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Rechtswissenschaftliches Institut

Immaterialgüterrecht

Vorlesung – Frühlingssemester 2013

Prof. Dr. Florent Thouvenin, RA


Assistenzprofessor für Immaterialgüter- und Informationsrecht an der
Universität St. Gallen, Lehrbeauftragter an der Universität Zürich
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Urheberrecht - Schutzwirkungen
Schutzdauer
– Grundsatz
– Schutz beginnt mit Werkschöpfung (URG 29 I)
– Erfüllen der Schutzvoraussetzungen
– Unabhängig von Festhalten auf Träger
– Schutz endet mit Ablauf der Schutzfrist (URG 29 II)
– Normallfall: 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers
– Computerprogramme: 50 Jahre nach dem Tod des Urhebers
– Berechnung (URG 32)
– Schutzfrist läuft ab 31.12. des Jahres, in dem massgebliches Ereignis eintritt
– Schutz endet 70 bzw. 50 Jahre später am jeweiligen 31.12.
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Urheberrecht - Schutzwirkungen
Schutzdauer (2)
– Spezifische Konstellationen
– Miturheberschaft (URG 30)
– Mitwirkung mehrerer Personen an Schaffung eines Werks (URG 7)
– Schutzfrist endet 70 bzw. 50 Jahre nach Tod des zuletzt verstorbenen Urhebers
– Können Beiträge getrennt werden, endet Schutz für jeden Beitrag einzeln
– Filme und andere audiovisuelle Werke: Tod des Regisseurs massgeblich
– Unbekannte Urheberschaft (URG 31)
– Urheber unbekannt: Schutzfrist endet 70 bzw. 50 Jahre nach Veröffentlichung
– Bekanntwerden vor Ablauf der Schutzfrist: normale Berechnung der Schutzfrist
– Unbekannter Todeszeitpunkt (URG 29 III)
– Urheber bekannt, aber Eintritt des Todes und/oder Todeszeitpunkt unsicher
– Kein Schutz mehr, wenn angenommen werden muss, Urheber sei seit mehr als 70 bzw. 50
Jahren tot
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Urheberrecht - Schutzwirkungen
Schranken
– Übersicht
– Grundsatz
– Beschränkung der Nutzungsrechte, nicht der Urheberpersönlichkeitsrechte
– Ausgleich der Interessen von Rechtsinhabern und Nutzern sowie Allgemeinheit
– Zudem: Praktikabilität, Schutz der Privatsphäre, Schutz bestimmter Industrien
– Drei-Stufen-Test als «Schranken-Schranke»
– Schranke muss bestimmte Sonderfälle betreffen
– Schranke darf normale Verwertung des Werks nicht beeinträchtigen
– Schranke darf berechtige Interessen des Urhebers nicht unzumutbar verletzen
– Arten von Schranken
– Zwang zu kollektiver Verwertung: Verzichtet Urheber auf Verbotsrecht, können
Vergütungsansprüche nur von Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden
– Zwangslizenz: Urheber muss gegen Entgelt eine Lizenz erteilen
– Gesetzliche Lizenz: Keine Verbots- nur Vergütungsansprüche
– Volle Freistellung: Weder Verbots- noch Vergütungsansprüche
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Urheberrecht - Schutzwirkungen
Schranken (2)
– Eigengebrauch
– Privatgebrauch (URG 19 I lit. a)
– jede Werkverwendung
– im persönlichen Bereich (für sich selbst) und im Kreis eng verbundener
Personen wie Verwandte und Freunde
– implizit: für private Zwecke
– Schulgebrauch (URG 19 I lit. b)
– jede Werkverwendung
– durch Lehrperson und Schüler
– für den Unterricht in der Klasse
– Interner Gebrauch (URG 19 I lit. c)
– Vervielfältigung (und Verbreitung)
– in Betrieben, öffentlichen Verwaltungen, Instituten, Kommissionen und
ähnlichen Einrichtungen
– für interne Information und Dokumentation
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Urheberrecht - Schutzwirkungen
Schranken (3)
– Eigengebrauch (2)
– Allgemeine Grundsätze
– Voraussetzung für Eigengebrauch: Veröffentlichung der Werke (URG 19 I)
– Computerprogramme: Schranke nicht anwendbar (URG 19 IV)
– Erstellen von Vervielfältigungen durch Dritte (URG 19 II)
– Zum Eigengebrauch berechtigte Personen dürfen Werkexemplare durch Dritte herstellen lassen
(Dritte kopieren für Berechtigte, Bsp.: Copy-Shop)
– Dritte sind auch: Bibliotheken, andere öffentliche Institutionen und Geschäfts-betriebe, die
Benutzern Kopiergeräte zur Verfügung stellen (Berechtigte kopieren auf Geräten Dritter)
– Abruf erlaubterweise zugänglich gemachter Werke (URG 19 IIIbis)
– für Vervielfältigungen, die bei Abruf von erlaubterweise zugänglich gemachten Werken
entstehen, wird auf vertraglicher Grundlage bezahlt, Bsp.: iTunes
– Nutzung dieser Vervielfältigungen ist auf vertraglicher Grundlage geregelt und
von Einschränkungen des Eigengebrauchs ausgenommen
– keine Vergütungsansprüche nach URG 20 (problematisch)
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Urheberrecht - Schutzwirkungen
Schranken (4)
– Eigengebrauch (3)
– Gegenausnahmen für Schulgebrauch und internen Gebrauch (URG 19 III)
– vollständige oder weitgehend vollständige Vervielfältigung im Handel
erhältlicher Werkexemplare (URG 19 III lit. a)
- Anthologie: nur einzelne Geschichten innerhalb des Bandes
- Zeitung: nur einzelne Artikel in der Zeitung
– Vervielfältigung von Werken der bildenden Kunst (URG 19 III lit. b)
- Gemälde: Postkartenausgaben, Kunstposter etc.
- Stiche, Zeichnungen, Graphiken und Karikaturen
– Vervielfältigung graphischer Aufzeichnungen von Werken der Musik
(URG 19 III lit. c)
– Aufnahme von Vorträgen, Aufführungen oder Vorführungen des Werkes auf
Ton-, Tonbild- oder Datenträger (URG 19 III lit. d)
- Bootleg-Aufnahme eines Konzerts
- Mitschnitt eines Films im Kino

– Keine Gegenausnahmen für Privatgebrauch (URG 19 III)


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Urheberrecht - Schutzwirkungen
Schranken (5)
– Vergütung für Eigengebrauch (URG 20)
– Privatgebrauch (URG 19 I lit. a)
– Grundsatz: vergütungsfrei (URG 20 I)
– Ausnahme: Leerkassetten und andere zur Aufnahme geeignete Ton- und
Tonbildträger (Speichermedien, URG 20 III)
– Vergütung vom Hersteller oder Importeur geschuldet; beim Kauf bereits im Preis
für Speichermedien enthalten (URG 20 III)
– Schulgebrauch und interner Gebrauch (URG 19 I lit. b und lit. c)
– Immer: vergütungspflichtig (URG 20 II)
– Formen: Kopierabgabe
– auch hier: Abgabe auf Speichermedien (URG 20 III)
– Vervielfältigung durch Dritte (URG 19 II)
– Vervielfältigungen im Rahmen des Eigengebrauchs durch Dritte vorgenommen
– Immer: vergütungspflichtig (URG 20 II)
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Urheberrecht - Schutzwirkungen
Schranken (6)
– Erschöpfung
– Grundsatz
– Verbreitungsrecht an einem Werkexemplar erschöpft, wenn dieses vom Urheber
bzw. Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung erstmals in Verkehr gebracht
– Voraussetzung: Veräusserung; Vermieten oder Verleihen reicht nicht
– Folge: Keine Kontrolle der weiteren Veräusserung oder sonstigen Verbreitung
– Achtung: Erschöpfung erfasst nur Verbreitungsrecht ! (≠ Patentrecht)
– Geographische Reichweite: internationale Erschöpfung
– Ausnahmen und Besonderheiten
– Audiovisuelle Werke: Keine Weiterveräusserung oder Vermietung solange
Rechtsinhaber in Ausübung des Aufführungsrechts beeinträchtigt (URG 12 Ibis)
– Computerprogramme: Neben Erschöpfung des Verbreitungsrechts vermittelt
Veräusserung Erwerber auch Recht, das Programm zu gebrauchen (URG 12 II)
– Ausgeführte Werke der Baukunst: Eigentümer darf Werk ändern, unter Vorbehalt
der Entstellung (URG 12 III)
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Urheberrecht - Schutzwirkungen
Schranken (7)
– Zitatrecht (URG 25)
– Veröffentlichte Werke dürfen zitiert werden
– Zitatzweck: Erläuterung, Hinweis oder Veranschaulichung
– Inhaltliche Bezugnahme und Auseinandersetzung mit zitiertem Werk
– Urheberrechtlich relevant: unveränderte Wiedergabe (≠ sinngemässes Zitat)
– Alle Werkarten: Texte, Musik, Filme, Bilder etc.
– Umfang des Zitats durch Zitatzweck gerechtfertigt
– Zitat ist als solches zu bezeichnen und Quelle anzugeben
– Verwendung durch Menschen mit Behinderungen (URG 24c)
– Wahrnehmung eines Werks in veröffentlichter Form für Menschen mit Behinderung nur
erschwert möglich
– Vervielfältigung in Menschen mit Behinderung zugänglicher Form zulässig
– Urheber/Rechtsinhaber: Anspruch auf Vergütung für Vervielfältigung und Verbreitung;
Geltendmachung nur durch Verwertungsgesellschaften
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Urheberrecht - Schutzwirkungen
Schranken (8)
– Werke auf allgemein zugänglichem Grund (URG 27)
– Werk befindet sich bleibend an oder auf öffentlichem Grund
– Abbildung des Werks und Verwertung der Abbildung zulässig
– Abbildung darf nicht dreidimensional und nicht zum gleichen Zweck
wie Original verwendbar sein
– Bsp.: Bauwerke, Statuen, Plakate etc.

– Berichterstattung über aktuelle Ereignisse (URG 28)


– Bei Berichterstattung wahrgenommene Werke dürfen
– aufgezeichnet, vervielfältigt, vorgeführt, gesendet, verbreitet oder sonstwie wahrnehmbar
gemacht werden
– soweit für Berichterstattung über aktuelle Ereignisse erforderlich
– Zur Information über aktuelle Fragen dürfen
– Kurze Ausschnitte aus Presseartikeln, Radio- und Fernsehberichten vervielfältigt, verbreitet,
gesendet oder weitergesendet werden
– Ausschnitt und Quelle müssen bezeichnet werden
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Urheberrecht - Schutzwirkungen
Schranken (9)
– Archivierungs- und Sicherungsexemplare (URG 24)
– Erstellung einer Kopie, um Erhaltung des Werks sicherzustellen
– Berechtigung für jedermann, aber nur Erstellung einer einzigen Kopie
– Archivexemplar ist als solches zu kennzeichnen
– Archivexemplar ist in der Allgemeinheit nicht zugänglichem Archiv aufzubewahren
– öffentliche Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen und Archive
– Herstellung der zur Sicherung oder Erhaltung der Bestände notwendigen
Werkexemplare (mehrere Kopien zulässig)
– mit Kopien darf kein wirtschaftlicher Zweck verfolgt werden
– Erstellen einer Sicherungskopie bei Computerprogrammen
– durch den zum Gebrauch des Computerprogramms Berechtigten
– Befugnis kann nicht vertraglich wegbedungen werden
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Urheberrecht - Schutzwirkungen
Schranken (10)
– Entschlüsselung von Computerprogrammen (URG 21)
– Beschaffung der erforderlichen Informationen über Schnittstellen zu
unabhängig entwickelten Programmen durch Entschlüsselung des
Programmcodes (sog. Dekompilierung)
– durch zum Gebrauch des Computerprogramms berechtigte Person
– durch einen Dritten, der Informationen für Berechtigten beschafft
– Schnittstelleninformationen dürfen nur für Entwicklung, Wartung und
Gebrauch interoperabler Programme verwendet werden
– Schranke greift nicht bei unzumutbarer Beeinträchtigung
– der normalen Auswertung des Programms
– der rechtmässigen Interessen der Rechtsinhaber

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