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Definition Geisteswissenschaften
Grundannahmen geisteswissenschaftlicher Pädagogik
Aspekte geisteswissenschaftlicher Pädagogik
Hermeneutik, Phänomenologie, Dialektik
Grundphänomene menschlicher Existenz
Ethik: Behinderungsbegriff, Aufgabe der Heilpädagog*innen
Kritik
Literaturverzeichnis
Definition Geisteswissenschaften
⁃ Sammelbezeichnung für eine Gruppe inhaltlich und methodisch durchaus unterschiedener Wissenschaften,
die allerdings allesamt der Erforschung der verschiedenen Aspekte der menschlichen Realität dienen. (Peter Prechtl & Franz-
Peter Burkard 2008)
⁃ Geisteswissenschaftliche Pädagogik als eine der drei zentralen Richtungen der Theorien über
Erziehungswissenschaften
⁃ entwickelte sich seit dem 20. Jahrhundert
⁃ 1917 zuerst Kulturpädagogik- später dann Geisteswissenschaftliche Pädagogik (Müller & Stein, 2016)
⁃ sieht Erziehung als geistig-kulturelles und geschichtliches Phänomen (Krüger, 2019)
⁃ Erziehungswirklichkeit dabei immer als Ergebnis einer geschichtlichen/biographischen
Entwicklung (Erziehungssituation kann nur durch Betrachtung der persönlichen Geschichte des Kindes und der Geschichte
seines Umfeldes verstanden werden) (Faust, 2007)
⁃ grundlegende Erkenntnismethode: Hermeneutik
⁃ prägende Vertreter: Hermann Nohl, Theodor Litt, Eduard Spranger und später Wilhelm Flitner und Erich
Wenig (v.l.n.)
⁃ Ursprung in der Philosophie, zentraler Forschungsbezug ist die Wissenschaftstheorie (Moser & Sasse, 2008)
—> orientiert sich an der Lebensphilosophie (Müller & Stein, 2016)
2. Erziehungswirklichkeit als „sinnvolles Ganzes” verstanden: betont die Bedeutungshaftigkeit menschlichen Lebens
(Mensch verleiht Dingen/Geschehnissen seines Lebens Sinn, macht sich Gedanken, hat Ziele und Absichten)
3. Aufgabe der Pädagogik ist die Erfassung der Bedeutung von Erziehungswirklichkeit: betont, dass Bedeutung der
Erziehungswirklichkeit für Kind verstanden werden muss
Hermeneutik
- „erklären, denken”
- Hilfsmittel des wissenschaftlichen Verstehens (Lehre vom Verstehen) (Krüger, 2019)
- Ziel, Mensch in gesellschaftlich-kultureller Geschichte und in persönlicher Geschichte zu verstehen
- Sprache als Fundament des Verstehens
• „Verstehen” hier bezogen auf Bedeutungen, Interessen, Sinngebungen, die Menschen selber hervorbringen
- „hermeneutischer Zirkel” (Krüger, 2019)
• Einzelerkenntnisse ohne das Ganze nicht möglich/begreifbar (und andersrum)
• Maß der persönlichen Erkenntnis liegt im Vorverständnis einer Sache, entscheidet, inwiefern Wissen modifiziert/erweitert
werden kann
• Verstehen der anderen ist an eigene Erkenntnis gebunden, zielt immer auf ganzheitliches Verstehen ab („Wiederfinden des
Ich im Du”)
- Methode des „Verstehens“ in drei argumentativen Schritten
• Schritt: „Verstehen als alltäglicher Vorgang“ → Zeichen und menschliche Handlungen erkennen und tieferen Sinn
zuschreiben
• Schritt: Aus diesem alltäglichen Verstehen eine Methode wissenschaftlicher Erkenntnis zu formulieren → Ziel aus
herausgestelltem alltäglichem Vorgang des Verstehens fremder Lebensäußerungen objektive/allgemeingültige Erkenntnisse zu gewinnen, um
somit Lösungen für Probleme vorzuschlagen
• Schritt: Dauerhafte Fixierung des zu Verstehenden → gewonnene Erkenntnisse kontinuierlich an Ausgangssituation prüfen
können
- so sollen Forscher*innen auf diese dauerhafte Fixierung zurückgreifen und Interpretationen untersuchen können
- Hermeneutik innerhalb der Pädagogik beschäftigt sich mit Vorverständnissen, Interpretation und Erziehungswirklichkeit
• Hermeneutik als Theorie der Interpretation von Texten und des Verstehens (objektive Hermeneutik) (Müller & Stein,
2016)
• Wichtig ist der Entstehungskontext, sowie die semantischen bzw. syntaktischen Besonderheiten eines Textes → müssen
stets berücksichtigt werden (was und wie wird ein Sachverhalt geschildert) (Krüger, 2019)
• Kontext in dem ein Text entstanden ist beachten → „Prinzip der Geschichtlichkeit“ (Krüger, 2019)
• Ziel: Entwicklung eines sozialwissenschaftlichen Forschungsprogramms, welches qualitative und quantitative Verfahren
umfasst und von der gesellschaftlichen Konstruktion sozialer Wirklichkeit ausgeht (Müller & Stein, 2016)
• drei zentrale Interpretationsregeln: Wörtlichkeit, Kontextfreiheit und Sequenzialität (Müller & Stein, 2016)
Phänomenologie
- „sichtbar machen, sehen lassen”
- befasst sich mit Erscheinung/Sache an sich
- Ziel, das Wesen der Erscheinung zu erkennen
• schwierig, Tatsachen so zu erheben wie sie wirklich sind (nicht wie sie bloß erscheinen)
-dreischrittiges Verfahren
• Höchstmöglichen Grad an vorurteilsfreier Einstellung erreichen (Gefühle, Wünsche, Vorstellungen etc.
werden bewusst ausgeblendet)
• Möglichst genaue und detaillierte Beschreibung (Schlichtheit, bezogen aufs Phänomen, Unvoreingenommenheit,
Genauigkeit, Einfachheit, Vollständigkeit, Wahrung der Grenzen des Phänomens)
• Wesenserfassung (Wesen besteht aus dem was bleibt, wenn daran nichts zufälliges mehr bleibt)
-geht innerhalb der Pädagogik um Spiel, Arbeit, Erziehung, Verantwortung (Faust, 2007)
-Phänomenologische Pädagogik
• bisher unvollständig bzw. nur ansatzbar beschrieben
• Vertreter: Fischer und Lochner
1. Phase: 20. Jahrhundert - Deskriptive Pädagogik/Reformpädagogik
2. Phase: Blütezeit - vier Hauptlinien
3. Phase: anthropologische Wende Übertragung von vor- und außerwissenschaftlichen Phänomene des menschlichen Selbst- und
Weltverhältnisses (Müller & Stein, 2016)
Dialektik
- „sich unterreden, sprechen”
- Verfahren der Argumentation, Streitgespräche
- Vorfinden eines Widerspruchs (im Denken, Erkennen, der Wirklichkeit)
- Grundschema
• These, Antithese, angestrebte Synthese (ergibt dann neue These)
• These: Setzen einer Behauptung
• Antithese: Gegen-Behauptung, begründet Widerspruch
• Widerspruch kann logischen Sinn haben (entweder/oder):
kontradiktorisch, oder gegensätzlichen Sinn haben (sowohl als auch): konträr
• Widerspruch/Gegensatz soll aufgelöst werden, durch Synthese in höhere Einheit gehoben werden
• dafür müssen These und Antithese im größeren Zusammenhang eingebettet und überflüssig gemacht werden
-innerhalb der Pädagogik Orientierung an Erziehungswirklichkeit und der pädagogischen Verantwortung
• Dialektik kann also nicht alleine stehen, muss hermeneutische und phänomenologische Methoden miteinbeziehen
(Faust, 2007)
• -Reihenfolge der drei Methoden (Faust, 2007)
1.Phänomenologie beschreibende Bestandsaufnahme
2.Hermeneutik Verstehen und Auslegen der Bestandsaufnahme
3.Dialektik Reflexion über den Bestand
Hauptphänomene
Leiblichkeit: Erlebnisse der Körperlichkeit, Körper als Träger von Bewusstsein, hängt von persönlicher Wahrnehmung ab, leibliche
Ausdrucksbewegungen so intentional-bedeutungsstiftend
Bewegung: in Bewegung wird Leiblichkeit erfahren, Gefühle motorisch ausgedrückt
Entwicklung: langfristige Veränderung im Erleben, Denken, Verhalten, verschiedene Modelle
• Mechanistisches Modell (Umwelt bestimmt menschliche Entwicklung)
• Organismisches Modell (Mensch steuert Entwicklung)
• Entwicklung als lebenslanger Prozess, Persönlichkeitsveränderungen durch Handeln, Erfahrungsverarbeitung, Lernen
• Person als Initiator, Ziel eine Identität zu entwickeln
• Handlungsprinzipien für Heilpädagog*in: sequentielle Entwicklungsdiagnostik, Selbstständigkeitsförderung, Fördern
durch Fordern
• Ziel der Entwicklung von Handlungsmöglichkeiten und Selbstvertrauen
Spiel: tragen alle Menschen in sich, gekennzeichnet durch Freiheit, Ambivalenz, Geschlossenheit, innerer Unendlichkeit, Scheinhaftigkeit,
Gegenwärtigkeit
• Funktionen: Erlebtes verarbeiten/verändern, Wahrnehmungs- und Lernprozesse anregen
• Bewirkt Problemlösefähigkeiten, Sprache, Symbolisierungsfähigkeiten
• Voraussetzung: gelungene soziale Interaktion zwischen Kind und Eltern, sichere Bindung
Lernen: aktuelle/kurzfristige Verhaltensveränderungen, welche in bestimmten Situationen auftauchen
• beruhen auf wiederholten Erfahrungen der Person
• verursacht durch Empfinden von Konflikten mit Umwelt → Bestrebung, Gleichgewicht wiederherzustellen
• Alltag/Lebenswelt der betroffenen Person stehen als Lernort im Mittelpunkt
• emotionale Seite ebenfalls an Lernprozessen beteiligt
• Lernunfähigkeiten/Lernentwicklungen kontextabhängig (dürfen nicht bloß als Problem der betroffenen Person betrachtet
werden)
Sprachlichkeit: drückt ebenfalls Gefühle/Wissen aus, vermittelt Identität
• Kommunikationsmittel, umfasst Tonfall, Blicke, Berührungen beim Sprechen
• für Menschen mit sprachlichen Beeinträchtigungen dann bspw. Gebärdensprache, aktionsbegleitendes Sprechen
Tätigkeit: Eigenaktivität, Selbstgestaltung, Gegenstandsbezug
• Dritte Person als Vermittler von Kind zu Gegenstand (Kind, dritte Person und sozial-kulturelle Hintergrund verschmelzen
in einer Tätigkeit
• Drei Ebenen
• Tätigkeitsebene (Sinn, Bedeutung, Ziele hinter Handlung)
• Handlungsebene (zielgerichteter, gestaltender, herstellender Prozess
• Operationsebene (komplexe Handlungen, stellen motorische oder mentale Fähigkeiten dar (Faust, 2007)
Ethik
Menschenbild und Behinderungsbegriff (nach Gröschke)
- Mensch/seine Erziehung kann von vier Seiten aus betrachtet werden
• Von außen als Einzelner gesehen: Entfaltung des biologischen Menschen, Anpassung an Lebensbedingungen steht im
Mittelpunkt
• Von außen und gesellschaftlich gesehen: Weitergabe des kulturellen Erbes, Erziehung der nächsten Generation
• Von innen und geschichtlich gesehen: Bildung/Entwicklung des Einzelnen steht im Mittelpunkt
• Von innen und persönlich gesehen: sinnerfülltes, verantwortliches Leben
- Ziel, „inneren Halt” zu entwickeln, der selbstbestimmtes Leben ermöglicht
- Einzigartigkeit des Menschen als Ausgangspunkt des Menschenbildes
- allen Menschen vollste Anerkennung ihres Menschseins, ihrer Werthaftigkeit und ihrer Menschenrechte zugestehen
• ganz unabhängig von physischen/psychischen Verfassungen
- Gröschke unterscheidet Person und Persönlichkeit
• Person besteht aus Leib, Seele, Geist (von Anfang an gegeben)
• Persönlichkeit muss erst entfaltet werden (durch Entwicklung, Erziehung, Bildung)
Der Heilpädagoge/die Heilpädagogin:
- übernimmt zentrale Verantwortung
• muss behinderte Person respektieren
• verantwortlich, Lebens-, Entwicklungs-, Erziehungsbedingungen anzubieten
• muss behinderter Person alle Möglichkeiten, Werte etc. zugestehen
- Spannungsfeld Theorie Praxis
• muss immer handeln, muss aber gleichzeitig auch immer sein Wissen anwenden (Richtigkeit immer wieder überprüfen)
- Heilpädagog*in bestimmt zwangsläufig die Qualität des pädagogischen Handelns
• durch seine/ihre Werte, Persönlichkeit, Einstellungen, Motive
- Kompetenzbereiche von Fachlichkeit
• Instrumentelle Kompetenz: berufliche Fähigkeiten
• Soziale Kompetenz: empathisches „Sich-Einlassen”
• Reflexive Kompetenz: eigene Identität ins berufliche Handeln integrieren
- gemeinsame Handlung zwischen Heilpädagog*in und behinderter Person
alles, was behinderte Person sagt, muss als sinnvoll und persönlich gewertet werden (Faust, 2007)
Kritik
Literaturverzeichnis
Faust, M. (2007). Aktuelle theoretische Ansätze in der deutschen Heilpädagogik. Eine Einführung. Opladen & Farmington Hills: Barbara
Budrich.
Krüger, H. (2019). Erziehungs- und Bildungswissenschaft als Wissenschaftsdisziplin. Opladen/Toronto: Barbara Budrich, 49-63.
Moser, V. & Sasse, A. (2008). Theorien der Behindertenpädagogik. München: Ernst Reinhardt.
Müller, T. & Stein, R. (2016). Wissenschaftstheorie für Sonderpädagogen. Ein Arbeitsbuch zu Theorien und Methoden. Bad Heilbrunn:
Julius Klinkhardt.
Prechtl & Burkard (2008). Metzler Lexikon Philosophie. Stuttgart: Verlag J.B. Metzler, 204.