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ABITUR ZUSAMMENFASSUNG
Charlotte Sartorius
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AUFSATZARTEN
FORMULIERUNGSHILFEN
- weder…noch
- Einerseits… andererseits
- Sowohl…als auch
- Zum einem… zum anderen
- Was dafür spricht … dagegen spricht
- Obwohl… obgleich
- Aber /jedoch
- Dies ist zutreffend, da …
- Das trifft teilweise/ überwiegend/ kaum/ allenfalls/ in Ansätzen zu, weil …
- Einschränkend muss festgehalten werden, dass …
- Dieser Befund lässt sich auf … übertragen, zumal/ da …
- Dennoch muss man darauf hinweisen, dass
- Während dieser Gedanke sich problemlos/ mitunter/ eher nicht auf den Roman/ das Drama
übertragen lässt, ist …
- Insgesamt lässt sich feststellen, dass …
- Somit wird deutlich, dass …
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AUFBAU FÜR DIE LITERARISCHE ERÖRTERUNG ZWEIER WERKE
1. Hinführung zum Thema des Außentextes. Definition zentraler Begriffe (Was ist Trauer, Liebe,
Selbstfindung), Zitate, …
2. Zusammenfassung des Außentextes und Basissatz (Autor, Entstehungjahr, Titel, Thema,
Kontext). Fassen Sie nun die wichtigsten Kerngedanken im Präsens zusammen. Sie dürfen im
Unterschied zur Inhaltsangabe zitieren (Z. xx) und paraphrasieren (vgl. Z. xx). Denken Sie
daran, dass der Text durchgehend richtig und überwiegend in eigenen Worten
wiedergegeben wird. Indirekte Redewiedergabe erfolgt im Konjunktiv.
Nun gibt es mehrere Möglichkeiten den Hauptteil zu gestalten:
x. Fazit. Bewerten Sie abschließend, was sich insgesamt festhalten lässt und inwieweit die Texte
aufeinander zutreffen. (Sie können außerdem zur Aktualität des Themas Stellung nehmen.)
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GEDICHTINTERPRETATION / GEDICHTVERGLEICH
IM ABITUR BLOCK B
I. Gedichtsinterpretation oder Gedichtvergleich
VORBEREITUNG
- Gedicht gründlich lesen und im Kopf betonen
- Stimmung/ Atmosphäre des Gedichtes festhalten
- Um was geht es? -> Thema, Deutungshypothese und Inhalt
- Formale Analyse
- Gedichtvergleich vorbereiten (Gliedern)
- Gedanken zum Titel des Gedichtes/ der Gedichte
Einleitung
- Basissatz (Textsorte, Titel, Verfasser, Erscheinungsjahr, Epoche, Thema)
- Deutungshypothese
- Eventuell wenn möglich (nicht nötig) spannender Einstieg zur Thematik
Hauptteil
- kurze Inhaltswiedergabe (Wo, Wann, Was, Wer, Wieso)
- Analyse (am Gedicht herausarbeiten und mit Inhalt verknüpfen)
- Anzahl der Strophen und Versen
- Reimschema
- Kadenzen, Metrum
- Sprachliche Mittel: Tempus, Wortwahl, Satzbau, Modalität, Assonanzen, Stillmittel
- Interpretation
- Gedicht Vers für Vers (was passiert, was ist gemeint, wie wird dies durch Sprache verdeutlicht)
- Herausgearbeitete Sprachliche Mittel im Zusammenhang des Gedichts deuten
- Beziehung zwischen Sprache und Inhalt herstellen
- Welche Gefühle, Eindrücke oder Stimmungen werden beschrieben?
- Hintergrundwissen über den historischen Hintergrund, die Epoche, den Autor und das
Zeitgeschehen mit einbeziehen
Schluss
- Gesamtaussage des Gedichts durch die Erkenntnisse der Interpretation zusammenfassen
- Bezug zur anfänglichen Deutungshypothese nehmen (Verifizierung, Falsifizierung oder
Differenzierung)
- Wirkung des Gedichts auf den Leser beschreiben
- Was ist seine Aussage, wenn man das Gedicht in seiner Gesamtheit betrachtet?
- Hat das Gedicht für den Verfasser eine besondere Bedeutung (z.B. Kindheit, Erfahrungen etc.)?,
epochale Einordnung und historischer Hintergrund
- Eigene Meinung über das Gedicht und den Aufbau (auch Kritik)
- Ist das Thema des Gedicht noch aktuell?
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AUFBAU GEDICHTVERGLEICH (2 GEDICHTE)
Methode 1: Diachron
Methode 2: Synchron
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WIRKUNGSWEISEN UND HILFSMITTEL
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KURZGESCHICHTEN INTERPRETATION
IM ABITUR BLOCK B
II. Interpretation eines Kurzprosatextes
VORARBEIT
Um eine Kurzgeschichte zu interpretieren ist es sehr wichtig, dass man sie verstanden hat.
AUFBAU
Einleitung
- Basissatz mit Titel, Autor, Erscheinungsjahr, Quelle, allgemeines Thema des Textes
(Deutungshypothese, keine Inhaltsangabe), Wirkungsabsichten des Textes
- biographische Angaben zum Autor als Zusatz
- Zeitverwendung im Präsens, wenn Vergangenes im Perfekt (z.B ist gewesen)
- Hinführung zum Hauptteil (nicht mehr als wenige Sätze!)
Hauptteil
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Ort und Zeit Äußere und innere Handlung Titel
- Rückblenden? - Welche Handlungen - Welche Assoziationen löst
- Ortsangaben? Vermutung passieren als Aktionen? Titel beim Leser aus?
über Handlungsort? (=äußere Handlung) - Ändert sich Deutung zum
- Haben Ort und Zeit eine - Welche Handlungen spielen Titel nach Lesen des Textes?
besondere Bedeutung? sich im inneren einer Person - Bezug von Titel und Inhalt
- Über welchen Zeitraum ab (als Gedanken) (=innere
erstreckt sich Handlung? Handlung)
(Erzählte Zeit)
- Sind Zeitangaben im Text?
Hinweis zur Vermutung der
Zeit?
Schluss
- Ergebnisse nochmal zusammenfassen
- Aktueller Bezug/ Aktualität
- Zukunftsaussichten
- Wenn Angesprochenes Problem mögliche Lösungen
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DIE TEXTGEBUNDENE ERÖRTERUNG
IM ABITUR BLOCK C
I. Analyse und Erörterung eines pragmatischen Textes (Schwerpunkt auf Analyse oder
Erörterung)
AUFBAU
Einleitung
- Kurze Hinführung zum Thema („Ohröffner“) zum Thema → z.B. ein Zitat, das mit dem Thema
zusammenhängt
- Ohröffner max. 1-2 Sätze
- Basissatz (Autor, Titel, Textsorte, Datum und Jahr der Veröffentlichung, Quelle
(wo veröffentlicht?), Zielgruppe, Thema, Anlass)
- Intention der Autorin/ des Autors → zentrale These des Textes nennen
Hauptteil
1. Inhaltswiedergabe/ Textwiedergabe
- Wiedergabe des Textes in wenigen Sätzen
- Nenne zentrale Aspekte des Textes (Inhaltliche Zusammenfassung der
Problemsicht)
- Wichtig: schreib kurz und knapp, sachlich
- Zeit: im Präsens →verwende die INDIREKTE REDE (Konjunktiv)
2. Textanalyse
- Inhaltliche Struktur des Textes herausarbeiten
- Darstellung der Argumentationsstruktur
- Wie vermittelt der Autor sein Anliegen? → schlüssig oder unschlüssig?
- Wie belegt der Autor seine Thesen?
- Argumenttypen (faktisch, normativ, auf Autorität verweisend, analogisierend,
indirekt usw.→ siehe Argumenttypen)
- Textstruktur und seine Wirkung
- Wendepunkte in der Argumentation?
- Wie stehen die Argumente/Thesen im Zusammenhang? Gibt es
Widersprüche?
- Welche Positionen/ welche Ansätze/ welche Ideen oder Forderungen werden
deutlich hervorgehoben? →wie?
- Analyse der rhetorischen Mittel → Wichtig: nicht nur nennen, sondern
versuche aufzuzeigen, was diese bewirken!
- Analyse der Sprache (Stilmittel, Sprachstil, Satzbau, …) siehe Sprachstil
- Wirkung und Zielgruppe
- KEINE eigene Meinung!
- Ganz wichtig: immer mit Textbelegen und korrekte Zitierweise!
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3. Überleitung zur Erörterung
- Klärender Satz, der feststellt, was es zu erörtern gilt
- Klare Aussage, welche Position im Folgenden entfaltet wird!
- Beispiel (Lindamagdalena) „XY Aussagen rufen mehrheitlich zum Widerspruch auf, da sie nicht
logisch zwingend erscheinen und zudem durch manipulative Mittel aufgewertet werden. Eine
genauere Auseinandersetzung mit ihren Standpunkten und Einstellungen, aber auch durch
Argumentationsweisen und der sprachlichen Umsetzung soll dies im Folgenden aufzeigen
4. Texterörterung
- eigene Stellungnahme zu den Hauptargumenten des Textes
- „Ich“- Form nur sparsam verwenden → besser neutral im Passiv („man“ jedoch vermeiden)
- Kritisch Stellung zu den Hauptthesen nehmen und mit eigenen Thesen, Argumenten, Belegen,
Beispielen stützen
Begründeter Widerspruch
= Vertreten der entgegengesetzten Meinung
- Gegenargumente/ Gegenbeispiele finden
- Thesen/Argumente des Autors/der Autorin entkräften (anzweifeln der angeführten
Normen, Überprüfen der Stichhaltigkeit der Fakten)
- Schlüssigkeit der Argumente prüfen (z.B Verallgemeinerungen nicht als
angemessen darstellen)
- Absichten des Autors aufdecken (Interessen, Weltanschauung)
Begründete Zustimmung
= (fast) völlige Übereinstimmung mit der Position des Autors
- Thesen des Autors stützen (eigene Erfahrungen und Fakten)
- Eigene Argumente hinzufügen (eigene Denkleistung gefragt)
- Schlüssigkeit der Argumente nachweisen (Gedankengänge in eigenen Worten
rekonstruieren)
- Im Text genannte Gegenargumente entkräften
Teilweise Übereinstimmung
= Übereinstimmung mit einer oder mehreren zentralen Positionen; Mischung aus A und B
- Wichtig hierbei die Vorgehensweise → linear oder dialektisch (Sanduhrprinzip oder Ping-Pong-
Prinzip)
- Überprüfen inwieweit Einzelargumente logisch, plausibel oder beweiskräftig sind
- Eigene Position überzeugend mit Argumenten stützen durch sinnvolle und
aussagekräftige Beispiele
Schluss
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ANALYSEHILFE
Argumente sollen Zuhörende oder Lesende dazu bewegen, den Geltungsanspruch einer These
anzuerkennen. Eine These gewinnt besonderes Gewicht, wenn sie von stichhaltigen, möglichst
unstrittigen Argumenten untermauert wird. Man unterscheidet folgende Argumenttypen:
Faktenargument: Dieses Argument bringt eine These in Beziehung mit unstrittigen, verifizierbaren
(nachprüfbaren) Tatsachenaussagen. Faktenargumente gelten in der überwiegenden Mehrzahl der
Fälle als überzeugend. Handelt es sich dabei allerdings um einen Hinweis auf einen Einzelfall, so
ist ein solches Argument nicht besonders beweiskräftig, da ein Einzelfall oft durch andere
Einzelfälle widerlegt werden kann.
Autoritätsargument: Dieser Argumenttyp stützt eine These dadurch, dass die ähnlich lautende
Position einer weithin akzeptierten Autorität hinzugezogen wird. Dabei kann es sich z.B.
um eine Wissenschaftlerin/einen Wissenschaftler handeln. Zwingend muss ein solches Argument
jedoch nicht sein, da ebenso andere Autoritäten mit gegenteiligen Positionen angeführt werden
können.
Normatives Argument: Die These soll fundiert werden, indem sie mit weithin akzeptierten
Wertmaßstäben (Normen) verknüpft wird. In Gesellschaften, in denen auch fundamentale
Normen stetig an Gültigkeit verlieren, ist ein solches Argument allerdings nicht mehr für
jeden einleuchtend.
Analogisierendes Argument: Eine These soll damit abgesichert werden, dass ein Beispiel aus
einem anderen Bereich als dem gerade diskutierten hinzugezogen wird. Das möglichst
glaubwürdig gewählte Beispiel wird genutzt, um die zu vertretende These durch eine
Parallelisierung von Sachverhalten zu bekräftigen. Es lässt sich entkräften, indem man deutlich
macht, dass das Beispiel einige andere Begleitumstände aufweist und daher als Argument
nicht hieb- und stichfest ist.
Indirektes Argument: Dieses Argument soll eine These dadurch plausibel erscheinen lassen,
dass die gegenteilige Meinung als unstimmig, in sich widersprüchlich, logisch nicht zwingend
oder realitätsfern vorgeführt wird. Obwohl sie auf den ersten Blick schlüssig erscheinen, las-
sen sich mit diesem Argumenttyp Thesen oft nicht stützen, da sich aus dem Widerspruch
einer gegenteiligen Meinung nicht zwangsläufig die Logik oder Richtigkeit der eigenen
Meinung ergibt.
Argumentum ad populum (Berufung auf die Menge): Mit diesem lateinischen Ausdruck wer-
den solche Argumente bezeichnet, mit denen Adressatinnen und Adressaten eher überredet
als überzeugt werden sollen. Sie gelten als unseriös, weil sie eher an Gefühle als an die Vernunft
appellieren. Bereits in der Antike wurden sie genutzt, um bei politischen Entscheidungen größere
Volksmengen daran zu hindern, sich ein nüchternes Urteil zu bilden; Manipulationen wurden so
leichter.
Folgende Verfahren gehören zu diesem Argumenttyp:
Argumentum ad baculum: Begründung, die sich auf Befürchtungen und Ängste stützt, die
bei den Adressatinnen und Adressaten vermutet werden.
Argumentum ad misericordiam: Begründung, die auf das Mitleid oder ähnliche Gefühle
abzielt.
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Sprachstile
dichterisch: sehr gewählte, bisweilen feierlich wirkende, oft bildhafte Ausdrucksweise; z.B.
Odem (für Atem), Lenz (für Frühling), Himmelsleuchten (für Sterne)
salopp: stark emotional gefärbter, metaphernreicher Stil des Alltags, der in der Regel in vielen
Gesprächssituationen und in geschriebenen Texten nicht verwendet werden kann und
nur in bestimmten Funktionen (z.B. ironisch) vorkommt; z.B.: sich kloppen (für sich prügeln,
raufen), Zaster, Schotter, Kröten (für Geld)
jargonhaft: Ausdrucksweise, die an eine bestimmte soziale oder eine Altersgruppe gebunden ist
(z.B. Jugendsprache); z. B.: supergeil, fett (für sehr gut)
derb/vulgär: drastische und grob wirkende Ausdrucksweise, die von sehr vielen
Gesprächspartnern für unangemessen gehalten wird; z.B.: Fresse (für Gesicht)
FORMULIERUNGSHILFEN
- Der Autor vertritt die Meinung/behauptet, nur wenige hätten ein solches Anrecht...
- Alles in allem spricht nach der Meinung des Verfassers nichts gegen die Umbaumaßnahme…
- Nach (Autor) geht es bei dieser Sache nur um die Interessen von...
- Dem Verfasser zufolge kann es dabei zu unvorhersehbaren Folgen kommen...
- Für das Familienleben fürchtet der Autor schwerwiegende Konsequenzen...
- Er hält die Konsequenzen aber für tragbar, weil...
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Auskunft über die Überschrift
- Die Überschrift stellt klar/gibt Auskunft darüber, dass...
- Die Überschrift deutet darauf hin/signalisiert, dass...
- Die Überschrift regt den Leser dazu an, dass...
- Die Überschrift ist knapp/nüchtern/irreführend/reißerisch formuliert...
Formulierungen zur Herstellung der Beziehung zwischen Inhalt/ Form und Sprache
- Der Gegensatz veranschaulicht/unterstützt/unterstreicht/verdeutlicht...
- Der Vergleich betont/hebt hervor/verstärkt...
- Die indirekte Rede verdeutlicht/bringt zum Ausdruck, dass...
- Die Wiederholung erscheint als Ausdruck/zum Zeichen von...
- Durch die Metapher verdeutlicht er, dass...
- Durch den Konjunktiv wirkt X wie...
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Formulierungen für den Hauptteil
Vorteile einer Sache dalegen Günstig ist es, äußerst positiv hat
sich...gezeigt, aussichtsreich ist,
empfehlenswert scheint, dass
Nachteile einer Sache dalegen Erschwerend kommt hinzu, als durchaus lästig
wird...empfunden, unerfreulich ist, dass...
Zur Argumentation überleiten Es gibt eine ganze Reihe von Argumenten, die
eine solche Forderung plausibel erscheinen
lassen,
Eine solche Forderung lässt sich gut vertreten
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DER KOMMENTAR
IM ABITUR: BLOCK C
II. Materialgestütztes Verfassen eines argumentierendes Textes
Aufgabe Verstehen
- Schlüsselbegriffe der Aufgabe definieren (Bsp.: Was heißt eigentlich Medienkompetenz?)
- Leserschaft analysieren
- Was weiß sie selbst? Was ist neu/interessant?
- Welche Meinung hat sie wohl?
- Womit kann ich die Leserschaft überzeugen?
- Wo stehe ich, was will ich (als Schreiber)?
Materialien Auswerten
- Wichtige Meinungen und Fakten farblich beim Markieren voneinander trennen
- Welche Position nimmt der Autor/Karikaturist ein?
- Was sind die Hauptaussagen des Materials?
- Informationen sichten (Diagramme, Schaubilder ablesen, Karikatur deuten)
- Informationen/Meinungen in Beziehung setzen
- Zueinander
- Zur Leserschaft
- Zum Schreibanlass
- Informationen auswählen zu
- Er-/Klärung des Themenbegriffs
- Darstellung der Unterschiedlichkeit von Aspekten/Positionen zu dem Thema
- Welche Aspekte sind interessant und sinnvoll zu verwenden?
- Haben die Aspekte einen Themenbezug zur Aufgabe?
- Schwerpunkte setzen (siehe auch Überschriften der Materialien), alles andere aussortieren
- Thesenartige Teilüberschiften für Teilaspekte wählen
Wichtig:
- Adjektive bewust verwenden
- Argumente immer begründen/belegen
- Wortschatz erstellen aus den Materialien und anderen Kommentaren
- Einfache Satzgefüge, kurze Hauptsätze (Hauptsatz + Begründung)
- Wortqualitäten genau wählen; Was will ich? In welcher Intensität? (Putzfrau/Putze/
Reinigungskraft)
- Keine Wiederholungen
- Ironie eindeutig verwenden
- Vermeidung von Ich (Ziel ist die Allgemeingültigkeit, nicht die persönliche Erfahrung oder
Meinung)
- Fragen sparsam verwenden, wenn dann nur zentrale Fragen des Themas in den Raum stellen
- Für Argumentation IMMER Rückbezug auf Materialien
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AUFBAU KOMMENTAR
Einstieg
- Überschrift wählen und als Aufhänger nehmen, optional provokant
- Origineller Einstieg der zum Weiterlesen anregt, Aufhänger/Anlass
- Kurze Sachverhaltsdarstellung zeigt denSchwerpunkt
- Hervorgehobene Kurzausführung zu Thema und Positionierung
- Wird am Ende wieder aufgegriffen
Hauptteil
- Sachverhalt/Fremdmeinung kurz darstellen
- Für Vorgehensweise entscheiden:
- Weitverbreitete Meinung darstellen und differenzieren (sich gegen Pauschalisierung wehren)
- Meinung zusammenfassen, die zu deiner im starken Gegensatz steht, infrage stellen und
abgrenzen
- Meinung zusammenfassen, die deine klar widerspiegelt und stützen
- Logische Argumentationskette, wichtigste Argumente an den Schluss
- Linear, Sanduhr oder Reißverschluss
- Versuchen, zu überzeugen:
- Behauptung: Ich bin der Meinung, dass viele Deutsche nur vorgeben Fußballfans zu sein,
- Begründung: weil ihr soziales Umfeld ihnen die Fußballkultur vorlebt und vorschreibt.
- Beleg: Dieses Umfeld ist Identifikationsgrundlage und versetzt vor allem die Männer in den
Einfluss des Stockholm-Syndroms.
- Beispiel: Ein hoher Teil der Deutschen bezeichnet sich selbst als Fußballfans, während
deutlich weniger die Spiele gucken und ins Stadion gehen.
- Fazit: Das Klischee Männer seien Fußballfans sorgt für Gruppenzwang, wodurch sich viele
beeinflussen lassen und dadurch unwissentlich dazu beitragen, das Klischee weiter zu
festigen und zu verbreiten.
- Keine Gedankensprünge
- Gegenargumente aufgreifen und widerlegen, nicht unterschlagen!
- Überleitung zur Schlussfolgerung
Schluss
- Muss klar und eindeutig sein, pointierter Schlusssatz
- Kann/soll den Leser zum Nachdenken anregen
- Dient als Zusammenfassung
- Rückgriff auf Elemente; Motive; Metaphern; Fragestellungen; der Einleitung
! Appell; Rhetorische Frage; Pointe; Kompromissvorschlag; Anlehnung an Sprichwort oder
Redewendung
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REDEWENDUNGEN
Wertende Wörter:
- Bewundernswert, bezaubernd
- Abscheulich, Wirkungslos, mangelhaft, missverständlich
- Nur, kaum, etwas, einiger Maßen, recht, sehr
- Höchst, immer, völlig
- Natürlich, selbstredend, fraglos, indiskutabel, bekanntlich
- Keines Falles/ Weges, mit Nichten
- Anscheinend, vermutlich, wohl, bestimmt, angeblich, vermeintlich,
- Leider, dummerweise
- glücklicherweise, hoffentlich, verständlicher Weis
- Können, müssen, sollten
- Roman: Meisterstück, Theater: Verzaubernd
- Annehmend, mutmassend, vermuten
- Schätzen, nachvollziehen, davon ausgehen
Redewendungen
Überleitungen:
- zunächst einmal ..., an erster Stelle wäre zu nennen ..., vor allem sollte man ...
- dann aber auch ..., ferner ..., ein weiteres ..., und auch ..., nicht minder zu beachten ..., nicht
weniger wichtig ist ...
- darüber hinaus ..., bleibt auch zu bedenken ..., weiterhin ..., noch ein ähnlicher Punkt ist
anzuführen ..., ein weiterer Gesichtspunkt gehört hierher: ...
- ebenfalls ..., ebenso ..., außerdem noch ..., hinzu kommt ...
- eng damit verknüpft ist ..., dabei muss auch bedacht werden ...
- ähnlich steht es um ..., nicht anders ist es mit ....
- nicht zuletzt ..., nicht zu vergessen ..., auch daran sei erinnert, dass ...
- zu guter Letzt ..., schließlich sei daran erinnert, dass ..., zum Schluss sei noch genannt ..., als
letztes Argument sei angeführt, dass ...
- Schon der einfache ..., beginnen wir mit dem, was auf der Hand liegt ...
- Schwieriger wird es schon mit ..., gewichtiger ist da schon ...
- Eine erneute Steigerung der Schwierigkeiten ergibt sich ..., wie ist es gar mit ..., noch
bedeutsamer aber ist ..,
- Besonders wichtig aber erscheint mir ..., von außerordentlicher Wichtigkeit ist aber ...,
schließlich gar ..., am deutlichsten …
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Etwas hervorheben:
- vor allem / hauptsächlich / insbesondere / besonders / meistens ich möchte betonen/
hervorheben, dass Besonders wichtig aber erscheint…, Man darf auch nicht übersehen, dass…,
entscheidend ist jedoch…, Außerdem spielt noch… eine wichtige Rolle, Allerdings muss man
auch sehen, dass… Weitaus wichtiger ist aber noch…
Etwas ergänzen
- außerdem, darüber hinaus, sowie, ferner, zusätzlich, ergänzend, auch, weiterhin, ebenfalls,
schließlich, nicht zuletzt nicht nur … sondern auch, anschließend,
Schluss/ Fazit
- Wie bereits erwähnt, wie bereits beschrieben
- demnach, also, somit, daher, deshalb, folglich, deswegen, darum, trotz allem, trotzdem
- Ich bin der Meinung, dass…
- Meiner Meinung Nach …
- Mich überzeugen am stärksten die Gründe …
- Ich vertrete den Standpunkt, dass …
- Meiner Einschätzung nach …
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LEKTÜRENZUSAMMENFASSUNGEN
INHALT/ ZUSAMMENFASSUNG
1. Vigilie
- Dresden am Himmelfahrtstag
- Prophezeiung durch ein Äpfelweib: dem Studenten Anselmus stehe ein „Fall ins Kristall" bevor
- Erscheinen dreier goldgrüner Schlänglein in einem Holunderbaum -› Verzückung Anselmus
2. Vigilie
- Anselms’ Bootsfahrt mit Registrator Heerbrand, Konrektor Paulmann und dessen Tochter
Veronika -> erneute Vision von den drei Schlänglein
- Vorschlag Paulmanns und Heerbrands an Anselmus: Arbeit als Kopist bei Archivarius Lindhorst
- Verhinderung der ersten Begegnung mit Lindhorst durch verhexte Klingelschnur und Türklopfer
3. Vigilie
- mythische Erzählung Lindhorsts von Phosphorus, der die geliebte Feuerlilie im Kampf gegen
einen schwarzen Drachen wiedergewinnen konnte -› Heerbrands Abwertung der Erzählung als
Schwulst -> Lindhorst Bestehen auf Realitätsgehalt - » emotionale Berührtheit Anselmus’
- Heerbrand vermittelt Begegnung Anselmus' mit Lindhorst, der diesen beschäftigen will
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4. Vigilie
- Anselmus in melancholisch-sehnsüchtiger Stimmung wegen Liebe zu dem Schlänglein
- Gespräch mit Lindhorst:
- Schlänglein = Lindhorsts Töchter -› Anselmus habe sich offenbar in Serpentina verliebt
- Aussicht für Anselmus: bei guter Kopistentätigkeit Begegnung mit seinen Töchtern
- Zugang zu seinem Haus dank Flüssigkeit, die gegen bösen Zauber an der Tür wirke
5. Vigilie
- Tagtraum Veronikas von gemeinsamer Zukunft mit Anselmus, den sie sich als Hofrat vorstellt
- Beeinträchtigung des Tagtraums durch eine feindliche Gestalt, die sich in ihre Vision drängt
- Veronikas Suche nach Hilfe bei Frau Rauerin (= Äpfelweib) -›Offenbarung durch Äpfelweib:
Lindhorst ist ihr Erzfeind und hat Anselmus an sich gebunden -» Plan, die Bindung zu brechen
6. Vigilie
- problemloser Zugang Anselmus' zu Lindhorsts zauberbehaftetem Haus mithilfe der Flüssigkeit
- blauer Saal: goldener Topf, in dem Anselmus seine erste Begegnung mit dem Schlänglein sieht
- müheloses Gelingen der schweren Kopierarbeiten mit Lindhorsts magischem Schreibwerkzeug
- Erklärung Lindhorsts, dass der Liebe zwischen Anselmus und Serpentina feindliche Kräfte
entgegenstünden - › Möglichkeit, diese durch Beständigkeit der Liebe zu Serpentina zu
besiegen
7. Vigilie
- auf freiem Felde Zauberritual Veronikas mit der Rauerin -» Gießen eines Metallspiegels
- fieberhafte Zustände Veronikas
8. Vigilie
- Lindhorsts Warnung: großes Unheil bei auch nur noch so kleinem Kopierfehler
- Ermutigung durch Lindhorst: Erfolg durch Beständigkeit der Liebe zu Serpentina
- Erscheinen Serpentinas bei Kopierarbeit und mythische Erzählung:
- Geschichte ihres Vaters, der (eigentlich ein Salamander) von Phosphors aus Atlantis verbannt
worden sei, weil er dessen Garten nach Verlust seiner geliebten, einer Schlange, verheert
hätte
- Vermählung Serpentinas mit Mann mit poetischem Gemüt -» Beendigung der Verbannung
- goldener Topf als Spiegel des wundervollen Lebens im Zauberreich
- Anselmus’ Liebesgeständnis, Serpentinas Warnung vor Drachen (von dem Äpfelweib abstammt)
9. Vigilie
- Auswirkung des Zaubers von Veronika: Anselmus denkt immer mehr an sie
- Anselmus' Blick in Veronikas Metallspiegel (Geschenk des Äpfelweibs) - » Liebesbegehren und
Heiratsversprechen gegenüber Veronika -» Abwertung der mythischen Welt als Einbildung
- ausartende Abendgesellschaft (Paulmann, Heerbrand, Anselmus): Rausch dank Punsch
- Veränderung von Lindhorsts zuvor wunderbarem Haus hin zum Normalen
- Klecks bei Kopierarbeit - › Anselmus wird in eine Kristallflasche eingesperrt
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10. Vigilie
- Anselmus erkennt eigenen Fehler: Abkommen vom Glauben an die Liebe zu Serpentina
- Angebot des Äpfelweibs, ihn bei Entscheidung für Veronika zu befreien -» Anselmus' Absage
- eigentliches Anliegen des Äpfelweibs: Zerstörung Serpentinas, Besitz des goldenen Topfes
- „Endkampf": Vernichtung des Äpfelweibs durch Lindhorst
- Befreiung Anselmus' aus der Flasche -› Vereinigung mit Serpentina
11. Vigilie
- Heerbrand hält als neu ernannter Hofrat um die Hand Veronikas an -› Veronikas Einwilligung
12. Vigilie
- Anselmus’ und Serpentinas Leben im Wunderreich Atlantis -› Anselmus ist nun Dichter
- Selbstzweifel des Erzählers, von Atlantis erzählen zu können -› Lindhorst lässt ihn mit einem
Zauber Anselmus und den goldenen Topf erblicken -› Sehnsucht des Erzählers nach Atlantis
Struktur
- zwölf Vigilien - lateinisch für „,Nachtwache" (-› Hinweis auf die in der vierten Vigilie
konkretisierte Schreibsituation des Erzählers)
- Schlagwörter zu Beginn jeden Kapitels -› ironisch zu verstehen, da keine
Inhaltszusammenfassung, sondern Nennung banaler Details
- Spannungsbogen:
- Exposition in den Vigilien 1-3: Einführung der Figuren und der beiden Welten (bürgerliche
Welt und mythisch-poetische Welt)
- Entfaltung des Konflikts in den Vigilien 4-9: Kampf der Welten (Student oder magischer
Kopist? Zukünftiger Hofrat oder Poet?) und Kampf von Gut und Böse um Anselmus (Sieg des
Apfelweibs oder Lindhorsts?) - › mit retardierendem Moment (Zuwendung zu Veronika)
- Lösung in den Vigilien 10-12: Besiegen des Apfelweibs durch Lindhorst, Veronikas
Einwilligung in Heirat mit Heerbrand, Anselmus als Dichter mit Serpentina in Atlantis
- erzählerischer Wechsel zwischen Fokus auf poetischer Welt (Vigilie 4, 6, 8, 10) und auf
bürgerlicher Welt (Vigilie 5, 7, 9, 11) - » Spiegelung der Polarität der Wirklichkeiten
Erzählweise
- unbeteiligter Ich-Erzähler:
- Erzählen der Geschichte des Studenten Anselmus in der Er-Form
- Reflexionen des Ich-Erzählers: direkte Ansprache des Lesers, Bekräftigung des
Realitätsgehalts der wundersamen Begebenheiten (insbesondere zu Beginn der 4. Vigilie)
- multiperspektivisches Erzählen im Sinne des Wechsels der Erzählperspektive:
- Zurücktreten des allwissend scheinenden Erzählers zugunsten personalen Erzählens
- Subjektivität der Wahrnehmung: Verunsicherung beim Leser hinsichtlich des Realitätsgehalts
- teilweise gleiche Begebenheit oder Person aus mehreren Perspektiven dargestellt
- Wechsel der Sichtweise auch innerhalb der Figuren (beispielsweise bei der Raumwahrnehmung:
Hexenküche der Rauerin ist zugleich eine gewöhnliche Stube)
- kunstvolle Erzählung von Verwandlungen (z. B. Menschen in Tiere) bzw. Transformationen
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- Darbietungsformen:
- direkte Gedankenwiedergabe: unvermittelte Darstellung des Innenlebens
- Erzählerbericht in Verbindung mit personalem Erzählen
- Elemente szenischen Erzählens: z. B. direkte Rede und ausgeprägte Schilderung von Gestik
und Mimik-» theatralisches Mittel
- Rückgriff auf Symbole: goldener Topf, Kristallspiegel, Schlange
Sprache
- Unbestimmtheitsformulierungen (z.B. andeutende Vergleiche, Darstellung von Gefühls- und
Gedankenverwirrung, Verb „scheinen") - Verunsicherung der Realitätswahrnehmung bei
Figuren und Leser
- häufige Stilmittel:
- Synästhesien - » Widerspiegelung einer ganzheitlichen, mehrere Sinne umfassenden
Wahrnehmung
- Lautmalereien - » Vergegenwärtigen der Geräusche der Natur
- Personifikationen -› sprechende Natur als Zeichen der Beseeltheit der Welt
- Vergleiche -» als Ausgangspunkt für Darstellung von Metamorphosen
- Wiederholungen -» Intensivierungen (insbesondere bei Ansprache durch wunderbare Wesen)
- starke Präsenz von Begriffen aus dem Bereich der Musik bzw. der Geräusche (auch für die
Bildung von Metaphern) -› sinnliche Vergegenwärtigung
- teilweise recht lange Sätze mit komplexer Syntax
- Sprache der Philister (bürgerlich-floskelhafte, gestelzte Sprache) vs. Sprache der Poesie
(Lautmalereien, Alliterationen, Binnenreime etc.) » Widerspiegelung der zwei Wirklichkeiten
- große visuelle Kraft der Sprache (z.B. durch auf Farben und Lichteffekte bezogene Wörter)
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DEUTUNGSANSÄTZE
Poetologische Lesart
- Anselmus’ Geschichte als Geschichte von der Entwicklung zum Dichter:
- Anselmus' Persönlichkeit als Voraussetzung: dank „ kindliche[m] poetische[n] Gemüt“
Offenheit für das Poetische, für das Traumhaft-Wunderbare, für Serpentina
- Ausbildung/Reifung zum Dichter bei Lindhorst: Anselmus zunächst als Kopist (-»
handwerkliche Fähigkeiten), der zusehends die fremde Sprache (die Ursprache) versteht;
Anselmus dann als Erzähler eines Mythos aus der anderen Welt - inspiriert von Serpentina -›
neben handwerklichen Fähigkeiten bedarf es der Inspiration (einer Muse), um dichten zu
können
- Eingang in Atlantis als Reich poetischer Existenz
- Selbstreflexionen des Erzählers über das Erzählen: Wissen um Skepsis des Lesers hinsichtlich
des Realitätsgehaltes des Erzählten -» Bekräftigung der Wahrhaftigkeit
- Erzähler als Figur der 12. Vigilie: Erkenntnis, dass Poesie und Realität einander nicht
ausschließen (Erzähler gleichzeitig in Dresden und in Atlantis) -›Umsetzung des romantischen
Ideals: Poetisierung des Lebens
- dialektisches Verhältnis von Dichtung und Leben bzw. Realität und Ideal: beide Sphären
verweisen jeweils aufeinander
Philosophische Lesart
- Anklänge von Hoffmanns Werk an die (romantische) Naturphilosophie G. H. v. Schuberts:
- Traumsprache als bilderhafte Sprache, die der Natur des Geistes näher ist als die
Wortsprache
- Verwandtschaft der Traumsprache mit der Poesie
- Annahme eines glücklichen, mit der Natur eng verbundenen Urzustandes (auch als „,
Goldenes Zeitalter" bezeichnet), von dem sich die Menschheit entfremdet hat
- Wiedererlangung dieser Zeit spiegelt sich in der Rückkehr Lindhorsts in das Phosphorus-
Reich und in Anselmus' Ankunft in Atlantis
- Sehnsucht nach der All-Einheit des Seins und nach verlorener Einheit von Poesie und Leben:
- Wunsch nach Vereinigung mit der Natur bereits spürbar in der Holunderbaum-Szene
- Behauptung der All-Einheit am Ende der Erzählung: „Ist denn überhaupt des Anselmus
Seligkeit etwas anderes, als das Leben in der Poesie, der sich der heilige Einklang aller
Wesen als tiefstes Geheimnis der Natur offenbaret?“
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- Kritik an Aufklärung:
- kein Geschichtsmodell, das von Fortschritt ausgeht, stattdessen Entfremdung von Urzustand
(s.0.)
- Würdigung des Irrational-Intuitiven gegenüber dem Rational-Faktischen
- Aufwertung der Kraft des Glaubens (im Sinne von Serpentinas Devise: „glaube, liebe,
hoffe!")
- Erkenntnistheorie: Verunsicherung der Überzeugung, dass menschliche Erkenntnis eine
objektive Abbildung der äußeren Wirklichkeit darstelle
Soziologische Lesart
- kritische Auseinandersetzung mit dem erstarkenden Bürgertum und vor allem mit dem Typus
des Philisters
- Bürgertum vs. Künstlerschaft: Widerstreit zweier Lebenskonzepte -› Gebundenheit vs.
Ungebundenheit; gesellschaftlicher Aufstieg vs. Selbstverwirklichung; Zweckehe vs. Seelenliebe
- Genderorientierte Perspektiven:
- Widerspiegelung der Abhängigkeit der Frau vom Mann: Veronika kann nur als Frau eines
Hofrats Hofrätin werden - dabei aber aktives Betreiben dieser Form der „Karriere" (Suche
nach Unterstützung durch dunkle Mächte)
- Frauenbilder: Idealisierung der Frau (Serpentina) und Dämonisierung der Frau (Apfelweib)
PERSONENKONSTELLATION
25
DER STEPPENWOLF
HERMANN HESSE
INHALT/ ZUSAMMENFASSUNG
26
Tractat vom Steppenwolf
- Studie über geistige Verfassung eines unzufriedenen Mannes namens Harry -› Doppelnatur:
menschliche Seite (vernünftig, kultiviert, edel) und wölfische Seite (wild, ungezähmt) im Konflikt
-» innere Zerrissenheit: Wunsch nach Unabhängigkeit und Bindung
- Selbstwahrnehmung als potenzieller Selbstmörder -» Suizidvorhaben für den 50. Geburtstag
- Einzelgänger-Position jenseits der bürgerlichen Welt, zugleich bürgerliche Aspekte des Lebens
- Bürger = schwach, ängstlich -» Steppenwölfe als Sicherer des Fortbestands des Bürgerlichen
- Humor als versöhnlicher Ausweg für Steppenwölfe -› Möglichkeit, alle Gegensätze zu umfassen
- Belehrung: Vereinfachung des Ichs durch Zweiteilung -› Inneres aus vielen Ichs bestehend
- Weg zu Gott nicht durch Rückzug ins Kindliche oder Wölfische, sondern durch Vordringen in die
(schuldige) Menschwerdung durch Erweiterung der Seele, sodass sie alles zu umfassen vermag
27
- Betreten des Magischen Theaters im selben Gebäude:
- Verlöschen des alten (Wolf-)Selbstbildes in vorgehaltenem Spiegel -› Lachen Hallers
- Erblicken vieler eigener Ichs in großem Spiegel
- Möglichkeit, verschiedene Räume zu betreten, die verschiedene Fantasien „bieten“
- 1. Raum: begeisterter Kampf Hallers gegen Autos und deren Insassen
- 2. Raum („Anleitung zum Aufbau der Persönlichkeit"): Schachspiel eines Mannes mit Hallers
vielen Ichs -› Lehre, dass man mit den Ichs im Leben ein Spiel spielt
- 3. Raum (, Wunder der Steppenwolfdressur"): gegenseitige Dressur von Wolf und Mensch
- 4. Raum („Alle Mädchen sind dein"): Liebeserlebnisse mit Mädchen aus seiner Jugend
- Zurückschrecken vor 5. Raum („Wie man durch Liebe tötet") -› Rückkehr zum großen Spiegel:
Selbstgespräch und Unterhaltung mit spöttisch auftretendem Mozart
- Betreten eines Raums: Erstechen Hermines (die nach Geschlechtsverkehr neben Pablo liegt)
- letzter Raum („Harrys Hinrichtung"): Verurteilung zur Strafe des ewigen Lebens und des
„einmaligen Ausgelachtwerdens" wegen Missbrauchs des Theaters durch „ Humorlosigkeit"
- Vorwurf der Humorlosigkeit auch durch Pablo, in den sich Mozart verwandelt hat
- Zuversicht Hallers, das Lachen irgendwann noch zu lernen
28
- Herausgeber als Ich-Erzähler:
- subjektives Erzählen in Form eines Rückblicks
- Mischung aus allgemeinen Einschätzungen zu Haller und Schilderungen beispielhafter
Begegnungen
- szenische Wiedergabe von Dialogen (wörtliche Rede) mit Haller
- eher nüchterne Sprache
- Reflexionen des eigenen Schreibprozesses
- Harry Haller als Ich-Erzähler:
- Ich-Form: Ermöglichung einer stärkeren Identifikation mit der Figur
- zunächst Dominanz des Erzählberichts zur gegenwärtigen verzweifelten Lage, Präsentation
von Figurenrede v. a. in indirekter Rede
- Einstreuung längerer (in direkter Rede wiedergegebener) Dialoge ab dem Kennenlernen
Hermines -›szenisches Erzählen
- Tagebuch-Charakter der Aufzeichnungen, aber keine klaren Schreibzeitpunkte -
Zeitadverbien (heute, morgen, gestern) deuten aber auf Nähe zwischen Erleben und
Schreiben hin
- Spannung zwischen reflexionsbeladenen Passagen und Schilderung rauschhafter Erfahrungen
- sprachliche Variationen je nach Situation - » Darstellung leidvoller Tage mithilfe von
Parataxen und Wiederholungen; Schilderung von Reflexionen zur eigenen Natur und zum
Konflikt mit dem Bürgerlichen mithilfe von Metaphern, Neologismen und komplexer Syntax
- Aufzählungen, Wiederholungen, Ausrufe, Ellipsen -» Intensität und teilweise Pathos
- rhetorische Fragen als Form der Selbstversicherung
- Verfasser des Tractats:
- formelhafter Beginn: „, Es war einmal"-» ironisierende Andeutung von Märchenhaftigkeit
- geheimnisvolles Wissen des Verfassers über Harry -» Anschein auktorialen Erzählens, auch
durch Kommentare und Richtigstellungen
- Erwecken des Anscheins einer neutralen Charakterstudie über Harry -» zugleich ist
Abhandlung aber z.B. mit subjektiven Wertungen und Belehrungen durchsetzt und von
einem lockeren Ton geprägt, dabei aber bei Wortwahl z. T. hohe Sprachebene
- Einsatz rhetorischer Mittel wie z. B. der Ellipse, der Emphase, der Klimax und der (oft
hyperbolischen) Metapher zur Intensivierung des Bildes von Harry dabei Kritik an Harry und
Sympathie für ihn hypotaktischer Satzbau als Ausdruck der Komplexität des Tractats
- leitmotivisch eingesetzte Symbole und Motive: zentrale Metapher „,Steppenwolf“, Spiegel (als
Medium des Selbsterkennens) und Lachen (als Möglichkeit der Heilung)
- bruchloser Übergang von Realitäts- in surreale Traum- bzw. Visionsdarstellung
- keine Auflösung der Widersprüche/Geheimnisse (z.B.: Woher weiß der Verfasser des Tractats so
viel über Haller?)
Literarische Form
- Nähe zum Entwicklungsroman: Veränderung des Protagonisten im Mittelpunkt
- Nähe zur Bekenntnisdichtung (Werk als Ausdruck persönlicher Erfahrungen und Empfindungen)
und zum Seelenroman (innerer Konflikt und dessen Lösung im Zentrum)
29
DEUTUNGSANSÄTZE
Biografische Lesart
- literarische Verarbeitung einer Lebenskrise
- zahlreiche Hinweise auf Nähe von Autor und Figur
- identische Initialen: Hermann Hesse und Harry Haller
- äußere (Statur, Frisur etc.) und innere (Vorlieben und Gewohnheiten etc.) Ähnlichkeiten
- direkte Übernahme von Erlebtem in den Roman: z. B. Tanzstunden, Maskenball
- Widerspiegelung von Beziehungskrisen
- Suizidgedanken
- Vergleichbarkeit der Identitätskrise Hallers mit der inneren Verfassung des Autors zum Zeitpunkt
der Arbeit am Roman
- Begegnungen Hallers mit Hermine, Maria und Pablo: Ähnlichkeiten zur psychoanalytischen
Therapie Hesses im Sinne einer Bearbeitung der verdrängten, niedergehaltenen Seelenanteile
Historische/zeitkritische Lesart
- Hallers Krise als Krise der Zeit (vgl. Vorwort: Hallers Seelenkrankheit als „Krankheit der Zeit“
bzw. als „Neurose" seiner „Generation") -› Kritik an der Gegenwart
- Kritik an der Moderne: kritische Einstellung gegenüber Technik (u.a. Radio)
- Kulturkritik: Oberflächlichkeit der gegenwärtigen Kultur (z.B. im Umgang mit Klassikern und im
Hinblick auf neue Musik wie den Jazz)
- Kritik an Kriegsbegeisterung -» politische Ohnmacht angesichts der Möglichkeit eines neuen
Krieges
- Roman insgesamt als Ausdruck der Krisenhaftigkeit im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts
- Pessimismus hinsichtlich der Zukunft statt des bürgerlichen Fortschrittsglaubens
- Vision Hallers: Aufgabe des Künstlers, die Gesellschaft mitzugestalten
- Steppenwölfe als Kräfte am Rande der Gesellschaft, die die bürgerliche Ordnung erhalten (vgl.
Tractat vom Steppenwolf)
Psychoanalytische/psychologische Lesart
- Identitätskrise: Hallers Unsicherheit in Bezug darauf, wer er ist bzw. sein soll -› einerseits
Abgrenzung von der bürgerlichen Gesellschaft, andererseits Anziehung durch diese
- Roman als Geschichte der Individuation/Persönlichkeitsbildung: Bewältigung der Lebenskrise
- Pablo, Maria und vor allem Hermine als Teile von Hallers Persönlichkeit (bzw. als deren
Spiegelung)
- Hermine als Anima (weiblicher Seelenanteil) nach C. G. Jung: Vermittlerin zwischen Ich und Es,
die Haller bestimmte Erfahrungen ermöglicht, und dadurch helfende Kraft bei der
Persönlichkeitsentwicklung Hallers
- Hermine als Urmutter (Archetyp nach C. G. Jung): schützende und führende Instanz
- Selbstdiagnose Hallers: Neurose - Neurose nach Sigmund Freud als Ergebnis eines psychischen
Konflikts zwischen Ich und Es
- Heilungsperspektive: Annehmen der (vermeintlichen) seelischen Widersprüche
- Aufwertung des Humoristisch-Spielerischen zu einer Möglichkeit, die persönliche Krise zu
überwinden
- Magisches Theater als eine Art psychoanalytischer Therapie: Ziel = Integration abgespaltener
Persönlichkeitsanteile ins Ich
- Träume als Quelle der (Selbst-)Erkenntnis: Goethe-Traum und Traumhaftigkeit des Magischen
Theaters
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Philosophische/anthropologische Lesart
- „Lehre von den tausend Seelen" (Zitat aus einem Brief Hesses): das Ich nicht als Einheit,
sondern als „Vielheit", als heterogenes Gebilde (-› Spiegelung eines
philosophiegeschichtlichen Perspektivwechsel)
- Nähe zum Existenzialismus: der Mensch als Sinngeber und Verantwortlicher für das eigene
Leben
- Widerspiegelung der philosophischen Frage, in welchem Verhältnis Körper und Geist stehen:
tierisch-triebhafte Anteile und kulturell-geistige Anteile -› Ziel der Integration dieser Aspekte
des Ichs
- Aufwertung des Humors zu einer (philosophischen) Lebenshaltung -» Gewinnung einer
entspannten, gelösten Einstellung zum eigenen Ich und zur Welt -›Überwindung der
Zerrissenheit und Vereinigung aller „Bezirke des Menschenwesens“
- die „Unsterblichen" als Verkörperung einer idealen Geisteshaltung
- Spiegelung von Aspekten der Philosophie Nietzsches:
- Leidensfähigkeit als auszeichnende Eigenschaft (vgl. Haller als „, Genie des Leidens“)
- Zwischenstellung zwischen Natur und Geist
- Widerstreit des Apollinischen (Vernunft, Ordnung, Form) und des Dionysischen
(Rauschhaftigkeit, Triebe) -» Angewiesensein der beiden Pole aufeinander
- Theologische Auslegung: buddhistisches Prinzip des Mittleren Pfades als Zwischenweg
zwischen ausschweifendem, lustorientiertem Leben und asketischer Lebensweise
PERSONENKONSTELLATION
31
FAUST
JOHANN WOLFGANG VON GOETHE
INHALT/ ZUSAMMENFASSUNG
Vorspann
- Zueignung: Erinnerungen eines Dichters an vergangene Zeiten und Ideen, die ihn mit neuer
Schaffenskraft erfüllen
- Vorspiel auf dem Theater: Diskussion darüber, was ein Theaterstück ausmacht:
- Direktor ausverkaufte Vorstellungen und volle Kasse -» Angebote für jeden Geschmack
- Dichter: Kunst im Zentrum, für die er Zeit und Muße braucht
- Lustige Person (Schauspieler): Hinwendung zum vollen Menschenleben
- Prolog im Himmel: Disput zwischen Gott und Mephisto über den Menschen -› Wette mit Fausts
Seelenheil als Einsatz: Mephisto will an Faust Verführbarkeit des Menschen zeigen
Gelehrtentragödie
- Nacht: Monolog des Gelehrten Faust über seine Verzweiflung, trotz seiner Studien und des
Einsatzes von Magie nicht zu wahrer Erkenntnis gelangen zu können -› Heraufbeschwören des
Erdgeists, der Faust verspottet, weil er ihm nicht standhalten kann -» Selbstmord als Lösung,
von dem ihn österliches Glockengeläut und Chorgesang der Engel abhalten
- Vor dem Tor: Osterspaziergang von Faust und dem Famulus Wagner, auf dem Faust sich seiner
inneren Zerrissenheit zwischen sinnlichen und übersinnlichen Genüssen bewusst wird
- Studierzimmer l: erste Begegnung von Faust mit Mephisto und Erwägung eines Teufelspakts
- Studierzimmer Il: Abschluss des Pakts zwischen Faust und Mephisto: Wenn Mephisto Fausts
rastloses Streben befriedigen kann und Faust im Augenblick verweilen will, verliert der Doktor
sein Seelenheil an den Teufel. -› Aufbruch zur Erkundung der Welt
- Auerbachs Keller in Leipzig: Reise in die Welt der Sinnenfreuden
- Hexenküche: Besuch in Mephistos Welt mit Magie und Hexerei -» Verjüngung Fausts, der
Idealbild einer Frau im Spiegel erblickt = Vorbereitung der Gretchenhandlung
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Gretchentragödie
- Straße l: erste Begegnung von Faust und Margarete, bei der Faust ihr sein Geleit anbietet, das
sie als unschicklich ablehnt -» Aufforderung Fausts an Mephisto, ihn mit Margarete zu
verkuppeln
- Abend: Eindringen von Faust und Mephisto in Margaretes Zimmer, wo Faust von
Verliebtheitsgefühlen (aber auch von schlechtem Gewissen wegen Margaretes Unschuld)
überwältigt wird -> Zurücklassen eines Schmuckkästchens als Geschenk für Margarete, das
diese bei ihrer Rückkehr verzückt entdeckt
- Spaziergang: Ärger Mephistos über Margaretes Umgang mit dem Schmuck, den ihre Mutter
dem Pfarrer aushändigte
- Der Nachbarin Haus: Klagen Marthes über ihr Strohwitwendasein; Margarete präsentiert ihr
neues Schmuckgeschenk und Mephisto arrangiert ein Treffen zwischen Faust und Margarete
- Straße II: Entlarvung von Fausts Scheinheiligkeit durch Mephisto
- Garten: Parallelunterhaltungen von Faust und Margarete sowie Mephisto und Marthe
- Margaretes Erzählungen von ihrer Kindheit und Befragung des „Blumenorakels", das ihr
Fausts Liebe bestätigt
- Versuche Marthes, Mephisto zu einer festen Bindung zu überreden
- Ein Gartenhäuschen: Austausch von ersten Zärtlichkeiten zwischen Faust und Margarete.
- Wald und Höhle: Hinwendung Fausts an den Erdgeist und Beschreibung seiner Freude
angesichts des Erlebten, dann aber Klagen über Zerstörung seiner inneren Ruhe; Auftauchen
Mephistos, der Faust zur Entscheidung anstachelt, Margarete zu verführen
- Gretchens Stube: Gesang Margaretes, der ihre Sehnsucht nach Faust offenbart
- Marthens Garten: Religionsgespräch von Faust und Margarete, in dem Margarete ihre Zweifel
hinsichtlich Mephisto äußert, auf die Faust ausweichend reagiert -» Planung einer Liebesnacht
- Am Brunnen: Gespräch über Bärbelchen, die nach Liebschaft unverheiratet schwanger ist ->
Verdeutlichung von gesellschaftlichen Zwängen und Sanktionen, die Margarete drohen
- Zwinger: Gebet Margaretes, in dem sie Muttergottes um Hilfe bittet
- Nacht: Kampf zwischen Faust und Margaretes Bruder Valentin; der tödlich verwundete Valentin
wirft seiner Schwester ihren unmoralischen Lebenswandel vor
- Dom: Konfrontation Margaretes mit all ihren Sünden - Vergiftung der Mutter durch Schlaftrank,
Tod ihres Bruders durch Kampf mit Faust, uneheliche Schwangerschaft
- Walpurgisnacht: Versuch Mephistos, Faust durch wildes Treiben auf dem Blocksberg von
Margarete abzubringen -› Vision Fausts von Margaretes schrecklichem Schicksal
- Walpurgisnachtstraum: Theateraufführung auf dem Blocksberg, die Faust von seiner
Erschütterung ablenken soll
- Trüber Tag. Feld: Drängen Fausts auf Rettung Margaretes, der wegen Kindstötung die
Hinrichtung droht
- Nacht, offen Feld: Weg von Faust und Mephisto zum Kerker
- Kerker: Versuch, Margarete zu retten, die sich aber weigert, Faust und Mephisto zu folgen, weil
sie erkennt, dass Faust sie nicht wirklich liebt und mit dem Teufel im Bunde steht -› Verkündung
von Margaretes Rettung durch göttliche Stimme von oben
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AUFBAU UND FORM
Form
- keine Unterteilung in Akte, nur in Szenen -› Herstellung von Kohärenz durch:
- linearen, klaren Aufbau mit kausal verknüpften Szenen, von denen nur wenige Szenen(teile)
entbehrlich sind, z. B. Mephistos Studienberatung oder der Walpurgisnachtstraum
- Vorausdeutungen, z. B. Gesang der Bauern „ Wie mancher hat nicht seine Braut / Belogen
und betrogen!" (V. 974f.)
- Spiegelungen und Kontraste, z. B. Fausts Gefühl des Gefangenseins in seiner
Gelehrtenexistenz/ Margaretes Gefangensein im Kerker
- antithetisch gestaltete Leitmotive, z.B. Wort und Tat, Wissbegierde und Wissenschaftskritik
- keine durchgehende Konsequenz in Bezug auf die drei Einheiten eines Dramas nach
Aristoteles:
- keine Einheit des Ortes wegen häufig wechselnder Schauplätze
- Einheit der Zeit nur zu Beginn in Studierzimmerszenen, später Beschleunigung und Raffung,
z.B. Zeit zwischen erster Liebesnacht von Faust und Margarete und Margaretes Haft
- Einhaltung der Einheit der Handlung
- asymmetrischer Aufbau: Umschwung zur fallenden Handlung vollzieht sich nicht in der Mitte,
sondern es gibt zwei Peripetien
- erste Peripetie: Faust gibt Gelehrtenexistenz auf und bricht mit Mephisto zu
Welterkundungstour auf
- zweite Peripetie: Beschluss Fausts, Margarete zu verführen (Wald und Höhle)
34
Gattungsbestimmung und Epochenzugehörigkeit
- Merkmale einer Tragödie (v. a. auf inhaltlicher Ebene), z. B. Erlangung tragischer Würde durch
Margarete, da sie sich aktiv gegen ihre Befreiung und für ihre Hinrichtung entscheidet
- Merkmale eines bürgerlichen Trauerspiels, z. B. Nichtbefolgen der Ständeklausel und gängiges
Plotschema (Verführung eines ehrbaren Bürgermädchens durch adeligen Mann).
ABER: Entlarvung der Doppelmoral des Bürgertums, da Konflikt sich innerhalb des Bürgertums
abspielt und Sittsamkeit nur von Frau gefordert wird
- komödienhafte Ansätze in der Form durch gebrochenes Pathos: Wortwitz Mephistos oder
Situationskomik.
ABER: Tragik überwiegt
- Anklänge an mittelalterliche Formen wie Mysterienspiel und Schwank, z. B. Prolog im Himmel
oder Derbheiten in der Hexenküche
- Faust / als epochenübergreifendes Werk:
- Aufklärung: Glaube an menschliche Fähigkeit zur Vervollkommnung, z. B. Fausts Ringen um
Erkenntnis
- Sturm und Drang: Aufbegehren gegen gesellschaftliche Zwänge, Geniekult, Thema
Kindsmord, Fausts Anspruch auf Erlebnisintensität
- Klassik: Streben nach Harmonie und Humanität, z. B. Faust als Repräsentant der Gattung
Mensch, kunstvolle Sprachgestaltung
- Romantik: Hinwendung zum Unbewussten und Rätselhaft-Mythischen, z. B. Fausts innere
Zerrissenheit, Auftreten von Geistern und Hexen
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DEUTUNGSANSÄTZE
Philosophische Lesart
- Irren als Begleiterscheinung von Streben:,„Es irrt der Mensch so lang er strebt." (V. 317)
- möglicherweise Angriff auf den Humanismus der Aufklärung der von beständiger
Höherentwicklung des Menschen ausgeht -» Negierung des aufgeklärten Fortschrittsglaubens
- Widerspiegelung des Mechanismus der , Dialektik der Aufklärung": Umschlagen einer
zweckgerichteten Rationalität in Barbarei, z. B. wenn Mephisto dem Herrn vorwirft, den
Menschen mit Vernunft ausgestattet zu haben, wodurch dieser „ tierischer als jedes Tier" (V.
286) werde
- ambivalente Haltung zu Irrtümern, da diese die menschliche Entwicklung auch voranbringen:
Mephisto als notwendiger Widerstand im Prozess des Fortschritts, ohne den keine Entwicklung
möglich wäre
- Irrwege des Menschen auch von Gott gelenkt -› Mephisto als Verkörperung des Bösen ist
integraler Bestandteil der Schöpfung
- Ganzheit vs. Partialität: Mephisto ist nur ein Teil der Schöpfung, die er gerade durch die
ständige Verneinung bestätigt und anerkennt
Kommunikationstheoretische Lesart
- Gegenüberstellung von Wort und Tat bzw. von Sprache und Wirklichkeit vergeistigtes
Gelehrtendasein steht lebenspraller Sinnlichkeit gegenüber
- Drama deckt Vereinfachung dieser Polarität auf, da gezeigt wird, dass Reden auch Handeln sein
kann genauso wie Worte manipulieren und täuschen können
- z.B. Verfluchung und Verleumdung Margaretes durch Valentin führt zu deren Ächtung
- Faust stellt Ausdrucksfähigkeit der Sprache immer nur dann infrage, wenn es ihm selbst nützt,
z. B. Ausweichen vor Liebeserklärung bzw. vor Religionsgeständnis
- Mephisto unterstellt gelehrter Rede Mangel an gedanklicher Tiefe
- Jonglieren Mephistos mit Begriffen und Perspektiven, um seine Zwecke zu verfolgen, z. B.
„Ein Teil von jener Kraft, / Die stets das Böse will und stets das Gute schafft." (V. 1335 f.).
Soziologische Lesart
- gesellschaftliche Rahmenbedingungen machen sexuelle Triebe zu Quelle tragischen Leidens
- Offenlegung der Beschränkungen, denen Geschlechterrollen jeweils unterliegen
- Mann als aktiver Teil erlebt Liebesabenteuer und ist dynamisch auf die Außenwelt gerichtet
(z.B. Mephisto und Faust)
- Frau ist passiv und will Mann für Ehe und häusliches Familienleben gewinnen (z.B. Marthe
und Margarete)
- Faust kann nach Affäre mit Margarete zu neuen Abenteuern weitertreiben, während
Margarete die Beziehung mit dem Leben bezahlen muss
ABER: Margarete ist nicht nur passiv, da sie Faust im Kerker anklagt = Auflösung der
traditionellen Geschlechterpolarität
- Goethe entlarvt Doppelmoral des Bürgertums, da er Kluft zwischen Faust und Margarete
innerhalb des Bürgertums verortet (Drama spielt nicht tugendhaftes Bürgertum gegen
verwerflichen Adel aus): Faust fühlt sich Margarete überlegen, die für ihn nur kurzes Abenteuer
ist, wodurch er ihr Leben zerstört
- Liebestragödie ist Attacke auf inhumanen Sittenkodex der bürgerlichen Gesellschaft:
Kindsmord = Verzweiflungstat einer von Ächtung bedrohten Frau - » Gesellschaftskritik, die
Margarete nicht explizit formulieren kann, wird durch ihr Leiden ausgedrückt
36
Anthropologische Lesart
- Faust als Repräsentant des gesamten Menschengeschlechts auf seiner Odyssee durch die
Geschichte (v.a. in Faust II)
- Darstellung der Ambivalenz des Menschen:
- Gut vs. Böse
- Geist vs. Körper
- Lebensbejahung vs. -zerstörung
- innere Unendlichkeit vs. äußere Begrenztheit
-› Wie kann man den richtigen Weg finden? - Mensch muss über Maß und Entsagen beide Seiten
in Einklang bringen (Ideal der Klassik)
- Mephisto als Alter Ego Fausts, das das Böse und den Nihilismus in jedem einzelnen Menschen
verkörpert: Faust-Figur zeigt Widersprüchlichkeit des Lebens und Vieldeutigkeit der Wirklichkeit
- Faust als Symbol für Selbstüberschätzung und Hochmut des Menschen, die ins Verderben
führen müssen -› Teufelspakt = ungehemmtes Ausleben dämonischer Bestrebungen im
Menschen selbst, weshalb sich Mephistos Auftreten aus Fausts innerer Einstellung ergibt
- Wissenschaftskritik, z. B. Mephistos sarkastische Studienberatung, und Kritik an unbedingtem
Erkenntnisstreben, das auch Teufelspakt in Kauf nimmt: Faust will wissen, , was die Welt / Im
Innersten zusammenhält" (V. 382f.), und stürzt dadurch sich selbst und Margarete ins Verderben
-› Faust ist nicht nur vorbildlicher Tatmensch, sondern sein ungezügelter Wille zur Herrschaft
über Naturkräfte macht ihn für Schwarze Magie verführbar -› Streben nach Gottgleicheit führt zu
Vermessenheit
37
VERGLEICH DER DREI WERKE
38
STEPPENWOLF GOLDENER TOPF FAUST
Identitätskrise Hin und her gerissen Hin und her gerissen Hin und hergerissen
zwischen bürgerlicher zwischen bürgerlicher zwischen gelehrter und
und und phantastischer Welt. triebgesteuerter
Steppenwolfidentität. Besiegt Krise durch Identität
Ihm schein es Entscheidung für eine
Welt
unmöglich seine zwei
Identitäten zu
vereinbaren ->
Selbstmordwunsch
Durch Selbstreflexion
im magischen Theater
überwindet er seine
Krise
39
STEPPENWOLF GOLDENER TOPF FAUST
40
STEPPENWOLF GOLDENER TOPF FAUST
41
STEPPENWOLF GOLDENER TOPF FAUST
42
STEPPENWOLF GOLDENER TOPF FAUST
Magie und Natur - Als Roman unterliegt - Da der goldne Topf - Faust ist in vieler
der Steppenwolf ein Kunstmärchen ist, Hinsicht durch das
zunächst nicht der wird er Übernatürliche und
Pflicht phantastische gattungstypisch durch Magische geprägt.
Elemente zu die Magie und das Dies ist schon allein
integrieren, doch Übernatürliche durch die
schon der frühe geprägt. Rahmenhandlung,
Verweis auf das - Allein die Einteilung in also die Wette
magische Theater zwei Welten (mythisch zwischen Gott und
(vgl. S. 42) lässt und bürgerlich) heben Mephisto, gegeben.
Rückschlüsse auf eindeutig die Magie - Faust wendet Magie
spätere wundersame des Märchens hervor. an
und magische Szenen - Figuren wie (Entgrenzungsversuch
zu. Das magische Schlangenfrauen e) weil er sich
Theater markiert auch (Serpentina + Gottgleich sieht
den Anfang allen Schwestern), - Mephisto bedient sich
Magischen in Hallers Erdgeister aus Atlantis ebenfalls der Magie
Leben und Hexen - Die Hexen sind auch
unterstreichen den magische Gestalten
übernatürliche Aspekt. die Hexerei nutzen
43
STEPPENWOLF GOLDENER TOPF FAUST
Tor/ Schwelle zu einer - Für Haller hat das - Auch Anselmus - Tore sind ein häufig
neuen Welt „kleine[] hübsche[] stolpert zu Beginn verwendetes Stilmittel
Portal mit einem seiner Entwicklung „in in den drei
Spitzbogen in der Dresden durch das Pflichtlektüren. Sie
Mitte der Mauer“ (S. Schwarze Tor“ (S. 5, Z. stehen symbolisch für
41) signifikante 5) und kommt direkt den Übergang in eine
Bedeutung, denn es mit einem Teil der andere Welt oder
stellt die erste magischen Welt in auch für den Beginn
Begegnung mit dem Kontakt: Dem von etwas Neuem.
magischen Theater Äpfelweib bzw. der - Fausts prägnanteste
dar. Hexe Rauerin. Dieses Tor-Szene ist „Vor
- das Tormotiv stellt Tor markiert den dem Tor“. Hierbei tritt
einen Übergang dar. Beginn seiner er aus seinem engen,
In Hallers Fall ist das Entwicklung zum dunklen
der Übergang in ein Dichter und die Studierzimmer in das
besseres Leben, in stetige Verstrickung in weite offene Land vor
dem er versucht an die magische Welt. die Stadtmauern und
sich zu arbeiten und nimmt letztlich
letztendlich mit Hilfe Mephisto getarnt als
des Magischen Pudel zu sich ins
Theaters das Lachen Studierzimmer. Das
zu lernen. Tor symbolisiert hier
den Übergang aus
seiner beengten
„Studierzimmerwelt“
raus ins „wilde Leben“
(V. 1860).
Sehensucht - Einerseits leben in der - hin und her gerissen - Faust sehnt sich nach
Bourgeoise, zwischen zwei Welten unbegrenztem Wissen
andererseits offen für - Sehnt sich nach - Und nach einer
Wahnsinn (magisches bürgerlichen aber Erlösung seines
Theater) auch nach depressiven
- Fühlt sich in phantastischem Zustandes (2 Seelen)
bürgerlicher Welt fehl (Serpentina und - Neue sexuelle
am Platz Veronika) Erfahrungen durch
- Sehnt sich nach - Sehnsucht nach Gretchen, sexuelle
Erlösung (Selbstmord, Erlösung (Atlantis, Sehnsucht durch
magisches Theater) Selbstmord) Mephisto geweckt
- Sehnsucht nach Liebe,
Kunst und Poesie
44
STEPPENWOLF GOLDENER TOPF FAUST
45
STEPPENWOLF GOLDENER TOPF FAUST
Entlastende Aspekte:
- Mephisto
manipuliert ihn
- Mephisto nutzt
bewusst seine
Begierde aus
- Zurechnungsfähigke
it durch sexuellen
Trieb eingeschränkt
(Verjüngungstrank
hat diesen künstlich
verstärkt?)
46
STEPPENWOLF GOLDENER TOPF FAUST
47
STEPPENWOLF GOLDENER TOPF FAUST
48
STEPPENWOLF GOLDENER TOPF FAUST
Musik als hohe Kunst/ - Haller akzeptiert nur - singt mit Veronika - Klang der
Sprache ohne Worte „alte“ klassische - Schlagen singen für Osterglocken rettet
Musik als Form der Anselmus um ihn zu ihn vor seinem
Kunst verführen (Dreiklang Selbstmord
- Vermehrt Mozart als der Kristallglocken) - Gretchens Stube
Unsterblichen durch - Walpurgisnacht
seine Werke - Gretchen singt oft
- Jazzmusik ist für ihn
vergänglich
- Lernt durch Maria,
Hermine und Pablo zu
tanzen und Jazz zu
genießen
- Musik im magischen
Theater wie Rausch
49
DER VERLORENE
Treichel als einer von drei Brüdern, Arnold als verlorengegangener Bruder
Tod des Bruders Günter (1945)
Eltern suchten nach Bruder mit Rotem Kreuz Finden des Findelkinds durch Rotes Kreuz
INHALT/ ZUSAMMENFASSUNG
50
Der Werdegang der Familie
- Seine Zeit vertreibt sich der Ich-Erzähler mit Radiohören, wobei er auch ab und zu russische
Sender entdeckt. Das Fernsehen wird vom Vater jedoch missbilligt, sodass der Ich-Erzähler nur
ab und zu mit der Mutter zusammen schauen kann.
- Die Familie veranstaltet zwei Mal im Jahr ein großes Schweinekopfessen, zu dem auch
regelmäßig Bekannte aus dem Osten eingeladen werden. Der Ich-Erzähler ekelt sich zwar vor
dem Verzehr, genießt aber die fröhliche Stimmung der Familie zu diesen Festtagen. Nur die
Mutter wirkt weiterhin sehr bedrückt und introvertiert.
- Die Eltern flüchten sich in gegensätzliche Aktivitäten. Während die Mutter immer ruhiger wird,
beschließt der Vater, das komplette Haus zu sanieren. Die Familie erlebt den Wirtschaftsboom
der 1950er Jahre mit und profitiert finanziell davon. Diese Erfolge zeigen sich für den Erzähler
in den immer größer werdenden Autos des Vaters. Zu dieser Zeit hat der Vater auch den
starken Drang, seine Karriere als Lebensmittelhändler in Fahrt zu bringen und macht eine
Fortbildung zum Großhandelskaufmann. Schließlich wird er Großhändler für Fleischwaren,
wobei sein Unternehmen schnell wächst.
51
Der Tod des Vaters
- Auf der Heimfahrt wirkt der Vater aufgrund des Gutachtens sehr aufgebracht. Zu Hause
erwartet die Familie der Revierpolizist Herr Rudolph, der von einem Einbruch ins Kühlhaus des
Vaters berichtet. Ein Großteil der Waren sei daraufhin verdorben – ein zusätzlicher Stressfaktor
für den Vater, der letztlich zu einem Herzinfarkt führt. Er stirbt zwei Tage später und der Ich-
Erzähler wahrt bei der Beerdigung zwar den Schein des trauernden Sohnes, ist dann aber
heilfroh, die schwarze Armbinde endlich abnehmen zu können.
- Die Mutter übernimmt das Geschäft und wird bald als strenge Chefin von der Belegschaft
respektiert. Sie bleibt jedoch unnahbar für den Ich-Erzähler, der zu einem schwierigen Jungen
heranwächst, da ihm die Zuneigung der Mutter fehlt. Gleichzeitig wächst seine Wut auf die
Mutter, da er spürt, dass er den verlorenen Sohn nie ersetzen können wird. In der Folge
entwickelt sich eine Beziehung zwischen der Mutter und Herrn Rudolph. Der Ich-Erzähler ist
zwar fasziniert vom Polizisten, bleibt aber misstrauisch.
AUFBAU/ FORM
Fokus
- Zu Beginn der Erzählung und auch am Ende thematisiert der Ich-Erzähler seinen verloren
geglaubten Bruder Arnold (Das Bild Arnolds im Fotoalbum, sowie die Begegnung mit dem
erwachsenen Findelkind Heinrich). Dieser Fokus bildet in gewisser Weise den Rahmen für die
sonstige Handlung.
Handlungszeit
- Die erzählte Handlung umfasst circa zwanzig Jahre und wird linear dargestellt. Dabei werden
genaue Jahreszahlen nicht angegeben, einzig der Tag, an dem die Mutter Arnold weggibt, wird
mit dem 20. Januar 1945 datiert. Ansonsten kann die zeitliche Einordnung anhand der immer
größer werdenden Autos des Vaters vorgenommen werden.
52
Aufbau
- Unmittelbarer Einstieg: keine Einleitung, stückweise Information des Lesers
- Keine Kapitel " kontinuierlicher Gedanken- und Erinnerungsstrom des Erzählers: Zeichen für
emotionale Involvierung in Erzählungen und Ausgeliefertsein an Erinnerungen
- Ich-Erzähler als handelnde Hauptfigur (direkte Einblicke in Gedanken und Gefühle: Anteilnahme
und Identifikation der Leser); Dominanz der inneren vor äußerer Handlung
- Offener Schluss: keine Erklärung für das Verhalten der Figuren
Gattungszuordnung
- Die Gattung von "Der Verlorene" ist der Erzählung zuzuordnen. Zwar wird das Werk in vielen
Quellen als Roman bezeichnet, jedoch trifft dies im Hinblick auf die Handlung nicht ganz zu. Es
wird nämlich nur ein Handlungsstrang linear wiedergegeben, wohingegen in Romanen oft
mehrere Handlungsstränge miteinander verknüpft werden.
Sprachstil
- Die Sprache ist sachlich und nüchtern, wobei auch kaum rhetorische Stilmittel verwendet
werden. Die Begriffe Schuld und Reue spielen eine zentrale Rolle in der Erzählung, da sie den
Zustand der Eltern beschreiben und diese Stimmung den Ich-Erzähler durchgehend begleitet.
So werden viele negative Emotionen aus diesen Wortfeldern verwendet (Schande, Unbehagen,
Einsamkeit, ... ).
- nüchtern-berichtender Ton mit präzisen Aussagen, aber starken Emotionsbegriffen
(Schuld=aktive Verantwortung für etwas negatives, Scham=Gefühl Ursache eines negativen/
urteilenden Empfindens anderer zu sein (ohne Schuld), Schande, Beklemmung)
- Fast nur indirekte Rede " Distanzierung von allen anderen Figuren
Das Erzählverhalten
- Es hat den Anschein, dass die Erzählweise des Textes aus der Sicht eines Zwölfjährigen erfolgt,
der mit seinem älteren Bruder um die Gunst der Eltern konkurriert. So ist der Ich-Erzähler von
der Trauer der Mutter über den verloren geglaubten älteren Sohn genervt und empfindet auch
selbst kein Betrübnis im Hinblick auf Arnold. Vielmehr ist er erleichtert, sein Zimmer nicht mit
seinem älteren Bruder Arnold teilen zu müssen.
- Diese Eindrücke werden dann jedoch auch von Kommentaren eines älteren, reflektierteren Ich-
Erzählers begleitet, der die geschilderte Lage nüchtern analysiert. Der Wechsel zwischen dem
kindlichen-naiven und dem erwachsenen-analysierenden Erzählstil zieht sich durch die gesamte
Handlung.Zusammenspiel von kindlich-/jugendlich-naivem und erwachsen-reflektiertem-
Erzähler: Dialektik des Erzählens stellt frühere Wahrnehmungen und Erinnerungen der
erwachsenen Realität entgegen
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DEUTUNGSANSÄTZE
Biblisch
- Das Gleichnis des verlorenen Sohnes ist eine nach dem Lukasevangelium von Jesus erzählte
Geschichte.
- In der Handlung verlangt der jüngere Sohn von seinem Vater das Erbe und verprasst es
anschließend. Er wird zum Bettler und sehnt sich wieder nach dem Haus seines Vaters.
Gleichzeitig ist er sehr beschämt, kehrt aber dennoch nach Hause zurück.
- Sein Vater freut sich über die Rückkehr seines tot geglaubten jüngsten Sohnes und veranstaltet
ein Fest.Der ältere Sohn, der in diesem Zeitraum stets an der Seite seines Vaters gewesen ist,
beklagt das Verhalten. Sein Vater antwortet ihm aber, er solle sich freuen, dass der totgeglaubte
jüngere Bruder wohlbehalten zurückgekehrt sei.
Die Untersuchung
- Die nationalsozialistische Eugenik beziehungsweise Erbgesundheitslehre wurde in Deutschland
zur Zeit des Nationalsozialismus eingesetzt, um die Ideale und Ideen der NS-Führung radikal
umzusetzen.
- Hierfür galten die Nürnberger Rassengesetze als Grundlage: die Nationalsozialisten
verabschiedeten darin Eheverbote zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen,
sowie Zwangssterilisierungen bei verschiedenen Krankheitsbildern in der Bevölkerung.
- Ziel war es, durch diese Trennung den Gen-Pool des deutschen Volkes insoweit zu beeinflussen,
dass nur noch "positive" Geninformationen vererbt werden konnten.
Zeitgeschichtlicher Hintergrund
- Exemplarische Erzählung über langfristige Folgen eines Krieges für eine ganze Familie
- BRS-Wirtschaftswunder (1950/60)
- Keine Auseinandersetzung mit NS-Zeit
- Schweigen in vielen Familien; Schweigekultur („das Schreckliche“)
Psychologische Deutung
- Eltern: Schuldgefühle, Verdrängung, Sprachlosigkeit, Bewältigungsstrategien: Fleiß & Arbeit
- Mutter: Traumatisiert (durch Vergewaltigung), depressiv
- Erzähler:
- hat keine Liebe oder Empathie erfahren, keine Freunde
- psychosomatische Leiden
- Auftauchen des Findelkinds = Verunsicherung der instabilen Identität
- Unsicherheit der eigenen Gefühle: Angst um Platz in der Familie, Neid, Wut, Schadenfreude
-> Transgenerationales Trauma
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Komik
- Das Werk ist durchzogen von komischen Übertreibungen, die in ihrer Folge in grauenhafte
Schilderungen umschlagen. Entsteht durch Naivität und Unbefangenheit des Ich-Erzählers
- Beispiele:
- je teurer/mächtiger der wagen des Vaters, desto heftiger muss sich der Sohn darin erbrechen
- trotz seines Ekels wird der Ich-Erzähler genötigt, Schweinekopf und Schweineblutsuppe mit
zu essen, andererseits empfindet der Erzähler seine Familie nie so fröhlich und ausgelassen,
wie bei diesem Schweinekopfessen, sie zählen zu seinen glücklichsten
Kindheitserinnerungen, auch wenn am Ende dieser Familienfeier alle in eine schwere
Melancholie versinken und nicht mehr miteinander sprechen
- es stört den Ich-Erzähler keineswegs, seinen älteren Bruder nie gesehen zu haben, denn er ist
froh sein Zimmer nicht mit ihm teilen zu müssen
- Fotos: die vom Ich-Erzähler gemachten Bilder bilden beinahe nichts von ihm ab, er ist auf
den meisten so gut wie gar nicht zu sehen
- gesamtes wissenschaftliches Verfahren entpuppt sich als Farce/Satire
CHARAKTERE
Der Ich-Erzähler
- bleibt namenlos
- fühlt sich durch seinen Bruder bedroht
- spürt schon als Kind die Scham und Reue seiner Eltern und hat eine instabile Beziehung zu
ihnen
- fühlt sich vernachlässigt, ungewollt und verspürt keine Empathie für die Eltern,
- ist wenig betroffen vom Tod des Vaters und wütend auf die trauernde Mutter
- Ich-Erzähler wird undankbar und gereizt
Die Eltern
- kommen aus Rakowiec in Polen und sind nach Ostwestfalen geflüchtet
- leiden sehr unter dem Verlust von Arnold und sind beharrlich bei der Suche nach ihm
- können keine Liebe und Zuneigung gegenüber dem Ich-Erzähler zeigen
- Vater ist besessen von seiner Arbeit und hat Vorurteile Russen gegenüber
- Mutter wurde von den Russen vergewaltigt, spricht aber niemals darüber, ihr Trauma prägt das
Familienleben, wobei sie ihrem Sohn keinerlei Zärtlichkeiten erweist, wird emotional
abgestumpft und depressiv,
- nach dem Tod des Vaters übernimmt sie die Firma und wird eine strenge und respektierte
Chefin
- nimmt den Antrag von Herrn Rudolph aus Selbstbestrafung nicht an,
Arnold
- wurde als Einjähriger auf der Flucht weggegeben
- hat einen Ehrenplatz im Fotoalbum der Familie, stellt eine Bedrohung für den jüngsten Sohn
dar, Arnold hat die bedingungslose Liebe seiner Eltern,
- taucht im Findelkind Heinrich wieder auf, die Verwandtschaft kann nicht bestätigt werden, sieht
dem jüngeren Sohn sehr ähnlich,
- Heinrich oder Arnold (?) erbleicht beim Anblick des jüngeren Bruders.
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