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Fachthemen

Norbert Vogt
Stefan Vogt
Christian Kellner

Knicken von schlanken Pfählen


in weichen Böden
Das Ausknicken von Pfählen wird durch die stützende Wirkung Das Versagen des Baugrunds ist durch Nachweise aus-
des seitlich anstehenden Bodens behindert. In Böden mit ausrei- zuschließen, wie sie in DIN 1054:(2005) geregelt sind. Für die
chender Steifigkeit und Festigkeit besteht daher bei üblichen im folgenden vorgestellten Betrachtungen wird davon ausge-
Pfahlausbildungen keine Knickgefahr. Die nationale bzw. europäi- gangen, daß diese Nachweise erfüllt sind. Es verbleiben die
sche Normung fordert Knicknachweise für schlanke Pfähle, die in Berechnungen des Plastifizierens und des Stabilitätsversa-
Böden mit einer undränierten Scherfestigkeit von cu < 15 kN/m2 gens. Bei zunehmender Pfahllast werden entweder die maxi-
bzw. cu < 10 kN/m2 hergestellt werden. Diese Forderung wird in mal möglichen Spannungen überschritten, die von der
der Praxis häufig so interpretiert, daß bei größerer Scherfestigkeit Festigkeit des Pfahlmaterials abhängen, oder es kommt zu ei-
ein Knickversagen ausgeschlossen ist. Mit einfachen Rechenver- nem Stabilitätsversagen durch seitliches Ausweichen, was von
fahren wurde in der Vergangenheit jedoch bereits gezeigt, daß der Stützwirkung des umgebenden Bodens beeinflußt wird.
diese Annahme bei Pfählen kleiner Durchmesser in sehr weichen
bindigen Böden falsch ist. Am Zentrum Geotechnik der Techni-
1.1 Der ungestützte Pfahl
schen Universität München wurden daher Knickversuche an bis
zu 4 m langen Pfählen mit Bodenstützung durchgeführt. Darauf
Es folgt ein einfaches Beispiel an einem ungestützten Euler-
aufbauend wurde ein Nachweiskonzept abgeleitet, in welchem
II-Stab, welches im Verlauf des Beitrags erweitert wird.
alle wesentlichen Effekte abgedeckt sind, die in den Versuchen
auftraten. Die stofflichen wie geometrischen Nichtlinearitäten
können näherungsweise und konsistent erfaßt werden. Beispiel
Betrachtet wird zunächst eine 1 m hohe, beidseits gelenkig
Buckling of slender piles in soft soils. Buckling of piles is resisted gelagerte Stahlstütze mit einem rechteckförmigen Quer-
by the surrounding soil. Therefore, in sufficiently stiff soils there is schnitt mit einer Breite b von 40 mm und einer Höhe h von
no risk of buckling of piles with conventional geometry (L/D ratio). 100 mm.
National and international design codes require checks of the sa-
fety against buckling for slender piles in soils with an undrained Querschnittswerte:
shear strength of cu < 15 kPa or cu < 10 kPa, respectively. In prac- – Fläche: A = 40 cm20 00
tice, the codes are taken to imply that buckling failure does not – Flächenträgheitsmoment: Ip = 53 cm4 0 00
occur at higher undrained shear strengths. However, using simple – Elastizitätsmodul: Ep = 21000 kN/cm2
calculations this assumption has been proven to be invalid for – Biegesteifigkeit: Ep · Ip = 111 kNm200
slender piles in very soft soils. Therefore, buckling tests on piles up
to 4 m long were carried out at the Zentrum Geotechnik of the
Technical University of Munich. Based on these results a concept
for calculating buckling loads was derived, which covers all
essential aspects observed in the tests. The proposed model
accounts for material non-linearity as well as second order effects.

1 Einführung

Ein Pfahl ist in der Regel ein Gründungselement, welches


Lasten über Druckkräfte in tiefere tragfähige Boden-
schichten führt. Folgende Versagensarten können gegebe-
nenfalls auftreten:
– Versagen des Baugrunds durch Überschreitung der ma-
ximal mobilisierbaren Mantelreibung und des maximalen
Spitzendrucks
– Plastifizieren des Pfahlquerschnitts aufgrund hoher Nor- Bild 1. Der beidseits gelenkig gelagerte, ungestützte Pfahl
malkräfte und/oder Biegemomente Fig. 1. Laterally unsupported pile, pinned on top and at the
– Stabilitätsversagen bei Überschreitung der Knicklast bottom

© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 82 (2005), Heft 12 889
N. Vogt/St. Vogt/Chr. Kellner · Knicken von schlanken Pfählen in weichen Böden

Die Knicklast kann nach der bekannten Euler-Lösung be- p2 ◊ E p ◊ I p


rechnet werden. Es ergeben sich analytisch mehrere Lö- N ki = j ◊
L2
sungen entsprechend der verschiedenen Eigenformen, die
in der Formel durch ganzzahlige Faktoren n = 1, 2 … be- Dabei ergibt sich eine Knicklänge von:
schrieben werden. In der Regel wird ein Euler-II-Stab bei
der zu n = 1 gehörenden Last versagen. Ep ◊ Ip
L Hw = p ◊ 4
kl
p2 ◊ E p ◊ I p p 2 ◊ 111
N ki = n2 ◊ = 1◊ = 1095 kN Die Knicklänge LHw ist ausschließlich vom Verhältnis der
L2 12
Pfahlsteifigkeit Ep · Ip zum Linien-Bettungsmodul k ab-
Bei Verwendung eines St 37-2 plastifiziert der Querschnitt hängig. Je höher die Bettung des Pfahls ist, desto welliger
bei einer Normalkraft Np von: wird sich bei konstantem Ep · Ip des Pfahls eine Knickfi-
gur einstellen.
Np = A · fy,k = 40 · 24,0 = 960 kN Bei einem unendlich langen Pfahl kann sich die Knick-
länge frei von Auflagerrandbedingungen beliebig ausbil-
Die berechnete Last von 960 kN ist kleiner als die Knick- den. Die zugehörige Knicklast berechnet sich zu:
last von 1095 kN. Das Knickversagen ist bei Verwendung
eines St 37-2 demnach nicht maßgebend. Wird stattdessen N ki = 2 ◊ E p ◊ I p ◊ k l
für die Stütze ein St 52-3 verwendet, dann plastifiziert der
Querschnitt bei einer Last von: Diese Formel kann anschaulich als untere Einhüllende der
Lastgirlanden in Bild 2 interpretiert werden.
Np = A · fy,k = 40 · 36,0 = 1440 kN Von zentraler Bedeutung für den Knicknachweis von
Pfählen ist die Frage, wie die Bettung k durch die Boden-
Bei gleicher Stützengeometrie und gleichen Querschnitts- eigenschaften bestimmt wird. In den meisten der neueren
abmessungen kann somit mit steigender Materialfestigkeit Veröffentlichungen (z. B. Wenz [2], Meek [3]) wird der Pa-
das Knickversagen maßgebend werden. rameter Bettungsmodul (Linienfeder) k [kN/m2] mit der
Tatsächlich wird ein von Boden umgebener Pfahl im- undränierten Scherfestigkeit cu korreliert. Aus der Litera-
mer gestützt werden, so daß ein Knicknachweis für freiste- tur lassen sich folgende Werte entnehmen:
hende Pfähle zu überdimensionierten und damit unwirt-
schaftlichen Konstruktionen führen würde. Es ist daher 70 · cu £ k £ 100 · cu Wenz (1972), Winter (1982)
die Frage zu klären, mit welchen versuchstechnisch zu be-
stimmenden Bodenparametern die Bettung des Pfahls Jedoch sind auch stark abweichende Größen der Korrela-
quantifiziert werden kann und wie diese in einem mecha- tion zu finden:
nischen Modell formuliert werden kann.
k = 8 · cu oder k = 44 · cu
1.2 Der elastisch gestützte Pfahl Rinkert (1960), Smoltczyk (1966)

Für eine Betrachtung des Knickvorgangs von Pfählen in Die wünschenswerte weitergehende Korrelation des Was-
Böden ist es erforderlich zu wissen, welche seitlichen sergehalts und damit der Konsistenz zur undränierten
Stützkräfte in Abhängigkeit von horizontalen Verschie-
bungen geweckt werden können (Mobilisierungsgesetz).
Bei den folgenden Betrachtungen wird vorausgesetzt, daß
der Pfahl im Boden nicht planmäßig horizontal belastet
wird. Die linear-elastische Bettung ist der einfachste An-
satz zur Modellierung einer Stützwirkung. Die analytische
Lösung geht auf Engesser zurück:
2 2
Ê pˆ 1 Ê Lˆ
N ki = n 2 ◊ Á ˜ ◊ E p ◊ I p + 2 ◊ Á ˜ ◊ k l
Ë L¯ n Ë p¯

Der erste Summand ist die bekannte Verzweigungslast ei-


nes ungebetteten Stabs nach Euler (siehe Abschn.1.1). Die
Knicklast Nki für den gebetteten Stab erhöht sich um den
zweiten Summanden, in den die Linienbettung k
[kN/m2] eingeht. Der Bezeichner n ist ein ganzzahliges
Maß für die Welligkeit der Knickfigur. Die maßgebende
Knicklast ist das Minimum der für die Welligkeiten n = 1,
2, 3 … ni berechneten Knicklasten. Die maßgebende Wel-
ligkeit kann dem Diagramm nach Pflüger [1] entnommen
werden (Bild 2).
Die Knicklast bestimmt sich hier unter Verwendung Bild 2. Diagramm nach [2]
des Hilfsparameters j aus Bild 2 zu: Fig. 2. Diagram of [2]

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mit dem Daumen in den Ton drückt, sofort und vollstän-


dig zurückbilden, wenn man den Daumen zurückzieht;
die Tiefe der Delle wäre allein von der eingeprägten Kraft
abhängig. Es ist allgemein bekannt, daß die Delle bleibt
und mit geringerer Zusatzkraft vertieft werden kann. Der
weiche Ton plastifiziert. Bei größeren seitlichen Verschie-
bungen, wie sie beim Knicken auftreten können, ist es da-
her erforderlich, das Bodenverhalten präziser zu beschrei-
ben.
Es gibt eine Vielzahl von Veröffentlichungen, welche
im Themenkomplex der horizontal belasteten und seitlich
ausweichenden Pfahlgründung modellhaft die Interaktion
zwischen Boden und Pfahl beschreiben. Die häufigsten
Beschreibungen können dem Bild 4 entnommen werden.
Bild 3. Der mit elastischen Federn gestützte Pfahl Mit Hilfe der Plastizitätstherorie können aus analyti-
Fig. 3. Pile, laterally supported by linear elastic springs schen Betrachtungen zwischen der Scherfestigkeit des Bo-
dens und der Kraft, welche ein umfließender Boden auf ei-
nen Pfahlabschnitt ausübt, Grenzwerte berechnet werden.
Scherfestigkeit kann nicht abgesichert werden, wie Oster- Je nachdem, ob das Pfahlstück ganz von Boden umschlos-
mayer [4] anhand von Flügelsondierungen bei der Bau- sen ist oder sich ein Spalt an der Rückseite des Pfahls be-
grube Karstadt in Rosenheim zeigt. Im Feld besteht kein findet, in den sich der an der Vorderseite verdrängte Bo-
unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Wassergehalt den hineinbewegen kann, berechnet z. B. Randolph [5]
eines Bodens und dessen undränierter Scherfestigkeit. den maximalen Bodenwiderstand pf [kN/m] in einer
Spanne von:
Fortführung des Beispiels:
Es soll nun die Knicklast für einen seitlich gestützten Pfahl – 7 · cu · d £ pf £ 11 · cu · d
jetzt mit einer Länge von 4 m – berechnet werden. Die Stüt-
zung aus dem umgebenden Boden wird dabei mittels elasti- In weichen oder breiigen bindigen Böden ist die Beschrei-
scher Bettung beschrieben. Der Pfahl durchörtert eine bung des seitlichen Bodenwiderstandes mit Hilfe eines
Weichschicht aus jungem Seeton der Scherfestigkeit Bettungsmoduls nicht ohne weiteres möglich und sinnvoll –
cu = 15 kN/m2. Auf der sicheren Seite liegend, werden an erst recht nicht mit einem zeitunabhängig konstanten
den Schichtgrenzen der 4 m mächtigen Weichschicht gelen- Wert dieses Moduls. Diese Böden lassen sich nicht durch
kige Auflagerungen angenommen und als Linienbettungs- elastisches Materialverhalten beschreiben und verhalten
modul k = 70 · cu = 1050 kN/m angesetzt.
Der Hilfsausdruck zur Benutzung des Diagramms
nach Pflüger [5] (Bild 2) berechnet sich zu:

L4 ◊ k l 4 4 ◊ 1050
= = 49
Ep ◊ Ip 111

Daraus kann im Bild 2 die maßgebende Welligkeit n = 2


abgelesen werden. Mit dem Hilfswert j, welcher sich zu 10
ergibt, errechnet sich die Knicklast nach Engesser.

p2 ◊ E p ◊ I p p 2 ◊ 111
N ki = j ◊ = 10 ◊ = 690 kN
L2 42

Dies bedeutet, daß sowohl bei Verwendung eines St 37-2


als auch eines St 52-3 das Knickversagen trotz der in den
Normen angegebenen Grenzen von cu = 15 kN/m2 maß-
gebend wird.

2 Der gebettete Pfahl mit elastisch-plastischer Boden-


stützung

Es ist zu beachten, daß der rein elastische Ansatz nach En-


gesser das Kraft-Verformungsverhalten eines Bodens, im
hier dargestellten Beispiel des Seetons, nicht zutreffend
wiedergeben kann. Jeder weiß, daß ein weicher Ton, wie er Bild 4. Seitliche Bodenreaktionskraft p [kN/m] in Abhän-
oben beschrieben wurde, sich leicht kneten läßt. Würde gigkeit einer horizontalen Verschiebung der Pfahlachse w
der elastische Bettungsansatz das Verformungsverhalten Fig. 4. Lateral soil reaction p [kN/m] vs. a horizontal de-
richtig beschreiben, dann würde sich eine Delle, die man flection of the pile axis w

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sich ausgeprägt viskos und plastisch. Dies hat die wesent- Tabelle 1. Modellpfähle
liche Folge, daß der seitliche Bodenwiderstand mit zuneh- Table 1. Model piles
mender Pfahlverschiebung nur begrenzt zunimmt und
über das Maß des Fließdrucks nicht wachsen kann. Aus Modellpfahl A Modellpfahl B
diesem Grunde überschätzen alle Rechenmodelle, die auf Biegesteifigkeit
eine elastische Beschreibung der Bodenreaktion zurück- Ep · Ip [kNm2] 1,071 0,567
greifen – wie etwa die einfachen Formeln nach Engesser – vollplastische Normalkraft
die tatsächlichen Knicklasten. Np [kN] 48,3 29,9

3 Aktuelle Normensituation vollplastisches Moment


Mp [kNm] 0,315 0,172

Bei Pfählen mit größeren Durchmessern kann erfah- Verzweigungslast des unge-
rungsgemäß bei üblichen Situationen ein Stabilitätsver- stützten Pfahls Nki [kN] 16,52 8,74
sagen selbst in breiigen Böden mit sehr geringen Festig-
keiten ausgeschlossen werden. Die EN 1997-1 (Abschnitt
7.8) trifft die Aussage, daß in der Regel kein Knicknach- scher Ton mit einer Ausrollgrenze von wp = 28 % und einer
weis zu fordern ist, wenn Pfähle (Anmerkung: an dieser Fließgrenze von wl = 55 % klassifiziert.
Stelle wird abweichend von der als nächstes in derselben Der Boden wurde mit Hilfe von Auflasten konsoli-
Norm zitierten Stelle nicht von schlanken Pfählen ge- diert, bis die gewünschte Festigkeit erreicht war. Anschlie-
sprochen) von Böden mit einer repräsentativen Scherfe- ßend wurde der Pfahl mit einer hydraulischen Presse bis
stigkeit im undränierten Zustand von cu > 10 kN/m2 um- zum Versagen belastet. Dabei wurden die Pfahlnormal-
schlossen sind. Sie fordert jedoch, daß schlanke Pfähle, kräfte am Pfahlkopf mit einer Kraftmeßdose erfaßt. Die
die teilweise im Wasser oder in sehr weichen Sedimenten während der stufenweisen Lastaufbringung auftretenden
größerer Mächtigkeit stehen, auf Knicken untersucht radialen und axialen Verformungen wurden mittels
werden müssen. Die DIN 1054 (Abschnitt 8.5.1-2) for- Meßeinrichtungen beobachtet: Axial am Pfahlkopf ange-
dert einen Knicknachweis, wenn Pfähle Böden mit cu < ordnet, registrierte ein potentiometrischer Wegaufnehmer
15 kN/m2 durchörtern. Für Pfähle mit Durchmessern die vertikalen Verschiebungen. Kugelgelenke am Pfahlkopf
unter 30 cm geben die DIN 4128 (Abschnitt 9.3) sowie und Fuß ermöglichten bei Rohren oder runden Vollstäben
die bauaufsichtlichen Zulassungen des DIBt für verschie- ein Ausknicken in jede Richtung. Zur Ermittlung der hori-
dene Pfahlsysteme eine Grenze der undränierten Scher- zontalen Verschiebung des Pfahls gegen den Boden waren
festigkeit von 10 kN/m2 an, unterhalb der ein Stabilitäts- in Pfahlmitte drei unter 120 ° versetzte Wegaufnehmer an-
nachweis nach DIN 18800 Teil 2 notwendig wird. Die ge- geordnet, die an vorgespannten Meßdrähten, welche in das
nannten Grenzen wurden in mehreren Aufsätzen und Innere des Versuchsbehälters führten, montiert waren.
mit Hilfe von Vergleichsrechnungen infrage gestellt Bild 5 zeigt eine Erhöhung der erreichten Traglasten
(etwa: Brandtzaeg und Harboe [6], Wenz [2], Meek [3]). Nu gegenüber der Euler-Last Nki, sobald stützendes Bo-
Über die Art, mit welcher Beschreibung der Bodenreak- denmaterial den Pfahl umgibt. Auf der Ordinate ist die ge-
tion eine seitliche Stützung zu modellieren und in einem messene maximale Pfahlnormalkraft und auf der Abszisse
Nachweis zu verwenden ist, treffen die normentechni- die undränierte Scherfestigkeit cu des umgebenden Bo-
schen Regelungen keine Aussage.

4 Versuche
4.1 Kleinmaßstäbliche Versuche

In zwei Stufen – zunächst mit kleinmaßstäblichen, später


mit großmaßstäblichen Versuchen – wurde das Knicken
von Pfählen in sehr weichen Böden experimentell unter-
sucht. Die kleine Prüfanlage besteht aus einem 80 cm lan-
gen Rohr, welches einen Innendurchmesser von etwa
200 mm besitzt. Darin wird ein modellhafter Pfahl zen-
trisch angeordnet. Die Querschnittswerte (Rohrquer-
schnitt) der beiden verwendeten Modellpfähle A bzw. B und
die jeweiligen Knicklasten für den beiderseits gelenkig gela-
gerten und ungestützten Pfahl sind aus Tabelle 1 abzulesen.
Als rechnerische Streckgrenze des Stahls wurden eine
Spannung von 500 N/mm2 angesetzt und in zwei Zugversu-
chen nach DIN 10002 Dehngrenzen Rp0,2 von 542 N/mm2
(Modellpfahl A) und 621 N/mm2 (Modellpfahl B) gemes-
sen. Bis auf einen Belastungsversuch wurden alle Pfähle
ohne planmäßige Vorverformung eingebaut. Der Ringraum
wurde mit einem in seinen Eigenschaften homogenen flüs- undränierte Scherfestigkeit cu [kN/m2]
sigen Ton (Kaolin aus der Porzellanindustrie) verfüllt. Der Bild 5. Gemessene Traglasten der modellhaften Pfähle
verwendete Versuchsboden wurde als ausgeprägt plasti- Fig. 5. Test results for the bearing capacity of the small piles

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dens angetragen. Die undränierte Scherfestigkeit wurde Häufigkeit [–]


jeweils vor den Versuchen als Mittelwert des maximalen
Scherwiderstands nach DIN 4094-4 aus mehreren Einzel-
messungen mit einer Handdrehflügelsonde gewonnen.
Zusätzlich wurden nach Versuchsende und Ausbau des
Pfahls Bodenproben entnommen und Versuche mit einer
elektronischen Labordrehflügelsonde durchgeführt.

4.2 Feldversuch

Im Rahmen einer Nachgründung eines landwirtschaftli-


chen Anwesens, welches deutliche Schäden aus Setzungen
im Dezimeterbereich aufwies, war es in Zusammenarbeit
mit der Fa. Keller Grundbau GmbH möglich, einen Bela-
stungsversuch zur Überprüfung des Knickverhaltens an
einem Versuchspfahl durchzuführen und meßtechnisch
umfangreich zu begleiten. Als Versuchspfahl wurde ein
Gewi-Pfahl ∆ 32 mm verwendet. Die benötigten Reak- Scherfestigkeit [kN/m2]
tionskräfte wurden über Joche zu vier Zugpfählen geführt
und in den Untergrund eingeleitet. Bild 7. Auswertung der gemessenen Scherfestigkeiten
Der Untergrund ist im Bereich des Versuchsfelds gut Fig. 7. Distribution of the results of vane tests
dokumentiert. Dazu standen Aufschlüsse durch Bohrun-
gen und Rammsondierungen zur Verfügung. Wie in Bild 6 ximale Scherwiderstände mobilisieren können, jedoch ge-
zu sehen ist, stehen unter Auffüllungen weiche organische genüber einer kompressiblen Bewegung wenig Widerstand
Böden an. Die Schlagzahlen der Rammsondierungen geben. Daher ist es möglich, daß durch das Messen der
(DPL) steigen ab einer Tiefe von 4 m stark an, was der in Scherfestigkeiten mittels einer Drehflügelsonde die tat-
den Bohrungen erkannten Schichtgrenze zum quartären sächliche Bodenreaktion gegenüber einer seitlichen Ver-
Kies entspricht. schiebung (horizontale Bettung) überschätzt wird.
Die mit einer Taschendrehflügelsonde gemessenen Mit einem Bohrgestänge, bestehend aus Rohrschüs-
Scherwiderstände im Boden streuten sehr stark. Es wur- sen, welche einen Innendurchmesser von 88 mm und eine
den in einem neben dem Versuchsfeld liegenden Schurf in Wanddicke von 9 mm besaßen, wurde ein 12 m tiefes
einem Bereich von 1,4 m bis 2,4 m unter Geländeober- Bohrloch hergestellt. Der Bohrkopf (Räumer) hatte einen
fläche ca. 200 Drehflügelsondierungen durchgeführt und Durchmesser von 140 mm. Die Bohrung erfolgte mit Hilfe
statistisch ausgewertet. Die Ergebnisse der statistischen einer Innenspülung durch Zementsuspension, wobei über-
Auswertung werden in Bild 7 gezeigt. wiegend eine Verdrängung ohne Förderung von Bohrgut
Da der vorliegende weiche Boden eine gewisse Struk- auftrat. Nach dem Ziehen des Bohrgestänges wurde das
turfestigkeit aufwies und die faserigen organischen Be- Bohrloch durch die Zementsuspension gestützt. Zunächst
standteile die Scherfestigkeit stark beeinflussen, soll ange- wurde ein 4-m-Stück des GEWI-Tragglieds ∆ 32 mm (BSt
merkt werden, daß derartige Böden zwar relativ hohe ma- 500 S), durch Abstandshalter zentrisch gesichert, eingeho-

Bild 6. Untergrund mit Probepfahl und Schlagzahlen einer Rammsondierung (DPL)


Fig. 6. Subsoil with the test pile and numbers of blows of a dynamic probe (DPL)

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ben, danach das mit den Meßaufnehmern bestückte, 8 m nungsmeßstreifen war erfolgreich. Damit konnte festge-
lange Stabstück. Diese wurden mit Muffen miteinander stellt werden, daß das Versagen des GEWI-Pfahls eindeutig
verbunden. Sieben Tage nach der Pfahlherstellung wurde aufgrund eines Stabilitätsversagens auftrat. Obwohl die ge-
der Pfahl bis zum Versagen belastet. messenen Scherfestigkeiten von deutlich über 15 kN/m2
Gemessen wurden die Belastungskräfte, die Setzung kein Knickversagen erwarten ließen, wurde die vollplasti-
des Pfahlkopfs und mit Hilfe von Dehnungsmeßstreifen sche Normalkraft bei weitem nicht erreicht. In diesem Zu-
am Stahltragglied das seitliche Ausweichen des Pfahls. sammenhang wurde die Teileinspannung am Pfahlkopf,
Eine schematische Übersicht bietet Bild 6. Die Ermittlung welche die Knickfigur beeinflußt und eventuell eine Er-
der seitlichen Verformungen des Pfahls im Boden erfolgte höhung der Knicklast bewirkte, nicht berücksichtigt.
mit Hilfe von Dehnungsmeßstreifen. Die verschalteten
DMS ändern proportional zu ihrer Längenänderung ihren 4.3 Großversuche in der Versuchshalle
ohmschen Widerstand. Appliziert wurden Vollbrücken
mit jeweils vier Meßgittern für jeweils eine Ebene der Ver- In derVersuchsgrube der Halle des Zentrum Geotechnik der
formung. Um eine Auslenkung des Pfahls in jede Richtung TU München wurde für großmaßstäbliche Untersuchungen
erfassen zu können, bilden jeweils zwei Vollbrücken, wel- des Knickens ein weiterer Versuchsstand erstellt. Darin ist es
che in einem 90°-Winkel zueinander stehen, eine Meß- möglich, 4 m lange Pfähle einer Probebelastung zu unterzie-
ebene. Dadurch sind die Erfassung der Biegedehnungen hen. Dazu wurden zwei Behälter, bestehend aus Beton-
an den diskreten Meßebenen in einer Tiefe von –1 m, –2 m schachtringen, aufgebaut. Die Behälter stehen auf einem bis
und –3 m und eine Rückrechnung auf die Krümmung des zur Grubensohle reichenden starren Fundament. Mit einer
Tragglieds sowie der Biegelinie möglich. frei verschiebbaren Belastungsbrücke kann eine hydrauli-
Die Pressenkraft wurde von einem Vorlastniveau von sche Presse über dem Pfahlkopf positioniert werden.
etwa 5 kN zunächst in drei Schritten auf die Gebrauchslast Wie bei den kleinmaßstäblichen Versuchen wurde
Nd = 235 kN erhöht. Damit die plastischen Verformungen, der Versuchsboden in flüssiger Konsistenz aufbereitet. Das
welche aus der Gebrauchslast von 235 kN herrühren, zu Mischen und Einpumpen des für die Füllung eines Behäl-
ermitteln sind, wurde fünf Minuten lang die Pressenkraft ters erforderlichen Bodenmaterials (4 m3) geschah mit ei-
auf das Niveau der Vorlast gesenkt. Danach wurde die ner leistungsstarken Injektionsanlage. Der Behälter wurde
Kraft erneut auf 235 kN erhöht. Es war geplant, den Pfahl so gefüllt, daß eine mit der Konsolidation verbundene Set-
in weiteren Laststufen von je zusätzlich 50 kN bis zum Ver- zung möglich ist. Um, ausgehend von einem flüssigen Bo-
sagen zu belasten. Aber schon bei einer Last von 273 kN den mit einem Wassergehalt von 80 %, eine undränierte
trat schlagartig das Versagen des Pfahls ein. Drei aus den Scherfestigkeit von etwa 15 kN/m2 zu erreichen, war eine
Signalen der Dehnungsmeßstreifen konstruierte Krüm- Setzung von über 1 m einzuplanen. Die Konsolidation des
mungsverläufe sind im Bild 8 über die Tiefe angetragen. schwach durchlässigen Tonbodens wurde durch eine Auf-
Das seitliche Ausweichen im oberen Drittel der Weich- last und mit Hilfe von elektroosmotischen Effekten geför-
schicht ist deutlich zu erkennen. Dabei war das Versagen dert. Die Entwässerung erfolgte über an der Innenseite
überaus schlagartig und kündigte sich zuvor nicht durch der Schachtringe befestigte geotextile Vertikaldräns. In
ein überproportionales Ansteigen der Verformungen an. diesen Dränstreifen und in Behältermitte befanden sich
Der Nachweis eines Ausknickens des Kleinbohrpfahls Elektroden aus kleinen Stahlstangen. Wird eine elektri-
mittels Dehnungsmessungen durch elektronische Deh- sche Spannung so angelegt, daß sich ein elektrisches Po-

Bild 8. Konstruierte Krümmungsverläufe aus den Signalen


der Dehnungsmeßstreifen Bild 9. Belastungsversuch eines ungestützten Verbundpfahls
Fig. 8. Bending curves calculated from measurement data (Pfahltyp I)
(strain gauges) Fig. 9. Load test on a unsupported pile (Pile type I)

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lasten Nu streuten mit 55 kN, 22 kN und 19 kN stark und


erreichten die Verzweigungslast von 94,2 kN nach Euler
unter Ansatz eines voll wirksamen Verbundes zwischen
Beton und Stahl bei weitem nicht. Eine Untersuchung mit
den aus der Kraft- und Verformungsmessung gewonnenen
Meßdaten zeigte, daß bereits weit vor dem Erreichen der
Traglast die Dehnungen am rechten und linken Quer-
schnittsrand betragsmäßig gleich groß waren. Damit herrsch-
ten über den halben Querschnitt Zugspannungen. Bei
Überschreiten der Zugfestigkeit reißt der Beton auf, und
die Biegesteifigkeit verringert sich. Durch die kaum vor-
hersehbare Rißentwicklung und das daraus folgende
nichtlineare Verhalten ist eine sichere Prognose der
Knicklast stark erschwert. Dadurch ist es kaum möglich,
im Falle von gebetteten Pfählen eine gesicherte Aussage
über die Art und Höhe der Bodenstützung, welche selbst
Bild 10. Versuchsbehälter während der Konsolidationsphase
ein nichtlineares Verhalten zeigt, zu treffen. Diese Tatsa-
und während der Probebelastung; Schemaskizze der meß-
chen hatten auf die weitere Forschungsarbeit folgende
technischen Instrumentierung
Fig. 10. Container during consolidation and load test; view Auswirkung:
of the instrumentation – Beschaffung eines Pfahls (Pfahltyp II), dessen Werkstoff
gleichermaßen Zug- und Druckspannungen abtragen
kann, über weite Dehnungen elastisch reagiert und im un-
tential zwischen Schachtmitte und Schachtrand im Boden gestützten Zustand die Verzweigungslast nach Euler re-
ausbildet, so entwässert der Boden zur Kathode hin. Die produziert. Dabei sollte die maßgebende Breite der Kon-
Anode trocknet aus. Durch entsprechendes mehrmaliges taktfläche zwischen Boden und Pfahl mit 100 mm unver-
Umpolen kann dem Boden gezielt Wasser entzogen wer- ändert bleiben.
den, ohne dabei im Behälter radial wesentliche Änderun- – bei weiteren Versuchen mit dem Pfahltyp I: planmäßig
gen im Wassergehalt und damit der undränierten Scher- erzeugte Rißbildung im Zementstein, um das Mittragen
festigkeit zu erzeugen. des Zementsteinkörpers auf Zug auszuschließen.
Die meßtechnische Erfassung der horizontalen Pfahl- In Tabelle 2 sind die Querschnittswerte und charakte-
verschiebungen erfolgte ähnlich dem kleinmaßstäblichen ristische Rechenwerte des Pfahltyps I (Verbundpfahl
Versuch mit vorgespannten Meßdrähten, welche aus dem GEWI 28) und Pfahltyps II (Aluminiumprofil) eingetragen.
Behälter führen und mit Wegaufnehmern verbunden sind. Auch in den großmaßstäblichen Belastungsversu-
Die Pfahlauflager oben und unten wurden so konstruiert, chen wurde erwartungsgemäß gegenüber den Probebela-
daß eine freie Drehbarkeit in alle Richtungen möglich ist. stungen am seitlich ungestützten Pfahl eine deutliche Stei-
In ersten Probebelastungen wurde ein Verbundpfahl gerung der maximal aufnehmbaren Pfahlnormalkraft Nu
(Pfahltyp I) mit einem GEWI ∆ 28 mm Tragglied (BSt 500 S) festgestellt, sobald Boden den Pfahl umgab und stützte.
ohne seitliche Bodenstützung untersucht. Die Probe- Die maximal erreichte Traglast Nu stieg, wie im Bild 11 zu
pfähle wurden derart hergestellt, daß das Tragglied zen- sehen ist, mit höheren Bodenfestigkeiten – charakterisiert
trisch mit Hilfe von Abstandshaltern in ein PVC-Rohr ein- durch die undränierte Scherfestigkeit cu – an. Grundlage
gestellt und der Ringraum mit einem fließfähigen Beton der Berechnung des Momentes M, das in Bild 11 darge-
C20/25 (Größtkorn 4 mm) verfüllt wurde. Nach dem Ab- stellt ist, ist die Multiplikation der maximal erreichten
binden des Zementsteins wurde die Schalung entfernt. Normalkraft im Pfahl Nu mit dem maximalen Stich der
Insgesamt wurden drei derartig hergestellte Verbund- Biegelinie gegenüber der geraden Pfahlachse. Dabei wird
pfähle ohne Bodenstützung belastet. Die erreichten Trag- zunächst eine sinusförmige Imperfektion mit dem Maxi-

Tabelle 2. Pfahltypen der großmaßstablichen Belastungsversuche


Table 2. Piles used for the large scale tests

Pfahltyp I Pfahltyp II
Beschreibung Verbundquerschnitt GEWI ∆ 28 mm Aluminiumprofil
Zementstein C20/25 ∆ 100 mm Al Mg Si 0,5
b = 100 mm
voller halbseitig nur
Modellierung des Verbundes —
Verbund gerissen Tragglied
Biegesteifigkeit Ep · Ip [kNm2] 152,7 054,7 006,3 0 37,3
vollplastische Normalkraft Np [kN] 415,8 415,8 309,7 600,0
vollplastisches Moment Mp [kNm] 002,0 002,0 001,6 005,8
Verzweigungslast des ungestützten Pfahls Nki [kN] 094,2 033,7 003,9 023,0

Bautechnik 82 (2005), Heft 12 895


N. Vogt/St. Vogt/Chr. Kellner · Knicken von schlanken Pfählen in weichen Böden

Bild 11. Schnittgrößen kurz vor dem Pfahlversagen, ohne eine Berücksichtigung der haltenden Momente aus der Bodenstützung
Fig. 11. Internal forces shortly before failure occured, without taking into account the stabilizing moments due to the soil reaction

malwert in der Pfahlmitte von w0,M angenommen. Die Im- gezeigt. Es ist deutlich zu erkennen, daß sich die Biegeform
perfektion wird zur maximalen Verschiebung kurz vor zwischen der Laststufe 2 (N = 90 kN) und 3 (N = 125 kN)
dem Erreichen der Traglast Nu, welche aus den Meßsigna- änderte. Die größte seitliche Auslenkung des Pfahls kurz
len der seitlichen Wegaufnehmer berechnet wurde, ad- vor dem Versagen lag mit weniger als 1,5 mm im Bereich
diert. Berechnet man so die Schnittgrößen im Pfahl kurz des mittleren Wegaufnehmers (Kote –2,0 m). Beim Versa-
vor dem Erreichen der Traglast, so zeigt sich trotz der Ver- gen selbst wuchsen die Verformungen überwiegend im Be-
nachlässigung der rückdrehenden Momente aus der Bo- reich des oberen Wegaufnehmers stark an.
denstützung deutlich, daß das Versagen des Pfahltyps II Die maßgebende und zum Pfahlversagen führende
eindeutig aufgrund eines Stabilitätsproblems und nicht seitliche Auslenkung war bei allen Versuchen in der obe-
durch ein Überschreiten der Materialfestigkeit im Pfahl ren Pfahlhälfte zu finden. Vor dem Versagen zeigen die
verursacht wurde. Die registrierten Schnittgrößen liegen großmaßstäblichen Versuche ein sehr steifes Verhalten mit
weit von der Interaktionskurve entfernt. Die nach dem kleinen Verformungen. Damit kann vermutet werden, daß
Versuch aus den Bodenbehältern gezogenen Aluminium- der Mobilisierungsweg zum Erreichen der maximalen Bo-
profile (Pfahltyp II), welche vollkommen unbeschädigt denreaktion pf (Fließdruck) sehr klein und damit die Stei-
blieben, beweisen diese Tatsache eindeutig. Für den Pfahl- figkeit der Linienfeder in einer bilinearen Beschreibung
typ I können aufgrund der oben beschriebenen Problema- zunächst sehr hoch ist.
tik nicht immer gesicherten Aussagen über die Art des Ver-
sagens getroffen werden. Allerdings kann beim Versuch
mit einer Bodenstützung, deren repräsentativer Mittelwert
der undränierten Scherfestigkeit cu = 18,8 kN/m2 erreicht,
ein Versagen aufgrund der Überschreitung der Materialfe-
stigkeit ausgeschlossen werden.
Die Biegeform, welche in den Belastungsversuchen
der kleinmaßstäblichen Pfähle beobachtet wurde, war stets
eine Halbwelle über die gesamte Pfahllänge von 80 cm.
Diese Form trat bei den Großversuchen nur im Fall der un-
gestützten Probebelastungen auf. Sobald Boden den 4 m
langen Pfahl umgab, änderten sich die Biegelinien. Exakte
doppelte, dreifache oder vierfache Halbwellen, die sich
über die gesamte Pfahllänge zwischen dem oberen und un-
teren Pfahlgelenk erstrecken, und wie sie als Verformungs-
figuren bei allen Rechenverfahren angenommen werden,
traten nicht auf. Vielmehr verformte sich der Pfahl frei und
scheinbar beliebig. Zudem wurde beobachtet, daß sich so-
wohl die Form der Biegelinie als auch die Verschiebungs-
rate über die Pfahltiefe mit der Pfahlnormalkraft stets än-
derte. Eine deutliche Änderung der Biegeform wurde bei Bild 12. Biegelinien bis zum Versagen (Pfahltyp II,
jeder durchgeführten Probebelastung mindestens einmal cu = 18,7 kN/m2 – Nu = 220 kN)
festgestellt. Beispielhaft hierzu seien Biegelinien des Pfahl- Fig. 12. Bending curves until failure (Pile type II,
typs II bei verschiedenen Pfahlnormalkräften in Bild 12 cu = 18,7 kN/m2 – Nu = 220 kN)

896 Bautechnik 82 (2005), Heft 12


N. Vogt/St. Vogt/Chr. Kellner · Knicken von schlanken Pfählen in weichen Böden

Vor allem hatte das viskose Materialverhalten des wki gibt die Verformung an, bei der der Boden um den Pfahl
bindigen Versuchsbodens Einfluß auf die Traglasten: So herum zu fließen beginnt (siehe Bild 4). Aus der Bedingung
konnte festgestellt werden, daß das Versagen der Pfähle SM = 0 am gelenkigen Kopfpunkt des Druckstabs ergibt sich:
bei allen großen Belastungsversuchen nicht während ei-
Ê L ˆ
ner Laststeigerung erfolgte, sondern scheinbar spontan MM = N ◊ Á w N,M + Hw ˜ - P ◊ z p
während des Konstanthaltens der Pfahlnormalkraft auf ei- Ë imp ¯
ner Laststufe. Das Versagen kündigte sich während der Dabei ist die Resultierende P der stützenden Bodenkräfte
Versuchsdurchführung nicht an, und die Verformungen in Abhängigkeit der Verschiebung wN,M zu ermitteln.
vergrößerten sich beim Versagen schlagartig. Durch die Bestimmung der Resultierenden P und des He-
belarms zp mit Hilfe der Integration von p(z) ergeben sich
5 Rechenverfahren zur Bestimmung der maßgebenden folgende Zusammenhänge:
Traglast
pM = k l ◊ w N,M für wN,M £ wki
Da sich die Länge der maßgebenden Halbwelle einer Knick-
pM = k l ◊ w ki für wN,M > wki
figur LHw für die meisten Verhältnisse frei von den Festhalte-
bedingungen am oberen bzw. unteren Ende der Weich- L Hw
P = k l ◊ w N,M ◊ für wN,M £ wki
schicht ausbilden kann, wird in der Berechnung von einem p
unendlich langen Pfahl ausgegangen. Für die Berechnung L
der Verzweigungslast des Systems Pfahl – Boden wird das in P = k l ◊ w ki ◊ Hw für wN,M > wki
p
Bild 13 gezeigte Ersatzsystem der Länge LHw gewählt.
L Hw
zp =
p
Damit ergibt sich das Moment MM in der Mitte der Halb-
welle LHw zu:

Ê L ˆ 1
MM = N ◊ Á w N,M + Hw ˜ - 2 ◊ pM ◊ L2Hw (1)
Ë imp ¯ p
Trifft man die Annahme, daß der Pfahlwerkstoff elastisch
bleibt, so gilt
MM = -E p ◊ I p ◊ w N,M¢¢ ,
und mit der durch die Beanspruchung des Stabs bedingten
Krümmung in Stabmitte ergibt sich (der vorverformte
Stab hat nach dieser Definition keine Krümmung!) das
Biegemoment nach Gl. (2). Dabei beträgt die Krümmung
in Stabmitte (sinusförmiger Verlauf):
p2
w N,M¢¢ = w N,M ◊
L2Hw

p2
Bild 13. Ersatzsystem MM = E p ◊ I p ◊ ◊ w N,M (2)
Fig. 13. Static system L2Hw
Das Moment MM ist damit für eine gegebene Biegelinie
Die Vorverformung w0(z) wird sinusförmig mit einer bekannt. Durch Gleichsetzen der Gln. (1) und (2) kann
maximalen Amplitude von w0,M = LHw/imp angenommen. folgende Gleichung aufgestellt werden:
Die Biegelinie wN(z) infolge der Normalkraft N und der
Verlauf der Bodenstützung p(z) werden ebenfalls sinusför- p2 Ê L ˆ
w N,M ◊ ◊ E p ◊ I p = N ◊ Á w N,M + Hw ˜ -
mig angesetzt. Dabei ist wN,M die maximale Verschiebung 2
L Hw Ë imp ¯
und pM die Bodenreaktion in der Mitte des Ersatzsystems.
1
Es gilt: - ◊ pM ◊ L2Hw
p2
Ê p ˆ Löst man diese Beziehung nach N auf, so läßt sich in Ab-
w N (z) = w N,M ◊ sinÁ ◊ z˜ hängigkeit von der Verschiebung wN,M die Pfahlnormal-
Ë L Hw ¯
kraft N errechnen, die den ausgelenkten Stab im Gleich-
und gewicht hält. Diese Gleichgewichtszustände sind für ver-
schiedene Imperfektionen skizzenhaft in Bild 14 gezeigt.
Ê p ˆ
p(z) = k l ◊ w N,M ◊ sinÁ ◊ z˜ für w N,M £ w ki
Ë L Hw ¯ p2 1
w N,M ◊ ◊ E p ◊ I p + 2 ◊ pm ◊ L2Hw
L2Hw p
Ê p ˆ N = (3)
p(z) = k l ◊ w ki ◊ sinÁ ◊ z˜ für w N,M > w ki L
Ë L Hw ¯ w N,M + Hw
imp

Bautechnik 82 (2005), Heft 12 897


N. Vogt/St. Vogt/Chr. Kellner · Knicken von schlanken Pfählen in weichen Böden

Zur Beschreibung der Interaktionskurve der maximal


gleichzeitig wirkenden Schnittgrößen N und M zum Errei-
chen einer Plastifizierung des Querschnitts eignet sich für
den Pfahl die folgende Formel nach DIN 18800:
È Ê N ˆ ˘
a

M = M pl Í
◊ 1-Á ˙
˜
Í Ë N pl ¯ ˙
Î ˚
Der Wert a ist ein von der Geometrie des Pfahlquer-
schnitts abhängiger Formbeiwert und berechnet sich aus
dem Verhältnis des plastischen zum elastischen Wider-
standsmoments. Um nun zu prüfen, ob beim Erreichen
der Verzweigungslast Nki die Interaktion der maximal
Bild 14. Gleichgewichtszustände nach Theorie 2. Ordnung
Fig. 14. States of equilibrium (second order theory) möglichen Schnittgrößen erreicht ist, muß das Moment
MM, welches infolge einer Normalkraft in der Mitte der
Halbwelle LHw wirkt, nach Gl. (2) ermittelt werden. Wird
Beim nicht vorverformten, nur durch eine Normalkraft N das Moment MM dem maximal möglichen Moment aus
beanspruchten elastisch gebetteten Stab entstehen bis zum der Interaktionsbeziehung gleichgesetzt, so wird die Ver-
Erreichen der Verzweigungslast Nki keine horizontalen Ver- schiebung wN,M zu wM,p, bei welcher die Interaktions-
formungen w und auch keine Biegemomente M. Wird der kurve der vollplastischen Schnittgrößen erreicht wird:
Druckstab seitlich ausgelenkt, so kommt er anschließend in
seine unverformte Ausgangslage zurück. Bei Erreichen der È Ê N ˆ ˘
a
M pl ◊ L2Hw
Í ˙
Verzweigungslast ist jede beliebige Auslenkung möglich w M, pl = 2 ◊ 1-Á ˜ (5)
und führt zu einem indifferenten Gleichgewicht. Dabei ist p ◊ Ep ◊ Ip Í Ë N pl ¯ ˙
Î ˚
es erforderlich, daß zunehmende Verformungen zu zusätzli-
chen Kräften aus der Bodenstützung führen. Sobald jedoch Damit die Verzweigungslast Nki die Traglast des Pfahls Nu
bei zunehmenden Verformungen die Bettungsreaktion p(z) bestimmt, muß stets gelten:
nicht mehr linear ansteigt, wird ein labiler Zustand erreicht.
Der Weg zur Mobilisierung der maximalen Bodenreaktion wki £ wM,p,ki (6)
wki ist hierzu entscheidend, vor allem, wenn in erster Nähe-
rung von einer bilinearen Mobilisierungsfunktion ausgegan- Dabei ist wM,p,ki nach Gl. (7)
gen wird. Gleiches gilt auch für vorverformte gebettete
È Ê N ki ˆ ˘
a
Stäbe. Sobald die Auslenkung des Stabs die Größe erreicht, M pl ◊ L2Hw Í ˙
w M, pl, ki = 2 ◊ 1-Á ˜ (7)
bei der der maximale Bodenwiderstand erreicht wird, kommt p ◊ Ep ◊ Ip Í Ë N pl ¯ ˙
es zu einem labilen Zustand (siehe Bild 14). Die Verzwei- Î ˚
gungslast ergibt sich dann für wN,M = wki zu: zu bestimmen. Andernfalls versagt der Pfahl durch Über-
beanspruchung des Pfahlmaterials.
p2 1 Ist die Ungleichung (6) nicht erfüllt, so kann zur
w ki ◊ ◊ E p ◊ I p + 2 ◊ w ki ◊ k l ◊ L2Hw
L2Hw p Bestimmung der Traglast Nu in der Beziehung (3) wN,M =
N ki = (4)
L wM,p gesetzt und danach nach wM,p aufgelöst werden:
w ki + Hw
imp L Hw
N◊
Betrachtet man den unendlich langen Stab, so muß für die imp
w M, pl = für wM,p £ wki
Bestimmung seiner Verzweigungslast zunächst die maßge- p2 L2
◊ E p ◊ I p + Hw ◊ kl - N
bende Halbwelle der Knickfigur bestimmt werden, für wel- L2Hw p2
che Nki minimal wird. Dies kann mit Hilfe der ersten Ab-
leitung von Gl. (4) nach LHw gelöst werden. Setzt man die Nun kann die obige Beziehung der Formel (5) gleichge-
Ableitung gleich Null und löst die Gleichung mit einer nu- setzt werden. Dadurch wird N = Nu die Traglast des bili-
merischen Nullstellensuche, so ergibt sich die Halbwel- near gebetteten Pfahls, die in diesem Fall nicht durch ein
lenlänge LHw, für welche Nki minimal ist. Stabilitätsversagen, sondern durch Plastifizierung des
In einem nächsten Schritt ist zu prüfen, ob der Pfahl Pfahlmaterials erreicht wird.
aufgrund der begrenzten Materialfestigkeit versagt, bevor L Hw
die Verzweigungslast Nki erreicht wird. Hier ist die Nut- Nu ◊
imp
zung des Interaktionsdiagramms zweckmäßig, in der die
p2 L2
Kombinationen von M und N dargestellt sind, bei welcher ◊ E p ◊ I p + Hw ◊ k l - Nu
das Material des Stabs plastifiziert. Diese Prüfung gelingt L2Hw p2
mit Hilfe der Betrachtung der Stelle mit der auftretenden È Ê Nu ˆ ˘
a
M pl ◊ L2Hw
Í ˙
maximalen Verschiebung wki und dem maximalen Mo- = 2 ◊ 1-Á ˜ (8)
ment, also in der Mitte der Halbwelle. An diesem Punkt p ◊ Ep ◊ Ip Í Ë N pl ¯ ˙
Î ˚
müssen die Schnittgrößen unter der Interaktionskurve
bleiben, damit die Verzweigungslast Nki die maßgebende Diese Beziehung ist zwar nicht geschlossen lösbar, läßt
Traglast des Pfahls darstellt. sich aber leicht durch eine numerische Iteration nach Nu

898 Bautechnik 82 (2005), Heft 12


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Bild 15. Kleinmaßstäbliche Versuche und Nachrechnungen (links Modellpfahl A, rechts Modellpfahl B)
Fig. 15. Comparison of test results (small piles) and calculations (left model pile A, right model pile B)

lösen. Auf der sicheren Seite liegend kann der Exponent a – Versagen nach der Lösung von Euler für den ungestütz-
der Interaktionsbeziehung zu 1,0 gewählt werden. Die Be- ten Pfahl
ziehung vereinfacht sich dadurch stark und läßt sich dann – Versagen nach der Lösung von Engesser für den Pfahl
als quadratische Gleichung schreiben. Diese Gleichung mit elastischer Bettung und sehr großer Fließspannung
kann durch die Bestimmung der Nullstellen zur Ermitt- des Bodens
lung von Nu gelöst werden. – Erreichen eines maximal möglichen stabilen Gleich-
Mit der beschriebenen Modellbildung und dem gezeig- gewichtszustands bei Erreichen der Fließspannung im Bo-
ten Lösungsweg sind im folgenden die Versuchsergebnisse den (Gleichgewichtszustände des verformten Systems mit
der kleinmaßstäblichen wie der Großversuche aufgezeigt größeren Verformungen führen stets zu kleineren Lasten)
und werden mit Rechenergebnissen, welche mit Hilfe ver- – Erreichen der Festigkeit des Pfahlmaterials (z. B. Errei-
schiedener Parametervariationen erzielt wurden, verglichen. chen der Fließgrenze des Stahls)
Die Berechnungen mit einer bilinearen Beschreibung hinreichend genau oder exakt erfaßt. Zudem können die
der Bettungsreaktion können zwar die Traglasten und Ver- Auswirkungen zunehmender Verformungen des Pfahls
formungen (hier nicht gezeigt) nicht genau simulieren, je- nach Theorie 2. Ordnung, ausgehend von einer span-
doch treten extreme Überschätzungen bei Ansatz üblicher nungsfreien Vorverformung (Imperfektion), zutreffend
Bettungsmoduln und Fließspannungen nicht auf. Vor al- berücksichtigt werden.
lem aber sind mit diesem Rechenverfahren alle möglichen Die Unsicherheiten, die diesem Rechenmodell zu-
Versagensursachen, dem grunde liegen, und die durch die Unterschiede zwischen

Bild 16. Großversuche (links Pfahltyp I Ep·Ip = 54,7 kNm2, rechts Pfahltyp II)
Fig. 16. Comparison of test results and calculations (on the left pile I, on the right pile II)

Bautechnik 82 (2005), Heft 12 899


N. Vogt/St. Vogt/Chr. Kellner · Knicken von schlanken Pfählen in weichen Böden

den numerischen Berechnungen und den Versuchsergeb- p2 1


nissen erkennbar sind, müssen durch Teilsicherheitsbei-
w ki ◊ 2
◊ E p ◊ I p + 2 ◊ w ki ◊ k l ◊ L2Hw
L Hw p
werte erfaßt werden. Langfristig könnten durch weitere N ki =
L Hw
Forschung, bei der vor allem auch das viskose Verhalten w ki +
imp
des den Pfahl umgebenden Bodens zu berücksichtigen ist,
noch besser zutreffende Modelle entwickelt werden. p2 1
0,01 ◊ 2
◊ 112 + 2 ◊ 0,01 ◊ 1050 ◊ 1,92
1,9 p
Weiterführung des Beispiels: = = 524 kN
1,9
An dieser Stelle soll das Rechenbeispiel weitergeführt und 0,01 +
600
mit dem in Abschn. 5 gezeigten Modell die Traglast des
seitlich bilinear gestützten Pfahls ermittelt werden. Setzt man voraus, daß nur ganzzahlige Welligkeiten n eines
Zunächst wird die maximale seitliche Bodenreaktion be- Pfahls der Länge L, welcher an den Enden gelenkig gelagert
rechnet. Auf der sicheren Seite liegend läßt sie sich zu ist, auftreten können, so ergibt sich die maßgebende Knick-
halbwellenlänge zu LHw = 2,00 m und damit die Knicklast
pf = 7 · cu · b = 7 · 15 · 0,1 = 10,5 kN/m2
zu Nki = 526 kN. In diesem Beispiel und den meisten Fällen
abschätzen, worin b die Kontaktbreite des Pfahlquerschnitts hat die Wahl der Modellierung des Pfahls – ob mit endli-
zum Boden darstellt. Mit einem Bettungsansatz von cher Länge und haltenden Auflagern oder als unendlich
langer Pfahl, bei welchem sich die Knicklägenhalbwelle frei
k = 70 · cu = 70 · 15 = 1050 kN/m ausbilden kann – kaum Einfluß auf die aufnehmbaren La-
sten. Auf der sicheren Seite liegend wird für die Bemessung
ergibt sich der Weg zur vollen Mobilisierung des seitlichen
der Ansatz eines fiktiven unendlich langen Pfahls empfoh-
Bodenwiderstandes wki zu 10 mm.
len, auch weil die exakte Mächtigkeit einer Weichschicht
Der Stahlpfahl aus St 52-3 besitzt folgende charakte-
nicht zu ermitteln und je nach Pfahl lokal unterschiedlich
ristischen vollplastischen Schnittgrößen:
ist. Zudem ist die Modellierung von diskreten Auflagerbe-
N pl = A ◊ fy, k = 40 ◊ 36,0 = 1440 kN dingungen (gelenkig oder feste Einspannung) an den
Schichtgrenzen der Weichschicht oder dem Anschluß des
1 1 Pfahls an das Bauwerk kaum plausibel.
M pl = ◊ b 2 ◊ h ◊ fy, k = ◊ 40 2 ◊ 100 ◊ 360 = 14,4 kN
4 4 Nachdem die Knicklast des Systems Pfahl–Boden er-
mittelt wurde, ist zu prüfen, ob nicht bereits vor dem Er-
Der Exponent a der vereinfachten Interaktionsbeziehung reichen der Knicklast die Festigkeit des Pfahlwerkstoffs
ergibt sich für Rechteckquerschnitte zu genau 1,5. überschritten wird. Dies gelingt mit Hilfe der Ungleichung
Als nächster Schritt muß für das Berechnungsprinzip (6), welche erfüllt sein muß:
„unendlich langer Pfahl“ die maßgebende Knickhalbwel-
lenlänge LHw berechnet werden. Um eine Vergleichbarkeit wki £ wM,p,ki
der Ergebnisse zu der oben gezeigten Rechnung mit einer Die Verschiebung wM,p,ki wird mit Gl. (7) berechnet:
elastischen Bodenstützung (Engesser) zu wahren, kann al-
ternativ die minimale Knicklast Nki, welche sich aus ver- Ê ÊN ˆ ˆ
a
M pl ◊ L2Hw
schiedenen Welligkeiten n der gesamten Pfahllänge L w M, pl, ki = ◊ Á1 - Á ki ˜ ˜
(LHw = L/n) ergeben, ermittelt werden. Für eine Berech- p2 ◊ E p ◊ I p Á Ë N pl ¯ ˜¯
Ë
nung am unendlich langen Pfahl mit einer Imperfektion 1, 5
von w0,M = LHw / 600 führt die 1. Ableitung nach LHw und 14,4 ◊ 1,92 Ê Ê 524 ˆ ˆ
= ◊ Á 1 - Á ˜ ˜ = 0,0367
eine anschließende Nullstellensuche der Gl. (4) zu einer p 2 ◊ 112 ÁË Ë 1440 ¯ ˜¯
maßgebenden Knickhalbwellenlänge von 1,90 m. Setzt
man diese Länge in Gl. (4), ein so ermittelt sich die Knick- Damit ist die Ungleichung (6) erfüllt, und die Knicklast
last des bilinear gestützten Pfahls zu: Nki bildet die Traglast Nu des Pfahls:

Nu = Nki = 524 kN

Ein Vergleich zeigt, daß die Traglast aus der Berechnung mit
einer elastisch-plastischen Bodenstützung (Nu = 524 kN)
deutlich geringer ist als die Knicklast, welche sich aus einer
rein elastischen Berechnung ergibt (Nki = 690 kN). Jedoch
ist es immer noch sehr viel günstiger, den Pfahl mit einer
elastisch-plastischen Bodenstützung zu modellieren, als
auf der „sicheren“ Seite liegend eine frei stehende Stahl-
stütze zu bemessen: Die Knicklast des ungestützten Pfahls
von Nki = 69 kN würde die Gründung eines Gebäudes mit
einem derartig schlanken Pfahl ausschließen.

6 Fließdruck: Widerstand oder Einwirkung?

Bild 17. Der bilinear (elastisch-plastisch) gestützte Pfahl Alle bisherigen Betrachtungen für eine Bemessung der Inter-
Fig. 17. Bilinear (elastic-plastic) supported pile aktion Pfahl–Boden setzen voraus, daß verbunden mit einer

900 Bautechnik 82 (2005), Heft 12


N. Vogt/St. Vogt/Chr. Kellner · Knicken von schlanken Pfählen in weichen Böden

Relativverschiebung Pfahl–Boden ein stützender Boden- In den Berechnungen können auch Vorverformungen des
widerstand geweckt werden kann. Die stützende Bodenspan- Pfahls und die Festigkeitseigenschaften des Pfahlmaterials
nung kann einen maximalen Fließdruck nicht überschreiten. berücksichtigt werden. Noch nicht enthalten sind die Model-
Für verschiedene Gründungssituationen mit entspre- lierung von Stahlbeton-Verbundquerschnitten im Zustand II
chenden Randbedingungen können Fließdrücke jedoch sowie der Ansatz von mit der Tiefe variierenden Bettungs-
auch belastend – also für den Stabilitätsnachweis von funktionen. Dies kann jedoch durch geeignete FE-Pro-
Pfählen extrem ungünstig – auf die Mantelfläche des gramme entsprechend der gezeigten Zusammenhänge erfol-
Pfahls wirken. Als Beispiel seien neben Gründungssituatio- gen. Es werden Last-Verschiebungskurven errechnet, die
nen in kriechenden Hängen vor allem Wirkungen infolge Gleichgewichtszustände des nichtlinear gebetteten Pfahls
seitlicher Auflasten genannt: Eine neben einer Pfahlgrün- wiedergeben. Sie sind durch zwei Äste gekennzeichnet. Bis
dung aufgebrachte Auffüllung bewirkt in einer darunterlie- zum Erreichen der maximalen Bodenreaktion steigen die
genden Weichschicht horizontale Bewegungen. Als maxi- möglichen Normalkräfte im Pfahl an. Überschreitet die seitli-
male abtreibende Kraft, welche diese Bewegung auf einen che Verschiebung des Pfahls den Weg zur vollen Mobilisie-
Pfahl ausüben kann, ist wiederum ein Fließdruck anzuset- rung des Bodenwiderstandes, so verringern sich die für ein
zen. In diesem Fall wirkt der Fließdruck nicht stabilisie- Gleichgewicht erforderlichen Normalkräfte mit zunehmen-
rend, sondern als zusätzliche Belastung auf den Pfahl. den seitlichen Verschiebungen. Das Gleichgewicht wird in-
Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß bei stabil, und der Knickpunkt zwischen den zwei Ästen mar-
Ansatz der seitlichen Bodenspannung mit stützender Wir- kiert ein Stabilitätsversagen. Zusätzlich wird geprüft, ob be-
kung auch sichergestellt sein muß, daß dieser Widerstand reits vor dem Erreichen dieses Punktes die Materialfestigkeit
auch über die gesamte Nutzungsdauer der Konstruktion des Pfahls durch Biegung und Normalkraft ausgeschöpft
aufrechterhalten wird. wird. Da die genannten Gleichgewichtszustände und die Be-
Zur vertiefenden Betrachtung belastender Fließdrücke anspruchung des Pfahlmaterials von der Halbwelle der
können die Veröffentlichungen des Arbeitskreises „Seiten- Knickfigur abhängig sind, muß diese zusätzlich einer Varia-
druck auf Pfähle“ der DGGT [7] herangezogen werden. tion unterworfen werden. Das beschriebene Rechenschema
wurde in einem Tabellenkalkulationsprogramm übersichtlich
7 Zusammenfassung und Ausblick und leicht zugänglich umgesetzt. Die entsprechenden Dateien
können unter http://www.gb.bv.tum.de/ geladen werden.
Mikropfähle sind sehr schlanke Bauteile, die mit heute zur In einer Fortsetzung der Forschung sollen die visko-
Verfügung stehenden hochfesten Stählen hinsichtlich der sen Eigenschaften sehr weicher bindiger Böden bei der
inneren Tragfähigkeit und, wenn sie in tragfähige Böden Modellbildung zur Beschreibung des Knickens genauer
einbinden und dort verpreßt werden, auch hinsichtlich berücksichtigt werden.
der Lastabtragung im Baugrund geeignet sind, sehr hohe
Lasten abzutragen. Wenn sie jedoch breiige und weiche Dank
Schichten durchfahren, besteht die Gefahr des Knickens, Dem Deutschen Institut für Bautechnik wird an dieser
wodurch die Tragfähigkeit begrenzt sein kann. Stelle für die Unterstützung der Forschungsarbeit gedankt,
Mit den gewonnenen Erfahrungen aus kleinmaßstäbli- ebenso der Fa. Keller Grundbau GmbH für die Ausstat-
chen Versuchsreihen wurde ein Versuchsstand aufgebaut, in tung des beschriebenen Feldversuchs.
dem es möglich war, 4 m lange Einzelpfähle einer Probebela-
stung zu unterziehen. Insgesamt wurden 4 Pfähle mit Boden- Literatur
stützung bis zum Pfahlversagen belastet und meßtechnisch
ausführlich dokumentiert. Dabei lag die undränierte Scherfe- [1] Pflüger, A.: Stabilitätsprobleme der Elastostatik, Dritte Auf-
stigkeit zwischen etwa 8 und 25 kN/m2. In Ergänzung wurde lage, Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York, 1964.
[2] Wenz, K. P.: Das Knicken von schlanken Pfählen in weichen
eine Probebelastung eines GEWI-Pfahls in situ durchgeführt.
bindigen Erdstoffen, Institut für Bodenmechanik und Felsme-
Die Versuchspfähle reagierten zunächst sehr steif, und es tra-
chanik der Universität Fridericiana in Karlsruhe, Heft 50, 1972.
ten kaum seitliche Verschiebungen auf. Das in allen Fällen [3] Meek, J. W.: Das Knicken von Verpreßpfählen mit kleinen
erreichte Pfahlversagen kündigte sich nicht an. Vielmehr trat Durchmessern in weichem, bindigem Boden, Bautechnik 73
es spontan auf, lange bevor die vollplastischen Normalkräfte (1996), H. 3.
der Querschnitte erreicht waren. Nach dem Erreichen der [4] Ostermayer H., Gollup P.: Baugrube Karstadt in Rosen-
maximal aufnehmbaren Pfahlnormalkraft vergrößerten sich heim, Vorträge der Baugrundtagung 1996 in Berlin, Deutsche
die seitlichen Auslenkungen der Pfahlachse deutlich. Auch Gesellschaft für Geotechnik e. V., 1996.
für stark reduzierte Belastung konnte keine Gleichgewichts- [5] Randolph, M. F., Houlsby, G. T.: The limiting pressure on a
lage mehr gefunden werden. Nachdem die Pfähle ausgebaut circular pile loaded laterally in cohesive soil, Geotechnique,
worden waren, konnte festgestellt werden, daß die Alumi- Vol. 34 (1984), No. 4.
[6] Brandtzaeg, A., Harboe, E.: Buckling tests of slender piles in
niumprofile keine bleibende Verformung erlitten hatten. Bei
soft quick clay; Proc. of the fourth Intern. Conference on Soil
allen Versuchen knickten die Pfähle mit Knickfiguren, deren
Mechanics and Foundation Engineering, London 1957, Vol.
Halbwellen deutlich kürzer waren als die Pfahllänge. II, p. 19, 1957.
Es wurde ein Rechenverfahren erarbeitet, mit welchem [7] Schmiedel, U.: Seitendruck auf Pfähle, Bauingenieur 59
alle wesentlichen Effekte, die in den Versuchen auftraten, zu (1984), S. 61–66.
erfassen sind. Die seitliche Bodenstützung des Pfahls wird
darin mit einer bilinearen Mobilisierungsfunktion beschrie- Autoren dieses Beitrages:
ben, bei welcher eine maximale Bodenreaktion, die das Um- Prof. Dr.-Ing. Norbert Vogt, Dipl.-Ing. Stefan Vogt, Dipl.-Ing. Christian Kellner,
fließen des Bodens um den Pfahl charakterisiert, erfaßt wird. Zentrum Geotechnik der TU München, Baumbachstraße 7, 81245 München

Bautechnik 82 (2005), Heft 12 901

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