Sie sind auf Seite 1von 18

LEIBNIZ UNIVERSITÄT HANNOVER

PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT
INSTITUT FÜR SONDERPÄDAGOGIK

Die Orofaziale Regulationstherapie nach Castillo Morales

Studienleistung
Modul F.2.
Seminar: Förderung von Kindern mit Aussprachestörungen (Schwerpunkt LKGS):
Prävention, Indikation, Diagnostik, Intervention
Dr.Hanna Ehlert
SoSe 2022

Bettina Varga | 10048797 | Rampenstraße 11a | 30449 Hannover | bettina.varga@stud.uni-hannover.de


Wer ist Castillo Morales?

• Rodolfo Castillo Morales war ein argentinischer Therapeut, Rehabilitationsarzt und


Schöpfer des nach ihm benannten Therapiekonzepts. Er hat als Forscher, Lehrer,
Untersucher und Behandler tätig.

• 1968 beendete er die Ausbildung zum Rehabilitationsarzt in Madrid/Spanien. 

• Er gründete in Cordoba/Argentinien ein Rehabilitationszentrum für Kinder und


Erwachsene, dessen Leiter er ist. Hier entwickelte er die
„Orofaziale Regulationstherapie“  (ORT) und
„Neuromotorische Entwicklungstherapie“ (NET).
Das Castillo Morales Konzept

•    Die Castillo-Morales-Therapie ist ein ganzheitliches Therapiekonzept, das auf


den Erkenntnissen der neuromotorischen Entwicklung beruht.

•    Dr. Castillo Morales hat auf der Grundlage seiner differenzierten 


Betrachtungsweise der sensomotorischen Entwicklung und deren Auswirkungen auf
die Funktionen und Aktivitäten des orofazialen Bereichs ein Behandlungskonzept
entwickelt, das auch in Deutschland Beachtung gefunden hat und vor allem als
"orofaziale Regulationstherapie" (Castillo) bekannt ist.

•    Im Mittelpunkt des Konzepts steht die so genannte orofaziale


Regulationstherapie.

•    Das Konzept geht davon aus, dass alle sprachlichen


und verbalmotorischen Fähigkeiten des Menschen mit dem gesamten Körper
zusammenhängen. Wenn ein Teil des Komplexes gestört ist, sind auch die für das
Sprechen und Schlucken benötigten Muskeln beeinträchtigt.
Das Konzept legt daher besonderes Gewicht auf die Auswirkungen von Haltung und
Bewegung auf die Position von Kopf, Hals und Kiefer sowie auf die Aktivität der
Gesichts-, Mund- und Rachenmuskulatur.

• Die Übungen nach dem „Castillo Morales Konzept“ beeinflussen und beachten die
Wechselwirkungen zwischen neuromotorischer Entwicklung
(Vertikalisierung) und orofazialer (Atmen, Saugen, Kauen, Trinken, Schlucken, Sprechen,
Stimme) Regulation. Die Orientierung erfolgt dabei an der normalen sensomotorischen
Entwicklung des Kindes.

• Die Therapie nach dem „Castillo Morales Konzept“ ist eine sehr körpernahe Behandlung.
Motorisches Lernen erfolgt im bewussten Spüren des eigenen Körpers und im Kontakt des
Körpers mit der Umgebung. Die Angehörigen sind meistens anwesend und werden aktiv 
in das Handlungsgeschehen eingebunden.
Einflüsse

• Erfahrungen aus anderen Therapierichtungen (Bobath,


Vojta,...)

• das Wissen um die erdverbundene und körperbewußte


Lebensweise der Eingeborenen Lateinamerikas

• Erfahrungen aus einer langjährigen Rehabilitationsarbeit


mit den verschiedensten Patienten und deren Angehörigen
Das Ziel des Konzepts
 
• Erweiterung der nonverbalen und verbalen Kommunikationsmöglichkeiten

• Wahrnehmungsentwicklung (z.B. Spüren, Sehen, Hören)

• Verbesserung der aktiven Aufrichtung und Bewegung

• Aktivierung und Regulierung der orofazialen Funktionen (Saugen, Schlucken,


Speichelkontrolle, Kauen, Mimik, Artikulation)

• Förderung der Eigeninitiative und Selbständigkeit z.B. Kommunikation, Essen,


Trinken, Fortbewegung

 • Unterstützung der elterlichen Kompetenzen

• Vermeidung von sekundärer Pathologie 


Im Castillo Morales-Konzept ist die Kommunikation der Einstieg in jede
Diagnostik oder Therapiesituation.

Kommunikation wird im Castillo Morales Konzept weiter gefasst als Sprechen und


Sprache. Sie geschieht z.B. auch über taktilen Kontakt, Blick, Mimik oder Gesten.
Die Aufgabe des/der Therapeuten/in besteht darin, auch mit schwer beeinträchtigten
Menschen feinste Verständigungsmöglichkeiten auf allen Ebenen zu finden, und so
dessen Kommunikationsmöglichkeiten zu fördern.

Denn Castillo Morales betont:


„schweigt die Kommunikation, dann schweigt auch bald die Seele“. 
Das Konzept besteht aus sechs grundlegenden Elementen, um das Ziel zu
erreichen

• Philosophie
Die Philosophie im Castillo Morales-Konzept basiert auf einem humanistischen
Menschenbild, das den Umgang zwischen Arzt/Therapeut und
Patient/Bezugspersonen prägt.

Sowohl in seiner inneren, als auch in seiner äußeren Haltung begegnet der
Therapeut/Arzt seinem Gegenüber auf Augenhöhe. Dadurch werden Hierarchien
geebnet; die therapeutische Arbeit wird von Respekt und Achtung getragen.

Viele Aspekte dieser Philosophie beziehen sich auf Erkenntnisse aus der
Anthropologie Lateinamerika´s.

 • Neurophysiologie
Das Castillo Morales-Konzept fußt auf neurophysiologischer Grundlage.
Wissenschaftlicher Beirat und Beirat der  Lehrtherapeuten setzen sich regelmäßig mit
dieszbezüglich aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen kritisch auseinander und
passen das therapeutische Vorgehen ggf. entsprechend an.
• Funktionelle Anatomie
Hierfür benötigen die Therapeuten fundiertes Wissen um die funktionelle Anatomie
des Menschen, insbesondere auch des orofazialen Komplexes.

• Lateinamerikanische Anthropologie
Elemente aus der Erziehung und dem Zusammenleben der Menschen aus Castillo
Morales' Heimat, wie enger Körperkontakt, auch in der Therapie, finden unter dem
Begriff lateinamerikanische Anthropologie Einzug.
 
• Ökologie
Die ökologische Sichtweise im Castillo Morales-Konzept berücksichtigt den engen
Zusammenhang von sozialen Beziehungen und individueller Umgebung für die
Entwicklung des Menschen. Deshalb spielt die Gestaltung des räumlichen Umfelds
(z.B. Licht, Abstützmöglichkeiten, Begrenzung) eine ebenso große Rolle wie die
Einbeziehung der Angehörigen mit ihren Ideen, Ängsten, Wünschen, usw., um eine
adäquate Therapiesituation anbieten zu können. 
• Pädagogik
Seine Pädagogik zielt darauf ab, den Patienten zu motivieren und ihn zu
befähigen, seine Fähigkeiten und Fertigkeiten selbständig auszubauen. Dazu
gestaltet der Therapeut das Umfeld und gibt Hilfestellungen und Impulse, die
mit einer Verbesserung der Fähigkeiten zunehmend zurückgenommen werden,
um die Selbständigkeit und Verbesserung der Teilhabe zu fördern.

Die verschiedenen medizinischen und therapeutischen Disziplinen müssen eng


zusammenarbeiten, um durch ein kohärentes und koordiniertes Vorgehen die
größtmögliche Verbesserung für den Patienten zu erreichen.
Für wen ist das Konzept geeignet?

 Castillo Morales entwickelte sein Behandlungskonzept vor allem für Menschen mit
Muskelhypotonie und sensomotorischen Störungen. Heute wird es vor allem bei
Kindern und Erwachsenen mit verschiedenen sensomotorischen Störungen im
Bereich des Gesichts, des Mundes und des Rachens eingesetzt, wie z. B.

• Kraniofaziale Fehlbildungen (z.B. Lippen-Kiefer-GaumenSegel-Fehlbildungen,


Pierre Robin Sequenz)

• Muskuläre Hypotonie im Rahmen einer genetischen Veränderung (z.B. Trisomie


21, Prader-Willi-Syndrom)

• Neuromuskuläre Erkrankungen

 • Zentralmotorische Erkrankungen, die angeboren oder erworben sind (z.B.


Schädelhirntrauma, Apoplex)

• Fazialisparesen (peripher/zentral, z.B. Möbiussequenz)

• Periphere Paresen (z.B. Spina Bifida oder Plexusparese) 


Die orofaziale Regulationstherapie

orofazial = den Mund und das Gesicht betreffend

• Die orofaziale Regulationstherapie wird bei einer Vielzahl von Krankheitsbildern


bzw. Gruppen von bestimmten Krankheitsmerkmalen empfohlen. Die Therapie wird
unter anderem angewandt bei Säuglingen mit Saug- und Schluckstörungen, nach
Operationen im Gesichtsbereich, bei Störungen der Lautbildung, bei mangelhaften
Funktionen des Mundschlusses mit unzureichender Kontrolle des Speichelflusses
oder auch als vorbeugende Behandlung bei Frühgeborenen.

• Behandlungstechniken, die bei der Therapie eingesetzt werden, sind beispielsweise


Kopf- und Kieferkontrolle, die Anregung der Sinne durch Berühren, Streichen, Zug,
Druck und Vibration der äußeren Mundmuskulatur, die Massage von Zahnfleisch
und Gaumen oder das Anregen des Saugens.
• Bei der Kopf- und Kieferkontrolle wird das zu behandelnde Kind mit einer Hand
an Hinterkopf und Nacken stabilisiert, während mit der anderen Hand der
Unterkiefer umfasst wird. Je nachdem, was für eine Funktionsstörung vorliegt,
werden mit Daumen und Fingern bestimmte Regionen (z. B. Mundboden oder
Kinnbereich) angeregt und kontrolliert. Ziel ist es, die Körperhaltung zu 
verbessern, die Atmung positiv zu beeinflussen und bestimmte Bewegungsmuster
zu fördern.

• Um spezielle Übungen aus der Rückenlage heraus oder im Sitzen durchzuführen, werden
für die PatientInnen zunächst in Basisübungen individuelle Ausgangsstellungen
gefunden, welche die Störungen der Muskelspannung positiv beeinflussen sollen: eine z.
B. hochgezogene Oberlippe kann so gelockert werden. In speziellen Übungen werden
bestimmte Zonen im Gesicht angeregt, um damit besondere Reaktionen und
Funktionsverbesserungen auszulösen
•  Übungen im Mund - wie zum Beispiel die Zahnfleischoder die Gaumenmassage -
werden eingesetzt, um die Speichelflusskontrolle zu verbessern, Würgereflexe zu
vermindern oder das Schlucken zu unterstützen.

•  Zur Behandlung von Störungen der Zungen- und Schluckmotorik werden von
Castillo Morales auch mechanische Hilfsmittel eingesetzt. Zur Aktivierung der
Zungenfunktion dienen Hilfsmittel wie kieferorthopädische Platten die mit
unterschiedlichen Aufsätzen versehen sind wie Knöpfen, Rillen, Perlen u.a. Die
Apparate bestehen aus Kunststoff und werden mit Metallklammern gehalten. Sie
müssen individuell angepaßt werden.
Therapeutisches Fachpersonal in der Praxis 

 https://www.youtube.com/watch?v=wsS1XKThero

 https://www.youtube.com/watch?v=n3scT_6O4Ns&t=358s

 https://www.youtube.com/watch?v=BCkP74CtcfI
 
Kritik

• Obgleich die Orofaziale Regulationstherapie gute praktische Anleitungen im


Umgang mit Kindern, die aufgrund schlaffer Muskeln unter Störungen des
Mundschlusses leiden, oder bei Störungen der Nahrungsaufnahme gibt, wird das
Konzept oft kritisch beurteilt, da zum Teil keine wissenschaftlichen Begründungen
für die Wirksamkeit vorliegen. Anwender des Konzepts berichten, dass Kinder
motivierter, aufmerksamer und kontaktfreudiger werden, weil sie gute Beziehungen
zu den Betreuungspersonen aufbauen können.

• Der Erfolg des Konzepts wird nur durch Kursbeobachtungen oder Fallstudien
dokumentiert. Eine unabhängige systematische Bewertung liegt noch nicht vor. 
Literatur

Das Castillo Morales-Konzept, Hrsg. v. Christiane Türk, Silvia Söhlemann, Heike


Rummel: Thieme Verlag: Stuttgart 2012. Jetzt Neuauflage: Stuttgart 2020

In Kommunikation mit Menschen mit Mehrfachbehinderung, Dehmel, C.: In:


Bewegung und Entwicklung, Zeitschrift der Bobath Vereinigung Deutschland e.V.,
1/2011, 8-12

 Orofaziale Regulationstherapie, Castillo Morales, R. ; Pflaum Verlag; München,


1998

Orofaziale Regulationstherapie nach Castillo Morales - Stellungnahme der


Gesellschaft für Neuropädiatrie Karch et al. (2005).
Weblinks 
Castillo-Morales-Vereinigung
Abgerufen am 08.07.2022.

Infantile Cerebralparese - Behandlungsmöglichkeiten und unterstützende Ressourcen für Eltern und das be
hinderte Kind.

 Diplomarbeit von Andrietta Isabella van Saanen an der Universität Wien. Seite 38ff. 2011.
Abgerufen am 08.07.2022.

https://www.youtube.com/watch?v=wsS1XKThero
CASTILLO MORALES orofacial
Marisol Barbaran Berrocal
Abgerufen am 08.07.2022.

https://www.youtube.com/watch?v=n3scT_6O4Ns&t=358s
Método Castillo Morales
Stephanie Gabriela Gutarra Cordova
Abgerufen am 08.07.2022.

https://www.youtube.com/watch?v=BCkP74CtcfI
Método Castillo Morales
David Parra
Abgerufen am 08.07.2022. 

Das könnte Ihnen auch gefallen