “Thema mit Variationen”, “Variationen über ein Thema von…”,
“Andante mit Variationen” etc.).

Übung: Analyse einer Melodievariation


1. Erkennen, dass es um eine Melodievariation handelt (viele Wiederholungen vom gleichen
Material, die sich ständig verändern).
2. ​Vorsichtig​ erkennen bis wo genau das Thema geht – es kann auch eine kleine Liedform sein,
also eine Wiederholung ist nicht gleich erste Variation!
3. Die Form des Themas bestimmen (Satz, Periode, kleine Liedform) mit Formdetails!
⇒ Überleitungen und Coda sind auch hier möglich!
4. Die Variationen begrenzen und bestimmen:
a) ob die Form immer gleich bleibt (​strenge​ Variation) oder auch verändert wird (​freie
Variation) – in jeder Variation die Kleinbuchstaben wiederholen (ohne neue Striche!)
b) Kennzeichnen, was in jeder Variation “neu” ist (Worin besteht die Variation?)

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5. Kanon und Invention


⇒ Buch: Formen der Instrumentalmusik ​S. 107ff. (Kanon) und S. 151ff. (Invention)

Kanon
⇒ Prinzip der strengen Imitation, die für die Dauer eines ganzen Stückes beibehalten wird.
⇒ Mindestens zwei Stimmen: eine führende (Dux) und eine nachfolgende (Comes).
⇒ In Bachscher Notation: “​segno​” ( ) zeigt, dass ein System von zwei kanonisch geführten
Stimmen ausgeführt wird!
⇒ Alle Parameter einer Imitation gelten auch bei einem Kanon: ​Einsatzabstand​ (durch
“segno” gekennzeichnet), ​Einsatzintervall​, ​Bewegungsrichtung​, ​Temporelation​ (siehe ​3.
Elemente der polyphonen Musik!​ )
⇒ Schluss: mit ​auslaufenden​ Stimmen oder alle Stimmen ​gemeinsam​ mit einer Fermate.
⇒ ​Sonderformen des Kanons​, und wie sie zu erkennen sind:

Name Merkmale Erkennung

Spiegelkanon Beantwortung in “per motum contrarium”, umgedrehter


Umkehrung/Spiegel Schlüssel

Krebskanon Beantwortung im Krebsgang “cancricans”, Schlüssel am Ende des Kanons

Spiegelkrebskanon Spiegel + Krebs “cancricans contrario motu”, umgedrehter


Schlüßel am Ende des Kanons

Proportionskanon Beantwortung in Diminution oder “per diminutionem”, “per augmentationem”


Augmentation

Zirkelkanon das Ende mündet wieder in den “perpertuus”, Wiederholungszeichen


Anfang

Spiralkanon moduliert bei jedem Durchlauf auf- “per tonos”, Wiederholungszeichen + Symbol
oder absteigend, endet in der am Ende (ähnlich wie )
Ausgangstonart

Doppelkanon, Mehr als eine Melodie, die in der Mehr als ein System mit dem “segno” ( )
Trippelkanon, … Imitation teilnimmt.

Begleiteter Kanon Freie (nicht imitierte) Bassstimme Mehr als ein System, aber eins oder mehrere
Systeme ohne “segno” ( )
Gemischter Kanon Zusätzliche freie Stimmen, nicht nur
im Bass

Rätselkanon Einsatzabstand und -intervall Überhaupt kein “segno” vorhanden


unbekannt

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Übung: Kanon in Bachscher Notation


1. Sonderformen erkennen. Zu schauen sind: Anzahl der Systeme und Anwesenheit vom
“segno” (Doppelkanon, begleiteter Kanon, gemischter Kanon, Rätselkanon),
Wiederholungszeichen (Zirkelkanon, Spiralkanon), Schlüssel (Spiegelkanon, Krebskanon,
Spiegelkrebskanon), Text über dem Kanon (Proportionskanon).
2. Ggf. Anfangstöne von jeder Stimme nennen können. Neben den offensichtlichen (notierten)
Stimmen gibt es noch die kanonisch geführte Stimme (“segno” suchen!). Falls hier ein
umgedrehter Schlüssel vorliegt, den Blatt umdrehen und dann die Töne lesen!

Invention
⇒ Inventio, lat. = Einfall, Erfindung
⇒ Der Titel scheint dann auf, wenn der Komponist auf die Neuartigkeit seiner Erfindung
hinweisen möchte oder wenn der Verleger für eine Erstedition einen attraktiven Titel sucht. So
bekommen verschiedenste Stücke den Titel “Invention” ⇒ das Formschema und die
Satztechnik sind also nicht bestimmt – es gibt mehrere Möglichkeiten!
⇒ Inventionen der Barockzeit beruhen auf der Technik der Imitation: von freien Imitationen,
über Kanons bis zu streng geführten Fugen!
⇒ Bsp.: J.S.Bach – 15 zweistimmige Inventionen (BWV 772–786) und 15 dreistimmige
Inventionen, die als “Sinfonien” bezeichnet werden (BWV 787–801).
⇒ Sie zeigen eine didaktische Intention, die Bach im Vorwort anspricht.
⇒ Satztechnik: typisch barocke Motivfortspinnung.
⇒ Form: meistens 2- oder 3-teilig, bestimmt durch größere Kadenzen und/oder
Tonarten.

To be continued…
⇒ ​Formenlehre 2
⇒ Fuge
⇒ Suite
⇒ Rondo
⇒ Sonatenhauptsatzform
⇒ Vokalformen

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