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W. A.

Mozart,

Sonate A-Dur KV 331, 3. Satz: Alla turca („Türkischer Marsch“)

– Ersteindruck: kleingliedriges Stück, bestehend aus 10 Teilen, die mit Ausnahme des
letzten alle wiederholt werden und je 8 bzw. 16 Takte aufweisen; die
Sonatenhauptsatzform als großflächige, entwicklungshafte Form scheidet damit
bereits als Möglichkeit aus!!

– bei etwas näherer Betrachtung zeigt sich, dass alle drei 16-Takter zweiteilig sind,
wobei die zweite Hälfte jeweils eine Variante des vorangehenden 8-Takters bildet
=> das Stück besteht aus 13 Teilen, die folgendes Schema bilden:
ABA‘-C-DED‘-C-ABA‘-C‘-Coda


=> es handelt sich folglich um eine zusammengesetzte dreiteilige Liedform, wie sie
bei Märschen allgemein üblich ist; diese Form ist hier dadurch modifiziert, dass ein
zusätzlicher 8-taktiger C-Teil eingeschoben ist, der durch seine zweimalige
Wiederkehr einen refrain-ähnlichen Charakter erhält (wenn man den Satz als Rondo
deutet, wäre dieser Teil und nicht der erste 8-Takter als Refrain zu betrachten!); da
dieser Refrain allerdings erst in der Mitte des Stücks zum ersten Mal auftaucht, ist die
Deutung des Satzes als Rondo weniger überzeugend als die als zusammengesetzte
dreiteilige Liedform
– der C-Teil hat außerdem eine Überleitungsfunktion in harmonischer Hinsicht: seine
Tonart A-Dur vermittelt zwischen den a-Moll-Rahmenteilen und dem fis-Moll-
Mittelteil

Detailanalyse:

A (T. 1-8): 4+4 Takte: keine Periode, weil harmonisch offen; Grundtonart: a-Moll (t); das 1-
taktige Kopfmotiv wird dreimal aufwärts sequenziert und einmal wiederholt; der zweite 4-
Takter ist in der Bewegungsrichtung dazu entgegengesetzt und endet auf der Molldominante
(d) e-Moll, nicht E-Dur!! (die Mollterz im vorletzten Takt bewirkt, dass auch der Schlusstakt
als Moll betrachtet wird, obwohl es sich um einen Unisonoklang auf e handelt)

B (T. 9-16): 4+4 T.: wiederum keine Periode, da offen: ein mit T. 5-8 motivisch verwandter
2-Takter in C-Dur (tP) wird einmal wiederholt und dann nach a-Moll sequenziert (offenes
Ende auf der Dominante E-Dur)
A‘ (T. 17-24): 4+4 T.: der zweite 4-Takter endet diesmal geschlossen auf der Tonika a-Moll
(t)
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C (T. 25-32): 4+4 T.: schulmäßige Periode mit Vorder- und Nachsatz; kontrastiert mit dem
Rahmenteil in der Tonart (A-Dur = T), Dynamik (forte) und im Satz (Oktavparallelen), ist
jedoch motivisch mit A und B durch den „Terzzug“ a-h-cis verwandt
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D (T. 33-40): 4+4 T.: keine Periode, da Modulation von der (Dur-)Tonika-Parallele (Tp) fis-
Moll zur (Dur-)Dominantparallele (Dp) cis-Moll (fis => cis analog zu a => e im A-Teil!); die
von Sekundschritten geprägten Drehbewegungen erinnern vor allem an den A-Teil, aber auch
an die Terzzugmotive der anderen Teile; von einer „Durchführung“ oder „Verarbeitung“ des
Materials von A zu sprechen, wäre aber angesichts der syntaktischen und tonalen Stabilität,
Regelmäßigkeit und Kleingliedrigkeit dieses Teils falsch; eher könnte man von
„Fortspinnung“ sprechen

E (T. 41-48): 4+4 T.: Periode in A-Dur; verwandt mit D, aber großräumigere Skalenmelodik
D‘ (T. 49-56): 4+4 T.: zweiter 4-Takter endet diesmal geschlossen in fis-Moll, der
Grundtonart des Mittelteils (analog zu A‘)

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C (T. 57-64): tongetreue Wiederkehr von T. 25-32
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ABA‘ (T. 65-88): tongetreue Wiederkehr von T. 1-24

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C‘ (T. 89-96): variierte Wiederkehr von C: die Oktaven der Oberstimme werden gebrochen
(Steigerung der Virtuosität)
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Coda (T. 97-127):


triumphaler Ausklang in A-Dur; die „trommelnde“ Begleitung erinnert stark an den C-Teil,
das Sechzehntelmotiv in T. 99 an den A-Teil; die bisherige rigorose Gliederung in 8-Takter
(4+4 = „Quadratur“) wird hier endlich aufgegeben zugunsten einer unregelmäßigeren
Struktur: zwei 13-taktige (!) Perioden (6+7), die sich vor allem in der Begleitung voneinander
unterscheiden (Albertibässe im Vordersatz der zweiten Periode); die zweite Periode geht
durch Phrasenverschränkung (T. 122) direkt in den 6-taktigen Schlussabschnitt über

insgesamt lässt der Satz somit trotz seiner klaren, marschmäßig starren Gliederung eine
gewisse Entwicklung erkennen, die von Moll nach Dur und von strenger quadratischer Syntax
zu einer freieren Struktur führt; die Bereicherung des Formschemas der „zusammengesetzten
dreiteiligen Liedform“ durch den refrain-ähnlichen Übergangsteil ist sehr selten und originell

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