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Übungsklausur

Gegenstand:
Claude Debussy (1862 -1918)
"Danseuses de Delphes" (Delphische Tänzerinnen), Préludes Buch I

Aufgaben:
1. Beschreiben Sie möglichst umfassend die Takte 1 bis 4, Zählzeit 1+ .
2. Untersuchen Sie die Takte 6 bis 15 im Hinblick auf Wiederkehr und
Veränderung des Themenmaterials der Takte 1 bis 4,1+ .
3. Zeigen sie anhand Ihrer Untersuchungsergebnisse auf, wo der Komponist -
typisch für die Epoche des musikalischen Impressionismus - mit Traditionen
bricht und wo er daran festhält.
4. Versuchen Sie, einen Bezug des Klavierstücks zu seinem "nachgereichten",
d.h. auch "nachempfundenen" Titel in Beziehung zu setzen.

Erläuterungen
lent et grave - langsam und schwer
doux et soutenu - sanft, zart und zurückhaltend
mais en dehors - aber vorwärtsstrebend
danseuses de Delphes - Delphische Tänzerinnen.
Delphi im antiken Griechenland beherbergte einen Apollinischen Tempel, in dem
kundige Priester die vieldeutigen Worte des Gottes Apoll interpretierten

Lieber Kurs!
Überwindet eure Neugier und versucht erst einmal selbst die Aufgaben zu
bearbeiten. Die Musterlösung lässt sich nur bedingt übertragen. Sie soll euch nur
aufzeigen, wie man z.B. eine musikalische Analyse sinnvoll formulieren sollte, d.h. so
dass ein interessierter Laie ihr zum größten Teil folgen kann. Sie soll euch zeigen, auf
was man alles achten kann, sie soll zeigen, dass es sinnvoll ist, nicht sturheil alle
musikalischen Parameter nacheinander zu untersuchen, sondern den Blick auf das
Auffällige zu lenken, was auch meist das Wesentliche ist.
Ich hoffe, es wird euch nützen. Darum auch viel Glück am Montag!
Beispiellösung / Musterbearbeitung
1.Die Takte 1 bis 2, die fast identisch sind, werden durch drei übereinanderliegende Klangschichten
bestimmt. In langsamen Vierteln fällt der oktavverdoppelte Bass in zwei Gruppen von drei Tönen ab: B -
A - F d. h. eine kleine Sekunde und ein Terz, insgesamt in einem Umfang einer Quart. Ausgehend vom
Ton f verläuft dazu in Gegenbewegung und im gleichen Rhythmus in der Oberstimme eine andere
Klangschicht, in der sich zu der Oktavverdoppelung eine Terz gesellt, und die tonleiterartig auf den
Tönen f' - g' - a' fortschreitet. Die dritte Klangschicht, die zwischen den in Gegenbewegung
verlaufenden Schichten verläuft, ist eine chromatisch aufwärts steigende Melodie, die neben Vierteln
punktierte Rhythmen enthält, was den schwerfälligen Dreivierteltakt unterstreicht. Insgesamt haben
diese zwei Takte etwas Beschwörendes durch die Wiederholung und die Gleichförmigkeit des
Rhythmus.
Die folgenden anderthalb Takte sind ähnlich gestaltet, nur dass die Melodierichtungen leicht verändert
sind: die Bassstimme steigt nun oktavverdoppelt chromatisch vom b bis zum d auf, die vorher in
Gegenbewegung befindliche Schicht schwächt ihre Aufwärtsbewegung ab, angereichert durch eine
repetierte Sekunddissonanz (f - g im Bass). Die vorher dazwischen liegende Melodie liegt nun darüber
und ist gekennzeichnet durch ausschließlich punktierten Rhythmus auf immer denselben Tönen g' und
a', was den vorher erwähnten beschwörenden Charakter betont. Einem Abschluss zuliebe ist im vierten
Takt die Wechselnote a' durch ein b' ausgetauscht.

2. In Takt 6 beginnt eine variierte Wiederholung der Takte 1 bis 4,1+. Während die Bassstimme
unverändert bleibt, die Zwischenstimme mit dem punktierten Rhythmus außer einer Oktavverdoppelung
ebenfalls, erfolt die in Gegenbewegung verlaufende Oberstimme einerseits rhythmisch um eine Achtel
versetzt immer zwischen den Vierteln, andererseits unterlegt mit nun vollständigen Akkorden, die
allerdings zum Teil durch zwei große Terzen übermäßig und damit dissonant sind: Takt 6: B-Dur (b-d-f),
Es übermäßig (es-g-h), F übermäßig (f-a-cis). auch diese Klangschicht wird oktavverdoppelt. Man kann
also hier von einer Erweiterung des Klangraumes sprechen.
In den Takten 11 ff wird das Gestaltungsmittel der Gegenbewegung in etwas anderer Weise
aufgegriffen: die synkopisch verschobene Oberstimme der Takte 6ff wird in einer langen Linie von
zwei Mal zwei Takten wieder aufgenommen, diesmal mit konsonanten Akkorden (z.B. in Takt 11 und 12
c-moll/ d-moll / Es-Dur / F-Dur / g-moll / a-moll / B-Dur / c-moll ). Die zuvor im Bass liegenden
Dreitonmelodie scheint jetzt in rhythmisch veränderter Form (neben Vierteln erscheint wieder der
vorher erwähnte Rhythmus aus punktierter Achtel und sechzehntel, die aber nicht gegen den
Viertelrhythmus läuft, sonder ihn durch die Auftaktfunktion des Sechzehntels unterstützt) in der
Oberstimme zu liegen - natürlich auch wieder oktavverdoppelt. Der Abschnitt setzt sich in Takt 16 mit
einer weiteren Variante der Anfangstakte fort: um ein Achtel synkopisch versetzte Viertel, diesmal
mit leicht richtungsveränderter Melodie (Ober- und Unterstimme einander zu Akkorden ergänzend)
dagegen laufend eine den punktierten Rhythmus aufgreifende Zwischenstimme, die in Gegenbewegung
zu den sie einkeilenden Ober- und Unterstimmen verläuft.

3.Die in Aufgabe 1 und 2 beschriebenen Gestaltungselemente Gegenbewegung und Variation und


Wiederholung sind sehr traditionell, da sie sich z.b. in klassischen Formen wie Fuge und
Sonatenhauptsatzform finden. An traditionsbrechenden Eigenschaften ist dieses Stück ärmer als z.B.
"Voiles", da es z.B. stärker am Taktschema orientiert ist als jenes (mit Ausnahme der eingeschobenen
4/4-Takte). Am ehesten kann man die durch die Gegenbewegung entstehenden Dissonanzen (z.B. der
zweite klang in Takt 1) und die Kettung von miteinander nicht verwandten Akkorden in den Takten 11ff.
als sich von der Tradition wegbewegende Eigenschaften bezeichnen.

4. Delphische Tänzerinnen, auch genannt Sibyllen, umgaben das Orakel von Delphi, und bewegten sich
offenbar in meditativer Versenkung, wie der oben erwähnte beschwörende Charakter des langsamen,
etwas schwerfälligen, gleichmäßig dahinschreitenden Stückes erahnen lässt.

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