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Hochschule München Vorlesung Stahlbrückenbau

FK 02 Bauingenieurwesen Prof. Dr.-Ing. Christof Hausser

1. Einführung
2. Nachweis der Tragsicherheit

2.1. Sicherheitsbeiwerte
Auf der Widerstandsseite werden nach [EC3-2/Tab.6.1] drei verschiedene Sicherheitsbeiwerte verwendet:
γM0 = 1,0 für Nachweise ohne Stabilitätsgefährdung
γM1 = 1,1 für Stabilitätsnachweise
γM2 = 1, 25 für Nachweise von Nettoquerschnitten unter Zugbeanspruchung

2.2. Schnittkraftermittlung
Die Schnittkräfte werden elastisch nach Theorie I. oder II. Ordnung ermittelt [EC3-2/5.4.1].
Plastische Reserven dürfen zur Erhöhung der Querschnittswiderstände genutzt werden, falls die Bedingun-
gen für die Querschnittsklassen 1 oder 2 erfüllt werden.
Nur für außergewöhnliche Einwirkungen darf eine plastische Schnittkraftermittlung durchgeführt werden,
wenn die Querschnitte über eine ausreichende Rotationsfähigkeit (QK 1) verfügen [EC3-2NA/5.4.1].

2.3. Imperfektionen
Zur Schnittkraftermittlung nach Theorie II. Ordnung sind Imperfektionen in Form der kritischen Eigen-
form anzusetzen. Die Vorgehensweise ist EN 1993-1-1,5.3.2 zu entnehmen.

2.4. Querschnittsklassifizierung

Die Querschnitte von Stahlprofilen werden ihrem Tragverhalten entsprechend für die Bemessung in die Klas-
sen 1 bis 4 eingeteilt, wobei dieselben Regeln nach EN 1993-1-1,5.5.2 wie im Stahlhochbau gelten:
- Querschnitte der Klasse 1 erreichen das volle plastische Moment und verfügen über ein ausgeprägtes
Rotationsvermögen, so dass sich Fließgelenke einstellen können (Nachweis P-P)
- Querschnitte der Klasse 2 erreichen das volle plastische Moment, verfügen aber nur über eines geringes
Rotationsvermögen, so dass sich kaum Fließgelenke einstellen können (Nachweis E-P)
- Querschnitt der Klasse 3 ermöglichen die Ausnutzung des elastischen Moments ohne Stabilitätsversagen
der Querschnittsteile (Beulen), das plastische Moment wird nicht erreicht (Nachweis E-E)
- Querschnitte der Klasse 4 versagen durch lokales Beulen bereits vor Erreichen des elastischen Moments,
für sie ist ein Beulsicherheitsnachweis erforderlich
Die Zuordnung in die Querschnittsklassen erfolgt in Abhängigkeit der c/t-Verhältnisse für Stege und Flan-
sche und den auftretenden Querschnittsspannungen nach [EC3-1-1/Tab.5.2].

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2.5. Mitwirkende Breite


Für Flansche von Trägern können ab einem Verhältnis von b0 ≥ Le / 50 keine konstanten Spannungsver-
läufe angenommen werden. Durch die Scheibentragwirkung (EC3: Schubverzerrungen) fällt die Normal-
spannung infolge Biegemoment ab, je größer der Abstand vom Steg ist.
Für den Nachweis der Gebrauchstauglichkeit, der Ermüdung und der Tragfähigkeit sind die folgenden
Querschnittswerte und Spannungen zu verwenden [EC3-1-5/3.2]:

beff = β b0

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Die Ermittlung des Faktors β erfolgt mit [EC3-1-5/Tab.3.1]. Dazu wird der Eingangswert κ benötigt,
mit dem auch der günstige Einfluß von Längssteifen berücksichtigt wird:

κ = α0 b0 /Le
mit:
b0 ... tatsächlich vorhandene Blechbreite
Le ... effektive Feldlänge nach [103/III-Abb3.1]
α0 = 1 /
Asl ... Querschnittsfläche der Längssteifen innerhalb von b0
Die Verteilung der Spannungen im Flansch erfolgt gemäß [EC3-1-5/Abb.3.3].

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2.6. Querschnittswiderstände
Die Widerstände der Querschnitte werden in Abhängigkeit von der Belastungsart ermittelt. Die Regelun-
gen entsprechen im Wesentlichen den Regeln des Stahlhochbaus nach [EC3-1-1/6.2] und sind hier nur der
Vollständigkeit halber nochmals aufgeführt.

2.6.1. Zug

Plastisch Grenzzugkraft eines Querschnitts:

Npl,Rd = A fy /γM0
Im kritischen Schnitt durch die Löcher der Verbindungsmittel:

Nu,Rd = 0,9Anet fu/γM2


Nachweis:

NEd ≤ min(Npl,Rd , Nu,Rd)

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2.6.2. Druck ohne Stabilität

Die Grenzdruckkraft darf für die Querschnittsklassen 1, 2 und 3 ermittelt werden zu:

Nc,Rd = Npl,Rd = A fy/γM0


Für Querschnitte der Klasse 4 gilt:
Nc,Rd = Aeff fy/γM1

mit Aeff nach [EC3-1-5/4.4]. Der Nachweis lautet:


NEd ≤ Nc,Rd

2.6.3. Biegung

Das Grenzmoment eines Querschnitts ergibt sich für die Querschnittsklassen 1 und 2:

Mpl,Rd = Wpl fy/γM0 plastisches Grenzmoment

Für die Querschnittsklasse 3:

Mel,Rd = Wel fy/γM0 elastisches Grenzmoment

Für die Querschnittsklasse 4:

M0,Rd = Weff fy/γM1 Grenzmoment des durch Ausbeulen reduzierten Querschnitts

Nachweis:

MEd ≤ Mc,Rd = min(Mpl,Rd , Mel,Rd , M0,Rd )

2.6.4. Querkraft

Die plastische Grenzquerkraft ist:

, =
√ ∙

Für eine Last in Richtung der Stegbleche gilt:

AV=A – 2btf + (tw + 2r)tf für gewalzte I-Profile

AV =Σ(d∙tw) für geschweißte I-Profile und Kastenquerschnitte

2.6.5. Biegung und Querkraft


Für VEd < 0,5 ⋅ Vpl,Rd entfällt ein besonderer Nachweis.

Ansonsten ist bei symmetrischen I-Querschnitten das Grenzmoment des Querschnitts abzumindern auf:
 ρ ⋅ Av2  f y
M V, y,Rd 
= Wpl, y − ⋅ ≤ M c,Rd
 4 ⋅ tw  γ M0
mit:
2
 2 ⋅ V Ed 
ρ = − 1 0 ≤ ρ ≤ 1,0
 V pl, Rd 
 
tw … Stegblechdicke

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Zur Ermittlung des Widerstandsmomentes von unsymmetrische Querschnitte werden die schubbean-
spruchten Querschnittsteile (i.d.R. der Steg) nur mit einer reduzierten Streckgrenze f y,red berücksichtigt:

fy,red = (1− ρ) ⋅ fy

2.6.6. Biegung und Normalkraft

Für Querschnitte der Klassen 1 und 2 gelten die folgenden Regelungen:


Für I-Querschnitte und anderen Querschnitten mit Gurten entfällt ein Interaktionsnachweis für:

0,25 ⋅ N pl,Rd
N Ed ≤ min 
0,5 ⋅ hw ⋅ tw ⋅ f y / γ M0

Für gewalzte oder geschweißte symmetrische I-Querschnitte gilt bei Biegung um die starke Achse My:

1− n
M N, y,Rd = M pl, y,Rd ⋅ ≤ M pl, y,Rd
1 − 0 ,5 ⋅ a

mit:

n = NEd / Npl,Rd

A − 2 ⋅ b ⋅ tf
a= ≤ 0 ,5
A

Für gewalzte oder geschweißte symmetrische I-Querschnitte gilt bei Biegung um die schwache Achse
Mz:

   n − a* 2 
M pl,z,Rd ⋅ 1 −    für n > a
M N,z,Rd =   1 − a *  

M pl,z,Rd für n ≤ a

Für rechteckige Vollquerschnitte ohne Schraubenlöcher ist die Biegetragfähigkeit wegen der Normal-
kraft auf ein abgemindertes Grenzmoment MN,Rd abzumindern:

MN,Rd = Mpl,Rd [1 - (NEd / Npl,Rd )²]


Dies ist identisch zu folgendem Nachweis:

2
M y, Ed  N 
+  Ed  ≤1
M pl, y, Rd  N pl, Rd 

Bei zweiaxiale Biegung von I-Querschnitten darf angewendet werden:


2 5n
 M y, Ed   M z, Ed 
  +  ≤1
 M N, y, Rd   M N, z, Rd 

Für andere Querschnittsformen siehe [EC3-1-1/6.2.6.1(6)].

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Für Querschnitte der Klassen 3 ist nachzuweisen, dass die Streckgrenze nicht überschritten wird:

N Ed M y, Ed M z, Ed fy
+ + ≤
A Wel, y Wel, z γ M0

Für Querschnitte der Klasse 4 ist ein Spannnungsnachweis mit effektiven Querschnittswerten zu führen:
N Ed M y, Ed + N Ed ⋅ eNy M z, Ed + N Ed ⋅ eNz fy
+ + ≤
Aeff Weff, y, min Weff, z, min γ M0

Aeff , Weff,min s. Kapitel 3

eN Verschiebung der maßgeblichen Hauptachse eines unter reinem Druck beanspruchten


Querschnitts
Alternativ dazu kann ein Nachweis mit dem Verfahren der reduzierten Spannungen nach [EC3-1-5/10]
geführt werden (s. Kapitel 3).
2.6.7. Biegung, Querkraft und Normalkraft
Falls die Schubtragfähigkeit zu weniger als 50% ausgenutzt wird, braucht keine Abminderung der Trag-
fähigkeit berücksichtigt werden und der Nachweis kann nach Abschnitt 2.6.6 geführt werden.
Andernfalls ist die Biegetragfähigkeit in schubbeanspruchten Querschnittsteilen mit einer abgeminderten
Streckgrenze fy,red = (1− ρ) ⋅ fy zu ermitteln. Dies kann auch durch eine rechnerische Abminderung der
Stegstärke erfolgen

2.7. Stabilitätsnachweise
2.7.1 Biegeknicken bei Druckbelastung
Der Nachweis der Knicksicherheit nach dem Ersatzstabverfahren erfolgt nach EC3-1-1 wie im Stahlhoch-
bau.
NEd
≤ 1,0
Nb,Rd
Für die Querschnittsklassen 1,2 und 3 gilt: Für die Querschnittsklasse 4 gilt:
Nb,Rd = χ ⋅ Npl,Rd = χ ⋅ A⋅ f y /γ M1 Nb,Rd = χ ⋅ Aeff ⋅ f y/γ M1

A fy Lcr λ Aeff f y Lcr Aeff


λ= = = λ= =
N cr i ⋅ λ1 λ1 N cr i ⋅ λ1 A

Dazu wird benötigt:

Lcr = β · l Knicklänge des Ersatzstabes

i Trägheitsradius des Querschnitts

E
λ1 = π = 93 ,9 ε bezogene Schlankheit
fy

ε = 235/f y

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λ≤ 0,2 : χ =1,0
1
λ > 0,2 : χ= ≤1
2 2
Φ + Φ −λ


(
Φ = 0,5 ⋅ 1 + α ⋅ λ − 0,2 + λ 
2
) 

Der Beiwert α wird nach [EC3-1-1/Tab.6.1] gewählt:

Die zum Querschnit passende Knicklinie wird nach [EC3-1-1/Tab.6.2] gewählt:

Zur Bestimmung von χ können auch Tabellen wie z.B. Schneider Bautabellen (20. Auflage) Seite 8.26
verwendet werden. Außerdem muss die für das Knicken maßgebende Knickrichtung verwendet werden:

χ y 
χ = min  
χ z 

2.7.2 Biegedrillknicken bei Momentenbeanspruchung


Der Nachweis der Sicherheit gegen Biegedrillknicken erfolgt nach [EC3-1-1/6.3.2.1] mit Hilfe des χLT –
Faktors.
M Ed
≤ 1,0
M b,Rd
mit:
fy
M b, Rd = χ LT ⋅ Wy ⋅
γ M1
Wy = Wpl, y für die Querschnittsklassen 1 und 2

Wy = Wel,y für die Querschnittsklasse 3

Wy = Weff,y für die Querschnittsklasse 4

λ LT = Wy ⋅ f y / M cr bezogene BDK-Schlankheit

M cr = ζ ⋅ N cr, z ⋅  (c 2 + 0 ,25 ⋅ zp2 ) + 0 ,5 ⋅ z p  ideales BDK-Moment


 

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π2 ⋅ E ⋅ I z
Ncr,z = ideale Knicklast des Trägers für Knicken um die z-Achse
l2
(
c2 = Iw + 0,039⋅ l 2 ⋅ IT /Iz ) Beiwert für die Torsionssteifigkeit

…. Wölbwiderstandsmoment s. Profiltabelle,
für doppeltsymmetrische I-Profile darf mit Iω = Iz (h-t)²/4 gerechnet werden
…. Torsionsträgheitsmoment
…. Abstand der Last vom Schwerpunkt, auf der Biegedruckseite negativ

ζ ... Beiwert in Abhängigkeit des Momentenverlaufs (Angabe nach Lohse, Stahlbau 1):

1  1,0
χ LT = ≤ 2
2
φ LT + φ LT − 0 ,75 ⋅ λ LT
2
1 / λ LT


( )
φLT = 0,5 ⋅ 1 + α LT ⋅ λ LT − 0,4 + 0,75 ⋅ λ LT 
2

Die zum Querschnitt passende Knicklinie wird nach [EC3-1-1/Tab.6.5] gewählt:

Der Beiwert αLT wird nach [EC3-1-1/Tab.6.3] gewählt:

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Zur Bestimmung von χLT können auch Tabellen wie z.B. Schneider Bautabellen (20. Auflage) Seite 8.35
verwendet werden. Für λLT ≤ 0, 4 entfällt der Nachweis.
2.7.3 Stabilitätsnachweis bei Biege- und bei Druckbelastung
Stäbe, die auf Druck und Biegung beansprucht werden, sind wie folgt nachzuweisen:

NEd M y,Ed + ΔM y,Ed M + ΔM z,Ed


+ kyy ⋅ + kyz ⋅ z,Ed ≤ 1,0
χ y ⋅ NRk /γ M1 χLT ⋅ M y,Rk /γ M1 M z,Rk /γ M1

NEd M y,Ed + ΔM y,Ed M + ΔM z,Ed


+ kzy ⋅ + kzz ⋅ z,Ed ≤ 1,0
χz ⋅ NRk/γ M1 χLT ⋅ M y,Rk /γ M1 M z,Rk /γ M1

N Rk , My,Rk , Mz,Rk Querschnittswerte nach [EC3-1-1/Tab.6.7]


ΔM y,Ed , ΔM z,Ed Zusatzmomente infolge Verschiebung der Querschnittsachsen von Quer-
schnitten der Klasse 4, siehe [EC3-1-1/Tab.6.7]
χy , χ z Abminderungsbeiwerte für Biegeknicken
χ LT Abminderungsbeiwert für BDK
k yy , k yz , k zy , k zz Interaktionsbeiwerte nach [EC3-1-1/Tab. B.1], alternativ können auch die
Formeln nach [EC3-1-1/Tab. A.1] verwendet werden (s. Schneider Bauta-
bellen (20. Auflage) Seite 8.39/40).

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