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Ästhetik des Hässlichen – Georg Heym ,,Die Irren‘‘ (1910)

Ästhetik des Hässlichen

-> paradoxer Begriff; verdeutlicht das etwas, was nach traditionell-ästhetischen Maßstäben nicht
schön ist, auch einen ästhetischen Reiz haben kann

Der Mond tritt aus der gelben Wolkenwand.


Die Irren hängen an den Gitterstäben,
Wie große Spinnen, die an Mauern kleben.
Entlang den Gartenzaun fährt ihre Hand.

In offnen Sälen sieht man Tänzer schweben.


Der Ball der Irren ist es. Plötzlich schreit
Der Wahnsinn auf. Das Brüllen pflanzt sich weit,
Daß alle Mauern von dem Lärme beben.

Mit dem er eben über Hume gesprochen,


Den Arzt ergreift ein Irrer mit Gewalt.
Er liegt im Blut. Sein Schädel ist zebrochen.

Der Haufe Irrer schaut vergnügt. Doch bald


Enthuschen sie, da fern die Peitsche knallt,
Den Mäusen gleich, die in die Erde krochen.

(Weiteres Werk: Schöne Jugend von Gottfried Brenn)

Historischer Kontext
- deutsch-preußisches Kaiserreich (Wilhelm der Zweite)
- Zeit der Industrialisierung
- Internationale Spannungen und später der erste Weltkrieg

Sprache
- gelbe Wolken (vgl. V.1), Verschmutzung durch Abgase
- Vergleich mit Spinnen (vgl. V.3), unmenschlich, widerlich
- Metapher, Euphemismus (vgl. V.4), Gartenzäune stehen für
- ‚Plötzlich‘ (V. 6), kennzeichnet Wendepunkt
- zwei Personifikationen (vgl V.6), vermenschlichen Situation und stellen sie bildlich dar
- Hyperbel (vgl. V.7), unterstützt Bild, verdeutlicht Ausmaß der Situation, Fokus auf Mauern
- dritte Strophe als Kontrast -> Wendepunkt
- Vergleich mit Mäusen (vgl. V.14), unmenschlich, abscheulich

Darstellung der Irren

- Gegenteil des gesellschaftlichen Ideals

- impulsiv, geleitet von Gefühlen und nicht von Logik

- Faszination mit Irren in der Zeit; man war überzeugt, dass ein Irrer glücklicher lebt, da er von allen
gesellschaftlichen Konventionen und Normen gelößt ist
- Entfernung von der Realität wird von einigen als neuer Idealzustand betrachtet

Aussagen des Gedichts

- Kritik an der Gesellschaft, Bestärkung der Abwendung von der Norm und damit Aufruf zum
Umbruch

- Kritik an Ausgrenzung aller, die anders sind und nicht dem Ideal/der Norm entsprechen

Motive des Expressionismus

- Chaos - im äußeren Aufbau zu finden (Reimschema und Inhalt im Kontrast zur Sonettform)

- Neuanfang, Umbruch – in der gescheiterten Revolution der Irren durch Mord an dem Arzt

- Zerstörung, Brutalität

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