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Kritische Theorie
und Emanzipation

Herausgegeben von
Marc J acobsen
Dirk Lehmann
Florian Röhrbein

Königshausen & Neumann


Inhalt

Marc ]acobsen, Dirk Lehmann, Florian Röhrbein


,, ... alles als infam zu empfinden, was das Bestehende ausmacht"
(Leo Löwenthal) - Kritische Theorie und Emanzipation 7

Dirk Braunstein
Zum Materialismus der Kritischen Theorie.
Bemerkungen über „ein paar Thesen" Adornos 17

Paul Mentz
Moralphilosophie im Stande der Unfreiheit.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Adornos negative Philosophie der Moral 39
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Isabelle Klasen
über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ,,Die Schwerkraft der Verhältnisse."
Zur Kulturkritik Theodor W. Adornos 71

Dirk Lehmann
Naturbeherrschung und Emanzipation.
Kritische Theorie über die Verdinglichung der Natur - Eine Skizze 91

© Verlag Königshausen & Neumann GmbH, Würzburg 2014


Mark Schumacher
Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier Religion & Kapitalismus, Business & Wahnsinn.
Umschlag: skh-softics / coverart Überlegungen zur Religionskritik nach Walter Benjamin 113
Umschlagabbildung: Hitech Abstract Business Background
© DavidAm #30392344 (Iotolia.com)
Bindung: Zinn - Die Buchbinder GmbH, Kleinlüder Barbara Umrath
Alle Rechte vorbehalten
Emanzipation und Geschlechterverhältnis.
Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verw~rtung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist Feministische Kritik an und mit Max Horkheimer 143
~hne Zu_sc1~n:iung des \/erlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere
ur Vervielfalugun.gen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung
und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Ingo Elbe
Printed in Germany Triebökonomie der Zerstörung.
ISBN 978-3-8260-5065-7 Kritische Theorie über die emotionale Matrix der Judenvemich-
www.koenigshausen-neumann.de tu~ 1~
www.libri.de
www.buchhandel.de
www.buchkatalog.de
Marc Jacobsen, Dirk Lehmann, Florian Röhrbein
,,... alles als infam zu empfinden, was das Bestehen­
de ausmacht" (Leo Löwenthal) - Kritische Theorie
und Emanzipation 1

Nach der Niederschlagung der Revolution 1848 war es Friedrich Engels, der
die Aufgaben des Revolutionärs in Zeiten des erzwungenen Burgfriedens
benannte. Unter dem Titel Revolution und Konterrevolution notierte er:
,,Sind wir aber einmal geschlagen, so haben wir nichts anderes zu tun,
als wieder von vorn anzufangen. Und die wahrscheinlich nur sehr kurze
Ruhepause, die uns zwischen dem Schluß des ersten und dem Anfang
des zweiten Aktes der Bewegung vergönnt ist, gibt uns zum Glück
die Zeit für ein sehr notwendiges Stück Arbeit: für die Untersuchung
der Ursachen, die unweigerlich sowohl zu der letzten Erhebung wie zu
ihrem Mißlingen führten; Ursachen, die nicht in den zufälligen Bestre­
bungen, Talenten, Fehlern, Irrtümern oder Verrätereien einiger Führer
zu suchen sind, sondern in dem allgemeinen gesellschaftlichen Zustand
und den Lebensbedingungen einerjeden, von Erschiaterungen betroffenen
Nation. [... ] Wir müssen uns an die Grenzen des Möglichen halten
und uns zufrieden geben, wenn es uns gelingt, vernunftgemäße, auf
unleugbaren Fakten beruhende Ursachen zu finden, die die wichtigsten
Ereignisse, die entscheidenden Wendepunkte jener Bewegungen erklä­
ren und uns Aufschluß über die Richtung geben, in die der nächste,
vielleicht gar nicht so ferne Ausbruch das deutsche Volk lenken wird".2
So wie Karl Marx und Engels im Lichte des Scheiterns der Revolution von
1848 ein im Grunde interdisziplinäres Forschungsprojekt über die Möglichkei­
ten einer kommenden ,Einheit von Politik und Theorie' angestoßen hatten,3
1
Bei den folgenden Beiträgen handelt es sich zum Teil um überarbeitete Fassungen von Vorträgen,
gehalten im Rahmen der Biclefelder Tagung „alles als infam zu empfinden, was das Bestehende
ausmacht" (Leo Löwenthal}. Kritische Theorie und Emanzipation im November 2011. Überdies
machen wir hier Aufsätze zugänglich, die sich dem Denken Max Horkheimers und anderer
verbunden fühlen.
2
MEW 8, S. Sf.; Hervorh. d. Hrsg.
3
Es ist ausgerechnet der Marburger Politikwissenschaftlers Reinhard Kühnl, durchaus kein
Freund der kritischen Theorie Horkheimers und anderer, der über das beinahe interdisziplinäre
Forschungsprogramm, das Marx und Engels in Angriff genommen haben, schreibt: ,,Dort, wo
der Marxismus zur Staatsideologie wurde und sich mit Machtinteressen verband, verkam er in
manchen Fällen zur bloßen Zitatologie. M. und E. [Marx und Engels; d. Hrsg.] haben dagegen

7
r Kreis um Max Horkheimer ihnen im Lichte des Scheiterns der
so tut es de ·· ah d · k
Revolution von 1918/19 gleich. Nach der Uber_n me es D1~e torenamtes Veränderung der Welt steht weiterhin aus. Beides, Richtigkeit wie Falschheit
d Instituts für Sozialforschung durch Horkheuner entsteht m den frühen der Mar~schen T~ndenzaussagen, wird schließlich zum Gegenstand der von
d;:ißiger Jahren des vergangenen Jahrhunde~~s die ~r.itis_che ~heorie als der ~orkhe1mer geleiteten Arbeit am Institutfür Sozialforschung. Das kommt in
„hoffentlich geglückte Versuch, einsichtig-knusch dieJ~mgen ~ntellektuellen ei~er Bemerkung Friedrich Pollocks zum Ausdruck. Er verweist darauf dass
und politischen Tendenzen und Beweg~~gen zu analys~e~en, die der Neubele­ „die Da~_er~aft~gkeit eine~ Wirtschafts- und Gesellschaftssystems [... ] cicht
4 ~ur abh~ng1g [ist] von semen technischen Mitteln für die Bewältigung seiner
bung einer möglichen Einheit von Politik und Theorie 1m Wege standen".
Und wenn Leo Löwenthal von der ,Einheit von Politik und Theorie' spricht, okonomucben Aufgaben, sondern ebenso von der Widerstandskraft derjenigen
um die es der kritischen Theorie geht, so ist damit zugleich unterstrichen, wie S_chicht:n, di~ di: Lasten der bestehenden Ordnung zu tragen haben".9 Objek­
sehr diese eine Emanzipationstheorie ist. 5 Ihr geht es um die Einlösung des tiver wie subjektiver Faktor, die 0konomie ebenso wie die Widerstandskräfte
~er Individuen, finden hier gleichermaßen Berücksichtigung. Damit bewegt
Marxschen kategorischen Imperativs, ,,alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen
sic? Pollock zunächst noch ganz auf Marxischem Boden. Jedoch schreibt er
der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches
weiter:
Wesen ist".6
Die Ereignisse der Jahre 1848ff. hatten Marx und Engels gezeigt, dass es ,,Diese Widerstandskraft ist, wie die Erfahrung lehrt, in der Vergan­
genheit weit überschätzt worden, das veränderte Gewicht der Arbeiter­
angesichts der Polarisierung von Armut und Reichtum durchaus zu partiellen
klasse im Wirtschaftsprozess, die Umwälzungen in der Waffentechnik
Aufständen und Revolutionen kommen kann.7 Indes zeigten die Ereignisse und die ausserordentliche Vervollkommnung der geistigen Massenbe­
ebenso sehr, dass sowohl der Bewusstseinsstand wie auch der Organisations­ herrschung lassen auf absehbare Zeit einen solchen Widerstand nur im
grad der Arbeiterschaft nicht ausreichten, um die Revolution zum Erfolg zu Gefolge schwerster Katastrophen als möglich erscheinen" .10
führen. Im englischen Exil wandte sich Marx, unterstützt freilich von seinem
Entsprechend reflektieren Horkheimer und andere auf den subjektiven Faktor
Freund Engels, wieder den ökonomischen Studien zu, in der Erwartung, das
im Geschichtsprozess, will sagen, auf die Verfasstheit der Individuen samt ihrer
Schicksal der bürgerlichen Gesellschaft werde sich auf dem Gebiet der Öko­ schwindenden Widerstandsfähigkeit. Daher sollen nun neben der Ökonomie,
nomie entscheiden. 8 In der Zeit des erzwungenen Klassenfriedens versuchte Psychologie und Kulturwissenschaften zu einer umfassenden Erkenntnis der
Marx das objektive Element der Revolution schärfer begrifflich zu fassen, das gesellschaftlichen Wirklichkeit beitragen. Dies wird bereits in der Antrittsrede
heißt, er versuchte die Vergänglichkeit der kapitalistischen Produktionsweise Horkheimers 1931 unterstrichen. Leitfaden der kollektiven Arbeit am Institut
anhand ihrer eigenen Dynamik zu demonstrieren. Die Kritik der politischen ist die Frage
Ökonomie ist Resultat dieses Unternehmens. „nach dem Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen Leben der
Schlagend haben sich seitdem die von Marx formulierten Tendenzaussa­ Gesellschaft, der psychischen Entwicklung der Individuen und den Ver­
gen über die kapitalistische Produktion bewahrheitet; und dennoch hat sich änderungen auf den Kulturgebieten im engeren Sinn, zu denen nicht
jene Vergänglichkeit der kapitalistischen Produktionsweise kaum bestätigt; nur die sogenannten geistigen Gehalte der Wissenschaft, Kunst und Re­
eine damit noch im Spätwerk so siegesgewiss in Aussicht gestellte radikale ligion gehören, sondern auch Recht, Sitte, Mode, öffentliche Meinung,
Sport, Vergnügungsweisen, Lebensstil u.s.f." .11
sehr eindringlich durch ihre eigenen Arbeiten immer wieder betont und gezeigt, daß es ein ein
für allemal fertiges Schema nicht geben kann. Da die Wirklichkeit selbst in ständiger Bewegung Dass die Marxsche Kritik dabei nicht aufgegeben wurde, verdeutlicht diese
begriffen ist und da die Einzelwissenschaften immer neue Erkenntnisse hervorbringen, kann Passage aus Horkheimers Antrittsrede ebenso wie sie davon zeugt, dass Marx'
a~ch die marxistische Wissenschaft nur als Prozeß begriffen werden, der voranschreitet zu Kritik allein nicht zulangt, um eine umfassende Erkenntnis von Gesellschaft
tieferer und umfassenderer Erkenntnis der Wirklichkeit" (Kühn! 1995, S. 583; Hervorh. d. zu leisten.12 So wird die kritische Theorie begründet als der Versuch, umfas­
Hrsg.).
4 send Kenntnis darüber zu gewinnen, welche Kräfte wie im gesellschaftlichen
Löwent~al 1980, S. _79. Anders gesagt stand "am Anfang der Kritischen Theorie [ ... ] keines­
wegs, :wie g~legenthch schematisch behauptet, ein revolutionärer Optimismus, der sich seit Prozess wirken, um in eins damit ein Verständnis darüber zu geben, welche
13
der Dialektik der Autklärung in Resignation und Pessimismus verwandelt hat, sondern die Entwicklungsmöglichkeiten bestehen - oder nicht.
E~ahrung de: gescheiterten Revolution" (Schmid Noerr 1997, S. 120).
5
Mit der B~zeic~nung_de: kritischen Theorie als Emanzipations- beziehungsweise als Befrei­ 9
ungstheon: gre1f~n wir eme Unterscheidung von Heinz Steinert auf, der die kritische Theorie Pollock 1980, S. 350; Hervorh. d. Hrsg.
10 Ebd.
v?n Theonevers_1onen abgrenzt, die wesentlich die Sicherung der bestehenden Ordnung im 11 Horkheimer 1988, S. 32; Hervorh, d. Hrsg.
Smn haben und msofern Ordnungstheorien sind (vgl. Steinert 2007: 213). 12
6
MEW 1, S. 385; Hervorh. i. Orig. Vgl. Türcke/Bolte 1994, S. 19.
7 13 Vgl. Fromm 1980, S. 49f.
Vgl. hierzu wie zum Folgenden Bolte 1995, S. 31.
8
Vgl. MEW 13, S. 8.
9

8
. d · · feren Verständnis von Geschichte und Gesellschaft re-
Mit em immer tie11 . . . .d ..
. H kh · nd andere wie sehr inzwischen die Wi erstandskräfte "Ich erinnere mich, oft in intellektuellen und persönlichen Gesprächen
flektieren or eimer u ' . . . .. k . h .
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der In div1 uen geresse
i: lt sind , obschon nach .ihrer. objektiv-ö
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d. den Vorwurf gehört zu haben, man kann doch nicht immer kritisch
. k • a1· · h - Gesellschaft längst über sich hinaus 1st. iejerugen, re recht sein, man muß doch auch mal konstruktiv sein. Wir waren immer das
die apit tsttsc e

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li h di u" b •windung des nattonalokonomisc en ustan s ewirken
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Skandalon, der Störenfried. [... ] Genau das Negative war das Positive,
e1gent c e e1 h d . .. b 1 . h . dieses Bewußtsein des Nichtrnitmachens, des Verweigerns; die uner­
· ß ·h e Unterwerfung unters Beste en e, Ja u er assen src emer
so II en, geme en i r . .h . h d. I d. .d . bittliche Analyse des Bestehenden, soweit wir jeweils dafür kompetent
·
d estruktrven 1 ra
I . tionalität · Schlimmer. noch, rei en. sie re n rvi uen . m waren, das ist eigentlich das Wesen der kritischen Theorie".'?
. · h en B ewe gungen ein
po11tisc _ , deren W iderspruch zu ihren.. Interessen kemes- .
rchschauen wäre 14 Grenzen der Aufklarung werden hier Kritische Theorie ist, wie sie von Marx begründet wurde, Kritik im Handge­
wegs sch wer z U du : . . . . menge. 20
· wahrnehmbar· Spätestens mit dem nationalsozialistischen
b ererts . .. Judenmord
. Die kritische Theorie verweigert sich jedem konstruktiven Gedanken,
h d Kreis um Horkheimer jenes Sicherheitsgefühl, nach dem mit der
ja verhält sich zuletzt destruktiv gegenüber der „Infamie des Bestehenden".21
~ef~re:ets auch das Rettende wächst, verloren. Insofern bleibt Horkheirners
Zugleich ist sie eine phantasievolle Theorie insofern sie zwar eine unerbittliche
Aussage von 1937 auch weiterhin wahr: Analyse des Bestehenden leistet, damit aber eine Analyse vorlegt, die die in der
,,Allgemeine Kriterien für die kritisc~e Theorie als ganzes _gib~ es nicht; Wirklichkeit aufgesparten Möglichkeiten zum Besseren nicht unrerschlägt.P
denn sie beruhen immer auf der Wiederholung von Ereignissen und Das unterscheidet sie zuletzt von jeder traditionellen Wissenschaft. Über deren
somit auf der Existenz einer sich selbst reproduzierenden Totalität. zweideutigen Positivismus spricht Theodor W. Adorno bei Gelegenheit einer
Ebensowenig existiert eine gesellschaftliche Klasse, an deren Zustimmung Vorlesung im Sommersemester 1960:
man sich halten könnte. Das Bewusstsein jeder Schicht vermag unter
"Der Ausdruck ,Positivismus' ist wirklich in einem sehr tiefen Sinn
den gegenwärtigen Verhältnissen ideologisch beengt u~d kor:umpier~ zweideutig[ ... ] .Positiv' heißt nämlich auf der einen Seite, daß man
werden, wie sehr sie ihrer Lage nach auch zur Wahrheit bestimmt sei. sich als Wissenschaftler an die Tatsachen, an das, was positiv, was
Die kritische Theorie hat bei aller Einsichtigkeit der einzelnen Schritte gegeben, was da ist, halten soll, daß man sich nicht in unnützen Hirnge­
und der Übereinstimmung ihrer Elemente mit den fortgeschrittensten spinsten verlieren soll. ,Positiv' heißt aber zugleich auch immer etwas
traditionellen Theorien keine spezifische Instanz für sich als das mit ihr im Sinn einer Art von Werttheorie, daß man nämlich das, was nun
selbst verknüpfte Interesse an der Aufhebung der Klassenherrschaft". 15 einmal ist, was man in der Hand hat, höher werten soll als das, was
bloß möglich und nicht wirklich ist. Im Positivismus steckt immer -
Kaum etwas deutet seitdem auf eine Umwälzungsmöglichkeit des Bestehenden
als moralische Maxime gewissermaßen - auch das drin, daß einem der
hin; an der Umwälzungsbedürftigkeit dieses Bestehenden indes, besteht nach Spatz in der Hand lieber sein soll als die Taube auf dem Dach".23
Horkheimer und anderen kein Zweifel. 16
Die kritische Theorie bleibt in jenem von Adorno genannten ersten Sinne
Auch nach der Niederschlagung des Nationalsozialismus bewegt sich
durchaus jene „positive Wissenschaft",24 als die sie dereinst von Marx und
die kritische Theorie im Spannungsfeld von Umwälzungsmöglichkeit und
Engels begründet wurde. Indes hat sie mit jenem „Scheißpositivismus"25 der
-bedürftigkeit. Das aber mündet nicht in einen wohlfeilen Pessimismus, der
Herren Comte und so fort nichts zu schaffen, weiß sie doch darum, dass das,
sich in Nörgelei über eine nun einmal so und nicht anders seiende Welt er­
was ist, nicht alles ist. ,,Wenn es wahr ist", so Adorno in einem Gespräch mit
schöpft. Dieser Zustand der Welt wird von diesen kritischen Theoretikern
Ernst Bloch,
nicht akzeptiert, sie fügen sich nicht heroisch ins Schicksal, sondern setzen
Arbeit und Geduld, Ernst und Anstrengung daran, daß das, was ist, nicht 19 Ebd.
das letzte Wort behält.17 In anderen Worten verweigert sich die kritische 20 Es handelt sich darum, den Deutschen keinen Augenblick der Selbsttäuschung u~d der
Resignation zu gönnen. Man muß den wirklichen J?ruck noch drückender machen, ~ndem
Theorie jedwedem Konformismus, bleibt, wie Leo Löwenthal einmal sagte, man ihm das Bewußtsein des Drucks hinzufügt, die Schmach noch schn:iachvo_ller, indem
immerfort das Skandalon: "Wir haben uns immer im Gegensatz zum Beste­ man sie publiziert. Man muß jede Sphäre der de~tschen G~sellschaft al~ d1: partie honteuse
henden empfunden, wir waren radikale Nonkonformisten. Wir wollten nicht der deutschen Gesellschaft schildern, man muß diese versteinerten Verhältnisse ?adurch zum
mitmachen".18 Und: Tanzen zwingen, daß man ihnen ihre eigene Mel~die vorsingt" (MEW 1, S. 381). Eine Wendung,
die im Übrigen Adorno sehr inspirierte (vgl. W1ggershaus 1993, S. ~14}.
21 MEW 16, S. 26.
14 22 Vgl. Horkheimer 1980a, S. 272f.
Vgl. Adorno 1969.
15 H kh . 23 Adorno 2011, S. 36f.
16
or eirner 1980a, S. 291f.; Hervorh. d. Hrsg.
24 MEW 3, S. 27.
Vgl.
17 ..
Schmid Noerr 1997.
25 MEW 31, S. 234.
18
Uber den Gegensatz von Pessimismus und Negativität vgl. etwa Adorno 1992.
Löwenthal 1980, S. 47.
11
10
daß ein Leben in Freiheit und Glück heute möglich wäre, dann wäre
die eine der theoretischen Gestalten der Utopie, [... ] daß man konkret
sagen würde, was bei dem gegenwärtigen Stand der Produktivkräfte Den An~ang macht Dirk Braunstein. In Zum Materialismus der Kriti­
der Menschheit möglich wäre - das läßt sich konkret und das läßt sich schen_ T~eorie - Bemerkungen über ,ein paar Thesen' Adornos geht er der
ohne Ausmalen und das läßt sich ohne alle Willkür sagen. Wenn das konstlt~tiven Bedeutung des Materialismus für die kritische Theorie nach. An­
nicht gesagt wird, wenn dieses Bild nicht auch, fast möchte ich sagen: h_and ,~m pa~r Thesen' A~o~nos nähert sich Braunstein dem Bedeutungsgehalt
handgreiflich erscheint, dann weiß man im Grunde gar nicht, wozu emes dialektischen Matenahsmusbegriffs und weist so einführend auf zentrale
das Ganze eigentlich da ist, wozu die ganze Apparatur in Bewegung A~pe~te d~s Material~sn:ius der kritischen Theorie hin. Dabei zeigt er zugleich,
. d" .-?6 wie sich dieses Matenahsmusverständnis einerseits vom Traditionsmar:xismus
ge b racht wir
und a~dererseits von traditio~eller, positiver Wissenschaftsauffassung abhebt.
So hält die kritische Theorie gewissermaßen an der Utopie fest, ohne aber ein ~me grundlegende _Aus~mandersetzung mit der Moralphilosophie Ador­
utopisches Bild nach eigener Willkür auszumalen. Zwar lässt sich sagen, dass nos le1~te: Paul Mentz m semem Aufsatz Moralphilosophie im Stande der
in anderen gesellschaftlichen Verhältnissen, im Verein freier Menschen, ,,das 'l!nfre1~e1t - ~d~rnos negative Moralphilosophie. Sein Beitrag kreist um
Glück aller Individuen"27 erstes Ziel aller Anstrengungen ist. So notiert auch d1~ ~egnffe Freiheit, Autonomie sowie die Bedingungen der Möglichkeit einer
Heinz Mauss, Assistent Horkheimers, in den 1950er Jahren mit ausdrücklicher kritischen Moralphilosophie. Zuletzt, so Mentz, beharrt Adorno auf einem
Unterstützung Horkheimers, daß es den Materialisten nu~ ne~ativ zu bestimmenden Begriff von Moral, der in der Abschaffung von
Leid semen Geltungsgrund besitzt und sich nicht ins Positive wenden lässt.
„nicht um die absolute Vernunft und nicht um die absolute Wahrheit
Adornos dialektischer Begriff der Kultur und seine Kritik an zeitgenössi­
[geht], sondern um das Glück - auch in seiner verpönten Gestalt: der
schen kulturellen Erzeugnissen stehen im Zentrum des Beitrags von Isabelle
Lust - und nicht so sehr um das sogenannte innere Glück, das sich
Klasen, In Die Schwerkraft der Verhältnisse - Zur Kulturkritik Theodor
gar zu oft mit dem äußeren Elend zufrieden gibt, sondern um einen
W. Adornos zeigt sie, dass für Adorno die gesellschaftlichen Voraussetzungen
objektiven Zustand, in dem auch die verkümmerte Subjektivität zu
des Scheiter~s des bürgerlichen Emanzipationsversprechens nicht nur in der
ihrem Recht kommt. [... ] Auch der Materialismus weiß von Angst,
Sphäre der Okonomie, sondern vor allem auch in der der Kultur zu bestim­
Sorge und Tod, aber darin die Freiheit des Menschen zu entdecken,
men sind. Trotz des Misslingens der Verwirklichung der humanen Gehalte
dünkt ihm widersinnig. Mag er flach gescholten werden: es geht ihm
allerwegen ums Glück der Menschen. Das Glück ist aber nicht die der bürgerlichen Kultur und der letztendlichen Transformation aller Kultur
Ergebenheit in die Misere, sondern die ,vollständige Emanzipation in Kulturindustrie, die auch vor Kunst nicht Halt macht, sieht Klasen die
aller menschlichen Sinne und Eigenschaften'".28 dennoch vorhandene und immanente Widersprüchlichkeit von Kunst, durch
die diese einen Platzhalter für die Möglichkeit richtiger Praxis darstellt.
Einern darüber hinausgehenden Entwurf des Vereins freier Menschen aber Dirk Lehmann reflektiert in seinem Beitrag Naturbeherrschung und
v~rweigert sich die kritische Theorie. Schließlich setzt "alles andere [... ] für Emanzipation. Kritische Theorie über die Verdinglichung der Natur. Ei­
emen Zustand, der nach menschlichen Bedürfnissen zu bestimmen wäre ein ne Skizze das gesellschaftliche Naturverhältnis. Er plädiert für eine auf Ver­
. ' nunft basierende Organisation des Verhältnisses von Individuum und Gesell­
~ensc~li,;hes Verhalten an, das am Modell der Produktion als Selbstzweck ge-
29 schaft zur Natur- der inneren wie äußeren. Zu diesem Zweck greift er auf
bildet 1st und unterminiert daher bereits die Möglichkeit der Emanzipation
vom gesellschaftlichen Unwesen. zentrale Einsichten der kritischen Theorie zurück, um den im Kern verdingli­
chenden, manipulativen Umgang mit Natur zu kritisieren. Indem dabei die
Jenes Ans_innen kritischer Theorie eint die einzelnen Beiträge dieses Samrnel­ Beschädigungen der Natur als Konsequenz einer herrschaftlichen Auseinander­
setzung mit ihr deutlich werden, zeigt Lehmann, dass nur eine auf Versöhnung
b.andes. Sie setzen sich einerseits grundlegend mit der kritischen Theorie als
von Mensch und Natur beruhende Organisation des menschlichen Zusam­
ei?er Theorie auseinander, die auf Emanzipation zielt und verfolgen anderer­
menlebens eine emanzipatorische Perspektive bietet.
sei~s. selbst den von Horkheimer in seiner Antrittsrede formulierten Leitfaden In Religion & Kapitalismus, Business und Wahnsinn. Überlegungen
kritischer Gesellschaftsforschung in der Auseinandersetzung mit mannigfalti- zur Religionskritik nach Walter Benjamin analysiert Mark Schumacher
ge? _Themen von eben jenem Standpunkt der Befreiung aus, der das Denken gegenwärtige Erscheinungen religiöser Denkformen unter einem ideologie­
kritischer Theorie auszeichnet.
und fetischkritischen Gesichtspunkt. Dabei verfolgt er das Erkenntnisinter­
esse, wie Religionskritik auf der Höhe der Zeit möglich und zugleich als
:; Adorno(Bloch 1975, S. 71; Hervorh. z. T. d. Hrs . Herrschafts- und Kapitalismuskritik zu denken ist. Schumacher rekurriert
Horkhe1mer 198Gb, S. 628; Hervorh. d. Hrsg. g
28 in seinem Aufsatz auf die These Benjamins, dass der Kapitalismus selbst als
Mauss 1981, S. 279ff.; vgl. ferner Greven 1994 S 160
29
Adorno 1977, S. 206. ' · ·

13
12
. ... b greifen ist, um mit dieser Überlegung auf eine Position hinzuar-
re 1 ig1os zu e . . d 1· . .. D k d' 1 k . h . .
• d' · emanzipatonscher Weise as re igiose en en 1a e tisc m sich
b eiten, re m Literaturverzeichnis
aufhebt und damit über es hinaus weist.
Barbara Umrath geht in Emanzipation un~ Geschlechterverhältnis Adorno'. Theodor W. (1969): Marginalien zu Theorie und Praxis, in: Ders.:
_ Feministische Kritik an und mit Max Horkheimer ?er Frage nach, wie Stichworte. Kritische Modelle 2, Frankfurt am Main, S. 169-191.
das Geschlechterverhältnis sowie die Relevanz .u.nd Funktion ?er bürgerlichen Ders. (1992): Spengler nach dem Untergang, in: Ders.: Prismen. Kulturkritik
Familie für jenes Verhältnis innerhalb der kritischen Theone Horkheimers und Gesellschaft, Frankfurt am Main, S. 43-67.
konzipiert wurden. Sie zeigt, was eine feministisc~e Fraue?forschung an Hork­ Ders. (1994): Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben
heimers Konzeption auszusetzen hat, und verweist zugleich darauf, was diese Frankfurt am Main. '
von jener lernen könnte. Horkheimers Kritik ru:1 der bürgerlichen Gesellschaft Ders. (2003): Individuum und Organisation, in: Ders.: Soziologische Schriften
schließt, so Umrath, eine Kritik an der bürgerlichen Geschlechterordnung in I, Frankfurt am Main, S. 440-456.
sich ein. So geraten in ihrem Beitrag weniger die Unterschiede, als vielmehr die Ders. /Bloch, Ernst (1975): Etwas fehlt... Über die Widersprüche der utopi­
sc?en Sehnsucht, in: Traub, Rainer/Wieser, Harald (Hrsg.): Gespräche
Gemeinsamkeiten von kritischer Theorie und feministischer Frauenforschung
mit Ernst Bloch, Frankfurt am Main, S. 41-57.
in den Blick - die von beiden geteilte Perspektive einer umfassenden Kritik
Bolte, Gerhard (1995): Von Marx bis Horkheimer. Aspekte kritischer Theorie
und Aufhebung der bürgerlichen Gesellschaft. im 19. und 20. Jahrhundert, Darmstadt.
Mit den Grenzen der Aufklärung und einem Umschlagen gesellschaft­
Fromm, Erich (1980): Methoden und Aufgaben einer analytischen Sozial­
licher Entwicklung in Barbarei, befasst sich abschließend Ingo Elbe in Trie­ psychologie, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Jahrgang 1, 1932, S.
bökonomie der Zerstörung - Kritische Theorie über die emotionale Ma­ 28-54.
trix der Judenvernichtung. Mit Hilfe der sozialpsychologischen Ansätze Greven, Michael Th. (1994): Zur Kontinuität der "racket"-Theorie. Max Hork­
der kritischen Theorie erhellt Elbe den systematischen Zusammenhang von heimers politisches Denken nach 1945, in: ders.: Kritische Theorie und
kapitalistischer Vergesellschaftung und der Bedürfnisstruktur der unter die­ historische Politik. Theoriegeschichtliche Beiträge zur gegenwärtigen
sen Verhältnissen lebenden Individuen. Dadurch kann er zeigen, dass dieser Gesellschaft, Opladen.
spezifische Zusammenhang eine Entstehungsbedingung des Antisemitismus Horkheimer, Max (1980a): Traditionelle und kritische Theorie, in: Zeitschrift
darstellt, dessen historischer Kulminationspunkt die Vernichtung der europäi­ für Sozialforschung, Jahrgang 6, 1937, S. 245-294.
schen Juden war. Dabei verortet er diese sozialpsychologischen Ursachen in Ders. (19806): Philosophie und kritische Theorie, in: Zeitschrift für Sozialfor­
einer autoritär-masochistisch geprägten Charakterstruktur, die die Individuen schung, Jahrgang 6, 1937, S. 625-631.
Ders. (1988): Die gegenwärtige Lage der Sozialphilosophie und die Aufgaben
für regressive und wahnhafte Ideologien empfänglich macht und dadurch die
eines Instituts für Sozialforschung, in: Ders.: Gesamm elte Schriften,
Möglichkeit einer jeglichen Emanzipation untergräbt.
Band 3, Schriften 1931-1936, Frankfurt am Main, S. 20-35.
Kühnl, Reinhard (1995): Marx, Karl Heinrich, Engels, Friedrich, in: Lutz,
Die Herausgeber danken Dorothee von Trotha und Michaela Wiegand Bernd (Hrsg.): Metzler Philosophen Lexikon. Von den Vorsokratikern
für das Lektorat. Ferner danken wir Georg Gottleuber für den Textsatz. bis zu den Neuen Philosophen, Stuttgart/Weimar, S. 568-583.
Schließlich danken wir der Antifa AG der Universität Bielefeld für ihre Löwenthal, Leo (1980): Mitmachen wollte ich nie. Ein autobiographisches
umfangreiche ideelle Unterstützung. Gespräch mit Helmut Dubiel, Frankfurt am Main.
Marx, Karl, Friedrich Engels Werke (MEW), (1956ff.), Institut für Marxismus­
Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), Berlin.
Mauss, Heinz (1981 ): Materialismus, in: ders.: Die Traumhölle des Justemilieu.
Erinnerungen an die Aufgaben der Kritischen Theorie, Frankfurt am
Main.
Pollock, Friedrich (1980): Bemerkungen zur Wirtschaftskrise, in: Zeitschrift
für Sozialforschung, Jahrgang 2, 1933, S. 321-3354.
Schmid Noerr, Gunzelin (1997): Die Emigration der Frankfurter Schule und
die Krise der Kritischen Theorie, in: Ders.: Gesten aus Begriffen. Kon­
stellationen der Kritischen Theorie, Frankfurt am Main, S. 116-152.

15

14
. H · ( 007)· Dialektik der Aufklärung als Ideologiekritik der Wis-
Stemert, einz 2 · • n. Winter Rainer,
. z·
v. ima, p eter (H rsg. ) : K nt1sche
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sensgese 11 sc haft , 1 · '
Theorie heute, Bielefeld. . .. . . . .
.urc ke, Ch nstop
· h/Bolte , Gerhard (1994): Emführung m die kritische Theorie ,
Ti
Darmstadt. .
. h Rolf (1993)· Die Frankfurter Schule. Geschichte. Theoretische
W 1ggers aus, · ..
Entwicklung. Politische Bedeutung, Munchen.
Dirk Braunstein
Zum Materialismus der Kritischen Theorie.
Bemerkungen über „ein paar Thesen" Adornos

„Der Materialismus aber ist die Prosa des Denkens, mit der sich der
überall poetisch gestimmte Deutsche niemalsfür die Dauer verträgt."
- Joseph von Eichendorff

Über den Materialismus der Kritischen Theorie ist bereits einiges bemerkt wor­
den, nicht zuletzt vom „Materialismustycoon Alfred Schrnidt'", der über den
"Übergang zum Materialismus als Rettung des Nichtidentischen" in „Adornos
Spätwerk"2 schrieb - gemeint ist die Negative Dialektik. Tatsächlich datiert die
Hinwendung Adornos zum Materialismus allerdings durchaus bereits auf die
1930er Jahre, und sie erfolgte offenkundig in der Auseinandersetzung mit Max
Horkheimers frühen Schriften sowie in Gesprächen, die beide miteinander
führten und die zum Teil dokumentiert sind.
Ende März 1969 schreibt Adorno einen Brief an Horkheirner, dem er
"ein paar Thesen" beifügt, ,,über das Unterscheidende der kritischen Theorie
nicht nur von der traditionellen sondern auch von Marxischen". 3 Er bemerkt,
er habe sie „ganz lose, wie sie mir eingefallen sind" formuliert, und:
,,Selbstverständlich handelt es sich dabei nicht um definitive Theoreme,
sondern eher um die Absteckung einiger Zonen, in denen man viel­
leicht am besten erkennen kann, was kritische Theorie eigentlich ist.
Ich habe dabei vorwiegend an Deine beiden Bände gedacht [gemeint
sind die frühen Aufsätze Horkheimers, die im Jahr zuvor gesammelt
erschienen waren4] und nicht an das, was wir später angestellt haben,
obwohl das selbstverständlich nicht auszuschließen war. Ich schicke es
Dir nur zur Orientierung und, möglicherweise, zur Annotation''.5

1 Roth 2001, S. 163.


2 Vgl. Schmidt 2002, auch ders. 1983.
3 Theodor W. Adorno Archiv (Hg.) 2003, S. 290. - Der Brief findet sich auch in: Adorno
an Horkheimer, 31. März 1969. Adorno/Horkheimer 2006, S. 848 (hier heißt es allerdings
statt „Marxischen«: ,,Marxistischen«; die erstere Lesart ist aber, dem Durschlag des Briefes im
Theodor W. Adorno Archiv zufolge, die korrekte), jedoch ohne jene Thesen. Sie sind publiziert
in: Theodor W. Adorno Archiv (Hg.) 2003, S. 292.
4 Vgl. Horkheirner 1968.
5 Adorno an Horkheimer, 31. März 1969, Adorno/Horkheimer 2006, S. 848.

17
16
Eine Bearbeitung jener Thesen oder auch ~ur eine .Entgegnung Horkhe!mers
• • h "b 1· fert Nachdem er diesen Bnef erhalten hatte, korrespondierten
1st mc t u er ie • . . Hor~heimer reagierte hiermit auf die bekannte geschichtsphilosophische Kon­
er und Adorno nur noch drei Mal, bevor dieser 1m August desselben Jahres
zeption von Marx, derzufolge das Kapitalmonopol
starb. ifik . d k . . h Theorie ge-
rze Text von Adorno Zur Spezi atum er ruisc en »zur Fessel der Produktionsweise [wird], die mit und unter ihm auf­
D u ku ' Einblick in die Kritische Th.
ährt einen eone Hor kh' eimers und geblüht ist. Die Zentralisation der Produktionsmittel und die Verge­
nannt, gew . . . . . sellschaft~n? der Ar~eit _er:eichen einen Punkt, wo sie unverträglich
Adornos, und er legt bündig dar, auf welche Weise Jene dem M~tenahsmus
werden mi~ ih~e~ kapitalis~isch~n Hülle. Sie wird gesprengt. Die Stun­
verpflichtet ist. Die „paar Thesen" sind von Ad?rno, gan~ gegen seme Gewohn, de des kapitalistischen Privateigentums schlägt. Die Expropriateurs
h ·t insofern systematisiert worden, als er sie numeriert und vonemander werden expropriiert=.'?
~~;setzt hat so als wolle er, wie zuvor in der Negativen Dialektik, nochmals
Daß sie dies nicht wurden und nicht zu werden anständen, war Horkheimer
adi~ Karten auf den Tisch"6 legen und dabei etwas wie eine Summe der ge­ am Vorabend des Zweiten Weltkriegs längst klar.
.meinsemen theoretischen Anstrengungen geben; allerdings gewiß ohne dabei
an eine Definition zu denken. Entsprechend voraussetzungsvoll sind die acht "In Deutschland hatte die in sich zerstrittene Linke zunächst den Staats­
streich v~n Pap:ns in Preußen (Juni 1932), dann die Machtergreifung
Thesen, an denen sich die Physiognomie Kritischer Theorie kaum ablesen,
durch Hitler widerstandslos hingenommen. [... ] Für Horkheimer
sondern allenfalls wiedererkennen läßt. mochte diese Entwicklung weniger überraschend gewesen sein, da ei­
Demgemäß werden die einzelnen Thesen im folgenden als Stichworte ne Erhebung, die er in den Jahren 1930 und 1931 hatte durchführen
genommen, die Anlaß bieten, einigen Momenten des Materialismus in der lassen, zum Ergebnis hatte, daß nur von 15 Prozent der Mitglieder
Kritischen Theorie anhand der Schriften Adornos und Horkheimers nachzu- aus SPD und KPD aktiver Widerstand gegen eine faschistische Macht­
übernahme zu erwarten war. Für Hork.heimer war dieser Befund, der
gehen. nicht veröffentlicht wurde, Anlaß, die gesellschaftstheoretische Frage­
Die erste These lautet: stellung, an der die Mitglieder des Instituts ihre Arbeit zu orientieren
~atten, zu modifizieren. Die Erforschung und Kritik der politischen
1. Einbeziehung des subjektiven Faktors. ,Der Kitt'. Notwendigkeit eines psycholo­ Okonomie trat von nun an zurück zugunsten der Frage nach dem
gischen Surplus über die objektiue Ökonomie, um die Gesellschaft zusammenzu­ gesellschaftlichen ,Kitt', nach denjenigen Instanzen und Motiven, die
halten. die Menschen veranlassen, an einem System festzuhalten, das gegen
ihre eigenen Interessen, letzten Endes gegen ihre physische Existenz
Horkheimer beschrieb 1936 in seinem Aufsatz über Autorität und Fami­
gerichtet ist" .11
lie die Kultur als den „Kitt, der auseinanderstrebende Teile" der Gesellschaft
,,künstlich zusammenhält"7, und er fragte rhetorisch, wozu es „eines dynami­ Adorno macht sich den Begriff des Kitts, der die Gesellschaft zusammen­
schen Begriffs der Kultur" bedürfe, ,,dieser Annahme eines gleichsam geistigen hält, referierend zu eigen, wenn er in seinem Bericht über Wissenschaftliche
Kitts der Gesellschaft, da doch der Kitt vielmehr in der höchst materiellen Erfahrungen in Amerika auf den Aufsatz Horkheimers zu sprechen kommt,
Form der staatlichen Exekutivgewalt vorhanden ist?"8 Gegen die „idealisti­ der
sehen und rationalistischen Geschichtsauffassungen" einerseits sowie gegen die "die These entwickelt, daß, angesichts der Divergenz zwischen dem,
marxistische Rede von kulturellen Phänomenen als solche eines peripheren was die Gesellschaft ihren Angehörigen verspricht, und dem, was sie
,Uberbaus' andererseits, führte Horkheimer aus ihnen gewährt, das Getriebe schwerlich sich erhalten könnte, wenn es
' nicht die Menschen selbst bis ins Innerste so gemodelt hätte, daß sie ihm
"daß der Zwang in seiner nackten Gestalt keineswegs genügt, um zu konformieren. Hatte einst das bürgerliche Zeitalter, mit dem erwachen­
erklären, warum die beherrschten Klassen auch in den Zeiten des Nie­ den Bedürfnis nach freien Lohnarbeitern, Menschen hervorgebracht,
dergangs einer Kultur, in denen die Eigentumsverhältnisse wie die die den Anforderungen der neuen Produktionsweise entsprachen, so
bestehen~en Lebensformen überhaupt offenkundig zur Fessel der ge­ waren diese gleichsam vom ökonomisch-gesellschaftlichen System er­
se~lschaftltchen Kräfte geworden waren, und trotz der Reife des ökono­ zeugten Menschen später der zusätzliche Faktor, der den Bedingungen
nuschen Apparats für eine bessere Produktionsweise das Joch so lange zu ihrem Fortbestand verhalf, nach deren Bild die Subjekte geschaffen
ertragen haben".9 waren".i2

6 10
AGS, Bd. 6, S. 9. MEW, Bd. 23, S. 791.
7 11 Scheible 1999, S. 91.
HGS, Bd. 3, S. 344.
8 12 AGS, Bd. 10.2, S. 723. Vgl. auch AGS, Bd. 20.1, S. 153 und ebd., S. 161 f.
Ebd., S. 345.
9
Ebd., S. 347.
19
18
. h H kheimers über „die Familienautorität als Faktor des
Die Hypot esen or 1 . h 11 . h .
ftli l K"tts"13 werden von Adorno g eic wo 1 ruc t wiederauf-
gese 11 sc ha ic ren 1 d B h d d" heit zu ver~wigen sich anschickt. Der Zirkel schließt sich. Es bedürfte
E · ht in der Affirmation es este en en, 1e er mit dem
genommen. r sie d ifik . . d
nten Terminus der I enti ation mit em Angreifer
der le~endigen Menschen, um die verhärteten Zustände zu verändern
von An na Freu d en tleh fü d aber d1~se haben sich so tief in die lebendigen Menschen hinein, auf
beschreibt, 14 das stärkste psychologische Moment r en gesellschaftlichen Kosten 1h_r~_s Lebens und ihrer Individuation, fortgesetzt, daß sie jener
Zusammenhalt. S~ontan:1tat kaum mehr fähig scheinen, von der alles abhinge. Daraus
z~ehen die Ap?lo~eten des_ Bestehenden neue Kraft für das Argument,
„Wären die Subjekte anders oder wä~en sie, wki~ man d ~ heGute v ielfhach die Menschheit sei noch nicht reif". 17
und nicht zu Unrecht nennt, mündig, dann onn~e rese ese 11 ~c _aft
trotz aller ihr zur Verfügung stehenden Zwang~mmel wahrscheinlich
sich überhaupt nicht erhalten, so, wie es der Fall ist. In dem gesellschaft­ 2. _Mar~ismus als ~ritisch_e Theorie der Gesellschaft heißt, daß er nicht hypostasiert,
15
lichen Gesamtprozeß wandelt sich die Rolle des subjektiven Faktors" . n~cht einfach Philosophie werden kann. Die philosophischen Fragen sind offen,
nicht durch Weltanschauung vorentschieden.
Derweil der gesellschaftliche Zwang in die Subjekte eingewandert ist, braucht Bereits 1932 bemerkt Adorno in einem Gespräch mit Horkheimer, Peter
es den Druck von außen kaum mehr. Die Individuen beherrschen sich selbst von Haselberg, ~e?
Löwe~thal und anderen: ,,Wir müssen uns daran gewöh­
auf eine Weise, daß sie kaum noch als solche, sondern vielmehr als Gesell­ nen, den M~te:1ah~mus nicht als eine Weltanschauung zu verstehen", 18 zu
schaftsmitglieder anzusprechen sind. der er als Prämisse 1m orthodoxen Marxismus hinabgesunken war. Knapp 35
Jahre später schreibt er in einem Brief an Alfred Sohn-Rethel:
„Eher ist jetzt Subjektivität das Vermittelte als Objektivität, und solche
Vermittlung dringender der Analyse bedürftig denn die herkömmliche. ,,Ich wehre ~eh auch gegen den vom offiziellen Marxismus ausge­
In den subjektiven Vermittlungsmechanismen verlängern sich die der henden Gewissenszwang, der in einer bestimmten Art von Positivität
Objektivität, in welche jegliches Subjekt, noch das transzendentale, besteht, und halte es mit dem Satz von Grabbe ,Denn nichts als nur
eingespannt ist".16 Verzweiflung kann uns retten'. Daß diese Partie [der Kampf um eine
bessere Welt] unter allen Umständen gut ausgehen müsse, ist zwar nur
Demgemäß fungieren die Individuen als ihre eigene Ideologie, während die einer der Gründe, aber doch immerhin einer dafür, daß sie wahrschein­
gleichsam offizielle Ideologie um so heftiger beteuert, es käme allein auf den lich verloren geht. Daß daran eine tiefe Beschädigung der Theorie selbst
Menschen an: ein Maß an Schuld trägt, darüber kann ich mich nicht betrügen". 19

,,Der Kitt, als der einmal die Ideologien wirkten, ist von diesen einer­ Sohn-Rethel hat sich in einem Brief zuvor am Eröffnungssatz der Negativen
seits in die übermächtig daseienden Verhältnisse als solche, andererseits Dialektik gestoßen: ,,Philosophie, die einmal überholt schien, erhält sich am
in die psychologische Verfassung der Menschen eingesickert. Wurde Leben, weil der Augenblick ihrer Verwirklichung versäumt ward".20 Mit
der Begriff des Menschen, auf den es ankomme, zur Ideologie dafür, Bezug auf diesen Satz, seinerseits Reaktion auf die elfte Feuerbachthese von
daß die M~nschen nur noch Anhängsel der Maschinerie sind, so ließe Marx unter veränderten historischen und gesellschaftlichen Bedingungen, hat
ohne viel Ubertreibung sich sagen, in der gegenwärtigen Situation seien Sohn-Rethel Adorno gefragt:
buchstäblich die Menschen selber, in ihrem So- und Nichtanderssein, „Oder steht es so damit, daß Sie zwar die nötigen Verän[der]ungen
die Ideologie, die das falsche Leben trotz seiner offenbaren Verkehrt- der Welt nicht für unmöglich halten, wohl aber ihre Bedeutung als
,Verwirklichung der Philosophie'? Dann wären also die Denkformen
:: Horkh~imer an Po~lock, ~- August 1934. HGS, Bd. 15, S. 197.
„Das Ziel der ,gut mtegnerten Persönlichkeit' ist verwerflich weil es dem Individuum jene
B~lance der Kräfte zumutet, die in der bestehenden Gesellschaft nicht besteht und auch gar 17 AGS, Bd. 8, S. 18.
n~cht ~est~hen sollte, weil jene Kräfte nicht gleichen Rechtes sind. Man lehrt den einzelnen 18 HGS, Bd. 12, S. 380 vgl. auch ebd., S. 383.
die obie~tiven Konflikte vergessen, die in jedem notwendig sich wiederholen, anstatt ihm zu 19 Adorno an Sohn-Rethel, 23. Dezember 1966. Adorno/Sohn-Rethel 1991, S. 152. -Das Zitat
helfen, sie auszu~ragen. D~r in~egral~ Mensch, der die private Divergenz der psychologischen stammt aus Christian Dietrich Grabbes Drama Herzog Theodor von Gothland und wird von
~nst~nz~n und die Un~ersoh~hchke1t der Desiderate von Ich und Es nicht mehr spürte, hätte Adorno u.a. in einem bekannt gewordenen ,,,Spicgel'-Gespräch" näher erläutert: Der Satz sei
.ha rt die ?esellsc~afthch~.Divergenz nicht in sich aufgehoben. Er verwechselte die zufällige „provokativ, aber gar nicht dumm. - Ich kann darin keinen Vorwurf sehen, dag man in der
C ance semer Welt, in der wir leben, verzweifelt, pessimistisch, negativ sei. Eher sind doch die Menschen
.. seelischen
. Okon orrue· mit· d em o b"Je ktrven
· • Integrat10n
Zustand. Seme · ware ·· die
1
beschränkt, die krampfhaft die objektive Verzweiflung durch den Hurra-Optimismus der
falsc h e Versohnung mit der unv "h 1 "fik ·
. d . , . erso nten we t, un sie liefe vermutlich auf die ,I enn ano n
w, d · • • · d
unmittelbaren Aktion überschreien, um es sich psychologisch leichter zu machen." (AGS, Bd.
1
; t ;; Ai~eifer hm~us, bloße Charaktermaske der Unterwerfung." (AGS, Bd. 8, S. 65 f.)-
ur „ enti z1erung mit dem Angreifer" vgl. Freud 1984 S 85-94 20.1, s. 405.)
15 20 AGS, Bd. 6, S. 15.
ANS, Bd. IV.15, S. 253. ' . ·
16 AGS, Bd. 6, S. 173.

21
20
• II h ftlichen Sein bestimmt, und wir wären also zum
nicht vom gese sc a .. ~"21
dialektischen Idealismus zuruckgelangt.
nämlich einfach bedeuten, daß das Erfolgreichere, das sich Durchsetzen­
Adorno glaubt in seiner Antwort, de, das allgemein Rezipierte mit Hilfe der Dialektik den höheren Stand
der Wahrheit hätte als das Bewußtsein, das die Scheinhaftigkeit davon
· t fal s eh gestellt · Es interpretiert den Marxismus total
d as P ro bl em 1s . . ... durch~chaut. Ta:sächlich ist die Ideologie im Osten sehr weitgehend
" d d as 11e1'ßt: 1'd ea listisch
un 1 • Es gibt kein Kontinuum
. . - keme . Identität von diesem Motiv geprägt. Und es würde weiter darauf hinauslaufen,
von Th eoneun · d Praxis · Diese ist , in gewissem Smn, . bescheidener
. . als daß das Bewußtsein sich selbst abschneidet, sich die eigene Freiheit
die Philosophie; und Philosophie wiederum g~ht n] iD ch[t. if ~~]~:s2~us versagt und sich einfach an die stärkeren Bataillone anpaßt. Das ist ein
auf. Auch davon steht allerhand in der N [ egattven ia e n . Akt, den zu vollziehen mir nicht möglich scheint".24

In ihr hat Adorno geschrieben: Seit der Oktoberrevolution wußten sich die meisten Marxisten "mit dem
großen Zug der Geschichte einig"25, während die ewig vertagte Ankunft des
"Marx hatte den historischen Material~sm~s ge~en den ~lgärmetaphy-
Kommunismus doch nur die Proletarier aller Länder auf eine Steigerung ihrer
. h enpom
s1sc · tiert . Dadurch zog er ihn. m. die ph1losoplmche
. . Problema-
. . Produktion verpflichtet, auf daß er doch noch in fernen Zeiten gelänge.
tik hinein, während der Vulgärmatenahsmus diesseits de_r Philosophie,
dogmatisch sich tummelte. Mate:i_alismus ist seitdem kerne durc~ Ent­ „Immerhin muß man gerechterweise sagen, daß auch die bedächtigsten
schluß zu beziehende Gegenposition mehr, sondern der Inbegn_ff der Marxisten, die schon eigentlich keine mehr waren, die erste Phase
Kritik am Idealismus und an der Realität, für welche der Idealismus erheblich kürzer sich vorstellten als die Christen die Zeit zwischen der
optiert, indem er sie verzerrt. Die Ho~k~eimersche Formulierung Geburt Jesu und der Parusie, ein Zeitraum, der so ungefähr mit der
ganzen Zeitlichkeit sich deckt".26
kritische Theorie' will nicht den Materialismus akzeptabel machen,
'sondern an ihm zum theoretischen Selbstbewußtsein bringen, wodurch Daraus folgt immanent die Erklärung des dritten Punktes von Adornos "Spe­
er von dilettantischen Welterklärungen nicht minder sich abhebt als zifikation":
von der ,traditionellen Theorie' der Wissenschaft. Als dialektische muß
Theorie - wie weithin die Marxische - immanent sein, auch wenn sie 3. Kritische Theorie geht nicht auf Totalität sondern kritisiert sie. Das heißt aber
23
schließlich die gesamte Sphäre negiert, in der sie sich bewegt" . auch, daß sie ihrem Inhalt nach anti-totalitär ist, mit aller politischen Konse­
quenz.
Von einem "vom offiziellen Marxismus ausgehenden Gewissenszwang", der
Materialismus erkennt die gesellschaftliche Vermittlung als total. In der
ein Bekenntnis erfordert, wo Erkenntnis vonnöten wäre, berichtet Adorno
Nachfolge Hegels fassen zwar auch Adorno und Horkheimer das Unvermittel­
auch den Zuhörern seiner Vorlesung über "Negative Dialektik":
te als vermittelt auf, als Vermittlungsinstanz fungiert jedoch nicht, wie Hegel
"Es ist nicht einzusehen, warum durch die Einsicht in den Zwangs­ postulierte, der Geist, sondern die Gesellschaft, der gegenüber noch der Geist
mechanismus, der die Subjektivität und das Denken an die ihm gegen­ bloßes Moment ist. Ein Denken, das sich selbst hingegen absolut wähnt, um
überstehende Objektivität bindet, und angesichts der Abhängigkeit, die Welt nach seiner Maßgabe als System zu setzen, ist totalitär und ahistorisch.
die besteht, und angesichts der, ich möchte sagen: Logik der Tatsa­ Insofern es in sich abgeschlossen ist, ist es, wie Adorno in Punkt zwei der „Spe­
chen, die dann zu dem Triumph der Objektivität führt, diese nun zifikation" formuliert, ,,einfach Philosophie". Abgeschlossenheit, die Tatsache,
auch notwendig recht behalten müsse. Es liegt darin ein Moment von daß es als Positives ,fertig' ist, ist Kennzeichen jedes Systems. Aus diesem
Gewissenszwang, wie ich es am stärksten erfahren habe in der Ausein­ Grund bewegt sich die theoretische Ausdifferenzierung jedes Systemdenkens
andersetzung mit einem hegelianischen Marxisten, nämlich in unserer stets nur nach innen: tiefer ins einmal gesetzte System hinein. Die logisch
Jugend mit Georg Lukacs, der damals gerade einen Konflikt mit seiner positiv gefaßte Totalität macht nicht nur die Erkenntnis von allem, was ihr
Partei hinter sich hatte und in diesem Zusammenhang mir erzählt hat, äußerlich wäre unmöglich - bzw. ,,verweist es in die Dichtung"27 -, sondern
seine Partei habe ihm gegenüber recht, obwohl er der Partei gegenüber verblendet auch gegen die mögliche Einsicht, daß die Totalität sich selbst nicht
in seinen Gedanken und Argumenten recht habe, - weil die Partei eben gleich bleibt, sondern eine real negative ist. Dementsprechend steht auch die
?en objektiven geschichtlichen Stand verkörpere, während sein, für
ihn und der bloßen Logik des Denkens nach, fortgeschrittenerer Stand 24 ANS, Bd. IV.16, S. 31 f. - Von der genannten Auseinandersetzung mit Lukacs berichtet ein Brief
hinter diesem objektiven Stand zurückgeblieben sei. Ich glaube, ich Adornos an Siegfried Kracauer (vgl. Adorno an Kracauer, 17. Juni 1925, Adorno/Kracauer
2008, s. 79 f.)
muß Ihnen nicht erst ausmalen, was das bedeuten würde. Es würde 25 Wiggcrshaus 1998, S. 57.
26 Adorno 2004, S. 493.
;~ Sohn-Rethel an Adorno, 18. Dezember 1966. Adorno/Sohn-Rethel 1991, S. 151. 27
AGS, Bd. 3, S. 24.
Adorno an Sohn-Rethel, 23. Dezember 1966. Ebd., S. 153.
23
AGS, Bd. 6, S. 197.
23
. d ormals ersten ununterscheidbar, unter dem Ban n des
zweite Natur, von er v . . b' d h. . . h
. al f h fi t" SubJ·ekt zu sem, heißt is ato noc immer, sie der
survrv o t e ttes . 1 d' W h h . Indem „Kulturkritik über Materialismus klagt" - weil er nicht das Höhere
" . . . .. üssen Diesen Zwang a s Me mm von a r eit zu Geistige wolle -, '
ObJekuvitat anpassen zu m . Th . d d p . . .
. · · ht Aufeabe der Kritischen eone, son ern es ositiv-1s-
postu 1ieren, ist nie b d. d · h d' „befördert sie den Glauben, die Sünde sei der Wunsch der Menschen
. h. zu Luhmann während ie Postmo ernen sie ieses
mus von Cornte bis m ' . d . .h 1 . ?ach Konsumgütern und nicht die Einrichtung des Ganzen, die sie
•·b h · t tledigen zu können glauben, m em sie i m zwang os die ihnen vorenthält: Sattheit und nicht Hunger. Wäre die Menschheit der
Zwangs u er aup en
Wahrheit als solche opfern. . . .. Fülle der Güter mächtig, so schüttelte sie die Fesseln jener zivilisierten
G egen d en i
Diamat der seinerzeit zur Staatsdoktrm der Ostblocklander Barbarei ab, welche die Kulturkritiker dem fortgeschrittenen Stand
, d iali h b · des Geistes anstatt dem zurückgebliebenen der Verhältnisse aufs Kon-
· · ht t sich Adornos Diagnose, er Maten ismus a e semen
geworden 1st, ric e • d • " 2s I d to schreiben. Die ewigen Werte, auf welche die Kulturkritik deutet,
ssen den Gefallen seiner Selbsternie ngung getan . n em
Gegnern unterd e " d · 1 h spiegeln das perennierende Unheil".31
· h · h Dynamik srillgestellt hat un zur Invananten e re ver-
er seme t eoretisc e . . . .. . .
· repro duzi'ere jener Matenahsmus planvoll die Unmündigksir Daß es aber stets ,,,so weiter' geht, ist die Katastrophe"32, notierte bereits
kommen ist, Walter Benjamin, und in der Mißachtung dieser Tatsache treffen sich der
derer, die unter seinem Einfluß leben. Konservatismus jeglicher Kulturkritik und der orthodoxe Marxismus als Inva­
. D ravation der Theorie indessen wäre nicht möglich gewesen riantenlehre.
"Die ep h d d' F k . .. Den blinden Stoffwechsel, sowohl den, der Gesellschaft mit der Natur,
ohne einen Bodensatz des Apokryphen in i r. In _em 1e un nonare,
die sie monopolisieren, mit der Kultur sum~ans_ch, -~on außen her als auch den, den sie mit sich selbst hat; den Prozeß, den die Gesellschaft um
umspringen, möchten sie plump vortäusc~en, sie se1e~ uber der Kultur, ihrer Reproduktion und ihres Überlebens willen ständig befeuern muß, will
und leisten der universalen Regression Beistand. Was, m der Erwartung die Kritische Theorie im Namen des Materialismus kritisieren. Eine men­
der unmittelbar bevorstehenden Revolution, Philosophie liquidieren schenwürdige Gesellschaft wäre erst eine, die selbst nicht, und in der deren
wollte, war, ungeduldig mit deren Anspruch, damals schon auch hinter Mitglieder nicht, um ihr Leben als überleben kämpfen müssen. Das Fressen­
ihr zurückgeblieben. Im Apokryphen des Materialismus offenbart und-Gefressenwerden, das die Sozialdarwinisten alter und vermeintlich neuer
sich das der hohen Philosophie, das Unwahre an der Souveränität des Zeit jener Natur abgeschaut haben, mit der sie auch, vernunftvergessen und
Geistes, den der herrschende Materialismus so zynisch verachtet, wie kraftgestählt, das Menschsein verwechseln -; die Unterordnung des Schwä­
29
insgeheim zuvor die bürgerliche Gesellschaft es tat" . cheren unter den Stärkeren, die Macht, welche durch bloße Machbarkeit
gegeben ist, sollen nicht das letzte Wort behalten. Materialistisch ist die Kriti­
In der Ablehnung der Kultur, zumindest in deren Abtun als ,Überbauphäno­ sche Theorie in der Diagnose des Bestehenden, auf daß es nicht länger bloß
men', also als Sekundäres, bloß vom Eigentlichen Mitgeschleiften, hat sich der materialistisch bleibe. Daß, siehe unten, zart einzig das Gröbste wäre: daß
Marxismus-Leninismus mit seinem vermeinten Widersacher, dem Bürgertum keiner mehr hungert, läßt sich selbst nicht noch materialistisch begründen,
aller Länder einig gewußt. Während das nämlich seinem Gewissenszwang und wohl auch kaum vernünftig.
Distinktionsbedürfnis leidenschaftslos bei der Verteidigung einer Neuen Mo­
„Die kritische Theorie hat bei aller Einsichtigkeit der einzelnen Schritte
deme gegen die Barbaren im Osten nachgab, verwarf dieser die Hochkultur und der Übereinstimmung ihrer Elemente mit den fortgeschrittensten
des Westens als dekadent und kleinbürgerlich. Aber, so Adorno, traditionellen Theorien keine spezifische Instanz für sich als das mit
„Kultur einzig mit Lüge zu identifizieren ist am verhängnisvollsten in ihr selbst verknüpfte Interesse an der Aufhebung des gesellschaftlichen
Unrechts. Diese negative Formulierung ist, auf einen abstrakten Aus­
dem Augenblick, da jene wirklich ganz in diese übergeht und solche
druck gebracht, der materialistische Inhalt des idealistischen Begriffs
Identifikation eifrig herausfordert, um jeden widerstehenden Gedanken
der Vernunft".33
zu kompromittieren. Nennt man die materielle Realität die Welt des
Tauschwerts, Kultur aber, was immer dessen Herrschaft zu akzeptieren Ein sich positiv setzender Materialismus hingegen, der seine Vermi~teltheit
sich weigert, so ist solche Weigerung zwar scheinhaft, solange das zum Idealismus abstrakt überspränge, wäre selbst noch Mythos: Jene Im­
Bestehende besteht. Da jedoch der freie und gerechte Tausch selber die mergleichheit, die das Denken in Systemen sowie die systematische Vernunft
Lüge ist, so steht was ihn verleugnet, zugleich auch für die Wahrheit ein: mit immanenter Notwendigkeit produziert.
der Lüge der Warenwelt gegenüber wird noch die Lüge zum Korrektiv,
die jene denunziert". 30 · 31 AGS, Bd. 10.1, S. 18.
32 Benjamin 2001, S. 683.
28 AGS, Bd. 6, S. 204. 33 HGS, Bd. 4, S. 216.
29 Ebd.
30 AGS, Bd. 4, S. 49.
25
• · h Th . ·e ist keine Ontologie, kein positiver Materialismus. In ihrem
4. Kruisc e e01 1 . .. .r,, · d' .
Begriffliegt, daß die Befriedigung der m_ateriellen_ Bedür] ntsse te ~otwendige, oder an ihr sterben,38 ohne daß dies vom Stand der Produktivkräfte her ir­
• h d' reicbende Bedingung einer befreiten Gesellschaft ist. Der ver- ge~d zu legitimieren wäre, gilt weiterhin: ,,Zart wäre einzig das Gröbste: daß
aber nie t ze zu,, · . . d · 1·
• kl'tetJ, tema
wir. 11 terialismus ist zugleich die Abschaffimg es Materie tsmus als der
.,,,..., • .. h · · · kemer n:iehr hungern soll. Alles andere setzt für einen Zustand, der nach
Abhängigkeit von blinden materiellen Interesse~. Uber das Tausc iprtn~ip =« menschlichen Bedürfnissen zu bestimmen wäre, ein menschliches Verhalten
gehen heißt zugleich es erfüllen: kei~er dar]we~iger bekommen als das Aquivalent ~n, das am Modell der Produktion als Selbstzweck gebildet ist".39 Stattdessen
der durchschnittlichen gesellschaftlichen Arbeit. . . . 1st Hun?er selbst zu einer gewaltigen Produktivkraft geworden und hat es
Das Bestehende ist nicht, wie die Ontologie es will, als Sem Wesensgrund als schembar unabänderliche Tatsache, die halt einige Menschen treffe zu
alles Seienden, noch eine positiv verfügbare Samm_lung von ~akti:itäte_n, son- sozialontologischen Ehren gebracht. '
dem als gesellschaftliches Resultat materieller
·
Praxis. Sofern sich die obJektive
'h G . blö ..
Geltung gesellschaftlicher Phänomene nicht von.~ ~er enesis a os:n laßt, 5. Für di~ kri:ische Theorie ist Wissenschaft eine unter anderen gesellschaftlichen
die zugleich selbst gesellschaftlich, aber auch natürlichen Ursprungs i~t, ver­ Produktzvkrdften und verflochten in die Produktionsverhältnisse. Sie selbst un­
folgt die Kritische Theorie ein Programm der ~~schaffungen durch bestimmte terliegt jener Verdinglichung, gegen welche die kritische Theorie sich richtet. Sie
k~nn nicht das Maß der kritischen Theorie, diese kann nicht Wissenschaft sein
Negation. V?n ihr wird _auch noch der ~atenah_sm~s selbst erfaßt, de 1!1 e~en­
3 wie Marx und Engels es postulieren.
sowenig ewige Wahrheit zukommt, wie _der Emnchtung ~er We~t. Seme
. . Z';ar r~ihte ~arx seine _Kritik der politischen Ökonomie, Das Kapital,
Abschaffung fiele in eins mit der Uberwmdung der Geschichte bis dato als em m die Reihe „wzssenschaftlzche[rJ Versuche zur Revolutionierung einer Wis­
Vorgeschichte. . . .. senschaft'r'", in diesem Fall der Ökonomie. Dennoch hält Adorno ihm zugute,
Das prinzipielle Auseinandertreten von Genesis und Geltung - die für daß er, wenngleich er den Begriff von Wissenschaft unreflektiert positivistisch
die Kritische Theorie wohl folgen- und einflußreichste Marxsche Erkenntnis - übernahm, zumindest erkannt habe, daß Wissenschaft nicht lediglich die öko­
versperrt auch die schlichte Möglichkeit, sich dem Materialismus als oberstem nomische Funktion von Technik schlechthin übernimmt. In einem Gespräch
Prinzip zu überlassen, nach dem die Welt zu modeln sei. Kritische Theorie mit Horkheimer Ende 1931 bemerkt Adorno, daß im "Marxschen Denken
will nicht die Welt nach veränderten Prinzipien einrichten - auch nicht nach [... ] die Wissenschaft als Produktivkraft" fungiere, woraufhin Horkheimer
der Marxschen Instruktion: ,,jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen einschränkt:,,- insofern sie eine Geschicklichkeit darstellt", was wiederum
Bedürfnissen!"35 -, sondern die Ideologie überwinden, daß sie nach Prinzipien Adorno korrigiert:,,- auch insofern sie ein Produktionsverhältnis darstellt".41
einzurichten sei. Als wahre Bedürfnisse lassen sich nur mehr solche dingfest Auf diesem Weg greift jedoch der Geist, ,,in Form der Wissenschaft sogar zur
machen, die der biologische Stoffwechsel bedingt, der bislang noch jeder Produktivkraft geworden, [... ] in den geschichtlichen Prozeß ein. Man müsse
Gesellschaft als vulgärmaterialistisches Vorbild diente.36 Jene Bedürfnisse der sich gegen die wenden", so Adorno weiter, "die M[arx] unterschieben, er habe
den Geist als Hirngespinst abgetan".42
Menschen sind aber ebensowenig zu hypostasieren wie ihre Fähigkeiten. Beide
Als aktive Widersacherin der Vernunft läßt sich entsprechend weniger
wären erst in einer befreiten Gesellschaft zu entwickeln. Ihre Vorstellung
die kapitalistische Produktionsweise per se ausmachen, die, zwar unvernünf­
ginge vielmehr tig, schlicht blind ist, als vielmehr die mit ihr einhergehende Kulturindustrie.
„auf einen Zustand der Fülle, in dem es repressiv wäre, die Beefsteaks zu Sie ist die noch jegliche Gesellschaftskritik sich einverleibende Struktur, die
zählen, die jeder ißt, weil jeder ohnehin so viele essen kann wie er will, aus jedem Ernst einen infantilen Witz, aus dem Holocaust ein Stück ,Erinne­
während manche vielleicht in einem solchen Zustand es verschmähen rungskultur' sowie aus Adorno einen sexuell und auch sonst pervertierten
werden, weiter Fleisch zu essen. Solange es nicht so weit ist, hat noch Volltrottel macht.43
die vulgärmaterialistische Phrase vom Teilen recht" .37
Angesichts der untilgbaren Schande, daß nach wie vor große Teile der Welt­
bevölkerung tagtäglich an Hunger leiden, durch Unterernährung erkranken 38 Für das Jahr 2010 beziffert die Welternährungsorganisation die Anzahl der Menschen, die an
Unterernährung leiden auf 925 Millionen Menschen, das entspricht etwa einem Siebtel der
34 Weltbevölkerung. (Vgl. Food and Agriculture Organization of the United Nations 2010.)
Vgl. Adorno 1974, S. 275 f. 39
35 AGS, Bd. 4, S. 178.
36
MEW, Bd. 19, S. 21. °
4 Karl Marx an Ludwig Kugelmann, 28. Dezember 1962. MEW, Bd. 30, S. 640.
In einem Gespräch mit Horkheimer 1956 bemerkt Adorno: Daß der Mensch aus der Natur 41
HGS, Bd. 12, S. 352.
hera~sgeb~?c~en ist, ist äuße_rst merkwürdig. Erst heute unte:m Monopol stellt sich die Welt 42 Adorno zitiert nach Braunstein 2011, S. 318.
der Tiere für die Menschen wieder her, alles ist zu. Der biologische Sprung der Gattung Mensch 43 Vgl. Braunstein 2012.
wird wieder rückgängig gemacht." (HGS, Bd. 19, S. 67.)
37
Adorno 2004, S. 497 f.
27
44
. S h ilt 'T'
,..,.ditionelle und kritische Theorie schreibt Horkheimer
In seiner c n 1h•
bereits 1937, daß Unterd~ssen ist Ver?unft, wie Adorno in der vorhergehenden These bemerkt,
, Wissenschaftler die gesellschaftliche Realität selbst eme Prod~kt1:'~raft ge_worden. Diese Möglichkeit war stets in ihr ange-
der Fach ge 1 e h rte ,a 1 s . d 1 'S b ..
" • ·h p dukten für äußerlich ansieht un ,a s taats urger 1:gt, d~nn das Prinzipielle, Emdeutige, Identifizierende der Vernunft verträgt
mitsamt 1 ren ro . . . d h f b . .
• 'h d rch politische Artikel, Mitglie sc a t e1 Partei- sich nicht von un?efäh: a~fs Beste mit der totalen kapitalistisch zugerich­
sein Interesse an 1 r u . . d
en o der ,v,
wo hltang
·· · ke 1·rsorganisationen. und.
Beteiligung
.
an en Wahlen
. • teten Welt. »Identifikation 1st Naturbeherrschung"47, und Horkheimer wie
· h
wah rrummt, o ne e di se beiden und emige weitere .
Verhaltensweise •
sei- 1do~no versuchen, jenem Identitätsdenken, das im systematisch vollzogenen
.. chstens durch psychologische Interpretation Aquivalenten~~usch ~nt~rm Kapital seine praktische Bestimmung gefunden
ner Person an d ers als ho
zusammenzubringen"• hat, ?urch Kritik an Jeglicher ,Identitätsphilosophie' ihre jeweils eigene Kon­
zeptio~ gegenüberzustellen - Horkheimer mit dem eher genetisch-kritisch
•·b · das kritische Denken heute" - im Sinne kritischer Theo-
D emgegenu er sei " ausgerichteten Versuch einer »Kritik der instrumentellen Vernunft"48 Ador­
ne- no rr.iittels einer negativen Dialektik, die darauf zielt, "das Begriffsl~se mit
Versuch motiviert, über die Spannung real hinauszugelan- Begriffen aufzutun, ohne es ihnen" - den identifizierenden Begriffen - ,,gleich­
„ durch d en . . . l
gen, den Gegensatz zwischen der _im ~d1v1duum-~ng~ egten 1e e-
z· lb zumachen". 49
wußtheit, Spontaneität, Vernünfugke1~ und der für die Gesellschaft
dlegenden Beziehungen des Arbeitsprozesses aufzuheben. Das 7. Kritische Theorie nimmt - gegen den Materialismus als Metaphysik -Dialektik
ki:sche Denken enthält einen Begriff des Menschen, der sich selbst unvergleichlich viel schwerer als der etablierte Marxismus. Das gilt vor allem auch
45
widerstreitet, solange diese Identität nicht hergestellt ist" . für die Ideologie. Kritische Theorie kann nicht den Überbau von oben her abfer­
tigen. Im Ideologiebegriff, als dem des gesellschaftlich notwendigen Scheines, ist
der eines richtigen Bewußtseins enthalten. Nicht aller Geist ist Ideologie. Kritische
Das heißt so viel wie, daß in der kritischen Theorie der Marxismus - ohne
6. Theorie heißt immanente Kritik auch des Geistes.
daß er aufgeweicht würde - sich selbst kritisch reflektieren muß. Er ist dem Gegen den „mechanischen Materialismus der II. Internationale und die
Positivismus unversöhnlich. Dieser ist eine beschränkte Gestalt der Vernunft. Behauptung eines aus der Dialektik von Produktivkräften und Produktionsver­
Seine Unvernunft ist immanent bestimmbar. Die kritische Theorie wird motiviert hältnissen folgenden quasi-automatischen Entwicklungsganges der Geschich­
von einem veränderten Vernunftbegriff. te"50 schreibt Horkheimer 1932:
Vernunft ist nicht den Subjekten transzendent, sondern Vernunft als "Die materialistische Theorie gewährt dem politisch Handelnden noch
materiale Praxis besagt nichts anderes, als daß es vom Verhalten Einzelner nicht einmal den Trost, daß er notwendig zum Ziele kommen müsse; sie
abhängt, ob Vernunft waltet oder nicht: ist keine Geschichtsmetaphysik, sondern das sich verändernde Bild der
Welt, wie es im Zusammenhang mit dem praktischen Bemühen um ihre
,,Die paar Menschen, zu denen die Wahrheit sich geflüchtet hat, erschei­ Verbesserung sich entwickelt. Die Erkenntnis von Tendenzen, welche
nen als lächerliche Rechthaber, die eine bombastische Sprache führen in diesem Bild enthalten ist, gewährt keine eindeutige Voraussage für
und nichts hinter sich haben. Der Trost, daß es auch gewissen Leuten den geschichtlichen Verlauf".51
im Alten Testament so ergangen ist, kann uns umso weniger helfen, als
Damit argumentiert Horkheimer zugleich gegen die Annahme, der Fortschritt
auch der Erfolg der Propheten auf die Dauer gerade kein überwältigen­
der Menschheit hin zu einer besseren Gesellschaft werde schon kommen und
der war. Die unangenehmste Erfahrung, zu welcher der Materialismus
die richtige Theorie könne jenen Fortschritt beschleunigen.
führt, ist der Umstand, daß die Vernunft nur existiert, insofern sie ein
Adorno betont, daß es bei Marx
natürliches Subjekt hinter sich hat. Diesem natürlichen Subjekt ist sie
anheim gegeben, je nachdem es von ihr Gebrauch machen will."46 „einen Naturmaterialismus oder eine materialistische Metaphysik, also
eine Lehre von materialistischen Urprinzipien, nicht gibt; und das ist

47
Braunstein 2011, S. 304.
44
48 Vgl. HGS, Bd. 6, S. 19-186. Horkheimer bestimmt im Vorwort der Kritik der instrumentellen
Dieser Aufsatz wird so durchgehend und von allen Seiten mit dem Adjektiv ,programmatisch' Vernunft deren Ziel, ,,den Begriff von Rationalität zu untersuchen, der unserer gegenwärtigen
bedacht, daß der Verdac~t naheliegt, an dieser Zuschreibung sei etwas faul. Eine Kritik a? der industriellen Kultur zugrunde liegt." Ebd., S. 25.
vermeinten Programmatik müßte wohl ausgehen einerseits vom Unterschied zwischen einem 49
AGS, Bd. 6, S. 21.
Programm Kritischer Theorie und ihrem Vollzug einerseits sowie andererseits von der Frage, 50
Gmünder 1985, S. 27.
welchen Inhalt das Programm als solches denn habe. 51
HGS, Bd. 3, S. 145.
45 J-IGS, Bd. 4, S. 183.
46 J-Iorkheimer an Pollock, 20. September 1937, HGS, Bd. 16, S. 235.
29
· h Denken Äußerliches. [ ... ] Es liegt darin
. h t as dem Marxisc en d. . l h d
rnc t e w . . b hl ßl aften totalen Denken, 1e vie me r en
b . Kritik am a sc u 1 . a1 d. h meint dementsprechend die Erkenntnis, daß ebenso Subjekt im Objekt wie
e en eine . h M terialismus ausmacht s 1e Be auptung,
Impuls des ~arxisc le~ h a_ der Debatte festlegt, daß das Sein das Ob~ekt im Subjekt steckt. Dazu gehört aber auch, daß die Subjekte nicht ohne
di man ihn so eic t m A f . 1 h
au f e . . . nd nicht umgekehrt. u emen so c en Objekte, wohl aber diese ohne jene sein können. Diese Tatsache ist ihrerseits
B ewußtsem determ1mert u . . h nicht idealistisch aufzulösen, sondern verweist real auf die außersubjektive
. h . b zielen hätte er sicher ganz genauso sie
Spruch seine T eorie a zu ' Vermitteltheit von Natur und Gesellschaft, ohne die kein Einzelner leben
. H l" 52
geweigert wie ege · . . . . kann. Zugleich ist der Vorrang des Objekts nicht zu hypostasieren; ist er
.. . .. d. k · terialistischer Theoneb1ldung 1st nicht von oben ebenfalls kein An-Sich. ,,Für den Idealismus rechtfertigt die innere Geschich­
Uber die Zustan ig ert ma . k . . hil
•d . Materialismus ist seinerseits eme pnma p 1 osophia, te des Unmittelbaren jeweils dieses. Für den Materialismus ist sie Maß der
her zu entsch ei en, · b l E l ·d 57
. • fü 11 al r tstehende Resultat einer a stra cten ntsc 1e1 ung Unwahrheit". Die Genesis des Unmittelbaren ist zugleich Ausweis der ge­
nicht das em r a em res . .
sellschaftlichen Vermitteltheit seiner Geltung. Bloß weil etwas ist, heißt das
zwischen Idealismus und Matenal1smus.
nicht, daß es auch wahr ist.
• •• -1:. • ht so verhalten als ob wir einen Entwurf von
Wir dunen uns mc ' . . In diesem Sinne antwortet Adorno im März 1967 auf einen Brief von
" • d M atenialisrnus
1 hätten ' unter dem wir . die ganze Welt
Idealismus un • Gershom Schalem, um ihm den materialistischen Gehalt der Negativen Dia­
·1 al b di Begriffe Materialismus und Idealismus nicht selber lektik darzulegen:58
aufte1 en, s o e . • h · D · . d
gesch.1ch t lich pro d uz1e · rt wären • [ · · · ]. Es gibt. mc
. t ein. nttes, son ern "Verstehe ich mich recht, was ja bei keinem Denkenden sicher ist -
· Materi"ali·smus-Ideal1smus gilt ihrerseits . nur .. da, wo das
die Al ternatrve der Satz, wahr seien nur die Gedanken, die sich selbst nicht verstehen,
Bewußtsein der Menschen glaubt, selbständig über die P~ano~ene ent- stammt von mir, hat freilich etwas gut Hegelianisches in sich -, so
h "d
~~ffiW~ffi
d·· -1 und damit vor der Frage steht, ob es die •
Phanomene habe ich mir in der Arbeit gerade nicht eine materialistische These
selber produziert oder von ihnen produziert wor~en ist. Man kann vorgegeben. Im Gegenteil, es kam mir gerade darauf an, diese Vorge­
nicht eine ganze Totalität nach diesem Schema aufteilen und sagen, daß gebenheit, die schließlich auch noch dem ontologischen Denktypus
es außerdem noch etwas Dnttes . gi·b t "s3 . zugehört, zu durchbrechen. Mit anderen Worten: es wird versucht, in
einem sehr bestimmten Sinn Materialismus zu erreichen, nicht von
Damit ist der Erkenntnisweg zugleich vorgezeichnet, nämlich als einer von ihm auszugehen. Das geschieht im zweiten Hauptteil, den ich unter
den Sachen her. Das Einschreiten dieses Weges ist aber gerade nicht Resultat diesem Aspekt Ihrem Schutz anempfehle. Was ich, in der immanent
einer philosophisch-theoretischen Entscheidung, sondern eines Sich-Einlassens erkenntnistheoretischen Diskussion, Vorrang des Objekts nenne, und
auf die Erkenntnisobjekte. Sie sind es, die von sich aus ihr Recht erfor~ern. was man sich tatsächlich sehr zart, nämlich nur innerhalb der Dialektik,
Dem nicht nachzugeben, heißt, sie zu verkennen und die Sache vorab wieder nicht als krude Behauptung vorstellen darf, das scheint mir, ist man
einmal dem Identitätsbann entronnen, dem Begriff des Materialismus
dem Denken zu subsumieren, um sie dort zuzurichten. Hier nimmt der
gerecht w werden. Die triftigen Argumente, die ich gegen den Idealis­
vielzitierte „Vorrang des Objekts" seinen Ausgang, auf den Adorno stets mus glaube vorgebracht w haben, präsentieren sich jenseits des Bannes,
wieder zu sprechen kommt. und, wie ich denke, stringent, als materialistische. Darin liegt aber, daß
,,Je mehr die Autonomie von Subjektivität kritisch sich einschränkt, 57
ANS, Bd. IV.16, S. 219.
desto bündiger die Verpflichtung, den Objekten jenen Vorrang ein­ 58 Scholem hat zuvor an Adorno über dessen Negative Dialektik geschrieben: ,.Wenn Sie mir
zuräumen, der dem Gedanken das an Festigkeit verschafft, was Dia­ erlauben, meine Meinung in einem einzigen Satz zusammenzufassen, so wäre es der, dass
lektik wiederum auflöst. Daher ist der Nachweis des Vorrangs des ich noch nie eine keuschere und in sich verhaltenere Verteidigung der Metaphysik gelesen
habe. [ ... ] Wenn man Ihnen einmal die i_nater:ialistische These vorausgibt, .:o ~de i~~ ?ie
Objekts als eines innerdialektischen Moments der springende Punkt
Schlacht, die Sie zur Rettung der Metaphysik geliefert haben, bewund~r~gswurdig. ~at~rhch
einer negativen Dialektik".54 haben Sie bei solcher materialistischen Ausgangsstellung den Vorteil, die Sachhaltigkeit der
metaphysischen Untersuchungen, weil sie von vornherein .in de? Ge~ens:än?e s~ecken muss,
Jenen Vorrang des Objekts gibt es „nur in der Dialektik; eben dies das Zer­ auch herausbringen zu können. Ob Ihre Grundthese nun eig_en:lt~h w1rkh~h m einem andern
brechliche der Wahrheit. Sonst Rückfall in prima philosophia. (auch: dogma­ als nominellen Sinne (als ,anti-idealistische' These) als i:iatenahsttsch beze,c_hnet we:den darf,
ist mir nicht sicher und gewiss nicht evident. [ ... ] Ihr eigenes Probl~m sehe ich so_: gibt es .eme
tischer Materialismus!)"55 - Diese Aussage ist keine über ein Objekt, ~as an Möglichkeit, auch nachdem die Klassenkampftheorie in unserer eigenen_ Geschichts~enode
sich wäre, sondern eine über dessen Stellung zum Subjekt." Materialismus [ ... ] gerade in der Anwendung und aus der -:-nwendung heraus explodiert worden _ist ~d
sich als philosophisch nicht mehr relevant erwiesen hat, wenn es darum geht, unsere wirkliche
52
Adorno 1974, S. 257. Erfahrung zu begründen - ka~n ~s dann. den~och mö?.lich sein, die Ka;egorien dieser Theorie
53 HGS, Bd. 12, S. 381.
anzuwenden, nachdem ihr angeblicher historischer Träger versagt hat? (Gershom Scholem an
54
ANS, Bd. IV.16, S. 197. Adorno, 1. März 1967. Scholem 1995, S. 177 f).
55
Ebd.; Klammern im Original.
56 Vgl. AGS, Bd. 10.2, S. 602.
31
· 1· nicht abschlußhaft, keine We1tanschauung
. olcher Matena ismus h' d W, ,
ein s . D' om Dogma total versc 1e ene eg zum Ma-
k . Fixiertes ist. ieser v h 'k b . h
et~ . . d ir J. ene Affinität zur Metap ys1 , eina e hätte Adorno wendet sich gegen die marxistische "Voraussetzung einer Einheit
tenahsmus ist es, er1 m · zu verbürgen sc h eint, . s· .
d"1e 1e mit R ec h t als ~on Th
. e~rte. un d Praxzs. " , d'ie noch auf Hegel datiert - "Was vernünftig ist, das
61
ich gesagt: zur Th eo ogie,
1st ~irkhc~; un~ was _wir~lich ist, das ist vernünftig"62 -, sowie gegen die Kon­
das zentrale Motiv erkannt haben. . d' k . Gl
. Kl kampftheorie anlangt, so 1st 1e em aubens- zeptto~. "eme~ sich szzen:~sch ge~ärdenden Materialismus"63, der die Philosophie
Was die assen 1„ h "k g~aubt uberwmden zu können, mdem er, selbst idealistisch, meint, als Totalität
. ll ds . ht die an sie anknüpfende Vu garmetap ys1 des
art1kel Vo en nie
·. d l · · hb
wiß nicht als Träger des We tgeistes sie ewähr- die Welt zu erkennen. Bereits Adornos akademische Antrittsrede von 1931 -
Proletanats, as ganz ge · 1· d
. f''ll . ne Orientierung des Materia ismus an em, was ihr ~itel, ,,Die Aktualität der Philosophie", deutet die Erwiderung auf Marx'
te Damit ent a t 1e .. 1· h
. · hah di aus schlecht philosop h'1sc h en G run „ d
en, nam 1c Sc~nft "D-:5 Elend der Philosophie" an - beginnt mit den Worten: .,,Wer heute
1m Osten gesc , e · hh I k · phil?soph1sch_e Arbeit als Beruf wählt, muß von Anbeginn auf die Illusion
ben muß woran man sie a ten ann, immer
weil man doc h etwas ha ' . . 1·
· · d Ich meine also emen Materia ismus gegen den verzichten, mit der früher die philosophischen Entwürfe einsetzten: daß es
no eh supponiert wir .
. d "s9 möglich sei, in Kraft des Denkens die Totalität des Wirklichen zu ergreifen".64
offiziellen, ketzerisch ganz un gar ·
Dementsprechend vollkommen zu Recht bemerkt ihr Herausgeber Rolf Tiede­
. A "uß Adornos führen direkt zum Zusammenhang von Philoso-
D 1ese erungen . . ma_nn, sch~n diese Rede belege „den vollzogenen Übergang der Adornoschen
S oziologie genauer zur Abkunft dieser von Jener.
P hi e In
un dseiner Vorlesung
' eben über „Phi·1 osop h'1e un d S ozio
. 1 ogre
. " b emerkt Philosophie vom transzendentalen Idealismus zum Materialismus; in Wahrheit
den Beginn der Adornoschen Philosophie". 65
Adorno, Adorno kommt in dieser letzten These auf jene für die Kritische Theo­
chein nur die Rede sein kann, wenn es dem Schein gegenüber rie so zentrale Einsicht zurück, die er in dem oben zitierten Brief an Alfred
„ daß von S . . 'ff d
auch ein Nicht-Scheinhaftes, ein Wahres gibt. Und dieser Begn er Sohn-Rethel bereits formuliert hat: ,,Es gibt kein Kontinuum - keine Identität
Wahrheit setzt natürlich seinerseits voraus, daß man in der Analyse von Theorie und Praxis. Diese ist, in gewissem Sinn, bescheidener als die Phi­
des Scheins selber auf das stößt, was etwas anderes ist als Schein, und losophie; und Philosophie wiederum geht nicht in Marxismus auf." Die Idee
nicht etwa, daß man dogmatisch mit einer bloß zuweisenden Gebärde eines solchen Kontinuums ist ihrerseits idealistisch, weil sie ein gemeinsames
sagt: ,Na ja, Unterbau gleich Wahrheit, Überbau ist gleich Ideologie', Medium als Absolutum voraussetzt, das Theorie und Praxis vermittelte: eine
denn diese Unterscheidung selber, als eine Unterscheidung von wahr wie immer geartete Vernunft, die als Gesamtsubjekt das Allgemeine und das
und falsch, setzt ja bereits einen Wahrheitsbegriff voraus, der in dieser Besondere real versöhnte, indem jedes Moment „seine Funktion im Ganzen
Unterscheidung sich nicht erschöpft. Sie können nur dann sagen, daß hätte und von diesem Sinn empfinge".66 Erst in dieser Vermittlung realisierte
Unterbau wahr und Überbau falsch sei, wenn Sie dabei über einen sich die utopische Vorstellung eines „Glücks der Menschheit, welches das der
Begriff von Wahrheit verfügen oder, besser gesagt, wenn Sie dabei einen Einzelnen wäre".67 Von der Praxis ist diese Vermittlungsleistung nicht länger
Begriff von Wahrheit entwickeln, an dem Sie unterscheiden können, zu erwarten, denn während „die Einheit von Theorie und Praxis gefordert
was nun wahr und was nun falsch ist". 60 wird, ist man allzu praktisch geworden"68, ohne auf Vernunft und Wahrheit,
die unterdessen zum Spielplatz realitätsferner Intellektueller verkamen, noch
allzuviel zu geben. ,,Der introvertierte Gedankenarchitekt wohnt hinter dem
8. Kritische Theorie ist motiviert vom Interesse an einer menschenwürdigen
Mond, den die extrovertierten Techniker beschlagnahmten".69
Gesellschaft, insofern praktisch. Aber sie ist nicht nach Praxis als einem tbema Wie für den realen Materialismus der realen Verhältnisse als Instanz einer
probandum zu messen; Objektivität der Wahrheit, Vernunft sind ihr verbindlich. blinden Praxis, die die Individuen ans Materielle fesselt, gilt für die Praxis
Sie hypostasiert nicht eine Einheit von Theorie und Praxis, die unter der gegen· selbst, daß ihr „Ziel [... ] ihre eigene Abschaffung'"? wäre. Daß es so weiter-
wärtigen Gesellschaft gar nicht möglich ist. Zwischen Theorie und Praxis herrscht
kein Kontinuum. 61
Lutz-Bachmann 1991, S. 145.
62 Hegel 1970, S. 24.
59
Adorno an Scholem, 14. März 1967, Theodor W. Adorno Archiv, Frankfurt a.M., Br 1354/248; 63 Lutz-Bachmann 1991, S. 145.
von .,,Was ich·•·" bis .,,zu werden" bereits zitiert in Tiedemann 2009, S. 177, Fn. - Ador_no 64
AGS, Bd. 1, S. 325.
hat sich in der Negativen Dialektik mit dem Satz :Wahr sind nur die Gedanken, die sich 65
Tiedemann 1973, S. 383.
selber nicht verstehen" (AGS, Bd. 6, S. 57 f.) selbst zitiert nämlich nach dem entsprechenden
A:phorismus aus den l.!inima Moralia (AGS, Bd. 4, S. 2is). In einer Passage, die späte:
diesem Buch ausgeschieden wurde, formulierte Adorno Erkenntnis schöpfe "aus keine
a: 66
67
68
AGS, Bd. 8, S. 321.
AGS, Bd. 6, S. 345.
AGS, Bd. 4, S. 49.
69
Vorrat. J~dfr ?edanke ist ein Kraftfeld, und wie vom Wahrheitsgehalt des Urteil_s d~sse: AGS, Bd. 6, S. 15.
70
Vollzug_rucht sich abtrennen läßt, so sind wahr überhaupt nur Gedanken die über die eigen AGS, Bd. 10.2, S. 769.
These hmausdrängen." (Ebd., S. 295). '
60
ANS, Bd. IV.6, S. 144 f.
33
,
geht, ist die Katastrop?e; ~ach~em jene Katastr~~he aber~ von deren Ausmaß
d Konsequenz BenJamm nichts hat ahnen können, eintrat - als zugleich
Literaturverzeichnis
~:ckte und rationale Gewalt unter den Insignien von_Machbarkeitswahn und
Arbeitsethos -, ist die Perpetuierung des Katastroph1s_chen heute so gewöhn~
Ador~Gi~eodor W. (1970 ff.): Gesammelte Schriften, Frankfurt a.M. (
r1 h wie die Feststellung, daß die Welt davon auch nicht untergegangen ist
cndern stramm weiterwurschtelt. Damit wäre materialistischer Praxis, Refle; - D~e Aktualität der Philosophie, Bd. 1, s. 325-344.
s0 ,v, ·1 ·
auf die Materialität der Welt, selbst eine Grenze gezogen. wer Jene Praxis, die - mit Max Horkheimer: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Frag-
die Welt erst zu dem gemacht hat, was sie ist, nicht Maßstab einer Theorie sein mente, Bd. 3, S. 7-296.
kann der sich diese Welt als falsch darstellt, eine „verändernde Praxis" aber - Mini~a M~ralia._Reflexionen aus dem beschädigten Leben, Bd. 4.
auf ~nabsehbare Zeit vertagt"71 ist, ist Kritik auf Theorie zurückverwiesen. - Negative Dialektik, Bd. 6, S. 7-412.
" Theorie hingegen, die sich gegen die wie immer blinde Praxis ihrerseits - Gesellschaft, Bd. 8, S. 9-19.
blind machte, beförderte - 2~m _Verhältnis von Soziologie und Psychologie, Bd. 8, S. 42-85.
das Identitätsbewußtsein des Geistes, der repressiv sein Anderes sich - Einleitung zum "Positivismusstreit in der deutschen Soziologie" Bd 8 S
280-353. ' . ' .
;leichmacht. Wäre Spekulation über den Stand der Versöhnung er­
laubt, so ließe in ihm weder die ununterschiedene Einheit von Subjekt - Kulturkritik und Gesellschaft, Bd. 10.1, S. 11-30.
und Objekt noch ihre feindselige Antithetik sich vorstellen; eher die - ~~merkunge~ zum philosophischen Denken, Bd. 10.2, S. 599-607.
Kommunikation des Unterschiedenen. Dann erst käme der Begriff von - W1ssenschafthche Erfahrungen in Amerika, Bd. 10.2, S. 702-738.
Kommunikation, als objektiver, an seine Stelle".
72 - Zu Subjekt und Objekt, Bd. 10.2, S. 741-758.
- Marginalien zu Theorie und Praxis, Bd. 10.2, S. 759-782.
Und nicht etwa vorab in einer Theorie ihres Handelns, die kontrafaktisch - Radiorede über Max Horkheimer, Bd. 20.1, S. 152-154.
eine Entkoppelung von System und Lebenswelt unterstellt, so als ließe sich - Offener Brief an Max Horkheimer, Bd. 20.1, S. 155-163.
das Individuum von seinem Leib trennen, um schließlich zur schmählichen - ,,Keine Angst vor dem Elfenbeinturm". Ein "Spiegel"-Gespräch, Bd. 20.1,
Versicherung überzugehen, daß sich über die Einrichtung der Welt doch s. 402-409.
weiterhin diskutieren lasse. Ders. (1974): Philosophische Terminologie. Zur Einleitung. Band Zwei, Frank­
furt a.M.
"Während Marx aus der Misere der Philosophie die Folgerung zog, an
deren Stelle die Historie einzusetzen, bestand für Adorno, der in einer Ders. (1993 ff.): Nachgelassene Schriften, Frankfurt a.M., Berlin (= ANS).
veränderten historischen Situation an Philosophie festhielt, das ,Elend - Philosophie und Soziologie (1960), Bd. IV.6.
der Philosophie' [... ]indem objektiven Zwang, der das Denken an .-Metaphysik. Begriff und Probleme (1965), Bd. IV.14.
die diskursive Sphäre bindet, der sie sich doch entwinden muß, wenn - Einleitung in die Soziologie (1968), Bd. IV.15.
sie im Ernst materialistisch werden will". 73 - Vorlesung über Negative Dialektik. Fragmente zur Vorlesung 1965/66,
Bd. IV.16.
Ders. (2004): Contra Paulum, in: Ders./Max Horkheimer: Briefwechsel 1927-
1969. Band II: 1938-1944, Frankfurt a.M., S. 475-503.
Adorno, Theodor W./Max Horkheimer (2006): Briefwechsel 1927-1969. Band
IV: 1950-1969, Frankfurt a.M.
Adorno, Theodor W./Siegfried Kracauer (2008): Briefwechsel 1923-1966,
Frankfurt a.M.
Adorno, Theodor W. /Alfred Sohn-Rethel {1991): Briefwechsel 1936-1969,
München.
Benjamin, Walter (2001): Charles Baudelaire. Ein Lyriker im Zeitalter des
Hochkapitalismus, in: Ders.: Gesammelte Schriften, Bd. I.2., Frankfurt
71
AGS, Bd. 6, S. is. a.M, S. 509-690.
72
AGS, Bd. 10.2, S. 743. Braunstein, Dirk (2011): Adornos Kritik der politischen Ökonomie. Bielefeld.
73
Tiedem :~n A(1998) ' S · 25 2· - Tiedernann
Ph · bezieht sich hier auf Marx' Schrift Das Elend der
.11,osodp laze. h ~ltwohrt_ aufProudhons »Philosophie des Elends" die 1847 zuerst unter dem Titel
Mtsere e p t osop te Resp
Bd. 4, s. 63-l _ ·
' onse a'la Phil1 osoph'te de la mtsere -.,rcw
. , de' M. Proudhon erschien; vgl. 1vu:, '
82
35
Ders. (2012 ): Kulturindustrie is c?ming heim. Eine Vergangenheitsbewälti­
. . Ders./Sebastian D1ttmann/Isabelle Klasen (H g.): Alles falsch
gung, m. 1 · d · B 1· · Schmidt,_ Alfred (1983): Begriff des Materialismus bei Adorno, in: Ludwig von
Auf verlorenem Posten gegen die Ku tt~rm ust~1e, er m, S. 9-64.
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- Traditionelle und kritische Theorie, Bd. 4, S. 162-216.
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-Briefwechsel 1913-1936, Bd. 15.
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37
36
PaulMentz

Moralphilosophie im Stande der Unfreiheit.


Adornos negative Philosophie der Moral

I.
„Dein Wille ist frei, heißt: er warfrei, als er die
Wüste wollte, er ist frei, da er den Weg zu ihrer
Durchquerung wählen kann, er istfrei, da er die
Gangart wählen kann, er ist aber auch unfrei, da
du durch die Wüste gehen musst, unfrei, da jeder
Weg labyrinthisch jedes Fußbreit Wüste berührt."
- Franz Kafka

Immanuel Kant spricht der Vernunft ein "produktives Vermögen"1 zu. Dieses
Vernunftvermögen ist für die Kantische Moralphilosophie entscheidend, denn
die Vernunft soll die Gesetze der Moral nicht einfach hinzunehmen, sondern
aus sich selbst heraus produzieren. Dies setzt eine aktive Tätigkeit der Vernunft
voraus. Auch der Begriff des Willens bei Kant kann nur vor dem Hintergrund
eines solch aktiven Vernunftvermögens verständlich werden. Kant schreibt:
"Der Wille wird als ein Vermögen gedacht, der Vorstellung gewisser Gesetze
gemäß sich selbst zum Handeln zu bestimmen. Und ein solches Vermögen
kann nur in vernünftigen Wesen anzutreffen sein."2 Freier Wille ist für Kant
nicht Ausdruck potentieller Willkür, sondern ein Vernunftvermögen, spontan
handeln zu können, allerdings nur in Bezug auf vernünftig gesetzte Zwecke.3
Da das Sittengesetz nach Kant jenes Gesetz ist, das sich der Wille selbst gibt,
kommt dieser „erst in der Befolgung des Sittengesetzes zu sich selbst. "4 Das
formale Prinzip des freien Willens und damit der praktischen Vernunft ist der
kategorische Imperativ Kants: ,,handle nur nach derjenigen Maxime, durch die
du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde. "5 Der katego­
rische Imperativ ist ein Zweck an sich, da er keinen außerhalb seiner selbst

1
Adorno 1997a, S. 170.
2
Kant 1999, S. 52; Herv. i. 0.
3
Vgl. ebd., S. 52f.
4
Schweppenhäuser 1993, S. 83.
5
Kant, 1999, S. 45; Herv, i. 0.

39
bestehenden Zweck kennt, und er ist _oas c1~t~~~/! ~~se ~z, ~~ili un:1 Setner selbst
Willen eehorcht werden kann, da es sich bei i m um em a gememes Rechtsge-
d d h dieses Gesetz gilt für alle vernunftbegabten Lebewesen.6 n·
0
Ado~nos_:7erständ_nis von Freiheit widerspricht dem Kantischen. Nach
setz h an e 1 t, • · . b h d • d te
Eigentümlichkeit des kategorischen I~perativs este t arm, ass er von Kant Ad?rno smd für den Willen sowohl körperliche und damit triebhafte als auch
. G egen satz zu den Rationalisten - aus rationale Momente konstitutiv. »Er ist die Kraft des Bewußtseins mit der
we der - im . der Vernunft abgeleitet
. no ch
-L h · ng gewonnen wird. Als allgemeines Rechtsgesetz 1st der kateg
es den eigenen Bannkreis verläßt und dadurch verändert was bloß ist· sein
aus der E ua ru . . o- Umschl ag ist
· w·d
1 erstand."
12 '
Adorno folgt in seiner Argumentation ,
der Freud-
rische Imperativ universell gültig. Er bes_1tzt nur die Form de~ Allgemeinheit
s~~en P~ychoan~lyse, die festhält, dass das Bewusstsein selbst ursprünglich den
und keinen bestimmten Inhalt. ,,Allgemem s~ll ~r [der kateg~rische Imperativ;
körperlichen Tneben entsprungen ist. Praktisch kann dieses Bewusstsein aber
P.M.] deshalb sein und allgemein ist das_Apriori_~eshalb, weil es d~~ch nichts erst im Willensakt werd~n, denn oh~e den Willen als Vermittlungsinstanz gä­
Individuiertes, durch nichts Einzelnes emgeschran~t ~erden darf. be es laut Adorno gar kein Bewusstsein.'! Adorno sieht das Bewusstsein in den
Erst indem der freie Wille, der immer auch subj ektiven Triebfedern unter­ menschlichen Trieben gegründet, vertritt aber nicht die Auffassung, dass aus
liegt, sich selbst ein allgemeines G~set: gibt, entzi~ht er sie~ de~ heteronomen bl~ßer Natu_r not:w-endigerweise Geist hervorgeht, da der Versuch, aus Natur
Bestimmtheit der Naturnotwend1gke1t. Kant spricht aber m diesem Kontext Geist abzuleiten, immer schon daran scheitert, dass das, was abgeleitet werden
von der „Notwendigkeit der Maxime [... ] diesem Gesetze gemäß zu sein",s soll, das Denken, vorausgesetzt werden muss. Worum es Adorno vielmehr
und „dieses Moment der Notwendigkeit hat in sich bereits eine merkwürdige geht, ist nachzuweisen, dass im Menschen Natur und Vernunft miteinander
[... J Affinität zu eben jener Ka~!alität'. di_e ja nun ei~entlich erst im_ Bereich vermittelt sind, dass also Vernunft aus Natur oder Natur aus Vernunft nicht
abgeleitet werden können.
der Erscheinung herrschen soll. Bereits im kategorischen Imperativ Kants
sind Notwendigkeit und Allgemeinheit aufeinander verwiesene und nicht "Nur weil der Intellekt bei seiner Erhebung über die Natur auch sich
selbst überhebt und agiert, als trage er durch rein logische Kraft, heiße
voneinander zu trennende Momente.
sie nun res cogitans, Monade oder transzendentale Apperzeption, sich
Adorno kritisiert die von Kant postulierte Faktizität des Sittengesetzes. selbst, kommt er überhaupt dazu, alles, was ihn beschäftigt, auf sich
Formal ist es Kant gelungen, die Geltung des Sittengesetzes als rationale Be­ und seine Denkformen zu beziehen und sich zum Mittelpunkt der Welt
gründung einer Moralphilosophie zu belegen. Da aber die Sphäre der Freiheit zu setzen - selbst dann noch, wenn er längst weiß, daß er es nicht ist."!"
nicht von jener der Notwendigkeit kategorisch geschieden werden kann, lässt Adorno versucht, das Verhältnis von Natur und Geist im Menschen dadurch
sich insbesondere aus der geschichts- bzw. gesellschaftsbezogenen Perspektive, zu bestimmen, dass er festhält, dass der Bezug auf die Natur nur mittels
die Adorno einnimmt, der Kantische Willensbegriff kritisieren. des Denkens möglich ist und die Natur zugleich dessen Voraussetzung sein
Für Kant geht der Wille vollständig in der Vernunft auf, so dass er nicht soll. Ein kritisch-materialistischer Willensbegriff ist in diesem Sinne also nur
als Vermittelndes der Träger einer subjektiven Spontaneität sein kann. Solan­ dann möglich, wenn das Denken auf das dialektische Verhältnis von Geist
ge Wille und Vernunft als identisch aufgefasst werden, können Handlungen und Natur reflektiert, das darin besteht, dass im Menschen beide Momente
nicht frei sein, denn in diesem Fall sind aus dem Willen „alle der Vergegen­ vereinigt sind und der Wille deren Vermittlungsinstanz darstellt. "Daß ohne
Wille kein Bewußtsein ist, verschwimmt den Idealisten in blanker Identität:
ständlichung sich versagenden Impulse als heteronom verbannt". 10 Adorno
als wäre Wille nichts anderes als Bewußtsein. "15
spricht in diesem Zusammenhang davon, ,,daß der kategorische Imperativ von
Die von Kant vollzogene Trennung des Bewusstseins und damit des Wil­
Kant gar nic~ts ~nderes ist, als das ins Normative gewendete, zum Absoluten lens von der triebhaften Natur des Menschen besitzt für Adorno aber zugleich
erh_obene Prinzip der Naturbeherrschung selbst. "11 Der Wille bei Kant soll auch einen emanzipatorischen Gehalt. Indem Kant den Willen von der Will­
2':1sch:n de_r ~aturhaften und damit determinierten Seite des Subjekts und
kür des je individuellen Impulses mittels des Einheitsmoments der Vernunft
seiner intelligiblen und damit freien Seite vermitteln aber da das Moment befreit, kann er auf die Möglichkeit einer Moralität verweisen, die nicht ar­
der Vermittlung- der Wille- identisch sein soll mit der Vernunft die einen biträr ist. Die vernünftige sittliche Instanz schützt nach Adorno das Subjekt
der zu ~e~mittelnden Pole darstellt, kann die Vermittlung von Preiheit und vor willkürlicher Gewalt. Adorno kritisiert Kant also einerseits immanent.
Determirusmus nach Adorno bei Kant nicht gelingen. Andererseits hält er fest, dass in der Kantischen Identifizierung von Willen
und Vernunft ein emanzipatorisches Moment aufzufinden ist.
6
Vgl. ebd., S. 54f..
7 12
Adorno 1997a, S. 119. Adorno 19976:, S. 240. .,
13
8
Kant 1999, S. 44. Vgl. e6d., S. 229.
14
9 Türcke 2000, S. 45; Herv. i. 0.
Adorno 1997a, S. 119f. 15
10 Adorno 19976, S. 229.
Adorno 19976, S. 234.
11
Adorno 1997a, S. 155.
41
•· h 1i h rfährt Adorno in Bezug auf das von Kant postulierte Faktum
A n c ve d . halb d d . .
. welches beinhaltet, ass mner er etermmierten Welt
des Sittengesetzes, · . . . . • 16 M' d"
. • telligibler Freiheit realisiert 1st. 1t teser Argumentat• Der Widerspruch zwischen postulierter Freiheit und realer Unfreiheit ist
em Moment von m d . 'k d . i-
'd • h K t seinen Ausführungen aus er Kriti er reinen Vernunft1 Ausdruc~ ~es herrschenden Verhältnisses von allgemeinem Begriff der Freiheit
on w1 erspric t an d" · k · d h . '1 , un~ empm~cher Realität. Freiheit im Kantischen Sinne ist notwendigerweise
. d' • t Frei'heit lediglich denknotwen ig, sie ann Je oc nicht posi
denn m ieser 1s . . . · h • · u?r:ersell, m .~er Realität kann sie sich aber nicht vollständig verwirklichen.
. b . d n Der Freihe1tsbegnff der Kantisc en Moralphilosophie
tiv esnmrnt wer e · • f d' . Sie 1st, wenn überhaupt, nur partikular aufzufinden. Es kann daher für Kant
muss al so m • l1alt s 1 e er bleiben , da Kant kann sich nur au . . 1e Autonomie der
nur darum gehen, auf die Verwirklichung der Freiheit zu insistieren, auch
·u f b r kann diese aber von der realen empirischen Welt streng
vernun t enuen ' fi . . F 'h . . s· wenn diese möglicherweise niemals vollständig realisiert werden kann. Die
a-etrennt bl e1'b en muss · Die Kantische De mtion . von rer eit 1m 1ttengesetz Kantis~~e l_ted~ vo1:1 Faktum der Vernunft ist mithin beständige Kritik einer
ist aus diesem Grund eine rein formal bestimmte. . . unvernünftig emgenchteten Welt, die der Realisierung von Freiheit und Mora­
Ad orno weist darauf hin, dass Kant versucht, den Widerspruch zwischen lität entgegensteht. Ein kritischer Begriff von Freiheit setzt ein Bewusstsein
. . d .. h l
der Freiheit der Vernunft und der Unfreiheit er empmsc en We t zu lösen, davon voraus, dass "diese Hölle, als die wir das irdische Leben erkennen müs­
19
· d das alleine im Geist aufzufindende Faktum der Vernunft als auch in sen", nicht alles sein darf, und dass aus diesem Grund "in der Natur des
m emer d .. h l .
der empirischen Welt gültig seiendes setz~. In er empmsc en We t sind aber Menschen selber so etwas wie ein Versprechen, daß das nicht alles sei und daß
Freiheit und Notwendigkeit nicht von emander getrennt vorhanden. Daher es etwas anderes geben müsse"20 liegt.
kann der Kantische Freiheitsbegriff der Kritik der reinen Vernunft nicht bruch­ Für Adorno ist die Gesellschaft der Gegenstand der moralphilosophi­
los in die Moralphilosophie überführt werden. Der verbindliche Charakter sehen Reflexion, denn erst wenn man den Bezug auf die realen Lebensverhält­
nisse .rnitdenkt, steht der Gesetzescharakter des Kantischen Freiheitsbegriffs
der sittlichen Gesetze, die nach Kant Gesetze der Freiheit sind, widerspricht
der Freiheit antagonistisch entgegen. ,,Freiheit ist nicht isoliert fürs Indivi­
der von Kant hypostasierten individuellen moralischen Entscheidungsfreiheit.
duum, sondern mit Rücksicht auf das gesellschaftliche Ganze, in dem die
Obwohl die Gesetzmäßigkeit der Freiheit entgegensteht, darf die Verschrän­ Menschen leben, gegeben. Die Konkretisierung des Sittengesetzes ist nur am
kung von Gesetzmäßigkeit und Freiheit in der Kantischen Moralphilosophie Funktionszusammenhang zu gewinnen, nicht am Modell des Robinson."21
nicht auf ihr ideologisches Moment reduziert werden, ,,weil vernünftig han­ Problematisch an der Kantischen Moralphilosophie ist laut Adorno, dass
deln und nach Vernunft schließen überhaupt anders als gesetzmäßig, nach diese die Freiheit erst durch die „Gegebenheit des Sittengesetzes"22 in der
Regeln schließen und handeln, gar nicht begriffen werden kann", 17 so dass die Gesellschaft verbrieft sieht. Wenn aber Freiheit auf den Zwang des Sitten­
„rein gesetzte, absolute Gesetzlosigkeit und Freiheit [... ] unmittelbar eins mit gesetzes verwiesen ist, dann gerät die Kantische Moralphilosophie in eine
der Unfreiheit"18 ist. Antinomie, da die Konkretisierung dieser Freiheit „einzig als Unterdrückung
vorzustellen"23 ist, durch einen intellektuellen Zwang oder „als moralische
16
Adornos Kant-Kritik zufolge ist dieses intelligible Freiheitsmoment nur dann in der empiri­ Nötigung",24 sich nach dem Sittengesetz zu richten. Das heißt, was Resultat
schen Welt vorhanden, wenn es sich in sein Gegenteil verkehrt, da Freiheit immer ein Moment von Freiheit sein soll, nämlich das moralische Handeln, stellt sich erst in Be­
von Unfreiheit in sich trägt. "Freiheit ist einzig in bestimmter Negation zu fassen, gemäß der zug auf moralische Nötigung, intellektuellen Zwang, Regeln, Vorschriften,
konkreten Gestalt von Unfreiheit." (ebd., S. 230) Für Kant hingegen ist im Bewusstsein des Pflichten und die Achtung vor dem Gesetz her. Der kategorische Imperativ
Sittengesetzes bereits das "Faktum der Vernunft" (Kant 1998, S. 56) erfüllt, d.h. die Freiheit des
Wille?s ist unableitbar allgemein gültig. In der Kritik der reinen Vernunft hält Kant in Bezug entzieht sich mit seiner Befehlsstruktur jeglicher Begründung, d.h. er muss
auf die Frage nach der Freiheit des Willens, der Unsterblichkeit der Seele und dem Dasein aufgrund seiner Form befolgt werden.
Go~es fest: _"In A~sehung aller dreien ist das bloß spekulative Interesse der Vernunft nu~ sehr Adorno möchte jedoch nicht die Kantische Moralphilosophie auf die
genng, und 10 Absicht auf dasselbe würde wohl schwerlich eine ermüdende mit unaufhörlichen Verstrickung von Freiheit und repressivem Sittengesetz reduzieren, vielmehr
Hindernissen ringende Arbeit transz. Nachforschung übernommen werden, weil man von ist für ihn der aporetische Charakter der Kantischen Ethik der Widersprüch­
allen Entdeckungen, die hierüber zu machen sein möchten doch keinen Gebrauch machen
~ann, der in _concreto, d.i, in der Naturforschung, seinen N~tzen bewiese" (ebd., S. 826). Erst lichkeit des von ihr untersuchten Sachverhalts geschuldet. Der Widerspruch
m der praktischen Philosophie Kants und dem Nachweis der Faktizität des Sittengesetzes zwischen postulierter vernünftiger Freiheit und herrschender Unfreiheit hat
und der Fr~ih:it spielt die metaphysische Frage nach der Existenz Gottes eine zentrale ~ol~e.
Interessant 1st m diesem Kontext, dass Kant die Existenz Gottes von dem menschlichen Pnnztp 19
Ebd., S. 224.
der Vern~nft abhängig macht, d.h. Gott wird gegenüber der Vernunft zu einem Abgeleiteten 20
Ebd.
und zu emern Sekundären ge~acht" (Adorno 1997a, S. 110). Vor dem Hintergrund dessen, 21
Ebd., S. 182.
dass der kateg~nsche lt_nperauv weder abgeleitet noch aus der empirischen Welt gewo~nen 22 Adorno 19976, S. 252.
werden darf, ~1rd ~eutlich, dass die drei metaphysischen Entitäten (Gott, Freiheit des Willens 23 Ebd., S. 253.
17
und Unsterblichkeit der Seele) für Kant notwendig sind, um das Sittengesetz zu verbürgen, 24
Kant 1998, S. 57.
Adorno 1997a, S. 120.
18
Ebd., S. 181.
43
. . .. d d Dialektik der Aufklärung wird als ein Grund d'
0 b Je ktive. Grun e. 1 n er D' i: ie
d . lität des Denkens selbst genannt. 1e rortschreitend
tor tschre1ten
. . ..
e Rauona I a . .. d' h . h R .
. k l • h hin zu einer vollstan 1g tec rusc en at1onalität
e der Zweck
.. . dieser. Freiheit besteht darin , den konku rneren · den rn d'1v1'd uen
Rauonahtat enrwic e t sie M k 1 d . ' zu ermogh~hen,_1hren partikularen Interessen nachzugehen. Das partikulare
d' Ob' k uf ihre quantifizierbaren er ma e re uziert, um sie
Interesse.. wird nicht mit. der allgemeinen Gattung d er vernun ft b egab ten ,v, we-
welche ie Jek„te a Das formale Prinzip des Denkens selbst reproduziert
beherrschen zu onnen. · · f 1 · k · d „ ß sen versohnt. Es s~eht ihm vielmehr das Gesetz zur Seite, das sich zwar als
. h f hält is indem es die Mannig a tig ert er au eren Welt Ausdruck allgem~men Interesses geriert, aber zugleich von den Individuen
dieses Herrsc a tsver n , All . .. b
. . . h d damit die Herrschaft des gemeinen gegenu er dem hervorgebracht wird, die allein ihre partikularen Interessen verfolgen.
verem 1reit 11c t un
Besonderen reproduziert. . . ,,~eine [des Individuums; P.M.] Freiheit ist primär die eines solchen der
l iht dem gesellschaftlichen Ganzen, m welchem sie eigene Zwecke verfolgt, die in den gesellschaftlichen nicht unvermittelt
Herrschaft ver er . . ·1
". r .höht Konsistenz und Kraft. Die Arbeitstei ung, zu der auf?e~en;_ soweit koinzidiert sie mit dem Prinzip der Individuation.
sich tesrsetzt, er O e di d b h h Frei~eit dieses Typus hat sich der naturwüchsigen Gesellschaft entrun­
· h d' H haft gesellschaftlich entfaltet, ent em e errsc ten
sie ie errsc . d' d gen; 1~ne:halb emer zunehmend rationalen erlangte sie einige Realität.
rhaltung Damit aber wird notwen 1g as Ganze
Ganzen zur S e lb s te · . . f Zugleich Jedoch blieb sie inmitten der bürgerlichen Gesellschaft Schein
s anzes, d .
1e B e ta
" ti'gung der ihm immanenten . Vernun . t, zur Voll-
al G nic_ht :wen_iger als die Individualität überhaupt. Kritik an der Willens­
ikularen. Die Herrschaft tntt dem Emzelnen als das
streckung des Part . • kli l k · .. 2s freiheit wie am Determinismus heißt Kritik an diesem Schein. "28
· enüber, als die Vernunft m der Wir 1c 1 ert.
All gememe geg
F~r Ador~? stellt der kategorische Imperativ Kants aber auch eine Grundlage
Dabei stellt das identifizierende Denken nicht nur_ die Identität des Subjekts
semer Kritik an _der falschen Freiheit unter dem kapitalistischen Wertgesetz
· d deren sondern auch die Identität gegen sich selbst her. Das Denken dar. Der kategonsche Imperativ Kants, mit seiner Reflexion auf das Verhältnis
rrut en an , d N' h · h
„erweist daran seine ideologische Seite, daß es die Bete_:uerung, as 1c nc sei von Zweck und Mittel, ist für Adorno bereits praktische Kritik an der instru­
E de das Ich nie einlöst; je mehr das Ich es ergreift, desto vollkommener mentellen Vernunft, die notwenig ist, da diese technisch-rationale Vernunft
26
:de;das Ich zdm Objekt sich herabgesetzt. " Selbstreflexion des Denkens dazu führt, dass die Menschen auf ein Mittel zu einem ihnen äußeren Zweck
ist erst dann gegeben, wenn das Denken selbst des fals~hen_ Scheins de~ ih~ reduziert werden.
zugesprochenen Autonomie gewahr wird, indem es seine eigene auf Emhe~t „Der von Kant entscheidend urgierte Unterschied von Mittel und
abzielende Struktur als Voraussetzung von Herrschaft erkennt und damit Zweck ist gesellschaftlich, der zwischen den Subjekten als der Ware
wirkliche Autonomie erlangt. Autonom wäre also der Geist, der praktisch, Arbeitskraft, aus denen Wert herauszuwirtschaften ist, und den Men­
in der Reflexion, ,,das falsche Absolute, das Prinzip der blinden Herrschaft, schen, die noch als solche Ware die Subjekte bleiben, um derentwillen
das gesamte Getriebe in Gang gesetzt ist, das sie vergißt und nur beiher
aufzuheben wagt. "27 befriedigt."29
Reflexives Denken und Kritik der herrschenden Unfreiheit sind die Vor­
Kant beharrt auf der Notwendigkeit von Autonomie, als Bedingung von Mo­
aussetzung dafür, dass die Freiheit als negative aus dem Bann der Unfreiheit ralität, wenn er schreibt: ,,Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner
heraustreten kann. Das unreflektierte rationale Denken hingegen reproduziert Person, als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, nie­
das Herrschaftsverhältnis, welches Freiheit im emphatischen Sinne untermi­ mals bloßals Mittel brauchest. "30 Gerade weil der gesellschaftliche Zustand der
niert. Um das Verhältnis von herrschender Unfreiheit und zu realisierender Versöhnung von Subjekt und Objekt entgegensteht, kann die Kantische Mo­
Freiheit bestimmen zu können, ist das reflexive Denken gezwungen anzu­ ralphilosophie für eine negative Moralphilosophie fruchtbar gemacht werden.
erkennen, dass etwas dialektisch, zugleich durch seinen Begriff und durch Die kapitalistische Gesellschaft steht der Verwirl<lichung von Moralität und
das Gegenteil dieses Begriffs, bestimmt sein kann. Im Falle der theoretischen Freiheit im Kantischen Sinne entgegen, da unter der Herrschaft des "automati­
Freiheit bedeutet dies, dass diese sich als reale Unfreiheit konkretisiert. Diese schen Subjekts"31 alles der Kapitallogik der Selbstverwertung des Werts folgt,
wiederum verweist negativ auf die Möglichkeit von Freiheit. Der antinomische und diese Logik macht "alles zu heteronom bestimmten Mitteln für einen
Charakter der Kantischen Moralphilosophie ist nicht einem philosophischen einzigen Zweck [ ... ] der weder rational - im Sinne unverkürzter Rationali­
tät - begründbar noch moralisch zu rechtfertigen ist. "32 Dem Insistieren auf
Denkfehler geschuldet, sondern, nach Adorno das Resultat von miteinander
vermittelter Heteronomie und Autonomie, welche die bürgerliche Gesell­ 28
Adorno 19976, S. 259.
s:haft. ko~stituieren. ~ndividuelle Freiheit in der bürgerlichen Gesellschaf; 29
Ebd., S. 254.
lasst sich immer nur im Gegensatz zu anderen Subjekten bestimmen, un 3
31
° Kant 1999, S. 54f; Herv. i. 0.
Marx 1998, S. 169.
25 32
Horkheimer/Adorno 1997, S. 38. Schweppenhäuser 1993, S. 95.
26
Adorno 1997b, S. 151.
27
Hork.heimer/Adorno 1997, S. 59.
45
. von Montt'!tal - 1st ~e .n.rlt~ au lieh herrsche
z k
A nomie - als Be dmgung . M' 1 n-
uto .. . d' d Menschen auf em itte zum wec reduziere
den Verhältn~ssen, ie_ enMoralphilosophie, wie sie Adorno zu formuliert' Adorno kritisiert die von Kant in der Kritik der reinen Vernunft vorge­
. ent Eme negative "h . . . b n
rrnman · . h d Anspruch erheben, Frei eit positrv zu estimtnen n,o~mene Trennung von Vernunft und Wirklichkeit als die Trennung in zwei
ht kann ruc t en d' . . A . ,
versuc , . d nf . en Gesellschaft muss ies m eme pone führen Reich~. D~r Versuch Kan:s, die beiden Reiche, "über eine Gesetzmäßigkeit der
d n angesichts er u rei . f ••ß d k .
en. . 1st. einzrg
. ..10 b es tirnmter
1 Negation zu assen, gema er onkreten Konstitution der Erschemungen durch das erkennende Subjekt miteinander
Freiheit 36
" .h . «33 zu vermitteln", führt Adorno zufolge dazu, dass Freiheit und Herrschaft
Gestalt von Unfrei eit. uf h . h. d" 'd einander dur~hdringen. "Frei wäre erst, wer keinen Alternativen sich beugen
'h • b 'ff Adornos fundiert a t eoretisc -m rvi uellen und
Der Frei eits egn . . d . . 11 h f 1· müßte, und im Bestehenden ist es eine Spur von Freiheit, ihnen sich zu ver­
. . . h A ekten der Freiheit, a Jenseits gese sc a t ich reali-
prakusch-po 1itisc en sp f 'h . b h h d' weige~n. Freiheit meint Kritik und Veränderung der Situationen, nicht deren
. 'h • k · · dividuelle Handlungs re1 e1t este t, o ne 1e Mög-
sierter Frei eit eine m . 1n b d' M 1 hil · Bestätigung durch Entscheidung inmitten ihres Zwangsgefüges."37
.
lichkeit . von Frei'h eit · im
· individuellen
. Bande .. . a er. 1e 1 ora h p 1 osophie
.. . Die Verweigerung stellt für Adorno, selbst im Zwangsgefüge der herr­
. G d besäße sie smnlos ware. Ein Sem, we c es vollstandig
kemen egenstan d S 11 schenden Gesellschaft, ein Moment negativer Freiheit dar, das es zu retten
• • · 1·· t keine' Unterscheidung
determiniert ist, ass .
· h
zwisc en em un
dl
S ·
f 'h . d
o en zu.
.
38
gilt. Freiheit zu realisieren ist nach Adorno die Voraussetzung für die Ver­
• di L g jeglicher menschlicher Han ungs rei eit ement1ert wirklichung der kritischen Vernunft und aus diesem Grund kritisiert er Kant
Bereits e eugnun • d F 'h · · ·
1.h ren eigenen
· An spru eh , denn die Vernemung
. . . er rei . eit. verweist immer dahingehend, dass dessen Begriff des reinen Willens jeglichen Inhalts beraubt
zug1 e1c · h auf d'1e Möglichkeit
o von Freiheit 1m Denken, .. die die Voraussetzung. ist, so dass, was Bedingung der Möglichkeit von Freiheit wäre, zu einem "In­
dafü · ··b h upt von Unfreiheit sprechen zu konnen. ,,Der Begnff der strument besinnungsloser Selbsterhaltung geworden ist. "39 Angesichts der
r 1st, u er a . b . k . . h d herrschenden Unfreiheit lässt sich kein philosophischer Freiheitsbegriff be­
Notwen d.igke1't iist m · der kritischen Theone sei st . em
. nusc er; . er setzt en
der Freiheit voraus, wenn auch nicht als einer existter:nden. Die V~rstellung stimmen, der mehr vermag, als negativ auf die Möglichkeit von Freiheit zu
verweisen.
emer· Fre ih e 1·t als einer, die schon da ist , auch wenn. die Menschen . . m Ketten . Im Naturhaften, dem Impuls und der Regung, erhält das Subjekt erst das
liegen, also einer bloß inneren Freiheit, gehört der idealistischen Denkweise
Moment von Freiheit, welches nicht vollständig in Identität aufgeht. Ador­
~~ . no hält fest, dass dem Individuum „an Moralischem nicht mehr" bleibt, als
Erst die Emanzipation vom Naturzusammenhang, die auf der Auto~om1e zu „versuchen so zu leben, daß man glauben darf, ein gutes Tier gewesen zu
des Denkens beruht führt in den Zwangszusammenhang der bürgerlichen 40
' . sein. " Der Willensakt ist nach Adorno nicht unabhängig von einem naturhaf­
Gesellschaft, d.h. Freiheit schlägt in Unfreiheit um. Anhand eines ~ottvs v?n ten Moment. Das heißt, dass im Individuum immer auch diverse somatische
Kafka lässt sich diese Dialektik der Freiheit verdeutlichen: ,,Das Tier entwm­ Regungen am Willensakt teilhaben. Was Adorno Schweppenhäuser zufolge
det dem Herrn die Peitsche und peitscht sich selbst, um Herr zu werden, und zeigen möchte ist, ,,daß die Kraft des Ichs genetisch mit einem ,vor-ichlichen'
weiß nicht, daß das nur eine Phantasie ist, erzeugt durch einen neuen Knoten Impuls zusammenhängt und stets auf ihn bezogen bleibt, weil die Autonomie
im Peitschenriemen des Herrn."35 Indem das Tier dem Herrn die Peitsche ent­ des Ichs solange zum Scheitern verurteilt ist, wie die bloß .vor-ichlichen Im­
windet, befreit es sich von der unmittelbaren Herrschaft seines Herrn. Indem pulse' destruktiv wiederkehren und das Ich neurotischer Fremdbestimmtheit
es aber die äußere Herrschaft internalisiert und sich selbst peitscht, mündet unterwerfen. "41 Ein dialektischer Begriff von Freiheit lässt sich nur gewinnen,
wenn Regungen und Affekte als notwendige Voraussetzungen der Idee der
diese gewonnene Freiheit in eine neue Form von Unfreiheit. Das dialektisc~e
Freiheit begriffen werden, d.h. erst das naturhafte Moment ermöglicht die
Moment von Freiheit besteht darin, dass die Naturbeherrschung einerseit~
Freiheit von der Natur, ohne die Willensfreiheit gar nicht zu denken ist.
die Voraussetzung von Freiheit ist, andererseits aber Naturbeherrschu~g .ei­
ne Form von Herrschaft ist, die der Freiheit entgegensteht, d.h. Freiheit ist 36
Schweppenhäuser 1993, S. 114.
immer mit Unfreiheit vermittelt. So wie das Nichtidentische angesichts d~s 37
Adorno 1997b, S. 225.
i'dennif zieren
· den Denkens nur negativ zu bestimmen ist so kann von Fre [heit 38
Freiheit ist für Adorno ein utopischer Begriff, der „nur als !foffnung" (Adorno 2004, S. 6~)
nur dann gesprochen werden, wenn auf die herrschendeUnfreiheit reflektiert real ist, denn jede Form von realisierter Freihei~ beruht letz~hch auf Naturbe_herrschu~g: - Die
realisierte Freiheit der Menschen, als „Fähigkeit der moralischen Selbstbes~imi_nung. (ebd., S.
wird, um die Differenz von Herrschaft und Freiheit zum GegenStand der 123), beruht „auf der Herrschaft über die Natur [... ] Sie ric~tet sich _gegen die Ti~~~- Sie m~";1t
Kritik zu machen. tendenziell den Menschen von der Schöpfung aus und damit droht ihre Humanität unablässig
in Inhumanität umzuschlagen" (ebd.).
39
Schweppenhäuser 1993, S. 116.
40
33
Adorno 19976, S. 230. Adorno 1997b, S. 294.
41
34 Schweppenhäuser 1993, S. 118.
Horkheimer 1988a, S. 204f.
35
Kafka 1983, S. 32.

47
.h . b 'ff der universelle Gertung ocansprucnr, ist solange
Der Frei eits egn ' b G d .
. . h • Freiheit nicht als gege ene setzt. era e weil Fre·-
h haftsknusc 'wie er . d .h . l
e~rs~ . . 1l durchgesetzt hat, 1st er i r immanente Anspruch im~er_ als bestimmte Negation der allgemein herrschenden Unfreiheit gefasst.
heit sich mch~ udmvernf se . Gesellschaft als ihr kritisches Spiegelbild vorzu- Freiheit unter dem Gesetz des sich selbstverwertenden Werts ist ein Zerrbild
f A tO norme er u reier1 . . . h .
au u • d F d ung verbunden ist, Freiheit 1m emp at1schen Sinn von ~rei~eit, aber dieses Zerrbild ist zugleich der Verweis auf die noch zu
halten, was mit er or er verwirklichende Idee emphatischer Freiheit.
zu realisieren. .
. . l 1 · h s Gegenbild zum Leiden unterm gesellschaft- ,,Im_Schatten der Unvollständigkeit seiner Emanzipation muß das bür­
Fre1he1t a s po emisc e · ] ·· b d gerliche Bewußtsein fürchten, von einem fortgeschritteneren kassiert
".
liehen Zwang, Unfreiiheit als dessen . Ebenbild.
. [... U. er k as am Ich zu werden; es ahnt, daß es, weil es nicht die ganze Freiheit ist nur deren
'd d · Selbstständigkeit und Autonomie ann nur ge-
Entschei en e, seine . h · N. h · h Zerrbild hervorbringt; darum weitet es seine Autonomie theoretisch
. d · u hälmis zu semer Anders eit, zum 1c tic . Ob
urteilt wer en im ver . .d 1 d . zum System aus, das zugleich seinen Zwangsmechanismen ähnelt."44
·
Autonorme sei o er m ' · d icht hängt ab von ihrem W1 ersacner
. un
äh W1-
Objekt das dem Subjekt Autonomie gew rt oder
derspruch , dem J ' • fik · «42
verwe1 , o igert; losgelöst davon ist Autonomie tiv,
·d d für di e Freiheitskonzeption. Adornos ist die Frage, inwiefern die
II.
Entsch e1 en · · h. h
·
Autonomie es u J d s biekts ,
angesichts der •
m der bisherigen h Gesc d rc te notwen-
· ·
Im Staat soll nach Hegel die Sittlichkeit „als authentische Realisierung der
konkreten, vernunftgeleiteten Selbstbestimmung des freien Willens"45 zum
diaen Herrschaft über die innere Natur im Prozesshder Ic . h-Wer. h ung,. realisiert
? d . Autonomie, · die in Herrschaft mündet, durc streic t i. ren eigenen. An- Ausdruck kommen. Diese Argumentation hat einen apologetischen Charakter.
wir
frei wäre ein Individuum nur dann, wenn es die Gesetze, die es Allerdings lässt das spekulative Moment im Begriff der Sittlichkeit zugleich
spruch ' d . h . i . . h d d . k . eine gegenläufige Tendenz erkennen, denn die These, im Staat realisiere sich
· h lb t ibt in Bezug auf die der Freiheit vorausge en en un sie onsn-
sie se s gi , • 1 hil h. die Vernunft, schlägt dann in Kritik des Staates um, wenn die Wirklichkeit
tuierenden Triebe und Impulse reflektieren würde. Eme Mora p 1 osop re,
dem Begriff der sittlichen Idee nicht genügt, die Wirklichkeit sich also als
die diesen Anspruch einlösen will, müsste auch dem lmpu~s folgen,_ der ~uf unfrei erweist.
die sofortige Abschaffung unmoralischer Verhältnisse ab~1~_lt. All~me eme
„Zwar identifiziert Hegel also in seiner Resakralisierung des Staates
dem Impuls folgende Forderung der Einlösung von Moralität scheitert a~~r
Möglichkeit und Wirklichkeit, indem er dem Moralischen nur in soweit
zwangsläufig an der herrschenden Unfreiheit, die der geforderten Moralität Substantialität zugesteht, wie es sich als faktische Sittlichkeit bewährt,
antagonistisch gegenübersteht, so dass zugleich darauf reflektiert werden muss, aber er läßt zugleich auch noch Raum für die Differenz beider, aus
inwiefern die gesellschaftlichen Verhältnisse der Freiheit entgegenstehen. der heraus einerseits - Hegels Intention entsprechend - Moralität als
Die Ohnmacht des moralischen Impulses angesichts der herrschenden unrealisiert und damit selbstwidersprüchlich kritisiert werden kann,
Verhältnisse ist nach Adorno kein Einwand gegen diesen, denn das u_ner­ andererseits aber auch - entgegen der Hegelschen Absicht - die Defizite
der nur vermeintlich substantiellen Sittlichkeit in den Blick gerückt
trägliche Leid der Menschen erzwingt den Einspruch gegen die unm~rahsc~ werden können."46
verfasste Welt. Eine Praxis, die dem moralischen Impuls folgt, garantiert kei­
nen moralischen Zustand, da die gesellschaftliche Unfreiheit der Subjekte Für Adorno stellt dieser Doppelcharakter des Hegelschen Begriffs der Sitt­
sich immer dem emphatischen moralischen Einspruch widersetzt. Eine ~eflek­ lichkeit den Ausgangspunkt für seine kritische Auseinandersetzung mit der
Hegelschen Moralitätskritik dar. Er hält Hegel zugute, dass dieser den Schein­
tierte Kritik der Herrschaft ist aber auf die moralische Intuition verwiesen,
charakter der Kantischen Moralphilosophie aufgedeckt habe, nämlich dass es
will sie nicht vor dem gesellschaftlichen Unrecht kapitulieren. Woru1?- ~s sich bei der bürgerlichen Moralität Kants um eine Theorie handelt, die sich
Adorno geht ist, einen kritischen Freiheitsbegriff zu formulieren, der Freiheit nur auf eine hypostasierte Freiheit berufen kann. Hegels Philoso~hie ist für
sowohl als Autonomie des reflexiven Denkens als auch als moralischen Impuls Adorno ein Korrektiv der Kantischen Annahmen, denn gerade indem He­
zusammenfasst. In einer unfreien Gesellschaft kann aber Autonomie nic~t gel das Individuum nur in seiner gesellschaftlichen Ver?utteltheit ane~ken~t,
· · · b esnmrnr
positrv · werden. ,,Die Gesellschaft, nach deren eigenem Begrtiff d1e. macht er deutlich dass das Individuum nicht in dem Smne autonom 1st, wie
Beziehungen der Menschen in Freiheit begründet sein wollen, ohne daß F~~r Kant es unterstellt, Die Fremdbestimmung unterm Kapital steht im Wider­
heit bis heute in ihren Beziehungen realisiert wäre, ist so starr wie def~kt. spruch zu der Selbstwahrnehmung des Individuums, das sich als Person mit
Solange Freiheit in der Gesellschaft nicht realisiert ist kann ein Begriff von 44
Ebd., 32.
Frei·heit · immer
· · nur negativ · gefasst werden, d.h. Freiheit ' °
wird von Ad rn°
45
46
Schweppenhäuser, Ethik nach Auschwitz, 135.
Ebd., S. 136.
42
Ebd., 222.
43 Ebd., 95.

49
. . "d 11 Ch akter erfährt ..L'l.h ,.ue "1.11·gc1Ac.ec '-'~Se"IlSCuatt ist dies
indivi ue em ar . dF db . d I d" . er
. h . h Autonomie un rem esummung es n ividuu
Widerspruc zwisc en b" k . h .. rns
. A · wie sie Kant dem Su Je t zuspnc t, ware angesich scha~ts:'er~ndernde Pra~is sich nicht aus moralischen Prinzipien ableiten lässt.
wesentlich. utonornte, . . b d h ts
'd
dieses Wi erspruc s ers
h t noch zu realisieren, a er unter en errschend
. . . • h en Praxis ~st 1~me~ auf »em Moment unableitbarer Spontaneitär'"? angewiesen,
.. . bl . d . Begriff der Freiheit em utopisc er. ohne die keme die Gesellschaft verändernde Handlung vollzo d k
Verhältmssen e16 t e1 .. 1· h I 1· hk . b D h 'ß d d' . . . gen wer en ann.
Mor a1 d1e ' sic
• h auf eine selbstbezug ic . e nner 1c. eit erufr ' gesteh t as et t.' ass 1e Realisierung emes moralischen Zustands nicht allein aus
.. d' einen Grad an Autonomie zu, der mit dem Verhältnis v dem Begnff der Moral abgeleitet werden kann.
d em I n d ivi uum . · D ·· b 011
. .d d Gesellschaft nicht vereinbar 1st. ,, en U ergang des reinen "Der Satz Hegels, daß es kein moralisch Wirkliches gebe, ist kein bloßes
d
In rvr uum un 1 · [ ] 1 · H D~rchgan~smoment zu seiner Lehre von der objektiven Sittlichkeit.
ali h S lbstbewußtseins zur Beuche e1, . . . ertete egel aus dem
mor rsc en e

h . b u47 A H 1 K K · 'k · In _ihm bricht bereits die Erkenntnis durch, daß das Moralische sich
Moment seiner o b'Je ktiven Unwahr eit a . n • ege s h"ant- rrti ist für
k~mesweg_~ vo~ selbst versteht, daß das Gewissen richtiges Handeln
A d orno vor all em m · teressant , dass diese den .rnoralphilosop ischen ..Dualismus . nicht gewährleistet und daß die reine Selbstversenkung des Ichs in
ali
von Re itat un.. d Moralität auflöst. Adorno sieht nach Schweppenhauser
. . 111 die- das, was zu tun oder nicht zu tun sei, in Widersinn und Eitelkeit
verstrickt. "51
sem M omen t d e r H egelschen Philosophie „das . Potential
. .. emer authentischen
Aufhebung der moralphilosophi~chen Reflexion m ve_r~~dcrnde__gesell~chaftli- Das Antisubjektivistische in der Hegelschen Philosophie wird von Adorno
h P · "48 die einen menschlichen Zustand herbeiführen mochte, m dem aufgenommen, denn angesichts der herrschenden Unfreiheit „erweist sich die
c e raxis ' haf 1· h U f 'h · h'
die individuelle Freiheit nicht von der gesellsc t ic en ~ rer ert ver inden Uberhöhung des Subjekts in-der bürgerlichen Philosophie als Komplement
wird. Worauf Adorno in diesem Kontext hin~u_s möchte 1st, d~ss die _!"1oral­ s~iner rea!en Depotenzierung. "52 Gerade weil die Subjektivität dem Subjekt
philosophie Kants erst im Zustand d~r emanz1p~erten u_nd damit verso~nten die Moralität verbürgen soll, muss diese ihm verwehrt bleiben, da die abstrakte
Gesellschaft zu sich selbst kommt. Die moralphilosophischen Konzeptionen Subjektivität sich angesichts der gesellschaftlichen Fremdbestimmung des
Individuums nicht verwirklichen kann.
Kants verweisen zwar kritisch auf die Notwendigkeit einer ihrer selbst mächti­
Der von Adorno konstatierte repressive Charakter der Kantischen Ethik
gen Menschheit - d.h. auf einen gesellschaftlichen Zustand der Freiheit, der
besteht unter anderem in einer Ideologie der Glücksversagung. Das Subjekt,
die Voraussetzung für die Realisierung von Moralität wäre-, aber diese ihrer
das aus sich heraus das Gute realisieren soll, muss sein Interesse an Glück
selbst mächtige Menschheit lässt sich erst durch die praktische Veränderung und Triebbefriedigung zurückstellen, will es den Ansprüchen, die die Mo­
der Gesellschaft realisieren. Gelungene Praxis besteht nach Hegel darin, dass ralität stellt, gerecht werden. Das subjektive besondere Interesse hat sich in
die moralische Innerlichkeit sich zugunsten einer realisierten Vermittlung von der modernen Gesellschaft dem allgemeinen Interesse zu unterwerfen und
Moral und Wirklichkeit auflöst. Darin hält er Kant gegenüber ein Moment aus diesem Grund ließe sich individuelles Glück erst durch die Aufhebung
von Wahrheit fest, denn dieses Moment gelungener Praxis entzieht sich der der Vereinzelung durch „richtige Praxis"53 herstellen. Den Subjekten in der
Kantischen Individualethik. bürgerlichen Gesellschaft wird moralische Autonomie zugesprochen, aber
den von der Vernunft gesetzten moralischen Prinzipien ist allein das Indivi­
„Hegel verfolgt einen Impuls der radikalen Aufklärung weiter. Er setzt
duum verpflichtet, während die gesellschaftliche Totalität davon unberührt
das Gute dem empirischen Leben nicht als abstraktes Prinzip, als sich
bleibt. Die bürgerliche Moralität geht auf Kosten des Individuums, das auf die
selbst genügende Idee entgegen, sondern bindet es dem eigenen Gehalt
Erfüllung seiner Trieb- und Glücksbedürfnisse verzichten soll.
nach an die Herstellung eines richtigen Ganzen - an eben das, was in
der Kritik der praktischen Vernunft unter dem Namen der Menschheit „Zur bürgerlichen Verherrlichung des Bestehenden gehört immer auch
auftritt. Damit transzendiert Hegel die bürgerliche Trennung des Ethos der Wahn hinzu, daß das Individuum, das rein Fürsichseiende, als
als einer zwar unbedingt verpflichtenden, aber lediglich fürs Subjekt welches im Bestehenden das Subjekt sich selbst notwendig erscheint, des
Guten mächtig sei. Ihn hat Hegel zerstört. Seine Kritik an der Moral ist
geltenden Bestimmung von der angeblich nur empirischen Objektivität
der Gesellschaft. "49 unversöhnlich mit jener Apologetik der Gesellschaft, welche, um sich
in ihrer eigenen Ungerechtigkeit am Leben zu erhalten, der moralischen
Gerade weil Hegel die Wirklichkeit und die Praxis den theoretischen Kon­ Ideologie des Einzelnen, seines Verzichtes auf Glück bedarf. "54
zeptionen einer moralischen Innerlichkeit vorzieht gewinnt er für Adornos
50
dialektisch-materialistische Reflexionen an Bedeutung, da die richtige gesell· Schweppenhäuser 1993, S. 138.
51
Adorno 1997c, S. 291.
52
Schweppenhäuser 1993, S. 138.
47 53
Adorno 1997c, S. 291. Adorno 19976, S. 240.
48 54
Schweppenhäuser 1993, S. 137. Adorno 1997c, S. 292.
49
Adorno 1997c, S. 291f.

51
Adornos moralphilosophische Refle-
. d E'ndruck au f' d ass 1 K . 'k d er Mora1·rtat .. sind.
.
Es drängt sich er i · Fortsetzung von Hege s rrti d lisierung ?ieses :ernün_~igen Will:ns, s~ d~s Hegel, indem er „den Begriff
xionen letztlich nur ein: d b nterschlagen, dass Adorno urchaus die des M~rahsc~en ms _P_ohtische e~e1tert", 9 diesen auflöst. Die Aufhebung des
. L wur e a er u . 1 k . . .
Eine derartige esart ak • h n Philosophie Hege s rrtrsrert, wenn Mor~~~schen 1m Po!1t1schen negiert ~och das letzte Moment subjektiver Spon­
te der pr nsc e . 1 . h
affirmativen M omen di i:, "tzung des Staats bei Hege nie t zu ba- tan:1t_at und ~erweist dar~uf, dass d~e gesell~chaftliche Fremdbestimmung des
. dass e vergo h .
er z.B, konstatle~t, . " k . h Philosophie Hegels versuc t die absolute Individuums m ~er praktischen Philosophie Hegels theoretisch reproduziert
. . «55 sei Die pra nsc e w·d h . h
gate11rsieren . · . . h f den dialektischen i erspruc zwrsc en wird. Ist Emanzipation angesichts der Fremdbestimmung des Individuums
Idee zu retten, indem siedmc t aut s nicht genügenden Wirklichkeit und der unwahrsc~einlich, so sc~eint si~ theoretisch unmöglich, wenn Spontaneität
. d · r hen Idee es 5taa e .
einer er snt ic . . d S'ttlichkeit
1 im Staat reflektiert, und stattdessen und moralischer Impuls 1m Begnff des verwirklichten Politischen aufgehoben
r t Realisierung
postu ier en
er ·
. kli h G talt der Sittlichkeit bestimmt. Hege at aber
1h werden.
d Staat als verwir ic te es . . h 'T' 1 · .. " b . Nach Adorno behält das subjektive Gewissen bei Kant als kritisches
en . .. li h G 11 haft als eine antagomstisc e Iota itat estirnrnr,
auch die burger c e ese sc " . h"s6 L b hal D Korrektiv gegenüber dem von Hegel postulierten Vorrang des Allgemeinen
. • · · d h ·h Antagonismen hmdurc am e en er a t. er
die sich „emzig urc 1 re . d d' T h insofern Recht, als Hegel von der Moralität nichts gelten lässt, was sich nicht
· ·
antagorusttsc e arh Ch akter der bürgerlichen Gesellschaft
.
un
· h
1e
1 atsac e, dass·
·sich die An tagoms· men gesellschaftsimmanent nicht schlic ten assen, verweist in positiven Rechtsnormen objektiviert. Diese Rechtsnormen erscheinen aber
. . . . .. . . nur solange als rational, solange „nicht auf die irrationalen Gewaltverhältnisse
auf die Notwendigkeit einer Praxis, die em_en Zustand h~rbe1füh1 t, m dem 60
reflektiert wird", auf denen das Recht fundiert und auf die es verwiesen
die Antazonismen überwunden sind, d.h. emen Zustand m dem Besonderes
ist, will es sich in der Wirklichkeit durchsetzen und damit objektivieren. Im
und Allgemeines bzw. Individuum und Gesellschaft versöhnt sind. Adorno
Gegensatz zu Hegel möchte Adorno nicht den Vorrang der gesellschaftlichen
kritisiert Hegel dahingehend, dass dieser den herzustellenden Zustand der
Sphäre gegenüber dem Individuum postulieren, sondern das Individuum stär­
Versöhnung als bereits realisierten bestimmt. Eine Kritische Theorie der Ge­
ken, um die Möglichkeit von Spontaneität zu erhalten. Die Konsequenz Kants
sellschaft müsste sich nach Adorno den Anspruch Hegels, dass die Vernunft
- dem Individuum Autonomie zuzusprechen - kann Adorno dabei jedoch
in der Gesellschaft realisiert werden muss, kritisch aneignen, indem sie auf
nicht ziehen, denn die Autonomie des Individuums würde voraussetzen, dass
die Realisierung eines vernünftigen Zustands der Versöhnung insistiert. Das
das Individuum in gesellschaftlicher Freiheit zu seinem Recht gekommen ist.
kritische Potential der bürgerlichen Philosophie Hegels besteht nach Ador­
no darin, dass der ihr immanente Anspruch auf eine realisierte vernünftige
Totalität zur Kritik der herrschenden Unvernunft werden kann wenn die
ideol?gischen und affirmativen Konsequenzen der Hegelschen R~chtsphilo­
~ophie auch zum Gegenstand der Kritik werden. Eine Gesellschaft, die auf III.
immanent unauflösbaren Ant · fu d' . •
..
unversohnt .
bleiben. agomsmen n iert, muss notwendigerweise ,,Diese angehäufte Gesamtheit will und '". ni~hts.
Sie sind ineinander verknäult; rühren sich nicht,
Im Gegensatz zu Kant de d I d' •d . .
· h lb d .
sie se st as Stttengesetz zu b' r em n rvi uum
dd b . Jene Autonomie zuspricht, sind wie eingesperrt; überlassen sich dumpfer Ge·
men Vermitteltheit absieht" 57 te ~n, u~ a_ er „vo~ seiner realen heterono- walt, sind aber selber die Macht, die aufihnen liegt
- mit ihrem Anspru h d 'A fehzibeht sich die praktische Philosophie Hegels und Geister und Gliederfesselt. "
dass es dem Individuu c er u . e ung von Mora 1·itat .. - au f die. Erfah rung, - Robert Walser
m aus eigener Kraft · h . . .. ß
re Welt zu verändern d' 1'h h nie t ge1mgen kann Jene au e-
~itische Theorie Ad~;n:s v rnh··iete~ohnom entgegentritt."58 Anders als die Eme. kritische
. . Moralphi.1 osop h'1e, d'ie 1m · A nschluss an Nietzsche Moral„ aus
mdem er nie . ht die
. unvernünfti
er a t hsic Hegel affirmat1v . zu d'ieser Einsic . . ht, Moralität heraus kritisieren möchte, ohne selbst in Aporien zu geraten, musste
dem vernün „ f .
ngen Willen ent
gen errschenden
h , ver a tmsse rittsiert, di e
7 häl . k . . . .
Moral immanent . . .
kritisieren, ,,o hne [ • · · ] mi·t un begründbaren
. neuen Werten
. . Ad
Ve . kli1 h . gegenste en so d d' . . . 1 k · · · «61 Eine negative Moralphilosophie, wie sie orno
rwir c ung emes vernü f · . ' n ern iese Verhältmsse als die d1e a ten zu rrtisieren. . . K • ·k d M al bleibt
Zw h · un tigen Willens h · .
angsmec an1srnen der Gesell h f ypostas1ert. Damit werden die formuliert muss moralisch sein in dem Smne, dass sie . ~ltl er dar d h . '
sc a t und des S
ss Ebd., s. 274 _ taates zum Ausdruck der Rea- ohne selbst' als Ethik zum Gegenstand 1'h rer eigene · n Knuk zu wer en, .. sie
56 Ebd. . . der posmven
muss sich . . H'mwen dung zu neuen Werten versagen.
:: ii~~~eppenhäuser 1993, s. 140. 59
Adorno 1997d, S. 765.
60
Schweppenhäuser 1993, S. 141f.
61 Kohlmann 1997, S. 91.
52
53
cht Adorno, die Moral mittels eines
Nietzsche vers~ d d h die Moral soll aus morali- aber Adorno hält es für möglich, dessen Negation, das, was unmenschlich ist,
Anschluss an „b rwin en, . . l hil h" .
I~ M albegriffs zu u e d . Negative Mora p i osop 1e zielt festhalten zu können.
dialekusc~en hor us überwunden wer en „ lichkeit einer Ethikbegründung
M uven era k. der Unmog 1· h '.'Wir mögen nicht wissen, was das absolut Gute, was die absolute Norm,
sc h en °uf b di Schwierig eit ~ . •·t auf ihren mora isc en Gehalt
. h d ra a ' e ·11 d1e Mora1ita 'l . h Ja auch nur, was der Mensch oder das Menschliche und die Humanität
111c t a .
chzuwe1sen, so
ndern sie wi
N" zsche ernst,
dann lässt sich .
Ethi { ruc t begrün-
• . ~ei, a~_er was das Unmenschliche ist, das wissen wir sehr genau. Und
n~ f Nimmt man iet .. d • t notwendigerweise unmora1isch. ich wurde sagen, daß der Ort der Moralphilosophie heute mehr in der
hin be ragen. . B grun ung rs d f .
d • der Versuch einer e d ich aus diesem Grun au einen konkreten Denunziation des Unmenschlichen als in der unverbindli­
den, un Je d dass A orno s d Bö . chen und abstrakten Situierung etwa des Seins des Menschen zu suchen
Es konn „ re vermutet wer en, . h die Frage nach Gut un ose nicht
. rückz1e t, um . h V, h 1 l . h ist. u66
n Nominalismus zu b wäre dieses Nie t- er a ten g erc -
radikale „ F„ Adorno a er . . .
b e an tworten zu mussen. ur hl h das die negative Moralphilosophs, Es leuchtet ein, dass die negative Moralphilosophie Adornos eine Kritik an
'T' . lh b m Sc ec ten, .
bedeutend mit der 1.ei. a. e a ll . wie ein dialektischer Bcgnff von Moral der Unmenschlichkeit ist, aber wie kommt Adorno dahin, angesichts der
. F die sich ste t, ist, . . h" d' h
kritisiert. Die rage, . 'b . t rn er keinen positiven arc ime isc en Unmöglichkeit der Begründung des Guten das Schlechte nachzuweisen? Um
. d eganv blei t, inso e d' . h d Ad
vorstellb ar 1s~, er_~ . Kl" dieser Frage ist es notwen ig, sie en or- diese Frage, die Adorno in seinen moralphilosophischen Reflexionen der
Punkt aufweist. Fur die arung .. . Negativen Dialektik zu beantworten versucht, zu klären, bedarf es nochmals
'ff der Dialektik zu vergegenwarugen.
noschen B egn ßd A eines Rekurses auf die von Kant untersuchte Begründungsproblematik der
D1·a1e knsc. h denken heißt unter diesem Aspekt, da as rgument
' h d' Füll 'h Moralphilosophie.
die Drastik der These gewinnen soll und di~ T ese ie ~ e 1 res
. sie. h enthalten · Alle Brückenbegnffe, alle Verbindungen Kant zufolge kann aus Natur kein Sollen abgeleitet werden. "Das Sollen
Grundes m • 11 drückt eine Art von Notwendigkeit und Verknüpfung mit Gründen aus, die
und logischen Hilfsoperationen, die nicht in der Sache selber s~~~• a e
sekundären und nicht mit der Erfahrung des Gegenstands gesatt1gten in der ganzen Natur sonst nicht vorkommt. Der Verstand kann von dieser nur
Folgerungen müßten entfallen."62 erkennen, was da ist, oder gewesen ist, oder sein wird. Es ist unmöglich, dass
etwas darin anders sein soll, als es in allen diesen Zeitverhältnissen in der Tat
Dialektisches Denken im Sinne von Adorno versucht nicht, die einzelnen ist, ja das Sollen, wenn man bloß den Lauf der Natur vor Augen hat, hat ganz
Argumente nachzuvollziehen, sondern die Differenz zwischen These und und gar keine Bedeutung."67 Kant leitet aus der Unmöglichkeit eines Sollens
Argument wäre im gedanklichen Vollzug "der Sache selber" aufzulösen. Ein in der Natur ab, dass das Sollen allein aus der praktischen Vernunft begründet
äußerer Standpunkt, von dem aus die negative Moralphilosophie Kritik übt, werden kann. In der Negativen Dialektik versucht Adorno diesen „Trug konsti­
lässt sich nur als utopischer bestimmen. Deutlich wird dies, wenn Adorno dar­ tutiver Subjektivität zu durchbrechen",68 indem er die Vermittlung zwischen
auf verweist, dass „Philosophie, wie sie im Angesicht der Verzweiflung einzig Subjekt und Objekt untersucht, d.h. für Adorno steht die Vermittlung zwi­
n~ch _zu verantworten ist", der Versuch wäre, "alle Dinge so zu betrachten, schen naturhaften und geistigen Momenten der Erkenntnis im Fokus seiner
1 st
'; e : v~m Standpunkt der Erlösung aus sich darstellten. "63 Die Unmög­ erkenntnistheoretischen Überlegungen.
lichkeit dieses Unterfangens wir · d von Adorno selbst konstatiert · · 1·ich
schließ In der Dialektik der Aufklärung konstatieren Horkheimer und Adorno,
setzt dieser Gedanke vora d • ' .
d D . .. us, ass es einen Standort gibt, ,,der dem Bannkreis dass die im Prozess der Aufklärung gewonnene Autonomie des Subjekts ge~en­
es aseins, Ware es auch nur . w· . h
jede mögliche E k . . hum ein mziges, entrückt ist, während doc über der bloßen Natur zugleich die Herrschaft des Subjekts über_ das ?biekt
r enntms nie t bl O ß d · ß begründet. ,,In der Verwandlung enthüllt sich das Wesen der ?mge ~m~r
um verbindlich zu g d em was ist erst abgetrotzt werden mu ,
Entstelltheit und Bedü ft'1 k .
eraten, son ern eb d lb
en arum se er auch mit der g eic en
. 1 . h als je dasselbe, als Substrat von Herrschaft."69 Die Subjektphilosophie, die
Negatrve . . r g eit geschlagen · st d • . h "64 Autonomie versprach, reproduziert als Naturbeherrschende das Naturver­
Dialektik im Si Ad i , er sie zu entnnnen vor at.
· d nne ornos k d' h hältnis, allerdings unter anderen Vorzeichen. D~_e Oh~macht des Menschen
sein,,, urch immanente Kr' 'k h' ann aus iesem Grund nur der Versuc
„b d' . m p 110 h. h
u er ie Willkür des Stand k d sop isc e Standpunkte über sich un
d gegenüber der Natur schlägt um in Herrschaft uber die„Na~r ~nd erwec~t
E s ste11t sich . die Fr pun t. enkens h'mauszubringen «65 dabei den Anschein sie sei ein notwendiges Naturverhaltms. Die~er Sc_hem
zugleich d B 1· b'1 age, wie AdornO E hik k . kann 'nur transzendiert · ' werden, wenn d as S ub'Je kt k ririsch auf. das dialektische
.
er e ie gkeit zu verfall t. 1 ritisieren möchte, ohne
en, Was gut t 1·· . Vierhal
a tms· von S u b'Jekt und Obiekt
J reflektiert
. • " Nicht ist, wie der Idealismus
Adorno 1997e s 79
62
63
- ts , asst sich nicht bestimmen,
Ebd., S. 283. ' . . 66
64
Adorno 1997a, S. 261.
Ebd. 67
Kant 1998, S. 575.
68
65 Adorno l997f, S. 467. Adorno 19976, S. 10.
69
Horkheimer/Adorno 1997, S. 25.

54
55
. subiectum; wohl jedoch subiecturn
. übte o b iectum . h d d' .
"b r die Jahrtausen d e es einu '. Ad rnos verdeuthc t, ass 1e negative dass das Objekt als Vermitteltes nicht unmitt lb b · dh h
u e . A entat1on ° · 1· ·
biectum. "70 Diese ~gu~ . h A ffassung mittels emer rnaterra istische-,
· S b. k . . .. " .
u _1ek t1v_1th
h . h e ar gege en ist, . . "o ne
at ist a~c nie t "jener Vorrang des Objekts"76 zu fassen. Ist das
s
~oralphilosophie die ideah tt~c e Mu · alismus selbst wiederum überwun- Obje t nie t unmittelbar gegeben dann kann Ad · Kr.itt·k
h n dieser ater1 b' k . . . . . , ornos immanente
überwinden sol 1 , auc wen_ -u "h ung von Subjekt und O Je t gelmgen nur noc h au f eme qualitative „Differenz in der Verrnittl «77 fl k ·
die verso n · l d b" i ung re e tieren.
den werden ~uss, wenn "Verm1tt ung es O jekts besagt daß es nicht statis h d · hh ·
. '. i c , ogmat1sc ypostasiert
soll. d d
wer en. ar, son f d ern nur m .semer Verflechtung m1't s u b'Je knvrtat
· · .. zu erk en-
ilich wenn man will ohne ein Mo- .
h \Y/' von au ß en frei , nen sei; Vermittlung des Sub1ekts, daß es ohne das M d Ob' k · · ..
"Ganz o ne ~ssen k . . Dreingabe des subjektiven Gedankens,
1 b uc h staäbliic h mc · hts ware.
.. «78 oment er Je trvitat
me~~ von Uni:1 ttelb:~;~~~~~ hinausblickt, ist keine immanente Kri­
der ubers G:füge vz o k G de der Idealismus kann jenes Moment, _ Aus ~em Subjekt-Obj_ekt Dualismus heraus lässt sich ein Nichtidentisches
. k fähi zu ihrem wec . era . nicht ableiten, es nicht zugleich als Dualismus von Geist
· un d K··orper
t1 g . .. . ht verpönen weil er selber ohne es nicht wä- • d wenn
. ·
das der Spontaneitat, ruc
. d
, ... h" ß d hb . h
Innerstes Spontane1tat re e, urc nc t ge fasst wir . Mit der körperlichen Empfindung und d
. ·h ·
em i r immanenten
re. Den I d ea!rsrnus, essen
• •. "71
so_?1at1schen ~oment wird dieses Nichtidentische nach Adorno dem Bewusst-
Spontanertat- sem zugänglich. ,,Irreduzibel ist das somatische Moment al d · h ·
· h fü r Adorno ein weiteres Problem · · d k 79 s as ruc t rem
Hier ste11t sic . immanenter
. . Kritik,
. denn cogrunve an e~ Er enntnis." Nach Adorno ist der menschliche Geist nicht
· ngen in der Konsequenz - gegen seme Absicht - die immanente von ~em soma~ischen Moment zu trennen. Diese Trennung aufrecht zu hal­
er ist gezwu " . d' N · D· 1 k ·
Kritik zugunsten einer äußerlichen" ~uf~u~eben: ":7111 1e ~gattve. ia e t~k
72
~en, md_em Ge1~t und Körl:'er ~ls Entgegensetzungen gedacht werden, ist die
nicht in die gleiche Aporie geraten, wie die idealistische Subjektphilosophie, ideologische Seite der subjektiven Vernunft, die sich dem Bewusstsein des
die sie kritisiert. Adorno schlägt als Lösung dieses Problems vor, das dialekti­ Nichtidentischen verweigert.
sche Verhältnis von Subjekt und Objekt derart zu verstehen, ,,daß durch die „So wenig wie die idealistische Hierarchie der Gegebenheiten ist die
Vermittlung von den beiden einander entgegengesetzten Momenten das eine absolute Trennung von Körper und Geist zu retten, die insgeheim
dessen inne wird, daß es das andere in sich notwendig impliziert. "73 In der schon auf den Vorrang des Geistes hinausläuft. Beide sind geschichtlich,
Negativen Dialektik hebt Adorno im Vermittlungsverhältnis von Subjekt und im Entwicklungszug von Rationalität und Ichprinzip, in Opposition
Objekt hervor, dass dem Objekt der Vorrang zukommt. zueinander geraten; doch keines ist ohne das andere. "80

7Vermöge der Ungleichheit im Begriff der Vermittlung fällt das Sub­ Mit der strikten Trennung von Subjekt und Objekt sowie Körper und Geist
Jekt_ganz anders ins Objekt als dieses in jenes. Objekt kann nur durch besitzt das Denken ein ideologisches Moment, denn in ihrer Vermitteltheit
Subjekt gedac?t w_erden, erhält sich aber diesem gegenüber immer als sind Subjekt und Objekt bzw. Körper und Geist ohne einander nicht zu
Anderes;_ Subjekt Jedo~h is~ der e~genen Beschaffenheit nach vorweg erfassen. So wie Geist nicht vollständig in Natur aufgeht, geht das somatische
auch Objekt. Vom Subjekt ist Objekt nicht einmal als Idee wegzuden- Moment nicht vollständig im Geist auf, was aber das Nichtidentische ist, das
ken; aber vom Objekt Sub' kt z s· b' ..
. Je • um mn von Su Jektivität rechnet es nicht im Geist aufgeht, lässt sich nicht positiv bestimmen.
auch _o~t~kt zu sein; nicht ebenso zum Sinn von ObJ'ektivität SubJ'ek;
zu sem. ' „Doch das nicht seiende Moment am Geist ist so ineinander mit dem
Dasein, daß es säuberlich herausklauben soviel wäre wie es vergegen­
Gegen den von Adorno posrul• V, .
Subjekt ließe sich ein d d ierten orrang des Objekts gegenüber dem ständlichen und fälschen. Die Kontroverse über die Priorität von Geist
wen en ass h. d' U . lb . . und Körper verfährt vordialektisch. [... ] Beides, Körper und Geist,
ches erst in der Verrninl d' h ier . re nrrutts arkeit des Objekts, wel-
ung urc s Sub1ekt G . sind Abstraktionen von ihrer Erfahrung, ihre radikale Differenz ein
werden kann, unterstellt • d D. zum egenstand der Erkenntnis Gesetztes. Sie reflektiert das historisch gewonnene 'Selbstbewußtsein'
Adornos, da dieser unter dwir ~r ieser Vorwurf verfehlt die Argumentation
. em vorrang des Ob' k d' i: a1· des Geistes und seine Lossage von dem, was er um der eigenen Identität
tatrve Unterscheidung von · . h u . Je ts „ 1e Iortschreirende qu 1- willen negiert. Alles Geistige ist modifiziert leibhafter Impuls, und
. h di • in sic vermittelt · M .
nie t eser Jenseitig in ihr ab . h . em, ein omenr in der Dialektik, solche Modifikation der qualitative Umschlag in das, was nicht bloß
' er sie art1kul · d"75
70 ieren versteht. Daraus folgt, ist. "81
Ebd.
71 · 76
Ebd., S. 183. Kohlmann 1997, S. 129.
72
73
Arndt 1994, s. 277. 77
Ebd.
78
74 Adorno 1997a, S. 156. Adorno 19976, S. 186f.
75
Adorno 19976, s. 184 79
Ebd., S. 193.
Ebd., S. 185. . 80
Ebd., S. 197.
81
Ebd., S. 202.

56 •
57
· mung eines Verweisungsverhält-
. . formale Best1m . 1 .
leistet 1st eme " d tisches Moment verrrutte t sind Die leibhafte Erfahrung von Leid und dessen Vi "d · h Ad
Was Ad orn O ' d Geist un soma . 61 "b ' · 1 ermer ung 1st nac or-
. " sz die festhält, ass .. d. f eht Diese Bestimmung ei t un- no der umversa e Ge 1 tungsgrund negativer Moralph"l h" D' K · ·k d
msses , d , llstan 1g au g · . · 1 l "k Ad . 61 "b d b . . . I osop te, ie rrti es
dass eines im an eren ,o . d fü dass die Neaauve Dia e cu ornos Leidens e1 t a e1 negativ, da sie nur angibt dass d L "d · h · 11
o h ne . . d r Preis a r, o 1· d K . h · h · •
Problematisc ist, dass leibhafr empfundener Sch
' as e1 en rnc t sem so
· ·1 · lb ·
b e friedigend, aber sie ist e . hJ·· t oder den Dua ismus er antisc en . .. . . merz jewei s unm1tte ar
hil hie umsc ag . d nur dem Leidenden zuganghch 1st d h individueller · 16 S h
nicht in Identitätsp 1 ?sop . ht auf die genaue Bestimmung es Ver- . .. . '. · · unm1tte arer c merz
Philosophie repro d uzie ·
rt Der Verzic
. h
f h . I
Moment läuft Ge a r, ms rrat1onale
. emes anderen 1asst sich kaum begreifen ist es doch fast ·· 1· h lb das
. d somausc ern f f . • · d ' unmog 1c , se st
hältnisses von G ei~t un . al flexives Moment der Vernun t ge asst wird, eigene Leid, en schmerzhaften Impuls sprachlich zum A d
. dk d h . '
k b ·
us ruc zu rmgen.
i ungs k ra ft
abzudriften, wenn Jener nicht bs re t macht. "Nieman • ann«86 en Sc merz eines anderen in der eigenen E"m bild
.
. h 1.h eigenen Grenzen ewuss
di e sie . . . . repro d uziere~. Wie _kann dann Leid und Schmerz zum universalen Gel-
re . d U Just ragt Körperliches m sie hinein.
. sion von Lust un n . d k tungsgrund emer negativen Moralphilosophie werden wenn Sch 16
,,In d er Dimen I N . . ..t Motor des dialekttschen Ge an ens, · h · · b • , merz se st
Aller Schmerz und al : elgauvitachmal unkenntlich gewordene Gcstal t nie t positrv estrmmt werden kann? Begriffe wie Schmerz und Leid sind
. d die vielfach verrrutte te, man b . 1 d kei_nem 1'.fensch_en_vo~l~ommen fremd, was darauf verweist, dass Schmerz und
sm . · all Glück auf sinnliche Erfüllung a zie t un
von Physischem, so wie es
83 Leiden nicht rem mdivid~elle, nicht zu verallgemeinernde Erfahrungen sind.
an ihr seine Objektivität gewinnt." • •
Insofern Schmerz auch em Moment von Nichtidentität mit sich selbst aus­
· · M I hil O sophie Adornos setzt voraus, dass em somatisches
Die negative ora P • • • • • h 1 · drückt, besitzt die Erfahrung von Schmerz und Leid einen überindividuellen
Moment für die Erkenntnis konstitutiv 1st, ab~r dieser s~mausc e Impu s wird
Gehalt. Als individuelles Bedürfnis nach Abschaffung des Schmerzes ist der
erst m · semer· ·uv,ermi"ttlung mit dem menschlichen Geist zur Voraussetzung . . leibhafte Impuls mehr als eine rein individuelle Erfahrung, verweist doch die­
negativer Moralphilosophie, denn körperliches Leid ohne Bewus~tsem 1s~ ohne
ses Bedürfnis in seiner Negativität auf das Bedürfnis aller, so dass körperliches
Begriff, und begriffloses Leid kann nicht Gegenstand moralphilosophischer Leid zum universalen Begriff aller Menschen wird. Von einem Überleben­
Reflexion sein. strieb aller Me~~chen kann nur dann gesprochen werden, wenn Schmerz „als
,,Die Lehre Schopenhauers, nach welcher der Pendel des Lebens zwi­ unabweisbares Ubel perzipiert wird. "87 Bei der von Adorno zitierten Stelle aus
schen Schmerz und Langeweile schlägt, zwischen punkthaften Augen­ Nietzsches Also sprach Zarathustra „Weh spricht: Vergeh!"88 kann daher von
blicken gestillten Triebs und endloser Sucht, trifft zu für das Tier, das einem Apriori des menschlichen Überlebens gesprochen werden. Negative
dem Verhängnis nicht durch Erkennen Einhalt gebieten kann. In der Moralphilosophie versucht im Anschluss an diese Erkenntnis „den Schmerz
Tierseele sind die einzelnen Gefühle und Bedürftigkeiten des Men­ in das Medium des Begriffs"89 zu übersetzen.
schen, ja die Elemente des Geistes angelegt ohne den Halt, den nur die Die „Selbstbesinnung[ ... ] des Denkens'P? wird für Adorno zum Aus­
organisierende Vernunft verleiht."84
gangspunkt seiner moralphilosophischen Konzeption, da negative Moralphi­
Das mensc_hliche Denken, welches den Willen zum Ausdruck bringen kann, losophie ihren kritischen Gehalt erst dann erhält, wenn in der Reflexion
dass das. Leiden aufhören
. soll , ist die ·uvoraussetzung fü r eme
· negative
· M ora I p h"i- „auf eigene und fremde Anteile in der für sich genommen unbezweifelbaren
1 Leiderfahrung"91 die Überwindung des Leids Aller zur Kritik am falschen
o~opdhaß
ie. ,,Das leibhafte Moment meldet der Erkenntnis an, daß Leiden nicht
sein, es anders werden s 0 11 Wi h · h Lebenszusammenhang wird. Vor diesem Hintergrund wird der kategorische
d ifi h . . . e. • e spnc t: vergeh.' Darum konvergiert
as spezi sc Matenalist1sche mit d K · · h Imperativ Adornos aus der Negativen Dialektik verständlich:
dernder Praxis -ss Hi . dd . em . ritisc en, mit gesellschaftlich verän-
. er wir eutlich m · f, • h
' wie ern d ie· k . "Hitler hat den Menschen im Stande ihrer Unfreiheit einen neuen
formale Bestimmun d Vi h .. . er enntnistheoretisc e
1
zur Voraussetzung !n:s k e:. a ~nisses von Geist und körperlicher Erfahrung
kategorischen Imperativ aufgezwungen: ihr Denken ~nd H_~ de~n so
einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ahnliches
das erfahrene Leid nichtr ritisc en M?ralphilosophie wird, denn erst wenn
geschehe. Dieser Imperativ ist so widerspenstig gegen seine Begründung
And eres, das nicht in ihmvomf menschliche G ·
h b . n eist getrennt, sondern als sein
·
wie einst die Gegebenheit des Kantischen. Ihn diskursiv_ zu behandeln,
tischen Begriff erhoben w aud ge t,d e~timmt wird, kann Leid zu einem kri- wäre Frevel: an ihm läßt leibhaft das Moment des Hmzutretenden
L "d er en un die Vi .d
ei zum Anliegen der negari M al ermei ung bzw. Abschaffung von am Sittlichen sich fühlen. Leihhaft, weil es der praktisch gewordene
. ven or philosophie werden. 86
Adorno 1997g, S. 600.
s.i
s2GK0o~hli:m=-:a:=n=n-::19;:9::7-:S:--
13_1 _ 87
Kohlmann 1997, S. 139.
83 Ad ' . • 88
orno 1997b S 202 Nietzsche 1998, S. 473.
85 Ar
84Hkh'

orno 1997b, s. 2o3


, ..
eimer/Adorno 1997 S 284f
' • ·
89
90
91
Adorno 1997h, S. 83.
Horkheimer/Adorno 1997, S. 57.
Kohlmann 1997, S. 146.

58
59
.. . h hysischen Schmerz ist, dem die
1ic en P "d 1· ·· 1 · ·
Abscheu vor d em Unertrag · d auc nac hdem Indivi ua itat, a s ge1st1ge
h die darüber entscheidet, ob eine negative Mor 1 hil h" "h
iduen
I n div1 ausgesetzt sin ' . h h' kt «92 . "k d h a p t osop re t ren Anspruch
immanente Kriti er errschenden Ethik und d h h d .. . '
• fi m zu versc hw1"nden sie ansc ic . · d" k · • • er errsc en en Verhaltmsse
Reflexions or ' . flektiert Adorno auf die Tatsache, dass zu sem - 1e emen neuen positiven Standpunkt · · • .. . .
. hen Imperativ re . h 1· . . fü Ad d L "d . emnunmt - em 1ost, ist Jene
k
Mit dem ategonsc t ung von Moral, nie t rea rsiert ist. Vor danac h , o b r orno as et en ein „ethisches Entsche"d k · • u96
. . al bdi10 gbare Vorausse z . d . . · F 1·
darste 11 t. E mige ormu 1erungen Adornos legen ah d
t ungs riterrum
d" .
Freiheit. s una di E k tnis von Leid - nicht nur es eigenen, son- · Ad n e, ass er 1es so sieht
H . d dass e r enn · 1 h ·1 Zwar leitet orno „aus dem Imperativ einer Neg t. d L ·d • ·
dem mtergrun ' _ fü Adorno als Apriori negativer Mora p 1 osophie · 1 ibh f a ion es et ens, wie er
dern auch v~n fre~ddedm . hr um der Menschheit ein neuer kategorischer sich aus dem e1 a ten Moment der Erkenntnis ergibt h k · · d' "d a1
h d wir eut 1 ic , war • d «97 , auc eine m tvi u e-
angese en wir ' d 93 Eine aus Freiheit gesetzte Moral lässt sich thischen For erungen ab, aber er scheint in der Verringeru L "d d
Imperativ aufgezwungen wur e. d k . 1 I · 1· h hli h
Zwec k jeg 1c en mensc ic en Handelns und gesellschaftl' h O
ng von e1 en
· ·
im Stande der Un frei"h ert · ht realisieren ' .so dass• er r ategonsc
· " ruc 1 r 1e mpera- · 1 h · • rc er rgantsat1on
zu sehen: ,,Eme so c e Emnchtung [der Gesellschaft· p M ] h·· 'h T, 1
". 1 h
tiv Adornos, we c er gege
n das Leid opponiert, die Befeh srorm annehmen
. . hh . d . . . , . . atte 1 r e os
an der Negation des physischen Leidens noch des letzten ihre M" 1· d
"tr b
muss d enn di e ver rec hen von Auschwitz nötigen die . Mensc . . h eit . azu, ihr dd · d" R ß. • t . r 1tg 1e er,
un er 1dnw~n ~gedn eh e~1on~ ormen Jenes Leidens. Sie ist das Interesse aller,
k'
D mffi@ d H deln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sie wiederhole,
an . Ad . nachgera e einzig urc eme sich selbst und jedem Lebenden durchsichti e s_
~ichts Ähnliches geschehe." Der kategorische Imperativ ~rn~s 1st zum lid . .. zu verwir . kli1c h en. "98 Angesic· hts dieser
· 0
1 antat Formulierung Adornos gi t
einen Kritik an der Unfreiheit, die überwunden werden muss, will die Mensch­ d" f . d s es
n?twen 1g _au zuze1_gen, ass ~~ sie~ bei Adornos negativer Moralphilosophie
heit aus Freiheit den "unerträglichen physischen Schmerz" und die damit
nicht um emen radikalen Utihtansmus handelt, der sich auf einen positiven
einhergehende Herrschaft überwinden und zum anderen verweis~ er auf den
Standpunkt beruft, sondern um eine immanente Kritik der Ethik.
Zwang, selbst im falschen Leben nichts unversucht zu lassen, das Leid unter der
Die Rede vom Telos „der Negation des physischen Leidens" zeigt, dass
Herrschaft zu beenden. Obwohl sich Moral nicht ohne das reflexive Moment
Adorno hier kein positives Telos vertritt. Im Gegensatz zu utilitaristischen
im Denken begründen lässt, ist es die Erfahrung von physischem Leid, die
Theorien, die in ihrem Glücksbegriff die Abwesenheit von Leid mit Lust­
für den normativen Charakter der negativen Moralphilosophie konstitutiv ist.
gewinn verknüpfen, spricht Adorno nur von der „Negation des Leidens".
Deshalb führt das Leiden, in dem das „Unmenschliche"94 an der herrschenden
Glück kann aber keine normative Grundlage einer negativen Moralphiloso­
Gesellschaft sich ausdrückt, auch im Stande der Unfreiheit zum moralischen
phie sein, solange sich die Erfüllung des Glücks nur negativ, als jenseits dieser
Zw:m~ es abzuschaffen, auch wenn sich keine positive Moralbegründung aus Gesellschaft realisieren kann, weil die herrschenden Verhältnisse jene Freiheit
Freiheit denken lässt.
hintergehen, die Voraussetzung für individuelles Glück wäre.
Adornos negative Moralphilosophie beruft sich nicht auf eine indivi­
dualethische Handlungsnorm, die sich positiv bestimmen lässt, aber aus der
Forderung nach einer freien Gesellschaft, die jegliches Leid abschafft, ließe
N. sich möglicherweise eine sozialethische Norm ableiten. Dass Adorno keinen
Es wurde gezeigt dass für Ad d. Ab h ffu sozialethischen Imperativ im Sinn hat, wird daran deutlich, dass die Formulie­
grund seiner neg' t" M ~rh~ol re sc a ng des Leids der Geltungs- rungen auf den Zustand der Unfreiheit reflektieren, die einem sozialethischen
Probleme. Es dr;gt ive~h doraE~diosophie ist, aber damit stellen sich neue Imperativ entgegenstehen. Für Adorno ist die Bedingung der Möglichkeit
sie er m ruck auf d Ad . al h
Standpunkt einnimmt w . d T , ass orno emen mor isc en einer vernünftig eingerichteten Gesellschaft „einzig durch eine sich selbst und
philosophischen Reße~io as mit e~ hese, ~s handele sich bei Adornos moral- jedem Lebenden durchsichtige Solidarität zu verwirklichen"99, d.h. erst _wen?­
b .. nen um eine negative M
ar ware. Allein die Tatsach d Ad .
l hil h. . h .
ora P 1 osop re, nie t verein- die Menschen solidarisch ihre Gesellschaft dahingehend gestalten, dass sie mit
als moralischen Standpunkt~ ruf ass . ~rno sich auf das „leibhafte Moment"95 dem herrschenden Leiden nicht mehr vereinbar ist, treten sie aus der Unfrei­
dafü r, d avon auszugehen d e d" t, ist Jedoch
. n och k ein
. h"mreichender Grun d heit hinaus in den Stand der Freiheit und diese Freiheit wäre die Bedingung
Anspruch nie. h t gerecht wi, dassd re negatrve. M ora 1 P hil1 osophie ihrem eigenen der Möglichkeit von Moralität. Jeder Versuch, mittels einer soz~alethischen
selb d" · r ' enn ohne erne 1· h Norm diesen Zustand herbeizuführen, beruht auf Zwang, und dieser Zwang
st ie immanente Kritik d E hik . n ~ora isc en Standpunkt muss
er t i in Irrat 1· .. .. dementiert zwangsläufig den Zustand von Freiheit der h_erzustellen wäre.
92 Ad
crno 19976, S. 3SS.
iona itat munden. Die Frage,
93
94
Vgl. Bernstein 2006, S. Jt. 96
Adorno 19976, s. 356. 97
Kohlmann 1997, S. 149.
95 Ebd.
E6d., S·. 203. 98
99
Adorno 19976, S. 203f.
Ebd.
60
61
. · h aber angesichts des herrschenden
ative Moralp h·1i oso
phie kann s1c
. · e immanente Kriti . "k d l .
an er Et 11k for- der Moral ebenso stellt, wie ihren geschichtlich-gesell h f 1· h
Neg . . hüllen, wi si 11 h h d . . . sc a t rc en vorausset-
-i;r

L er·d e ns nicht in Schweigen fr Gewalt und dem errsc en en Leiden zungen, kann d1e Verbmdung von Moral und Freiheit f h h I di
über der O renen h r • • hik · · b • d «los au rec ter a ten, e
mu I
r eren • Dennä1•gegenud Zwangsmomen
t der Ethik rec t. I nsorern stimmt die
. k . ..b .
m Et i pre1sgege en wir .
· 'ff b
Moral kann erst im St d d F "h ·
an e er rei ert au
f
in der Welt beh t as . d mit vielen Ethik onzeptionen u ere1n, ihren Begn ge racht werden, und deshalb verzichtet Ad d f ·
·1 oph1e A ornos 11 k . K . . . orno arau , eine
negative Mora1 P h1 os . h r lrert werden; es so en eme onzentra- ethische Konzeption zu entwickeln. Stattdessen :tormul"ert
. . . . 1
· ·
er eme negative
r häl' Es soll nie t gero
wenn sie rest 100 t: " . h tO ltert werden darf un d k eme . K
onzentrati- Moralphilosophie, die die herrschende Unfreiheit und d L ·d k · · ·
. . as e1 en nnsiert,
tionslager sein" - Dass nie : ghe dem Satz daß Leiden nicht sein, daß es ohne Moral posrtrv zu begründen.
. 11 d lässt sie aus ' " . .
onslager sein so en;,10~t l Adorno selbst wehrt sich Jedoch gegen die Un-
O
anderswerden solle ger~. äre mit positiven ethischen Konzeptionen
terstellung, diese Argumentation wa
identisch.
V.
. b . M alphilosoph sich jener Sätze und jubelte,
Bemächtigte a er em or . . . d'
" .. di K . 'k der Moral erwischt: auch sie zitterten
nun hatte er e riti er „ d b" 1e von. „Nur um der Hoffnungslosen willen ist uns die
·1 h
Mor aI p hI osop en m1
't Behagen verkündeten Werte, so ware er
ld
ündi-
· d Hoffnung gegeben."
h Wahr sind die Sätze als Impuls, wenn gerne et wir ,
ge S c hluß falsc . . . . 1· . l - Walter Benjamin
·trgen d wo sei· gero
c ltert worden Sie dürfen sich nicht rationa isieren; a s
.• . . . . .
abstraktes Prinzip gerieten sie sogleich m die schlechte_ Unendlichkeit Versucht man zusammenfassend festzuhalten, was unter einer negativen Mo­
ihrer Ableitung und Gültigkeit. Kritik an der Moral gilt ~er l:bertra­ ralphilosophie, die frei vo_n positiven Handlungsimperativen sein soll, zu
gung von Konsequenzlogik aufs Verhalten der M~ns~hen; die strmgen~e
verstehen ist, dann lässt sich nur sagen, dass sie Kritik ist, sowohl an der
Konsequenzlogik wird dort Organ von Unfreiheit. Der Impuls, die
gesellschaftlichen Wirklichkeit, als auch an den moralphilosophischen Kon­
nackte physische Angst und das Gefühl der Solidarität mit den, nach
zeptionen. Adorno hält in Bezug „auf die Frage der Moralphilosophie heute"
Brechts Wort, quälbaren Körpern, der dem moralischen Verhalten im­
manent ist, würde durchs Bestreben rücksichtsloser Rationalisierung fest, dass „ihr Inbegriff eben in dem Versuch bestünde: die Erwägungen selber
verleugnet; das Dringlichste würde abermals kontemplativ, Spott auf [ ... ] ins Bewußtsein zu heben, also die Kritik der Moralphilosophie, die
die eigene Dringlichkeit."102 Kritik ihrer Möglichkeiten, das Bewußtsein ihrer Antinomien ins Bewußtsein
aufzunehmen. "106
I:Jier zeigt sie? d~utlich, worum es Adorno geht, nämlich eine Analyse und Kri­ Negative Moralphilosophie als Kritik läuft mit ihrem Verzicht auf eine
tik der konst1:11t1ven ~ed~~ngen von Ethik zu leisten, die gerade nicht neue positive Bestimmung individueller Handlungsverantwortlichkeit Gefahr, in
st
ab rak:e ethische Prinzipien aufstellt, die auf dem Zwang beruhen, ihnen eine Apologie der herrschenden Verhältnisse zu münden. Adorno weist aus
F?lge leisten zu müssen, und damit der Freiheit als Voraussetzung von Moral diesem Grund darauf hin, dass Kritik sich im Sinne einer radikalen Selbst­
wihdersprechen. Negative Moralphilosophie muss auf die herrschende Vergesell- kritik der Vernunft artikulieren muss, ,,wenn die Menschen nicht vollends
sc aftungsform reflektieren d all · · h · · · · h
M o t.1v u··b er1 eb t Moral « 103 In' enn em „Im ungesc minkr materialistisc en verraten werden sollen. "107 Kritik im Sinne der Kritischen Theorie Adornos
· z .
moralis h -i;r hal · d" emem ustand gesellschaftlicher Unfreiheit ist muss darauf insistieren, dass „die gesellschaftlichen Zwänge, denen die Su~jek­
c es ver ten ie Ausnah
dass die Subjekt · h • S
d R 1 . .. 1· h
me von er ege , d.h. es 1st unmog 1c , te unterworfen sind nicht notwendig sind"108. Die Aufgabe einer negativen

Moral die aus


',,
p:~
verhalten Kohl~ sie ~m .t?de der Unfreiheit frei von Zwang moralisch
s_c rei t 10 ~ezug auf Adornos Überlegungen, dass allein
ert stammt im voll
sern Grund scheitert selb t d ' d
s· .
en mne mora 1isch wäre."
104 d'
Aus 1e-
Moralphilosophie b;steht folglich darin, die Mindestbedingu~g der ~öglich­
keit von Emanzipation zu erhalten, indem sie an ihrem negativ bes~_1mmten
Wahrheitsbegriff von einem Leben frei von Leiden und Zwang festhalt.
die nicht realisierte Freihs 't anfln ke.r Versuch, Ethik zu begründen, wenn auf „Die kritische Theorie vermag zu sagen, was nicht wahr ist, und damit
D k d e1 re e nerr wird N . h' h vielleicht dazu bei(zu)tragen, der Wahrheit näher zu kon_m~en. Ande~s
en en, aß sich dem nicht vollends . · ". _ur ein moralphilosop rsc es
rational1s1erbaren leibhaften Moment c10rmu 1·1ert: sie
· 6 e d eutet eme
· An na··h erung an die \Vahrhe1t , insofern .sie
~ Ebd., S. 281. ' ausdrücken kann, was nicht wahr ist, und damit impliziert, daß es eine
101
102
Ebd., S. 203 •
Ebd., S. 281 • tos Ebd.
103 106
104
Ebd., S. 358 • Adorno 1997a, S. 248.
107
Kohlmann 1997, S. 154. Horkheimer/Adorno 1997, S. 15.
108 w,
weyand 2001, S. 10.

62
63
. h hr ist , setzt voraus, daß es
heit gibt. Zu sagen, daß et was nie. t was nicht zu erkennen oder gar verschiedene Aussagen Adornos dieser Rücknahm d M 1· h · d'
Wah r . eh wenn wir e . d -· d A .. h · . e es ora isc en 1n 1e
as o-ibt, was wahr ist, au . d d. V, raussetzung bestritten, ann Sphare es st etischen widersprechen Es dürft b · · das d.
etw o . ö en. Wir iese o . ut09 · 1 hil . · e un estritten sem, s ie
zu formulieren verrn g . ht wahr sein, sinnlos. negative Mora p 1 osophie das Leiden unter der Ge alt d H haf d
di A daß etwas nie . . .. d · · d" w er errsc t un
wird e ussage, h h iden Ganzen nur negativ bestim- das Emverstan rus mit ieser Herrschaft mittels 1'm K · "k flö
ah h • · h im errsc er h •• L • • manenter nti au osen
Die These, dass W r eit.sic . d uf dass die herrschenden Ver ältnisse mochte. Insofern der Begnff der Praxis mit dem der G 1 · 1 · ·
· 1 hil • ewa t vermute t 1st, ist
men lässt, enthält den Hmweafis far:a ' Zwang- beinhalten, wenn auch als negative Mora p i osophie auch eine Kritik an der p · 11 d. · d
·1 . G sellsch . t hret Svon . M 1 hil . h .. k d . . raXIS, a er mgs nut er
ihr Gegente1 - eme ~ ·egelbild. Die negative ora p 1 oso- Emse ran ung, ass sie der besmnungslosen falschen p · d h ·
. gauv utop1sc es pi . h p . d . . . rax1s urc aus einen
nicht re alisiertes ne . . . Kr't'k an der zivilisatonsc en raxis, en eigenen
. Begnff . von Praxis . entgegensetzt , der auch die Anw en ungvon ewal t
d G
. h .. f . h nicht m einer i i . d . nicht kategorisch ausschließt.
phie ersc op t src .. . en und den ethischen Konzeptionen, son ern sie ver-
herrschenden Verhaltm: N d·gkeit der Veränderung der herrschenden „Ich glau~~' ?enau dieses Moment des Widerstandes _ daß es also ein
weist zugleich auch auf _e otwen ~irklichkeit. Die Elemente jenes Ande- so Unertragliches
. geben kann , daß man versuchen muß , es zu an d ern, „

G ese11 sc haft zugunsten . ..


emer neuen " .
1 sie müßten nur, um em Geringes versetzt,
. ganz gl~1ch, welche Folgen es für einen und unter Umständen, die man
ren sind in der Reahtat versamme t, d ,.i ro S . theoretisch sogar vorherzusehen vermag, auch für andere haben kann_
. neue Konste 11 anon
m · tret en, um ihre rechte .. Stelle
. zu fin en. trmrnt man
Ad das ist genau der Punkt, an dem die Irrationalität, oder lassen Sie mich
• · h all · · der Sphäre der Astheuk geltenden Aussage ornos sagen: das irrationale Moment des moralischen Handelns zu suchen ist
dieser nie t eme m . . .. d d R 1 · ..
e nach der Möglichkeit der Veran erung er ea itat wo es lokalisiert ist."114 '
zu, d ann muss di e Frag 111 d h d häl .
zugunsten einer · neuen Konstellation
_ . gestellt werden, . h. . . as Ver b a. trus
Wichtig ist in Bezug auf den hier thematisierten Widerstand, als von Gewalt
von Theorie und Praxis emer negativen Moralphilosop ie muss estrmmt nicht freier Praxis, dass darauf reflektiert wird, dass im Moment der Gewalt
werden. die der Praxis immanente Unwahrheit zum Ausdruck kommt. In der Einsicht,
Praxis tendiert ihrer schieren Form nach zu dem hin, was abzuschaffen dass selbst die zu rechtfertigende Praxis aporetisch bleibt, liegt das reflexive
ihre Konsequenz wäre; Gewalt ist ihr immanent und erhält sich in ihren Moment richtiger Praxis, die theoretisch vermittelt sich ihres eigenen Mo­
Sublimierungen, während Kunstwerke, noch die aggressivsten, für ments von Falschheit bewusst wird. Praxis ohne Besinnung und Reflexion
Gewaltlosigkeit stehen. Sie setzen ihr Memento wider jenen Inbegriff unterminiert den Anspruch auf Freiheit, Mündigkeit und Aufhebung des
des praktischen Betriebs und des praktischen Menschen, hinter dem Leidens, und daher kann Praxis getrennt von Theorie den Ansprüchen einer
der barbarische Appetit der Gattung sich verbirgt, die so lange noch
negativen Moralphilosophie nicht genügen. "Praxis ohne Theorie, unterhalb
nicht Menschheit ist, wie sie von ihm sich beherrschen läßt und mit
Herrschaft sich fusioniert."112 des fortgeschrittensten Standes von Erkenntnis, muß mißlingen, und ihrem
Begriff nach möchte Praxis es realisieren. Falsche Praxis ist keine. Verzweif­
Die 1?-usführungen in de~ Ästhetischen 7'!?eorie legen einen Praxisbegriff nahe, lung, die, weil sie die Auswege versperrt findet, blindlings sich hineinstürzt,
d~r sich nur noch auf die Sphäre des Asthetischen beziehen kann, will er verbindet noch bei reinstem Willen sich dem Unheil. "115 Andererseits muss
~ic~t am herrschenden Leiden teilhaben. Eine derartige Adorno-Lesart muss auch Theorie ohne ein Moment von Praxis zur Affirmation des herrschen­
Jeglichen Versuch eine negat' M 1 hil h" d . den Leidens werden. Negative Moralphilosophie intendiert sowohl dazu, das
rve ora p osop 1e A ornos zu rekonstruieren
~erwerfen, de;n. Fragen der Praxis und damit auch Fragen der Moral wären „Moment von Blindheit in Praxis zu tilgen",116 als auch Theorie in praktische
blann nur noch „m ~~r analytischen Durchdringung ästhetischer Geltungspro-
erne zu ret emat1s1eren "113 D· y, .. ·
Kritik der Gewalt und des Leidens zu transformieren.
Reflexionen Ad li di iesem erstandnis der moralphilosophischen Die negative Moralphilosophie geht nicht über die Komplexität ~n~ den
ornos so an eser Stelle explizit widersprochen werden, da aporetischen Charakter menschlicher Praxis hinweg, sondern hält m ihrer
1Ct09~H;:::o-::;rk~h-ei-:--m-e-r-:-:19::-::8--8b:---S-4_8_S _ Reflexion fest, dass zum einen vernünftige Praxis vertagt werden muss, aber
110 Adorno 1977i· S 199. • . zum anderen das kritische Denken sich nicht mit dieser Vertagung abfinden
111 . , · •
0iese Veränderu d h kann, will es sich nicht im falschen Ganzen ungebrochen einrichten. "Despe­
d ng er errschenden V häl · .
enken: sondern als Veränderun der h er a tmsse hm zur Freiheit ist nicht als Prozess zu rat ist die Dialektik daß aus dem Bann, den Praxis um die Menschen legt,
dcrhFre1he1t, die als Möglichkeit i~m errscbhen?en Konstellation hin zur ihrem Spiegelbild, allein durch Praxis hinauszugelangen ist, daß sie aber ein~tweile1: zwangshaft
auc 'dass es n· h d er gege en ist auch . . . . . dh
. . ic t arum gehen kann _ uf . ' wenn sie mcht posrtrv erschemt, . · als Praxis am Bann verstärkend mitwirkt, dumpf, borniert, geistfern. [. · ·]
neue positive No d . a emem verm · 1·1 h ,v, . • k ·
Vierhal tensregelka rmen, er, wie es die link F
0 emt c en weg hin zur Mündig ert -
neue
112 Ebd., S. 1 en reundlnne d 1· . 1 'b tt4 Ad orno 1977a, S. 19.
359 ta oge aufzustellen. n er po ttica correctness betrei en,
113 •
Kohlmann 1997, s. 192. us Ad orno 1997d, S. 766.
116
Kohlmann 1997, S. 194.

64
65
Trotz all ihrer Unfreiheit
h eorre · vertreten. Th .
.
. l1 B O rn1erte w1 ird von T .h .t" 117 Adorno versucht.. . eorie . . und der gesellschaftlichen Organisation jenseitig. "120 Deshalb ist der Rekurs auf
Das ruc t . S tthalter der Frei et · . n noch vollständig meman-
. . · Unfreien ta .. u besumme . · l die individu~lle Spontaneität, die das gesellschaftlich Richtige repräsentieren
1st sie un al b lute Gegensatze z. d P axis sollen ihrer Verrnitt ung
· der s a so Th 1e un r~ · · soll, ideologisch, aber er erschöpft sich nicht in seinem ideologischen Mo­
Praxis we
ufa hen zu asse '
I n sondern eor D nken ist ern
. • Tun Theone eme Gestalt
' .. ment, da ohne das Subjekt "keine Kritik an der Warenwelt sinnvol1"121 wäre
der· a· oe nder nach gedacht werden. . d "R einheit . d es Denkens täuscht daruber. . Es d.h. erst vor dem Hintergrund der individuellen Spontaneität wird deutlich:
mitema . II' . die Ideologie er ei . nd stringent, und gleichwohl dass die herrschenden Verhältnisse "kein Sein schlechthin, sondern noch als
von Praxis; a em . . ent bestimmt u ... «11s Th · 1
1 irren der Reahtat.
hat Doppe c harakter: ist imman hal nsweise . rnmt. . ·
eorre p a· s allmächtige ein von Menschen Gemachtes, Widerrufliches"122 sind.
. una bdimg bar reale Ver
eine . Mte lphilosop . h.ie zugrunde hegt, ist von 1 · · raxis „Spontaneität, welche die Bedürftigkeit des Objekts innervierte, müßte
..k ·e sie der negativen ora f .h ktisches Moment der rea tsierten an die anfälligen Stellen der verhärteten Realität sich heften, an die, wo die
Kriti , wi d. icht au i r pra . 11 . d G
. h
nie t z u trennen ' aller mgs
. h. k zipiert, son dern vielmehr a em . um es b e-
n . . Brüche nach außen kommen, die der Druck der Verhärtung bewirkt; nicht
öhnten Wirklichkeit m on k . G rantie für dieses Gelmgen ge en wahllos, abstrakt, ohne Rücksicht auf den Inhalt des oft nur der Reklame
verso . bwohl es eme a . . · k ·
1. ns willen forrnu 1iert, 0 zuliebe Bekämpften um sich schlagen."i23 Theorie wird dann zum Korrektiv
mge . . f 1 h Lebens, d er der Verweis v1 auf die Notwerte
.• . 1 1g eit
kann In der Krmk des a sc en . . von Freiheit und Uberwmdung der falschen Verhältnisse, wenn sie auf die Unfreiheit des Subjekts reflektiert
. . d h der Rea11S1erung . h
eines richtigen Lebens - ·. · h d aktische Moment theoretisc er und im Vollzug dieser Selbstbesinnung, in dem aus ihr resultierenden Handeln,
. • nt 1st beste t as pr . . b
des Leidens - immane . fe-hl en de Garantie , dass dieses richtige Le en auf die herzustellende Mündigkeit insistiert. Praxis, die im Sinne von Adorno
. uf die . rea-
Kritik. Im Verweis a . h . h Einsicht dass deren praktischer vernünftig ist, ist nicht ohne Selbstbesinnung zu haben, aber sie geht nicht
k r gt die t eorensc e , . vollständig in Theorie auf.
· formuliert werden kann · Der Vorrang der Theone
lisiert werden ann, ie
h .
Anspruc nur nega_uv 1 . d dass allein die kritische Destruktion
gegenu r
„b d Praxis resu tiert araus,

des _Falsc de u
ne~ie Mö lichkeit der Herstellung des Richtigen bemhal~et, a__ er
~ dass es anders werden muss, damit es besser wird, lasst
. b Aber wie immer es auch sein mag, und wie immer diese beiden ge­
trennten Disziplinen Theorie und Praxis, weil sie ja schließlich doch
in der Einheit desselben Lebens entspringen, nicht ohneeinander sein
allem aus em verweis, · d D h f· können so bedarf es doch zur Praxis noch eines Moments - und das
sich noch nicht ableiten, dass es besser wird, wen~ es an~ers ':Ir . a . er asst
möchte'ich einmal gleich feststellen, weil ich glaube, daß es für die
die richtige Praxis als normative H~dlungsa~weis~ng sich mc~t ?esummen, Bestimmung des Moralischen fundamental ist -, _das nicht in d~r T~eo­
vor allem nicht weil die Subjekte sich angesichts ihrer Unfreiheit und ~em rie aufgeht und das sehr schwer zu bezeichne? -~st, d:15 man vielleicht
totalen gesellschaftlichen „Verblendungszusammenhang"1_19 no~h gar ~emen doch am besten mit dem Ausdruck Spontaneität, mit dem Ausdruck
Begriff von Freiheit - der Voraussetzung gelungener P_raxis - bilde-': ko~rn~n. des unmittelbar tätigen Reagierens auf bestimmte Situationen angibt.
Angesichts der gesellschaftlich bedingten Heteronomie muss Praxis_ misslin­ Wo dieses Moment nicht vorhanden ist, man könnte auch ~ag~n, :"o
gen, aber indem aus diesem Grund Praxis vertagt werden muss, bleibt ~uch Theorie nicht schließlich doch etwas will, da ist so etwas wie richtige
Theorie ohnmächtig. Solange Theorie von einer gelungen Praxis abgeschmtten P rax1s
· mc
· ht möglich . "124
ist, kann sie nur als Kritik an der falschen Praxis auf die Notwendigkeit einer Worauf Adorno hinaus will ist, dass in bestimmten _Situati?n~n spont;~
richtigen Praxis verweisen.
Handeln notwendig ist ohne dass vorher auf theoretische Ems1_chten re e -
Angesichts ihrer gesellschaftlichen Ohnmacht stellt sich in Bezug auf tiert werden kann bzw. darf' auch wenn Spontaneität immer nur m Bezug "zu
Theorie die Frage, ob die gesellschaftliche bedingte Unfreiheit das kritische der theoretischen Einsicht"125 zu ihrem Recht kommt.
Denken dazu nötigt, die individuelle Spontaneität, als Residuum der Möglich­
keit vo~ Autonomi~ und Moralität, zum positiven Ausgangspunkt moralphi­
losop!usch;r Re~exion zu erheben. Dass diese Konsequenz von Adorno ni_<l:1
Obdach haben will, wenn man in diesem Augenblick
..
i:
,,In dem Augenblick, wo also ein Flüchtling ZU ei~em kom:r ~::
so
stellt der dazu ge ort, anstatt
ganzen Apparat der Erwagungen an d 1 , h" . t ·n Plüchtling der
gezogen wird, d~rfte den Grund darin haben, dass individuelle Spontaneität . . f h han e n· 1er is e1 ,
zunächst emmal ganz em ac ~o zu . · ats olizei in irgendeinem
u~d gesellschaftliche Organisation zwei Pole eines Zusammenhangs sind, denn soll umgebracht werden oder irgendeßmer Stack p d beschützt werden
die Gesellschaft ist zwar · f d. Ak · Land in die Hände fallen und der mu verste t un
. . "unmer, worau 1e Interessenten spontaner tion
mit Recht verweisen könn · I d. · • • • · d d.
Incl· •d · . en, eine von n ividuen", gleichze1t1g aber sin
rvi uen „auch imms- schon ll h f 1· h k .. h
ie 12
121
° Kohlmann 1997, S. 199.
117 gese sc a t 1c onstituiert und mc t etwa 122
Adorno 1977j, S. 178.
118
Adorno 1997d, S. 763. Adorno 1977k, S. 632.
Ebd., S. 761. 123
119 124
Adorno 1977e, S. 767.
Ebd., S. 770. Adorno 1977a, S. 17f.
125
Ebd., S. 18.

66
67
. die Vernunft an einer
e unterzuor d ne n . Wenn lner
ft

widervernun ng,
f • «126
Literaturverzeichnis
d d alles and er . d die Vernun . b
- un emS , 11 eintritt, dann wir i alisierendes richtiges Le en nur
fal chen te e f . zu re i f 1· h b d'
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126
Ebd., S. 144f. sophie Adornos, Lüneburg. E l ,v, k Bd 23 Berlin
127
Vgl. Wischke 1995 s 29ff
.
Marx, K.: (1998) Das Kapit
a1 Bd 1 · . Marx- nge s wer e
· • m. h
• ,
S hl ht K Darmstadt.
·
U8 ' ' '
129 Adorno 1997a, S. 248f. Nietzsche, F.: (1982) Werke in drei Bänden, g. v. c ec a, ·•
Ebd., S. 18. . d ers. Werke Bd · 2 ' 275-561.
130 - Also sprach Zarathustra, m:
Adorno 1997i, S. 701,

68
69
. h Auschwitz: Adornos negative Moral-
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Schweppenhause_r, .. . .
hilosoph1e, Hamb~rg. M (Hg.): (1995) Impuls und Negativttät:
P „ G /Wischke, ·
Schweppenhause~! . . ei Adorno, Hamburg. .
Ethik und Asthetik b h- Nietzsche und der Wahnsmn der Ver-
.. k Ch . (2000) Der tolle Mensc .
Turc e, ··
nunft Lüneburg. kfu M
' ) T .. en Fran rt a. . Isabelle Klasen
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1) Adornos nusc d . h .
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. M. (1995) Eine negativ g . . ,
\V1schke, .. .. G /W'schke M. (I-Ig.), Impuls und Negat1v1tät:
in: Schweppenhauser, . . I ' Zur I(ulturkritik Theodor W. Adornos
Ethik und Ästhetik bei Adorno, 29-43.

I.
Adornos Kulturkritik/ steht im Zentrum einer umfassenden Kritik der ka­
pitalistischen Gesellschaft. Jene versucht, genötigt durch das Scheitern des
b_ürgerlichen Emanzipatio_nsversprechens, welches ganz heruntergebrochen
emmal lautete: "daß es kernen Hunger mehr auf der \Velt gibt"3, die gesell­
schaftlichen Voraussetzungen dieses Scheiterns zu begreifen. Daß die Verwirk­
lichung dieses Versprechens mißlang, läßt sich nach Adorno heute nicht mehr
nur ökonomisch, durch eine ungenügende Entwicklung der Produktivkräfte,
bestimmen, sondern vielmehr anhand des Zusammenhangs von Kultur und
Barbarei.
Insofern geht es hier auch um eine Neubestimmung, eine Aktualisierung
kritischer Theorie angesichts ihres historischen Versagens: Daß der Augen­
blick ihrer Verwirklichung, auf die Marx noch hoffen konnte, versäumt wurde,
Emanzipation also mißlungen ist, verweist auch darauf, daß das Begreifen der
Wirklichkeit, die Theorie stets unzulänglich geblieben war.4 Dieses Versagen
nötigt Theorie zur Reflexion und, so Adorno in der Einleitung zur Negativen
Dialektik, zur rücksichtslosen Selbstkritik. Adorno richtet mit dieser Neu­
bestimmung das Augenmerk, anders als noch Marx, weniger auf die Sphäre
der Ökonomie, sondern auf diejenige der Kultur. In dem Aufsatz Kulturkritile
und Gesellschaft erläutert er diesen Ansatz: Theorie müsse die Kul~rkritik in
sich aufnehmen, da sich die Veränderung der Welt nur noch von hier a~s be­
werkstelligen ließe; Kultur sei kein Epiphänomen, da sie am gesellschaftlichen
Unwesen teilhabe.5
Adorno geht also von einer besonderen Q_~alität der späteren k~pita­
listischen Gesellschaft aus, die sich durch den Ubergang gesellschaftlicher
1
u" b erarbeitete
· ·
Fassung · Vortrags, gehal ten au f d er Ttagung Kritische Theorie und Emanzipa­
eines
2
tion am 12.11.2011 in Bielefeld. · h · d Auf:
Zur Problematik dieses „ärgerlichen" Begriffs äußert sich Adorno ausführlic m em satz
3
Kulturkritik und Gesellschaft (Adorno 1989c, S. llff.).
Adorno 1989a, S. 178.
4
5
Vgl. Adorno 19896, S. 15.
Vgl. Adorno 1989c, S. 22.

70
71
über Produktion und Konsum
· [bare Verfü gung l 1 · k
hältnisse in unmitte h d n Marktver
Tausch ver ß fortbeste en e a11ä Dmissen ennzeich-
h tik habe es, so Adorno, sodann nicht mehr mit · ·
• • . .
p d k
t ge1st1gen ro u ten zu tun,
b e1• g1 e1· chzeitig unbewu t h t er als die tot e urc setzung von
s · sondern mit emem schembar 1deologielosen s 0-S · d dd
.. b
lasse 6 Diesen U ergang .
betrac te . h L b
• gesellschafthc en e en. o sei alles ·• " 13 n· s h„ d . . eien en un er "nackten
nen · al rhälm1ssen 1m r d d" Luge . 1e p are er Kultur 1st zu erner bestimmend F k · d K ·
H rschafts- und Gew rve h d" Verhältnisse unterwonen un iese ta1.ismus geworden; h"terdurch wendet sie sich alle d" en un ·non h Ibes api-
nun der Kontrolle durc haff ie nheit ein, so d aß es src . h o b"Je ktrv
er . dern d • . . r mgs gegen sie se st und
Geistige gegen as, was sie einmal zu sein beanspruchte Ih k II F fd
. . . ente Besc te kl" h . h .. b h . . re a tue e orrn au er
wanderten in seine imrnan d es sich ausdrüc 1c mc t zur Ware Hohe der este enden Produktionsverhältnisse ist für Ad hli ßl" h d"
Bestehenden ana ne e,
..h l selbst ort, wo
äß • ht mehr zu, Kultur umstan ds 1 os a1 s eine . Kulturin · dustne,
· durch die • gesellschaftliche Herrs h ft orno h · sc 11e · 1c 1e
nd . .. b k . . c a noc emma eme neue
mache.7 Ein solcher Befu l . t esl~~~t und Freiheit zu denken, die sich einer ~ual_uat e ommt, wie es im Resume ~ber Kulturindttstrie von 1963 dargestellt
. S h„ von Rat10na ita .
unabhängige P are "k . hen Zwängen etwa entgegensetzen ließe. 1st, emem Aufsatz Adornos, der aus einer späteren Persp e kt"1ve d"1e Aktua1·itat
•·
. 1 P ·s und o onom1sc
irrationa en raxi
. h . d.
. kli ht und vollendet sie m iesem mne in
s· . .. • •
d:r Uberle~n~en zur Kulturmd~stne aus der Dialektik der Aufklärung noch
D as O"konomische System verw1r ic . ..b emmal bekrafogt und sogar zuspitzt.
. G teil. 8 der Kul tur, de ren Freiheitsmoment Jenem . a1gegenu er ver-
seme?1 egen . ' . d 5. d Über- und Unterbau aber emm zur Deckung
schwmdend genng wkir · _mh O Adorno Irrationalität und objektive Falsch-
! !!t dann verstec en sie 's ' . 9 b" l . h . II.
ge _an~ ' . ali .. d bjektiver Notwendigkeit. Der o Je ctrve Sc ein
heit hinter Ration tat un °
· d hi d rch entsteht ' erschwert
· d d
dann Je we e Besmnung auf
· Die Kultur der bürgerlichen Gesellschaft bestimmt Adorno als den Inbe riff
von Freih eit, er er u . . II haf "h des Sel?st~ewußtseins einer ~ntagonistischen Gesellschaft".14 De~ent!pre­
•· hli h
tatsac c e n re e . u f ih "
1t Marx konnte . zu semer
. Zeit. der Gese. sc . t 1 ren
chend 1st sie Ausdruck von sich scheinbar naturwüchsig reproduzierenden
Begriff von Rationalität und ihre Utopien w_1e etw~ die der Fre~~ei_t vorhal~e_n,
Gewalt- ~nd J:i~rrschaftsverhältnissen und ihren objektiven Bewegungsgeset­
die ja der Wirklichkeit nicht entsprachen; di_ese ~1fferenz ermoghchte ~-nt1k
zen. Gleichzeitig beharrt Adornos Bestimmung darauf, daß sie - als Selbstbe­
als Darstellung der Widersprüche, aus der sich die Forderung nach Verande­
wußtsein - auch notwendig kritisch ist und somit die Perspektive gesamtgesell­
rung ergab. Insofern ließen sich der Sphäre der Kultur diejenigen Normen und
schaftlicher Emanzipation eröffnet. Aufgrund dieses dialektischen Charakters
Forderungen entnehmen, an denen die praktische Realität gemessen werden
ist Kultur nicht bloß zu verwerfen, sondern auch zu verteidigen, insofern
konnte. Adorno bezeichnet diese am Liberalismus gebildete Kritik als die „ge­
ihre Selbstkritik zeigt, wie sehr die Menschen um Emanzipation und die
gen die Realität gewandte Ideologie"10 des Liberalismus. Solch eine Ideologie
Kultur damit um das ihr immanente Versprechen betrogen sind. Adornos
sei wahr und falsch zugleich: Marx' Kritik des freien und gerechten Tauschs
Kulturkritik ist folglich nicht als ein ihr enthobenes Verdikt zu verstehen; hier
setze ein Moment von Wahrheit in der Ideologie voraus, welches darin liege, wird kein abstrakt-allgemeines Urteil von einem Standpunkt außerhalb, an
daß sich der Tausch unter formalen Bedingungen von Freiheit abspiele. Das die kulturellen Phänomene herangetragen. Das Selbstbewußtsein der Gesell-
ideologi:che W:esen sei daher nicht nur Lüge, sondern zugleich notwendig,
~m den ideologischen Zusammenhang zu begründen; dergestalt weise es auch
uber das B~stehende ?inaus, im Sinne einer nicht lediglich formalen Freiheit. 11 selbst ihre Rechtfertigung sei (vgl. Adorno 2011, S. 234). Hierdurch sei sie entweder Verdop­
pelung des Seienden oder gleich Lüge (vgl. ebd., S. 227). Gleichzeitig verweist ~dorno jedo~h
~t Kultur Jedoch mit gesellschaftlicher Irrationalität amalgamiert, läßt sich darauf, daß Gesellschaft heute durchsichtiger geworden ist; das gesellsch~tl1che Wesen. 1st
~dm s ol~hehs Wa?rheitsmoment kaum mehr angeben. Gesellschaft ohne diese manifest, so daß Theorie im Sinne von Ideologiekritik eigentlich überflüssig geworden w';I'd.
i eo1 ogisc e Differenz wird 1 · f, l d • . • 12 · Daher rückt für Adorno die Frage nach dem Kitt, dem, was die Int~grati~n d:: Bewußtseins
m o ge essen zur verwirklichten Ideologie; Kri- leistet, in den Vordergrund (vgl. ebd., S. 206). Der „Schleier der Schle1erlos1gke1t. (ebd., S. 235)
6;~Vi;:_gl;.-:-
A-;-
do-r-
no-2::-:0:-:-1-
1,-S.-t-98-.--- bestehe darin, daß die Menschen die Macht der Verhältnisse, die offen zutage hegt, :rfahren,
s Vgl. Adorno 1989c, S. 13. diese Verhältnisse aber durch ihre Schwerkraft nicht als gewordene, sondern als ~weit~ ~atur
Vgl. Hesse 2008, S. 131. erscheinen würden (vgl. ebd.), so daß der Gedanke an Veränderung, welch~n das hber~isusche
9
Vgl. Adorno 1989c, S. 21. ideologische Bewußtsein noch hegte, gar nicht erst aufkommt. Elemente _emer Ideol~g1enlehre
10
Adorno 2011 S 204 finden sich nach Adorno vor allem im Kulturindustriekapitel der Dialektik der Aujklimmg (vgl.
11
12
Vgl. ebd., S. 220f• . ebd., S. 206).
13
Adorno nimmt . d" Vgl. Adorno 2011, S. 238. . K 1 " · d fü
hi II d' mit ieser Bestimmung . Ak . . . 14
Adorno 1989c, S. 21. Der generalisierende, vergegenständlic?ende ~ermm~s ~ u tur wir all r
er~ er ings nur kurz skizzi
beralist · h Id
-R . isc_ :.n _eologie, die Momente d
eine
ierr werden kan • J mf
tualts1erung des Ideologiebegriffs vor, die
d
n. :. u . assendcr die Voraussetzungen ~r i-
r Adorno einerseits nicht dem gerecht, was darunter befaßt 1st; er r~chte sich s~gar gegen
Geistige (vgl. Adorno l 989d, S. 152). Durch „Konzentration auf die ab:olut eigen: Substanz
e:
_ath1l~nal1tat - in der Unmittelbar! . er U ll nabhang1gkeit und Selbständigkeit des Geistes
weic icher wird d O b" k . ceir gese schaftl. h V, 1 ··1 . us- entzieht sich ,die Kultur' andererseits jedoch ?:r ~~Ischen gesell~ct~f~~che; Pr;;;i~~:t~::
Ch ak d er Je t1ve gesellsch f 1. h rc er er 1a trusse aufgehen, desto una 1989c, S. 16). Daher müsse Ku1tur in Kulturknuk ubergehen, ,,"-e c e cn degr . l
mehar terR es Naturgesetzlichen an Ada t ic e ~chein, Die Verhältnisse nehmen sodann den
r zu» echtfen• d . ornow11lz,· d ß . Th ·e f,est h..alt, deren gegenwärtige
· Ersc h einungen
· a b er •al s bloße Waren und Ver ummungsrrutte
igung es Bestehe d • .eigen, a Ideologie heute keine eon demoliert" (ebd., S. 22).
1st nd
n en , so ern so irrational wie die Gesellschaft, die
72
73
. nt deren Widersprüchlichkeit zu
• J d en immane
haf cormulieren h1ehe ageg '
11 daß es historisch nicht gelang, die Menschen d h K 1 b .
t zu 1 b d f . ·· dern, son dern d aß diese
· selbst bisla urc u tur · zu eemflussen und
SC
· n•
refl e kuere . . d f daß d'1e Menschheit . der Ku tur . e ar , will zu veran ah
Adorno insistiert ~rau '.. . 10 . Barbarei versmken. Daher leugnet er hatte. ng stets em unw res Moment
. B stand haben und nicht völlig Kultur die historisch stets zur Bändi-
s1e e h . ment einer ' • k b ·
· ht 1·egliches Wahr ueirsmohe aber auch barbarischer Instm te e1getragen
nie
gung revolutionärer ver~uc ' 'ff der Kultur sind dementsprechend das III.
h .abe 15 Im widersprüchlichen BGegn II haft deren Ausdruck Kultur ist, und Einen Grund für dieses Moment, dafür also daß K 1 • .
. ar1st1. chen ese SC ' · h k · · ·1· · d · ' u tur zum einen h1sto-
Verständnis de_r k~pit ~nfti en Überwindung verschränkt. Anders gesagt: nsc eme ziv11sieren e Wirkung entfalten und z d K •
um an eren vom apital
die Möglichkeit einer zuku g allem in Gestalt von Kunst und Philo- umstan dsl os verwertet werden konnte ist Adorno z c l 'h h' · h
d S h „ d r Kultur aus, vor . . h d . , u10 ge 1 re rstorisc e
Von er P ~e e . d b . Adorno die humane Einric tung er Welt Trennung von der gesellschaftlicher Praxis im Zuge de D h d
. 1äß • h anscheinen et b d · · · 1· · h G II . r urc setzung er
sop h1e, t sie Hi llt sich jedoch die Frage, o un wie ein sol- kapita isnsc en ese schaft. Diese Trennung bestimmt h al N
"b h t noch denken. erste 1· h . k . h • · " 1s d' • h' .. . er auc s „ eutra-
u er aup "b K l "berhaupt noch mög 1c sem ann anges1c ts lisierung , 1e es mit m ermoghcht daß sich Kultur letztli h · h
h N hdenken u er u tur u · 1 · • ·h · . ' K ~~n~
c es ac d S b tion der Kultur durch das Kapita , eme Entw1ck- selbst_nc tet. ~is et~a zur Mitte ~es 18. Jahrhunderts waren geistige Gebilde
d zunehmen en u sum 1 . 1 . d . zumeist praktisch wirksam; so diente etwa die Kunst dem um E · ·
er deren Konsequenzen Adorno mit dem Begnff der Ku tunn ustne zu
lung, .. r „ manzipan-
on kamprenden Bürgertum als Waffe gegen die noch herrschenden feudalen
fassen versucht. . . .
. l ktik der Aun,lärung untermmmt Adorno, gememsam mit V~rhä!tnisse und war s~mit scheinbar direkt auf die Verwirklichung einer ver­
In der Dta e k · 1· · h 11
'f ~
Horkheimer den Versuch, zu zeigen, warum die spät_ apita istrsc e Gese - nünftigen gesellschaftlichen Ordnung bezogen. Damit hatte sie zumeist eine
haft in eine neue Art der Barbarei versinkt, anstatt m emen wahrhaft mensch- quasi-religiöse Verbindlichkeit in ihrer Zeit. Nach den bürgerlichen Revolutio­
nen und der Ablösung tradierter, einheitlicher Weltbilder verlor sie jedoch ihre
sc
liehen Zustand einzutreten.16 Er führt dies zurück auf ein . Mi'ßl'mgen von
praktisch-kritische Gestalt und damit ihre Verbindlichkeit - sie wurde prak­
Kultur im Laufe der Geschichte, vor allem aber derjenigen der bürgerlichen
tisch gleichgültig. Diese Gleichgültigkeit erklärt Adorno aus der Furcht des
Gesellschaft: Mit der Ausweitung der kapitalistischen Produktionsweise und
Bürgertums vor weiteren Schritten zur Emanzipation.19 Die Neutralisierung
dem Scheitern jeglicher Emanzipationsbewegung schwand die Aussicht darauf,
geistiger Gebilde zur ,Kultur' ist für ihn daher nicht nur der Tatsache geschul­
daß Kultur sich im Sinne umfassender Vernunft verwirklichen könnte. Dage­
det, daß herrschaftslegitimierende Weltbilder ihre Funktion verlieren, wenn
gen wurde sie immer weitgehender zu einer Funktion der Durchsetzung von
an die Stelle politischer Abhängigkeit nun die Ideologie des gerechten Tauschs
Herrschaft. Für Adorno vermag Kultur zunächst Humanität und Wahrheit
tritt. Sie ist für Adorno anscheinend auch als ein - wenngleich unbewußtes -
zu vertreten, insofern die Wirklichkeit die Welt ist, in welcher das Identi­ Mittel der Herrschaftssicherung zu begreifen, insofern zu befürchten ist, daß
t~tsprin~ip ~errscht und unter Kultur auch dasjenige verstanden wird, was von einer emanzipierten Kultur innerhalb der bestehenden ökonomischen
dieses Prinzip als fals~h ers~heinen läßt. Da die Verwirklichung der humanen Verhältnisse, die ja weiterhin von Herrschaft, Gewalt und Ausbeutung geprägt
Gehalte von ~u~tur_b1slang Jedoch ausblieb, seien es letztlich die ideologischen sind, revolutionäre Impulse ausgehen. Kultur erhielt somit eine der Praxis
M_omeme, die sich im Zuge der historischen Entwicklung spätestens jedoch untergeordnete Funktion, obwohl sie von der nun herrschenden Bürgerklasse
rrut d~r Kul:11rindustrie, durchgesetzt haben. '
weiterhin in Form eines Erbes, kultureller Überlieferung gewürdigt und ja
Uberdies ist es die hist · h Z" l h . .
1r
vernun tun
f d H umanitär . h'onsc. eh basur, d we c .e die Shoah als Negation von °
auch konsumiert wurde. 2 Kultur wurde zu einer ganz eigenen Sphäre, die
. . tstorisc e eutet, die für Adorno einen ungebro- sich im Zuge der Durchsetzung gesellschaftlicher Arbeitsteilung zusätzlich
ch en positiven Bezug auf die b „ 1· h
zuläßt· D' · · K 1 . . urger ic e Kultur in Deutschland nicht mehr in diverse voneinander unabhängige Teilgebiete ausdifferenzierte. Sie wurde
· IeJernge u tur die ein I · · h
in ihrer früheren b" ' . h ma negativ aufgehoben worden ist, läßt sie also nicht einfach abgeschafft, sondern derart verwandelt, daß der Bezug auf
1
' urger ic en Gest 1 . h h . eine mögliche kritische Praxis verlorenging. Die neutralis~erte ~ultur der
ter postnazistischen Bed• .a t ni~ t rne r restaurieren; Kultur un-
Bewußtseins wenn n· hmbgu l nßgen sei folglich das Gegenteil einer Sphäre des frühen bürgerlichen Gesellschaft läßt sich als ein Kompromiß z~ischen V:r­
. , rc t O Müll" 17 In · af wertbarkeit und Resten von kritisch-utopischem Gehalt begreifen, der für
die lediglich naturwü h • G " · emer bewußtlosen Gesellsch t,
c sig ewalr rep d · di
au fgeklärtesten kulturellen E . ro uziert, werden für Adorno auch e 18
1s Vi · rzeugrnsse falsch. Dies zeigt jedoch nicht nur, 19
Etwa in Adorno 1989b, S. 386.
1
g · Adorno 1989d S 175 Vgl. Adorno 1989b, S. 387ff. . · · hi
16
Vg l · e b d. S 11 ' . · 20 Vgl. ebd., S. 387. So wurde Religion neutralisiert zur Privatangelegenheit, P~ilosop e zur
17 ' . '
s.
Adorno 19896, 359 v I h' Sache der Hochschulen und der Bücherregale und Kunstwerke zum Fundus m den Museen
. g . ierzu ausfüh rh und Schmuck in den Wohnzimmern.
r rc er: Klasen 2012, S. 176ff.

74
75
. G llschaf irrelevant ist und lediglich
. d b "r erheben ese
F
. . f d" ,v, . .
d funktionieren er u g fortexist1ert. Au iese weise sind aber dasjenige, was, wie es in der Negativen Dial kt ·k h "ß d .
as . trennter orm h f 1· h h
· on der Lebenspra.."'{tS ge menten gesellsc a t 1c er Ver ältnis- höchst unideologischem Verstande das Drin . eh z :1 t, '.: en M enschen m
mv . haltslosen O rna . d g 11c ste sem musste". 23
die Kulturprodukte zum . · 1oses Wohlgefallen 1st es, as Adorno
d . 5 olches mteresse h . 1· h
se degradiert un ei? kJ·· die Kulturprodukte, o ne jeg rc e Rück-
kritisiert; es ernte. d n gt und
. ver art d"
vt: L h 'tsgehalte. 21 Von ieser
· h gu··1 t1g
GI erc · k eir IV.
. h' sehe '\vaur e1 h
sieht auf etwaige isron . h Momenten von Kultur rü rt vermutlich Kulturindustrie ist mit Adorno als die · enige F l b . .
..
gegenuber 1
d k 't'sch-utopisc en hli ßl' h d er Kapttal- · . S .. k . 1· 1 ormgesta t zu egre1fen die
1 .enk .n . t der Ad orno z ufolge r, die Kultur sc 1e • 1c Kultur 1m pat apita rsmus letztlich angenomm
· ruc · h t me h r 1"d eo 1 ogische
·
h In ·h '
die Mühe osig eit, rm d . t und sich nun ausschließlich warenförmig smd und kritische Momen t at. 1 ren Produkten
h •· k
verwertung unterworfen wor en rs • · · f . . en e versc ran t, sondern
sie 1st msgesamt so alsch wie die Gesellschaftsform d · l •
Jedoc h h at Ku 1 tur r Adorno immer auch ein Mom t
präsentiert. .. Ph d Kapitalismus, mit der Steigerung der techni-
fü . , aus er,v,sieh resu
h · d
tiert.
In der spateren ase es d d . b . d . . en von wa r e1t, as
.. . hk · d des Niveaus des Wohlstan s er gesamten Gesell- nicht estrrtten wer en sollte: Fraglich 1st also warum Ad d' fü d"
chen Möglic erten un h d II l f Ku 1 tunn· d ust~1e
· ansc h einend
• nicht gelten läßt. ' orno ies r 1e
s
schaft .
- nicht nur d esjerugen
· · der besitzenden Klasse - lwuc s daskgese sc. 1a t-
.
liehe Be dürf
u rus · nac h mas senhaftem Konsum von Ku turpro u. ten. Dieses . _Mit der Okonomisierung der kulturellen Sphäre beschäftigte sich Adorno
f · hl
Be dur rus sc ug sie 1
„ · h ·n den Produkten
. nieder;
. auch Adorno
• weist
. darauf hin, bereh1ts _vohr der 1:~fassung der D~alektik_der Aufklärung-wenngleich damals
daß Eu k d technisches Detail vorrangig wurden, die auf eme massenhafte noc ruc t ~xp1 izit von „Kul:un~dustne" die Rede war.24 In einigen der frü­
rre tun · h d" M k l . heren ~ufsatze werden bereits die Motive entwickelt, die dann später vor
Rezeption zugeschnitten war.22 Es entwickelte sie . 1e assen u tur, eine
Form kultureller Teilhabe, die nicht mehr klassenspezifisch war, sondern auf­ dem.Hmtergrund der Erfahrungen, die Adorno in Amerika mit einem fort­
grund der Marktvermitteltheit für alle zugänglich.1?urch diese E~twickl~ng geschrittenen Stadium von Standardisierung von Kulturprodukten machte
ist Kultur schließlich universell geworden und hat wiederum praktische Wirk­ im Kulturindustriekapitel ausformuliert und präzisiert sind.25 Mit dem Be:
samkeit erlangt, die auf der Effektivität beruht, welche die Kulturprodukte griff Kulturindustrie läßt sich zunächst ganz allgemein der Tatbestand fassen,
als Waren absetzbar macht. Es handelt sich hier jedoch um eine Form gesell­ daß Kulturgüter warenförmig hergestellt, folglich ökonomisch verwertet wer­
schaftlicher Teilhabe, die den Begriff von Kultur verkehrt, insofern durch den, sich also nach dem Markt und seinen Erfordernissen, den allgemeinen
26
die Warenförmigkeit der Kulturprodukte all das Widersprüchliche, das der Gesetzen des Kapitals richten. Dabei ist der Warencharakter von Kulturpro­
dukten historisch nicht neu, im Kapitalismus sind diese Ware sofern sie auf
früheren bürgerlichen Kultur noch zu eigen war, eliminiert ist. Die Kritik an
den Markt getragen und getauscht werden. Jedoch war diese Funktion bis zu
der Kulturindustrie beklagt nicht die Tatsache, daß Kultur nun massenhaft
einem bestimmten historischen Zeitpunkt nicht vorrangig, der Profit also nur
hergestellt und rezipiert wird und eigentlich einer Elite vorbehalten werden
mittelbar Zweck. In dem Aufsatz Zur gesellschaftlichen Lage der Musik von 1932,
s~llte; jedoch war die massenhafte Rezeption historisch die Voraussetzung da­
in dem die Kulturindustrieproblematik bereits diskutiert wird, unterscheidet
für, daß Kulturprodukte überhaupt als Waren produziert wurden Der Grund
Adorno in dieser Hinsicht zwischen Kunstwerken, die den Warencharakter
für die industrielle Herstellung von Kulturgütern ist ja auch nicht daß allen
Menschen das gleiche Recht f k 1 11 'T' "lh b · ·· ' · d umstandslos anerkennen und sich nach den Markterfordernissen richten und
d ern vor allem die . au u ture e .1e1 a e emgeraumt wir son- solchen, die dies nicht tun. Kunst unter kapitalistischen Bedingungen könne
Mögl" hk · d p d '
b . ic eit er ro uzenten, Kulturwaren massenhaft dann immerhin noch die Entfremdung von Menschen und Kulturprodukten
a zusetzen. Kultur 1st als K lt · d · d · · l
.
d er H errsch a ftss1cherung , u unn ustne, ann wieder lediglich ein Mitte ~.estalten, die gesellschaftlichen Widersprüche und die Notw~n~igkeit ihrer
we 1 · h d"
Vierhäl. trusse
. 1st. . ' nng eic rese Herrschaft anonym ' also die der Uberwindung darstellen.27 Die Erzeugnisse der Kulturindus~ne s1~d da~_egen,
Beide Formen der bürgerlich K 1 . wie es in Adornos Resume über Kulturindustrie von 1963 heißt, ,,mcht langer
industrie sind zwa 'd 1 . h en u tur, die neutralisierte und die Kultur- auch Waren sondern sie sind es durch und durch. "28 Wollte sich die frühere
, r t eo ogisc versr 11 1 d .
der Widersprüchlichk ·t d ' . e en a so en Blick auf die Realität, mit bürgerliche Kultur einmal der Bevormundung durch gesellschaftliche Zwänge
e1 er ersteren jedo h d h fü . Id
von Humanität zu ver h • d c ro t r Adorno sowohl die ee 23
1. h sc wm enalsau h di E" . h k. 24 Adorno 19896, S. 387. . . n·a1 k 'k d Aufk1••
n umane Verhältnisse b h fi: c re ms1c t in die Notwendig eit, D er B egnff
· der Kulturindustrie
• · wie
· auch d as gJ eic · e Kapitel m. der 1 bee n• er Jh d a-
• h narrug
a zusc a ren D · N . . .
· iese otwend1gke1t 1st für Adorno rung gehen wohl auf Adorno zurück : allerdings verwendetet bereits Flau rt rrn 18 • en
25 Terminus „Kunstindustrie". . . von Über Jazz von 1936.
26 Zu nennen sind hier etwa·• Zurgesellschaftlzchen Lage derMusik 1932 '
;~ Vgl. ebd., S. 388.
Vgl. Adorno 1989d, S. 154.
- Adorno 1989d, s. 149, _ 2
326 /8 Vgl. Adorno 1989e, S. 733f.
Adorno 1989c, S. 338.
76
77
Verhältnissen integriert, die wieder-
. . in die beste h en d en . d D d A Synthesis bedarf es auf Seiten des Erkennt · b' k .
entziehen, so 1st sie nun :r h . h' eingewandert sm . a er nspruch
.
um in ihre immanente e
B schaffen ert m . . d K 1
d . t verschiebt sich die en u turwaren voilen Denk andlung: eines Urteils Ob hl d E k K ant al so einer
h n1ssu Je ts bei . p 1 an-
der Verwertbar keit. tot a 1 gewor den is ' ritativen Moments, d es .,..iauschwens angewiesen ist, steht diese immer i~ 1rewbo. d as r _en~en auf eine Vorgabe
.. . sten es quan ' v, r 1D ung mit em h' d
inhärente Okonor~ue _zugun d .. . dasjenige, was man mit Adorno als den spontanen Verstandesleistung. Daß diese Kunst fü e~ mzutreten en
welcher das Qualitative ver ~angtd.. Kulrurgu"ter"29 bezeichnen könnte. Die liegt, ihre Herkunft also unerkennbar bleibi ~ ~ant 1m Verborgenen
· der Rezeption ei • al d" · . , verweist · auf di e
. Jedoch b ereits
„Gebrauc h swert m .. . für die Menschen emrn 1e Aussicht auf Unbewußthe1t des Erkennens und U .
. rtei1 ens. Im Sub1ekt walr h . d
Nützlichkeit der ~u~rulgu~:. se;. hkeit gewesen, nun sei dies bloß noch ihre eine blind tätige Natur; diese lasse sich jedoch al d' G ll h et ans~ emen
Befreiung vom Pn3n0zip er . uhtzfü~c die Produkte der Kulturindustrie ist also · hm
Adorno, d.re sie · 1·h rer Bewußtlosigkeit und Ns tie ese sc aft entratseln ' so
„ h · k . .
A hb k ir Wesent 1rc r . ' anme ld e. 34 a urwuc sig ert 1m Erkennen
ust~usc ~ eal · W: d ziert werden _ also kemen anderen Zweck
daß sie bereits s aren pro u ff, · b k D ·· k Die Schemata, durch welche die Kulturindust · l b ß · .
.
haben als ihren W:arench arakter _ und dies auch o aftend em.,.. e ennen. h " as31 o •o- · k sam 1st,
• sind. für .. Adorno dieJ·enig
ne a ds ewu tsemsproduzie-
• p · · d Id tirät oder die Herrsch es rausc werts , d wie ren d e Instanz wir wr t·
nornische rmzip er en ' " · d J deren Rege 1 n a 11 ein· 1 asse sich
• die. Realität
. erkennen enn· erKwaren l · orm.d Durch
• .
Adorno zuwer en rormu·1 :r Iiert , ist mit der Subsumtion
. . .. b d' S h„ ukte
er Ku turpro h . . , · ie u turrn ustne, die
Adorno auc al s emen "Filter' bezeichnet durch das d' W, 1 l ·
Lot a1·rtat
zur 'T' ·· geword en und vermag sich in. diesem Smne u er 1e . p . are der 35 • • . ' . ie ganze e t ge eiret
Kul d h di Ausbeutung der Bedürfmsse der Konsumenten bis m deren werde, nimmt dem Subjekt das Urteil als emen Di'enst K d «36 b
tur urc e . h · k · h · f . " am un en a ·
subjektivste Regungen hinein fortzusetzen. Folghc wir t es sie massiv au Anpassung an eme ,Vorgabe, welche die _Spontaneität der Einbildungskraft.
deren Handlungs- und Urteilsfähigkeit aus. außer Kraft setzt, tntt anstelle der Denkleistung, auf die Kant sich noch berief.
Nicht der Konsument leistet also die Vermittlung zwischen einem besonderen
Detail un~ dem ?,esam~zusammenhang, sondern die Rezeption ist schon von
V. v?rnherem so praform1ert, daß b~oß mechanisch bereits Gegebenes reprodu­
Das identitätsstiftende Grundprinzip der Kulturindustrie ist der Schema­ ziert werden kann bzw. muß. Die Mannigfaltigkeit der Sinnlichkeit selbst
tismus. Kant, auf den in diesem Zusammenhang auch in der Dialektik der ist bereits reduziert auf Identisches: Somit gibt es weder unreglememiertes
Aufklärung im Abschnitt über Kulturindustrie verwiesen wird,32 bezeichnet Material der Wahrnehmung, noch ein eigentlich verantwortliches Subjekt,
hiermit das Verstandesvermögen, durch welches die Wirklichkeit erkannt welches jedoch die Voraussetzung der Spontaneität einer unreglementierten
werden kann, das folglich für jegliches Erfahren und Beurteilen eine unhinter­ Erfahrung ist. Eine solche wird infolgedessen objektiv verhindert, oder, so
gehbare Vorgabe darstellt. Erst durch den Schematismus lassen sich regelhaft Adorno, die Erfahrungen schwimmen dann nur noch "wie Fettaugen auf
begriffliche Kategorien auf Gegenstände anwenden: Die unstrukturierte Man­ einer dünnen Suppe[...] herum."37 Da es der Effekt ist, auf den die Produkte
nigfaltigkeit sinnlicher Anschauungen wird schematisch so modifiziert daß sie der Kulturindustrie abzielen, zerfällt die Rezeption der Produkte weit eher
si:h mit d~n b~grifflichen Kategorien, den Regeln, die den Erkenntnisgegen­ in unvermittelte Erlebnisse, die den Konsumenten zustoßen und welche die
s~anden Einheit und ~estimmtheit verleihen, verknüpfen läßt. Die Schemata Individuen zerstreuen, anstatt sie zu stärken. Diese Erlebnisse entsprechen
smd_ also formale Bedingungen der Sinnlichkeit, sie enthalten die allgemeinen aber der Organisation von Arbeit im Kapitalismus, die ihrerseits in gleichför­
Bedmgu~gen _der objektiven Einheit von gegenständlicher Erkenntnis. Es mige und diskrete Einheiten zerlegt ist. So gesehen entspricht der Kunst- und
handelt sich hier um eine v b 11 . . . . Kulturkonsum nicht mehr einem freien Verhältnis zum Gegenstand, sondern
· di 'd ll E k orgege ene a gememe Sub1ekt1v1tät, von der alles
m vi ue e r ennen und Urteilen abhängt. tatsächlich weit eher dem Sport: Die Produkte "erfordern Spitzenleistungen,
Den Schematismus des Ver t d b • h . die sich exakt werten lassen."38
K · d r· :r s an es ezeic net Kant als eme verborgene Auf Seiten der Kulturprodukte selbst nivelliert der Schematis~us_alle
unsr m en ieren der menschlich S 1 " 33 • " daß
bei Kant der s h • en ee e ; eine Kunst insofern, als wirklich qualitativen Unterschiede. Alle Phänomene wer~en auf den1emge~
c emat1smus stets aus d d k • . . h
vorgeht es somit d' S . .. er pro u trven Einbildungskraft er- ,,Generalnenner"39 gebracht, der dem Begriff der ~ultur J~ nach "':dorno ei­
. ' re pontaneitat des Denk
einer Vermittlung zwis h A h
t d d' .
ens er or ert, um 1e Leistung gentlich nicht gerecht wird und der daher erst auf die Kultunndustne vollends
c en nsc auung und Begriff zu erbringen. Für diese
292
9:-:A
~d~o=
rn:--o-:1~
98:::9-:-
d,-::S:--.-
18_1. _
30
34 V
Vgl. ebd, 35 gl. Adorno 19896, S. 146.
36
Ebd., S. 147.
:; Etwa: Adorno 1989a, S. 294; 1989b S. 180 Ebd., S. 132.
33 Vgl. Adorno 1989d, S. 145f. • · 37
Adorno 2001, S. 235.
Kant 1968, s. 190 (B 181, 182). 38
39 Vgl. Adorno 1989d, S. 324f.
Ebd., S. 152.
78
79
. & position für den Film aus, wie die
zutri"fft • Adorno führtUetwa in der orn zahilose absichtliche und
rfung unter . unab- stimmt zwischen verschiedenen Angeboten wähl
.
d . h.
a en .unh sie. ldJena. ch B e dürf
St ndardisierung und nterwe . verallgemeinerten Adaptation führt, zwischen den "miesen" Angeboten und den ästhe u Ill~.
a h · n zu einer h 43
d n Die Angebote würden für d. • ~~sc _vie eurigen entschei-
·chtliche Zensurmec ani~me bl ß Exemplar des Systems mac e und e . . re eigenen Bedurfmsse genutzt k„
si E . zum o en 40 • • d" .d
die jedes einzelne reigms. h ahezu ausschließe. Die m rvi ueIIen auch selbständig umfunktioniert werden die R d d ? 0~tez:i.
l . S zrfisc es n d S h . gung musse ·· a1 so re J atrvierr
• · werden. Dieser' E" e e vond · her• Schembefnedi -
eine Auffassung a s Je pe p 0 d kte werden durch en c emat1smus
und besonderen Elemente de: : h u rwerten lassen. Die Kulturindustrie .
ObJektiv1tat. . .. d es B egn"ffs der Kulturindustrie . mwan
ab· vvr
sieAdt Jedoch von. der
. . . h t daß sie s1c ve d. . . . h b d d. . wenn orno
a pnon so zugenc te ' . d läßt diverse Abstufungen zu; rese seien Zirkel spnc t, e eutet ies, daß Angebot wie N hf f . von emem.
präsentiert zwar Alternattv~n un uf den Schnurrbart reduziert" oder den h f 1 . h "tr f
te gesellsc a t ic e ver assung zurückzuführen sind D. K l • d ac rage au eme besttmm-
. .
jedoch, wie Adorno fofimu_fi;rt, ,,a innerhalb der Kulturindustrie haben folghc · h k em · bl o ß es Instrument zur Manipulation -d · reM u tunnh ustne d ist
.. . h Akzent D1 1erenzen . . . . h .h h . er ensc en, son ern
französisc en ·a1· . U terschieden also so wenig zu tun wie die sie ist durc 1 ren Sc ematismus Ausdruck der Ware-i:•• · k · d G ll
. hli hen bzw qu iranven n . ahl k·· . . mormig ert er ese _
mit"hsac. ic . hen ·den Pro du k ten der Kulturindustne wa en zu .onnen, schaft. Dementsprechend heißt es m der Dialektik der A ,ll.L ·· daß di
1 d K · d • . u1"' arung, e
Frei eir, zwis: B "ff Freiheit gerecht würde. Es handelt sich um Gewa t er . u 1 turin ustne m der schematisch hergestellten Einheit mit dem
· bauschen egn von l · ·
einem
eine rem ~mp
formale, sch ernansc
• h e Freiheit ' die vom Systemhder Ku turmdustne g~sells~haftltch erzeu?1en Bedürfnis liege. 44 Dies verweist darauf, daß es sich
garantiert. wir . d un d für die sich keiner zu verantworten at. hier kemeswegs um ei~e Frage von Wahlmöglichkeiten, sondern um eine von
objektiver Unwahrheit handelt. Zwischen den Angeboten der Kulturindus­
trie kann zwar souverän gewählt werden, jedoch nur auf eine \V-eise, wie bei
VI. Quiz-Shows souverän zwischen Antwortmöglichkeiten gewählt wird, deren
Der Schematismus der Kulturindustrie wirkt sich jedoch nicht nur auf die Inhalts- und Bedeutungslosigkeit gleichzeitig offensichtlich ist. Um eine äs­
Kulturprodukte selbst und ihre Rezeption aus, sondern auc~ u_nd ~erad~ auf thetische Erfahrung kann es sich hierbei folglich nicht handeln; eine solche
die Bedürfnis- und Triebstruktur der Konsumenten. Er greift 1~ die „Tiefen wird durch die Produkte der Kulturindustrie objektiv verhindert. Insofern
der menschlichen Seele", die je individuelle Konstellation von Angsten und verweist die Rede von der Einheit mit dem Bedürfnis nie auf dessen Erfüllung,
Hoffnungen ein, die er präformiert, diszipliniert und zurichtet und dement­ völlig unabhängig vom gewählten Produkt: Adorno macht deutlich, daß die
sprechend in das System der Kulturindustrie einpaßt. Weit mehr als daß die Kulturindustrie aufgrund ihrer objektiven Verfassung stets gerade um den
Kulturindustrie also etwaige spontane Bedürfnisse der Konsumenten bedient, Genuß, den ihre Waren verheißen betrügt, um die Erfüllung einer Sehnsucht
werden diese von den schematisierten Produkten der Kulturindustrie geformt. oder eines Bedürfnisses, die sie ja immerfort und „hämisch" verspreche.45 Sie
So ist die Formierung von Bedürfnissen ja eine der Funktionen, welche Waren scheint zwar eine Differenz zwischen sich und der Wirklichkeit zu erzeugen,
heute erfüllen müssen, denn ohne entsprechende Bedürfnisse wären diejenigen da sie als Zerrbild der Wirklichkeit suggeriert, etwas Neues, mithin die verhei­
Produkte, die solche Bedürfnisse erfüIIen sollen, gar nicht absetzbar. Nach ßene Erfüllung zu sein. Tatsächlich verdoppelt sie diese lediglich mitsamt aller
Versagungen.
Ad~~no _sind die kulturindustriellen Standards nicht ursprünglich aus den
B~durfnissen der Konsumenten hervorgegangen, sondern es sei vielmehr ein Selbst Abweichungen vom Schematismus lassen sich so berechnen und
Zirkel von Manipulation und rückwirkendem Bedürfnis, welcher die Einheit integrieren, daß sie letztlich die Einheit des Systems umso mehr bekräftigen.~6
des Systems zusammenschließe. 42 In dieser Hinsicht arbeitet die Kulturindustrie mit den gleichen Elementen wie
Kunst, bei der sie Adorno zufolge Anleihen nimmt und die ihr ~e Substanz
. Ein h_äufig geäußerter Einwand gegen einen solchen Begriff von Kul-
turmdustne lautet daß Adorno v d M·· d" k · d ·· · ·· d liefere nämlich einen Anschein des Echten. Das menschliche Leid etwa, das
. .
Rezipienten absehe' die du h ·ond erL un 1g
· ert un Souveränität d er die gel~ngenen Kunstwerke artikulieren, wird integriert, ulll; dem alltäglich~n
Ku 1 turm . d usrns
. umzugeh
' rc D"aus K
in er age seien, mit den Produkten er Dasein, welches die Kulturindustrie reproduziert und anp~eist, den ~schem
Id eoI ogie• un d M ampulat
. . en. .h ie Tonsumenten
. b seien nicht nur Opfer von von Notwendigkeit zu verleihen.47 Für Adorno wirkt dieses_ Dasem u~o
1
ion rer ne struktur, sondern könnten selbstbe- unausweichlicher, je mehr es mit notwendigem Leiden versetzt ist. Das Leiden
: Vgl. Adorno 1989f, S. 83.
43 Vgl. etwa Schweppenhäuser 2004, S. 153. Die Konsumentendseiehn -~ichht _blohß wE
~l-~nrun
losegeO
nprm
fi:rt
Adorno 1989d, S. 178. · J raume
·• " urc ast etisc c nan
42 von Ideologien, sondern hätten auch "Frei"hertsspie

Vgl. ebd., S." 129. Offenkundig ist d ß di den Produkten der Kulturindustrie (vgl. ebd.).
44 V
deutet, daß die Kulturindustrie ' I"ha ~ Re~e von Manipulation und Eingriff nicht be- gl. Adomo 1989d, S. 145.
schaff d nun rerse1ts e1 b · · h 45
t, son ern Ausdruck ein b" l . ne estimmte Triebstruktur aus dem Nie ts 46
Vgl. ebd., S. 161.
Bedürfnissen der Menschen wirks.amJe_tt1ven
1st. gesellschaftlichen Verfassung ist , die auch in den Vgl. ebd., S. 150.
47
Vgl. ebd., S. 174f.
80
81
r Individuen in einem allgemei-
Untergang d e d 1
W. klichkeit und d er l fft sondern derart verwan e t, daß
an der ir al . ht abgesc 1a ' . h ffi . L . durch deren Genuß gesellschaftliche Standards re rodu . . . .
P • · wird hier so nie d h. durch letzthc a rrmertes e1den Bedürfnisstruktur auswirken, und zwar unabh ~ . ~ieren, die s1c? auf ihre
nen nnzip d 1 tes un ier d fü d.
al registriertes un gep an . kommt der von A orno r ie Kul- wußt ist und ob die kulturindustriell geformte w;afgif avon_, ~bes ihnen be­
es s d' Affirmation A d k E l
· lfüar wird. In reser . h I perativ zum us ruc : ,, r autet: oder nicht. Der Schematismus der Produkte k e tda s pharal:hesische erscheint
gerue 1· l ategonsc e m h h. .
tun
·ndustrie formu ierte c
t,, h Angabe worem,
· . fügen in das, was o ne m 1st, und
11 h h. dennoch unter1.regen i"h m alle Konsumenten ann A d urc aus erkannt werd en,
du sollst dich rügen, 0 ne M ht und Allgegenwart, a e o ne m den- . . 1 f . .
Kulturmdustne a s alsch wie eine Gesellschaft nd" ers. gesagt·· Mank ann d.re
in das, was, als Re.fl ex auf dessen. ers ac Aufsatz Egoismus und .1.r.·rez'h etts · bewegung
handelt un d den kt Jedoch • .
mnerhalb , rebJene erzeugt
ihrer vorge p ' erkenn en,
ken. " 48 Eine Passage aus Horkheim
. · E rzeugmsse ·
wenn die umfu nktioniert
· . werden k..ge enen .. arameter.
d . Selbst.
1.. t diesen Imperativ: . ,: , . h ß · k · onnen, an ert dies nichts
er auter . ll bei den einförmigsten verrrc - daran, da sie emen Gehalt haben, der über die besteh d wz: kli hk .
d nk 1 ten Arbeitssee en, . h . . . Insorern l"ß . h die. Kultunndustrie
.
„An d en u e s .
d n traurigsten E . tenzbedingungen, anges1c ts eines
xis . h
hinausweist. r
a t sie nu 1 en G e wir k · tc · • ett
tungen, unter e b h Demütigung Gefahren ausgezerc - angesic· h ts d es GI··uck sversprechens, das einer widerspru r"a hli
s hanzeK ntis1eren;
I
b 1 f der durch Ent e rung, ' · h . . . c 1c en u tur stets
Le ens au s, . fd de Besserung sollen die Mensc en immanent ist, erweist sich Kulturindustrie als so falsch w· d. G II haft
· h e Aussicht au auern ' h · . . 1e 1e ese sc ,
net 1st, o n. . . d . hlagen sein [...] nichts mac t emen aus der sie resultiert und deren Naturgesetzlichkeit sie zern nti . D
d h m kemen Preis rue ergesc . I . d
oc u
Menschen verdäch tiger,
. al s wenn es ihm an innerem Emk ang mit em · h . . e iert: ,, as ge-
n . al • "49 sellschaftlic zugemutete Opfer 1st so universal, daß es in der Tat erst an der
Leben fehlt, wie es nun emm ist . Gesellschaft als ganzer und nicht am Einzelnen offenbar wird".52 Fol r h ·
· · d arauf hin , daß zusätzlich zur. Triebunterdrückung, h d. . . h . k k . g tc 1st
Horkheimer weist . • d • die
• auc re ernpmsc e Wir sam eit der Kulturindustrie kaum nachweisbar: Das
.
dem Emze nen gese sc 1 II haftlich aufgezwungen . wird, die Kulturm .. ustne . 1h- Hören von Jazz oder Computerspiele bringen nicht nachweislich autoritäre
nen weismacht, die Versagung - eigentlich em Betrug am Gluck - s~1 als Charaktere hervor; die regressive Wirkung der Kulturwaren läßt sich das
sinnerfülltes Leben zu betrachten. Der Begierde der Menschen nach einem betont Adorno im Resume über Kulturindustrie, nicht im einzelnen empi;isch
Draußen', nach einem qualitativ Neuen, die ja im Begriff der Kultur stets verifizieren. Steter Tropfen höhle jedoch den Stein: es gehe folglich um die tota­
noch bewahrt war, wird also nur die standardisierte Wirklichkeit präsentiert, litäre Tendenz des Ganzen, um die Abhängigkeit und Hörigkeit der Menschen
die ihnen gleichzeitig als eine zweite Natur erscheinen muß, nämlich als das, als Fluchtpunkt der Kulturindustrie. 53
was einzig denkbar und möglich ist.
Einige Ausführungen Adornos zur Kulturindustrie lassen sich dahinge­ VII.
hend interpretieren, als erscheine die Wirklichkeit, wie sie die Kulturindustrie
präsentiert, den Menschen nicht nur als einzig denkbare und mögliche, son­ Dagegen ist die Kunst für Adorno ein widersprüchlicher Gegenstand, der die
dern als wünschenswert; dementsprechend ist zumindest in der Dialektik der Dialektik der bürgerlichen Kultur ausdrückt. Kunst ist zwar immer ideolo­
Aufklärung die Rede davon, daß die Kulturindustrie den Alltag, den sie präsen­ gisch, gleichzeitig jedoch die Gestaltung des Widerspruchs, vor allem gegen
tiert, als das Paradies anbiete. 50 Zu Recht läßt sich diese Annahme bezweifeln; die unmenschliche Tendenz der Kulturindustrie, Leiden zu affirmieren. Kunst,
da das Ideolog!sche der Kulturindustrie offen zutage liegt - darauf verweist wie Adorno sie betrachtet, drückt das Leiden aus, ohne es als notwendig
~dornos Begriff von Ideologie - wird es tatsächlich durchaus erkannt und erscheinen zu lassen oder zu verklären. In diesem Sinne identifizieren sich
ni~ht f?: ein zeitgemäßes Utopia gehalten. Adorno selbst hat im späteren gelungene Werke stets mit der "Angst der Todesqual von Mensc~en unter
der totalen Herrschaft"54 und beziehen sich damit, obzwar negativ, auf et­
Resume uber Kulturindustrie darauf hingewiesen, daß den Konsumenten die
fdalhschekn _Verspre~hungen der Kulturindustrie nicht verborgen blieben und was tatsächlich Neues: auf die Möglichkeit von Emanzipati?~ ~~ diejenige
a er ein Geheunnis sind 51 J d h b · · h einer versöhnten Menschheit. Diese Gestaltung von Negativität s~eht Ad~r­
daß d d. · e oc etont Adorno vielmehr die Tatsac e, no angesichts der stets drohenden Totalität von Herrschaft folglich als die
nd
1 as, was.hiel~ulturi ustrie präsentiert - die Welt wie sie ist - schließlich
a s unauswe1c ich betracht t . d d ß ' k vordringliche Bestimmung der Kunst. k •
einer Naturgesetz1·1chkeu . anne. wir 'Ih so . a sie immer . mehr den Chara ter Daß der Kunst diese Bestimmung aber überhaupt zukommen . ann, 1st
aufgrund de O b· k . immt. r ist wesentlich, daß die Konsumenten wie · derum auf die· Neutralisierung
· · der Kulrur im· Laufe der Geschichte
. . der
h
r .Je nven Beschaffenheit der kulturindustriellen Erzeugnisse burger
.. 1.rchen Gesellschaft zuruc
.. kzufüh ren;. denn jene. Neutralisierung at
44!8;-:A~di:o-:
m:-.:o-:-1:98::9-
c -:S:--3:--4-
3 ---- uI d
49 ' ' • • . h
etnen Doppelcharakter, sie bedeutet ruc t nur as d Scheitern von K tur un
so
Horkheimer
V 1 1988a , s . 55 .
g · Adorno 1989d S 164 52 A
51 Vi 1 ' . . dorno 1989d, S. 66.
g · Adorno 1989 c, s. 342_ 53
54 Adorno 1989c, S. 344f.
Adorno 1989g, S. 180.
82
83
der Kul rurm• d u strie ' sondern schafft. zugleich
h die
b e gu"nstigt die Entste h. ung ö lic
. h en auflc la''rerischen oder utopisc en Gehalt Auf der anderen Seite ermöglichte die E . kl .
Voraussetzungen für einen m g rnie je d och auch , d aß d er Kunst ein utopisch ntwic M ung hin zur Aut ono-
von Kunst. . h Funktion von Kunstwerken im Zuge der biirgerlichen Gesellschaftsordnung zu deren Ee:' . ohment zukon:imt: Da der
·u 1 d prakusc en ·1 ung gmg . die
II haft und ihrer Ar b ertstei
.
Mit dem ver ust er . trug, insofern sie · d en Interessen des ' Bürgertum Inne d. tung auch lb die Kunsr b ei-·
liehen Gese sc . E . k
Durchsetzung der burger

I 'tution Kunst einher. Diese ntwir, lung l h . . .
des Fa sc en immanent 1st, wird Praxisferne richt' n· H s iente, se st das Moment

. tonomen nsn h l .
Entwicklung zu emer au ·k elbst aus: Die Form-In a t-D1alektik Kunst aus lebenspraktischen Kontexten ihre A t ig. ~e er~~l_osung der
. h . d Kunstwer en s "k . Heraus diff . . ' u onomie,
drückte sich auc m en
. h
„ h
t n der ast ensc
- hen Form und der Techm , so daß die
d die i 1erenzierung emes besonderen Bere· h d Eermoghchte
fh auch
.
verschob sie zuguns e . h d • Ästhetische in den Vor ergrund rück- . . h bh.. . rc s er r a rung. Dieser
.. k t und sie as rem . . ist zw~r nie t unhaaffa~gig von ge_sellschaftlichen Normen und Gesetzen -
Aussage zuruc tra . kl das Moment von Autonomie im Werk auch die Kunst sc t Ja Inhalte mcht aus sich selbst h d b d
b h1 d h diese Entwic ung . l . D' · sie· h b eziehr-
te. 0 wo. d · urc. . .
1 t die Kehrseite eme ge
sellschaftliche Folgenlosig seit. 1e Kunst- etwas, worauf sie -, besteht aber auch auferaus, · sonD ernß e , arf•
. . h en D"fJ:
ner krrtrsc . . die im Gege emem' drau en d' ei-
k wird , s d nn darauf weist
betont . auch Adorno hin ' zu bloßen Kulturgütern '
. .
i rerenz zur Wirklichkeit
. ,
t
nsa z zu er von er
wer e wer en a d' h h nden Klasse konsumiert werden, zweckfrei Kultunndustne erzeugten nichr nur scheinhaft ist sondern f 1..,1„ 1· hk ·
d' r allem von er errsc e 1· h . d . h .. . . . . . , au 1v og ic eiten
ie vo . h i: l
und praktisc 10 gen os, wo 1 0 b hl ihr Gehalt widersprüch
. . • d ic ist un · sie · dem h von Verhältnissen anspielt, die ~1cht_:c~ema~isch hergestellt sind und folglich
bloßen Konsum d ah er sperrt · 55 Derart musealisiert ist as emanzipatonsc . e auf das Bestehende reduziert. Die Moghchke1t von Praxis kommt ·
_ somit, para-
Moment von Kunst, das i sich gegen die herrschende Klasse selbst nchtet,. . folg- dox, durch den Abstand von-der Praxis zustande und artikuliert sich in den
1.ich neutraliisie· rt . Andererseits ging der Kunstgenuß auf. Kosten deqemgen, !'-unstwerk:n sel_bst, in deren form~er sowie technischer Gestaltung. Sie sind
1 h d Bürger die Finanzierung dieses Genusses sichern mußten und insofern keme direkte gesellschaftliche oder normative Handlungsanleitung,
we c e em kf · ·d
daher nicht die Zeit und Kraft fanden, sich der Kunst zwec rei w1 men zu s?nde~n Möglic~keiten gesellschaftlichen Handelns oder auch dessen Unmög­
können· die Reinheit und Praxisferne der Kunst war durch den Ausschluß lichkeit werden 1m Werk selbst verhandelt. Dies ist der Grund, warum sich
der Unterklasse erkauft, deren Sache die Kunst doch die Treue hält, so heißt Adorno auch vehement gegen diejenigen Varianten marxistischer Ästhetik
es in der Dialektik der Aufklärung.56 Anhand von Odysseus' Begegnung mit wendet, die sich auf Engagement und Parteinahme der Kunst berufen. Die Wer­
den Sirenen, nach der „alle Lieder erkrankt"57 sind, macht Adorno hier diesen ke sind für ihn durch ihre Autonomie ausschließlich nach ihrer immanenten
Sachverhalt exemplarisch deutlich: Odysseus hört, am Mast festgebunden, die gesellschaftlichen Bedeutung zu beurteilen. Insofern unterliegen Kunstwerke
Sirenen und genießt für ihn folgenlos deren Gesang, während seine Ruderer nicht a priori dem Schematismus wie die Produkte der Kulturindustrie. Sie
die Ohren verstopft haben und daher erst gar nicht zuhören können. Die sind nicht bereits determiniert durch die gesellschaftlichen Bewegungsgeset­
Sirenen werden aus dem Geschehen herausgehalten, ihr gefährlich lockender ze oder die Warenform, sondern folgen auch eigenen Gesetzen, da sie, so
Gesang hat keinerlei Auswirkungen auf den status quo, sondern wird zu ei­ Adorno, gemachte Dinge sind, von denen man nicht von vorn herein weiß,
59
nem Gegenstand der Kontemplation. 58 Für beide Klassen ist die Kunst also was sie sind. In ihnen ist immer die objektive Wirklichkeit mit subjektiver
gleichermaßen folgenlos, für die herrschende Klasse ist sie neutralisiert für Intention verbunden, sie sind „Kraftfelder"60 zwischen Subjekt und Objekt,
die Unterklasse gar nicht erst erfahrbar. Adorno sieht hier die Gründe für die was Adorno darauf zurückführt, daß sich die Spontaneität des Künstlersub­
Mühelosigkeit, mit der die Kunst schließlich in der Kulturindustrie aufgehen jekts im Werk mit dem Material und der Technik verbindet, die stets einer
konnte. bestimmten gesellschaftlichen Ordnung angehören. Durch die Gestaltu~g von
Kunstwerken scheint somit die Möglichkeit einer versöhnten, harmomsche_n
Einheit von individuellen und allgemein-gesellschaftlichen Momenten auf; die
55 Vgl. Adorno 1989d, S. 320· Adorno 1989 S 124 A f . . .. h
liehen Charakters de K ' k"" c, · · u grund dieses sperrigen und widersprüc • Hoffnung auf Versöhnung ist in den gelungenen 'Yer~en stet~ ausgedrückt.
r unsr onnten Element d K I · d · · k ·
wirken: Ein reines Amusement, eines . .
1m S1
. e · er u tunn ustne• Jedoch -- auch als Korre
d nv Auch Horkheimer hat mit Bezug auf Kant einmal m diesem Smne bemerkt,
Adorno als glückli'chen U · " b .
" nsmn ezeich
nne ernes entspannten S1ch-Uberlassen an as, was
k-- d ·
daß Je · der ast„ h etisc
· h e Akt auch una bhängig davon ' was der Künstler gewollt f di
ner Kunst korrigiert werden d' . h . "hnet, o~nte er anstrengende und belastende Ernst ei- ha b e, ein
l d f , re sie m I rem \V1d h · ··h I . Moment gememsamen . ' Mensc hsems,
· gerneinsamer Hoffnung au e
dn Len rühen Comics ode Cl
.
.
r ownenen etwa si ht Ad
erspruc zum Dasem dessen Ernst ana ne t.
d' .. . . . . . sie. h trage. 61 ..
er ast des Daseins aufsche;n . . . e orno re Mogltchke1t emer Negation Entwicklungsmöglichkeiten des Mensch en m . · l
. d daß u,en, wenng1 eich d1 M"' 1·1 hk . ..
wir , auch hier ein Sinnzus h ese og c eit dadurch häufig wieder gestort .
Obschon die Rezeption der Kunstwer e r k fü Adorno haufig
. wemg
.. . re ..e-
56 gibt (vgl. Adorno 1989d s 164)mmen ang unter ellt wird, den es für Adorno so nicht mehr
5t
vant scheint, ist auch für diese das Moment des Unreglementierten gültig: Fur
57
Vgl. Adorno 1989d s 157. ·
Ebd., S. 78. ' . . 59
58
Vgl. ebd., S. 5 t. 60
Vgl. Adorno 1989h, S. 540.
61
Adorno 1989c, S. 192.
Vgl. Horkheimer 19886, S. 420.
84
85
k von dem nicht auf den ersten
. k t iis des Gehalts der Kunstwerte;tsächlich Neues zum Ausdruck Beschaffenheit der Kunstwerke bleibt davon nicht unberu··hn· G
die Er enn 1 . d der etwas d' • · S .. d
. k ewußt wird, was er is~ u_n Phantasie abverlangt, . ie~enige pon~a- Warenform 1st · d er G e h a 1 t d er Werke letztlich gleichgültig D' • hegenu 6Fer er
Bl~c g k n wird den Rez1p1entenf h vonnöten ist, die ihrem Begriff daß auch das Glücksversprechen des Kunstwerks durch :.k res a~ zuhr. o 1 ge,
bnngen an ' . fü . e Er a rung . k . d" d
.
nertat .. des Denkens, die r em
. d" Kunstwer ke fordern eme Er enntnis,
d · 1e . er . . . o onoffilsc mstru­
h mentalts1erte _und gesel!s~hafthch verordnete Lust substituiert wird, die jenes
gerec t "rird · Anders gesagt. d f re d mc . h t bl o ß Schemata repro . uzierr.
8ier- Versprechen ms Gegenteil verkehrt. Anstelle der Askese der Vierw ·
Tätigkeit des Subjekts be ar lück prechen. Sie beuten - 1m Gegensatz . k .. f . , e1gerung,
d.1a 1Ch werden sie • • Gluc svers .. k · h d · die Plat_zh~lter eines ~-u _un trgen Glücks ist, tritt dann bloß die Aussage, daß
zu einem 1 . h B diirfnis nach Gluc nie t aus, a sie
ur
U . d nsch ic e e . . h . h b die kaprr_ahs_m usv~rtraghche Form von Erfüllung: •Vollausnutzung von Kapa­
r Kulturindustrie - as rne ..h en die es objektiv noc nie t ge en
zn . E füll ng zu gewa r ' . . . zitäten für as~~::1s.~he1:1 Massenkonsum_[.. : J wo ~s um die Abschaffung des
icht vorgeben, eine r• u weigern. gera de die Erfüllung, mdem sie zeigen,
kann Im Gegente il : S ie ver . 1.lC h sem • kann . 62 Kunstwerke „retteten das
Hungers geht , für die Menschen das emz1g Erreichbare bleibt. Kunst büßt
. . wr l . ht mög . . dann die ~rinner~ng an dasjeni_ge Glück ein, auf das der Sirenengesang für
daß diese in dieser we t ruc . d Geheimnis ästhetischer Sublimierung:
Odysseus immerhin noch verwiesen hatte, so wie es eigentlich auch keinen
Versagte als Vermitteltes. Das IS! Iler " 63 Die Kunstwerke sind insofern lndi-
al b hene darzuste en · .. l ··h Adressaten für solchen Gesang mehr gibt. In der Welt der Kulturindustrie
Erfüllung s ge_ roc_ . hk . . Adorno es häufig ausdruc n: unverso nt
dafü daß die W1rkhc eit, wie h . d r muß sich niemand an den Mast binden oder die Ohren verstopfen lassen.
ces r, • · h d d aß em . 1·1c hes Glück erschlic en 1st un sororr an
. Jeg Somit stellt sich Kunst im kulturindustriellen System in den Dienst
d W. kl· hk t zerbrec en mu ß · Hiermit wird für Adorno das Versagte
ist, antagomstis_c un h . - der Erniedrigung der Menschen, obwohl sie als Ausdruck von Leiden und
er Ir. ic et . d h h gerettet. Was die Kunstwerke wesentlich Widerspruch einmal, so Adorno,
enngleich vermitte1 t- oc auc · d ß · E füll l
in den Gegensatz zur Ku 1 tunn
w · d u strie rücken läßt ' 1st, a sie r h. ung
h a ds »die Idee eines richtigen Lebens festhalten [wollte], nicht aber das bloße
verweigert
· d arste 11 en. wräh
w, ren d die Kulturindustrie also „pornograp
" rsc un
Dasein, und die konventionellen und unverbindlich gewordenen Ord­
prüde" ist, sind die Kunstwerke „asketisch und schamlos . 64 nungskategorien, mit denen die Kulturindustrie es drapiert, darstellen,
als wäre es richtiges Leben und jene Kategorien sein Maß".67
VIII. Das Leiden an solchen Ordnungskategorien, auch der etwaige Widerstand
Kunst - wie alle Kultur - wird jedoch zunehmend der Kulturindustrie subsu­ dagegen, wird durch die Kunst letztlich gesellsch_aftlich integrierbar. Bi~lang
miert. Dies affiziert nicht nur ihren Gehalt, sondern auch ihre bloße Möglich­ tabuierte Regungen, die den status quo zunächst m Frage zu stellen schemen,
keit. Kunst zu produzieren, die nicht den Bedingungen der Kulturindustrie
bescheren der Kulturindustrie immer weitere Absatzmärkte. Nach o_.
K.
Werckmeister handelt etwa die Kunst des Spätkapitalismus, selbst zu Zeiten
unterliegt, würde ja einen ökonomisch gewährten Freiraum für die Produzen­
größten Wohlstands, fast ausschließlich von Krisen, K~nß.ikten ~nd vom
ten, aber auch für die Rezipienten voraussetzen, der immer weniger gegeben
Leiden, ohne jedoch daraus Schlüsse auf die eigenen Existenzbedm~1.m~e~
ist. In der Dialektik der Aufklärung ist dementsprechend wenig die Rede von
einer emanzipativen oder kritischen Kunst, von der aus ein Einspruch gegen
zu ziehen.
. . sei. eme
Dies z
. A rt ursch auste 11 ung " aufgeklärter Machtlosigkeit k ,
die genossen und beklagt, a b er sc h ein • b ar ru· ehr abgeschafft werden kl ann.fü68
die Kulturindustrie formuliert werden könnte. Denn die kulturindustrielle Ni­
st
Für Adorno bedeutet diese Entwicklung, daß Kun khleute zu~dRe am K:ns:
vellierung gesellschaftlicher Antagonismen und die Ästhetisierung des Leidens
den Kapitalismus geword en 1st . un d vice . versa·· ".Re ame wir , zur ,
ü~er_trag_en sich a~ch auf die Kunst. Je tiefer diese samt ihrer prekären Autono­
mie 1n die Kulturindustrie hineingezogen wird, desto mehr verschwindet das schlechthin, mit der Goebbe ls a h nungsvo 11 sie · in ems setzte,hL art
ll hattli M pour 1 art,
ht «69
. D II d r gese sc rc en
Reklame für sich selber, reine arste ung e . der Durchsetzung der Kultur-
ac .
Moment von Selbständigkeit. Kunst dient dann wieder bestimmten Interessen,
enga~iert sich jedoch für eine falsche gesellschaftliche Praxis. Die kulturin­ . d . k fü . M
1:
Der Skandal ist für Adorno nicht, ~aß 11t d • rt erden oder daß die
bedurfms pro uzte w
dustne_He Form de~ Kunst verhindert folglich die Möglichkeit der Gestaltung 1n ustne Kunstwer e r em assen
b ß ndern die Tatsache,
„ 1· h fü . 1 hes herha 1 ten mu , so
~ner richtigen Pr_axis. In einer standardisierten Welt, die für Adorno durch den d urger
ß 1c e Kunst nun r em so c d "h m Zuschnitt auf gesell-
uuschwert bestimmt und b h h · d · • • .. hli h . d W; nform un i re
ah den Kunstwerken mit er are d d Gehalt und die Distanz
L ·k d K . e errsc t wir , wird auch die widersprüc 1c e . b d·· f · entwe er er
og1 es unstwerks zu einer Bestätigung des Systems. 65 Die immanente sc afthch erzeugte Massen e ur msse d 'h Gehalt für deren Zwecke
62 . . . h en Rea 1·uat
zur k ap1tal1st1sc .. ver1 o ren geht o er 1 r
Vgl. Adorno 1989i S 461f
63 ' • •
64
Adorno 1989d, S. l61f. 66
Adorno 19896' S • 162• 67
Adorno 1989d, S. 161.
65
Vgl. Adorno 1989b, S. 142. 68 Adorno 1989c, S. 342f.
69
Vgl. Werckmeister 1989, S. 14ff.
A
dorno 1989d, S. 186.
86
87
· t also nicht, daß sie hiergegen keinen
insetzbar wird. Das
EI
en
d der Kunst rs
daß Jeher Widerstan
d bl ß h · h
o sc ein aft ist Literaturverzeichnis
e I . st
ndern so . 1 .
Widerstand mehr ei et, so . h d rch den Zirkel von Mampu at1on und
. d S tems nie t nur u h . .d d. Adorno, Theodor W. (1989a): Minima Moralia · . D G
und die Einheit es ys d erade durch solchen Sc einwi erstan immer ten (AGS) Bd . 4 , Darmstad t. 'm. ers.: esammelte Schrif-
Bedürfnis, sondern a~ch un g
Ders. (1989b): Negative Dialektik, in: AGS Bd. .
dichter zusam~en:chießt. f b h t Adorno, muß sich Kunst stellen: Ge- 6
. s·
Dieser itu~no '
n darau e arr . 'd·
. 1. h Aufgabe, die eigene Liqui 1erung ntisch
k . Ders. (1989c): Kulturkritik und Gesellschaft, in: AGS Bd S
.. . . hre vordring ic e d' . . 11 h / H kh . M (1989d) · · 10· 1 ·, · 11-30.
genwartig sei es i rken in denen schon iejerugen gese sc aftli- Ders. o~ ) e~mer, ax ll h f 1· : Dialektik der Aufklärung, in: AGS Bd 3
darzuste11 en. Noch den Kunstwe ' . .. 1 · .. Ders. (198 e : ur gese sc a t ichen Lage der Musik in: AGS Bd · ·
,,.. d klar werden, d're m • der Kulturindustrie spater tota . itar zutage 777. ' . 18, s. 729-
chen renh enzen „ . h
· dies mog11c zu sem. • Für Adorno bleibt Kunst .- 1m . Gegensatz
treten, sc ~mt i . 1 .1 h t otz ihres möglichen Endes em w1dersprüch- Ders./Eisler, Hanns (1989~): Komposition für den Film, in: AGS Bd. lS.
K lrurindusrrie - etzt rc r .. b d f 1 I Ders. (1989g): Arnold Scho~berg_ (1874-1951), in AGS Bd. 10.1, s. 152-l80.
rzurh ruGegenstand. s·re ist • durch ihre Autonomie. . gegenu . per er . adsc ren ein
.
Ders. (1989?): ,Yers u_ne musique_mformelle, in: AGS Bd. 16, s. 493-540.
ic e
Platzhalter . dest fü r d'e
zurnin 1 Möglichkeit einer richtigen klraxis o · er anders Ders. (19891): Asthetiseh- Theone, in: AGS Bd. 7.
gesagt: emer• k1assen1 osen Gesellschaft. Der Sache . .der Unter . h asse, d wiek Adorno
k" Ders. (2001): Zur Lehre von der Geschichte und von der Freiheit in· D .
•· k d Ausschluß sich Autonomie Ja Ietztlic ver an t, onnte , . ers.:
es aus d ruc t, eren Nach ge 1 assene Schriften, Abteilung N: Vorlesungen Bd. 13, Frank-
gerade hierdurch die Treue gehalten werden. furt/M.
Ders. (2011): Philosophie und Soziologie, in: Ders.: Nachgelassene Schriften
Abteilung IV: Vorlesungen Bd. 6, Frankfurt/M. '
Hesse, Christoph (2008): Warenfetisch und Kulturindustrie, in: F. Kettner/P.
Mentz (Hg.): Theorie als Kritik, Freiburg, S. 125-146.
Horkheimer, Max (1988a): Egoismus und Freiheitsbewegung, in: Ders.: Ge­
sammelte Schriften Bd. 4, Frankfurt/M, S. 9-88.
Ders (19886): Neue Kunst und Massenkultur, in: Ebd., S. 419-438.
Kant, Immanuel (1968): Kritik der reinen Vernunft, in: Ders.: Werke Bd. 3,
Darmstadt.
Klasen, Isabelle (2012): Verblendungsspektakel. Debord, Adorno und (k)ein
Ende der Kunst, in: D. Braunstein/S. Dittmann/I. Klasen (Hg.): Alles
falsch. Von verlorenem Posten gegen die Kulturindustrie, Berlin.
Schweppenhäuser, Gerhard (2004): ,,Naddel" gegen ihre Liebhaber verteidigt.
Ästhetik und Kommunikation in der Massenkultur, Bielefeld.
Werckmeister, 0. K. (1989): Zitadellenkultur. Die schöne Kunst des Unter­
gangs in der Kultur der achtziger Jahre, München/Wien.

88
89
Dirk Lehmann

Naturbeh.err§chung und Emanzipation&


Kritisc?e The_orie über die Verdinglichung der Na­
tur - E11.ne Skizze

„Eine We~t is~jeder von euch, wie die Sterne des Himmels
Lebt ihr; jeder ein Gott, in freiem Bunde zusammen. «
- Friedrich Hölderlin (1797)

I.
Ja~r. um Jahr fand sich auch bei uns zur Adventszeit eine jener Pflanzen, die
mit ihre~ ~atten Rot vor mattem Grün fast zu leuchten schienen. Mit jedem
neuen heiligen Abend aber kündigte sich bald schon ihr Ende an. Und so
rasch wie in den ersten Januartagen schließlich der Weihnachtsbaum und all
der Engelsschmuck entsorgt wurden, verschwand auch der Weihnachtsstern
von der elterlichen Fensterbank. In einem Jahr aber wollte mir, philosophisch
freilich völlig uninformiert, diese Betriebsamkeit nicht einleuchten. So bat ich
meine Mutter, das Blümelein einmal aufzubewahren, weiter zu pflegen, um
zu schauen, was mit ihm geschehen würde. Wie groß meine Überraschung
darüber war, erinnere ich nicht mehr, aber die Pflanze wuchs weiter, so als
wüßte sie nicht um das Ende ihrer Zeit. Vielleicht machte ich als Kind in
diesem Augenblick die Erfahrung, daß die Dinge nicht aufgehen in dem,
wofür wir sie vorsehen. In diesem Augenblick, so scheint es mir heute, geriet
mein Wissen über die materiell-stofflichen Zusammenhänge auf eben diese
Zusammenhänge selbst - mit der Folge, daß ein gewisses_ Maß an_Dngewißheit
und Unsicherheit entstand. Nur zu offenkundig hatte dieser Weihnachtsstern
eine Bestimmtheit an sich selbst. In diesem Moment des Scheiterns, in dem
Moment also wo diese Pflanze sich einfach weiterentwickelte, erfuhr ich
vielleicht etw:S von dem, was Theodor W. Adorno mit dem Begriff des N~cht­
identischen versucht hat zu bezeichnen. Anders als ich es zuvor_noc~ von ih1:1
anzunehmen vermochte erwies sich der Weihnachtsstern von emer 1rgendw~e
mannigfacheren Qualit~t; er nahm sich die Freiheit, weiter z_u wac!1se?-; die
Art und Weise wie ich ihn zuvor wahrgenommen hatte, schien mir diesem
Mal zu flach.

91
II.
zusammenhang, in dem es mit anderem S • d
. . .1 Walter Benjamin schreibt Adorno im Februar
In einer privaten ~~tte;.u;g an[ ] ein Vergessen [ist]: Objekte werden ding- lichkeit". 7 Hier •
werd en durchaus Kindh eren . rfenh steht ' und serne· Geschicht-
. h . .
vermag es nie t, m semer Allgemeinheit d b
eitse a rungen
d
h D
wac . er Begriff
1940,_ daß „alle Ver bml.gkic ung ·e· f~stgehalten sind, ohne in all ihren Stücken . h en eson eren G
h f dem Augen rc , wo s1 . " 1B . h zu erfassen; auc verfehlt der Begriff sein . k d . egen:tan d wirklich
.
a t m .. . . etwas von ihnen vergessen 06
ak 11 Oo-egenwarttg zu sein, wo . . h Th . .erna scheint
ist
anderes Mal aber in jenem Zusammenhan { tk as einmal IIl diesem, ein
kritisc st
es tue
als sei• m
• •
dieser knappen Passage die ganze . . U e h eone .d der Natur-
. was ein Objekt einmal war, mitunter nurg ehen ~nn; ~uletzt verbindet das,
'
beherrschung ent ten. hal Adorno gibt mit
. • seiner G a1ntersc ei· d zwischen
ung . • • noc wemg mit d
wartig ist oder gar m Zukunft werden kan D h :m, was es gegen-
. k
dem O bJe tun d seme · r dinghaft-verdmghchten h . est . "ht, mitd" em.. das
. Ob- des Begn"ffs [ . . . ] .crest un d fix•iert, sie hebt dasn.Bl a. er d„stellt
h die All gemem . h ert
.
.Je kt eigentu
. •·m1·1ch fixiert und festgestellt ersc emt, Ja i m ie Moghchkeit 6
' Mannigfaltie1 keit eraus u n d _a bs~rahiiert
. • f · h" · h · vom Wec h se 1 un d der qualitativen en eDaru
d es Me h r- S ems · gen ommen ist , einen Hinweis . au eme . rstorrsc. -spezifische Begriff notwendig vor der unauflöslichen Beso gd h ·. d ~ kapituhen der
Art und Weise des Umgangs mit der Objektwelt. Diese bes~1:,11mte Form · h 1m · L aure .c • • n er heit " esn·Emzelnen 'zu der
jenes sie semer Zeit und Vorzeit gebild 8
des Umgangs ist die des identifizierenden Denkens, des Identttatsdenkens. 2
des B egn"ffs versuc h t Adorno durch verschieden l et at .
A d „ k resd"Unvermögen
• .
Identitätsdenken sagt, ,,worunter etwas fällt, wovon es Exemplar ist oder
Negatzven ta e tt verstreut finden, zu benenne 9usS ruc
. D . l k "k e 1 h e,A ied sich
.. m .der
Repräsentant, was es also selbst nicht ist? ~dentifizi~ren meint _soviel wie · d es „ B egn·ffs 1 osen, Emzelnen· 0
etwa d ie und Besondn. "10c ed US A rucke
d sind
Einordnen, dem Gegenstand der Erkenntms emen Begnff zu- und ihn diesem
Verseh.re d enen, d es Fremden, ferner des Offenen und eren
G , des n eren d ' des
unterzuordnen, um ihn so schließlich handhabbar zu machen. Konstitutiv ist 1 . . ewor enen o er auch
des Qua itatrven. Zuletzt bilden diese Ausdrücke d f h Ank Th
für diese Form des Denkens, daß das Besondere, das heißt das Objekt, einem . . . . . , arau at e yen
hingewiesen, emen Konstellation um einen gemeinsam B d k
Allgemeinen, das heißt dem Begriff, unterworfen wird. So soll alles Seiende d en d es Nie · h t1"d ent1schen.
· 11 en e eurungs ern -
in der begrifflichen Ordnung aufgehen, in ihr zum Verschwinden gebracht
werden, es wird gleichsam vergessen. Der Begriff tendiert dazu, alles, was von . Die Bei:nerku_ngen zum Unv:ermögen des Begriffs machen zugleich deut­
ihm nicht eingefangen werden kann, zu tilgen. Und darin liegt durchaus ein lich, daß es sich bei Adornos Begriff des Nichtidentischen nicht um etwas vom
herrschaftliches Moment. ,.In der Allgemeinheit der Form unserer Erkenntnis Gegenstand Unterschiedenes ganz Anderes handelt. Das Nichtidentische be­
den Begriffen, gehen der besondere Inhalt, die spezifischen Qualitätsmerkmale
1 ne_nnt.kein~n geheimnis:70Ilen ~auber~ der von einem Gegenstand ausgeht; das
Nichtid~ntische stellt kemen „virtuos geschlagenen Begriffsschaum"12 dar, wie
eines besti~~en Gegenstandes unter. Darin besteht der Herrschaftscharak­
das Chr~stoph Türcke einmal in einem anderen Zusammenhang treffend gesagt
ter der beg:1ffhchen Sprache: das Allgemeine unterjocht das Besondere". 4 Das
hat. Weit mehr denn etwas irgendwie Wesenhaftes, ist der Widerspruch zwi­
herrschaftliche Vergessen ist aber nicht Resultat einer vielleicht fehlerhaften
schen dem Gegenstand und dem Begriff »Index der Unwahrheit von Identität,
A~we?dun? ~es begrifflichen Denkens. Weitmehr ist das Verschwinden der des Aufgehens von Begriffenen im Begriff". 13
W1rklich~e~~ im Begriff dieser Denkform als solcher immanent. ,,Der Schein
von Identitat wohnt dem D k · . . . Dringlich aber, so betont Adorno, ,,wird für den Begriff, woran er nicht
h · b b iffli h en en seiner puren Form nach mne. Befriedigt heranreicht, was sein Abstraktionsmechanismus ausscheidet, was nicht bereits
sc ieGt hegn c e Or~ung sich vor das, was Denken begreifen will". 5
e en nun aber die G Exemplar des Begriffs ist". 14 Dies kurze Stück aus der Negativen Dialektik
· h all e Identitat• .. als Schem
" . egen st ·· d · ·h
sO ·· an e ·m i rern Begriff nicht" auf' erweist
6
sie
E
eingefangen werd k
Seiendes einem r~:~o b
~are weiter zu fragen, was vom Begriff nicht
a~. s si~d wesentlich drei Momente, durch die sich
tifizierenden Begriffssenid u sumre~werden Unter die Allgemeinheit des iden-
7
8
9
10
Guzzoni 1981, S. 109f.; Hervorh. D.L.
Ebd., S. 112.
Vgl. ebd., S. 105.
w ersetzt· seme qu 1 · · n=rr . Adorno 1997, S. 19
1 • a ttarrve urerenz, der Bewandtms- 11
Adorno/Benjamin 1994 S. 417 I Hi Vgl. Thyen 1989, S. 204. Bei Gelegenheit von Übersetzungsarbeiten zu seinem Aufsatz über
chende Schrift Geschicht: und Klam b ntergru:'1d steht hier freilich Georg Lukacs' epochema­ Oswald Spengler, veröffentlicht 1941 in der Zeitschriftfür Sozialforschung, verwe~det Adorn_o
Lukacs' ins ssen ewußtsem (vgl L k' · "k erStmals den Begriff des Nicht-Identischen. An der betrcff~nde;11 Stelle ge~t ~s ihm um _die
B„ 2003gesamt vgl. Dannemann 1987. . · u acs 1967; zur Verdinglichungskntt
2 v~?er Möglichkeit des Neuen in der Geschichte, um die der ganze historische Matenalismu~ zentnert
). · ' zum Emßuß Lukacs' auf die kritische Theorie vgl.
3 &'• zum folgenden auch G . ist (vgl. Wiggershaus 1993, S. 350). Erläuternd sagt er: ,,Freedom post~late~ ehe existence of
Adorno 1997 s 152 Wi. np~ 1986, S. 84ff. someth· ·d · al" (Ad . "t bd) Und weiter: The non-identical clement must
G egenstandes' · · •euer. heißt es: " Id entitätsde k mg non-i entt_c orno, z1 • ~- e . . . . ebd.) Neben der Arbeit von Anke
f. . • not be nature alone 1t also can be man (Adorno, zrt. n. i.:: • • : ahn • d
4 Kager 1988 S um so weiter, Je riicksichtslo "h n en ent ernt sich von der Identität seines Thyen und der Ute Guzzonis
' · ware
•· rerner
r em· Au fsatz von jürgen
u Ritsert zu erw en, m em
s Ad ' . 39; Hervorh. i. Orig ser es I m auf den Leib rückt" (ebd)
6 orno 1997, s. 17. · · · der Begriff des Nichtidentischen treffend erläutert wird vgl. Ritsert 1997·
12 T,·· k
Ebd., S. 16f.; Hervorh. D.L. 13 Ure e 2000 , S • 32 •
14
Adorno 1997 ' S . 17•
Ebd., S. 19; Hervorh. D.L.
92
93
. h us dem begrifflichen Denken her-
rade mc t a · h d
. 2 gleich daß Adorno ge h' nicht grundsätzlic gegen I entität meint mehr als nur „die lebensnotwendige Ausbeut d
zeigt
ausspnn :1
gen ;ill
' seine •Philosop iehgar
11 · ht noc angesichts der überaus apodiktischen J .. H 6
wie dies etwa urgen a ermas nahelegt. Beide z· l er .externen ung d Natur"19
. '
• htet ist wie dies vie etc 'L • heißt scheinen mochte. Gerade weil Beherrsch ung der · Natur Wettmehr· auf eine histo re· enh mit_ ifemh Begnff der.
genc
R , k 1'dentmz1eren ' hli ß · h •
d davon, daß Den en „ k d Anderes ist, ersc re t es sie einem :fizierung von Natur durch das oben erläutene Id nsc t' ..-spez1
d ksc e Entquali-
..
d e Nichtidenusc
e . h . hts verzuc en . ·1 k . h
as . e nie .
f d' S ehe emem, ,, e
d r sich ms Detai versen t, src des
anderen Blick au ie a . '.h der Sache; D.L.] annimmt .
. " 15 I r.
nsorern zielt
.
. k 1
h
.
·
A
1 .
.
.
Naturbeherrsc ung zie t auf eine spezifische Art und w, · d U en
der Obje twe t, eme rt und Weise, die versucht soviel w· d' E' h . d
itats
weise
en
es
en. Kntik
mgangs
der
mit
.

Besonderen, Individuellen ~ id_r ~h


eh E k trus ie t ren
Gegenstand wirklich zu treffen sucht,
l b . Natur«20 h erzuste11 en. E'me Umgangsweise die das w ie d re N„ m ert. ker
noch eine sol e : e?n ' 11 . . Sie erkennt es a s etwas, a er sie meldet · d h · . '..
auszeichnet, em Sc emat1smus der Identitat unterwirft tw atur- 06 , as as ihr Je t
gleichsam auf Identifizieru~figk.A. em: " Sinne von ,identifizieren mit' an". gißt sie
16 . verd.mg1 rc· h t. ,, Natur b e h errschung meint also eine, 'tre 1 as an I ver- d
. Vorbeh al te ~egen die Identi . ation im
d Adorno gemeinsam verf-arsten n D ta· lek tt"k der '
Unterdrückung . .
der N1chttdent1tät . der Natur".21 ver eugnung un
In der von Hor~eimeralunw, dung aus dem oben zitierten Brief Ador-
,n.,lä
1 ht die zentr e wen . . . Insbesondere die Dialektik der Aufklärung, in der die Naturbehenschung
Au "' rung taue
B · · derzufo ge a er. l ll Verdinglichung ein Vergessen 1st, wieder so sehr im Zentrum des Interesses der Autoren steht, daß dies beinah d Vi _
hl ß ·1 d · E. d' . a1· „ en or
nos an enjarrun, nd p dem aphoristischen Sc u tei er Dzalek-
auf. In der bet~effe en
tik, denAufzezchnun z
gen
as;r
un
:usüifen rücken die Autoren dies Vergessen
22
~rf extremer m 1mens10n 1_tät" . pr~voziert, zeigt, wie sehr die Entquali-
fizierung der konkreten Manmgfaltigkeu des Naturgeschehens die Mensch­
b . . engen usammen ang mi; dem Phänomen
nhw . der Herrschaft des
heitsgeschichte von Anbeginn an prägt.23 So beschreiben Horkheimer und
a er m em~~
Menschen uber di e Natur, um so den historisch-spezifischen
. .. z·
Charakter des • Adorno ein wenig vereinfacht gesagt einen Prozeß, der während des gesam­
• ..
Idenritärsden kens zu unterstreichen. Nach emem langeren • itat
· aus , , einemb h ten Geschichtsverlaufs auf immer höheren Stufen der Verfeinerung hin zum
· fd f .. · 24
Brie es ranzosisc en h Physiologen Pierre Flourens,. m dem er seme
• vor .. ße al- modernen Kapitalismus führt. „Nicht bloß die ideelle, auch die praktische
te gegenu··b er dem E'msatz "On • Chloroform bei .ärztlichen Operationen.. au ert, 19
der den Patienten zuletzt nur unfähig macht, die schmerzhaften Vorgange der Habermas 1971, S. 36.
20
Operation zu erinnern, schreiben Horkheimer und Adorno: 21
Horkheimer/Adorno 1995, S. 15.
Görg 2003, S. 128. Görg schreibt weiter: ,,Sie [die Naturbeherrschung; D.L.J meint eine, mit
"Die perennierende Herrschaft über die Natur] ... J, die medizinische dem Aufkommen des Kapitalismus, der modernen Wissenschaft, der modernen Fassung der
und außermedizinische Technik schöpft ihre Kraft aus solcher Ver­ Geschlechterverhältnisse und der Organisation rationaler Herrschaft im Staat eng verbundene
spezifische Strategie, eine Strategie, die Max Weber als spezifisch moderne Rariona!itätsvorstel­
blendung, sie wäre durch Vergessen erst möglich gemacht. Verlust der lung bezeichnet hat" (ebd.). Max Weber schreibt in Vom inneren Berufzur \Vzssemchaft: ,.Die
Erinnerung als transzendentale Bedingung der Wissenschaft. Alle Ver­ zunehmende Intellektualisierung und Rationalisierung bedeutet also nicht eine zunehmende
dinglichung ist ein Vergessen".17 allgemeine Kenntnis der Lebensbedingungen, unter denen man steht. Sondern sie bedeutet
etwas anderes: das Wissen davon oder den Glauben daran: daß man, wenn man nur wollte,
Adornos Begriff des Nichtidentischen hängt nun eng zusammen mit dem es jederzeit erfahren könnte, daß es also prinzipiell keine ?ehei~isv?ll~n unberechenbaren
Mächte gebe, die da hineinspielen, daß man vielmehr alle Dmge - 1m ~nnzJp - dur~ Berecb:zen
,,schwierige[n] und umstrittene[n] Begriff"18 der Naturbeherrschung. Mit die­ beherrschen könne. Das aber bedeutet: die Entzauberung der Welt. Nicht mehr, ';Ie de: Wilde,
sem suchen Horkheimer und Adorno nicht bloß so etwas wie eine Aneignung für den es solche Mächte gab, muß man zu magischen Mitteln greifen, ~m die Ge~ter zu
b e h errschen oder zu erbitten. Sond ern tech msc
von Natur zu menschlichen Zwecken zu bezeichnen; Naturbeherrschung 11 b · · he M'ittel un d Berechnung leisten das. . Dies . vor
22 a ern edeuter die · Inte11 ektua1·1s1erung
· als · soj ch e "/\Vl
\ ..e ber 1992, S · 317·' Hervorh. 1. Ong.).
15
Thyen 1989, S. 205. Wiggershaus 2003, S. 73. r [ ]
16
23 "" we b er spric • ht von ernem
• m• der „okzidentalen Kultur durch Jahrtausende rortgesetzte n
Eb~.; ndHecvo,h. i. O'.ig. Einen solchen Gedanken des Vorbehalts gegen ein ,Identifizie"'n · Entzauberungsprozeß" (Weber 1992, S. 31l). H kh • d rauf den Arbei-
mit u ~as Votum für ein behutsames ,Identifizieren als' findet sich bereits in der Dialektik 24 Vgl.Jameson 1991, S. 132. In einem 1946 g~haltenen i,ortrag d or em~~~;he: Zivilisation im
Sder. Aufklärung: ,,Was als Triumph subjektiver Rationalität erscheint die Unterwerfung alles
e1enden unter den Jogis h p a1i • . ' d der ten zur Dialektik der Aufklärung beruht, wird der Stu engant j/ ~ns~nft im Widerstreit mit
Vi f . c en orm srnus, wird mit der gehorsamen Unteror nung Hinblick auf Natur noch einmal konzis zt1;5ammengef:\, ~ ~spekt der schrecklichen,
d_erG nun tbunh
nte~s un~ittelbar Vorfindliche erkauft. Das Vorfindliche als solches zu begreifen­ sich selbst heißt es: ,,Im voranimistischen Zeitalter ?arg . e . 1hatuh: en der Maske vieler Geister
d ie ege e eiten rucht bloß al 1'h b ak . k bei
enen man sie• dann packen k . s re ad str · ten raumze1t!ichen Beziehungen abzumer en, · Ire u"bderw äl. •
G.. t1genden
l kr f M
E ementar a t ana, a
. d nn zeigtefi sie . src
b inter .
n In den großen epischen
. . h d unde mer ar ware . .
Begr'ff1 smomentezu d enk d'ann,· son
h ern · sie im Gegenteil als die Oberfläche' als verrmrte
· h un
D Otter, die ihrem Wesen nac vage un k1 Konturen an· in der klassischen
. h
menschlichen Sinnes fü:Jn!, re sdic erst 10 der Entfaltung ihres gesellschaftlichen, historisc eE n, ph1c·1 tungen, etwa denen Homers, nahmen die . Götter . Bare iffe und Ideen, oder, wie . bei. Em-
. . d d' Götter m ewige egn r, . a1
besteht nicht im bloßeer wz.t,en - her ganze Anspruch der Erkenntms · wird
· preisgege
· be n ·d r O
1 osoph1e, so bei Platon, wur en re d l S h!' ßl'ch löste sich die Mythologie, s
n W<U1rne 1
17 bestimmenden Negation d • U men. ' Kl assi'fi zieren
· und Berechnen, sondern gerade 10· er pedokles, in das Element aller Dinge umgewan _eht. c re Natur auf und an ihre Stelle
Ebd.,S.244.
IB G·· 2 es,e nmittelbaren" CHorkheimer/Adorno 1995, S. 33). angemessener Ausdruck der menschliIC h en B e~Jed ungen S
zur viraler , unabhängiger
von ' Existenz,
arg 003, S. 126. traten Mechanik und Physik. Die Natur verlor JC e pu~ • Haufen Dinge" (Horkheimer
. .
Jeglichen selbständigen Wert. Sie . wurde zur toten Matene - em
1985, s. 109).
94
95
h „ c der Rationalität seit Anfang zu, kei­
Tendenz zur Selbscvernichtun? ge or kt hervortritt".2s Den Grund hierfür der nächsten Stunde und am folgenden Tag g f ß • ..
in der Jene nac 1 . h 'T' b . unser Le b en lang keine angstfreieeM"
a t sein mussen
. ' dann
neswegs nur d er Ph ase, . . em anthropo ogisc en rar estand".26 können wir
mute zu 6 nngen"_3o
. d Adorno m em " . d ß 'h
sehen Horkheimer un al ausgeliefert sm , mu es i r erstes Ziel
Weil die Menschen den Nacu_rgM ew te~en nur überleben wollen. Das hebt die Im Hinblick auf eine nun näher zu charakterisierende z· ·1· . .
b„ d" en so die ensc · S · · h A fkl ärung . l k
die in der Dia e tt
"k d A ,11..l··
er u1 rc arung freilich als eine üb rvr isationsgeschichte
'
sein, diese zu an i~ ' . t ins Bewußtsem:,, eit Je at u
• " 1 1 . d . . . eraus „rasante Genea-
Düilektik der Aufklarnng prom hm~n den Denkens das Ziel verfolgt, von den logie .3 vorge egt wir , verweigern sich die Autoren jeder S k I . ..b
f d Sinn fortsc reiten . " 27
den Naturzustan • d .32 Oh •·h pe u ation u er
ne na er angeben zu können aus w 1 h G .. d
im um assen sten h d sie als Herren emzusetzen . Vor die-
h d' }i rcht zu ne rnen un d' d M . , e c en run en
Mensc. en ie u . alle Techniken und Fertigkeiten, re er . ensch im dies gesch_ah, traten die Menschen als solche irgendwann einmal heraus aus
sem Hintergrund sind . N t r entwickelt hat, geboren aus semer Angst dem unmittelbaren Naturzusammenhang 33 Natur ist aber m · d' • .
. · reser Urzeit11-
Verlauf dieses Um~angAn srrut af uhrung wird zum Antrieb der menschlichen chen Konstellation etwas Dunkles und Dichtes, etwas, das Furche und Zittern
vor der Natur.28 Diese gster a
h. h 29 •
hervorruft un~ das k~um ~u beherrschen ist.34 Natur ist in den Anfängen
Gesc tc te, . ah f di Dialektik der Aufklärung zu beziehen, faßt Man- der Menschheitsgeschichte insofern zu verstehen als das, was die Menschen
Ohne sich n erau e h A
.
fred Fran k diesen Kernge danken über den Zusammen ang von ngsterfah- 30 Frank 1982, S. 47.
rung und Beherrschung von Natur treffend zusammen: 31 Garcia Düttmann 2004, S. 30.
32 Horkheimer und Adorno verweigern sich der Beantwortung der Frage, ob in diesem Na­
· Angst wir
,,Die · kt als ein Motor
.. der Rationalisierung,
. verstanden
.. . als
turzustand so etwas wie ein Kampf aller gegen alle statt hatte oder aber von einem quasi­
Wille zur Macht, d.h. zur Ubermächttgung und gesetzmäßigen Beherr- paradiesischen Zustand auszugehen ist. Antworten hierauf verlieren sich im Trüben der Vorge­
schung einer bedrohlichen Mitmenschen- und Außenwelt. Denn ':e~n schichte. Daher sind Darstellungen, die der Dialektik der Aufklärung unterstellen, sie gehe aus
wir aus unseren Erfahrungen nicht ableiten könnten, worauf wir m von einem „sympathetische[n) Zusammenhang" (Habermas 1971, S. 35) schlicht falsch (vgl.
Krusekamp 1992, S. 49; ferner Kager 1988, S. 238 (Fußnote 37) sowie S. 240 (Fußnote 47)).
33
Türcke schreibt: ,,Der Beginn menschlicher Geschichte verdankt sich einem Moment von
Diskontinuität im Naturprozeß. Nur sofern das Bewußtsein autonom Zwecke gegen die
unmittelbare Natur setzt, die ihr selbst nicht angehören, können die Menschen sich überhaupt
25
Horkheimer/Adorno 1995, S. 7. vom Naturprozeß abheben und anfangen, ihre Lebensbedingungen selbst zu produzieren. Das
26 Gripp 1986, S. 89.
Bewußtsein, stets an gegenständliche einzelne Naturwesen gebunden, findet die unmittelbare
2J Horkheimer/Adorno 1995, S. 9; Hervorh. D.L. Natur, von der es sich abhebt, immer schon als seine eigene heteronome Existenzbedingung
28
Vgl. Gripp 1986, S. 89. Der Ausgangspunkt der Dialektile der Aufklärung bleibt die Notwen­ vor" (Türcke 1987, S. 28f.).
34
digkeit zur gesellschaftlichen Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur. Hinter diese Hier begegnet, wie sich bereits mit Horkheimers Vortr:ig über die Vernunft: im __Wi~trei_t
so grundlegende geschichtsmaterialistische Einsicht fällt die Dialektik der Azifklärung nicht andeutete, ein nichtnaruralistischer Begriff von Natur, will sagen, was ~atur 1st, läßt steh_ mit
zurück. So betont auch Leo Löwenthal im autobiographischen Gespräch mit Helmut Dubiel: Horkheimer und Adorno immer nur aus der historischen Konstellation heraus b~greifen;
"Aber die marxistischen Grundmotive sind doch nie aufgegeben worden. Die geschichtsphilo­ anfangs etwas Ewiges, unverständlich Unvergängliches wird Natur zum ~loßen ?bJekt der
sophische Annahme, daß die Weltgeschichte als Resultat der Auseinandersetzung der außer­ Manipulation. Dessen ungeachtet bleibt Natur freilich immer die materiale Bedin~ng ?~r
un? mnermenschlichen Natur beschrieben werden kann" (Löwenthal 1980, S. 83; Hervorh. i. ·
gesellschaftlichen ·
Entwicklung: ,,Natur 1st · zu verste h en al s eine · Konstruktion und i,gleichzeitig haft
Ong.). Daß gerade Dubiel in seiner an Sozialwissenschaftler adressierten Rekonstruktion der als das was obwohl in und durch Gesellschaft reproduziert, als das Andere von Gese11 sc . ~
klassischen kritischen Gesells~haftstheorie" zu dem Schluß gelangt, Horkheimer und Adorno Kultu; ode; Technik diesen in konkreten Situationen oder Konstellationen entbgegenges;tzt _JSt
(Görg 2003, S. 121; Hervorh. i. Orig.). Die . Sozio . logzs• eh end" Exk_,dirse, h e rausgege
d G IIenhaft
vomI·atnstuut
•ßt sich
"scher~ni. ··]so behutsam wie entschieden aus der theoretischen Tradition des historischen
Matenalismus aus" (Dubiel 2001, S. 87; vgl. auch Dubiel 1978 S. 124) mutet vor diesem Hin­ für Sozialforschung, heben hervor: ,,Das uverhäl trns · von In 1v1. uum. unh dese drei sc · an ,
Momenten
tergrund durchaus seltsam Daß d" A · ' ' · · "d 11 a b er auch nicht
. trennen von dem zur Natur. D"Je K~ nstellation ZWISC . d enw, en rv
chselwirkung sich
und zu fa.. 11.1g son d em mehr an. d h ie neignung · h von Natur ferner freilich nicht indivi ueld ·1st d ynamisch.
· ·· · h b · d
Es genugt nie t, e1 er insic m E" · ht · ihre perennieren e we
II h f härt esentlich die Aufgabe,
Kr use k amp 'b etont: Der Wille u~ me H r systemausc
haft .. b -gesellschaftlich
N geschieht, wird von Hara
. .
·m d"rvi'd ue II e Id ee, wie •" die
. Praxi ' d errsc u er atur zu erlangen zu beruhigen, sondern eine Wissenschaft von der Ge~eksc a ~cha erfwltet und die wechseln-
5 H haf . . . , ist ebenso wenig erne d. hd . W, h elwir ung s1
1e Gesetze zu erforschen, nac enen Jene ec ~ h ft d N rur in ihrer geschichtlichen
en a '
wird mod h er errsc t eme solipsistische Leistung darstellt. Natur
29 Zur ~ngste:~gru esnpgr~c en - geselllschaftlich angeeignet" (Krusekamp 1991, S. 107). den Gestalten abzuleiten, die Individ~un:, <?_esj ;~~ d~nBezi:hung zwischen Individuum,
an msgesamt vg K k 19 · d h Dynamik annehmen. ,Eine _Formel, _die em _für, 1 er Einfluß natürlicher, geophysischer und
auf jüngere ethnographi" h A b . · r~se _amp 92, S. 49ff. Krusekamp verweist ort auc l
. sc e r erten die d1 An N · · · z · fe Gesellschaft ~nd ~atur bestimmte,_ gibt es nicht · ~aftliche Institutionen, den Comte ~r den
ziehen. Dagegen ließe sich ein Wort 'r· e g~ vor atur als emz1ge Erfahrung m . wer besonders klimatischer Gegebenheiten auf gese!lsc . . "h er Lieblingsthemen geblieben;
seelenzerrüttende Kraft" rr.·· k urckes anführen. So schreibt er über die „unmittelbar ersten Gegenstand der .posinven . . S ozio· 1 ogie· , hieltG ' 1st emesh"I r die Ökologie. Ein . Extrem h at
\-<Ure e 1991 S 28· p ß . Wir d araus wurde eine soziologische . T, ildi . r1 der eograp re,
machen uns kaum mehr · Vi l ' · , u note 38) des Schreckens der Natur. ,, . e1 rszip _n . I B dingungen des Zusammenle b ens
.
umgetneben·haben muß- d eme orste lung d avon, wie er Schrecken die frühe Mensc hh e 1t
· d d. • h
1e Nachfolge von Ratzel erreic t, we c e
I h d 1 e physisc ren e 1 •
lieh Sozialen ablenkte. Die notwen g
di
fi · b un ZWarumso h · • . · r •
xrer ar und berechenbar Ih me r, Je weniger Worte sie für ihn hatte, Je wenige 1
der Menschen absolut setzte und d_adurch vom c~en~ vor efundene Natur ebenfalls gesell­
b
Schrecklichen anzugleicheenr wdar. n ~ehgzuarbeiten gab es nur zwei Möglichkeiten: sich dern
b o er es sie v
enennen, egreifen, gefügig machen läßt" (e~~~~;-~~tachen. Vertraut aber wird, was SJC
. h ergänzende Einsicht jedoch, daß die vo':1 Men~~ tt So~iologie weit weniger empfoh~en.
schaftlich präformiert sei, hat sich der wissensc · t ic iali t. chen Erben vorbehalten" (Institut
Sie . blieb der dialektischen Philosop
. h"1e un d 1"h ren rnaterra is rs

96
97
. I 3s U d so gibt es, angesichts des von der Natur
Freilich kann noch bis zum Beginn der N • .
bedrückt, ja sie unteqoc ~-tb. . nsachhaltige Gründe für ein herrschaftliches . w, . euze1t von einer Herrschaftu"ber d'1e
ausge hen den c 1
S 1 reckens u e1aus
lb ren Naturzusammen ang.
h Natur 1m strengen wortsmne nicht die Re de sem .
I · · h
Heraustreten au
' .
s dem unrmttc a
. h
h d der Schamanen und Magier werden Wind d Wim mimetisc en Zeitalter
.
11 aften Erfahrungen suc• t er Mensch nun also
ebenso wenig beherrscht wie im mythisch unW, l eltterd, Bod.e~ und Haustier
D en schreck-. wie sc merz D . . d
H . haft über Natur gewmnt. as 1st m en aller- en e ta ter er E k d·
k indem er errsc 'ß . d 11 taphysischen Weltalter der mittelalterlichen St" d ll pi er un im me-
zu ent omme~, M hheitsgeschichte, das hei t m en a erfrühesten . an egese schaft N h b·
··h
fru es e t n Phasen der ensc . . 'p . . N Vorabend der Neuzeit gehen Bauern und Hand k · oc 1s zum
h„ s einfachen primitiven raxis m atur, bereits . N . b 6 bl 'b . wer er naturnotwendig-ewig
u hen einer noc u6 erau ,' S h . fd rrut atur um, e enso a er e1 en sie ihr au h 1· r.
versuc . h . d in anderen Worten erste c ntte au em noch über Natur kann dann recht eigentlich erst das W,
c ausge terert Von H
. ·d
h f
errsc a t
elegt Die Versuc e sm D' d P . . .
ang · • schaftlichen Denken. iese tut er , nm1t1ve', der „ kli h N bl" · • Ort sem, wo er Mensch sich
hr langen \Veg zum wissen d E fah k . ausdruc 1c von atur a ost. Emz1g kraft einer sol h S lb d' .
se . all U 6 k te Fremde; das was en r rungs reis transzen- h N "41 k c en " e st 1stanzierung
versucht, " es n e ann , . b k D . «36 d des Mensc en von atur ann er sie zum ObJ'ekt · B r hl ,
. d D' ehr ist als 1hr vorweg e anntes asein urch . h 1· h · seines , ere s machen
diert was an en mgen m "b 1· 37 fl .. Das gesch1e t wesent 1c mit der beginnenden Neuz · · d d' H ·
ifun • · Namen Verehrung als Mana zu u er isten. Au darung .. . . eit, m er ie errschaft
Anru gm1temem , h · D · · uber Natur zu emem ganz zentralen Thema wird Nar h · · d'
.im strengeren w, wortsin
· ne setzt dann mit dem Myt os em. as ist eme der
„ h l kh .
.
Konstellauon als das von menschlicher Vernunft zu Une
• ur ersc emt m ieser
_r d 42 Mi
. · ht der Dialektik der Aufklarung. So a ten Hor eimer und , . erwerten e. 1t
zentralen Emsic en " 38 b'l af · · Rene Descartes aber vor allem Franc1s Bacon wird das Pro· k d N b
. . . Je t er atur e-
Adorno rrest.• " s chon der Mythos ist Aufklärung .d Das 1 dh · t-m1metische h · herrschung m großer Klarheit formuhert.43 Die Neue Wissensch ft B
Verhalten des Schamanen wurde verdrängt durch en sys~ematlsc en Bencht . h d' k . h f b a acons
ste 11 t sie 1e pra tisc e Au ga e, die Ursachen und Bewegungen, die Kräfte
in begrifflich-sprachlicher Form. "Der Mythos wollte ~enchte_n, nennen, ~en in Natur zu erkennen, um schließlich die Herrschaft des Menschen über Na­
Urs rung sazen: damit aber darstellen, festhalten, erklaren. Mit der Aufze1ch­
tur bis an die Grenzen des überhaupt Möglichen auszudehnen. So wird der
nu! und s:mmlung der Mythen hat sich das verstärkt. Sie wurden früh
Mensch zum Herren und Eigentümer der Natur, fähig, die natürlichen Prozes­
aus dem Bericht zur Lehre".39 Der Mythos, der als eine bereits entwickeltere se systematisch und vollständig zu steuern. Und das bedeutet heute, so William
Form naturbeherrschender Praxis begriffen werden kann, war, sofern er eben Leiss, ,,Energie aus Atomkernen zu gewinnen und zu nutzen, Materialien,
versuchte, das Naturgeschehen zu erklären und so verfügbar zu machen, inten­ Chemikalien und Maschinen mit phantastischen Eigenschaften herzustellen
tional der Aufklärung verpflichtet. Gerade das begriffliche Denken wird in und die genetischen Strukturen aller biologischen Wesen zu manipulieren=.t"
der Dialektik der Aufklärung als ein ,ideelles Werkzeug' angesehen, mit dem Auf der Basis der Ausbeutung der Ressourcen sollte, so das Glückversprechen
die Menschen nach und nach Macht über Natur gewinnen. der Modeme, eine Überfülle an Gütern hervorgebracht und getauscht werden,
„Die Menschen distanzierten sich denkend von Natur, um sie vor sich zum Zweck, sich vom Ausgeliefertsein an die natürlichen Gewalten und der
hinzustellen, wie sie zu beherrschen ist. Gleich dem Ding, dem ma­ Angst vor ihnen zu befreien. 45 Indes, so ist etwa bei Moishe Postone zu lesen,
teriellen Werkzeug, das in den verschiedenen Situationen als dasselbe
Exemplare dieselbe Gattung, in den veränderten Situationen dasselbe Ding. Wenngl~ich die
festgehalten wird und so die Welt als das Chaotische, Vielseitige, bis­ Möglichkeit von Wiedererkennen nicht mangelt, ist Identifizierung aufs vital Vorgez~1chnete
rarate vom Bekannten, Einen, Identischen scheidet, ist der Begriff das beschränkt. Im Fluß findet sich nichts das als bleibend bestimmt wäre, und doch bleibt alles
ideelle Werkzeug, das in die Stelle an allen Dingen paßt, wo man sie ein und dasselbe, weil es kein festes Wissen ums Vergangene und keinen hellen Blick in die
packen kann". 40 Zukunft gibt" (ebd., S. 263). . .. .
41
Böhme/Böhme 2003, S. 33. Eine Identifizierung durch Abkehr läßt sich am Selbstverstandms
des Menschen als animal rationale verdeutlichen. Das, was den Menschen zum Menschen machht,
für Sozialforschung 1983 S · 43f)• • z um d'1aI ekusc· hen Naturbegnff · m · der kritisc
· · hen Theorie . · a1·1tät.
· Der Mensch mag Natur, mag Tier sein wie andere Lebewesen auc
r
vg1 · rerner .
Schmid Noerr' 1990
· seiner
1.1egt m · Ration . h . .
H • M ensch wird . er mdes
. . h N
genannt, wo er Sf.C von atur un er t scheidet
. ' .wo er sie
. von seiner
d
Vgl. Schmid Noerr 1990 S XIl . . absetzt. Freilich
.. geht es nie
. ht darum, d"te D.fferenz wiederdeinzuziehen,
36 ' '
Horl0eimer/Adorno 1995, S. 21.
• Naturhaft1gke1t I G . b son
d ern·t
37 .
zu zeigen, .
welche Kosten mit dieser blanken S chet'dung von Natur un eist ver un en 1s
Daß msbesondere die Vor- u d p „h h' h • · "b (vgl. ebd.).
zeugend gerät, wird in der n r~- g_esc ic te m der Dialektik der Aufklärung nicht u er-
1992) Plau51'b 1 b nd
h . Se½u arhteratur moniert (vgl. etwa Thyen 1989· Krusekamp
· e a er sc emt sich · · st ' · · d :: Vgl. Schmid Noerr 1990, S. XII. . .. . .. die Herren und Eigentümer der
vorzustellen nah d d ' _em m rumentelles Verhältnis zu Natur als dom1meren Vgl. Descartes 1997; vgl. Bacon 1999. Einen Ub~rbhck uber w· .1 ld in Winterfeld :Z006.
•·Uberleben interessiert
' c emD as materielle . G egenu er wesentlich m semer Funktion rs eigene
"b • • • · fü · .
Natur, di e immer . , waren, liefert Uta von mterre
auch Naturpatriarchen
l.1c h e Umgangsweise m· 't Ner 1ntentzon f d nach wären a] so auch vorwissensch
• aftli che, fru··h geschicht- 44L.
Jg H kh . i atur au eren Bch h . ). 45 eiss 2003, S. 136. . d Ä uivalenzprinzip sein Modell im
or e1mer/Adorno 1995 S 6. l f, errsc ung aus (vgl. W1ggershaus 1996. Vgl. ~bd. Daß gerade das dem Tausch zugrund~ hegen ~ qAdorno spricht davon, daß "das
39 Horkheimer/Adorno 1995, s· 14vg. erner Kager 1988, S. 33ff. Idem1tätsprinzip hat, kann hier nur knapp erwähnt werben: rt [ist) der Allgemeinheit des
40 Eh?·• S. ~6. Andernorts sch;eiben H k . . .
abstra kt A l lgcmeme, das d en Zwang ausuübt , [ : · · ] versc hlwiste des Nichtidentischcn , durch
Es ist kem Wort da um im Fl ß d or he1~er und Adorno: »Die Welt des Tieres ist begnffslos. ~enkens, dem Geist" (Adorno 1997, S. 310). ,,Die Unt~rscd at1~ußt ~ehandhabten ,Mimesis'
' u es Erschemenden das Identische festzuhalten, im Wechsel der die abstrakte Begrifflichkeir, in ihrer Urform schon m er c

98 99
.
"der mit der Indu st:ie ;e~ b ndene Traum von Freiheit als der völligen Befrei-
~on der Natur[ ... J wird zum Alptraum für all das
ung von 1l~r ~toffüch er ' . h das Kapital zu befreien sucht - den Planeten
Entwickelt, Entwickelt! Das ist Mose
ein verdmg
. b'
hezu b e 1 1e 1g unterworfen werden ka
d d'
. 1·rc htes S u b strat, das den s un k ie Proph eten.'S o 61 eibr
z
wec setzungen d G 11
.c
. Natur
' er ese schaft' na-
und all die1emgen, wovon sie .c h . . d nn, s01ern man nu d .
. h "46 betrofren eit emge enk bleibt. 49 Es ehr h r. er eigenen Rück-
und seine Bewo ner · Eigentümern' der Erde weiterhin um gB auhc bden ~eutrgen ,Herren und
" erec en arke1t de N [ ]
jedoc h a 1 s Kontro11 e d er negativen Nebenfol en der r atur • •. , nun
''b d' Kri'st's der gesellschaftlichen Naturve.rhält- durch Berechnung der Wahrscheinlichkeite;und deNat~r~eherrschung, z.B.
Ex k urs u er 1e • • 1 Klimaschäden".50 Und wie durch die Krise d ll rhmo~ltchen Kosten von

nisse un
d d ''kologische
as o Bewußtsein bei Kar Marx und nisse sich beinahe so etwas wie eine Wiede er gese bsc aftlrchen Naturverhält-
. d . K rverzau erung der N tu .
Friedrich Engels - sie wir 1m ern zu etwas Unberechenb
. 1 d
.. . a r ereignet
aren - so tragt Soziol . . 'h
rer Verhimme ung er Naturbeherrschung d' ogie mit 1 -
Mit der alptraumhaften Entfaltung des Warentaus~hs und der freien Konkur­ Gesellschaft'. 51 iesen neuen Zauber auch in ,die
renz in ein nicht steuerbares Unterfangen, das auf die Zerstörung des Planeten Eine solche, von zünftiger Soziologie in A . h .. .
und seiner Bewohner zutreibt, gibt Postone einen drä~gend~n _Hinweis auf 'k . b . ussic t geste 11 te okologische
Kommum ation ewegt sich reichlich vorde „ d' fd ' •
die gegenwärtige Krisis gesellschaftlicher Naturve~hältmsse, die _ihre ~rsache „ F . d . h E 1 rgrun ig au em Niveau des
sparen ne nc nge s, dem recht eigentlich d u d' k
in der skizzierten Beherrschung der Natur hat. Eme solche Krisensituation "k l . h p 61 as ver ienst zu ornmt auf
o o og1sc e ro eme der kapitalistischen Produkt" · hi · '
ist eine, in der die Erfahrung möglich wird, daß Natur in ihrer objekthaften 52 E l • . ionsweise ngewiesen zu
h ab en.
Gestalt nicht zusammengeht mit ihrer verdinglichten Form. Eine gewisse . h E .c 1 nge s ·sieht bereits klar das Auseinanderfallen von ersten an d grei·t_
h
11c en rro gen 1m Umgang mit Natur und entferntere N h · k d
Unverfügbarkeit, ja Widerständigkeit macht sich mit einem Mal geltend. · fd k · n ac wir ungen er
a.11 em au. . en .. apitalen Erfolg hin orientierten Handlung In .c
en. sorern erweisen •
„Ökologische Probleme sind nicht zuletzt Situationen, an denen das sich die Siege uber Natur bald als reine Pyrrhussiege.
vorhandene Wissen über materiell-stoffliche Zusammenhänge mit den
praktischen Transformationen der Natur so kollidiert, dass Situationen ,,Schmeicheln wir uns[... ] nicht zu sehr mit unsern menschlichen Sie­
der Ungewissheit bzw. der Unsicherheit entstehen. In diesem Zusam­ gen _über die Natur. Für jeden solcher Siege rächt sie sich an uns. Jeder
mentreffen symbolischer und praktischer Konstruktionen der Natur hat m erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet haben, aber in
kann die Erfahrung gemacht werden, dass der zu konstruierende Ge­ zweiter und dritter Linie hat er ganz andre, unvorhergesehene Wirkun­
genstand offenkundig eine gewisse eigene Logik, eine Bestimmtheit an gen, die nur zu oft jene ersten Folgen wieder aufheben. Die Leute, die
sich selbst besitzt". 47 in Mesopotamien, Griechenland, Kleinasien und anderswo die \Val.der
ausrotteten, um urbares Land zu gewinnen, träumten nicht, daß sie
Und auf eben diese Erfahrung kann man reflektieren- man kann sich ihr damit den Grund zur jetzigen Verödung jener Länder legten, indem
freilich auch verweigern. Nicht allein in ökologischer Hinsicht landet man sie ihnen mit den Waldern die Ansammlungszentren und Behälter der
dann bei Niklas Luhmann: Feuchtigkeit entzogen". 53

" Es geht ruc


. ht um ein
· mehr oder weniger an technischer Naturbeherr- Recht optimistisch geht Engels noch davon aus, daß es künftiger Wissenschaft
s~hung und schon gar nicht um sakrale oder ethische Sperren. Es geht gelingen wird, die „näheren und entfernteren Nachwirkungen unserer Eingrif­
nicht
M ß um Schonung . der Natu r und auch nie
. ht um neue Tabus. In dem fe in den herkömmlichen Gang der Natur"54 rechtzeitig zu erkennen und zu
a e, als techmsche Eingriffe die Natur .. d dd F 1 beherrschen. Dazu allerdings braucht es, das hebt Engels von aller Soziologie
geprobl fü d' G veran ern un araus o -
d emeh r. re . esellschaft resultieren, wird man nicht weniger,
son ern rne r Emgnffskomp t . k 1n 49
R" kb f:r h . . e enzen entwic e müssen die die eigene VI~- • G··
org 2004, S. 219.
uc etro ren eit emschließen". 48 ' 50
G_org 2003, S. 131. . .
51
Eme allzu prosaische Wirklichkeit verzaubert etwa der Sozi~loge ~!aus Peter J~pp 1:11t ~en
schönen Worten: "Ob es schließlich zu gesellschaftlichen Rat1onahtatseffe½ten im H1~b!Jf.~k
der ~ist ~es Odysseus angelegt hat ihr . . auf die ökologische Differenz kommt, lassen wir offen. Die Beantwoi:ung ~ics~r Frage 15t ~m
Begriff die Qualitäten des 2 E, f dPen~ant m der Tauschabstraktion. Wie der allgemeine empirisches Problem und bleibt ein Geheimnis des Wechselspiels von _e1gen'.nacht1ger Evo~~tton
. . u
qua 1itanven Momenten des .,.. hr assen en 1 'd' d
iqui rert, so abstrahiert auch der Tausch von en
112ff)• • zu rausc enden" (Kager 1 988, S. 113; vgl. hierzu insgesamt eh d ,, 5 · ~nd beeinflußbarem Wandel" Gapp 1996, s. 200). Seit je hat S~zio!og1e allem Gegenaufklarung,
46 In der freilich ein Stück Wahrheit sich Ausdruck verschafft, im Sinn.
Postone 2003, S. 57Sf. 52
47 G„ Vgl. Fetscher 1980, S. 110ff.
48 org 2003, S. 123; Hervorh. D L 53
Luhmann 1986 s 3 f · · 54
MEW 20, S. 452f.
' · 8 ,; Hervorh. getilgt. Ebd., S. 454.

100 101
. di V, gänge in der Natur, sondern ebenso sehr Eine qualitative Änderung des Umgangs mit N .
ab, nicht allein ~as Wiss~? um unsrer bisherigen Produktionsweise und mit . h „ 1· h A f . I atur scheint für M d
Engels nie t mog rc . u ewig scheint es im S ffw h arx un
eine vollständige UmwälzunO g d g" 55 · · to
.Mensch un d N atur emz1g und allein herrsch f 1. h
ec selprozeß · h
ZW1sc en
" . . roten r nun . a t rc zugehen zu können.
ihr unsrer Jetzigen ges~ . H' weis auf die Zerstörung von Planet und
Postone spie
· lt mit semem m · h ·
h 17 P •tal an in dem hellste ttg zu esen ist daß
1 ·
f d M rxsc e .na z ' . . . ' Sofern nun mit der Dialektik der Aufklärung d" G h" h
Bewohnern au as a k . ise nur die Technik und Kombmat1on des • h ie esc 1c te der Menschh ·
. ali t' ehe Produ uonswe " 1] . d . als eine Ent fa1 tungsgesch 1c te von Naturbeher h h . . eit
di e k apit is is d k . ozesses [entwicke t , m em sie zugleich die . E • . rsc ung gesc neben wird 1·
anderen Worten d1e ntquahfiz1erung und Verei h · 1. h d ' .n
gesellschaftlichen Pro . uh uonsp:tergräbt: die Erde und den Arbeiter". 56 Marx . A 6 . n eit ic ung er Natur d
. llen allen Re1c tums u . . d k . . . .Menschheit von n egmn an prägt stellt sich f ·1· h d' F ie
Spnngque_ l ah früh die destruktive Seite er apitalistischen . d Ad d . ' rei rc ie rage, ob Hork-
b Enge s gew ren h he1mer un orno arrut, Luhmann nicht unahnli h · h .
e enso ':"'ie . ··k l . h Sensibilität ist ihnen also durc aus zu attestieren. . h G h" h h . ic 'nie t so etwas wie
Produktion; eine o o ogisc e d N . h p b eine rragisc e esc 1c te sc reiben. Das gerade Gege t ·1 · d F ll
n e1 ist er a Hark
• d "h die Beherrschung er atur ruc t zum ro lem. heimer und Adorno geht es also keineswegs darum zu b h d.aß d' -
h
Und dennoc wir i nen · .. d · d · · 1 , e aupten, ie
. d Ad kritisieren das als em „Zugestan ms an en reaktio- Menschheit zu etzt aus der unheilvollen Beherrschung d N · h h
Horkheirner un orno .. . . . er atur ruc t er-
"57
nären common sense . auskomme,
. stellt doch
.. . sie. die Verdmglichung der Natur gerade k eine
für · aus
"In dem er [d er S oz1
ialisrnus:, D · L · J für alle
. Zukunft
. . die Notwendigkeit
.. .
der Zeit gef~llene, uberh1stonsche Erscheinung dar. Schließlich "gründet die
· h
zur B as1s er o unb d den Geist auf gut idealistisch
. zur. hochsten. Spit- gesamte logische Ordn~ng,. Abhängigkeit, Verkettung, Umgreifen und Zu­
ze depravierte, hielt er das Erbe der ~ürgerlichen P~1lo~oph1e al~zu sammenschluß der Begnffe m den entsprechenden Verhältnissen der sozialen
krampfhaft fest. So bliebe das Verhältn~s der Notwendigkeit zum Reich Wirklichkeit, der Arbeitsteilung".59
der Freiheit bloß quantitativ, mechanisch, und N~tur, als ganz fr~md Dieser Passage der Dialektik der Aufklärung folgt ein Hinwies auf die
gesetzt, wie in der ersten Mythologie, würde totalitär und absorbierte Studie der Ethnologen und Soziologen Emile Durkheim und Marcel Mauss
die Freiheit samt dem Sozialismus".58 mit dem Titel Über einige primitive Formen von Klassifikation.60 Diese ziehen
Horkheimer und Adorno heran, um in einer Art Rückverlägerung der Ana­
55 Ebd.
56 MEW 23, S. 530; Hervorh. i. 0rig. lysen von Alfred Sohn-Rethel den „gesellschaftlichen Charakter der Denkfor­
61
57
Horkheimer/Adorno 1995, S. 47. men" zu verdeutlichen. Den Überlegungen Durkheims und Mauss' zufolge
58 Ebd. Horkheimer und Adorno spielen hier auf die berühmte Passage aus dem dritten Band des
ist nämlich die logische Hierarchie lediglich Ausdruck der sozialen Hierarchie,
Kapitals an, in dem zwischen dem Reich der Notwendigkeit und dem der Freiheit durchaus das heißt: die Art und Weise der Klassifikation ist Ausdruck der Spaltung der
etwas phantasielos unterschieden wird. "Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo
das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also Gesellschaft in eine herrschende und eine beherrschte Klasse. Insbesondere
der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion. Wie Durkheim wird hierfür den Begriff des ,Soziozentrismus' prägen. Dies meint,
der Wilde mit der Natur ringen muß, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu daß die Formen der Klassifikation, die Art, begrifflich-logisch zu identifizieren
erhalten und zu reproduzieren, so muß es der Zivilisierte, und er muß es in allen Gesellschafts­ ,,eine Projektion der vermeintlich naturwüchsigen Gesellschaft über das Indi­
f~rmen_und unter allen möglichen Produktionsweisen. Mit seiner Entwicklung erweitert sich
dies Reich der Naturnotwendigkeit, weil die Bedürfnisse· aber zugleich erweitern sich die viduum auf die Natur" ist.62 Wo allerdings die französische Soziologie davon
Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehn, ausgeht, daß die Dominanz der Gesellschaft sich aus einer zwangsläufige~
da_ß der vergesell~chaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel Abhängigkeit der Individuen von Gesellschaft ergibt, da betonen Horkhei-
7t der ~atur r~tionell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm
a 5 von emer bl'.nden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand
und
· h unter b den ihrer . . ich en Natur wur
. rnenschli
zie n. A er es bleibt dies 1m · R · hd N
·· di gsten und adäquatesten Bedingungen
·
· · Jenseits desselben begmnt ·
voll·
d"ie
die Richtung der Flüsse ändern und Ozeanen Regeln vorschreiben" (Trotzki_ 1968, S. 21 lf.;
auch Traverso 1997). Insgesamt zur ambivalent beantworteten Naturfrage be! l\:arx unt~nr

hli h Kraf . mer ein er otwend1gke1t.
mensc 1c e . tentw1ckl d" · h
erc
aJ 16
. ung, re sie s Se stzweck gilt das wahre Reich der Freiheit, as · · d !n
vgl. Schmidt 1993. So ambivalent Marx und Engels selbst Sachen Nhat~r sml • 50 am div~hent
a b er nur au fJenem Reich d N
des A b · • d"
di k . '
er otwen g eit als seiner Basis aufblühn kann. Die Verkürzung
.
61 eibt auch ihre Rezeption. W:-ihren d di e emen
. • wegen I h res Fortsc nttsg"hau 6 ens un -11 res
sie
.. d'
r e1tstags 1st 1e Grundb d" " (ME D" Industrialismus kritisieren (vgl. Fetscher 19 80) , wur igen a ndere das von 1 nen entworrene
unmittelbaren Nacht l M e, mgung W 25, S. 828; vgl. ferner Marcuse 1967). ie 7
i° nd
Formuljerungen (v ger ~;:;,u Engels' konnten es sich angesichts solcher und andere: 59
sozial-ökologische Reformprogramm (vgl.Jacobs 199 ),
Horkheimer/Adorno 1995, S. 28. .. 19f
zitiert der in LitevAgtu· etwdaR l ~• S. 467) leicht machen. Pars pro toto sei hier Leo Trotzkdi 60
Vgl. Durkheim/Mauss 1993; vgl. hierzu auch Gorg 1999• S. GJffh., 1 "
, ,._., r un euo utton b k äft" D"
Tal, von Feldern und w· S e r igt: " 1e gegenwärtige Verteilung von Berg un 6t H kh . 1199 0
endgültig bezeichnen Gies~n, ~ep?.en, Waldern und Meeresküsten darf man keinesfalls als or eimer/Adorno 1995, S. 28; Hervorh · D · L .,. .vgl · Sohn-Ret
h . • e · r · Kritik der tnstrumen-
62 G .. bd S 163 H0 rkheirner sc rei6t m seine
bereits im Bild der N~tue~isse ertnderungen - und nicht einmal geringe - hat der Mensch org 1999, S. 120; vgl. ferne~ e ., • . · . I h daß die hierarchische Anordnung der
wird, nur schülerhafte Er e:vorge racht; aber das sind im Vergleich zu dem, was konunen tellen Vernunft: "Die französische Soziologie hat ~e e_ rt, 'd 'h e Macht über das Individuum
•fc d" S
• i'h rem ganzen Umfangxpenmente
· • •
pnm1t1ven •
Allgemcmbegn 1e ie tammeso rgamsauon
. h d un [ i r] gesellschaftliche
· Verhältnisse
m · hli ( ] D er sozi•a1·istische
ßl" · · · . Mensch will und wir . d d'1e N_anrr
reflektiert. Sie hat gezeigt, daß die gesamte l?gisc e 0 r Sn~~~)-··
beherrschen. Er wird Berg:~~shc iePl ich der Auerhähne und Störe mit Hilfe von Maschin_end und ihre Arbeitsteilung spiegeln" (Horkheimer 1997, · ·
i ren atz zuweise n und zeigen, · . weichen
wo sie . ..
mussen. Er wir

102 103
daß d" er Zustand Ausdruck einer spezifis chen, nämlich selbst als Natur sich abschneidet d
mer und A d orno, ies 11 h f . 63 . h am L e b en erh"l , wer. hen all die Zwecke, fü r d'1e er
herrschaftlichen, Einrichtung von Gese sc a t i~t- . . sie a t, d er gesellschaf
. 11 t 1 ,c e Fortsch 't d' S .
hung der Natur wurde bis hierher wie selbstverständ a11 er materte en und geistigen Kräf . B n_ t, ie te1gerung
Unter d er B e h errsc b -
. h. die Beherrschung der die Menschen umge enden Natur ver- ~nd die Inthronisierung des Mittels :~J;w::ß1:5e~n sel~r, nichtig,
1ic immer nur i d ßdi K. ik d B h lismus den Charakter des offenen W h . ' di~ im spaten Kapita-
standen. Zu Recht betont nun Axel Honne~!il „ a e r~~ ;~ e_ errschung . h d a nsmns annimmt . h .
der äußeren Natur für die Dialektik der Au1 ~ arung beib ie " mst1egsstufe"64
u h
der rgesc ic te er Subjektivität wahrnehmb . , ist sc on m
Menschen über sich selbst die sein S lb b ar. Die Herrschaft des
ines Komplementärphänomens a g1 t. Denn der verding- ' e st egrü d · •
fü r die An alyse ei . .. h d. d.
lichten Natur, die wir nicht sind, gegenuber ste t _1ehv~rding rc te Natur,
h r mal die Vernichtung des SubJ"ekts in d
'
n· n ~t, ist virtuell alle-
essen renst sie h" h d
die beherrschte, unterdrückte und d h S lb gesc ie t, enn
. · 16 t · d In anderen Worten gehört zur . .Ein eit er Natur' außer • . urc e sterhaltung a f l"
die wir se s sm . .
65 So ist schließlich . Su b stanz ist gar nichts anderes als das L b d' al u ge oste
. heit der Natur' in uns. die Beherrschung des · · e en ige s dessen F k ·
uns di e , Ein h 'h . die Leistungen der Selbsterhaltung einzi . h • . un non
ig sie 6esnmmen eige tli h
äußeren Naturobjekts immer nur dort 1:1öglic , wo i _m em auf Dauer ge- gerade d as, was erh alten werden soll".67 ' n c
stelltes Herrschafts-Subjekt gegenübertntt. Um aber diese Dauerhaftigkeit
zu gewährleisten, muß das Amorphe, das Zer~ieße~de, d~: ~as am Subjekt In ihren historisch-anthropologischen Abschnitt . h.
··b d' I f h d Od 68 en, wesenr 1ic 1m Exkurs
selbst naturhaft ist, bezwungen werden. Das heißt, die kreaturlich-natürlichen u erd_ieGrr ah~then des . ysseus, rekonstruiert die Dialektik der Aufklärung
Impulse am Menschen müssen verdrängt werden. Angesic~ts der hiermit auf­ also ie esc rc te er Emheit des Menschen als ein ak K l ..
„ h" h . ex tes omp ementar-
erlegten Opfer kann die Dialektik der Aufklärung konstatieren, daß sich die p hanomen
.
zur
.
Gesc rc te der Emheit der Natur 69 wr0
.
d •· ß
• w an er au eren atur
I
N
Menschheit Furchtbares hat antun müssen, ,,bis das Selbst, der identische nur interessiert, wo '?an s~e packen kann, so gilt dies noch für die Natur des
zweckgerichtete, männliche Charakter geschaffen war, und etwas davon wird' Menschen. Auch an 1hr wird alles verfemt ignoriert und b
· · 1 .. . . '. . h ·
a gesc mtten, was
noch in jeder Kindheit wiederholt". 66 emer mstrumente len Verfügung nicht dienlich 1st. So entspricht einer selekti-
Damit aber wird das ganze Unternehmen der Selbsterhaltung, auf das die ven Wahrnehmung und Handhabung von äußerer Natur eine nur selektive
Beherrschung der Natur schließlich hinauslaufen soll, selbst zu einem reichlich Du~chlassung von Trieb~egungen der inneren Natur; entspricht der lediglich
paradoxen. So zielt doch diese Form der Selbsterhaltung im Kern auf eine auf ihre Beherrschbarkeit wahrgenommenen Natur, die wir nicht sind, eine
Selbstverleugnung. Das, was es eigentlich zu erhalten gilt, der Mensch, das be~errs~hte Natur, die wir selbst sind. Eine solche Disziplinierung begreift die
Individuum, wird verleugnet und geopfert. Dialektik der Aufklärung als "angespannte Distanzierung von Natur".70 Und
das gilt noch heute, trotz und wegen aller Wellness-Angebote usf. Horkheimer
"Eben diese Verleugnung [die Verleugnung der Naturhaftigkeit am
und Adorno stellen diese Distanzierung von Natur als auf Unterdrückung
Menschen; D.L.], der Kern aller zivilisatorischen Rationalität, ist die
~elle der fortwu~her~den Irrationalität: mit der Verleugnung der Natur und auf Verdrängung beruhend bloß und interpretieren sie als bloß oberfläch­
im Menschen wird nicht bloß das Telos der auswendigen Naturbeherr­ liche Zivilisierung. Und insofern heißt, die Natur beherrschen, sie immer
s~hu?g sondern das Telos des eigenen Lebens verwirrt und undurch­ krampfhaft beherrschen. Einzig und allein durch die Selbsterniedrigung des
sichtig. In dem Augenblick, in dem der Mensch das Bewußtsein seiner Menschen, kraft der Verleugnung der eigenen Naturhaftigkeit, gilt Überleben
als möglich. In dieser unheimlichen Welt wird schließlich noch der eigene
63 Vgl. Anarson 1986 Kritisch gege D kh . " d' . Körper angesehen als ein beweglicher Mechanismus; das eigene Fleisch gilt als
Adorno 1995_ · n ur eirns ver mgltchung von Gesellschaft vgl. auch
64
Honneth 1989 S. 54 Polsterung des Skeletts; und
65 ' '
Vgl. hierzu Kager 1988, S. 4lff.
66 „die Sprache hält mit dem Schritt. Sie hat den Spaziergang in B~wegung
Horkheimer/Adorno 1995 S 40. H h
Wissenschaft Francis B ' · . 'd ervor ·. D.L.; Den patriarchalen Charakter der Neuen und die Speise in Kalorien verwandelt, ähnlich wie der lebend1?e W~d
heimer und Adorno· Tacotns ~ie Fer neuze!tlichen Wissenschaft insgesamt betonen Hork- in der englischen und französischen Alltagssprache Holz heiß:. Die
.
wtssenschaft, die auf. ihn " rof 1z seiner rerndheir z~r M at h ernatr'k h at Bacon die Gesmnung . der
Gesellschaft setzt mit der Sterblichkeitsrate das Leben zum cherruschen
Verstand und der Natur do gtDe'. gut gdie_troff~n. Die glückliche Ehe zwischen dem menschlichen
Ab erg I auben besiegt soll er Prozeß herab".71
üb mge,d" e er b1m Si nne h at, 1st
· patriarcbal:
· der Verstand, d er d en
Unter d em Titel Tough , er re entzau ert N .
6ieten " )
Babys h . Ad e. atur ge (ebd., S. 10; Hervorh. D.L. •
G estus d er M"annltchkeit
. c rei 6t orno m d M' . ~" 1· . . :: Horkheimer/Adorno 1995, S. 61f.
sei' d . en truma mora za: Emem bestimmten
U bhs . k , i s er eigenen sei's d
na . ~gig eit, Sicherheit der Befehls ewal' .
ner miteinander aus Frühe g
e: d b " d „ k
an er~r, ge ührt Misstrauen.. Er ru~. t
t, die stillschweigende Verschworenheit aller Man-
69 Vgl. ebd., S. soff.
Vgl. zum Folgenden Wiggershaus 2003.
d k . . . r nannte man das I' h b . 7
ld angSt ic ewundernd Herrenlaunen heute 1st es

erno ransien und wird von de Filrnh 1 7~ Horkheimer/Adorno 1995, S. 120. . masochistischen und
(A?orno 1976, S. 51); vgl. zum~ • . e. ehn noch dem letzten Bankangestellten ~orgemacht" Ebd., S. 250. Auf die durch solche Art der Selbstbeh~upro_ng e~euhgteVn haltensweise die der
Beitrag B ar b ara Umraths im vorl'ellllmstisc en Pot ial · k • • • hd . · h · 'd · ul t die ant1sem1t1sc e er ~" ,
sa.distisc en Komplexe der JndJVJ uen sowi: z ~tz löst [wird], in denen verblendete,
iegen d en Band. enn einer ritischen Theorie auc en Dialektik der Aufklärnng zufolge "in den S1tuat1onen ausge

104 105
. h' .. lieh was M arx in seinen Pariser Manuskripten 1844
So ist heute sc ier unmog ' . l 'bl. h k ··t . und zwar nach dem Marxschen Satz: Jed h .
. h b hrieben hatte: ,.em et tc es, natur ra tiges, lebend'- . B d .. f . " 77 " er nac seinen Fäh. k .
noch emp h atisc esc . " . . 1 nach semen e ur nissen . Das aber ka h . 1g eiten, jedem
. kli h • nliches gegenständliches Wesen zu sem, an "wirklichen . B . nn nur e1ßen d ß 1·
ges, wir ic es, sm ' .. «72 k" ' eine gememsame est1mmung über Sinn und Zweck , a es wesent ich um
sinnlichen Gegen:ständen sein Leben außern zu onnen. Ein solches Zusammenleben im freien B d b des Tun~ geht.
. . l M un e a er darf n h h
werden mit eine~ a s „ assenracket in der Natur"78 wü ic t verwec selt
Der Sorge, daß die zu erstreitende Freiheit z „ d' tenden Gesellschaft.
6
III. Natur führt, verleiht auch Horkheimer Au udr unk an igen Ausbeutung der
. d s ruc ' wenn er . . V,
lesungen mit en Worten beschließt· Und d k . eine semer or-
Im berühmten Aphorismus Sur l'eau~ veröffentlicht ~n den J:!inima Moralia, gesellschaftlichen Antagonismen sei~~ übe~ den wir s:lb5t den Fall, alle
. b f . d' daß . n en - ware unser D k
wendet sich Adorno dezidiert gegen die Vorstellung einer freien und selbstbe­ dann d arrut e ne igt, Jetzt die Menschh . . h d en en
n. k 1 eit nie ts an eres meh ..
stimmten Gesellschaft, die ihr Ziel einzig in der „Erfüllung der menschlichen als eine konfli t ose Aktionsgesellschaft zur gemei A b r ware
73 " 79 E' · · nsamen us eutung der
Möglichkeiten oder dem Reic~tum _des ~ebe_ns" findet. Ungehemmrh-j- und Natur . me emanzipierte Gesellschaft sollte sich d · h b f• .
. h „ d. d h . aran mc t e nedigen
strotzende Kraftmeierei schemen ihm m eme solche Emanzipationsvorstel­ Weit me r ware res oc eme Gesellschaft die die W" d d N , ·
· · d h ' ' ur e er atur aus
lung eingesickert, ja sie scheint Adorno zufolge am bürgerlichen Ideal des Freiheit un o ne Angst anzuerkennen fähig wäre.
ewigen Wachstums, der Akkumulation um der Akkumulation willen, ori­ Einen schönen Hinweis darauf wie ein Jenseits de N b h h
.. 'b . ' r atur e errsc ung
entiert. Die „Vorstellung vom fessellosen Tun, dem ungebrochenen Zeugen, ausse h en konnte, gi t Walter Benjamin:
der pausbäckigen Unersättlichkeit, der Freiheit des Hochbetriebs"74 ist für
"~er m~_chte ab~r einem P~ügelmeister trauen, der Beherrschung der
Adorno lediglich Abbild der bürgerlichen Vorstellungs- und Produktionswelt. Kinder für ~en Smn_~e~ Erziehung erklären würde? Ist nicht Erziehung
Er drängt darauf, Emanzipation auch und vor allem als Emanzipation von vor allem die unerlaßhche Ordnung des Verhältnisses zwischen den
solchen Vorstellungen zu denken. ,,Dann werden Fluchtlinien sichtbar, die mit Generationen und also, wenn man von Beherrschung sprechen will,
der Steigerung der Produktion und ihren menschlichen Spiegelungen wenig Beherrschung der Generationenverhältnisse und nicht der Kinder?
75
gemein haben". Und diese Fluchtlinien weisen auf einen ganz zentralen Und so auch Technik nicht Naturbeherrschung: Beherrschung vom
Gedanken. Verhältnis Natur und Menschheit=P?

~yielleicht ':ir~ die_~~re <?esellschaft der Entfaltung überdrüssig und In einem solchen versöhnten Zustand könnte schließlich ein jeder "auf dem
läßt aus Freiheit Mo~hchk:1ten ung~nutzt, anstatt unter irrem Zwang Wasser liegen und friedlich in den Himmel schauen, ,sein, sonst nichts, ohne
a~ fremde Sterne emzusturmen. Emer Menschheit, welche die Not alle weitere Bestimmung und Erfüllung"'81 - solch ewiger Friede könnte dann
nicht mehr kennt, dämmert gar etwas von dem Wahnhaften all der einmal in einer vom Produktions- und Leistungszwang, von Naturbeherr­
Veranstaltungen, welche bis dahin getroffen wurden, um der Not zu schung befreiten, das heißt qualitativ anderen Gesellschaft an die Stelle von
e~tgehen, und welche die Not mit dem Reichtum erweitert reprodu- ewigem Entwickeln, Tun und Erfüllen treten.
ziert. Genuß selber würde d b "h . . .
S h . avon eru rt, so wie sem gegenwärtiges
~ e~a vhon d:r Betriebsamkeit, dem Planen, seinen Willen Haben,
nter1oc en nicht getrennt werden kann".76
Es geht also nicht allein daru daß all M h .
chend Nah h b d . m, e ensc en gut gekleidet sind, ausrei-
rung a en un emewarm w, h D · · h
e wo nung. arum geht es freilich auc ,

i~er ~ubjektivität beraubte Mensche als . .


hiermcht näher eingegangen werd ; h'Sub1ekte lo~gelassen werden" (ebd., S. 180), kann
72 1
MEW Erg. Bd. I, S. 578· He..,,0 he~• g. · ierzu den Beitrag Ingo Elbes im vorliegenden Band.
73 Ad , , , r . 1. O ng.
d ~rno 1976, S. 206. Dies ist durchaus auch . . .
_es Jungen Marx über das leiblich k .;?e Kritik an den soeben zitierten Vorstellungen
h_che Wesen Mensch, in die ein gee, ~atu~~ ige, lebendige, wirkliche, sinnliche, gegenständ-
77
74 emgewanden sind. wisses a an Unabhängigkeit und sicherer Befehlsgewalt MEW 19, s. 21.
Ebd., S. 207. 78
75
Ebd. Horkheimer/Adorno 1995, S. 271.
76 :: Horkheimer; zit. n. Wiggershaus 1996, S. 15.
Ebd., S. 207f. Benjamin 1980, S. 146f.
81
Adorno 1976, S. 208.
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1
Kntik, . ~: Schweppenhäuser, Gerhard u.a. (Hg.): Krise und Kritik. Zur
Aktualuat der Marxschen Theorie, Lüneburg.
199
( 1): S. exus und Geist. Philosophie im Geschlechterkampf, Frankfurt
Ders. amMam.

110
111
Mark Schumacher
Religion & Kapitalismus, Business & w, h •
wa ns1nn.
Überlegungen zur Religionskritik nach Walter
Benjamin

"~les Stehende_ u~d Ständis~he ~erd~mpft, alles Heilige wird entweiht" hieß
~s 1m Kom":rmistzschen 1:fanifest. _,,Fur_J?eutschland ist die Kritik der Religion
1
m Wesentlichen beendigt, und die Kntik der Religion ist die Voraussetzun
aller Kritik.", hatte Marx schon fünf Jahre vorher geschrieben. 2 g
Und heute - kn~pp 1~0 Ja~re später- ist es kaum möglich, eine Zeitung
aufzuschlagen, ohne sich mit Phanomenen konfrontiert zu sehen, die unter der
Überschrift Religion verhandelt werden. Pussy Riot, Beschneidungsdebatte,
Salafisrnus, Tea Party, . . . Das ist erklärungs- und kritikbedürftig.
Religionskritik erschien in der BRD lange weitgehend erledigt, und das
im positiven Sinne. Theoretisch eine Frage von speziell, vorrangig historisch
Interessierten, praktisch ein Problem für Menschen, die unglücklicherweise in
Regionen leben, in denen religiöse Institutionen weiterhin ihr machtbewehr­
tes Unwesen treiben und als Teil der politischen Rechten agieren. Letzteres
schien aber, bei aller Notwendigkeit, sich gegen die spezifischen Zumutungen
zu organisieren, keine wirklich neue theoretische Beschäftigung mit dem Ge­
genstand zu verlangen - das schien alles schon gesagt und geschrieben. Diese
Konstellation aus Orchideeninteresse und praktischen Herausforderungen
hat sich verändert. Was die medial vermittelte Präsenz religiöser Phänomen~
betrifft, genügt zur Illustration wie gesagt ein Blick in eine beli:big: Ta?eszei­
tung. Viele Konflikte erscheinen religiös codiert, nicht zuletzt die wichtigeren
Kriege mit westlicher Beteiligung seit dem 11. September 2001. ..
we1 ch e Untersc h e1·dungen sm
,v, · d h"ier smnvo
· 11 , und in welchen Gewan-
d ern und Verschiebungen
. .
ereignet · h d"1e inzwisc
sie · · hen viel beschworene
. l h Re-
• . . . d
naissance der Religion? Was ist aran vorrangig · Spektakel . . . d Dc em
(und m we h
Sinn),
. was strategisches Werkzeug zur Abdi c h tung gegen Kritik m er urc -
Setzung politischer Ziele, was mehr? . h d ätzlicher zu
.
A nges1chts .
der emgangs . .
zmerten E m phase ist noc Anb
grun sa p en
fragen: Wieso duldet der Kapitalismus
. .
eigent r
rc h an dere etungs- rax

~ Marx/ Engels, MEW 4, S. 465.


Marx, MEW 1, S. 378.

113
. R 1. •
. h' w, ·um ist c ig10n eigentlich noch lda,. und 'k d' in welchen For.111e n.>
,r
neben. sie 1• hwar Sinne ware „ h eu te die Religions crin 1e voraussetzung d er rkt man spätestens in der Krise. Wenn sie s· h • d
Und m we c e~. i . . r ilr dies auch andersherum? me
b haupten können, a1 so 1'h re Arbeitskräfte nichttc mfi er
b Konkurrenz nie . ht
. 1· kririk inwierern g b . B . ht profita b e 1 losschlagen können gpro
Kapita ismus. . ; I 'b b rrakt und nimmt, e1 genauerer etrachtun ihere Waren mc h ta . e 1kverw er t en und so
1 10 P . . .1 all d' , e en sie aputt
,Die Rel _g ? h~ ~u: ar;gungen an.' Und das _mei?t nicht nur die ve~: Dasselbe nnz1p g1 t er mgs zunehmend au h fü· R . . · . .
sehr unterschiedlic p i·rgendwelchen übersmnhchen Wesen und di . . d d'
konkurrieren mrternan er um ie Schäfchen und müs c r e 1 igion
. h ·f •• Rehgio nen
· d V, tellungen von . e
s:h1e enen _ors h „ fi bizarrer Rituale, sondern auch die verschiedenen .1e1• 1 s nimmt
behaupten. 'T1 . d as b emerkenswene Formen sen ansie d'au Reinem. . Markt
diversen V~_nante_n_ au g der die verschiedenen Verschränkungen von Re- ·
Kapitalismus, B usmess
· un d Wa h nsmn· ·
direkt kurzschl· ß , S ie f e 1 1g1on . und
.
G d an Sakulans1erung, o . d 16 . E 11 . . h .c 1 . h . ie en. o ormuhen ein
. r_a e d _ as nicht notwendig asse e 1st. s so hier nicht Vertreter emer rec t erro greic en Variante religiösen U t h
ligion und Mo erne w . . h d R 1· .
. spezi.fi sch e S P1·elart von Religion ge . en, evangelikale Fernse h pre d.1ger Jim . Bakker: We have a betrn erne dmertums h ' der
um eme · son· ern , r uml · eh 1g1on und or automobiles. We have eternal life"5• " er pro uct t an soap
. . Es geht a1 s 0 nicht um Weltre 1
Kapitalismus. • d · ig1onen
· h · 1m verg eic h . ·Wenn · es
konkreter win , e e• d st h n am ehesten die rei wie
d ngsten
1 · monot e1stischen
.. • Evangelikale Fernsehprediger sind für Religionskri'ti'ke · ·
r innen meist
o frenr b arungsre 1·igio · nen im Fokus . ' besonders
. as C rnstentum, . das für die eine leichte Beute - und auch für Leute, die keine Gemeinsa~eiten mehr
Entwic • k1ung des Kapitalismus eine entscheidende Rolle gespielt hat. 4 Im Zuge zwischen deren häufig außerhalb Europas, z.B. in den USA verkündeten
di eser E ntwrc · klung musste Rationalität erst durchgesetzt werden .. gegen
. Praxis- Message und dem entdecken wollen, was der vergleichsweise harmlose Pfarrer
un d D eruuor_ 1-r men , in denen alles durch transzendente
. . Bezuge vermittelt
.. war. von nebenan von seiner Kanzel verkündet. Trotzdem soll mit einem Zitat
H t teilt sich dies andersherum dar, das Spielbrett ist umgestulpt. Denn so eines US-Fernsehpredigers eine entscheidende Frage angespielt werden. Es
eu es d . . a1
wie die Religionskritik heute auf einer ganz a~ eren Ba~is ag1_e~t s ~or dem stammt aus dem recht unterhaltsamen Film Religiolous, in dem Bill Maher
Siegeszug der bürgerlichen GeselJschaft, tut dies auch die Religion, S1e muss, alle möglichen mehr oder weniger wahnsinnigen Vertreter von Christentum,
was auch immer ihre jeweilige Spielart, in Formen agieren, die es früher nicht Islam und Judentum interviewt und dabei unter anderem auf den Prediger
gab - und das verändert sie. Daher soll hier nicht mithilfe der klassischen, letzt­ Jeremiah Cummings trifft. Dieser verkündet, auf seinen opulenten Lebensstil
lich theologischen Unterscheidungsraster (eben Weltreligionen im Vergleich), angesprochen, der im Kontrast zu demjenigen von Jesus und Paulus stehe:
sondern anhand heute besonders markanter Erscheinungsformen das Feld „Money happens, you know." Mahers Kritik ist so richtig wie zu einfach: Das
skizziert werden; Erscheinungsformen, an denen jeweils deutlich abzulesen Geld ist halt da, weil Sie von den Zuschauer_innen Geld bekommen und es
ist, inwiefern sie den notwendigen Formwandel durchlaufen haben - gemeint ihnen nicht zurückgeben. Das ist richtig, weil die Abzocke offensichtlich ist.
sind Religion als Fundamentalismus, Religion als Lifestyle und Religion als Warum ist diese Kritik zu einfach? Was an den herrschenden Verhältnissen
Business. entgeht ihr, und weiten Teilen der heute populären atheistischen Kritik? Und
,Der Kapitalismus' ist, anders als ,die Religion', zunächst etwas einfacher andersherum welche Wahrheit steckt in Cummings Satz, ohne dass er selbst
~.U fassen. Dass der Sweatshop in Nordmexiko (oder Shenzen) und der nette davon wisse~ muss? Inwiefern ,geschieht Geld'? Was ist am Geld reli~ös?
Okobäcker von nebenan nicht etwas grundsätzlich Unterschiedliches sind, Oder ist der Kapitalismus insgesamt als Religion zu begreifen? Und was hieße
3 dies für eine Religions- als Herrschaftskritik? . . d. .
Zum bis heute unabgeschlossenen Streit um eine soziologische Definition von Religion vgl.
2
Religionskritik als Kapitalismuskritik als Herrschaftskritik, un jewei1 s
D~utsc~ann
st 001, S. lOSff. Deutschmann polarisiert dort anschaulich funktionale und andersherum. Hier . Verknup .. fungen auszu 1 oten un d Grenzen ' Ubersetzungs-
. . hd
su a~z~elle Zugan~sweisen: eine funktionale Definition erklärt tendenziell alles Mögliche .. .
nd
zu: R~ligion u _v~rltert an Trennschärfe, eine substanzielle, also inhaltlich an Kernbeständen verhaltmsse anzubahnen, Wege zu suc h en, 0 der gar Straßen. . So"ßließe'T'sie • er
4 one~t1erte Definition droht zu eng und zu normativ zu sein
größere Rahmen beschreiben. Im engeren. s·mne tO lgen •
drei
hl gro erey,Iexttei 1e,
hältnis
An einer solchen allgemeine Eb r h 1 • . • · S · di e s1c
. h in
. insgesamt
. fü nf kl emere
. t len und ein Sc uss. 1 m er
1 _r K • 'k unter ei ' . fi d · h h _
sc tarrer nn ausgesetzt Son . ene d d restzu
R 1· .a ten, sieht
. . sich heute von verschiedenen
. . eiten-
t nsc
· h es n·lSkursmodell h · h f r er
wir h e 1g1onsknt1k entgegengehalten , sie sei als eurozen di der kleineren, mit Zwischenübersc h n'ften verse h e nen Teile S n• dend'siep age me der
re
Einleitung u d d B . errsc a t ic verstrickt. Vgl. MetroZones, 2011, insbesondere e . . . . bar machen. o wir ie r
Band Aufd n der eS1t~ag von Klaus Teschner in diesem auch zu dieser Frage heterogenen re Schleifen. Sie mögen Motive transportier f h . d faegriffen. Die
· er an eren e1te haftet · ] B · .. . . h nd Fall en, in
. die . die. Kririk
. . zu tappen d ro ht , mehr ac wie er au o
etwas Bekenntnishaft vie en enragen, angesichts des Themas kaum überrasc e '
verwirft Gerhard Scheit es (an, genauer·
2006) ei . 0 J.0 ~isc
· the · he U?~ersche1dungen
• ragen m · d'1_e ..,..
rexte · So größeren Teile beschreiben eine größere Parabel. Religions- als Herr-
dessen 'Appeasement' s 10 • d n~antirassistische Krmk aller Religion als Apologie des Isl~ Im ersten Teil. geht es vorrangig · darum Fragen zur
. . ' . di k tierte atheistische Pu-
schaftskritik zu formulieren, kurz auf eirnge ;1:1 ; ~ mittels sortierender
gezähmter (und wohl p;~1 - ':~ ':shen Besonderheiten als nicht staatlich eingehegter un
de flankiert werde D ?dzipi~ .. nie t zähmbarer) Religion nicht reflektiert würden, gera·
un
d d.
1e
. .
darin immer
· em 1 ent1taren Zug d
w· d d'
I h . . .
' er so c er Art Relig10nsvergle1chen mncw
• ohnt, blikationen der letzten Jahre einzugehen un as e
U ie er 1e Grenz · · 1 · eher
nterscheidungen überschreiten · soII hie_cn einer smnvollen Inanspruchnahme theo ogis
„ . hs 5
' 1
r mog ic t entgangen werden. Micklethwait/Wooldridge 2009, S.101.
114
115
. k' • Hier soll vorgeschlagen werden, heute besonders Diverse Heilsversprechen und sekten · 0 . .
Kategorien zu s 1zz1eren. . 1 ziehen die Geschichte linker Bewegunge:n ige rgan k isattonsformen durch-
. F . Religion als Ausprägungen emes ,ungeg aubten Glau- . b . d . 5 paren ann man . h h. d"
prommente. or men k
von 6
'T' rminus von Adorno) zu
b . .
estimmen, m dem sich Beispiele - zw. an Je ern Beispiel müsste d' A 1 d sie ier 1e
bens' (so ein mar anter re . r . . .. . . re na yse ann . kl" h
.. f • h Reli"gion und eine spezifisch geIOrmte re 1 igiose Praxis werden -, weil eme solche Kritik schlicht und . f h M . wir rc genauer
das Be dur rus nac d h · • ein ac amstream · t D r h
• r · t Religion dementsprechen eute immer schon unter- wird hier: es geht um emen Grenzgang , um G renzb est1mmung . is · eut 1c
. · h
über1 agern. Inwierern 1s Kritik und Abräumen. Und darum dass das Ab .. h en, zwisc en
. . d b h n~ Und was ist daraus für den Formwandel der Religion ·· 1· h d ,;,r h··1 · ' raumen sc on des Versuchs
mmiert un ge roc e .
im Kapitalismus zu schließen? . . . . grun d·satz· ic d an ere ver a trnsse herzustellen_ h" d h·· fi
K · "k . ier as au g automatisch
. '
Im zweiten Teil geht es dann nicht m~hr um Religion 1m Kap_italismus, funktionieren
. .. ahe rm muster
. . an linken Bewegun gen, sie seien wie ihre reli-.
· · . .
.talismus als Religion. Erinnert werden soll an emen über g 10sen Kontr enten -, ein Spiegel des vermeintlichen Ab ·· . • ..
son dern um KaPl . . l z· · · · d 1· k raumens re 1igioser
o Jahre alten Text, der genau so heißt: K~pttalismus a s Re igwn, ~m frühes Momente m en m en Bewegungen selbst sein kann. s
9
Fragment von Walter Benjamin. Und e~mnert werden soll damit auch ~n Diese Kritikfigur, also die. Verallgemeinerung
. immanenter Knt· ik zu ei-·
einen Umgang mit Religion bzw. Theologischem, der quer zu den heute meist ner Art Passepart~ut, fi~det sich nicht nur in der Kritik an radikalen linken
geführten Debatten steht. . . . . .. Versuchen. Der Spiegel titelte vor einigen Jahren zu dem atheistischen Bestsel­
Dazu geht es im letzten Teil um Ben1amms le~zten Text, ~:he Thesen Uber ler Der Gotteswahn des Evolutionsbiologen Richard Dawkins: ,,,Gott ist an
den Begriffder Geschichte, im Verhältnis zum Kapitel D~r Fettschc~:ara~ter der allem Schuld!' Der K~euzzug-der neue~ -:1-theisten", und so, unter ausgiebiger
Ware und sein Geheimnis aus dem ersten Band des Kapitals, das für die Frage Verwendung der Gleichsetzung als Kritikfigur, funktionierte dann auch der
von Kapitalismus als Religion große Bedeutung hat. So sollen verschiedene zugehörige Artikel.9
Punkte aus dem ersten Teil eingeholt, Strategien der Kritik befragt und das Das Buch selbst kommt erst einmal erfrischend daher. Es argumentiert
Ganze abgerundet werden. klar und einfach, und es ist, wie auch ähnliche Produktionen, viel beachtet
Christopher Hitchens God Is Not Great. How Religion Poisons Everything10
oder der eingangs erwähnte Film Religiolous, eine Fundgrube für die sexis­
Neoatheismus und die Fallen der abräumenden Kritik tischen, homophoben und nationalistischen Praktiken von Religiösen. Ein
wichtiges Ziel ist bei dieser Gruppe von (neo)atheistischen Werken immer das
Es geht zunächst, in einem strategischen Sinn, um eine doppelte Frage: Wie gleiche: eine atheistische Lobby zu stärken.11
ist dem Wiedererstarken von Religion zu begegnen, wie kann eine Kritik Dawkins Buch ist geprägt von einem einfachen Prinzip: (natur)wissen­
der Religion heute aussehen, und wie ist zu vermeiden, dabei in bestimmte schaftliche Rationalität versus religiöse Vorstellungen, den Gotteswahn eben.
~allen zu :appen? Mit Fallen ist hier als erstes eine Figur gemeint: Man weiß Dawkins prüft Argumente für und wider die Existenz Gottes, die Gotteshy­
sich soweit dagegen und darüber hinweg, dass man unter der Hand religiöse pothese, und kommt zum wenig überraschenden Ergebnis, dass es ih~ mit
Muste~ nachb~ut - mitsamt all dem Hierarchischen, unbefragbar Gesetzten, allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht gibt. Er zitiert sympathischerweise ab
und mitsamt emem verpflichtenden Kult. und an Douglas Adams, so auch in der diesem zugeeigneten Widmung: ,,Ge­
S~hlagend sind h_ier sicherlich säkularreligiöse Erscheinungsformen in der nügt es nicht zu sehen, dass ein Garten schön ist, ohne dass man auch noch
12
Geschichte der Arbeiterbewegung, v. a. der Arbeitskult. Kirchen werden zu gl aub en musste,
·· d ass Feen d arm . wo h nen.'"
Kult~rpalästen oder Getreidespeichern umfunktioniert, und daneben steht ein
Atheismus erhob, ist hier, im Kontext effizienter Herrschaftslegitimation, durchaus folgerichtig.
Ar_beiterdenkmal, das zur endlosen Plackerei für die Sache auffordert. "Arbeit
heißt der. Heiland der neueren z eit · " , wie· Benjamin
· · den sozialdernokratisc
· · hen s
Vgl. Gretzel o.J. und Ozouf 1988.
w·ahrscheinlich
-L • • •• • • d Verwan tsc
d haft di
eser zwei
· Varianten der
Th ware es nicht vermessen, m er . . b d b i Ex-Linken
· d en Thesen Über
• •eoretiker Josef Di e t zgen m ·· · h te
den Bezriff der Gescbic .. . . .
ab raumenden Kritik emen Grun
d dafü 1
r zu se ren,
dass die erstere ms eson ere e
zitiert. 7 o '11 häufig anzutreffen ist.
9
6
Der Spiegel, Nr. 22/2007.
10 H" h . b . . h A
.. a1 d
b .. t d n zuruckh ten eren n
u tertitel The Case Agaimt
.
7
Adorno 1979, S. 176.
D' .
itc ens 2007. Die nnsc c usga e trag e . . H" w· Religion die Welt vergiftet.
ietzgen, zit. n. Benjamin Bd I 2 S 699 1· ... . Religion. Auf Deutsch: Ders, 2007: Der Herr 1st kem irte. ie
sich auch in anderen y 'h ·h · ' · · R: 1g1ose Muster als Herrschaftstechmk finden
Revolution _ Rob · ersuc ( en h andfester Re 1 tgmns· k nti
· "k , so 1m
· Rahmen der Franzos1sc
·· · hen 11 Mü~chen. . . . schreibt Hitchens zum (identitären) Pro-
espierres nac dessen G ·11 · · I d ~s gibt dann aber auch deutliche D1fferenze?, so d D • I Dennett verfochten wird, von
Höchsten Wesens' k h . . ui otrruerung schnell verschwundener) ,Ku t es jekt der Brights, das u.a. von Richard Dawkms/n anieal that atheists should conceitedly
ann unsc wer 10 die R h di Y.J'
bertisten als radikalere antikl ikal sem_ ~ men verstanden werden. Nachdem e ne· seinem ,Zusammenzucken':,,[...] their cringe-~a ing prog;sS 5)
waren, sollte so die (po t) oh . e ~nd athe1st15Che Fraktion im Frühjahr 1794 ausgeschaltet
1

. s revo utionare Her haf 6·1· · · hb ·d r nominate themselves to be called ,brights'" (Hitchens ZO ' • •
Feier des Kults im Juni 1794 die Statue d r~c . t sta 1 isiert werden. Und dass sie et e 12 D awk"ms 2008, S. 5.
er Weisheit aus den verbrannten Resten derjenigen des
117
116
ki ns meist die richtigen Gegner_innen. Bei ihm als ein Bedürfnis nach religiösem Halt überhau t
. . l . .
h .
p erst ervorbrmgen n·1 K ..k
Au ß erd em h at D aw . . dd der Religion 1st a so 1m Keim die Kritik des Ja l d · .". e nti
. . l · d d selbstredend der Kreat1omsmus un essen wis-
die Religion ist"!", das gilt für diese Form der;~~r~a esk, _e~skenlHe1hgenschein
. h - .. ht Variante namens Inte 11·1gent D es1gn,
Evolut1onsb10 ogcn sin as . 1 d'
a so te gegen . G . h . 1g10ns nti a so gerad . h
sensch aft 1 rc au1 gerusc e d b fd E d Die renzzie ungen zwischen Rationalität d ,v, h d' . . e mc_ t.
. h • · hrete These dass as Le en au er r e nur auf · un w a n, ie m dieser Spiel-
die Evoluuonst eorie genc ' •·h d k" art des At h eismus vorgenommen werden sind d h
. • lli
emen inte genten esign '
D · er also Gott zurückgefü rt wer en onne.
. d al . ' ementsprec end zu einfach
. 1· ... Glaubensbestände wie er s Wissens. b estände auf,
Hier treten re igiose
' Was rnacht das Wa h n h afte des Jammertals aus? w
"d d F · · · ·
•· .
as waren an dieser Stelle
·
. • R 1· · ben überhaupt keine Privatsache, sondern em Kampf um entsche1 en e ragen einer Religions- als Herrschaft k · 'k:>
h1er 1st e 1g1on e . . . · h 13 E' _ k · .. f . hd s rm .
e E
. fiih
m u rung vo
n Bi'beltexten m den füologieunternc t.

m 1 ea t1onarer
h ·
z~ fraghenEilst nda~, he~l B:dürf~is nach Religion. Das erscheint zunächst
di recht em ac. . . en e ver a tmsse brmgen das Bedürfnis nac h Trost, h an dh ab _
Irrsinn, der ja leider trotz der Entwicklung des Flymg Spag ~tt1 Monsterism
· h 1 digt ist einer Gegenbewegung auch aus den USA, die verlangt, dass baren Erklarungen
. und dem Versprechen
. . ganz anderer 11 ver häl · h ervor.
a trusse
nie t er e i 1 , • • d ·
dann auch ihre Version eines intelligenten Designers m en Bio-Un~erricht Dazu noch emmal Marx: . .,,Das religiöse Elend ist in einem der A us d ruck des
aufo-enommen werden möge: die Erschaffung der Welt durch das fliegende wirklichen El en ds und m emem die Protestation gegen das wirkliche Elend"
Spa~hetti-Monster. Sicherlich eine der bemerkenswerteren ~ormen von Religi­ sie ist der „Seufzer der bedrängten Kreatur" .17 '
1
onskritik die in den letzten Jahren zu Tage getreten smd. Religionskritik als Ideologiekritik zielt auf das notwendige Moment der
Doch zurück zu Dawkins. Während sich bei ihm Ergriffenheit, Staunen Religion, auf das, was an ihr mehr ist als Lüge, auf das, was an der Religion in
über Wundersames in der Natur etc. auch auf der Seite der Naturwissenschaf­ diesem Sinne stimmt.
ten :finden, verbleibt der Wahn komplett auf der Seite der Religion, und so ist Dass das Elend sich aber ausgerechnet in Religion ausdrückt, funktioniert
es kein Wunder, dass Dawkins sein Buch mit der These schließt, die Befreiung nicht mechanisch. Auch das religiöse Ticket zu ziehen, bleibt eine Entschei­
. . sei. di e B efreiung.
von der Re 11g10n . 15 dung. Hier sind keine einfachen Ableitungen möglich, gegen das Moment der
Deutlich wird, wenn man Religion auf diese Weise stark macht und vom Notwendigkeit ist in der Kritik immer wieder das Moment der Freiheit stark
18
Eigenen abgrenzt, gerät Entscheidendes aus dem Blick - die Verhältnisse, die zu machen - ansonsten droht die Kritik in Apologie umzuschlagen.
Lars Quadfasel macht als Kern des religiösen Bedürfnisses heute dasjenige
nach Autorität aus. In seinem dreiteiligen Text zu Gottes Spektakel schreibt er,
13 Auch in der BRD gibt es dementsprechende Bestrebungen, so schlug die Hessische Kultusmi­
nisterin 2007 vor, die biblische Schöpfungslehre in den Biologieunterricht einzuführen (vgl. die Menschen griffen nach irgendeiner Autorität, egal welcher, Autorität sans
Spiegel Online 2007). Für den deutschen Kontext von Intelligent Design und die v. a. über phrase.19 Aber warum ist das heute zunehmend Religion? Vielleicht, weil es
christliche Privatschulen zunehmend erfolgreiche Strategie, Glaubensinhalte als wissenschaftli­
vergleichsweise einfach ist.
che Alternative zur Evolutionstheorie diskutierbar zu machen, ist die Studiengemeinschaft Wort
und Wrssen relevant, in den USA und mit größerer Wirkmächtigkeit das Discouery Institute. ,,Selbst solche, die für normal gelten, und vielleicht sie besonders, akzep­
~ereits auf de_n e:sten Blick irrsinnig agiert die auch international expandierende kreationis­
2 tieren Wahnsysteme: weil diese immer weniger v~n dem ihne~ ebenso
tische Organisation Answers in Genesis, die 2007 in Petersburg bei Cincinnati auf 5000m
das weltgrößte „Creation Museum" eröffnete, wo Menschen und Dinosaurier in zeitlicher undurchsichtigen der Gesellschaft zu unterscheiden, aber einfacher
Koexistenz zu bestaunen sind und auch Adam und Eva mit dem im Paradies noch vegetari­ sind."20
scher,Kos~ zu:prechenden Tyrannosaurus Rex gut auskommen. Sehenswert zur Ausbreitung
von Kr~auoms~us und Intelligent Design in Europa: Von Göttern und Designern. Ein Glau­ Zu fragen ist außerdem nach der Praxis. Hier h~tte ja Freud schon 1907
benskrieg erreicht Europa. Ein Film von Peter Moers und Frank Papenbroock (Arte 2006, angesichts religiöser Praktiken „sich getrau[t], die Zwangs~eurose als p ala-
http://www.youtube.~om/watch?v=JhoZsSOivMI). Großartig die Folge der Simpsons zum . .. k R 1. • bild g aufzufassen die Neurose s
Thema: Gott g~gen ~1sa Sirnpson, i.O. The Monkey Suit, in Anspielung auf den sogenann- t h o 1 ogisches Gegenstuc zur e 1g1ons 1 un '
tenfüh Monkey Tnal ' eine_n 192-:> m · 1iennessee gegen d en Biologie-Lehrer
· · . . . . . . . .. d' R 1· . al eine universelle zwangsneurose
John Thomas Scopes eme individuelle Religiosität, 1e e igion s .. . h p • 1d
geh rtdlen Prozess, der_m e_rster Instanz mit dessen Verurteilung endete· Scopes hatte mit der zu bezeichnen"21• Ein schönes Beispiel ~r_das a~~kla;ns~ e t~n;~:thee:
B e an ung der Evolution im U t · h · di es untersagendes bundesstaatliches
' · G esetz
ß d n ernc t gegen cm Psychoanalyse gerade im Kontext der Rehgwnskntt : er clse ~c d S t ,
~~g~st~ecnd as e~t 1 967daufgehoben wurde (Die Simpsons, Staffel 17, Episode 21). ' zy k 21.t. rt Blaise Pasca rrut cm a z.
•V
14
15 • n erson-:00 8 o er auch www.venganza.org. retiker und Psychoanalytiker Slavoy ize ie
rfü b . an
.Jch glaube E die
k Menschen
. ' u n d wenn M ensch en ermutigt • werden selbst über alle h eute
velauben g aren r cnntmsse nachzude k
und · r··11 f. 11 · h h..
n en, ste t sie au:6.g heraus, dass ' · nicht
sie · an
G ott 16
g Marx, MEW 1, S. 379.
2008 s 534) Ab em er u tes
„ . h ' .. zu nedenst e en es, Ja wa r aft befreites Leben führen." (Dawk.in s
11 d · h h · 17
Ebd., S. 378. . . . d' m Kontext vgl. Scheit 2006, S. 9-13.
, · • n 11c unberuhrtvo ·
Religion beispielsw · h D ki n einer K rrti · 'k gesellschaftlicher Verhältnisse abseits
· d er 18 Zur Antinomie von Freiheit und Notwendigkeit U1 rese
dem Bedürfnis nach T eise auc ns c
d R r . onc usio aus einer längeren Auseinandersetzung m1· t
aw l · • 19
Quadfasel 2008ff.
dagegen lautet: Unse ~s~ e~ c 1~ion antwortet: ,,Die wirklich erwachsene Einstellung 20
Adorno 1979, S. 173.
gestalten." (ebd., S. 5;0). e cn ist so smnvoll, so ausgefüllt und großartig, wie wir selbst es 21
Freud 2009, S. 14.

119
118
22
. . db d du wirst glauben. ' Was er daran deutlich macht Und diese Figur zu beschreiben und z 1 F • ..
Knie meder un ete, un .. . p k . d' '
'. .. . k • • h Umkehrung der gangigen erspe trve, 1e davon ben, kann emen• 1'deo l ogiekritischen
. ' Zug war a s"ffetisch1S1erun? zu b esch rei-•
1 st zunachst erne nnsc e • 1· ... p k • . f . . ang ero nen der w füh 1
• di 'd ellen Glauben bestimmtere igiose ra tiken ent- das wahlweise aszimerte oder entsetzte z k . ' euer u rt a s
ausgeht d ass d em m v1 u fi d' k f . ur enntrnsnehmen r r ·.. R
. ' Und der kr1·tischen Beobachterin häu g nur 1e op schüttelnde naissancen bzw. dre Konfrontation religiöser A h d e igroser e-
Spr1no-en. • kli h:>
. h aft 1·1ch en Erkenntnissen. 24 nna men un Thesen mi't z. B •
Fra et,bleibt: Glauben die das wir tc • .
naturw1ssensc
g Nach der ·re1·ig1osen
·.. Praxis zu fragen. und nach..deren . strukturellen
. . Embet-
. Zizek führt in diesem Zusammenhang ger d h·· fi .
• 11 haftliche Formen heißt auch, für eme Kritik der Religion . d d A h 'k . neun au gemeAnekdote
tungen m gese sc ' d' an, in er her ~odmpd Y~_1b er ~1els Bohr von einem Kollegen auf das Hufeisen
eme • Krrti • 'k stark zu machen, die davon . . ausgeht,
. dass re Frage nach dem In- . angesproc en wir , • as u er serner Tür hängt · Bohr antwortet auf d'ie rrrrtierte . . .
halt, nach dem Dahinter, Teil des kritisierten Gesamtzusammenhangs sein Nachfrage nach semem Glauben an dessen Wirk d
„ dli h . h 1 ung, ass er an so etwas
· fe n sie einfache Kausalzusammenhänge und Trennungen annimmt selbstverstan ic ruc t g aube, man · ke auch ,
kann, inson r . b d ff . h . . habe. ihm allerdings gesagt, es wir
und so Entscheidendes nicht versteht. Das gi1 t, eson ers o ensic tlich, für ohne dass man daran gl aube. Hier bleibt nur die Praxis , und em · parad ox
infache dichotome Welterklärungen, die von aufgehenden Masterplänen ,der anmutender <?.1 :u b en an deren Selbstläufigkeit.
Herrs chenden' ausgehen (und heute gerne die manifeste
el
h
kapitalistische Krisen-
d ·1
Worauf Zizek aufmerksam macht, sind u.a. Formen indirekten Glaubens
dynamik auf menschliche Heuschrecken zurückfü ren), as g1 t aber auch für Man glaubt nicht mehr selbst, sondern verortet den Glauben in den A d ·
· fü · . . n eren,
Fragen praktizierter Religion. . . die so~usagen r_ emen gla~ben. Klassisch sind das Kinder, für die man religi-
Worum es hier geht, ist eine zweistufige Bewegung der Kritik, Zunächst öse Rituale vollzieht, a~ die man ~elbst nicht glaubt. Oder eben die religiös
ist es vollkommen richtig, nach dem Dahinter zu fragen, dem Geheimnis nach­ abgedrehten Nachbar_mnen - wie gut, dass man damit nichts zu tun hat,
zuforschen, den Inhalt hinter dem Nebel zu beleuchten. Bleibt man darin aber sondern nur Kirchensteuer zahlt, die Kinder im diakonischen Kindergarten
stehen, droht man den Inhalt insofern zu fetischisieren, als die Praxis aus dem untergebracht hat und sie nur aus Konvention taufen lässt. In der Titanic gab
Blick gerät, die diesen Inhalt erst hervorbringt, und zwar als Praxis in einer es dazu vor längerem eine Karikatur von Niklas Mahler: Der Irre von ois-a-uis
spezifischen Form. Das fetischisierte Ergebnis: Der Inhalt bringt die Praxis hat schon wieder eine Heiligenerscheinung - die der Nicht-Irre über seinem
hervor und ist darin oder dahinter ausfindig zu machen - und die Form, in fanatischen Nachbarn schweben sieht.
der sich dies vollzieht, das Hervorbringen wie das Ausfindigmachen, erscheint Dass die Anderen für einen selbst glauben, gibt es in verschiedenen Spiel­
zweitrangig. Die Waren sprechen miteinander auf dem Markt und unterhalten arten. So führt Dawkins eine Unterscheidung zwischen Glauben an Gott und
sich über ihre naturgegebenen Preise. Oder, eine Stufe der Kritik weiter: ,Die Glauben an den Glauben an (und bezieht sich darin auf die Arbeiten von Dan
Arbeit' steckt als guter Kern in der bösen kapitalistischen Formhülle und muss Dennett): Hauptsache, die Leute glauben an irgendetwas, das spendet ihnen
nur aus dieser befreit werden. Oder eben: Der Glaube ist da und bringt eine Trost, macht sie weniger gewalttätig etc. Zum letzteren Punkt sind DaW:ki~s
entsprechende Praxis hervor - wer glaubt, kniet nieder und betet. und auch Hitchens atheistische Bestseller selbstredend voll von Cegenbeispie­
Was hier entscheidend ist: ein Moment der Selbstläufigkeit, eine Selbst­ len. Und bei Dawkins :findet sich auch ein Verweis auf eine schön zugespitzte
begründung, eine Art retroaktiver Zirkel.23 Die Waren sind Waren, weil sie Gestalt dieser Figur: der elektrische Mön~h von Douglas Adams, _ein R~~oter,
Waren sind. Aber so wie dies die Produktion für den Markt voraussetzt - und dessen Funktion darin besteht, dass er emem das Glauben abmmmt. Das
~e Zurichtung von Menschen zu Arbeitenden -, braucht auch der Glaube Glauben wird delegiert, in diesem Fall an eine Maschine. Der Clo.u: ~ b~~len
ei~~n ~Take-<?ff' ~r die Drehbewegung. Kreist er dann aber einmal, ist den Strukturen des Glaubens ändert das gar nichts, ganz im Gegenteil radikahsie~t
Glaubigen mit rationaler Argumentation nicht mehr beizukommen. Denn es eine entscheidende zur Kenntlichkeit - die fetischistische Selbstläufigkeit
de~ ?Iauben rational zu begründen, wäre eben reine Blasphemie. Ich glaube, und Selbstbegründung des Glaubens. .d • k „ h
weil. ich glaube .. ~ und nicht, wer·1 1c· h mic· h nach 1 anger Prufung
.. verschie· dener Was weiterführend an dieser Zuspitzung ist: Sie führt, 1 eo 1_ogie .nhtisdc
st . . .. k F danach warum e1gent 11c er
üpbtionen für die be e, rationalste, am meisten versprechende o.ä. entschieden pomtierr zur Ausgangsfrage zuruc , zur rage ' .. • h
h a e. Und selbst wenn ich das get h" · · ' r b ·eh duldet. Genugt es nie t,
•·b di • h ..
an atte, musste · h d'1e Leiter
1c · wegstoß en, Kapitalismus andere Anbetungsrormen ne en sr
;i D
b
·e sich statt unserer ewegen.
:,
u er e ic zum Glauben geklettert b'm, denn sonst klappt es nicht. . dass die Dinge uns das Glauben ab neh men. ass si
22
Zizek 19946, s. 12. 24 • . d Ideologie die Wendy Brown (2013)
23 Weiter auch als die Trennung zwischen Rebgwn ~ Ideol~<>ie wird hier als „ein von
Hier gehorcht die religiöse Selbstbe rü d . .h . .. f 1 h' n Text vornunmt. ,, d als
toritär, deren Setzung im . . g . nalung auch der gleichen Form wie diejenige der Au- m 1 rern Jungst au Deutsc 1 :;sc ienene acht" (S. 261) bzw., noch verkürzen er,
auch ein weiterer Hinweismer
dafüem trratron
fi d es M ornent b e häl
a t. Un d h.ier 1st
· dementspre_ch.:nd der Macht selbst erzeugter Deckm~tel der M h nden Klasse" (S. 268) definiert.
„Reflexionen über die Welt aus der Sicht der herrsc e
Ticket so nahe liegt Instrukt' r zuh nh' en, W,:;um dem Bedürfnis nach Autorität ein rcl1g10ses 25
. rv auc ierzu Zizek 1994a. Adams 2001.

121
120
. . E füll versprechen, die sie genauso wenig einhalten wie Christoph Türcke formuliert dazu in äh r h K
Dass sie uns eme r ung . llfüh ;) ,v, irn Fundamentalismus werde der Glauben von~cUeml o ntext definitorjsch,
. . . .. D · nauso irrationale Tanze vo u ren. wozu noch die
die Religionen" ass sie ge . . l . · ·· E h h' . ng au 6 en unterlaufen So
„ V, • des göttlichen Ongmals, wenn etzteres m Gestalt der wert-: so pragnant. r mac t ier allerdings ein s · 1 h·· . .·
spekt aku 1 are ers1on . ~ . Säk 1 . piege ver ältnis aus Inso-
fern al s 1m a u ansmus, genauer gefasst als das 1 . .
omnipräsenten Waren real ge"\1(orden ist. ' • · · h f rea existierende Fund
der kap1tahst1sc ver assten Gesellschaft der Ungl b d h ament
r d 28 ' au en urc den Glauben
unter l auren wer e.
. d Relioiösen heute - ungeglaubter Glauben aller- ·· uWas bedeutet das für Religionskritik als Herrsch ft _ 1 K · .
a s , a s apita 1ismus-
Frguren es o d. F · · r . .
knt1k? m 1e rage, mwierern die kapitalistische Verges 11 h f lb
orten · • z ·· .. ·d • . e sc a tung se st
relig1ose uge tragt, wir es 1m mittleren Teil gehen. Angespielt d 1 li h
· k l b • . . , un etzt c
. · h int heute in sehr unterschiedlichen Varianten. Am meisten
. . . nur Je on . cret. zu eantworten, . . 1st . m diesem
. . Spiegelverh"lt a ms· auc h di e Frage
Re 11g1on ersc e . . d
ins Auge springen drei Forme~: Rehg10n als.Fun amen~a 1isrnus, Rel1g1on als von oben, . inwiefern
. gerade . diejenigen,
. die sich darüber hinaus m emen
· un d sie
· h
Lifestyle und Religion als ~usmess. Auch h~er stellen sich Fragen de_r !ra~s­ womöglich 1m schlechten identirären Sinn ein atheistisches Ticket zurechtge-
formation: Ist dies vorrangig das Resultat emes Zerberstens der Religion m zimmert haben, das .zu Recht Bekämpfte unter der Hand nachzubauen d ro h en.
diverse Fragmente, die in verschiedenen _Kellern, -~ammern und_ Sal~ns d_es Auf der _a~deren Seite ~tellt sich schließlich die Frage nach derjenigen Form
aesellschaftlichen Raums zu entdecken smd? Bedurfte es daher emes Jeweils von Religion heute, die als das Gegenteil des uncoolen Fundamentalismus
;pezi:6.sch zugeschnittenen kritis~h-analytischen Zugangs? Inwie_fern ~assen daherkommt und klar realitätskompatibler erscheint. Wie verhält es sich mit
sich hier aber auch Gemeinsamkeiten ausmachen und auf den Begnff bnngen? den augenzwinkernd Glaubenden? Die offensichtlich Religion konsumieren
Was passiert mit ,der Religion' im Zuge der Entfaltung kapitaler Vergesell- und für eigene Zwecke einsetzen?
schaftung? Wie verhält es sich also bei der zweiten heute besonders ins Auge sprin­
Ein entscheidendes Stichwort kommt hier, wie in der Einleitung bereits genden Form, der Religion als Lifestyle und Wellness-Programm? Insgesamt
erwähnt, von Adorno. Müssen nicht alle drei, Religion als Fundamentalis­ haben ,heiße' Religionen eher Zulauf, also Varianten, die eine vermeintlich
mus, als Lifestyle und als Business, als Formen dessen begriffen werden, was textgetreue Auslegung ihrer heiligen Texte gegen säkulare Selbstverständlich­
Adorno als ,ungeglaubten Glauben' bezeichnet und als besonders ,bösartig' keiten in Anschlag bringen, charismatische Führerfiguren hervorbringen und
beschreibt?26 Es geht also um den Formwandel der Religion in einer Zeit, in dementsprechend insgesamt offen irrational auftreten. Gleichwohl ist Religion
der sie immer schon unterminiert ist. auch und gerade im Wellness-Bereich schon lange im Kommen. Dies galt für
Bei der Religion als Fundamentalismus, also genauer den politisierten die BRD lange v. a. für ostasiatische Importe. Seit einigen Jahren ist aber nicht
Formen religiösen Eiferertums, liegt die Aggressivität auf der Hand. Dies gilt nur das Schmunzelmonster (wie die Titanic treffend mit dem Dalai Lama
für islamistische Attentate wie für christlich-fundamentalistische Angriffe auf titelte), also ein direkt von Gott eingesetzter Feudalfürst in Wartestellung,
Abtreibungskliniken. Inwiefern kann hier von ungeglaubtem Glauben gespro­ hierzulande hoch im Kurs.29 Auch der Papst ist inzwischen zum Popstar avan­
~h~n :werden? Ein hervorstechendes Merkmal religiöser Fundamentalisten ciert. Herbert Schnädelbach spricht, um dies zu erklären, quasi von einem
1st J~ m aller Regel, dass sie sich nicht mit den Verheißungen ihrer Dogmen Alleinstellungsmerkmal von Religion, zu den Wellness-Effekten komme „der
. .
spirituelle Oberton der alle an d eren T··one u··b er t"on t und den ersehnten Kon-
zufnede_n geben, egal, wie das Paradies jeweils ausbuchstabiert wird, sondern
. ' ll D 't k n kein anderes kulturelles
~as Gemeßen ~er anderen nicht ertragen und davon umgetrieben werden, dass trast zum prosaischen A tag erzeugt. arru a n . «Jo Ob
. .
M e dmm konkurrieren; 1er 1st ie e igion
h' • d' R 1· · durch nichts zu ersetzen.. d .
ihre Nachbar_mnen womöglich nicht genauso von asketischem Zwang getrie­
. . . . . d „ . h p dukten der Kulturin ustrie
ben leben wie sie selbst. Und den Zweifel am eigenen Irrsinn niederzuhalten, sie da wirklich nicht hinter en u611c eren ro h d d
.. . .. d. k . nn man davon ausge t, ass as
bedarf 0 ffensichtlich Anstrengungen, die häufig in Aggressionen umgesetzt zurückbleibt, ware zu 1s uneren, v. a. we dd • l R 1· · kul-
werden. 2 7 . h "h l hat Un ass sie 1 e 1g1on
Augenzwinkern im Konsum sie angea ne t . · . h • al Hut Im
. . b di . . mzw1sc en em ter .
turmdustrieller Mechanismen e ent, 1st Ja . . d USA immer
Grad der Modernisierung d er Mi tte 1 sm
· d E r schemungen m en
26 ?ur ~esonderen 'Bösartigkeit' siehe Adorno 1969 S 22
27
Ahlih
n c un d poinuerr
· · hierzu sch Ad '· · ·
Wahn ist das A k d d on . orno: ,,Der Bodensatz des Verrückten, der aggressive 28
, nstec en e un zugle h L"h d d • h Türcke 1992, S. 21f. . . S ll dass der Dalai Lam a ja inzwischen
wo sie mit öffentlr'ch B • ic a men e er zeitgemäßen Volksbewegungen, auc 29
Kritisch dazu Goldner 2008. Ergänzt sei an di~sher the e, Das Titanic-Cover schmückte das
er e1c 1 1te und exhib't' · · h • · · h ·
fehlen. Wer aber ih f . h . : romsnse er Keuschheit der Demokratie sie ernp .
immer h'm auf politisc
. . h e M ac h t o ffi zre
. 11 verz1c tet at,
nen anatisc willentlich · h "b l"ß GI b n
forcieren durch ve.1olgu d A' d sie u er a t, muß den ungeglaubten au e ,,Schmunzelmonster" im Mai 2008.
' rn
Hervorhebung M.S.).
ng es n ern vom · z ·r I 9 S 176·
eigenen wene ablenken." (Adorno 197 , · ' 30
Schnädelbach 2009, S. 130.

123
122
mal wieder besonders weit vorne, so gab es, um nur ein Beispiel zu erwähnen, Bei der Religion als Business ist der Fo d l . . .
. B · d 1920er in Los Angeles das Pfingstler-Startup The Inter- · 1· · h rrnwan e von Reltg10n die Anpas
bereits zu egmn er · h d A l sung an k apita istisc e Vergesellschaftung a fL • h . h .' -
national Church ofthe Foursquare Gospe1· Deren Kirc e, er ng: us 7!mple, . d hl , m o rensic t 1ic sten eingangs war
ja bereits von ~r unsc agbaren Ware „eternal life" die Rede '
b ot 5000 GI ..au b'igen Platz ' lief 7 Tage die Woche. undh
war praktisch immer
. . . R d" Im Vergleich mit den USA oder Frankre· h .b
· 1· h T
h.'
ic gi t es ierzu ande kerne
l .
ausgeb ucht. An d er S e1 e·t des Gebäudes befanden sie . zwei nes1ge
. a 10anten- wirk 1c e rennung von Staat und Kirche so sind d. Ki h · zahl ·
· K reuz, das sich drehte und noch m 50• Meilen . h d · ' re rc en m reichen
nen o b en d rauf em • 1 Entfernung staat 1 1c en un parastaathchen Gremien fest instituri 1· · · · d h
'h
zu se en war. n
u d drinnen eine Show, die Hollywood m nie ats nachstand,
d d K' h ·· d ·
. d C .
mit er antas un
dd . .
er Diakonie nach dem Staat d
iorta isiert, sre sm auc
••ß A b · b
· frenet"rschem Orchester zur Kollekte un er irc grun enn und ·d d k · er gro te r eitge er und
mitsamt entschei
. en
.. h er Fa1· tor im gesamten Sozialbereich Und
. . zu deren p raktr·ken d er
· A' ee Semple McPherson, die auf dem Höhepunkt der Show auf remen Nac sten iebe war Ja der Rausschmiss wegen V
P re di genn, 1m . . h · r. 1· h • . . . . verzeh rs emer · portion

einer Treppe, rosengeschmückt und 1m gleißenden Sc emwener rc t, quasi Teewurst
· 31 . . m Hannover vor emiger . Zelt. beeindruckendes A nsch auungsmatenial .
aus dem Himmel h erab stieg. . . . . K.irch_hche U~ternehmen ~~nteßen hierzulande Privilegien, von denen andere
Dass auch der Papst kulturindustriell mszeme~t ":ird, 1st klar, bemerkens- Arbeitgeber_mnen nur traumen
. . . . können . (so gibt es keine Betrieb 1 sra··t e, un d
wert hier eine Anekdote aus dem Fernsehen anlässlich des letzten Besuchs b d
zur Frage, o 1e Mitarbeiter_mnen em Streikrecht haben wird zurzeit
· Deutschland von der ein Freund berichtete. Ein Anhänger erzählte in · h · ) d• , vor
Gene t gestritten. Un immerhin kassieren die katholischen Bistümer heute
:e Kamera vor' Ort die üblichen Sätze von seiner Ergriffenheit, dass er so noch pro Jahr von den Ländern über 190 Millionen Euro als Ausgleich für die
etwas Großartiges noch nie erlebt hätte etc., und das in einer ~erart vorge­ Säkularisierung im 19. Jahrhundert. 33 Religiöse Privilegien funktionieren hier
stanzten und unbeteiligten Weise, dass nicht zu übersehen war: irgendetwas als Businessmodell, an das sich inzwischen auch nicht kirchliche Unternehmer
ist hier komisch. Der ungeglaubte Glauben, in anderem Gewand. Wie ist das anzuschließen versuchen.
zu verstehen? Sehr viel weniger mit dem Staat verzahnt funktioniert das Ganze in den
Das funktionalistische Verhältnis zu solchen Events und Wellnesspro­ USA. In ihrem Buch God Is Back. How the global rise offaith is changing the
grammen seitens derjenigen, die eben manchmal so entspannen statt beim world streichen John Micklethwait und Adrian Wooldridge, zwei Redakteu­
Fitnesstraining oder sich inzwischen Kreuze oder andere religiöse Symbole re der liberalen Zeitung The Economist, die unterschiedliche Entwicklung
umhängen, die sie bei H&M kaufen, liegt auf der Hand. Übergänge zu krasse­ in Europa und den USA heraus und analysieren den US-Religionsmarkt als
ren Formen aber ebenso, immerhin ist der umjubelte Papst derselbe, der mit Exportweltmeister in Sachen Religionsunternehmen, da er nahezu perfekte
der Pius-Brüderschaft Holocaust-Leugner rehabilitiert. Zur Frage steht also, Wettbewerbsvoraussetzungen biete. Und das liege eben gerade an der frühen
inwiefern Religion, auch in ihrer Lifestyle-Variante, als Fundamentalismus und klaren Trennung von Staat und Kirche, die in den USA Religionen von
auf dem Sprung zu begreifen ist. Oder, anders formuliert, inwiefern Religion Anfang an auf competition and choice ausgerichtet habe. In dem Buch wird viel
solange vergleichsweise harmlos ist, wie sie machtlos ist. Material ausgebreitet, gleichzeitig herrscht auch hier eine rhetorische Gleich­
Aber auch in den harmlosen Varianten geht es nicht nur um ein Wohlfühl­ setzung von Religionen und deren säkularen Kritiker,innen vor - eine Kritik,
programm, es geht auch um harsche Distinktionen. Denn wenn im Prenzlauer die, wie oben erwähnt, in ihrem gleichmachenden und darin abräum~n~en
Berg mit seiner extremen Dichte an gut verdienenden jungen Familien mitsamt Gestus Mainstream ist. Auf die Idee, der Kapitalismus könne selbst religiöse
teuren Kinderwagen die Kirchen - dem allgemeinen Trend zuwiderlaufend Züge tragen, kommen die Autoren in ihrer liberalen Perspektive aber, wenig
- _überlaufen, liegt der Verdacht nahe, dass hier mit der christlichen Religion überraschend, nicht.
e1:11 kul!ureller C~de relevanter wird, der Abgrenzung meint. Zur Frage steht
hier, wie genau mittels religiöser Codierungen alltagsprakrisch Distinktionen Money happens'<strich): Kapitalismus als Religion
und Ausschlüsse vollzogen und soziale Hierarchien stabilisiert werden - und
auc~ _hier ist ~ie Frage, wer woran ,wirklich' glaubt, nicht die interessante. Als Wie verhält es sich nun andersherum? Inwiefern wohnt der Vergesellsch~~u~g
st
pol1t1~_ches T1~k~t schließlich ist in Europa in den letzten Jahren die Abgren­ über Ware Arbeit und Geld selbst Religion inne? Dazu sollen nun verder
'
kurz die zentralen . 1ismus
Thesen aus Kapita · a ls Religion vorgestellt wer en.
z~ng ub~r-~ehgi?n omnipräsent. Die rechtspopulistischen Versuche, mittels
~mes _rehgio~ codierten rass~stisch~n Programms Wahlerfolge zu erzielen, sind
------------.- d islamistischen, i~ diesem Fall salafistischen
inzwischen m Europa bereits Legion und teils sehr erfolgreich.32 Jungle World-Titel vom 10. Mai 2012 passen z u · . ... orten lassen Hier treffen teils
G ) d . h d . ht sinnvo1 1 re 11g10s ver . 1 be
ruppen , a erstere sie gera e rnc . .. . h F men von unge"laubtem G au n
:~ V~!. ~cklet_hwait/Wooldridge 2009, S. 83-84. auch verschiedene der hier skizzierten zeitgenoss~sc en or 0

Die teils geringe Reichweite einer th 1 · h b · · · d· aufeinander und dem ist nur ideologiekritisch beizukommen.
diesem Fall d tl' h b h e~ ogisc en zw. religiösen Sortierung des Felds wir in 33 '
eu ic ' etrac tet man die rechten Gegner der „Mohammed-Karikaturen" (so der Spiegel Online 2011.

124 125
t rnirnmt in seinem 1921 entstandenen Heute noch erinnern die zwei Striche im z . h d
• ·
B enJamm un e . Fragment . eine Über- oder des Pfunds an die zwei Stierhörner die ame; fen es d Euros, des Dollars
.ietung von Max ,v, her
we • Hatte dieser in der Protestantischen Ethik ..analysiert ,
b ·· ·
als Reprasentatlon des Oprertiers
i: • •
im '
Tempel H' n1.. ang . esh Geldes
. stande n -
wie • protestantisc
· h e Denk- und Praxisformen
. . als .Vorstufen und Ubergänge . • ier asst sie eine Abfol
italismus fungieren, geht es BenJamm um mehr: Der Kapitalis- Stellvertretungen re konstruieren,39 ein zunehm d Ab k . ge von
hi n zum Kap1 I . • 1· . . 11 . h d" · · hl' ß • . en er stra t1onsprozess
mus selbst sei· eine
· Religion , " eme reme Kultre igion, . etc
. vie . t ie extremste , der aber, und. das 1st Ja sc
. 1e lieh die Pointe der R ea a stra non Geld 1mm '
1 b k . .
· gege b en hat"34 . Das Christentum,. so Benjamin, wird. zum Kapitalis- auf Konkret10n angewiesen war und ist. ' er
die es Je .. .
mus, bereitet ihn nicht nur vor. Das Kapital als gesellschaftliches Verhaltnis Am Anfang stand das Menschenopfer.
funktioniert also wie Gott auf Erden. . . "Die Münze ist Stellvertreter des Originalopfers In A.. 11 d
Beniarnin nennt verschiedene Grundmerkmale des Kapitalismus als Re- · 1 · l h d" · gypten ste te , as
35 Siege , mit we c em. 1e Opfertiere bezeichnet wurde
" kni
n, emen 1een den
·
ligion: e;stens die „permanente Dau~r des Kultu~" - ~ieser lä~ft 24 /7 (also Mann dar, der mit auf den Rücken gebundenen Händen · Pfahl
noch exzessiver als im Angelus Temple m LA). Zweitens gibt es keme Theologie, r . . dd an emen
befestigt 1st, un em das Messer an der Kehle sitzt'. «40
keine spezielle Dogmatik - dies ma~ z':1-nä~hst auf die i_mmense Anpassungs­
fähigkeit dieser ,Religion' zielen, _die Ja bishe~ noc~ Jede Gegenb~wcgung Im alten Griec~enland wurden die Opfertiere später durch Metallscheiben
überlebt bzw. integriert hat. Auf Jeden Fall wird hier schon deutlich, dass mit deren A_bb1ld ersetzt. Und während dort die entscheidenden Orte für
es nicht um eine einfache Analogie geht, in der für heute gesprochen die die H:rausb_ildung der ersten 1:1-ünzgeldformen zunächst die Tempel waren,
,Wirtschaftsweisen', Notenbankchefs oder gar Ackermanns dieser \X!elt als übermmmt m Rom der Staat die Beglaubigung des neuen Zeichensystems.
Hohepriester fungieren - so sehr sich bestimmte Inszenierungen auch anäh­ Christina von Braun formuliert zum Beginn dieser Stellvertretungen:
neln mögen.36 Drittens, und auch dies verdeutlicht die grundsätzliche Ebene, „Beim Geld geht es also um ein Tauschgeschäft, mit dem ursprünglich das
auf der die Benjaminsche Skizze ansetzt, ist der Kapitalismus als Religion menschliche Leben selbst gemeint war."41
immer weiter verschuldend, nicht entsühnend. Es gibt also keine Gnade, keine Es geht um das Verhältnis von Tausch und Kult, und darin geht es um For­
Vergebung der Sünden. men der Praxis. Wird das Geld ursprünglich vom Kult und nicht wie üblich
Benjamin arbeitet in Kapitalismus als Religion durchgängig mit der Dop­ vom Tausch her begriffen, werden die Prozesse von Abfolge, Ablösung und
peldeutigkeit von Schuld, die zwischen Ökonomie und Moral bzw. Religion Nachwirkung anders perspektivierbar, es entsteht eine andere Erklärungsbe­
oszilliert. Einen klaren Zusammenhang hatte schon Nietzsche formuliert, dürftigkeit als beim Gedanken, dass sich mit dem Geld Rationalität entfaltet42
nämlich dass „jener moralische Hauptbegriff ,Schuld' seine Herkunft aus - der Schatten dieser Entwicklung gerät besser in den Blick.
dem sehr materiellen Begriff ,Schulden' genommen hat"37. Bei Benjamin läuft Wie im Geld die Überwindung des Opfers steckt, so steckt im Geld auch
die Entwicklung allerdings gewissermaßen andersherum: das Christentum das, was es überwindet - das überwundene Opfer, in einer anderen Gestalt von
wird zum Kapitalismus, und zwar in dem Moment, in dem das Geld „aus Abstraktion und Konkretion. Dabei kann es aber nicht um eine Gleichsetzung
d:m Christentum soviel mythische Momente an sich ziehen konnte, um den gehen - die Frage der Grenzbestimmungen erscheint hier in vielfa~her Gestalt.
eigenen Mythos zu konstituieren"38. So beschreibt Benjamin schon zu Beginn des Fragments em zentrales
W~ l_ässt sich so, mit einer derart starken Formulierung zum Verhältnis Problem, wenn man Kapitalismus als Religion identifiziert:
':on Religion ~nd Kapit~lismus, erkennenvund was nicht? Benjamin postu­ ,,Der Nachweis dieser religiösen Struktur des K~pitalismus, nicht ?ur,
li~rt, dass es sich um kem Verhältnis der Außerlichkeit handle. Nicht um wie Weber meint, als eines religiös bedingten Gebildes, sondern als einer
die Begü~stigung frühkapitalistischer Entwicklung durch spezifische Denk­ . religiösen
essentiell . . .. E rsch emung,
• .. de heute noch auf den Abweg
wur .
und Praxisformen geht es an dieser Stelle, sondern um ein Umschlagen. Ein . . l
emer maßlosen Universa po erru l ·k füh ren. Wir können das Netz, m
Umschlagen, dessen Spuren sichtbar bleiben. dem wir stehen nicht zuziehen" •
43

34
Benjamin, GS VI, S. 100.
35
Ebd.
36 Zu d1S. kut'ieren ware,
.. · · c 39
B · · • h . mwierern
. qu · · ll .
asr von emer a gemeinen Dogmatik zu sprechen wäre (was 40
Laum 2006. i h inern Wesen und nach seiner
enjamm rnc t tut); m diesem Sinne "b 1·· Ul · h · d Ebd., S. 171f (Zitat im Zitat: Albert Stöckl, Das Op er nac se
KapitaJ15• mu · 'Th . gi t org ric einen kurzen Hinweis auf eine nur ern
sowie·
s eigene eo 1 001e
· d F 0 • ".
etwa · d ·
m en wissensc
haft · d
liehen Denkformen und Metho en Geschichte, Verlag Franz Kirchheim 1861, S. 1_7:)- h . dere Form das Menschenopfer
41
msgesamt m en armen m den h" ,,v,_ L h • , . • 05 Braun 2006 S. 204. Mit dem Heiligen Geld wir_ auc ~me_ an (S 205) '
s. 28). ' en rer wanr erten produziert werden" (Ulnch 20 , '
zu substituieren, .., · k verJ assen.• die Prost1tut1on ·
den Tempclbezlf ·
37
Nietzsche, KSA S S. 297 42
38 • , ' • Müller 1977.
Benjamin, GS IV, S. 102. 43
Benjamin, GS VI, S. 100.

127
126
. fd B d d r Aufklärung, können die entscheidende Diffe- A.bsolute die Seite gewechselt habe - das Kapital l d' f „
Wir stehen au em o en e d fklä . Gesellschaftsprozess verflüssigte Substanz Gott "48 a s " ie au geloste, zum
. h f kl'' t bpitalistischen Formen un vorau arenscher h es .
renz zwisc en au ge ar en '- . 'd . . S .. . i:
Inwie1ern untersc eidet sich Benj amin h · M
. . . h d . h · h n indem wir bei e m ems setzen. ,, pater wird
Religion mc t m c streic e ' . . . • v · l' ier von arx? Immerhin b
. . h "b bli k d n" schreibt BenJamm weiter. hauptet er m Kapua tsrnus als Religion das Denk F· d . e-
dies jedoc u er ic t wer e ' . . h K 1·· . . . ' . en von reu 'Nietzsche
'ß ;i In einem knsentheoretisc en ontext age hier und eben auch M arx sei m den Mechamsmen di R r1 10
· rf 9'
Was kann d as h er en. f 1· h . Und schließlich findet sich bei Marx nicht nur desi·er e ~ ? :e hange~·~
. ah d uf inen Zustand der gesellscha t 1c en Entwicklung . . . e matena1 tstrsc e Kritik
ein Zugang n e, er a e1 . l 'h d
.0 • d d' E twicklungsdynamik des Kapita s an 1 r En e kommt. an Feuerbach, sondern auch eme Knt1kfigur die das N hl b . • ..
speku1iert, m em ie n . d d K · 1· h · 1· h F • ' ac e en re1igioser
iarnin noch einen vierten Grun zug es apita isrnus genauer c nst ic er. ormen .m der vermeintlich aufgekl··art en kap1t· al"istrsc
• h en'
So b enennt auch B enj . • 1· h d "
. • "ml' h dass deren "Gott verheim 1c t wer en muss und „erst Vergesellschaf tung immer wieder denunziert.
als Re 11g1on, na 1c d d f" 44 E' k • •
• z enit• h semer
im · ,;vers
r chuldung angesprochen . wer en.. ar. . mer a tualisis. Beiden, Benjamin und Marx, ?eht es nicht um eine Kritik der Religion,
renden Le kture .. ergiibt sich hier allerdings
. ein grundsatzhches
. Problem: Wann . sondern um Prozesse _des Nachwirkens, um kontinuierliche Formen von
ware„ dieser z us t an d erreicht?• Schließhch kann. immer nur . . ex. post konstatiert Herrschaft durch massive gesellschaftliche Brüche hindurch.
dass die bisherigen Anläufe, eme grundsatzhch andere Form Für die Differenz der beiden ist wieder die ,Verschuldung' zentral, und
werden k ann, • · d d d' 1 ·
der Vergesellschaftung zu versuchen, gescheitert sm _un re a ternatrven das M~tiv ~es unaufhaltsamen F?rts~hritt~. ~m Begriff des Fortschritts hängt
versuch e, d. h . vor allem der Staatssozialismus,
i;r
. . .letztlich
. . als ,nachholende' auch die Emgangsfrage: warum ist die Religion überhaupt noch da, wo deren
Modernisierung diesseits, nicht schon Jenseits kapitalistischer Formen (Ware, Kritik doch seit knapp 170 Jahren ,im Wesentlichen erledigt ist'?
Geld, Markt, Staat) dechiffriert werden können. . . . Benjamin schreibt zu Marx: .,der nicht umkehrende Kapitalismus wird
Das spätere Überblicken meint in K~pit~lismus als R~ligwn k~i~-~n Fort­ mit Zins und Zinseszins, als welche Funktion der Schuld (siehe die dämoni­
schritt, sondern eine Katastrophe. ,,Es hegt im Wesen dieser religiösen Be­ sche Zweideutigkeit dieses Begriffs) sind, Sozialismus.v'? Vielleicht könnte
wegung, welche der Kapitalismus ist, das Aushalten bis ans Ende, bis an die man dazu formulieren, von heute aus im Rückblick auf den untergegangenen
endliche völlige Verschuldung Gottes, den erreichten Weltzustand der Ver­ Realsozialismus, der Arbeit, Ware und Geld ja nicht aufgehoben, sondern
zweiflung auf die gerade noch gehofft wird."45 Dies ist keine Hoffnung, die zentral zu planen versucht hat: mit entscheidenden Formen wird nicht gebro­
Benjamin teilt. Eher klingt hier schon eine spätere Formulierung an: ,,Der chen. Hierzu passt Benjamins später entwickelte Kritik des herkömmlichen
Begriff des Fortschritts ist im Begriff der Katastrophe zu fundieren. Daß es ,so Fortschrittsbegriffs, den er auch bei Marx am Werk sieht:
weiter' geht, ist die Katastrophe."46 ,,Marx sagt, die Revolutionen sind die Lokomotive der Weltgeschichte.
In einem krisentheoretischen Kontext, aber mit anderem Zungenschlag Aber vielleicht ist dem gänzlich anders. Vielleicht sind die Revolutionen
liest Jörg Ulrich die Benjaminschen Ausführungen. Die Frage der Universalpo­ der Griff des in diesem Zuge reisenden Menschengeschlechts nach der
lemik und der ,ungereiften Gottheit' verhandelt er über Nietzsche, auf dessen Notbremse."51
tollen Menschen, der seine Laterne zerschmettert, da mit seiner Verkündung
von Gottes Tod zu früh gekommen, Benjamin hier anspiele. Die vakante
Positi~n Gottes vermögen die Menschen nicht einzunehmen - ,, [u] nd eben Ein Gegenzug: Fetischismus in der Theoriemaschine
diese Uberforderung treibt sie in die Maßlosigkeit eines zwanghaften, auf Un­
e~dlichkeit angelegten Handelns, welches von bedürftigen, endlichen Wesen . . . h · · Fragment über Kapitalis-
Benjamin hat aber nicht nur sc on 1921 m semem d h
nicht du:chgehalten ':erden kann und sie in die Selbstzerstörung treibt. "47 . p . b ht die noch und gera e eute
mus als Religion eine Skizze zu apier ge rac ' dik k • · h R akti·on
Ulnch macht hier eine Abfolge aus: Nachdem Feuerbach und Marx · · eine ra a1 e ritisc e e
zu denken aufgibt. Auch fü·· r Strategien, wie . h. . -r t
Gott als Projektion der Menschen dechiffriert hatten und ihm von Nietzsche . h k"' t finden sie m semen rex en
auf dieses ,religiöse Gebilde' ausse en onn e,
der Totenschein ausgestellt worden war, habe Benjamin gefolgert, dass das
48 • • • fi d t sich in Nietzsche, KSA 3, S. 480-482. .
Ulrich 2010, S. 21. Die Nietzsche-Passage ~ e h „ h zur Priesterherrschaft von diesem
49
Wahrend Freud attestiert wird, seine Theorie ge ore .':~uc weniger deutlich aus. Hinweise zur
Kult", fallen die Verdikte Nietzsche und Marx g;?.enu erdies·n prominenten Vertretern des
44
Ebd., S. 101. Interpretation der teils kryptisch an~uce1:de1; a~; ~ S. l~l) finden sich in Baecker 2003,
45
Ebd. ,,kapitalistischen religiösen Denkens (Benpnun, '
: Ben!amin, GS I.2, S. 683. insbesondere bei Steiner 2003 und Hamacher 2oo3.
Ulnch 2010, S. 20f Eine umfan · h A . .c-d t so Benjamin, GS VI, S. 102.
sich in Ulrich 2005.t. grerc ere usemandersetzung mit Benjamins Fragment nu e 51
Benjamin, GS I.3, S. 1232.

129
128
. · M kann danach fragen, inwiefern die Geschichte revolu-
wertvo 11 e H mweise. an " . . .. k 1 . . Dies ist offensichtlich ein gänzlich anderer U .
. .. · .· l1c. r Bewegungen m Europa immer
ttonarer emanzrpatorrsc . von
h sa u ansierten
. onskritik, es geht um eine grundlegende Transrgang_ mit(hdem The~a Religi­
1. • .. K ten beeinflusst war. Insbesondere im erse nten radikalen von Metallen, wäre vielleicht von einem Ums;~ma~on andelte die Passage
Abräumen. Und das kann durchaus auch im z me ennh
57
re igihose~ .. ob
nzkep ener Herrschaft spielten (säkularisierte) Erlösungsvor- zu spre~hen) , kein
Bruc mit u er omm . . . usamme ang mit Ben1'am·
· groß e Rolle , Benj amin.. nimmt dies mehrfach
ste 11ungen eme . •·· ernst. Zum
· · einen These ge 1 esen werden, der Kapitalismus sei eine Reli • z ms
• · · er die (me1ist unbezriffene) Ubernahme re11g1oser 1 . 1· · ·· · d gion. ur Frage was am
krrtisiert o . . . Muster . m. die Pra- Kapita isrnus re 1g1os 1st un was das für eine Krit"k d K • . '
· d A b · b egung scharf Genauso lehnt er politisierte Religion, · · h 'ß k 11 · 1
es aprta1 tsrnus und
x1s er r eiter ew • . . . . also
. der Religion e1 en ann, so 1m Folgenden kurz auf d p. · h K . .
; k · k lett ab.s2 Gleichzeitig finden sich m vielen Texten BenJamms · l · d S .
Ka-nita emgcgangen wer en. o wird zum einen Verseht. d . as ensc - aprte1 im
d
Theo ratie, omp dik 1 · 1· ·
· · he E"msprengsel , Konstellationen von ra 1 a. er. matena 1st1scher : · d „ e enes aus ern ersten
mess1arusc
Kritik und theologischen Bildern. Die Strategie, den Kap1tah~mus als Religion
Teil emgeholt:. as. real Verruckte . an den herrschenden ,Tverh"·] ·
a tnissen, auf das
sich Adorno m semem Satz bezieht, die Normalen glaubten a ,v, h
zu kontern ist selbst nicht religiös, beinhaltet aber Theologisches. • · · l y n wa nsysteme,
die emfacher seien a s das der Gesellschaft; auch Zizeks Figur 1·m Aus
Im Versuch, zentrale Einflüsse auf Benjamins Denken zu benennen, fallen . , ~gmn
Pasc_al a~f Praxis ~nd_ deren Fo_r1:1 zu pochen, findet sich hier grundgelegt; und
in aller Regel drei Namen: Bertolt Bre~ht, ~he~dor W. Adorno und Gershom schließlich geht die emgangs zitierte Passage aus dem Kommunistischen Mani­
Scholem.53 In seinen Texten finden sich, m vielfachen Brechungs- und Ver­ fe~t ja noc~ weiter - :,Alles Stehen_de und ~tändische verdampft, alles Heilige
mittlungsverhältnissen, massive Spuren, die mit den d:.eien in Zusa~menhang wird entwe1~t,_ und die !'11enschen s1?d endlich gezwungen, ihre Lebensstellung,
gebracht werden können, so auch in de~ These~. [!her den Begriff der Ge­ ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen"58 -, und
schichte. Versieht man diese Spuren bzw. die zugehongen Denker mit groben genau zu diesem Satz sind die Ausführungen im Kapital ein entscheidender
Überschriften, so sind hier Marxismus, frühe kritische Theorie und jüdische Kommentar.
Theologie miteinander konfrontiert, gehen teils ineinander über, modifizieren Im Kapitel Der Fetischcharakter der Ware und sein Geheimnis59 beschreibt
sich wechselseitig. Demgemäß lassen sich die entsprechenden Spuren im Benja­ Marx die Verselbständigung der Dinge gegenüber den sie produzierenden Men­
minschen Text nicht klar voneinander trennen, zumal sie teils begrifflich, teils schen. Er kritisiert eine gesellschaftliche Praxis, die hinter dem Rücken der
aber auch in Bildern miteinander verwoben, ineinander übersetzt werden. Agierenden strukturell unkontrollierbare Ergebnisse zeitige und notwendig
Eines der bekanntesten dieser Bilder stammt aus der ersten der Geschichts­ ,verkehrt' wahrgenommen werde. Als Waren seien die Dinge "voll metaphy­
philosophischen Thesen. Dort beschreibt Benjamin das Verhältnis von histo­ sischer Spitzfindigkeit und theologischer Mucken'v", und dementsprechend
rischem Materialismus und Theologie als dasjenige einer Puppe und eines bedient sich Marx einer Analogie aus der "Nebelregion der religiösen Welt" :
61

Zwergs, die als unschlagbarer Schachautomat zusammenwirken. Sichtbar ist Die Menschen verhalten sich zu den Produkten ihrer Arbeit, als sei deren
nur die Puppe, die die Schachfiguren bewegt und jeden Gegner schlägt, wäh­ gesellschaftlicher Charakter eine natürliche Eigenschaft, sie unterwerfen sic_h
rend sie doch ihrerseits von einem genialen Zwerg dirigiert wird, den optische nolens volens einer verselbständigten Eigenbewegung der Dinge, b~leh_nen Sie
Illusionen verbergen/" praktisch mit einer Macht, der sie sich zu unterwerfen ha?en und _die sie doch
Wie werden historischer Materialismus und Theologie aufeinander bezo­ selbst tagtäglich hervorbringen, kurz: sie ~onstitu~eren einen _Fetisch: d'
gen? Wie kann die Puppe alias historischer Materialismus die Theologie „in .
Marx definiert den re1.1giosen
. .. Fetisc
· h 1s mus wie folgt·· " Hier scheinen . d 1e
55
ihren Dienst" nehmen? Im Passagen-Werk findet sich dazu eine programmati­ Produkte des menschlichen • Kopfes r mit · eigenem
· L e ben begabte, untereman
al "62 D' er
sche Notiz:
und mit den Menschen in Verhältnis stehende selbs~~dig~ G~ht tuf en. d ~;s
. 1· . hen Knuk die nie t a er ac e
,,Mein Denken verhält sich zur Theologie wie das Löschblatt zur Tinte. passt genau zur anschließenden matena istisc '. d d' b.. _
k . h hergestellte Dinge - un ie urger
Es ist ganz von ihr vollgesogen. Ginge es aber nach dem Löschblatt so Gottheiten abzielt, sondern auf pra nsc . .h der Aufklärung
würde nichts was geschrieben ist, übrigbleiben. «56 ' liehe Gesellschaft so damit konfrontiert, dass Sie, 1 rem an

52
:::-------------:-
57
.- . . Radikalisierung der Dialektik bis in
„Eine Restitution der Theologie oder hebe~ em~ ·.. i' . s harfung des gesellschaftlich-
1en
Verwiesen sei hier f · k
r,,. . . l
Th l · • . . . ·
~u. sein ':1rzes eo ogzsch-polztzsches Fragment aus der gleichen Zeit wie . . ·•ß gleich eine au )erste c • p· . kt
napzta 1zs":us a s Religion. Beniamin, GS II.1, s. 203-204. theologischen Glutkern hinein rnu te zu " 1 ibt Adorno zum Passagen- roJe
53 . 1ien "1
dialektischen, ja des ökonom1sc .
n onves
bedeuten 'sc irei
Exem.plan~ch Haberm_as 1984, S. 336f.
54 an Benjamin (Adorno/Benjamin 1995, S. 143).
Dash l11stN
onsche MkaM tenall, auf das Benjamin hier zurückgreift, bildet der Schachautomat von 58
] o ann epornu ae zel der z B o· d h Marx/Engels, MEW 4, S. 465.
' u eginn es 19. Ja rhunderts für Furore sorgte und von 59
Ed gar All an Poe .ent 1 arvt' wurde 0f: I T d • 1) Marx, MEW 23, S. 85ff.
60
55 B en1amm,
· · GS I . 2 , S . 6 9 3. · g · ie emann 1983, S. 138 sowie Konersmann 1991, S. 2 Ebd., S. 85.
61
56
Benjamin, GS V.1, S. 588 (N7a, 7). Ebd., S. 86.
62
Ebd.

131
130
. . An . h d Selbstbild zum Trotz, im Kern Voraufklärerisches tal, das ist ja schon am Fetischismus deutlich d
onentiertem spi uc un . . d gewor en Worumesd b. h
roduziere und sich diesem unterwe~fe. . . . . ist die Denunziation essen, was ist, als letztlich b ·. . a e1 ge t,
P h iß M . kritisiert hier nicht die Religion, sondern die gesellschaft- aufge kl ..ar.
t a erwitzig und gerade nicht
. h D~~ heäl· tt, . saerxund misst sie an ihrem eigenen Maßstab - die Kritik der Benjamin nun geht es auch nicht primär um R 1· · k••
1 ic en ver ms · h 1 d' . . .. e igrons ritik und au h
. . fü ·h wie oben zitiert ' im Wesenthc en er. e igt. hUnd . zwar mit
Re I igion war r i n, r . 1 b R 1
das Fort e en von e 1g1osem - dies aber auch in d . B . c um
. en eigenen egriffli hk ·
Feuerbach, den er in seinen gleichnamigen !hesen matena istisc weirerem-o], Und es g~ht ihm um Strategien der Rettung. rc eiten.
·11 F erbach hatte Religion, für ihn vor allem das Christentum als Dann steckt das Versprechen, das die bürgerliche G II h f all .. •
c ke 1 n wt . eu 1 . .. k füh I d . dd . h h. . ese sc a t täglich
deren fortgeschrittenste Form, auf Anthropo og1e zuruc ge rt. n en religi- blamiert un as sie auc m Religiösem aufbewahrt fi d D · k
ösen Vorstellungen und Praktiken ents~h_lüsselte er grundlegend~, wes~nhafte · h GI k , n et. arm stec t der
,theolog1sc e ut ern, von dem Adorno schreibt. Dari t k d W h
menschliche Bedürfnisse, und seine Kritikfigur besteht vorrangig dann, dass • d. • • J . n s ec t er unsc
nach emem iesseitigen enseits.
· d R Iizion diese Bedürfnisse und Wesensmerkmale steckten (das macht
in er e o . . h b f . d. k··
ihre Wahrheit aus), sie diese Bedürfmsse aber mc t e rie igen onne und
die Entfaltung der Menschen gerade verhindere - das macht _ihre Unwahr?eit Fallen in der Fetischismuskritik
aus. Sie müsse also in dem Sinne überwunden werden, dass die Menschen ihre
religiösen Vorstellungen als ihre eigenen Projektionen erkennen und Gott Marx wirft im ,Fetisch-Kapitel' ein tiefgreifendes Problem auf: Wenn die
nicht mehr nötig haben. 63 kritisierte Form der Vergesellschaftung notwendig66 Bewusstsein und Praxis
Marx nun kritisiert an Feuerbach dessen anthropologische und darin als fetischistische konstituiert, der Fetischismus also omnipräsent ist, wie
eben nicht praktisch revolutionäre Argumentation, die in Behauptungen über kann dann aus der Gesellschaft eine Kraft erwachsen, die den Fetischismus zu
das Wesen des Menschen'" die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse überwinden in der Lage ist?
idealisiere, so zum Beispiel die Familie. Warum bringen die herrschenden In einem 1935 verfassten Brief an Benjamin rekurriert Adorno auf dieses
Verhältnisse Religion hervor? Was sagt das über diese Verhältnisse? Dazu Problem, wenn er dessen zweiten Entwurf zum Passagen-Werk mit den Worten
besonders prägnant Marx, die 4. Feuerbachthese: kritisiert: ,,Der Fetischcharakter der Ware ist keine Tatsache des Bewußtseins
,,Feuerbach geht von dem Faktum der religiösen Selbstentfremdung, sondern dialektisch in dem eminenten Sinne, daß er Bewußtsein produziert."67
der Verdopplung der Welt in eine religiöse und eine weltliche aus. Seine Er zielt damit auf den Brechtschen Einfluss auf Benjamin, wie im selben Brief
Arbeit besteht darin, die religiöse Welt in ihre weltliche Grundlage deutlich wird:
aufzulösen. Aber daß die weltliche Grundlage sich von sich selbst "lnnergesellschaftlich sagt das aber, daß der bloße Begriff_ ~e~ Ge­
abhebt und sich ein selbständiges Reich in den Wolken fixiert, ist brauchswertes keinesfalls genügt, den Warencharakter zu kritisieren,
nur aus der Selbstzerrissenheit und Sichselbstwidersprechen dieser sondern nur aufs vorarbeitsreilize Stadium zurücklenkt. Das war stets
weltlichen Grundlage zu erklären. Diese selbst muß also in sich selbst mein eigentlicher Vorbehalt ge~en Berta [i.e. B~echt, M._S.J ~nd i~r
sowohl in ihrem Widerspruch verstanden als praktisch revolutioniert Kollektiv' sowohl wie ihr unmittelbarer Funkuonsbegnff sind mir
werden. Also nachdem z.B. die irdische Familie als das Geheimnis der
, . 1 . ' «68
darum stets suspekt gewesen, nämlich selber a s .Regression · .
heiligen Familie entdeckt ist, muß nun erstere selbst theoretisch und Benjamin nun, so der Punkt, auf den die Argumentation in diesem Abschrutt
praktisch vernichtet werden."65
· l t, reagiert
zie · m ··ber den Begrt/J
· u. :n: der Geschichte auf das von Marx gestellte
9 • K · ik 6
~as Marx in den folgenden Jahrzehnten unternimmt ist genau das: die Selbst­ Problem und beantwortet indirekt die Kritik Adornos. Seme nt am
":idersp~~chlic~ei~ der bürgerlichen Gesellschaft z~ kritisieren (auch wenn
d:e Famil~e dann nicht wirklich im Focus steht). Und dabei bedient er sich 66 • • . • . d r den Arbeitsprodukten anklebt, sobald sie
vielfach Bildern und Figu re n, d'1e aus der Re 1·igion
· stammen, so auch 1m
· .n.api·
v ·
Marx beschreibt den [etischistischcn Schein," e d W: roduktion unzertrennlich ist",
als Waren produziert werden, und der ?aber vo:r ~~e ::~fcha.ftlichcn ßcdingungc:1 ihrer
6
~ 31,,-W
:;:-.1:.e-::
- G~o-tt-s-i:c-;-h-s-el::-b-st_a_u_f_e_c_b_e_ • . als realen: ,,Den [Produzenten] erschei~en dalah . gib acsellschaftliche Vcrhältrusse der
.
Prrvatar b . al da . . d d h nicht . sl unm1rte
eiten s s, was sie stn , · ·
arhliche
b •
Verhältnisse der Personen
oh'- · · h G d g g_ n aus Liebe, so sollen wir auch der Liebe Gott aufopfern; denn h I
d"kwtszrdnicL: botdt er Liebe auf. so opfern wir die Liebe Gott au• und wir haben trotz des Personen m . ihren
. . lb
Arbeiten sc. st, dern vre rne r a s sac h b
{~~
ra I a er 1e e en Gott das b·· w, d Ü 'l• S und gesellschaftliche Verhältmsse d erson
S ac h en. "(Marx ' D as K a pt'tal , Bd . 1 , S . 87, Hervor e ung,
61). ' ose wesen es re giösen Fanatismus." (Feuerbach 1975, ·
64 M.S.)
„Feuerbach löst das religiöse Wesen in d hli 67
Adorno/Benjamin, Briefwechsel 1995, S. 139.
ist kein dem einzelnen Indi 'd . as mensc iche Wesen auf. Aber das menschliche Wesen 68
das ensemble der gesellsch rvt ftli uurn
h V,mnewohnende
hal . " s Ab strakturn. In seiner
. w·rrkli1c hkeit. 1s. t es Ebd., S. 143. . I.. h Y7men als entscheidendes Vorwort zum
65 Ebd. a rc en er a trusse. (Marx, MEW 3, S. 6). 69 Adorno selbst begriff die Geschichtsp~tlos~p;;; e7eichs'.un die erkenntnistheoretischen Erwä-
Fragment gebliebenen Passagen-Werk, sie wur „g

133
132
. . • . nd an der Praxis der Arbeiterbewegung lässt sich
historischen Materia 1 isrnus u f d p 61 d F . . beschreibt Benjamin die Seite, die ,immer gew· II' d. . . .
. "k , hnellen Antworten au as ro em es etisch1smus Th .. k ·11 . mnen so , iejeruge d .
lesen als Kriti von vorsc di . G f h h ' seinen esen star en w1 , m einem solchen Bild? , 1e er mit
wie sie
. . Ad
orno rec
B ht zuschreibt, Antworten, . . h .
e m e a r ste en, dem
. d ..h Der Automat funktioniert indem er ei 1·11 ·
. . . h . u verfallen als sie sie Jenseits avon wa nen. ' ne usion produ · D I
Kritisierten umso me 1 z ' . . . b h · bendige Moment, derart verborgen, wird dienstb h d ziert. as e-
.
Um drese mog•· 1·rche Falle der Krmk gmg es o en sc on, b ..sie droht bei • d ..
Puppe untergeor d net, un d ist och für deren Sie
ar gemac t,
h 'd d
ern Zweck
.
der
. . k 6 eoatheistischen vorschnell-ungenauen A raumen des re- · W i: ·r 70 • . g entsc ei en . Und die Pup-
emem 1m en zw. n l · d d" · pe hat eme asserpreire im Mund, em Attribut d M ß d h . .
.ig10sen
. .. G egners. Der Gegner ist an dieser Stel e ein. an erer, . . 1e•· Figur der nie· h t. er u e, • . sie arbeitet
1
Kr .in·k a6 er is · t die gleiche. Und mehr noch: Wenn mit Benjamins Uberlegun-
i d Kr" "k f··11 · Der Automat weist so eine bemerkenswerte A .. h 1· hk · · •
gen der Kapitalismus selbst als religiöse Struktur er in ver a t, gewmnen · h • n 1c ert mit seinem
Gegner au f . Nie t nur ist für die kritisierte Gesellschaft d.1 F al
·· · d k · • .. e rage zentr ,
Übergänge an Kontur. . . . wer uber die Pro u tionsmittel verfügt und wer nicht
. • ie organisiert sic
s· h ·· ·
Über den Begriff der Geschichte korrespo~diert vielfach mit dem frühen
vor allem durch die I:errschaft _der tot~n ~rbeit über die lebendige, durch die
Fragment Kapitalismus als Religion. Fanden si~h dor~ ers~e Spuren von Ben­ Verwertung menschh~her Arbeitskraft m einem Produktionsprozess, der einer
jamins Kritik an der Konzeption des ~ortschntts, wird dies n~n ausgeführt Form gehorcht und diese beständig reproduziert die sich verselbsrän digt: ·
_ am bekanntesten ist sicherlich das Bild vom Engel der Geschichte, der auf 71 ' • ein
„beseeltes Ungeheuer" , wie Marx formuliert. Das Kapital, akkumulierte tote
einen vom Fortschritt aufgetürmten katastrophalen Trümmerhaufen starrt. Arbeit, herrscht als Selbstbewegung der Dinge über die Menschen, die doch
Aber auch Benjamins Kritik an einem kulthaften Verhältnis zur Arbeit die einzigen sind, die real agieren. Damit rekurriert Marx nicht nur und nicht
findet sich hier. In der XI. These wird die sozialdemokratische Arbeitsver­ einmal in erster Linie auf ein Problem des Bevn.1sstseins, sondern auf ein reales,
götterung kritisiert und damit eine Variante, wie Theologie bzw. Religion ein praktisches Problem. Der Schein, dass die Dinge sich verselbständigen
und Materialismus für Benjamin nicht zusammenwirken dürfen. Wenn der und in ihrer Selbstbewegung die Menschen beherrschen, ist keiner, der sich
SozialdemokratJosef Dietzgen die Arbeit als „Heiland der neueren Zeit" feiert, lüften ließe wie ein Schleier vor den Augen, der sich korrigieren ließe wie
erblickt Benjamin darin die „alte protestantische Werkmoral [ ... ] in säkulari­ ein Denkfehler. Die bekannte Formulierung „Sie wissen das nicht, aber sie
sierter Gestalt": Die umstandslose Überblendung von christlicher Heilslehre tun es"72, gilt es daher nicht dahingehend zu lesen, dass die Beendigung des
und politischem Projekt der Arbeiterklasse fällt hinter die Kritik der Religion Nichtwissens, das Wissen automatisch das Tun veränderte - selbst wenn die
zurück, indem sie die Praxis und die Subjektivierungsmodelle des Protestan­ derlei Aufgeklärten dies wollten. Über diese notwendige Bedingung hinaus
tismus nicht aufzuheben versucht, sondern blind verlängert. Der Zug des bedarf es noch einer hinreichenden: des praktischen Gelingens.73 Denn selbst
letzteren zur Säkularisierung wird fortgesetzt, und letztlich wird, so könnte wenn die Menschen wüssten, was sie da tun, änderte dies am realen Zwang
man den dialektischen Umschlag formulieren, die Arbeit zum quasireligiösen - so dem, seine Arbeitskraft verkaufen zu müssen und damit die erkannten
Kult der blinden Naturbeherrschung. Theologie wird nicht aufgesogen wie 74
Strukturen zu reproduzieren - zunächst nichts.
in Benjamins Löschblatt-Metapher, sondern letztlich wird Religion prakti­
ziert, und zwar, spärlich ummantelt, christlich-protestantische mit all ihrer 70
Auf die türkische Kleidung der Puppe kann in diesem Rah1:1en ni~ht näh~_r ei~gegandged~ werf-
funktionalen Verinnerlichung äußerer Zwänge. .
den. Verwiesen sei· hier
· nur auf d"1e exotrsc· h e Fremdheit • die. damit assoznert
. "d 1st. .. un •& 1e dau
. . 0 · t , rweist auf einen 1 ennratssn en en
f·· B • ·
. . Mi~tels solcher ,Regression' ist also für Benjamin der Kapitalismus als Re­ das Verhältnis Deutschlands wie Europas zum nen ,e '
. d 19 Jah I underts zum anderen ur enjarruns
ligion.~ucht zu kon~ern. Wie ist vor diesem Hintergrund das erste Bild aus dem Orientalismus, zum einen für den Begmn es · . r 1 . . 'h St rik d h Fortschrittslo-
. emge
. h en d ere B esc häf. 1
Epoche. Eme ngung k„on nte die vermemt ick e ha' ,n .die. Benjamin mit
Text Uber den Begriffder Geschichte: zu verstehen, das Bild des Schachautoma­ sigkeit ,des Orients' als europäischer Imago zum Ausgangspun t ne me '
ten? Dass_Benjamin eine Puppe, ein totes Ding als historischen Materialismus dem Bild affirmativ'(ent)wendet.
71
benennt, ist zunächst als Kritik daran zu lesen, dass der historische Materialis­ 72
Marx, MEW 23, S. 209.
m.~s Ende der 1930er Jahre zur herrschaftlichen Mechanik versteinert war. Es Ebd., S. 88. d h d materiellen Produktionsprozesses,
73
„Die Gestalt des gesellschaftlichen Leben~roz;sesb id ·. esls Produkt frei vergesellschafteter
ware nun aber zu einfach, die Frage der Dinghaftigkeit die sich hier aufwirft, streift nur ihren mystischen Nebelschleier a • so a l.lsic a ht „ (Ebd s 94)
darauf zu reduz · A h · · , ··g- Kontro e ste • ·• ·
. . ieren. uc m emer Gegenüberstellung von mechanischem Menschen unter deren bewußter P 1 anrna iger . d . "1 · h auf den Punkt: Auf der Ebene
74
histonschem Materialismus und der Th 1 · d' di b l b ht das Slavoj Zizek (1994a, 314f.) bringt dieses Problem sehrlei~ nH nbegl~clian~ sondern das "bourgeois
B'ld · h f . . eo ogie, re esen e e t, ge der " everyday .
ideology " sei. k aum 1eman
. d a specu atrve · alist" 'So on an everyd ay I eve l ,
1 - J d A '' lo Saxen nomm, 1 • " , •
" m~ t au · Denn schließlich wird letztere eingespannt in eine "Appara- individual" sei, ,,on the contrary, a goo ng - l . ,rween peoplc behind the relarions
16 • • 6
tur , emen Automaten ein s h · b
. , c ein ar se stprozess1erendes Dmg. warum
,vr the individual knows very we11 t h at t h e re .are re·a1auons • "t}'c itself in what they are doimg, t h ey
berween things. Thc problem 1s . t h at m. rheir. soci. h acuvi b d"ment' of wealth as suc h . Tl1ey are
gungen zusammenfassen deren Ent · k1 di d . mater~a
are acting as if rnoney, in its · 1 rea 1 1 ty• 1s t e em o 1
1990, S. 22). ' wie ung e es Passagenentwurfs begleitet hat" (Adorno
fetishists in practice, not in rheory,

135
134
. h d · rt wird letztlich das für Marx zentrale Problem der
Praktisc repro uzie . . · «75 d. 11 . haben mag. Benjamin konstruiert ein d" l k • h .
" der der Fetischismus "entspringt - 1e gese schafthche . . h "h
sich au fmmmt, sie 1 m ähnlich macht
ia e tisc es Bild das d Kr" . . .
Formse 16 st, aus d M h d. 11 d .. b ' . as 1t1s1erte m
" • •_•r • d Bewusstsein indem " en ensc en 1e gese schaftli- . . zrtiert
Gleich zeing . . er einen
. Automaten 'dun k so . u er es hina .
so11 . 79
Praxis pra.1orm1ert as ' .. dli 1 N . . ~sweisen
chen c h araktere i•h rer e1g
· enen Arbeit als gegenstan
. . h1c 1e. h ature1genschaften
d . Phase des industriellen Kapitalismus e' . er emher war, em Bild aus der Früh.
. .. k
der Dmge zuruc gespieg
· elt"76 werden. Hierauf bezie t sie A orno m seiner
F . h h k .
Indem er dieser aber das komplexe Verhalt ' 1 ne .unsc wer
h" entla . rvb are M ech am"k .
. . K · ·k B jamin bzw. Brecht (,,Der ensc c ara ter der Ware • • ms von 1stonsche M · 1·
zitierten rrti an en · 1 k · h · d · und Theologie emschreibt, konstelliert er es . . h. er: atena ismus
. keme
ist • Tatsach e d e s Bewusstseins sondern .dia e· dtisc d m em · eminenten in der der ,v, r · h.
w arerrtetrsc tsrnus bereits allgege
mit.. einer
. . 1stonschen
. Epoch e,
S.mne, d ass er Be wusstsein produziert"), undd hier wir as Gewicht der Praxis nwarng 1st. Eine tra
G h · · , d d· komplett durch schau- und planbare Diesseitigk . . . H" nspare~te,
besonders deutlich. Denn die ,Entlarvung' es , e_ e1mmsse~ ' ass re Waren . d . eit 1st 1m ier und Jetzt nicht
zu hab en, hmter en Spiegeln erscheint ein ne R·· I d .
d a durch austauschbar sind , dass in ihnen menschliche Arbeitskraft enthalten ·1 U hi b · ues atse, as es praktisch zu
lösen gi t. m erzu e1zutragen, überblendet Be · · · Bild
· h bt den Schein der bloß zufälligen Bestimmung der Wertgrößen der Ar- • • . npmm em i aus der
1st,,, e . hli h F „77 D · · Vergangen h eit mit semer Gegenwart und spekuliert a f d" w· k mk • d
beitsprodukte auf, aber keineswegs ihre sac ~c ~ orm . ~r e~igmat1sche . . . .. u ie 1r sa e1t er
Apparatur, d1e mit emem veranderten Gegner mithalten soll.
Charakter der Waren bleibt ebenso erhalten wie die Zwanghaftigkeir des gesell­
Und dafür sprengt Benjamin vielfach Theologisches M · · h ·
schaftlichen Verhältnisses. Dem ,Geheimnis der Form' ist also nicht mit einem · II • ·· , essranisc es m sei-·
ne Texte em, vor a em m Uber den Begriffder Geschichte. Um das Kontinuum
Verweis auf deren Inhalt beizukommen, und auch das Beharren darauf, dass
der Herrschaft zu durchschlagen, müssen die Konzeption des Fortsch itts d
hinter' dem Tauschwert der Gebrauchswert verborgen sei und ,hinter' dem
Arbeit und der Zeit radikal neu gedacht werden. Entscheidend ist hier:ie St;:
Fetischismus die Menschen und deren Arbeit, vermag an der ,Selbstbewegung
tegie: es geht um,ei~ Ernstneh?1en von Religiösem bzw. Theologischem, eine
der Dinge' nichts zu ändern. Dies meint Adorno mit seiner Kritik an einem
,Umschmelzung , eine Profamerung. "Nichts an theologischem Gehalt wird
Materialismus, der den fetischistischen Waren ihren ,echten' Gebrauchswert
unverwandelt fortbestehen; ein jeglicher wird der Probe sich stellen müssen,
entgegenhält. Wird die Kritik nicht radikalisiert und auf das fetischistisch ins Säkulare, Profane einzuwandern", formuliert Adorno zu dieser Strategie
strukturierte Gesamtverhältnis bezogen, das sowohl den Tauschwert als auch Benjamins. 80
den Gebrauchswert umfasst, sowohl die Arbeit als auch das Kapital, droht
,Regression'. Es ist demnach unzureichend, nur nach einem ,Dahinter' zu
suchen und dies positiv zu besetzen, wenn das ,Dahinter' (die Gebrauchswerte Schluss: Geld, Wetter, und Natur
herstellende Arbeit) doch im selben Prozess die gesellschaftliche Form immer
wieder hervorbringt, solange Waren produziert werden. So droht im Versuch, Was hieße das für eine Kritik der Religion als Herrschafts-, als Kapitalisrnuskri­
die ,verrückten' Verhältnisse zu bemeistern, eine vorschnelle Antwort: Das tik? Es hieße, die eigenen Begriffe darauf hin zu reflektieren, was darin religiös
,Geheimnis' wird vermeintlich gelöst, der Inhalt gegen die Form mobilisiert, grundiert ist, auf diese Umschmelzungsprozesse hin. Keine abstrakten Nega­
ohne doch zu reflektieren, wie beide zusammenhängen.78 tionen vorzunehmen, sondern profanierende Konstellationen zu versuchen,
B~nj~n nun spannt die Theologie, diesen ,häßlichen Zwerg', in seine in denen der Wunsch nach grundsätzlich anderen Verhältnisse_n zirkul~ert.
M:15c~me em. Er beantwortet so die reale Metaphysik des Warenfetischismus Was also lässt sich über die Gestalt, die Religion heute anrummt, rrut dem
mit emer anderen theoretischen Strategie als Marx. Er lüftet das Geheimnis, Rückgriff auf die Kritik des Fetischismus herausbekommen? .. .
offe~.b~ und benennt den Zwerg - und beschreibt hinter den Spiegeln ein Es lässt sich nicht nur die Verrücktheit der herrschenden Ver?~tmsse
Verhaltms, das kau?1 wenige~ rätselhaft erscheint, als sich dasjenige des Schach­ mit Marx im Rückgriff auf die Nebelregion der religiösen ~eltdkntFisch fas-
automaten den Ze1tgenoss_mnen zu Beginn des 19. Jahrhunderts dargestellt sen, sondern heutige . Varianten
. dieser Neb e1 regio. n müssen m en . armen b
. . . di
b egnffen werden, durch die sie notwen g m urc h' d hmüssen ·hUnd esd .. lienh
ist e
75
Marx, MEW 23, S. 86. ·
kein Wunder, dass eine Welt, die in ihrer Rationa tat nac gli ·· run satz c
76
Ebd.
77
Ebd., S. 89.
78
Anders formuliert: In der Suche hd D h" , . . .
wird d v. häl · . nac em , a mter , 1m ewigen Versuch der Entzifferung, 79 • • h Denkens weist auch Adorno hin: .Philosophie
Als B ~ . elr. tmsßvon mamfester Oberfläche und verborgenem Inhalt stetig reoroduziert. Auf diesen spezifischen Zug des Ben,ammsc en ß "h Ding sich verzaubern, damit
eispre m gro ern Maßstab m h. d . d . . . h
eignet en Warenfet1sch1smus sie se erz · alles mu ..J r. zum
lb u· • t dies Denken mit Ku1 tur al s
J;.
gelten den Wert (das D h • , d ag ier er Versuch der realsozialistischen Okonomen
. d as Unwesen der Dmg . 1·1c hk eit. entzau bere · So gesamgt rs
0. k onom1en
• · zu p I ancn' _a unt
inter B' ·b
en h,Kern')
l der produzierten Dinge zu berechnen und so . ihre sie . I hwort anstatt ihr unentwegt zu
.
semem Naturgegenstand, daß es. d er u verd"mg lichung
1 SIC l vcrsc '
Versuchs das Ka ital · h er ci. ~ a tung von Geld, Lohn, Waren etc. Das Schicksal dieses
Vcrkehr~ngen stnder:1~ tL~ Kbrztzhk delr polit_ischen Ökonomie samt deren fetischistischer widersprechen." (Adorno 1990, S. 15).
80
, s e r uc zu esen, rst bekannt. Adorno 1969, S. 20.

136 137
. .
irrationalen Mustern tu ·
n ktioniert ' ..das Bedürfnis hervorbringt, dann eben das Nur der Wechsel der Natur macht den M h .
einfachere Wahnsystem dazu zu wahlen_. .. "··
u82 schreibt• Feuerbach. Was an B · • ensc en . unsicher, d emung, ·· · re1·rgi-·
Die . d rer. am meis · ten ins Auge springenden Formen ali von Religion
. ' um os , . enJarruns Aphorismus zu G ld d W,
• • 'T' ·1 · also Religion als Fundament ismus, Lifestyle und besticht, was ihn so gegenwärtig macht, lässt sich mit Feuerb he un ett~r
die es 1m ersten .1ei gmg, . . 1·· fi k · · . ßend erläutern. Denn was die Menschen heute . h dac s-~~tz ab~c~1e-
. fi d · d fetischistischen Selbst au g · ert· zusammen.
·1 · d ·Wichtig . a 11 er Regel mcht
Business n en m er werden l..asst, ist . m . mehr. ein W,»Uns1c
h l er,
· demutig' religiös"
. wie . sie '. d arm
• zusam menfinden: nicht in erster Linie, ··b werd" dsie arm gleich · der zweiten, ·
ist sondern m menschengemachten Es ec· dseR"in er• dersten.. Natur'
furnkuomerten • · - di e Art , die Leiter wegzustoßen, u erh die er Glauben er- ·· dl d
Geschaftsgrun age, un das Vertrauen in Rettungsschirme
· sin tsse m er säkularen
G ld · • h
• h
reic t wur e, ann durchaus stark differieren, so sehr auc ·c lavon ausgegangen
d k . .. k b aus e 1st nie t
nur an den Fmanzmar ten arg egrenzt. Hierin in diese u·· b d
werd en muss, d as S sich das Unterminierte, das . von Zweife n Angenagte,
. das . ,
ersten zur zweiten Natur, steckt auch der Formwandel d R 1· · hi
m ergang von er
r. d k ·n ieder Variante wiederfinden wird. Was aber das Eiferertum, den er e igion n zu
er rec te i J . d" S lb 1·· fi k . . . ihren heute markanten Formen. Und darin steckt auch die H 1: d
Id
' entitats · .. kons um und das Drüberstehen eint: rese e st au g eit ist ihr . K
an die rm .· "k erausror erung
geteilter blinder Fleck. . . . . .
Und so könnte Benjamins Fetischismus m der Theonemaschme mehr­
fach wirksam sein. Als Radikalisierung der Dialektik, als Denkbild einer
subversiven Apparatur, als ideologiekritischer Spiegel.

Money happens.

"Geld gehört mit Regen zusammen", formulierte Benjamin in den 1920er


Jahren in seiner Einbahnstraße. 81 Heute werden Rettungsschirme gebastelt,
die aus Geld bestehen bzw. aus dem Versprechen darauf. Und die schützen
sollen gegen Geld, das Geld da draußen, das böse Geld der Heuschrecken, der
USA, des Casino-Kapitalismus, je nach Gusto der Verkürzung. Was aber ist
unter dem Schirm? Eine Gesellschaft, die ihren Zusammenhalt, ihre Synthesis
entscheidend über die Formen von Ware, Geld und Arbeit organisiert. Und
so das Bedürfnis nach Rettung permanent produziert. Rettung trägt starke
religiöse Untertöne. Welche Rettung ist zu wollen, wenn auf keinen Erlöser
zu hoffen ist, und auf keinen guten Kapitalismus, kein gutes Geld? Welcher
Sprung, der in rationalem Kalkül nicht aufgeht?
Zum Schluss noch die Fortsetzung des Benjamin-Zitats. Es stammt, wie
gesa~, ~us der Einbahnstraße, einem ein paar Jahre nach der Entstehung von
Kapitalismus als Religion erschienen Buch. Ein Zitat, in dem er sich zu einem
prop~etisch anm~tenden Versprechen hinreißen lässt und das gleichzeitig
deutlich macht, wie grundsätzlich eine Kritik des Kapitalismus als Kritik der
Religion ansetzen muss:
G ld h" · R
" e ge ort mit egen zusammen. Das Wetter selbst ist ein Index
vom Zustande di~ser Welt. Seligkeit ist wolkenlos, kennt kein Wetter.
E_s ko:nmt auch em wolkenloses Reich der vollkommenen Güter auf
die kein Geld fällt." '

81
Benjamin, GS IV.1, S. 139. 82
Peuerbach, 1975, S. 107.

138 139
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Ideology, London/New York , S. 296-331. Spricht man von der Kritischen Theorie, kommen die ,Dialektik der Auf­
klärung' und der ,autoritäre Charakter', der ,eindimensionale Mensch' und
Ders. (1994b): Introduction. The Specter of Ideology, in: Ders.: Mapping
die ,verwaltete Welt', Antisemitismus und ,Kulturindustrie' in den Sinn. Das
Ideology, London/New York, S. 1-33.
Geschlechterverhältnis hingegen scheint für den Kreis um Max Horkheimer
und Theodor W. Adorno keine Rolle gespielt zu haben. Auch der Blick in
die einschlägige Sekundärliteratur bestätigt diesen Eindruck.1 Erst die gründ­
lichere Suche befördert Arbeiten zu Tage, die der Frage nachgegangen sind,
ob denn das Geschlechterverhältnis wirklich kein Gegenstand der kritischen
Gesellschaftstheorie der ,Frankfurter Schule' gewesen ist. Im deutschsprachi­
gen Raum sind es vor allem diverse Aufsätze von Regina Becker-Schmidt und
Gudrun-Axeli Knapp, die Dissertation von Mechthild Rumpf zur Bedeutung
des ,Mütterlichen' bei Max Horkheimer und die Sammelbände von Elvira
Scheich und Christine Kulke, die einem nun in die Hände fallen. Im Engli­
schen stößt man u.a. auf Aufsätze der PsychoanalytikerinJessica Benjamin
und Patricia J agentowicz Mills umfassende Studie Woman, Nature, _and Psych_e.
Diese Untersuchungen kamen in der Regel zu dem Ergebms, dass die
Produktivität der Kritischen Theorie für eine Analyse des Geschlechterver­
hältnisses begrenzt sei. 2 Zwar vermochten die Rezipient!~nen in. den Analysen
. .
der Kritischen Theone . an versch'ie d enen S te 11 en e ine Kritik
. patnarchaler Herr-
l h i
kri ·
schaft zu erkennen. Gleichzeitig jedoch insierten sie,· · dass ,, das Gesch. ec -
terverhältnis als struktureller Zusammenhang in der Gesellschaftstheone der ;
Frankfurter Schule keinen Srellenwert'" besitze. . . h Th • '
In einer Art Bilanz zur feministischen Rezeptio~ ?e: KhntA isc alen eone
d h dass fem1mst1sc e n ysen zwar
resümiert Gudrun-Axeli Knapp enn auc_ ' Üb l der Kritischen
an erkenntniskritische und methodologischhe der egungseenllschaftstheoreti-
Th · k · r jedoc an eren ge
eorie anknüpfen onnten, wemg~ "h Kna neben der bereits von
. ..
sehe und inhaltliche Annahmen. Dies fü rt PP
. . Tt'rcke/Bolte 1994; Wiggershaus 2001.
1
Vgl. Demirovic 1999; Dubiel 1992;Jay 1996; Klein 201 1 ' u
2
Vgl. Kulke 1985, S. 9.
3
Becker-Schmidt 1991, S. 74.

142 143
. B k S hmidt kritisierten „unzureichende(n) Analyse des Geschlech terthematik breiteren Raum einnehme. Letztlich le Zie e .
Regma ec er- c ll Z 4 -
.. . als gesellschaftlich-strukture em usammenhang" auf de feministische Rezeption habe sich auf die fal h , 'T' gt k g als~ nahe, die
terverh a 1tmsses . . . .. k n .. f . . • sc en rexte onzentnert und sei
.. d K t t der feministischen Rez1p1entmnen zuruc : Erfahrun so zur korre.. ktur•b ehdur ngen Diagnose einer beg renzten p ro du k trvrtat
• • .. gelangt
veran erten on ex . · b · h · g§~ .
. d der feministischen Rezeption sei e en ruc t Auschwitz, sondern.-,~ Nun 1 asst
hmtergrun . . b d" - • I • . • hsieR zweifelsohne
. Zieges Beobacht ung zustimmen, · d ass sich
• ·
eine vielfältige und breite Emanzipations ewegung gewesen - ie sogenann- die termrnstrsc e ezeption.. - von Ausnahmen . ab h f · •
gese en - au em1ge wen1ge •
te Neue Frauenbewegung. Angesich_ts dieser Erfahrung musste Knapp zu Texte un. d Autoren .. beschrankte. Damit
. . lässt sich · E h
memes rac tens Je och · d
Folge der von der Kritischen Theone betonte Uberhang gesellschaftlicher nur· bedmgt erklaren, warum der Knt1schen Theorie von rerrurustisc
L • • • h er S eite
·
· · b ..
Verhältnisse als unzutreffend erscheinen. So konnte de~n _auch die sich nun lediglich
.. eme . eschrankte
. Produktivität bescheinige wu d D' D"
r e. iese iagnose
konstituierende Frauenforschung aufzeigen, dass der .weibliche Lebenszusam­ durfte weniger mit der Auswahl der Texte , , denn mit der Art von Fragen, d"1e
!Il~nhang'_(Ulrike Prokop) ~~in geschloss~nes_ Sys~em der Unterdr~ckung an diese Texte hera~getragen wurden, zusammenhängen. Denn auch wenn
darstellt _ wie es in der Kritischen Theone bisweilen den Anschein hat _ Ziege ,Gender Studies' schreib: - und d~mit einen erst später gebräuchlichen
5
.sondem von Widersprüchen und Ambivalenzen gekennzeichnet ist. Begnff verwendet - erfolgte die Rezeption der 1970er und 1980er Jahre, aus
. · - Der Tenor der feministischen Rezeption der 1970er und 1980er Jahre denen das Gros der Texte stammt, weniger aus der Perspektive einer Ge­
war demnach, dass die Kritische Theorie zwar einen Rahmen für die Analyse schlechterforschung denn aus der einer Frauenforschung.8 Der Schwerpunkt
patriarchaler Unterdrückung biete, zugleich jedoch ein umfassendes Verständnis der Betrachtung lag eben weniger auf der wechselseitigen Konstituierung von
des ,weiblichen Lebenszusammenhangs' unterlaufe, da sie Handlungsfähigkeit, ,Männlichkeit' und , Weiblichkeit' oder gar von Geschlechnlichkeit) überhaupt
Erfahrungen und Widerstand von Frauen entweder ausblende oder verzerrt - was die Perspektive der Gender Studies oder Geschlechterforschung wäre -
darstelle. Patricia Jagentowicz Mills brachte diesen zentralen Einwand auf sondern auf der Frage nach der Darstellung von Frauen und deren Erfahrun­
den Punkt, wenn sie kritisierte, dass in der Kritischen Theorie letztlich ein gen. 9
,~! .männlicher' Blick auf Frauen dominiere, wodurch die Perspektive von Frau- Nun kann die differenzierte Darstellung von Frauenleben gewiss nicht als
, fn unsichtbar gemacht und der Blick auf deren (Selbst-)Erfahrungen verstellt! Stärke der Kritischen Theorie gelten.10 Wo die Lektüre darauf abstellt, werden
werde. Mit diesem Befund war zugleich angedeutet, was als notwendig erachtet
1
meines Erachtens nur allzu leicht Gedanken überlesen, die sich für eine Kritik
wurde, um feministisch an die Kritische Theorie anschließen zu können: Es des Geschlechterverhältnisses als fruchtbar erweisen. Im Zentrum meines
galt, wie Jagentowicz Mills formuliert, die Erfahrungen und Perspektiven von Beitrages wird daher eine sorgfältige Re-Lektüre der Kritischen Theorie ste­
Frauen in Form einer immanenten Kritik in die Kritische Theorie hineinzu­ hen. Diese wird sich nicht, wie Ziege empfiehlt, bisher von der feministischen
tragen und diese so selbst-reflexiv zu wenden - womit sich nicht zuletzt das Rezeption vernachlässigten Texten widmen, sondern mit Max Ho~khei?1ers
Beitrag zu den Studien über Autorität und Familie von 1936 sowie seinem
theoretische und praktische Emanzipationsprojekt erweitern würde.6
Aufsatz Autorität und Familie in der Gegenwart von 1949 gerade solchen,
Letztlich wa~ das Fazit ~er feministischen Rezeption der 1970er und · · 1I • • • h A f k k 't zukam · 11 Dabei werde ich
1980er Jahre damit, dass die Uberlegungen der Kritischen Theorie zu ,Ge­ d enen relativ vie terrunistrsc e u mer sam e1 .. . zu-
nächst auf grundlegende gesellschaftstheoretische Uberlegungen Horkheimers
t . r f_emm1st1sc
s chl ec htfür .. · h e Analysen nur begrenzt produktiv zu machen seien.
Eva-Man~ Ziege ver?1utete jüngst, diese Einschätzung sei nicht zuletzt da­
•d M 'h f; · chen Frauenforschung, Ge-
d;-1rch_bedi~gt, dass sich die feministische Rezeption auf einige wenig Texte - 8 V 1 M "h r 2006 S 64-77 Dort untersc h e1 et ar o er zwis
g . ai orer .' . . .. und Geschlechterforschung un ar eitet
d b .
d Dzalektzk
die .. der Aun..z- · eiruge
'./ rc arung sowie · · Sch nften· ·
Max Horkheimers un d schlechterverhältnisforschung, Mannerforschung
. dli h S h ktsetzungen und Perspe uven era .
k . h us
d eren untersc hre 1c e c werpun . . K lk . d Einleitung zu dem von ihr
_es hspaten Herbert Marcuse - konzentriert habe. Dabei hätten fragmenta- 9 E' B . . 1 hi rfü 1· fert Chnstme u e m er J I
m prägnantes eispre e r i~ . _ nd sinnliche Vernunft. Frauen in der patriarc Ja en
nsc e Textstellen . Anlas
. · · h en den Interpretationen gegeben. ,, I n
s zu weitrerc herausgegebenen Sammelband Ratwnalit~t u Th . fü d" e Aufarbeitung der Geschichte
ente se lb st " , so z·iege, könne em
· „Grund für
der B egrenzt h ert dieser Fragm . .. . h d B d rung dieser eonen r 1
d" 1 r hb Realttat; wenn sie nac „ er e eu
und Gegenwart von Frauen durch Frauen _(Kdu e_
" lk 19g5 s 9) fragt.
' · dass die Autoren der Kritischen
d~e ~~t- ich Teghren~ten_Anknüpfungsmöglichkeiten der Gender Studios an 10 . . h
Dies hat memes Erac tens a er m 11 d" gs wenig . armt zu tun, Vorstellungen von ,\'</e1ibli1c hkeit. ,
1e msc e eorie" hegen 7 D .. b . . . .. . d ·11 ,ären mit stereotypen . .. . d
d b· h · emgegenu er empfiehlt Ziege eine Hmwen- Theone nicht fähig o er wr ens v. ' . d BI" k auf die Außerungcn zu un
. ·1 b hen Richtet man en rc l k ..
. unbg zu dis er vernachlässigten Arbeiten aus der Frühphase des Instituts und und misogynen Vorurrei en zu re~ · . h d
.. 1· hk . , wird deuthc ' assh · cse
di als ähnlich stereotyp ge ten ·onnen.
s . . d '
ms eson ere aus der Zeits ch riifit jj••ur Sozzalf · orschung, da dort die Geschlec h- Darstellungen von ,Mann ic ert , t so als konsistent mit cm, v. as aus
Die Fokussierung au f G es: ec e .
hl ht rstereotype ersc ein o· Kr' ik de5
~-~~----
; Knapp 1996; S. 123. Sicht des Adorno-Horkheimer-K.reises die
. Auf abe kritischer Theorie ist: ie
g
it

Vgl. Becker-Schmidt 1991 S 70 u 75f Kn Bestehenden. . . l Üb I gungen Horkheimers unerlässlich scheint,


6 Vgl. Jagentowicz Mills 1987. S XII .; app 1996, S. 123. 11 Nur wo dies für das Verständms ewzc ner d er~itischen Theorie eingehen.
7
Ziege 2007, S. 89. ' · u. XIX. werde ich auf weitere Arbeiten uod Autoren er

145
144
• 12 I d d ffolgenden Abschnitten rekonstruiere ich, welche nicht simpliciter von ,dem Menschen' auszu h d
emo-ehen. n en arau . d k . d b·· . . d h . k .. h . . ge en, son ern ,Geschlecht' als
0 H kh · r der Familie für die Repro u tion er urgerhchen eine urc aus wir mac ttge ,Existenzweise' zu b •· k • h . i- .
Bedeutuna or eirne d . h E . . eruc sie ngen :i Diese g
haf • ht welche Rolle ihm zu Folge Vater un Mutter bei der schlec h t 1 ic e xistenzweise' reflektiert Horkhei · R h · ' e-
Gese 11 sc t zuspnc , . d N. • .. d . . imer im a men des Themen-
• •· Charaktere spielen und warum er iedergang der komp 1 exes Autontat un Familie vor allem in p d h" .
Entste lrnng autontarer . k . . . orm er untersc iedlichen
. h l F ·1·e ·m 20 Jahrhundert von Horkheimer aum m seinen Bedeutung, die Vater und Mutter bei der Entwicklung d ,, h.. .
patnarc a en arm 1 1 • 1· ß d d . . · ·· k dd . es ver a1 trusses zur
· d D. nsi·onen thematisiert wird. Absch ie en wer eich m knap- Autontat zu ommt un urch die Herstellung eines zu h .
b e fre1en en 1me • d · "k · · . h 1 F ·1· sammen anges zwi-
· · ntrale Einwände und Erweiterungen er Kriti , wie sie von schen patnarc
per F orm enuge ze . h.a er
h arm ienstruktur
. und geschlechtlicher A rb eitstei
· ·1 ung.
Seiten der Frauenforschung formuliert wurden, vorstellen. Die G~sc 1c te menschlicher Gesellschaften stellt sich Horkheimer als
eine Geschichte von Zwang, Herrschaft und Ausbeutung dar M
. . . .. . h k l
>-

omente,
die Eingang m samt 1 1c e u turelle Erscheinungen gefunden haben. Wahrend
Zum Zusammenhang von Ökonomie, Autorität und Ver­ in der marxistischen Tradition der Fokus der Kritik auf Verhältnissen der
nunft in der bürgerlichen Gesellschaft ökonomischen Ausbeutung lag, gilt die Horkheimersche Kritik gleichermaßen
gesellschaftlicher Herrschaft wie Ausbeutung, erweisen sich diese doch in der
Die Aufsätze Max Horkheimers, die im Zentrum der vorliegenden Analy­ gesellschaftlichen Arbeitsteilung als unauflöslich miteinander verknüpft:
se stehen, müssen als Teil eines breiteren Forschungsvorhabens verstanden
„Immer hat der grössere Teil der Menschen unter Leitung und Befehl
werden, dessen Ziel ein umfassendes Verständnis des Strukturwandels der bür­
des kleineren gearbeitet, und immer hat sich diese Abhängigkeit in
gerlichen Gesellschaft im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert war. Dabei einer schlechteren materiellen Existenz ausgedrückt."16
galt ein Hauptaugenmerk des Insti~:its für Sozialforschung neben den Verän­
derungen im Verhältnis von Staat, Okonomie und Recht, die auch in anderen Die gesellschaftliche Position des und der Einzelnen sowie seine und ihre
marxistischen Diskussionszusammenhängen im Mittelpunkt des Interesses Möglichkeiten zur Befriedigung von Bedürfnissen und Wünschen hängen
17
standen, dem Zusammenhang von bürgerlicher Gesellschaft, Autorität und aus Sicht Horkheirners damit zentral vom Kommando über die Arbeit ab.
Familie." In diesem Zusammenhang erscheint es notwendig, das Verhältnis Entsprechend muss die gesellschaftstheoretische Perspektive
zwischen dem, was in der marxistischen Tradition als (ökonomische) ,Basis'
,,(d)en ökonomischen Prozess als bestimmende Grundlage des G~sche­
und (kultureller) ,Überbau' gefasst wurde, präziser zu analysieren.
hens auffassen (was heisst ) alle übrigen Sphären des gesellschaftlichen
Ganz grundsätzlich betont Horkheimer den geschichtlichen Charakter Lebens in ihr;m sich verlndernden Zusammenhang mit ihm (zu) be­
kultureller Phänomene. So gilt ihm die Art und Weise, wie Menschen mitein­ trachten und ihn nicht in seiner isolierten mechanischen For~, sonde~
ander verkehren, als alles andere denn naturwüchsig. Von einer ,menschlichen in Einheit mit den freilich durch ihn selbst entfalteten_spe;1~chen Fa­
Natur' könne nur insofern gesprochen werden, als gerade der geschichtliche higkeiten und Dispositionen der Menschen (zu) begreifen ·
Charakter als das ,Wesen' oder die ,Natur' des Menschen verstanden werde. 14
. h d E twicklungen in kulturellen Berei-
Au~ feministischer Perspektive sind diese grundsätzlichen Äußerungen Es geht Horkheimer also ruc t arum, n d h d. ·· k0 nomie determiniert
0
Horkheimers zum ,Wesen' bzw. der ,Natur' des Menschen von entscheidender chen und gesellsc haftliic h en Insti"t urionen
1 als
. l urc • ieO.. k0nomischen Prozessen
Be~;utung, e~öf~net s!~h ~amit doch _prinzipiell die Möglichkeit, ,Männlich­ zu verstehen, sondern jene in ihrer vermiti ung mit
keit ~nd '.Weiblichkeit nicht als schlichtweg ,natürliche Tatsachen', sondern zu betrachten. di h. hen Dispositionen der Men-
als hist0nsche Phänomene zu betrachten. Dies erfordert jedoch zugleich,' In diesem Sinne werden auch e psyc isc dern als vermittelte wahr-
sch en nie. ht a1 s u ··b erh'istonsc. he hypostasiert, . son
• Wünsche und Vor1·1e b en
hli h T · be Reakt1onswe1sen, . uf
12
Diesekwurden genommen: Mensc ic e rie ' . h p bedingte und ihrerseits a
. h . in de r fermrustrsc
· · · h en Ausemandersetzung
• .
memes .
Erachtens bisher zu wenig·
„konomisc en rozess kul 1

b cruc sie tigt, stellen aber den H"
t erverhältrus. berü h rende Ub .. d d • • •
mtcrgrun ar, vor dem die 1m engeren Smne das Gesc ec h- hl erscheinen als durc h den
19
° h die Existenz bestimmter ture -
1 .. . diesen rückwirkende. Wenn nun auc
13 E" , u ·· b b . .. n er egungen erst verständlich werden.
men er lick über erstgen
h D. k ·
annten rs ussionsstrang bietet der von Helmut Dubie un
· I d -----------:-:1-:-h-als Existenzweise' vgl. Maihofer 1995.
Airrons s··1J
o ner erausgegcbene B d s wr A 15 Zum Verständnis von ,Gesch ec t . al b · 1
lysen des Institutsfür Sozial"ors h an taat, w irtschaft und Recht im Nationals_ozialismus. .n:z·
w· d · h" d
Arbeitern und An t !lt
1.' c ung 1939-1942. Der Themenkomplex Autorität und Familie
ir m versc re enen Arbeiten b h d 1 f .
Vi c ;n et, ang~ angen von der frühen Studie Erich Fro~ms zu
16 •
Horkheimer S 23
1987, • ·
17 Auch wenn Horkheimer hier vor ~lle~ :
so geht er - wie noch zu zeigen semfüh
i: .
f d Verhältnisvon L h beit und Kap1t a zie t,
o nar ..
Zusammenhang mit seine~ Ub_erle~gen zur
"'!'irl. her auf die geschlechtliche Arbe1tste1lung ein.
Studien über Aut ge~t :t en/';, ~;.a end d':5 Drztten Reichs über die bereits im Exil erschienenen patriarchalen Farn iliienstru ktur aus r rc
aus der Nachkri ort a_ un_ dami te und die Studies in Prejudice, bis hin zu Veröffentlichungen 18
14 egszeu wie cm Gruppenexperiment Ebd., S. 10.
19 Vgl. ebd., S. 20 u. 23.
Vgl. Horkheimcr 1987, S. 14 u. 20. ·
147
146
. h Faktoren wie Horkheimer betont, über weite Strecken zung von früheren geschichtlichen p . d
ler un d psyc 1.usc er , . d"
.. k . l ) N twendigkeit geschuldet 1st, kommt iesen Faktoren doch erlauben. eno en und Gesellschaftsformationen
(o onormsc rer o . • 1· ·
. h • b dere dann wenn sie inst1tut1ona rsierte Gestalt annehmen Im Zusammenhang der Studien ..b A . _
zug l e1c - ms eson ' . 1 · hk . " 20 . h u er utorttdt und R ·z · ·1 d'
_ eme . gewisse,
• we nn auch nur relative Eigengesetz
. . 1c ert zu. . Diese , re - heimersc e Aufmerksamkeit dabei vor allem de amt te gr t 1e Hork-
". E. t lichkeit' erklärt Horkhe1mer .. nicht zuletzt.. damit,. dass ,, di"e Charakter von Herrschaftsverhältni·ss S llmd~une?mend abstrakten
1 attve 1gengese z
· 16 ar rru"t der Wirtschaft zusammenhangenden Spharen sich rascher
·· f
Herrscha t und Ausbeutung aus der
en. o ste t 1e Ex t

h H kh . is enz von wang,
z -
unrmtte 21 rc t or eimers · · d
umwandeln als andere Kulturbereiche". . . kehrendes Moment geschichtlicher Ent . kl d . zwa: ~m wie er-
Die Bedeutung dieser Bemerkungen erschh_e~t sich erst,_ wen~1 man sie jedoch feststellen, dass Anpassung an undwU ic ungd ar. Gleichzeitig lässt sich
nteror nung unter d. b
in Zusammenhang mit den Thesen des Kommunistischen Manifests liest. Dort (Herrschafts-)Verhältnisse im Laufe der Ge h" h . . ie gege enen
. lb . sc ic te immer weniger durch di
wird eine im Vergleich mit früheren Gesel~schafts~o~men unglau~liche Dy­ unrrutte are Drohung mit Gewalt und Strafe e · h · d v· . e
· h d . rreic t wir • 1e 1 mehr bewirkt
namik der bürgerlichen Gesellschaft beschrieben, die ihre Ursache m der auf m zune men em Maße die Einrichtung der Welt lb d h d' T
. · E · se st, . . 1e atsache
Privateigentum und Konkurrenz gegründeten bürgerlich-kapitalistischen Pro­ d ass d 1e eigene xistenz nur durch Anpassung rep d ·
. . : . . ro uz1en wer d en k ann,'
duktionsweise hat, letztlich aber ihr eigenes Fundament untergraben muss bei den Menschen . eme D1sposmon . zur Fügung in das G ege b ene. n·1e au ·· ß ere
und so unbeabsichtigt dem Kommumsmus · den ,v, weg b ereitet.· 22 Strafandrohung. wird so immer mehr verinnerlicht· Grausamk z
. . . , e1 , wang un d
·t
Diese Dynamik erfährt bei Horkheimer nicht zuletzt angesichts der Drohung lebt m eme: differenzierteren und vergeistigten Gestalt fon.24
Tatsache, dass die reale Entwicklung deutlich anders verlaufen ist - die bürger­ 1:ngelehnt a1: die ~ulturtheoretischen Arbeiten Sigmund Freuds argu­
liche Gesellschaft wurde eben nicht durch die kommunistische Gesellschaft, mentiert Horkheimer Jedoch, dass diese Verinnerlichung von Zwang nicht
sondern durch den Nationalsozialismus abgelöst - eine Relativierung. Zwar ausschließlich als ein negativer, gewaltsamer Prozess verstanden werden darf.
nimmt auch Horkheimer an, dass von der ökonomischen Verfasstheit der Vielmehr, so betont er, entstehen durch die Internalisierung äußerer Zwän­
bürgerlichen Gesellschaft in der Tat eine umwälzende Dynamik ausgeht, da­ ge zugleich neue Qualitäten.25 Wenn der Verinnerlichung damit auch eine
mit ,verdampft' aber noch lange nicht alles ,Ständische und Stehende', wie produktive Dimension zukommt, darf darüber Horkheimer zu Folge jedoch
es im ,Manifest' hieß. Um gesellschaftliche Entwicklungen zu verstehen, ge­ nicht vernachlässigt werden, dass dem „gesamten kulturellen (Apparat) der
nügt es aus der Sicht Horkheimers also nicht, allein die im engeren Sinne einzelnen Epochen" stets die Funktion zukam, die „Herrschaft von Menschen
ökonomischen Prozesse in den Blick zu nehmen. Vielmehr lassen sich nur auf über Menschen, welche die Gestalt der bisherigen Geschichte bestimmt, im
der Basis einer Analyse des Zusammenwirkens von ökonomischen Prozessen Herzen der Beherrschten selbst zu befestigen".26 In diesem Zusammenhang
mit kulturellen Teilbereichen und Institutionen einerseits, den psychischen kommt Horkheimer nun auf den Glauben an Autorität zu sprechen, der wie­
Strukturen der Individuen anderseits Aussagen über gesellschaftliche Entwick­ derum als Voraussetzung wie Resultat des ,kulturellen Apparats' verstanden
lungstendenzen machen. werden müsse - und ähnlich wie die Internalisierung von Zwang nicht bloß
. Dabei meint die Rede von ,Gesellschaft' oder einer bestimmten geschicht- negativ zu sehen ist. Eine Entscheidung darüber, inwiefern Verinn~rlichu~g
h~hen Epoche bei Horkheimer mehr als eine Summe von Einzelereignissen. von Zwang und Glaube an Autorität produktiv bzw. he~e~d v:irken, ist
~ielmehr l~se sich von einer spezifischen Gesellschaftsformation oder histo­ aus der Sicht Horkheimers vielmehr stets nur unter Berucks1cht1gung der
27
r~schen Penode nur insofern sprechen, als gezeigt werden kann, dass deren geschichtlichen Gesamtkonstellation möglich. . h.. .
emzelne Mo Zwar reflektiert Horkheimer durchaus, d ass di e i gung ~n
E.nfü Ab angig
-
. _mente u·· b ergrenen
· .r d e, für diese Gesellschaftsform bzw. Epoche
. h .. · fü" di B h rrschten stets eine schlechte-
charaktenst1sche
. . Struktu rmer km a 1 e au fweisen.
· 23 •
In diesem •
Sinne ersc h ernt
· keits- und Unterordnungsver a 1 misse r e e e .. . .
. l • hb · d h dass es für die Beurtei1 ung
Horkheimer
.. die gegen
.. war ige ese sc a t als eme widersprüchliche Tot a1·i-
·· t" G 11 h f . . . re Existenz bedeutet hat. Zug etc etont er Je oc ,
. d . 0 b di H
..
haft der fuhren en asse
d K1
tat: Zwar stellen Okon · R h p 1· · h solcher Verhältnisse entscheiden ist, e -ründ . d d' B h rrsch-
• . diff omie, ec t, o itik, Kunst oder menschliche Psyc e . . . . E" h ft n begrun et ist un ie e e
1
Jewei saus 1 rerenzierte Teilb · h d d" · · k · ' m bestimmten qualitativen 1gensc a e . d •
• z l . h
b esitzen. ug eic lassen sich H kh ·
ereic e ar, 1e eme ,relative Eigengesetzlich en
ten nicht anders als durch Unterord nung 1 re eig
"h . ene Existenz repro uzieren
. .,.. ilb . h or ermer zu Folge jedoch spezifische, r

all e diese rei ereic e gelte d S k
n e tru turmerkmale aufzeigen, die eine Abgren-
u Vgl. ebd., S. 12f. u. 31. . begrenzte hl stori~
. . .. .. J' her Autorität für eme
20
Ebd., S. 14. 25 Vgl. ebd., S. 13f. Vgl. zudem zur Produkuvitat vater ic
21
Ebd., S, 19. sehe Periode ebd., S. 52.
: Engels/Marx 2008, s. 340ff. 26
Ebd., S. 22.
Vgl. Horkheimer 1987, s. 4ff. 27
Vgl. ebd., S. 22ff.

149
148
..
konnen o d er o b d"ie H err·schaft längst ihre Zweckmäßigkeit verloren hat. Ist Menschen gezielt haben, bleibt durch d" B h ..
. "d d . ie esc rankung a f d .
letzteres der Fall, bedeutet te In d1v1 uum avon m der entfaltete b·· . h u as vereinzel-
n urger11c en G 11 h f
ein schwacher Schatten zurück: Der V, f k es_e sc a t nur noch
. Auf h halrung der J. eweiligen Gesellschaftsform notwen- . 1· h T h ' ernun t ornmr die A f b
,, dte zur rec ter . . häl . d . meint 1c e , atsac en zu registrieren Ent h d . u ga e zu, ver-
· h d bestehenden Abhäng1gkeitsver a tnisse urch die . . . · sprec en memt V, f • d
di ge B eja ung er . 'h . II d bürgerlichen Wirklichkeit" nicht so sehr d" k .. h " ern_un t m er
Be h errsc h ten ntc· ht bloss die Verewigung 1 res. matene en, son.. ern
. . ie ritrsc e Durchdnngu d
. i'h res ge1·stigen Unvermögens Welt, son d ern d1e „möglichst vollständige A d . ng er
auc h die .. "28und (wird) zur Fessel für die . 1· h A . .. npassung es SubJektes an d"
menschliche Entwicklung uberhaupt. verd rng 1c te utontät der Okonomie" JI Losg 1·· k k re
. . . e ost von on reten Zwe k
ist sie mstrumentelle Vernunft. c en,
Genau dies diagnostiziert Horkheimer_für die bürge_rliche ?esellschaft ~u Be­
ginn des 20_ Jahrhunderts: Die bürgerh~h_edProduktd10Fnsv.:e~se _ebde~hso wie die
bürgerlichen Begriffe von Vernunft, Indivi uum un arm 11e sm 1 m z~ Fol-
e von fördernden immer mehr zu fesselnden Faktoren der gesellschafthchen
Horkheimers Analyse der bürgerlichen Familie: Zwischen
lntwicklung geworden. Kam dem bürgerlichen L~ist~ngsprinzip und der Be­
rufunz auf die allen Individuen gegebene Vernunft m emer auf Herkunft, Alter ökonomischem Fundament und ,Ahnung eines besseren
und Tradition basierenden ständischen Gesellschaft eine freiheitserweiternde menschlichen Zustands'
Funktion zu, so zeigen sich nun die Grenzen dieses Freiheitsverständnisses. Da
das bürgerliche Verständnis das Individuum nicht als konkreten, in gesellschaft­ Wenn Horkheimer auch zumeist ganz allgemein von ,der Familie' spricht, so
lichen Beziehungen stehenden Menschen fasst, sondern von den ganz realen wird doch deutlich, dass ihm dabei eine ganz besondere Familienkonstellation
Abhängigkeitsverhältnissen, in denen sich dieses Individuum findet und unter vor Augen schwebt: die bürgerlich-patriarchale Kleinfamilie, zu deren Voraus­
denen es sich reproduzieren muss abstrahiert, erweist sich die bürgerliche setzungen er die „Verpönung des ausserehelichen Geschlechtsverkehrs, Propa­
,Befreiung' zugleich als neue Form der Unterwerfung. An die Stelle der alten ganda für Kindererzeugung und Aufzucht (sowie) Beschränkung der Frau auf
personalisierten Abhängigkeitsverhältnisse, wie sie gegenüber dem Lehnsher­ den Haushalt" zählt. 32 Diese Familienform ist Horkheimer zu Folge zunächst
ren oder Kirchenfürsten bestanden, ist die Autorität ökonomischer Prozesse einmal im Bürgertum verbreitet, gilt aber auch den nicht-bürgerlichen Klas­
getreten. Die Ausführungen von Georg Lukacs zur ,Verdinglichung' aufgrei­ sen als anzustrebendes Modell. Zugleich, diagnostiziert Horkheimer, durch­
fend betont Horkheimer, die in Konkurrenz zueinander produzierenden und lebt diese bürgerliche Familie im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhund_ert
nur über den Markt miteinander in Verbindung tretenden Individuen würden einen Prozess der sich als Proletarisierung beschreiben lässt: Aus dem freien
ihre eigene gesellschaftliche Praxis nicht durchschauen. Diese erscheine ihnen (Familien-)U~ternehmer, der Eigentümer und Verwalter seines Kapi~als in
vielme~r als .zweite Natur', der es sich bestmöglich anzupassen gilt.29 Personalunion ist, und seiner auf Heim und Kinder besch_ränkten ?~ttm
w~r­
~1t der Dur~hsetzung der bürgerlichen, warenproduzierenden Gesell­ den einfache Angestellte.33 Damit schrumpft die bürgerliche Fam~~e ~m die
schaft 1st Horkheimer zu Folge also ein entscheidender Strukturwandel der Jahrhundertwende zu dem zusammen, was die proletarische Familie immer
~utorität verbun~e~: Autorität nimmt nun immer weniger die Form tradi­ schon war - eine reine Konsumtionsgemeinschaft. . b" .
tionell~r, personalisierter Uber- und Unterordnungsverhältnisse an, sondern Im Unterschied dazu stellte die Familie, wie Horkheimer betondt, f is ;~~t
findet ihren pnmären Ausdruck darin . . . . G al Familienunternehmen un arm iar
ms 19. Jahrhundert hmem m est t von . •· - · ht-
' . . fü di bür erhebe Okonorme unverzic
„d~s _die ~ensc_hen_ bestimmte ökonomische Erscheinungen, wie zum geführten Handwerksbetrieben em~ r e d gE_ h ·t d r 3-1 Gleichzeitig ist
• 1 h tragen e m e1 a •
B~ispiel die sub!_ekt~ven Schätzungen der Güter, Preise, Rechtsformen, bare, deren Repro du knon wesent ic di R d der bürgerlichen Familie
. kh . b chon e e e von
Eigentumsverhaltrnsse usf. als unmittelbare oder natürliche Tatsachen aus der Sicht Hor eimers _a er s . . d h . k0 llekrive auf gemeinsamer
gelten lassen und sich vor dies en zu b eugen meinen,
· · sie
wenn sie · h Jener
· in sich widersinnig, stellt die Familie ~hc eidned_ bu··rgerli~he Welt durch die
unterordnen. "30 . d E" h "t dar wa ren ie
Abstammung basieren e m ei ' h b kei t charakterisiert ist. Inso-
. . . di
Prinzipien der In v1 ua1·rtat
"d ·· u nd Berec en ar
rag de\:Utklft
är~rische Begriff der Vernunft auf eine umfassende Gestaltung
er gese sc a 1 ichen Lebensbedingungen durch die ihrer selbst bewussten
31
28 Ebd., S. 35.
Ebd., S. 24. 32
29 Ebd., S. 61. ·11 t987 S 94f
Vgl. ebd., S. 30ff 33
Vgl. ebd., S. 71-75 u. Jagentowi;; M~s kheirr:er 1967b, 270f.
30
Ebd., S. 41. . 34 Vgl. Horkheimer 1967a, S. 133 · u. or

151
150
•i· · einer durchrationalisierten
fern h af te d er F arm ie m 35
bürgerlichen Welt etwas bürgerlichen Leben das gemeins h f 1. h
Irrationales und Pseudo-Feudales an_. . . . l.rc h negativen
. c a t ,c e Interesse
Charakter trägt und in d Ab
.
... einen wesent-
Obgleich somit in einem gewissen Sinne pseudo-feudal, hat die Fanu- betätigt, hat es in der Geschlechts!' b er d wehr von ?efahren sich
. . H kh · usführt ihre Gestalt gewandelt: Sklaven und Gesinde 1.ich en S orge eme. re e un vor allem m d
positive Gestalt n· E fal
..
er mutter-
lie, wie or eimer a ' ' d M' l 1 . . . . . ,e nt tung und das Gl „ k d
. h „ u ihr _ aus dem ' ganzen Haus .es . rtte a ters .1st die andern wird m dieser Einheit gewollt D d h h uc es
zähl en mc t 1anger z . h "h . a urc entste t der Geg
zwisc en 1 rund der feindlichen Wirkl' hk . d d' .. e~satz
dezi"d'iert mo derne Klei"nfamilie hervorgegangen. Damit emher geht eine Be- . r . h ic eit, un Je Familie führt
.. k criarchaler Verfügungsgewalt: So untersteht der erwachsene insorern ruc t zur bürgerlichen Autorit„t d
sch ran ung pa d ·· d · · a , son ern zur Ahnung e·
besseren menschlichen Zustands. u39 mes
· 1··
S o hn mc t anger der Obergewalt des Vaters, son ern grun et. einen
h . eigenen
Hausstan d, de ssen Vorstand er wird. Im selben Zuge wandelt sich die Basis der
h ·d d ,v, · D' Dabei sind es für Horkheimer vor allem die durch d" F b ·
· h a1 en ,r hli h · h " " te rau esnrnmren
patnarc vi0rmachtstellung auf ganz
. entsc e1 en e weise.
. rese beruht mensc 1c en Bezie ungen , durch welche die Fam1·11·e · R ·
· k .. . ,,em eservorr von
Horkheimer zu Folge in der bürgerlichen Gesell~chaft mch~ ~o sehr auf der Widerstands raften gegen die völlige Entseelung der ,v,elt h "40 n·
. . . • w, ausmac t . 1e
physischen Überlegenheit, sondern der_ ökonom1sc~en Posmon des Vaters, Logik ~er Familie erweist sich - zumindest tendenziell - als eine von der
d.h. auf der Tatsache, dass dieser das Eigentum besitzt und/oder das Geld bürgerlichen Gesellschaft verschiedene.
verdient.36 Erhält sich in der Familie mit der väterlichen Autorität ein vorbü-, Anders als ihm bisweilen vorgeworfen wurde, geht es Horkheimer dabei
zerliches Moment personalisierter Herrschaft und Abhängigkeit, so ist dieses ausdrücklich nicht um ein Konservieren der bürgerlich-patriarchalen Familie
doch zugleich auf eine spezifisch bürgerliche Grundlage gestellt. noch stellt diese ihm zu Folge bereits einen idealen Zustand wechselseitiger
Angesichts dessen verwundert es nicht, dass Horkheimer der Familie Anerkennung dar. Der bürgerlichen Familie kommt im Horkheimerschen
bescheinigt, "zum Ganzen (der bürgerlichen Gesellschaft) nicht bloss in einem Denken vielmehr deshalb eine so zentrale Rolle zu, weil in ihr
fördernden, sondern auch in einem antagonistischen Verhältnis" zu stehen.37
"Vorstellungen und Kräfte lebendig (sind), die freilich nicht an die Exis­
Als für die bürgerliche Gesellschaft insgesamt und in der liberalen Phase
tenz der gegenwärtigen Familie gebunden sind, ja unter dieser Form zu
zudem für deren Ökonomie zentrale Institution, finden sich auch in der
verkümmern drohen, aber im System der bürgerlichen Lebensordnung
Familie Verdinglichungstendenzen. So werde· selten eine andere Stätte haben als eben die Familie.41
"der Vater zum Geldverdiener, die Frau zum Geschlechtsobjekt oder Nicht das ,richtige Leben im Falschen' (Adorno) sieht Horkheimer in der
zur häuslichen Leibeigenen und die Kinder, sei es zu Erben des Ver­
Familie aber doch zumindest ein Moment, das über die isolierte, monadische
mögens oder zu lebendigen Versicherungen ... , von denen man alle
Existenz des Individuums in der bürgerlichen Gesellschaft hinausweist. Eine
Mühen später mit Zinsen zurück erwartet. "38
Ahnung von Beziehungen, in denen Menschen sich nicht als Konkurrentlnn~n
Insofern die Familie jedoch nach Horkheimer eine kollektive Einheit darstellt, gegenüber stehen, sondern das Glück d~s u~d. der An~~re~ wünschen, und m
~incl in ~hr _andere _Bezi~hungsformen angelegt: Die Beziehungen zwischen denen sie als konkrete Wesen mit ihren Jeweiligen Bedurfrussen Anerkennung
ihren Mitgliedern smd nicht durch Markt und Konkurrenz vermittelt sondern finden.
unmittelbar persönlicher und zumindest potentiell solidarischer Natur, Auf
Grund dessen habe
· ·· zur Bedeutung von Va-
Patriarchale Familie un d Autor1tat:
"~er Mensch in der Familie ... stets auch die Möglichkeit besessen,
nicht bloss als Funktion, sondern als Mensch zu wirken. Während im
ter, Mutter und einer sexualfeindlichen Kultur
. .. . H kheimer zu Folge eine Funktion, die der
35
Vgl. f · n· k Die Gewöhnung an Autont.~t ist or b'' . hen Gesellschaft zukommt.
· d"ebd.,
kl S. •269ff.
h Letztlich
. .
ve · d' ·
.. rweist tes au eme rs repanz zwischen liberaler Theorie, 1e
· d" . . nicht
Familie . . dern Ub ergang zur urger1 ic
erst mit
wie 1e assisc e po 1irische Ok · f · · d
der Realität es II haf r h on~~ie v~m re!en und tauschenden Einzelsubjekt ausgmg u~
. gW,e s~ dt .ic -~r Pr~is im Liberalismus: Macht das Subjekt der liberalen Theorie
n ac h seinen eg m er burge I h G II h f . 39
Ebd., S. 63f. .. d 11
spielte d f d' " b r ic en ese sc a t allein auf Grund individueller Leistung,
e acto re verer ung von (F T )" •· • • d 40
Ebd ., S · 67· .. m · di e z ukunft weisendes Farruhenmo
ausgedrückt· W, dasKi . . am, ien- vermogen eme nicht unwesentliche Rolle. An ers d' , · ostt1ves · d · eh
und Stehenden'~e h ~mbmkumstzs~he Manifest ~ie Tendenz des ,Verdampfens' alles ,Ständisch~n 41 Ebd., S. 64. Sofern sich in den ,Stu ien. ein PFamilie' In diesen Familien wür~en Km e: ruc t

(noch) familiä sc ·ne• , onstatlert


·· Horkhetrner fü• r den L'b
i era1·Ismus eme
· m· gewisser
· ,v,
vveise angedeutet findet, ist dies die proletan~.c~e die Solidarität mit den Angehöngen der :1:;n;
36 rar organisierte 0konomie · als Besitz der Eltern erfahren,. noch wur e f ·t licdern ausschließen. U~bewusst wu : e
Vgl. Horkheimer 1987 S. SSf u 70f · Farm·1·1e d'1e S o lid
37
Ebd., S. 63. ' . . . i an't''t
a
mit anderen Gesellscha tsmt Eins;
k itischer g_ 'eh t un d die Motivauon zur kollektiven
38 Erziehung zudem die Entwicklung von rW,•lc fördern. Vgl. ebd., S. 72.
Ebd., S. 63. Arbeit. an der Einric . . hrung cm · er besseren t:

153
152
.
Gleichwo l1 l I asse sie
· h ~re ststellen , dass nun ein. neues,
h . für die
A bürgerliche
· •· h Gesell- · Grund von ihr tatsächlich zukommenden po ·t· E.
• • h es M O ment in der Erzte ung zur utontat ervortritt·•
schaft charakterrstisc sondern sie wird verklärt und diese Verklär:niven ~~el~shchaf~en anerkannt,
· .. d g ermog ic t wiederum d
· ht me hr un mittelbar der Gehorsam, sondern
· d nie die überl egene A utontat urch den Unterlegenen . b d ' ass
Es wir .. h imd.Gegen- .. d b ge 11e t wer en kann 47
"teil• der Ge b. raueh d er V,e rnunft gefordert. Wer nur nuc tern In d en A n fangen er ürgerlichen Gesellschaft b H kh . · .
. h fü d . h1e Welt . h 1 S k d . . , ' etont or eirner, sei
betrac h tet, wir · d emse
· hen , dass der Einzelne sie gen un sie unter- der patnarc a en tru tur er Familie durchaus einer. h · . h
.. . rortsc ntt 11c e Bedeu-
ordnen muss."42 tung zuge kommen. So h atten sich angesichts der noch unz · h d fI
ten Verh··1 · d'1e
a trusse ureic en ent a te-
D1e. Erk enntnts· von Realität wird für das Kind so. zugleich zur . Anerkennung die-
. .. al ben und unveränderbar. Wie Horkheimer ,,~_el?stz:i-icht des Individuums, der Sinn für Arbeit und Disziplin, die
ser R ea1itat s gege d" betont,
.. kommt
d a b e1· besondere Bedeutung zu: In der Fähigkeit, an bestimmten Ideen festzuhalten, Folgerichtigkeit im prak­
r
d em i:vater . Achtung ieses uberlegenen
. tischen Leben, Anwendung des Verstandes, Ausdauer und Freude an
M annes ern• 1 t das Kind vor den als übermächtig und gegeben erschemenden
, d . . b„ I. h . konstruktiver Tätigkeit . . . einzig unter dem Diktat und der Leitung
, Tatsachen' zu kapitulieren und erweist sich amit 1m urger 1c en Sinne als des Vaters"
.. f · , 43
,vernun ng . . . , .. . entwickeln können.48
Diese Unterordnung unter vermeintliche ,Tatsachen wurde Jedoch noch
keine Einübung eines Autoritätsverhältnisses darstellen, käme_ zu d~m rational­
In der entfalteten bürgerlichen Gesellschaft hingegen habe die patriarchale
Herrschaft die Funktionalität, die ihr für eine begrenzte Zeit zukam, verloren.
verstandesmäßigen nicht ein emotionales Moment. Denn wie Ench Fromm
Diese Tatsache werde jedoch verschleiert, wenn der väterlichen Autorität der
im sozialpsychologischen Teil der Studien über Autorität und Familie betont,
Charakter eines moralischen Tatbestandes zukommt.49
kann von einem Autoritätsverhältnis nur dann gesprochen werden, wenn
äußerlicher Zwang durch emotionale Beziehungen unterstützt wird. 44 Die­
In einem ähnlichen Sinne als,Tatsache' erscheint Horkheimer zu Folge in
der bürgerlichen Gesellschaft die geschlechtliche Arbeitsteilung. So gilt es, wie
se "gefühlsmässige Bindung einer untergeordneten zu einer übergeordneten
Horkheimer ausführt, in der bürgerlichen Familie als ,normal' und ,natürlich',
Person oder Instanz" trägt Momente von "Furcht, Ehrfurcht, Respekt, Bewun­
dass es der Vater ist, der das Geld nach Hause bringt, während die Gattin auf
derung, Liebe und häufig auch Hass". 45
Heim und Kinder beschränkt ist. Diese geschlechtliche Arbeitsteilung m~cht
In der Beziehung zum Vater, so Horkheimer, sind nun rationale Ele­
Frau und Kinder vom männlichen Familienoberhaupt abhängig - und bedingt
mente mit ambivalenten Gefühlsstrebungen nahezu untrennbar verbunden.
damit, dass deren Leben auch dann noch weitgeh~nd in d_er Hand de~ Vaters
Daher stellt diese auch einen so ausgezeichneten Raum für die Einübung des
liegt, wenn die Gesellschaftsstruktur nicht länger eine unr1:u.~~elba_r patnarc~~e
bürgerlichen Autoritätsverhältnisses dar. Hier lernt der Sohn, dass er sich dem
ist. 50 Der Trennung von beruflich-öffentlicher und fanuhar-_Pnvater S~~are
Stärkeren und Mächtigeren unterzuordnen hat, will er nicht dessen Liebe
kommt dabei eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Hierdurch wir es
und sein künftiges Erbe riskieren. Die Macht des Vaters über den Sohn ist
möglich, dass auch derjenige Vater, der .
nahezu grenzenlos: Er kann verlangen, was er will. Der Sohn muss sich fügen.
.
„im sozialen Leben eme armse ige
r Funktion ausübt und einen krum-
uftreten und die höchst
Dieses kaum beschränkte Machtverhältnis hat der Kritischen Theorie zu Folge
entscheidende psychodynamische Konsequenzen. So bleibe dem Sohn wenig men Rücken m~chen m_~ss, zu Hau)s ::~Jer an Bescheidung und
wichtige Funktion ausuben (kann '
anderes übrig, als den überlegenen Vater mit allen nur erdenklichen positi­ .. h ust
Gehorsam zu gewo nen. 11 b in
ven Ei~~~schaften ausz~statten. Denn nur, wenn der Vater als gut, gerecht, . di „k mische Vormachtste ung zu - o .
O
großmutig usw. er~chemt, lässt sich eine Diskrepanz zwischen folgsamem Kommt dem Mann nicht ese ono . a1· in denen beide Elrernrei-
F ·1· 1. m Frühkap1t isrnus,
~andeln_ und moral1sc~en Werten vermeiden sowie die psychischen Konflikte, den proletarischen arm ien al b . mussten oder in neuerer
nterh t ertragen . k . h
die a_~s e!ner s?lchen Diskrepanz resultieren würden.46 Ein ungleiches Macht­ le und die Kinder zum L e b ensu. h der Erwerbstätig eit auc
. l . keit und zune rnen . . .
verhältms bedmgt also, ~ass d~r Unterlegene sich dem Überlegenen nicht nur Zeit in Folge von Ar b eits osig . . famil··· Macht zur D1spos1t1on.
denz1ell seme rare
bürgerlicher Frauen - s~e ht ten
unter~rdnet, son~~:n diesen m seiner Vorstellung zugleich mit sämtlichen
Gleichwohl ist es möglich,
moralischen Quahtaten ausstattet. Die Autorität wird somit nicht primär auf
42
Ebd., S. 51.
43
Vgl. ebd, 47 Vgl. Fromm 1987, S. 84f. . Produktionsweise, sondern
44
Vgl. Fromm·1987 S. 79 48 Horkheimer 1987, S. 52. kh . r nicht nur die bürgerhc~~ M'" lichkeiten dar.
45
Ebd., S. 79f. ' . 49 Vgl
v: •
ebd • Damit stellt für T
Hor ruukn» . Fessel gesellschaftl1c er og
tureme
46 auch die patriarchale Farm ienst
Vgl. Horkheimer 1987 S 57f I d . . so Vgl. ebd., s. ssf. u. 70f.
offen inwiew ·t d ' · · n em er an dieser Stelle nur vom Sohn spricht lässt Horkheimer 51
' e1 er avon ausgeht, dass ähnliches auch für die Tochter gilt. ' Ebd., S. 58.
155
154
d" H haft behält auch wenn die materielle Grund-
"dass der Vaterh ie derr~ct [ ] Die 'p sychische und physische Gewalt andrerseits die Liebe zu der vom Vat b h h
la e dafü r gesc wu n en is . . . . . . . ' . . d er e errse ten Murt hd
_g aus der o··k onormsc
die · hen entstanden sind, erweisen dann die ihnen Keim zu einem auernd oppositionellen Ch k . ~r auc en
52 kann. «sa ara terzug m ihnen legen
eigene Resistenzfäh igkeit. " · • ••

. kl ang mit• semer


· These von der höheren zu sehen, wie die geliebte Mutter unter dem V l ·d k
Im Em . Dynamik
,r der l Eokonomischen
.. h . 1
.. · t Horkheimer dass das Bild vom v ater a s rna rer in der rner zu o ge eirn m also auch zu einer Soli1 d · • e1 et ' ann
F b . K. d . ater . d Horkhe·t-
Sphalredarguimdi e_n~1der und den allg,emeinen gesellschaftlichen Überzeugungen k · d .
und Rea tronen er Empörung über und des Wid ansierung
h mit er
d Mutter
Psyc 1e er n v1 uen d" R ali .. d. . ..
führen. erspruc s gegen en Vater
auch d ann noch t.1ef verankert
v• sein kann, wenn re e itat ieses Bild bereits
..
Lugen aft 53 Neben der ökonomischen Vormachtstellung des M d d fi
str . . · d „f · . .. . . annes un er nan-
Gleichzeitig birgt die bürgerliche Trennung von pnvate~ un o fenthcher z1ellen Abhängigkeir der Frau geht der Kritischen Theorie zu F I d
d 1.r • dli h I o ge zu ern
Sphäre und der Ausschluss von Frauen aus letzterer Horkheime: zu Folge_ ein von er sexua rem ic en Ku tur des Bürgertums und insbesonder d
. . hk . e von em
t t. 11 gesellschaftskritisches Moment: In der nach Horkhe1mer weniger von jeder Smn 1rc ert gereinigten Mutterbild eine autoritätsfördernde Wir-
po en ie . . .. • • b d · d ·
Verdinglichung erfassten familiären Praxis, ms eson ere m er Liebe kung aus. Reine Gefühle, unbefleckte Verehrung, zärtliche und idealistische
~~;Frau zum Gatten, Kind und Bruder, könne der und die konkrete Andere Hingabe werden von sexueller Begierde und bloß leidenschaftlichem Inter­
Aufmerksamkeit erfahren. 54 Die Beschränkung der Frau auf Heim und Kinder esse gespalten und bilden so "eine psychische Wurzel des in Widersprüchen
59
erfährt somit eine gesellschaftskritische Wendung. Darüber vergisst Hork­ aufgespaltenen Daseins". In dieser Formulierung stellt Horkheimer eine
heimer jedoch keineswegs die Schattenseiten dieses Ausschlusses, sondern strukturelle Ähnlichkeit zwischen der Produktionsweise der bürgerlichen
reflektiert, dass die geschlechtliche Arbeitsteilung zugleich die Abhängigkeit Gesellschaft und dem Seelenleben der bürgerlichen Individuen fest: Beide sind
der Frau und damit eine Veränderung ihres , Wesens' bedingt. So legt die ge­ von Widersprüchen geprägt. Indem nun das Kind
sellschaftliche und rechtliche Abhängigkeit von und Unterordnung unter den "die Mutter nicht in ihrer konkreten Existenz, das heisst nicht als die­
Mann ihrer eigenen Entfaltung enge Schranken auf. 55 ses bestimmte soziale und geschlechtliche Wesen begreifen und achten
Horkheimer belässt es allerdings bei dieser relativ knappen Feststellung lernt, wird es nicht bloss dazu erzogen, mit seinen gesellschaftlich schäd­
und geht der Frage, wie genau Abhängigkeit und Unterordnung die Ent­ lichen Regungen fertig zu werden ... sondern weil diese Erziehung in
faltungsmöglichkeiten von Frauen beschränken, nicht weiter nach. 56 Da es der problematischen verhüllenden Weise g~sc~ieht, geht_ in der R~_gel
dem Einzelnen die Verfügung über einen Teil seiner psychischen Kräfte
Horkheimers Anliegen ist, die Genese des autoritären Charakters zu verste­ dauernd verloren. "60
hen, wendet sich seine Aufmerksamkeit sogleich der Frage nach der autori­
tätsfördernden Wirkung der geschlechtlichen Arbeitsteilung zu. In diesem Diese Arzumentation erschließt sich nur, wenn man sie vor dem Hintergrund
Zusammenhang folgert Horkheimer, die von der Produktion ausgeschlossene der psychoanalytischen Theorie versteht. 61 Die Freudsch~ Psy~hoanalr5e -
und mit ihr die Kritische Theorie - geht davon aus, dass Kinder ihrr E tern
und vom Einkommen ihres Gatten abhängige Frau müsse ein begründetes
. h . .. 1 · h n sondern auch mit sexuellen Strebungen egegnen.
Interesse daran haben, dass sich dieser in der bürgerlichen Welt behauptet nie t nur mit zart 1c e , f · und dem Inzest-
- was von Seiten des Mannes geschickte Anpassung nicht aber Protest und Da Freud zu Folge Zivilisation und Kultur au Mo~o!arr;:~ der Beziehung
Widerstand verlangt. 57 Insofern erleben ' Verbot beruhen, dürfen diese sexuellen StrDe?uEnlgen Je~~e::ndere der Vater,
· h T en kommen ie tern, •
»die Ki~der ... in der mütterlichen Erziehung unmittelbar die Einwir­ zu den E l tern mc t zum rag . · d Vi b te und können durch ihre
kung emes ·der herrschenden Ordnung ergebenen Geistes, wenngleich vertreten dem Kind gegenüber d~ese Ge-llun D~renotwicklungspsychologische
52 ·· h · d B f, l g sicherste en. re . d
Ebd., S. 71. Uberlegen ert eren eo gun .. d" k lexes besteht nun dann, ass
53
54
Vgl. ebd.
Vgl. ebd., S. 63f. u. 67.
Bedeutung der Bewältigung des hl O
1

das Kind sich mit dem gleichgesc ec t tc en G


h~~
im~lternteil identifiziert W1d die
d Verbote verinnerlicht,
55
Vgl. ebd., S. 67f. . .. ß In tanz vertretenen e- un h 62
56 zunächst von einer au eren. s .. d. chische Instanz entste t.
Darin sah die feministisch R · • . . . wodurch das Über-Ich als eigenStan ige psy
d ·· k F e e~ption ein Indiz, dass Horkhe1mers Kritik weniger der Unter­
~ui un~ v~n r~uen ~s solcher gelte, denn den Konsequenzen die diese Unterdrückung für 58
Ebd., S. 69.
n
he . ntw~c dung es ~ cles, insbesondere des Sohnes, habe. Wichtig an diesem Einwand er- 59
sc emt nur, ass angesichts des Nat · aJ ·a1 · ·· hli h Vgl ebd 'k E 'eh
· d • ion sozi isrnus Horkheimers zentrales Interesse tatsac ic
57 ein an eres ISt a 1 s das der späteren Frauenforschung. 60 • • • • den Psychoanalv1:1 er n
Vgl. ebd., S. 68. Mit ähnlicher St O ß · h d
Ebd. T war es dem praku21eren . B uf
61 In den Studien überAutorität und Famz ufüh n während Horkhe1mers ezug a p .
svchoana-
Gefühl d ··k • h nc tung vermutet Horkheimer: dass beim Mann as d. nauer
Fromm vorbehalten, rese gc bl . auszu u re '
er o onom1sc en Verantwort fü d" F •i· • ' fü · die
Verhältnisse verstärkt. ung r re amine die Tendenz zur Ein ügung ID lytische Theoreme eher implizit ei6 t.
62
Vgl. Fromm 1987, S. 82ff.

156 157
Ob sc h on S exu aleinschränkungen damit eine Zivilisation und Kultur erst
d. K . . h Th . tation, wonach der Vater diejenige Be .
. .. • . zugsperson 1st di d
.. . h d B deutung zukommt ' betont
ermog11c en e e .
1e ritrsc e
d" hE
eorie, eine aus
· - 1
das Rea 1tatspnnz1p venritt.68 Durch . u " b ' e ern Ki nd gegenüber
.. alf
gepragt sexu re1· ndliche Kultur hemme wiederum
af • 1e 1c -
· d h · . So
ntw1cklung.
dazu zwmgen,
. w·· seine erlegenh . k
unsche aufzugeben u d . k d . eit ann er das Kind
argumenner· t Fromm , dass in einer Gesellsch . t • „ wie etwa
d m er c nsthchen" ' • h antasten
• und eine Akzeptn wirC t arrur auf eine · Au fgabe von
Ommpotenzp
in der Sexualität und Erotik verpönt und ta~ulSlert wer en, sexuelle Wünsche Nicht-Verleugnung) der Realität hin D'anz E imkpsychologischen Sinne einer
un dB eu dürfnisse „ die automatische Produktton von FlAngst und
..Schuldgefühl" h l . h h . ieses r ennen der R litä d d
psyc oana ytisc en T eorie zu Folge in de B . h ea at, as er
zur Folge haben.63 Dabei handelt es sie~ Fromm zu o ge um eme irreale, nicht . . h r ezie ung zum Vate 1 .
schlägt wie wir gese en haben Horkheimer zu F l . d ~ ange egt 1st,
klar umrissene Angst. Um sich vor dieser grenzenlosen Angst zu schfüzen,
greift die Psyche auf den Mechanis~u~ der Verdrän~ng zurück. Di~ ta~ui­
srellation der bürgerlichen Familie 1•edoch nur
. a1· ..
° 1
gel ?h e~ sp~zifischen Kon-
a 11 zu etc t m emAnerk
dieser Re itat um. Insofern kann die in der Bez· h V: ennen
sierte Triebregung wird noch bevor sie ms Be':11sst~em treten k~nn mit Hilfe
Möglichkeit der Vernunft sowohl die Gestalt inst~eumung zlul m u ater aft ngelegte
von Über-Ich und Autorität abgewehrt. Da die Tnebregung hierdurch aber . . ente er vernun anneh-
men - d. h . emes Anpassungsmstruments an die Reali't"t · ·h s s· ·
nicht vernichtet wird, bedarf die Aufrechterhaltung der Verdrängung eines . . k . . . a m I rem o- em - wie
auch die emer nt1sch-analyt1schen Durchdringung und kt' y, ·· d
kontinuierlichen Energieaufwands - Energien, die dem Ich entzogen werden. 64 der Welt. a iven eran erung
Während eine weniger sexualfeindliche Kultur eine Abwehr gesellschaftlich ge­
fährlicher Triebe durch Verurteilung seitens des Ichs leisten könnte - d.h. eine U~ mehr ~Is instrumentelle Vernunft zu sein, um also nicht bloß zu einer
Form der Abwehr, bei der der abzuwehrende Impuls bewusst bleibt und das Fügung m ~chembare ,Tatsachen' zu führen, muss diese Akzeptanz der Reali­
vernünftige Denken eine zentrale Rolle spielt - bedingt eine sexualfeindliche tät Horkheimer zu Folge zugleich mit Erfahrungen einhergehen, die dieser in
Kultur somit tendenziell eine Schwächung des Ich. 65 enge Verbindung mit der Mutter bringt. Wie Mechthild Rumpf herausgearbei­
tet hat, ist es aus der Sicht Horkheimers die unbedingte Zuwendung, die eine
Die von Horkheimer thesenhaft formulierte und von Fromm näher
Mutter ihrem Kind entgegen bringt sowie die mütterliche Aufmerksamkeit für
ausgeführte autoritätsfördernde und Ich-schwächende Bedeutung einer sexual­
die konkreten Bedürfnisse des Kindes, die Erfahrungen von Glück und Liebe
feindlichen Kultur, wird Horkheimer zu Folge durch die väterliche Erziehung 69
ermöglichen. Solche Erfahrungen wiederum können angesichts von Leiden
in einer Weise ergänzt, die ebenfalls der Einsicht und dem kritischen Denken
abträglich ist. So lernen und Unrecht zu Empörung und Solidarisierung führen. Damit erweist sich die
Möglichkeit von Kritik und Emanzipation nicht lediglich als an Vernunft und
„die Kinder unter dem Druck des Vaters ... , jeden Misserfolg nicht Einsicht gebunden. Vielmehr muss zu beiden ein mor~isches un.d emotional:5
bis zu seinen gesellschaftlichen Ursachen zurückzuführen, sondern
Moment hinzutreten, das die Realität in ihrem So-Sem verurteilt und auf die
bei den individuellen stehen zu bleiben und diese entweder religiös als
Abschaffung von Leiden drängt.
Schuld oder naturalistisch als mangelnde Begabung zu hypostasieren.
~as in der Familie ausgebildete schlechte Gewissen fängt unendlich
v1~le Energien auf, die sich sonst gegen die beim eigenen Versagen
mitsprechenden gesellschaftlichen Zustände richten könnten. "66 Der Niedergang der patriarchalen Familie als ,verbogene'
Festgehalren werden kann damit, dass väterliche Erziehung und sexualfeind­ Emanzipation
l~~he Kultur zusammenwirken in Richtung einer Erzeugung von Schuldge­
fühlen und_Opf~~bereits:h~. Diese wiederum bedingen psychodynamische . h A b • teilung kommt bei Horkheimer
Prozesse, die kritische Ems1cht tendenziell untergraben. Der Existenz einer geschlechtlic en ~ eits. • · · h als zentraler
d . E 1 erseits erweist sie sie
somit eine doppelte Be eutung zu. ~ . h Gesellschaft und begüns-
. _Anders als von feministischer Seite bisweilen kritisiert wurde, bedeutet . ·· · d r burger1 1c en
. . ,.
1 Kr' · h Th
dies Jedoch nicht dass die
itrsc e
· · •·
eone Hoffnung pnmar an Vernun t
f Pfeiler patriarchaler Autorität 1 e
. . . d
:1
d' A b ldung einer auton
. itaren Charakterstruktur.
.
bmdet - und m einer psy h l · h · · d trgt bei den Km ern 1e u~ i . die bür erliche Frau vor den Verding-
,:r
vater.
67 z c oana ytisc en Betrachtungsweise damit an en
war folgt die K 1·t·1 h Th . d Andererseits habe diese Arbeit5tetl~nhg „ g liehen Lebens bewahrt und
~~;--:---- r___ sc_ e eorie urchaus der Freudschen Argumen- . ß h „ l 1 c en 6urger .
63 Ebd., S. 104. hchungstendenzen des au er aus b d für die Entwicklung nicht-
aum ge oten, er . h
64
Vgl. ebd., S. 96ff. de. m Kind so einen Er fa h rungsr . ikfäh . k •c zentral erscheint. Angesic ts
65
Vgl. ebd., S. 99 u.104f.
.·mstrumenteller Vernun ft un d Kriti . .
ig e1 h1 h
itären Bedeutung der gesc ec t-
66
Horkheimer 1987 S 59 . .. r„ d ern den , teils anuautor
di eser ter.1s autoritatsror
67 ' ' '
Vgl. Becker-Schmidt 1991 s 64f. B · .
R ·
genüber zeigt Mechth'ld 1
dem ,Mütterlichen' fü r die ~:~~~kl•
f ·, f enJamm 1994, S. 132f. u. Benjamin 1988, S. 246. Dernge­
dass J~ssic~ Benjamin die Bedeutung, die bei Horkhe~mer
ung mcht-mstrumenteller Vernunft zukommt, übersieht.
68
69
Vgl. Fromm 1987, S. 82f.
Vgl. Rumpf 1989, S. 18-22.

158 159
1.ic h en A r b ertstei
· ·1 ung wäre zu erwarten, dass.hHorkheimer
• · hden Niedergang
· • sehe Bestätigung der These von einer h""h
. A b ·
dieser r e1tste1 ung ·1 zumindest auch als Frei
. eitsgewmn
• h"· t emat1s1en.
h. • Tat- .. k . b o eren Dyn .k d
· h :fi n d en sie
.. hl rc · h Jiedoch vor allem. skeptische Emse atzungen msichtlich der O enorme ver undenen gesellsch f 1. h anu er unmittelbar mit
sac Wenn nun aber a . h e 1 esen 1··asst.72
t ic en Beretc
der jüngeren geseilschaftlichen Entwicklungen. . . . .
• m
B ererts · seme
· m Aufsatz von 1936 diagnostiziert Horkheimer,
.. . . Klein-
die »Ideen, die seit Jahrhunderten V, h
·1· h b · Funktionsverlust erfahren und erfülle auch die ere rung genoss h 6
fanu 1e a e emen . . . ihr noch Gang der Geschichte starr beibehalt d en a en gegen den
verbliie b enen Funktionen immer schlechter. Dies habe .. Jedoch nicht .. automa-
. Umformung bewahrt werden dannen, anstatt urch E · kl
ß•· h . . _ntwic ung und
· h · mfassende Transformation oder gar Auflosung der burgerhchen . ' ver uc ttgt sich 1h Wah h ·
halt, und sie schlagen in leere Ideologie um".73 r r e1tsge-
tisc eme u h • d · h d. F ·1·
Familie zur Folge. Vielmehr betont Hork eimer, as_s src re arm 1e ohne
eine umfassende Veränderung des gesamtgesellschaftl1c~en Zusammenhangs Dass Horkheimer in der Familie der späten 1940 J h k · . . ..
. . h M er a re ein ant1autontares
d k · h
· ht grundlegend wandeln werde.70 Diese Argumentationsfigur taucht auch emanzipatorrsc es oment mehr zu erkennen ver .'
. . k . mag, ver an t s1c somit
::einem spä;eren Aufsatz wieder auf -1:3-un allerdin~s n_iit ande_:er Ak~entu­ weniger genuin onservat1ven Vorbehalten gegenüber de E b •· · k •
·
von Frauen, d enn einer h egel-marxistischen Denkfigur Dr rwerh stat1g
1 · eith
ierung: Das frühe Argument zielte auf die Grenze1:1 isolierter padagogischer .. . . . • emnac asse s1c
Reformbemühungen, die grundlegende gesellschaftliche Prozesse unverändert das an_ der burgerhchen Farnilie, was über die bürgerliche Gesellschaft hin-
lassen. Damit scheint in Horkheimers Aufsatz aus den 1930er Jahren der ausweist, nur durch ,Aufhebung' in einer anderen Gestalt, die wiederum
Glaube an die Möglichkeit einer Veränderung des gesamtgesellschaftlichen auf eine höhere Gesellschaftsformation verweist, bewahren. Das Festhalten
Zusammenhangs und damit der Familie durch. Demgegenüber scheint der an der konventionellen Gestalt von Ehe und Familie hingegen ersticke jene
Momente.
Weg zur Realisierung einer höheren gesellschaftlichen Ordnung in den Nach­
kriegsschriften verstellt: Die Betonung Horkheimers liegt nun darauf, wie das Diese Argumentationsfigur findet sich auch in Horkheimers Analyse
Beharrungsvermögen übergreifender gesellschaftlicher Strukturen mögliche der kindlichen Sozialisationsbedingungen in der spätbürgerlichen Familie
emanzipatorische Tendenzen erstickt. . wieder. Wahrend angenommen werden könnte, Horkheimer sehe in der ab­
So habe die Familie im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert, in dessen nehmenden ökonomischen Macht des Vaters ein Schwinden des autoritären
Zuge kleine und mittlere Unternehmen wie familiäre Handwerksbetriebe und Charaktertypus angelegt, geht er auf diese Möglichkeit nicht weiter ein. Gera­
Ladengeschäfte durch Trusts und große Konzerne abgelöst worden wären, dezu gegenläufig verfolgt Horkheimer die These, wonach die soziale Schwäche
ihre Bedeutung als zentrale ökonomische Einheit verloren - allerdings ohne des Vaters dazu führe, dass dessen psychologische Funktion immer häufig~r
dass damit die bürgerliche Produktionsweise zu einem Ende gelangt wäre. von mächtigeren, abstrakteren Vater-Figuren wie ?em Fü~e~ oder Kollektiv
Da sich diese Produktionsweise - die für Horkheimer bereits 1936 längst eingenommen wird - was wiederum der Produktton aut?n~arer Charakte~e
zu einer Fessel für die menschliche Entwicklung geworden war - weiter am förderlich sei. Die Identifikation erfolge nicht mehr mit emer Person, _die
Leben erhalte, könnten sich die emanzipatorischen Momente der neueren bei aller Härte und Unnahbarkeit doch immerhin eini~e wenige_ mensc~c~
Entwicklung nicht entfalten. individuelle Züge und Gedanken aufgewiesen ~abe, mit den~~ sich d~ Kin
?w~r bö:en sich für Frau und Kinder mit der Zunahme an Angestellten­ auseinandersetzen und so zu emer . •
eigenS •· digen. Person
tan . hatte F 1n
akentwicke
s t
können. Vielmehr habe die zunehmende Identifikauon ~tt ~bk ~ bten igur:n
ve:~altmss:n m wachsendem Maße Erwerbsmöglichkeiten außerhalb des Fa­
d b • teren Abhängig eits ewusstsem
milienbetnebes, wodurch die ökonomische Abhängigkeit vom Familienober­ zu einem immer abstrakteren un un eStt~ . • d beliebige Autorität
haupt abnehme, In diesen Entwicklungen sieht Horkheimer durchaus die geführt, in Folge dessen die Bereitschaft ge~ueJ!0 sei, »Je e
Tende~z e!nes Auto~i~ät_sverlusts des Vaters wie eines Rückgangs der Verbun­ zu akzeptieren, wenn sie nur stark genug IS!. h ht Horkheimer nicht nä-
1
den~eit mit ?er Familie msgesamt angelegt. Das Missfallen des Vaters-Mannes Auch was die Bede~tu~g der ~utter ~ge j:che Unabhängigkeit der
0
a~f sich zu ziehe~ oder ~ar mit der Familie zu brechen, berge unter diesen Be­ her darauf ein, inwieweit die geSt1egene o '; n argumentiert er, die Frau­
5
Frau antiautoritäre Implikationen berge. tatt esse
dmgungen
194 ~eutli~h wemger Risiko.71 Gleichzeitig vermag Horkheimer Ende
---------------;-- usf h 'in den 1950er Jahren schicht-
dernd 0e: Jahre Jedoch keineswegs eine Auflösung der Familie beobachten, 72 Vgl ebd S 273 In der Tat war das Mo de ll der , Ha rauene e Während d as noch im
d danach. . 19 .
so ern eine Betonung von deren konventioneller Form - was sich als empiri- · ., · · • b · wie niemals
übergreifend so wert ver reitet . . k zuvor un b ·
trierte Eigentum ereits um
die Jahrhundert-
h
.
Jahrhundert überwiegen dm. Farmlren
h f onzen d Trusts eine neue Ges t a lt angenommen. . atte,
11 ·n
wende in Form von Aktiengesellsc ~- ren lieh Familie erst im Kontext der opposmone c
. II F der burger rc en
70 erfuhr die konventione e orm hl altige Erschütterungen.
71
Vgl. Horkheimer 1987' S • 52f• Bewegungen der späten 1960er Jahre oac 1
Vgl. Horkheimer 1967b, S. 270f. 73
Ebd., S. 272.
74
Ebd., S. 277.

160 161
en h..atten " f··ur 1"h r e bezrenzre
i:,
Zulassung zur wirtschaftlichen
• 1 Welt
d · des
· Mannes schaft durch die J ahrhundene f
mit· d er u ·· b ernahme der Verhaltensschemata emer rest· osd ver pmglichten
· · Ge-
Vorrang, der den Männern in viel au gezwungen
L fb wu rd e, d er irrationale
.
sellschaft gezahlt", womit die Mutter nicht länger „em an e~es nnzip als _das
d er R ea 1rtat ·· entiere . 75 Mit der zunehmenden
. ·· " repras . ..beruflichen
. . Integration
.
:1
schließlich das kulturelle Klima im eau . ahnen gegeben wird, und
1.1c h e P ro bl eme fü• r d"1e arbeitende F 1 g" metnen - all das sch afft ZUSatz-
··
von Müttern schwindet Horkheimer zu Folge die ~oghchke~t von Kmdheit rau. 79
als einem alternativen Erfahrungsraum - ei_ne Ent~icklung, die z~~em durch Horkheimer kritisiert hier also ein Verständ · E . .
. h d h .. ft .
wertge en ersc op m der Anpassung von F nis von , manz1pat10
. n ' , d as sie . h
die Verwissenschaftlichung der Mutter-Kmd-Bez1e~ung _umerstutzt werde.
Infolge der wissenschaftlichen Thematisierung verliere die Zu:wendung der jektstruktur und ,männliche' Lebensläufe Wäh d . ' . akln~ ,c e u b -
rauen an eine m „ r h , S
. . um fassen dere gesellschaftliche Transfor
z1pat1on . ren · eme bwird iche Eman .. -
Mutter ihren spontanen Charak~er und :"erde zunehmen~ rat1~nal geha~d­
. h b e1. dem, was landlau:fig
.. mat10nen d Fe euren
, b wurde,· hn
habt _ als Mittel zur Erreichung emes bestimmten Zweckes. 6 Spnch: Enthielt handelt es sie als Emanzipatio
·
wird, · h t d er Knt1schen
aus Sie · · '
Theorie lediglich n er rau eze1c
um die Zulas F et
die bürgerliche Familie und insbesondere die Mutt~r-Ki~~~Be~iehung für_einen
. .. . sung von rauen
gewissen Zeitraum Momente, die über Zweckrat~onahtat hmaus _auf die Ah­ zu einer ,mannhchen ?esells~ha_ft'. 80 Dabei wirken männerbündische Struk-
nung eines wahrhaft solidarischen Zustands ve~w1esen, ~rden diese a~s der turen und Umgangsweisen mit emer geschlechtsspezifischen Sozialisation auf
Sicht Horkheimers durch die historische Entwicklung weitgehend kassiert. eine Weise zusammen, die Frauen auch dann gleiche Chancen verwehrt wenn
Horkheimer fragt jedoch nicht nur nach der Bedeutung der jüngeren sie formal gleichgestellt sind. Was als ,Emanzipation' oder ,Gleichberech~igung'
Entwicklungen für die Frau als Mutter, sondern geht zugleich dem nach, was ausgegeben wird, stellt sich der Kritischen Theorie somit als Fortschreibung
,Emanzipation der Frau' genannt wird. Dabei weist Horkheimer sowohl in der Benachteiligung von Frauen dar - wenn auch in neuem Gewand. Die ,Frau­
den ,Studien' als auch in seinem späteren Aufsatz kritisch darauf hin, dass eine enfrage' wird nicht im Hegelschen Sinne ,aufgehoben'; was sich beobachten
wirkliche ,Emanzipation' anders aussehen würde. So beobachtet Horkheimer lässt, ist vielmehr eine ,verbogene' Emanzipation, wie es bei Adorno in den
1936, die nur langsam sich durchsetzende Erwerbstätigkeit von (bürgerlichen) Minima Moralin heißt. 81
Frauen stehe in einem Spannungsverhältnis zu kulturellen Vorstellungen
vom ,eigentlichen Beruf der Frau'. Den Frauen eröffne sich keine tatsäch­
liche Gleichstellung im Beruf, sondern werde lediglich die Funktion einer Feministische Kritik an und mit Horkheimer
,Reservearmee' zugestanden. Letztlich blieben die Möglichkeiten von Frau­
enerwerbstätigkeit damit an ökonomische Konjunkturen gebunden - wovon Die Bedeutung der ,frauenforschenden' Perspektive, wie sie in der feminis_ti­
für Horkheimer nicht zuletzt die Gesetze zahlreicher Staaten zeugen, die sehen Rezeption der 1970er und 1980er Jahre d~minier~e, ist vor allem dann
angesichts einer bereits strukturell gewordenen Arbeitslosigkeit den Zugang zu sehen dass durch diese Blickverschiebung die befreienden Momente d ~r
von Frauen zum Arbeitsmarkt zu beschränken suchen.77 jüngeren ' gesellschafthc
. h en E ntwic
• kl ungen s t""arker hervortraten.
. Indem
F: 1e
Ende der 1940er Jahre notiert Horkheimer zwar gewisse Veränderungen feministische Rezeption die A~fmerk~r!:i~;!:i::!:~:~:!e;i:::h;;z:-
der kulturellen Vorstellungen, auch diese erklären sich ihm zu Folge jedoch aus deren Sicht verlagerte, erwiesen sie .. J towicz Mills undJessica
w~itgehen~ mit ~em _Yerweis auf ökonomische Entwicklungen. So bietet die • d" · al S 0 b tonen Patricia agen
gen als zu em irnensron · e al fü• M"' er die Familie kaum je als
Wtrtschaf:hche Situation der Nachkriegsjahre „in steigendem Maße Millionen · · d · h fii F uen anders s r ann ' h ,
Benjamin, ass sie r ra ' ellt habe. Da sie von der ,öffendic en
von Arbeitsplätze für gelernte und ungelernte Frauen", wodurch „die Arbeit Rückzugsstätte und Schonraum dargest f H . d Herd beschränkt gewe-
a~ßerh~b des Hauses für sie ehrbar wird. "78 Frauenerwerbstätigkeit erfährt . hl und au eim un
Welt weitgehend ausgesc osse~. F • ht eher eine Stätte der Enge
e!ne weitergehende Akzeptanz. Was ,Emanzipation' genannt wird, erweist sen seien, repräsentiere . di e Familie aus. rauens1cIlten Schwangersch aften un d
sich aus der Sicht Horkheimers aber als höchst einseitiger Prozess in dem . . E f'- L ungen wie ungewo . E
und Isolation, die mit r anr b ·t verbunden gewesen sei. nt-
Frauen sich nicht nur ' . h tung_ zur Hausar
der automatischen Verp flIC .. 1·e1 her' Perspektive le d"ig1·ic h als
.. . k lt aus mann rc . p-·
»als B~?tve~diener den Lebensformen anpassen (müssen), die von Män­ sprechend möge Erwer b st~ttg. e und Enthumanisierung erschemen. . ur
?ern für -:'1anner gestaltet wurden, sondern ihre historische Erbschaft, Prozess zunehmender Verdmglichun~ lt waren habe Lohnarbeit zugleich
diejenigen die . an Haus un d Herd ge1esse '
ihre spezifische Ausbildung, die ihnen von einer männlichen Gesell- ' 82
75 Ebd., S. 278. aber etwas Befreiendes.
76
Vgl. ebd., S. 277ff. 79
77 Ebd., S. 273f.
Vgl. Horkheimcr 1987 S 70f
78 ' • '
80
Vgl.Adorno 2003, S. 103f.
Horkheimer 1967b, S. 271. 81
Vgl. ebd., S. 103. J towicz Mills 1987, S. 116-
82 Vgl. Benjamin 1994, S. 310; agcn
162 163
Ähnliche Einwände erhebt Jagentowi~z Mills ge~en Horkheimers ~berle-
Die von Horkheimer entwode p .
gungen zur Eh esc h e1·d u ng • Dieser vermag m der. Erleichterung
• hvon •Scheidung "k .
Dynami gerecht, die für die bürg 1. h p d . wir ne erspekt1ve · d d er urnwä]· zenden
vor a11 em eme · Ang1 eic
· hung der Logik von intimen an wirtsc d afthche
f . . Bezie- er ic e ro uktio · h k
ist - o h ne dabei zu behaupten dass ]] S .. d" nsweise c ara teristisch
hungen erkennen - Und da mit ein Moment zunehmen . . er Un reiheir, Der .1m traditione . 11 en Marxismus auch ' di a Fes ' tanf Ische. und Steh en de ' , a1 s das
,rV ertrag ZWlSC
· h en Eheleuten werde .ebenso ..aufhebbar
. wie
. Jeder andere
. Vertrag·
. ' . Nu h"mweggefegt würde I d He' kh
1m rauen. rage' gilt. , vo n d"reser D ynanu'k
das Tauschprinzip setze sich auch m personhc?en Beziehungen_ m Remform · n em or eimer von einer h 0··h D 'k
der im engeren Sinne wirtschaftlichen p . ~ 1 __ ~ren ynarru
d h 83 Demgegenüber betontJagentowiczMills,_dass aus der Sicht von Frau-
urc · · · · F 11 · 1 Z gese11 sch aft 1.1ch en .,., 1.e1·1 bereichen
. ausgeht rozesse
· t im .verhaltn1s
hd zu .anderen
.
di E pansion des Tauschprinzips in diesem a weniger a s unahme 11 h f 1 . h E . ' is er zug 1 erc avor gefeit m ge-
en e x . 84 hR . B k h . se sc a t 1c en ntw1cklungen vorschnell em · · h -,., '
an Unfreiheit denn als Befreiung erscheine. Aue egma ec er-Sc m1dts "d ifi • . anz1patonsc e 1endenzen zu
1 enti zieren: ,Befreiung' gilt vielmehr so lang al · b , • •
Unt ersuchungen zu erwerbstätigen Müttern von Ende l
der 1970er/Anfang der
· · hb . h E b . d . . e s eine ,ver ogene , wie sie
1980er Jahre lassen sich in diesem Zusammen~ang a s empmsc. egründere- ruc t rge ms es sohdanschen Handelns ihrer selbst b M h
· d .. . ewusster ensc en
Einspruch gegen die Horkheimersche ~h~se emer zu~ehmend e111d11nens1o~a­ 1st, son ern Resultat oko1:1offilscher Prozesse, die sich durch das bewusstlose
Handeln der Menschen hindurch vollziehen.
len von der ökonomischen Logik dominierten Entwicklung lesen. So arbeite­
te Becker-Schmidt aus Interviews die Existenz unterschiedlicher Zeitlogiken Die Blickverschiebungen und Perspektivwechsel, die mit der Frauen- und
und -anforderungen heraus, denen sich erwerbstätige Mütter in Akkordarbeit Geschlechterforschung vorgenommen werden, ermöglichen dabei ein tiefe­
einerseits, im Umgang mit kleinen Kindern andererseits ausgesetzt sehen. 85 res Verständnis der von Horkheimer konstatierten relativen Eigenlogik und
Eigendynamik gesellschaftlicher Teilbereiche. So hat die ,frauenforschende'
M_e.rhthi4i-RumpLwiederum argumentiert, dass Horkheimer unvermit­
Perspektive nicht zuletzt das Verständnis geschlechtlicher Arbeitsteilung und
telt ;on der zunehmendenErwerbsbeteiligung bürgerlicher Frauen auf quali­
damit die Reichweite von Gesellschaftskritik entscheidend vertieft. Zwar hat
tative Verände~ngen der Mutter-Kind-Beziehung schließe. Im unmittelbaren
bereits Horkheimer sich durchaus kritisch mit der geschlechtlichen Arbeits­
-Schluss von den Bedingungen mütterlicher Zuwendung auf die Realität dieser
teilung auseinander gesetzt, im Zentrum seines Interesses stand dabei jedoch
selbst lasse Horkheimer keinen Raum für Reflexion und Vermittlung. Der
die Entwicklung autoritärer Charakterstrukturen. Demgegenüber legten die
Unterschied zwischen den -geiellschiftlichen Voraussetzungen von Handeln
feministischen Analysen der 1970er und 1980er Jahre ihren Schwerpunkt auf
und dem tatsächlichen Handeln der Subjekte werde in der theoretischen Kon­ die Frage, welche Bedeutung der Tatsache zukommt, dass das Gros der fürsor­
struktion kassiert.86 Hinzu komme, dass Horkheimer von der äußeren Realität__ genden und pflegenden Aufgaben auch in der spätbürgerlichen Gesellschaft
mütterlicher.Pr~i~:':!.~mittelbar auf deren psychische Realität schließe, soziolo­ weiterhin von der leiblichen Mutter übernommen wird.89
gische und psychoanalytische -B-efrä.chtung also kurz geschlossen, statt {~ ihrer In Folge der Zuweisung von Sorge und Pflege an Frauen'. so die femi­
Verschiedenheit in Verbindung gesetzt würden. 87
nistische Argumentation, erfahre die in der kindlichen En~w1c_klu~g stets
Meines Erachtens sollten diese Einwände zum Anlass genommen werden, angelegte Spannung zwischen Abhängigkeit un? Unabh~g1gke1t, Bmdung
Horkheimers gesellschaftstheoretische Überlegungen in Hinblick auf eine und Autonomie eine geschlechtliche Konnotation. Spezifische gesellschaft­
feministische Gesellschaftstheorie zu präzisieren. Wie Patricia Jagentowicz liche Bedingungen wie die Beschränkung der Ambiti~nen vo~ Frau~n auf
Mills bereits Ende der 1980er Jahre betonte, erweist sich das Horkheimersche Mutterschaft und die räumliche Isolation der Mu~ter-Ki~_d-~ezieh~ng m der
Postulat, wonach die tatsächliche historische Situation als Zusammenspiel mo dernen Kl em . farmilie verscharfen diesen Konflikt zusätzlich: • fDie· Mutter
ff
a~ expandierender ökonomischer Logik und den relativ unabhängigen Lo­ werde zum Smn 1 von . bild Abhängigkeit ' der Vater .repräsentiere
· di L reiung. te
Be
giken anderer Sphären wie der Familie oder dem Staat verstanden werden E . kl h. Individualität und Autonomie scheme e eugnung von
muss, nämlich prinzipiell als aussichtsreich für eine kritische Analyse von ntwic ung m zu . "61' h konnotierte Fürsorge abgewertet
Geschlechterverhältnissen. 88 Bindungen zu erfordern, womit wer ic_ . b t akte monadische Form
werde. Im selben Zuge nehme Autononue eme a s r '
an.90
83
Vgl. Horkheimer 1967b S. 275 -----------;-~. , . Benjamin und Mechthild Rumpf U-~- di~
84 ' • 89 Vgl. neben den hier zitierten Arbeiten vodn Jess1{~ Rt>1>rod11cti.on c[Mothering: Aychoanalyszs
~~~iJ~e~towic; 1:~ls 1987, S:_ 110 u. l 18f. Die Unauflösbarkeit der Ehe, so jagentowicz
feministischen ,K1 assr"k er• von Nancy Cho orow tnea Diff
·r · t · · · he Per·
H1
1
J: a e _gerda e ~r Fraue':1 haufig den Tod bedeutet - wovon der tragische Tod weiblicher
I Gilli
and the Sociology ofGender) und ~ar~ . h g.
an (In erent Voice). Die , ~mmismc
diese Formulierung suggcnert. So bcste~en
85
86
e mnen m er Literatur einen guten Eindruck vermittle
Vgl. Becker-Schmidt et al. 1985, S. 53ff. · spektive' ist dabei keineswegs so emh:i
t
lid 'wr-
~tbezichungsthcorctischen Argumentation
Vgl. Rumpf 1989, S. 38 u. 41f. bspw. deutliche Unterschi~_de zlwisc en ~:c~thild Rumpfs, die vor einer Verabschiedung der
87
Vgl. ebd., S. 34. Jessica Benjamins und den Uber egungen .
88 . . d
Triebtheorie aus er sycp hoanalyse
f warnt.
. Rumpf 1989, S. 50 u. 90ff·
Vgl.Jagentowicz Mills 1987, S. 94f. 90 Vgl. Benjamin 1988, S. 13f., 81 ., 96' 114'

165
164
· B · · weist darauf hin , dass.. die feministische Kritik am
. au- Literaturverzeichnis
J essica enjarrun . . ..
tonomen I n divi . 'd uum damit eine große
. Nahe zur Kritik
. .c des burgerhchen

. 'duums besiitzt , wie sie vom Kreis um Horkheimer
I n drvi d rormuhert
kh · wurde.
· Adorno, Theodor W Minima M .
wr.ä h d · d knappen Bemerkungen von Adorno un Hor ermer Jedoch ., · ora11a. Reflexi d
w, ren in en d d ·· 1· h Le b en, Frankfun am Main· S h k onen aus ern beschädigt
. en
nur ansatzweise · d eutlich wurde , was mit
. . der
. Re e von . er ,mann ..ic en . Ge- ·d • · u r amp,
B ec1cer- S c h m1 t, Regma, "Identität 1 'k d 2003.
' zemeint ist arbeitet die feministische Rezeption den ,mannhchen' . . h T s ogi un Gewalt Z '(, häl .
se 11 sch aft o ' 11 h f 1 · h Knusc er heorie und Femi'n• " J h' · um ver a trus von
ismus oac im M"II W d
Charakter von instrumenteller Vernunft un~ gese sc -~ t i_c en ~trukt~ren,
die gleichgültig gegenüber konkreten mens~hhchen Bedürfnissen sii:id, s:ärker
Welzer (Hg.), Fragmente kritischer
1991: 59-78.
Th . r··b~ er- ar. ~n & Harald
eorie. u mgen: ed1t1on diskord,
heraus. In der Unpersönlichkeit und schemb~ren_ Geschlechts~os1gke~t von
Becker-Schmidt, Regina, Gudrun-Axeli Kna dB . . .
Produktionsverhältnissen und öffentlichen Institutionen, so jessica Ben1amin, ' · b 'd . . PP un eate Schmidt Emes ist
zeige sich die Logik männlicher Herrs~haft, die auf einer Verbannung von zuwemg - e1 es ist zuviel. Erfahrungen von Arbeir f ' . h
F T d F b 'k er rauen zwisc en
Fürsorge in die Privatsphäre und ~tm1t ~uf ~er A_bwertu_ng und dem Aus­ . ~m1 ie ~n a n 'Bonn: Verlag Neue Gesellschaft, 1985
Benjamin, jessica, The Bonds of Love Psychoan l · p · : d h
schluss von „Weiblichkeit" beruhe. Benjamin greift damit Argumente auf, . . · a ys1s, emm1sm, an t e
die schon bei Horkheimer angelegt sind, vertieft diese jedoch entscheidend. . P~oblem_ of Dommat!on, New York: Pantheon Books, 1988.
So wies bereits Horkheimer darauf hin, dass Herrschaft im Geschlechterver­ Benjamin, Jes~!~a, ,,Authonty and the Family Revisited or, A World withour
hältnis zunehmend abstrakte Form annimmt, wenn er patriarchale Macht Fathers. , Jay Bernstein (Hg.), The Frankfurt School: Critical Assess­
in der bürgerlichen Gesellschaft weniger auf physische Stärke, denn auf Ver­ ments. Volume II, London/New York: Routledge, 1994: 299-319.
Benjamin, Jessica, ,,The End of Internalization: Adorno's Social Psycholo­
fügungsgewalt über Eigentum und Geld zurückführt. Die These von einem
zunehmend depersonalisierten, weiterhin jedoch herrschaftlich verfassten Ge­
gy. ", Jay Bernstein (Hg.), The Frankfurt School: Critical Assessments.
Volume ID, London/New York: Routledge, 1994: 132-153.
schlechterverhältnis aufnehmend argumentiert Benjamin, dass dieses seinen
Demirovic, Alex, Der nonkonformistische Intellektuelle. Die Entwicklung
Ausdruck in einer objektiven, generalisierten Abwertung von Fürsorge und
der Kritischen Theorie zur Frankfurter Schule, Frankfurt am Main:
der Dominanz instrumenteller Orientierungen finde. 92 Suhrkamp, 1999.
Erschien die geschlechtliche Arbeitsteilung bei Horkheimer als Bedin­ Dubiel, Helmut, Kritische Theorie der Gesellschaft: Eine einführende Re­
gung der Möglichkeit nicht-instrumenteller Erfahrungen in einer Gesellschaft, konstruktion von den Anfängen im Horkheimer-Kreis bis Habermas,
in der instrumentelle Vernunft dominiert, interpretiert die feministische Re­ Weinheim/München: Juventa, 1992.
zeption die Beschränkung ,weiblicher' Fürsorge auf die sogenannte Privat­ Engels, Friedrich u. Karl Marx, "Manifest der Ko~unisti~chen Pa~ei", Karl
sphäre selbst als Ausdruck der Herrschaft instrumenteller Vernunft. Aus femi­ Marx, Kapital und Politik, Frankfurt am Main: Zweitausendeins, 2008:
nistischer Perspektive würde daher erst die Aufhebung dieser Arbeitsteilung 339-365. .
und der damit zusammenhängenden Trennung zwischen privat-persönlichen Fromm Erich Theoretische Entwürfe über Autorität und Familie. Sozialpsy­
und öffentlich-abstrakten Beziehungen die Voraussetzungen für wirkliche An­ chologis~her Teil", Max Horkheimer et al (Hg.~, Stu~en ii~er Autorität
93
~rkennun~ schaffen. Aufhebung der geschlechtlichen Arbeitsteilung meint und Familie. Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialforschung,
Jedoch weitaus mehr, als dass Männer auch einkaufen kochen oder sich mit Lüneburg: Dietrich zu Klampen Verlag, 1987: 77-~~~- ·1· All-
dem Kind bes:häftigen. Ebenso wenig geht die Stoßrichtung dabei bloß auf .
Horkheimer, Max Theoretische Entwürfe über Autontat und Fami ie ....
m~hr ,Work-L1fe-Balance' oder eine quantitativ ausgeglichene Verteilung von ," l ) S d" "b Autorität
emeiner Teil" Max Horkheimer et a (Hg., tu ien u _er
M~n~r? und Fraue~ auf Führungspositionen. Emanzipiert, darin ist sich die !nd Familie. Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialforschung,
femmistische Rezeption durchaus mit Horkheimer einig, sind wir nicht längst . • h Kl pen Verlag 1987: 3-76.
Lüneburg: Dietric zu am . ' d Indi 'duums" Max Hork-
schon selbst, sondern ,Emanzipation', die der Rede wert ist verweist über die . A f · d Niedergang es vi '
Horkheimer, Max, " u stieg ~n II '\T nunft Aus den Vorträgen
bürgerliche Gesellschaft und ihre Geschlechterordnung hi~aus. . "k d 1 rrurnente en ver .
heimer, Zur Kriti er ?s . d Frankfurt am Main: S. Fischer,
und Aufzeichnungen seit Kriegsen e.
1967a: 124-152. . .. nd Fam1.1 •.
1e m der Gegenwart" ' Max Horkhei-
Horkheimer, Max, ,,Autor:tat u llen Vernunft. Aus den Vorträgen und
91 u l B . .
vg . enjarrun 1988, S. 186f mer, Zur Kritik de: 1t1St.rume~te Frankfurt am Main: S. Fischer, 19676:
92"1B .. 1994, S. 300.
vg · enjarrun Aufzeichnungen seit Knegsen e.
93
Vgl. Rumpf 1989, S. 91. 269-287.

166
167
Jagentowicz Mills, Patricia, Woman, Nature, and Psyche, New Haven/London:
Yale University Press, 1987. . .
Jay, Martin, The Dialectical Imagination: A History of the Frankfurt School
and the Institute of Social Research, 1923-1950, Berkeley/Los Angeles:
University of California Press, 1996. ..
Klein, Richard, Johann Kreuzer und Stefan Muller-Doohm (Hg.), Adorno­
Handbuch. Leben - Werk - Wirkung, Stuttgart: Verlag J. B. Metzler, Ingo Elbe
2011.
Knapp, Gudrun-Axeli, ,,Traditionen - B~üche: Kritische !heorie i~ d~r fe~i­ Trriebökonomie der Zerstörung.
nistischen Rezeption" Elvira Scheich (Hg.), Verm1~elte We1blichke1t.
Feministische Wissenschafts- und Gesellschaftstheone. Hamburg: Ham-
Kritische Theorie über die emotionale Matrix der
burger Edition, 1996: 113-1~0. . . .
Judenvernichtung
Kulke, Christine (Hg.), Rationalität und sinnliche Vernunft. Frauen m der
patriarchalen Realität, Berlin: publica Verlagsgesellschaft, 1985.
Maihofer, Andrea, "FrauenMännerGeschlechterforschung. State of the Art", Der moderne Kapitalismus konstituiert nicht nur eine direkt aus seinen ökono­
Brigitte Aulenbacher, Mechthild Bereswill, Martina Löw et al (Hg.), misch~n ~echan!smen ableitbare Destruktivkraftentwicklung, sondern weist
FrauenMännerGeschlechterforschung. State of the Art, Münster: West­ auc~ eme uber_ die Psyche des bürgerlichen Subjekts vermittelte Zerstörungs­
fälisches Dampfboot, 2006: 64-77. logik auf. In dieser knappen Form kann eine zentrale These der Kritischen
Theorie formuliert werden,
Maihafer, Andrea, Geschlecht als Existenzweise. Macht, Moral, Recht und
Geschlechterdifferenz, Frankfurt am Main: Ulrike Helmer Verlag, 1995. Der spezifische Gehalt dieser Destruktionslogik kommt im Antisemi­
tismus und in der Shoah am deutlichsten zum Ausdruck. Zwar kann die
Rumpf, Mechthild, Spuren des Mütterlichen - Die widersprüchliche Bedeu­
Vernichtung der europäischen Juden nicht auf einer strukturtheoretischen
tung der Mutterrolle für die männliche Identitätsbildung in Kritischer
Ebene aus dem Kapitalismus oder gar der Modeme erklärt werden. Diese deut­
Theorie und feministischer Wissenschaft, Frankfurt am Main/Hannover:
Materialis Verlag, 1989. sche Tat ist aber auch kein nationalspezifisches Mysterium, sondern beruht
auf einer gesellschaftlich bedingten Ideologie und Bedürfnisstruktur, die auch
Türcke, Christoph und Gerhard Bolte, Einführung in die kritische Theorie,
in anderen Ländern weit verbreitet war und ist.
Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1994.
Die für die Shoah charakteristische ,Ökonomie der Zerstörung' fügt sich
Wiggershaus, Rolf, Die Frankfurter Schule: Geschichte. Theoretische Entwick­
der Kritischen Theorie zufolge allerdings nicht in die normale Verwertung_s­
lung. Politische Bedeutung, München: Deutscher Taschenbuch Verlag,
2001. rationalität des Kapitals ein, sondern ist ein irrationales Phänomen. Damit
steht die Kritische Theorie in radikalem Gegensatz zu allen Ve~suchen, den
Ziege, Eva-Maria, .Die Geschlechterthematik in der Zeitschrift für Sozialfor­ irrationalen Charakter dieses Vernichtungsw~rks_ zu leugnen, indem ~..als
schung/Studies in Philosophy and Social Science (1932-1941)", Richard schlimmere kapitalistische Ausbeutungsmas~hmene oder ~~~~druck uro­
Faber & Eva-Maria Ziege (Hg.), Das Feld der Frankfurter Kultur- und kratischer Zweckrationalität verharmlost wird. Das Gescha ieses sys~emha-

tischen Nichtwahrhabenwollens b etrei en noc ld~ 11 1


Sozialwissenschaften vor 1945, Würzburg: Verlag Königshausen und 'b h · er vu garmarx1st1sc e
Neumann, 2007: 89-106. denkbaren
I H nah Aren t m a en nur
Ad:pten oder Anhä~ger ~,:1en von eo: die Irrationalität des Judenmor~ens
Vananten. 1 So sehr die Knt1~ch_e Th uch e en selbst wiederum irrationa­
betont, so deutlich wendet sie sich aN ber a d g Jenschen' ausgehen, oder die
1 e Deutungsversuc h e, die von der ' atur es .
. A hwitz sich tiefsinnig gerieren e
d
. z
b equeme, a b er 1m us . ammenhang mit usc
E kt ngs- und Verstehensversuc en.
h
Haltung jeglicher Verweigerung von d r. aru Form der Ansatz einer Theorie
• tark kon ensierter H k
Im Folgen d en so 11 m s d mit dessen Hilfe Max or -
des autoritären Charakters dargelegt wer en,

-------:--:- ;:rbeiten von Zygmunt B au mann ' Enzo Traverse, Gerhard


. --~d;;ie::---A
Zu nennen wären hier u.v.a.
Gamm oder Susan Neiman.

168 169
heimer, Erich Fromm und Theodor W. Adorno einen syste~ati~chen Zu­ ehenden Gesellschaftsordnung verwei d b . . .
sammenhang zwischen kapitalistischer Ve~gesel!scha(~ung, Bedurfm~str~ktur Bindekräfte, welche nur mit Hilfe ein:; ; e~hauf d~e Dimension emotionaler
der Subjekte und Gehalt bzw. Wirksamkeit antisemitischer Ideologie diagno­ nal zu erfassen seien: " sy ologie des Unbewussten" ratio.
stizieren. Die Grundthese wird sich auf die ganz und gar verquere ,Logik'
oder .Rationalität' der Ausgrenzung, Ghettoisierung, Vernichtung _d er Juden "Dass die Menschen ökonomi·sche "', h··t .
un d Bedürfnisse hinausgewachs ver ; d a tnisse
f ' u„b er d"ie J"h re Kräfte
richten auf die triebökonomische Rationalität des Mordens als »emot10nale Ma­ . h
durch erne öhere und rationaler en sin ' au recht erhalt en, anstatt sie
. .
trix"2 der Menschenvernichtung, die jedem gängigen Begriff von Rationalität .. 1· h . e O rganisat1onsform zu .
nur mog 1c , weil das Handeln num . h b d ersetzen, 1st
ins Gesicht schlägt. Ich werde dabei nach einig~n ~llgeme~nen Bemerkungen ten nicht durch die Erkenntnis so:dnsc de ehute~der sozialer Schich•
zur analytischen Sozialpsychologie nur das sozialdiagnostische Grundmodell ' ern urc eine das Bewus sts .
ver fälschende Triebmotorik bestimmt ist." em
der Theorie des autoritären Charakters vorstellen, also der Frage nachgehen,
Desto notwendiger erscheint es Horkheimer d" · · l
welche gesellschaftlichen Bedingungen der Kritischen Theorie zufolge da­ . M
dre h b . · , " 1e irrauona en, zwangsmäßig
1 ensc en esttmmenden Mächte psychologisch a f d k ,.s E"
zu führen, dass Ideologien wie der Antisemitismus entstehen und wirksam . 1 Th . . . u zu ec en. ine sol-
werden konnten. Auch dabei soll es lediglich um diesen Hintergrund der c h e ratrona e eone irrationalen Verhaltens verspricht b · d a1·
. a er 1m am igen
Wirksamkeit der Ideologie gehen, nicht um eine spezifische Erklärung des Kontext nur d er Ansatz von Sigmund Freud Die von Horkhei b
. . . • 1mer angestre te
Antisemitismus, die ebenfalls in der Kritischen Theorie versucht wurde. Sozialpsychologie 1st daher nur als psychoanalytische denkbar.
. Sie s~ll aber ebenso ~ur als Sozialpsychologie konzipierbar sein. Der
Pnmat her dem Versuch einer Verknüpfung von Psychoanalyse und histori­
1. Charaktermaske und Charakter - Der sozialpsychologische schem Materialismus liege bei letzterem. Denn gerade der Gegenstand der
Hintergrund Individualpsychologie, der ,vereinzelte Einzelne' sei historisches Resultat einer
bestimmten Produktionsweise. 6 Der historische Materialismus, wie ihn die
Den historischen Ausgangspunkt der Überlegungen der Kritischen Theorie Frankfurter Schule versteht, impliziert eine fundamentale Kritik am ideologi­
bildet die Krise von Marxismus und Arbeiterbewegung nach 1914, die gekenn­ schen Komplex von Anthropologismus, sozialtheoretischem Individualismus,
Ahistorismus und (rationalistischem wie psychoanalytischem)" Psychologis­
zeichnet ist durch nationalen Chauvinismus selbst in der Sozialdemokratie, die
mus, denen zufolge sich „Geschichte aus dem Zusammenspiel der als isoliert
Niederlage der Revolution im Westen, die Ausbreitung faschistischer und auto­
gedachten Individuen und ihren im wesentlichen konstanten psychischen
ritärer Regimes in Europa, den epochalen Wandel hin zum fordistischen Kapi­
Kräften"8 erklärt. Solche Verzauberung der "individualistische[n] Form der
talismus sowie die gewaltsame Erstickung alternativer sozialistischer Theorie­
Vergesellschaftung in eine außergesellschaftlich_e, naturhafte Best~mung ~es
und Politikansätze durch den Marxismus-Leninismus. Die Frage nach der
Individuums"? vergesse, dass der Mensch "nur m der Ge~ellsch~ s1c~ verem­
relativen Stabilität des Kapitalismus in den metropolitanen Staaten sprengt
zeln kann", 10 Gesellschaft aber einer historischen ?ynarmk un~ Je spezifischen
dabei die bis dahin gängigen vulgärmarxistischen Erklärungsmuster, vor allem Formbestimmungen unterliegt. Analytische Soz1alpsycho~ogte ?~be es daher
die ökonomistische Annahme, mit zunehmender wirtschaftlicher Krisenhaf­ niemals mit dem Menschen überhaupt zu tun, 11 sondern mit Individuen unter
tigkeir sei auch eine Ausbreitung revolutionären Klassenbewusstseins in der den Bedingungen kapitalistischer Vergesellschaftung.
Arbeite~schaft ~er~u1.1den, sowie die ,Repressionshypothese', der zufolge die
Integration kap1tahst1scher Systeme vornehmlich auf der Androhung staatli­ 5
cher Gewalt seitens der herrschenden Klassen beruhe. 3 Horkheimer 1988a, S. 59. .
62
. Adorno l979a, s. 55: ,.Das vereinzelte
6 Vgl. Marx 1983, S. 20f.; Horkhe1mer, 1988~ S. , rkörpert im absoluten Gegensatz zur
:>as Faktum d~r grun~sätzlichen Loyalität auch derjenigen Klassen, die Individuum das reine Subjekt der Selbstekh rh . tung(,1v98e7 S 368) fasst das Verhältnis zwischen
st · be
Gesellschaft 'deren innerstes p rmzip.
· · "Hor eirner. r lgt: , · Die Art in der maten·a1·isnsc
am arksten unter okononuscher Krisenhaftigkeit und industrialisierten Mas­ . halb
·
Gesellschaftstheone un d p h Ologie des
syc • • · " ' h' b li
d bei der Darstellung des gesc 1c t c . en e bens
wie ro h L
~nkrie_gen ~u lei~en_ h~b~n, verlan~ f-!orkheimer zufolge die nur auf dem Geschichtstheorie und Psychologie ema_n er E' materialistische Geschichtsschreibung ohne
ege eines mterd1sziplmaren Matenahsmus zu erlangende Erkenntnis des notwendig haben, ist freilich nicht die gleicht t"~st'schc Geschichtsschreibung ist verkehrt."
Zusammen_h~ngs zwischen der ökonomischen Praxis, der psychischen Struk­ genügende Psychologie ist _mangelh~t~:e~at~:=~s 'bestimmten Int_crcssen, für den lbaf etz:~:~:
7 Für den ersteren besteht die mensc . . chliche Natur letztlich als vorgesellsc
~r der In~vidu_en und den Apparaten der Massenkultur. 4 Das Festhalten an aus bestimmten Trieben. Beide konZ1p1eren mens .
emer den hi~tonschen Möglichkeiten menschlicher Emanzipation widerspre- und ,asoziale'.
8 Horkheimer 1988a, S. 57.
2 Fromm 2000, S. 201.
9 Adorno 1979a, S. 56.
: Zur Kritik vgl. Horkheimer 1988b, S. 347.
Vgl. ebd., S. 349. io Marx 1983, S. 20. S . Adorno 1997a, S. 54.
11 Vgl. Horkheimer 1988a, • 57 ,

171
170
D t ndslose Ausgehen vom Individuum und seiner psychischen gelangenden Reize, als ein Maß d A b .
as ums a ·1 d K
· ber auch deshalb abzulehnen, wer er ap1ta isrnus re Uber-
· 1· d' ..
D.isposrnon
· ·
sei a . 61" d ··k · sehen infolge seines Zusamm her r ~ttsanforderung, die dem Seeli­
ht · es nach eizener Logik sich vollziehenden, m en o onomischen ist. «17 en angs mit dem Körperlichen auferlegt
mac ein b • 1 · d" · • •
Prozesses bedeute. Dessen beständig reproduziertes Resu tat sei re v~n_mdrvi-
Die als wesentlich erachteten Sexualt • b h .
duellen Zwecken weitgehend emanzipierte Verwertung des Werts. Ind1v1duelle h d. R . . rie e ent alten ihm tO I .
durc 1e eizung einer erogenen ZonelB h d ~u ge stets em,
Bedürfnisse oder Interessen kommen darin erst dann zu Geltung, wenn die
7 . d em z·ie 1 d er befriedigenden Ahfuh
d o ) ' d as, mit entste en. esh Energ1eq
. u~ntum (Libi i t-
Akteure es schaffen, sich diesem blinden Zweck anz~d1enen. Unter diesen
jekt richtet. Freuds Triebtheorie ist dabei· Inr, ~ick ahuf ei~ bestimmtes Ob-
Bedingungen wäre die Konstrukti_on eines ~esel_lschaftl~chen Zusai:n~enhangs . von stin tt eonen d „ 1· h
zu unterscheiden. Zwar ist der Trieb biologi h b b grun satz rc
ausgehend vom Einzelnen und seinen Be~urfmssen reu~e _Ideol_og1e. · b · N · sc gege en zw: verursacht 19 er
Schließlich zelten beide Pole der Sozialanalyse, Individualismus und Psy­ ist a er mnere atur, eines bloße Natur zugleich g h' h 1· h :
,v, Hi .
d en w esens. er wir der, für mstmktgeleitete inescartsrc t rc·fistranszend1eren-
d .. . .
h I u
chologismus au{der einen sowie Objektivismus un~ So_zio~ogism~s auf der · 1 ' pezi c e mwe ten
anderen Seite, als komplementäre Deutungsmuster, die eme ideologische Ver­ emge assene Gattungen charakteristische Zusammenhan · h fix'
. g zwisc en iertern
arbeitung der Situation des Menschen in kapitalistisch_en Verhältnissen dar­ Antnebssystem, Wahrnehmung von Auslöserreizen und pro · B
. gramrmerten e-
srellen.':' Sie seien Bewusstsein in verkehrten Verhältnissen, ohne auf deren w~gungsr:ak~ionen aufgebrochen. Sowohl das Objekt des Triebes als auch
Verkehrung zu reflektieren. seme Befnedigungsform sind demnach nicht biologisch dererminien.s? Vor
Wahrend Horkheimer die allgemeinen Problemvorgaben formuliert, fällt dem Hintergru~d dieser Plastizitä: ~er Libido findet im Sozialisationspro­
die Ausarbeitung des Paradigmas einer analytischen Sozialpsychologie zu­ zess Charakterbildung als Synthetisierung von innerer Natur und sozialer
21
nächst Erich Fromm zu. Diese untersucht die soziale Bestimmtheit der psy­ Struktur statt. Neurosen werden daher als Resultate misslungener Sozialisati­
chischen Struktur der Individuen wie die psychische Verrnitteltheir der gesell­ onsprozesse begriffen. Das neurotische Symptom gilt als Kompromissbildung
14 zweier konfügierender psychischer Instanzen, einer mit dem Untergang des
schaftlichen Prozesse. Zentrale Aufgabe der analytischen Sozialpsychologie
Ödipuskomplexes intrapsychisch substituierten gesellschaftlichen Norm bzw.
sei es dabei, ,,mit den Mitteln der Psychoanalyse den geheimen Sinn und
Gewalt und den, von dieser verdrängten, unbewusst fortwirkenden Trieben.P
Grund der im gesellschaftlichen Leben so augenfälligen irrationalen Verhal­
tungsweisen [...] zu finden."15 Grundintention der Psychotherapie ist dabei die Revision des Verdrängungs­
prozesses im Rahmen des Arzt-Patienten-Verhältnisses, ~it d~m Ziel der
Die Psychoanalyse ist eine Theorie des verborgenen Sinns des prima
Bewusstwerdung des Unbewussten, der Unterwerfung der bisher ich-fremden
facie Sinnlosen, die die Eigenlogik des Irrationalen zu begreifen versucht. Ihr
Handlungsdeterminanten unter die Entscheidungsbefugnisse des Ichs.23
Erkenntnisinteresse ist zunächst ein therapeutisches. Im Zuge der Aufklärung
der Ursachen neurotischer Symptome gelangt Freud gegen Ätiologien, die von
einer biologischen Vererbung der Neurosen ausgehen oder gar diese Pathologi­ 17
Freud 20006, S. 84f.
18
en - in Ermangelung nachweisbarer hirnphysiologischer Determinanten - als Vgl. Freud 200a, S. 60 . . Dah 1982 S. 70ff.
bloße Simulationen ,echter' Erkrankungen einschätzen, zur Einsicht in die 19 Zu Freuds widersprüchlicher Bestimmung des Tne?es;"t
1 1~;; S7;. Der menschliche
995, _S. 33~ ~~wi~ . :n:::n Lebe~es;n\ercditär fixierte,
20 Vgl. Fromm 1989a, S. 38f.! Freu~ 1
lebensgeschichtliche Prägung der Triebstruktur.16 Freud definiert den Trieb 1
dabei als Trieb bringt sein ?bjekt n~cht mi~ au[ ~ .: ~e :;if:h:~ Umwelt-Auslösern und in:ariablen
geschlossene Kreis von Tneb-Penod1z~fita. t,h p f b hen - der Trieb luxuriert. Seme Struk-
.
Befriedigungsaktronen . gattu n gsspez1 scd aul .geh roc · fischen)
1st ' .
Sozialisauonsprozcssen, di
e
,,Gre~zbegriff zwischen Seelischem und Somatischem, als psychische [n] L" • (g 11 chafts- un sc uc tspezi . D T. b
Reprasentant[en] der aus dem Körperinnern stammenden, in die Seele turierung emprangt er m ese s .. • Jeaitimieren oder tabmeren. er ne
. . d" Normen ver1oren, sie b • G d
12
die Triebziele mit tra 1er~en . as Bedürfnis erwächst erst an semem egens_ran ·
197 erfährt vom Objekt her serne Best1mmun?' d d h d' für die individuelle Lebensgeschichte
Vgl: ~dorno 9b_, S. 86: ,,Angesichts der gegenwärtigen Ohnmacht des Individuums - aller
Triebschicksal' heißt die Präg:'.mg de~ Thnebs ~~1e~:chliche Selbsterhaltung ist nach F~ud
Ind1V1~ue1: -. hat bei der Erk!ärung gesellschaftlicher Vorgänge und Tendenzen die Gesellschaft, 'entscheiden
. d geword enen 0bJektbez1e
t
13 u~d die rnrt ihr befasS en Wissenschaften Soziologie und Ökonomie, den Vorrang."
. . ungen. ittelte Praxis. angewiesen.
· Ku ltur befindet sich
Diesem werde Gesellschaft zum A s· h 1 · h · · notwendig aufbewusstseins- und tradmonsver~i- hen Bedürfnissen nicht adäqua~ gegeben~
" . . . . n- 1c , zum „g e1c sam naturwissenschaftlichen caput mor- in stetem Kampf gegen die äußere (den ~en~c ic zielende) Natur. Vor diesem Hmtergrun
14 tuum , Jene setze „ihrerseits ein Produziertes absolut" (Adorno 1979 S 57) und die innere (auf unmittelbare L~scbefned1~r7;btheorie als den zwischen Selbsterhaltungs­
Vgl. Fromm 1993, S. 158. · a, · ·
15 formuliert Freud den Dualismus serner ersten
Fromm 1989a, S. 40. Denn so Ad . . . . . .
· al d . 1 d ' orno. ,,Soweit Interessen weniger Mächtiger sich gegen die und Sexualtrieben. 19896 S 59 · affek b
dratwh n di~n he: vdie enh urchsetzen, geschieht es nicht ohne weiteres gegen die Vielen sondern
urc ese m urc Dazu taug · li b ' b S
21 u 1
vg . F reu d 2000f, S · 30 sowie Fromm
. " d ·· ' ng. wir: d eme
. den Trieb repräsenuerendc, ar t e-t
87). · en rnampu er are psychologische Mechanismen" (1979 , · 22 " l F d 1995 S. 334. Durch die ver rangu d damit vom Zugang zum Bewegungsappara
vg. reu ' . B sstwerdung- un
16 ladene Vorstellung von der ewu ff
Zur ambivalenten Abgrenzung F ds ··b d ·
Psychologie seiner z 't 1 D h reu gegenu er ern physiologischen Materialismus er
ei vg · a mer 1982, S. 27ff.
d _ferngehalten.Vgl. Freud 20D?c,; 1~ ;ar,
soll Ich werden" (Freud 2200e, S. 516).
23 Vgl. Freud 1995, S. 414ff. sowie„ o

173
172
G äß ihrer therapeutischen Ausrichtung ist Psychoanalyse zunächst Fromms analytische Sozial h . .
32 O1
Indi 'd::ipsychologie. Zwar berücksichtigt sie die sozialen Interaktionspro­ torische" Methode der Psych psyal c ogie hingegen beansprucht d' h'
zess:~er psychosexuellen Ontogenese, 24 _allerdings mit_ dem Ziel ~er A~fklä­ oan yse expl"- • f te „ IS-
p h änomene, auf die Erklärung gru
I
kl rzu au das Gebiet kollekt'
rung und Heilung individueller Pathologien~ zu1?al ':~i:gehend burge~hcher Ch ara k terstru k turen zu übertrag ppen-, lassen- u. n d gese II schaftsspezifisch
s· . iver
Schichten angehörender Patienten.25 FolgenchtI~ knt1S1~rt _F~omm die klas­ . en. ie zie tauf die E kl" er
ren gemeinsamen psychischen Dis . . r arung der den Akten,
pos1t1onen aus d .
senspezifische Beschränktheit und den °:otwendig auf m~i:7i~uelle Leiden un d gese 11 sc h aftstypischen Lebensb d' eren gememsamen, klassen-
begrenzten Anspruch der Therapie, de~ w1ederu~ ~en ~amilialismus der psy­ Fromms Ansatz begreift also die Ge mgu h ~gen und Sozialisationsmustern
esamt ett p~, h" h S ·
choanalytischen Perspektive hervorbrm?e. -~a die isolierte Betrachtung der ner Prägung der Triebbasis in der hist . h r - 1 c 15: er trukturen aus ei-
bürgerlichen Kleinfamilie zur Erklärung individueller Charakterunterschiede onsc rorm6 esnm t . 1
26
der A k teure, nicht als Reflex der genet. h A m en s021a en Praxis
bourgeoiser Subjekte weitgehend a~sreic~e, _ge~~e Freu~ d~e s~bjektkonsti­ Organisation des Menschen: Der Leb isc en us~tatdtung ?der körperlichen
tutive äußere Lebenspraxis als identisch mit pnmarer Sozialisation, während „ ensprozess m en di h 1· l . h
Bedürfnisse als ein Moment eingehen nicht d' PI' . . e P_ YS 0 _og1sc en
deren Rahmenbedingungen, die patriarchale Familienstruktur und die allge­ 1 51 1
· aus d er d"1e psychische
e 11 e B asis, . '
Struktur desreM Y 0h ogie, bildet die maten-·
meine Form der Vergesellschaftung sowie die den Akteuren gemeinsamen muss. "33 ensc en verstanden werden
psychischen Dispositionen zu denen der Mensch~eit üb~rhaupt naturalisiert
würden.27 Familialismus gilt der Kritischen Theone somit als Perspektive, die In Fromms T!1eorie des Gesellschaftscharakters werden damit Elemente
des Freudschen wie des Marxschen Charakterbegriffs aufein d b
eine historisch-spezifische Organisationsform der Familie anthropologisiert · d d' ·d „ an er ezogen:
Die e~ ~~ rvi u~n zunachst unabhängig von ihrer psychischen Struktur
und den sozialen Bezugsrahmen sozialisatorischer Prozesse gesellschaftsblind
durch die okonomischen Zwangsgesetze der kapitalistischen Produktionsweise
auf diese Einheit einschränkt. Dies wird flankiert von Freuds phylogenetischer
aufgenötigten Verhaltensformen (,Charaktermasken') werden zum Element
Begründung der vermeintlichen Universalität des Ödipuskomplexes mit Hilfe ihrer Triebstruktur.
seiner Urhordentheorie, wonach der ödipale Konflikt und die Errichtung des
Dabei gilt der Kritischen Theorie - zunächst34 orthodox freudianisch -
menschlichen Schuldbewusstseins nur die - durch Vererbung garantierte -
die primäre Sozialisation in der bürgerlichen Kleinfamilie als wesentlich für die
Wiederholung von Szenen aus der menschlichen Urgeschichte darstellen.28
Subjekt- bzw. Charakterbildung der Menschen.35 Der scheinbare Widerspruch
Ebenso inkompatibel mit dem kategorialen Rahmen einer analytischen
zwischen der These, ,,dass die allerersten Lebensjahre für die Charakterent­
Sozialpsychologie erscheint Fromm der mit dem Familialismus eng verknüpf­
wicklung des Kindes entscheidend sind"36 und der, "dass das, was die Charak­
te Psychologismus Freuds, demzufolge sich gesellschaftliche Totalität restlos terentwicklung des Menschen bestimmt, die gesellschaftliche Lebenspraxis
auf Libido, Aggression und Selbsterhaltungstrieb der als Naturkategorie ge­ ist", 37 wird dadurch aufgelöst, dass die Familie als »PS'ychologische Agentur der
fassten bürgerlichen Individuen zurückführen lässt. Ein psychologisch nicht Gesellschaft"38 begriffen wird:
~bl~i~bare~ ~nstitutionelles Gefüge sei für Freud undenkbar. 29 Psychoanalyse
md1V1dual1s1ere und naturalisiere Soziales damit zugleich. Sie sei Kritik indivi­ ,,Allerdings gehen die ersten entscheidenden _Einflüsse auf das heran­
30 wachsende Kind von der Familie aus, aber die gesamte Struktur der
dueller Pseudonatur, die gleichsam gesellschaftliche Pseudonatur wieder der Familie, alle typischen Gefühlsbeziehungen ~erhalb ihre_r, alle durch
Kritik entziehe. Diese Auffassung von Soziologie als angewandte Psycholo- sie vertretenen Erziehungsideale sind ihrerseits selbst bedi_n_gt vomdge-
• 31 "d . h 1 d
gie wi ers.pnc t a ~o em grundlegenden Totalitätsbezug und Verständnis . h d klassenmäßigen Hintergrund der Familie, von e~
se 11 sc haft 1 1c en un . T · d - M di-
gesellschaftlicher Ob1ektivität in der Kritischen Theorie. sozialen Struktur, aus der sie erwächst. [...] D1e _F~rru ie ist as ed
24 d h d die Gese11schaft bzw. die Klasse die ihr entsprechen e,
Vgl. Fromm 1989a, S. 41. um, urc as Ki d nd damit dem Erwachsenen
25 für sie spezifische Struktur dem n u
Vgl. ebd., S. 43.
26
Vgl. Fromm 1993, $. 176f. aufprägt".39
27 H'
!erzu F~omm ~993, S._ 163: ,.War Freud hingegen nicht an den individuellen Unterschieden
semedr_ Patienten mte~essiert, sondern hatte er die psychischen Züge im Auge die - unabhängig 32 Fromm 1989a, S. 38.
von iesen Unterschieden - allen p t· · ' · · h d
. .. a ient~n ~ememsam waren, gab er [... J das historisc e, as
33
heiß d 11 . Fromm 1993, S. 189. . . di A ekts in 1989c, S. 147.
t, das gM
ese schhaftlic~e ~rklarungspnnz1p auf und sah in diesen gemeinsamen Zügen die 34 Vgl. Fromms partielle Revmon eses sp
, Natur es . ensc en' ' wie sie physio
28 H'
· J ogrsc
· h d · · · ·
un anatomisch konstituiert ist." 35 Vgl. Fromm 1993, S. 176.

19~J. regredierr Freud zum Iamarckistischen Biologisten. Vgl. Dahmer 1982, S. 135ff. und Ritvo 36
37
Ebd., S. 177.
29 Ebd. . .
Vgl. Fromm 1993, S. 167, 174f.
38 Fromm 1989a, S. 42. . e nahe, das Über-Ich des f\!ndes werde nicht
30
31
Vgl. Dahmer 1982, S. 88ff., 97ff.
Vgl. Freud 2000e, S. 606.
39 Ebd. Freud kommt dieser Position m d~r
nach dem Vorbild der konkreten Eltermn
J:,
sondern nach dem ihres Uber-Ichs gestaltet

175
174
Der primäre Sozialisationsprozess sei ~rimär ~ur i~ ontogen~tischen ~inne _ und erfüllen so die doppelte Fu k . .
. ·1· S b' n t1on einer r 1 .
erste und auch prägendsce 40 Instanz, di~ das_ Ki~d im Laufe s~mer SuhJektbil­ das Jewe1 ige u jekt, wie einer Stab·1· . e at1ven (Lust-)Befriedigu fü•
. 1 1sierung d ng r
dunz durchlauft> nicht aber im Sinne emer isolierten, unableitbaren Detenni­ menh angs d urc h die Gefühlsbind d . es gesellschaftlichen z
• d. ungen er ih usam-
nan~ der Charak:erbildung, die nur noch von biologisch-universalhistorischen Un b efrie igte Impulse und aggressive Hai m unterworfenen Akteure.48
Rahmenbedingungen umge b en ist. · 41
schaftskonform ausagiere. Mit dem Begrif~u;ge~werden verdrängt bzw. herr­
Der sozial typische Charakter, die libidinöse Struktur einer Gruppe oder sich Fromm zufolge sowohl irrati l K es esellschaftscharakters lassen
Gesellschaft, sei aber nicht nur determinierte, sondern auch determinierende iona e ompo
len Handelns (wie z.B. die libidino" B nenten systemisch rationa-
Struktur, gehe als „Produktivkraft"42 in den sozialen Prozess ein, bilde noch in 49 l . se esetzung de L h b •
Sparens) a s auch die triebstrukturell G dl r O n~r eit oder des
Krisensituationen den ,sozialen Kitt' des Systems: ,,Weder der äußere Machtap­ von Ideologien und Denksystemen e f en rD u~ agen der Wirkmächtigkeit
parat noch die rationalen Interessen würd~n aus:ei~h~n: ~~ d~ Funktionieren . . . r assen. ie Masse . k k .
schaulicher Pos1ttonen sei in hohem G d .h nwir sam eit weltan-
der Gesellschaft zu garantieren, wenn nicht die libidinösen ;,trebungen der . ra e von I rer Korn .b 11 T .. .
(v.a. sozioökonomis-l, geprägten) Bedürfn•15st k d pati tat rrut der
Menschen hinzukämen."43 . . ru tur er Menschen abhän i
Intellektuelle Bewertungskntenen treten g "b d' . g g.
Charakter wird dabei gefasst als Strukturkategorie für meist unbewusste, M atnx · "50 ·d 1 · . egenu er ieser „emot1onale[n]
i eo ogischer Begnffssysteme in den Hintergrund.
verhaltensfundierende und affektiv geladene Einstellungen.44 Diese weisen
nach Fromm, einmal hervorgebracht, gegenüber aktuellen Determinanten
eine relative Autonomie auf,45 besitzen ein Beharrungsvermögen, das durch 2. Der autoritäre Charakter - Das sozialdiagnostische Grund­
kurzzeitige Einflüsse nicht gebrochen werden kann und somit die Möglichkeit modell
eines Ungleichgewichts zwischen gesellschaftlicher Entwicklung und psychi­
schen Strukturen impliziert. Das Handeln bestimmter Gruppenmitglieder ,, [..] die Formel ,Führer befiebl': Dabei ging mir auf, wie zentral diese Formel im
oder Klassenindividuen sei damit nicht allein aus den gegenwärtigen gesell­ ganzen Gedankenwerk des Nationalsozialismus steht, und wie man gerade hier
schaftlichen Verhältnissen erklärbar, sondern müsse eventuell auch vergangene eine und vielleicht die stärkste Wurzel des Nationalsozialismus und Faschismus
Konstellationen berücksichtigen, in denen die jeweils vorhandenen Charaktere bloßliegen hat ... Die Müdigkeit einer Generation. Sie will vom Zwang zum
gebildet wurden.46 Eigenleben frei sein. " - Victor K.lemperer51
Die Funktion des Gesellschaftscharakters bestehe im Rahmen von Herr­
schaftsverhältnissen in der freiwilligen Übernahme von Unfreiheit:47 Im Ge­ „Sozialist sein: das heißt[...] die Persönlichkeit der Gesamtheit zum Opfer
sellschaftscharakter sind die libidinösen Energien systemfunktional kanalisiert, bringen." - Joseph Goebbels52
die gesellschaftlich aufgenötigten Verhaltensweisen werden libidinös besetzt
Der autoritäre Charaktertypus soll nun für die Reproduktion spätkapitalis­
tischer Gesellschaften von zentraler Bedeutung sein. Dem Totalirätsbe~g
(vgl. Freud 2000e, S. 505). Das Über-Ich der Eltern wiederum kann dann aber nur aus der kri1tisc
· h er Theone· gernäß
Ident~zieru~g mi: dem Über-Ich von deren Eltern stammen. Statt die nahe liegende gesell­

, 1ist dabei zuerst die systematische Re-/Produkuon
. . • h
schaftliche D1m_ens1on zu berücksichtigen, wählt Freud zur Vermeidung eines vitiösen Zirkels
autoritärer Charakterdispositionen in den Grundfo:men ~apttaliSt1s c er V,der-
. I h d mich dabei auf die Darste 11ung es
40
den phylogenetischen Reduktionismus der Urhordentheorie gesellschaftung aufzuzeigen. c wer e h änk 0· f ·1·a1 Sozialisation
Diese Position wird nach 1945 mit historischen Argumenten ·revidiert vgl. Horkheimer 1997, . ldi . h G d dells besc r en. ie arm I e
Marcuse 1970. ' sozia iagnosnsc en run mo d . k . B ob ödipale oder
41 . d . b denen Aspekte un Dis uss10nen - z. .
Vgl · Froi:nm l993'. S. 179: ,,Es ist jedoch verfehlt, bei der Analyse einer Gesellschaft bei der Dar- und die arrut ve: und A hl bei der Bildung des autoritären Syndroms
ste11 ung ihres Erziehungsprozesses al5 I D h · · präödipale Konflikte en ussc nd d' . llen Kleinfamilie hin zur ,va-
lb • d . etztem aturn ste enzubleiben. Der Erziehungsprozess
42 Ebd.. wie er muss auf seme gesellschaftlichen Bedingungen analysiert werden."
bild 53 b . E icklung von er tra inone
., s. 208. i en, o eme ntwi . . 54 werden dabei notgedrungen
43
Fromm 1989a, S. 54.
terlosen Gesellschaft' zu verzeichnen ist usw. -
44
Vgl. Fromm 1993, S. 202. ----------.-:-;--;::-- . die die Menschen dazu antreiben, das Ge~ote~e
45 48 Hierzu ebd. S. 206f.: ,,Er liefert die In;puls_ec,h . fü unter die bestehenden Verhältmsse em
Vgl. auch Freud 2000e S 605 Hi hF d . . . ' 'd d 1m S1 ein gen
d G . d ' · · . erzu a!:1c reu 2000e, S. 505: ,,Die Menschheit lebt me ganz m zu tun, das Verbotene zu mei en, und "
er egenwart, m en Ideologien de Ub I h I b di . . .. .
gewisses M aß an B e fne
. digung zu fin en.
und des Volkes fon die den . .. s er- c s e t e Vergangenheit, die Tradition der Rasse
4 9 Vgl. Fromm 19896.
weicht und s I ' . d Ehmflus~en der Gegenwart, neuen Veränderungen, nur langsam
,
Verhältnisse·
o ange sie urc das Ube I h · k
bhä • .
· .. •
r- c wir t, eme macht1ge, von den ökonornisc en
· h °
5 Fromm 2000, S. 201.

46
uf
wieder zur a~ a aAng1ge Ro~le im Menschenleben spielt." Hier wird die relative freilich
• so uten utonom1e. Vgl. Fromm 1989c S. 152
51 K.lemperer 1995, S. 218.
52 Zitiert nach Fromm 2000, S. 169·
Vgl. Horkhe1mer 1988b S 343 ' ·
47 ' ' • 53 Vgl. Clemenz 1998, S. 144ffff . Benjamin 1982, S. 426f.
Vgl. Fromm 1993, S. 203. 54 Vgl. Rensmann 1998, S. 148 ·• 178 '

177
176
•· lcsic
un b eruc · ...+ gelassen , was nicht bedeutet, dass sie deshalb grundsätzlich
· h ngt (Existenz-)Angst sowie in Solida •t·· d
. n at un Selb b .
zu vernachlässigen wären. . . . mögliches Resultat sei der notwendi erfol st estimmung zu geben.61 Ein
Der autoritäre Charakter stellt nu~ der Knt~schen The.one zuf~lge das lation und Ohnmacht62 erfahrenen 5? . glose Fluchtversuch vor der a1 I
· Fluchrversuchs des bürgerlichen Subjekts vor seiner . spezifischen 1tuat1on des v • l s so-
Resu 1 tat emes . Unterord nung Unter eine irrationale A ... 63 erem~ ten Einzelnen in die
. ·
Srtuatron 1m a · R hmen der kapitalistischen Gesellschaft
.. dar. Diese Situation
. ihre Ohnmacht generierenden Mech . Utontat. Da die Individuen von dem
sei· vor all em ge· kennzeichnet durch die dauernd . prekare
. Selbsterhaltung
. .. eines . amsmus real abh" · ·
Kampf gegen diesen als aussichtslos bzw d nkb angig seien und ihnen der
von person ·· 1·1chen Abhängigkeitsverhältmssen weitgehend h freien,
· dafür aber . Unterwer fu ng unter dessen Irnpe . •un e ar64 ers ch erne,
eme . b etneben
. sie
umso deutlicher den anonymen, verselbständ~~en Mec anismen der kapi- .1 . h ratrve, wenn erbe· . l . .
einer po rtisc en Bewegung oder Macht ft d" . ispie sweise m Gestalt
talistischen Marktwirtschaft ausgelieferten Indiv1du~ms. Selbsterhaltung sei i: • au rete, ie diese Im . . .
transrorrrnerten und ideologisch überh 0.. h G perat1ve m einer
orpere. n·_1e Ohn-
für die von den Realisationsbedingungen ihrer Arbeitskraft Getrennten nur esta1 t verkö
machtserfahrung stelle eine Art Scheidewegten d Al b
durch den erfolgreichen Verkauf ihrer Arbeitskraft, für die Eigentümer von . ß e "sie
· e h er den Widerstand
·
Ad orno, 11e gegen ar.
d s ialewussrs,
S reflektierte ' so
Produktionsmitteln nur durch die gelingende Verwertung des Werts möglich, d aß dre ensc en es sich nochmals zu eigen mache «6s s d erwarten
. M h . as s021 e ystem als
sie gehe also für alle Beteiligten durch das Nadelöhr der Kapitalakkumulation, b '
· d „ n. tatt essen a er trete
deren Zweck die quantitative Anhäufung von Tauschwerten darstellt. 55 Mit eme „Ver rangung der Ohnmacht"66 ein die die Erfah d Oh h
.. . ' rung er nmac t
ihrer individuellen Selbsterhaltung reproduzierten sie dabei zugleich einen zum Gefühl verarbeite u~_d "psy~hologisch sedimentiere[...]". Dies könnte
ihrer Kontrolle entzogenen, ,naturwüchsigen' Prozess. Folge~des bedeuten: Verdrangung 1st nach Freud ein psychischer Mechanismus
Das Dilemma des bürgerlichen Subjekts bestehe darin, dass die Verantwor­ der Triebabwehr unter dem Druck der Angst des Ichs vor den inneren Sanktio­
tung für gelingende Selbsterhaltung bei ihm als einzelnem liege, die Verwirkli­ nen des Uber-Ichs (Gewissensangst) oder aufgrund der Realangst vor äußeren
chungsbedingungen der Selbsterhaltung aber seiner Kontrolle und Einfluss­ moderner Intimverhältnisse und ihrer Aufweichung hat einen zentralen Stellenwen in der
möglichkeit weitgehend entzogen und einem blinden Mechanismus, Markt 61
Kritischen Theorie der familialen Sozialisation des autoritären Charakters.
Vgl. Fromm 2000, S. 32f.
und Wertgesetz, überantwortet seien: Die 62
Vgl. zum Begriff ebd., S. 121.
63
„planvolle Aktivität zur Selbsterhaltung [findet] an der Irrationalität Autorität wird in den Texten der Kritischen Theorie sowohl zur Bezeichnung der herrschen­
der Bedingungen, unter denen sie sich vollzieht, eine Schranke [ ...]. den Instanz als auch zur Bezeichnung eines Verhältnisses bejahter Abhängigkeit verwendet.
Autorität i.S. eines solchen Verhältnisses könne nur unter Berücksichtigung der jeweiligen
Diese Schranke ist objektiv. Eine Wirtschaftskrise etwa setzt den Einzel­ historischen Situation als ,rational' bzw. ,irrational' gekennzeichnet werden (vgl. Ho'.khe~er
nen außer Lohn und Brot, ohne dass diese in irgendeinem bestimmten 19886, S. 360f.). Dahinter steckt der Marxsche Topos de~ transi~orischen Notwendigkeit be­
Zusammenhang mit seinem Tun stünde. "56 stimmter Sozialformationen, wie er in folgendem Horkhe1me~-Z1tat (ebd., S. 37_:f.) erke~nbar

Die bürgerliche Individualitätsform ist demnach mit Marx als „persönliche


wird: "Die Geschichte gleicht im bürgerlichen Zeitalter nicht emem_bewusst geführte~ K7:
der Menschheit mit der Natur und der ständigen Entfaltung al!er ~rer A h nl~enKuln Kr_ '
Unabhängigkeit, auf sachlicher Abhängigkeit gegründet"57 zu kennzeichnen. hi k al „b d d r einzelne sich Je nac seiner assensirua-
sondern einem sinnl?sen Sc c_ s ' gegenu e~ em I e der Freiheit und scheinbaren Genialität
Unter solchen Bedingungen, so vor allem Adorno, wird das weitgehend tion mehr oder weniger geschickt verhalten an_n. A
fd b iträer seine uton a
't'"t zu stärken steckt als ihr Kern
, .
auf sich und in einen gnadenlosen Konkurrenzzusammenhang mit den an­ des Unternehmers, deren Ru azu_ e 0
-, d . d die Menschheit ihr Schicksal nicht
die Anpassung an einen gesellschaftl1chen Z rfuustan ' m ~mbl"ndcs Geschehen anstelle seiner
deren gestellte Individuum zu einer übermäßigen narzisstischen Besetzung d" U e nz unrer em 1
in die Hand genommen h at, ie n~erw
' -
k . o . 'rrationalen Zustand der Gesellschait,
der eigenen Person genötigt58 und diese zugleich, aufgrund ihrer realen Ohn­ . 1
vernünftigen Rege ung, e
di Abhängig
a_ .
eit von einem I
.
• • F
..,. ali ··c zu gestalten kurz, m dieser -rei ert
'h .
h n semer iot ita ' .h . di
m~c~t, einer perm~nenten narzisstischen Kränkung unterzogen. 59 Die kapi­ den man ausnutzen muss, anstatt I n i_ .. k hrittlicher Verziehe auf Frei eu, . e
.. li h rwendiger heute ruc sc . .. " u· bh ..
steckt ein zwar ursprung c no r. , • . .. t di'skreditierte Autorität. na angig
talistische Produkt10nsweise individuiere also die Akteure befreie sie von d Zwar 1 s eine 1anzs · · al
Anerkennung der blinden M ~c h. t es . ' Ab eizungskriterien angeben. So sei ratton. e
persönlicher Abhängigkeit, 60 ohne ihnen die Möglichkeit eines Lebens ohne davon lassen sich aber auch e1ruge al:rm~~~:nd ~ößerer Sachkenntnis begr~de~ und.~~be1t~
Autorität in weitgehender Interess~m .ent1t~ d alrypischen Lehrer-Schüler-Vcrhälm1s), v.
an ihrer eigenen Aufhebung (z.B._m emem J e elrun berufen könne und zur Ausnutzung er
a re;
55
56
Vgl. Adorno 1979c, S. 13. 1
irrationale Autorität s~ch nu~a~f t~!:!~~1eaier eh!r Mi_s~!1f~:men stst~ll~~i~:~·
ihr Unterworfenen diene.. e_1st ie emimmanente Autontat für die o -~nm_ac
f;
der ·enen
:~j:;:
5ei
57 Weyand 2000, S. 68. Vgl. insbesondere Fromm 1989d S. 203{.
.Marx 1983, S. 91. ' 2000, S. 123{.). Irrational sei die syst . hatischen Sinne der Bemachugung g
58 N . st 1
·1 . 'h reale Macht (1m cmp
_arzis!mus e lt Freud zufolge die „libidinöse Ergänzung zum Egoismus des Selbsterhaltungs- deshalb, wer sie i nen haffcn könne. . . • und deren Deutung
triebes dar (Freud 2000a S. 51) · Lebensgrundlagen) ~iemalsd::r;nkennmis ökonomischerdM;'~:):::irwortlich, also ein
59 ' •
60 Vgl. Ador?o 19~9a, S. 71ff., Adorno 1997c, S. 580.
1
64 ~rommdmatt t:::euS:hicksalsmächte"
s ,,~~ urc ~~ das mit dem Waren· un
(FJ~~it~::c~smus
a
verbunden ist.
~~wohl 1~.es, V.:. e ~orkhe~er (1997, S. 378) weiß, auch in der bürgerlichen Gesellschaft lange kognitives Phanomen,
H:~t nur ur mdannltch~ Subjekte galt: ,,Der Mann, befreit von der Knechtschaft in fremden 65 Adorno 1979a, S. 73.
ausern, wur e Herr m seinem eig " n· A al d · · S k
enen. 1e n yse er spezifisch patriarchalen tru rur 66 Ebd., S. 74. Vgl. Fromm 1989d.

179
178
Sanktionen. Die eigentlich mit Lust verbundenen Motivationen stehen unter bedingt ist oder sow · . .
, eit sie einer G 11
der Drohung einer sekundären Unlust und werden daher schon als Vorstel­ Lebenspraxis dieser beg .. d . ese schaft oder Kl . .
run et liegt. "71 asse eignet, m der
lungen abgewehrt.67 Übersetzt auf die soziale Ohnmac?tserfahrung hieße Das Autoritätsverhältnis als .
das wohl: Die ohnehin schwer zu erlangende Erkenntnis der tatsächlichen . 1 . emotional beJ.aht Abb
ge fü r d1e a s emzelne Ohnm·· h . es ängigkeitsv häl' •
Bedingungen der Ohnmacht und deren reale Veränderung würde zwar die . ac t1gen also ein . bök er tnrs erlan-
worau f b ereits Freud in grundl d . e tne o onomische R • ...
Bedürfnisse des Individuums befriedigen und es als Herr des eigenen Schicksals . egen erer Hmsicht h. . ationa 1 itar,
,,Wenn eine Triebsituation . . lilWeISt:
einsetzen. Der Versuch der Veränderung wäre aber mit enormer sekundärer fähi . , W1e Ja gewöhn!" h h"
a ig ist, so werden wir u . h rc ' versc tedener Ausgä
Unlust, wenn nicht gar mit Gefahr für Leib und Leben verbunden. Daher ns nie t verwund dass . nge
zustan d e kommt, mit dem die Mö lieh . . ern, . Jener Ausgang
wird, wie bei der Neurose, eine akzeptable Ersatzbefriedigung anstatt der verbunden ist, während ein d g kelbit e1~er gewissen Befriedigung
ursprünglichen gesucht und gefunden: ,,Gäben die Menschen sie [die reale bl et"b t, weil. die
. an erer, se St ein .. h 1·
realen Verha"lt . 'h d' na er iegender, unter-
Ohnmacht] offen zu, so könnten sie einen Zustand kaum länger aushalten, den msse 1 m re E · h .
versagen. "72 rreic ung dieses Zieles
zu ändern sie doch weder die objektive Möglichkeit sehen noch die psychische
Die Unterordnung diene im kollekn N . .
Kraft in sich fühlen". 68 iven arzissmus e1 G "ß
versprechenden Gruppe als Ersatzb f . d" fü• ner ro e und Macht
Fromm beschreibt dies als hypnoide Situation: e ne igung r zek änk · d' "d
Narzissmus sowie als imaginärer Schutz vor d o lrl ht~nl_m rvi uellen
„Der gesellschaftlich wichtigste Fall hypnoseähnlicher Beziehungen An 73 M h" • h er gese sc att ich erzeugten
gst. asoc isnsc e Befriedigung bzw. Kanalisi d Libid b
zwischen Menschen ist das Verhältnis zur Autorität überhaupt. Wie al k · ierung er 1 i o edeute
der Hypnotiseur imponiert sie dem ihr Unterworfenen als so gewaltig
so emeswegs
· h per se Lust. am eigenen Schmerz ade r L ei'd , son dern kom-
und mächtig, dass es einerseits aussichtslos ist, dass eigene Ich gegen sie
pensatonsc en Lustgewmn durch das Aufgehen des ·
"b l M h 74
r hs · ·
eigenen c m einer
u er egenen ac t.
zu gebrauchen, dass dies andererseits überflüssig ist, weil die Autorität
die Aufgabe des Schutzes und der Erhaltung des Individuums, zu de­ . Fromm betont dabei die moralische Dimension, die der Autorität neben
ren Realisierung das Ich sich entwickelt hat, übernimmt. Überlegene 1h~em M_ac~t- und Schutzversprechen zukommen müsse. Wenn die Möglich­
Macht mit ihren zwei Aspekten, dem der Gefährlichkeit und dem der keit, egoistischen Interessen zu widersprechen, ein Kennzeichen jeder Moral
Fürsorge, sind deshalb Qualitäten, die jede Autorität in dem Maße sei, so steigere und verselbständige das masochistische Syndrom dieses bis
haben muss, wie sie das Ich überflüssig machen und ersetzen soll. "69 ins Extrem: ",Selbstvergessenheit', Verzicht auf eigenes Glück, Pflichterfül­
lung bis zum äußersten, unermüdliche Arbeit"75 an der ,Sache' sei nicht nur
Diese Ich-Regression gehe mit einer sadomasochistischen Prägung der Trieb­
struktur einher: ein Imperativ für die Subalternen, sondern eine der Führung zugesprochene,
moralische Qualität. Die Autorität schützt eine als partikular verstandene Ge­
,,?ie im Masoc~ismus lieg_ende Befriedigung ist von negativer und posi­ meinschaft, selbst in ihren Gewaltausbrüchen gegen die Gemeinschaftsfeinde
tiver Art: negativ als Befreiung von Angst, bzw. Gewährung von Schutz bleibt sie aber ,anständig'. Moralität erschöpft sich hier in dem Gegensatz zum
d~rch Anle~ung an eine gewaltige Macht, positiv als Befriedigung der materiellen Egoismus und besteht im Tun des für die Gemeinschaft ,Notwen­
eigenen Wunsche nach Größe und Stärke durch das Aufgehen in die digen' .76 Am deutlichsten wird dieses Motiv in der_am 4. Oktober 1943 von
Macht."70
Heinrich Himmler vor den Gruppenführern der SS m Posen gehalte?.:~ Rede.
Solche_ Macht sollte vorzugsweise als ontologischer Anker wirken das heißt In dieser lobt er seine Mannschaften dafür, bei der „Ausrottu_ng des JUd1:'chen
uRnver!iderbare Zugehörigkeir versprechen, wie das bei der ,Natio;' oder der Volkes [...] anständig geblieben zu sein". ,,Wir hatten", so Htmmler weiter,
, asse er Fall ist. ali h Recht wir hatten die Pflicht gegenüber unserem Volk,
" d as mor isc e , b • Wir haben aber
dieses Volk, das uns umbringen wollte, urnzu nngen.
f,,Die
· d" Voraussetzung
• . der Wichtigkeit und Not wen d"ig k e1t
. b ei"d er B e-
nell igungdedn ist die Schwäche der eigenen Fähigkeit Ansprüche zu
ste en un urchzusetzen d · d · • '
r hd h h . . ' re entwe er soweit sie über das gesellschaft-
rc urc sc rutt1iche Maß hinausgeht, durch individuelle Faktoren 7t Ebd. . . h Ad o 1991, S. 61f. und Löwenthal 1990, S. 33.
72 Freud 2000g, S. 112; sowie zit. n~cAd orn 1993a S. 17ff.
73 Vgl Fromm 1989c S. 178ff. sowie omo '

: Vgl. A. Freud 1999, S. 61ff.


74 V 1· F
g. romm
2000
,
S.
114ff. sowie 1989c, S. 172.
b ·d
75 Fromm 1989c, S. 183. bei vielen Tätcrer.tlihlungen: Man_ habe e1 er
69
Adorno 1979e, S. 172. Vgl. Adorno 199lc S 580 76 Dieser Topos findet sich an zen~ral;r Sdtelle enehme' .Arbeit' vollbracht, die aber ,getm
Fromm 1989c, S. 165. ' · · . . hmumgc un ,unang
70
Ebd., S. 178. J udenvermchtung eine .sc S 23ff
werden musste'. Vgl. Welzer 2005, · ·

1S1
180
nicht das Recht uns auch nur mit einem Pelz, mit einer Uhr, mit einer
prinzip zur zwanghaft B
Mark oder mit einer Zigarette oder mit sonst etwas zu bereichern."77 . . en esetzung mit I h Libi
wec h se 1 se1t1g als Träger c - 1 ido genöti • h
Das Masochismusmotiv kann auch auf das Individualitätskonzept faschisti­ narzisstische Sub1'ekte 85 vzon Wadren betrachtende und inst!m e, src 1·a!lenfaUs
schen Elitedenkens angewendet werden: Der Einzelne der Elite ist stets .ver­ d.ie B e fned1gung
· . ' um an eren I
nur in Unt d
• ..
a s autontar-masochistische Ch k
enta lSlerende
,,
1 B . eror nungsv h"l . ara tere
wurzelt' im Volk, ohne zur ,Masse' im Sinne des ,einfachen Volkes' zu gehören. na en ez1ehungen unter GI . h er a tnissen finden und z . '
Sein Ideal ist dennoch das mögliche Opfer für die politische Einheit, oder,
z · eic gestellten f"h. . u emot10-
ug ist_ Fromm zufolge nun aber notw ~~ a i_g s1?d. 86 Der masochistische
wie Heinz Gräfe, später im Führungskorps des Reichssicherheitshauptamts, pelt. Die der Autorität Unterw f, en ig ~Ht einem sadistischen gekop­
1932 formuliert: ,,selbstlose[ ...] Arbeit ]...] Dienst mit aller Härte und Rück­ Verhältnis zu dieser d h sie 1· obr e~en udnhterh1elten ein höchst ambivalentes
d em Akt der Unterwerfung ' · · , 1e en un ass d. A .
sichtslosigkeit, Dienst mit aller Disziplin und Kameradschaft, Dienst mit der geschuldete Has en ie. utontät zugleich. Der
78
völligen Zurücksetzung der Person um der Sache willen". Die unmittelbare durch Spaltung der Autorität • . , s w~rde Jedoch verdrängt, häufig
Gemeinschaft dieses Akteurs ist der Bund, das Bündische als Weltanschauungs­ d • m em ,gutes und e1 b" , Ob' k
un m herrschaftskonformer w, • . n ' oses Je t bewältigt87
. weise ausagien d h d
Elitegemeinschaftr" die „tatbereite[...], verantwortungslustige[ ... ] und ein­ freigegebene ,Andere' und Schwa h . h '88· · gegen von er Herrschaft
. c e genc tet Ado . k • .
satzfreudige[...] Mannschaft'V'' Wie auch die Kritische Theorie, vor allem der autontären Aggression die ursp „ 1· h d. h dir no onstat1en, "daß m
rung 1c urc eA · •· d .
mit der Unterkategorie des manipulativen Typus im autoritären Charakter, gruppe erweckte [...] Feindseli k . uf d" utontaten er E1gen-
feststellt, ist dieser insofern keineswegs identisch mit dem dumpfen, zur Ei­ D. K .. k d k 11 k . g eir a ie Fremdgruppen verdrängt wird" 89
re ran ung es o e trven Narzissmus kann dabei wiederum zu -,.1 ·.
geninitiative und Führerschaft unfähigen Befehlsempfänger:81 „Aktivität heißt t · .. A • m 11 otrv
ern~u e~ ~utontarer ggression werden: Hitlers in Mein Kampf geschildertes
für den masochistischen Charakter, unter ehrfürchtiger Unterordnung unter a1:msem1t1sches Erweckungserlebnis ist dafür ein gutes Beispiel: Er schildert
das[ ...] schicksalhaft Gegebene und den Auftrag einer höheren Macht das Best­ ?1e „Scham der E_mp?r~ng und der Schande", die die deutsche Kapitulation
mögliche tun. "82 Die bündische Einheit selbst wird zusammengehalten von 1m ersten Weltkneg m ihm ausgelöst habe und sucht sofort nach den u h _
vermeintlich rational nicht erfassbaren emotionalen Bindekräften83 und intel­ b [ ] d'
e~ ~ ieser at ,
T " 90 d" . . .
1e er projektiv m den Marxisten und Juden erblickt. Die
,, r e
lektuellem Sendungsbewusstsein. Auch die Führer autoritärer Bewegungen Kritische Theorie entdeckt in der deutschen Bevölkerung nach dem zweiten
appellieren, wie bereits Fromm bemerkt, an höhere, wenngleich anonymere Weltkrieg ein ähnliches Reaktionsmuster, das als „sekundäre[r] Antisemitis­
Autoritäten: Natur, Vorsehung, Gott, Schicksal. 84 mus'"! identifiziert wird: ,Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie
Die kapitalistisch vergesellschafteten Individuen seien daher in doppelter verzeihen'.
Weise unfähig zu solidarischen Beziehungen: einmal als .kalte', unterm Tausch- Der autoritäre Charakter praktiziere also eine psychische Konfliktabwehr
und scheinhafte Bewältigung gesellschaftlicher und individueller Krisenphäno­
77
Zit. nach Gross 2010, S. 144. mene. Wie der Liberale glaube er, dass das Bestehende die beste aller möglichen
78
Zit. nach Wilde 2008, S. 136. Welten, gar natürlich sei.92 Doch im Gegensatz zum Liberalen werde die „Ma­
79 Vgl. ebd., S. 137.
80
laise"93 des Subjekts und seiner Gesellschaft vom Autoritären nicht geleugnet,
Gräfe, zitiert nach ebd., S. 136.
81
Vgl. ~d~rno 2001, S. 33~ff. _Die Besc!1reibung des manipulativen Typs als eines Organisators 85
Vgl. Adorno 19936, S. 100ft. . , .
der\ ermchtung- "Ihr Ziel ist eher die Konstruktion von Gaskammern als das Pogrom" (ebd. 86 In kaum rationalisierter Gestalt tritt dieser autoritär-masochistische Zug z.B. m Arnold G7hlens
33
S. ~)-: kö~~te die Arendtschen Deutungen vom ideologisch und emotional unbeteiligten' Werk Moral und Hypermoral' (1986, S. 75) zutage. So lautet d~ berühmt-berüc~ugt~ Diktum
Schr~ibtischtater evozieren - und es finden sich in der Tat auch Äußerungen wie die , daß einer, seine/,Entlastungsthese': "Sich von den I_nstitu~ionen konsu~rueren_ zu lassen ~1bt em;d::~
bder. ern Zugsystem
.. ausklügelt
. , d. as d"re Oprer
.c •• 1· h
mog rc st schnell und reibungslos
· nach' Auschwitz
' · zur Würde für jedermann frei, und wer seme Pflicht tut, hat ein Motiv, das von Jedem
nngt, daruber vergißt, was m Auschwitz mit ihnen geschieht" (1997d S. 686). Dennoch her unbestreitbar ist." · · 1d · ·· h
betont.. f Adorno
. d ' dass
h auch der Marupu · u"berzeugt der faschistischen
· 1 atrve · · '
Ideologie· folgt und em · 87 S · F 1989c S 172 der das treffende Beispie es antISemmsc en
B e dur Vgl. Freud 2000g, . 74 sowie romm ' . , ' K . al führt
v d k" ms anac hat ' auch wenn Ad „ 1· h h · h ··b d' h ·
orno natur ic noc nie t u er re eurigen Kenntnisse · Ideologems der Differenzierung in ,raffend~s' und ,schaffendes aptt an .
on er , ampfenden Verwaltung' des RSHA verfügte und die affektive Kälte sowie die Distanz 88 Vgl. Rensmann 1998, S. 67ff. sowie Horkheimer 1997, S. 392.
z_um d konkk reten Opf~r daher überbetont wird (vgl. 2001, S. 335). Die Vorbilder dieses Typs 89 Adorno 2001, S. 51.
sm unver ennbar Eichmann 'd O · l bd d 90 Hitler zitiert nach Gross 2010, S. 59.
Feind-Einteilun . v I ebd ,, er rg~isator: vg · e .), Carl Schmitt (stereotype Freun -
. F . dg. ? · 337
·, S. ) und Junger (analer Zwangscharakter der Insekten sammelt
un d seme em e wie Insekten betr h . l bd S . . . , . 9l Adorno 19976, S. ~62. . . liberalistischer Ideologie vgl. Marcuse ~00~-.
selbstzwe kh f T " d ac tet: vg · e ·• · 336). Wichtig ist auch die Betonung der 92 Zur Gemeinsamkeit von faschisnscher und 29f. D Jude sei im modernen Antisemitismus
Wildt 200~ sa ;;~)"ai:t u~ b,,~nt~ch~idu_ng" (S. 335), die sowohl bei den RSHA-Führern (vgl. 9
3 32 "
Löwenthal 1990, S ... vg.1 auch Sartre
. 1994,
.. lleS.Übel.. (~Krisen,
er ·· U ~~t· urz
Kriege, ~ungersnote, .
82 Fromm 1989~, S. 176. auc . ei Sc mm ein große Rolle spielt (vgl. Schmitt 2004, S. 61). das Böse schlechthin, verantwortlich für a . . . rnus nach sich ziehe: Wenn das Bose in
E lösungsanusemms . . II ~ E. h
:: Vgl. Wildt 2008, S. 123. Und Aufruhr") ' was notwcndi• g d end r . h die. H • •on selbst wieder ernste en. s »g.: t
armorue \ · · ~
Gestalt der Juden zerstört sei, ,,wer e sie d ur darum, die bestehende zu reuugen ,
Vgl. Fromm 2000, S. 170; 1989c, s. 174. nicht darum, eine Gesellschaft aufzubauen, son ern n

183
182
sondern in projektiver Form bearbeitet, und :70~
alle?1 d~:1 Juden als y~rur­ Gewalt- und M d
.
b
or taten etonen Horkhei
94
sachern zugeschrieben. Gemeinschaft k~nstltm~re sich für 1e~ aut~:mtaren
9 und kemeswegs vorrangig ökono . h mer/Adorno den psychologischen
Charakter tatsächlich nur in und durch Feindbestimmungen, die wiederum Gewinn, auf den der Volks enossrnrsc en ,~rofi~• der Täter: ,,Der eigentliche
die Möglichkeit des physischen O.rfers de: Ge~eins~haftsz~gehör~gen und durchs Kollektiv. «103 Die gW ke rech~et, ist die Sanktionierung seiner Wut
der Tötung der anderen im Falle emes ,existen~iellen Konflikts ?emhalte~. se ut ann sich d 6 ·
verstehen. Gegen die Sünd b k h . a ~i sogar als moralisches Gefühl
Hierbei spielen manichäische und stereotype Ei~e~schaftszus~~re1?ungen ei­ 11 d . • en oc t eorie gencht t ·
a er mgs, dieser zufolge lasse d Incl' 'd ~ argumentierte Adorno
ne zentrale Rolle. 96 Ganz im Sinne der masochistischen Bedurfnisstruktur as 1v1 uurn sein W . d
ver fü g b aren wehrlosen Objekt aus" 104 .. h d" e ut an Je em gerade
werde dabei "das sinnvolle Leben des Einzelnen [ ...] in seine radikale Nega­ , wa ren der A t · ·· ·
on se h r gezielt und mit innere z b u ontare seine Aggressi-
tion verlegt, den Tod".97 "Der nationalsozialistische Theoretiker Karl [sie!] richte. tos Das radik 1 d n I wang ver unden auf bestimmte Gruppen
Schmitt" 9~ den Adorno in diesem Zusammenhang explizit anführt, habe eine . a e un gewa tsame Gebaren faschistischer B
auch gegen eine etablierte Staatsmacht widerspr1·cht d 6 . F ewegu~glen,
ganze poiitische Philosophie aus dieser Haltung konstruiert. Eine_ als homo?en h · b d k _.c • • ' a e1 ramm zuro ge
n~r sc_ em ar ~r om_orm1st1schen Ausrichtung des autoritären r1., - ,
und harmonisch vorgestellte Gemeinschaft, deren reale Konfliktpotentiale
Hier hege nur eme Steigerung des Motivs der konf · · h
verleugnet werden müssen, steht einem Fremden oder Anderen gegenüber, d' F • rormisnsc en •
_ie romm mit dem Beg:iff des rebellischen Charakters fasst. Dieser könne
der diese Konflikte personifiziert. Eine würdige, ,ernsthafte' menschliche Exis­
s~~h n_ur deshalb ?e?en eme_ bestehende Autorität auflehnen, weil diese die
tenz besteht für Schmitt tatsächlich in der stets gegebenen Möglichkeit des
für seme masochistische Tnebökonomie grundlegenden Eigenschaften der
Opfers und Opferns der einzelnen für diese Gemeinschaft.99 Im Stile der
abso_lute_n Macht_und Stärke in irgendeiner Form eingebüßt habe und sich
verfolgenden Unschuld100 imaginiert man sich dabei zugleich als Verfolgter,
bere~ts eme autoritäre Alternative anbiete. Dieser Typus könne Autorität also
der zurückschlagen, sich gegen eine äußere Bedrohung wehren muss. Auch nur 1m Namen von Autorität denunzieren.P"
Himmler spricht ja im obigen Zitat vom „moralische[n] Recht [ ... ], dieses
Die inhumane Befriedigung, die die sadomasochistische Charakterstruk­
Volk, das uns umbringen wollte, umzubringen. "101
tur für die ohnmächtigen Subjekte bereithalte, sei dabei zugleich real und
Das Geheimnis dieser Haltung liegt also in der psychischen Funktion bloßer Schein. Schein, weil im Autoritätsverhältnis die gesellschaftlichen Ursa­
der nationalen oder rassischen Gemeinschaftsvorstellung und ihres Charak­ chen der Ohnmacht ebenso wenig aufgehoben würden wie die kapitalistisch
ters der harmonistischen "Umdeutung von rationalen Vergesellschaftungen formbestimmte Individuierung der Akteure. Der faschistische Agitator, so
in persönliche Gemeinschaftsbeziehungen". 102 Auch hier steht wieder die Leo Löwenthal, "läßt [ ...] gerade das Unbehagen fortbestehen, weil er den
triebökonomische Rationalität im Vordergrund. Bezogen auf antisemitische Weg zur Erkenntms · seiner
. o b'Je ktrven
. Ursac h e versperrt. "107 Fromm nennt
dies das irrationale Moment des Sadomasochismus, das "in der letztlichen
„es geht nur darum, das Böse zu entfernen, weil das Gute schon gegeben ist." Die Nähe von Zwecklosigkeit der zur Lösung einer unerträgli~he? emo_tion~en S~ruation
Sartres Ausführungen zur Theorie des autoritären Charakters ist auch von Adorno bemerkt
worden, vgl. Wiggershaus 1991, S. 464. angewandten Mittel"108 bestehe. Real sei die Befnedigung im Sinne einer psy­
94
Allerdings geht auch der Liberalismus von einer natürlichen Wirtschaftsordnung aus, deren chischen Realität für die Subjekte, d.h. als temporäre Milderung von Angst, als
Krisen nur ,Störungen von außen' sein könnten. kollektiv narzisstischer Gewinn der Zugehörigkeit zu einer ~lite oder starken
95
Vgl. Adorno 2001, S. 335. Macht sowie als Ventil für gesellschaftlich erzeugte Aggressionen. ~~~h d:r
96
Vgl. Adorno 19976, S. 378 sowie Haury 2002, S. 109f. . k d mit real sein - im subjektiven Erleben von Zugehörigkeit,
97
Steil 1984, S. 167. S c h em ann a . . H" d
98
Adorno 2001, S. 337. das durch kulturindustrielle Inszenierungen (wie geme1_nsames oren ~r
rei·1 na hme an Massenaufmärschen, kollektiver Pogrompraxis,
99
In de~ Fähigkeit, von ~ensche? der eigenen Gruppe das Opfer ihres Lebens zu verlangen (vgl. Fu"h rerre d e, 'T'
Schmitt 200~, S. 70), 1st Sch~tt zufolge deren Wesen als politische Einheit begründet. Erst
dadurch gewmne ~as Leben s:me spezifisch „politische Spannung" (ebd., S. 35). Diesen Gedan­
ken we~det S_chmm ge~e-~ die Vorstellung einer entpolitisierten Welt (vgl. ebd., S. 35f., 54), 103 Horkheimer/Adorno 1997, S. 199.
gegen bu_rgediche Sekuntat (vgl. ebd., S. 62), gegen „vielleicht interessante [ ...] Konkurrenzen 104 Adorno 2001, S. 51. . . . Autoritären einig stellen die Juden dar, d:1S
und lntngen_all~~ An" (ebd., 35f.), gegen „Unterhaltung" (ebd., S. 54) und Spiel (vgl. ebd., S. 105 Das radikal Andere, darin sind_ sich d1~ 1::1e1stcn . ht daher vor alle:U der Gegensatz zu diesen.
120), gegen die ns1kolose „nichtssagende[...] Gleichheit" des Kosmopolitismus (Schmitt 1996, ,Antivolk' schlechthin. Ein stabile Identität verspnc
S. 17) und „yerhandeln, abwartende Halbheit", die „die blutige Entscheidungsschlacht" ,,in Vgl. Haury 2002, S. totff.. übli h n Assoziationen des SA-Mobs oder ~es Na-
parl~entansche.Debatte verwandelt", ,,durch eine ewige Diskussion ewig suspendieren" will 106 Vgl. Fromm 1989c, S. 184f._ Neben den ~~;n; us z.B. auch auf die juristische Elite der
(Schmitt 2004, S. 67). · ziskinheads, kann der Begnff deds re~~lli. der R~:ublik gegen sie agierte. Vgl. Walther 1998,
100
Vgl. zum Begriff Kraus 1989, S. 186f. Weimarer Republik bezogen v:er en, ie m
101
Zitiert nach Gross 2010, S. 144. S. 313. S 106, 115, 173, 186 sowie Böckelmann 1987, S. 23.
102
Weber 2005 307 ff N · · · 107 Löwenthal 1990, S. 33; vgl. Fromm 2000, .
, · re ation 1st eme modern-antimoderne Gemeinschaftsvorstellung, vgl.
Haury 2002, S. 52f. 10s Fromm 2000, S. 115.

185
184
Stadionbesuch u.v.m.) noch verstärkt werden kann: Das Imagi_~äre „besti~mt Punkt auf den Jean Amery5 K .. k .
• nti am dial k · h
sich als zugleich fiktive und doch real erlebte u?~ gelebte Prasenz des Smns verkenne die „Banalität Opfer O t d e __ tisc en Ansatz hinweist dieser
inmitten der Sinnlosigkeit[ ... ], als erlebte Identität der Zwecksetzungen und lerdings hat auch Ador~o m 1•t . p er du_n Q~aler Quäler sein zu lassen;_ 114 Al.
. seinem 1a1 ekt1schen B iff d
im strengen s·
109
Bedürfnisse mit den entfremdeten gesellschaftlichen Formen". M ensc h en nicht d h . egr es Ichs betont dass
• • . mne urc sozial h l · h '
In diesem Sinne fungiert der autoritä:-mas~chistis~he Charak~er al~ emo­ miruert seien.115 Wie immer d" Th . , d ps~c O ogisc e Faktoren derer-
. . ie eorie es auto t" Ch k .
tionale Matrix für eine Fülle von Ideologien, wie Rassismus, Nationalismus, zu revidierenden sein mag sie b' . . n. aren ara ters 1m Detail
. . , ietet emen wichtig 0 E k •
Sexismus vor allem aber Antisemitismus, die jedoch nicht direkt aus ihm die sozialpsychologische Dimensio
. .
d z :
n mo erner erstorungsd
r enntmsansatz für
"k N" h
abgeleitet, werden können, sondern j~we_ils eigene Ges~hicht~n und Faktoren nur fi nden sich m der modernen NS-T."t f h . ~narru en. 1c t
haben.11° Gerade wegen dieser motivationalen Fundiertheit der genannten B e fu n d e, dre. d. a er orsc ung immer wieder empirische
1e Thesen der Kritischen Th · l ·b .
Ideologien ist es der Kritischen Theorie zufolge -_im Zusa~mens~iel mit :"~i­ S lb .. dni . eone p ausi e 1 erschemen und das
e stverstan is der Täter als Ausdruck eines autoritären Ch ak .
teren Aspekten wie z.B, gesellschaftlich notwendigem Schem - bei der_Knti_k · b d l 116 ar ters mterpre-
tier . ar ~e: en assen, auch aktuelle Untersuchungen zu National" d
ihrer Vertreter um die Kraft des besseren Arguments schlecht bestellt, smd die A t t b .. . d" . isrnus un
. n iserru ismus_ ~statigen ie Diagnose, dass die bürgerliche Gesellschaft mit
,Grenzen der Aufklärung' schnell erreicht: ,,Dieser [der A_1;1tisemitismus] lässt ihrer charakteristischen Konstellation von Freiheit ohne Existen~icherheit
darum nur so schwer sich widerlegen, weil die psychische Okonomie zahlloser u_nd Verantwortung ohne Kontrolle der Lebensbedingungen den Autorita­
Menschen seiner bedurfte und, abgeschwächt, vermutlich seiner heute noch n_smus al~ psychische ~isposition ihrer Subjekte'V beständig reproduziert,
bedarf. "111 Eine ähnliche libidinöse Anpassungsleistung wie der autoritäre dieser kem bloßes Relikt ,vormoderner' Epochen ist, oder, wie Adorno es
Charakter habe das selbstreflexive, kritische Realitätsprüfung betreibende, ausdrückte: ,,Der Faschismus ist als Rebellion gegen die Zivilisation nicht
auf eigenen Ansprüchen beharrende Ich nicht vorzuweisen. Es ist Adorno einfach eine Wiederholung des Archaischen, sondern dessen Wiedererzeugung
zufolge seiner faktischen Ohnmacht und der ,Pathologie der Normalen'112 in der Zivilisation durch die Zivilisation selbst. "118
trost-, wenn auch - vielleicht - nicht hoffnungslos ausgeliefert. 113

3. Schluss: Sozialpsychologie des Katastrophenzeitalters


Ein kurzer Abriss kann selbstverständlich nicht einmal ansatzweise die Kom­
plexität und auch die Widersprüche darstellen, die den Positionen der Kriti­
schen Theorie innewohnen. Eine umfassende Auseinandersetzung hätte die
bei Adorno vorliegende simulierte Freud-Orthodoxie ebenso einer Kritik zu
unterziehen, wie die vornehmlich bei Horkheimer anzutreffende Idealisie­
rung des frühbürgerlichen Unternehmertypus als starkes Ich und rationale
Autorität. Schließlich wäre die Grenze des sozialpsychologischen Ansatzes
hinsichtlich der menschlichen Freiheitsproblematik zu thematisieren - ein
109
Steil 1984, S. 21. Zu'? imaginären Moment faschistisch-autoritärer Krisenlösungsversprechen
auch_ebd.'. s_._ 13: ,,Die Entwicklung einer faschistischen Massenbasis kann [...] als Ausdruck
~nd 1ma~mare Au_f~ebung der Vereinzelung der Individuen interpretiert werden: [ ...] die 114 Amery 2004, S. 290. . er Be riff des Ichs ist dialektisch, seelisch und nichtsee­
oko~~mische, politische und kulturelle Vereinzelung der Individuen bildet die ,objektive ns Hierzu auch Adorno 1979a, S. 70. ,,D gd h b" k . , dem Immanenzzusammenhang
· · · h uch " urc o Jeh . tt\e,• r Urteile an Sachverhalte. "
Realität des Systems', die die faschistische Ideologie in ihrem Diskurs aufzuheben verspricht." lisch · " D · h · das Ich konstiruiert sie d"a Angemessen eit seme
110
Vg!. R:ensman:1. 1998, S. 9!ff., _153. Zur Erklärung dieser Ideologien müssen weitere, v.a. des Seelischen entzoge~e ~?men_te, ie . v n Wildt, Welzer und Goldhagen. .
f~t1schismw:kr1t1sche un~ historische Ansätze herangezogen werden. Ohne Berücksichtigung 116 Das zeigen - z.T. unfre1w1lhg - d!e Arbeite?tis~hen Theorie zufolge deshalb nicht einfach als
dieser emotionalen Matrix wäre ihre Wirksamkeit aber kaum zu erklären. 117 Autoritär-staatliche Strukturen sind der Kr_fi Hier- das betonen Fromm (2000, S. ~52ff.)
111
Adorno 1993a, S. 26. sozialpsychologische Phänome~e ~~ ~egt;:in sehr komple.\'.es Wirkungsgeflecht zw1Sch;.°
112 H" und Adorno (1991, S. 62f.) ausdru~ ic . --: re autoritärer Propaganda (die, so AdohrnoRi , "ch
1e
. ie~zu a~c h _Ad orno_ 19936, S. 70: "Diagnostizieren lässt sich die Krankheit der Gesunden • h. h Dispos1t1onen, . · litisc e -
emz~g ob1ekt1;, am Missverhältnis ihrer rationalen Lebensführung zur möglichen vernünftigen sozial generierten psyc isc en . d'ffu s Unbehagen in eine besttmmte po i 1 ihr
Bestunmung ihres Lebens." Menschen nicht ,verführt' oder em I se ·mmt was sie sind" (ebd., 61), a so an i e
113 tung manipuliert, son~ern sie schlich:lli~~d:nd1soziaien Interessen vor, das erst zusammen
Hierzu auch Wey~d 2?00, 70: "Die Verkehrung von starkem und schwachem Ich, die darin sadomasochistische Tnebstruktur app d S~ Wirklichkeit werden lassen kann.
st . l p . im umfassen en inne
be e_ht, ~ass ~nter irrauonalen gesellschaftlichen Verhältnissen sich das starke Ich als trieböko­ autoritär-staatl1c 1e raxis
°:0:isch1 irra:10n~I darstellt, das schwache Ich hingegen als triebökonomisch rational, erweist 118 Adorno 1991, S. 41f.
src so a s obiektive, gesellschaftlich vermittelte Verkehrung."
187

186
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Reichssicherheitshauptamtes, 2. Aufl., Hamburg schaftstheorie.

Paul Mentz hat Philosophie und Soziologie an der Ruh~-Uni:ersität Bo~:~m


studiert. Derzeit bereitet er eine Promotion über den dialektischen Frei eits-
begriff von Theodor W. Adorno vor.
. S • 1 · (Master) an der Universität
g1e S . 1 . 1·m Bere1· eh qua-
Florian Röhrbein studiert gegenwärtig ozio ofü
fü d"1 Fak ltär "r ozio ogie
Bielefeld und arbeitet als Tutor r__ : b u ;..ft' er sich mit Ideologie- und
1
litativer Sozialforschung. Geg~nw~rtig esch a ~ytischen Sozialpsychologie.
Subjektkritik aus der Perspektive einer psyc oan
dB lona Politische Wissenschaft,
Mark Schumacher hat in H~burgh~n d~rc; Seine Schwerpunkte sind kri-
. 'k S d'
Lareinameri a- tu ien un r 'k d Religionsknt. ik . Anson sten
dPhilosop re stu rer .
tische Gesellschaftstheori_e, Geschic?~sp~:;1BJ;ung und Deutsch als Fremd-
. h t er seine
zie . Kreise zwischen polmsc

191
190
sprache, Theater und freiem Radio, Hamburg und Lüneburg. Zuletzt voe
ihm: "\Vas keine Nation je versucht hat". Geschichtspolitische Wendepunkte i.
der Debatte um das Denkmalfür die ermordeten Juden Europas, in: Petra Ernst
Gerald Lamprecht (Hg.): Konzeptionen des Jüdischen. Kollektive Entwürfe in.
Wandel (Schriften des David-Herzog-Centrums für Jüdische Studien, Bd. 11:1
Innsbruck: Studien-Verlag 2009. ·

Barbara Umrath hat Erziehungswissenschaften, Psychologie und Soziologie


an der Universität Augsburg und der New School for Social Research, New
York studiert und war lange Jahre in feministischen Projekten in Deutschland
und Mexiko aktiv. Aktuell ist sie Kollegiatin im Graduiertenkolleg „Geschlecl­
terverhältnisse - Normalisierung und Transformation" der Universität Basel
und arbeitet an einer Promotion zu Geschlecht und Kritischer Theorie.

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