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Hochschule München Vorlesung Stahlbrückenbau

FK 02 Bauingenieurwesen Prof. Dr.-Ing. Christof Hausser

3. Nachweis der Beulsicherheit


3.1. Einführung
Unter Beulen wird das Stabilitätsversagen von Flächentragwerken verstanden, die durch Druck- und/oder
Schubspannungen belastet werden. Ähnlich wie beim Knickstab versagt das Tragwerk plötzlich, indem
es seitlich ausweicht (Bilder aus Lohse, Stahlbau 2):

Dabei zeigen ausgebeulte Platten ein gutmütiges Verhalten im überkritischen Bereich. Während Knickstä-
be über keinerlei Systemreserven verfügen, erreichen Platten ihre Traglast oberhalb der kritischen Beul-
spannung. Ursache ist die Umlagerung der Spannungen zu den Plattenrändern, die durch die Randbedin-
gungen deutlich steifer sind als der ausgebeulte Bereich in Plattenmitte. Die Bruchlast wird erst durch das
Plastifizieren der Plattenränder erreicht.
Ähnlich wie beim Knickstab ergibt sich die kritische Beullast für verschiedene Beulformen, die für Recht-
eckplatten mit Hilfe eines Produktansatzes dargestellt werden:
𝑤(𝑥, 𝑦) = 𝐴 ∙ 𝑠𝑖𝑛 ∙ 𝑠𝑖𝑛

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Die Beulfigur besteht für gelenkig gelagerte Rechteckplatten aus m Sinuswellen in x-, und aus n Sinuswel-
len in y-Richtung. Je nach Seitenverhältnis  = a / b ergibt sich eine Girlandenkurve aus sich überschnei-
denden Beulkurven, deren Einhüllende die maßgebende kritische Last angeben. Der Nachweis der Beulsi-
cherheit von Bauteilen mit oder ohne Steifen ist nach EN 1993-1 Teil 5 zu führen.
3.3. Lasteinleitungen
Bei einer konzentrierten Lasteinleitung kann die Spannung in Abhängigkeit vom Abstand z gemäß [EC3-
1-5/3.2.3] ermittelt werden.
3.4. Nachweisverfahren
Zum Nachweis der Beulsicherheit von Platten unter Längsbeanspruchung stehen nach zwei Verfahren zur
Auswahl:
a) Verfahren der wirksamen Fläche [EC3-1-5/4.2]
Hierzu werden die effektiven Querschnittswerte Aeff, Ieff und Weff ermittelt. Damit können die Tragfä-
higkeitsnachweise nach den Regeln für Querschnittsklasse 4 geführt werden.
b) Methode der reduzierten Spannnungen [EC3-1-5/10]
Falls die in Abschnitt 3.6. angegebenen Formeln erfüllt sind, kann ein Spannungsnachweis wie für
Querschnitte der Klasse 3 geführt werden.
3.5. Verfahren der wirksamen Fläche
Beim Verfahren der wirksamen Fläche werden Einzelnachweise für die Beanspruchung aus Längsspan-
nungen [EC3-1-5/4], Schubspannungen [EC3-1-5/5] und Lasteinleitungsspannungen [EC3-1-5/6] ge-
führt. Bei Kombination verschiedener Spannungsarten sind Interaktionsbeziehungen nach [EC3-1-5/7]
einzuhalten.
Der Beulnachweis wird in folgenden Schritten ausgeführt:
1.) Spannungsermittlung für den mitwirkenden Vollquerschnitt
2.) Ermittlung der effektiven Querschnittswerte Aeff, Ieff und Weff
3.) Spannungsermittlung für die effektiven Querschnittswerte
4.) Tragfähigkeitsnachweise nach Abschnitt 2.5.
3.5.1. Blechfelder ohne Längssteifen
Die wirksame Fläche eines Blechfeldes ermittelt sich zu:
Ac,eff = p Ac
mit:
, ( )
ρp = ≤1,0 für beidseitig gestützte Bleche

,
ρp = ≤1,0 für einseitig gestützte Bleche, Index p für Panel

/
λp̅ = fy /σcr = Beulschlankheit
,
1,00 (𝑆235)
𝜀= 235/𝑓 = 0,92 (𝑆275) Materialparameter
0,81 (𝑆355)
b ... maßgebende Blechbreite nach [EC3-1-1/Tab.5.2]
t ... Blechstärke
Zur Bestimmung der Beulschlankheit kann in einfachen Fällen der Beiwert kσ nach [EC3-1-5/Tab.4.1+2]
ermittelt werden:

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Dabei ist:
ψ = σ2/σ 1 Spannungsverhältnis an der Blechrändern mit der Druckspannung σ 1

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Zur Ermittlung von kσ oder σcr,p können auch Beultafeln oder FE-Programme verwendet werden, z.B.:
- Klöppel/Scheer/Möller: Beulwerte ausgesteifter Rechteckplatten, Band I+II, Ernst & Sohn, 2001
- EBPlate, FE-Programm zur Ermittlung von Beulwerten (www.cticm.com)
Bei gedrungenen Beulfeldern (α = a/b ≪ 1 ) kann knickstabähnliches Verhalten maßgebend werden. In
diesem Fall muss durch Interaktion mit dem Abminderungsfaktor c infolge Knicken ein kombinierter
Abminderungsfaktor c ermittelt werden. Die zugehörige Schlankheit lautet:
𝜆̅ = 𝛽 , ∙ 𝑓 /𝜎 ,

mit:
A,c =Aeff,c / Ac
Ac … Bruttoquerschnittsfläche der Druckzone
Aeff,c … effektive Fläche der Druckzone unter Berücksichtigung des Einzelfeldbeulens
² ²
𝜎 , = ( ) ²
(entspricht der Euler’schen Knickspannung)

Mit der Schlankheit 𝜆̅ kann der Abminderungsfaktor c wie nach Abschnitt 2.6. ermittelt werden. Der
endgültige Abminderungsfaktor wird durch Interaktion zwischen plattenartigem und knickstabähnlichem
Beulen nach EC3-1-5/4.5.4(1) ermittelt:
c = (p - c)(2-)+c
mit:
,
𝜉= − 1 ≤ 1,0
,

Damit ergibt sich die wirksame Fläche der Druckzone eines Blechfeldes zu:
Ac,eff = c Ac

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Die Interaktionsgleichung für den Abminderungsfaktor c ergibt für den Übergang von Stabknicken zu
Plattenbeulen einen quadratischen Verlauf:

3.5.2. Blechfelder mit Längssteifen


Die Beulverhalten eines durch Längssteifen verstärkten Blechfeldes wird bestimmt durch:
- die Beulsicherheit der Blechstreifen zwischen den Steifen, Annahme: Steifen sind starr,
maßgebend bei dünnen Blechen und großen Abständen zwischen den Steifen
- die Beulsicherheit des ausgesteiftenBlechfeldes
maßgebend bei nicht abwickelbarer Beulfigur (Beulfeldabmessung α = a/b ≈ 1 )
- die Knicksicherheit des Blechfeldes
maßgebend bei abwickelbarer Beulfigur (Beulfeldabmessung α = a ∕ b ≪ 1 )
Der Nachweis erfolgt deshalb in zwei Schritten. Zunächst wird der Einfluß des Blechbeulens zwischen den
Steifen über den Abminderungsfaktor p wie in Abschnitt 3.5.1. ermittelt. Mit den damit ermittelten ef-
fektiven Querschnitten Aeff wird danach der Beulnachweis für das Gesamtsystem geführt. Dabei wird so-
wohl die plattenähnliche Beulsicherheit, als auch das knickstabähnliche Versagen berücksichtigt.
Zunächst wird das Versagen des ausgesteiften Blechfeldes durch Beulen untersucht. Die bezogene
Schlankheit eines ausgesteiften Blechfeldes beträgt:
𝜆̅ , = 𝛽 , ∙ 𝑓 /𝜎 ,

mit:
A,c =Aeff,c / Ac s.o.
cr,p … ideale Beulspannung des ausgesteiften Blechfeldes
Zur Ermittlung der idealen Beulspannung gibt es verschiedene Möglichkeiten:
a) äquivalente orthotrope Platte nach [EC3-1-5/A.1]

σcr,p = kσ,p σE

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2
² ² t
σE = ( ) ²
=189800 [N/mm²]
b

kσ,p … Beulwert der orthotropen Platte mit verschmierten Steifen

b) Ersatzdruckstab mit elastischer Bettung, Formeln n. [EC3-1-5/A.2.2]


c) Tabellenwerke
d) FE-Berechnung

Der wirksame Querschnitt der Steifen ist dabei nach [EC3-1-5/Bild9.1] anzusetzen.

Mit der bezogenen Beulschlankheit kann der Abminderungsfaktor p wie nach Abschnitt 3.5.1. für zwei-
seitig gestützte Querschnitte ermittelt werden. Zur Berücksichtigung des knickstabähnlichen Verhaltens
wird nun ein zweiter Abminderungsfaktor c bestimmt. Die zugehörige Schlankheit lautet:
𝜆̅ = 𝛽 , ∙ 𝑓 /𝜎 ,

mit:
A,c =Aeff,c / Ac s.o.
𝜎 =𝜎 , ∙ wirksame Knickspannung bei linearem Spannungsverlauf, s. Abb.A.1
,

² ,
σcr,st = ²
Knickspannung der Steife

Ast ... Bruttofläche des Ersatz-Knickstabes


Ix,st … Trägheitsmoment des Ersatzknickstabes
Damit kann der Abminderungsfaktor c wie nach Abschnitt 2.6. ermittelt werden. Zur Wahl der
Knickspannungslinie gilt:
,
𝛼=𝛼 +
mit:
𝑖 = 𝐼 , /𝐴 Trägheitsradius
e = max(e1; e2) nach [EC3-1-5/Abb.A.1]
0,34 für Hohlsteifen
𝛼 = für offene Steifen
0,49
Der endgültige Abminderungsfaktor wird durch Interaktion zwischen plattenartigem und knickstabähnli-
chem Beulen ermittelt:
c = (p - c)(2-)+c für: 𝜉 = , − 1 ≤ 1,0
,
c =p für: 𝜉 ≥ 1,0
c =c für: 𝜉 ≤ 1,0

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Querschnittsabmessungen der "äquivalenten orthotropen Platte nach [EC3-5/A.1]

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Damit ergibt sich die wirksame Fläche der Druckzone eines Blechfeldes zu:
Ac,eff = c Ac
mit:
𝐴 =∑ 𝐴 , +∑ 𝜌 𝑏 , 𝑡

Asl,eff … wirksame Fläche einer Längssteife


p … Abminderungsfaktor nach Absatz 3.5.1.
bc,p … Breite der Druckzone im Einzelfeld
t … Blechstärke

Der Nachweis der Beulsicherheit lautet:


,
𝜂 = /
≤ 1,0

mit:
𝜎 , = +

3.5.3. Schubbeanspruchung [EC3-1-5/5]


Ein Schubnachweis ist zu führen für:
hw / t > 72ε für nicht ausgesteifte Blechfelder
hw / t > 31ε 𝑘 für ausgesteifte Blechfelder
mit:
hw = h-2tfl Steghöhe nach [EC3-1-5/Abb.5.1]
ε … s.o.
kτ ... s.u.
Die aufnehmbare Querkraft eines ausgesteiften oder nicht ausgesteiften Steges beträgt:
η f yw hw t
Vb, Rd  Vbw, Rd  Vbf, Rd 
3 γM1
mit:
V bf, Rd Anteil Flansch, s. [EC3-1-5/5.4] (wird nicht weiter verfolgt)
χ w f yw hw t
Vbw, Rd  Anteil des Steges
3 γM1
fyw Fließfestigkeit des Stebgbleches
 =1,2 für Stahlgüte bis S460
 =1,0 für Stahlgüte höher als S460

Mit dem Faktor χw wird der Einfluß der Stegbeulgefährdung berücksichtigt, der nach [EC3-1-5/Tab.1]
bzw. [EC3-1-5/Abb.5.2] ermittelt wird. Dabei betrifft Fall b) den überwiegend vorkommenden Fall eines
mit einer doppelseitigen Quersteife verstärkten Auflagers.

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Als Eingangsgröße dient die Schubbeulschlankheit:


𝜆̅ = 0,76 𝑓 ⁄𝜏
mit:
𝜏 =𝑘 ∙𝜎
² ²
𝜎 = ( ) ²
= 189800 [N/mm²]

5,34 + 4,00(𝑏/𝑎) + 𝑘 für a/b ≥ 1


𝑘 = nach [EC3-1-5/A.3]
4,00 + 5,34(𝑏/𝑎) + 𝑘 für a/b < 1
,
𝑘 , = 9(𝑏/𝑎) ³
≥ 𝐼 ⁄𝑏

a ... Abstand der Quersteifen


Isl ... Summe der Flächenträgheitsmomente der Längssteifen, s. [EC3-1-5/Abb.5.3]
Wird ein Steg nur an den Auflagern ausgesteift gilt vereinfacht:
𝜆̅ = ,

Der Nachweis der Beulsicherheit lautet:


𝜂 = = ≤ 1,0
,

mit:

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𝜏 , =

3.5.4. Beanspruchung infolge Lasteinleitung
Nachweise siehe [EC3-1-5/Abs.6].
3.5.5. Interaktion
Bei gleichzeitigem Auftreten von Normal- und Schubspannung ist die folgende Bedinungung einzuhalten:
,
𝜂 + (1 − ) ∙ (2𝜂 − 1)² ≤ 1,0
,

mit:
Mf,Rd … plastisches Moment des nur aus den Flanschen bestehenden Querschnitts
Mpl,Rd … plastisches Moment des Gesamtquerschnitts
Für η3 ≤ 0, 5 darf der Nachweis entfallen.

3.6. Verfahren der Bruttoflächen [EC3-1-5/10]


Alternativ zu dem unter Abschnitt 3.5. behandelten Verfahren darf die Beulsicherheit eines Querschnitts
auch direkt nach dem folgenden Verfahren nachgewiesen werden. Der Nachweis lautet:
𝜎 , /𝜌 ² + 𝜎 , /𝜌 ² + 𝜎 , /𝜌 𝜎 , /𝜌 + 3(𝜏 /𝜒 )² ∙ ⁄ ²
≤ 1,0

Oder vereinfacht:
, , , ,
⁄ ²
≤𝜌
mit:
x … Reduktionsfaktor für Spannungen in x-Richtung nach Abschnitt 3.5.2.
z … Reduktionsfaktor für Spannungen in z-Richtung nach Abschnitt 3.5.4.
w … Reduktionsfaktor für Schubbeulen nach Abschnitt 3.5.3.
min = min(x, z, w)
Dabei sind alle -Faktoren falls erforderlich unter Berücksichtigung des knickstabähnlichen Verhaltens zu
ermitteln. Zur Ermittlung der Reduktionsfaktoren kann die Schlankheit 𝜆̅ des Beulfeldes wie folgt ermit-
telt werden:
𝜆̅ = 𝛼 ⁄𝛼
mit:
ult … Lastfaktor der Bemessungslasten, um die Fließspannung zu erreichen
,
= = 𝜎 , +𝜎 , −𝜎 , 𝜎 , + 3𝜏 ∙ aus: 𝑓 = 𝛼 ∙𝜎 ,

crit … Lastfaktor der Bemessungslasten, um die kritische Beullast zu erreichen,


Ermittlung durch Tafelwerke oder FEM
Liegen nur die einzelnen kritischen Lastfaktoren crit,x, crit,z und crit, vor, so darf crit ermittelt werden
mit:

= + + + ²+ + +
, , , , , , ,

Damit lautet der vereinfachte Nachweis:

≥1,0

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